Onkologie - die Tumorerkrankungen des Menschen. Band 2 Band 2 Onkologie - Die Tumorerkrankungen des Menschen: Oganspezifische Tumore: Ursachen, Stadien und Therapien [2., vollständig überarbeitet Auflage] 9783110759570, 9783110759501

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Onkologie - die Tumorerkrankungen des Menschen. Band 2 Band 2 Onkologie - Die Tumorerkrankungen des Menschen: Oganspezifische Tumore: Ursachen, Stadien und Therapien [2., vollständig überarbeitet Auflage]
 9783110759570, 9783110759501

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren von Tumorerkrankungen der einzelnen Organe
8.1 Kriterien für Klassifikationen des Tumors, von Risiken, des Allgemeinzustandes, von Operationen und Prozeduren, Therapieerfolgen, Verlaufskontrollen und Leitlinien
8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)
8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)
8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)
8.5 Bösartige Neubildungen der Harnorgane (ICD10: C64–C68)
8.6 Bösartige Neubildungen der Epithelien des Kopfes und Halses (CD10: C00–C14)
8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)
8.8 Bösartige Neubildungen der Lunge und Mesotheliome des Pleuraendothels (ICD10: C30–C39)
8.9 Bösartige Neubildungen des Knochens und des Gelenkknorpels (ICD10: C40–C41)
8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)
8.11 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49)
8.12 Bösartige Neubildungen des Auges, des Gehirns und sonstiger Teile des Nervensystems (ICD10: C69–C72)
8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)
8.14 Tumoren mit unbekannten Primärtumoren/ CUP/Cancer of unknown Primaries
8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes (ICD10: C81–C96)
Schlussbemerkung und Haftungsausschluss
Sachregister
Über den Autor

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Hans-Harald Sedlacek Onkologie – die Tumorerkrankungen des Menschen, 2. Auflage Band 2

Hans-Harald Sedlacek

Onkologie – die Tumorerkrankungen des Menschen Band 2 Organspezifische Tumore: Ursachen, Stadien und Therapien

2., vollständig überarbeitete Auflage

Autor Prof. Dr. Hans-Harald Sedlacek Sonnenhang 3 35041 Marburg E-Mail: [email protected]

Das Buch enthält 331 Tabellen.

ISBN: 978-3-11-075950-1 e-ISBN (PDF): 978-3-11-075957-0 e-ISBN (EPUB): 978-3-11-075960-0 Library of Congress Control Number: 2021942524 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Der Verlag hat für die Wiedergabe aller in diesem Buch enthaltenen Informationen mit den Autoren große Mühe darauf verwandt, diese Angaben genau entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abzudrucken. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Die Wiedergabe der Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dergleichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um gesetzlich geschützte, eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Design Cells / iStock / Getty Images Plus Satz/Datenkonvertierung: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort Dieses Buch informiert Ärzte und in Heilberufen Tätige über die Hintergründe einer Tumorerkrankung, über die jeweiligen Tumorarten sowie über die Möglichkeiten von pharmakologischen und begleitenden Tumortherapieverfahren. Es beschreibt umfassend mit Hilfe von schlagwortartigen Sätzen und zahlreichen Tabellen das aktuelle Wissen über • die biochemischen und molekularbiologischen Grundlagen der zellulären Signalwege, der Zellvermehrung, der Reparatur von Zellschäden sowie des kontrollierten Zelltodes, • die Entstehung von Tumoren durch Viren und Umweltgifte, • das Wachstum von Tumoren und ihre Metastasierung und die Rolle von Mutationen und epigenetischen Einflüssen, • die körpereigene immunologische Wachstumskontrolle von Tumoren und deren Möglichkeiten, sich dieser Kontrolle zu entziehen, • die Möglichkeiten der Chemotherapie mit Zytostatika, Hormonen und Hormonantagonisten und Kinase-Inhibitoren wie auch der Immuntherapie mit Antikörperprodukten, Lymphozyten, Zytokinen, Impfstoffen und Immunmodulatoren • die Entwicklung von Resistenzen gegen jegliche Art der Tumortherapie, • jeden einzelnen Tumortyp sowohl in Bezug auf Vorkommen, Ursachen, Risiken (einschließlich der beteiligten Onkogene und/oder mutierten Tumorsuppressoren und ggf. weiteren pathophysiologischen Eigenheiten) als auch dessen Formen, Entwicklungsstadien und Klassifikationen und die davon abhängigen Therapiemöglichkeiten und Prognosen. Die diesem Wissen zugrundeliegende und weiterführende Literatur ist jedem Kapitel am Ende angefügt. Mit der vorliegenden eingehend überarbeiteten 2. Auflage wurden alle wesentlichen neuen Aspekte und Forschungsergebnisse in der Onkologie berücksichtigt. Die Hoffnung ist, dass dieses Buch durch seine • prägnante Darstellung, • schnelle Informationsmöglichkeit einschließlich seines Schlagwortregisters und • große Informationsbreite dem klinisch tätigen Arzt, anderen in Heilberufen Tätigen wie auch dem informierten Laien eine gute Hilfe sein kann. Marburg, Juli 2021

https://doi.org/10.1515/9783110759570-201

Hans Harald Sedlacek

Inhalt 8 8.1

8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.1.4 8.1.5 8.1.6 8.1.7 8.2 8.2.1 8.2.2 8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.3.4 8.3.5 8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3 8.5 8.5.1 8.5.2 8.6 8.6.1 8.6.2 8.6.3 8.7 8.7.1 8.7.2 8.7.3 8.7.4 8.7.5

Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren von Tumorerkrankungen der einzelnen Organe 1 Kriterien für Klassifikationen des Tumors, von Risiken, des Allgemeinzustandes, von Operationen und Prozeduren, Therapieerfolgen, Verlaufskontrollen und Leitlinien 1 Tumorklassifikationen 1 Beurteilung von Tumor-Risiken 5 Beurteilung des Allgemeinzustandes des Patienten 6 Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 7 Beurteilung von Therapieerfolgen 8 Verlaufskontrolle mit Tumormarkern 9 Leitlinien für die Diagnose und Therapie 13 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50) 15 Weibliche Brust 15 Männliche Brust 71 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58) 78 Eierstock (Ovar) 78 Gebärmutter 97 Muttermund (Zervix) 123 Scheide/Vagina 143 Äußeres weibliches Genitale/Vulva 160 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane 175 (ICD10: C60–C63) 175 Hoden 196 Prostata 217 Penis 225 Bösartige Neubildungen der Harnorgane (ICD10: C64–C68) 225 Niere, Nierenbecken und Harnleiter 242 Harnblase und Harnröhre Bösartige Neubildungen der Epithelien des Kopfes und Halses 262 (CD10: C00–C14) Lippen, Mundhöhle, Pharynx, Nasenhöhle, Larynx, Speicheldrüsen 283 Zahnanlagen 287 Speiseröhre/Ösophagus Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26) 304 Magen 321 Dünndarm 327 Dickdarm, Enddarm 357 Anus 366 Leber

262

304

VIII 8.7.6 8.7.7 8.8 8.8.1 8.8.2 8.8.2 8.9 8.10 8.10.1 8.10.2 8.10.3 8.10.4 8.11 8.11.1 8.11.2 8.11.3 8.11.4 8.11.5 8.11.6 8.12 8.12.1 8.12.2 8.12.3 8.12.4 8.12.5 8.12.6 8.13 8.13.1 8.13.2 8.13.3 8.13.4 8.13.5 8.13.6 8.13.7 8.14

Inhalt

Gallengänge/Gallenwege und Gallenblase 379 Bauchspeicheldrüse 393 Bösartige Neubildungen der Lunge und Mesotheliome des Pleuraendothels (ICD10: C30–C39) 405 Klassifikation der malignen Lungentumore 405 Kleinzellige (SCLC) und Nicht-Kleinzellige (NSCLC) Lungen (Bronchial-)Karzinome 408 Mesotheliome (Lunge/Pleura) 435 Bösartige Neubildungen des Knochens und des Gelenkknorpels (ICD10: C40–C41) 443 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44) 456 Melanome 456 Nicht-melanozytärer Hautkrebs (Aktinische Keratosen, Plattenepithelkarzinome, Basalzellkarzinome) 477 Merkel-Zell-Karzinome 496 Übrige maligne Tumoren der Haut 505 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49) 506 Sarkome der Muskel-, Fett-, Bindegewebs- und Gefäßzellen und Tumoren des peripheren neuralen und perineuralen Gewebes 507 Gastrointestinale Stromatumoren 527 Ewing-Sarkome 542 Uterussarkome 543 Kaposi-Sarkome 554 Tumoren des Peritonealepithels (Peritoneal-Mesotheliome) 564 Bösartige Neubildungen des Auges, des Gehirns und sonstiger Teile des Nervensystems (ICD10: C69–C72) 565 Tumoren des ZNS/Zentralen Nervensystems 565 Neuroepitheliale Tumoren (Gliome, Ependymome, neurale Tumore, Plexus-und Pinealis-Tumore, embryonale Tumore) 573 Nicht-neuroepitheliale Tumoren 586 Metastasen extrazerebraler Tumoren 600 Tumoren des PNS/peripheren Nervensystems 604 Periphere neurale Neuroendokrine Tumoren/periphere neurale NET 610 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET) 629 Übersicht (Vorkommen, Klassifikation, Diagnostik, Risikofaktoren und Prognose) 629 Neuroendokrine Tumoren der Lunge 637 Neuroendokrine Tumore des Gastrointestinaltraktes 641 Pankreatische NET/Tumoren der Pankreasinseln 666 Schilddrüsenkarzinome 672 Nebenschilddrüsenkarzinom 682 Nebennierenrindenkarzinom 687 Tumoren mit unbekannten Primärtumoren/CUP/Cancer of unknown 693 Primaries

Inhalt

8.15 8.15.1 8.15.2 8.15.3 8.15.4 8.15.5 8.15.6 8.15.7 8.15.8 8.15.9 8.15.10 8.15.11 8.15.12 8.15.13 8.15.14 8.15.15 8.15.16

Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes (ICD10: 698 C81–C96) 698 Übersicht 703 MDS/Myelo-Dysplastische Syndrome 713 Akute Leukämien 747 Chronische Lymphozyten-Leukämien 784 Myeloproliferative Neoplasien (MPN) 854 Myelome/Plasmazelltumore 869 HL/Hodgkin-Lymphome 881 NHL/Non-Hodgkin-Lymphome 893 B-Zell-Lymphome 940 PTCL/Periphere T-Zell-Lymphome 948 PTLD/Posttransplantations-lymphoproliferative Erkrankung 949 Echte histiozytäre Lymphome 949 Primäre Effusions-Lymphome 949 Lymphome der Haut 959 PCNSL/Primäre ZNS-Lymphome 962 Primäre Lymphome des Gastrointestinaltraktes

Schlussbemerkung und Haftungsausschluss

Sachregister

Über den Autor

969

971

1003

Die Kapitel 1–7 finden Sie in Onkologie – die Tumorerkrankungen des Menschen, Band 1: Entstehung, Wachstum, Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten, ISBN 978-3-11-064787-7.

Inhalt Band 1 1 2 3 4 5 6 7

IX

Der Begriff Tumor 1 19 Häufigkeiten von Tumorerkrankungen 47 Regelkreise der Wachstumskontrolle normaler Zellen 255 Krebsentstehung (Karzinogenese) 427 Wachstum von Tumoren 485 Kontrolle des Tumorwachstums durch das Immunsystem 649 Grundzüge der Tumortherapie

X

Inhalt

Schlussbemerkung und Haftungsausschluss Sachregister Über den Autor

849 883

847

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren von Tumorerkrankungen der einzelnen Organe 8.1 Kriterien für Klassifikationen des Tumors, von Risiken, des Allgemeinzustandes, von Operationen und Prozeduren, Therapieerfolgen, Verlaufskontrollen und Leitlinien Für Tumorerkrankungen wird, ähnlich wie für andere Erkrankungen, von wissenschaftlichen Gesellschaften und nationalen und internationalen Gesundheitsbehörden das jeweilige Wissen fortlaufend auf den neuesten Stand gehalten. Hierzu und zur gegenseitigen Verständigung dienen die Klassifikationen von Tumoren, die Parameter zur Feststellung des Allgemeinzustandes von Patienten, von Operationen und Prozeduren sowie der Beurteilung von Therapieerfolgen, Risiken und die Leitlinien für die Diagnostik und Therapie.

8.1.1 Tumorklassifikationen •

Die Organzugehörigkeit der Tumore wird untergliedert gemäß der ICD-WHO: „International Classification of Diseases“; diese ist ein von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenes Handbuch aller anerkannten Krankheiten und Diagnosen, – die ICD10 (10. Fassung der ICD) stellt die aktuelle Fassung der internationalen Klassifikation von Erkrankungen dar. ▪ die deutsche Fassung, der ICD10 SGBV (ICD10-Sozialgesetzbuch Nr. 5) bzw. ICD10 GM2020 (ICD10-German Modification Version 2020) werden als Schlüssel unter anderem auch zur Angabe von Diagnosen zur Abrechnung mit den Krankenkassen verwendet; ▪ jeder ICD-Klasse ist ein bis zu fünfstelliger Schlüssel zugeordnet. Die ersten drei Stellen ergeben eine grobe Bezeichnung der Diagnose; – Tumoren sind im ICD10-Kapitel II aufgeführt unter (siehe Tab. 8.1) ▪ C00 bis C97 für bösartige Neubildungen, ▪ D00 bis D09 für in situ Neubildungen, ▪ D10 bis D36 gutartige Neubildungen, ▪ D37 bis D48 Neubildungen unsicheren oder unbekannten Verhaltens, – ICD-O-3 (ICO-Onkologie, 3. Fassung 2003/2010) ist von der ICD10 abgeleitet und berücksichtigt die besonderen Gegebenheiten in der Onkologie (Topografie, Histologie und Verlauf).

https://doi.org/10.1515/9783110759570-001

2

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.1: Internationale Klassifikation der Tumorerkrankungen (ICD10 International Classification of Diseases“, GM2020 German Modification Version 2020). C00–C97

Bösartige Neubildungen

C00–C75

bösartige Neubildungen an genau bezeichneten Lokalisationen, als primär festgestellt oder vermutet, ausgenommen lymphatisches, blutbildendes und verwandtes Gewebe C00–C14

bösartige Neubildungen der Lippe, der Mundhöhle und des Pharynx

C15–C26

bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane

C30–C39

bösartige Neubildungen der Atmungsorgane und sonstiger intrathorakaler Organe

C40–C41

bösartige Neubildungen des Knochens und des Gelenkknorpels

C43-C44

Melanom und sonstige bösartige Neubildungen der Haut

C45–C49

bösartige Neubildungen des mesothelialen Gewebes und des Weichteilgewebes

C50–C50

bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma)

C51-C58

bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane

C60–C63

bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane

C64-C68

bösartige Neubildungen der Harnorgane

C69-C72

bösartige Neubildungen des Auges, des Gehirns und sonstiger Teile des Nervensystems

C73-C75

bösartige Neubildungen der Schilddrüse und sonstiger endokriner Drüsen

C76-C80

bösartige Neubildungen ungenau bezeichneter, sekundärer und nicht näher bezeichneter Lokalisationen

C81-C96

bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden und verwandten Gewebes, als primär festgestellt und vermutet

C97-C97

bösartige Neubildungen als Primärtumoren an mehreren Lokalisationen

D00–D09

In-situ-Neubildungen

D10–D36

gutartige Neubildungen

D37-D48

Neubildungen unsicheren oder unbekannten Verhaltens

8.1 Kriterien für Klassifikationen des Tumors

3

Die Tumorausdehnung wird vorwiegend bestimmt: – durch die TNM-Klassifikation (siehe Kap. 5.1.3). Die Einstufung einer Tumorerkrankung gemäß der TNM-Klassifikation (siehe Tab. 8.2) erlaubt prognostische Aussagen und ist eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für die Auswahl der weiteren therapeutischen Verfahren; Präfix gesetzte Buchstaben bezeichnen: ▪ c: klinisch (Befunderhebung durch klinische Untersuchung und bildgebende Verfahren), ▪ r: Rezidiv, ▪ y: Zustand nach Therapie, ▪ a: Autopsie, ▪ p: pathologische Befundung, – durch die Einteilung in Entwicklungsstadien des Tumors, das sogenannte Staging (siehe Tab. 8.3);



Tab. 8.2: Ermittlung der Ausdehnung einer Tumorerkrankung.

TNM-Klassifikation

Sicherheit der Einstufung

Präfix: c = klinisch; r = Rezidiv; y = Zustand nach Therapie; a = Autopsie; p = pathologische Befundung

C1

0

kein Anzeichen eines Primärtumors (z. B. bei erfolgreicher neoadjuvanter Chemotherapie vor der Operation) primäre Tumor ist unbekannt (CUP/Cancer of Unknown Primary)

is 1 T 2 3

Tumor in situ; Karzinom hat die Basalmembran noch nicht infiltriert Tumor ist in der Regel auf das Ursprungsorgan begrenzt

größte Tumorausdehnung höchstens 2 cm größte Tumorausdehnung mehr als 2 cm, aber höchstens 5 cm

Tumor hat die Organgrenze überschritten

X

keine Aussage über den Primärtumor möglich

1 2

kein Lymphknotenbefall regionaler Lymphknotenbefall (oft Beschränkung auf Wächterlymphknoten)

vereinzelter Lymphknotenbefall verstärkter Lymphknotenbefall

N 3 X

Befall entfernter Lymphknoten oder in großer Ausdehnung befallenen Lymphknoten

Angabe der befallenen/ untersuchten Lymphknoten (z. B. 3/10)

keine Aussage über Lymphknotenbefall möglich S = Sentinel Lymphknoten; i = immunhistologische Untersuchung; mol. = molekulargenetische Untersuchung

M

0

C2

größte Tumorausdehnung mehr als 5 cm

4

0

allgemeine klinische Untersuchung, Ultraschalldiagnostik Röntgenbefund etc.

kein Anzeichen von Fernmetastasen

spezielle Untersuchungen ComputerTomografie, Kernspintomografie

C3

chirurgische Exploration, Biopsie, Zytologie

4

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Sicherheit der Einstufung

TNM-Klassifikation

M

1

Fernmetastasen nachweisbar

PUL für Lunge, OSS für Knochen, HEP für Leber, BRA für Gehirn, LYM für Lymphknoten, MAR für Knochenmark, PLE für Pleura, PER für Peritoneum, ADR für Nebenniere, SKI für Haut und OTH für andere Lokalisationen

C4 chirurgischer Eingriff, Histopathologie

Suffix: m = multiple Tumoren; is = Carcinoma in situ; cy = zytologisch; is = isolierte Tumorzellen 1 2 G

3 4

gut differenziert, wenig Mitosen mäßig differenziert

Differenzierungsgrad der Tumorzellen

schlecht differenziert, viele Mitosen

keine Beurteilung möglich

0

nicht vorhanden

1 2

nur histologisch am Resektionsrand nachweisbar Tumorreste nach Behandlung

makroskopisch sichtbar (2a) histologisch gesichert (2b)

X 0 L 1 0 V

1

keine Beurteilung möglich Invasion in Lymphgefäße

keine Anzeichen

Invasion in Venen

Keine Anzeichen

ja

mikroskopischer Hinweis

2 0 Pn 1

Autopsie und Histopathologie

anaplastisch

X

R

C5

makroskopischer Hinweis Invasion in das perineurale Gewebe

keine Anzeichen ja

Tab. 8.3: Einteilung der Entwicklungsstadien eines Tumors. Infiltration der Tumorzellen/Wachstum des Tumors Stadium

Örtlich begrenzt

Beschreibung

Basalmembran

0

ja

Carcinoma in situ

nein

1

ja

lokalisiert auf ein Organ/einen Teil des Körpers

2

ja

Tumor mit größerer Ausdehnung

Ursprungsorgan

Nachbarorgane

Gesamtkörper

ja

ja

nein

nein

ja

ja

nein

nein

5

8.1 Kriterien für Klassifikationen des Tumors

Infiltration der Tumorzellen/Wachstum des Tumors



Stadium

Örtlich begrenzt

Beschreibung

3

ja

4

nein

Basalmembran

Ursprungsorgan

Nachbarorgane

Gesamtkörper

Tumor mit erheblicher Ausdehnung

ja

ja

ja

fraglich

Tumor hat metastasiert bzw. sich im Körper ausgebreitet

ja

ja

ja

ja

das Ausmaß von Entzündungserscheinungen scheint ein weiterer prognostischer Parameter für die Klassifikation von Tumoren zu sein. Chronische Entzündungsreaktionen im Bereich eines Tumors – können besonders über die beteiligten TAMs/Tumor Assoziierten Makrophagen das Tumorwachstum stimulieren durch ▪ pro-angiogene Wachstumsfaktoren, ▪ Matrix-Proteasen, ▪ immunsuppressive Mediatoren (Prostaglandine) und Zytokine (z. B. IL-10), – können andererseits Anzeichen für eine immunologische Tumorabwehr sein (siehe Kap. 6).

8.1.2 Beurteilung von Tumor-Risiken Unterschieden werden: • die Hazard Rate (Gefahrenrate); sie bezeichnet die Ereignisdichte, geschätzt als Anzahl der Ereignisse bezogen auf eine bestimmte Anzahl von Personen in einer gegebenen Zeit, • die Hazard Ratio (HR); sie gibt das Verhältnis der Gefahrenrate zweier Vergleichsgruppen an; – HR < 1,0 bedeutet, dass die Prüfgruppe eine geringere Ereignisdichte/Gefahrenrate hat als die Kontrollgruppe, – HR ~ 1,0 bedeutet, dass kein Unterschied besteht zwischen der Prüfgruppe und der Kontrollgruppe, – HR > 1,0 zeigt an, dass die Prüfgruppe eine höhere Ereignisdichte hat als die Kontrollgruppe; • das relative Risiko (RR); es gibt die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Tumorerkrankung in einer ausgewählten, mit einem Ereignis belasteten Gruppe im Vergleich zu einer Kontrollgruppe an: – RR < 1,0 (N1) bedeutet, das Risiko ist N1-fach kleiner als in der Kontrollgruppe, – RR ~ 1,0 bedeutet, das Risiko ist gleich wie in der Kontrollgruppe, – RR > 1,0 (N2) bedeutet, das Risiko ist N2-fach größer als in der Kontrollgruppe; • die Odds Ratio (OR); sie ist das Zusammenhangsmaß von Abhängigkeiten. Odds ist der Quotient aus den Wahrscheinlichkeiten des Eintritts (Wahrscheinlichkeit) und des

6

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Nichteintritts (Gegenwahrscheinlichkeit) eines Ereignisses. Die Odds-Ratio ist das Verhältnis der Odds zweier Ereignisse: – OR < 1,0 bedeutet eine negative Abhängigkeit, – OR ~ 1,0 bedeutet keine Abhängigkeit, – OR > 1,0 bedeutet eine positive Abhängigkeit.

8.1.3 Beurteilung des Allgemeinzustandes des Patienten Der Allgemeinzustand des Patienten wird gemäß dem Karnofsky-Index (KPSI/Karnofsky Performance Scale Index) oder dem ECOG/Eastern Cooperative Oncology Group-Index beurteilt (siehe Tab. 8.4). Die Erfassung des Allgemeinzustandes dient der Abschätzung der Prognose und der Festlegung des therapeutischen Verfahrens. Tab. 8.4: Bestimmung des Allgemeinzustandes des Patienten.

Arbeitsfähigkeit

Körperliche Aktivität

100 %

100 %

SelbstänPflege Tumorbedige und schwerden/ LebensUnterSymptome führung stützung

Bettlägerig

Andauernde Pflege und medizinische Hilfe

– (nein)

– (nein)

– (nein)

– (nein)

100 %

ECOGIndex

KarnofskyIndex

100 % 0

~ 90 %

~ 90 %

100 %

+ (gering)

– (nein)

– (nein)

– (nein)

< 50 %

< 50 %

100 %

++ (deutlich)

– (nein)

– (nein)

– (nein)

1

80 %

++ (gering)

100 %

+++ (deutlich)

– (nein)

– (nein)

– (nein)

1

70 %

+ (gering)

< 80 %

+++ (deutlich)

+ (ja)

+ (< 50 %)

– (nein)

2

60 %

± (gering)

< 30 %

+++ (deutlich)

++ (< 70 %)

++ (> 50 %)

+ (ja)

2

50 %

+++ (deutlich)

+++ (> 70 %)

+++ (50 %)

++ (ja)

3

40 %

+++ (ja)

3

30 %

Hospitalisierung

4

20 %

moribund

4

10 %

5

0

– (nein)

– (nein)

– (nein)

+++ (deutlich)

tot

100 %

100 %

90 %

8.1 Kriterien für Klassifikationen des Tumors

7

8.1.4 Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) Der OPS dient zur Standardisierung und zur Kodierung von diagnostischen, prophylaktischen und therapeutischen Maßnahmen beispielsweise im Sinne des ICD10-Sozialgesetzbuches V (siehe Tab. 8.5). Tab. 8.5: Übersicht über den Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS, Version 2011). Kapitel

1

3

Gruppen

10–99

03–99

diagnostische Maßnahmen

bildgebende Diagnostik

5

01–99

Operationen

6

00

Medikamente

8

01–99

nichtoperative therapeutische Maßnahmen

9

20–99

ergänzende Maßnahmen

10–19

klinische Untersuchung

20–33

Untersuchung einzelner Körpersysteme

40–49

Biopsie ohne Inzision

50–58

Biopsie durch Inzision

61–69

diagnostische Endoskopie

70–79

Funktionstests

84–85

explorative diagnostische Maßnahmen

90–99

andere diagnostische Maßnahmen

03–05

Ultraschalluntersuchungen

10–13

Projektionsradiografie

20–26

Computer-Tomografie (CT)

30

optische Verfahren

60–69

Darstellung des Gefäßsystems

70–76

nuklearmedizinische diagnostische Verfahren

80–84

Magnetresonanztomografie

90

andere bildgebende Verfahren

99

Zusatzinformationen zu bildgebenden Verfahren

01–99

Operationen an den unterschiedlichen Organen Applikationen von Medikamenten

52–54

Strahlentherapie, nuklearmedizinische Therapie und Chemotherapie

90–91

Anästhesie und Schmerztherapie

40–41

psychosoziale, psychosomatische, neuropsychologische und psychotherapeutische Therapie

50

präventive Maßnahmen

60–64

Behandlung bei psychischen und psychosomatischen Störungen und Verhaltensstörungen bei Erwachsenen

60–69

Behandlung bei psychischen und psychosomatischen Störungen und Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen

8

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

8.1.5 Beurteilung von Therapieerfolgen Für die Erfassung des Therapieerfolges gelten als wichtigste Parameter: • die Verlängerung der Überlebenszeit, • und mit dieser meist direkt verbunden als Ersatzparameter: – die Abnahme des Tumorvolumens, – die Stabilisierung des Tumorvolumens. Standardisierte Verfahren wurden entwickelt zur Ermittlung der Tumormasse eines Patienten (siehe Kap. 5.1.3). Zur Erfassung eines Tumorvolumens wird: • der kleinste Durchmesser bestimmt bei Tumoren in Lymphknoten (nodale Tumoren), • der größte Durchmesser (LD/Large Diameter) bestimmt bei nichtnodalen Tumoren. Die Messung erfolgt auf nicht invasivem Wege z. B. mit folgenden Geräten und Methoden (siehe Kap. 5.1.3): • Schublehre oder einem ähnlichen Messinstrument per Hand bei oberflächlich gelegenen und damit frei zugänglichen Tumoren (z. B. Tumore der Haut); • Röntgenaufnahme, • Computer-Tomografie (CT, CT-Scan), • Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT, MR), ggf. unter Zurhilfenahme von Kontrastmitteln, • Positronen-Emissions-Tomografie (PET), • Positronen Emissions-Computer-Tomografie (PET kombiniert mit CT). Zu erfassen sind: • das Ausgangsvolumen der Tumormasse vor Behandlungsbeginn durch – Dokumentation aller Tumorknoten, – Messung der größten Tumorknoten (Ziel-Läsionen): ▪ maximal 5 Tumorknoten pro Organ, ▪ maximal 10 Tumorknoten insgesamt, ▪ Ermittlung der Summe aller gemessenen größten Durchmesser der Tumorknoten (Ausgangs-LD-Wert), – Ermittlung zumindest des Wachstumsverlaufes der kleineren Tumorknoten (Nicht-Zielläsionen), • die Veränderungen des Ausgangsvolumens der Tumormasse durch Messung der Tumorknoten in Abständen von 6–8 Wochen über den Zeitraum der Tumortherapie (je nach Prüfprotokoll); • gesondert erfasst wird das Wachstum von Tumoren: – in Körperhöhlen, karzinomatöse Ergüsse, ▪ in Pleura, ▪ Peritoneum (karzinomatöse Aszites), ▪ Perikard, – in Lymphgefäßen (karzinomatöse Lymphangiose),

9

8.1 Kriterien für Klassifikationen des Tumors

– –

leptomengial, inflammatorische Karzinomatose (Mammakarzinom).

Entsprechend dem Messergebnis werden die Tumorveränderungen im Vergleich zu einem ermittelten Ausgangswert unterteilt in (siehe Kap. 5.1.3, Tab. 8.6): • progressive Erkrankung (PD/Progressive Disease), • stabile Erkrankung (SD/Stable Disease; NC/No Change), • partielle Remission (PR/Partial Remission), • komplette Remission (CR/Complete Response).

Tab. 8.6: Messung des Behandlungserfolges.

Messmethoden

Hauttumore: längster Durchmesser

Schublehre

Verdächtig

Messbar

> 1 mm

> 2 mm

Lymphknoten: kurzer Durchmesser

CT, PET

> 10 mm

> 15 mm

Tumorknoten: längster Durchmesser

CT, PET

> 5 mm

> 10 mm

alle verschwunden

alle < 10 mm

alle verschwunden

keine

Rückgang um < 30 % (Summe aller Werte), keine einzelne Zunahme > 20 %

keine

> 10 mm

PD Progresssive Disease

> 10 mm

> 5 mm

CR Complete Response

> 10 mm

CT/MRT

CT, PET

Neue Metastasen

SD/NC Stable Disease/ No Change

– Knochen

Einzelmetastasen: längster Durchmesser

NichtZieltumoren

keine

> 20 mm

> 5 mm

Lymphknoten

Rückgang um > 30 % (Summe aller Werte)

– Thorax

CT, PET

ZielTumore

PR Partial Response

Röntgen, PET

konfluierende Metastasen: Gesamtdurchmesser

Behandlungserfolg

Zunahme um >20 % (Summe aller Werte) und um >5 mm (gegenüber dem niedrigsten bisherigen Messwert) ja

8.1.6 Verlaufskontrolle mit Tumormarkern Die Bestimmung von Tumormarkern im Serum kann die Differentialdiagnose und die Verlaufskontrolle einer Reihe von Tumorerkrankungen unterstützen (siehe Tab. 8.7).

10

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.7: Tumormarker zur Diagnose und Verlaufskontrolle von Tumorerkrankungen. Maligne Tumoren Tumormarker Erhöht bei Tumoren

Kombiniert mit (für Tumoren)

Erhöhung bei nichttumorösen Erkrankungen

Antikörper (freie L-Ketten kappa/lambda)

multiples Myelom, Leichtkettenmyelom

AFP (Alpha-FetoProtein)

Karzinom (primäres Leberkarzinom); Keimzellentumore

Aldosteron

Nebennierentumor (primärer Hyperaldosteronismus/ Conn-Syndrom)

β-HCG

Keimzellentumor (Ovar, nicht seminomatösen Hodentumor) Chorionkarzinom, Blasenmole

AFP (Keimzellentumor)

Schwangerschaft

β2Mikroglobulin

Leukämien, Lymphome, multiples Myelom, Karzinome (Pankreas, Leber)

Antikörper/freie Leichtketten (multiples Myelom)

Entzündungen (Infektionen, AIDS, Autoimmunerkrankungen, Hepatitis, Leberzirrhose)

CA 15–3 (CarcinomaAntigen Muc-1)

Karzinom (Mamma, Ovar)

CEA (Mammakarzinom)

Mastitis, Hepatitis, Pankreatitis, Cholangitis, Leberzirrhose, Niereninsuffizienz, Bronchitis

CA 19–9 (Glykoprotein)

Karzinome (Kolon, Rektum, Pankreas, Gallengang)

CEA

Pankreatitis, Cholangitis, Kolitis (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa), Menstruation; Schwangerschaft

CA 50

Karzinome (Magen, Kolon, Rektum, Pankreas, Gallengang)

CA 72–4

Karzinome (Magen, Ovar, Ösophagus, Pankreas)

CA 125 (Glykoprotein)

Karzinom (Ovar)

Calcitonin (hCT)

medulläres Schilddrüsenkarzinom

Amyloidose

β-HCG (Keimzellentumor)

Hepatitis, Leberzirrhose, Schwangerschaft NNR-Hyperplasie, CushingSyndrom, Niereninsuffizienz, Nierenarterienstenose, renal-tubuläre Azidose

Entzündungen (Magen-Darm, andere), Leberzhirrose CEA (Magenkarzinom), CA125 (Ovarialkarzinom)

selten: Entzündungen (MagenDarm, Lunge, Ovar)

CA 72–4

Entzündungen (Adnexitis, Peritonitis, Pankreatitis, Cholecystitis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa) Leberzirrhose, Endometriose, Schwangerschaft Hyperplasie der C-Zellen, Niereninsuffizienz

8.1 Kriterien für Klassifikationen des Tumors

11

Maligne Tumoren Tumormarker Erhöht bei Tumoren

Kombiniert mit (für Tumoren)

Erhöhung bei nichttumorösen Erkrankungen

CEA (CarcinoEmbryonales Antigen)

Karzinome (Ösophagus, Magen, Kolon, Rektum, Pankreas, Leber, Gallenwege, Mamma, Uterus, Zervix, Lunge, Schilddrüse, Prostata, Harnblase, Kopf und Hals), Melanome

Chromogranin A

Neuroendokrine Tumoren

Cyfra 21–1 (Cytokeratinfragment)

Karzinome (Lunge/Non Small Cell Lung Ca/NSCLC; Lunge/ Small Cell Lung Ca/SCLC); Harnblase)

C-Peptid (des Insulins)

Insulinom

insulinresistenter Diabetes mellitus Typ 2

Gastrin

Gastrinom

Ernährung (Proteine, Peptide), Konsum von Tabak, Alkohol, Kaffee

Katecholamine (Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin, Metanephrine, Homovanillinsäure, 5-Hydroxyindolyl-essigsäure)

Nervenzelltumoren (Phäochromozytom, Neuroblastom, Ganglioneurom, Melanoblastom); Karzinoide

Einnahme von MAO (Monoaminooxidase-) Hemmern

MUC1

Non Small Cell Lung Carcinoma/ NSCLC

Neopterin

Leukämien, Lymphome, Nierenkarzinom (Hypernephrom)

NMP 22 (Nukleäres Matrix Protein)

Karzinom (Harnblase)

NSE (NeuronSpezifische Enolase)

Karzinome (Lunge/Small Cell Lung Ca/SCLC); Neuroendokrine Tumore (besonders MagenDarm), seminomatöse Keimzellentumoren

Ostase (alkalische Phosphatase)

Knochentumoren, Knochenmetastasen

allen anderen Markern

Tabakkonsum, Leberzirrhose, Entzündungen (Pankreatitis, Colitis, Bronchitis) Lungenemphysem, postoperativ (bis zu 4 Wochen) Niereninsuffizienz

CEA (LungeNSCLC) NSE (LungeSCLC)

chronische Entzündungen (Sarkoidose, Lungenfibrose, Leberzirrhose, chronische Nierenerkrankungen) Endometriose

Entzündungen vom verzögerten Typ (aktivierte T-Lymphozyten)

CEA (Lunge/ SCLC)

Hirnschädigungen, Entzündungen (Lunge, Leber, Niere), Schwangerschaft mit Neuralrohrdefekt Entzündungen (Knochen, Leber, Gallengänge, Schilddrüse, Pankreas)

12

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Maligne Tumoren Tumormarker Erhöht bei Tumoren

Kombiniert mit (für Tumoren)

Erhöhung bei nichttumorösen Erkrankungen

p53Autoantikörper

zahlreiche Tumore (hohe Spezifität, aber geringe Sensitivität)

PAP (Prostataspezifische saure (Acid) Phosphatase)

Prostatakarzinom

Entzündungen oder mechanische Beeinflussung der Prostata

PLAP (PlazentareAlkalische Phosphatase)

Seminome (Keimzellen/ Spermatogonien-Tumoren)

Schwangerschaft; Tabakkonsum

Prolaktin

HypophysenvorderlappenTumor (Prolaktinom)

Hypothyreose, Hyperandrogenämie, Hyperkortisolismus (Morbus Cushing), Einnahme von Dopaminantagonisten, Intrauterinpessare; Schwangerschaft, Stress, Reizung der Mamille

PSA (ProstataSpezifisches Antigen; gebunden/ frei)

Prostatakarzinom

Entzündungen oder mechanische Beeinflussung der Prostata

S100-Protein (Soluble in ammonium sulfate at neutral pH)

neuroepitheliale Tumoren (Melanom, Gliom, Schwannom, Neuroblastom)

Hirnverletzungen; Entzündungen (Makrophagen, Dendritische Zellen, Knorpelzellen, Fettzellen)

SCC/Serpin B4 (Squamous Cell CarcinomaAntigen, SerinproteaseInhibitor)

Plattenepithelkarzinome (Zervix, Kopf-Hals-Bereich, Ösophagus, Lunge)

Entzündungen (Lunge, Leber)

STH (Somato-Tropes Hormon)

HypophysenvorderlappenTumoren

Hunger, Diabetes mellitus, Einnahme von Biperiden/ Anticholinergika

Thymidinkinase

Leukämien, Lymphome, Myelome, neuroepitheliale Tumoren (Liquor)

Folsäuremangel, Vitamin-B12Mangel, Virusinfektionen

8.1 Kriterien für Klassifikationen des Tumors

13

Maligne Tumoren Tumormarker Erhöht bei Tumoren

Kombiniert mit (für Tumoren)

Erhöhung bei nichttumorösen Erkrankungen

Schilddrüsenkarzinome (papillär, follikulär)

Struma

TPA/TPS

Karzinome (Lunge, Mamma, Ovar, Kolon, Pankreas, Harnblase)

Entzündungen (Pneumonie, Mastitis, Pankreatitis, Kolitis, Hepatitis, Infektionen), Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz

PKM2 (Pyruvat-Kinase M2)

Karzinome (Niere, Lunge, Mamma, Zervix, Ösophagus, Magen, Pankreas, Kolon und Rektum); Melanome

Thyreoglobulin

CEA, CA 19–9, CA 72–4

Schwangerschaft, Entzündungen

8.1.7 Leitlinien für die Diagnose und Therapie Die Leitlinien für die Diagnose und Therapie von Tumorerkrankungen (siehe Tab. 8.8): • stellen systematisch erstellte Entscheidungshilfen dar, – die eine angemessene tumorspezifische Vorgehensweise erlauben, welche ▪ wissenschaftlich begründet ist (evidenzbasiert), ▪ aus der ärztlichen Erfahrung abgeleitet werden kann (konsensbasiert) und ▪ umsetzbar (praktikabel) ist; – welche die Abschätzung von Nutzen und Schaden im Behandlungsfall ermöglichen, erlauben die Förderung der Qualität und Transparenz der medizinischen Versorgung, • indem sie – als Indikatoren für die Versorgungsqualität dienen, – treibende Kraft zur Verbesserung der medizinischen Behandlung darstellen; • sind nur wirksam: – bei einer hohen Akzeptanz durch Ärzte und Patienten. Diese ist umso mehr gewährleistet, je größer bei der Leitlinienerstellung folgende Punkte gewährleistet sind: ▪ die methodische medizinische Qualität, ▪ die Multidisziplinarität, ▪ die aktive Einbindung von Patienten; – bei einer Verbreitung (Disseminierung) und Umsetzung (Implementierung) im lokalen Umfeld ▪ nach einem definierten, aktiven Prozess und ▪ mit einer definierten Erfolgskontrolle.

14

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.8: Stufen (Klassen) für Leitlinien. Charakteristika

Legitimation

Entwicklergruppe

Systematische Evidenzbasierung

Strukturierte Konsensfindung

Wissenschaftliche Methode

Praktische Anwendung

Handlungsempfehlungen von Expertengruppe (informeller Konsens)

selektiert

– (nein)

– (nein)

+ (niedrig)

+ (gering)

S2-K

Konsensbasierte Leitlinien

repräsentativ

– (nein)

+ (ja)

+ (niedrig)

+++ (hoch)

S2-E

Evidenzbasierte Leitlinien

selektiert

+ (ja)

– nein

+++ (hoch)

+ (gering)

S3

Konsens- und Evidenzbasierte Leitlinien

repräsentativ

+ (ja)

+ (ja)

+++ (hoch)

+++ (hoch)

Klasse

S1

Typ

Zur besseren und schnellen Übersicht werden in den folgenden Kapiteln die wissenschaftlichen Daten zu den einzelnen Tumorarten organspezifisch und weitgehend tabellarisch aufgeführt und zwar gegliedert in: • Risikofaktoren, • Klassifikationen und Ausprägungen, • Diagnostik, • Therapiestrategien.

Weiterführende Literatur AJCC, American Joint Committee on Cancer, https://www.ajcce-staging.com/staging/view/cancerStage Allavena P, Sica A, Solinas G, Porta C, Mantovani A. The inflammatory micro-environment in tumor progression: The role of tumor-associated macrophages Critical Reviews in Oncology/Hematology 2008, 66: 1–9. American Cancer Society (http://www.cancer.org/cancer) Bast RC Jr, Badgwell D, Lu Z, Marquez R, Rosen D, Liu J, Baggerly KA, Atkinson EN, Skates S, Zhang Z, Lokshin A, Menon U, Jacobs I, Lu K. New tumor markers: CA125 and beyond. Int J Gynecol Cancer. 2005; 15 Suppl 3: 274–281. Cancer research UK (http://info.cancerresearchuk.org/cancerstats) Deutsche Krebs-Gesellschaft (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V., der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. und der Deutschen Krebshilfe e.V. Leitlinienprogramm Onkologie (OL): Union für die internationale Krebs-Kontrolle; http://www.uicc.org/programmes

15

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

DIMDI; ICD-O-3 Internationale Klassifikation der Krankheiten für die Onkologie, Dritte Revision 2003, http://epay.dimdi.de/product_info.php?cPath=21_25&products_id=57 DIMDI, ICD-10-GM Version 2020, https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm/ kode-suche/htmlgm2020/ Klassifikation der Differenzierung; http://www.uicc.org/tnm National Cancer Institute USA (http://www.cancer.gov/cancertopics) NHS, National Institute for Health and Clinical Excellence, NICE,2009, http://www.nice.org.uk Verger E, Salamero M, Conill C. Can Karnofsky Performance Status be transformed to the Eastern Cooperative Oncology Group Scoring Scale and vice-versa. European Journal of Cancer, 1992. 28A: 1328–1330. World Cancer research Fund (http://www.wcrf-uk.org) World Health Organisation/WHO International Agency for research on Cancer, Globocan (http://globocan.iarc.fr)

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50) 8.2.1 Weibliche Brust Vorkommen Mammakarzinome stellen die häufigsten malignen Tumore der Frauen dar (siehe Kap. 2). Weltweit (Jahr 2018; WHO, Globocan) • wird bei 2,09 Millionen Frauen/Jahr (Alters-standardisiert bei 46/100.000 Personen) erstmalig die Diagnose Brustkrebs gestellt, • sterben 0.63 Millionen Frauen (Alters-standardisiert 13/100.000 Personen) am Brustkrebs • liegt die Prävalenzrate bei etwa 14 % (1 von 7 Frauen). Hierbei sind die Erkrankungs- und Sterberate in den einzelnen Kontinenten und deren Ländern äußerst unterschiedlich (siehe Tab. 8.9)

Tab. 8.9: Inzidenz/Neuerkrankungen und Mortalität des Mammakarzinoms bei Frauen. Alterskorrigiert, WHO, Jahr 2008, pro 100.000 Frauen

Mortalität Deutschland (Jahr 2006)

Inzidenz

Mortalität

Altersgruppe

Absolut

Prozentual

gesamt

67

17

0–30

13

0,4

Deutschland

82

17

30–40

294

11

Belgien

109

21

40–50

1.176

13

Frankreich

100

18

50–60

2.489

14

UK

89

19

60–70

4.035

10

Italien

86

16

70–80

4.283

5

Schweden

79

15

> 80

4.996

2

Spanien

61

13

gesamt

17.286

Europa

16

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Alterskorrigiert, WHO, Jahr 2008, pro 100.000 Frauen Inzidenz

Mortalität

Australien

85

15

Neuseeland

89

19

Kanada

83

16

USA

76

15

gesamt

44

13

Uruguay

91

24

Argentinien

74

gesamt

Nordamerika

Mortalität Deutschland (Jahr 2006) Altersgruppe

Absolut

Prozentual

Mammakarzinomrisiko (2004–2006) derzeitiges Alter der Frau (Jahre)

Tumorwahrscheinlichkeit (innerhalb von 10 Jahren) in %

1 Fall von

20

0,006 %

1760

20

30

0,44 %

229

26

10

40

1,44 %

69

Singapur

60

14

50

2,39 %

42

Japan

43

9

60

3,40 %

29

Indien

23

11

70

3,73 %

27

China

22

6

Afrika

gesamt

28

16

bis 95 Jahre (gesamt)

12,08 %

8

Welt

gesamt

39

13

Südamerika

Asien

Deutschland weist eine relativ hohe Erkrankungsrate und Sterberate für das Mammakarzinom der Frau auf (siehe Tabelle 8.10), wobei • etwa 31 % aller Krebserkrankungen der Frau Mammakarzinome sind, • das mittlere Erkrankungsalter bei ca 64 Jahren liegt und • die Lebenszeitwahrscheinlichkeit für derzeit geborene Mädchen, an einem Mammakarzinom zu erkranken, bei etwa 8 % liegt.

Tab. 8.10: Mammakarzinom-Häufigkeit in Deutschland (RKI-2016). Parameter

Frauen

Männer

Verhältnis F/M

Neuerkrankungen

absolut

68.950

710

97 : 1

Erkrankungsrate (ESR)

Altersstandardisiert

112,2/ 100.000

1,1/100.000

102 : 1

Sterbefälle

absolut

18.570

166

112 : 1

Sterberate (ESR)

Altersstandardisiert

23,4/ 100.000

0,3/100.000

78 : 1

5 Jahres-Prävalenz

absolut

313.500

2.600

121 : 1

10 Jahres-Prävalenz

absolut

584.900

4.200

138 : 1

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

Parameter

Frauen

Männer

Verhältnis F/M

relative 5-Jahres-Überlebensrate

relativ

87 %

77 %

1,13 : 1

relative 10-Jahres-Überlebensrate

relativ

82 %

72 %

1,14 : 1

17

ESR = europäische Alter-standardisierte Rate; RKI = Robert-Koch-Institut

Mammakarzinome stellen keine einheitliche Erkrankung dar, sondern beinhalten eine Gruppe von Tumoren der Brustdrüse • mit unterschiedlicher histologischer Morphologie, molekularbiologischen Charakteristika, Malignität/Aggressivität und unterschiedlichem Ausbreitungsmuster, • welche als eigenständige Subtypen wie auch in Mischformen vorkommen können. Histologisch überwiegt das invasiv duktale Karzinom (NST/Nicht-Spezifischer Typ), gefolgt vom invasiven lobulären, dem tubulären, dem muzinösen und dem medullären Karzinom. Als Präkanzerosen gelten das DCIS/Duktale Carcinoma in situ und die ADH/Atypische Duktale Hyperplasie (ADH).

Risikofaktoren Die Risikofaktoren für die Entstehung des Mammakarzinoms der Frau können mit folgendem Anteil zugeordnet werden: • ca. 5 % den erblichen und genetischen Risikofaktoren, • ca. 30 % den beeinflussbaren Risikofaktoren, • ca. 65 % sind ohne Bezug zu einem derzeit bekannten Risikofaktor und • ca. 79 % dem Alter, denn Mammakarzinome treten nach dem 50. Lebensjahr auf, wobei das mittlere Erkrankungsalter in Deutschland bei etwa 64 Jahren liegt. Die erblichen/genetischen Risikofaktoren umfassen • mit hohem Risiko (siehe Tab. 8.11) – Keimbahnmutationen in den Genen für BRCA1-, BRCA2- , PALB2 oder RAD51C • mit mittlerem Risiko (siehe Tab. 8.11 und 8.12) – alle übrigen Keimbahnmutationen wie z. B. in den Genen für STK11 (Peutz-JeghersSyndrom), ATM (Ataxia teleangiectasia), PTEN (Cowden-Syndrom), CHEK-2 • aktivierende Mutationen von Proto-Onkogenen zu Onkogenen, wie z. B. (siehe Tab. 8.11): – Mutationen des Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor Typ 2 (FGFR-2), – Amplifikationen des ESR1 (Östrogen-Rezeptor-1, siehe Kap. 3.1.6.1), – Amplifikationen des NCOA3 (Nuclear Receptor Coactivator 3), • inaktivierende Mutationen von Tumorsuppressoren, welche beteiligt sind an (siehe Tab. 8.11): – der Zellkontakthemmung (E-Cadherin); – der Hemmung der zellulären Signalübertragung (PTEN, STK11);

18

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– – –



Mutationen von PTEN bewirken das Cowden-Syndrom (siehe Tab. 8.12); Mutationen von STK11 sind Ursache des Peutz-Jeghers-Syndroms (siehe Tab. 8.12); der Hemmung der Transkription von dem (den Zellzyklus über p21 inhibierende) Protein p53; – diese Mutationen bewirk Li-Fraumeni-Syndrom (siehe Tab. 8.12); – der Zellzykluskontrolle (CHK2); – der Reparatur von DNA-Schäden (BRCA-1, BRCA-2, NBR2, ATM, BRIP-1); – Mutationen von ATM bewirken die Ataxia Teleangiektasia (siehe Tab. 8.12), familiäre Belastungen (siehe Tab. 8.12) – Frauen, bei denen eine Verwandte ersten Grades ein Mammakarzinom aufwiesen, ▪ haben ein mehr als doppelt so hohes Risiko (Relatives Risiko/RR > 2,0) an Mammakarzinom zu erkranken als Normalpersonen, ▪ erkranken an einem Mammakarzinom jedoch nur in etwa 85 % der Fälle – Frauen, bei denen auf einer Seite der Familie vermehrt ein Mamma- oder ein Ovarialkarzinom, wie z. B. ▪ 3 Frauen mit Mammakarzinom, ▪ 2 Frauen mit Mammakarzinom, wobei mindestens eine Frau ≤ 50 Jahre mit Mammakarzinom, ▪ 2 Frauen mit Ovarialkarzinomen oder 1 Frau mit Mammakarzinom und 1 Frau mit Ovarialkarzinom ▪ 1 Frau mit Mamma oder Ovarialkarzinom und 1 Mann mit Mammakarzinom, ▪ 1 Frau mit Mamma- und Ovarialkarzinom oder 1 Frau ≤ 35 Jahre mit Mammakarzinom oder 1 Frau ≤ 50 Jahre mit bilateralem Mammakarzinom.

Hormonelle Risikofaktoren umfassen • den mütterlichen Östrogenspiegel – Linkshänder (embryonal geprägt wahrscheinlich durch den Östrogenspiegel im mütterlichen Blut) scheinen postmenopausal ein erhöhtes Risiko zu besitzen; • eine früh eintretende Menarche, – welche die Zeit der Lebenszeit-Östrogen-Exposition verlängert (siehe Tab. 8.13 und Tab. 8.14), • späte oder keine Schwangerschaft und kein Stillen (siehe Tab. 8.13 und Tab. 8.14) – Schwangerschaften reduzieren die Östrogen-Exposition durch Progesteron, – je früher im Lebensalter die Schwangerschaft stattfindet, umso geringer ist das Risiko. – pro Schwangerschaft wird das Risiko deutlich gesenkt, – Stillen vermindert das relative Risiko um etwa 0,04 pro 12 Monate Stillen; • der späte Eintritt in die Menopause (siehe Tab. 8.13 und Tab. 8.14) – bei Verzögerung des Eintritts der Menopause steigt das Risiko; – eine Verzögerung um 10 Jahre (55 Jahre statt 45 Jahre) führt zu einem etwa 30 %-ig erhöhten Risiko; • postmenopausal erhöhte Blut-Spiegel direkt oder indirekt tumorpromovierender Hormone; dieses gilt z. B. für – Östrogen oder Insulin (insulinresistenter Diabetes); – Prolaktin oder IGF1/Insulin like Growth Factor1

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)









19

Hormonale Kontrazeptiva (siehe Tab. 8.13 und Tab. 8.14) – führen, wenn überhaupt (die klinischen Daten sind nicht einheitlich), nur zu einer sehr geringen Erhöhung des Risikos in der Zeit der Einnahme und bis zu 10 Jahren nach deren Beendigung (siehe Tab. 8.14): ▪ denn es liegen Studien vor, in denen orale Kontrazeptiva eine protektive Wirkung hatten, ▪ denen stehen Studien gegenüber, in denen für orale Kontrazeptiva eine gering promovierende Wirkung nachgewiesen wurde, ▪ falls eine geringe Risikoerhöhung gegeben ist, scheint diese unabhängig zu sein von allen anderen genetischen, hormonalen und exogenen Risikofaktoren. Hormonsubstitution (siehe Tab. 8.13 und Tab. 8.14) – Östrogene steigern das Relative Risiko; ▪ in Kombination mit Progesteron wird dieses Risiko nochmals verstärkt, ▪ 5 Jahre nach Beendigung der Hormonsubstitution ist das relative Risiko wieder gleich wie bei Normalpersonen; – Progesteron alleine scheint das Risiko zu vermindern. Phytoöstrogene, mit der Nahrung aufgenommen, – scheinen dagegen das relative Risiko geringfügig zu vermindern; die Ergebnisse hierzu sind jedoch uneinheitlich; beispielsweise gibt es Hinweise, dass das RR reduziert wird durch: ▪ Isoflavone (RR: 0.67–0.99), ▪ Sojabohnen (RR: 0.59–0.95), Xenoöstrogene – nichtsteroidale hormonaktive Substanzen in Nahrungsmitteln und Umwelt (siehe Kap. 4.6.4.2) erhöhen gering und/oder nicht eindeutig reproduzierbar das relative Risiko; zu diesen Substanzen gehören z. B.: ▪ PAH/Polyzyklische Aromatische Hydrocarbonate, PCB/Poly-Chlorierte Biphenole, ▪ DDT, DDE, Nitrat-N, Aldrin, Endosulfanether, Lindan, ▪ HCB, TCDD (Dioxin), Oxychlordan, Nonachlor, Dieldrinmethoxychlor, Endosulfanether, ▪ Butylphenol, Hydroxybiphenol, Nonylphenol, Octylphenol, Butylbenzylphthalat, BHA, Bisphenol A;

Vermehrtes Körpergewicht, mangelnde körperliche Bewegung und Alkohol sind weitere Risikofaktoren (siehe Tab. 8.15) • der Einfluss eines erhöhten Körpergewichtes auf das Mammakarzinom ist abhängig von der Menopause, – bei prämenopausalen Frauen wird das relative Risiko vermindert (siehe Tab. 8.15), – bei postmenopausalen Frauen wird das relative Risiko erhöht, – das relative Risiko wird wahrscheinlich geringfügig erhöht durch ▪ durch eine erhöhte Fettaufnahme oder eine erhöhte Energieaufnahme, ▪ eine Verminderung des Vitamin D3-Spiegels;

20 •





8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

regelmäßige körperliche Bewegung – erniedrigt den Östrogenspiegel, – führt zu einer Erniedrigung des relativen Risikos; – ist besonders wirksam bei postmenopausalen Frauen; Alkohol erhöht dosisabhängig (≥ 45 g/Tag ≈ 2 Schoppen Wein/Tag) das relative Risiko (siehe Kap. 4.6.3.2 und Tab. 8.15); zu den Mechanismen zählen: – Metabolisierung zu Acetaldehyd und Bildung von Addukten mit der DNA mit DNA-Intrastrang- und Interstrang-Vernetzungen und G-zu-A-Transitionen bei A:TBasenpaaren, – Bildung von radikalen Sauerstoffmolekülen (ROS/Reactive Oxygen Species) durch die Metabolisierung von Acetaldehyd durch Xanthin-Oxidoreduktase und AldehydOxidase in den Drüsenzellen der Mamma; ROS bewirken in der DNA Deletionen und Einzelstrang- und Doppelstrangbrüche (siehe Kap. 4.6.5) wie auch eine Aktivierung von Metalloproteasen, welche die Metastasierung fördern (siehe Kap. 5.3), – Stimulation der Expression von Östrogen-Rezeptoren (ESR-1/α, siehe Kap. 4.6.4.1), – Stimulation der Expression der Aromatase mit erhöhter Synthese von Östrogenen, – verstärkter Aktivierung der ErbB2/Her2/Neu Rezeptor-Tyrosinkinase und der zytoplasmatischen Kinasen (JNK/c-Jun NH2-terminal protein kinase, p38 MAPK/p38 Mitogen-Activated Protein Kinase und PI3K/Phosphatidyl-Inositol 3-Kinase, siehe Kap. 3.1.2 und 3.3), – verstärkte Expression des Transkriptionsfaktors c-Fos (siehe Kap. 4.3.2), – Inhibition der Expression des Adhäsionmoleküls E-Cadherin; Verminderung der E-Cadherin-Expression verstärkt die Metastasierung, Anhaltspunkte bestehen, dass besonders bei postmenopausalen Frauen das relative Risiko vermindert wird durch die tägliche Aufnahme größerer Mengen von – Kohlgemüsen, Tomaten, Pilzen – grünem Pfeffer, grünem Tee, – Apfelsinen;

Durch mutagene Substanzen und Einflüsse wird das Risiko für das Mammakarzinom deutlich erhöht, so z. B. durch (siehe Tab. 8.16) • ionisierende Bestrahlung, besonders des Brustkorbes (siehe Kap. 4.6.7), • Exposition mit Karzinogenen, beispielsweise bei – aktiven und passiven Tabakraucherinnen, besonders in jugendlichem Alter (siehe Kap. 4.6.2.1), – Karzinogenen in Nahrungsmitteln (siehe Kap. 4.6.3), – Karzinogenen in technischen Produkten (Kap. 4.6.2.2); Bestimmte Gewebestrukturen der Mamma können ein hohes bis sehr hohes relatives Risiko für eine Mammakarzinom-Erkrankung mit sich führen (siehe Tab. 8.17), wie beispielsweise: • hohe Gewebedichte, • präkanzeröse Gewebeveränderungen und • Vorerkrankungen an einem Mammakarzinom.

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

21

Tab. 8.11: Genetische Ursachen, welche das relative Risiko (RR) einer Mammakarzinom-Erkrankung erhöhen. RR: ~ 1,0–1,5 (gering) familiäre Häufung

Onkogene (durch aktivierende Mutationen entstanden, siehe Kap. 4.3.1)

RR: > 1,5–2,0 (mittel)

RR: > 2,0–4 (hoch)

RR: > 4 (sehr hoch)

Auftreten von Mammakarzinomen bei Verwandten 1. und/oder 2. Grades FGFR-2 (Fibroblast Growth Factor-Receptor-2, aktivierende Mutation, siehe Kap. 3.1.2) ESR1 (Östrogen-Rezeptor-1, Amplifikation; siehe Kap. 3.1.6.1) NCOA3 (Nuclear Receptor Coactivator 3); Amplifikation BRCA1 (Breast Related Carcinoma Antigene (beteiligt an der DNA-Reparatur und an der Zellzykluskontrolle, siehe Kap. 4.5) BRCA2 (siehe Kap. 4.5) PALB2 (Partner And Localizer of BRCA-2; verbindet BRCA2+BRCA1)

Tumorsuppressorgene (durch Mutation inaktiviert; Einzelheiten siehe Kap. 4.3.2)

NBR2 (Nahe des BRCA-Gens) (unsichere Datenlage betreffend der genauen Höhe des Risikos) E-Cadherin (Adhäsionsmolekül für Zellkontakt und Zellkontakthemmung, siehe Kap. 3.1.3); PTEN (Phosphatase –Tensin-Homolog, inaktiviert zelluläre Signalübertragung, siehe Kap. 3.3); STK11 (Serin-Threoninkinase; inhibiert zelluläre Signalübertragung, siehe Kap. 3.3); p53 (inhibierender Transkriptionsfaktor, siehe Kap. 3.4.3.3); ATM (Ataxia Teleangiektasia Mutated; Serin-Proteinkinase, aktiviert Signalkaskade zur DNA-Reparatur, siehe Kap. 3.4.5); CHEK2 (Checkpoint-Kinase 2; phosphoryliert und inaktiviert die Phosphatase cdc25c; hierdurch Stopp des Zellzyklus, aktiviert p53 und interagiert mit BRCA, siehe Kap. 3.4.1);

22

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

RR: ~ 1,0–1,5 (gering)

RR: > 1,5–2,0 (mittel)

RR: > 2,0–4 (hoch)

RR: > 4 (sehr hoch)

BRIP-1 (BRCA-1-Interagierendes Protein; Helikase, beteiligt an homologer Reparatur doppelsträngiger DNA; siehe Kap. 3.4.5) Rezeptor-Gene (inaktivierende Mutationen)

VDR (Vitamin-D3Rezeptor; Calzitriol-Rezeptor) XRCC1 (X-Ray Repair, Complementing Defective in Chinese Hamster; beteiligt an der DNA-ExcisionsReparatur)

Gene für DNAReparatur-proteine (inaktivierende Mutationen)

XRCC3 (beteiligt an homologen Endverbindungen) Ku80 (nicht homologe DNA-Endverbindungen bei DNADoppelstrangbrüchen) RAD51C (DNA-Reparatur durch homologe Rekombination) Cytochromoxidasen P450 (CYP1A1, CYP1B1, CYP17, CYP19)

Gene für Proteine, beteiligt an der Metabolisierung von Östrogenen und Karzinogenen (inaktivierende Mutationen)

NAT2 (N-AcetylTransferasen) GSTM1 (Glutathione S-Transferase Mu 1); GSTP (Glutathione S-Transferase P)

23

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

Tab. 8.12: Familiäre Tumorsyndrome, entstanden durch inaktivierende Mutationen und assoziiert mit dem Mammakarzinom. Gen PTEN

Funktion Inhibitoren der zellulären Signalübertragung

Syndrom

Assoziierte Tumore Magen, Kolon

Cowden’s

Mamma

PeutzJeghers

Mamma

p53

inhibierender Transkriptionsfaktor

Li-Fraumeni

Mamma (prämenopausal)

ATM

Aktivator der DNAReparatur

Ataxia teleangiektasia

Mamma

Ovar

MammaOvar

Mamma (w)

Ovar

Prostata

MammaOvar

Mamma (w/m)

Ovar

Prostata Pankreas

DNA -Reparatur

FanconiAnämie

Mamma

Ovar

DNA -Reparatur

MammaOvar

Mamma

Ovar

DNAReparatur

Lynch I- und Lynch IITumorSyndrom (hereditäres nichtpolypöses Kolonkarzinom (HNPCC)

STK11

BRCA-1 BRCA-2

BRIP1

RAD51C

hMSH2, hMLH1, hPMS1, hPMS2, hMSH6, hMLH3

DNAReparatur

Mamma

Schilddrüse

Magen, Kolon, Pankreas

Ovar

Hirn, Nebennierenrinde

Ovar

Bindegewebe (kindliche Sarkome), Leukämien Lymphome (NonHodgkin)

Kolon

Kolon

Kolon, Magen, Endomet- Leber, rium Gallengang, Pankreas

Gehirn

Haut

24

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.13: Hormonaktive Substanzen, welche das relative Risiko (RR) von Mammakarzinom-Erkrankungen erhöhen. RR: ~ 1,0–1,5 (gering)

RR: > 1,5–2,0 (mittel)

RR: > 2,0–4 (hoch)

embryonale Prägung zum Linkshänder (Östrogene) frühe Menarche Kinderlosigkeit späte Schwangerschaften endogene Hormone (siehe Kap. 4.6.4)

fehlendes Bruststillen späte Menopause

postmenopausal erhöhtes Östrogen

postmenopausal erhöhtes Insulin erhöhtes Prolaktin erhöhter IGF1 (Insulin like growth factor) exogene Hormone (siehe Kap. 4.6.4.1)

Östrogene (hormonale Kontrazeptiva

Östrogene +/– Progesterone (HormonersatzTherapie)

Diethylstilboestrol (exponierte Mütter)

nichtsteroidale hormonaktive Substanzen (siehe Kap. 4.6.4.2)

Diethylstilboestrol (im Uterus exponierte Kinder, > 40 Jahre) xenogene Östrogene (u. a. Pestizide; Weichmacher, Zinnverbindungen)

Diethylstilboestrol (im Uterus exponierte Kinder, > 40 Jahre) (unsichere Datenlage betreffend Höhe des Risikos)

RR: > 4 (sehr hoch)

25

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

Tab. 8.14: Beispiele der hormonalen Beeinflussung des relativen Risikos (RR) einer MammakarzinomErkrankung. Schwangerschaften

Verminderung des relativen Risikos (RR) in Abhängigkeit von der Anzahl der Schwangerschaften/Geburten (Bezug: Nullipari) 1 Kind

2 Kinder

3 Kinder

4 Kinder

5 Kinder

6 Kinder

Holmberg et al. 2005

RR: 0.9 (0.9–1.0)

RR: 0.8 (0.8–0.9)

RR: 0.7 (0.7–0.8)

RR: 0.6 (0.6–0.6)

RR: 0.6 (0.5–0.6)

RR: 0.4 (0.4–0.5)

Clavel-Chapelon et al. 2002

RR: 0.8 (0.6–1,0)

RR: 0.7 (0.6–0.9)

RR: 0.7 (0.6–0.8)

RR: 0.7 (0.5–0.9)

Magnusson et al. 1999

RR: 0.7 (0.5–0.9)

RR: 0.6 (0.5–0.8)

RR: 0.5 (0.4–0.6)

RR 0.4 (0.3–0.6)

RR 0.1 (0.01–0.3)

Lambe et al. 1996

RR 0.9 (0.7–1,0)

RR 0.8 (0.8–1,0)

RR 0.8 (0.7–0.8)

RR 0.7 (0.6–0.7)

RR 0.5 (0.5–0.6)

Menarche

RR 0.3 (0.2–0.5)

7 Kinder

RR 0.3 (0.2–0.6)

Erhöhung des relativen Risikos (RR)/der Odds Ratio (OR) bei frühem Beginn der Regelblutung 11 Jahre

Magnusson et al. 1999

RR: 1.9 (1.2–3.1)

Goodman et al. 1997

OR: 1.3 (1.1–1.7)

12 Jahre

13 Jahre

14 Jahre

15 Jahre

RR: 1.6 (1,0–2.5)

RR: 1.5 (0.9–2.4)

OR: 1.0 (0.9–1.2)

16 Jahre

OR: 1.0 (0.9–1.2)

17 Jahre

OR: 0.7 (0.5–1.0)

Abnahme des relatives Risiko (RR) nach Beendigung der Einnahme hormonaler Kontrazeptiva hormonale Kontrazeptiva

Guilbert et al. 2007

derzeitige Einnahme

1–4 Jahre nach Beendigung

5–9 Jahre nach Beendigung

>10 Jahre nach Beendigung

RR: 1.2 (1.2–1.3)

RR 1.2 (1.1–1.2)

RR 1.1 (1.0–1.1)

RR 1.0 (1,0–1.1)

Abnahme des Relatives Risiko (RR) nach Beendigung einer Hormonsubstitution (HS) Hormonsubstitution (HS)

Cancer Research Fond UK

keine HS

RR: 1,0

derzeit Östrogen

RR: 1,3 (1,2–1,4)

derzeit Östrogen und Progesteron RR: 2,0 (1,9–2,1)

Beendigung der Hormonsubstitution vor < 5 bis > 10 Jahren < 5 Jahre

5–9 Jahre

> 10 Jahre

alle

RR: 1,0 (1,0–1,1)

RR: 1,0 (0,9–1,2)

RR: 0,9 (0,7–1,1)

RR: 1,0 (1,0–1,1)

26

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.15: Beeinflussung des Risikos für Mammakarzinome durch Ernährung und Körpergewicht. Erhöhung des relativen Risikos (RR) RR: ~ 1,0–1,5 (gering)

RR: > 1,5–2,0 (mittel)

erhöhte Fettaufnahme (unsichere Datenlage)

RR: > 2,0–4 (hoch)

RR: > 4 (sehr hoch)

erhöhte Aufnahme gesättigter Fettsäuren (unsichere Datenlage betreffend Höhe des Risikos)

erhöhte Energieaufnahme erhöhtes β-Carotin (unsichere Datenlage) Art der Ernährung

vermindertes Vitamin D3 Alkohol (10–24 g/Tag)

Alkohol (25–50 g/Tag)

Alkohol (51–100 g/Tag)

Erniedrigung des relativen Risikos (RR) RR: 1,0–0,9

RR: 0,9–0,6

Isoflavone Sojabohnen

RR: < 0,6–0,4

RR: < 0,4

Kohlgemüse

Pilzen, grüner Pfeffer, Tomaten, grüner Tee, Apfelsinen (unsichere Datenlage) körperliche Bewegung (postmenopausal)

körperliche Bewegung

Erniedrigung des relativen Risikos (RR) prämenopausal Körpergewicht BMI (Body Mass Index; kg/m2 ) Cancer Research Fund UK

RR: 1,0–0,9

RR: < 0,9–0,6

BMI < 22,5–30

BMI > 30

RR: < 0,6–0,4

RR: < 0,4

Erhöhung des relativen Risikos (RR) postmenopausal RR: ~ 1,0–1,5 (gering) BMI > 30

RR: > 1,5–2,0 (mittel)

RR: > 2,0–4 (hoch)

RR: > 4 (sehr hoch)

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

27

Tab. 8.16: Erhöhung des relativen Risikos (RR) für Mammakarzinome in Abhängigkeit von weiteren Umweltfaktoren. RR: ~ 1,0–1,5 (gering) ionisierende Strahlung (siehe Kap. 4.6.7)

RR: > 1,5–2,0 (mittel)

RR: > 2,0–4 (hoch)

RR: > 4 (sehr hoch)

Röntgenaufnahmen des Brustkorbes (BRCA+/> 20, < 40 Jahre)

(BRCA+/< 20 Jahre)

Tabak (siehe Kap. 4.6.2.1)

aktive und passive Raucherinnen

aktive Raucherinnen (prämenopausal)

Karzinogene (siehe Kap. 4.6.2.1 und 4.6.2.2)

in Nahrungsmitteln und technischen Produkten

Dioxin

Tab. 8.17: Erhöhung des Relativen Risikos (RR) für Mammakarzinome in Abhängigkeit von Gewebestruktur und Vorerkrankung.

Parameter

RR: ~ 1,0–1,5 (gering)

RR: > 1,5–2,0 (mittel)

Gewebedichte (Anteil Drüsengewebe zu Fettgewebe)

prämaligne Läsionen

Zweittumoren nach Ersttumor (alle Altersgruppen)

ductale Hyperplasie

RR: > 2,0–4 (hoch)

RR: > 4 (sehr hoch)

Gewebedichte erhöht (Anteil < 35 %)

Gewebedichte stark erhöht (Anteil > 35 % bis < 70 %)

atypisches duktales Karzinom

atypisches lobuläres Karzinom duktales Karzinom in situ

primärer Tumor in kontralateraler Mamma

Zweittumor in verbliebener Mamma

8.2.1.2 Formen, Entwicklungsstadien und Klassifikationen Der Entwicklungstand des Mammakarzinoms wird mit der TNM-Klassifikation beschrieben (siehe Kap. 8.2 und Tab. 8.18). Die TNM-Klassifikation korrespondiert mit den Entwicklungsstadien, beide werden definiert gemäß dem AJCC/American Joint Committee on Cancer (siehe Tab. 8.19).

28

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.18: TNM-Klassifikation des Mammakarzinoms. N = Metastasen in Lymphknoten (Ln)

T = Primärtumor

T0

Tis

kein Tumor Cis/Carcinoma in situ

N0

pN0

DCIS

Ductal Carcinoma in situ

LCIS

lobular Carcinoma in situ

Metastasen in beweglichen ipsilateralen axillären Ln (Level 1, 2; siehe Tab. 8.19)

Paget’s

Karzinom der Mamille, nicht assoziiert mit DCIS und/oder LCIS oder einem Karzinom des Drüsengewebes

Metastasen in 1–3 axillären Ln oder in Ln entlang der ipsilat. pN1 Arteria mammaria interna (klinisch nicht nachweisbar)

LD ≤ 20 mm

Mikrometasen pN1 > 0,2 mm und/oder mi > 200 Tumorzellen und ≤ 2,0 mm

N1

pN1a

T1a

LD ≤ 5 mm

nur Metastasen in Ln entlang der Arteria pN1b mammaria interna (klinisch nicht erkennbar)

T1b

LD ≤ 10 mm

T1c

LD ≤ 20 mm

LD = längster Durchmesser

pN1c

N2

M0

M0 (i +)

keine Anzeichen (Klinik, Radiografie) von Fernmetastasen, (i + = Ablagerungen von mikroskopisch oder molekular-biologisch nachgewiesenen Tumorzellen (≤ 0,2 mm) im Blut, Knochenmark oder nichtregionalen Lymphknoten)

nur Metastasen in axilläre Ln; eine mindestens > 2,0 mm

LD ≤ 1 mm

T1mi

keine Anzeichen (Klinik, Radiografie) von Fernmetastasen

i(–), kein i(und): immunhistochemische Untersuchung der ipsilateralen Ln mol(–), kein mol (und): molekularbiologische Untersuchung (RT-PCR) der ipsilat. Ln

T1

M = Fernmetastasen

pN1a und pN1b, jedoch nur 1–3 befallene axilläre Ln Metastasen in untereinander oder an axilläre Strukturen fixierten ipsilateralen axillären Ln (Level 1, 2) oder in Ln entlang

M1

Fernmetastasen (außerhalb der Brust und in den benachbarten Lymphknoten Nachweis durch Klinik, Radiografie und/oder Histologie von Stanzbiopsien oder exzisierten Tumoren) > 0,2 mm

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

N = Metastasen in Lymphknoten (Ln)

T = Primärtumor

T1c

T2

der ipsilat. Arteria mammaria interna (klinisch nachweisbar)

LD ≤ 20 mm LD > 20 mm, ≤ 50 mm

LD = längster Durchmesser

T3

LD > 50 mm

T4

Tumor jeglicher Größe mit Infiltration von Nachbargewebe (Brustwand und/ oder Haut)

T4a

T4b

Metastasen nur in axillären Ln

N2b

Metastasen nur in ipsilateralen Ln entlang der Arteria mammaria interna (klinisch erkennbar)

pN2

Metastasen in 4–9 Ln oder in (klinisch erkennbaren) Ln entlang der Arteria mammaria interna

nur Metastasen in pN2a 4–9 axillären Ln, eine mindestens 2,0 mm

Infiltration Brustwand ohne den Muskulus pectoralis zu berühren

Infiltrationen Haut (Ödem, Orangenhaut, Ulzerationen), ipsilaterale Satellitentumoren, jedoch keine Anzeichen eines inflammatorischen Karzinoms

N2a

nur Metastasen in Ln entlang der Arteria pN2b mammaria interna (klinisch erkennbar) Metastasen in ipsilateralen infraklavikulären oder supraclavikulären Ln (Level 3) oder in Ln entlang der Arteria mammaria interna Ln (klinisch erkennbar) und in axillären Ln (Level 1, 2) N3

N3a

Metastasen in ipsilateralen infraklavikulären Ln

T4c

T4a und T4b

N3b

Metastasen in ipsilateralen axillären Ln und in Ln entlang der Arteria mammaria interna Ln

T4d

Entzündungen (inflammatorisches Karzinom)

N3c

Metastasen in ipsilateralen supraklavikulären Ln

M = Fernmetastasen M1

29

30

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

N = Metastasen in Lymphknoten (Ln)

T = Primärtumor

M = Fernmetastasen

Metastasen in ≥ 10 axillären Ln (eine pN3a mind. > 2,0 mm) oder in infraklavikulären Ln.

Präfixe: C = klinisch; r = Rezidiv; y = Zustand nach Therapie; a = Autopsie; p = pathologische Befundung Suffixe: m = multiple Tumoren; Cis = Carcinoma in situ; cy = zytologisch; is = isolierte Tumorzellen

Metastasen (klinisch erkennbar) in Ln entlang der Arteria mammaria interna und in axillären Ln, pN3b oder in > 3 axillären Ln und (klinisch nicht erkennbar) in Ln entlang der Arteria mammaria interna pN3c

Suffixe: S = Sentinel Lymphknoten; i = immunhistologische Untersuchung; mol = molekulargenetische Untersuchung; is = isolierte Tumorzellen

Metastasen in supraklavikulären Ln

Tab. 8.19: Differenzierung des Mammakarzinoms nach Stadium, TNM-Klassifikation, Lage und Histologie. Lage und Histologie des Primärtumors (T) Tumorstadium (AJCC)

TNM-Klassifikation Region in der Mamma

in situ

0

Quadranten

0

0 oben

A

T1a

I B

1

0

0

1

mi

0

1

1

mi

0

0–1

1

Histologie

Carcinoma in innen situ (Cis)

0 außen Neoplasie

T1b

Lage der axillären Lymphknoten (Ln) mit Metastasen (N)

duktal Level 1: Ln. lateral des Muskulus pectoralis lobulär, minor intraepithelial lobulär

innen A

0

T2a

unten 2

0

0

2

1

0

3

0

0

0–2

2

0

II B

III

A

T2b

T3a

duktal invasives Karzilobulär außen nom papillär

zentraler Anteil

3

1–2

0

tubulär medullär

axillärer Anteil

Level 2: Ln. intrapectoral

Karzinom muzinös

Level 3: Ln. medial des Muskulus pectoralis minor und infra-/ supraklavikulär

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

Tumorstadium (AJCC)

IV

Lage und Histologie des Primärtumors (T) TNM-Klassifikation Region in der Mamma

B

T3b

4

0–2

0

C

T3c

1–4

3

0

T4

1–4

0–3

1

Histologie

überlappende Lokalisationen

Karzinom

Mamille und duktales Karzinom

PagetKarzinom

31

Lage der axillären Lymphknoten (Ln) mit Metastasen (N)

undifferenziert

Level 3: Ln. medial des Muskulus pectoralis nur minor und Mamille infra-/ Mamille supraklavikulär

Diagnostik Grundlage für die Wahl der therapeutischen Verfahren ist der Nachweis eines Mammakarzinoms, die Ermittlung seiner Ausdehnung und seine klinische, pathophysiologische und histopathologische Einstufung (siehe Tab. 8.19). Diese Diagnostik des Mammakarzinoms benötigt klinische Untersuchungen unter Einschluss von bildgebenden Verfahren und zytologische, biochemische und histologische Untersuchungen von Tumorproben, gewonnen durch Biopsie oder chirurgische Exzision (siehe Tab. 8.20). Da das Mammakarzinom keine eindeutigen Frühsymptome aufweist, sind für eine frühe Diagnostik regelmäßige klinische Untersuchungen entscheidend, wie • Selbstuntersuchungen der Mamma mit Aufmerksamkeit für Auffälligkeiten wie – Knotigkeit und Knoten, – Mamillensekretion, – Größen- und Formveränderungen, – Schmerzen; • fachärztliche Inspektion und Palpation – der gesamten Brustdrüse im Bereich zwischen Schlüsselbein, medialem Sternalrand und mittlerer Axillarlinie, – der Lymphabflussgebiete der Axilla, der Infra- und der Supraklavikular-Region. – bei prämenopausalen Frauen (und bei postmenopausalen Frauen unter sequenzieller Hormon-Einnahme) sollte die Untersuchung nach der Abbruchblutung erfolgen, – bei auffälligen Befunden in der 2. Zyklushälfte sollte eine Kontrolluntersuchung in der 1. Zyklushälfte nach Abschluss der Regelblutung durchgeführt werden. • Mammografie – ist bei prämenopausalen Frauen bevorzugt in der ersten Zyklusphase (östrogenbetonte Follikelphase) durchzuführen, da in der 2. Zyklusphase durch das Progesteron die Gewebsdichte zunimmt, – für den Aussagewert der Mammografie gelten die Standards des Breast ImagingReporting and Data System (BI-RAD) des American College of Radiology (ACR), ergänzt um die Empfehlungen der Leitlinie „Brustkrebs“ der Deutschen Gesellschaft für Senologie (siehe Tab. 8.21),

32 •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Mamma-Sonografie – stellt eine Ergänzung der Mammografie dar, – ist bei Frauen mit hoher Gewebedichte der Mammografie überlegen, – ermöglicht die Abgrenzung von Zysten.

Bei Risikopatienten und im Falle des begründeten Tumorverdachtes sind ergänzend anzuwenden: • MRT/Magnet-Resonanz-Tomografie mit Kontrastmittel – hat die wohl höchste Sensitivität aller bildgebenden Verfahren für die Erfassung von Mammatumoren, – ist jedoch belastet mit der Möglichkeit falsch positiver Ergebnisse (abzuklären durch Biopsien); • die zytologische Untersuchung von – Feinnadel-Aspirationsbiopsien ▪ deren Anwendung ist begrenzt auf zytologisch auswertbaren Zysten und Lymphknoten, • die histologische Untersuchung von: – Vakuum-Biopsien, ▪ mit Hilfe eines Mammotoms wird mit einer weiten Kanüle eine relativ große Tumorgewebsprobe aus dem Tumor ausgestanzt und herausgesogen; ▪ die sterotaktische computergesteuerte Biopsie kommt auf der Grundlage zweier Röntgenaufnahmen bei mammografisch auffälligen, jedoch im Ultraschall nicht sichtbaren Veränderungen zur Anwendung, ▪ ähnlich wird die Kernspintomografische Biopsie angewendet bei Befunden, welch nur mittels Magnetresonanztomografie darstellbar sind; – Stanzbiopsien ▪ unter Sichtkontrolle mit Hilfe eines bildgebenden Verfahrens (meist Ultraschall) werden 3–5 Biopsieproben für die Untersuchung entnommen, – exzisierten Tumoren.

Tab. 8.20: Diagnostik des Mammakarzinoms. Verdacht Selbstuntersuchung der Patientin (Inspektion, Palpation) Untersuchung der Mamma klinisch und histologisch Inspektion, Palpation Mammografie

Mamma-Sonografie

mögliche Probleme

Lage, Größe und Anzahl der Tumore, Verkalkungen, Lymphabfluss,



Infiltrationen in die Brustkorbwand, den Muskulus pectoralis und/oder die Haut



die Untersuchungsergebnisse lassen keine einheitlichen Angaben zu (unklare Befunde, unklares Ausmaß der regionären Ausbreitung), die hohe Dichte des Drüsengewebes beeinträchtigt die Mammografie,

33

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)



Vakuum-Biopsie oder Stanzbiopsie oder exzisierte Tumore und Histologie

histologische Bestätigung/ Einstufung des Karzinoms

das Volumen des Tumors muss genau ermittelt werden für einen brusterhaltenden chirurgischen Eingriff

ergänzende klinische Untersuchung (bei Problemen) Magnetresonanztomografie (MRT, MR), Exzision des verdächtigen Knotens und histologische Untersuchung biochemische /molekularbiologische Untersuchung der Tumorzellen auf Prognosefaktoren

Rezeptoren

ER (Östrogen-Rezeptor) und PgR (Progesteron-Rezeptor)

Wirksamkeit von Hormonantagonisten: unwirksam: 0 % positive Tumorzellkerne fraglich wirksam: 1–9 % positive Tumorzellkerne wirksam > 9 % positive Tumorzellkerne

Her-2-Rezeptor

TPK-Inhibitoren wirksam falls: Immunhistochemie (ICH): > 30 % positive Tumorzellen, Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH): Genamplifikation > 2,2 (Quotient aus Her2-Gensignalen/Chromosom 17(CEP17), Chromogene-in-situ-Hybridisierung (CISH): > 6 Gensignale

EGF-Rezeptor

S-Phase-Index: Anteil von Zellen, die Bromodeoxyuridin einbauen Thymidin-Labeling-Index: Anteil von Zellen, die Thymidin einbauen Anteil sich teilender Zellen

Ki-67-Antigen-Index: Anteil von Zellen in den Zellzyklusphasen G1, S, G2, M mit Expression des Ki-67-Antigen Mitose-Index: Anteil von Zellen in Zellteilung Anzahl aneuploider Tumorzellen

Proteaseaktivität als Parameter für die Invasivität

uPA/Urokinase-Plasminogen-Aktivator und PAI-1/PA-Inhibitor Typ 1, beide enzymatisch (ELISA) bestimmt

Angiogenesefaktoren

VEGF/Vascular Endothelial Growth Factor), FGF/Fibroblast Growth Factor)

Cathepsin D

TGF-α/-β Einstufung gemäß molekularbiologischer Untersuchung Rezeptor-Expression

Molekularer Subtyp Luminal A

sehr hoch

HER2 negativ

Ki67-Expression

hoch

negativ

ER , PgR

HER2

ER

HER2, PgR

ER, PgR

HER2

ER

PgR

HER2 negativ

hoch

niedrig +

+++

Luminal B HER2 positiv

HER2

+++ ER, PgR

+

34

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

HER2-dominant

HER2

Basal, dreifach negativ (Triple negativ)

ER,PgR

+++

+

ER, PgR, HER2

+++

+

Untersuchung der regionalen Lymphknoten klinisch Inspektion, Palpation

Lymphabfluss, Lage, Größe, freie Beweglichkeit der axillären Lymphknoten

Sonografie ComputerTomografie MagnetresonanzTomografie (MRT, MR) mit Kontrastmittel

Lage und Größe der Metastasen in axillären Lymphknoten (Level 1, 2, 3, siehe Tab. 8.19) in den Lymphknoten intern in der Mamma (entlang der Arteria Mammaria interna) Verwachsungen der Metastasen miteinander und/oder mit axillären Bindegewebsstrukturen

zytologisch/histologisch Vakuum-Biopsie

zytologischer Nachweis von Tumorzellen in verdächtigen Lymphknoten

Exzision der Wächterlymphknoten (Sentinellymphknoten)

Injektion eines Proteinträgers (Nano-Kolloid) gekoppelt mit radioaktivem 99m Technetium und/oder einer wässrigen Farbstofflösung (Triphenylmethanfarbstoff Patentblau V) in die Region des Mammatumors; drainierende Ln (Wächterlymphknoten) werden blau gefärbt und/oder szintigrafisch erfassbar; histologischer, immunhistologischer und molekularbiologischer Nachweis von Tumorzellen oder Metastasen

Exzision aller regionalen Ln

histologischer, immunhistologischer und molekularbiologischer Nachweis von Tumorzellen oder Metastasen Untersuchung auf Fernmetastasen klinisch

Tastuntersuchung

von außen zugängliche Lymphknoten

Radiografie/ CT/Computer-Tomografie

Thorax/Lunge, Abdomen, Knochen

Sonografie/Ultraschall

Abdomen: Leber, Niere, Harnblase, Magen-Darm,

MRT/ Magnetresonanztomografie mit Kontrastmittel

ZNS, Knochen, übrige Organe bei Verdacht

Szintigrafie

Knochenmark zytologisch/histologisch

Blut-LeukozytenKonzentrate

zytologischer und/oder molekularbiologischer Nachweis von Tumorzellen im zirkulierenden Blut

Vakuum-Biopsie

zytologischer und/oder molekularbiologischer Nachweis von Tumorzellen im Knochenmark oder in entfernten Lymphknoten; isolierte Tumorzellen im Knochenmark werden bereits als Fernmetastasen angesehen

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

Stanz-Biopsie histologische Bestätigung der klinisch erfassten Fernmetastasen Exzisionsbiopsie Häufigkeit der klinischen Untersuchungen medizinische Untersuchung im Alter (Jahre) Risikogruppen

Tastuntersuchung

Ultraschall

Mammografie

Häufigkeit

MRT

≥ 30 ≤ 70

1 ×/Jahr

alle Frauen

1 ×/alle 2 Jahre

≥ 50 ≤ 70 ≥ 25

Mutationen BCRA1, BCRA2 oder RAD51C

2 ×/Jahr

> 70

1 ×/Jahr ≥ 40

≥ 25 Korpus Bestrahlung ≤ 18 Jahre (z. B. HodgkinLymphom)

≥ 25 ≤ 70

≥ 25 bis Menopause

≥ 25 bis Menopause > Menopause

1 ×/Jahr

2 ×/Jahr

≥ 40

≥ 25 bis Menopause

≥ 50 ≤ 70

1 ×/Jahr 1 ×/alle 2 Jahre

Tab. 8.21: Einstufung der Diagnosen auf Grund der Mammografie*) Ergänzende Untersuchungen Kategorie

0

1

Diagnose

Begründung Bildgebende Verfahren

keine

negativ

die mammografische Untersuchung ist unvollständig (z. B. bei hoher Gewebedichte)

Vergleichsmammografien, Mammasonografien

kein Anhaltspunkt für einen Tumor verkalkte Sekretgänge, Ölzysten, Milchzysten (Galaktozele), Lymphknoten,

2

gutartiger Befund

kalzifizierte Fibroadenome, Lipome, Hamartome Fremdkörper (Implantate)

ggf. Mammasonografien

Zytologisch/ histologisch

35

36

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Ergänzende Untersuchungen Kategorie

Diagnose

Begründung

3

vermutlich gutartiger Befund

weniger als 2 % Malignomwahrscheinlichkeit

4

verdächtiger Befund

mehr als 2 % Malignomwahrscheinlichkeit

5

hochverdächtiger Befund

mehr als 95 % Malignomwahrscheinlichkeit

maligner Tumor

Malignität durch zytologische/histologische Untersuchung der Biopsieprobe nachgewiesen

6

Bildgebende Verfahren

Zytologisch/ histologisch

Kontrollmammografie in 6 Monate ggf. Mammasonografie, Magnetresonanztomografie mit Kontrastmittel

Biopsie/histologische Untersuchung bei Risikopatienten oder bei widersprüchlichen Ergebnissen (klinische Untersuchung/ Bildgebung)

Mammasonografie ggf. Magnetresonanztomografie mit Kontrastmittel

immer Biopsie (Vakuumbiopsie oder Stanzbiopsie) und histologische Untersuchung

*) BI-RADS/Breast Imaging Reporting And Data System des ACR/American College of Radiology

Die Mammatumoren treten innerhalb der Brustdrüse mit unterschiedlicher Häufigkeit auf. So sind die Tumoren in folgenden Bereichen lokalisiert: • 60 % im oberen äußeren Quadranten, • 12 % im oberen inneren Quadranten, • 3 % im Mamillenbereich, • 12 % im unteren äußeren Quadranten, • 6 % im unteren inneren Quadranten. Sind mehrere Tumorknoten: • in einem Brust-Quadranten zu finden, handelt es sich um multifokale Tumoren, • in verschiedenen Brust-Quadranten zu finden, werden sie multizentrische Tumoren genannt. Auf Grund der histologischen Untersuchung der Tumor-Gewebeproben (Biopsien und Exzisionen) lassen sich unterscheiden: • gutartige histopathologische Veränderungen der Mamma (siehe Tab. 8.22), von denen ein gewisses malignes Potential haben: – periphere und atypische Papillome, – Adenomyo-Epitheliome, – Fibroadenome/Phylloides-Tumore; • proliferative Veränderungen der terminalen duktulo-lobuläre Einheit (TDLU, siehe Tab. 8.23), von denen Carcinoma in situ (CIS) Indikatoren/Vorläuferstadien für invasive Mammakarzinome darstellen,

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

37



ca. 15–20 % der Mammatumore sind CIS, die sich unterteilen in: ca. 95 % DCIS/Duktale CIS, ▪ ca. 5 % LCIS/Lobuläre CIS (LN/LIN/Lobuläre Intraepitheliale Neoplasien); – bei einem CIS-Befund ist das Risiko der Entstehung eines invasiven Mammakarzinoms sehr hoch (siehe Kap. 8.2 und Tab. 8.23); Mammakarzinome (siehe Tab. 8.24) – ca. 80–85 der Mammakarzinome sind invasiv; sie unterteilen sich (ähnlich wie bei CIS) in (siehe Tab. 8.24): ▪ 40–75 % invasiv-duktale Karzinome, ▪ 5–15 % invasiv lobuläre Karzinome; – ca. 5 % der Mammakarzinome stellen Sonderformen dar, welche zu einem beträchtlichen Teil eine relativ gute Prognose aufweisen (siehe Tab. 8.24), – Mischformen treten häufig auf und erschweren die Zuordnung wie auch die Angaben zur Prognose. ▪



Die Einstufung der einzelnen histologischen Veränderungen und Tumoren in Hinblick auf ihre Malignität kann mit der B-Klassifikation erfolgen (siehe Tab. 8.22): • B1: Normalgewebe, • B2: benigne Veränderungen, • B3: benigne Veränderungen, aber mit unsicherem biologischen Potenzial, • B4: malignitätsverdächtig, • B5: maligne. Über die Blut- und Lymphgefäße der Brust verlassen Tumorzellen den Tumorknoten und siedeln sich in der Peripherie als Metastasen an. Die erste Station für diese Ansiedlung sind die das Brustgewebe drainierenden Lymphknoten (Ln). Hierzu gehören (siehe Tab. 8.19): • die axillären Lymphknoten, in sie mündet der Hauptlymphstrom. Sie werden unterteilt in – Level 1: Lymphknoten lateral des lateralen Randes des Muskulus pectoralis minor, – Level 2: Lymphknoten zwischen dem medialen und lateralen Rand des Muskulus pectoralis minor sowie die interpektoralen Lymphknoten, – Level 3: Lymphknoten medial des medialen Randes des Muskulus pectoralis minor sowie die infra- und supraklavikulären Lymphknoten, • die Lymphknoten entlang der Arteria mammaria interna, – ein alleiniger Metastasen-Befall dieser Lymphknoten kommt in etwa 5–15 % der Fälle vor, meist bei Tumoren im oberen inneren Brust-Quadranten. Bei • • •

Metastasierung in die medialen Lymphknoten besteht die Gefahr des Befalls der parasternalen Lymphknoten entlang der endothorakalen Faszie, des Befalls der mediastinalen Lymphknoten, einer karzinomatösen Lymphangiose der Lunge und der Pleura.

38





8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Für die histologisch, immunhistologisch und/oder molekularbiologische Diagnostik des Lymphknotenbefalls in den regionären axillären Lymphknoten werden die den Mammatumor drainierenden axillären Lymphknoten / WächterLymphknoten/Sentinel-Lymphknoten (falls klinisch kein Verdacht auf Lymphknotenmetastasen besteht) identifiziert, – indem in die Region des Tumors ein Marker injiziert wird, ▪ entweder ein Proteinträger (Nano-Kolloid) gekoppelt mit radioaktivem 99m Technetium und/oder ▪ eine wässrige Farbstofflösung (Triphenylmethan-Farbstoff Patentblau V), ▪ welcher die gesuchten Lymphknoten blau färbt und/oder szintigrafisch erfassbar macht, – sodass die markierten Lymphknoten gezielt entnommen werden können; falls in den Wächterlymphknoten Tumorzellen nachzuweisen sind oder bereits klinisch Metastasen in den axillären Lymphknoten nachzuweisen sind – müssen die axillären Lymphknoten ausgeräumt werden, – für die TNM-Klassifikation sind hierbei zu untersuchen: ▪ mindestens 10 Lymphknoten des Levels I und II und hiervon ▪ mindestens 6 Lymphknoten des Levels I;

Ein Mammakarzinom wird als lokal fortgeschritten bezeichnet (LABC/Locally Advanced Breast Carcinoma), wenn: • sein Durchmesser > 5 cm klinisch, mammografisch oder sonografisch beträgt, • die Haut sicher (Rötung, Ulzeration) beteiligt ist, • die Thoraxwand infiltriert (Muskel oder Rippen) ist, • die axillaren Lymphknoten durch Tumormetastasen mit dem umgebenden Axillagewebe fixiert sind, • Lymphknoten in der Axillaspitze oder infraklavikular Metastasen tragen, • klinische Zeichen einer Mastitis carcinomatosa bestehen, • ein inflammatorisches Karzinom vorliegt, • die Kriterien der Stadien IIB (T2, N1) oder IIIA (T0, T1, N2) nach TNM-Klassifikation vorliegen (siehe Tab. 8.19). Der Nachweis von Fernmetastasen erfolgt mit klinischen und bildgebenden Verfahren (siehe Tab. 8.25). Tumorverdacht wird durch die histologische Untersuchung von Biopsien (Vakuum-, Stanz- oder Exzisions-Biopsien) abgeklärt. Der Nachweis von isolierten Tumorzellen im Knochenmark gilt bereits als Beleg der Fernmetastasierung. Wesentliche Parameter für die Prognose des Mammatumors sind (siehe Tab. 8.26): • das Alter der Patientin, • der TNM-Status: – die Größe des Tumors, wobei zu berücksichtigen sind: ▪ solitäre Tumoren, ▪ multifokal auftretende Tumoren, ▪ multizentrisch auftretende Tumoren;

39

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)



Metastasen in den regionären Lymphknoten, Fernmetastasen (siehe Tab. 8.25); Anzahl, Größe und Lokalisation, klinische Nebenwirkungen, Hinweise für einen Einbruch des Tumors in Lymphgefäße oder Blutgefäße, die Tumorzellfreiheit des Resektionsrandes des exzisionierten Tumors, der histologische Typ des Tumors, im Besonderen – die Atypie der Tumorzelle, – das Ausmaß der Dedifferenzierung (Tubuli-Ausbildung und Kernpolymorphie), – die Anzahl der Mitosen, der pathophysiologische Typ des Tumors: – der Östrogen-/Progesteron-Rezeptor-Status für eine Hormontherapie, – der Her-2/neu-Status für eine Therapie mit Inhibitoren, – der Enzymstatus (uPA und PAI-1) ▪ für eine Beurteilung des Invasionspotentials, ▪ bei Lymphknoten-negativen Mammatumor kann bei niedrigem uPA/PAI-1 auf eine neoadjuvante Chemotherapie ggf. verzichtet werden; der Menopausenstatus der Patientin für den Einsatz von GnRH-Analoga. ▪

• • •





Tab. 8.22: Gutartige histopathologische Veränderungen der Mamma. Veränderung

Eigenschaften

Wertung

Maßnahmen

Normalgewebe

altersabhängig: Fibrose, lobulare Involution, mikroskopische Dilatation von Azini und Gängen, geringe mikrozystische Adenose

B1

keine

fibrös-zystische Mastopathie

Zystenbildung, apokriner Metaplasie und Fibrose

solitäre Zyste

größer als 1 cm, von einem flachen oder apokrinen Epithel ausgekleidet

periduktale Mastitis

plasmazellreiche, chronische Entzündungsreaktion in der Umgebung der Gänge mit Histiozyten, Granulomen, periduktaler Fibrose und Verkalkungen

sklerosierende Adenose

epitheliale Proliferationen (Adenosetumor) mit lobulozentrisches organoides Muster, Fibrose und Verkalkungen

apokrine Adenosen

wie sklerosierende Adenose, nur mehr als 50 % apokrine Metaplasien

mikroglanduläre Adenose

kein lobulozentrisches organoides Muster, runde glanduläre Strukturen mit Basalmembran

Fibroadenome

fibroepithelialer Tumor, häufig mit epithelialer (duktaler) Hyperplasie

keine

B2 benigne Proliferationen

keine

(Exzision)

40

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Veränderung

Eigenschaften

Wertung

Maßnahmen

radiäre Narbe

zentrale, fibroelastotische hyalinisierte Fibrose von bis zu 1 cm mit radiär nach außen proliferierenden Duktuli; zweischichtiges Epithel mit duktaler Hyperplasie

B3 benigne Proliferationen, mit unsicherem biologischen Potential

(Exzision)

komplexe sklerosierende Läsion

ähnlich einer radiären Narbe, jedoch größer als 1 cm und unregelmäßiger strukturiert, häufig mit nodulären Proliferationen in der Peripherie

Exzision

duktales Adenom

benigne glanduläre Proliferation, zum Teil mit intraduktaler Ausdehnung

Exzision

Papillome

Epithelproliferationen

– zentral

solitär in subareolären Gängen

– peripher

multiple im Bereich der terminalen duktulolobulären Einheiten (TDLE); treten auf bei gewöhnlicher duktalen Hyperplasie (UDH), atypischer duktalen Hyperplasie (ADH), dem duktalem Carcinoma in Situ (DCIS) oder einem invasiven Karzinom

– atypisch

fokale intraduktale Epithelproliferation, entspricht einer atypischen duktalen Hyperplasie (ADH) oder einem geringradigen duktalem Carcinoma in Situ (DCIS)

Adenomyoepitheliome

PhylloidesTumor

abgegrenzte Tumoren, häufig multilobuliert und mit biphasischer zelluläre Differenzierung in ein myoepitheliales Kompartiment, welches die tubuläre Komponente mit luminaler Epithelauskleidung umgibt; je nach Ausprägung lobuliert, tubulär und spindelzellig/myoid

Exzision

B3 Exzision

fibroepithelialer Tumor mit zellreichem Stroma

Tab. 8.23: Risikoeinschätzung bei proliferativen Veränderungen der TDLU/Terminalen Duktulo-Lobuläre Einheit/Unit Veränderung

Eigenschaften

UDH (Usual/gewöhnliche Duktale Hyperplasie)

alle intraluminale Epithelproliferationen, die keine Atypien und myoepitheliale und metaplastisch apokrine Zellen aufweisen

FEA (Flache Epitheliale Atypie)

einschichtiges gering atypisches Epithel, häufig mit 3–5 Schichten einer monoton atypischen Zellpopulation aus prisma-

Karzinomrisiko

Maßnahme

gering (RR 1,5) B3

Exzision

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

FEA

tischen Zellen oder Kolumnarzellen; Mikroverkalkungen in erweiterten Lobuli

KolumnarzellHyperplasien mit architekturellen Atypien

Ausbildungen von Mikropapillen oder Brücken, nur geringe zytologische Atypien; werden den ADH oder Low-grade-DCIS zugeordnet

ADH (Atypische Duktale Hyperplasie)

intraduktale Proliferation gleichmäßig verteilter, uniformer Zellen, bilden Mikropapillen, Bögen, solide oder kribriforme Strukturen

LN/LIN (Lobuläre Intraepitheliale Neoplasien)

umfassen atypische lobuläre Hyperplasien (ALH) und lobuläre Carcinoma in situ (LCIS), exprimieren kein E-Cadherin; Indikator für invasive lobuläre und duktale Karzinome

pleomorphe Variante Siegelringzell-Variante

Varianten mit erhöhtem Indikator/Risiko der Entwicklung zum Karzinom

mittel bis hoch (RR < 4) B3/B4 benigne Tumoren mit unsicherem biologischen Potential

Exzision hoch (RR > 4) B4 malignitätsverdächtig

nekrotischer Typ DCis (Duktales Carcinoma in situ)

neoplastische epitheliale Proliferation, geringe bis starke zelluläre Atypien, häufig multizentrisch und multifokal

Score

Tumorgröße

Morphologie

Resektionsrand

≤ 15 mm

kleine monomorphe Zellen mit uniformen Kernen, selten Mitosen, lamelläre Verkalkungen, keine Nekrosen

tumorfrei > 10 mm

16–40 mm

intermediärer Kerngrad, Nekrosen, lamelläre und amorphen Verkalkungen

1

2

1–9 mm

41

Exzision mit LN freiem Resektionsrand

sehr hoch (RR > 6) B5 maligne Tumore

Alter (Patientin)

Rezidivrisiko

Maßnahme

> 60 Jahre

Summe Score 4–6: Rezidivrisiko niedrig

Exzision (mit DCISfreiem Resektionsrand)

40–60 Jahre

Summe Score 7–9: Rezidivrisiko mittel

Exzision und Radiotherapie, ggf. und Antiöstrogene

42

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

3

≥ 41 mm

hochgradige Zellatypien mit pleomorphen Kernen, häufig Mitosen, Nekrosen, amorphe Verkalkungen

< 1 mm

< 40 Jahre

Summe Score 10–12: Rezidivrisiko hoch

Mastektomie

Tab. 8.24: Histologische Einstufung von Mammakarzinomen. Invasive Karzinome

Häufigkeit/ Prognose

Karzinome

Häufigkeit/ Prognose

Neuroendokrine Tumore

duktale Karzinome

muzinreiche Karzinome

gemischt

muzinöses Karzinom

atypischer Carcinoidtumor

pleomorph

Zystadenokarzinom

kleinzelliges Karzinom

mit osteoklastenartigen Riesenzellen

zylinderzelliges muzinöses Karzinom

40–75 %

gut

2%

Häufigkeit/ Prognose

solides neuroendokrines Karzinom

5,4

schlecht

13 %

Primärtumor

Grading (Differenzierung)

* Index wird berechnet: Größe des Mammatumors (LD in cm) × 0,2 und Scorewert Grading und Scorewert Lymphknoten

Therapiestrategien Die kurative Primärtherapie des Mammakarzinoms der Stadien I, IIA, IIB, IIIA und IIIB erfolgt gemäß dem Algorithmus der in Deutschland Österreich und Schweiz geltenden Leitlinien (Wörmann B et al., 2018, siehe Tab. 8.27) mit chirurgischen, radiotherapeutischen und pharmakotherapeutischen Verfahren.

Chirurgische Verfahren Chirurgische Entfernung des Mammatumors Grundsätzlich ist der Tumor mit einem allseitigen tumorfreien Resektionsrand zu entfernen (R0). Ein tumorfreier Resektionsrand minimiert das Risiko eines Lokalrezidivs. Die Größe des Resektionsrandes soll betragen: • beim duktalen Carcinoma in situ (DCIS) mindestens 5 mm, • beim invasiven Karzinom mindestens 1 mm, • in Richtung Faszie des Musculus pectoralis können diese Werte unterschritten werden, wenn der Resektionsrand eindeutig tumorfrei ist. Zu unterscheiden sind: • BET/Brust-erhaltende Therapie mit einem Resektionsvolumen von < 30 % des Brustgewebes; – die Entscheidung zur brusterhaltenden Operation ist abhängig von der Einstufung des Tumors gemäß TNM-Klassifikation (Größe, Lage und Anzahl), dem Verhältnis der Tumorgröße zur Größe der Brust, einem ausreichenden Abstand des Tumors zur Brustwand und Haut (siehe Kap. 8.2.1.3 und Tab. 8.18 und Tab. 8.19) und von der Akzeptanz einer Nachbestrahlung;

45

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

Tab. 8.27: Strategie für eine kurative Primärtherapie des Mammakarzinoms (angelehnt an Wörmann et al. 2018). Stadium I, IIA

Stadium IIB, IIIA, IIIB, inflammatorisch





BET/Brust-Erhaltende Therapie möglich





BET + SNLE



cN0



BET nicht möglich

▾ ▸ ◂

und ggf.



AxillaDissektion (selten erforderlich)

primäre neoadjuvante Pharmakotherapie

SNLE Mastektomie + SNLE

cN0

▾ ▸ ◂

▾ SNLE

cN+



▾ primäre neoadjuvante Pharmakotherapie

▾ und

▾ und ggf. AxillaDissektion (selten erforderlich)

BET oder Mastektomie









und ggf.

und

und ggf.

und ggf.

adjuvante Pharmakotherapie

BET

▾ und

adjuvante Radiotherapie

AxillaDissektion

▾ und ggf. AxillaDissektion (selten erforderlich)

adjuvante Pharmakotherapie

▾ und ggf.





und ggf.

und ggf.

adjuvante Pharmakotherapie

adjuvante Radiotherapie

adjuvante Pharmakotherapie

und

▾ und adjuvante Radiotherapie

adjuvante Radiotherapie

BET = Brusterhaltende Therapie; SNLE = Sentinel Lymphnode Excision/Wächter-Lymphknoten-Exzision



als Techniken kommen in Frage: Exzision eines umschriebenen Tumors, ▪ segmentale Resektion eines Tumors mit breitem tumorfreien Randbereich, ▪

46

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Resektion eines Quadranten des Drüsengewebes (Quadrantektomie) bei eindeutig multifokal (auf einem Quadranten beschränkt) vorliegenden multiplen Tumoren, ▪ tumoradaptierte Reduktionsplastik (ggf. mit angleichender Reduktion der gegenseitigen Brust); – in zertifizierten Brustzentren nimmt sie einen Anteil von ca. 70 % der erstdiagnostizierten Mammakarzinomen ein. ablative Techniken mit einem Resektionsvolumen von > 30 % des Brustgewebes bei multizentrischen oder sehr großen Tumoren: – Teilmastektomie (ggf. mit Ersatz durch autologes Gewebe), – subkutane Mastektomie, ▪ Entfernung nur des Drüsengewebes, – SSM/Skin Sparing Mastectomy/hautsparende Mastektomie ▪ Entfernung des Drüsen- und Fettgewebes, ▪ Erhalt von möglichst viel Hautgewebe, ▪ falls möglich Erhalt der Brustwarze und der Areola, – MRM/modifizierte radikale Mastektomie ▪ Entfernung des Drüsen- und Fettgewebes, ▪ Entfernung der brustumgebenden Haut, ▪ Entfernung des Brustwarzen-/Areola-Bereiches, ▪ Entfernung der Faszie des Musculus pectoralis, ▪ Beibehaltung des Musculus pectoralis; – RM/radikale Mastektomie, falls der Tumor den Brustmuskel infiltriert hat ▪ Entfernung des Drüsen- und Fettgewebes, ▪ Entfernung der brustumgebenden Haut, ▪ Entfernung des Brustwarzen-/Areola-Bereiches, ▪ Entfernung der Faszie des Musculus pectoralis, ▪ Entfernung des Musculus pectoralis. ▪



Bevorzugt wird die BET/Brust-Erhaltende Therapie wann immer möglich, da sie • in Kombination mit einer nachfolgenden Radiotherapie bezüglich des Überlebens der alleinigen MRM/Modifizierten Radikalen Mastektomie gleichwertig ist • zu besseren kosmetischen Ergebnissen und einer geringeren Beeinträchtigung der Selbstwahrnehmung führt und • Brust-Rekonstruktionen oft nicht erforderlich oder weniger eingreifend sind. Kontraindikationen für eine BET und damit Indikationen für eine MRM oder RM sind: • die unvollständige Entfernung eines solitären Tumors, – der Resektionsrand erweist sich trotz Nachresektion (histologisch) nicht eindeutig als tumorfrei, • das duktale Carcinoma in situ, DCIS, Score 3 (siehe Tab. 8.23), • ausgedehnte Karzinome: – große duktale Karzinome (siehe Tab. 8.24),

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

47





• •

inflammatorische Karzinome mit karzinomatöser Lymphangiose der Haut (Lymphangiosis carcinomatosis cutis), – diffuse, ausgedehnte Verkalkungen vom malignen Typ, multiple Karzinome, – die nicht sicher auf einen Quadranten (multifokal) beschränkt sind, – die in mehreren Quadranten (multizentrisch) auftreten, wenn kein zufriedenstellendes kosmetisches Ergebnis bei brusterhaltender Therapie zu erwarten ist, wenn keine Möglichkeit einer nachfolgenden Radiotherapie besteht, z. B. bei – einer bestehenden Kontraindikation, – einer Ablehnung durch die Patientin.

Die präoperative Markierung von mammografisch oder mammasonografisch verdächtigen, aber nicht palpablen tumorverdächtigen Bezirken kann erfolgen: • durch Injektion von Methylenblau, falls der chirurgische Eingriff kurzfristig nach der Markierung erfolgt, da Methylenblau eine hohe Gewebsdiffusionsgeschwindigkeit besitzt, • durch Injektion von Kohlestaub, auch einige Tage vor der Operation, • durch das Einsetzen eines Markierungsdrahtes mit Hilfe einer Hohlnadel, • durch Infusion von Methylenblau in den Drüsengang vor der Operation, falls der sezernierende Gang von einem Tumor abgegrenzt werden soll. Chirurgische Entfernung der regionalen Lymphknoten Die Lymphknoten-Exstirpation dient vorrangig der histologischen Untersuchung auf Tumorzellen zur Bewertung der Prognose: • er stellt ein wichtiger Risikofaktor dar für eine mögliche klinisch nicht erkennbare Fernmetastasierung, • ist daher ein entscheidender Faktor für die Wahl eines adjuvanten Therapieverfahrens. Folgende Verfahren werden angewandt: • Wächter-Lymphknotenentfernung (SLNE/Sentinel-Lymphnode-Excision) – beinhaltet die Entfernung und histologische Untersuchung derjenigen axillären Lymphknoten, welche den Tumor drainieren. Diese Lymphknoten werden identifiziert, indem in die Region des Tumors ein Marker injiziert wird, ▪ entweder 6–24 Stunden vor der Operation ein Proteinträger (Nano-Kolloid) gekoppelt mit radioaktivem 99m Technetium und/oder ▪ unmittelbar vor der Operation eine wässrige Farbstofflösung (Triphenylmethan-Farbstoff Patentblau V), ▪ sodass die gesuchten Lymphknoten blau gefärbt und/oder szintigrafisch erfassbar sind und gezielt exstirpiert werden können; – das Ergebnis der histologischen, immunhistologischen und/oder molekularbiologischen Untersuchung der Wächterlymphknoten entscheidet über das weitere Vorgehen; ▪ zu ermitteln sind Makrometastasen (> 2 mm) und Mikrometastasen (> 0,2 mm, < 2 mm), isolierte einzelne Tumorzellen oder kleine Tumorzellverbande

48





8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

< 0,2 mm, (ITC), werden nicht als Mikrometastasen gewertet und sind mit pN0 (i und) zu klassifizieren, ▪ sind keine Tumorzellen zu finden (pN0sn, bei ca. 60 % der Patienten anzutreffen), wird davon ausgegangen, dass auch die übrigen axillären Lymphknoten frei von Tumorzellen sind; ▪ werden Metastasen gefunden (pN+) erfolgt dann keine ALND/Axillary LymphNode-Dissection (s. u.), falls folgende Bedingungen gegeben sind: präoperativ cN0, Tumorstadium T1 oder T2 und geplant BET + adjuvante Pharmakotherapie + Radiotherapie – ist das Standardverfahren bei ▪ unifokalem Mammakarzinom mit einer Tumorgröße ≤ 2 cm (cT1) und cT2, ▪ klinisch und sonografisch unauffälligen axillären Lymphknoten (cN0); – ist in Bezug auf Nebenwirkungen der axillären Lymphknotenentfernung deutlich überlegen. axilläre Lymphknotenentfernung (ALND/Axillary Lymph-Node-Dissection)) – beinhaltet die operative Ausräumung der axillären Lymphknoten, – ist anzuwenden, ▪ wenn bereits klinisch in den axillären Lymphknoten Metastasen nachweisbar sind (cN+); – bei der ALND werden ≥ 10 axilläre Lymphknoten meist im Level I und II reseziert (für die TNM-Klassifikation sind mindestens 10 Lymphknoten, hiervon 6 Lymphknoten im Level 1 notwendig); ▪ Level I: Lymphknoten lateral des lateralen Randes des M. pectoralis minor, ▪ Level II: Lymphknoten zwischen dem medialen und lateralen Rand des M. pectoralis minor sowie die interpektoralen Lymphknoten; ▪ Level III: Lymphknoten medial des medialen Randes des M. pectoralis minor. – Ziel ist die histologische Bestimmung: ▪ der Anzahl von Lymphknoten mit Tumormetastasen, im Besonderen Makrometastasen (> 2 mm) und Mikrometastasen (> 0,2 mm < 2 mm), ▪ die maximale Größe der Lymphknoten-Metastasen, ▪ das Vorkommen perinodaler Tumorinfiltrationen; – mit der Entfernung der Lymphknoten werden Lymphbahnen zerstört, ggf. auch Nervenbahnen; ▪ Lymphschwellungen des Armes und Gefühlsstörungen an der Innenseite des Armes können die Folge sein; – die Beschränkung der ALND auf Stadien mit klinischem bzw. bildgebend gesichertem Lymphknotenbefall ▪ hat zu einer SLNE bei 70–80 % der Patientinnen geführt und damit ▪ die Rate von Wundinfektionen, axillärem Serom, Parästhesien und Lymphödem deutlich gesenkt. radikale Lymphkotenentfernung – beinhaltet die zusätzliche Entfernung der Lymphknoten Level III oder der parasternalen Lymphknoten, – wird nur noch angewandt, wenn die Entfernung von Metastasen in diesen Lymphknoten notwendig erscheint,

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

49

Chirurgische Brustrekonstruktionen/onkoplastische Operationen Nach einer ablativen Entfernung des Mammatumors können Brustrekonstruktionen durchgeführt werden. Hierbei wird fehlendes Brustgewebe ersetzt • durch körpereigenes Gewebe unter Verwendung von – Verschiebe-Lappen (Gewebeanteile aus der unmittelbaren Umgebung der Brustdrüse/des Operationsgebietes), – Schwenk-Lappen (Gewebeanteile aus entfernten Körperregionen, wie z. B. vom Rücken oder von der Bauchregion), beispielsweise bei der ▪ LADO/Latissimus Dorsi- Lappenplastik. Der Latissimus dorsi-Muskel oder Teile des Muskels wird mit einer Haut- und Unterhautspindel vom Rücken ablöst, unter der Achsel durchführt und an der Brustwand einpasst. Bei der Verlagerung bleibt die Blutversorgung des Muskels erhalten. Bei großen Brüsten braucht man zusätzlich eine Prothese, um genügend Volumen nachzubilden. ▪ TRAM/Transversus Rectus Abdominis- Lappenplastik. Der Transversus rectus abdominis-Muskel wird mit einer Haut- und Unterhautspindel vom Bauchbereich ablöst und nach oben als Gewebeersatz im Brustbereich einpasst. Bei der Verlagerung bleibt entweder die Blutversorgung des Muskels erhalten (gestielte TRAM) oder das Gewebe wird mikrochirurgisch an das Gefäßsystem der Brustregion angeschlossen (freie TRAM). Im Regelfall wird keine zusätzliche Prothese benötigt, da im Bauchbereich ausreichend Gewebe zur Verfügung steht; ▪ DIEP/Deep Inferior Epigastric Artery Perforator-Lappenplastik Haut- und Unterhautfettgewebe ohne Muskel wird vom Bauchbereich abgelöst, zur Brustregion verlagert und dort mikrochirurgisch an das Blutgefäßsystem angeschlossen, ▪ Rekonstruktionen der Brustwarze, Gewebe zur Rekonstruktion des Warzenhofes wird von einem Bereich stark pigmentierter Haut, z. B. der Schamlippe gewonnen, die Brustwarze kann vom Gewebe des Warzenhofes der gesunden Brust rekonstruiert werden; • durch körperfremdes Material – Expandereinlage/subpectorale Implantate ▪ Expander dienen als Implantate der Dehnung des Gewebes. Sie werden im Regelfall unter den Muskulus pectoralis eingeführt. Die Dehnung von Muskel und Haut bis zur gewünschten Größe und Form erfolgt über regelmäßiges Auffüllen des Expanders mit Kochsalzlösung. Nachfolgend wird der Expander gegen eine passende Silikonprothese ausgetauscht. ▪ Expander sind bevorzugt vor einer Radiotherapie einzusetzen, da bestrahltes Gewebe nur noch eingeschränkt dehn- und formbar ist. Angleichende Operation der gegenseitigen Brust erfolgen durch: • Verkleinerung (Reduktionsplastik), • Vergrößerung (Implantateinlage auf der gesunden Seite), • Brusthebung und -straffung (Mastopexie).

50

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Radiotherapeutische Verfahren Perkutane radiotherapeutische Verfahren (siehe Kap. 7.3) kommen zum Einsatz: • neoadjuvant/präoperativ in seltenen Fällen und vor der chirurgischen Entfernung des Tumors zur Verkleinerung der Tumormasse, – falls eine neoadjuvante Chemotherapie nicht möglich ist; • intraoperativ im Tumorbett – besonders bei Patientinnen > 70 Jahre mit unifokalem Karzinom zur Reduktion der Strahlenbelastung, und zur Verkürzung der Behandlungszeit • adjuvant – nach einer brusterhaltenden chirurgischen Entfernung des Tumors (BET) ▪ zur Vernichtung verbliebener, lokal im Brustgewebe gestreuter Tumorzellen, ▪ zur Verminderung der Gefahr eines Lokalrezidivs, ▪ nach einer adjuvanten Pharmakotherapie – nach einer ablativen chirurgischen Entfernung des Tumors, z. B.: ▪ zur Vernichtung von Tumorzellen in den verbliebenen Lymphknoten, ▪ zur Vernichtung von Tumorzellen in den Faszien des Brustmuskels und der Brustwand, ▪ zur Verminderung des Risikos eines Lokalrezidivs und zur Verlängerung des Überlebens, ▪ nach einer adjuvanten Pharmakotherapie, • als Boost und beschränkt auf das Tumorbett, um die lokale Rezidivrate zu verringern, • als Bestrahlung der regionalen Lymphabflusswege zusätzlich zur adjuvanten Radiotherpie des Brust- und/oder Thoraxbereiches, im Besonderen (s. o. und Tab. 8.29) – der axillären Lymphknotenregionen, – der Klavikular- und der Mammaria-interna-Regionen – zur Senkung der Rezidivrate und zur Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens, • bei loko-regionalen Rezidiven (Mamma, Lymphknoten, Thoraxwand) – falls keine Radiotherapie bei der Erstbehandlung stattgefunden hat, – falls keine vollständige Resektion der Rezidive möglich ist; • palliativ zur Verminderung der Tumormasse und Linderung der klinischen Symptome – bei Metastasen besonders im Skelett, Gehirn oder der Haut. Die • • •



perkutane adjuvante Radiotherapie sollte erfolgen: als homogene Bestrahlung der gesamten Brust und der Thoraxwand als homogene Bestrahlung so schnell wie möglich nach der Operation, besonders bei erhöhtem Risiko eines Lokalrezidives, falls z. B.: – der Randbezirk des exzidierten Drüsengewebes nicht sicher tumorzellfrei ist (fragliches R0 oder R1), – die Wächterlymphknoten tumorpositiv sind, eine Ausräumung der axillären Lymphknoten aber nicht durchgeführt wurde, wenn möglich nicht gleichzeitig mit einer Chemotherapie (im Besonderen mit Anthracyclinen) wegen der erhöhten Gefahr von verzögert eintretenden Toxizitäten,

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)



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kann jedoch gleichzeitig erfolgen, mit einer Hormontherapie, ▪ mit HER-2/neu-Inhibitoren (z. B. Trastuzumab), falls nicht die Ln der Arteria mammaria interna zu bestrahlen sind; sollte innerhalb von 4–6 Wochen nach Operation oder Abschluss der neoadjuvanten oder adjuvanten Pharmakotherapie begonnen werden; Form einer Erstbestrahlung mit kumulativ 50 Gray (5 × 1,8–2,0 Gy/Woche) und einer Zweitbestrahlung (Dosisaufsättigung/Boost-Bestrahlung) mit kumulativ 10– 16 Gray (5 × 1,8–2,0 Gy/Woche), zumindest bei Patienten < 60 Jahre, ▪ kann wegen geringer Wirkung entfallen bei Patienten > 60 Jahren und geringem Risiko eines Lokalrezidivs (kleiner Tumor). ▪

– •

in – –

Die adjuvante perkutane Radiotherapie • vermindert in allen Altersgruppen – das Risiko eines Lokalrezidivs, – die Mortalität; • scheint jedoch keine Vorteile zu bringen – bei ausgedehntem extrakapsulären Tumorbefall in der Axillaregion. Hormontherapeutische Verfahren Der Nachweis von Östrogen-Rezeptoren und/oder Progesteron-Rezeptoren auf Tumorzellen ist Voraussetzung für ein hormontherapeutisches Verfahren nach der operativen Entfernung des Tumors bzw. nach Abschluss einer Chemotherapie. Der Nachweis der Rezeptoren wird wie folgt eingestuft: • 0 % positive Tumor-Zellkerne: Rezeptor-negativ; Hormonantagonisten unwirksam, • 1–9 % positive Tumor-Zellkerne: Rezeptor gering positiv; Hormonantagonisten fraglich wirksam, • > 9 % positive Tumor-Zellkerne: Rezeptor-positiv; Hormonantagonisten wirksam. Zu den hormontherapeutischen Verfahren zählen (siehe Kap. 7.5.1) • die primäre, neoadjuvante Hormontherapie präoperativ – als eine Option für postmenopausale Patientinnen mit Östrogen-Rezeptor-positivem Tumor, bei denen ▪ eine Operation kontraindiziert ist oder abgelehnt wird und/oder ▪ eine Chemotherapie wegen einer erheblichen Komorbidität oder schlechten Allgemeinzustandes nicht möglich ist; – Aromatase-Hemmer (siehe Kap. 7.5) scheinen hier die beste Wirkung zu erzielen; • die adjuvante Hormontherapie mit einem Antiöstrogen (z. B. Tamoxifen, 20 mg pro Tag); – sie ist wirksam bei Frauen ▪ jeden Alters, ▪ unabhängig von Lymphknotenmetastasen, Menopausenstatus oder ▪ einer adjuvanten Chemotherapie,

52

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



sie sollte verabreicht werden über eine Zeitdauer von 5 Jahren bzw. ▪ bis zum Rezidiv; – sie vermindert deutlich ▪ die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs, ▪ die Sterblichkeit; bei prämenopausalen Frauen die Ausschaltung der Ovarialfunktion – durch GnRH-(Gonadotropin-Releasing Hormon-) Analoga (Agonisten) über mindestens zwei Jahre; diese ▪ vermindern in Kombination mit einer adjuvanten Chemotherapie die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs und die Sterblichkeit, ▪ werden durch Antiöstrogene (Tamoxifen) in ihrer Wirkung geschwächt; – durch Ovarektomie, – durch Radiomenolyse; bei postmenopausalen Frauen die Ausschaltung der Synthese von Östrogenen – durch Aromatase-Inhibitoren (siehe Kap. 7.5.1); diese ▪ sind der Gabe von Tamoxifen überlegen, ▪ können als erste Hormontherapie für 5 Jahre oder nach einer Antiöstrogen-Therapie von 2–3 Jahren oder von 5 Jahren für 2–3 bzw. 5 Jahre verabreicht werden; ▪ können das Risiko von Rezidiven und von Fernmetastasen vermindern und das rückfallfreie Überleben und das Gesamtüberleben erhöhen; ▪ zeigen als Nebenwirkungen im Vergleich zu Tamoxifen weniger Hitzewallungen, thromboembolische Ereignisse und Endometriumkarzinome, erhöhen jedoch die Rate an Arthralgien und Myalgien und durch Knochendichteverlust von osteoporotischen Frakturen; bei lokal-regionalen Rezidiven und Fernmetastasen – falls das Rezidiv/die Fernmetastasen Östrogen-Rezeptoren und/oder ProgesteronRezeptoren exprimieren. ▪







Osteoporose und damit verbunden das Auftreten orthopädischer Komplikationen ist ein wesentliches Risiko • der adjuvanten endokrinen Therapie, im Besonderen mit Aromatase-Hemmern, • bei postmenopausalen Mammakarzinom-Patientinnen. Die Prophylaxe wie auch Therapie kann erfolgen durch Verabreichung von • von Biphosphonaten, welche mit Kalzium unlösliche Komplexe bilden und hierdurch – Osteoklasten in die Apoptose führen und – die Lebensdauer von Osteoblasten zu verlängern scheinen, – bei postmenopausalen Mammakarzinom-Patientinnen zu einer Verlängerung der Gesamtüberlebenszeit verlängern können, – aber auch das Risiko von Knochennekrosen erhöhen. • von Antikörpern gegen RANKL/Receptor Activator of NF-kB-Ligand (CD234) wie z. B. Denosumab, welcher

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

– – –

53

RANKL inhibiert, sodass dieser den Rezeptor RANK auf Osteoklasten nicht mehr aktivieren kann, synergisch wirkt mit Östrogenen und dem OPG/Osteoprotegerin die osteoporotische Wirkung von Tumoren, welche RANKL produzieren, hemmt

Chemotherapeutische Verfahren Die Chemotherapie von Mammatumoren mit Hilfe von Zytostatika (siehe Kap. 7.4) kommt zum Einsatz: • als NACT/Neo-Adjuvante Chemo-Therapie (auch PST/Primär Systemische Therapie genannt) und präoperativ – im Stadium I/IIA mit oder ohne Metastasen in den axillären Wächterlymphknoten, falls Notwendig (siehe Tab. 8.28) – im Stadium IIB, IIIA/B bei lokal fortgeschrittenen Mammakarzinomen im Regelfall (siehe Tab. 8.29) ▪ d. h. bei Tumoren T3/T4 mit oder ohne Metastasen in den axillären Lympknoten (Ln-0 bis Ln-x), jedoch ohne Fernmetastasen (M0), ▪ bei inflammatorischen Mammakarzinomen (welche eine relativ schlechte Prognose aufweisen), – bei inoperablen Mammakarzinomen, ▪ falls eine Komorbidität oder der Allgemeinzustand nicht eine Chemotherapie verbieten; – als eine alternative Behandlungsmöglichkeit für Patientinnen, bei denen eine Indikation für eine Mastektomie vorliegt, die aber eine brusterhaltende Operation wünschen; – Ziel ist die Reduktion des Tumorvolumens bis hin zur kompletten Remission, sodass nachfolgend ▪ eine Tumorresektion mit ausreichend großem tumorfreien Randbezirk erfolgen kann und ggf. ▪ eine brusterhaltende chirurgische Therapie (BET) möglich ist; – das Behandlungsschema sollte ▪ ein Anthrazyclin und ein Taxan enthalten, ▪ ansonsten der adjuvanten Chemotherapie entsprechen (siehe Tab. 8.29); – die Wirksamkeit ▪ wird ist abhängig von der Ausdehnung des Tumors in der Brust oder in den Lymphknoten, ▪ ist bei Östrogen-/Progesteron-Rezeptor-negativen Tumoren am größten, ▪ ist ansonsten in etwa gleich wie bei der adjuvanten Chemotherapie; ▪ hat das Ziel einer kompletten Vernichtung der Tumorzellen (pCR), diese gilt als ein Surrogatmarker für das Langzeitüberleben; – nach der Chemotherapie sollte eine Exzision des Tumors erfolgen, ▪ vorzugsweise in den Grenzen, wie sie primär mammografisch/sonografisch ermittelt worden sind, ▪ oder gegebenenfalls auch in den neuen Grenzen, je nach Ausmaß der durch die neoadjuvante Chemotherapie bedingten, bioptisch nachweisgewiesenen Tumorregression;

54 •

• •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

als adjuvante Chemotherapie postoperativ – mit einem der bewährten Behandlungsschemata (siehe Tab. 8.28 und 8.29); – die Wirkung (Verminderung der Risiken von Rezidiven, Erhöhung der Überlebenswahrscheinlichkeiten) ▪ ist bei Frauen < 50 Jahre am größten, ▪ bei Frauen > 50 Jahre auch gegeben, aber eher geringer; bei lokal-regionalen Rezidiven und Fernmetastasen, palliativ, – bei Vorhandensein von Fernmetastasen.

Folgende grundsätzliche Regeln gelten für die Chemotherapie von Mammatumoren: • das in den gültigen Leitlinien empfohlene Behandlungsschema ist das bestwirksame Schema (siehe Tab. 8.28, 8.29 und 8.34), – eine Erniedrigung der Tagesdosis oder der Gesamtdosis oder eine Verminderung der Anzahl der Zyklen führt ▪ zum Verlust der Wirksamkeit, ▪ zu vermehrt chemoresistenten Tumorzellen (siehe Kap. 7.4.2); – eine Steigerung der Dosis von Cyclophosphamid oder Doxorubicin (siehe Kap. 7.4.1) ▪ erhöht nicht die anti-tumorale Wirksamkeit; ▪ verstärkt die Nebenwirkungen (z. B. die kumulative Kardiotoxizität von Anthrazyclinen, siehe Kap. 7.4), • bei adjuvanter Chemotherapie sind die möglichen Zweierkombinationen den empfohlenen Dreierkombinationen überlegen, wenn diese – ein Anthracyclin enthalten, – ein Taxan enthalten bei Patientinnen ▪ mit Metastasen in den axillären Lymphknoten oder ▪ mit Östrogen-Rezeptor-negativen Tumoren, – in der vorgegebenen Anzahl der Zyklen verabreicht werden (siehe Tab. 8.29); • bei Dreierkombinationen können die einzelnen Zytostatika simultan oder sequentiell verabreicht werden. Therapieverfahren mit Inhibitoren der zellulären Signaltransduktion Mammatumoren können behandelt werden mit Inhibitoren der Signaltransduktion. Bedeutsamste Zielstruktur ist der Her-2/neu-Rezeptor (siehe Kap. 4.3.1). Voraussetzung für eine Behandlung mit Inhibitoren des Her-2/neu-Rezeptors ist dessen Nachweis auf den Tumorzellen. Mammatumorzellen gelten als Her-2/neu positiv, wenn folgender Befund vorliegt: • > 30 % positive Tumorzellen (Färbung der Zellmembran) bei der immunhistochemischen Untersuchung (ICH), • eine Amplifikationsrate > 2,2 des Her-2/neu-Gens im Vergleich zum Chromosom 17/ CEP17 (Quotient aus Her-2/neu Gensignalen und Chromosom 17(CEP17) bei der FISH/ Fluoreszenz-In-Situ-Hybridisierung, • > 6 Signale für das Her-2/neu-Gen bei der CISH/Chromogen-In-Situ-Hybridisierung.

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

55

Zur Verfügung stehen • Monoklonale Antikörper gegen HER2 wie Trastuzumab und Pertuzumab, wobei diese – unterschiedliche Epitope auf HER2 erkennen – gleichwertig in ihrer anti-tumoralen Wirkung sind, – zumindest additiv wirken in der Hemmung von HER2 und der antiproliferativen Wirkung auf HER2 positive Tumorzellen • kleinmolekulare dual (EGFR und HER2) wirksame Tyrosin-Phosphokinase-Inhibitoren wie Lapatinib, welcher – auf Grund seiner dualen Wirkung auch bei Trastuzumab –resistenten HER2+ Tumorzellen antiproliferativ wirkt. Die Behandlung mit Trastuzumab, Pertuzumab oder Lapatinib (siehe Kap. 7.6 und 7.7.1) kann erfolgen • neoadjuvant und präoperativ, • adjuvant und postoperativ, • palliativ. Für den monoklonalen Antikörper (Trastuzumab, siehe Kap. 7.6 und 7.7.1) gegen Her-2/neu liegen die meisten klinischen Erfahrungen vor. Für seine Verabreichung gelten folgende Empfehlungen: • neoadjuvante Behandlung – simultan zur Chemotherapie ▪ hierdurch kann die Rate der histologisch bestätigten Komplettremissionen (pCR) signifikant erhöht werden; ▪ der Einsatz sollte vorzugsweise in klinischen Studien erfolgen; • die adjuvante Behandlung – ist indiziert bei Patientinnen ▪ mit Tumoren > 1 cm Durchmesser, gleichgültig, ob in den axillären Lymphknoten Metastasen nachweisbar sind (nodal-positiv) oder nicht (nodal-negativ), ▪ mit einer adäquaten Herzfunktion (Messung der linksventrikulären Auswurffraktion), da Trastuzumab insbesondere in Kombination mit Anthracyclinen klinisch relevante Herzinsuffizienzen hervorrufen kann (besonders bei Patienten > 50 Jahren mit kardialen Vorerkrankungen); Spätkardiotoxizitäten scheinen jedoch nicht vermehrt aufzutreten; – nach folgendem Schema ▪ Infusionen in wöchentlichen oder dreiwöchentlichen Intervallen über die Dauer von einem Jahr; – kann in Kombination mit einer Chemotherapie erfolgen, und zwar ▪ simultan zu einer Taxan-haltigen Chemotherapie, ▪ sequentiell zu einer Anthrazyclin-haltigen Chemotherapie; – vermindert in erheblichem Maß das Risiko des Tumorrezidivs, die Mortalität.

56

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Als weitere Zielstruktur beim Mammakarzinom gilt die CDK4/6 Kinase des Zellzyklus (3.4.2) • die Inhibitoren Palbociclib, Ribociclib und Abemaciclib werden eingesetzt • in Kombination mit Antagonisten des Östrogen-Rezeptors bei der Therapie von Hormon-Rezeptor-positiven Fernmetastasen des Mammakarzinoms (siehe Tab. 8.30)

Therapieverfahren der Stadien I und IIA Die Strategien der Primärtherapie für die Stadien I und IIa verfolgen das Ziel • der Heilung bei bestmöglicher Brusterhaltung und • minimaler Nebenwirkungen Im Vordergrund stehen (siehe Tab. 8.28) • die chirurgische Exstirpation des Tumors, • eine nachfolgende (adjuvante) Radiotherapie durch Bestrahlung der verbliebenen Brust und Thoraxwand und • je nach Ergebnis der Rezeptoruntersuchungen und des genetischen Risikos (siehe Tab. 8.11) – eine endokrine Therapie bei Nachweis von Östrogen-Rezeptoren (ER+) oder Progesteron-Rezeptoren (PgR+) und – einer Therapie mit monoklonalen Antikörpern gegen den HER2-Rezeptor (HER2+) bei dessen Nachweis und/oder – einer adjuvanten Chemotherapie. Tab. 8.28: Therapieverfahren für das Mammakarzinom Stadium I und IIA (in Anlehnung an Wörmann et al. 2018 und Albert et al. 2020). Therapeutisches Ziel: kurativ (Heilung) Maßnahme

Kommentar Chirurgie

BET/Brust-Erhaltende Therapie

Exstirpation (invasives Karzinom) mit tumorfreiem Resektionsrand (R0) (Resektionsrand ggf. größer nach neoadjuvanter Therapie und/oder ausgedehntem DCIS) Tumorvolumen Brustvolumen



BET + adjuvante Bestrahlung ist bezüglich Überleben gleichwertig der MRM Brust

Mastektomie

modifizierte radikale Mastektomie (MRM), falls multizentrischer Tumor, nur inkomplette Entfernung (auch nach Nachresektion) des Tumors bei BET möglich oder inflammatorisches Mammakarzinom nach neoadjuvanter Chemotherapie oder klinische Kontraindikationen zur Nachbestrahlung nach BET und/oder Wunsch des Patienten (schlechtes kosmetisches Ergebnis nach BET, Ängste)

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

Axilla

57

cN0

gezielte Entfernung/Untersuchung präoperativ markierter Lymphknoten (≥ 3), vor oder nach (Gefahr falsch negativer Befunde) neoadjuvanter Pharmakotherapie

pN0

keine Axilla-Lymphknoten-Dissektion (ALND)

SLNE

keine ALND, falls präperativ cN0, Tumorstadium T1 oder T2 und geplant BET + adjuvante Pharmakotherapie + Radiotherapie pN2+ Nachweis isolierter Tumorzellen oder Mikrometastasen (≤ 2 mm) in einem Ln haben keine prognostische und therapeutische Relevanz Radiotherapie 20 Gray während der OP

intraoperativ Tumorbett

Patientinnen > 45 Jahre: Rezidivrate höher als bei adjuvanter Radiotherapie; Mortalität jedoch gleich

BET

Patientinnen > 70 Jahre, unifokales Karzinom: Reduktion der Strahlenbelastung, Verkürzung der Behandlungszeit, Erniedrigung der Rezidivrate konventionell mit 50 Gray in 25 Sitzungen über 5 Wochen oder hypofraktioniert mit 40–42,5 Gray in 15– 16 Sitzungen über 3 Wochen (verringert Ödeme, Teleangiektasien und Schrumpfung der Brust) keine Altersbeschränkung

adjuvant Brust + Thoraxwand

nach BET

pN0

Risikominderung (nach 10 Jahre) Metastasierung um ca. 11 %, Mortalität um ca. 4 %

pN+

Risikominderung (nach 10 Jahre) Metastasierung um ca. 21 %; Mortalität um ca. 9 %

Zeitpunkt

ohne adjuvante Chemotherapie: Beginn 4–6 Wochen nach BET mit adjuvanter Chemotherapie: nach Chemotherapie, ≤ 7 Monate nach OP/BET

nach Mastektomie

Boost Tumorbett

nur selten erforderlich mit 10–16 Gray (5-mal 1,8–2,0 Gy/Woche) senkt weiter die Lokalrezidivrate, kein Einfluss auf Mortalität

nach BET T1, N0, ER+

Wirksamkeit nicht gesichert bei Patientinnen > 60 Jahre

adjuvante Pharmakotherapie

adjuvante endokrine Therapie

Menopausenstatus: Anamnese (inkl. gynäkol. Ops), Nachweis FSH, Östradiol prämenopausal

≥ 1 % ER + ≥ 1 % PgR+

Stadium I (keine adjuvante Chemotherapie) Tamoxifen 5 Jahre

58

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

adjuvante endokrine Therapie

(75–80 % der Patientinnen)

postmenopausal

HER2+

adjuvante anti HER2 Therapie

(Immunhistochemie/IHC: Score3+ ) (In Situ Hybridisierung/ISH: > 6 HER2 Signale/ Nukleus)

Triple negative Mamma-Tumore

Stadium I/II (nach ggf. adjuvanter Chemotherapie) Tamoxifen 5 Jahre + Ausschaltung der Ovarialfunktion* 5 Jahre

pN+ Er+, PgR+

Aromatase-Hemmer 2–5 Jahre gefolgt von Tamoxifen 2–5 Jahre oder Tamoxifen 2–5 Jahre gefolgt von Aromatase-Hemmer 2–5 Jahre oder Aromatase-Hemmer 5 Jahre oder Tamoxifen 5–10 Jahre (Reduktion des Rezidivsrisikos und der Mortalität um ≤ 30 %)

ER-; PgR –

keine endokrine Pharmakotherapie

pN0 pN+

ca. 20 % der invasiven duktalen Mammakarzinome exprimieren HER2 (Immunhistochemie/IHC: Score3+; In-situ-Hybridisierung/ISH: > 6HER2-Signale/ Nukleus) Trastuzumab gleichzeitig zu Taxanen und sequentiell nach Anthracylinen (Reduktion Rezidivrisiko und Verlängerung der Überlebenszeit)

pN0

bei älteren Patienten (erhöhtes Risiko für Anthracyclin-Toxizität) bevorzugt nur Taxane

pN0, pN+, inflammatorisches Stadium

Trastuzumab + Pertuzumab in Kombination mit Taxane verbessert das therapeutische Ergebnis (im Besonderen Remissionen) im Vergleich zu Trastuzumab + Taxan alleine

ER-, PgR -, HER2Ki67 + bis +++

apokrin G1, günstige medullär (BCRA-), Prognose** oder adenoidzystisch mittlere Prognose**

apokrin G3 ungünstige Prognose**

adjuvante Chemotherapie

apokrin G2

Chemotherapie: Kombinationen enthaltend A oder E + T + P

invasiv ductal/ basal-ähnlich neuroendokrin

pN ≥ 4+, G3; Gefäßinfiltration+++ ER-, PgR – genetisch. Risiko*: HER2 ++/+++ +++ Ki67 +++ uPA/PAI +++ pN2–3+, G2 genetisches Risiko*: ++

ER/PgR+ ≥ 50 % HER2 –

adjuvante Chemotherapie notwendig

Notwendigkeit der adjuvanten Chemotherapie unklar

Chemotherapie: Kombinationen AC+T oder EC+T sind überlegen (Rezidivrate ↓) CMF; CMF ist überlegen Capecitabin oder 0-Therapie.

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

adjuvante Chemotherapie

Primärtumor ≤ 2 cm pN0, G1, Gefäßinfiltration = 0 genetisches Risiko*: + uPA/PAI +

ER/PgR+ ≥ 50 % HER2 Ki67+

59

adjuvante Chemotherapie nicht zwingend notwendig

*) genetisches Risiko: siehe Tab. 8.11; **) Prognose = Risiko der Metastasierung; A = Doxorubicin (Adriamycin); AC+T = Doxorubicin (Adriamycin) + Cyclophosphamid + Taxan (Docetaxel oder Paclitaxel); CMF = Cyclophosphamid + Methotrexat + 5-Fluorouracil; E = Epirubicin; EC+T = Epirubicin + Cyclophosphamid + Taxan (Docetaxel oder Paclitaxel); P = Platinderivat (Cisplatin, Carboplatin oder Oxaliplatin); T = Taxan (Docetaxel oder Paclitaxel); uPA/PAI = Quotient der Aktivitäten des Urokinase-Typ PlasminogenAktivators und des Plasminogen-Aktivator-Inhibitor Typ 1

Therapieverfahren der Stadien IIB, IIIA, IIIB und des inflammatorischen Mammakarzinoms Auch in diesen Stadien verfolgt die Primärtherapie ein kuratives Ziel mit einer 5-Jahresüberlebensrate zwischen 70–90 %. Die Behandlung ist vom Grundsatz her gleich wie bei den Stadien I und IIA. Jedoch im Unterschied zu diesen kommt häufiger zur Anwendung bzw. wird bevorzugt (siehe Tab. 8.29) • eine primäre, präoperative (sogenannte neoadjuvante) Chemotherapie, – besonders bei Mammakarzinomen, ▪ welche lokal fortgeschritten, primär inoperabel oder inflammatorisch sind, ▪ zur Reduktion der Tumorgröße, um ggf. eine Mastektomie zu vermeiden und/ oder – als Alternative zur postoperativen adjuvanten Chemotherapie; – bietet die Möglichkeit, klinisch bereits präoperativ zu erkennen, ob die gewählten Zytostatika den Tumor zur Regression bringen und dadurch die Chance für eine nachfolgende brusterhaltende Chirurgie erhöhen, – erfordert eine engmaschige Kontrolle einschl. bildgebender Untersuchungen des Tumors, ▪ ggf. muss bei kleinen Tumoren eine Clipmarkierung erfolgen, um auch bei pCR das Tumorbett sicher operativ entfernen zu können ▪ wobei bei einer Progression die frühzeitige Operation (BET oder Mastektomie) primär indiziert ist, – besitzt jedoch den Nachteil, dass eine posttherapeutische SLNE bei cN+ nur eine eingeschränkte Bewertung des Befalls axillärer Lymphknoten erlaubt, – wird bevorzugt angewandt bei Patientinnen mit ▪ HER2-positiven oder triple negativen Mammakarzinomen, ▪ mit ER positiven oder PgR positiven Mammakarzinomen und ggf. weiteren Risikofaktoren, – kann bei HER2-positiven und ER- oder PgR positiven Karzinomen zur Wirkungsverstärkung mit einer Anti-HER2-Therapie kombiniert werden, wobei nachfolgend eine endokrine Therapie zu verabreichen ist. Deren Behandlungsdauer beträgt

60

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

bei der Anti-HER2-Therapie ≈ 1 Jahr bei der endokrinen Therapie ≈ 10 Jahre die modifizierte radikale Mastektomie, besonders bei multizentrischen Tumoren oder beim inflammatorischen Mammakarzinom die Axilla-Lymphknoten-Dissektion (ALND) besonders, wenn Metastasen in den axillären Lymphknoten bereits klinisch (cN+) oder histologisch (pN ≥ 3+) festgestellt wurden, die Bestrahlung der regionalen Lymphabflusswege zusätzlich zur adjuvanten Radiotherapie des Brust- und/oder Thoraxbereiches, – der axillären Lymphknotenregionen, ▪ bei positiven (cN+, pN+) axillären Lymphknoten, im Besonderen dann, wenn keine Axilla-Lymphknoten-Dissektion (ALND) möglich oder gewünscht wird, ▪ nach einer Axilla-Lymphknoten-Dissektion (ALND) ▪ bei Rest-Tumoren in der Axilla – der Klavikular- und der Mammaria-interna-Regionen ▪ axillärem Lymphknotenbefall und/oder bei zentralem oder medialen Sitz des Primärtumors, – kann die Rezidivrate senken und das krankheitsfreie Überleben verbessern, – ist aber mit einem erhöhten Toxizitäts- Risiko besonders für das Herz und die Lunge und mit Lymphabflussstörungen belastet. die adjuvante anti HER2 Therapie in Kombination mit der Chemotherapie, wobei – im Regelfall Trastuzumab verabreicht wird, – die doppelte Anti-HER2-Therapie mit Trastuzumab und Pertuzumab ▪ zwar eine Erhöhung der Rate pathohistologisch gesicherter kompletter Remissionen bewirkt, ▪ aber keine Verbesserung der krankheitsfreien Überlebensrate, ▪ was in Anbetracht der Nebenwirkungen beim Vorliegen von Risikofaktoren bedacht werden sollte, adjuvante endokrine Therapie im Anschluss an die adjuvante Chemotherapie ▪ ▪

• •







Tab. 8.29: Therapieverfahren für das Mammakarzinom Stadium IIB, IIIA, IIIB und für das inflammatorische Mammakarzinom (in Anlehnung an Wörmann et al. 2018 und Albert et al. 2020). Therapeutisches Ziel: kurativ (Heilung); 5 Jahresüberlebensrate 70–90 % Maßnahme

Kommentar Chirurgie

Brust

BET Brusterhaltende Therapie

Exstirpation (invasives Karzinom) mit tumorfreiem Resektionsrand (R0) (Resektionsrand ggf. größer nach neoadjuvanter Therapie und/oder ausgedehntem DCIS) Tumorvolumen 3 cm, Infiltration der Pektoralisfaszie, R1/R2-Situation mit neoadjuvanter Chemotherapie: Beginn 4–6 Wochen nach OP;

Zeitpunkt mit adjuvanter Chemotherapie: nach Chemotherapie und ≤ 7 Monate nach OP

adjuvant zusätzlich Lymphabflusswege

nach BET, nach Mastektomie

cN+, pN ≥ 3+

Bestrahlung (5-mal 1,8–2,0 Gy/Woche) der Axillarregion, falls Resttumor in Axilla, nach ALND, weil ALND nicht möglich/nicht erwünscht; Bestrahlung (Einzeldosis 1,8 Gy/Woche) der Lymphknoten der Klavikular- und der Mammariainterna-Region; bei zentralem oder medialen Sitz des Primärtumors. Erhöht krankheitsfreies Überleben.

62

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Boost Tumorbett

mit 10–16 Gray (5-mal 1,8–2,0 Gy/Woche), senkt weiter die Lokalrezidivrate, kein Einfluss auf Mortalität

nach BET T1, N0, ER+

Wirksamkeit nicht gesichert bei Patientinnen > 60 Jahre

adjuvante Pharmakotherapie Ermittlung des Menopausenstatus durch Anamnese (inkl. bisheriger gynäkol. Ops und Nachweis von FSH, Östradiol

adjuvante endokrine Therapie

prämenopausal

≥ 1 % ER + ≥ 1 % PgR+ (75–80 % der Patientinnen)

(im Anschluss an die Chemotherapie) postmenopausal

HER2+ adjuvante anti HER2 Therapie (in Kombination mit der Chemotherapie)

(Immunhistochemie/IHC: Score3+ ) (In Situ Hybridisierung/ISH: > 6 HER2 Signale/ Nukleus)

Triple negative Mamma-Tumore

In den Stadien IIB und III (nach adjuvanter Chemotherapie) Tamoxifen 5 Jahre + Ausschaltung der Ovarialfunktion 5 Jahre oder Exemestan 5 Jahre + Ausschaltung der Ovarialfunktion 5 Jahre (Ausschaltung der Ovarialfunktion durch GnRH-Analoga, Ovarektomie oder Radiomenolyse)

pN+ Er+, PgR+

Aromatase-Hemmer 2–5 Jahre gefolgt von Tamoxifen 2–5 Jahre oder Tamoxifen 2–5 Jahre gefolgt von Aromatase-Hemmer 2–5 Jahre oder Aromatase-Hemmer 5 Jahre oder Tamoxifen 5–10 Jahre (Reduktion des Rezidivsrisikos und der Mortalität um ≤ 30 %)

ER-; PgR –

keine endokrine Pharmakotherapie

pN0 pN+

ca. 20 % der invasiven duktalen Mammakarzinome exprimieren HER2 (Immunhistochemie/IHC: Score3+; In-situ-Hybridisierung/ISH: > 6HER2-Signale/ Nukleus) Trastuzumab gleichzeitig zu Taxanen und sequentiell nach Anthracylinen (Reduktion Rezidivrisiko und Verlängerung der Überlebenszeit)

pN0

bei älteren Patienten (erhöhtes Risiko für Anthracyclin-Toxizität) bevorzugt nur Taxane

pN0, pN+, inflammatorisches Stadium

Trastuzumab + Pertuzumab in Kombination mit Taxane verbessert das therapeutische Ergebnis (im Besonderen Remissionen) im Vergleich zu Trastuzumab + Taxan alleine

ER-, PgR -, HER2Ki67+ bis +++

apokrin G1, günstige medullär (BCRA-), Prognose** oder adenoidzystisch mittlere Prognose**

apokrin G2

Chemotherapie***: Kombinationen enthaltend A oder E +T+P

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

bevorzugt primäre/ präoperative „neoadjuvante“ Chemotherapie

Triple negative Mamma-Tumore

ER-, PgR -, HER2Ki67+ bis +++

pN ≥ 4+, G3; Gefäßinfiltration+++ ER-, PgR – genetisch. Risiko*: HER2 ++/+++ +++ Ki67 +++ uPA/PAI +++

apokrin G3 ungünstige Prognose**

invasiv ductal/ basal-ähnlich neuroendokrin

adjuvante Chemotherapie notwendig

bei Mammakarzinomen lokal fortgeschritten, primär inoperabel oder inflammatorisch; zur Reduktion der Tumorgröße, um ggf. eine Mastektomie zu vermeiden und/oder als Alternative zur adjuvanten Chemotherapie pN2–3+, G2 genetisches Risiko*: ++ postoperative „adjuvante“ Chemotherapie

Primärtumor ≤ 2 cm pN0, G1, Gefäßinfiltration = 0 genetisches Risiko*: + uPA/PAI +

ER/PgR+ ≥ 50 % HER2 – ER/PgR+ ≥ 50 % HER2 Ki67+

63

Notwendigkeit der adjuvanten Chemotherapie unklar

Chemotherapie***: Kombinationen enthaltend A oder E +T+P

Chemotherapie***: Kombinationen AC+T oder EC+T sind überlegen (Rezidivrate ↓) CMF; CMF ist überlegen Capecitabin oder 0-Therapie.

adjuvante Chemotherapie nicht zwingend notwendig

Fettschrift: Behandlungsoptionen zusätzlich/alternativ zu denjenigen im Stadium I7IIA *) genetisches Risiko: siehe Tab. 8.11; **) Prognose = Risiko der Metastasierung; A = Doxorubicin (Adriamycin); ***) siehe Kap. 7.4; AC+T = Doxorubicin (Adriamycin) + Cyclophosphamid + Taxan (Docetaxel oder Paclitaxel); CMF = Cyclophosphamid + Methotrexat + 5-Fluorouracil; E = Epirubicin; EC+T = Epirubicin+ Cyclophosphamid+ Taxan (Docetaxel oder Paclitaxel); P = Platinderivat (Cisplatin, Carboplatin oder Oxaliplatin); Tamoxifen = selektiver Östrogen-Rezeptor-Modulator; T = Taxan (Docetaxel und Paclitaxel); Erubilin = Analogon von Halichondrin B; uPA/PAI = Quotient der Aktivitäten des UrokinaseTyp Plasminogen-Aktivators und des Plasminogen-Aktivator-Inhibitor Typ 1

Eine pathohistologisch gesicherte komplette Remission (pCR), erzielt durch die präoperative Chemotherapie, ist grundsätzlich ein günstiger prognostischer Parameter. • Patientinnen, die nicht auf eine präoperative Chemotherapie ansprechen, haben eine ungünstigere Prognose. • Bei Nicht-Ansprechen auf 2 Zyklen einer präoperativen Anthracyclin- und Taxan-haltigen Chemotherapie kann auf ein weniger toxisches Regime mit Vinorelbin und Capecitabin gewechselt werden Für die adjuvante Pharmako-Therapie gelten im Grundsatz dieselben Empfehlungen wie für die Behandlung der Stadien I, IIA.

64

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Krankheitsfreie und Gesamt-Überlebenszeit nach präoperativer oder adjuvanter Chemotherapie sind gleich. Bei Patientinnen mit fehlender Hormonsensitivität können pathohistologische Komplettremissionen (pCR) des Primärtumors von > 50 % erzielt werden. Die eingesetzten Schemata entsprechen denen der adjuvanten Therapie mit Applikation von Anthracyclinen und Taxanen über eine Behandlungsdauer von mindestens 18 Wochen. Die primäre endokrine Therapie stellt eine Option für postmenopausale Patientinnen mit HR-positivem Tumor dar, bei denen eine Brust-erhaltende Operation nicht möglich und eine Chemotherapie kontraindiziert ist bzw. abgelehnt wird.

Therapieverfahren bei lokal-regionalen Rezidiven Lokoregionäre Rezidive • treten innerhalb von 10 Jahren – in etwa 5–10 % der Fälle nach BET/Brust-Erhaltender Therapie und Bestrahlung auf, – mit etwas niedrigerer Häufigkeit nach Mastektomie, • entstehen zu etwa – 90 % intramammär, d. h. in der Brustdrüse (In-Brust-Rezidiv), – 10 % an der Thoraxwand oder in der Axilla, wobei die Häufigkeit folgende Rangfolge an ▪ Thoraxwand > Lymphknoten der Supraklavikularregion > Lymphknoten in der Axilla, ▪ ca. 10–30 % multilokale Lokalisation, Die prognostischen Faktoren beinhalten • diejenigen bei Primärtumoren, • des Weiteren das Intervall zwischen Erstdiagnose und Rezidiv (je kürzer umso schlechter) Das Ziel der Therapie ist kurativ und beinhaltet folgende Vorgehensweise • bei intramammären Rezidiven (in Brust-Rezidiven) – ist die sicherste chirurgische Therapie ▪ die (sekundäre) Mastektomie, – kann nochmals brusterhaltend reseziert werden, ▪ wenn ein duktales Carzinoma in situ vorliegt, ▪ falls beim invasivem Karzinom das Rezidivintervall groß und die Tumorgröße klein gewesen ist, ▪ wenn die Resektionsränder des Tumorrezidivs eindeutig tumorzellfrei sind, ▪ wenn man sich des erhöhten Risikos eines erneuten Rezidivs bewusst ist; ▪ bei lokal-regionalen Rezidiven nach Mastektomie – ist die chirurgische Strategie ▪ die vollständige Resektion des Rezidivs mit eindeutig tumorzellfreiem Resektionsrand,

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)



65

bei beiden Lokalisationen eines lokal-regionalen Rezidivs – ist eine Radiotherapie indiziert ▪ wenn diese bei der Primärtherapie nicht durchgeführt wurde oder, ▪ erneut, wenn eine vollständige Resektion nicht möglich ist; – kann eine adjuvante Hormontherapie durchgeführt werden, ▪ wenn die Zellen des Rezidivs Östrogen-/Progesteron-Rezeptoren exprimieren; ▪ mit einem Wechsel zu einem Aromatase-Hemmer, falls die Primärtherapie ein Antiöstrogen (z. B. Tamoxifen) enthielt, – ist eine adjuvante Chemotherapie angezeigt ▪ mit Anthracyclin und Taxan, falls diese nicht Bestandteile der Primärtherapie gewesen sind oder ▪ mit dem CMF-Schema (Cyclophosphamid + Methotrexat + 5Fluorouracil). – ist eine adjuvante Anti HER2-Therapie sinnvoll, falls der Tumor HER2-positiv ist

Therapieverfahren bei Fernmetastasen Eine Therapie ist im Regelfall nur palliativ möglich. Ziel ist die Erhaltung einer möglichst hohen Lebensqualität und langen Symptomfreiheit. Hierzu sollten folgende prognostische und prädiktive Faktoren erhoben werden: • der Hormon-Rezeptorstatus für eine Hormontherapie, • der HER-2-Status für eine Therapie mit Trastuzumab oder Lapatinib, • eine Knochenmetastasierung für den Einsatz von Bisphosphonaten (siehe Kap. 7.8.1), • die vorausgegangene Wirkung einer Chemotherapie oder Hormontherapie für die Entscheidung einer weiteren systemischen und lokalen Therapie, • das Allgemeinbefinden für die Wirkung einer Chemotherapie. Eine relativ günstige Prognose für den Krankheitsverlauf kann erwartet werden: • bei Fernmetastasen – die solitär auftreten, – nur im Skelett, Lymphknoten oder in der Haut zu finden sind, – Östrogen-/Progesteron-Rezeptor positiv sind, – einen günstigen Differenzierungsgrad (G1 oder G2) aufweisen, – nach einem rezidivfreien Intervall von mehr als 2 Jahren aufgetreten sind und ▪ wenn noch keine adjuvante Therapie und/oder keine Vortherapie im metastasierten Stadium durchgeführt wurde ▪ bei einem guten Allgemeinzustand der Patientin Bei der gleichzeitigen Diagnose von Primärtumor und Fernmetastase (M1) ist anzuraten • sowohl den Primärtumor als auch die Metastase bestmöglich (Randbezirk ohne Tumorzellen; R0) zu resezieren. Bei Östrogen-/Progesteron-Rezeptor positiven Fernmetastasen stellt die Hormontherapie wegen der relativ geringen Nebenwirkungen die Therapie der Wahl dar (siehe Tab. 8.30);

66 •



8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

eine Hormontherapie ist jedoch nicht indiziert – wenn eine schnelle Tumorremission erreicht werden soll, um Schäden am betroffennen Organ und hieraus entstandene klinische Symptome zu vermeiden oder zu beheben, – bei Hirnmetastasierung, weil nicht ausreichend wirksam. Als therapeutische Verfahren sind etabliert: – bei prämenopausalen Patientinnen ▪ die Ausschaltung der Ovarialfunktion (GnRH-Analoga, Ovarektomie, Radiomenolyse) in Kombination mit einem Antiöstrogen (Tamoxifen), ▪ nachfolgend die Hemmung der Östrogensynthese mit einem AromataseInhibitor, ▪ als weiteren Schritt die Verabreichung eines Gestagens in hoher Dosierung; – bei postmenopausalen Patientinnen ▪ die Hemmung der Östrogensynthese mit einem Aromatase-Inhibitor, ▪ nachfolgend, je nach antihormoneller Vorbehandlung, die Verabreichung von Antiöstrogenen, Östrogen-Rezeptor-Antagonisten, hoch dosierten Gestagenen oder der Wechsel des Aromatase-Inhibitors (z. B. von einem steroidalen auf einen nicht steroidalen Aromatase-Inhibitor); – bei Patientinnen aller Altersstufen (siehe Tab. 8.30) ▪ die Gabe eines CDK4/6 Inhibitors in Kombination mit einem Östrogen-Rezeptor-Antagonisten.

Die Remissionsraten der endokrinen Therapie liegen bei 20–30 % mit (im Vergleich zur Zytostatika-Therapie) • geringeren Nebenwirkungen und • einer längeren Remissionsdauer, wobei die endokrine Therapie bis zum progressiven Wachstum des Tumors durchgeführt wird. Tab. 8.30: Strategie für die Therapie von Hormon-Rezeptor positiven Fernmetastasen des Mammakarzinoms (in Anlehnung an Wörmann et al. 2018 und Albert et al. 2020). keine endokrine Vortherapie





prä-/perimonopausal

postmenopausal





Ausschaltung der Ovarialfunktion + Tamoxifen

AromataseInhibitor

▾ ◂▸ Verträglichkeit

Tamoxifen

▾ oder



Aromatase-Inhibitor + CDK4/6 Inhibitor





8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

Beurteilung CR, PR, NC, PD

Beurteilung CR, PR, NC, PD

Beurteilung CR, PR, NC, PD







bei NC oder PD

bei NC oder PD

bei NC oder PD

Ausschaltung der Ovarialfunktion + Aromatase-Inhibitor

Fulvestrant

Fulvestrant







oder

oder

oder

Ausschaltung der Ovarialfunktion + Fulvestrant

Fulvestrant + CDK4/6 Inhibitor





oder

oder

Ausschaltung der Ovarialfunktion + Fulvestrant +CDK4/6 Inhibitor (Palbociclib)

Exemestan + Everolimus

67

+ Fulvestrant +CDK4/6 Inhibitor (Palbociclib)

▾ oder Tamoxifen

Aromatase-Inhibitor = Anastrozol, Letrozol, Exemestan (siehe Kap. 7.5.1); Ausschaltung der Ovarialfunktion = durch GnRH-Analoga (Goserelin, Leuprorelin, Triptorelin), Ovarektomie oder Radiomenolyse (siehe Kap. 7.5); CDK4/6 -Inhibitor = Palbociclib, Ribociclib oder Abemaciclib (siehe Kap. 7.6); Fulvestrant = Antagonist des Östrogen-Rezeptors (siehe Kap. 7.5); Exemestan= Aromatase-Inhibitor (siehe Kap. 7.5.1); Everolimus = immunsuppressiver mTOR-Inhibitor (siehe Kap. 7.6); Tamoxifen = selektiver Östrogen-Rezeptor-Modulator (siehe Kap. 7.5.1) CR = Complete Regression; PR = Partielle Regression; NC = No Change; PD = Progressive Disease

Her-2/neu-positive Fernmetastasen können behandelt werden (siehe Tab. 8.31) • mit den monoklonalen Antikörpern gegen HER2 wie Trastuzumab oder Pertuzumab als Monotherapie oder in Kombination – mit Taxanen (Paclitaxel, Doclitaxel) oder – mit Erubulin (einem Analogon von Halichondrin B), – nicht jedoch simultan mit Anthracyclinen oder anderen potentiell kardiotoxischen Substanzen wegen des Kardiomyopathie-Risikos, mit Lapatinib als Monotherapie • – bei Trastuzumab vorbehandelten Patienten, – bei Hirnmetastasen. Trastuzumab bewirkt bei HER2-positiven Patientinnen • Remissionsraten – von 20 % bei Monotherapie

68

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren





von > 50 % in Kombination mit Anthracyclinen, Taxanen, Capecitabin, Vinorelbin und/oder Platinderivaten, – von ~ 80 % in Kombination mit ▪ Pertuzumab (humanisierter Anti-HER2-Antikörper, der an ein anderes Epitop als Trastuzumab bindet) und ▪ Docetaxel eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien und gesamten Überlebens im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie.

Tab. 8.31: Strategie für die palliative Pharmakotherapie von HER2+ Fernmetastasen des Mammakarzinoms (in Anlehnung an Wörmann et al. 2018 und Albert et al. 2020). HER2-Positiv





Chemotherapie möglich

Chemotherapie nicht möglich

▾ Taxan +Trastuzumab +Pertuzumab







ER+/PgR+

ER-/PgR–





Aromatase-Inhibitor + Trastuzmab

Lapatinib +Trastuzumab





oder

oder

Aromatase-Inhibitor + Trastuzmab +Pertuzumab

Lapatinib

Beurteilung CR, PR, NC,PD

▾ bei NC oder PD Trastuzumab- Emtansin

▾ oder Capecitabin + Lapatinib Aromatase-Inhibitor: Anastrozol, Letrozol, Exemestan (siehe Kap. 7.5.1); Capecitabin = Prodrug von 5-Fluorouracil (siehe Kap. 7.4); Lapatinib = dualer (EGFR, HER2) Tyrosinphosphokinase-Inhibitor (siehe Kap. 7.6); Pertuzumab = monoklonaler Antikörper gegen HER2 (siehe Kap 7.7.1.2); Taxan = Paclitaxel, Doclitaxel; Erubilin (einem Analogon von Halichondrin B; siehe Kap. 7.4); Trastuzumab = monoklonaler Antikörper gegen HER2 (siehe Kap 7.7.1.2); Trastuzumab-Emtansin = Konjugat aus Trastuzumab-DM1/ Maytansinderivat (Mikrotubuli-Inhibitor) (siehe Kap 7.7.1.2); CR = komplette Regression; PR = partielle Regression; NC = No Change; PD = Progressive Disease

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

69

Eine Chemotherapie von Patientinnen mit Fernmetastasen (siehe Tab. 8.32) • ist wegen fraglicher Wirkung und beträchtlicher Toxizität sinnvoll – zur Behebung von Symptomen durch das Tumorleiden, – zur Verminderung deutlicher Tumorprogressionen; • kann in Form einer Monotherapie erfolgen, wobei zu bevorzugen sind – Anthracycline (soweit noch keine Vorbehandlung mit Anthracyclinen erfolgt ist), – Taxane (soweit noch keine Vorbehandlung mit Taxanen erfolgt ist), ▪ die Wirkung von Taxanen kann durch den die Angiogenese inhibierenden monoklonalen Antikörper Bevacizumab (siehe Kap. 7.7.1) gesteigert werden; – Platin-Derivate, besonders bei Triple-negativen Tumoren • sollte beim Auftreten stärkerer Toxizität oder bei erneuter Tumorprogression sofort eingestellt werden. Bei Skelettmetastasen • ist die lokale Radiotherapie (Standard einmalige Gabe von lokal 8 Gray) die Therapie der Wahl. Indikationen zur Strahlentherapie sind: – lokale Schmerzen, – Stabilitätsgefährdung, – Mobilitäts- und Funktionseinschränkungen, z. B. durch neurologische Symptome bei Rückenmarkskompression, – pathologische Frakturen, – postoperativ nach nicht vollständiger Resektion der Knochenmetastasen; • ist die chirurgische Therapie indiziert bei – drohenden oder vorliegenden Frakturen, z. B.: ▪ der unteren Extremitäten und des Azetabulums, ▪ der Wirbelkörper, – progredienten spinalen oder radikulären Kompressionen; • ist die Verabreichung von Bisphosphonaten (siehe Kap. 7.8.1) indiziert bei – Hyperkalzämie, – Metastasen-bedingtem Knochenschmerz, – osteolytischen Metastasen und – Hormontherapie-induzierter manifester Osteoporose. Bei Hirnmetastasen sind solitäre von multiplen Metastasen zu unterscheiden. • Solitäre Metastasen können behandelt werden: – durch chirurgische Exzision oder stereotaktische einmalige (Einzeit-) Bestrahlung bzw. fraktionierte Bestrahlungen; • bei multiplen Metastasen kann erfolgen – eine perkutane Ganzhirnbestrahlung, ggf. mit begleitender Kortikoidtherapie, – ggf. eine Behandlung mit Lapatinib, falls der Tumor Her-2/neu positiv ist. Lebermetastasen können behandelt werden: • durch eine chirurgische Resektion des Tumors, falls – nur ein Leberlappen betroffen ist,

70

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– – –

keine extrahepatischen Metastasen vorliegen, keine lokalen/regionalen Rezidive oder Zweitkarzinome aufgetreten sind, durch eine systemische Chemotherapie.

Lungenmetastasen können behandelt werden: • durch eine chirurgische Resektion des Tumors, falls – nur ein Lungenlappen betroffen ist, – keine extrapulmonalen Metastasen vorliegen, – keine lokalen/regionalen Rezidive oder Zweitkarzinome aufgetreten sind; • durch eine systemische Chemotherapie, • bei einer Pleurakarzinose mit einem malignen Pleuraerguss – durch die intrapleurale Verabreichung von Bleomycin oder Talkum (Pleurodese). Haut- und Weichteilmetastasen können therapiert werden: • durch chirurgische Exzision im gesunden Gewebe, • durch eine perkutane Radiotherapie, • durch ein lokal wirksames Zytostatikum (z. B. Miltefosin).

Tab. 8.32: Strategie für die palliative Chemotherapie* von Fernmetastasen des Mammakarzinoms (in Anlehnung an Wörmann et al. 2018 und Albert et al. 2020).

keine Vortherapie

Vortherapie mit Anthracyclin







Taxan +/− Bevacizumab

Eribulin

Anthracyclin

▾ oder Taxan +/− Bevacizumab

Vortherapie mit Anthracyclin + Taxan

▾ oder Capecitibin +/− Bevacizumab

▾ oder

▾ ▾

Vinorelbin

▾ oder Gemcitabin

▾ Beurteilung (CR, PR, NC oder PD Nebenwirkungen)

Beurteilung (CR, PR, NC oder PD, Nebenwirkungen)

Beurteilung (CR, PR, NC oder PD, Nebenwirkungen)





bei NC oder PD

bei NC oder PD



Triple negativ

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8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

Capecitabin

anderes Taxan



▾ Platinderivat

oder Vinorelbin

▾ oder



Gemcitabin

oder

▾ oder liposomales Anthracyclin

liposomales Anthracyclin

*) Zytostatika siehe Kap. 7.4.1; Anthracyclin = Doxorubicin oder Epirubicin; Capecitabin = Prodrug von 5-Fluorouracil; Gemcitabin = Antimetabolit 2′,2′-Difluordesoxycytidin; Platinderivat = Cisplatin, Carboplatin oder Oxaliplatin; Taxan = Paclitaxel, Doclitaxel; Erubilin = Analogon von Halichondrin B; Vinorelbin = Vincaalkaloid; Bevacizumab = Anti-VEGF-Antikörper (siehe Kap. 7.7.1.2) CR = Complete Regression; PR = Partielle Regression; NC = No Change; PD = Progressive Disease

8.2.2 Männliche Brust Vorkommen Beim Mann treten weniger als 1 % aller Mammakarzinome auf (ca. 600/Jahr in Deutschland). Weltweit • beträgt die altersstandardisierte Erkrankungsrate 1 Mammakarzinom pro 100.000 Männerjahre; – das mittlere Erkrankungsalter liegt bei etwa 71 Jahren, bei Frauen bei 64 Jahren – der Altersgipfel liegt zwischen 80 und 84 Jahren, bei Frauen zwischen 65 und 69 Jahren – die Mortalität ist in Europa über die vergangenen Jahrzehnte hinweg konstant geblieben und liegt ▪ altersstandardisiert bei 0,2/100.00 Personen ▪ im Mittel bei beiden Geschlechtern 73 Jahren. – Die Prävalenz variiert weltweit mit folgenden geografischen Besonderheiten ▪ sehr hohe Raten in Zambia, ▪ hohe Raten in Nordamerika und Europa, ▪ sehr niedrigen Raten in Asien, ▪ Afroamerikaner wie auch schwarze Afrikaner haben ein höheres Brustkrebsrisiko als weiße.

Risikofaktoren Die Risikofaktoren sind in Teilen ähnlich wie beim Mammakarzinom der Frau (siehe Kap. 8.2.1).

72





• •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Als genetische Risikofaktoren für das männliche Mammakarzinom gelten inaktivierende Mutationen von Onkogensuppressoren, wie z. B. – BRCA2-Mutationen (im Besonderen BRCA-2 999del5); diese ▪ erhöhen das Risiko um ca. 80 gegenüber Normalpersonen und auf 5–10 % bei männlichen Mutationsträgern ▪ treten bei durchschnittlich etwa 10 % der männlichen Mammakarzinome auf und sind bei 4 % (USA) bis 40 % (Island) von männlichen MammakarzinomPatienten zu finden, ▪ führen zu einer vorzeitigen Erkrankung mit einem mittleren Erkrankungsalter von 55–60 Jahre, – BRCA1-Mutationen; diese ▪ treten bei etwa 2 % der der männlichen Mammakarzinome auf, ▪ erhöhen das Risiko gegenüber Normalbevölkerung nur geringfügig, – CHEK21100delC-Mutation; diese ▪ führt zu einem etwa 10fach erhöhtem Risiko im Vergleich zur Normalbevölkerung, ▪ ist bei etwa 9 % der Mammakarzinom-erkrankten Männer zu finden, – PTEN (Phosphatase und Tensin-Homolog) die Chromosomenanomalie 47, XXY (Klinefelter-Syndrom); diese – ist gepaart mit einem erhöhten Östrogenspiegel, – erhöht das Risiko um 20–60fach im Vergleich zur Normalbevölkerung, – ist bei etwa 7 % der Mammakarzinom-erkrankten Männer zu finden, – führt zu einer vorzeitigen Erkrankung mit einem mittleren Erkrankungsalter von etwa 58 Jahren inaktivierende (Keimbahn) Mutation des Androgen-Rezeptors – mit Gynäkomastie und Feminisierung eine positive Familienanamnese – z. B. ein Mammakarzinom bei männlichen Verwandten 1. Grades) erhöht das Risiko um etwa 2,5.

Zu den erworbenen Risikofaktoren zählen • ein erhöhter Östrogenspiegel, z. B. – endogen entstanden ▪ in Folge einer Leberzirrhose, ▪ bei der Adipositas durch die Aromatisierung von Testosteron zu Östradiol und von Androstendion zu Östron in den Fettzellen; – exogen zugeführt, z. B. bei karyotypisch männlichen Transsexuellen; • ein verminderter Androgenspiegel nach Hodenerkrankungen, wie z. B. – Mumps-Orchitis, – nicht deszendierte Testes, – Hodentraumata, z. B. thermische Schädigung bei Arbeitern in Walzwerken, in Stahlwerken und an Hochöfen; • toxische Einflüsse, wie z. B. – eine frühere Thoraxbestrahlung.

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

73

Diagnose Schmerzlose Knotenbildung in der Brust, am häufigsten retroareolär, ist das häufigste Symptom, des Weiteren Hautveränderungen über dem Tumor und Veränderungen der Mamille mit Einziehung, Ulzeration oder Sekretion. Erst im fortgeschrittenen Stadien kommt es zu Allgemeinsymptomen wie Gewichtsabnahme, Leistungsminderung und bei Metastasen die organspezifischen Symptome wie • Schwellung des Arms durch Lymphödeme bei Metastasen in den axillären Lymphknoten, • Knochenschmerzen durch Knochenmetastasen, • Husten und Dyspnoe bei pulmonaler und/oder pleuraler Metastasierung, • Ikterus und Leberinsuffizienz bei fortgeschrittener Lebermetastasierung oder • neurologische Symptome bei cerebraler Metastasierung. Die häufigsten Lokalisationen der Metastasen sind Skelett, Leber und Lunge. Formen, Klassifikation (TNM-System), Diagnostik, die Art der Prognosefaktoren und die therapeutischen Verfahren sind weitgehend gleich wie beim Mammakarzinom der Frau (siehe Kap. 8.2.1), jedoch mit einigen Unterschieden. Mammakarzinome des Mannes • werden meist erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert, was die Prognose im Vergleich zum Mammakarzinom der Frauen insgesamt verschlechtert, • sind histologisch – vorwiegend (65–80 %) invasive duktale Karzinome, – nur zu 0,5–1 % invasiv lobuläre Karzinome, – zu etwa 17 % DCIS/ Duktale Carcinoma In Situ, • weisen nur selten Mikroverkalkungen aufweisen, die relativ grobkörnig sind, • exprimieren – zu einem erheblichen Teil (ca. 90 %) Östrogen- und Progesteron-Rezeptoren, – selten auch den Androgen-Rezeptor; ▪ eine erhöhte Expression des Androgen-Rezeptors auf den Tumorzellen beinhaltet jedoch ein höheres Risiko für Lymphknotenmetastasen bei Erstdiagnose und eine ungünstige Prognose und – nur zu 5–10 % HER-2 • weisen eine in allen Krankheitsstadien (Stadium I, II, III und IV) eine um etwa 10 % schlechtere Prognose für das 5-Jahresüberleben auf als diejenigen beim Mammakarzinom der Frau. Die Strategie der primären Therapie enthält dieselben Komponenten wie diejenige des Mammakarzinoms der Frau (siehe Tab. 8.33), • jedoch sind diese zwischen drei Stadien (Stadium I, Stadium IIA/B und Stadium IIIA/B) unterschiedlich, während beim Mammakarzinom der Frauen die Behandlungsstrategie für zwei Gruppen (Stadium I/IIA und Stadium IIB/IIIA/B) grundsätzlich verschieden ist, • wobei trotz aller Ähnlichkeiten auch Besonderheiten zu verzeichnen sind (siehe Tab. 8.34)

74

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.33: Strategie der primären Therapie von Mammakarzinomen des Mannes (in Anlehnung an Wörmann et al. 2018 und Albert et al. 2020).

Stadium I

Stadium IIIA/B, inflammatorisch

Stadium IIA/B cN0

▾ BET +SNLE

cN+

cN0







ggf.

ggf.

BET +SNLE

SNLE





oder

oder

Mastektomie + SNLE

Mastektomie + SNLE





cN+



SNLE





präoperative neoadjuvante Chemotherapie

präoperative neoadjuvante Chemotherapie





BET oder Mastektomie

BET oder Mastektomie





ER+/PgR+ keine weiteren Risikofaktoren

HER2+ oder Triple – und/oder weitere Risikofaktoren











ggf.

ggf.

ggf.

adjuvante Hormon therapie (Tamoxifen)

adjuvante Chemotherapie

adjuvante Chemotherapie

ggf.

ALND







ggf.

ggf.

ggf.

adjuvante Radiotherapie

adjuvante Anti –HER2Therapie

adjuvante Anti –HER2Therapie





ggf.

ggf.

adjuvante Radiotherapie

adjuvante Hormontherapie

ALND

▾ adjuvante Anti –HER2Therapie

adjuvante Radiotherapie

▾ ggf.

ggf.

adjuvante Anti –HER2Therapie

adjuvante Hormontherapie

ggf.





▾ ggf.

ALND

ggf.

adjuvante Radiotherapie

▾ adjuvante Hormontherapie

▾ adjuvante Radiotherapie

ALND = Axilläre Lymphknoten-Dissektion; BET = Brust erhaltende Therapie; ER = Östrogen-Rezeptor; HER2 = Human Epithelial Cell Growth Factor Receptor2; PgR = Progesteron-Rezeptor; SNLE = Sentinel Lymphnode Excision/Wächter-Lymphknoten-Exzision

8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

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Tab. 8.34: Therapieverfahren beim Mammakarzinom des Mannes (in Anlehnung an Wörmann et al. 2018 und Albert et al. 2020). Chirurgie die MRM (modifizierte radikale Mastektomie) gilt als die bevorzugte Operation Brust die BET (Brust erhaltende Therapie) wird weniger angewandt die SLNE (Sentinel Lymphnode Excision) der den Primärtumor drainierenden ~ 3 axillären Lymphknoten gilt bei cN0 als Standard und ist (wie bei Frauen) gleichwertig der ALND klinisch cN0 und kein Hinweis auf Metastasen

Axilläre Lymphknoten

keine ALND, wenn

nur ≤ 2 Sentinel-Lymphknoten mit Metastasen (pN0, pN1+ oder pN2+) und/oder bei SNLE kein Hinweis auf Adhärenz der Lymphknoten Tumorstadium T1 oder T2 p postoperativ geplant: adjuvante Radiotherapie und adäquate adjuvante Pharmakotherapie klinisch cN+ oder ein anderer Hinweis auf Metastasen

ALND, wenn

> 2 Sentinel-Lymphknoten mit Metastasen und/oder bei SNLE Hinweis auf Adhärenz der Lymphknoten Tumorstadium > T2 adjuvante Radiotherapie

Brust und Thoraxwand

Stadium I, II oder III nach BET (Indikationen und Dosierung gleich wie bei Frauen)

Lymphabflusswege

bei pN+, pN+, Stadium III (Indikationen und Dosierung gleich wie bei Frauen) adjuvante Anti HER2-Therapie

bei HER2+

z. B. Trastuzumab, Pertuzumab oder Lapatinib in Kombination mit Chemotherapie (bei kardialer Vorbelastung Platin-Derivat, kein Anthracyclin) adjuvante Hormontherapie

bei ER+/PgR +

Beginn nach Chemotherapie Antiöstrogen (Tamoxifen) überlegen (Überlebensrate) einem Aromatase-Inhibitor primäre präoperative (neoadjuvante) Chemotherapie

indiziert bei cN+, pN+ Stadium IIB und IIIA/B

Adriamycin + Taxan; Platin-Derivat (wie bei Frauen) adjuvante Chemotherapie

indiziert bei

vorzugsweise

pN ≥ 4+; G3; genetisches Risiko: hoch; Proliferationsmarker (Ki67): hoch; uPA/PAI: hoch ER-/PgR-; HER2 +; HER2+++ oder Triple negativ (wie bei Frauen) Adriamycin + Taxan; Platin-Derivat (ansonsten wie bei Frauen, siehe Kap. 8.2.1.4) bei BCRA-Mutationen sind Platin-Derivate stärker wirksam

76

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Palliative Therapie (Stadium IV) Antiöstrogen Tamoxifen (vorrangig); alternativ: Fulvestrant bei ER+/PgR+

Hormonablation (Orchiektomie, LHRH Agonisten + Antiandrogen); Aromatase-Inhibitoren,

bei HER2+

Trastuzumab, Pertuzumab, Lapatinib oder Trastuzumab-Emtansin

bei ER-/PgRoder Resistenz gegen endokrine Therapie

Adriamycin + Taxan; Platin-Derivat (ansonsten wie bei Frauen, siehe Kap. 8.2.1.4)

Zytostatika siehe Kap. 7.4.1 (Anthracyclin = Doxorubicin oder Epirubicin; Platinderivat = Cisplatin, Carboplatin oder Oxaliplatin; Taxan = Paclitaxel, Doclitaxel); Aromatase-Inhibitor: Anastrozol, Letrozol, Exemestan (siehe Kap. 7.5.1); Lapatinib = dualer (EGFR, HER2) Tyrosinphosphokinase-Inhibitor (siehe Kap. 7.6); Pertuzumab = monoklonaler Antikörper gegen HER2 (siehe Kap. 7.7.1.2); Taxan = Paclitaxel, Doclitaxel; Trastuzumab = monoklonaler Antikörper gegen HER2 (siehe Kap 7.7.1.2); Trastuzumab-Emtansin = Konjugat aus Trastuzumab-DM1/Maytansinderivat (Mikrotubuli-Inhibitor) (siehe Kap. 7.7.1.2);

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8.2 Bösartige Neubildungen der Brustdrüse (Mamma; C50–C50)

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

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8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58) 8.3.1 Eierstock (Ovar) Vorkommen Ovarialkarzinome sind die dritthäufigsten Tumoren der weiblichen Genitale (siehe Kap. 2). • Weltweit sind 4 % aller bei der Frau diagnostizierten Tumoren Ovarialkarzinome. Für das Jahr 2018 wird von der WHO angegeben – eine Neuerkrankungsrate (alterskorrigiert) von 6,6/100.000 Frauen – eine Todesrate (alterskorrigiert) von 3,9/100.000 Frauen. • Die Anzahl der Neuerkrankungen zeigt erhebliche geografische Unterschiede. Von 100.000 Frauen erkrankten im Jahre 2008: – in Europa 10,1 – in Nordamerika 8,7 – Australien/Neuseeland 7,8 – in Asien 5,1 – in Afrika 4,2. • Die Todesrate liegt zwischen 50 und 60 %. Damit hat das Ovarialkarzinom die höchste Mortalitätsrate aller gynäkologischen Tumoren. In Deutschland (Stand 2016) gilt für das Ovarialkarzinom • eine Prävalenz über 10 Jahre (2006–2016) von 22.500 Fällen und im Jahr 2016 mit – 7.350 Neuerkrankungen (11,1/100.000 Frauen) und – 5486 Todesfällen (6,9/100.000 Frauen) und – einer relativen Überlebensrate von 43 % • 5–10 % aller malignen Ovarialtumore treten vor dem 45. Lebensjahr auf und sind meist Keimzelltumore, • die Erkrankungsraten steigen bis zum fünfundachtzigsten Lebensjahr an, • bis heute werden ca. 75 % der Fälle wegen mangelnder diagnostischer Verfahren erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert, – die bisherigen diagnostischen Verfahren (Bestimmung des Tumorantigens Ca125 im Blutserum, Transvaginale Sonografie/TVS, gynäkologische Untersuchung) haben sich nicht als verlässliche Verfahren zur Frühdiagnose erwiesen

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

79





so beträgt positive prädiktive Wert für die gynäkologische Untersuchung 20 %, für die transvaginale Sonografie 33 % und für die CA125-Messung 6 %, – dennoch bestehen Anhaltspunkte, dass mit Hilfe der derzeitigen diagnostischen Verfahren mehr Ovarialtumore im Frühstadium diagnostiziert und damit die Prognose dieses Tumors verbessert werden kann, – andererseits besteht das beträchtliche Risiko von falsch-positiven Ergebnissen mit einer erheblichen Belastung der Patientinnen durch den invasiven Eingriff. trotz aller Fortschritte in der Entwicklung neuer Therapieverfahren überleben im Durchschnitt (über alle Stadien hinweg) nur 41 % der Patienten den Zeitraum von 5 Jahren,

Risikofaktoren Die Ursachen des Ovarialkarzinoms sind nicht eindeutig bekannt. Das lebenslange Risiko, an einem Ovarialkarzinom zu erkranken, beträgt etwa 1–2 %. Zu den anerkannten Risikofaktoren gehören • das Alter, – das Maximum des Auftretens von Ovarialkarzinomen liegt zwischen 50 und 70 Jahren, im Mittel bei 62 Jahren, – Ovarialtumoren entarten in Karzinome ▪ prämenopausal zu etwa 7 %, ▪ postmenopausal zu etwa 30 %; • genetische Faktoren, – etwa 10 % der Ovarialkarzinome sind genetisch bedingt; – die genetischen Risikofaktoren von Ovarialkarzinomen sind zu einem großen Teil gleich mit denen von Mammakarzinomen und stellen dar ▪ Keimbahnmutationen oder ▪ somatische (erworbene) Mutationen – Ovarialkarzinome und Mammakarzinome können ▪ gemeinsam und familiär gehäuft auftreten (siehe Tab. 8.10, Kap. 8.2.1.1), besonders im Rahmen gleicher familiärer Tumorsyndrome, wie im Besonderen ▪ beim familiären Brust- und Eierstockkrebssyndrom (HBOC/Hereditary Breast Ovarian Cancer Syndrome) oder ▪ beim familiären nicht-polypösen Kolonkarzinom-Syndrom (HNPCC/Hereditary Non-Polyposis Colorectal Carcinoma Syndrome, auch Lynch-Syndrom genannt), verursacht durch inaktivierende (Keimbahn-) Mutationen von DNAReparaturgenen (wie z. B. hMSH2, hMLH1, hPMS1, hPMS2, hMSH6, hMLH3) mit Auftreten von Karzinomen in unterschiedlichen Organen (Magen-Darm, im Besonderen Kolon, Endometrium, Pankreas, Leber, Gallengang, Haut und Gehirn). ▪ Bei dem Lynch II-Syndrom liegt das lebenslange Risiko für Ovarialkarzinome bei etwa 7 %, bei dem Lynch I-Syndrom < 1 %. ▪ durch aktivierende Mutationen von den Proto-Onkogenen ESR1 oder NCOA3 verursacht sein oder durch aktivierende Mutationen von Genen für zelluläre signalübertragende Moleküle, wie beispielsweise K-Ras und B-Raf.

80

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

von inaktivierenden Mutationen von Tumorsuppressorgenen herrühren, im Besonderen durch Deletions-Mutationen der Hochrisikogene BRCA1, BRCA2, BRIP-1, CDH1, PTEN, STK11, p53, CHK2, ATM, NBN, PALB2, RAD51C, RAD51D siehe Tab. 8.11, Kap. 8.2.1.1) wobei das lebenslange Risiko für Ovarialkarzinome bei Trägerinnen von BRCA1-Mutationen bei 40–50 % und von BRCA2-Mutationen bei 20–30 %, im Mittel bei etwa 26 % liegt, da die Nachweisrate von Deletions-Mutationen bei allen Risikogenen zwischen ca. 14 % und 36 % liegt, scheinen diese ein bestimmender Faktor für die Malignität des Ovarialkarzinoms zu sein; so werden beispielsweise unterschieden ▪ Typ-I-Ovarialkarzinome, welche sich langsam entwickeln und vergesellschaftet sind mit somatischen Mutationen von K-Ras, B-Raf und PTEN, ▪ Typ-II-Ovarialkarzinome, welche sich schnell entwickeln, ein hohes Maß an chromosomaler Instabilität und oft Mutationen des Gens für p53 aufweisen daher wird eine genetische Beratung insbesondere bei Frauen mit familiärem Risiko empfohlen. ▪





Weitere Risikofaktoren stellen dar • reproduktive/hormonale Faktoren (siehe Tab. 8.35): – das Risiko eines Ovarialkarzinoms wird beeinflusst von der Anzahl der Ovulationen über die Lebenszeit, ▪ eine Erhöhung der Anzahl der Ovulationen (Infertilität, keine Schwangerschaften, frühe Menarche, späte Menopause) erhöht das relative Risiko, ▪ eine Verminderung der Anzahl der Ovulationen (Schwangerschaften, Bruststillen, orale Kontrazeptiva) reduziert das Risiko, auch bei Trägerinnen einer BRCA1- oder BRCA2-Mutation; – die Einnahme von Östrogenen (Hormonersatztherapie) erhöht das Risiko; • Lebensstil (siehe Tab. 8.36) – das Risiko wird erhöht durch ▪ erhöhtes Körpergewicht (Body Mass Index/BMI > 30) besonders bei prämenopausalen Frauen, ▪ mangelndes Sonnenlicht (verminderte Vitamin-D-Synthese), ▪ Tabakkonsum, – Alkoholkonsum scheint das Risiko nicht zu beeinflussen, – körperliche Bewegung könnte das Risiko vermindern, – bezüglich des Einfluss von Nahrungsmitteln liegen keine eindeutigen Daten vor; • Umweltfaktoren – Asbestfasern (z. B. über die Geschlechtsorgane in die Bauchhöhle gelangt) und Talkum (hier wahrscheinlich auch die darin enthaltenden Asbestfasern) erhöhen das Risiko; • medizinische Faktoren (siehe Tab. 8.37) – das Risiko ist erhöht bei ▪ einer vorausgegangenen Mammakarzinom-Erkrankung, ▪ einer Endometriose,

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

81

bei langlebigen Ovarzysten, Fremdkörper im Uterus, beispielsweise intrauterine Spiralen; das Risiko ist vermindert durch Eingriffe, welche die Bauchhöhle schützen vor dem Eindringen von Karzinogenen ▪ Tubenligatur, ▪ Hysterektomie. ▪ ▪



Tab. 8.35: Reproduktive/hormonale Faktoren, die das Relative Risiko (RR) von Ovarialkarzinomerkrankungen beeinflussen. Verminderung des RR

Erhöhung des RR

Faktoren RR: < 1,0

RR: 1,0

RR: ~ 1,0–1,5 (gering)

RR: > 1,5–2,0 (mittel)

RR: > 2,0–4 (hoch)

3 Schwangerschaften

2 Schwangerschaften RR: 1,2 (1,1–1,3)

1 Schwangerschaft RR: 1,6 (1,4–1,8)

0 Schwangerschaften RR: 2,1 (1,8–2,5)

endogene Hormone

fehlendes Bruststillen (keine eindeutigen Daten) Unfruchtbarkeit (RR: 2–5) frühe Menarche 0 (niemals) 1–4 Jahre RR: 0,8 (0,7–0,8)

orale Kontrazeptiva (siehe Kap. 4.6.4.1)

< 1 Jahr

5–9 Jahre RR: 0,6 (0,6–0,7) 10–14 Jahre RR: 0,6 (0,5–0,6) > 14 Jahre RR: 0,4 (0,4–0,5) Östrogene und Progesteron

Hormonersatztherapie Ovarhysterektomie

RR: 0,5–0,7

Östrogene

späte Menopause

RR: >4 (sehr hoch)

82

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.36: Lebensstil- und Umwelt-Faktoren, welche das Relative Risiko (RR) von Ovarialkarzinomerkrankungen beeinflussen. Verminderung des RR

Erhöhung des RR

Faktoren RR: < 1,0

RR = 1,0

Körpergröße Bewegung

RR: > 1,5–2,0 (mittel)

RR: > 2,0–4 (hoch)

RR: >4 (sehr hoch)

> 1,7 m körperliche Bewegung (Datenlage widersprüchlich)

wenig Sonnenlicht Körpergewicht

RR: ~ 1,0–1,5 (gering)

vermindertes Vitamin D3 BMI > 30 (postmenopausal)

BMI > 30 (prämenopausal)

TabakKonsum (muzinöse Tumore)

Genuss gifte Alkohol

Früchte, Gemüse (keine eindeutige Datenlage) Nahrungsmittel

Phytoöstrogene (keine eindeutige Datenlage) Milchprodukte, Fleisch (keine eindeutige Datenlage)

technische Produkte

TalkumPuder

Asbestfasern

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

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Tab. 8.37: Medizinische Faktoren, welche das relative Risiko (RR) von Ovarialkarzinomerkrankungen beeinflussen. Verminderung des RR

Erhöhung des RR

Faktoren RR: < 1,0

RR = 1,0

RR: ~ 1,0–1,5 (gering)

RR: > 1,5–2,0 (mittel)

RR: > 2,0–4 (hoch)

RR: >4 (sehr hoch)

vorangegangenes Mammakarzinom

Endometriose Krankheiten kurzlebige Zysten

langlebige Zysten

intrauterine Spiralen

Fremdkörper Tubenligatur Eingriffe

Hysterektomie

Formen, Entwicklungsstadien und Klassifikationen Ovarialtumore werden klassifiziert (siehe Tab. 8.38) gemäß der • FIGO/Fédération Internationale de Gynécologie et d’Obstétrique-Klassifikation und • TNM-Klassifikation. Tab. 8.38: Klassifikation der Entwicklungsstadien der Ovarialkarzinome und deren Prognose. Ausbreitung des Ovarialtumors FIGOStadium

TNM-Klassifikation Ovarien

regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden

Nx

kein Anhalt für Primärtumor

T0 T1

IA

T1a

Prognose 5-JahresÜberleben

Primärtumor kann nicht beurteilt werden

Tx

I

Peritoneum/Becken/ Metastasen

N0

N0

M0

Tumor begrenzt auf Ovarien

M0

Tumor auf ein Ovar begrenzt; Kapsel intakt, kein Tumor auf der Oberfläche des Ovars

~ 80–90 %

84

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Ausbreitung des Ovarialtumors FIGOStadium

IB

IC

TNM-Klassifikation Ovarien

T1b

N0

M0

Tumor auf beide Ovarien begrenzt; Kapsel intakt, kein Tumor auf der Oberfläche der beiden Ovarien Tumor begrenzt auf ein oder beide Ovarien mit Kapselruptur, Tumor an Ovaroberfläche

N0

M0

T2

N0

M0

IIA

T2a

N0

M0

IIB

T2b

N0

M0

Tumor auf anderen Beckengeweben

M0

Tumor im Becken ausgebreitet (IIA oder IIB); maligne Zellen im Aszites oder bei Peritonealspülung

IIC

III

IIIA

T2c

N0

Tumor im Becken ausgebreitet Tumor auf einem Ovar oder beiden Ovarien

IIIB

T3

N0/N1

M0

T3a

N0

M0

mikroskopische Peritonealmetastasen jenseits des Beckens

IIIC

T3b

N0

M0

T3c

N0

M0

jedes T

N1

M0

jedes T

jedes N

M1

~ 60 %

Tumor auf und/oder implantiert in Uterus und/oder Tube(n)

mikroskopisch nachgewiesene Peritonealmetastasen außerhalb des Beckens und/oder regionäre Lymphknotenmetastasen

Tumor auf einem Ovar oder beiden Ovarien

Prognose 5-JahresÜberleben

maligne Zellen im Aszites oder bei Peritonealspülung

T1c

II

IV

Peritoneum/Becken/ Metastasen

~ 23 %

makroskopische Peritonealmetastasen jenseits des Beckens, größte Ausdehnung 2 cm oder weniger Peritonealmetastasen jenseits des Beckens, größte Ausdehnung mehr als 2 cm, und/ oder regionäre Lymphknotenmetastasen

Tumor auf ein oder beiden Ovarien

Fernmetastasen

~ 14 %

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

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Diagnostik Die Diagnose des Ovarialkarzinoms erfolgt im Regelfall zufällig, bei der gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung oder ausgelöst durch allgemeine Symptome im Bauchbereich. Es gibt kein verlässliches Verfahren zur Frühdiagnostik. Die Diagnostik des Ovarialkarzinoms umfasst: • klinische Verfahren – die Erfassung der allgemeinen Symptome ▪ akute Bauchsymptome, ▪ Störungen der Blasen- und Darmentleerung, Kreuzschmerzen, Schmerzen im Unterleib und Beinen, Durchblutungsstörungen, Schwellung und Krampfadern der Beine, ▪ Menstruationsstörungen oder postmenopausal Wiederauftreten von Blutungen, ▪ Abmagerung, gewölbter Bauch, Aszites; – gynäkologische Spiegel- und Tastuntersuchungen – bildgebende Verfahren, wie z. B. ▪ primär die TVS/Trans-Vaginal-Sonografie, ergänzt um die abdominale Sonografie, da diese Technik breit verfügbar ist, ▪ Röntgenuntersuchungen als Computer-Tomografie (CT), mit Hilfe deren Tumor-Infiltrationen des Harnleiters im Becken sowie in Leber, Lymphknoten und Lunge erkannt werden können. Bei Anwendung hochauflösender Multidetector-CT-Scanner können peritoneale Tumormetastasen > 5 mm mit einer Sensitivität von 100 % und einer Genauigkeit von 80 % entdeckt werden, ▪ die PET/Positronen-Emissions-Tomografie mit 18Fluor-Desoxyglukose als Tracer (FDG-PET), welche die Erkennung einer Peritonealkarzinose wie auch von Lymphknotenmetastasen und von Rezidiven (Sensitivität ca. 90 %) besser als die CT und die MRT erlaubt, ▪ die MRT/Magnetresonanztomografie, welche mit einer Genauigkeit von 93 % ovarielle Malignome erkennen lässt; ▪ es existiert jedoch bislang noch kein bildgebendes Verfahren, dass beim Ovarialkarzinom das operative Staging ersetzen und seine Operabilität verlässlich einschätzen lässt. – ein Verdacht ist begründet bei ▪ Zysten, in der Größe zunehmend, mit verstärkter Wanddicke, mit Septen und soliden Anteilen, ▪ zentraler Vaskularisation eines Tumors, – bei Keimzelltumoren ist zusätzlich durchzuführen: ▪ die Computer-Tomografie von Thorax und Abdomen, ▪ die kontrastmittelunterstützte Kernspintomografie des Schädels, – durch immunologische Blutuntersuchungen auf einen Anstieg der Tumormarker ▪ CA-125 (Mucin 16, Grenzwert 35 U/ml), geeignet für Verlaufsuntersuchungen, jedoch nicht für die Frühdiagnose, ▪ CEA/Carcino-Embryonales Antigen) zur Abgrenzung des Ovarialkarzinoms von CEA produzierenden Karzinomen (im Besonderen in Magen-Darm, Pankreas, Lunge, Schilddrüse) und Entzündungen (Kolitis, Pankreatitis, Hepatitis),

86

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

CA 19–9 (Lewis Kohlenhydrat-Antigen) zur Abgrenzung des Ovarialkarzinoms von CA 19–9 produzierenden Entzündungen (Pankreatitis, Cholangitis, Hepatitis) und/oder Tumoren (Pankreas, Magen-Darm, Gallengang), ▪ Estradiol (bei Verdacht auf ein hormonbildendes Ovarialkarzinom), ▪ AFP/Alpha-Feto-Protein) und β-HCG/Humanes Chorion-Gonadotropin) bei Verdacht auf einen Keimzellentumor; chirurgisch-operative Verfahren – die Punktion eines zystisch soliden oder rein soliden Ovarialtumors verbietet sich wegen der Gefahr der durch die Punktion verursachten Streuung von Tumorzellen im Peritonealraum, – invasive diagnostische Verfahren ▪ bei klinisch unklarem Befund die Laparoskopie, ▪ bei klinisch begründetem Verdacht auf Ovarialkarzinom die Laparotomie; – die systematische chirurgische Exploration der Bauchhöhle ist entscheidend für ▪ die Festlegung des Tumorstadiums, ▪ die Entscheidung über das Ausmaß der Resektionen, ▪ die Entscheidung über eine Chemotherapie; – die Längsschnitt-Laparotomie ▪ zur Spülung der Bauchhöhle mit physiologischer Kochsalzlösung für die zytologische Untersuchung, ▪ zur Flüssigkeitsentnahme (bei vermehrter Peritonealflüssigkeit bzw. bei Aszites) für die zytologische Untersuchung, ▪ zur Exploration; – die Inspektion und Palpation der gesamten Abdominalhöhle ▪ Zwerchfellkuppeln, ▪ Leberoberfläche, Gallenblase, Milz, Magen, Pankreas, Nieren, ▪ Omentum majus, ▪ Dünndarm vom Treitz’schen Band bis Ileozökalklappe inkl. Mesenterialwurzel, parakolische Rinnen, ▪ Dickdarm vom Zökum bis zum Rektum, ▪ para-aortale Lymphknoten, pelvine Lymphknoten, ▪ Adnexe (Ovarien, Eileiter) beidseits, Uterus, ▪ Beckenperitoneum; – die Entnahme von Gewebeproben ▪ aus allen auffälligen Stellen/Verwachsungen und ▪ multiple Peritonealbiopsien aus unauffälligen Regionen (Harnblasen-, Douglasperitoneum, parakolische Rinnen, Zwerchfell), – die Exstirpation aller Tumoren zytologisch/histologische Untersuchungen – Zytologie der Zellen in der peritonealen Waschflüssigkeit bzw. der Peritonealflüssigkeit (Anreicherung mit Hilfe der Zytozentrifuge), – histologische Untersuchung aller Biopsien und resezierten Tumoren. Einstufung des Tumors gemäß dem histologischen Bild (siehe Tab. 8.39); – nach der Dignität werden unterschieden: ▪





8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

87

benigne Tumoren, Borderline-Tumoren ohne invasives Wachstum, aber deutlich erhöhter Mitoserate; gelten als Präkanzerosen mit erhöhtem Risiko der Entwicklung zu einem invasiven Karzinom wie auch der Stimulation von Peritonealzellen und Lymphknoten zur Proliferation; ▪ maligne Tumore mit invasivem Wachstum, nach dem Ursprung werden differenziert: ▪ Oberflächenepitheltumoren, entstanden aus dem Müller’schen Oberflächenepithel (Häufigkeit: ~ 89 % der Ovarialkarzinome), ▪ Keimstrang-Stromatumoren, entstanden aus endokrin differenziertem Gonaden-Mesenchym, Häufigkeit: ~ 8 % der Ovarialkarzinome), ▪ Keimzelltumoren, entstanden aus omnipotenten Keimzellen, Häufigkeit: ~ 3 % der Ovarialkarzinome), die malignen Ovarialkarzinome sind ▪ zu ca. 70 % epitheliale Tumoren (zusätzlich sind 10–15 % der epithelialen Tumoren Borderline-Tumoren), ▪ zu ca. 7 % Keimstrang-Stromatumoren, ▪ zu ca. 15 % Keimzelltumoren, zusätzlich erfolgt eine Einstufung der Tumorzellen gemäß ihres Differenzierungsgrades: ▪ G1: gut differenziertes Gewebe ▪ G2: mäßig differenziertes Gewebe ▪ G3: schlecht differenziertes Gewebe ▪ G4: undifferenziertes Gewebe. ▪ ▪







Tab. 8.39: Histopathologische Klassifikation der Ovarialkarzinome.

Tumortypen

Benigne Tumoren

Präkanzerosen Borderline-Tumoren

Maligne (invasive) Tumoren

Relative Prognose (Karzinome)

Oberflächenepitheltumoren/epitheliale Ovarialkarzinome (entstanden aus dem Müller’schen Oberflächenepithel, Häufigkeit: ~ 89 % der Ovarialkarzinome) seröse Tumoren muzinöse Tumoren

endometrioide Tumoren

klarzellige Tumoren

Zystadenom, papilläres Zystadenom, Oberflächenpapillom, Adenofibrom, Zystadenofibrom

zystische Tumoren, papillär zystische Tumoren, Oberflächenpapillom, Adenofibrom, Zystadenofibrom

Adenokarzinom, papilläres Adenokarzinom, papilläres Zystadenokarzinom, papilläres Oberflächenkarzinom, malignes Adenofibrom, malignes Zystadenofibrom

benigner Klarzeller

ÜbergangsKlarzeller

maligner Klarzeller

schlecht

schlecht

88

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tumortypen

Benigne Tumoren

Präkanzerosen Borderline-Tumoren

Maligne (invasive) Tumoren

Übergangszelltumor

Brennertumor

proliferierender Brennertumor

maligner BrennerTumor, Transitionalzellkarzinom

maligner Müller’scher Mischtumor

Relative Prognose (Karzinome)

homologer Typ, heterologer Typ

Plattenepitheltumore epitheliale Mischtumore

benigne

Übergang

maligne

Keimstrang-Stromatumoren (entstanden aus endokrin differenziertem Gonaden-Mesenchym, Häufigkeit: ~ 8 % der Ovarialkarzinome) Granulosazelltumor – juveniler Typ

malignes Potential

– adulter Typ Tumoren der ThekaFibromgruppe Sertoli-Zelltumor

malignes Potential bei Differenzierungsgrad G2/G3

SertoliLeydigzelltumor Gynandroblastom Steroidzell-Zumor

malignes Potential

Keimzelltumoren (entstanden aus omnipotenten Keimzellen, Häufigkeit: ~ 3 % der Ovarialkarzinome) Dysgerminome Dottersacktumore

maligne Keimzelltumoren

embryonales Karzinom Choriokarzinom Polyembryona Teratome – unreif – reif – solide – zystisch – monodermal mesenchymale Tumoren Metastasen (sekundäre Tumoren)

89

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

Therapie-Strategien Die Strategie der Prophylaxe und primären Therapie des Ovarialkarzinoms ist in Tab. 8.40 dargestellt. Tab. 8.40: Strategie für eine kurative primäre Therapie des Ovarkarzinoms (in Anlehnung an Wagner et al. 2019). Prophylaxe

Primär-Therapie





Nachweis einer Hoch-RisikoKeimbahn Mutation

Chirurgische, zytologische, histologische Erfassung des Tumorstadiums













Chirurgische Prophylaxe beiderseitige SalpingoOverektomie

Borderline Tumor (seröses Karzinom TNM1A, N0, M0, G1)

FIGO IA, G1

FIGO IA, > G1 FIGO IIA, klarzelliges Karzinom

FIGO IIB, IIIA

FIGO IIIB-IV











beiderseitige SalpingoOvarektomie

▾ oder mucinöser Typ

▾ beiderseitige SalpingoOverektomie + Appendektomie

Chirurgie (Excision aller befallenen/verdächtigen Gewebe)







adjuvante Chemo therapie

adjuvante Chemo therapie

adjuvante Chemo therapie

Kombination PlatinDerivat + Taxan

Kombination PlatinDerivat + Taxan + Bevacizumab

MonoTherapie PlatinDerivat

Chirurgische Prophylaxe Besteht ein hohes Risiko für die Entwicklung eines Ovarialkarzinoms durch den Nachweis einer inaktivierenden Keimbahnmutation (z. B. der Gene für BRCA1, BRCA2, MLH1, MSH2 oder p53), so führt die PBSO/Prophylaktische Beidseitige Salpingo-Ovarektomie bei gesunden Trägerinnen dieser Mutation (nach abgeschlossener Familienplanung)

90 • •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

zu einer Verminderung des Risikos um 97 % für ein Ovarialkarzinom und um etwa 50 % für ein Mammakarzinom, zu einem Risiko von etwa 3 % für die Entwicklung eines Peritonealkarzinoms.

Chirurgische Verfahren Ziel ist die bestmögliche Entfernung aller makroskopisch erkennbaren Tumoren aus dem Bauchraum, um zu erreichen: • eine bestmögliche Erfassung des Tumorstadiums, optimal erreicht im Rahmen des therapeutisch-chirurgischen Eingriffes durch – Längsschnittlaparotomie, – Inspektion und Palpation der gesamten Abdominalhöhle, – Peritonealzytologie, – Biopsien aus allen auffälligen Stellen und Peritonealbiopsien aus unauffälligen Regionen, – Adnexexstirpation beidseits, – Hysterektomie, ggf. extraperitoneales Vorgehen, – Omentektomie mindestens unterhalb des Querkolons (infrakolisch), – Appendektomie (bei muzinösem/unklaren Tumortyp), – beiderseitige pelvine und para-aortale Lymphadenektomie. • eine vollständige Entfernung des Tumors (makroskopisch tumorfrei), – für eine Heilung, Verbesserung der Überlebensrate oder des rezidivfreien Überlebens, – für eine bestmöglich wirksame adjuvante Chemotherapie; • eine bestmögliche Reduktion der Tumormasse beim weit fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms um zu verringern – abdominale Schmerzen, – obstruktionsbedingte Verdauungsbeschwerden oder Harnabflussstörungen, – Dyspnoe durch die großen Tumormassen im Becken und im Omentum, – Produktion von Aszites. Der chirurgische Eingriff kann sich auf die Entfernung des befallenen Ovars und des Eileiters beschränken: • bei Borderline-Tumoren, – falls nach Exploration der Bauchhöhle (inklusive der Untersuchung der Spülflüssigkeit, der peritonealen Biopsien und Omentektomie), ▪ keine invasiven Tumorabsiedlungen im Bauchraum nachgewiesen werden können, – falls diese nicht vom muzinösen Typ sind: ▪ bei muzinösen Borderline-Tumoren vom intestinalen Typ ist wegen der Möglichkeit eines primären muzinösen Tumors des Blinddarmes eine Appendektomie durchzuführen; • bei epithelialen Ovarialkarzinomen des Stadiums FIGO IA (T1aN0M0) und des Differenzierungsgrades G1 – im Falle eines Kinderwunsches,

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

• •

91

bei Keimstrang-Stromatumoren des Stadiums FIGO IA, bei malignen Keimzelltumoren des Stadiums FIGO IA.

Bei epithelialen Ovarkarzinomen aller übrigen Stadien hat sich bewährt: • die Exstirpation – der beiderseitigen Adnexen (Ovarien, Eileiter) ▪ hohes Absetzen der Gefäßbündel der Ovarien, ▪ Vermeidung einer Kapselruptur, – des Uterus (Hysterektomie), – des großen Netzes (Omentektomie), ▪ infragastrisch mit Entfernung der milznahen Anteile und mit Exploration der Bursa omentalis, • die Resektion aller (soweit möglich) mit Tumoren befallener oder verdächtiger Gewebe, hierzu können gehören: – das parietale Bauchfell (falls möglich en bloc mit retroperitonealer Technik), besonders auch ▪ im Becken, ▪ auf der Harnblase, ▪ am Zwerchfell, – der Wurmfortsatz (Appendektomie) ▪ bei makroskopisch sichtbarem Tumorbefall, ▪ bei muzinösem und intraoperativ unklarem Tumortyp, – die Milz (Splenektomie), – die Leberkapsel, – die mit Tumoren infiltrierten Dünn- und Dickdarmanteile, • die Resektion der regionalen Lymphknoten, falls die Tumormasse < 1 cm reduziert werden kann: – pelvine Lymphknoten beidseitig, – para-aortale Lymphknoten beiderseits der Aorta/Vena cava bis Höhe Vv. renales. Bei Rezidiven von epithelialen Ovarialkarzinomen ist eine erneute chirurgische Behandlung indiziert, wenn hierdurch die eine Verlängerung des Überlebens möglich wird. Voraussetzung hierfür ist, dass • die Rezidive allem Anschein nach tumorfrei operiert werden können; • ein guter Allgemeinzustand der Patientin vorliegt, • Tumorfreiheit nach der Primäroperation erreicht worden war, • beim Rezidiv kein Anzeichen von Aszites vorliegt, • der Primärtumor sensitiv für ein Platin-Derivat gewesen war und das Rezidiv erst > 6 Monaten nach Beendigung der Chemotherapie aufgetreten ist. Bei Keimstrang-Stromatumoren, • ist Standard: – die Entfernung aller makroskopisch erkennbaren Tumoren und tumorverdächtigen Gewebeanteile,

92

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren





bei Belassung des Uterus wird zum Ausschluss einer atypischen Endometriumhyperplasie bzw. eines simultanen Endometriumkarzinoms eine Hysteroskopie und Abrasio empfohlen, eine chirurgische Vorgehensweise ähnlich derjenigen bei epithelialen Ovarialkarzinomen dann, wenn Tumoren mit besonderem malignen Potenzial vorliegen. Hierzu gehören: ▪ Granulosazelltumoren, a ▪ Sertoli-Leydigzell-Tumoren Differenzierungsstadium G2/G3, ▪ Steroidzell-Tumoren.

Bei Keimzelltumoren der Stadien FIGO IB-IV • werden exstirpiert – alle tumorbefallenen Ovarien und Eileiter, – alle tumorbefallenen oder tumorverdächtigen Gewebeanteile; • sind die Ziele: – bestmögliche Voraussetzungen für die gut wirksame Chemotherapie zu schaffen, indem in der Bauchhöhle und ihren Organen ▪ keine makroskopisch erkennbaren Tumoren mehr vorliegen oder ▪ die makroskopisch erkennbaren Tumoren auf ein Minimum reduziert sind, – die Fertilität, soweit möglich und von der Patientin gewünscht, zu erhalten. Chemotherapeutische Verfahren Bei epithelialen Ovarialzelltumoren bietet eine primäre präoperative (neoadjuvante) Chemotherapie keine Vorteile. Eine adjuvante (postoperative) Chemotherapie sollte wie folgt verabreicht werden: Bei Borderline-Tumoren (low-grade seröse Ovarial-Karzinome) • liegen bislang keine Daten über eine eindeutige Wirksamkeit einer adjuvanten, postoperativen Chemotherapie vor. Bei epithelialen Ovarialzellkarzinomen kann eine adjuvante Chemotherapie wirksam sein. Folgende Strategie wird empfohlen (siehe Tab. 8.41): • bei frühen Ovarialkarzinomen – Stadium FIGO IA G1 ▪ keine Chemotherapie (das 5-Jahres-Überleben nach Resektion der befallenen Adnexe liegt bereits bei > 90 %); – Stadien FIGO IA G > 1 bis FIGO IIA, des Weiteren beim klarzelligen Karzinom ▪ adjuvante Chemotherapie mit einem Platinderivat, vorzugsweise Carboplatin (AUC 5; wegen der besseren Verträglichkeit im Vergleich zum Cisplatin) alle drei Wochen und in 3–6 Zyklen, ▪ eine Kombination mit einem Taxol-Derivat scheint keine weiteren therapeutischen Verbesserungen zu bringen; • bei fortgeschrittenen Ovarialkarzinomen – Stadien FIGO IIB bis IV ▪ Kombinationschemotherapie mit kurativem Ansatz,

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

93

Platinderivat, vorzugsweise Carboplatin (AUC 5; wegen der besseren Verträglichkeit im Vergleich zum Cisplatin) in Kombination mit Paclitaxel (175 mg/ m2 ) oder Docetaxel (75 mg/m2 ) alle 3 Wochen und in 6 Zyklen, ▪ Erhöhung der Dosis, eine Kombination mit anderen Zytostatika und weitere Zyklen haben den therapeutischen Erfolg nicht verbessern können; – Stadien FIGO IIIB bis IV ▪ Carboplatin kombiniert mit Paclitaxel (s.o) und zusätzlich ▪ Bevacizumab, ein monoklonaler Antikörper gegen VEGF zur Inhibition der Tumor-induzierten Angiogenese bei Ovarialkarzinom-Rezidiven mit dem Behandlungsziel der Verbesserung der Lebensqualität durch – eine Monotherapie alle drei Wochen über 2–3 Zyklen bei Platin-resistenten Tumoren vorzugsweise mit ▪ Topotecan (1,25 mg/m2 ), ▪ pegyliertem liposomalem Doxorubicin (50 mg/m2 ) oder ▪ Paclitaxel (175 mg/m2, bei nicht mit Taxan vorbehandeltem Ovarialkarzinom) ▪ jeweils in Kombination mit Bevacizumab (falls noch kein Inhibitor von VEGF verabreicht worden ist), – eine Kombinationstherapie bei Platin-sensiblen Tumoren und zwar ▪ Carboplatin (AUC 5) + Paclitaxel (175 mg/m2 ) mit oder ohne Bevacizumab ▪ Carboplatin (AUC 4) + Gemcitabin (1.000 mg/m2 ) mit oder ohne Bevacizumab oder ▪ Carboplatin + pegyliertes liposomales Doxorubicin – bei hochgradigen serösen Platin-sensitiven Ovarialkarzinomen mit BRCAMutation ▪ eine platinhaltige Rezidivtherapie und nach einer Regression oder falls diese nicht erreicht werden kann, ▪ eine Erhaltungstherapie mit einem Inhibitor (Olaparib, Niraparib oder Rucararib) der PARP/Poly-ADP-Ribose-Polymerase, beteiligt an der DNA-Reparatur) um zu verhindern, dass der durch das Platin-Derivat induzierte DNA-Schaden repariert wird; bei Ovarialkarzinom bedingten Peritonealkarzinosen hat eine HIPEC/Hypertherme Intraperitoneale Chemotherapie bislang noch keine eindeutige therapeutische Wirkung gezeigt ▪





Bei Keimstrang-Stromatumoren: • ist die Wirksamkeit einer postoperativen adjuvanten Chemotherapie nicht eindeutig belegt, • liegen Anhaltspunkte vor für die Wirksamkeit von Platinverbindungen enthaltenden Chemotherapie-Schemata, im Besonderen – Cisplatin + Etoposid + Bleomycin, 4 Zyklen, – Cisplatin + Etoposid + Ifosfamid, 4 Zyklen. Maligne Keimzelltumoren sind erheblich sensitiver auf eine Chemotherapie (siehe Tab. 8.42) als epitheliale Ovarialkarzinome:

94

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

eine postoperative Chemotherapie – ist wegen der Wirksamkeit der alleinigen chirurgischen Therapie primär nicht indiziert bei den ▪ malignen Teratomen Stadium FIGO IA, G1, ▪ Dysgerminomen Stadium FIGO IA ▪ übrigen Keimzelltumoren Stadium FIGO IA; – ist indiziert ▪ wenn postoperativ bei Stadium FIGO IA (in etwa 25 % der Fälle) Tumorprogressionen/Rezidive auftreten, zu ermitteln durch regelmäßige Kontrolle sonografisch besonders des kleinen Beckens und der Lymphknoten im Nierenhilus und biochemisch der Tumormarker (Alpha-1-Fetoprotein und/ oder β-Human Chorion Gonadotropin), ▪ bei allen anderen Stadien einschließlich Stadium FIGO IV; eine präoperative/neoadjuvante Chemotherapie ist zu prüfen – bei Stadium FIGO IIIB-C und FIGO IV, – mit dem Ziel, das Tumorvolumen derart zu reduzieren, dass eine fertilitätserhaltende Resektion des Tumors möglich ist; als Chemotherapieschemata haben sich bewährt: – nach makroskopisch vollständiger Tumorentfernung ▪ Cisplatin (20 mg/m2 ) + Etoposid (100 mg/m2 ), 2 Zyklen; – bei makroskopisch erkennbaren Tumorresten ▪ Cisplatin (20 mg/m2 ) + Etoposid (100 mg/m2 ) + Bleomycin (30 mg), 4 Zyklen, ▪ Cisplatin (20 mg/m2 ) + Etoposid (100 mg/m2 ) + Ifosfamid (1.200 mg/m2 ), 4 Zyklen; die Heilungsrate kann bis zu 90 % betragen.









Tab. 8.41: Therapieverfahren bei epithelialen Ovarialkarzinomen in Bezug zum TNM-Status.

FIGOStadium

I

TNM-Klassifikation

T1

N0

Differenzierung

T1a

N0

M0

M0 G >1

II

IB

T1b

N0

M0

IC

T1c

N0

M0

T2

N0

M0

Postoperative Chemotherapie

5JahresÜberleben

G1 IA

Chirurgische Exstirpation

G1–4

befallenes Ovar und Eileiter beide Ovarien und Eileiter, Uterus, Omentum und alle mit Tumoren

> 90 %

~ 80– 90 %

~ 60 %

Erfolg

keine Empfehlung adjuvant: Carboplatin Steigerung (AUC 5) der 5-Jahres(> Cisplatin); Überlebensrate 3–6 Zyklen um 8 %; alle 3 Wochen Steigerung

95

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

FIGOStadium

TNM-Klassifikation

IIA

T2a

N0

M0

IIB

T2b

N0

M0

IIC

T2c

N0

M0

T3

N0/N1

M0

IIIA

T3a

N0

M0

IIIB

T3b

N0

M0

T3c

N0

M0

jedes T

N1

M0

jedes T

jedes N

M1

III

IIIC

IV

Differenzierung

Chirurgische Exstirpation befallenen Gewebeanteile inklusive des parietalen Peritoneums, pelvine und para-aortale Lymphknoten

Postoperative Chemotherapie

des rezidivfreien 5Jahresintervalls um 11 %

~ 23 %

~ 14 %

kurativer Ansatz: Carboplatin (AUC 5) (> Cisplatin) und Taxan (Paclitaxel 175 mg/m2 ) oder Docetaxel; + Bevacizumab 6 Zyklen alle 3 Wochen

Steigerung der Überlebensrate/ Steigerung des rezidivfreien Intervalls

Verbesserung des Allgemeinbefindens

palliativer Ansatz

Tab. 8.42: Therapieverfahren bei malignen Keimzelltumoren in Bezug zum TNM-Status.

FIGOStadium

I

TNM-Klassifikation

T1

IA

T1a

IB

T1b

IC II

N0

Histologie/ Differenzierungsstufe

Dysgerminome, Teratome G1

IIA

T2a

IIB

T2b

N0

Postoperative Chemotherapie

Erfolg

Tumorresektion befallenes Ovar und Eileiter

keine Empfehlung (erst bei Tumorprogression/ Rezidiven)

> 90 % Heilung

Resektion aller mit dem Tumor befallenen Ovarien und Eileiter, Uterus,

kurativer Ansatz: makroskopisch tumorfrei: Cisplatin (20 mg/m2 ) und Etoposid (100 mg/m2 ) alle 3 Wochen,

M0

T1c T2

Präoperative Chirurgische Chemo- Exstirpation therapie

M0

übrige

bis zu 90 % Heilung

96

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

FIGOStadium

IIC III

T2c T3

IIIA

T3a

IIIB

T3b

IIIC

IV

TNM-Klassifikation

N0

M0

T3c

N0

M0

jedes T

N1

M0

jedes T

jedes N

M1

Histologie/ Differenzierungsstufe

Präoperative Chirurgische Chemo- Exstirpation therapie Omentum und weiterer Gewebeanteile (inklusive Peritoneum und Lymphknoten) kurativer Resektion Ansatz: der verblieReduktion benen der Tumormasse Tumor(Primärmasse; tumor, Erhalt der Metastasen) Fertilität

Postoperative Chemotherapie

Erfolg

2–4 Zyklen; makroskopische Tumorreste: Cisplatin (20 mg/m2 ) und Etoposid (100 mg/m2 ) und Bleomycin (30 mg), alle 3 Wochen, 4 Zyklen

Weiterführende Literatur Cancer Research UK http://info.cancerresearchuk.org/cancerstats/types/ovary/incidence/ Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) http://www.dimdi.de/static/ de/index.html Klassifikation der Differenzierung; http://www.uicc.org/tnm Kommission Ovar der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) e.V., Empfehlungen für die Diagnostik und Therapie maligner Ovarialtumoren. Juni 2011; http://www.ago-online.de/_download/ unprotected/ovar_empfehlungen_maligner_tumoren_de_11.pdf Lefkowitz ES, Garland CF. Sunlight, vitamin D, and ovarian cancer mortality rates in US women. Int J Epidemiol 1994, 23: 1133–1136. Preiß J, Dornoff W, Hagmann FG, Schmieder A. Onkologie 2011, http://www.onkologie2011.de/index.htm Robert Koch Institut RKI https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_ Deutschland/kid_2019/krebs_in_deutschland_2019.pdf?__blob=publicationFile Schmalfeldt, B, Pfisterer, J, Hrg. Interdisziplinäre S2k-Leitlinie für die Diagnostik und Therapie maligner Ovarialtumoren W. Zuckschwerdt Verlag München 2007, ISBN 978-3-88603-914-2, http:// www.krebsgesellschaft.de/download/leitlinie_ovar_2010.pdf Wagner U et al., Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren 3.0, 2019, AWMFRegistrierungsnummer: 032–035OL, https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/ ovarialkarzinom/ WHO-International Agency for Research on Cancer Globocan Cancer incidence and mortality worldwide in 2008, http://globocan.iarc.fr/

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

97

8.3.2 Gebärmutter Vorkommen Tumoren der Gebärmutter (Corpus uteri) sind entweder Endometrium- und Korpuskarzinome oder Uterussarkome. Endometrium- und Korpuskarzinome sind maligne Tumoren der Schleimhaut (Endometrium) und der Gebärmutter und stellen die häufigsten Tumoren der weiblichen Genitale dar (siehe Kap. 2), • weltweit sind 6 % aller bei der Frau diagnostizierten Tumore Gebärmutterkarzinome. Von der WHO werden für 2018 folgende (alterskorrigiert) Zahlen angegeben, – Neuerkrankungsrate 8,4/100.000 Frauen, – Todesrate 1,8/100.000 Frauen; • die Anzahl der Neuerkrankungen zeigt erhebliche geografische Unterschiede. Von 100.000 Frauen erkrankten im Jahre 2008 in: – allen Erdteilen 8 – Amerika ▪ Nordamerika 16,5 ▪ Zentralamerika 6,1 ▪ Südamerika 6,2 – Europa 12,8 – Australien/Neuseeland 11,4 – Asien 6,6 – Afrika 2,5. Somit sind in den Industrieländern Endometrium/Korpuskarzinome deutlich häufiger als in den Entwicklungsländern. • Die Todesrate liegt weltweit bei etwa 24 % mit erheblichen regionalen Unterschieden. So wird das 5-Jahres-Überleben angegeben – in Europa mit 72 %; – in USA mit 84 %. In Deutschland werden für maligne Endometriums- und Korpuskarzinome und das Jahr 2016 folgende Zahlen angegeben • Neuerkrankungen: 11.090, – altersbereinigten Rate: 16,5/100.000 Frauen, – mittleres Erkrankungsalter: 68 Jahre, • Todesfälle: 2.600 – altersbereinigte Todesrate: 3/100.000 Frauen, – mittleres Todesalter: 77 Jahre, • Prävalenz 5 Jahre: 45.700; 10 Jahre: 83.300 • Überlebensrate 5 Jahre: 78 %; 10 Jahre: 74 % Uterussarkome umfassen eine heterogene Gruppe von relativ seltenen malignen Tumoren der Gebärmutter.

