Nordische Felszeichnungen als religiöse Urkunden

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Nordische Felszeichnungen

als religiöse Urkunden VON OSCAR ALMGREN

Autorisierte Übersetzung aus dem

Schwedischen von Sigrid Vrancken

Mit 165 Abbildungen i m T e x t

1934

Verlag Moritz Diesterweg • Frankfurt am Main BESTELL-NR. 7801

Pieraricha Hofbuchdruckerei Stephaa Geibel & Co., Altenburg, Thür.

Inhaltsverzeichnis Belte Vorwort zur deutschen Ausgabe................................................................... IX Vorwort zur schwedischen Ausgabe ............................................................... XIII

1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultschiffe..........................................

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a) Felsbilderschiffe mit deutlichen Kultszenen...................................... 1 b) Karnevalschiffe und Götterboote................................................................ 18 Neuzeitliche Karnevalschiffe S. 18. — Mittelalterliche Zeugnisse 8. 22. — Altgermanische Bootgöttinnen S. 27. — Götterboote bei den Römern und Griechen S. 27, im östlichen Mittelmeergebiet 8. 35, in Ägypten S. 37, in Babylonien S. 50. — Beziehungen der Sonnen- und Fruchtbarkeitsgötter zu Wasser und Inseln S. 51. — Bootverbrennung bei Jahresfesten in West- und Nordeuropa S. 54. — Ostasiatische Bootriten 8. 63. — Bootopfer S. 64. c) Vergleich von Kultschiffen und Felsbilderschiffen............................... 67

2. Kapitel: Die übrigen rituellen Szenen der Felsbilder. Göttergestalten 87 a) b) c) d) e)

f) g) h) i)

Sonnenriten...................................................................................................... 87 Baumriten........................................................................................................ 105 Rituelle Pflügung............................................................................................109 Rituelle K&mpfe........................................................................................... 112 Hochzeit, Tod und Auferstehung des Fruchtbarkeitsgottes (das rituelle Jahreszeitendrama)........................................................................... 118 Opferszenen und Opfertiere.......................................................................125 Schlangen........................................................................................................ 130 Prozessionen und T&nze. Das Herumtragen heiliger Äxte und Speere 132 Göttergestalten................................................................................................ 136

3. Kapitel: Möglichkeiten für eine rituelle Deutung der Felstafeln 144 Der wahrscheinliche Zweck der rituellen Szenen..................................... 144 Schematische Bilder........................................................................................... 146 Die Komposition der Felsbilder ....................................................................... 155

4. Kapitel: Das Verhältnis zwischen Grabbildem und Felstafeln, zwischen Toten- und Ernteriten163 Verschiedene Ansichten über das Verhältnis zwischen Grabritzungen und Felstafeln................................................................................................ 163 Die Problemstellung............................................................................................ 165 Das Verhältnis des ägyptischen Totenglaubens zum Sonnen- und Fruchtbarkeitskult........................................................................................... 167 Der Sarkophag von Hagia Triada.................................................................. 176 Das Grab von Kivik....................................................................................... 179 Weitere Grabsteine mit Zeichnungen.............................................................. 186 Bilder auf nordischen Graburnen.................................................................. 187

Inhaltsverzeichnis

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Sette

Einige südlichere Analogien ....................................................................... 188 Bildmotive, die Grabsteinen und Felstafeln gemeinsam sind. . . . 190 a) Sonnen*, Axt- und Baumbilder........................................................... 190 b) Das Verhältnis des Totenschiffes zu den Götterschiffen .... 190 c) Im Totenkult auftretende Wagen, Schlitten und Pferde . . . 199 d) Kämpfe, Musikanten, Feuerbohrer................................................... 206 e) Weitere Motive....................................................................................... 207 Bildmotive, die auf Felszeichnungen, aber nicht in Gräbern Vorkommen 208 Die Lage der Felsbilder im Gelände und ihre Verbindung mit Kult­ traditionen .................................................................................................... 210 Das chronologische Verhältnis zwischenGrabritzungen und Felstafeln 221 Das Problem dereingeritzten Fußsohlen.................................................... 229 Das Problem derElfenmühlen.................................................................... 237

5. Kapitel: Allgemeines zu dem Problem der Felsbilder und den damit zusammenhängenden religionsgeschichtlichen Fragen.................... 248 A. Felsbilderprobleme................................................................................... 248 Der Inhalt der paläolithischen Bildkunst........................................... 248 Berührungspunkte zwischen der Bildmagie des Jägerstadiums und derjenigen der Ackerbaukultur........................................................... 262 Die Felsbilder der ligurischen Alpen................................................... 264 Die um die Schalengruben entstandenen Felsbilder und deren Voraussetzungen................................................................................... 272 Der Zusammenhang zwischen den mimischen und graphischen Riten 274 Klassifizierung des Inhalts der nordisohen Bronzezeitfelsbilder. . 275 Waren dieFelsbilder gemeinsame oder individuelleUntemehmungen ? 279 Ursachen für das Aufhören der Ritzungssitte................................... 280 Abschließendes zur Frage: Fruchtbarkeitsreligion oder Totenkult? 280 Die religiöse Deutung der Felsbilder, verglichen mit der ästhetischen und der historischen................................................... 283 B. Religionshistorisohe Probleme

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Die Verbreitung der orientalischen Fruohtbarkeitsreligion über Europa................................................................................................... 289 Persönliche Gottheiten........................................................................... 292 Magie oder Kult?................................................................................... 294 Die ägyptische und die europäische Gottesdienstmagie................... 297 Die Grundzüge der imitativen Magie................................................... 303 Zur Frage nach dem Aufkommen und der Bedeutung der Leichen­ verbrennung ........................................................................................... 304 Das Verhältnis der Bronzezeitreligion zu der jüngeren heidnischen Religion im Norden............................................................................... 311 Der waffentragende Fruohtbarkeitsgott............................................... 312 Der Gott Gautr und die Völkeraamen Götar, Guter, Goten. . . 314 Spuren des Kultschiffes in nordischen Mythen und Sagen. . . . 319

Inhaltsverzeichnis

VH Sette

Nachtrag (A) zur schwedischenAusgabe................................................ 331 Zu Kapitel 1............................................................................. 331 Eine neuentdeckte Felszeichnung, ein Schiff mit Ruderern dar­ stellend ....................................................................................................331 Felszeichnungen mit Booten aufNeu-Seeland. 334 Zu Kapitel 2 und 3.................................................................................... 334 Rad, Hakenkreuz und Lebensbaum.................................................. 334 Rituelles Pflügen in Schweden.......................................................... 336 Die Götterhand........................................................................................ 336 Zu Kapitel 4 und 5.................................................................................... 336 Die Lage der Felsbilder in Östergötland............................................. 336 Neuentdeckte Felsbilder in Tröndelagen........................................... 337 Nachtrag (B) zur deutschen Ausgabe..................................................... 340 Weitere Beispiele vom Nachleben der Kultschiffe.................................. 340 Zur Sonnensymbolik.................................................................................... 343 Tierfelle und SchwAnze als Kulttracht ................................................. 346 Eine neuentdeckte Felszeichnung mit Darstellung der rituellen Hochzeit 347 Ein modernes Hirschopfer in Rumänien ............................................. 348 Riesenbilder ................................................................................................ 348 Der Gott mit den großen Händen......................................................... 348 Die vermummten Gestalten des Kivikdenkmab .................................. 360 Zur Datierung der nordischen Febzeiohnungen...................................... 360 Das Alter des Yonisymbob........................................................................ 362 Bildliche Jagdmagie im heutigen Afrika................................................. 363 Schiffzeichnung im Sand............................................................................ 364 Jetzige rituelle Benutzung alter Felsmalereien in Ostafrika.................. 366 Waren auch die nordischen Felszeiohnungen den Ahnen ab Fruchtbarkeitsspendem gewidmet ?........................................................................ 366 Landvnttir, alfar, dfsir und Helgafell..................................................... 367 Zur Bedeutung der Elfenmühlen............................................................. 361 Schlußergebnbse ........................................................................................ 362