98 •



8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Ihre Häufigkeit liegt bei – weniger als 1 % aller malignen Tumoren des weiblichen Genitales, – 2–5 % aller malignen Tumoren des Uterus; Zu ihnen gehören: – Karzinosarkome (gemischt mesodermale Sarkome, Müller’scher Tumor), – Leiomyosarkome, – übrige Sarkome.

Risikofaktoren Das Alter ist ein entscheidender Risikofaktor sowohl für Endometriumkarzinome als auch für Uterussarkome. • Endometriumkarzinome nehmen postmenopausal zu und haben im Alter zwischen 75 und 80 Jahren mit 70–80 Erkrankungen auf 100.000 Frauen (Europa) ihre größte Häufigkeit. • Uterussarkome zeigen eine ähnliche altersabhängige Zunahme mit dem Unterschied, dass – Leiomyosarkome bereits im Alter von etwa 50 Jahren am häufigsten auftreten; – Sarkome zwei Häufungen aufweisen: ▪ prämenopausal als gut differenzierte Tumoren, ▪ postmenopausal als weniger gut differenzierte Tumoren. Genetische Faktoren stellen wesentliche Risikofaktoren dar, im Besonderen • eine positive Familienanamnese bezüglich Endometriumkarzinom und/oder Kolonkarzinom, • inaktivierende Mutationen von DNA-Reparaturgenen – mit Mikrosatellit-Instabilität als Befund bei etwa 25 % der Endometriumkarzinome, besonders vom Typ I, – als Ursache für das familiäre Lynch-I- und Lynch-II-Tumor-Syndrom/ hereditäres non-polypöses Kolonkarzinom (HNPCC/ Hereditary Non-Polyposis Colorectal Cancer), ▪ verursacht durch inaktivierende (Keimbahn-) Mutationen im Besonderen von MSH1, MSH2, MLH6, PMS2 oder EPCAM, ▪ mit einer Häufigkeit von 1 : 300–500 Personen, bei Endometriumkarzinom-Patientinnen aller Altersstufen von 2–4 % und unter 50 Jahren von 9–10 %, ▪ einem Lebenszeitrisiko ≤ 70 Jahre von 16–54 %, ▪ wobei Typ I Tumoren (endometroide Karzinome mit 57–85 % vorherrschen und ▪ Karzinome in unterschiedlichen Organen (außer beim Endometrium, z. B. auch im Ovar und Mamma, in Magen-Jejunum-Kolon-Rektum, Pankreas, Leber, Gallengang, Urothel, Haut und Gehirn); • inaktivierende Mutationen von Tumorsuppressoren wie – beim inhibierenden Transkriptionsfaktor p53, – beim Phosphatase- und Tensin-Homolog PTEN (inaktiviert zelluläre Signalübertragung), zu finden beim familiären Cowden-Tumor-Syndrom,

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

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mit einer Häufigkeit von 1 : 200.000 Personen und bei EndometriumkarzinomPatientinnen aller Altersstufen von 0,5 %, ▪ mit einem Lebenszeitrisiko ≤ 70 Jahre von 19–28 %, ▪ wobei endometroide Karzinome (Tumor Typ I) mit 84 % vorherrschen und ▪ bei welchem Karzinomen in unterschiedlichen Organen (außer beim Endometrium, z. B. auch in der Schilddrüse, Mamma, Niere, Gehirn und Haut) auftreten; β-Catenin; aktivierende Mutationen zu Onkogenen, beispielsweise ▪ beim rezeptorassoziierten K-Ras (siehe Kap. 3.3.3), ▪ in Form von Überexpressionen von Wachstumsfaktor-Rezeptoren der ErbBFamilie (siehe Kap. 3.1). ▪

– –

Weitere wichtige Risikofaktoren sind • endogene Östrogene, im Besonderen Estradiol (siehe Kap. 4.6.4.1), und zwar dann, wenn deren Wirkung durch Progesteron nicht im ausreichenden Maße ausgeglichen wird, beispielsweise – bei einer früh eintretenden Menarche und einer spät auftretenden Menopause, ▪ Steigerung des Risikos um 6–8 % pro zusätzlichem Jahr mit Menstruationen; – bei unregelmäßigem Zyklus ▪ fehlende, seltene oder unregelmäßige Menstruationen, ▪ verlängerter Menstruationsdauer, ▪ anovulatorischen Zyklen, ▪ polyzystischem Ovar, – bei fehlenden Schwangerschaften, – bei postmenopausalen Frauen; ▪ wegen verminderter/fehlender Synthese von Progesteron, – beim polyzystischen ovariellen Syndrom (PCOS/Polycystic Ovarian Syndrome) mit erhöhtem LH/Luteinisierendem Hormon, vermindertem Progesteron und erhöhtem Insulin (in Folge einer Insulin-Resistenz), – bei Östrogen oder Testosteron produzierenden Ovarialkarzinomen (siehe Kap. 8.3.1.2), wie: ▪ Granulosazelltumoren, ▪ Tumoren der Theka-Fibrom-Gruppe; – bei Mammakarzinomen; • exogene Östrogene oder ähnlich wirkende Substanzen zur Hormonersatztherapie (HET/HRT) bei menopausalen und postmenopausalen Frauen – Östrogene ohne Progesteron-Zusatz, die kontinuierlich über einen längeren Zeitraum verabreicht werden (der Anstieg des Risikos liegt im Bereich von etwa 50 %), – Östrogen/Progesteron-Kombinationen (Verwendung von Progesteron und Dehydrogesteron) bei einer kontinuierlichen Verabreichung über eine Dauer von > 6 Jahre, – Tibolon, ein Norethisteron-Analog mit estrogener, gestagener und androgener Wirkung,

100 • •

• •





• •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Östrogen-Rezeptor-Modulatoren wie Tamoxifen zur Therapie des Mammakarzinomes (siehe Kap. 7.5.1), endogene Testosterone siehe Kap. 4.6.4.1), die – die Uteruszellen zum Wachstum stimulieren und erhöht sind ▪ bei postmenopausalen Frauen; ▪ beim polyzystischen ovariellen Syndrom (PCOS/Polycystic Ovarian Syndrome) mit erhöhtem LH/Luteinisierendem Hormon und Testosteron, vermindertem Progesteron und erhöhtem Insulin (in Folge einer Insulin-Resistenz); exogenes FSH, LH und/oder hCG für ovarielle Stimulationen vermindertes SHBG/Sexhormon-Bindendes Globulin), welches neutralisiert: ▪ Östrogen, ▪ Testosteron, Insulin und IGF/Insulin-like Growth Factors, welche – Wachstumsfaktoren (siehe Kap. 4.3.1) für die Zellen des Uterus sind, – die Wirkung von Östrogenen auf den Uterus verstärken, – im Besonderen bei Übergewicht und/oder Diabetes deutlich erhöht sein können; Übergewicht (siehe Kap. 4.6.3), – im Rahmen dessen die Synthese von Progesteron vermindert und die Synthese von Östrogenen in den Fettzellen erhöht ist; hierdurch ▪ wird in prämenopausalen Frauen die Ovulation und Menstruation beeinträchtigt, ▪ erhöht sich in postmenopausalen Frauen der Blutspiegel an freien Östrogenen, ▪ wird das Risiko um den Faktor ~ 2 (BMI/Body-Mass-Index 32), ~ 6 (BMI 37) oder ~ 16 (BMI 42) erhöht. Diabetes mellitus, eine gestörte Glukosetoleranz und das Metabolische Syndrom und polyzystisches Ovarien-Syndrom (PCOS/Polycystic Ovarian Syndrome).

Eine Verminderung des Risikos erfolgt durch: • Schwangerschaften – jede Schwangerschaft reduziert das Risiko um ca. 22 %, ▪ besonders dann, wenn die Schwangerschaft im höheren Alter stattfindet, ▪ bei postmenopausalen Frauen scheint das Risiko deutlicher reduziert zu werden als bei prämenopausalen Frauen; – als Mechanismus für die Reduktion des Risikos wird angenommen: ▪ die Erhöhung der Synthese von Progesteron, ▪ die weitgehende Entfernung von präkanzerösen Zellen in der endometrialen Schleimhaut beim Geburtsvorgang; orale Kontrazeptiva • – die Risikoverminderung ▪ liegt in einer Größenordnung von 6 % pro Jahr der Anwendung, ▪ scheint bis zu 20 Jahre nach Beendigung der Verabreichung anzuhalten. • Östrogen/Progesteron-Kombinationen für die Hormonersatztherapie – bei einer kontinuierlichen Einnahme über eine Dauer von < 6 Jahren z. B. von konjugierten equinen Östrogenen und Medroxyprogesteronacetat als Gestagen

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

101

– – • • •

die Risikoverminderung liegt in einer Größenordnung von ca. 20 % (RR = 0,8) bei Übergewicht vermindert sich das um den Faktor ~ 2 (BMI 32), ~ 6 (BMI 37) und ~ 16 (BMI 42) erhöhte Risiko auf den Faktor ~ 1,4 (BMI 32), ~ 1,5 (BMI 37) oder ~ 1,8 (BMI 42) Intrauterinpessare (Kupferspirale oder therapeutisch eingesetzte Levonorgestrelspirale) körperliche Bewegung – die Risikoreduktion liegt im Bereich von 20–40 %, Tabakkonsum – vermindert das Risiko wahrscheinlich durch die Induktion von P450-mischfunktionellen Oxidasen, welche Östrogen schneller und effektiver abbauen als bei Nichtrauchern.

Tab. 8.43: Faktoren, die das Relative Risiko (RR) von malignen Uterustumoren beeinflussen. Erniedrigung des RR Faktoren

RR: < 1,0

Erhöhung des RR RR: 1,0

RR: ~ 1,0–1,5 (niedrig)

RR: > 1,5–2,0 (mittel)

RR: > 2,0–4 (stark)

RR: >4 (sehr stark)

Endometriumkarzinome inaktivierende Mutationen von DNA-Reparaturgenen, z. B. MSH2, MSH6, MLH1 oder MLH3 beim hereditären non-polypösen Kolonkarzinom/HNPCC) oder Tumorsuppressoren, z. B. PTEN (beim Cowden-Syndrom), p53 oder β-Catenin, aktivierende Mutationen zu Onkogenen (z. B. ErbB/Her-2/neu, K-Ras)

genetische Faktoren

Lebensform/ Ernährung

körperliche Bewegung (RR: 0,2–0,4) Sojabohnen reiche Ernährung hoher Spiegel Sexhormon bindendes Globulin (SHBG) im Blut (RR: 0,4)

endogene Hormone

hoher TestosteronBlutspiegel

erhöhtes Insulin und Insulin-like Growth Factor (IGF)

frühe Menarche und späte Menopause Polyzystisches Ovarial Syndrom (PCOS) mit erhöhtem luteinisierendem Hormon (LH) und Testosteron, vermindertem Progesteron und erhöhtem Insulin (Insulin-Resistenz)

Ovarialkarzinome (Granulosa/ Thekafibrome, produzieren Östrogen/ Testosteron)

102

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Erniedrigung des RR Faktoren

HormonRezeptoren

Schwangerschaften

RR: < 1,0 Expression des ProgesteronRezeptors

Erhöhung des RR RR: 1,0

RR: ~ 1,0–1,5 (niedrig)

RR: > 1,5–2,0 (mittel)

RR: > 2,0–4 (stark)

RR: >4 (sehr stark)

(erhöhte) Expression des Östrogen-Rezeptors

Schwangerschaften (Reduktion um ca. 22 % pro Kind) letzte Schwangerschaft im späten Alter

exogene Hormone

orale Kontrazeptiva (Reduktion um 6–8 % pro Jahr Einnahme)

Östrogene (Hormonersatztherapie, HET)

Östrogene und Progesteron (Hormonersatztherapie) Toxine

Östrogen-RezeptorModulator (Tamoxifen)

Tabak Uterussarkome

medizinische Behandlung

ÖstrogenRezeptorModulator (Tamoxifen)

Bestrahlung des Beckens zur Radiotherapie von uterinen Blutungen

Entwicklungsstadien und Klassifikationen Die Entwicklungsstadien der malignen endometrialen Tumoren werden eingestuft (siehe Tab. 8.44) gemäß • der FIGO-Klassifikation (Fédération Internationale de Gynécologie et d’Obstétrique) und • der TNM-Klassifikation.

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

103

Die Metastasierung erfolgt nach einem charakteristischen Muster: • gewöhnlich zuerst in die pelvinen und para-aortalen Lymphknoten, • nachfolgend bevorzugt in: – die inguinalen Lymphknoten und die Vagina, – die supraclavikulären Lymphknoten und die Lunge, – die Leber, – das Skelett, – das Gehirn.

Tab. 8.44: Entwicklungsstadien und Klassifikationen der malignen Uterustumoren und deren Prognose. Ausbreitung des Uterustumors FIGOStadium

TNM-Klassifikation Gebärmutter Tx

Primärtumor kann nicht beurteilt werden Nx

regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden

T0

kein Anhalt für Primärtumor

0

Tis

Carcinoma in situ

I

T1

N0

M0

Tumor begrenzt auf den Uteruskörper (Corpus uteri)

IA

T1a

N0

M0

Tumor begrenzt auf das Endometrium

IB

T1b

N0

M0

Tumor hat zu weniger als 50 % das Myometriums infiltriert

IC

T1c

N0

M0

Tumor hat zu 50 % oder mehr das Myometrium infiltriert

T2

N0

M0

Tumor hat den Corpus und die Zervix uteri (Zervix uteri) infiltriert

IIA

T2a

N0

M0

nur die endozervikalen Drüsen sind befallen

IIB

T2b

N0

M0

das Stroma der Zervix ist befallen

II

Peritoneum/Becken/ Metastasen

Prognose 5-JahresÜberleben

75–90 %

50–65 %

104

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Ausbreitung des Uterustumors FIGOStadium

III

IIIA

TNM-Klassifikation Gebärmutter

Peritoneum/Becken/ Metastasen

T3

N0/N1

M0

Tumor hat sich lokal/ regional (im Becken) in weitere Gewebe und Organe ausgebreitet

T3a

N0

M0

Peritoneum oder Adnexe (Ovar, Eileiter) sind besiedelt Tumor hat den Corpus und/oder Tumorzellen sind und die Zervix uteri in der Peritoneal-Flüssigkeit (Zervix uteri) infiltriert zu finden

IIIB

T3b

N0

M0

Tumor hat sich in die Vagina ausgebreitet

IIIC

T3c

N1

M0

jedes T

N1

M0

Tumorzellen sind pelvinen und/oder para-aortalen Lymphknoten zu finden

jedes T

jedes N

M1

T4a

jedes N

M1

IV IVA

IVB

T4b

N1

M1

Prognose 5-JahresÜberleben

20–40 %

Tumor hat Fernmetastasen gebildet Metastasen sind auf der Tumor hat den Corpus Harnblase und/oder auf dem und die Zervix uteri Darm (Rektum) zu finden (Zervix uteri) infiltriert Metastasen sind in anderen Organen inklusiv intraabdominalen und inguinalen Lymphknoten zu finden

< 20 %

Histologie Endometrium-Hyperplasien Endometrium-Hyperplasien stellen Präkanzerosen dar, welche differenziert werden in • Endometriumhyperplasien ohne Atypien, welche (früher „einfache oder komplexe Endometrium-Hyperplasie ohne Atypien“) – unter längerfristigem Einfluss hoher Östrogenwerte entstehen, – eine polyklonale Proliferation aufweisen und – ein geringes Risiko (1–4 %) der malignen Entartung zum endometrioiden Endometriumkarzinom (Typ I-Karzinom, siehe Tab. 8.45) besitzen • Atypische Endometriumhyperplasien (EIN/Endometriale Intraepitheliale Neoplasien) (früher „einfache oder komplexe atypische Endometriumhyperplasien“ genannt) – entstehen meist unter längerfristigem Einfluss hoher Östrogenwerte, – sind assoziiert mit dem Cowden-Syndrom (inaktivierende Keimbahnmutation für PTEN) und dem Lynch-Syndrom (inaktivierende Mutationen der Mismatch-RepairGene)

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)



– –

105

zeigen zusätzlich zu den zellulären Atypien Mikrosatelliteninstabilität, inaktivierende Mutationen von PTE und PAX2 sowie aktivierende Mutationen von KRAS und β-Catenin, sind belastet mit einem erhöhten Risiko (~ 45 %) für ein endometrioides Endometriumkarzinom (Typ-I-Karzinom) und sind abzugrenzen vom serösen endometrialen intraepithelialen Karzinom (SEIC), charakterisiert durch einen hohen nukleären Atypiegrad und inaktivierende Mutationen von p53.

Endometriumkarzinome Die histologische Klassifizierung der Karzinome, Sarkome und Mischtumoren der Gebärmutter (siehe Tab. 8.45) • zeigt, dass am häufigsten vorkommen – die Typ I Tumore, charakterisiert ▪ als meist endometrioide, östrogenabhängige Karzinome (Typ I) ▪ mit spontanem Auftreten, ▪ mit einer Häufigkeit von ca. 80–85 % der Endometriumkarzinome, – die Typ II Tumore, unterteilt in ▪ seröse, klarzellige östrogenunabhängige Karzinome ▪ undifferenzierte Karzinome und – die Karzinosarkome (zugerechnet den Typ II-Tumoren), – wobei die Typ II Tumore spontan und mit einer Häufigkeit von 10–15 % auftreten. • lässt eingeschränkte Aussagen über die Prognose zu. Uterussarkome werden differenziert in (siehe Tab. 8.45): • Karzinosarkome (gemischt-karzino-mesodermale Sarkome, Müller’scher Tumore), die – ihren Ursprung im Endometrium und anderen Organen haben, die von den Müller’schen Gängen abstammen, – vorwiegend postmenopausal auftreten, – neben sarkomatösen Elementen zu einem beträchtlichen Teil adenokarzinomatöse Zellen besitzen, – den Endometriumkarzinomen ähneln und ihnen daher zugerechnet werden, – etwa 40–50 % aller Uterussarkome ausmachen; • Leiomyosarkome, welche – von den Muskelzellen der Gebärmutter abstammen, – etwa 30 % aller Uterussarkome ausmachen, • übrige Sarkome, welche – vom Stroma des Endometriums abstammen, – insgesamt etwa 15 % der Uterussarkome ausmachen. Die histologische Klassifizierung wird ergänzt durch die Einstufung nach dem Anteil von undifferenzierten Tumorzellen (nicht-squamöse Tumorzellen oder Tumorzellen, denen das Morula-ähnliche solide Wachstum fehlt):

106 • • •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

G1: nicht mehr als 5 % Anteil weitgehend undifferenzierter Tumorzellen, G2: 6 % bis 50 % Anteil weitgehend undifferenzierter Tumorzellen, G3: größer 50 % Anteil weitgehend undifferenzierter Tumorzellen.

Tumorstadien Zur Einstufung des Tumorstadiums des Endometriumkarzinoms sind folgende Angaben bei der Beurteilung eines Hysterektomiepräparates notwendig • Beschaffenheit der Serosa des Uterus • die Lokalisation des Tumors im Uterus (Isthmus oder Corpus uteri, Vorder-bzw. Hinterwand oder Uterusdach) und seine Entfernung zum Os externum und Os internum der Cervix uteri, • die dreidimensionale Tumorgröße in cm und der Wachstumstyp des Tumors (polypoid, sessil, diffus infiltrierend), • die Länge der resizierten Vaginalmanschette • histologischer Typ nach WHO – bei gemischten Karzinomen mit Angabe des jeweiligen prozentualen Anteils am Gesamttumor Grading • • Infiltrationen/Invasionen – Nachweis/Fehlen von Lymph- oder Blutgefäßeinbrüchen (L- und V-Status) – Nachweis/Fehlen von Perineuralscheideninfiltraten (Pn-Status) – metrische Angabe der Invasionstiefe im Verhältnis zur Myometriumdicke in mm – bei vorliegender Scheideninfiltration metrische Angabe des minimalen Abstandes zum vaginalen Resektionsrand und R-Klassifikation (UICC) • Staging (pTNM)

Prognose Die Prognose ist relativ ungünstig bei Tumoren (siehe Tab. 8.45) • vom histologischen Typ der – seröse und Klarzell-Karzinome, – Karzinosarkome – Leiomyosarkome; • mit einem hohen Anteil an undifferenzierten Zellen – ≥ G3, wie z. B. bei undifferenzierten Karzinomen • mit einer hohen Proliferationsrate, d. h. – einem hohen Mitose-Index ▪ 7 Mitosen in 10 hochvergrößerten mikroskopischen Gesichtsfeldern – einem hohen Anteil an Zellen in der Synthese (S-) Phase des Zellzyklus; • welche eingedrungen sind – tief in das Myometrium ▪ und daher mit hoher Wahrscheinlichkeit in Lymphknoten und andere Organe metastasieren,

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

107

wobei das Einwachsen in eine vorbestehende Endometriose eine Infiltration in das Myometrium vortäuschen kann und keine prognostische Bedeutung besitzt. – in die Zervix, – in Blut- und/oder Lymphgefäße; welche sich ausgebreitet haben: – in die Adnexen (Ovar, Eileiter), – in den peritonealen Raum, ▪ nachzuweisen durch zytologische Untersuchung der peritonealen Waschflüssigkeit; – in die regionalen Lymphknoten, bei denen die Progesteron-Rezeptoren vermindert sind oder gänzlich fehlen. ▪





Tab. 8.45: Histologische Differenzierung und Typisierung von malignen Endometriumtumoren (in Anlehnung an Emmons et al. 2018). histologische Differenzierung Karzinome

überwiegend gering gradig maligne

Seröses Adenokarzinom

Endometrioides AdenokarzinomVarianten

Klarzelliges Adenokarzinom

Flimmerzellvariante

Sarkome

≥ 70 % bis ≤ 80 %

Villoglanduläre Variante Variante mit plattenepithelialer Differenzierung

gemischtes Karzinom (≥ 5 % serös und/oder klarzellig)

Anteil

~5%

undifferenziertes Karzinom monomorpher Typ

10 %– 25 %

Muzinöses Adenokarzinom (muzinöser Anteil ≥ 50 %)

Malignitätsgrad

überwiegend hochgradig maligne

Endometrioides Adenokarzinom

Sekretorische Variante

histologischer Subtyp

Anteil

dedifferenzierter Typ

~1%

Anteil nicht plattenepithelialer Areale G1 < 5 %; G2 ≥ 5 % ≤ 50 %; G3 > 50 %

Karzinosarkome (Epithelial-mesenchymale Tumore, Maligne Müller’sche MischTumore)

1–3 %

≥ G3

Adenosarkome (epithelialer Anteil benigne)

90 % rezidivfrei nach 5 Jahren

M

M0

M0

IB

T1b

N0

M0

IC

T1c

N0

M0

seröse und klarzellige Karzinome

II

Chirurgische Therapie

T2

N0

M0

IIA

T2a

N0

M0

IIB

T2b

N0

M0

seröse und klarzellige Karzinome

Exstirpation des Uterus, der Zervix, beider Ovarien und Eileiter

bei G3: zusätzlich bei G3: Exzision der adjuvante pelvinen, vaginale infrarenalen und Brachytherapara-aortalen pie Lymphknoten bei G1-G3: zusätzlich Exzision der pelvinen, infrarenalen und para-aortalen Lymphknoten;

bei G2–G3: adjuvante vaginale Brachytherapie ggf. und/oder pelvine Teletherapie

bei IC-G3 und II-G3: zusätzlich: adjuvante ggf. Alternative zur Omentektomie pelvine Strahlentherapie: und Peritonealbi- Teletherapie adjuvant: opsien (perkutan Paclitaxel 45–50 Gy, Exstirpation des (175 mg/m2, Einzeldosis Uterus, der Tag 1) + Carbo1,8 Gy) Zervix, beider platin (AUC 5) oder +/– vaginale Ovarien und Cisplatin VerlänBrachytheEileiter inklusive (20 mg/m2 i. v. gerung des rapie Parametrien; Tag 1–4) + rezidiv(Einstrahlung Ifosfamid (1,6 g/m2 zusätzlich: freien von ca. 21– Exzision der i. v. Tag 1–4) Intervalls 24 Gy (3–4 pelvinen, Doxorubicin Fraktionen, (60 mg/m2 alle 3W) infrarenalen und 3mal 7mal para-aortalen + Cisplatin oder 4mal Lymphknoten (50 mg/m2 alle 6 Gy, 3W); 4 Zyklen zusätzlich: einmal/ Omentektomie Woche) und Peritonealbiopsien

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

FIGOStadium

TNM-Klassifikation

III

T3

N0/N1

M0

wie bei TII

T3a

N0

M0

zusätzlich: Omentektomie, Entfernung möglichst aller mit Tumoren befallener Gewebeanteile

IIIA

Chirurgische Therapie

IIIB

T3b

N0

M0

zusätzlich: partielle oder totale Kolpektomie

IIIC

T3c

N1

M0

jedes T

N1

M0

zusätzlich: Exzision pelvinen, infrarenalen und para-aortalen Lymphknoten

jedes T

jedes N

M1

T4a

jedes N

M1

IV

IVA

IVB

T4b

N1

M1

Radiotherapie

pelvine Teletherapie +/− vaginale Brachytherapie

wie bei TIII zusätzlich: Exzision der befallenen Gewebeanteile der Harnblase und des Rektums (und Neoblase, und Neovagina)

pelvine Teletherapie +/− vaginale Brachytherapie

Chemotherapie

121

Erfolg

Alternative zur Strahlentherapie: Paclitaxel (175 mg/m2 Tag 1) + Carboplatin (AUC 5), oder Cisplatin 5-Jahres(20 mg/m2 Überleben: i. v. Tag 1–4) Chirurgie + Ifosfamid und Radio(1,6 g/m2 therapie: i. v. Tag 1–4) ~ 42 %; oder Chirurgie Doxorubicin und (45 mg/m2, Tag 1) Chemo+ Cisplatin therapie: (50 mg/m2, Tag 1) 55 % bis + Paclitaxel 57 % (160 mg/m2 Tag 2), alle 3 Wochen, 4 Zyklen + G-CSF (Granulozyten koloniestimulierender Faktor) (oder Carboplatin + Paclitaxel)

bestmögliche Exzision aller Tumoren

Therapeutische Strategien von Uterussarkomen Die therapeutischen Strategien bei Uterussarkomen (siehe Tab. 8.51) sind ähnlich denjenigen bei Endometriumkarzinomen mit den Einschränkungen • dass bereits im Stadium I postoperativ eine Radiotherapie oder Chemotherapie durchgeführt wird • dass im Rahmen der Chemotherapie neben Paclitaxel (175 mg/m2 Tag 1) + Carboplatin (AUC 5), Doxorubicin und Cisplatin auch Ifosfamid (im Besonderen zur Therapie des Leiomyosarkoms) verabreicht wird.

122

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.51: Therapeutische Verfahren bei Uterussarkomen in Bezug zum TNM-Status. FIGO Stadium I

TNM-Klassifikation T1

N0

M0

IA

T1a

N0

M0

IB

T1b

N0

M0

IC

T1c

N0

M0

T2

N0

M0

IIA

T2a

N0

M0

IIB

T2b

N0

M0

T3

N0/ N1

M0

IIIA

T3a

N0

M0

IIIB

T3b

N0

M0

T3c

N1

M0

jedes T

N1

M0

jedes T

jedes N

M1

II

III

IIIC

IV

Chirurgische Therapie

Radiotherapie

Chemotherapie

Erfolg

adjuvante perkutane Alternative zur pelvine RadioStrahlenthe(Tele-)therapie rapie: adjuvant: Exstirpation (45–50 Gy, Paclitaxel des Uterus, der Einzeldosis (175 mg/m2 Zervix, beider 1,8 Gy) Verminderung Tag 1) Ovarien und und vaginale der Rezidivrate, +Carboplatin Eileiter, der Brachytherapie +/− Erhöhung (AUC 5), pelvinen und mit Iridium 192 der 5-JahresDoxorubicin para-aortalen (Einstrahlung Überlebensrate (60 mg/m2 alle Lymphknoten; von ca. 21– 3W) 24 Gy (3–4 + Cisplatin Fraktionen, (50 mg/m2 alle 3 × 7 oder 3W); 4 Zyklen 4 × 6 Gy, 1 × /Woche) Exstirpation des Uterus, der Zervix, beider Ovarien und Eileiter, der pelvinen und para-aortalen Lymphknoten und aller Gewebe mit Tumorabsiedelung

adjuvante perkutane pelvine Teletherapie +/– vaginale Brachytherapie

wie bei TIII

IVA

T4a

jedes N

M1

zusätzlich: Exzision der befallenen Gewebeanteile der Harnblase und des Rektums (und Neoblase, und Neovagina)

IVB

T4b

N1

M1

bestmögliche Exzision aller Tumoren

Teletherapie +/– vaginale Brachytherapie

Alternative zur Strahlentherapie: Paclitaxel (175 mg/m2 Tag 1) +Carboplatin (AUC 5), Doxorubicin (45 mg/m2, Tag 1) + Cisplatin (50 mg/m2, Tag 1) alle 3 Wochen, 4 Zyklen oder Ifosfamid (1,5 gm/m2; täglich, für 5 Tage)

Verbesserung des 5-JahresÜberleben: chirurgie und Radiotherapie: Chirurgie und Doxorubicin und Cisplatin Chirurgie und Ifosfamid (Leiomyosarkome)

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

123

Weiterführende Literatur Cancer Research UK http://info.cancerresearchuk.org/cancerstats/types/uterus/ Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) http://www.dimdi.de/static/ de/index.html Emmons G, Kimmig R, Beckmann W (Koordinatoren), interdisziplinäre S2k-Leitliniefür die Diagnostik und Therapie des Endometriumkarzinoms, AGO/DKG/DGGG 2008, http://www.krebsgesellschaft.de/ download/ll_endometriumkarzinom.pdf Emmons et al. Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientinnen mit Endometriumkarzi-nom, Kurzversion 1.0, 2018, AWMF Registernummer: 032/034-OL, http://www.leitlini-enprogramm-onkologie.de/leitlinien/ endometriumkarzinom/ Klassifikation der Differenzierung; http://www.uicc.org/tnm NCI-USA at the NIH, Endometrial Cancer treatment, Physician Data Queries (PDQ) 07. 28. 2010 http://www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/endometrial/HealthProfessional/page9 NCI-USA at the NIH, Uterin Sarcoma treatment, Physician Data Queries (PDQ), 07. 28. 2010 http://www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/uterinesarcoma/HealthProfessional/ page8#Reference8.2 Preiß J, Dornoff W, Hagmann F-G, Schmieder A. Onkologie 2011, http://www.onkologie2011.de/impressum/ index.htm Robert Koch-Institut; https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Krebsregisterdaten/krebs_ node.html WHO-International Agency for Research on Cancer Globocan Cancer incidence and mortality worldwide in 2008, http://globocan.iarc.fr/

8.3.3 Muttermund (Zervix) Vorkommen Zervixkarzinome sind maligne Tumoren der Schleimhaut des Muttermundes und stellen die zweithäufigsten Tumoren der weiblichen Genitale dar (siehe Kap. 2); • die Anzahl der Neuerkrankungen (N) und die Todesraten (T) zeigen erhebliche geografische Unterschiede. Bezogen auf 100.000 Frauen wurden erfasst – weltweit (2008) N: 15,3; T: 7,8 (51 %) (2018) N: 13,1; T: 6,9 (53 %) – Amerika ▪ Nordamerika: N: 5,7; T: 1,7 (30 %) ▪ Zentralamerika: N: 22,2; T: 11,1 (50 %) ▪ Südamerika: N: 24,1; T: 10,8 (45 %) – Europa: N: 9,0; T: 3,0 (33 %) – Australien/Neuseeland: N: 5,0; T: 1,4 (28 %) – Asien: N: 15,3; T: 8,0 (52 %) – Afrika: N: 25,2; T: 17,6 (70 %) • in den Industrieländern sind im Vergleich zu den Entwicklungsländern – die Neuerkrankungsraten deutlich geringer und – die Todesraten erheblich geringer.

124 •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Das mittlere Alter der Diagnosestellung liegt bei 52,2 Jahren – mit einem Gipfel am Ende der geschlechtsreifen Zeit im Alter zwischen 35 und 54 Jahren und – einem weiteren Gipfel ab 65 Jahren.

Für Deutschland liegen (Jahr 2016) folgende Daten vor: • Neuerkrankungen: – absolut: 4.380; ASR/Alters-Standardisierte Rate: 8,7/100.000 Frauen; ▪ Abnahme der ASR 1999–2016: ~ 30 – durchschnittliches Alter: 55 Jahre • Mortalität: – absolut: 1562; ASR/Alters-Standardisierte Rate: 2,4/100.000 Frauen ▪ Abnahme der ASR 1999–2016: ~ 30 % – durchschnittliches Alter: 66 Jahre • Prävalenz: – absolut: 5 Jahre: 17.400, 10 Jahre: 32.900 – relative Überlebensrate: 5 Jahre: 67 %, 10 Jahre: 63 % Präinvasive Vorstufen (Präkanzerosen) der Zervix • sind meist im Bereich der Übergangszone zwischen Plattenepithel und Zylinderepithel zu finden, • werden im Vergleich zum Zervixkarzinom in den Industrieländern um ein Vielfaches häufiger diagnostiziert, in Deutschland etwa um den Faktor 100 und damit bei ca. 1 % der Frauen, • gehen mit einer Latenzzeit im Bereich von etwa 5 bis 20 Jahren der Entwicklung zu einem invasiven Karzinom voraus.

Risikofaktoren Zu den Risikofaktoren für das Zervixkarzinom zählen: • HPV (Humanes Papillomvirus) – es wird angenommen, dass eine dauerhafte HPV-Infektion (Integration der VirusDNA, Expression der anti-apoptotisch wirkenden viralen E6- und E7-Proteine, siehe Kap. 4.6.6) eine notwendige, jedoch meist nicht hinreichende Voraussetzung für die Entwicklung eines Zervixkarzinoms ist. Zu diesen onkogenen HPV-Typen gehören (siehe Tab. 8.52): – mit sehr hohem Risiko (häufig in Karzinomen nachweisbar) ▪ HPV-16 und -18 (bei ca. 70 % der Zervixkarzinome), ▪ HPV-31 und -45, – mit hohem Risiko (vorwiegend in Präkanzerosen wie squamösen intraepitheliale Läsionen, aber auch in Karzinomen zu finden) ▪ HPV-33, -35, -39, -51, -52, -56, -58, -59, -68,

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)







125

mit wahrscheinlich mittleren bis hohem Risiko (vorwiegend in geringradigen squamösen intraepithelialen Läsionen zu finden) ▪ HPV-5, -8, -26, -53, -66, -82, – HPV-16, -18, -31 und -33 sind vergesellschaftet mit etwa 99,7 % aller Zervixkarzinome; Faktoren, welche eine genitale HPV-Infektion begünstigen: – wechselnde Partner für den Geschlechtsverkehr (> 4 in 10 Jahren) ▪ je größer die Zahl, umso größer das Risiko; – ungeschützter Geschlechtsverkehr, wobei Kondome zwar den besten, aber keinen vollkommenen Schutz bieten, – jugendliches Alter (< 14 Jahre), in welchem der Geschlechtsverkehr erstmals aufgenommen wird, – Geburten, im Besonderen Fehlgeburten, Kofaktoren/promovierende Faktoren für die Entwicklung einer HPV-infizierten Zelle zu einer Tumorzelle. Zu diesen Kofaktoren gehören: – genetische Faktoren ▪ Frauen, deren Mutter oder Schwester an einem Zervixkarzinom erkrankten, haben ein etwa doppeltes Risiko, – genetisch/ethnische Faktoren: die alterskorrigierte Inzidenzrate von Zervixkarzinomen pro 100.000 Frauen liegt ▪ bei afrikanischer Abstammung bei 20, ▪ bei spanischer Abstammung bei 17 und ▪ bei kaukasischer Abstammung bei 8; – Tabakkonsum (> 15 Zigaretten/Tag) ▪ erhöht das Risiko um etwa 50 %, – Koinfektionen, z. B. mit ▪ HIV-Viren, ▪ Chlamydien (chlamydia trachomatis), ▪ HSV-2/Herpes genitalis, ▪ Gonokokken – Immunsuppressionen ▪ durch HIV-Infektionen (erhöhen das Risiko um den Faktor 6), ▪ im Rahmen von Organtransplantationen (erhöhen das Risiko um den Faktor 2), – orale Einnahme von hormonalen Kontrazeptiva ▪ pro Jahr Einnahme erhöht sich das Risiko um ca. 7 %, ▪ nach 5 bis 9 Jahren Einnahme hat sich das Risiko um den Faktor 3 erhöht, nach > 10 Jahren um den Faktor 4, ▪ 10 Jahre nach Beendigung der Einnahme hat sich das Risiko wieder demjenigen von Unbehandelten angeglichen, ▪ Ursache ist möglicherweise eine durch Östrogen/Progesteron Kombinationen bedingte erhöhte Empfänglichkeit der Epithelzellen für HPV. Diese ist bei reinen Progesteron-Präparaten nicht gegeben. – mangelhafte Sexualhygiene.

126

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.52: Risiken für intraepitheliale Neoplasien und Karzinome nach Infektionen mit unterschiedlichen HPV-Typen. Neoplasie/Karzinomrisiko HPV-bedingte Erkrankungen

gering

mittel/hoch (?)

hoch

sehr hoch

HPV

HPV

HPV

HPV

Warzen (Verruca) der Haut und Schleimhaut allgemein (V. vulgaris), Buschke-LöwensteinTumor

1, 2, 3, 4, 7

Feigwarzen/ Genitalwarzen

6, 11

Fleischer-Warzen

7

plantar (V.pedis)

1, 2, 4, 7, 63

flach (V.plana)

3, 10, 63

fokale orale EpithelHyperplasie (Morbus Heck)

13, 32

orale Papillome

6, 7, 11, 32

Papillomatose des Kehlkopfes

6, 11

16, 18, 31

16

Dysplasien der Haut und Schleimhaut Epidermodysplasia verruciformis

9, 12, 14, 15, 17, 19, 20, 21, 47

5, 8

oropharyngeales Karzinom

16 anogenitale Warzen und Neoplasien

anogenital (V. accuminata)

6, 11, 40, 42, 43, 44, 54, 61, 72, 73, 81

zervikale intraepitheliale Neoplasien (CIN) vaginale intraepitheliale Neoplasien (VAIN) 26, 53, 66, 82 vulväre intraepitheliale Neoplasien (VIN)

33, 35, 39, 51, 52, 56, 58, 59, 68

16, 18, 31, 45

anale intraepitheliale Neoplasien (AIN) penile intraepitheliale Neoplasien(PIN)

16

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

127

Entwicklungsstadien und Klassifikationen Die Entwicklungsstadien des Zervixkarzinoms werden eingestuft (siehe Tab. 8.53) gemäß • der FIGO-Klassifikation (Fédération Internationale de Gynécologie et d’Obstétrique) und • der TNM-Klassifikation. Die Metastasierung des Zervixkarzinoms verläuft • lokoregional – in den Uterus und/ oder in die Vagina, – in die Parametrien, – in die Beckenwand, – in die Harnblase und/oder in das Rektum/Kolon, – in die Lymphgefäße und pelvine und/oder para-aortalen Lymphknoten, • in Organe, welche an das kleine Becken angrenzen (Fernmetastasen) – abdominale Organe, – extraabdominale Organe, im Besonderen auch ▪ inguinale Lymphknoten, ▪ extraperitoneale Lymphknoten bis hin zur Scalenus-Region.

Tab. 8.53: Entwicklungsstadien und Klassifikationen des Zervixkarzinoms und dessen posttherapeutische Prognose. Ausbreitung des Zervixkarzinoms FIGO-Stadium

TNM-Klassifikation Zervix, Vagina, Uterus

Tx

Primärtumor kann nicht beurteilt werden regionäre (pelvine, para-aortale) Lymphknoten können nicht beurteilt werden

Nx

0

I

IA

T0

kein Anhalt für Primärtumor

Tis

Carcinoma in situ (kein Durchbruch der Basalmembran; CIN-III)

T1

N0

M0

Tumor ist auf die Zervix uteri begrenzt (die Ausdehnung auf das Corpus uteri bleibt unberücksichtigt)

T1a

N0

M0

nur mikroskopisch erkennbares Karzinom

Parametrium/ Peritoneum/ Becken/ Metastasen

Prognose 5-JahresÜberleben

128

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Ausbreitung des Zervixkarzinoms FIGO-Stadium

TNM-Klassifikation Zervix, Vagina, Uterus

IA1

Invasionstiefe: ≤ 3 mm; Ausdehnung: ≤ 7 mm

IA2

Invasionstiefe: > 3 mm, < 5 mm Ausdehnung: ≤ 7 mm

IB

II

T1b

N0

M0

Ausdehnung: ≤ 4 cm

IB2

Ausdehnung: > 4 cm

N0/N1

M0

IIA

T2a

N0/N1

M0

IIB

T2b

N0/N1

M0

T3

N0/N1

M0

IIIA

T3a

N0/N1

M0

IIIB

T3b

N0/N1

M0

III

IV

IVA

IVB

Prognose 5-JahresÜberleben

makroskopisch erkennbares Karzinom oder größer als bei IA2

IB1

T2

Parametrium/ Peritoneum/ Becken/ Metastasen

87–92 %

Tumor hat sich jenseits des Uterus ausgedehnt, aber weder die Beckenwand noch das untere Drittel der Vagina erreicht Vagina im oberen 2/3 vom Tumor infiltriert

Parametrium nicht infiltriert, Parametrium infiltriert, Beckenwand ist nicht erreicht

Tumor hat die Vagina bis zum unteren Drittel infiltriert, die Beckenwand erreicht und Hydronephrose oder stumme Niere verursacht Vagina bis zum unteren Drittel infiltriert, Beckenwand ist erreicht oder durch Ureterstau wurde Hydronephrose oder stumme Niere verursacht

Beckenwand ist nicht erreicht

T4

jedes N

M1

Tumor hat Schleimhaut von Blase oder Rektum infiltriert und/oder überschreitet die Grenzen des kleinen Beckens

T4a

jedes N

M1

Schleimhaut von Blase oder Rektum infiltriert

M1

Organe (inklusive inguinale und intraperitoneale Lymphknoten) angrenzend ans Becken infiltriert (Fermetastasen)

T4b

jedes N

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

129

Histologische Klassifikationen Präkanzerosen werden entsprechend ihres zunehmenden Risikos, sich zu invasiven Karzinomen zu entwickeln, mit unterschiedlichen Bezeichnungen eingestuft (siehe Tab. 8.54).

Tab. 8.54: Unterschiedliche Klassifikationen der Präkanzerosen.

Karzinomrisiko

Zervikale intraepitheliale Neoplasien (CIN)

Dysplasien

Squamöse intraepitheliale Läsionen (SIL)

gering

Condylom

Condylom

mittel

CIN-I

leichte Dysplasie

hoch

CIN-II

mäßige Dysplasie

Low Grade SIL

schwere Dysplasie sehr hoch

CIN-III

Carcinoma in situ (CIS)

High Grade SIL

Adenocarcinoma in situ (ACIS)

Die histologische Klassifikation der invasiven Karzinome dient insbesonders auch zur Identifizierung derjenigen Zervixkarzinomtypen, die eine schlechte Prognose aufweisen (siehe Tab. 8.55).

Tab. 8.55: Histologische Klassifikation der Zervixkarzinome. Karzinome

Häufigkeit

Prognose

80 %

schlechter als Adenokarzinome

Plattenepithelkarzinome verhornende Karzinome nicht verhornende Karzinome verruköse Karzinome Adenokarzinome typische Adenokarzinome endometriode Karzinome

besser als Plattenepithelkarzinome

Klarzellkarzinome

schlechter

serös-papilläre Adenokarzinome muzinös-papilläre Karzinome muzinös-kolloide (Gallert-)Karzinome Varianten der Adenokarzinome mesonephrische Karzinome adenoid-zystische Karzinome

5–15 %

schlechter

Bemerkungen

130

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

neuroendokrine Karzinome großzellige (Karzinoid-)Tumoren

schlecht

kleinzellige Karzinome nichtendokrine undifferenzierte kleinzellige Karzinome

25–30 % enthalten eine nicht-neuroendokrine Komponente

5–15 %

weitere Karzinome/Mischtumoren adenosquamöse Karzinome adenozystische Karzinome

Prognosefaktoren Als (negative) Prognosefaktoren in Bezug aus Rezidivhäufigkeit und Gesamtüberleben gelten: • das Tumorstadium – Entwicklungsstadien TII, TIII, TIV (siehe Tab. 8.53), ▪ Ausmaß und die Größe des Tumors, ▪ bilaterale Erkrankung, ▪ Alter der Patientin, – Invasionen des Tumors, ▪ bei den mikroinvasiven Stadien pT1a1 und pT1a2) in mehr als zwei Drittel des Stromas der Zervix, ▪ netzförmig in das Stroma der Zervix, ▪ in den Corpus uteri, ▪ in die Ovarien, ▪ in Perineuralscheiden, – Ausbreitung in die Lymphgefäße, ▪ Lymphgefäßeinbrüche (lymphovascular space involvement, LVSI), ▪ Lymphknotenmetastasen (im Besonderen pelvine und para-aortale Lymphknoten), ▪ Durchbrüche der Lymphknotenkapsel und Invasionen in das perinodale Fettgewebe, • die histologische/molekularbiologische Klassifikation (siehe Tab. 8.55) – hochmaligne Tymortypen ▪ neuroendokrine Karzinome, auch wenn diese nur fokal in einem Zervixkarzinom ausgeprägt sind, ▪ Klarzell-Karzinome, ▪ serös-papilläre Adenokarzinome, – Plattenepithelkarzinome (im Vergleich zum Adenokarzinom), – gering differenzierte Tumorzellen, ▪ im Besonderen G3, – Überexpression des Onkogens c-Myc,

131

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

• •

Immunsuppression – Infektion mit dem HIV-Virus, Tumorrezidive.

Diagnostik Die diagnostische Strategie des Zervixkarzinoms ist in Teilen abhängig vom Tumorstadium (siehe Tab. 8.56)

Tab. 8.56: Diagnose-Strategie beim Zervixkarzinom (in Anlehnung an Beckmann et al. 2014). gynäkologische Untersuchung





Zytologie

HPV-Diagnostik Biomarker





Kolposkopie (falls Tumor nicht bereits makroskopisch beurteilbar)





bei ≤ Stadium IIB

gezielte Biopsie

Konisation



▾ histologische Befundung

▾ ▾



bei Stadium ≥ IB2

bei Stadium ≥ IB2 ≤ III

bei Rezidiven/ Metastasen

CT Thorax, Becken, Abdomen

MRT Becken Abdomen

PET PET/CT PET/MRT





obligat Sonografie Gynäkol. Organe, Abdomen, Niere

▾ ▾



optional Pyelografie KM-Einlauf





bei Stadien > IIB

Verdacht auf Lungenmetastasen

> Stadium IB2

RektoZystoskopie

CT Thorax*

SonografieSkalenus-Ln

▾ bei Stadium > IA1 ≤ IIB, aber ggf. auch > IIB

132

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

operatives Ermitteln des Tumorstadiums

▾ Festlegung des Tumorstadiums *) falls CT-Thorax noch nicht durchgeführt worden ist

Klinische Symptome sind: • verdächtige vaginale und/oder rektale Blutungen, Juckreiz, Ausfluss, Schmerzen, • Miktions- und/oder Defäkationsprobleme, • einseitiges Beinödem. Bei Verdacht sollten erfolgen: • eine gynäkologische Untersuchung, – Inspektion der Vagina und Portio uteri (Spekulum/Spiegeleinstellung), – bimanuelle rektovaginale Untersuchung, – Untersuchung der inguinalen Lymphknoten beidseits, Palpation der Skalenuslymphknoten; • Abstrichentnahme (Spatel für die Portio, Bürste für den Zervixkanal) für – die zytologische Untersuchung auf dysplastische oder karzinomatöse Zellveränderung (siehe Tab. 8.57) ▪ mit Hilfe der Pap-(Papanicolaou)-Färbung mit Hämatoxylin und Orange G, ▪ die Sensitivität des Pap-Testes liegt bei ca. 51 %, die Spezifität bei etwa 98 %; – die Untersuchung auf Infektionserreger, im Besonderen ▪ HPV-Infektionen (zytologisch: Koilozyten; molekularbiologisch: PCR-Test), ▪ Herpes-Virusinfektionen (zytologisch: Milchglaskerne; molekularbiologisch: PCR-Test), ▪ Chlamydien (Chlamydia trachomatis; zytologisch: paranukleäre rötliche Einschlusskörperchen, molekularbiologisch: PCR-Test), ▪ Gardnerella vaginalis (zytologisch: Schüsselzellen: Vaginalepithelzellen mit Bakterienrasen, molekularbiologisch: PCR-Test); • Kolposkopie der Vagina, bei Auffälligkeiten – Kürettage (Ausschabung) der Zervix, – gezielte Gewebeentnahmen, ▪ vom verdächtigen Gewebe oder ▪ vom makroskopisch erkennbaren Tumor inklusive von den Grenzbereichen des Tumors, • ggf. weiterführende klinische Untersuchungen – Zystoskopie und Rektosigmoidoskopie zum Ausschluss einer Invasion in Blase und Rektum, – Hysteroskopie bei endozervikalen Veränderungen, ▪ ggf. mit Ausschabung der Uterusschleimhaut,

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

133

ggf. bildgebende Verfahren – Sonografie ▪ transvaginal, ▪ der Nieren, der Leber, ▪ der Hals bzw. der Skalenus-Lymphknotenregion, – Röntgenaufnahme des Thorax, – MRT (Magnetische Resonanz-Tomografie) besonders des kleinen Beckens und der Nieren, – ggf. Positronen-Emissions-Tomografie (PET); ggf. biochemische und molekularbiologische Untersuchungen – Untersuchung von Tumormarkern, wenn bei der Primärdiagnose eine Erhöhung vorlag und/oder bei Verdacht auf ein Rezidiv, ▪ SCC/Squameous Cell Carcinoma Antigen bei Plattenepithelkarzinomen, ▪ CEA/Carcino-Embryonales Antigen und CA/Carcinom-Antigen-125 bei Adenokarzinomen, ▪ NSE/Neuron-Spezifische Enolase bei Neuroendokrinen Tumoren, – Kreatinin-Clearance bei einer Harnstauungsniere (besonders, wenn eine Chemotherapie geplant ist), – ggf. Nachweis ▪ einer Überexpression des Onkogens c-myc, ▪ einer HIV-Infektion, ggf. Laparoskopie und/oder Laparotomie – sorgfältige Inspektion und ggf. Palpation des kleinen Beckens und der Bauchhöhle mit Prüfung: ▪ des Uterus, der Parametrien, der Eileiter und der Ovarien, ▪ der Harnblase, des Kolons und aller übrigen abdominalen Organe, ▪ des Peritoneums, ▪ der pelvinen und para-aortalen Lymphknoten, – ggf. Identifikation der (pelvinen) Wächterlymphknoten durch Injektion von Farbstoff oder trägergebundenen radioaktiven Substanzen (siehe Kap. 8.2.1.3); – Biopsien (multiple Stanzbiopsien) oder Entnahme (Lymphknoten) aller Gewebeanteile, welche tumorverdächtig sind oder bei denen makroskopisch ein Tumor nachweisbar ist.







Tab. 8.57: Klassifikation der Ergebnisse beim Pap-(Papanicolaou) Test. Veränderungen Pap-Test

Maßnahmen Keine oder benigne Veränderungen

0

Zellabstrich unbrauchbar

I

Normalbefund

keine Veränderungen

II

Normalbefund

entzündliche oder degenerative Veränderungen

Prämaligne/maligne

134

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Veränderungen Pap-Test

Maßnahmen Keine oder benigne Veränderungen unzureichender Abstrich

w

nicht einschätzbare Zellbilder

III

Kontrolluntersuchungen notwendig Nachuntersuchung notwendig

D

leichte/mäßige Dysplasie, zervikale intraepitheliale Neoplasie CIN-1 oder CIN-2

Nachuntersuchung notwendig

G

glanduläre, atypische, nicht klassifizierbare Zellen nach der Menopause

Abklärung durch Kürretage, Hysteroskopie

a

schwere Dysplasie; cervikale intraepitheliale Neoplasie CIN-3; Carcinoma in situ

b

V

Wiederholung des Pap-Tests fragliche Zellen (nicht eindeutig normal oder abnorm)

k

IV

Prämaligne/maligne

zumindest schwere Dysplasie, invasives Karzinom nicht ausgeschlossen Zellen eines malignen Tumors

Abklärung durch Kolposkopie; Biopsie und/oder Konisation

Ermittlung des Entwicklungsstandes des Tumors

Für die Entscheidung über das therapeutische Vorgehen sollten zum Zervixkarzinom folgende Daten vorliegen • histologischer Typ, Malignitätsgrad, Tumorzellinfiltrate in Lymphgefäße, Venen und Perineuralscheiden, • Lymphknotenmetastasen • Tumorstadium (TNM), bei konisierten Patientinnen unter Berücksichtigung des Konisationsbefundes, • Invasionstiefe (maximale Tiefe des Tumors im Verhältnis zur Gesamtstärke der Zervixwand) und Ausdehnung des Karzinoms in mm bei pT1a1 und pT1a2,

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)





135

dreidimensionale Tumorgröße in cm (ab pT1b1): – Höhe (Länge): Distanz zervikalem zu vaginalem Resektionsrand, – Breite (Dicke): Distanz stromaler Resektionsrand zu epithelialer Oberfläche, – Zirkumferenz (optional): Perimeter des geöffneten Konuspräparates minimaler Abstand zu den Resektionsrändern und R-Klassifikation (UICC).

Therapeutische Strategien Es bestehen mehrere strategische Optionen zur Therapie des Zervixkarzinoms (siehe Tab. 8.58) Die Primärtherapie (ggf. präoperativ/neoadjuvant) des Zervixkarzinoms hat die Entfernung oder Verkleinerung des Tumors zu Ziel und kann beinhalten • die chirurgische Entfernung aller Tumor-haltigen Gewebe, – in den Stadien ≤ FIGO-Stadium IIA bei fehlenden präoperativen Risikofaktoren • eine Radiotherapie ggf. in Kombination mit einer Chemotherapie oder • eine Chemotherapie. Die Sekundärtherapie (ggf. postoperativ/adjuvant) hat die Beseitigung der nach der Primärtherapie verbliebenen Tumorzellen zum Ziel und umfasst • eine Radiotherapie ggf. in Kombination mit einer Chemotherapie; • eine Chemotherapie oder • die chirurgische Entfernung der Tumor-haltigen Gewebe. Die adjuvante Sekundärtherapie nach primär chirurgischer Therapie sollte anhand des postoperativen histologischen Tumorstadiums wie folgt durchgeführt werden: • bei cN0/pN0; R0; keine Risikofaktoren: – nur Nachsorge; • bei cN0/pN0; R0; ≤ 2 Risikofaktoren (L1, V1, tiefe Stromainvasion, Tumorgröße > 4 cm): – Patientinnen-spezifisch individuelle Entscheidung; • bei pN1 (pelvine Lymphknoten) oder R1 oder ≥ 3 Risikofaktoren (L1, V1, tiefe Stromainvasion, Tumorgröße > 4 cm Grading G3) oder falls 2 weitere Risikofaktoren vorliegen: – adjuvante Radiotherapie in Kombination mit Chemotherapie (Radiochemotherapie); Radiotherapie auch der Lymphabflussgebiete des histologisch nachgewiesenen (pelvinen) Bereichs (pelvin); • Metastasen in den para-aortalen Lymphknoten (pM1): – erweiterte adjuvante Radio(chemo)therapie inklusive Radiotherapie der pelvinen und para-aortalen Lymphabflussgebiete • Fernmetastasen M1 (Organmetastasen, Peritonealkarzinose, Ovarmetastasen): – Systemische Chemotherapie; Radiotherapie nur bei Blutungsproblematik indiziert.

136

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.58: Strategie der primären Therapie des Zervixkarzinoms (in Anlehnung an Beckmann et al. 2014).

Stadium ≤ IA1 ≤ 1 × RF

Stadium IA1 ≥ 2 × RF, Stadium IA2 ≤ 1 × RF Stadium IB1/IIA1



bei pN0

bei Kinderwunsch

bei Kinderwunsch





Konisation in sano

Konisation in sano

▾ ▾

StadiumIA2, ≥ 2RF

Stadium IIA

Stadium IIA

Stadium IIB bis IVA, Stadium IVB/pM1









ARH Abdominale Radikale Hysterektomie + Adnexektomie+ Resektion der Parametrien

▾ oder LAVH Laparoskopisch Assistierte Vaginale Hysterektomie + Adnexektomie+ Resektion der Parametrien







oder

oder

oder

ART (Abdominale Radikale Trachelektomie) ggf. Permanentcerclage

Trachelektomie (ART oder VRT) ggf. Permanentcerclage

▾ oder

VRT (Vaginale Radikale Trachelektomie) ggf. Permanentcerclage



LRH Laparoskopisch Radikale Hysterektomie + Adnexektomie + Resektion der Parametrien (+/− Roboterunterstützung)

▾ ▾ ohne/nach erfülltem Kinderwunsch

▾ sekundäre Hysterektomie

falls pN+

▾ Lymphadenektomie (pelvine, paraaortale Ln)



▾ falls pN0, R0 ≤ 2 RF



▾ falls pN1 (pelvin) oder R1, ≥ 3 RF

optional adjuvante perkutane/ BrachyRadiotherapie + Chemotherapie

▾ obligat

▾ Lymphadenektomie (pelvine, paraaortale Ln) Resektion der Metastasen

▾ Lymphadenektomie (pelvine, paraaortale Ln)

ggf. adjuvante perkutane (ggf. auch Brachy-) Radiotherapie

137

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

ohne/nach erfülltem Kinderwunsch





bei pN+ Sentinel/ pelvine Ln

optional

sekundäre einfache Hysterektomie

(keine Lymphadenektomie, keine Radiotherapie/ Chemotherapie)



adjuvante perkutane (ggf. auch Brachy-) Radiotherapie + Chemotherapie

Hysterektomie +/− Adnexektomie (mit Resektion der Parametrien) Lymphadenektomi (pelvin, para-aortal)

▾ obligat

adjuvante perkutane (ggf. auch Brachy-) Radiotherapie (inklusive LymphAbflussgebiete der pN1) + Chemotherapie

(inklusive aller betroffenen Lymphabflussgebiete) + Chemotherapie

▾ und/oder Chemotherapie

▾ Radiotherapie perkutan (inklusive LymphAbflussgebiete) + Chemotherapie

RF = Risikofaktoren (L1, V1, tiefe Stromainvasion, Tumor > 4 cm, ≥ G3)

Chirurgische Verfahren • Konisation (fertilitätserhaltend) – kegelförmige Entfernung der Schleimhautschicht des äußeren Muttermundes / Portio Uteri, ▪ mit Zervixkürettage, ▪ mit Laser bevorzugt in Form der CO2-Laser-Vaporisation, ▪ mit einer elektrischen Schlinge (LLETZ/Large Loop Excision of the Transformation Zone; LEEP/Loop Electrical Excision procedure); • Trachelektomie (fertilitätserhaltend) – Entfernung von etwa zwei Drittel der Zervix und eines Teils der Parametrien, – Verknüpfung der Scheide mit dem Zervixstumpf;

138

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



in den Variationen VRT/Vaginale Radikale Trachelektomie, ▪ ART/Abdominale Radikale Trachelektomie, Laparotomie, Inspektion und Palpation der Bauchhöhle – zur Erfassung der Tumorausdehnung (Staging), – zur Gewebeentnahme, – zur Entfernung des Tumors; Hysterektomie, wobei diese je nach Ausbreitung des Tumors/Stadium erfolgen kann, – total (mit der gesamten Zervix), – radikal (Entfernung des Uterus, der Parametrien, der Zervix und des oberen Drittels der Vagina) – mit dem Grundsatz ▪ soweit wie möglich Schonung der Harnleiter, ▪ Absetzen der Zervix im gesunden vaginalen Bereich (Abstand abhängig von der Tumorausbreitung in die Vagina), ▪ Belassen der Ovarien (bei prämenopausalen Frauen), ggf. mit Ovariopexie oder ▪ Ovarektomie und Salpingektomie, – in den technischen Variationen ▪ ARH/Abdominale Radikale Hysterektomie ▪ LRH/Laparoskopisch Radikale Hysterektomie, ▪ LAVRH/Laparoskopisch Assistierte Vaginale Radikale Hysterektomie, ▪ Piver I: extrafasziale Hysterektomie ohne nennenswerte Mobilisierung der Ureteren, ▪ Piver II: extrafasziale Hysterektomie mit Resektion der Parametrien medial der Ureteren. ▪ Piver III: „klassische“ radikale Hysterektomie: Resektion des oberen Vaginaldrittels (bis Vaginalhälfte). Präparation der Ureteren bis zur Einmündung in die Blase unter Schonung eines kleinen lateralen Anteils des Lig. pubovesicale. ▪ Piver IV: erweiterte radikale Hysterektomie: Wie Piver III, jedoch mit kompletter Herauslösung der Ureteren aus dem Lig. pubovesicale, Resektion von bis zu ¾ der Vagina. ▪ Piver V: Resektion von Teilen der Blase und des distalen Ureters mit Ureterneuimplantation – Ausräumung der Fossa obturatoria bis auf den Beckenboden mit Entfernung ▪ des Bindegewebes und Fettgewebes inklusive Lymphbahnen und ▪ der (pelvinen) Lymphknoten medial und lateral der Arteria iliaca communis, interna und externa und der Arteria und Vena obturatoria, – Lymphadenektomie ▪ der pelvinen Lymphknoten (s. o.), ▪ der para-aortalen (infra-mesenterialen und infrarenalen) Lymphknoten, ▪ bei Verdacht auf Befall auch der oberen para-aortalen Lymphknoten (oder ggf. Abbruch der abdominalen Radikaloperation); ▪





8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

139



ggf. alleinige Exzision der Sentinel-Lymphknoten unter folgender Voraussetzung Primärtumor < 2 cm ohne Risikofaktoren, ▪ Doppelmarkierung der Lymphknoten mittels Patentblau und radioaktivem Tracer, ▪ präoperative beidseitige Darstellung mittels Szintigrafie, ▪ beidseitige intraoperative Darstellung, ▪ Entfernung aller markierten Lymphknoten; bei Tumorbefall – Teilresektionen oder Totalresektionen der Harnblase und des Rektums, – Resektion der tumorverdächtigen oder tumorbefallenen Abschnitte des Peritoneums. ▪



Radiotherapie • perkutane Radiotherapie – Gesamtdosis mindestens 50 Gy, Einzeldosis 1,8 Gy – Zielgebiet Bereich der Beckenwand • Brachytherapie – Nachladetechnik (Afterloading) mit 192Iridium (High-Dose Rate/HDR-Strahlentherapie) – Intrauterinapplikatoren mit Zervix Uteri als Zielvolumen 1. Ordnung – 3–5 × 6–7 Gy/Punkt • adjuvante Radiotherapie – perkutane Radiotherapie und Brachytherapie – in Kombination mit Chemotherapie der alleinigen Radiotherapie überlegen – indiziert bei: ▪ Tumorbefall der Lymphknoten und/oder der Parametrien ▪ inadäquater Lymphadenektomie ▪ Tumorgröße > 4 cm, > ⅓ Stromainvasion ▪ bei Rezidiven – verlängert das progressionsfreie Intervall und/oder das Gesamtüberleben, • primäre Radiotherapie – perkutane Radiotherapie und Brachytherapie – in Kombination mit Chemotherapie der alleinigen Radiotherapie überlegen – indiziert ab Stadium IIB – verbessert das lokalrezidivfreie und das metastasenfreie Intervall und das GesamtÜberleben – Alternative zur Chirurgie Chemotherapie • Chemotherapie in Kombination mit der Radiotherapie der alleinigen Chemotherapie überlegen – simultan zur Radiotherapie ▪ Cisplatin 40 mg/m2 pro Woche; 5 Zyklen;

140

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



neoadjuvant/präoperativ ab Stadium IB2 bis IIB zur Verbesserung der Operabilität Cisplatin > 40 mg/m2 pro Woche und intervallverkürzt (< 14 Tage) palliativ weitere Optionen (scheinen jedoch nur beschränkt wirksam zu sein) ▪ Topotecan 1,25 mg/m2, Tag 1–5, Tag 22 ▪ Paclitaxel 175 mg/m2, Tag 1, Tag 22 ▪ Zweier-Kombinationen von Cisplatin, Topotecan, Paclitacel, Doxorubicin, Ifosfamid, Mitomycin oder Bleomycin ▪



Rezidivtherapie Unter Rezidiven wird beim Zervixkarzinom verstanden • das lokal fortgeschrittene Zervixkarzinom (Stadium IIB bis IVA und IB2/IIA2 mit mehreren histologischen Risikofaktoren) • das Metastasen-Stadium (Stadium IVB/pM1) • das Lokalrezidiv (pM0) Die Therapie beinhaltet • eine bestmögliche Exzision der Tumormasse • eine Radiotherapie kombiniert mit Chemotherapie falls keine radiotherapeutische Vorbehandlung vorliegt Supportiv-Therapie Zu den besonderen Nebenwirkungen der therapeutischen Verfahren, welche mit Hilfe bekannter Verfahren (siehe Kap. 7.8) zu lindern bzw. zu beheben sind, gehören: • Emesis, • Granulopenie und Anämie, • Enteritis, Proktitis, Zystitis, • sekundäre Lymphödeme, • Vaginaltrockenheit, Vaginalstenose. Prophylaxe Zervixkarzinome sind zu einem sehr hohen Prozentsatz vergesellschaftet mit Infektionen onkogener HPV-Typen. Nachweisbar sind (siehe Tab. 8.52): • bei Zervixkarzinomen – in ca. 70 % der Fälle HPV-16 und/oder HPV-18, – in etwa 99,7 % der Fälle HPV-16, HPV-18, HPV-31 und/oder HPV-33; • bei Genitalwarzen (Feigwarzen) – besonders häufig (> 90 %) HPV-6 und/oder HPV-11. Die Infektion erfolgt über Schmierinfektionen wie auch über den eigentlichen Geschlechtsverkehr. Eine Prophylaxe ist möglich durch: • Verhaltensmaßnahmen, welche das Risiko einer Infektion vermindern, jedoch nicht ausschließen können – zölibatäre Lebensweise, – zahlenmäßige Beschränkung der Geschlechtspartner (eheliche Treue), – Verwendung von Kondomen,

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)





• • • •

141

Impfung von Mädchen und Jungen mit beginnender Geschlechtsreife und vor eine Infektion mit onkogenen HPV-Viren, das heißt im Regelfall vor dem ersten Geschlechtsverkehr, mit rekombinant hergestellten L1-Proteinen der wesentlichen onkogenen HPV-Typen. Diese L1-Proteine lagern sich zu „Virus-like Particles/VLP“ zusammen; Derzeit liegen folgende HPV-Impfstoffe vor – ein Zweifach-Impfstoff, wirksam gegen die HPV-Typen 16 und 18 – ein Vierfach-Impfstoff, wirksam gegen die HPV-Typen 6, 11, 16 und 18 und – ein Neunfach-Impfstoff, wirksam gegen die HPV-Typen 6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52, und 58 – mit diesen Impfstoffen lassen sich grundsätzlich (in etwa 96–100 %) HPV-Typspezifisch verhüten: die Entwicklung von HPV verursachten Genitalwarzen bei Mann und Frau, die Entwicklung der durch HPV verursachten Vorstufen des Zervixkarzinoms, des Vaginalkarzinoms und des Vulvakarzinoms bei Frauen, die Entwicklung der durch HPV verursachten Vorstufen des Peniskarzinoms und des Analkarzinoms bei Männern, die Ping-Pong-Infektionen mit HPV zwischen geschützten und ungeschützten Geschlechtspartnern;

Da in den Impfstoffen Antigene nur eines Teils der onkogenen HPV-Typen enthalten sind, empfiehlt sich auch trotz Schutzimpfung: • die Einhaltung von Vorsorgemaßnahmen zur Verhinderung von Infektionen mit HPVViren, • eine regelmäßige Vorsorgeuntersuchung. Tab. 8.59: Therapieverfahren des Zervixkarzinoms in Bezug zum TNM-Status.

Tumor Klassifikation

Chirurgie

extozervikal

Radiotherapie

Chemotherapie

5-JahresÜberleben

Radiotherapie

Chemotherapie

5-JahresÜberleben

CO2Laservaporisation

CIN-I zervikale intraepitheliale Neoplasien

endozervikal CIN-II CIN-III Tis

FIGO Stadium I IA IA1

TNM Klassifikation T1

N0

T1a

N0

M0

Konisation und endozervikale Kürettage

Chirurgie

Konisation und Zervixkürettage, M0 Trachelektomie oder Exzision Zervix und Uterus

142

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tumor Klassifikation

IA2

IB

T1b

N0

M0

IB1

Chirurgie

Radiotherapie

radikale Hysterektomie (Exzision Zervix, oberes Drittel Vagina, Uterus, Parametrien); Exzision pelvine und para-aortale Lymphknoten

adjuvante perkutane pelvine Radiotherapie (45–50 Gy, Einzeldosis 1,8 Gy) und vaginale/ zervikale Brachytherapie mit Iridium 192 (ca. 21–24 Gy (3–4 Fraktionen, 3 × 7 oder 4 × 6 Gy, 1 ×/Woche) in Kombination mit der Chemotherapie

T2

N0/N1

M0

IIA

T2a

N0/N1

M0

IIB

T2b

N0/N1

M0

T3

N0/N1

M0

III

87–92 %

IIIA

T3a

N0/N1

M0

IIIB

T3b

N0/N1

M0

T4

jedes N

M1

IVA

T4a

jedes N

M1

IVB

T4b

jedes N

M1

IV

alternativ zur Chirurgie: primäre Radiotherapie (s. o.) in Kombination mit der Chemotherapie

Einzelfallentscheidung (Exzision Zervix, oberes Drittel Vagina, Uterus, Parametrien, Ovarien, Eileiter, Tumorbefallen Gewebeanteile Harnblase und Rektum, Peritoneum, pelvine und para-aortale Lymphknoten)

5-JahresÜberleben

adjuvant in Kombination mit der Radiotherapie: Cisplatin 40 mg/m2 pro Woche; 5 Zyklen

wie bei IA2; bei Befall des Isthmus oder des Uterus zusätzliche Exzision der Ovarien und der Eileiter

IB2 II

Chemotherapie

alternativ zur Chirurgie: primäre Chemotherapie (s. o.) in Kombination mit Radiotherapie

primäre Chemotherapie in Kombiprimäre Radiothenation mit rapie (s. o.) in der RadioKombination mit therapie: der ChemoCisplatin therapie, im 40 mg/m2 Stadium IV pro Woche; Einzelfallent5 Zyklen; im scheidung Stadium IV Einzelfallentscheidung

30–40 %

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

143

Weiterführende Literatur Beckmann MW, Mallmann P, et al., Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarzinom, Kurzversion 1.0, 2014, AWMF Registernummer: 032/033OL, http://leitlinienprogramm-onkologie.de/ Leitlinien.7.0.html Beckmann, MW, Mehlhorn, G, Thiel, F, Breuel, C, Fasching, PA, Ackermann, S. Therapiefortschritte beim primären Zervixkarzinom Dtsch Arztebl 2005; 102: 979–986. Cancer Research UK http://info.cancerresearchuk.org/cancerstats/types/Zervix/ Coste J, Cochand-Priollet B, de Cremoux P, Le Galès C, Cartier I, Molinié V, Labbé S, Vacher-Lavenu M-C, Vielh P. Cross sectional study of conventional cervical smear, monolayer cytology, and human papilloma virus DNA testing for cervical screening. BMJ 2003; 326: 733–40. Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) http://www.dimdi.de/static/ de/index.html Deutsche Krebsgesellschaft, Interdisziplinäre Sk2 Leitlinie für die Diagnostik und die Therapie des Zervixkarzinoms, 1/2008; http://www.krebsgesellschaft.de/download/ll_zervix.pdf Klassifikation der Differenzierung; http://www.uicc.org/tnm Leitlinie der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (AG HPV-Management-Forum), Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien 06.2008, http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/082-002_S3_ Impfpraevention_HPV-assoziierter_Neoplasien_06-2008_06-2013.pdf National Cancer Institute (USA) Cervical Cancer Treatment. 08. 22. 2011, http://www.cancer.gov/ cancertopics/pdq/treatment/cervical/HealthProfessional Preiß J, Dornoff W, Hagmann FG, Schmieder A. Onkologie 2011, http://www.onkologie2011.de/index.htm Robert Koch Institut, https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/ Abruf 25. 02. 2020 WHO-International Agency for Research on Cancer Globocan Cancer incidence and mortality worldwide in 2008, http://globocan.iarc.fr/

8.3.4 Scheide/Vagina Vorkommen Maligne Tumoren in der Vagina: • sind meistens sekundäre Vaginaltumore, d. h. – sie sind invasiv von primären Karzinomen der Vulva, der Zervix, der Harnröhre und/oder der Harnblase oder auch des Rektums in die Vagina eingewachsen, oder – sie stellen intradermale Ausbreitungen von primären Tumoren der Zervix, des Uterus, der Ovarien, der Harnblase, des Rektums oder der Hautanhangsgebilde dar oder – sie sind extramammäre Ausbreitungen des Paget-Karzinoms, vorwiegend in der Vulva, aber auch in der Vagina, • sind nur relativ selten primäre Vaginalkarzinome (zu etwa 15 %). Primäre Vaginalkarzinome • stellen weniger als 2 % aller gynäkologischen Tumoren dar – weltweit wurde im Jahre 2018 (WHO) folgende Zahlen (alterskorrigiert) ermittelt ▪ Neuerkrankungsrate 0,37/100.000 Frauen, ▪ Todesrate 0,2/100.000 Frauen.

144

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



liegen (Jahr 2008) in Europa (Zahl der Neuerkrankungen pro 100.000 Frauen) bei etwa 0,2 Neuerkrankungen mit nichtinvasiven Karzinomen (Carcinoma in situ), ▪ bei etwa 0,4 Neuerkrankungen mit invasiven Karzinomen, treten altersabhängig auf; diese Altersabhängigkeit wie auch die Überlebensrate ist je nach histologischem Typ des Vaginalkarzinoms unterschiedlich: – Plattenepithelkarzinome ▪ stellen etwa 90–95 % der primären Vaginalkarzinome dar, kommen zu mehr als 50 % bei über 70-Jährigen und nur zu etwa 15 % bei den 20 – < 50-Jährigen vor, ▪ metastasieren vorzugsweise in die Lunge und die Leber, ▪ weisen eine 5-Jahres-Überlebensrate von 54 % auf; – Adenokarzinome ▪ stellen etwa 5–10 % der primären Vaginalkarzinome dar, ▪ kommen gehäuft im Alter zwischen 17–21 Jahren vor, ▪ metastasieren vorzugsweise in die pelvinen und subclavikulären Lymphknoten und in die Lunge ▪ weisen eine 5 Jahres-Überlebensrate von ca. 60 % auf, ▪ sind, soweit sie klarzellige Adenokarzinome darstellen, der mütterlichen Einnahme von Diethylstilbestrol geschuldet (s. u.) ▪



Melanome, Adenoide Basalzellkarzinome und Neuroendokrine Tumore sind mit einem Anteil von < 1 % sehr seltene Vaginal-Tumore, wobei • beim vaginalen Melanom die 5-Jahres-Überlebensrate bei ca. 13 % liegt.

Risikofaktoren Zu den Risikofaktoren für primäre Vaginaltumoren zählen: • familiäres Auftreten von Karzinomen der Zervix, der Vagina, der Vulva oder des Anus, • die VaIN/Vaginale Intraepitheliale Neoplasie (Stadium Carcinoma in situ), welche – eine Neuerkrankungsrate von 0,2–0,3/100.000 Frauen hat, – gleichzeitig oder auch im Vorlauf eines Vaginalkarzinoms (Progressionsrate zum Karzinom bei etwa 2–5 %) zu finden ist, – bei 50–90 % der Patientinnen assoziiert ist mit einem intraepithelialen oder invasivem Karzinom der Vulva oder der Zervix (in der Anamnese oder gleichzeitig), • Infektionen mit onkogenen HPV-Virustypen (siehe Kap. 8.3.3; Tab. 8.52): – DNA von HPV-16, seltener von HPV-18 ist nachzuweisen: ▪ bei nicht invasiven Plattenepithelkarzinomen (vaginale intraepitheliale Neoplasie/VaIN bzw. Carcinoma in situ) zu etwa 90–95 %, ▪ bei invasiven vaginalen Plattenepithelkarzinomen zu etwa 60 %; – das Risiko für ein nicht invasives Plattenepithelkarzinom ist erhöht: ▪ nach einer HPV-16-Infektion (Nachweis durch spezifische Antikörper im Serum) um den Faktor 13, ▪ nach einer HPV-18-Infektion um den Faktor 2, ▪ nach einer HPV-6 oder HPV-11 Infektion (Genitalwarzen) um den Faktor 6,

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

145



das Risiko für ein invasives Plattenepithelkarzinom ist erhöht: nach einer HPV-16-Infektion um den Faktor 6, – ein vorangegangenes Zervixkarzinom wie eine zervikale intraepitheliale Neoplasie (CIN/Cervical Intraepithelial Neoplasia) oder ein invasives Karzinom erhöht das Risiko eines Vaginalkarzinoms um den Faktor 50; Infektionen mit HSV-2: – HSV-2 promovieren die Zell-Transformation HPV-infizierter Zellen, Weißfleckenkrankheit (Lichen sclerosus) – Patientinnen mit dieser Erkrankung entwickeln in 3–5 % der Fälle ein Vulvakarzinom und damit assoziert auch eine Vaginalkarzinom, mangelnde Intimhygiene: – das Waschen der Genitalien vor und nach dem Geschlechtsverkehr kann das Risiko reduzieren, Toxine: – Tabakkonsum kann das Risiko um den Faktor 2 erhöhen, Traumata, z. B.: – beim vaginalen Prolaps, – nach langjährigem Tragen von vaginalen Pessaren, immunsuppressive Zustände, z. B.: – nach Infektionen mit HIV, besonders bei Frauen unter 30 Jahren, – bei Autoimmunerkrankungen, ▪ Zunahme des Risikos bei Lupus erythematodes um den Faktor 3, die Einnahme von DES/Diethylstilboestrol durch die Mutter, besonders im ersten Trimester der Schwangerschaft, – bei der Tochter: ▪ ist hierdurch das Risiko der Entwicklung eines vaginalen Adenokarzinoms (Klarzell-Adenokarzinomen) um den Faktor 40 erhöht, ▪ entsteht dieses vaginale Adenokarzinom meist vor dem 30. Lebensjahr, ▪ besteht die Gefahr einer zusätzlichen Adenose, welche meist durch eine (nicht behandlungsbedürftige aber regelmäßig zu kontrollierende) Plattenepithelmetaplasie ersetzt wird. ▪

• •



• •





Entwicklungsstadien und Klassifikationen Dysplasien und Präkanzerosen Die vaginalen Dysplasien werden unterteilt in (siehe Tab. 8.60) • LSIL/Low-grade Squamous Intraepithelial Lesions – VaIN 1/Vaginale Intraepitheliale Neoplasien 1, zu 35 % assoziiert mit niedrig Risiko- HPV-Typen), welche umfassen ▪ kondylomatöse Dysplasien ▪ geringradige Dysplasien • HSIL/High-grade Squamous Intraepithelial lesions mit – VaIN 2 ▪ mittelgradige Dysplasien

146

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



VaIN 3 (zu 94 % assoziiert mit hoch-Risiko HPV-Typen) ▪ hochgradige Dysplasien ▪ CIS/Carcinoma in situ

Karzinome Die Entwicklungsstadien des Vaginalkarzinoms werden eingestuft (siehe Tab. 8.60) gemäß • der FIGO-Klassifikation (Fédération Internationale de Gynécologie et d’Obstétrique) und • der TNM-Klassifikation. Tab. 8.60: Entwicklungsstadien und Klassifikationen des Vaginalkarzinoms und dessen posttherapeutische Prognose. Ausbreitung des Vaginakarzinoms FIGOStadium

Vagina Tx

Nx

regionäre (inguinale, pelvine) Lymphknoten können nicht beurteilt werden

N1

Tumorzellen in einseitigen regionären Lymphknoten

N2

Tumorzellen in beidseitigen regionären Lymphknoten kein Anhalt für einen Primärtumor

0

II

VaIN-II

mäßige Dysplasie

VaIN III Tis

schwere Dysplasie Carcinoma in situ (CIS)/Adenocarcinoma in situ (ACIS)

T1

T2

M0

N0/N1

100 %

leichte Dysplasie (LSIL/Low-grade Squamous Intraepithelial Lesion)

VaIN-I vaginale intraepitheliale Neoplasie

Prognose (5-JahresÜberleben)

Primärtumor kann nicht beurteilt werden

T0

I

Gewebe außerhalb der Vagina

TNM-Klassifikation

M0

(HSIL/ High-grade Squamous Intraepithelial Lesion)

Tumor ist auf die Vagina begrenzt Tumor hat sich in das paravaginale Gewebe ausgedehnt, aber die Beckenwand noch nicht erreicht, inguinale/pelvine Lymphknoten können befallen sein

77 %

59 %

147

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

Ausbreitung des Vaginakarzinoms FIGOStadium

III

Vagina

T3

N0/N1

M0

IV IVa

Gewebe außerhalb der Vagina

TNM-Klassifikation

T4

jedes N

M1

IVb

Prognose (5-JahresÜberleben)

Tumor hat die Beckenwand erreicht, inguinale/ pelvine Lymphknoten können befallen sein Tumor hat Schleimhaut von Blase oder Rektum infiltriert und/oder überschreitet die Grenzen des kleinen Beckens

~0%

Fernmetastasen sind nachweisbar

Die Metastasierung erfolgt • über die regionalen Lymphknoten: – bei Tumoren in der hinteren Scheidewand ▪ primär über die tiefen ileakalen und pararektalen Lymphknoten, – bei Tumoren in dem unteren Scheidendrittel ▪ primär über die inguinal-femoralen Lymphknoten, ▪ im Stadium I sind bereits in 20 % der Fälle Metastasen in den inguinalen Lymphknoten zu finden, – danach über die pelvinen (Obturatorius- und Iliakal-) Lymphknoten, – die Invasionstiefe des Tumors korreliert mit der lymphogenen Ausbreitung, • je nach histologischem Typ unterschiedlich: – Plattenepithelkarzinome ▪ metastasieren vorzugsweise in die Lunge und die Leber; – Adenokarzinome ▪ metastasieren vorzugsweise in die pelvinen und subclavikulären Lymphknoten und in die Lunge.

Histologische Klassifizierung Primäre Vaginalkarzinome weisen histologische Differenzierungen auf (siehe Tab. 8.61), welche denen des Zervixkarzinoms ähneln (siehe Kap. 8.3.3).

Tab. 8.61: Histologische Klassifikation und Typisierung der Vaginalkarzinome. Histologische Charakterisierung Karzinome

Häufigkeit

Prognose

Bemerkungen

~ 90 %

schlechter als Adenokarzinome

Altersgipfel 60–80 Jahre

Plattenepithelkarzinome verhornende Karzinome nicht verhornende Karzinome

148

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Histologische Charakterisierung Karzinome

Häufigkeit

Prognose

Bemerkungen

verruköse Karzinome Adenokarzinome typische Adenokarzinome besser endometriode Karzinome bei Töchtern (unter als PlattenKlarzellkarzinome

schlechter

30 Jahren) von

epithelkar-

Müttern mit

zinome

DiethylstilboestrolEinnahme in der

~ 10 % serös-papilläre Adenokarzinome

Schwangerschaft schlechter

muzinös-papilläre Karzinome muzinös-kolloide (Gallert-)Karzinome Varianten der Adenokarzinome mesonephrische Karzinome adenoid-zystische Karzinome neuroepitheliale Tumore Melanome

53 % der Fälle), HPV-18 (18 %) und HPV-31 (6 %), gilt ähnlich wie beim Zervixkarzinom (siehe Kap. 8.3.3) für die Prävention • die Impfung von Mädchen und Jungen zum Zeitpunkt vor der Geschlechtsreife mit einer entsprechenden HPV-Vakzine, • die Verminderung oder Vermeidung der wichtigsten weiteren Risikofaktoren wie z. B. – Beginn des Geschlechtsverkehrs im Alter < 17 Jahre, – multiple (≥ 5) Sexualpartner, – Verwendung von Kondomen, auch wenn diese keinen absoluten Schutz bieten, da sich HPV-Viren bei infizierten Personen nicht nur auf den Genitalschleimhäuten befinden, – Tabakkonsum; • Teilnahme besonders von Risiko-belasteten Frauen an der Früherkennung.

8.3.4.3 Therapiestrategien Tab. 8.62: Strategie der Therapie der vaginalen Dysplasien / der vaginalen intraepithelialen Neoplasien/ VaIN (in Anlehnung an Hample et al. 2018). Biopsie

▾ Ausschluss invasives Karzinom VaIN 1



VaIN2 bis VaIN3 unteres Drittel

mittleres Drittel

regelmäßige Kontrolle

▾ ggf.

Scheidenblindsack

gesamte Scheide





HPV negativ





154

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

lokale Destruktion (Laservaporisation)

▾ oder

lokale Exzision (CO2Laser, Skapell, Elektroschlinge)

lokale Exzision (CO2Laser, Skapell, Elektroschlinge)

▾ lokale Chemotherapie (z. B. 5-FU) und/oder lokales Virostatikum (z. B. Imiquimod)

▾ oder obere Kolpektomie

lokale Exzision (CO2Laser, Skapell, Elektroschlinge)

ggf.

lokale Exzision (CO2Laser, Skapell, Elektroschlinge)

Kolpektomie

▾ und/oder lokale Resektion oder Hautresektion (komplett,CO2Laser, Skapell)

HPV positiv









lokale Exzision (CO2Laser, Skapell, Elektroschlinge)

lokale Exzision (CO2Laser, Skapell, Elektroschlinge)

lokale Exzision (CO2Laser, Skapell, Elektroschlinge)

Hautresektion (komplett, CO2Laser, Skapell)











ggf.

oder

oder

oder

und/oder

lokale Destruktion Laservaporisation

lokale Destruktion Laservaporisation)

lokale Destruktion Laservaporisation

Kolpektomie

Hautresektion (partiell oder komplett, CO2-Laser, Skapell)









und/oder

und/oder

oder

und/oder

lokale Chemotherapie (z. B. 5-FU*) und/oder lokale antivirale Therapie (z. B. Imiquimod*)

lokale Chemotherapie (z. B. 5-FU) und/oder lokale antivirale Therapie (z. B. Imiquimod)

obere Kolpektomie

lokale Brachytherapie; lokale Chemotherapie (z. B. 5-FU) und/oder lokale lokal antivirale Therapie (z. B. Imiquimod)

▾ oder

Kolpektomie (partiell oder total)

▾ lebenslange regelmäßige Kontrolle

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

155

Tab. 8.63: Strategie der Therapie des Vaginalkarzinoms (in Anlehnung an Hample et al. 2018). Vaginalkarzinom Stadium I

Stadium II–IV

Stadium III–IV







primäre Radio-Chemo-Therapie

primäre Radio-Chemo-Therapie



ggf. (Tumorinfiltration in Harnblase oder Rektum)

kleine Tumoren

▾ Tumor Exzision

▾ größere Tumore

▾ ggf. (falls Tumor nicht die Beckenwand erreicht hat)



▾ Kolpektomie (partiell/total)

Kolpektomie (partiell oder total mit Parakolpium)

▾ Resektion aller befallenen Organe

▾ Konstruktion Ersatzblase, Anus praeter







und

und

radikale Hysterektomie

radikale Hysterektomie

bei Lymphknoten-Metastasen (≥ 1 pN+, oder ≥ cN+ ≥ 5 mm)

▾ bei Lymphknoten-Metastasen (≥ 1 pN+, oder ≥ cN+ ≥ 5 mm)





falls abdominale Lymphknoten nicht operativ geprüft werden können oder falls R1/R2 Status

ggf.



▾ ggf. perkutane Radiotherapie beidseitig

▾ perkutane Radiotherapie beidseitig

bei R1 oder R2 Tumorresektionen

▾ ggf.

▾ adjuvante perkutane (ggf. auch Brachy-) Radiotherapie oder Radio-Chemo-Therapie

bei R1 oder R2 Tumorresektionen

▾ ggf. perkutane Radiotherapie beidseitig

perkutane Radiotherapie beidseitig

156

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Chirurgische Verfahren Die beim Vaginalkarzinom angewandten chirurgischen Verfahren beinhalten: • die Exzision weit (ca. 2 cm) im gesunden Gewebe, wenn der Tumor unilokular begrenzt ist – bei lokal begrenzter vaginaler intraepithelialer Neoplasie (VaIN), – bei invasivem Tumor Stadium I, • die Kolpektomie/Vaginektomie (partiell oder total) – bei der vaginalen intraepitheliale Neoplasie/VAIN-II oder III ▪ falls diese multizentrisch ist oder sich flächig ausgebreitet hat, – mit Resektion der Parakolpien ▪ im Tumor Stadium I, ▪ in den Tumorstadien II, III oder IV in Kombination mit weiteren chirurgischen Maßnahmen, falls hierdurch therapeutische Vorteile bei einer nachfolgenden adjuvanten Radiotherapie erwartet werden können, ▪ bei Tumortypen, die als radioresistent gelten (Sarkome, Melanome); – ggf. Hauttransplantationen oder mit Rekonstruktion der Vagina, • die Vulvektomie – bei ausgedehnten Tumoren im unteren Drittel der Vagina, • die Laparotomie mit – Inspektion und Palpation der abdominalen Organe, – der Möglichkeit ▪ multipler Biopsien tumorverdächtiger Organe und Peritonealabschnitte, ▪ der Sentinel-Lymphknoten-Detektion und -Resektion ▪ der Exzision pelviner, anorektaler und para-aortaler Lymphknoten, ▪ der abdominalen Hysterektomie und Ausräumung des kleinen Beckens • die Hysterektomie – mit Resektion der Parametrien ▪ beim Stadium I, falls sich der Tumor im oberen oder mittleren Drittel der Vagina befindet, ▪ in Fall-zu-Fall-Entscheidungen bei den Stadien II–IV, • die Lymphadenektomie – besonders der pelvinen (iliakalen), anorektalen und para-aortalen Lymphknoten, ▪ falls der Tumor sich im oberen oder mittleren Drittel der Vagina befindet, – besonders der inguinal-femoralen Lymphknoten, ▪ falls der Tumor sich im unteren Drittel der Vagina befindet, die Resektion und Rekonstruktion der Harnblase bei Tumorbefall, • • die Resektion des Rektums mit Anus praeter bei Tumorbefall. Radiotherapie Sollte angewandt werden (siehe Tab. 8.61): • bei Präkanzerosen (VaIN-II und -III) und invasiven Karzinomen Stadium I, falls – sich die Patientinnen auf Grund ihres Gesundheitszustandes als inoperabel erweisen,

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)





157

als primäres therapeutisches Verfahren in den Stadien II, III und IV – wo die zu bevorzugende Radio-Chemo-Therapie nicht möglich ist, – wegen etwa gleicher therapeutischer Wirksamkeit wie das chirurgische Verfahren, mit einer lokalen Kontrolle des Tumors ▪ im Stadium I von 85–95 % ▪ im Stadium II von 70–80 % ▪ im Stadium III–IVA von 50–70 % ▪ wobei eine dauerhafte Kontrolle des Vaginaltumors bei ~ 90 % der Patientinnen zu einem Überleben > 5 Jahre führt – wegen erheblich geringeren Nebenwirkungen, als adjuvantes postoperatives Verfahren, – bei den regionalen Lymphknoten und hier möglichst beidseitig anzuwenden, wenn ▪ ≥ 1 Lymphknoten tumorpositiv oder die Metastase im Lymphknoten ≥ 5 mm groß ist ▪ die Lymphknotenkapsel vom Tumor durchbrochen wurde, ▪ Anhaltspunkte für eine Ausbreitung des Tumors in umliegendes Gewebe vorliegen, ▪ die Lymphadenektomie nur unvollständig oder (z. B. wegen des Gesundheitszustandes der Patientin) überhaupt nicht durchgeführt werden konnte, – die Tumorresektion nicht mit ausreichendem Abstand (2 cm) im gesunden Gewebe erfolgen konnte, – Tumorezidive nur unvollständig reseziert werden konnten, wie in den Fällen von (siehe Kap. 8.1) ▪ R1 (Tumorreste histologisch am Resektionsrand nachweisbar), ▪ R2 (Tumorreste makroskopisch am Resektionsrand sichtbar und ggf. histologisch gesichert).

Die Radiotherapie erfolgt in Form • der primären LDR/Low Dose Rate-Brachytherapie (intrakavitär und/oder interstitiell) – Nachladetechnik (Afterloading Technik) ▪ mit 192Iridium, ▪ der Dosis: oberflächlicher Tumor: 65–80 Gy; gesamte Vagina 5 mm Dicke: 60– 70 Gy, – transperineale Spickung mit 192Iridium-Nadeln ▪ bei introitusnahen größeren Tumormassen, ▪ ist jedoch mit beträchtlicher Spätmorbidität behaftet, • der perkutanen Radio/Teletherapie – primär und präoperativ, bevorzugt in Kombination mit der Chemotherapie (siehe Tab. 8.63), – seltener postoperativ, bevorzugt in Kombination mit der Chemotherapie, – in Form Nachladetechnik Dosis 50−70 Gy. Chemotherapie Eine Chemotherapie kann durchgeführt werden • lokal bei vaginalen intraepithelialen (Plattenepithel-) Neoplasien (VaIN-II, VaIN-III) – intravaginale Verabreichung

158

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

einer Zytostatika-Creme (z. B. 5 %-igen 5-Fluorouracil-Creme, 1,5 g/Woche über 10 Wochen), ▪ einer immunstimulierenden (besonders Makrophagen) Creme (z. B. Imiquimod), falls der Tumor HPV-positiv ist, systemisch bei Vaginalkarzinomen – meist als primäre kombinierte Radio-Chemo-Therapie (siehe Tab. 8.63) unter bevorzugter Verwendung von ▪ Cisplatin alleine (40 mg/m2 pro Woche; 5 Zyklen) oder in Kombination mit 5-FU ▪ 5-FU alleine oder ▪ Mitomycin alleine oder in Kombination mit 5-FU, – seltener als primäre präoperative Chemotherapie mit ▪ Paclitaxel (175 mg/m2 ) + Cisplatin (75 mg/m2 ) q 21 über 3 Zyklen oder – Zur Therapie von Rezidiven, sekundär metastasierenden Vaginalkarzinomen und/ oder als palliative Therapie unter Berücksichtigung der Vorbehandlung und des Allgemeinzustandes der Patientin; systemisch bei radioresistenten vaginalen Sarkomen und Melanomen – im Besonderen beim embryonalen Rhabdomyosarkom des Kindes, – z. B. das VAC-Schema (Vincristin + Actinomycin D + Cyclophosphamid oder Ifosfamid), ▪





Tumorrezidive werden von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der jeweiligen Vorbehandlung mit einer Kombination aus Chirurgie, Radiotherapie und Radiochemotherapie und meist vorwiegend palliativ behandelt.

Tab. 8.64: Therapieverfahren für das Vaginalkarzinom in Bezug zum TNM-Status. FIGOStadium

Therapeutische Verfahren TNM-Klassifikation Chirurgie

Radiotherapie

Chemotherapie

VaIN III TIS

Exzision oder Kolpektomie, falls Tumor multizentrisch oder ausgedehnt

bei inoperablen Patientinnen: primäre intravaginale Brachytherapie mit 192 Iridium (Vagina 60 Gy, Tumor 60–85 Gy Oberflächendosis)

bei Plattenepithelkarzinomen: intravaginal 5 %-ige Fluorouracil Creme 1,5 g/ Woche über 10 Wochen

M0

Adenokarzinome: Exzision oder Kolpektomie mit

Plattenepithelkarzinome oder inoperable

bei embryonalen Rhabdomyosarkomen:

VaIN-I 0 vaginale intraepitheliale Neoplasie

I

T1

N0

VaIN-II

5-JahresÜberleben

Beobachtung oder Exzision Beobachtung oder Exzision, ggf. Kolpektomie

~ 100 %

77 %

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

FIGOStadium

Therapeutische Verfahren TNM-Klassifikation

II

T2

N0/ N1

M0

III

T3

N0/ N1

M0

IV IVa

T4 IVb

jedes N

M1

Chirurgie

Radiotherapie

Chemotherapie

Resektion der Parakolpien und Exzision der regionalen Lymphknoten ggf. radikale Hysterektomie

Patientinnen: primäre Brachytherapie: oberflächlicher Tumor: 65–80 Gy; Dosis auf gesamte Vagina 5 mm Dicke: 65–70 Gy

VAC-Schema: (Vincristin + Actinomycin D + Cyclophosphamid/ Ifosfamid)

ggf. (therapeutische Vorteile, strahlenresistente Sarkome, Melanome) Kolpektomie mit Parakolpien, Vulvektomie, Exzision der regionalen Lymphknoten, und Hysterektomie; Resektion tumorbefallener Gewebeanteile der Blase und des Rektums

primäre (oder postoperative) perkutane RadioChemo-Therapie 50 Gy, und LDRBrachytherapie (intrakavitär und interstitiell) 60–70 Gy in 5 mm

Cisplatin alleine (40 mg/m2 pro Woche; 5 Zyklen) oder in Kombination mit 5-FU oder Mitomycin alleine oder in Kombination mit 5-FU jeweils bevorzugt im Kombination mit perkutaner Radio therapie (Radio-ChemoTherapie)

159

5-JahresÜberleben

59 %

~ 0–20 %

Weiterführende Literatur Cancer Research UK http://info.cancerresearchuk.org/cancerstats/types/vagina/ Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) http://www.dimdi.de/static/ de/index.html Hampl M, Schnurch HG, Beckmann MW, Surbeck D, Tamussino K, et al., Diagnosis, Therapy, and FollowUp Care of Vaginal Cancer and its Precursors. Guideline of the DGGG and OEGGG (S2k-Level, AWMF Registry No. 032/042, October 2018). http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/032-042.html National Cancer Institute (USA) Vaginal Cancer Treatment http://www.cancer.gov/cancertopics/pdq/ treatment/vaginal/HealthProfessional Preiß J, Dornoff W, Hagmann FG, Schmieder A. Onkologie 2011, http://www.onkologie2011.de/index.htm Robert Koch Institut; https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Krebsregisterdaten/krebs_ node.html (Abruf 2. 03. 2020) Schnürch HG, Bastert G. DKG: Interdisziplinäre Leitlinien Vaginalkarzinom 2004, http:// www.krebsgesellschaft.de/download/leitlinien_vaginalkarzinom.pdf WHO-International Agency for Research on Cancer Globocan Cancer incidence and mortality worldwide in 2008, http://globocan.iarc.fr/

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

8.3.5 Äußeres weibliches Genitale/Vulva Vorkommen Tumoren der Vulva sind relativ seltene Erkrankungen und betreffen die: • Schamlippen (zu etwa 90 %) – die äußeren (mehr als) und die inneren Schamlippen mit ihren Schweißdrüsen, die Klitoris (zu ca. 10 %) und • • die Öffnung der Vagina mit ihren Schleimdrüsen (Bartholinische Drüsen). Zu unterteilen sind: • VIN/Vulväre Intraepitheliale Neoplasien, welche als Karzinom-Vorstufen verstanden werden; diese – sind mit einer Neuerkrankungsrate von derzeit 7/100.000 Frauen die häufigsten präinvasiven Erkrankungen der Vulva, – haben in dem letzten 3 Jahrzehnten in Nordamerika und Europa um mehr als 400 % zugenommen, so z. B. ▪ In den USA von 0,6/100.000 (Jahr 1973) auf 2,9/100.000 (Jahr 2000), mit einem Anstieg am stärksten bei Frauen < 65 Jahren, wobei 75 % der Fälle bei Frauen < 50 Jahren auftreten, – werden unterteilt in ▪ uVIN/undifferenzierte (usual type) VIN und ▪ dVIN/differenzierte VIN – etwa 10 % der VIN gehen in ein invasives Vulvakarzinom über, ▪ im Besonderen wenn als zusätzliches Risiko eine pelvine Radiotherapie des unteren Genitale oder eine Immunsuppression vorliegt, ▪ das Risiko ist bei postmenopausalen Frauen 3,2mal höher als bei prämenopausalen – zeigen Spontanremissionen, besondere bei Patientinnen unter 35 Jahren, • invasive Karzinome der Vulva (welche häufig begleitet werden von VIN) – weisen weltweit derzeit (2018) auf ▪ eine Neuerkrankungsrate (alterskorrigiert) von etwa 0,9 /100.000 Frauen, ▪ eine Mortalität von etwa 0,3/100.000 Frauen, ▪ eine Zunahme in den letzten 30 Jahren um etwa 20 % (ähnlich wie bei VIN), besonders bei Frauen unter 65 Jahren, ▪ die größte Häufigkeit bei Frauen im Alter von 65 und darüber; – kommen in Deutschland überdurchschnittlich häufig vor mit (Jahr 2016) ▪ einer Neuerkrankungsrate (alterskorrigiert) von 4,5/100.000 Frauen und bei einem mittleren Erkrankungsalter von 73 Jahren, ▪ einer Todesrate von 0,9/100.000 Frauen bei einem Alter im Mittel von 80 Jahren, ▪ einer Prävalenz von (5 Jahre) 12.200 bzw. (10 Jahre) 20.100 und ▪ einer relativen Überlebensrate von 71 %, – können entstehen

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

161

an der primären Lokalisation einer behandelten VIN als Progression einer vorbestehenden VIN; die Zeit bis zur Progression beträgt im Median 2,4 Jahre nach VIN Therapie; ▪ unabhängig von der Vorbehandlung einer VIN. werden differenziert in ▪ verhornende Vulvakarzinome, welche eher HPV-unabhängig entstehen und der häufigste Typ (65 % –80 %) des Vulvakarzinoms bei älteren Frauen darstellen ▪ nicht verhornende Vulvakarzinome, welche meist HPV-abhängig und bei jüngeren Frauen zu finden sind ▪



Risikofaktoren Die Risikofaktoren für Vulvatumoren sind ähnlich denjenigen für Vaginaltumoren. Zu den Risikofaktoren für Vulvatumoren zählen: • genetische Abhängigkeiten – familiäres Auftreten von Karzinomen der Zervix, der Vagina, der Vulva oder des Anus oder Plattenepithelkarzinomen der Lunge, – nordeuropäische Abstammung; • Infektionen mit onkogenen HPV-Virustypen (siehe Kap. 8.3.3; Tab. 8.52): – DNA vor allem von HPV-16, HPV-18, HPV-31 und seltener von HPV-33 ist nachzuweisen ▪ bei nicht invasiven Plattenepithelkarzinomen (Vulva intraepitheliale Neoplasien/VIN) bzw. Carcinoma in situ bis zu 90 % (vorwiegend HPV-16 und HPV-18), ▪ bei invasiven Plattenepithelkarzinomen der Vagina zu etwa 20–60 % und hierbei HPV-16 zu etwa 70–90 %, HPV-33 zu etwa 40 %, HPV-31 und HPV-18 zu etwa 10 %, ▪ bei Frauen im mittleren Alter von ~ 55 Jahren, – das Risiko für ein nicht invasives Plattenepithelkarzinom und/oder ein invasives Plattenepithelkarzinom ist erhöht ▪ bei Frauen unter 45 Jahren nach einer HPV-16-Infektion (Nachweis durch spezifische Antikörper im Serum) um den Faktor 11, ▪ nach einer HPV-6 oder HPV-11-Infektion (Genitalwarzen), – ein vorangegangenes Zervixkarzinom (zervikale intraepitheliale Neoplasie/CIN oder invasives Karzinom) erhöht das Risiko eines Vulvakarzinoms um den Faktor 10; • Infektionen mit HSV-2 – HSV-2 promovieren die Zell-Transformation HPV-infizierter Zellen, • Tabakkonsum kann das Risiko erhöhen – für nicht invasive Plattenepithelkarzinome (Vulva intraepitheliale Neoplasie/VIN) um den Faktor 6, – für invasive Plattenepithelkarzinome

162

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

um den Faktor 3, bei mehr als 20 Zigaretten/Tag und gleichzeitig bestehender HPV-16-Infektion um den Faktor 25; immunsuppressive Zustände, z. B. – nach Infektionen mit HIV, besonders bei Frauen unter 30 Jahren, – nach Gabe von Immunsuppressiva, z. B. nach Nierentransplantationen, ▪ Zunahme des Risikos um den Faktor 100, – bei Autoimmunerkrankungen, Zunahme des Risikos z. B. bei ▪ Psoriasis (um den Faktor 3), ▪ Lichen sklerosis, mit einem 4–5 %-igen lebenslangen Risiko für ein VulvaKarzinom, ▪ squamöser Hyperplasie. ▪ ▪



Entwicklungsstadien und Klassifikationen Die Entwicklungsstadien des Vaginalkarzinoms werden eingestuft (siehe Tab. 8.61) gemäß • der FIGO-Klassifikation (Fédération Internationale de Gynécologie et d’Obstétrique) und • der TNM-Klassifikation.

Tab. 8.65: Entwicklungsstadien und Klassifikationen des Vulvakarzinoms und dessen posttherapeutische Prognose. Ausbreitung des Vulvakarzinoms FIGOStadium

TNM-Klassifikation

Tx

Primärtumor kann nicht beurteilt werden

T0

kein Anhalt für einen Primärtumor

VIN-I

0

Vulva/ angrenzender Damm

Vulva intraepitheliale Neoplasien

LSIL (HPVassoziiert)

Prognose (5-JahresÜberleben)

geringgradige Dysplasie oder Kondylomatöse Läsion

VIN-II

mittelgradige Dysplasie

VIN III

hochgradige Dysplasie CIS/ Carcinoma In Situ ACIS/AdenoCarcinoma In Situ

HSIL (klassische VIN)

Gewebe außerhalb der Vulva/ des angrenzenden Damms

~ 100 %

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

163

Ausbreitung des Vulvakarzinoms FIGOStadium

Vulva/ angrenzender Damm

TNM-Klassifikation

Gewebe außerhalb der Vulva/ des angrenzenden Damms

Prognose (5-JahresÜberleben)

dVIN (diffe- HPV-negative Läsion mit atypischen renzierte Keratinozyten in der VIN, Basalzellschicht INDT)

I

T1

N0

M0

Tumor ist auf die Vulva +/– Damm begrenzt

IA

T1a

Invasionstiefe ≤ 1 mm

IB

T1b

Invasionstiefe > 1 mm

II

Tumor ist auf die Vulva +/– Damm begrenzt, Invasionstiefe > 20 mm

~ 80–90 %

T2

N0

M0

T3

N0

M0

Tumor jeglicher Größe mit Ausdehnung auf Vagina, Urethra, Anus

~ 40–80 %

T1–3

N1

M0

Tumor jeglicher Größe mit Metastasen in einseitigen inguinalen Lymphknoten

~ 40–60 %

Tumor mit Infiltration der proximalen Urethra, der Schleimhaut der Harnblase und/oder des Rektums und/oder des Beckenknochens, +/– Metastasen in Lymphknoten

~ 50–80 %

III

IV

T4

jedes N

M0/M1

T4

jedes N

M0

T1–3

N2

M0

jedes T

jedes N

M1

~ 10–30 % IVA

IVB

lokale Ausbreitung, Metastasen in beidseitigen inguinalen Lymphknoten Fernmetastasen einschließlich Metastasen in pelvinen Lymphknoten

Nx

regionäre (inguinale, pelvine) Lymphknoten können nicht beurteilt werden

N1

Metastasen einseitig im inguinalen Lymphknoten

N1a

Metastase < 5 mm

N1b

Metastase > 5 mm

Anzahl der tumorpositiven Lymphknoten wesentlicher Faktor für die Prognose

164

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Ausbreitung des Vulvakarzinoms FIGOStadium

TNM-Klassifikation

Vulva/ angrenzender Damm

Gewebe außerhalb der Vulva/ des angrenzenden Damms

N2

Metastasen beidseitig in den inguinalen Lymphknoten

N2a

Metastasen < 5 mm

N2b

Metastasen > 5 mm

N2c

Lymphknoten-Kapsel durchbrochen

N3

LK mit umliegendem Bindegewebe verwachsen oder ulzeriert

Prognose (5-JahresÜberleben)

LSIL = Low-grade Squameous Intraepithelial Lesion; HSIL = High-grade Squameous Intraepithelial Lesion; INDT = Intraepitheliale Neoplasie vom Differenzierten Typ

Die Metastasierung erfolgt: • lymphogen über die – inguinalen und inguinal-femoralen Lymphknoten ▪ bei einer Metastase im inguinalen Lymphknoten besteht ein 30 %-iges Risiko einer gleichzeitigen Metastasierung in pelvine Lymphknoten, – pelvinen und para-aortalen Lymphknoten, • durch hämatogene Streuung nach Invasion – in die Lymphknoten – in die Nachbarorgane ▪ Vagina, Uterus und Harnblase, ▪ Anus und Rektum; – die Gefahr der primär hämatogenen Streuung im frühen Stadium ist relativ gering. Fernmetastasen treten auf ▪ nach Tumorbefall von < 3 Lymphknoten in einer Größenordnung von 4 %, ▪ nach Tumorbefall von ≥ 3 Lymphknoten in einer Größenordnung von 60– 70 %.

Histologische Klassifizierung Vulvakarzinome sind vielgestaltig (siehe Tab. 8.66) und entstammen: • dem Epithel der Haut und Schleimhaut mit – den Plattenepithelkarzinomen, – den Basaliomen und – den Adenokarzinomen, • den Bartholinischen Drüsen mit einem Gemisch aus – Plattenepithelkarzinom (HPV-assoziiert), – Adenokarzinom und Adenoid-zystischem Karzinom,

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)







165

– urotheliales Übergangszell-Karzinom, – undifferenziertes Karzinom, den Schweißdrüsen – wie beim Paget-Karzinom, welches ▪ etwa ca. 1 % der Vulvamalignome ausmacht ▪ am häufigsten in der 7 Dekade auftritt, in einem mittleren Alter von ~ 69 Jahren. ▪ in 30 % der Fälle assoziiert ist mit anderen Malignomen, im Besonderen mit Mamma- und Urothelkarzinome den neuroepithelialen Zellen in der Epidermis, – Melanome, – Merkel-Zell-Tumor, den mesenchymalen Zellen der Cutis und Subcutis – Sarkome.

Die Präkanzerosen der Vulva sind zu unterscheiden • in die vulvären intraepitheliale Neoplasien (VIN), welche differenziert werden – entsprechend dem Ausmaß ihrer Dysplasie in VIN-I, -II, -III (gering-, mittel-, hochgradig, siehe Tab. 8.65), wobei – VIN I die HPV-assoziierten Veränderungen, auch LSIL/Low-grade Squameous Intraepithelial Lesion) genannt, umfasst mit ▪ der kondylomatösen Veränderung und ▪ der leichten Dysplasie – VIN II die mäßiggradige Dysplasie darstellt und – VIN III unterteilt wird in ▪ die schwere Dysplasie und ▪ die dVIN (differenzierte VIN), auch HPV-negative Läsion mit atypischen Keratinozyten in der Basalschicht genannt, – die VIN vom klassischen Typ, auch HSIL/High-grade Squameous Intraepithelial Lesion) genannt, ihrerseits ▪ die mäßiggradige und die schwere Dysplasie umfasst, ▪ assoziiert ist mit HPV, ▪ multizentrisch auftritt und gehäuft und zunehmend bei Frauen unter 45 Jahren vorkommt und ▪ 90–95 % aller VIN repräsentiert; – die VIN vom differenzierten Typ wiederum ▪ häufig assoziiert sind mit einer inaktivierenden Mutation des Tumorsuppressors p53 und weniger mit HPV, ▪ kaum multizentrisch auftreten, ▪ im Regelfall postmenopausal und gehäuft bei Frauen über 65 Jahre mit einer Lichen sclerosus als Vorerkrankung vorkommen, ▪ meist vergesellschaftet sind mit einem invasiven verhornenden Plattenepithelkarzinom; ▪ und 2–10 % der VIN ausmachen;

166 •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

die intraepitheliale Neoplasie vom Paget-Typ, welche – meist ihren Ausgang nimmt von apokrin oder ekkrin differenzierten epithelialen Zellen (Schweißdrüsen), – in 2–15 % der Fälle assoziiert ist mit lokoregionären Karzinomen (Harnblase, Zervix, Rektum) – und nur sehr selten in ein invasives Paget-Karzinom transformiert.

Plattenepithelkarzinome sind ähnlich wie VIN/Vulväre Intraepitheliale Neoplasien zu unterscheiden in: • Plattenepithelkarzinome vom klassischen Typ, die – assoziiert sind mit HPV, – multizentrisch auftreten, – vergesellschaftet sind mit den entsprechenden vulvären intraepithelialen Neoplasien (VIN) vom klassischen Typ – und gehäuft bei Frauen unter 45 Jahren vorkommen; • Plattenepithelkarzinome vom differenzierten Typ, – mit charakteristischer Hyperplasie der Plattenepithelzellen, – bei denen häufig eine inaktivierende Mutation des Tumorsuppressors p53 nachzuweisen ist und die weniger mit HPV assoziiert sind, – bei denen eine umschriebene Neurodermitis bzw. Lichen sklerosus vulvae als Vorerkrankung vorliegt, – die gehäuft bei postmenopausalen Frauen vorkommen und – die eine schlechtere Prognose besitzen als die klassischen Plattenepithelkarzinome.

Tab. 8.66: Histologische Klassifikation und Typisierung des Vulvakarzinoms. Histologische Klassifikation Häufigkeit

Prognose

Bemerkungen

relativ schlecht

~ 90 % aller Vulvakarzinome; Altersgipfel 60–80 Jahre und unter 45 Jahre

Plattenepithelkarzinome verhornende Karzinome nicht verhornende Karzinome basaloides Karzinom

~ 95 %

condylomatöses Karzinom verruköse Karzinome Basalzellkarzinome

relativ gut ~5%

Adenokarzinome typische Adenokarzinome endometriode Karzinome Klarzellkarzinome

0,5 cm groß ist, ▪ die Invasionstiefe des Tumors > 20 mm ist, ▪ mehr als 1 Lymphknoten betroffen sind, ▪ die Kapsel durchbrochen ist und Tumorzellen ins perinodale Fettgewebe eingedrungen sind.

Therapieverfahren Bei VIN/Vulvären Intraepitheliale Neoplasien ist die Behandlung je nach Entwicklungsgrad unterschiedlich • VIN- I (LSIL/Low-grade Squameous Intracellular Lesions) unterliegen regelmäßiger Kontrollen, • VIN- II/III (HSIL/High-grade Squameous Intracellular Lesions) werden vorzugsweise durch Destruktion mit der Laservaporisation entfernt, • VIN-III-dVIN (differenzierte VIN) sollten vorzugsweise chirurgisch und im Gesunden exzidiert werden, • Dysplasien des Paget-Typs sollten ebenfalls chirurgisch entfernt werden. HPV-positive intraepitheliale Neoplasien können zusätzlich auch lokal mit einer 5 %-igen Imiquimod-Salbe behandelt werden. Für vulväre intraepitheliale Karzinome wird eine Therapiestrategie empfohlen, welche stadienabhängig neben der chirurgischen Entfernung die Radiotherapie, die Radio-Chemo-Therapie und die Chemotherapie umfasst (siehe Tab. 8.67).

171

8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

Tab. 8.67: Strategie der Therapie des primären Vulvakarzinoms (in Anlehnung an Hampl et al. 2015). Stadium IA/B

▾ radikale lokale Resektion

▾ falls Tumor-Infiltrationstiefe > 1 mm

▾ inguinale Lymphadenektomie (ipsilaterale Seite)

▾ falls Tumor ≤ 1 cm Abstand zur Mittellinie und > 2 cm Durchmesser

Stadium II

▾ radikale lokale Resektion

▾ falls inguinale pN+





primäre Radio-ChemoTherapie

primäre Radio-ChemoTherapie







ggf.

ggf.

ggf.

partielle oder totale Vulvektomie

▾ ggf. Tumorinfiltration Urethra, Vagina, Anus

▾ Resektionen des Tumorgewebes

▾ inguinale Lymphadenektomie auch der kontralateralen Seite

oder

Stadium III–IVA

partielle oder totale Vulvektomie

▾ ggf. Tumorinfiltration Urethra, Vagina, Anus

▾ Resektion des Tumorgewebes

▾ Resektion des Tumorgewebes, soweit möglich

▾ ggf. Einbruch des Tumors in Nachbarorgane

▾ Exenteration befallener Organe







Inkontinenz Harninkontinez (falls Uretha > 1 cm gekürzt)

ggf.

ggf.

Anus praeter

palliative Chemotherapie



▾ ggf.

pelvine Lymphadenektomie

Anus praeter





und/oder

ggf.

perkutane Radiotherapie

Radio-ChemoTherapie

palliative Chemotherapie

Chirurgische Verfahren Folgende chirurgische Verfahren werden angewandt (siehe Tab. 8.68): • lokale Exzisionen im Gesunden, – wobei die lokale radikale Exzision mit einem histologisch tumorfreien (inklusiv gleichzeitiger VIN) Resektionsrand ≥ 3 mm angestrebt werden soll,

172

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



als Technik wird verwendet Skalpell oder Laserevaporisation mittels CO2-Laser, ▪ Entfernung der Epidermis ohne Abtragung des darunteliegenden Fettgewebes und der Muskulatur (Skinning-Vulvektomie) bei großflächigen oder multiplen Veränderungen; Vulvektomie, je nach Stadium und Allgemeinzustand der Patientin – partielle Vulvektomie (radikale lokale Exzision des Tumors allseitig im Gesunden), – Hemi-Vulvektomie, – radikale Vulvektomie (nur falls auf Grund des Tumorwachstums zwingend notwendig) ▪ Entfernung der großen und kleinen Labien, der Klitoris und der hinteren Kommissur, ▪ tumorfreier Rand mindestens 10 mm; Lymphadenektomie – gesondert mit separatem Schnitt von der Vulvektomie durchzuführen, – der Wächter-(Sentinel-)Lymphknoten (Methode siehe Kap. 8.2.1.3), falls ▪ ein unifokaler Primär-Tumor, ≤ 4 cm und im Stadium T1 und T2 vorliegt, ▪ die inguinalen Lymphknoten klinisch unverdächtig (cN0) sind, ▪ die Doppelmarkierungs-Technik verwendet werden kann und ▪ die histologische Prüfung nach HE-Färbung und immunhistochemischen Keratin-Nachweis mit spezifischem Antikörper erfolgt – der inguinalen und inguinal-femoralen Lymphknoten (systematische Lymphadenektomie) ▪ falls Primärtumor eine Infiltrationstiefe hat von > 1 mm (Stadium T1b); (bei Infiltrationstiefen von > 1 ≤ 3 mm sind in ~ 8 %, bei > 3 ≤ 5 mm in ~ 27 % und bei > 5 mm in 34 % der Fälle Metastasen in inguinalen Lymphknoten zu finden) ▪ wobei oberflächliche (inguinale) und tiefe (femorale) Lymphknoten (≥ 6 Lymphknoten/Seite) exzidiert werden, ▪ auf die Exzision der kontralateralen Lymphknoten kann verzichtet werden bei einem lateralen Vulvakarzinom mit > 1 cm Abstand zur Mittellinie und einem Durchmesser von ≤ 2 cm, ▪ welche eine hohe Komplikationsrate nach sich zieht (Wundheilungsstörungen 14–44 %, Lymphozelen 13–40 %, behandlungsbedürftige Lymphödeme 20– 35 %) – der pelvinen Lymphknoten; hier sind Metastasen zu finden ▪ bei etwa 10 % aller Vulvakarzinome und in 28 % folgender Fälle ▪ bei bereits ≥ 2 tumorbefallenen inguinalen Lymphknoten/Seite; ▪ bei Kapseldurchbruch in einem inguinalen Lymphknoten oder ▪ bei einer inguinalen Lymphknoten-Metastase > 5 mm; ▪ wobei die Adenektomie extraperitoneal und ipsilateral, laparoskopisch oder per Laparotomie durchgeführt wird Ausräumung des Beckens (Exenteratio pelvis). ▪







8.3 Bösartige Neubildungen der weiblichen Genitalorgane (ICD10: C51–C58)

173

Radiotherapie Empfohlen wird die Intensitäts-modulierte Strahlentherapietechnik als • postoperative (adjuvante) perkutane Radiotherapie, – bei Tumorresektionen mit R1/R2 Status oder falls die Resektionsgrenze zum gesunden Gewebe ≤ 3 mm beträgt, – bei folgendem Befund der inguinalen Lymphknoten ▪ ≥ 2 Lymphknoten mit Metastasen, ▪ ≥ 1 Lymphknoten mit Metastase ≥ 5 mm oder ▪ ≥ 1 Lymphknoten mit extrakapsulärem Wachstum der Metastase (FIGO IIIC) oder ▪ ≥ 1 Lymphknoten, verwachsen mit dem Bindegewebe oder ulzerierend (FIGO IV Aii) – bei einem pelvinen Lymphknoten mit Metastase (pN+) – mit einer Dosis von 1,8 Gray als Einzeldosis, 5 ×/Woche und ▪ gesamt 60–70 Gy im Bereich des Primärtumors, ▪ gesamt 50–56 Gy im Bereich der inguinalen-femoralen Lymphknoten bzw. der Lymphabflusswege • primäre alleinige perkutane Radiotherapie: – mit palliative Zielsetzung bei inoperablen Patienten, • primäre perkutane Radio-Chemo-Therapie: – bei Inoperabilität und/oder zum bestmöglichen Organerhalt, – in Kombination mit einer Chemotherapie ▪ 5-FU alleine (750 mg/m2, Tag 1–4, 29–32, 50–53) ▪ 5-FU in Kombination mit Cisplatin (40 mg/m2, Tag 2, 30, 51), oder Mitomycin C (10–20 mg/m2 ), – sie kann in der Mehrzahl der Fälle bei lokal fortgeschrittenen Tumoren zu einer Tumorregression führen und – sie ermöglicht als neoadjuvante (präoperative) Therapie einen subradikalen operativen Eingriff; Chemotherapie Erfahrungen liegen in Form der Radiochemotherapie (s. o.) vor mit: • 5-Fluorouracil (750 mg/m2, Tag 1–4, 29–32, 50–53), • Cisplatin (40 mg/m2, Tag 2, 30, 51), • Mitomycin C (10–20 mg/m2 ) Die alleinige primäre Chemotherapie • ist indiziert mit palliativer Zielsetzung in fortgeschrittenen Stadien (FIGO II-IV), • platinhaltige Kombinationen können eine Ansprechrate von ≤ 80 % haben und zu einer CR ≤ 45 % führen Rezidive sollten primär chirurgisch entfernt werden. Falls nur eine R1- Resektion möglich oder das Rezidiv auf Grund seiner Lage nicht operativ zugänglich ist, sollte eine RadioChemotherapie, eine perkutane Radiotherapie oder eine Chemotherapie erwogen werden.

174

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.68: Therapeutisches Verfahren für das Vulvakarzinom in Bezug zum TNM-Status.

FIGOStadium

TNM-Klassifikation

Vulva intraepitheliale Neoplasien

0

Chirurgie

Radiotherapie

Chemotherapie

Prognose (5-JahresÜberleben)

VIN-I

VIN-II lokale Exzision im Gesunden

~ 100 %

VIN III Tis I

T1

N0

IA

T1a

IB

T1b

M0 radikale lokale Vulvektomie (≥ 3 mm Sicherheitsabstand)

II

T2

N0

M0

III

T3

N0

M0

IV IVA

IVB

T1–3

N1

M0

T4

jedes N

M0/ M1

jedes N

M0

T1–3

N2

M0

jedes T

jedes N

M1

T4

radikale lokale Vulvektomie und bilaterale Exzision der inguinalen und femoralen Lymphknoten

adjuvant perkutan (60–70 Gray für Primärtumor), falls nicht ausreichend im Gesunden reseziert wurde (Abstand zum Tumor ≤ 3 mm)

~ 80–90 %

~ 50–80 %

~ 40–80 % zusätzlich: adjuvant Resektion perkutan für die tumorbefallener regionären Teile von LymphabflussgeVagina, Ureter, biete (50–56 Gray Anus für regionale Lymphknoten

~ 40–60 %

von Fall zu Fall zusätzlich: totale oder partielle Ausräumung des Beckens

~ 10–30 %

neoadjuvant in in KombiKombination mit nation mit Chemotherapie Radiotherapie oder primär (5-FU, alleine bei pallia- Cisplatin oder tiver Zielsetzung Mitomycin C)

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

175

Weiterführende Literatur Cancer Research UK http://info.cancerresearchuk.org/cancerstats/types/vulva/ Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) http://www.dimdi.de/static/ de/index.html Emons G, Kaufmann M, Beckmann MW, Hantschmann P, DKG: Interdisziplinäre S2k-Leitlinie für die Diagnostik und Therapie des Vulvakarzinoms und seiner Vorstufen, 06/2008, http:// www.krebsgesellschaft.de/download/leitlinie_vulva_2010.pdf Hampl M, Schnürch HG, et al.; Diagnosis, Therapy, and Follow-Up Care of Vulvar Cancer and its Precursors. National Guideline of the German Society of Gynecology and Obstetrics (S2k-Level, AWMF Registry No. 015/059, August 2015). http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-059.htm Klassifikation der Differenzierung; http://www.uicc.org/tnm. National Cancer Institute (USA) Vulvar Cancer Treatment http://www.cancer.gov/cancertopics/pdq/ treatment/vulvar/HealthProfessional Preiß J, Dornoff W, Hagmann FG, Schmieder A, Onkologie 2011, http://www.onkologie2011.de/index.htm Robert Koch Institute, https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Krebsregisterdaten/krebs_ node.html WHO-International Agency for Research on Cancer Globocan Cancer incidence and mortality worldwide in 2008, http://globocan.iarc.fr/

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63) 8.4.1 Hoden Vorkommen Hodentumore (Keimzelltumore) sind zwar mit 1,0–1,5 % der malignen Tumoren des Mannes eine relativ seltene Tumorerkrankung, jedoch mit ca. 25 %-igem Anteil der häufigste maligne Tumor bei Männern im Alter zwischen 20–44 Jahren. Hodentumoren besitzen einige Eigentümlichkeiten: • Es bestehen erhebliche geografische Unterschiede in der Anzahl der Neuerkrankungen. In den industrialisierten Ländern ist die höchste Neuerkrankungsrate zu verzeichnen, wobei Deutschland, Schweiz, Dänemark und Norwegen an der Spitze stehen. So liegt die Anzahl der Neuerkrankungen (N) und der Todesfälle (T) pro 100.000 Männer bei – weltweit:  1,5 N 0,3 T – Europa  4,2 N 0,4 T ▪ Schweden  6,1 N 0.2 T ▪ Deutschland  8,5 N 0,3 T ▪ Schweiz  9,0 N 0,4 T ▪ Dänemark 10,3 N 0,4 T ▪ Norwegen 12,1 N 0,2 T – Nordamerika  5,1 N 0,2 T – Mittelamerika  3,7 N 0,7 T – Südamerika  2,4 N 0,4 T – Afrika  0,4 N 0,3 T – Asien  0,7 N 0,3 T

176 •





8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

sie tritt am häufigsten bei jungen Männern auf – etwa 50 % der Fälle kommen bei Männern unter 35 Jahre vor und – über 90 % der Fälle bei Männern unter 55 Jahre, die Anzahl der Neuerkrankungen hat in den letzten Jahren zugenommen – besonders in den USA, in Kanada, Europa, im Besonderen in Nord- und Mitteleuropa und in Australien, – mit durchschnittlich 1–6 % pro Jahr, ▪ besonders bei der kaukasischen Bevölkerung, ▪ aber auch bei den schwarzen Amerikanern, sie sind zu mehr als 90 % heilbar.

Für Deutschland liegen aktuell (2016) folgende Zahlen für maligne Hodentumore vor • Neuerkrankungen: 4120; – standardisierte Rate: 10,1/100.000 Männer; – Durchschnittsalter der Erkrankung 37 Jahre; • Mortalität: 140 – Standardisierte Rate 0,3/100.000 Männer; – Durchschnittsalter der Mortalität 56 Jahre • Prävalenz: 5 Jahre: 20.600; 10 Jahre: 40.200 • Überlebensrate: 97 %

Risikofaktoren Für den erheblichen Anstieg in der Häufigkeit von Hodentumoren konnte bislang noch keine eindeutige Ursache ausfindig gemacht werden. Als Risikofaktoren gelten: • genetische Faktoren – Hodentumoren bei einem Bruder erhöhen das Risiko um den Faktor 5, bei Zwillingen um den Faktor 8–9, – Hodentumor bei dem Vater erhöht das Risiko für den Sohn um den Faktor 4–5, – mangelnde Spermaqualität des Bruders erhöht das Risiko, an einem Hodentumor zu erkranken, – Weiße besitzen ein höheres Risiko als Asiaten oder Afrikaner; – der Karyotyp 47,XXY (Klinefelter-Syndrom), bei welchem vermehrt extragonadale Keimzelltumoren im vorderen Mediastinum im Alter zwischen ~ 4 und ~ 30 Jahren auftreten können, • Einflüsse während der Ontogenese – es wird angenommen, dass die Entwicklung zum Hodentumor wahrscheinlich innerhalb des ersten Trimesters der Schwangerschaft ausgelöst wird durch ▪ maternale Risikofaktoren, im Besonderen (die Datenlage ist jedoch nicht einheitlich): ▪ erhöhte Spiegel an Östrogenen; diese beeinflussen eine Reihe von Fehlentwicklungen des Fetus, wie z. B. Kryptorchismus, Abnormalitäten der Harnröhre, schlechte Samenqualität und damit möglicherweise auch Hodentumoren,

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

eine erste Schwangerschaft, Zwillingsschwangerschaft, erhebliches Schwangerschaftserbrechen, welche assoziiert zu sein scheinen mit erhöhter Östrogen-Exposition des Fetus, ▪ Tabakkonsum; – als fetale Risikofaktoren gelten ▪ zu geringes Gewicht oder zu großes Gewicht (mehr als 4 Kilo Geburtsgewicht), Größenentwicklung – Männer mit einer Körperlänge > 195 cm haben ein etwa 3fach höheres Risiko; Fehlentwicklungen und Fehlbildungen – Kryptorchismus, im Besonderen, wenn der Hodenabstieg nicht noch innerhalb von drei Monaten nach der Geburt erfolgt, ▪ etwa 5–10 % der Patienten mit Hodenkarzinom haben Probleme mit dem Hodenabstieg gehabt, – inguinale Hernie erhöht das Risiko um ca. 60 %, – Hypospadie erhöht das Risiko um etwa 90 %, – Unfruchtbarkeit/Azoospermie Präkanzerosen und Karzinome – ein Carcinoma in situ (GCNIS/Germ Cell Neoplasia In Situ) im Hoden führt innerhalb von etwa 5 Jahren zu fast 100 % zu einem Hodenkarzinom, – ein vorangegangener Keimzelltumor ▪ in einem Hoden erhöht das Risiko des zweiten Hodens um den Faktor 12, ▪ außerhalb des Hodens (extragonadal) erhöht das Risiko um den Faktor 60, Infektionen – HIV-Infektionen erhöhen das Risiko eines Hodenkarzinoms. ▪

• •





177

Entwicklungsstadien und Klassifikationen Die Entwicklungsstadien des Hodenkarzinoms werden eingestuft gemäß der • TNM-Klassifikation (siehe Tab. 8.69), • den histologischen Charakteristika (siehe Tab. 8.70), • den Tumormarkern im Blutserum (siehe Tab. 8.70 und Tab. 8.71). Tab. 8.69: Entwicklungsstadien und Klassifikation der Hodentumoren. TNMKlassifikation

Hoden

Tx

Beurteilung des Tumors nicht möglich

T0

kein Hinweis auf einen Tumor

pTis (testikuläre intratubuläre Neoplasie/ TIN)

Karzinomzellen intratubulär; Basalmembran nicht durchbrochen

Andere Gewebe und Organe

178

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

TNMKlassifikation

Hoden

pT1

N0

M0

pT2

jedes N

M0

Befall des Peritonealblattes (Tunica vaginalis) oder Invasion in Blutgefäße und/oder Lymphgefäße Infiltration des Samenstranges +/– Invasion in Blutgefäße und/oder Lymphgefäße

pT3

jedes N

pT4

jedes N

Infiltration des Hodensacks (Skrotums) +/– Invasion in Blutgefäße und/oder Lymphgefäße

Nx

regionale Lymphknoten können nicht beurteilt werden

pN0

keine Metastasen in regionalen Lymphknoten

pN1

M0

Befall von Hoden und Nebenhoden +/– der Bindegewebskapsel (Tunica albuginea)

Andere Gewebe und Organe

jedes M

Metastasen in ≤ 5 Lymphknoten, alle Lymphknoten-Metastasen ≤ 2 cm, keine > 2 cm

pN2

Lymphknoten-Metastasen > 2 cm aber nicht > 5 cm, oder Metastasen in > 5 Lymphknoten, davon keine > 5 cm, oder Kapseldurchbruch bei einem Lymphknoten

pN3

Lymphknoten-Metastase > 5 cm M0

keine Fernmetastase

M1

Fernmetastase in

M1a

– entfernten Lymphknoten oder in der Lunge

M1b

– in anderen Organen als in M1a

Histologische Klassifikation Maligne Hodentumoren zeigen eine breite Vielfalt von histologischen Unterschieden (siehe Tab. 8.70): • ca. 80–85 % sind Keimzelltumoren (GCT/Germ Cell Tumors) – ca. 50 % weisen einen einzigen histologischen Typ auf, ▪ wobei hiervon ca. 50 % reine Seminome darstellen; – ca. ≥ 50 % der Tumoren stellen Mischtumoren (NSGCT/nonseminomatous germ cell tumors) mit mehreren histologische Typen dar, wobei zu unterscheiden sind ▪ Mischtumoren, welche histologisch zwar einheitlich Seminome darstellen, aber den Tumormarker AFP/Alpha-Feto-Protein, wird nicht von Seminomen gebildet) in das Blut abgeben,

179

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

histologisch erkennbare Mischtumoren, welche Seminome enthalten, histologisch erkennbare Mischtumoren ohne Seminome, ▪ Polyembryoma-Tumoren, ca. 15 % sind – gonodale Stromatumoren oder – Mischtumoren aus gonodalen Stromatumoren und Keimzellentumoren, ca. 5 % sind Lymphome und andere somatische Tumoren. Es wird angenommen, dass Keimzelltumore sich entwickeln aus einer nicht invasiven, intratubulären Neoplasie genannt – CIS/Carcinoma In Situ des Hodens, – IGCNU/Intratubular Germ Cell Neoplasia Unclassified, – TIN/Testikuläre Intraepitheliale Neoplasie, wobei an der Transformation zu einem invasiven Tumor die Geschlechtshormone während oder nach der Pubertät beteiligt sind. ▪ ▪



• •



Tab. 8.70: Histologische Klassifikation der Hodentumoren.

Prozentualer Anteil Keimzelltumoren

Altersgipfel (Jahre)

Tumormarker AFP

PLAP

βHCG

CK

Therapie Prognose

80–85 %

Vorläufer-Tumoren („Carcinoma in situ“) testikuläre intratubuläre KeimzellenNeoplasie (TIN) gut

– nicht klassifiziert – spezifische Typen maligne Tumoren nur eines histologischen Typs Seminome (Germinome; germinomatous or seminomatous germ cell tumors; GGCT, SGCT)

~ 40 %

30–45



+

±



gut

gut – mittel

– klassischer Typ 85 % – mitosereicher Typ – synzytioblastischer Riesenzell-Typ – spermatozystischer Typ Nicht-Semiome

1% 7–10 %

> 60

40–45 %

embryonales Karzinom

30 %

15–35

+

+

Dottersack-Tumor

5%

< 10

+

+

Chorionkarzinom

10.000 ng/ml

β-HCG

AFP

Die Kombination der TNM-Klassifikation mit der S-Klassifikation gemäß der AJCC/American Joint Committee on Cancer ergibt weitergehende Aussagen zur Prognose (siehe Tab. 8.72). Tab. 8.72: Klassifikation von Hodentumoren.

AJCC Stadium

TNM Klassifikation

S Serum marker

Prognose Seminome 5-Jahres-Ü (Anteil)

0 I

IA IB

pTis

N0

M0

S0

pT1

N0

M0

S0

pT2–4

N0

M0

S0

~ 80–90 % (~ 90 %)

Parameter

Nicht-Seminome Parameter

Anstieg von T korreliert mit Risiko von versteckten Metastasen und Rezidiven

5-Jahres-Ü (Anteil)

~ 90–95 % (~ 60 %)

183

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

AJCC Stadium

TNM Klassifikation

S Serum marker

Prognose Seminome 5-Jahres-Ü (Anteil)

II

III

Nicht-Seminome

Parameter

Parameter

erhöhtes β-HCG weist auf Metastasen hin

falls nach Orchiektomie noch S1–3, Verdacht auf Metastasen/ Therapie wie Stadium III

IS

jedes pT

N0

M0

S1–3

IIA

jedes pT

N1

M0

S0

IIB

jedes pT

N2

M0

S0–1

IIC

jedes pT

N3

M0

S0–1

Lymphknoten-Metastase > 5 cm

IIIA

jedes pT

jedes N

S0–1

Metastasen sind begrenzt auf Lymphknoten und Lunge und die Serum-Tumormarker sind nur gering erhöht

IIIB

IIIC

jedes pT

jedes pT

M1a

~ 70 % (~ 10 %)

Metastasen in ≤ 5 Lymphknoten, alle Lymphknoten-Metastasen ≤ 2 cm, keine > 2 cm ~ 80–85 % (~ 20 %) mindestens eine Lymphknoten-Metastase > 2 cm

N1–3

M0

S2

erhöhtes β-HCG weist auf Metastasen hin

jedes N

M1a

S2

Metastasen in entfernten Lymphknoten oder in der Lunge

erhöhte Tumormarker weisen auf Metastasen hin

N1–3

M0

S3

erhöhtes β-HCG weist auf Metastasen hin

jedes N

M1a

S3

Metastasen in entfernten Lymphknoten oder in der Lunge

jedes N

M1b jedes S

5-Jahres-Ü (Anteil)

viszerale Metastasen

erhöhte Tumormarker weisen auf Metastasen hin

~ 70 % (~ 10 %)

184

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Die Metastasierung erfolgt: • vorwiegend lymphogen über die para-aortalen und paracavalen Lymphknoten bei – Seminomen ▪ Metastasen in supradiaphragmalen, pulmonalen und iliakalen Lymphknoten, • lymphogen und hämatogen bei – embryonalen Karzinomen, Dottersack-Tumoren, Teratome, gonodalen somatischen Tumoren, • vorwiegend hämatogen – Chorion-Karzinom.

Klinische Symptome • Schwellung eines Hodens oder beider Hoden – in etwa 2 % der Fälle kann bei einer Tumorerkrankung eines Hodens der kontralaterale Hoden gleichermaßen erkrankt sein oder später (innerhalb von 15 Jahren nach Erstdiagnose) erkranken, • Schmerzen im Hoden – Hodentumoren entwickeln sich meist schmerzlos, – nur bei etwa 10 % der Patienten treten Schmerzen auf.

Diagnostik Klinische Untersuchung: • Inspektion und bimanuelle Palpation beider Hoden, • Bestimmung der Serum-Tumormarker – bei Verdacht/präoperativ ▪ mindestens β-HCG, AFP, LDH (siehe Tab. 8.71), ▪ ggf. auch PLAP, CK und/oder NSE (siehe Tab. 8.70), – postoperativ alle 5–7 Tage bis zum Erreichen des Normalwertes • Palpation der inguinalen und supraklavikulären Lymphknoten, • bildgebende Verfahren – Sonografie beider Hoden, des Beckens und Abdomens, – CT (Computer-Tomografie, möglichst mit Kontrastmittel) des Beckens, Abdomens und des Schädels zur Prüfung des Vorhandenseins/Ausschlusses von ▪ Metastasen in abdominalen, retroperitonealen (para-aortalen, paracavalen) und supraklavikulären Lymphknoten, ▪ Metastasen im Mediastinum oder in abdominalen Organen, ▪ Metastasen im Gehirn, – Röntgen/Thorax-CT zur Prüfung des Vorhandenseins/Ausschluss von ▪ Lungenmetastasen, – MRT von Becken, Abdomen und ggf. Gehirn ▪ an Stelle des CT, falls Allergie gegen Kontrastmittel/Jod vorliegt – ggf. Knochen-Szintigrafie,

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

185



FDG-PET/CT in Sonderfällen, z. B. bei Seminompatienten nach Primärtherapie und Residualtumor > 3 cm ▪ ≥ 6 Wochen nach Chemotherapie Biopsie und histologische Untersuchung – beim Hoden ▪ möglichst nicht des erkrankten Hodens wegen der Gefahr der lokalen Tumorzellverschleppung, ▪ ggf. des kontrallateralen Hoden zur Untersuchung auf TIN (testikuläre intratubuläre Neoplasie) – aus raumgreifenden tumorverdächtigen Bezirken, z. B. im Becken und Abdomen. ▪



Chirurgische Exploration • hohe inguinale Freilegung des erkrankten Hodens, – ggf. organerhaltene Exzision und histologische Untersuchung des Tumors – ggf. Orchiektomie des erkrankten Hodens (Orchiektomie), falls der kontralaterale Hoden gesund ist, – ggf. Exzision der retroperitonealen Lymphknoten (RPLND/Retro-Peritoneal Lymph Node Dissection) ▪ im Regelfall nicht indiziert bei präpubertalen Jungen; hier reicht die Bestimmung der Serum-Tumormarker (im Besonderen AFP) nach der Orchiektomie – keine Exzision des kontralateralen Hodens, falls dieser gesund ist, • bei Verdacht auf Tumor im kontralateralem Hoden – organerhaltene Tumorexzision, ggf. (bei Malignität) mit nachfolgender adjuvanter Bestrahlung des Hodens (18.20 Gy) im Falle von ▪ bilateralen Keimzelltumoren, ▪ GCNIS (Germ Cell Neoplasia In Situ) ▪ Strumatumore, benigne Tumore (Epidermoidzyste, monodermales Teratom), – Tumorbiopsie bei ▪ Mikrolithiasis (entdeckt durch Sonografie) mit Risikofaktoren (Infertilität, vorangegangenes Karzinom, Verwandter ersten Grades mit Hodentumor, anamnestischer Maldescensus, Hodenatrophie mit Volumen < 12 ml) – keine Biopsie bei Mikrolithiasis ohne Risikofaktoren Als Grundlage für die Wahl der Therapie sollte vorliegen • die makroskopischen Merkmale wie – Größe des Hodens, Beschaffenheit des Nebenhodens, Samenstrangs und der Tunica vaginalis – Größe des Tumors (in 3 Dimensionen) • die mikroskopischen Merkmale des Tumors und seiner Umgebung wie – histologischer Typ des Tumors, ggf. mit prozentualem Anteil von spezifischen Komponenten, – GCNIS/Germ cell neoplasia in situ (Vorkommen, Umfang und Verteilung) im nichttumorösen Hoden-Parenchym,

186

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren





Tumor-Invasionen in ▪ peri-tumorale Venen und Lymphgefäße, ▪ Tunica alba, Tunica vaginalis, Rete testis, Weichgewebe des Hilus, ▪ Nebenhoden und Samenstrang, Tumorstadium gemäß TNM-Klassifikation.

Prognosefaktoren Die Prognose maligner Hodentumoren wird durch folgende Faktoren bestimmt: • die histologische Charakterisierung – Seminome im Vergleich zu Nicht-Seminomen/Mischtumoren, • Tumorausdehnung – Beschränkung auf den Hoden, – Befall der regionären retroperitonealen Lymphknoten ▪ Größe der Lymphknoten-Metastasen, ▪ Durchbruch der Lymphknotenkapsel, – Befall entfernter Organe ▪ Lymphknoten (regional, entfernt, Größe der Lymphknoten), ▪ Lunge, ▪ andere Organe (Knochen, Leber, Gehirn), • besonders bei Nicht-Seminomen/Mischtumoren zusätzlich – Ausmaß der Erhöhung der Tumormarker (AFP, β-HCG, LDH), – Ort des Primärtumors ▪ Hoden, ▪ extratestikulär z. B. im Mediastinum. Die krebsspezifische Überlebenswahrscheinlichkeit für Patienten mit einem Keimzelltumor liegt derzeit • über alle Stadien (I–IV) hinweg (5-Jahreszeitraum) – für seminomatösen Karzinomen bei 97,9 %, – für nicht-seminomatösen Karzinomen bei 95,9 %, • beim Stadium I für alle Keimzelltumore (10 Jahreszeitraum) bei 99,7 %, • beim metastasierten Keimzelltumor (5 Jahreszeitraum) – mit guter Prognose im Bereich von 86 % − 95 %, – mit mittelguter Prognose zwischen 72 % − 85 %, – mit schlechter Prognose im Bereich von 48 %-64; • für das Auftreten von Rezidiven gelten als belegte Risikofaktoren im Stadium I – bei nichtseminomatösen Karzinomen die Tumorinvasion in Lymphgefäße (LVI+) – bei seminomatösen Karzinomen ▪ die Größe (> 4 cm) des Primärtumors +/− Tumorinfiltration in das Stroma des Rete testis, bei einer Größe von < 4 cm und fehlender Rete testis-Infiltration liegt das Rezidivrisiko bei < 5 %.

187

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

Therapeutische Strategien Die Therapiestrategie von intraepithelialen Neoplasien (GCNIS/Germ Cell Neoplasia In Situ) des Hodens ist abhängig von der Frage (siehe Tab. 8.73), • ob diese in beiden Hoden oder in nur einem Hoden zu finden sind und • ob die Fertilität erhalten werden kann. Als Therapieverfahren stehen zur Verfügung • die lokale Radiotherapie • aber auch die zumindest einseitige Orchiektomie. Tab. 8.73: Strategie der Therapie von GCNIS/Germ Cell Neoplasia in Situ (in Anlehnung an Kliesch et al. 2019). GCNIS/Germ Cell Neoplasia in Situ





einseitig

beidseitig











entweder

oder

entweder

oder

oder

lokale Radiotherapie 18–20 Gy

abwarten (Sonografie)

lokale Radiotherapie (18–20 Gy)

Chemotherapie Cisplatin 3–4 Zyklen

Ablatio testis beiderseits

▾ Heilung > 95 %

▾ ~ 50 % invasiver KZT

▾ ggf.

▾ ▾ Heilung > 95 % (Unfruchtbarkeit)

~ 60–70 % Regression

Ablatio testis





lokale Radiotherapie (Unfruchtbarkeit)

oder lokale Radiotherapie







vor Therapie ggf. Kryokonservierung von Spermien

Die Therapeutische Strategie der primären malignen Keimzelltumore ist zwischen Seminomen und Nicht-Seminomen unterschiedlich (siehe Tab. 8.74) Ausgangspunkt ist die radikale Orchiektomie, welcher je nach Tumorstadium und Risikofaktor folgt • eine engmaschige Kontrolle mit bildgebenden Verfahren und Tumormarkerbestimmungen, • eine peritoneale Lymphadenektomie • eine adjuvante Chemotherapie und/oder Radiotherapie, jeweils mit unterschiedlichen Intensitätsstufen.

188

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.74: Strategie der Therapie der primären malignen Keimzelltumore (in Anlehnung an Kliesch et al. 2019). Stadium I (cSI)

Stadium II–III

radikale Orchiektomie

radikale Orchiektomie









Seminom

Nicht-Seminom

Seminom

Nicht-Seminom









Stadium IIA

Tumorgröße

lymphovaskuläre Infiltration

Stadium IIA/B Tumormarker ( )

< 4 cm; keine Infiltration in Rete testis

▾ ggf.

> 4 cm; Infiltration in Rete testis

▾ Empfehlung

adjuvante Chemotherapie (Carboplatin AUC 7, 1–2 Zyklen)

▾ oder

▾ zusätzlich

adjuvante Radiotherapie Para-aortalregion (20 Gy)



nein

ja

perkutane Radiotherapie 30 Gy









oder

oder/ggf.

Chemotherapie BEP 3 Zyklen oder EP 4 Zyklen

retroperitoneale Lymphadenektomie

Überwachung (Tumormarker)

▾ ggf.

HochRisiko ?



adjuvante Chemotherapie (BEP, 1 Zyklus)



▾ Stadium IIB

Chemotherapie BEP 3 Zyklen oder EP 4 Zyklen

ggf. retroperitoneale Lymphadenektomie

Überwachung (Tumormarker)

▾ Tumormarker ( ) pN+



▾ Überwachung

▾ oder/ggf. Chemotherapie EP 2 Zyklen





oder

Stadium > IIB

perkutane Radiotherapie 36 Gy

Chemotherapie BEP 3 Zyklen oder 4 Zyklen EP oder 4 Zyklen PEI

Chirurgische Verfahren • organerhaltende Teilresektion des Hodentumors, falls – Verdacht auf benignen Tumor, – Tumorvolumen unter 30 % des Hodenvolumens, – synchroner bilateraler testikulärer Tumor, – normales Serum-Testosteron und

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

189

metachroner kontralateraler Tumor oder Tumor im Solitärhoden radikale inguinale Orchiektomie (Ablatio Testis) – primär bei ▪ allen malignen Hodentumoren und ▪ geringer Tumorlast – sekundär (nach einer präoperativen Chemotherapie und ggf. Radiotherapie) bei hoher Tumorlast ▪ ▪



Radiotherapie • Seminome sind äußerst strahlensensibel • perkutane Teletherapie erfolgt – primär zur Behandlung der testikulären intratubulären Neoplasie ▪ 20 Gray, Zielgebiet: Hoden – adjuvant zur postoperativen Behandlung von malignen Seminomen ▪ 20–36 Gray, Zielgebiet: retroperitoneale/para-aortale/ileakale Lymphknoten – primär und präoperativ bei hoher Tumorlast Chemotherapie • die adjuvante postoperative Chemotherapie – stellt bei Seminomen eine Alternative zur adjuvanten Radiotherapie dar, – ist auch bei Nicht-Seminomen hoch wirksam, • die primäre präoperative (neoadjuvante) Chemotherapie ist indiziert bei hoher Tumorlast; • zur Anwendung kommen vorwiegend folgende Substanzen und Kombinationen: – Carboplatin ▪ entsprechend AUC 7, 1–2 Zyklen – BEP/PEB-Schema ▪ Bleomycin (30 mg, Tag 1, 8, 15) + Etoposid (100 mg/m2, Tag 1–5) + Cisplatin (20 mg/m2, Tag 1–5) ▪ Wiederholung Tag 22 (zwei Zyklen) – EP/PE-Schema ▪ Etoposid (100 mg/m2, Tag 1–5) + Cisplatin (20 mg/m2, Tag 1–5) ▪ Wiederholung Tag 22 (zwei Zyklen) und 44 (drei Zyklen) – PEI-Schema ▪ Cisplatin (20 mg/m2, Tag 1–5) + Etoposid (100 mg/m2, Tag 1–5) + Ifosfamid (1.200 mg/m2; Tag 1–5) ▪ und G-CSF (wegen der Hämatotoxizität) ▪ Wiederholung Tag 22 (zwei Zyklen) • Für die Behandlung von Rezidiven ggf. – TIP-Schema ▪ Paclitaxel (175 mg/m2, Tag 1) + Ifosfamid (1.200 mg/m2, Tag 2–6) + Cisplatin (20 mg/m2, Tag 2–6) + ggf. G-CSF (wegen der Hämatotoxizität) ▪ Wiederholung Tag 22 (zwei Zyklen)

190

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



VIP-Schema ▪ Vinblastin (0,11 mg/kgKGW, Tag 1 und 2) + Ifosfamid (1.200 mg/m2; Tag 1–5) + Cisplatin (20 mg/m2, Tag 1–5) + ggf. G-CSF (wegen der Hämatotoxizität) ▪ Wiederholung Tag 22 (zwei Zyklen)

Therapiestrategien in Abhängigkeit von der Klassifikation/Entwicklungsstadium (siehe Tab. 8.72) Seminome Stadium I: • Optionen – radikale inguinale Orchiektomie und regelmäßige Kontrolle der Serum-Tumormarker und regelmäßige CT Abdomen und Becken und Lunge, – radikale inguinale Orchiektomie und adjuvant Carboplatin (AUC 7; 1–2 Zyklen), – radikale inguinale Orchiektomie und perkutane Radiotherapie, 20–26 Gray, retroperitoneale (ileakeale und para-aortale Lymphknoten), Stadium II: • Optionen – radikale inguinale Orchiektomie und perkutane Radiotherapie, 30–36 Gray, retroperitoneale (ileakeale und para-aortale Lymphknoten), – radikale inguinale Orchiektomie und adjuvante Chemotherapie (BEP, 3 Zyklen oder EP, 4 Zyklen), – radikale inguinale Orchiektomie und Exzision der retroperitonealen Lymphknoten (RPLND/Retroperitoneal-Lymph-Node-Dissection (im Falle von Kontraindikationen für Radiotherapie oder Chemotherapie), Stadium III: • Option – Radikale inguinale Orchiektomie und adjuvante Chemotherapie (BEP, 3 Zyklen oder EP, 4 Zyklen) und adjuvante Resektion der verbliebenen Tumormasse. Nicht-Seminome Stadium I: • Optionen – radikale inguinale Orchiektomie und regelmäßige Kontrolle der Serum-Tumormarker und regelmäßige CT Abdomen und Becken und Lunge, – radikale inguinale Orchiektomie und Exzision der retroperitonealen Lymphknoten (RPLND/Retroperitoneal-Lymph-Node-Dissection), – radikale inguinale Orchiektomie und Chemotherapie (BEP-Schema, 2 Zyklen) Stadium II: • Optionen – radikale inguinale Orchiektomie und perkutane Radiotherapie (kumulativ 30 Gy),

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)







191

radikale inguinale Orchiektomie und Exzision der retroperitonealen Lymphknoten (RPLND/Retroperitoneal-Lymph-Node-Dissection) und ▪ regelmäßige Kontrolle der Serum-Tumormarker und regelmäßige CT Abdomen und Becken und Lunge und/oder ▪ Chemotherapie (BEP-Schema, 2 Zyklen oder EP-Schema, 2 Zyklen), radikale inguinale Orchiektomie und adjuvante Chemotherapie (BEP-Schema, 2 Zyklen oder EP-Schema, 2 Zyklen) und adjuvante Resektion verbliebener Tumormasse, bei Stadium IIC (Metastasen) siehe nachfolgend

Stadium III: • Optionen – radikale inguinale Orchiektomie und adjuvante Chemotherapie (BEP, 3 Zyklen oder EP, 4 Zyklen) und adjuvante Resektion der verbliebenen Tumormasse. – bei Metastasen siehe nachfolgend Stadium IIC/III Metastasen • Diagnostischer Hinweis: erhöhte Marker nach Ablatio testis • bei Seminomen abhängig vom klinischem Befund und von der Vorbehandlung folgende Optionen: – Chemotherapie ▪ bei guter Prognose: BEP (3 Zyklen) oder bei Kontraindikation von Etoposid EP (4 Zyklen), ▪ bei mittelguter Prognose: BEP (4 Zyklen) oder bei Kontraindikation von Etoposid PEI-Schema (4 Zyklen) +/− G-CSF, ▪ ggf. nachfolgend perkutane Radiotherapie (kumulativ: 36 Gy) • bei Nichtseminomen je nach klinischem Befund und Vorbehandlung folgende Optionen – falls die Tumormarker nicht erhöht sind, ▪ engmaschige Kontrollen (Tumormarker-Bestimmung; bildgebende Verfahren wie Sonografie, CT und MRT) und/oder ▪ diagnostische RLA/Retroperitoneale Lymph-Adenektomie, – falls der Status pN1 und R0 vorliegt ▪ engmaschige Kontrolle und/oder ▪ Chemotherapie (z. B. zwei Zyklen EP (Etoposid + Cisplatin) + ggf. G-CSF; – falls der Status pN2 und R0 vorliegt ▪ engmaschige Kontrolle und/oder ▪ Chemotherapie (z. B. zwei Zyklen BEP (Bleomycin + Etoposid-Cisplatin) oder EP (Etoposid+Cisplatin) oder EPI (Etoposid + Cisplatin + Ifosfamid) – Chemotherapie ▪ bei guter Prognose: BEP (3 Zyklen) oder bei Kontraindikation von Etoposid EP (4 Zyklen), ▪ bei mittelguter Prognose: BEP (4 Zyklen) oder bei Kontraindikation von Etoposid PEI (4 Zyklen) +/− G-CSF,

192

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

bei schlechter Prognose: Hochdosis EP oder PEI oder TIP- oder VIP-Schema +/− G-CSF und/oder autologe Stammzelltransplantation, ▪ bei Knochenmetastasen: BEP oder PEI (jeweils 4 Zyklen), (Cisplatin wird bezüglich anti-tumoraler Wirksamkeit dem Carboplatin als überlegen angesehen) ▪ ggf. nachfolgend perkutane Radiotherapie (36 Gy), ▪ ggf. Immunstatus und Antibiotika – stereotaktische Radiotherapie bei Hirnmetastasen: bei akut lebensbedrohlichem Metastasenwachstum – primäre Chemotherapie (Wahl in Abhängigkeit von einer evtl. Vorbehandlung) zur Reduktion des Tumorvolumens, nachfolgend – Exzision der Tumoren, soweit operativ zugänglich ▪



Teratome • falls 100 % Tumoranteil (histologisch kein Mischtumor) • Optionen – radikale inguinale Orchiektomie – falls nachfolgend keine Markererhöhung ▪ retroperitoneale Lymphadenektomie – falls nachfolgend Markererhöhung ▪ Chemotherapie und/oder perkutane Radiotherapie Rezidive • Optionen – Chemotherapie (TIP-Schema oder VIP-Schema, s. o.), ▪ ggf. mit nachfolgender Gabe von G-CSF zur Behebung der Knochenmarktoxizität im Falle von Hochdosis-Chemotherapie Knochenmarktransplantatation

Tab. 8.75: Therapieverfahren für das Hodenkarzinom in Bezug zum TNM-Status.

AJCC Stadium

pTis/ GCNIS

0

I

TNM-Klassifikation

IA

pT1

S Serum Marker

Chirurgie

Radiotherapie

N0

M0

S0

20 Gray perkutan Hoden

N0

M0

S0

Seminome radikale inguinale Orchiektomie und intensive Nachsorge

Option 1: adjuvant, perkutan 20 Gray, para-aortale Lymphknoten

Chemotherapie

Heilung

~ 100 %

Option 2: adjuvant Carboplatin (AUC 7; 1–2 Zyklen)

~ 95 %

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

AJCC Stadium

IB

TNM-Klassifikation

pT2–4

S Serum Marker

N0

M0

S0

N0

M0

S1–3

Chirurgie

Radiotherapie

193

Chemotherapie

Heilung

Option 1: adjuvant Bleomycin + Etoposid + Cisplatin (PEB) 2 Zyklen oder Etoposid + Cisplatin (PEB) 3 Zyklen

~ 99 %

Nicht-Seminome

IS

radikale inguinale Orchiektomie und Option 3: intensive Nachsorge; Option 2: Exzision retroperitonealer Lymphknoten

jedes pT

N1

IIA

IIB

M0

S0–1

jedes pT

Option 1: adjuvant, perkutan 30–36 Gray, retroperitoneale Lymphknoten

M0

Rezidive: adjuvant Bleomycin + Etoposid + Cisplatin, 3 Zyklen

Nicht-Seminome

S0–1

95 % adjuvant Bleomycin + Etoposid + Cisplatin (BEP) 2 Zyklen oder PE: Cisplatin + Etoposid 4 Zyklen

radikale inguinale Orchiektomie und Exzision retroperitonealer Lymphknoten

jedes pT

90– 95 %

Seminome

radikale inguinale Orchiektomie und

N3

IIC

S0

jedes pT

N2

II

M0

65– 95 %

Seminome

radikale inguinale Orchiektomie

Option 2: adjuvant, perkutan 30–36 Gray, retroperitoneale Lymphknoten

Option 1: adjuvant: Bleomycin + Etoposid + Cisplatin, 3 Zyklen

194

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

AJCC Stadium

TNM-Klassifikation

S Serum Marker

Chirurgie

Radiotherapie

Chemotherapie

Heilung

Nicht-Seminome radikale inguinale Orchiektomie und Exzision retroperitonealer Lymphknoten und Resektion von Tumoren post Chemotherapie

jedes pT

jedes N

IIIA

IIIB

M0

S2

jedes N M1a

S2

jedes pT

jedes pT

M0

S3

jedes N M1a

S3

jedes N M1b

S0–3

94 %

Seminome prä- oder postoperativ: Bleomycin + Etoposid + Cisplatin, 3 Zyklen oder PE: Cisplatin + Etoposid 4 Zyklen

radikale inguinale Orchiektomie

N1–3

IIIC

S0–1

jedes pT

N1–3

III

M1a

adjuvant: PEB: Bleomycin + Etoposid + Cisplatin, 3 Zyklen oder PE: Cisplatin + Etoposid 4 Zyklen

86 %

Nicht-Seminome prä- oder postoperativ: Bleomycin + Etoposid + Cisplatin, 3 Zyklen oder PE: Cisplatin + Etoposid 4 Zyklen

radikale inguinale Orchiektomie und post Chemotherapie: Resektion restlicher Tumoren

83 %

Seminome radikale inguinale Orchiektomie und post Chemotherapie: Resektion restlicher Tumoren

prä- oder postoperativ: Bleomycin + Etoposid + Cisplatin, 3 Zyklen oder PE: Cisplatin + Etoposid 4 Zyklen

72 %

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

AJCC Stadium

TNM-Klassifikation

S Serum Marker

Chirurgie

Radiotherapie

Chemotherapie

195

Heilung

Nicht-Seminome

jedes pT

radikale inguinale Orchiektomie und post Chemotherapie: Resektion restlicher Tumoren

prä- oder postoperativ: Bleomycin + Etoposid + Cisplatin, 4 Zyklen oder Vinblastin + Ifosfamid+ Cisplatin

71 %

Nebenwirkungen Durch die therapeutischen Strategien beim Hodenkarzinom können zwar mehr als 90 % der Patienten geheilt werden, andererseits belastet die verwendete Radiotherapie und Chemotherapie die Patienten mit kurzfristig wie auch mittel- und langfristig auftretenden Nebenwirkungen. Hierzu zählen: • Beeinträchtigung der Fertilität – durch Streustrahlung (siehe Kap. 4.6.7) und durch Interaktionen der Zytostatika mit der DNA (siehe Kap. 4.6.2 und 7.4) kann eine Schädigung der Gene in den Spermien des verbliebenen gesunden Hodens nicht ausgeschlossen werden; – die retroperitoneale Lymphknotenresektion kann einen negativen Einfluss auf die Potenz haben; – andererseits ist die Verbesserung einer prätherapeutisch mangelhaften Spermienqualität (Oligospermie oder Spermienmissbildungen) durch die Chemotherapie möglich; • sekundäre Tumoren – Leukämien ▪ sekundäre, meist nichtlymphozytäre akute Leukämien können nach einer Chemotherapie – insbesondere mit Platin-Derivaten, mit anderen Alkylantien und mit Etoposid (kumulative Dosen von mehr als 2 g/m2 ) auftreten, – Karzinome ▪ nach einer Radiotherapie können – insbesondere im Strahlenfeld – sekundäre Karzinome, wie beispielsweise Melanome, Karzinome (Magen, Harnblase, Kolon, Rektum, Pankreas, Lunge, Pleura, Prostata, Niere, Schilddrüse) und Sarkome entstehen; • Nierenfunktionsschäden – verursacht durch Platinverbindungen, – geringe Abnahme der Kreatinin-Clearance (durchschnittlich um ca. 15 %), • Hörschäden – bewirkt durch Platinverbindungen, Schäden meist im Bereich von 4–8 kHz und damit jenseits des Sprachbereiches,

196 •



8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Beeinträchtigung der Lungenfunktion – durch Platinverbindungen Zunahme der obstruktiven Lungenerkrankungen, – durch Bleomycin, Herz-Kreislauferkrankungen – das Risiko für Herzinfarkt und Angina pectoris kann durch die Chemotherapie und/oder Radiotherapie erhöht sein.

Weiterführende Literatur Albers P, Albrecht W, Algaba F, Bokemeyer C, Cohn-Cedermark G, Horwich A, Klepp O, Laguna MP, Pizzocaro G. Guidelines on testicular cancer. Eur Urol. 2005; 48: 885–894. Cancer Research UK http://info.cancerresearchuk.org/cancerstats/types/testis/ Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) http://www.dimdi.de/static/ de/index.html Klassifikation der Differenzierung; http://www.uicc.org/tnm National Cancer Institute (USA) Testicular Cancer Treatment http://www.cancer.gov/cancertopics/pdq/ treatment/Testicular/HealthProfessional Kliesch S, Albers P, et al. Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Keimzelltumoren des Hodens, Kurzversion 1.0, 2019, AWMF-Registernummer: 043/049OL, https://www.leitlinienprogrammonkologie.de/leitlinien/hodentumoren Preiß J, Dornoff W, Hagmann FG, Schmieder A. Onkologie 2011, http://www.onkologie2011.de/index.htm Robert Koch Institut, https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/ krebs_in_deutschland_inhalt.html Souchon R, Schmoll HJ, Krege S, Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Hodentumoren auf der Grundlage evidenzbasierter Medizin, DKG 2002; http://www.hodenkrebs.de/arzt/Leitlinie_ hodentumor_2002.pdf WHO-International Agency for Research on Cancer Globocan Cancer incidence and mortality worldwide in 2008, http://globocan.iarc.fr/

8.4.2 Prostata Vorkommen Das Prostatakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung beim Mann. Die Anzahl der Neuerkrankungen im Jahre 2018 liegt weltweit bei ca. 1.3 Millionen, die Zahl der Todesfälle bei ca. 0,36 Millionen. Neuerkrankungsraten (N) und Todesraten (T) zeigen erhebliche geografische wie auch ethnische Unterschiede (WHO, 2008):  28,0 N  7,5 T • weltweit:  59,3 N 12,0 T • Europa: – Schweden:  95,4 N 19,9 T – Frankreich: 118,3 N 12,7 T – Deutschland:  82,7 N 11,7 T – Italien:  58,4 N  9,0 T – Spanien:  57,2 N 10,5 T – Griechenland:  16,2 N  9,8 T

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

• • • • •

Nordamerika Mittelamerika Südamerika Afrika Asien

 85,7 N  34,8 N  50,2 N  17,5 N   7,2 N

197

 9,9 T 12,6 T 16,2 T 12,5 T  3,2 T

In Europa und Amerika besteht damit ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. In Deutschland stellen Prostatakarzinome etwa 25 % aller Krebserkrankungen beim Mann dar. Aktuell (Jahr 2016) liegen folgende Daten vor • Neuerkrankungen absolut 58.000 – altersstandardisierte Erkrankungsrate 91,6/100.000 Männer und – mittleres Erkrankungsalter 72 Jahre, • Mortalität absolut 14.417 – altersstandardisierte Todesrate 19,5/100.000 Männer und – mittleres Todesalter 80 Jahre; • Prävalenz über 5 Jahre: 258.000, über 10 Jahre: 496.000 • Relative Überlebensrate über 5 Jahre: 89 %, über 10 Jahre: 88 %

Risikofaktoren Zu den Faktoren, welche das Risiko für das maligne Prostatakarzinom deutlich erhöhen, zählen: • Alter – die Anzahl der Neuerkrankungen pro 100.000 Männer steigt mit dem Alter an und liegt in Nord- und Mitteleuropa in den Altersgruppen ▪ von 30–34 Jahren bei ca. 1, ▪ von 35–80 Jahren bei ca. 85, ▪ von 55–59 Jahren bei ca. 150, ▪ von 65–69 Jahren bei ca. 500, ▪ von 75–79 Jahren bei ca. 750, – auf Grund von post-mortem-Daten kann ein Prostatakarzinom nachgewiesen werden ▪ bei etwa 50 % aller 50-Jährigen, ▪ bei etwa 80 % aller 80-Jährigen; – somit sterben deutlich mehr Männer mit einem Prostatakarzinom als an den Folgen eines Prostatakarzinoms (in Deutschland s. o. ca. 12/100.000 Männer/Jahr), • familiäre und ethnische Faktoren – familiär/genetisch bedingt sind schätzungsweise ▪ 5–10 % aller Prostatakarzinome und 30–40 % aller früh (< 55–60 Jahre) auftretenden Prostatakarzinome, – die Erkrankung von Verwandten ersten Grades an einem Prostatakarzinom; das Risiko wird erhöht ▪ bei der Erkrankung von 1 Verwandten (Erhöhung des Risikos um den Faktor 3), bei der Erkrankung von 1 Verwandten im Alter von < 60 Jahren oder

198



8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

von mindestens 2 Verwandten (Erhöhung des Risikos um den Faktor 4), bei der Erkrankung von mehr als 2 Verwandte im Alter von < 60 Jahren (Erhöhung des Risikos um den Faktor 7); – ethnische Unterschiede ▪ schwarze Afrikaner in Großbritannien oder in den USA haben ein etwa 3fach höheres Risiko, ▪ Asiaten im Durchschnitt ein geringeres Risiko als Weiße; genetische Faktoren, welche jede für sich eine relativ geringe Auswirkung auf die Entstehung des Prostatakarzinoms haben, in Kombination das Risiko jedoch deutlich erhöhen können; zu diesen zählen: – inaktivierende (Keimzell-) Mutationen von Tumorsuppressoren (siehe Kap. 4.3.2), so beispielsweise von ▪ Inhibitoren der PI3-Kinase und des MAPK-Signalweges, wie PTEN/Phosphatase und Tensin-Homolog, ▪ Regulatoren der DNA-Reparatur wie BRCA-2/Breast Cancer-Antigen (Erhöhung des Risikos um den Faktor 5) und BRCA-1 (Erhöhung des Risikos um den Faktor 2), ▪ Zellzyklus-Inhibitoren wie CDKN1B, ▪ Zellzyklus-inhibierende Transkriptionsfaktoren wie NKX3.1/NK3 Homeobox 1 (Prostatakarzinom-Suppressor) und p53 (Zellzyklus-Suppressor), – aktivierende Mutationen von (Proto-) Onkogenen (siehe Kap. 4.3.2), wie beispielsweise der Gene für ▪ den Wachstumsfaktor-Rezeptor ERBB2-Her2/neu und den EGF-Rezeptor, ▪ die zelluläre Signal-übertragende PI3K/Phosphoinositol-3-Kinase, ▪ anti-apoptotische Protein BCL2, ▪ die Transkriptionsfaktoren Myc und ETS, ▪ den Androgen-Rezeptor, – inaktivierende Mutationen von Regulatorproteinen, wie ▪ MSMB/Mikro-Seminoprotein B, ▪ KRK3/Kallikrein-related Peptidase 3 bzw. PSA/Prostata-Spezifisches Antigen, ▪ LMTK2/Lemur-Tyrosin-Kinase 2, ▪ TMPRSS2/Trans-Membrane Protease Serin 2; – inaktivierende Mutationen von Faktoren der erworbenen Immunabwehr ▪ die Ribonuklease ELAC2 (kodiert vom Prostata Cancer susceptibility Gen 17/ p12) und ▪ die Interferon-induzierte Ribonuklease L/RNASEL, ▪ der Makrophagen-Scavenger-Rezeptor MSR1,

Zu den Faktoren, die das Risiko nur gering (unter 50 % bzw. unter Faktor 0,5) erhöhen oder zu deren steigernder Wirkung widersprüchliche Daten vorliegen, gehören: • Lebensführung – Asiaten, die in Großbritannien leben, haben ein gering höheres Risiko als Asiaten in Asien,

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)





199

– körperliche Bewegung (widersprüchliche Datenlage), – Tabakkonsum (widersprüchliche Datenlage), Ernährung – Milchprodukte (Erhöhung des Risikos um ca. 30 %), – Fette (gesättigt oder ungesättigt) und Fleisch (widersprüchliche Datenlage), – Alkohol-Konsum (Erhöhung des Risikos um etwa 20 %, jedoch widersprüchliche Datenlage), – Übergewicht (widersprüchliche Datenlage), Erkrankungen/ärztliche Eingriffe/physiologische Parameter – Entzündungen, z. B. durch Infektionen/Prostatitis/ ▪ mit Erhöhung des Mutationsrisikos durch radikale Sauerstoff- und StickstoffSubstanzen (ROS bzw. RNS, siehe Kap. 4.6.5 und 4.6.6) z. B. ▪ bei Gonorrhoe +/− HPV (Erhöhung des Risikos um bis zu 40 %, ▪ bei Syphilis (Erhöhung des Risikos um bis zu 130 %, jedoch widersprüchliche Datenlage), – Vasektomie (widersprüchliche Datenlage), – Steroidhormonspiegel im Blut ▪ bei Eunuchen sind Prostatakarzinome weitgehend unbekannt; Testosteron scheint einen promovierenden Effekt auf das Prostatakarzinom zu haben, ▪ ob eine Testosteronsubstitution das Prostatakarzinomrisiko erhöht, ist fraglich (widersprüchliche Datenlage); vorsorglich sollte die Prostata fortlaufend kontrolliert werden (siehe Diagnostik), – IGF-1/Insulin-like Growth Factor-1-Blutspiegel (widersprüchliche Datenlage).

Zu den Risiko-mindernde Faktoren gehören • Ernährung – Vitamin A/β-Carotin (Erniedrigung des Risikos um ca. 30 %), – Phytoöstrogene (z. B. in Sojabohnen-Produkten) – Lycopen in Tomaten und Tomatenmark (Erniedrigung des Risikos um 20 %, jedoch widersprüchliche Datenlage), – Selen (Erniedrigung des Risikos um 30–80 %, jedoch widersprüchliche Datenlage), – Obst und Gemüse/Kohlgemüse (widersprüchliche Datenlage), – Vitamin E/alpha-Tocopherol (Erniedrigung des Risikos um ca. 30 %, jedoch widersprüchliche Datenlage), – grüner Tee/Polyphenole (widersprüchliche Datenlage), • Arzneimittel – N-Acetylsalizylsäure/NSAID/Nichtsteroidale Anti-Inflammatorische Drogen/ (widersprüchliche Datenlage), – cholesterolreduzierende Statine (widersprüchliche Datenlage), – 5-Alpha-Reduktase-Typ-I- und II-Hemmer, • Erkrankungen – Diabetes (Erniedrigung des Risikos um ca. 16 %).

200

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Entwicklungsstadien und Klassifikationen Prostatatumoren werden klassifiziert auf der Grundlage: • der TNM-Klassifikation (siehe Tab. 8.76), • des Nachweises von PSA/Prostata-Spezifisches Antigen (auch Kallikrein III, Seminin, Semenogelase, γ-Seminoprotein oder P-30 Antigen genannt) im Blut, – PSA stellt eine Serin-Protease im Sekret vorwiegend des Drüsenepithels der Prostata (und der periurethralen Drüsen) dar, die ▪ im Ejakulat das Semenogelin-1 spaltet und hierdurch die Samenflüssigkeit (Seminalplasma) dünnflüssig macht, ▪ im Blut in freier Form (fPSA) und komplexierter Form (cPSA, gebunden an Chymotrypsin und α2-Makroglobulin) vorkommt; das fPSA hat einen Anteil bei Gesunden von ≥ 25 %; bei Prostatakarzinomen meist < 25 %; – PSA kann im Blut erhöht sein: ▪ mit zunehmendem Alter (PSA-Werte < 50 Jahre: 0,3–2,5 ng/mL; 50–59 Jahre: 0,3–4,7 ng/mL; 60–69 Jahre: 0,3–8,3 ng/mL; ≥ 70 Jahre: 0,4–17,8 ng/mL), ▪ nach mechanischer Belastung (DRU/Digitale Rektale Untersuchung, Fahrradfahren), ▪ in Folge einer Entzündung (Prostatitis), ▪ bei benignen Prostatahyperplasien, ▪ bei malignen Prostatatumoren; – die Bestimmung des PSA im Blut dient beim Prostatakarzinom: ▪ als ergänzende Methode zur Erstdiagnose und Beurteilung der Prognose, wobei als Parameter die Höhe des Gesamt-PSA und der Anteil des freien PSA (fPSA < 25 %) gelten, ▪ der Verlaufskontrolle in Bezug auf das Wachstum von Lokalrezidiven bei inkompletter Tumorresektion und von Metastasen; • der Art der Diagnose: – inzident: zufällig entdeckt, klinisch nicht auffällig gewesen, – latent: bei der Obduktion gefunden, klinisch nicht nachgewiesen worden, – okkult: Metastase(n) als erstes klinisch auffällig, Primärtumor zunächst unbekannt; • der histologischen Einordung nach: – Malignität ▪ Beurteilung nach den Kriterien 1) Architekturstörungen, 2) Kernatypien und 3) Ausschluss einer benignen Läsion; ▪ sind nur zwei der Kriterien erfüllt, liegt eine atypische mikroglanduläre Proliferation (ASAP/Atypical Small Acinar Proliferation oder ATYP/Atypical glands suspicious for Prostate cancer) vor; diese wird klassifiziert in „wahrscheinlich gutartig“, „wahrscheinlich bösartig“ oder „unklare Dignität“, ▪ Einstufung in intraepitheliale Neoplasie oder invasives Karzinom, – Gewebetyp (siehe Tab. 8.77) ▪ ca. 90 % der Prostatakarzinome sind Adenokarzinome; – Differenzierungsgrad ▪ der Tumorzellen (nach UICC),

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)



201

der Gewebestruktur (Verlust der normalen Struktur, Größe und Zelldifferenzierung, histologisches Bild) nach Gleason (siehe Tab. 8.78).

Auf der Grundlage dieser unterschiedlichen Parameter werden Stadien definiert (AJCCAmerican Joint Committee on Cancer’s TNM classification system), welche Aussage über die Prognose erlauben (siehe Tab. 8.79). Die Stadieneinteilung der UICC-Klassifikation liegt allen klinischen Studien zugrunde und wird von allen verfügbaren Prostataleitlinien genutzt. Die einzelnen Stadien werden wie folgt gruppiert • Stadium T1–2, N0, M0: – lokal begrenztes Prostatakarzinom – mit niedrigem Risiko ▪ PSA ≤ 10 ng/ml; Gleason Score 6; ▪ cT1c/2a – mit mittlerem Risiko ▪ PSA > 10 ng/ml ≤ 20 ng/ml; Gleason Score 7; ▪ cT2b – mit hohem Risiko ▪ PSA > 20 ng/ml; Gleason Score ≥ 8 ▪ cT2c • Stadium T3–4, N0, M0: – lokal fortgeschrittenes Prostatakarzinom • N1 und/oder M1 – fortgeschrittenes und/oder metastasiertes Prostatakarzinom Wachstum und Metastasierung Die Prostatakarzinome zeigen ein: • intraprostatisches Wachstum – meist: multifokal in der peripheren Prostatazone (Adenokarzinome), – seltener: in der Transitionalzone, – sehr selten: in der zentralen Zone; • extraprostatisches Wachstum – häufig: apikal oder posterolateral entlang der Prostatapedikel (dort ist die Prostatakapsel nur gering ausgebildet); – nach lymphogener Ausbreitung in den regionalen Lymphknoten, ▪ abhängig vom Tumorvolumen, selten bei Tumoren < 4 cm3, – seltener: Infiltration von Samenblasen und/oder Rektum, von dort in benachbarte pelvine Gewebe/Organe. Die Metastasierung des Prostatakarzinoms erfolgt: • primär lymphogen in die Lymphknoten. • lymphogen und hämatogen in (Reihenfolge entspricht der Häufigkeit): – Knochen, – Lunge, – Harnblase,

202

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– – –

Leber, Nebenniere, Hoden.

Prognosefaktoren Wesentliche Parameter sind: • das Entwicklungsstadium und die Ausdehnung des Tumors gemäß der TNM-Klassifikation, • der Verlust der Gewebestruktur der Prostata gemäß der Gleason-Klassifikation, • das Ausmaß der Resektion des Prostatakarzinoms, z. B. – beträgt die Rezidivwahrscheinlichkeit innerhalb von 10 Jahren ▪ bei tumornegativen Resektionsrändern 22 % und bei tumorpositiven Resektionsrändern 46 %, ▪ bei Gleason 5–6 und tumornegativen Resektionsrändern 8 %, bei tumorpositiven Resektionsrändern 28 %, ▪ bei Gleason 7 und tumornegativen Resektionsrändern 39 %, bei tumorpositiven Resektionsrändern 67 %, • der Gewebetyp des Prostatakarzinoms. Tab. 8.76: TNM-Klassifikation des Prostatakarzinoms.

TNM-Klassifikation

Prostata

gering-gradig

Prostatische intraepitheliale Neoplasie/PIN

hoch-gradig

HG-PIN/Carcinoma in situ

PIN

N0

M0

Tumor klinisch nicht erfassbar (Palpation, bildgebende Verfahren), Zufallsbefund durch histolog. Untersuchung einer Hyperplasie

T1a

N0

M0

• Tumoranteile ≤ 5 % des resezierten Gewebes (transurethrale Resektion/TURP)

T1b

N0

M0

• Tumoranteile > 5 % des resezierten Gewebes (transurethrale Resektion/TURP)

T1

T1c

T2

N0

M0

N0

M0

• Tumordiagnose nach Stanzbiopsie (ein oder beide Lappen) wegen erhöhtem PSA

Tumor ist begrenzt auf Prostata

Andere Gewebe/ PSA im Blut(ng/mL) Organe

bei ~ 70 % der Tumore: > 4 bis ≤ 10 ng/mL; bei ~ 30 % der Tumore: > 10 ng/mL

bei T1c/2a (~ 70 % der Tumore): > 4 bis ≤ 10 ng/mL; (+ Gleason Schromare 6: niedriges Risiko) bei T2b > 10 ng/mL ≤ 20 ng/ml (+ Gleason Score 7: mittleres Risiko

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

TNM-Klassifikation

T2a

Prostata

N0

M0

Andere Gewebe/ PSA im Blut(ng/mL) Organe

• nur ein Seitenlappen ist zu ≤ 50 % betroffen

T2b

N0

M0

• nur ein Seitenlappen ist zu > 50 % betroffen

T2c

N0

M0

• beide Seitenlappen sind betroffen

N0

M0

Tumor hat die Prostatakapsel durchbrochen

T3a

N0

M0

• die Prostatakapsel ist unilateral oder bilateral durchbrochen und/oder der Blasenhals ist infiltriert (mikrosk. Diagnose)

T3b

N0

M0

• die Samenblase ist infiltriert

N0

M0

N1

M0

T3

T4 jedes T

bei T2c > 20 ng/ml (+ Gleason Score > 8: hohes Risiko)

Tumor hat (statt Samenblase) andere Organe/ grundsätzlich jeder Gewebe infiltriert (Blasenhals, Sphincter PSA-Wert möglich, externus, Rektum, Levatormuskel, Beckenwand) jedoch häufig • und regionäre Lymphknotenmetastasen > 20 mg/mL

M1a • und Fernmetastasen in Lymphknoten jedes T

jedes N

M1b • und Fernmetastasen in Knochen M1c

• und Fernmetastasen in anderen Organen +/– Knochenmetastasen

T0

N0

M0

keine Anhaltspunkte für einen Tumor oder eine Metastase (Lymphknoten, Fernmetastasen)

Tx

Nx

Mx

Tumor, Lymphknoten und/oder Metastasen können nicht beurteilt werden

Tab. 8.77: Histologische Klassifikation von Hyperplasien und Karzinomen der Prostata. Gewebetypen

Bemerkungen

Prognose

benigne Tumoren

gut

Hyperplasien adenomatöse Hyperplasie cribriforme Hyperplasie postatrophe Hyperplasie sklerosierende Adenose Verumontanum-DrüsenHyperplasie nephrogenes Adenom Präneoplasien

203

204

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Gewebetypen

Bemerkungen

Prognose

atypische adenomatöse Hyperplasie prostatische intraepitheliale Neoplasien (PIN) treten etwa 10 Jahre vor einem invasivem Karzinom auf

– geringradige Dysplasie – hochgradige Dysplasie (Carcinoma in situ)

in etwa 60 % der Fälle assoziiert mit einem invasiven Karzinom

Adenokarzinome epitheliales Adenokarzinom

etwa 95 % aller Prostatakarzinome

Karzinom mit zahlreichen endokrinen Zellen pseudohyperplastisches Karzinom atrophes Karzinom xanthomatöses Karzinom muzinöses Karzinom

schlecht, hochmaligne

duktales Karzinom

schlechter als beim azinären AC

siegelringzelliges Karzinom sarkomatoides Karzinom Basalzellkarzinom Urothelkarzinom Plattenepithelkarzinom

schlecht entsteht relativ häufig nach Hormontherapie des AC

sehr schlecht; mittlere Überlebenszeit ca. 2 Jahre

neuroepitheliale Karzinome karzinoid (gut differenziert) kleinzelliges Karzinom (schlecht differenziert)

sehr schlecht; mittlere Überlebenszeit ca. 1 Jahr

mesenchymale Tumore Rhabdomyosarkom

bei Kindern

Leiomyosarkom

bei Erwachsenen

205

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

Tab. 8.78: Klassifikation des Verlustes der (histologischen) normalen Drüsen-Architektur der Prostata nach Gleason.

Zelldifferenzierung Gradeinteilung (UICC)

1

gut differenziert/leichte Anaplasie/ wenig Mitosen

Wachstumsmuster: Verlust der normalen Struktur, Größe und Zelldifferenzierung nach Gleason Grad

1

A) primärer (größerer) Teil: > 50 % des Tumors

B) sekundärer (kleinerer) Teil: > 5 % < 50 % des Tumors

geringer Verlust (1)

geringer Verlust (1)

gut umschriebene fast gleich aussehende Drüsenformationen ohne Invasion des Stromas mäßiger Verlust (2)

2

mäßig differenziert

2–3

mäßig bis schlecht differenziert

3

schlecht differenziert, viele Mitosen

2

3

4

4

undifferenziert; anaplastisch

5

2

2–6

4

4–7

6

6–8

8

8–9

10

10

starker Verlust (4)

Drüsen nicht mehr einzeln abgrenzbar, aber Drüsenherkunft noch erkennbar (kribriformes Wachstumsmuster) sehr starker Verlust (5)

Möglichkeiten A) und B)

mäßig-starker Verlust (3)

variable Drüsenformationen mit Invasion von Drüsenzellen in das Stroma, einzelne Drüsen aber noch abgrenzbar starker Verlust (4)

A) und B)

mäßiger Verlust (2)

gut umschriebene größtenteils gleich aussehende Drüsenformationen ohne Invasion des Stromas mäßig-starker Verlust (3)

Gleason-Summe (Score)

sehr starker Verlust (5)

Drüsenherkunft nicht mehr erkennbar, strang- oder haufenartiges Zellwachstum, Tumorzellnester mit zentraler Nekrose

206

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.79: Vergleich der Klassifikationen des Prostatakarzinoms.

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

T1a

N0

M0

Tumor klinisch nicht erfassbar; Tumoranteile ≤ 5 % des resezierten Gewebes

T1b

N0

M0

Tumoranteile > 5 % des resezierten Gewebes

I

II

IIA

IIB

Prognose RezidivWahrscheinlichkeit (10 Jahre)

< 10

≤6

Gleason 2–4: 4% Gleason 5–6: 19 %

PSA (μg/L)

T1c

N0

M0

Tumordiagnose durch Nadelbiopsie (ein oder beide Seitenlappen) wegen erhöhtem PSA

T2a

N0

M0

Tumor ist begrenzt auf Prostata; nur ein Seitenlappen ist zu ≤ 50 % betroffen

T1a–c

N0

M0

< 20

7

T1a–c

N0

M0

≥ 10 < 20

≤6

T2a

N0

M0

< 20

7

T2a

N0

M0

≥ 10 < 20

≤6

< 20

≤7

jeder Wert

jeder Wert

T2b

N0

M0

Tumor begrenzt auf Prostata; nur ein Lappen ist zu > 50 % betroffen

T2c

N0

M0

Tumor begrenzt auf Prostata; beide Lappen sind betroffen

T1–2

N0

M0

≥ 20

jeder Wert

T1–2

N0

M0

jeder Wert

≥8

T3a

N0

M0

Tumor hat die Prostatakapsel durchbrochen oder den Blasenhals infiltriert

jeder Wert

jeder Wert

III

IV

Wesentliche TNM-Parameter

GleasonSumme (Score)

T3b

N0

M0

Tumor hat die Prostatakapsel durchbrochen und die Samenblase ist infiltriert

T4

N0

M0

Tumor hat (statt Samenblase) andere Organe/Gewebe infiltriert

jeder Wert

jeder Wert

jedes T

N1

M0

und regionäre Lymphknotenmetastasen

jeder Wert

jeder Wert

jedes T

jedes N

jedes M1

und Fernmetastasen in Knochen oder anderen Organen

jeder Wert

jeder Wert

Gleason 7: 50 % Gleason 8–10: 66 %

43–67 %

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

207

Diagnostik Das Frühstadium des Prostatakarzinoms zeigt keine Symptome. Ein Verdacht kann entstehen im Rahmen der (regelmäßigen) Vorsorgeuntersuchung. Im fortgeschrittenen Zustand kann das Prostatakarzinom verursachen: • durch Kompression der Harnröhre, retroperitoneale Metastasen und Ureterinfiltration – Harnverhalt, – Flankenschmerzen (Harnstauungsnieren) und Niereninsuffiziens; • durch Infiltration des Harnblasen-Schließmuskels und/oder des Nervus cavernosus – Inkontinenz, – Impotenz; • durch Knochenmetastasen – Knochenschmerzen, – Kompressionssymptome (Wirbelsäule). Die Vorsorgeuntersuchung zur Früherkennung eines Prostatakarzinoms sollte erfolgen • bei Normalpersonen ab dem Alter von 45 Jahren • bei Risikopersonen ab dem Alter von 40 Jahren. Die DRUP/Digitale Rektale Untersuchung der Prostata ist wesentlicher Teil der Vorsorgeuntersuchung, wobei Ziel ist, bei der Prostata abzuschätzen, • die Größe • die Konsistenz – normal ist eine prall-elastische Konsistenz (auch bei der benignen Hyperplasie), – auffällig sind Verhärtungen, • Druckschmerzen – gelten als Hinweis für Entzündungen/Prostatitis, • Fluktuationen – weisen auf Zysten oder Abszesse hin, Die PSA-Bestimmung im Blut (siehe Kap. 8.4.2.1) ist notwendig bei Verdacht bzw. in unklaren Fällen, wobei • hierbei folgende Zeitabstände empfohlen werden – PSA < 1 ng/ml alle 4 Jahr – PSA 1–2 ng/ml alle 2 Jahre – PSA > 2 ng/ml jedes Jahr • ggf. eine bildgebende Untersuchung angeschlossen werden muss – bevorzugt eine MRT – ggf. die transrektale Sonografie (falls eine MRT nicht möglich ist) Ein • • •

Verdacht ist begründet durch das positive Ergebnis der digital-rektalen Untersuchung, einen PSA-Wert ≥ 4 ng/ml und ggf. die Ergebnisse der sonografischen bzw. MRT-Untersuchungen

208

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Im begründeten Verdachtsfall sollen erfolgen • Stanzbiopsien (transrektal oder transperineal unter transrektaler sonografischer Kontrolle) – bei lokal infiltrativer Anästhesie und unter Antibiotikaschutz, – in ausreichender Zahl (10–12 Gewebezylinder) ▪ apikal, mittig und basal pro Seitenlappen oder ▪ bevorzugt kapselnah in den Sextanten und in der Transitionalzone, ▪ zusätzlich von verdächtigen (hypoechogenen) Bereichen, – durch histologische Untersuchung der Biopsien werden an Karzinomen entdeckt ca.: ▪ 80 % mit der ersten Stanze, ▪ 10 % mit der zweiten Stanze, ▪ 7 % mit der dritten Stanze und ▪ 3 % mit der vierten Stanze. • eine Wiederholung der Stanzbiopsie nach 6 Monaten, – falls der PSA-Wert auf einem verdächtig hohen Wert verblieben ist oder einen hohen Verlauf eingenommen hat, – falls in der Erstbiopsie entdeckt wurden ▪ hochgradige PIN/Prostatische Intraepitheliale Neoplasien in ≥ 4 Biopsieproben, ▪ atypische kleine acinäre Proliferationen (ASAP/Atypical Small Acinar Proliferation) und/oder ▪ ein isoliertes intraductales Karzinom (IDC-P/Intra-Ductal Carcinoma-Prostata) – falls die Untersuchung der ersten Biopsieproben zwar keinen pathogenen Befund ergab, ▪ der PSA-Wert jedoch erhöht blieb und der Befund der digital-rektalen Untersuchung verdächtig ▪ in diesem Falle sollte die Biopsie durch ein MRT ergänzt werden. Bestätigen weder die wiederholte Biopsie noch das MRT den Verdacht, dann sollte auch bei gleichbleibend verdächtigen PSA-Werten und digital-rektalen Befunden keine weiteren Biopsien und MRT-Untersuchungen erfolgen. Eine Untersuchung mit bildgebenden Verfahren (Sonografie, Skelettszintigrafie, CT. PET/CT und/oder MRT) ist • im Allgemeinen nicht gerechtfertigt im Stadium cT1 und niedrigem Risiko • jedoch indiziert – bei cT1 mit hohem Risiko oder im Stadium cT3/4 – bei Knochenschmerzen (hier besonders Skelettszintigrafie) – bei Verdacht auf Rezidive (hier besonders PET-Hybrid –Bildgebung mit radioaktiv markiertem PSMA-Ligand) Für eine (weitere) Therapieentscheidung sind folgende Parameter notwendig Biopsie-Material • Anzahl und Lokalisation Karzinom-positiver Gewebeproben, • Semiquantitative Abschätzung der Tumorausdehnung (in Prozent und/oder mm).

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

• •

209

Gleason-Score falls beurteilbar Infiltrationen – in Perineuralscheiden (Pn1), – in die Kapsel, kapselüberschreitend (pT3a) und in die Samenblase (pT3b)

TURP/Trans-Urethales Resektions-Präparat • Gewicht, • Nachweis einer Präkanzerose, (z. B. atypische adenomatöse Hyperplasie, „High-GradePIN“) einer Karzinom-verdächtigen und/oder eines tatsächlichen Karzinoms • falls Karzinom – Stadium gemäß pT-Kategorie und Gleason-Score – falls beurteilbar Infiltrationen ▪ in Perineuralscheiden (Pn1), ▪ in die Kapsel, kapselüberschreitend (pT3a) und in die Samenblase (pT3b) Prostatektomie-Material • makroskopisch – Größe (drei Dimensionen in mm), – minimaler Randsaum (in mm) – Beschaffenheit der vesikale und apikale Absetzungsflächen und der Absetzungsränder beider Samenleiter und beider Samenblasen • mikroskopisch – Karzinomlokalisation und der semiquantitativ geschätzten Tumorausdehnung (% des befallenen Parenchyms) – Stadium gemäß pT-Kategorie und Gleason-Score – Kapselüberschreitungen (pT3a) ▪ fokale Kapselpenetration (wenige Tumordrüsen unmittelbar außerhalb der Prostata in ein bis zwei Schnitten) ▪ etablierte Kapselpenetration (= höheres Ausmaß der Penetration) – chirurgischer Resektionsrand ▪ Tumor-freie minimale Randabstand (R0) in mm, ▪ R1-Status mit Angabe der Lage (posterior, postero-lateral, anterior, apikal, proximal-vesikal, distal-urethral) und Ausdehnung (in mm) der Karzinomreste, ▪ Beschaffenheit der Prostatakapsel im Karzinomrest.

Therapiestrategien Die Strategien zur primären Therapie des Prostatakarzinoms sind abhängig vom jeweiligen Tumorstadium und umfassen (siehe Tab. 8.80) • die aktive Überwachung falls – die Lebenserwartung aller Voraussicht nach < 10 Jahre ist und – das Tumorstadium niedrig im Risiko ist

210 • • • • •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

primäre radikale Prostatektomie die Lymphadenektomie die primäre oder adjuvante perkutane Radiotherapie die primäre oder adjuvante Brachytherapie und die hormonablative Therapie

Tab. 8.80: Strategien der Primärtherapie des Prostatakarzinoms (in Anlehnung an Wirth et al. 2019). Prostatakarzinom

cT1c/2a

niedriges Risiko PSA ≤ 10 ng/ml Gleason Score 6

Stadium T1–2, N0, M0

Stadium T3

Stadium T4

lokal begrenzt

lokal fortgeschritten

fortgeschritten/ metastasiert

cT2c

cT3, N0, M0

cT4, N1 oder M1

hohes Risiko PSA > 20 ng/ml; Gleason Score ≥ 8

Tumor hat Prostatakapsel durchbrochen und/oder Blasenhals und/oder Samenblase infiltriert Gleason Score ≥6

Tumor hat Nachbarorgane infiltriert und in Lymphknoten oder Organen Fernmetastasen gebildet Gleason Score ≥6





cT2b

mittleres Risiko PSA > 10 ng/ml ≤ 20 ng/ml; Gleason Score 7;



radikale Prostatektomie falls Lebenserwartung > 10 Jahre falls R0-Resektion erreichbar Risikominderung von Progression, Fernmetastasen, Krebs-spezifischer Mortalität Ziel: Erhalt der Harnkontinenz und der Erektionsfähigkeit Voraussetzung: Einrichtung ≥ 50 Prostatektomien/Jahr; Operateur: 25 Prostatektomien/Jahr











oder

oder

und

und

und

Lymphadenektomie (≥ 10 pelvine Ln)

Lymphadenektomie (≥ 10 pelvine Ln)

Lymphadenektomie (≥ 10 pelvine Ln)

primäre perkutane Radiotherapie* (Dosis 74– 80 Gy)

▾ oder primäre LDRBrachytherapie

primäre perkutane Radiotherapie*** (Dosis 74– 80 Gy)

▾ ▾ oder

und, falls R1 oder Samenblaseninfiltration

▾ oder

211

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

primäre LDRBrachytherapie

primäre perkutane Radiotherapie * (Dosis 74–80 Gy)

▾ oder bei ≤ 2 von 12 Stanzen mit Tumor, ≤ 50 % Tumor/Stanze; Lebenserwartung < 10 Jahre Aktive Überwachung 4 ×/Jahr über 2 Jahre, danach alle 6 Monate PSA + DRU 4 ×/Jahr über 2 Jahre, danach alle 6 Monate PSA + DRU nach 6 Monaten* Biopsie + MRT nach 12 Monaten Biopsie + MRT** danach jährlich über 2 Jahre, danach alle 3 Jahre Biopsie

adjuvante perkutane Radiotherapie* (Dosis 74–80 Gy)

primäre perkutane Radiotherapie * (Dosis 74–80 Gy)









zusätzlich

ggf. zusätzlich

oder

zusätzlich

HDR Brachytherapie

primäre perkutane Radiotherapie* (Dosis 74– 80 Gy)

hormonablative Therapie 24–36 Monate

HDR Brachytherapie

▾ ggf. zusätzlich zur Radiotherapie hormonablative Therapie 6–36 Monate

▾ ggf. zusätzlich HDR Brachytherapie

▾ ggf. zusätzlich zur Radiotherapie hormonablative Therapie 24–36 Monate

*) Intensitäts-gesteuerte (IMRT) und Bild-gesteuerte (IGRT) Radiotherapie; IGRT = Image Guided RadioTherapy; IMRT = Intensity Modulated Radiotherapy; DRU = Digital-Rektale Untersuchung; HDR = High Dose Radiotherapy; PSA = Prostata-Spezifisches Antigen

Chirurgische Therapie Die chirurgische Therapie beinhaltet • Resektion des Prostatatumors mit folgenden Methoden – bei großen benignen Prostatahyperplasien ▪ transurethrale Resektion der Prostata (TURP) mit der Resektionsschlinge unter Belassung der Prostatakapsel, ▪ transurethrale Laser-Vaporisation (Green-Light-Laserung) der Prostata,

212

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



bei Prostata-Adenomen extraperitoneale transvesikale oder retropubische Adenektomie nach Laparatomie im Unterbauch (kontraindiziert bei Prostatakarzinomen), – bei Prostatakarzinomen (lokal begrenzt, Stadium T1/T2) ▪ retropubische radikale Prostatektomie mit Nervenschonung, ▪ laparoskopische radikale Prostatektomie, ▪ perianale radikale Prostatektomie, die Resektion von pelvinen Lymphknoten (Lymphadenektomie) – bei lokal begrenzten Prostatakarzinomen mit hohem Risiko (z. B. PSA > 20 ng/mL, Gleason-Summe ≥ 8) zur Erfassung der Tumorausdehnung; bei Metastasen in Lymphknoten mittels ▪ laparoskopischer pelviner Lymphadenektomie, ▪ Laparotomie und pelviner Lymphadenektomie; die Orchiektomie zur Reduktion der Testosteronproduktion. ▪





Radiotherapie (siehe Kap. 7.3) Durchgeführt werden die: • perkutane Radiotherapie mit einer Dosis – bis zu ca. 74–80 Gray im Bereich des Primärtumors, – von ca. 45–50 Gray im Bereich der pelvinen Lymphknoten; • die LDR (Low Dose Rate)- oder HDR (High Dose Rate)- Brachytherapie – transperineale Implantation von Radioisotopen 192Iridium oder 125Iod unter sonografischer oder CT-Kontrolle, – Applikatoren mit der Prostata als Zielvolumen erster Ordnung, – 3–5 × 6–7 Gy/Punkt. Hormontherapie (siehe Kap. 7.5.1) Die Hormontherapie hat zum Ziel, durch Hemmung der Bildung und/oder der Wirkung von Testosteron dessen promovierenden Effekt auf das Wachstum des Prostatakarzinoms zu hemmen. • Die Bildung von Testosteron wird gehemmt durch: – beidseitige Orchiektomie, – LHRH/Luteinisierendes Hormon-Releasing Hormon-Agonisten ▪ Goserelin, Leuprolid, – Östrogene ▪ Chlorotrianisen, Ethinyl-Estradiol, konjugierte Östrogene, • die Bindung von Testosteron an den Androgen-Rezeptor wird blockiert durch: – nichtsteroidale Antiandrogene ▪ Flutamid, Nilutamid, Bicalutamid, – steroidale Antiandrogene ▪ Cyproteron-Acetat, • Kombinationen beinhalten: – Orchiektomie und Antiandrogene, – LHRH-Agonisten und Antiandrogene.

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

213

Chemotherapie Chemotherapeutika (siehe Kap. 7.4.1) dienen der Behandlung besonders hormonresistenter Prostatakarzinome; bevorzugt werden verabreicht: • Taxanderivate (Docetaxel, Paclitaxel), • Estramustin alleine oder in Kombination mit Etoposid, Vinblastin oder Paclitaxel, • Mitoxanthron. Stadiumabhängige Therapiemöglichkeiten (siehe Tab. 8.81) Stadium T1, N0, M0: • Optionen – weitere intensive klinische Beobachtung (digitale rektale Untersuchung der Prostata/DRU, PSA, Sonografie) – radikale Prostatektomie ▪ sollte vorher eine Transurethrale Resektion der Prostata (TURP) durchgeführt worden sein, ist die Prostatektomie erschwert, ▪ falls postoperativ der PSA-Blutspiegel nicht deutlich fällt oder sogar ansteigt, ggf. adjuvante perkutane Radiotherapie; – primäre perkutane Radiotherapie der Prostata (besonders, falls eine TURP durchgeführt worden war) – primäre Brachytherapie der Prostata ▪ die therapeutischen Ergebnisse scheinen gleich zu sein denjenigen der anderen Optionen, während die Erhaltung der Potenz (Schonung des Nervus cavernosus) sich als sehr gut erwies; Stadium T2, N0, M0: • Optionen – radikale Prostatektomie (sollte vorher eine transurethrale Resektion der Prostata (TURP) durchgeführt worden sein, ist die Prostatektomie erschwert) ▪ zusätzlich: adjuvante perkutane Radiotherapie des Tumorgebietes, falls postoperativ der PSA-Blutspiegel nicht deutlich fällt oder sogar ansteigt oder der Tumor die Prostata-Kapsel durchbrochen hat; – bei hohem Risiko Adenektomie der pelvinen Lymphknoten, – primäre perkutane Radiotherapie ▪ der Prostata (besonders, falls eine TURP durchgeführt worden war), ▪ ggf. bei hohem Risik der pelvinen Lymphknoten, falls das Risiko einer Metastasierung in den Lymphknoten besteht, ▪ zusätzlich: Hormontherapie (LHRH-Agonist und Antiandrogen); – adjuvante Brachytherapie Stadium T3, N0, M0: • Optionen – radikale Prostatektomie und Exzision der pelvinen Lymphknoten ▪ zusätzlich: adjuvante perkutane Radiotherapie;

214

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



primäre perkutane Radiotherapie der Prostata (besonders, falls eine TURP durchgeführt worden war), ▪ ggf. der pelvinen Lymphknoten, falls das Risiko einer Metastasierung in den Lymphknoten besteht, ▪ zusätzlich: Hormontherapie (LHRH-Agonist und Antiandrogen oder Orchiektomie), Hormontherapie ▪ LHRH-Agonist oder Orchiektomie, ▪



Stadium T4, N1 und/oder M1: • Optionen – radikale Prostatektomie +/− Orchiektomie – Hormontherapie ▪ Orchiektomie und Antiandrogene, ▪ LHRH-Agonisten und Antiandrogene, ▪ Östrogene oder Östrogen-Konjugate, – perkutane Radiotherapie ▪ im Sinne eines Therapieversuches, ▪ palliativ und niedrig dosiert (8 Gray) zur Verminderung von tumorbedingten Beschwerden (Knochenschmerzen), – palliative Chirurgie, Behandlung von Rezidiven und Metastasen Nach einer radikalen Prostatektomie oder primären Strahlentherapie ist ein Rezidiv bei einem PSA-Anstieg von > 2 ng/ml wahrscheinlich. Als therapeutische Optionen stehen zur Verfügung • die perkutane SRT/Salvage-Radio-Therapy mit mindestens 66 Gy als Methode der Wahl für lokal begrenzte Rezidive (falls keine primäre Radiotherapie durchgeführt wurde) und so früh wie möglich, d. h., sobald das PSA von ~ 0 auf > 0,5 ng/ml ansteigt, wobei für ein lokales Rezidiv und für dessen therapeutisches Ansprechen folgende Faktoren sprechen – PSA-Wert vor SRT < 1 ng/ml; PSA-Anstieg vor SRT < 2 ng/ml/Jahr; – Intervall zwischen Primärtherapie und PSA-Rezidiv > 2–3 Jahre; Gleason-Score < 8; keine Samenblasen- oder Lymphknotenbeteiligung; R1-Resektion. • eine radikale Prostatektomie nach einer primären Radiotherapie für lokal begrenzte Rezidive und falls keine Metastasierung vorliegt, wobei – durch histologische Untersuchung einer Stanz-Biopsie das Lokalrezidiv bestätigt werden sollte – der Erhalt der Harnkontinenz und der Erektionsfähigkeit unter diesen Umständen schwieriger ist; • ggf. eine Ultraschallablation durch hochintensiven fokussierten Ultraschall (HIFU) • eine Androgen deprivierende Therapie nur bei einer PSA-Verdopplungszeit < 3 Monate, symptomatischer lokaler Progression und nachgewiesener Fernmetastasierung

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

215

Bei Fernmetastasierung bei hormonsensitiven Tumoren • eine Androgen deprivierende Therapie, bevorzugt alternativ zu den ggf. bisher verabreichten hormonwirksamen Präparaten entweder als Monotherapie oder in Kombination (Beginn 3–4 Monate nach Start der Androgendeprivation) mit – einem Taxanderivat (z. B. Docetaxel, 75 mg/m2 alle 3 Wochen, 6 Zyklen) oder – Abirateron (z. B. 1000 mg/Tag), einem selektiven Inhibitor der Steroid-17α-Hydroxylase (CYP17A1), welche an der Biosynthese von Testosteron und Östrogen maßgeblich beteiligt ist und – einem Glukokortikosteroid in Ergänzung zum Abirateron wie z. B. Prednisolon (5 mg/Tag) – mit Enzalutamid welches den Androgen-Rezeptor hemmt ▪ kompetitiv zum Testosteron und Dihydrotestosteron ▪ durch Blockade der Translokation des Hormon-Androgen-Rezeptor-Komplexes in den Zellkern und ▪ durch Beeinträchtigung der Bindung des Hormon-Androgen-Rezeptor-Komplexes an die DNA und von Kofaktoren für die Transkriptionsaktivierung Bei Androgen-unabhängigen und Kastration-resistenten Tumoren mit/ohne Metastasen • sollte der Testosteronspiegel gemessen werden, um die Androgen-Unabhängigkeit zu belegen • ist in Abhängigkeit von der Progressivität der Erkrankung und dem Allgemeinzustand des Patienten eine palliative Therapie möglich mit – Androgen-Deprivation (falls keine Metastasen nachweisbar sind), – Abiraton in Kombination mit einem Glukokortikosteroid, – Enzalutamid, welches den Androgen-Rezeptor hemmt ▪ kompetitiv zum Testosteron und Dihydrotestosteron ▪ durch Blockade der Translokation des Hormon-Androgen-Rezeptor-Komplexes in den Zellkern und ▪ durch Beeinträchtigung der Bindung des Hormon-Androgen-Rezeptor-Komplexes an die DNA und von Kofaktoren für die Transkriptionsaktivierung – einem Taxanderivat wie z. B. Docetaxel oder Cabazitaxel (in Kombination mit einem Glukokortikosteroid) • bei Knochenmetastasen – zur Prophylaxe ▪ der monoklonale Antikörper Denosumab (Anti-RANKL-Antikörper) und/oder Bisphosphonate (z. B. Zoledronsäure) – zur Therapie ▪ die Verabreichung des Radionuklids 223Radium, ▪ eine lokale perkutane Radiotherapie oder ▪ eine lokale chrirurgische Exzision

216

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.81: Therapieverfahren für das Prostatakarzinom in Bezug zum TNM-Stadium.

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

PSA (μg/L)

GleasonSumme (Score)

< 10

≤6

T1a

N0

M0

T1b

N0

M0

T1c

N0

M0

T2a

N0

M0

T1a–c

N0

M0

< 20

7

T1a–c

N0

M0

≥ 10 < 20

≤6

T2a

N0

M0

< 20

7

T2a

N0

M0

≥ 10 < 20

≤6

T2b

N0

M0

< 20

≤7

T2c

N0

M0

jeder Wert

jeder Wert

T1–2

N0

M0

≥ 20

jeder Wert

T1–2

N0

M0

jeder Wert

≥8

T3a

N0

M0

T3b

N0

M0

jeder Wert

jeder Wert

T4

N0

M0

jeder Wert

jeder Wert

M0

jeder Wert

jeder Wert

jeder Wert

jeder Wert

I

IIA

II

IIB

III

IV

jedes T jedes T

N1

jedes jedes N M1

Chirurgische Therapie

Radiotherapie

Hormontherapie

primäre oder adjuvante perkutane radikale RadiotheProstatekrapie tomie und LHRHoder pelvine Agonist primäre Lymphund BrachyadenektoAntiantherapie mie drogen ( 125Iod (in oder Kombi192 Irination mit dium) perkutaner Radiotherapie)

RezidivWahrscheinlichkeit (10 Jahre)

Gleason 2– 4: 4 % Gleason 5– 6: 19 % Gleason 7: 50 % Gleason 8– 10: 66 %

43–67 % primäre, radikale adjuvante Prostatekoder tomie und palliative Orchiperkutane ektomie Radiotherapie

LHRHAgonist und Antiandrogen

Weiterführende Literatur Cancer Research UK http://info.cancerresearchuk.org/cancerstats/types/prostata/ Deutsche Gesellschaft für Urologie, Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms Version 1.03–März 2011; http://www.krebsgesellschaft.de/download/s3-leitlinie-prostatakarzinom.pdf Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) http://www.dimdi.de/static/ de/index.html Gleason D. Classification of prostate carcinomas. Cancer Chemother Rep 50: 125–128, 1966. Gleason DF. Histology grading of prostate cancer: a perspective. Hum Path 23: 273–279, 1992. Klassifikation der Differenzierung; http://www.uicc.org/tnm

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

217

National Cancer Institute (USA) Prostate Cancer Treatment 12/09/2010; http://www.cancer.gov/ cancertopics/pdq/treatment/Prostate/HealthProfessional NCBI-Online Mendelian Inheritance in Man/OMIM http://www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/entrez Preiß J, Dornoff W, Hagmann FG, Schmieder A. Onkologie 2011, http://www.onkologie2011.de/index.htm Robert Koch Institut, https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/ krebs_in_deutschland_inhalt.html WHO-International Agency for Research on Cancer Globocan Cancer incidence and mortality worldwide in 2008, http://globocan.iarc.fr/ Wirth M, et al., Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms, Kurzversion 5.1, 2019, AWMF Registernummer: 043/022OL, https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/prostatakarzinom/ Wirth et al., Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms, Langversion 5.1, 2019, AWMF Registernummer: 043/022OL, http://www.leitlinienprogramm-onkolo-gie.de/leitlinien/prostatakarzinom/

8.4.3 Penis Vorkommen Tumoren des Penis sind selten: • die Anzahl der Neuerkrankungen/Jahr liegt – weltweit (Jahr 2018) bei 0.03 Mio. bei einer Erkrankungsrate von 0,8/100.000 Männern, (bei einer Todesrate von 0,4/100.000 Männern) – in den westlichen Industrieländern bei etwa 0,8 bis maximal 2,0 Fällen/100.000 Männern, – in Asien, Afrika, Mittel- und Südamerika deutlich höher (ca. 10 % aller männlichen Malignome), – in Brasilien z. B. bei 8,3/100.000 Männern • der Altersgipfel liegt bei einem Alter > 60 Jahren.

Risikofaktoren Als Risikofaktoren gelten: • genetische/molekularbiologische Faktoren – inaktivierende Mutation des Tumorsuppressors p53 (siehe Kap. 3.4.3.3 und Kap. 4.3.2), • Stau des Smegmas – dem Smegma wird eine tumorpromovierende Wirkung zugeschrieben, – das Risiko eines Peniskarzinoms ist somit erhöht ▪ bei mangelnder Intimhygiene, ▪ bei einer Phimose (25–75 % der Männer mit Peniskarzinomen hatten eine Phimose), ▪ bei unbeschnittenen Männern (Erhöhung des relativen Risikos um den Faktor 3 im Vergleich zu beschnittenen Männern),

218 •



8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Infektionen mit onkogenen HPV-Stämmen (im Besonderen HPV-16 und -18 siehe hierzu Kap. 4.3.2 und Kap. 8.2.1) – in > 50 % der PIN/Penilen Intraepithelialen Neoplasien bzw. CIS/Carcinoma In Situ und in 17–80 % der Peniskarzinome sind HPV-Viren nachweisbar, Takakkonsum.

Entwicklungsstadien und Klassifikationen Peniskarzinome • entwickeln sich in den meisten Fällen an der Eichel, am Sulcus coronoarius oder an der Vorhaut, • werden klassifiziert (siehe Tab. 8.82) auf Basis – der TNM-Klassifikation – der Stadieneinteilung der AJCC/American Joint Committee on Cancer’s TNM classification system.

Tab. 8.82: Entwicklungsstadien und Klassifikation des Peniskarzinoms.

AJCCStadien

Ausdehnung des Tumors TNM-Klassifikation beschränkt auf Penis

N0

M0

kein Anhaltspunkt für einen Primärtumor, keine Metastasen in Lymphknoten oder anderen Organen

N0

M0

Carcinoma in situ (CIS)/ penile intraepitheliale Neoplasie (PIN)

Ta

N0

M0

nicht-invasives verruköses Karzinom

T1

N0

M0

Tumor hat subepitheliales Bindewebe infiltriert

T0

Tis/PIN

andere Organe

0

I

II

Prognose 5-JahresÜberleben

~ 100 %

(bilden invasive Karzinome in etwa 5–15 %)

~ 80–95 %

T1a

ohne Infiltration in Lymphgefäße; Tumorzellen sind differenziert (G1–2)

T1b

mit Infiltration in Lymphgefäße; Tumorzellen sind undifferenziert (G3–4)

~ 20–60 %

Tumor hat Schwellkörper (Corpus spongiosum oder cavernosum) infiltriert

~ 60 %

T2

N0

M0

T3

N0

M0

Tumor hat Harnröhre oder Prostata infiltriert; keine Metastasen in inguinalen Lymphknoten, keine Fernmetastasen

~ 40 %

219

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

AJCCStadien

Ausdehnung des Tumors TNM-Klassifikation beschränkt auf Penis

IIIA

T1–3

N1

M0

Metastase in einem einzigen inguinalen Lymphknoten

~ 40–70 %

IIIB

T1–3

N2

M0

Metastase in mehreren inguinalen Lymphknoten, einseitig oder beidseitig

~ 30–40 %

T4

jedes N

M0

Tumor hat andere Nachbargewebe/-organe infiltriert

III

IV

andere Organe

Prognose 5-JahresÜberleben

Jedes T

N3

M0

Metastasen hat Kapsel eines inguinalen Lymphknotens durchbrochen oder Metastasen sind in entfernten (pelvinen) Lymphknoten nachweisbar

Jedes T

jedes N

M1

Fernmetastasen sind nachweisbar

~ 0–30 %

Histologische Klassifikation • PIN/Penile Intraepitheliale Neoplasien (CIS/Carcinoma In Situ) des Penis – Synonyme: ▪ Erythroplasie von Queyrat (Eichel), ▪ Bowen’sche Erkrankung (Penisschaft), – entwickeln sich zu 5–15 % zu einem invasivem Plattenepithelkarzinom, – sind > 50 % assoziiert mit HPV-Infektionen; • Plattenepithelkarzinome (mit ≥ 90 % die häufigsten Penis-Karzinome) – basaloide, – condylomatöse, – verrucöse, – sarkomatoid differenzierte, • sehr seltene Tumoren – Adenokarzinome, – Basalzellkarzinome, – neuroepithelilale Tumore inklusive Melanome, – Sarkome, – Lymphome. Die Metastasierung verläuft: • primär vorwiegend lymphogen – in die inguinalen/femoralen Lymphknoten, – nachfolgend in die pelvinen Lymphknoten; • selten (3 %) und meist in Begleitung der Metastasierung in Lymphknoten entwickeln sich Metastasen in – Lunge, Leber, Knochen oder ZNS.

220

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Die Prognose ist abhängig: • von der Ausdehnung des Tumors – 5-Jahresüberlebenszeit bei lokal begrenztem bzw. in den Lymphknoten metastasierten Tumor ▪ T1: 83 %; T2: 60 %; T3: 40 %, • von dem Differenzierungsgrad der Tumorzelle – 5-Jahresüberlebenszeit bei ▪ G1: 90 %; G2: 59 %; G3: 17 %, • von dem Lymphknotenbefall – 5-Jahresüberlebenszeit bei ▪ pN0: 80–95 %; ▪ pN1 (inguinale Lymphknoten): 67 % bei 1–2 Lymphknoten; 29–39 % bei > 2 Lymphknoten, ▪ pN3 (iliakale Lymphknoten): 0–33 %.

Diagnostik • Inspektion und Palpation des Penis und der inguinalen Lymphknoten – Frühsymptome des Karzinoms: ▪ zuerst flächige, verdickte Rötung an der Eichel und der distalen Vorhaut, ▪ nachfolgend exophytisch wachsender Tumor, seltener Geschwürbildung, – Symptome des fortgeschrittenen Tumors ▪ lokal fortschreitendes Tumorwachstum mit Infiltration der Schwellkörper und der Harnröhre, ▪ derbe, nicht schmerzhafte Schwellung der inguinalen Lymphknoten (Metastasen), • bildgebende Verfahren – Sonografie ▪ des Penis, der inguinalen/femoralen Lymphknoten und ▪ des Beckens und Abdomens, – ggf. MRT des Beckens (iliakale Lymphknoten) und des Abdomens – ggf. Röntgen/CT-Thorax – ggf. Knochenszintigrafie • Tumormarker – Bestimmung des SCC (squamous cell carcinoma antigen) im Blut, • Stanzbiopsie (Primärtumor) oder Exzision (Metastasen in inguinalem Lymphknoten) für die histologische Untersuchung Sentinel-Lymphknoten Exzision und histologische Untersuchung der Sentinel (Wächter-Lymphknoten), identifiziert mit Hilfe der sogenannten dynamischen Lymphszintigrafie unter Verwendung eines radioaktiven Markers ( 99Tc-Kolloid).

221

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

Therapiestrategien Tab. 8.83: Strategien zur primären Therapie des Peniskarzinoms (in Anlehnung an Stancik et al. 2008). Stadium/Grad

Stadium/Grad

Stadium/Grad

Stadium/Grad

PIN/Tis/Ta

T1 und G3 T2

T1 und G3 T>2

Fernmetastasen





radikale Chirurgie (Penisteilresektion oder Penisamputation)

Chemotherapie





bei G1/2

optional

Tumorexzision TumorLaserdetoriation

Tumorexzision TumorLaserdetoriation







cN0 (inguinale Ln)

cN0 (inguinale Ln)

cN1+ (inguinale Ln)

oder

Nachsorge regelmäßige Kontrolle

Nachsorge regelmäßige Kontrolle

bilaterale Lymphadenektomie (inguinale Ln)

palliative Therapie

▾ oder bei PrimärTumor < 4 cm





▾ falls Sentinel-Lymphknoten pelvine SLNE

▾ primäre Radiotherapie

pN2/3+ (inguinale/bilaterale/multiple/ femorale und/oder pelvine Ln) radikale inguinale/femorale/ pelvine Lymphadenektomie (bilateral)

▾ und adjuvante Chemotherapie

▾ oder adjuvante Radiotherapie

Chirurgische Therapieverfahren • mikrografische Chirurgie (Abtragung der einzelnen Gewebeschichten unter mikroskopischer Kontrolle)

222 •

• • • • •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Lasertherapie – Nd:YAG/Neodym-dotierter Yttrium-Aluminium-Garnet Kristall-Laser (Wellenlänge: 1064 nm) mit 3–6 mm Koagulationtiefe; – CO2-Laser; Kryotherapie Entfernung der Vorhaut partielle Penektomie – Sicherheitsrand zum Tumor ~ 2 cm totale Penektomie Lymphadenektomie ist abhängig – vom Tumorbefall ▪ N1 =Metastase in einem solitären inguinalen Lymphknoten ▪ N2 = Metastasen in multiplen oder bilateralen oberflächlichen Lymphknoten ▪ N3 = Metastase(n) in tiefen inguinalen (femoralen) oder Beckenlymphknoten, uni- oder bilateral ▪ SLN + = Befall der Wächter (Sentinel-) Lymphknoten – vom Tumorstadium

Chemotherapie • MBP-Schema – Methotrexat 25 mg/m2; Tag 1 und 8 – Bleomycin 10 mg/m2; Tag 1 und 8 – Cisplatin 75 mg/m2; Tag 1 – Zyklusdauer 21 Tage, 2–4 Zyklen • VBM-Schema – Vincristin 1 mg; Tag 1 – Bleomycin 15 mg; Tag 1, 6 und 12 Stunden nach Vincristin – Methotrexat 30 mg; Tag 3 • bei starker Unverträglich von Bleomycin sollte cisplatinhaltiges Behandlungsschema z. B. in Kombination mit einem Antimetaboliten verabreicht werden Stadienabhängige Therapiemöglichkeiten Stadium O/Tis/Ta/PIN: • Optionen: – chirurgische Abtragung der Epithelläsion mit Hilfe der mikrografischen Chirurgie, Laser-Chirurgie (Nd:YAG- oder CO2-Laser) oder Kryo-Chirurgie; – lokale Behandlung mit ▪ einem Zytostatikum: 5-Fluorouracil-Creme, ▪ dem Immunmodulator Imiquimod 5 % (Ligand für TLR, siehe Kap. 6.3.2.1) Stadium I: • Optionen: – chirurgische Therapie, je nach Lage und Größe des Tumors ▪ Exzision der Vorhaut bei Tumoren beschränkt auf die Vorhaut,

223

8.4 Bösartige Neubildungen der männlichen Genitalorgane (ICD10: C60–C63)

mikrografische Chirurgie oder partielle oder totale Penektomie (je nach Lage und Größe des Tumors) perkutane Radiotherapie oder Brachytherapie

▪ ▪



Stadium II: • Optionen: – partielle oder totale Penektomie (je nach Lage und Größe des Tumors) – perkutane Radiotherapie oder Brachytherapie Stadium III: • Optionen: – primäre totale Penektomie und beidseitige Exzision der regionalen (inguinalen) Lymphknoten und ▪ adjuvante perkutane Radiotherapie oder ▪ adjuvante Chemotherapie (MBP-Schema) – perkutane Radiotherapie – primäre (neoadjuvante) Chemotherapie (Cisplatin 100 mg/m2 und kontinuierliche Infusion von 5-Fluorouracil) ▪ postchemotherapeutisch: totale Penektomie und beidseitige Exzision der regionalen (inguinalen) Lymphknoten Stadium IV: • Optionen – palliative Chirurgie (Primärtumor und Metastasen) – palliative perkutane Radiotherapie (Primärtumor und Metastasen) – palliative Chemotherapie (MBP- oder VBP-Schema) Rezidive • Optionen – palliative Chirurgie (Primärtumor und Metastasen) – palliative perkutane Radiotherapie (Primärtumor und Metastasen)

Tab. 8.84: Therapieverfahren des Peniskarzinoms in Bezug zum TNM-Status.

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

0

Tis/ PIN

Ta

N0

N0

M0

M0

Chirurgie

mikrografische Chirurgie, LaserChirurgie (Nd: YAG- oder CO2-Laser) oder Kryo-Chirurgie

Radiotherapie

Chemotherapie

Prognose 5-JahresÜberleben

lokal: 5-FluorouracilCreme oder Immunmodulator Imiquimod

~ 100 %

224

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

I

T1

N0

M0

T1a II

IV

T2

N0

M0

T3

N0

M0

IIIA

T1–3

N1

M0

IIIB

T1–3

N2

M0

T4

jedes N

M0

jedes T

N3

M0

jedes T

jedes N

M1

Radiotherapie

Chemotherapie

lokale Chirurgie oder Penektomie partielle oder totale Penektomie

T1b

III

Chirurgie

Prognose 5-JahresÜberleben ~ 80– 95 %

perkutane Radiotherapie oder Brachytherapie

~ 20– 60 % ~ 60 % ~ 40 %

Penektomie und Lymphadenektomie (beidseitig, inguinal)

primäre oder adjuvante perkutane Radiotherapie

adjuvant (MBP-Schema) oder neoadjuvant (Cisplatin +5-FU)

palliative Chirurgie

palliative perkutane Radiotherapie

palliativ (MBP- oder VBPSchema)

~ 40– 70 % ~ 30– 40 %

~ 0–30 %

Weiterführende Literatur Cancer Research UK http://info.cancerresearchuk.org/cancerstats/types/prostata/ Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) http://www.dimdi.de/static/ de/index.html Klassifikation der Differenzierung; http://www.uicc.org/tnm Manski, D. Urologielehrbuch, Peniskarzinom 12. 09. 2011; http://www.urologielehrbuch.de/ peniskarzinom_04.html National Cancer Institute (USA) Penile Cancer Treatment 09/08/2011; http://www.cancer.gov/ cancertopics/pdq/treatment/Penile/HealthProfessional Schenk M. Verfahrensanleitungen zu den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) und der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) Seltene urologische Tumoren: Peniskarzinom 2007 http://www.uk-essen.de/fileadmin/Urologie/PDF/Leitlinie_Peniskarzinom.pdf Stancik I, Höltl W, De Santis M, Peniskarzinom − Leitlinien des Arbeitskreises für Urologische Onkologie AUO der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie, Journal für Urologie und Urogynäkologie 2008; 15 4, 14–17 WHO, International Agency for Research on Cancer; Globocan 2008, Cancer incidence and mortality world wide 2008, http://globocan.iarc.fr/

8.5 Bösartige Neubildungen der Harnorgane (ICD10: C64–C68)

225

8.5 Bösartige Neubildungen der Harnorgane (ICD10: C64–C68) 8.5.1 Niere, Nierenbecken und Harnleiter Vorkommen Nierentumoren: • sind eine relativ seltene Erkrankung, Anzahl der Neuerkrankungen steigt jedoch an (um bis zu 2 %/Jahr); • kommen vermehrt in den Industrieländern vor, wobei die Anzahl der Neuerkrankungen (N) und die Todesrate (T) auf 100.000 Personen stark variiert: – weltweit (2008) N:  4,0 T: 1,6 (2018): N:  4,5 T: 1,8 – Europa N:  8,1 T: 3,1 – Amerika ▪ Nordamerika: N: 11,8 T: 2,6 ▪ Mittelamerika: N:  3,4 T: 1,8 ▪ Südamerika: N:  3,1 T: 1,7 – Asien N:  2,1 T: 1,0 – Afrika N:  1,2 T: 0,9 Für Deutschland liegen folgende Zahlen des Jahres 2016 vor: • Neuerkrankungen 14.640 und eine Neuerkrankungsrate von 11,6/100.000 Personen, wobei – Frauen mit 7,5/100.000 deutlich weniger häufig erkranken als Männer mit 15,7/ 100.000, • Todesfälle 5.354 und eine Todesrate von 3,5/100.00 Personen, wobei – Frauen mit 2,1/100.000 deutlich weniger häufig sterben als Männer mit 4,9/ 100.000 • Prävalenz – bei Frauen über den Zeitraum von 5 Jahren bei 21.900 und über 10 Jahre bei 39.900 – bei Männern über 5 Jahre bei 37.900 und über 10 Jahre bei 66.600 • Überlebensrate bei Frauen 66 %, bei Männern dagegen bei 50 % Im Vergleich zum Jahr 2008 mit einer Neuerkrankungsrate von 10,8/100.000 Personen und einer Todesrate 3,3/100.000 hat sich somit auch in Deutschland das Vorkommen von Nierenkarzinomen deutlich erhöht. Nierenkarzinome umfassen: • bei älteren Menschen (Häufungen bei Männern zwischen 65–70 Jahren und bei Frauen über 70 Jahren) im Wesentlichen: – Onkozytome, gutartige Tumoren, etwa 3–7 % aller Nierentumoren, – Nierenzellkarzinome (Hypernephrom; RCC/renales Zellkarzinom), Karzinome des Nierenparenchyms, etwa 86 % aller Nierentumoren, – Urothelkarzinome; Karzinome des Nierenbeckens (ca. 6 % aller Nierentumoren) und der Harnleiter (ca. 6 % aller Nierentumoren), – und seltener Sarkome und Non-Hodgkin-Lymphome;

226 •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

bei Kindern (meist im Alter unter fünf Jahren) – Nephroblastome (Wilms-Tumoren).

Risikofaktoren Zu den Risikofaktoren gehören • Alter und Geschlecht – etwa drei Viertel aller Nierentumore entstehen ab einem Alter von etwa 60 Jahren, – Männern sind stärker betroffen als Frauen (Verhältnis etwa 3 : 2), in Deutschland liegt aktuell das Verhältnis bei 2 : 1 (s. o.); • familiäre und genetische Faktoren – das Risiko einer Nierenkarzinomerkrankung ▪ verdoppelt sich, wenn ein Verwandter ersten Grades an einem Nierentumor erkrankt/e, ▪ verdreifacht bis vervierfacht sich, wenn der erkrankte Verwandte ersten Grades ein Zwilling ist; – bei einem Schilddrüsenkarzinom ist das Risiko eines Nierentumors um den Faktor 2–7 erhöht; – bestimmte Keimzellmutationen sind mit erhöhtem Risiko eines Nierenkarzinoms oder Nephroblastoms verbunden (siehe Tab. 8.82); – sporadische Mutationen betreffen z. B.: ▪ Gene für VHL, MET, BHD und WT-1, -2 (siehe Tab. 8.82), ▪ Trisomie der Chromosome 7, 16 oder 17, ▪ Verlust des Y-Chromosoms; • Übergewicht/Fettsucht – ein Viertel aller Nierenkarzinome (Männer 25 %, Frauen 24 %) können auf Übergewicht oder Fettsucht zurückgeführt werden: ▪ bei Übergewicht ist das Risiko um 35 % erhöht, ▪ bei Fettsucht ist das Risiko um 70 %, bei Frauen bis zu 120 % erhöht, ▪ Bluthochdruck erhöht das Risiko, eine Normalierung des Blutdruckes senkt es, – Karzinome des Nierenbeckens scheinen nicht durch das Körpergewicht beeinflusst zu werden; • Ernährung – das Risiko eines Nierenkarzinoms wird vermindert ▪ um etwa 20 % durch den alltäglichen Konsum von Früchten und Gemüse (600 g/Tag), ▪ um etwa 30 % durch den täglichen Genuss von ca. 15 g Alkohol; • Tabakkonsum – etwa 24–32 % aller Nierenkarzinome bei Männern und 9–16 % aller Nierenkarzinome bei Frauen werden auf das Rauchen zurückgeführt: ▪ mehr als 20 Zigaretten/Tag erhöhen das Risiko um 60–100 % im Vergleich zu Nichtrauchern, ▪ 10 Jahre nach Beendigung des Rauchens ist das Risiko wieder auf das Niveau von Nichtrauchern gesunken, – das Risiko für Nierenbecken-Karzinome wird um den Faktor 3 erhöht;

8.5 Bösartige Neubildungen der Harnorgane (ICD10: C64–C68)

• •

227

Umweltgifte – Cadmium-Aufnahme erhöht das Risiko, Krankheiten/medizinische Eingriffe/Arzneimittel – Bluthochdruck wird als einer der Risikofaktoren für das Nierenkarzinom angesehen (Assoziation bei 24 % der erkrankten Frauen und 16 % der Männer), – das Risiko für Nierenkarzinome ist erhöht: ▪ nach Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV), ▪ um den Faktor 6–7 nach 10 Jahren Dialyse, ▪ um den Faktor 3–4 durch erworbene Nierenzysten, z. B. im Gefolge der Dialyse, ▪ durch Nierentransplantationen in der verbliebenen eigenen Niere, ▪ um den Faktor 2 durch Streustrahlung bei der perkutanen Radiotherapie z. B. des Hodenkarzinoms oder Zervixkarzinoms, ▪ um den Faktor 2 im Gefolge einer Hysterektomie, ▪ durch die Einnahme von Phenacetin (Schmerzmittel), – das Risiko für ein Urothelkarzinom ist erhöht: ▪ bei einem Harnblasenkarzinom; auch bei dessen Resektion entstehen in 30 % der Fälle Urothelkarzinome, ▪ bei einem Urothelkarzinom der ipsilateralen Seite; in bis zu 90 % der Fälle weist die „gesunde“ Seite eine intraepitheliale Neoplasie oder ein Carcinoma in situ auf; – ein Karzinom des Nierenbeckens und des Harnleiters wird gefolgt ▪ in 2–4 % der Fälle von einem entsprechenden Karzinom der kontralateralen Niere, ▪ in 30–75 % der Fälle von einem Karzinom der Harnblase.

Tab. 8.85: Hereditäre Nierenzelltumoren. Nierenkarzinom Krankheit (Gen)

Funktion des Proteins Typ

Häufigkeit

Weitere Tumoren bei Erbträgern in

inaktivierende Mutation von Tumorsuppressoren

VHL Von HippelLindau (Chromosome 3p25.5)

VHL beteiligt an Ubiquitierung von HIF/Hypoxieinduzierenden Faktoren; durch Mutation Überexpression von HIF/ verstärkte Expression HIF-regulierter Proteine (i. e. VEGF, TGF, PDGF)

HLRCC Hereditary Leiomyomatosis Renal Cell Cancer (Chromosom 1q42-q44)

Fumarate Hydratase (FH) hemmt Hypoxie-regulierte Aktivierungswege; Inaktivierung der FH steigert Aktivierung

Klarzellkarzinom

bis zu 70 % bei Erbträgern im Alter von 60 Jahren

ZNS, Pankreas, Nebenniere, Auge

papilläres Nierenzellkarzinom Typ2

selten

Uterus, Haut (Leiomyoma)

228

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Nierenkarzinom Krankheit (Gen) BHD-S Birt-Hogg-DubéSyndrom (Chromosom 17p11.2) TSC1 Tuburöse Sklerose (Chromosom 9q34.13) TSC2 (Chromosom 16q13.3)

Funktion des Proteins

Folliculin, hemmt die mammalian Target of Rapamycin (mTOR)Serin-/Threoninkinase

TSC1/ Harmatin hemmt im Komplex mit TSC2/ Tuberin das mTOR

Weitere Tumoren bei Erbträgern in

Typ

Häufigkeit

chromophobes Nierenzellkarzinom

sehr selten

Haarfollikel (Fibrofollikulome) Lunge (Zysten)

Nierenzellkarzinome, (entwickeln sich aus Zysten)

selten

Angiomyolipome; fokale kortikale Dysplasie

aktivierende Mutationen von Proto-Onkogenen HPRCC Hereditäres IPapilläres Renales Zell-Karzinom/ (Chromosom 7q34) Familial papillar thyroid cancer and familial kidney neoplasia WT-1 Wilms-Tumor (Chromosom 11p13) WT-2 (Chromosom 11p15,5)

aktivierende Mutation von c-MET (Hepatocyte Growth-Faktor-Rezeptor/ papilläres NierenHGF-R; Scatter-Faktor/ zellkarzinom Typ1 SF-R); Verstärkung der Tumorangiogenese und Metastasierung

selten

Leber, Magen, Mamma, ZNS

papilläres Nierenzellkarzinom

selten

Schilddrüse

Nephroblastom

bei > fünfjährigen Kindern, 1/10.000, in 5 % der Fälle beidseitig/hereditär

unbekannt

Differenzierungsgene und Proteine

Entwicklungsstadien und Klassifikationen Nierentumoren • sind zu unterteilen in: – Tumoren des Nierenparenchyms, – Tumoren des Nierenbeckens und Harnleiters; • werden jeweils klassifiziert (siehe Tab. 8.85 und Tab. 8.86) auf Basis • der TNM-Klassifikation, – der Stadieneinteilung der AJCC/American Joint Committee on Cancer’s TNM classification system, – der Gruppeneinteilung der AJCC (siehe Tab. 8.87).

8.5 Bösartige Neubildungen der Harnorgane (ICD10: C64–C68)

229

Tab. 8.86: Entwicklungsstadien und Klassifikation von Nierenkarzinomen.

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

Niere

Andere Gewebe

Prognose 5-JahresÜberleben

Primärtumoren, Lymphknoten und/ Tx

Nx

Mx

oder Metastasen können nicht beurteilt werden keine Anhaltspunkte für Primärtumor

T0

N0

M0

T1

N0

M0

T1a

N0

M0

Tumor ≤ 7 cm

T1b

N0

M0

Tumor > 4 cm aber nicht > 7 cm

N0

M0

T2a

N0

M0

Tumor > 7 cm aber ≤ 10 cm

T2b

N0

M0

Tumor > 10 cm

N1

M0

I

T2 II

T1–T2

oder

Tumor ≤ 7 cm, beschränkt auf die Niere 75–95 %

Tumor > 7 cm, beschränkt auf die Niere 60–80 %

Tumor ist in die größeren Venen oder das

N0 T3

oder Metastasen

M0

N1

perinephritische Gewebe eingedrungen aber nicht in die ipsilaterale Nebenniere und nicht jenseits der Nierenfaszie (Fascia renalis/Gerota) Tumor ist in die renale Vene, ihre segmentale

III

T3a

Arme oder in das perirenale oder renale Sinusfett eingedrungen N0

T3b

40–70 %

Tumor ist weit in die Vena cava unterhalb des

oder

Zwerchfells eingedrungen

N1

Tumor ist in die Vena cava bis oberhalb des T3c

Zwerchfells eingedrungen oder hat die Venenwand durchdrungen N0

M0

die gleichseitige Nebenniere befallen

N1 IV

T4

Tumor hat die Nierenfaszie durchdrungen und

Metastase in 1 regionären Lymphknoten M0

N2 jedes N

5–30 % Metastasen in > 1 regionärem Lymphknoten

M1

Fernmetastasen

230

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.87: Ausbreitung und Klassifikation von Karzinomen des Nierenbeckens und Harnleiters.

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

Nierenbecken und Harnleiter

Andere Gewebe

Prognose 5-JahresÜberleben

Primärtumoren, Lymphknoten Tx

Nx

Mx

und/oder Metastasen können nicht beurteilt werden

0

0a 0is

T0

N0

M0

T0a

N0

M0

Tis

N0

M0

I

T1

N0

M0

II

T2

N0

M0

keine Anhaltspunkte für Primärtumor oder Metastasen papilläres nichtinvasives Karzinom

> 90 %

Carcinoma in situ Tumor hat das subepitheliale Gewebe infiltriert Tumor hat die Muskularis Mucosae infiltriert

60–90 %

40–75 %

Nierenbecken: Tumor hat das Nierenparenchym oder peripelvine Fettgewebe infiltriert III

T3

N0

M0

15–35 % Harnleiter: Tumor hat das periuretrale Fettgewebe infiltriert Tumor ist (durch das Nierenparenchym)

T4

N0

M0

in das Nierenfett oder in benachbarte Organe eingedrungen

N1

Metastase in 1 regionären Lymphknoten, ≤ 2 cm Metastase in 1 regionären Lymphknoten, > 2 cm,

IV

≤ 5 cm

N2 M0

jedes

Metastasen in mehreren regionären Lymphknoten, alle ≤ 5 cm

T Metastasen in einem regionären Lymphknoten,

N3 jedes N

> 5 cm M1

Fernmetastasen

Norm; 6) Thrombozyten > Norm

( )** = Zielstrukturen der Inhibitoren

Chirurgisches Verfahren • nicht metastasiertes Nierenkarzinom (Tab. 8.91) – Kryoablation oder Radiofrequenzablation ggf. bei Patienten mit kleinen Nierentumoren und hoher Komorbidität und/oder begrenzter Lebenserwartung, – Nephrektomie ▪ per Laparoskopie oder retroperitoneoskopisch, ▪ ggf. Roboter-assistiert oder ▪ offen per Laparotomie (transperitoneal oder lumbal), ▪ partielle Nephrektomie (nierenerhaltend) bei lokal begrenztem Tumor (Stadium T1 und T2) mit tumorfreiem Resektionsrand ≥ 10 mm, ▪ totale Nephrektomie bei fortgeschrittenem Tumor (> Stadium I); • metastasiertes Nierenkarzinom, falls der Patient im guten Allgemeinzustand ist – Nephrektomie, – Resektion der regionalen Lymphknoten bei Verdacht (MRT, CT, operatives Bild) auf Metastasen,

8.5 Bösartige Neubildungen der Harnorgane (ICD10: C64–C68)

237

– – – •

gleichseitige Adrenalektomie bei Verdacht auf Tumorbefall, Resektion von Fern-Metastasen mit breitem tumorfreien Resektionsrand (R0), arterielle Embolisation der Niere ▪ palliatives Verfahren Urothelkarzinome (siehe Tab. 8.92) – Resektionsverfahren ▪ perkutane, retroperitoneale, abdominale Resektion, ▪ laparoskopische Resektion, ▪ ureterskopische Resektion (Laser-Resektion, Elektro-Resektion), – lokale Exzision bei nicht-invasiven/auf das Epithel beschränkten Neoplasien ▪ partielle Ureter-Ektomie und Anastomose der Ureterenden, falls der Tumor sich im distalen Drittel des Ureters befindet und Tumoren im proximalen Bereich und im distalen Bereich ausgeschlossen werden können, – Nephro-Ureter-Ektomie ▪ Exzision der erkrankten Niere und des gesamten Harnleiters, einschließlich einer Harnblasenmanschette (Öffnung des Harnleiters in die Harnblase), ▪ da die Erkrankung einer Niere nur äußerst selten (2–4 % der Fälle) die Tumorerkrankung der kontralateralen Niere zur Folge hat, bleibt diese (soweit sie ohne besonderen Befund ist) erhalten, – Exzision der regionalen Lymphknoten bei Verdacht auf Tumormetastasen – Resektion von Metastasen mit breitem tumorfreien Resektionsrand (R0)

Eine zielgerichtete Chemo-Immuntherapie erfolgt bei Nierenkarzinomen im fortgeschrittenen oder metastasierten Stadium (siehe Tab. 8.91) • Interferone – Interferon-alpha ▪ aktiviert NK-Zellen, steigert die Immunogenität von Tumorzellen, hemmt die (Tumor-) Angiogenese, hemmt die Zellproliferation, ▪ bewirkt Tumorremissionsraten von ca. 15 % und eine Verlängerung der Überlebenszeit auf 13 Monate, ▪ kann als Nebenwirkung Anämie, Schwäche, Ermüdung verursachen • monoklonale Antikörper – Bevacizumab ▪ ist gegen VEGF gerichtet und hemmt die Angiogenese, ▪ bewirkt in Kombination mit Interferon alpha Remissionsraten von 25–30 % und eine Verlängerung der Überlebenszeit, ▪ kann als Nebenwirkung Ermüdung, Schwäche, Hypertonie, Proteinurie, seltener Thromboembolien auslösen – Nivolumab ▪ blockiert den hemmenden PD-1-Rezeptor auf T-Lymphozyten, sodass der PD1Rezeptor-Ligand (PD-1 L) exprimiert z. B. von Tumorzellen die Funktion von zytotoxischen T-Lymphozyten nicht unterdrücken kann ▪ in gleicher Art wirkt Pembrolizumab ▪ synergistisch wirken monoklonale Antikörper, gerichtet gegen den PD-1-Liganden wie z. B. Atezolizumab, Durvalumab und Avelumab

238 •





8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Interleukine – Interleukin 2 (IL-2), welches ▪ Proliferation und Differenzierung von B-Lymphozyten und T-Lymphozyten und deren Expression von Zytokinen wie Interferon und TNF-α und TNF-β stimuliert, ▪ Natürliche Killerzellen und LAK/Lymphokin-Aktivierte Killerzellen stimuliert und ▪ Makrophagen zur Zytotoxizität aktiviert ▪ als dominante Nebenwirkungen die Durchlässigkeit der Blutgefäße drastisch erhöht mit Extravasation des Blutplasmas in das Interstitium, generalisierten Ödemen und dem Risiko des multiplen Organversagens mTOR-Kinase-Inhibitoren – Sirolimus (Rapamycin)-Derivate wie ▪ Everolimus mit ähnlicher anti-tumoraler Wirkung wie Temsirolimus, wobei bei den Nebenwirkungen vorherrschen Infektionen, Anämie, verringerter Appetit, Hyperglykämie, Cholesterinämie, Kopfschmerzen, Lungenentzündung, Brustfell- und Herzbeutel-Erguss, Mundschleimhautentzündung, Durchfall, Übelkeit, Harnwegsinfektionen, Hautausschlag, Juckreiz, Ermüdung, Schlaflosigkeit, Angstzustände, Wasseransammlungen in Armen und Beinen, Gewichtsverlust. ▪ Temsirolimus bewirkt Tumor-Remissionen bei ca. 9 % der Patienten, verlängert das tumorprogressionsfreie Überleben und die gesamte Überlebenszeit, bei vorbehandelten (Sorafenib, Sunitinib oder IL-2) Patienten Verlängerung des progressionsfreien Überlebens, aktiviert T-Lymphozyten, NK-Zellen wie auch Makrophagen und B-Lymphozyten und induziert Tumorremissionen bei etwa 6 % der Patienten, vereinzelt mit kompletter Remission und langer Überlebenszeit, Nebenwirkungen können sein Anämie, Schwäche, Hyperglykämie und Dyspnoe, seltener Pneumonitis, Hypotonie, Fieber, Diarrhoe, Schädigung der Lunge, der Niere, des Herzens, des Nervensystems; VEGF-Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitoren – Sunitinib ▪ ist ein oral wirksamer kleinmolekularer Inhibitor der Rezeptoren für VEGF (VEGFR-2, VEGFR-3); PDGF (PDGF-α/β), für den Stammzell-Faktor (c-Kit), ▪ bewirkt Tumorremissionsraten von ca. 47 % und eine Verlängerung der tumorprogressionsfreien Überlebenszeit, ▪ kann als Nebenwirkungen Hypertonie, Ermüdung, Diarrhoe, Hand-FußSyndrom und Schwäche, nach längerfristiger Einnahme auch Schädigung des Herzens und Hypothyreose verursachen, – Sorafenib ▪ ist ein oral wirksamer kleinmolekularer Inhibitor der Rezeptoren für VEGF (VEGFR-2, VEGFR-3); PDGF (PDGF-α/β), für den Stammzell-Faktor (c-Kit) und des zellulären MAP-Kinase-Signalweges durch Hemmung der Serin/Threoninkinase Raf (Raf-1, B-Raf und mutiertes B-Raf), ▪ verlängert das tumorprogressionsfreie Überleben,

8.5 Bösartige Neubildungen der Harnorgane (ICD10: C64–C68)

239

kann als Nebenwirkungen Schädigungen das Hand-Fuß-Syndrom, nach längerfristiger Einnahme auch Schädigung des Herzens und Hypothyreose verursachen, – Pazopanib ▪ ist ein oral wirksamer kleinmolekularer Inhibitor der Rezeptoren für VEGF (VEGFR-1, VEGFR-2, VEGFR-3); PDGF (PDGF- α/β) und für den StammzellFaktor (c-Kit), ▪ bewirkt Tumorremissionsraten von ca. 30 % und eine Verlängerung der tumorprogressionsfreien Überlebenszeit, ▪ kann als Nebenwirkungen Schädigungen der Leber, nach längerfristiger Einnahme auch Schädigung des Herzens und Hypothyreose verursachen, – Axitinib ▪ ist ein oral wirksamer kleinmolekularer Inhibitor der Rezeptoren für VEGF (VEGFR-1, VEGFR-2, VEGFR-3); PDGF (PDGF- α/β) und für den StammzellFaktor (c-Kit), ▪ bewirkt eine Verlängerung der tumorprogressionsfreien Überlebenszeit. – Cabozantinib ▪ ist ein oral wirksamer kleinmolekularer Inhibitor von MET (HGF/Hepatocyte Growth Factor Receptor), VEGFR, RET, GAS6 receptor (AXL), KIT) und der Fms-like tyrosine kinase-3 (FLT3) ▪ zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Durchfall, Erschöpfung, Übelkeit, Appetitmangel, Gewichtsabnahme, das palmar-plantare Erythrodysästhesie-Syndrom, Bluthochdruck, Erbrechen und Verstopfung. – Lenvantinib ▪ ist ein oral wirksamer kleinmolekularer Inhibitor von VEGFR1, VEGFR2 und VEGFR3 und hemmt dadurch die Angiogenese, ▪ zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Bluthochdruck, Durchfall, Thrombozytopenie, Muskel- und Knochenschmerzen EGF-Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitoren, z. B. – Lapatinib ▪ ist ein oral wirksamer kleinmolekularer Inhibitor der Rezeptoren für EGF (EGFR) und des Her2/neu (human EGFR Typ 2), ▪ wirkt auf EGF (EGFR) oder Her2/neu (human EGFR Typ 2) exprimierende Nierenkarzinomzellen, ▪ kann als Nebenwirkungen Durchfall, Müdigkeit, Schwindel bewirken; ▪



Beim Urothelkarzinom kann eine zielgerichtete Immuntherapie ggf. erfolgen durch die Verabreichung von • monoklonalen Antikörpern gegen PD-1 – wie z. B. Nivolumab und Pembrolizumab • monoklonale Antikörper gegen PD-1L – wie z. B. Atezolizumab, Durvalumab oder Avelumab Radiotherapie Die Radiotherapie wird eingesetzt zur palliativen lokalen Therapie (siehe Tab. 8.91 und Tab. 8.92)

240 • • •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

perkutan bei der regionalen Bestrahlung z. B. von Tumor-infiltrierten Lymphknoten und deren Abflussgebiet lokal und stereotaktisch zur Behandlung von nicht operablen Metastasen z. B. im Hirn und/oder in den Knochen, wobei die Intensität abhängig sein sollte von der Lebenserwartung und im Bereich von geringer Strahlenbelastung (z. B. 1 × 8 Gy oder 5 × 4 Gy) bis höherer Strahlenbelastung (z. B. 10 × 3 Gy) liegt

Chemotherapie wird angewandt • bei Nierenkarzinomen als Option zur palliativen Behandlung – fortgeschrittener und/oder metastasierter Stadien und Tumorrezidiven – jedoch mit nur mit geringem therapeutischen Erfolg: ▪ 5-Fluorouracil + Vinblastin, ▪ 5-Fluorouracil + Gemcitabin. • beim Urothelkarzinome (siehe Tab. 8.92) – in fortgeschrittenen Stadien und bei Tumorrezidiven: ▪ kann das M-VAC-Schema (Methotrexat + Vinblastin + Doxorubicin + Cisplatin) zu Tumorregressionen und zu einer Verlängerung der Überlebenszeit führen, ▪ sind Paclitaxel, Ifosfamid, Gallium-Nitrat, Gemcitabin und Pemetrexed weitere Therapie-Optionen.

Tab. 8.91: Therapieverfahren für das Nierenkarzinom in Bezug zum TNM-Status.

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

T1 I

N0

M0

T1a

N0

M0

T1b

N0

M0

N0

M0

T2a

N0

M0

T2b

N0

M0

T1–T2

N1

M0

T3

N0 oder N1

M0

T2 II

III

III

T3a T3b T3c

N0 oder N1

Chirurgie

Radiotherapie

Chemotherapie

Immuntherapie/ KinaseInhibitoren

partielle Nephrektomie

Prognose 5-JahresÜberleben

75–95 %

radikale Nephroureterektomie; Lymphadenektomie; Exzision von Metastasen

60–80 %

palliativ, perkutan

nur palliativ 5-Fluorouracil + Vinblastin; 5-Fluorouracil + Gemcitabin

Interferon α IL-2 Antikörper gegen VEGF; Antikörper gegen PD-1;

40–70 %

241

8.5 Bösartige Neubildungen der Harnorgane (ICD10: C64–C68)

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

IV

T4 N1

N0

Chirurgie

Radiotherapie

Chemotherapie

M0

M0

Immuntherapie/ KinaseInhibitoren

Prognose 5-JahresÜberleben

Inhibitoren der VEGFRezeptoren und PDGFRezeptoren oder der EGFRezeptoren

5–30 %

Tab. 8.92: Therapieverfahren für Karzinome des Nierenbeckens und Harnleiters.

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

Chirurgie

0a

T0a

N0

M0

0is

Tis

N0

M0

partielle Resektion Ureter

I

T1

N0

M0

II

T2

N0

M0

III

T3

N0

M0

0

T4

N0

M0

N1 N2

M0

N3 IV

jedes T jedes N

M1

Radiotherapie

Immuntherapie

Chemotherapie

Prognose 5-JahresÜberleben

> 90 %

60–90 %

radikale Nephroureterektomie; Lymphadenektomie; Exzision von Metastasen

ggf. Anti-PD1– Antikörper; Anti-PD1LAntikörper

palliativ, perkutan

ggf. Anti-PD-1Antikörper; Anti-PD1LAntikörper

40–75 %

15–35 %

M-VACSchema (Methotrexat + Vinblastin + Doxorubicin + Cisplatin); palliativ Paclitaxel, Ifosfamid, GalliumNitrat, Gemcitabin, Pemetrexed

2 cm < 5 cm

jedes T

N3

M0

Metastasen in den Lymphknoten an den A. iliacae communes oder mindestens eine Metastase > 5 cm

jedes T

jedes N

M1

Fernmetastasen

Prognose 5-JahresÜberleben

> 95 %

70–90 %

40– ~ 60 %

~ 10– ~ 20 %

Histologische Klassifikation Die histologische Differenzierung von Harnblasentumoren erfolgt gemäß der Klassifikation der WHO von 2004 und 2016 (siehe Tab. 8.94) Bei der Harnblase werden unterschieden (siehe Tab. 8.94)

8.5 Bösartige Neubildungen der Harnorgane (ICD10: C64–C68)

• •

247

nicht-invasive urotheliale Tumore/Läsionen invasive urotheliale-Karzinome – Übergangszell-Karzinome ▪ Häufigkeit bei etwa 90 % in den Industrieländern – Plattenepithelkarzinome ▪ Häufigkeit bei ca. 6–8 % in den Industrieländern (meist assoziiert mit chronischen Entzündungen durch Dauerkatheder) ▪ Häufigkeit bei etwa 70 % in Schistosoma/Bilharziose belasteten tropischen Ländern (Ägypten, Asien, Amerika) – Adenokarzinome ▪ Häufigkeit bei etwa 2 %

Harnröhrentumoren sind: • zu etwa 80 % Plattenepithelkarzinome – häufig assoziiert mit onkogenen HPV-Infektionen • zu etwa 10 % Urothelkarzinome • zu etwa 10 % Adenokarzinome oder undifferenzierte Karzinome Zur Erleichterung der histologischen Differenzierung dient der immunhistochemische Nachweis von Markern wie z. B. • beim Nachweis untypischer Primärtumordifferenzierung – die Marker: GATA3, p63, CK7, CK20, CK5/6, S100P, Uroplakin III, Synaptophysin, Chromogranin, CDX2, PSA. • beim Nachweis urothelialer Differenzierung bei Metastasen – die Marker: GATA3, p63, p40, CK20, CK5/6, S100P, Uroplakin III • bei der Abgrenzung einer reaktiven Atypie des Urothels von neoplastischen Veränderungen (z. B. Dysplasie oder Carcinoma in situ) – die Marker CK20, Ki-67, p53, CK5/6 und CD44 (Prüfung von mindestens 3 Markern) • beim Nachweis invasiver Einzelzellen besonders in Zweifelsfällen (kleine Biopsie, Artefakte) – Prüfung mit einem Panzytokeratin-Antikörper • beim Nachweis einer Gefäßinvasion – Identifizierung der Endothelzellen mit CD34 oder CD31 und D2–40 • beim Nachweis von Muskelfasern (M. propria und M. mucosae-Anteile) – Darstellung von Smoothelin und glattmuskulärem Aktin • bei der Unterscheidung von niedriger und hoher Dedifferenzierung beim nicht-muskelinvasiven Urothelkarzinom – Nachweis von CK 20, Ki67 und p53. Die Metastasierung erfolgt • vorwiegend lymphogen – in die Lymphknoten des kleinen Beckens ▪ obturator, hyopgastrische, externe iliakale oder präsakrale Lymphknoten – in die Lymphknoten entlang der Arterien iliacae communes • vorwiegend hämatogen – Fernmetastasen in Knochen, Leber, Lunge, Peritoneum, Gehirn

248

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.94: Histologische Klassifikation der Harnblasentumoren. Prognose Tumore (WHO-Klassifikation 2004)

Bemerkungen Benigne

Maligne

Karzinome Übergangepitheltumore (Urotheltumoren) nichtinvasive Urotheltumoren Neoplasien vom papillären Typ Papillom

+

nicht invasive papilläre Neoplasie mit niedrigem malignen Potential (PUNLMP)

(+)

nichtinvasives papilläres Urothelkarzinom

palisadenartige Aufreihung der Basalzellen (+)

Kernatypien, mehrere Zellschichten

+

Infiltration nur bis in die Lamina propria

low grade high grade

Neoplasien vom flachen Typ reaktive Atypie

+

bis zu 7 Zelllagen; Kernatypien

Atypie mit unklarer Bedeutung

+ (?)

Atypien teils mit Dysplasien

Dysplasie

(+)

Carcinoma in situ

(+)

flaches atypisches Epithel mit Schichtungsstörungen

+

Kernatypien, Schichtungsstörungen, hohe Proliferation

invasive Urotheltumoren infiltrierendes Urothelkarzinom

++

invasives papilläres Urothelkarzinom

++

Harnblase: assoziiert mit chronischer Entzündung (Schistosomiasis/Bilharziose oder Dauerkatheder)

++

beim Mann: ca. 80 % der Harnröhrentumoren

Plattenepithelkarzinome

Adenokarzinome

Infiltration bis in die Lamina muscularis

++

• primäres Adenokarzinom • Urachus-Karzinom

ausgehend vom Urachus/ Harnblasendach

• hepatoides Adenokarzinom

sehr selten

Lymphoepitheliale Karzinome neuroepitheliale Tumoren

sehr selten

kleinzelliges Karzinom

++++

karzinoide (Neuroendokrine Tumoren)

+++

8.5 Bösartige Neubildungen der Harnorgane (ICD10: C64–C68)

249

Prognose Tumore (WHO-Klassifikation 2004)

Bemerkungen Benigne

Maligne

Phäochromozytom

+++

Ursprung sind Paraganglien

++

bei Kindern und Jugendlichen

++

Ursprung sind Lymphfollikel

Sarkome Rhabdomyosarkom Lymphome primäre maligne Lymphome (meist Non-Hodgkin)

Tumore: WHO-Klassifikation 2016 nicht invasive Urotheliale Läsionen/Karzinome Urotheliales Papillom Invertiertes urotheliales Papillom Urotheliale Proliferation mit unklarem malignem Potential Urotheliale Dysplasie Papilläre urotheliale Neoplasie mit geringem malignem Potential Urotheliales Carcinoma in situ niedriggradig Nicht-invasives papilläres Urothelkarzinom

hochgradig

invasives Urothel-Karzinom Nested, einschließlich großzellig nested Mikrozystisch Mikropapillär Lymphoepitheliom-artig Plasmazytoid / Siegelringzellig / Diffussakromatoid Riesenzellig Gering differenziert, Lipid-reich, Klarzellig

Auf der Basis der klinischen, makroskopischen und mikroskopisch-histologischen Untersuchungsergebnisse lassen sich einstufen • die Gradeinteilung der Zelldedifferenzierung bei nicht- wie auch bei Muskel-invasiven Harnblasenkarzinomen (siehe Tab. 8.95 A), • bei nicht-Muskel-invasiven Harnblasenkarzinomen – die Risikograde abhängig vom Tumorstadium, dem Dedifferenzierungsgrad, der Größe des Primärtumors und seinem (histologischen) Zelltyp (siehe Tab. 8.95 B) – das Risiko des Rezidivs und der Progression, abhängig von klinischen, und pathohistologischen Parametern (siehe Tab. 8.96)

250 •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

bei Muskel-invasiven Harnblasenkarzinomen – beeinflussen nach radikaler Zystektomie im Wesentlichen das T-Stadium, der Lymphknoten-Status (pN) und der Resektionsstatus (pR) das rezidivfreie- und das krankheitsspezifische Überleben

Tab. 8.95: Differenzierungsgrade und Risikograde für das Harnblasenkarzinom. Allgemeingültige Einteilung

Einteilung für das Harnblasenkarzinom gemäß WHO 2004

A) Differenzierungsgrade

Grad 1

besondere Regeln: nicht-invasive und invasive Tumoren

Grad 1

gut differenziert, wenig Mitosen

PUNLMP

werden beurteilt;

(siehe Tab. 8.92)

bereits im Übersichtsbild wird beurteilt, ob die papilläre Struktur

Grad 1–2 Grad 2

mäßig differenziert

niedriggradiges Karzinom (low Grade)

Grad 3 Grad 4

schlecht differenziert, viele Mitosen anaplastisch

erhalten ist; papilläre Karzinome werden immer nach dem höchsten (auch wenn nur fokal gefundenem)

Grad 3–4

Tumorgrad bewertet;

hochgradiges Karzinom

Carcinoma in situ

(high Grade)

sind immer niedriggradig

B) Risikograde für Nicht-Muskel-invasive Harnblasenkarzinome (Retz et al. 2016) Einzeltumor Stadium pTa, G1, < 3 cm; niedrig

Einzeltumor Stadium pTa, G2, < 3 cm; PUNLMP/Papillary Urothelial Neoplasm of Low Malignant Potential Einzeltumor Stadium pTa, G1, ≥ 3 cm; multifokale Tumore Stadium pTa, G1; Einzeltumor Stadium pTa, G2 (low grade), ≥ 3 cm;

mittel Risiko-

multifokale Tumore Stadium pTa, G2, (low grade); Tumore Stadium pTa, G2, (high grade) Jeder Tumor Stadium pTa, G2 (falls genaues Grading unbekannt);

grad

Jedes Karzinom aus der Niedrigrisiko-Gruppe, das innerhalb von 12 Monaten rezidiviert alle Tumore Stadium T1; alle Tumore G3 (high grade); hoch

multiple rezidivierende und große Tumore (> 3 cm) Stadium Ta, G1/G2 ; Aggressive Formen des Urothelkarzinoms mit lymphoepithelialem, plasmazytoidem, plattenepithelialem, mikropapillärem und/oder kleinzelligem Anteil sowie „nested“ Variante

251

8.5 Bösartige Neubildungen der Harnorgane (ICD10: C64–C68)

Tab. 8.96: Einschätzung des Rezidiv- und Progressionsrisikos bei nicht Muskel-invasiven Harnblasen-Karzinomen (Sylvester et al. 2006). Score

Rezidiv

Progression

1

0

0

2–7

3

3

>7

3

6

≤ 3 cm

0

0

> 3 cm

3

3

0/Jahr

0

0

≤ 1/Jahr

2

2

> 1/Jahr

4

2

Ta

0

0

T1

1

4

nein

0

0

ja

1

6

G1

0

0

G2

1

0

G3

2

5

0–17

0–23

Parameter

Tumor Anzahl

Tumor Größe

vorherige Rezidive

pTStadium begleitendes Tis Differenzierungs Grad Gesamtscore

Rezidiv



Progression

Risikogruppe Score

1 Jahr

5 Jahre

Score

1 Jahr

5 Jahre

niedrig

0

15 %

31 %

0

0,2

0,8

niedrigmittel

1–4

24 %

46 %

2–6

1

6

mittelhoch

5–9

38 %

62 %

7–13

5

17

hoch

10–17

61 %

78 %

14–23

17

45

Symptome Die klinischen Symptome sind je nach Ausbreitungsgrad unterschiedlich: • oberflächliche Karzinome – persistierende häufig auch intermittierende Hämaturie ▪ treten in 85–90 % der Fälle auf, ▪ sind in etwa 70 % der Fälle schmerzlos, – mehr oder weniger schmerzhafter Harndrang, Pollakisurie, und Dysurie, – treten in etwa 30 % der Fälle auf, • fortgeschritten Karzinome – Flankenschmerzen, Knochenschmerzen, – Unterbauchtumor, Harnstau, – Gewichtsverlust, Nachtschweiß.

252

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Diagnostik Die klinische Untersuchung erfolgt: • palpatorisch Unterbauch – ggf. bimanuell (vaginal, rektal) unter Narkose • labordiagnostisch/immunchemisch (siehe Tab. 8.97) – Urin-Untersuchungen ▪ zytologisch, biochemisch (eine negative Urinzytologie schließt ein hochgradiges Urothelkarzinom oder ein CIS mit hoher Sicherheit aus), ▪ molekularbiologisch ggf. erst bei begründetem Verdacht – Serum-Untersuchung • durch Endoskopie – Urethro-Zystoskopie mit Weißlicht und bevorzugt flexiblem Zystoskop ▪ Anzahl, Lokalisation und Wachstumstyp von Tumoren, ▪ erste (makroskopische) Differenzierung zwischen oberflächlichen und tiefen (muskelinvasiven) Tumoren, – ggf. Hexyl-Aminolävulinat-Fluorezenz-Zystoskopie ▪ Tumor-Detetektion ca. 20 % höher als mit Weißlicht, ▪ Carcinoma-in situ Detektion ca. 40 % höher als mit Weißlicht, ▪ empfehlenswert bei multifokalen Tumoren, gering differenzierten-Tumoren (G2-G4) und Carcinoma in situ Verdacht (Tis); – bei Bedarf: Rektoskopie • mit bildgebenden Verfahren – obligatorisch: Sonografie, ▪ bei gefüllter Harnblase sind Harnblasentumoren in bis zu 90 % der Fälle nachweisbar, ▪ Harnstauungsniere kann auf invasives Harnblasenkarzinom hinweisen, – falls bei der Erstuntersuchung ein nicht Muskel-invasives Harnblasen-Karzinom festgestellt wurde ▪ eine CT-Urografie der oberen Harnwege (Nachweis eines Tumors des Harnleiters oder im Einmündungsbereich des Harnleiters in die Harnblase), oder ▪ ein MRT des Beckens, – falls ein Muskel-invasives Harnblasen-Karzinom festgestellt wurde ▪ CT des Beckens, des Abdomens und des Thorax, ▪ ggf. statt CT ein MRT des Beckens, ▪ ggf. kraniales CT und/oder Knochenszintigrafie bei Verdacht auf Metastasen, • Biopsien der Blasenschleimhaut durch transurethrale (Elektro-)Resektion (TUR) – aus jedem Quadranten der Harnblase (Quadranten-Mapping) ▪ fakultativ bei Verdacht auf oberflächliche Tumoren, ▪ obligat bei multifokale Tumoren, zystoskopisch verdächtige Bereichen und bei Tumoren, deren Infiltrationstiefe nicht einschätzbar ist, – aus der Harnröhre bei Verdacht ▪ auf Tis in der Harnblase, ▪ auf muskelinvasive Tumoren in der Harnblase.

8.5 Bösartige Neubildungen der Harnorgane (ICD10: C64–C68)

253

Tab. 8.97: Labordiagnostische Untersuchungen von Urin und Blut beim Harnblasenkarzinom. Testsysteme

Sensitivität

Spezifität

Bemerkungen

Zytologische/mikrobielle Untersuchung Erythrozyten Leukozyten

Bakterien

Urin-SedimentUntersuchung oder Teststreifen

+++

++

bei rezidivierender Blutung Ausschluss von bakteriellen Infektionen

Urinkultur bei Leukozyturie Tumorzellen

Zytologie

Urin-SedimentUntersuchung

++

++++

Zytologie und FISH/ Fluoreszenz-in-situHybridisierung (Vysis-Urovysion)

Nachweis von Aneuploidie der Chromosomen 3, 7, 17 und von dem Verlust des Genes für p21 (Locus 9p21)

+++

++++

siehe Risikofaktoren

Telomerase (siehe Kap. 3.4.4.2)

PCR/PolymeraseChain-Reaktion mit dem RNA-Extrakt des Urin-Sedimentes

+++

+++

Telomerase bei Tumorzellen meist überexprimiert

Tumormarker

BTA Bladder-Tumor associated Antigen/ CFHRP Complement Factor-H Related Protein

NMP22 Nukleäres Matrix Protein22

BTA-Stat Nachweis von CFHRP im Urin über markierten Antikörper

+++

+++

BTA-TRAK Nachweis von CFHRP im Urin über markierten Antikörper

++

++

Nachweis von NMP22 im Urin

++/+++

+++/++++

Tumorzellen exprimieren und sekretieren CFHRP zur Inhibition der komplementabhängigen Zytolyse

NMP22 stabilisiert die Chromosomenstruktur (Zellteilung)

Serumanalyse Nierenfunktion

Kreatinin

Blutbild

Erythrozyten, LeukozytenDifferenzierung, Thrombozyten

Prüfung von direkt betroffenen Organfunktionen

Blutgerinnung + = gering (≤ 50 %), ++ = mittel (> 50–70 %), +++ = hoch (> 70–90 %), ++++ = sehr hoch (> 90 %)

254

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Prognosefaktoren Als wesentliche Prognosefaktoren für den Harnblasentumor gelten • das Ausbreitungsstadium des Tumors (siehe Tab. 8.93) • die Größe des Tumors • das Differenzierungsstadium der Tumorzellen (siehe Tab. 8.95) • der histologische Typ des Tumors (siehe Tab. 8.94)

Therapiestrategien Für die Wahl der Therapie ist entscheidend die Zuordnung zu • Nicht-Muskel-invasivem Harnblasenkarzinom: – Stadium pTis, pTa und pT1 • Muskel-invasivem Harnblasenkarzinom: – Stadium ≥ pT2 Die therapeutischen Optionen beinhalten (siehe Tab. 8.98) • Chirurgische Maßnahmen – transurethrale Tumorresektion, radikale (oder partielle) Zystektomie – Lymphadenektomie, Resektion von Organen mit Verdacht auf Tumorinfiltrationen, Resektion von Metastasen • Chemotherapie – lokal durch Instillation in die Blase oder – systemisch präoperativ/neoadjuvant oder postoperativ/adjuvant oder palliativ • Radiotherapie, – adjuvant oder palliativ als Monotherapie oder – in Kombination mit der Chemotherapie (Radio-Chemotherapie) • Immuntherapie durch Instillation von BCG in die Harnblase Tab. 8.98: Strategie der Therapie des primären Harnblasenkarzinoms (in Anlehnung an Retz et al. 2016, de Wit et al. 2019). Nicht-Muskel-Invasives Harnblasenkarzinom Stadium pTis, pTa und pT1

Muskel-Invasives Harnblasenkarzinom Stadium ≥ pT2

Transurethrale Tumor-Resektion (TURB) inklusive der jeweiligen Rand- und Detrusorgebiete





≤ 6 Wochen später

oder



bei positiver Urinzytologie ohne Nachweis eines Tumors/ Tis in der Harnblase

falls Erstresektion unvollständig, bei Stadium pT1, bei allen Tumoren mit Grad 3/4 Tumoren (nicht bei pTaG1 und pTis)

▾ ggf. präoperative /neoadjuvante Chemotherapie (bevorzugt CisplatinKombination)

▾ oder/und primäre oder sekundäre radikale Zystektomie zusätzlich Exzision

8.5 Bösartige Neubildungen der Harnorgane (ICD10: C64–C68)





Nachresektion Areal des Primärtumors+ alle verdächtige Bereiche)

Abklärung der oberen Harnwege





keine Blutung, keine Wand-Perforation

alleiniges Carcinoma in situ Harnblase

Frühinstillation Chemotherapeutikum

▾ ▾



geringes Risiko

mittleres Risiko

keine weitere Instillation von Chemotherapeutika

weitere Instillation Chemotherapeutika

▾ oder (bzw. bei Rezidiven) Instillation BCG Induktion: 6 × (1 ×/Woche) Erhaltung: 3 × (1 ×/Woche) nach 3, 6 und 12 Monaten Bei Stadium T1 ggf. sequentiell mit Installation von Mitomycin C

▾ hohes Risiko

weitere Instillation Chemotherapeutika



Instillation BCG Induktion: 6 × (1 ×/ Woche) Erhaltung: 3 × (1 ×/Woche) nach 3, 6,12, 18, 24, 30, 36 Monaten





engmaschige Kontrolle Urinzytologie; transurethale Biopsie

engmaschige Kontrolle Urinzytologie; transurethale Biopsie

oder bei Stadium cT2N0, ggf. auch cT 2–4,cN0/ Nx,M0

▾ Instillation BCG Induktion: 6 × (1 ×/Woche) Erhaltung: 3 × (1 ×/Woche) nach 3, 6,12, 18, 24, 30, 36 Monaten

▾ oder

255

bei ♀: Uterus unf ggf. Urether, Adnexe Anteile der vorderen Vaginalwand bei ♂: Prostata und Samenblase und ggf. Urether

▾ und sytematische beidseitige Lymphadenektomie pelviner Ln

▾ oder primäre komplette transurethrale Tumorresektion (TURB)

▾ und adjuvante Radiochemotherapie (Cisplatin-Kombination oder Mitomycin C+ 5-FU + perkutane Radiotherapie

▾ bei Stadium pT ≥ 3

radikale Zystektomie

adjuvante Chemotherapie (bevorzugt CisplatinKombination, 3–4 Zyklen)

▾ Fernmetastasen (relativ gutes Allgemeinbefinden z. B. Karnovsky Status > 60, WHO/ECOG Status < 2 Kreatinin-Ausscheidung > 40ml/min)

256

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren







Rezidiv

Rezidiv

Erstlinien-Therapie

Instillation Chemotherapeutikum Gemcitabin

Instillation Chemotherapeutikum Gemcitabin

Cisplatin + Gemcitabin oder MVAC oder HD-MVAC

▾ Zweitlinien-Therapie





oder

oder

Gemcitabin + Paclitaxel oder Vinflunin

Reexposition BCG

Reexposition BCG

und/oder





oder

Chirurgische Resektion der Metastasen

radikale Zystektomie

und/oder bei Knochenmetastasen

▾ lokale Radiotherapie

▾ und/oder Immuntherapie Ant-PD-1/PD-1L-Antikörper

Chirurgische Behandlung • Transurethrale (Elektro-) Resektion – primär bei oberflächlichen Nicht-Muskel-invasiven Harnblasentumoren (diagnostische wie auch therapeutische Zielsetzung) ▪ bei therapeutischer Zielsetzung Resektion des Tumors weit im Normalgewebe („im Gesunden“) inklusive der zugrundeliegenden Detrusormuskulatur, ▪ keine Resektion zystoskopisch unauffälliger Bereiche – sekundär als Nachresektion ≤ 6 Wochen nach der primären Resektion von deren Areal zuzüglich aller verdächtigen Bereiche, falls ▪ die primäre Resektion sich als unvollständig erwiesen hat ▪ keine Detrusormuskulatur (außer bei pTa G1/2) bei der ersten Resektion entnommen worden war, ▪ ein Karzinom Stadium pT1 und/oder ein Karzinom G3/4 (Ausnahme pTis) vorliegt partielle (organerhaltende) Zystektomie • – ist keine Standardtherapie, – ist zu kombinieren mit der pelvinen Lymphadenektomie ▪ Exzision der Lymphknoten in der Fossa obturatoria und entlang der Vasa iliaca externa bis zum Abgang der Arteria iliaca interna ▪ fakultativ: Exzision der Lymphknoten bis zur Aortenbifurkation – kann indiziert bei solitärem muskelinvasiven Tumor im Blasendach ohne begleitende Carcinoma in situ – muss gefolgt sein von einer lebenslangen regelmäßigen urologischen Kontrolle,

8.5 Bösartige Neubildungen der Harnorgane (ICD10: C64–C68)





257

radikale Zystektomie – totale Zystektomie ▪ per Laparatomie oder laparoskopisch (konventionell oder roboterassistiert), ▪ unter Schonung autonomer sympathischer und parasympathischer Nervenfasern zum Erhalt der Sexualität und der Sphinkterfunktion, – pelvine systematische beidseitige Lymphadenektomie ▪ Exzision von ≥ 10–16 Lymphknoten ▪ verbessert das progressionsfreie, das tumorspezifische und das Gesamtüberleben, ▪ Exzision der pelvinen Lymphknoten in der Fossa obturatoria und entlang der Vasa iliaca externa bis zum Abgang der Arteria iliaca interna ▪ fakultativ: Exzision der Lymphknoten bis zur Aortenbifurkation – beim Mann zusätzlich ▪ Urethrektomie, falls Harnröhre betroffen ist ▪ Prostatektomie und Exzision der Samenblasen – bei der Frau zusätzlich ▪ Urethrektomie, falls Harnröhre betroffen ist ▪ ggf. (je nach Tumorausbreitung) Exzision von Uterus, Vaginaldach und Adnexen Harnableitung nach Zystektomie – inkontinente Harnableitungen ▪ Ureter-Haut-Stoma (beschränkt auf nur eingeschränkt operationsfähige Patienten), ▪ intestinales Conduit aus Ileum, Colon sigmoideum oder Colon transversum; – kontinente Harnableitungen ▪ orthotoper Blasenersatz (Neoblase) durch Anastomosierung eines Ileum-Segmentes oder Kolon-Segmentes (als Urin-Reservoir) an die Harnröhre und die Harnleiter (Kontinenz ist durch den externen urethralen Sphinkter möglich, Miktion erfolgt durch die Bauchpresse); ▪ kontinente, supravesikale Harnableitung (Pouch) durch Ileum-Segment oder Kolon-Segment (als Urin-Reservoir), welches anastomosiert wird mit den Harnleitern und der Bauchdecke (z. B. Bereich Bauchnabel) unter Bildung eines kontinenten Stomas; Harnentleerung erfolgt durch Einmalkatheter; ▪ Harnleiter-Darm-Implantation (Uterosigmoideostomie); Ausscheidung/Kontinenz wird kontrolliert über den analen Schließmuskel.

Chemotherapie • frühe adjuvante (postoperative) Instillationstherapie – Zielsetzung: Reduktion des Risikos eines Rezidives oder einer Progression bei ▪ Ta, G1/2 und Tis ▪ T1, G2–3 – Zytostatika: ▪ Cisplatin (70 mg/m2, Tag 2) oder ▪ Mitomycin (20 mg, einmal/Woche, 6–8 Wochen, danach einmal/Monat, 6–12 Monate)

258 •



8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

präoperative oder adjuvante systemische Therapie – MVAC-Schema ▪ Methotrexat (30 mg/m2, Tag 1, 2, 22) + Vinblastin (3 mg/m2, Tag 1, 2, 22) + Cisplatin (70 mg/m2, Tag 2) + Doxorubicin (30 mg/m2, Tag 2) – CM-Schema ▪ Cisplatin (70 mg/m2, Tag 1) + Methotrexat (40 mg/m2, Tag 1, 8, 15) – CMV-Schema ▪ Cisplatin (70 mg/m2, Tag 2) + Methotrexat (30 mg/m2, Tag 1, 8) + Vinblastin (3 mg/m2, Tag 1, 8) – CisCA ▪ Cisplatin (70 mg/m2, Tag 2) + Cyclophosphamid (650 mg/m2, Tag 1) + Doxorubicin (50 mg/m2, Tag 2) – Paclitaxel-Carboplatin-Schema ▪ Paclitaxel (80 mg/m2, Tag 1, 8, 15) + Carboplatin (AUC 6, Tag 1) – Gemcitabine-Schema ▪ Gemcitabine (1.000 mg/m2; Tag 1, 8, 15) + Cisplatin (70 mg/m2, Tag 2) neoadjuvante (präoperative) sytemische Chemotherapie ▪ CMV-Schema

Immuntherapie • adjuvante (postoperative) Instillationstherapie mit BCG/Bovines Mycobakterium Calmette Guerin – führt zur deutlichen Verminderung der Rezidivrate, zumindest gleichwertig, bei fortgeschrittenen Tumoren überlegen der adjuvanten Instillationstherapie mit Zytostatika – Behandlungsbeginn > 2 Wochen nach TUR – Dosierung und Behandlungsschemata ▪ 81 mg, oder 108-Keime pro Installation ▪ Induktionsphase 6 × (1 ×/Woche), ▪ Erhaltungsphase bei mittlerem Risiko: 3 × (1 ×/Woche) nach 3, 6, und 12 Monaten ▪ Erhaltungsphase bei hohem Risiko: 3 × (1 ×/Woche) nach 3, 6, 12, 18, 24, 30, 36 Monaten im Stadium IV: • – anti-PD-1-Antikörper Nivolumab und Pembrolizumab /oder – Anti-PD-1Ligand- Antikörper Atezolizumab (falls die Tumorzellen PD-1L exprimieren) – um durch diese Antikörper die zytotoxischen T-Lymphozyten zu deblockieren (siehe Kap. 7.7.1.3) Radiotherapie • perkutan (kumulative Dosis 50–60 Gray) – adjuvant (postoperativ) alleine oder in Kombination mit einer Chemotherapie ▪ bei T1, G3 nach TUR (Resektion im Gesunden, R0) falls die Harnblase erhalten werden soll,

8.5 Bösartige Neubildungen der Harnorgane (ICD10: C64–C68)

259



additiv alleine oder in Kombination mit einer Chemotherapie ab T2-T3 Stadium nach TUR (R1/R2-Resektion) als Alternative zur Zystektomie, – primär ▪ mit nachfolgender (Salvage-) Zystektomie oder ▪ bei Inoperabilität des Patienten, – palliativ im T4-Stadium; Brachytherapie ggf. in Kombination mit der perkutanen Radiotherapie – intra- und peri-tumorale Implantation von Radioisotopen 192Iridium oder 125Iod unter sonografischer oder CT-Kontrolle – Applikatoren mit der Harnblase bzw. Harnblasentumoren als Zielvolumen erster Ordnung – 3–5 × 6–7 Gy/Punkt ▪



Stadienabhängige Therapiemöglichkeiten Stadium 0 (Ta oder Tis, N0, M0): Optionen: • TUT/Trans-Urethale Resektion – intravesikale Applikation von Mitomycin oder Cisplatin und/oder – intravesikale Applikation von BCG oder • radikale Zystektomie – bei ausgedehnter Erkrankung – bei Rezidiven, im Besonderen nach BCG-Behandlung Stadium I (T1, N0, M0): Optionen: • TUT/transurethale Resektion – intravesikale Applikation von Mitomycin oder Cisplatin – und intravesikale Applikation von BCG oder • radikale Zystektomie – bei ausgedehnter Erkrankung – bei Rezidiven, im Besonderen nach BCG-Behandlung • Radiotherapie, falls Zystektomie nicht möglich oder abgelehnt wird – Brachytherapie und/oder perkutane Radiotherapie • falls Voraussetzungen gegeben – segmentale Zystektomie Stadium II (T2a oder T2b, N0, M0): Optionen: • radikale Zystektomie inklusive Exzision der pelvinen Lymphknoten • neoadjuvante (präoperative) Chemotherapie (platinhaltiges Kombinationsschema) mit nachfolgender radikaler Zystektomie • perkutane Radiotherapie mit/ohne gleichzeitiger (simultaner) Chemotherapie • Brachytherapie vor oder nach perkutaner Radiotherapie • falls Voraussetzungen gegeben – segmentale Zystektomie

260

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Stadium III (T3a oder T3b, N0, M0 oder T4a, N0, M0) Optionen: • radikale Zystektomie inklusive Exzision der pelvinen Lymphknoten • neoadjuvante (präoperative) Chemotherapie (platinhaltiges Kombinationsschema) mit nachfolgender radikaler Zystektomie • perkutane Radiotherapie mit/ ohne gleichzeitiger (simultaner) Chemotherapie • perkutane Radiotherapie in Kombination mit Brachytherapie • falls Voraussetzungen gegeben – segmentale Zystektomie Stadium IV (T4b, N0, M0; jedes T, N1–N3, M0; jedes T, jedes N, M1): Optionen: • radikale Zystektomie inklusive Exzision der pelvinen Lymphknoten • palliative perkutane Radiotherapie • palliative Zystektomie • palliative Chemotherapie • palliative Immuntherapie

Tab. 8.99: Therapieverfahren für das Harnblasenkarzinom in Bezug zum TNM-Status.

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

0a

Ta

N0

M0

0is

Tis

N0

M0

0

I

T1

N0

M0

T2

N0

M0

T2a

N0

M0

T2b

N0

M0

N0

M0

T3a

N0

M0

T3b

N0

M0

N0

M0

T4a

N0

II

III

T3

T4

M0

Immuntherapie

Chemotherapie

TUR/ transurethale Resektion oder Zystektomie bei Rezidiven

adjuvant BCG (intravesikal)

adjuvant Mitomycin oder Cisplatin (intravesikal)

radikale Zystektomie (selten TUR)

(nach TUR BCG intravesikal)

Chirurgie

radikale Zystektomie +/– pelvine Lymphadenektomie

neoadjuvant (Cisplatinhaltige Kombination vor radikaler Zystektomie) oder adjuvante Chemotherapie

Radiotherapie

Prognose 5-JahresÜberleben > 95 %

perkutane Radiotherapie

70–90 %

adjuvante perkutane Radiotherapie

40– ~ 60 %

8.5 Bösartige Neubildungen der Harnorgane (ICD10: C64–C68)

AJCCStadien IV

TNM-Klassifikation

T4b

N0

M0

jedes T

N1

M0

jedes T

N2

M0

jedes T

N3

M0

jedes T

jedes N

M1

261

Chirurgie

Immuntherapie

Chemotherapie

Radiotherapie

Prognose 5-JahresÜberleben

radikale Zystektomie und pelvine Lymphadenektomie

anti PD1Antikörper und/oder Anti-PD-1lAntikörper

adjuvante oder palliative Chemotherapie

adjuvante oder palliative perkutane Radiotherapie

~ 10– ~ 20 %

Weiterführende Literatur Cancer Research UK, bladder cancer statistics, http://info.cancerresearchuk.org/cancerstats/types/ bladder/ De Wit M, et al. Leitlinie Blasenkarzinom (Urothelkarzinom), 2019, https://www.onkopedia.com/de/ onkopedia/guidelines/blasenkarzinom-urothelkarzinom/@@guideline/html/index.html Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) http://www.dimdi.de/static/ de/index.html Gago-Dominguez M, Bell DA, Watson MA, Yuan JM, Castelao JE, Hein DW, Chan KK, Coetzee GA, Ross RK, Yu MC. Permanent hair dyes and bladder cancer: risk modification by cytochrome P4501A2 and N-acetyltransferases 1 and 2. Carcinogenesis. 2003; 24: 483–489. Gago-Dominguez M, Castelao JE, Yuan JM, Yu MC, Ross RK. Use of permanent hair dyes and bladdercancer risk. Int J Cancer. 2001; 91: 575–579. Harling M, Schablon A, Schedlbauer G, Dulon M, Nienhaus A. Bladder cancer among hairdressers: a metaanalysis. Occup Environ Med. 2010; 67(5): 351–358. Huncharek M, Kupelnick B. Personal use of hair dyes and the risk of bladder cancer: results of a metaanalysis. Public Health Rep. 2005 Jan-Feb; 120(1): 31–8. Jiménez Pacheco A, Martínez Torres JI, Pareja Vilchez M, Arrabal Martín M, Valle Díaz de la Guardia F, López León V, Zuluaga Gómez A. (Statistical analysis of the influence of the virus of papilloma human in the development of the vesical carcinoma). Actas Urol Esp. 2007; 31: 469–476. Klassifikation der Differenzierung; http://www.uicc.org/tnm Manski, D. Urologielehrbuch, Harnblasenkarzinom 12. 09. 2011; http://www.urologielehrbuch.de/ harnblasenkarzinom.html Manski D. Urologielehrbuch, Harnröhrenkarzinom 12. 09. 2011; http://www.urologielehrbuch.de/ harnroehrenkarzinom_mann.html, http://www.urologielehrbuch.de/harnroehrenkarzinom_frau.html National Cancer Institute (USA) Bladder Cancer Treatment (PDQ®) 08/13/2010; http://www.cancer.gov/ cancertopics/pdq/treatment/bladder/HealthProfessional National Cancer Institute (USA) Transitional Cell Cancer of the Renal Pelvis and Ureter Treatment (PDQ®); 05/22/2008 http://www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/transitionalcell/HealthProfessional/ page1 Retz M, Gschwend J, Maisch P, Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, A WMF): Früherkennung, Diagnose, Therapie und Nachsorge des Harnblasenkarzinoms, Kurzversion 1.1, 2016, AWMF-Registrierungsnummer 032/038OL, http://leitlinienprogrammonkologie.de/Harnblasenkarzinom.92.0.html, Robert Koch Institut; https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/ krebs_in_deutschland_node.html; jsessionid=9100A3A691C44FD364C33E460C9AE131.2_cid381

262

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Rübben H, von Dorp F. Verfahrensanleitungen zu den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) und der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) Urothelkarzinom 2007, http://www.uk-essen.de/fileadmin/Urologie/PDF/Leitlinie_Urothelkarzinom.pdf Sylvester RJ, van der Meijden AP, Oosterlinck W et al.: Predicting recurrence and progression in individual patients with stage Ta T1 bladder cancer using EORTC risk tables: a combined analysis of 2596 patients from seven EORTC trials. Eur Urol 49: 466–475, 2006. WHO, International Agency for Research on Cancer; Globocan 2008, Cancer incidence and mortality world wide 2008, http://globocan.iarc.fr/

8.6 Bösartige Neubildungen der Epithelien des Kopfes und Halses (CD10: C00–C14) 8.6.1 Lippen, Mundhöhle, Pharynx, Nasenhöhle, Larynx, Speicheldrüsen Vorkommen Entsprechend ihrer Lokalisation sind Kopf- und Hals-Tumoren zu unterteilen in: • Tumoren der Lippen und Mundhöhle (ca. 45 %) – orale Karzinome ▪ Karzinome der Lippen, Zunge (vordere zwei Drittel), der Mundhöhle (harter Gaumen, Backen, Mundboden), des Zahnfleisches und des retromolaren Kieferbereiches; – Speicheldrüsentumoren • Tumore des Rachenbereiches/Pharynx-Karzinome (ca. 25 %) – Oropharynxtumoren ▪ gelegen im Mundrachen (Zungengrund, weicher Gaumen, Gaumenmandeln/ Tonsillen); – Hypopharynxkarzinome ▪ gelegen im Schlundrachen zwischen Zäpfchen und Larynx und Ösophagus (Sinus piriformis, Hypopharynx-Hinterwand und Postkrikoidregion); – Nasopharynxtumoren ▪ gelegen im Nasenrachen hinter der Nasenhaupthöhle und oberhalb des Gaumensegels mit den Rachenmandeln; in den Nasenrachen münden die Ohrtrompeten (Eustachische Röhren) als Verbindung zum Mittelohr; • Tumoren des Nasenbereiches – Tumoren der Nasenhöhle, – Tumoren der Nasennebenhöhle ▪ in der Kiefernhöhle (ca. 60 %), in der Nasenhaupthöhle (ca. 20 %), der Siebbeinzellen (ca. 15 %), der Stirnhöhle und der Keilbeinhöhle; • Kehlkopfkarzinome (Larynxkarzinome, ca. 30 %) • Tumore des Ohres. Die Neuerkrankungen/100.000 Personen und die Todesfälle/100.000 Personen durch Hals- und Kopf-Tumoren weist erhebliche territoriale Unterschiede auf (siehe Tab. 8.100).

263

8.6 Bösartige Neubildungen der Epithelien des Kopfes und Halses (CD10: C00–C14)

Tab. 8.100: Neuerkrankungen (N) an und Todesrate (T) durch Kopf- und Halstumoren per 100.000 Personen im Jahr 2008.

Territorien

Lippen/ Mundhöhle

Nasopharynx

Pharynx

Larynx

N

T

N

T

N

T

N

T

3,8

1,9

1,2

0,8

2,0

1,4

2,2

1,2

Nordamerika

4,9

0,8

0,5

0,1

2,2

0,6

2,5

0,7

Zentralamerika

2,2

0,7

0,1

0,1

1,0

0,6

1,6

1,0

Südamerika

3,4

1,4

0,3

0,1

1,7

1,3

3,1

1,7

Afrika

2,5

1,2

1,3

0,9

0,9

0,8

1,6

1,0

Asien

3,7

2,2

1,7

1,1

2,0

1,6

1,9

1,1

China

1,4

0,7

2,8

1,9

0,6

0,3

2,3

1,2

Taiwan

29,2

11,2

7,8

4,1

9,3

4,5

3,6

1,2

Australien/Neuseeland

5,9

1,1

0,5

0,1

1,7

0,8

1,6

0,8

Europa

4,6

1,8

0,4

0,2

2,8

1,5

3,4

1,6

weltweit Amerika

In den Industrieländern: • liegt der Altersgipfel der Neuerkrankungen – bei Nasopharynxkarzinomen zwischen 40 und 70 Jahren, – bei allen übrigen Kopf und Hals-Karzinomen zwischen 55 und 65 Jahren, • erkranken Männer deutlich häufiger als Frauen; das Verhältnis liegt – bei Karzinomen der Mundhöhle, des Rachens und der Speicheldrüsen etwa bei 4 : 1, – bei Nasopharynxkarzinomen etwa bei 2 : 1, – bei Kehlkopfkarzinomen etwa bei 6 : 1. In Deutschland liegen im Jahr 2016 folgende Häufigkeiten des Mundhöhlen- und Rachenkarzinoms vor: • Neuerkrankungen – bei Frauen: 4.180; Neuerkrankungsrate 6,5/100.000 – bei Männern: 9.720; Neuerkrankungsrate 17,6/100.000 • Todesfälle – bei Frauen: 1.387; Todesrate 1,8/100.000 – bei Männern: 4.070; Todesrate 7,0/100.000 • Prävalenz – bei Frauen: 5 Jahre: 15.000; 10 Jahre: 24.400 – bei Männern: 5 Jahre: 31.900; 10 Jahre: 51.700

264 •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

relative Überlebensrate – bei Frauen: 5 Jahre: 63 %, 10 Jahre: 53 % – bei Männern: 5 Jahre: 47 %, 10 Jahre: 35 %

Hierbei wurden für das Larynxkarzinom 3100 (Männer) bzw. 490 (Frauen) Neuerkrankungen registriert.

Risikofaktoren Die Risikofaktoren umfassen (siehe Tab. 8.101): • familiäre und genetische Faktoren – erbliche Faktoren (siehe Kap. 8.2.1.1) ▪ Li-Fraumeni-Syndrom (inaktivierende Mutation von p53) ▪ Fanconi-Anämie ▪ Xeroderma pigmentosum (Defekt in DNA-Reparaturgenen) ▪ Assoziationen mit HLA-A2, B17 und Bw46 – inaktivierende Mutationen von Tumorsuppressorgenen, beispielsweise kodierend für FHIT/fragiles Histidin Triade Gen (kodiert eine Adenosin-Hydrolase, welche an der DNA-Replikation und -Reparatur beteiligt ist) ▪ CDKN2A/Cyclin dependent Kinase Inhibitor/ p16/INK4A (Inhibitor der Zellteilung) ▪ p53 (den Zellzyklus-inhibierender Transkriptionsfaktor) – aktivierende Mutationen von (Proto-) Onkogenen, beispielsweise kodierend für ▪ CCND1/CyclinD1 (Kofaktor für CDK; promovieren die Zellteilung) ▪ PIK3CA/Phospho-Inositol-3-Kinase, Catalytic,110KD, Alpha (beteiligt an der zellulären Signalübertragung, im Besonderen bei Endothelzellen/Angiogenese) ▪ Ras/Harvey Rat sarcoma viral Onkogen-Homolog (rezeptorassoziiertes Protein des Ras/Raf/MAPK/ERK-Signalweges) ▪ Telomerase ▪ EGFR – Polymorphismen von Genen, die zur mangelnden Expression von Proteinen für die Inaktivierung von Karzinogenen führen ▪ Gluthion-S-Transferase/GSTM1; GSTT1 ▪ Cytochrom P450 ▪ N-Acetyltransferase ▪ Alkohol-Dehydrogenase (z. B. bei Asiaten) • Tabak und Alkohol – mindestens 75 % und bis zu 85 % aller Kopf- und Hals-Tumoren können auf den Konsum von Tabak und Alkohol zurückgeführt werden, ▪ wobei sich die Kanzerogenität beider Konsumprodukte gegenseitig multipliziert – Lippenkarzinome (meist an der unteren Lippe) werden verursacht: ▪ durch das Rauchen von Zigarren und Pfeifen ▪ durch das Zigarettenrauchen (Hängenlassen der Zigarette)

8.6 Bösartige Neubildungen der Epithelien des Kopfes und Halses (CD10: C00–C14)



Mundhöhlenkarzinome durch Tabakrauchen ▪ durch reverses (glimmendes Zigarrenende im Mund) Chutta-Rauchen besonders bei indianischen Frauen ▪ durch Mundtabak (smokeless Tobacco: Lagerung des Tabaks hinter den Unterkiefer-Schneidezähnen unter der Zunge) ▪ durch Kautabak und Schnupftabak – Larynxkarzinome (Kehlkopftumoren) werden verursacht ▪ zu ~ 70 % durch Tabakrauchen ▪ zu ~ 26 % durch Alkohol ▪ zu ~ 89 % durch Tabakrauchen und gleichzeitigen Alkoholkonsum – erst mehrere Jahre (bis zu 20 Jahre) nach der Beendigung des Rauchens/Tabakkonsums nähert sich das Risiko für ein Ehemalsraucher dem eines Niemalsrauchers an Betelnuss alleine oder in Kombination mit Betelpfeffer, Kalkmilch, Tabak und weiteren Beimengungen – das Kauen von Betelnusszubereitungen ▪ scheint eine der wesentlichen Ursachen zu sein für die Häufung von Kopf und Halstumoren, im Besonderen Nasopharynx-Karzinomen in Nordafrika und Asien, besonders in Taiwan (siehe Tab. 8.79) zu sein berufliche Expositionen – Nasopharynxkarzinome ▪ chronische Inhalation von Holzstaub – Larynxkarzinome ▪ chronische Inhalation von Asbestfasern, Nickelstäuben, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, ▪ durch intensive, mehrjährige Exposition mit schwefelsäurehaltigen Aerosolen, ▪ durch Exposition mit ionisierenden Strahlen z. B. durch Uran, Infektionen – HIV – onkogene HPV (im Besonderen HPV-16) ▪ besonders durch oralen Geschlechtsverkehr und bei mehrmaligem Partnerwechsel beim Oropharynxkarzinom, ▪ kaum bedeutsam beim Larynxkarzinom – EBV ▪ assoziiert mit nasopharyngealen Karzinomen (> 80 % der Erkrankten weisen Antikörper gegen EBV auf), ▪ häufig in Kombination mit Kanzerogen (z. B. Nitrosaminen in gepökelten Fleisch- oder Fischwaren), ▪ in Afrika erkranken gehäuft Kinder, ▪ in Asien erkranken gehäuft Erwachsene mittleren Alters /40–50-Jährige (Männer : Frauen = 2 : 1) Vorerkrankungen – Leukoplakia weisen ein relativ geringes Risiko auf, sich zu Karzinomen zu entwickeln, ▪









265

266

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– –

Erythroplakia erweisen sich in 75–90 % der Fälle als Carcinoma in situ oder als Karzinome, eine bereits überstandene Tumorerkrankung im Kopf- und Hals-Bereich oder ein Bronchialkarzinom stellen ein hohes Risiko dar für eine erneute Tumorerkrankung im Kopf-Hals-Bereich bzw. für ein Larynxkarzinom.

Eine Verminderung des Risikos für Kopf- und Halstumoren kann erfolgen durch: • Konsum von Obst und Gemüse – bei täglichem Verzehr von ca. 100 g Obst oder Gemüse wurde das Risiko vermindert ▪ für das Larynxkarzinom um 20–30 %, ▪ für das Mundhöhlenkarzinom und Pharynxkarzinom zwischen 25 % und 50 %, • Einnahme von Flavonoiden, • Erhöhung des Körpergewichtes, – je größer der BMI, umso geringer scheint das Risiko zu sein. Tab. 8.101: Risikofaktoren für Kopf- und Hals-Tumoren.

Faktoren

Lippe

Mundhöhle

Oro/Hypopharynx

Larynx

Naso- Nasenpharynx innere

Familiäre Tumoren Larynx-Karzinom

Faktor 2

Kopf- und HalsKarzinom

Faktor 1–2

Tabak aktives Rauchen

Faktor 3

Faktor 6–10

passives Rauchen (> 15 Jahre)

Faktor ~ 2

Faktor 2–3

Mundtabak (smokeless Tobacco)

Faktor 2 (USA), Faktor 5 (Indien) Faktor 7 (Sudan)

Betel/Areca-Nuss (Kauen)

Faktor ~ 2

++++

Alkohol-Konsum 25 g/Tag

Faktor ~ 2

50 g/Tag

Faktor ~ 3

100 g/Tag

Faktor ~ 6

Alkohol und Tabak

Faktor 13–38

Faktor 1–2

Faktor 4 Faktor 35

Ernährung Muskelfleisch (>dreimal/Woche)

+++

Faktor 3

Nasennebenhöhlen

Speicheldrüse

8.6 Bösartige Neubildungen der Epithelien des Kopfes und Halses (CD10: C00–C14)

Faktoren

Lippe

Mundhöhle

Oro/Hypopharynx

Pökelfleisch/ -Fisch

+++

Eisenmangel (Plummer-VinsonSyndrom)

++

fehlende Mundhygiene

+++

Larynx

Nasopharynx

Naseninnere

Nasennebenhöhlen

267

Speicheldrüse

+++

Luftverschmutzung Asbestfasern

Faktor 1–2

Kohlestaub (~ 50 Jahre)

Faktor 3–6

Holzstaub

++

++

++

Nickelstäube

++

++

++

Sonnenlicht (UV)

Faktor 11

Immunsuppression Azathioprin

Faktor ~ 3

Cyclosporin

Faktor 1–2

Faktor 2

Infektionen/ Erkrankungen HIV

Faktor 3–6

Faktor 3

HPV (HPV-16)

Faktor ~ 15

Faktor 19

EBV

++

Helicobacter pylori (Magen)

Faktor 2

gastrointestinaler Reflux

Faktor 2–3

Leukoplakia

Faktor 1–2

Erythroplakia

Faktor ~ 17

Vorerkrankung Kopf- und HalsTumor Bronchialkarzinome

Faktor > 30

Faktor 6

+++

medizinische Behandlung Röntgenstrahlen

+++

Radiotherapie

++++

268

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Entwicklungsstadien und Klassifikationen Die Klassifikation der Kopf- und Hals-Tumoren (siehe Tab. 8.102 bis Tab. 8.107) hat zur Grundlage die Maßgaben • der AJCC/American Joint Committee on Cancer, • des TNM-System der UICC.

Tab. 8.102: Ausbreitung und Klassifikation maligner Tumoren der Lippen und der Mundhöhle. AJCCStadien

TNM-Klassifikation

Lippen und Mundschleimhaut

TX

NX

MX

Tumoren, Lymphknoten und Fernmetastasen können nicht beurteilt werden

T0

N0

M0

keine Hinweise auf einen Tumor

0

Tis

N0

M0

Carcinoma in situ

I

T1

N0

M0

Tumor ≤ 2 cm

II

T2

N0

M0

Tumor > 2 cm, aber ≤ 4 cm

N1

M0

N0

M0

N1

M0

T1–2 III T3

T1–3

IVA

• Metastase in einem ipsilateralen Lymphknoten ≤ 3 cm Tumor > 4 cm Metastase in einem ipsilateralen Lymphknoten, > 3 cm ≤ 6 cm

N2a

IV

Angrenzende Gewebe

N2

N2b

M0

N2c: Metastasen in bilateralen oder contralateralen Lymphknoten, keiner > 6 cm

N2c N0 T4a

N1

N2b: Metastase in multiplen ipsilateralen Lymphknoten > 3 cm, ≤ 6 cm

M0 M0

Tumor lokal begrenzt ausgebreitet Lippen-Ca: in Kinn (Haut, Kiefer), Nase (Haut, Knorpel), Mundboden Oral-Karzinom: Kiefern, Nasennebenhöhle (Sinus maxillaris) Zungenmuskel, Gesichtshaut

N2

M0

N0

M0

Tumor weit ausgebreitet (Knochen der Schädelbasis, Carotis interna)

N3

M0

Metastase in mindestens einem Lymphknoten > 6 cm

N0–3

M0

jedes T

N3

M0

jedes T

N0–3

M1

T4

T4b IVB

IVC

Fernmetastasen

8.6 Bösartige Neubildungen der Epithelien des Kopfes und Halses (CD10: C00–C14)

269

Tab. 8.103: Ausbreitung und Klassifikation maligner Tumoren des Mund- und Schlundrachens (Oro- und Hypopharynx). AJCCStadien

TNM-Klassifikation

Rachenschleimhaut

Angrenzende Gewebe

TX

NX

MX

Tumoren, Lymphknoten und Fernmetastasen können nicht beurteilt werden

T0

N0

M0

keine Hinweise auf einen Tumor

0

Tis

N0

M0

Carcinoma in situ

I

T1

N0

M0

Tumor auf einer Seite und/oder ≤ 2 cm

II

T2

N0

M0

Tumor auf mehr als einer Seite, > 2 cm, aber ≤ 4 cm, keine Fixation des Hemilarynx

N1

M0

Metastase in einem ipsilateralen Lymphknoten ≤ 3 cm

N0

M0

N1

M0

Tumor > 4 cm, Ausdehnung zur Epiglottis oder Fixation des Hemilarynx oder Ausdehnung zum Ösophagus

T1–2 III T3

N2a: Metastase in einem ipsilateralen Lymphknoten > 3 cm, ≤ 6 cm T1–3

N2

M0

N2b: Metastasen in multiplen ipsilateralen Lymphknoten, kleiner > 6 cm N2c: Metastasen in bilateralen oder contralateralen Lymphknoten, keiner > 6 cm

IVA

N0 N1 M0

T4a N2

IV

N0

M0

Tumor weit ausgebreitet Oropharynx: Tumor hat das Flügelbein und dessen Muskel, den lateralen Nasopharynx oder die Schädelbasis infiltriert Hypopharynx: Tumor hat die prävertebrale Faszien, das Mediastinum die Arteria carotis infiltriert

N3

M0

Metastase in mindestens einem Lymphknoten und mindestens > 6 cm

N0– 3

M0

jedes T

N3

M0

jedes T

N0– 3

M1

T4

T4b IVB

IVC

Tumor lokal begrenzt ausgebreitet Oropharynx: Tumor hat den harten Gaumen, das mediale Flügelbein, den Unterkiefer, den äußeren Zungenmuskel, den Kehlkopf infiltriert Hypopharynx: Tumor hat den Ringknorpel, das Zungenbein, die Schilddrüse oder andere benachbarte Gewebe infiltriert

Fernmetastasen

270

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.104: Ausbreitung und Klassifikation von Tumoren des Nasenrachens (Nasopharynx). AJCCStadien

0

I

TNM-Klassifikation

Nasopharynx

TX

NX

MX

Tumoren, Lymphknoten und Fernmetastasen können nicht beurteilt werden

T0

N0

M0

keine Hinweise auf einen Tumor

Tis

N0

M0

Carcinoma in situ

M0

Tumor beschränkt auf Mukosa des Nasopharynx, Ausdehnung in die Nasenhöhle und/oder Oropharynx; keine parapharyngeale Ausbreitung

T1

N0

T1

N1

M0

N0

M0

N1

M0

II

T2

III

T1

N2

T2

N2

T3

IVA

N0

M0

N1–2

M0

N0

M0

N1–2

M0

T4

IVB

jedes T

IVC

jedes T

N3

Metastase unilateral in einem zervikalen Lymphknoten, ≤ 6 cm, oberhalb der Fossa supraclavicularis und/oder unilateral oder bilateral in retropharyngealen Lymphknoten, ≤ 6 cm

Tumor hat auch parapharyngeale Bereiche infiltriert Metastasen bilateral in zervikalen Lymphknoten, ≤ 6 cm, oberhalb der Fossa supraclavicularis

N3a IV

Angrenzendes Gewebe

N3b

N0–3

Tumor hat die Knochen der Schädelbasis und/oder die Nasennebenhöhlen infiltriert Tumor hat sich intrakranial ausgebreitet und/oder die Hirnnerven, Augenhöhlen, den Hypopharynx, die infratemporale Grube infiltriert Metastase in einem Lymphknoten > 6 cm

M0

Metastase in einem Lymphknoten in der Fossa supraclavicularis

M1

Fernmetastasen

Tab. 8.105: Ausbreitung und Klassifikation der Tumoren des Kehlkopfes (Larynx). AJCCStadien

0

TNM-Klassifikation

Larynx

TX

NX

MX

Tumoren, Lymphknoten und Fernmetastasen können nicht beurteilt werden

T0

N0

M0

keine Hinweise auf einen Tumor

Tis

N0

M0

Carcinoma in situ

Angrenzendes Gewebe

8.6 Bösartige Neubildungen der Epithelien des Kopfes und Halses (CD10: C00–C14)

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

Larynx

271

Angrenzendes Gewebe

Supraglottis: Tumor auf einer Seite von deren Mukosa; Stimmbänder normal beweglich I

T1

N0

M0

Glottis: Tumor beschränkt auf 1(T1a) oder 2 (T1b) normal bewegliche Stimmbänder Subglottis: Tumor beschränkt auf deren Mukosa Supraglottis: Tumor hat deren Mukosa von mehreren Seiten oder die Glottis oder direkt benachbarte Gewebe infiltriert ohne den Larynx zu fixieren

II

T2

N0

M0

Glottis: Tumor hat sich zur Supraglottis oder Subglottis ausgedehnt und/oder die Beweglichkeit der Stimmbänder eingeschränkt Subglottis: Tumor hat sich bis zu den Stimmbändern ausgedehnt; Beweglichkeit +/– beeinflusst

T1–2

N1

M0

Supraglottis: Tumor beschränkt auf Larynx mit Fixation der Stimmbänder und/oder hat infiltriert: postkrikoidalen Bereich, Bereich der Epiglottis oder Paraglottis, innere Wand des Schildknorpels

N0 III

Metastase in einem ipsilateralen Lymphknoten ≤ 3 cm

T3

M0 N1

Glottis: Tumor beschränkt auf Larynx mit Fixation der Stimmbänder und/oder hat infiltriert: Bereich der Paraglottis, innere Wand des Schildknorpels Subglottis: Tumor beschränkt auf den Larynx mit Fixation der Stimmbänder Metastase in einem ipsilateralen Lymphknoten > 3 cm, ≤ 6 cm

N2a T1–3

N2

N2b

M0

IVA

Metastasen in bilateralen oder contralateralen Lymphknoten, keiner > 6 cm

N2c N0

M0

N1–2

M0

T4a

IV T4

N0 T4b

IVB

Metastasen in multiplen ipsilateralen Lymphknoten, keiner > 6 cm

M0 N3

Tumor hat den Schildknorpel durchbrochen und/oder benachbarte Gewebe (Schilddrüse, tiefe Zungenmuskulatur, Ringknorpel, Trachea, Ösophagus, infiltriert) Tumor ist in den prävertebralen Bereich, das Mediastinum und/oder Arteria carotis vorgedrungen Metastase in mindestens einem Lymphknoten > 6 cm

N0–3

IVC

jedes T

N3

M0

jedes T

N0–3

M1

Fernmetastasen

272

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.106: Ausbreitung und Klassifikation von Tumoren der Nasenhöhle und der Nasennebenhöhlen. AJCCStadien

TNM-Klassifikation

Nasopharynx

Angrenzendes Gewebe

TX

NX

MX

Tumoren, Lymphknoten und Fernmetastasen können nicht beurteilt werden

T0

N0

M0

keine Hinweise auf einen Tumor

0

Tis

N0

M0

Carcinoma in situ

I

T1

N0

M0

Tumor ist beschränkt auf Nasenhöhle oder eine Nasennebenhöhle (Siebbeinhöhle, Stirnhöhle, Kieferhöhle)

M0

Tumor hat mehrere Bereiche in einer einzigen Region des Nasenraumes und Siebbeines oder benachbarter Regionen infiltriert mit und ohne Knocheninvasion oder Tumor hat Knochengewebe (harter Gaumen, mittlerer Nasengang) infiltriert, jedoch nicht die hintere Wand der Kieferhöhle und das Keilbein

II

T2

N0

T1–2

Metastasen in einem ipsilateralen Lymphknoten ≤ 3 cm; bilateral in zervikalen Lymphknoten, ≤ 6 cm, oberhalb der Fossa supraclavicularis

N1

III N0

M0

N1

M0

T3

Metastase in einem ipsilateralen Lymphknoten, > 3 cm aber ≤ 6 cm

N2a T1–3

N2

M0 Metastase in multiplen ipsilateralen Lymphknoten, ≤ 6 cm

N2b IVA N0

M0

N1–2

M0

T4a

Tumor hat das vordere Augenhöhle, die Haut der Nase oder Wangen, die Fossa cranialis anterior, die Stirnbeinhöhle, das Keilbein oder die Keilbeinhöhle infiltriert

N0

M0

Tumor hat die Augenhöhle, die Dura, das Gehirn, die mittlere Fossa cranialis, die Hirnnerven (zusätzlich zur maxillaren Aufzweigung des Trigeminus Nerven (V2), den Nasopharynx oder die innere Schädelbasis (Clivus) infiltriert

N3

M0

Metastase in mindestens einem Lymphknoten, > 6 cm

N1–3

M0

jedes T

N3

M0

jedes T

N0–3

M1

IV T4 T4b IVB

IVC

Tumor hat die Augenhöhle (Mittelwand oder Boden), die Kieferhöhle, die Gaumenplatte oder das Siebbein infiltriert

Fernmetastasen

8.6 Bösartige Neubildungen der Epithelien des Kopfes und Halses (CD10: C00–C14)

273

Tab. 8.107: Ausbreitung und Klassifikation von Tumoren der Speicheldrüsen. AJCCStadien

TNM-Klassifikation

Speicheldrüsen

TX

NX

MX

Tumoren, Lymphknoten und Fernmetastasen können nicht beurteilt werden

T0

N0

M0

keine Hinweise auf einen Tumor

0

Tis

N0

M0

Carcinoma in situ

I

T1

N0

M0

Tumor ≤ 2 cm, ohne extraparenchymatöse Ausdehnung in angrenzendes Gewebe

II

T2

N0

M0

Tumor > 2 cm aber ≤ 4 cm ohne extraparenchymatöse Ausdehnung in angrenzendes Gewebe

T1–2

N1

III

Metastasen in einem ipsilateralen Lymphknoten ≤ 3 cm

N0

M0

N1

M0

T3

N2

M0 Metastase in multiplen ipsilateralen Lymphknoten, ≤ 6 cm

N2b

IVA N0

M0

N1–2

M0

N0

M0

Tumor hat die Schädelbasis, das Keilbein und/oder die Arteria carotis infiltriert

N3

M0

Metastase in mindestens einem Lymphknoten, > 6 cm

N1–3

M0

jedes T

N3

M0

jedes T

N0–3

M1

T4a IV T4 T4b IVB

IVC

Tumor > 4 cm und/oder mit Ausdehnung in extraparenchymatöses Gewebe Metastase in einem ipsilateralen Lymphknoten, > 3 cm aber ≤ 6 cm

N2a T1–3

Angrenzendes Gewebe

Tumor ist in die Haut, den Unterkieferknochen, den Gehörkanal und/oder den Gesichtsnerv eingedrungen

Fernmetastasen

Das Wachstum der malignen Kopf- und Halstumoren erfolgt vorwiegend invasiv und destruktiv in die benachbarten Gewebe (Muskeln, Knochen, Blutgefäße und Nerven). Die Metastasierung erfolgt vorzugsweise lymphogen in die regionalen Lymphknoten, im Besonderen in • die retropharyngealen, prälaryngealen und paratrachealen Lymphknoten, • die cranio-, medio-, und caudo-jugulären Lymphknoten, • die submentalen und submandibulären Lymphknoten, • die bukkalen, parotidealen, retroaurikulären, okzipitalen und dorsozervikalen Lymphknoten.

274

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Fernmetastasen treten • gehäuft bei Hypopharynxkarzinomen auf (bis zu 40 %), • ansonsten selten und spät im Krankheitsverlauf auf. Für die Prognose sind daher besonders relevant • die Ausbreitung des Tumors, • die Anzahl und die Größe der Lymphknoten-Metastasen • der histologische Typ des Tumors.

Histologische Klassifikationen Tab. 8.108: Häufigkeit der wichtigsten histologischen Typen bei Kopf- und Hals-Tumoren.

Lippen

Mundhöhle Oro(Wangen, HypoZahnpharynx fleisch, Zunge)

Nasennebenhöhle

Nasenhöhle

Nasopharynx

Larynx

Speicheldrüsen

99 %

1–5 %

Karzinome PlattenepithelKarzinome

50–60 % > 90 %

verruköses Karzinom

50 Gray, im Regelfall bei 50–60 Gy, ggf. bei 60–66 Gy und in konventioneller Fraktionierung liegen, ▪ bei postoperativer Rettungs (Salvage-) Chirurgie ist bei Vorbelastung mit > 54 Gy die perioperative Letalität erhöht, ▪ eine Bestrahlung > 54 Gy sollte daher nur dann erfolgen, wenn nachfolgend keine Resektion geplant ist. – Die Chemotherapie beinhaltet die synchrone Verabreichung von ▪ CF-Schema: Cisplatin + 5- Fluorouracil, ▪ FOLFOX-Schema: Folinsäure/Leucovorin + 5- Fluorouracil + Oxaliplatin oder ▪ Carboplatin + Paclitaxel oder Cisplatin+ Paclitaxel Palliative Chemotherapie für Patienten mit metastasiertem Stadium IV – kann das Überleben (in diesem Stadium < 1 Jahr) verlängern – beim Plattenepithelkarzinom durch ▪ eine Erstlinientherapie mit Cisplatin + 5-FU oder Oxaliplatin+ 5-FU + Folinsäure ▪ eine Zweitlinientherapie mit Taxanen, Platinderivaten, Irinotecan oder MitomycinC, – beim Adenokarzinom ohne HER-2 Expression durch eine Erstlinientherapie mit ▪ FLOT-Schema: Docetaxel + Oxaliplatin + 5-Fluorouracil/Folinsäure, ▪ DCF-Schema: Docetaxel + Cisplatin + 5-Fluorouracil, ▪ FOLFIRI-Schema: 5-Fluorouracil/Folinsäure + Irinotecan oder ▪ Irinotecan + Capecitabin, – beim Adenokarzinom mit HER-2 Expression (bei etwa 20 % der Adenokarzinome des ösophagogastralen Übergangs) durch eine Erstlinientherapie mit ▪









8.6 Bösartige Neubildungen der Epithelien des Kopfes und Halses (CD10: C00–C14)

303

Cisplatin + 5-FU + Trastuzumab (Anti-HER-2 Antikörper) oder Oxaliplatin +5-FU + Trastuzumab bei der Zweitlinientherapie durch die Monotherapie ▪ mit Irinotecan, Paclitaxel oder Docetaxel, oder aber ▪ mit Ramucirumab (Anti-VEGFR-2-Antikörper), bei der Drittlinientherapie durch die Immuntherapie ▪ mit einem Inhibitor (Nivolumab oder Pembrolizumab) des blockierenden Rezeptors PD-1 auf (zytotoxischen) T-lymphozyten. ▪ ▪





Die Nachsorge umfasst • eine dem Krankheitsstadium angemessene bestmögliche Verpflegung von der enteralen Normalkost bis hin zur parenteralen Ernährung • ggf. eine psychoonkologische Betreuung • regelmäßige Kontrolle mit bildgebenden Verfahren • bei Obstruktionen zur Aufrechterhaltung des Speichelabflusses und der Ernährung und zum Abdichten von Fisteln – palliative laserchirurgische Eingriffe, – Tubus- oder Stentimplantation.

Tab. 8.121: Therapieverfahren für Tumoren der Speiseröhre in Bezug zum TNM-Status. AJCC-/ UICCStadien

TNM-Klassifikation BarrettSyndrom

0 I

Tis IA

T1a

N0

M0

T1b T2

N0

M0

T3

N0

M0

T1–2

N1

M0

T1–2

N2

M0

N1

M0

T4

T4a

N0

T3

N2

M0

T4

T4a

N1–2

M0

T4a

N3

M0

T4b

N0–3

M0

IIA IIB IIIA

III

M0

T1 IB

II

N0

IIIB IIIC

T3 M0

Chirurgie

Radiotherapie

Chemotherapie

endoskopische Mukosektomie oder Resektion primäre oder präoperativ, adjuvante perkutan Ösophagek- (alternativ zur tomie Chirurgie) in und Exzision Kombination regionaler mit ChemoLymphknoten therapie

Prognose 5-JahresÜberleben

> 94 %

präoperativ in Kombination mit der Radiotherapie

primäre oder adjuvante präoperativ (sekundäre) oder adjuvant präoperativ Ösophag+/– (beim Adenoektomie simultane karzinom) und Exzision Chemooder adjuvant regionaler therapie Lymphknoten

50–94 %

15–65 %

6–23 %

304

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

AJCC-/ UICCStadien IVA

TNM-Klassifikation jedes T

N0–3

IV

M1a M1

IVB

jedes T

N0–3

M1b

Chirurgie

Radiotherapie

Chemotherapie

Prognose 5-JahresÜberleben

palliativ (MetastasenResektion)

palliativ

palliativ

< 5–8 %

Weiterführende Literatur Cancer Research UK, oesophageal cancer, 17. 12. 2010; http://info.cancerresearchuk.org/cancerstats/ types/Ösophagus/ Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) http://www.dimdi.de/static/ de/index.html National Cancer Institute (USA) Esophageal Cancer Treatment (PDQ®); 07/18/2011; http://www.cancer.gov/ cancertopics/pdq/treatment/esophageal/HealthProfessional/ Porschen R, et al., Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Plattenepithelkarzinome und Adenokarzinome des Ösophagus, Kurzversion 2.0, 2018,AWMF Registernummer: 021/023OL, https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/oesophaguskarzinom/ Preiß J, Dornoff W, Hagmann F-G, Schmieder A., Onkologie 2011; Juni 2011; http://www.onkologie2011.de/ index.htm Robert Koch Insitut, https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/ kid_2019/ kid_2019_c15_speiseroehre.pdf?__blob=publicationFile Ruf G, Farthmann EH, Engelhardt R, Frommhold H, Henke M, Schaefer HE. Empfehlungen zur standardisierten Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Ösophaguskarzinoms 06.2001; Tumorzentrum Freiburg; http://www.uniklinik-freiburg.de/tumorzentrum/live/Medizin-Info/Leitlinien/ Ösophagus_karzinom.pdf Stahl M, et al., 2018, https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/oesophaguskarzinom/ @@guideline/html/index.html UICC: Klassifikation der Differenzierung; http://www.uicc.org/tnm WHO, International Agency for Research on Cancer; Globocan 2008, Cancer incidence and mortality world wide 2008, http://globocan.iarc.fr/

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26) 8.7.1 Magen Vorkommen Im Jahr 2018 wurden weltweit 1.033.701 Neuerkrankungen registriert. Dabei ist in den letzten Jahren deutlich gesunken • die Erkrankungsrate (jeweils alterskorrigiert) – Jahr 2008: 14,1/100.000 Personen, – Jahr 2018: 11,1/100.000 Personen • die Sterberate.

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

305

Ähnlich wie beim Ösophaguskarzinom weist das Magenkarzinom erhebliche Unterschiede auf in Bezug auf die Inzidenz in den unterschiedlichen Ländern und in Bezug auf Geschlechter: • territorial liegen Neuerkrankungsraten (N) und Todesraten (T), jeweils pro 100.000 Personen (alterskorrigiert) besonders hoch in Japan, China, Südamerika und Europa: – Amerika ▪ Nord N:  5,8 T:  2,8 ▪ Zentral N: 10,9 T:  9,1 ▪ Süd N: 12,4 T: 10,2 – Asien N: 18,5 T: 13,4 ▪ China N: 29,9 T: 22,3 ▪ Japan N: 31,1 T: 13,5 – Afrika N:  4,0 T:  3,8 – Australien N:  7,4 T:  4,3 – Europa N: 14,5 T: 11,3 und • Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen und zwar im Verhältnis von ca. 2 : 1. In Deutschland wurden für das Jahr 2016 folgende Daten zum Magenkarzinom verzeichnet: • Neuerkrankungen – bei Frauen: 5.840; Neuerkrankungsrate 7,6/100.000 – bei Männern: 9.300; Neuerkrankungsrate 14,8/100.000 • Todesfälle – bei Frauen: 3.861; Todesrate 4,4/100.000 – bei Männern: 5.370; Todesrate 13,2/100.000 • durchschnittliches Erkrankungs- und Sterbealter – bei Frauen Erkrankungsalter: 76 Jahre; Sterbealter: 78 Jahre – bei Männern Erkrankungsalter: 72 Jahre, Sterbealter: 75 Jahre • Prävalenz – bei Frauen: 5 Jahre: 13.800; 10 Jahre: 22.200 – bei Männern: 5 Jahre: 22.100; 10 Jahre: 34.400 • relative Überlebensrate – bei Frauen: 5 Jahre: 34 %; 10 Jahre: 32 % – bei Männern: 5 Jahre: 32 %; 10 Jahre: 28 %

Risikofaktoren Zahlreiche Risikofaktoren für das Magenkarzinom sind belegt oder wahrscheinlich (siehe Tab. 8.122). Hierzu gehören im Besonderen: • Helicobacter-pylori-Infektionen (HPI): Sie gelten als der wichtigste Risikofaktor für Magenkarzinome (siehe Kap. 4.6.6) – ca. 70 % der Nicht-Cardia-Karzinome des Magens sind auf eine HPI zurückzuführen,

306

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



die HPI bewirkt eine chronische Gastritis, die sich zu einer SCAG/Schweren Chronisch-Atrophischen Gastritis entwickelt, die bereits eine Präkanzerose darstellt, ▪ oder zur Ausbildung einer Riesenfaltengastritis (Hyperplasie vom Typ Morbus Menetrier) führt ▪ und sich über Metaplasien zu einem Magen-Karzinom entwickeln kann (Correa-Hypothese), – unterstützt wird die Kanzerogenese seitens des Patienten ▪ durch die erhöhte lokale Freisetzung pro-inflammatorischer Zytokine (z. B. IL-1/ Interleukin 1, TNF-α), ▪ durch aktivierende Mutationen oder Amplifikationen von (Proto-) Onkogenen, wie beispielsweise c-Met, K-sam oder c-ErbB2, ▪ durch inaktivierende Mutationen von Tumorsuppressorgenen, wie beispielsweise p53, APC, Bcl-2 und RUNX3, – exogene Faktoren, welche die Tumorentwicklung möglicherweise fördern können, sind beispielsweise: ▪ dichte Bevölkerungs-, soziale und familiäre Strukturen verbunden mit mangelhafter Hygiene und hohen Durchseuchungsraten mit Helicobacter pylori, ▪ die Verbreitung von besonders toxischen Helicobacter-pylori-Stämmen, welche das CAG-A/Cytotoxin-Assoziierte Antigen exprimieren, ▪ eine Ernährung mit hohem Gehalt an Nitrat und Nitrit im Trinkwasser, in Fertigprodukten, in mit Pökelsalz haltbar gemachten Fleischwaren, ▪ mit der Nahrung aufgenommenes Benzopyren ▪ ein erhöhter Konsum von Speisesalz, ▪ ein vermehrter Konsum von rotem Fleisch, ▪ Fettsucht (für Karzinome des ösophagastralen Übergangs), ▪ der Tabak- und/oder ein erhöhter Alkoholkonsum. Tabakkonsum erhöht ähnlich wie beim Ösophaguskarzinom das Risiko für Magenkarzinome (siehe Kap. 4.6.2.1) – in Kombination mit einer Helicobacter pylori Infektion wird dieses Risiko drastisch erhöht, – erst ≥ 10 Jahre nach Stopp des Rauchens hat sich das Risiko bei Ehemals-Rauchern demjenigen von Niemals-Rauchern angeglichen, EBV/Epstein-Barr-Virus-Infektionen (siehe Kap. 4.6.7) – die bei etwa 9 % der Magenkarzinome nachweisbar sind und an der Kanzerogenese beteiligt zu sein scheinen; Vorbelastungen; hierzu gehören – Magenoperationen, wie z. B. eine partielle Magenresektion – Ulcus ventriculi, – perniziöse Anämie, – epitheliale Polypen > 2 cm, villöse Polypen, – Hiatushernie, – atrophische Gastritis oder – die hypertrophische Gastritis/ Riesenfaltengastritis (Morbus Menetrier) mit Verbreiterung des schleimbildenden Epithels, Rückbildung der Haupt- und Belegzellen und Hypo- bis Anazidität, ▪







8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)



307

genetische Ursachen; hierzu gehören – das hereditäre diffuse Magenkarzinom, verantwortlich für etwa 1 % aller Magenkarzinome und bedingt durch – das hereditäre non-polypöse kolorektale Karzinom (HNPCC/Hereditary NonPolyposis Colorectal Cancer; Lynch-Syndrom, siehe Kap. 8.2.1.1), welches in etwa 6 % der Erbträger auch zu Magenkarzinomen führt und verursacht wird durch ▪ inaktivierende Keimbahnmutationen eines oder mehrerer Gene für DNAMismatch-Reparaturproteine (hMSH2, hMLH1, hPMS1, hPMS2, hMSH6 und hMLH3), – das hereditäre diffuse Magenkarzinom (HDGC/Hereditary Diffuse Gastric Carcinoma) mit Mutationen im E-Cadherin 1- (CDH-1) Gen (siehe Kap. 8.2.1.1), ▪ wobei bei Nachweis einer derartigen Mutation und positiver Familienanamnese eine Gastrektomie zur Prophylaxe sinnvoll erscheint, – das Peutz-Jeghers-Syndrom mit einer Mutation der Serin-Threoninkinase STK11 und multiplen Tumoren besonders im Magen-Darm-Trakt und in der Mamma, aber auch in anderen Organen, wie auch mit melanotischen Flecken auf der Haut und den Schleimhäuten – Verwandte 1. Grades mit einem Magenkarzinom (Erhöhung des Risikos um den Faktor 10) – Blutgruppe A – das männliche Geschlecht (Inzidenz: M : F = 2 : 1)

Das Risiko wird gemindert um 30–40 % durch • den hohen täglichen Verzehr von frischem Obst und Gemüse (ca. 300 g/Tag) – mit hohem Blutspiegel an Vitamin C, – z. B. durch häufige „mediterrane“ Ernährung, • eine vegetarische Ernährung, • die regelmäßige Einnahme von Aspirin oder NSAID/Nicht Steroidale Anti-Inflammatorische Drugs/Arzneimittel, • eine Hormonersatztherapie, • regelmäßige körperliche Tätigkeit.

Tab. 8.122: Risikofaktoren für das Magenkarzinom. Risiko Faktoren gering

mittel

hoch

Magen-assoziierte Erkrankungen Atrophie durch perniziöse Anämie

gastroösophagaler Reflux (GORD)

Faktor 2–3 Faktor 2 (CardiaKarzinom)

sehr hoch

308

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Risiko Faktoren gering

mittel

hoch

Faktor 5 (Cardia-Karzinom)

chirurgische Exzision wegen GORD Vagotomie wegen GORD

sehr hoch

Faktor 1–2 Faktor 18 (CardiaKarzinom)

Barret-Syndrom

partielle Magenresektion

Faktor 1,8

Helicobacter pylori (HP)-Infektion

Faktor 2

HP-Stamm CAG-A (Cytotoxin Associated Antigen A) HP-induzierte schwere chronische atrophische Gastritis (SCAG/)

Faktor 3

Faktor 2,6 (FundusKarzinom)

unifokal

multifokal

Faktor ≥ 90

HIV-Infektion/AIDS

Faktor 2

Organtransplantation und Immunsuppression

Faktor 2

Tumorerkrankungen in anderen Organen und Tumortherapie

Faktor 1–3

Tabakkonsum

Faktor 11 (CardiaKarzinom)

Faktor 1,4 (FundusKarzinom)

Faktor 2,2 (CardiaKarzinom)

Tabakkonsum und Helicobacter-pyloriInfektion

Faktor ≥ 10

Kautabak

Faktor 1,4

Alkoholkonsum (> 100 g/Tag)

Faktor 1,3

Alkohol und Tabakkonsum

Faktor 5

Ernährung Essig (pickled) Gemüse gepökeltes Fleisch (≥ 100 g/Tag) (n-Nitroso-dimethylamine)

Faktor 2 Faktor 1,4–2

gepökeltes Fleisch (≥ 100 g/Tag) und HP-Infektion Salz ≥ 16 g/Tag und HP-Infektion Fleischkonsum (≥ 100 g/Tag) Fleischkonsum (≥ 100 g/Tag) und HP-Infektion

Faktor 3–5 Faktor 1,3 Faktor 2–3 Faktor 5

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

309

Risiko Faktoren gering

mittel

hoch

sehr hoch

Faktor 2 (CardiaKarzinom)

Fettsucht (BMI > 27)

radioaktive Strahlung Atombomben-Pollution

Faktor 2

Radiotherapie (Spondylitis)

Faktor 1,7

berufliche Expositionen Metallstäube

Faktor 2

Quarzstäube

Faktor 1,3

Zementstäube

Faktor 1,5

Dieselöl-Ruß

Faktor 1,4

Fleischereiprodukte (Schlachter)

Faktor 1,6

genetische Faktoren Elternteil mit Magenkarzinom

Faktor 1,5

Zwilling mit Magenkarzinom

Faktor 3–6

> 1 Verwandter mit Magenkarzinom Faktor 10 Hereditäres diffuses Magenkarzinom

Entwicklungsstadien und Klassifikationen Die Klassifikation der Magentumoren (siehe Tab. 8.123) hat zur Grundlage die Maßgaben • der AJCC/American Joint Committee on Cancer, • des TNM-Systems der UICC.

Tab. 8.123: Entwicklungsstadien und Klassifikation des Magenkarzinoms.

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

TX

NX

Magen

MX

T0 N0

0

Tis

M0

N0

Benachbartes Gewebe

Prognose 5-JahresÜberleben

Tumoren, Lymphknoten und Fernmetastasen können nicht beurteilt werden keine Hinweise auf einen Tumor

M0

Carcinoma in situ: intraepithelialer Tumor ohne Invasion der Lamina propria

> 90 %

310

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

AJCCStadien

IA

TNM-Klassifikation

Magen

T1a

N0

M0

Tumor hat Lamina propria oder die Muscularis mucosae infiltriert

T1b

N0

M0

Tumor hat die Submukosa infiltriert

T1

N1

M0

Metastasen in 1–2 regionalen Lymphknoten

T2

N0

M0

Tumor hat die Muskularis propria oder die Aufhängebänder infiltriert ohne das viszerale Peritoneum zu durchdringen

T1

N2

M0

Metastasen in 3–6 regionalen Lymphknoten

T2

N1

M0

T1

I

IB

T3 II

M0

Tumor ist in das subseröse Bindegewebe eingedrungen, ohne das viszerale Peritoneum oder benachbarte Geweben zu infiltrieren

N3a

M0

Metastasen in 7–15 regionalen Lymphknoten

N3b

M0

Metastasen in ≥ 16 regionalen Lymphknoten

N0, N1

IIA T1 T2 T4

IIIA

III IIIB

T4a

N2 N0, N1

M0

N1

M0

T2

N3

M0

T3

N2

M0

T3

N3

M0

T4a

N2

M0

T4a IIIC

40–70 %

20–40 %

M0

T4a

T4b

Prognose 5-JahresÜberleben

N3

T4 N0, N1 N3

M0

Tumor hat das viszerale Peritoneum durchbrochen

6–35 % Tumor hat benachbartes Gewebe/ Bauchhöhlenorgane infiltriert

M0

T4 T4b

IV

Benachbartes Gewebe

jedes T

N2, N2

M0

jedes N

M1

Fernmetastasen

0%

Die Ausbreitung des Magenkarzinoms erfolgt: • durch direkte Invasion in benachbarte Gewebe und Organe (Peritoneum mit Peritonealkarzinose, Leber, Milz, Pankreas), • durch lymphogene Metastasierung in die regionalen Lymphknoten (siehe Tab. 8.124), • durch hämatogene Metastasierung in Leber, Knochen, Ovarien (Krukenberg-Tumoren).

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

311

Tab. 8.124: Magenkarzinom-Lokalisation und Metastasierung in regionale Lymphknoten. Tumorlokalisationen

Regionale Lymphknoten

ösophagalgastraler Übergang

Kardia

Typ 1

aus intestinalen Metaplasien des distalen Ösophagus (BarrettÖsophagus) entstanden ohne/mit Infiltration des Mageneingangs

Typ 2

aus dem Kardiaepithel oder Metaplasien des ösophagogastralen Übergangs entstanden

Typ 3

distal der Kardia entstanden mit Infiltration des ösophagogastralen Übergangs Fundus Korpus

mediastinale Lymphknoten

perigastrische Lymphknoten an der großen und kleinen Kurvatur des Magens

Lymphknoten am Truncus coeliacus, an der Milzarterie und am Milzhilus

para-aortale Lymphkoten

Antrum Pylorus

Histologische Klassifikation Das Magenkarzinom zeichnet sich durch eine starke histologische Heterogenität aus, welche sogar innerhalb eines Tumors zu finden ist. Maligne Magentumoren sind (Klassifikation von Lauren und der WHO) zu unterteilen in: • Adenokarzinome, welche unterteilt werden in: – intestinale Adenokarzinome (mit ca. 54 % Anteil) charakterisiert durch ▪ gut differenzierte Zellen, ▪ glandulären Strukturen (papillär, tubulös, mucinös, gering kohäsiv inklusive Siegelringform), ▪ selten adenosquamöse Strukturen, ▪ einem sich eher ausbreitenden Wachstumstyp, – diffuse Adenokarzinome (mit ca. 32 % Anteil) mit ▪ gering oder nicht differenzierten Zellen, ▪ dem Fehlen von Drüsenstrukturen, ▪ einem eher infiltrativen Wachstumstyp (Infiltration in die Magenwand/Linitis plastica), – unbestimmbare Mischtypen mit intestinalen und diffusen Mustern (mit ca. 15 % Anteil), • Lymphome des MALT/Mukosa-Assoziiertes Lymphatisches Gewebe/Tissue (siehe Kap. 8.15.9.6), • neuroendokrine Tumoren, im Besonderen Karzinoide (siehe Kap. 8.12), • mesenchymale Tumoren – Sarkome (Leiomyosarkomen) und Karzinosarkome (siehe Kap. 8.11),

312

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



gastrointestinalen Stromatumore (GIST, siehe Kap. 8.11) etwa 60 % der diagnostizierten GIST werden im Magen nachgewiesen, Metastasen anderer Primärtumoren (Melanome u. a.). ▪



Entsprechend der molekular-genetischen Analyse (TCGA/Cancer Genome Atlas) wird zusätzlich klassifiziert in • CIN/Chromosomal Instabil • EBV-A/Epstein-Barr-Virus Assoziiert • MSI/Mikro-Satelliten Instabil und • GS/Genomisch Instabil • wobei diese Klassifizierung bislang noch keinen Einfluss auf die Wahl der Therapie hat. Die Prognose wird im Wesentlichen bestimmt durch: • das Ausbreitungsstadium – Lokalisation und Infiltrationstiefe des Primärtumors, – Metastasierung in Lymphknoten und das Vorhandensein von Fernmetastasen, – das Ausmaß der Gefäßinvasion, – Infiltration in das Peritonaeum, • den Tumortyp – inaktivierende Mutationen von Tumorsuppressoren, wie z. B. p53 und E-Cadherin, • Möglichkeit einer kompletten (R0) Resektion, • das Alter des Patienten – Alter < 45 Jahre ist prognostisch ungünstig.

Diagnostik Frühsymptome fehlen oder sind völlig unspezifisch: • Frühes Sättigungsgefühl, Appetitlosigkeit, • Dysphagie im Besonderen bei AEG/Adenokarzinomen des ösophagastralen Übergangs • Dyspepsie mit Magenschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Zeichen gastrointestinaler Blutungen, • Foetor ex ore. Hochrisikopatienten können erfasst werden durch: • serologische Bestimmung von Parametern für eine Helicobacter-pylori-Infektion – Pepsinogen I und II, – Gastrin 17 und – Antikörper gegen Helicobacter pylori. Nur etwa 10–20 % der Magenkarzinome werden im Frühstadium erkannt. Die Diagnostik besteht in: • endoskopischer Untersuchungen – Gastroskopie oder Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD), – endoskopische Ultraschall-Untersuchung – ggf. Chrom-Endoskopie

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

• •







313

ggf. serologische Bestimmung von Tumormarkern (CEA, CA19.9, CA 72.2, siehe Kap. 8.1.6), wobei deren Aussagewert für das Magenkarzinom fraglich ist, bildgebenden Verfahren – Sonografie und endoskopische Sonografie von ▪ Magen (Wandverdickung), ▪ übriges Abdomen (besonders Leber), ▪ Hals, ▪ regionalen Lymphknoten (hier ist die endoskopische Sonografie die bevorzugte Technik für die klinische Diagnose von Lymphknoten-Metastasen) – CT/Computer-Tomografie ▪ von Thorax und Abdomen ggf. nach i. v. Verabreichung von Kontrastmitteln, ▪ des Magens nach Füllung mit Kontrastmittel oder Wasser, für die klinische Diagnose von Metastasen in den regionalen Lymphknoten (Sensitivität > 62 < 92 %) durch Erfassung des Durchmessers ≥ 6–8 mm in perigastrischen Lymphknoten), der Form (rund), von zentralen Nekrosen, Verlust des Fetthilus und/oder heterogene oder verstärkte Kontrastmittelaufnahme, – ggf. PET/Positronen-Emissions-Tomografie mit radiomarkierter Glukose (18-F-fluorodeoxy-D-Glukose), – ggf. Knochenszintigramm, – ggf. MRT mit Gadolinium als Kontrastmittel (falls das CT nicht möglich oder nicht ausreichend aussagefähig war), im Verdachtsfall multiplen Biopsien der Magenschleimhaut zur histologischen Sicherung (Standardverfahren) – mindestens 8 Biopsien aus allen verdächtigen Bereichen, – mindestens 10 Biopsien bei großen Läsionen, – mindestens 4 Biopsien (2 Antrum, 2 Corpus) zusätzlich zu den Biopsien aus den verdächtigen Bereichen, – falls die histologische Untersuchung der Biopsieproben den klinisch begründeten Verdacht nicht bestätigen kann, sind Wiederholungsuntersuchungen durchzuführen, ggf. Laparoskopie, Peritoneal-Lavage und Zytologie – zum Ausschluss einer Peritonealkarzinose, – zur Erfassung der Tumorausbreitung. ggf. Exzision von mindestens 16 regionalen Lymphknoten und deren histologische Untersuchung.

Therapiestrategien Die Strategie für die primäre Therapie des Magenkarzinoms ist abhängig vom jeweiligen Tumorstadium und umfasst (siehe Tab. 8.125) • chirurgische Maßnahmen (endoskopische Resektion, limitierte chirurgische Resektion, subtotale oder radikale Gastrektomie) • präoperative oder postoperative und adjuvante Chemotherapie • adjuvante Radiochemotherapie und • eine Immuntherapie mit Anti-HER-2 – oder Anti-VEGFR2-Antikörpern

314

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.125: Strategie für die primäre Therapie des Magenkarzinoms (in Anlehnung an Lordick et al. 2018). Stadium IA

▾ T1a,cN0,cM0

▾ falls

Stadium IV

Stadium IB- III









HER-2

HER-2

negativ

positiv





Platin, 5-FU

palliative

Chemotherapie

T1b präoperative



Chemotherapie

palliative

(Epirubicin, Tumor, erhabener Risiko von

oder

Chemotherapie

Cisplatin

Typ < 2 cm,

Metastasen

5-FU+ Platin,

+5-FU

Tumor, flacher Typ

5-FU/

in

5-FU + Irino-

+

< 1 cm,

Folinsäure/

Lymphknoten

tecan oder

Immuntherapie

Differenzie-

Oxaliplatin/

bei 25–28 %

Docetaxel)

5-FU + Platin+

Anti HER-2-

rungsgrad G1/G2,

Antikörper

Docetaxel

Keine makrosko-

(Trastuzumab)

pische Ulzeration, Invasion begrenzt auf die Mukosa,



R0-Resektion limitierte chirurgische



Resektion





und

falls

subtotale oder (Stadium II)



radikale Gastrektomie

Wiederholung der Chemotherapie

endoskopische





Resektion

und

und



Rezidiv/Progression > 3–6 Monate

LymphadenLymphaden-



ektomie

falls

Nachsorge

ektomie

(D2-Resektion)

Rezidiv/Progression ≤ 3 Monate

4 ×/Jahr im 1. Jahr

(D1, besser

2 ×/Jahr im 2. Jahr

D2

1 ×/Jahr ≥ 3.Jahr

Resektion)

▾ ▾

Paclitaxel +

und

Anti-VEGFR2-Antikörper (Ramucirumab)





postoperative

falls Rezidiv

und

Chemotherapie

rT1a, cN0, cMO







oder

oder

endoskopische

Nachsorge

falls präope-

Resektion

4 ×/Jahr im

rative Chemo-

1. Jahr

Monotherapie

therapie nicht

2 ×/Jahr im

(Docetaxel, Irinotecan, Paclitaxel

erfolgte

2. Jahr

oder



oder

1 ×/Jahr

Ramucirumab

und

bei R1-Resek-

≥ 3.Jahr

oder

tion

Anti-PD-1-Antikörper



(Pembrolizumab; Nivolumab)

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

315

adjuvante Nachsorge 4 ×/Jahr im 1. Jahr

Radiochemotherapie

2 ×/Jahr im 2. Jahr



1 ×/Jahr ≥ 3.Jahr

oder bestmögliche symptomatische Therapie

D1 = Resektion der perigastrischen Lymphknoten; D2 = Resektion der perigastrischen Lymphknoten und der Lymphknoten entlang der Arteria gastrica sinistra, Arteria hepatica communis, Arteria splenica und der zöliakalen Achse

Chirurgische Verfahren • Ziel ist die kurative chirurgische Resektion des Magenkarzinoms möglichst ohne Tumorreste zu hinterlassen (R0-Resektion), – stellt die einzige Möglichkeit der kurativen Therapie operabler Magenkarzinome dar; – der tumorfreie Resektionsrand sollte nach allen Seiten betragen ▪ bei intestinalen Adenokarzinomen mindestens 5 cm, ▪ bei diffusen Adenokarzinomen mindestens 8 cm. • MEx/Mukosa-Ektomie – endoskopische Resektion des Tumors (Mukosa und Submukosa), ▪ möglichst als En-bloc-Resektion um die lateralen und basalen Ränder vollständig histologisch beurteilen zu können, – sinnvoll bei lokal beschränkten Carcinoma in situ (Tis), – sinnvoll bei intestinalen, nicht ulzerierten Karzinomen, falls ▪ diese auf die Mukosa beschränkt sind (T1a, N0, M0), eine Größe von < 2 cm bei erhabenen Tumortypen oder von < 1 cm bei flachen Tumortypen besitzen, ▪ gut oder mäßig (G1/G2) differenziert sind und ▪ nach der Resektion sicher kein invasives Karzinom verbleibt (R0-Status) – zu prüfen bei intestinalen Karzinomen, falls ▪ diese auf die Mukosa beschränkt sind oder in die Submukosa bereits infiltriert sind, ▪ deren Größe jedoch 3 cm nicht übersteigt, – sinnvoll bei Tumorrezidiven im Stadium rT1a, N0, M0 und – durch eine engmaschige Nachsorge-Endoskopie zu überwachen; • VWEx/Voll-Wand-Exzision – Exzision des Tumors durch Ausschneiden der kompletten Magenwand einschließlich des perigastralen lokalen Lymphgewebes und Fettgewebes ▪ entfernter Teil der Magenwand ist dreieckig (Wedge-Excision, Wx), ▪ entfernter Teil der Magenwand ist streifenförmig (Sleeve-Excision, Sx), ▪ (Teil-) Resektion (Rx), • subtotale Gastrektomie (Teilentfernung des Magens) – bei diffusen Adenokarzinomen, die beschränkt sind auf das untere Magendrittel, – bei intestinalen Adenokarzinomen, die beschränkt sind auf das untere und/oder mittlere Magendrittel,

316

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren







falls eine Tumorfreiheit zwischen dem Oberrand des Tumors und dem ösophagogastralen Übergang von ≥ 5 cm oder beim diffusen Typ von ≥ 8 cm erreicht werden kann. – In allen anderen Fällen ist eine totale Gastrektomie notwendig. – Anastomose des Restmagens mit Ösophagus und Duodenum oder Jejunum, Gex/radikale (totale) Gastrektomie – vollständige Entfernung des Magens ▪ alleine oder ▪ ösophagastral (unterer Teil des Ösophagus mit Magen) oder ▪ gastroduodenal (Magen mit Duodenum), ▪ mit Anastomose des Ösophagus mit Duodeneum oder Jejunum. – bei diffusen Adenokarzinomen des oberen und mittleren Magendrittels, – bei intestinalen Adenokarzinomen des oberen Magendrittels, – bei Adenokarzinomen im oberen Magendrittel mit Adenokarzinomen des ösophagogastralen Überganges, Nachoperationen – bei Lokalrezidiven.

Die Resektion der regionalen Lymphknoten erfolgt gleichzeitig mit der partiellen oder vollständigen Resektion des Magens, in folgenden Stufen: • D1: Exzision der perigastrischen Lymphknoten besonders an der großen und kleinen Kurvatur – erfolgt im Zuge der Magenresektion, • D2: zusätzlich zu D1 die Exzision der Lymphknoten am Truncus coeliacus, der Milzarterie und dem Milzhilus – stellt das Standardverfahren dar, – umfasst mindestens 25 Lymphknoten; – bei verdächtigen Lymphknoten im Milzhilus sollte zusätzlich eine Splenektomie erfolgen, D3: zusätzlich zu D2: Exzision weiterer Lymphknoten • – Exzision der mediastinalen Lymphknoten bei Adenokarzinomen am ösophagalgastralen Übergang und an der Kardia (Typ 1 Tumoren, siehe Tab. 8.127), • D4: zusätzlich zu D2: Exzision der para-aortalen Lymphknoten. Palliative chirurgische Verfahren umfassen: • die Resektion von Rezidiven und/oder Fernmetastasen, • bei tumorbedingtem Verschluss der Magenpassage – die Stent-Implantation, – die Gastroenterostomie, – eine jejunale Ernährungsfistel – oder (in begründeten Ausnahmefällen) eine palliative Teilresektion des Magens; • bei Tumor- oder resektionsbedingten Blutungen – die endoskopische Blutstillung, – die angiografische Embolisation, – die operative Blutstillung durch eine weitere Teil- oder eine Totalresektion,

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)



317

beim tumorbedingten Aszites – die Parazentese des Abdomens.

Radiotherapie Eine perkutane Radiotherapie kann erfolgen mit einer kumulativen Dosis von 45 Gray (1,8 Gray/Tag) im Zielgebiet: • adjuvant (postoperativ) als Radiochemotherapie in Kombination mit einer simultanen Chemotherapie – bei unvollständiger Resektion (R1, R2) des Magenkarzinoms, – bei unvollständiger Exzision (< D2) der regionalen Lymphknoten, – bei Tumorstadien IB-III – perkutan mit 45 Gy in 25 Fraktionen von 1,8 Gy/Tag, 5 Fraktionen/Woche mittels IMRT/Intensitäts-Modulierter Radio-Therapie, ▪ mit dem Zielgebiet Magenrest (falls vorhanden), Anastomosen und drainierende Lymphabflusswege – kombiniert bevorzugt mit 5-Fluorouracil oder Capecitabin • ggf. als neoadjuvante (präoperativ) Radiochemotherapie – bei AEG/Adenokarzinomen des ösophagastralen Übergangs, – bei lokalen Adenokarzinomen des Magens, • palliativ, im Besonderen – zur Schmerzlinderung bei Knochenmetastasen – zur Behebung (durch endoluminale oder perkutane Bestrahlung) ▪ eines tumorbedingten Verschlusses der Magenpassage, ▪ einer andersartig nicht stillbaren Sickerblutung. Chemotherapie Die Chemotherapie erfolgt mit unterschiedlichen Kombinationsschemata (siehe Tab. 8.126). Wegen der Wirksamkeit (Verlängerung des progressionsfreien Überlebens bzw. der Gesamtüberlebenszeit) werden bevorzugt mit • ECF-Schema: Epirubicin + Cisplatin + 5-Fluorouracil, • CF-Schema: Cisplatin + 5-Fluorouracil +/− Leucovorin/Folinsäure und • FLOT-Schema: 5-Fluorouracil + Leucovorin + Oxaliplatin + Docetaxel.

Tab. 8.126: Beispiele von Chemotherapie-Schemata für das Magenkarzinom. TopoisomeraseInhibitor

FluoropyrimidinDerivat

Wiederholung

Schema

PlatinDerivat Cisplatin (100 mg/m2, Tag 1)

5-Fluorouracil (800 mg/m2/ Tag; Tag 1–5)

Tag 29

CF

Cisplatin (80 mg/m2, Tag 1)

Capecitabin (2.000 mg/m2, Tag 1–14)

Tag 22

XP

Folinsäure

Interkalator

Taxan

318

Schema

PLF

FLO

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

PlatinDerivat

TopoisomeraseInhibitor

FluoropyrimidinDerivat

Folinsäure

Interkalator

Taxan

Wiederholung

Cisplatin (50 mg/m2, Tag 1, 15, 29)

5-Fluorouracil (2.000 mg/m2 einmal/Woche 1–6)

Folinsäure (500 mg/m2/ einmal/ Woche, Woche 1–6)

Tag 50

Oxaliplatin (85 mg/m2, Tag 1)

5-Fluorouracil (2.600 mg/m2; Tag 1)

Folinsäure (200 mg/m2; Tag 1)

Tag 15

5-Fluorouracil (2.000 mg/m2; einmal/Woche, 6 Wochen)

Folinsäure (500 mg/m2; einmal/ Woche, 6 Wochen)

Tag 50

Irinotecan (80 mg/m2; einmal/ Woche, 6 Wochen)

FOLFIRI

Cisplatin (60 mg/m2, Tag 1)

5-Fluorouracil (200 mg/m2/ Tag; Tag 1–21)

Epirubicin (50 mg/m2; Tag 1)

Tag 22

ECF

Oxaliplatin (130 mg/m2; Tag 1)

Capecitabin (1.250 mg/m2; Tag 1–21)

Epirubicin (50 mg/m2, Tag 1)

Tag 22

EOX

Mitomycin (10 mg/m2; Woche 1,4),

Tag 50

5-Fluorouracil (2.600 mg/m2; einmal/Woche, 6 Wochen)

FUFAMI

DCF

Cisplatin (75 mg/m2; Tag 1)

5-Fluorouracil (750 mg/m2; Tag 1–5)

FLOT

Oxaliplatin (75 mg/m2, Tag 1)

5-Fluorouracil (2.600 mg/m2; Tag 1)

Folinsäure (500 mg/m2; einmal/ Woche, 6 Wochen)

Docetaxel (75 mg/m2, Tag 1) Folinsäure (200 mg/m2; Tag 1)

Tag 22

Docetaxel Tag 15 (75 mg/m2; Tag 1)

Die Chemotherapie erfolgt: • präoperativ/neoadjuvant – bei AEG/Adenokarzinomen des ösophagastrischen Übergangs, – bei lokalen Adenokarzinomen des Magens, • primär – bei fortgeschritten Stadien (T3/T4; N1–N3), • palliativ – bei Stadien mit Fernmetastasen (jedes T, jedes N, M1), • in Kombination mit einer Radiotherapie (siehe dort), • vorzugsweise wird ein Platin- und Fluoropyrimidin-haltiges Schema verwendet, wobei ersetzt werden kann – Cisplatin durch Oxaliplatin (z. B. FLO-, EOX-, FLOT-Schema) oder durch Irinotecan (z. B. FOLFIRI-Schema), – 5-Flurorouracil durch das oral verabreichbare Capecitabine (XP-, EOX-Schema)

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

319

möglicherweise bietet der Antimetabolit Trifluridin (Inhibitor der Thymidylat-Synthase) kombiniert mit dem Thymidin-Phosphorylase-Inhibitor Tipiracil (hemmt die Metabolisierung von Trifluridin) eine weitere Möglichkeit der Therapie des Magenkarzinoms



Immun/Antikörpertherapie Mehre monoklonale Antikörper haben sich beim Magenkarzinom im Stadium IV als wirksam erwiesen • Trastuzumab – inhibiert die Tyrosinkinase des Onkogen Her-2/neu (siehe Kap. 7.7.1) ▪ HER-2/neu wird von etwa 10–15 % aller Magenkarzinome exprimiert, – verlängert in Kombination mit einer Chemotherapie in der Erstlinientherapie von Magenkarzinomen, welche das Onkogen Her-2/neu (siehe Kap. 4.3.1) überexprimieren, das Überleben, – verabreicht werden ▪ Trastuzumab (initial 8 mg/kg KGW, Tag 1, nachfolgend 6 mg/kg KGW) und ▪ simultan das CF oder XP-Schema (siehe Tab. 8.123); • Ramucirumab – bindet an die extrazelluläre Domäne des VEGF R2, – inhibiert die Bindung der aktivierenden Liganden VEGF-A, VEGF-C und VEGF-D an VEGF R2, – blockiert hierdurch das Wachstum neuer Blutgefäße auch im Tumor, – verlängert das Gesamtüberleben in der Zweitlinientherapie, • Pembrolizumab und Nivolumab – blockieren den inhibitorischen Rezeptor PD-1 auf zytotoxischen T-Lymphozyten, – bewirken in der Drittlinientherapie eine Verlängerung der progressionsfreien Überlebenszeit und der Gesamtüberlebenszeit,

Tab. 8.127: Therapieverfahren für das Magenkarzinom in Bezug zum TNM-Status.

AJCCStadien

0

TNM-Klassifikation

Tis

I

T1a

IA

Chirurgie

N0

M0

N0

M0

T1 T1b

N0

M0

Mukosektomie, Vollwandresektion, Teilresektion oder Gastrektomie Teilresektion (proximal oder distal) oder Gastrektomie und Lymphadenektomie

Radiotherapie

Chemotherapie/ Antikörpertherapie

Prognose 5-JahresÜberleben > 90 %

40–70 %

320

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

IB

T1

N1

M0

T2

N0

M0

T1

N2

M0

T2

N1

M0

N0, N1

M0

T3 II

Chirurgie

IIA

Radiotherapie

adjuvant adjuvante (postoperativ) (postoperative) in Kombination Radio-Chemomit der Radiotherapie therapie

präoperative / perioperative Chemotherapie,

M0 T1

Chemotherapie/ Antikörpertherapie

N3

Prognose 5-JahresÜberleben

20–40 %

20–40 %

M0

T4

IIIA

T2

N2

M0

T4a

N0, N1

M0

T4a

N1

M0

T2

N3

M0

T3

N2

M0

T3

N3

M0

T4a

N2

M0

T4b

N0, N1

M0

T4a

N3

M0

T4b

N2, N2

M0

III IIIB T4

IIIC

IV

postoperative Antikörperadjuvante Chemotherapie (postoperative) (bei Her-2/neu Radio-Chemopositive therapie Tumoren)

Gastrektomie und Lymphadenektomie

primäre Chemotherapie (bei inoperablen Tumoren)

6–35 %

palliative Chemotherapie, palliative Antikörpertherapie

2 cm; die Bauchwand, oder (bei Duodenumtumore) den Gallengang oder den Pankreas

T1 I

IIA

II IIB

III

IV

Benachbartes Gewebe

T4

IIIA

jedes T

N1

M0

Metastasen in 1–3 regionalen Lymphknoten

IIIB

Jedes T

N2

M0

Metastasen in ≥ 4 regionalen Lymphknoten

Jedes T

N0–2

M1

Fernmetastasen

Prognose 5 Jahres Überleben

≤ 20 % (Adenokarzinome) ≤ 50 % (Leiomyosarkome)

50 % Serotoninproduzierend

vorwiegend im Ileum, hiervon häufig: Leiomyosarkome

Histologische Gruppen

Adenokarzinome

Neuroendokrine Tumore (NET) Karzinoide

Anteil im Dünndarm

≤ 40 %

Duodenum

55 %

Jejunum (Meckel-Divertikel)

15 %

hiervon anteilig im

Ileum

15 %

vorwiegend im Ileum

Prognose Auf Grund fehlender eindeutiger Frühsymptome werden Dünndarmkarzinome meist in späten Entwicklungsstadien diagnostiziert. Hierdurch bedingt ist die Prognose relativ ungünstig (siehe Tab. 8.129).

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

325

Symptome Es gibt keine charakteristischen Frühsymptome. Der Tumor wird meist erst an den Folgen seiner Größe und Ausbreitung erkannt. Hinweise geben • wiederholte und anhaltende Schmerzen und Krämpfe im mittleren Bauchraum, • Blut im Stuhl, • Gewichtsabnahme ohne ersichtlichen Grund, • tastbare Geschwulst im Bauchraum, • Symptome eines Darmverschlusses.

Diagnostik Die Diagnose erfolgt • endoskopisch (Darmspiegelung), • sonografisch, – perkutan, – endoskopisch (EUS/endoskopische Ultra-Schalluntersuchung) ▪ mit Entnahme von Gewebeproben verdächtiger Bereiche, • durch Röntgenuntersuchung des Gastrointestinaltraktes mit Kontrastmittel, • angiografisch, • durch CT mit Flüssigkeitsfüllung des Darmes, • durch MRT, • durch explorative Laparoskopie oder Laparotomie ggf. mit – Tumorresektion. – Exzision der regionalen (mesenterialen) Lymphknoten.

Therapiestrategien Chirurgische Verfahren • Falls möglich, sollte das Ziel die vollständige Resektion (R0) des Tumors sein, inklusive – Resektion der regionalen Lymphknoten, – Resektion von tumorbefallenen oder tumorverdächtigen Nachbarorganen; • falls eine R0-Resektion nicht mehr möglich ist, Erhalt der Darmpassage durch – palliative Resektion, – Konstruktion eines Bypass. Strahlentherapie • palliativ und perkutan, – bei Knochenmetastasen zur Minderung der Schmerzen, – bei Inoperabilität zur Behebung eines tumorbedingten Verschlusses der Darmpassage Chemotherapie Auf Grund der geringen Häufigkeit von Dünndarmkarzinomen liegt nur eine relativ geringe Erfahrung vor.

326

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Für eine adjuvante oder palliative Chemotherapie wurden bislang beispielsweise folgende Zytostatika-Kombinationen verwendet (siehe auch Tab. 8.130): – Irinotecan und 5-Fluorouracil, – Oxaliplatin und 5-Fluorouracil oder Capecitabin, – Gemcitabin (2′,2′-Difluordesoxycytidin) und 5-Fluorouracil, – 5-Fluorouracil und Mitomycin C.



Tab. 8.130: Therapieverfahren bei Dünndarmtumoren in Bezug zum TNM-Status.

AJCCStadien 0

TNM-Klassifikation

Tis T1

I T2

Chirurgie

N0

M0

T1a

N0

M0

T1b

N0

M0

N0

M0

IIA

T3

N0

M0

IIB

T4

N0

M0

Radiotherapie

Chemotherapie

vollständige Resektion des Tumors inklusive Exzision der regionalen Lymphknoten

??

II III

IV

IIIA

jedes T

N1

M0

IIIB

jedes T

N2

M0

jedes T

N0–2

M1

Versuch der vollständigen Resektion des Tumors und tumorverdächtiger Gewebe inklusive der regionalen Lymphknoten palliativ

Prognose 5-JahresÜberleben

palliativ

adjuvant

palliativ

≤ 20 % (Adenokarzinome) ≤ 50 % (Leiomyosarkome)

1 cm) die Art der Ernährung – durch den täglichen Verzehr von größeren Mengen von rotem Fleisch oder geringeren Mengen an Obst und Rohfasern, ▪







• •

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)



331

– durch einen regelmäßig größeren Alkoholkonsum, – durch Übergewicht, durch einen ständigen hohen Tabakkonsum. Ernährungsfaktoren, Übergewicht, Tabakkonsum und erworbene Mutationen erhöhen jeweils für sich das Risiko relativ geringfügig (Faktor < 2), können in Kombination jedoch eine superadditive oder synergistische Wirkung aufweisen.

Tab. 8.132: Risikofaktoren für das kolorektale Karzinom Risiko Risikofaktoren gering

mittel

hoch

sehr hoch

familiäre Faktoren Verwandter 1. Grades mit CRC

Faktor 2,3

Zwilling mit CRC

Faktor 2,6

mehr als 1 Verwandter mit CRC

Faktor 4,3

CRC bei 1 Verwandtem < 45 Jahre

Faktor 3,9

1 Verwandter mit Kolon-Adenom

Faktor 2

1 Verwandter < 50 Jahre mit KolonAdenom

Faktor 4,4

Keimbahnmutationen von Tumorsuppressoren familiäre adenomatöse Polyposis (FAP, Mutation des APC)

≤ 100 %-iges Risiko

hereditäres nicht-polypöses kolorektales Karzinom (HNPCC)

≤ 70 % (Frauen) ≤ 91 % (Männer)

Peutz-Jeghers-Syndrom (Mutation von STK11)

~ 40 %-iges Risiko

Ernährung rotes Fleisch (Rind, Kalb, Schwein, Schaf) frisch, gehackt oder gefroren < 100 g/Tag gesalzen/ gepökelt, getrocknet, geräuchert, mariniert, gebraten

< 100 g/Tag

Faktor 1,1 (?)

≥ 100 g/Tag 25–30 g/Tag

Faktor 1,6 (?) Faktor 1,1–1,5

> 30 g/Tag

> Faktor 1,5

Mangel an Rohfasern (< 10 g/Tag)

Faktor 1,2

Übergewicht/Fettsucht (BMI > 25)

Faktor 1,3–1,5

332

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Risiko Risikofaktoren gering 12–50 g/Tag

Faktor 1,2

> 50 g/Tag

Faktor 1,5

mittel

hoch

sehr hoch

Alkohol Tabak (60 Zigaretten-Packungen/Jahr)

Faktor 1,5

Erkrankungen Diabetes II Kolonadenome (> 1 cm, multiple)

Faktor 1,3 Faktor 4–6

Für eine Risikominderung einer kolorektalen Karzinomerkrankung liegen mehr oder weniger gut belegte Hinweise vor. Eine eindeutige Risikominderung ist gegeben durch die regelmäßige Teilnahme an endoskopischen Früherkennungsmaßnahmen mit dem Ziel • kolorektale Adenome zu erkennen und endoskopisch zu entfernen. Des Weiteren wird eine Risikominderung in einem Bereich von ca. 20 % bis zu etwa 40 % beispielsweise zugeschrieben: • dem täglichen Konsum von – Fisch, gleichgültig ob frisch oder zubereitet (gesalzen, geräuchert, als Konserve, gebraten), – Rohfasern (Getreidekörner, Obst, Gemüse) in größeren Mengen (≥ 30 g/Tag), wobei die Risikominderung ▪ mehr das Kolonkarzinom, weniger das Rektumkarzinom betrifft, ▪ nicht eindeutig bestätigt werden konnte, jedoch der Verzehr von zu wenig Rohfasern (< 10 g/Tag) zu einer Erhöhung des Risikos führen kann, – frischem Obst und Gemüse ▪ durch darin enthaltenes wasserlösliches Vitamin B9 (Folsäure), wobei dagegen die Einnahme größerer Mengen an synthetischer Folsäure das Risiko eher erhöht, – Vitaminen wie ▪ Vitamin B6 und Vitamin B12, ▪ Vitamin D, wobei der täglichen Sonnenbestrahlung (Bildung von 15-HydroxyVitamin-D) ein wesentlicher Einfluss zugesprochen wird, – Milch und Milchprodukten, besonders bei Frauen, – Kalzium reichen Nahrungsmitteln, • verbesserten Lebensgewohnheiten wie – eine regelmäßige körperliche Tätigkeit, – Gewichtsverminderung bei Übergewicht, – Verzicht auf Tabak, Verzicht auf übermäßigen Alkoholgenuss, – Vermeidung eines unausgewogenen Konsums von rotem Fleisch und gepökelten Fleischwaren,

333

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)



der regelmäßigen Einnahme von – Acetylsalizylsäure (ASS ≥ 75 mg/Tag) oder von einem anderen NSAID/Nicht-Steroidalen Anti-inflammatorischen Arzneimittel (Drug) ▪ wahrscheinlich durch Hemmung von COX-2/Cyclooxygenase-2 und der hiermit verbundenen Hemmung des Polypen-/Tumor-Wachstums, ▪ wobei bei ASS jedoch die Blutungsneigung durch Hemmung der Thrombozyten und die kardiovaskulären Wirkungen zu bedenken sind, ▪ andererseits bei regelmäßigem Konsum von ASS in einer Dosis von ≥ 75 mg / Tag das Risiko kolorektaler Karzinome etwa um etwa 50 % gesenkt wird, bei HNPCC Genträgern (Dosis 300–600 mg ASS/Tag) um 37 %, – oralen Kontrazeptiva, – Östrogenen als Hormonersatztherapie, ▪ wobei jedoch die Studienergebnisse uneinheitlich sind.

Entwicklungsstadien und Klassifikationen Die Klassifikation der kolorektalen Tumore beruht auf der ursprünglichen Klassifikation von Duke und der modifizierten Astler-Coller-Klassifikation (MAC, siehe Tab. 8.133) und hat zur Grundlage die Maßgaben (siehe Tab. 8.134) • der AJCC/American Joint Committee on Cancer, • des TNM-Systems der UICC.

Tab. 8.133: Klassifikationen von kolorektalen Karzinomen nach Duke und Astler-Coller.

Duke-Klassifikation

Dukes-A

Invasion des Tumors in, aber nicht durch die Darmwand

Dukes-B

Metastasen in Lymphknoten

nein

Modifizierte Astler-CollerKlassifikation (MAC) Stadium A

Tumor begrenzt auf die Schleimhaut/ Mukosa

nein

Stadium B1

Tumor hat die Muscularis Propria infiltriert, aber sie nicht durchdrungen

nein

Stadium B2

Tumor hat die Muscularis Propria durchdrungen

nein

Stadium C1

Tumor hat die Muscularis Propria infiltriert, aber sie nicht durchdrungen

ja

Stadium C2

Tumor hat die Muscularis Propria durchdrungen

ja

nein

Invasion des Tumors durch die Darmwand

Dukes-C

Dukes-D

ja

Metastasen in anderen Organen

Metastasen in Lymphknoten

Stadium D

Fernmetastasen

334

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.134: Klassifikation von kolorektalen Karzinomen.

AJCCStadien

0

TNM-Klassifikation

Dukes

MAC

Kolon/Rektum

Tx

Nx

Mx

Tumoren, Lymphknoten und Fernmetastasen können nicht beurteilt werden

T0

N0

M0

keine Hinweise auf einen Tumor

Tis

N0

M0





Carcinoma in situ: Tumor ist beschränkt auf das Epithel, Basalmembran +/– Lamina Propria

T1

N0

M0

A

A

Tumor hat die Submukosa infiltriert

Angrenzendes Gewebe

I

~ 100 %

~ 95 %

IIA

II

Prognose 5-JahresÜberleben

T2

N0

M0

A

B1

Tumor hat die Muskularis propria infiltriert

T3

N0

M0

B

B2

Tumor hat das perikolorektale Gewebe jenseits der Muskularis propria infiltriert

T4a

N0

M0

B

B2

Tumor hat das viszerale Peritoneum infiltriert

T4b

N0

M0

B

B3

Tumor hat angrenzende Gewebe oder Organe infiltriert oder ist mit diesen verbunden

M0

C

C1

Metastasen in 1 regionalem Lymphknoten

IIB T4 IIC

IIIA

N1a N1b

Metastasen in 2–3 regionalen Lymph-knoten

N1c

Tumor in Subserosa, Mesenterium, oder im nicht peritonealisierten pericolischen oder perirektalen Gewebe

T1–T2

III

IIIB

T1

N2a

M0

C

C1

T1–T4a

N2a

M0

C

C1

T3–T4a

N1/N1c

M0

C

C2

T2–T3

N2a

M0

C

C1/2

T1–T2

N2b

M0

C

C1

~ 85 %

~ 70 %

~ 85 %

Metastasen in 4–6 regionalen Lymphknoten

~ 65 %

Metastasen in ≥ 7 regionalen Lymphknoten

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

AJCCStadien

IIIC

IVA

TNM-Klassifikation

Dukes

MAC

T4a

N2a

M0

C

C2

T3–T4a

N2b

M0

C

C2

T4b

N1–N2

M0

C

C3

jedes T

jedes N

M1a





IV

Kolon/Rektum

Angrenzendes Gewebe

335

Prognose 5-JahresÜberleben

~ 45 %

Fernmetastasen beschränkt auf 1 Organ oder 1 Fremdgewebe z. B. Leber, Lunge, Ovar, nichtregionale Lymphknoten (kein Peritonealbefall)

IVB

jedes T

jedes N

M1b





Fernmetastasen in ≥ 2 Organen oder Fremdgeweben (kein Peritonealbefall)

IVC

jedes T

jedes N

M1c





Peritonealbefall +/− Fernmetastasen oder Fremdgeweben

5–10 %

Die Neuerkrankungen werden: • zum geringsten Teil im Stadium I (~ 15 %), • zum größten Teil in den Stadien II (~ 36 %), III (~ 38 %) und IV (~ 22 %) vorgefunden – im Stadium IIIA jedoch nur ~ 2 %. Histologische Klassifikation Kolorektale intraepitheliale Neoplasien (Dysplasien) – mit oder ohne chronisch entzündliche Erkrankungen – stellen eine Vorstufe von kolorektalen Tumoren dar. Sie werden unterschieden in: • „Low-grade“ glanduläre intraepitheliale Neoplasien, • „High-grade“ glanduläre intraepitheliale Neoplasien. Kolorektale Adenome sind vielgestaltig und haben im unterschiedlichen Maße das Potential zur malignen Entartung (siehe Tab. 8.135). Tab. 8.135: Histologische Klassifikation der kolorektalen Adenome. Maligne Entartung Histologischer Typ

Häufigkeit Anteil

Bemerkung Voraussetzung für Diagnose: inaktivierende Mutation von APC; > 30 hyperplastische Polypen (HP) im Kolon, > 5 HP > 1 cm im Kolon oder wenn HP bei Verwandten ersten Grades

hyperplastische Polypose

~1%

~ 50 %

FAP Familiäre Adenomatöse Polypose

1%

~ 100 %

Iuvenile Polypose

1 cm

serratierte Adenome (sägezahnartige apikale Zellstruktur) traditionell serratiertes Adenom

besitzen intraepitheliale Neoplasien; zeigen aktivierende Mutationen von B-Raf 1%

1 cm, meist im rechtsseitigen Hemi-Kolon

hyperplastische/ meta-plastische Polypen (gestielt, erhaben oder flach)

85 %

30 %; nach einer Wartezeit von 4–6 Wochen (Proliferation des gesunden Lebergewebes) Exzision des tumorbefallenen Leberlappens thermisch (ergänzend zur chirurgischen Resektion) bei Metastasen < 5 cm mit Hilfe der Laser-induzierten Thermotherapie/LITT, der Radiofrequenzablation/RFA oder durch Kryotherapie Resektion von Lungenmetastasen; – folgende Bedingungen sollten erfüllt sein: ▪ nicht-resektable, extrapulmonale Metastasen sind nicht nachweisbar, ▪ eine R0 Resektion ist möglich, ▪ postoperativ ist das pulmonale Restvolumen ausreichend und ▪ schwere Komorbidität liegen nicht vor. in anderen abdominalen Organen (z. B. Ovar) ▪





Radiotherapie Die Radiotherapie wird bei Kolonkarzinomen praktisch nur zur palliativen Behandlung eingesetzt • entweder perkutan, • oder intrakavitär. Chemotherapie Beim kolorektalem Karzinom hat sich die systemische Chemotherapie, d. h. die intravenöse Applikation der Zytostatika, als wirksam erwiesen in Bezug auf Verlängerung des Progressions-freien Überlebens und des Gesamtüberlebens, beispielsweise: • im Stadium II und III als adjuvante/postoperative Chemotherapie unter Verwendung von – Stadium II: Fluoropyrimidin-Derivat (5-Fluorouracil + Folsäure/Leukovorin oder Capecitabin) – Stadium III: Fluoropyrimidin-Derivat (5-Fluorouracil + Folsäure/Leukovorin oder Capecitabin) in Kombination mit einem Platin-Derivat (bevorzugt Oxaliplatin) oder einem Topoisomerase-Inhibitor (z. B. Irinotecan); Beispiele für die verwendeten Chemotherapie-Schemata siehe Tab. 8.139, – zur Verminderung des Rezidivrisikos nach vollständiger Resektion (R0) von fortgeschrittenen Kolonkarzinomen, • im Stadium IV als präoperative Chemotherapie (kurativer Erfolg ≤ 25 %) und bei irresektablen Fernmetastasen (siehe Tab. 8.140), • in Kombination mit einer Radiotherapie (Radiochemotherapie) besonders beim Rektum-Karzinom (siehe Tab. 8.139 und Tab. 8.140) – präoperativ zur Verkleinerung der Tumormasse und Verbesserung des chirurgischen Resektionserfolges,

346

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– •

postoperativ zur Verminderung der Rezidivrate und der Verlängerung des Überlebens; in Kombination mit einer Antikörpertherapie bei metastasierten kolorektalen Karzinomen.

Bei Lebermetastasen wird die (lokale) Applikation in die Arteria Hepatica als Ergänzung zur systemischen Therapie angewandt. Antikörpertherapie und Tyrosinkinase-Inhibitoren Monoklonale Antikörper und kleinmolekulare Phosphokinase-Inhibitoren können, ggf. in Kombination mit einer Chemotherapie, eine therapeutische Wirkung (Verlängerung des Progressions-freien Überlebens) in Erstlinie-, Zweitlinie-, oder Drittlinie-Therapie bei metastasierten kolorektalen Karzinomen aufweisen In den Chemotherapie-Kombinationen werden Oxaliplatin und Irinotecan bevorzugt • nach Therapie mit einer Erstlinientherapie, welche Irinotecan enthält, sollte in der Zweitlinientherapie Oxaliplatin in Kombination mit einem Fluoropyrimidin (5-Fluorouracil + Folinsäure oder Capecitabin) verabreicht werden, • nach Vortherapie mit Oxaliplatin sollte Irinotecan mit einem Fluoropyrimidin (5-Fluorouracil + Folinsäure oder Capecitabin) eingesetzt werden. Zu den ggf. zusätzlich zu verabreichenden monoklonalen Antikörpern/Antikörperpräparaten gehören • Bevacizumab – ist gerichtet gegen den VEGF, inhibiert die Angiogenese und damit auch die Tumorangiogenese, – wirkt in Kombination mit einer adjuvanten Chemotherapie (IFL-Schema, FOLFOXSchema), Ramucirumab • – ist gerichtet gegen den VEGFR2 und hemmt die Bindung von VEGF-A, VEGF-C und VEGF-D, – inhibiert die Tumorangiogenese, – wirkt in Kombination mit FOLFIRI (Folinsäure + 5-Fluorouracil + Irinotecan) auf Kolonkarzinome • Cetuximab – ist gerichtet gegen den EGFR, – hat in Kombination mit einer Irinotecan-haltigen adjuvanten Chemotherapie ▪ einen therapeutischen Effekt auf kolorektale Tumore, falls diese den Wildtyp K-Ras überexprimiert haben, ▪ hat keine Wirksamkeit oder verschlechtert die therapeutische Wirkung der Chemotherapie, falls die Tumoren aktivierende Mutationen des Genes für K-Ras aufweisen • Panitumumab – ist gerichtet gegen den EGFR,

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

347



hat als Monotherapie einen therapeutischen Effekt auf chemotherapieresistente kolorektale Tumoren im Stadium IV, falls diese den Wildtyp K-Ras überexprimiert haben, ▪ hat keine Wirksamkeit, falls die Tumoren aktivierende Mutationen des Genes für K-Ras aufweisen; Trastuzumab – hemmt Erb2/HER2 und HER-2 exprimierende Kolonkarzinome, – wirkt alleine und in Kombination mit einer Chemotherapie (z. B. FOLFOX) Pembrolizumab und Nivolumab – inhibieren den blockierenden Rezeptor PD-1auf zytotoxischen T-Lymphozyten – wirken anti-tumoral auf Kolonkarzinome mit MSI/Mikro-Satelliten-Instabilität Ipilimumab – inhibiert den blockierenden Rezeptor CTLA4 auf zytotoxischen T-Lymphozyten – wirkt, besonders in Kombination mit Nivolumab anti-tumoral auf Kolonkarzinome mit MSI/Mikro-Satelliten-Instabilität) Aflibercept – ist ein humanes, rekombinant hergestelltes Fusionsprotein der Binde-Domänen des VEGFR1 und VEGFR2 mit der Fc-Domäne des humanen IgG1 – bindet und inhibiert VEGF und damit die Tumorangiogenese – wirkt in Kombination mit FOLFIRI (Folinsäure + 5-Fluorouracil + Irinotecan) auf Kolonkarzinome. ▪









Zu den ggf. zusätzlich zu verabreichenden kleinmolekularen Inhibitoren der Phosphokinase gehören • Lapatinib – ist ein Inhibitor der Tyrosin-Phosphokinasen Erb1/EGFR1 und Erb2/HER2 – wirkt auf EGFR1 und/oder HER2 exprimierende Kolonkarzinome alleine und in Kombination mit einer Chemotherapie (z. B. FOLFOX). • Vemurafenib – ist ein Inhibitor der Serin/Threonin-Phosphokinase B-Raf – wirkt in Kombination mit Cetuximab und Irinotecan auf Kolonkarzinome mit aktivierenden B-Raf-Mutationen • Regorafenib – ist ein Inhibitor verschiedener Phosphokinasen (VEGFR, TIE2, KIT, RET, RAF-1, BRAF, BRAFV600E, PDGFR, FGFR) – hemmt die Tumorangiogenese und wirkt anti-tumoral auf das Kolonkarzinom Die Nachsorge soll engmaschig erfolgen, z. B. • halbjährlich: – physische Untersuchung, Bestimmung des CEA-Wertes; – Sonografie des Abdomens • jährlich: – CT des Abdomens und des Thorax • nach 1 Jahr, dann alle 3 Jahre – Koloskopie

348

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.139: Chemotherapieschemata zur Behandlung des Kolon- und Rektumkarzinoms.

Schema

Platin-Derivat oder Topoisomerase-Inhibitor

Fluoropyrimidin-Derivat

Folsäure

Wiederholung

adjuvante Chemotherapie

FOLFOX-4

Oxaliplatin (85 mg/m2, Tag 1)

5-Fluorouracil (400 mg/m2/Bolus; 600 mg/m2/22-h-Infusion; Tag 1 und 2)

Folinsäure (200 mg/m2/ Tag 1 und 2)

Tag 15

FOLFOX-6

Oxaliplatin (85–100 mg/m2, Tag 1)

5-Fluorouracil (400 mg/m2/Bolus; 2400 mg/m2/46-h-Infusion; Tag 1/2)

Folinsäure (400 mg/m2/ Tag 1)

Tag 15

FUFOX

Oxaliplatin (50 mg/m2, Tag 1)

5-Fluorouracil (2000 mg/m2/22-h-Infusion; Tag 1, 8, 22, 29)

Folinsäure (500 mg/m2/ Tag 1)

Tag 36

FUOX

Oxaliplatin (85 mg/m2, Tag 1, 15, 29)

5-Fluorouracil (2250 mg/m2/48-h-Infusion; Tag 1, 8, 15, 22, 29)

Tag 42

Capecitabin (2500 mg/m2/Tag; Tag 1–14)

Tag 21

CAP CAPOX

Oxaliplatin (70 mg/m2 )/Tag; Tag 1–8

Capecitabin (2000 mg/m2/Tag; Tag 1–14

Tag 21

XELOX

Oxaliplatin (130 mg/m2 )/Tag; Tag 1

Capecitabin (2000 mg/m2/Tag; Tag 1–14

Tag 21

IFL

Irinotecan (125 mg/m2, Tag 1)

5-Fluorouracil (500 mg/m2; Tag 1)

Folinsäure (20 mg/m2/Tag 1)

Tag 7/4mal

Irinotecan (100 mg/m2, Tag 1)

5-Fluorouracil (2000 mg/m2/24-h-Infusion; Tag 1)

Folinsäure (500 mg/m2/ Tag 1)

Tag 7/4mal

5-Fluorouracil (400 mg/m2/Bolus; 2400 mg/m2/46-h-Infusion; Tag 1/2)

Folinsäure (400 mg/m2/ Tag 1)

Tag 14

AIOSchema

FOLFIRI

Irinotecan (180 mg/m2, Tag 1)

präoperative/neoadjuvante Chemotherapie zur Kombination mit Radiotherapie (RCT) 5-Fu Mono

5-Fluorouracil (1000 mg/m2/24-h-Infusion; Tag 1–5)

Woche 5

CAP

Capecitabin (1000 mg/m2; Tag 1–14)

Tag 22

postoperative/adjuvante Chemotherapie zur Kombination mit Radiotherapie (RCT)

5-Fu Mono

5-Fluorouracil (500 mg/m2/Bolus; Tag 1–5)

Woche 5

5-Fluorouracil (450 mg/m2/Bolus; Tag 1–5)

Tag 29

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

Schema

Platin-Derivat oder Topoisomerase-Inhibitor

5-Fu Mono

Fluoropyrimidin-Derivat

Folsäure

349

Wiederholung

5-Fluorouracil (1000 mg/m2/24-h-Infusion; Tag 1–5)

Woche 5

5-Fluorouracil (500 mg/m2/Bolus; Tag 1–5)

Tag 29

Capecitabin (1250 mg/m2; Tag 1–14)

Tag 22

CAP

Tab. 8.140: Therapieverfahren für das Kolonkarzinom in Bezug zum TNM-Stadium.

AJCCStadien

0

TNM-Klassifikation

Chirurgie

Tis

N0

M0

T1

N0

M0

T2

N0

M0

T3

N0

M0

T4a

N0

M0

T4b

N0

M0

I IIA II

IIB T4 IIC

N1a T1–T2

Radiotherapie

Chemotherapie

endoskopische Polypektomie, lokale Exzision

partielle Kolonresektion mit Anastomose der Enden

Prognose 5-JahresÜberleben

~ 100 %

~ 95 %

ggf. adjuvant (bei Risiken)

~ 85 % ~ 70 %

M0

N1b

~ 85 %

IIIA N1c

III

T1

N2a

M0

T1–T4a

N2a

M0

T3–T4a

N1/N1c

M0

T2–T3

N2a

M0

T1–T2

N2b

M0

T4a

N2a

M0

T3–T4a

N2b

M0

T4b

N1–N2

M0

IIIB

IIIC

partielle Kolonresektion mit Anastomose der Enden

adjuvant (nach R0Resektion)

~ 65 %

~ 45 %

350

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

AJCCStadien IVA

TNM-Klassifikation jedes T

jedes N

Chirurgie

jedes T

jedes N

Chemotherapie

Prognose 5-JahresÜberleben

palliativ, perkutan

adjuvant nach Resektion der Metastasen; Antikörper in Kombination oder als Monotherapie; ansonsten palliativ

5–10 %

M1a

IV IVB

Radiotherapie

M1b

partielle Kolonresektion, mit Anastomose oder Bypass, Exzision der Metastasen

Therapiestrategien Rektumkarzinom Die Besonderheiten bei der Therapie des Rektumkarzinoms im Vergleich zum Kolonkarzinom betreffen sowohl die Chirurgie, als auch die Radiotherapie und die Chemotherapie. Die Strategie zur primären und kurativ ausgerichteten Therapie der Rektumkarzinoms ist je nach Stadium unterschiedlich (siehe Tab. 8.141). Hierbei kommt im Gegensatz um Kolonkarzinom der Radiotherapie und der Radiochemotherapie eine besondere Rolle zu. Tab. 8.141: Strategie der primären Therapie der Stadien 1–III des Rektumkarzinoms (in Anlehnung an Hofheinz et al. 2018, Schmiegel et al. 2019). klinisches Stadium I

klinisches Stadium II/III

klinisch. Stadium III

cT1/2, cN+, M0 oder cT3/4,cN+, M0

cT1/2, cN+, M0 oder cT3/4,cN+, M0

< 12 cm Abstand zur Anokutanlinie

> 12 cm Abstand zur Anokutanlinie

cT1, cN0, M0 Risiko +

cT1, cN0, M0, Risiko +++ oder cT2,cN0, M0









transanale oder direkte lokale Vollwand Exzision

Resektion (PME oder TME)

kurze präoperative Radiotherapie

präoperative Radiochemotherapie**

Resektion (PME oder TME)









Histologie

Resektion (PME oder TME)

Resektion (PME oder TME)











◂ oder



adjuvante Chemotherapie** 3 oder 6 Monate

351

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

Nachsorge Kontrolle

pT3/4, N0, M0 oder pN+

pT1/ 2,N0,M0







adjuvante Chemotherapie 4 Monate

Histologie

▾ pT3/4, N0, M0 oder pN+

postoperative NachRadiosorge chemoKontrolle therapie**

▾ adjuvante Chemotherapie 3 oder 6 Monate

Risiko + = Tumordurchmesser < 3 cm; G1/2, L0, V0, R0; Risiko +++ = G3/4 PME = Partielle Mesorektum-Exzision; TME = Totale Mesorektum-Exzision (inklusiv Adenektomie der regionalen Lymphknoten) *Abstand zur Anallinie ** Chemotherapie mit 5-Fluorouracil oder Capecitabin, ggf. in Kombination mit Oxaliplatin

Tab. 8.142: Strategie der primären Therapie des Stadiums IV des Rektumkarzinoms (in Anlehnung an Hofheinz et al. 2018, Schmiegel et al. 2019). klinisches Stadium IV

▾ Metastasen resektabel

chirurgische Resektion



postoperative ChemoImmunTherapie

ja

nein



▾ intensive Therapie möglich präoperative Chemotherapie Zweifach oder DreifachKombinat.* +/− AntiEGFR-AK +/−AntiVEGF-AK

▾ ja



nein

zwingende Gründe*



▾ ja

nein



▾ RAS-Mutation

▾ nein

ja

nein

ja









palliative ChemoImmuntherapie (5-FU oder Capecitabin

352

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



und



und

chirurgische Resektion



und Nachsorge regelmäßige Kontrolle

postoperative ChemoImmunTherapie



und

Nachsorge regelmäßige Kontrolle

präoperative Chemotherapie Zweifach oder DreifachKombination +/− AntiEGFR-AK



oder präoperative Chemotherapie Zweifach oder DreifachKombination +/− AntiVEGF-AK



+/− AntiVEGFAK)

präoperative Chemotherapie Zweifach oder DreifachKombination +/− AntiVEGF-AK



Metastasen sekundär resektabel ja

Chemotherapie Zweifach Kombination +/− AntiEGFR-AK



Zweifach oder DreifachKombination +/− AntiVEGF-AK



oder

oder

Chemo therapie Zweifach oder DreifachKombination +/− AntiVEGF-AK

Monotherapie



oder bestmögliche palliative symptomatische Therapie



oder

nein





chirurgische Resektion

Fortsetzung der ChemoImmuntherapie

Monotherapie

*) zwingende Gründe = Metastasen potentiell resektabel, große Tumorlast, schnelle Tumorprogression, schwerwiegende Tumorsymptome und/oder drohende Organkomplikationen Zweifach-Kombination: Fluoropyrimidin (5-Fluorouracil oder Capecitabin) + Oxaliplatin oder Irinotecan; Dreifach-Kombination: Fluoropyrimidin (5-Fluorouracil oder Capecitabin) + Oxaliplatin + Irinotecan Anti-EGFR-AK = z. B. Cetuximab; Anti-VEGF-Antikörper = z. B. Bevacizumab Risikoabschätzung bei der Exzision von Lebermetastasen Risikofaktoren (RF)

Anzahl RF

Rezidivrisiko

5-Jahres Überleben (%)

bei Erstdiagnose cN+/pN+

0

niedrig

60–75 %

Zeit zwischen Erst-Op / Diagnose der Metastase < 12 Monate

1–2

mittel

40–45 %

> 1 Lebermetastase bei bildgebender Diagnostik

3–5

hoch

15–30

Metastasendurchmesser > 5 cm in bildgebender Diagnostik CEA präoperativ > 200 ng/ml

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

353

Chirurgische Verfahren Die chirurgische Resektion des Tumors mit dem Ziel eines R0 Status ist die Grundlage der kurativen Therapie des Rektum-Karzinoms. Die Resektion erfolgt als lokale Exzision des Tumors oder als Mesorektumexzision. Die lokale Exzision transanal als Vollwandexzision oder als direkte Tumorexzision ist im Stadium I/pT1 bei Karzinomen mit niedrigem Risiko (Durchmesser < 3 cm, G1/2, • L0, V0, R0) für eine kurative Therapie ausreichend, • führt zu einer Reduktion der Rezidivrate, welche in diesem Stadium weder durch eine postoperative Strahlentherapie noch eine postoperative Chemotherapie verbessert werden kann • wird endoskopisch durchgeführt – im Zuge einer Polypektomie, – als mikrochirurgische Tumorabtragung. Die Mesorektum-Exzision mit Entfernung der regionalen Lymphknoten und Lymphabflussgebiete ist das Standardverfahren, • im Stadium I/pT1 mit hohem Rezidivrisiko (G3/4) und bei allen anderen Tumorstadien (Stadium I/pT2 und die Stadien II, III und IV) • bei welchem erfolgen sollte – ein ausreichender Sicherheitsabstand zwischen Tumor und gesundem Gewebe, – die Exzision der regionären (mesorektalen, präsakralen und iliakal internen) Lymphknoten und Lymphabflussgebietes mit Entnahme von ≥ 12 Lymphknoten, – der bestmögliche Erhalt der Faszie des Mesorektums, – die En-Bloc-Resektion von tumoradhärenten/tumorinfiltrierten Organen, – die Schonung der autonomen Beckennerven • welches technisch durchgeführt wird in Abhängigkeit von der Lokalisation des Karzinoms – im unterem Rektumdrittel (Abstand zur Anokutanlinie ≤ 6 cm): ▪ als totale Mesorektumexzision (TME) mit einem distalen Abstand von makroskopisch ≥ 2 cm vom Tumorrand zum gesunden Gewebe, ▪ ggf. mit protektiver Stoma/Kolostomie, falls Sphinkter entfernt werden muss; – im mittlerem Rektumdrittel (Abstand zur Anokutanlinie > 6–12 cm): ▪ als totale Mesorektumexzision (TME) mit einem distalen Abstand von makroskopisch ≥ 5 cm vom Tumorrand zum gesunden Gewebe, – oberes Rektumdrittel (Abstand zur Anokutanlinie > 12–16 cm): ▪ als partielle Mesorektumexzision (PME) mit einem distalen Abstand von makroskopisch ≥ 5 cm vom Tumorrand zum gesunden Gewebe • wobei die Operationsverfahren umfassen die – tiefe/anteriorale Resektion (LAR): bietet ein ausreichend großes distales Rektum für eine konventionelle kolorektale Anastomose, – abdominal-perineale Resektion (APR) für Tumore, die zu weit distal liegen, um eine LAR durchzuführen und mit koloanaler Anastomose, – abdominal-peranale (transsphinkter-/intersphinkter-Resektion) mit koloanaler Anastomose,

354

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Bei Resektion von Metastasen des Rektumkarzinoms in Leber und Lunge • gelten ähnliche Risikofaktoren und Bedingungen wie für die entsprechenden Metastasen des Kolonkarzinoms (siehe Kap. 8.7.3.3 und Tab. 8.142), • ist das wesentliche Entscheidungskriterium für die Machbarkeit die Möglichkeit, einen R0 Status zu erreichen, • beträgt die krankheitsfreie Überlebensrate ≤ 50 % nach 5 Jahren Radiotherapie Ziel der perkutanen Strahlentherapie ist es, bei Tumoren der Stadien I/T2, II und III das Tumorvolumen zu verringern, das lokale Rezidivrisiko zu senken und die krankheitsfreie Überlebensrate wie auch die Überlebensrate zu erhöhen. Zur Auswahl steht die präoperative (neoadjuvante) und die postoperative (adjuvante) Radiotherapie. Die präoperative Radiotherapie erfolgt • als kurzzeitige Radiotherapie, hypofraktioniert mit hohen Einzeldosen (5 × 5 Gy), • als längerzeitige Radiotherapie, konventionell fraktioniert mit Einzeldosen von 1,8– 2,0 Gy/Tag bis zu einer Gesamtdosis von 45–50,4 Gy oder als • als Radio-Chemotherapie, – mit einer Strahlendosis von 50,4 Gy (28 × 1,8 Gy/Tag, ab Tag 1 und – mit einer Chemotherapie von 5-Fluorouracil oder Capecitabin als Dauerinfusion, ggf. bei jüngeren Patienten in Kombination mit Oxaliplatin, – mit Hilfe derer die Tumorverkleinerung (Remissionsrate) und lokoregionäre Kontrolle wohl am besten zu erzielen ist, um eine radikale Resektion oder den Erhalt des Sphinkters zu ermöglichen, – welche als Standard gilt für die Tumorstadien cT3/cT4 • mit einem Zielvolumen, welches das gesamte Mesorektum mit den regionalen Lympknoten (perirektal, präsakrale und iliakale Lk) und Lymphabflussgebieten umfasst und • mit einem Zeitintervall zwischen Ende der Bestrahlung und Zeitpunkt der Operation von etwa 6–8 Wochen, um den therapeutischen Erfolg zu optimieren. Eine postoperative (adjuvante) Radiotherapie • beeinflusst alleine weder das krankheitsfreie Überleben noch die Gesamtüberlebenszeit, – kann aber die Lokalrezidivraten bei zuvor nicht bestrahlten Patienten verringern, • ist als Radiochemotherapie in etwa ebenbürtig der, aber toxischer als die präoperativen Radio-Chemotherapie, wobei – die Radiotherapie konventionell fraktioniert erfolgt mit Einzeldosen von 1,8– 2,0 Gy/Tag bis zu einer Gesamtdosis von 45–50,4 Gy und ggf. mit Nachbestrahlung (Boost) der Tumorregion ohne regionale Lymphknoten: 5,4 Gy (1,8 Gy/Tag), – die Chemotherapie aus 5-FU oder Capecitabin als Dauerinfusion besteht, ggf. bei jüngeren Patienten in Kombination mit Oxaliplatin.

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

355

Chemotherapie Im Stadium I/T2, II und III erfolgt die Chemotherapie • präoperativ in Kombination mit der Radiotherapie (s. o.) oder • postoperativ alleinig, • mit 5-Fluorouracil oder Capecitabin, ggf. bei jüngeren Patienten in Kombination mit Oxaliplatin (FOLFOX: Folinsäure + 5-Fluorouracil + Oxaliplatin), • insgesamt (präoperativ +/− postoperativ) über einen Zeitraum von etwa 6 Monaten. Im Stadium IV • hat die präoperative und postoperative Chemotherapie in Kombination mit der Immuntherapie noch bei ≤ 25 % der Patienten ein kuratives Potential, • besteht die Chemotherapie – in einer Zweifach-Kombination eines Fluoropyrimidins (5-Fluorouracil oder Capecitabin) + Oxaliplatin oder Irinotecan oder – in einer Dreifach-Kombination eines Fluoropyrimidins (5-Fluorouracil oder Capecitabin) + Oxaliplatin + Irinotecan • besteht die Immuntherapie – in Anti-EGFR-Antiörper, wie z. B. Cetuximab oder – in Anti-VEGF-Antikörper z. B. Bevacizumab Die Zweit- und Drittlinientherapie wie auch die Behandlung von Rezidiven und/oder Peritonealkarzinosen des Rektumkarzinoms erfolgt in gleicher Weise wie beim Kolonkarzinom Tab. 8.143: Therapieverfahren für das Rektumkarzinom in Bezug zum TNM-Stadium.

AJCCStadien

0

TNM-Klassifikation

Tis

N0

M0

T1

N0

M0

T2

N0

M0

T3

N0

M0

T4a

N0

M0

T4b

N0

M0

I

IIA II

IIB T4 IIC

Chirurgie

Radiotherapie

endoskopische Polypektomie, lokale Exzision (transanal oder transcoccygeal)

ggf. endocavitär oder lokal

totale oder partielle MesorektumResektion (TME/TME) und kolorektale oder koloanale Anastomose

präoperativ oder perioperativ (+/– Chemotherapie)

Chemotherapie

Prognose 5-JahresÜberleben

~ 100 %

präoperativ oder perioperativ +/– Chemotherapie

~ 95 %

~ 85 %

~ 70 %

356

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

N1a T1–T2

Chirurgie

Radiotherapie

Chemotherapie

Prognose 5-JahresÜberleben

M0

N1b

~ 85 %

IIIA N1c

III

T1

N2a

M0

T1–T4a

N2a

M0

T3–T4a

N1/N1c

M0

IIIB T2–T3

IIIC

IVA

N2a

M0

T1–T2

N2b

M0

T4a

N2a

M0

T3–T4a

N2b

M0

T4b

N1–N2

M0

jedes T

jedes N

M1a

totale oder partielle Darmresektion mit Anastomose der Enden

präoperativ oder postoperativ/ adjuvant (in (Kombination mit Chemotherapie)

präoperativ oder postoperativ (in Kombination mit

~ 65 %

Radiotherapie) postoperativ

~ 45 %

präoperativ oder adjuvant/ postoperativ +/− Antikörper

Resektion der IV IVB

jedes T

jedes N

M1b

Metastasen;

ggf. palliativ,

ansonsten

perkutan

palliativ

gegen EGFR oder

5–25 %

VEGF in Kombination oder als Monotherapie; ansonsten palliativ

Weiterführende Literatur Astler VB, Coller FA. The prognostic significance of direct extension of carcinoma of the colon and rectum. Ann Surg 1954, 139: 846–852. Cancer Research UK, Bowel cancer statistics – UK, 30. 03. 2011, http://info.cancerresearchuk.org/ cancerstats/types/bowel/ Choi HS, Park YJ, Youk EG, Yoon KA, Ku JL, Kim NK, Kim SM, Kim YJ, Moon DJ, Min JS, Park CJ, Bae OS, Yang DH, Jun SH, Chung ES, Jung PM, Whang Y, Park JG. Clinical characteristics of Peutz-Jeghers syndrome in Korean polyposis patients. Int J Colorectal Dis. 2000; 15: 35–38.

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

357

Dukes CE. The classification of cancer of the rectum. Journal of Pathological Bacteriology 1932; 35: 323– 332. Dukes CE. The surgical pathology of tumours of the colon. Med Press. 1951; 226: 512–515. Gómez García EB, Knoers NV. Gardner’s syndrome (familial adenomatous polyposis): a cilia-related disorder. Lancet Oncol. 2009; 10: 727–735. Hofheinz RD, et al. 2018; https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/kolonkarzinom/ @@guideline/html/index.html National Cancer Institute (USA), Colon Cancer Treatment (PDQ®), 08. 05. 2011; http://www.cancer.gov/ cancertopics/pdq/treatment/colon/HealthProfessional National Cancer Institute (USA), Rectal Cancer Treatment (PDQ®) 10. 12. 2011; http://www.cancer.gov/ cancertopics/pdq/treatment/rectal/HealthProfessional Perniciaro C. Gardner’s syndrome. Dermatol Clin. 1995; 13: 51–56. Preiß J, Dornoff W, Hagmann F-G, Schmieder A. Onkologie 2011; Juni 2011; http://www.onkologie2011.de/ index.htm Robert Koch Institut https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/ kid_2019/kid_2019_c18_c20_darm.pdf?__blob=publicationFile Schmiegel W, Pox C, et al. 2019; Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, Kurzversion 2.1, 2019, AWMF Registrierungsnummer: 021/007OL, http://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/ kolorektales-karzinom/ Vieth M, Langner C. (K)Eine Verwirrung um serratierte Kolonpolypen Journal für Gastroenterologische und Hepatologische Erkrankungen 2010; 8, 7–12; http://www.kup.at/kup/pdf/8834.pdf WHO Globocan 2008; Cancer Incidence and Mortality Worldwide in 2008; http://globocan.iarc.fr/

8.7.4 Anus Vorkommen Als Anus wird der Analkanal bezeichnet, • der den Schließmuskel bedeckt und sich über eine Länge von ca. 4,2 cm erstreckt – von der Linea anocutanea, d. h. der Grenzlinie ▪ zwischen äußerer Haut (Plattenepithel mit Hautanhangsgebilden) ▪ und dem Anoderm (Plattenepithel ohne Hautanhangsgebilde) – bis zur Linea anorectalis ▪ oberer Rand des M. sphincter ext., 2 cm kranial der Linea dentata; • dessen Schleimhaut 3 Zonen aufweist: – eine obere kolorektale Schleimhaut, – eine mittlere transitionale Schleimhaut (reicht nach kranial bis etwa 1 cm oberhalb der Linea dentata), – eine untere plattenepitheliale Schleimhaut. Etwa 2 % aller gastrointestinalen Tumoren sind Analkarzinome. Die • • •

Zahl der Neuerkrankungen nimmt zu etwa 90 % sind assoziiert mit HPV/Humanen Papilloma-Viren 16, 18 wie auch 6, 11, Frauen erkranken zweimal häufiger als Männer, bei HIV-Infizierten ist die Neuerkrankungsrate um 30–60-fach höher als bei der Normalbevölkerung.

358

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

In Deutschland wurden für das Jahr 2016 folgende Daten zum Anal-Karzinom verzeichnet: • Neuerkrankungen – bei Frauen: 1320; Neuerkrankungsrate 2,1/100.000 – bei Männern: 830; Neuerkrankungsrate 1,5/100.000 • Todesfälle – bei Frauen: 308; Todesrate 0,4/100.000 – bei Männern: 204; Todesrate 0,5/100.000 • durchschnittliches Erkrankungs- und Sterbealter – bei Frauen Erkrankungsalter: 65 Jahre; Sterbealter: 76 Jahre – bei Männern Erkrankungsalter: 64 Jahre, Sterbealter: 70 Jahre • Prävalenz – bei Frauen: 5 Jahre: 4.700; 10 Jahre: 7.600 – bei Männern: 5 Jahre: 2.600; 10 Jahre: 4.100 • relative Überlebensrate – bei Frauen: 5 Jahre: 65 %; 10 Jahre: 59 % – bei Männern: 5 Jahre: 61 %; 10 Jahre: 53 %

Risikofaktoren Die wesentlichen Risikofaktoren sind: • das Alter und das Geschlecht – im Alter > 60 Jahre sind die meisten Erkrankungen zu verzeichnen, – Frauen erkranken zweimal häufiger als Männer, • Infektionen mit onkogenen HPV-Stämmen, im Besonderen – HPV-16 und HPV-18 (Erhöhung des Risikos um den Faktor ~ 5), – HPV-6 und HPV-11 (Erhöhung des Risikos um den Faktor ~ 3,5), ▪ bei Frauen mit HPV positivem Zervixabstrich oder mit Zervix- oder VulvaKarzinom, ▪ bei Immunsupprimierten (z. B. Organtransplantatempfängern; HIV-Infizierten), ▪ beim Analverkehr, im Besonderen mit wechselnden Partnern, ▪ bei Patienten mit Feigwarzen (Genitalwarzen, Feigwarzen) hämatologischen Tumorerkrankungen, • • Tabak-Konsum

Entwicklungsstadien und Klassifikationen Die Klassifikation der Analtumoren hat zur Grundlage die Maßgaben (siehe Tab. 8.144) • der AJCC/American Joint Committee on Cancer, • des TNM-Systems der UICC.

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

359

Tab. 8.144: Ausbreitung und Klassifikation der Analtumoren.

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

TX

NX T0

0

M0

Prognose 5-JahresÜberleben

keine Hinweise auf einen Tumor Carcinoma in situ (Morbus Bowen; hochgradige Plattenepitheliale intraepitheliale Läsion (HISL), anale intraepitheliale Neoplasie (AIN II-III)

Tis

I

Angrenzendes Gewebe

keine Beurteilung eines Tumor und etwaiger Metastasen möglich

MX N0

Analkanal

T1

N0

M0

Tumor ist ≤ 2 cm

T2

N0

M0

Tumor ist > 2 cm aber ≤ 5 cm

N0

M0

Tumor ist > 5 cm

T1

N1

M0

T2

N1

M0

T3

N1

M0

~ 100 %

II T3

IIIA

Tumor, gleich welcher Größe hat die benachbarten Organe (Vagina, Harnröhre, Harnblase) infiltriert (direkte Ausbreitung in die perianale Haut oder das Rektum oder den Sphinktermuskel ist kein Kriterium für T4)

T4

N0

M0

T4

N1

M0

jedes T

N2

M0

Metastasen unilateral in den internen iliakalen und/oder inguinalen Lymphknoten

jedes T

N3

M0

Metastasen in den perirektalen und inguinalen Lymphknoten und/oder bilateral in den internen iliakalen und/oder inguinalen Lymphknoten

jedes T

jedes N

M1

Fernmetastasen

III

IIIB

IV

Metastasen in den perirektalen Lymphknoten

65–75 %

< 65 %

Histologische Klassifikation Die häufigsten Tumortypen des Analkarzinoms sind (siehe Tab. 8.145) • AIN/Anale Intraepitheliale Neoplasien (CIS/Carcinoma in situ) – wobei die Latenzzeit zwischen dem AIN und der invasiven Neoplasie unbekannt ist AIVN/Anale Invasive Neoplasien mit • – Plattenepithelkarzinomen (assoziiert mit HPV-Infektionen) in ca. 80 % der Fälle, – Basaloide Zell-Übergangstumore (assoziiert mit HPV-Infektionen), – Adenokarzinome (ausgehend von den Hautdrüsen in der Analregion) in ca. 10– 15 % der Fälle, – Melanome.

360

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.145: Histologische Klassifikation maligner Analtumoren.

Histologische Tumortypen Präkarzinome

Karzinome

Analkanal

AIN/anale intraepitheliale Neoplasien; ISL/plattenepitheliale intraepitheliale Läsionen; Carcinoma in situ

Analrand (Linea anacutanea) Morbus Bowen; Morbus Paget

Gesamt-Anteil

80 %

20 %

Plattenepithelkarzinome

~ 80 %

90 %

Adenokarzinome

~ 15 %

< 10 %

Kleinzelliges Karzinom

5 cm oder Tumor, welcher in den rechten oder linken Arm der Pfortader oder in die rechte, mittlere oder linke Lebervene eingedrungen ist

IIIB

T4

N0

M0

Tumor hat benachbarte Organe (andere als Gallenblase) infiltriert oder das viszerale Peritoneum durchbrochen

IIIC

jedes T

N1

M0

Metastase in regionalen Lymphknoten (am Hilus, im hepatoduodenalen Ligament, periportal, entlang der Vena cava Inferior, der Pfortader, Leberarterie)

M1

Fernmetastase (in entfernteren Lymphknoten, z. B. am Zwerchfell, am Zwerchfell, Kolon, Nebenniere, Peritoneum)

Prognose 5-JahresÜberleben

20–40 %

< 1–20 % IV

jedes T

N0–1

Histologische Klassifikation Die primären Leberzellkarzinome lassen sich histologisch im Wesentlichen untergliedern in Karzinome, Hepatoblastome und Sarkome (siehe Tab. 8.149).

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

371

Tab. 8.149: Histologische Klassifikation von malignen Lebertumoren. Tumortypen

Erwachsene

Kinder/Jugendliche

Karzinome

ca. 90 % aller primären Lebertumoren

ca. 5–10 % aller Lebertumoren

hepatozelluläres Karzinom (pseudoglandulärer, pleomorpher, solider, szirrhöser, trabekulärer, diffuser und/oder klarzelliger Typ)

ca. 75 % aller primären Lebertumoren

Überlebensrate im Mittel ~ 25 %

fibrolamelläres hepatozelluläres Karzinom

selten, keine Erhöhung des alpha-Fetoproteins; gute Prognose

gute Prognose

Cholangiokarzinom

ca. 5–10 % aller primären Lebertumoren, schlechte Prognose

selten

gemischtes hepatozelluläres Cholangiokarzinom

selten

selten

undifferenziertes Karzinom

selten

selten

Choriokarzinom

selten

Diagnostik: β-HCG: sehr hoch; α-Fetoprotein: normal

Sarkome UESL undifferenziertes, embryonales Sarkom der Leber

2–15 % der kindlichen Lebertumoren selten

Gallengangsrhabdomyosarkom

< 1 % der kindlichen Lebertumoren, Diagnose im 3. Lebensjahr

Hepatoblastome

ca. aller 90 % kindlichen Lebertumoren; Überlebensrate ~ 70 %

kleinzelliges undifferenziertes Hepatoblastom (SCU/Small-Cell-undifferentiated)

< 1 % der Hepatoblastome schlechte Prognose

embryonal-epitheliales Hepatoblastom gut differenziertes (fetales) Hepatoblastom (PFH/Pure fetal Hepatoblastom)

eher selten, < 5 % aller Lebertumoren

~ 95 % der Hepatoblastome relativ gute Prognose ca. 4 % der Hepatoblastome sehr gute Prognose

Die Metastasierung erfolgt: • lymphogen – in die regionalen Lymphknoten (am Hilus, im hepatoduodenalen Ligament, periportal, entlang der Vena cava inferior, der Pfortader, Leberarterie), – danach in die entfernteren Lymphknoten (im Besonderen die unteren ZwerchfellLymphknoten), • hämatogen – bevorzugt in die Lunge und in die Knochen/Skelettsystem.

372

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Diagnostik Lebertumoren führen meist erst im späten Stadium zu Symptomen. Diese sind im Wesentlichen • Volumenzunahme der Leber, Druckschmerzen im Oberbauch, • Abmagerung (Tumorkachexie), Aszites, Gelbsucht/Ikterus. Diagnostische Parameter sind: • biochemische Blut-/Serum-Analysen zur Ermittlung der Leberfunktion und zur Verlaufskontrolle, im Speziellen – AFP/Alpha-1-Feto-Protein ▪ bei etwa 50–70 % der Patienten mit hepatozellulärem Karzinom nachzuweisen, ▪ beim hepatozellulärem Karzinom ist Nachweis Anhaltspunkt für eine schlechtere Prognose (5-Jahres-Überleben), ▪ beim Hepatoblastom weist Nachweis auf eine bessere Prognose hin, – β-HCG/Humanes Chorion-Gonadotropin ▪ kann erhöht sein beim hepatozellulärem Karzinom und Hepatoblastom, ▪ ist erhöht beim hepatozellulärem Choriokarzinom, – weitere Parameter ▪ Zunahme der alkalischen Phosphatase, des Kalziums (Hyperkalzämie), der Erythrozytenzahl (Polyzythämie), ▪ Abnahme der Blutglukose (Hypoglykämie) und des Fibrinogens (Dysfibrinogenämie), • bildgebende Verfahren – Sonografie der Leber und des Abdomens, – CT der Leber, CT des Thorax – MRT, – mit Hilfe von Kontrastmitteln können mit MRT, CT oder Sonografie nachgewiesen werden ▪ eine Tumor-assoziierte arterielle Hypervaskularisation, ▪ das schnelle Auswaschen des Kontrastmittels aus den Tumorgefäßen und ▪ die relative Kontrastumkehr zum umgebenden Leberparenchym ▪ als Beleg für ein Hepatozelluläres Karzinom (HCC/Hepato-Cellular Carcinoma); • Laparoskopie mit – adspektorischer und palpatorischer Exploration, • Biopsien und histologische Untersuchung, ausgenommen diejenen Tumoren, welche anderweitig identifiziert werden können, wie beispielsweise – kindliche hepatische Hämangiome oder Hämangioendotheliome (Nachweis durch Angiografie), – kindliche hepatische Chorionkarzinome (Nachweis durch Angiografie und durch beta-humanes Choriongonadotropin/β-HCG). Die diagnostische Strategie für das Hepatozelluläre Karzinom ist in Tab. 8.150 dargelegt.

373

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

Tab. 8.150: Diagnose-Strategie des Hepatozellulären Karzinoms (in Anlehnung an Greten et al. 2013). Hochrisikogruppe*) (verdächtiger Befund)

▾ KM-MRT oder KM-CT oder KM-Sonografie

▾ typisches KM-Verhalten**





nein Größe < 2 cm

Größe ≥ 2 cm





Biopsie möglich

2. alternative KM-MRT oder KM-CT oder KM-Sonografie typisches KM-Verhalten





nein

ja

Größe < 1 cm

Größe > 1 cm





nach 3 Monaten erneut Kontrolle durch KM-MRT, KM-CT oder KM-Sonografie

ja

2. alternative KM-MRT oder KM-CT oder KM-Sonografie typisches KM-Verhalten





Biopsie und Histologie









Diagnose

nein

ja





nein

ja



▾ ja

nein

HCC

HCC

HCC







HCC



Diagnose der Ausbreitung des Tumors intrahepatisch: KM-MRT; extrahepatisch: CT-Thorax *) Hochrisikogruppe: im Besonderen Leberzhirrose, Chronische HBV, HDV oder HCV Infektion; Adipositas; Fettleber KM = Kontrastmittel; **) Typisches KM-Verhalten: eine Tumor-assoziierte arterielle Hypervaskularisation, das schnelle Auswaschen des Kontrastmittels aus den Tumorgefäßen und die relative Kontrastumkehr zum umgebenden Leberparenchym als Beleg für ein Hepatozelluläres Karzinom; HCC= Hepato-Cellular Carcinoma;

Therapiestrategien Die Therapie des Hepatozellulären Karzinoms (siehe Tab. 8.151) • ist abhängig – von dem Bestehen und dem Entwicklungsstand einer gleichzeitigen Leberzhirrose,

374

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren





von der Größe und der Anzahl der Tumorknoten in der Leber und von dem Vorhandensein extrahepatischer Metastasen, – von der Leberfunktion, dem Allgemeinbefinden und der Lebenserwartung und beinhaltet – primär und vorwiegend chirurgische Maßnahmen.

Zugleich sollte eine bestmögliche Therapie einer evtl. gleichzeitig bestehenden HBV oder HCV-Infektion erfolgen. Tab. 8.151: Strategie zur Therapie des Leberzellkarzinoms (in Anlehnung an Greten et al. 2013). Leberzellkarzinom ohne Leberzhirrose

mit Leberzhirrose





chirurgische Resektion des Tumorherdes

1 × Tumor < 5 cm oder ≤ 3 × Tumore < 3 cm,

Zhirrose Stadium Child A/B (siehe Tab. 8.153)



▾ oder

▾ falls V0, MO

falls Resektion nicht möglich

LeberTransplantation

▾ ECOG Status 0–2 Lebenserwartung > 3 Monate

▾ Sorafenib

▾ bei Unverträglichkeit Chemotherapie

≤ 3 × Tumore < 3 cm adäquate Leberfunktion*

≤ 3 × Tumore > 3 cm< 5 cm adäquate Leberfunktion*

1 × Tumor > 3 cm< 5 cm adäquate Leberfunktion*

1 × Tumor > 5 cm adäquate Leberfunktion*









RadioRadioEmbolisation frequenzfrequenz(TACE) Ablation (RFA) Ablation (RFA) + Radiooder oder frequenzchirurgische chirurgische Ablation (RFA) Resektion Resektion

chirurgische Resektion

▾ ▾ falls V1/2 oder M1 keine LeberTransplantation



Erfolgskontrolle: MRT 4 Wochen nach Ablation, dann alle 3–6 Monate über 2 Jahre AFP (falls bei Diagnose positiv) alle 3 Monate über 2 Jahre, dann alle 6 Monate

▾ oder falls N+ und/oder M1 Child A, ECOG Status 0–2; Lebenserwartung > 3Monate

▾ ▸

siehe Alternativen

palliativ Sorafenib

*) adäquate Leberfunktion = gering- oder mäßiggradige portale Hypertension; Bilirubin < 2 mg/dl; keine Splenomegalie; Thrombozyten > 100.000; ECOG-Status: Allgemeinzustand des Patienten (siehe Kap. 8.1.3)

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

375

Chirurgische Verfahren • primäre vollständige Resektion von Leber-Tumoren (R0) – ist bei Hepatoblastomen (meist lokal begrenzt) in etwa 2/3 der Fälle möglich, – ist bei hepatozellulären Karzinomen (häufig multilokular) nur in etwa einem Drittel der Fälle möglich; – ist anwendbar in den Stadien T1/T2,N0,M0, falls ▪ ein solitärer Tumor vorliegt oder multiple Tumoren auf einen Leberlappen beschränkt sind, ▪ die Leberfunktion nicht wesentlich gestört ist, ▪ kein Anzeichen einer Leberzirrhose vorliegt, ▪ die Tumoren mit einem Resektionsrand gesunden Lebergewebes von mindestens 1 cm entfernt werden können, • primäre unvollständige Resektion von Lebertumoren – stellt eine Strategie im Stadien T1/T2/T3/T4,N0,M0 dar, wenn der Tumor nicht vollständig entfernt werden kann, aber ▪ die Leberfunktion nicht wesentlich gestört ist, ▪ kein Anzeichen einer Leberzirrhose oder chronischen Hepatitis vorliegt, – ist eine Option zur Verringerung der Tumormasse, • adjuvante möglichst vollständige Resektion der Lebertumoren – könnte erfolgen nach präoperativer Chemotherapie zur Verringerung der Tumormasse, – hat zum Ziel eine bestmögliche kurative Tumorresektion, • komplette Resektion der Leber und orthotope Lebertransplantation, welche indiziert ist – in Fällen von Leberzirrhose, – im Stadium V0 und M0, – falls nach der Resektion kein Tumorgewebe bzw. keine Metastasen im Körper verbleiben. Zur Verminderung der Tumormasse werden minimal-invasive Verfahren angewandt, bei denen das Tumorgewebe vor Ort in der Leber thermisch oder toxisch-obstruktiv zerstört und danach in situ belassen wird. Resorption des nekrotischen Tumors und Narbenbildungen sind die Folge; • zu den thermischen Verfahren gehören – RFA/Radio-Frequenz-Ablation bzw. die RFITT/Radio-Frequenz-Induzierte Thermo-Therapie, – LITT/Laser-Induzierte Thermo-Therapie, – KT/Kryo-Therapie, • zu den toxisch-obstruktiven Verfahren zählen – PEIT/Perkutane intra-tumorale Ethanol-Injektions-Therapie, – TACE/Trans-Arterielle Chemo-Embolisation mit Hilfe eines Zytostatikums (z. B. Doxorubicin) und einem Embolisator (z. B. Gelatineschaum oder Öl/Lipiodol), bei welcher folgende Voraussetzungen erfüllt sein sollten ▪ kein kuratives Verfahren möglich, ▪ Leberzhirrose im Stadium Child A oder B (siehe Tab. 8.153),

376

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

▪ ▪ ▪ ▪



Solitäres oder multifokales Leberzellkarzinom, keine extrahepatischen Tumore (Stadium N0, M0), Allgemeinzustand des Patienten ECOG ≤ 2 (siehe Kapitel 8.1.3), Embolisierung möglichst aller den Tumor versorgenden Äste der Arteria hepatica propria (Ziel ist die vollständige Devaskulierung des Tumorgewebes) keine alleinige Injektion des Zytostatikums, wogegen der Embolisator auch alleine injiziert werden kann.

Radiotherapie Da das gesunde Lebergewebe hoch sensibel auf radioaktive Strahlung reagiert, ist die Verwendung der Radiotherapie weitgehend beschränkt auf: • perkutane stereotaktische Radiotherapie von Primärtumoren in der Leber, • perkutane Radiotherapie von Metastasen, • Brachytherapie von Lebertumoren, wie beispielsweise – die Injektion von Mikro-Kügelchen (Glas oder Kunstharz), in denen 90 Yttrium eingeschlossen ist, in die den Tumor versorgenden Äste der Arteria hepatica propria (Selective internal radiation therapy/SIRT). Chemotherapie mit Zytostatika beispielsweise von: • hepatozellulären Karzinomen und Hepatoblastomen (siehe Tab. 8.153) – TACE/Transarterielle Chemo-Embolisation mit Embolisator und Zytostatikum, als Zytostatikum beispielsweise ▪ Doxorubicin (25–75 mg/m2; Tag 1); ggf. Wiederholung nach 2–3 Monaten, ▪ Cisplatin (30 mg/30 ml); ggf. Wiederholung nach 2–3 Monaten, – ggf. (z. B. bei Unverträglichkeit von Sorafenib) adjuvante/postoperative Therapie mit ▪ Kombination von Cisplatin +Vincristin + 5-Fluorouracil, ▪ Kombination von Cisplatin + Doxorubicin oder ▪ Cisplatin Monotherapie ▪ Kombination aus Cisplatin + Etoposid oder ▪ Irinotecan Monotherapie; • undifferenzierten embryonalen Hepatosarkomen – neoadjuvante/präoperative Therapie oder adjuvante/postoperative Therapie mit ▪ Kombination von Vincristin + Cyclophosphamid + Dactinomycin + Doxorubicin oder ▪ Kombination von Doxorubicin + Ifosfamid, • Chorion-Karzinome – neoadjuvante/präoperative Therapie mit einer ▪ Kombination of Cisplatin + Etoposid + Bleomycin oder ▪ Methrotrexat, • Tumorrezidiven – mit einer Kombination von Zytostatika, welche alternativ ist zu derjenigen, welche bereits verabreicht worden ist.

377

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

Mit Zielstruktur-spezifischen Substanzen • bei nicht resezierbaren, fortgeschrittenen Lebertumoren – Sorafenib (zweimal 400 mg/m2/Tag, täglich) ▪ Inhibitor von mehreren Phosphokinasen, im Besonderen von Raf und des VEGF-R/Vascular-Endothelial Cell-Growth Factor-Rezeptors, ▪ zur potentiell kurativen wie auch zur palliativen Therapie – Resminostat (600 mg/Tag, Tag 1–5 und 8–12; Wiederholung Tag 21 ▪ Inhibitor der HDAC/Histon-Deacetylase; induziert epigenetisch Zelldifferenzierung und Apoptose Tab. 8.152: Therapieverfahren für Lebertumore von Erwachsenen in Bezug zum TNM-Stadium.

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

I

T1

N0

M0

II

T2

N0

M0

IIIA

T3

N0

M0

IIIB

T4

N0

M0

IIIC

T1–T4

N1

M0

III

IV

T1–T4

N0–1

M1

Chirurgie

Radiotherapie

Chemotherapie

Prognose 5-JahresÜberleben

vollständige oder unvollständige Tumor-Resektion; oder minimal invasive Verfahren (besonders TACE) ggf. Lebertransplantation

ggf. Brachytherapie (Selective internal radiation therapy/ SIRT SIRT)

ggf. postoperativ/ adjuvant

20–40 %

palliativ

ggf. palliativ (perkutan ) oder Brachytherapie/SIRT)

palliativ

< 1–20 %

Tab. 8.153: Therapie im Bezug zum BCLCS System und Überleben in Bezug zur Zhirrose (in Anlehnung an Greten et al. 2013). Therapieverfahren in Bezug zum BCLCS (Barcelona-Clinic Liver Cancer Staging)-System Stadium

„Kurative“ Therapie

einzelner Tumor < 2 cm

Tumorresektion im „Gesunden“

„Palliative“ Therapie

Einzeltumor oder ≤ 3 Tumoren < 3 cm

ohne Begleiterkrankung

Entfernung der tumorerkrankten Leber und orthotope Lebertransplantation; bei langen Wartezeiten Radiofrequenzablation/RFA, transarterielle Chemoembolisation/TACE oder Tumor-Resektion

mit Begleiterkrankung

bevorzugt Radiofrequenzablation (RFA), ggf. perkutane intra-tumorale Ethanol-Injektiontherapie (PEIT), Radiofrequenz-induzierte Thermotherapie (RFITT), Laserinduzierte Thermotherapie (LITT), Kryotherapie (KT)

multiple Tumoren

transarterielle Chemoembolisierung (TACE)

fortgeschrittenes Stadium (N1/M1)

Prüfung neuer Wirkstoffe in kontrollierten Studien

378

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Child-Pugh-Kriterien zur Einstufung des Schweregrades der Leberzhirrose Blutwerte

1Punkt

2 Punkte

3 Punkte

Einstufung

Punktezahl

1 JahresÜberlebensrate

Albumin (g/dl)

> 3,5

2,8–3,5

< 2,8

Child A

5–6

ca. 100 %

(mg/dl)

< 4,0

4–10

> 10,0

Child B

7–9

ca. 85 %

(μmol/l)

< 70

40–70

> 70

Child C

10–15

ca. 35 %

Quick-Wert (%)

> 70

40–70

< 40

Aszites (Sonografie)

keine

mittelgradig

hochgradig

Enzephalopathie (Leber-bedingt)

keine

mittelgradig (I–II)

hochgradig (III–IV)

Bilirubin



Besonderheiten der Therapie von Lebertumoren bei Kindern/Jugendlichen Bei Kindern bestehen zwei unterschiedliche Therapiestrategien, denen entsprechend angepasste Klassifikationen von Lebertumoren zugrunde liegen: • das prächirurgische System der Childhood Liver Tumour Strategy Group (SIOPEL) in den USA, mit der Strategie – Erfassung der Ausdehnung des Tumors mit bildgebenden Verfahren ▪ PRETEXT/Pretreatment Extent of Disease, – Stadium 1: ▪ primäre chirurgische Resektion – Stadium 2, 3, 4: ▪ neoadjuvante/präoperative Chemotherapie mit nachfolgender adjuvanter Chirurgie, • das postchirurgische System der COG/Children’s Oncology Group bei welchem – die primäre chirurgische Resektion die Grundlage gibt für die Erfassung der Ausdehnung des Tumors, – nachfolgend stadiumabhängig eine adjuvante Chemotherapie erfolgt. Tab. 8.154: Prächirurgische Therapie* von kindlichen Lebertumoren. 5-Jahres-Überleben* Stadium gemäß PRETEXT (Pretreatment Extent of Disease)

Hepatoblastome

Hepatokarzinome

1

Tumor ist begrenzt auf einen Leberquadranten, alle anderen drei angrenzenden Leberquadranten sind tumorfrei

~ 100 %

40–50 %

2

Tumor ist begrenzt auf einen oder zwei Leberquadranten, zwei angrenzende Leberquadranten sind tumorfrei

~ 90 %

40–50 %

3

Tumor ist begrenzt auf drei Leberquadranten, ein Leberquadrant ist tumorfrei oder Tumor ist begrenzt auf zwei Leberquadranten und zwei nicht angrenzende Leberquadranten sind tumorfrei

60–70 %

~ 20 %

379

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

5-Jahres-Überleben* Stadium gemäß PRETEXT (Pretreatment Extent of Disease)

Hepatoblastome

Hepatokarzinome

Tumor hat alle Leberquadranten infiltriert

50–60 %

5–10 %

Metastasen

20–30 %

60 Jahren und gehäuft bei Frauen diagnostiziert (Frauen : Männer = 4 : 1), – distale Cholangiokarzinome und – Papillen-Karzinome (an der Gallengang- und Pankreasgang-Einmündung; Papilla vateri).

382

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Die Klassifikation der biliären Tumore hat zur Grundlage die Maßgaben (siehe Tab. 8.155 und Tab. 8.156) • der AJCC/American Joint Committee on Cancer, • des TNM-Systems der UICC, wobei – Lokalisations-abhängige Unterschiede der Ausbreitung biliärer Tumore in den Tumorstadien T1–T4 bestehen (siehe Tab. 8.155) und – bei perihilären Tumoren die zusätzlichen Klassifikationen der Tumor-Ausbreitung nach Bismuth-Corlett und nach Jarnagin-Blumgart der Vereinfachung und der Risikoabschätzung bei der Planung des chirurgischen Vorgehens dienen (siehe Tab. 8.155), – so gelten MSK-T3 Tumore (Klassifikation nach Jarnagin-Blumgart) als nicht mehr resektabel.

Tab. 8.155: Ausbreitung und Klassifikation der biliären Tumoren (in Anlehnung an Roos et al. 2019).

AJCCStadium

0

TNM-Klassifikation

Gallenwege

Tx

Nx

Mx

keine Beurteilung eines Tumor und etwaiger Metastasen möglich

T0

N0

M0

keine Hinweise auf einen Tumor

Tis

N0

M0

intraepitheliale Neoplasie

N0

M0

T1a IA

Gallenblase

T1 T1b

N0

Tumor hat Lamina Propria infiltriert

M0

Tumor hat die Muskularis mucosae infiltriert

I

Benachbartes Gewebe

IB

T2

N0

M0

IIA

T3

N0

M0

Tumor hat die Serosa durchbrochen und ein angrenzendes Organ infiltriert (z. B. Leber, Magen, Duodenum, Kolon, Pankreas, Omentum, Gallengänge bzw. Gallenblase)

N1

M0

N1–2

M0

T1 IIB T2 T3

N1–2

M0

Gallenblase

> 90 % Tumor ist auf den Gallenweg beschränkt

Tumor hat das perimuskuläre Bindegewebe infiltriert, die Serosa ist noch intakt

II

Prognose 5-JahresÜberleben Gallenwege

< 70 %

≤ 15 %

≤ 25 %

1Tumor +/− Gefäßinvasion

Tumor infiltriert peri-muskuläres Bindegewebe (Leberseite) aber nicht die Leber

Tumor infiltriert in das benachbarte Leberparenchym

≥ 1 Tumor + Perforation viszerales Peritoneum

Tumor perforiert Serosa und infiltriert +/− Leber oder 1 Nachbarorgan

Tumor infiltriert in gleichseitige Äste der V.portae und der A. hepatica

Tumor infiltriert V.portae, A. hepatica oder > 1 Nachbarorgan

Tumor infiltriert in Hauptast oder Tumor infiltbilaterale Äste der riert V.portae oder Truncus coeliA.hepatica communis acus, oder deren bilaterale A. mesenÄste oder in Äste des teria superior Gallengangs und in und/oder kontralaterale Äste A. hepatica der V.portae oder communis A. hepatica

T3a

T3b

T4

1 Tumor + Invasion extrahepatische Strukturen

perihiläre Gallengänge

Tumor auf Gallengang beschränkt reicht bis in muskuläre Wandschicht

distale extrahepatische Gallengänge

Tumor infiltriert Wand des Gallengangs ≤ 5 mm

Tumor infiltriert Wand des Gallengangs 6–12 mm

Tumor infiltriert Wand des Gallengangs > 12 mm

Ampulla vateri Tumor begrenzt auf Ampulla vateri/ Oddi-Sphincter perisphingterische Invasion oder Infiltration in Submukosa/ Duodenum

Tumor infiltriert die Muscularis propria des Duodenums

Tumor infiltriert Pankreas ≤ 0,5 cm Tumor infiltriert Pankreas > 0,5 cm oder das peripankreatische Weichgewebe

Tumor infiltriert Truncus coeliacus, A. mesenteria superior und/oder A. hepatica communis

384

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Einteilung der perihilären Biliären Tumore nach Bismuth-Corlett Typ

Ductus Hepaticus communis

I

+

II

+

Ductus Hepaticus Hepaticus-Gabel dexter

sinister

+

a

+

b

+

+

III IV

+

+

+

+

Einteilung der perihilären Tumore nach Jarnagin-Blumgart

Typ MSK

HepaticusGabel

Ductus hepaticus dexter/sinister ipsilateral

T1

+

contralateral

Atrophie Leberlappen

Pfortader ipsilateral

contralateral

ipsilateral

contralateral

+

a

+

+

b

+

a

+

+

b

+

+

c

+

+

d

+

T2 + + +

T3 + +

+

Zu den regionären Lymphknoten • der rechten Leberseite gehören – Lymphknoten entlang des Ductus choledochus, der Arteria hepatica communis, der Vena porta, des Ductus cysticus und die periduodenalen und peripankreatischen Lymphknoten • der linken Leberseite gehören – die hilären und gastrohepatikulären Lymphknoten • der Gallenblase, des Ductus cysticus und des Ductus choledochus gehören – die Lymphknoten entlang der entsprechenden Gallengänge, der Arteria hepatica, der Vena porta, der Arteria mesenterica superior und die zölikalen Lymphknoten. der Ampulla vateri gehören • – die Lymphknoten entlang des Ductus choledochus, der Arteria hepatica communis, der Vena portae, der Vena und Arteria mesenterica superior und – die pylorischen und sub- bzw. infra-pylorischen Lymphknoten und die proximalen, mesenterialen, zöliakalen, posterior und anterior pancreaticoduadenalen Lymphknoten Histologische Klassifikation Die häufigsten Tumoren der Gallengänge sind Adenokarzinome. Mesenchymale Tumoren sind sehr selten;

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)









385

bei intrahepatischen biliären Tumoren – dominieren tubuläre Adenokarzinome mit guter, mäßiger oder niedriger Differenzierung, – wobei mikropapilläre, kibriforme oder strangartige Tumoranteile zu einer erheblichen zellulären Pleomorphie führen können, bei der Gallenblase – sind vorwiegend Adenokarzinome zu finden, am häufigsten vom biliären, aber auch vom intestinalen und gastrofaveolären Typ bei der Ampulla vateri – überwiegen intestinale Adenokarzinome, aber auch pankreatobiliäre Adenokarzinom (die eine schlechte Prognose aufweisen) sind zu finden. – Karzinome der Ampulla vateri sind Teil (ca. 5–10 %) der periampullären Tumore. Zu diesen zählen Karzinome ▪ des distalen Ductus choledochus ▪ der Ampulla vateri (Papillenkarzinome) ▪ des peripapillären Duodenums und ▪ des Pankreaskopfes Hiläre (an der Leberpforte gelegene, zentrale) Cholangiokarzinome (Klatskin-Tumoren) – werden unterschieden in ▪ einen diffus infiltrierenden Typ, ▪ einen polypös intraluminal wachsenden Typ; – neigen zur Invasion ▪ innerhalb der Gallengangswände in die Leber, ▪ entlang der Nervenscheiden zu den zentralen periaortalen Nervenbahnen, ▪ lymphogen in die regionalen Lymphknoten (zum Zeitpunkt der Erstdiagnose sind ca. 50 % der Tumoren bereits in regionalen Lymphknoten metastasiert.

Tab. 8.156: Histologische Klassifikation der biliären Tumoren. Karzinome

Prognose

Mesenchymale Tumore

Adenokarzinome (AC)

embryonale Rhabdomyosarkome

nicht spezifizierte AC (NOS/not otherwise spezified)

Leiomyosarkome

intestinaler Typ maligne fibröse Histiozytome muzinöses AC klarzelliges AC Siegelring-AC Plattenepithelkarzinome adenosquamöses Karzinom papilläres Karzinom, nicht invasiv papilläres Karzinom, invasiv

relativ gut

Prognose

schlecht

386

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

undifferenzierte Karzinome Spindel- und riesenzelliges Karzinom

sehr schlecht

Karzinom vom kleinzelligen Typ nicht spezifizierte Karzinome (NOS/not otherwise specified) klein-(Oat) zelliges Karzinom

sehr schlecht

Diagnostik Die auffälligsten Symptome sind: • Gelbsucht bedingt durch einen Verschluss der Gallengänge, • heftige meist rechtsseitige Oberbauchschmerzen im Zuge der Entzündung der Gallengänge (Cholangitis), • tastbar gefüllte Gallenblase im rechten Oberbauch (Courvoisier-Zeichen) • Fieber und Juckreiz, • Gewichtsabnahme (durch Beeinträchtigung der Leberfunktion), Müdigkeit • Schwellung des Abdomen (Aszites) Die Diagnose erfolgt • abhängig vom Stadium – im frühen Stadium meist nur zufällig, ▪ im Falle von Gallenblasenkarzinomen häufig bei der Exzision der Gallenblase, häufig wegen Gallensteine, – im fortgeschrittenen Stadium auf Grund der aufgetretenen Symptome, ▪ ein Verschlussikterus ist am ehesten beim Papillenkarzinom zu erwarten, • bei intrahepatischen Gallengangstumoren – im Zuge von und mit den Verfahren der diagnostischen Untersuchung der Leber (siehe Kap. 8.7.5.2); • bei extrahepatischen Gallengangstumoren – durch bildgebende Verfahren zur Darstellung der Gallenwege. Zu den diagnostischen Verfahren besonders bei Tumoren in den hilären Gallengängen, im distalen Gallengang und in der Gallenblase gehören • die Sonografie als relativ schnell durchzuführende und einfache Methode, – ggf. ergänzt um die Endosonografie bei Tumorverdacht in den extrahepatischen Gallengängen und zur klinischen Erfassung des Lymphknotenstatus, das MRT mit einem leberspezifischen Kontrastmittel zur Darstellung der Gallengänge • und Erfassung der Tumorausbreitung, • das CT des Thorax und (mit Kontrastmittel) des Abdomens zur Detektion von intraund extrahepatischen Tumoren und zur Gefäßdarstellung vor einer Resektion, • das MRCP/Magnet-Resonanz-Cholangio-Pankreatiko-Grafie zur Darstellung von hilären und perihilären Tumoren,

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)



• •

387

das ERCP/Endoskopische Retrograde Cholangio-Pankreatiko-Grafie – mit Hilfe derer die Einlage eines Galleröhrchens (Stenteinlage) zur Behebung einer Galleabflussstörung oder die Entnahme von Zellen für die zytologische Untersuchung und/oder eine Feinnadelbiopsie möglich sind, die Cholangioskopie bei entsprechender Fragestellung im Einzelfall die Laparoskopie oder die Laparotomie zur Adspektion, klinische Erfassung des Tumorstadiums und Abklärung einer Peritonealkarzinose, ggf. mit Gewebeentnahme

Bei Papillenkarzinomen dient der Diagnostik • die ÖGD/Ösophago-Gastro-Duodenoskopie/Magenspiegelung ggf. mit einer Biopsie verdächtiger Bereiche, Ergänzende Untersuchungen stellen dar • die Elastografie der Leber zur Erfassung der Fibrosierung und ggf. der Zhirrose, • die Gastroskopie und Koloskopie zum Ausschluss von gastrointestinalen Primärtumoren • die Bestimmung der Tumormarker CA19–9 und CEA für die Verlaufskontrolle (siehe Kap. 8.1.6). • die Bestimmung des IgE-Spiegels um Blutserum zur Abklärung einer allergischen oder autoimmunen Cholangitis. Prophylaxe Die bestmögliche Vermeidung von Risikofaktoren (siehe Kap. 8.7.6.1) sollte die Gefahr eines durch exogene Faktoren und/oder durch das eigene Verhalten bedingten malignen biliären Tumors deutlich verringern. Zugleich sollte bei einigen Risikofaktoren die vorbeugende Cholezystektomie dann ins Auge gefasst werden, wenn durch regelmäßige Vorsorge/Kontrolluntersuchungen ein Anstieg des Risikos oder des Verdachtes auf für einen Tumor steigt, so z. B. beim • primär sklerosierender Cholangitis – Vorsorge: regelmäßiger Überprüfung des CA19–9 Blut-Spiegels + MRT alle 6– 12 Monate; – bei Tumorverdacht: Cystektomie, • Gallengangspolypen: – Vorsorge: bei Größe ≥ 6 < 9 mm Sonografie 1 ×/Jahr, – bei Größe ≥ 10 mm: Cystektomie • Gallensteine – bei Porzellangallenblase: Cystektomie – bei Steinen Größe > 3 cm: Cystektomie – bei Steinen + Polypen Größe ≥ 1 cm: Cystektomie

Therapiestrategien Abhänging vom Tumorstadium umfasst die Therapiestrategie (siehe Tab. 8.157) • die primäre chirurgische Resektion (möglichst zum R0 Status), • die primäre (neoadjuvante) Chemotherapie mit nachfolgender chirurgischer Resektion,

388 • •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

die palliative Chemotherapie und/oder die bestmögliche palliative symptomatische Therapie.

Tab. 8.157: Strategie der Therapie maligner biliärer Tumore (in Anlehnung an Roos et al. 2019). Stadium I/II

Stadium II/III

Stadium IV

Tumor lokal begrenzt

Tumor lokal fortgeschritten

Tumor lokal fortgeschritten Fernmetastasen





resektabel

primäre Chemotherapie

chirurgische Resektion

▾ resektabel





R0/R1-Status

R2-Status





adjuvante Chemotherapie (Capecitabin/ 6Monate)

oder

palliative Chemotherapie Gemcitabin + Cisplatin oder 5-FU/ Capecitabin + Oxaliplatin

Nachsorge

oder





chirurgische Resektion

▾ oder nicht resektabel

▾ guter Allgemeinzustand palliative Chemotherapie Gemcitabin + Cisplatin oder 5-FU/ Capecitabin + Oxaliplatin oder Gemcitabin Monotherapie

palliative Chemotherapie

▾ oder schlechter Allgemeinzustand

▾ oder schlechter Allgemeinzustand





bestmögliche palliative symptomatische Therapie

Chirurgische Verfahren Die komplette Tumorresektion mit R0 Status stellt den einzigen kurativen Ansatz dar. • Durch Resektion des Tumors im gesunden Normalgewebe (R0) – können ca. 10 % der Fälle können geheilt werden, – ist bei ca. 25–30 % eine Resektion mit kurativer Absicht möglich, – ist in etwa 20–50 % der Fälle ein 5-Jahres-Überleben zu erzielen, – wobei bilaterale oder multifokale Tumoren eine Kontraindikation für den chirurgischen Ansatz darstellen können – die Todesrate bei einem radikalen chirurgischen Eingriff im Bereich von ca. 5 % liegt; • bei intrahepatischen Tumoren ist Methode der Wahl eine Leberteilresektion durch Segmentresektion, Hemihepatektomie oder erweiterte Hemihepatektomie. – bei ausgedehnten Tumoren kann präoperativ das gesunde Tumorrestgewebe durch eine ipsilaterale Pfortaderembolisation vergrößert werden

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

• •

389

bei perihilären Tumoren erfolgt meist eine Hemihepatektomie oder erweiterte Hemihepatektomie in Verbindung mit einer präoperativen Pfortaderembolisation bei Gallenblasentumoren – im Stadium Tis und T1a ▪ kann eine komplette Resektion der Gallenblase ausreichend sein, – im Stadium T1b–T2,N0,M0 ist notwendig ▪ eine radikale Cholezystektomie. Sie umfasst eine Leberresektion, meist (als Wedge-Resektion) mit dem Gallenblasenbett und mit einem Sicherheitsabstand von 3 cm in der Leber oder eine Resektion der Lebersegmente IVb/V (Bisegmentektomie) und ▪ die Exzision der regionären Lymphknoten im Ligamentum hepatoduodenale. – im Stadium > T2 zusätzlich ▪ Resektion anhaftender/verdächtiger Teile der Nachbargewebe, – bei extrahepatischen distalen Tumoren ▪ im Stadium T1a, N0, M0 kann eine Resektion des Tumors genügen, ▪ ist im Stadium > T1a ist eine Pylorus-erhaltende Pankreatiko-Duodenektomie oder eine konventionelle Pankreaskopf-Resektion nach Kausch-Whipple das Standardverfahren mit zusätzlicher Exzision der regionalen Lymphknoten, – bei Papillen-Tumoren ▪ Exzision des Tumors, des Duodenums und des Pankreaskopfes (Pankreaticoduodenektomie; Whipple-Operation), ▪ Exzision der regionalen Lymphknoten, – bei allen Tumoren nach Exzision Rekonstruktion eines Gallenabflusses, auch durch Stenteinlage.

Radiotherapie Die Wirkung der Radiotherapie bei malignen biliären Tumoren ist umstritten. Zur Diskussion stehen • mit kurativer Zielsetzung: – die postoperative, perkutane Radiotherapie (Wirkung umstritten) • palliativ mit dem Ziel, den Galleabfluss aufrechtzuerhalten: – die Brachytherapie durch Implantation von Trägern mit 192Iridium in das Tumorgebiet – die perkutane Radiotherapie Chemotherapie Im Stadium I/II bewirkt nach R0/R1-Resektionen eine adjuvante Chemotherapie mit • Capecitabin über 6 Monate eine signifikante Verlängerung des Überlebens. • Gemcitabin +/− Oxaliplatin keinen eindeutigen Vorteil. Im Stadium II/III bei irresektablen oder fraglich resektablen Tumoren eine präoperative Chemotherapie zu einer chirurgischen Resektabilität führen. Durch ein adjuvante chirurgische Resektion kann ein kuratives Ergebnis erzielt werden wie bei R0/R1-Status-Resektionen. Im Stadium IV kann die palliative Chemotherapie eine Verlängerung des Überlebens bewirken. Eingesetzt werden

390 •



8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

in der Erstlinien-Therapie vorzugsweise – Gemcitabin (1.000 mg/m2 ) + Cisplatin (25 mg/m2 ) Tag 1 und 8, Wiederholung Tag 22, – Cisplatin (100 mg/m2, Tag1) + 5-Fluorouracil (800 mg/m2/Tag; Tag 1–5); Wiederholung Tag 29. – bei eingeschränktem Allgemeinbefinden Gemcitabin Monotherapie oder – bei eingeschränkter Nierenfunktion Gemcitabin + Oxaliplatin in der Zweitlinien-Therapie – 5-FU/Capecitabin oder Irinotecan als Monotherapie oder – 5-FU/Capecitabin + Irinotecan oder Oxaliplatin oder – 5-FU/Capecitabin + Docetaxel + Mitomycin C

Tumorspezifische Therapie Die malignen biliären Tumore zeichnen sich durch eine Reihe von Mutationen aus, welche als Ziele für eine spezifische Tumortherapie gelten. Deutliche Anhaltspunkte für eine therapeutische Wirksamkeit derartiger spezifischer Tumortherapeutika liegen für folgende Zielmoleküle vor • IDH-1/Isocitrat-Dehydrogenase-1 mit aktivierender Mutation, welche – in ≤ 20 % der intrahepatischen malignen biliären Tumoren zu finden ist und – inhibiert wird durch den kleinolekularen Inhibitor Ivosidenib, • FGFR/Fibroblast Growth Factor Receptor-1, -2, -3 mit aktivierenden Mutationen, im Besonderen FGFR-2-Translokationen, welche – in ca. 15 % der intrahepatischen malignen biliären Tumoren zu finden sind und – zu inhibieren sind durch die kleinmolekularen Inhibitoren Infigratinib, Pemigatinib und Erdafitinib • HER-2/neu Überexpressionen, welche – in 10–27 % extrahepatischen malignen biliären Tumoren vorkommen und – zu inhibieren sind durch den monoklonalen Antikörper Trastuzumab wie auch durch den kleinmolekularen Inhibitor Neratinib • EGFR-Überexpressionen, welche – in 5–22 % der Fälle in malignen biliären Tumoren vorkommen und – zu hemmen sind durch die monoklonalen Antikörper Matuzumab und Panitumumab wie auch durch den kleinmolekularen Inhibitor Lenvatinib • VEGF-Überexpression, welche – ca. 50 %/60 % der Fälle in malignen biliären Tumoren vorkommen und – zu hemmen sind durch den monoklonalen Antikörper Ramucirumab • KRas aktivierende Mutationen – welche in 9–40 % der Fälle in malignen biliären Tumoren vorkommen und – durch kleinmolekularen Inhibitor Regorafinib zu hemmen sind • B-RAF-aktivierende Mutationen, welche – in ca. 5 % der (besonders intrahepatischen) malignen biliären Tumoren auftreten und – zu inhibieren sind durch die kleinmolekularen Inhibitoren Trametinib und Dabrafenib Eine Immuntherapie durch Blockade der Hemm-Rezeptoren von T-Lymphozyten, B-Lymphozyten und Makrophagen wäre in Erwägung zu ziehen,

8.7 Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (ICD10: C15–C26)

391

besonders bei nachgewiesener Mikrosatelliteninstabilität (Mismatch-Repair Deficiency), aber auch unabhängig von einem biologischen Marker auf malignen biliären Tumorzellen, z. B. durch Verabreichung von – inhibierende Anti-PD-L1- Antikörper Pembrolizumab und Nivolumab und/oder – inhibierende Anti-CTLA4-Antikörper Ipilimumab

• • •

Ampulla vateri-Tumoren besitzen die Besonderheit, zwei unterschiedliche Subtypen zu besitzen, wobei • die Tumoren vom intestinalen Subtyp wie Kolontumore therapiert werden (siehe Kap. 8.7.3.3), während • die Therapie von Tumoren vom pankreatikobiliären Subtyp der Therapie der malignen biliären Tumore oder der Pankreastumore entspricht. Die Nachsorge bei Patienten nach einer Therapie mit kurativer Zielsetzung soll engmaschig erfolgen • alle 3 Monate über die ersten 2 Jahre • alle 6 Monate in den nachfolgenden Jahren • durch Bestimmung der Leberwerte, LDH, CA19–9 und CEA • durch Sonografie (Abdomen) und CT (Abdomen, Becken, Thorax) und/oder MRT. Bei der Nachsorge ist zu berücksichtigen, dass Patienten ein hohes Rezidivrisiko aufweisen, wenn folgende relevante Risikofaktoren vorliegen • Lymphknoten-Metastasen, • R1-Status, • Differenzierungsgrad G3.

Tab. 8.158: Therapieverfahren für Gallengangstumoren in Bezug zum TNM-Stadium

AJCCStadium

0

TNM-Klassifikation

Tis

T1

N0

M0

Resektion der Gallenblase radikale Resektion des Tumors, der angrenzenden Leberlappen bzw. Gewebe und der regionalen Lymphknoten

T1a

N0

M0

T1b

N0

M0

N0

M0

IA I

IB

T2

Chirurgie

Radiotherapie

Chemotherapie

Prognose 5-Jahres-Überleben Gallenblase

Gallenwege

> 90 % < 70 %

≤ 15 %

≤ 25 %

392

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

AJCCStadium

TNM-Klassifikation

IIA

T3 T1

II

T2

IIB

T3 III

IV

T4

T1–T4

N0

M0

N1

M0

N1

M0

N1

M0

N0–1

M0

N0–1

M1

Chirurgie

Radiotherapie

Chemotherapie

(adjuvant perkutan)

Prognose 5-Jahres-Überleben Gallenblase

Gallenwege

5)

Faktor 1,4

3

1.000 Bq/m (Duschwasser)

polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe

Benzapyren (konzentrationsabhängig)

chlorierte Kohlenwasserstoffe

Di-Chlor-Dimethylether

Faktor 14

Faktor 1,2 bis Faktor 17

Faktor 8

Silizium-Dioxid, kristallin/Silikose

Faktor 1,3 bis Faktor 1,8

Wolfram-Cobalthaltige Metall-Stäube

Faktor 1,5 bis Faktor 2

Stäube/Fasern Diesel-Ruß

Faktor 1,3–1,5

Asbestfasern (konzentrationsabhängig) Stickoxide

NO2

Faktor 1,3 bis Faktor 5,3 Faktor 1,4

soziale Faktoren psychische/berufliche Belastungen

Arbeitslosigkeit

Faktor 1,6

stehende Tätigkeiten

Faktor 1,4

überschießende Vitamin-Ergänzung

Folsäure (0,8 mg/Tag) und Vitamin B12 (0,4 mg/Tag)

Faktor 1,4

Tumortherapie (Lymphome, Hodentumoren, Mammatumoren)

perkutane Radiotherapie der Mamma, des Thorax

medizinische Faktoren

Faktor 2,6 bis Faktor 7

Tuberkulose Chlamydia pneumoniae Infektionen

Faktor 1,6 Faktor 1,2

HIV/Aids

Faktor 2,5

HPV

Faktor > 5 Faktor > 1,5

EBV Autoimmunerkrankungen

Lupus erythematodes

Faktor 1,4

414

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Entwicklungsstadien und Klassifikationen Bronchialkarzinome können folgende Lage aufweisen • Trachea und/oder Hauptbronchus • Lungenflügel – rechts, links oder beidseitig, – Oberlappen, Mittellappen und/oder Unterlappen; – apikal in den Lungenspitzen (Pancoast-Tumoren) • Pancoast-Tumore (T3 bzw. T4) führen zum Pancoast-Syndrom – durch Infiltration des Plexus brachialis, Ganglion stellatum, der subklavikulären Gefäße und der Thoraxwand mit Rippen und Wirbelkörper, – mit Schmerzen und Paresen in den Armen (Horner-Syndrom) und Armvenenthrombosen. Die Entwicklungsstadien und Klassifikation für NSCLC und für SCLC sind in den Tab. 8.166 und 8.167 aufgeführt.