Literaturverzeichnis und Abkürzungen..................................................... 366

Vorlagen für die Abbildungen..................................................................... 374

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Als ich von mehreren deutschen Gelehrten, Vertretern der vorgeschicht­ lichen Archäologie, der Germanistik und der allgemeinen Religions­ geschichte, lebhaft aufgefordert wurde, meine 1927 erschienene Arbeit Hällristningar och kultbruk1 ins Deutsohe übersetzen zu lassen, hätte ich gern gewünscht, dieselbe vorher einer gründlichen Umarbeitung zu unter­ werfen, um meine Untersuchungen erst in einer fester durchgeführten und wirklich gereiften Form und zugleich mit ausgedehnterer Berücksichtigung der ausländischen Literatur den internationalen Forscherkreisen vorzulegen. Da indessen eine solche Aufgabe meine jetzigen Kräfte überstiegen hätte, habe ich mich darauf beschränkt, einige Versehen und allzu unsichere Ver­ mutungen der schwedischen Ausgabe zu entfernen, einige mir nachträglich bekannt gewordene Beobachtungen, die zur Bestätigung oder Vervoll­ ständigung meiner Ausführungen dienen können, teils als Fußnoten2, teils als Nachtrag B hinzuzufügen sowie dieses an die ausländischen Leser ge­ richtete Vorwort vorauszuschicken. Im übrigen gibt die Übersetzung das schwedische Original fast wörtlich wieder, wenn auch an manchen Stellen eine Verdeutlichung des Ausdruckes erstrebt wurde. Bei der Verschieden­ heit des Satzbaues im Deutschen und Schwedischen war es gewiß nicht leicht, meine oft sehr gedrängte Periodenbildung klar wiederzugeben. Ich bitte nun meine Leser, zu beachten, daß die hier übersetzte Arbeit ursprünglich für schwedische Fachkreise geschrieben wurde und darum manche Details von hauptsächlich lokalem Interesse enthält, ferner daß das schwedische Manuskript Ende 1926 abgeschlossen wurde (vgl. Nach­ trag A) und daß auch das Literaturverzeichnis nur bis einschließlich 1926 geht. Einige später erschienene Schriften habe ich indessen in den genannten Zusätzen erwähnen können. Die etappenweise erfolgte Entstehung des Buches, die nicht nur an den vielen Nachträgen, sondern auch an manchen Stellen des Haupttextes deut­ lich erkennbar ist, dürfte vielleicht störend und verwirrend wirken, kann 1 Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademiens Handlingar 35, Stockholm 1926—27. * [Die neu hinzugefügten Fußnoten sind in dieser Weise in Klammem gesetzt.]

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Vorwort zur deutschen Ausgabe