Tab. 8.166: Entwicklungsstadien und Klassifikationen von Bronchialkarzinomen. IASLC-/ AJCCStadien

TNM-Klassifikation

T0

N0

M0

kein Hinweis auf einen Tumor

Nx

Mx

keine Beurteilung eines Tumor und etwaiger Metastasen möglich

N0

M0

okkulter Tumor; Tumor nur durch Tumorzellen im Sputum oder in der Bronchialspülflüssigkeit nachweisbar

Tis

N0

M0

Carcinoma in situ, intraepitheliale Neoplasie

T1a (mi)

N0

M0

minimal invasives Adenokarzinom, überwiegend lepidisches Wachstum, < 3 cm, invasiver Anteil < 5 mm

T1a

N0

M0

Tumor ≤ 1 cm

M0

Tumor > 1 cm aber ≤ 2 cm

M0

Tumor > 2 cm aber ≤ 3 cm

Tx

Tx

0

Lunge

IA1

I

IA2

IA3

T1

T1b

T1c

N0

N0

Tumor umgeben von Lungengewebe oder viszeraler Pleura; Bronchen frei; keine Atelektase (isolierter Tumor)

Benach- Prognose bartes 5-JahresGewebe überleben

60–90 %

45–55 %

8.8 Bösartige Neubildungen der Lunge und Mesotheliome des Pleuraendothels

IASLC-/ AJCCStadien

IB

TNM-Klassifikation

T2

M0

Tumor > 3 cm aber ≤ 4 cm

N0

M0

Tumor > 4 cm aber ≤ 5 cm

T1a/b

N1

M0

T2a/b

N1

M0

T2a

N0

T2b

IIA

II

IIB

Lunge

T3

N0

M0

N0

M0

N1

M0

T1a-c

N2

M0

T2a/b

N2

M0

T3

N1

M0

T1a/b

N3

M0

T2a/b

N3

M0

T3

N2

M0

T4

N2

M0

T3

N3

M0

T4

N3

M0

III T4 IIIA

IIIB

415

Benach- Prognose bartes 5-JahresGewebe überleben

Hauptbronchus bis ≥ 2 cm zur Carina oder viszerale Pleura infiltriert oder partielle Atelektasen oder obstruktive Entzündungen

N1 = Metastasen in ipsilateralen intrapulmomären, peribronchialen und/oder ipsilateralen Hilus-Lymphknoten inklusive der direkten Infiltration in die Lymphknoten Tumor > 5 aber ≤ 7 cm oder jeder Größe mit Infiltration von Brustwand, Zwerchfell, mediastinaler Pleura oder parietalem Perikard, Carina tumorfrei, Atelektase oder obstruktive Entzündung der ganzen Lunge, getrennte Tumore im gleichen Lungenlappen Tumor > 7 cm mit Infiltration von Carina, Trachea, Mediastinum, Herz, großen Gefäßen, Ösophagus oder Wirbelkörper, N. laryngeus oder Tumorherde in anderen Lungenlappen ipsilateral

55–60 %

45–55 %

35–45 %

15–40 %

N2 = Metastasen in ipsilaterale, mediastinalen oder und/oder subcarinalen Lymphknoten

N3 = Metastasen in den kontralateralen mediastinalen, kontralateralen Hilus-, ipsilateralen oder kontralateralen Scalenusoder supraclavicularen Lymphkoten 5–10 %

IIIC

IVA IV

IVB

jedes T

M1a

1 Metastase in einem kontralateralen Lungenlappen, in der Pleura, Pleurakarzinose oder perikardiale Karzinose

M1b

1 Fernmetastase in einem extrathorakalen Organ

M1c

> 1 Fernmetastase in einem oder mehreren Organen

jedes N

1 Lymphknotenstationen

ausgedehnte oder umschriebene N2-Metastase oder Metastasen in mehreren Lymphknotenstationen (mediastinale Lymphknoten > 2–3 cm) mit extrakapsulärer Infiltration

IIIA4

Befall mehrerer N2-Lymphknotenpositionen oder Gruppen multipler befallener kleinerer (1–2 cm) Lymphknoten

Tab. 8.167: Zusätzliche Klassifikation für kleinzellige Bronchialkarzinome/SCLC. Klassifikation (VALG) VLD Very limited Stage Disease

TNM-Gruppierung

T1–T2

N0–N1 M0

T3–T4

N0–N1

T1–T4

N2-N3

ED Extensive jedes T Stage Disease

jedes N

LD Limited Stage Disease

M0

M1

Ausdehnung des Tumors

Hemithorax

mit oder ohne Metastasen in ipsilateralen, intrapulmonären, peribronchialen und/oder HilusLymphknoten

mit oder ohne Hemi- Metastasen in ipsithorax oder kontralatemit ralen mediastioder nalen oder ipsilate- ohne ralen subcarinalen Pleura- Fernund/oder supraerguss metaThorax klavikulären stasen Lymphknoten

Anteil*)

Prognose 5-JahresÜberleben

~5%

50–70 %

~ 30 %

20–30 %

60–70 %

3 cm, ▪ andere histologische Typen als Plattenepithelkarzinome, ▪ Metastasen in regionalen Lymphknoten, ▪ Invasion in Blutgefäße, • beim kleinzelligen Bronchialkarzinom – Anhaltspunkte für eine ausgedehnte Tumorerkrankung (ED/Extensive Stage Disease), – das Geschlecht: Männer haben bei entsprechender Therapie eine schlechtere Prognose als Frauen,

418

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Symptome und Diagnostik Etwa 90 % der Lungentumorpatienten weisen bereits relativ früh Symptome auf. Zu diesen gehören: • Husten, Blutauswurf (Hämoptyse), Atemnot, pfeifendes Atemgeräusch (Stridor), • Trommelschlägel-Finger (Digiti hypocratici) durch Hypoxie, • Heiserkeit durch Kompression des Nervus recurrens, • Brustschmerzen (Tumorinfiltration in die Pleura und den Brustkorb), • Knochenschmerzen durch Metastasen, • Gewichtsverlust, Schwächegefühl, Fieber, • vermehrt paraneoplastische Erkrankungen – Hyponatriämie durch Ausschüttung von Vasopressin und Parathormon-ähnlichen Hormonen – bei kleinzelligen Lungenkarzinomen bzw. neuroendokrinen Tumoren besonders ▪ SI-ADH/Syndrom der Inadäquaten Produktion von ADH/Anti-Diuretisches Hormon, ▪ Cushing-Syndrom durch ACTH-Ausschüttung mit Anstieg der Kortisolspiegels, Hyperglykämie, Hypokaliämie, Hypertonie, Stammfettsucht und Mondgesicht und ▪ durch Calzitonin-Ausschüttung Hypokalziämie, Muskelzuckungen und Herzarrhythmien, – bei nichtkleinzelligen Lungenkarzinomen besonders ▪ bei PTHrP/Parat-Hormon-related Protein- Ausschüttung durch Plattenepithelkarzinome mit Hyperkalzämie und Polyurie, Dehydratation, Konstipation, Muskelschwäche, Osteoarthropathien ▪ das Lambert-Eaton-Rooke-Syndrom als immunologisch mediiertes pseudomyasthenisches Syndrom • seltener – Schluckstörungen (Dysphagie) durch Tumorkompression, – venöse Stauungen im Bereich des Kopfes, Halses und der Arme (Vena-cava-superiorSyndrom) ▪ Kompression der Vena cava superior durch Tumorinvasion in das Mediastinum, • apikale Lungenkarzinome (Pancoast-Tumoren) bewirken im Stadium T3 bzw. T4 das Pancoast-Syndrom – mit Infiltrationen ▪ des Plexus brachialis und des Ganglion stellatum, ▪ der Thoraxwand mit Rippen und Wirbelkörper, ▪ der subklavikulären Gefäße, – mit je nach den infiltrierten Strukturen ▪ Armschmerzen, Armparese, ▪ Hornersyndrom (bei 23 % der Patienten) mit Trias aus Miosis, Ptosis und Enophthalmus, ▪ Armvenenthrombosen.

8.8 Bösartige Neubildungen der Lunge und Mesotheliome des Pleuraendothels

419

Die Diagnostik erfolgt durch: • spezielle klinische Untersuchung – Auskultation und Perkussion des Thorax, – Ermittlung der Lungenfunktion, ▪ Spirometrie: Bestimmung des FEV1/Forciertes Exspiratorisches 1-SekundenVolumen ▪ Bestimmung des Kohlenmonoxid-Transferfaktors (TLCO/Transfer-factor of the Lung for Carbon-monoxide) ▪ arterielle Blutgase in Ruhe, ▪ ggf. Ganzkörperplethysmografie ▪ ggf. Spiroergometrie – Palpation der Lymphknoten (Lnn supraclavicularis), – Bronchoskopie • bildgebende Verfahren – Sonografie ▪ endobronchiale Sonografie, ▪ TTUS/transthorakaler Ultraschall besonders geeignet für die Erfassung eines Pleuraergusses, – Röntgenaufnahmen des Thorax in zwei Ebenen, – CT (Spiral-CT mit Kontrastmittel) des Thorax und der Oberbauchregion inklusive Leber und Nebennieren, – ggf. MRT (mit Gadolinium als Kontrastmittel), – PET/Positronen-Emissions-Tomografie mit FDG/18Fluoro-desoxyglukose besonders zur Erkennung von ▪ Metastasen in Lymphknoten, ▪ ansonsten okkulten Fernmetastasen, ▪ besonders geeignet für die Erfassung des Entwicklungsstandes von SCLC/ kleinzelligen Bronchialkarzinomen; – szintigrafische Untersuchungen ▪ Knochenmarkszintigrafie (zur Erkennung von Knochenmetastasen bei klinischen Symptomen, und/oder Hyperkalzämie und/oder erhöhter alkalischer Phosphatase), ▪ Lungenperfusionsszintigrafie (zur Ermittlung des geschädigten Lungenbereiches), ▪ Somatostatin-Rezeptor-Szintigrafie zur Erfassung von SCLC/kleinzelligen Bronchialkarzinomen und neuroendokrin differenzierten Tumoren, • Thorakoskopie und Mediastinoskopie – besonders bei Verdacht auf ein Mesotheliom, • zytologische und histologische Untersuchungen von – Sputum und Bronchialschleimaspirationen, – bronchiale Nadelaspirationen (BNA) ▪ bei tumorverdächtigen Bereichen im zentralen Bereich der Lunge, ▪ kontrolliert durch Bronchoskopie oder endobronchiale Sonografie, – perkutane transthorakale Nadelaspirationen (TTNA)

420

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

von Pleuraexsudaten, von brustwandständigen tumorverdächtigen Bereichen, ▪ von Tumoren, die durch Bronchoskopie nicht erfasst werden konnten; – Biopsien im Zuge einer Thorakoskopie oder Mediastinoskopie; Tumormarker im Serum – nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom ▪ die Tumormarker (z. B. SCC, CEA, siehe Kap. 8.1.6) haben keinen ausreichenden Aussagewert für die Diagnose und Verlaufskontrolle, – kleinzelliges Bronchialkarzinom ▪ am aussagefähigsten ist die Bestimmung der LDH/Laktatdehydrogenase, sie ist zumindest gleichwertig der Bestimmung der NSE/Neuronen-spezifische Enolase, Nachweis von Zielmolekülen für Tumorzell-spezifische Therapeutika wie z. B. – spezifische Mutationen von Proto-Onkogenen und Onkogensuppressoren (siehe oben Risikofaktoren, Kap. 8.8.1), – Nachweis des PD-1-Liganden1 auf Tumorzellen als Grundlage für die Verabreichung von Anti-PD-1 und/oder Anti-PD-1L1 Antikörper zur Deblockierung von zytotoxischen T-Lymphozyten und Makrophagen ▪ ▪





Therapiestrategien Unterschiedliche Therapiestrategien liegen vor für • nichtkleinzellige Lungen/Bronchial-Karzinom – im Stadium I−III (siehe Tab. 8.168) – im fortgeschrittenen Stadium (siehe Tab. 8.169) • kleinzelliges Lungen/Bronchial-Karzinom – im Stadium I−III/IV (siehe Tab. 8.170) – im Stadium IV (siehe Tab. 8.171) Die 5-Jahres-Überlebensraten gemäß dieser Therapiestrategien betragen • beim nichtkleinzelligem Lungen-/Bronchial-Karzinom – im Stadium IA: etwa 70−80 %, – im Stadium IB: etwa 55−65 %. – im Stadium IIA, IIB: (N1-Status, intrapulmonale und/oder hiläre Lymphknoten, T1- oder T2-Tumor, Lobektomie und ipsilaterale Lymphknotendissektion) ▪ im Stadium IIA: etwa 45–55 % ▪ im Stadium IIB: etwa 35–45 % – im Stadium IIIA: etwa 15–40 % – im Stadium IIIB: etwa 5–10 % im Stadium IV: etwa < 5 % • beim kleinzelligen Lungen-/Bronchial-Karzinom – im Stadium I/II, N0: etwa 50–70 %, N1: etwa 35–40 % – im Stadium III: etwa 20–30 % im Stadium IV: etwa < 2 %

421

8.8 Bösartige Neubildungen der Lunge und Mesotheliome des Pleuraendothels

Tab. 8.168: Strategie für die Therapie des nichtkleinzelligen Lungen/Bronchial-Karzinoms/NSCLC. (in Anlehnung an Griesinger et al. 2019, Ukena et al. 2018).

Stadium IA Stadium IB

Stadium II A/B Stadium III cT3,N1 cT4,N0/N1 multiple Tumore













chirurgische Resektion

chirurgische Resektion

definitive Radio-Chemotherapie

definitive Radio-Chemotherapie

RadioChemoTherapie

chirurgische Resektion



oder bei Inoperabilität stereotaktische Radiotherapie



danach adjuvante Chemotherapie





danach adjuvante Chemotherapie



oder

danach

Präoperative/ InduktionsChemotherapie

Radiotherapie Mediastinum





danach

oder

Pneumektomie

InduktionsChemotherapie





Stadium IIIA1, IIIA2, IIIA3u



Stadium IIIA3m, IIIA4, IIIAT4,N0/N1



Stadium IIIB Stadium IIIC



danach falls CR, PR, NC PD-1L1 > 1 %

danach falls CR, PR, NC PD-1L1 > 1 %

Anti-PD-1L1Antikörper (Durvalumab)

Anti-PD-1L1Antikörper (Durvalumab)



oder

RadioChemoTherapie

RadioChemoTherapie

danach chirurgische Resektion

danach

danach

chirurgische Resektion

Radiotherapie Mediastinum

Pneumektomie

oder

oder

Induktionschemotherapie

Induktionschemotherapie



danch Radiotherapie Mediastinum

▾ ▾









danach

danach

chirurgische Resektion

chirurgische Resektion



chirurgische Resektion



danach





danach



oder



PancoastTumor



danach

danach

Radiotherapie

Radiotherapie





Nachsorge: klinische Untersuchung, CT-Thorax und Lungenfunktionsprüfung nach 3 und 6 Monaten, danach alle 6 Monate über 2 Jahre, nachfolgend 1 ×/Jahr

422

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.169: Strategie zielgerichteter Therapie für fortgeschrittene nicht-kleinzellige Lungen-/ Bronchial-Karzinome/NSCLC (in Anlehnung an Griesinger et al. 2019; Ukena et al. 2018). Stadium IV Therapie mit Inhibitoren onkogener Kinasen ALK

ROS

BRAF

EGFR

Translokation

Translokation

Mutation V600E

Deletion 19

Mutation L858R

Mutation Exon 18–21

Mutation T790M

Insertion Exon 20

Fusionsprotein 1–3



















Alectinib

Crizotinib

Dabrafenib + Trametinib

Osimertinib

Osimertinib

Osimertinib

Osimertinib





oder/ bzw falls Progression

oder/ bzw. falls Progression

Crizotinib

Cabozantinib

Erlotinib

Ceritinib

Ceritinib

oder

Brigatinib

oder

Gefitinib

oder

Lorlatinib

NTRK

Larotrectinib

▾ oder Afatinib oder Dacomitinib

▾ falls Progression Rebiopsie

Lorlatinib

T790M (+)

T790M (–)

▾ falls keine ®Vortherapie mit Osimertinib





falls Progression

falls Progression



Osimertinib

oder/ bzw. falls Progression

▾ falls Progression







falls Progression

falls Progression



Immuno-Chemotherapie

PD-1L1 (Status ≥ 1 %) auf Tumorzellen





geeignet

ungeeignet

unabhängig von PD-1L1 und Mutationen PlattenEpithelkarzinom

Nicht-PlattenEpithelkarzinom

PlattenEpithelkarzinom

Nicht PlattenEpithelkarzinom

423

8.8 Bösartige Neubildungen der Lunge und Mesotheliome des Pleuraendothels







Carboplatin + Paclitaxel/ nAlbPaclitaxel + Anti-PD-1-AK (Pembrolizumab)

Anti-PD-1 AK (Pembrolizumab)

▾ falls Progression NPEC

PEC





Cis/ Carboplatin + Pemetrexed+ AntiVEGF-AK

Cis/ Carboplatin + Pemetrexed

Cis/ Carboplatin + Permetrexed + Anti-PD-1 AK







Carboplatin + Paclitaxel/ nAlb-Paclitaxel

Cisplatin/ Carbo-platin + Pemetrexed + +Anti-VEGFAntikörper (Bevacizumab)

oder Carboplatin + Paclitaxel + Ant-VEGF-AK+ Anti-PD-1- AK













falls Progression

falls Progression

falls Progression

falls Progression

falls Progression

falls Progression

Drittlinie Therapie

Docetacel +/− VEGFR Inhibitor (Nintedanib)*

Docetacel +/− AntiVEGoder oder Afatinib FRAK (Ramucirumab)

oder

Erlotinib

AntiPD-1 AK (Pembrolizumab) +/− oder AntiPD-1-L1 AK (Atezolizumab)

Gemcitabin + oder Pemetrexed** +Vinorelbin

▾ oder bestmögliche palliativ/symptomatische Therapie

*) Nintedanib nur bei Adenokarzinomen; **) Pemetrexed nur bei Nicht-Plattenepithel-Karzinomen ALK = Anaplastic Lymphoma Kinase; BRAFV600E = Punkmutation im BRAF-Gen; EGFR = Epidermal Growth Factor Receptor; Exon 18–21 = Punktmutationen oder Duplikationen; NTRK = Neurotrophische Rezeptor-Tyrosinkinase Fusionsprotein von NTRK1, -2, -3 T790M = Punktmutation im Exon 20 alleine oder in Kombination mit anderen Mutationen, AK = Antikörper; nAlb-Paclitacel = Albumin-gebundenes Paclitacel; Nintedanib = Inhibitor der VEGFR, FGFR, PDGFR; PD-1 = Program Cell-Death-Rceptor-1; PD-1L1 = PD-1-Ligand1; VEGFR = VascularEndothelial-Cell-Growth-Factor-Receptor

424

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.170: Strategie zur Therapie des kleinzelligen Lungen-/Bronchial-Karzinoms/SCLC (in Anlehnung an Wolf et al. 2019, Ukena et al. 2018). Stadium I–II (VLD) T1–2, N0/N1

Stadium III (LD)

Stadium IV (ED)





SCLC bioptisch gesichert nein



ja





oder





chirurgische Resektion + (ggf. Nachweis SCLC)

palliative Chemo-Immuntherapie (siehe Tab. 8.171)



Radio*-Chemotherapie Cisplatin + Etoposid 4 -6 Zyklen



CR, PR der Metastasen aber noch thorakaler Resttumor



und

CR, PR, NC aller Tumore Metastasen



und

adjuvante Chemotherapie Cisplatin + Etoposid 4 Zyklen



prophylaktische Radiotherapie Schädel



perkutane RadiotherapieMediastinum



und prophylaktische Radiotherapie Schädel





und

und

regelmäßige Nachsorge

regelmäßige MRT-Kontrolle Schädel bei cerebralen Metastasen Radiotherapie Schädel





▾ bei Rezidiven (R)





resektabel

nicht resektabel

chirurgische Resektion

R > 6 Monate

R >3 4,0 mm

T4a

N0

M0

ohne Ulzeration

T4b

N0

M0

mit Ulzeration

T4

Benach- Prognose bartes 5-JahresGewebe Überleben

M0

Metastase in 1 regionalem Lymphknoten oder Intransit-, Satelliten und/oder Mikrosatelliten Metastase ohne Metastase im Lymphknoten

N1a

M0

LK-Mikrometastase (klinisch okkult, z. B. über Wächter-Lymphknoten-Biopsie erkannt)

N1b

M0

LK-Makrometastase (klinisch fassbar)

N1c

M0

Intransit-, Satelliten und/oder Mikrosatelliten Metastase ohne Metastase im regionären Lymphknoten

M0

Metastasen in 2–3 regionalen Lymphknoten oder Satellitentumoren oder Intransit-, Satelliten und/oder Mikrosatelliten Metastasen + 1 LK-Metastase

N2a

M0

2–3 Mikrometastasen (klinisch okkult, z. B. über Wächter-Lymphknoten-Biopsie erkannt)

N2b

M0

≥ 1 Makrometastase klinisch fassbar (von 2–3 Lk-Metastasen)

M0

Satelliten-, in Transit- und/oder Mikrosatelliten Metastasen + 1 Lk- Metastase (Mikro oder Makro)

N1

N2

N2c

> 95 %

~ 90–95 %

~ 75–90 %

~ 60–80 %

~ 45–70 %

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

Metastasen in ≥ 4 regionalen Lymphknoten oder intralymphatische Metastasen (Satelliten-Metastasen, in Transitmetastasen)

M0

Metastasen in ≥ 4 regionalen Lymphknoten +/– Intransit-, Satelliten und/oder Mikrosatelliten Metastasen

N3a

M0

≥ 4 Lymphknoten mit okkulten Metastasen

N3b

M0

≥ 4 Lymphknoten mit Metastasen, davon ≥ 1 klinisch fassbare Makro-Metastase

N3c

M0

Intransit-, Satelliten und/oder Mikrosatelliten Metastasen + ≥ 2 okkulte oder klinisch fassbare metastatisch befallene Lymphknoten und/oder „verbackenes“ Lymphknotenkonglomerat

N1a, N2a

M0

T1a/-T2a

N1b/c oder N2a

M0

T2b–T3a

N1a, N2b

M0

T0

N1b, N1c

M0

T1–T3a

N2c oder N3a/b/c

M0

T3b-T4a

Jedes N ≥ N1

M0

T4b

N1a-N2c

M0

T0

N2b, N2c N3b oder N3c

M0

T4b

N3a7b7c

M0

IIIA T1a/b–T2a

III

Benach- Prognose bartes 5-JahresGewebe Überleben

M0

N3

IIIB

Haut

461

~ 25–70 %

~ 20–50 %

IIIC

IIID

IV

jedes T

jedes N

~ 20–30 %

M1a (0) oder (1)

Metastasen in der Haut, Unterhaut, Muskel und/oder in entfernten (nichtregionalen) Lymphknoten (0) = LDH im Serum normal (1) = LDH im Serum erhöht

≤ 20 %

M1b (0) oder (1)

Metastasen in der Lunge (+/− M1a-Metastasen) (0) = LDH im Serum normal, (1) = LDH erhöht

< 10 %

M1c (0) oder (1)

Metastasen in allen anderen Organen oder jede Fernmetastase (+/− M1a/M1b-Metastasen) (0)= LDH im Serum normal, (1) = LDH erhöht

≤ 10 %

M1d (0) oder (1)

Fernmetastasen im ZNS (+/− M1a/M1b/M1c-Metastasen) (0)= LDH im Serum normal, (1) = LDH erhöht

462

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Derzeit werden etwa 90 % der Melanome als Primärtumoren ohne klinisch erkennbare Metastasen diagnostiziert. Die Metastasierung erfolgt jedoch bereits in einem sehr frühen Stadium und bei einem verhältnismäßig kleinen Primärtumor (siehe Tab. 8.187) und zwar • lymphogen in die das Tumorgebiet drainierende Lymphgefäße (etwa 2/3 aller Erstmetastasierungen) mit – Satelliten-Metastasen, etwa 2 cm rund um den Primärtumor gelegen, – in Transit-Metastasen, die in der Haut (längs der Lymphgefäße) bis zum ersten drainierenden Lymphknoten gelegen sind, – Metastasen in regionalen Lymphknoten und in entfernteren nachgeordneten Lymphknoten, welche häufig über lange Zeit nur mikroskopisch erkennbar sind, • hämatogen besonders in die Lunge, die Leber, den Gastrointestinaltrakt, das Knochenskelett und/oder in Hirnhäute und Gehirn. Histologische Klassifizierung Melanome sind feingeweblich charakterisiert durch: • atypische Melanozyten als Einzelzellen oder Zellnester an der dermoepidermalen Grenze mit – Ausbreitung nach aufwärts und asymmetrisch zur Seite ▪ ggf. invasivem Wachstum durch die Basalmembran in die Dermis und Subkutis, ▪ häufig inflammatorischen assymmmetrischen Infiltraten, – variabler Größe und Form ▪ oval, klein und rund, groß und rund, spindelig, dendritisch, polygonal, pagetoid, epitheloid, balloniert oder vielkernig, ▪ mit Neigung zur Konfluenz, ▪ mit Nekrosen von Einzelzellen und Zellverbänden, ▪ mit Freisetzung von Melanin (Pigmentinkontinenz), – Zellkernen, ▪ die atypisch groß, hyperchromatisch und pleomorph sind, ▪ mit teils prominenten Nukleoli; ▪ mit einer gesteigerten Anzahl von Mitosen,

Tab. 8.188: Histopathologische Klassifizierung von Melanomen.

Histopathologische Klassifizierung

Relativer Anteil

Relative Prognose

4–13 %

besser

Makroskopisch Lentigo maligna

Melanoma in situ, meist im Gesicht von älteren Personen

Lentino maligna Melanom

Melanom, meist im Gesicht von Personen > 70 Jahre, horizontale Ausbreitung

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)

Histopathologische Klassifizierung

463

Relativer Anteil

Relative Prognose

superfiziell spreitendes Melanom (SSM),

flach erhaben, häufig mit farblicher Vielfalt, hellen Regressionszonen und knotigen Anteilen, horizontal flächige Ausbreitung

40–70 %

besser

noduläres (knotiges) Melanom

knotig, meist schwarzbraun, häufig erosiv-blutig, keine anfänglich horizontale Wachstumsphase, daher schwer in der Frühphase zu diagnostizieren, vertikale Ausbreitung

15–35 %

schlechter

akral-lentiginöses Melanom

entwickelt sich an den Gliedmassenspitzen (Finger, Zehen) aus unscharf begrenzten, nicht zusammenhängenden Pigmentierungen; mit beginnendem invasiven Wachstum entstehen knotige Anteile

2–9 %

schlechter

amelanotisches Melanom

keine oder nur geringe Pigmentierung durch Melanin

5 mm – E: Erhabenheit • ein Primär-Melanom kann sich partiell oder komplett zurückbilden, – kann dabei aber bereits Metastasen gebildet haben. Bildgebende Verfahren zur Erfassung/zum Ausschluss von Metastasen bei Invasionstiefe des Primärtumors von ≥ 1 mm: • Sonografie (mit Schallkopf ≥ 7,5 MHz) – der Lymphabflussregion des Primärtumors inklusive der „in Transit“-Strecke zu den regionalen Lymphknoten, – der regionalen und nachgeordneten Lymphknoten, – des Abdomens, • PET/CT mit FDG/18Fluoro-desoxyglukose des gesamten Körpers, – wobei PET/CT die Methode der Wahl zur Diagnostik von Melanom-Metastasen darstellt, • MRT des Schädels, • ggf. Röntgen-Aufnahmen des Thorax (aus 2 Ebenen), • ggf. CT mit Kontrastmittel des Thorax und des Abdomens, • ggf. Knochenszintigrafie bei Knochenschmerzen

465

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)

Tab. 8.189: Strategie der klinischen Diagnostik des Melanoms (in Anlehnung an Eigenter et al. 2020). Stadium IA

Stadium IB + IIA + IIB

Stadium IIC + III

Stadium IV









Adspektion, Digitale Dermatoskopie

Adspektion, Digitale Dermatoskopie

Adspektion, Digitale Dermatoskopie

Adspektion, Digitale Dermatoskopie









LymphknotenPalpation

LymphknotenPalpation

LymphknotenPalpation

LymphknotenPalpation







Sonografie (lokoregionale Lymphknoten)

Sonografie (lokoregionale Lymphknoten; ggf. Abdomen)

Sonografie (lokoregionale Lymphknoten, Abdomen)







Tumormarker S100B

MRT (Kopf)

MRT (Kopf)

▾ nur bei Verdacht Sonografie (lokoregionale Lymphknoten) + Tumormarker S100B ggf. MRT (Kopf)

▾ nur bei Verdacht MRT (Kopf)





PET/CT (Ganzkörper) ggf. CT (Thorax)

PET/CT (Ganzkörper) ggf. CT (Thorax)





Tumormarker S100B; LDH

ggf. Knochenszintigrafie

▾ Tumormarker S100B; LDH

Bei klinischem Verdacht auf ein malignes Melanom soll dieses mit kurativer Zielsetzung chirurgisch exzidiert werden. Die chirurgische Exzision des möglichen Melanoms erfolgt komplett und radikal: • als primäre Resektion mit einem lateralen Sicherheitsabstand von etwa 2 mm und bis ins Fettgewebe tief, – ggf. als Stanzbiopsie, als Flachbiopsie oder als eine spindel-förmige Exzision, – ein Sicherheitsabstand > 2 mm zerstört Lymphabflusswege und kann eine nachfolgende Auffindung von Wächterlymphknoten beeinträchtigen

466 •

• • •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Bei kurativer Tumor-Resektion sollten zur Vermeidung von Lokalrezidiven die Sicherheitsabstände zu Tumorrand dem Tumorstadium und der Tumordicke Rechnung tragen und im Bereich von 3–10 mm liegen, auf jeden Fall jedoch bei – ≥ 1 cm im Falle von Stadium pT1, pT2 und Tumordicke ≤ 1 bis 2 mm, – ≥ 2 cm im Falle von Stadium pT3, pT4 und Tumordicke > 2 bis > 4 mm, – bei anatomisch kritischen Lokalisationen (z. B. Gesicht, Ohren, Finger) können diese Sicherheitsabstände geringfügig variieren, – bei Einsatz der 3-D-Histologie (mikrografisch kontrollierte Chirurgie) ist hierdurch das Risko vermehrter Lokalrezidive bzw. eines geringeren Gesamtüberlebens nicht erhöht, – die Exzision sollte bis maximal ins Unterhautfettgewebe erfolgen. Eine Exzision der darunterliegenden Faszie bringt im Regelfall keine Vorteile, eine Inzisionsbiopsie oder eine Feinnadelbiopsie sollte vermieden werden, zeigt sich makroskopisch oder mikroskopisch ein R2 bzw. ein R1 Status, muss nachreseziert werden, falls eine R0-Resektion hierdurch möglich erscheint. die resezierten verdächtigen Bereiche und/oder Primärtumoren sind histologisch zu untersuchen in Bezug auf – histologischer Typ, quantitative und qualitative Invasionstiefe, Ulzeration, Regressionsareale,

Wächterlymphknoten (erstdrainierende Lymphknoten eines Melanoms, SLN/Sentinel Lymph Nodes) • werden vor oder im Zuge der kurativen Tumorresektion erfasst mit Hilfe – der präoperativen Lymphszintigrafie (intradermale Injektion von 99mTCTechnetium-Nanokolloid, Partikelgröße 0,05–0,8 μm) und intraoperativ manuell gelenkter Gammasonde oder mit Hilfe der statischen SPECT/CT Single-Photon-EmissionsComputer-Tomografie/CT, – der intradermalen Injektion von Farbstofflösungen (z. B. Trypanblau oder Patentblau), – wobei die Tumor-Metastase im Lymphknoten die Aufnahme des Markers beeinträchtigen kann, • sollten exzidiert werden, – bei primären Melanomen mit einer vertikalen Tumordicke von > 1 mm oder von > 0,75 mm, falls Risikofaktoren vermehrt sind (Patienten < 40 Jahren, ulzerierendes Melanom, erhöhte Mitoserate) und – falls nicht bereits klinische Anhaltspunkte für eine Metastasierung in die regionalen Lymphknoten und/oder für Fernmetastasen vorliegen, • sollten histologisch untersucht werden – auf Nävuszellen oder Melanomzellen, – im Fall von Melanomzellen auf prognostisch wichtige zytologische Parameter, – mit Angabe des größten Durchmessers der Mikrometastase; • dienen dem gezielten mikroskopischen Nachweis/Ausschluss von Melanommetastasen in den regionalen Lymphknoten für – die Einstufung des Stadiums der Melanomerkrankung,

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)

– –

467

die Wahl der bestmöglichen Therapie und die Abschätzung der Prognose (Lymphknoten-Metastasen verschlechtern deutlich die Prognose).

Der Absicherung der Diagnose dienen daher • der immunhistologische Nachweis von Melanom-assoziierten Tumormarker, welche überlappend bei ca. 60–80 % der Melanome anzutreffen sind, wie z. B. – S-100, Melanom-assoziiertes saures, kalziumbindendes Protein (Regulator der Zellzyklus-Progression und Differenzierung); bleibt bei 100 %-iger Sättigung mit Ammoniumsulfat in Lösung, – Gp 100, Komponente der melanosomalen Oxidoreduktasen, wird nachgewiesen durch den monoklonalen Antikörper HMB-45, – Melanom assoziiertes Antigen 100+/7 kDa, wird nachgewiesen durch den monoklonalen Antikörper NKI/C3, – NSE/Neuronen-Spezifische Enolase, – Melan A/MART-1, ein 13 kDa/22 kDa Differenzierungsantigen von Melanozyten und Melanomzellen, nachgewiesen durch monoklonale Antikörper; • der molekularbiologische (RT-PCR/Reverse Transcriptase-Polymerase Chain Reaction) Nachweis von DNA (oder RNA) kodierend für – Tyrosinase (Monophenol-Monooxygenase), welche die Oxidation von Tyrosin katalysiert zur Synthese von Melanin, – MAGE-3/Melanom-Assoziiertes Antigen-3 (Funktion noch weitgehend unbekannt), – Muc-18/MCAM/Melanoma Cell Adhesion-Molecule; integrales Membran-Glykoprotein (113 kDa), dessen Expression mit schlechter Prognose und der Entwicklung von Metastasen korreliert, – MAP97/Melanoma-assoziiertes Antigen 97/Melanotransferrin, ein Homolog des Transferrin-Rezeptors (97 kDa) – K-Ras Wildtyp – B-Raf-Mutationen, im Besonderen V600E und im Exon 15 sowie Codon 600 Misense – NRAS-Mutationen – C-Kit-Mutationen die biochemische Untersuchung des Blutserums, besonders bei Primärtumoren mit • einer Eindringtiefe von > 1 mm oder bei Verdacht auf eine Melanommetastase, ohne dass ein Primärtumor klinisch erkannt worden wäre (okkultes Primärmelanom, CUP/ Cancer of Unknown Primary-Syndrom); zu den Messgrößen gehören – Melanom-assoziierte Substanzen des Melaninstoffwechsels ▪ 5-S-Cystein-Dopa, 6-Hydroxy-5-Methoxyindol-2-Carboxylsäure, Tyrosinase, – Melanom-assoziierte Antigene ▪ NSE/Neuronen Spezifische Enolase, ▪ MIA/Melanom-Inhibierende Aktivität, ▪ S100β, Melanom assoziiertes saures, kalziumbindendes Protein (s. o.),

468

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



Faktoren, die bei Entzündungs- oder Zellnekrosevorgängen freigesetzt werden, wie z. B. ▪ LDH/Laktat-De-Hydrogenase, ▪ S-MMP-2/Serum-Matrix-Metalloprotease-2, ▪ alkalische Phosphatase ▪ CRP/C-Reaktives Protein, ▪ Interleukine, wie IL-6, IL-8, IL-10, ▪ abgeschilferte interzelluläre Adhäsionsmoleküle wie z. B. s-ICAM-1/soluble Inter-Cellular Adhesion -Molecule, s-VCAM/soluble Vascular Cell Adhesion Molecule.

Zielsetzung bei der Auswahl der Untersuchungsmethoden muss sein • die Einordnung eines Melanoms entsprechend der TNM-Klassifikation (Tumordicke nach Breslow, Ulzeration, Mitoserate bei Tumordicke < 1 mm, Infiltrationen, Lymphknoten-Metastasen, Fernmetastasen). • die Bestimmung des histologischen Tumortyps (WHO-Klassifikation) und • die Angabe von relevanten histopathologischer Besonderheiten, wie mögliche Assoziation zu einem melanozytären Nävus, eine Regressionszone, morphologische Besonderheiten (z. B. desmoplastische Melanomanteile) und Gefäßeinbrüche.

Therapiestrategien Kurativ erfolgreich ist die chirurgische Entfernung des Tumors (siehe Tab. 8.191). Auch wenn mit Hilfe der Immuntherapie, der Ziel-gerichteten Therapie mit Proteinkinase-Inhibitoren und der Chemotherapie im fortgeschrittenen Stadium Tumorregressionen erzielt und zum Teil auch deutliche Verlängerungen der Lebenszeit erreicht werden können, sollte es das Ziel sein, ein Melanom: • frühzeitig (Stadium I/II) zu erkennen und • kurativ, d. h. radikal (R0) chirurgisch zu entfernen.

Tab. 8.190: Strategie der Therapie des Melanoms (in Anlehnung an Eigenter et al. 2020). Stadium I A, B

Stadium II (A, B, C)

Stadium III (A–D)

Stadium IV







Allgemeinbefinden

chirurgische Resektion Primärtumor

Chirurgische Resektion Primärtumor

Chirurgische Resektion Primärtumor



bei Stadium IB (Tumordicke > 1 mm, oder Ulzeration)



und (Tumordicke > 1 mm Ulzeration, Mitoserate)



und Tumordicke > 1 mm

gut (ECOG 0–1



schlecht (ECOG > 1)



ggf.

ggf.

Chirurgische Resektion Primärtumor

bestmögliche palliativ/ symptomatische Therapie

469

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)

Resektion der Wächterlymphknoten

▾ bei ≥ 1 LkMetastase ≥ 0,1 mm therapeutische Adenektomie regionaler Lymphknoten

▾ ggf. (z. B. bei ≥ 3 Lk-Metastasen)

perkutane Radiotherapie

▾ und Nachsorge regelmäßige Kontrolluntersuchungen

Resektion der Wächterlymphknoten



Resektion der Wächterlymphknoten



bei N0

ggf. (z. B. bei ≥ 3 LkMetastasen)

adjuvant Interferon α

perkutane Radiotherapie

▾ bei ≥ 1 LkMetastase ≥ 0,1 mm

therapeutische Adenektomie regionaler Lymphknoten

▾ und

adjuvant Anti-PD-1Antikörper +/− Anti-CTLA4Antikörper



ggf. (z. B. bei ≥ 3 Lk-Metastasen)

sobald Progression ( je nach Mutationen)

perkutane Radiotherapie

B-Raf-Inhibitoren MEK-Inhibitoren c-Kit-Inhibitoren

▾ und

Nachsorge regelmäßige Kontrolluntersuchungen

▾ oder besondere Behandlungs verfahren

siehe Stadium IV

▾ und ggf. therapeutische Adenektomie regionaler Lymphknoten

▾ bei Fernmetastasen (falls R0 möglich)



bei Hirnmetastasen



Resektion FernMetastasen

Radiotherapie





und/oder (falls nur R1/R2 möglich)

oder besondere Behandlungsverfahren

adjuvant Anti-PD-1Antikörper +/− Anti-CTLA4Antikörper

▾ falls Progression (je nach Mutation)

▾ bei Tumoren/ Metastasen Arme/Beine isolierte Extremitätenperfusion Cisplatin, Bleomycin

▾ bei zugänglichen Metastasen

B-RafIL-2 intra-tumoral Inhibitoren MEK-Inhibitoren Elektrochemotherapie c-Kit-Inhibitoren Talimogene Laherparepvec







und/oder

oder

oder

Nachsorge/ Kontrolluntersuchungen

Chemotherapie Dacarbazin/DTIC, Temozoamid Mono- oder Kombitherapie

▾ und

▾ ggf.

Nachsorge/Kontrolluntersuchungen

▾ ggf. bestmögliche palliative/symptomatische Therapie

470

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Chirurgische Verfahren • Exzision des Primärtumors mit ausreichendem Randbezirk gesunden Gewebes (R0) – die Größe des Randbezirke soll abhängig von der quantitativen Eindringtiefe (nach Breslow) des Tumors gewählt werden ▪ Melanoma in situRandbezirk: 5 mm ▪ Eindringtiefe ≤ 2 mm Randbezirk: 10 mm ▪ Eindringtiefe > 2 mm Randbezirk: 20 mm ▪ Eindringtiefe > 4 mm Randbezirk: 30 mm – ggf. Amputation von Finger- oder Zehen-Endgliedern bei akral-lentiginösem Melanom, • Exzision der Wächterlymphknoten (siehe Diagnostik, Kap.8.9.4) • radikale Exzision der regionalen Lymphknoten (therapeutisch zur Verminderung der Rezidivierung), – ab Stadium III (IIIB/IIIC), – falls die Lymphknoten-Metastasen ▪ einen Durchmesser von 0,1–1 mm besitzen („kann“-Situation), ▪ einen Durchmesser von > 1 mm besitzen („muss“ – Situation), ▪ die Lymphknotenkapsel infiltriert haben, ▪ in die Tiefe eingedrungen sind, ▪ in größerer Anzahl vorliegen (besonders in den Wächter-Lymphknoten), – falls der Primärtumor eine Dicke > 2 mm aufweist und/oder ulzeriert ist, – je nach Lage des Tumors betrifft dieses ▪ im Kopf-Halsbereich die zervikalen, fazialen und/ parotidalen Lymphknoten ▪ bei den oberen Extremitäten und dem oberen Rumpf die axilären Lymphknoten und die Level I, II und III – Lymphknoten ▪ bei den unteren Extremitäten und dem unteren Rumpf die inguinal-femoralen Lymphknoten und ggf. die iliakalen und obturatorischen Lymphknoten – falls in den regionalen Lymphknoten mikroskopisch keine Metastasen gefunden werden können, ▪ keine weitere Lymphadenektomie, Exzision der „Satelliten-Metastasen“ und der „in-Transit-Metastasen“ besonders längs • der regionalen Lymphbahnen. • Exzision aller Fernmetastasen (soweit möglich), • Exzision aller Rezidive lokal im Bereich des Primärtumors als auch im Gebiet der regionalen Lymphknoten oder Fernmetastasen. Radiotherapie Melanome sind relativ strahlenresistent. Jedoch wird die perkutane Radiobestrahlung mit dem Zielgebiet Tumorregion durchgeführt: • mit kumulativ 50–60 Gy im Zielgebiet (fraktioniert in 5 × 1,8–2,5 Gy/Woche) – mit kurativer Zielsetzung, ▪ falls keine R0-Resektion möglich ist, bzw. bei R1-R2-Resektionen ▪ bei Lentigo-maligna-Melanomen (falls keine chirurgische Resektion möglich ist)

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)

471

bei desmoplastischen Melanomen (im Besonderen bei R1/R2-Resektions-Status) nach einer Lymphadenektomie, falls eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist ▪ ≥ 3 Lymphknoten mit Metastasen, ▪ Kapseldurchbruch der Metastase in ≥ 1 Lymphknoten, ▪ ≥ 1 Lymphknoten-Metastase mit einem Durchmesser > 3 cm, ▪ Tumorrezidiv in dem regionalen lymphozytären Abflussgebiet, mit palliativer Zielsetzung, z. B. ▪ zur Verminderung von durch das Melanomvolumen bedingten klinischen Beschwerden, ▪ bei Metastasen im Rückenmarksbereich, ▪ als Ganzhirnbestrahlung bei multiplen Hirnmetastasen und einer Lebenserwartung > 3 Monate, ▪ als stereotaktische Einzeitbestrahlung bei Einzel-Metastasen im Gehirn ▪ zur Volumenreduktion von Knochenmetastasen, ▪ mit kumulativ 30–35 Gy fraktioniert in 3 Gy täglich an 5 Tagen/Woche. ▪





Immuntherapie, Zielgerichtete Therapie und Chemotherapie Im Vordergrund steht die postoperative/adjuvante Immuntherapie mit: • Interferon-α-2a oder -2b zur Verlängerung der rezidivfreien und ggf. auch der gesamten Überlebenszeit; • PEG/Poly-Ethylen-Glykol-konjugiertes Interferon (pegyliertes Interferon) weist eine verlängerte Blutverweilzeit und damit Verfügbarkeit in vivo auf (siehe Tab. 8.191 und Kap. 7.7.2) Zur Behandlung von inoperablen Rezidivtumoren, inoperablen regionären Metastasen (Stadium III) oder von Fernmetastasen (Stadium IV) stehen Behandlungsprotokolle zur Verfügung (siehe Tab. 8.191). Diese umfassen • monoklonale Antikörper gerichtet gegen und zur Inhibition blockierender Rezeptoren auf T-Lymphozyten (Immun-Check-Point-Inhibitoren, siehe Kap. 7.7.1.3) und damit zur Aktivierung der körpereigenen Immunabwehr gegen den eigenen Tumor wie z. B. – Anti-PD-1 Antikörper wie Nivolumab und Pembrolizumab, – Ant-CTLA4- Antikörper wie Ipilimumab, – wobei deren Verabreichung beim Melanom ▪ das Progressions-freie Überleben und das Gesamt-Überleben deutlich verlängern können, ▪ in Kombination mit Dacarbazin (DTIC) die anti-tumorale Wirkung sogar verstärken kann. die intra-tumorale Injektion von IL-2, • • die intra-tumorale Injektion von 106 plaque-forming units (PFU)/ml, nachfolgend ≥ 108 PFU/ml von genmodifizierten HSV-1 Viren (Talimogene-Laheroarevec), welche – durch Deletion des Gens für ICP34.5 bevorzugt in Melanomzellen, nicht oder kaum in Normalzellen replizieren und zur Zytolyse zu führen,

472

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren





• •



durch Deletion des Gens für ICP47 nicht mehr in der Lage sind, die Expression von MHC-I in der Wirtszelle/Melanomzelle zu unterdrücken – durch das Transgen für GM-CSF die Chemotaxie und Antigenpräsentation von Dendritischen Zellen und Makrophagen stimulieren und hierdurch eine Immunantwort des Patienten gegen seinen Tumor stimulieren, Inhibitoren der Proteinkinase von im Melanom häufig aktivierend mutierten SignalMolekülen wie z. B. – die B-Raf (Mutation V600E oder V600K) Inhibitoren Vemurafanib, Encorafenib oder Dabrafenib – die MEK-Inhibitoren Trametinib, Cobimetinib oder Binimetinib; da MEK das Substrat von (mutierten) B-Raf ist, wird dessen Aktivität und damit der des MAK-Signalwegs inhibiert, – vorzugsweise verabreicht in den Kombinationen ▪ Dabrafenib + Trametinib ▪ Encorafenib + Binimetinib ▪ Vemurafenib + Cobimetinib – die N-Ras-Inhibitoren (zur Blockade von B-Raf-Wild-Typ) wie z. B. Binimetinib – die c-Kit/SCFR (Stemcell Growth Factor-Receptor) Inhibitoren ▪ Imatinib bei aktivierende Mutationen im Exon 11 und 13, ▪ Dasotinib und Nilotinib bei aktivierende Mutationen im Exon 17, – wobei deren Verabreichung beim Melanom das Überleben deutlich verlängern können, Alkylantien zur Monotherapie, wie z. B. Dacarbazin/DTIC Kombinationen von Alkylantien (im Besonderen Dacarbazin) mit – mit anderen Zytostatika, – mit Interferon α – mit Anti-PD-1 Antikörpern und/oder Anti-CTLA4-Antikörpern spezielle Verabreichungen von Zytostatika wie z. B. – die intra-tumorale Elektroporation (z. B. 1.000 Volt und acht Impulse von 100 μs)Chemotherapie mit Bleomycin oder Cisplatin, – die isolierte Extremitätenperfusion bei Melanomen in den Gliedmaßen, z. B. mit Melphalan, Cisplatin oder Dacarbazin (DTIC/Dimethyltriazeno-Imidazol-Carboxamid), – die Infusions-, Perfusions- und Embolisationsmethoden bei Lebermetastasen.

Die teils beträchtliche Toxizität dieser Kombinationstherapien ist abzuwägen gegen den therapeutischen Gewinn, der erzielt werden kann. Je nach Ausmaß der Metastasierung ist dieser Gewinn unterschiedlich: • begrenzte Metastasierung (LD/limited Disease) – in Haut, Weichteile, Lymphknoten und Lunge, – zeigt ein größeres therapeutisches Ansprechen, • ausgedehnte Metastasierungen (ED/extensive Disease) – in Leber, Magen-Darm, Skelett und Gehirn, – zeigen ein geringeres therapeutisches Ansprechen.

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)

473

Tab. 8.191: Therapeutika für das Melanom. Tag der Verabreichung

Wiederholung (Dauer)

106 Einheiten/Tag

1+3+5

wöchentlich, (18–24 Monate)

zu Beginn: 20 × 106 IE/Tag

1–5

wöchentlich, (1 Monat)

danach: 10 × 106 IE/Tag

1–5

wöchentlich (11 Monate)

zu Beginn: 6 μg/kg/Tag

1

wöchentlich (2 Monate)

danach: 3 μg/kg/Tag

1

wöchentlich (≤ 5Jahre)

3 mg/kg KGW

1

alle 21 Tage (4 Zyklen)

Pembrolizumab

10 mg/kg

1

Nivolumab

240 mg

1

alle 14/21 Tage (4 Zyklen)

(Atezolimumab)

840 mg

1, 15

alle 28 Tage

(Durvalumab)

10 mg/kg KGW

1

alle 2 Wochen (12 Monate)

(Avelumab)

10 mg/kg KGW

1

alle 2 Wochen

Therapeutikum

Dosis (z. B.) Immuntherapie

Niedrigdosis

Interferonα-2b/-2a Hochdosis

PEG-Interferon α-2b

Ipilimumab Anti CTLA4-Antikörper (Tremelimumab) Anti-PD-1

Anti-PD1-L1 Antikörper

Proteinkinase-Inhibitoren

B-Raf

MEK

Mutation V600E oder V600K

Verstärken der Inhibition des mutierten B-Raf

Vemurafenib

960 mg p. o.

2 × täglich

(bis Progression)

Dabrafenib

300 mg (2 × 150 mg)

täglich

(bis Progression)

Encorafenib

450 mg

1 × täglich

(bis Progression)

Trametinib

2 mg

täglich

(bis Progression)

Cobimetinib

60 mg

1–21 Tage, täglich

monatlich

Binimetinib

90 mg (2 × 45 mg)

täglich

(bis Progression)

Imatinib

400 mg, ≤ 800 mg

1 × täglich

(bis Progression)

Nilotinib

600 mg (2 × 300 mg)

täglich

(bis Progression)

Dasatinib

10–140 mg

täglich

(bis Progression)

Binimetinib Nras

Inhibition des B-Raf Wild-Typs Mutation im Exon 11,13

c-Kit Mutation im Exon 17

474

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Chemotherapie (Kombinationen)

CP

Carboplatin AUC6 i. v. + Paclitaxel 225 mg/m² i. v., Ab 5. Zyklus Carboplatin AUC5 i. v. + Paclitaxel 175 mg/m² i.v

1

alle 21 Tage

GT

Gemcitabin 1000 mg/m² i. v. + Treosulfan 3500 mg/m² i. v.

1+8

alle 28 Tage

DVP

DTIC (Dacarbacin) 450 mg/m² i. v. + Vindesin 3 mg/m² i. v. + Cisplatin 50 mg/m² i. v.

1+8

alle 21/28 Tage

BCNU+HU

1

alle 56 Tage

DTIC

1–5

alle 28 Tage

Bleomycin

1+4

alle 28 Tage

Vincristin

1+5

alle 28 Tage

CCNU/Lomustin

1

alle 28 Tage

DTIC

1–5

alle 28 Tage

Temozolomid, 150 mg/m

1–5

alle 29 Tage

Dacarbazin, 250 mg/m2

1–5

alle 29 Tage

BCNU (Carmustin) 150 mg/m² i. v. + Hydroxyurea 1500 mg/m² oral + DTIC 150 mg/m² i. v.

BHD

Bleomycin 15 mg i. v.+ Vincristin 1 mg/m² i. v. + CCNU (Lomustin) 80 mg/m² p. o. + DTIC 200 mg/m² i. v.

BOLD

2

Mono 2

DTIC + IFNα

Dacarbazin, 85 mg/m + Interferon α-2b/-2a, 3 × 106 IE/Tag

Dacarbazin

1

Interferon α-2b/ -2a

2–7

alle 29 Tage

AUC = Area under the curve

Tab. 8.192: Therapieverfahren für das Melanom in Bezug zum TNM-Stadium.

AJCCStadien

0

Prognose 5-JahresÜberleben

Tis

M0

Tumorexzision

> 95 %

N0

M0

Tumorexzision und Exzision der Wächterlymphknoten

~ 90–95 %

T1a

N0

M0

T1b

N0

M0

N0

M0

N0

M0

T1

IB

Chemotherapie/ Immuntherapie

Chirurgie

N0

IA I

Radiotherapie

TNM-Klassifikation

T2 T2a

~ 75–90 %

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

T2b

N0

M0

N0

M0

N0

M0

IIA T3 T3a

Chirurgie

Tumorexzision und Exzision der Wächterlymphknoten

N0

M0

N0

M0

T4a

N0

M0

IIC

T4b

N0

M0

IIIA

T1–T4a

N1a, N2a

M0

T1–T4b

N1a, N2a

M0

T1–T4a

N1b, N2b, N2c

T1–T4b

N1b, N2b, N2c

M0

jedes T

N3

M0

Prognose 5-JahresÜberleben

postoperativ: Interferon α2b/2a (Niedrig- oder Hochdosis) oder pegyliertes Interferon α2b

(postoperativ bei R1-Resektionen)

IIB T4

Chemotherapie/ Immuntherapie

~ 60–80 %

II T3b

Radiotherapie

475

~ 45–70 %

~ 25–70 %

IIIB III

IIIC

M0

Tumorexzision und Resektion der regionalen Lymphknoten

Anti-CTLA4-AK, Anti.PD-1-AK, ProteinkinaseInhibitoren

~ 20–30 %

M1a M1b

IV

jedes T

jedes N M1c

~ 20–50 %

ggf. Resektion aller Tumoren/ Metastasen

palliativ, perkutan zur Reduktion klinischer Symptome

Anti-CTLA4-AK, Anti.PD-1-AK, ProteinkinaseInhibitoren Zytostatika/ Monotherapie/ Kombinationstherapie IL-2 (intra-tumoral) Elektrochemotherapie; isolierte Extremitätenperfusion; onkolytische Viren

≤ 20 % ≤ 10 %

≤ 10 %

476

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Nachsorge Die Nachsorge besteht in einer regelmäßigen Kontrolluntersuchung, deren Art und Häufigkeit im Regelfall abhängig vom Tumorstadium ist und folgende Untersuchungstechniken umfassen sollte • klinische Untersuchung (Adspektion, Palpation) – Stadium IA ▪ alle 6 Monate im Zeitraum 1–3 Jahre ▪ 1 × jährlich im Zeitraum 4–10 Jahre – Stadium IB–IIB ▪ alle 3 Monate im Zeitraum 1–3 Jahr ▪ alle 6 Monate im Zeitraum 4–10 Jahre – Stadium IIC–IV ▪ alle 3 Monate im Zeitraum 1–5 Jahre ▪ alle 6 Monate im Zeitraum 6–10 Jahre • Lymphknoten-Sonografie – Stadium IB–IIB ▪ alle 6 Monate im Zeitraum 1–3 Jahre – Stadium IIC-IV ▪ alle 3 Monate im Zeitraum 1–3 Jahre ▪ alle 6 Monate im Zeitraum 4–5 Jahre • Bestimmung des Tumormarkers S100B – Stadium IB–IIB ▪ alle 3 Monate im Zeitraum 1–3 Jahre – Stadium IIC–IV ▪ alle 3 Monate im Zeitraum 1–3 Jahre ▪ alle 6 Monate im Zeitraum 4–5 Jahre • bildgebende Untersuchung (z. B. MRT, CT) – Stadium IIC–IV ▪ alle 6 Monate im Zeitraum 1–3 Jahre

Weiterführende Literatur Balch CM, Murad TM, Soong SJ, Ingalls AL, Halpern NB, Maddox WA. A multifactorial analysis of melanoma: prognostic histopathological features comparing Clark’s and Breslow’s staging methods. Ann Surg. 1978; 188: 732–742. Breslow A. Prognosis in cutaneous melanoma: tumor thickness as a guide to treatment. Pathol Annu. 1980; 15: 1–22. Breslow A. Thickness, cross-sectional areas and depth of invasion in the prognosis of cutaneous melanoma. Ann Surg 1970; 172: 902–908. Broman KK, Dossett LA, Sun J, Eroglu Z, Zager JS., Update on BRAF and MEK inhibition for treatment of melanoma in metastatic, unresectable, and adjuvant settings. Expert Opin Drug Saf. 2019;18(5):381– 392. Cancer Research UK, Skin Cancer risk factors, 25. 06. 2010, http://info.cancerresearchuk.org/cancerstats/ types/skin/riskfactors/

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)

477

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8.10.2 Nicht-melanozytärer Hautkrebs (Aktinische Keratosen, Plattenepithelkarzinome, Basalzellkarzinome) Vorkommen Der nicht-melanozytäre Hautkrebs gehört zu der häufigsten Tumorgruppe. In Deutschland liegen für das Jahr 2016 folgende Zahlen hierzu vor:

478 •









8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Neuerkrankungen – bei Frauen: 107.020; Neuerkrankungsrate 143/100.000 – bei Männern: 122.730; Neuerkrankungsrate 184/100.000 Todesfälle – bei Frauen: 378; Todesrate 0,3/100.000 – bei Männern: 520; Todesrate 0,7/100.000 durchschnittliches Erkrankungs- und Sterbealter – bei Frauen Erkrankungsalter: 73 Jahre; Sterbealter: 87 Jahre – bei Männern Erkrankungsalter: 75 Jahre, Sterbealter: 83 Jahre Prävalenz – bei Frauen: 5 Jahre: 489.300; 10 Jahre: 825.700 bei Männern: 5 Jahre: 534.300; 10 Jahre: 882.600 relative Überlebensrate – bei Frauen: 5 Jahre: 103 %; 10 Jahre: 106 % – bei Männern: 5 Jahre: 102 %; 10 Jahre: 104 %

Zu unterteilen ist der nicht-melanozytäre Hautkrebs in • Plattenepithelkarzinome und Basalzellkarzinome (Basaliome) als die häufigsten Tumorarten – mit einem Anteil von insgesamt ca. 95 % und • Merkel-Zell-Karzinome (ein neuroendokriner Tumor) wie auch die Dermatofibrosarkome und Karzinome der Talg- und Schweißdrüsen als seltene Tumorarten – mit einem Anteil von insgesamt ≤ 5 %. Plattenepithelkarzinome umfassen • die Aktinischen Keratose, welche als Präkanzerose des Plattenepithelkarzinoms angesehen wird, – charakterisiert als eine intraepitheliale Dysplasie ▪ mit herdförmige Aufhebungen der epidermalen Zellschichtung, Verlust der Polarität, willkürliche Anordnung der Keratinozyten und hoher Zelldichte im Stratum basale und ▪ mit Keratinozyten, die atypische, pleomorphe, vergrößerte, irreguläre und hyperchromatische Kerne mit hoher Kern-Zytoplasma-Korrelation aufweisen, ▪ mit häufig über den dysplastischen Zellen auftretenden Hyperkeratosen, ▪ bei welcher jedoch die Basalmembran des Plattenepithels intakt ist, d. h. weder infiltriert, noch von den aktinischen Zellen durchbrochen ist, – die als Feldkanzerisierung in auftreten kann, wobei diese definiert wird ▪ als ein umschriebenes Hautareal mit mehreren Aktinischen Keratosen umgeben von deutlich erkennbaren UV-bedingten Hautschäden, ▪ wobei die Hautschäden gekennzeichnet sind durch wenigstens zwei der folgenden Veränderungen: Teleangiektasie, Atrophie, Pigmentstörungen und Schmirgelpapier-artige Oberfläche. – bei welcher das Risiko der Transformation in ein Plattenepithelkarzinom auf ≤ 20 % pro Läsion und Jahr geschätzt wird,

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)

479





bei welcher andererseits die spontane Remissionsrate in einem Bereich von 1560 % angegeben wird, – mit einer Prävalenz, welche ▪ im Bereich von 2,7 % liegt und mit zunehmendem Alter ansteigt, ▪ bei etwa 11,5 % in der Altersgruppe der 60–70-Jährigen liegt, ▪ Männer mit 3,9 % häufiger als Frauen mit 1,5 % betrifft und ▪ in Deutschland im letzten Jahrzehnt um etwa 30 % angestiegen ist, weitgehend bedingt ist durch die Zunahme des Durchschnittalters in der Bevölkerung, – mit der Besonderheit des Morbus Bowen, einem intraepithelialen Karzinom, bei welchem ▪ hochgradig atypische und polymorphe Keratinozyten proliferieren, ▪ weite Teile der Epidermis bis hin zum gesamten Körpers befallen sein können, ▪ das Risiko besteht, dass sich aus dem intraepithelialem Karzinom ein invasives, meist bowenoid differenziertes Platenepithelkarzinom (pleomorphes gering differenziertes Bowen-Karzinom) entwickelt. – welche auch die Übergangsschleimhäute betreffen kann (Erythroplasie Queyrat). die Plattenepithelkarzinome (Spinaliome) als maligne Tumore der Spindelzellschicht (Stratum spinosum) der Epidermis, welche – invasiv die Basalmembran (der nicht durch andere Ursachen wie z. B. durch ein Trauma geschädigten Haut) unterhalb der intraepithelialen Proliferation der Karzinomzellen durchbrechen, – ähnlich wie normale Zellen der Spindelzellschicht zur Verhornung neigen und dadurch Hornperlen bilden und – etwa 20 % der nicht-melanozytären Hautkrebsformen darstellen.

Basalzellkarzinome (Basalzellepitheliome/Basaliome) • stammen von der Basalzellschicht (Stratum germinativum) und/oder von der äußeren Wurzelscheide der Haarfollikel ab, • zeigen daher zum Teil eine Differenzierung, die an Follikel, Talgdrüsen, ekkrine oder apokrine Schweißdrüsen erinnern und • stellen etwa 75 % aller nicht-melanotischen Hautkrebsformen dar, • zeigen sich klinisch – als ulzero-noduläre Form mit Perlmuttglanz, Teleangiektasien, erhabenem Randbereich mit perlschnurartigem Saum, zentraler Ulzeration, und Zysten als hautfarbene oder rote bis rot-bräunliche Knötchen, Plaques oder Ulzera – als superfizielle Form mit erythematösen, oft multiplen Maculae oder Plaques mit Erosionen im Zentrum, die leicht bluten, – als sklerodermiforme Form mit einem weißlichen, atrophischen Erscheinungsbild und/oder – mit variablen Erscheinungsformen, die nodulär, superfiziell, sklerodermiform, pigmentiert, ulzeriert (Ulcus rodens) und destruierend sein können, – wobei die ulzero-nodulären Formen etwa 60–80 % der Tumoren ausmachen;

480 • •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

metastasieren nur in Ausnahmefällen, vor allem bei geschwächter Immunabwehr – verlaufen daher auch selten lebensbedrohlich, können jedoch durch Infiltrationen in das umgebende Gewebe, z. B. in Knochengewebe das Allgemeinbefinden und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.

Plattenepithelkarzinome und Basalzellkarzinome besitzen die Gemeinsamkeit (siehe Tab. 8.193) • dass Ihre Anzahl im letzten Jahrzehnt deutlich zugenommen hat, wobei die Dunkelziffer recht groß ist, • dass sie nur selten metastasieren und • dass die Risikofaktoren sich zu einem großen Teil überlappen.

Risikofaktoren Wichtigste Risikofaktoren für beide Tumorarten sind • ein heller Hauttyp und das Lebensalter, – daher sind beide Tumoren vorwiegend im Gesicht älterer und hellhäutiger Menschen anzutreffen, • die kumulative UV (besonders UV-B)-Belastung (gleich ob durch Sonne und/oder Solarien); – mit inaktivierenden Mutationen von Genen kodierend für Tumorsuppressoren, wie z. B. p53, – mit aktivierenden Mutationen von Proto-Onkogenen, kodierend z. B. H-Ras, • Schäden der Haut z. B. nach einer Strahlentherapie oder durch ionisierende Strahlen der Umwelt, • langjährige Arsenbelastung, z. B. im Rahmen beruflicher Tätigkeiten, • chronische Entzündungen der Haut, • chronische Immunsuppressionen, bedingt durch z. B. virale (HIV, EBV) Infektionen oder durch Arzneimittel, besonders im Zuge der Transplantation allogener Organe, wobei unter Immunsuppression – die Inzidenz von Aktinischer Keratose und/oder Plattenepithelkarzinomen deutlich (bis zu 60fach) gesteigert ist, – Aktinischer Keratose deutlich früher in ein Plattenepithelkarzinom übergeht und – Plattenepithelkarzinome ein aggressiveres Wachstumsverhalten (vermehrte Infiltrationen, perineurale Invasionen, erhöhte Metastasierungsrate, vermehrte Lokalrezidive, multifokales Auftreten) zeigen, möglicherweise auch Infektionen mit HPV und • • Präkanzerosen. Beim Basalzellkarzinom spielen die meist exogen (z. B. durch UV-Licht) erworbene Mutationen eine zentralere Rolle, so z. B. • die inaktivierende Mutation des Gens für den Inhibitor PTCH/Patched des SHH/Sonic Hedge-Hog-Signalproteins mit unkontrollierter Aktivierung von SMO/Smoothened und einer Apoptoseresistenz von Keratinozyten; von den Basalzellkarzinomen zeigen

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)





481

– etwa 80–90 % eine inaktivierende Mutation des Gens für PTCH und – etwa 10–20 % eine aktivierende Mutation des Gens für SMO inaktivierende Punktmutationen des Gens für p53 in 61 % der Fälle, für PTPN14 in 23 %, für PPP6C in 15 %, für RB 1 in 8 %, für LATS1 in 8 % und für FBXW7 in 5 % der Fälle. aktivierende Mutationen der Gene für N-Myc in 30 %, für STK19 in 10 %, für ERBB2 in 4 %, für NRAS/KRAS/HRAS in 2 %, von PIK3CA in 2 % der Fälle.

Erbliche Basalzellkarzinome sind insgesamt selten und umfassen • das Basalzellkarzinom-Syndrom (Basalzellnävus-Syndrom, Gorlin-Goltz-Syndrom/ NBCCS/Nevoid Basal Cell Carcinoma Syndrome): – ihm zugrunde liegt eine angeborene inaktivierende Mutation des Genes für den Hedghog-Rezeptor PTCH (siehe Kap. 3.3.12), ▪ so stellen Verwandte 1. Grades mit einem Basalzellkarzinom-Syndrom ein erhebliches Risiko dar, – die Häufigkeit liegt im Mittel bei etwa 1/100.000 Personen, – 90 % der Erbträger entwickeln ausgedehnte Basalzellkarzinome – als klinische Symptome herrschen vor ▪ eine exzessive Anzahl an Basalzellkarzinome im Alter < 20 Jahre, ▪ Verkalkung der Falx cerebri, ▪ gleichzeitig auftretende Medulloblastome, ▪ Skelettanomalien, im Besonderen der Rippen, ▪ Makrozephalie und/oder Gaumen- und Lippenspalten • das Bazex-Dupré-Christol-Syndrom – ein X-chromosomal-dominant vererbtes Syndrom mit einer Häufigkeit < 1 : 1.000.000, – bedingt durch inaktivierende Mutationen im ACTRT1-Gen, ▪ dessen Produkt durch Bindung an den Promotor für den SHH-Signal-Mediator dessen Expression und damit den SHH/Sonic Hedgehog-Signalweg inhibiert. ▪ wodurch der Hedgehog-Signalweg verstärkt und unkontrolliert wird – bei welchen als klinische Symptome dominieren ▪ zahlreiche frühzeitige Basalzellkarzinome, ▪ generalisierte Hypotrichose, Alopezie, Atrophodermia vermiculata (Handund Fußrücken) und Hypohidrose, • das Rombo-Syndrom – ein autosomal-dominant vererbtes Syndrom, welches ▪ die gleiche Häufigkeit wie und Ähnlichkeiten zum Bazex-Dupré-Christol-Syndrom aufweist, ▪ sich hiervon durch Akrozyanose und Keratosis follicularis wie auch durch das Auftreten vor dem 10. Lebensjahr unterscheidet; • das Dugois-Colomb-Berthon-Syndrom sowie das lineare unilaterale Basalzellkarzinom. Des Weiteren gehen alle Formen von Albinismus, T-Zell-Immundefekten sowie Xeroderma pigmentosum mit einer erhöhten Inzidenz von Basalzellkarzinomen einher.

482

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.193: Charakteristika von Basalzellkarzinomen und Plattenepithelkarzinomen. Parameter

Basalzell-Karzinomen

Plattenepithel-Karzinome

Ursprung in der Epidermis

Basalschicht (Stratum germinativum)

Spindelschicht (Stratum spinosum)

Lokalisation

~ 80 % Gesicht

~ 90 % Gesicht

Durchschnittsalter

~ 60 Jahre

~ 70 Jahre

Geschlechterverteilung

Männer ≈ Frauen

Männer > Frauen

Mitteleuropa

~ 100

20–30

USA, Australien, Neuseeland

150–200

80–100

durch Metastasen (lymphogen)

< 0,1 %

~5%

durch Invasion in Schädelknochen

2 cm, ≤ 4 cm

T3

N0

M0

Tumorausdehnung > 4 cm oder mit Knocheninvasion oder perineurale Invasion oder tiefe Invasion jenseits des subkutanen Fettgewebes oder > 6 mm tief

T1, T2, T3

N1

M0

Metastase in 1 regionalem Lymphknoten ≤ 3 cm

N2a

M0

Metastase in 1 ispilateralem regionalem Lymphknoten, > 3 cm, ≤ 6 cm, keine extranodale Ausbreitung

N2b

M0

Metastasen in multiplen ispilateralen regionalen Lymphknoten, alle, ≤ 6 cm, keine extranodale Ausbreitung

N2c

M0

Metastasen in bilateralen/kontralateralen regionalen Lymphknoten Lymphknoten, alle, ≤ 6 cm, keine extranodale Ausbreitung

N3a

M0

Metastase in 1 regionalem Lymphknoten > 6 cm, keine extranodale Ausbreitung

N3b

M0

Metastase in ≥ 1 regionalem Lymphknoten mit extranodaler Ausbreitung

III

T1, T2, T3,

IV

T4a

jedes N M0

Tumor hat extradermale Strukturen Knochen oder Knochenmark infiltriert

T4b

jedes N M0

Tumor hat das Achsenskelett infiltriert

jedes T jedes N M1

Prognose 5-JahresÜberleben*

M1= Fernmetastasen

> 90 %

25–50 %

beim Basaliom < 10 %

484

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Histologische und Risiko-Klassifikation Plattenepithelkarzinome (Spinaliome) umfassen • Aktinische Keratosen als Präkarzinome – klinisch die Risikograde I–III (siehe Tabelle 8.195) – histologisch die atrophe, hypertrophe, akantholytische, pigmentierte, lichenoide oder bowenoide Form, • Plattenepithelkarzinome, welche unterschiedliche histologische Subtypen und davon abhängig auch Malignitäten aufweisen (siehe Tab. 8.195) – der aggressivste Subtyp ist das desmoplastische Plattenepithelkarzinom durch seine beträchtliche Neigung zur Infiltration, Rezidivierung und Metastasierung. Basalzellkarzinome zeigen eine breite Differenzierung (siehe Tab. 8.195), die zum Teil an Follikel, Talgdrüsen, ekkrine oder apokrine Schweißdrüsen erinnern; • das Rezidivrisiko ist besonders abhängig von der Lage, dem horzontalen Durchmesser, der Definierbarkeit des Randbezirkes und dem histologischen Typ • der aggressivste Subtyp ist das metatypische Basalzellkarzinom durch seine beträchtliche Neigung zur Infiltration und Metastasierung.

Tab. 8.195: Risiko- und histologische Klassifikationen von Aktinischen Keratosen, Plattenepithelkarzinomen und Basalzellkarzinomen. Risiko-Klassifikation der Aktinischen Keratosen (Berking et al. 2029) Risiko Ausmaß Grad I

wenige, mm-große, raue, unscharf begrenzte, rötliche Hautveränderungen

leicht

II

III

Lage der atypischen Keratinozyten**)

Hautveränderungen*)

fast nur tastbar

basal und suprabasal, untere Epidermislagen

mittel

flach, unregelmäßig erhaben, mit scharfer oder deutlich unscharfer Begrenzung, roter, rauer verhornender sichtbar Oberfläche, ausgebreitet, bei starker Verhornung und weißlich, gelbliche oder hellbraune Verfärbungen tastbar

untere zwei Drittel der Epidermislagen

schwer

mit der Unterfläche fest verwachsene warzighöckrige Hautwucherungen mit unterschiedlicher Farbe (weiß, braun, schwarz), nach Entfernen der Hornauflagerungen ist der Untergrund erosiv.

alle Epidermislagen

deutlich sichtbar und tastbar

*) nach Olsen et al. 1991; **) nach Röwert-Huber et al. 2007 Histologische Klassifikation des Basalzellkarzinoms und des Plattenepithelkarzinoms (Berking et al. 2029) Basalzellkarzinome

Malignität

multifokal superfiziell (Rumpfhauttyp)

Plattenepithelkarzinome

Malignität

akantholytisch/ pseudoglandulär/adenoid

infiltrativ

erhöht

spindelzellig/sarkomatoid

sklerosierend

erhöht

hornbildend/ Keratoakanthom

aggressiv infiltrierend

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)

485

Epithelioma cuniculatum/ verrukös

nicht sklerosierend desmoplastisch

erhöht

invasiv, aber nicht metastasierend

orale floride Papillomatose

morphea-artig

Riesencondylomata

nodulär

lymphoepitheliomartig

solide adenoid

desmoplastisch

zystisch fibroepithelial mit adnexoider Differenzierung

pseudovaskulär/ pseudoangiosarkomatös/ pseudoangiomatös

follikulär

adenosquamös

ekkrin

bowenoid/Bowen-Karzinom

aggressiv infiltrierend (perineural, perivaskulär), hochgradig rezidivierend (~ 25 %) und metastasierend (~ 50 %)

basosquamös keratotisch pigmentiert mikronodulär

erhöht

metatypisch

aggressiv infiltrierend und metastasierend

als Teil des Basalnävus-Syndroms Mischformen von Basaliomen Mischformen von Basaliomen und Plattenepithelkarzinomen Klassifikation des Rezidivrisikos beim Basalzellkarzinom (Lang et al. 2018) Rezidivrisiko

hoch

niedrig

Lokalisation*

Durchmesser

Hochrisiko

> 6 mm

Mittelrisiko

> 10 mm

Niedrigrisiko

> 20 mm

Hochrisiko

< 6 mm

Mittelrisiko

< 10 mm

Niedrigrisiko

< 20 mm

Randbezirk

histologischer Typ

vorgeschädigte Haut

Pn

schlecht abgegrenzt

sklerodermiform, infiltrativ metatypisch, mikronodulär

durch Radiotherapie

ja

gut abgegrenzt

superfiziell, nodulär, adenoid, trabekulär, infundibulozystisch zystischfibroepithelial (Pinkus-Tumor)

keine Vorschädigung

nein

*Lokalisation: Hochrisiko: Augenlider, Augenbrauen, periorbital, Nase, Oberlippe, Kieferwinkelregion, prä- und postaurikulär, Ohren, Schläfen, Genitale, Hände, Füße Mittelrisiko: Wangen, Stirn, Kinn, Unterlippe, Kapillitium, Hals, prätibial; Niedrigrisiko: Rumpf, Extremitäten Pn = perineurale Infiltration

486

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Prognosefaktoren stellen dar • beim Plattenepithelkarzinom in Bezug auf Metastasierung und/oder Verkürzung des Tumor-spezifischen Überlebens – die höchsten Risikofaktoren ▪ die vertikale Tumordicke (> 6 mm) und Infiltrationstiefe, ▪ ein hoher Bindegewebs-Anteil im Tumor (Desmoplasie), – weitere Risikofaktoren ▪ der horizontale Tumordurchmesser (≥ 2 cm), ▪ die histologische Differenzierung (> Grad 3), ▪ eine perineurale Invasion, ▪ die Tumor-Lokalisation an Unterlippe, am Ohr und ▪ eine bestehende Immunsuppression (Arzneimittel- oder Erkrankungs-bedingt) • beim Basalzellkarzinom in Bezug auf Rezidive (siehe Tab. 8.195) – die Lokalisationen ▪ Hochrisiko: Gesicht (Nase, Augenlider, Augenbrauen, periorbitale Bereiche), Lippen, Kieferwinkel, Schläfe und Ohren/periaurikulärer Bereiche, Genitale, Hände und Füße ▪ Mittelrisiko: übrige Gesichts- und Kopfhautbereiche (Wangen, Stirn, Kapillitium) Hals und prätibial ▪ Niedrigrisiko: Stamm und Extremitäten ▪ die präaurikulären, Stirn-, Schläfen- und Nasenhautbereiche weisen ein erhöhtes Auftreten sklerodermiformer Basalzellkarzinome auf – die horizontale Ausdehnung in Bezug zur Lokalisation und die Abgrenzung des Randbezirkes, – der histologische Typ ▪ sklerodermiforme, infiltrative, metatypische, mikronoduläre Karzinome weisen das höchste Risiko auf – die Vorgeschichte ▪ Hautschädigung durch eine vorangegangene Radiotherapie, ▪ anamnestisch bereits aufgetretene Rezidive, ▪ Immunsuppressionen, z. B. im Rahmen einer Organtransplantation.

Diagnostik Die klinische Untersuchung erfolgt durch: • Adspektion unter Einschluss der Auflichtmikroskopie und ggf. Fotodokumentation, – besonders bei Basalzellkarzinomen der gesamten Haut, auch, weil bei Vorliegen eines Basalzellkarzinoms das Risiko für einen weiteren malignen Hauttumor deutlich erhöht ist, • Palpation, besonders auch des Lymphabstromgebietes, • zur Absicherung, zur Unterscheidung zwischen Basalzellkarzinom und Plattenepithelkarzinom und zur Beurteilung einer Tumorinfiltration durch die Basalmembran ggf. – die Dermatoskopie, – die konfokale Lasermikroskopie und – die optische Kohärenztomografie zur 2- und 3- dimensionalen bildlichen Darstellung.

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)

487

Die Biopsie (Stanzbiopsie, flache Abtragung oder Exzisionsbiopsie) und die nachfolgende histologische Untersuchung des Tumor(-verdächtigen) Bereiches umfasst • den histologischen Tumortyp, • die Beurteilung der Schnittränder (z. B. R0 oder R1) und die Breite des gesunden Randbezirkes, • die Ausdehnung des Tumors in die Tiefe – in Bezug auf die anatomische Schichtung (insbesondere ab Clark-Level V) und – ab einer Invasionstiefe von 2 mm, • die perineurale Ausbreitung (z. B. pN1), • einen Gefäßeinbruch (z. B. pV1), • den Grad der Differenzierung, • die Abgrenzung immunhistochemisch zwischen Basalzellkarzinom und Plattenepithelkarzinomen, – durch Nachweis der Tumorantigene (Basaliom deutlich positiv; Plattenepithelkarzinom negativ oder nur geringfügig positiv) ▪ EpCAM/Epithelial Cell Adhesion Molecule (Tumor-associated calcium signal transducer 1), ▪ EMA/Epitheliales Membran-Antigen; • zur Abgrenzung von Karzinomen der Schweißdrüsen durch Nachweis – der Zytokeratine 7 und 8 (mit Hilfe des monoklonalen Antikörpers CAM5.2) und – des CEA/Carcino-Embryonales Antigen. Bildgebende Verfahren werden eingesetzt bei erhöhten Risikofaktoren und/oder bei Verdacht auf Invasion in benachbarte Gewebe, im Besonderen Knochen und/oder auf Metastasierung. Sie umfassen • Sonografie – der regionären Lymphknoten (wohl der Goldstandard), – des Abdomens und der Weichteile, • CT im Besonderen des Thorax, • MRT, möglichst mit Kontrastmittel-Verstärkung, – im Besonderen des Schädels und der Orbita oder – bei Verdacht auf perineurale Invasion • Knochenszintigrafie.

Therapiestrategien Aktinische Keratose Die Therapie der aktinischen Keratose ich abhängig vom ihrem Risikograd (siehe Tabelle 8.195) • bei Grad III ist die Exzision das bevorzugte Verfahren. Hierfür stehen mehrere Methoden zur Verfügung, deren Wahl davon abhängig ist, ob Läsions-bezogen oder Feldbezogen therapiert werden soll (siehe Tab. 8.196), wobei dagegen – das Peeling (Ablation der obersten Epidermisschichten mit Trichloressigsäure) auf Grund der Datenlage wohl weniger geeignet erscheint,

488 •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

bei Grad I und II kommen die Möglichkeiten einer lokalen Immunmodulation und/ oder einer lokalen zytotoxischen Reaktion hinzu. Alle diese Verfahren sind lokal-, aber vorwiegend auch Feld-bezogen (siehe Tab. 8.196), wobei dagegen – die therapeutische Wirkung von Colchizin, Diffluormethylornithin, Canola-Phenolsäure, topischem Nikotinamid oder von Retinoiden auf die Aktinische Keratose fraglich sind und – Ingenolmebutat (Gartenwolfsmilchextrakt, 0,015 %-ig oder 0,05 %-ig) das Risiko einer Tumor-promovierenden Wirkung in sich birgt und daher die Zulassung aufgehoben wurde.

Bei Grad I und II kommt beispielsweise zur Anwendung • die lokale photodynamische Therapie, – bei welcher ein Photosensitizer (z. B. delta-Aminolävulinsäure und ihr Methylester) auf den Tumor aufgetragen wird ▪ nachfolgend die Bestrahlung mit Licht großer Wellenlängen (z. B. Rotlicht) erfolgt und hierdurch ▪ weitgehend selektiv das Tumorgewebe zerstört wird die lokale Immuntherapie mit Imiquimod (1-Isobutyl-1H-imidazo(4,5-c)chinolin-4-amin) • – Imiquimod bindet und aktiviert die Toll-like-Rezeptoren TLR-7 und TLR-8 auf Makrophagen und Keratozyten und führt hierdurch zur Freisetzung von Interferonen und TNF/Tumornekrosefaktoren, – der Auftrag von Imiquimod (5 %-ige Creme) erfolgt einmal täglich, fünfmal/Woche über 6 Wochen auf den Tumor unter Okklusionsverband, – wirkt durch die Entzündung anti-tumoral, • die lokale Chemotherapie mit 5-Fluorouracil – 5-Fluorouracil inhibiert die Hyperproliferation und wirkt antimetabolisch und selektiv zytotoxisch, – Auftrag (1–5 %-ige Creme oder Salbe) einmal/Tag über 4–6 Wochen, • die lokale Immuntherapie mit Diclofenac – Auftrag von Diclofenac 3 % ig in Hyaluronsäure (2,5 % igem) Gel , 2 × täglich über 60–90 Tage; max. 8 g/ Tag für bis zu 200 cm² – wobei durch Hemmung der Cyclooxygenase 2 die Proliferation der dysplastischen Keratinozyten gehemmt wird. Tab. 8.196: Strategie der Therapie der Aktinische Keratose (in Anlehnung an Berking et al. 2019). Grad I–III

Grad I–II

Exzisionen

lokale Immunmodulation

lokale Zytotoxizität







Kryochirurgie mit flüssigem Stickstoff (Sprayverfahren, Kontaktverfahren)

Imiquimod (3,75 % oder 5 %-ige Creme) (Aktivierung von TLR7 und 8)

5-Fluorouracil (Creme 5 %-ig)

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)

489







oder

oder

oder

Kürettage +/− Elektrokauterisation flache Abtragung oder Komplettexzision

Diclofenac (3 % ig in 2,5 % iger Hyaluronsäure) (Hemmung der Cyclooxygenasen)

5-Fluorouracil (0,5 %-ig) + Salizylsäure (10 %-ig)





oder

oder

Dermabrasio (mechanische Abtragung der obersten Epidermisschichten)

photodynamische Therapie (Auftrag von 5-Aminolävulinsäure (ALA) mit Lichtschutzverband 3 h, danach Rotlicht 630 nm für 10–20 min; ähnlich bei Verwendung des Methylesters der ALA (MAL) oder auftragung von MAL, danach Tageslicht/Sonne für 2 Std.

▾ oder Ablatives Laserverfahren (CO2 oder Erbium-YAG-Laser)

▾ oder bei Grad I–II nichtablatives Laserverfahren (Nd:YAG-Laser, fraktionierter 1540-nm-Laser) Nd: YAG-Laser = Neodym-dotierter Yttrium-Aluminium-Granat-Laser

Plattenepithelkarzinome Die bestmögliche Therapie des Plattenepithelkarzinoms stellt die chirurgische Tumorresektion mit R0-Status dar (siehe Tab. 8.197), • bei lokal fortgeschrittenen Tumoren mit Lymphknotenmetastasen wird diese ergänzt durch die Lymphadenektomie der regionären Lymphknoten, • falls eine R0 Status auch durch Nachresektion nicht erreichbar ist, wird die Radiotherapie empfohlen. Tab. 8.197: Strategie der Therapie des Plattenepithelkarzinoms (in Anlehnung an Berking et al. 2019).

Stadium I/II

Stadium III T1–3, N1

Stadium IV







chirurgische (R0) Exzision

chirurgische Exzision





oder

und

horizontale (R0) Abtragung

Lymphadenektomie (regionäre Lymphknoten/Lk)

palliative chirurgische Resektion

▾ und/oder

490

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

▾ falls R1/R2, oder Resektionsrand < 2 mm Nachresektion

▾ oder

▾ falls R1/R2 oder Resektionsrand < 2 mm oder Pn oder > 1 Lk-Metastase oder Lk-Metastase > 3 cm oder Lk-Kapseldurchbruch und/oder parotidealer Lk-Befall

postoperative Radiotherapie

postoperative Radiotherapie





palliative Radiotherapie



Nachsorge geringes/mittleres Risiko: alle 6 Monate über 2 Jahre, danach jährlich über 3 Jahre hohes Risiko: alle 3 Monate über 2 Jahre , danach alle 6 Monate über 3 Jahre, danach jährlich

Basalzellkarzinome Die Primär-Therapie des Basalzellkarzinoms umfasst (siehe Tab. 8.198) • bevorzugt die chirurgische Exzision mit R0-Status und mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand, um das Rezidivrisiko möglichst niedrig zu halten, – ≥ 95 % aller Basalzellkarzinome lassen sich hierdurch kurativ therapieren, – bei R1-Resektionen sollte möglichst eine Nachresektion erfolgen, um den R0 Status zu erreichen, – die lückenlose histopathologische Beurteilung der lateralen und basalen Schnittränder (mikroskopisch kontrollierte Chirurgie) bietet die beste Gewähr für einen R0-Status; • die Radiotherapie, – falls eine chirurgische Exzision mit R0-Status nicht möglich ist und – falls keine Anzeichen einer Autoimmunerkrankung vorliegen wie z. B. Basalzellkarzinomsyndrom, Xeroderma pigmentosum, Lupus erythematodes, Sklerodermie – mit konventionell fraktionierten Strahlendosen (1,8 bis 3 Gy) und kumulativ ca. 55 Gy • bei oberflächlichen Basalzellkarzinomen – die lokale Verabreichung eines Immunstimulators wie Imiquimod (1-Isobutyl-1Himidazo(4,5-c)chinolin-4-amin) ▪ Imiquimod bindet und aktiviert die Toll-like-Rezeptoren TLR-7 und TLR-8 auf Makrophagen und Keratozyten und führt hierdurch zur Freisetzung von Interferonen und TNF/Tumornekrosefaktoren, ▪ der Auftrag von Imiquimod (5 %-ige Creme) erfolgt einmal täglich, fünfmal/ Woche über 6 Wochen auf den Tumor unter Okklusionsverband, ▪ wirkt durch die Entzündung anti-tumoral und – die lokale Verabreichung eines Zytostatikums (wie 5-Fluorouracil) ▪ 5-Fluorouracil inhibiert die Hyperproliferation und wirkt antimetabolisch und selektiv zytotoxisch, ▪ verabreicht wird eine 1–5 %-ige Creme oder Salbe einmal/Tag über 4–6 Wochen,

491

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)



die Zerstörung des Tumors durch Kryochirurgie, ▪ ein ablatives Laserverfahren (CO2 oder Erbium-YAG/Yttrium-Aluminium-Granat)-Laser-Evaporation oder ▪ ein nichtablatives Laserverfahren (Nd/Neodyn: YAG-Laser, fraktionierter 1540-nm-Laser) die lokale photodynamische Therapie, bei welcher ein Photosensitizer (z. B. DeltaAminolävulinsäure und ihr Methyl-Ester) auf den Tumor aufgetragen wird ▪ nachfolgend die Bestrahlung mit Licht großer Wellenlängen (z. B. Rotlicht) erfolgt und hierdurch ▪ weitgehend selektiv das Tumorgewebe zerstört wird. ▪



Bei lokal fortgeschrittenen (in Bezug auf Tiefenwachstum) oder metastasierten Basalzellkarzinomen erfolgt • primär eine Radiotherapie oder • eine gezielte Therapie mit einem Hedgehog-Inhibitor und/oder • eine Immuntherapie mit einem monoklonalen Antikörper gerichtet gegen und zur Inhibition blockierender Rezeptoren auf T-Lymphozyten (Immun-Check-Point-Inhibitoren, siehe Kap. 7.7.1.3) und damit zur Aktivierung der körpereigenen Immunabwehr gegen den eigenen Tumor wie z. B. – Anti-PD-1 Antikörper wie Nivolumab und Pembrolizumab, – Ant-CTLA4-Antikörper wie Ipilimumab. Tab. 8.198: Strategie der Therapie des Basalzellkarzinoms (in Anlehnung an Berking et al. 2019). Rezidivrisiko niedrig



hoch











Chirurgie nicht möglich

Stadium III im Tiefenwachstum fortgeschrittener Tumor

Stadium IV metastasierter Tumor

Tumordicke ≤ 2 mm

Tumordicke > 2 mm

Chirurgie möglich









chirurgische Exzision (R0, Sicherheitsabstand 3–5 mm

chirurgische Exzision (R0, Sicherheitsabstand 3–5 mm

chirurgische Exzision (R0, Sicherheitsabstand ≥ 5 mm

Radiotherapie

▾ oder Hedgehog-Inhibitor









oder

oder

oder

und ggf.

492

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Imiquimod lokal

Radiotherapie

Radiotherapie

Chirurgische Exzision (möglichst R0)





oder

oder

5-Fluorouracil -lokal

Anti-PD-1-Antikörper Anti-CTLA4-Antikörper

▾ oder Kryotherapie oder ablative oder nichtablative LaserEvaporation oder Photodynamische Therapie









Nachsorge niedriges Rezidivrisiko: alle 6 Monate im 1. Jahr, danach 1 × jährlich hohes Rezidivrisiko: alle 3 Monate über 2 Jahre, danach 1 × jährlich

Chirurgische Verfahren Die Exzision des Primärtumors mit allseitig ausreichend großem Randbezirk tumorfreien Gewebes (R0-Resektion) ist die bevorzugte Therapie: • das Ausmaß des Resektionsrandes hat hierbei einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung von Rezidiven. Dieses wird wie folgt deutlich: – Basalzellkarzinom mit einem Durchmesse von < 2 mm ▪ Resektionsrand 5 mm: Wahrscheinlichkeit von restlichen Tumorzellen: 5 %, – Basalzellkarzinom, infiltrativ wachsend ▪ Resektionsrand 5 mm: Wahrscheinlichkeit von restlichen Tumorzellen: 18 %, ▪ Resektionsrand 13/15 mm: Wahrscheinlichkeit von restlichen Tumorzellen: 5 %, • mehrere Verfahren stehen zur Verfügung: – Exzision mit systematischer Randschnittkontrolle/histografische-mikrografische Chirurgie ▪ für Tumoren im Gesicht (z. B. Nase, Ohren, Lippen, Augenlider, Stirne, Wangen), ▪ mit Heilung im Bereich von 95 %, – Exzision mit tumorbezogenem Sicherheitsabstand und konventioneller Histologie ▪ für kleine Tumoren gleich welcher Lage, ▪ für größere Tumoren an Stamm und Extremitäten,

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)

493



horizontale Exzision mit konventioneller Histologie multifokal, oberflächlich wachsende Tumore vor allem am Stamm und Extremitäten, die Deckung der Defekte erfolgt nach den Regeln der plastischen-rekonstruktiven Chirurgie, ▪



Alternativ zur Messerchirurgie kann angewandt werden: • die Kryotherapie durch lokalen Auftrag von flüssigem Stickstoff (−196 °C) – bei kleinen oberflächlichen Tumoren, besonders auch an den Augenlidern, – falls keine Intoleranz gegen Kälteeinfluss (z. B. Kryoglobulinämie) vorliegt, • die Laserchirurgie bei kleinen oberflächlichen Tumoren – mit einem ablativen Laserverfahren (CO2 oder Erbium-YAG/ Yttrium-AluminiumGranat) − Laser-Evaporation oder – mit einem nichtablatives Laserverfahren (Nd/Neodyn: YAG-Laser, fraktionierter 1540-nm-Laser), durch welchen ohne direkte Schädigung der Epidermis eine Thrombosierung der den Tumor versorgenden lokalen Gefäße erfolgt, sodass eine Tumornekrose die Folge ist. Die • • •

Exzision der regionalen Lymphknoten soll erfolgen bei Tumortypen mit größerem Metastasierungspotential, bei klinisch erkennbarer Metastasierung in einen regionalen Lymphknoten falls nach Markierung durch eine Lymphknotenszintigrafie und histologische Untersuchung der exzisierten Wächterlymphknoten Lymphknotenmetastasen nachgewiesen werden konnten,

Die Exzision von Metastasen oder Rezidiven: • hat ein kuratives Ziel, falls eine R0-Resektion möglich ist, • erfolgt mit dem palliativen Ziel der Verminderung der durch den Tumor bedingten klinischen Beschwerden. Radiotherapie Es werden perkutan kumulativ 50–70 Gy, mit Fraktionen von 1,8–5 Gy/Tag verabreicht • als primäre oder adjuvante Behandlung alternativ zur konventionellen Exzision – im Falle der Inoperabilität von ▪ Primärtumoren, ▪ Metastasen in den regionalen Lymphknoten, ▪ Rezidiven, – nach inkompletter chirurgischen Entfernung des Tumors (R1- oder R2-Resektion), • sollte nicht erfolgen – beim Basalnävussyndrom und bei Autoimmunerkrankungen – primär bei Tumoren an den Ohren oder der Nasenspitze.

494

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Immuntherapie • lokal/topisch mit Imiquimod (5 %-ige Creme z. B. einmal täglich an 5 Tagen pro Woche, insgesamt über 6 Wochen) zur Stimulierung von Makrophagen über den TLR-7 und -8 Rezeptor, – bei aktinischer Keratose mit dem Risikograd I–II, – bei Basalzellkarzinomen mit niedrigem Rezidivrisiko und geringer Tumordicke (≤ 2 mm). • systemisch mit monoklonale Antikörper gerichtet gegen und zur Inhibition blockierender Rezeptoren auf T-Lymphozyten (Immun-Check-Point-Inhibitoren) und damit zur Aktivierung der körpereigenen Immunabwehr gegen den eigenen Tumor wie z. B. – Anti-PD-1 Antikörper wie Nivolumab und Pembrolizumab, – Ant-CTLA4-Antikörper wie Ipilimumab, – als palliative Therapie von inoperablen, Hochrisiko-behafteten, fortgeschrittenen oder metastasierten Basalzellkarzinomen. Gezielte Tumortherapie beim Basalzellkarzinom • durch die Hedgehog-Inhibitoren – Vismodegib (2-Chlor-N-(4-chlor-3-pyridin-2-ylphenyl)-4-methylsulfonyl-benzamid) und – Sonidegib (N-[6-[(2S,6R)-2,6-dimethylmorpholin-4-yl]pyridin-3-yl]-2-methyl-3-[4-(trifluoromethoxy)phenyl]benzamid) • welche spezifisch an den Transmembran-Rezeptor Smoothened (SMO) binden und damit die Expression von Hedgehog-Zielgenen blockieren und dadurch • als palliative ggf. präoperative Therapie von inoperablen, Hochrisiko-behafteten, fortgeschrittenen oder metastasierten Basalzellkarzinomen. Chemotherapie Durch lokale/topische Verabreichung von 5-Fluorouracil (0,5 oder 5 %-ig, z. B. zweimal täglich für die Dauer von vier Wochen), • bei aktinischer Keratose mit dem Risikograd I–II, • bei Basalzellkarzinomen mit niedrigem Rezidivrisiko und geringer Tumordicke (≤ 2 mm). Als Option für die palliative systemische Chemotherapie in Zweit- oder Drittlinie für die Stadien III und IV • beim Basaliom mit – Cisplatin (100 mg/m2 ) alle 3 Wochen oder – Cisplatin (100 mg/m2, Tag 1) + 5-Fluorouracil (1000 mg/m2; kontinuierliche Infusion Tag 1–Tag 5) alle 3 Wochen, • beim Plattenepithelkarzinom mit – Methotrexat, – Cisplatin + Doxorubicin, – Cisplatin + Doxorubicin + Bleomycin oder – 13-cis-Retinoin-Säure (1 mg/kg/Tag) + Interferon-alpha-2a (dreimal 106 IE dreimal/ Woche) für 6 Monate.

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)

495

Tab. 8.199: Therapieverfahren für das Basalzellkarzinom und das Plattenepithelkarzinom in Bezug zum TNM-Stadium.

Stadien (AJCC)

TNM-Klassifikation

0

Tis

N0

M0

I

T1

N0

M0

II

T2

N0

M0

III

T3

N0

M0

T1,2,3

N1

M0

T1,2,3

N2a,b,c

M0

T1,2,3

N3,a,b,c

M0

T4a,b

jedes N

M0

jedes T

jedes N

M1

IV

Chirurgie

Exzision des Primärtumors, metastasenverdächtiger regionaler Lymphknoten und Fernmetastasen

Radiotherapie

Primär/perkutan bei inoperablen Tumoren oder adjuvant nach unvollständiger Resektion (R1, R2) des Tumors und/oder bei Metastasen

gezielte Prognose Tumortherapie/ 5-JahresImmuntherapie/ Überleben* Chemotherapie

lokale Immuntherapie lokale Zytostatika

> 90 %

25–50 %

systemisch, palliativ

beim Basaliom < 10 %

Prävention Die beste Prävention von nicht-melanozytären Hautkarzinomen ist die Vermeidung von exogenen Risikofaktoren (siehe dort). Zu diesen gehören im Besonderen exzessive UVLicht-Expositionen. Anhaltspunkte bestehen, dass ergänzend hierzu • das Risiko von Basalzellkarzinomen gesenkt werden kann – durch die Einnahme von Nicotinamid/Vitamin B3 (z. B. 2 × 500 mg/Tag), welches die DNA-Reparaturmechanismen verstärkt, – möglicherweise ist eine ausgewogene Ernährung zu bevorzugen, welche in ausreichender Menge vom Tier stammende Nahrungsmittel (Geflügel, Schwein, Rind, Wild, Milchprodukte und Eier) enthält, ▪ da von diesen das Vitamin B3 besser aufgenommen werden kann als von pflanzlichen Produkten und ▪ weil das Risiko von Nebenwirkungen geringer ist als bei Einnahme von 1000 mg Vitamin B3/Tag; • das Risiko von aktinischer Keratose und von Plattenepithelkarzinomen reduziert werden kann – durch die Einnahme von Retinoiden, welche den Zellzyklus verzögern und hierdurch die Behebung von UV-Schäden verbessern, – wobei jedoch die Nebenwirkungen der Retinoide (wie z. B. Depressionen, Teratogenität, Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen) in Betracht zu ziehen sind.

496

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Weiterführende Literatur Berking C., et al. 2019, Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF):S3-Leitlinie Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut, Langversion 1.0, 2019, AWMF Registernummer: 032/022OL, https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/ aktinische-keratosen-und-plattenepithelkarzinom-der-haut Breuninger H, Sebastian G, Kortmann RD, Schwipper V, Werner J, Garbe C. Deutsche Leitlinie: Basalzellkarzinom, 03. 02. 2005, http://www.krebsgesellschaft.de/download/leitlinie_basaliom_ado_ 2005.pdf Breuninger H, Sebastian G, Kortmann RD, Wolff K, Bootz F, Garbe C. Deutsche Leitlinie: Plattenepithelkarzinom der Haut, der Lippen und der Augenlider, Vers. 12, 02/2005, http:// www.krebsgesellschaft.de/download/leitlinie_spinaliom_ado_2005.pdf Cancer Research UK, Skin Cancer risk factors, 25. 06. 2010, http://info.cancerresearchuk.org/cancerstats/ types/skin/riskfactors/ DAZ: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2020/01/20/picato-ist-nicht-mehrverkehrsfaehig/chapter:2 EMA; EMA suspends Picato as a precaution while review of skin cancer risk continues. Press release 17/01/2020. www.ema.europa.eu → News and Press releases (17. Januar 2020) https:// www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2020/01/20/picato-ist-nicht-mehr-verkehrsfaehig/ chapter:2 Globocan 2008; Cancer Incidence and Mortality Worldwide in 2008; http://globocan.iarc.fr/ National Cancer Institute (USA), Skin Cancer Treatment (PDQ®), 07/29/2011, http://www.cancer.gov/ cancertopics/pdq/treatment/skin/HealthProfessional NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology: Basal Cell Skin Cancer, J Natl Compr Canc Netw 2016; 14: 574–597 Lang BM, et al. 2017/2018https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/032-021l_S2k_ Basalzellkarzinom-der-Haut_2018-09_01.pdf Olsen EA, Abernethy ML, Kulp-Shorten C, Callen JP, Glazer SD, Huntley A, McCray M, Monroe AB, Tschen E, Wolf JE Jr. A double-blind, vehicle-controlled study evaluating masoprocol cream in the treatment of actinic keratoses on the head and neck. J Am Acad Dermatol 1991, 24:738-743 Preiß J, Dornoff W, Hagmann F-G, Schmieder A. Onkologie 2011; Juni 2011; http://www.onkologie2011.de/ index.htm Robert Koch Institut, 2019; https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Nichtmelanotischer-Hautkrebs/nicht-melanotischer-hautkrebs_node.html Röwert-Huber J, Patel MJ, Forschner T, Ulrich C, Eberle J, Kerl H, Sterry W, Stockfleth E. Actinic keratosis is an early in situ squamous cell carcinoma: a proposal for reclassification. Br J Dermatol 2007, 156(Suppl 3):8-12 Schandelmaier S, Briel M, Saccilotto R, Olu KK, Arpagaus A, Hemkens LG, Nordmann AJ. Niacin for primary and secondary prevention of cardiovascular events. Cochrane Database Syst Rev. 2017;6:CD009744. doi: 10.1002/14651858.CD009744.pub2.

8.10.3 Merkel-Zell-Karzinome Vorkommen Das Merkel-Zell-Karzinom ist ein aggressiver, neuroendokriner Tumor, • der in der Haut mit einem Durchmesser von häufig weniger als 2 cm in solider, rötlichvioletter, halbkugeliger oder kugeliger, manchmal auch flächiger Form, manchmal auch ulzerierend auftritt,

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)



497

wahrscheinlich seinen Ursprung hat in den Merkel-Zellen der Basalzellschicht der Epidermis, da Merkel-Karzinomzellen den Merkelzellen in vielen Parametern ähneln. Diese Zellen: – werden dem Tastorgan zugeordnet, – gehören ähnlich wie die neuroendokrinen Zellen in der Lunge und im MagenDarm-Trakt zu dem APUD/Amine Precursor Uptake and Decarboxylation-System.

Die Anzahl der Neuerkrankungen/Jahr hat eine ansteigende Tendenz, zeigt deutliche territoriale Unterschiede und liegt derzeit • bei 0,13/100.000/Jahr in Europa und • bei 1,6/100.000/Jahr in Australien. Merkel-Zell-Karzinome treten bevorzugt auf: • bei Personen über 50 Jahren – der Altersgipfel liegt bei etwa 70 Jahren, • bei Weißen häufiger als bei Schwarzen, • bei Männern etwas häufiger als bei Frauen; – in der Gesichts-, der Kopf- und Halsregion (ca. 50 % der Fälle), – an oberen Gliedmaßen, den Schultern und dem Rumpf (ca. 25 % der Fälle), – an der Hüfte und den unteren Gliedmaßen (ca. 15 % der Fälle). Als Risikofaktoren gelten: • UV-Bestrahlungen (Sonnenlicht, UV-Bänke) – im Besonderen auch nach Psoralen-Einnahme und UVA-Bestrahlung zur Behandlung der Psoriasis, • chronische Immunsuppressionen – im Rahmen von Organtransplantationen oder als Folge einer CLL/chronisch lymphatischen Leukämie oder einer Infektion mit HIV, • Tumorerkrankungen anderer Art, • Infektionen mit dem MCPyV/Merkel Cell Polyoma Virus (siehe Kap. 4.6.6), welches gefunden wurde – in einem beträchtlichen Teil der Merkelkarzinom-Patienten und zwar ▪ im Tumorgewebe wie auch ▪ in der normalen gesunden Haut, – in Patienten mit Basalzellkarzinomen und Plattenepithelkarzinomen, – in gesund erscheinenden Personen.

Entwicklungsstadien und Klassifikationen Die Klassifikation des Merkel-Zell-Karzinoms hat zur Grundlage die Maßgaben (siehe Tab. 8.200) • des AJCC/American Joint Committee on Cancer und • des TNM-Systems der UICC.

498

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.200: Entwicklungsstadien und Klassifikationen des Merkel-Zell-Karzinoms.

AJCCStadien

0

TNM-Klassifikation

Haut

Tx

Nx

Mx

keine Beurteilung eines Tumors und etwaiger Metastasen möglich

T0

N0

N0

kein Hinweis auf einen Tumor

Tis

N0

M0

Carcinoma in situ

T1

pN0

M0

Tumor ≤ 2 cm

cN0

M0

Benachbarte Gewebe

Prognose 5-JahresÜberleben

~ 90 % IA I IB

70–80 %

T2

pN0

Tumor < 2 cm

T3

pN0

Tumor > 2 cm

65–75 %

IIA

II

T2

cN0

T3

cN0

50–60 %

IIB

T4

N0

IIIA

jedes T

N1a

N1a = Mikrometastasen in regionalen Lymphknoten

jedes T

N1b

N1b = Makrometasen in regionalen Lymphknoten

jedes T

N2

N2 = in Transit-Metastasen

III

M0

Tumor hat Muskeln, Faszien, Knorpel und/oder Knochen infiltriert

IIC

IIIB

IV

jedes T

jedes N

M1

M1a

Metastasen in entferntere Lymphknoten, Haut oder Unterhaut

M1b

Metastasen in der Lunge

M1c

Metastasen in anderen viszeralen Organen

40–50 %

20–25 %

15–20 %

Die Metastasierung erfolgt vorwiegend in die regionalen Lymphknoten (ca. 60 %), in entfernte Hautbereiche (ca. 30 %), in die Lunge (ca. 25 %), in das Nervensystem (ca. 18 %) und in das Skelett (15 %). Bei etwa 55 % der Patienten sind zum Zeitpunkt der Erstdiagnose oder danach bereits Lymphknotenmetastasen feststellbar. Rezidive treten auf: • bei etwa 30 % der Patienten mit lokaler oder regionaler Tumorerkrankung innerhalb von zwei Jahren nach der Diagnose und Therapie, • bei etwa 50 % aller Patienten nach Exzision des Tumors. Histologische Klassifikation Merkel-Zell-Karzinome haben sowohl epitheliale wie auch neuroendokrine Eigenschaften. Charakteristisch sind: • das nukleäre Chromatinmuster,

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)







499

neuroendokrine Merkmale, wie – dichte neurosekretorische Granula im Zytoplasma, – die Expression von ▪ NSE/Neuronen-Spezifische Enolase, ▪ Neurofilamente; epitheliale Merkmale, wie – die Expression von ▪ Zytokeratin-20, -8, -18, -19, fehlende Expression von – Zytokeratin-7, Vimentin und TTF1/Thyroider Transkriptions-Faktor 1, – Leukozyten-Antigen.

Mit Hilfe dieser und weiterer Parameter können Merkel-Zellen von anderen neuroendokrinen Tumorzellen abgegrenzt werden wie z. B. • vom kleinzelligen Lungenkarzinom – positiv für ▪ Zytokeratin 7, ▪ NSE/Neuronen-Spezifische Enolase, ▪ TTF1/Thyroider Transkriptions-Faktor 1, – negativ jedoch für ▪ Zytokeratin 20, Neurofilament, S100-Protein, • vom kleinzelligen Melanom – positiv für ▪ S100-Protein, – negativ für ▪ Zytokeratin 20 und 7, Neurofilament, ▪ NSE/Neuronen-Spezifische Enolase, ▪ TTF1/Thyroider Transkriptions-Faktor 1. Mit zunehmender Entdifferenzierung können Merkel-Zell-Karzino ihr charakteristisches Antigenmuster jedoch verlieren. Folgende Subtypen des Merkel-Zell-Karzinoms werden unterschieden: • trabekulärer Typ – klassische differenzierte Form mit großen Zellen und großer Dichte an Granula, – eher günstige Prognose, • intermediärer Typ – solide Struktur, häufigster Subtyp, – mittlere Prognose, • kleinzelliger Typ – diffuse undifferenziert Zellstruktur, nur wenige dichte Granula, zweithäufigster Subtyp, – eher schlechte Prognose, • Mischtypen.

500

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Negative Prognose-Faktoren stellen dar: • der Entwicklungsstand, d. h. die Ausbreitung der Erkrankung – Größe und Lokalisation des Primärtumors ▪ bei Tumoren > 1 cm ist die Wahrscheinlichkeit von mikroskopisch nachweisbaren Lymphknotenmetastasen groß, ▪ Invasionstiefe, ein großer vertikaler Tumordurchmesser, ▪ Lokalisation in der Kopf-Hals-Region oder am Rumpf, – Metastasen ▪ in den regionären Lymphknoten; daher ist die Prüfung der Wächterlymphozyten auf Metastasen ein entscheidender Faktor für die Prognose; ▪ in entfernten Lymphknoten oder Organe, • männliches Geschlecht und jüngeres Lebensalter (< 60 Jahre), • Immunsuppression z. B. bedingt durch – Infektionen (z. B. mit HIV, EBV, HTLV), – dauerhaft erhöhte Glukokortikoidausschüttung (z. B. dekompensierter Stress) oder – immunsuppressiv wirkende Arzneimittel (Glukokortikoide, Immunsuppressiva) • fehlender Nachweis des MCPyV/Merkel-Cell-Polyoma-Virus – Patienten mit negativen Tumoren haben eine schlechtere Prognose als solche mit positiven Tumoren, • mangelnder Nachweis von TIL/Tumor-Infitrierende Lymphozyten. Die meisten Rezidive treten innerhalb der ersten 2 Jahre nach Erstdiagnose auf. Spontane, häufig auch komplette Regressionen des Merkel-Karzinoms werden sporadisch beobachtet, • diese kann alleine den Primärtumor betreffen, • sodass zum Zeitpunkt der Erstdiagnose nur Metastasen in Lymphknoten (z. B. in den inguinalen Lymphknoten) oder seltener sogar nur Fernmetastasen gefunden werden, • derartige Regressionen somit zu Tumoren mit unbekannten Primärtumor (UP-Tumore) führen können.

Diagnostik Es fehlen klinische Merkmale, welche charakteristisch wären für ein Merkel-Zell-Karzinom. In Folge dessen erfolgt die Diagnose meist auf Grund seiner histologischen Besonderheiten (s. o.) im Rahmen der Untersuchung auf Verdacht eines Basalzellkarzinoms oder Plattenepithelkarzinoms. Klinisch sind folgende Regeln bedeutsam: • die für diese Hauttumoren aufgeführten klinischen Untersuchungen, bildgebenden Verfahren und Biopsieentnahmen (siehe Kap. 8.10.2.2) sind auch für das Merkel-ZellKarzinom anzuwenden; • alle klinisch nicht klar einzustufenden kutanen Tumore sollen zumindest biopsiert oder besser vollständig exzidiert und histologisch untersucht werden, • mit bildgebenden Verfahren sind die regionären (drainierenden) Lymphknoten und bei Verdacht auch die übrigen Organe auf Metastasen zu untersuchen, • auch bei klinischem N0-Status sollen die Wächterlymphknoten identifiziert, biopsiert oder exzidiert und histologisch untersucht werden

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)

501

Histologisch stellen sich die Zellen des Merkel-Zell-Karzinoms bei der Routinefärbung mit Hämatoxylin/Eosin relativ monomorph dar, sind rund bis oval mit vesikulärem Nukleus und spärlichem Zytoplasma und meist hoher Mitose-und Apoptoserate. Nekrosen sind selten. Es existieren verschiedenste histopathologische Muster und Varianten. Weiterführend ist die immunhistologische Diagnostik mit folgenden Antigenen, welche zumindest gehäuft von Zellen des Merkel-Zell-Karzinoms exprimiert werden: • CgA/Chromogranin A, HIP-1/Huntington-Interacting Protein 1, LCA/Leucocyte Common Antigen, Melan A, NSE/Neuronen-Spezifische Enolase, S100B, Synaptophysin, TTF1/Thyroid-Transcription-Factor 1 sowie CK20/Zytokeratin 20, • primär lässt sich mit den Markern CK20, LCA, Melan A (oder S100B) und TTF-1 ein Merkel-Zell-Karzinom von einem Melanom, einem Lymphom oder von einer kutanen Metastase eines kleinzelligen Bronchialkarzinoms (SCLC/Small Cell Lung Carcinoma) immunhistologisch relativ sicher abzugrenzen, • bestehen weiterhin Zweifel, können die übrigen Marker zur Unterscheidung herangezogen werden. Für das Merkel-Zell-Karzinom spezifische, im Blutserum nachweisbare Tumormarker sind bislang nicht bekannt • NSE/Neuronen-Spezifische Enolase oder CgA/Chromogranin A liefern zu häufig falsch positive Werte, • weitere Testsysteme auf der Grundlage zirkulierender Tumorzellen oder Antikörper gegen virale Onkoproteine sind für den Routineeinsatz noch nicht ausgereift genug. Bei der Primärdiagnose eines Merkel-Zell-Karzinoms ist zu berücksichtigen, • dass in ca. 20 % der Fälle eine klinisch fassbare lymphogene Metastasierung vorliegt, • dass darüberhinaus – in ca. 30 % der Fälle ein klinisch nicht erkennbare lymphogene Mikrometastasierung nachweisbar ist und – auch bei negativen Wächterlymphknoten noch in ca. 17 % (7–25 %) der Fälle eine lymphogenen Metastasierung stattgefunden hat, • dass des Weiteren in 10 % der Fälle bereits eine Fernmetastasierung stattgefunden hat. Um somit eine bestmögliche Ausbreitung des Merkel-Zell-Karzinoms zu erfassen, sollte durchgeführt werden • vorzugsweise ein 18F-FDG-PET/CT des gesamten Körpers, • zumindest jedoch ein CT des Thorax und des Abdomens und ein MRT des Schädels.

Therapiestrategien Im Vordergrund der Therapie des Merkel-Zell-Karzinoms stehen (siehe Tab. 8.201) • die chirurgische Exzision des Primärtumors und ggf. seiner Metastasen • die Radiotherapie des Tumorbettes und der betroffenen Lymphabflusswege und • die Immuntherapie mit Immun-Check-Point-Inhibitoren.

502

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.201: Strategie der Therapie des Merkel-Zell-Karzinoms (in Anlehnung an Becker et al. 2018). Stadium I

Stadium IIA

Stadium IIB/C

Stadium III

Stadium IV











Chirurgische Tumor-Exzision (R0, Sicherheitsabstand ≥ 1 cm

Chirurgische Tumor-Exzision (R0, Sicherheitsabstand ≥ 2 cm

Chirurgische Tumor-Exzision (R0, Sicherheitsabstand ≥ 2 cm

Chirurgische Tumor-Exzision (R0, Sicherheitsabstand ≥ 2 cm

Chirurgische Tumor-Exzision

Exzision der regionalen Lymphknoten









und

und

und

und

Exzision der Wächterlymphknoten (zumindest Biopsie)

Exzision der Wächterlymphknoten

Exzision der Wächterlymphknoten

Exzision der regionalen Lymphknoten









und (falls pN1)

und (falls pN1)

und (falls pN1)

und

Exzision der regionalen Lymphknoten

Exzision der regionalen Lymphknoten

Exzision der regionalen Lymphknoten

Exzision verdächtiger weiterer Lymphknotenbereiche









ggf.

und

und

und

▾ und

▾ und

Exzision solitärer Fernmetastasen

▾ und Exzision verdächtiger weiterer Lymphknotenbereiche

▾ und/oder

▾ perkutane Radiotherapie perkutane Radiotherapie des Tumorbettes und der Lymphregion

perkutane Radiotherapie des Tumorbettes und der Lymphregion

perkutane Radiotherapie des Tumorbettes und der Lymphregion

perkutane Radiotherapie des Tumorbettes und der Lymphregion

▾ und/oder Anti-PD1-AK; AntiPD-1-L1 AK

▾ und/oder palliative Chemotherapie





▾ Nachsorge alle 3 Monate über 2 Jahre alle 6 Monate nach 2 Jahren





8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)

503

Chirurgische Verfahren Die möglichst vollständige Exzision aller Tumoren ist die grundlegende Therapie für Merkel-Zell-Karzinome: • beim Primärtumor – sollte wegen der hohen Rezidivrate der Randbezirk gesunden Gewebes folgenden Größenordnung haben ▪ im Stadium I mindestens ≥ 1 cm, ▪ im Stadium II mindestens ≥ 2 cm, – ist auf jeden Fall eine histologische Kontrolle des gesamten Schnittrandes durchzuführen; • Wächterlymphknoten des Primärtumors sind mit Hilfe der Lymph-Szintigrafie zu ermitteln, zu exzidieren und histologisch zu untersuchen, – bei Nachweis einer Mikrometastasierung sollte in allen Stadien eine radikale Exzision der regionalen Lymphknoten erfolgen, – bei fehlendem Nachweis einer Mikrometastasierung sollten ab dem Stadium II die regionalen Lymphknoten exzidiert werden, – nach der Lymphadenektomie sollten das Tumorbett und die Lympknotenregion bestrahlt werden (s. u. Radiotherapie), • bei Metastasen in weiteren Lymphknoten erfolgt eine radikale Exzision der betroffenen Lymphknotengruppe mit nachfolgender Radiotherapie, • Lokalrezidive sind radikal zu exzidieren. Radiotherapie Merkel-Zell-Karzinome sind meist radiosensitiv. Eine adjuvante postoperative perkutane Radiotherapie erfolgt mit einer kumulativen Dosis von 50–56 Gy, fraktioniert in täglich 2,0 Gy; fünfmal/Woche • im Stadium I optional, im Stadium II notwendigerweise, besonders aber auch bei unvollständiger Tumorresektion (R1, R2), – mit den Zielgebieten Primärtumorregion (Tumorbett, Sicherheitssaum und inTransit-Bereich) und regionäre Lymphknoten, – hierdurch kann die lokale Rezidivrate deutlich gesenkt werden, wobei die therapeutische Wirkung der postoperativen adjuvanten Bestrahlung im Stadium I und II gesichert, im Stadium III unklar ist bei Metastasen oder allein schon bei Verdacht auf Metastasen in Lymphknoten, • – sollte nach der radikalen Exzision eine adjuvante Bestrahlung auch des Lympheinstromgebietes erfolgen, • bei Fernmetastasen, – erfolgt eine perkutane Radiotherapie meist in Kombination mit der chirurgischen Exzision und/oder der Chemotherapie in Form eines sogenannten multimodalen Therapiekonzeptes, – mit kurativer oder palliativer Zielsetzung. Die perkutane Radiotherapie bei einem klinisch/makroskopisch vorhandenen Tumor erfolgt mit einer Gesamtdosis von ≥ 56 Gy.

504

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Chemotherapie Merkel-Zell-Karzinom gelten als sensitiv gegenüber Chemotherapeutika, jedoch entwickeln sie relativ schnell Resistenzen. Die Behandlungsschemata sind ähnlich denjenigen des kleinzelligen Bronchialkarzinoms/SCLC/Small-Cell-Lung-Carcinoma (siehe Kap. 8.8.2). Im Wesentlichen erfolgt eine Chemotherapie: • im Stadium der Metastasierung – lokoregionär oder in entfernten Lymphknoten oder Organen, • mit den bevorzugten Behandlungsschemata – CMF: Cyclophosphamid (600 mg/m2 i. v., Tag 1 und 8) + Methotrexat (40 mg/m2 i. v., Tag 1 und 8) + 5-Fluorouracil (600 mg/m2 i. v., Tag 1und 8); Wiederholung Tag 28, – ECDB: Etoposid (150 mg/m2 i. v.; Tag 1 und 2) + Cisplatin (80 mg/m2 i. v., Tag 1) + Doxorubicin (50 mg/m2 i. v., Tag 1) + Bleomycin (30 mg i. v., Tag 1); Wiederholung Tag 22, • alleine oder in Kombination mit einer chirurgischen Exzision und/oder Radiotherapie – mit kurativem Ziel, – oder palliativ, • wobei die Nebenwirkungen der Chemotherapie abzuwägen sind mit ihrer fraglichen Wirksamkeit in Bezug auf Verlängerung der Überlebenszeit. Immuntherapie Bislang erfolgte der Einsatz von Immuntherapeutika beim Merkel-Zell-Karzinom nur im fortgeschrittenen /metastasierten Stadium IV: • Anhaltspunkte bestehen, dass die Verabreichung von Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) oder von Interferon-α (IFN-α) zu einer Tumorregression führen könnte • deutliche Tumorregressionen konnten dagegen verzeichnet werden nach Verabreichung von monoklonalen Antikörpern, gerichtet gegen und zur Inhibition blockierender Rezeptoren auf T-Lymphozyten und Makrophagen (Immun-Check-Point-Inhibitoren, siehe Kap. 7.7.1.3) und damit zur Aktivierung der körpereigenen Immunabwehr gegen den eigenen Tumor • besonders wirksam zur palliativen Therapie erscheinen derzeit – Anti-PD-1 Antikörper wie Nivolumab und Pembrolizumab, – Anti PD-1-L1 Antikörper wie Avelumab, • noch zu klären ist die klinische Wirksamkeit von – anti-CTLA4- Antikörper wie Ipilimumab. Tab. 8.202: Therapieverfahren für das Merkel-Zell-Karzinom in Bezug zum TNM-Status.

AJCCStadien 0

TNM-Klassifikation

Chirurgie

Tis

N0

M0

T1 cN0

pN0

M0

Radiotherapie

Immuntherapie

Prognose 5-JahresÜberleben ~ 90 %

IA I IB

M0

adjuvant und perkutan

70–80 %

8.10 Bösartige Neubildungen der Haut (ICD10: C43-C44)

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

T2

pN0

T3

pN0

Chirurgie

IIA II

T2

cN0

T3

cN0

IIB IIC

T4

N0

IIIA

jedes T

N1a

jedes T

N1b

jedes T

N2

III

M0

IIIB

IV

jedes T

jedes M1 N

bestmögliche Resektion aller Tumoren und Metastasen in Lymphknoten und anderen Organen; radikale regionale Lymphadenektomie bei Lymphknotenmetastasen

M1a M1b M1c

Radiotherapie

Immuntherapie

505

Prognose 5-JahresÜberleben

(Region des Primärtumors und der regionale Lymphknoten)

65–75 %

perkutan mit kurativem und/oder palliativem Ziel ggf. in Kombination mit

40–50 %

50–60 %

20–25 %

Immuncheck-pointInhibitoren

15–20 %

Weiterführende Literatur Becker JC et al. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/032-023l_S2k_Merkelzellkarzinom_201812.pdf Hauschild A, Garbe C. Deutsche Leitlinie: Merkelzellkarzinom (Kutanes neuroendokrines Karzinom) Version 11, 02/2005; http://www.krebsgesellschaft.de/download/leitlinie_merkel_ado_2005.pdf National Cancer Institute (USA), Merkel Cell Carcinoma Treatment (PDQ®), 08/23/2011; http:// www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/merkelcell/healthprofessional, National Cancer Institute (USA), Skin Cancer Treatment (PDQ®), 07/29/2011, http://www.cancer.gov/ cancertopics/pdq/treatment/skin/HealthProfessional Preiß J, Dornoff W, Hagmann F-G, Schmieder A. Onkologie 2011; Juni 2011; http://www.onkologie2011.de/ index.htm

8.10.4 Übrige maligne Tumoren der Haut Die übrigen Tumoren der Haut stellen maligne entartete nichtepitheliale Zellen unterschiedlicher Gewebe dar. Diese Tumoren werden in den Kapiteln der Tumoren für das jeweilige Gewebe im Einzelnen dargestellt. Zu diesen Tumoren gehören: • Primäre Lymphome der Haut (siehe Kap. 8.15) – entstehen aus dem lymphatischen Gewebe der Haut (SALT/Skin Associated Lymphatic Tissue) und sind wie alle anderen Lymphome zu unterteilen in: – Morbus Hodgkin (in der Haut sehr selten; < 1 % der Haut-Lymphome), • NHL/Non-Hodgkin-Lymphome – B-Zell-Lymphome (CBCL/Cutaneous B Cell Lymphoma); etwa 10–15 % der kutanen Lymphome),

506

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren





T-Zell-Lymphome (CTCL/Cutaneous T Cell Lymphoma); etwa 85 % der kutanen Lymphome, wobei Mycosis fungoides und das Sezary-Syndrom mit insgesamt 57 % die häufigsten CTCL sind), primäre Sarkome der Haut – kutanes Angiosarkom (siehe Kap. 8.11) ▪ entwickelt sich aus den Endothelzellen der Blutgefäße (Hämangiosarkom) oder der Lymphgefäße (Lymphangiosarkom) der Haut, – Kaposi-Sarkom ▪ entsteht durch Infektion von Endothelzellen der Lymphgefäße mit dem HHV8/Humanes Herpes-Virus-8 (KSHV/Kaposi-Sarkom-assoziiertes HerpesVirus; siehe Kap. 4.6.6), ▪ Auslöser der Erkrankung ist eine Immunsuppression im Rahmen des Älterwerdens, einer Organtransplantation oder einer zusätzlichen Virusinfektion (z. B. mit HIV), – kutanes Leiomyosarkom (siehe Kap. 8.11) ▪ hat seinen Ursprung in den glatten Muskelzellen der Haarbälge und der Blutgefäße der Haut, – Dermatofibrosarkom protuberans (siehe Kap. 8.11) ▪ entsteht aus den Fibroblasten der Haut.

8.11 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49) Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes stellen eine heterogene Gruppe dar von seltenen Tumoren mesenchymalen Ursprungs, die unterteilt werden können in mehr als 100 unterschiedliche Tumortypen. Sie umfassen: • die eigentlichen Weichteiltumoren, – Sarkome der Bindegewebs-Fett, Muskel-, Fett-Bindegewebs- und Gefäßzellen, – Tumoren des peripheren perineuralen Gewebes, • GIST/Gastro-Intestinale Stroma-Tumoren, • Ewing-Sarkome, • Uterussarkome, • Kaposi-Sarkome (Neuerkrankungen 1–2 (Afrika 6)/100.000 Personen/Jahr, • Mesotheliome/Sarkome des Pleura- und Peritoneal-Epithels (Neuerkrankungen 2–3/ 100.000 Personen/Jahr). Die Sarkome mit Ursprung im Zentralen Nervensystem (Dura Mater, Gehirn) und oder in den parenchymatösen Organen oder Hohlorganen werden gesondert den jeweiligen Organen zugeordnet. Weichteilsarkome sind (nach ZNS-Tumoren, Lymphomen und Neuroblastomen) die vierthäufigste Gruppe solider Tumoren im Kindesalter.

8.11 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49)

507

8.11.1 Sarkome der Muskel-, Fett-, Bindegewebs- und Gefäßzellen und Tumoren des peripheren neuralen und perineuralen Gewebes Vorkommen Die eigentlichen Weichteiltumoren: • sind relativ selten – die Anzahl der Neuerkrankungen liegt bei 1,5–4,5/100.000/Jahr; – damit haben sie einen Anteil an allen bösartigen Tumoren ▪ bei Erwachsenen von ca. 1 %, ▪ bei Kindern und Jugendlichen von ca. 6–7 %, • sie treten über dem Körper ungleich verteilt auf; so ist folgender Anteil zu finden – an den Extremitäten ca. 60 %, – retro- und intraperitoneal etwa 20–35 %, ▪ wobei die GIST/Gastro-Intestinale Stroma-Tumoren hierbei eingeschlossen ist, – in der Kopf- und Halsregion und am Körperstamm ca. 15–20 %. In Deutschland liegen für das Jahr 2016 folgende Zahlen zu den eigentlichen Weichteiltumoren (ohne Mesotheliome) vor: • Neuerkrankungen – bei Frauen: 1.970; Neuerkrankungsrate 3,2/100.000 – bei Männern: 2.270; Neuerkrankungsrate 4.1/100.000 • Todesfälle – bei Frauen: 901; Todesrate 1,2/100.000; – bei Männern: 859; Todesrate 1,4/100.000 • durchschnittliches Erkrankungs- und Sterbealter – bei Frauen Erkrankungsalter: 68 Jahre; Sterbealter: 74 Jahre – bei Männern Erkrankungsalter: 67 Jahre, Sterbealter: 72 Jahre • Prävalenz – bei Frauen: 5 Jahre: 6.400; 10 Jahre: 10.500 bei Männern: 5 Jahre: 7.600; 10 Jahre: 12.500 • relative Überlebensrate – bei Frauen: 5 Jahre: 54 %; 10 Jahre: 45 % – bei Männern: 5 Jahre: 60 %; 10 Jahre: 56 %

Risikofaktoren Zu den Risikofaktoren zählen: • familiäre/genetische Faktoren – Li-Fraumeni-Syndrom mit Keimbahnmutation im TP53 Gen; ▪ ca. 10–20 % der Betroffenen entwickeln Weichgewebssarkome, meist Rhabdomyosarkome, Fibrosarkome oder undifferenzierte pleomorphe Sarkome – hereditäres Retinoblastom, mit Keimbahnmutation im RB1-Gen; ▪ Betroffene besitzen ein erhöhtes Risiko für Leiomyosarkome

508

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren









FAP/Familiäre Adenomatöse Polyposis mit Keimbahnmutationen innerhalb des APC Gens; ▪ ca. 7–16 % der Betroffenen entwickeln Desmoid-Fibromatosen ▪ eine Variante stellt das Gardner-Syndrom dar – NF-1/Neurofibromatose 1 (von-Recklinghausen-Syndrom) mit Keimbahnmutation im NF1-Gen; ▪ bei 5–10 % der Betroffenen treten MPNST/Maligne Periphere Nerven-Scheiden-Tumore auf und ▪ bei 4–25 % entwickeln GIST/Gastro-Intestinale Stroma-Tumore, – hereditäres Werner-Syndrom mit inaktivierenden Deletionen im WRN-Gen (Chr.8, p12-p11.2), das für eine DNA-Helikase zur DNA-Reparatur kodiert. ▪ führt zu einer erhöhten Mutationsrate mit Häufung von Sarkomen Erkrankungen – chronischer Lymphstau, besonders in den Gliedmaßen, erhöht das Risiko für Lymphangiosarkome und ist verursacht durch: ▪ angeborene Schwäche, ▪ Therapie des Mammakarzinoms (Stewart-Treves-Syndrom), exogene Faktoren – Strahlenbehandlung, z. B. von Mammakarzinomen, Lymphomen, Zervixkarzinomen, Hodentumoren besonders im Alter < 55 Jahre ▪ Erhöhung des Risikos um den Faktor 8–50, ▪ Latenzzeit im Mittel von 8–10 Jahren, ▪ meist undifferenzierte pleomorphe Sarkome und Angiosarkome – Thorotrast- (kolloidales Thorium-Dioxid-) Infusion zur Kontrastmitteldarstellung von Blutgefäßen ▪ innerhalb von 40 Jahren Nachbeobachtung wurden dosisabhängig bis zu 30 % Malignome diagnostiziert ▪ meist Angiosarkome in der Leber, – Toxine wie Asbest und Dioxin, – Vinylchlorid ▪ meist Angiosarkome in der Leber. Besonders bei kindlichen Weichteiltumoren sind eine Reihe von Mutationen, im Besonderen Translokationen zu finden (siehe Tab. 8.203).

Entwicklungsstadien und Klassifikationen Die Klassifikation der eigentlichen Weichteiltumore hat zur Grundlage die Maßgaben (siehe Tab. 8.202) • der AJCC/American Joint Committee on Cancer und • des TNM-Systems der UICC. In die Klassifikation wird das Ausmaß der Dedifferenzierung der Tumorzelle gemäß der FNCLCC/ Fédération Nationale des Centres de Lutte Contre le Cancer (Sarkoma Gruppe) eingeschlossen. Diese Einstufung unterscheidet sich von der vierstufigen Einstufung des Dedifferenzierungsgrades gemäß der UICC (siehe Kap. 8.1.1) wie folgt (siehe Tab. 8.204):

509

8.11 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49)

niedriggradige Dedifferenzierung – FNCLCC: Grad 1; UICC: Grad 1 und Grad 2 hochgradige Dedifferenzierung – FNCLCC: Grad 2 und Grad 3; UICC: Grad 3 und Grad 4.

• •

Tab. 8.203: Entwicklungsstadien und Risiko-Klassifikationen von adulten malignen Weichteiltumoren.

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

Differenzierung

Tumorlokalisation und Größe

Benachbartes Gewebe

Tx

Nx

Mx

keine Beurteilung eines Tumors und etwaiger Metastasen möglich

T0

N0

M0

kein Hinweis auf einen Tumor

T1

N0

M0

T1a

N0

M0

G1

oberflächlicher Tumor (hat die zuunterst liegende Faszie nicht durchdrungen)

T1b

N0

M0

G1

tiefer Tumor (hat die zuunterst liegende Faszie durchdrungen oder liegt unter der Faszie)

T2

N0

M0

T2a

N0

M0

G1

Innere Organe: Infiltration in Serosa visceralis

T2b

N0

M0

G1

Innere Organe: mikroskopische Infiltration jenseits der Serosa Extremitäten/Stamm > 10 cm ≤ 15 cm Kopf/Hals > 4 cm Innere Organe: Infiltration in ein zusätzliches Organ oder makroskopische Ausbreitung jenseits der Serosa

Extremitäten/Stamm ≤ 5 cm Kopf/Hals ≤ 2 cm Innere Organe: 1 Organ befallen

Prognose 5-JahresÜberleben*)

85–95 %

IA

Extremitäten/Stamm > 5 cm ≤ 10 cm Kopf/Hals > 2 cm ≤ 4 cm

I

IB

II IIIA

III

T3

N0

M0

G1

T1

N0

M0

G2/3

T2a/b

N0

M0

G2/3

T3

N0

M0

G2/G3

T4

N0

M0

G2/G3

Extremitäten/Stamm: > 15 cm Kopf/Hals: Infiltration Schädelbasis, Dura, Gesichtsknochen, Kopf-Hals Muskulatur Innere Organe: multifokal > 2 Lokalisationen in 1 Organ

T4a

N0

M0

G2/G3

T4b

N0

M0

G2/G3

IIIIB

T4c

N0

M0

G2/G3

70–80 %

~ 50 %

Kopf/Hals: Infiltration Gehirn, perineural, periarteriell paravertebral

Innere Organe: multi-fokal

>2 ≤5 Lokalisationen >5 Lokalisationen

510

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

AJCCStadien

IIIC

IV

TNM-Klassifikation

jedes T

N1

jedes

jedes

T

N

Differenzierung

Tumorlokalisation und Größe

Benachbartes Gewebe

M0

jedes G

N1 = Metastasen in regionalen Lymphknoten

M1

jedes G

M1 = Fernmetastasen

Prognose 5-JahresÜberleben*)

~ 10 %

Prognose der Weichteilsarkome in Abhängigkeit von den Risikofaktoren (Schütte et al. 2019) Risikofaktoren

Metastasenfreie

Differenzierungs-

5 Jahres-

grad/Malignität

Überlebensrate

Art

Anzahl

Überlebensrate*

G1

80–90 %

hoher Malignitätsgrad (G2/3)



94 %

G2

65–77 %

Tumorgröße > 5 cm



79 %

G3

42–50 %

tiefe Lokalisation



49 %

5-Jahres-

*) nur Weichteilsarkome an den Extremitäten

Im Sinne der Klassifikation (siehe Tab. 8.203) sind definiert: • oberflächliche Weichteiltumoren (T1a, T2a) – Tumoren liegen vollständig oberhalb der oberflächlichen Faszie, ohne diese zu infiltrieren, • tiefe Weichteiltumoren (T1b, T2b) – Tumoren berühren oder infiltrieren die oberflächliche Faszie oder liegen unterhalb der oberflächlichen Faszie, – Tumoren, welche mediastinal, retroperitoneal und/oder pelvin gelegen sind, – Tumoren am Kopf, Nacken, Axilla, Leistenbeuge, Schenkeldreieck, Kniekehle, Ellbeuge, Handwurzel, Fußwurzel, Ferse und/oder Mittelfuß, – paraspinal gelegene Tumoren. Histologische Klassifizierung Die histologische Klassifizierung erfolgt durch Bestimmung: • des vorherrschenden Zelltyps mit Hilfe – der spezifischen phänotypischen Differenzierungsmerkmale, – der immunhistochemischer Parameter, – ggf. auch der molekulargenetischen Charakteristika ▪ einige Weichteilsarkome zeichnen sich durch eine Häufung von Mutationen, im Besonderen von Translokationen aus (siehe Tab. 8.204), • des Dedifferenzierungsgrades gemäß FNCLCC/Fédération Nationale des Centres de Lutte Contre le Cancer (Sarkoma Gruppe) (siehe oben) – dem Dedifferenzierungsgrad G1 oder G3 sind eine Reihe von Tumortypen per Definition zuzuordnen (siehe Tab. 8.204),

8.11 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49)



511

G2 Tumoren zeichnen sich im Besonderen dadurch aus, dass < 15 % ihrer Fläche Nekrose aufweist, dass < 5 Mitosen in 10 Objektfeldern (40mal Objektivvergrößerung) zu finden sind, ▪ dass die nukleäre Atypie nicht ausgeprägt ist und der Tumor kein ausschließlich zelluläres Bild abgibt. ▪

Tab. 8.204: Histologische Klassifizierung der Weichteiltumoren. Relative Häufigkeit Weichteiltumore

Ursprungszelle

Mutationen > 21 Jahre < 21 Jahre

des Fett- und Bindegewebes 12q13–15 (Amplifikation von Liposarkome (LS)

MDM2 und CDK4) t(12;16) (q13;p12) CHOP-Fusionsprotein

hochdifferenziert lipomartig sklerosierend

Fettzellen

15–25 %

gemischtzellig)

Paragangliome

Carney-Stratakis-Syndrom

SDH-B (Succinat Dehydrogenase Komplex B)

inaktivierende Mutationen: Transversion von G72 und 1 zu T, Transversion von G 423 und 1 zu C

SDH-C

inaktivierende Mutationen: Transversion von G405 und 1 zu A, Punktmutation Arg242His

SDH-D

inaktivierende Mutationen: Deletion: 1-BP DEL, 57G

< 25 Jahre ♀~♂

Entwicklungsstadien und Klassifikationen Die Klassifikation von GIST hat zur Grundlage die Maßgaben (siehe Tab. 8.209): • des American Joint Committee on Cancer (AJCC) und • des TNM-Systems der UICC und schließt den histologischen Befund der Mitoserate (bestimmt in 50 Gesichtsfeldern hoher Vergrößerung/HPF/High Power Fields) mit ein.

531

8.11 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49)

Tab. 8.209: Entwicklungsstadien und Klassifikation von GIST/gastrointestinalen Stromatumoren.

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

Tx

Nx

Mx

T0

N0

M0

MitoseRate*)

Benachbartes Gewebe

Tumor

Prognose 5-JahresÜberleben

keine Beurteilung eines Tumors und etwaiger Metastasen möglich kein Hinweis auf einen Tumor GIST des Magens

T1

N0

M0

niedrig

Tumor ≤ 2 cm

> 90 %

T2

N0

M0

niedrig

Tumor > 2 cm aber ≤ 5 cm

~ 90 %

T3

N0

M0

niedrig

Tumor > 5 cm aber ≤ 10 cm

~ 50 %– 90 %

T4

N0

M0

niedrig

Tumor > 10 cm

T1,2

N0

M0

hoch

IIIA

T3

N0

M0

hoch

IIIB

T4

N0

M0

hoch

jedes T

N1

M0

jede

N1 = Metastasen in regionalen Lymphknoten

jedes T

jedes N

M1

jede

M1 = Fernmetastasen

IA I IB

II 20 %–80 %

III

IV

20 %–45 %

GIST des Dünndarms I

T1,2

N0

M0

niedrig

Tumor ≤ 5 cm

II

T3

N0

M0

niedrig

Tumor > 5 cm aber ≤ 10 cm

N0

M0

hoch

Tumor ≤ 2 cm

T4

N0

M0

niedrig

Tumor > 10 cm

T2,3,4

N0

M0

hoch

jedes T

N1

M0

jede

N1 = Metastasen in regionalen Lymphknoten

jedes T

jedes N

M1

jede

M1 = Fernmetastasen

III

IIIA

IIIB IV

T1

niedrig: ≤ 5 Mitosen /5 mm2; hoch: > 5 Mitosen/5 mm2 Risiko der Progression und des Rezidivs von GIST in Abhängigkeit von der Lokalisation, der Mitoserate und der Tumorgröße (Reichardt et al. 2019) Mitoserate

Magen-GIST

Duodenum-GIST

Jejunum-GIST

Rektum-GIST

Tumor größe (cm)

Progression

Rezidiv

Progression

Rezidiv

Progression

Rezidiv

Progression

Rezidiv

≤2

0

0%

0

0%

0

0%

0

0%

> 2≤ 5

(+)

2%

+

8%

+

4%

+

9%

> 5 ≤ 10

+

4%

+++

34 %

++

24 %

+++

57 %

> 10

++

12 %

+++

hoch

+++

52 %

≤ 5*)

532

> 5*)

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

≤2

0

0%

+++

k.A

+++

50 %

+++

54 %

> 2≤ 5

++

16 %

+++

50 %

+++

73 %

+++

52 %

> 5 ≤ 10

+++

55 %

+++

86 %

+++

85 %

+++

71 %

> 10

+++

86 %

+++

k.A

+++

90 %

+++

k.A.

(+) = sehr gering, + = gering; ++ = mittel, +++ = hoch; k.A. = keine Angaben *) Anzahl der Mitosen pro 50 HPF = High Power Field (Gesichtsfeld bei 400-facher Vergrößerung im Mikroskop)

Histologisch werden GIST unterschieden in: • spindelzellige Formen – Häufigkeit: ▪ 60–70 % bei sporadischer und familiärer GIST und beim Carney-StratakisSyndrom, ▪ > 95 % bei Neurofibromatose, • epitheloide Formen – Häufigkeit: ▪ 20–30 % bei sporadischer und familiärer GIST und beim Carney-StratakisSyndrom, ▪ > 95 % Carneys-Triade, – scheinen vermehrt aufzutreten bei aktivierende Mutationen von PDGFRα, • gemischzellige Formen – Häufigkeit: ▪ ~ 10 % bei sporadischer und familiärer GIST und beim Carney-StratakisSyndrom.

8.11.2.2 Diagnostik und Prognosefaktoren Diagnostik Die klinischen Symptome sind meist unspezifisch: • Völlegefühl, adominale Druckgefühle, Zunahme des Bauchumfangs, • Schmerzen ähnlich einer akuten Blindarmentzündung, • Darmverschluss, • akute Bauchfellentzündung, falls der Tumor aufgebrochen ist, • gastrointestinale Blutungen – bei etwa 10 % der Patienten. GIST wird als Zufallsbefund bei etwa 30 % der Patienten im Rahmen anderer internistischer Untersuchungen entdeckt. Die Diagnostik erfolgt mit ähnlicher Vorgehensweise und Methodik wie bei den malignen Tumoren der Verdauungsorgane (siehe Kap. 8.7), d. h. im Wesentlichen:

533

8.11 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49)

• •



klinisch durch – endoskopische Untersuchungen (Magen und Darm), mit den bildgebenden Verfahren der – Sonografie und Endosonografie, – CT (mit Kontrastmittel) von Thorax, Abdomen und Becken, – ggf. bei Verdacht auf Metastasen ▪ MRT, ▪ Röntgen-Aufnahmen des Thorax (aus 2 Ebenen), ▪ PET mit 18Fluoro-Desoxyglukose (FDG) als ergänzende Untersuchung, ▪ Knochenszintigrafie, durch Biopsie des Tumors und dessen histologische und molekularbiologische Untersuchung – vorzugsweise endoskopisch oder endosonografisch gesteuert oder – durch chirurgische Exzision ▪ um eine intraabdominelle Tumorstreuung zu vermeiden, ▪ da GIST-Tumoren äußerst zellreich, blutgefäßreich und mechanisch wenig widerstandsfähig sind, – zur Erfassung besonders ▪ des histologischen Typs wie auch der Mitoserate und ▪ der Mutationen von c-Kit und PDGFRα (siehe Tab. 8.210).

Aktivierende somatische Mutationen von c-Kit oder von PDGFRα stellen die häufigsten Mutationen dar (siehe Tab. 8.210): • KIT (SCF-R/Stem-Cell-Factor-Receptor) – bei ~ 85 % der Patienten ist eine aktivierende Mutation zu finden, – 5–10 % der Patienten weisen keine Mutation auf, – ca. 4 % der Patienten exprimieren kein c-Kit, dafür aber den PDGFRα, • PDGFRα/Platelet-Derived Growth Factor-Receptor-α – ca. 5–10 % der Patienten weisen eine Mutation auf, • aktivierende Mutationen beider Rezeptoren in einer GIST-Zelle wurden gleichzeitig noch nicht gefunden. Tab. 8.210: Primäre Mutationen von c-Kit und des PDGFRα bei gastrointestinalen Stromatumoren.

Gene/ Rezeptor

Kodierte Aminosäuresequenz Lokalisation

Funktion

C-Kit/ SCF-R

Primäre Mutationen Häufigkeit

Art und Lokalisationen Somatisch/sporadisch

Metastasierungspotential

Hereditär

85 %

Exon 8

extrazellulär

Exon 9

extrazellulär

regulatorisch

90 %

IA IB

II

IV

Chirurgie

Radiotherapie

~ 90 % Resektion (R0) des Primärtumors

und ggf. Resektion uni-/oligolokularer Metastasen

präoperativ und/oder postoperativ oder primär KinaseInhibitoren (Imatinib, sekundär Sunitinib) palliativ, perkutan

~ 90 % ~ 50 %

50–80 %

20–35 %

~ 45 %

< 20 %

Primäre W = bei primärer Wirkung von Imatinib; Primäre R = bei primärer Resistenz gegen Imatinib; *) extrapolierte Schätzwerte

Weiterführende Literatur Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) Reichardt P, Schütte J, Gastrointestinale Stromatumoren, Leitlinie der Deutschen Gesellschft für Hämatologie und Onkologie; Fassung: Juni 2011, http://www.dghoonkopedia.de/onkopedia/leitlinien/gastrointestinale-stromatumore-gist,

542

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

National Cancer Institute (USA), Gastrointestinal Stroma Tumor Treatment, 10/14/2011 10/14/2011 10/14/ 2011 10/14/2011 10/14/2011, http://www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/gist/ HealthProfessional Ramachandran A. PDGF Receptor Alpha (PDGFR) Mutations in GIST, AROG Pharmaceuticals, LLC., http:// www.gistsupport.org/media/AskPro/AROG%20QA%20crenolanib.pdf; Aufruf 12. 12. 2011, Reichardt P. et al. 2019, https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/gastrointestinalestromatumoren-gist/@@guideline/html/index.html Schneider-Stock R. Mutationsanalyse bei GISt-Gibt es eine klinische Bedeutung? http:// www.tumorzentrum.uk-erlangen.de/e1846/e2987/e2989/inhalt3295/ERlangen-OnkologenGIST_ Schneider-Stock.pdf; Aufruf 11. 12. 2011 Wardelmann E, Hrychyk A, Merkelbach-Bruse S, Pauls K, Goldstein J, Hohenberger P, Losen I, Manegold C, Büttner R, Pietsch T. Association of Platelet-Derived Growth Factor Receptor – Mutations with Gastric Primary Site and Epithelioid or Mixed Cell Morphology in Gastrointestinal Stromal Tumors, The Journal of Molecular Diagnostics 2004, 6: 197–204.

8.11.3 Ewing-Sarkome Die klassischen intraossären Ewing-Sarkome (siehe Kap. 8.9), die extraossären EwingSarkome, die PNET/Primitiven Neuro-Ektodermalen Tumore und der Askin-Tumor in der Thoraxwand werden den peripheren neuroektodermalen Tumoren zugerechnet, welche von embryonalen mesenchymalen Stammzellen des Knochenmarks abstammen. Die Anzahl der Neuerkrankungen an Ewingssarkomen liegt: • über alle Altersgruppen bei etwa 0,3/100.000 Personen/Jahr und hat sich in den letzten Jahrzehnten kaum verändert, • bei Jugendlichen bei etwa 1/100.000 Personen/Jahr, – bei Mädchen etwas höher als bei Jungen (Verhältnis 59 : 41), • bei Weißen deutlich höher (ca. Faktor 9) als bei Schwarz-Afrikanern. Einzelheiten zu der ESFT/Ewing-Sarkoma-Familie von Tumoren mit spezieller Berücksichtigung der intraossären Ewing-Sarkome sind im Kapitel „Bösartige Neubildungen des Knochens und des Gelenkknorpels“ (siehe Kap. 8.9) aufgeführt. Ergänzend ist zu den EOE/Extra-Ossären Ewings-Sarkomen zu erwähnen: • Lokalisation: – Stamm: 32 % – Gliedmaßen: 26 % – Kopf und Hals: 18 % – Retroperitoneum: 16 % – andere Lokalisationen: 9% • etwa 25 % der Patienten sind zum Zeitpunkt der Erstdiagnose bereits an Metastasen erkrankt. Risikofaktoren, klinische und histologische Klassifikation, prognostische Faktoren, diagnostische Verfahren und Therapiestrategien bei extraossären Ewing-Sarkomen sind weitgehend gleich den intraossären Ewing-Tumoren (siehe unter Kap. 8.9).

8.11 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49)

543

8.11.4 Uterussarkome Vorkommen Uterussarkome stellen eine heterogene Gruppe von malignen mesenchymalen Tumoren bzw. malignen gemischte epithelial-mesenchymalen Tumoren der Uterusmuskulatur, des endometrialen Stromas oder des uterinen Bindegewebes dar und umfassen: Anteil 60–70 % • LMS/Leiomyosarkome (treten am häufigsten im Alter von ca. 50 Jahren auf) • Hoch-differenzierte endometriale Stromasarkome (LG-ESS/Low Grade-Endometrial Stroma-Sarcoma) 10 % (treten meist vor der Menopause auf) 10 % • Gering-differenzierte endometriale Stromasarkome (HG-ESS/High Grade-ESS) (treten meist nach der Menopause auf) 10 % • UUS/undifferenzierte uterine Sarkome, • AS//Adenosarkome, 5 cm oder Infiltration < 50 % der Tiefe des Myometriums

IC

T1c

Tumorinfiltration > 50 % der Tiefe des Myometriums

50–60 %

8.11 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49)

FIGO Stadien

TNM Klassifikation

Benach- Prognose barte 5-JahresOrgane Überleben

Uterus

T2

545

Tumor jenseits des Uterus und infiltriert das Becken

IIA

T2a

Tumor befällt Adnexe (einseitig oder beidseitig)

IIB

T2b

Tumor hat extrauterines pelvines Gewebe (anders als Adnexe) infiltriert

II

< 50 %

T3

III

Tumor hat Abdomen infiltriert

IIIA

T3a

1 abdominale Lokalisation

IIIB

T3b

> 1 abdominale Lokalisation

IIIC

T3c

N1

Metastase in pelvinen oder paraaortalen Lymphknoten Tumor hat die Harnblase oder den Darm infiltriert oder Fernmetastase gebildet

T4 IV

10–20 %

IVA

T4a

jedes N

Tumor hat Harnblase und/oder Darm/Rektum infiltriert

IVB

T4b

M1

Fernmetastasen in entfernte Organe

< 10 %

Klassifikation der ESS/Endometriale Stromsarkome Grade

Mitosen

Nekrosen

ER/PR/ (AR)

Cyclin D1

c-Kit (CD117)

t(10;17) YWHAENUTM2

t(x;22) t(7;17)(p15; ZC3H7B- q21 JAZF1- Prognose BCOR SUZ12)

LG

< 10/ 10HPF

(+)

+++

–/+ (fokal < 10 %)

–/+ (fokal)





+

gut

HG

> 10/ 10HPF

+++



+ (diffus) +++ (70 %)

+

+

+



mittel

UUS

> 25/ 10HPF

+++

+/−

+

+

komplexe genetische Veränderungen

schlecht

LG = Low Grade /hoch-differenziertes ESS; HG = High Grade/gering differenziertes ESS; HPF = High Power Field (Gesichtsfeld bei 400-facher Vergrößerung im Mikroskop); ER/PR/AR = Östrogen-/Progesteron-/Androgen-Rezeptoren; UUS= Undifferenziertes Uterines Sarkom; BCOR = Bcl2-Corepressor

Die Symptome und die Diagnostik von Uterussarkomen sind gleich wie bei den übrigen Uterustumoren beschrieben (siehe Kap. 8.3.2.2), jedoch mit folgenden Besonderheiten:

Diagnose Klinisch gibt es keine spezifischen Symptome für uterine Sarkome, • als verdächtig gilt in der Postmenopause ein schnell-wachsender Uterus bei niedrigem Östrogenspiegel, • vaginale Blutungen treten bei ca. 60 % der Uterussarkome auf, • häufige Regeltempo- und Regeltypus-Störungen (besonders beim uterinen Adenosarkom),

546 •



8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Hysteroskopie und Abrasio mit Zytologie/Histologie – sind meist die primären Untersuchungsmethoden, – liefern jedoch häufig falsch negative Befunde (im Gegensatz zum Uteruskarzinom) die Diagnose ist häufig – ein Zufallsbefund bei einer Hysterektomie oder – das Ergebnis der Ursachenforschung h Metastasen in den Organen (z. B. Dyspnoe durch Lungenmetastasen)

Bildgebende Verfahren bieten keine absolute diagnostische Sicherheit, jedoch werden bevorzugt • die vaginale Sonografie, im Besonderen die Farbdoppler-Sonografie zur Unterscheidung zwischen Myom und Sarkom • das MRT mit Kontrastmittelverstärkung und mit speziellen Diffusions-Sequenzen – von Becken, Abdomen und Thorax, – besonders zur Erfassung der lokalen Ausbreitung und Infiltrationen und – zur Evaluation von Nekrosezonen, • ggf. die CT des Abdomens und des Thorax zur Erfassung von Metastasen. Histologische, immunhistologische und molekularbiologische Beurteilung Die Gewebeentnahme erfolgt im Regelfall • primär durch Abrasio (bei einem ersten Verdacht), • sekundär zur Diagnose durch Stanzbiopsien oder durch Resektion, – wobei auf operative Zerstückelung (Morcellement) des Tumors verzichtet werden sollte, da diese die Prognose erheblich verschlechtert. Leiomyosarkome • werden histologisch unterteilt in – klassisch/spindelzellig, epitheloid, myxoid und dedifferenziert, • exprimieren Aktin, Desmin, H-Caldesmon, Vimentin, WF-1, Zytokeratin, Bcl-2, CD10, Östrogen- und Progesteron-Rezeptoren, • sind durch ihr Expressionsmuster jedoch nicht eindeutig von Leiomyomen zu unterscheiden, wobei – Leiomyosarkome stärker exprimieren p53, MIB1, p16, Ki67, CD117, Dog1, – Leiomyome dagegen stärker exprimieren Bcl-2, Östrogen- und Progesteron-Rezeptoren. ESS/Endometriale Stroma-Sarkome werden an Hand des histologischen Bildes und unter zur Hilfenahme der Rate von Mitosen, Nekrosen, des Nachweises von Östrogen- und Progesteron-Rezeptoren und der Mutationsanalyse unterteilt in (siehe Tab. 8.214) • LG-ESS: niedriggradige (low-grade/hoch differenzierte) Endometriale Stromasarkome, deren Tumorzellen – endometrialen Stromazellen ähneln, – zungenförmig in das Myometrium infiltrieren, – nur eine geringe Polymorphie aufweisen,

8.11 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49)

547

– –





wenig Mitosen und nur mikroskopisch erkennbare Nekrosen aufweisen, Östrogen- und Progersteron-Rezeptoren, weniger Androgen-Rezeptoren exprimieren. – zu 50–60 % die Translokation t(7;17)(p15;q21) mit dem Fusionsprotein JAZF1-SUZ12 enthalten; weniger häufige Translokationen sind ▪ t(6;7)(p21;q21), Fusionsprotein: PHF1-JAZF1 ▪ t(10;19)(p21;q22;p12), Fusionsprotein: PHF1-EPC1 ▪ t(1;6)(p34;p21), Fusionsprotein: MEAF6-PHF1 ▪ t(5;6)(q31;p21), Fusionsprotein: PHF1-BRD8 ▪ t(X;17), Fusionsprotein: MBTD-CXorf67 HG-ESS: hochgradige (high grade/gering differenziert) Endometriale Stromasarkome, welche – oft eine Mischung von Grad 1 und Grad 2/3 aufweisen, – destruierend wachsen, – durch eine starke Polymorphie geprägt sind und – häufig Mitosen und mikroskopisch, manchmal auch makroskopisch erkennbare Nekrosen aufweisen, – mehrheitlich Translokationen enthalten ▪ t(10;17), Fusionsprotein: YWHAE-NUTM2 oder ▪ t(X;22), Fusionsprotein: ZC3H7B-BCOR UUS: undifferenzierte uterine Sarkome, deren Tumorzellen – keine Ähnlichkeiten mehr zu endometrialen Stromasarkomzellen aufweisen, – infiltrativ-destruktiv wachsen mit z. T. rhabdoider und myxoider Struktur und Gefäßinfiltration, – durch eine hochgradige Polymorphie geprägt sind, – sehr häufig atypische Mitosen und viele bereits makroskopisch erkennbare Nekrosen zeigen und – komplexe genetische Veränderungen aufweisen.

Uterine Adenosarkome • stellen dar gemischte epithelial-mesenchymale Tumoren mit benigner epithelialer und maligner mesenchymaler Komponente, wobei letztere – in ca. 90 % hoch-differenziert (G1) ist, – seltener auch gering-differenziert (G2/3) sein kann (high-grade Sarkom) ▪ mit hochgradiger Polymorphie, höhere Mitoserate, Infiltrationen in das Stroma des Myometriums, der Zervix und in die Venen, ▪ falls der gering differenzierte Bereich > 25 % eines Tumors ausmacht, gilt das Adenokarzinom als „sarkomatös überwuchert“ • exprimieren im mesenchymalen Anteil Östrogen- und Progesteron-Rezeptoren, CD 10 (NEP/Neutrale Endo-Peptidase), den Proliferationsmarker Ki-67 und p53 – wobei eine sarkomatöse Überwucherung die Expression von Ki-67 und p53 verstärkt • sind von Adenofibromen im Wesentlichen durch die Atypien im Stroma zu unterscheiden.

548

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Uterine Rhabdomyosarkome bei Kindern und Jugendlichen • stellen 10 % aller bei Mädchen diagnostizierten Rhabdomyosarkome dar, • sind vorwiegend lokalisiert – in der Vagina im Durchschnittsalter von 1,9 Jahren, – im Uterus im Durchschnittsalter von 2,7 Jahren, – in der Zervix im Durchschnittsalter von 13,5 Jahren • sind zu 3 % alveolär, zu 97 % nicht alveolär, • sind zu 5 % zum Diagnosezeitpunkt bereits in die regionalen Lymphknoten metastasiert. Alle klinischen, bildgebenden, feingeweblichen und biochemischen Untersuchungen sollen für den jeweiligen Uterussarkom-Typ folgende Auskünfte geben • Grading (im Besonderen auch bei den Endometrialen Stroma Sarkomen, • Lymph- oder Blutgefäßeinbrüche (L- und V-Status), • Perineuralscheideninfiltrate (Pn-Status), • Staging (pTNM), • Invasionstiefe in das Myometrium bzw. (endo-) zervikale Stroma, • dreidimensionale Tumorgröße in cm, • R-Klassifikation (R0, R1, R2), • metrische Angabe des minimalen Abstandes des Sarkoms zu Resektionsrändern im Gesunden, • Östrogen- und Progesteron-Rezeptor-Expression

Prognose Auf die Prognose aller Uterussarkome wirkt sich grundsätzlich negativ aus: • das fortgeschrittene Alter des Patienten (Leiomyosarkome), • eine fortgeschrittene Ausbreitung des Tumors gemäß der Klassifikation von FIGO, • Anteile hochmaligner Tumortypen (z. B. seröse Zellen oder Klarzell-Sarkome), • eine verstärkte Dedifferenzierung der Tumorzelle (z. B. G2 und G3), • eine erhöhte Mitoserate – besonders beim Leiomyosarkom und Undifferenziertem Uterinem Sarkom • einen unvollständigen Resektionsstatus (R1/2) und • eine Gefäß-Infiltration (V1). Uterine Leiomyosarkome haben per se eine schlechte Prognose mit einer 5-Jahres-Überlebensrate • im Stadium I von 51 % – Stadium IA von 77 % – Stadium IB von 48 % • im Stadium II von 25 %. Bei ESS/Endometrialen Stromasarkomen ist die Prognose abhängig (siehe Tab. 8.214) von • der Anzahl der Mitosen/Gewebefläche und dem Nachweis von Nekrosen,

8.11 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49)

• •

549

der Expression von Östrogen- und Progesteron-Rezeptoren, – welche Anzeichen für eine günstigere Prognose darstellen und der Art der Mutationen/Translokationen.

So liegt die 5-Jahres-Überlebensrate • bei hoch differenziertem (Low-Grade) ESS – im Stadium I bei 90–100 % – im Stadium II/III bei 80–90 % – im Stadium IV noch bei 40 % • bei gering differenziertem (High Grade) ESS – zwischen den Werten von LG-ESS und dem UUS – bei Translokation t(10;17)/ YWHAE-NUTM2 im Gesamten bei 33 %, – bei Translokation t(X;22)/ZC3H7B-BCOR im Gesamten bei 24 %, • Undifferenzierte uterine Sarkome (UUS) – zeigen ein medianes Gesamtüberleben von 1–2 Jahren; Bei uterinen Adenosarkomen ist für die Prognose entscheidend • der Anteil der sarkomatösen Überwucherung; – so beträgt die Rezidivrate (meist im Becken oder in der Vagina) ▪ ohne sarkomatöse Überwucherung 15–25 %, ▪ mit sarkomatöser Überwucherung jedoch 45–70 %, – des Weiteren liegt die Mortalität nach 5 Jahren ▪ ohne sarkomatöse Überwucherung bei 10–25 %, ▪ mit sarkomatöser Überwucherung bei bis zu 75 %, • die Tiefe der myometranen Invasion, die Lymphgefäßinvasion und/oder die extrauterine Ausbreitung, • die Metastasierung, deren Häufigkeit relativ gering ist – mit 3–4 % in die regionalen (pelvinen und paraaortalen) Lymphknoten, – mit ca. 5 % als Fernmetastasierung in andere Organe (meist Lunge), • vom Tumorstadium; So liegt die 5-Jahres Überlebensrate – im Stadium I bei 79 % und – im Stadium III bei 48 %, – (beim Karzinosarkom dagegen im Stadium I bei 51 % und im Stadium III bei 24 %). • Uterine Rhabdomyosarkome der Kinder und Jugendlichen – haben insgesamt eine günstige Prognose; so liegt nach 10 Jahren ▪ die Rate des Progressions- und rezidivfreien Überlebens bei 74 % ▪ die Rate des Gesamtüberlebens bei 92 % – wesentliche Prognose-verschlechternde Faktoren sind ▪ der histologische Typ; alveoläre RMS besitzen das höchste Risiko, ▪ der Resektionsstatus (R1/R2-Status versus R0) ▪ das Ausmaß der Metastasierung (N1, M1 Status versus N0, M0) und ▪ das Alter des Kindes (je jünger, umso geringer ist das Risiko)

550

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Therapiestrategie Die Therapiestrategie für die uterinen Sarkome ist abhängig vom jeweiligen Typ (siehe Tab. 8.215 bis Tab. 8.218) Tab. 8.215: Strategie der Therapie des uterinen Leiomyosarkoms (in Anlehnung an Denschlag et al. 2019). Stadium IA

Stadium IB bis IIIA





Stadium IIIB bis IV

▾ falls möglich

Hysterektomie



Hysterektomie, der Adnexen und der regionalen Lymphknoten

chirurgische Resektion Primär-Tumor/Uterus und aller Metastasen



prämenopausal ohne Resektion der Adnexen



oder

▾ und ggf.

postmenopausal

postoperative Chemotherapie

mit Resektion der Adnexen

entweder

primäre Chemotherapie Monotherapie Ifosfamid, Gemcitabine, oder Doxorubicin







ggf.

oder (weniger wirksam)

Resektion verdächtiger regionaler Lymphknoten

Doxorubicin, Ifosfamid, Cisplatin

Paclitaxel, Cisplatin, Topotecan Etoposid





und/oder

oder Olaratumab

Trabectin



Docetaxel, Gemcitabin Doxorubicin

falls Tumor ER+/PR+ Aromatase-Inhibitor (z. B. Letrozol)

▾ Rezidive falls resektabel: chirurgische Resektion oder falls nicht resektabel: perkutane Radiotherapie



▾ Nachsorge alle 3 Monate über 2–3 Jahre

Pazopanib

551

8.11 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49)

Tab. 8.216: Strategie der Therapie der endometrialen Stromasarkome (in Anlehnung an Denschlag et al. 2019). Hochdifferenziert (Low Grade)-ESS

Niedrigdifferenziert (High Grade)-ESS und UUS

Stadium I

Stadium II-IV

Stadium I

Stadium II-IV









Hysterektomie + beidseitige Resektion der Adnexen

Hysterektomie + beidseitige Resektion der Adnexen

Hysterektomie + beidseitige Resektion der Adnexen

Hysterektomie + beidseitige Resektion der Adnexen + Metastasen







nur bei Verdacht

nur bei Verdacht

und ggf.

Resektion regionaler Lymphknoten

▾ oder (Stadium IA falls Fertilitätserhalt gewünscht wird) hysteroskopische Tumorresektion (R0-Status)

und falls ≥ Stadium III, R1, Metastasen



▾ mit

adjuvante endokrine Therapie (Megestrolacetat)

Medroxyprogesteronacetat oder Megesterolacetat





Nachsorge

oder



Resektion des Uterus + ggf. der Adnexen beiderseits



Resektion regionaler Lymphknoten

▾ und/oder

adjuvante Chemotherapie

adjuvante endokrine Therapie

und

Rezidiven

perkutane Radiotherapie



Aromatase-Hemmer Letrozol, Anastrozol oder Exemestan

▾ ggf. palliative perkutane Radiotherapie



Nachsorge alle 3–6 Monate über 2–3 Jahre





Nachsorge alle 3 Monate über 2–3 Jahre

552

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.217: Strategie der Therapie der uterinen Adenosarkome (in Anlehnung an Denschlag et al. 2019). Stadium IA/B

Stadium IA



Stadium II/III

Stadium IV







Resektion des Uterus Hysterektomie

nur bei Kinderwunsch

maximale chirurgische Tumorreduktion

hysteroskopische Tumorresektion (R0-Status)

▾ bei Befall Resektion der Adnexen beiderseits

▾ falls ER+/PR+



adjuvante endokrine Therapie

und

adjuvante endokrine Therapie (Megestrolacetat)

▾ nur bei Verdacht

Resektion der regionalen Lymphknoten

Megestrolacetat, Medroxyprogesteronacetat oder Aromatase-Hemmer (Letrozol, Anastrozol oder Exemestan)





und

Metastasen, Rezidive

Nachsorge

komplette Resektion





bei R1/R2 oder Rezidiven

falls nicht resektabel

Resektion des Uterus + ggf. der Adnexen beiderseits



palliative Radiotherapie





Nachsorge alle 3 Monate über 2–3 Jahre

Tab. 8.218: Strategie der Risiko-bezogenen Therapie des uterinen Rhabdomyosarkoms bei Kindern und Jugendlichen (in Anlehnung an Denschlag et al. 2019). Risiken Parameter niedrig

mittel

hoch

sehr hoch

Alter

< 10 Jahre

≥ 10 Jahre

alveoläres RMS



Tumorvolumen

≤ 5 cm

> 5 cm

R-Status

R0

R1/R2

Metastasen Ln

N0

N0

N1 oder N0

jedes N

Fernmetastasen

M0

M0

M0

M1



- oder +

+

8.11 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49)

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Therapiestrategie komplette Tumorresektion (R0)

komplette Tumorresektion (möglichst R0)

▾ und ggf. perkutane Radiotherapie

▾ und/oder ggf. adjuvante Chemotherapie



▾ Nachsorge alle 3 Monate über 2–3 Jahre

Chirurgische Verfahren (Weitere Einzelheiten hierzu siehe hierzu Kap. 8.3.2.2, Uterustumoren) Therapeutische Maßnahme 1. Wahl stellt bei allen uterinen Sarkomen die maximale Resektion aller Tumore möglichst mit einem R0-Status dar. Dieses beinhaltet • die totale Hysterektomie, • die bilaterale Salpingo-Oophorektomie (Adnexektomie), • nur bei begründetem Verdacht (da Lymphknotenmetastasen relativ selten auftreten): Resektion der regionalen (pelvinen und periaortalen) Lymphknoten und • die bestmögliche Resektion von Rezidiven und Metastasen. Eine Hormontherapie erfolgt • bei uterinen Sarkomen, welche Östrogen- und Progesteron-Rezeptoren exprimieren (hochdifferenzierte (Low Grade)-Endometriale Stromasarkome und Uterine Adenosarkome) • mit Progesteron Derivaten, wie z. B. – Megesterolacetat 160 mg/Tag über 6 Monate oder – Medroxyprogesteronacetat 200 mg/Tag über 6 Monate oder • mit Aromatase-Inhibitoren wie z. B. – Letrozol (2,5 mg/Tag), Anastrozol (1 mg/Tag) oder Exemestan (25 mg/Tag) • auf keinen Fall mit Tamoxifen, wegen dessen promovierende Wirkung auf uterine Sarkome. Eine Radiotherapie wird eingesetzt • perkutan mit dem Zielgebiet: kleines Becken, mit konventioneller Fraktionierung und einer Gesamtdosis von ca. 50 Gy – adjuvant bei Endometrialen Stromasarkome, Uterinen Adenosarkomen – palliativ bei Tumor-bedingten schwerwiegenden Symptomen • oder als Brachytherapie

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Die Chemotherapie erfolgt vor allem beim Leimyosarkom • postoperativ und adjuvant mit z. B. – Gemcitabine 900 mg/ m2 i. v. (Tag 1 und 8) + Docetaxel 75–100 mg/m2 i. v. (Tag 8, alle 3 Wochen) + Doxorubicin 60 mg/m2 i. v. (Tag 1, alle 3 Wochen) über 4 Zyklen – ggf. + G-CSF am Tag 9 zur Behebung der Knochenmarksdepression, • postoperativ bei R1/R2 oder bei Fernmetastasen z. B. – als Monotherapie mit ▪ Doxorubicin 75 mg/m2 i. v. (Tag 1, alle drei Wochen) ggf. + Olaratumab (soweit zugelassen; Antikörper gegen PDGFRα) 15 mg/kg i. v. (Tag 1+8) ▪ Ifosfamid 1,5 g/m2 i. v., Tag 1–5, alle 3 Wochen ▪ Gemcitabin 1000 mg/m2 i. v., Tag 1, 8, 15 ▪ Trabectedin 1.5 mg/m2 i. v. Tag 1, alle 3 Wochen ▪ Pazopanib (Inhibitor der Tyrosinkinasen VEGFR, PDGFR, KIT) 800 mg/Tag, täglich – Kombinationen: ▪ Gemcitabin 900 mg/m2 i. v. (90 min-Infusion) -Tag 1 und 8 + Docetaxel 75– 100 mg/m2 i. v. (60 min-Infusion) -Tag 8 alle 3 Wochen ggf. + G-CSF Tag 9 ▪ Doxorubicin 60 mg/m2 i. v. -Tag 1 + Ifosfamid 2 g/m2 i. v. -Tag 1–3, alle 3 Wochen

Weiterführende Literatur Denschlag D et al. 2019 Uterine sarcoma. Guideline of the DGGG and OEGGG (S2k-Level, AWMF Registry No.015/074, 2018). http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-074.html; https://www.awmf.org/ uploads/tx_szleitlinien/015–074l_S2k_Uterine_Sakrome2019–03.pdf National Cancer Institute (USA), Uterine Sarcoma Treatment (PDQ®); 05/22/2008, http://www.cancer.gov/ cancertopics/pdq/treatment/uterinesarcoma/HealthProfessional Schütte J, Budach V, Hartmann JT, Issels RD, Reichardt P, Schlag PM. Weichteilsarkome des Erwachsenen Leitlinie Stand: 28. Juni 2006, Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie http:// www.medizin.uni-tuebingen.de/uktmedia/Einrichtungen/Zentren/Tumorzentrum/PDF_Archiv/TLL/TLL_ Weichteilsarkome_DGHO_2006_06_28.pdf

8.11.5 Kaposi-Sarkome Vorkommen Kaposi-Sarkome (benannt nach dem Dermatologen M. Kaposi) können sich in der Haut (primär subepidermal im Korium), in den Lymphknoten oder in den viszeralen Organen entwickeln. Entsprechend dem klinischen Verlauf und den an der Tumorentwicklung beteiligten Faktoren werden unterschieden (siehe Tab. 8.219): • das klassische Kaposi-Sarkom, – vorwiegend bei älteren Männern (m:w ca. 15 : 1) in Ost- und Südeuropa, Vorderasien und Nordafrika, das endemisch afrikanische Kaposi-Sarkom, vorwiegend in der Subsahara und in • vier Formen

8.11 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49)

555









weitgehend gutartige Form mit nodulären Hautveränderungen, ähnlich denen beim klassischen Kaposi-Sarkom. Betroffen sind vor allem Männer im Alter um 35 Jahre, – aggressive kutane Form mit Infiltration in das Weichteilgewebe und die Knochen mit fatalem Ausgang innerhalb von 5–6 Jahren, – diffus mukokutane Form mit viszeralem Befall, – hochmaligne lymphadenopathische Form mit Beteilung der viszeralen Organe, aber meist ohne Hautbeteiligung, vor allem bei Kleinkindern. das immunsuppressiv bedingte Kaposi-Sarkom, – welches nach Beendigung der Immunsuppression im Regelfall zur Regression kommt, das epidemische Kaposi-Sarkom, assoziiert mit einer Infektion durch HIV, – stellt das häufigste AIDS assoziierte Malignom der Männer, weniger der Frauen dar, – kann sich multilokulär innerhalb weniger Tage mit Makula an den Hautspalten, dann zu Papeln und papulösen Tumoren entwickeln, – betrifft alle Organe besonders den Gastrointestinaltrakt, Herz, Leber und Lunge, seltener das ZNS und die Augen, – das Risiko nach HIV-Infektion ist ▪ ca. 20.000 erhöht im Vergleich zur Normalbevölkerung, ▪ ca. 300fach erhöht im Vergleich zu immunsupprimierten Patienten und ▪ ca. 20fach höher bei homosexuellen Männern im Vergleich zu Männern, erkrankt an einer Hämophilie; das nichtepidemische Kaposi-Sarkom-assoziiert mit männlichen Homosexuellen ohne Anzeichen einer HIV-Infektion.

Tab. 8.219: Subtypen des Kaposi-Sarkoms. KaposiSarkome (KS)

klassisches KS (Europa/ Vorderasien/ Nordamerika)

afrikanisches KS

Vorkommen

Klinik

Häufigkeit

Alter

m:w

Primärbefall

selten

50–70 Jahre

10 : 1 bis 15 : 1

Haut (Beine, Gelenke, Fußsohle)

Magen Darm, Lymphknoten, andere Organe

9% aller Tumore

Form

Ausdehnung

rot-braun, knotig oder flächig Infiltrate spindelzellige begrenzt Endothel(einzeln zellen, oder schlitzförmig multipel) dünnwandige Blutgefäße, Hämosiderinl Lymphozytär Entzündung

Prognose

Risiken

weitgehend gutartiger Verlauf über 10– 15 Jahre

venöser Stau, Lymphödeme, MagenDarmBlutungen; NonHodgkinLymphome (bei ca. 30 % der Fälle)

556

KaposiSarkome (KS)

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Vorkommen Häufigkeit

Alter

Klinik m:w

klassische Form 40–60 Jahre

10 : 1

Primärbefall

Haut, Magen Darm, Lymphknoten

aggressive Form

Haut

diffusmukokutane Form

Haut, Schleimhäute

lymphadenopathische Form

< 14 Jahre

Lymphknoten, Magen Darm

immunsuppressiv bedingtes KS

100–200-fach häufiger als das klassische KS; kann sich ⌀ 16 Monate nach Organtransplantation/Beginn der Immunsuppression entwickeln

Haut, nachfolgend Schleimhaut/ Magen Darm/ Lymphknoten

Form

rot-braun, knotig oder flächig

Ausdehnung

begrenzt (einzeln oder multipel)

Prognose

Risiken

weitgehend gutartiger Verlauf über 10– 15 Jahre

venöser Stau, Lymphödeme, MagenDarmBlutungen; NonHodgkinLymphome (bei ca. 30 % der Fälle)

exophytisch, Unterhaut, bösartiger infiltrativ Knochen Verlauf

Zerstörung der Gliedmaßen

generalisiert

3-JahresÜberleben 0%

infiltrativ

generalisiert

Regression bei Stop bzw. Wechsel der Immunsuppression

Abstoßung des Organtransplantates oder Tod durch KS

epidemisches KS

zu 95 % bei Männern, bei 26 % der HIV-infizierten Homosexuellen; bei 3 % der HIV-infizierten i. v. Drogen-Abhängigen

Haut, Schleimhäute, MagenDarm, Lunge, Leber, Milz, Lymphknoten

infiltrativ

generalisiert (in der Mehrheit der Fälle)

Regression unter hoch aktiver anti-retroviraler Therapie (HAART)

opportunistische Infektionen mit Todesfolge

nichtepidemisches homosexuellenassoziiertes KS

bei homosexuellen Männern, ohne Anzeichen einer HIV-Infektion

Haut, besonders an den Genitalien und Gliedmaßen

rot-braun, knotig oder flächig

begrenzt (einzeln oder multipel)

weitgehend gutartiger Verlauf über 10– 15 Jahre

venöser Stau, Lymphödeme

3.1

infiltrativ

8.11 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49)

557

Es wird davon ausgegangen, dass folgende Voraussetzungen für die Erkrankung an einem Kaposi-Sarkom gelten: • in > 95 % der Fälle eine Infektion besonders der Spindelzellen mit dem Kaposi-Sarcoma-Herpes-Virus (HHV-8/Humanes Herpes-Virus Typ 8); – die Übertragung erfolgt horizontal durch sexuelle Aktivität, Sperma, Speichel oder Blut aber auch vertikal von der Mutter auf das Kind, – die Infektionsrate/Seroprävalenz von HHV-8 (Nachweis von Antikörpern gegen HHV-8 im Blutserum) ist geografisch äußerst unterschiedlich. Sie liegt ▪ in Nordamerika und Nordeuropa bei etwa 1–3 % der Bevölkerung, ▪ im mediteranem Raum (inklusive Israel, Saudi-Arabien, Italien und Griechenland) bei etwa 5–10 % der Bevölkerung, ▪ in Zentralafrika bei bis zu 50 % der Bevölkerung, ▪ in Asien bei bis zu 40 % der Bevölkerung; – das HHV-8 ▪ gehört zu den onkogenen Viren (siehe Kap. 4.6.6), ▪ besitzt in seinem Genom Gensequenzen mit Homologie zu menschlichen Genen, deren Expressionsprodukte die Zellproliferation stimulieren (z. B. Cyclin D1, BCL-2, Interleukin 6) und anti-apoptotisch wirken (z. B. Interferon regulatorischer Faktor, FLIP/Flice Inhibitorisches Protein), ▪ infiziert im Besonderen Endothelzellen, besonders auch der Lymphgefäße, B-Lymphozyten (Interleukin 6 ist ein Wachstumsfaktor für B-Lymphozyten), Monozyten, die Spindelzellen im Kaposi-Sarkom, aber auch Ganglienzellen (z. B. des Dorsalhornes); ▪ ist fähig, in der infizierten Zelle in einen Latenzzustand überzugehen mit geschlossenen zirkulären Episomen und minimaler Genexpression; • Kofaktoren; hierzu gehören: – die Expression onkogener Gensequenzen (c-myc, bcl2) des HHV-8 Virus in der Wirtszelle, – Immunsuppressionen, bedingt durch ▪ fortgeschrittenes Alter, ▪ immunsuppressive Arzneimittel zur Verhinderung der Abstoßung von Organtransplantaten oder zur Chemotherapie von Tumoren, ▪ Infektion mit HIV und Expression von dessen HIV-TAT-Gen, ▪ längere Zeit bestehende, endogen (Stress) oder exogen verursachte hohe Spiegel an Glukokortikoiden, – Entzündungen, im Besonderen ▪ die im Rahmen von Entzündungsreaktionen entstehenden radikalen Sauerstoffmoleküle und ▪ die Expression von Interferon-γ und von VEGF/Vascular Endothelial cell Growth Factor. Bedingt durch den Infektionsweg von HHV-8 kann das Kaposi-Sarkom eher als eine systemische Erkrankung gelten, wobei diese das Potential zur gleichzeitigen oder hintereinanderfolgenden Bildung der charakteristischen Tumoren in unterschiedlichen Organen hat.

558

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Risikofaktoren Die Risiko-Einstufung des Kaposi-Sarkoms, im Speziellen dessen endemische Form, erfolgt gemäß den Maßgaben des ACTG/AIDS Clinical Trials Group – Oncology Committee (siehe Tab. 8.220).

Tab. 8.220: Risikoeinschätzung des Kaposi-Sarkoms gemäß ACTG.

Risikofaktoren

Beschränktes Risiko (wenn alle aufgeführten Parameter erfüllt sind)

Hohes Risiko (falls nur einer der Parameter erfüllt ist)

Tumor-Ausbreitung

Haut

begrenzt, solitär oder multiple

begrenzt, solitär oder multiple mit tumorassoziiertem Ödem oder mit Ulzerationen

Mundschleimhaut

minimal (flächig, nicht nodular, beschränkt auf den Gaumen)

ausgedehnt

Lymphknoten

ja

ja

Magen-Darm

nein

ja

andere Organe

nein

ja

Immunsystem CD4-T-Helfer-Lymphozyten im Blut

≥ 200/mm3 (besser ≥ 50/mm3)

< 200/mm3 (besser < 150/mm3)

Allgemeinerkrankung opportunistische Infektionen (auch in der Anamnese)

nein

ja

Pilzinfektionen (Mundsoor) der Schleimhaut (auch in der Anamnese)

nein

ja

unerklärliches Fieber

nein

ja

Nachtschweiß

nein

ja

unerklärlicher Gewichtsverlust > 10 %

nein

ja

Durchfall über > 2 Wochen

nein

ja

andere HIV-assoziierte Erkrankungen

nein

ja (z. B. neurologische Erkrankung oder Lymphome)

Karnofsky-Status (Allgemeinbefinden, siehe Kap. 8.13)

≥ 70

< 70

ACTG = AIDS Clinical Trials Group – Oncology Committee

8.11 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49)

559

Entwicklungsstadien und Klassifikationen Histologie Die histologische Untersuchung ermöglicht meist eine eindeutige Diagnose, da alle Kaposi ein weitgehend gleiches histopathologisches Bild aufweisen. Histologisch gesehen ist das Kaposi-Sarkom ein mesenchymaler Tumor der Blut- und Lymphgefäße mit einem vielgestaltigem, sich im klinischen Verlauf änderndem Erscheinungsbild. Entsprechend werden im Wesentlichen 3 Phasen unterschieden • die angiomatöse Phase (Fleck-Patch-Stadium) – mit multizentrischen perivaskulären Spindelzellproliferationen mit schlitzförmigen Spalten, lymphoplasmozellulären Infiltraten, extravasalen Erythrozyten, Hämosiderinablagerungen und Siderophagen (pseudogranulomatöses Muster), – wobei zunächst nicht betroffen sind der Papillarkörper und seine Gefäße, – in welcher endothelausgekleidete Gefäßspalten mit leeren Lumina dominieren, – ursprüngliche vaskuläre Strukturen von den neu gebildeten Gefäßspalten und -lakunen halbinselförmig partiell umfasst werden (Promontoriumszeichen) und – Mitosen und endotheliale Apoptosen selten sind und Zell- und Kernatypien fehlen; • spindelzellige Phase (Plaque-Stadium) – Spindelzellen dominieren als zellreiche und kurze, mit Erythrozyten-reichen Spalten versehene Strangbündel und durchsetzen das gesamte Korium inklusive Papillarkörper; ▪ Apoptosen von Spindelzellen, aber keine oder wenige Kernatypien liegen vor; – in der Tumorperipherie befinden sich vorwiegend gestaute, mit Erythrozyten gefüllte erweiterte Gefäße und mit hyalinen, PAS-positiven erythrozytären Globuli. • entzündliche Phase (Knoten oder Tumorstadium) – Vorliegen/Bildung von faszikulär strukturierten, dichtgepackten Spindelzelltumoren (hoher Mitoseindex, positiv für Faktor XIIIa, CD 31, CD 34) mit erythrozytenreichen Spalten und moderaten Kernatypien, ▪ bei der Anaplastische äquatorialafrikanische Variant kommen dagegen ausgeprägt Atypien vor, – diese Spindelzelltumore werden bei exophytischem Wachstum oft von einer epithelialen Halskrause, bei expansiv nodulären Varianten von einer bindegewebigen Pseudokapsel eingefasst, – PAS-positive hyaline erythrozytäre Globuli und apoptotische Spindelzellen treten gehäuft auf. Ältere Läsionen zeigen neben Hämorrhagien und Eisenspeicherung Nekrosen, – Bei Regression zeigt sich ein plasmazellreiches, entzündliches Rundzellinfiltrat. Prognosefaktoren Auf eine günstige Prognose weisen hin • Befall ausschließlich der Haut und der Lymphknoten, nur minimaler Befall des Gaumens, • CD4-T-Lymphozyten im Blut ≥ 200/μl, • keine opportunistischen Infektionen,

560 • •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

keine B-Lymphozyten-Suppression und keine Beeinträchtigung der Immunglobulinspiegel, Allgemeinbefinden: Karnofsky-Index ≥ 70 %,

Für eine schlechte Prognose sprechen • Tumore mit Ödembildung oder Ulzeration, ausgedehnter oraler Befall, Befall der inneren Organe (ausgenommen Lymphknoten), CD4-T-Lymphozyten < 200/μl, • opportunistische Infektionen und weitere AIDS-assoziierte Erkrankungen, • ausgeprägte B-Lymphozyten-Suppression mit Beeinträchtigung der Immunglobulinspiegel, Allgemeinbefinden: Karnofsky-Index < 70. Symptome Haut und Schleimhäute sind vor allem befallen. • Meist treten an den distalen Extremitäten und häufig symmetrisch auf – anfangs verhärtete rötlich-braune bis violett-rote Makulae im Verlauf der Hautspaltlinien und daraus – später sich entwickelnde flächenhaft infiltrierte Plaques und harte schmerzhafte Knoten. Im Zuge von Spontanregressionen entstehen hämorrhagische Hyperpigmentierungen • und periläsionale Verfärbungen (ockergelbe Purpura) durch Einblutungen. • Regionale Lymphbahnen können durch das Kaposi-Sarkom infiltriert und verengt werden, sodass in diesem Bereich – Ödeme entstehen, die sich zur Elephantiasis entwickeln und – Traumata z. B. an den Füßen zu Geschwüren führen. In dieser Art können Lymphknoten und alle inneren Organe befallen sein, auch unabhängig von der Haut. • mit chronischem, häufig auch stabilem Verlauf oder aber • in aggressiver Form mit einem schnellen Tod innerhalb weniger Wochen. Die Diagnostik erfolgt: • klinisch – durch komplette Adspektion und ggf. Palpation der gesamten Haut und aller zugänglichen Schleimhäute, – bei Verdacht ergänzt durch eine Gastroduodenoskopie, eine Kolo- und Rektoskopie und eine Bronchoskopie; • mit bildgebenden Verfahren zur Ermittlung einer viszeralen Entstehung oder Ausbreitung. Diese beinhalten (ähnlich wie bei den eigentlichen Weichteilsarkomen, siehe Kap. 8.11.1.2): – eine Sonografie der Lymphknoten und des Abdomens (Methode 1. Wahl), – eine Röntgenuntersuchung des Thorax (Methode 1. Wahl), – ggf. bei Verdacht auf viszeral entstandene Sarkome ▪ CT des Thorax und Abdomens und/oder ▪ MRT.

561

8.11 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49)





durch Entnahme von Biopsien zur histologischen und molekularbiologischen Untersuchung – allen Kaposi-Sarkomen ist gemeinsam ▪ ein in den Grundzügen gleiches histologisches Bild, ▪ die Infektion der Tumorzellen (nicht jedoch der angrenzenden Normalzellen) mit dem HHV-8/Humanes Herpes-Virus Typ 8, durch Blut Untersuchungen auf – HIV-Infektion durch Nachweis spezifischer Antikörper und/oder durch PCR/PolyChain-Reaction-Nachweis der Virus RNA, – HHV-8 Infektion durch Nachweis von spezifischen Antikörpern und/oder ▪ von spezifischen Antikörpern und oder ▪ von HHV-8 DNA in den Sarkomzellen oder im Blut durch die PCR, ▪ (wobei HHV-8 DNA aber auch in dem B-Lymphozyten-Lymphom des Typs „Primary Effusion lymphoma“ und in Hypertrophien der Lymphknoten mit angiofollikulärer Hyperplasie (Castleman-Syndrom) nachgewiesen werden kann) – Anzahl der CD4-T-Helfer-Lymphozyten – Bestimmung der Immunglobuline

Therapeutische Strategien Die therapeutischen Strategien beim Kaposi-Sarkom sind abhängig von dem Subtyp (siehe Tab. 8.221) Tab. 8.221: Strategie der Therapie des Kaposi-Sarkoms (in Anlehnung an Mosthaf et al. 2018).

klassisches Kaposi-Sarkom

lokal

generalisiert





lokal/kutanperkutan Radiotherapie

systemische Chemotherapie (PEG-LipoDoxorubicin oder Paclitaxel)

▾ oder bei schnellem Wachstum chirurgische Resektion Kryotherapie

endemisch afrikanisches Kaposi-Sarkom

iatrogen immunsuppressiv bedingtes Kaposi-Sarkom

epidemisch AIDSassoziiertes Kaposi-Sarkom







Beendigung der Immunsuppression

bestmögliche cART

systemische Chemotherapie (PEG-LipoDoxorubicin oder Paclitaxel)





falls nicht möglich

falls HIV-Resistenz

systemische Chemotherapie (PEG-LipoDoxorubicin oder Paclitaxel)

ResistenzPrüfung; alternative cART

562

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren





oder

bei Befundverschlechterung

intra-tumoral Chemotherapie (Vincaalkaloid oder Bleomycin)

systemische Chemotherapie (PEG-LipoDoxorubicin oder Paclitaxel)





oder

bei gutem Immunstatus

intra-tumoral Immuntherapie (Interferon α)



Immuntherapie (Interferon α)









Nachsorge regelmäßige Kontrolle, da das Kaposi-Sarkom eine relativ hohe Rezidivrate aufweist

Chirurgische Verfahren Chirurgische Tumorexzisionen beschränken sich auf • einzelne, schnell wachsende Tumoren beim klassischen Kaposi-Sarkom • Exzisionsbiopsien zur Sicherung der Diagnose, • palliative Entfernung einzelner, das Befinden beeinträchtigender primärer Tumorknoten und Rezidive. Die Rate lokaler Rezidive ist im Regelfall hoch wegen: • der Tumorinfiltrationen in das umgebende Gewebe, • des isomorphen Reizeffektes (Köbner-Phänomen) durch den chirurgischen Eingriff. Radiotherapie Das Kaposi-Sarkom ist hoch strahlenempfindlich. Behandlungsoptionen sind: • beim klassischen Kaposi-Sarkom die Bestrahlung umschriebener Hauttumoren (Zielgebiet sollte ca. 1 cm über den sichtbaren Tumorrand hinausragen) – mit Röntgenweichstrahlen (Orthovolttechnik), Gesamtdosis 20–30 Gy, fraktioniert in Einzeldosen von 4–5 Gy, dreimal/Woche, – mit Einzelbestrahlungen, Dosis 8–10 Gy, • bei großflächigen Kaposi-Sarkome mit/ohne Ödemen und mit/ohne Lymphknotenbeteiligungen – mit einer Gesamtdosis von 40 Gy, fraktioniert in Einzeldosen von 2 Gy, 5 Gy/Woche. Chemotherapie und Immuntherapie • klassisches Kaposi-Sarkom – lokale intra-tumorale Applikation von Zytostatika (z. B., Vincaalkaloide oder Bleomycin) oder von Interferonα (siehe Tab. 8.222),

8.11 Bösartige Neubildungen des Weichteilgewebes (ICD10: C45–C49)

563









systemische Chemotherapie (meist liposomales PEG-Doxorubicin) bei ausgebreitet und schnell wachsenden Tumoren; endemisch afrikanisches Kaposi-Sarkom – systemische Chemotherapie (meist liposomales PEG-Doxorubicin, aber auch Paclitaxel) durch Immunsuppression bedingte Kaposi-Sarkome – Reduktion der Dosis von Immunsuppressiva oder Wechsel der verabreichten Immunsuppressiva, – falls eine Veränderung der Immunsuppression bei Organtransplantatempfängern nicht möglich ist ▪ systemische Chemotherapie (mit liposomalem PEG-Doxorubicin, aber auch mit Paclitaxel siehe Tab. 8.222), endemisches (HIV-assoziiertes) Kaposi-Sarkom – kombinierte antiretrovirale Therapie (cART) ▪ zur Verringerung der HIV-Last und der hierdurch bedingten Immunsuppression, ▪ bei gleichzeitiger Beeinträchtigung der Vermehrung von HHV-8 und ▪ zur Verstärkung der Immunreaktion auch gegen HHV-8; ▪ zugleich: Prophylaxe und/oder Therapie opportunistischer Infektionen; – falls Unwirksamkeit der gewählten cART Resistenzprüfung und ggf. Wahl einer anderen cART-Kombination, – falls cART nur unzureichend das Kaposi-Sarkom vermindert oder dieses bereits zu weit fortgeschritten ist ▪ liposomales pegyliertes (an PEG/Poly-Ethylen-Glykol gekoppeltes) Doxorubicin, ▪ liposomales Daunorubicin, ▪ Taxan-Derivate, z. B. Paclitaxel, – falls HAART zu einer Erholung des Immunsystems (CD4-T-Lymphozyten im Blut > 350/μl) geführt hat, das Kaposi-Sarkom hierdurch jedoch unzureichend geringer geworden ist oder fortschreitet ▪ Interferon α.

Tab. 8.222: Chemo- und Immuntherapie des Kaposi-Sarkoms. Intra-tumorale Verabreichung Tumorgröße

Präparate

≤ 1 cm 1–4 cm

> 4 cm

Interferon-α Vincristin, Vinblastin, oder Bleomycin

Systemische Verabreichung Präparate

Dosierung

Interferon-α (2-a,-b)

3–6 mal 106 I.E.s. c. oder i. m., dreimal/Woche

PEG-liposomales Doxorubicin

20 mg/m2 i. v., alle 2–3 Wochen

Liposomales Daunorubicin

40 mg/m2 i. v., alle 2 Wochen

Paclitaxel

100 mg/m2 i. v., alle 2 Wochen oder 135 mg/m2 i. v., alle 3 Wochen

564

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Weiterführende Literatur Edelman D. Human herpesvirus 8 – A novel human pathogen, Virol J. 2005, 2: 78, http:// www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1243244/?tool=pmcentrez Mosthaf FA, Esser S, 2018, https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/kaposi-sarkom/ @@guideline/html/index.html National Cancer Institute (USA), Kaposi Sarcoma Treatment (PDQ®), 04/04/2011, http://www.cancer.gov/ cancertopics/pdq/treatment/kaposis/HealthProfessional, Vogt T, Brockmeyer N. Deutsche Leitlinie: Kaposi-Sarkom, Vers. 7, 02/2005, http:// www.krebsgesellschaft.de/download/leitlinie_kaposi_ado_2005.pdf, Vogt T, Brockmeyer N, Kutzner H, Schöfer H. Kurzleitlinie Angiosarkom und Kaposi-Sarkom, Fassung 09.2007, https://www.medizin.uni-tuebingen.de/uktmedia/Einrichtungen/Zentren/Tumorzentrum/ PDF_Archiv/TLL/TLL_Angiosarkom.pdf, Aufruf 15. 12. 2011

8.11.6 Tumoren des Peritonealepithels (Peritoneal-Mesotheliome) Vorkommen Mesotheliome beschränken sich nicht auf das Pleuraepithel (siehe Kapitel 8.8.3), sondern können auch das Peritonealepithel betreffen. Das Peritonealmesotheliom ist weitgehend gleich dem Pleuralmesotheliom (für Einzelheiten siehe Kap. 8.8.3) in Bezug auf: • Risikofaktoren – die Aufnahme von Asbestfasern stellt den bedeutsamsten Risikofaktor dar, • klinisch/operative und histologische Klassifikation – eine gesonderte klinisch-operative Stadieneinteilung für das Peritonealmesotheliom liegt nicht vor, • Diagnostik – wesentlicher Bestandteil der Diagnose von Peritonealmesotheliomen ist die Biopsie nach Laparoskopie oder Laparotomie, – die Ausdehnung der Erkrankung in der Bauchhöhle, in das Becken und in den Thorax wird bestimmt mit Hilfe der ▪ Sonografie, ▪ CT, ▪ MRT, • Prognosefaktoren; als ungünstig werden angesehen – ein Alter > 65 Jahre, – Infiltrationen des Tumors unter die Mesotheloberfläche in einer Tiefe von > 0,5 mm, – wenn die Lage und Ausdehnung des Tumors oder der Allgemeinzustand des Patienten, ▪ keine oder keine vollständige Tumorexzision erlauben, ▪ trotz Tumorexzision zu verbleibenden Tumorresten in Größe von > 1 cm führen, – ein sarkomatöser Gewebetyp des Mesothelioms; • therapeutischen Strategien, zu denen zählen: – chirurgische maximale Tumorreduktion in Kombination mit einer Chemotherapie,

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems



565

intraperitoneal Chemotherapie intraoperative oder möglichst kurzfristig postoperative Verabreichung von Cisplatin alleine oder in Kombination mit Pemetrexed, ▪ Cisplatin, Doxorubicin, Mitomycin C, Etoposid, 5-Fluorouracil oder Paclitaxel, systemische Chemotherapie ▪ postoperative/adjuvante intravenöse Verabreichung von Cisplatin alleine oder in Kombination mit Pemetrexed, Gemcitabin, Doxorubicin, Mitomycin C oder Paclitaxel, perkutane Radiotherapie mit dem gesamten Abdomen als Zielvolumen, die multimodale Therapie in Form der Kombinationen der einzelnen therapeutischen Möglichkeiten; ▪ mit Hilfe der multimodalen Therapie kann der Allgemeinzustand deutlich verbessert und die mittlere Überlebenszeit auf ca. 5 Jahre verlängert werden. ▪



– –

Weiterführende Literatur Laack E, Schütte J, Dierkesmann R. Malignes Mesotheliom Stand: Juli 2005 Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, http://www.dgho.de/informationen/leitlinien/solide-tumore/ Mesotheliom.pdf National cancer Insitute (USA), Malignant Mesothelioma Treatment (PDQ®), 10/27/2011, http:// www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/malignantmesothelioma/HealthProfessional

8.12 Bösartige Neubildungen des Auges, des Gehirns und sonstiger Teile des Nervensystems (ICD10: C69–C72) 8.12.1 Tumoren des ZNS/Zentralen Nervensystems Vorkommen Tumoren des ZNS/Zentralen Nervensystems werden unterteilt in: • primäre maligne Tumoren des ZNS, die je nach Ursprung und Lage zu unterteilen sind in (siehe Tab. 8.223) – Tumore des Gehirns (95 % aller ZNS-Tumore) – Tumore der Hirn-und Rückenmarkhäute, der Hirnnerven und des Rückenmarks (5 %) primäre benigne Tumoren des ZNS, welche durch ihre Lokalisation maligne Auswir• kungen haben können, – mit etwa 6.000 Neuerkrankungen im Jahre 2016 alleine in Deutschland • Hirnmetastasen von Primär-Tumoren, lokalisiert außerhalb des ZNS; – Hirnmetastasen (Fremdmetastasen) kommen vor etwa 10fach häufiger als primäre ZNS-Tumoren; die Neuerkrankungsrate liegt bei bis zu 11/100.000 Personen/Jahr. Die Anzahl der Neuerkrankungen (N) und die Todesraten (T) durch primäre maligne ZNSTumoren (jeweils bezogen auf 100.000 Personen)

566 •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

sind in den westlich orientierten Industrieländern deutlich höher als in den übrigen Territorien; für das Jahr 2008 werden angegeben: – weltweit N: 3,5 T: 2,5 (zum Vergleich im Jahr: 2018: N: 3,5 T: 2,8) ▪ Frauen N: 3,1 T: 2,2 ▪ Männer N: 3,8 T: 2,9 – Amerika ▪ Nord-Gesamt N: 5,6 T: 3,0 ▪ Frauen N: 4,9 T: 2,4 ▪ Männer N: 6,3 T: 3,6 ▪ Zentral N: 3,2 T: 2,5 ▪ Süd N: 3,8 T: 3,3 – Asien N: 3,3 T: 2,6 – Afrika N: 1,4 T: 1,1 – Australien N: 6,7 T: 5,0 – Europa N: 5,3 T: 3,8

In Deutschland liegen für das Jahr 2016 folgende Zahlen zu den primären ZNS-Tumoren vor: • Neuerkrankungen – bei Frauen: 3.460; Neuerkrankungsrate 5,9/100.000 – bei Männern: 3.970; Neuerkrankungsrate 7,6/100.000 • Todesfälle – bei Frauen: 2.816; Todesrate 4,1/100.000; – bei Männern: 3.320; Todesrate 5,9/100.000 • durchschnittliches Erkrankungs- und Sterbealter – bei Frauen Erkrankungsalter: 66 Jahre; Sterbealter: 71 Jahre – bei Männern Erkrankungsalter: 62 Jahre, Sterbealter: 66 Jahre • Prävalenz – bei Frauen: 5 Jahre: 6.900; 10 Jahre: 10.500 bei Männern: 5 Jahre: 8.400; 10 Jahre: 12.400 • relative Überlebensrate – bei Frauen: 5 Jahre: 24 %; 10 Jahre: 20 % – bei Männern: 5 Jahre: 21 %; 10 Jahre: 16 % Die hohen tumorbedingten Todesraten zeigen, dass primäre ZNS-Tumoren als bislang nur schlecht therapierbar betrachtet werden müssen. Die primären ZNS-Tumoren teilen sich wie folgt prozentual auf (USA 2005–2009). • Die häufigsten Tumore sind: – neuroepitheliale Tumore/Gliome ca. 32 % – nichtneuroepitheliale Tumore ▪ Meningeome ca. 36 % ▪ Sella-Tumore/Hypohysenadenome ca. 14 %

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems

567

Schwannome 8 % Primäre ZNS-Lymphome 2 % Alle anderen eher seltenen primäre ZNS-Tumore belaufen sich auf insgesamt ca. 8 % ▪ ▪



Bei malignen Tumoren der 9–15-Jährigen • stehen ZNS-Tumore mit einem Anteil von 24 % an zweiter Stelle nach den Leukämien, • wird die Neuerkrankungsrate auf 2–4/100.000 geschätzt.

Risikofaktoren Als Risikofaktoren für primäre ZNS-Tumoren gelten: • ethnische Zugehörigkeit und Geschlecht – Schwarzafrikaner und Frauen erkranken deutlich weniger an ZNS-Tumoren als Weiße, Asiaten und Männer, • familiäre Belastung durch Verwandte 1. Grades mit Hirntumoren (bei ca. 5–10 % der Hirntumore) • hereditäre Tumorsyndrome (bei ca. 5 % der Hirntumore) wie – Neurofibromatose Typ I (17q11), ▪ Inaktivierung des Tumorsuppressors Neurofibrin durch Translokationen (1,17) und (17,22), Deletionen, Insertionen oder Punktmutationen. Neurofibrin supprimiert den Ras-p21-Signalweg, ▪ neurale Tumoren: peripher: Neurofibrome (Proliferationen der Schwann’schen Zellen), Phäochromozytome, zentral: Gliome (Astrozytome, Glioblastome), Optikusgliom, – Neurofibromatose Typ II (22q12) ▪ inaktivierende Punktmutation des Gens für den Tumorsuppressor Merlin: Merlin hemmt die E3-Ubiquitin-Ligase, ▪ neurale Tumoren: Akustikusneurinome (Schwannome des Nervus vestibularis), Spinale Neurinome, Astrozytome, Ependymome, Meningeome, – von Hippel-Lindau-Syndrom (3p25–26), ▪ inaktivierende Mutation des Genes für den Tumorsuppressor VHL-Protein; VHL inhibiert den HIF/Hypoxie-induzierbaren Faktor; HIF ist Transkriptionsfaktor für angiogene Wachstumsfaktoren (VEGF, PDGF, TGFα, ▪ neurale Tumoren: Hämangiome der Retina; Hämangioblastome des Kleinhirns, Rückenmarks und des Hirnstamms, – tuberöse Sklerose (9q34, 16p13), ▪ inaktivierende Mutation der Gene für den Tumorsuppressor TSC1/TSC2-Komplex; dieser hemmt den mTOR-Signalweg, ▪ neurale Tumoren: kortikale glioneuronale Hamartome, subependymalen Riesenzellastrozytome, – Li-Fraumeni-Syndrom (17p13), ▪ inaktivierende Mutation des Gens für den Tumorsuppressor p53: dieser hemmt als Transkriptionsfaktor den Zellzyklus und die DNA-Synthese, ▪ neurale Tumoren: Astrozytome, Plexuskarzinome, Medulloblastome, Ependymome, Oligodendrogliome, Meningeome,

568

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren













Turcot-Syndrom Typ 1 (3p21, 7p22), ▪ inaktivierende Mutationen der Gene für die MMR/Mismatch-DNA-ReparaturProteine MLH1 und PMS2, ▪ neurale Tumoren: Astrozytome, Medulloblastome, Ependymome, – Turcot-Syndrom Typ 2 (5q21), ▪ inaktivierende Mutation des Genes für das APC/Adenomatous Polyposis ColiProtein; APC ist beteiligt an der Proliferationskontrolle von Zellen durch Zelladhäsion durch die Bindung an β-Catenin; ▪ neurale Tumoren: Gliome (Glioblastoma multiforme), – Cowden-Syndrom (10q23) ▪ inaktivierende Mutation des Gens für den Tumorsuppressor PTEN/Phosphatase und Tensin Homolog; PTEN inhibiert durch Dephosphorylierung mehrere Signalwege, ▪ neurale Tumoren: dysplastisches Gangliozytom, – Nävoides Basal-Zellkarzinom-Syndrom (9q22.3) ▪ inaktivierende Mutation des Gens für den Tumorsuppressor PTCH; PTCH/ Patched hemmt den Hedgehog-Signalweg, ▪ neurale Tumoren: Medulloblastome, Infektionen – EBV/Epstein-Barr-Virus-Infektionen und/oder HIV/Humanes ImmundefizienzVirus-Infektionen, ▪ als Ursachen für primäre ZNS-Lymphome, Immunsuppressiva – zur Verhinderung der Abstoßung von Organtransplantaten, ▪ als Ursachen für primäre ZNS-Lymphome; gewerbliche Chemikalien, z. B. – Polyvinyl-Chloride ▪ als Ursache für Gliome ionisierende Strahlen, z. B. Röntgenstrahlen, im Besonderen des Kopfes im Kindesalter und als Jugendlicher – bereits 7–9 Jahre nach der Bestrahlung können Gliome auftreten Radiofrequenzfelder – die ständige Nutzung von Mobilfunkgeräten als Ursache von Hirntumoren ist in Diskussion.

Symptome Die Symptome sind von der Lage und Größe des Tumors und der Funktion der betroffenen Hirnareale abhängig. Hauptsymptome sind • Hirndruckzeichen mit – Kopfschmerzen mit Übelkeit und Brechanfällen, besonders am Morgen – bedingt durch perifokale Ödeme, erhöhten Hirndruck, Dehnung der Meningen und Druckschwankungen im Liquor,

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems

• •



569

epileptische Anfälle in ≥ 50 % der Fälle als das erste Symptom, fokale neurologische Ausfallerscheinungen (cerebrale Herdsymptome), wie z. B. – Hörstörungen, Sehstörungen, Augenmuskellähmungen, Nystagmus, Sensibilitätsstörungen im Gesicht, – Sprachstörungen, Ataxien, Schwindel, Lähmungen, Schiefhals, – Bewusstseinsstörungen, Symptome verursacht durch Hormone, gebildet beispielsweise von – Tumoren der Adenohypophyse, – Keimzelltumoren

Diagnostik Eine Früherkennung oder eine Prävention von ZNS-Tumoren ist praktisch nicht möglich. Bei Verdacht werden folgende Verfahren angewandt: • klinische Untersuchungen – neurologische Untersuchung zur Erfassung etwaiger neurologischer Defizite durch intrakranielle Raumforderungen ▪ fokale oder generalisierte cerebralorganische Krampfanfälle, ▪ neurologische Herdsymptome, ▪ Persönlichkeitsveränderungen, ▪ Zeichen erhöhten Hirndrucks, ▪ Funktionsbeeinträchtigungen von Gehirnnerven, ▪ Augenuntersuchung (Stauungspapille, Sehfeldeinschränkung), ▪ Hör- und Labyrinthfunktionsuntersuchung, – internistische Untersuchung zum Nachweis/zum Ausschluss ▪ eines extracerebralen metastasierenden Tumors, ▪ von Risikofaktoren, wie immunologische Erkrankungen oder chronische Intoxikationen, – endokrinologische Untersuchung ▪ Nachweis erhöhter Hypophysen-Hormone im Blut, – molekularbiologische Untersuchungen zum Ausschluss/Nachweis hereditärer Tumorsyndrome, im Besonderen ▪ Neurofibromatose I oder II, ▪ di Fraumeni-Syndrom, ▪ Tarcot-Syndrom, • bildgebende Techniken – MRT des ZNS (Gehirn, Rückenmark) gilt als das Standardverfahren, ▪ T1: ohne und mit Kontrastmittel (Gadolinium) ▪ T2: mit FLAIR/Fluid Attenuated Inversion Recovery ▪ mit Schichtdicke ≤ 5 mm, mehrere Schichtebenen – CT ohne und mit Kontrastmittel: ▪ in Form der CCT/Craniale Computer-Tomografie, ▪ ist meist die erste verfügbare Bildgebung bei klinischem Verdacht ▪ dient auch zum Nachweis von Verkalkungen bei der Differenzialdiagnose von Oligodendrogliomen,

570

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



ggf. weitere Verfahren zur Biopsie und Operationsplanung, wie SPECT/Single Photon Emission Computed Tomography, ▪ PET in Form der Aminosäure-PET mit 11C-Methionin oder Tyrosin oder als FET mit O-(2-( 18F) Fluorethyl)-L-tyrosin, ▪ MRS/Magnet- Resonanz-Spektroskopie, ▪ Angiografie. neurophysiologische Untersuchungen – EEG/Elektro-Enzephalo-Graphie bei Krampfbereitschaft, – VEP/Visuell Evozierte Potentiale im EEG, – AEHP/Akustisch Evozierte Hirnstamm-Potentiale im EEG, – SEP/Sensibel Evozierte Potentiale im EEG, Liquordiagnostik zum Nachweis/Ausschluss von – entzündlichen Erkrankungen oder eines Hirnabszesses, – primären cerebralen Lymphomen, – eines cerebral metastasierenden Tumors oder eines Keimzelltumors, – einer Liquoraussaat; – bei intrakranieller Drucksteigerung und/oder gestörter Liquorzirkulation ist eine Lumbalpunktion kontraindiziert, da die kaudale Druckentlastung zu einer tonsillären Einklemmung führen kann! Biopsien zur morphologischen Diagnose und histologischen Klassifikation des Tumors – stereotaktische Biopsie ▪ ist auch bei Patienten in weniger gutem Allgemeinzustand möglich, ▪ führt bei mehr als 90 % aller Patienten zu einer sicheren Diagnose; – operative neuronavigierte Biopsie zugleich verbunden mit der chirurgisch-therapeutischen Maßnahme – minimal invasive Biopsie bei Ventrikel-nahen oder ventrikulären Tumoren ▪







Klassifikation Eine umfassende histologische Klassifizierung dieser Tumore wurde von der WHO (Fassung 2017/2019) erstellt Es werden unterschieden: • nach dem zellulären Ursprung und den histologischen Charakteristika: – neuroepitheliale Tumoren/Gliome (siehe Tab. 8.223), – nicht neuroepitheliale Tumoren (siehe Tab. 8.226) ▪ meningeale Tumoren, ▪ Keimzelltumoren, ▪ Tumoren der Sella-Region, ▪ primäre Lymphome des ZNS, – Metastasen extracerebraler Tumoren, • nach der Lokalisation – im Hirnparenchym/intraaxiale Tumoren, – außerhalb der Pia mater/extraaxiale Tumoren,

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems

571



im Rautenhirn/infratentorielle Tumoren vorzugsweise bei Kindern (z. B. Medulloblastome, Ependymome, pilozystisches Astrozytom), – im Großhirn/supratentorielle Tumoren ▪ vorzugsweise bei Erwachsenen (z. B. Astrozytome, Oligodendrogliome, Meningeome, Metastasen), nach dem Grad der Dignität/Malignität gemäß der histologischen Befundung – dem Ausmaß der Dedifferenzierung/Anaplasie der Tumorzelle (siehe Tab. 8.223 und Tab. 8.226), ▪ beurteilt an Hand der Parameter Zell- und Kernpolymorphie, erhöhte Zelldichte, erhöhte Mitoserate, Auftreten pathologischer Mitosen, mikrovaskulärer Zellproliferationen sowie flächenhafter und Strich-förmiger Tumorgewebsnekrose, wobei folgende Einstufung gemäß der WHO-Empfehlung 2016 vorgenommen wird ▪ Grad I: benigne Tumoren, chirurgische Exzision ist im Regelfall ausreichend für die Heilung, ▪ Grad II: benigne Tumore, welche infiltrativ wachsen können und hierdurch umliegendes Gewebe zerstören, wie auch zu Rezidiven neigen, bei adäquater Therapie die Überlebenszeit jedoch nicht oder nur geringfügig verkürzen, ▪ Grad III: maligne Tumore, welche trotz adäquater Therapie die Überlebenszeit deutlich verkürzen können, ▪ Grad IV: hochmaligne Tumore, welche weitgehend Therapie-resistent sind und die Lebenszeit erheblich verkürzen; – dem Wachstum ▪ lokalisiert (z. B. Pilozytisches Astrozytom, pleomorphes Xanthoastrozytom, Astroblastom, Ependymom, Choroidplexuspapillom, Hämangioblastom, ▪ diffus infiltrativ (z. B. anaplastische Astrozytome, Glioblastome, Gliosarkome, primäre ZNS-Lymphome) ▪



Für die Prognose sind entscheidend: • das Tumorwachstum – Ort des Wachstums, Größe des Tumors, – Ausmaß des infiltrativen Wachstums, – Zweittumoren ▪ Streuherde um den Primärtumor herum, ▪ multilokuläres Auftreten, • Resektabilität – histologisch benigne Tumoren können eine erhebliche Malignität besitzen, indem sie ▪ durch ihre Expansion lebenswichtige Zentren des ZNS in Mitleidenschaft ziehen, ▪ nicht oder nur unvollständig resezierbar sind; – der Grad der Dedifferenzierung, – ihre Neigung zur Bildung von Rezidiven und Metastasen.

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Rezidive treten auf: • bedingt durch die häufig nur subradikale (R1, R2) Resektion des Tumors, • im Besonderen beim PXA/Pleomorphen Xantho-Astrozytom, zerebellären Liponeurozytom, Paragangliom. Metastasen treten auf: • kaum extrakraniell, • nur relativ selten über den Liquor – dieses jedoch häufiger beim Plexuskarzinom, Medulloblastom, Ependymom

Therapiestrategien Die chirurgische Resektion des primären ZNS-Tumors ist die Therapie erster Wahl • bei Tumoren Grad I kurativ wirksam, soweit ein R0 Status erreicht werden kann, • bei Tumoren Grad II und III und abhängig von Tumortyp in Kombination mit einer präoperativen oder postoperativen Radiotherapie und/oder Chemotherapie, • bei Tumoren Grad IV, abhängig vom Allgemeinbefinden und vom Tumortyp und auch hier in Kombination mit einer präoperativen oder postoperativen Chemotherapie, Radiotherapie, gezielter Tumortherapie oder Immuntherapie. Bei hypervaskulasierten Tumoren kann deren arterielle Blutversorgung präoperativ oder perioperativ durch Embolisation verringert werden • mit Hilfe einer distalen Mikrokatheterisierung des angiografisch identifizierten arteriell-kapillären Tumor-Gefäßbettes, • um die intraoperative Blutung zu vermindern, was – die Möglichkeit einer R0-Resektion erhöht und das Rezidivrisiko verringert und – die Operationszeit und die operativ bedingte Morbidität verringert • um Tumornekrosen zu induzieren besonders bei inoperablen Tumoren z. B. der Schädelbasis Kandidaten für eine Embolisation sind besonders nicht-neuroepitheliale mesenchymale Tumore wie • Meningeome, Hämangiopericytome, Hämangiome, Hämangioblastome, extradurale oder durale, große, hypervaskuläre Metastasen, • lokalisiert intrakranial, in der Schädelbasis oder spinal Die • • •

Radiotherapie wird im Regelfall durchgeführt perkutan und stereotaktisch fokussiert und fraktioniert, intensitätsmoduliert oder als Radiochirurgie mit einer stereotaktischen Einzeldosiskonvergenzbestrahlung, – als „Cyberknife“, bei welchem ein Linearbeschleuniger einen Elektronenstrahl erzeugt, der auf Wolfram gerichtet Photonen erzeugt und dieser Photonenstrahl mit einer Dosisleistung von 6 Gy/min über einen Roboter mit einer hohen Positionsge-

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems





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nauigkeit auf eine definierte Feldgröße von einigen mm bis zu wenigen cm über 30–120 min verabreicht wird, als „Gamma-Knife“, bei welchem hochdosiert Gammastrahlen aus 201 einzelnen radioaktiven 60Cobalt-Quellen durch einen Kollimator nadelförmig gebündelt und auf einen geplanten Punkt mit hoher Genauigkeit ausgerichtet werden, als Protonen-Bestrahlung,

Bei der Chemotherapie von ZNS Tumoren hat sich • Temozolomid weitgehend durchgesetzt • nachrangig sind bei fast allen ZNS-Tumoren alle anderen Zytostatika In den nachfolgenden Abschnitten wird bei den verschiedenen Tumortypen auf diese Therapiemöglichkeiten im Einzelnen eingegangen.

8.12.2 Neuroepitheliale Tumoren (Gliome, Ependymome, neurale Tumore, Plexus-und Pinealis-Tumore, embryonale Tumore) Klassifikationen Unter neuroepithelialen Tumoren werden alle Tumoren des ZNS verstanden, welche vom Hirnparenchym ausgehen. Hierzu zählen (siehe Tab. 8.223): • Gliome – Astrozytome, – oligodendrogliale Tumoren, – oligoastrozytäre Tumoren, • ependymale Tumoren, • neuronale und neural-gemischtzellige Tumoren, • Tumoren des Plexus choriodeus, • Tumoren des Pinealisparenchyms, • embryonale Tumoren. Zur histologischen Klassifikation sind gebräuchlich: • die HE-/Hämatoxylin-Eosin-Färbung zur Beurteilung der Zell- und Gewebestruktur, • Bindegewebsfärbungen (Elastica-van-Gieson-Farbung, Trichrom-Färbung nach Masson, Silberfaserimprägnation) – zur Abgrenzung mesodermaler Tumoren von Gliazelltumoren, – zum Nachweis der Bindegewebsbeteiligung bei hochgradigen Gliomen, – zur Abgrenzung von Lymphomen, • immunhistochemischer Nachweis, im Besonderen – des sauren Gliafaserproteins (GFAP) und des S100 (saures Kalziumionen bindendes Protein) ▪ bei Gliomen (im Besonderen bei supratentoriellen Gliomen), – der Zytokeratine ▪ bei epithelialen Tumoren,

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren





von CD20 (B-Lymphozyten Marker) und CD45 (Leukozyten-assoziierte Tyrosinphosphatase) ▪ bei Lymphomen, des Zell-Proliferationsmarkers Ki-67 mit Hilfe des monoklonalen Antikörpers M1B1.

Risikofaktoren Die Pathogenese neuroepithelialer Tumoren sind weitgehend unbekannt. Jedoch bestehen tierexperimentelle Anhaltspunkte, dass z. B. Gliome aus astrozytären, oligodendroglialen oder aus neuralen Stammzellen hervorgehen können durch aktivierende wie auch inaktivierende Mutationen, Amplifikationen und epigenetische Veränderungen. Hierzu gehören z. B. (siehe Tab. 8.223): • aktivierende Mutationen von Proto-Onkogenen (siehe Kap. 4.3.1) wie beispielsweise für – B-Raf (Serin-/Threoninkinase des Ras/Raf-Signalweges, siehe Kap. 3.3.3), ▪ aktivierende Punktmutation V600E kommt bei etwa 5–50 % der neuroepithelialen Tumore vor, – EGF-R/Epithelial Cell Growth Factor-Receptor, siehe Kap. 3.1.2), wobei ▪ primäre Glioblastome den EGFR zu etwa 35–40 % amplifiziert haben, ▪ EGFRvIII (Deletion der extrazellulären Domäne des Rezeptors (Exon 2–7), hierdurch konstitutive Aktivierung), in 25–30 % der primären GBM vorkommt. ▪ sekundäre (aus Astrozytomen entstandene) Glioblastome keine Amplifikation des EGFR aufweisen, – ERBB2 (Tyrosinkinase Typ Zell-Oberflächen-Rezeptor HER2, siehe Kap. 3.1.2), – MYC (Transkriptionsfaktor, stimuliert die Zellproliferation, siehe Kap. 4.3.2), – POU4F2 (POU-Domäne-Transkriptionsfaktor, inhibiert die Differenzierung neuroepithelialer Zellen, im Besonderen in der Retina), – SHH (Sonic Hedgehog, aktivierendes Protein des Hedgehog-Signalweges, siehe Kap. 3.3.12), – Wnt (Wingless-Type MMTV Integration Site Familie Member 1, Teile des WntSignalweges, siehe Kap. 3.3.10; stimuliert die Proliferation und hemmt die Differenzierung neuronaler Zellen), – MDM2 (Mouse double minute homologe2; inaktiviert den inhibierenden Transkriptionsfaktor p53, siehe Kap. 4.3), – MEN type 2 (Multiple endocrine neoplasia Type 2, verursacht durch das aktiviertes Ret, eine membranständige Rezeptor-Tyrosinkinase), – hTERT (humane Telomerase Reverse Transkriptase, siehe Kap. 3.4.4.c), welche eine wichtige Rolle bei der Gliom-Tumorgenese zu spielen scheint; – FGFR-TACC/Transforming Acidic-Coiled-Coil-Gen-Produkt-Fusionsprotein bei ca. 3 % der Glioblastome/Astrozytome ▪ durch Translokation zwischen dem Fibroblast Growth Factor Receptor-Gen und dem Transforming Acid Coiled-Coil-Gen) ▪ FGFR-TACC-Fusionsprotein besitzt konstitutive Kinase-Aktivität und triggert Aneuploidie.

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems





575

inaktivierende Mutationen von Tumorsuppressoren (siehe Kap. 4.3.2), wie beispielsweise: – NF1 und NF2 (Neurofibrine supprimieren den Ras-p21-Signalweg, siehe Kap. 3.3.3), – p53 (Transkriptionsfaktor, hemmt unter anderem die Zellproliferation, siehe Kap. 4.3) ▪ Mutationen treten besonders häufig auf bei sekundären Glioblastomen (ca. 90 %), diffusen Astrozytomen (ca. 50 %), und Oligoastrozytome (ca. 40 %); ▪ häufig sind die Mutationen in CpG-Inseln lokalisiert; – p14ARF (Cyclin Dependent Kinase Inhibitor, hemmt den Zellzyklus, siehe Kap. 4.2), – p16/CDKN2A (Cyclin Dependent Kinase Inhibitor, hemmt den Zellzyklus, siehe Kap. 4.2), – RB1/Retino-Blastoma-Protein, inhibiert den Transkriptionsfaktor E2F, der den Zellzyklus stimuliert), – PTEN/Phosphatase und Tensin-Homolog, deaktiviert den PI3K/Akt Signalweg, welcher die Zellproliferation stimuliert), – RASSF1A/Ras-Association Domain Family- Protein 1; hemmt den Ras/Raf-Signalweg, siehe Kap. 3.3.3), – PIK3R1/Phosphatidylinositol-3-Kinase-Regulatorische Subeinheit1, hemmt den PI3k/Akt-1-Signalweg, siehe Kap. 3.3.5), – IDH/Isocitra-De-Hydrogenase, katalysiert die Oxidation von Isocitrat zu α-Ketoglutarat), ▪ Mutationen der zytosolischen IDH1 (Chr.2q33.3, Codon 132, Mutation R132H) und der mitochondrialen IDH2 (Chr.15q26.1, Codon 172) kommen häufig vor bei Astrozytomen, Oligodendrogliomen, Oligoastrozytomen und (den daraus sich entwickelnden) sekundären Glioblastomen; ▪ höhergradige neuroepitheliale Tumoren ohne Mutationen des IDH haben eine schlechtere Prognose (Verkürzung der Überlebenszeit); ▪ IDH-Mutation in Kombination mit der Codeletion der Chromosomarme 1p und 19q (del1p/19q) weisen eine bessere Prognose auf, – TSC1/TSC2/Tuberöse Sclerose-TSC1/TSC2-Komplex, hemmt den mTOR-Signalweg, – VHL/Von Hippel-Lindau Protein, hemmt die Tumorzellproliferation über mehrere Mechanismen, siehe Kap. 4.3.2), – SDHB, SDHD/Succinat-Ubiquinon-De-Hydrogenase der Mitochondrien, – PTCH1/Patched Drosophila, Homolog 1; inhibiert die Aktivität von Transkriptionsfaktoren, – APC/Adenomatous Polyposis Carcinoma-Protein; assoziiert mit β-Catenin und inhibiert den Wnt-Signalweg, siehe Kap. 3.3.10), – SMARCB1(INI1/hSNF5), SMARCA4 (BRG1)/SWI/SNF related, Matrix associated, Actin-dependent Regulator of Chromatin, Subfamilie B bzw. A, Mitglied 1 bzw. 4; – ATRX/Alpha-Thalassämie-Geistige Retardierung-Syndrom, durch die inaktivierende Mutation wird die Bildung von Telomerase beeinflusst, wie auch die DNAMethylierung beeinträchtigt, Deletionen der Chromosomenarme 1p und 19q, bestimmt mittels Fluoreszenz-in-situHybridisierung (FISH) oder dem Mikrosatelliten-PCR-basierten Nachweis von Allelverlusten (loss of heterozygosity, LOH)

576

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren





sind besonders bei Oligodendrogliome (ca. 80 %), Oligoastrozytome (ca. 45 %) und diffuse Astrozytome (ca. 20 %) zu finden, – treten in ca. 65 % der Oligodendrogliome auch noch neben einer IDH1/2 Mutation auf, was für eine günstige Prognose spricht, Methylierung der MGMT/Methyl-Guanin-Methyl-Transferase-Region – Inaktivierung der MGMT-Promotorregion durch Hypermethylierung verhindert die Expression von MGMT und damit die Reparatur der durch die Radiotherapie und durch Chemotherapeutika verursachten DNA-Schädigung, – MGMT-Promotor-Methylierungen ▪ sind häufig (ca. 40 %) bei Glioblastomen (gerade auch vom Typ IDHwt), selten bei Medulloblastomen und Meningeomen ▪ stellen eine der wesentlichen Ursachen dar für Resistenzentwicklungen gegen Chemotherapeutika (im Besonderen Temozolomid) und das Auftreten von Rezidiven, – die Wirkung von MGMT-Promotor-Methylierungen kann durch Mutationen von MSH6 aufgehoben werden.

Tab. 8.223: Histologische und Malignitäts-Klassifikation Neuroepithelialer Tumoren des Nervensystems (Louis et al. 2016). Mutation/Amplifikation/ Subgruppe

5-Jahr-Ü

K, J

BRaf V600E

≥ 80

II

K, J

IDH

diffuses Astrozytom

II

M

9%

IDHArg132His, IDHWT, MGMT, p14, p53

50–60

anaplastisches Astrozytom

III

M

10 %

IDH1, IDH-WT, PTEN, p53, EGFR, ERBB2

10–40

Glioblastom (IDHwt)

IV

S

EGFR, ERBB2, B-RafV600E, FGFR – TACC-Fusionsprotein, IDHwt, PTEN, p53, TERT-Promotor

30 mm und Ausbreitung über die Foramina Monroi hinweg, E: wie D, jedoch mit seitlichen Ausdehnungen;

Tumore der Adenohypophyse werden des Weiteren unterteilt nach ihrer Expression von (ermittelt durch Immunhistochemie, PCR oder durch Nachweis der Hormone im Blutserum) • Hypophysenhormonen, ER/Östrogen-Rezeptoren und • hypophysären Transkriptionsfaktoren PIT-1/Pituitary-specific positive Transcriptionfactor, T-PIT/T-PIT-box Factor Pituitary und SF-1/Steroidogenic Factor1, Demnach werden Tumoren unterschieden, welche produzieren: • PRL/Prolactin – lactotrophe Adenome (ca. 25 % der Adenome), – mit Expression von ER und PIT-1, – mit einem aggressiven Wachstum bei den Subtypen: ▪ geringgranuliertes Adenom, undifferenziertes Adenom und azidophiles Stammzell-Adenom • ACTH/AdrenoCortiko-Trophic Hormone: – kortikotrophe Adenome (2–35 % der Adenome), – mit Expression von T-PIT und – mit einem aggressiven Wachstum bei dem Subtyp: ▪ Crooke-Zelladenom • GH/Growth Hormon, PRL und alpha-Subunit (von FSH, LH und TSH): – somatotrophe Adenome, – mit Expression von PIT-1 – mit einem aggressiven Wachstum bei den Subtypen: ▪ geringgranuliertes und undifferenziertes Adenom TSH/Thyroidea Stimulierendes Hormon/Thyrotropin (und PRL): • – thyrotrophe Adenome, – mit Expression von PIT-1 • FSH/Follikel-Stimulierendes Hormon und/oder LH/Luteinisierendes Hormon – gonadotrope Adenome, – mit Expression von SF-1 – die von den Tumoren produzierte Menge dieser gonadotrope Hormone ist meist zu gering, als dass endokrine Symptome bewirkt werden, • GH und PRL – gemischte Adenome, – mit Expression von ER und PIT-1, • GH, PRL, TSH und andere – plurihormonale Adenome – mit Expression von PIT-1, T-PIT oder SF-1, – mit einem aggressiven Wachstum bei dem Subtyp: ▪ PT-1 positives plurihormonales Adenom,

592 •



8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

alpha-Subeinheit (von FSH, LH und TSH) – alpha-Subunit-Adenome – mit Expression von SF-1 keine Hormone (endokrin inaktive Tumoren); hierzu gehören sowohl Adenome, welche de facto keine Hormone bilden als auch Adenome, bei denen die Bildung der Hormone zu gering ist, um klinische Wirkung zu zeigen (z. B. die FSH/LH produzierenden Hormone) mit der Unterteilung in – PIT-1 positives Hormon-inaktives Hypophysenadenom, – SF-1 positives Hormon-inaktives gondadotropes Hypophysenadenom, – T-PIT positives Hormon-inaktives kortikotropes Hypophysenadenom

Primäre ZNS-Lymphome Vorkommen Primäre ZNS-Lymphome stellen etwa 2 % der primären Hirntumoren dar. Primäre ZNSLymphome/PZNSL: • sie sind außerhalb eines Lymphknotens (extranodal) im ZNS entstanden – im Gehirnparenchym, in den Meningen und/oder im Rückenmark, – in ca. 10–20 % der Fälle in den Augen (Glaskörper- oder Uvea); • sind in mehr als 95 % der Fälle Non-Hodgkin-Lymphome vom B-Zell-Typ, – werden in der Regel den hochmalignen diffus-großzelligen B-Zell-Lymphomen zugeordnet, – sind häufig assoziiert mit einem angeborenen oder erworbenen Immundefekt, • nehmen in der Inzidenz vor allem bei immunkompetenten Personen zu – entstehen etwa 80 % unilokulär im ZNS, – 10–15 % multilokulär/systemisch. Als Risikofaktoren gelten: • Immunsuppression, z. B. im Rahmen einer Organtransplantation, • EBV/Epstein-Barr-Virus-Infektion, nachweisbar – in 10–20 % bei immunkompetenten Patienten, – in > 95 % bei immunsupprimierten Patienten. • AIDS/HIV-Infektionen Gehäuft kommen vor: • diffuses großzelliges B-Zell Non-Hodgkin-Lymphom – Altersgipfel bei 60–70 Jahren, bevorzugt Männer, • niedriggradiges Non-Hodgkin-Lymphom vom B-Zell-Typ – überwiegend bei Frauen (m : w = 1 : 4), – meist in der Dura in Form des (lymphoplasmazytischen) MALT-/Mukosa-Associated Lymphoid Tissue-Lymphoms (marginal zone B cell lymphoma), • extraossäre Plasmazytome, • posttransplantations-lymphoproliferative Erkrankung (PTLD/Post-TransplantationLymphoproliferative Disorder)

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems

– –

593

B-Zell-Lymphome (BCL/B-Cell-Lymphoma) meist lokalisiert in der Dura und EBVpositiv, treten innerhalb von 2 Jahren nach der Organtransplantation auf, vorwiegend bei Kindern.

8.12.3.3 Diagnostik nicht neuroepithelialer Tumore Symptome und Diagnostik der primären nicht-neuroepithelialen Tumoren des ZNS ähneln weitgehend denjenigen der neuroepithelialen Tumoren (siehe Kap. 8.12.1.1). Bei Tumoren der Adenohypophyse (AH) sind zusätzlich die diagnostischen Bestimmungen folgender Parameter am Biopsiematerial bzw. laborchemisch im Blutserum notwendig: • Hypophysäre Transkriptionsfaktoren wie PIT-1/Pituitary-specific positive Transcription factor, T-PIT/T-PIT-box Factor Pituitary, SF-1/Steroidogenic Factor1. • Östrogen-Rezeptor, • Proliferationsmarker Ki-67, • PRL/Prolactin bei lactotrophen Tumoren – exprimiert von ca. 30 % der AH-Tumore, – Symptome: Hyperprolaktinämie mit Galaktorrhö, Amenorrhö, Hypogonadismus, Libidoverlust, • ACTH/Adreno-Cortikotrophic Hormone bei kortikotrophen Tumoren – exprimiert von ca. 10 % der AH-Tumore, – Symptome: Morbus Cushing, • GH/Growth Hormone bei somatotrophen Tumoren, – exprimiert von ca. 10–20 % der AH-Tumore – Symptome: Akromegalie und/oder Riesenwuchs, • TSH/ Thyroidea Stimulierendes Hormon/Thyrotropin bei thyrotrophen Tumoren, – exprimiert von ca 1 % der AH-Tumore – Symptome: Überfunktion der Schilddrüse/Hyperthyreose, • FSH/Follikel-Stimulierendes Hormon und/oder LH/Luteinisierendes Hormon oder Subeinheiten (α- oder β-Kette) dieser gonadotropen Hormone bei gonadotrophen Tumoren, – exprimiert von ca 10 % der AH-Tumore – Symptome: Pubertas präcox, Zyklusstörungen, sexuelle Störungen, – häufig ist die von den Tumoren produzierte Menge der gonadotropen Hormone zu gering, als dass endokrine Symptome bewirkt werden, • GH + PRL bei mammosomatotrophen Tumoren – Symptome: Hyperprolaktinemie mit Galaktorrhö, Amenorrhö, Hypogonadismus, Libidoverlust und Akromegalie und/oder Riesenwuchs. • Alpha-Subunit bei αSU- Tumoren – Symptome: keine eigene Hormonaktivität von αSU • kein erhöhten tropen Hormone bei Null-Zell-Adenome (Onkozytome), d. h. – bei Tumoren, welche de facto keine Hormone bilden wie auch

594

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– •

bei Tumoren, bei denen die Bildung der Hormone zu gering ist, um klinische Wirkung zu zeigen (z. B. die FSH/LH produzierenden Hormone), eine mögliche Hormonaktivität kann geprüft werden durch – morgendliche Messung von Prolaktin, TSH, freiem T4(fT4), freiem T3(fT3), LH, FSH, Gesamt-Testosteron (bei Männern) bzw. Östradiol (bei prämenopausalen Frauen), IGF-1 und durch – einen 1 mg Dexamethason-Test.

Für die Diagnose von Keimzelltumoren sind durchzuführen • MRT des gesamten ZNS, • Liquorzytologie, • Bestimmung von (β-HCG/β-Humanes Chorion-Gonadotrophin) und AFP/α-Fetoprotein – im Blut und im Liquor – vor der Operation als Ausgangswert für die Verlaufsuntersuchung, im Besonderen auch in Hinblick auf R1- Resektionen • klinische und molekularbiologische Untersuchung auf den Karyotyp 47, XXY (Klinefelter-Syndrom) – mit Symptomen assoziiert mit erhöht endogen gebildetem Progesteron (Hodenatrophie, Gynäkomastie, Eunuchoider Habitus). Bei • • • •

• •

Verdacht auf primäre ZNS-Lymphome sind ergänzend durchzuführen: Bestimmung der Laktatdehydrogenase/LDH, Palpation der peripheren Lymphknoten, HIV-Test, Liquor-Untersuchungen mit – immunzytologischer Prüfung der B-Lymphozyten − und T-Lymphozyten-Oberflächen-Antigene inklusive der membranständigen Kappa/Lambda-Leichtketten, – Überprüfung auf Monoklonalität der B-Lymphozyten (Scherketten-Rearrangement) – (bei erhöhtem intrakraniellem Druck: Kontraindikationen der Lumbalpunktion), Augenuntersuchung inklusive Spaltlampenuntersuchung zum Ausschluss von Infiltrationen des Glaskörpers oder der Uvea, Ausschluss eines systemischen Lymphoms mit ZNS-Beteiligung durch – CT des Thorax und Abdomens, – Knochenmarkpunktion, – Sonografie des Hodens.

8.12.3.4 Therapiestrategien für Nicht-neuroepitheliale Tumore Die Therapiestrategie nicht neuroepithelialer Tumore ist für jeden einzelnen Tumortyp gesondert zu betrachten. Bei Meningeomen steht im Vordergrund (siehe Tab. 8.227) • die chirurgische Resektion des Primärtumors, • gefolgt von (bei GII und GIII Tumoren, R1-Status und/oder Rezidiven) einer Radiochirurgie und ggf. einer Chemotherapie, vorzugsweise mit Temozolomid.

595

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems

Tab. 8.227: Strategie der Therapie für Meningeome (in Anlehnung an Goldbrunner et al. 2016, Wang et al. 2018, Machein et al. 2019). Meningeom- Verdacht

▾ ▾ keine Symptome, keine Raumforderung

▾ Symptome Raumforderung, Ödeme







engmaschige Kontrolle

guter Allgemeinzustand

schlechter Allgemeinzustand





chirurgische Resektion Histologie

fokussierte Radiotherapie



▾ Grad III

und



engmaschige Kontrollen

fokussierte Radiotherapie

ggf.





oder

und/oder

Chemotherapie

Radiochirurgie

Chemotherapie

Grad I

Grad II









R0

R1

R0

R1

engmaschige Kontrollen

Radiochirurgie

engRadiomaschige chirurgie Kontrollen



▾ und/oder RadionukleotidTherapie















Nachsorge

MRTjährlich

MRT nach 3 Monaten danach jährlich

MRT nach 3 Monaten, danach alle 6 Monate über 3 Jahre, danach jährlich

Radiochirurgie = stereotaktische Einzeldosiskonvergenzbestrahlung

MRT alle 3 Monate über drei Jahre, danach alle 6 Monate

596

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Die Therapiestrategie der Hämangioperizytome wie auch der Hämangioblastome entspricht weitgehend derjenigen der Meningiome. • Zur Erleichterung und Verbesserung der chirurgischen Resektion besteht die Möglichkeit der Embolisation der den Tumor versorgenden Arterien (siehe Kap. 8.12.1) • Bei fortgeschrittenen Tumoren ist in Zweit- oder Dritt-Linie in Betracht zu ziehen – bei Hämangioperizytome die Chemotherapie mit Temozolomid ggf. in Kombination mit einer Antiangiogenese (anti-VEGF-Antikörper wie z. B. Bevacizumab) – bei Hämangioblastome eine Antiangiogenese, z. B. mit dem anti-VEGF-Antikörper Bevacizumab. Bei Sella-Tumoren ist die primäre Therapie abhängig vom Entwicklungsstand und Malignitätsgrad (siehe Tab. 8.228) • die chirurgische (meist transphenoidale) Tumor-Resektion mit dem Ziel eines R0 Status ist die Methode der Wahl – bei Grad I und Grad II Tumoren, welche Krankheitssymptome verursachen, – bei fortgeschrittenen, aber doch noch operablen Tumoren Grad III und Grad IV • beim postoperativem R1 Status, bei Rezidiven und ggf. bei solitären Metastasen ist, soweit möglich, eine Zweitoperation die beste Therapie, • bei allen inoperablen Tumoren wird empfohlen – bei niedriger Expression der Resistenz-vermittelnden MGMT/Methylguanine-DNA Methyl-Transferase die primäre Chemotherapie empfohlen, vorzugsweise mit Temozolomid – in allen anderen Fällen eine fokussierte Radiotherapie • Tumoren, welche Dopamin-Rezeptoren exprimieren, können in Zweit- oder Drittlinie mit einem Dopamin-Agonisten behandelt werden. Tab. 8.228: Strategie der Therapie bei Sella-Tumoren (in Anlehnung an Böjunga et al. 2020). Grad I



Grad II



Grad III



Grad IV



symptomlos

symptomlos

falls operabel

falls operabel

intensive Kontrolle

intensive Kontrolle

chirurgische Resektion

chirurgische Resektion









falls Symptome (Sehvermögen, Hypophyseninsuffiziens)

falls Symptome (Sehvermögen, Hypophyseninsuffiziens)

falls nicht operabel (und MGMT niedrig)

falls nicht operabel (und MGMT niedrig)

primäre Chemotherapie (Temozolomid)

primäre Chemotherapie (Temozolomid)

chirurgische Resektion

chirurgische Resektion

oder fokussierte Radiotherapie

oder fokussierte Radiotherapie



falls R1 oder Rezidiv sekundäre chirurgische Resektion

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems

597

und/oder fokussierte Radiotherapie



oder falls Expression von Dopamin-Rezeptoren Dopamin-Agonisten





Nachsorge endokrinologische Nachsorge (Behebung der Insuffizienz der kortikotropen und thyreotropen Achse) 0–2 Wochen, dann nachfolgend 1–2 ×/Jahr bildgebende Verfahren (MRT) jährlich oder alle 2 Jahre MGMT = Methylguanine-DNA Methyl-Transferase

Bei primären ZNS-Lymphomen wird empfohlen • die bestmögliche chirurgische Resektion, d. h. – weitestgehende Entfernung des Lymphoms bei optimaler Schonung des Normalgewebes und der Hirnfunktion, – Verzicht auf eine präoperative Glukokortikoidbehandlung, • die primäre oder postoperative Chemotherapie – mit einer Hoch-Dosis Methotrexat alleine oder in den Kombinationen ▪ Methotrexat + Ara-C oder Ifosfamid ▪ Methotrexat + Thiotepa + Procarbazin, ▪ Methotrexat + Temozolomid oder Topotecan – mit dem PCV-Schema Procarbazin + CCNU/Lomustin + Vincristin, – in Kombination mit einer spezifischen Immuntherapie wie dem monoklonalen Antikörper Rituximab, gerichtet gegen CD20 auf Lymphomzellen die perkutane Radiotherapie durch Bestrahlung des gesamten Gehirns • – als primäre Therapie, falls Kontraindikationen gegen eine Chemotherapie bestehen ▪ mit einer Bestrahlung des Ganzhirns (meist bis C2) bis zu einer Dosis von ca. 40 Gy und einem Boost auf den sichtbaren Tumor mit ausreichendem Randsaum (Enddosis 50–60 Gy, Einzeldosis 1,8–2 Gy) – postoperativ bei R1-Status, nach einer Chemotherapie und inkompletter Tumorregression, bei einem Rezidiv oder palliativ ▪ mit maximal 45 Gy, fraktioniert in 1,8–2 Gy Einzeldosis, wobei die Bestrahlung des Ganzhirns auf 24–36 Gy beschränkt bleiben und in einer 2. Serie ein Boost auf den Restbefall erfolgt sollte. – eine Liquorraumbestrahlung kann bei einem Rezidiv mit Liquoraussaat dann gerechtfertigt sein, wenn zuvor keine Radiotherapie erfolgte. Die Therapie der Keimzelltumore ist abhängig vom histologischem Typ: • bei reinen Germinome (40–50 %) ist eine alleinige Strahlentherapie oder eine Kombination von Chemotherapie und Radiotherapie in einem hohen Maße bereits kurativ, • bei nicht-germinomatösen (meist gemischtzelligen) Keimzelltumoren ist je nach histologischem Typ die Therapiestrategie

598

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– – –

eine bestmögliche chirurgische Tumor-Resektion, eine perkutane Radiotherapie (Ganzhirn/ZNS) und/oder eine kombinierte Radiotherapie und Chemotherapie

Chirurgische Verfahren Therapie der Wahl: • die primäre möglichst vollständige (R0) chirurgische Resektion des Tumors unter bestmöglichem Erhalt der neurologischen Funktionen – vorzugsweise mit intraoperativer Unterstützung durch ein bildgebendes Verfahren (Sonografie oder MRT) – bei fast allen primären, nicht-epithelialen Tumoren des ZNS (siehe auch Kap. 8.12.1.1). Dieses gilt sowohl für den Primärtumor als auch für Rezidive; – Ausnahmen stellen dar ▪ das Germinom, ▪ primäre ZNS-Lymphome. Die Radiotherapie erfolgt • als perkutane fokussierte Radiotherapie • adjuvant/postoperativ (40–50 Gy in Einzelfraktionen von 1,5 Gy/Tag) – falls Rezidive zu erwarten sind, – bei unvollständiger Resektion des Tumors, – bei Tumoren mit hohem Malignitätsgrad (Grad II/III), – bei Rezidiven, falls der Primärtumor nicht bestrahlt wurde; • primär – beim Germinom, – bei Patienten mit primären ZNS-Lymphomen ▪ und HIV-Infektion/AIDS: Dosis: 10mal 3 Gy, ▪ mit Augenbeteiligung: Gesamtdosis von 30–45 Gy, fraktioniert in 1,8 Gy/Fraktion; Zielvolumen: Glaskörper, Retina und Uvea. als Radiochirurgie (siehe auch Kap. 8.12.1) • – primär im Besonderen bei inoperablen Tumoren oder – sekundär bei R1-Status oder bei Rezidiven, falls eine Nachresektion nicht möglich erscheint, Die interstitielle Brachytherapie ist eine Option zur palliativen Behandlung von inoperablen Tumoren. Chemotherapie Eine Chemotherapie erfolgt: • bei inoperablen Primärtumoren – vorzugsweise mit Temozolomid ▪ wobei es sinnvoll ist, vorab die Expression von MGTM (Methylguanine-DNA Methyltransferase) zu bestimmen, um ggf. eine durch MGTM bedingte Zytostatika-Resistenz auszuschließen,

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems





599

bei Rezidiven – postoperativ oder palliativ ▪ vorzugsweise mit Temozolomid ▪ mit hirngängigen Zytostatika-Kombinationen (siehe auch Kap. 8.12.1.1), bei primären ZNS-Lymphomen durch – primäre systemische Chemotherapie, zum Beispiel ▪ Methotrexat (1,5–8 g/m2; Tag 1, bis zu 6 Zyklen), ▪ Methotrexat (4 g/m2; Tag 1) und Ifosfamid (1,5 g/m2; Tag 3–5); 6 Zyklen, ▪ weitere Zytostatika: Cytarabin/Thiotepa, Procarbazin, CCNU und Vincristin oder Topotecan, – Kortikosteroide ggf. in Kombination mit Zytostatika ▪ Dexamethason (dreimal 8 mg/Tag über 10 Tage während des ersten Therapiezyklus), – bei Nachweis einer HIV-Infektion ▪ durch eine hochaktive kombinierte antiretrovirale Therapie (cART).

Hormontherapie • zur Therapie von Dopamin bildenden Tumoren (z. B. des lactotrophen Adenoms) – bei inoperablem R1 Status oder Radiotherapie-resistenten Rezidiven – Verabreichung von Dopamin-Agonisten, – wobei der Nachweis von Dopamin-Rezeptoren auf den Tumorzellen hilfreich ist, • zur intra- und/ oder postoperativen Substitution des durch die Hypophysektomie entstandenen sekundären Mangels an Hormonen wie Glukokortikoide, Thyroxin (T4/T3) etc. Tab. 8.229: Therapieverfahren für primäre nicht neuroepitheliale Tumore des ZNS.

Grad Malignität

Chirurgische Resektion (RS)

Meningeom (80 %)

I

primäre RS

Atypisches Meningiom (5–10 %)

II

Tumore

Radiotherapie (RT)

Chemotherapie (CT)

Prognose 5-JahresÜberleben

adjuvante RT (bei Grad I, falls Rezidive zu erwarten sind); primäre RT (falls RS nicht möglich ist); ggf. Brachytherapie

adjuvante oder palliativ CT

18–97 %

Tumoren der Meningen meningotheliale Tumore

primäre RS Anaplastisches Meningeom (1–3 %)

III

andere mesenchymale Tumore Hämangioperizytom melanozytische Tumore Hämangioblastom meningeales Sarkom

II–III

80–90 % adjuvante oder palliative CT

600

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Keimzelltumoren

65–95 %

Germinom

primäre RT

embryonales Karzinom

primäre RS

adjuvante RT (falls der Tumor nicht vollkommen reseziert werden kann)

primäre RS

adjuvante RT (falls der Tumor nicht vollkommen reseziert werden kann)

Dottersacktumor Choriokarzinom Teratom

adjuvante oder palliative CT

gemischter Keimzelltumor Tumoren der Sella-Region

I–II

Hypophysenadenom invasives Hypophysenadenom Hypophysenkarzinom

II–III

Kraniopharyngeom

I

adjuvante oder palliative CT 60–95 %

primäre Lymphome des ZNS diffuses großzelliges B-ZellNon-Hodgkin-Lymphom niedriggradiges B-ZellNon-Hodgkin-Lymphom

ggf. adjuvante RT

adjuvante oder primäre CT

60–70 %

posttransplantationslymphoproliferative Erkrankung PTLD

8.12.4 Metastasen extrazerebraler Tumoren Vorkommen Etwa 20–40 % aller Patienten mit extrazerebralen malignen Tumoren entwickeln zerebrale Metastasen. Deren Inzidenz ist ansteigend bedingt durch • die Zunahme an Tumorerkrankungen und der Lebenszeitverlängerung • die sich verbessernden tumortherapeutischen Verfahren. Bevorzugte Regionen der Metastasierung sind: • die Großhirnhemisphären (~ 80 % der Metastasen), • das Kleinhirn (~ 15 % der Metastasen), • das Stammhirn (~ 5 % der Metastasen) und • die Hirnhäute (im Besonderen Dura mater); Zerebrale Metastasen treten auf • singulär – eine einzige Metastase im Gehirn bei gleichzeitigen Metastasen in anderen Organen, solitär • – singuläre Metastase als einzige Metastase im Organismus,

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems

• •

601

singulär oder solitär (diagnostiziert mit bildgebenden Verfahren) bei ca 50 % der Patienten, multiple (diagnostiziert bei der Autopsie) bei > 70 % der Patienten.

Ursprungstumor zerebraler Metastasen sind • bei Erwachsenen – Lungenkarzinome: ~ 50 % – Mammakarzinome: 15–20 % – gastrointestinale Tumoren: 5–10 % – Melanome: 5–10 % – urogenitale Tumoren: 5–10 % – unbekannten Primärtumoren/UPC/Unknown Primary Cancer, ~ 10 % • bei Kindern am häufigsten: – Leukämien und Lymphome, – Ewing-Sarkome und PNET/Periphere Neuro-Epitheliale Tumoren, – Rhabdomyosarkome.

Risikofaktoren Das Risiko, an zerebralen Metastasen zu erkranken, liegt bei ~ 45 % • kleinzelligen Bronchialkarzinomen • nichtkleinzelligen Bronchialkarzinomen ~ 30 % ~ 45 % • Melanomen ~ 20 % • Mammakarzinomen ~ 20 % • Nierenzellkarzinomen < 20 % • übrigen Tumoren Symptome Die Symptome zerebraler Hirnmetastasen entsprechen denjenigen primärer Hirntumoren; sie umfassen im Besonderen: • Kopfschmerz (50 %), • Hemiparese (50 %), • organisches Psychosyndrom (30 %), • Krampfanfalle (15–20 %), • Hirnnervenparesen oder Hirndruckzeichen. Diagnose Die Diagnose erfolgt ähnlich wie bei primären ZNS-Tumoren (siehe Kap. 8.12.1.1) mit bildgebenden Verfahren, im Besonderen mit – der MRT ohne und mit Kontrastmittel (Gadolinium), – der PET mit Fluorodeoyglukose (FDG-PET) oder Aminosäure-PET. Eine histologische Untersuchung der Metastase (Probeentnahme durch stereotaktische Biopsie oder im Rahmen einer offenen Operation)

602 •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

hängt ab vom klinischen Gesamtbefund der Tumorerkrankung, – ist nicht zwingend notwendig ▪ bei multiplen cerebralen Metastasen mit eindeutigem Befund und bekanntem Primärtumor, – ist notwendig ▪ bei bekanntem Primärtumor zur Abgrenzung von primären ZNS-Tumoren oder Entzündung, ▪ bei unbekanntem Primärtumor.

Spinale Metastasen • sind häufig epidurale Tumorabsiedlungen • werden diagnostiziert – mit Hilfe konventioneller Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule und einer MRT, alternativ mit Hilfe einer CT, – ggf. auch einer Liquordiagnostik, falls Verdacht eine gleichzeitige Aussaat in den Liquorraum besteht (sehr selten). Prognose Die Prognose von Hirnmetastasen ist schlecht. Die 1-Jahres-Überlebensrate liegt bei etwa 10 %. Ein längeres Überleben ist wahrscheinlich bei • Therapierbarkeit der extracerebral vorliegenden Tumorerkrankung, • einer singulären Hirnmetastase, • einer langen Zeitspanne zwischen dem Auftreten der Tumorerkrankung und dem Auftreten der Metastase, • niedrigem Alter und gutem Allgemeinbefinden des Patienten, • Keimzelltumoren und Mammatumoren.

Therapiestrategien Chirurgische Verfahren Falls akute Symptome vorliegen, ist die sofortige chirurgische Resektion zu prüfen! • Resektion von singulären oder solitären Metastasen mit kurativer Zielsetzung • palliative Reduktion des Tumorvolumens – bei großen, das Befinden beeinträchtigenden Metastasen – bei strahlenresistenten Metastasen. Radiotherapie • radiochirurgische (perkutane stereotaktische Applikation hoher Strahlendosen mit Hilfe eines Linearbeschleunigers) Resektion der Metastase – maximale Dosis (Einzeitbestrahlung) 24 Gy (Tumorgröße 31–40 mm), 18 Gy (Tumorgröße < 21–30 mm) und 15 Gy (Tumorgröße < 20 mm), – besonders geeignet bei Metastasen im Hirnstamm, • perkutane Radiotherapie (Ganzhirnbestrahlung) – wichtigste therapeutische Maßnahme,

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems



603

primär bei multiplen, inoperablen Hirnmetastasen, ▪ progressiv extracerebral wachsender Tumor, ▪ hochstrahlensensitive Tumoren (kleinzelliges Bronchialkarzinom, lymphohämatopoetische Neoplasien, Germinome), adjuvant/postoperativ nach chirurgischer Resektion; Dosierungen: ▪ Gesamtdosis 30 Gy in Fraktionen zu 3 Gy und 4 Fraktionen/Woche oder ▪ Gesamtdosis 36–45 Gy in Fraktionen zu 2 Gy und 5 Fraktionen/Woche, ▪ Strahlensensibilität der Metastase entspricht etwa derjenigen des zugehörigen Primärtumors, ggf. auch prophylaktisch (zur Verhinderung der ZNS-Metastasenbildung) ▪ bei kleinzelligem Bronchialkarzinom, ▪ Dosis 20–30 Gy in Fraktionen zu 2 Gy. ▪





Chemotherapie Grundsätzlich werden die gleichen Zytostatika und Zytostatikakombinationen eingesetzt wie zur Behandlung des jeweiligen Primärtumors: • bei Chemotherapieresistenz des Primärtumors erweist sich auch dessen Hirnmetastase als resistent, • bei Chemosensitivität des Primärtumors kann die Hirnmetastase weniger sensitiv sein. Die therapeutische Wirksamkeit kann verbessert werden durch Kombination der jeweiligen Chemotherapie mit der perkutanen Radiotherapie. Bei spinalen Metastasen • ist die chirurgische Resektion der Metastase indiziert – absolut bei akuten neurologischen Symptomen/Ausfällen und wenn sich der Patient in einem operationsfähigen Zustand befindet, – relativ, wenn der Primärtumor unbekannt oder wenig strahlen- oder chemosensible ist oder wenn die Wirbelsäule zugleich operativ stabilisiert werden muss, • erfolgt die Strahlentherapie primär oder postoperativ z. B. – mit einem Sicherheitsabstand kraniokaudal in beide Richtungen von einer Wirbelkörperhöhe, – mit 5 × 3 Gy/Woche bis kumulativ 30 bis 36 Gy, – mit 5 × 2 Gy/Woche bis kumulativ 30 Gy bei lymphoproliferativen Erkrankungen und – mit 5 × 4 Gy bei schlechtem Allgemeinzustand des Patienten, – lokal mit kumulativ 50 Gy fraktioniert in Einzeldosen von 2 Gy bei solitären Knochenmetastasen, • verspricht die Kombination einer chirurgischen Resektion mit einer postoperativen Bestrahlung das beste Ergebnis in Bezug auf therapeutischen Erfolg und Begrenzung der Nebenwirkung.

604

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

8.12.5 Tumoren des PNS/peripheren Nervensystems 8.12.5.1 Klassifikation Tumoren des PNS werden unterteilt in: • Tumoren der peripheren Nervenscheiden (siehe Tab. 8.230) – zählen zu den Weichteiltumoren; ▪ bezüglich deren Symptome und klinischen Diagnostik siehe Kap. 8.11; ▪ besondere Bedeutung haben periphere Nerven-Scheidentumoren im Rahmen der Neurofibromatosen; – Schwannome (Neurinom, Neurilemmom) ▪ Tumor der peripheren Gliazellen/Schwann’schen Zellen, ▪ treten zu ~ 90 % sporadisch auf, ▪ besitzen ~ 60 % inaktivierende Mutationen des Gens für NF2/Neurofibrin 2, ▪ Akustikneurinome stellen Schwannome des Nervus vestibularis (Hirnnerv VIII) dar, ▪ zeigen einen malignen Verlauf in ~ 10 % der Fälle, ▪ melanotische Schwannome weisen inaktivierende Mutationen der PRKAR1A/ Protein-Kinase-type-I-alpha-Regulatory-subunit auf, welche durch Komplexbildung die RET/Rezeptor-Tyrosinkinase zum Onkogen aktiviert, – Neurofibrome ▪ Tumore der peripheren Perineuralzellen, Schwann’schen Zellen und Fibroblasten, ▪ sind relativ häufig, ▪ treten multiple auf bei inaktivierenden Mutationen von NF1/Neurofibromin 1, ▪ sind häufig bei Neurofibromatose Typ 1, ▪ zeigen einen malignen Verlauf in ~ 5 % der Fälle – Perineurome ▪ Tumore der perineuralen Zellen, sind relativ selten (< 1 % der peripheren Nervenscheidentumoren), – MPNST/maligne periphere Nervenscheidentumoren ▪ entstehen in mittleren bis großen Nerven (z. B. Nervus Ischiadicus), ▪ etwa ~ 50 % der MPNST treten bei NF1/Neurofibromatose Typ 1 auf, – Nervenscheidenmyxome (myxomatöses Perineuriom) ▪ entstehen meist in kleineren Hautnerven, – Granularzelltumoren des Nervensystems ▪ haben ihren Ursprung in den Schwann’schen Zellen, ▪ sind in der Subkutis von Kopf, Hals, Mund und Zunge und im Magen-DarmTrakt anzutreffen, ▪ treten häufig (10 %) multipel auf; – sekundäre Nerventumoren ▪ wachsen von extraneuralen Tumoren (besonders Karzinome und Lymphome) in die Nervenbahnen ein, ▪ können sehr schmerzreich sein, • Periphere neuroblastäre Tumoren umfassen – Olfaktorius-Neuroepitheliome, – sympathisches Neuroblastome

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems

605

Tumore des sympathischen Nervensystems, gehören zu den neuralen neuroendokrinen Tumoren (neuroNET, siehe Kap. 8.12.3.1), Olfaktorius-Neuroblastome, Phäochromozytome/Paragangliome ▪ Phäochromozytome: meist benigne Tumore der chromaffinen sympathischen Zellen des Nebennierenmarks (ca. 85 %), ▪ extraadrenale Paragangliome: Tumore der Nervenzellen des sympathischen Grenzstrangs und seiner Ganglien (ca. 15 %), ▪ Ganglioneurome: Tumore der sympathischen Ganglien im Mediastinum, Retroperitoneum und Beckens, ▪ zeigen maligne Entartung in etwa 10 % der Fälle, ▪ gehören zu den neuralen neuroendokrinen Tumoren (neuroNET, siehe Kap. 8.12.3). ▪ ▪

– –

Tab. 8.230: Histologische Klassifikation der Tumoren des PNS/peripheren Nervensystems. Tumore des Peripheren Nervensystems

Grad/ Malignität

Altersgipfel (Jahre)

Mutationen (Anteil)

Prognose 5-Jahre-Überleben

periphere Nervenscheidentumoren (PNST) Schwannome

I

40–60

zellulär NF2

plexiform melanotisch Neurofibrom

> 90 %

PRKAR1A I

0–80

Perineurom

I–III

15–25

intraneurales Perineurom

I

> 90 %

Weichteilperineurom

I–III

30–90 %

maligne PNST (MPNST)

II–IV

NF1

> 90 %

plexiformes Neurofibrom

40–60

30–40 %

epitheloider MPNST

p53

glandulärer MPNST

20–30

NF1 (75 %)

myogen-differenzierter MPNST

20–30

NF1 (60 %)

melanotischer MPNST

p53

Nervenscheidenmyxom Granularzelltumor des Nerven

I

40–80

> 90 %

periphere neuroblastäre Tumoren Olfaktorius-Neuroepitheliom sympathisches Neuroblastom

0–5

MIR380 und ALK,

> 80 %

606

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tumore des Peripheren Nervensystems

Grad/ Malignität

Altersgipfel (Jahre)

Mutationen (Anteil)

Prognose 5-Jahre-Überleben

n-myc und MIR380

20–40 %

Olfaktorius-Neuroblastom (ZNS-Neuroblastom) hochmaligne Variation

II–III

Phäochromozytom

I

Ganglioneurom

> 90 % > 90 %

8.12.5.2 Neurofibromatose 1 (Morbus Recklinghausen) Vorkommen, Risikofaktoren Die Neurofibromatose 1 stellt eine Multiorganerkrankung (Haut, Knochen, Nervensystem) dar mit der Neigung zu Tumoren des Nervensystems. • Risikofaktoren/genetische Ursachen: – inaktivierende Mutation des Tumorsuppressorgens für NF1/Neuro-Fibromin 1, ▪ NF1 ist Inhibitor der zellulären Ras-Signalübertragung (katalytische Domäne von NF-1 stimuliert die GTPase-Aktivität von Ras p21), ▪ mehr als 100 inaktivierende Mutationen (Translokationen (1,17; 17,22), Deletionen, Insertionen, Punktmutationen) des NF1-Gens (Chr. 17q11.2) sind bislang bekannt, – Keimzellmutationen ▪ mit autosomal-dominantem Erbgang, – sporadisch auftretende somatische Mutationen • Häufigkeit: – 30–40/100.000 Personen Klinische Symptome/Diagnostik (siehe Tab. 8.231) • klinisch auffällig: – Haut: ▪ Nachweis von milchkaffeefarbenen Flecken (Café-au-lait-Flecken) in einer Größe von > 5 mm (präpubertär) oder > 15 mm (postpubertär), ▪ ephelidenartige Fleckung (Sprenkelung) in den axillären oder inguinalen Körperfalten (3.–5. Lebensjahr), – Auge: ophthalmologische Untersuchung (Spaltlampe, EEG) ▪ Lisch-Knötchen (Iris-Harmatome), ▪ Optikusgliom; ▪ bei Funktionsuntersuchung: visuell evozierte Potentiale im EEG • klinische und bildgebende Verfahren – Skelett: klinische Untersuchung, MRT, ▪ Skoliose, Pseudoarthose, Entwicklungsverzögerung, ▪ Knochenläsionen (Sphenoiddysplasie, Verschmälerung der Corticalis der langen Röhrenknochen),

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems









607

ZNS/Zentrales Nervensystem: klinische Untersuchung, MRT mit möglichen Befunden ▪ Makrozephalus, ▪ Lernstörungen, ▪ Tumoren (Astrozytome, Glioblastome besonders in Basalganglien, Capsula interna, Kleinhirn, tiefes Marklager), PNS/Peripheres Nervensystem: klinische Untersuchung, Sonografie, MRT ▪ Neurofibrome (gehen von den Schwann’schen Zellen aus), sind meist in der Haut gelegen oder als plexiforme Neurofibrome tiefer unter der Haut gelegen, ▪ MPNST/maligne periphere Nervenscheidentumore, ▪ Gliome im Bereich des Nervus opticus, ▪ Phäochromozytome der chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks oder der Nervenzellen des thorakalen und abdominalen Grenzstrangs; maligne Entartung in etwa 10 %; weitere Tumoren: ▪ Rhabdomyosarkome, ▪ GIST/Gastro-Intestinale Stroma-Tumore, ▪ medulläre Schilddrüsenkarzinome, ▪ chronische myelomonozytäre Leukämie; molekular-biologische Untersuchung ▪ Nachweis einer inaktivierenden Mutation des NF1-Gens

Prognose: ▪ ▪

Neurofibrome sind größtenteils benigne, maligne Entartung erfolgt in etwa 10 % der Fälle

Therapie: ▪ ▪

symptomatisch chirurgische Resektion der Tumoren, bei weitgehender Schonung des umliegenden Normalgewebes

Tab. 8.231: Diagnose einer Neurofibromatose Typ 1, falls ≥ 2 der Symptome Nr. 1 bis 6 zutreffen. Nr.

Symptome

1

≥ 6 milchkaffeefarbenen Flecken (Cafe-au-lait-Flecken) in einer Größe von > 5 mm (präpubertär) oder > 15 mm (postpubertär)

2

ephelidenartige Fleckung (Sprenkelung) in den axillären oder inguinalen Körperfalten (3.–5. Lebensjahr)

3

≥ 2 Neurofibrome (gehen von den Schwann’schen Zellen aus) meist in der Haut gelegen oder ≥ 1 plexiformes Neurofibrom (tiefer unter der Haut gelegen),

4

1 Verwandter 1. Grades mit Neurofibromatose Typ 1

5

≥ 2 Lisch-Knötchen (Iris-Harmatome) im Auge

6

Knochenläsionen (Sphenoiddysplasie, Verschmälerung der Corticalis der langen Röhrenknochen)

608

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

8.12.5.3 Neurofibromatose 2 (MISME/Multiple Inherited Schwannomas, Meningiomas, and Ependymomas) Vorkommen, Risikofaktoren, Tumorspektrum Die Neurofibromatose 2 ist eine vorwiegend familiäre/kongenitale Erkrankung des Nervensystems mit der Neigung zu Tumoren besonders des Nervus vestibularis-cochlearis (Hirnnerv VIII). • als Ursache gelten: – inaktivierende Mutation des Tumorsuppressorgens (22q11–13.1) für NF2/Neurofibromin 2; ▪ NF2 (Merlin oder Schwannomin) hemmt in dephosphorylierter aktiver Form (Zunahme der Dephosphorylierung durch Zellkontakt) die Zellproliferation durch Inhibition der E3 Ubiquitin Ligase CRL4 (DCAF1); ▪ Mangel an NF2 oder inaktives NF2 führt zur Zellproliferation, – Keimzellmutationen ▪ Erkrankung vorwiegend bei Jugendlichen, ▪ autosomal dominanter Erbgang, – sporadisch auftretende/somatische Mutationen ▪ Erkrankung vorwiegend bei Älteren, – das Ausmaß der Mutation, welches die Erkrankung deutlich beeinflusst: ▪ Missense-Mutationen (Punktmutationen, die zum Austausch einer Aminosäure führen) sind assoziiert mit einem geringeren Leiden/einer besseren Prognose, ▪ Nonsense-Mutationen (Punktmutationen, welche zu einem Stopcodon oder einem Verlust von Aminosäuren führen) oder Frameshift-Mutationen sind assoziiert mit einer schlechteren Prognose. • Häufigkeit: – 3–4/100.000 Personen • Tumorspektrum – Innenohr/Nervus vestibulocochlearis/Hirnnerv VIII ▪ bilaterale (benigne) Schwannome (vestibuläre Schwannome/Akustikus-Neurinome) bei etwa 90 % der Patienten, ▪ die vestibulären Schwannome entstehen in der Nervenscheide des Nervus akusticus vestibularis am Übergang des zentralen zum peripheren Myelin im Bereich des Porus acusticus internus des inneren Gehörgangs (Meatus acusticus internus), – andere Hirnnerven ▪ Schwannome bei bis zu 50 % der Patienten, – Meningen ▪ Meningiome bei bis zu 50 % der Patienten, – Rückenmark (bei bis zu 50 % der Patienten) ▪ zentral: spinale Astrozytome und Ependymome, ▪ peripher: Schwannome und Meningiome, – Haut: Neurofibrome (besonders bei Kindern)

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems



609

Augen: – juveniler posteriorer subkapsulärer Katarakt bei > 90 % der Patienten

Symptome/Diagnostik • klinisch – Innenohr ▪ partieller oder totaler Hörverlust (bei > 95 %; Objektivierung mit Hilfe der Audiografie), ▪ Tinnitus (bei > 60 %), ▪ Gleichgewichtsstörung (bei > 60 %), gestörter vestibulookulärer Reflex (VOR, ermittelt mit Hilfe der Elektrookulografie/Elektronystagmografie/ENG), – ZNS/weitere Gehirnnerven (bei 20–40 %) ▪ Kopfschmerzen, ▪ abnormaler Kornealreflex, ▪ Nystagmus, ▪ Sensibilitätsstörung im Gesicht, bildgebende Verfahren • – MRT ohne und mit Kontrastmittel (Gadolinium), – CT, • Diagnosekriterien – bilaterales akustisches Neurom, – Verwandter 1. Grades mit NF II und ▪ mit einem Neurofibrom, Meningiom, Gliom oder Schwannom ▪ oder mit einem juvenilen subkapsulären Katarakt, • Phänotypen – Wishart-Phänotyp: ▪ multiple cerebrale und spinale Tumoren, Krankheitsbeginn Alter < 20 Jahre; schnelle Tumorprogression; hohe Rezidivrate, – Feiling-Gardner-Phänotyp: ▪ singuläre zentrale Tumoren; Krankheitsbeginn Alter > 20 Jahre, langsame Tumorprogression.

Therapiestrategie Chirurgische Verfahren • Resektion der Tumoren unter weitgehender Schonung des umliegenden Normalgewebes; – Resektion der Akustikus-Neurinome; operativer Zugang ▪ SO/Suboccipital (bietet die Möglichkeit, den Nervus vestibularis-cochlearis zu schonen), ▪ über das Labyrinth (TL/translabyrinthiner Zugang; zerstört den Nervus vestibularis-cochlearis), ▪ ST/Subtemporal (bietet die Möglichkeit, den Nervus vestibularis-cochlearis zu schonen),

610

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

über die mittlere Schädelgrube (bietet die Möglichkeit, den Nervus vestibularis-cochlearis zu schonen); Implantation von Hörhilfen – CI/Cochlea-Implantat, falls der Nervus vestibulocochlearis noch ausreichende Funktionen aufweist – ABI/Auditary Brainstem Implant, falls der Nervus vestibulocochlearis keine (ausreichende) Funktionen aufweist. ▪



Chemotherapie • Chemotherapeutische Schemata sind nicht etabliert. • In klinischer Prüfung ist die Inhibition der Tumorangiogenese durch: – humanisierte monoklonale Antikörper, welche VEGF-A/Vascular Endothelial Growth Factor A inhibieren, wie z. B. Bevacizumab, – kleinmolekulare Inhibitoren der RTK/Rezeptor-Tyrosin-Kinase, wie z. B. Sunitinib und Lapatinib.

8.12.6 Periphere neurale Neuroendokrine Tumoren/periphere neurale NET 8.12.6.1 Neuroblastome Vorkommen Neuroblastome sind Tumore des sympathischen Nervensystems, haben ihren Ursprung in der embryonalen Neuralleiste und bestehen aus Neuroblasten, • Vorkommen – häufig bei Kindern (6–10 % aller kindlichen Tumoren), ▪ durchschnittliches Erkrankungsalter: 14 Monate ▪ 40 % der Neuroblastome bei Kindern < 1 Jahr, ▪ 60–70 % der Neuroblastome bei Kindern ≤ 5 Jahre, ▪ 90 % der Neuroblastome bei Kindern < 6 Jahre; – verursachen 10–15 % der Krebstote bei Kindern, • Lokalisationen – im Retroperitonealraum: ca. 70 %, – im Mediastinum: ca 20 %, – Organverteilung ▪ entlang des zervikalen, thorakalen und abdominalen Grenzstranges (Kopf, Hals, Nacken, Brust, Bauch, Becken) und den Paraganglien ▪ im Bereich der Nebennieren ▪ ZNS-Neuroblastom, Olfaktorius-Neuroblastom; • Metastasen – bei etwa 50 % der Patienten zum Zeitpunkt der Erstdiagnose, – lokalisiert im Knochenmark (86 %), in Knochen (62 %) in regionalen und entfernten Lymphknoten (19 %), in der Leber (17 %) oder in der Haut, seltener im ZNS, sehr selten in der Lunge;

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems

611

Risikofaktoren Die wesentlichen Risikofaktoren beim Neuroblastom beinhalten • ein Alter > 18 Monate bei Diagnosestellung, • der Nachweis einer Amplifikation des Onkogens MYCN und • der Nachweis von Fernmetastasen (Stadium 4/M). Genetische Ursachen umfassen • ein familiäres Neuroblastom bei etwa 1–2 % der Patienten – Erkrankungsalter im Durchschnitt < 9 Monate, – etwa 20 % haben ein multifokales primäres Neuroblastom, • eine genetische Variation (Polymorphismus) im Chromosom 6p22 – klinisch aggressive Neuroblastome, • Deletionen am Lokus 1p36 oder 11q14–23 – als Keimbahnmutation beim familiären Neuroblastom, – als somatische Mutation beim sporadischen Neuroblastom, • eine aktivierende Mutation des Gens für ALK/Anaplastische Lymphom-Kinase (2p23); diese führt zur konstitutiver Phosphorylierung und Aktivierung der ALK – häufigste/primäre Keimbahnmutation beim familiären Neuroblastom – als somatische Mutation in 8–12 % der sporadischen Neuroblastome • Amplifikation von N-myc (siehe Kap. 3.4.3.2) – assoziiert mit erhöhter Malignität • Überexpression der microRNA MIR380, welche die Expression von p53 inhibiert, – Verminderung der Expression von MIR380, möglicherweise beteiligt an spontanen Heilungen auch in fortgeschrittenen Stadien (Stadium 4S) • inaktivierende Mutationen des neurologischen Entwicklungs-Gens (4p12) für PHOX2B/ Paired Like Homeobox 2B, – seltene Keimbahnmutation beim familiären Neuroblastom (assoziiert mit dem zentralen Hypoventilationssyndrom/Undine-Syndrom), • Häufungen bei anderen genetischen Erkrankungen wie z. B. – Morbus Hirschsprung (kongenitales Megakolon durch Mangel an Ganglienzellen), – Makrosomiesyndrome (Beckwith-Wiedemann-Syndrom, Sotos- und Weaver-Syndrom) – Undine-Syndrom (kongenitales zentrales Hyperventilations-Syndrom) Symptome Etwa 40 % aller Neuroblastome werden zufällig entdeckt, ca. 25 % durch die Schwellung des Tumors und seiner Metastasen. Allgemeinsymptome können sein • Leistungseinschränkung: Fieber, Knochenschmerzen und/oder Blässe. Mehr spezifische Symptome sind vorrangig bedingt durch • die Lage und das Volumen des Primärtumors und ggf. seiner Metastasen, z. B. im: – Bauchraum: aufgetriebenes Abdomen, – Mediastinum: Atemschwierigkeiten,

612

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– – –



Knochen: Schmerzen, Panzytopenie, Rückenmark: Paralysen, Sympathikus-Kopfteil: thorakale und zervikale Neuroblastome können durch Zerstörung des Ganglion stellatum ▪ ein Horner-Syndrom verursachen ▪ mit Pupillenverengung (Miosis), herabhängendem Oberlid (Ptosis), einem in die Augenhöhle eingesunkenem Augapfel (Enophthalmus), – ZNS: ca. 2 % der Patienten entwickeln ▪ ein OMS/Opsoklonus-Myoklonus-(cerebelläres) Ataxie-Syndrom oder ▪ neurologische und kognitive Defizite, oder ▪ einen psychomotorischen Entwicklungsrückstand, – Orbita: Bildung von Brillenhämatomen durch Infiltrationen von Metastasen, – Rückenmark: bei ca. 10 % der Patienten ▪ Einwachsen von paravertebral gelegenen Neuroblastomen durch die Foramina in den Spinalkanal mit Kompression und den Symptomen einer inkompletten bis kompletten Querschnittslähmung, – Hautmetastasen Tumorexpression von Hormonen – selten auftretend: schwerer wässeriger Durchfall durch Sekretion von VIP/Vasoaktives intestinales Peptid.

Diagnose • Klinische Untersuchung und die bildgebenden Verfahren umfassen – Knochen und Knochenmark ▪ Knochenmarkbiopsien (Gewebe-Probe ≥ 1 cm) und histologische Untersuchung (kann entfallen bei Tumoren im Stadium I) und immunhistologische Untersuchung auf das Gangliosid GD2, ▪ Knochenszintigrafie mit MIBG/Meta-Iod-Benzylguanidin und/oder 99Technetium Rückenmark, ▪ MRT ohne und mit Gadolinium als Kontrastmittel, – eine Lumbalpunktion sollte vermieden werden, ▪ da ZNS-Metastasen selten sind und ▪ um das Risiko einer Verschleppung von Tumorzellen in den Spinalraum zu vermeiden, – Lymphknoten ▪ klinische Untersuchung der palpierbaren Lymphknoten, Exzision und histologische Untersuchung im Verdachtsfall, – Halsbereich, Abdomen mit Leber und Becken ▪ Sonografie – Kopf, Halsbereich, Abdomen mit Leber und Becken, ggf. den ganzen Körper ▪ MRT mit Kontrastmittel – Thorax/Mediastinum/Lunge ▪ ggf. CT

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems

613



bei Bedarf Ganzkörperszintigrafie mit 123I-mIBG/123Iod-Meta-Iodbenzylguanidin einschließlich SPECT bzw. SPECT/CT. 18 ▪ F-FDG-PET/CT oder 18F-FDG-PET/MRT bei 123I-mIBG negativem Neuroblastom Biochemische und molekularbiologische Untersuchungen: – im Blutserum Bestimmung von ▪ Dopamin und Norepinephrin, ▪ NSE (Neuron-Spezifische Enolase), wobei Hämolyse (z. B. bei der Blutentnahme) den Messwert verfälschen kann, ▪ LDH/Laktatdehydrogenase oder Ferritin als Parameter des Zelltodes und der Entzündung, – im Urin Nachweis der ▪ Katecholamin-Metabolite (Homovanillinmandelsäure, Vanillinmandelsäure), ▪ wobei eine Ernährung mit größeren Mengen z. B. an Schokolade, Apfelsaft und Bananen zu falsch positiven Werten führen kann, – in den Tumorzellen Untersuchung auf ▪ N-myc-Amplifikationen, ▪ Deletionen am Lokus 1p36 oder 11q14–23, ▪ aktivierende Mutation des ALK/anaplastischen Lymphomkinase-Gens (2p23), ▪ zusätzliche Kopie des Chromosom 17q, ▪ Expression des TrkA- und/oder des TrkB-Neurotrophin-Rezeptors ▪ ggf. Nachweis (mittels PCR) der Gene für PHOX2B/Paired-like-Homeobox-2B, TH/ Tyrosin-Hydroxylase, DDC/Dopa-De-Carboxylase, CHRNA3/Cholin-Receptor-Nicotinic-Alpha-3 und/oder DBH/Dopamin-Beta-Hydroxylase. ▪



Für die Diagnose eines Neuroblastoms sind notwendig: • der histologische Nachweis – der sympathetischen neuralen Differenzierung von Neuroblastomzellen (lichtmikroskopisch, elektronenmikroskopisch, immunhistologisch), – mit Hilfe von Gewebebiopsien, erhalten ▪ durch minimal invasive chirurgische Exzision oder ▪ durch das perkutane, bildgestützte Stanzverfahren • der biochemische Nachweis von – erhöhtem Blutserumspiegel von Katecholaminen (im speziellen Dopamin und Norepinephrin), – von erhöhten Katecholamin-Metaboliten im Urin, wie z. B. Vanillinmandelsäure (VMA) oder Homovanillinmandelsäure (HVA); • im Falle des Auftretens von Myokloni – Nachweis einer lymphozytären Infiltration des Tumors (selten auftretend) ▪ vergesellschaftet mit besserer Prognose. Klassifikationen Für die Klassifikation der Neuroblastome wurde entwickelt (siehe Tab. 8.231) • das INSS/International Neuroblastoma Staging System,

614 •





8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

die INPC/International Neuroblastoma Pathologic Classification, welche Neuroblastome mit günstiger und ungünstiger Histologie unterscheidet an Hand von – der Relation der einzelnen Komponenten Neuroblasten, Schwannzellen und Stroma – dem Reifegrad der Neuroblasten, – dem Mitose-Karyorrhexis-Index des Tumors und – dem Alter des Patienten das COG/Children’s-Oncology-Group – Neuroblastoma Low-, Intermediate-, and High-Risk-Group-Assignment Schema – für klinische Studien gemäß COG-9641 und COG-A3961 das INRGSS/International Neuroblastoma Risk Group Staging System

Prognose • abhängig von: – Alter des Patienten, der Lokalisation des Primärtumors, – Stadium der Erkrankung und Metastasierung in die regionalen Lymphknoten – histologischem Typ und genetischen Veränderungen • Eingruppierung der Neuroblastome – mit relativ guter Prognose ▪ Typ 1: Expression des TrkA-Neurotrophin-Rezeptors, hyperdiploider Chromosomensatz und Tendenz zur spontanen Regression; – mit relativ schlechter Prognose ▪ Typ 2: Expression des TrkB-Neurotrophin-Rezeptors und seiner Liganden (hierdurch autokrine Wachstumsstimulation), zusätzliche Kopie des Chromosom 17q, Verlust der Heterozygotie (LOH/Loss Of Heterozygosity) bei den Chromosomen 14q oder 11q und eine erhöhte genomische Instabilität; ▪ Typ 3: zusätzliche Kopie des Chromosom 17q, Verlust der Heterozygotie (LOH/ Loss Of Heterozygosity) beim Chromosom 1p und Amplifikation des N-myc Gens, – weitere biochemische/molekularbiologische Parameter für schlechte Prognose ▪ große Länge der Telomere und hohe Aktivität der Telomerase, ▪ hohe Expression des MRP1/Multiple Drug Resistance Protein1, ▪ erhöhtes Dopamin im Vergleich zur VMA/Vanillylmandelsäure und zur HVA/ Homovanillinsäure, ▪ erniedrigte Expression des GABA/Gamma-Amino-Buttersäure (GABA) Rezeptor-assoziierten Proteins (GABARAP), ▪ erhöhte Expression der GABA(A) delta Rezeptor-Subeinheit; • 5-Jahres-Überleben bei bestmöglicher Therapie – äußerst heterogen, – im Durchschnitt bei 74 % ▪ Kinder < 1 Jahr: 80–90 % ▪ Kinder ≤ 4 Jahre: 68 % ▪ Kinder 5–9 Jahre: 52 % ▪ Kinder 10–14 Jahre 66 % ▪ Kinder > 1,5 Jahre; Stadium IV 30–50 %

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems

615

Spontane Tumorregressionen • können besonders bei Kindern < 12 Monate und in allen Entwicklungsstadien auftreten, – jedoch gehäuft beim asymptomatischen, geringgradigen Nebennieren-Neuroblastom (meist zufällig entdeckt im Rahmen sonografischer Untersuchungen), • sind assoziiert mit folgenden Eigenschaften des Tumors: – fast triploidem Chromosomensatz, – keine Amplifikation von N-myc, – kein Verlust des Chromosoms 1p, – keine (erhöhte) Expression der Telomerase, – Expression von Ha-Ras und dem Neurotrophin Rezeptor TrkA Tab. 8.232: Klassifikation der Neuroblastome (COG/Children’s Oncology Group – Neuroblastoma Schema). INSS-System

INRG-System

Metastasen in Ln Stadium

Primärtumor

I

lokalisiert, komplette Exzision

IIA

lokalisiert, inkomplette Exzision; regionaler ipsilateraler Ln ohne Metastasen

IIB

an- rehaf- giotend nal + oder –

+ oder –

lokalisiert, Exzision komplett oder + inkomplett; oder kontralate– raler Ln ohne Metastasen

nicht resezierbar und hat Mittellinie überschritten; oder





+

N-myc HistoloDNAAlter (Ampli- gische RisikoPloi(Jahre) fikaBeurgruppe die tion) teilung

Fernmetastasen





INPC

L1

Lokalisierter Tumor, kein Nachweis von IDRF, begrenzt auf eine Körperhöhle



Lokalisierter Tumor,

0–21

+ oder –

jede

jede niedrig

< 1,

+ oder –

jede

jede niedrig

≥ 1–21



jede



niedrig

≥ 1–21

+

vorteilh.



niedrig

≥ 1–21

+

nachteil.



hoch

< 1,

+ oder –

jede

≥ 1–21



jede



niedrig

≥ 1–21

+

vorteilh.



niedrig

≥ 1–21

+

nachteil.



hoch

90 %

palliative RT

palliative RT

40–45 %

Weiterführende Literatur Abedalthagafi M, Bi WL, Aizer AA, Merrill PH, Brewster R, Agarwalla PK, Listewnik ML, Dias-Santagata D, Thorner AR, Van Hummelen P, Brastianos PK, Reardon DA, Wen PY, Al-Mefty O, Ramkissoon SH, Folkerth RD, Ligon KL, Ligon AH, Alexander BM, Dunn IF, Beroukhim R, Santagata S. Oncogenic PI3K

8.12 Bösartige Tumoren des Auges, Gehirns und übrigen Nervensystems

627

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628

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

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8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

629

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET) 8.13.1 Übersicht (Vorkommen, Klassifikation, Diagnostik, Risikofaktoren und Prognose) Epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET) entstammen (endodermalen) neuroendokrinen Zellen. Neuroendokrine Zellen sind • in der Lage nach Aktivierung durch Neurotransmitter (freigesetzt von Nervenzellen) ein von ihnen produziertes gewebespezifisches Spektrum an Hormonen und Peptiden zu sezernieren, • im Körper weit verbreitet – als wesentlicher Bestandteil inkretorischer Drüsen ▪ Pankreasinseln, ▪ Schilddrüse, ▪ Nebenschilddrüse, • diffus in Organen und Epithelien verteilt – stellen im Bronchialepithel und Magen-Darmepithel die Kulchitsky-Zellen dar. NET/epitheliale neuroendokrine Tumoren • sind relativ seltene Tumoren – Neuerkrankungsrate/Inzidenz: 2,5–5/100.000 Personen/Jahr; – Gesamtzahl der Erkrankten/Prävalenz: mindestens 35/100.000 Personen (hohe Dunkelziffer); – Altersgipfel durchschnittlich zwischen 60 und 65 Jahren; • werden unterteilt: – entsprechend ihrem embryologischen Ursprung aus endodermalen Zellen des Darmrohres in ▪ Vorderdarm-NET/foregut-NET (Lunge, Thymus, Magen und proximales Duodenum), ▪ Mitteldarm-NET/midgut-NET (Dünndarm, Ileum, Appendix, proximales Kolon), ▪ Enddarm-NET/hindgut-NET (distales Kolon, Rektum), ▪ weitere NET (Gallenblase, Niere, Leber, Pankreas, Ovarien und Hoden), – in Karzinoide, wobei darunter verstanden werden ▪ gut differenzierte, langsam wachsende epitheliale neuroendokrine Tumoren oder gastro-intestinale epitheliale neuroendokrine Tumoren, – APUDomas (APUD/Amine Precursor Uptake and Decarboxylation) ▪ so genannt wegen ihrer Fähigkeit, L-DOPA und 5-Hydroxytryptophan aufzunehmen und zu Katecholaminen und Serotonin zu decarboxylieren, – NET der Lunge, zu denen gehören ▪ die kleinzelligen Bronchialkarzinome (SCLC/Small-Cell-Lung-Carcinoma, siehe Kap. 8.8),

630

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

die großzelligen neuroepithelialen Bronchialkarzinome (LCNELC/Large-Cell Neuroepithelial-Lung-Carcinoma), welche den nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen (NSCLC/Non-Small-Cell-Lung-Carcinoma) zugeordnet werden, ▪ die Lungenkarzinoide – GEP-NET/Gastro-Entero-Pankreatische Neuro-Epitheliale Tumore – Pankreasinselzell-Karzinome, – Schilddrüsen-Karzinome, – Karzinome der Nebenschilddrüse; können funktionelle NET darstellen, welche zellspezifisch Hormone oder Neurotransmitter bilden und sezernieren, wie z. B. – im Magen: Gastrin, Serotonin, VMAT2/Vesikulärer Mono-Amin-Transporter2 ▪ beim Gastrinom: Gastrin – im Duodenum: Gastrin, Serotonin, Somatostatin – im Pankreas: Gastrin, Glukagon, Insulin, Pankreatisches Polypeptid, Serotonin, Somatostatin ▪ beim Insulinom: Insulin, Proinsulin, ▪ beim Glukagonom: Glukagon, ▪ beim VIPom/Verner-Morrison-Syndrom (WDHA/Water, Diarrhea, Hypokalemia, Achlorhydria,): VIP/Vasoaktives Intestinales Polypeptid, – im Dünndarm: Serotonin, Gastrin, Somatostatin – im Appendix: Serotonin – im Kolon: Serotonin – im Rektum: (Entero-) Glukagon, Pankreatisches Polypeptid, Serotonin können auch nichtfunktionelle NET sein – bei denen die Synthese von Hormonen oder Neurotransmittern fehlt oder so gering ist, dass sich keine nachweisbaren klinischen Wirkungen ergeben, sind meist benigne, können jedoch auch maligne transformieren. ▪







Symptome Klinische Symptome der NET werden verursacht durch: • die tumorbedingten Beeinträchtigungen der Funktion – des Ursprungsorganes des Primärtumors, – des Wirtsorganes der Metastasen, • Blutungen in Folge der relativ starken Vaskularisation von Karzinoiden, • die von den jeweiligen organspezifischen NET vermehrt gebildeten Hormone oder Transmitter, im Besonderen – das durch Serotonin ausgelöste Karzinoid-Syndrom, – das Cushing-Syndrom. Karzinoid-Syndrom • wird verursacht durch eine unphysiologisch hohe Ausschüttung von Serotonin, • tritt meist bei solchen NET auf, deren Blutabfluss nicht direkt in die (das Serotoninmetabolisierende) Leber führt, wie beispielsweise

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

– – •

ist – – –

631

bei Karzinoiden in der Lunge, den Ovarien oder bei Knochenmarkmetastasen von Karzinoiden, bei Lebermetastasen, deren abführende Venen direkt in die Vena hepatica einmünden, sodass die Leber umgangen wird, charakterisiert durch anhaltenden Durchfall (meist der erste Hinweis auf die Erkrankung), anfallsweise blau-rote Verfärbung von Gesicht und Hals, manchmal auch des Oberkörpers (Flush), einer Endokardfibrose des rechten Herzens (bei etwa 20 %–80 % der Patienten mit Karzinoid-Syndrom), welche verursachen kann ▪ eine Insuffizienz der Herzklappen (Trikuspidalis) und ▪ eine Stenose der Pulmonal-Arterie (Hedinger-Syndrom).

Cushing-Syndrom • verursacht durch erhöhte Bildung von ACTH/Adreno-Corticotropic Hormone ektopisch in den NET-Zellen; • ACTH führt zu einem erhöhten Blutspiegel von Glukokortikoiden mit den klinischen Symptomen – Gesichtsschwellung (Mondgesicht), – Stammfettsucht (dünne Arme und Beine, dicker Rumpf), Gewichtszunahme, – verringerte Muskelmasse, erhöhte Knochenbrüchigkeit, – erhöhter Blutdruck.

Diagnostik Biochemisch/Labordiagnostisch durch eine Kombination von neuroendokrinen Markern im Blutplasma oder Urin, im Besonderen von: • Chromogranin A – stellt den wichtigsten allgemeinen diagnostischen Marker dar für NETs, – ist beteiligt an der Speicherung von Katecholaminen in den intrazytoplasmatischen Vesikeln der NET-Zellen, – Bestimmung erfolgt in Blutplasma, – falsch positive Werte können sich jedoch ergeben durch ▪ Einnahme von Inhibitoren der Protonenpumpe, diese sind daher 10–14 Tage vor der Blutabnahme abzusetzen, ▪ Niereninsuffizienz, Hypertonie, ▪ atrophische Gastritis, Helicobacter pylori Gastritis, Kolitis, Hepatitis ▪ Schwangerschaft, ▪ nicht-neuroendokrine Tumore (Pankreas-, Prostata- und Mammakarzinome, multiple Myelome und Leberzellkarzinome) • Synaptophysin – stellt dar das „major synaptic vesicle protein p38“, produziert besonders auch von neuroendokrinen Zellen,

632 •







8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

UCH-L1/Ubiquitin Carboxy-terminale Hydrolase L1 – ein neuronenspezifisches Enzym, welches kleine C-terminale Bindungspartner von Ubiquitin hydrolysiert, sodass das Ubiquitin-Monomer entsteht, NSE/Neuronen-Spezifische Enolase – ist ein Isomer der Enolase, welche beteiligt ist am Glukosestoffwechsel (Überführung von 2-Phosphoglycerat unter Abspaltung eines Wassermoleküls in das Phosphoenolpyruvat/PEP), – wird besonders angereichert in Nervenzellen und neuroendokrinen Zellen und bei Zellschädigung freigesetzt, – Bestimmung im Blutplasma, sollte zumindest einmal im Rahmen des diagnostischen Verfahrens erfolgen, Serotonin – Bestimmung im Blutplasma, – falsch positive Werte ergeben sich durch die vorherige Aufnahme von bestimmten Nahrungsmitteln, Genussmitteln und/oder Arzneimitteln (siehe 5-HIES) 5-Hydroxyindolessigsäure (5-HIES) – entsteht beim Abbau von Serotonin, – Bestimmung im Urin (24 Stunden Sammelurin), – falsch positive Werte durch die vorherige Aufnahme ▪ von Nahrungsmitteln mit hohem Serotoningehalt (Pflaumen, Ananas, Bananen, Tomaten, Avocado, Auberginen, Walnüsse), ▪ von interferierenden Genussmitteln wie Nikotin und Koffein, ▪ von interferierenden Arzneimitteln wie Cumarine, 5-Fluorouracil, Paracetamol, Phentolamin, Reserpin, Acetaminophen, Phenobarbital, Ephedrine, Methamphetamine, Melphalan, Phenacetin, Mesalamin, – falsch negative Werte durch die vorherige Aufnahme ▪ von Arzneimitteln wie N-Acetyl-Salizylsäure, Heparin, Levodopa, Chlorpromazin, Streptozotocin, Ranitidin, MAO-Hemmer, Phenothiazin, Isoniazid, Kortikotrophin, ▪ von Alkohol, – ist maßgeblich an der Entstehung des Karzinoid-Syndroms mit wässrigen Diarrhöen, pseudoallergischen Reaktionen der Haut und einer desmoplastischen Reaktion des Bindegewebes beteiligt,

Folgende Bestimmungen sind zumindest einmalig bei folgenden Fragestellungen sinnvoll • Chromogranin A bei allen NETs, • NSE bei allen NET zusätzlich zu Chromogranin A, – Expression ist assoziiert mit hoher Proliferationsrate und Dedifferenzierung ▪ ca. 19 % bei NET G1 ▪ ca. 54 % der NET G2 ▪ 50–70 % aller NET G3. • 5-HIES/5-Hydroxyindolessigsäure, ist erhöht – bei allen NET (Primärtumor und Metastasen) des Jejunums und Ileums, – seltener bei gastroenteropankreatischen NET (Duodenum, Appendix, Kolon, Rektum)

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

• •



• • • • • • •

633

PP/Pankreatisches Polypeptid beim pankreatischen NET, Insulin/C-Peptid beim Insulinom (beim pankreatischen NET), wobei klinisch – das Whipple-Trias vorliegen sollte mit ▪ Symptomen einer Hypoglykämie, ▪ dem Nachweis von erniedrigten Blutzuckerspiegeln und ▪ dem Verschwinden der Symptome nach Glukosegabe und – nach ausgiebigem Fasten gleichzeitig mit den Hypoglykämie-Symptomen mit Serumglukosespiegel von < 55 mg/dl ▪ ein Insulin-Spiegel von ≥ 3uU/ml, ein C-Peptid-Spiegel von ≥ 0,6 ng/ml und ein Proinsulin-Spiegel von ≥ 5,0pmol/l vorherrschen sollte, um die Diagnose zu sichern, Gastrin bei NET/Gastrinom im Magen, Duodenum und/oder Pankreas (ZollingerEllison-Syndrom). – Werte ≥ 1000pg/ml verbunden mit dem Nachweis einer erhöhten Magensäureproduktion (pH < 2) belegen ein Gastrinom erhöht sich bei Werten < 1000 pg/ml nach Gabe von Sekretin (2U/kg Kgw) das Gastrin um > 120 pg/ml, ist ein Gastrinom anzunehmen, – auszuschließen sind falsch positive Werte durch ▪ einen primären Hyperparathyreoidismus (hohes PTH) und ein Prolaktinom (hohes Prolaktin), ▪ eine chronisch atrophische Fundusgastritis und/oder Helicobacter-pylori-Infektion, Magenausgangsstenose, Niereninsuffizienz, ein Kurzdarm-Syndrom und ▪ die Einnahme von Inhibitoren der Protonenpumpe, Glukagon beim Glukagonom/Erythema necrotica migrans (beim pankreatischen NET), VIP bei Durchfällen (beim pankreatischen NET), PTHrP/Parathormon related Protein bei Hyperkalzämie, Calcitonin beim Medullären Schilddrüsen-Karzinom (MTC/Medullary Thyroid Carcinoma) und bei Durchfällen (pankreatischem NET), ACTH/Kortisol beim Cushing-Syndrom, GHRH bei der Akromegalie (meist beim pulmonalen und pankreatischen NET) CEA/Carcino-Embryonales Antigen zur Diagnosesicherung bei MANEC/Mixed-AdenoNeuro-Endocrine Carcinoma), da CEA als Tumormarker für Adenokarzinome gilt.

Klinisch durch allgemeine bildgebende Verfahren, wie: • Enteroskopie • Röntgen des Thorax – ggf. mit Lungenfunktionsprüfung • Sonografie – des Abdomens – der Endosonografie • MRT (bevorzugt) möglichst mit Kontrastmittel • CT möglichst mit Kontrastmittel

634 •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Angiografie, um zu ermitteln: – das Ausmaß der Tumorvaskularisierung, – die Zugangsgefäße zum Tumor, – den Bezug des Tumors zu den wesentlichen Blutgefäßen, – das Ausmaß der Infiltration des Tumors in das Wirts- oder Nachbargewebe mit Hilfe der Blutgefäßbildung

Klinisch durch spezielle bildgebende szintigrafische Verfahren, wie: • die Somatostatin-Rezeptor-Szintigrafie – ca. 40–80 % aller NET exprimieren Rezeptoren für Somatostatin; bekannt sind 5 Somatostatin-Rezeptor-Subtypen ▪ dominanter Rezeptoren auf NET sind der Subtyp 2 und 5, ▪ Aktivierung des Somatostatin-Rezeptors hemmt die Synthese und Ausschüttung von Hormonpeptiden und Neurotransmittern, ▪ Somatostatin-Rezeptoren können außer von NET auch von anderen Tumoren (z. B. von Meningiomen, Astrozytomen, nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen und von Mammakarzinomen) exprimiert werden, – Bindung von radioaktiv markierten Somatostatin-Analoga an den SomatostatinRezeptor wird genutzt für die Lokalisation von NET und deren Metastasen durch ▪ die planare und SPET/Single-Photon Emission-Tomografie nach Injektion eines 111Indium-Somatostatin-Analogum (z. B. 111In-DTPA-D-Phe1-Octreotid), ▪ die PET/Positron-Emissions-Tomografie nach Injektion eines 68Gallium-Somatostatin-Analogum (z. B. 68Ga-DOTA-D Phe1-Tyr3-Octreotid), wobei diese Methode eine Sensitivität von ca. 95 % aufweist, • die Hydroxytryptophan-Szintigrafie – HTP/Hydroxy-Tryptophan (einer Vorstufe des Serotonin) wird bevorzugt von NET aufgenommen ▪ PET/Positron-Emissions-Tomografie nach Injektion von 11C-5-HTP/HydroxyTryptophan scheint eine sehr gute Methode zum Nachweis von NET zu sein, • weitere szintigrafische Methoden unter Verwendung von – 123 ▪ I-mIBG/meta-Iod-Benzyl-Guanidin (der Szintigrafie mit Hilfe von radioaktiv markierten Somatostatin-Analoga oder Hydroxytryptophan jedoch unterlegen), – 99m ▪ Tc-MDP/Methyl-Diphosphonate zum Nachweis von Knochenmetastasen. Immunhistologisch am Tumorschnitt des Karzinoids: • die Mitoseaktivität durch Bestimmung – des relativen Anteils der mit dem Proliferationsmarker (Ki-67) positiven Zellen in mindestens in einem Feld von ~ 0,2 mm² bei Zählung von ca. 500–2000 Tumorzellen, – der Mitotischen Zellen, • lokalisiert auf der Zellmembran und/oder im Zytosol – Somatostatin-Rezeptoren, – Neuron-spezifische Enolase,

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

635

– – –







Protein Gen Product 9.5, Histidin-Carboxylase, vesikulärer Monamin-Transporter 2/VMAT2 ▪ insbesondere bei ECL/Entero-Chromaffin-Like-cell-Karzinoiden, – NCAM/Neural-Cell Adhesion Molecule (CD56) mit hoher Sensitivität aber geringer Spezifität, lokalisiert in den kleinen Vesikeln – Synaptophysin, – synaptisches Vesikel Protein 2, lokalisiert in den großen sekretorischen Granula – Chromogranin A, B, and C, – Oligosaccharid-Antigen CD57, spezifische Peptid-Hormone wie Serotonin, Somatostatin und Gastrin

Risikofaktoren Als familiäre/genetische Risikofaktoren gelten: • MEN1/Multiple-Endokrine-Neoplasie Typ 1 (Werner-Syndrom) – verursacht durch inaktivierende Mutationen des Gens für den Tumorsuppressor Menin 1, ▪ mutiertes Menin1 ist nicht mehr in der Lage, den Transkriptionsfaktor JunD zu inhibieren, – mit NET besonders in ▪ der Nebenschilddrüse/Parathyreoida (in etwa 90 % der Patienten mit MEN1 vorherrschend), ▪ der Adenohypophyse (Prolaktinom), ▪ den Pankreasinseln (Insulinom), ▪ dem Nebennierenmark, ▪ dem Magen und proximales Duodeneum, ▪ der Lunge, • MEN2/Multiple Endokrine Neoplasie Typ 2 – durch aktivierende Mutationen des Gens für das RET/Rearranged during Transfection-Proto-Onkogen mit konstitutiver Aktivierung von dessen Kinase-Aktivität, – mit NET besonders ▪ der Schilddrüse, ▪ des Nebennierenmarks, ▪ der Nebenschilddrüse/Parathyreoida, • vHL/von Hippel-Lindau-Erkrankung – durch inaktivierende Mutation des Gens für den Tumorsuppressor vHL, welcher eine Rolle spielt ▪ bei der Stabilität und Orientierung von Mikrotubuli, ▪ bei der Regulation der Alterung/Seneszenz, ▪ der Signalübertragung von aktivierten Zytokin-Rezeptoren, ▪ der Regulation von Kollagen IV und der Bildung einer normalen extrazellulären Fibronectin Matrix,

636

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



mit NET besonders der Pankreasinseln, ▪ des Nebennierenmarks, NF-1/Neuro-Fibromatose Typ 1 – durch inaktivierende Mutation des Gens für den Tumorsuppressor Neurofibromin (siehe Kap. 8.12.2) – mit NET besonders ▪ im Duodenum (periampulläre Region), ▪ der Pankreasinseln, ▪ des Nebennierenmarks, TSC-2/Tuberöse Sklerose Typ 2 – durch inaktivierende Mutation des Gens für den Tumorsuppressor Tuberin, – welcher über die Aktivierung von GTPase den Ras-Signalweg hemmt, – mit NET besonders ▪ der Pankreasinseln, Carney-Komplex – durch inaktivierende Mutation des Gens für den Tumorsuppressor PRKAR1A/Protein-Kinase-A-Regulatorische Subeinheit-1-alpha, ▪ welche die PKA/Protein Kinase A asoziierten zellulären Signalwege hemmt, – mit NET besonders ▪ der Schilddrüse, ▪ des Nebennierenmarks, Cowden-Komplex – durch inaktivierende Mutation des Gens für den Tumorsuppressor PTEN/Phosphatase und Tensin-Homolog, ▪ welcher als dual-spezifische Phosphatase den PI3K Signalweg (durch ihre Lipid phosphatase Aktivität) und den MAPK Signalweg (durch ihre Proteinphosphatase-Aktivität) inhibiert, – mit NET besonders ▪ der Schilddrüse, β-Catenin/CTNNB1-Genprodukt – inaktivierende Mutationen mit NET besonders ▪ des Magens, ▪ ca. 30–40 % der Magenkarzinoide weisen diese Mutation auf. ▪











Prognose Karzinoide zeigen eine große Streubreite in ihrer Morbidität und Malignität. Prognostische Faktoren umfassen: • die Lage des Primärtumors, • die Größe des Primärtumors, • die anatomische Ausdehnung der Tumorerkrankung – Infiltration des Primärtumors in benachbarte Gefäßstrukturen oder Organstrukturen, die eine Resektion nicht zulassen, – Metastasen ▪ in Lymphknoten (regional, entfernt), ▪ in entfernte Organe,

637

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)





das Ausmaß der Dedifferenzierung der Tumorzelle – Anzahl der Mitosen/2 mm2 (2 mm2 = 10 Blickfelder/HPF/High Power Field) – Expression des Proliferations-Antigens Ki-67 (Anteil positiver Zellen), – Ausmaß der Tumornekrosen, durch den Tumor bedingte systemische Erkrankungen, im Besonderen – Höhe des Chromogranin A im Blutserum, – Höhe des 5-Hydroxyindolessigsäure im Urin, – Karzinoid-Syndrom, ▪ Endokardfibrose.

8.13.2 Neuroendokrine Tumoren der Lunge Neuroendokrine Tumoren der Lunge sind zu unterteilen in (siehe Tab. 8.236): • Bronchialkarzinoide: – stellen 1–2 % aller Lungentumore dar, – umfassen 25 % aller Karzinoide, – sind meist differenziert und benigne, – werden unterteilt in ▪ typische Bronchialkarzinoide/TC, ▪ atypische Bronchialkarzinoide/AC, • neuroendokrine Bronchialkarzinome (Beschreibung siehe Kap. 8.8.2) – sind gering differenziert und hoch maligne und werden unterteilt in: ▪ kleinzelliges Bronchialkarzinom (SCLC/Small Cell Lung Carcinoma) ▪ großzelliges neuroendokrines Karzinom (LCNEC/Large Cell Neuro-Endocrine Carcinoma) das der Gruppe der nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinome (NSCLC/Non-Small Cell Lung Carcinoma) zugerechnet wird. Tab. 8.236: Histologische Unterscheidung der neuroendokrinen Lungentumoren. Neuroendokrine Lungentumoren

Morphologie

Mitosen/ 2 mm2

Ki-67 (+) Zellanteil

Nekrosen

typisch

Karzinoidstruktur

10 (⌀80)

sehr hoch

häufig, auch großflächig

großzelliges neuroendokrines Bronchialkarzinom

organoide Struktur (Trabekeln, Rosetten, Palisaden) große Zellen, große Zellkerne

> 10 (⌀70)

sehr hoch

häufig, großflächig

Bronchialkarzinoide

neuroendokrine Bronchialkarzinome

2 mm2 = 10 Blickfelder/HPF/High Power Field

638

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

8.13.2.1 Bronchialkarzinoide Vorkommen Bronchialkarzinoide • sind mit einer Neuerkrankungsrate von 0,2–2/100.000 Personen/Jahr das zweithäufigste Karzinoid – stellen die häufigsten Lungentumoren bei Jugendlichen dar, – treten im Alter von etwa 45 Jahren am häufigsten auf, – sind bei Frauen geringradig häufer anzutreffen als bei Männern, • treten in der Lunge auf – zu ca. 60 % rechtsseitig, vor allem im Mittellappen, – typische Bronchialkarzinoide sind am häufigsten (80–90 %) ▪ zu 70–80 % proximal im Hauptbronchus, ▪ zu 20–30 % peripher in den Lappen- oder Segmentbronchien, – atypische Bronchialkarzinome sind seltener (10–20 %) ▪ zu ~ 50 % proximal im Hauptbronchus, ▪ zu ~ 50 % peripher in den Lappen- oder Segmentbronchien, – sind zu finden ▪ meist sporadisch, ▪ häufig in Begleitung eines kleinzelligen oder großzelligen neuroendokrinen Bronchialkarzinoms, ▪ bei etwa 15 % des familiären MEN1-Syndroms. Symptome • keine wesentlichen Symptome verursachen Tumoren, welche – sich in den frühen Stadien (häufig bei den typischen Bronchialkarzinoiden) befinden, – in den (peripheren) Lappen- und Segmentbronchien lokalisiert sind ▪ die Diagnose stellt meist ein Zufallsbefund dar, • Tumoren in den proximalen Atemwegen führen durch Stenosierung der Atemwege – zu Husten, Giemen, Atemnot, – wiederkehrenden Retentionspneumonien/Infektionen im gleichen Lungensegment oder Lungenlappen, • Blutungen mit Blutauswurf/Hämoptysen aufgrund der Hypervaskularisation der Tumoren, • Brustschmerzen, • Karzinoidsyndrom – tritt insgesamt selten auf (< 3 %), weil Bronchialkarzinoide (da sie vom Vorderdarm abstammen) ▪ häufig einen Mangel an aromatischen Aminodecarboxylasen haben und daher ▪ Serotonin nur in geringen Mengen herstellen können, – tritt bei metastasierenden Bronchialkarzinoiden häufig (zu ca. 80 %) auf ▪ besonders, wenn die Leber geschädigt ist (z. B. durch Lebermetastasen).

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

639

Diagnostik (siehe auch die Übersicht NET, Kap. 8.13.1) • klinische Untersuchung – Bronchoskopie – Lungenfunktionsprüfung • spezifische biochemische Untersuchungen des Blutserums – Chromogranin A – neuronenspezifische Enolase (NSE) – von Bronchialkarzinomen produzierte Hormone/Mediatoren ▪ Gastrin releasing Peptid ▪ 5-Hydroxytryptophan • spezifische biochemische Untersuchungen des 24-Stunden-Urins – 5-Hydroxyindolessigsäure – Kortisol • bildgebende Verfahren (siehe die Übersicht Kap. 8.13.1) – zusätzlich ▪ Broncho-Endosonografie (da ein Großteil der Tumoren im Hauptbronchus lokalisiert ist) – ggf. Echokardiogramm falls Hinweise auf Katecholamin und/oder SerotoninProduktion durch den Tumor • Biopsie, falls sich aus der klinischen und biochemischen Untersuchung kein eindeutiges Bild ergibt: – Bürstenabstrich ▪ häufig nur geringer Nutzen, da meist ein intaktes Bronchialepithel den Tumor überzieht – bronchoskopische Biopsie ▪ Risiko stärkerer Blutungen wegen der Hypervaskulasierung des Tumors – präoperative endoskopische Resektion des endoluminalen Tumoranteils ▪ falls Obstruktionen durch den Tumor vorliegen und/oder ▪ weil der Entwicklungsstand des Tumors hierdurch besser erfassbar wird – endosonografisch gesteuerte Lymphknotenpunktion. Klassifikation • Entwicklungsstadien werden wie diejenigen der übrigen Bronchialtumoren nach Maßgabe der TNM-Klassifikation erfasst (siehe Kap. 8.8.1). Therapiestrategien Die Therapiestrategie ähnelt derjenigen für das kleinzellige Bronchialkarzinom (siehe Kap. 8.8.2). Chirurgische Verfahren Die vollständige Resektion des Tumors ist die bevorzugte Therapie. Sie beinhaltet: • bronchoskopische Resektion des Tumors – falls keine Invasion in die Bronchialwand und keine Metastasierung in Lymphknoten vorliegt,

640

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– –





bei Patienten im labilen Gesundheitszustand, durch Hochfrequenzschlinge, Argonbeamer oder Nd-YAG-Laser ▪ ggf. in Kombination mit der Kryotherapie (Karzinoide sind äußerst kälteempfindlich), Blockresektion des Tumors – Resektion des Tumors (R0-Resektion) unter Erhalt von möglichst viel funktionellem Lungengewebe, komplette Resektion der mediastinalen Lymphknoten.

Radiotherapie Lungenkarzinoide sind relativ strahlenresistent; • die perkutane Radiotherapie, möglichst in Kombination mit einer Chemotherapie ist jedoch eine Möglichkeit – postoperativ/adjuvant bei schlecht differenzierten Tumoren und Metastasen in mediastinalen Lymphknoten, – palliativ bei lokal fortgeschrittenen, nicht resezierbaren Primärtumoren; • eine Peptid-Rezeptor-vermittelte Radiotherapie mit an Octreotate gekoppeltem 90 Yttrium kann therapeutisch hilfreich sein – bei nicht-operablen, metastasierten Somatostatin-Rezeptor-positiven neuroendokrinen Lungenkarzinomen/-karzinoiden. Chemotherapie Es werden Therapieschemata wie für das kleinzellige Bronchialkarzinom (siehe Kap. 8.6.2) angewandt • bevorzugt Cisplatin + Etoposid oder Cisplatin + Paclitaxel – ggf. in Kombination mit der perkutaten Radiotherapie, – postoperativ/adjuvant bei schlecht differenzierten Tumoren und Metastasen in mediastinalen Lymphknoten, – palliativ bei lokal fortgeschrittenen, nicht resezierbaren Primärtumoren. Interferon-α kann bei lokal fortgeschrittenen, nicht resezierbaren Primärtumoren eine palliative Wirkung aufweisen. Somatostatin-Analoga (z. B. Octreotid) stellen Agonisten für den Somatostatin-Rezeptor dar. Können diesen aktivieren und hierdurch • die Sezernierung von Hormonen und Transmittern durch die NET-Zellen inhibieren, • endokrine Symptome, verursacht durch funktionelle NET-Zellen reduzieren. Prognose Die Prognose ist abhängig vom Typ des Bronchialkarzinoids: • typische Bronchialkarzinoide haben eine relativ gute Prognose; – nur 1–2 % rezidivieren;

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

• •

641

atypische Bronchialkarzinoide metastasieren dagegen häufiger; das 5-Jahres-Überleben liegt nach bestmöglicher Therapie – bei typischen Karzinoiden ▪ und R0-Resektion: > 95 %, ▪ und Rezidiven: 75–95 %, – bei atypischen Karzinoiden ▪ und R0-Resektion: 70 %, ▪ und Rezidiven: 30–65 %,

8.13.3 Neuroendokrine Tumore des Gastrointestinaltraktes 8.13.3.1 Übersicht (Vorkommen, Symptome, Klassifikation, Diagnostik, Therapiestrategien) Vorkommen • die Neuerkrankungsrate an gastrointestinalen Karzinoiden liegt bei etwa 2/100.000 Personen/Jahr – mit einem Altersgipfel zwischen 60 und 65 Jahren, – und einer Lokalisation von ▪ < 10 % im Magen und proximalen Duodenum, ▪ ~ 20 % im Dünndarm und proximalem Kolon (etwa 90 cm von der IleozäkalKlappe entfernt), ▪ ~ 50 % Appendix/Wurmfortsatz, ▪ ~ 15 % im distalen Kolon und Rektum, – gastrointestinale Karzinoide sind häufig assoziiert mit anderen Tumoren ▪ dieses gilt besonders für duodenale und jejunale Karzinoide, ▪ bei ~ 30 % sind vorher, gleichzeitig oder nachher andere Tumoren zu finden.

Symptome • Patienten können lange Zeit ohne tumorbedingte Symptome sein, • andererseits kann der Primärtumor auslösen: – einen Verschluss des Dünndarms, – einen Verschluss der Vater’schen Ampulle mit Gelbsucht und Pankreatitis, – Ischämie oder Blutungen im Darmbereich, – häufige, intermittierende krampfartige Adominalschmerzen, – Gewichtsverlust, – Durchfall, – Schwindel und Erbrechen. • Ein Karzinoid-Syndrom (siehe auch die Übersicht NET, Kap. 8.13.1) tritt auf: – im Durchschnitt bei bis zu 20 % der Patienten, – bei Karzinoiden des Dünndarms bei ~ 35 % der Patienten.

642

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Risikofaktoren (siehe auch die Übersicht NET, Kap. 8.13.1) stellen dar: • bei sporadisch auftretenden gastrointestinalen Karzinoiden: – häufigste Form – inaktivierende Mutationen des β-Catenin ▪ bei etwa 30–40 % Magenkarzinoide • Chromosomale Instabilitäten – Zuwachs bei Chromosomen 5, 14, 17 (besonders 17q) und 1, – Verlust bei Chromosomen 11 (besonders 11q) und 18, • MEN-1/Multiple Endokrine Neoplasie Typ 1 – vorwiegend Karzinoide des Magens und proximalen Duodenums • NF1/Neuro-Fibromatose 1 – vorwiegend Karzinoide in der periampullären (Ampulla hepatopancreatica) Region

Klassifikation Die Unterteilung der gastrointestinalen NET erfolgt auf Grund folgender Parameter: • Größe des Tumors, • Fehlen oder Vorhandensein einer Invasion in Blutgefäße (Angioinvasion), • sezerniertes Hormon oder Transmitter – entsprechend werden die Karzinoidzellen benannt (siehe Tab. 8.237), • proliferative Aktivität – Anzahl der Mitosen/2 mm2, – Anteil der Zellen, positiv für den Proliferationsmarker Ki-67, ein Kernprotein ▪ welches in der G0-Phase des Zellzyklus für Antikörper unzugänglich sich im Zellkern befindet, ▪ das in den übrigen Phasen (G1, S, G1 und M) des Zellzyklus auf die Oberfläche von Chromosomen transportiert wird und dort durch Antikörper identifiziert werden kann, Differenzierungsgrad in • – typische Karzinoide ▪ gut differenzierte, meist benigne Tumoren mit guter Prognose, ▪ gut differenzierte Tumoren mit geringer Malignität und mittlerer Prognose, – atypische (maligne) Karzinoide ▪ wenig differenzierte Tumoren (kleine Zellen oder große Zellen mit großer nukleärer Atypie, einem hohen mitotischen Index und nur wenigen sekretorischen Granula) ▪ mit großer Malignität und schlechter Prognose, • Lokalisation – Magen ▪ Typ-1, -2, -3/4, – Duodenum und proximales Jejunum ▪ Typ-1, -2, -3, -4, -5 – Ileum (einschließlich distales Jejunum)

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

643

– Appendix, – Kolon und Rektum. Entwicklungsstand und der Ausbreitung des Tumors – nach Maßgabe (siehe Tab. 8.237) ▪ der American Joint Committee on Cancer (AJCC) und ▪ des TNM-Systems der UICC.



Entsprechend wurden Risikofaktoren für gastrointestinale Karzinoide definiert. Sie umfassen • Zell-Differenzierung (G1, G2 oder G3) • Proliferationsrate – gering (Ki-67 < 2 % der Zellen), – erhöht (Ki-67 ≥ 2 % < 10 % der Zellen), – hoch (Ki-67 > 10 % der Zellen), • Beschränkung des Tumors auf Mukosa und Submukosa oder Infiltration in die muskuläre Wandschicht, • Invasion in Blutgefäße (V0 oder V1) • Lymphknotenmetastasen (N0 oder N1) • Fernmetastasen (M0 oder M1).

Tab. 8.237: Unterschiedliche Zelltypen bei gastrointestinalen Karzinoiden. Magen

Dünndarm

ZellTyp

sezerniertes Produkt:

CDK

Cholezytokinin

D

Somatostatin

+

+

EC

Serotonin, Motilin und Substanz P

+

ECL

Histamin

G

Gastrin

GIP

gastrisches inhibitorisches Peptid

L

Polypeptid YY; Glukagon like Polypeptid

M

Motilin

N

Neurotensin

PP

pankreatisches Polypeptid

+

S

Sekretin

+

Antrum Fundus Körper

+

Duodenum

Jejunum

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

Kolon

Rektum

+

+

+

+

+

+

+

+

Ileum

+ +

+

+

+

+ +

+

+

644

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.238: Entwicklungsstadien und Klassifikation von gastrointestinalen Karzinoiden (Übersicht). Lokalisation des Primärtumors AJCCStadien

TNMKlassifikation

TumorAusdehnung

Magen

Tx T0

0

Tis

T1a

N0

T2

N0

M0

Tumor nur in der Mukosa (Carcinoma in situ)

M0

Tumor nur bis Lamina propria Submukosa

N0

N0

M0

Tumor nur bis Muscularis mucosae

Tumor < 0,5 mm

Tumor ≤ 2 cm Tumor ≤ 1 cm

Tumor ≤ 1 cm Tumor > 1–2 cm

Tumor > 1 cm

Tumor > 2–4 cm oder Tumorinfiltration ins Caecum

Tumor > 2 cm

Tumor > 4 cm oder Tumorinfiltration ins Ileum

oder Tumorinfiltration ins retroperitoneale perikolische oder perirektale Gewebe

Bauchwand und Bauchmuskulatur

Tumor im viszeralen Peritoneum oder in angrenzenden Organen

II

B

T3

N0

M0

Tumor nur bis zur Subserosa

Tumor im viszeralen Peritoneum oder in angrenzenden Organen

A

T4

N0

M0

B

Jedes T

N1

M0

III

IV

Kolon/Rektum

kein Anhaltspunkt für einen Primärtumor oder eine Metastase

M0

T1b

A

Appendix

Tumor kann nicht ermittelt werden

T1 I

Duodenum/ Jejunum/ Ileum

Jedes Jedes M1 T N

Tumor nur bis zur Subserosa

oder Tumorinfiltration in Pankreas oder Retroperitoneum

Tumor im viszeralen Peritoneum oder in angrenzenden Organen

N1 = Metastasen in regionale Lymphknoten

M1 = Fernmetastasen

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

645

Spezielle Diagnostik-Verfahren (siehe auch die Übersicht NET, Kap. 8.13.1) umfassen • biochemischer Nachweis von Tumorprodukten – Chromogranin A im Blut und von 5-Hydroxyindolessigsäure im 24-Stunden-Urin sind die am besten geeigneten Nachweismöglichkeiten – der Nachweis von Substance P, Neurotensin, Bradykinin, hCG/humanes ChorionGonadotropin, Neuropeptide L oder das pankreatische Polypeptid ergeben ergänzende Informationen • bildgebende Verfahren (siehe die Übersicht NET, Kap. 8.13.1) Prognose Entscheidende prognostische Faktoren (siehe auch die Übersicht NET, Kap. 8.13.1) sind: • die Lage des Tumors – Karzinoide im Wurmfortsatz/Appendix und im Rektum ▪ sind meist klein bei der Erstdiagnose, ▪ metastasieren selten, ▪ haben eine relativ gute Prognose/längeres Überleben, – Karzinoide im Magen, Dünndarm und Kolon ▪ haben, auch wenn sie klein sind, eine große Tendenz zur Metastasierung, ▪ besitzen eine relativ schlechte Prognose, ▪ ein 5-Jahres-Überleben von etwa 40–60 %, • der Tumorvaskularisation – hohe Expression von angiogenen Wachstumsfaktoren (z. B. VEGF/Vascular Endothelial cell Growth Factor) ist assoziiert mit schlechter Prognose, • die Entstehung eines Karzinoid-Syndroms (siehe auch die Übersicht NET, Kap. 8.13.1) – ablesbar am hohe Spiegel an 5-Hydroxyindolessigsäure (im Urin), an Chromogranin A oder Neuropeptid K (im Blutserum), ▪ 35 % der Patienten mit einem Karzinoid im Dünndarm entwickeln ein Karzinoid-Syndrom, ▪ 35–80 % dieser Patienten entwickeln eine Endokardfibrose des rechten Herzens, – das 5-Jahres-Überleben in Abhängigkeit von einer Endokardfibrose bedingt durch ein Dünndarm-Karzinoid liegt ▪ mit Endokardfibrose bei etwa 30 %, ▪ ohne Endokardfibrose bei ca. 75 %, – etwa 50 % der Todesfälle bei Karzinoiden sind auf das Herzversagen in Folge eines Karzinoid-Syndroms zurückzuführen. Therapiestrategien Chirurgische Verfahren • die Resektion des Primärtumors ggf. mitsamt der regionalen Lymphknoten – ist die einzige potentiell kurative Behandlungsmöglichkeit, – verlängert das Überleben, – erfolgt je nach Lage, Entwicklungsstadium und Ausdehnung des Tumors und seiner Metastasen

646

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

endoskopisch, über eine Laparotomie, – kann mit folgenden endoskopischen Resektions-Techniken durchgeführt werden: ▪ Entfernung mittels Zangenbiopsie, vorteilhaft für kleine (< 5 mm) gastrale NET, ▪ Schlingenresektion, ▪ EMR/Endoskopische Mukosa-Resektion in konventioneller Technik (Unterspritzung mit anschließender Schlingenresektion), geeignet für gastrale NETs > 5 mm ▪ EMR in modifizierter Form (EMR-C/Kappentechnik, EMR-L/Ligaturtechnik, EMR-CMI/EMR nach zirkumferenzieller Inzision, ▪ ESD/endoskopische Submukosa-Dissektion, geeignet für gastrale NETs > 5 mm, ist ungeeignet für duodenale NETs wegen der Gefahr der Perforation, ▪ Resektion nach Applikation eines OTSC/Over-The-Scope-Clip bzw. als endoskopische Vollwandresektion (FTRD/Full Thickness Resection Device) die Resektion von Lebermetastasen – kann das 5-Jahres-Überleben von 30 % auf ca. 60 % verlängern; alternativ zur Resektion: – Embolisation der Leberarterie mit ▪ Gelatine-Puder, ▪ Gelatin-Schaum und Doxorubicin. ▪ ▪

• •

Chemotherapie • Somatostatin-Analoga – mit verzögertem Abbau und/oder in Depot-Formulierungen – binden an und aktivieren Somatostatin-Rezeptoren (SSTR-1, -2, -3, -4, oder -5) – die derzeitig im Markt verfügbaren Somatostatin-Analoga binden ▪ mit hoher Affinität an SSTR-2 und -5, ▪ mit mittlerer Affinität an SSTR-3 und ▪ mit niedriger Affinität an SSTR-1 und -4 – wirken antiproliferativ (besonders durch Bindung an SSTR-3 und SSTR-2) über die ▪ Induktion der Hyperphosphorylierung des Retinoblastoma-Proteins, ▪ Induktion des kontrollierten Zelltodes/Apoptose, ▪ Hemmung der Angiogenese, – vermindern die Begleitsymptome von Karzinoiden durch Hemmung des zyklischen Adenosin-Monophosphats mit Inhibition der Produktion und Sezernierung von Hormonen und Mediatoren, im Besonderen mit ▪ Verminderung des Durchfalls (in 70–80 % der Fälle) ▪ deutlicher Verlängerung des Überlebens auch im Stadium III und IV • Zytostatika haben bei Karzinoiden zwar nur eine eingeschränkte Wirksamkeit, doch bei extrapulmonalen metastasierten neuroendokrinen Karzinomen (Stadium IV, G3) werden unabhängig von der Primärtumorlokalisation und unabhängig von der Klassifikation angewandt

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)



647

bei gastrointestinalen neurepithelialen Tumoren und Karzinomen Cisplatin oder CE: Carboplatin + Etoposid als Standardtherapie ▪ FOLFOX: Folinsäure + 5-Fluorouracil + Oxaliplatin ▪ FOLFIRI: Folinsäure + 5-Fluorouracil + Irinotecan ▪ CAPOX: Capecitabin + Oxaliplatin ▪ CAPTEM: Capecitabin + Temozolomid, bei pankreatischen neuroepithelialen Tumoren ▪ Streptozotocin + 5-Fluorouracil (oder + Doxorubicin) ▪ Nitrosoharnstoffe (Chlorozotocin), ▪ DTIC/Dimethyl-1-triazenyl)imidazole-4-carboxamide/Dacarbazin ▪



Inhibitoren der Angiogenese, verabreicht in Zweit- oder Drittlinie; • Tyrosinkinase-Inhibitoren (z. B. Sunitinib) • Proteinkinase-Inhibitoren (z. B. Everolimus) • VEGF/Vascular Endothelial Growth-Factor-Inhibitoren (Bevacizumab) Interferone • Interferon-α scheint am stärksten von allen Interferonen therapeutisch zu wirken im Sinne von – Inhibition der Progression der Erkrankung – Verminderung der Karzinoid-bedingten Symptome • Dosierung – IFN-α2b (3–5 mU s. c. 3-mal/Woche, – IFN-α2a (3–4,5 mU s. c. 3-mal/Woche, – Pegyliertes IFN-α2a oder IFN-α2b (50–180 μg s. c. 1-mal/Woche) Radionuklid-Therapie wird durchgeführt durch i. v. Injektion von: • 131Iod-mIBG/meta-Iod-Benzylguanidin, • 111Indium-Somatostatin-Analog, 90 Yttrium-Somatostatin-Analog oder 177LutetiumSomatostatin-Analoga – die beste therapeutische Wirkung konnte bislang mit 177Lutetium-Octreotat erzielt. Rezidive und Metastasen • chirurgische Resektion – kurativ oder palliativ • Radiotherapie – mit Isotopen, gekoppelt an Somatostation-Analoga – perkutan, z. B. bei Metastasen im Bereich des ZNS • Chemotherapie – palliativ

648

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

8.13.3.2 Magenkarzinoide Symptome • bei kleinen Tumoren – keine oder nur geringe Symptome, • bei größeren Tumoren – Blutungen, – Symptome der perniziösen Anämie, – Karzinoid-Syndrom. Spezielle Diagnostik (siehe auch die Übersicht Kap. 8.13.1) • klinische Untersuchung – Ösophagogastroduodenoskopie – Lungenfunktionsprüfung • spezifische biochemische Untersuchungen des Blutserums – Chromogranin A – NSE/Neuronen-Spezifische Enolase – von NET des Magens produzierte Hormone/Mediatoren ▪ Gastrin-releasing-Peptid ▪ Gastrin ▪ 5-Hydroxytryptophan – Autoantikörper ▪ Anti-Parietalzell-Antikörper ▪ Anti-Intrinsic-Factor-Antikörper – Spezifische biochemische Untersuchungen des 24-Stunden-Urins ▪ 5-Hydroxyindolessigsäure ▪ Kortisol – bildgebende Verfahren (siehe die Übersicht Kap. 8.13.1) – Biopsie ▪ 2 Biopsien aus dem Antrum ▪ 4 Biopsien aus dem Fundus

Klassifikation Zusätzlich zur AJCC und TNM-Klassifikation der Entwicklungsstadien von gastrointestinalen Karzinoiden (siehe Kap. 8.13.3.1) werden die Enterochrom-affinen Karzinoide (ECL/EnteroChromaffin-Like-cell-origin carcinoids) des Magens unterteilt entsprechend den vorliegenden histologischen Risikofaktoren und Eigenschaften in vier unterschiedliche Typen: • histologische Risikofaktoren – geringe Differenzierung (G2/G3) – hohe Proliferationsrate (Ki-67 > 2 % der Zellen) – Infiltration in die muskuläre Wandschicht – Invasion in Blutgefäße (V1) – Lymphknotenmetastasen (LN+)

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)









649

Typ I-ECL-Karzinoide – häufigstes Magenkarzinoid (70–80 %), – meist < 1 cm im Durchmesser, multiple auftretend und im Korpus und/oder Fundus, – gut differenziert (G1), – geringe Proliferationsrate (Ki-67 ≤ 2 % der Zellen) – assoziiert mit einer chronischen atrophischen Gastritis ▪ häufig mit Hypergastrinämie und Gastrin-Zell-Hyperplasie, ▪ im Gefolge einer autoimmunen perniziösen Anämie oder ▪ einer Helicobacter-pylori-Infektion, – tritt häufiger bei Frauen als bei Männern auf (M : W = 1 : 2,5), – der Altersgipfel liegt bei etwa 60–65 Jahren, – < 10 % der Tumoren metastasieren, Typ II-ECL-Karzinoide – meist < 1 cm im Durchmesser, multiple auftretend – gut differenziert (G1), – geringe Proliferationsrate (Ki-67 ≤ 2 % der Zellen) – selten (5–6 %), der Altersgipfel liegt bei etwa 50 Jahren – Frauen sind gleich häufig betroffen wie Männer – assoziiert mit ▪ Hypergastrinämie verursacht durch Gastrinome (Zollinger-Ellison-Syndrom) oder ▪ MEN-1/Multiple endokrine Metaplasie 1 – 10–30 % der Tumoren metastasieren Typ III-ECL-Karzinoide – zweithäufigstes Magenkarzinoid (14–25 %), Altersgipfel liegt bei etwa 55 Jahren – mäßig differenziert (G1/G2), – erhöhte Proliferationsrate (Ki-67 > 2 < 10 % der Zellen) – meist > 2 cm im Durchmesser und solitär auftretend, – Gastrin-Blutspiegel normal – tritt häufiger bei Männern als bei Frauen auf (M : W = 2,8 : 1) – besitzt keine neuroendokrine Festlegung – aggressiver Tumor mit infiltrativem Wachstum in Muskularis und Blutgefäße, – 50–100 % der Tumore metastasieren (Lymphknoten, Leber) Typ IV-ECL-Karzinoide – selten (6–8 %), meist bei Männern > 60 Jahre – meist > 2 cm im Durchmesser und solitär auftretend, – Gastrin-Blutspiegel normal – undifferenziert (G3) – hohe Proliferationsrate (Ki-67 > 10 % der Zellen) – 80–100 % der Tumore metastasieren

650

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Therapiestrategien

Tab. 8.239: Strategie der Therapie des Magenkarzinoids (in Anlehnung an Rinke et al. 2018). Typ I/II

Typ III

RF (–); < 1 cm; G1

RF (+), ≤ 2 cm G1

RF (–); < 1 cm, G1/G2







jährliche endoskopische Kontrolle

endoskopische Resektion

endoskopische Resektion

▾ falls Tumor > 1 cm < 2 cm

endoskopische Resektion





falls R1 und/oder c/pN1

falls R1 und/oder c/pN1

Typ IV RF (+) und < 1 cm oder > 1 cm, G2

RF (+); > 2 cm, G3





subtotale/totale Gastrektomie + Lymphadenektomie

subtotale/ totale Gastrektomie + Lymphadenektomie

▾ bei Metastasen/ (Leber T1/T2)

▾ bei Metastasen

chirurgische Nachresektion

chirurgische Nachresektion

chirurgische Resektion (Ziel: R0)



chirurgische Resektion, falls ≥ 90 % der Metastasen entfernt werden können

▾ ▾



oder falls Rezidiv

falls Rezidiv

chirurgische Nachresektion

chirurgische Nachresektion

kleines Tumorvolumen Somatostatin-Rezeptor (+) Ki-67 < 10 %

▾ falls R1 oder Rezidiv

Somatostatin-Analoga (Octreotid oder Lanreotid)

▾ falls R1

▾ chirurgische Nachresektion







oder chirurgische Nachresektion

Chemotherapie Capecitabin + Temozolomid oder FOLFOX





und/oder

bei Progression

Medikamentöse Therapie



Antiangiogenese (Everolimus)





oder

oder

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

alle 6– 12 Monate Nachsorge

alle 6– 12 Monate Nachsorge

alle 6 Monate Nachsorge

651

Radionuklid-Therapie mit 90 Yttrium- oder 177 Lutetium-Octreotid alle 6 Monate Nachsorge

▾ oder bestmögliche symptomatische Therapie

RF = Risikofaktoren: geringe Differenzierung (G2/G3), hohe Proliferationsrate (Ki-67 > 2 % der Zellen), Infiltration in die muskuläre Wandschicht, Invasion in Blutgefäße (V1), Lymphknotenmetastasen (LN+) T1 = einzelne Metastase jeder Größe, T2 = isolierte Hauptmasse der Metastase in einem Leberlappen + isolierte, resektable Metastase im anderen Leberlappen; Typ 3 = disseminierte Metastasierung/multiple Metastasen in beiden Leberlappen

Chirurgische Verfahren (Tab. 8.240) Die chirurgische Tumorresektion ist die bevorzugte Therapie: • endoskopische Resektion – falls der Primärtumor die Muskularis mucosae noch nicht infiltriert hat, • lokale chirurgische Resektion ggf. mit Resektion der regionalen Lymphknoten – falls der Primärtumor ▪ die Muscularis mucosae bereits infiltriert hat, ▪ in Blutgefäße eingesprosst ist (Angioinvasion), ▪ multiple auftritt, partielle oder totale Gastrektomie und Resektion der regionalen Lymphknoten • – falls die lokale Resektion im Gesunden (R0) nicht möglich ist und/oder falls die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs groß ist. Radionuklid-Therapie • Peptid-Rezeptor-vermittelte Radionuklidtherapie mit an Octreotate gekoppeltem 90 Yttrium oder 177Lutetium – kann therapeutisch hilfreich sein bei nicht-operablen, metastasierten neuroendokrinen Magenkarzinoiden, – falls diese Somatostatin-Rezeptor-positive sind. Chemotherapie • Somatostatin-Analoga (z. B. Octreotid, Lanreotid) – können als Agonisten den Somatostatin-Rezeptor aktivieren und hierdurch ▪ die Sezernierung von Hormonen und Transmittern durch die NET-Zellen inhibieren, ▪ endokrine Symptome, verursacht durch funktionelle NET-Zellen, reduzieren – können verabreicht werden bei ▪ Expression von Somatostatin-Rezeptoren und ▪ einer Proliferationsrate (Ki-67) < 10 %

652 •



8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Zytostatika – palliativ; Indikationen und Therapieschemata wie beim Adenokarzinom des Magens (siehe Kap. 8.5.1.1) wie z. B. ▪ Capecitabin + Temozolomid ▪ FOLFOX (Folinsäure + 5-Fluorouracil + Oxaliplatin) oder ▪ Capecitabin + Oxaliplatin Antiangiogenese – palliativ: Verabreichung von Proteinphosphatase-Inhibitoren (z. B. Everolimus)

Prognose Bei bestmöglicher Therapie liegt das 5-Jahres-Überleben in einer Größenordnung von • Typ-I-ECL-Karzinoide – im Bereich von bis zu 95 %, • Typ-II-ECL-Karzinoide – zwischen ~ 50–95 %, • Typ-III-ECL-Karzinoide – zwischen 30–35 %, – im Bereich von 10 % in Fällen von Fernmetastasen, • Typ-IV-ECL-Karzinoide – zwischen 20–25 %. Tab. 8.240: Übersicht über die Therapieverfahren beim Magenkarzinoid. Eigenschaften des Magenkarzinoids

Subtyp

Assoziiert mit

Lokalisation

Anzahl der Größe Tumore/ Polypen

Infiltration Bei R1, R2 ChemoMuscutherapie Primärtumor oder laris Rezidiv mucosae

nein

jährliche Kontrolle, ggf. Resektion

Polypen 6

ja

lokale chirurgische Resektion

< 1 cm Typ-1

Chirurgie

chronische atrophische Gastritis Fundus ≥ 1 cm

Typ-2

Gastrinome, familiäre MEN-1

Typ-3/4

solitär, infiltrativ, metastasierend

gesamter Magen

partielle oder totale Gastrektomie und LymphSomatoknotenstatinresektion Analoga

Therapie wie bei Adenokarzinomen des Magens

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

653

8.13.3.3 Duodenumkarzinoide Vorkommen • stellen etwa 2–3 % der gastrointestinalen Karzinoide dar, • können auch im Bereich der Ampulle lokalisiert sein und durch Obstruktion der Vater’schen Ampulle Gelbsucht hervorrufen, • der Altersgipfel liegt bei etwa 50–55 Jahren mit einer breiten Streuung (19–90 Jahre).

Klassifikationen • Typ-1-Karzinoide – Gastrin-produzierende G-Zelltumoren (Gastrinome, falls der Gastrin-Spiegel im Serum erhöht ist), – häufigster Typ, ▪ 65 % aller Duodenalkarzinoide, ▪ lokalisiert im proximalen Duodenum, – bei 90 % des MEN1/Multiple Endokrine Metaplasie Typ 1 zu finden, ▪ als kleine (< 5 mm) multiple Tumoren, ▪ auch sporadisch auftretend, ▪ meist als solitäre Tumoren, • Typ-2-Karzinoide – Somatostatin produzierende D-Zelltumoren, – zweithäufigster Typ, ▪ 20 % aller Duodenalkarzinoide, ▪ meist lokalisiert in oder im Bereich der Vater’schen Ampulle (Ampulla hepatopancreatica), – häufig (ca. 50 %) assoziiert mit der NF1/Neurofibromatosis 1, – gehäuft bei schwarzafrikanischen Frauen, • Typ-3-Karzinoide – gangliozytische Paragangliome, – produzieren Somatostatin (D-Zelltumoren) und/oder pankreatisches Polypeptid (PP-Zelltumoren), – meist lokalisiert in oder im Bereich der Vater’schen Ampulle (Ampulla hepatopancreatica), – meist benigne, • Typ-4-Karzinoide – produzieren Serotonin, Calzitonin und pankreatisches Polypeptid – meist lokalisiert in oder im Bereich der Vater’schen Ampulle (Ampulla hepatopancreatica) Typ-5-Karzinoide • – gering differenziert, hoch maligne, – kommen selten vor, – meist lokalisiert in oder im Bereich der Vater’schen Ampulle (Ampulla hepatopancreatica)

654

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Risikofaktoren • Differenzierung (G1, G2 oder aber G3) • Proliferationsrate – gering (Ki-67 < 2 % der Zellen), erhöht (Ki-67 ≥ 2 % < 10 % der Zellen), – hoch (Ki-67 > 10 % der Zellen) • Beschränkung auf Mukosa und Submukosa oder Infiltration in die muskuläre Wandschicht • Invasion in Blutgefäße (V0 oder V1) • Lymphknotenmetastasen (N0 oder N1) • Fernmetastasen (M0 oder M1) Neuroendokrine Tumore an der Vater’schen Ampulle (Papillen-NET): • sind sehr selten, können spontan auftreten aber auch in Assoziation mit – Neurofibromatose Typ 1 (Morbus Recklinghausen, periphere Neurofibromatose), – endokrinen Syndromen wie dem ZES/Zollinger-Ellison-Syndrom, – der MEN-1/Multiplen Endokrinen Neoplasie Typ 1 und – dem Cushing-Syndrom, • bewirken Oberbauchschmerzen, Ikterus, rezidivierende intestinale Blutungen bei Ulzeration der Schleimhaut über dem submukösen Tumor, • exprimieren häufig Somatostatin, • können begleitet sein von erhöhten Serumspiegel von Pankreasenzymen (Lipase, Amylase) • wachsen submukös, • sind zu differenzieren – in Tumore < 2 cm und meist gut differenziert (G1) – in Tumore > 3 cm und meist mittel oder undifferenziert (G2/G3) • metastasieren zu 20–40 % in die regionalen Lymphknoten. Besondere Symptome • bedingt durch erhöhtes Gastrin im Blutserum: – Schwindel und Erbrechen, – gastroösophagaler Reflux durch überschießende Salzsäureproduktion im Magen, – Magenblutungen durch multiple und wiederholt auftretende peptische Geschwüre, – Bauchschmerzen und Durchfall (bei etwa 50 % der Patienten), • bedingt durch erhöhtes Somatostatin im Blutserum (Nebenwirkungen selten) – Fettstuhl, – Diabetes mellitus, – Hypoazidität/Hypochlorhydia des Magens, – Gallensteine, – Anämie, • bedingt durch die Lage des D-Zelltumors in/an der Vater’schen Ampulle – Verschluss des Ductus hepatopancreaticus

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

– –

655

verstärkte Infiltrationen in benachbarte Organe und Metastasenbildung (Lymphknoten und Leber) Gelbsucht, Pankreatitis, Blutungen

Diagnostik (siehe auch die Übersicht Kap. 8.13.1) • klinische Untersuchung inklusive: – Ösophagogastroduodenoskopie, – Lungenfunktionsprüfung, – Analyse der Säuresekretion im Magen, • spezifische biochemische Untersuchungen des Blutserums – Chromogranin A, – neuronenspezifische Enolase (NSE), – von NET des Magens produzierte Hormone/Mediatoren, ▪ Gastrin releasing Peptid, ▪ Gastrin, ▪ Somatostatin, – spezifische biochemische Untersuchungen des 24-Stunden-Urins, ▪ 5-Hydroxyindolessigsäure, ▪ Kortisol, – bildgebende Verfahren (siehe die Übersicht Kap. 8.13.1).

Therapiestrategien

Tab. 8.241: Strategie der Therapie des Duodenum-Karzinoids (in Anlehnung an Rinke et al. 2018). bei Karzinoid-Syndrom Somatostatin-Analoga (Octreotid, Lanreotid) Stadium I RF (–); G1, Ki-67 < 2 % Größe < 1 cm bis < 2 cm



endoskopische Resektion mittels EMR (nicht ESD)

Stadium II/III

Stadium IV

RF (+), G2/G3 gleich welcher Größe RF (+), G1/G2, Ki-67 > 2 %, Größe > 2 cm, V (+ ) oder SubmukosaInfiltration





oder

kleines Tumorvolumen SomatostatinRezeptoren (+) Proliferationsrate (Ki-67) < 10 %

duodenale Gastrinome

▾ ▾ oder

RF (+), G2/G3, M1 nicht resektable Metastasen

radikale chirurgische Resektion ggf. Lymphadenektomie

Somatostatin-Analoga (Octreotid, Lanreotid)

▾ und/oder (G2)

656

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

duodenales Gastrinom

▾ bei periampullärer Lage Größe < 2 cm, G1, N0, M0

chirurgische Resektion ggf. Lymphadenektomie

▾ R1 oder Rezidive

endoskopische Papillektomie

▾ oder

chirurgische, Pylorus-erhaltende partielle Duodenopankreatektomie

chirurgische Nachresektion



▾ und/oder

Somatostatin Analoga (Octreotid, Lanreotid) –/+ Interferon α



bei R0

RadionuklidTherapie mit 90 Yttrium- oder 177 LutetiumOctreotid

▾ oder alle 6–12 Monat Nachsorge

Antiangiogenese (Everolimus)

▾ alle 6 Monate Nachsorge

Interferon α

▾ oder Chemotherapie (Cisplatin + Etoposid, CapecitabinTemozolomid oder Folfox)

SomatostatinAnaloga (Octreotid, Lanreotid)

bei Progression, kleines Tumorvolumen Somatostatinrez. (+) Proliferationsrate (Ki-67) < 10 %

bei Progression



kleines Tumorvolumen SomatostatinRezeptoren (+) Proliferationsrate (Ki-67) < 10 %

▾ bei Progression SomatostatinRezeptoren (+)

Radionuklid-Therapie mit 90 Yttrium- oder 177 Lutetium-Octreotid

Immuntherapie Interferon α



▾ bei Progression

und/oder Somatostatin-Rezeptoren (–)

Radionuklid-Therapie mit 90 Yttrium- oder 177 LutetiumOctreotid

Antiangiogenese (Everolimus)

▾ bei periampullärer Lage Größe > 2 cm, Nx/N1, G1 chirurgische Resektion partielle Pankreatektomie und Lymphadenektomie

oder



▾ ggf. bei Progression

▾ palliative Chemotherapie





oder

alle 3 Monate Nachsorge

bestmögliche symptomatische Therapie

RF = Risikofaktoren: geringe Differenzierung (G2/G3), hohe Proliferationsrate (Ki-67 > 2 % der Zellen), Infiltration in die muskuläre Wandschicht, Invasion in Blutgefäße (V1), Lymphknotenmetastasen (LN+)

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

657

Chirurgische Verfahren Die chirurgische Resektion ist die bevorzugte Therapie (siehe Tab. 8.240) • endoskopische Resektion – falls der Primärtumor die Muskularis mucosae noch nicht infiltriert hat, – bei gut differenzierten (Typ 2–4) kleinen (< 1 cm) Tumoren, • abhängig von der Tumorausdehnung – Tumor-Enukleation und Resektion der regionalen Lymphknoten, – Duodenektomie und Resektion der regionalen Lymphknoten, – oder partielle Pankreaticoduodenektomie, ▪ falls der Tumor die Muskularis mucosae bereits infiltriert hat, ▪ bei gut differenzierten (Typ 2–4) großen (> 1 cm) Tumoren, ▪ bei gering differenzierten (Typ 5) Tumoren; • bestmögliche tumorreduktive Resektion – bei fortgeschrittenen Tumoren. Radionuklid-Therapie • Octreotate mit gekoppeltem 90 Yttrium oder 177Lutetium kann therapeutisch hilfreich sein – bei nicht-operablen, metastasierten Somatostatin-Rezeptor-positiven neuroendokrinen Duodenumkarzinoiden Chemotherapie • Somatostatin-Analoga (z. B. Octreotid, Lanreotid) – aktivieren als Agonisten den Somatostatin-Rezeptor und hemmen hierdurch ▪ die Sezernierung von Hormonen und Transmittern durch die NET-Zellen, ▪ endokrine Symptome, verursacht durch funktionelle NET-Zellen, – sind zu verabreichen ▪ bei Karzinoid-Syndrom vor jeglicher anderer Therapie ▪ bei Somatostatin-Rezeptor-positiven Duodenum-Karzinoiden zur Proliferationshemmung • Antiangiogenese – Everolimus • Zytostatika – im Stadium IV, mit nicht resektablen Metastasen ▪ Cisplatin + Etoposid, Capecitabin + Temozolomid oder FOLFOX – für palliative Indikationen; Therapieschemata wie beim Adenokarzinom des Duodenums (siehe Kap. 8.7.2) Immuntherapie • Interferon α – IFN-α2b (3–5 mU s. c. 3-mal/Woche, – IFN-α2a (3–4,5 mU s. c. 3-mal/Woche, – Pegyliertes IFN-α2a oder IFN-α2b (50–180 μg s. c. 1-mal/Woche)

658

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Prognose Bei bestmöglicher Therapie liegt das 5-Jahres-Überleben • bei Tumoren < 2 cm und beschränkt auf Mukosa oder Submukosa im Bereich von > 95 %.

Tab. 8.242: Zusammenfassung der Therapieverfahren bei Duodenumkarzinoiden. Duodenum Karzinoid-Typ Typ 1 Gastrinom

Größe

Lage Metasta(peri-ampullär) sen

Tumorresektion (R0) oder bestmögliche Tumorreduktion

(bei R1-, R2Resektion bei Metastasen oder Rezidiven)

jede

jede

MEN-1

≤ 1 cm gut differenziert

gering differenziert

ja

nein oder ja jede

endoskopische Resektion

nein

> 1 cm Typ 5

Chemotherapie

sporadisch

nein Typ 2–4

Chirurgische Resektion

nein oder ja

Duodenektomie oder Tumorenukleation und Lymphadenektomie oder partielle Pankreaticoduodenektomie

(bei R1-, R2Resektion bei Metastasen oder Rezidiven)

8.13.3.4 Karzinoide des Jejunums und Ileums Vorkommen • treten bei beiden Geschlechtern gleich häufig auf, • der Altersgipfel liegt bei etwa 65 Jahren, Karzinoide des Jejunums sind zum Zeitpunkt der Erstdiagnose • in ca 29 % der Fälle lokal begrenzt, • in ca. 40 % der Fälle metastasiert in die regionalen Lymphknoten • in ca. 30 % der Fälle fernmetastasiert und • in ca. 10–20 % der Fälle multilokal ausgebildet. Karzinoide des Ileums • entstehen vorwiegend im terminalen Ileum, • sind zum Zeitpunkt der Erstdiagnose – meist größer als 2 cm, – zu ca 30 % der Patienten lokal beschränkt, – zu etwa 10–20 % der Fälle multifokal, – bereits zu ca. 40 % metastasiert in die regionalen Lymphknoten und – zu etwa 30 % fernmetastasiert ▪ davon weisen etwa 20 % auch Metastasen in der Leber auf,

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

659

Diagnostik Siehe die Übersicht (Kap. 8.13.3). Auffallend sind • abdominale Schmerzen und intestinale (Dünndarm-) Blutungen • Leberschäden durch Metastasen Die Diagnose erfolgt primär endoskopisch mit Hilfe der • Dünndarmkapselendoskopie oder der • Ballon-Enteroskopie Klassifikation • Die Mehrzahl sind – EC-Zelltumoren, die ▪ Serotonin und Substanz P sezernieren, ▪ in die Leber und in die regionalen/retroperitonealen Lymphknoten metastasieren, ▪ im Falle der Metastasierung gehäuft ein Karzinoid-Syndrom verursachen, weil die Detoxifikation des Serotonins in der Leber durch direkten Zugang des Tumors zu den abführenden Venen umgangen wird, • seltener treten auf – L-Zelltumoren, die ▪ Glukagon-like Polypeptid und Polypeptide YY sezernieren, – PP-Zelltumoren, die ▪ das pankreatische Polypeptid sezernieren. Therapiestrategien Tab. 8.243: Strategie der Therapie des Jejunum- und eIleum-Karzinoids (in Anlehnung an Rinke et al. 2018). falls Karzinoid-Syndrom Somatostatin-Analoga (Octreotid, Lanreotid) Stadium I

Stadium II/III

Stadium IV

RF (–); G1, Ki-67< 2 % Größe < 1 cm bis < 2 cm

RF (+), G1/G2, Ki-67 > 2 %, Größe > 2 cm,

RF (+), G3 Ki-67 > 10 % gleich welcher Größe







Chirurgische Resektion der gesamten Tumormasse (Primärtumor, regionale Lymphknoten, Fernmetastasen) (Ziel R0)

RF (+), G2/G3, M1 nicht resektable Metastasen/Rezidive

▾ falls kleines Tumorvolumen Somatostatin-Rezeptoren (+) Proliferationsrate (Ki-67) < 10 % Somatostatin-Analoga (z. B. Octreotid, Lanreotid)

660

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren





bei Rezidiven

und/oder

chirurgische Nachresektion

Interferon α







falls Progression ggf.

oder

medikamentöse Therapie



Chemotherapie (Cisplatin+ Etoposid, Capecitabin- Temozolomid oder FOLFOX)





falls keine Rezidive

bei Progression Antiangiogenese (Everolimus)

▾ Somatostatin-Rezeptoren (+) Nachsorge in Abständen von 6–12 Monaten

90

Radionuklid-Therapie Yttrium- oder 177LutetiumOctreotat

▾ oder bestmögliche symptomatische/palliative Therapie RF = Risikofaktoren: geringe Differenzierung (G2/G3), hohe Proliferationsrate (Ki-67 > 2 % der Zellen), Infiltration in die muskuläre Wandschicht, Invasion in Blutgefäße (V1), Lymphknotenmetastasen (N1)





die chirurgische Resektion ist die Therapie der Wahl – möglichst der gesamten Tumormasse (Ziel: R0 Status) – inklusive der regionalen Lymphknoten und aller Metastasen (im Mediastinum, in der Leber), bei nicht resektablen Tumoren – Somatostatin-Analoga (z. B. Octreotid, Lanreotid) bei Tumoren mit niedriger/ mittlerer Proliferationsrate (Ki-67 < 10 %) und Expression von Somatostatin-Rezeptoren zur Hemmung ▪ die Sezernierung von Hormonen und Transmittern durch die NET-Zellen, ▪ der endokrinen Symptome, verursacht durch funktionelle NET-Zellen, ▪ der Tumorzell-Proliferation – Zytostatika ▪ Cisplatin + Etoposid, Capecitabin + Temozolomid oder FOLFOX – Radionuklid-Therapie ▪ Mit Octreotat mit gekoppeltem 90 Yttrium oder 177Lutetium, ▪ falls Somatostatin-Rezeptoren exprimiert werden,

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

– –

661

Antiangiogenese durch Verabreichung von Everolimus Immuntherapie durch Verabreichung von Interferon α

Prognose Das 5-Jahres-Überleben liegt • bei Patienten mit inoperablen Lebermetastasen: im Bereich von 50 %, • bei Patienten mit inoperablen Metastasen in der Leber und im Mediastinum: im Bereich von 40 %.

8.13.3.5 Karzinoide des Wurmfortsatzes/Appendix Vorkommen • häufiger bei Frauen als bei Männern, • der Altersgipfel scheint bei Jüngeren zu liegen im Vergleich zu Karzinoiden des Jejunums und des Ileums, • relativ häufiger Zufallsbefund bei der Resektion des Wurmfortsatzes zur Therapie der Blinddarmentzündung – sind wahrscheinlich zu einem beträchtlichen Teil Ursache der Blinddarmentzündung, – dadurch werden bereits frühe Entwicklungsstadien des Tumors reseziert, mit der Folge, dass ▪ kaum Metastasen angetroffen werden und ▪ der Tumor klinisch als weitgehend gutartig gilt, – etwa 90 % der Karzinoide des Wurmfortsatzes sind bei der Erstdiagnose < 1 cm.

Klassifikation • Die Mehrzahl sind – EC-Zelltumoren, ▪ welche Serotonin und Substanz P sezernieren, • seltener treten auf – L-Zelltumoren, ▪ welche Glukagon-like Polypeptid und Polypeptide YY sezernieren, • histologisch werden unterschieden – karzinoide Tumoren, – gut differenzierte NET/Neuro-Endokrine Tumoren, – tubuläre Karzinoide, – Becherzellkarzinoide, ▪ besitzen endokrine und exokrine Eigenschaften, ▪ sind selten, hoch maligne und metastasierend (Peritoneum, Retroperitoneum, Ovarien), ▪ exprimieren keine Somatostatin-Rezeptoren,

662

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



Adenokarzinoide besitzen endokrine und exokrine Eigenschaften, ▪ sind selten, hoch maligne und metastasierend (Peritoneum, Retroperitoneum, Ovarien), ▪ exprimieren keine Somatostatin-Rezeptoren, atypische Karzinoide ▪ sind nur gering differenziert, hoch maligne und metastasierend, ▪ exprimieren kaum/keine Somatostatin-Rezeptoren. ▪



Diagnostik • siehe die Übersicht (Kap. 8.13.1)

Therapiestrategien Die chirurgische Resektion ist die Methode der Wahl bei • Tumoren < 1 cm (derartige Tumoren haben einen Anteil von ca. 90 % bei der Erstdiagnose) – Ziel: kurative Appendektomie • Tumoren 1 cm–2 cm, – beschränkt auf die Wand des Wurmfortsatzes, hohe Differenzierung ▪ Ziel: kurative Appendektomie – bei geringer Differenzierung, hoher Mitoserate und Angioinvasion ▪ ggf. rechtsseitige Hemikolektomie und ileozäkale Lymphadenektomie – bei Invasion in den Mesoappendix, bei unvollständiger Resektion (R1, R2) und/ oder bei Metastasen in regionalen Lymphknoten ▪ rechtsseitige Hemikolektomie und ileozäkale Lymphadenektomie • Tumoren > 2 cm – rechtsseitige Hemikolektomie und ileozäkale Lymphadenektomie • Becherzell-Karzinoiden (GCC/Goblet Cell Carcinoid) und Adenokarzinoiden – rechtsseitige Hemikolektomie und ileozäkale Lymphadenektomie – adjuvante Chemotherapie (Zytostatika und Therapieschemata wie beim Adenokarzinom des Kolons, siehe Kap. 8.7) Metastasen • – tumorreduktive chirurgische Resektion, einschließlich ggf. Peritonektomie Bei nicht resektablen Tumoren • Somatostatin-Analoga (z. B. Octreotid, Lanreotid) bei Tumoren mit niedriger/mittlerer Proliferationsrate (Ki-67 < 10 %) und Expression von Somatostatin-Rezeptoren zur Hemmung – die Sezernierung von Hormonen und Transmittern durch die NET-Zellen, – der endokrinen Symptome, verursacht durch funktionelle NET-Zellen, – der Tumorzell-Proliferation • Zytostatika – Cisplatin + Etoposid, Capecitabin + Temozolomid oder FOLFOX

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)





663

Radionuklid-Therapie – Mit Octreotate mit gekoppeltem 90 Yttrium oder 177Lutetium, – falls Somatostatin-Rezeptoren exprimiert werden, Antiangiogenese durch Verabreichung von Everolimus

Prognose Das 5-Jahres-Überleben liegt bei Tumoren mit Metastasen im Bereich zwischen 30–50 %. 8.13.3.6 Karzinoide des Kolons und des Rektums Vorkommen • Kolorektale Karzinoide – treten bei beiden Geschlechtern etwa gleich häufig auf, • im Caecum – treten Karzinoide nur selten auf, – sind vorwiegend EC-Zellen (Produktion von Serotonin und Substanz P) zu finden; • im Kolon – liegen Häufigkeit und Zelltyp der Karzinoide zwischen den Werten von Caecum und Rektum, – liegt der Altersgipfel bei etwa 66 Jahren; – nur rechtsseitige Kolonkarzinoide exprimieren Somatostatin-Rezeptoren, – meist maligne, häufig bei Erstdiagnose bereits mit Lebermetastasen, weniger mit Lymphknotenmetastasen, • im Rektum – treten die meisten Karzinoide auf (ca. 25 % aller gastrointestinalen Karzinoide), – liegt der Altersgipfel bei etwa 56 Jahren, – sind Schwarze häufiger betroffen als andere Ethnien, – sind vorwiegend L-Zellen (Produktion von Glukagon-like Polypeptid und Polypeptide YY) zu finden, – treten keine EC-Zellen (Produktion von Serotonin und Substanz P) auf, – haben Tumoren zwischen 1 cm und 2 cm bereits ein Metastasenrisiko von 60–80 %. Symptome • bei Kolonkarzinoiden – vorwiegend Gewichtsverlust und abdominale Schmerzen, – Metastasen können ein Karzinoid-Syndrom auslösen, – trotz exophytischen Wachstums kommen Blutungen nur selten vor, • bei Rektumkarzinoiden – mehr als 50 % der Patienten sind symptomlos ▪ das Karzinoid ist somit ein Zufallsbefund bei einer rektalen Untersuchung, – Symptome sind im Wesentlichen ▪ Blutungen, Schmerzen und Verstopfungen, ▪ bei Metastasen kommt ein Karzinoid-Syndrom praktisch nicht vor

664

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Diagnostik • siehe Übersicht (Kap. 8.13) • zusätzlich – Koloskopie und – Endosonografie/rektaler Ultraschall, um den Entwicklungsstand des Tumors präoperativ bestmöglich zu bestimmen.

Therapiestrategien • bei Kolonkarzinoiden – ist eine vollkommene Resektion der Tumormasse nur selten möglich, – Chemotherapie (Zytostatika und Therapieschemata wie beim Adenokarzinom des Kolon, siehe Kap. 8.7); • bei Rektumkarzinoiden – Tumoren < 1 cm und ohne Risikofaktoren ▪ endoskopische Resektion – Tumoren 1–2 cm, keine Risikofaktoren, keine Infiltration der Muscularis mucosae, keine Metastasen in Lymphknoten ▪ ggf. endoskopische Resektion ▪ besser (da das Risiko für Metastasen etwa 10–15 % beträgt) radikale Resektion im Gesunden (R0) mit Resektion der regionalen Lymphknoten – Tumoren 1–2 cm, mit Risikofaktoren, mit oder ohne Infiltration der Muscularis mucosae bzw. Metastasen in Lymphknoten ▪ radikale Resektion (Resektion des vorderen und mittleren Rektums) mit Resektion der regionalen Lymphknoten – Tumoren > 2 cm ▪ palliative chirurgische Resektionen

Tab. 8.244: Strategie der Therapie des Rektumkarzinoids (in Anlehnung an Rinke et al. 2018). Stadium I Größe < 1 cm cRF (–)



endoskopische Resektion (EMR oder ESD)

Stadium II/III

Stadium IV

Größe ≤ 2 cm, G1,

Größe ≤ 2 cm, G2, RF(+)

fortgeschrittene Tumore nicht resektable

oder Größe < 1 cm, G2

oder Größe > 2 cm, G1/G2/G3, RF(+)







endoskopische oder transanale Resektion

radikale chirurgische Resektion inklusive Lymphadenektomie

ggf. palliative chirurgische Tumorreduktion

▾ kleines Tumorvolumen Somatostatin-Rezeptor (+) Proliferations (Ki-67) < 10 %

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

R0

▾ RF (–)

R1







▾ RF (–) R0



Somatostatin-Analoga (z. B. Octreotid, Lanreotid)

bei R1 oder Rezidiven R1



endoskopische Nachresektion

transanale Nachresektion





665



Nachresektion

und/oder Interferon α





oder

oder Chemotherapie (Cisplatin + Etoposid, Capecitabin + Temozolomid oder FOLFOX)



alle 12 Monate Nachsorge

nach 6, dann 12 Monaten Nachsorge

bei Progression Medikamentöse Therapie



Antiangiogenese Everolimus



alle 6 Monate Nachsorge

oder falls SomatostatinRezeptor (+) Radionuklid-Therapie 90 Yttrium- oder 177 Lutetium-Octreotat





oder

oder

bestmögliche symptomatische Therapie RF = Risikofaktoren: geringe Differenzierung (G2/G3), hohe Proliferationsrate (Ki-67 > 2 % der Zellen), Infiltration in die muskuläre Wandschicht, Invasion in Blutgefäße (V1), Lymphknotenmetastasen (LN+)

Prognose Das 5-Jahres-Überleben liegt • bei Kolonkarzinoiden im Mittel: im Bereich von 40 %, • bei Rektumkarzinomen im Stadium der Metastasierung: im Bereich von 30 %.

Weiterführende Literatur Anlauf M, Klöppel G, Grabowski P. Neuroendokrine Tumore der Lunge, Info Zentralklinik Bad Berka http:// www.rhoen-klinikum-ag.com/rka/cms/zbb_2/deu/52853.html, Aufruf 13. 01. 2012 Deutsches Register Neuroendokrine Gastrointestinale Tumore (NET-Register) http://www.net-register.org/ index.php?navanchor=1010000; Aufruf 13. 01. 2012

666

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Mönig H, Begum N, Gieseler F, Bohnet S, Harbeck B, Hubold C, Lützen U, Schrader C. Leitlinien zur standardisierten Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Neuroendokrinen Tumoren, Stand 29. 09. 2009; http://www.innere1.uni-luebeck.de/klinik/net-zentrum/pdf/sops-net-ccc-9–09.pdf National Cancer Institut (USA), Gastrointestinal Carcinoid Tumors Treatment (PDQ®), Stand 11/09/2011 http://www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/gastrointestinalcarcinoid/HealthProfessional Rinke A, Wiedemann B, et al. 2018, https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/021-026l_S2k_ Neuroendokrine_Tumore_2018–07.pdf

8.13.4 Pankreatische NET/Tumoren der Pankreasinseln Vorkommen Neuroendokrine Tumoren des Pankreas sind: • eine heterogene Gruppe von Tumoren, welche ihren Ursprung in den Inselzellen haben, • selten (etwa 3–5 % aller Pankreastumoren), • zu unterteilen in – funktionelle Tumoren (ca. 85 % aller Pankreasinselzelltumoren), benannt nach dem Hormon, das sie vorwiegend sezernieren und das klinische Symptome verursacht ▪ Insulinome (Tumoren der β-Zellen) ▪ Gastrinome (Tumore der D-Zellen) ▪ Glukagonome (Tumore der α-Zellen ▪ Somatostatinome (Tumore der δ-Zellen) ▪ VIPome (Tumore der A-D-Zellen) ▪ weitere Insel-Zelltumoren (Tumore der A-D-Zellen) ▪ (Sekretion von 5HT/5-Hydroxy-Tryptophan/Serotonin, ACTH/Adreno-CorticoTrophic Hormone und/oder MSH/Melanozyten-Stimulierendes Hormon, – nichtfunktionelle Tumoren (ca. 15 % aller Pankreasinselzelltumoren), welche inaktive Hormone oder Peptide und Marker sezernieren können, wie beispielsweise ▪ Neurotensin, ▪ alpha-hCG/Alpha-Subeinheit des humanen Chorion-Gonadotropins, ▪ NSE/Neuronen-Spezifische Enolase, ▪ Pankreas-Polypeptid, ▪ Chromogranin A.

Risikofaktoren • Die meisten NET des Pankreas treten sporadisch auf, • familiäre/genetische NET des Pankreas kommen vor – bei der MEN-1/Multiplen Endokrinen Neoplasie Typ 1 (siehe Übersicht, Kap. 8.13) ▪ in 85 % der Fälle und meist als multiple Pankreas-Insel-Zelltumoren, ▪ vergesellschaftet mit Tumoren der Adenohypophyse (in 65 % der Fälle) und der Nebenschilddrüse (ca. 90 % der Fälle), ▪ verursacht durch inaktivierende Mutation des Tumorsuppressors Menin (Chromosom 11q13).

667

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

Klassifikation Die Klassifikation des Entwicklungsstandes und der Ausbreitung des Tumors erfolgt nach Maßgabe (siehe Tab. 8.245) • des AJCC/American Joint Committee on Cancer und • des TNM-Systems der UICC. Tab. 8.245: Entwicklungsstadien und Klassifikation von Pankreasinselzelltumoren.

AJCCStadium

TNM-Klassifikation

Pankreas

Tx

Nx

Mx

T0

N0

M0

kein Anhaltspunkt für Tumor oder Metastasen

Tis

N0

M0

Carcinoma in situ

A

T1

N0

M0

Tumor ≤ 2 cm

B

T2

N0

M0

Tumor > 2 cm

A

T3

N0

M0

T1

N1

M0

T2

N1

M0

T3

N1

M0

jedes N

M0

0

Andere Organe

Prognose 5-JahresÜberleben*

Tumor kann nicht beurteilt werden

> 90 %

I

II B

III IV

T4 jedes T

jedes N

M1

Tumor hat Nachbarorgane infiltriert, aber nicht die großen Blutgefäße (Truncus coeliacus, A. mesenteria cranialis) 50–60 % N1 = Metastasen in den regionalen Lymphknoten

Tumor hat Nachbarorgane infiltriert einschließlich der großen Blutgefäße (Truncus coeliacus, A. mesenteria cranialis)

15 %

M1 = Fernmetastasen

Diagnostik Symptome/Diagnostik Funktionelle Pankreasinselzelltumoren: • verursachen relativ früh Symptome durch die von ihnen sezernierten Hormone, • können an diesen Symptomen identifiziert werden, noch bevor sie mit bildgebenden Verfahren erkennbar sind. Nichtfunktionelle Pankreasinselzelltumoren • werden meist erst durch klinische Symptome erkannt, die sie durch Gewebeverdrängung bewirken. Bildgebende Verfahren (siehe Übersicht Kap. 8.13) • Sonografie des Abdomens, • CT/Computertomografie,

668 • •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

MRT/Magnet-Resonanztomografie, Somatostatin-Rezeptor-Szintigrafie, – bei Insulinomas nur gering verwertbar wegen geringer Expression von Somatostatin-Rezeptoren

Gastrinome • Klinik – rezidivierende Magengeschwüre, Durchfall (Zollinger-Ellison-Syndrom), – etwa 15–35 % der Gastrinome sind assoziiert mit dem MEN-1, – etwa 50 % sind maligne, bis zu 33 % der Gastrinome metastasieren in die Leber, • Labordiagnostik – Gastrin ▪ Serumspiegel ~ 10fach über Normalwert, ▪ Provokationstest: Sekretin (1E/kg i. v.): Verdoppelung des Normalwertes innerhalb von 10 min – Magensäure (erhöht) ▪ basaler Wert im Vergleich zu maximalem Wert (nach Provokation) ≥ 0,6, – hCG/humanes Chorion-Gonadotropin (Blutplasma/Serumspiegel erhöht). Insulinome • Klinik – etwa 5–8 % sind assoziiert mit dem MEN1-Syndrom, – etwa 10 % sind multiple, nur 10 % sind maligne, – Hypoglykämie durch vermehrte Insulinausschüttung, • Labordiagnostik – charakteristisch: durch Fasten induzierte Hypoglykämie (< 40 mg/dL) bei gleichzeitig erhöhtem Insulinspiegel, – Proinsulin und Insulin (Serumspiegel erhöht). Glukagonome • Klinik – etwa 75 % der Glukagonome sind maligne ▪ Metastasierung bevorzugt in die Leber – diagnostische Triade bedingt durch überschießende Sezernierung von Glukagon ▪ Hyperglykämie, venöse Thrombosen, nekrotisierendes migrierendes Erythem – Somatostatin-Rezeptor-Szintigrafie ermöglicht Erfassung von Metastasen • Labordiagnostik – Glukagon: Serumspiegel > 1000 pg/ml VIPom • Klinik – bedingt durch erhöhtes VIP/Vasoaktives Intestinales Peptid ▪ wässeriger Durchfall, Hypokaliämie, Achlorhydrie des Magens (Verner-Morrison-Syndrom)

669

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)



Somatostatin-Rezeptor-Szintigrafie ermöglicht Erfassung von Metastasen Metastasen bevorzugt in der Leber Labordiagnostik – VIP/Vasoaktives Intestinales Peptid: Blutserumspiegel > 200 pg/ml ▪



Somatostatinome • Klinik – sehr selten, – in der Mehrzahl maligne; meist Metastasen bereits bei Erstdiagnose, ▪ Metastasen bevorzugt in der Leber, – bedingt durch erhöhtes Somatostatin ▪ verminderte Sekretion von Pankreas-Enzymen und Bicarbonaten bewirkt Durchfall und Fettstuhl/Steatorrhö, ▪ Inhibition von Cholezystokinin bewirkt Bildung von Gallensteinen, ▪ Inhibition von Insulin bewirkt Hyperglykämie, • Labordiagnostik – Somatostatin (nach Fasten): Blutserumspiegel > 100 pg/ml

Therapiestrategien Die Therapiestrategie ist abhängig von dem klinischen und bildgebenden Befund, ob das Karzinoid potentiell kurativ chirurgisch zu resezieren ist oder nicht (siehe Tab. 8.246). Tab. 8.246: Strategie der Therapie des Pankreaskarzinoids (in Anlehnung an Rinke et al. 2018). potentiell kurativ resektabel Insulinome

Gastrinome





nicht kurativ resektabel

VIPom

Glukagonom

Somatostatinom

Insulinome

übrige











Diaxozid

PPI und/oder SSA

Behandlung der endokrinen Symptome Diaxozid (Insulin )



ProtonenpumpenInhibitor/ PPI+SSA

Somatostatin-analoga/SSA Octreotid, Lanreotid

▾ Tumortherapie

Tumortherapie

▾ großes Tumorvolumen chirurgische Tumorresektion (Primärtumor, regionale Lymphkonten/Lympknotenmetastasen, Fernmetastasen) Ziel R0

Chemotherapie Streptozotozin + 5-Fluorouracil

Capezitabin + Temozolomid

Cisplatin + Etoposid

670

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren





oder

oder geringeres Tumorvolumen Somatostatin-Rezeptor (+) Proliferation Ki-67 < 10 %

primäre prächirurgische Chemotherapie Streptozotozin + 5-FU

Capezitabin + Temozolomid



Somatostatin-analoga/SSA Octreotid, Lanreotid

und sekundäre Tumorresektion (Primärtumor, regionale Lymphkonten/Lympknotenmetastasen, Fernmetastasen) Ziel R0



oder bei Progression



Radionuklid-Therapie 90 Yttrium- oder 177 Lutetium-Octreotat

ggf. geringeres Tumorvolumen, Somatostatin-Rezeptor (+), Proliferation Ki-67 < 10 %



Somatostatin-analoga/SSA Octreotid, Lanreotid –/+ Interferon α

und/oder

und/oder bei Progression



und oder

Radionuklid-Therapie 90 Yttrium- oder 177Lutetium-Octreotat





Antiangiogenese Everolimus

Sunitinib



und

oder



bestmögliche symptomatische/palliative Therapie

engmaschige Nachsorge

Chirurgische Verfahren Die bestmögliche Resektion des Tumors ist die Methode der Wahl: • bei lokalisierten Tumoren – einzige potentiell kurative Behandlungsmöglichkeit, • bei fortgeschrittenen, metastasierten Tumoren – zur Verminderung der Krankheitssymptome bedingt durch die von den Tumoren gebildeten Hormonen, Peptiden und Transmittern, – zur Behebung von Symptomen, verursacht durch das Tumorvolumen, – zur Verlängerung des Überlebens, • bei Rezidiven – zur Verminderung der Krankheitssymptome bedingt durch die von den Tumoren gebildeten Hormonen, Peptiden und Transmittern, – zur Behebung von Symptomen, verursacht durch das Tumorvolumen, – zur Verlängerung des Überlebens. Das operative Verfahren beinhaltet je nach Ort und Ausdehnung des Tumors: • beim Pankreas – eine Tumor-Enukleation, – eine Resektion des Kopfes, des Körpers oder des Schwanzes des Pankreas,

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)





671

beim Pankreas und benachbarten Organen – eine (partielle) Pankreatoduodenektomie, – eine (partielle) Pankreatogastrektomie, bei Lebermetastasen – eine Enukleation, – die Resektion eines Leberlappens, – die Chemoembolisation der einen tumorbefallenen Leberlappen versorgenden Arterie.

Radionuklidtherapie • Radionuklid-Therapie mit an Octreotate gekoppeltem 90 Yttrium, 111Indium oder 177Lutetium bei denjenigen Tumoren, welche Somatostatin-Rezeptoren exprimieren. Chemotherapie Die Therapie umfasst • Somatostatin-Analoga – soweit das jeweilige Karzinoid Somatostatin-Rezeptoren exprimiert, – zur Verminderung der durch die Sezernierung von Hormonen/Transmittern bedingten Symptome, – zur Wachstumskontrolle, • Zytostatika-Kombinationen – Capecitabin + Temozolomid – Streptozocin (toxisch für β-Zellen und Insulinome) + 5-Fluorouracil oder + Doxorubicin – Cisplatin oder Carboplatin + Etoposid, – Nitrosoharnstoffe (Chlorozotocin), – DTIC/Dimethyl-1-triazenyl)imidazole-4-carboxamide/Dacarbazine, • Inhibitoren der Angiogenese – Tyrosinkinase-Inhibitoren (z. B. Sunitinib), – TOR-Inhibitoren (z. B. Everolimus) – VEGF/Vascular Endothelial Growth Factor-Inhibitoren (z. B. Bevacizumab) Therapie der Hypersekretionssymptome • Insulinom – Hypoglykämie: Therapie mit Diazoxid, Glukokortikoiden und/oder Somatostatin-Analoga • Gastrinom – Hyperazidität: Therapie mit Protonenpumpen-Hemmern; zusätzlich SomatostatinAnaloga Glucagonom • – Hyperglykämie, venöse Thrombosen, nekrotisierendes migrierendes Erythem: Therapie mit Somatostatin-Analoga und zusätzliche symptomatische Therapie • VIPom – wässeriger Durchfall, Hypokaliämie, Achlorhydrie des Magens: Therapie mit Somatostatin-Analoga und zusätzliche symptomatische Therapie

672

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Prognose Die Prognose ist besser als diejenige von Tumoren des exokrinen Pankreas (siehe Tab. 8.245). Das 5-Jahres-Überlegen liegt: • bei lokalisierten, vollkommen resezierbaren Tumoren: im Bereich von 50–60 %, • bei nicht resezierbaren Tumoren: im Bereich von 15 %, • über alle Gruppen hinweg betrachtet: im Bereich von 40–45 %.

Weiterführende Literatur Mönig H, Begum N, Gieseler F, Bohnet S, Harbeck B, Hubold C, Lützen U, Schrader C. Leitlinien zur standardisierten Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Neuroendokrinen Tumoren, Stand 29. 09. 2009; http://www.innere1.uni-luebeck.de/klinik/net-zentrum/pdf/sops-net-ccc-9–09.pdf National Cancer Institute (USA), Pancreatic Neuroendocrine Tumors (Islet Cell Tumors) Treatment (PDQ®), Stand: 11/10/2011; http://www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/isletcell/HealthProfessional/ page5 Rinke A, Wiedemann B, et al. 2018, https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/021-026l_S2k_ Neuroendokrine_Tumore_2018-07.pdf

8.13.5 Schilddrüsenkarzinome Vorkommen Schilddrüsenkarzinome sind relativ selten, stellen jedoch die häufigste Tumorerkrankung des endokrinen Systems dar. Sie werden unterteilt in: • Adenokarzinome – papilläres Schilddrüsenkarzinom, – follikuläres Schilddrüsenkarzinom, • NET/Neuro-Endokrine Tumore – medulläres Schilddrüsenkarzinom, • anaplastische Schilddrüsenkarzinome, • sonstige Tumoren – Sarkome (siehe Kap. 8.9), – Lymphome (siehe Kap. 8.15), – sekundäre Tumoren. Die Anzahl der Neuerkrankungen (N) und die Todesraten (T) durch Schilddrüsenkarzinome (jeweils bezogen auf 100.000 Personen) • sind in den westlichen Industrieländern und dem westlich geprägten Australien deutlich höher als in den übrigen Territorien; so sind die jeweiligen Zahlen für das Jahr 2008: – weltweit gesamt N: 3,1 T: 0,5 ▪ Frauen N: 4,7 T: 0,6 ▪ Männer N: 1,5 T: 0,3

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

673



Nord-Amerika gesamt N: 9,9 T: 0,3 Frauen N: 15,1 T: 0,3 ▪ Männer N: 4,6 T: 0,3 – Zentral-Amerika gesamt N: 3,0 T: 0,6 – Süd-Amerika gesamt N: 3,3 T: 0,5 – Asien gesamt N: 2,3 T: 0,5 – Afrika gesamt N: 1,6 T: 1,1 – Australien gesamt N: 6,8 T: 0,3 ▪ Frauen N: 10,6 T: 0,3 ▪ Männer N: 3,0 T: 0,3 – Europa gesamt N: 4,9 T: 0,4 ▪ Frauen N: 7,3 T: 0,4 ▪ Männer N: 2,3 T: 0,3 sind für Frauen deutlich höher als für Männer (z. B. Nordamerika: Verhältnis Männer : Frauen = 1 : 3,3), treten im Alter meist zwischen 25 und 65 Jahren in Erscheinung, nehmen weltweit zu. ▪

• • •

Risikofaktoren • radioaktive Strahlung – zu therapeutischen Zwecken in der Halsregion bzw. Thoraxregion, ▪ z. B. zur Behandlung eines vergrößerten Thymus, vergrößerter Tonsillen, vergrößerter Speicheldrüsen, oder einer Akne (besonders im Kindesalter), ▪ Schilddrüsenkarzinome können nach der Bestrahlung innerhalb einer Zeitspanne von etwa 5 bis 20 Jahren und später entstehen, – Aufnahme von radioaktivem Iod mit der Atemluft oder mit der Ernährung ▪ z. B. im Bereich von Atombombenexplosionen oder technischen Pannen von Atomkraftwerken, • familiäre/genetische Faktoren – weibliches Geschlecht – familiär auftretende Schilddrüsenerkrankungen ▪ MEN2A und 2B/Multiple Endokrine Neoplasie Typ 2A und 2B mit gehäuft auftretendem medullären Schilddrüsenkarzinom – sporadisch auftretende follikuläre Schilddrüsenkarzinome ▪ aktivierende Mutationen des Gens für Ras, ▪ inaktivierende Mutationen des Gens für p53, • chronische Schilddrüsenentzündung/Thyreoiditis

Klassifikationen Die Klassifikation des Entwicklungsstandes und der Ausbreitung des Tumors erfolgt nach Maßgabe (siehe Tab. 8.247) • des AJCC/American Joint Committee on Cancer und • des TNM-Systems der UICC.

674

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.247: Entwicklungsstadien und Klassifikationen der Schilddrüsenkarzinome.

Entwicklungsstadium AJCCStadium

TNMKlassifikation Schilddrüse

Benachbartes Gewebe

Tx

Nx

Mx

Tumor kann nicht beurteilt werden

T0

N0

M0

kein Anhaltspunkte für Tumor

T1a

N0

M0

Tumor ≤ 1 cm

I

II

T1b

N0

M0

Tumor ≤ 2 cm

T2

N0

M0

Tumor > 2 ≤ 4 cm

Papillär/Follikuläre Karzinome

< 45 Jahre*

jedes T, jedes N, M0 jedes T, jedes N, M1

< 45 Jahre

Medulläre Karzinome

Anaplastische Karzinome

T1, N0, M0

T2, N0, M0 T3, N0, M0

Tumor > 4 cm N0

III

T3

N1a

IVA

M0

M0

N0

M0

N1a

M0

T4a

N1b

M0

jedes M0 N

IVB

T4b

IVC

jedes jedes M1 T N

Invasion in perithyroidales Gewebe/ sternothyroidaler Muskel

T3, N0, M0

N1a = Metastasen in prätrachealen, paratrachealen und prälaryngealen Lymphknoten

T3, N1a, M0

Invasion in Gewebe außerhalb der Schilddrüsenkapsel (Larynx, Trachea, Ösophagus) N1b = Metastasen in unilaterale, bilaterale oder kontralaterale zervikale, retropharyngeale oder obere mediastinale Lymphknoten

T1–3, N1a, M0

T4a, N0, M0

T4a, N1a, M0

T4a, N1b, M0

T4a, jedes N; M0 auch nur intrathyroidales Wachstum

T1–3, N1b, M0

Invasion in prevertebrale Faszien, A. carotis; mediastinale Gefäße

T4b, jedes N, M0

M1 = Fernmetastasen

jedes T, jedes N; M1

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

675

Risikoeinstufung histol. Typ

papillär

Größe

Zahl/Mutation

exthyreodal

V

N

M

Risiko

≤ 1 cm

solitär

nein

V0

N0

M0

niedrig

> 1 cm

multifokal

invasiv

V0/ V1

N1

M1

hoch

B-Raf

hoch minimal

folikulär

V0

breit invasiv

N0

M0

N0

M0 M0

niedrig hoch

minimal

V1

N0

nein (R0/R1)

V0

N0/Nx

≤ 1 cm (pT1a)

nein (R0/R1)

V0

N0/Nx

> 2 ≤ 4 cm (pT2)

nein (R0/R1)

N0/Nx

> 4 cm (pT3)

nein (R0/R1)

N0

M0

> 4 cm (pT3)

invasiv (R0)

V1

N0

Mx

> 4 cm (pT3)

invasiv (R0)

V1

N1a/b

pT4

invasiv (R1/R2)

V1

N0/N1

≤ 1 cm (pT1a)

uni/multi

niedrig differenziert (papillär + follikulär)

undifferenziert/ anaplastisch

alle Entwicklungsstadien werden pT4 (dem Stadium IV) zugordnet

mittel

M1

hoch

hoch

Histologische Klassifikation, Metastasierungswege und Prognose Thyreoidale Karzinome werden unterteilt in differenzierte Karzinome (papilläres und folikuläres Karzinom), in medulläre Karzinome und in undifferenzierte/anaplastische Karzinome • papilläre Karzinome – stellen 50–80 % aller Schilddrüsen-Karzinome dar, – treten bevorzugt im Alter zwischen 35–60 Jahren auf – bei Patienten < 45 Jahre: ▪ in etwa 50 % der Fälle multifokal, ▪ haben bessere Prognose als papilläre Karzinome bei Patienten > 45 Jahre, ▪ werden nur in die Stadien I (Tumor begrenzt auf die Schilddrüse) und II (Tumor hat metastasiert) eingeteilt (siehe Tab. 8.247), ▪ Metastasierungswege sind vorwiegend die Lymphgefäße, ▪ Tumormarker ist das Thyreoglobulin, – bei Patienten > 45 Jahre ▪ in 50–80 % multifokal, ▪ metastasieren meist lymphogen in die regionalen Lymphknoten (im Stadium Ia bei 10–15 % der Fälle bereits Lymphknotenmetastasen),

676

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Fernmetastasen treten selten auf und dann vorwiegend in der Lunge und im Knochenskelett, ▪ Tumormarker ist das Thyreoglobulin, – Prognose (bei bestmöglicher Therapie) ▪ 5-Jahres-Überleben im Mittel bei ca. 90 %, ▪ schlechtere Prognose bei aktivierender Mutation von B-Raf („Rapidly Accelerated Fibrosarcoma“) ▪ bessere Prognose bei papillärer Mikrokarzinome (PTMC) (≤ 10 mm) mit niedrigem Rezidiv- und Metastasierungsrisiko, follikuläre Karzinome – stellen 20–40 % aller Schilddrüsen-Karzinome dar, – treten bevorzugt im Alter zwischen 40–50 auf – bei Patienten < 45 Jahre ▪ haben bessere Prognose als das papilläre Karzinom, ▪ werden nur in die Stadien I (Tumor begrenzt auf die Schilddrüse) und II (Tumor hat metastasiert) eingeteilt (siehe Tab. 8.247), ▪ intravaskuläre oder breite perithyroidaler Invasion verschlechtert die Prognose, ▪ Metastasen in Lymphknoten haben keinen Einfluss auf die Prognose, ▪ Tumormarker ist das Thyreoglobulin, – bei Patienten > 45 Jahre ▪ haben schlechtere Prognose als das papilläre Karzinom, ▪ intravaskuläre oder breite perithyroidaler Invasion verschlechtert die Prognose, ▪ metastasieren vorwiegend hämatogen in die Lunge und in das Knochenskelett (auch schon bei kleinem Primärtumor), ▪ Tumormarker ist das Thyreoglobulin, – Hürthle-Zell-Karzinom ▪ stellt eine Variation des follikulären Karzinoms mit etwa gleichen Eigenschaften dar, – Prognose (bei bestmöglicher Therapie) ▪ 5 Jahres-Überleben im Mittel bei ca. 80 %, medulläres Karzinom – stellt den NET/Neuro-Endokrinen Tumor der Schilddrüse dar ▪ Anteil von etwa 4–10 % an allen Schilddrüsenkarzinomen, ▪ bei der sporadischen Form meist unilateral, ▪ bei der familiären Form (MEN2A und MEN2B) fast immer bilateral, ▪ 25 % der medullären Karzinome sind familiär/genetisch bedingt, – sezerniert Calcitonin (Tumormarker) ▪ erhöhtes Calcitonin im Blutserum ist Nachweismöglichkeit für okkulten Tumor, ▪ Provokation der Sezernierung durch Penta-Gastrin, – Metastasen in den regionalen Lymphknoten können in etwa 50 % der Fälle bei der Erstdiagnose gefunden werden, ▪





8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

677



Prognose ist abhängig von dem Entwicklungsstand des Tumors, ▪ von der Möglichkeit der kompletten Tumorresektion (R0), ▪ 5-Jahres-Überleben im Mittel bei ca 80 %, im fortgeschrittenen Stadium IV bei ca. 10 %; anaplastische (undifferenzierte) Karzinome – stellen 3–5 % aller Schilddrüsen-Karzinome dar, – treten bevorzugt im Alter zwischen 70–80 Jahren auf – werden unterteilt in kleinzellige und großzellige anaplastische Tumoren, – erscheinen als harter, schnellwachsender Knoten in der Schilddrüse und deren Umgebung, – werden wegen ihres hochmalignen Verlaufes in allen Entwicklungsstadien dem Stadium IV zugeordnet ▪ der Tod resultiert meist aus der lokalen Tumorausbreitung im Halsbereich, – Prognose ▪ 5-Jahres-Überleben im Mittel bei < 10 % ▪



Symptome • palpable(r) Knoten in der Schilddrüse, • zervikale Lymphadenopathie, • Heiserkeit – Beeinträchtigung des N. laryngeus recurrens, • Horner-Syndrom durch Beeinträchtigung des zervikalen sympathischen Grenzstrangs mit – meist einseitiger Pupillenverengung (Miosis), herabhängendem Oberlid (Ptosis) einem in die Augenhöhle eingesunkenem Augapfel (Enophthalmus), • Schluckbeschwerden/Dysphagie, • im fortgeschrittenen Stadium: Symptome verursacht durch Metastasen

Diagnostik • klinische Untersuchung – Adspektion/ Palpation/Inspektion ▪ Knotenbildungen in der Schilddrüse und ihrer Umgebung ▪ ggf. HNO-Untersuchung des Pharynx, Larynx und der Stimmbandfunktionen • biochemische/labordiagnostische Untersuchungen im Blutplasma/serum – freies T3/Triiodthyronin, freies T4/Tetraiodthyronin, TSH/Thyreoidea-Stimulierendes Hormon beim papillären und follikulären Karzinom – Calcitonin (bei medullärem Karzinom) ▪ Blutspiegel vor und nach Stimulation der parafollikulären C-Zellen und/oder der medullären Schilddrüsenkarzinomzellen mit Pentagastrin ▪ bei medullärem Schilddrüsenkarzinom drastisch erhöhte Calzitoninwerte nach Stimulation

678

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren









Thyreoglobulin ▪ Erhöhung Hinweis auf Adenokarzinom ▪ geeignet für Verlaufskontrolle nach Resektion des Tumors – bei Verdacht auf Autoimmunreaktionen ▪ TPO-AK/Schilddrüsenperoxidase-Antikörper, ▪ M-AK/mikrosomale Schilddrüsen-Antikörper ▪ T-AK/Thyreoglobulin-Antikörper und ▪ TR-AK/TSH-Rezeptor-Antikörper molekularbiologische Untersuchungen – bei Verdacht auf familiäres medulläres Schilddrüsenkarzinom im Rahmen der MEN2A/2B/Multiple Endokrine Neoplasie ▪ Mutationsanalyse der RET/Rearranged during Transfection-Kinase ProtoOnkogens – bei papillären Schilddrüsenkarzinomen Nachweis von aktivierender B-Raf-Mutation bildgebende Verfahren – Schilddrüsen-Sonografie, ggf. ergänzt um die Elastografie zur Messung der Elastizität des Gewebes ▪ Schilddrüsen-Karzinome zeichnen sich durch eine festere Struktur aus – Schilddrüsen-Szintigrafie mit Natrium-99mTechnetium-Pertechnat (Na99mTcO4) oder 123Iod oder 131Iod ▪ kalte Knoten bilden keine Schilddrüsenhormone und binden kein Technetium oder Iod ▪ etwa 12–15 % der kalten Knoten in der Schilddrüse enthalten ein Karzinom; der Anteil ist bei Personen unter 40 Jahren größer – die Somatostatin-Rezeptor-Szintigrafie (siehe Übersicht NET Kap. 8.13) ▪ bei medullären Karzinomen – bei Verdacht auf Tumorausbreitung/Metastasierung ▪ Röntgenuntersuchung des Thorax in 2 Ebenen ▪ CT ▪ MRT Biopsien – Feinnadelbiopsie

Therapiestrategien Die wesentliche Therapiestrategie ist in Tab. 8.248 zusammengefasst. Sie beinhaltet • primär eine bestmögliche Resektion des gesamten Tumorgewebes • eine Radiojodtherapie bei papillären und follikulären Tumoren • ggf. eine perkutane Radiotherapie • ggf. eine Chemotherapie • ggf. eine gezielte Therapie mit speziellen Proteinkinase-Inhibitoren und/oder • eine Radionuklid-Therapie mit einem Somatostatin-Inhibitor bei medullären Karzinomen.

679

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

Tab. 8.248: Strategie der Therapie des Schilddrüsenkarzinoms (in Anlehnung an Dietlein et al. 2015, Paschke et al. 2015). Schilddrüsen-Karzinom papillär oder follikulär Stadium I/II niedriges Risiko

hohes Risiko*





Lobektomie/ Hemithyreodektomie

totale Thyreodektomie

▾ bei Verdacht

▾ und

regionale Lymphadenektomie

modullär

anaplastisch

Stadium III/IV

Stadium I/II

Stadium III/IV

Stadium IV









totale Thyreodektomie

▾ und

Lymphadenektomie (regional und ggf. tracheoösophagal und mediastinal)

totale Thyreodektomie





Resektion extrathyroidalen Tumorgewebes

Resektion extrathyroidalen Tumorgewebes





regionale Lymphadenektomie (zentrale und bilaterale Ln)

Lymphadenektomie (regional und ggf. tracheoösophagal und mediastinal)

bestmögliche palliative Tumorresektion (Primärtumor und ggf. Metastasen in Lymphknoten und Organen)













und

ggf.

und

bei Rezidiven

und

und ggf.

perkutane Radiotherapie

perkutane Radiotherapie

palliative perkutane Radiotherapie

Nachsorge

Resektion extrathyroidalen Tumorgewebes









und

und

und/oder ggf.

und/oder ggf.

Radio-JodTherapie

Resektion der Metastasen



Radionuklidtherapie (Somatostatin-Analog Y-90-DOTATOC)

und

▾ ggf. bei Rezidiven

Radio-JodTherapie

▾ und ggf.

perkutane Radiotherapie

B-Raf-Inhibitor (Sorafenib)





und/oder ggf.

und/oder ggf.

Chemotherapie (Doxorubicin + Cisplatin)



▾ oder

Nachsorge

bestmögliche symptomatische/Therapie

palliative Chemotherapie (Doxorubicin + Cisplatin)

▾ ▾

ggf.

und und

▾ und ggf.

RET-KinaseInhibitor (Vandetanib) Nachsorge

▾ oder

bestmögliche symptomatische Therapie

*) Hohes Risiko: papilläre Karzinome: Größe < 1 cm, multifokal, invasiv, B-Raf (+), Stadium IV/T4; follikuläre Karzinome: breit invasiv, V1, StadiumIV/T4

680

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Chirurgische Verfahren • Lobektomie/Hemithyroidektomie – bei papillären und follikulären unilokularen Karzinomen mit niedrigem Risiko im Stadium I ▪ Risiko des Rezidivs, tritt auf in etwa 5–10 % der Fälle, ▪ Gefahr der Dedifferenzierung von Tumorresten zu anaplastischen Karzinomen, • totale Thyroidektomie – Methode der Wahl, gilt in frühen Stadien aller Schilddrüsenkarzinome als weitgehend kurativ – bei papillären und follikulären Karzinomen mit hohem Risiko (siehe Tab. 1.813) I, II ▪ Reduktion des Rezidivrisikos, ▪ Verminderung der Gefahr der Dedifferenzierung von Tumorresten zu anaplastischen Karzinomen, ▪ ein Gewebeanteil der Nebenschilddrüse sollte belassen werden, um die Gefahr des Hypoparathyreoidismus zu vermindern, – zusätzlich bestmöglicher Resektion von extrathyroidalem Tumorgewebe ▪ bei papillären und follikulären Karzinomen im Stadium II und bei medullären Karzinomen – prophylaktisch ▪ bei Trägern einer aktivierenden Mutation des RET-Gens (Untersuchung von Familienmitgliedern des MEN2A-/2B-Syndroms) • Exzision der regionalen Lymphknoten – soweit diese tumorverdächtig sind (zentral und ipsilateral) ▪ bei papillären und follikulären Karzinomen im Stadien I, II – radikale Resektion ▪ der zentralen und bilateralen Lymphknoten bei medullären Karzinomen, soweit diese noch lokal beschränkt sind (Stadium I), ▪ zusätzlich bei mediastinalem Tumor-Befall auch der oberen tracheoösophagealen u. anterioren mediastinalen Lymphknoten einschließlich des Thymus • Exzision der Metastasen – bei papillären und follikulären Karzinomen – besonders im Gehirn, in der Lunge und ggf. im Knochensystem • palliativ, zur Linderung von tumorbedingten Beschwerden – beim anaplastischen Karzinom Radiotherapie • Radionuklidtherapie – durch Infusion von ablativ auf Jod aufnehmende Schilddrüsenzellen wirkende Dosen (zwischen 1 und 3,7 GBq) von 131Iod (Natrium-Iodid) – adjuvant und 4–6 Wochen postoperativ ▪ bei papillären und follikulären Karzinomen > 1 cm, so in den Stadien I/T1b, N0, M0, II, (III und IV), ▪ bei papillären Schilddrüsenkarzinomen ≤ 1 cm und mit Risikofaktoren, ▪ bei minimal invasiven follikulären Schilddrüsenkarzinomen ohne Angioinvasion (V0),

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

681

bei entdifferenzierten, anaplastischen Schilddrüsenkarzinomen ggf. nachfolgend zur perkutanen Radiotherapie – jeweils nach TSH-Stimulation entweder (bei primärer Radionuklidtherapie) durch TSH-Verabreichung oder postoperativ durch eine Hormonkarenz über 2–3 Wochen, – mit dem Ziel, alle Jod-speichernden Normalzellen wie auch Tumorzellen zu vernichten durch ▪ Dosen zwischen 1- 3,7 GBq bei restlichen Tumorzellen des Primärtumors (R1Status), ▪ Dosen zwischen 4–11 GBq bei Metastasen (Lunge, Kochen), ▪ Dosen bis maximal 7,4 GBq bei Patienten > 70 Jahre; perkutane Radiotherapie – adjuvant und postoperativ, falls der Tumor nicht ausreichend Iod aufnimmt ▪ bei medullären und anaplastischen Schilddrüsenkarzinomen und ▪ ggf. bei papillären und follikulären Schiddrüsenkarzinomen im Stadien II (III und IV) – palliativ ▪ bei fortgeschrittenen medullären und anaplastischen Karzinomen und deren Rezidiven ▪



Hormontherapie • regelmäßige Einnahme von Thyroxin – zur Hemmung der Ausschüttung von TSH/Thyreoidea-Stimulierendes Hormon durch die Adenohypophyse ▪ bei papillären und follikulären Karzinomen in den Stadien I und II Chemotherapie • Zytostatika: Kombination von Doxorubicin (60–75 mg/m2, Tag 1) + Cisplatin (75 mg/m2, Tag 1); Wiederholung Tag 22 – zur palliativen Behandlung des medullären Karzinoms – zur palliativen Behandlung des anaplastischen Karzinoms zellspezifische Tumortherapie Kinase-Inhibitoren • Inhibitoren der RET-Kinase – z. B. Vandetanib (hemmt zugleich auch den VEGF-R/Vascular Endothelial Growth Factor-Rezeptor und den EGF-R/Epidermal Growth Factor-Rezeptor) – ggf. zur palliativen Behandlung von medullären Karzinomen Stadium III und IV • Tyrosinkinase-Inhibitoren wie z. B. – Sorafenib, welches tumortherapeutisch wirkt durch Inhibition von ▪ B-Raf z. B. in papillären Schilddrüsenkarzinomen ▪ VEGF-Rezeptoren und damit der Tumor-Angiogenese, ▪ für die palliative Behandlung von Rezidiven – Vemurafenib, ein Inhibitor des aktivierend (V600E) mutierten B-Raf, • Radionuklid-Rezeptor-Therapie mit Y-90-DOTATOC, – welches als Somatostatin-Analogon an den Somatostatin-Rezeptor z. B. auf medulären Schilddrüsenkarzinomen bindet.

682

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Weiterführende Literatur Dietlein M, Eschner W, Grünwald Lassmann M, Verburg FA, Luster M, Radioiodtherapie beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom (Version 4), Stand: 10/2015–AWMF-Registernummer: 031–002, https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/031-002l_S1_Radioiodtherapie_differenziertes_ Schilddruesenkarziom_2015–10.pdf Mönig H, Begum N, Gieseler F, Bohnet S, Harbeck B, Hubold C, Lützen U, Schrader C. Leitlinien zur standardisierten Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Neuroendokrinen Tumoren, Stand 29. 09. 2009; http://www.innere1.uni-luebeck.de/klinik/net-zentrum/pdf/sops-net-ccc-9–09.pdf Mohnike K, Moß A. Schilddrüsenkarzinome, Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (DGKJ), Version 01/2011, http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/027-043l_S1_ Schilddruesenkarzinome.pdf National Cancer Institute (USA), Thyroid Cancer Treatment (PDQ®), Stand: 01/06/2012, http:// www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/thyroid/HealthProfessional Paschke R, Lincke, T, Müller, S P, Kreissl, MC, Dralle H, Fassnacht M, Therapie des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms/The treatment of well-differentiated thyroid carcinoma, Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 452–8; Preiß J, Dornoff W, Hagmann F-G, Schmieder A. Onkologie 2011; Juni 2011; http://www.onkologie2011.de/ index.htm WHO, International Agency for research on Cancer; Globocan 2008, Cancer incidence, mortality and prevalence worldwide 2008, http://globocan.iarc.fr/

8.13.6 Nebenschilddrüsenkarzinom Vorkommen Das Karzinom der Nebenschilddrüse ist einer der seltensten Tumoren: • Die Neuerkrankungsrate liegt bei 0,015/100.000 Personen/Jahr. • Der Altersgipfel befindet sich zwischen 45 und 50 Jahren. • Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. • Hervorstechendes Merkmal des Nebenschilddrüsenkarzinoms sind – das im Überschuss gebildete Parathormon; – der durch das Parathormon drastisch erhöhte Spiegel an Kalziumionen. Als Risikofaktoren sind bekannt: • familiäre/genetische Faktoren – MEN1/Multiple Endokrine Neoplasie Typ 1 (siehe Kap. 8.13), ▪ inaktivierende Mutation des Gens für den Tumorsuppressor Menin, der die Aktivität des Transkriptionsfaktors JunD inhibiert, • autosomaler dominanter familiärer Hyperparathyroidismus (FIHP/Familial Isolated Hyper-Parathyroidism) – partielle MEN1 Variante, verursacht durch missense Mutationen, • autosomales dominantes familiäres Hyperparathyroidismus-Kiefertumor-Syndrom (HPT-JT-/Hyper-Parathyroidism-Jaw-Tumor-Syndrome) – Mutation des Gens für Parafibromin (CDC73/Cell Division Cycle Protein 73, Komponente des PAF-Komplexes), das bei der Initiation und Elongation eine regulierende Rolle spielt,

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

683

– •

bei HPT-JT-Syndrom liegt die Häufigkeit von Nebenschilddrüsenkarzinomen bei 15–40 %, radioaktive Bestrahlung.

Klassifikationen Parathyroide Karzinome sind meist (in ca. 80 %) in den zwei unteren parathyroiden Drüsen zu finden. Die Karzinome werden eingeteilt in: • lokalisierte Erkrankung – ohne Infiltration des Nachbargewebes, – mit Infiltration des Nachbargewebes ▪ Schilddrüse, Halsmuskulatur, Nerven, Trachea, Ösophagus; • metastasierte Erkrankung – Metastasen (lymphogen) in den regionalen Lymphknoten ▪ relativ selten (5–6 % der Patienten bei der Erstdiagnose), – Metastasen (hämatogen) in enfernten Organen ▪ häufig in der Lunge (in ca. 25 % der Patienten), ▪ seltener in Leber, Knochen, Pleura, Perikard und/oder Pankreas, ▪ in etwa 50 % der Patienten mit Rezidiven.

Histologisch • werden unterschieden – Hauptzell-Typ – transitionaler Klarzell-Typ – gemischter Zelltyp • ist die Abgrenzung des parathyroidalen Karzinoms vom Adenom schwierig • sind Kriterien der Malignität – die Infiltration der Drüsen-Kapsel, – die Invasion in Blutgefäße, – der Grad der Zelldifferenzierung ▪ etwa 80 % der Karzinome sind gut differenziert – Anzeichen einer numerischen Chromosomenaberrationen/Aneuploidie, ▪ häufig und im großen Ausmaß, jedoch auch bei Adenomen zu finden.

Symptome • allgemein – muskuläre Schwäche, Schwindel, Müdigkeit, Gewichtsverlust, Übelkeit • Nebenschilddrüse – steinharte, in Lappen zergliederte Tumore (Adenome sind im Gegensatz zu den Karzinomen meist weich und rund), – Invasion in benachbarte Gewebe,

684

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tumore im Halsbereich und einseitige Stimmbandlähmung durch Infiltration des Nervus recurrens, bedingt durch die Hyperkalzämie – Polyurie, Polydipsie, Dehydrierung, – Nierensteine und häufige Nierenkoliken, Nephrokalzinose und Niereninsuffizienz (in ~ 55 %–ca. 85 % der Fälle) – Resorption von Knochenmasse (besonders subkortikal), Knochenschmerzen, Knochenbrüche (gemeinsam mit Nierenerkrankung in ≤ 50 % der Fälle) – Pankreatitis, – peptische Magengeschwüre, Erbrechen, Appetitlosigkeit. ▪ ▪



Diagnostik • klinisch – Adspektion/Palpation/Inspektion ▪ Knotenbildungen in der Schilddrüse und ihrer Umgebung, ▪ ggf. HNO-Untersuchung des Pharynx, Larynx und der Stimmbandfunktionen, • biochemisch-labordiagnostische Untersuchungen im Blutplasma/Blutserum, – allgemeine internistische Parameter (Niere, Leber), – PTH/Parathormon; erhöht im Vergleich zum Normalwert, ▪ bei Karzinomen um den Faktor 3–10, bei Hyperparathyreose meist nur um den Faktor < 2 – Kalziumionen ▪ Konzentration > 14 mg/dl (> 3,5 mmol/l), – Phosphationen ▪ deutlich verringert, – Schilddrüsenfunktion ▪ freies T3/Triiodthyronin, freies T4/Tetraiodthyronin, TSH/Thyreoidea-Stimulierendes Hormon, – Autoantikörper gegen Nebenschilddrüsen-Antigene, • biochemisch-labordiagnostische Untersuchungen im Urin ▪ allgemein internistische Parameter, ▪ Ausscheidungsmenge von Kalziumionen und Phosphationen, • molekularbiologische Untersuchungen ▪ bei Verdacht auf familiäres Parathyroidkarzinom, ▪ MEN1/Multiple Endokrine Neoplasie: Mutationsanalyse des Gens für den Tumorsuppressor Menin ▪ familiäre Hyperparathyroidismus-Kiefertumor-Syndrom: Mutationsanalyse des Gens für Parafibromin (CDC73/Cell Division Cycle Protein 73), • bildgebende Verfahren – Schilddrüsen/Hals-Sonografie – Schilddrüsen-Szintigrafie mit Natrium-99mTechnetium-Pertechnat (Na99mTcO4) oder 123Iod oder 131Iod – Nebenschilddrüsen-Szintigrafie mit 99mT/Technetium-Methoxyisobutylisonitrile (sestaMIBI-Szintigrafie)

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

685

die Sensitivität der Kombination von Sonografie und sestaMIBI-Szintigrafie liegt bei > 90 %, – bei Verdacht auf Tumorausbreitung/Metastasierung und/oder Rezidiven 11 ▪ C-Methionin PET, insbesondere vor einer Rezidivoperation, ▪ Röntgenuntersuchung des Thorax in 2 Ebenen ▪ CT (Breischluck-Bilder) ▪ MRT Biopsien – Feinnadelbiopsien haben das Risiko der Tumorstreuung! ▪



Eine Parathyreoidkarzinom ist wahrscheinlich, wenn • im Blutserum – die Kalziumionen-Konzentration > 14 mg/dl ist, – der Spiegel des PTH/Parathormons > 2 × Normalwert ist, • im Halsbereich ein Tumor ertastet werden kann – ggf. vergesellschaftet mit Lähmung eines Stimmbandes (unilaterale Paralyse), • Nieren- und Skeletterkrankungen beobachtet werden können. Therapiestrategien Chirurgische Verfahren Komplette/radikale Resektion des Tumors mitsamt allem tumorverdächtigen Gewebe ist derzeit die einzige potentiell kurative Therapie. Falls eine derartig radikale Resektion nicht gelingt, ist die Prognose deutlich schlechter. • somit sollte auch ohne histologisch gesicherter Karzinom-Diagnose eine radikale Resektion durchgeführt werden, wenn der klinische und intraoperative Befund für ein Karzinom spricht; dieses beinhaltet – Resektion der Nebenschilddrüsen mit ausreichendem Randsaum gesunden Gewebes (R0-Resektion) – Resektion infiltrierter benachbarter Gewebe wie ▪ Schilddrüse, je nach Tumorausbreitung ipsilateral oder bilateral, ▪ Halsmuskulatur ▪ paratracheales Gewebe, ▪ ggf. auch Nervus recurrens, – bei Feststellung des Karzinoms nach einer Erstoperation radikale Nachresektion • Resektion aller Metastasen – Exzision verdächtiger (oder nachgewiesen metastasierter) regionaler zentraler und lateraler Lymphknoten, – soweit möglich in Lunge, Leber, Knochen, Pankreas etc. • Resektion aller Rezidive – die Rezidivrate nach einer Erstoperation liegt zwischen 10–50 %. Radiotherapie • perkutan – postoperativ und adjuvant – palliativ

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Chemotherapie • eindeutig wirksame Zytostatika sind nicht bekannt Begleitende Therapie • der Hyperkalzämie durch – Kalzimimetika wie z. B. Cinacalcet, welches bewirkt ▪ Bindung an und Aktivitätssteigerung des Calcium-sensitiven Rezeptors besonders auf Zellen der Nebenschilddrüse (Steigerung um Faktor 100), ▪ eine verminderte Freisetzung von Parathormon, – Steigerung der Diurese mit konventionellen Verfahren – Inhibition des Kalziumabbaus in den Knochen durch Verabreichung von ▪ Biphosphonaten, ▪ Calcitonin, ▪ Gallium-pamidronat, ▪ Plicamycin. Rezidive • treten postoperativ auf – im Mittel in 40–60 % der Fälle ▪ bei radikaler (en bloc) Resektion in 8 % der Fälle, ▪ nach konventioneller Parathyroidektomie in ~ 50 % der Fälle, – meist innerhalb von 2–5 Jahren jedoch auch bis zu 20 Jahre postoperativ ▪ in etwa 50 % der Fälle gleichzeitig mit Fernmetastasen, – in etwa 65 % der Fälle regional im Narbengewebe, in den zervikalen Lymphknoten oder im Nacken, – meist multifokal • werden meist zuerst an der erneuten Hyperkalzämie erkannt.

Prognose • im Wesentlichen bestimmt durch die tumorbedingte Hyperkalzämie, • 10-Jahres-Überlebensrate zwischen 50 % und 80 %, – im metastasierten Stadium nach radikaler Resektion ca. 30 %.

Weiterführende Literatur Mönig H, Begum N, Gieseler F, Bohnet S, Harbeck B, Hubold C, Lützen U, Schrader C. Leitlinien zur standardisierten Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Neuroendokrinen Tumoren, Stand 29. 09. 2009; http://www.innere1.uni-luebeck.de/klinik/net-zentrum/pdf/sops-net-ccc-9–09.pdf Moß A, S1 -Leitlinie – Primärer Hyperparathyreoidismus, Version 1.0 (März 2016), https://www.awmf.org/ uploads/tx_szleitlinien/174–006l_S1_primaerer-Hyperparathyreoidismus_2016–05.pdf National Cancer Institute (USA), Parathyroid Cancer Treatment (PDQ®), Stand: 03/11/2009; http:// www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/parathyroid/HealthProfessional

687

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

8.13.7 Nebennierenrindenkarzinom Vorkommen Das Nebennierenrindenkarzinom ist ein seltener Tumor. Folgende Daten liegen hierzu vor: • Anzahl der Erkrankten (Prävalenz): etwa 0,1–0,2/100.000 Personen, • Altersgipfel: im Kindesalter und bei ~ 44 Jahren, • Verhältnis Männer zu Frauen M : W = 1 : 1,5, • bei Erstdiagnose ist in etwa 30 % der Fälle der Tumor auf die Nebennierenrinde beschränkt.

Risikofaktoren • Tabakrauchen • adrenogenitales Syndrom

Klassifikation Die Klassifikation des Entwicklungsstandes und der Ausbreitung des Tumors erfolgt nach Maßgabe (siehe Tab. 8.249) • des AJCC/American Joint Committee on Cancer und • des TNM-Systems der UICC. Tab. 8.249: Entwicklungsstadien und Klassifikation des Nebennierenkarzinoms.

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

Nebenniere

I

T1

N0

M0

Tumor ≤ 5 cm

II

T2

N0

M0

Tumor > 5 cm

T3

N0

M0

N1

M0

Angrenzendes Gewebe

Prognose 5-JahresÜberleben* ~ 60 %

III

T1

Tumor hat das angrenzende Fettgewebe infiltriert ~ 40 % N1 = Metastasen in Lymphknoten

T2 T4 IV

T3 jedes T

N1

M0

N1

M0

N1

M0

jedes N

M1

Tumor hat angrenzende Organe infiltriert 5 cm

N0, M0

T3

Tumor-Invasion in umgebendes Gewebe

N1, M0

T4

Tumor-Invasion in benachbarte Organe oder Venen (V. cava, V. renalis)

N1, M0

III IV

T1–T4

N0/N1, M1

688

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Histologisch und biochemisch • hochdifferenzierte Tumoren – meist hormonbildende (endokrinologisch aktive) Tumoren ▪ ca. 60–80 % aller Nebennierenkarzinome • anaplastische (niedrig differenzierte) Tumoren – meist endokrinologisch inaktive/keine Hormone sezernierende Tumoren Prognosefaktoren • Die wichtigsten Prognosefaktoren sind: – das Entwicklungsstadium des Tumors, ▪ Größe des Tumors, ▪ Invasion in benachbarte Gewebe, ▪ Metastasierung in Lymphknoten, – Anzeichen einer numerischen Chromosomenaberration/Aneuploidie, – die Möglichkeit einer vollständigen Tumorresektion (R0-Resektion). Symptome • Gewichtsverlust, Schwäche, Appetitlosigkeit, Völlegefühl und Bauchschmerzen • bedingt durch endokrinologisch aktive Tumoren – ca. 60 % der Patienten leiden unter der erhöhten Hormonausschüttung – erhöhtes Kortisol: Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom) ▪ Stammfettsucht, Stiernacken, Mondgesicht ▪ Diabetes mellitus ▪ Bluthochdruck ▪ Osteoporose – erhöhtes Aldosteron (Conn-Syndrom) ▪ Bluthochdruck, ▪ Kaliummangel; Muskelschwäche, gesteigertem Durst, ▪ Herzrhymthmusstörungen, – erhöhte Östrogenkonzentration im Blut ▪ Feminisierung/Gynäkomastie beim Mann, ▪ vorzeitige Pubertät, – erhöhte Testosteronkonzentration im Blut ▪ Virilisierung/Hirsutismus bei der Frau, ▪ vorzeitige Pubertät, ▪ Akne, • bedingt durch endokrinologisch inaktive Tumoren – verursacht durch die Gewebeverdrängung des Primärtumors und seiner Metastasen

Diagnostik • klinische Untersuchung • biochemische labortechnische Untersuchung – allgemeine internistische Parameter (Blutbild, Nierenfunktion, Leberfunktion) – Hormonbestimmungen im Urin bzw. Blutserum

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

689

freies Kortisol im 24-Stunden-Urin, Serum-Kortisol, Serum-ACTH, ggf. Dexamethason-Hemmtest, ▪ Aldosteron-Renin-Quotient, ▪ 17-Hydroxy-Progesteron, ▪ Dehydroepiandrosteron-S, ▪ Androstendion und freies Testosteron bei Frauen, ▪ 17-Östradiol (bei Männern und postmenopausalen Frauen) – Abgrenzungen zu einem Tumor im Nebennierenmark ▪ Katecholamine im 24-Stunden-Urin ▪ Metanephrin und Normetanephrin im Blutplasma bildgebende Verfahren – Sonografie (Abdomen) – Angiografie und Venografie – bei Verdacht auf Tumorausbreitung/Metastasierung ▪ Röntgenuntersuchung des Thorax in 2 Ebenen, ▪ CT Abdomen und Thorax, ▪ MRT des Abdomens mit Kontrastmittel (Gadolinium), ▪ ggf. Cholesterol-Szintigrafie, ▪ ggf. FDG-PET mit 18F-Fluorodeoxyglukose, Biopsien – Feinnadelbiopsien haben das Risiko der Tumorstreuung ▪ ▪





Klinische Parameter für die Malignität sind • die Tumorgröße. – Tumoren > 6 cm werden bis zum Beweis des Gegenteils als maligne angesehen • Spezielle Gegebenheiten beim CT (Auswaschphase des Kontrastmittels) und MRT (Chemical shift) Präoperativ sind zusätzlich durchzuführen • Bestimmung des ACTH und Glukokortikoids zur Festlegung des perioperativen und postoperativen Hormonsubstitution, • bei Tumoren ohne Nachweis einer Steroidhormonsekretion Ausschluss eines Phäochromozytom Metastasierung • bei ca. 30 % der Patienten bei der Erstdiagnose bereits nachweisbar • die Metastasierung verläuft bevorzugt – durch Streuung über den Bauchraum in das Peritoneum – hämatogen in die Lunge, die Leber und das Skelettsystem/Knochen

Therapiestrategie Die Strategie zur Therapie des Nebennierenrinden-Karzinom beinhaltet (siehe Tab. 8.250) • primär die chirurgische Resektion des Tumors mit dem Ziel eines R0-Status • bei R1/R2-Status die adjuvante Therapie

690

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– –

mit Mitotane und/oder mit Zytostatika und/oder die perkutane Radiotherapie.

Tab. 8.250: Strategie der Therapie des Nebennierenrinden-Karzinoms (in Anlehnung an Libe 2015, Bartsch et al. 2019). Stadium I,II,III

Stadium IV

lokal begrenzt

solitäre, oligo-Metastasen langsame Progression

▾ chirurgische Resektion





R0



> 80 % resektabel



bestmögliche chirurgische Tumor-Reduktion



niedriges/mittleres Risiko Stadium I/II Proliferation Ki-67 < 10 %

hohes Risiko Stadium I/II Proliferation Ki-67 > 10 %





engmaschige Nachsorge

adjuvant Mitotan





bei Rezidiven

bei Progression/ Rezidiven

chirurgische Nachresektion

perkutane Radiotherapie





R1, R2, Rx





oder perkutane Radiotherapie

multiple Metastasen schnelle Progression



0 bis < 80 % resektabel Mitotane



bei Progression Chemotherapie (Etoposid, Doxorubicin Cisplatin)





bei Progression

Mitotan

2. Linie Chemotherapie

oder





ggf.

oder perkutane Radiotherapie

und/oder

ggf.

chirurgische Nachresektion

Mitotan

chirurgische Nachresektion

oder

oder ggf.

Chemotherapie

chirurgische Tumorreduktion



und







oder engmaschige Nachsorge

engmaschige Nachsorge





oder

bestmögliche symptomatische/palliative Therapie

Chirurgische Verfahren Für Nebennierenrinden-Tumoren Stadium I, II und III ist die chirurgische Tumorresektion die Primärtherapie der Wahl für ein kuratives Ziel. Die Resektion sollte im Regelfall erfolgen • bei hormonaktiven Nebennierentumoren unabhängig von der Tumorgröße – minimal-invasiv bei einem Durchmesser von ≤ 6 cm

8.13 Periphere epitheliale neuroendokrine Tumoren (NET)

691

– •

offen laparoskopisch oder retroperitoneoskopisch bei einem Durchmesser von > 6 cm bei hormoninaktiven Tumoren (Ausnahme Myelolipom) – offen bei einem Durchmesser von > 6 cm, – bei einem Durchmesser von 4–6 cm je nach Patientenstatus und individueller Entscheidung, bei einem Durchmesser von < 4 cm nur dann, wenn der Verdacht auf Malignität besteht.

Die Standardtherapie ist • bei unilateralen Tumoren die Adrenalektomie, • bei bilateralen Tumoren die Tumorresektion mit dem Ziel des Erhalts von mindestens einem Drittel einer Nebenniere. Die Resektion des Nebennierenrindenkarzinoms soll erfolgen • möglichst ohne Eröffnung der Kapsel • mit Resektion der regionalen Lymphknoten und ggf. von Femmetastasen Eine radikale Resektion bietet • bei lokalisierter Erkrankung (Stadium I, II) ein kuratives Potential, • bei metastasierter Erkrankung die Möglichkeit der Lebenszeitverlängerung. Radiotherapie • primär und perkutan – adjuvant als Tumorbettbestrahlung – primär bei inoperablen Patienten • palliativ bei metastasierter Erkrankung – z. B. zur Verminderung der Schmerzen bei Knochenmetastasen Chemotherapie • mit Mitotan (RS)-2-(o-Chlorphenyl)-2-(p-chlorphenyl)-1,1-dichlorethan) – Startdosis liegt bei 2 bis 4 g/d, Maximaldosis bei 12 g/d, ▪ der Blutspiegel sollte zwischen 14 und 20 mg/L liegen und überwacht werden, ▪ Konzentrationen unter 10 mg/L sind kaum wirksam, über 20 mg/L mit deutlichen Nebenwirkungen belastet, ▪ Die Behandlung erfolgt über für 2–3 Jahre (bei niedrigem Risiko) und für mindestens 5 Jahre (bei hohem Risiko), – inhibiert den peripheren Stoffwechsel von Steroiden durch Hemmung der SterolO-Acyl Transferase, ▪ eine Hormonsubstitution ist somit notwendig – induziert über einen Lipid-mediierten Zellstress im endoplasmatischen Retikulum Apoptose der Nebennierenrinden-Zellen und führt zur Atrophie und Nekrose der Nebennierenrinde – hemmt des Weiteren die 5α-Reduktase, welche in der Peripherie das von den Hoden gebildete inaktive Testosteron in das biologisch aktive Dihydro-Testosteron umwandelt.

692

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren





in der Veterinärmedizin wird Trilostan (2α,4α,5α,17β)-4,5-Epoxy-17-hydroxy-3-oxoandrostan-2-carbonitril) verabreicht, welches über einen ähnlichen Wirkmechanismus verfügt wie Mitotan, mit Zytostatika bei metastasierter Erkrankung – Etoposid + Doxorubicin + Cisplatin + Mitotan – Streptozocin + Mitotan

Tab. 8.251: Therapieverfahren beim Nebennierenrindenkarzinom in Abhängigkeit vom TNM-Status.

AJCCStadien

TNM-Klassifikation

I

T1

N0

M0

II

T2

N0

M0

T3 III

N0

M0

T1

N1

M0

T2

N1

M0

N1

M0

N1

M0

T4 IV

T3 jedes T

jedes N M1

Chemotherapie

Prognose 5-JahresÜberleben

Chirurgie

Radiotherapie

radikale Tumorresektion

ggf. adjuvant/ perkutan

radikale Tumorresektion und Exzision der regionalen Lymphknoten

ggf. adjuvant/ perkutan oder primär und perkutan (falls inoperabel)

Mitotan (falls inoperabel)

~ 40 %

palliativ zur Verminderung der Tumormasse

palliativ und perkutan (Knochenmetastasen)

palliativ (Mitotan), Zytostatika (Cisplatin, Doxorubicin)

70 Jahren steigt die Inzidenz auf > 30/100.000 Personen/Jahr an, – der Altersgipfel liegt bei etwa 75 Jahren ▪ wobei Männer etwas häufiger betroffen sind als Frauen, ▪ Weiße häufiger erkranken als Mitglieder anderer Ethnien.

Risikofaktoren: • Bei etwa 80–90 % sind die Ursachen weitgehend unbekannt (primäre MDS) – zunehmend werden jedoch angeborene (Keimbahn-Mutationen) oder erworbene Mutationen mit der Entstehung einer MDS in Verbindung gebracht. • Etwa 10 % aller MDS können auf eine vorangegangene Chemotherapie oder Strahlentherapie zurückgeführt werden, – wobei die Kombination von Radiotherapie mit Alkylantien wohl mit einem besonders hohen Risiko verbunden ist und – die Latenzzeit bis zum Auftreten des MSD etwa 2–6 Jahre beträgt. • Nach den Atombombenabwürfen in Japan 1945 wie auch dem Reaktorunfall in Tschernobyl 1986 wurden vermehrt myelodysplastische Erkrankungen diagnostiziert, welche schnell in eine akute Leukämie übergingen, sodass die Schlussfolgerung gerechtfertigt ist, dass eine hohe radioaktive Strahlenbelastung zur Entwicklung eines MDS führen kann. • Als Ursachen werden des Weiteren toxische und/oder karzinogene Chemikalien diskutiert wie z. B. – organische Chemikalien, Lösungsmittel, Treibstoffe (z. B. Benzen, Benzole, Toluen, Xylen, Petroleum, Benzin, Diesel-Öle, Kerosin),

704

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

wobei eine langjährige Exposition (ca. 10–20 Jahre) z. B. bei Tankstellenarbeiter (Betankung von PKW, LKW, Flugzeugen), Malern und Lackierern als Voraussetzung gilt, chronischer Tabakkonsum, Antibiotika (Chloramphenicol), Schwermetalle, Herbizide und Pestizide, andauernde Exposition mit Auspuff-Gasen, Nitro-Sprengstoffe.



– – – – – –

Symptome sind meist bedingt durch eine Bizytopenie oder Panzytopenie, wie z. B. • Anämien mit – Leistungsminderungen, körperliche Schwäche, Herzrasen, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Verwirrungszuständen, Blässe der Schleimhäute (Hb < 10 g/dl) und des Nagelbetts (Hb < 8 g/dl) • Leukopenien mit – häufig wiederkehrende Infektionen (Bronchien, Haut) – akuten neutrophilen Dermatitiden, • Thrombozytopenien mit – Petechien, Zahnfleischblutungen, Hämatomen nach Bagatell-Traumen – in 10 % der Fälle auch schwere Blutungen im Gastrointestinal-Trakt, in den Harnwegen, in der Retina, dem ZNS Schwellungen der Milz und der Leber • Mehr als 50 % der Patienten benötigen zum Zeitpunkt der Erstdiagnose Bluttransfusionen.

Diagnostik Die Diagnostik umfasst • klinische Untersuchung • Blutbild – quantitativ (Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten, Hämoglobin) – qualitativ (zytomorphologisch) ▪ Differentialblutbild ▪ Retikulozytenzahl ▪ morphologische Zeichen einer Dysplasie einer oder mehrerer hämatopoetischer Zellreihen ▪ mindestens 10 % der Zellen einer Zellreihe müssen eindeutige Zeichen einer Dysplasie aufweisen ▪ die Anzahl der Blasten • Knochenmark (Knochenmark-Aspirate und Stanzbiopsien) mit zytologischer und histologischer Untersuchung

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

– – –





705

ist häufig normozellulär oder sogar hyperzellulär, in etwa 10–20 % der Fälle hypozellulär, mit morphologischen Zeichen einer Dysplasie einer oder mehrerer hämatopoetischen Zellreihen ▪ mindestens 10 % der Zellen einer Zellreihe müssen eindeutige Zeichen einer Dysplasie aufweisen – mit Blasten ▪ < 20 % Blasten spricht für ein MDS/Myelo-Dysplastisches Syndrom ▪ ≥ 20 % Blasten sind definitionsgemäß eine akute Leukämie – die histochemisch/morphologische Differenzierung von monozytären Zellen, Ringsideroblasten, Dysplasien und Fibrosen mit Hilfe von ▪ Eisenfärbung, ▪ Nachweis von Myeloperoxidase und Esterase, ▪ PAS/Periodic Acid Schiff-Reaktion auf Glykokonjugate, ▪ wobei der Anteil von Ring-Sideroblasten wie auch Mutationen von SF3B1 (siehe Tab. 8.188) entscheidende Kriterien für die Klassifikation darstellen, – als Dysplasie-Zeichen gelten ▪ Erythropoese: fragmentierte Kerne, ▪ Megakaryozytopoese: statt großer gelappter Kerne einzeln liegende Zellkerne in einer Zelle oder einkernige Mikromegakaryozyten; Bild wie das der „Spiegeleier“ bei Plasmazellen, ▪ Granulozytopoese: hantel- oder brillenförmige zweilappige Kerne, beide Kernanteile durch einen breiten Steg verbunden (wie sonst nur bei den eosinophilen Granulozyten), ▪ Hypogranulierungen (Pseudo-PELGER-HUET-Anomalie), – wobei an Hand der Knochenmark-Histologie zusätzlich die Knochenmarksarchitektur, die morphologische Struktur der Hämatopoese und das Ausmaß der Fibrose beurteilt werden kann; biochemisch-labordiagnostisch – Standarduntersuchung für den Funktionsnachweis von Niere und Leber, – zusätzliche Untersuchung des Blutplasmas oder Serums zur Abgrenzung von Anämien durch andere Erkrankungen ▪ LDH/Laktat-Dehydrogenase ▪ Thymidinkinase ▪ Ferritin ▪ Erythropoetin ▪ Folsäure und Vitamin B12 molekularbiologische Untersuchung – etwa 90 % der Patienten weisen bei der Erstdiagnose eine Veränderung (meist Punktmutationen) auf in mindestens einem der Gene kodierend für ▪ Proteine des Splicingapparats (z. B. SF3B1, SRSF2, ZRSR2, U2AF1), ▪ Regulatoren epigenetischer Modifikationen (z. B. DNMT3A, TET2, ASXL1, IDH1/2, EZH2) und für ▪ Transkriptionsfaktoren (z. B. RUNX1, TP53, ETV6, NPM1, CEBPalpha, GATA2)

706

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



gehäuft sind zu finden Deletionen eines Teiles oder eines gesamten Chromosoms 5 ▪ Deletionen eines Teiles (z. B. des Tumorsupressor-Gens für SAMD9) oder eines gesamten Chromosoms 7, ▪ Deletionen eines Teiles (langer Arm) oder eines gesamten Chromosoms 20 ▪ Trisomie des Chromosoms 8 zur Abgrenzung von Leukämien werden untersucht ▪ aktivierende Mutationen des JAK-2 ▪ Translokation zu bcr-abl ▪ aktivierende Mutationen des PDGFR-α/β ▪



Klassifikation Die Klassifikation erfolgt (auf der Grundlage der FAB-/Französisch-Amerikanisch-Britischen-Klassifikation, dem Bournemouth Score, dem Sanz Score, dem Lille Score) gemäß der aktuellen WHO-Klassifikation (siehe Tab. 8.255) mit folgenden Aktualisierungen: • neben den reinen MDS wird eine Gruppe von gemischten myelodysplastisch-myeloproliferativen Neoplasien abgegrenzt, • beim Blastenanteil liegt der Schwellenwert zur akuten Leukämie in Blut und Knochenmark bei 20 % (beim Prognosescore für die MDS bis zu 30 %), • erforderlich ist eine Chromosomenanalyse, • als neue Terminologie wurde eingeführt; – MDS-SLD/MDS- Single Lineage Dysplasia ▪ statt refraktäre Zytopenie mit unilinearer Dysplasie (RCUD/Refractory Cytopenia with Unilineage Dysplasia), – MDS-MLD/MDS-Multi-Lineage Dysplasia ▪ statt refraktäre Zytopenie mit multilinearen Dysplasien und mit/oder ohne Ringsideroblasten (RCMD/ Refractory Cytopenia with Multilineage Dysplasia), – MDS-MLD-RS (MDS-Multilineage dysplasia ohne Blastenvermehrung aber mit Ring-Sideroblasten und/oder SF3B1 Mutation) ▪ statt refraktäre Zytopenie mit multilinearen Dysplasien und mit Ringsideroblasten RCMD-RS (Refractory Cytopenia with Multilineage Dysplasia and Ring-Sideroblasts), – MDS-EB (MDS-Excess Blasts) ▪ statt refraktäre Anämie mit Blastenvermehrung (RAEB/Refractory Anemia with Excess Blasts) – MDS del(5q) ist erweitert worden um diejenige Gruppe, welche neben der del(5q) auch eine einzelne weitere chromosomale Aberration haben. ▪ jedoch werden Patienten mit einer Zusatzanomalie von Chromosom 7 auch weiterhin nicht in der Gruppe der MDS del(5q) geführt.

707

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

Tab. 8.255: Klassifikation der MDS/myelodysplastischen Syndrome. Klassifikation der Myelodysplastischen Syndrome (WHO 2016) Gruppe

hämatopoetische Zell-Reihen mit

MSD mit

Dysplasien

Zytopenien

an erythroiden Zellen

falls SF3B1 mutiert

KM

PB

Einliniendysplasie

1

1 bis 2

< 15 %

14) Jahre, – eine Chromosomenzahl < 45, – eine t(9;22)/BCR-ABL oder t(4/11)/KMT2A-AFF1 Translokation, – ≥ 1000 Blasten/μl nach der Therapie der Vorphase, – ≥ 5 % Blasten nach der Induktionstherapie und/oder – eine MRD von ≥ 10−3 nach 12 Wochen Therapie.

720

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Therapiestrategien Tab. 8.261: Strategie der Therapie der Akuten Lymphatischen Leukämie/ALL (in Anlehnung an Gökebuget et al. 2018). Erwachsene ALL oder LBL Ph (–)

ALL Ph (+)





≤ 55 Jahre

> 55 Jahre





Vorphase + Induktionphase

Vorphase + Induktionphase





Konsolidation I

Konsolidation I + II

Risiko (+)

Risiko (+++)





regelmäßige MRD Kontrolle

▾ ErhaltungsTherapie

▾ regelmäßige MRD Kontrolle



MRD (–)



MRD (+)





allogene Stammzelltransplantation

MRD (–)

MRD (+)

Konsolidation I-IV



▾ Erhaltungstherapie





▾ regelmäßige molekulargenetische MRD-Kontrolle Jahr 1: alle 3 Monate, danach alle 6 Monate

▾ regelmäßige MRD-Kontrollen



falls MRD (+) und Resistenzen Wechsel der Tyrosin-Phosphokinase-Inhibitoren



oder

Konsolidation I–IV

Erhaltungstherapie

Chemotherapie + TyrosinPhosphokinaseInhibitoren

allogene Stammzelltransplantation



regelmäßige molekulargenetische MRD-Kontrolle Jahr 1: alle 3 Monate, danach alle 6 Monate

regelmäßige molekulargenetische MRD-Kontrolle Jahr 1: alle 3 Monate, danach alle 6 Monate



falls Rezidiv/MRD (+) Chemotherapie der Induktionsphase (+/− Nelarabin)



und/oder Immuntherapie

regelmäßige molekulargenetische MRD-Kontrolle Jahr 1: alle 3 Monate, danach alle 6 Monate

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

721

Blinatumomab (bispezifischer Anti-CD19- und Anti-CD3-Antikörper)

▾ oder Inotuzumab (Anti-CD22-Antikörper gekoppelt mit dem Zellgift Calicheamicin)

▾ oder Tisagenlecleucelum (CTL019/anti-CD19 gerichtete CAR-T-Zellen) LBL = Lympho-Blastisches Lymphom; MRD = minimale Resterkrankung/Minimal Residual Disease; Ph = Philadelphia-Translokation t(9;22) mit dem Fusionsprotein BCR-ABL

Chemotherapie Die ALL wird vorwiegend chemotherapeutisch behandelt: • mit kurativem Ziel, • im Rahmen von klinischen Studien, deren Ziel es ist, fortschreitend Verbesserungen der Heilung anzustreben. Die Grundelemente der Chemotherapie der ALL beinhalten (siehe Tab. 8.257) • Vorphase – Verabreichung von Dexamethason und Cyclophosphamid über 5 Tage zur schonenden Zellverminderung und zur Vermeidung eines Tumorlyse-Syndroms (im Regelfall auch bei Hyperleukozytosen ausreichend), – Erfassung des immunologischen und molekulargenetischen Status, – erste Liquorpunktion zur Diagnostik und – intrathekale Prophylaxe mit Methotrexat, • Induktionsphase I – Verabreichung von Vincristin + Doxorubicin + Dexamethason + Asparaginase (ggf. konjugiert an PEG/Poly-Ethylen-Glykoll) ▪ bei Asparaginase ist besonders auf allergische Reaktionen und Hepatotoxizität zu achten – Kontrolle der Remission mit molekulargenetischer Bestimmung der minimalen Resterkrankung (MRD/Minimal Residual Disease) ▪ falls der Blastenanteil ≥ 5 % beträgt, erfolgt die Zuordnung zur Hochrisikogruppe • Induktionsphase II – Verabreichung von ▪ Cyclophosphamid + Cytosin-Arabinosid + 6-Mercaptopurin ▪ Asparaginase (höhere Dosis) und ▪ ggf. (bei CD20 (+) ALL) Anti-CD20 Antikörper Rituximab – Intrathekale Applikation von Methotrexat zur Prophylaxe

722 •





8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Konsolidierungstherapie – Wiederholung der Therapie der Induktionsphase und/oder – hochdosiert Methotrexat + hochdosiert Cytosin-Arabinosid + hochdosiert Asparaginase, – Wiederholungen (I, II, III, IV) der Konsolidierungstherapie, Erhaltungstherapie – Methotrexat (20 mg/m2 einmal pro Woche), täglich Mercaptopurin (50 mg/m2/Tag, Dosis jedoch dem Blutbild angepasst) über ≤ 2,5 Jahre ZNS-Prophylaxe – Risikofaktoren für ZNS-Rezidive sind ▪ T-ALL, reife B-ALL/Burkitt-Leukämie sowie eine hohe Leukozytenzahl bei Diagnosestellung, – Intrathekal werden verabreicht ▪ Methotrexat, ▪ Methotrexat + Cytosin-Arabinosid + Dexamethason und/oder ▪ Methotrexat +/− Cytosin-Arabinosid – ggf. Mukositis-Prophylaxe durch Leucoverin – perkutane Radiotherapie des Schädels (24 Gy) kann zusätzlich zur Chemotherapie erfolgen ▪ bei subklinischer ZNS-Beteiligung (> 5 Zellen/mm3 Liquor mit oder ohne Blasten), hohem Risiko und mangelhaft wirksamer Chemotherapie und Alter > 1 Jahr, ▪ bei manifester ZNS-Beteiligung (> 5 Zellen/mm3 Liquor mit eindeutigen Blasten), Alter > 1 Jahr.

Für Rezidive gilt • Rezidive treten meist ist in den ersten beiden Jahren nach Erreichen einer kompletten Remission auf, wobei – frühe Rezidive (primären Remissionsdauer unter 18 Monaten) prognostisch besonders ungünstig sind unddas Gesamtüberleben der ALL nach Rezidiv bei < 10 % liegt, – Rezidive so früh wie möglich, somit am besten im Rahmen einer engmaschigen Nachsorge durch eine molekulare MRD-Analyse (wegen der hohen Sensitivität) identifiziert werden sollte, – jedes Rezidiv immunologisch und molekulargenetisch charakterisiert werden muss; • Ziel sollte sein das Erreichen einer kompletten Remission (CR) mit anschließender Stammzelltransplantation, • Standardtherapie zur Erlangung einer Rezidivremission ist die Chemotherapie der Induktionsphasen, wobei – Nelarabin (eine Arabinosylnukleosid) diese wirksam ergänzen kann, ▪ die Immuntherapie hat sich zumindest als ebenbürtig, wenn nicht sogar als deutlich wirksamer (Remissionsrate und Verlängerung des Überlebens sowohl bei Ph(–) als auch bei Ph(+) ALL) erwiesen als die konventionelle Chemotherapie, so z. B.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes



723

die Antikörperkonstrukte Blinatumomab (bispezifischer Anti- CD19- und Anti- CD3-Antikörper, Dauerinfusion mit ansteigender Dosis über 4 Wochen) oder ▪ Inotuzumab (Anti-CD22-Antikörper gekoppelt mit dem Zellgift Calicheamicin, – die CART/Chimerische-Antigen-Rezeptor-T-Zellen-Therapie wie z. B. ▪ Tisagenlecleucelum (CTL019, d. h. anti-CD19 gerichtete CAR-T-Zellen) ▪

Therapie mit Tyrosin-Phosphokinase-Inhibitoren Die ALL (Ph+) ist charakterisiert durch die Translokation t(9;22), bei welcher das Fusionsprotein BCR-ABL (Serin-/Threoninkinase BCR/Breakpoint cluster region und Tyrosinkinase abl/abelson murine leukemia virus oncogene homolog) exprimiert wird, • ca. 20 % aller ALL bzw. ca. 30–50 % der B-Vorläufer-ALL sind Ph(+) • die Expression des BCR-ABL macht sie geeignet für die Therapie mit TyrosinkinaseInhibitoren/TKI – zu diesen gehören Imatinib, Nilotinib und Dasatinib, – die Verabreichung der TKI erfolgt ▪ in Kombination mit der Induktions-I- und -II-Chemotherapie oder ▪ in alleiniger Kombination mit einer reduzierten Induktions-I-Therapie (Vincristin + Dexamethason + Asparaginase + ggf. (CD20+) Anti-CD20-Antikörper (Rituximab) besonders bei Patienten > 55 Jahre oder ▪ als Monotherapie besonders bei Patienten mit Komorbiditäten und/oder > 65 Jahre, bei jüngeren Patienten (< 55 Jahre) können mit der Kombination Chemotherapie + Ima• tinib klinische Remissionsraten von > 90 % und molekulargenetisch nachgewiesene Remissionsraten von > 50 % erzielt werden – sodass nachfolgend allogene Stammzelltransplantationen häufiger und erfolgreicher durchgeführt werden können, – wobei auch nachfolgend zur Stammzelltransplantation die Therapie mit Imatinib weitergeführt werden kann • bei älteren Patienten (> 55 Jahre) sind wegen einer erhöhten Mortalität durch die Induktions-Therapie – geringere Remissionsraten zu erreichen (bei > 65-Jährigen 60–80 %) – bei einem Gesamtüberleben von 20–40 %. Allogene hämatopoetische SZT/Stammzelltransplantation Für die SZT sollen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: • geeignete Stammzellspender – HLA-identisches Geschwister (MSB/Matched Sibling Donor), – HLA-naher Spender (MD/Matched Donor), • hohes Rezidivrisiko – Patienten mit hohem Risiko (siehe Tab. 8.260), – Patienten mit ungünstigen Prognosefaktoren (siehe Tab. 8.262), • Erreichen einer kompletten Remission/CR – Transplantation innerhalb von 3–4 Monaten nach der 1. CR.

724

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

LBL/Lymphoblastische Lymphome • gleichen in ihrem Phänotyp der ALL, • weisen einen Knochenmarkbefall unter 25 % auf, • werden gleich wie die ALL therapiert Reifzellige B-ALL (Burkitt-Leukämien/Lymphome) • wachsen schnell und mit großer Tumormasse • befallen häufig das ZNS (ca. 12 %) und die übrigen Organe (34 %), • werden innerhalb von 21 Wochen mit wiederholten Therapie-Schemata behandelt. Hierzu gehören – Hochdosis-Methotrexat + Cyclophosphamid oder + Ifosfamid in Kombination mit – Antikörper gegen CD20 (Rituximab), da ca 80–90 % der B-ALL positiv für CD20 (+) sind. Spätfolgen der Therapie können im Besonderen sein • aseptische Knochennekrosen durch das Dexamethason, • Zweitmalignome, im Besonderen eine AML, • Hormonelle Störungen und Infertilität.

Prognose Die Prognose der ALL ist abhängig von unterschiedlichen Faktoren (siehe Tab. 8.262). Das 5-Jahres-Überleben liegt • im günstigen Falle bei ca 80 %, • im ungünstigen Fall je nach dem Einzelbefund zwischen 10 % und 60 %.

Tab. 8.262: Prognosekriterien und 5-Jahres-Überleben bei der ALL. Ausgangswerte vor Therapiebeginn

Günstige Prognose

Ungünstige Prognose

Alter

1–5 (–9) Jahre

< 1 Jahr; > 10 Jahre

Leukozytenzahl im Blut

< 20.000/μl

> 100.000/μl

Chromosomenzahl

> 50

< 46

DNA-Index

≥ 1,16

< 1,0

Translokationen/Fusionsproteine

t(12;21)/ TEL-AML1

t(9;22)/ BCR-ABL

molekularbiologische Charakteristika in den Lymphoblasten

t(4;11)/MLL-AF4 Werte während der Therapie Wirkung der Vortherapie

7 Tage Prednison und intrathorakal Methotrexat

< 1.000 Blasten/μl

≥ 1.000 Blasten/μl

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

Wirkung der initialen Induktionstherapie nach max. 33 Tagen

Dauer: 4–5 Wochen

725

< 5 % Blasten im Knochenmark (M1)

≥ 5 %– < 25 % Blasten (M2) oder ≥ 25 % (M3) Blasten im Knochenmark

negativ (nach 5 Wochen)

positiv (≥ 103 Blasten/μl) nach 12 Wochen

80 %

10–60 %

Werte nach der Induktionstherapie Nachweis einer minimalen Resterkrankung Wahrscheinlichkeit, 5 Jahre zu überleben

8.15.3.2 AML/Akute Myeloische Leukämie Vorkommen Die AML ist eine maligne Neubildung der Myelopoese mit variabler Beteiligung myeloischer Zelldifferenzierungsstufen. Ohne Arzneimittelbehandlung führt die AML innerhalb eines Jahres zum Tode. Sie ist wie folgt charakterisiert: • die Häufigkeit liegt im Durchschnitt bei ca. 3,7/100.000 Personen/Jahr, – bei Kindern im Bereich von 7/100.000 Kindern/Jahr, – im Alter (> 70 Jahre) bei > 100/100.000 Personen/Jahr, • der Altersgipfel liegt bei etwa 8 Jahren und bei etwa 60 Jahren, • im Kindesalter – ist die AML deutlich seltener als die ALL (ALL: AML = 5 : 1), – liegt das Geschlechterverhältnis bei etwa M : W = 1,1 : 1, • bei jungen Patienten hat sich seit Einführung der Chemotherapie (Daunorubicin + Cytarabin) die Prognose erheblich verbessert, • bei Patienten > 70 Jahren ist die Prognose jedoch schlecht geblieben. Ursache ist die klonale Proliferation myeloischer Zellen • meist aus dem Progenitor-Pool (CD34+, CD38+) • seltener aus dem Stammzellpool (CD34+, CD38-) • welche die normale Hämatopoese überwachsen und verdrängen und dadurch zur Anämie, Granulozytopenie und Thrombozytopenie führen. Im Gegensatz zur CML/Chronische Myeloische Leukämie können bei der AML nachgewiesen werden • mehrere Klone von AML-Zellen mit unterschiedlichen Mutationen, d. h. neben dem dominanten Hauptklon – bei etwa 50 % der Patienten ≥ 1Subklon; – bei einzelnen Patienten ≤ 3 Subklone • einzelne Klone mit mehreren Mutationen, • im Durchschnitt 5 Mutationen und • Veränderungen der Mutationen in einem der Klone während des Krankheitsverlaufes.

726

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Zu • • • •

den Mutationen gehören Translokationen t(8;21), t(15;17), Inversion inv(16), numerische Veränderungen wie Trisomie 8, Monosomie 7, aktivierende Mutationen der Gene kodierend für – Proteine der Signaltransduktion (z. B. FLT3, KIT, KRAS, NRAS), – myeloische Transkriptionsfaktoren (z. B. RUNX1, CEBPA), • Fusionen von Genen kodierend für Transkriptionsfaktoren (z. B. PML-RARA, MYH11CBFB), • Mutationen von Genen kodierend für – Chromatin-Modifikatoren (z. B. MLL-PTD, ASXL1), – Proteine im Kohesin-Komplex (z. B. SMC1S), – Spliceosomen, – NPM1, – Proteine der DNA-Methylierung (z. B. TET1, TET2, IDH1, IDH2, DNMT3B, DNMT1, DNMT3A), • Inaktivierende Mutationen in Tumorsuppressorgenen (z. B. TP53, WT1), Bei Kindern • liegen nur selten genetische Ursachen vor, wie z. B. – bei der Trisomie 21, bei welcher ▪ bereits intrauterin es zu einer gesteigerten Megakaryopoese kommt und ▪ im 2. Trimenon megakaryoblastäre Klone mit mutierten Transkriptionsfaktor GATA auftreten, welche dominant werden, sodass ▪ bei 10–20 % der Neugeboren eine transiente Leukämie aufweisen, welche ▪ innerhalb von den ersten 4 Lebensjahren zu eine AML führen. – bei der Fanconi-Anämie • kann die AML-Entwicklung jedoch schon pränatal beginnen

Risikofaktoren Die wesentlichen Risikofaktoren stellen dar • ein MDS/Myelo-Dysplastisches Syndrom (siehe Kap. 8.15.2) • radioaktive Strahlungen, • die Exposition mit exogenen Toxine und genotoxische Substanzen wie z. B. – Benzole, Mineralölprodukte, Farben, Äthylenoxide, – Herbizide und Pestizide, – aktiver und passiver Tabakkonsum; das AML-Risiko korreliert mit der Zigarettenmenge, ist bei beiden Geschlechtern gleich und bei aktiven Rauchern um ca. 40 % und bei ehemaligen Rauchern um ca. 25 % gegenüber Nichtrauchern erhöht; • Arzneimittel, im Besonderen – Alkylantien mit Mutationen besonders an den Chromosomen 5 und/oder 7 und einer Latenzzeit von 4–6 Jahren,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes



727

Topoisomerase-II-Inhibitoren bzw. interkalierende Substanzen (Anthracycline, Anthrachinone, Epipodophylotoxine, Streptomycine) mit Mutationen am Chromosom 11 (q23) oder einer Translokation t(1,17) und einer Latenzzeit von 1–3 Jahren.

Symptome • vorwiegend durch die Knochenmarkinsuffizienz – Anämie (Blässe Dyspnoe, Leistungsminderung, Müdigkeit), – Granulozytenfunktionsstörungen mit ▪ Nachtschweiß, Fieber, Gewichtsverlust (B-Symptome) ▪ häufigen bakteriellen Infektionen der Atemwege und der Haut und mykoiden Infektionen wie auch Sepsis ▪ leukämischen Blasten, unabhängig von der Leukozytenzahl, ▪ Leukozytosen (bei etwa 60 % der Patienten). Falls diese 100.000/μl übersteigen, besteht die Gefahr der Leukostase mit Hypoxie, pulmonalen Verschattungen, retinalen Einblutungen und neurologischen Symptomen (Gefahrabwendung durch schnelle Senkung der peripheren Leukozytenzahl durch Chemotherapie +/− Leukapherese). ▪ normaler oder sogar erniedrigter Leukozytenzahl (seltener) bei der sekundären oder therapieassoziierten AML und bei älteren Patienten und/oder ▪ Hautinfiltrate, Meningeosis leukaemica, Gingivahyperplasie und Infiltration von Milz und Leber besonders bei der myelomonozytären/monoblastären AML, – Thrombozytopenie (häufige Blutungen, Petechien, Hämatome nach Bagatellverletzungen) – Knochen- und Gelenkschmerzen • seltener – vergrößerte Lymphknoten, Milzschwellung, Leberschwellung – Hautinfiltrate, Zahnfleischhyperplasie – Kopfschmerzen und Hirnnervenausfälle.

Diagnostik • Anamnese, klinischer Befund, Allgemeinzustand, Schwangerschaft • zelluläres Blutbild/Differenzialblutbild • Knochenmark-Biopsien besonders, wenn Knochenmarkaspirationen wenig Zellmaterial liefern • Bestimmung/Immunzytochemie der myeloischen Blasten – Anteil im Blut > 20 % der kernhaltigen Zellen – Anteil von MPO/Myelo-Peroxidase positiver Blasten ≥ 3 % – positive Esterase-Reaktion bei monoblastärer Leukämie • molekularbiologischer Nachweis (PCR/FISH) von genetischen Veränderungen, im Besonderen

728

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



• • • • • •

Translokationen wie RUNX1-RUNX1T1, CBFB-MYH11, KMT2A (MLL), EVI, PMLRARA, BCR-ABL1; – Verlust von Chromosom 5q, 7q oder 17p – Mutationen in ▪ NPM1, CEBPA, RUNX1, ▪ FLT3 (ITD/Interne Tandem-Duplikationen), Mutant-Wildtyp-Quotient, TKD/ Tyrosinkinase-Domäne (Kodon D853 und I836) ▪ TP53 ▪ ASXL1 Klinische Chemie/Blut/Urin Gerinnungsstatus Infektionen (HBV, HIV, CMV) HLA-Typisierung in Hinblick auf allogene Knochenmarktransplantation Röntgen/Thorax, Lungenfunktion, Blutkreislauf (EKG, Herz-Echo) Befallsmuster – meist Knochenmark – seltener Milz, Lymphknoten, Haut, Zahnfleisch und Meningen.

Klassifikation Einstufung erfolgt mit Hilfe von: • Immunmarkern für myeloische AML-Zellen; – Nachweis von mindestens 2 der folgenden Marker: ▪ MPO = Myeloperoxidase ▪ CD13 = Aminopeptidase N ▪ CD33 = My9, Ligand für Sialokonjugate ▪ CD65 = Ceramid-Dodecasaccharid 4c ▪ CD117 = c-Kit; Stammzell-Faktor-Rezeptor – Ausschluss von folgenden Markern ▪ cyCD3 = zytoplasmatischer CD3-Komplex des TCR/T-Zell-Rezeptors ▪ cyCD22 = zytoplasmatisches B-Zell-Glykoprotein Bgp 135 ▪ CD79a = Igα-Kette des BCR/B-Zell-Rezeptors • Immunmarker für frühe myeloische AML-Zellen – Markerspektrum gleich wie bei myeloischen AML-Zellen jedoch – negativ für MPO = Myeloperoxidase • Immunmarker für erythrozytäre AML-Zellen – Glykophorin A • Immunmarker für megakaryozytäre AML-Zellen – CD41 = Rezeptor für Fibrinogen – CD61 = Integrin-β3-Kette des Vitronectin-Rezeptors • der Klassifikation des FAB/Französisch-Amerikanisch-Britischen Konsortiums und der WHO 2016 (siehe Tab. 8.263) – durch Nachweis genetischer Aberrationen, – nach anamnestischen Parametern, – nach morphologischen Parametern.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

729

Tab. 8.263: molekularbiologische und zytologische Klassifizierung der AML (Arber et al. 2016). Akute myeloide leukämie (AML) und verwandte Neoplasien (WHO 2016) AML mit wiederkehrenden genetischen Aberrationen t(8;21)(q22;q22.1)

RUNX1-RUNX1T1

CBFA2/Core-Binding Factor subunit alpha-2 − CBFA2T1

inv(16)(p13.1q22) or t(16;16)(p13.1;q22)

CBFB-MYH11

CBFβ/Core-Binding Factor β – MYH11/Myosin Heavy chain 11

t(15;17) (APL/Akute PromyelozytenLeukämie)

PML-RARA

PML/Promyelocytic Leukemia Protein − RARα/ Retinsäure-Rezeptor α

t(9;11)(p21.3;q23.3);

MLLT3-KMT2A 1

MLLT3 super elongation complex-Subunit Histone-lysine N-methyltransferase 2A

t(6;9)(p23;q34.1

DEK-NUP214

D6S231E-Proto-Onkogen − Nucleoporin 214

inv(3)(q21.3q26.2) oder t(3;3)(q21.3;q26.2);

GATA2, MECOM

GATA-binding factor 2; MDS1 and EVI1/Ecotropic Virus Integration-site 1 protein homolog

t(1;22)(p13.3;q13.3); megakaryoblastische AML

RBM15-MKL1

RNA-binding protein 15 − MKL1/ Megakaryoblastic Leukemia 1

t(9;22)(q34;q11)

BCR-ABL1

BCR/Breakpoint Cluster Region – ABL1/Abelson Murine Leukemia Viral Oncogene Homolog 1

5q35.1 (Duplikationen und Insertionen)

NPM1

NPM1/Nucleophosmin

t(3;5)(q25;q34)

NPM1-MFL-1

NPM1/Nucleophosmin-MFL1/Myelodysplasia/ Myeloid Leukemia Factor 1

19q13.11 (biallelische Mutationen/ Deletionen und Transversionen)

CEBPA

CCAAT/enhancer-binding protein alpha

21q22.12 Punktmutationen

RUNX1

RUNX1/Runt-related transcription factor 1/ core-binding factor subunit alpha-2 (CBFA2)

FLT3

FLT3/FMS-related Tyrosinkinase/ Stem-cell-Tyrosin-Kinase

17p13.1. Exon 2–11 inaktivierende Mutationen

TP53

p53-Transkriptionsfaktor/Onkogensuppressor

20q11, Exon 12 Codon 1900–1922del, 1934delG oder 1934dupG

ASXL1

ASXL-1/Additional Sex combs-like 1, Tumorsuppressor

ITD-Mutation 13q12.2 TKD/D853/1836

-5 oder del(5q) -7 -17 oder Abnormalitäten/abnl(17p) AML mit Myelodysplasie-artigen Veränderungen ohne vorausgegangenes myelodysplastisches Syndrom mit vorausgegangenem myelodysplastischen Syndrom (sekundäre/s-AML)

730

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Therapie-bezogene myeloide Neoplasien nach Therapie mit zytotoxischen Verfahren oder Substanzen (t-AML) AML-NOS/nicht anders spezifiziert minimale Differenzierung ohne Reifung mit Reifung Akute myelomonozytische Leukämie Akute monoblastische/monozytische Leukämie Reine erythroide Leukämie Akute megakaryoblastische Leukämie Akute basophile Leukämie Akute Panmyelose mit Myelofibrose Myeloides Sarkom myeloide Proliferationen assoziiert mit Down-Syndrom TAM/Transiente Abnormale Myelopoese Myeloide Leukämie assoziiert mit Down-Syndrom Blastische Plasmazytoide Dendritische Zell-Neoplasie Akute Leukämie mit ungeklärten Linien Akute undifferenzierte Leukämie gemischter Phänotyp akute Leukämie (MPAL)

t(9;22)(q34.1;q11.2);

BCR-ABL1

t(v;11q23.3);

KMT2A rearrangiert

B/myeloide AML, NOS T/myeloide AML, NOS zytologische Klassifikation der AML M0

MPO/Myeloperoxidase negativ; minimal differenzierte akute myeloblastische Leukämie; CD13 positiv

Myeloblasten

M1

Unreife Akute Myeloblastische Leukämie, ohne Reifestadien

Myeloblasten

M2

Akute Myeloblastische Leukämie, mit Reifestadien von Granulozyten (inklusive M2 Basophil)

Myeloblasten, Granulozyten

t(8;21)(q22;q22), t(6;9)

M3

Promyelozytäre oder Akute Promyelozytäre Leukämie (APL)

Promyelozyten

(15;17)(q22;q12)

M3v

mikrogranuläre M3

(15;17)(q22;q12)

M4

Akute Myelo-Monozytäre Leukämie

Myelozyten, Monoblasten Monozyten

M4eo

Akute Myelo-Monozytäre Leukämie mit (> 5 %) abnormen Eosinophilen Granulozyten im Knochenmark

Monozyten, Eosinophile

inv(16)(p13;q22), del(16q)

inv(16), t(16;16)

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

M5a

Akute Monoblasten-Leukämie ohne ausgereifte Monozyten

Monoblasten

M5b

Akute Monoblasten-Leukämie mit ausgereiften Monozyten

Monoblasten Monozyten

M6

Akute Erythroleukämie

Erythroblasten

M7

Akute Megakaryoblastische Leukämie

Megakaryoblasten

731

del(11q), t(9;11), t(11;19)

t(1;22)(p13;q13)

Trotz der zunehmenden Wichtigkeit der molekulargenetischen Unterscheidung von AMLSubgruppen behält die morphologische und immunphänotypische Klassifikation ihren hohen Stellwert, da sie eine schnelle Linienzuordnung als AML erlaubt, im Besonderen • die schnelle Identifikation einer Akuten Promyeloblasten-Leukämie (APL, AML-M3) und • die Diagnose einer Monoblasten-Leukämie (M5, − auch in Abgrenzung zur ALL) und • weil beide AML-Subtypen als Notfälle zu betrachten sind, die eine sofortige zytoreduktive Therapie benötigen – bei der APL/M3 besteht (besonders bei Leukozytenzahlen > 10.000/μl) das hohe Blutungsrisiko (inklusive fatale Hirnblutungen) und die Notwendigkeit der sofortigen Therapie mit ATRS/Al-Trans-Retinolsäure/ ▪ bei Kindern mit mediterraner und asiatischer Herkunft tritt die APL deutlich häufiger auf (> 20 %) als bei Nordeuropäern (ca. 5 %), – bei der AML/M5 muss die meist auftretende Hyperleukozytose durch Zytostatika (im Wesentlichen Cytarabin) schnell reduziert und die Nebenwirkung der Zytolyse durch das Urolytikum Rasburicase vermindert werden. Tab. 8.264: molekularbiologische Risiko/Prognose-Einstufung der AML (Arber et al. 2016). Risiko/Prognose niedrig/günstig

mittel

hoch/ungünstig

t(8;21)(q22;q22) (RUNX1-RUNX1T1)

t(9;11)(p22;q23); (MLLT3-KMT2A)*

t(6;9)(p23;q34); (DEK-NUP214)

inv(16)(p13.1q22) oder t(16;16)(p13.1;q22) (CBFB-MYH11)

t(6;9)(p23;q34) (DEK-NUP214)

t(v;11)(v;q23); (KMT2A-Genumlagerung)

+

FLT3-ITD (niedrig)



FLT3-ITD

NPM1 mutiert

CEBPA biallelisch mutiert

NPM1 mutiert

+

FLT3-ITD (hoch)**

NPMI Wildtyp



FLT3-ITD

inv(3)(q21q26.2) oder t(3;3)(q21;q26.2); (GATA2, MECOM/EVI1)

+

FLT3-ITD (niedrig)**

-5 oder del(5q); -7 und/oder -17/abnl(17p)

NPMI Wildtyp

andere Mutationen, die nicht als günstig oder ungünstig eingestuft wurden

+

FLT3-ITD (hoch)**

komplexer Karyotyp (≥ 3 Aberrationen†)***

732

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

t(9;22)(q34.1;q11.2) (BCR-ABL1) RUNX1 mutiert**** ASXL1 mutiert**** TP53 mutiert ITD = interne Tandem-Duplikation; TKD = Tyrosinkinase-Domäne * t(9;11) bestimmt das mittlere Risiko, gleich welche zusätzlichen Mutationen vorliegen, ** FLT3-ITD niedrig = Mutant-Wildtyp-Allel-Quotient < 0,5; FLT3-ITD hoch = Mutant-Wildtyp-Allel-Quotient ≥ 0,5. Bestimmung über semi-quantitative Messung des FLT3-ITD Allel-Quotienten mittels DNA-FragmentAnalyse als Quotient der AUC für FLT3-ITD dividiert durch die AUC für FLT3-Wildtyp *** gilt nur für Aberrationen, die nicht t(8;21), inv(16), t(16;16), t(9;11), t(v;11)(v;q23.3), t(6;9), inv(3), t(3;3) oder t(9;22) sind **** nur dann ungünstig, wenn zusätzlich keine als günstig eingestuften Aberrationen vorliegen

Sowohl die s-AML/sekundäre AML nach einem MDS/Myelo-Dysblastisches Syndrom als auch die t-AML nach einer Tumortherapie mit Alkylantien und/oder Topoisomerase-Inhibitoren ist behandelbar mit der Kombination aus liposomalem Daunorubicin + Cytarabin (CPX-351). Zur eindeutigen Unterscheidung wurden für beide Subgruppen der AML folgende Kriterien aufgestellt • s-AML (sekundäre AML mit Myelodysplasie-assoziierten Veränderungen (MRC/Myelodyplasia Related Changes) – eine Myelodysplasie im Vorlauf der AML, – ein Myelodysplasie- assoziierter komplexer Karyotyp, definiert als 3 oder mehr der folgenden chromosomale Aberrationen ▪ unbalanciert: -7 or del(7q); -5 oder del(5q); i(17q) oder t(17p); -13 oder del(13q); del(11q); del(12p) oder t(12p); idic(X)(q13) ▪ balanciert: t(11;16) (q23.3;p13.3); t(3;21)(q26.2;q22.1); t(1;3) (p36.3;q21.2); t(2;11)(p21;q23.3); t(5;12) (q32;p13.2); t(5;7)(q32;q11.2); t(5;17) (q32;p13.2); t(5;10)(q32;q21.2); t(3;5) (q25.3;q35.1) – gleichzeitig keine der folgenden Translokationen oder Inversionen: ▪ t(8;21), inv(16) oder t(16;16), t(9;11), t(v;11)(v;q23.3), t(6;9), inv(3) oder t(3;3) t-AML/therapieassoziierte Akute Myeloische Leukämie) • – jede myeloide Neoplasie, die nach vorangegangener zytotoxischer Therapie aufgetreten ist wie z. B. ▪ Radiotherapie, Zytostatika (u. a. Alkylantien, Topoisomerase-Inhibitoren, Antimetabolite, Interkalatoren), – ggf. assoziiert mit Keimbahn-Mutationen. Prognosefaktoren Folgende Faktoren haben einen besonderen Einfluss auf die Prognose • das Alter des Patienten; – mit steigendem Alter sinkt die Wahrscheinlichkeit für eine komplette Remission und steigt das Remissionsrisiko

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

733



• • • •

entsprechend liegen die 5-Jahres-Überlebensraten bei Patienten < 30 Jahren bei 60 %, zwischen 45 und 54 Jahren bei 43 %, zwischen 55 und 64 Jahren bei 23 % und ≥ 65 Jahren bei < 23 %; die Art der molekulargenetischen Veränderungen/Mutationen (siehe Tab. 8.264), hohe LDH-/Laktatdehydrogenase-Werte im Blut, hohe Leukozytenzahlen bei der Erstdiagnose der Subtyp: APL/Akute Promyleozyten-Leukämie mit einer 5-Jahres-Überlebensrate > 80 %, falls die Leukämie-bedingten Gerinnungskomplikationen beherrscht werden können.

Differentialdiagnosen Bei Verdacht auf eine AML sind folgende Erkrankungen durch die zytologische Morphologie, den Nachweis der jeweils spezifischen Immunmarker, zellspezifischen Enzyme, molekulargenetischen Aberrationen und gegebenenfalls durch den Nachweis von Virus-Antigen und Virus-Antikörper auszuschließen • ALL/Akute Lymphatische Leukämie und Akute Leukämie unklarer Linienzugehörigkeit • Myelodysplastische Syndrome, • leukämisch verlaufende Lymphome, • myeloproliferative Syndrome – Translokation t(9;22)/BCR-ABL, Mutationen von JAK2 und/oder CALR/Calreticulin • Aplastische Anämie, • Virusinfektionen (z. B. EBV, CMV, HIV, Erythrovirus/Parvovirus B19) • Mangelernährungen – Vitamin B12/vegane Ernährung; – Vitamin B9/Folsäure/Mangel an Gemüse, Obst und/oder Vollkornprodukten Remissionen der AML werden wie folgt definiert: • MLFS: Morphologisch Leukämie-freier Zustand – Blasten im Knochenmark < 5 %, keine Blasten im Blut – keine Auerstäbchen, – keine extramedulläre Manifestationen • CR: Komplette Remission – Blasten im Knochenmark < 5 %, keine Blasten im Blut – keine Auerstäbchen, – keine extramedulläre Manifestationen – Neutrophile ≥ 1.000/μl und Thrombozyten ≥ 100.000/μl • CRi/CRp: Komplette Remission mit inkompletter Regeneration – Blasten im Knochenmark < 5 %, keine Blasten im Blut – keine Auerstäbchen, – keine extramedulläre Manifestationen Neutrophile < 1.000/μl und/oder Thrombozyten < 100.000/μl • CRh: Komplette Remission mit partieller hämatologischer Regeneration – Blasten im Knochenmark < 5 %, keine Blasten im Blut – keine Auerstäbchen,

734

• • •



8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– keine extramedulläre Manifestationen – Neutrophile ≥ 500/μl und/oder Thrombozyten ≥ 50.000/μl CRc: Komplette Remission, zytogenetisch bestätigt – CR ohne eine bei Erstdiagnose zytogenetisch nachgewiesenen Aberration CRm: Komplette Remission, molekulargenetisch bestätigt – CR ohne eine bei Erstdiagnose molekulargenetisch nachgewiesenen Aberration PR: Partielle Remission – Blasten im Knochenmark zwischen 5–25 %, keine Blasten im Blut – Neutrophile ≥ 1.000/μl und Thrombozyten ≥ 100.000/μl Rezidiv aus einer CR: – Blasten im Knochenmark ≥ 5 % oder – Blasten im peripheren Blut (nicht mit reaktiver Blutbildregeneration erklärbar) oder – extramedulläre AML-Manifestation

Therapiestrategien Die Therapie der Akuten Myeloischen Leukämie ist abhängig vom Allgemeinbefinden zum Zeitpunkt der Erstdiagnose und von der molekulargenetisch definierten Untergruppe (siehe Tab. 8.263). Die Therapie der AML beinhaltet grundsätzlich • eine Induktionstherapie mit dem Ziel der kompletten Remission, wobei die Chance, diese zu erreichen – durch neu Behandlungsverfahren mit TPK-Inhibitoren wie Midostaurin. Antikörper-Toxin Konjugate (Gemtuzumab Ozogamicin) und liposomal verpacktes Daunorubicin und Cytarabin (CPX-351) deutlich erhöht wurde, – bei günstigen molekulargenetischen Prognosefaktoren (z. B. t(8;21), in(16), NPM1mut, CEBPAdm) bei > 80–90 % liegt – bei ungünstigen Prognosefaktoren (z. B. TP53 Mutation, monosomaler Karyotyp) dagegen bei < 30 % liegen kann, – somit eine molekulargenetische Untersuchung der AML vor Therapiebeginn zwingend nötig macht, ▪ es sei denn, das Krankheitsstadium (neutropenes Fieber, Leukostasesyndrom, und/oder Hyperleukozytose) zwingt zur sofortigen Zytoreduktion durch eine Chemotherapie (siehe Tab. 8.265) • eine Postremissionstherapie zur Erhaltung der kompletten Remission, die deutlich wirkungsvoller gestaltet werden konnte durch die Phosphokinase-Inhibitoren Midostaurin und Sorafenib wie auch durch das Antikörper-Toxin Konjugat (Gemtuzumab Ozogamicin) • bei Patienten > 75 Jahren und/oder mit signifikanten Komorbiditäten und wegen ihrer geringen Chance einer Langzeitremission von nur etwa 10 % vorzugsweise – eine geringtoxische Behandlung mit Zytostatika in niedriger Dosierung zu potentiellen Lebensverlängerung und/oder – eine bestmögliche symptomatische-palliative Behandlung (BSC/Best Supportive Care).

735

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

Tab. 8.265: Strategie der Therapie der Akuten Myeloischen Leukämie (in Anlehnung an Röllig et al. 2019). Akute Myeloische Leukämie (alle Subgruppen außer APL)

▾ sofortige Zytoreduktion zwingend notwendig Ja

Nein



▾ Allgemeinbefinden

gut

schlecht





Chemotherapie Arabino-Cytosin (7 Tage) Daunorubicin (3 Tage)

▾ FLT3-mutiert

ja

nein

hypomethylierende Substanzen (Azacitidin, Decitabin, Guadecitabin)

gut

▾ NPM1 CBF mut CD33(+) FLT3wt CD33 (+)





FLT3 mut

sAML oder tAML





Prognose Prognose mittel ungünsCD33(+) oder tig (–)





Induktionstherapie Chemotherapie Arabino-Cytosin (7 Tage) Daunorubicin (3 Tage)

Chemotherapie Arabino-Cytosin (7 Tage) Daunorubicin (3 Tage)









oder

und

und

und

ArabinoCytosin (niedrige Dosis)

GO (Gemtuzumab/ Ozogamicin)





oder

CPX351

▾ und falls CD33(+) GO (Gemtuzumab/ Ozogamicin)

TPKI Midostaurin









komplette Remission/CR

▾ Postremissions-/Erhaltungstherapie

▾ TPKInhibitor Midostaurin ab Tag 8



ArabinoCytosin (niedrige Dosis) + HedgehogInhibitor (Glasdegib)

▾ oder



▾ falls A

Arabino-Cytosin (Hoch- oder Mittel-Dosis) + TPK1 Midostaurin +/− GO

▾ falls B







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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

bestmögliche symptomatische Therapie



(Gemtuzumab/ Ozogamicin)

allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation + Sorafenib











Nachsorge Blutbildkontrolle alle 1–3 Monate innerhalb der ersten zwei Jahre, danach alle 3–6 Monate in den Jahren 3–5.

A = FLT2-IDT (niedrig) + NPM1mutiert + MRD < 1–2 % oder FLT3-TKD B = FLT2-IDT (niedrig) + NPM1mutiert + MRD < 1–2 % oder FLT3-IDT (hoch) + NPM1mutiert oder FLT3-IDT + NPM1wt CPX-351 = liposomales Daunorubicin + Cytarabin; CBF = Core Binding Factor/CD33

Die APL/Akute Promyelozyten-Leukämie ist von allen Untergruppen der AML gesondert zu betrachten (siehe Kap. 8.15.3.3). Bei Verdacht einer APL sollte • noch vor deren molekulargenetischen Bestätigung (t(15;17)/PML-RARA) • die Therapie mit ATRA/All-Trans-Retinsäure begonnen werden. Induktionstherapie Die Standard-Induktionstherapie beinhaltet die Kombination aus • Daunorubicin (60 mg/m²) + Idarubicin (10–12 mg/m²) oder Mitoxantron (10–12 mg/m²) täglich über 3 Tage und • Cytarabin (100–200 mg/m²) kontinuierlich über 7 Tage Diese Standardtherapie wird je nach immunzytologischer und molekulargenetischer Klassifikation ergänzt um (siehe Tab. 8.265) die Verabreichung • des Konjugates eines monoklonalen Anti-CD33 Antikörpers mit dem Zytotoxin Calicheamicin Gemtuzumab-Ozogamicin – bei CBF/Core Binding Factor/ CD33 (+) und/oder NPM1mutierter AML • des Inhibitors der FLT3-Tyrosinphosphokinase Midostaurin (50 mg p. o., 2 ×/Tag, täglich) – bei FLT3 mutierter AML – wobei dessen Blutspiegel und Toxizität ▪ erhöht wird durch CYP3A4-Inhibitoren (z. B. Clarithromycin, Ketoconazol, Posaconazol, Ritonavir, Voriconazol) ▪ erniedrigt wird durch CYP3A4-Aktivatoren (z. B. Carbamazepin, Enzalutamid, Johanniskraut, Rifampicin, Phenytoin) Bei s-AML und t-AML wird statt der Standardtherapie liposomales Daunorubicin + Cytarabin im Verhältnis 1 : 5 (CPX-351) wegen überlegener Wirkung verabreicht.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

737

Ob die Kombination eines Bcl2-Inhibitors (Venetoclax) mit hypomethylierenden Substanzen (z. B. Azacitidin, Decitabin oder Guadecitabin) oder niedrigdosiertem Cytarabin zur Verbesserung der Remissionsrate durch die Induktionstherapie beiträgt, ist noch nicht ausreichend geklärt. Falls nach 1–2 Zyklen der Induktionstherapie keine ausreichende Remission erreicht werden kann, steht eine Salvage-Therapie zur Diskussion (siehe Tab. 8.265) Postremissionstherapie Nach einer kompletten Remission/CR ist zur Verhinderung eines schnellen Rezidivs eine Postremissionstherapie zur Konsolidierung der CR notwendig. Diese Konsolidierung erfolgt je nach Subgruppe der AML, dem Risikoprofil und dem Allgemeinzustand des Patienten • durch Verabreichung von hochdosiertem Cytarabin/Cytosinarabinosid – bei zytogenetisch/molekulargenetisch günstiger Prognose, – ggf. (bei FLT3-TKD oder NPM1mutiert + FLT3-IDT niedrig) in Kombination mit Midostaurin (50 mg p. o., 2 ×/Tag, 12 Zyklen über jeweils 28 Tage) und – mit zytologischer oder molekulargenetischer Überwachung der minimalen Resterkrankung (MRD/Minimal Residual Disease), – wobei bei einem Rezidiv ggf. eine Salvage –Therapie oder eine allogene Stammzelltherapie erfolgen kann, • durch eine Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen – besonders bei Patienten mit molekulargenetisch mittlerer oder ungünstiger Prognose – wobei bei FLT3-ITD wegen des hohen Rezidivrisikos eine nachfolgende Therapie mit dem Multikinase- und Raf-Inhibitor Sorafenib über 2 Jahre erfolgen soll, um das Gesamtüberleben zu verlängern; • bei Niedrigrisiko ggf. auch durch myeloablative Hochdosischemotherapie mit Transplantation autologer hämatopoetischer Stammzellen, wobei hier das Rezidivrisiko vergleichsweise deutlich erhöht ist Ein ZNS-Befall • wird therapeutisch behandelt mit einer Kombination aus einer Chemotherapie und einer Radiotherapie – intrathekal Cytarabin oder Methotrexat in Kombination mit Hydrokortison, – perkutane Radiotherapie mit Zielgebiet ZNS in einer Dosis (bei Kindern) von ca. 18 Gy • kann ggf. verhindert werden durch – perkutane Radiotherapie mit Zielgebiet ZNS in einer Dosis (bei Kindern) von ca. 12–18 Gy. Therapie von Rezidiven Als Möglichkeiten sind abzuwägen • eine Reinduktionstherapie, die mittel- oder hochdosiertes Ara-C einschließt, mit dem Ziel einer erneuten kompletten Remission,

738 • •

• •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

die Transplantation von (ggf. besser HLA-kompatiblen) allogenen hämatopoetischen Stammzellen, die Verabreichung von FLT3-Tyrosinkinase-Inhibitoren der zweiten Generation – Gilteritinib: weist eine höhere Spezifität für FLT3 auf als Midostaurin und inhibiert FLT3-ITD, FLT3-TKD wie auch AXL, – Quizartinib: besitzt ebenfalls eine höhere Spezifität für FLT3 als Midostaurin und inhibiert die FLT3-ITD-Mutante wie auch KIT. die Behandlung mit den Isocitrat Dehydrogenase/IDH-1/-2 Inhibitoren Ivosidenib und Enasidenib. eine Rettungs- (Salvage-) Therapie mit alternativen Chemotherapie-Kombinationen (siehe Tab. 8.266)

Nachsorge Rezidive treten meist innerhalb von 18–24 Monaten nach Erreichen der Remission auf. Daher werden Blutbildkontrollen empfohlen • alle 1–3 Monate innerhalb der ersten zwei Jahre, • danach alle 3–6 Monate in den Jahren 3–5. Bestmögliche symptomatisch/palliative Therapie Diese ist zu wählen, • wenn alle potentiell kurativ wirkenden Therapiemöglichkeiten versagt haben, • falls Heilungschancen durch eine intensive Chemotherapie nicht mehr gegeben sind, • wenn die zu erwartenden Komplikationen einer Therapie einen möglichen Nutzen eindeutig übersteigen. Dieses kann z. B. gegeben sein – bei einem Alter > 75 Jahren – bei Komorbiditäten wie ▪ diabetisches Spätsyndrom ▪ Leber- und Nierenerkrankungen ▪ Herzinsuffizienzen – bei einem deutlich beeinträchtigten Allgemeinbefinden (ECOG ≥ 3) • falls eine intensive Chemotherapie nicht erwünscht wird. Zu den eher symptomatisch wirkenden, ggf. die Lebenszeit verlängernden Therapeutika gehören • Hydroxyurea zur Senkung der Leukozytenzahl, • hypomethylierenden Substanzen wie 5-Azacitidin und Decitabin, • Cytarabin/Arabino-Cytosin in niedriger Dosis (20 mg s. c., 2 ×/Tag am Tag 1–10) alleine oder in Kombination mit Glasdegib (100 mg p. o., 1 ×/Tag, an den Tagen 1 bis 28), einem Inhibitor des Smoothened Rezeptors des Hedgehog-Signalweges, • möglicherweise auch der Bcl2-Inhibitor Venetoclax in Kombination mit Azacitidin oder Decitabin oder mit Cytarabin in niedriger Dosis. Spätfolgen Spätfolgen sind besonders bei kurativ behandelten Kindern und Jugendlichen zu erwarten. Sie umfassen

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

• • • • •

739

Zweitmalignome; deren Rate nach 20 Jahren beträgt etwa < 2 %, eine chronische GvHD als Folge der Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen, Kardiotoxizitäten bedingt durch eine Therapie mit Anthracyclinen bei etwa 5 % der Betroffenen, eine labile Gesundheit; so treten schwere lebensbedrohliche Erkrankungen etwa 3 × häufiger auf als bei der Vergleichsbevölkerung, Fertilitätsstörungen, bei behandelten Mädchen im Bereich von etwa 14 %.

Tab. 8.266: Beispiele für Chemotherapie-Schemata zur Behandlung von Rezidiven der AML.

Schema

Substanz 1

Dosis

Tag

Substanz 2

Dosis

Tag

Substanz 3

Dosis

Tag

Mono10 mg/m2 Cytara- Cytarabin 1–10 (alle 12 h) bin S-HAI

Cytarabin

3 g/m2 1, 2, (alle 12 h) 8, 9

Idarubicin

10 mg/m2

3, 4, 10, 11

G-CSF

150 μg/ m2

≥ 14

S-HAM

Cytarabin

3 g/m2 1, 2, (alle 12 h) 8, 9

Mitoxantron

10 mg/m2

3, 4, 10, 11

G-CSF

150 μg/ m2

≥ 14

MAV

Cytarabin

3 g/m2 (alle 12 h)

1–8

Mitoxantron

10 mg/m2

4–8

Etoposid

100 mg/ 4–8 m2

AT

Cytarabin

100 mg/ m2

1

6-Thioguanin

80 mg

2–5 wöchentlich

ETI

Etoposid

80 mg/m2 (alle 12 h)

1–5

6-Thioguanin

100 mg/m2 (alle 12 h)

1–5

Idarubicin

15 mg/ m2

1–3

8.15.3.3 Akute Pro-Myelozyten-Leukämie (APML) Vorkommen Die APML/Akute Pro-Myelozyten-Leukämie stellt eine Subgruppe der AML mit einer charakteristischen Morphologie der Blasten dar; • mit einem Anteil von etwa 5 % der Patienten mit neu diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie (AML), • mit einer Inzidenz – höher als der Durchschnitt in Italien, Spanien, Nord-, Mittel- und Südamerika, – die nach dem 10. Lebensjahr ansteigt und nach dem 60. Lebensjahr wieder abfällt, • wobei das mittlere Erkrankungsalter zwischen 40 und 50 Jahren liegt und Männer und Frauen etwa gleich häufig betroffen sind Klassifikation Die APL wird klassifiziert (siehe Kap. 8.15.3.2) • nach morphologischen Kriterien

740

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



als AML-M3 (Häufigkeit 90–95 %) mit den Charakteristika Leukozytopenie, ▪ große Blasten, zahlreiche Granula, auch in Form von Auerstäbchen, oft in Bündeln (Faggot-Zellen), ▪ Immunmarker: CD2-, CD13+, CD33+, CD34-, CD117+, HLA-DR –, ▪ Peroxidase (++), – als AML-M3v (Häufigkeit 5–10 %) mit den Charakteristika ▪ Leukozytose, ▪ monozytoide Blasten, mikrogranulär, wenige oder keine Auerstäbchen, (wenige oder keine Faggot-Zellen), ▪ Immunmarker: CD2+, CD13+, CD33+, CD34+, CD117+, HLA-DR –, ▪ Peroxidase (++), nach molekulargenetischen Kriterien als AML mit sich wiederholenden genetischen Abnormalitäten, – in ca. 95 % der Fälle liegt vor die reziproke chromosomale Translokation t(15;17)(q22;q12), wobei ▪ die Translokation auf der Ebene der myeloischen Vorläuferzellen (Promyelozyten) stattfindet, ▪ das RARA-Gen (Retinsäure-Rezeptor-alpha) auf Chromosom 17 und das PMLGen (Promyelocytisches Leukämie Gen) auf Chromosom 15 das Fusionsprotein PML-RARA bilden, ▪ je nach der Bruchstelle im Intron 6, Exon 6 oder Intron 3 des PML-Gens unterschiedliche Isoformen des PML-RARA Fusionsproteins exprimiert werden, welche lang (bcr1), variant (bcr2) oder kurz (bcr3) sind und – seltener (ca. 5 % der Fälle) sind andere Translokationen oder Partner für das RARA-Gen nachweisbar, so z. B. ▪ t(15;17)(q22;q21), Fusionsprotein PML-RARA, ▪ t(11;17)(q23;q21), Fusionsprotein PLZF-RARA, ▪ t(11;17)(q13;q21), Fusionsprotein NUMA1-RARA, ▪ t(5;17)(q35;q21), Fusionsprotein NPM1-RARA, ▪ t(4;17)(q12;q21), Fusionsprotein FIP1L1-RARA, – wobei das RARA im jeweiligen Fusionsprotein mit höherer Affinität an zelluläre DNA bindet als RARA und dadurch die normale Differenzierung zum Granulozyten blockiert, – wobei das RARA-Gen in den Translokationen ein notwendiger, ab nicht hinreichender Faktor für die maligne Transformation zur APL darstellt ▪ zusätzlich notwendig scheinen weitere genetische Aberrationen zu sein, vor allem FLT3-ITD, aber auch Mutationen in FLT3, WT1, NRAS und KRAS. ▪



Risikofaktoren Chemotherapeutika, im Besonderen Topoisomerase-II-Inhibitoren (z. B. Mitoxantron) gelten als Auslöser einer Therapie-assoziierten APL. Andere Ursachen sind nicht bekannt, auch nicht diejenigen für die ethnischen und geografischen Unterschiede in der Häufigkeit.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

741

Symptome Im Vordergrund stehen • Gerinnungsstörungen mit – einem hohen Risiko von Blutungen (besonders im Gehirn, aber auch in der Haut, den Schleimhäuten, der Lunge, dem Gastrointestinaltrakt), – Thrombozytopenien, die je nach Ausmaß die Blutungen verstärken • alle anderen Symptome der AML bedingt durch die Panzytopenie (siehe Kap. 8.15.3.2), • die hohe Rate an Frühmortalitäten vor oder kurz nach Therapiebeginn.

Diagnose Zur Anwendung kommen alle Verfahren zur Diagnose einer AML. Zusätzlich ist der Nachweis der Translokation des RARA-Gens, meist t(15;17)(q22;q12) und des jeweiligen Fusionsproteins (meist PML-RARA) notwendig • zur Diagnosesicherung mit Hilfe von RT-PCR, FISH oder Immunfluoreszenz und • zur Postremissions-Kontrolle einer minimalen Resterkrankung (MRD) oder eines Rezidivs mit Hilfe der RT-PCR. Die • • • • • • • •

Differentialdiagnose der APL-M3 betrifft das Myelodysplastische Syndrom und/oder andere Formen der AML und der ALL, Non-Hodgkin-Lymphome und die Haarzell-Leukämie, die Aplastische Anämie und die Osteomyelofibrose, Hyperspleniesyndrome, toxische Knochenmarksveränderungen, Mangelernährung im Besonderen Vegane Ernährung und Vitamin B12-Mangel, Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie, Virusinfektionen und/oder Sepsis.

Prognose Risikofaktoren für eine Frühmortalität umfassen • ein höheres Alter (≥ 60 Jahre) wie auch männliches Geschlecht, • hohe Leukozyten- und Blastenzahlen vor Therapiebeginn, • Beeinträchtigung der Nierenfunktion (hoher Kreatininwert), Das Rezidivrisiko wird wesentlich bestimmt durch • die Leukozytenzahl und Thrombozytenzahl – niedriges Risiko bei ▪ < 10.000 Leukozyten/μl und ▪ > 40.000 Thrombozyten/μl – mittleres Risiko bei ▪ ≤ 10.000 Leukozyten/μl und ▪ ≤ 40.000 Thrombozyten/μl – hohes Risiko bei > 10.000 Leukozyten/μl • den Nachweis von

742

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– – – –

FLT3-ITD mutiert, der kurzen (bcr3-) Isoform von PML-RARA, CD56-Expression und/oder zusätzlichen Mutationen zu t(15;17)(q22;q12)

Therapiestrategien Akut sind die durch die Leukozytose und Thombozytopenie bedingten lebensgefährlichen Gerinnungsprobleme zu beheben. Hierzu • sollte der Gerinnungsstatus global durch Bestimmung der aPTT/aktivierte partielle Thromboplastinzeit, der Prothrombinzeit (INR, Quick), des Fibrinogenspiegels und der Thrombozytenzahl mindestens 1 ×/Tag bis zur Rückbildung der Gerinnungsstörungen überwacht werden, • erfolgt die Therapie der Gerinnungsstörung durch Substitution mit Fibrinogen, FFP/ Fresh Frozen Plasma und Thrombozytenkonzentraten, – Ziel sind Fibrinogenwerte über 100 bis 150 mg/dl und – Thrombozytenwerte über 30.000 bis 50.000/μl; • Wird die Leukozytose durch eine zytoreduktive Therapie behoben. Entscheidend für die zytoreduktive Therapie der APL ist deren Sensibilität für ATRA/AllTrans-Retinsäure und/oder ATO/Arsen-Trioxid. Diese Sensibilität ist abhängig von der Art der Translokation: • ATRA wirkt bei den Translokationen t(15;17)(q22;q12) PML-RARA, t(11;17)(q13;q21) NUMA-RARA und t(5;17)(q35;q21) NPM1/RARA, • ATO wirkt bei den Translokationen t(15;17)(q22;q12) PML-RARA und t(5;17)(q35;q21) NPM1/RARA, • ATRA und ATO erwiesen sich dagegen als unwirksam bei der Translokation t(11;17)(q23;q21) PLZF-RARA) und als fraglich wirksam bei der der Translokation t(4;17), – APL mit diesen Translokationen sollten somit gemäß der Therapiestrategie für die AML behandelt werden (siehe Kap. 8.15.3.2).

Tab. 8.267: Strategie der Therapie für ATRA und ATO sensible APL (in Anlehnung an Lengfelder et al. 2018, Inccarino et al. 2019). ATRA und ATO sensible APL Risiko niedrig/mittel

hoch





Induktionschemotherapie

Induktionschemotherapie

ATRA + ATO

ATRA + Anthracyclin + Arabino-Cytosin





Konsolidierungstherapie

Konsolidierungstherapie

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

ATRA + ATO

743

ATRA + Anthracyclin + Arabino-Cytosin



▾ molekulare Analyse der minimalen Resterkrankung/MRD (RT-PCR)

▾ negativ





positiv

negativ

Eignung für Stammzelltransplantation Ja

Nein

ggf. intensive Chemotherapie oder GemtuzumabOzogamicin

Salvage/ intensive Chemotherapie

▾ negativ (RT-PCR) Nachsorge





ggf.

oder







Erhaltungstherapie

oder

allogene Stammzelltransplantation

Erhaltungstherapie +/−ATO





allogene Stammzelltransplantation

▾ oder ggf. autologe Stammzelltransplantation



Nachsorge Prüfung auf Rezidive/MDR durch RT-PCR (Sensititivität 10−4) alle 3 Monate über 3 Jahre, nachfolgend sollte die Häufigkeit dem Risiko angepasst werden ATO = Arsen-Trioxid; ATRA = All-Trans-Retinsäure; RT-PCR = Reverse Transcription Polymerase Chain Reaction;

Die Induktionstherapie hat eine komplette Remission zum Ziel. • bei niedrigem und mittlerem Risiko (sogenanntes Standardrisiko) werden bis zur kompletten Remission verabreicht die Kombination von – ATRA/All-Trans-Retinsäure (45 mg/m2/Tag, täglich bis zu maximal 90 Tage), ▪ ATRA bindet an den Retinsäure-Rezeptor-α/RARA im RARA-Fusionsprotein und hebt hierdurch dessen konstitutive Unterdrückung der von RARA regulierten Differenzierungs-Gene auf, ▪ durch eine ATRA-Monotherapie kann in 80 bis 90 % der Fälle eine komplette Remission erreicht werden, Anhaltende Remissionen nach alleiniger ATRATherapie sind jedoch selten, – ATO/Arsen-Trioxid (0,15 mg/kg/Tag i. v., täglich bis zu maximal 60 Tage), ▪ ATO bindet an die Domäne RBCC/Ring-Finger, B-Box, Coiled-Coil-Domäne) des PML-Anteils des PML-RARA Fusionsproteins, sodass dieses blockiert und beschleunigt abgebaut wird, ▪ durch ATO in Kombination mit ATRA kann eine Remissionsrate von > 90 % erreicht werden, – falls ATO nicht verabreicht werden kann, ▪ Verabreichung von ATRA, einem Anthracyclin und Arabinocytosin

744 •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

bei hohem Risiko werden bis zur kompletten Remission verabreicht die Kombination von – ATRA/ All-trans-Retinsäure (45 mg/m2/Tag, täglich bis zu maximal 90 Tage), – einem Anthracyclin (APL-Blasten sind für diese hochsensitiv) wie z. B. ▪ Idarubicin (12 mg/m2/Tag 2, 4, 6, 8, Wiederholung Tag 28), ▪ Daunorubicin (kumulativ ca. 650 bis 750 mg/m²) oder auch ▪ Mitoxantron und – Arabino-Cytosin, wobei die Dosierung (30 mg/m²/Tag für eine Woche bis 50− 100 mg/m²/Tag) der antileukämischen Wirkung angepasst werden sollte.

Die Konsolidierungstherapie • beginnt, sobald durch die Induktionstherapie eine Remission erreicht ist mit Zahlen für Leukozyten bei > 1.500/μl und für Thrombozyten bei > 100.000/μl, • ist der Risikoeinstufung der APL angepasst und besteht – bei niedrigem und mittlerem Risiko aus weiteren vier Zyklen von ATO + ATRA, – bei hohem Risiko aus weiteren 3 Zyklen von ATRA, einem Anthracyclin und Arabinocytosin. Eine Erhaltungstherapie erfolgt nach der Konsolidierungstherapie einer APL mit hohem Risiko • falls durch die Erstlinientherapie mit ATRA und Chemotherapie und nachfolgender Konsolidierungstherapie eine komplette Remission (RT-PCR negativ) erreicht worden ist, • durch Verabreichung von 7 Zyklen ATRA + Methotrexat + 6-Mercaptopurin oder von anderen Chemotherapieschemata über 2 Jahre. Falls eine komplette Remission (RT-PCR negativ) nicht erreicht wurde oder bei Rezidiven kann durch eine Zweitlinientherapie in etwa 50 % der Fälle noch eine stabile Remission erzielt werden. Diese Zweitlinientherapie beinhaltet z. B. • die erneute Verabreichung von ATO + ATRA bei Patienten – vorbehandelt mit ATRA + Anthracyclin oder – mit ATRA + ATO, • die Gabe von Anti-CD33-Antikörper (Gemtuzumab)- Zytotoxin (Ozogamicin/Calicheamicin) Konjugaten in Kombination mit Daunorubicin und Arabinocytosin • eine Transplantation – von autologen hämatopoetischen Stammzellen, falls eine komplette Remission in der medikamentösen Zweitlinientherapie erreicht worden ist und ein Leukämiezell-freies (RT-PCR) Transplantat zur Verfügung steht, – von allogenen hämatopoetischen Stammzellen bei Risikokonstellationen. Die Entstehung eines APL-Differenzierungssyndroms stellt eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar bei primärer oder sekundärer Behandlung der APL mit ATRA und/oder ATO. Dieses Syndrom • tritt mit unterschiedlichem Schweregrad relativ häufig auf – nach ATRA+ATO in ca 20 %, nach ATO in 25–30 % der Fälle,

745

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes





ist charakterisiert durch Fieber, Dyspnoe, Blutdruckabfall, Gewichtszunahme, Ödeme, Lungeninfiltrate und Pleura- oder Perikardergüsse mit oder ohne Leukozytose, Herzinsuffiziens und Nierenversagen mit der Gefahr eines tödlichen Ausgangs. kann verhindert werden durch die Gabe von – Glukokortikosteroiden wie z. B. Prednison (0,5 mg/kg KG/Tag von Tag 1 bis zum Ende der ATRA und/oder ATO -Behandlung)

Eine Hyperleukozytose in der Anfangsphase der Therapie besonders der APL-Variante AML-M3v mit ARTA und/oder ATO soll durch die Verabreichung von Zytostatika behoben werden. Tab. 8.268: Beispiel für ATRA-Chemotherapie-Schemata zur Behandlung der akuten PromyelozytenLeukämie. Substanz 1

Induktionstherapie

Erhaltungstherapie

Rezidivtherapie

Dosis/ Tag

Tag

Substanz 2

ATRA all-transRetinsäure

45 mg/m2 (in 1– ≤ 60 2 Einzeldosen)

ATRA all-transRetinsäure

45 mg/m2 (in Idarubi1– ≤ 60 2 Einzelcin dosen)

Dosis/ Tag

Tag

ATO Arsen- 0,15 mg/ 1– ≤ 60 trioxid kg KG (As2O3,) 12 mg/ m2

2, 4, 6, 8

60 mg/ m2

1, 2, 3

Substanz 3

Dosis/ Tag

Tag

Prednison

0,5 mg/ 1– ≤ 60 kg KG

Prednison

0,5 mg/ 1– ≤ 60 kg KG

ATRA all-transRetinsäure

45 mg/m2 (in 1– ≤ 60 2 Einzeldosen)

Daunorubicin

ATRA all-transRetinsäure

45 mg/m2 1–15 (in alle 3 2 EinzelMonate dosen)

MTX/ Methotrexat

einmal/ Woche über 2 Jahre

6-Mercaptopurin

15 mg/ m2

ATRA all-transRetinsäure

45 mg/m2 ATO (in Arsen- 0,15 mg/ 1– ≤ 60 1– ≤ 60 2 Einzeltrioxid kg KG dosen) (As2O3,)

Prednison

0,5 mg/ 1– ≤ 60 kg KG

AntiCD33Antikörper (Gemtuzumab)Zytotoxin (Ozogamicin) Konjugat

3 mg/m2 bis 5 mg/m2

1, 4, 7

Daunorubicin

kumulativ: ≤ 650– 750 mg/m²) bei Kindern > 2 Jahre ≤ 300 mg/m². 15 mg/ m2

60 mg/ m2

1, 2, 3

Arabino- 200 mg/ 1 bis 7 cytosin m2

täglich 2 Jahre

Arabino- 200 mg/ 1 bis 7 cytosin m2

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Prognose nach der derzeit bestmöglichen Therapie • bei Kindern < 15 Jahre – mittlere Überlebensrate 55–60 % • bei Erwachsenen – im Mittel ▪ Remissionen ca. 80–90 % ▪ 5-Jahres-Überleben 70–80 % – bei Hochrisiko-Patienten nach allogener Stammzelltransplantation ▪ längerfristiges Überleben ~ 50 %

Weiterführende Literatur Arber DA, Orazi A, Hasserjian R, Thiele J, Borowitz MJ, Le Beau MM, Bloomfield CD, Cazzola M, Vardiman JW, The 2016 revision to the World Health Organization classification of myeloid neoplasms and acute leukemia Blood, 2016, 127 (20): 2391–2405. Cazzola M, Introduction to a review series: the 2016 revision of the WHO classification of tumors of hematopoietic and lymphoid tissues, Blood 2016, 127 (20): 2361–2364 Escherich G, Schrappe M, Creutzig U, 2016; Leitlinien Akute Lymphoblastische Leukämie im Kindesalter, https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/025-014l_S1_Akute_lymphoblastische_Leukaemie_ ALL_2016-04.pdf Gökebuget N, Baldus C, Brüggemann M, Hauswirth AW. Schanz U, 2018, Leitlinien Akute lymphatische Leukämie (ALL) https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/akute-lymphatischeleukaemie-all/@@guideline/html/index.html Iaccarino L, Divona M, Ottone T, Cicconi L, Lavorgna S , C, Alfonso V, Travaglini S, Luca Facchini L, Cimino G, Di Bona E, Voso MT, Lo-Coco F, Identification and Monitoring of Atypical PML/RARA Fusion Transcripts in Acute Promyelocytic Leukemia. Genes Chromosomes Cancer, 2019;58(1):60–65. Lengfelder E, Lambert JF, Nachbaur D, Niederwieser D, Platzbecker U, Schlenk RF, Wörmann B, 2018, Leitlinie Akute Promyelozyten Leukämie (APL), https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/ guidelines/akute-promyelozyten-leukaemie-apl/@@guideline/html/index.html National Cancer Institute (USA), Adult Acute Lymphoblastic Leukemia Treatment (PDQ®), Stand 01/19/ 2012, http://www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/adultALL/HealthProfessional National Cancer Institute (USA), Adult Acute Myeloid Leukemia Treatment (PDQ®); 1/19/2012, http:// www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/adultAML/healthprofessional National Cancer Institute (USA), Childhood Acute Lymphoblastic Leukemia Treatment (PDQ®), 12/15/2011, http://www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/childALL/HealthProfessional OMIM, Online Mendelian Inheritance in Man, An Online Catalog of Human Genes and Genetic Disorders, Updated 27 January 2012 John Hopkins University, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/entrez?db= omim Preiß J, Dornoff W, Hagmann F-G, Schmieder A. Onkologie 2011; Juni 2011; http://www.onkologie2011.de/ index.htm; 15. Januar 2012 Röllig C, Beelen DW, Braess J, Greil R, Niederwieser D, Passweg J, Reinhardt D, Schlenk RF, 2019, Leitlinie Akute myeloische Leukämie, https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/akutemyeloische-leukaemie-aml/@@guideline/html/index.html Schrappe M, Creutzig U, Lernbecher T. Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Gesellschaft für Pädiatrischen Onkologie und Hämatologie, Akute lymphoblastische (ALL) und akute myeloische (AML) Leukämie im Kindesalter, Stand: 05.2008; http://www.awmf.org/uploads/tx_ szleitlinien/025–014.pdf

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

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8.15.4 Chronische Lymphozyten-Leukämien 8.15.4.1 CLL/Chronische Lymphatische Leukämie Die CLL/Chronische lymphatische Leukämie stellt ein schmerzfreies/indolentes lymphozytisches Lymphom mit leukämischen Verlauf dar, wobei • definitionsgemäß (WHO) die CLL immer eine B-Zell-Neoplasie ist und • die früher als T-CLL benannte Leukämie nunmehr T-Prolymphozytenleukämie (T-PLL) heißt.

Vorkommen Die CLL genannt ist die häufigste Leukämie in den westlichen Industrieländern mit folgenden epidemiologischen Werten • die Neuerkrankungsrate liegt bei etwa 3/100.000 Personen/Jahr mit – einem mittleren Erkrankungsalter von 72 Jahren (Männer) und von 75 Jahren (Frauen) und – einem mittleren Sterbealter von 78 Jahren (Männer) und von 83 Jahren (Frauen) • die Geschlechtsverteilung liegt bei M : W = 1,3 : 1, • in dem letzten Jahrzehnt (2005–2014) haben die CLL-Neuerkrankungen wie auch die durch sie bedingte Sterblichkeit bei Männern stärker als bei Frauen zugenommen und zwar – die Neuerkrankungen bei Frauen um + 1,3 %, bei Männern + 2,0 %, – die Mortalität bei Frauen um + 0,1 %, bei Männern um + 1,5 %, • in der weiteren Zukunft (z. B. bis zum Jahre 2040) ist bedingt durch Zunahme der älteren Bevölkerung mit einem Anwachsen der Neuerkrankungen um knapp 30 % zu rechnen. Als Risikofaktoren gelten besonders • exogene Faktoren – organische Lösungsmittel, im Besonderen Benzol • endogene Faktoren – familiäre/genetische Abhängigkeiten ▪ Verwandte ersten Grades von CLL-Patienten haben ein ca. 8,5fach erhöhtes Risiko für die Entstehung einer CLL und ein ca. 2–2,5fach erhöhtes Risiko für die Entstehung eines anderen Lymphoms, ▪ Abstammung aus einem Familienverbund mit einer deutlich erhöhten Inzidenz von CLL, deren Ursache noch unklar ist, • eine MBL/Monoklonale B-Lymphozytose – beinhaltet die monoklonale Vermehrung eines B-Lymphozyten mit den biologischen Merkmalen einer Leukämiezelle, – stellt klinisch das symptomlose Vorstadium einer CLL dar und ist bei > 5 % der > 60-Jährigen nachweisbar, – besitzt das Risiko zur Entwicklung einer klinisch apparenten B-CLL im Bereich von ca. 1 %/Jahr.

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Symptome Wesentliches Merkmal ist im Blut die Leukozytose und Lymphozytose, welche häufig zufällig festgestellt wird. Mit Fortschreiten der Erkrankung treten auf • Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust (B-Symptome) – bedingt durch die monoklonale Vermehrung der Leukämiezellen. • Schwellung von Lymphknoten, Milz und Leber durch Invasion von Leukämiezellen – seltener ein Befall der Haut, Tonsillen, Meningen und/oder der Speicheldrüse (Mikulicz-Syndrom), – verminderter Antikörper-Blutspiegel mit Antikörpermangelsyndrom, – erhöhtes IgM, – Auftreten von inkompletten Wärmeantikörpern, • Hauterscheinungen (in etwa 30 % der Fälle) mit – Ekzemen, Juckreiz, knotigen Infiltraten, – lokalen Infektionen (Mykosen, Herpes Zoster, Erysypel) – Hautblutungen • Zeichen der Knochenmarkinsuffizienz mit – Anämien und evtl. Autoimmun-Thrombozytopenien, – hohem Lymphozyten-Anteil, – vermehrten systemischen Infektionen, • erhöhte Blutwerte für Thymidinkinase und β2-Mikroglobulin Diagnostik Folgende diagnostische Kriterien gelten für eine CLL • Lymphozytose mit ≥ 5000 monoklonale B-Lymphozyten/μl peripheres Blut über mindestens 3 Monate – MBL/Monoklonale B-Lymphozytose, falls Lymphozytose < 5000/μl und falls keine Symptome (B Symptome, Lymphadenopathie, Hepatomegalie, Splenomegalie, Zytopenie) vorliegen, • vorwiegend kleine, morphologisch reif wirkende Lymphozyten in der zytologischen Untersuchung des Blutausstrichs, • immunzytologische Charakteristika der monoklonalen B-Lymphozyten – Koexpression der B-Lymphozyten-Antigene CD19, CD20 und CD23 mit dem T ZellAntigen CD5, – nur schwache Expression von Oberflächenimmunglobulin, CD20 und CD79b, – Monoklonalität von Igκ oder Igλ (Leichtkettenrestriktion), vorzugsweise bestimmt durch Doppelmarkierung von CD19/Igκ oder CD19/Igλ Klinische Untersuchung: • körperliche und hämatologische Untersuchung: – Blutungen, Zeichen von Anämie, Schwellungen der Lymphknoten, der Milz und der Leber, – Nachweis der B-Symptome: ▪ Fieber über 38 Grad Celsius (ohne gleichzeitigen Infekt), ▪ starker Nachtschweiß,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

749

ungewollter Gewichtsverlust von mehr als 10 % des ursprünglichen Körpergewichts innerhalb der letzten 6 Monate, – verminderte Leistungsfähigkeit, Müdigkeit und Schwäche, – Anfälligkeit für Infekte, – quantitatives Blutbild: Nachweis von Leukozytose, Erythropenie, Verminderung des Hämoglobins, Thrombozytopenie, Erhöhung des LDH-Spiegels und der Harnsäure, Mangel an Antikörpern; – Differential-Blutbild: Nachweis der Lymphozytose, Erhöhung der Retikulozyten Ausbreitungs-Diagnostik – Knochenmarkaspiration und Zytologie ▪ in der Regel zur Diagnosestellung nicht erforderlich, kann aber bei Beurteilung unklarer Zytopenien bzw. der Remission notwendig sein – ggf. Lymphknotenbiopsie und Zytologie ▪ bei fehlender leukämischer Ausschwemmung/aleukämischen Patienten oder ▪ bei Verdacht auf Transformation in ein aggressives Lymphom (Richter-Syndrom) – mit bildgebenden Verfahren (siehe Kap. 8.15.1) ▪ im Besonderen Sonografie des Abdomens (Leber, Niere, Milz) und der Lymphknoten. ▪



Immundiagnostik/Immunmarker • erfolgt nach den Kriterien des IWCLL/International Workshop on CLL 2008 • Eine B-CLL liegt vor, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind – Nachweis von ≥ 5.000 klonalen B-Lymphozyten/μl Blut ▪ vorwiegend kleine, morphologisch reif wirkende Lymphozyten im Blutausstrich, – Expression der B-Lymphozyten-Antigene ▪ CD19 = B-Glykoprotein 95; Corezeptor, bindet Rezeptor-assoziierte Phosphokinasen, ▪ CD23 = Fc-IgE-Rezeptor Typ II, ▪ CD5 = Inhibitorisch wirkender Regulator des BCR/B-Lymphozyten-Rezeptors, ▪ Oberflächen-Immunglobulin/s-IgM/IgD = BCR/B-Lymphozyten-Rezeptor, ▪ Ig-К oder Ig-λ = leichte Ketten des sIg, ▪ Nachweis der Monoklonalität der Leukämiezellen durch einheitliche Expression von Igκ oder Igλ, – nur schwache oder fehlende Expression der B-Lymphozyten-Antigene ▪ CD79b = Igβ = Corezeptor des BCR/B-Lymphozyten-Rezeptors, ▪ CD20 = B-Protein 35; Zellmembran-Protein und Ca2+-Kanal, ▪ FMC7 = Epitop auf CD20, nachweisbar mit dem monoklonalen Antikörper FMC7. • Zur Einschätzung der Prognose – Anteil an Leukämiezellen, welche exprimieren

750

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

CD38 = gp38/ NAD-Glykohydrolase, ZAP70/Zeta-Kette Assoziierte Proteinkinase, – Anteil an prolymphozytären Leukämiezellen, – Zellverdoppelungszeit, ggf. Analyse der Immunglobuline im Blut, Bestimmung der Thymidinkinase, Nachweis von hämolytischen Antikörpern oder Anti-Thrombozyten-Antikörpern – AIHA/Auto-Immun-Hämolytische Anämie und ITP/Immun-Thrombozyto-Penie sind häufige Begleiterkrankungen der B-CLL. ▪ ▪

• • •

Weitere Laboruntersuchungen • Antivirale Antikörper/ Virusserologie bzw. -Monitoring (CMV, HBV, HCV, HIV, VZV) • Serummarker (Thymidinkinase1, β2-Mikroglobulin), • Klinische Chemie, im Besonderen der Nieren- und Leberfunktionen. Molekularbiologische Diagnostik • Inaktivierende Deletion im Gen (17p13) für den Tumorsuppressor p53 – bei ca. 10–15 % der B-CLL Patienten nachweisbar, – erhöht das Mortalitätsrisiko um den Faktor 13, • Deletionen der Region 11q22.3 kodierend für ATM/Ataxia Teleangiectasia-Phosphatidylinositol 3-kinase – Häufigkeit 15–20 %, – erhöhen das Risiko und verschlechtern die Prognose; • Mutationen in der V/Variability-Domäne der H-Kette (IgVH) des Oberflächen-Immunglobulins (sIg) der B-CLL im Vergleich zu den entsprechenden V-Elementen der Keimbahnsequenz – keine Mutation (≥ 98 % Homologie) in IgVH ▪ schlechte Prognose, – Mutation in IgVH ▪ günstigere Prognose, – Mutation in IgVH, falls IgVH3–21 Gen vorliegt ▪ schlechte Prognose, • Deletionen im Chromosom 13q14 kodierend für die microRNAs miR15a und miR16–1 – in 40–60 % der B-CLL-Patienten nachweisbar, – günstige Prognose. • Punktmutationen im Chromosom Chr. 2q 33.1, kodierend für SF3B1/Splicing Factor 3B, Subunit 1 (Teil des spliceosomalen U2 snRNP/small nuclear Ribo-Nucleo-Protein) – in ca. 10 % der CLL-Patienten nachweisbar, – verbunden mit schlechte Prognose.

751

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

Klassifikation Erfolgt nach: • klinischen und labordiagnostischen Parametern (siehe Tab. 8.269) – nach Rai et al. (USA) – nach Binet et al. (Europa) • nach molekularbiologischen und biochemischen/zytologischen Parametern (siehe Tab. 8.270) Tab. 8.269: Klassifikation Risiko der B-CLL nach klinischen Parametern.

Risiko

Rai et al. USA

niedrig

0

mittel

I + II

hoch

III + IV

Tumorinfiltrationen Blut-Werte KM > 5.000/μl Leukämiezellen

Binet et al. Weitere EU Organe

30 %

nein

A B

LymphAnämie knoten, (Hb < 11 g/dl) ≥ 30 % Milz, Leber Thrombozyten < 100.000/μl

Tumorinfiltrationen Blut-Werte Anzahl der Organe Hb > 10 g/dl, Thrombozyten > 100.000/μl Anämie Hb < 10 g/dl

C Thrombozyten < 100.000/μl

3 (Lymphknoten, Milz, Leber und/oder weitere)

Prognose mittleres Überleben > 10 Jahre ~ 5 Jahre

2–3 Jahre

Tab. 8.270: Risiko der B-CLL nach molekularbiologischen und biochemischen/zytologischen Parametern.

Risiko

niedrig

Mittlere Überlebenszeit

15–25 Jahre

Molekularbiologische Parameter Mutationen

Kodiertes Protein

mutiertes IgVH

(siehe unten)

Deletionen Chr.13q14

microRNA miR15a und miR16–1

Biochemische/ zytologische Parameter

keine Mutation mittel

9–15 Jahre

Trisomie 12q oder Trisomie 11q Deletionen Chr.17p13

Thymidinkinase > 10 U/l Tumorsuppressor p53

Punktmutationen Chr.17p13

Deletionen Chr.11q22.3 hoch

5–10 Jahre

Zellverdoppelungszeit < 6 Monate ATM/Ataxia TeleangiectasiaPhosphatidylinositol 3-kinase

Anteil an Prolymphozytären Leukämie-Zellen > 10 %

752

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

unmutiertes IgVH mutiertes VDJ Arrangement IgVH3–21 Chr. 2q 33.1 Punktmutationen im Besonderen R625, K666E, K700E, G742D

variable Domäne der H (schwere) Kette des Membran Immunglobulins (sIg)

Expression von CD38/gp38/ NAD-Glykohydrolase > 30 % der Zellen Expression von ZAP70/Zeta chain associated Proteinkinase > 30 % der Zellen

SF3B1/Splicing Factor 3B, Subunit 1 (Teil des spliceosomalen U2 small nuclear ribonucleoprotein/snRNP)

etwa in 10 % der CLL Patienten mutiert

Risikogruppen des Internationalen CLL-Prognoseindex (2016) Gesamtüberleben Risiko-Parameter

Punkte

Risiko

Summe Punkte

nach 5 Jahren

nach 10 Jahren

in Monaten

TP53

Deletiert oder mutiert

4

niedrig

0–1

93 %

79 %



IgHV

nicht mutiert

2

mittel

2–3

79 %

39 %

105

β2-Mikroglobin

> 3,5 mg/L Blutserum

2

hoch

4–6

63 %

22 %

75

Krankheitsstadium

Binet B-C oder Rai I–IV

1 sehr hoch

7–10

23 %

4%

29

Alter

> 65 Jahre

1

Prognose Die Prognose der CLL ist relativ günstig mit einer durchschnittlichen • absoluten 5-Jahres-Überlebensrate von 73 % (Frauen) und 71 % (Männer) und einer • relativen 5-Jahres-Überlebensrate von 83 % (Frauen) bzw. 82 % (Männer). • Entscheidend für die Prognose sind: – der klinische Entwicklungsstand der CLL (siehe Tab. 8.269), – die Art der Mutation in den CLL-Zellen (siehe Tab. 8.270), – der Blutspiegel der Thymidinkinase, – zytologische prognostisch ungünstige Parameter (siehe Tab. 8.270), – der Erfolg der Erstlinientherapie, ▪ Patienten ohne Remissionen oder mit kurzzeitigen Remissionen haben eine Gesamtüberlebenszeit im Mittel von 1–2 Jahre. Differentialdiagnose Die CLL ist zu unterscheiden von • MBL/Monoklonalen B-Lymphozytosen (s. o.) • entzündlich-reaktiven Lymphozytosen (virale Infekte, Kollagenosen) • anderen, leukämisch verlaufenden Lymphomen

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

753

– – – –



B-Prolymphozyten-Leukämie follikuläres Lymphom, lymphoplasmozytisches Lymphom, Mantelzell-Lymphom, wobei dieses ▪ gleich wie CLL positiv ist für CD19 und CD5, jedoch negativ für CD23, ▪ positiv ist für die Translokation t(11;14), die nicht bei der CLL auftritt und ▪ Cyclin D überexprimiert, – Marginalzonen-Lymphom, Haarzell-Leukämien

Therapiestrategien Die CLL ist derzeit nur durch eine Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen heilbar. Eine kurative medikamentöse Therapie ist bislang nicht bekannt, kann jedoch zur vorübergehenden kompletten oder partiellen Regression der Leukämie führen. • Die Therapie richtet sich nach dem genetischen Status, den Immunmarkern der Leukämiezellen und den Organfunktionen des Patienten und sollte bevorzugt im Rahmen klinischer Studien erfolgen. • Patienten ohne durch CLL verursachte Symptome werden engmaschig (alle 3–6 Monate) klinisch kontrolliert ohne eine Anti-Leukämie-Behandlung. Für eine Anti-Leukämische Therapie sollten folgende Kriterien vorliegen • Krankheitsstadium A, B, oder C (Klassifikation nach Binet) und • Anämie und/oder Thrombozytopenie, • stark progrediente oder symptomatische Splenomegalie, • stark progrediente (> 10 cm im Durchmesser) oder symptomatische Lymphadenopathie, • stark progrediente Lymphozytose mit – Lymphozytenverdopplungszeit von weniger als 6 Monaten oder – 50 %-igem Anstieg in 2 Monaten, ausgehend von einem Basiswert von mindestens 30.000 Lymphozyten/μl und – Ausschluss anderer Ursachen für eine Lymphozytose • eine auf Standardtherapie refraktäre Autoimmunzytopenie, • eines der folgenden Symptome – ungewollter Gewichtsverlust > 10 % in 6 Monaten – Fieber unklarer Ursache für mehr als 2 Wochen – Nachtschweiß über mehr als einen Monat ohne Nachweis einer Infektion – schwerwiegende Ermüdungserscheinungen. Die medikamentöse Therapiestrategie beinhaltet • eine Primärtherapie/Erstlinientherapie (siehe Tab. 8.271), • eine Sekundärtherapie/Zweitlinientherapie bei Resistenz gegen die Primärtherapie oder bei Rezidiven (siehe Tab. 8.272), • eine Erhaltungstherapie bzw. Drittlinientherapie.

754

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.271: Strategie der Primärtherapie der CLL/Chronischen Lymphatischen Leukämie (in Anlehnung an Hallek et al. 2018, Wendtner et al. 2019). Allgemeinbefinden bei Krankheitssymptomen gut

mittelmäßig





nein > 65 Jahre



ja

nein



IgHV mutiert?



IgHV mutiert?

IgHV mutiert?

nein

ja

nein

ja









Ibrutinib



nein

ja









oder Ibrutinib



ja

Ibrutinib

Ibrutinib



oder

oder



Bendamustin + Rituximab

Ibrutinib



oder Fludarabin + Cyclophosphamid + Rituximab,

Bendamustin + Rituximab





falls CR oder PR Fortsetzung der Therapie oder regelmäßige Kontrolle





del (17p13) oder TP53 Mutation?

del (17p13) oder TP53 Mutation?

≤ 65 Jahre

schlecht

Chlorambucil + Obinutuzumab





falls CR oder PR



Fortsetzung der Therapie oder regelmäßige Kontrolle

bestmögliche symptomatische/ palliative Therapie (ggf. unter Einschluss von Glukokortikosteroiden, Chlorambucil, Bendamustin, Ibrutinib oder AntiCD20 Antikörpern)



oder falls NC oder PD

oder falls NC oder PD

Zweitlinientherapie

Zweitlinientherapie

CR = komplette Regression; PR = partielle Regression; NC = keine Veränderung; PD = progressive Erkrankung

Die medikamentöse Therapie kann bei Patienten mit Symptomen und relativ gutem oder mittelmäßigem Allgemeinbefinden zu einer Remission der Leukämie und zu einer deutlichen Verlängerung des Überlebens führen. Zur Anwendung kommen hierbei bei Patienten • ohne Deletionen Chromosom 17p13 und/oder ohne TP53-Mutation – als Erst-Linientherapie ▪ Ibrutinib (Inhibitor der BTK/Bruton-Tyrosinkinase, welche an der Signalübertragung vom BCR/B-Zell-Rezeptor zum Zellkern wesentlich beteiligt ist) ▪ Fludarabin (eine Purin-Analog, bei welchem Vorsicht bei Nierenschädigung geboten ist) + Cyclophosphamid (ein Alkylans) + Rituximab (chimärer, gegen CD20 gerichteter monoklonaler Antikörper)

755

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

Bendamustin (ein Stickstoff-Lost Derivat) + Rituximab oder Chlorambucil (ein Alkylans) + Obinutuzumab (humanisierter, gegen CD20 gerichteter monoklonale Antikörper mit einem veränderten Glykosidierungsmuster) oder ▪ ggf. Ibrutinib + Rituximab oder ▪ ggf. Ibrutinib + Obinutuzumab mit Deletionen Chromosom 17p13 oder TP53-Mutation erhalten – als Erst-Linientherapie ▪ Ibrutinib oder ▪ Venetoclax (selektiver Inhibitor von Bcl-2/B-cell lymphoma-2-Protein, welches in CLL-Zellen überexprimiert ist und dadurch als Onkogen wirkt) + Rituximab ▪ ggf. Idelalisib (Inhibitor der PI3K/Phosphatidylinositol-3-Kinase p110δ) + Rituximab. ▪ ▪



Tab. 8.272: Strategie der Sekundärtherapie der CLL/Chronischen Lymphatischen Leukämie (in Anlehnung an Hallek et al. 2018, Wendtner et al. 2019). Allgemeinbefinden bei Rezidiven und Resistenzen gut

mittelmäßig





del (17p13) oder TP53 Mutation? nein

ja





Vortherapie mit Ibrutinib? ja

nein PD oder Frührezidiv

▾ Venetoclax + Rituximab

schlecht



Ibrutinib oder



Venetoclax + Rituximab

oder



Ibrutinib



oder

falls CR/PR Wiederholung der Primärtherapie

Venetoclax + Rituximab



falls CR/PR



Spätrezidiv (≥ 3 Jahre)

Erhaltungstherapie



oder allogene Stammzelltransplantation





falls SD/PD

oder falls SD/PD

Drittlinientherapie

Drittlinientherapie

Erhaltungstherapie

bestmögliche symptomatische/ palliative Therapie (ggf. unter Einschluss von Glukokortikosteroiden, Chlorambucil, Bendamustin, Ibrutinib oder AntiCD20 Antikörpern)



oder allogene Stammzelltransplantation

CR = komplette Regression; PR = partielle Regression; SD = stabile Erkrankung/keine Veränderung; PD = progressive Erkrankung

756

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Bei einer kompletten (CR) oder partiellen (PR) Remission wird der weitere Verlauf der B-CLL unter engmaschiger Kontrolle (alle 3–6 Monate) ohne weitere Behandlung abgewartet. Eine Zweitlinientherapie erfolgt: • bei Unwirksamkeit (SD/stabile Erkrankung oder PD/progressive Erkrankung) der ErstLinientherapie, • bei einem Frührezidiv (Remissionsdauer < 2–3 Jahre), • bei einem Spätrezidiv (Remissionsdauer ≥ 2–3 Jahre). Die Zweitlinientherapie besteht • in einer Wiederholung der Ersttherapie, falls ein Spätrezidiv aufgetreten ist oder • je nach Art der Erstlinientherapie in der Verabreichung von – Ibrutinib oder – Ibrutinib + Bendamustin + Rituximab oder – Venetoclax (selektiver Inhibitor von Bcl-2/B-cell lymphoma-2-Protein, welches in CLL-Zellen überexprimiert ist und dadurch als Onkogen wirkt) + Rituximab ▪ besonders nach Vorbehandlung mit Ibrutinib oder – Idelalisib (Inhibitor der Pi3K/Phosphatidylinositol-3-Kinase p110δ) + Rituximab oder – ggf. (bei TP53 Mutation) Alemtuzumab (humanisierter, gegen CD52 gerichteter monoklonaler Antikörper; CD52 ist ein12 Aminosäuren großes Peptid auf reifen Lymphozyten). • besonders bei Patienten mit einer (Richter-) Transformation der CLL in ein aggressives Non-Hodgkin-Lymphom in der Kombination – CHOP: Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin + Prednison, ggf. in Kombination mit Rituximab • in der Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen. Diese kann besonders erwogen werden – bei Patienten mit Hochrisiko I, ▪ falls keine TP53-Mutation vorliegt ▪ falls zielspezifische Therapeutika Wirkung zeigen, falls keine Komorbidität vorliegen und das Alter < 65 Jahre ist – bei Patienten mit Hochrisiko II, ▪ die resistent sind gegen Chemotherapeutika, Immuntherapeutika wie auch zielspezifische Therapeutika oder ▪ welche eine Richter-Transformation zu einem Non-Hodgkin oder HodgkinLymphom aufweisen. Die Verabreichung von polyvalenten Immunglobulin-Präparaten ist dann indiziert, wenn die CLL durch Verdrängung und Beeinträchtigung der normalen LymphozytenPopulationen und Reaktionen, im Besonderen der B-Lymphozyten zu einem sekundären Antikörpermangelsyndrom führt

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

• • • •

757

mit schweren, rezidivierenden Infektionen, mit ineffektiver antimikrobieller Therapie, mit mangelhafter spezifischer Antikörperbildung (z. B. nach einer Impfung) und/oder zu einem Serum IgG-Spiegel < 4 g/l.

Lässt der Gesundheitszustand/das Allgemeinbefinden eine Zweitlinientherapie nicht mehr zu, erfolgt nur noch eine bestmöglich unterstützende und symptomatisch/palliative Behandlung der Symptome, ggf. unter Einschluss von Glukokortikosteroiden, Chlorambucil, Bendamustin, Ibrutinib oder Anti-CD20 Antikörpern. Autoimmunerkrankungen in Begleitung der B-CLL werden vorzugsweise mit Kortikosteroiden oder im Rahmen der Anti-CLL-Therapie bereits durch die jeweiligen Therapieschemata behandelt. Nachsorge und Verlaufskontrolle Bei asymptomatischen Patienten sollte alle 3–6 Monate erfolgen • eine Blutbilduntersuchung zum Nachweis von – Rezidiven – Auftreten von Autoimmun-Zytopenien (Erythrozytopenie, Thrombozytopenie), • eine klinische Untersuchung unter Einbezug der Lymphknoten, Leber und Milz zum Nachweis von – schnellen Lymphknotenvergrößerungen, B-Symptomen, – LDH-Erhöhung und vermehrtem Zellzerfall, • auch, um eine Transformation in ein hochmalignes Lymphom (Richter-Syndrom) auszuschließen.

8.15.4.2 Haarzell-Leukämie/HCL Vorkommen Die Haarzell-Leukämie ist eine besondere und seltene niedrig-maligne Form der B-Lymphozyten-Leukämie. Deren Zellen zeichnen sich aus durch • einen Immunphänotyp reifer B-Lymphozyten, • kleine fadenförmige Ausläufer des Zytoplasmas, • mehrere Varianten. Die Neuerkrankungsrate liegt bei etwa 0,3/100.000 Personen/Jahr • mit einem Altersgipfel bei etwa 50–55 Jahren, – wobei Kinder nicht betroffen sind; • mit einer Geschlechtsverteilung von etwa M : W = 4–5 : 1; Eindeutige Risikofaktoren sind nicht bekannt, diskutiert werden • chronische Intoxikationen mit Herbiziden Pestiziden und Insektiziden und • Berufstätigkeiten in der Landwirtschaft, da hier das Auftreten häufiger ist.

758

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Symptome • Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust • allgemeine Müdigkeit, Schwäche, Blässe, häufige Infektionen und Blutungen aufgrund einer – Anämie, Neutropenie und/oder Thrombozytopenie – häufig (~ 70 % der Patienten) Panzytopenie • Druckgefühl im Oberbauch durch Schwellung der Milz • seltener Schwellung der Lymphknoten und/oder der Leber (Splenomegalie) • Autoimmunerkrankungen – autoimmunhämolytische Anämie (AIHA) und Immunthrombozytopenie (ITP) • langsamer, wechselnder Krankheitsverlauf Diagnostik Charakteristisch für die Haarzell-Leukämie sind: • Panzytopenie durch fortschreitende Insuffizienz des Knochenmarks, verursacht durch – leukämische Infiltration, – Hämatopoese-supprimierende Zytokine wie TNF-α, – Fibrosierung, • Splenomegalie, Lymphadenopathie. Klinische Untersuchung • auf Symptome • Blutbild – quantitativ (Leukozyten, Erythrozyten, Thrombozyten, Hämoglobin) – Differentialblutbild ▪ Nachweis von Haarzell-Leukämie-Zellen (fast immer möglich) • Knochenmarkuntersuchung – Aspiration und Zytologie ▪ Nachweis von Haarzell-Leukämie-Zellen – Stanzbiopsie (im Besonderen bei ineffektiver Aspiration) und Nachweis der Fibrosierung, • ggf. Lymphknoten-Biopsie und Zytologie Biochemische/labordiagnostische Untersuchungen • allgemeine internistische Parameter zur Überprüfung der Funktion von Nieren und Leber • zusätzliche Parameter im Blutplasma – LDH/Laktat-Dehydrogenase, – Vitamin B12 und Folsäure (zur Abgrenzung der perniziösen Anämie). Bestimmung der Immunmarker, ggf. mit Hilfe der Durchflusszytometrie (siehe Tab. 8.273), im Besonderen • CD11c = α-Kette des Komplement-Rezeptors CR4 für C3bi • CD25 = α-Kette des Rezeptors für Interleukin-2/IL-2Rα/Tac-Antigen

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

• •

759

CD103 = Integrin-αE-Kette, bildet mit der Integrin-β7-Kette das Heterodimer IntegrinαEβ7 Annexin A1 = Inhibitor der Phospholipase A2,

Mit bildgebenden Verfahren (siehe Kap. 8.15.1) • im Besonderen Sonografie des Abdomens (Milz, Leber) und der Lymphknoten Klassifikation Es werden zwei Formen der Haarzell-Leukämie unterschieden (siehe Tab. 8.273): • die klassische, eher gutartige Form, – welche positiv ist für ▪ CD25 (α-Kette des Interleukin-2-Rezeptors), ▪ Annexin A1 (Inhibitor der Phospholipase A2), ▪ aktivierende Mutationen von BRAF (> 90 % PunktmutationV600E), – welche meist negativ ist für ▪ die klonale Immunglobulin H-Ketten – Umlagerung IgHV34–4, • die variante, mehr maligne Form, – welche negativ ist für ▪ CD25 (α-Kette des Interleukin-2-Rezeptors), ▪ Annexin A1 (Inhibitor der Phospholipase A2), ▪ aktivierende Mutationen von BRAF (PunktmutationV600E), – welche aber positiv ist für ▪ die klonale Immunglobulin H-Ketten –Umlagerung IgHV34–4. Tab. 8.273: Klassifikation der Haarzell-Leukämie. Charakteristika

Subgruppen der Haarzell-Leukämie Klassisch

Variante

relativer Anteil/Häufigkeit

90–95 %

5–10 %

Geschlechtsverteilung (M : W)

M:W = 4:1

M : W = 1,5 : 1

Altersgipfel (Median)

50–55 Jahre

> 70 Jahre

klinischer Verlauf

chronisch-schleichend

akut-chronisch und aggressiv

Blutbild Leukozyten

Leukopenie

15.000/μl bis > 400.000/μl

Lymphozyten

< 10 % des Normalwertes

> 90 % des Normalwertes

Monozyten

< Normalwert

Normalwert

Hämoglobin

< Normalwert (Anämie bei ~ 85 % der Patienten)

häufig Normalwert

Thrombozyten

< Normalwert (Thrombozytopenie bei ~ 80 % der Patienten

häufig Normalwert

760

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Charakteristika

Subgruppen der Haarzell-Leukämie Klassisch

Variante

Enzymmarker TRAP Tartrat-Resistente saure/acid Phosphatase

+

+

reife B-Lymphozyten

+

+

CD10 (CALLA/Common Acute Lymphoblastic Leukemia Antigen/)





CD11c (α-Kette des Komplement-Rezeptors CR4)

+

+

CD20 (B-Lymphozyten Antigen)

+

+

CD22 (Corezeptor des BCR)

+

+

CD25 (α-Kette des Interleukin-2-Rezeptors)

+



CD103 (Integrinα E-Kette)

+

+/−

CD123 (Interleukin 3 Rezeptor)

+

+

Cyclin D1

+

+

DBA44 (TINP1/TGF-β-Induzierbares Nukleo-Protein 1)

+

+

Annexin A1 (Lipocortin, hemmt die Phospholipase A2)

+



Immunmarker

genetische Marker klonale Immunglobulin H-Ketten-Umlagerung

variabel (seltene besondere Variante mit IgGV34–4)

gehäuft IgHV34–4

BCR B-Cell-Rezeptor

aktiviert

aktiviert

BRAF

aktivierende Mutationen Wildtyp (> 90 % PunktmutationV600E) (selten PunktmutationV600E)

Differentialdiagnosen Die Differentialdiagnosen umfassen im Besonderen • Myelodysplastische Syndrome, • Non-Hodgkin-Lymphome (fortgeschrittene Stadien),

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

761

– – • • • • • •

Splenisches Marginalzonen – Lymphom (mit villösen Lymphozyten), follikuläres Lymphom, lymphozytisches Lymphom, CLL/Chronische lymphatische Leukämie, Morbus Waldenström, Akute Leukämien, Primäre/sekundäre Myelofibrose, Aplastische Anämie, PNH/Paroxysymale Nächtliche Hämoglobinurie, Hämophagozytische Lymphohistiozytose, Mangelernährungen – Vitamin-B12-Mangel, – Folsäure-Mangel.

Therapiestrategie Die klassische Haarzell-Leukämie ist eine zum Teil gutartig und chronisch schleichend verlaufende, weitgehend therapierbare Erkrankung. • Patienten ohne (durch die Haarzell-Leukämie verursachte) Symptome werden engmaschig (alle 3 Monate) klinisch kontrolliert ohne eine Anti-Leukämie-Behandlung; – etwa 10 % der Patienten benötigen niemals eine Anti-Leukämie-Therapie, • Patienten mit Symptomen – im Besonderen ▪ wenn die neutrophilen Granulozyten < 1.000/μl, die Thrombozyten < 100.000/μl und/oder das Hämoglobin < 11 g/dl liegen oder ▪ bei rezidivierenden Infekten, – erhalten eine medikamentöse Therapie (siehe Tab. 8.274) unterteilt in ▪ eine Erstlinientherapie und ▪ eine Zweitlinientherapie.

Tab. 8.274: Strategie der Therapie der klassischen Haarzell-Leukämie (in Anlehnung an Wörmann et al. 2016). klassische Haarzell-Leukämie mit kritischer Zytopenie und/oder Symptomen





Erstlinientherapie mit Purin-Analoga

keine Erstlinientherapie mit Purin-Analoga möglich



Cladribrin



Pentostatin

oder

Interferon α











falls Frührezidiv

falls Spätrezidiv

falls Frührezidiv

falls Spätrezidiv

oder

Pentostatin

Cladribrin

Cladribin

Pentostatin









Anti-CD20-Antikörper (Rituximab oder Obinutuzumab)

762

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

ggf. in Kombination mit oder gefolgt von



Anti-CD20-Antikörper (Rituximab oder Obinutuzumab)

oder (falls kein IgGVH34.4 vorliegt)



B-RAF-Inhibitor (Vemurafenib oder Dabrafenib ggf. in Kombination mit MEK-Inhibitoren Trametinib oder Cometinib)

oder Interferon α

▾ bei SD oder PD



Anti-CD20-Antikörper (Rituximab oder Obinutuzumab)

falls SD oder PD ggf.

▾ oder (falls kein IgGVH34.4 vorliegt) B-RAF- Inhibitor (Vemurafenib oder Dabrafenib ggf. in Kombination mit MEK-Inhibitoren Trametinib oder Cometinib)

▸ oder

Splenektomie

SD = stabile Erkrankung/keine Veränderung; PD = progressive Erkrankung

Die Erstlinientherapie beinhaltet die Verabreichung eines der aufgeführten Präparate: • Cladribin/2-CdA/2Chlorodeoxyadenosin (1 Zyklus, täglich über 5–7 Tage oder wöchentlich über 6–7 Wochen) – CR/komplette Remissionen 50–80 %, – Rezidive treten bei ca. 50 % der Patienten innerhalb von 15 Jahren auf. • Pentostatin/DCF/Deoxycoformicin; spezifischer ADA/Adenosin-Deaminase-Inhibitor (einmal alle 2–3 Wochen über 3–4 Monate) – CR/komplette Remissionen bei > 75 %, • bei unvollständiger Remission kann ein 2. Zyklus folgen, • therapieresistente Patienten werden behandelt wie Rezidive, • Nebenwirkungen der Purin-Analoga betreffen im Besonderen – durch die renale Ausscheidung die Niere (Überwachung der Nierenfunktion) – durch die Zytotoxizität die Immunabwehr (Lymphozyten, T-Helferzellen, Granulozyten). So liegt das Risiko für Therapie-assoziierte Infektionen bei etwa 20–30 %, diese betreffen besonders ▪ Pneumocystis jirovecii (Prophylaxe mit Cotrimoxazol/Trimethoprim), ▪ Reaktivierung von Herpes-Simplex-Virus/HSV-Infektionen (Prophylaxe z. B. mit Aciclovir), ▪ Pilzinfektionen (Prophylaxe mit Antimykotika). Für die Zweitlinientherapie werden verwendet • Purin-Analoga – bei Frührezidiven (≤ 3 Jahre) Pentostatin/DCF statt Cladribin/Cl2-CdA oder Cladribin/2-CdA statt Pentostatin/DCF,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

763



• •





• •

bei Spätrezidiven ist eine erneute Therapie mit dem Purin-Analog der Erstlinientherapie möglich, – besonders bei identischer Therapie wird die Remissionsdauer nach jedem Zyklus kürzer, – die Raten von CR/kompletten Remissionen liegen in der Zweitlinientherapie bei 40–70 %, in der Drittlinientherapie bei 20–50 %. ggf. Bendamustin allein oder in Kombination mit Rituximab Interferon-α (2–3 Mio. Einheiten 3–5-mal/Woche über 18–24 Monate) – CR/komplette Remissionen < 20 %, – Rezidivrate > 50 % innerhalb von 10 Jahren Rituximab; chimärer, gegen CD20 gerichteter monoklonaler Antikörper (einmal alle 1– 4 Wochen über 8–16 Wochen) – CR/komplette Remissionen 20–50 %, Purin-Analoga (Cladribin/2-CdA oder Pentostatin/DCF) – in Kombination mit Rituximab (Rezidivraten ≤ 90 %) oder – gefolgt von Rituximab (Rezidivraten > 95 %) Obinutuzumab (humanisierter, gegen CD20 gerichteter monoklonale Antikörper mit einem veränderten Glykosidierungsmuster) anstelle von Rituximab, B-RAF-Inhibitoren – Vemurafenib (zwischen 240 mg und 1920 mg pro Tag über 2–3 Monate) oder Dabrafenib ▪ mit CR/Remissionsraten von 35–42 % – ggf. in Kombination mit MEK-Inhibitoren Trametinib oder Cometinib mit dem Ziel ▪ die Remissionsrate zu erhöhen und das Risiko von Sekundärtumoren zu vermindern.

Die variante Haarzell-Leukämie hat einen aggressiveren Verlauf und ist weniger gut therapierbar als die klassische Haarzell-Leukämie • Purin-Analoga (Cladribin/2-CdA, Pentostatin/DCF), Interferon und Alkylantien zeigen nur eine mäßige Wirkung, wobei – mit Purin-Analoga in ca. 50 % der Fälle Remissionen zu erzielen sind – die Remissionsrate etwas verbessert werden kann durch die Kombinationen ▪ Purin-Analoga + Rituximab oder ▪ Bendamustin + Rituximab, • palliativ kann die Splenektomie in Betracht gezogen werden. Die Splenektomie führt bei ≤ 70 % der Patienten zu hämatologischen Remissionen • hat jedoch eine Rezidivrate von > 90 %, • und kann angewandt werden – bei klassischen Haarzell-Leukämien, ▪ welche resistent sind gegen eine Erstlinien- und Zweitlinientherapie und/oder ▪ mit einer Splenomegalie, welche Krankheitssymptome verursacht, – bei der varianten Haarzell-Leukämie ▪ wenn diese nicht auf Purin-Analoga anspricht oder ▪ kurzfristig rezidiviert.

764

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Verlaufskontrollen und Nachsorge • in den ersten 6 Monaten nach Erreichen einer bestmöglichen Remission – Blutbilduntersuchungen monatlich – Sonografie alle 3 Monate • nachfolgende Untersuchungsintervalle sind abhängig vom Krankheitsbild und Allgemeinzustand

Prognose • Für Patienten mit einer progressiven, therapiesensitiven Haarzell-Leukämie – liegt das 5-Jahres-Überleben bei ca. 85 %, – in ca. 70 % der Fälle kann ein langfristiges Überleben, vergleichbar mit nicht Erkrankten, erreicht werden.

8.15.4.3 B-PLL/B-Zell-Prolymphozyten Leukämie Vorkommen Die B-PLL/B-Prolymphozyten-Leukämie ist eine sehr seltene (nur ca. 1 % aller Leukämien), hoch aggressive Leukämieform, welche vermehrt bei Männern (M : W = 1,6 : 1) und bei > 60-Jährigen und vorwiegend bei Kaukasiern vorkommt und zu unterscheiden ist von der T-PLL/T-Pro-Lymphozyten-Leukämie (siehe Kap. 8.15.4.5).

Symptome Die B-PLL ist häufig über Wochen hinweg asymptomatisch. Erst mit zunehmendem Befall entwickeln sich • Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust • Symptome, die sich aus dem Organbefall ergeben (siehe Kap. 8.15.1) wie – Knochenmarkfunktionsstörungen mit ▪ Anämie durch Beeinträchtigung der Erythropoese ▪ häufige, schwere und langanhaltende Infektionen durch den Mangel an normalen Leukozyten und ▪ Blutungen durch die Thrombozytopenie. – Milzschwellung, ▪ jedoch nur eine geringe Beteiligung der Lymphknoten. hohe Blutlymphozyten-Zahl (> 100.000/μl) • – meist sind > 50–90 % aller Blutzellen B-Prolymphozyten, ▪ reife B-Lymphozyten sind erheblich vermindert, – wobei die B-Prolymphozyten morphologisch als Blasten charakterisiert sind mit ▪ ihrer Größe, 2 × so groß wie normale Lymphozyten, ▪ runden oder ovalen Zellkernen, ▪ einer hohen Kern-Plasma –Relation, ▪ einem mittelgradig kondensierten Chromatin, ▪ und einem prominenten Nukleolus.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

765

Diagnostik • klinische Untersuchung – auf Symptome, – Blutbild ▪ quantitativ (Leukozyten, Erythrozyten, Thrombozyten, Hämoglobin) ▪ Differentialblutbild, – ggf. Knochenmarkuntersuchung (Aspiration/Zytologie und Stanzbiopsie/Histologie), – ggf. Lymphknotenbiopsie und Zytologie, • biochemische/labordiagnostische Untersuchungen – allgemeine internistische Parameter zur Überprüfung der Funktion von Nieren und Leber • Bestimmung der Immunmarker, typisch für B-Lymphozyten (siehe Tab. 8.275), im Besonderen – der deutlichen Expression von ▪ des BCR/sIg ▪ der B-Lymphozyten Oberflächen-Antigene CD19, CD20, CD22 und CD79a – einer geringen Expression von CD5 und CD23 – der fehlenden Expression von CD10, CD11c, CD25, CD103 • molekularbiologische Untersuchungen. In B-PLL können folgende Mutationen nachgewiesen werden – inaktivierende Mutationen in 75 % der Fälle von TP53mut/del17p, – Amplifikation von cmyc (8q24.21) – Translokationen von (14q23, kodierend für Cyclin D1); – Mutationen von 6q21, 11q23, 12p12, 13q14 und 17p; – Deletionen im Chr.11 und 13 • mit bildgebenden Verfahren (siehe Kap. 8.15.1) – im Besonderen Sonografie des Abdomens (Milz, Leber) und der Lymphknoten

Therapiestrategie Chemotherapie Die B-PLL ist weitgehend resistent gegen Chemotherapeutika. Jedoch bestehen Anhaltspunkte für eine Wirkung von • Antimetaboliten – Cladribin/2-CdA/2Chlorodeoxyadenosin (1 Zyklus, täglich über 5–7 Tage oder wöchentlich über 6–7 Wochen) ▪ CR/komplette Remissionen 50–80 % – Pentostatin/DCF/Deoxycoformicin/; spezifischer ADA/Adenosin-Deaminase-Inhibitor (einmal alle 2–3 Wochen über 3–4 Monate) ▪ B-PLL: Regressionen ~ 45 % ▪ T-PLL: Regressionen ~ 33 % ▪ Regressions-Dauer 2–30 Monate – Fludarabin/Fludarabin-5-dihydrogenphosphat ▪ Regressionen ~ 35 %

766 • •



8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

CHOP: Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin + Prednison, – wirksam bei einem Teil der B-PLL Chemo- Immuntherapie – Fludarabin (oder Bendamustin) + Mitoxantron (oder Epirubicin) + – Rituximab (chimärer, gegen CD20 gerichteter monoklonaler Antikörper) Immuntherapie – Alemtuzumab (humanisierter, gegen CD52 gerichteter monoklonaler Antikörper; CD52 ist ein 12 Aminosäure großes Peptid auf reifen Lymphozyten) besonders bei 17p Deletion,

Zielspezifische Therapie Anhaltspunkte bestehen, dass die Therapie der B-PLL durch zielspezifische Therapeutika verbessert werden kann, im Besonderen durch • Ibrutinib, ein Inhibitor der Bruton-Tyrosinkinase (BTK), welche eine zentrale Rolle bei der intrazellulären Signalübertragung vom B-Zell-Rezeptor/BCR zum Zellkern in BLymphozyten spielt, • Idelalisib, ein Inhibitor der Phosphoinositolkinase PI3Kδ, welcher die intrazelluläre Signalübertragung ausgelöst vom aktivierten B-Zell-Rezeptor/BCR hemmt, • Venetoclax, ein Inhibitor von Bcl-2 Radiotherapie • perkutan, Zielgebiet Milz, ggf. als alternativer Weg für Patienten > 60 Jahre Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen • ggf. bei jungen Patienten mit relativ gutem Allgemeinbefinden, bei denen eine zumindest vorübergehende komplette Regression der B-PLL erreicht werden konnte.

Prognose • insgesamt ungünstig, da die Therapie nur mäßig wirksam ist – in besonderen Fällen kann bei B-PLL ein Überleben von ~ 3 Jahren erzielt werden.

8.15.4.4 T-PLL/T-Zell-Prolymphozyten-Leukämie Vorkommen Die T-PLL/T-Zell-Prolymphozyten-Leukämie stellt eine aggressive T-Zell-Leukämie dar, welche trotz aller therapeutischen Verfahren bislang nur eine mittlere Gesamtüberlebenszeit < 2 Jahren und eine 5-Jahresüberlebensrate < 5 % aufweist. Sie ist charakterisiert durch die Proliferation von klein- bis mittelgroßen postthymischen T-Lymphozyten • die weder Vorläuferzellen darstellen noch als das T-Zell Gegenstück der CLL gelten, – wobei (im Gegensatz zur T-PLL) die B-Leukämiezellen der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) ein vorwiegend kompaktzelliges Aussehen besitzen;

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes



767

welche meist den Phänotyp einer THmem/T-Helfer-Gedächtnis-Zelle tragen, – was eine Erklärung sein könnte für das Fehlen von autoggressiven oder immunsuppressiven Symptomen bei der T-PLL,

Die Neuerkrankungsrate liegt bei 0,1–02/100.000 Personen/Jahr und • macht damit nur etwa 2 % der reifzelligen Leukämien der Erwachsenen in den westlichen Industrieländern aus, • stellt jedoch die häufigste primär leukämische Form der T-Zell-Neoplasien in Europa und Nordamerika dar Männer erkranken etwas häufiger erkranken als Frauen (M : W = 1,33 : 1) • bei der sporadischen Form im Alter zwischen 40- und 80 Jahren und mit einem mittleren Erkrankungsalter von ca. 65 Jahren, • bei Ataxia Teleangiectasia (Louis-Bar-Syndrom) dagegen im Alter zwischen 25–30 Jahren und mit einer etwas größeren Häufigkeit von 0,68/100.000 Personen/Jahr. Risikofaktoren Exogene Faktoren: • Ob und welche exogene Faktoren die T-PLL induzieren oder promovieren können, ist unbekannt. • Anhaltspunkte für eine virale Ursache liegen nicht vor. • Umweltgifte konnten als Ursache bislang nicht identifiziert werden. • Es bestehen keine Hinweise, dass die T-PLL eine typische Zweitneoplasie im Gefolge von einer Behandlung mit Zytostatika oder Immunmodulatoren sein könnte. Endogene Ursachen • Familiäre Häufungen konnten bislang nicht festgestellt werden, • Jedoch kommt die T-PLL gehäuft vor bei der autosomal-rezessiven Erbkrankheit Ataxia Teleangiectasia (Louis-Bar-Syndrom) mit ihrer biallelisch inaktivierenden Mutation des ATM Tumorsuppressorgens. Molekularbiologische Ursache Als Ursprungszelle der T-PLL wird ein intermediäres Reifungsstadium des T-Lymphozyten im kortikalen Thymus angesehen, in welchem eine wesentliche Rolle spielen • die Mutationen inv(14)(q11q32) oder t(14;14)(q11;q32) sowie t(X;14)(q28;q11), durch welche – der Genlokus des TCL1A/T-cell leukemia 1-Onkogens (14q32) oder des TCL1A-Homologs MTCP1 (Xq28) unter den aktivierenden Einfluss der Promotoren/Enhancern des Genes für den T-Zell-Rezeptor (TCRα), lokalisiert auf 14q11 geraten, – eine Abschaltung von TCL1A und/oder MTCP1 nicht mehr möglich ist und – physiologische Differenzierungs- oder Apoptose-Prozesse von T-Lymphozyten blockiert werden • inaktivierende Mutationen des ATM-Gens kodierend für DNA- Reparaturproteine, • Amplifikationen des Gens für MYC auf Chromosom 8 und aktivierende Mutationen der Gene für die zellulären Signalübertragungsproteine JAK3 und STAT5B.

768

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Symptome Die T-PLL weist klinisch zwei Phasen auf • eine schmerzfreie/indolente und weitgehend symptomlose Frühphase und • eine exponentielle Wachstumsphase innerhalb eines Zeitraumes von 1–2 Jahren, charakterisiert durch zunehmende – Leistungsschwäche, – Blutarmut/Anämie, – Hautblutungen/Thrombozytopenie, – Häufigkeit, Schwere und Dauer von Infektionen, – B-Symptome der Leukämien (Fieber, Nachtschweiß u. a.) Diagnostische Verfahren Körperliche Untersuchung • Lymphknotenschwellung, Organschwellungen (Milz, Leber), • Blutungs- und Anämiezeichen, • Hautinfiltration oder Ergüsse Blutbild • quantitativ /Erythrozyten, Hämoglobin, Leukozyten Thrombozyten und • qualitativ/Differentialblutbild Sonografie und Computertomografie • zur Beurteilung der Milz, Leber, Lymphknoten Immunologische Typisierung der Lymphozyten (Immunzytologie, Durchflusszytometrie) • Anteil der CD2+, CD3+, CD5+, CD7+, TCRα/β+ Lymphozyten • intrazellulär: TCL1A + (höchste Spezifität) • sehr häufig: CD26+, CD27+; sehr stark CD52 • dagegen TdT−, CD1a−, TIA−, CD16− und CD57− Molekularbiologische Charakterisierung (FISH, RT-PCR, Chromosomenbandenanalyse) • inv(14)(q11q32) oder t(14;14)(q11;q32) in 85 % der Fälle (hohe Spezifität) • t(X;14)(q28;q11) bei 5–10 % der Fälle (hohe Spezifität) • komplex aberranter Karyotyp in > 70 % der Fälle • Amplifikation von 8q24 bei 60 % und Verlust von 11q22.3 in 40 % • monoklonale TCRβ und/oder TCRγ Genarrangements des TCR/T-Zell-Rezeptors Knochenmarkpunktion (Immunzytologie) ggf. • zur Abklärung unklarer Zytopenien oder • zur Beurteilung des Remissionsgrades Lymphknoten-Biopsien, Hautbiopsien, ggf. • zur Abklärung (inklusive Immunhistochemischer Nachweis von TCL1A/TCL1 Family AKT Coactivator A bei fehlender leukämischer Ausschwemmung

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

769

Virusnachweis (Serologie, PCR) zum Nachweis/Ausschluss von • HTLV-1 für die Abgrenzung zur Adulten T-Zell-Leukämie • HSV (IgM, IgG), CMV (IgM, IgG), EBV (IgM, IgG), HBV (HBSAg, anti-HBc) und HCV (anti-HCV) Mikrobielle Diagnostik bei Verdacht auf bakterielle oder Pilzinfektionen. Kriterien für die Diagnose T-PLL • Lymphozytose des Blutes (> 5 × 103 /μl), bei welcher – reife monoklonale leukämische T-Lymphozyten vorherrschen, die in drei morphologische Varianten auftreten ▪ Anteil von 75 %: typisch mittelgroße prolymphozytäre Zellen mit leicht aufgelockertem Kern von glatt begrenzter Kontur mit einem deutlichen Nukleolus; das basophile Zytoplasma trägt gelegentlich Ausstülpungen, ▪ Anteil von 20 %: kleinzellige Lymphozyten mit stark kondensiertem Chromatin und kaum sichtbarem Nukleolus, ▪ Anteil von 5 %: zerebriforme Lymphozyten mit irregulärer, gefurchter Kernzirkumferenz wie bei Sézary Zellen und – die Lymphozytenzahlen sehr schnell steigen (Verdopplungszeit < 6 Monate), • eine Hepato- und/oder Splenomegalie, • Mutationen inv(14)(q11q32) oder t(14;14)(q11;q32) oder t(X;14)(q28;q11) in den T-Leukämiezellen • Expression von onkogenen Proteinen der TCL1/T-Cell-Leukämie/Lymphom-Familie – TCL1A/ TCL1 Family AKT Coactivator A, welcher den PI3K/AKT Signalweg aktiviert und – MTCP1p13, dessen Expression begrenzt ist auf proliferierende reife T-Lymphozyten mit t(X;14) Translokationen – welche in den T-Leukämie-Zellen in der Durchflusszytometrie oder in der Immunhistochemie mit hoher Spezifität und hoher Sensitivität nachgewiesen werden können, zusätzlich Nachweis von Amplifikationen des Gens für MYC auf Chromosom 8q oder • einer del11q22 oder einem komplex aberrantem Karyotyp Differentialdiagnose Die T-PLL ist abzugrenzen von (siehe Tab. 8.275) • immunreaktiven T-Zell-Lymphozytosen bei viralen Infekten oder Autoimmunerkrankungen – welche jedoch in den seltensten Fällen monoklonal sind • leukämischen B-Lymphozyten-Lymphomen, – wie z. B. die CLL oder die B-PLL, – welche durch die Expression des BCR/CD19 und durch das Fehlen der T-Lymphozytenmarker (CD2, CD3, CD7) unterschieden werden können • andere leukämische T-Zell- Malignomen wie z. B. – T-LBL/T-Zell-Lymphoblastisches Lymphom, ▪ mit unreifem Phänotyp und ▪ ohne Chromosom 14 Aberrationen und TCL1A Expression,

770

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– – – –

T-LGL/T-Zell-Leukämie mit großen granulierten Lymphozyten, das Sézary-Syndrom/kutane T-Zell-Lymphom ▪ neu oder aus der kutanen Mycosis fungoides entstanden, die ATLL/Adulte T-Lymphozyten-Leukämie nach Infektion mit dem HTLV-1 Virus, die leukämischen Formen ▪ des PTCL/periphere T-Lymphozyten-Lymphoms oder ▪ des HSTL/hepatosplenischen T-Lymphozyten-Lymphoms.

Tab. 8.275: Klassifikation der Prolymphozyten-Leukämien (B- PLL/T-PLL) im Unterschied zu T-LGL, Sezary und ATLL (in Anlehnung an Herling et al. 2020).

Parameter

B-PLL

T-PLL

T-LGL

SézarySyndrom

ATLL

Klinik Erkrankungsalter (⌀ Jahre)

65–70

65

55

50–55

50–60

Hautbeteiligung

nein

20–30 %

selten

100 %

50 % in inaktiven Phasen

Lymphknotenschwellung

(+)

++

+

+

+

Milzschwellung

80 %

80 %

50 %

10 %

60–70 % in Lymphomphase

Ergüsse in Körperhöhlen



++

(+)





Lymphozytose

> 100 × 103/μl

in 75 % > 100 × 103/μl exponentieller Anstieg

2−10 × 103/μl chronisch, seltene Transformation

10−50 × 103/ μl

moderat, rapider Anstieg in Leukämiephase

klinisches Bild

Fieber, Nachtschweiß, Leistungsschwäche, weitere, z. B. KnochenmarkInsuffienz

in 80 % erst spät klinische Symptome z. B. durch KnochenmarkInsuffizienz

80 % Neutropenien; begleitend Autoimmun erkrankungen (Rheumatoide Erkrankung) und Myelodysplastisches Syndrom)

Erythrodermie Pruritus, Alopezie Eosinophilie

Immunsuppression, 65 % Hyperkalzämie, 10 % Osteolysen

aggressiv

bei Diagnose 60–80 % sehr aggressiv 15 % initial chronisch

selten hochproliferativ in der Regel mit Symptomen

chronisch aber starke Symptome

hoch-aggressiv 4 Verlaufsformen

4 Jahre

Leukämie 6 Monate Lymphom 10 Monate chronisch 24 Monate

Verlauf

mittleres Überleben

≤ 3 Jahre

1–2 Jahre

10–15 Jahre

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

771

Leukämiezellen Morphologie

> 50 % prolymphozytoid CD8–, CD4–

Immunmarker

65 % prolymphozytoid

80 % LGL-Form

40–60 % klein zerebriform

Größe variabel gelappte Kerne

80 % CD4+, CD8– 30 % CD4+, CD8+ < 5 % CD4–, CD8+

CD8+, CD4–

CD4+, CD8–

CD4+, CD8–

CD2–, CD5–, CD7–, CD52–

CD2+, CD5+, CD7++, CD26+, CD52++

CD16+, CD57+ TIA+, CD94+

CD27+

CD25++

CD22+, CD79a+

CD7++, CD22–, CD26+, CD52++,

NK-LGL: CD56+

50 % CD7–, CD26–

CD7–, CD27–

BCR/sIg+ MHC-II+

BCR/sIg–, MHC-II–,

BCR/sIg–, MHC-II–

BCR/sIg–, MHC-II–

BCR/sIg–, MHC-II–

60 % del(17p)/ TP53mut

100 % HTLV1 DNA-kodiertes Tax Protein 20–30 % TP53mut

75 % TP53mut/ 95 % inv(14) del17p, oder t(14;14) Amplifikation oder t(X;14) von cmyc 40–60 % +8q24, (8q24.21) del(11q) Transloka60 % ATMmut tionen von Molekular(14q23) biologische (kodierend für Veränderungen Cyclin D1); Mutationen von 75 % komplexer 6q21, 11q23, Karyotyp 12p12, 13q14 und 17p; Deletionen Chr.11 und 13

40–65 % STAT3mut 5 % STAT5B mut

Karyotyp meist normal oligo-/ biklonale Vorstufen

T-PLL = T-Prolymphozyten-Leukämie; T-LGL = T-großzellig- granuläre Lymphozyten-Leukämie; SezarySyndrom = kutanes T-Lymphozyten-Lymphom; ATLL = Adulte T-Lymphozyten Leukämie BCR/sIg = B-Zell-Rezeptor/OberflächenImmunglobulin; CD2 = LFA2/Leukozyten-Funktionsadhäsionsmolekül; CD4 = Corezeptor des T-Zell-Rezeptor /TCR; CD5 = Tp67/Inhibitor der Rezeptoraktivierung; CD7 = Fc-Rezeptor für IgM; CD8 = Corezeptor des TCR; CD16 = Fc- Receptor FcγRIII; CD22 = Lectin Bgp135, Inhibitor für den BCR/B-Lymphozyten-Rezeptor; CD25 = Interleukin-Rezeptor α/IL2RA; CD26 = meist inaktivierende Dipeptidyl peptidase-4 (DPP4); CD27 = Tumor necrosis factor receptor superfamily member 7/TNFRSF7; CD52 = T-Lymphozyten-Antigen der CAMPATH-Familie; CD56 = neurales Zelladhäsionsmolekül 1/NCAM1; CD79a = Corezeptor des BCR, MHC-Klasse II = Major Histocompatibility-Complex Class II;

Therapiestrategie Solange die Erkrankung in der weitgehend symptomlosen Frühphase verharrt, erfolgt nur eine engmaschige Kontrolle. Eine Behandlung der T-PLL wird notwendig beim Auftreten folgender Krankheitserscheinungen • Leistungsminderung (ECOG ≥ 2) und die klassischen B-Symptome, • Anämie (Hämoglobin < 10 g/dL) und/oder Thrombozytopenie (< 100.000/μl) und/oder gehäufte schwere und/oder langandauernde Infekte,

772 • • • •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

stark zunehmende Lymphknotenschwellung (> 50 % in 2 Monaten oder Verdopplung des Durchmessers in < 6 Monaten), Splenomegalie und/oder Hepatomegalie, lokale lymphozytogene Veränderungen z. B. in der Haut, in Körperhöhlen/Ergüsse, im ZNS, Muskel, Darm, eine exponentiell zunehmende Lymphozytose, z. B. im Falle von – einer Zunahme von > 30.000/μl oder von mehr als 50 % in 2 Monaten oder eine Verdopplung innerhalb von 6 Monaten, – Lymphozyten > 50.000//μl, dies alleine begründet bereits alleine für sich eine Therapie mit kurativem Ziel.

Tab. 8.276: Strategie der Therapie der T-Prolymphozyten-Leukämie/T-PLL (in Anlehnung an Herling et al. 2020). T-Prolymphozyten-Leukämie/T-PLL Frühphase symptomlos

exponentielle Wachstumsphase



Allgemeinbefinden



nicht behandlungsbedürftig

engmaschige Kontrollen

Therapiestrategie











CR

PR, SD, oder PD





Allgemeinbefinden

Pentostatin

relativ gut





falls kein Spender

allogene Stammzelltransplantation

HochdosisChemotherapie + autologe Stammzelltransplantation



individualspezifische Therapie



oder

schlecht

falls Spender



oder

schlecht (ECOGPS > 3)

Anti CD52 Antikörper (Alemtuzumab)



falls exponentielle Wachstumsphase

relativ gut (ECOG-PS ≤ 3)



engmaschige Kontrolle



falls Progression oder Rezidiv Chemotherapie



oder



falls Progression oder Rezidiv individualspezifische Therapie bestmögliche symptomatisch/palliative Therapie



oder

FMC Fludarabin + Mitoxantron + Cyclophosphamid +/− Alemtuzumab +/− Bendamustin



bestmögliche symptomatisch/ palliative Therapie

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

773

Die Erstlinientherapie hat eine komplette Remission zum Ziel. Dabei werden Komplette (CR) und partielle (PR) Remissionen wie folgt definiert: • Bei einer CR sollten folgende Parameter erfüllt sein: – Blutwerte (ohne Bluttransfusionen) ▪ Lymphozytenzahlen < 4.000/μl ohne monoklonale oder prolymphozytäre TLeukämiezellen, ▪ Neutrophile Granulozyten: ≥ 1.500/μl ▪ Hämoglobin: ≥ 11,0 g/dl ▪ Thrombozyten: ≥ 100.000/μl – Knochenmark mit < 5 % der mononukleären Zellen mit prolymphozytäre T-Leukämiezellen, – Milzgröße < 13 cm (Längsachse), – Lymphknoten: längster Durchmesser < 1,0 cm, – keine anderen Symptome/Veränderungen, Eine PR umfasst folgende Parameter: • – Blutwerte (ohne Bluttransfusionen) ▪ Lymphozytenzahlen ≤ 30.000/μl und Reduktion ≥ 50 % des Ausgangswertes, ▪ Neutrophile Granulozyten: ≥ 1.500/μl oder Anstieg ≥ 50 % des Ausgangswertes, ▪ Hämoglobin: ≥ 11,0 g/dl oder Anstieg ≥ 50 % des Ausgangswertes, ▪ Thrombozyten: ≥ 100.000/μl oder Anstieg ≥ 50 % des Ausgangswertes, – Knochenmark: Reduktion um ≥ 50 % des Ausgangswertes der leukämischen Infiltration, – Milzgröße: Reduktion um ≥ 50 % der initialen Vergrößerung, – Lymphknoten: Reduktion des längsten Durchmessers um ≥ 30 %, – keine Progression oder neue B-Symptome/Veränderungen. Verabreicht werden • 1. Wahl: Alemtuzumab als Monotherapie (i. v. 3 ×/Woche über 12–16 Wochen), – Remissionsrate (CR) ca. 80 %, • 2. Wahl: 4 Zyklen Fludarabin+ Mitoxantron+ Cyclophosphamid (FMC) gefolgt von Alemtuzumab über 6–12 Wochen – Remissionsrate (CR) ca 50 % Eine alleinige konventionelle Chemotherapie als Primärtherapie ergibt kurzfristige (≤ 6 Monate) Remissionsraten (CR+PR) von 30–45 % und ist damit der Monotherapie oder Kombinationstherapie mit Alemtuzumab unterlegen. Dieses gilt z. B. für • Monotherapien mit Chlorambucil, Fludarabin oder Pentostatin wie auch für • CHOP: Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin + Prednison Bei Infiltrationen der T-PLL in das ZNS ist die Therapiemöglichkeit beschränkt. Intrathekal oder i.v kann verabreicht werden Methotrexat + Cytarabin + Glukokortikosteroid. Da die erzielten kompletten Remissionen in > 95 % der Fälle nicht von Dauer sind, sondern im Mittel nur 11–12 Monaten anhalten, sollte sich als Post-Remissionstherapie anschließen

774 •



8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

eine konsolidierende Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen (falls ein geeigneter Spender verfügbar ist), – wobei hierfür allein schon auf Grund ihres Allgemeinzustandes nur etwa 30–50 % geeignet sind und – durch welche eine 3-Jahres-Überlebensrate von 20–35 % und 5-Jahres-Überlebensrate von 10–15 % zu erzielen ist, – bei welcher nach 3 Jahren Rezidive und Mortalitäten ohne Rezidive in jeweils 30– 40 % der Fälle auftreten, eine autologe (auto-) Stammzelltransplantation nach Hochdosis-Chemotherapie.

Eine Zweitlinientherapie kann bei primärer (5–10 % der Fälle) oder sekundärer (Verlust des CD52 Markers auf den T-PLL-Zellen) Resistenz gegen Alemtuzumab erfolgen durch • erneute Gabe von Alemtuzumab, falls die Rezidive spät (≥ 6 Monate) nach Beendigung der Erstlinientherapie aufgetreten sind, • Erhöhung der Gesamtdosis von Alemtuzumab, ggf. in Kombination mit – Vorinostat (Inhibitor der Histon-Deacetylase) oder Cladribin (Antimetabolit, welcher auch die DNA-Methylierung zur Abschaltung der Geneexpression hemmt) zur verstärkten oder erneuten Expression von CD52 auf T-PLL-Zellen, – FMC: Fludarabin + Mitoxantron + Cyclophosphamid, wobei Alemtuzumab nach FMC verabreicht wird oder mit – Pentostatin, • Monotherapie mit Pentostatin oder Bendamustin, • Kombinationstherapie mit den Antimetaboliten Fludarabin + Nelarabin.

Nachsorge Die Nachsorge sollte engmaschig erfolgen und umfassen • die Erfassung einer Progression oder eines Rezidivs der T-PLL • die allgemeinen klinischen und laborchemischen Untersuchungen und • die Prophylaxe und Therapie von viralen und bakteriellen Infekten, wobei Lebendimpfstoffe soweit wie möglich vermieden werden sollten.

8.15.4.5 LGL/Large Granular Lymphocyte-Leukämie (T-LGL, NK-LGL) Vorkommen Die LGL/Large Granular Lymphocyte-Leukämie ist eine seltene (Vorkommen ca. 2 % der chronisch lymphatischen Leukämien), eher gutartig verlaufende Leukämieform. Sie wird unterteilt in • T-LGL/T-Lymphozyten-LGL, welche – in der Linie der zytotoxischen T-Lymphozyten entstehen und – den CD3+, CD8 +, CD57+ und CD56−, Antigen-aktivierten Memory/Gedächtnis zytotoxischen T-Lymphozyten zuzuordnen sind, – etwa 85 % aller LGL ausmachen,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

775







eine jährliche Inzidenz von etwa 0,4/100.000 aufweisen mit einem mittleren Alter von etwa 60 Jahren und einem Geschlechterverhältnis von etwa 1 : 1, wobei Frauen häufiger in jüngeren Jahren erkranken, NK-LGL/Natürliche Killer-Lymphozyten-LGL, welche – etwa 10 % aller LGL einnehmen, – der NK/Natürliche Killer-Zell Linie zugehören und daher – den CD3–, CD16+, und/oder CD56+ NK Zellen zuzuordnen sind aggressive NK-LGL, welche – etwa 5 % aller LGL einnehmen, – vorwiegend in Asiatischen Ländern bei Personen < 40 Jahren auftreten, – mit einer EBV-Infektion assoziiert sind und – eine hohe Resistenz gegen Chemotherapeutika und daher eine schlechte Prognose aufweisen.

Symptome • insgesamt relativ gering, • Nachtschweiß, Fieber, Gewichtsverlust (B-Symptome) in etwa 20–30 % der Fälle, • Anämie, Neutropenie und/oder Thrombozytopenie und eine geringgradige Lymphozytose – häufig einer aplastischen Anämie ähnelnd (Differentialdiagnose!) – verbunden mit häufigen und langwierigen besonders bakteriellen Infektionen der Haut, des Mund- und Rachenraumes und der perianalen Region bis hin zu Pneumonien und Sepsis • Splenomegalie (meist nur mäßig) tritt häufig auf, Hepatomegalie und Lymphadenopathie eher selten • häufig assoziiert mit Autoimmunerkrankungen wie z. B. – rheumatoide Arthritis in ca. 15 % der Fälle, wobei hierbei ▪ Rheumafaktoren in 40 %–60 % und antinukleare Antikörper in 40 % der Fälle nachweisbar sind, – Autoimmun-Zytopenien in 5–10 % der Fälle, ▪ hierbei sind anti-Granulozyten-Antikörper in 20 %–60 % auffindbar, – Systemischer Lupus Erythematosus, Sjögren-Syndrom, Autoimmunthyroiditis wie auch Vaskulitis mit Kryoglobulinämie seltener auftreten.

Diagnostik • klinische Untersuchung – auf Symptome – Blutbild ▪ quantitativ (Leukozyten, Erythrozyten, Thrombozyten, Hämoglobin) ▪ Differentialblutbild ▪ Lymphozytose bedingt durch LGL (> 0.5 × 109/l) ▪ LGL/Large granular lymphocytes, charakterisiert durch eine Größe von 15– 18 μm, einem großen Zytoplasma Anteil, welcher die typische azurophile Gra-

776



• •



8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

nula enthält und einem nierenförmigen oder runden Kern mit einem reifen Chromatin, – ggf. zusätzlich Knochenmarkuntersuchung (Aspiration/Zytologie und Stanzbiopsie/Histologie), – ggf. zusätzlich Lymphknotenbiopsie und Zytologie, biochemische/labordiagnostische Untersuchungen – allgemeine internistische Parameter zur Überprüfung der Funktion von Nieren und Leber, – Bestimmung der Immunmarker (siehe Tab. 8.277), mit bildgebenden Verfahren (siehe Kap. 8.15.1) – im Besonderen Sonografie des Abdomens (Milz, Leber) und der Lymphknoten molekularbiologische Untersuchungen (siehe Tab. 8.277) – Nachweis der TCRα/β oder TCRγ/δ Monoklonalität (Gen-Rarrangements) zum Nachweis und zur Abgrenzung der T-LGL von der NK-LGL – aktivierende Mutationen des STAT3-Gens, ▪ in 28 % bis 75 % der Fälle mit T-LGL und in 30 % bis 48 % der Fälle mit NKLGL assoziiert, ▪ dessen Protein in den Nukleus transloziert und dort die anti-apoptotisch und proliferativ wirkenden Gene für die Bcl2-Familie und das Mcl-1/Myeloid cell leukemia–1) aktiviert, – inaktivierende Mutationen des Gens für das TNF-α induzierte Protein 3 (A20, ist ein negativer Regulator der NF-kB-Signalübertragung) in ca. 8 % der Patienten virologische Untersuchungen – Nachweis der EBV-Infektion bei der aggressiven NK-LGL

Differentialdiagnosen Abzugrenzen sind die T-LGL und NL-LGL von Krankheiten mit Proliferation CD56-positiver Zellen und Krankheiten oder mit reaktiver LGL-Proliferation wie z. B. • solide Tumoren, Non-Hodgkin-Lymphome, • Bindegewebserkrankungen; • Felty-Syndrom (rheumatoide Arthritis, Neutropenie und Splenomegalie) • Hämophagozytose-Syndrome, • Idiopathische thrombozytopenische Purpura, • Virale Infektionen Klassifikation Die Unterteilung der Large Granular Lymphocyte Leukämie/LGL in T-Lymphozyten-LGL und NK/Natürliche Killer-Lymphozyten LGL erfolgt nach: • klinischen Merkmalen, • der Expression von Tumormarkern

777

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

Tab. 8.277: Klassifikation der Large Granular Lymphocyte Leukämie (Shah et al. 2016, Moignet et al. 2018). Large Granular Lymphocyte Leukämie T-LGL

NK-LGL

NK-ZellLymphozytose

Fieber

+/–

+



Anämie

++



Blutungsneigung

(+)



Splenomegalie

+

+



Hepatomegalie

–/+

+



Arthritis (rheumatoid)

+





klinischer Verlauf

chronisch schleichend

eher aggressiv

gutartig

Parameter Klinik

Blutbild Lymphozytose

+ (≤ 20.000/μl)

+ (≤ 20.000/μl)

+

Granulozyten

< Normalwert

< Normalwert

Normalwert

Thrombozyten

≤ Normalwert

< Normalwert

Normalwert

Serum-Immunglobuline

≥ Normalwert

Normalwert

Normalwert

Immunmarker saure Phosphatase

+





CD2 LFA2/Leukozyten Funktionsadhäsionsmolekül

+

+

+

CD3 Signalübertragender Komplex des TCR

+





TCRα/β oder TCRγ/δ T-Zell-Rezeptoren

+





CD4 Corezeptor des TCR für MHC-Klasse II

– (selten +)





CD8 Corezeptor des TCR für MHC-Klasse I

+

(+)



CD4/CD8 doppelt positiv







CD5 Tp67/Inhibitor der Rezeptoraktivierung





CD7 Fc-Rezeptor für IgM







CD16 Fcγ-Rezeptor III



+

+

778

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Large Granular Lymphocyte Leukämie T-LGL

NK-LGL

NK-ZellLymphozytose

CD56 Isoform des NCAM/Neurales Zell-AdhäsionsMolekül



+

+

CD57 Oligosaccharid-Antigen auf Glykoprotein 110

+



+

Parameter

molekularbiologische Marker TCR β

+ (häufig)





TCR γ

(+) selten





STAT3 Gen Chr. 17q21.2 aktivierende Mutation

Tyr640Phe, Asp661Tyr

+ bei CD8+/CD4T-LGL

+ (≤ 30 %)



STAT5B Gen Chr. 17q21.2 aktivierende Mutation

Asn642His

bei CD4+/CD8+ T-LGL

selten



TCR α/β oder TCRγ/δ Gen-Rarrangements (Monoklonalität)

Prognose Patienten können > 5 Jahre symptomfrei bleiben. Die 5-Jahres Überlebensrate der T-LGL und NK-LGL • beträgt ca. 90 % und • wird im Wesentlichen begrenzt durch schwere Infektionen. Therapiestrategie Vorwiegend Verlaufsbeobachtung unter engmaschiger (3–6 Monate) Kontrolle. Etwa 60 % der Patienten benötigen zum Zeitpunkt der Diagnose eine Therapie, wobei diese • bei T-LGL und NK-LGL gleichartig ist • vorrangig eine Immunsuppression darstellt und • indiziert ist bei – schwerer Neutropenie (< 0.5 × 109/L) oder mittlerer Neutropenie (0.5 × 109/L bis 1 × 109/ L) assoziiert mit wiederholten Infektionen, – symptomatischer oder Transfusions-abhängiger Anämie und/oder – bei gleichzeitigen therapiepflichtigen Autoimmunerkrankungen – oder zunehmenden klinischen Symptomen bedingt durch die Lymphozytose und/oder durch die Thrombozytopenie Die therapeutischen Verfahren beinhalten • bei T-LGL und NK-LGL – in der Erstlinientherapie eine Immunsuppression und Zytostase durch Verabreichung von

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

779

Methotrexat (10 mg/m2 pro Woche), Cyclophosphamid (100 mg/Tag), oder Ciclosporin A (3 mg/kg pro Tag) über 4 Monate oder ▪ Methotrexat + Prednisolon bei der STAT3 Mutation Y640F oder ▪ Fludarabin + Cyclophosphamid +/− Ciclosporin A – in der Zweitlinientherapie ▪ Purin-Analoge (Fludarabin, Cladribin und/oder Deoxycoformycin) + Bendamustin ▪ den JAK/STAT-Inhibitor Tofacitinib ▪ ggf. Alemtuzumab (humanisierter monoklonaler Antikörper, zytotoxische für CD52 positive T- Und B-Lymphozyten) oder ▪ ggf. Rituximab (chimärer monoklonaler Antikörper gegen CD20) – in der Drittlinientherapie ▪ Therapieverfahren wie bei der CLL (siehe Kap. 8.15.3) und/oder ▪ Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen bei der aggressiven NK-LGL ggf. CHOP: Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin +Prednison ▪

• –

8.15.4.6 ATL/Adulte T-Zell-Leukämie Vorkommen Die ATL ist eine aggressive Erkrankung mit schlechter Prognose, verursacht durch Infektionen mit dem HTLV-1/humanes T-Lymphozyten Leukämie Virus-1. • HTLV-1 ist endemisch in Südwest-Japan, auf den Karibischen Inseln, in Südamerika, in der Drogenszene Nordamerikas, im tropischen Afrika (z. B. Süd-Gabun), im mittleren Osten (wie in der Mashad Region in Iran) und in umschriebenen Regionen von Australo-Melanesien und von Rumänien – weltweit sind etwa 5–10 Millionen Menschen mit HTLV-1 infiziert, ▪ wobei die ATL-Neuerkrankungsrate bei etwa 2.000 bis 3.000 HTLV-1 infizierten Personen/Jahr liegt, – etwa 3–5 % der HTLV-1 Infizierten entwickeln eine ATL mit einer Latenzzeit von etwa 30–50 Jahren, – wobei das Risiko für eine ATL mit der Viruslast zunimmt, • der Übertragungsweg erfolgt von der Mutter zum Kind (meist über die Muttermilch), über den sexuellen Kontakt und über Blutkontakt, – als Erkrankungsbilder existieren: ▪ die ATL/Adulte T-Zell-Leukämie, ▪ die tropische spastische Paraparese/chronische Myelopathie, bei welcher häufig klonale Proliferationen von HTLV-1 infizierten T-Lymphozyten nachgewiesen werden können.

Symptome Die Symptome sind je nach Verlaufsvariante unterschiedlich: • akute Variante

780

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



Anteil 55–60 % mit hoher Blutlymphozytose, ▪ Schwellung der Lymphknoten, Milz und Leber, ▪ Hautexantheme/Haut-Infiltrate, ▪ Knochenmarkinfiltrationen mit Osteolysen und Hyperkalzämie, ▪ opportunistischen Infektionen Lymphom-Variante – Anteil 20–25 % ▪ ohne Blutlymphozytose, ansonsten Symptome wie bei der akuten Variante, chronische Variante – Anteil 10–20 % mit ▪ dauerhafter Blutlymphozytose und ▪ besonders vermehrter Schuppenbildung/Exfoliation der Haut/Haut-Infiltraten, schwelende (Smouldering)-Variante – Anteil 5–10 % mit ▪ geringer Lymphozytose und, ▪ Lungeninfiltraten ▪ Hautinfiltraten. wobei der jeweilige Anteil je nach Region erheblich schwanken kann. ▪









Diagnostik • klinische Untersuchung – auf Symptome – Blutbild ▪ quantitativ (Leukozyten, Erythrozyten, Thrombozyten, Hämoglobin) ▪ Differentialblutbild ▪ Lymphozytose – Leukämiezellen ▪ reife abnorm geformte T-Lymphozyten mit gelappten, meist kleeblattförmigen Kernen, homogenem und kondensierten Chromatin, kleinen oder fehlenden Nukleoli und einem basophilen Zytoplasma ohne Granula, ▪ mit dem Immunophänotyp: CD3+, CD4+, CD5+, CD7−, CD8−, CD25+, ▪ wobei für die ATL-Diagnose mindestens 5 % der zirkulierenden T-Lymphozyten ATL-Leukämie-Zellen sein sollten – ggf. Knochenmarkuntersuchung – Aspiration und Zytologie – ggf. Lymphknotenbiopsie und Zytologie • biochemische/labordiagnostische Untersuchungen – allgemeine internistische Parameter zur Überprüfung der Funktion von Nieren und Leber ▪ im Besonderen Ca2+-Ionen-Konzentration im Blutserum (Hyperkalzämie) – Bestimmung der Immunmarker auf den Leukämiezellen, Nachweis von ▪ CD2 = LFA2/Leukozyten-Funktionsadhäsionsmolekül (positiv) ▪ CD3 = Signal-übertragender Komplex des TCR/T-Zell-Rezeptors (positiv)

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

781

CD4 = Korezeptor des TCR für den MHC-II/Major Histocompatibility ComplexClass-II (positiv, selten –) ▪ CD5 = Tp67/Inhibitor der Rezeptoraktivierung (positiv) ▪ CD7 = Fc-Rezeptor für IgM (negativ) ▪ CD8 = Korezeptor des TCR für MHC-I/Major Histocompatibility ComplexClass-I (negativ, selten +) – Nachweis der HTLV-1-Infektion ▪ Antikörpernachweis im Serum ▪ Virusnachweis in den Leukämiezellen (z. B. Southern Blot) – ggf. molekulargenetische Untersuchungen (siehe Tab. 8.279) ▪ wobei die häufigste Mutation des Gens für Notch1 im Bereich von 50–60 % der Fälle vorkommt mit bildgebenden Verfahren (siehe Kap. 8.15.1) – im Besonderen Sonografie des Abdomens (Milz, Leber) und der Lymphknoten ▪



Tab. 8.278: Mutationen bei der adulten T-ALL (Neumann et al. 2015, Kobitzsch 2019). relative Häufigkeit der Mutationen bei adulten T-ALL (in %) Funktion der Gene > 50 < 60 Notch zelluläre Signalübertragung

> 15 ≤ 25

Notch1

JAK/STAT

JAK 3

MAPK WNT

Polycomb Repressive Komplex

≥ 10 ≤ 15

FAT1/2 EZH2, SUZ12, EP300

DNA-Methylierung

DNMT3A, IDH1/2, TET2 MLL2, WHSC1 HERC1, MSH2, PIK3C2B, PRKCZ

DNA Reparatur Spliceosomen Transkriptionsfaktoren Andere

JAK 1/2, IL-7R KRAS, NRAS, TP53

PRC2

Methyltransferase

< 10

Notch2/3, FBXW7, HFS1, JAG1/2, DLL4

ZRSR2, SF1, SF3B1, PRPF408 DNM2

WT1,

BCL11B, RUNX1

PHF6

RELN, PTEN

Prognose-Faktoren Zu den Faktoren, welche mit einer schlechten Prognose vergesellschaftet sind, gehören • die Region und das Umfeld: Patienten in der Karibik haben eine deutlich schlechtere Prognose als Patienten in Japan, • ein höheres Alter (> 40 Jahre) und/oder ≥ 4 leukämische Organinfiltrationen, • erhöhte LDH-Werte, eine Hyperkalzämie, • Beeinträchtigung des Knochenmarks mit Thrombozytopenie,

782 • •



8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

erhöhtes IL-5 und Eosinophilie im Blut, bei den Leukämie-Zellen – verstärkte Expression des Chemokin-Rezeptors CCR4, – inaktivierende Mutation des TP53 und Deletion im p16 und/oder – erhöhte Expression des LRRP/Lung-Resistance-related Protein, welches beteiligt ist an der Resistenz gegen Zytostatika. die aggressive Variante der ATL, – deren mittlere Überlebenszeit liegt bei 5–13 Monaten.

Therapiestrategien Solange keine klinischen Symptome auftreten, ist die alleinige engmaschige Kontrolle angeraten. Erstlinientherapie • antivirale Therapie für die chronische, Lymphom- und/oder schwelende Variante – Kombination von AZT/Azidothymidin (reverse Transkriptase-Inhibitor) und Interferon • Chemotherapie für die aggressive Variante – CHOP : Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin + Prednison, ▪ induziert in etwa 50 % der Fälle Remissionen (meist nur kurzzeitig), – CHOEP: Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin + Etoposid + Prednison, – EPOCH: Etoposid + Prednison + Vincristin + Cyclophosphamid + Doxorubicin, – hyper-CVAD: Cyclophosphamid + Vincristin + Doxorubicin + Dexamethason oder – VCAP/ + AMP/ + VECP: Vincristin + Cyclophosphamid + Doxorubicin + Prednison gefolgt von Doxorubicin + Ranimustin + Prednison gefolgt von Vindesin + Etoposid + Carboplatin + Prednison, Zweitlinientherapie • bei Rezidiven: – Fortsetzung derjenigen Therapie, welche zur vorübergehenden Regression geführt hat oder – Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen, • ggf. Immuntherapie – Mogamulizumab: humanizierter, a-fucosylierter monoklonaler Antikörper gerichtet gegen den Chemokin-Rezeptor CCR4; – Daclizumab: humanisierter monoklonaler Antikörper gerichtet gegen die α-Kette (CD25) des Interleukin-2-Rezeptors/IL-2Rα – Brentuximab: Konjugat eines monoklonalen Antikörpers gegen CD30-Antigen mit drei bis fünf Molekülen der zytotoxischen Substanz Monomethylauristatin E, ▪ etwa 20–50 % der ATL-Zellen exprimieren CD30/TNF-Rezeptor 8, • ggf. neue Chemotherapie (teils noch in klinischer Prüfung) – Folsäureantagonist (Pralatrexate) und Thioredoxin-Reduktase-Inhibitoren (ATO/ Arsen-Trioxid/AsO3) – Lenalidomid: ein Thalidomid Analog mit immunomodulatorischer, anti-angiogenitischer und zytostatischer Eigenschaft

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

783

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

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8.15.5 Myeloproliferative Neoplasien (MPN) Die • • • • • • •

Gruppe der MPN umfasst definitionsgemäß folgende Erkrankungen (WHO 2016) CML/Chronische Myeloische Leukämie, PV/Polycythaemia Vera, ET/Essentielle Thrombozythämie PMF/Primäre Myelo-Fibrose chronische Eosinophilenleukämie, NOS/Not Otherwise Specified chronische Neutrophilenleukämie MPN-U/Myelo-Proliferative Neoplasien, unklassifizierbar

8.15.5.1 CML/Chronische myeloische Leukämie Vorkommen Die CML/chronische myeloische Leukämie stellt eine klonale myeloproliferative Erkrankung einer pluripotenten hämatopoetischen Stammzelle dar mit der Vermehrung der unreifen Stufen der Granulopoese, • die Neuerkrankungsrate liegt bei etwa 1,5–2/100.000 Personen/Jahr, – Männer erkranken häufiger als Frauen (M : W = 1.4–2.2 : 1), • der Altersgipfel ist im Bereich von etwa 55–60 Jahren, – die CML kann jedoch in jedem Alter auftreten; • die Mortalität/Jahr der CML liegt derzeit bei etwa 1,7 %. Bei konstanter Inzidens steigt hierdurch derzeit die Prävalenz der CML an, Ursache der CML ist in > 90 % der Fälle • die Translokation t(9;22)(q34;q11), d. h. des Gens für die Abelson (ABL)-Tyrosinkinase) auf dem Chr.9,q34 in die Region des BCR-/Breakpoint Cluster Region-Gens auf dem Chromosoms 22,q11 mit der Expression des Fusionsproteins BCR-ABL1,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes



785

wobei das konstitutiv als Tyrosinkinase aktive Fusionsprotein BCR-ABL1 für die onkogene Transformation der betroffenen hämatopoetischen Stammzelle verantwortlich ist

Risikofaktoren Als Risikofaktoren gelten: • Expositionen mit radioaktive Strahlen – Umwelt, Radiodiagnostik, Radiotherapie, • Toxine (Benzole), • Zytostatika, im Besonderen Alkylantien, • familiäre Häufungen des Vorkommens sind nicht bekannt.

Symptome • ohne Behandlung meist dreistufiger Krankheitsverlauf (siehe Tab. 8.279) mit – der chronischen Phase (ca. 3–5 Jahre) mit schleichendem Krankheitsverlauf ▪ Nachtschweiß, Abgeschlagenheit, Schwäche ▪ Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust ▪ im Blutbild Promyelozyten (Linksverschiebung der neutrophilen Granulozyten) und Blasten ▪ Anämie ▪ Milzschwellung/Splenomegalie, – der akzelerierten Phase ▪ Verstärkung der Symptome ▪ im Blutbild vermehrt Blasten, Thrombozytose oder Thrombopenie – der Blastenkrise, welche als akute Leukämie zum Tode führt mit ▪ progressiver Leukozytose ▪ Thrombozytose oder Thrombopenie (mit Thrombosen oder Blutungen) ▪ Anämie ▪ zunehmende und schmerzhafte Milzschwellung und Leberschwellung ▪ Knochenschmerzen und Knochenbrüche • besondere Komplikationen: – Myelofibrose, – Milzinfarkt, – extramedulläre Proliferation der CML-Zellen in Lymphknoten und Haut (Chlorome), – akute febrile neutrophile Dermatosen (Sweet-Syndrom), – Pyoderma gangraenosum, – CML-Kachexie – exzessiv erhöhte Leukozytenzahlen im Blut, besonders bei pädiatrischen Patienten, ▪ welche Mikrozirkulationsstörungen (Leukostase-Syndrom, Hyperviskositätssyndrom) in ca. 9–10 % der Fälle verursachen mit Hypoxie in der Lunge (gesteigerte Atemfrequenz) im Gehirn (Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Schläfrigkeit, Hörstörungen, Sehstörungen)

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

welche das Risiko eines Tumorlyse-Syndroms und einer Hyperurikämie erhöhen ▪ beherrschbar durch zügige Vorbehandlung mit Zytostatika und Hydrierung (pro Tag ca. 2,5–3 l Flüssigkeitszufuhr/phys. Na-bikarbonat-Lösung p. o. oder i. v.), in Sonderfällen durch Leukapherese exzessiv erhöhte Thrombozytenzahlen im Blut (> 750.000/μl), welche durch Bindung des vWS-/von-Willebrand-Faktors zu einer erhöhten Blutungsneigung führen können. ▪



Durch die heutigen Behandlungsmethoden ist es meist möglich, eine Remission zu erzielen oder zumindest die Krankheit in der chronischen Phase zu halten. Diagnostik Die Diagnostik umfasst • klinische Untersuchung auf Symptome • Blutbild-Untersuchungen – quantitativ (Leukozyten, Erythrozyten, Thrombozyten, Hämoglobin) – Differentialblutbild und Zytochemie ▪ in der chronischen Phase Leukozytose mit kontinuierlicher Linksverschiebung (Metamyelozyten, Myelozyten und Promyelozyten) ▪ in der akzelerierten Phase zunehmend Myeloblasten/Blasten ▪ Verringerung der Leukozyten-alkalischen Phosphatase in den neutrophilen Granulozyten • Knochenmarkuntersuchungen – Knochenmarkaspiration und Stanzbiopsie ▪ Anzahl der Blasten und basophilen Granulozyten ▪ zytogenetischer Nachweis des Philadelphia-Chromosoms Ph (22q-), erkennbar in der Metaphase des Zellzyklus und verursacht durch die Translokation t(9;22)(q34;q11) – ggf. Lymphknoten-Biopsie und Zytologie • bildgebende Verfahren (siehe Kap. 8.15.1) – im Besonderen Sonografie des Abdomens (Milz/Splenomegalie, Leber) und der Lymphknoten. • biochemische/labordiagnostische Untersuchungen – allgemeine internistische Parameter zur Überprüfung der Funktion von Nieren und Leber • molekularbiologische Untersuchungen. Die molekularbiologischen Untersuchungen umfassen • die zytogenetischen Untersuchungen der Metaphasen (Auswertung von ≥ 20 Metaphasen) – bei der Erstuntersuchung im heparinisierten Knochenmark, nur in Ausnahmefällen aus dem peripheren Blut, – bei der molekularen Überprüfung der Therapie und in der Nachsorge (alle ≥ 3 Monate) aus dem peripheren Blut,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes





787

den Nachweis der Translokation t(9;22)(q34;q11) – in > 90 % der CML Patienten vorhanden und zwar in allen hämatopoetischen Zellen einschließlich den Lymphozyten, ▪ führt zur Expression des Fusionsproteins BCR-ABL, in welchem die Abelson (ABL)-Tyrosinkinase durch das Protein der Breakpoint-Cluster-Region (BCR) konstitutiv aktiviert ist, ▪ Bestimmung des Anteils an BCR-ABL positiven Blasten im Blut und Knochenmark zur Diagnose und Verlaufsuntersuchung während der Therapie, – in < 10 % atypische (BCR-ABL negative) CML, ▪ ähneln im klinischen Bild eher der CMML/Chronische Myelo-Monozytäre Leukämie im Rahmen des MDS/Myelo-Dysplastischen Syndroms (siehe Kap. 8.15.2), den molekulargenetischen Nachweis von Genamplifikationen oder Mutationen der Kinase-Domäne des Gens für BCR-ABL mit Hilfe der RT-PCR/Reverse-TransscriptasePolymerase Chain Reaction (weniger mit der FISH/Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung) – die Ursache der Resistenz gegen Tyrosinkinase-Inhibitoren sind meist BCR-ABL1Punktmutationen mit verminderter bis aufgehobener Wirksamkeit des Inhibitors, ▪ inzwischen sind mehr als 100 BCR-ABL1-Mutationen bekannt, ▪ eine Mutationsanalyse sollte erfolgen bei einem > 5-fachen Anstieg des BCRABL1 Fusionsgens/Fusionsproteins bei gleichzeitigem Anzeichen eines molekularen Rezidivs (BCR-ABL1 > 0,1 %), – die Art der Mutation weist hin auf eine primäre oder sekundäre Resistenz gegen Tyrosinkinase-Inhibitoren, z. B. ▪ Mutationen Y253F/H, E255K/V oder T315I sind resistent gegen Imatinib ▪ Mutationen V299L, T315A/I oder F317L/V/I/C sind resistent gegen Dasatinib, ▪ Mutationen Y253H, E255K/V, T315I oder F359V/C/I sind resistent gegen Nilotinib, ▪ Mutation V299L ist resistent gegen Bosutinib ▪ Mutation T315I ist resistent gegen alle Tyrosinkinase-Inhibitoren außer Ponatinib ▪ Mutationen Y253F/H, E255K/V oder T315I sind z. B. verbunden mit einem weitgehenden Wirkverlust von Imatinib, Dasatinib und Nilotinib, ▪ entsteht ein solcher Wirkverlust, so sollte der betroffene Tyrosin-Phosphokinase-Inhibitor sofort abgesetzt werden, um die weitere Selektion resistenter Zellen und das Wachstum eines dominanten Klons zu verhindern, – die Mutationsanalyse sollte in folgenden Situationen durchgeführt werden: ▪ nach Resistenz oder mangelndem Ansprechen auf die Erstlinientherapie mit einem ersten Tyrosinkinase-Inhibitor, ▪ nach Resistenz oder mangelndem Ansprechen auf eine Zweitlinientherapie mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor, ▪ bei jeglichen hämatologischen, zytogenetischen oder molekulargenetischen Hinweisen auf eine Resistenz gegenüber 2 sequentiell verabreichten Tyrosinkinase-Inhibitoren, ▪ zur Verlaufskontrolle einer vor bestehenden Mutation während der Zweitlinientherapie, ▪ bei dem Auftreten von ≥ 2 Mutationen im BCR-ABL1 Gen unter der Therapie, ▪ besonders in der akzelerierten Phase oder in der Blastenkrise, – der Mutationsbefund sollte auch die Größe des mutierten Klons beinhalten.

788

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.279: Klassifikation der chronischen myeloischen Leukämie/CML. Klinische Befunde, Blutbild und Knochenmarks-Zytologie/-Histologie Stadien

chronische Phase (3–5 Jahre)

akzelerierte Phase Blastenphase (< 6 Monate)

Linksverschiebung (Metamyelozyten, Myelozyten, Promyelozyten), Splenomegalie Leukozytose > 10.000/μl, Splenomegalie, Hepatomegalie (Schmerzen)

Blasten (Myeloblasten)

Basophile Granulozyten

< 10 %

< 20 %

> 10–20 % > 20 %

≥ 20 %

> 30 % (WHO)

Thrombozyten

< 105/μl oder > 106/μl (Thrombosen/ Blutungen)

Prognose Mittleres Überleben

Erythrozyten

Knochenmarkfibrose

≤ Normalwert

+/–

4– 10 Jahre

++ (Schmerzen)

≤ 1 Jahr

+++ (Schmerzen)

< 6 Monate

Anämie

Kriterien der akzelerierten Phase der CML ELN/European Leukemia Network-Definition

WHO Definition 2016

15–29 % Blasten im PB oder KM oder

10–19 % Blasten im PB und/oder KM

Blasten plus Promyelozyten im PB oder KM > 30 % (mit < 30 % Blasten) oder

Persistierende oder ansteigende Leukozytose (> 10.000/μl), nicht ansprechend auf Therapie

≥ 20 % Basophile im PB oder KM oder

> 20 % Basophile im PB

Therapie-unabhängige Thrombozytopenie < 100.000/μl oder

Persistierende Thrombozytopenie (< 100.000/ μl), unabhängig von der Therapie

Thrombozyten > 1.000.000/μl oder

Persistierende Thrombozytose (> 1.000.000/μl)

neu entstandene klonale Bildung von Blasten oder

Jegliche neue klonale chromosomale Aberrationen in Ph+ Zellen unter Therapie

progrediente Fibrose des KM oder

zusätzliche Aberrationen in Ph+ Zellen zum Diagnosezeitpunkt (major route abnormalities) wie z. B. ein 2. Ph.-Chromosom, Trisomie 8, Isochromosom 17q, Trisomie 19, ein komplexer Karyotyp und/oder Abnormalitäten von Chr.3q26.2

progrediente Splenomegalie und ansteigende Leukozyten, die auf die Therapie nicht ansprechen

Persistierende oder ansteigende Splenomegalie, nicht ansprechend auf Therapie

Kriterien der Blastenphase der CML (European Leukemia Net/ELN- Definition)

WHO Definition 2016

≥ 30 % Blasten in Blut oder Knochenmark oder

≥ 20 % Blasten in Blut oder Knochenmark oder

Nachweis einer Proliferation extramedullärer Blasten

Nachweis einer Proliferation extramedullärer Blasten

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

789

Kriterien der CML-Remission

CHR

komplette hämatologische Remission

CCyR

komplett

PCyR mCyR

partiell zytogenetische Remission

Leukozyten < 10.000/μl; Basophile < 5 %; Thrombozyten < 450.000/μl keine Myelozyten, Promyelozyten oder Myeloblasten im Differenzialblutbild Milz nicht tastbar keine Ph+ Metaphasen (bei Auszählung von ≥ 20 Metaphasen)

MCyR (major CyR)

1−35 % Ph+ Metaphasen

minor

36−65 % Ph+ Metaphasen

minimal

66–95 % Ph+ Metaphasen

keine CyR

keine

> 95 % Ph+ Metaphasen

MMR

major

BCR-ABL1-Transkripte (IS) < 0,1 %

tief (MR 4)

BCR-ABL1-Transkripte (IS) < 0,01 %; ABL-Kontrolltranskripte mindestens 10.000 oder β-Glucuronidase mindestens 24.000

tief (MR 4,5)

BCR-ABL1-Transkripte < 0,0032 % ABL1-Kontrolltranskripte mindestens 32.000 oder GUS4 mindestens 77.000

tief (MR 5)

BCR-ABL1-Transkripte < 0,001 % ABL1-Kontrolltranskripte mindestens 100.000 oder β-Glucuronidase/GUS mindestens 240.000.

minCyR

MR

molekulare Remision

Risikoeinschätzung der CML ELTS/EUTOS-Long Term Survival-Score Parameter

Gewichtung (Punkte)

Risiko

Punktsumme

Alter (Jahre)

0,0025 × (Alter/10)

niedrig

≤ 1.5680

Milzgröße (cm)

0,0615 × Milzgröße

mittel

> 1,5680–2.2185

Thrombozyten (/nl)

0,4104 × (Thrombozytenzahl/1000) hoch

> 2.2187

Blasten im Blut (%)

0,1052 × Blastenanteil

1) Quotient von BCR-ABL1 zum Kontrollgen < 0,1 % nach dem internationalen Standard

Risiko und Prognose Zur Abschätzung des Risikos der CML in Bezug auf Überleben wurde der ELTS/EUTOSLong Term Survival-Score entwickelt (siehe Tab. 8.279). Der ELTS-Score ermöglicht sowohl für Erwachsene wie auch für Minderjährige die Definition von Gruppen mit signifikanten Unterschieden im progressionsfreien Überleben. Die chronische Phase der CML bietet die größte Chance für ein längerfristiges Überleben von 4–10 Jahren. Eine verkürzte chronische Phase ist bei folgenden Faktoren zu erwarten • männliches Geschlecht und hohes Alter, • deutlich höhere Anzahl von Blasten im Blut und/oder Knochenmark, • Eosinophilie, Basophilie, Thrombozytose und/oder Anämie,

790 • • •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

erhöhte Laktat-Dehydrogenase im Serum, zunehmende Milzschwellung, Mutationen zusätzlich zur Translokation t(9;22)(q34;q11).

Das mittlere Überleben liegt nach Eintreten • in die akzelerierte Phase (Kriterien siehe Tab. 8.279) bei etwa 1 Jahr, • in der Blasten-Krise (Kriterien siehe Tab. 8.279) bei wenigen Monaten. Differentialdiagnose Die CML ist abzugrenzen von • einer immunreaktiven Leukozytose bei Infektionen, • rheumatischen Erkrankungen und Kollagenosen, • einer septischen Granulomatose, • Nebenwirkungen von Arzneimitteln (z. B. Kortikosteroiden) oder von • anderen chronischen myeloproliferativen Neoplasien wie z. B. – einer atypischen BCR-ABL1-negativen CML oder – einer chronischen Neutrophilenleukämie. Therapiestrategien Die Therapiestrategien für die CML sind den jeweiligen Krankheitsphasen (chronische, akzelerierte und Blasten-Phase der CML) angepasst. In der chronischen Phase der Chronischen myeloischen Leukämie besteht die Therapie der Wahl in der Verabreichung eines Inhibitors der Tyrosin-Phosphokinase (TPK-Inhibitor) des BCR-ABL-1- Fusionsproteins. Sollte zum Diagnose-Zeitpunkt die Leukozytose so hoch sein, dass ein Hyperviskositätssyndrom droht, ist vorab die Gabe eines Zytostatikums angezeigt, • im Regelfall Hydroxy-Urea (30–40 mg/kg KGW/Tag, täglich), hierdurch können die Leukozyten reduziert (ca. < 50.000/μl), Remissionen jedoch nicht erzielt werden, • erst nach Abschluss der Zytostatika-Therapie sollte die Erstlinientherapie mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor beginnen. In der Erstlinientherapie lässt sich durch Verabreichung von Imatinib (siehe Tab. 8.280) eine 10-Jahresüberlebensrate von ca. 80–85 % erreichen. Andererseits entwickeln sich Resistenzen gegen Imatinib • Verlust der CHR/Complete Hematologic Response und/oder • Verlust der McyR/Major cytogenetic Response, • Progression zur akzelerierten Phase oder Blastenkrise, Tod • in einer Größenordnung von 15–20 % (jährlich 3 %, 8 %, 5 % und 2 % der Patienten innerhalb der ersten 4 Jahre). Parameter zur Beurteilung der therapeutischen Wirkung eines TPK-Inhibitors bei der CML sind • nach 3 Monaten – Versagen: kein CHR, Ph+ > 95 % der Zellen

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes





• •

791

– Warnhinweis: Ph+ > 36- 95 %, BCR-ABL-1 > 10 % – Optimale Wirkung: Ph+ ≤ 35 %; BCR-ABL1 ≤ 10 % nach 6 Monaten – Versagen: Ph+ > 35 %, BCR-ABL-1 > 10 % – Warnhinweis: Ph+ 1–35 %, BCR-ABL-1 > 1–10 % – Optimale Wirkung: Ph+ = 0 %, BCR-ABL1 ≤ 1 % nach 12 Monaten – Versagen: Ph+ ≥ 1 %, BCR-ABL-1 > 1 % – Warnhinweis: BCR-ABL1 > 0,1–1 % – Optimale Wirkung: BCR-ABL1 ≤ 0,1 % nach> 18 Monaten – Optimale Wirkung: BCR-ABL1 ≤ 0,01 % jederzeit: – Versagen: Verlust der MMR/Major Molecular Response mit ≥ 5fachem Anstieg vom BCR-ABL-1

Durch die Entwicklung von TPK-Inhibitoren der zweiten und dritten Generation (Dasatinib, Nilotinib, Bosutinib und Ponatinib) • konnte die Wirksamkeit gemessen an der 5 Jahresüberlebensrate weiter verbessert und die Nebenwirkungsrate vermindert werden, • wurden primäre und sekundäre Resistenzen auf Grund von Mutationen der Tyrosinkinase im BCR-ABL1 Protein gezielt behandelbar und • konnte das Risiko des Übergangs der chronischen Phase in die Akzelerations- und Blastenphase reduziert werden.

Tab. 8.280: Strategie der Therapie der Chronischen Myeloischen Leukämie (chronische Phase). (In Anlehnung an Hochhaus et al. 2018; Chandrasekhar et al. 2018). CML chronische Phase

▾ ggf. Reduktion der Leukämiezellen bei Gefahr eines Hyperviskositäts-Syndroms Hydroxyure (40 mg/kg und Tag)

▾ so schnell wie möglich Nachweis des BCR-ABL-1-Fusionsproteins

▾ Therapie mit Tyrosin-Phosphokinase-Inhibitor/TPK-Inhibitor Imatinib (400–800 mg/Tag)

oder

Dasatinib (100 mg/Tag)

oder

Bosutinib (400 mg/Tag)

oder

Nilotinib (2 × 300 mg/Tag)

792

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



falls Intoleranz und/oder mangelnde Wirkung Wechsel des TPK-Inhibitors



falls mangelnde Wirkung, Resistenz oder Rezidiv Mutationsanalyse der Kinase-Domäne von ABL-1 im BCR-ABL-1 Fusionsprotein



Auswahl eines bei der nachgewiesenen Mutation wirksamen TPK-Inhibitors Imatinib hochwirksam bei Wildtyp oder Mutation V299L, F311L, T315A, F317V, M351T, L387M und/oder H396P mangelhaft wirksam oder unwirksam bei Mutationen mit relativ häufigem Vorkommen: M244V, G250E, Q252H, Y253F, Y253H, E255K, E255V, D276G T315I, F317L, E355G, F359V, V379I, L384M, L387F, H396R, E459K und/oder F486S, mit relativ seltenem Vorkommen: M237V, I242T, K247R, L248V, G250R, Q252R, E258D, W261L, L273M, E275K, E275Q, T277A, E279K, V280A, V289I, V289I, V289A, E292Q, E292V, I293V, L298V, F311I, F317V, F317I, F317C, Y320C, L324Q, Y342H, M343T, A344V, A350V, E355D, E355A, F359I, F359C, F359L, D363Y, L364I, A365V, A366G, L370P, V371A, E373K, V379I, A380T, F382L, L387V, M388L, H396A, A397P, S417F, S417Y, I418S, I418V, A433T, S438C, E450K, E450G, E450A, E450V, E453G, E453A, E453K, E453V, E453Q, E459V, E459G, E459Q, M472I, und/oder P480L Dasatinib hochwirksam bei Wildtyp oder Mutation M244V, Y253F, Y253H, F311L, F317V, M351T, E355G, F359V, V379I, L387M, H396P und/oder H396R mangelhaft wirksam oder unwirksam bei Mutation V299L, T315I, T315A, F317L, F317V, F317I und/oder F317C Nilotinib hochwirksam bei Wildtyp oder Mutation M244V, F311L, F317L, L387M, H396P und/oder H396R mangelhaft wirksam oder unwirksam bei Mutation Y253H, E255K, E255V, T315I, F359V, F359I und/oder F359C Bosutinib hochwirksam bei Wildtyp oder Mutation Q252H, Y253F, D276G, E279K, M351T, F359V, L384M, H396P, H396R und/oder G398R mangelhaft wirksam oder unwirksam bei Mutation L248V, G250E, E255V, E255K, V299L, T315I, F317L und/oder F486S Ponatinib hochwirksam bei Wildtyp oder Mutation M244V, G250E, Q252H, Y253F, Y253H, E255K, E255V, T315A, T315I, F317L, F317V, M351T, F359V und/oder H396P mangelhaft wirksam oder unwirksam bei Mutation T315M oder T315L

793

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes



Wechsel des TPK-Inhibitors entsprechend Mutationsanalyse oder ggf. Dosiserhöhung



Imatinib (400–800 mg/ Tag)

Bosutinib (400–600 mg/ Tag)

Dasatinib (100 mg/Tag)

Nilotinib (2 × 300– 400 mgTag)

falls T315I Mutation Ponatinib (15–45 mg/Tag)



ggf. Kombination mit Pegyliertem Interferon α2



falls Progression, Therapieversagen Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen

oder

Wechsel zu noch nicht verabreichtem TPK-Inhibitor in Abhängigkeit vom Mutationsstatus

Zu den Tyrosinkinase-Inhibitoren für BCR-ABL-1 gehören • Imatinib als Mittel der Wahl, – hemmt relativ selektiv die Tyrosinkinase-Aktivität von BCR-ABL, – hemmt zusätzlich die Tyrosinkinasen PDGFR, KIT – erreicht bei ~ 85 % der Patienten komplette Remission (keine Zellen mit Philadelphia-Chromosom Ph (22q-) bzw. BCR-ABL nachweisbar), – ca. 10–15 % der Patienten ▪ sind primär resistent oder ▪ werden durch weitere Mutationen des Gens für BCR-ABL sekundär resistent gegen Imatinib; – kann als Nebenwirkung verursachen ▪ Muskelkrämpfe, Diarrhoe, Gewichtszunahme, Ermüdungserscheinungen, periphere und periorbitale Ödeme, Knochen- und Gelenkschmerzen, Übelkeit • Nilotinib – hemmt BCR-ABL mit einer etwa 30-fach höheren Aktivität als Imatinib, – hemmt einen Großteil der Imatinib-resistenten BCR-ABL-Mutanten, jedoch (unter anderen) nicht T315I, – hemmt zusätzlich ARG, KIT, PDGFR-α, and PDGFR-β, – hemmt nicht die SRC-Familie, FLT-3, VEGFR, oder EGFR-Kinasen; – kann als Nebenwirkung verursachen ▪ eine Hyperglykämie, daher ist Vorsicht geboten bei einem Diabetes mellitus, ▪ spastische und okklusive Gefäßkontraktionen, assoziiert mit koronaren Herzerkrankungen, cerebrovaskulären Erkrankungen und arteriellen Verschlusskrankheiten • Dasatinib, – hemmt BCR-ABL mit einer etwa 300-fach höheren Aktivität als Imatinib, – hemmt einen Großteil der Imatinib-resistenten BCR-ABL-Mutanten außer T315I,

794

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Mutanten mit geringerer Inhibition (IC50 > 3 nM; Q252H, E255K/V, V299L, F317L) zeigen eine geringere klinische Ansprechrate, – hemmt des Weiteren die Tyrosinkinase der Src-Familie (SRC, YES, FYN, LYN), KIT, PDGFR, BMX, der Eph-Familie, VEGFR2 und TIE2, – kann als Nebenwirkung verursachen ▪ eine pulmonal-arterielle Hypertonie und somit Komplikationen besonders bei entsprechend vorbelasteten Patienten (schlecht eingestellte Hypertonie, Herzinsuffiziens, Pneumonie), ▪ eine Hemmung der Thrombozytenfunktion und daher Blutungen besonders bei Patienten unter oralen Antikoagulantien, Bosutinib – stellt ein dualer ABL/SRC-Inhibitor dar – hemmt aber nicht die PDGF-Rezeptoren und c-kit, – kann als Nebenwirkung verursachen Leberschäden und Durchfälle, Ponatinib – hemmt BCR-ABL-1 und viele seiner Mutationen, inklusive der Mutation T315I – hemmt des Weiteren die Tyrosinkinasen von FLT3, FGFR, VEGFR, KIT, PDGFR, RET, EPH und der Src-Familie – kann als Nebenwirkung verursachen ▪ eine Thrombozytopenie, Erhöhung der Lipase und Pankreatitis und Ekzeme, des Weiteren ▪ eine Erhöhung des Risikos für Herzinfarkte, Schlaganfälle oder periphere arterielle Verschlusskrankheiten. ▪





Durch Kombination mit Pegyliertem Interferon α2 kann die Wirksamkeit der TyrosinkinaseInhibitoren, im Speziellen von Imatinib, noch weiter verbessert werden (gemessen z. B. an der MMR-Rate). Die jeweiligen TPK-Inhibitoren sind täglich und über Jahre hinweg zu verabreichen. Ein Absetzen der Therapie sollte nur dann erfolgen, wenn • zum Diagnose-Zeitpunkt eine chronische Phase ohne Hochrisiko-Score vorlag, • die Erstlinientherapie optimal erfolgreich war, • der TPK-Inhibitor über > 5 Jahre verabreicht worden ist, • eine tiefe molekulare Remission (MR4 oder 4,5) über > 2 Jahre erreicht wurde und • eine engmaschige molekulare Kontrolluntersuchung alle 4–6 Wochen nach dem Absetzen gewährleistet ist. Resistenzen gegen Tyrosinkinase-Inhibitoren (siehe Kap. 7.6.2) werden verursacht durch die zahlreichen Gen-Aberrationen. Diese umfassen • Mutationen des Gens für die Tyrosinkinase-Domäne von BCR-ABL-1(mittlerweile sind mehr als 100 Punktmutationen in dieser Region bekannt, siehe Tab. 8.280) im Besonderen – für die ADP-Bindetasche – für die P-Loop-Region (z. B. del151–183, del184–274, del248–274) ▪ diese sind Zeichen für eine ungünstige Prognose (Rezidive, Überleben),

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

795



die Mutation T315I welche Resistenz gegen multiple wirkende Tyrosinkinase-Inhibitoren (Dasatinib, Bosatinib, Nilotinib) bewirkt, ▪ Ponatinib hemmt dagegen auch derartig mutierte BCR-ABL-1 Kinasen Amplifikationen des Gens für BCR-ABL – bewirken Resistenz gegen alle Tyrosinkinase-Inhibitoren, Überexpression/Amplifikation des Gens für MDR/Multiple Drug Resistence-Protein (siehe Kap. 7.4.2), erhöhter Plasmaspiegel des alpha-1 sauren Glykoproteins – bindet und inhibiert hierdurch Tyrosinkinase-Inhibitoren. ▪

• • •

Eine Zweitlinientherapie erfolgt • bei mangelnder Wirksamkeit oder bei Resistenz gegen den oder die TPK-Inhibitoren der Erstlinientherapie, • nach Mutationsanalyse des BCR-ABL-1 – durch gezielten Wechsel (entsprechend der Mutationsanalyse) oder durch gezielte Dosiserhöhung des wahrscheinlich wirksamen TPK-Inhibitors oder • bei Versagen der Therapie mit TPK-Inhibitoren – durch die Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen. Die Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen (kurz: allogene Stammzelltransplantatione/aSZT) ist indiziert • bei Versagen der Erstlinientherapie und progressiver Erkrankung bei Patienten – mit T315I-Mutation, – mit (prognostisch ungünstigen) zytogenetischen Zusatzaberrationen (2. Ph.-Chromosom, Trisomie 8, Isochromosom 17q, Trisomie 19, ein komplexer Karyotyp und/ oder Abnormalitäten von Chr.3q26.2), – in der akzelerierten Phase oder Blastenkrise und/oder • bei Versagen der Zweitlinien-Therapie mit TPK-Inhibitoren. In der Akzelerierten Phase wie auch in der Blastenkrise der CML gilt als Therapiestrategie • die Reduktion der Tumorlast durch eine initiale Chemotherapie • die Applikation von TPK-Inhibitoren – entsprechend dem Mutationsstatus, – falls eine Vorbehandlung bereits erfolgt ist alternativ zu den bereits verabreichten TPK-Inhibitoren, die Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen, falls • – ein geeigneter Spender zur Verfügung steht – falls das Allgemeinbefinden des Patienten die hierzu notwendige konditionierende Hochdosis-Chemotherapie zulässt.

796

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.281: Strategie der Therapie der akzelerierten Phase/der Blastenkrise der CML (in Anlehnung an Hochhaus et al. 2018). akzelerierte Phase der CML

Blastenkrise der CML

▾ ggf. Reduktion der Leukämiezellen bei Gefahr eines Hyperviskositäts-Syndroms Hydroxyurea (40 mg/kg und Tag)

myeloische Blasten

lymphoide Blasten





Chemotherapie (Hydroxyurea + Cytarabin +/− Anthracycline)

Vincristin Dexamethason





Mutationsanalyse der Kinase-Domäne von ABL-1 im BCR-ABL-1 Fusionsprotein

Mutationsanalyse der Kinase-Domäne von ABL-1 im BCR-ABL-1 Fusionsprotein





Vorbehandlung mit TPK-Inhibitor

Vorbehandlung mit TPK-Inhibitor

ja

nein

nein









Therapie mit TPK-Inhibitoren je nach Mutationsstatus

Therapie mit alternativen TPK-Inhibitoren je nach Mutationsstatus

Dasatinib (100–140 mg/Tag)

Bosutinib (400–600 mg/Tag)

Therapie mit alternativen TPK-Inhibitoren je nach Mutationsstatus

Therapie mit TPK-Inhibitoren je nach Mutationsstatus

ja

▾ Imatinib (400–800 mg/Tag)

Nilotinib (2 × 400 mg/Tag)

▾ ggf. Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen

Weiterführende Literatur Chandrasekhar, C., Kumar, P. S., Sarma, P. V. G. K. Novel mutations in the kinase domain of BCR-ABL gene causing imatinib resistance in chronic myeloid leukemia patients. Sci Rep 2019, 9, 2412. https:// doi.org/10.1038/s41598-019-38672-x Hochhaus A, Baerlocher GM, Brümmendorf TH, le Coutre P, Metzler M, Petzer A, Saußele S, Suttorp M, Wolf D, 2018, Leitlinie, Chronische Myeloische Leukämie (CML), https://www.onkopedia.com/de/ onkopedia/guidelines/chronische-myeloische-leukaemie-cml/@@guideline/html/index.html Miller GD, Bruno BJ, Lim CS. Resistant mutations in CML and Ph(+)ALL − role of ponatinib. Biologics. 2014;8:243–254. National Cancer Institute (USA), Chronic Myelogenous Leukemia Treatment (PDQ®), Stand: 02. 03. 2012, http://www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/CML/HealthProfessional

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

797

OMIM, Online Mendelian Inheritance in Man, An Online Catalog of Human Genes and Genetic Disorders, Updated 27 January 2012 John Hopkins University, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/entrez?db= omim Preiß J, Dornoff W, Hagmann F-G, Schmieder A. Onkologie 2011; Juni 2011; http://www.onkologie2011.de/ index.htm; 15. Januar 2012. Redaelli S, Piazza R, Rostagno R, et al. Activity of bosutinib, dasatinib, and nilotinib against 18 imatinibresistant BCR/ABL mutants. J Clin Oncol. 2009;27(3):469–471. doi:10.1200/JCO.2008-19. 8853 Soverini, S., Abruzzese, E., Bocchia, M., Bonifacio M, Galimberti S, Gozzini A, Iurlo A, Luciano L, Pregno P, Rosti G, Saglio G, Stagno F, Tiribelli M, Vigneri P, Barosi G, Breccia M Next-generation sequencing for BCR-ABL1 kinase domain mutation testing in patients with chronic myeloid leukemia: a position paper. J Hematol Oncol 2019, 12, 131 https://doi.org/10.1186/s13045-019-0815-5 Tan FH, Putoczki TL, Stylli SS, Luwor RB. Ponatinib: a novel multi-tyrosine kinase inhibitor against human malignancies. Onco Targets Ther. 2019;12:635–645.

8.15.5.2 PV/Polycythaemia vera Vorkommen Die PV/Polycythaemia Vera gehört zu den Philadelphia-Chromosom-negativen BCR-ABLnegativen chronischen MPN/Myelo-Proliferativen Neoplasien, gleich wie die ET/Essentielle Thrombozythämie und die PMF/Primäre Myelo-Fibrose. Die Polycythaemia vera stellt eine proliferative Erkrankung der hämatopoetischen Stammzelle dar mit folgenden Charakteristika: • die Neuerkrankungsrate liegt bei etwa 0,4–2,8/100.000 Personen/Jahr, • Männer erkranken etwa gleichhäufig wie Frauen, • das mittlere Alter bei der Erstdiagnose liegt bei etwa 60 und 65 Jahren • familiäre Häufungen kommen vor, eine Keimbahnmutation ist jedoch bislang noch nicht bekannt. Die Erkrankung zeichnet sich aus durch: • eine fortschreitende, irreversible Erhöhung der Erythrozytenkonzentration im Blut, welche – unabhängig ist von Erythropoietin, – meist begleitet wird von einer gesteigerten Granulopoese und Megakaryozytopoese, • eine verminderte Fließgeschwindigkeit des Blutes infolge der Zunahme des Hämatokrits/der Blutviskosität mit – Mikrozirkulationsstörungen, – dem Risiko für Thrombosen und Embolien; deren Häufigkeit ▪ liegt bei etwa 3–5 %/Jahr nach Diagnose, ▪ liegt bei etwa 20–40 % im Gesamtverlauf, ▪ nimmt im höheren Alter deutlich zu; • durch einen relativ meist gutartigen Verlauf – die durchschnittliche Lebenserwartung der Patienten ist bei fortlaufender Kontrolle und, soweit die Blutwerte immer auf Normalwerte eingestellt werden können, nur geringfügig schlechter als diejenige von gesunden Normalpersonen.

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Risikofaktoren Folgende genetische Ursachen sind bekannt • etwa 97 % der Patienten zeigen in ihren hämatopoetischen Stammzellen eine aktivierende Mutation der JAK2/Janus-Tyrosin-Kinase 2 der zellulären JAK/STAT-Signalübertragung (siehe Kap. 3.3.8) – in 95 % der Fälle liegt die Mutation im Exon 14 (Punktmutation mit AminosäureAustausch Valin gegen Phenylalanin an Position 617/V617F), – in 2–3 % der Fälle befindet sich die Mutation im Exon 12; – diese Mutationen führen in der hämatopoetischen Stammzelle zu einer unkontrollierten Proliferation ▪ einerseits durch eine ca. 100fache Erhöhung der Sensitivität für Wachstumsfaktoren und ▪ andererseits durch eine Unabhängigkeit von Wachstumsfaktoren wie z. B. EPO, TPO, G-CSF, GM-CSF ▪ wobei bei der Polycythaemia vera die gesteigerte, EPO-unabhängige Proliferation der Erythropoese überwiegt, – die Anzahl der Allele mit einer JAK2V617F Mutation kann während des Krankheitsverlaufes zunehmen; ▪ eine derartige Zunahme korreliert mit einem aggressiveren Krankheitsverlauf, d. h. einer erhöhten Rate an Thromboembolien und einer Steigerung der Myloproliferation, der Myelofibrose und dem Risiko der akuten Leukämie, – die JAK2-Mutationen sind nicht spezifisch für die Polycythaemia vera, ▪ denn sie kommen auch bei etwa 50 % der ET/Essentiellen Thrombozythämien und der PMF/Primären Myelo-Fibrosen vor, ▪ sind im Gegensatz zu ET und PMF bei der Polycythaemia vera aber nicht kombiniert mit Mutationen in den Genen für das Calreticulin oder für den Thrombopoietin-Rezeptor; zusätzlich zur JAK2-Mutation finden sich häufiger weitere Mutationen in den Genen • TET2, ASXL1, EZH2, DNMT3A, IDH1/IDH2, SRSF2, – welche nicht spezifisch sind weder für die Polycytheamia vera noch für andere MPN/Myelo-Proliferative Neoplasien, da sie auch bei anderen myeloischen Neoplasien vorliegen können, – die jedoch bei ansteigender Anzahl mit einer ungünstigeren Prognose korrelieren. Klinische Symptome Die klinischen Symptome umfassen: • im frühen Stadium besonders die Folgen der erhöhten Blutviskosität – blaurote Haut und Schleimhäute – Gesichtsrötung (Plethora), – Juckreiz besonders bei Wärme oder bei Kontakt mit Wasser (aquagener Juckreiz), – Nachtschweiß, • Blutkreislauf und Blutgerinnung – erhöhte Blutungsneigung durch Bindung des von-Willebrand-Faktors an die Thrombozyten, – gehäufte arterielle und venöse Mikrozirkulationsstörungen

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

799

durch erhöhten Hämatokrit und der ggf. gesteigerte Leukozyten- und Thrombozytenzahlen, ▪ durch Aktivierung von Gefäßendothel, Gerinnungssystem, Leukozyten und Thrombozyten, ▪ mit häufig atypischen Lokalisationen, ▪ mit Erythromelalgien, ▪ mit cerebralen arteriellen Gefäßverschlüssen, Sehstörungen, Parästhesien, Kopfschmerzen und TIA/Transitorischen Ischämischen Attacken, ▪ mit kardialen arteriellen Gefäßverschlüssen, Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, Atemnot, ▪ mit peripheren Venenthrombosen, abdominellen Venenthrombosen und Thrombosen im venösen Cerebralsinus, – welche im höheren Lebensalter sowie bei bereits abgelaufenen Thromboembolien weiter zunehmen können Leberschwellung, Milzschwellung, ▪



Der klinische Verlauf beinhaltet • die chronische polyzythämische Phase, welche über Jahre anhält und charakterisiert ist durch – eine gesteigerten Myeloproliferation meist aller drei Zellreihen (Erythropoese, Megakaryopoese, Granulopoese), ▪ wobei die verstärkte Erythropoese im Vordergrund steht, – eine zunehmende Splenomegalie, – häufige arterielle oder venöse Thromboembolien bei ≤ 40 % der Patienten, ▪ bei unbehandelter Polycythaemia vera stellen sie in > 60 % die Todesursache dar; • die Spätphase, – charakterisiert durch einen Rückgang der Erythrozytose, Zunahme der Splenomegalie, verbunden mit einer korrespondierenden Fibrose im Knochenmark (sogenannte Post-PV-Myelofibrose) und/oder einer nachfolgenden AML/Akuten Myeloischen Leukämie, – wobei die Gesamtrate der Myelofibrosen in der Spätphase nach durchschnittlich 10 Jahren bei etwa 15 % liegt, nach 20 Jahren bei ca. 50 %, ▪ wovon etwa 20 % der Patienten mit einer Myelofibrose eine AML entwickeln ▪ während bei nur 4 % direkt ein AML entsteht. Diagnostik • klinische Untersuchung, im Besonderen – Herzfunktion, Lungenfunktion, Milz- und Lebergröße, Mikrozirkulationsstörungen • biochemisch-labordiagnostische Untersuchungen – Methoden zur Funktionsanalyse von Leber und Nieren – Erythropoietin, Serumkonzentration – arterielle Blutgasanalyse ▪ O2-Bindungskurve

800 •

• • •





8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Blutbild – quantitativ (Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten, Hämatokrit, Ferritin) – qualitativ (Differentialblutbild) ▪ inklusive Retikulozyten BSG oder CRP, LDH, Ferritin, Harnsäure, Erythropoetin, AST/GOT, ALT/GPT, γGT, alkalische Phosphatase, Bilirubin, Blutgerinnung – Quick-Wert, PTT/partielle Thromboplastin-Zeit Knochenmark (Stanzbiopsie) – vorherrschend Erythropoese, gesteigerte Granulopoese und Megakaryopoese – Nachweis von Eisen und Fasern molekularbiologische Untersuchungen – Mutationen des Gens für JAK2 (Januskinase, siehe Kap. 3.3.8) ▪ Nachweis von V617F im Exon 14 ▪ Mutationen im Exon 12 – ggf. weitere Mutationen z. B. der Gene für TET2, ASXL1, EZH2, DNMT3A, IDH1/ IDH2, SRSF2 – ggf. zur Differentialdiagnose ▪ Mutationen in den Genen für das CALR/Calreticulin oder für den Thrombopoietin-Rezeptor (MPL/Myelo-Proliferatives Leukämie-Virus-Onkogen) zur Abgrenzung von der Essentiellen Thrombozytopenie oder der Primären Myelofibrose, ▪ aktivierende Mutationen des Gens für den Erythropoietin-Rezeptor, ▪ inaktivierende Mutationen des Gens für den Tumorsuppressor vHL/von Hippel-Lindau, ▪ Translokation t(9;22)(q34;q11) mit Expression des konstitutiv als Tyrosinkinase aktiven Fusionsproteins BCR-ABL (CML, siehe Kap. 8.15.5.1) bildgebende Verfahren (siehe Kap. 8.15.1), im Besonderen – Sonographie des Abdomens – Röntgen-Untersuchung des Thorax

Klassifikation Die Diagnose der Polycythaemia vera wird auf Grund folgender Kriterien (WHO 2016) gestellt: • Hauptkriterien – A1: übersteigerte Erythropoese ▪ bei Männern: Hämoglobin > 16,5 g/dl oder Hämatokrit > 49 %, ▪ bei Frauen: Hämoglobin > 16,0 g/dl oder Hämatokrit > 48 %, – A2: Trilineäre Myeloproliferation mit pleomorpher Megakaryopoese – A3: Nachweis der JAK2V617F-Mutation /Exon 14 oder einer JAK2-Mutation/ Exon 12; • Nebenkriterium – B1: erniedrigter Erythropoietin-Spiegel im Blut

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

801

Für die Diagnose Polycythaemia vera ist erforderlich • die Erfüllung entweder aller drei Hauptkriterien (A1+A2+A3) oder der ersten beiden Hauptkriterien (A1+ A2) und des Nebenkriteriums (B1), – bei Fällen einer Erythropoese deutlich höher als A1 ▪ wie bei Männern: Hämoglobin > 18.5 g/% oder Hämatokrit > 55.5 %, ▪ wie bei Frauen: Hämoglobin > 16.5 g% oder Hämatokrit > 49.5 %, ▪ kann auf eine Knochenmarkbiopsie (Kriterium A2) verzichtet werden, wenn die Kriterien A3 (Nachweis einer JAK2-Mutation) und B1 (Erythropoetin-Spiegel erniedrigt) erfüllt sind, – die Knochenmarkbiopsie (Kriterium A2) ermöglicht jedoch im Zweifel ▪ eine „maskierte“ Polycythaemia vera, welche A1 nicht erfüllt, als Polycythaemia vera einzustufen oder ▪ die Differentialdiagnose einer JAK2-positiven Essentiellen Thrombozytopenie mit erhöhten Hämoglobin und/oder Hämatokrit wie auch ▪ die Abgrenzung von einem hyperproliferativen Stadium der Primären Myelofibrose. • zusätzlich der internistische Ausschluss einer sekundären Erythrozytose. Die Diagnose der Post-Polycythaemia vera-Myelofibrose (Post-PV-Myelofibrose) erfordert die Erfüllung folgender Kriterien: • Notwendige Kriterien – Dokumentation der vorausgegangenen Diagnose Polycythaemia vera nach WHO Kriterien – Histologische Abschätzung der Knochenmarksfibrose ▪ Grad 2 bis 3 (auf einer Skala 0 bis 3) ▪ Grad 3 bis 4 (auf einer Skala 0 bis 4) • Zusätzliche Kriterien (von diesen müssen mindestens zwei erfüllt sein) – eine Anämie oder ▪ keine Aderlasstherapie mehr erforderlich oder ▪ keine zytoreduktive Therapie zur Reduktion der Erythrozytose mehr erforderlich, – ein Leuko-Erythroblastisches Blutbild, – eine zunehmende Splenomegalie, – Entwicklung von ≥ 2 der folgenden Symptome ▪ > 10 % Gewichtsverlust in 6 Monaten, ▪ Nachtschweiß, ▪ ätiologisch ungeklärtes Fieber (> 37,5 °Celsius). Verlaufsuntersuchungen beinhalten • regelmäßige (Abstand 1–2 Monate) Blutbildkontrolle, • Knochenmark-Untersuchungen, falls im Blutbild Auffälligkeiten auftreten.

802

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Prognose Die Lebenserwartung der Polycythaemia vera • wird bestimmt durch das Lebensalter und durch bereits erlittene arterielle und venöse Thrombosen – niedriges Risiko: Alter < 60 Jahre, keine Thromboembolie (im Gesamtverlauf), – hohes Risiko: Alter ≥ 60 Jahre und/oder Thromboembolie (im Gesamtverlauf), • beträgt ohne Behandlung im Mittel etwa 1,5 Jahre und • kann durch eine wirkungsvolle Behandlung auf etwa 19 Jahre verlängert werden

Differentialdiagnosen Die Polycythaemia vera ist abzugrenzen von • anderen Myeloproliferativen Neoplasien wie z. B. – Essentielle Thrombozytopenie (siehe Kap. 8.15.5.4) – Primäre Myelofibrose (siehe Kap. 8.15.5.4) • reaktiven Erythrozytosen bedingt durch – Verminderung des Plasmavolumens bei Stress oder schwerer Exsikkose, – Erhöhung des Kohlenmonoxid-Hämoglobins bei starkem Nikotin-Konsum, – arterielle Hypoxie bei chronischen Herz- und Lungenerkrankungen oder beim Schlaf-Apnoe-Syndrom, – Tumorerkrankungen mit paraneoplastischer Erythropoetin-Produktion, – medikamentös induzierte Polyglobulie (z. B. durch Testosteron oder Erythropoetin-Doping), – Zustand nach Nierentransplantation, • angeborenen Ursachen von Erythrozytosen wie z. B. bei – Mutationen des Erythropoetin-Rezeptors, die zur erhöhten Erythropoetin-Sensitivität erythroider Vorläufer führen, – VHL-Mutation mit gestörter Erythropoetin-Genregulation (Chuvash-Polycythaemie) – HIF2A)-Mutationen – Hämoglobinopathie mit erhöhter Sauerstoffaffinität oder 2,3-DPG-Mangel (z. B. 2,3-DPG-Mutase-Defizienz), – Störungen der Hämoglobinbildung bei normaler O2-Affinität des Hämoglobins (heterozygote beta-Thalassämie, alpha-Thalassämia minor, leichte Eisenmangelanämien)

Therapiestrategien Die Therapie zielt darauf ab • das Risiko arterieller und venöser Gefäßverschlüsse durch Thromboembolien zu vermindern • die klinischen Symptome zu beherrschen und • späte Komplikationen durch die Entwicklung einer Myelofibrose, eines Myelodysplastischen Syndroms oder einer akuten myeloischen Leukämie zu verhindern oder aufzuschieben.

803

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

Wesentliche Bestandteile der Therapie sind • Aderlässe in Kombination mit niedrig dosierter Acetylsalizylsäure und • bei deutlicher Krankheitsprogression eine zytoreduktive Therapie Tab. 8.282: Strategie der Therapie der Polycythaemia vera (in Anlehnung an Lengfelder et al. 2019). Polycythaemia vera Erstlinientherapie

▾ alle Risikogruppen Aderlass (Frequenz und Ausmaß ist dem Ziel: Hämatokrit < 45 % anzupassen)

▾ und Acetylsalizylsäure (100 mg/Tag und täglich)

▾ Risikoeinstufung niedrig

hoch

▾ engmaschige Kontrolle





falls Progression der Myeloproliferation, wachsendes Thrombose-/Blutungsrisiko, Aderlasstherapie nicht durchführbar oder nicht kontrollierbare Symptome Hydroxyurea (Anfangsdosis 15–20 mg/kg KGW/Tag, Anpassung nach Blutbild und Verträglichkeit)

▾ oder z. B. falls Kinderwunsch Pegyliertes Interferon α2b (90μg alle 2 Wochen, Anpassung nach Blutbild und Verträglichkeit)

▾ Zweitlinientherapie falls Progression, Resistenz alternative oder ergänzende Therapie mit Peg-Interferon α2b (1,5μg/kg KGW; 1 ×/2 Wochen)



oder

Ruxolitinib (initial 2 ×

oder

Hydroxyurea

allgemeine Maßnahmen – regelmäßige Bewegung, vermeiden von langem Sitzen, – Einstellung eines Normalgewichtes, keine Exsikkose; – kein Nikotin-Konsum

oder

Busulfan

804 •







8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Aderlass – regelmäßig (alle 2–3 Tage), um den Hämatokrit auf dauerhaft ≤ 45 % zu senken ▪ führt jedoch zur Thrombozytose mit erhöhtem Risiko von Thrombosen/Embolien, – Gabe von Acetylsalizylsäure/ASS (100 mg/Tag, täglich) ▪ falls die Thrombozytenzahl ≤ 600.000 μl liegt (bei höheren Thrombozytenzahlen zur Vermeidung einer Blutung nach ASS erst deren Absenkung durch Chemotherapie), ▪ zur Hemmung der Thrombozytenaggregation, – ggf. Erythrozytapherese als Alternative oder Ergänzung zum Aderlass, – ein Eisenmangel sollte im Regelfall nicht substituiert werden, Zytostatika zur Zytoreduktion – indiziert bei erhöhtem Risiko für Thromboembolien bei: ▪ gewesenen/bereits vorliegenden Gefäßverschlüssen, ▪ Blutungen, ▪ höherem Lebensalter, ▪ ausgeprägter und fortschreitender Myeloproliferation, – indiziert bei kompliziertem Verlauf: ▪ drastische Volumenzunahme der Milz, ▪ Thrombozyten > 600.000/μl, ▪ Leukozyten > 25.000/μl, ▪ vermehrt Erythroblasten und/oder Myeloblasten im Blutbild, ▪ hohe und zunehmende Häufigkeit des Aderlasses, ▪ Eisenmangel, der bereits Symptome bewirkt und weitere Aderlässe nicht erlaubt, ▪ Mikrozirkulationsstörungen trotz Gabe von ASS, ▪ zusätzliche kardiovaskuläre Risikofaktoren oder Erkrankungen, – Hydroxyurea ist das Standardzytostatikum in der Erstlinien- und Zweitlinientherapie ▪ Dosis (15–40 mg/kg/Tag), wird angepasst der Wirkung (Hämatokrit ≤ 45 %) und Verträglichkeit – ggf. Busulfan in der Zweitlinientherapie bei älteren Patienten ▪ Dosis (4 × 0,8 mg/kg KGW/Tag über 4 Tage) Interferon-α – wirksame Alternative zu Hydroxyurea in der Erstlinien- und Zweitlinientherapie ▪ Dosis beginnend mit dreimal 3 IE/Woche, ▪ bei Versagen oder Unverträglichkeit von Hydroxyurea, ▪ bei jüngeren Patienten im Besonderen mit Kinderwunsch – Pegyliertes Interferon-α besitzt Vorteile in Bezug auf Wirksamkeit, Wirkungsdauer und Verträglichkeit ▪ Peg-IFN-α2a; Dosis 90 μg 1 ×/Woche ▪ Peg-IFN-α2b, Dosis 1,5 μg/kg KGW; 1 ×/2 Wochen ▪ stärker wirksam als Hydroxyurea ggf. Anagrelid in der Zweitlinientherapie – ein Imidazolidin-Derivat, hemmt die Thrombozytopoese wahrscheinlich über Inhibition der cAMP-Phosphodiesterase Typ 3,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes



• •



805

– Dosis 0,5–2,0 mg/Tag, – in Kombination mit Hydroxyurea oder Interferon Ruxolitinib in der Zweitlinientherapie – ein Pyrrolopyrimidinpyrazol-Derivat, welches die Tyrosin-Phosphokinase von JAK1/JAK2 inhibiert, – zur Behandlung von Patienten, die gegenüber Hydroxyurea resistent oder intolerant waren, – Dosis intial 2 × 10 mg/Tag führt zur Kontrolle der gesteigerten Myeloproliferation (Reduktion des Hämatokrits und der Splenomegalie, Reduktion der Aderlassfrequenz) Vitamin-K-Antagonisten als Ergänzung zur Kontrolle zur Verhinderung von (Re-) Thrombosen, Radiotherapie – perkutan mit Zielgebiet Milz, – palliativ bei schmerzhafter Milzschwellung, allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation – wird im Regelfall durchgeführt, ▪ falls Aderlass und Chemotherapie versagt haben, ▪ bei nicht ausreichend kontrollierbarer Myeloproliferation, ▪ wenn eine Hochdosis-Chemotherapie zur Konditionierung möglich erscheint, ▪ bei jugendlichen Patienten, ▪ falls ein geeigneter Knochenmarkspender gefunden werden kann.

Nachsorge • regelmäßige klinische und quantitative und qualitative Blutbild-Untersuchungen – in der Anfangsphase der Therapie oder bei Therapieumstellungen in kurzfristigen Abständen, ansonsten 1 ×/Monat, Knochenmarkuntersuchungen bei Therapiewechsel und/oder Progression der Erkran• kung (z. B. zunehmende Milzvergrößerung oder Blutbildveränderungen) zur Erfassung eines Übergangs in eine akute Leukämie oder Myelofibrose, • Sonografie des Abdomens/der Milz 1 ×/Jahr oder im Verdachtsfall.

Prognose Die mittlere Überlebenszeit beträgt ca. 10 Jahre. Die Prognose wird ungünstig beeinflusst durch Faktoren, welche die progrediente Phase bestimmen (siehe oben).

Weiterführende Literatur Lengfelder E, Baerlocher GM, Döhner K, Gisslinger H, Grießhammer M, Koschmieder S, Petrides PE, 2019, Leitlinie Polycythaemia Vera (PV); https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/ polycythaemia-vera-pv/@@guideline/html/index.html

806

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

OMIM, Online Mendelian Inheritance in Man, An Online Catalog of Human Genes and Genetic Disorders, Updated 27 January 2012 John Hopkins University, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/entrez?db= omim Preiß J, Dornoff W, Hagmann F-G, Schmieder A. Onkologie 2011; Juni 2011; http://www.onkologie2011.de/ index.htm; 15. Januar 2012.

8.15.5.3 ET/essentielle Thrombozythämie Vorkommen Die ET/essentielle (oder primäre) Thrombozythämie gehört zu den chronischen MPN/ Myelo-Proliferativen Neoplasien und stellt eine proliferative Erkrankung der hämatopoetischen Stammzelle dar, welche gekennzeichnet ist: • durch eine Zytokin-unabhängig gesteigerte Megakaryopoese im Knochenmark und • eine vermehrte Freisetzung von Thrombozyten in das periphere Blut – mit einer langsam fortschreitenden, irreversiblen Erhöhung der Thrombozytenzahl im Blut – welche unabhängig von dem Blutspiegel des Thrombopoetins zu sein scheint, • Mikrozirkulationsstörungen und dem Risiko – für Thrombosen und Embolien ▪ besonders in den großen Oberbauchgefäßen und – für Blutungen • eine meist gute Prognose – d. h. im Regelfall einem relativ gutartigen Verlauf, – nur in seltenen Fällen entwickelt sich ▪ eine Myelofibrose, ▪ eine Polycythaemia vera, ▪ ein myelodysplastisches Syndrom und/oder ▪ eine akute Leukämie. Die Neuerkrankungsrate liegt bei etwa 2–3/100.000 Personen/Jahr, • Frauen erkranken häufiger als Männer (M : W = 1 : 2), • der Altersgipfel ist biphasisch und liegt – zwischen 20–40 Jahren (10–25 % der Patienten) und – zwischen 60–70 Jahren.

Risikofaktoren Genetische Ursachen: • aktivierende Mutation der JAK2/Janus-Tyrosinkinase 2 (siehe Kap. 3.3.8) – im Chromosom 9p24.1 Exon 14 ▪ die Punktmutation V617F mit Aminosäureaustausch von Valin gegen Phenylalanin in etwa 50–60 % der Patienten, ▪ die Punktmutation R683G in seltenen Fällen, – im Exon 12 Mutationen in seltenen Fällen,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

807





• • •

mit einer etwa hundertfach erhöhten Sensitivität auf Wachstumsfaktoren wie auch – einer Unabhängigkeit von Wachstumsfaktoren aktivierende Mutationen des Thrombopoietin-Rezeptors (MPL/Myelo-Proliferatives Leukämie-Virus-Onkogen) im Exon 10 in etwa 10 % der Patienten – Punktmutationen W515L (am häufigsten) und W515K in etwa 3 % der Patienten – Punktmutation W515R, W515A und/oder S505N – in seltenen Fällen die Punktmutation S204P außerhalb der Hotspots Deletionen und Insertionen Typ 1 und 2 im Exon 9 des Gens für Calreticulin in 30– 35 % der Fälle, Dreifach (Triple-) negativ Formen (bezogen auf die Jak, MPL und Calretikulin-Mutationen) bei 10–12 % der Patienten Mutationen in Genen für TP53, ASXL1, IDH1/2, RAS, PPM1D, welche wahrscheinlich auch prognostische Bedeutung besitzen.

Symptome • ca. 30 % der Patienten sind zum Zeitpunkt der Erstdiagnose ohne Symptome • Mikrozirkulationsstörungen – im Bereich der Finger und Zehen ▪ schmerzhafte Rötung mit Brennen und Schwellung (Erythromelalgie), – des Gehirns ▪ Seh- oder Sprachstörungen, Schwindel, „Leere“ im Kopf, Migräne; • Thrombosen im venösen und arteriellen System, im Besonderen – in den großen Oberbauchgefäßen (Pfortader-, Leber-, Milz-, Mesenterialvenen) – in den Venen der unteren Extremitäten (Schmerzen beim Gehen) mit nachfolgender Lungenarterienembolie, – in den Herzkranzgefäßen (Herzinfarkt) – in den hirnversorgenden Arterien (Schlaganfall) • Blutungen • Schmerzen im Oberbauch durch Vergrößerung der Leber und der Milz Die ET/Essentielle Thrombozythämie kann übergehen • in eine Myelofibrose (post-ET-Myelofibrose), – wobei die Unterscheidung zwischen einer sekundären post-ET-Myelofibrose und einer primären Myelofibrose schwierig ist, • in eine Polycythaemia vera (post-ET-Polycythaemia vera) bei Patienten mit JAK2-Mutationen und/oder • in ein Myelodysplastisches Syndrom und eine akute Leukämie (selten) – wobei Zytostatika wie Hydroxyurea oder Busulfan diesen Übergang wahrscheinlich fördern. Diagnostik Leitbefunde sind • konstante und meist langsam fortschreitende Erhöhung der Thrombozytenzahl im Blut,

808 •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

starke Vermehrung der Megakaryozyten im Knochenmark, – wobei diese oft deutlich vergrößert und in lockeren Gruppen gelagert sind und – hyperlobulierte oder hirschgeweihartig veränderte Kerne aufweisen

Die allgemeine Diagnostik umfasst: • klinische Untersuchung, im Besonderen – Herzfunktion, Lungenfunktion, Milz- und Lebergröße, Mikrozirkulationsstörungen • biochemisch-labordiagnostische Untersuchungen – Test-Methoden zur Funktionsanalyse von Leber und Nieren – Ferritinblutspiegel – LDH/Laktatdehydrogenase • Blutbild – quantitativ ▪ Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten, Hämatokrit – qualitativ (Differentialblutbild) ▪ deutlich vergrößerte, unregelmäßig geformte Thrombozyten ▪ ggf. Linksverschiebung der Granulozyten • Blutgerinnung – Quick-Wert, PTT/Partielle Thromboplastin-Zeit • Knochenmark (Stanzbiopsie) – vorherrschende Megakaryozytopoese mit vielgelappten oder hirschgeweihartig verzweigten Zellkernen – Nachweis von Eisen und Fasern, • bildgebende Verfahren (siehe Kap. 8.15.1), im Besonderen – Sonographie des Abdomens, – Röntgen-Untersuchung des Thorax. Molekularbiologische Untersuchungen umfassen – aktivierende Mutationen des Gens für JAK2 (Januskinase, siehe Kap. 3.3.8) ▪ vorrangig Nachweis von V617F im Exon 14 und/oder ▪ Mutationen im Exon 12 ▪ falls eine solche Mutation nachgewiesen werden kann, liegt eine chronische MPN/Myelo-Proliferative Neoplasie vor, ▪ falls keine Mutation V617F vorliegt, sollte auf Mutationen des Gens für Calreticulin und nachrangig des Thrombopoietin-Rezeptors/MPL untersucht werden, – Deletionen und Insertionen Typ 1 und 2 im Exon 9 des Gens für Calreticulin – aktivierende Mutationen des Thrombopoietin-Rezeptors im Exon 10 ▪ Punktmutationen W515L (am häufigsten) und W515K ▪ Punktmutationen W515R, W515A und/oder S505N ▪ in seltenen Fällen die Punktmutation S204P außerhalb der Hotspots – bei Tripel-negativen Patienten ggf. zur Differentialdiagnose ▪ aktivierende Mutationen des Gens für den Erythropoetin-Rezeptor ▪ inaktivierende Mutationen des Gens für den Tumorsuppressor vHL/von Hippel-Lindau

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes



809

Translokation t(9;22)(q34;q11) mit Expression des konstitutiv als Tyrosinkinase aktiven Fusionsproteins BCR-ABL (CML, siehe Kap. 8.15.5.1)

Klassifikation auf Grund von Diagnosekriterien Die Diagnose wird auf Grund folgender Kriterien gestellt • Hauptkriterien – A1: peripheres Blut: anhaltende Thrombozytenzahl > 450.000/μl – A2: Knochenmarkhistologie: ▪ deutliche Vermehrung der Megakaryozyten, diese vergrößert und mit reifen hyperlobulierten Kernen, ▪ keine signifikante Erhöhung oder Linksverschiebung der Granulopoese oder Erythropoese. Keine oder nur geringe Zunahme (Grad 0–1) der Retikulinfasern, – A3: WHO Kriterien für eine BCR-ABL1-positive chronisch myeloische Leukämie, Polycythämia vera, primäre Myelofibrose oder andere myeloische Neoplasien sind nicht erfüllt – A4: Nachweis einer Mutation der Gene für JAK2 (V617F), Calreticulin- oder Thrombopoetin-Rezeptor/MPL. • Nebenkriterien – B1: Vorkommen eines anderen klonalen Markers, – B2: Kein Hinweis auf reaktive Thrombozytose Die Diagnose einer Essentiellen Thrombozythämie erfordert • die Erfüllung aller Hauptkriterien (A1 bis A4) oder • die Erfüllung der ersten drei Hauptkriterien (A1 bis A3) und ≥ 1 Nebenkriterium Verlaufsuntersuchungen beinhalten: • regelmäßige (Abstand höchstens 1–2 Monate) Blutbildkontrolle, • Knochenmarkuntersuchungen, falls im Blutbild Auffälligkeiten auftreten

Prognosefaktoren Bestimmend für die Prognose ist das Risiko des Auftretens von thromboembolischen und hämorrhagischen Komplikationen. Dieses Risiko wird durch folgende Faktoren bestimmt: • Risikofaktoren – R1: anamnestisch bekannte thromboembolische Erkrankungen oder schwere Blutungen, – R2: Alter über 60 Jahre, – R3: Thrombozytenzahlen > 1.500.000/μl • Kofaktoren/vaskuläre Risiken – F1: arterielle Hypertonie, – F2: Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie, – F3: Nikotinabusus,

810

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– –

F4: positive Thrombophiliemarker F5: Mikrozirkulationsstörungen

Auf Grund dieser Risikofaktoren kann das Risiko wie folgt geschätzt werden • Niedriges Risiko: keine Risikofaktoren, aber Kofaktor/F5 (Mikrozirkulationsstörungen) • Mittleres Risiko: keine Risikofaktoren, aber vaskuläre Risiken (Kofaktoren F1–F5) • Hohes Risiko: ≥ 1 Risikofaktor Zusätzlich ist zu berücksichtigen • dass Patienten mit einer JAK2V617F-Mutation ein höheres Thromboserisiko aufweisen als Patienten mit CALRETICULIN-Mutationen. Die Lebenserwartung ist bei bestmöglicher Behandlung im Mittel nur geringfügig eingeschränkt im Vergleich zu Normalpersonen. Differentialdiagnose Von der Essentiellen Thrombozythämie sind abzugrenzen • reaktive Thrombozythämien – nach Traumata oder großen operativen Eingriffen, – bei akuten oder chronischen bakteriellen Infekten, – durch Eisenmangel (ernährungsbedingt oder nach Blutungen), – nachzuweisen über die Bestimmung akuter Phasenproteine (z. B. CRP) oder des Ferritins, • andere chronische MPN/Myelo-Proliferative Neoplasien wie die Polycythaemia vera (siehe Kap. 8.15.5.2) und die primäre Myelofibrose (siehe Kap. 8.15.5.4) • präfibrotische Myelofibrosen und • MDS/Myelo-Dysplastische Syndrome (siehe Kap. 8.15.2) Therapiestrategie Allgemeine Maßnahmen • regelmäßige Bewegung, vermeiden von langem Sitzen – Einstellung eines Normalgewichtes, keine Exsikkose/ausreichendes Trinken; • Risikoeinstufung für die Wahl der Therapie – Patienten mit niedrigem Risiko ▪ Mikrozirkulationsstörungen, aber ansonsten keine weiteren Risikofaktoren • Patienten mit mittlerem Risiko: – keine Hochrisikopatienten – aber andere vaskuläre Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie, Nikotinabusus, Thrombophiliemarker • Patienten mit hohem Risiko: einer der 3 genannten Faktoren treffen zu – Alter > 60 Jahre – thromboembolische Erkrankungen oder schwere Blutung – Thrombozytenzahl > 1.500.000/μl

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

811

Tab. 8.283: Strategie der Therapie der essentiellen Thrombozythämie (in Anlehnung an Petrides et al. 2018). essentielle Thrombozythämie

▾ Risikoeinstufung niedrig

mittel



▾ Acetylsalizylsäure

engmaschige Kontrollen

hoch

▾ Hydroxyurea (20–40 mg/kg Kgw/Tag)

oder

▾ engmaschige Kontrollen

Anagrelid (0,5 mg 3–4mal/Tag)

oder

Pegyliertes Interferon α

▾ bei mangelnder Wirkung, Progression oder Unverträglichkeit jeweils alternatives Therapeutikum Pegyliertes Interferon α

oder

Hydroxyurea

oder

Anagrelid

Therapiemaßnahmen • Patienten mit niedrigem Risiko – engmaschige Kontrollen • Patienten mit mittlerem Risiko – ASS/Acetylsalicylsäure ▪ Dosis 50–100 mg/Tag zur Inhibition der Thrombozytenaggregation ▪ Kontraindikationen für ASS: hämorrhagische Diathese, anamnestisch bekanntes Ulkusleiden, sehr hohe Thrombozytenzahlen (> 1.000.000/μl), da der Verlust hochmolekularer von-Willebrand-Faktoren zu einer vermehrten Blutungsneigung führen kann • Patienten mit hohem Risiko – Hydroxyharnstoff ▪ Dosis: 20–40 mg/kg Kgw/Tag; Dosis wird der Wirkung (Reduktion der Thrombozytose) angepasst ▪ besonderes Risiko: induzierte sekundäre Tumore, im Besonderen Leukämien – Anagrelid ▪ Dosis: 0,5 mg 3–4mal/Tag ▪ Imidazolidin-Derivat, hemmt die Thrombozytopoese wahrscheinlich über Inhibition der cAMP-Phosphodiesterase Typ 3 ▪ ggf. Alternative zu Hydroxyharnstoff – Interferon-α ▪ Dosis beginnend mit dreimal 3 IE/Woche ▪ bei Versagen oder Unverträglichkeit von Hydroxyurea ▪ bei jüngeren Patienten im Besonderen mit Kinderwunsch – Pegyliertes Interferon-α besitzt Vorteile in Bezug auf Wirksamkeit, Wirkungsdauer und Verträglichkeit ▪ Peg- IFN-α2a; Dosis 90 μg 1 ×/Woche ▪ Peg-IFN-α2b, Dosis 1,5 μg/kg KGW; 1 ×/2 Wochen

812

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Therapieerfolg • komplette Regression (CR/Complete Response): – Thrombozyten < 400.000/μl – Leukozyten < 10.000/μl ▪ Leukozytose wäre Risikofaktor für Thromboembolien – normale Milzgröße • partielle Regression (PR/Partial Response): – Thrombozyten < 600.000/μl oder Abfall um mindestens 50 % Nachsorge/Verlaufskontrolle Klinische Untersuchungen, Laboruntersuchungen und komplettes Blutbild: • In der Initialphase der Therapie kurzfristig, alle 1–2 Wochen, • nach Erreichen einer stabilen Phase in der Regel zwischen 4 und 12 Wochen, • später ggf. halbjährlich, • Ultraschalluntersuchung des Abdomens (mit Ausmessung der Milz in 3 Ebenen zur Milzvolumenbestimmung) jährlich In Abhängigkeit von Blutbild und Milzgröße Knochenmarkverlaufs-untersuchungen zur Erfassung der Übergänge eine akute Leukämie oder Myelofibrose

Weiterführende Literatur Boyd EM, Bench AJ, Goday-Fernández A, Anand S, Vaghela KJ, Beer P, Scott MA, Bareford D, Green AR, Huntly B, Erber WN. Clinical utility of routine MPL exon 10 analysis in the diagnosis of essential thrombocythaemia and primary myelofibrosis. Br J Haematol. 2010; 149: 250–257. OMIM, Online Mendelian Inheritance in Man, An Online Catalog of Human Genes and Genetic Disorders, Updated 27 January 2012 John Hopkins University, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/entrez?db= omim Petrides PE, Baerlocher GM, Döhner K, Gisslinger H, Grießhammer M, Koschmieder S, Lengfelder E. 2018, Leitlinie Essentielle (oder primäre) Thrombozythämie (ET), https://www.onkopedia.com/de/ onkopedia/guidelines/essentielle-oder-primaere-thrombozythaemie-et/@@guideline/html/ index.html#ID0ETDAE Preiß J, Dornoff W, Hagmann F-G, Schmieder A. Onkologie 2011; Juni 2011; http://www.onkologie2011.de/ index.htm; 15. Januar 2012.

8.15.5.4 PMF/Primäre Myelofibrose Vorkommen Die PMF/Primäre Myelo-Fibrose stellt eine klonale Erkrankung der hämatopoetischen Stammzellen dar und gehört zu den (Philadelphia-Chromosom-negativen bzw. BCR-ABLnegativen) chronischen myeloproliferativen Neoplasien (MPN). Die präfibrotische Myelofibrose/präPMF gilt als Untereinheit der Primären Myelofibrose.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

813

Eine Myelofibrose des Knochenmarks: • stellt eine fortschreitende Fibrosierung und Verödung des blutbildenden Knochenmarks dar, – mit einem reaktiv vermehrten Wachstum von Fibroblasten im Knochenmark, – mit einer gleichzeitig zunehmenden ektopischen Hämatopoese in der Milz und in der Leber; • kann entstehen: – primär/idiopathisch als eigenständige Erkrankung; für diese liegen zahlreiche Synonyme vor ▪ MMM/Myelofibrose mit Myeloider Metaplasie, AMM/Agnogenische Myeloide Metaplasie, OMF/Osteo-Myelo-Fibrose, CIMF/Chronische Idiopathische MyeloFibrose, IMF/Idiopathische Myelo-Fibrose, ▪ gemäß WHO wird die Erkrankung PMF/Primäre Myelo-Fibrose genannt, – sekundär als Folge einer anderen Erkrankung, z. B. ▪ der Polycythaemia vera mit der PPMM/Post-Polyzythämische Myeloide Metaplasie, ▪ der essenziellen Thrombozytämie (siehe Kap. 8.15.2) mit der PTMM/PostThrombozythämische Myeloide Metaplasie. Die Neuerkrankungsrate liegt bei etwa 0,5 bis 1,5/100.000 Personen/Jahr und • hat ihren Altersgipfel bei etwa 65 Jahren, wobei – etwa 20 % der Patienten jünger sind als 56 Jahre und – ca. 11 % jünger sind als 46 Jahre • betrifft Männer etwas häufiger (ca. 65 %) als Frauen Die präPMF hat mit 57 Jahren einen etwas niedrigeren Altersgipfel bei gleicher Geschlechterverteilung wie bei der PMF. Risikofaktoren Genetische Ursachen: • aktivierende Mutation der JAK2/Janus-Tyrosinkinase 2 (siehe Kap. 3.3.8) – im Chromosom 9p24.1 Exon 14 ▪ die Punktmutation V617F mit Aminosäureaustausch von Valin gegen Phenylalanin bei etwa 60 % der Patienten, ▪ die Punktmutation R683G in seltenen Fällen – im Exon 12 Mutationen in seltenen Fällen, – mit einer etwa hundertfach erhöhten Sensitivität auf Wachstumsfaktoren wie auch – einer Unabhängigkeit von Wachstumsfaktoren • aktivierende Mutationen des Thrombopoietin-Rezeptors (MPL/Myelo-Proliferatives Leukämie-Virusonkogen im Exon 10) in etwa 8 % der Patienten – Punktmutationen W515L (am häufigsten) und W515K – Punktmutation W515R, W515A und/oder S505N – in seltenen Fällen die Punktmutation S204P außerhalb der Hotspots

814 •







8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Deletionen und Insertionen im Exon 9 des Gens für Calreticulin in 25 % der Fälle, – dabei Typ 1 (eine Deletion) ca. 19 % und Typ 2 (eine Insertion) ca. 6 % der Fälle – wobei Calreticulin-Gen-Mutationen eine vergleichsweise bessere Prognose aufweisen Dreifach (Triple-) negativ Formen (bezogen auf die Mutationen der Gene für JAK, MPL und Calretikulin) bei ca. 9 % der Patienten, – wobei die Triple-negativen Formen eine vergleichsweise schlechtere Prognose aufweisen, Mutationen in Genen für TET2 (17 %), ASXL1 (13 %), EZH2 (7 %), DNMT3A (7 %), IDH1/ IDH2 (4 %), SRSF2 (17 %), U2AF1 (16 %) SF3B1 (7 %), TP53 (4 %) und NF-E2, – welche nicht MPN-spezifisch sind, da sie auch bei anderen myeloischen Neoplasien vorliegen können, – bei der PMF sind jedoch die Mutationen der Gene für ASXL1, EZH2, DNMT3A, IDH1/IDH2 und SRSF2 Hochrisikomutationen, da sie mit einer schlechten Prognose verbunden sind präPMF weisen eine ähnliche Verteilung der Mutationen der Gene für JAK, MPL und Calreticulin auf, – der Anteil der Hochrisiko-Mutationen der Gene für ASXL1 und EZH2 ist im Vergleich zur PMF jedoch deutlich niedriger.

Exogene Ursachen • Toxine, Zytostatika • radioaktive Strahlung – Umwelt, – medizinische Diagnostik und/oder Therapie (iatrogen) Symptome • anfänglich meist asymptomatisch, bei der präPMF häufiger und anhaltender als bei der (fibrotischen) PMF, • erste Anzeichen sind Blutbildveränderungen oder eine Splenomegalie – am häufigsten Thrombozytosen mit Thrombosen und/oder – eine Anämie, • im weiteren Verlauf bedingt durch die zunehmende Fibrose im Knochenmark und die Verdrängung der normalen Blutbildung – Allgemeinsymptome ▪ Leistungsminderung, Fieber, Nachtschweiß, ▪ Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Durchfall, – Zeichen der mangelhaften Hämatopoese ▪ Anämie, Thrombozytopenie und/oder Leukozytopenie, ▪ zuerst phasenweise, dann andauernde Panzytopenie, ▪ Erhöhung der LDH/Laktat-Dehydrogenase, – Schmerzen im Oberbauch in Folge der Schwellungen von Milz und Leber ▪ durch die extramedulläre Hämatopoese, – Knochenschmerzen ▪ durch die Knochenfibrose,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

815



thromboembolische Erkrankungen mit schwerwiegenden atypischer Lokalisation relativ häufig Pfortaderthrombosen und Milzvenenthrombosen ▪ mit einer Rate von etwa 1–2 pro Patient und Jahr – Blutungen die häufigsten Todesursachen stellen dar – der Übergang in eine akute myeloische Leukämie (20,1 %), – kardiovaskuläre Komplikationen (12,3 %) und – Infektionen (10,4 %) ▪



Diagnostik Allgemeine Diagnostik klinische Untersuchung, im Besonderen: • Anamnese – Ermüdungserscheinungen, Knochenschmerzen, Anämie, Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust, zurückliegende arterielle und venöse Thrombosen, Mikrozirkulationsstörungen und Blutungen, Tumoren, Hämoblastosen auch bei Familienmitgliedern • körperlichen Untersuchung – meist fallen die Splenomegalie, Hepatomegalie und die Anämie der Patienten auf, • Herzfunktion, Lungenfunktion, Milz- und Lebergröße, Mikrozirkulationsstörungen, • biochemisch-labordiagnostische Untersuchungen Blutplasma/Blutserum – Funktionsanalyse von Leber und Nieren, – AST, ALT, γ-GT, alkalische Phosphatase, Serumtryptase (insbesondere bei Verdacht auf systemische Mastozytose), – LDH/Laktat-Dehydrogenase – Ferritin – Harnsäure (meist erhöht) – Haptoglobin, Bilirubin (Hinweis auf Hämolyse) • Blutbild – quantitativ ▪ Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten, Hämatokrit ▪ Thrombozythämie im frühen Stadium, vor allem in der sogenannten präfibrotischen Phase, – qualitativ/Differentialblutbild ▪ in fortgeschrittenen Stadien sogenanntes leukoerythroblastisches Blutbild mit ▪ Nachweis von Poikilozytose, Anisozytose und Dakryozytose (Tränentropfenform) der Erythrozyten, Auftreten von Erythroblasten und Normoblasten, ▪ Retikulozytenzahl nicht oder nur gering erhöht, ▪ Linksverschiebung der Granulozyten, Auftreten von Myeloblasten • Blutgerinnung – Quick-Wert, PTT/Partielle Thromboplastin-Zeit • Knochenmark – Aspirationsbiopsie ▪ kaum oder nur wenig Zellen in der Zytologie (Punctio sicca)

816

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– –



Stanzbiopsie und Histologie (einschließlich Eisen- und Faser-Färbung) im präfibrotischen Frühstadium: ▪ erhöhte Zelldichte mit Vermehrung von dysplastischen und atypisch verteilten Megakaryozyten, ▪ Granulopoese und Erythropoese mit Linksverschiebung (vermehrt Blasten) und Dysplasien, ▪ manchmal bereits ausgeprägte Markfibrose ( Grad 1, gleichzeitig altersabhängig gesteigerte Zellularität, granulozytäre Proliferation und häufig reduzierte Erythropoese, – A2: WHO Kriterien für BCR-ABL1+ CML, PV, ET, PMF, MDS oder andere MPN nicht erfüllt, – A3: JAK2-, MPL- oder CALR-Mutation ▪ oder anderer klonaler Marker (ASXL1, EZH2, TET2, IDH1/IDH2, SRSF2, SF3B) vorhanden, ▪ oder kein Nachweis einer geringgradigen reaktiven Knochenmarkfibrose. • Nebenkriterien – B1: Anämie – B2: palpable Splenomegalie

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes



817

– B3: Leukozyten > 11 × 109/l – B4: erhöhte LDH Die Diagnose präPMF erfordert alle (A1 bis A3) Hauptkriterien und ≥ 1 Nebenkriterium.

Diagnose-Kriterien für die (fibrotische) PMF • Hauptkriterien – A1: Megakaryozytäre Proliferation und Atypien, begleitet von Retikulin- und/oder Kollagenfibrose Grad 2 oder 3 – A2: WHO Kriterien für BCR-ABL1+ CML, PV, ET, PMF, MDS oder andere MPN nicht erfüllt, – A3: JAK2-, MPL- oder CALR-Mutation nachgewiesen ▪ oder anderer klonaler Marker (ASXL1, EZH2, TET2, IDH1/IDH2, SRSF2, SF3B) vorhanden, ▪ oder kein Nachweis einer reaktiven Knochenmarkfibrose. • Nebenkriterien – B1: Anämie – B2: palpable Splenomegalie – B3: Leukozyten > 11 × 109/l – B4: erhöhte LDH • Die Diagnose (fibrotische PMF) erfordert alle (A1 bis A3) Hauptkriterien und ≥ 1 Nebenkriterium Im Regelfall kann die histologische Diagnose einer primären Myelofibrose nicht von einer Myelofibrose nach einer Polycythaemia vera (post-PV-MF) oder nach einer essentiellen Thrombozythämie (post-ET-MF) unterschieden werden. Somit ist bei der Differentialdiagnose Bezug zu nehmen auf die histologische Verlaufsdaten: Diagnose-Kriterien für die Post-Polycythaemia Vera-Myelofibrose (Post-PV-MF) • Hauptkriterien – A1: Dokumentation der vorausgegangenen Diagnose PV nach WHO Kriterien – A2: Knochenmarkfibrose ▪ Grad 2 bis 3 (auf einer Skala 0 bis 3) ▪ Grad 3 bis 4 (auf einer Skala 0 bis 4) • Nebenkriterien – B1: Anämie ▪ oder nicht mehr erforderliche Aderlasstherapie (ohne zytoreduktive Therapie) ▪ oder nicht mehr erforderliche zytoreduktive Therapie zur Reduktion der Erythrozytose – B2: zunehmende Splenomegalie, definiert ▪ entweder als Zunahme einer vergrößerten Milz von > 5 cm unterhalb des linken Rippenbogens ▪ oder als neu diagnostizierte palpable Milzvergrößerung – B3: Leukoerythroblastisches Blutbild

818

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



B4: Entwicklung von ≥ 2 der folgenden konstitutionellen Symptome: > 10 % Gewichtsverlust in 6 Monaten, ▪ Nachtschweiß, ▪ ätiologisch ungeklärtes Fieber (> 37,5 Grad Celsius) Die Diagnose Post-PV-MF erfordert alle (A1, A2) Hauptkriterien und ≥ 2 Nebenkriterien (B1–B4) ▪



Diagnose-Kriterien für die Post-Essentielle Thrombozythämie-Myelofibrose (PostET-MF) • Hauptkriterien – A1: Dokumentation der vorausgegangenen Diagnose PV oder ET nach WHO Kriterien – A2: Knochenmarkfibrose Grad 2 bis 3 (auf einer Skala 0 bis 3) • Nebenkriterien – B1: Anämie oder ein kontinuierlicher Hb-Abfall ≥ 2 g/dl vom Ausgangswert – B2: palpable Splenomegalie ≥ 5 cm, oder neu aufgetretene palpable Splenomegalie – B3: Leukoerythroblastisches Blutbild – B4: erhöhte LDH – B5: Entwicklung von ≥ 2 der folgenden konstitutionellen Symptome: ▪ > 10 % Gewichtsverlust in 6 Monaten, ▪ Nachtschweiß, ▪ ätiologisch ungeklärtes Fieber (> 37,5 Grad Celsius) • Die Diagnose Post-ET-MF erfordert alle (A1, A2) Hauptkriterien und ≥ 2 Nebenkriterien (B1–B5) Prognose Aussagen zur Prognose der PMF sind wegen ihrer Heterogenität nur eingeschränkt möglich. Geschätzt wird • eine mittlere Lebenserwartung von 3,5–5,5 Jahren, • bei jüngeren Patienten (< 55 Jahre) eine Lebenserwartung von ca. 10–11 Jahren. Um möglichst wirklichkeitsnah die Prognose für den einzelnen Patienten abschätzen zu können, wurden mehrere Scores entwickelt • historisch – der Lille-Score auf Basis von Blutwerten (Hb und Leukozyten) – der Cervantes-Score auf der Grundlage von Hb, Allgemeinsymptomen und Blastenzahl im peripheren Blut • aktuell – der Risikoscore IPSS der International Working Group for Myelofibrosis Research and Treatment (IWG-MRT) für den Zeitpunkt der Diagnosestellung und – der dynamische Risikoscore (DIPSS), welcher (siehe Tab. 8.284) ▪ alle Parameter der IPSS aufnimmt, jedoch differenziert (0 bis 2) bewertet und ▪ die Parameter des IPSS durch zusätzliche prognostisch ungünstige biologische Parameter ergänzt.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

819

Tab. 8.284: Risiko-Bewertung der primären Myelofibrose (Grießhammer et al. 2018). Risiko Score der IPSS der International Working Group for Myelofibrosis Research and Treatment (IWG-MRT) Parameter

PunktWertung

Alter > 65 Jahre

1

Symptome: Fieber, Gewichtsverlust > 10 % im Jahr vor der Diagnosestellung, Nachtschweiß von > 1 Monat Dauer

1

Hb < 10 g/dl

1

Σ Punkte

Risikoschätzung

mittlere Überlebenszeit Schätzung

niedrig

135 Monate (11–12 Jahre)

niedrig bis mittel

95 Monate (7–8 Jahre)

mittel bis hoch

48 Monate (4 Jahre)

hoch

27 Monate (2–3 Jahre)

0

1

2 Leukozyten > 25G/l (aktuell oder in der Vorgeschichte)

1

Blasten im peripheren Blut ≥ 1 %

1

maximale Punktsumme

5

≥3

dynamischer Risikoscore (DIPSS) DIPPS

DIPPS-plus

Scorebewertung Parameter

Alter (Jahre)

0

1

≤ 65

> 65

Symptome: Fieber, Gewichtsverlust > 10 % im Jahr vor der Dia-gnosestellung, Nachtschweiß von > 1 Monat Dauer

nein

Hb (g/dl)

≥ 10

Leukozyten (G/L; aktuell oder in der Vorgeschichte)

≤ 25

Blasten im peripheren Blut (%)

25 5–6 ≥1

Transfusionsbedarf für Erythrozyten

1

Thrombozyten < 100 G/l

1

Ungünstiger Karyotyp (komplexer Karyotyp alleine oder Aberrationen wie +8, -7/7q-, i(17q), inv(3), -5/5q-, 12p- oder 11q23-Rearrangement)

Differentialdiagnose Die PMF/Primäre Myelo-Fibrose ist abzugrenzen von • reaktive Faservermehrungen im Knochenmark

1

820

• • • •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– nach Tumorinfiltrationen, – bei Autoimmunerkrankungen (Kollagenosen), – bei Infektionen (z. B. Tuberkulose), – als Folge einer interstitiellen Myelitis und – lokal nach Strahlenbehandlung, systemischer Mastozytose, Haarzell-Leukämie, Myelodysplastischen Syndrome mit Fibrose, Akute Myelofibrose bei akuter megakaryozytärer Leukämie.

Schwierig kann die Unterscheidung von Myelodysplastischen Syndromen mit Fibrose und von der Akuten Myelofibrose sein. Im Regelfall sind diese jedoch verbunden mit • schweren klinischen Symptomen und • einer Panzytopenie ohne Splenomegalie und/oder Hepatomegalie. Therapiestrategie Tab. 8.285: Strategie der Therapie der primären und sekundären (post ET-, post PV-) Myelofibrose (in Anlehnung an Grießhammer et al. 2018). primäre Myelofibrose/PMF, Post-ET-MF, Post PV-MF



Risikobewertung (IPSS/DIPSS) niedrig/niedrig bis mittel

mittel bis hoch/hoch





allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation (aSZT)

Myelofibrose-Symptome Splenomegalie nein

ja







möglich



ggf. Ruxolitinib (5–20 mg/ Tag)

Ruxolitinib (5–20 mg/Tag)





oder ggf. engmaschige Kontrollen

nicht möglich

PEG-Interferon α2a



oder ggf. Hydroxyurea oder

Thalidomid

oder

Prednisolon

oder

Androgen



oder ggf. Everolimus

oder

Erythropoetin

aSZT

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

821

Die Therapie der primären Myelofibrose erfolgt Risiko-bezogen (siehe Tab. 8.284 und Tab. 8.285). • bei niedrigem und niedrig bis mittlerem Risiko – fortlaufende engmaschige Kontrolle (w&w = watch and wait) • bei mittlerem bis hohem und hohem Risiko – bei Patienten ≤ 70 Jahre vorzugsweise die allogene Stammzelltransplantation ▪ falls ein geeigneter Spender vorliegt, ▪ falls der Empfänger transplantationsfähig ist, ▪ mit einer dosisreduzierten Konditionierung (Fludarabin und Busulfan) des Empfängers, ▪ mit einer potentiell kurativen Wirkung (5-Jahres-Überleben zwischen 60– 70 %), ▪ jedoch auch mit einer relativ hohen Mortalität (20–30 %) – falls keine Stammzelltransplantation möglich ist oder bei Patienten > 70 Jahre ▪ eine problemorientierte eher palliative Therapie Für die Problem-orientierte palliative Therapie bestehen verschiedene Möglichkeiten • bei gesteigerter Proliferation der Blutzellen – Ruxolitinib ▪ JAK1/2 Tyrosinkinase-Inhibitor, ▪ beeinflusst im Besonderen die Splenomegalie wie auch die Myelofibrose mit Verlängerung des Überlebens, ▪ die Dosis liegt zwischen 2 × 5 mg/Tag (bei 50–100 × 109/l Thrombozyten) und 2 × 200 mg/Tag (bei > 200 × 109/l Thrombozyten) ▪ weitere JAK1/2 Tyrosinkinase-Inhibitoren (Pacritinib, Momelotinib, Fedratinib) sind in der klinischen Prüfung. – Hydroxyharnstoff ▪ Dosis: 20–40 mg/kg Kgw/Tag; Dosis wird der Wirkung (Reduktion der Blutzellzahl auf Normalwerte) angepasst ▪ besonderes Risiko: induzierte sekundäre Tumoren, im Besonderen Leukämien, – Everolimus ▪ immunsuppressiver mTor-Inhibitor ▪ kann eine Splenektomie deutlich (> 30 %) in ca 40 % der Patienten reduzieren – Anagrelid ▪ Dosis: 0,5 mg 3–4mal/Tag, ▪ Imidazolidin-Derivat, hemmt die Thrombozytopoese wahrscheinlich über Inhibition der cAMP-Phosphodiesterase Typ 3, ▪ ggf. Alternative zu Hydroxyharnstoff • bei Anämie und/oder Thrombozytopenie – Kortikosteroide (z. B. Prednisolon) ▪ Dosis initial 0,5 mg /kg Kgw über 3 Wochen, dann Reduktion, ▪ bei Erfolg Dauertherapie mit so kleinen Dosen, dass Morbus Cushing vermieden werden kann; ▪ ca. 1/3 der Patienten sprechen (meist nur vorübergehend) auf diese Therapie an;

822

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



Erythropoetin Dosis initial 3mal 10.000 I.E./Woche, Serumspiegel < 125I.E/l, ▪ ca. 50 % der Patienten sprechen innerhalb von 3 Monaten an ▪ komplette Remissionen (normaler Hb-Wert) in ca. 20–25 % der Fälle ▪ Splenomegalie kann jedoch deutlich zunehmen; – pegyliertes Interferon α-2a (Peg-IFNα-2a) ▪ wirkt am besten bei frühen Formen der Myelofibrose (Milz < 6 cm unter Rippenbogen, Thrombozytopenie und Fibrose gering bis mittelgradig) ▪ kann nach längerfristigen Behandlungen (26 Monate) zu kompletten länger anhaltenden Remissionen (in ca 60 % der Fälle) führen, – Testosteron-Derivate (Nandrolon) oder Gonadotropin-Hemmer (Danazol) ▪ ca. 50 % der Patienten sprechen innerhalb von 3 Monaten an, ▪ Gefahr der Virilisierung und der Lebertoxizität – Thalidomid ▪ Thalidomid-Dosis 50 mg/Tag und Prednisolon (Monat 1: 0,5 mg/kg Kgw/Tag; Monat 2: 0,2 mg/kg Kgw/Tag; Monat 3: 0,125 mg/kg Kgw/Tag), ▪ komplette Remissionen (normaler Hb-Wert) in ca. 45 % der Fälle, ▪ kann jedoch periphere Neuropathien bewirken ▪ weitere Imide (Revlimid und Pomalidomid) in klinischer Prüfung; – Everolimus ▪ mTor-Inhibitor bei Splenomegalie – Splenektomie ▪ falls die Splenomegalie resistent gegen Ruxolitinib +/− Hydroxyharnstoff ist, bei portaler Hypertension, bei progredienter Anämie, bei Schmerzen ▪ risikoreich (Mortalitätsrate ~ 7 %; Morbiditätsrate ~ 30 %) ▪ postoperative Thrombozytose kann zu Thrombosen führen ▪ palliativer Nutzen bei etwa 76 % der Patienten – perkutane Radiotherapie ▪ falls die Splenomegalie resistent ist gegen Ruxolitinib +/− Hydroxyharnstoff, bei portaler Hypertension, bei progredienter Anämie, bei Schmerzen, ▪ Strahlendosis im Zielgebiet abhängig von der Wirksamkeit ▪



Verlaufsuntersuchungen je nach Risikoeinstufung und Methode monatlich, halbjährlich oder jährlich • Klinische Untersuchung (Beachtung von Veränderungen der Milzgröße), Blutbild einschließlich Differenzialblutbild und klinische Chemie – In der Initialphase der Therapie wöchentlich bis monatlich, – nach Erreichen einer stabilen Phase aller drei bis 6 Monate • Untersuchungen des Knochenmarkes bei zunehmender Anämie oder Thrombozytopenie und/oder Blasten im peripheren Blut zur Erfassung eines Übergangs in eine akute Leukämie, Akzeleration der PMF oder Zunahme der Myelofibrose • Sonografie des Abdomens (Oberbauch) 1 × jährlich.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

823

Weiterführende Literatur Grießhammer M, Baerlocher GM, Döhner K, Gisslinger H, Koschmieder S, Petrides PE, Lengfelder E, 2018, Leitlinie, Primäre Myelofibrose (PMF),https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/ primaere-myelofibrose-pmf/@@guideline/html/index.html OMIM, Online Mendelian Inheritance in Man, An Online Catalog of Human Genes and Genetic Disorders, Updated 27 January 2012 John Hopkins University, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/entrez?db= omim Preiß J, Dornoff W, Hagmann F-G, Schmieder A. Onkologie 2011; Juni 2011; http://www.onkologie2011.de/ index.htm; 15. Januar 2012.

8.15.5.5 CMML/Chronische Myelomonozytäre Leukämie Vorkommen Die CMML/Chronische Myelo-Monozytäre Leukämie ist eine Gruppe seltener Erkrankungen (so wie alle anderen myeloischen Neoplasien/Myelodysplasien) und weist folgende epidemiologischen Charakteristika auf: • ihr Anteil an den MDS-Erkrankungen beläuft sich auf etwa 20 %, • die Inzidenz liegt etwa bei 0,5–1,0 pro 100.000 Personen pro Jahr, • Männer sind häufiger als Frauen betroffen (Verhältnis etwa 3 : 1) • das mittlere Alter bei der Diagnose liegt bei etwa 76 Jahren, • auf Grund der Zunahme der älteren Bevölkerung und der höheren Inzidenz in fortgeschrittenem Alter ergibt sich somit eine zunehmende Prävalenz. Die CMML zeichnet sich durch eine klonale Hämatopoese der monozytären Zellen im Knochenmark aus. In über 90 % der Patienten sind ≥ 1 somatische Mutationen von Genen zu finden, • so z. B. Chromosomale Aberrationen wie Verlust von genetischem Material von Chromosom 7 oder die Trisomie 8. • des Weiteren Mutation von Genen, welche kodieren für – epigenetische Regulatorproteine wie z. B. EZH2, ASXL1, TET2, DNMT3A, IDH1 und IDH2, – Spliceosome wie SF3B1, SRSF2, U2AF1, – DNA-Reparaturproteine wie z. B. p53, – Regulatorproteine der zellulären Signalübertragung, im Besonderen TyrosinPhosphokinasen und Transkriptionsfaktoren JAK2, KRAS, NRAS, RUNX1, • wobei die Mutationen in den Genen für – TET2 (60 %), SRSF2 (50 %), ASXL-1 (40 %) und RAS (10–30 %) am häufigsten anzutreffen sind und – TET2 und/oder ASXL-1 wahrscheinlich Treibermutationen darstellen, denen weitere somatische Mutationen folgen, die dann in der Summe die CMML auslösen, • wobei diese möglicherweise eine verstärkte Produktion von α-Defensin Proteinen in unreifen dysplastischen Granulozyten des CMML-Klons bewirken und – die α-Defensin Proteine die M-CSF induzierte Differenzierung von monozytären Zellen hemmen und – sich hierdurch unreife Monozyten im Knochenmark und Blut anreichern.

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Risikofaktoren Als Risikofaktoren gelten • vorwiegend exogene zytotoxische Einflüsse wie z. B. – organische Lösungsmittel, im Besonderen Benzol, – Nikotin-Konsum und die hierdurch inhalierten Karzinogene, im Besonderen auch Benzol, – erhöhte radioaktive Strahlenbelastungen ▪ durch die Umwelt, ▪ im Rahmen der Strahlentherapie und/oder der Radioiodtherapie, – karzinogene Substanzen ▪ in der Umwelt und in kontaminierten Lebensmitteln, ▪ als Arzneimittel z. B. im Rahmen der Chemotherapie besonders mit Alkylanzien und Topoisomerase-II-Inhibitoren, – etwa 10 % der CMML sind iatrogen bedingt und (wie beim MDS, siehe Kap. 8.15.2) mit einer schlechten Prognose behaftet, ▪ zwischen Exposition und Erkrankung liegen im Mittel etwa 6 Jahre, • das Lebensalter – die meisten CMML-Erkrankungen treten nach dem 60. Lebensjahr auf, – nur 3 % der CMML Patienten sind unter 50 Jahre alt, • das Geschlecht (Männer erkranken deutliche häufiger als Frauen), • Erkrankungen wie – MDS/Myelo-Dysplastische Syndrome, – Autoimmunerkrankungen, z. B. Polymyalgia rheumatica • hereditäre Ursachen sind bislang nicht bekannt.

Symptome Meist wird die CMML zufällig im Rahmen einer Blutuntersuchung diagnostiziert. Seltener sind klinische Beschwerden der Anlass für die Diagnose. Zu diesen gehören • allgemeine Symptome – Nachtschweiß, Gewichtsverlust, Ermüdungserscheinungen, – allgemeine Leistungsminderung, deren Ausmaß bestimmt durch die hämatopoetische Insuffizienz, • beim CMML-MDS/Myelo-Dysplastisches Syndrom-Phänotyp die Zytopenien und hierdurch bedingt – eine Neutropenie mit häufigen und langdauernden Infektionen bei Leukozyten < 13.000/μl, – eine begleitende Monozytose, – eine Thrombozytopenie mit Petechien, Zahnfleischblutungen und eine Neigung zu Hämatomen und – eine transfusionsbedürftige Anämie, • beim CMML-MPN/Myelo-Proliferativen Neoplasie-Phänotyp – eine Leukozytose (Leukozyten > 13.000/μl) mit Infiltrationen myelomonozytärer Zellen in Haut, Pleura und Peritoneum, ggf. auch mit einer Gingiva-Hyperplasie,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

825









in ca. 50 % eine gering- bis mittelgradige Splenomegalie (meist ohne gastrointestinale Beschwerden), – seltener eine Hepatomegalie und/oder eine Lymphadenopathie, in etwa 20 % der Fälle eine gleichzeitige Autoimmunerkrankung – vorwiegend Vaskulitiden und/oder ITP/ Idiopathische Thrombozytopenie, die auch Jahre nach der Erstdiagnose einer CMML auftreten kann, – Psoriasis, rheumatoide Polyarthritis und die neutrophile Dermatose (Sweet-Syndrom), – wobei Autoimmunerkrankungen der Erstdiagnose einer CMML um Jahre vorausgehen können, bei 15–30 % der Patienten eine Transformation der CMML in eine AML/Akute Myeloische Leukämie. – selten verbunden mit einer Meningeosis leukaemica, Komorbiditäten, da die CMML vorwiegend Personen > 60 Jahre betrifft.

Diagnose Die allgemeine Diagnostik betrifft • die klinische Adspektion, Palpation und Perkussion, • das quantitative und qualitative Blutbild, • Herz- und Kreislaufuntersuchungen, • Chemische Laboruntersuchungen zu Beurteilung von Stoffwechsel-, Leber- und Nierenfunktionen, • ggf. Lungenfunktionsuntersuchungen, • bildgebende Untersuchungen – Sonografie des Abdomens, im Besonderen auch zur Bestimmung der Milzgröße, – des Thorax (CT) und des ZNS Die spezielle Diagnostik umfasst • die Zytomorphologie der Blutzellen und des Knochenmarkes, einschließlich Zytochemie (Eisenfärbung, Esterasefärbung, ggf. auch Peroxidase- und PAS-Färbung) zur Bestimmung – der Dysplasiezeichen, – der Anteil von Blasten (Myeloblasten, Monoblasten und Promonozyten), – der monozytären Zellen und der Ringsideroblasten, • die Knochenmarkhistologie zur Ermittlung der Fibroseanteile und der Zellularität, • die Zytogenetik und die Molekulargenetik zur Erfassung der Monoklonalität, Abschätzung der Prognose wie auch zur differentialdiagnostischen Abgrenzung der CMML. Hierzu gehören – die Chromosomenanalyse: ▪ ca. 80 % der Patienten mit CMML haben einen normalen Karyotyp, ▪ häufige chromosomale Aberrationen sind Verlust von genetischem Material von Chromosom 7 und die Trisomie 8, – die Mutationsanalyse der Gene für

826

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

TET2 (60 %) und/oder ASXL-1 (40 %) (Treibermutationen) oder EZH2, DNMT3A, IDH1 und IDH2, SF3B1, SRSF2 (50 %) U2AF1, p53, JAK2, RAS (KRAS, NRAS, insgesamt ca. 10–30 %) oder RUNX1, ▪ wobei die Genanalyse für RUNX1, NRAS, SETBP1 SRSF2 und ASXL1 immer dann obligat ist, wenn keine anderen diagnostisch eindeutigen Befunde zu erheben sind, – der Ausschluss von BCR-ABL und von PCM1-JAK2 sowie von Rearrangierungen von PDGFR α/β, FGFR1, die Bestimmung von Immunmarkern, – im Besonderen der Nachweis von ▪ CD14 (Teil des LPS-Rezeptors) auf Monozyten/Makrophagen und ▪ CD16a (Fcγ-Rezeptor IIIa) auf Makrophagen und NK-Zellen und von CD16b (Fcγ-Rezeptor IIIb) auf Neutrophilen Granulozyten, – wobei eine Erhöhung von CD14+/CD16- Zellen auf eine CMML hinweist. ▪ ▪



Für die Diagnostik der CMML ist entscheidend • im Blutbild – definitionsgemäß eine anhaltende Monozytose von > 1000/μl, die mindestens 10 % der Leukozytenzahl ausmacht, – Leukozytosen (in ca. 50 % der Fälle) und Blastenerhöhungen, – aber auch Zytopenien, • eine Splenomegalie • im Knochenmark (Punktion und Biopsie) – Dysplasien von 1–3 Zellreihen, wobei die Dysplasien der Megakaryopoese und Granulopoese meist ausgeprägter sind als die der Erythropoese, – eine monozytäre/granulozytäre Hyperplasie (Esterase-Färbung der Monozyten), sodass die Erythropoese nur ca. 15 % der kernhaltigen Zellen ausmacht und – Anteil an Blasten (Myeloblasten, Monoblasten und Promonozyten) zwischen 0 und 19 %. Die Diagnose der CMML wird mittels der Werte der Blut- und Knochenmark-Zelluntersuchungen nach folgenden Diagnosekriterien (WHO 2016) gestellt: • persistierende Monozytose im peripheren Blut (> 1 G/l bzw. 1000/μl) über 3 Monate, die > 10 % der Leukozyten umfasst – (keine Berücksichtigung der Knochenmarkmonozytenzahl) • Ausschluss von – BCR-ABL1 positiver CML/Chronische Myeloische Leukämie, PMF/Primäre Myelofibrose, PV/Polycythaemia Vera und ET/Essentielle Thrombozythämie, – Rearrangierungen von PDGFRα, PDGFRβ, FGFR1 und PCM1-JAK2 Fusionsgen (bedeutsam bei Fällen mit Eosinophilie), • < 20 % Blasten (Myeloblasten, Monoblasten und Promonozyten) im Blut und im Knochenmark • Dysplasie einer oder mehrerer Zell-Linien (je > 10 %) – oder erworbene klonale Aberration in den blutbildenden Zellen (TET2, SRSF2, ASXL1, SETBP1)

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes



827

oder > 3 Monate persistierende Monozytose unter Ausschluss aller reaktiver Ursachen

Patienten mit MDS, welche diese Kriterien ganz oder teilweise erfüllen, sollten klinisch als CMML behandelt werden.

Prognose Der Krankheitsverlauf ist chronisch, das mittlere Überleben beträgt zwischen 12 und 36 Monaten. Das Risiko besteht in dem Übergang zu einer AML/Akute Myeloische Leukämie. Daher sind regelmäßige Kontrollen notwendig, im Besonderen • des quantitativen und qualitativen Blutbildes, • der Milzgröße • der Knochenmarksveränderungen und • der genetischen Befunde

Klassifikation Entsprechend dem Blastenanteil im Blut und Knochenmark werden 3 Typen der CMML unterschieden (WHO 2016, siehe Tab. 8.286) • CMML 0: Blastenanteil der Blutleukozyten < 2 %, Blastenanteil im Knochenmark < 5 %, • CMML 1: Blastenanteil der Blutleukozyten < 5 %, Blastenanteil im Knochenmark 5– 10 %, • CMML 2: Blastenanteil der Blutleukozyten 5–19 %, Blastenanteil im Knochenmark 10– 19 %. Zusätzlich werden differenziert • die dysplastische CMML-Variante – Leukozyten < 13.000/μl – eher MDS/Myelodysplastisches Syndrom-typisch mit mehr Zytopenien, Dysplasien sowie häufiger zytogenetische Aberrationen, • die proliferative CMML-Variante – Leukozyten ≥ 13.000/μl – mehr Ähnlichkeit zu MPN/Myeloproliferativen Neoplasien mit häufigerer Splenomegalie, höheren Leukozytenzahlen mit Linksverschiebung und extramedullären Manifestationen wie Hautinfiltraten oder Ergüssen • seltene CMML-Varianten wie – die oligomonozytäre CMML, – die CMML mit begleitender systemischer Mastozytose und – die CMML mit begleitender myeloischer/lymphatischer Neoplasie Eine AML liegt vor, wenn der Blastenanteil der Blutleukozyten und/oder im Knochenmark ≥ 20 % beträgt.

828

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.286: Klassifikation der chronischen myelomonozytären Leukämie/CMML (WHO 2016) (Loghavei et al. 2018, Germing et al. 2020). Klasse

Blut

Knochenmark

Blasten

Monozyten CMML 0

10 % der Zellen in 1–3 Zell-Reihen

> 10 % der Leukozytenzahl

keine Auerstäbchen

keine Auerstäbchen

kein BCR-ABL-Fusionsgen, keine genetische Aberrationen von PDGFR α oder β, FGFR1, kein PCM1-JAK1-Fusionsgen

Uni- oder Bi-Zytopenie

Blasten

Monozyten CMML 1

2–4 %

Blasten

5–9 %

> 1000/μl,

Dysplasien

in > 10 % der Zellen in 1–3 Zell-Reihen,

> 10 % der Leukozytenzahl,

keine Auerstäbchen kein BCR-ABL-Fusionsgen, keine genetische Aberrationen von PDGFR α oder β, FGFR1, kein PCM1-JAK1-Fusionsgen

keine Auerstäbchen

Blasten

5–19 %

Blasten

10–19 %

Monozyten

> 1000/μl

Dysplasien

in > 10 % der Zellen in 1–3 Zell-Reihen,

> 10 % der Leukozytenzahl

CMML 2

Auerstäbchen möglich

Auerstäbchen möglich

kein BCR-ABL-Fusionsgen, keine genetische Aberrationen von PDGFR α oder β, FGFR1, kein PCM1-JAK1-Fusionsgen

Uni- oder Bi-Zytopenie

Klassifikation der Risikogruppen CPSS − molekular Genetische Risikogrupppen Risiko

Mutationen

Punkte

Karyotyp

niedrig

keine der u. a.

0

normal, -Y

0

mittel

ASXL1, NRAS, SETBP1

1

andere Anomalien

1

2

+8, Chr.7Anomalien oder Komplex

hoch

RUNX1

Erweiterung: Bewertung klinische Parameter Σ KMRisiko Blasten

Leukozyten

Ery-TBedarf

Σ Score

Σ Risiko

0

niedrig

< 13 x103/μl

nein

0

niedrig

1

niedrig bis mittel

1

niedrig bis mittel

2

mittel bis hoch

2–3

mittel bis hoch

≥3

hoch

≥4

hoch

PunkΣ te Score

2 Erythrozyten-Konzentrate alle 8 Wochen über 4 Monate CPSS = CMML-specific prognostic scoring system

Prognoseparameter Wesentlich für die Prognose der CMML sind • Alter, Geschlecht und Begleiterkrankungen und • krankheitsspezifische Parameter wie peripherer und medullärer Blastenanteil, das Ausmaß der Zytopenie, Transfusionsbedürftigkeit und chromosomale und molekulargenetische Befunde. Zur Abschätzung der Prognose wird das CPSS (CMML-specific prognostic scoring system) und das CPSS-molekular (Einbezug der molekulargenetischen Risikofaktoren) empfohlen (siehe Tab. 8.286). Das CPSS nutzt als Risikofaktoren für die Definition von 4 Risikogruppen • eine Leukozytenzahl von > 13.000/μl und einen medullären Blastenanteil von ≥ 10 %, • einen regelmäßigen Transfusionsbedarf und • die chromosomalen/genetischen Befunde Das CPSS- molekular ist besonders für die Identifikation und Differenzierung von Niedrigrisiko- und Hochrisiko-Patienten geeignet. Differenzialdiagnose Wesentlich für die Differentialdiagnose ist die Abgrenzung • von einer reaktiven Splenomegalie, Leukozytose, Monozytose oder Zytopenie wie z. B. bei – akuten Infektionen, Sepsis, chronischen Infekten, Tuberkulose, – rheumatische und Autoimmunerkrankungen, Immunthrombozytopenien, – Stoffwechselerkrankungen der Leber, angeborenen Speichererkrankungen, Hyperspleniesyndrom, von anderen klonalen myeloproliferativen Erkrankungen wie z. B. • – AML/Akute Myeloische Leukämien (M4, M5), – LGL/Large-Granular-Lymphocytes-Leukämien, – Haarzell-Leukämie – anderen Formen von MDS und MPN, speziell die atypische CML und PMF/Primäre Myelofibrose – myeloische/lymphatische Neoplasien mit PDGFRα oder β Rearrangement

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– – –

systemische Mastozytose mit KIT D816V Mutation oder mit assoziierter klonaler hämatologischer nicht-Mastzellerkrankung (SM-AHN), chronische Eosinophilenleukämie/Hypereosinophilie, CGL/Chronische Granulozyten-Leukämie.

Therapiestrategie Asymptomatische Patienten gelten als nicht Therapie-bedürftig und bei Patienten mit niedrigem oder niedrig-mittlerem Risiko ist eine supportive Therapie nur dann angezeigt, wenn sie Krankheits-bedingte Symptome aufweisen (siehe Tab. 8.287). Patienten mit mittel-hohem und hohem Risiko erhalten mangels besserer Alternativen • bei schlechtem Allgemeinbefinden – neben einer supportiven Therapie – eine zytoreduktive Therapie • bei gutem Allgemeinbefinden und Eignung eine Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen. Tab. 8.287: Strategie der Therapie der chronischen myelomonozytären Leukämie/CMML (in Anlehnung an Itzykon et al. 2018, Germing et al. 2020). chronische myelomonozytäre Leukämie/CMML



Risikobewertung (CPSS) niedrig/ niedrig-mittel

mittel-hoch/hoch





intensive Nachbeobachtung

Allgemeinbefinden



schlecht



gut



und ggf.

superproliferative Variante

dysplastische Variante

supportiveTherapie

supportive Therapie

supportiveTherapie



und ggf. Hydroxycarbamid



und/oder Azatidin oder Decitabin



Eignung für Stammzelltransplantation



nein

ja







Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen

und ggf. demethylierende Antimetaboliten Azacitidin oder Decitabin

CPSS = CMML-specific prognostic scoring system supportive Therapie = Transfusionen von Erythrozyten-Konzentraten (Ziel ≥ 10 g/dl Blut), von Thrombozytenkonzentraten (falls < 10G/l); Eisenchelatoren bei Serum-Ferritin-Spiegel > 1000 ng/ml Antibiotika bei Bedarf; Erythopoetin bei Bedarf, Impfungen (Pneumokokken, Influenza)

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

831

Supportive Therapie Die supportive Therapie beinhaltet • Transfusion von Erythrozytenkonzentraten, – gerade auch bei Komorbiditäten gilt als Ziel ein Hb-Wert ≥ 10 g/dl, • Eisenchelatoren – bei einem Serumferritinspiegel von > 1000 ng/ml • Erythropoetin – 150–300 U/kg KGW 3-mal/Woche s. c. bzw. 500 U/kg wöchentlich s. c. – falls folgende Voraussetzungen erfüllt sind ▪ Erythropoetinspiegel < 200 IE/ml ▪ geringe Transfusionsabhängigkeit (maximal 2 Erythrozytenkonzentrate in 8 Wochen) ▪ keine Vermehrung der Blasten > 10 % ▪ dysplastische Variante der CMML • Transfusion von Thrombozytenkonzentraten – Blutungen sind vor allem ab einem Schwellenwert von < 10G/l Thrombozyten zu erwarten – die Transfusion sollte im Regelfall therapeutisch erfolgen • Antibiotika, – bei neutropenen Patienten auch bei Bagatellverletzungen • Impfungen gemäß Empfehlungen der StIKo (im Besonderen gegen Pneumokokken und Influenza) Zytostatika bevorzugt bei proliferativer Variante der CMML • Hydroxycarbamid – Standard-Therapie zur Kontrolle der Proliferation und Splenomegalie • Cytarabin – niedrig dosiert (20 mg/m²/d Tag 1–14) • Melphalan – niedrig dosiert (2 mg/d) Demethylierungs-Substanzen bei dysplastischer und proliferativer Variante der CMML • Azacitidin (Pyrimidin-Analog und Antimetabolit) und • Decitabin (Pyrimidin-Analog und Antimetabolit), • wirken demethylierend durch Inhibition der DNA-Methyltransferase (DNMT), • zeigen wenig Kreuzresistenzen. Tyrosin-Phosphatkinase-Inhibitor • Ruxolitinib – JAK1/2-Inhibitor, wahrscheinlich wirksam bei der CMML. Allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation • einzige kurative Therapieoption für CMML Patienten, • die 4 Jahres-Überlebensrate liegt bei etwa 30 %.

832

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Verlaufskontrolle und Nachsorge Häufigkeit der Klinischen Untersuchungen, von Blutbild einschließlich Differenzialblutbild und klinischer Chemie • ist abhängig vom individuellen Verlauf der Erkrankung, der Therapieform und der Therapiephase, • in der Initialphase der Therapie engmaschig (wöchentlich bis monatlich), • in der stabilen Phase alle 3–6 Monate Verlaufs-Untersuchungen des Knochenmarkes werden durchgeführt • zur Erfassung der Übergänge in eine akute Leukämie werden in Abhängigkeit vom individuellen Verlauf durchgeführt • besonders bei Hinweisen auf Progression (zunehmende Anämie oder Thrombozytopenie, Blasten im peripheren Blut) Oberbauchsonografie zur Erfassung der Milzgröße 1 ×/Jahr Verlaufskontrolle einer CMML nach allogener Stammzelltransplantation ist ähnlich wie bei allen anderen transplantierten Hämopathien • Untersuchungen meist alle 3 Monate im 1. Jahr, alle 4 Monate im 2. Jahr und alle 6 Monate in den darauffolgenden Jahren • Chimärismusanalyse, zytologische und molekulargenetische Untersuchungen, um ein molekulares Rezidiv möglichst frühzeitig zu erkennen zu können

Weiterführende Literatur Germing U, Blum S, Boch T, Lübbert M, Metzgeroth G, Platzbecker U, Pfeilstöcker M, 2020, Leitlinie, Chronische Myelomonozytäre Leukämie (CMML), https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/ guidelines/chronische-myelomonozytaere-leukaemie-cmml/@@guideline/html/index.html Itzykson, R., Fenaux, P., Bowen, D., Cross, N., Cortes, J., De Witte, T., Germing, U., Onida, F., Padron, E., Platzbecker, U., Santini, V., Sanz, G. F., Solary, E., Van de Loosdrecht, A., & Malcovati, L. (2018). Diagnosis and Treatment of Chronic Myelomonocytic Leukemias in Adults: Recommendations From the European Hematology Association and the European LeukemiaNet. HemaSphere, 2(6), e150. https://doi.org/10.1097/HS9.0000000000000150 Loghavi, S., Sui, D., Wei, P., Garcia-Manero, G., Pierce, S., Routbort, M. J., Jabbour, E. J., Pemmaraju, N., Kanagal-Shamanna, R., Gur, H. D., Hu, S., Zuo, Z., Medeiros, L. J., Kantarjian, H. M., & Khoury, J. D. (2018). Validation of the 2017 revision of the WHO chronic myelomonocytic leukemia categories. Blood advances, 2(15), 1807–1816.

8.15.5.6 Systemische Mastozytose Vorkommen Die systemische Mastozytose stellt eine sehr seltene Erkrankung dar mit Vermehrung neoplastischer Mastzellen vorwiegend im Knochenmark, aber auch in der Haut und in viszeralen Organen, insbesondere in Leber, Milz, Darm und Lymphknoten dar.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

• • •

833

Sie ist charakterisiert durch kompakte Infiltrate von zumeist spindelzelligen Mastzellen, eine bei 80–95 % der Patienten nachweisbare KIT D816 Mutation, hiervon meist (> 95 % der Fälle) eine KIT D816V Mutation, eine erhöhte Serumtryptase (> 20 μg/l)

Entsprechen dem klinischen Verlauf werden bei der systemischem Mastozytose unterschieden (WHO 2016) • die ISM/ Indolente SM – wenig invasiv, ohne oder mit nur geringem Einfluss auf das Überleben • die SSM/Schwelende/Smoldering SM • die AdvSM/Advanced SM/fortgeschrittene SM mit den Varianten – ASM/Aggressive SM (mittlere Überlebenszeit ca. 4 Jahre) – SM-AHN/SM-Assoziierte Hämatologische Neoplasie ▪ als häufigste (60–80 %) Form der AdvSM (mittlere Überlebenszeit ca. 2– 3 Jahre), – MCL/Mastzell-Leukämie (mittlere Überlebenszeit 0,5–1,5 Jahre) Die SM-AHN/Assoziierte Hämatologische Neoplasie ist in > 95 % der Patienten myeloischen Ursprungs • entspricht einem MDS/Mylo-Dysplastisches Syndrom, einer MPN/Myelo-Proliferative Neoplasie oder einer MDS/MPN und • ist in der Regel das Ergebnis einer KIT D816V Mutation in mehreren hämatopoetischen Zell-Linien. Genaue Zahlen zur Inzidenz und Prävalenz sind nicht bekannt. Schätzungen ergeben • bei der ISM eine Inzidenz von ca. 1/100.000 Personen, wobei – der Altersgipfel im Bereich von 20–40 Jahren liegt, • bei der AdvSM eine Inzidenz von ca 0,1–0,2/100.000 Personen, wobei – Männer häufiger betroffen sind als Frauen – der Altersgipfel zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr liegt.

Risikofaktoren Folgende somatische Mutationen stellen die wesentlichen genetischen Risikofaktoren dar • eine aktivierende Mutation von KIT D816 (> 95 % KIT D816V), nachweisbar in 80–95 % der SM-Patienten (ISM, SSM und AdvSM) – in Mastzellen im Gewebe, – in myeloischen Vorläuferzellen, Monozyten, Eosinophilen im Blut, ▪ in diesen Fällen ist die KIT D816V Mutation auch immer im peripheren Blut nachweisbar und kann hier Werte ≥ 50 % erreichen, – durch diese Mutation wird SCF/Stammzell-Faktor unabhängig der KIT/SCF-Rezeptor aktiviert, sodass eine klonale Proliferation und bei Mastzellen herdförmige Anreicherung im Gewebe resultiert,

834 •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

bei 60–80 % der Patienten mit AdvSM sind neben KIT D816V zusätzliche somatische Mutationen nachweisbar, – besonders der Gene für TET2, SRSF2, ASXL1, RUNX1, JAK2, CBL, N/KRAS, EZH2, IDH1/2 und SF3B1, – wobei ≥ 1 Mutation in den Genen für SRSF2, ASXL1, RUNX1 den Phänotyp, den Therapieerfolg, die Progression und die Prognose der SM wesentlich beeinflussen, ▪ wobei diese somatischen Mutationen oft ein früheres, vor der KIT D816V Mutation liegendes Ereignis bei der AdvSM Patienten zu sein scheint.

Symptome Zwei unterschiedliche Komplexe an Symptomen können bei der systemischen Mastozytose auftreten • bei der ISM die Aktivierung der drastisch vermehrten Mastzellen durch eine Vielzahl verschiedener Allergene und Pseudoallergene (unter ihnen Nahrungsbestandteile, Insektengift, Infektionen, Medikamente, chemisch-technische Produkte, physikalische Stimuli), wodurch bewirkt wird – die unkontrollierte Freisetzung von erheblichen Mengen an Mastzellmediatoren (biogene Amine wie Histamin, Heparin, des Weiteren Tryptase, Chymase, Zytokine wie z. B. TNF-α, Chemokine und Prostanoide), welche auslösen, ▪ oft wiederkehrende und klinisch eher mild und leicht beherrschbare allergische Symptome oder ▪ das MCAS/Mastzell-Aktivierungs-Syndrom mit schweren allergischen Symptomen, • bei der AdvSM die direkte Beeinträchtigung der Organfunktion durch die MastzellInfiltration selbst und zum Teil auch durch die damit assoziierte Entzündung, wobei diese Symptome eingeteilt werden (WHO 2016) in – B-Befunde: welche das Ausmaß der Organvergrößerung wie z. B. der Leber, Milz und der Lymphknoten betreffen und – C-Befunde: die das Ausmaß der Organdysfunktionen wie z. B. Zytopenie, Hypalbuminämie, portale Hypertonie, Malabsorption beschreiben. Entsprechend bestehen grundsätzlich unterschiedliche Symptome zwischen ISM und AdvSM • bei der ISM – Haut: Juckreiz, Rötung, Urtikaria – Magen-Darmtrakt: Übelkeit, Sodbrennen, Erbrechen, Ulcus-Schmerzen, weicher Stuhl, Diarrhoe, abdominelle Krämpfe, Nahrungsmittelunverträglichkeit v. a. histaminhaltiger Nahrungsmittel wie Käse, Rotwein, Schokolade, Nüsse (gut beeinflussbar durch Histamin-Rezeptor-2 Blocker), – Atemwege: Schwellung des Nasen-Rachenraumes, Schwellung des Kehlkopfes, Atemnot, Stridor, – Herz/Kreislauf: Synkope, Schwindel, Palpitationen, Tachykardien, Anaphylaxien (v. a. nach Bienen- und Wespenstichen) mit Kreislaufschock bis hin zum Herzkreislauf-Stillstand (MCAS/Mast-Zell-Aktivierungs-Syndrom),

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

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Skelett: diffuse Knochenschmerzen, Arthralgien, Osteopenie, Osteoporose, osteoporotische Frakturen, – ZNS: Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Depression, Kopfschmerzen, Schlafstörungen bei der AdvSM – Knochenmark: Zytopenien (Anämie, Thrombozytopenie, Neutropenie) – Lymphknoten: Lymphadenopathie (abdominell, retroperitoneal) – Milz: Splenomegalie, Milzschmerzen – Leber: erhöhte Leberwerte (alkalische Phosphatase/AP, Bilirubin, ALAT und ASAT) Hypoalbuminämie, portale Hypertension, Aszites, – Magen-Darm: Malabsorption mit Hypoalbuminämie, Gewichtsverlust, Diarrhöe, Ulcus ventriculi, Ulcus duodeni bis hin zur Darmperforation, – Skelett: häufig Osteosklerose, selten Osteopenie oder Osteoporose, sehr selten große Osteolysen mit pathologischen Frakturen.

Diagnose Folgende Untersuchungen sollten durchgeführt werden • Blutbild : quantitativ und qualitativ (Differential-Blutbild) – die ISM zeigt im Regelfall keine wesentlichen Veränderungen, – bei der SM-AHN kann eine Monozytose (> 1000/μl, dann SM-CMML genannt) und/oder eine Eosinophilie (> 1000/μl, dann SM-Eo oder SM-CEL genannt) vorliegen, ▪ eine Monozytose + Eosinophilie (schlechte Prognose) weist hin auf eine SSM oder eine AdvSM, ▪ differentialdiagnostisch ist abzugrenzen eine myeloische Neoplasie mit Eosinophilie und Rearrangement der Gene für Tyrosin-Phospho-Kinasen, wie z. B. PDGFRA, PDGFRB, FGFR1 oder JAK2. – vermehrte Anzahl der Dysplasien (Hinweis auf MDS) – Leukozytose/Thrombozytose (Hinweis auf MPN) • Laborchemie – Tryptase: ▪ Normwert < 11,4 μg/l ▪ Tryptase > 20 μg/l ist ein diagnostisches Nebenkriterium, normale Tryptasewerte schließen das Vorliegen einer SM nicht aus, ▪ korreliert mit der Anzahl der Mastzellen: bei ISM ≤ 200 μg/l, selten höher, bei MCL ≤ 10,000 μg/l, ▪ nicht geeignet für die Differenzierung der Subtypen, da z. B. bei SM-AHN die Krankheit bei KIT D816V und hoher Mutationslast als schwerwiegend einzuordnen ist, aber trotzdem ein verhältnismäßig niedriger Tryptasewerte vorliegen kann, ▪ Tryptase kann auch bei anderen myeloischen Neoplasien (ohne assoziierte SM) und anderen pathologischen Zuständen erhöht sein, z. B. bei schwerer Niereninsuffizienz, chronischer Wurminfektion oder hereditäre Hyper-AlphaTryptasämie (HAT)

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– – – – –





AP/GGT: Erhöhung weist auf AdvSM hin, LDH-Erhöhung: untypisch für AdvSM, jedoch starker Hinweis auf AHN, Vitamin B12: unspezifisch erhöht bei AdvSM, β2-Mikroglobulin: unspezifisch erhöht, Gesamt-IgE: erhöht bei Atopie/Allergie und spezifisches IgE (bei definierter Allergie), – Parameter, die erniedrigt sind ▪ Vitamin D: bei Osteopenie/Osteoporose, ▪ Albumin: bei AdvSM, ▪ Quick-Wert: bei AdvSM, ▪ Cholesterin/Triglyzeride: bei AdvSM, – weitere Parameter ▪ Bilirubin, Ferritin, Folsäure, ▪ CRP, β2-Mikroglobulin, Eiweiß-Elektrophorese, ▪ plasmatische Gerinnung (neben Quick auch PTT), bildgebende Verfahren – die Sonografie (Abdomen, Lymphknoten) stellt die Basisdiagnostik dar für Splenomegalie, Hepatomegalie, abdominelle Lymphadenopathie, Aszites, portale Hypertension, – die Osteodensitometrie dient der Abschätzung einer Osteopenie/Osteoporose – CT und MRT sind dann notwendig, wenn fokale ossäre Veränderungen (Osteolysen, fokale Osteoporose) für Diagnose, und Therapieentscheidung von Bedeutung sind, Knochenmark (Aspirat und Stanzzylinder) – Zytologie ▪ Nachweis einer Mastzell-Leukämie (Mastzellen ≥ 20 %) oder einer ASM-Transformation (Mastzellen 5–19 %), ▪ Reifegrad der Mastzellen (metachromatische Blasten, Promastozyten, atypische Spindelformen – reifzellig oder unreifzellig), ▪ Dysplasien und Blasten auch in anderen hämatogenen Zell-Linien, – Histologischer bzw. immmunhistologischer Nachweis ▪ Zusätzlich: Faserfärbung, Toluidinblau- und Eisenfärbung (Abgrenzung zur MDS) ▪ des Anteils der Mastzellen, von Dysplasien, der Proliferation/Mitosen, ▪ multifokale, kompakte Infiltrate aus ≥ 15 Mastzellen KM (Hauptkriterium für Diagnose der SM) ▪ einer SM-AHN, von Blasten, von Fibrose, ▪ Mastzellen: Tryptase, CD117, CD25, CD2, ▪ AHN: CD14, CD30, CD34, CD61 – Durchflusszytometrie (FACS/Fluorescence-Activating Cell Sorting) ▪ Bestimmung des Anteils der KIT +/CD34-Mastzellen und deren Phänotyps (CD2, CD25, CD30, CD33), ▪ bei SM-AHN evtl. auch Typisierung der Monozyten, anderen AHN-Zellen (je nach AHN-Typ) und Blasten,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes











837

Haut (Adspektion) – bei kutaner Mastozytose und meist auch bei ISM ein minimaler bis subtotaler Befall ▪ Juckreiz, Rötung, Schwellung oder sogar Blasenbildung, ▪ generalisiertes makulöses oder makulopapulöses, kleinfleckiges pigmentierte Exanthem (positives Darier-Zeichen), – ISM-Variante ohne Hautbefall bei geringer Mastzell-Anzahl (= KM-Mastozytose) – bei AdvSM und Mastzell-Leukämie (MCL) fehlt häufig die Hautbeteiligung Knochen – Osteodensitometrie (T- und Z-Score) zum Nachweis von Osteopenie, Osteoporose oder Osteosklerose, ▪ bei ISM: häufig Osteopenie, Osteoporose und osteoporotische Sinterungsfrakturen (spontan und traumatisch), ▪ bei AdvSM: große Osteolysen und Osteosklerose (typisch, aber selten), – Röntgen/CT/MRT: ▪ Kontrolle bei Verminderung der Wirbelkonsistenz , – ggf. Knochenszintigramm und/oder PET-CT Magen-Darmtrakt – ÖGD/Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) mit tiefer Duodenalbiopsie – Biopsie des terminalen Ileums (Infiltration des Dünndarms häufiger als die des Dickdarms) – Nachweis der Mastzelleninfiltrationen – Immunhistologie der Darminfiltrationen mit Antikörper gegen KIT/CD117 (diagnostisch überlegen den Antikörpern gegen Tryptase oder CD25) Zytogenetik (FISH/Fluorescence-In-Situ-Hybridisation) – konventionelle Zytogenetik aus dem Knochenmark-Aspirat bei jedem Verdacht auf AHN, – zytogenetische Aberrationen ▪ entsprechen denjenigen bei anderen myeloischen Neoplasien, ▪ fehlen weitgehend bei ISM, ▪ liegen bei AdvSM in etwa 20 % der Fälle vor (Monosomien, komplexer Karyotyp) und sind verbunden mit schlechter Prognose, Molekulargenetik (PCR/Poly-Chain-Reaction) – Mutationsanalyse (qualitativ und quantitativ) aus KM und peripherem Blut, – ≥ 80–90 % der Patienten mit SM haben eine KIT Mutation, ▪ davon > 95 % Mutation D816V, ▪ meist (z. B. bei ISM, ASM, MCL) korreliert die Quantität der KIT D816V Mutationen mit der Anzahl der Mastzellen, ▪ KIT D816V Mutationen von > 1–2 % im peripheren Blut sind ein Hinweis auf eine multilineare Beteiligung, – bei KIT D816V negativen Patienten Sequenzierung des KIT Gens ▪ etwa < 5 % der Patienten haben die KIT-Mutationen D816Y, D816H, D816F, D815K, F522C, V560G und/oder D820G, – ggf. erweiterte Mutationsanalyse (myeloisches NGS-Panel) bei Verdacht auf SSM, AdvSM und Mastzellsarkom

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren





die häufigsten zusätzlichen myeloischen Mutationen betreffen Gene für TET2, SRSF2, ASXL1, RUNX1, JAK2, CBL, N/KRAS, EZH2, IDH1/2 und SF3B1, der Nachweis von ≥ 1 Mutation im SRSF2, ASXL1, RUNX1 (sogenanntes S/A/R Gen Panel) korreliert mit Phänotyp, Therapieansprechen, Progression und Prognose.

Klassifikation Gemäß der Einteilung der WHO 2016 erfolgt die Diagnose der systemischen Mastozytose nach folgenden Kriterien: • Hauptkriterium – A1: Histologischer Nachweis multifokaler, kompakter Infiltrate aus Mastzellen (≥ 15) im KM/Knochenmark oder in einem anderen extrakutanen Organ. • Nebenkriterien – B1: Nachweis atypischer spindelförmiger Mastzellen (≥ 25 % aller Mastzellen) ▪ histologisch im KM oder in anderen extrakutanen Organen ▪ zytologisch im KM-Ausstrich. – B2: Nachweis einer KIT D816 Punktmutation im peripheren Blut, Knochenmark oder in anderen extrakutanen Organen, – B3: Nachweis des Oberflächenmarkers CD2 (LFA-2/Lymphocyte Function-associated Antigen-2) und/oder CD25 (IL-2Rα/α-Kette des Interleukin-2-Rezeptors) auf Mastzellen im Knochenmark, im peripheren Blut oder in einem anderen extrakutanen Organ, – B4: Serum-Tryptase-Spiegel persistierend > 20 μg/l ▪ Kriterium gilt nicht bei der SM-AHN Für die Diagnose müssen erfüllt sein • – das Hauptkriterium und ≥ 1 Nebenkriterium oder – ≥ 3 Nebenkriterien. Folgende Subgruppen wurden definiert (WHO 2016) • CM/Kutane Mastozytose – MPCM/Makulopapulöse CM = Urticaria Pigmentosa (UP) – Kutanes Mastozytom • SM/Systemische Mastozytose – ISM/Indolente SM ▪ häufigste Variante der SM (65 % der Fälle), ▪ KM-Infiltration (zumeist 1–30 %) in praktisch allen Fällen, ▪ häufig kutane Manifestation, – SSM/Smoldering/schwelende SM ▪ Diagnose bei ≥ 2 der folgenden „B-Befunde“: ▪ KM-Infiltration > 30 % und basale Serum-Tryptase > 200 μg/l, ▪ deutliche Dysplasien und/oder Zeichen der Myeloproliferation (Kriterien für ein MDS oder eine MPN sind jedoch nicht erfüllt), ▪ Organomegalie (Leber, Milz, Lymphknoten) ohne Funktionseinschränkung,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

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ASM/Aggressive SM ausgeprägte Organinfiltration durch Mastzellen mit Organschaden (C-Befunde), bis hin zur Organdestruktion. Für Diagnose muss ≥ 1 der folgenden CBefunde vorliegen, ▪ Zytopenie(n): Neutrophile < 1 × 109/μl, Hb < 10 g/dl und/oder Thrombozyten < 100 × 109/μl, ▪ Hepatomegalie mit Leberfunktionsstörung und Aszites, ▪ palpable Splenomegalie mit symptomatischem Hypersplenismus, ▪ Malabsorption mit Hypalbuminämie und signifikantem Gewichtsverlust, ▪ Skelettale Läsionen: große Osteolysen mit pathologischen Frakturen, ▪ lebensbedrohlicher Schaden in anderen Organen, der durch lokale MastzellInfiltration verursacht wird, – ASM-t/ASM in Transformation: ▪ der Anteil der Mastzellen bei ASM liegt meist < 5 %, ▪ bei Werten zwischen 5 % und 19 % liegt eine ASM-t vor, ▪ die Transformation erfolgt häufig in eine MCL – SM-AHN/SM-Assoziierte Hämatologische Neoplasie ▪ bei > 80 % der Patienten mit AdvSM/Advanced SM (dient als Oberbegriff für ASM, SM-AHN und MCL) ▪ die AHN ist in > 90–95 % der Fälle myeloischen Ursprungs, die häufigsten Vertreter sind SM-MDS/MPNu, SM-CMML und SM-CEL, seltener SM-AML, ▪ bei jedem Patienten muss sowohl die SM-Komponente (ISM, ASM, MCL), als auch die AHN-Komponente nach aktuellen WHO-Kriterien diagnostiziert werden, ▪ für die Diagnose der SM-AHN ist das Vorliegen von C-Befunden (siehe ASM) nicht obligat, aber häufig zu finden, ▪ im Verlauf entwickeln viele Patienten eine sekundäre MCL oder sekundäre AML, – MCL/Mastzell-Leukämie ▪ Nachweis von ≥ 20 % Mastzellen im KM-Ausstrich, ▪ kann von einer AHN begleitet sein, ▪ für die Diagnose der MCL ist das Vorliegen von C-Befunden (siehe ASM) nicht obligat, tritt aber häufig auf, ▪ bei fehlenden C-Befunden liegt eine chronische MCL mit meist überwiegend reifen Mastzellen vor, ▪ zu unterscheiden sind primäre und sekundäre MCL (Progression aus anderen Subtypen), ▪ zu unterscheiden sind des Weiteren aleukämische (häufig) und leukämische (selten) MCL. Mastzellsarkom ▪



Prognosefaktoren Die ISM besitzt eine normale Lebenserwartung. Bei der AdvSM/Advanced SM/fortgeschrittene SM beträgt die Lebenserwartung im Regelfall Monate bis wenige Jahre. Die MCL ± AHN weist die schlechteste Prognose auf.

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tet • • • •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Zur Abschätzung der Prognose wurden folgende Parameter herangezogen und bewer(MARS/Mutation-Adjusted Risk Score for Advanced Systemic Mastocytosis) Alter > 60 Jahre 1 Punkt Hämoglobin < 10 g/dl 1 Punkt Thrombozyten < 100/nL 1 Punkt S/A/R (SRSF2/ASXL1/RUNX1) Mutationen – 1 Gen-Mutation 1 Punkt – ≥ 2 Gen-Mutationen 2 Punkte

Einschätzung des Risikos • niedriges Risiko • mittleres Risiko • hohes Risiko

0–1 Punkte 2 Punkte 3–5 Punkte

Lebenserwartung weitgehend normal Lebenserwartung im Mittel 4,3 Jahre Lebenserwartung im Mittel 1,9 Jahre

Alternativ wurden als ungünstige Prognosefaktoren bewertet • bei ISM: – erhöhte AP, Splenomegalie, erhöhtes β2-Mikroglobulin, Beteiligung mehrerer Zelllinien, bei AdvSM: • – ausgeprägte Organinfiltration durch Mastzellen mit Organschaden (C-Befunde, vor allem Anämie und Thrombozytopenie), – zusätzliche somatische Mutationen, z. B. SRSF2, ASXL1 und/oder RUNX1, chromosomale Aberrationen, vor allem Monosomien oder komplexer Karyotyp. Differentialdiagnosen Von einer SM ist abzugrenzen • eine Mastzellhyperplasie, • andere myeloische Neoplasien, – z. B. Eosinophilie-assoziierte myeloische Neoplasien, – Mastzellen in lockerer Verteilung im Gewebe, • Myelomastozytäre Leukämie – keine kompakten Mastzell-Infiltrate, – Evtl. CD25 positiv (jedoch zumeist CD25-negative Mastzellen), – KIT D816V negativ, – Assoziation mit fortgeschrittenem MDS oder MPN, oder AML, – Prognose schlecht.

Therapiestrategie Die Therapiestrategie beinhaltet (siehe Tab. 8.288) • eine symptomatische Basistherapie zur Behandlung der durch die Mastozytose bedingten Symptome und • eine zytoreduktive Therapie.

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8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

Tab. 8.288: Strategie der Therapie der SM/Systemischen Mastozytose (in Anlehnung an Valent et al. 2017, Rossignol et al. 2019, Reiter et al. 2020). systemische Mastozytose/SM indolente SM

fortgeschrittene/advanced SM/AdvSM

SSM smoldering SM

ISM

ASM aggressive SM

SM-AHN SM mit assoziierter hämatologischer Neoplasie

MCL MastzellLeukämie



symptomatische Basistherapie bei Histamin assoziierten Symptomen

bei Osteopenie/Osteoporose

Haut

Magen-Darm

anaphylaktische Reaktionen

Antihistaminika HR1- Blocker

HR2-Blocker +/− ProtonenpumpenInhibitor

Antihistaminika/HR1/ HR2 Blocker Glukokortikoide, Adrenalin





Biphosphonate +/− PEG-Interferon α-2a





und ggf.

und ggf.

und ggf.

und ggf.

Desensibilisierungen, Glukokortikosteroide

Mastzellstabilisatoren (Chromoglycinsäure) Glukokortikosteroide

Anti-IgE-Antikörper (Omalizumab)

Vitamin D, ggf. Vitamin K2 Anti-RANKL-Antikörper (Denosumab)





AdvSM zytoreduktive Therapie

ISM regelmäßige Kontrolle

Tyrosin Phosphokinase-Inhibitoren



ggf.

KITWildtyp

PEG-Interferon α-2a

Midostaurin (Imatinib) (Dasatinib) (Nilotinib)

KIT D816V Mutation

KIT K509I, F522C V560G Mutation

SRSF2, ASXL1 oder RUNX1 Mutation

Midostaurin (Imatinib) (Dasatinib) (Nilotinib)

Midostaurin





bei Progression

Hydroxyurea

oder

Cladribrin oder

Fludarabin + Cytarabin + G-CSF oder Cladribin + Cytarabin + G-CSF



oder PEG-Interferon α-2a + Glukokortikoide



oder ggf. Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Die zytoreduktive Therapie umfasst • Inhibitoren der Tyrosin-Phospho-Kinase von KIT – Midostaurin, ▪ Dosis ist 2 × 100 mg/Tag und täglich ▪ wirkt unabhängig von Vortherapien und vom KIT-Mutationsstatus, ▪ reduziert signifikant Mastzellinfiltrationen, Splenomegalie und die C-Befunde ▪ Wirkung kann über mehrere Monate bis Jahre anhalten mit Verlängerung des Überlebens, ▪ primäre Resistenzen oder frühe Progression konnten beobachtet werden, können assoziiert sein mit Zusatzmutationen (z. B. SRSF2, ASXL1, RUNX1) – Imatinib, Nilotinib und Dasatinib ▪ potentiell wirksam bei KIT-Wildtyp und bei den Mutationen KIT K509I, KIT F522C und KIT V560G (Häufigkeit < 2 % der Patienten), ▪ Mutation KIT-D816V ist primär resistent gegen Imatinib – Masitinib ▪ in klinischer Prüfung • Zytostatika – Hydroxurea ▪ palliative Therapie der refraktären (inklusive SZT) AdvSM – Cladribin ▪ Antimetabolit ▪ Dosierung 3–6 Zyklen; 0,14 mg/kg s. c. oder i. v. über 5 Tage, ▪ Fallberichte über meist partielle und zeitlich begrenzte Wirksamkeit (nur wenige Wochen bis u. U. mehrere Monate bis Jahre) in bis zu 50 % der Patienten mit AdvSM, ohne kompletten Remissionen – Azacitidin/Decitabin ▪ Potentiell Wirkung ähnlich wie bei den übrigen Myeloischen Neoplasien möglich. – Polychemotherapie wie bei der AML (siehe Kap. 8.15.3.2) ▪ FLAG: Fludarabin + Cytarabin + G-CSF oder ▪ CLAG: Cladribin + Cytarabin + G-CSF ▪ bei rasch progressiver AdvSM • Immuntherapie – PEG-Interferon α-2a ▪ Dosierung 90–180 μg/Woche s. c. ▪ potentielle Indikationen sind die ISM und SSM mit therapierefraktärer Osteoporose oder AdvSM-Patienten, die lediglich einen Aszites haben (hier in Kombination mit Glukokortikosteroiden • Allogene SZT/Stamm-Zell-Transplantation – einzige potentiell kurative Therapie der AdvSM – komplette Remissionen können erreichbar sein (25–30 %) mit 3 Jahresüberlebensraten von 55–60 % für alle Patienten, ca. 70 % für SM-AHN, ca. 40 % für ASM und 15–20 % für MCL. Verlaufskontrolle und Nachsorge Die Kontroll-Untersuchungen sollten erfolgen

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

• •

843

bei der ISM und stabiler SSM ≥ 1 x/Jahr bei der AdvSM in kurzfristigen Abständen abhängig vom Risikoprofil, dem Krankheitsstadium und von der Therapie.

Eine Progression der ISM in eine AdvSM ist relativ selten (etwa 5–10 %). Ein Übergang der AdvSM in eine sekundäre MCL oder AML wird in bis zu 30 % der Patienten beobachtet. Frühe Parameter einer Progression sind • der kontinuierliche Anstieg der basalen Serumtryptase oder • das quantitave Ausmaß der KIT D816V Mutationen.

Weiterführende Literatur Reiter A, Jawhar M, Balabanov S, von Bubnoff N, Panse J, Sperr WR, Valent P, 2020, Leitlinie Mastozytose, systemische; https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/mastozytose-systemische/ @@guideline/html/index.html Rossignol, J., Polivka, L., Maouche-Chrétien, L., Frenzel, L., Dubreuil, P., & Hermine, O. Recent advances in the understanding and therapeutic management of mastocytosis. F1000Research, 2019, 8, F1000 Faculty Rev-1961. https://doi.org/10.12688/f1000research.19463.1 Valent P, Akin C, Hartmann K, Nilsson G, Reiter A, Hermine O, Sotlar K, Sperr WR, Escribano L, George TI, Kluin-Nelemans HC, Ustun C, Triggiani M, Brockow K, Gotlib J, Orfao A, Schwartz LB, Broesby-Olsen S, Bindslev-Jensen C, Kovanen PT, Galli SJ, Austen KF, Arber DA, Horny HP, Arock M, Metcalfe DD. Advances in the Classification and Treatment of Mastocytosis: Current Status and Outlook toward the Future. Cancer Res. 2017 Mar 15;77(6):1261–1270.

8.15.5.7 CNL/Chronische Neutrophilenleukämie Vorkommen Die CNL/chronische neutrophile Leukämie ist eine sehr seltene Erkrankung im Rahmen der myeloproliferativen Neoplasien, charakterisiert • im Blut durch eine Leukozytose ≥ 25 × 109/L mit – monoklonal entstandenen und weitgehend differenzierten neoplastischen Neutrophilen Granulozyten, unterteilt in ▪ ≥ 80 % segmentierten oder gebänderten Neutrophilen Granulozyten und ▪ < 10 % unreifen Granulozyten, im Knochenmark durch • – eine normale Reifung der neutrophilen Granulozyten, – einen Anteil von < 5 % Myeloblasten unter den kernhaltigen Zellen und – fehlende Dysplasien in den Zellen der Granulopoese. • durch eine Hepatosplenomegalie. Sie tritt auf • vorwiegend bei älteren Menschen, im Mittel im Alter von 67 Jahren (Spannbreite 15– 86 Jahren) und • geringfügig häufiger bei Männern als bei Frauen (ca 57 % bei Männern, ca. 43 % bei Frauen).

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Risikofaktoren Somatische Mutationen Molekularbiologisch finden sich folgende Merkmale • der überwiegende Teil der neoplastischen Granulozyten (> 80 %) ist positiv für eine aktivierende Punkt-Mutation des Gens (CSF3R) kodierend für den Rezeptor des Granulozyten Kolonie-stimulierenden Faktors (G-CSF-R/CD114), – die Mutation können die Membran-proximalen Teile des CSFR betreffen, wobei ▪ die Mutation T618I (nach alter Zählweise T595I) am häufigsten vorkommt, ▪ die Mutationen T615A und T640N (nach alter Zählweise T617N) dagegen eher selten sind, ▪ die Mutation T640N auch bei der kongenitalen Neutrophilie anzutreffen ist (s. u.) und ▪ etwa 10–20 % der CNL Fälle negativ sind für CSF3RT618I und andere membrane-proximale CSF3R Mutationen, – die Mutationen D771fs, S783fs, Y752X und W791Z in der zytoplasmatische Domäne zusätzlich auftreten können, – alle Mutationen jeweils zu einer Liganden-unabhängigen Aktivierung des G-CSFR beitragen, ▪ mit nachfolgenden Aktivierungen der Janus kinase (JAK), von STAT (Signal Transducer and Activator of Transcriptiom), der SRC -Kinasen (im Besonderen LYN), der Tyrosinkinase SYK, von Ras/Raf/MAP Kinasen und des PI3K/Akt Signalweges, ▪ wodurch die Differenzierung, Proliferation, das Überleben und die Funktion von neutrophilen Granulozyten stimuliert wird, häufig ist die CNL zugleich positiv für Mutationen (ähnlich wie bei den anderen MPN/ • Myelo-Proliferativen Neoplasien) in den Genen kodierend – für SETBP1 (14–56 %, meist D868 oder G870S), welches durch Bindung an SET dessen negative Regulation des Tumorsuppressors Proteinphosphatase 2A (PP2A) verstärkt, – für die Spliceosom-Proteine SRSF2 (P95H), U2AF1 und für die epigenetisch aktiven Proteine TET2 (30 %) und ASXL1(30–60 %) wie auch – für Signal-übertragende Proteine wie CBL, NRAS, KRAS und JAK2 (V617F), – für Calreticulin (E398D), – wobei die Mutationen der Gene für SETBP1 oder ASXL1 mit einer deutlich schlechteren Prognose verbunden sind, negativ sind die CNL Zellen für • – die Translokation BCR-ABL-1, ▪ im Gegensatz zur großen Mehrheit der CML (siehe Kap. 8.15.5.1) und – Rearrangements der Gene für PDGFRA/B und FGFR1. Anhaltspunkte bestehen, dass bei der Entstehung der CNL die somatische Mutation des CSF3R-Gens ein späteres Ereignis darstellt als die Mutation der übrigen Gene, • was eine Erklärung sein könnte für das Auftreten der CNL im höheren Alter.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

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Hereditäre Mutationen Die hereditäre Neutrophilie hat ihre Ursache in der autosomalen dominanten Keimbahnmutation T617N der transmembranen Domäne des CSFR, was zur Folge hat • eine Dimerisierung der CSF3R Transmembran-Domäne und eine konstitutionelle Aktivierung des Rezeptors, • eine nachfolgende konstitutive Phosphorylierung von JAK2, STAT3, AKT, and ERK und Proliferation der neutrophilen Granulozyten, – welche sensitiv ist für JAK-Inhibitoren, • eine drastische Vermehrung CD34-positiver myeloider Vorstufen im Blut verbunden mit einer Splenomegalie und • eine Progression zum Myeloplastischen Syndrom (MDS, siehe Kap. 8.15.2). Symptome Die CNL hat ein heterogenes Erkrankungsbild: • die Mehrzahl der Patienten sind symptomlos zum Zeitpunkt der Erstdiagnose – haben häufig aber bereits eine chronische Leukozytosis in den vergangenen 5– 80 Monaten gehabt, • frühe Symptome sind Ermüdungserscheinungen, Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Knochenschmerzen, Juckreiz, • weitere Symptome sind – eine Splenomegalie (in 30–40 % der Fälle) und/oder eine Hepatomegalie (ohne dass die Lymphknoten erkennbar beteiligt sein müssen) und – eine deutliche hämorrhagische Diathese einschließlich Hirnblutungen ▪ durch Thrombocytopenie, Thrombozyten-Dysfunktion und/oder ▪ möglicherweise durch die Infiltration von neoplastischen Granulozyten in die Gefäßwandungen ▪ wobei diese Blutungen ein wesentlicher Grund für die kurze Lebensdauer nach Erstdiagnose von im Mittel 15 Monaten ist. Diagnose Die diagnostischen Verfahren sind gleich denen für die CML (siehe Kap. 8.15.5.1) oder CMML (siehe Kap. 8.15.5.5). Das diagnostische Bild zeigt folgende Charakteristika: • anhaltende chronische Blut-Leukozytose – in einer Größenordnung von 39 × 109/L (Bandbreite: 11–126 × 109/L), – mit meist reifen neutrophilen Granulozyten (≥ 80 % besitzen einen segmentierten oder gebänderten Kern), – ohne Blasten (sind nicht oder nur selten zu finden) – ohne Vermehrung der Monozyten, Basophilen und/oder eosinophilen Granulozyten, • mehrheitlich eine milde Anämie (Hämoglobin im Mittel ~ 11 g/dL), • häufig eine Thrombozytopenie, wobei diese meist vergesellschaftet ist mit einer Progression der CNL und häufig in eine Blasten-Krise übergeht,

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

ein hyperzelluläres Knochenmark mit – einer dominanten neutrophilen Granulopoese (Verhältnis Myelopoese: Erythropoese = 20 : 1) gekennzeichnet durch ▪ vorwiegend reife Neutrophile Granulozyten (im Stadium des Metamyelozyten bis hin zum segmentierten Granulozyten), ▪ < 5 % Myeloblasten ohne Auerstäbchen oder Anzeichen einer Dysplasie, – einer normoblastischen Erythropoese und normoblastischen, manchmal geringgradig vermehrten Megakaryozyten, Neutrophile Granulozyten mit – toxischer Granulation und Dohle-Körperchen, – unterschiedlicher Funktionsstörung (verminderter, normaler oder erhöhter) Chemotaxie, H2O2-Produktion und Phagozytose, erhöhte Blutwerte – für LDH und für die Leukozyten-Alkalische Phosphatase (LAP), – des Vitamin-Spiegels (bedingt durch Freisetzung aus den Granulozyten).

Häufig (d. h. in ca. 30 % der Fälle) tritt die CNL in Verbindung mit Plasmazell-Neoplasien auf, wobei unklar sein kann, ob die CNL die Folge oder die Ursache der Plasmazell-Neoplasie darstellt. Klassifikation gemäß WHO 2016 Folgende diagnostischen Kriterien begründen eine CNL • 1. Blut − Leukozytose – Leukozyten ≥ 25 × 109/L, – Segmentierte oder gebänderte Neutrophile Granulozyten ≥ 80 %, – Neutrophile Vorläuferzellen < 10 %, selten Myeloblasten, – Monozyten < 1 × 109/L, – keine Dysgranulopoese, • 2. Knochenmark – hyperzellulär, Anteil neutrophiler Granulozyten erhöht, – Reifung der neutrophilen Myelopoese normal, Myeloblasten < 5 % der kernhaltigen Zellen, • 3. keine der WHO- Kriterien für ET/Essentielle Thrombozythämie, PMF/Primäre MyeloFibrose, PV/Polycythemia Vera oder CML/Chronische Myeloische Leukämie werden erfüllt, • 4. keine genetische Rearrangements für PDGFRA, PDGFRB und FGFR1; kein PCM1JAK2 und kein BCR-ABL-1, • 5a. aktivierende CSF3R Mutation, beispielsweiseT618I, • 5b. falls keine aktivierende CSF3R Mutation nachweisbar ist, kann dennoch eine CNL diagnostiziert werden, falls – alle übrigen diagnostischen Kriterien für eine CNL erfüllt sind, – die Neutrophilie ≥ 3 Monate angedauert hat, – keine Anhaltspunkte für eine reaktive Neutrophilie vorliegen und – eine Splenomegalie vorliegt.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

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Differentialdiagnose Bei der Differentialdiagnose sind auszuschließen • die atypische CML/aCML (siehe Kap. 8.15.5.1) – welche im Gegensatz zur CNL aufweist ▪ eine Leukozytose mit ≥ 10 % Neutrophilen Granulozyten, Promyelozyten, Myelozyten und Metamyelozyten, ▪ keine oder minimalen Basophilie und Monozytose, ▪ eine granulozytäre Dysplasie in ≥ 10 % der Blutleukozyten, ▪ im Knochenmark eine Hyperzellularität mit vermehrter Proliferation von neutrophilen Granulozyten, Dysplasien und < 20 % Blasten, ▪ deutliche weniger (0–40 %) aktivierende Mutationen des Gens CSF3R kodierend für den Rezeptor des Granulozyten Kolonie-stimulierenden Faktors (G-CSF-R/CD114), – welche ähnlich wie die CNL ▪ negativ ist für die Translokationen BCR-ABL-1, PCM1-JAK2 und wie auch für die Rearrangements der Gene für PDGFRA, PDGFRB oder FGFR1, ▪ häufig Mutationen in den Genen kodierend für SETBP1, für die SpliceosomProteine SRSF2, U2AF1 und für die epigenetisch aktiven Proteine TET2 und ASXL1 aufweist, ▪ keine der WHO- Kriterien für ET/essentielle Thrombozythämie, PMF/primary Myelofibrose; PV/ Polycythemia Vera und CML/Chronische Myeloische Leukämie erfüllt, • andere MPN/Myelo-Proliferative Neoplasien (siehe Kap. 8.15.5) wie – die PMF/Primäre Myelo-Fibrose, PV/Polycythaemia Vera, ET/Essentielle Thrombocythämie, die CMML/Chronische Myelo-Monozytäre Leukämie und das MDS/ Myelo-Dysplastische Syndrom, • die AML, bei welcher Mutationen des Gens für CSFR in 0,5 bis 2 % der Fälle auftreten, meist kombiniert mit Mutationen des Gens für CEBPA.

Prognose Innerhalb eines kurzen Zeitraumes von im Mittel ca. 20–22 Monaten kann sich die CNL in etwa 10–20 % der Fälle in eine AML/Akute Myeloische Leukämie entwickeln. Für die CNL gilt daher • eine mittlere Lebensdauer nach Erstdiagnose von ca 20–25 Monaten, • eine noch schlechtere Prognose, falls zusätzlich Mutationen der Gene für SETBP1 oder ASXL1 vorliegen.

Therapiestrategie Die Behandlungsmöglichkeiten der CNL sind äußerst begrenzt. • mit Interferon α bzw. PEG-Interferon-α2a kann eine etwas länger (ca. 1,5 bis 2 Jahre) anhaltende Remission erzielt werden • Substanzen, mit denen meist nur vorübergehende kurzzeitige Remissionen erzielt werden konnten, umfassen

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– Hydroxyurea, Cytarabin, 6-Thioguanin (6-TG), 2-Chlorodeoxyadenosin, – Thalidomid, Cladribin – Imatinib Ruxolitinib als Inhibitor des JAK/STAT-Signalwegs – durch die aktivierende Mutation von CSF3R bietet sich die Therapie mit diesem JAK Inhibitor an, – die klinischen Versuche erbrachten bislang Remissionen von bis zu etwa 1 Jahr Dauer.

Die Transplantation von alleogenen hämatopoetischen Stammzellen dürfte wohl noch die beste Chance für eine kurative Behandlung bieten

Weiterführende Literatur Fuchs R, Brümmersdorf T, https://www.onkopedia.com/de/wissensdatenbank/wissensdatenbank/ chronische-myeloische-leukaemie-cml/ChronischeNeutrophilenleukmie.pdf https://www.medmedia.at/intra/ash-2018/ruxolitinib-bei-patienten-mit-atypischer-cml-und-chronischerneutrophilen-leukaemiecnl/ Hinrichsen T, Holtdorf A, 2020, Chronische Neutrophilen-Leukämie https://www.medizinische-genetik.de/ index.php?id=chron-neutrophilenleukaemie Lengfelder E et al., Myeloproliferative Neoplasien (MPN) (früher: Chronische Myeloproliferative Erkrankungen (CMPE)) Leitlinie Onkopedia 2019, https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/ guidelines/myeloproliferative-neoplasien-mpn-frueher-chronische-myeloproliferative-erkrankungencmpe/@@guideline/html/index.html Maxson JE, Tyner JW. Genomics of chronic neutrophilic leukemia. Blood. 2017;129(6):715–722. Szuber N, Tefferi A. Chronic neutrophilic leukemia: new science and new diagnostic criteria. Blood Cancer J. 2018;8(2):19. doi: 10.1038/s41408-018-0049-8. PMID: 29440636; PMCID: PMC5811432.

8.15.5.8 Neoplastische Hypereosinophilien und Chronische Eosinophilenleukämie (CEL) Vorkommen Neoplastische Hypereosinophilien entstehen durch Anomalien in den myeloiden/lymphoiden Vorstufen der Hämatopoese und sind somit sowohl bei myeloiden als auch bei lymphoiden Neoplasien zu finden. Entsprechend werden Neoplastische Hypereosinophilien gemäß WHO (2017) untergliedert in (siehe Tab. 8.289) • myeloide oder lymphoide Neoplasien mit Eosinophilie und Umlagerungen der Gene für die Phosphokinasen PDGFRα, PDGFRβ, FGFR1 und/oder PCM-JAK2, • CEL/Chronische Eosinophile Leukämien als Gruppe der myeloiden/lymphoiden Neoplasien mit Eosinophilie und Umlagerungen der Gene für die Phosphokinasen PDGFRα, PDGFRβ, FGFR1 und/oder PCM-JAK2, wobei diese Phosphokinasen konstitutionell aktiviert sind beispielsweise durch eine – interstitielle Deletion del(4)(q12q12) für das Fusionsprotein FIP1L1-PDGFRα, – Translokation t(5;12)(q33;p13) für das Fusionsprotein ETV6-PDGFRβ,

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– Translokation t(8;13)(p11.2;q12) für das Fusionsprotein ZMYM2-FGFR1, – Translokation t(8;9)(p22;p24.1) für das Fusionsprotein PCM1-JAK2, – Translokation t(9;22)(p24;q11.2) für das Fusionsprotein BCR-JAK2, – Translokation t(9;12)(p24;p13) für das Fusionsprotein ETV6-JAK2, CEL-NOS/Chronische Eosinophilen-Leukämie – Not Other Spezified/nicht anders spezifiziert, charakterisiert durch – den positiven Nachweis ▪ einer Eosinophilie ≥ 1,5 × 109/L, ▪ einer signifikant erhöhte Anzahl an Blasten im peripheren Blut (≥ 2 % < 20 %) und im Knochenmark (> 5 % < 20 %) und/oder ▪ einer klonalen zytogenetischen oder molekulargenetischen Anomalie, – den negativen Nachweis ▪ von PDGFRA-, PDGFRB- oder FGFR1- Gen-Rearrangements oder ▪ von PCM1-JAK2-, ETV6-JAK2 oder BCR-JAK2-Fusionsgenen, ▪ der diagnostischen Kriterien für die Leukämien CML/BCR-ABL1+, PV, ET, PMF, CNL, CMML oder für die atypische CML, ▪ von diagnostischen Merkmalen einer AML inklusive inv(16)(p13.1q22) oder t(16;16)(p13.1;q22) für das Fusionsprotein CBFB-MYH11oder t(8;21)(q22;q22.1) für das Fusionsprotein RUNX1-RUNX1T1, – wobei sich eine CEL vom HES/Hypereosinophilen-Syndrom unterscheidet durch ▪ eine klonale genetische Anomalie und/oder ▪ durch eine signifikant erhöhte Anzahl an Myeloblasten; iHES/Idiopathisches Hyper-Eosinophiles Syndrom, bei welchem – keine klonale genetische Anamalie nachgewiesen werden kann und – welche keine signifikant erhöhte Anzahl an Myeloblasten aufweist, Hypereosinophilie (Lymphozyten-Variante)

Die CEL ist eine sehr seltene Erkrankung. Belastbare Daten zur Inzidenz und Prävalenz liegen nicht vor. • Männer scheinen offenbar mehr an CEL zu erkranken als Frauen. • Der Altersgipfel liegt bei etwa 40 Jahren. Grundsätzlich gilt, dass alle Hypereosinophilien mit einer Vermehrung von Eosinophilen Granulozyten > 1.500/ μl Blut über > 6 Monate (wie z. B. beim HES/Hypereosinophiles Syndrom) mit deutlichen Gewebeschäden unterschiedlicher Art verbunden ist.

Risikofaktoren Als Risikofaktoren werden somatische Mutationen angesehen, induziert durch • toxische Umweltfaktoren, • Tabakkonsum, Karzinogene in der technischen Umwelt und in Lebensmitteln und/ oder durch • radioaktive Strahlenbelastung.

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Symptome und klinischer Verlauf Bei etwa 10 % der Patienten mit CEL • ist diese Erkrankung symptomlos und • wird diese zufällig bei Routine-Blutuntersuchungen gefunden, Folgende Symptome herrschen vor • Fieber, Nachtschweiß, Haut-Juckreiz, Durchfall, • unerklärlicher Gewichtsverlust, unerklärliche Ermüdungserscheinungen und Kurzatmigkeit und Husten • Muskelschmerzen • Lymphadenopathie und Splenomegalie • Anämie und Thrombozytopenie • Schleimhautgeschwüre • Endomyocardiale Fibrose Die Mortalität der CEL ist im Wesentlichen bedingt durch • Eosinophilie induzierte Gewebe- und Gefäßschäden, im Besonderen am Herzen (Verdickung und Vernarbung der Herzmuskulatur) und/oder durch • den Übergang/Transformation in eine AML

Diagnostik • Quantitatives und qualitatives Blutbild, – Eosinophilie ≥ 1,5 × 109/L • Ausschluss von parasitären Erkrankungen (Blut und Stuhl-Untersuchungen) • Laborchemie zur Funktionskontrolle der Leber und der Niere und des Herzens (Troponin T-Test), Akute Phasenproteine • Lungenfunktionstest • Röntgen/CT des Thorax • Herzfunktion einschließlich Echokardiografie • Molekularbiologische Untersuchungen besonders für FIP1L1-PDGFRα, PDGFRβ und BCR/ABL Gen Rearrangements.

Tab. 8.289: Klassifikation und Therapiestrategie für neoplastische Hypereosinophilien (in Anlehnung an Gotlib et al. 2017). Hypereosinophilie

▾ sekundäre Ursache ja reaktive Eosinophilie

nein

▾ Analyse (FISH, PCR) FIP1L1-PDFGRα; Translokationen 4q12/PDGFRα, 5q31–32 PDGFRβ, (p11–12/FGFR1, 9p24JAK2)

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8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes



Behandlung der Ursache

positiv

negativ





myeloide/ lymphoide Neoplasie mit Eosinophilie und Umlagerung der Gene für PDGFRα, PDGFRβ, FGFR1 und/oder PCM-JAK2

abnormale T-Zell-Phänotyp und/oder erhöhte TH2-Zytokin-Expression

CEL Chronische Eosinophile Leukämie

▾ andere klonale oder molekulargenetische Abnormalitäten; klonale Eosinophilie, Blasten > 5 % < 19 %

nein idiopathische Hypereosinophilie

▾ mit Organschäden

CEL-NOS Chronische Eosinophile Leukämie (Nicht anders spezifiziert)

ja

iHES idiopathisches Hypereosinophiles Syndrom

Hypereosinophilie (LymphozytenVariante)









Therapie

Therapie

Therapie

Therapie

Imatinib (PDGFRα) Ruxolitinib (JAK2) Lenvatinib, Nintedanib, Ponatinib und andere (FGFR1) Steroide (Organschäden)

Hydroxyurea PEG-Interferon α Imatinib Zytostatika

Kortikosteroide, Hydroxyurea PEG-Interferon α Imatinib Mepolizumab Alemtuzumab Zytostatika

Kortikosteroide, PEG-Interferon α Mepolizumab Alemtuzumab Zytostatika









ggf.

ggf.

ggf.

ggf.

Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen

Die Diagnose der CEL beruht auf • dem Nachweis einer klonalen neoplastischen Proliferation von eosinophilen Granulozyten • dem Ausschluss von anderen hämatologischen Neoplasien oder reaktiven Eosinophilien Für die Diagnose der CEL-NOS müssen entsprechend der Klassifikation der WHO 2017 folgende Voraussetzungen erfüllt sein: 1. Anzahl der Eosinophilen Granulozyten im Blut > 1500/μl 2. Kein Kriterium der WHO für folgende Erkrankungen darf zutreffen 1. CML/Chronische Myeloische Leukämie (Nachweis von BCR-ABL1), 2. PV/Polycythaemia vera, 3. ET/Essentielle Thrombozythemie, 4. PMF/Primäre Myelo-Fibrose

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

5. CNL/Chronische Neutrophilic Leukämie 6. CMML/Chronische Myelo-Monozytische Leukämie 7. aCML/atypische Chronische Myeloische Leukämie 3. Durch molekulargenetische Prüfung können ausgeschlossen werden 1. jegliche Umlagerungen der Gene für die folgenden Proteine ▪ PDGFRα (platelet-derived growth factor receptor alpha ▪ PDGFRβ (platelet-derived growth factor receptor beta) ▪ FGFR1 (fibroblast growth factor receptor 1) 2. Translokationen für folgende Fusionsproteine ▪ PCM1-JAK2 ▪ ETV6-JAK2 ▪ BCR-JAK2 4. Folgende weitere Bedingungen, die erfüllt sein müssen: 1. die Anzahl der Blasten im peripheren Blut und im Knochenmark ist < 20 % 2. es fehlen die abnormen Veränderungen in den Genen inv(16)(p13.1q22) und t(16;16)(p13;q22), 3. Es fehlen andere diagnostische Parameter der AML 5. eine der folgenden Bedingungen ist erfüllt: 1. die Klonalität der neoplastischen eosinophilen Granulozyten ist belegt, 2. die Blasten im Blut sind < 2 % und im Knochenmark > 5 %. In Anbetracht der Befunde, • dass das durch Deletion entstandene Fusionsgen FIP1L1/Factor Interacting with PAPOLA–PDFGRα/Platelet Derived Growth Factor Receptor-α auf Chr.4q12 bei 10–20 % der CEL nachweisbar ist und • die Tyrosin-Phosphokinase des PDGFR-α in diesem Fusionsprotein konstitutiv, hochstabil, langlebig und nicht reguliert aktiv ist und daher onkogen wirkt, • wird der Nachweis von FIP1L1-PDFGRα auch als Marker für CEL benutzt. Therapiestrategie Der klinische Verlauf der neoplastischen Eosinophilie ist recht variable. Sie kann für viele Jahre stabil sein und dann oder stattdessen schnell in eine AML transformieren. Auf Grund der Seltenheit der Erkrankung gibt es keine ausgearbeitet Standard-Therapie. Folgende Produkte und Verfahren kommen primär zur Anwendung (siehe Tab. 8.289) • Imatinib – hemmt die Tyrosin-Phosphokinase des FIP1L1-PDGFR α Fusionsproteins – kann bei FIP1L1-PDGFR α positiver CEL (ca. 10–20 % der CEL Patienten) ▪ bereits bei niedriger Dosis (100 mg/Tag) zur molekulargenetisch belegten Remission führen, ▪ im Falle einer primären Resistenz bei erhöhter Dosis (bis auf 400 mg/Tag) noch Wirksamkeit zeigen. • Hydroxyurea – ist wirksam für die Kontrolle der Eosinophilie bei einer Dosis zwischen 500 und 1000 mg/Tag.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

• •

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Glukokortikosteroide PEG Interferon-α

In der Zweitlinientherapie können zur Anwendung kommen – Zytostatika und deren Kombinationen ▪ Vincristin, Chlorambucil, Cyclophosphamid, Etoposid und/oder 2-Chlorodeoxyadenosin, – hohe Dosen von Imatinib (> 400 mg/Tag), auch wenn kein PDGFRα oder PDGFRβGen-Rearrangement nachweisbar ist, – PEG Interferon-α (falls noch keine Vorbehandlung mit IFN erfolgt ist) Bei TH2-Lymphozyten-mediierten Eosinophilien Immunsuppressiva wie z. B. • Cyclosporin, • Antikörper gegen das CAMPATH 1-Antigen/CD52 (Alemtuzumab, in Prüfung) Zur Prophylaxe/Therapie von Organschäden durch die Eosinophilie (in der Prüfung) • Antikörper gegen Interleukin-5 (IL-5) (Mepolizumab) oder • Antikörper gegen den IL-5-Rezeptor (Benralizumab). Chirurgische Eingriffe sind im Regelfall palliativ. Hierzu gehören • eine Splenektomie bei starken Milzschmerzen • Ersatz der Herzklappen bei starker endokardialer Fibrose Falls der Allgemeinzustand es zulässt, ist die Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen eine Behandlungsoption.

Weiterführende Literatur Chalayer E, Pelissier A, Tardy B. When Hypereosinophilia Leads to Stroke. Eur J Case Rep Intern Med. 2017;4(6):000614. doi: 10.12890/2017_000614. 8.15.6 Gotlib J, World Health Organization-defined eosinophilic disorders: 2017 update on diagnosis, risk stratification, and management, Am J Hematology 2017,92/11, 1243–1259 Hinrichsen T, Holtorf A, Myeloische/lymphatische Neoplasien mit Eosinophilie und PDGFRA, PDGFRB-, FGFR1- oder PCM1-JAK2-Rearrangement, Chronische Eosinophilen Leukämie − nicht anders angegeben (CEL-NOS); https://www.medizinische-genetik.de/fileadmin/MVZ-Martinsried/tables/table_130_Onko_ Klassifizierung_MPN_EO.html Wang SA, Hasserjian RP, Tam W, Tsai AG, Geyer JT, George TI, Foucar K, Rogers HJ, Hsi ED, Rea BA, Bagg A, Bueso-Ramos CE, Arber DA, Verstovsek S, Orazi A. Bone marrow morphology is a strong discriminator between chronic eosinophilic leukemia, not otherwise specified and reactive idiopathic hypereosinophilic syndrome. Haematologica. 2017;102(8):1352–1360.

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

8.15.6 Myelome/Plasmazelltumore 8.15.6.1 Klassifikation Myelome/Plasmazelltumoren stellen maligne Tumoren der B-Lymphozyten-Differenzierungsreihe dar, die charakterisiert sind durch eine maligne Vermehrung monoklonaler Plasmazellen. Wesentliche Charakteristika der Myelome/Plasmazelltumoren sind: • die raumfordernde, lokal destruktive klonale Vermehrung der Plasmazellen – mit Sezernierung von kompletten oder inkompletten monoklonalen Immunglobulinen (Paraproteinen), – ohne Sezernierung von Paraproteinen ▪ asekretorische Myelome (etwa 1–3 % der Patienten), • Myelome, welche Paraproteine (monoklonale Immunglobuline) bzw. M/Myelom-Proteine (im Serum und/oder Urin nachweisbar) sezernieren, und zu unterscheiden sind – in Myelome, welche komplette Immunglobuline bilden ▪ ohne freie Leicht-Ketten (ca. 5–10 %), ▪ im Gemisch mit freien Leichtketten (ca. 70–75 %), – in Myelome, welche nur Leicht-Ketten exprimieren (15–20 %), – entsprechend der von ihnen gebildeten Isotypen, wobei ▪ IgG (55 %) und IgA (20 %) von ca. 75–80 % aller Myelome sezerniert werden, ▪ IgD (2 %), IgM (0,5 %) und IgE (< 1 %) sezernierende Myelome selten sind, ▪ Myelome häufiger die L-Kette К (57 %) als λ (34 %) sezernieren, • Krankheitssymptome, bedingt durch die Verdrängung der normalen Hämatopoese, die Zerstörung der Knochen, den hohen Paraprotein- bzw. M-Protein-Spiegel im Blut und durch den sekundären Immundefekt. Stufen der Entwicklung sind (siehe Tab. 8.290) • schwelende (smouldering) Myelome • symptomatische multiple Myelome – entwickeln sich multilokular im Knochenmark, bevorzugt in den Beckenknochen, den Rippen und den Wirbelkörpern, – ggf. aus (meist medullären) Plasmazytomen, – stellen ~ 90 % aller Plasmazelltumoren dar, • solitäre Plasmazytome, entwickeln sich lokal als Einzelherd und ohne systemische Ausbreitung in Form – des medullären Plasmazytoms im Knochenmark oder – des extramedullären und extraossären Plasmazytoms im Weichteilgewebe (meist Nasopharynx, Tonsillen, paranasale Sinusoide), – können sich in bis zu 50 % zu multiplen Myelomen entwickeln, • Plasmazell-Leukämien – können direkt oder aus allen Myelomformen entstehen. Das POEMS-Syndrom/Polyneuropathie-Organomegalie-Endokrinopathie-Monoklonale Gammopathie-Haut (Skin)veränderungen-Syndrom stellt eine gesonderte klonale Plasmazellerkrankung dar

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

• •





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welche assoziiert ist mit HIV/Humanes Immundefizienz-Virus-Infektionen und HHV8/ Humanes Herpes-Virus-Typ-8-Infektionen und charakterisiert ist durch Haupt-Symptome – Polyneuropathie (praktisch in allen Fällen), – MGUS/Monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (zumeist vom λ Subtyp), – angiofollikuläre Lymphknoten-Hyperplasie (Castleman-Disease) mit erhöhter Ausschüttung von IL-6 und reaktiver Proliferation der Plasmazellen, – erhöhte Serum VEGF-Spiegel, – sklerotische Knochenläsionen, Neben-Symptome – Organomegalie – Extravasaler Volumenüberschuss (Ödeme, Ergüsse) – Endokrinopathie – Hautveränderung – Papillenödem – Thrombozytose/Polyzythämie und weiteren Symptomen wie – Trommelschlegelfinger, Gewichtsverlust, Hyperhidrosis, Diarrhoe – pulmonaler Hochdruck, – Thromboseneigung, – niedrige Vitamin B12 Spiegel,

Monoklonale Antikörper werden des Weiteren gebildet • beim Morbus Waldenström – überschießende Bildung von monoklonalem IgM auf der Grundlage eines NHL/ Non-Hodgkin-Lymphoms, • beim plasmozytischen Marginalzonenlymphom , – mit monoklonaler Expression von Leichtketten und/oder IgM > IgG oder IgA, jedoch kein IgD, bei der primären AL-Amyloidose/Leicht-Ketten-Amyloidose • – L-Ketten (meist λ) Ablagerungen im Herzen und in den Nieren auf der Grundlage eines NHL/Non-Hodgkin-Lymphoms. 8.15.6.2 MGUS Monoklonale Gammopathien mit unklarer Signifikanz • stellen eine Vorstufe/Präkanzerose der Plasmazelltumoren dar, charakterisiert durch – Paraproteine/M-Proteine in Mengen von < 30 g/l Blut, – < 10 % klonale Plasmazellen im Knochenmark, – Fehlen jeglicher Symptome einer malignen Erkrankung der Plasmazelle, im Besonderen der ▪ CRAB-Kriterien: C/Hyperkalzämie, R/Renale Insuffizienz, A/Anämie, B/BoneOsteolysen, • treten relativ häufig auf – bei 1–3 % aller Personen > 50 Jahre, – bei Männern etwas häufiger als bei Frauen,

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bergen Risiko einer Progression in ein multiples Myelom oder in ein anderes malignes Lymphom in sich. Dieses Risiko beträgt innerhalb von 20 Jahren nach Erstdiagnose – ~ 6 % bei einem MGUS mit Leichtketten, – ~ 15 % bei einem M-Proteinwert von < 5 g/l im Blutserum, – ~ 50 % bei einem M-Proteinwert von > 25 g/l im Blutserum, – > 50 %, falls ▪ der M-Proteinwert > 25 g/l im Blutserum beträgt, ▪ der Quotient der Konzentrationen der λ-Kette und der К-Kette im Serum abnormal ist, ▪ der Isotyp IgA, IgD oder IgE darstellt (also nicht IgG).

8.15.6.3 Schwelende Myelome, symptomatische multiple Myelome, solitäre Plasmazytome und Plasmazell-Leukämien Vorkommen Für Myelome liegen in Deutschland folgende epidemiologischen Daten vor • Neuerkrankungsrate ca 4–5/100.000 Personen/Jahr – Anstieg ab dem 50. Lebensjahr, – bei Männern etwas häufiger als bei Frauen (M : W = 1,5 : 1), • Überlebensraten – nach 5 Jahren ▪ absolut bei 41 % (Männer) bzw. 40 % (Frauen), ▪ relativ bei 48 % (Männer) bzw. 45 % (Frauen), – nach 10 Jahren relativ bei 31 % (Männer) bzw. 30 % (Frauen) • mittleres Erkrankungsalter bei Diagnose bei Männern 72 Jahre, bei Frauen 74 Jahre • mittlere Sterbealter bei 76 Jahren (Männer) bzw. 78 Jahren (Frauen). Risikofaktoren Sind weitgehend unbekannt. Auf genetische Faktoren weisen hin: • das vermehrte Auftreten bei Schwarzen (Faktor 2–3) im Vergleich zu Weißen, ein deutlich geringeres Auftreten bei Asiaten/Chinesen, • familiäre Häufungen der Erkrankung, • Assoziationen der Erkrankung mit HLA4c, • Assoziation mit primären Aberrationen wie – Trisomien, am häufigsten der Chromosomen 3, 7, 9, 11, 15 oder 17 (in ca. 40 % der Fälle) – Deletionen del17p13 oder del13q, – Monosomie von Chromosom 13 – Translokationen des Genes für den Immunoglobin-Promotor (14q31) oder der IgH-Kette (14q32) und Fusion ▪ mit 4p16.3 (Fibroblast Growth Factor Receptor), ▪ mit 6p21 (Cyclin D3, Bcl-1, Cycin D1), ▪ mit 16q23 (C-maf) oder mit 20p11 (maf8 oder maf B)

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes





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Assoziationen mit weiteren sekundären Aberrationen wie – Deletionen del(1p), del(13q), del(17p), – RAS Mutationen – Translokationen von 14q31 mit 8q24 (c-myc) oder seltener mit 18q21 (bcl-2) oder 11q23 (MLL-1) primäre und sekundäre genetische Aberrationen beeinflussen (meist negativ) das klinische Bild, den Krankheitsverlauf, den therapeutischen Erfolg und die Prognose

Als exogene Faktoren werden vermutet • radioaktive Strahlen – Umwelt, medizinische Diagnostik und Therapie, • Toxine wie Herbizide, Emissionen der Erdöl-Industrie, • mutagene Substanzen – in Lebensmitteln, technischen Hilfsstoffen – Zytostatika Symptome • ca. 20–25 % der Patienten sind bei der Erstdiagnose ohne Beschwerden, • körperliche Schwäche (in ca. 40 % der Fälle) und/oder unerklärlicher Gewichtsverlust (ca. 25 % der Fälle), • Verdrängung des normalen Knochenmarks durch Plasmazellen mit – Anämien (vorrangig), Leukopenien, Thrombozytopenien ▪ bei ca. 60 % der Patienten – Blutungen – vermehrt Infektionen ( in ca 10–20 % der Fälle), ▪ auch bedingt durch den sekundären Antikörpermangel lokalisierter oder generalisierter Knochenabbau mit • – Knochenschmerzen (ca. 60 %), meist im Bereich des Stammskeletts, – pathologischen Knochenfrakturen, – Wirbelkörper-Sinterungen – Hyperkalzämien (in bis zu 20–30 % der Fälle) mit ▪ Polydipsie, Polyurie ▪ psychischen Veränderungen • Paraproteinen im Blut – erhöhte Blutviskosität ▪ Schwindel, Seh- und Gedächtnisstörungen ▪ Angina pectoris, Angina abdominalis – Ablagerungen fehlgefalteter Immunglobuline (Gammopathie-assoziierte Amyloidose) ▪ in prinzipiell nahezu allen Organen, am häufigsten ▪ in der Niere (siehe unten), ▪ im Herzen (diastolische Relaxationsstörung, Herzseptum- und Herzwandverdickung, Proarrhythmie in ~ 60 % der Fälle), ▪ im Gastrointestinaltrakt (Diarrhoe, Gewichtsverlust in 10–20 % der Fälle),

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in der Leber (Organomegalie, Insuffizienz, in ~ 30 % der Fälle) und im autonomen und peripheren Nervensystem (orthostatische Dysregulation, periphere Neuropathie, Seh- und Gedächtnisstörung), Nierenfunktionsstörungen bis hin zur Niereninsuffiziens (in ~ 70 % der Fälle), ▪ stark schäumender Urin durch glomerulär vermehrt gefilterte ImmunglobulinLeichtketten und überlastete Rückresorption in den proximalen Tubuli (Bence-Jones-Protein-Urie), ▪ Ablagerung von L-Ketten in der Basalmembran, ▪ Ausfällung von Immunglobulin-Leichtketten im Komplex mit Uromodulin in den distalen Tubuli (Cast-Nephropathie), ▪ Fanconi-Syndrom: durch L-Ketten induzierte Funktionsstörung der Zellen im Hauptstück der Nierenkanälchen führt zur Azidose mit vermehrtem Verlust von Glukose, Harnsäure und Aminosäuren. ▪ ▪



Diagnostik • klinische Untersuchung, im Besonderen – Nierenfunktion, Herzfunktion, Lungenfunktion, Milz- und Lebergröße, Mikrozirkulationsstörungen • biochemisch-labordiagnostische Untersuchungen Blutplasma/Blutserum – Test-Methoden zur Funktionsanalyse von Leber und Niere, im Besonderen ▪ Elektrolyte (Natrium-, Kalium-, Kalziumionen) ▪ Nierenretentionsparameter (Kreatinin, glomeruläre Filtrationsrate, Harnstoff) – Proteinanalyse ▪ Gesamteiweiß und Albumin ▪ Elektrophorese mit Bestimmung der M-Proteine, Immun-Elektrophorese ▪ Immunglobuline (IgG, IgA, IgD, IgE, IgM) quantitativ ▪ Freie К- und λ-Leichtketten, quantitativ: Berechnung des Quotienten (Patienten mit asekretorischem Myelom haben zu 50 % einen pathologischen Quotienten), ▪ β2-Mikroglobulin – LDH/Laktat-Dehydrogenase • 24-h-Sammelurin – quantitative Bestimmung der Eiweißausscheidung und der Ausscheidung von Leichtketten, Blutbild • – quantitativ: Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten, Hämatokrit, – qualitativ/Differentialblutbild: Anzahl der Plasmazellen, • Blutgerinnung – Quick-Wert, PTT/Partielle Thromboplastin-Zeit, • Knochenmark – Aspirationsbiopsie/Zytologie und Stanzbiopsie/Histologie, – Nachweis und Quantifizierung der Plasmazellherde, • molekularbiologische Untersuchungen (FISH, PCR), Nachweis von primären Aberrationen

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

859



zumindest Deletion del(17p13), ▪ t(4;14): Translokation des Genes für den Immunoglobin-Promotor (14q31) oder der Ig-H-Kette (14q32) mit dem Gen 4p16.3 (Fibroblast Growth Factor Receptor) ▪ t(14;16): Translokation des Genes für den Immunoglobin-Promotor (14q31) oder der Ig-H-Kette (14q32) mit dem Gen 16q23 (c-maf) ▪ t(14;20)(q32;q12): Translokation des Genes der Ig-H-Kette (14q32) mit dem Gen 20q12 (c-mab), ▪ Amplifikation von 1q21 – ggf. ▪ Trisomien der Chromosomen 3, 7, 9, 11, 15 oder 17 (in ca. 40 % der Fälle) ▪ Deletionen del (1p), del(17p13) oder del(13q), ▪ Monosomie von Chromosom 13 ▪ Translokationen des Genes für den Immunoglobin-Promotor (14q31) oder der Ig-H-Kette (14q32) und Fusion mit 6p21 (Cyclin D3, Bcl-1, Cycin D1) oder mit 16q23 (C-maf) ▪ RAS Mutationen ▪ Translokationen von 14q31 mit 8q24 (c-myc) oder seltener mit 18q21 (bcl-2) oder 11q23 (MLL-1) bildgebende Verfahren (siehe Kap. 8.15.1), im Besonderen – Osteo-CT: zur Diagnostik von Osteolysen, Osteopenien und zur Stabilitätsbeurteilung des Skeletts – MRT: bei Verdacht auf diffuse Knochenmarksinfiltrationen, fokale Knochenmarksherde und auf extramedulläre Manifestationen (z. B. in den Rückenmarkskanal) – transthorakale Echokardiografie: bei Verdacht auf kardiale Amyloidose ▪



Organschädigungen werden beurteilt nach den CRAB-Kriterien: • C/Calcemia: Kalziumkonzentration im Serum > 10,5 mg/dl • R/Renale Insuffizienz: Kreatinin ≥ 2 mg/dl • A/Anämie: Hämoglobinkonzentration < 10 g/dl oder 2 g/dl unter dem Normwert • B/Bone lesions: Osteolysen und/oder Osteoporosen, Klassifikation Entsprechend der diagnostischen Befunde erfolgt: • eine Zuordung zu einem der unterschiedlichen Typen der Plasmazelltumoren (siehe Tab. 8.290), • eine Klassifizierung des Entwicklungsstandes von Plasmazelltumoren – nach Durie und Salmon (siehe Tab. 8.291) – nach dem aktuellen (2005/20015) ISS/International Staging System (siehe Tab. 8.292)

860

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.290: Diagnostische Parameter für Myelome/Plasmazelltumore.

Parameter

monoklonale Gammopathie (MGUS)

Schwelendes/ smouldering Myelom

Entwicklungsprozess





klonale Plasmazellen im Knochenmark

< 10 %

≥ 10–60 %

≥ 10 %

und

und/oder

und/oder

und

< 30 g/L

≥ 30 g/L

und

und/oder

< 500 mg/ 24 Std

≥ 500 mg/ 24Std

nachweisbar

nicht zwingend nachweisbar

und

und

und

und

nicht nachweisbar

nicht nachweisbar

nachweisbar

nicht nachweisbar

Serum Monoklonales Protein

Urin

Endorganschäden (CRAB)

symptomatisches multiples Myelom

◂ ≥ 60 %te

Zusatzkriterien

PlasmazellLeukämie

▸ < 10 %

oder

und

abnormaler L-KettenQuotient (bei LKetten-Typ)

Solitäres Plasmozytom

und abnormaler L-KettenQuotient > 100 und betroffene L-Lette ≥ 100 mg/L

Singuläre Knochenmanifestation (MRT oder CT)

≥ 2 × 109/L klonale Plasmazellen im Blut

oder

und

und/oder

1× Herdbefund (MRT)

klonale Plasma-Zellen im KM (FISH, PCR)

> 20 % Plasmazellen im Differentialblutbild

L-Kette = Leichte-Kette des Immunglobulin; MGUS = Monoklonale Gammopathien mit Unklarer Signifikanz; CRAB: Calcaemia, Renal insufffience, Anemia, Bone destruction

861

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

Tab. 8.291: Entwicklungsstadien von Plasma-Zelltumoren nach Durie und Salmon bzw. nach dem ISS/ International Staging System (2005). Nach Durie und Salmon

Nach ISS (2005)

Myelom-Proteine Stadium

Plasma

Blut

Hämo- Kalglobin zium

24 h Urin

Serum

IgG

BenceJones

IgA

A > 10 g/ norIgG IgA dl mal < 50 g/l < 30 g/l

I

70 g/l > 50 g/l B

> 12 g

fortgeschrittene Läsionen

Prognose Mittleres Überleben

44 Monate

normal ≥ 2 mg/ > 5,5 mg/l dl

< 3,5 g/ 29 Monate dl

Tab. 8.292: Aktuelle Klassifikation und Prognoseeinschätzung des multiplen Myeloms (R-ISS 2015).

Klassifikation International Staging System, Revised/R-ISS

mittleres Überleben ISS 2005

5 Jahre Überlebensrate R-ISS (2015)

Stadium

Kriterien

Monate

progressionsfrei

gesamt

Stadium I

beta 2-Mikroglobulin ≤ 3,5 mg/l und Albumin ≥ 3,5 g/dl und Zytogenetik Standardrisiko und LDH ≤ oberer Normwert

62

55 %

82 %

Stadium II

weder Stadium I noch II

44

36 %

62 %

Stadium III

beta 2-Mikroglobulin ≥ 5,5 mg/l und Zytogenetik Hochrisiko oder LDH > oberer Normwert

29

24 %

40 %

Zytogenetik Risiko

hoch

del(17p), t(4;14) oder t(14;16) oder Ampl (1q21)

Standard

übrige genetische Aberrationen

862

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Therapeutische Strategien Für die Einleitung einer Therapie sollten gemäß der Kriterien der International Myeloma Working Group (IMWG, 2014) folgende diagnostische Parameter erfüllt sein • ≥ 1 CRAB-Kriterium – Hyperkalzämie (C) ▪ Calcium > 2,75 mmol/l (> 10,5 mg/dl) oder > 0,25 mmol/l oberhalb des Normalwertbereiches – Nierenschäden (R) ▪ Kreatinin ≥ 2,0 mg/dl (> 173 μmol/l) oder GFR < 40ml/min – Anämie (A) ▪ Hämoglobin < 10,0 g/dl (< 6,21 mmol/l) oder ≥ 2,0 g/l (> 1,24 mmol/l) unterhalb des Normalwertbereiches – Knochenschäden (B) ▪ Nachweis ≥ 1 ossären Läsion in der Bildgebung • weitere diagnostische Parameter des Myeloms – Anteil klonaler Plasmazellen im Knochenmark > 60 % (zytologisch und histologisch) – Quotient freier Leichtketten im Serum > 100 (betroffene/nicht betroffene Leichtkette) – > 1 fokale Läsion > 1 cm in der MRT Bildgebung Weitere Indikationen für eine Therapie sind • Myelom-bedingte Schmerzen, • Hyperviskositätssyndrom, • B-Symptomatik • Symptome, die durch Behandlung der Myelom-Erkrankung gebessert werden können und deren Nicht-Behandlung zu einer weiteren Verschlechterung der Symptomatik bzw. Organfunktion führt, • rezidivierende schwere Infektionen. Bei Myelomen/Plasmazelltumoren ohne klinische Symptome (siehe Tab. 8.293) • wie beim MGUS oder beim schwelenden (smouldering) Myelom • erfolgt eine engmaschige Kontrolle und Abwarten (w&w = watch and wait); Bei Patienten mit behandlungspflichtigen Symptomen gilt für die Erstlinientherapie • sie ist abhängig von dem Entwicklungsstadium des Myeloms, d. h. von den Krankheits-bedingten Organschäden gemäß den Kriterien der International Myeloma Working Group (IMWG, 2014), • sie hat zum Ziel – das Erreichen einer bestmöglichen Remission mit Behebung der Myelom-bedingten Symptome, – die Verlängerung der progressionsfreien und der Gesamtüberlebenszeit und – zugleich die bestmögliche Vermeidung kurz- und langfristig belastender Nebenwirkungen der Therapie.

863

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes



und sie beinhaltet (siehe Tab. 8.293) in Abhängigkeit von dem Allgemeinzustand des Patienten – eine Induktionstherapie, – eine Hochdosis-Chemotherapie zur Konditionierung, – eine Transplantation autologer hämatopoetischer Stammzellen und – eine Erhaltungstherapie.

Tab. 8.293: Strategie der Erstlinientherapie des Myeloms (in Anlehnung an Wörmann et al. 2018). Myelome

▾ CRAB-Kriterium der IMWG 2014 erfüllt? nein

ja



▾ geeignet für Hochdosistherapie?

engmaschige Kontrolle

ja

nein





Induktions-Therapie mit

Therapie mit

Bortezomib + Glukokortikosteroid (Dexamethason)

▾ vorzugsweise in Kombination mit Lenalidomid

oder

oder

Thalidomid

Cyclophosphamid

oder

Melphalan

▾ gefolgt von Hochdosis-Chemotherapie Cyclophosphamid +/− Vinorelbin, Doxorubicin , Etoposid, Melphalan und/oder Dexamethason + G-CSF

▾ gefolgt von Transplantation autologer hämatopoetischer Stammzellen

▾ gefolgt von Erhaltungstherapie





Hochrisiko

Standardrisiko

Bortezomib oder Lenalidomid

Lenalidomid

CRAB = Calcaemia, Renal insufffience, Anemia, Bone destruction

oder

Lenalidomid

864

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Besondere Wirkung in der Therapie des Myeloms entfalten Proteasom-Inhibitoren, Immunmodulatoren und Monoklonale Antikörper in Kombination mit Glukokortikoiden und Zytostatika. Folgende Therapeutika und deren Kombinationen kommen zum Einsatz (siehe Tab. 8.293 und Tab. 8.294) • Proteasom-Inibitoren – Bortezomib ▪ als Monotherapie in der Erhaltungstherapie ▪ in Zweifach-Kombination (mit Dexamethason oder Prednisolon) oder ▪ in Dreifach- Kombination mit zusätzlich einem Zytostatikum (Cyclophosphamid, liposomales Doxorubicin oder Melphalan), einem Immunmodulator (Lenalidomid oder Thalidomid) oder einem Antikörper gegen CD38 (Daratumumab), ▪ für die Induktionstherapie bei nachfolgender Hochdosistherapie ist die Kombination Bortezomib+Thalidomid+ Dexamethason (VTD) überlegen der Kombination Bortezomib+Cyclophosphamid + Dexamethason (VCD), ▪ für die Induktionstherapie ohne nachfolgende Hochdosistherapie gilt Bortezomib + Cyclophosphamid + Dexamethason als Standard, Alternative ist Bortezomib + Lenalidomid + Dexamethason (VLD) – Carfilzomib ▪ in der Zweitlinientherapie (siehe Tab. 8.294) ▪ in Zweifachkombination mit Dexamethason ▪ in Dreifachkombination mit Lenalidomid + Dexamethason – Ixazomib ▪ in der Zweitlinientherapie (siehe Tab. 8.294) ▪ ist im Unterschied zu Bortezomib und Carfilzomib oral wirksam ▪ erhöht in Kombination mit Lenalidomid + Dexamethason die Remissionsrate, und das progressionsfreie Überleben • Immunmodulatoren – Thalidomid ▪ in Dreifachkombination mit Melphalan + Prednison für die Erstlinienbehandlung von Patienten (≥ 65 Jahre oder keine Hochdosistherapie) mit unbehandeltem Multiplen Myelom – Lenalidomid ▪ als Monotherapie, führt in der Erhaltungstherapie zu einer Verlängerung der progressionsfreien Überlebens- und der Gesamtüberlebenszeit, ▪ in Zweifachkombination mit Dexamethason, ▪ in Dreifachkombination mit Dexamethason + Bortezomib oder mit Carfilzomib + Daratumumab – Pomalidomid ▪ in der Drittlinientherapie (siehe Tab. 8.294) ▪ führt in Zweifachkombination mit niedrigdosiertem Dexamethason (im Vergleich zu hochdosiertem Dexamethason) zu einer Steigerung der Remissionsrate und zu einer Verlängerung der progressionsfreien und der Gesamtüberlebenszeit.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes







865

Histon-Deacetylase-Inhibitoren – Panobinostat ▪ in der Drittlinientherapie (siehe Tab. 8.294) ▪ verlängert bei der Zweitlinientherapie in der Dreifachkombination mit Bortezomib + Dexamethason (gegenüber Bortezomib + Dexamethason) die progressionsfreie Überlebenszeit, jedoch nicht die Gesamtüberlebenszeit monoklonale Antikörper – Daratumumab ▪ ein Anti-CD38/ADP-ribosylzyklase/cADPR-Hydrolase1-Antikörper ▪ in der Zweitlinien- und Drittlinientherapie (siehe Tab. 8.294) ▪ als Monotherapie ▪ in der Dreifachkombination mit Bortezomib + Dexamethason oder mit Lenalidomid + Dexamethason; Beide Dreifachkombinationen führen gegenüber den Zweifachkombinationen zur Verlängerung der progressionsfreien und der Gesamtüberlebenszeit, – Elotuzumab ▪ ein Anti-CD319/SLAMF7-Antikörper; CD319/SLAMF7 ist ein Zellmembranantigen relativ selektiv für maligne Plasmazellen, ▪ in der Zweitlinientherapie (siehe Tab. 8.294), ▪ führt in der Dreifachkombination mit Lenalidomid + Dexamethason (gegenüber der Zweifach-Kombination) zu einer Steigerung der Remissionsrate, zu einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens und zu einer Verlängerung der Gesamtüberlebenszeit, Zytostatika; zur Anwendung kommen – in der Induktionstherapie Kombinationen mit Cyclophosphamid oder Melphalan – in der Hochdosistherapie ▪ Melphalan (200 mg/m2 ) gilt als Standard oder ▪ Cyclophosphamid +/− Vinorelbin, Doxorubicin, Etoposid, – in der Drittlinientherapie Doxorubicin (9 mg/m2; Tag 1–4) +/− Bendamustin (120 mg/m2, Tag 1 und 2) +/−Melphalan (9 mg/m2; Tag 1–4) +/− Cyclophosphamid

866

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.294: Strategie der Zweitlinien- und Drittlinien-Therapie des Myeloms (in Anlehnung an Wörmann et al. 2018). Rezidivierendes/Refraktäres Myelom





Frührezidiv (gutes Allgemeinbefinden)

Spätrezidiv (Erstlinientherapie gut verträglich)

InduktionsTherapie

▾ allogener Spender vorhanden Konditionierung

Wiederholung der Induktion der Erstlinienthrapie

▾ alle übrigen

Proteosom-Inhibitor dominante Therapie

▾ Bortezomib (oder Carfilzomib) + Dexamethason (Zweierkombination)

▾ oder ggf. Dreierkombination mit

▾ ggf. gefolgt von

Cyclophosphamid

▾ gefolgt von

Daratumab

▾ Immunmodulatordominante Therapie





gefolgt von

Transplantation autologer hämatopoetischer Stammzellen

Lenalidomid + Dexamethason (Zweierkombination)

▾ oder ggf. Dreierkombination mit Carfilzomib

oder

Elotazumab



oder

oder

Hochdosistherapie

Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen

Lenalidomid

oder



Ixazomib oder

oder

Daratumab

oder

Cyclophosphamid

▾ Progression/Rezidive

▾ Drittlinientherapie Kombinationen Zweitlinientherapie

Doxorubicin +/− Pomalidomid + Panobinostat + DaratuBendamustin +/− oder Dexamethason + oder Bortezomib + oder oder mab Melphalan +/− Cyclophosphamid Dexamethason Cyclophosphamid

Die therapeutische Wirkung dieser Therapeutika wird nach Kriterien gemäß der International Myeloma Working Group (IMWG, 2016) ermittelt (siehe Tab. 8.295).

867

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

Tab. 8.295: Kriterien für den Therapieerfolg beim Myelom (International Myeloma Working Group/IMWG, 2016).

klinischer Befund

sCR (stringente CR) CR (komplette Remission)

VGPR (sehr gute partielle Remission)

erfüllte Kriterien

Immunfixation

alle

alle

nicht nachweisbar (Serum/ Urin)

alle

≥ 90 % Reduktion/Serum und < 100 mg/ 24h/Urin oder kein M-Protein nachweisbar/ Serum/Urin

≥ 50 % Reduktion/Serum und ≥ 90 % Reduktion/Urin oder < 200 mg/ 24h/Urin

SD stabile Erkrankung

Resistenz/ Refrakterität

Elektrophorese

Freie L-Ketten

nicht nachweisbar (Serum/ Urin)

PR (partielle Remission)

PD progressive Erkrankung

M-Protein

Plasmazellen

(FLC-Quotient)

in Weichteilen

im Knochenmark

normal

nicht nachweisbar

≤5% (nicht klonal) (Immunhistochemie)

nicht nachweisbar

≤5%

> 50 % Reduktion der Infiltration

> 50 % Reduktion der Infiltration, (falls Anteil vor Therapie > 30 % und falls MProtein und FLC Quotient nicht bestimmbar)

nachweisbar

> 50 % Reduktion der Differenz, (falls M-Protein nicht bestimmbar)

weder sCR, CR, VGPR oder PR noch PD

≥1 Kriterium

≥ 25 % Anstieg/ Serum und ≥ 0,5 g/dl/Serum und/oder ≥ 25 % Anstieg/ Urin oder ≥ 200 mg/24 h/ Urin

> 25 % Anstieg ≥ 25 % Anstieg (bezogen auf der Differenz/ Neuaufden niedrigsten Serum und treten oder erreichten ≥ 100 mg/dl im Progression Infiltrationsgrad) Serum und absolut ≥ 10 % Anstieg

Fortschreiten der Erkrankung unter Therapie oder innerhalb von 60 Tagen nach Therapieende

Die Transplantation von hämatopoetischen Stammzellen ist ein wesentlicher Bestandteil der Erstlinien – wie auch der Zweitlinientherapie. Soweit möglich (siehe Tab. 8.293 und Tab. 8.294) erfolgt

868 •



8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

eine autologe Stammzelltransplantation – in der Erstlinientherapie – bei Spätrezidiven ggf. eine Wiederholung in der Zweitlinientherapie eine allogene Stammzelltransplantation – in der Zweitlinientherapie bei Frührezidiven oder Therapieresistenz – falls ein geeigneter Spender vorliegt – falls der Empfänger transplantationsfähig ist – mit einer geeigneten Konditionierung des Empfängers

Die Therapie des solitären Plasmazytoms im Knochenmark oder extramedullär oder extraossär erfolgt im Regelfall • durch eine primäre perkutane Radiotherapie (Gesamtdosis im Zielgebiet ~ 50–60 Gy) oder • durch chirurgische Resektion und adjuvante perkutane Radiotherapie • wobei trotz dieser Behandlung bis zu 50 % der Patienten im weiteren Verlauf ein multiples Myelom entwickeln. Die Therapie der Plasmazell-Leukämie wird gemäß der ALL oder der CLL durchgeführt Die Behandlung des POEMS-Syndroms ist abhängig vom Ausmaß der Knocheninfiltration • sind nur lokal beschränkte osteosklerotische Veränderungen nachweisbar, kann eine alleinige Strahlentherapie zur kompletten Remission führen. • bei größerer Ausdehnung ist eine Behandlung entsprechend dem Multiplen Myelom notwendig. Strahlentherapie Myelome/Plasmazelltumoren sind hoch strahlensensibel. Eine perkutane Radiotherapie sollte jedoch erst angewandt werden, • wenn die autologe Stammzelltransplantation bereits erfolgt oder nicht möglich ist – um Strahlenschäden bei den für die Transplantation zu gewinnenden autologen Stammzellen zu vermeiden, • palliativ bei z. B. bei – Osteolysen mit Frakturgefährdung, – chirurgisch versorgten pathologischen Frakturen oder Querschnittssyndromen – extramedullären Plasmazelltumoren, – Skelettschmerzen bei Versagen konventioneller Analgetika ▪ zur Schmerzbehandlung sind meist 10–20 Gy ausreichend. Palliative Therapie • Biphosphonate zum Schutz der Knochenmatrix – Gefahr der Kieferosteonekrosen Verlaufskontrollen Die Einschätzung der Wirksamkeit der Therapie wird bestimmt an Hand folgender Parameter (siehe Tab. 8.295):

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

• • • • •

869

Anteil der klonalen Plasmazellen im Knochenmark, Größenveränderung der Weichteil-Plasmazelltumoren, Konzentration der Paraproteine im Serum und Urin, Quotient der Leichtketten (λ/К), Kalziumionen-Konzentration im Serum.

Weiterführende Literatur Cancer Research UK, Cancer Stats Multiple Myeloma, Stand: 28. November 2011; http:// info.cancerresearchuk.org/cancerstats/types/multiplemyeloma/ Kortüm M, Einsele H, Naumann R, Peest D, Liebisch P, Goldschmidt H. Monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS), Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, Stand: August 2010, http://www.dgho-onkopedia.de/onkopedia/leitlinien/monoklonalegammopathie-unklarer-signifikanz-mgus Kortüm M, Einsele H, Naumann R, Peest D, Liebisch P, Goldschmidt H. Multiples Myelom, Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, Stand: Juli 2010, http://www.dghoonkopedia.de/onkopedia/leitlinien/multiples-myelom National Cancer Institute (USA), Plasma Cell Neoplasms (Including Multiple Myeloma) Treatment (PDQ®), Stand: 1/28/2011, http://www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/myeloma/healthprofessional OMIM, Online Mendelian Inheritance in Man, An Online Catalog of Human Genes and Genetic Disorders, Updated 27 January 2012 John Hopkins University, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/entrez?db= omim Preiß J, Dornoff W, Hagmann F-G, Schmieder A. Onkologie 2011; Juni 2011; http://www.onkologie2011.de/ index.htm; 15. Januar 2012. Wörmann B, Driessen C, Einsele H, Goldschmidt H, Gunsilius E, Kortüm M, Kröger N, Ludwig H, Mügge LO, Naumann R, Pritzkuleit R, Röllig C, Scheid C, Taverna C, Weisel K, Weißinger F, 2018 Leitlinie, Multiples Myelom, https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/multiples-myelom/ @@guideline/html/index.html

8.15.7 HL/Hodgkin-Lymphome Vorkommen Das Hodgkin-Lymphom ist eine maligne Erkrankung des lymphatischen Systems und überwiegend der B-Lymphozyten. Charakteristisch sind • eine geringe Zahl von malignen H-RS/Hodgkin-Reed-Sternberg-Zellen, die von zahlreichen reaktiven Zellen (Bystander Cells) umgeben sind, • zervikale (60–80 %), mediastinale und inguinale Primärlokalisationen und • eine lymphogene, hämatogene wie auch infiltrative Ausbreitung in extralymphatische Organe. Die • • •

Neuerkrankungsrate liegt bei etwa 2–3/100.000 Personen/Jahr, der Altersgipfel liegt bei etwa 32 Jahren, im Kindesalter (≤ 15 Jahre) sind 5 % aller malignen Tumoren Hodgkin-Lymphome, Männer sind häufiger erkrankt als Frauen (M : W = 3 : 2).

870

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Risikofaktoren Die Ursachen des Hodgkin-Lymphoms sind nur ansatzweise verstanden. Folgende Risikofaktoren scheinen zu bestehen: • familiäre/genetische Faktoren – das Risiko ist um den Faktor 7 erhöht ▪ bei dem Zwilling eines an Hodgkin-Lymphom oder Leukämie Erkrankten, ▪ bei dem Kind eines an Hodgkin-Lymphom oder Leukämie Erkrankten, – Weiße erkranken häufiger als Schwarze, – bei Kindern von Eltern mit Autoimmunerkrankungen (Sarkoidose, ulzerative Kolitis) ist das Risiko um den Faktor ~ 1,7 erhöht; • Virusinfektionen – EBV/Epstein-Barr-Virus-Infektionen ▪ etwa 45 % der Hodgkin-Lymphome sind assoziiert mit einer EBV-Virusinfektion, besonders gehäuft bei Kindern (< 10 Jahre) und Älteren (> 50 Jahre), ▪ nach einer infektiöse Mononukleose erhöht sich das Risiko um den Faktor 3, ▪ EBV-assoziierte Hodgkin-Lymphome sind vom Typ meist gemischt-zellulär – HIV-Infektionen ▪ erhöhen das Risiko um den Faktor 11; • Vorerkrankungen – ein Non-Hodgkin-Lymphom als Vorerkrankung erhöht das Risiko um den Faktor 16, • Immunsuppression – Organtransplantationen erhöhen das Risiko um den Faktor 2, – Autoimmunerkrankungen (rheumatoide Arthritis, systemischer Lupus erythematodes, Sarkoidose) erhöhen das Risiko um den Faktor ~ 3 bis ~ 14; • soziales Umfeld – Einzelkinderstatus und mangelnde Gemeinschaft mit anderen Kindern (z. B. Kindergarten) scheinen das Risiko zu erhöhen. Das Risiko eines Hodgkin-Lymphoms scheint durch regelmäßigen und mäßigen Alkoholkonsum erniedrigt zu werden.

Symptome • schmerzlose, anhaltende oder auch wechselnde Schwellungen der Lymphknoten – am häufigsten der zervikalen und mediastinalen Lymphknoten – bilden miteinander verbackene, sich derb anfühlende Pakete – verdrängen Nachbarorgane oder engen diese ein, wie z. B. ▪ Blutgefäße, ▪ Trachea und Bronchien, ▪ Drüsen und deren Ausführungsgänge, • Schmerzen in den Lymphknoten nach geringem Alkoholkonsum (Alkoholschmerz) – tritt in etwa 5 % der Fälle auf,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

• • • • •

871

Mattigkeit, Blässe, Fieber, Nachtschweiß, Juckreiz, Gewichtsabnahme, Schwellungen der Milz und/oder der Leber (durch Tumorinfiltrationen), paraneoplastische Syndrome – Autoimmunphänomene, – nephrotisches Syndrom, – Immunthrombozytopenie.

Diagnostik • klinische Untersuchung, im Besonderen – Anamnese: B-Symptome ▪ Fieber > 38 °C ▪ Massiver Nachtschweiß (nasse Haare, durchgeschwitzte Kleidung/Bettwäsche) ▪ ungewollter Gewichtsverlust von ≥ 10 % des Körpergewichts innerhalb der letzten 6 Monate – Adspektion/Palpation ▪ der peripheren Lymphknoten (besonders zervikal und inguinal) ▪ des Waldeyer’schen Rachenrings ▪ der Leber (Hepatomegalie), Milz (Splenomegalie), – Nierenfunktion, Herzfunktion, Lungenfunktion, Mikrozirkulationsstörungen, • biochemisch-labordiagnostische Untersuchungen Blutplasma/Blutserum – Test-Methoden zur Funktionsanalyse von Leber und Nieren, im Besonderen ▪ Elektrolyte (Natrium-, Kalium-, Kalziumionen) ▪ BSG/Blutkörperchen-Senkungs- Geschwindigkeit ▪ LDH, GOT, GPT, AP, Gamma GT ▪ Nierenretentionsparameter (Kreatinin, glomeruläre Filtrationsrate, Harnstoff) – Immunglobuline • Blutbild – quantitativ ▪ Erythrozyten, Hämoglobin, Hämatokrit, Leukozyten, Thrombozyten – qualitativ/ Differentialblutbild – Blutgerinnung ▪ Quick-Wert, PTT/partielle Thromboplastin-Zeit – Biopsien ▪ Lymphknotenexzision und histologische Beurteilung, vorrangig für die Diagnosestellung ▪ Knochenmarkstanzbiopsie/Histologie ▪ Leber bei Verdacht auf diffusen Befall – bildgebende Verfahren (siehe Kap. 8.15.1), im Besonderen ▪ Sonografie aller peripheren Lymphknoten, ▪ CT, mit Kontrastmittel – besonders Hals, Thorax, Abdomen,

872

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



▪ ▪

MRT, besonders Hals, Abdomen, Becken Ganzkörperskelettszintigrafie bei Verdacht auf Knochenbefall, ggf. FDG-PET/PET mit 2-( 18F) Fluoro-2-Desoxy-D-Glukose, Herzfunktionen (EKG, Echokardiografie).

Entwicklungsstadien und Klassifikation Klinische Entwicklung des Hodgkin-Lymphoms: • Beginn in den Lymphknoten: – zervikale Lymphknoten (60–80 %), mediastinale und/oder inguinale Lymphknoten, – vergrößerte und „verbackene“ Lymphknoten, • die Ausbreitung erfolgt: – lymphogen oder durch Kontakt in lymphatische Organe ▪ bevorzugt: in mediastinale Lymphknoten (typisch: „Mediastinal-Tumor“), – hämatogen oder durch Kontakt in extralymphatische Organe, besonders in ▪ die Milz (noduläre Infiltration zur „Bauernwurstmilz“), ▪ die Leber (in die Portalfelder), ▪ das Knochenmark. Die Einstufung des Entwicklungsstandes des Hodgkin-Lymphoms erfolgt grundsätzlich gemäß der Ann-Arbor-Klassifikation, in der Modifikation von Fuchs et al. 2018 (siehe Tab. 8.296). Tab. 8.296: Klassifikationen des Hodgkin-Lymphoms (Fuchs et al., 2018, Skoetz et al. 2019). Unterteilung (WHO 2017) cHL Klassisches HodgkinLymphom

NS/Nodulär-sklerosierender Typ MC/Mischtyp LR/Lymphozytenreicher Typ LD/Lymphozytenarmer Typ HL/Nicht-klassifizierbares HL

Gruppe

NLPHL Nodulär-LymphozytenPrädominantes Hodgkin-Lymphom

Anteil

~5%

~ 95 %

maligne Zellen

L&H (lymphozytische & histiozytische Zellen)

H-RS (Hodgkin- und Reed-Sternberg-Zellen)

Antigene

BZell-Antigene CD20 und CD79a

Antigene CD30 und CD15

Klassifikation des Hodgkin-Lymphoms (Ann-Arbor, modifiziert Fuchs et al. 2018) Stadium

Befall lymphatisches Gewebe*

Befall nicht lymphatisches Gewebe

1 Areal

0 Organ

0 Areal

1 Organ (lokalisiert)

I

Ort des Befalls

entweder/oder

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

≥ 2 Areale

873

gleiche Seite des Zwerchfells

II 1 Areal

1 Organ (lokalisiert)

gleiche Seite des Zwerchfells

III

≥ 2 Areale

≥ 2 Organe (lokalisiert)

beide Seiten des Zwerchfells

IV

+/−

≥ 1 Organe (diffus, disseminiert)

A

keine B-Symptome

B

mit B-Symptomen

unerklärlicher Gewichtsverlust von > 10 % in den letzten 6 Monaten, unerklärtes persistierendes oder rekurrierendes Fieber > 38 °C, starker Nachtschweiß,

*) Lymphatisches Gewebe: Lymphknoten, Milz, Thymus, Waldeyer’scher Rachenring, Blinddarm, Peyer’sche-Platten

Histologische Klassifikation Das Hodgkin-Lymphom ist histologisch charakterisiert durch • einkernige Hodgkin-Zellen, • mehrkernige Reed-Sternberg-Zellen, • einem entzündlich-granulomatösen Begleitinfiltrat. Folgende histologische Typen werden unterschieden: • NLPHL/Noduläre Lymphozyten-Prädominante Hodgkin-Lymphome (noduläre Paragranulome) – Anteil : ~ 5 % aller Hodgkin-Lymphome, – Tumorzellen: lymphozytisch und histiozytisch, – Immunmarker (B-Lymphozyten-Antigene) ▪ CD20: glykosyliertes Phosphoprotein Bp35; Ca2+-Ionen-Kanal, ▪ CD79a: Igα; Corezeptor des BCR/B-Lymphozyten-Rezeptor, ▪ CD45: LCA/Leukozyten-Antigen; Tyrosinphosphatase, • cHL/klassische Hodgkin-Lymphome – Anteil: ~ 95 % aller Hodgkin-Lymphome, – Tumorzellen: Hodgkin-Zellen und Reed-Sternberg-Zellen, – Immunmarker: ▪ CD15: Lewis-x; Lacto-N-Fuco-Pentaose III, terminal auf Glykolipiden, auch auf Granulozyten und Makrophagen, ▪ CD30: TNFRSF8/Tumor-Nekrose-Faktor-Rezeptor-Superfamilie-8, auch auf B-Lymphozyten und T-Lymphozyten, – mit folgende Subtypen: ▪ LR/Lymphozyten-Reicher Typ, Anteil ~ 3 %, ▪ NS/Nodulär Sklerosierender Typ, Malignitätsgrad 1 oder 2, Anteil ~ 70 %, ▪ MC/Mischtyp/Mixed Cellularity, Anteil ~ 25 %, ▪ LDHL/lymphozytenarmer Typ/Lymphocyte Depleted HL, Anteil < 1 %, ▪ nicht klassifizierbar, Anteil ~ 1 %.

874

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Die Risikoabschätzung erfolgt beispielsweise gemäß der Deutschen Hodgkin-Studiengruppe (GHSG, siehe Tab. 8.297). Als Risikofaktoren gemäß GHSG gelten • Befall von 3 oder mehr Lymphknotenarealen • hohe BSG (in der ersten Stunde; ≥ 50 mm ohne B-Symptome, ≥ 30 mm mit BSymptomen) • großer Mediastinaltumor (≥ 1/3 des maximalen Thoraxquerdurchmessers in der konventionellen Röntgenaufnahme des Thorax) • Extralymphatischer Organbefall

Tab. 8.297: Risikoeinstufung des Hodgkin-Lymphoms gemäß der Deutschen Hodgkin-Studiengruppe (GHSG, Fuchs et al., 2018, Skoetz et al. 2019). Stadium (Klassifikation Ann Arbor, modifiziert) Risikofaktoren IA

IB

IIA

IIB

IIIA

IIIB

IVA

IVB

0 Risikofaktoren Befall ≥ 3 Lymphatische Areale

hohe BSG (1h)

ohne B-Symptome ≥ 50 mm mit B-Symptomen ≥ 30 mm

Mediastinal-Tumor ≥ 1/3 des Thorax ⌀ extralymphatischer Organ-Befall

frühe Stadien

mittlere Stadien

fortgeschrittene Stadien

Differentialdiagnose • entzündlich bedingte Lymphknotenvergrößerungen bei bakteriellen, parasitären (z. B. Tuberkulose, Toxoplasmose) oder viralen Infektionen (z. B. EBV/Epstein-Barr-Virus, CMV/Zyto-Megalie-Virus, HIV) in Betracht • andere maligne Lymphome, Lymphknotenmetastasen solider Tumoren, Thymome, Keimzelltumoren oder • Autoimmunerkrankungen (z. B. Sarkoidose)

Therapiestrategien Die Strategie für eine Stadium-angepasste Erstlinientherapie ist abhängig vom Typ und Stadium des Hodgkin-Lymphoms und vom Alter des Patienten

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes







875

Beim klassischen Hodgkin-Lymphoms (cHL) gilt: Grundlage der Therapie bei 18–60-jährigen Patienten ist eine (siehe Tab. 8.298) – Chemotherapie unter Verwendung der Schemata ▪ ABVD (Adriamycin + Bleomycin + Vinblastin + Dacarbazin) für frühe Stadien, ▪ BEACOPP eskaliert (siehe Tab. 8.301) für fortgeschrittene Stadien und ▪ BEACOPP eskaliert + ABVD für mittlere Stadien – eine lokal auf die Tumorregion beschränkte (IF/Involved Field) perkutane Radiotherapie mit 20–30 Gy, – ggf. G-CSF 5 μg/kg Kgw/Tag, Patienten > 60 Jahre sollten behandelt werden – nicht mit dem BEACOPP (eskaliert)-Schema wegen dessen Toxizität, – sondern mit (je nach Stadium) 2, 4 oder 6–8 Zyklen des ABVD-Schemas ▪ ggf. unter Verzicht auf Bleomycin (A(B)VD) wegen dessen Lungentoxizität oder – mit dem PVAG-Schema (Prednison + Vinblastin + Doxorubicin + Gemcitabin) über 6–8 Zyklen, ▪ falls Kontraindikationen gegen Komponenten des ABVD Schemas vorliegen Bei Patienten < 15 Jahre bestehen folgende alternative Chemotherapie-Schemata in der Erstlinientherapie: – ABVE: Adriamycin/Doxorubicin + Bleomycin + Vincristin + Etoposid – ABVE-PC: ABVE- Schema + Prednisolon + Cyclophosphamid – COPDAC: Cyclophosphamid + Oncovin/Vincristin + Prednisolon + Dacarbazin – OPPA: Oncovin/Vincristin + Procarbazin + Prednison + Adriamycin/Doxorubicin ▪ Problem: bei Jungen: Risiko der Sterilität – OEPA: Oncovin/Vincristin + Etoposid + Prednison + Adriamycin/Doxorubicin, – COPP-ABV: Cyclophosphamid + Oncovin/Vincristin + Procarbazin + Prednison + Adriamycin/Doxorubicin + Bleomycin + Vincristin – COPDIC: Cyclosphosphamid + Oncovin/Vincristin + Prednison + Dacarbazin – COPP: Cyclosphosphamid + Oncovin +Vincristin + Prednison + Procarbazin – VAMP: Vincristin + Procarbazin + Prednisolon + Adriamycin/Doxorubicin – Falls die Chemotherapie nicht zu einer kompletten Remission/CR führt, erfolgt nachfolgend eine IF-RT/Involved-Field-Radiotherapie (20 Gy).

Beim NLPHL/Nodulär-Lymphozyten-prädominanten Hodgkin-Lymphom • ist im Stadium IA und ohne Risikofaktoren eine alleinige IF-Strahlentherapie ausreichend • sollte in allen anderen Stadien entsprechend der Therapiestrategie für das cHL (siehe Tab. 8.298) vorgegangen werden • kann die Therapie von Rezidiven gemäß den Empfehlungen für das cHL (siehe Tab. 8.299) erfolgen, – wobei diese ergänzt werden könnte um die Verabreichung eines Antikörpers gegen CD20

876

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.298: Strategie der Primärtherapie des cHL/Hodgkin-Lymphoms, Patienten 18–60 Jahre (in Anlehnung an Fuchs et al., 2018, Skoetz et al. 2019). frühe Stadien

mittlere Stadien

fortgeschrittene Stadien

Stadium IA/B, IIA/B keine Risikofaktoren

Stadium IA/B, IIA + Risikofaktoren

Stadium IIIA/B, IVA/B



oder

Chemo-Radiotherapie 2 × ABVD + IF- RT 20 Gy

Stadium IIB + ≥ 3 befallene LK-Areale und/oder erhöhte BSG

Stadium IIB + großer Mediastinaltumor und/oder extranodaler Befall





Chemotherapie 2 × BEACOPP (eskaliert)

Chemo-Radiotherapie 2 × BEACOPP (eskaliert) + 2 × ABVD + IF-RT 30 Gy

PET (Tumorreste ≥ 2,5 cm)

engmaschige Kontrolle

oder



▾ negativ

positiv

2 × BEACOPP (eskaliert)

4 × BEACOPP (eskaliert)





PET (Tumorreste ≥ 2,5 cm)

oder (falls kein BEACOPP möglich)

negativ

positiv

4 × ABVD + IF-RT 30 Gy

engmaschige Kontrolle

IF-Radiotherapie 30 Gy auf PET+ ≥ 2,5 cm Tumorreste

ABVD = Adriamycin + Bleomycin + Vinblastin + Dacarbazin BEACOPP = Bleomycin + Etoposid + Adriamycin + Cyclophosphamid + Oncovin/Vincristin + Procarbazin + Prednison IF-RT = Involved-Field-Radiotherapie PET = Positronen-Emissions-Tomografie

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8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

Tab. 8.299: Strategie der Rezidivtherapie des Hodgkin-Lymphoms (in Anlehnung an Fuchs et al., 2018, Skoetz et al. 2019). Früh- oder Spät-Rezidive (alle frühes, mittleres oder fortgeschrittenes Stadium)

▾ geeignet für HDCT/Hochdosis-Chemotherapie? ja 2 × DHAP + HDCT + autologe SZT

nein



geeignet für Chemotherapie?

oder falls Spätrezidiv vom frühen Stadium



▾ gefolgt von

6 × BEACOPP (eskaliert) + IF-RT mit 30 Gy auf Reste > 1,5 cm

Nachsorge

▾ oder

ja

nein





RezidivChemotherapie

Antikörper-ToxinKonjugat BrentuximabVedotin





Brentuximab-Vedotin





Kein Ansprechen, Progression und/oder erneutes Rezidiv des Tumors oder bei Kontraindikationen







Anti-CD30Antikörper-ToxinKonjugat BrentuximabVedotin

AntiPD1Antikörper (Nivolumab oder Pembrolizumab)





für aSZT/allogene Stammzelltransplantation geeignet? ja

nein

allogene SZT



▾ oder HDCT + allogene SZT



Antikörper-ToxinKonjugat Brentuximab-Vedotin



Kein Ansprechen, Progression und/oder erneutes Rezidiv des Tumors oder Unverträglichkeiten







Brentuximab-Vedotin

AntiPD1-Antikörper

AntiPD1-Antikörper







oder

ggf.

ggf.

AntiPD1-Antikörper

individuelles Therapiekonzept

individuelles Therapiekonzept

▾ individuelles Therapiekonzept

ABVD = Adriamycin + Bleomycin + Vinblastin + Dacarbazin BEACOPP = Bleomycin + Etoposid + Adriamycin + Cyclophosphamid + Oncovin/Vincristin + Procarbazin + Prednison DHAP = Dexamethason + hochdosiertes Ara-C + Cisplatin HDCT = Hoch-Dosis-Chemotherapie = BEAM-Schema = BCNU, Etoposid, Cytarabin, Melphalan IF-RT = Involved-Field-Radiotherapie

878

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Rezidive Zu unterscheiden sind: • Frührezidiv (3–12 Monate nach Ende der Primärtherapie) – relativ schlechte Prognose; • Spätrezidiv (> 12 Monate nach Ende der Primärtherapie). Patienten mit einem ersten Spätrezidiv eines therapierten Frühstadiums können erneut in Remission gebracht werden (siehe Tab. 8.300) • mit einer Chemotherapie mit 6 × BEACOPP (eskaliert) in Kombination • mit einer perkutanen IF-Radiotherapie mit 30 Gy auf Tumor-Reste > 1,5 cm Für Patienten, welche geeignet sind für eine Hochdosis-Therapie, stellt die Therapie der Wahl dar • eine Reinduktionstherapie – DHAP-Schema: Dexamethason + Hochdosis-Cytarabin + Cisplatin (2 Zyklen), • gefolgt von einer HDCT/Hochdosischemotherapie – BEAM-Schema: BCNU + Etoposid + Cytarabin + Melphalan, • mit anschließender autologer Stammzelltransplantation. Alternative Chemotherapie-Schemata, die bei Hodgkin-Lymphome zur Anwendung kommen, sind • MOPP: Mustargen + Oncovin/Vincristin + Procarbazin + Prednison – Problem: das Risiko für sekundäre Leukämien liegt bei 3–6 %, • ICE: Ifosfamid + Carboplatin + Etoposid • Stanford V: Mustargen + Doxorubicin + Vinblastin + Vincristin + Bleomycin + Etoposid + Prednisolon Bei einem Rezidiv nach einer autologen Stammzelltransplantation • kann ggf. eine weitere autologe Stammzelltransplantation durchgeführt werden oder • kann eine allogene Stammzelltransplantation in Erwägung gezogen werden, – falls ein geeigneter Spender vorliegt, – falls der Empfänger transplantationsfähig ist, – mit einer geeigneten Konditionierung (erneut BEAM Schema oder Fludarabin + Busulfan) des Empfängers; • bietet sich ggf. die Therapie an mit: – einem monoklonalen chimeren Anti-CD30-Antikörper- Toxin Konjugat (Brentuximab-Vedotin), ▪ wobei Vedotin das antimitotische Monomethyl Auristatin E darstellt, – den PD-1 Inhibitoren Nivolumab oder Pembrolizumab nach der Therapie mit Brentuximab-Vedotin. – einem monoklonalen Anti-CD20-Antikörper (Rituximab, Ibritumomab oder Tositumimab). Patienten, die ungeeignet sind für eine Hochdosischemotherapie stellen ebenso Kandidaten dar für die Therapie mit Brentuximab-Vedotin und den PD-1 Inhibitoren Nivolumab oder Pembrolizumab.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

879

Prognose Die Prognose des Hodgkin-Lymphoms ist Dank der therapeutischen Möglichkeiten relativ günstig (siehe Tab. 8.297). Das 5-Jahres-Überleben liegt bei: > 95 %, • Kindern/Jugendlichen < 15 Jahre: > 90 %, • Stadium I und II: 70–90 %. • Stadium III und IV: Tab. 8.300: Stadiumabhängige Chemo- und Radiotherapie des Hodgkin-Lymphoms. (Fuchs et al., 2018, Skoetz et al. 2019).

Hodgkin Stadium

Chemotherapie

+

Radiotherapie

5-JahresÜberleben

IF-RT/Involved-FieldRadiotherapie (30 Gy)

> 95 %

NLPHL frühes Stadium (Stadium IA) cHL/NLPHL frühes Stadium (Stadium I/II A/B; ohne Risikofaktoren)

ABVD-Schema (2 Zyklen)

ABVD-Schema mittleres Stadium (4 Zyklen) (Stadium IA/B; Stadium IIB, BEACOPP-Schema (2 Zyklen) jeweils mit Risikofaktoren) und ABVD-Schema (2 Zyklen)

+

IF-RT/Involved-FieldRadiotherapie (30 Gy; nach der Chemotherapie)

+

IF-RT/Involved-FieldRadiotherapie (30 Gy; nach der Chemotherapie)

+

IF-RT/Involved-FieldRadiotherapie (30 Gy; nach der Chemotherapie)

fortgeschrittenes Stadium (Stadium IIB mit großem Mediastinal-Tumor/ extra-nodaler Befall Stadium IIIA/B +IVA/B)

BEACOPP-Schema (6 Zyklen)

+

IF-RT/Involved-FieldRadiotherapie (30 Gy; nach der Chemotherapie, falls Restlymphome ≥ 2,5 cm)

Patienten > 60 Jahre

ABVD-Schema (2–8 Zyklen, entsprechend dem Stadium)

+

IF-RT/Involved-FieldRadiotherapie (30 Gy; nach der Chemotherapie)

+

IF-RT/Involved-FieldRadiotherapie (30 Gy; nach der Chemotherapie, falls Restlymphome ≥ 1,5 cm)

Rezidive

BEACOPP-Schema (6–8 Zyklen) falls Vorbehandlung erfolgte mit ABVD-Schema

> 90 %

70–90 %

DHAP-Schema zur Induktion; BEAM-Schema zur Konditionierung und autologe Stammzelltransplantation NLPHL: noduläre lymphozytenprädominante Hodgkin-Lymphome; CHL: klassische Hodgkin-Lymphome ABVD-Schema: Adriamycin + Bleomycin + Vinblastin + Dacarbazin BEACOPP-Schema: Bleomycin + Etoposid + Adriamycin + Cyclophosphamid + Oncovin/Vincristin + Procarbazin + Prednison HAP-Schema: Dexamethason, Hochdosis-Cytarabin, Cisplatin; BEAM-Schema: BCNU, Etoposid, Cytarabin, Melphalan (Konditionierung für autologe Stammzelltransplantation)

880

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.301: Bevorzugte Chemotherapie-Schemata beim Hodgkin-Lymphom. Schema

Kombinationen und Dosierungen

Applikationen

Zyklus

Doxorubicin/Adriamycin (25 mg/m ) + Bleomycin (10 mg/m ) + Vinblastin (6 mg/m2 ) + Dacarbazin (375 mg/m2 )

Tag 1 und 15

Tag 29

Doxorubicin/Adriamycin (25 mg/m2 )

Tag 1 und 2

2

ABVD

ABVE (für < 15 Jahre)

2

2

2

+ Bleomycin (5 mg/m /10 mg/m )

Tag 1 bzw. 8

+ Vincristin (1,4 mg/m2 )

Tag 1 und 8

+ Etoposid (125 mg/m2 )

Tag 1, 2 und 3

ABVE Schema (siehe oben) ABVE-PC (für < 15 Jahre)

+ Prednison (40 mg/m2 )

Tag 1 bis 7 2

+ Cyclophosphamid (800 mg/m )

Tag 1

2

Doxorubicin/Adriamycin (25 mg/m ) + Cyclophosphamid (650 mg/m2 )

Tag 1

+ Etoposid (100 mg/m2 )

Tag 1–3

2

BEACOPP

+ Procarbazin (100 mg/m )

Tag 1–7

+ Prednison (40 mg/m2 )

Tag 1–14

+ Bleomycin (10 mg/m2 ) + Vincristin (1,4 mg/m2 )

Tag 8

+ G-CSF

ab Tag 8

Tag 21

2

BEACOPP eskaliert

Doxorubicin/Adriamycin (35 mg/m ) + Cyclophosphamid (1200 mg/m2)

Tag 1

+ Etoposid (200 mg/m2)

Tag 1–3

2

+ Procarbazin (100 mg/m )

Tag 1–7

2

DHAP

+ Prednison (40 mg/m )

Tag 1–14

+ Bleomycin (10 mg/m2 ) + Vincristin (1,4 mg/m2 )

Tag 8

+ G-CSF

ab Tag 8

Cisplatin (100 mg/m2 )

Tag 1

+ Dexamethason (40 mg)

Tag 1–4 2

+ Cytosin-Arabinosid (zweimal 2 g/m /Tag) BCNU (300 mg/m ) 2

Tag 29

Tag 2

2

BEAM (zur Konditionierung)

Tag 21

Tag –7 2

+ Etoposid (1200 mg/m ) + Cytosin-Arabinosid (1600 mg/m )

Tag –7 bis –4

+ Melphalan (140 mg/m2 )

Tag –3

ABVD-Schema: Adriamycin + Bleomycin + Vinblastin + Dacarbazin BEACOPP-Schema: Bleomycin + Etoposid + Adriamycin + Cyclophosphamid + Oncovin/Vincristin + Procarbazin + Prednison DHAP-Schema: Dexamethason, Hochdosis-Cytarabin, Cisplatin; BEAM-Schema: BCNU, Etoposid, Cytarabin, Melphalan (zur Konditionierung für die autologe Knochenmarktransplantation)

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

881

Weiterführende Literatur Cancer Research UK, Cancer Stats, Hodgkin’s lymphoma risk factors; Stand: 9. Januar 2012, http:// info.cancerresearchuk.org/cancerstats/types/hodgkinslymphoma/riskfactors/#source15 Dörffel W, Körholz D, Mann G, Stein H, Kluge R, Kortmann RD, Pötter R, Claviez A, Kuhnt T, Rolf Spielmann R. Hodgkin-Lymphom, Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie, Stand: 10/2007, http://www.awmf.org/ uploads/tx_szleitlinien/025–012_S1_Hodgkin-Lymphom_10-2007_12–2012.pdf Fuchs M, Greil R, Lohri A, Engert A, 2018 Leitlinie Hodgkin-Lymphom; https://www.onkopedia.com/de/ onkopedia/guidelines/hodgkin-lymphom/@@guideline/html/index.html National Cancer Institute (USA), Adult Hodgkin Lymphoma Treatment (PDQ®), Stand: 9/23/2011, http:// www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/adulthodgkins/HealthProfessional National Cancer Institute (USA), Childhood Hodgkin Lymphoma Treatment (PDQ®), Stand: 05/20/2011, http://www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/childhodgkins/HealthProfessional National Cancer Institute (USA) 7.2019: https://www.cancer.gov/about-cancer/treatment/drugs/hodgkinlymphoma OMIM, Online Mendelian Inheritance in Man, An Online Catalog of Human Genes and Genetic Disorders, Updated 27 January 2012 John Hopkins University, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/entrez?db=omim Preiß J, Dornoff W, Hagmann F-G, Schmieder A. Onkologie 2011; Juni 2011; http://www.onkologie2011.de/ index.htm; 15. Januar 2012. Skoetz N, Engert A, Will A, Jakob T, Franke J et al. 2019 Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Hodgkin Lymphoms bei erwachsenen Patienten, Langversion 2.1, 2019; AWMF Registernummer: 018/029 OL, http://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/hodgkin-lymphom/

8.15.8 NHL/Non-Hodgkin-Lymphome 8.15.8.1 Übersicht Die malignen Non-Hodgkin-Lymphome/NHL umfassen eine heterogene Gruppe maligner Tumoren des lymphatischen Systems. Sie werden entsprechend der Klassifikation der WHO 2017 (ICD-10-GM Version 2020, basierend auf der sogenannten Kiel-Klassifikation) eingeteilt, die unterscheidet zwischen: • B-Lymphozyten-Lymphomen (~ 90 % aller NHL) welche umfassen, – FL/Follikuläre Lymphome ▪ FL Grad I, II, III, IIIa und IIIb ▪ Diffuse und kutane Follikelzentrumslymphome – NFL/Nicht Follikuläre Lymphome ▪ Kleinzellige B-Zell-Lymphome ▪ Mantelzell-Lymphome ▪ Diffuse großzellige B-Zell-Lymphome ▪ Lymphoblastische Lymphome ▪ Lymphoplasmozytisches Lymphom ▪ Burkitt-Lymphome ▪ Intravaskuläre großzellige Lymphome ▪ Mediastinales (thymisches) großzelliges B-Zell-Lymphom ▪ Extranodale Marginalzonen B-Zell-Lymphome des Mukosa-assoziierten lymphatischen Gewebes ▪ Nodale Marginalzonen B-Zell-Lymphome ▪ Splenic marginal zone lymphoma

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8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Diffuse großzellige B-Zell-Lymphome (DLBCL) Burkitt-Lymphome ▪ (Plasmazytome/Plasmazell Myelome werden nunmehr den Lymphomen zugerechnet, siehe Kap. 8.15.6) T/NK-Zell-Lymphome, (~ 10 % aller Lymphome), zu welchen gehören – Reifzellige T/NK-Zell-Lymphome ▪ Mycosis fungoides/Sezary-Syndrom ▪ Periphere T-Zell-Lymphome ▪ Anaplastische großzellige Lymphome (vom systemischen oder kutanen Typ) ▪ Kutane T-Zell-Lymphome, ▪ Weitere reifzellige T/NK-Zell-Lymphome – Weitere spezifizierte T/NK-Zell-Lymphome ▪ Extranodales NK/T-Zell-Lymphom (nasaler Typ) ▪ Hepatosplenische gamma/delta T-Zell-Lymphom ▪ T-Zell-Lymphom vom Enteropathietyp ▪ Subkutanes pannikulitisches T-Zell-Lymphom ▪ Blastisches NK-Zell-Lymphom ▪ Angioimmunoblastisches T-Zell-Lymphom ▪ Primäre kutane CD30 positive T-Zell-Proliferationen ▪ ▪



Vom therapeutischen Gesichtspunkt her werden NHL des Weiteren unterteilt: • nach dem Wachstumsverhalten in – indolente, langsam wachsende Lymphome ▪ bei welchen Abwarten und fortlaufende Kontrolle eher gerechtfertigt sind, – aggressive, rasch wachsende Lymphome ▪ die ein schnelles therapeutisches Eingreifen notwendig machen, • nach klinisch und therapeutisch relevanter, bevorzugter Lokalisation – primäre Lymphome der Haut (siehe Kap. 8.15.14) – primäre Lymphome des ZNS (siehe Kap. 8.15.15) – primäre Lymphome des Gastrointestinaltraktes/ des Mukosa assoziierten Gewebes (MALT, siehe Kap. 8.15.9.5 und 8.15.16) Symptome Den NHL weitgehend gemeinsam sind • durch Vermehrung und Infiltration der Lymphomzellen bedingte – andauernde und/oder zunehmende meist schmerzlose Schwellungen der lymphatischen Organe ▪ periphere (z. B. zervikale, axilläre, inguinale) und zentrale Lymphknoten, Waldeyer’scher Rachenring, ▪ Thymus, Appendix, ▪ Milz (Milzschmerzen), – Verdrängung und/oder Einengung von Nachbarorganen, wie z. B. ▪ Blutgefäße, ▪ Trachea und Bronchien, ▪ Drüsen und deren Ausführungsgänge,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

883



Störung der Antikörperbildung Hypogammaglobulinämie mit vermehrten Infektionen, – Infiltration des Knochenmarkes mit Beeinträchtigung der Hämatopoese ▪ Anämie/Müdigkeit, ▪ Granulozytopenie/vermehrte Infektionen, ▪ Thrombozytopenie/vermehrte Blutungen/Petechien, – Lymphomzell-Infiltrate außerhalb der lymphatischen Organe ▪ HNO-Bereich, Haut, ▪ Gastrointestinaltrakt, Leber (selten), ▪ ZNS mit den zwangsläufig auftretenden neurologischen Ausfallerscheinungen, Allgemeinsymptome (B-Symptome) – nicht erklärbares Fieber > 38 °C, – nicht erklärbarer Nachtschweiß, – nicht erklärbarer Gewichtsverlust (> 10 % des Körpergewichts innerhalb von 6 Monaten). ▪



Diagnostik • klinische Untersuchung, im Besonderen – Adspektion/Palpation ▪ der peripheren Lymphknoten ▪ des Waldeyer’schen Rachenrings ▪ der Leber, Milz – Nierenfunktion, Herzfunktion, Lungenfunktion, Milz- und Lebergröße, Mikrozirkulationsstörungen • biochemisch-labordiagnostische Untersuchungen Blutplasma/Blutserum – Testmethoden zur Funktionsanalyse von Leber und Niere, im Besonderen ▪ Elektrolyte (Natrium-, Kalium-, Kalziumionen) ▪ Nierenretentionsparameter (Kreatinin, glomeruläre Filtrationsrate, Harnstoff) – LDH/Laktat-Dehydrogenase – Gesamteiweiß, Gammaglobuline, Albumin, β2-Mikroglobulin, – Blutzucker Blutbild • – quantitativ ▪ Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten, Hämatokrit – qualitativ ▪ Differentialblutbild ▪ Retikulozyten • Autoantikörper gegen Erythrozyten – Coombs-Test • Blutgerinnung – Quick-Wert, PTT/partielle Thromboplastin-Zeit • Biopsien – Lymphknotenexzision und histologische Beurteilung ▪ vorrangig für die Diagnosestellung

884

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



Knochenmarkstanzbiopsie mit Histologie eine Feinnadel-Aspiration gibt keine ausreichend aussagefähigen Untersuchungsergebnisse, ▪ möglichst eine Gewebeprobe sollte nach Einbettung in Paraffin untersucht werden – Leber bei Verdacht auf diffusen Befall – ggf. Liquorpunktion Gastroskopie, Koloskopie bildgebende Verfahren (siehe Kap. 8.15.1), im Besonderen – Sonografie ▪ aller peripheren Lymphknoten ▪ Hals, Abdomen – CT, ▪ mit Kontrastmittel ▪ besonders Hals, Thorax, Abdomen – MRT, ▪ besonders Hals, Abdomen, Becken – Ganzkörperskelettszintigrafie bei Verdacht auf Knochenbefall – ggf. PET mit 2-( 18F) Fluoro-2-desoxy-D-Glukose (FDG-PET) – Herzfunktionen, EKG, Echokardiografie immunzytologische Untersuchungen – B-Zell-Lymphome ▪ Nachweis (Immunhistochemie) der Immunmarker CD20, CD3, CD5, CD10, BCL2, BCL6, CD21 oder CD23, ▪ ggf. Duchflusscytometrie von BCR-ϰ/λ, CD19, CD20, CD5, CD23, CD10 – T-Zell-Lymphom ▪ Nachweis (Immunhistochemie) der Immunmarker CD20, CD3, CD10, BCL6, Ki67, CD5, CD30, CD2, CD4, CD8, CD7, CD56, CD21, CD23, EBER-ISH, TCRβ, TCRδ, PD1/CD279, and ALK, ▪ ggf. Duchflusszytometrie mit oder ohne der Oberflächenmarker BCR-ϰ/λ, CD45, CD3, CD5, CD19, CD10, CD20, CD30, CD4, CD8, CD7, CD2; TCRα, TCRβ und TCRγ molekularbiologische Untersuchungen zum Nachweis der Gruppenzugehörigkeit und der Monoklonalität: – B-Lymphome sind charakterisiert durch die zellspezifische Rekombination der Gene für die H-Kette des gebildeten Immunglobulins aus ▪ einem der 69 Gene für die variable Region, ▪ einem der 30 Gene für die Diversity-Region, ▪ einem der 6 Gene für die Joining Region, ▪ einer festgelegten Gensequenz für die hypervariablen Regionen (CDR/Complementarity determining regions) in der variablen Region; – T-Lymphome sind charakterisiert durch die zellspezifische Rekombination der Gene für die zwei Ketten (α und β oder γ und δ) des gebildeten T-Zell-Rezeptors, beispielsweise bei der γ-Kette aus: ▪ einem der 14 Gene für die variable Region, ▪ einem der 5 Gene für die Joining Region, ▪

• •





8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

885

einer festgelegten Gensequenz für die hypervariablen Regionen (CDR/Complementarity Determining Regions) in der variablen Region; – Mantelzell-Lymphome besitzen in 55–60 % der Fälle ▪ die Translokation t(11;14) (q13;q32), durch welche der IgH/ImmunoglobulinEnhancer in die Nähe des Genes für CCND1/Cyclin D1 zu liegen kommt und die Überexpression von CCND1 bewirkt, ▪ CCND1 ist die regulatorische Subeinheit des Cyclin D1-Kinase-Komplexes, der den Tumorsuppressor RB/Retinoblastoma-Protein phosphoryliert und inaktiviert (siehe Kap. 3.4.2), ▪ gelegentlich ist diese Translokation auch beim Multiplen Myelom oder der CLL zu finden, – follikuläre Lymphome besitzen in 70–90 % der Fälle ▪ die Translokation t(14;18) (q32;q21), durch welche der IgH/ImmunoglobulinEnhancer in die Nähe des Genes für Bcl-2 zu liegen kommt und die Überexpression des anti-apoptotisch wirkenden Bcl-2 bewirkt (siehe Kap. 3.5.4.3); – Burkitt-Lymphome besitzen ▪ die Translokation t(8;14)(q24;q32), t(2;8)(p11;q24) oder t(8;22)(q24;q11), ▪ welche alle zur konstitutiven Aktivierung des Proto-Onkogens c-myc auf Chromosom 8 führen, ▪ wobei t(8;14)(q24;q32) auch beim diffuszelligem B-Zell-Lymphom, seltener beim Multiplen Myelom zu finden ist. molekularvirologische Untersuchungen auf – Epstein-Barr-Virus (EBV) ▪ beim (endemischen) Burkitt-Lymphom, aggressiven T-/NK-Zell-Lymphom, bei der lymphomatoiden Granulomatose, – Humanes T-lymphotropes Virus 1 (HTLV-1): ▪ beim adulten (endemischen) T-Zell-Lymphom/Leukämie – Humanes Herpes-Virus 8 (HHV-8) ▪ beim Lymphom seröser Körperhöhlen (primary effusion lymphoma) bakteriologische Untersuchungen auf – Helicobacter pylori (HP): ▪ beim Lymphom des Mukosa Assoziierten Gewebes (MALT-Lymphom) des Magens. ▪





NHL sind diagnostisch abzugrenzen von Lymphknotenvergrößerungen durch andere Ursachen, wie z. B. bei: • unspezifischer Lymphadenitis, • Metastasen solider Tumoren, • Autoimmunerkrankungen – Systemischer Lupus Erythematodes; Sarkoidose, • Infektionen – Tuberkulose, – Toxoplasmose, – HIV, EBV/Epstein-Barr-Virus, CMV/Cytomegalie-Virus.

886

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Entwicklungsstadien und Klassifikationen Die Einstufung des Entwicklungsstandes des Non-Hodgkin-Lymphoms erfolgt gemäß der durch die von der UICC aktualisierte Ann-Arbor-Klassifikation (siehe Tab. 8.302). Tab. 8.302: Entwicklungsstadien und Klassifikation von Non-Hodgkin-Lymphomen (Ann-Arbor).

Stadium

Zwerchfellseite des Befalls

N

Nicht-Lymphknoten Organe/Bereiche

Lymphknotenareale

Symptome

1 Areal befallen

I E

1 Organ lokalisiert befallen

N II

B

A

B

A

B

A

B

≥ 2 Areale befallen gleiche Seite

E

Befall ≥ 1 Areale

N

Befall von ≥ 2 Arealen

E

+ 1 Organ lokalisiert befallen

Befall von ≥ 2 Arealen

+ 1 Organ lokalisiert befallen

Befall von ≥ 2 Arealen

+ Milz befallen

E+S

Befall von ≥ 2 Arealen

+ 1 Organ lokalisiert befallen + Milz befallen

1

Befall zöliakaler und/oder portaler Areale

beide Seiten

S

III

subphrenisch

+/– Milz befallen

Befall paraaortaler, mesenterialer, iliakaler und/ oder inguinaler Areale

2

IV

A

+/– Befall der regionären Lymphknoten

gleiche Seite gleiche oder beide Seiten

≥ 1 Organ multifokal befallen + Befall von entfernten Lymphknoten

A = keine Allgemeinsymptome; B = mit B-Symptomen (Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust) S = mit Milzbefall (die Milz wird in dieser Stadieneinteilung wie ein Lymphknoten behandelt) N = nodaler Befall (Lymphknoten, nicht Milz) E = extranodaler Befall (außerhalb von Lymphknoten und Milz) Risikoabschätzung der Non-Hodgkin-Lymphome (International Prognostic Index/IPI)* Risikofaktoren

Punkte

Risiko

Punktzahl

5-Jahres-Überlebensrate

Alter > 60 Jahre

1

niedrig

0–1

~ 75 %

Erhöhter LDH Spiegel im Blut

1

niedrig-mittel

2

Stadium III oder IV

1

mittel-hoch

3

Allgemeinbefinden (ECOG) ≥ 2

1

≥ 2 extranodale Tumore

1

hoch

4–5

~ 50 %

~ 25 %

ECOG = Eastern Cooperative Oncology Group performance status; LDH = Laktatdehydrogenase *) gilt für alle NHL außer Follikuläre Lymphome und Mantel-Zell-Lymphome

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

887

Histologische Klassifikation Die histologische Klassifikation der WHO basiert auf der sogenannten Kiel-Klassifikation und unterscheidet (siehe Tab. 8.303) zwischen: • Lymphoblastischen Lymphomen – vom B-Lymphozyten-Typ/B-PLL, – vom T-Lymphozyten-Typ/T-PLL, • peripheren Lymphomen – der B-Lymphozyten, – der T-Lymphozyten, wobei sich die Klassifikation der Lymphome und derjenigen der Leukämien überlappen (siehe Kap. 8.15.3 und 8.15.4). Tab. 8.303: Histologische Klassifikation der Non-Hodgkin-Lymphome. B-Lymphozyten-Lymphome

T-Lymphozyten-Lymphome

Vorläuferzell-B-Zell-Lymphome

Vorläuferzell-T-Zell-Lymphome

B-Zell-lymphoblastisches Lymphom

T-Zell-lymphoblastisches Lymphom

periphere B-Zell-Lymphome

periphere T-Zell-Lymphome

B-CLL, kleinzelliges lymphozytisches Lymphom

T-Zell-CLL/Chronisch lymphatische Leukämie

mit monoklonaler Gammopathie/ plasmazytoider Differenzierung

T-Zell-prolymphozytische Leukämie

B-Zell-prolymphozytischer Leukämie

T-Zell-großzelliges granuliertes lymphatisches Lymphom

lymphoplasmozytisches Lymphom

Mycosis fungoides/Sezary-Syndrom

Mantelzell-Lymphom

peripheres T-Zell-Lymphom, nicht spezifiziert

blastisches Mantelzell-Lymphom

hepatosplenisches gamma/delta T-Zell-Lymphom

follikuläre Lymphome

subkutanes Pannikulitis-ähnliches T-Zell-Lymphom

Varianten Grad 1, 2 und 3

angio-immunoblastisches T-Zell-Lymphom

kutanes follikuläres Keimzentrumslymphom

extranodales NK/T-Zell-Lymphom, nasaler Typ

Marginalzonen-B-Zell-Lymphome

Enteropathie-typisches T-Zell-Lymphom

extranodales Marginalzonen-B-Zell-Lymphom vom MALT-Typ

adulte T-Zell-Leukämie/Lymphom; HTLV/humanes T-Lymphotropes Virus-1 positiv

nodales Marginalzonen-B-Zell-Lymphom

anaplastisches großzelliges Lymphom

Marginalzonen-B-Zell-Lymphom der Milz

primär systemischer Typ

Haarzell-Leukämie

primär kutaner Typ

Plasmazell-Myelom/Plasmazytom

aggressive NK/Natürliche Killerzellen-Leukämie

diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom zentroblastisch, immunoblastisch, anaplastisch-großzellig

888

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

B-Lymphozyten-Lymphome

T-Lymphozyten-Lymphome

T-Lymphozyten oder Histiozyten-reich mediastinales (thymisches) großzelliges B-Zell-Lymphom intravaskuläres großzelliges B-Zell-Lymphom primäres Ergusslymphom Burkitt-Lymphom atypisches (pleomorphes) Burkitt-Lymphom

8.15.8.2 Indolente (reife/schmerzlose) B- und T-Zell-Lymphome Die indolenten (reifen/schmerzlosen) B-Zell- und T-Zell-Lymphome stellen eine heterogene Gruppe und umfassen: • das lymphoplasmozytische Lymphom (Morbus Waldenström), • das Marginalzonenlymphom, – das nodale Marginalzonen-Lymphom, – das splenische Marginalzonen-Lymphom, – die nichtnodalen Marginalzonen-Lymphome, ▪ im Besonderen des MALT/Mukosa-Assoziiertes Lymphoides Gewebe/Tissue, – das follikuläre Lymphom, ▪ welches das häufigste indolente Lymphom darstellt und gemäß seinem zellulären Differenzierungsgrad eingeteilt wird in Grad 1, 2 und Grad 3a und Grad 3b, – und das Mantelzell-Lymphom ▪ welches teilweise auch den aggressiven Lymphomen zugerechnet wird. Des Weiteren werden den indolenten Lymphomen zugeordnet: • die chronische lymphatische/Lymphozyten-Leukämie/CLL (siehe Kap. 8.15.4.1), • die Haarzell-Leukämie (siehe Kap. 8.15.4.2). Indolente Lymphome werden meist erst im fortgeschrittenen Stadium (Stadium III und IV) erstmals diagnostiziert. Therapiestrategien beinhalten je nach Subgruppe: • intensive Chemotherapie-Schemata – aufgeführt bei den einzelnen Subgruppen der indolenten Lymphome, – aufgeführt zur Therapie des Hodgkin-Lymphoms (siehe Kap. 8.15.7; Tab. 8.301), • Immuntherapie – mit monoklonalen Anti-CD20-Antikörpern (Rituximab) alleine oder in Kombination mit Chemotherapie-Schemata, – als Radioimmuntherapie/RIT mit Yttrium-90-AntiCD20-Antikörper (IbritumomabTiuxetan), – mit Interferon-α,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes





889

hämatopoetische Stammzelltransplantationen – autolog nach Hochdosis-Chemotherapie, – allogen, ▪ falls ein geeigneter Spender vorliegt, ▪ falls der Empfänger Transplantations-fähig ist, ▪ mit einer geeigneten Konditionierung des Empfängers; perkutane intensivierte Feld/IF-Radiotherapie – bei lokal beschränkten Lymphomen, – zur Beseitigung von Rest-Lymphomen, – zur Behandlung von Ausbreitungen der Lymphome in Knochen.

8.15.8.3 Aggressive B- und T-Zell-Lymphome Aggressive Lymphome: • sind schnellwachsende, hochmaligne Tumore, – ca. 85 % sind B-Lymphozyten Tumore ▪ hiervon ist das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom/DLCL-B/Diffuse Large Cell Lymphoma-B das häufigste (ca. 30 %) Non-Hodgkin-Lymphom, – ca. 15 % sind T-Lymphozyten/Zelltumoren, • haben ihren Altersgipfel bei > 60 Jahren (> 50 % der Patienten). Die Symptome, diagnostische Verfahren, Entwicklungsstadien und Klassifikation der Entwicklungsstadien I–IV der aggressiven Lymphome entsprechen denjenigen aller anderen NHL (siehe Kap. 8.15.1). Die prognostischen Faktoren sind gemäß dem IPI/Internationalen Prognostischen Index ausgewählt und prognostisch gewichtet (siehe Tab. 8.304).

Tab. 8.304: Risikofaktoren und Risikoeinstufung der aggressiven Lymphome (IPI). Risiko Prognostische Faktoren

Punkte

Alter > 60 Jahre

1

LDH-Wert erhöht

1

Stadium > II

1

Allgemeinbefinden > 2*

1

> 1 extranodaler Tumor

1

Summe der Punkte

5-Jahres-Überleben *) gemäß ECOG: The Eastern Cooperative Oncology Group IPI = Internationaler pronostischer Index

Niedrig

Mittel

Mittel–Hoch

Hoch

0–1

2

3

4–5

> 50 %

< 50 %

< 50 %

< 50 %

890

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Die aggressiven Lymphome werden: • histologisch und klinisch in unterschiedliche Gruppen differenziert, • therapeutisch in weitgehend einheitlicher Weise angegangen. Therapiestrategien Aggressive Lymphome sind grundsätzlich sensitiv für eine Chemotherapie • etwa 90 % erreichen eine CR/komplette Remission, • die Wahl der Chemotherapie-Schemata hängt ab von den Risikofaktoren gemäß dem IPI/Internationalen Prognostischen Index, • nach einer CR sind Rezidive > 3 Jahre relativ selten. Die Therapie beinhaltet • in allen Stadien (I–IV) Immuno-Chemotherapie – intensive Chemotherapie ▪ bevorzugt CHOP-Schema (siehe Tab. 8.305) – Immuntherapie ▪ monoklonale Anti-CD20-Antikörper (Rituximab) ▪ in Kombination mit Chemotherapie der alleinigen Chemotherapie überlegen • Prophylaxe ZNS-Befall – bei extranodalem Befall (im Besonderen Hoden), hoher LDH/Laktat-Dehydrogenase-Wert im Serum – Hochdosis-Methotrexat (1,5 g/m2 ) i. v. • perkutane Radiotherapie – bevorzugt intensiviertes Feld/IF; kumulative Dosis 40–46 Gy ▪ bei Rest-Lymphknoten (nach Biopsie und nach Immuno-Chemotherapie) ▪ bei Resttumoren (nach Immuno-Chemotherapie) ▪ bei extranodalem Befall des Knochens ▪ palliativ im fortgeschrittenen Stadium Rezidive • Chemotherapie alternativ zu derjenigen der Induktionstherapie (siehe Tab. 8.305 und Tab. 8.306) • bei ausreichendem Allgemeinbefinden und < 70 Jahren – Hochdosis-Chemotherapie und – autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation • bei jungen Patienten – Hochdosis-Chemotherapie und – allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation ▪ falls ein geeigneter Spender vorliegt, ▪ falls der Empfänger transplantationsfähig ist, ▪ mit einer geeigneten Konditionierung des Empfängers

891

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

Tab. 8.305: Möglichkeiten der Chemotherapie und/oder Immuntherapie bei aggressiven Lymphomen.

Schema

Immuntherapie

Chemotherapie

Kortikosteroid Wachstumsfaktor

COPP

Cyclophosphamid (650 mg/m2, Tag 1 und 8) + Procarbazin (100 mg/m2; Tag 1–14) + Vincristin (1,4 mg/m2 ≤ 2,0 mg absolut), Tag 1

+

Prednison (40 mg/m2, Tag 1–1 4)

CHOP-21

Cyclophosphamid (750 mg/m2, Tag 1) + Doxorubicin (50 mg/m2, Tag 1) + Vincristin (1,4 mg/m2 ≤ 2,0 mg absolut), Tag 1 und 8

+

Prednison (100 mg, Tag 1–5)

+

CHOP-14

Cyclophosphamid (750 mg/m2, Tag 1) + Doxorubicin (50 mg/m2, Tag 1) + Vincristin (1,4 mg/m2 ≤ 2,0 mg absolut), Tag 1

Prednison (100 mg, Tag 1–5)

+

G-CSF (Tag 4–13)

+

Prednison (100 mg, Tag 1–5)

+

G-CSF Tag 4–13

+

Prednison (100 mg, Tag 1–5)

+

G-CSF (Tag 4–13)

+

Prednison (100 mg, Tag 1–5)

+

G-CSF Tag 4–13

Cyclophosphamid (750 mg/m2, Tag 1) + Doxorubicin (50 mg/m2, Tag 1) + Vincristin (1,4 mg/m2, ≤ 2,0 mg absolut), Tag 1 + Etoposid (100 mg/m2; Tag 1–3)

CHOEP -21 oder -14

R-CHOP -21 oder -14

R-CHOEP -21 oder -14

R-B

Rituximab (375 mg/m2, Tag 1)

Rituximab (375 mg/m2, Tag 1)

Rituximab (375 mg/m2, Tag 1)

+

+

+

MCP

R-MCP

Rituximab (375 mg/m2, Tag 1)

+

Cyclophosphamid (750 mg/m2, Tag 1) + Doxorubicin (50 mg/m2, Tag 1) + Vincristin (1,4 mg/m2 ≤ 2,0 mg absolut), Tag 1 Cyclophosphamid (750 mg/m2, Tag 1) + Doxorubicin (50 mg/m2, Tag 1) + Vincristin (1,4 mg/m2, ≤ 2,0 mge absolut), Tag 1 + Etoposid (100 mg/m2; Tag 1–3)

Wiederholung

Tag 29

Tag 22 (6 Zyklen)

Tag 15 (6 Zyklen)

Tag 22 oder Tag 15 (6 Zyklen)

Tag 22 oder Tag 15 (6 Zyklen)

Tag 22 oder Tag 15 (6 Zyklen) Tag 29 (4–6 Zyklen)

Bendamustin (90 mg/m2, Tag 1–2)

Chlorambucil (dreimal 3 mg/m2, Tag 1–5) + Mitoxantron (8 mg/m2, Tag 1–2)

+

Prednison (25 mg/m2, Tag 1–5)

Tag 22 (6 Zyklen)

Chlorambucil (dreimal 3 mg/m2, Tag 1–5) + Mitoxantron (8 mg/m2, Tag 1–2)

+

Prednison (25 mg/m2, Tag 1–5)

Tag 22 (6 Zyklen)

892

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Schema

Immuntherapie

R-FC

Rituximab (375 mg/m2, Tag 1)

R-FCM

Rituximab (375 mg/m2, Tag 1)

R

Rituximab (375 mg/m2, Tag 1)

I-T

IbritumomabTiuxetan (Yttrium-90Anti-CD20Antikörper)

Interferon-α

dreimal 3–5 Mio. I.E/Woche

Chemotherapie

Kortikosteroid Wachstumsfaktor

Wiederholung

+

Cyclophosphamid (200 mg/m2, Tag 2–4) + Fludarabin (25 mg/m2, Tag 2–3)

Tag 29 (4–6 Zyklen)

+

Cyclophosphamid (200 mg/m2, Tag 2–4) + Mitoxantron (6–8 mg/m2, Tag 2) + Fludarabin (25 mg/m2, Tag 2–3)

Tag 29 (4–6 Zyklen) Tag 60 (12 Zyklen/ 2 Jahre)

Tab. 8.306: Möglichkeiten der Chemotherapie +/−Immuntherapie bei Rezidiven aggressiver Lymphome.

Schema

Kortikosteroid/ Chemotherapie

Wachstumsfaktor

Wiederholung

Dexa-Beam

Dexamethason (300 mg, Tag 1–10) + BCNU (60 mg/m2, Tag 2) + Etoposid (75 mg/m2, Tag 4–7) + Cytarabin (zweimal 200 mg/m2, Tag 4–7) + Melphalan (20 mg/m2, Tag 3)

G-CSF (ab Tag 11)

Tag 22 (–28)

ICE

Ifosfamid (5.000 mg/m2, Tag 2) + Etoposid (100 mg/m2, Tag 1–3) + Carboplatin (AUC5; max. 800 mg, Tag 2)

G-CSF (ab Tag 11)

Tag 15 (–22)

DHAP

Dexamethason (40 mg, Tag 1–4) + Cytarabin (zweimal 1 g/m2, Tag 2) + Cisplatin (100 mg/m2, Tag 1)

Rituximab (375 mg/m2, Tag 1)

in Kombination mit Dexa-BEAM, ICE oder DHAP

Tag 29

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

893

8.15.9 B-Zell-Lymphome 8.15.9.1 Follikuläre Lymphome Vorkommen Follikuläre Lymphome entsprechen den zentroblastisch/zentrozytischen Lymphomen der Kiel-Klassifikation Das follikuläre Lymphom entsteht aus den B-Lymphozyten der Keimzentren und • stellt mit 20–35 % aller neu diagnostizierten NHL-Patienten das häufigste, indolente Non-Hodgkin Lymphom (NHL) in Westeuropa und USA dar, • ist in Asien ist es selten • hat eine Neuerkrankungsrate von etwa 5–7/100.000 Personen/Jahr, – das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen 60–65 Jahren, – Männer erkranken gleich häufig wie Frauen. Symptome Die Symptome entsprechen denjenigen der Lymphome im Allgemeinen (siehe Kap. 8.15.8). Risikofaktoren Besondere Risikofaktoren stellen dar die Expositionen mit • mit Benzol (beruflich als Berufskrankheit anerkannt) • mit Pestiziden • mit Tabak (aktiv wie passiv) Diagnostik Follikuläre Lymphome werden zu ca. 80 % im fortgeschrittenen Stadium erstmals diagnostiziert. Die Diagnostik entspricht derjenigen der Lymphome im Allgemeinen (siehe Kap. 8.15.8.1) mit folgenden Besonderheiten: • molekularbiologische Untersuchung – in ca. 90 % der Fälle weisen follikuläre Lymphome die Translokation t(14;18) (q32;q21) auf, ▪ durch welche der IgH/Immunglobulin-Enhancer in die Nähe des Gens für das anti-apoptotisch wirkende Bcl-2 gelangt und zu dessen konstitutiver Überexpression führt (siehe Kap. 4.5). ▪ etwa 70 % dieser Translokation finden sich in der Major Breakpoint Region des BCL-2 Lokus, 10–15 % in der Minor Breakpoint Region des BCL-2 Lokus, ▪ die BCL-2 Translokationen sind charakteristisch, aber nicht spezifisch für das follikuläre Lymphom (sie werden selten auch bei Gesunden im Knochenmark und im lymphatischem Gewebe nachgewiesen). • Immunzytologische Untersuchung – Immunohistochemischer Nachweis der Immunmarker CD20, CD3, CD5, CD10, BCL2, BCL6, Cyclin D1, CD21, oder CD23,

894

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



Durchflusszytometrischer Nachweis von BCR ϰ/λ, CD19, CD20, CD5, CD23, CD10 (bei leukämischem Verlauf).

Histologische Klassifikation • gemäß dem Ausmaß der Dedifferenzierung erfolgt eine Unterteilung in: – Grad 1 ▪ Anteil der Zentroblasten 0–5 % ▪ indolentes Lymphom, ▪ Strahlenempfindlichkeit hoch (kurativ) – Grad 2 ▪ Anteil der Zentroblasten 6–15 % ▪ indolentes Lymphom ▪ Strahlenempfindlichkeit hoch – Grad 3A ▪ Anteil der Zentroblasten > 15 % ▪ indolentes Lymphom – Grad 3B ▪ Anteil der Zentroblasten 100 % ▪ aggressives Lymphom ▪ Anteil ca. 20 % der Follikulären Lymphome.

Entwicklungsstadien, Risikoparameter und Prognose Die Einstufung der Entwicklungsstadien erfolgt nach dem FLIPI/Follicular Lymphoma International Prognostic-Index in drei Stufen (siehe Tab. 8.307). Tab. 8.307: Entwicklungsstadien, Risikoparameter und Prognose des follikulären Lymphoms (Buske et al. 2019). Stadium

Befall Lymphknotenareale*)

Befall extralymphnodaler Areale

I



oder

≥ 2 × (auf einer Seite des Zwerchfells)

oder

≥ 2 × (auf einer Seite des Zwerchfells)

und

≥ 2 × (auf beiden Seiten des Zwerchfells)

oder

≥ 1 × (ggf. auf beiden Seiten des Zwerchfells)

und

≥ 1 × (lokalisiert, ggf. auf beiden Seiten des Zwerchfells

+/− Befall

und/oder

≥ 1 × (disseminiert)

1 × (lokalisiert)

II

III

IV

1 × (lokalisiert)

A

keine B-Symptome

B

mit B-Symptomen (nicht erklärbares Fieber > 38 °C, nicht erklärbarer Nachtschweiß, nicht erklärbarer Gewichtsverlust (> 10 % des Körpergewichts innerhalb von 6 Monaten)

*) Lymphknotenareal: Lymphknoten, Milz, Thymus, Waldeyer’scher Rachenring, Appendix, zervikale, axilläre oder inguinale Lymphknoten sowie Leber- oder Milz je ein Areal

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

895

Risikoparameter und Prognose des follikulären Lymphoms. Risikofaktoren (RF)

Rezidivrisiko Punkte

FLIPI-1

Niedrig

Mittel

Hoch

Anzahl der RF 0–1

Anzahl der RF 2

Anzahl der RF > 3–5

FLIPI-1

~ 90 %

~ 80 %

~ 50 %

FLIPI-2

~ 80 %

~ 50 %

~ 20 %

~ 60- 70 %

~ 50 %

~ 30–40 %

FLIPI-2 1

Alter > 60 Jahre Stadium III oder IV

Lymphknoten > 6 cm

> 4 befallene Lymphknotenareale

Knochenmark-Befall

LDH-Erhöhung

β2-Mikroglobulin-Erhöhung

Hämoglobin < 12 g/dl

1 1 1 1

5-Jahres-Überleben 10-Jahres-Überleben (FLIPI-1) FLIPI = Follicular Lymphoma International Prognostic-Index

Von Seiten der GELF/Groupe d’Etude des Lymphomes Folliculaires werden folgende Kriterien empfohlen zur Identifizierung von Patienten, welche eine sofortige Behandlung benötigen: • Befall von 3 Lymphknoten in 3 unterschiedlichen Arealen, jeder Lymphknoten ≥ 3 cm im Durchmesser • 1 Tumor ≥ 7 cm im Durchmesser • systemische Symptome • symptomatische Milzvergrößerung • Ascites oder pleurale Effusionen • Zytopenien (Leukozyten < 1.0 × 109/L und/oder Thrombozyten < 100 × 109/L) • Leukämie (> 5.0 × 109/L Leukämie-Zellen)

Differenzialdiagnose Abzugrenzen vom Follikulären Lymphom sind • entzündlich bedingte Lymphknotenvergrößerungen bakteriellen oder viralen Ursprungs (z. B. Tuberkulose, Toxoplasmose, Epstein-Barr-Virus, Zytomegalievirus, HIV) • andere maligne Lymphome, Lymphknotenmetastasen solider Tumoren oder eine Sarkoidose • Subgruppen des Follikulären Lymphoms mit anderer Prognose wie z. B. – duodenales follikuläres Lymphom, follikuläres Lymphom vom pädiatrischen Typ und follikuläres Lymphom in situ

Therapiestrategien Die Art der Therapie richtet sich nach dem Stadium der Erkrankung (siehe Tab. 8.308)

896

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.308: Strategie der Therapie des Follikulären Lymphoms (in Anlehnung an Buske et al. 2019). Stadium I (ohne RF)

Stadium I (mit RF)



oder



IF-Radiotherapie (25–30 Gy)

Stadium II

Symptome?

▾ oder engmaschige Kontrolle

▾ oder

Anti-CD20 AK Rituximab

Stadium III oder IV



nein

ja

IF-Radiotherapie (25–30 Gy)



Allgemeinzustand?

▾ oder InduktionsChemotherapie (CHOP)

▾ gut

engmaschige Kontrolle

schlecht





Möglichkeit 1

Möglichkeit 2

Rituximab + CHOP

Obinutuzumab + CHOP







oder

oder

oder

Anti-CD20 AK Rituximab

Rituximab + Bendamustin

Obinutuzumab + Bendamustin







oder

oder

oder

Rituximab + CVP

Obinutuzumab + CVP

engmaschige Kontrolle





oder falls Tumor klein

falls CR oder PR

Rituximab

▾ falls CR oder PR Rituximab Erhaltungstherapie CHOP = Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin + Prednison; CVP = Cyclophosphamid + Vincristin + Prednison; RF = Risikofaktoren;

Obinutuzumab Erhaltungstherapie

idividuelle Therapie

▾ ggf.

Rituximab

▾ oder

Chlorambucil

▾ oder

bestmögliche palliative Therapie

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

897

Die Erstlinientherapie umfasst • eine lokale perkutane involvierte Feld/IF-Radiotherapie mit einer Gesamtdosis von 25–30 Gy, • eine Chemoimmuntherapie. Folgende Möglichkeiten haben sich bewährt – CHOP (Cyclophosphamid + Doxorubicin/Hydroxidaunorubicin + Vincristin/Oncovin + Prednison) + monoklonaler Anti-CD20-Antikörper (Obinutuzumab oder Rituximab), – Bendamustin + Obinutuzumab oder Rituximab, – CVP (Cyclophosphamid + Vincristin + Prednison) + Obinutuzumab oder Rituximab, – Lenalidomid + Rituximab Die Auswahl erfolgt Stadium-abhängig (siehe Tab. 8.308) • Stadium I (ohne Risikofaktoren) – lokale perkutane iF-Radiotherapie der Lymphome – potentiell kurativ; nach 10 Jahren sind ca. 85 % der Patienten krankheitsfrei; • Stadium I (mit Risikofaktoren) und Stadium II – lokale perkutane IF-Radiotherapie oder – Induktionschemotherapie mit CHOP oder Rituximab (chimärer monoklonaler Anti-CD20-Antikörper) oder – engmaschige Kontrolle • Stadium III und IV – bei fehlenden Krankheitssymptomen abwarten und engmaschige Kontrolle, – bei Krankheitssymptomen ▪ Induktionstherapie mit CHOP, Bendamustin oder CVP jeweils in Kombination mit Rituximab oder Obinutuzumab ▪ als Konsolidierungstherapie Rituximab oder Obinutuzumab ▪ als Erhaltungstherapie Rituximab oder Obinutuzumab Als Zweitlinientherapie können verabreicht werden • diejenigen therapeutischen Möglichkeit der Erstlinientherapie, welche noch nicht verabreicht worden sind, • eine Radioimmuntherapie (RIT) mit Ibritumomab-Tiuxetan ( 90 Yttrium, gekoppelt an einen monoklonalen Anti-CD20-Antikörper), • Inhibitoren der PI3Kinase wie Idelalisib, Copanlisib oder Duvelisib Für ältere oder gesundheitlich instabile Patienten sollten folgende Alternativen für die Erst- und Zweitlinientherapie eingesetzt werden • Rituximab (375 mg/m 2 wöchentlich) • Chlorambucil + Rituximab • Cyclophosphamid + Rituximab • Chlorambucil • Cyclophosphamid • Ibritumomab tiuxetan

898

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Bei Rezidiven ist anzuraten • eine erneute Biopsie und Histologie zum Ausschluss der Transformation in ein aggressives Lymphom • Wahl einer Immununo-Chemotherapie-Schema alternativ zu der Primärtherapie (siehe Tab. 8.309) – falls das Rezidiv innerhalb von 6 Monaten nach Ende der Primärtherapie aufgetreten ist, – nur eine Chemotherapie, falls eine Resistenz gegen die Immuntherapie (Rituximab) vermutet werden kann • ggf. allogene Stammzelltransplantation – falls ein geeigneter Spender vorliegt, – falls der Empfänger transplantationfähig ist, – mit einer geeigneten Konditionierung (z. B. Fludarabin und Busulfan) des Empfängers

Tab. 8.309: Mono- und Kombinationstherapie beim follikulärem Lymphom.

Schema

Immuntherapie

R-CHOP

Rituximab (375 mg/m2, Tag 1)

+

R-B

Rituximab (375 mg/m2, Tag 1)

+

Chemotherapie

MCP

Kortikosteroid

Cyclophosphamid (750 mg/m2, Tag 1) + Doxorubicin (50 mg/m2, Tag 1) + + Vincristin (1,4 mg/m2 ≤ 2,0 mg absolut, Tag 1) Bendamustin (90 mg/m2, Tag 1–2)

Prednison (100 mg, Tag 1–5)

Wiederholung Tag 22 (6 Zyklen) Tag 29 (4–6 Zyklen)

Chlorambucil (dreimal 3 mg/m2, Tag 1–5) + Mitoxantron (8 mg/m2, Tag 1–2)

Prednison Tag 22 + (25 mg/m2, (6 Zyklen) Tag 1–5) Prednison Tag 22 + (25 mg/m2, (6 Zyklen) Tag 1–5)

R-MCP

Rituximab (375 mg/m2, Tag 1)

+

Chlorambucil (dreimal 3 mg/m2, Tag 1–5) + Mitoxantron (8 mg/m2, Tag 1–2)

R-FC

Rituximab (375 mg/m2, Tag 1)

+

Cyclophosphamid (200 mg/m2, Tag 2–4) + Fludarabin (25 mg/m2, Tag 2–3)

Tag 29 (4–6 Zyklen)

R-FCM

Rituximab (375 mg/m2, Tag 1)

+

Cyclophosphamid (200 mg/m2, Tag 2–4) + Mitoxantron (6–8 mg/m2, Tag 2) + Fludarabin (25 mg/m2, Tag 2–3)

Tag 29 (4–6 Zyklen)

R

Rituximab (375 mg/m2, Tag 1)

I-T

IbritumomabTiuxetan (Yttrium-90AntiCD20Antikörper)

Tag 60 (12 Zyklen/ 2 Jahre)

899

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

Tab. 8.310: Wertigkeit der Behandlungsschemata für das follikuläre Lymphom. Altersgruppe Therapiephase

R-CHOP Induktionstherapie

Jung

Mittel

+

+

Älter

Wirksamkeit

Verträglichkeit

Stammzelltoxizität

gut

gut

gering

R-B

+

gut

sehr gut

mittel

R-MCP

+

gut

mäßig

hoch

R-FC(M)

+

gut

mäßig

hoch

+

+

gut

gut

gering

+

gut

gut

gering ?

I-T Konsolidierungs-/ Erhaltungstherapie

Wertigkeit

Schema

R

+

+

I-T

+

+

gut

mäßig

Interferon-α

+

+

mäßig

mäßig

Follikuläres großzelliges B-Zell-Lymphom, • ähnelt dem follikulärem Lymphom (siehe Kap. 8.15.9.1), • der kurative Erfolg der Therapie ist – bei frühen Entwicklungsstadien (Stadium I, II) so hoch wie bei allen anderen aggressiven Lymphomen, – bei fortgeschrittenen Entwicklungsstadien (Stadium III und IV) ▪ mit einer Hochdosis-Chemotherapie und autologen hämatopoetischen Stammzelltransplantation ähnlich demjenigen bei diffusem großzelligen BZell-Lymphom (10-Jahres-Überleben ~ 40 %).

8.15.9.2 MTZL/Mantelzell-Lymphome Vorkommen MTZL/Mantelzell-Lymphome stellen ein seltenes B-Zell-Lymphom der Lymphozyten in der Mantel-Zone rund um die Follikel dar; • etwa 6 % aller NHL/Non-Hodgkin-Lymphome sind MTLZ, • Männer sind stärker betroffen als Frauen (M : W = 4 : 1), • Der Altersgipfel liegt bei etwa 60 Jahren. – Frühe Stadien mit Mantelzell-Lymphozyten werden den indolenten Lymphomen zugerechnet (siehe Kap. 8.15.8.2), – späte Stadien mit einem diffusen histologischen Bild und/oder die Variante mit blastoiden Lymphozyten gelten als aggressive Lymphome. Beide Stadien zeichnen sich aus durch: • – eine weitgehende Resistenz gegen Chemotherapeutika, – ein mittleres Überleben von 3–5 Jahren, wobei ungünstig für die Prognose sind ▪ ein hoher Mitose-Index und eine hoher Proliferationsrate (mit Antiköper Ki-67 markierbare Zellen), ▪ erhöhtes β2-Mikroglobulin im Serum.

900

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Risikofaktoren Die Ursachen sind unbekannt. Jedoch sind in Mantelzell-Lymphomen folgende wesentliche Mutationen zu finden • häufig (70–80 %) die Translokation t(11;14) (q13;q32), durch welche der IgH/Immunoglobulin-Enhancer in die Nähe des Genes für CCND1/Cyclin D1 zu liegen kommt und hierdurch CCND1 überexprimiert wird, – CCND1 ist die regulatorische Subeinheit des Cyclin D1-Kinase-Komplexes, der den Tumorsuppressor RB/Retinoblastoma-Protein phosphoryliert und inaktiviert (siehe Kap. 3.4.2), • selten die Translokation t(14;18) (q32;q21), durch welchen der Bcl-2-Locus (18q21) in Nachbarschaft zum IgH/Immunoglobulin-Enhancer (14q32) zu liegen kommt, sodass das Proto-Onkogen Bcl-2 konstitutiv aktiviert wird, • häufig (ca. 35 %) aktivierende Mutationen für CCND1, • häufig inaktivierende Mutationen der Gene für – ATM (40 % der Fälle) beteiligt an der DNA-Reparatur, – den Onkogensuppressor TP53 (30 % der Fälle). Symptome Die allgemeinen Symptome entsprechen denjenigen der NHL (siehe Kap. 8.15.8.1). Jedoch zeigen MTZL • meist einen aggressiveren Verlauf mit – Lymphknotenvergrößerung und Splenomegalie, – extranodalen Manifestationen ▪ im Darm, ▪ in den Meningen des ZNS, • in 80–90 % der Fälle eine Knochenmarksinfiltration, • in 20–30 % Lymphomzellen im Blut. Diagnostik In Ergänzung zu den diagnostischen Verfahren für NHL (siehe Kap. 8.15.8) werden empfohlen • Molekulargenetische Untersuchungen (FISH, PCR) der – Translokation t(11;14) (q13;q32), ggf. auch für t(14;18) (q32;q21), – Amplifikation/aktivierende Mutation des Gens für das Cyclin D1-Protein (CCND1), – Inaktivierende Mutation des Gens für TP53 (assoziiert mit aggressiven, blastoiden Typ des Mantel-Zell-Lymphoms), – Gen-Umlagerungen für den Antigen-Rezeptor auf B-Lymphozyten (BCR/B-CellReceptor) – Hypermutationen des IgHV (im BCR). ▪ Gleichzeitig fehlende Expression des Transkriptionsfaktors SOX11 ist assoziiert mit einer leukämischen Form des Mantel-Zell-Lymphoms, • Immunzytologische Untersuchungen – Überexpression des Cyclin D1-Proteins (CCND1) – Nachweis des Transkriptionsfaktors SOX11 (SRY-related HMG-box)

901

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

exprimiert in ~ 90 % der Mantel-Zell-Lymphome, aber auch in Burkitt-Lymphomen und lymphoblastischen Lymphomen, ▪ negativ in allen übrigen B-Zell-Lymphomen Immunohistochemischer Nachweis von CD20, CD3, CD5 (Inhibitor des BCR/B-CellReceptor), CD10, BCL2, BCL6, Cyclin D1, CD21, CD23, Ki-67 Durchflusszytometrischer Nachweis von BCR ϰ/λ, CD19, CD20, CD5, CD23, CD10 (bei leukämischem Verlauf) ▪

– –

Klassifikationen und Risikogruppen Die Entwicklungsstadien werden bestimmt nach der Ann-Arbor-Klassifikation, die Risiken und die Prognose mit dem Mantle Cell International Prognostic Index (MIPI) entsprechend der Empfehlung der ESMO/European Society for Medical Oncology (siehe Tab. 8.311). Tab. 8.311: Entwicklungsstadien, Risikoparameter und Prognose der Mantelzell-Lymphome (Dreyling et al. 2016). Stadium

Befall Lymphknotenareale*)

Befall extralymphnodaler Areale

I



oder

≥ 2 × (auf einer Seite des Zwerchfells)

oder

≥ 2 × (auf einer Seite des Zwerchfells)

und

≥ 2 × (auf beiden Seiten des Zwerchfells)

oder

≥ 1 × (ggf. auf beiden Seiten des Zwerchfells)

und

≥ 1 × (lokalisiert, ggf. auf beiden Seiten des Zwerchfells

und/oder

≥ 1 × (disseminiert)

1 × (lokalisiert)

II

1 × (lokalisiert auf gleicher Seite des Zwerchfells)

III

III-1

subphrenische Lokalisation (Milz, zöliakale und/oder portal Ln)

III-2

subphrenische Lokalisation (paraaotale, mesenteriale, iliakale und/oder inguinale Ln)

IV

+/− Befall A

keine B-Symptome

B

mit B-Symptomen (nicht erklärbares Fieber > 38 °C, nicht erklärbarer Nachtschweiß, nicht erklärbarer Gewichtsverlust (> 10 % des Körpergewichts innerhalb von 6 Monaten)

*) Lymphknotenareal: Lymphknoten, Milz, Thymus, Waldeyer’scher Rachenring, Appendix, zervikale, axilläre oder inguinale Lymphknoten sowie Leber- oder Milz je ein Areal Allgemeinzustand (ECOG)

Alter (Jahre)

LDH (E/L)

Risiko

Leukozytenzahl (109/l)

< 50

0P

0–1

0P

< 0,67

0P

< 6.700

0P

50–59

1P

0–1

0P

0,67–0,99

1P

6.700–9.999

1P

60–69

2P

2–4

2P

1,0–1,49

2P

10.000–14.999

2P

≥ 70

3P

2–4

2P

≥ 1,50

3P

≥ 15.000

3P

mittleres Gesamtüberleben (OAS/Overall survival)

niedrig

mittel

hoch

0–3 Punkte

4–5 Punkte

≥6 Punkte

> 5Jahre

~ 50 Monate

~ 30 Monate

902

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Therapiestrategien Die Therapiestrategie ist abhängig vom Entwicklungsstadium des Mantel-Zell-Lymphoms (siehe Tab. 8.312), wie auch vom Alter und Allgemeinzustand des Patienten, wobei ImmunoChemotherapie-Schemata Anwendung finden, die auch beim follikulären Lymphom verabreicht werden (siehe Tab. 8.307). Für die Erstlinien-Therapie gilt daher • Stadium I und II – eine Chemotherapie gefolgt von einer Involviertes Feld/IF-Radiotherapie mit 30– 36 Gy • alle Stadien – aggressive Induktionstherapie bei jungen und ausgewählten älteren Patienten mit guten Allgemeinbefinden mit einem der Schemata ▪ BEAM: Carmustin + Etoposid + Cytarabin + Melphalan; ▪ BR: Rituximab + Bendamustin; ▪ CVAD: Cyclophosphamid + Vincristin + Doxorubicin + Dexamethason ▪ R-BAC: Rituximab + Bendamustin + Arabinocytosin ▪ R-Cb: Rituximab + Chlorambucil; ▪ R-DHAP: Rituximab + Dexamethason + Cytarabin + Cisplatin, ▪ R-HAD: Rituximab + hochdosiertes Cytarabin + Dexamethason; ▪ R-DHAX: Rituximab + Dexamethason + Cytarabin + Oxaliplatin oder ▪ Hyper-CVAD: Cyclophosphamid + Vincristin + Doxorubicin/Adriamycin + Dexamethason im Wechsel mit Hochdosis − Methotrexat + Cytarabin + Rituximab, ▪ wobei die Gefahr des Tumor-Lyse-Syndroms bedacht werden sollte, – gefolgt von einer Konsolidierungs- Therapie, bestehend aus ▪ einer Hochdosis Chemoimmuntherapie und einer nachfolgenden ▪ Transplantation autologer hämatopoetischer Stammzellen • In älteren Patienten mit gutem Allgemeinbefinden sollte ggf. ein weniger aggressives Behandlungsschema gewählt werden, wie z. B. – R-CHOP: Rituximab + Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin + Prednison und – R-CHBoP: Rituximab + Cyclophosphamid + Doxorubicin + Bortezomib + Prednison; – eine Erhaltungstherapie mit Rituximab • Ältere Patienten, welche ungeeignet sind für eines der genannten Behandlungsschemata kann eine milde und palliative Form der Chemotherapie gewählt werden wie z. B. – Bendamustin + Rituximab

903

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

Tab. 8.312: Strategie der Therapie des Mantel-Zell-Karzinoms (in Anlehnung an Dreyling et al. 2016). alle Stadien





ohne Symptome (indolent)

mit Symptomen (und/oder progredient)





Allgemeinzustand?

engmaschige Kontrolle

gut

schlecht





Alter?

R-CB

≤ 65 Jahre

> 65 Jahre







oder

R-CHOP oder R-DHAP

R-ChboP oder BR oder R-CHOP

BR







CR/PR



CR/PR NR, PD, Rezidiv

THAM oder BEAM





ImmunoChemotherapie R-BAC oder BR

gefolgt von autologe SZT





▾ Erhaltung (Rituximab)

R NR, PD, Rezidiv

▾ ImmunoChemotherapie R-BAC oder BR



gefolgt von



allogene SZT

und

gefolgt von

Erhaltung (Rituximab) oder

allogene Stammzelltransplantation/ SZT

Erhaltung (Rituximab)

R-Hyper CVAD





oder

oder





oder

Ibrutinib oder

oder



oder

Lenalidomid + Rituximab

Temserolimus

oder

oder

Bortezumib

Venetoclax

BEAM = Carmustin + Etoposid + Cytarabin + Melphalan; BR = Rituximab + Bendamustin; CVAD = Cyclophosphamid + Vincristin + Doxorubicin + Dexamethason; R-BAC = R-BAC = Rituximab + Bendamustin + Arabinocytosin; R-Cb = Rituximab + Chlorambucil; R-CHOP = Rituximab + Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin + Prednison; R-CHBoP = Rituximab + Cyclophosphamid + Doxorubicin + Bortezomib + Prednison; R-DHAP = Dexamethason + hochdosiertes Cytarabin + Cisplatin; R-Erhaltung = Rituximab; R-HAD = Rituximab + hochdosiertes Cytarabin + Dexamethason; R-HyperCVAD = Rituximab + Cyclophosphamid + Vincristin + Doxorubicin + Dexamethason; THAM = Total Körper Bestrahlung + Cytarabin + Melphalan

904

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Rezidive, • werden mit einer Immuno-Chemotherapie behandelt, deren Auswahl unterschiedlich sein soll zu derjenigen der Initialtherapie • können ggf. alternativ behandelt werden – mit Temsirolimus (Inhibitor von mTOR/mammalian Target Of Rapamycin), – Bortezomib (ein Proteasomen-Inhibitor), – die Immunmodulatoren Thalidomid oder Lenalidomid. – Lenalidomid +Rituximab – Venetoclax (B-Cell-Lymphoma-2/Bcl-2-Inhibitor) – Ibrutinib (Inhibitor der Bruton-Tyrosinkinase/BTK). Erhaltungstherapie Als Möglichkeiten stehen zur Verfügung: • Rituximab, • die autologe Stammzelltransplantation, falls sie nicht bereits zur Induktionstherapie angewandt wurde, • die allogene Stammzelltransplantation, – falls ein geeigneter Spender vorliegt, – falls der Empfänger transplantationfähig ist, – mit einer geeigneten Konditionierung (z. B. Fludarabin und Busulfan) des Empfängers. Radio-Immuntherapie/RIT (z. B. mit Ibritumomab-Tiuxetan/Yttrium-90-Anti-CD20• Antikörper. 8.15.9.3 DLBCL/Diffuse großzellige B-Zell-Lymphome Vorkommen Das diffuse großzellige B-Zell-Lymphome (DLBCL/Diffuse Large B-Cell Lymphoma) stellt mit etwa 30 % aller NHL das häufigste Non-Hodgkin-Lymphom dar. Ursprungszellen sind reife B-Lymphozyten. Charakteristisch sind • rasch progrediente Lymphknotenvergrößerungen und/oder extranodale Manifestationen und/oder (bei 10–25 %) Knochenmark-Infiltrationen sowie • Allgemeinsymptome – B-Symptomatik: nicht erklärbares Fieber > 38 °C, nicht erklärbarer Nachtschweiß, nicht erklärbarer Gewichtsverlust (> 10 % des Körpergewichts innerhalb von 6 Monaten). Die • • •

Zahl der Neuerkrankungen/Jahr liegt bei ca. 7/100.000 Personen, ist bei Kaukasiern höher als bei Afrikanern oder Asiaten und trifft Männer häufiger als Frauen.

Das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom ist eine heterogene Erkrankung. Basierend auf Ähnlichkeiten mit der mutmaßlichen Ursprungszelle lassen sich folgende Untergruppen unterscheiden (WHO 2017):

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes





905

DLBCL-NOS: das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom, nicht weiter spezifiziert (NOS) mit den Untergruppen differenziert nach – morphologischen Kriterien ▪ zentroblastisch, immunoblastisch, anaplastisch, – nach der Genexpression ▪ der keimzentrumsartige (GBC/Germinal Center B-Cell-like)-Typ und ▪ der aktivierte B-Zellen ähnliche (ABC/Activated B-Cell-like)-Typ ▪ wobei bei 10−15 % der DLBCL eine eindeutige Zuordnung zu GCB oder ABC nicht möglich ist, ▪ wobei die Prognose/Überlebensrate beim ABC Subtyp schlechter ist als beim GCB, – nach immunhistochemischen Merkmalen ▪ insbesondere CD5, CD30, MYC, BCL2, BCL6, GCB-ähnlich, non-GCB-ähnlich und – nach genetischen Anomalien wie Translokation von MYC-, BCL2- und/oder BCL6. andere großzellige B-Zell-Lymphome wie z. B. – das T-Zell/Histiozyten-reiche großzellige B-Zell-Lymphom, – das primär kutane diffuse großzellige B-Zell-Lymphom der unteren Extremität (‚leg type‘), – das EBV/Epstein-Barr-Virus-positive diffuse großzellige B-Zell-Lymphom, – das primär mediastinale großzellige B-Zell-Lymphom, – das intravaskuläre großzellige B-Zell-Lymphom, ▪ das begrenzt ist auf die Innenfläche von Blutgefäßen bzw. auf das intravaskuläre Lumen, ▪ besonders das Gehirn, die Nieren, Lunge und die Haut betrifft, ▪ in seiner Prognose derjenigen der anderen aggressiven Lymphome ähnelt, ▪ mit aggressiven Chemotherapie-Schemata wie beim aggressiven Lymphom behandelt wird – das plasmoblastische Lymphom und das follikuläre Lymphom Grad 3b.

Diagnostik Zusätzlich zur allgemeinen Diagnostik von Lymphomen werden folgende diagnostische Maßnahmen empfohlen (NCCN/ National Comprehensive Cancer Network) • Immunohistochemischer Nachweis von: – CD20, CD3, CD5, CD10, CD45, BCL2, BCL6, Ki-67, IRF4/MUM1, MYC – Cyclin D1, BCR ϰ/λ, CD30, CD138, EBER-ISH, ALK, HHV8 – GCB-Typ und ABC-Typ • Durchflusszytometrie (bei Leukämischer Form) zum Nachweis von – BCR ϰ/λ, CD45, CD3, CD5, CD19, CD10, CD20 • FISH/Fluoreszenz In-Situ-Hybridisierung oder molekulargenetischer Nachweis – der Translokationen zur Zelldifferenzierung ▪ t(3;v) (q27; v): BCL-6 Umlagerungen (vorwiegend bei DLBCL) ▪ t(8;v) c-Myc Rearrangements (vorwiegend bei DLBCL) ▪ t(8;14)(q24;132): cMyc/IgH (vorwiegend beim Burkitt-Lymphom) ▪ t(14;18) (q32; q21): IgH/BCL-2 (vorwiegend beim Follikulären Lymphom) ▪ t(11;14) (q13;q32): CCND1/IgH (vorwiegend beim Mantel-Lymphom)

906

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Ziel der speziellen Diagnostik mit einer ausreichend großen Biopsieprobe soll sein • die morphologische Zuordnung zum diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom, • der Beleg mit Hilfe der B-Zell-Marker (inklusive CD20), dass die Blasten B-Zellen darstellen, • der Nachweis der Gen-Translokationen und Gen-Umlagerungen (im Besonderen von c-myc, Bcl2 und Bcl6) zur Abgrenzung von anderen lymphoblastischen Lymphomen • Unterscheidung zwischen GCB und ABC.

Tab. 8.313: Entwicklungsstadien, Risikoparameter und Prognose des diffusen großzelligen B-ZellLymphoms (Dührsen et al. 2018). Stadium

Befall Lymphknotenareale*)

I



Befall extralymphnodaler Areale

I-E II

1 × (lokalisiert) ≥ 2 × (auf einer Seite des Zwerchfells)

II-E III

und

1 × (lokalisiert auf gleicher Seite des Zwerchfells)

≥ 1 × (ggf. auf beiden Seiten des Zwerchfells)

und

≥ 1 × (lokalisiert, ggf. auf beiden Seiten des Zwerchfells

+/− Befall

und/oder

≥ 1 × (disseminiert)

≥ 2 × (auf einer Seite des Zwerchfells) ≥ 2 × (auf beiden Seiten des Zwerchfells)

III-E IV A

keine B-Symptome

B

mit B-Symptomen (nicht erklärbares Fieber > 38 °C, nicht erklärbarer Nachtschweiß, nicht erklärbarer Gewichtsverlust (> 10 % des Körpergewichts innerhalb von 6 Monaten))

*) Lymphknotenareal: Lymphknoten (z. B. zervikal, axillär oder inguinal), Milz, Thymus, Waldeyer’scher Rachenring, Appendix Abschätzung der Prognose des DLBCL gemäß IPI/Internationaler Prognose Index Alter (Jahre)

Allgemeinzustand (ECOG)

LDH (E/L)

extranodaler Befall

Stadium

> 60

≥2

> 0,7

III/IV

≥2×

1 Punkt

1 Punkt

1 Punkt

1 Punkt

1 Punkt

Risiko niedrig

niedrigmittel

mittelhoch

hoch

0–1 Punkte

2 Punkte

3 Punkte

4–5 Punkte

mittlere Überlebensrate nach 3 Jahren

91 %

81 %

65 %

59 %

Rezidivrisiko im ZNS

80 Jahren ein Dosis-reduziertes R-CHOP (R-Mini-CHOP) oder – RB: Retuximab + Bendamustin Im Falle einer Resistenz, Progression oder eines Rezidives eine Zweitlinientherapie altersabhängig in Form • einer Hochdosischemotherapie (z. B. BEAM: Carmustin + Etoposid + Cytarabin + Melphalan gefolgt von einer Transplantation autologer hämatopoetischer Stammzellen, • einer Immuno-Chemotherapie wie z. B. – R-DHAP: Rituximab + Dexamethason + Cytarabin + Cisplatin oder – R-GDP: Rituximab + Gemcitabin + Dexamethason + Cisplatin oder – R-ICE: Rituximab + Ifosfamid + Carboplatin + Etoposid – R-GemOx: Rituximab + Gemcitabin + Oxaliplatin – R-ESHAP: Rituximab + Methylprednisolon + Etoposid + Cytarabin + Cisplatin Im Falle einer Resistenz, Progression oder eines Rezidives bei oder nach einer Zweitlinientherapie altersabhängig • eine Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen oder • die Konstruktion und Verabreichung von CAR-T-Zellen oder • eine bestmögliche symptomatisch/palliative Therapie. Rezidive betreffen besonders Knochenmark, ZNS, Leber, Lunge und Milz Gezielt, und soweit indiziert kann erfolgen • die Verabreichung alternativer Chemotherapie-Schemata mit oder ohne Rituximab wie z. B. – R-EPOCH: Rituximab + Etoposid + Prednison + Vincristin + Cyclophosphamid + Doxorubicin – DA-EPOCH: Dose adjusted- EPOCH – R-CVAD: Rituximab+ Cyclophosphamid + Vincristin + Doxorubicin + Dexamethason

908









8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– R-BAC: Rituximab + Bendamustin + Arabinocytosin – R-Cb: Rituximab + Chlorambucil; – R-HAD: Rituximab + hochdosiertes Cytarabin + Dexamethason; – R-DHAX: Rituximab + Dexamethason + Cytarabin + Oxaliplatin oder – R-MINE : Rituximab + Mitoxantron + Ifosfamid + Mesna + Etoposid eine perkutane IF-Radiotherapie von – großen (> 7,5 cm) Tumoren, – von lokaliserten Resttumoren nach einer Chemo- oder Immunchemotherapie zur Prophylaxe von ZNS-Lymphomen (besonders bei primären Lymphomen in den Nasennebenhöhlen und/oder im Hoden) die Verabreichung von – mit 4–6 intrathekalen Injektionen von Methotrexat oder – mit ~ 4 intravenösen Injektionen von Methotrexat in hoher Dosis (3,5 g/m²) vor oder nach dem ersten und vierten R-CHOP-Zyklus, bei Hodenlymphom zusätzlich zur Erst- oder Zweitlinientherapie eine Prophylaxe von Rezidiven – im kontralateralen Hoden durch dessen perkutane Radiotherapie (≥ 30 Gy), – im ZNS durch Verabreichung von hochdosiertem Methotrexat bei Vitamin D-Mangel (25-Hydroxy-Vitamin-D-Konzentration im Serum < 30 ng/ml) ggf. Substitution

Tab. 8.314: Strategie der Therapie des diffusen großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL) (in Anlehnung an Dührsen et al. 2018). Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom



Alter ? < 80 Jahre

> 80 Jahre



Alle Stadien Alle Risikogruppen

6× R-Mini-CHOP



oder

6–8 × R-CHOP oder 6–8 × R-CEOP

6× R-CEOP



oder

falls CR



engmaschige Nachsorge

falls Progression, Resistenz, Rezidiv







falls Progression, oder Rezidiv

4–6 x R-Bendamustin



CR

Progression



Alter? < 60– 70 Jahre

> 60–70 Jahre







Nachsorge

909

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes



BehandlungsStrategie



HochdosisChemotherapie (z. B. BEAM) und autologe SZT

ImmunoChemotherapie (z. B. R-DHAP, R-ICE oder R-GDP)





CR



R-DHAP, R-ICE, R-GemOx oder R-ESHAP

BehandlungsStrategie

oder



Progression, Resistenz oder Rezidiv

▾ Nachsorge

falls Progression

▾ palliative oder Therapie

Allogene SZT

oder

CART-Zellen

oder



oder

bestmögliche symptomatisch/ palliative Therapie

BEAM = Carmustin + Etoposid + Cytarabin + Melphalan; R-CEOP = Rituximab + Cyclophosphamid + Etoposid + Vincristin + Prednison; R-CHOP = Rituximab + Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin + Prednison; R-DHAP = Rituximab + Dexamethason + Cytarabin + Cisplatin; R-ESHAP = Rituximab + Methylprednisolon + Etoposid + Cytarabin + Cisplatin; R-GDP = Rituximab + Gemcitabin + Dexamethason + Cisplatin; R-GemOx = Rituximab + Gemcitabin + Oxaliplatin; R-ICE = Rituximab + Ifosfamid + Carboplatin + Etoposid

Seltenere Subtypen sind: • T-Lymphozyten- und/oder Histozyten-reiches großzelliges B-Zell-Lymphom – Ausbreitung häufig in die Leber, Milz und das Knochenmark, – therapeutischer Erfolg ähnlich demjenigen der übrigen diffusen großzelligen BZell-Lymphomen, • großzelliges B-Zell-Lymphom mit indolentem kleinzelligen B-Zell-Lymphom – relativ hohe Rezidivrate des indolenten Anteils, • mediastinales (thymisches) großzelliges B-Zell-Lymphom (PMLL-B/Primary Mediastinale Large B-cell Lymphoma), – vorwiegend bei jungen Frauen (mittleres Alter 30–40 Jahre), – charakterisiert durch einen lokal invasiven Tumor mit signifikanter Fibrose im vorderen Mediastinum, welcher durch das Volumen respiratorische Probleme und/oder ein Superior-Vena-Cava-Syndrom verursachen kann, – Therapie und Prognose sind größtenteils ähnlich denjenigen der übrigen diffusen großzelligen B-Zell-Lymphome, Patienten im fortgeschrittenen Stadium mit pleuralen Effusionen haben jedoch eine äußerst ungünstige Prognose (progressionsfreies Überleben < 20 %). Nachsorge Die Nachsorge erfolgt • in den ersten beiden Jahren nach Ende der Therapie in vierteljährlichen, • in den darauffolgenden drei Jahren in halbjährlichen und • ab dem sechsten Jahr in jährlichen Abständen.

910

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Im Vordergrund der Nachsorgeuntersuchungen stehen die Anamnese, die körperliche Untersuchung und Laboruntersuchungen. 8.15.9.4 LPL/Lympho-Plasmozytisches Lymphom (Morbus Waldenström) Vorkommen Morbus Waldenström stellt ein monoklonal entstandenes lymphoplasmozytisches B-ZellLymphom dar (siehe Tab. 8.315) • mit einer Neuerkrankungsrate von etwa 1/100.000 Personen/Jahr, • mit einem Altersgipfel zwischen 50 und 65 Jahren, • wobei Männer etwas häufiger (~ 1,5 : 1) erkranken als Frauen und Kaukasier etwa doppelt so häufig wie alle übrigen Ethnien. Symptome Charakteristisch sind • die Knochenmark-Infiltration der Lymphomzellen (für die Diagnose obligat; ≥ 30 %), aber auch in Lymphknoten, Milz (Splenomegalie) und Leber (Bing-Neel-Syndrom) mit – normochromer/normozytärer Anämie ▪ Müdigkeit, Leistungsabfall, – Granulozytopenie und Antikörpermangel ▪ vermehrte Infektionen, – Thrombozytopenie ▪ Blutungen (Nasenschleimhaut, Magen-Darm-Schleimhaut); • Hypersezernierung von monoklonalem IgM (Molekulargewicht > 1.000 kDa); daher auch IgM-Plasmazytom genannt mit hohen Serum-IgM-Konzentrationen; hierdurch bedingt – Mikrozirkulationsstörungen bei IgM > 5 g/dl ▪ durch Hyperviskosität des Blutplasmas mit Sehstörungen, Ataxien, Bewusstseinsstörungen, ▪ durch Kältepräzipitationen (Typ-I-Kryoglobulinämie), – eine Leicht-Ketten-Amyloidose, – Polyneuropathien durch in die Myelinscheiden abgelagertes IgM, • Vermehrung von Gewebemastzellen, • Autoantikörper-Reaktionen – Autoimmun-hämolytische Anämien, – durch Anti MAG/Myelin-Assoziiertes Globulin –Antikörper Neuropathien • B-Symptome – nicht erklärbares Fieber > 38 °C, – durch nicht erklärbarer Nachtschweiß, – durch nicht erklärbarer Gewichtsverlust (> 10 % des Körpergewichts innerhalb von 6 Monaten). Risikofaktoren Familiäre Risiken: • Verwandte ersten Grades von Patienten mit Morbus Waldenström haben

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

911

– –



ein 20-fach erhöhtes Risiko für die Entstehung eines Morbus Waldenström und ein 3- bis 5-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung anderer Non-Hodgkin-Lymphome, einer chronischen lymphatischen Leukämie oder eines MGUS/Monoklonale Gammopathie Unklarer Signifikanz, Patienten mit MGUS/Monoklonale Gammopathien mit Unklarer Signifikanz entwickeln mit einer Progressionsrate von ca 2 %/Jahr ein Morbus Waldenström,

Weitere Risiken sind • chronische bakterielle und virale Infektionen, • Autoimmunerkrankungen, Diagnostik Zusätzlich zu den Diagnose-Verfahren bei NHL (siehe Kap. 8.15.8) sind folgende Untersuchungen notwendig: Laborchemie • LDH, β2-Mikroglobulin • Blutgerinnung: Quick-Wert, PTT • Immunglobuline – quantitative Bestimmung von IgM, IgG, IgA im Blutserum und Urin ▪ Bestimmung der Monoklonalität des IgM (Immunfixations-Elektrophorese) – quantitative Bestimmung der freien Kappa- und Lambda-Leichtketten ▪ im Serum, Berechnung des Quotienten ▪ im 24 Sammel-Urin • Blutleukozyten: bei leukämischem Verlauf: FACS-Analyse der Oberflächenmarker • Knochenmark (Aspirat und Biopsie): zytologische/histologische Sicherung der Diagnose Immunzytologische Untersuchung • typische Oberflächenmarker der LPL-Zellen sind sIg, CD19, CD20, CD22 und CD79, • eine Minderheit der LPL-Patienten haben LPL-Zellen positiv auch für CD5, CD10 oder CD23. Molekulargenetische Untersuchung • aktivierende Punktmutation im Gen für MyD88 (L265P) bei > 90 % der Patienten – bei MGUS/monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz nur in 10 % der Fälle – MyD88 ist Teil des NF-КB-Signalwegs (siehe Kap. 3.3.13) und ▪ wird aktiviert z. B. durch den IL-1-Rezeptor oder den TLR4-Rezeptor (über TIRAP/TIR-Domain containing Adaptor Protein und BTK/Bruton-TyrosinKinase) ▪ aktiviert über IRAK1, TRAF6, TAK1 und IKK die Phosphorylierung von IκBα und die Freisetzung des proliferativ und anti-apoptotisch wirkenden Transkriptionsfaktors NF-КB – wobei MyD88 Wildtyp mit einer vergleichsweise schlechten Prognose asoziiert ist,

912 •



• •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Mutationen des Gens für CXCR4 (in ca. 30 % der Fälle), welche mit einer schlechteren Prognose assoziiert sind – die Nonsense Mutation S342X/S338X, – Leseraster-Verschiebungen (Frame-shift-Varianten) CXCR4-WHIM Kombinationen von MyD88 und CXCR4, welche prognostisch relevant sein können – MyD88 (L265P) + CXCR4 (Wildtyp) – MyD88 (L265P) + CXCR4 (WHIM) – MyD88 (Wildtyp) + CXCR4 (Wildtyp), welche die vergleichsweise schlechteste therapeutische Ansprechrate und Prognose aufweist. Deletion 6q (in 50 % der LPL-Fälle und mit vergleichsweise schlechterer Prognose) Trisomie 4 (in 20 % der LPL-Fälle) und selten Trisomie 3 oder Trisomie 18

Klassifikation • Auf Grund des (für die Diagnose obligaten) Knochenmarkbefalls entspricht das Entwicklungsstadium immer dem Stadium IV (siehe Kap. 8.15.8.1). • Für die Prognose sind entscheidend (siehe Tab. 8.315) gemäß des ISSWM/International Scoring System for Waldenström’s Macroglobulinemia: – das Alter des Patienten, – der Serumspiegel von β2-Mikroglobulin und IgM, – das Ausmaß der Anämie und Thrombozytopenie. Tab. 8.315: Risiko und Prognose des Morbus Waldenström (ISSWM). Risikogruppe

niedrig

mittel

hoch

Alter

< 65 Jahre

≥ 65 Jahre

alle

zusätzliche Risikofaktoren (RF) Hämoglobin

< 11,5 g/dl

Thrombozyten

< 100 × 103/μl

β2-Mikroglobulin

> 3 mg/l

IgM, monoklonal

> 70 g/l

5-Jahres-Überleben

oder zusätzliche RF

Anzahl der RF 0–1

Anzahl der RF 0–2

Anzahl der RF ≥3

87 %

68 %

36 %

ISSWM = International scoring system for Waldenström’s macroglobulinemia

Therapiestrategie Ein Therapie-Erfolg wird wie folgt bestimmt: • CR/Komplette Remission – kein Nachweis des monoklonalen IgM im Serum (Immunfixation) – IgM Spiegel im Serum im Normalwertbereich – komplette Rückbildung von vor Therapiebeginn ggf. vorhandenen vergrößerten Lymphknoten und der Milz – Knochenmarkaspirat und -biopsie ohne Auffälligkeiten

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes











913

VGPR/sehr gute partielle Remission – monoklonales IgM nachweisbar, aber – ≥ 90 % Reduktion des erhöhten IgM Spiegels im Serum, – keine neuen Krankheitszeichen oder Symptome PR/partielle Remission – Monoklonales IgM nachweisbar und – ≥ 50 %, aber < 90 % Reduktion des erhöhten IgM Spiegels im Serum, – Rückbildung einer vor Therapiebeginn vorhandenen Lymphadenopathie/Splenomegalie, – keine neuen Krankheitszeichen oder Symptome MR/Minor Response – Monoklonales IgM nachweisbar und – ≥ 25 %, aber < 50 % Reduktion des erhöhten IgM Spiegels im Serum, – keine neuen Krankheitszeichen SD/Stabile Erkrankung – Monoklonales IgM nachweisbar und – < 25 % Reduktion oder < 25 % Anstieg des IgM Spiegels im Serum, ausgehend vom Befund vor Therapie und – keine neuen Krankheitszeichen PD/Progression der Erkrankung – ≥ 25 % Anstieg des IgM Spiegels im Serum, ausgehend vom niedrigsten Wert und/ oder – Progress von krankheitsassoziierten Symptomen.

Die Therapiestrategie ist abhängig von den klinischen Symptomen und dem Allgemeinzustand des Patienten (siehe Tab. 8.316). Tab. 8.316: Strategie der Therapie des Lymphoplasmozytisches Lymphoms/LPL/ Morbus Waldenström (in Anlehnung an Buske et al. 2018). Morbus Waldenström



keine Symptome



mit Symptomen



engmaschige Kontrollen



falls Symptome



Behandlung

Hyperviskositätssyndrom?

ja

nein

Plasmapherese

Allgemeinzustand?



nachfolgend



gut

schlecht





914

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Behandlung



Chemotherapie (niedrig dosiert) + Rituximab

Chemotherapie + Rituximab (z. B. R-B, DCR, R-FC, oder R-CHOP)



oder Ibrutinib oder Rituximab Monotherapie





falls Resistenz/Rezidive



keine Symptome



mit Symptomen



engmaschige Kontrollen



falls Symptome



Behandlung

Hyperviskositätssyndrom?

ja

nein

Plasmapherese

Allgemeinzustand?



nachfolgend

Behandlung





gut

schlecht

Dauer 1. Remission?

Dauer 1. Remission?

≥ 24 Monate

< 24 Monate

≥ 24 Monate

< 24 Monate









Andere Chemotherapeutika (als Erstlinie) + Rituximab

Wiederholung Erstlinientherapie

Ibrutinib

Wiederholung Erstlinientherapie



falls Resistenz

Ibrutinib oder Bortezumib + Rituximab





falls Resistenz



Behandlung

oder



oder HochdosisChemotherapie + autologe SZT





oder

Bortezumib + Rituximab



oder

Behandlung

Klinische Studien (Neue Schemata, neue Substanzen)

R-B = Rituximab + Bendamustin; DCR = Dexamethason + Cyclophosphamid + Rituximab; R-FC = Rituximab + Fludarabin + Cyclophosphamid; R-CHOP = Rituximab + Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin + Prednison

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

915

Soweit keine krankheitsbedingten Symptome vorliegen, erfolgt eine engmaschige Kontrolle (w&w = watch & wait). Bei Symptomen erfolgt als Initialtherapie: • primär eine Plasmapherese zur Senkung des IgM-Spiegels und Behebung des Hyperviskositätssyndroms auf Werte deutlich unter 50 g/l, • nachfolgend – bei Patienten mit gutem Allgemeinzustand eine Chemoimmuntherapie (siehe Tab. 8.317) ▪ mit Rituximab (chimärer monoklonaler Anti-CD20-Antikörper) in Kombination mit Zytostatika, – bei Patienten mit schlechtem Allgemeinzustand eine Immuntherapie ▪ mit Rituximab oder Ibrutinib Frühe Rezidive sind: • entweder mit einer Chemotherapie alternativ zur Initialtherapie zu behandeln wie z. B. – Ibrutinib, ein Inhibitor der BTK/Bruton-Tyrosin-Kinase, bei Mutationen des Gens für MyD88 – Bortezumib, ein Proteasom-Inhibitor oder • es kann eine autologe Stammzelltransplantation in Erwägung gezogen werden, – falls ein geeigneter Spender vorliegt, – falls der Empfänger transplantationfähig ist, – mit einer geeigneten Konditionierung (z. B. Fludarabin und Busulfan) des Empfängers. Bei späten Rezidiven ist eine Wiederholung der Ersttherapie sinnvoll.

Tab. 8.317: Beispiele für eine Chemo-Immuntherapie der Morbus Waldenström.

Schema

Antikörper

Zytostatika +/− Kortikosteroid

Wiederholung

R-B Rituximab (Therapie (375 mg/m2, Tag 1) der 1. Wahl)

+

Bendamustin (90 mg/m2, Tag 1–2)

Tag 29 (4–6 Zyklen)

DCR Rituximab (Therapie (375 mg/m2, Tag 1) der 1. Wahl)

+

Dexamethason (8 bis 16 mg/Tag) + Cyclophosphamid (200 mg/m2, Tag 2–4)

6 Zyklen

Rituximab (375 mg/m2, Tag 1)

+

Cyclophosphamid (200 mg/m2, Tag 2–4) + Fludarabin (25 mg/m2, Tag 2–4)

Tag 29 (4–6 Zyklen)

+

Cyclophosphamid (750 mg/m2, Tag 1) + Doxorubicin (50 mg/m2, Tag 1) + Vincristin (1,4 mg/m2, ≤ 2,0 mg absolut, Tag 1) + Prednison (100 mg, Tag 1–5)

Tag 22 (6 Zyklen)

R-FC

R-CHOP

Rituximab (375 mg/m2, Tag 1)

916

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Schema

Antikörper

Zytostatika +/− Kortikosteroid

Wiederholung

R-Bor

Rituximab (375 mg/m2, Tag 1)

Bortezumib (1,3 mg/m2, Tag 1, 4, 8, 11)

Tag 21 (8 Zyklen)

R-Mono

Rituximab (375 mg/m2, Tag 1, 8, 15, 22)

I-Mono

Tag 29 (4–6 Zyklen) Ibrutinib (420 mg/Tag, täglich)

Nachsorge Die Nachsorge erfolgt • in den ersten beiden Jahren nach Ende der Therapie in vierteljährlichen, • in den darauffolgenden drei Jahren in halbjährlichen und • ab dem sechsten Jahr in jährlichen Abständen. Im Vordergrund der Nachsorgeuntersuchungen stehen die Anamnese, die körperliche Untersuchung und Laboruntersuchungen, im Besonderen • die Blutspiegel-Kontrolle des monoklonalen IgM im Serum

8.15.9.5 MZL/Marginalzonen-Lymphome Vorkommen Die MZL/Marginal-Zonen-Lymphome gehören zu den reifzelligen indolenten B-Zell-Lymphomen: Diese • treten bei Frauen etwas häufiger auf als bei Männer (W : M = 1,5 : 1), im Besonderen in der Brustdrüse und der Parotis, • haben ihren Altersgipfel bei ~ 65 Jahren, • werden morphologisch untergliedert in – eMZL/extranodale MZL, auch MALT/Mucosa Associated Lymphoid Tissue-Lymphoma genannt (7–8 % aller Lymphome), mit folgenden Lokalisationen ▪ Magen (~ 35 %) ▪ Lungen/Bronchien-assoziiertes MZL (BALT/Bronchus-Associated Lymphoid Tissue-Lymphoma) (~ 10 %) ▪ Speicheldrüse (~ 10 %) ▪ Haut-assoziierte MZL (SALT/Skin Associated Lymphoid Tissue-Lymphoma) (~ 6 %) ▪ Darm (~ 4 %) ▪ Schilddrüse und Mamma (jeweils ~ 2 %) – nMZL/nodale MZL (1,5–1,8 % aller Lymphome) ▪ monozytoides Lymphom einschließlich des nodalen lymphoplasmozytischen Lymphoms nach Kiel-Klassifikation, – sMLZ/splenisches MZL (2 % aller Lymphome) mit villösen Lymphozyten,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

• •

917

entstehen aus transformierten Zellen der Marginalzone des Lymphknotens, zeichnen sich aus durch ihre Infiltrations- und Proliferationsfähigkeit in nichtlymphatische Gewebe hinein.

Symptome Meist sind die Patienten in den Anfangsstadien symptomlos. • Falls erste Symptome auftreten, sind diese wie auch die Laborparameter weitgehend unspezifisch. • Monoklonale Immunglobuline können in etwa 40 % der Patienten nachgewiesen werden. Im fortgeschrittenen Stadien sind die Symptome abhängig von den nodalen oder extranodalen Lokalisationen wie z. B. • den Hautinfiltraten, • der Vergrößerung von Drüsen (Speicheldrüsen, Schilddrüse), • den Infiltraten in den Schleimhäuten – z. B. im Magen: Oberbauchbeschwerden, Erbrechen, Durchfall, Blutungen.

Risikofaktoren • Maligne lymphatische Erkrankung in der Familie, • peptische Magengeschwüre, • Autoimmunerkrankungen, assoziiert bei ca. 40 % aller MALT-Lymphome mit folgenden Anteilen – ~ 70 % lymphoepitheliale Sialadenitis (Sjögren-Syndrom), – ~ 10–15 % Autoimmunthyreoditis (Hashimoto), – ~ 3 % rheumatoide Arthritis, – besonders bei Frauen in jüngeren Jahren (~ 55 Jahre), • Chronische Infektionen – Helicobacter pylori für MALT-Lymphome des Magens, – Campylobacter jejuni für MALT-Lymphome des Dünndarms (IPSID), – Chlamydophila psittaci für MALT-Lymphome der Augenanhangsgebilde, – möglicherweise/wahrscheinlich ▪ Borrelia burgdorferi für kutane MALT-Lymphome, ▪ Achromobacter xylosoxidans für MALT-Lymphome der Lunge, ▪ Hepatitis C für MALT-Lymphome verschiedener Lokalisationen.

Diagnostik Die diagnostischen Verfahren sind gleich denjenigen beschrieben für Non-Hodgkin-Lymphome. Besondere Bedeutung haben jedoch • die klinische Untersuchung der Lymphknoten, der Augen, Kopf und Hals-Region, der Leber und der Milzgröße,

918 • • • •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

die Immunphänotypisierung bei leukämischem Verlauf und/oder Verdacht auf ein splenisches Marginalzonen-Lymphom, die serologische Prüfung auf HIV, HCV, HBV und/oder Helicobacter-Infektionen die bildgebenden Untersuchungen (CT-mit Kontrastmittel, MRT) von Kopf, Hals, Thorax, Abdomen, Becken die Endoskopie bei Verdacht, z. B. – Gastroduodenoskopie mit multiplen Stufenbiopsien aus Kardia, Magen, Duodenum und aus makroskopisch auffälliger Schleimhaut, – Koloskopie mit Stufenbiopsien und Biopsie aus dem terminalen Ileum.

Für die Diagnose ist eine ausreichend große Biopsie, ggf. auch eine Rebiopsie notwendig. Histologische und Immunzytologische Untersuchungen Die Lymphozyten in den Infiltraten sind im Regelfall kleine, zentrozoide reife B-Zellen und • positiv für CD79 (Igα und Igβ des BCR) und CD20 • negativ für den T-Zellmarker CD5, den B-Zell-Vorläufermarker CD10, für CD23 und für Cyclin D1, Plasmazellen und Blasten können Teil der malignen Infiltration sein, • in 2 % bis 3 % der Fälle erfolgt im Laufe eines MALT-Lymphoms eine Transformation in ein diffus großzelliges B-Zell-Lymphom (DLBCL), • sobald die Blasten > 20 % des Infiltrates einnehmen, ist die Diagnose diffus großzelliges B-Zell-Lymphom zu stellen. Molekulargenetische Untersuchungen Die häufigsten zytogenetischen Aberrationen bei MALT-Lymphomen sind • t(11;18)(q21;q21), Fusionsprotein API-2/MALT1 – tritt nur beim MALT-Lymphom auf, nicht beim splenischen und nodalen MZL, – ist die nahezu einzige genetische Veränderung bei MALT-Lymphomen ▪ des Magens (≥ 26 %), ▪ der Lunge (30 % bis 50 %) ▪ des Intestinums (10 % bis 55 %) t(1;14)(p22;q32), Fusionsprotein IgH/BCL10 • • t(14;18)(q32;q21), Fusionsprotein IgH/MALT1 • t(3;14)(p14.1;q32), Fusionsprotein FOXP1/IgH. Der Nachweis der jeweiligen Translokation und der Klonalität des gebildeten Immunglobulins kann zur Diagnose-Sicherung und zur Verlaufskontrolle beitragen.

Klassifikation und Stadieneinteilung Die Stadieneinteilung des MALT-Lymphoms wird unterschiedlich durchgeführt und zwar nach (siehe Tab. 8.318)

919

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

dem Lugano-System der TNM-Klassifikation Paris oder dem Ann-Arbor-System, modifiziert nach Musshoff

• • •

Tab. 8.318: Klassifikationen des extranodalen MALT-Lymphome (Buske et al. 2018, Raderer et al. 2019). Lugano

TNM/Paris T1m

E1 I E2

≥ 1 Läsion nicht zusammenhängend

T1sm N0

M0

I

T2

E2 II E

IV

lokale nodale Beteiligung T1–3

Penetration der Serosa in angrenzende Gewebe/Organe disseminierter extranodaler Befall oder gleichzeitige supradiaphragmatische Lymphknotenbeteiligung

perigastrische Lymphknoten M0

II

N2

T4

2E

Muscularis propria Serosa

N1

organferne nodale Beteiligung

1E

Mukosa Submukosa

T3

E1

Ann-Arbor

2E

N0–2

M0

N3

M0

entfernte regionale Lymphknoten

M1 M2

T1–4

1E

N0–3

BX M0–2 B0 M2

Lymphknoten beiderseits des Zwerchfells/ Fernmetastasen (Knochenmark, andere extranodale Organe

I

III

E1

IV

E

B1

Prognose Die 5-Jahres-Überlebensraten aller Patienten mit MALT-Lymphom liegen zwischen 70 % und 100 %. Relevante Risikofaktoren im Rahmen eines definierten Prognose-Scores (MALT-IPI) sind • Alter über 70 Jahre, • Stadium III/IV, • ein erhöhter LDH-Wert. Entsprechend können folgende Risikogruppen definiert werden, welche sich in Bezug auf progressionsfreies Überleben und Gesamtüberleben unterscheiden: • niedriges Risiko: 0 Risikofaktor • mittleres Risiko: ≤ 2 Risikofaktoren • hohes Risiko: > 2 Risikofaktoren

920

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Therapiestrategien Bei MALT-Lymphomen bestehen folgende Therapieoptionen: • bei asymptomatischen Tumoren – ein abwartendes Verhalten mit engmaschiger Kontrolle und ohne Therapie • bei symptomatischen Tumoren – eine Lokaltherapie durch chirurgische Exzision, wobei diese ▪ nur im Stadium I potenziell kurativ wirksam ist, ▪ in allen anderen Stadien wegen der multifokalen Ausbreitung der Erkrankung nur palliativ wirksam sein kann, ▪ bevorzugt der Probeentnahme (Dünndarm, Lunge, Speicheldrüse, Orbita) für die Diagnose dient, – eine Lokaltherapie durch eine perkutane IF/Involviertes Feld-Radiotherapie, ▪ welche in den Stadien I und II potenziell kurativ wirkt und bei vielen TumorLokalisationen die Therapie der Wahl darstellt, ▪ wobei Dosierungen von ≤ 24 Gy verabreicht werden, ▪ bei palliativer Indikation bereits 2 × 2 Gy gute Ergebnisse bei der Symptomkontrolle zu verzeichnen sind, – eine systemische Therapie mit ▪ Zytostatika einschließlich Bortezomib ▪ einem BTK-Inhibitor wie Ibrutinib, ▪ P13K-Inhibitoren wie z. B. Idelalisib, Copanlisib, Durelisib ▪ Immuntherapeutika wie Anti-CD20-Antikörper Rituximab und das Immunstimulans Lenalidomid und ▪ ggf. Antibiotika Die bestmögliche Therapie ist dem jeweiligen Subtyp und der Lokalisation des MALTLymphoms anzupassen. Die Nachsorge erfolgt im Regelfall • durch klinische und Labor-Untersuchungen zur frühen Erfassung einer Progression oder eines Rezidivs, • alle drei Monate in den ersten 2 Jahren, danach jährlich.

8.15.9.6 MALT-Lymphome/Magen Vorkommen Der Magen: • besitzt kein eigenes MALT/Mukosa-assoziiertes lymphatisches Gewebe, sondern • erwirbt lymphatisches Gewebe im Rahmen von Entzündungsreaktionen meist gegen Helicobacter pylori. • ca. 40–50 % aller Magenlymphome sind vom MALT-Typ, • derzeit sind davon

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

– –

921

zwischen 32–68 % assoziiert mit einer Helicobacter-pylori-Infektion etwa 24 % positiv für die Translokation t(11;18)(q21;q21), wobei diese wiederum assoziiert sind mit ▪ einer Infektion durch CaG-A positive Helicobacter-Stämme, ▪ einem schlechteren Ansprechen (bei ca. 70 %) auf antibiotische Helicobacter Therapie

Etwa 75 % der gastrischen MALT-Lymphome werden im Stadium I und II diagnostiziert.

Symptome Klinische Symptome fehlen oft oder sind unspezifisch • B-Symptome sind sehr selten, ebenso Blutungen oder Anämie, • im Spätstadium herrschen epigastrische Schmerzen und Inappetenz/Dyspepsie vor, • eine Abklärung zu Gastritis, Ulkus und Karzinom ist notwendig.

Diagnostik • Die allgemeinen diagnostischen Verfahren entsprechen denjenigen aller anderen NHL/Non-Hodgkin-Lymphome (siehe Kap. 8.15.1), • zusätzlich sind folgende Verfahren notwendig: – Ösophagogastroduodenoskopie ▪ Adspektion der Schleimhaut von Magen und Duodenum, ▪ Stufenbiopsien der Schleimhaut verdächtiger Bereiche, aller Magenabschnitte (siehe Kap. 8.5.1.2) und des Duodenums und deren histologische Untersuchung, – gastrische endoskopische Sonografie ▪ Beurteilung der Eindringtiefe des Lymphoms, ▪ Beurteilung der regionalen/perigastrischen Lymphknoten, – Koloskopie einschließlich Ileum ▪ Adspektion der Schleimhaut, ▪ Stufenbiopsien (auch aus terminalem Ileum) und deren histologische Untersuchung (weil ~ 7 % der gastrointestinalen Lymphome gleichzeitig in unterschiedlichen Abschnitten des Verdauungstraktes auftreten), – bei der IPSID/Immuno-Proliferative Small Intestinal Disease des Dünndarms ▪ Nachweis des zellspezifischen monoklonales IgA, – Nachweis von Helicobacter pylori ▪ Schleimhautbiopsien: Histologische Untersuchung, Urease-Schnell-Test (HUT/ Helicobacter Urease Test mit hoher Sensitivität und Spezifität), BakterienKultur mit Antibiogramm zur Resistenzprüfung, molekularbiologisch PCR/ Polymerase Chain Reaction zum Nachweis des Erregers und von Mutationen (vergesellschaftet mit Antibiotika-Resistenz), ▪ Untersuchung des Blutserums auf IgG/IgA Antikörper gegen Helicobacter pylori,

922

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren



Nachweis von Translokationen in den Lymphomzellen Translokation t(11;18)(q21;q21), Fusionsprotein AP12-MLT (API2/ApoptoseInhibitor2 und MLT/MALT-Translokations-Gen); ▪ Translokation t(1;14)(p22;q32), Fusionsprotein Bcl10/IgH-Promotor (B-ZellLymphoma Gen 10/CARD containing molecule enhancing NF-kB und IgH/Promotor und schwere Kette des Immunglobilins), ▪ Translokationen stellen ungünstige Risikofaktoren dar: mangelndes Ansprechen auf Eradikation von Helicobacter pylori, fortgeschrittenes Lymphomstadium, erhöhtes Rezidivrisiko, ca. 70 % der gastrointestinalen Lymphome sind zum Zeitpunkt der Erstdiagnose im frühen Stadium (Stadium I oder II1). ▪



Therapiestrategien Für alle Stadien (Lugano-System, sieh Tab. 8.318) und unabhängig von dem Nachweis einer Helicobacter pylori Infektion • primär eine Helicobakter pylori spezifische Antibiose d. h. einer Kombination aus – einem Protonen-Pumpen-Inhibitor z. B. Pantoprazol und zweier Antibiotika, z. B. – französische Tripel-Therapie ▪ Protonenpumpen-Hemmer (z. B. Pantoprazol) + Antibiotikum-1 (Clarithromycin) + Antibiotikum 2 (Amoxicillin) täglich über ca. 10 Tage, – italienische Tripel-Therapie (bei Allergie gegen Penicillin) ▪ Protonenpumpen-Hemmer (z. B. Pantoprazol) + Antibiotikum-1 (Clarithromycin) + Antibiotikum 2 (Metronidazol) täglich über ca. 10 Tage, – Quadruple-Therapie (bei Versagen der Tripel-Therapie) ▪ Protonenpumpen-Hemmer + Antibiotikum-1 (Tetracyclin) + Antibiotikum-2 (Metronidazol) + Bismutsalz täglich über ca. 10 Tage. – wobei der Erfolg etwa 4–6 Wochen nach Ende der Therapie histologisch zu überprüfen ist an Hand der Gela/Groupe d’Etude des Lymphomes de l’Adulte-Kriterien (Copie-Bergman) ▪ CR/komplette Remission normale oder leere Laminae ohne oder nur vereinzelt Plasmazellen und kleine lymphoide Zellen in der Lamina propria, keine Lymphoepitheliale Läsionen, ▪ pMRD/Ansprechen mit Resterkrankung (probable Minimal Residual Disease) Leere Lamina propria und/oder Fibrose mit Aggregaten lymphatischer Zellen in der Lamina propria, Muscularis mucosae/ und/oder Submucosa, keine Lymphoepitheliale Läsionen, ▪ NC/keine Veränderung/No Change ▪ rRD/wahrscheinlich minimale Resterkrankung (responding Minimal Residual Disease) Fokal leere Lamina propria und/oder Fibrose mit dichten, diffusen oder nodulären lymphatischen Infiltraten, mit Ausbreitung um die Drüsen der Lamina propria, Lymphoepitheliale Läsionen fokal oder fehlend.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

923

Für das Stadium I und II (Lugano, siehe Tab. 8.318) • Eradikation von Helicobakter pylori führt zur kompletten Remission – in > 75 % der Fälle, falls der Keim nachgewiesen werden konnte, – in 15–46 % der Fälle in Keim-negativen Patienten (möglicherweise durch eine zytostatische Wirkung der Therapie) • bei Tumor-Resistenz trotz Helicobakter-pylori-Eradikation (häufig bei Translokation t(11;18)) – perkutane IF-Radiotherapie (24–30 Gy) mit Remissionsraten ≥ 95 % oder – Rituximab +/− Chemotherapie Für das Stadium IV (Lugano, siehe Tab. 8.318) • Eradikation von Helicobakter pylori • Chemo-Immuntherapie: – Rituximab + Chlorambucil ▪ 5 Jahre Progressions-freie Überlebensrate 68 %; 5 Jahre Gesamtüberlebensrate 90 % – Rituximab + Bendamustin; CR-Rate 90 % • Chemotherapie: Cladibrin, CR-Rate 100 % Gastrische MALT-Lymphome mit der Translokation t(11;18) zeigen häufig eine erhöhte Resistenz gegen antibiotische Eradikation von Helicobacter pylori wie auch gegen alleinige Chemotherapie. Bei Indolenten Lymphomen (siehe Tab. 8.319) • Stadium I – Elimination von Helicobacter pylori führt in ca. 80 % der Fälle zur Heilung des Lymphoms, – bei Versagen perkutane Radiotherapie; Zielgebiet Magen und Duodenum, • Stadium II1 – perkutane Radiotherapie; Zielgebiet: Magen und Duodenum mit regionalen Lymphknoten, • Stadium II2 – perkutane Radiotherapie; Zielgebiet: gesamtes Abdomen, • Stadium III und IV – wie bei indolenten nodalen Lymphomen Immuno-Chemotherapie (siehe Kap. 8.15.8.2, Tab. 8.307), z. B., R-CHOP, R-MCP oder R-FCM Bei Aggressiven Lymphomen (siehe Tab. 8.319) • Stadium I und II – primäre Kombinationschemotherapie, z. B. CHOP (6 Zyklen) und adjuvante perkutane Radiotherapie (involved Field, 40 Gy) • Stadium III und IV – primäre Immuno-Chemotherapie z. B. R-CHOP (6 Zyklen) Wenn irgend möglich, Behandlung im Rahmen von klinischen Studien.

924

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.319: Stadiumabhängige Therapie der primären Magenlymphome (in Anlehnung an Raderer et al. 2019). Stadium

Antibiotika

Perkutane Radiotherapie

Chemotherapie

indolente primäre Magenlymphome primär: Antibiotika (Triple-Therapie) falls Helicobacter pylori Infektion nachgewiesen wurde

I

II

sekundär (falls primär Antibiotika): Zielgebiet/involved field: Magen und Duodenum; Dosis: 40 Gy

1

primär: Zielgebiet/extended field: oberes und mittleres Abdomen; Dosis: 30 Gy und Boost/involved Field: Magen und Duodenum und regionale Lymphknoten; Dosis: 10 Gy

2

primär: Zielgebiet/extended field: gesamtes Abdomen inklusive Zwerchfell und Foramen obturatoria; Dosis: 30 Gy und Boost/Zielgebiet/involved Field: Magen und Duodenum und regionale Lymphknoten; Dosis: 10 Gy

III

entspricht der Therapie nodaler indolenter Lymphome (siehe Kap. 8.15.8.2)

IV

aggressive primäre Magenlymphome I II

1

adjuvant: Zielgebiet/involved Field: Magen und Duodenum; Dosis: 40 Gy

primär: CHOP-14 (6 Zyklen)

2 III IV

primär: R-CHOP-14 (6 Zyklen)

CHOP: Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin + Prednison; Wiederholung Tag 15 (siehe Tab. 8.313) R-CHOP: Rituximab + Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin + Prednison; Wiederholung Tag 15 (siehe Tab. 8.313)

8.15.9.7 MALT-Lymphome/Intestinum Vorkommen MALT-Tumore im Intestinaltrakt sind relativ selten. So liegt der relative Anteil an NHL • bei primären MALT-Lymphomen im Bereich von 3–5 %, – das sekundäre Vorkommen ist gleich häufig, geht meist aus von gastralen MALTLymphomen, – Lokalisationen betreffen Dünndarm und Kolon, nur selten das Duodenum, • bei anderen NHL deutlich höher, so. z. B. – bei diffus großzelligen B-Zell-Lymphomen ca. 40 %, bei Mantelzell-Lymphomen ca. 35 %, bei follikulären Lymphomen 10–15 %. Das mittlere Erkrankungsalter beträgt 50–65 Jahre. Männer erkranken häufiger als Frauen.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

925

Symptome Meist abdominelle Schmerzen, gefolgt von Verdaungsproblemen, Gewichtsverlust, palpable Organschwellungen, seltener gastrointestinaler Blutung, Ileus und sehr selten Perforation.

Spezielle Diagnostik • Ösophagogastroduodenoskopie mit Stufenbiopsie, • Totale Koloskopie mit Stufenbiopsien und Biopsie aus dem terminalen Ileum, • bei Verdacht auf Befall des Dünndarms – Doppelballon-Enteroskopie, – Nachweis einer Infektion mit Campylobacter jejuni (PCR, Immunhistochemie). Das Spektrum der pathologischen Veränderungen umfasst • polypoide Läsionen mit oder ohne Ulzeration, einzeln oder multiple (in ca. 10 % der Fälle) und/oder • große solide Raumforderungen. In Anbetracht der Möglichkeit eines sekundären Befalls des Intestinums ist bei Verdacht auf ein intestinales MALT-Lymphom immer eine umfassende Diagnostik durchzuführen. Zwischen 75 % und 90 % der Patienten mit MALT-Lymphom des Intestinaltraktes werden im Stadium I oder II diagnostiziert.

Therapiestrategie Stadien I und II Therapieoptionen sind die chirurgische Resektion, die perkutane Radiotherapie und eine Arzneimitteltherapie, abhängig von der Lokalisation und der Ausdehnung der Erkrankung • bei lokalisierten Malt-Tumoren wirken kurativ – die chirurgische Tumorresektion von Tumoren in der Ileozökalregion, im Rektum und im Dünndarm wie auch – die perkutane IF-Radiotherapie von Tumoren im Rektum/Sigmoid, im Ileozökalbereich oder im Duodenum ▪ limitierend sind die Größe des Bestrahlungsfeldes und die Strahlensensitivität benachbarter Organe. • eine Immuno-Chemotherapie wäre in Analogie zu anderen MALT-Lymphom-Lokalisationen durchzuführen. Stadien IV bzw. III/IV Asymptomatische Patienten bedürfen keiner anti-tumoralen Therapie, sollten jedoch engmaschig kontrolliert werden. Bei Lymphom-bedingten Symptomen ist die Therapieoption eine Immuno-Chemotherapie oder eine Chemotherapie wie bei anderen MALT-Lymphomen (siehe Kap. 8.15.9.5)

926

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Prognose Die 10-Jahres-Überlebensraten für intestinale MALT-Lymphome liegen bei ≥ 75 %. Ein multilokulärer Befall schränkt diese günstige Prognose jedoch ein.

8.15.9.8 MALT-Lymphome/Lunge Vorkommen Das MALT-Lymphom ist mit 75 % bis 90 % das häufigste Lymphom der Lunge, • das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 62 Jahren, • Frauen sind in Europa/Nordamerika etwas häufiger (~ 55 %) betroffen als Männer, • Zu den Vorbelastungen zählen – Tabakkonsum Raucher/Raucherleiden (~ 45 % der Patienten), – Anderweitige Lungenerkrankungen (~ 19 % der Patienten), – Autoimmunerkrankungen (~ 10 % der Patienten).

Symptome Zum Zeitpunkt der Erstdiagnose sind ≤ 50 % der Patienten ohne Krankheitssymptome. Diese umfassen • Husten (39 %), Auswurf (33 %) Thoraxschmerzen (33 %) und Dyspnoe (28 %), selten Hämoptysen, • B-Symptome kommen bei ≤ 30 % der Patienten vor.

Spezielle Diagnostik • Röntgen Thorax in 2 Ebenen; CT-Thorax, • Bronchoskopie mit Biopsie, ggf. perkutane Lungenbiopsie, • ggf. thorakoskopische Lungenbiopsie bei pleuranahen Raumforderungen, – Pleuraergüsse finden sich bei 5 % bis 15 % der Patienten zum Zeitpunkt der Erstdiagnose, • Gastroskopie zum Ausschluss von sekundärem Magenbefall, • Sonografie der Speicheldrüsen bei Verdacht auf/Ausschluss von Sjögren-Syndrom. Etwa 85 % der Patienten mit pulmonalem MALT-Lymphom befinden sich bei Erstdiagnose im Stadium I oder II.

Therapiestrategie Therapieoptionen sind die chirurgische Resektion, die perkutane Radiotherapie und eine Arzneimitteltherapie, abhängig von der Lokalisation und der Ausdehnung der Erkrankung und mit der Zielsetzung eines bestmöglichen Erhalts der Lungenfunktion. Stadien I und II • Eine chirurgische Resektion ist besonders bei kleinen, peripher gelegenen Lymphomen indiziert, oft primär aus diagnostischen Gründen,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

• •

927

die Möglichkeiten der IF-Radiotherapie werden begrenzt durch die Radiotoxizität auf das Normalgewebe und durch das Volumen des Bestrahlungsfeldes, ggf. ist eine adjuvante Immuno-Chemotherapie oder Chemotherapie nach der chirurgischen Resektion vorteilhaft.

Stadien III und IV Asymptomatische Patienten bedürfen keiner anti-tumoralen Therapie, sollten jedoch engmaschig kontrolliert werden. Bei Lymphom –bedingten Symptomen ist die Therapieoption eine Immuno-Chemotherapie oder eine Chemotherapie wie bei anderen MALT-Lymphomen (siehe Kap. 8.15.9.5). Nachsorge Die Nachsorge sollte bildgebende Verfahren (Röntgen-Thorax, CT-Thorax) einschließen

Prognose Die 10-Jahres-Überlebensraten liegen über 70 %. Auch nach 10 Jahren hat sich bislang kein signifikanter Unterschied in den Überlebensraten zwischen den Stadien I und II sowie III und IV ergeben.

8.15.9.9 MALT-Lymphome/Haut Vorkommen Von den primären kutanen Lymphomen sind 25–35 % B-Zell-Lymphome • mit einer Inzidenz von 0,3/100.000 Personen/Jahr und • vorwiegend MALT-Lymphom (seltener Keimzentrumslymphome) – von denen ~ 75 % indolent, ~ 25 % aggressiv sind, – mit einem mittleren Erkrankungsalter zwischen 35–60 Jahren – wobei ursächlich eine Infektion mit Borrelia burgdorferi oder mit dem Hepatitis CVirus zur Diskussion steht.

Symptome • Meist langsam wachsende erythematöse meist isolierte, seltener multiple Plaques und Knoten ohne Ulzeration von etwa 2 bis 3 cm Größe, • in einem Teil der Fälle Juckreiz, • Allgemeinsymptome sind selten, • spontane Rückbildungen sind möglich.

Diagnostik • Hautbiopsie – entscheidend für die Diagnose ist ▪ die histologische und immunhistochemische Untersuchung und ▪ ggf. die molekularpathologische Untersuchung

928

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren





in etwa 10 % der Fälle sind Lymphknoten oder extranodale Regionen zusätzlich zur Haut beteiligt, – in etwa 1 % bis 10 % ist auch das Knochenmark befallen, wobei dieser Befund weder die Therapie noch die Prognose beeinflusst, bei klinischem Verdacht auf Borreliose Nachweis von Antikörpern gegen Borrelia burgdorferi.

Klassifizierung Für die Klassifikation der kutanen MALT-Lymphome hat sich das TNM-System (siehe Tab. 8.320) geeigneter erwiesen als das Ann-Arbor-System.

Tab. 8.320: Klassifikation der kutanen MALT-Lymphome (Kim et al. 2007). Stadium

Beschreibung isolierter Befall der Haut

T1

a

solitäre Läsion < 5 cm im Durchmesser

b

solitäre Läsion > 5 cm im Durchmesser regionaler Befall der Haut: multiple Läsion in 1 Region oder 2 benachbarten Regionen

a

alle Läsionen in einem Umkreis < 15 cm

b

alle Läsionen in einem Umkreis > 15 cm und < 30 cm

c

alle Läsionen in einem Umkreis > 30 cm

T2

generalisierter Befall der Haut T3

a

multiple Läsionen > 2 nicht-benachbarten Regionen

b

multiple Läsionen in ≥ 3 Regionen N0

kein klinisch oder pathologisch nachgewiesener Lymphknotenbefall Befall 1 peripheren Lymphknotenregion im Lymphabflussgebiet eines aktuell oder in der Vergangenheit betroffenen Hautabschnitts

N1

N2

Befall von ≥ 2 peripheren Lymphknotenregionen im Lymphabflussgebiet eines aktuell oder in der Vergangenheit betroffenen Hautabschnitts

N3

Befall zentraler Lymphknoten M0

kein Anhalt für extrakutanen, extranodalen Befall

M1

extrakutaner, extranodaler Befall

Therapiestrategie Stadium T1a Liegt keine Tumor-Progression vor und ist die Tumormasse klein, ist eine abwartende engmaschige Kontrolle gerechtfertigt.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes



• •

929

Bei symptomatischen Tumoren sind kurativ wirksam die chirurgische Resektion und die Radiotherapie, abhängig von der Größe bzw. Ausdehnung des Lymphoms und seiner Lokalisation, – nachfolgend ist eine engmaschige Kontrolle sinnvoll, – die Rate an kompletten Remissionen liegt mit beiden Verfahren bei über 95 %. möglicherweise auch die topische Therapie mit Glukokortikosteroiden oder die intraläsionale Applikation von Rituximab.

Stadium T1b/T2a Auch hier ist eine abwartende engmaschige Kontrolle sinnvoll, falls keine Tumor-Progression vorliegt und die Tumormasse klein ist. Bei größeren oder symptomatischen Tumoren • führt die chirurgische Resektion zwar zu einer kompletten Remissionsrate von > 95 %, die Rezidivrate liegt jedoch bei ≤ 50 %, • sollte daher bei erhöhtem Risiko postoperativ eine perkutane Radiotherapie durchgeführt werden – entweder in einer Dosierung zwischen 20 und 36 Gy mit einem Sicherheitsabstand nicht-betroffener Haut von 1 bis 1,5 cm, abhängig von der Körperregion, – oder alternativ als niedrig dosierte Radiotherapie (4 bis 8 Gy), wobei mit 4 Gy das Wachstum indolenter Kutaner B-Zell-Lymphome gut kontrolliert werden kann, • erzielt eine systemische Chemotherapie mit Chlorambucil komplette Remissionsraten > 50 % • kann durch eine Chemo-Immuntherapie (Chlorambucil + Rituximab) die komplette Remissionsrate auf > 80 % gesteigert werden, die Rezidivrate liegt jedoch auch hier bei > 50 %, • im Rezidiv wurde auch die Radioimmuntherapie mit Y90-Ibritumomab-Tiuxetan als wirksam beschrieben. Stadien ≥ T2b, ≥ N1, M1 In fortgeschrittenen Stadien mit krankheitsbestimmten Symptomen wird eine Chemotherapie oder Chemo-Immuntherapie wie bei anderen extranodalen Marginalzonen-Lymphomen empfohlen (siehe Kap. 8.15.9.5). Die perkutane Radiotherapie ist auch bei multiplen Läsionen wirksam. Nachsorge und Verlaufskontrollen Für die Nachsorge und Verlaufskontrolle steht im Vordergrund die engmaschige Adspektion der Haut. Bildgebende Verfahren sind nur bei Verdacht auf Progression von nodalen und extranodalen Metastasen und bei Symptomen anzuwenden. Prognose Die 5-Jahresüberlebensrate liegt bei über 95 %.

930

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

8.15.9.10 MALT-Lymphome/Augenregion Vorkommen OAL/Okular-Adnex-Lymphome in Orbita, Lider, Tränendrüsen, Bindehaut machen etwa 10 % bis 15 % der malignen Erkrankungen in der Augenregion aus. Hiervon sind ≤ 90 % MALT-Lymphome. • die Zahl der OAL hat in den letzten drei Jahrzehnten zugenommen und liegt derzeit bei etwa 22 % aller MALT-Lymphome, – am häufigsten ist die Orbita befallen (56 %), gefolgt von den Konjunktiven (28 %) und den Tränendrüsen (16 %), – ein bilateraler Befall tritt in etwa 15 % der Patienten auf, • das mediane Alter bei Diagnose eines MALT-Lymphoms der Augenregion liegt bei etwa 65 Jahren, mit einer leichten weiblichen Prädominanz, • eine Assoziation von MALT-Lymphomen der Augenregion scheint zu bestehen – in manchen Regionen mit Infektionen durch Chlamydophila psittaci und teilweise auch durch Hepatitis C Virus, – mit Autoimmunerkrankungen (vor allem Hashimoto-Thyroiditis und Sjögren-Syndrom) bei 20 bis 35 % der Patienten.

Symptome Diese umfassen in der Augenregion • Orbita: Exophthalmus, tastbare Schwellungen, Sehstörungen, Doppelbilder • Konjunktiven: lachsfarbene gallertige Schwellungen, Rötungen, Fremdkörpergefühl • Tränendrüsen: Tränenfluss, schmerzlose Schwellungen, Entzündungen des Tränensacks • Augenlider: schmerzlose Schwellungen, Rötungen, Fremdkörpergefühl

Spezielle Diagnostik • Biopsie/Probeexzision und histologische/immunhistologische Untersuchung • MRT für die Beurteilung der Ausbreitung der MALT-Lymphome im Augenbereich – im Stadium I werden 70 % bis 80 % der Lymphome diagnostiziert – ein dissemierter Befall über das Auge hinaus (besonders ins lokale Fettgewebe) wird bei etwa 15–30 % der Patienten festgestellt, – die Rate der Knochenmarksinfiltrationen liegt bei etwa 2–8 %

Klassifikation und Stadieneinteilung Die Stadieneinteilung erfolgt in Stadium I bis IV nach der von Musshoff modifizierten Ann-Arbor-Klassifikation oder nach der TNM Klassifikation.

Therapiestrategie Stadien I und II Folgende Therapieoptionen liegen vor

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes





• •

931

Antibiose mit Doxycyclin oder Clarithromycin ist eine etablierte Erstlinienoption, auch bei fehlendem Nachweis der Infektionserreger (Chlamydophila psittaci) – induziert auch bei negativem Keimnachweis Remissionsraten von 30–65 % und eine 5-Jahres-Überlebensrate von 55 %, die Perkutane Radiotherapie ≤ 30 Gy führt zu kompletten Remissionen in etwa 85 % der Fälle – das Rezidivrisiko nach 10 Jahren liegt bei etwa 30–40 % der Fälle, wobei die Rezidive meist außerhalb des Strahlenfeldes auftreten, – der schnelle Beginn einer Radiotherapie ist besonders bei Gefährdung der Sehfähigkeit indiziert, – eine Alternative könnte die niedrig dosierte Radiotherapie mit 4 Gy sein, da die Ansprechraten hoch (100 %) sind und die Toxizitäten minimal (5 % Grad 1), Chemo-Immunotherapie-Schemata (Zytostika + Rituximab) stellen eine Alternative zur Bestrahlung dar, die Radio-Immuntherapie mit Y90-Ibritumumab-Tiuxetan zeigte bislang hohe Remissionsraten von knapp 100 %

Stadien III und IV Bei fortgeschrittenen Stadien mit krankheitsbestimmten Symptomen wird eine Chemotherapie oder Chemo-Immuntherapie wie bei anderen MALT-Lymphomen empfohlen. Nachsorge und Verlaufskontrollen erfolgen engmaschig besonders mit bildgebenden Verfahren (Sonografie und MRT). Prognose Die Rate des Progressions-freien Überlebens von Patienten mit MALT-Lymphom der Augenanhangsgebilde liegt nach 1, 5 und 10 Jahren bei 91 %, 69 % und 51 %. Hierbei ist das größte Problem die Entstehung von Rezidiven. 8.15.9.11 MALT-Lymphome/Speicheldrüsen Vorkommen In der Speicheldrüse sind 2 % bis 5 % aller Malignome Lymphome, welche primär lokalisiert sind in ≤ 80 % der Fälle in den Parotiden, seltener in den Submandibular- und den anderen Speicheldrüsen. Für MALT-Lymphome gilt hierbei • sie stellen den häufigsten Subtyp dar, • das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen 50 und 70 Jahren, • Frauen sind 2–5mal häufiger betroffen als Männer. Risikofaktoren Zu den Risikofaktoren gehören • Autoimmunerkrankungen, diese sind assoziiert mit bis zu 60 % der Malt-Lymphome in den Speicheldrüsen, so z. B. – das Sjögren-Syndrom mit einem relativen Lymphom-Risiko von 2 % bis 10 %,

932 • •

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

eine Sialadenitis mit lymphozytärer Infiltration aufgrund anderer Ursachen, eine Trisomie 3, diese gilt als charakteristisch für MALT-Lymphome der Parotis.

Symptome Die Symptome umfassen • häufig schmerzlose Schwellung im Bereich einer der Speicheldrüsen, • meist langsam fortschreitend, manchmal auch mit undulierendem Verlauf, • bei Primärlokalisation in der Parotis werden Lymphome häufiger auf der linken als auf der rechten Seite beobachtet, – kontralaterale Speicheldrüsen können bei bis zu 15 % der Patienten ebenfalls betroffen sein • B-Symptome sind selten.

Spezielle Diagnostik • Sonografie zur Erfassung der Schwellungen, • Biopsie/Probeexzision für die histologische/immunhistologische Untersuchungen, • Testung auf Anti-nukleäre-Autoantikörper (Anti-Ro/SS-A, Anti-dsDNA, Anti-SSB-La) zur Abgrenzung vom Sjögren-Syndrom.

Therapiestrategie Stadien I und II Im Stadium I oder II befinden sich 60 % bis 80 % der Patienten mit MALT-Lymphom der Speicheldrüsen bei der Erstdiagnose. • die perkutane IF-Radiotherapie mit 24–35 Gy ist die Therapie der Wahl, – führt zu kompletten Remissionen in 100 % der Fälle, – bewirkt eine rezidivfreie 5 Jahres Überlebensrate von 90 %, – kann bislang durch eine adjuvante Chemotherapie nicht verbessert werden, – kann ein Sicca-Syndrom auslösen, besonders bei Patienten mit einem SjögrenSyndrom • Alternativen sind – engmaschige und abwartende Kontrollen, – Immuntherapie mit Rituximab oder eine Chemotherapie. Stadien III und IV Asymptomatische Patienten bedürfen keiner anti-tumoralen Therapie, sollten jedoch engmaschig kontrolliert werden. Bei fortgeschrittenen Stadien mit krankheitsbestimmten Symptomen wird eine Chemo- oder Chemo-Immuntherapie wie bei anderen MALT-Lymphomen empfohlen.

Prognose Die 5 Jahres-Überlebensraten liegen über 80 %.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

933

8.15.9.12 MALT-Lymphome/Schilddrüse Vorkommen In der Schilddrüse sind 1–5 % aller primären Malignome Lymphome, • Frauen sind fast ausschließlich betroffen und • das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen 60–79 Jahren Risikofaktoren • wichtigster Risikofaktor für das MALT-Lymphom ist eine Autoimmunthyreoiditis, • ≤ 50 % aller Patienten mit MALT-Lymphom der Schilddrüse hatten eine HashimotoThyreoiditis als Begleit- oder Vorerkrankung, • in ≤ 90 % der Patienten werden Autoantikörper nachgewiesen, • eine Autoimmunthyreoiditis erhöht das Risiko für ein thyroidales Lymphom um den Faktor 70 bis 80. Symptome • Meist schmerzlose lokal begrenzte Schwellung, • selten treten Heiserkeit, Dysphagie, Dyspnoe oder B-Symptome auf. • ggf. kann eine Hyperthyreose entstehen, falls eine Autoimmunthyreoiditis vorlag oder besteht. Spezielle Diagnostik • Sonografie der Schilddrüse, – ein MALT-Lymphom stellt sich als Echo-arme umschriebene Schwellung dar, nur selten als diffuse Infiltration, Biopsie oder Probeexzision für die Histologie und Immunhistologie • • Nachweis von Autoantikörpern gegen Thyreoperoxidase (TPO-AK), Mikrosomen (MAK), Thyreoglobulin (TG-AK) Klassifikation erfolgt gemäß dem Ann-Arbor-System, modifiziert von Musshoff. Bis zu 85 % der Patienten mit MALT-Lymphom befinden sich bei der Erstdiagnose im Stadium I/II.

Therapiestrategie Stadium I Drei Therapie-Optionen mit kurativem Ziel liegen vor: • Chirurgische Tumor-Resektion • perkutane IF-Radiotherapie mit 24–30 Gy – 3-Jahres-Gesamtüberlebensrate 94 % • Chemotherapie – 3-Jahres-Gesamtüberlebensrate 93 %

934

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Stadium II • Bevorzugte kurative Therapieoption ist die Radiotherapie wie beim Stadium I, – es besteht jedoch das erhöhte Risiko eines Rezidivs (Rezidivrate ~ 50 %) • Chemotherapie scheint eine wirksame Alternative zu sein Stadien III und IV Asymptomatische Patienten bedürfen keiner anti-tumoralen Therapie, sollten jedoch engmaschig kontrolliert werden. Bei fortgeschrittenen Stadien mit krankheitsbestimmten Symptomen wird eine Chemotherapie oder Chemo-Immuntherapie wie bei anderen MALT-Lymphomen empfohlen. Nachsorge und Verlaufskontrollen Wie bei MALT-Lymphomen anderer Lokalisationen und unter Einschluss der Schilddrüsen-Sonografie.

Prognose Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt in den Stadien I und II bei 94 % und nach 10 Jahren bei 91 %.

8.15.9.13 MALT-Lymphom/Mamma Vorkommen Primäre Lymphome der Mamma sind mit einem Anteil von 0,5 % aller Malignome der Brust sehr selten • das mittlere Erkrankungsalter für das MALT-Lymphom der Mamma liegt zwischen 55 und 70 Jahren, • Männer sind kaum betroffen.

Symptome • Vorrangiges Symptom ist ein palpabler Tumor, gelegentlich mit Schmerzen und Spannungsgefühl verbunden, • in bis zu 10 % ist bei Erstdiagnose auch die kontralaterale Mamma betroffen, • subkutane Lymphome können sich (entsprechend der embryonalen Drüsenanlage) auch abseits der Mamma bilden und daher lange nicht erkannt werden.

Spezielle Diagnostik • Mammografie, Sonografie und/oder MRT – intramammäre Lymphome stellen sich als glatt begrenzte Herde dar, • Biopsie/Probeexzision zur histologischen Abklärung bei Verdacht, • Bis zu 75 % der extranodalen Marginalzonen-Lymphome der Mamma werden in den Stadien I und II diagnostiziert.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

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Therapiestrategie Stadien I und II • perkutane IF-Radiotherapie mit 24−35 Gy – hoch wirksam, geringe lokale Rezidivrate, • zusätzlich Bestrahlung der Lymphabflusswege – im Stadium I fakultativ, therapeutischer Nutzen nicht gesichert, – im Stadium II notwendig, • alternativ chirurgische Tumorresektion, falls der primäre Tumor klein ist; Stadien III und IV Bei fortgeschrittenen Stadien wird eine Chemotherapie oder Chemoimmuntherapie wie bei anderen extranodalen Marginalzonen-Lymphomen empfohlen, Nachsorge und Verlaufskontrollen Wie bei den extranodalen Marginalzonen-Lymphomen anderer Lokalisationen, vorzugsweise durch Sonografie der Mamma Prognose Die Prognose der Patientinnen mit extranodalem Marginalzonen-Lymphom der Brust entspricht der günstigen Prognose extranodaler Marginalzonen-Lymphome in anderen Lokalisationen. 8.15.9.14 Nodales Marginalzellen-Lymphom (nMZL) Vorkommen Das nodale Marginalzelllymphom gehört zur Gruppe der Marginalzonenlymphome (gemeinsam mit dem extranodalen und splenischen Marginalzonenlymphomen) und ist wie folgt charakterisiert • reifzelliges indolentes B-Zell-Lymphom ohne splenischen und extranodalen Befall, • zeigt Überlappungen zu anderen indolenten B-Zell-Lymphomen, • stellt 2 % aller Non-Hodgkin-Lymphome und ca. 10 % aller MZL dar • die Inzidenz beträgt 0.83/100.000 Personen/Jahr • medianes Alter der Erkrankung liegt im Bereich von 50–64 Jahren Symptome Das klinische Bild entspricht demjenigen follikulärer Lymphome (siehe Kap. 8.15.9.1). Die Mehrzahl der Patienten ist zum Zeitpunkt der Erstdiagnose im fortgeschrittenen Stadium mit • Vergrößerung der peripheren, abdominellen und thorakalen Lymphknoten und • Knochenmark-Infiltrationen bei ca. 30 % der Patienten Diagnostik und Stadieneinteilung Diagnostik und Stadieneinteilung entsprechen denjenigen des Follikulären Lymphoms (siehe Kap. 8.15.9.1)

936

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Therapiestrategie Das nMZL wird (ähnlich wie das follikuläre Lymphom) auch im fortgeschrittenem Stadium nur bei krankheitsassoziierten Symptomen behandelt und zwar wie folgt: • Standard der Primärtherapie ist eine Chemo-Immuntherapie, wie z. B. – Rituximab in Kombination mit CVP, CHOP oder Bendamustin – bei Wahl von Rituximab-Bendamustin sollte das Risiko fataler Infektionen durch eine geeignete Prophylaxe (z. B. gegen Pneumocystis jirovecii oder CMV) vermindert werden, • die Erhaltungstherapie beinhaltet eine 2-jährige Rituximab Verabreichung; diese führt zu einer deutlichen Verlängerung des Progressionsfreien Überlebens • die Therapie von Rezidiven erfolgt abhängig von deren Auftreten – bei Spätrezidiven (> 2 Jahre) wird eine erneute Chemo-Immuntherapie empfohlen, – bei Frührezidiven ist die Therapieoption eine Hochdosischemotherapie mit nachfolgender Transplantation autologer hämatopoetischer Stammzellen, – beim fortgeschrittenen Rezidiv ist die Verabreichung von PI3K-Inhibitoren (Idelalisib, Copanlisib) eine Therapieoption. 8.15.9.15 Burkitt-Lymphom Vorkommen Das Burkitt-Lymphom ist ein aggressives extranodales B-Zell-Lymphom, welches besonders Jugendliche befällt, als das häufigste pädiatrische NHL gilt und wie folgt unterteilt wird: • sporadische Variante (sBL) besonders in Nordamerika, West-Europa und Japan, – vorwiegend mit abdominalen Tumoren und Knochenmark-Infiltrationen, • endemische Variante (eBL) in Äquatorialafrika, Brasilien, Neuguinea, – die vorwiegend Kiefer- und die Gesichtsknochen befällt (> 50 % der Fälle), – wobei in den meisten Fällen ▪ die Lymphomzellen das EBV/Epstein-Barr-Virus-Genom enthalten, die pathogenetische Rolle des EBV beim Burkitt-Lymphom jedoch unklar ist und ▪ Assoziationen mit der Malaria und deren immusuppressive Wirkung bestehen, • Immunodefizienz-assoziiertes Burkitt-Lymphom (iBL) – welches meist die Lymphknoten und das Knochenmark befällt, besonders – von HIV/Humanes Immundefiziens-Virus infizierten Patienten (Anteil der iBL ~ 30 % aller Lymphome bei HIV-Infizierten) – von Personen mit allogenen Organtransplantaten und – bei kongenitalen Immundefizienzen. Charakteristika des Burkitt-Lymphoms sind • ein Anteil von proliferierenden Zellen von fast 100 % (Ki-67-Index > 95 %) und eine Zellverdoppelungszeit von ~ 25 Stunden • eine singuläre Translokation des Genes für den Transkriptionsfaktor c-myc auf Chromosom 8

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

937







in die Nähe des Gens für die schwere H-Kette des Immunglobulins auf Chromosom 14 ▪ t(8;14)(q24;q32); Häufigkeit: ca. 85 % der Fälle, – in die Nähe des Gens für die leichte L-Kette λ des Immunglobulins auf Chromosom 22 ▪ t(8;22)(q24;q11); Häufigkeit: ca. 10 % der Fälle, – in die Nähe des Gens für die leichte Kette К des Immunglobulins auf Chromosom 2 ▪ t(2;8)(p11;q24); Häufigkeit: ca. 5 % der Fälle, ▪ mit der Variante (2;8)(p12;q24), in seltenen Fällen – eine duale Translokation des Gens für c-myc (s. o.) und des Gens für bcl-2 ▪ z. B. t(14;18)(q32;21) wie beim Follikulären Lymphom und beim DLBCL (siehe Kap. 8.15.8.2), ▪ welche zu hochaggressiven Burkitt-Lymphomen führt mit einem mittleren Überleben von etwa 5 Monaten; zusätzliche genetische Aberrationen – strukturelle Verlagerungen des langen Arms von Chromosom 1 mit partieller Trisomie 1q (in 30 % der Fälle), – Verlagerungen von Chr. 13q34 (in 15 % der Fälle).

Symptome Der klinische Verlauf ist schnell und aggressiv mit Bildung großer Tumorvolumina und Gewebeinfiltrationen: • Schmerzlose Schwellungen der Lymphknoten, Knochenmarkinfiltrationen, • Gastrointestinal/abdominale Symptome – abdominale Schwellungen, Schwindel, Erbrechen, – gastrointestinale Blutungen, intestinale Perforationen, akutes Abdomen – Nierenversagen primär durch Tumorinfiltration und/oder sekundär durch das Tumor-Lyse-Syndrom, • Schwellungen/Auftreibungen der Kieferknochen (maxillar > mandibular) und Infiltration in die Augenhöhle, • ZNS-Infiltrationen (Hirn- und Rückenmarkhäute), ggf. mit Beteiligung der Hirnnerven (häufig CN III, CNVII) – Kopfschmerzen, Sehstörungen, Paraplegien. • B-Symptome (Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust) sind relativ selten. Spezielle Diagnostik Zusätzlich zu allen gängigen Blut- und Organfunktionstesten • Biopsie oder Proberesektion von Tumorgewebe und Punktate von Effusionen für die zytologischen bzw. histologischen Untersuchungen, • LDH und β2 Mikroglobulin im Serum • Serologie zum Nachweis von HIV- und HBV-Infektionen • Immunologische Untersuchungen, Nachweis der – B-Zell Immunmarker CD20, CD22, CD19, CD10 und BCL6 (Immunzytologie) – der Monoklonalität (Immunelektrophorese)

938

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Zytogenetische Untersuchungen (siehe oben) Bildgebende Untersuchungen – Knochenradiografie, – CT ggf. mit Kontrastmittel und/oder MRT zur Befundung von Skelett, Thorax, Schädel/Gehirn, Wirbelsäule/Rückenmark, Becken, Abdomen, – ggf. Echokardiografie.

• •

Klassifikation und Entwicklungsstadien Die Klassifikation der Entwicklungsstadien und die Einschätzung der Risiken erfolgt im Regelfall nach dem Ann Arbor System (siehe Tab. 8.321). Tab. 8.321: Entwicklungsstadien und Klassifikation des Burkitt-Lymphoms. NCI-System

A

ein einzelner solitärer extraabdominaler Tumor

AR

intraabdominaler Befall, mehr als 90 % des Tumors wurde reseziert

B

multiple extraabdominale Tumore

C

intraabdominaler Tumor

D

intraabdominaler Tumor ≥ 1 extraabdominaler Befall

Ann-Arbor-System/St. Jude/Murphy Modifikation

I

1 extranodaler, lokal begrenzter Tumor oder 1 nodaler, lokaler (Lymphknoten)-Befall

II

1 extranodaler Tumor und Befall des regionalen Lymphknotens oder 1 gastrointestinaler Tumor oder nodaler (Lymphknoten) Befall auf der gleichen Seite des Zwerchfells

IIR

intraabdominale Tumore vollständig reseziert

III

Tumoren auf beiden Seiten des Zwerchfells oder intrathorakale Tumore oder paraspinale oder epidurale Tumore oder extensive abdominale Tumore oder Knochenbefall

IV

jegliche Tumorlokalisation und Tumorgröße, wobei das ZNS oder das Knochenmark mit > 25 % befallen ist

Risiko-Einschätzung

Tumore < 10 cm, Stadium I oder II, gutes niedrig Allgemeinbefinden, LaktatDehydrogenase (LDH) bei Normalwert

hoch

alle übrigen Patienten mit schlechteren Werten

Therapiestrategien Wegen des schnellen Tumorwachstums ist die Behandlung so zügig wie möglich einzuleiten. Standard ist die Chemotherapie mit folgenden Schemata • R-CODOX-M + IVAC-R: Cyclophosphamid + Vincristin + Doxorubicin + Methotrexat (hohe Dosis) + Ifosfamid + Etoposid + Cytarabin (hohe Dosis) + Rituximab als intensive, kurzzeitige Chemo-Immuntherapie – erzielt bei Kindern und bei Erwachsenen < 60 Jahre eine Heilungsrate > 80 %.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

• •

939

R-EPOCH: Etoposid + Prednison + Vincristin + Doxorubicin + Rituximab – wird bei Patienten > 60 Jahre erfolgreich eingesetzt. Hyper-CVAD: Cyclophosphamid (in modifizierter Fraktionierung) + Vincristin + Doxorubicin + Dexamethason + ggf. Rituximab als längerfristige Chemotherapie.

Als Teil der Konsolidierung kann eine Hochdosischemotherapie mit nachfolgender Transplantation autologe hämatopoetische Stammzellen durchgeführt werden. Eine Ausbreitung des Burkitt-Lymphoms in das ZNS • ist trotz Remission ein lebenslängliches Risiko (Größenordnung 20–30 % der Fälle), • sollte verhütet werden durch intrathekale Chemotherapie (z. B. Methotrexat) als Teil der Induktionstherapie. Zur Prophylaxe/Therapie des Tumorlyse-Syndroms • Allopurinol und starke Hydration mit Urin-Alkalinisierung und Verabreichung von Urate-oxidase wie Rasburicase. Prognose • ungünstige Prognosefaktoren sind eine ausgedehnte abdominale Tumormasse und sehr hohe LDH/Laktatdehydrogenase-Werte im Blutserum • das 5-Jahres-Überleben auch fortgeschrittener Stadien liegt im Mittel bei etwa 60 %. 8.15.9.8 Lymphomatoide Granulomatose Vorkommen Die Lymphomatoide Granulomatose (Morbus Liebow) stellt ein seltenes großzelliges BZell-Non-Hodgkin-Lymphom dar, welches • sich über eine systemische, granulomatöse, lymphozytenreichen Vaskulitis ausbreitet, die – maligne, angiozentrisch, pleomorph und T-Zell-reich ist und – granulomatös-vaskulär destruktive Veränderungen der Wegener-Granulomatose aufweist, bei Männern etwas häufiger auftritt als bei Frauen und • • assoziiert ist mit – viralen Infektionen (EBV, HIV) und/oder – Autoimmunerkrankungen (Sjögren-Syndrom) Symptome Befallen sind • vorwiegend die Haut (zu ca. 50 %) mit ulzerierenden Knoten, • die Nasennebenhöhlen, • die Lunge mit Husten, Dyspnoe, Brustschmerzen, Hämoptoe, • das ZNS und die Nieren

940

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Der klinische Verlauf ist sehr unterschiedlich: teilweise kommt es zu Spontanremissionen, teils zur Progression in ein aggressives Lymphom. Diagnostik Die spezielle Diagnostik beinhaltet • Hautbiopsien – Nachweis von angiozentrischen, granulomatösen Infiltraten mit pleomorphen und atypischen lymphoretikulären Zellen, die immunphänotypische Marker von T-Zellen tragen, – oft massive Nekroseareale, • obere Endoskopie des Gastrointestinal-Traktes, • Bronchoskopie, • Bildgebende Verfahren – Röntgen Thorax ▪ alveoläre oder interstitielle Infiltrate und Ergüsse mit Bildung von Knötchen, die kavernös zerfallen können, – Sonografie Abdomen (im Besonderen Niere), – CT und MRT des ZNS. Therapiestrategie Die Therapiestrategie ist ähnlich wie beim großzelligen B-Zell-Lymphom und beinhaltet • Chemotherapie – Cyclophosphamid + Prednison oder – CHOP: Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin + Prednison • perkutane IF/involviertes Feld-Radiotherapie • Immuntherapie mit – Interferon α oder – Anti-CD20-Antikörper: Rituximab (soweit Lymphomzellen CD20 positiv sind) ▪ 375 mg/qm/Woche für 1 Monat, danach 1 ×/Monat • Transplantation autologer hämatopoetischer Stammzellen

8.15.10 PTCL/Periphere T-Zell-Lymphome 8.15.10.1 Übersicht Vorkommen Periphere T-Zell-Lymphome gehören zu den klinisch meist aggressiv verlaufenden Lymphomen • mit dem Phänotyp reifer postthymischer T-Zellen und NK-Zellen und • primär nodalen oder extranodalen Lokalisationen. PTCL machen in Europa und in den USA ≤ 10 % der neu diagnostizierten Non-HodgkinLymphome aus:

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes



• •

941

die Neuerkrankungsrate liegt bei < 1/100.000 Personen/Jahr, – in Asien ist die Inzidenz der extranodalen NK/T-Zell-Lymphome vom nasalen Typ am höchsten, Männer sind häufiger betroffen als Frauen (Verhältnis 1,7 : 1), die Erkrankungswahrscheinlichkeit nimmt mit zunehmendem Alter zu – Ausnahme: Anaplastisches großzelliges Lymphom/ALK+ (ALCL/ALK+),

Die reifzelligen PTCL sind zu unterscheiden von • unreifen T-Zell-Neoplasien (lymphoblastisches T-NHL, T-ALL und T-PLL) und • primär kutanen T-Zell-Lymphomen (Mycosis fungoides, Sezary-Syndrom) Innerhalb der Gruppe der PTCL bestehen zahlreiche zytologisch, histologisch, und zum Teil auch immunzytologisch und molekulargenetisch zu differenzierende Varianten (siehe Tab. 8.322). Tab. 8.322: Klassifizierung der T-Zell (NK-Zell) -Lymphome (WHO 2017). T-Zell (NK-Zell) -Lymphome

Besonderheiten

Systemisches EBV+ T-Zell-Lymphom im Kindesalter

EBV+

EATL/Enteropathie-Assoziiertes T-Zell-Lymphom

assoziiert mit vorbestehender Zöliakie

MEITL/Monomorphes Epitheliotropes Intestinales T-Zell-Lymphom) Indolente T-Zell lymphoproliferative Störung des GI-Trakts HSTL/Hepatosplenisches T-Zell-Lymphom

in 20 % assoziiert mit vorbestehender Immunsuppression

Subkutanes Panniculitis-like T-Zell-Lymphom Mycosis fungoides/Sézary-Syndrom Primäres kutanes γδ-T-Zell-Lymphom

TCR γδ +

Primäre kutane CD30+ T-Zell lymphoproliferative Störungen

CD30+

Lymphomatoide Papulose Primäres kutanes anaplastisches großzelliges Lymphom Primäres kutanes CD8+ aggressives epidermotropes zytotoxisches T-Zell-Lymphom

CD8+

Primäres kutanes akrales CD8+ T-Zell-Lymphom

CD8+

Primäre kutanes CD4+ kleine/mittelgroßzellige lymphoproliferative Störung der T-Zellen

CD4+

Peripheres T-Zell-Lymphom, NOS/Not Other Spezified

Überexpression des TF GATA3 (schlechtere Prognose) oder des TBX21

942

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

T-Zell (NK-Zell) -Lymphome

Besonderheiten

AITL/Angio-Immunoblastisches T-Zell-Lymphom

inaktivierende Mutationen von TP53, ETV6 oder CCND3;Mutationen von TET2, RHOA, IDH2, DNMT3A

Follikuläres T-Zell-Lymphom Nodales peripheres T-Zell-Lymphom mit TFH-Phänotyp

Mutationen von TET2, RHOA, IDH2, DNMT3A

ALCL/Anaplastisches großzelliges Lymphom, ALK+

CD30+; Translokation t(2;5)(p23;q35) mit Fusionsprotein NPM-ALK; Überexpression von BCL6, PTPN12, SERPINA, CEBPB; DUSP22/IRF4Rearrangement auf 6p25: bessere Prognose; Rearrangement von TP63: schlechtere Prognose; bei Kindern: Nachweis von Anti-ALK-Antikörpern

ALCL/Anaplastisches großzelliges Lymphom, ALK– Brustimplantat-assoziiertes anaplastisches großzelliges Lymphom Hydroa vacciniforme-like lymphoproliferative Störung ATLL/Adulte(s) T-Zell Leukämie/Lymphom

seropositiv für HTLV-1

Chronische lymphoproliferative Störung von NK-Zellen Extranodales NK-/T-Zell-Lymphom, nasaler Typ

assoziiert mit EBV-Infektion

ALK = Anaplastic Lymphoma Kinase 2p23, NPM = Nucleophosmin 5q35; TF = Transkriptionsfaktoren; TFH = T-follikulären Helfer-Typ

Risikofaktoren Als wichtigster Risikofaktor gilt (wie bei allen NHL) eine längerfristige Immunsuppression. Symptome Zu den ersten Symptomen gehören (ähnlich wie bei aggressiven B-Zell-Lymphomen) • progrediente schmerzlose Lymphknotenvergrößerungen und/oder extranodale Lymphome, z. B. – bei EATL im Gastrointestinaltrakt, – bei extranodalen NK/T-Zell-Lymphomen vom nasalen Typ im HNO-Bereich, – bei den Panniculitis-like T-Zell-Lymphomen als subkutane Indurationen in der Haut, • eine B-Symptomatik (unerklärliches Fieber > 38 °C, unerklärlicher Gewichtsverlust > 10 % in 6 Monaten; unerklärlicher Nachtschweiß), • eine deutliche Infektneigung, z. T. mit opportunistischen Infektions-Erregern, • bei der AITL eine Regulationsstörung der Antikörper-Bildung mit

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

– –

943

polyklonaler Hypergammaglobulinämie oder Coombs-positiver hämolytischer Anämie.

Spezielle Diagnostik Vorrangig sind • die histologische Tumor-Diagnose gestützt durch – die Immunzytologie mit Nachweis der T-Zell-Immunmarker und – die molekulargenetische Untersuchung mit Nachweis der Monoklonalität des TCR/T-Zell-Rezeptors und der spezifischen Translokationen und Mutationen (siehe Tab. 8.322) • die Untersuchung (Zytologie, Histochemie, Durchfluss-Fluoreszenz-Zytometrie) des Knochenmarks (Aspirationen und Biopsien), • die Erfassung der Ausbreitung/ des Entwicklungsstadiums analog zu der Maßgabe bei aggressiven B-Zell-Lymphomen, • die bildgebende Diagnostik mit – CT von Hals, Thorax und Abdomen, – CT oder MRT des Schädels und/oder der Wirbelsäule bei klinischem Verdacht, – FDG-PET zur Entdeckung von extranodalen nicht-kutanen Tumoren, besonders im Gastrointestinaltrakt. Für eine Abschätzung des Risikos und der Prognose sind gegenwärtig mehrere RisikoScores in Verwendung (siehe Tab. 8.323) Tab. 8.323: Risikofaktoren zur Abschätzung der Prognose der pTCL/peripheren T-Zell-Lymphome (Hopfinger et al. 2019). IPI

PIT

mPIT

IPTCLP

Alter > 60 Jahre

Alter > 60 Jahre

Alter > 60 Jahre

Alter > 60 Jahre

erhöhte LDH

erhöhte LDH

erhöhte LDH

Allgemeinbefinden ECOG ≥ 3

Allgemeinbefinden ECOG ≥ 3

Allgemeinbefinden ECOG ≥ 3

Befall des Knochenmarks

erhöhter Proliferationsindex (Ki-67-Index)

Stadium III > 1 extranodaler Befall

Allgemeinbefinden ECOG ≥ 3

erniedrigte Thrombozytenzahl

IPI = International Prognostic Index; IPTCLP = International peripheral T-cell Lymphoma Project; mPIT = modifizierte Prognoseindex für T-Zell-Lymphome; PIT = Prognostic Index for T-Cell Lymphoma;

944

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Therapiestrategie Die Therapiestrategie der peripheren T-Zell-Lymphome ist auf Grund ihrer Heterogenität (siehe Tab. 8.229) unterschiedlich (siehe Tab. 8.324) Die Therapieoptionen umfassen • die perkutane IF/involviertes Feld-Radiotherapie mit 20–30 Gy • die Chemotherapie mit den Schemata – BV-CHP: Brentuximab + Cyclophosphamid + Doxorubicin + Prednison – CHOP: Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin + Prednison – CHOEP: Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin + Etoposid + Prednison – CHP: Cyclophosphamid + Doxorubicin + Prednison – DHEAP: Dexamethason + hochdosiertes Ara-C + Cisplatin – DexaBEAM: Dexamethason + BCNU+ Etoposid + Ara-C + Melphalan – ESHAP: Etoposid + Methylprednisolon + Cytarabin + Cisplatin – ICE: Ifosfamid + Carboplatin + Etoposid – IVE/MTX: Ifosfamid + Vincristin + Etoposid + Methotrexat – IVAC: Ifosfamid + Etoposid + Cytarabin – SMILE: Asparaginase + Methotrexat + Ifosfamid + Dexamethason + Etoposid • die Transplantation autologer hämatopoetischer Stammzellen nach – Mobilisierung mit Dexa-BEAM oder ESHAP und – Konditionierung mit hochdosiertem Cyclophosphamid und Ganzkörperbestrahlung oder • die Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen nach – vorherige Konditionierung mit einer hochdosierten Chemotherapie • für die Therapie von Rezidiven zusätzlich – Gemcitabin (Antimetabolit) oder – Pralatrexat (Antimetabolit, Thymidilatsynthese-Inhibitor), – Bendamustin (Alkylans) – Brentuximab-Vedotin (monoklonaler Anti-CD30-Antikörper, konjugiert mit 3–5 Molekülen des Toxins Monomethylauristatin E) – Lenalidomid (Immunmodulator) – Azacitidin (demethylierender Antimetabolit) – Romidepsin (pan-Histon-Deacetylase-Inhibitor ) – Belinostat (Klasse I/II Histon-Deacetylase-Inhibitor)

945

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

Tab. 8.324: Strategie der Therapie der peripheren T-Zell-Lymphome (in Anlehnung an Hopfinger et al. 2019). PTCL

NK/T

ALCL







Chemotherapie CHOEP-14/21 × 6 + IF-Radiotherapie

Stadium I ohne RF

Stadium I/II mit RF

Stadium IV

ALK + IPI ≤ 2

ALK +/– IPI > 2











IF-Radiotherapie

▾ Eignung für Hochdosis Chemotherapie?

▾ oder

ja HD-Therapie + autologe SZT

▾ falls PD oder Rezidiv

nein

▾ falls PD oder Rezidiv

Chemotherapie ICE oder DHAP oder DexaBEAM

▾ und

HD-Therapie + autologe SZT oder allogene SZT

IF-Radiotherapie + Chemotherapie



IF-Radiotherapie + Chemotherapie

Chemotherapie CHOEP-14/21 × 6 + IF-Radiotherapie Chemotherapie



▾ HDTherapie + autologe SZT



PD/Rezidiv





▾ PD/ Rezidiv

Chemotherapie (Methotrexat + Asparaginase)

Brentuximab + Vedotin



ggf. gefolgt von



gefolgt von

◂?

HD/Hochdosis-Chemotherapie + autologe oder allogene SZT

HD/HochdosisChemotherapie + autologe oder allogene SZT





oder

oder

bestmögliche palliativ/symptomatische Therapie

bestmögliche palliativ/ symptomatische Therapie

Subtypen des PTCL: PTCL = peripheres T-Zell-Lymphom – NOS (not other spezified); NK/T = Natürliche Killerzellen/T-Zellen-Lymphome; ALCL = Anaplastisches großzelliges Lymphom ALK = Anaplastische Lymphom Kinase; HD-Therapie = Hoch-Dosis-Chemotherapie; IF-Radiotherapie = invoviertes Feld-Radiotherapie; IPI = internationaler Prognose Index; PD = Progressive Disease; RF = Risikofaktoren; SZT = hämatopoetische Stammzelltransplantation CHOEP = Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin + Etoposid + Prednison; DHEAP = Dexamethason + hochdosiertes Ara-C + Cisplatin DexaBEAM = Dexamethason + BCNU + Etoposid + Ara-C + Melphalan ICE = Ifosfamid + Carboplatin + Etoposid

946

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Nachsorge Die klinische Nachsorge (ggf. ergänzt durch Sonografie und CT, bei extranodalen NK/TZell-Lymphomen vom nasalen Typ auch durch EBV-Nachweis per PCR) sollte 6–8 Wochen nach Beendigung der Therapie erfolgen, danach • alle 3 Monate im ersten Jahr, • alle 6 Monate im zweiten Jahr und • danach im jährlichen Abstand. 8.15.10.2 ALCL/Anaplastisches großzelliges Lymphom • ähnelt morphologisch Karzinomen, • stellt ein T-Zell-Lymphom dar – mit häufiger extranodaler Lokalisation, besonders in der Haut; • ist charakterisiert durch – Expression des Antigens CD30: TNFRSF8/Tumor-Nekrose Faktor Rezeptor SuperFamilien-Mitglied 8, – konstitutive Aktivierung der ALK/anaplastische Lymphomkinase (Alkomas) ▪ meist durch die Translokation t(2;5)(p23;q35) mit Expression des Fusionsproteins Nucleophosmin-ALK, ▪ in 10–20 % der Fälle durch andere Translokationen wie beispielsweise t(2;17) (p23;q23) mit dem Fusionsprotein CLTC/ClathrinC-ALK, t(2;17)(p23;q25) mit dem Fusionsprotein ALO/Alk-lymphoma oligomerisation Partner on Chromosom17-ALK, • Patienten mit ALK-exprimierenden Lymphomen – sind jünger, – zeigen bei der Erstdiagnose ein fortgeschrittenes Stadium mit Symptomen extranodaler Lokalisation, ▪ Kinder zeigen dabei besonders Hautsymptome, – sprechen besser auf eine (meist Doxorubicin enthaltende) Kombinations-Chemotherapie an als Patienten mit ALK-negativen Tumoren. 8.15.10.3 Extranodales NK-/T-Zell-Lymphom nasalen Typs • ist ein hochmaligner Tumor, • die extranodale Ausbreitung betrifft besonders – die Schleimhaut der Nase und der Nasennebenhöhle mit ausgedehnter Nekrose und Gefäßinvasionen, – den Gaumen, die Trachea, den Gastrointestinaltrakt, – die Haut ▪ bei alleiniger Lokalisation in der Haut ist die Prognose relativ günstig; • die meisten Fälle sind charakterisiert durch – den Nachweis von EBV/Epstein-Barr-Virus in den Tumorzellen, – die Expression von CD56: neurales Zelladhäsionsmolekül (NCAM/ Neural-CellAdhesion-Molecule) – der Koexpression von CD30: TNFRSF8/Tumor-Nekrose-Faktor Rezeptor SuperFamilien-Mitglied 8,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

• •

947

bei systemischer Ausbreitung ins Blut und Knochenmark wird eine NK/Natürliche Killerzell-Leukämie angenommen. Die Prognose ist ungünstig durch: – lokale Invasionen, ▪ besonderen, wenn extranasale Regionen betroffen sind, – eine weitgehende Resistenz gegen Chemotherapie-Schemata, – das hohe Risiko einer Ausbreitung in das ZNS, – das hohe Risiko von Rezidiven,

Therapiestrategie • die Therapiestrategie beinhaltet – perkutane lokale IF/Involviertes Feld-Radiotherapie ▪ primär oder gleichzeitig mit der Chemotherapie, ▪ kranial zur Prophylaxe von ZNS-Ausbreitungen, ▪ wobei im Stadium II durch eine Kombination der Bestrahlung mit einer Platinbasierten Chemotherapie (z. B. DeVIC: Dexamethason + Etoposid + Ifosfamid + Carboplatin) Gesamtüberlebensraten von 78 % − 86 % erreicht werden können – im Stadium III/IV das Chemotherapie-Schema SMILE (Asparaginase + Methotrexat + Ifosfamid + Dexamethason + Etoposid) noch die besten Ergebnisse zeigt – ggf. Hochdosis-Chemotherapie mit ▪ autologer hämatopoetischer Stammzelltransplantation oder ▪ allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation.

8.15.10.4 AITL/Angioimmunoblastisches T-Zell-Lymphom • Patienten zeigen besonders ausgeprägt – eine starke Lymphadenopathie, – Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust, Hautausschläge und Juckreiz, – Autoantikörper gegen Erythrozyten (positiver Coombs-Test), – eine polyklonale Hypergammaglobulinämie, – häufige Infektionen bedingt durch die Lymphom-bedingte Immunsuppression, • die Diagnostik beinhaltet den Nachweis einer monoklonalen TCR/T-Zell-RezeptorGen-Umlagerung, • die Therapiestrategie – ist ähnlich wie beim diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom und – beinhaltet im Wesentlichen Doxorubicin enthaltende Chemotherapie-Schemata, – ggf. Hochdosis-Chemotherapie mit ▪ autologer hämatopoetischer Stammzelltransplantation oder ▪ allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation.

8.15.10.5 Enteropathisches intestinales T-Zell-Lymphom • betrifft im Wesentlichen Patienten mit einer Gluten-Unverträglichkeit/Gluten-Induzierte Enteropathie/Zöliakie.

948

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren







Durch zunehmende Diagnostik (Nachweis von atrophischen Zotten in Biopsien der Dünndarmschleimhaut) und Vermeidung von Gluten in der Ernährung nehmen sowohl die Zöliakien wie auch die hierdurch verursachten Lymphome ab. Therapiestrategien beinhalten: – Doxorubicin enthaltende Chemotherapie-Schemata ▪ ggf. Immuntherapie mit Alemtuzumab, einem Anti-CD52 (Campath-Antigen) monoklonalen Antikörper, ▪ ggf. Hochdosis-Chemotherapie mit autologer hämatopoetischer Stammzelltransplantation oder allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation, – Rezidive treten häufiger auf als beim diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom, Komplikationen während der Behandlung: – gastrointestinale Blutungen, Perforationen des Dünndarms und Darmfisteln, – multifokale intestinale Perforationen werden auch bei Rezidiven gesehen.

8.15.10.6 ATCL/Adulte T-Zell-Leukämie/Lymphom • ist verursacht durch Infektion mit dem Retrovirus HTLV-1/humanes T-Lymphozyten Virus-1 (siehe Kap. 4.6.6), • ist charakterisiert durch (siehe Kap. 8.15.4.5) – eine Lymphadenopathie, Hyperkalzämie, Leukämiezellen im Blut, Ausbreitung in das Knochenmark und die Haut, Schwellung von Leber und Milz, – einen schnellen Verlauf, – eine weitgehend primäre Resistenz gegen Chemotherapeutika, – eine eingeschränkte Empfindlichkeit gegen Virostatika (Zidovudin) und/oder Interferon-α; • hat eine ungünstige Prognose – das 3-Jahres-Überleben liegt derzeit bei ca. 10 % bis 20 %.

8.15.11 PTLD/Posttransplantations-lymphoproliferative Erkrankung Empfänger allogener Organe wie Herz, Lunge, Leber, Niere oder Pankreas benötigen eine lebenslange Immunsuppression; • etwa 1–3 % dieser Transplantatempfänger entwickeln ein aggressives Lymphom, welches – früh (> 1 Jahr) nach der Transplantation auftreten kann und ▪ dann fast immer assoziiert ist mit einer EBV/Epstein-Barr-Virus-Infektion, – spät (~ 5 Jahre) nach der Transplantation auftreten kann, ▪ dann häufig EBV-negativ ist, ungünstige Prognosefaktoren sind • – Auftreten des Lymphoms spät nach der Transplantation, – eine schlechter Allgemeinzustand, – multiples Auftreten des Lymphoms, – Ausbreitung des Lymphoms in das Transplantat.

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

949

Therapiestrategien beinhalten: • Absetzen der Immunsuppression, – in manchen Fällen mit kompletter Remission des Lymphoms verbunden, • Verabreichung von monoklonalen Anti-CD20-Antikörper (Rituximab), – komplette Remission in etwa 60 % der Fälle, • Verabreichung von antiviralen Therapeutika (Kombination von Acyclovir und Interferon-α), • Doxorubicin enthaltende Chemotherapie-Schemata, • oder bei lokal begrenzten Tumoren – chirurgische Tumorexzision und/oder perkutane Radiotherapie des Lymphombereiches.

8.15.12 Echte histiozytäre Lymphome Seltene Lymphome, welche Differenzierung zu Histiozyten zeigen und B-LymphozytenMarker oder T-Lymphozyten-Marker fehlen. Die Therapiestrategie ist ähnlich derjenigen für das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom (siehe Kap. 8.15.9.3)

8.15.13 Primäre Effusions-Lymphome Primäre Effusions-Lymphome • treten exklusiv oder vorwiegend auf – in den pleuralen, perikardialen oder abdominalen Hohlräumen, – ohne eine erkennbare Tumormasse, – bei Patienten, welche HIV seropositiv sind; • enthalten gewöhnlich das Kaposi-Sarkom-assoziierte Herpes-Virus HHV-8/Humanes Herpes-Virus 8, • die Therapiestrategie ist ähnlich derjenigen für das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom (siehe Kap. 8.15.9.3), • die Prognose ist jedoch extrem ungünstig.

8.15.14 Lymphome der Haut 8.15.14.1 Übersicht Primäre Lymphome der Haut • entstammen dem lymphatischen Gewebe der Haut (SALT/Skin Associated Lymphatic Tissue), • sollen mindestens 6 Monate auf die Haut begrenzt sein, • sind insgesamt selten, – etwa 0,5–1,0 Neuerkrankungen/100.000 Personen/Jahr; • unterscheiden sich von den sekundären Lymphomen der Haut

950

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– –

welche meist hämatogen die Haut infiltrieren, z. B. hämatodermische T-Zell-Lymphome, welche exprimieren ▪ CD56: NCAM/neurales Zelladhäsionsmolekül, ▪ CD4: Corezeptor des TCR/T-Zell-Rezeptor der TH/T-Helferzellen.

Hautlymphome werden wie alle anderen Lymphome unterteilt in: • Morbus Hodgkin – in der Haut sehr selten (< 1 %), • NHL/Non-Hodgkin-Lymphome, – B-Zell-Lymphome (CBCL/Cutaneous B Cell lymphoma), ▪ ca. 25 % aller primären Haut-Lymphome, – T-Zell-Lymphome (CTCL/Cutaneous T Cell lymphoma), ▪ ca. 65 % aller primären Haut-Lymphome, Lymphome unbekannter Genese • – ca. 10 % aller primären Hauttumoren. Als Risikofaktoren für kutane Lymphome werden angesehen: • Strahlenexpositionen durch die Umwelt und/oder im Rahmen der medizinischen Diagnostik, • kanzerogene Chemikalien, • chronische Infektionen, – z. B. Borrelien. – möglicherweise EBV; EBV assoziiert sind ▪ das EBV positive diffus großzellige B-Zell-Lymphom ▪ der EBV positive mukokutane Ulkus und ▪ die Hydroa vaccinini-formatige proliferative Erkrankung Die Klassifikation der Entwicklungsstadien (siehe Tab. 8.325) erfolgt gemäß der Maßgabe der • ISCL/ International Society for Cutaneous Lymphomas; • EORTC/European Organization of Research and Treatment of Cancer.

Tab. 8.325: TNM-Klassifikation kutaner Lymphome (außer Mycosis fungoides und Sézary-Syndrom). Stadium

Beschreibung

T1

Solitäre Hautbeteiligung a) solitäre Läsion < 5 cm Durchmesser b) solitäre Läsion > 5 cm Durchmesser

T2

Regionäre Hautbeteiligung multipler Hautläsionen begrenzt auf eine Körperregion oder zwei zusammenhängende Körperregionen a) Befall begrenzt auf < 15 cm Durchmesser b) Befall zwischen 15–30 cm Durchmesser c) Befall > 30 cm Durchmesser

951

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

Stadium

Beschreibung

T3

Generalisierte Hautbeteiligung a) multiple Hautläsionen verteilt auf 2 nicht zusammenhängende Körperregionen b) multiple Hautläsionen > 3 Körperregionen

N0

Keine klinische und pathologische Lymphknoten/LK-Beteiligung

N1

Beteiligung einer peripheren LK-Region, die zum Abflussgebiet der laufenden und/oder früheren Hautbeteiligung zählt

N2

Beteiligung von 2 oder mehr peripheren LK-Regionen oder Beteiligung anderer LK-Regionen, die nicht im Abflussgebiet der Hautbeteiligung liegen

N3

Beteiligung zentral gelegener Lymphknoten

M0

Keine Evidenz für Beteiligung extrakutaner Organe (außer Lymphknoten)

M1

Beteiligung extrakutaner Organe (außer Lymphknoten)

Die histologische Klassifikation entspricht derjenigen der WHO/World Health Organisation (siehe Tab. 8.326) Tab. 8.326: Histologische Klassifikation der primären Hautlymphome (WHO, 2017). Haut-Lymphome

Häufigkeit

Malignität

Morbus Hodgkin

40 Jahren mit einem Altersgipfel zwischen 50–60 Jahren • Männer sind häufiger betroffen als Frauen (M : W = 3 : 2) • geht von CD4 positiven Helfer-T-Lymphozyten/CD4(+) T-Helferzellen aus

Risikofaktoren vermutet werden • chronische Entzündungen und allergische Reaktionen • chronische Hautschäden durch radioaktive Strahlen und/oder Chemikalien

Symptome je nach Entwicklungsstand werden unterschieden: • Plaque-Stadium (Stadium I) – ekzematöse lokal begrenzte oft auch ringförmige leicht erhabene Hautveränderungen (Patches), häufig mit starkem Juckreiz, – Patches entwickeln sich nach Jahren oder Jahrzehnten zu plattenartigen Infiltraten (Plaques), – gleichzeitig können lokale Hypo- und/oder Hyperpigmentierungen auftreten,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes



• •

953

Tumorstadium (Stadium II und III) – multiple, knotige und rot-bräunliche, weiche Hauttumoren, auch im Gesicht (Facies leonina, Löwengesicht); – Tumoren können ▪ leicht zerfallen und ulzerieren, ▪ Anlass geben zur Entwicklung einer entzündlichen Rötung der Haut des gesamten Körpers (Erythrodermie) mit systemischer Ausbreitung des Lymphoms, Lymphknotenstadium (Stadium IVA) – Befall multipler Lymphknoten, Ausbreitung in innere Organe (Stadium IVB) – Befall von Knochenmark (ca. 30 % der Fälle) Leber, Milz, Lunge und Blut

Diagnostik klinische, labordiagnostische und bildgebende Untersuchungsverfahren entsprechend der Lymphom-Diagnostik (siehe Kap. 8.15.8.1) mit folgenden Besonderheiten • Biopsie der veränderten Hautgebiete – Immunhistologie mit Nachweis von TH/T-Helfer-Lymphozyten, welche ▪ positiv sind für CD3: accessorischer Komplex des TCR/T-Lymphozyten Rezeptors, ▪ positiv sind für CD4: Corezeptor des TCR/T-Lymphozyten Rezeptors auf TH/ T-Helfer-Lymphozyten, ▪ negativ sind für CD8: Corezeptor des TCR/T-Lymphozyten Rezeptors auf CTL/ zytotoxischen T-Lymphozyten ▪ negativ sind für CD26: Dipeptidylpeptidase auf aktivierten B- und T-Lymphozyten – molekularbiologischer Nachweis der Monoklonalität (klonales Rearrangement) des T-Zell-Rezeptors der Lymphomzellen Ausschluss • – einer Infektion mit dem HTLV1/humanes T-Lymphozyten-Virus-1 (AntikörperNachweis), – eines Sezary-Syndroms (Nachweis von Sezary-Zellen im Blutausstrich oder FACS/ Fluoreszenz-Aktivierte Zell-Sortierung, • Ermittlung – des Verhältnisses von CD4(+) : CD8(+) T-Lymphozyten im Blut, – der Infiltration der Lymphomzellen in das Knochenmark. Klassifikation Die Klassifikation erfolgt gesondert von allen übrigen Hautlymphomen einheitlich für die Mycosis fungoides (MF) und das Sezary-Syndrom (SS) gemäß EORTC (siehe Tab. 8.327).

954

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Tab. 8.327: Klassifikation und Stadieneinteilung der Mycosis fungoides und des Sézary-Syndroms (EORTC). Stadium

Beschreibung

T1

Makulae, Papulae und Plaques ≤ 10 % der Hautoberfläche a) Makulae b) Plaques ± Makulae

T2

Makulae, Papulae und Plaques ≥ 10 % der Hautoberfläche a) Makulae, b) Plaques ± Makulae

T3

Ein oder mehrere Tumore (≥ 1 cm)

T4

Erythrodermie (≥ 80 % Körperoberfläche)

N0

Keine Lymphknoten palpabel

N1

Palpable Lymphknoten; histologisch kein Anhalt für CTCL (NCILN0-2) a) Klon negativ b) Klon positiv

N2

Palpable Lymphknoten; histologisch geringe Infiltrate eines T-Zell-Lymphoms (NCILN3) a) Klon negativ b) Klon positiv

N3

Palpable Lymphknoten; histologisch ausgedehnte Infiltrate eines T-Zell-Lymphoms (NCILN4), Klon positiv oder negativ

Nx

Klinisch abnormale Lymphknoten, keine histologische Bestätigung

B0

Keine atypischen Lymphozyten im peripheren Blut (< 5 %) a) Klon negativ b) Klon positiv

B1

Atypische Lymphozyten im peripheren Blut (≤ 5 %) a) Klon negativ b) Klon positiv

B3

Hohe Tumorlast (≥ 1.000/μl Sézary-Zellen mit klonaler T-Zell-Rezeptor-Genumlagerung)

M0

Keine Beteiligung viszeraler Organe

M1

Histologisch gesicherte viszerale Beteiligung mit Organspezifizierung

Therapiestrategie Die Wahl der Therapie ist abhängig vom Lymphom-Typ und Entwicklungsstadium und beinhaltet (siehe Tab. 8.327): • im Stadium I/II – lokale Therapieformen wie ▪ PUVA: systemisch Psoralen und (2 Stunden später) lokale UV-A Bestrahlung und/oder Retinoide und/oder Interferon-α, ▪ topische Glukokortikoide, ▪ lokale Radiotherapie, ▪ lokale Zytostatika (z. B. Mechlorethamin oder BCNU), • im Stadium III/IV – systemische Therapieformen wie ▪ unterschiedliche, bei Lymphomen zur Anwendung kommende Chemotherapie-Schemata (siehe hierzu Kap. 8.15.8.1 und Kap. 8.15.8.3),

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

955



die extrakorporale Photopherese/ECP extrakorporale Trennung (durch Zentrifugation) und extrakorporale PUVABehandlung von Leukozyten und deren nachfolgende Reinfusion, bei Rezidiven – Chemotherapie-Schemata, welche bei der Primärbehandlung noch nicht eingesetzt worden sind, – ggf. neue Immunkonjugate und neue Wirkstoffe (siehe Tab. 8.328). ▪



Tab. 8.328: Möglichkeiten der Therapie von Mycosis fungoides/kutanen Lymphomen (Dippel et al. 2017). Stadium

Beispiele für primäre Behandlung

sekundäre Behandlung

UVB-311 nm-Bestrahlung

BCNU/Carmustin lokal, Mechloramin lokal, Bexaroten-Gel, Immuntherapie (Imiquimod, Resiquimod), Acitretin, PUVA + Interferon α PUVA + Bexaroten Niedrig-Dosis Radiotherapie (12 Gy)

PUVA: 5-Methoxypsoralen (1,5 mg/kg) + UV-A-Bestrahlung (0,5–6,0 J/cm2) PUVA: 8-Methoxypsoralen (0,8–1,2 mg/kg) + UV-A-Bestrahlung (0,5–6,0 J/cm2 ) PUVA + Retinoide PUVA + Interferon-α (3–9 Mio. IE s. c.) Stadium I–II

topische Glukokortikosteroide Interferon-α (9–12 Mio. IE s. c.) + PUVA Interferon-α (9–12 Mio. IE s. c.) + Retinoide Methotrexat IF/Involviertes Feld-Radiotherapie, lokal bei Stadium A (30–36 Gy) Radiotherapie ganze Haut bei ausgedehntem oder diffusem Befall

Methotrexat, Gemcitabin, Doxoribicin, Brentuximab-Vedotin Pralatrexat, allogene Stammzelltransplantation

extrakorporale Photopherese/ECP: extrakorporale Trennung und PUVA-Behandlung von Leukozyten mit nachfolgender Reinfusion Chemotherapie (siehe Kap. 8.15.8.1und Kap. 8.15.8.3) MCP: Cyclophosphamid + Mitoxantron + Prednison Stadium III–IV

COPP: Cyclophosphamid + Vincristin + Procarbazin + Prednison CHOP: Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin + Prednison COPBLAM: Cyclophosphamid + Vincristin + Prednison + Bleomycin + Doxorubicin + Procarbazin Methotrexat (7–20 mg/m2; einmal/Woche) Therapie mit Gemcitabin oder Fludarabin und/oder Bortezomib

CHOP, Alemtuzumab, Cladribin, Fludarabin, Cyclophosphamid

956

Stadium

Rezidive

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Beispiele für primäre Behandlung

sekundäre Behandlung

humanisierter monoklonaler Anti-CD52-Antikörper (Alemtuzumab) (3 mg Tag 1, danach 10 mg jeden 2. Tag) Interleukin-2-Diphtheriekonjugat (Denileukin-Difitox) Telomerase-Inhibitoren (Veronistat) Histon-Deacetylase-Inhibitoren (Romidepsin)

Sezary-Syndrom (SS) Das Sezary-Syndrom ist die hochmaligne Form der Mycosis fungoides charakterisiert durch: • eine Erythrodermie (entspricht dem Stadium III, siehe Tab. 8.325) – mit Rötung, Lymphozyteninfiltration, ödematöse Schwellung und Hautschuppung der gesamten (> 80 %) Haut, – mit Einschluss der Handflächen und Fußsohlen, – mit starkem Juckreiz, oft Haarausfall der gesamten Körperbehaarung, Hyperkeratose und Nagelfehlbildungen (Onychodystrophie), • dem Auftreten bei Patienten meist > 60 Jahre, • einer CD4(+) T-Zell-Leukämie – Nachweis der T-Lymphomzellen (Sezary-Zellen) im Blutausstrich, – immunzytologischer Nachweis an Hand ▪ des Verhältnisses von CD4(+) T-Lymphozyten: CD8(+) T-Lymphozyten: > 10, ▪ des Anteils von CD4(+), CD3(+) und CD7(–) T-Lymphozyten > 40 % oder absolut > 1.000/ml Blut, ▪ wobei darstellen ▪ CD3: accessorischer Rezeptor des TCR/T-Lymphozyten-Rezeptors, ▪ CD4: Corezeptor des TCR/T-Lymphozyten-Rezeptors auf TH/T-Helfer-Lymphozyten, ▪ CD8: Corezeptor des TCR/T-Lymphozyten Rezeptors auf CTL/zytotoxischen TLymphozyten, ▪ CD7: Fc-Rezeptor für IgM z. B. auf pluripotenten hämatopoetischen Stammzellen, – molekularbiologisch ▪ Nachweis der Monoklonalität (klonales Rearrangement) des T-Zell-Rezeptors der Lymphomzelle, Therapiestrategie • entspricht der Therapie der Mycosis fungoides (siehe Tab. 8.320). 8.15.14.3 Lymphomatoide Papulose Die Lymphomatoide Papulose • ist ein chronisches, zum Teil selbst heilendes papulo-noduläres kutanes T-Zell-Lymphom,

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

• • •

957

erscheint mit papulären, papulär-nekrotischen oder nodulären Hautläsionen in meist unterschiedlichen Entwicklungsstadien, hat einen meist gutartigen chronischen Verlauf von wenigen Monaten bis zu 40 Jahren – bei Abheilung der Hautläsionen entstehen meist kleine Narben, kann sich bei 5 % bis 20 % der Patienten in ein anderes Lymphom entwickeln, meist in ein – Mycosis fungoides, – CD30-positives grosszelliges Lymphom oder – Morbus Hodgkin.

Therapiestrategie • solitäre oder lokalisierte Lymphome – Exzision und Beobachtung • multifokale Lymphome, rezidivierend aber mit spontanen Remissionen – Beobachtung – PUVA/Psoralen und UVA-Bestrahlung – Methotrexat ≤ 20 mg/Woche – Interferon-α alleine oder Interferon-α + Retinoid 8.15.14.4 LCTCL/Großzelliges kutanes T-Zell-Lymphom, CD30(+) Das CTCL tritt meist bei Erwachsenen auf und ist charakterisiert durch: • knotige Hauttumoren mit einem Durchmesser von 1–15 cm, – wobei meist nur ein Tumor oder eine Gruppe von Tumoren in einer anatomischen Region zu finden sind, • eine meist günstige Prognose (im Gegensatz zu den CD30+ nodalen Lymphomen) – im frühen, lokalen Entwicklungsstadium (Stadium I, II), – mit spontanen Regressionen bei bis zu 25 % der Patienten, • eine deutlich ungünstige Prognose bei Befall der regionalen Lymphknoten. Therapiestrategie • solitäre oder lokalisierte Lymphome – Exzision – Radiotherapie – Methotrexat ≤ 20 mg/Woche – ggf. Interferon-α • multifokale Lymphome, keine spontanen Regressionen – Methotrexat ≤ 20 mg/Woche – Radiotherapie, – ggf. Interferon-α

958

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

8.15.14.5 Niedrig-maligne primär CBCL/kutane B-Zell-Lymphome/ (Keimzentrumslymphom, Marginalzonenlymphom) Die niedrig-malignen primär kutanen B-Zell-Lymphome: • sind meist beschränkt auf die Haut; extrakutane Lokalisationen sind selten, – bevorzugt der behaarte Kopf, der Nackens und der Stamm, – werden auch SALT/Skin Associated Lymphoid Tissue-Lymphome genannt, • bilden knotige kutan-subkutane, selten ulzerierende Tumoren, – scheinen assoziiert zu sein mit chronischen Borrelia-Infektionen. Therapiestrategie • bei begründetem Verdacht auf Borrelien-Infektion – Antibiotika/Doxocyclin • solitäre oder multiple Lymphome – Exzision, – Radiotherapie, – intraläsional ▪ monoklonaler Anti-CD20-Antikörper (Rituximab) ▪ Interferon-α ▪ Glukokortikosteroid monoklonaler Anti-CD20-Antikörper (Rituximab) • 8.15.14.6 Großzelliges kutanes B-Zell-Lymphom Das großzellige kutane B-Zell-Lymphom • tritt bevorzugt bei Älteren (> 60 Jahre) auf, • bildet rote bis bläuliche knotige Tumoren meist an den unteren Extremitäten. Therapiestrategie • solitäre Lymphome oder solitäre Gruppe – Radiotherapie, – Exzision, • multiple Lymphome – Chemotherapie ▪ Monotherapie (z. B. Doxorubicin, Gemcitabin, Fludarabin und/oder Bortezomib) ▪ Kombinations-Chemotherapie (COPP: Cyclophosphamid + Vincristin + Procarbazin + Prednison; CHOP: Cyclophosphamid + Doxorubicin + Vincristin + Prednison; COPBLAM: Cyclophosphamid + Vincristin + Prednison + Bleomycin + Doxorubicin + Procarbazin), – Immuno-Chemotherapie ▪ monoklonaler Anti-CD20-Antikörper (Rituximab) und Chemotherapie

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

959

8.15.15 PCNSL/Primäre ZNS-Lymphome Vorkommen Primäre maligne ZNS-Lymphome (PCNSL/Primary Central Nervous System Lymphoma): • entstehen extranodal im ZNS und sind bei der Erstdiagnose auf das ZNS beschränkt – und zwar auf Gehirnparenchym, Meningen, Rückenmark, – machen ~ 6 % aller primär intrakraniellen Tumoren aus, • können in allen Altersstufen auftreten, – haben ihren Altersgipfel ▪ bei immunkompetenten Personen zwischen 50 und 70 Jahren, ▪ bei immunsupprimierten Personen bei ~ 35 Jahren, – nehmen seit gut 30 Jahren deutlich zu, • sind Non-Hodgkin-Lymphome – zu ~ 95 % vom B-Lymphozytentyp, ▪ stellen etwa 1–2 % aller B-Zell-Lymphome dar, ▪ vorwiegend hochmaligne, diffus-großzellige B-Zell-Lymphome, ▪ positiv für CD20: glykosyliertes Phosphoprotein der B-Lymphozyten, ▪ positiv für CD79a: Igα-Corezeptor des BCR/B-Zell-Rezeptors, – zu ~ 5 % vom T-Lymphozyten-Typ, – zu < 1 % angiotrope Lymphome oder MALT/Mukosa-Assoziiertes Lymphatisches Gewebe-Lymphome der Dura.

Risikofaktoren Als Risikofaktoren gelten: • Immunsuppressionen – im Rahmen von allogenen Organverpflanzungen, – nach Virusinfektionen ▪ z. B. HIV/Humanes Immundefizienz-Virus; HHV8/Humanes Herpes-Virus 8 ▪ 0,4–1 % aller AIDS/Acquired Immundeficiency Syndrome-Patienten erkranken an einem primären ZNS-Lymphom, • angeborene Immundefekte

Symptome • hirnorganische Psychosyndrome mit Persönlichkeitsveränderungen – in ≥ 50 % der Patienten • fokale neurologische Symptome und Hirnnervensymptome – in 50–80 % der Patienten • Zeichen erhöhten Hirndrucks – in ~ 30 % der Patienten • Krampfanfälle – in ~ 10 % der Patienten • betroffen sind – ~ 60 % der Fälle supratentorielle, ventrikelnahe Areale und Balken, – 25–50 % multifokale Lokalisationen,

960



8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

– ≤ 40 % sekundäre meningeale Infiltrationen, – selten durale oder epidurale Lokalisationen, – in 10–25 % der Fälle initial die Augen (Glaskörper, Retina, Uvea), – sehr selten Hirnstamm und Rückenmark mit entsprechenden Ausfällen, Liquorzytologie – bei ≥ 20 % der Patienten sind Lymphomzellen nachzuweisen

Diagnostik • die allgemeinen diagnostischen Verfahren entsprechen denjenigen aller anderen NonHodgkin-Lymphome (siehe Kap. 8.15.1), • zusätzlich sind folgende Verfahren notwendig: – klinisch-neurologische Untersuchung ▪ Zeichen erhöhten intrakraniellen Drucks; – MTR/Magnet-Resonanz-Tomografie des Gehirns ohne und mit Gadolinium ▪ bestmögliche/empfindlichste Nachweismethode, – Liquordiagnostik inklusive: ▪ immunzytochemische Charakterisierung etwaiger lymphoiden Zellen mit Antikörpern gegen B-Zell-, T-Zell-Oberflächen-Antigene und gegen λ/К-Leichtketten, ▪ erhöhter intrakranieller Druck ist Kontraindikation für eine Lumbalpunktion, – augenärztliche Untersuchung inklusive Spaltlampenuntersuchung, – Tumorbiopsie (vorzugsweise sterotaktisch) ▪ möglichst vor und nicht während eine Glukokortikoidtherapie (verschleiert den Befund, mangelhafte histologische Auswertungsmöglichkeit), ▪ bei Glaskörpertrübung Glaskörperaspirat, • Ausschluss eines systemischen Lymphoms – inklusive Test auf HIV-Infektion

Prognose Als ungünstige Prognosefaktoren gelten • Alter > 50 Jahre, • Allgemeinbefinden beeinträchtigt, • LDH/Laktat-Dehydrogenase im Serum erhöht, • Proteinkonzentration in der Cerebrospinalflüssigkeit erhöht, • Lymphombefall außerhalb der großen Hemisphären – periventrikulärer Bereich, basales Ganglion, Hirnstamm, Kleinhirn

Therapiestrategien Primärtherapie • systemische Chemotherapie – Monotherapie hochdosiert Methotrexat (1. Wahl) – hochdosiert Methotrexat und weitere Zytostatika (siehe Tab. 8.329) – Monotherapie mit IPC: Ifosfamid + Procarbazin +/− CCNU

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

• •



961

intrathekale Chemotherapie – nur bei Lymphom-Befall der Meningen Radiotherapie (45 Gy (30–50 Gy)) – adjuvant mit Zielgebiet gesamtes Hirn, falls Remission nach Chemotherapie unvollständig, – primär mit Zielgebiet gesamtes Hirn, falls Chemotherapie nicht möglich (Alter, Allgemeinbefinden), – primär mit Zielgebiet Auge bei Befall von Glaskörper, Retina, Uvea, – Problem: Funktionseinbußen der Hirntätigkeiten, autologe Stammzelltransplantation nach Hochdosis-Chemotherapie bei Patienten < 60 Jahre,

Therapie von Rezidiven • systemische Chemotherapie; Möglichkeiten – Monotherapie hochdosiert Methotrexat, – Kombination TPCO: Temozolomid + Procarbazin + CCNU + Vincristin, – R-TPCO: Rituximab (monoklonaler Anti-CD20-Antikörper) + Temozolomid + Procarbazin + CCNU + Vincristin, • Radiotherapie mit Zielgebiet gesamtes Hirn, • autologe Stammzelltransplantation nach Hochdosis-Chemotherapie bei Patienten < 60 Jahre Tab. 8.329: Beispiele für eine Primärtherapie von primären ZNS-Lymphomen. Mittleres Überleben keine Behandlung

1–2 Monate

Dexamethason (3 × 8 mg; Tag 1–10)

2–3 Monate

Methotrexat (1,5–8 g/m2 ) + Folinsäure-Rescue Methotrexat (8 g/m2 ) + Folinsäure + Cytarabin

50 Monate

Radiotherapie (45 Gy) Ganzhirnbestrahlung

12–18 Monate

2-JahresÜberleben

5-JahresÜberleben

51 %

25–45 % ≥ 75 % (> 60 Jahre)

Radiotherapie (30–45 Gy) Augenbestrahlung Methotrexat (4 g/m2, Tag 1) + Folinsäure- + Ifosfamid (1,5 g/m2, Tag 3–5) + Dexamethason (dreimal 8 mg; Tag 1–10

25–45 %

Methotrexat (4 g/m2, Tag 1) + Folinsäure- + Cytarabin + Thiotepa (+ Thiotepa + BCNU) +/− adjuvante Radiotherapie + autologe Stammzelltransplantation

69 %

Hochdosis Methotrexat + Temozolomid + Rituximab gefolgt von Hochdosis Cytarabin + Etoposid

57 % (PGFÜ)

Hochdosis Methotrexat + Procarbazin + Vincristin + Rituximab über 5 bis 7 Zyklen, bei CR + Ganzhirnbestrahlung von 13 × 1,8 Gray (Gy) (23,4 Gy), bei PR von 25 x1,8 Gy (45 Gy) PR)

57 % PGFÜ)

962

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

8.15.16 Primäre Lymphome des Gastrointestinaltraktes 8.15.16.1 Primäre extranodale Lymphome des Gastrointestinaltraktes • weisen eine Neuerkrankungsrate auf von etwa 0,7/100.000 Personen/Jahr – der Altersgipfel liegt bei etwa 60–70 Jahren – Männer und Frauen erkranken etwa gleich häufig • stellen dar – etwa 2 % aller Malignome des Magen-Darm-Traktes – etwa 30 % aller primär extranodaler Lymphome • verteilen sich auf – den Magen: ~ 75 % – den Dünndarm: ~ 10 % – die Ileozökal-Region: ~7% – das Kolon, Rektum, Sigma: ~ 3 % – mehrere Abschnitte: ~7% Risikofaktoren • genetische Faktoren – Translokation t(11;18)(q21;q21), kodierend für das Fusionsprotein API2/MLT ▪ API2: Apoptose-Inhibitor 2 (siehe Kap. 5.2) ▪ MLT: Mukosa-assoziiertes Lymphoides Gewebe Translokations-Gen; Cysteinprotease; spaltet die IkB-Kinase ▪ Fusionsprotein verursacht konstitutive IkB-Kinase Aktivierung (siehe Kap. 3.3.13), aktiviert die MAP-Kinasen JNK und p38 und verhindert die Apoptose (siehe Kap. 3.3.3 und 3.3.4), ▪ bei ~ 50 % aller MALT-Lymphome, – Translokation t(1;14)(p22;q32), kodierend für das Fusionsprotein Bcl10/IgH ▪ BCL10/B-Zell-Lymphoma Gen 10/CARD containing molecule enhancing NFkB; im Fusionsprotein ist die pro-apoptotische CARD/Caspase RekrutierungsDomäne zerstört, die NF-kB-Aktivierungs-Domäne jedoch erhalten, ▪ IgH: schwere Kette des Immunglobilins, ▪ bei 10 % aller MALT-Lymphome, • Infektionen – Helicobacter pylori und/oder heilmanii ▪ bei 90 % der niedrig malignen MALT-Lymphome im Magen chronische Entzündungen • – Gluten-Unverträglichkeit/Gluten-sensitive Enteropathie Entwicklungsstand und Klassifikationen Der Entwicklungsstand wird klassifiziert beispielsweise gemäß der Deutschen Studiengruppe GI-Lymphome DSGL (siehe Tab. 8.330, 8.331).

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

963

Tab. 8.330: Entwicklungsstand und Klassifikation primärer (extranodaler) gastrointestinaler Lymphome. DSGLStadien

Gastrointestinales (GI-)Organ

I

ein gastrointestinales Organ ist befallen 1

Lymphom begrenzt auf Mukosa und Submukosa

2

Lymphom über Submukosa hinaus ausgedehnt ein gastrointestinales Organ ist befallen

II

Lymphknoten

Lymphom hat Lymphknoten unterhalb des Zwerchfells befallen

1

nur die regionalen Lymphknoten sind befallen

2

auch entferntere Lymphknoten sind befallen Lymphom hat zusätzlich benachbartes Gewebe/ Organe infiltriert

E

ein gastrointestinales Organ ist befallen

III

IV

Benachbarte Organe

Lymphom hat Lymphknoten unterhalb und oberhalb des Zwerchfells befallen

E

Lymphom hat zusätzlich benachbartes Gewebe/ Organe infiltriert

S

Lymphom hat zusätzlich die Milz infiltriert ein gastrointestinales Organ ist befallen

Lymphom kann Lymphknoten befallen haben

DSGL: Deutschen Studiengruppe GI-Lymphome

Lymphom hat diffus des Körper befallen oder in Organe disseminiert

964

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Histologische Klassifikation Tab. 8.331: Histologische Klassifikation primärer (extranodaler) gastrointestinaler Lymphome. B-Zell-Lymphome

Bemerkungen

Lymphome vom MALT-Typ

MALT befindet sich physiologisch im Dünndarm (Peyer’sche Platten/GALT); MALT kann in anderen Organen (z. B. Magen) als Entzündungsreaktion entstehen

niedrigmaligne

indolente oder kleinzellige Lymphome, z. B. extranodales Marginalzonen-Lymphom/MZL aggressive oder großzellige Lymphome

hochmaligne können niedrigmaligne Anteile aufweisen IPSID immunoproliferatives Syndrom des Dünndarms

Sezernierung von IgA mit defekter schwerer Kette

niedrigmaligne

besonderes extranodales Marginalzonen-Lymphom/MZL

hochmaligne Mantelzell-Lymphome

~ 40 % niedrigmaligne Lymphome ~ 60 % hochmaligne Lymphome

Burkitt-Lymphome/Burkit-ähnliche Lymphome weitere (entsprechend den nodalen B-Zell-Lymphomen) T-Zell-Lymphome Enteropathie-assoziiertes T-Zell-Lymphom/EATL weitere (entsprechend den nodalen T-Zell-Lymphomen)

8.15.16.2 Primäre Lymphome der Magenschleimhaut Der Magen • besitzt kein eigenes MALT/Mukosa-assoziiertes lymphatisches Gewebe, sondern • erwirbt lymphatisches Gewebe im Rahmen von Entzündungsreaktionen meist gegen Helicobacter pylori, • entwickelt vorwiegend ein MALT-assoziiertes Lymphom (Ursache, Vorkommen, Risikofaktoren, Diagnostik, Klassifikation und Therapiestrategie siehe Kap. 4.6.6 und Kap. 8.15.9.6). 8.15.16.3 Primäre (extranodale) Lymphome im Intestinum • stellen eine inhomogene Gruppe dar • nehmen etwa 20 % der primären gastrointestinalen Lymphome ein

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

• • •

965

es überwiegen aggressive NHL/Non-Hodgkin-Lymphome (siehe Kap. 8.15.8.3) im Dünndarm vermehrt T-Zell-Lymphome in der Ileozökal-Region bevorzugt Burkitt-Lymphome/Burkitt-ähnliche Lymphome

Symptome • Bauchschmerzen, Durchfälle, Erbrechen • Darmblutungen, Darmperforationen • Darmverschluss in ~ 10 % der Fälle • ca. 65 % der intestinalen Lymphome sind lokalisiert • Malabsorptionssyndrom • enterales Eiweißverlustsyndrom Diagnostik • die allgemeinen diagnostischen Verfahren entsprechen denjenigen zur Diagnostik aller anderen NHL/Non-Hodgkin-Lymphome (siehe Kap. 8.15.1) • des Weiteren kommen die Verfahren wie beim primären Magen-Lymphom zur Anwendung • Endoskopie des Jejunums soweit möglich • ggf. Laparatomie mit Resektion des verdächtigen Bereiches und histologischer Untersuchung Therapiestrategie Indolente Lymphome: • Stadium I und II – perkutane Radiotherapie (kurativ) – Zielgebiet Abdomen/extended field 30 Gy – Boost-Bestrahlung/involved field 10 Gy • Stadium III und IV – Therapie wie bei indolenten nodalen Lymphomen (siehe Kap. 8.15.8.2) – vorzugsweise im Rahmen klinischer Studien Aggressive Lymphome: • wie bei aggressiven primären Magenlymphomen – Chemotherapie, z. B. mit R-CHOP (siehe Tab. 8.325) • oder wie beim Burkitt-Lymphom (siehe Kap. 8.15.9.15) – vorzugsweise im Rahmen klinischer Studien

Weiterführende Literatur Ahmed M, Zhang L, Nomie K, Lam L, Wang M. Gene mutations and actionable genetic lesions in mantle cell lymphoma. Oncotarget. 2016;7(36):58638–58648. Bilhou-Nabera C, van den Berg E, Stevens-Kroef M, Atlas of Genetics and Cytogenetics in Oncology and Haematology, 2016, http://atlasgeneticsoncology.org/Anomalies/t0814ID1050.html

966

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

Borkhardt A, Klapper W, Kontny U, Reiter A, Trümper L, Wößmann W. Non Hodgkin-Lymphome, Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie, Stand 01.2009, http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/025– 013.pdf Buske C, Dreyling M, Herold M, Neumeister P, Willenbacher W, Zenz T, 2019 Leitlinie, Follikuläres Lymphom, https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/follikulaeres-lymphom/ @@guideline/html/index.html Buske C, Dreyling M, Herold M, Raderer M, Zucca E, 2018 Leitlinie Nodales Marginal-Zonen-Lymphom, https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/nodales-marginalzonen-lymphom/ @@guideline/html/index.html Buske C, Heim D, Herold M, Staber PB, Dreyling M, 2018, Leitlinie Morbus Waldenström (Lymphoplasmozytisches Lymphom), https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/morbuswaldenstroem-lymphoplasmozytisches-lymphom/@@guideline/html/index.html Buske C, Herold M, Rummel M, Dreyling M. Follikuläres Lymphom, Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, Fassung: 17. 02. 2010, http://www.dgho-onkopedia.de/onkopedia/ leitlinien/follikulaeres-lymphom Buske C, Herold M, Rummel M, Dreyling M. Morbus Waldenström, Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, Fassung: 17. 02. 2012, http://www.dgho-onkopedia.de/onkopedia/ leitlinien/morbus-waldenstroem Buske C, Herold M, Rummel M, Dreyling M. Nodales Marginalzonen-Lymphom, Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, Fassung: 17. 02. 2010, http://www.dgho-onkopedia.de/ onkopedia/leitlinien/nodales-marginalzonen-lymphom Buske C, Herold M, Rummel M, Dreyling M. Follikuläres Lymphom, Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, Fassung: 17. 02. 2010, http://www.dgho-onkopedia.de/onkopedia/ leitlinien/follikulaeres-lymphom Buske C, Herold M, Rummel M, Dreyling M. Morbus Waldenström, Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, Fassung: 17. 02. 2012, http://www.dgho-onkopedia.de/onkopedia/ leitlinien/morbus-waldenstroem Buske C, Herold M, Rummel M, Dreyling M. Nodales Marginalzonen-Lymphom, Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, Fassung: 17. 02. 2010, http://www.dgho-onkopedia.de/ onkopedia/leitlinien/nodales-marginalzonen-lymphom Buske C, Heim D, Herold M, Staber PB, Dreyling M, 2018, Leitlinie Morbus Waldenström (Lymphoplasmozytisches Lymphom), https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/morbuswaldenstroem-lymphoplasmozytisches-lymphom/@@guideline/html/index.html Buske C, Dreyling M, Herold M, Neumeister P, Willenbacher W, Zenz T, 2019 Leitlinie, Follikuläres Lymphom, https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/follikulaeres-lymphom/ @@guideline/html/index.html Buske C, Dreyling M, Herold M, Raderer M, Zucca E, 2018 Leitlinie Nodales Marginal-Zonen-Lymphom, https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/nodales-marginalzonen-lymphom/ @@guideline/html/index.html Cools J, Wlodarska I, Somers R, Mentens N, Pedeutour F, Maes B, De Wolf-Peeters C, Pauwels P, Hagemeijer A, Marynen P. Identification of novel fusion partners of ALK, the anaplastic lymphoma kinase, in anaplastic large-cell lymphoma and inflammatory myofibroblastic tumor. Genes Chromosomes Cancer. 2002; 34: 354–362. Copie-Bergman C, Wotherspoon AC, Capella C, Motta T, Pedrinis E, Pileri SA, Bertoni F, Conconi A, Zucca E, Ponzoni M, Ferreri AJM, Gela histological scoring system for post-treatment biopsies of patients with gastric MALT lymphoma is feasible and reliable in routine practice, Brit. J. Hematology, 2013, 160/1, 47–52 Deckert M, Finke J, Herrlinger U, Illerhaus G, Korfel A, Kortmann R, Pels H, Schackert G, Schmidt-Wolf GH, Thiel E, Warmuth-Metz M, Weller M, Stockhammer G, Roelcke U, Schlegel U. Primäre ZNS-Lymphome (PZNSL), Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie; Fassung 10. 2008; http:// www.neuroonkologie.de/fileadmin/neuroonkologie/pdf/leitlinien2008/PZNSL.pdf

8.15 Bösartige Neubildungen des lymphatischen, blutbildenden Gewebes

967

Dippel E, Assaf C, Becker JC, von Bergwelt-Baildon M, Beyer M, Cozzio A6, Eich HT, Follmann M, Grabbe S, Hillen U, Klapper W, Klemke CD, Lamos C, Loquai C, Meiß F, Mestel D, Nashan D, Nicolay JP, Oschlies I, Schlaak M, Stoll C, Vag T, Weichenthal M, Wobser M, Stadler R, S2k − Leitlinie − Kutane Lymphome (ICD10 C82 − C86), https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/032-027l_S2k_Kutane_ Lymphome_2017-10.pdf Dreyling M, Buske C, Drach J, Herold M, Mey UJM, 2019, Leitlinie Mantel-Zell-Lymphom; https:// www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/mantelzell-lymphom/@@guideline/html/index.html Dreyling M, Hiddemannn W, Pfreundschuh M, Trümper L. Maligne Lymphome, Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie http:// www.krebsgesellschaft.de/download/ll_j_04.pdf; Aufruf 20. 02. 2012. Dreyling M. Maligne Lymphome, W. Zuckschwerdt Verlag München Wien New York, 8. Auflage 2008; http://www.tumorzentrum-muenchen.de/fileadmin/manuale/927_Maligne_Lymphome.pdf Dreyling M. Maligne Lymphome, W. Zuckschwerdt Verlag München Wien New York, 8. Auflage 2008; http://www.tumorzentrum-muenchen.de/fileadmin/manuale/927_Maligne_Lymphome.pdf Dreyling M, Hiddemannn W, Pfreundschuh M, Trümper L. Maligne Lymphome, Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie http:// www.krebsgesellschaft.de/download/ll_j_04.pdf; Aufruf 20. 02. 2012. Dreyling M, Buske C, Drach J, Herold M, Mey UJM, 2019, Leitlinie Mantel-Zell-Lymphom; https:// www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/mantelzell-lymphom/@@guideline/html/index.html Dührsen U, Fridrik MA, Klapper W, Schmitz N, 2018 Leitlinie Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom, https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/diffuses-grosszelliges-b-zell-lymphom/ @@guideline/html/index.html Dummer R, Stadler R, Sterry W, Leitlinie: Kutane Lymphome; Stand 15.02. 2005; http:// www.krebsgesellschaft.de/download/leitlinie_lymphome_ado_2005.pdf Fischbach W, Malfertheiner P, Hoffmann JC, Bolten W, Bornschein J, Götze O, Höhne W, Kist M, Koletzko S, Labenz J, Layer P, Miehlke S, Morgner A, Peitz U, Preiss J, Prinz C, Rosien U, Schmidt W, Schwarzer A, Suerbaum S, Timmer A, Treiber G, Vieth M. German society for hygiene and microbiology; German society for pediatric gastroenterology and nutrition e. V; German society for rheumatology. Hinrichsen T, Peterson L, Lymphoplasmozytisches Lymphom (Morbus Waldenström), https:// www.medizinische-genetik.de/index.php?id=morbus-waldenstroem (07.2020) Hopfinger G, Herling M, Krasniqi F, Reimer P, Schmitz N, Wulf G, 2019, Leitlinie, Periphere T-ZellLymphome, https://www.onkopedia-guidelines.info/de/onkopedia/guidelines/periphere-t-zelllymphome/@@guideline/html/index.html Jiang M, Bennani NN, Feldman AL. Lymphoma classification update: T-cell lymphomas, Hodgkin lymphomas, and histiocytic/dendritic cell neoplasms. Expert Rev Hematol. 2017;10(3):239–249. Jaffe ES, Barr PM, Smith SM. Understanding the New WHO Classification of Lymphoid Malignancies: Why It's Important and How It Will Affect Practice. Am Soc Clin Oncol Educ Book. 2017;37:535–546. Kim YH, Willemze R, Pimpinelli N, Whittaker S, Olsen EA, Ranki AM, Dummer R, Hoppe RH, TNM classification system for primary cutaneous lymphomas other than mycosis fungoides and Sezary syndrome: a proposal of the International Society for Cutaneous Lymphomas (ISCL) and the Cutaneous Lymphoma Task Force of the European Organization of Research and Treatment of Cancer (EORTC). Blood. 2007;110(2):479–484. Kist M, S3-Leitlinie „Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit“ – eine neue Herausforderung für die mikrobiologische Diagnostik, Mikrobiologe 2010, 20: 41–46; http:// www.uniklinik-freiburg.de/nrzhelicobacter/live/diagnostik/leitlinie/KistMikrobiologe2010.pdf Lübbers H, Mahlke R, Lankisch PG, Stolte M. Kontrollendoskopie in der Gastroenterologie: Sinnvoll oder Ballast? Dtsch Arztebl 2010; 107: 30–36. National Cancer Institute (USA), Adult Non-Hodgkin Lymphoma Treatment (PDQ®), Stand: 07/28.2011; http://www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/adult-non-hodgkins/HealthProfessional/page3 National Cancer Institute (USA), Mycosis Fungoides and the Sézary Syndrome Treatment (PDQ®); Stand: 02/17/2012; http://www.cancer.gov/cancertopics/pdq/treatment/mycosisfungoides/ HealthProfessional/page3

968

8 Formen, Ursachen, Entwicklungsstadien und Behandlungsverfahren

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Schlussbemerkung und Haftungsausschluss Ziel dieses Buches ist es, Studenten, Ärzten wie auch anderen in Heilberufen Tätigen oder medizinisch Interessierten ein umfassendes Grundwissen über bösartige Tumoren des Menschen, deren Ursachen und deren Behandlung zu vermitteln. Berücksichtigung fand die aktuelle wissenschaftliche Literatur einschließlich der aktuellen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der jeweiligen Tumore. Auf diese Informationen wird im Anschluss an die Abhandlung eines jeden größeren Themas hingewiesen. Sie können helfen, die kurzgefassten Angaben dieses Buches in dem ursprünglichen oder einem größeren wissenschaftlichen Zusammenhang zu sehen und hierdurch das mit diesem Buch angebotene kurzgefasste Wissen zu vertiefen. Trotz aller Sorgfalt bei der Zusammenstellung der wissenschaftlichen Daten können sich Fehler eingeschlichen haben. Diese können im Besonderen die Auswahl der angeführten diagnostischen Verfahren und Arzneimittel, deren Dosierung und wie auch die Kenntlichmachung geschützter Warennamen, Warenzeichen und Marken betreffen. Aus dem Fehlen einer solchen Kenntlichmachung kann nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. In Anbetracht der Fehlermöglichkeiten ist der Nutzer dieses Buches nicht von der Eigenverantwortung entbunden, vor jeglicher Anwendung eines in diesem Buch erwähnten diagnostischen Verfahrens oder einer Arzneimittelbehandlung die jeweiligen Herstellerangaben zu beachten und die Indikation, Zweckmäßigkeit, Zulässigkeit, Dosierung und Applikation der Anwendung zu überprüfen oder mit seinem behandelnden Arzt absprechen. Daher kann weder der Autor noch der Verlag für Schäden haftbar gemacht werden, die in Verbindung mit der Verwendung der Inhalte dieses Buches stehen. Der Autor und der Verlag haften auch nicht für mittelbare wie immer geartete Schäden, die sich aus der Nutzung der in diesem Buch zur Verfügung gestellten Inhalte ergeben könnten.

https://doi.org/10.1515/9783110759570-002

Sachregister AAPC 329 ABC 905 ABCDE-Regel 464 abdominale Sonografie 85 Abemaciclib 56 Abgrenzung 487 Abirateron 215 ablative Techniken 46 ablatives Laserverfahren 491 Abschätzung der Prognose des DLBCL 906 Abstrichentnahme 132 Abstrichzytologie 151 ABVD 875, 880 ABVE 875, 880 ABVE-PC 875, 880 ACE 430 Acetaminophen 632 Acetylsalizylsäure 811 Achalasie 290 Achromobacter xylosoxidans 917 ACO 430 ACTH 591, 593, 631, 633 α-Defensin 823 α-Defensin Proteine 823 Adenokarzinoide 662 Adenokarzinome 406 adenomatoider odontogener Tumor 285 Adenomyoepitheliome 40 adenosquamöses Karzinom 407 Aderlass 804 Aderlasstherapie 801 ADH 40–41 adjuvante Radio-Chemotherapie 278 adjuvante vaginale Brachy-Radiotherapie 115 Adnexektomie 553 Adnexexstirpation 90 adrenale Paragangliome 620 AdvSM 833 AdvSM/Advanced SM 833, 839 AEG 300, 318 AEHP 570 Afatinib 422 Aflatoxin 368 Aflibercept 347 AFP 10, 86, 181, 372 aggressive Lymphome 889 aggressive NHL/Non-Hodgkin-Lymphome 965 aggressive NK-LGL 775 Agnogenische Myeloide Metaplasie 813 AIDS/HIV 592 https://doi.org/10.1515/9783110759570-003

AIDS-Patienten 365 AIN 359 AIO 430 AIO-Schema 348 AITL 947 AIVN 359 akral-lentiginöses Melanom 463 AKT1 588 Aktinische Keratose 478 Akustisch Evozierte Hirnstamm-Potentiale 570 akute Leukämie 807 akute Leukämie mit ungeklärten Linien 730 akute myeloische Leukämie 815 akute Promyeloblasten-Leukämie 731 akute Promyelozyten-Leukämie 736 akute undifferenzierte Leukämie 730 akuten Blindarmentzündung 532 akzelerierte Phase 785 Albumin-Nanopartikel 403 Aldosteron 10 Aldosteron-Renin-Quotient 689 Alectinib 422, 523, 619 Alemtuzumab 711, 756, 766, 773–774, 779, 853, 948, 956 ALK 409, 432, 611, 619, 884, 905 ALK/anaplastische Lymphomkinase 946 alkalischen Phosphatase 372 Alkohol 19, 226, 264, 381, 632 Alkoholgenuss 288 Alkoholschmerz 870 Alkomas 946 Alkylantien 714, 726, 785 Alkylanzien 824 allergische Reaktionen 952 Allgemeinzustand 6 allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation 831, 947 allogene Organtransplantate 936 allogene Stammzelltransplantation 868, 878, 904 allogene SZT/Stamm-Zell-Transplantation 842 Allopurinol 939 All-Trans-Retinsäure 742–743 ALND 48 ALO/Alk-lymphoma oligomerisation Partner on Chromosom17-ALK 946 alpha1- und alpha2-Adrenozeptoren 625 alpha1-Adrenozeptoren 625 Alphablocker 625 Alpha-Feto-Protein 86 alpha-hCG 666

972

Sachregister

Alter 98, 732 amelanotisches Melanom 463 Ameloblastin 285 ameloblastisches Fibrom 285 ameloblastisches Fibroodentinosarkom 286 ameloblastisches Fibroodontom 286 ameloblastisches Fibrosarkom 285 ameloblastisches Karzinom 285 Ameloblastom 285 Amelogenin 285 AML 725 AML mit Myelodysplasie-artigen Veränderungen 729 AML mit wiederkehrenden genetischen Aberrationen 729 AML-M3 740 AML-M3v 740 AML-NOS/nicht anders spezifiziert 730 AMM 813 Ampulla vateri 384 Anagrelid 804, 811, 821 Analkarzinome 357 Anämie 704, 815, 883 Anaplastische Lymphom-Kinase 611 anaplastische Schilddrüsenkarzinome 672 anaplastische (undifferenzierte) Karzinome 677 anaplastisches Ependymom 584 anaplastisches Gangliogliom 585 Anaplastisches großzelliges Lymphom/ALK+ 941 anaplastisches Oligoastrozytom 584 anaplastisches Oligodendrogliom 584 Anastrozol 553 Androgen-Rezeptor 73 Androstendion 689 Angiogenese-Inhibitoren 698 Angiografie 570 Angioinvasion 642 angiomatöse Phase 559 angiozentrisches Gliom 585 Anisozytose 815 Ann-Arbor-System, modifiziert nach Musshoff 919 Annexin A1 760 Anti MAG/Myelin-Assoziiertes Globulin –Antikörper Neuropathien 910 Antibiose 931 Antibiotika 831 Anti-CD52 948 Anti-HIV-Therapie 365 Anti-Intrinsic-Factor-Antikörper 648 Anti-nukleäre -Autoantikörper 932 Anti-Parietalzell-Antikörper 648 Anti-PD-1Ligand- Antikörper 258 anti-PD-1-Antikörper 258

AP3A-Hydrolase FHIT 369 AP12-MLT 922 APC-Protein 337 API-2/MALT1 918 apikale Lungenkarzinome 418 APL-Differenzierungssyndrom 744 APML 739 apokrine Adenosen 39 Appendektomie 90 Appendix 882 APUDomas 629 aquagener Juckreiz 798 Arachnoidea-Deckzellen 588 Aristolochiasäure 245 Aromatase-Inhibitoren 553 aromatische Amine 244 aromatische Kohlenwasserstoffe 701 Arsen 411 Arsen-Trioxid 742–743 ART 138 arterielle Hypertonie 809 AS//Adenosarkome 543 ASAP 200 Asbestfasern 80, 82, 411, 436, 564 ASCO II 435 asekretorische Myelome 854 ASM/Aggressive SM 833, 839 ASM-t/ASM in Transformation 839 Astrozytome 573, 584 ASXL1 708, 728–729, 798, 814, 816, 823, 834, 838, 844 Aszites 386 aSZT 795 Ataxia teleangiectasia 714 Atazanavir 365 Atemnot 834 Atezolizumab 237, 258, 423 ATG 711 ATM 21, 767, 900 ATO 742–743, 782 Atombombenabwürfe 703 ATRA 736, 742–743 ATRA und ATO sensible APL 742 ATRA-Chemotherapie-Schemata zur Behandlung der akuten Promyelozyten-Leukämie 745 Attenuierte familiäre Adenomatöse Polyposis 329 ATYP 200 atypische (maligne) Karzinoide 642 atypischer teratoider/rhabdoider Tumor des ZNS (ATRT) 585 atypisches Plexuskarzinom 585 Audiografie 609 Augen 960

Sachregister

Augenhöhle 937 Augenmuskeln 276 Ausbreitung in innere Organe 953 Ausbreitungs-Diagnostik 749 Autoantikörper gegen Erythrozyten 947 Autoimmunerkrankung 775, 825, 870, 917 Autoimmun-hämolytische Anämien 910 Autoimmunthyreoiditis 933 Autoimmunthyroiditis 775 autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation 947 autologe Stammzelltransplantation 868, 878, 904 AV 583 Avapritinib 539 Avelumab 237, 504, 523 axilläre Lymphknoten 37 axilläre Lymphknotenentfernung 48 Axillary Lymph-Node-Dissection 48 AXIN-1 337 Axitinib 236, 239 Azacitidin 831, 842 Azoospermie 177 azurophile Granula 776 B- und T-Zell-Lymphom 699 B17 264 β-Adreno-Rezeptoren 625 β-Catenin 636, 642 β-HCG 10, 86, 181, 372, 594 β2-Mikroglobulin 10, 748, 836, 858, 937 bakterielle Infektionen 775 ballonzellartiges Melanom 463 BALT 916 Barrett-Metaplasie 289 Barrett-Ösophagus 288, 294 Barrett-Syndrom 289 Basaliome 479 Basalmembran 858 Basalzellepitheliome 479 Basalzellkarzinome 479 Basalzellkarzinom-Syndrom 481 Basalzellnävus-Syndrom 481 Bazex-Dupré-Christol-Syndrom 481 BCG 258 Bcl10/IgH-Promotor 922 bcl-2 857 BCL2 884, 893, 901, 905 BCL-2 Translokationen 893 BCL6 884, 893, 901, 905, 937 BCNU 954 BCOR 708 BCR 760, 900 BCR-ϰ/λ 884

973

BCR ϰ/λ 894, 901, 905 BCRA1 394 BCR-ABL 714, 787 BCR-ABL1 728–729, 784 BCR-JAK2 852 BEACOPP 875, 880 BEACOPP eskaliert 880 BEAM 878, 880, 902, 907 Becherzellkarzinoide 661 Beckwith-Wiedemann-Syndrom 611 behaarter Kopf 958 Behandlungsschemata für das follikuläre Lymphom 899 Bence-Jones-Protein-Urie 858 Bendamustin 897, 923, 936 Benralizumab 853 Benzol 701, 714, 747, 785, 824, 893 BEP/PEB-Schema 189 berufliche Exposition 244 Beryllium 411 BET 44 Betelnuss 289 Bevacizumab 236–237, 346, 610, 671 Bewegung 82 Bexaroten 955 BHA 19 BHD-S Birt-Hogg-Dubé-Syndrom 228 Bicalutamid 212 bilaterale Oophorektomie 244 bilaterale Salpingo-Oophorektomie 553 bilaterales akustisches Neurom 609 biliäre Tumore 382 bimanuelle rektovaginale Untersuchung 132 Bindehaut 930 Binet et al. EU 751 Bing-Neel-Syndrom 910 Binimetinib 472 Biphosphonat 52, 868 BI-RADS 36 Bismuth-Corlett 382 Bisphenol A 19 Bizytopenie 704 B-Klassifikation 37 Blasten 826, 852 Blastenkrise 785 Blastische Plasmazytoide Dendritische Zell-Neoplasie 730 blaurote Haut 798 Blinatumomab 723 Blutgase 419 Bluthochdruck 622, 688 Blut-Leukozyten-Konzentrate 34 Blutungen 630, 807

974

Sachregister

Blutungsneigung 798 Blutviskosität 857 B-Lymphome 884 B-Lymphozyten-Lymphomen 881 BMI 26 BMP 285 Bohnenkaffee 245 Boost 50 Borderline-Tumore 90 Borrelia 958 Borrelia burgdorferi 917, 927–928 Borrelien 950 Bortezomib 864, 904, 920 Bortezumib 915 Bosutinib 791, 794 Bowen’sche Erkrankung 219 B-PLL 764 B-Prolymphozyten-Leukämie 764 BR 902 Bradykinin 645 BRAF 409, 432, 759–760 B-Raf-Mutationen 467 BRCA1 21 BRCA1-Mutationen 80 BRCA2 21 BRCA2-Mutationen 72, 80 Breakpoint Cluster Region 784 Brentuximab 782 Brentuximab-Vedotin 877, 955 Breslow-Klassifikation 459 Brigatinib 523, 619 BRIP-1 22 Brivudin 365 Bronchialkarzinoide 637 Broncho-Endosonografie 639 Bronchoskopie 294 Brustdrüse 916 Brust-erhaltende Therapie 44 B-Symptomatik 862, 904 B-Symptome 727, 748, 883, 937 Burkitt-Lymphom 885, 936, 965 Busulfan 804 Butylbenzylphthalat 19 Butylphenol 19 BV-CHP 944 Bw46 264 Bystander Cells 869 B-Zell ALL 717 B-Zell-Lymphom 884 B-Zell-Rezeptor-Immunglobulingene 716 CA 435 CA 15–3 10

CA 19–9 10, 86 CA 50 10 CA 72–4 10 CA19–9 340, 387 Ca125 78 CA-125 85 CA242 340 Cabazitaxel 215 Cabozantinib 236, 239, 422 CA 125 10 Cadmium 227, 411 Café-au-lait-Flecken 606 Calcitonin 10, 633 Calicheamicin 744 CALR 800, 816 Calreticulin 800, 807, 814, 844 Calzitonin 418, 653 Campylobacter jejuni 917, 925 CAP 348–349 Capecitabin 317 CAPOX 348, 647 CAPTEM 647 Carbamazepin 736 Carboplatin 423 Carboplatin + Paclitaxel 423 Carcino-Embryonales Antigen 133 Carfilzomib 864 Carney-Komplex 636 Carney’s Triade 528, 534, 622 Carney-Stratakis Diade 622 Carney-Stratakis-Syndrom 528 Caroli-Syndrom 380 cART 365 Castleman-Disease 855 Cast-Nephropathie 858 Cathepsin D 33 CBCL 505 CBE 434 CBFB-MYH11 728–729 CBL 834, 838, 844 CBP 441 CCND1/IgH 905 CCR4 782 CD2 777, 884 CD3 777, 884, 893, 901, 905, 953, 956 CD4 777, 884, 950, 952–953, 956 CD4/CD8 777 CD5 777, 884, 893–894, 901, 905, 918 CD7 777, 884, 956 CD8 777, 884, 953, 956 CD10 760, 884, 893–894, 901, 905, 918, 937 CD11c 760 CD14 826

Sachregister

CD15 873 CD16 777 CD16a 826 CD19 884, 894, 901, 905, 911, 937 CD20 574, 760, 873, 884, 893–894, 901, 905, 911, 918, 937 CD21 884, 893, 901 CD22 760, 911, 937 CD23 884, 893–894, 901, 918 CD25 760 CD26 953 CD30 873, 884, 905, 946 CD45 873, 884, 905 CD56 742, 778, 884, 946, 950 CD57 778 CD79 911, 918 CD79a 873 CD103 760 CD123 760 CD138 905 CDC73 682 CDK4/6 Kinase 56 CD4-T-Lymphozyten 559 CE 434–435, 647 CEA 11, 85, 133, 340, 420, 487, 633 CEBPA 729 CEBPalpha 705 Cediranib 522 CEL/Chronische Eosinophile Leukämien 848 CEL-NOS 851 cerebrale Herdsymptome 569 Ceritinib 422, 523, 619 Cervantes-Score 818 Cetunimab 365 Cetuximab 346 CEV 434 CF 317 CFHRP 253 CF-Schema 301, 317 CG 441 CgA/Chromogranin A 501 Charakteristika von Basalzellkarzinomen und Plattenepithelkarzinomen 482 CHEK2 21 CHEK21100delC-Mutation 72 Chemo- und Immuntherapie des Kaposi-Sarkoms 563 Chemo-Immuntherapie der Morbus Waldenström 915 chemotherapeutische Verfahren 53 Chemotherapie +/− Immuntherapie bei Rezidiven aggressiver Lymphome 892

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Chemotherapie und/oder Immuntherapie bei aggressiven Lymphomen 891 Chemotherapieschemata beim Hodgkin-Lymphom 880 Chemotherapieschemata für das Magenkarzinom 317 Chemotherapieschemata zur Behandlung des Kolon- und Rektumkarzinoms 348 Chemotherapieschemata zur Behandlung von kleinzelligen Lungenkarzinomen 434 Chemotherapieschemata zur Behandlung von nichtkleinzelligen Lungenkarzinomen 431 Chemotherapieschemata zur Behandlung von Rezidiven der AML 739 Chemotherapieschemata zur multimodalen oder palliativen Behandlung von Mesotheliomen 441 chinesischer Leberegel 381 chirurgische Brustrekonstruktionen 49 chirurgische Entfernung des Mammatumors 44 cHL 872–873 Chlamydien 125, 132 Chlamydophila psittaci 917, 930–931 Chlorambucil 897, 923, 929 Chloramphenicol 704, 714 Chlorkohlenwasserstoff 701 Chlornaphazin 245 Chlorome 785 Chlorotrianisen 212 Chlorpromazin 632 CHOEP 782, 944 CHOEP-21 oder -14 891 Cholangioskopie 387 Cholangitis 386 Cholecystojejunostomie 402 Cholezystokinin 669 Chondrosarkome 443 CHOP 756, 766, 773, 779, 782, 890, 897, 923, 936, 940, 944, 955, 958 CHOP-14 891 CHOP-21 891 Choroidalplexustumoren 577 CHP 944 CHR 790 Chromate 411 Chromogranin A 11, 631, 645, 648, 666 chromosomale Instabilitäten 338 chronische Entzündung 952 Chronische Eosinophilen-Leukämie 849 Chronische Idiopathische Myelo-Fibrose 813 chronische lymphatische Leukämien 699 chronische myeloische Leukämie 784 chronische myelomonozytäre Leukämie 607

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Sachregister

Chronische Myelo-Monozytäre Leukämie 823 chronische neutrophile Leukämie 843 chronische Pankreatitis 395, 397 chronische Phase 788 chronische polyzythämische Phase 799 Chuvash-Polycythaemie 802 CI 434 Ciclosporin 779 CIMF 813 CIMP 338 CIN 338 Cinacalcet 686 CisCA 258 CISH 54 Cisplatin 647 CK 182 CK20 501 c-KIT 528 c-Kit 529 c-KIT 529 C-Kit 533 C-Kit-Mutationen 467 Cladibrin 923 Cladribin 762, 765, 842 Cladribrin 761 Clarithromycin 736, 931 CM 838 C-maf 856 c-MET 409, 432 CMF 504 CMF-Schema 65 CML-Kachexie 785 CMML mit begleitender myeloischer/lymphatischer Neoplasie 827 CMML mit begleitender systemischer Mastozytose 827 CMML-MDS 824 CMML-MPN 824 CM-Schema 258 CMV 728, 769, 874, 936 CMV-Schema 258 c-myc 857, 936 cMyc/IgH 905 Cobimetinib 472 CO2-Laser 222 Colitis ulzerosa 330 Cometinib 763 Common ALL 717 Copanlisib 920, 936 COPBLAM 955, 958 COPDAC 875 COPDIC 875 COPP 875, 891, 955, 958

COPP-ABV 875 Correa-Hypothese 306 Courvoisier-Zeichen 386, 399 Cowden-Komplex 636 Cowden-Syndrom 330, 568 CP 441 C-Peptid 11, 633 CpG-Inseln-Methylierungs-Phänotypen 338 cPSA 200 CPSS 829 CR 9 CRAB-Kriterium 862 CRc 734 Crenolanib 540 CRh 733 CRi 733 Crizotinib 422, 523, 619 CRm 734 CRp 733 CSF3R 844 CT 435 CTCL 506 CTLA4 433 CTNNB1 636 Cumarine, 5-Fluorouracil 632 CUP 693 Cushing-Syndrom 418, 630–631, 654 CVAD 902 CVP 897, 936 CXCR4 912 Cyclin D1 760, 893, 900–901, 905, 918 Cyclin D3 856 Cyclophosphamid 245 Cyclosporin 711, 853 Cyfra 21–1 11 CYP3A4-Aktivatoren 736 CYP3A4-Inhibitoren 736 Cyproteron-Acetat 212 Cytarabin 831 Cytochrom-Oxidasen P450 22, 244 Dabrafenib 390, 472, 763 Dacarbazin 471 Daclizumab 782 Dacomitinib 422 DA-EPOCH 907 Dakryozytose 815 Danazol 822 Daratumumab 864–865 Darier-Zeichen 837 Darmblutungen 965 Darmperforationen 965 Darmverschluss 965

Sachregister

Dasatinib 522, 723, 791, 793, 842 Dasotinib 472 Daunorubicin 744 DBA44 760 DC 41 DCC 330 DCF 318 DCF-Schema 302 DCIS 40 DCR 915 DDE 19 DDT 19 Decitabin 831, 842 Deferasirox 711 Dehydroepiandrosteron-S 689 DEK-NUP214 729 Deletion 859 Deletion 6q 912 Delta-Aminolävulinsäure 491 Denosumab 52, 215 Dentinom ameloblastisches Fibrodentinom 286 Dermatofibrosarkom protuberans 506 DES 145 Desferoxamin 711 desmoplastische Melanome 471 desmoplastisches infantiles Astrozytom/Gangliogliom 585 desmoplastisches Plattenepithelkarzinom 484 DeVIC 947 Dexa-Beam 892 DexaBEAM 944 DHAP 878, 880, 892 DHEAP 944 Diabetes 395 Diabetes mellitus 100, 688, 809 Diagnose einer Neurofibromatose Typ 1 607 Diagnoseschema des Ösophaguskarzinoms 296 Diagnose-Strategie beim Zervixkarzinom 131 Diagnose-Strategie des Hepatozellulären Karzinoms 373 Diagnostik der Urothel-Karzinome 234 Diazoxid 671 Dichlormethyl-Ether 410 DIEP 49 Dieselabgase 244 Diethylstilboestrol 24, 145 Differenzierung des Mammakarzinoms 30 diffuse großzellige B-Zell-Lymphome 904 Digiti hypocratici 418 DLBCL 918 DNMT3A 708, 798, 814, 823 Dohle-Körperchen 846 dominante neutrophile Granulopoese 846

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Dopamin 613 Doppelballon-Enteroskopie 925 Doppelinfektionen 368 Dottersack-Tumoren 182 Down-Syndrom 590 Doxazosin 625 Doxorubicin 646, 947–948 Doxorubicin +/− Bendamustin +/− Melphalan +/− Cyclophosphamid 866 Doxycyclin 931 Dreifach (Triple-) negativ Formen 807, 814 DRUP 207 Drüsen-Architektur der Prostata nach Gleason 205 duale Translokation 937 Dugois-Colomb-Berthon-Syndrom 481 duktales Adenom 40 Dünndarm-Tumoren 324 Duodenalbiopsie 837 Duodenektomie 657 Duodenopankreatektomie 402 Duodenum 324 Dura mater 600 Durchfall 631, 668 Durelisib 920 Durie und Salmon 861 Durvalumab 237, 421 dVIN 160 dysembryoplastischer neuroepithelialer Tumor (DNT) 584 Dysfibrinogenämie 372 Dysgerminomen 94 Dysphagie 294 Dysplasie-Zeichen 705 dysplastische CMML-Variante 827 dysplastische Nävi 457 D-Zelltumoren 653 EATL 942 EBER-ISH 884, 905 eBL 936 EBV 265, 306, 411, 500, 568, 592, 701, 769, 870, 874, 885, 905, 936, 939, 946, 948, 950 EBV positive diffus großzellige B-Zell-Lymphom 950 EBV positive mukokutane Ulkus 950 E-Cadherin 21 ECDB 504 ECF 318 ECF-Schema 301, 317 Echokardiogramm 639 ECP 955 EGFR 409, 433 EGF-Rezeptor 33

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Sachregister

EGF-Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitoren 239 eheliche Treue 140 Eierstock 78 EIN 104 Eindringtiefe 470 Einteilung der perihilären Biliären Tumore nach Bismuth-Corlett 384 Einteilung der perihilären Tumore nach Jarnagin-Blumgart 384 Eisenchelatoren 711, 831 Eisenfärbung 825 Eiweißverlustsyndrom 965 Elastografie 678 Elektronystagmografie 609 Elektrookulografie 609 Elektroschlinge 154 Elotuzumab 865 ELTS 789 Embolisation 572, 646 embryonale Neuralleiste 610 embryonaler Tumor 573, 578, 585 Embryonal-Karzinome 182 EMR 295, 299, 646 EMR-C 646 EMR-CMI 646 EMR-L 646 eMZL 916 Enasidenib 738 Encorafenib 472 endemisch afrikanisches Kaposi-Sarkom 554 endemische Variante 936 endobronchiale Brachytherapie 427 endobronchiale Resektionen 426 endogene Hormone 81 endogene Östrogene 99 endogene Testosterone 100 Endokardfibrose 631, 645 endokriner Drüsenanteil 393 Endometriale Stroma-Sarkome 546 Endometrium- und Korpuskarzinome 97 Endometrium-Hyperplasien 104 Endometriumkarzinome 105 Endomyocardiale Fibrose 850 Endoskopische Mukosa-Resektion 646 Endoskopische Retrograde CholangioPankreatikografie 400 endoskopische Sonografie 295 endoskopische Submukosa-Dissektion 646 endoskopische Ultra-Schalluntersuchung 325 endoskopische Vollwandresektion 646 Endosonografie 664 Enophthalmus 677 Entwicklungsstadien 4

Entwicklungsstadien und (histopathol.) Klassifikationen von Melanomen 460 Entwicklungsstadien und Klassifikation von Uterussarkomen 544 Entwicklungsstadien und Klassifikationen des Merkel-Zell-Karzinoms 498 Entwicklungsstadien und Klassifikationen des Plattenepithelkarzinoms und des Basalzellkarzinoms 483 Entwicklungsstadien von Plasma-Zelltumoren 861 entzündliche Phase 559 Entzündungen 397 Entzündungserscheinungen 5 Enzalutamid 215, 736 Eosinophilie 782, 835 EOX 318 EP/PE-Schema 189 EpCAM 487 ependymaler Tumor 573, 584 ependymärer Tumor 577 Ependymoblastom (ETANTR) 585 Ependymome 571 Ephedrine 632 ephelidenartige Fleckung 606 epidemisches Kaposi-Sarkom, assoziiert mit einer Infektion durch HIV 555 epigenetischer Modifikationen 705 epileptische Anfälle 569 Epineurektomie 519 Epipodophyllotoxine 714 epitheliale Mesotheliome 407 epitheliale neuroendokrine Tumoren 629 epitheliale Ovarkarzinome 91 epitheloide Formen 532 EPOCH 782 EPP 439 ER 33 ERBB2 481 ErbB2/4 433 erbliche/genetische Risikofaktoren 17 ERCP 387, 400 Erdafitinib 390 Erhaltungstherapie 722 Erkrankungsrate 16 Erlotinib 422 Ernährung 26, 396–397 ERND/Erweiterte Radikale Nacken-Dissektion 277 Erstlinientherapie des Myeloms 863 Erythroblasten 815 Erythrodermie 953 Erythromelalgie 807 Erythroplakia 266, 276 Erythroplasie 293

Sachregister

Erythropoetin 711, 822, 831 Erythrozytenkonzentrate 831 Erythrozytose 801 ESD 299, 646 ESHAP 944 ESR1 21 ESS 546 essentielle (oder primäre) Thrombozythämie 806 Esterasefärbung 825 Esterase-Reaktion 727 Estradiol 86 Estramustin 213 ETV6 705, 708 ETV6-JAK2 852 EUS 325 Everolimus 236, 238, 523, 652, 671, 821–822 EVI 728 Ewing-Sarkom 443–444, 542, 601 Ews-Translokationen 450 Exemestan 553 exogene Östrogene 99 exogenes FSH 100 exokriner Drüsenanteil 393 Expandereinlage 49 Extra Pleurale Pneumonektomie 439 extraadrenale Paragangliome 605 extraaxiale Tumoren 570 extragonadale Keimzelltumoren 176 extrahepatische distale Tumoren 389 extrahepatische Gallengänge 381 extrakorporale Photopherese 955 extramedulläre Hämatopoese 814 extranodale MZL 916 extranodalen NK/T-Zell-Lymphomen vom nasalen Typ 942 extraprostatisches Wachstum 201 exzisierte Tumoren 32 Exzisionsbiopsie 35 EZH2 708, 798, 814, 816, 823, 834, 838 Facies leonina 953 Familial papillar thyroid cancer and familial kidney neoplasia 228 Familiäre Adenomatöse Polypose 335 Familiäre Adenomatöse Polyposis 322, 329, 394, 508 familiäre Belastungen 18 familiäre Häufung 21 familiäre Tumorsyndrome 23 familiäre und ethnische Faktoren 197 familiäres Cowden-Tumor-Syndrom 98 familiäres GIST-Syndrom 323 familiäres Neuroblastom 611

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familiäres nicht-polypöses Kolonkarzinom-Syndrom 79 familiäres Phäochromozytom-ParagangliomSyndrom 622 FAMMM-PC 394 Fanconi-Anämie 264, 394 Fanconi-Syndrom 858 FAP 322, 329, 335, 394, 508 FBXW7 481 FEA 40–41 Feiling-Gardner-Phänotyp 609 Feinstaub 410 Feldkanzerisierung 478 Felty-Syndrom 776 Feminisierung 688 Fernmetastasen 34, 38 Fernmetastasen des Mammakarzinoms 43 Fertilität 195 Fettstuhl 400, 669 Fettsucht 395 FGF 33 FGFR1 848 FGFR1,2,3 433 FGFR-2 21 FHIT 294, 368 Fibroadenome 39 Fibroblast Growth Factor Receptor 856 Fibrosarkome 443 Fibrosierung 813 fibrös-zystische Mastopathie 39 FIHP 682 FIP1L1-PDFGRα 852 Fisch 332 FISH 54 FL/Follikuläre Lymphome 881 FLAIR 569 Fleck-Patch-Stadium 559 FLOT 318 FLOT Schema 302 FLT3 728–729 FLT3-ITD 742 Fludarabin 754 5-Fluorouracil 488 Flush 631 Flutamid 212 FMC 773–774 fokale neurologische Symptome 959 FOLFIRI 318, 348, 647 FOLFIRINOX 403 FOLFIRI-Schema 302 FOLFOX 355, 647, 652 FOLFOX-4 348 FOLFOX-6 348

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Sachregister

follikuläres großzelliges B-Zell-Lymphom 899 follikuläres Karzinom 676 follikuläres Lymphom 885, 893 follikuläres Schilddrüsenkarzinom 672 Folsäure 733 fortgeschrittene Ovarialkarzinome 92 FOXP1/IgH 918 fPSA 200 französische Tripel-Therapie 922 Freie К- und λ-Leichtketten 858 Früchte 226 frühe Ovarialkarzinome 92 Früherkennung 109 Frühmortalitäten 741 FSH 591, 593 FTRD 646 5-FU 365 5-Fu Mono 348–349 FUFAMI 318 FUFOX 348 Funktionsbeeinträchtigungen 569 FUOX 348 Fußsohlen 956 Gallenblasentumore 389 Gallensteine 387, 669 Gamma-Knife 573 Gammopathie-assoziierte Amyloidose 857 Gangliogliom 585 Ganglioneurom 605 Gangliosid GD2 612, 619 gangliozytische Paragangliome 653 Gangliozytom 584 Ganzkörperplethysmografie 419 Gardnerella vaginalis 132 Gardner-Syndrom 322, 544 Gastrin 11, 630, 633, 648, 654–655, 668 Gastrin releasing Peptid 639, 648, 655 Gastrinome 666, 668 gastrische endoskopische Sonografie 921 Gastroduodenoskopie 918 Gastroenterostomie 316 gastrointestinale Tumoren 601 gastrointestinaler Stromatumor 322, 527 Gastrointestinaltrakt 946 Gastrojejunostomie 402 gastroösophagaler Reflux 654 Gastroskopie 926 GATA2 705, 729 Gaumen 946 GBC 905 GCNIS 177, 185 G-CSF 190

G-CSF-R/CD114 844 Gefitinib 422 Gehirnparenchym 959 Gela 922 Gelatine-Puder 646 Gelatin-Schaum 646 Gelbfärbung 399 Gelbsucht 641 GELF 895 Gemcitabin 404, 423 Gemcitabin + Paclitaxel 403 Gemcitabine-Schema 258 gemischzellige Formen 532 Gemtuzumab Ozogamicin 734 Gemüse 226, 332 Gene für DNA-Reparaturproteine 22 genetisch 396 genetisch/ethnische Faktoren 125 genetische Faktoren 79, 98 genetische Risikofaktoren 72 genetische Veränderungen bei Myelodysplastischen Syndromen 708 Genuss 82 Geografische Unterschiede in der Neuerkrankungsrate und Todesrate durch Hämoblastosen 700 GEP-NET 630 geräuchertes Fleisch 322 Gering-differenzierte endometriale Stromasarkome 543 Gerinnungsstörungen 741 Germ Cell Neoplasia In Situ 185 Gesichtsknochen 936 Gewebe- und Gefäßschäden 850 Gewebedichte 27 Gex 316 GFAP 573 gFOBT 339 GH 591, 593 GH/Growth Hormon 591 GHRH 633 Gilteritinib 738 Gingiva-Hyperplasie 824 GIST 324, 527 Glaskörperaspirat 960 Gleason 206 Gleichgewichtsstörung 609 Glioblastome 584 Gliomatosis cerebri 584 Gliome 570, 573, 607 Gliosarkom 584 Gliöse Tumoren ungeklärter Abstammung 577 Glukagon 630, 633, 668

Sachregister

Glukagonome 666, 668 Glukokortikosteroide 745, 853, 929 Gluten-Unverträglichkeit 947 Gonadotropin-Hemmer 822 Gonokokken 125 Gorlin-Goltz-Syndrom 481 Goserelin, Leuprolid 212 Gp 100 467 Granularzelltumoren 604 Granulozytopenie 883 Grenzstrang 610 Großhirnhemisphären 600 großzellige Karzinome 406 großzelliges B-Zell-Lymphom mit indolentem kleinzelligen B-Zell-Lymphom 909 großzelliges kutane B-Zell-Lymphom 958 großzelliges neuroendokrines Karzinom 407 GSTM1 22 GSTM1-Gen 243 GSTP 22 Guajak-Fäkaler Okkulter Blut-Test 339 gynäkologische Spiegel- und Tastuntersuchungen 85 Gynäkomastie 688 Haarausfall 956 Haarfärbemittel 244 Haarzell-Leukämie 757 Haarzell-Leukämie-Zellen 758 Hämangioblastome 589, 596 Hämangiopericytome 589 Hämangioperizytome 596 hämatodermische T-Zell-Lymphome 950 Hämoblastosen 698 Hämophagozytose-Syndrome 776 Hämoptyse 418, 638 hämorrhagische Diathese 845 Handflächen 956 Harnblasenkarzinome 243 Harnröhrentumoren 247 Harnverhalt 207 Hashimoto-Thyreoiditis 933 Häufigkeit der klinischen Untersuchungen 35 häufigste Leukämie 747 Hauptbronchus 414 Hauptzell-Typ 683 Haut 946 Hautausschläge 947 Hauterscheinungen 748 Hazard Rate 5 Hazard Ratio 5 HBOC 79 HBV 368, 381, 728, 769, 918, 937

981

HCB 19 HCC 367 hCG 100, 645 HCV 368, 381, 769, 918 HD-MVAC 256 HDV 368 Hedinger-Syndrom 631 Heiserkeit 677 Helicobacter pylori 885, 917, 920–921 Helicobacter-Infektionen 918 Helicobacter-pylori-Infektion 305, 649 Hemikolektomie 662 Hemisphären 960 Heparin 632 Hepatitis C 917 Hepatitis-C-Virus 927, 930 Hepatitis-Virus 368 Hepatoblastome 367 Hepato-Cellular Carcinoma 367 Hepatomegalie 772, 815 Hepatosplenomegalie 843 Her-2/neu positiv 54 Her-2/neu-positive Fernmetastasen 67 hereditäre hamartomatöse Erkrankungen 329 hereditäre Nierenzelltumore 227 hereditäre Pankreatitis 394 hereditäre polypöse Erkrankungen 329 hereditäres Mamma- und Ovarialkarzinom 395 hereditäres nicht-polypöses kolorektales Karzinom 336 hereditäres Retinoblastom 444, 507 hereditäres Werner-Syndrom 508 Hereditary Breast Ovarian Cancer Syndrome 79 Herpes-Virusinfektionen 132 Her-2-Rezeptor 33 Hexyl-Aminolävulinat-Fluorezenz-Zystoskopie 252 HG-ESS 543, 547 HGF-R 368 HHV-8 557, 855, 885, 905, 949, 959 Hippel-Lindau 621 Hirnblutungen 845 Hirndruck 569 Hirndruckzeichen 568 Hirnhäute 600 Hirnmetastasen 69 Hirnnervensymptome 959 hirnorganische Psychosyndrome 959 Hirnstamm 960 Histidin-Carboxylase 635 histologische Einstufung von Mammakarzinomen 42 histologische Klassifikation der biliären Tumoren 385

982

Sachregister

histologische Klassifikation der Harnblasentumoren 248 histologische Klassifikation der Hodentumoren 179 histologische Klassifikation der kolorektalen Adenome 335 histologische Klassifikation der Non-HodgkinLymphome 887 histologische Klassifikation der Osteosarkome 449 histologische Klassifikation der primären Hautlymphome 951 histologische Klassifikation der Zervixkarzinome 129 histologische Klassifikation des Basalzellkarzinoms und des Plattenepithelkarzinoms 484 histologische Klassifikation maligner Analtumoren 360 histologische Klassifikation maligner kolorektaler Tumoren 336 histologische Klassifikation primärer (extranodaler) gastrointestinaler Lymphome 964 histologische Klassifikation und Risikoeinschätzung der Knochentumoren 447 histologische Klassifikation von malignen Lebertumoren 371 histologische Klassifikation von Pankreastumoren 398 histologische Klassifizierung der malignen Lungentumoren 406 histologische Klassifizierung der Weichteiltumoren 511 histologische Typen bei Kopf- und Hals-Tumoren 274 Histon-Deacetylase-Inhibitoren 711 Histopathologische Klassifizierung von Melanomen 462 Histozyten-reiches großzelliges B-Zell-Lymphom 909 HIV 265, 357, 361, 497, 500, 568, 594, 728, 855, 870, 874, 918, 936–937, 939, 949, 959 HIV-Viren 125 HL 699 HLA4c 856 HLA-A2 264 HLRCC Hereditary Leiomyomatosis Renal Cell Cancer 227 HMGA2 285 HNPCC 79, 329, 336, 394 Hoch-differenzierte endometriale Stromasarkome (LG-ESS/Low Grade-Endometrial StromaSarcoma) 543 Hochdosis-Methotrexat 890 hochgradige seröse Platin-sensitive Ovarialkarzinome mit BRCA-Mutation 93

Hodenlymphom 908 Hodentumore 175 Hodgkin-Lymphom 699, 869, 876 Hodgkin-Reed-Sternberg-Zellen 869 hohe Blutlymphozyten-Zahl 764 Hohlräume 949 Homovanillinmandelsäure 613 Hörhilfen 610 hormonaktive Substanzen 24 hormonale Kontrazeptiva 19, 125 Hormonantagonisten 698 hormonelle Risikofaktoren 18 Hormonersatz-Therapie 24, 81 Hormonsubstitution 19 Hormontherapeutische Verfahren 51 Hormontherapie 553, 599 Hormontherapie bei Endometriumkarzinomen 118 Horner-Syndrom 414, 418, 612, 677 Hornschwiele 289 Hörverlust 609 HPRCC Hereditäres Papilläres Renales Zell-Karzinom 228 HPS 329 HPT-JT 682 HPV 124, 144, 218, 265, 357–358, 411 HPV-16 153, 161 HPV-18 153, 161 HPV-31 153, 161 HPV-33 161 HPV-Impfstoffe 141 HPV-Infektionen 132 HPV-Typen 126 H-RS 869 HSIL 145, 165 HSV 769 HSV-2 125, 161 HTLV 500 HTLV-1 701, 769, 779, 885, 948 HTLV1 953 Huntington-Interacting Protein 1 501 Hürthle-Zell-Karzinom 676 Hydration 939 Hydroa vaccinini-formatige proliferative Erkrankung 950 Hydrosonografie 111–112 Hydroxurea 842 Hydroxybiphenol 19 Hydroxycarbamid 831 Hydroxyharnstoff 821 5-Hydroxyindolessigsäure 639, 655 5-Hydroxyindolessigsäure (5-HIES) 632 17-Hydroxy-Progesteron 689 5-Hydroxytryptophan 639, 648

Sachregister

Hydroxytryptophan-Szintigrafie 634 Hydroxyurea 804, 811, 852 Hydroxyurea +Cytarabin +/− Anthracycline 796 25-Hydroxy-Vitamin-D 908 Hypercholesterinämie 809 Hyper-CVAD 902, 939 Hypereosinophilie 849 Hypergastrinämie 649 Hyperglykämie 669 Hyperkalzämie 372, 857 Hyperparathyroidismus-Kiefertumor-Syndrom 684 hyperplastische Polypose 335 Hyperplastisches Polyposis Syndrom 329 Hypertensive Krise 625 Hyperurikämie 786 hypervaskulasierte Tumore 572 Hyperviskosität 910 Hyperviskositätssyndrom 785, 862, 915 Hypoazidität 654 Hypochlorhydia 654 Hypogammaglobulinämie 883 Hypoglykämie 372, 668 Hypogranulierungen 705 Hyponatriämie 418 Hypopharynxkarzinome 262 Hypoventilationssyndrom 611 Hypoxie 785 Hysterektomie 90, 117, 138 Hysteroskopie 112 iBL 936 Ibritumomab-Tiuxetan 888, 897, 904 Ibrutinib 754–756, 766, 904, 915, 920 ICC 527 ICE 878, 892, 944 Idarubicin 744 Idelalisib 755–756, 766, 920, 936 IDH1 823 IDH1/ IDH2 708 IDH1/2 834, 838 IDH1/IDH2 798, 814, 816 IDH2 823 Idiopathische Myelo-Fibrose 813 Idiopathische thrombozytopenische Purpura 776 Idiopathisches Hyper-Eosinophiles Syndrom 849 IE 454 IF/Involviertes Feld- Radiotherapie 920 IFL 348 iFOBT 339 IGCNU 179 IgE 836 IGF 100 IGF1 18

983

IGF-R 529 IgG/IgA 921 IgH/BCL10 918 IgH/BCL-2 905 IgH/MALT1 918 Ig-H-Kette (14q32) 859 IgM-Plasmazytom 910 IgM-Spiegel 915 iHES 849 Ikterus 399 IL-2 236, 238 IL-5 782 Ileum 324 ILP 522 Imatinib 522, 537, 723, 787, 790, 793, 842, 848, 852 IMF 813 Imiquimod 154, 488, 494, 955 123 I-mIBG/meta-Jod-Benzylguanidin 619 Immun-Checkpoint-Inhibitoren 698 Immunglobulin-Enhancer 893 Immunglobulin-Leichtketten 858 Immunmarkern 728 Immunodefizienz-assoziiertes Burkitt-Lymphom 936 Immunoglobin-Promotor 14q31 856 Immunoglobin-Promotor (14q31) 859 Immunoglobulin-Enhancer 900 immunologischer Fäkaler Okkulter Blut-Test 339 Immunphänotypisierung 918 Immunsuppression 125, 497, 557, 592, 942 immunsuppressiv bedingtes Kaposi-Sarkom 555 Immunsuppressiva 568 I-Mono 916 Impfungen 831 IMRT/Intensitäts-Modulierende Radio-Therapie 278 in Transit-Metastasen 462 Indikationen für eine Therapie 862 111 Indium-Somatostatin-Analog 647 Indo-Cyanin-Grün 150 Indolente SM 833 indolenten (reifen/schmerzlosen) B-Zell- und T-ZellLymphome 888 Induktionsphase 721 Induktionsphase II 721 Infektionen 815, 862 Infigratinib 390 infratentorielle Tumoren 571 inguinale Freilegung 185 Inotuzumab 723 INPC 614 INRGSS 614 Inselzellen 666

984

Sachregister

Inspektion 31 INSS 613 Insuffizienz der Herzklappen 631 Insulin 18, 100, 630, 633, 668–669 Insulinome 666, 668 Insulinspiegel 668 Intensitäts-modulierte Radiotherapie 453 Interferon α 657, 761, 940 Interferon-α 504, 640, 763, 804, 957 Interferon-alpha 237 intermediärer Typ 499 Interstitial Cells of Cajal 527 interstitielle Zellen von Cajal 527 intestinale Perforationen 937 Intimhygiene 217 intraaxiale Tumoren 570 intrahepatische Gallengänge 381 intrahepatische Tumore 388 intramammäre Lymphome 934 in-Transit-Melanome 463 intraoperativ im Tumorbett 50 intraoperative Strahlentherapie 520 intraperitoneale Tumorblutung 535 intraprostatisches Wachstum 201 Intrauterinapplikatoren 139 Intrauterinpessare 101 Introitus vaginae 151 inv(14)(q11q32) 769 invasive Karzinome der Vulva 160 invasive urotheliale-Karzinome 247 131 Iod-mIBG/meta-Iod-Benzylguanidin 647 ionisierende Strahlung 27 IORT 520 IPC 960 IPE 430 Ipilimumab 347, 391, 471, 494, 504, 523 IPSID 921 IRF4/MUM1 905 Irinotecan 299, 403 Iris-Harmatome 606 ISM 833 ISM/Indolente SM 838 isolierte Extremitätenperfusion 522 Isoniazid 632 I-T 898 italienische Tripel-Therapie 922 Iuvenile Polypose 335 IVAC 944 IVAC-R 938 IVE/MTX 944 Ivosidenib 390, 738 Ixazomib 864

JAK/STAT 781 JAK2 798, 806, 808, 813, 816, 823, 834, 838 JAK2 (V617F) 844 JAK3 767 Janus-Tyrosin-Kinase 798 Janus-Tyrosinkinase 2 806, 813 Jarnagin-Blumgart 382 Jaw-Tumor-Syndrome 682 jejunale Ernährungsfistel 316 Jejunum 324 Johanniskraut 736 Joining Region 884 JPS 330 Juckreiz 947 Jugendliche 608 Juveniles Polyposis Syndrom 330 Kältepräzipitationen 910 Kalziumionen 684 Kaposi-Sarkom 506, 554, 949 Kappentechnik 646 Kapseldurchbruch 471 kardiovaskuläre Komplikationen 815 Karyotyp XXY 409 Karzinoide 311, 324, 407, 629, 641 Karzinoid-Syndrom 630, 638, 645, 663 karzinomatöse Lymphangiose 37 Karzinome des Nierenbeckens und Harnleiters 231 Katecholamine 11, 622–623, 689 Kehlkopfkarzinome 262 Keimbahnmutationen 17 Keimstrang-Stromatumoren 87, 91, 93 Keimzellmutation 226 Keimzelltumor 87, 92, 175, 186, 588 Keimzelltumor des ZNS 589 Keimzentren 893 Ketoconazol 736 Ki-67 574, 884, 901, 905 Kiefer 936 Kieferosteonekrosen 868 Kinder 601, 726 Kinder und Jugendliche 548 Kinderwunsch 113 KIT D816 833 KIT D816 Mutation 833 KIT D816V 833 KIT Mutation 837 Klarzelliges odontogenes Karzinom 285 Klassifikation der Analtumoren 359 Klassifikation der biliären Tumoren 382 Klassifikation der chronischen myeloischen Leukämie/CML 788

Sachregister

Klassifikation der ESS/Endometriale Stromsarkome 545 Klassifikation der Haarzell-Leukämie 759 Klassifikation der Hodentumoren 177 Klassifikation der malignen Uterustumoren 103 Klassifikation der Neuroblastome 615 Klassifikation der Präkanzerosen 129 Klassifikation der primären nicht neuroepithelialen Tumoren des ZNS 586 Klassifikation der Schilddrüsenkarzinome 674 Klassifikation der Tumoren des PNS/peripheren Nervensystems 605 Klassifikation des exokrinen Pankreaskarzinoms 397 Klassifikation des Harnblasenkarzinoms 246 Klassifikation des lokalen Entwicklungsstadiums von Melanomen 459 Klassifikation des Magenkarzinoms 309 Klassifikation des Nebennierenkarzinoms 687 Klassifikation des Peniskarzinoms 218–219 Klassifikation des Prostatakarzinoms 202, 206 Klassifikation des Rezidivrisikos beim Basalzellkarzinom 485 Klassifikation des Vaginalkarzinoms 146 Klassifikation des Vulvakarzinoms 162 Klassifikation des Zervixkarzinoms 127 Klassifikation für kleinzellige Bronchialkarzinome 416 Klassifikation maligner Tumoren der Lippen und der Mundhöhle 268 Klassifikation maligner Tumoren des Mund- und Schlundrachens 269 Klassifikation nach Binet 753 Klassifikation odontogener Tumoren 285 Klassifikation primärer (extranodaler) gastrointestinaler Lymphome 963 Klassifikation und Therapiestrategie für neoplastische Hypereosinophilien 850 Klassifikation von adulten malignen Weichteiltumoren 509 Klassifikation von Bronchialkarzinomen 414 Klassifikation von Dünndarmtumoren 323 Klassifikation von gastrointestinalen Karzinoiden 644 Klassifikation von GIST/gastrointestinalen Stromatumoren 531 Klassifikation von Hodentumoren 182 Klassifikation von Hyperplasien und Karzinomen der Prostata 203 Klassifikation von Karzinomen des Nierenbeckens und Harnleiters 230 Klassifikation von Knochentumoren 446

985

Klassifikation von kolorektalen Karzinomen 333– 334 Klassifikation von Lebertumoren 370 Klassifikation von Mesotheliomen 438 Klassifikation von Nierenkarzinomen 229 Klassifikation von Non-Hodgkin-Lymphomen 886 Klassifikation von Pankreasinselzelltumoren 667 Klassifikation von Tumoren der Nasenhöhle und der Nasennebenhöhlen 272 Klassifikation von Tumoren der Speicheldrüsen 273 Klassifikation von Tumoren des Kehlkopfes (Larynx) 270 Klassifikation von Tumoren des Nasenrachens (Nasopharynx) 270 klassische Adenome (meist gestielt) 336 klassische Haarzell-Leukämie 761 klassisches Kaposi-Sarkom 554 Kleinhirn 600 kleinzellige Lungenkarzinome 407, 418 kleinzelliger Typ 499 kleinzelliges Bronchialkarzinom 417 Klinefelter-Syndrom 72, 176, 409, 590, 594 Klonalität 852 KMT2A 728 Knochenbrüche 684 Knochenbrüchigkeit 631 Knochendistraktionen 453 Knochenfibrose 814 Knochenfrakturen 857 Knochenmark 928 Knochenmarkbefall 912 Knochenmark-Infiltration 910, 935 Knochenmarkinsuffizienz 727 Knochennekrosen 724 Knochenradiografie 938 Knochentransplantationen 453 Knochentumoren 443 Knoten oder Tumorstadium 559 knotige Hauttumoren 957 Kohlenmonoxid-Transferfaktor 419 Koilozyten 132 Kolektomie 343 Kolitiden 381 Kolonkarzinom 327 kolorektales Karzinom 327 Koloskopie 925 Koloskopie einschließlich Ileum 921 Kolpektomie 154 Kolposkopie 132, 151 Kolumnarzell-Hyperplasien 41 komplette Regression 500 komplexe sklerosierende Läsion 40 Kondomen 140

986

Sachregister

kongenitale Immundefizienzen 936 kongenitale Nävi 457 Konisation 137 Konsolidierungstherapie 722 kontralaterale Mamma 934 Kopf- und Hals-Tumoren 262 Körpergewicht 19, 82 Körpergröße 82 körperliche Bewegung 19, 26, 101 Kortikotrophin 632 Kortisol 633, 639, 655 Krampfanfälle 569, 959 Krampfbereitschaft 570 KRAS 409 K-RAS 433 KRAS 708, 823, 844 K-Ras Wildtyp 467 Kriterien der akzelerierten Phase der CML 788 Kriterien der Blastenphase der CML 788 Kriterien der CML-Remission 789 Kruppel-like factor 4 588 Kryoablation 236 Kryochirurgie 491 Kryoglobulinämie 775 Kryotherapie 222 KT 375, 377 Ku80 22 kurative primäre Therapie des Ovarkarzinoms 89 kurative Primärtherapie des Mammakarzinoms 45 kurative Radio-Chemotherapie 278 Kürettage 132 kutane Mastozytose 838 kutanes Angiosarkom 506 kutanes Leiomyosarkom 506 kutanes Mastozytom 838 LABC 38 lachsfarbene gallertige Schwellungen 930 Lackierern 704 LADO 49 Lambert-Eaton-Rooke-Syndrom 418 Laminin 1 285 Lanreotid 651, 660, 662 laparoskopische radikale Prostatektomie 212 Laparotomie 138 Lapatinib 55, 239, 347, 610 Large Granular Lymphocyte-Leukämie 774 Larotrectinib 422 Laryngoskopie 294 Larynxkarzinome 262, 265 Lasertherapie 222 Laservaporisation 154 Laserverfahren 491

Latenzzeit 436 LATS1 481 LAVH 136 LAVRH 138 LBL 724 LCA 501 LCLC 406 LCNEC 407, 417, 637 LDH 181, 733, 883, 937 LDR 157 Lebensstil 80 Leberegel-Invasionen 381 Lebermetastasen 69 Lebersarkome 369 Lebertumoren bei Kindern 378 Leberzellblastome 367 Leberzellkarzinome 367 Leberzirrhose 368, 375 Leicht-Ketten-Amyloidose 910 Leiomyosarkome 543, 546 Leistungsminderung 771 Leitlinie 13 Lenalidomid 711, 782, 864, 897, 904 Lentigo maligna 462 Lentigo maligna Melanom 470 Lentino maligna Melanom 462 Lenvantinib 236, 239 Lernstörungen 607 Letrozol 553 Leukämien 601, 699 leukoerythroblastisches Blutbild 801, 815 Leukopenien 704 Leukoplakie 276, 293 Leukostase-Syndrom 785 Leukozytose 843 Levodopa 632 LG-ESS 546 LGL 774–775 LH 100, 591 Lider 930 Li-Fraumeni-Syndrom 264, 444, 507, 544, 567 Lille-Score 818 lineares unilaterales Basalzellkarzinom 481 linke Leberseite 384 Linksverschiebung 815 Lipogranulomatose 400 Liquordiagnostik 960 Liquor-Untersuchungen 594 Liquorzytologie 960 Lisch-Knötchen 606 LITT 375, 377 LMS 543 Lobektomie 426

Sachregister

Locally Advanced Breast Carcinoma 38 Lokalisation von Ösophaguskarzinomen 291 Lorlatinib 422, 523, 619 Lösungsmittel 703 Low Dose Rate-Brachytherapie 157 Löwengesicht 953 L1-Proteinen 141 LRH 136 LRRP 782 LSIL 145 Lugano-System 919 Lumbalpunktion 960 Lunge 939 Lungenflügel 414 Lungenfunktionsprüfung 639, 655 Lungenkarzinome 601 Lungenmetastasen 70 Lung-Resistance-related Protein 782 Lupus erythematodes 411 Luspatercept 711 1 77 Lutetium 651 1 77 Lutetium-Octreotat 647 Lymphadenektomie 115 Lymphadenopathie 835, 947 Lymphknotenschwellung 772 Lymphknotenstadium 953 Lymphoblastisches Lymphom 724, 887 Lymphomatoide Granulomatose 939 Lymphomatoide Papulose 956 Lymphome 601, 699 Lymphome des MALT 311 Lymphomzell-Infiltrate 883 Lymphozyten-Variante 849 Lymphozytose 772 Lymphstau 508 Lynch II-Syndrom 79 maf B 856 maf8 856 MAGE-3 467 Magengeschwüre 395, 668 Magenkarzinoide 648 Magenkarzinom-Lokalisation und Metastasierung in regionale Lymphknoten 311 Magensäure 668 Magnetresonanz-Cholangio-Pankreatikografie 400 Magnet-Resonanz-Tomografie 32 M-AK 678 Makrozephalus 607 Makulopapulöse CM 838 Malabsorption 835 Malabsorptionssyndrom 965 Malaria 936

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Malern 704 maligne fibröse Histiozytome des Knochens 443 Maligne Keimzelltumoren 93 maligne mesenchymalen Tumoren 543 maligne periphere Nervenscheidentumoren 604 Maligne Tumoren im Dünndarm 324 malignes Ameloblastom 285 malignes Odontoameloblastom 286 Malignitäten (Grad I bis Grad IV) 578 MALT-Lymphom 918 MALT-Tumore im Intestinaltrakt 924 Mammakarzinom 16, 601 Mamma-Sonografie 32 Mammografie 31, 35 MANEC 633 männliche Brust 71 Manschettenresektion 426 Mantelzell-Lymphome 885, 899 Mantel-Zone 899 MAO-Hemmer 632 MAP97 467 MAPK 781 Marginal-Zonen-Lymphome 916 MARS 840 Masitinib 842 Mastopexie 49 Mastzellen 834 Mastzelleninfiltrationen 837 Mastzell-Leukämie 836 Mastzellmediatoren 834 Mastzellsarkom 839 Matuzumab 390 MBL 747 MBP-Schema 222 MCL 833 MCL/Mastzell-Leukämie 839 MCP 891, 898, 955 MCPyV 497 M-CSF 823 McyR 790 M2-Dimere-Pyruvatkinase 339 MDR-1 537 MDS del(5q) 706 MDS-EB 706 MDS-MLD 706 MDS-MLD-RS 706 MDS-SLD 706 Mechloramin 955 Mechlorethamin 954 Meckel-Divertikel 324 MECOM 729 mediane Laparatomie 116 mediastinale Lymphknoten 37

988

Sachregister

mediastinales (thymisches) großzelliges B-Zell-Lymphom 909 Medroxyprogesteron-Acetat 118 Medroxyprogesteronacetat 553 medulläre Schilddrüsenkarzinome 607 medulläres Karzinom 676 medulläres Schilddrüsenkarzinom 672 Medulloblastom 571, 585 Medulloepitheliom 585 Megakaryozyten 808 Megesterol-Acetat 118 Megesterolacetat 553 Melan A 501 Melan A/MART-1 467 Melanom assoziiertes Antigen 467 Melanome 456, 601 melanozytische Tumore 589 Melphalan 632, 831 MEN 682 MEN1 635, 642, 654 MEN2 635 MEN2A 621, 673 MEN2B 621 Meningen 959, 961 Meningiome 596, 608 Menopause 18 Mepolizumab 853 Merkel-Zell-Karzinom 496 Merlin 588, 608 Mesalamin 632 Mesenchymale, nicht meningotheliale Tumoren 589 mesenchymale Tumoren 311, 589 MESNA 245 Mesorektum-Exzision 353 Mesotheliome 405, 407, 411, 435, 564 Mesothelzell-assoziierte Proteine 437 metachromatische Blasten 836 Metanephrine 623 metastasiertes Nierenkarzinom 236 Metastasierungsneigung 405 Metastasierungsspektrum 693 metatypisches Basalzellkarzinom 484 Methamphetamine 632 Methotrexat 955, 957 Metoprolol 625 Metyrosin 625 MEx 315 MGTM 598 MGUS 911 MHL 369 microRNA MIR380 611 Midostaurin 734, 736, 842

mikroglanduläre Adenose 39 Mikrolithiasis 185 Mikro-Satelliten-Instabilitäten 338 Mikrosomen 933 Mikrozirkulationsstörungen 798, 806–807, 810, 910 Mikulicz-Syndrom 748 Milch 332 Milchglaskerne 132 Milzinfarkt 785 Milzschmerzen 882 Mineralfaser 411 Miosis 677 Mischgliome 577 Mischtypen 499 Mitomycin-C 365 Mitose-Index 33 Mitoserate 535 Mitotan 690–691 Mitoxantron 744 MLFS 733 MLL 728 MLL-1 857 MLLT3-KMT2A 1 729 MMM 813 MMR 791 modifizierte radikale Mastektomie 46 Mogamulizumab 782 Mondgesicht 631, 688 Mono- und Kombinationstherapie beim follikulärem Lymphom 898 Monoblasten-Leukämie 731 monoklonal 910 monoklonale B-Lymphozytose 747 monoklonalen TCR/T-Zell-Rezeptor 947 monoklonales IgA 921 monoklonales IgM 910 Monoklonalität 748, 937, 943, 953, 956 Monomethyl Auristatin E 878 Monomethylauristatin E 782 Monosomie von Chromosom 13 859 monozytäre/granulozytäre Hyperplasie 826 monozytäre Zellen 823 Monozytose 835 MOPP 878 Morbus Bowen 360, 479 Morbus Crohn 322, 330, 395 Morbus Hirschsprung 611 Morbus Liebow 939 Morbus Menetrier 306 Morbus Paget 360 Morbus Recklinghausen 322, 606 Morbus von Recklinghausen 528

Sachregister

Morbus Waldenström 855, 888 MPAL 718 MPCM 838 MPF 437 M2-PK 339 MPL 800, 807, 813, 816 MPNST 604, 607 MPO 727 MRCP 386, 400 MRM 46 MRND/Modifizierte Radikale Nacken-Dissektion 277 MRP1 537 MSI 338 MTCP1p13 769 mTOR-Kinase-Inhibitoren 238 MTZL 899 MUC1 11 Muc-18/MCAM 467 Mukosa-Ektomie 315 Mukoviszidose 322 multifokale Tumoren 36 multiple Stufenbiopsien 918 multizentrische Tumore 36 Mundhöhlenkarzinome 265 Muskelbauch 519 Muskel-invasive Harnblasenkarzinome 249 Muskelmasse 631 mutagene Substanzen 20 Mutation 833 Mutation T618I 844 Mutationsanalyse 795 MVAC 256 M-VAC-Schema 240 MVAC-Schema 258 MYC 767, 905 Mycosis fungoides 941, 952 Mycotoxin 289 MyD88 911 Myelinscheiden 910 Myelodysplastisches Syndrom 699, 726, 807 Myelofibrose 785, 807 Myelofibrose mit Myeloider Metaplasie 813 myeloide oder lymphoide Neoplasien mit Eosinophilie 848 myeloide Proliferationen assoziiert mit DownSyndrom 730 Myeloides Sarkom 730 Myelom-bedingte Schmerzen 862 Myelome 699 Myeloperoxidase 715 myeloproliferative Neoplasien 699 Myelo-Proliferativer Neoplasie-Phänotyp 824

989

Mykotoxin 368 myxomatöses Perineuriom 604 Myxopapilläres Ependymom 584 MZL 916 N/KRAS 834, 838 N-Acetyl-Salizylsäure 199, 632 N-Acetyltransferasen 244 Nach ISS (2005) 861 Nachsorge 454, 476 NACT 53 Nahrungsmittelunverträglichkeit 834 Nandrolon 822 Narbenkarzinom 411 Nase 946 Nasennebenhöhle 939, 946 Nasopharynxkarzinome 265 Nasopharynxtumoren 262 NAT2 22 Natrium-Iodid 680 Natürliche Killer-Lymphozyten-LGL 775 Nävi 457 Nävoides Basal-Zellkarzinom-Syndrom 568 nävoides Melanom 463 NBCCS 481 NBR2 21 NC 9 NCAM 946 NCOA3 21 Nd-YAG 222 Nelarabin 722, 774 Neoplasie mit Eosinophilie und Rearrangement der Gene für Tyrosin-Phospho-Kinasen 835 Neoplastische Hypereosinophilien 848 Neopterin 11 Nephrektomie 236 Nephro-Ureter-Ektomie 237 Neratinib 390 Nerven 604 Nervenscheidenmyxome 604 Nervus recurren 418 Nestin 285 NET 619, 629, 648 Neural-Cell-Adhesion-Molecule 946 neurale/gemischt neuralgliale Tumoren 584 neuroblastäre Tumoren 578 Neuroblasten 610 neuroektodermale Tumoren 542 neuroendokrine Bronchialkarzinome 637 neuroendokriner Tumor 311, 407 Neurofibrin 2 588 Neuro-Fibromatose 322 Neurofibromatose 1 508

990

Sachregister

Neurofibromatose 2 608 Neuro-Fibromatose I 330 Neuro-Fibromatose Typ 636 Neurofibromatose Typ 1 544, 621 Neurofibromatose Typ II 567 Neurofibromatose-1 528 Neurofibrome 604, 608 Neuro-Fibromin 606 Neurofilamente 499 neurologische Herdsymptome 569 neuronale und gemischt neuronal-gliöse Tumoren 577 neuronale und neural-gemischtzellige Tumoren 573 Neuron-Spezifische Enolase 133, 613, 632, 634, 666 Neuropeptide L 645 Neurotensin 645, 666 neutrophile Granulozyten 843 NF1 322, 508, 530, 606, 636, 642 NF2 608 NF-E2 814 NFL/Nicht Follikuläre Lymphome 881 NHL 505, 699 nicht verhornende Vulvakarzinome 161 nichtepidemisches Kaposi-Sarkom 555 nicht-invasive urotheliale Tumore 247 nichtkleinzellige Lungenkarzinome 406, 418 nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom 417 nicht-Muskel-invasive Harnblasenkarzinome 249 Nicht-Seminome 190 Nickel 411 niedriges Körpergewicht 412 Nieren 939 Nierenfunktionsstörungen 858 Nierentumoren 225 Nierenversagen 937 Nikotinabusus 809 Nikotin-Konsum 803, 824 Nilotinib 472, 522, 723, 791, 793, 842 Nilutamid 212 Nintedanib 423 Niraparib 93 Nitrosamin 289 Nivolumab 236–237, 258, 319, 347, 391, 471, 494, 504, 523, 877 Nkd-1 337 NK-LGL 775 NK-Zellen 940 NLPHL 872–873, 875 NMP 22 11 NMP22 253 N-myc 481, 611 nMZL 916

NO2 410 nodale Marginalzelllymphom 935 nodale MZL 916 noduläres (knotiges) Melanom 463 Non-Hodgkin-Lymphom 699, 870 Nonylphenol 19 Norepinephrin 613 Nor-Epinephrin-Transporter 619 Normalgewebe 39 Normoblasten 815 Notch 781 NPM1 705, 729 NPM1-MFL-1 729 NRAS 708, 823, 844 NRAS/KRAS/HRAS 481 NRAS-Mutationen 467 NSAID 199, 333 NSCLC 405–406, 421–422, 430–431 NSE 11, 133, 182, 467, 499, 501, 632, 655, 666 NTRK 409, 433 Nucleophosmin-ALK 946 Nukleotid 369 OAL/Okular-Adnex-Lymphome 930 Oberbauchschmerzen 399 Oberflächenepitheltumoren 87 oberflächliche Weichteiltumore 510 Obinutuzumab 897 Obst 332 Octreotate 651 Octreotate gekoppeltes 90Yttrium 640 Octreotid 640, 651, 660, 662 Octylphenol 19 Odds Ratio 5 Odontoameloblastom 286 odontogene Karzinome 284 odontogene Sarkome 284 odontogene Tumoren 283 odontogener kerato-zystischer Tumor 285 odontogenes Fibrom 286 odontogenes Fibrosarkom 286 odontogenes malignes Myxom 285 Odontom 286 OEPA 875 OFF 403 offene Lobektomie 426 ÖGD 294, 387 Olaparib 93 Olfaktorius-Neuroepitheliome 604 oligoastrozytäre Gliome 584 oligoastrozytäre Tumoren 573 Oligoastrozytom 584 oligodendrogliale Tumoren 573, 584

Sachregister

Oligodendrogliom 584 Oligodendrogliomatöse Tumoren 577 oligomonozytäre CMML 827 Oligosaccharid-Antigen CD57 635 Omentektomie 90, 117 OMF 813 OMS 612 ondontogenes Karzinosarkom 286 ondontogenes Myxom 285 Onkogen 21 Onkogene Hybridproteine des Ewing-Sarkoms 445 onkoplastische Operationen 49 Onkozytome 593 Onychodystrophie 956 Operationen- und Prozedurenschlüssel 7 OPG 53 OPPA 875 Opsoklonus-Myoklonus-(cerebelläres) AtaxieSyndrom 612 Optikusgliom 606 orale Karzinome 262 orale Kontrazeptiva 81, 100, 333 Orbita 930 organische Chemikalien 703 organische Lösungsmittel 747 Organtransplantationen 125, 870 Oropharynxtumoren 262 Orthovolttechnik 562 Osimertinib 422 Ösophagogastroduodenoskopie 294, 655, 921, 925 Ösophagoskopie 294 Ösophaguskarzinome 293 ossärer Tumorlokalisation 450 Ostase 11 Osteo-CT 859 Osteodensitometrie 837 Osteolysen 868 Osteo-Myelo-Fibrose 813 Osteopontin 437 Osteoporose 52 Osteosarkome 443 Osteosklerose 835 Östrogen 18 Östrogen/Progesteron-Kombinationen 100 Östrogen-/Progesteron-Rezeptor positiven Fernmetastasen 65 Östrogen-Rezeptor-Modulatoren 100 Ovar 78 Ovarektomie 115, 117 Ovarhysterektomie 81 Ovarialkarzinom-Rezidive 93 Ozogamicin 744

991

p14ARF 588 p16INK4a 588 p53 21, 481, 673 p53-Autoantikörper 12 p53-Protein 337 Paclitaxel-Carboplatin-Schema 258 pädiatrische NHL 936 Paget-Karzinom 165–166 Paget-Syndrom 444 PAH 19, 244 PAI-1 33 PALB2 21 Palbociclib 56 palliative Chemotherapie* von Fernmetastasen des Mammakarzinoms 70 palliative Pharmakotherapie von HER2+ Fernmetastasen des Mammakarzinoms 68 palpable Organschwellungen 925 Palpation 31 Pancoast-Syndrom 414 Pancoast-Tumor 414, 418 Panitumumab 346, 390 Pankreas-Polypeptid 666 pankreatisches Polypeptid 630, 645, 653 Pankreatitis 641 Panobinostat 865 Pantoprazol 922 Panzytopenie 704, 741 PAP 12 papilläre Karzinome 675 papillärer glioneuronaler Tumor (PGNT) 585 papillärer Tumor der Pinealisregion (PTPR) 585 papilläres Schilddrüsenkarzinom 672 Papillome 40 Pap-(Papanicolaou) Test 133 papulo-noduläres kutanes T-Zell-Lymphom 956 Paracetamol 632 Parafibromin 682 Paragangliom 585 Parakolpien 151 paraneoplastische Erkrankungen 418 paranukleäre rötliche Einschlusskörperchen 132 Paraprotein 854, 857 parasternale Lymphknoten 37 parasympathische Paragangliome 621 Parathormon 418 Parat-Hormon-related Protein 418 Parotis 916 partielle Mesorektum-Exzision 351 partielle (organerhaltende) Zystektomie 256 PAS 715 PAS-Färbung 825 Patent-Blau 150

992

Sachregister

Pazopanib 236, 239, 522, 540 PBSO 89 PCB 19 PCM-JAK2 848 PCM1-JAK2 852 PCOS 100 PD 9 PD-1 433 PD1/CD279 884 PD-1L1 433 PDGF-R α 529 PDGFRα 528 PDGF-Rα 529, 534 PDGFRα 848 PDGFRβ 848 PEG Interferon-α 853 PEG-Interferon α-2a 842 PEG-Interferon-α2a 847 Pegyliertes IFN-α2a 647 pegyliertes Interferon 471 Pegyliertes Interferon α 811 pegyliertes Interferon α-2a 822 PEI-Schema 189 PEIT 375, 377 Pembrolizumab 237, 258, 319, 347, 391, 423, 471, 494, 504, 523, 877 Pemetrexed 423 Pemigatinib 390 Penektomie 222 Penile Intraepitheliale Neoplasien 219 Peniskarzinome 218 Pentostatin 761–762, 765, 774 peptische Magengeschwüre 917 perianale radikale Prostatektomie 212 periduktale Mastitis 39 perihiläre Tumore 389 Perineurome 604 peripherer neuroblastärer Tumor 604 peripheres Lymphom 887 peripheres T-Zell-Lymphom 943 Peritonealbiopsien 117 perkutane IF-Radiotherapie 932 perkutane Lungenbiopsie 926 perniziöse Anämie 649 Peroxidase 825 Persönlichkeitsveränderungen 569 Pertuzumab 55 Pestizid 701, 893 PET 85 Peutz-Jeghers-Syndrom 307, 322, 329, 394 Pexidartinib 522 Pfeifer-Weber-Christian-Syndrom 400 PG 441

P-Glykoprotein 537 PgR 33 Phäochromozytom 605, 607, 620 Phenacetin 245, 632 Phenobarbital 632 Phenothiazin 632 Phenoxybenzamin 625 Phentolamin 632 Phenytoin 736 Philadelphia-Chromosom 714 Phosphationen 684 PHOX2B 611 Phylloides-Tumor 40 Phytoöstrogene 19, 199 PI3K 588 PIK3CA 481 pilozystisches Astrozytom 571 PIN 219 Pindborg-Tumor 285 Pinealisparenchymtumore intermediärer Differenzierung (PPTID) 585 Pinealisparenchymtumoren 578 Pineoblastom 585 Pineozytom 585 PIT-1 592–593 Piver I 138 PKM2 13 PLAP 12, 182 Plaque-Stadium 559, 952 Plasmapherese 915 Plasmazellherde 858 Plasmazell-Leukämie 854, 868 plasmozytisches Marginalzonenlymphom 855 plattenepithelialer odontogener Tumor 285 Plattenepithelkarzinome 406, 478–479 pleomorphes Xanthoastrozytom 584 Plethora 798 Pleuraendothel 437 Pleuraepithel 405 Pleuraerguss 437, 926 Plexuskarzinom 585 Plexuspapillom 585 PLF 318 Plicamycin 686 Plummer-Vinson-Syndrom 289 PML-RARA 728–729, 741 pMRD 922 PNET 601 Pneumocystis jirovecii 936 Pneumonektomie 426 POEMS 854 POEMS-Syndrom 868 Poikilozytose 815

Sachregister

Poly-ADP-Ribose-Polymerase 93 Polycythaemia Vera 797, 807 Polydipsie 857 polyklonale Hypergammaglobulinämie 947 Polyneuropathien 910 polypoide Läsionen 925 polypoides Melanom 463 Polyurie 857 polyvalente Immunglobulin 756 Polyvinylchlorid 369, 568 Polyzyklische Aromatische Hydrocarbone 244 Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe 410 polyzystisches Ovarien-Syndrom 100 Polyzythämie 372 Pomalidomid 864 Ponatinib 791, 794–795 Porzellan-Gallenblase 380 Posaconazol 736 Positronen-Emissions-Tomografie 85 Post-Essentielle Thrombozythämie-Myelofibrose 818 postmenopausale uterine Blutungen 111 Post-mortem-Analyse 693 Post-Polycythaemia Vera-Myelofibrose 817 postthymische T-Lymphozyten 766 PPP6C 481 PR 9 Prä-B-ALL 717 prächirurgische Therapie* von kindlichen Lebertumoren 378 Präkanzerose 855 Präkanzerosen der Vulva 165 (Präkanzerosen) der Zervix 124 Pralatrexat 782 prämaligne Läsionen 27 prämenopausale abnorme uterine Blutungen 110 präoperative neoadjuvante Strahlentherapie 520 Prävention 495 Prazosin 625 PRC2 781 Prednisolon 821 PRETEXT 378 primäre AL-Amyloidose 855 primäre Lebertumoren 366 primäre maligne ZNS-Lymphome 959 primäre Mutationen von c-Kit und des PDGFRα bei gastrointestinalen Stromatumoren 533 primäre präoperative (neoadjuvante) Chemotherapie 75 primäre Resistenz 538 primäre Therapie der Stadien 1–III des Rektumkarzinoms 350 primäre Therapie des Kolonkarzinoms 341

993

primäre Therapie des Magenkarzinoms 314 primäre Therapie des Zervixkarzinoms 136 primäre Therapie von Mammakarzinomen des Mannes 74 primäre ZNS-Lymphome 588, 592 primäres intraossäres Karzinom 285 primäres Vaginalkarzinom 143 Primärtherapie der CLL/Chronischen Lymphatischen Leukämie (in Anlehnung an Hallek et al. 2018, Wendtner et al. 2019) 754 Primärtherapie des cHL 876 Primärtherapie des Ösophagus-Adenokarzinoms 297 Primärtherapie des Ösophagus-Plattenepithelkarzinoms 298 Primärtherapie des Prostatakarzinoms 210 Primärtumoren 693 primitiver neuroektodermaler Tumor des ZNS (CNSPNET) 585 PRL 591 PRL/Prolactin 591, 593 Pro-B-ALL 717 Progesteron Derivaten 553 Prognose der Weichteilsarkome 510 Prognose des Mammatumors 38 Prognose des Morbus Waldenström 912 Prognose des Vaginalkarzinoms 152 Prognose (5-Jahresüberleben) von Kopf- und Halstumoren 282 Prognosekriterien und 5-Jahres-Überleben bei der ALL 724 Progressionsrisiko bei nicht Muskel-invasiven Harnblasen-Karzinomen 251 progressive familiäre hepatische Cholestase 368 Proinsulin 630, 668 Prokto-Rektoskopie 151 Prolaktin 12, 18 proliferative CMML-Variante 827 Promastozyten 836 Promontoriumszeichen 559 Propranolol 625 Prostatakarzinom 196 Protein Gen Product 9.5 635 Proteinkinase-Inhibitoren 698 Protonen-Pumpen-Inhibitor 922 PSA 12, 200 PSA-Bestimmung 207 PSA-Wert 214 Pseudoarthose 606 pseudomyasthenisches Syndrom 418 Pseudo-PELGER-HUET-Anomalie 705 Pseudotumorkapsel 518 Psorale-Einnahme 497

994

Sachregister

Psoralen 954, 957 PST 53 psychische Veränderungen 857 PTCH 480 PTEN 21, 72, 330 PTH 684 PTHrP 418, 633 Ptosis 677 PTPN14 481 pulmonale Metastasen 112 PUNLMP 250 PUVA 954–955, 957 PVAG 875 PVC 583 Pyoderma gangraenosum 785 Quadranten 36 Quadruple-Therapie 922 Queyrat 219 Quizartinib 738 R 892, 898 RAD51C 22 radiäre Narbe 40 radikale inguinale Orchiektomie 189 radikale Lymphkotenentfernung 48 radikale Mastektomie 46 radikale (totale) Gastrektomie 316 radikale Zystektomie 257 radioaktive Strahlen 701 radioaktive Strahlung 673 radioaktives Iod 673 Radio-Frequenz-Ablation 236, 375 Radiofrequenzfelder 568 Radio-Frequenz-Induzierte Thermo-Therapie 375 Radionuklid-Therapie 680, 698 Radiotherapeutische Verfahren 50 Radon-Gas 410 Rai et al. USA 751 Raltitrexed 440 Ramucirumab 299, 319, 346, 390, 423 Ranitidin 632 RANKL 52 Rapamycin 238 RARA-Gen 740 Ras 673 RAS Mutationen 857 Rasburicase 939 R-B 891, 898, 907, 914–915 RB1 481 R-BAC 902, 908 RBM15-MKL1 729 R-Bor 916

R-Cb 902, 908 R-CEOP 907 R-CHBoP 902 R-CHOEP-21 oder -14 891 R-CHOP 898, 902, 907, 914–915, 923, 965 R-CHOP-21 oder -14 891 R-CODOX-M 938 R-CVAD 907 R-DHAP 902, 907 R-DHAX 902, 908 rechte Leberseite 384 Reduktionsplastik 49 regionale Hyperthermie 521 regionaler Lymphknoten 34 Regorafenib 347, 539 Regurgitation 294 Reife B-ALL 717 reife postthymische T-Zellen 940 reifzellige B-ALL 724 reifzellige T/NK-Zell-Lymphome 882 reifzelliges indolentes B-Zell-Lymphom 935 rektaler Ultraschall 664 Rektoskopie 252 Rektumkarzinome 327 Relatives Risiko (RR) von malignen Uterustumoren 101 Relatives Risiko (RR) von Ovarialkarzinomerkrankungen 81–82 R-EPOCH 907, 939 reproduktive/hormonale Faktoren 80 Resektionsschlinge 211 Reserpin 632 R-ESHAP 907 Resiquimod 955 Resistenzen 794 Resminostat 377 RET 409, 433, 678 Retikulinfasern 809 Retinoblastom 409 retropubische radikale Prostatektomie 212 retrosternale Schmerzen 294 Rezeptor-Gene 22 Rezidiv aus einer CR 734 Rezidive von Endometriumkarzinomen 119 Rezidive von epithelialen Ovarialkarzinomen 91 Rezidivtherapie des Hodgkin-Lymphoms 877 RFA 377 R-FC 892, 898, 914–915 R-FCM 892, 898, 923 RFITT 375, 377 R-GDP 907 R-GemOx 907 Rhabdomyosarkome 514, 601, 607

Sachregister

R-HAD 902, 908 RHT 521 Ribociclib 56 R-ICE 907 Richter-Syndrom 749, 757 Riesenfaltengastritis 306 Rifampicin 736 Ring-Sideroblasten 705 Risiko der B-CLL nach klinischen Parametern 751 Risiko der B-CLL nach molekularbiologischen und biochemischen/zytologischen Parametern 751 Risikoabschätzung der Non-Hodgkin-Lymphome 886 Risiko-Beurteilung der Nierentumoren 231 Risikobezogene Klassifikation der ALL 718 Risikoeinschätzung 40 Risikoeinschätzung der CML 789 Risikoeinschätzung des Kaposi-Sarkoms 558 Risikoeinstufung der aggressiven Lymphome 889 Risikofaktoren 17, 592, 809 Risikofaktoren für Bronchialkarzinome 412 Risikofaktoren für das kolorektale Karzinom 331 Risikofaktoren für das Magenkarzinom 307 Risikofaktoren für das Pankreaskarzinom 396 Risikofaktoren für das Speiseröhrenkarzinom 290 Risikofaktoren für Kopf- und Hals-Tumoren 266 Risikofaktoren zur Abschätzung der Prognose der pTCL 943 Risikograde für das Harnblasenkarzinom 250 Risikograde für nicht-Muskel-invasive Harnblasenkarzinome 250 Risiko-Klassifikation der Aktinischen Keratosen 484 Risikoparameter und Prognose der MantelzellLymphome 901 Risikoparameter und Prognose des diffusen großzelligen B-Zell-Lymphoms 906 Risikoparameter und Prognose des follikulären Lymphoms 894–895 Ritonavir 736 Rituximab 754, 763, 766, 779, 890, 897, 904, 915, 923, 929, 931, 936, 958 RM 46 R-MCP 891, 898, 923 R-MINE 908 R-Mini-CHOP 907 R-Mono 916 RND/Radikale Nacken-Dissektion 277 Rohfasern 332 Röntgenweichstrahlen 562 ROS-1 409, 433 rosettenbildender glioneuronaler Tumor des IV. Ventrikels (RGNT) 585

Rotationsplastik 180 Grad nach Borggreve 453 RPLND 185 rRD 922 R-TPCO 961 Rucararib 93 Rückenmark 959–960 RUNX1 705, 708, 729, 823, 834, 838 RUNX1-RUNX1T1 728–729 Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom 330 Ruxolitinib 821, 831, 848 S-100 467 S100B 501 S100-Protein 12 Salmonellen 381 Salpingektomie 115, 117 Salpingo-Ovarektomie 89 SALT 916, 949, 958 Salvage-Radio-Therapy 214 Salzsäureproduktion 654 s-AML 732 Sarkoidose 870, 874, 885 sarkomatoides Karzinom 407 sarkomatöse Mesotheliome 407 sarkomatöse Überwucherung 549 Satelliten-Melanomen 463 Satelliten-Metastasen 462 saure Phosphatase 777 Säuresekretion 655 sBL 936 SCAG 306 SCC 133, 420 SCC/Serpin B4 12 SCF-R 529, 533 Schilddrüsenfunktion 684 Schilddrüsenkarzinom 226 Schilddrüsen-Szintigrafie 678 Schistosomiasis/Bilharziose 245 Schleimhautgeschwüre 850 Schlingenresektion 646 Schluckstörungen 418 schmerzlose Lymphknotenvergrößerungen 942 Schublehre 8 Schüsselzellen 132 Schwangerschaft 18, 100 Schwannome 604, 608 Schwannomin 608 Schwann’sche Zellen 607 Schwarzafrikaner 409 Schwelende/Smoldering SM 833 schwelende (smouldering) Myelome 854 Schwenk-Lappen 49 SCLC 405, 416–417, 424–425, 434, 637

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Sachregister

Score 44 5-S-Cystein-Dopa 467 SD 9 SDH-B 530 SDH-C 530 SDH-D 530 Sehfeldeinschränkung 569 sekundäre Nerventumoren 604 sekundäre Resistenz 538 sekundäre Tumoren 195 Sekundärtherapie der CLL/Chronischen Lymphatischen Leukämie (in Anlehnung an Hallek et al. 2018, Wendtner et al. 2019) 755 Selbstuntersuchungen 31 Sella-Tumore 588, 596 Seminome 181, 190 Sensibel Evozierte Potentiale im EEG 570 Sentinel-Lymphknoten 38 Sentinel-Lymphnode-Excision 47 SEP 570 SERD 523 Serotonin 630, 632, 653, 661 serratierte Adenome 336 Serumtryptase 833 Serum-Tumormarker 182 SETBP1 844 Sexualhygiene 125 Sezary-Syndrom 941, 956 SF-1 592–593 SF3B 816 SF3B1 708, 814, 834 SGBS 369 SHBG 100 SHH 480 SI-ADH 418 Sialadenitis 932 sIg 911 Signal-übertragende Proteine 844 Silizium-Dioxid 411 Simian Virus 40 436 Simpson-Golabi-Behmel-Syndrom 369 Sirolimus 238, 523 Sjögren-Syndrom 775, 931, 939 Skalenuslymphknoten 132 Skelettmetastasen 69 sklerosierende Adenose 39 Skoliose 606 SLNE 47 SM/Systemische Mastozytose 838 SM-AHN 833 SM-AHN/SM-Assoziierte Hämatologische Neoplasie 839 SMILE 944, 947

sMLZ 916 SMO 480 SMRP 437 SND/Selektive Nacken-Dissektion 277 Sojabohnen-Produkte 245 solitäre Zyste 39 solitäres Plasmazytom 854, 868 Somatostatin 630, 654–655, 669 Somatostatin-Analoga 640, 646, 660, 662 Somatostatinome 666 Somatostatin-Rezeptoren 634 Somatostatin-Rezeptor-Szintigrafie 634, 668, 678 Sonnenlicht 82 Sorafenib 236, 238, 374, 377, 681, 734 SOX11 900 Spaltlampenuntersuchung 960 Spätphase 799 SPECT 570 Speicheldrüse 926 Speicheldrüsentumor 262 spezifizierte T/NK-Zell-Lymphome 882 S-Phase-Index 33 Sphenoiddysplasie 606 Spinale Metastasen 602 Spinaliome 479 spindelzellige Mastzellen 833 spindelzellige Phase 559 Spiral-CT 419 Spiroergometrie 419 Spirometrie 419 spitzoides Melanom 463 Splenektomie 763, 822 splenisches MZL 916 Splenomegalie 769, 772, 775, 801, 815, 845 Splicingapparats 705 sporadische Variante 936 SRSF2 708, 798, 814, 816, 834, 838 SRT 214 SSM 46, 463, 833 SSM/Smoldering/schwelende SM 838 Stadiumabhängige Chemo- und Radiotherapie des Hodgkin-Lymphoms 879 Stammfettsucht 631, 688 Stammhirn 600 Stammzelltheorie 694 Stanford V 878 Stanz-Biopsie 32, 35 STAT3 776, 778 STAT5B 767, 778 Statine 199 Stauungspapille 569 Steatorrhö 669 Stenosen 290

Sachregister

Sterberate 16 Stewart-Treves-Syndrom 508 STH 12 Stickoxide 410 Stiernacken 688 Stillen 18 STK11 21 STK19 481 Stoffwechselerkrankungen 397 Strahlenempfindlichkeit 894 Strahlenexposition 950 strahlensensibel 868 Strategie der klinischen Diagnostik des Melanoms 465 Strategie der Risiko-bezogenen Therapie des uterinen Rhabdomyosarkoms bei Kindern und Jugendlichen 552 Strategie der Therapie des Plattenepithelkarzinoms 489 Strategie der Therapie bei Sella-Tumoren 596 Strategie der Therapie der Aktinische Keratose 488 Strategie der Therapie der chronischen myelomonozytären Leukämie/CMML 830 Strategie der Therapie der GIST/Gastrointestinale Stroma-Tumoren 536 Strategie der Therapie der neuroepithelialen Tumoren im ZNS 580 Strategie der Therapie der uterinen Adenosarkome 552 Strategie der Therapie des Basalzellkarzinoms 491 Strategie der Therapie des Follikulären Lymphoms 896 Strategie der Therapie des Kaposi-Sarkoms 561 Strategie der Therapie des Lymphoplasmozytisches Lymphoms 913 Strategie der Therapie des Melanoms 468 Strategie der Therapie des Merkel-Zell-Karzinoms 502 Strategie der Therapie des uterinen Leiomyosarkoms 550 Strategie der Therapie für ATRA und ATO sensible APL 742 Strategie der Therapie für Meningeome 595 Strategie der Therapie von Tumoren mit unbekannten Primärtumoren 696 Strategie der Zweitlinien- und Drittlinien-Therapie des Myeloms 866 Strategie für die Therapie der malignen Tumoren der Muskel-, Fett-, Bindegewebs- und Gefäßzellen 517 Strategie zur Therapie des fortgeschrittenen kleinzelligen Lungen-/Bronchial-Karzinoms 425

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Strategie zur Therapie des Leberzellkarzinoms 374 Streptozocin/Streptozotocin 632, 692 Stress 623 Stridor 834 Stufenbiopsie 925 subependymales Riesenzellastrozytom (SEGA) 584 Subependymom 584 subkutane Mastektomie 46 subpectorale Implantate 49 Substance P 645 Substanz P 661 subtotale Gastrektomie 315 Subtypen des Kaposi-Sarkoms 555 Sunitinib 236, 238, 522, 539, 610, 671 superfiziell spreitendes Melanom 463 Superior-Vena-Cava-Syndrom 909 supratentorielle Tumoren 571 Sweet-Syndrom 785, 825 sympathische Paragangliome 620 sympathisches Nervensystem 610 sympathisches Neuroblastome 604 symptomatische multiple Myelome 854, 856 Symptome von Kopf- und Hals-Tumoren 276 synaptisches Vesikel Protein 2 635 Synaptophysin 501, 631, 635 Syndrom der Inadäquaten Produktion von ADH 418 systemische Mastozytose 832 Systemischer Lupus Erythematodes 885 szintigrafische Verfahren 634 t(9;22)(q34;q11) 787 t(14;14)(q11;q32) 769 Tabak 27, 264, 288, 381, 704, 893 Tabakkonsum 101, 125, 226, 244, 306, 322, 368, 395, 397, 410, 926 TACE 375, 377 T-AK 678 Talimogene-Laheroarevec 471 Talkum 80, 82 T-ALL 941 t-AML 732 Tamoxifen 65, 118, 544, 553 Tankstellenarbeiter 704 Tartrat-Resistente saure/acid Phosphatase 760 TCDD 19 TCF7L2 337 TCL1A 767, 769 TCR/T-Zell-Rezeptor 943 TCRα 884 TCRα/β 776–778 TCRβ 884 TCRδ 884 TCRγ 884

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Sachregister

TCRγ/δ 777–778 TCRγ/δ Monoklonalität 776 TDLU 36 99m Technetium Nanokolloid 150 Teilmastektomie 46 Teilresektion des Hodentumors 188 Temozolomid 573, 580 Temsirolimus 236, 238, 523, 904 Tenascein 285 Tenofovir 365 Teratome 94, 192 Terazosin 625 terminale duktulo-lobuläre Einheit 36 terminalen Ileum 837 Testosteron-Derivate 822 TET2 708, 798, 814, 816, 823, 834, 838, 844 Tetrachlorkohlenstoff 368 Tetraiodthyronin 677 TGF-α/-β 33 TGF-β 330 Thalidomid 822, 864, 904 T-Helfer-Gedächtnis-Zelle 767 therapeutische Optionen bei Kopf- und Halstumoren 280 therapeutische Verfahren bei Endometriumkarzinomen 119 therapeutische Verfahren bei Uterussarkomen 122 therapeutische Verfahren bei Weichteiltumoren 523 therapeutisches Verfahren für das Vulvakarzinom 174 Therapie der Akuten Myeloischen Leukämie 735 Therapie der akzelerierten Phase/der Blastenkrise der CML 796 Therapie der Chronischen Myeloischen Leukämie 791 Therapie der endometrialen Stromasarkome 551 Therapie der essentiellen Thrombozythämie 811 Therapie der klassischen Haarzell-Leukämie 761 Therapie der primären und sekundären (post ET-, post PV-) Myelofibrose 820 Therapie der primären Magenlymphome 924 Therapie der primären malignen Keimzelltumore 188 Therapie der SM/Systemischen Mastozytose 841 Therapie der T-Prolymphozyten-Leukämie/T-PLL 772 Therapie der vaginalen Dysplasien/der vaginalen intraepithelialen Neoplasien 153 Therapie des nichtkleinzelligen Lungen/BronchialKarzinoms 421 Therapie des Anuskarzinoms 362 Therapie des diffusen großzelligen B-ZellLymphoms (DLBCL) 908

Therapie des Duodenum-Karzinoids 655 Therapie des Jejunum- und Ileum-Karzinoids 659 Therapie des kleinzelligen Lungen-/BronchialKarzinoms 424 Therapie des Magenkarzinoids 650 Therapie des Mantel-Zell-Karzinoms 903 Therapie des metastasierten ÖsophagusPlattenepithelkarzinoms 298 Therapie des Myelodysplastischen Syndroms 711 Therapie des Neuroblastoms 617 Therapie des Nierenkarzinoms 235 Therapie des Pankreaskarzinoids 669 Therapie des Pankreaskarzinoms 401 Therapie des Peniskarzinoms 221 Therapie des primären Harnblasenkarzinoms 254 Therapie des primären Larynxkarzinoms 282 Therapie des primären Vulvakarzinoms 171 Therapie des Rektumkarzinoids 664 Therapie des Schilddrüsenkarzinoms 679 Therapie des Stadiums IV des Rektumkarzinoms 351 Therapie des Vaginalkarzinoms 155 Therapie für fortgeschrittene nicht-kleinzellige Lungen-/Bronchial-Karzinome 422 Therapie im Bezug zum BCLCS System 377 Therapie maligner biliärer Tumore 388 Therapie von Endometriumhyperplasien 114 Therapie von Endometriumkarzinomen 115 Therapie von GCNIS 187 Therapie von Hormon-Rezeptor positiven Fernmetastasen des Mammakarzinoms 66 Therapie von malignen Knochentumoren 451 Therapie von Metastasen des Kolonkarzinoms 342 Therapie von Mycosis fungoides/kutanen Lymphomen 955 Therapie von Phäochromozytomen/Paragangliomen 626 Therapie-bezogene myeloide Neoplasien 730 Therapieverfahren für das Kolonkarzinom 349 Therapieverfahren für das Rektumkarzinom 355 Therapieverfahren bei Dünndarmtumoren 326 Therapieverfahren bei Duodenumkarzinoiden 658 Therapieverfahren bei epithelialen Ovarialkarzinomen 94 Therapieverfahren bei Fernmetastasen 65 Therapieverfahren bei lokal-regionalen Rezidiven 64 Therapieverfahren bei malignen Keimzelltumoren 95 Therapieverfahren beim Magenkarzinoid 652 Therapieverfahren beim Nebennierenrindenkarzinom 692 Therapieverfahren beim Neuroblastom 620

Sachregister

Therapieverfahren des Peniskarzinoms 223 Therapieverfahren des Zervixkarzinoms 141 Therapieverfahren für Analtumoren 365 Therapieverfahren für das Basalzellkarzinom und das Plattenepithelkarzinom 495 Therapieverfahren für das exokrine Pankreaskarzinom 404 Therapieverfahren für das Harnblasenkarzinom 260 Therapieverfahren für das Hodenkarzinom 192 Therapieverfahren für das Magenkarzinom 319 Therapieverfahren für das Melanom 474 Therapieverfahren für das Merkel-Zell-Karzinom 504 Therapieverfahren für das Nierenkarzinom 240 Therapieverfahren für das Prostatakarzinom 216 Therapieverfahren für das Vaginalkarzinom 158 Therapieverfahren für Gallengangstumoren 391 Therapieverfahren für GIST (Beispiel Magen) 541 Therapieverfahren für Karzinome des Nierenbeckens und Harnleiters 241 Therapieverfahren für kleinzellige Bronchial-/ Lungen-Karzinome 434 Therapieverfahren für Lebertumore 377 Therapieverfahren für Mesotheliome 441 Therapieverfahren für neuroepitheliale Tumore 584 Therapieverfahren für nichtkleinzellige Lungen/ Bronchialkarzinome 430 Therapieverfahren für primäre nicht neuroepitheliale Tumore des ZNS 599 Therapieverfahren für Tumoren der Speiseröhre 303 Therapieverfahren von Knochentumoren 455 Thorakoskopie 437 thorakoskopische Lungenbiopsie 926 Thoraxschmerzen 926 Thorotrast 381, 508 Thrombophili 400 Thrombophiliemarker 810 Thrombophlebitis migrans 400 Thrombopoietin-Rezeptor 800, 807–808, 813 Thrombosen 807 Thrombozytenkonzentrate 831 Thrombozytenzahl 807 Thrombozythämie 815 Thrombozytopenie 883 Thymidinkinase 12, 748 Thymidin-Labeling-Index 33 Thyreoglobulin 13, 678, 933 Thyreoperoxidase 933 Thyroid-Transcription-Factor 1 501 Thyroxin 681 tiefe Weichteiltumore 510

tierisches Fett 322 TIMP1 340 TIN 179 Tinnitus 609 Tipiracil 319 TIP-Schema 189 TLCO 419 T-LGL 774 T-Lymphome 884 T-Lymphozyten-LGL 774 TMEM127 622 TNFRSF8 946 T-NHL 941 T/NK-Zell-Lymphome 882 TNM-Klassifikation Paris 919 Tofacitinib 779 Topoisomerase-II-Inhibitoren 824 Topoisomerase-Inhibitoren 714 totale Hysterektomie 553 Totale Mesorektum-Exzision 351 toxische Granulation 846 Toxoplasmose 885 TP53 705, 708, 728–729, 782, 814, 900 TPA/TPS 13 TPCO 961 T-PIT 592–593 T-PLL 766, 941 TPO-AK 678 trabekulärer Typ 499 Trachea 414, 946 Trachelektomie 137 TR-AK 678 TRAM 49 Trametinib 390, 472, 763 Tränendrüsen 930 Tränentropfenform 815 Trans-Arterielle Chemo-Embolisation 375 transitionaler Klarzell-Typ 683 Translokationen 740, 856, 859 Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen 795, 944 Transplantation autologer hämatopoetischer Stammzellen 944 transthorakaler Ultraschall 419 Transurethrale (Elektro-)Resektion 256 transurethrale Resektion 211 Trans-Vaginal-Sonografie 85 TRAP 760 Trastuzumab 55, 299, 319, 347, 390 Treibermutationen 823 Treibstoffe 703 Triade 668 Trifluridin 319

999

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Sachregister

Trigeminus 276 Triiodthyronin 677 Trilostan 692 Tripel-negative Patienten 808 Triphenylmethanfarbstoff 34 Trisomie 856, 912 Trisomie 3 932 Trisomie 8 823 Trisomie 21 714 Trisomien der Chromosomen 3, 7, 9, 11, 15 oder 17 859 Trizyklische Antidepressiva 623 TrkA 613 TrkB 613 Trommelschlägel-Finger 418 tropische spastische Paraparese 779 Tryptase 835 TSC1 Tuburöse Sklerose 228 TSC2 636 TSH 591, 593, 677 TTUS 419 Tuberin 636 Tuberkulose 885 tuberöse Sklerose 567 tuberöse Sklerose Typ 2 636 tubuläre Karzinoide 661 tubuläre und villöse Polypen 330 Tumoren der Haut 505 Tumoren der peripheren Nervenscheiden 604 Tumoren der Sella-Turcica Region 590 Tumoren des Nasenbereiches 262 Tumoren des Pinealisparenchyms 573, 585 Tumoren des Plexus choriodeus 573 Tumoren des Plexus chorioideus 585 Tumorlyse-Syndrom 786, 937, 939 Tumormarker 696 Tumornekrosefaktor-α 504 Tumorrisiko 5 Tumorstadium 106, 953 Tumorsuppressorgen 21 Tumortherapeutika mit Hinweisen für/mit Wirkung bei Weichteiltumoren 524 Tumorvaskularisation 645 Tumorvolumen 8 Turcot-Syndrom 329 Turcot-Syndrom Typ 1 568 Turcot-Syndrom Typ 2 568 TURP 211 TURP/Trans-Urethales Resektions-Präparat 209 TVS 85 t(X;14)(q28;q11) 769 Tylosis 289 Typ-I-Ovarialkarzinome 80

Typ-II-Ovarialkarzinome 80 typische Karzinoide 642 Typisierung der Vaginalkarzinome 147 Typisierung des Vulvakarzinoms 166 Tyrosinase 467 Tyrosin-Phosphokinase-Inhibitoren 723 T-Zell-ALL 717 T-Zell-Lymphom 884 T-Zell-Prolymphozyten-Leukämie 766 T-Zell-Rezeptor 884, 953 U2AF1 814 Übergewicht 100, 322 überlappende Merkmale 718 Überleben in Bezug zur Zhirrose 377 Überlebenszeit 8 Übersicht der Hämoblastosen 699 Übertragungsweg 779 Ubiquitin Carboxy-terminale Hydrolase L1 632 UCH-L1 632 UDH 40 UESL 369 ulzerative Kolitis 870 ulzerierende Knoten 939 ulzerierende Kolitis 395 Umkehrplastik 453 undifferenzierte uterine Sarkome 543 Undine-Syndrom 611 Unfruchtbarkeit 177 Unterscheidung der neuroendokrinen Lungentumoren 637 Untersuchungen von Urin und Blut beim Harnblasenkarzinom 253 uPA 33 Urate-oxidase 939 Urease-Schnell-Test 921 Urethro-Zystoskopie 151, 252 urogenitale Tumoren 601 Uromodulin 858 Urothelkarzinome 237 Uterine Adenosarkome 547 Uterine Rhabdomyosarkome 548 Uterussarkom 97, 105 UUS 543, 547 UV-A 458, 954 UVA-Bestrahlung 497, 957 UV-B 458 UVB-311 955 UV-C 458 uVIN 160 UV-Licht 480

Sachregister

V 441 VAC 454 VAC-Schema 158 vaginale Brachytherapie 117 vaginale Dysplasien 145 Vaginalstumpfrezidiven 119 VAI 454 VaIN 144, 151 Vakuum-Biopsie 32, 34 Valproinsäure 711 VAMP 875 Vandetanib 681 Vanillinmandelsäure 613 variable Region 884 variante Haarzell-Leukämie 763 Vaskulitis 775, 939 Vasopressin 418 Vater’schen Ampulle 641, 653 VATS 426, 437 VBM-Schema 222 VC 454 VCD 864 VDC 454 VDR 22 vegane Ernährung 733 VEGF 33, 433, 645 VEGFR1,2,3 433 VEGFR-2 433 VEGF-Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitoren 238 Vemurafanib 472 Vemurafenib 347, 681, 763 Venetoclax 737, 756, 766, 904 VEP 570 verhornende Vulvakarzinome 161 Verner-Morrison-Syndrom 630, 668 Verschiebe-Lappen 49 Verstopfung 663 vesikulärer Monamin-Transporter 2/VMAT2 635 vestibulookulärer Reflex 609 VGPR 913 VHL/von Hippel-Lindau 227, 635, 800 VIDE 454 Video-assistierte thorakoskopische Operation 426, 437 Videoendoskopie 294 VIN 160, 165, 170 VIN vom differenzierten 165 VIN vom klassischen Typ 165 Vincristin Dexamethason 796 Vinorelbin 423 VIP 435, 612, 630, 633, 668 VIPom 630, 666, 668 VIP-Schema 190

1001

Virostatika 948 Virus-like Particles/VLP 141 Visuell Evozierte Potentiale 570 Vitamin A/β-Carotin 199 Vitamin B12 733 Vitamin B9 733 Vitamin-K-Antagonisten 805 VLD 864 VMAT2 630 Voll-Wand-Exzision 315 von Hippel-Lindau 800 von Hippel-Lindau-Erkrankung 635 von Hippel-Lindau-Syndrom 394, 567 von-Recklinghausen-Syndrom 508 VOR 609 Voriconazol 736 Vorphase 721 Vorstufen des Vaginalkarzinoms 151 VRT 138 VTD 864 vulväre intraepitheliale Karzinome 170 Vulväre Intraepitheliale Neoplasie 160, 170 Vulvektomie 172 VWEx 315 Wachstumsformen von kolorektalen Karzinomen 328 Wächter-Lymphknoten 38 Wächter-Lymphknotenentfernung 47 Waldeyer’scher Rachenring 882 WDHA 630 Wechsel des Phänotyps 694 Wegener-Granulomatose 939 Weißfleckenkrankheit 145 weite Resektion 518 Werner-Syndrom 635 Whipple 402 Whipple-Trias 633 Wirbelkörper-Sinterungen 857 Wishart-Phänotyp 609 WNT 781 Wolfram 411 WT-1 Wilms-Tumor 228 WT-2 228 Wurmfortsatz 645, 661 XELOX 348 Xenoöstrogene 19 Xeroderma pigmentosum 264 XP 317 XRCC1 22 XRCC3 22

1002

Sachregister

Y-90-DOTATOC 681 Y90-Ibritumomab-Tiuxetan 929 Y90-Ibritumumab-Tiuxetan 931 90 Yttrium 651 Zangenbiopsie 646 Zelltypen bei gastrointestinalen Karzinoiden 643 Zellverdoppelungszeit 936 Zementoblastom 286 zentrales Neurozytom 585 Zentroblast 894 zerebelläres Liponeurozytom 585 zerebrale Metastasen 600 Zervixkarzinome 123 Zidovudin 365, 948 zielgerichtete Tumortherapeutika bei nichtkleinzelligen Lungenkarzinomen 432 ZNS 939 ZNS-Ganglioneuroblastom 585 ZNS-Infiltration 937

ZNS-Lymphomen 908 ZNS-Neuroblastom 585 ZNS-Prophylaxe 722 Zoledronsäure 215 Zöliakie 947 zölibatäre Lebensweise 140 Zollinger-Ellison-Syndrom 633, 654, 668 ZRSR2 708 Zungenbeweglichkeit 276 zweilappige Kerne 705 Zweitmalignome 724 Zweittumore 27 Zytokeratin 499, 573 Zytokeratine 7 487 zytologische Klassifikation der AML 730 zytologische Untersuchung 32 Zytopenien 835 Zytostatika 701, 853 zytotoxische T-Lymphozyten 774

Über den Autor

Hans-Harald Sedlacek Jahrgang 1943, Studium der Veterinärmedizin, 1968 Promotion in der Endokrinpharmakologie (Universität Gießen), 1989 Habilitation in der Tumorbiologie, Medizinischen Fakultät, Universität Marburg; dort seit 1995 außerplanmäßiger Professor. Fachgebiete: Onkologie, Immunologie, Tumor- und Immuntherapie, Forschungsmanagement. Seit 1969 leitende Tätigkeiten in der industriellen Pharmaforschung. 2000–2005 Mitbegründer von vier Wagniskapitalfirmen. Seit 2005 beratende Tätigkeiten im Bereich der Arzneimittelforschung. 1999 Innovationspreis der Deutschen Wirtschaft (HMR), verliehen für die maßgebliche Beteiligung an der Idee, zelluläre Tumor-assoziierte Phosphokinasen (TPK) als Zielstrukturen für die Suche nach neuen tumorzellspezifischen Krebstherapeutika zu verwenden und für die Entdeckung des anti-tumoral wirkenden TPK-Inhibitors Flavopiridol (Alvocidib) als einer der ersten Substanzen dieser Wirkungsweise.

https://doi.org/10.1515/9783110759570-004