aber andererseits den Vorteil haben, daß der Leser jetzt mit mir die Forscher­ freude teilen kann, die ich manchmal erlebt habe, als neue Funde und Be­ obachtungen meine Arbeitshypothesen bestätigten. So wird er wohl auch meine Hoffnung teilen, daß auch künftig der stetige Zuwachs des archäo­ logischen Materiales und ein immer mehr erweitertes und vertieftes Studium über manches jetzt Unsichere entscheiden oder wenigstens größere Klarheit bringen werden. Jedes Jahr macht man bei uns neue Entdeckungen von Fels­ zeichnungen, die Bich bisher unter Rasen oder Moos bargen oder aus anderen Gründen unbeachtet geblieben waren. Das alte Felsbildarchiv Skandinaviens scheint in der Tat ebenso unerschöpflich zu sein wie die unterirdischen Schriftarohive Ägyptens, Vorderasiens und der chinesischen Wüste. Zur Orientierung derjenigen Leser, die nicht mit der nordischen Archäo­ logie vertraut sind, gebe ich hier einige allgemeine Bemerkungen über die vorgeschichtlichen Felszeichnungen Skandinaviens (von Runen- und Bild­ ritzungen der jüngeren Eisenzeit sehe ich ab). Jene verteilen sich auf zwei Hauptgruppen. Die ältere, hauptsächlich neolithische, die aus oft sehr naturalistischen, geritzten oder gemalten Darstellungen jagdbarer Tiere be­ steht, findet sich zerstreut in den norwegischen Küstengebieten von Oslo bis Narvik sowie an einigen Orten Nordschwedens. Diese Gruppe wird hier nur beiläufig im Kap. 6 besprochen. Die jüngere Gruppe, das Hauptthema unserer Untersuchung, gehört der Bronzezeit und der ältesten Eisenzeit an; sie wird vor allem durch die eigentümlichen Schiffebilder, aber auch durch viele andere symbolischen Zeichen und figürlichen Darstellungen charakterisiert und hat eine aus­ geprägt süd- und mittelskandinavische Ausbreitung. In Schweden kennt man jetzt derartige Felszeiohnungen aus fast allen Landschaften südlich des Flusses Dalälven, aber nur an einer einzigen Stelle Nordschwedens. In reichster Fülle kommen sie im nördlichen Bohuslän, in der Umgegend von Norrköping in Ostergötland, im südwestlichen Uppland und im östlichen Schonen vor; in den übrigen Landschaften sind sie nur vereinzelt vor­ handen, wenn man nicht die in manchen Gegenden überaus zahlreichen Vorkommnisse von lauter Schalengruben mitrechnet. In Norwegen sind sie in der an Bohuslän nördlich angrenzenden Landschaft Ostfold oder Smaalenene am häufigsten, aber noch in der Trondheimer Gegend sind sie ziem­ lich allgemein und gehen weiter nördlich bis gegen 66° n. Br. In Dänemark

Vorwort zur deutschen Ausgabe

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sind sie wegen Mangels an geeignetem Material selten; es gibt jedoch einige auf gewachsenem Felsen auf der Insel Bornholm und an Findlingsblöcken in anderen Teilen des Landes. In Norddeutschland kennt man ähnliohe Bilder nur von einem Steinkistengrab bei Anderlingen unweit Bremen. Die mit Zeichnungen der jüngeren Gruppe versehenen Felsflächen be­ stehen gewöhnlich aus Granit, selten aus Sandstein oder dergleichen, meistens sind sie sanft abfallend oder horizontal, seltener senkrecht. Die Bilder sind im allgemeinen mit einem spitzen Instrument, wahrscheinlich einem Steine, eingehauen worden; in einigen Fällen scheinen sie jedooh ein­ gemeißelt, in anderen vielleicht eingeschliffen zu sein. Etwaige einstige Be­ malung ist bei dieser Gruppe noch nicht konstatiert worden. Die wichtigsten Anhaltspunkte für die Datierung dieser Gruppe sind die folgenden: 1. Die Axtbilder von Simris in Schonen (Abb. 89, 96) müssen mit Montelius in den Übergang zwischen seiner 1. und 2. Periode der Bronze­ zeit (etwa um 1500 v. Chr.) angesetzt werden (vgl. S. 221 f., 350f.). 2. Ein großes Schwertbild und spiralverzierte Schiffsbilder beiNorrköping gehören stilistisch der 2. Periode an. 3. Mehrere Steinkistengräber der 2. und 3. Periode tragen auf den Wand­ platten hierhergehörige Zeichnungen. 4. Bei Boda in Uppland findet sich eine Schiffszeichnung in nächster Nähe eines Hüttengrundes aus der 4. Periode (S. 217 f.). 5. Das Bronzehorn von Wismar aus der 3. Periode zeigt verwandte . Bilder (Abb. 56). 6. Auf zahlreichen bronzenen Rasiermessern der 4. und 5. Periode sieht man Sohiffsbilder, die denen der Felszeichnungen sehr ähneln (z. B. Abb. 12a und b, 13c). 7. Einige bohuslänische Bilder van Reitern mit viereckigen Schilden (Abb. 78, 93) müssen in die ältere Latänezeit (etwa 500—200 v. Chr.) datiert werden (vgl. S. 162). 8. Noch jünger sind möglicherweise zwei mit Insohriften in älteren Runen vergesellschaftete, aber nicht notwendig mit ihnan gleichzeitige Schiffs­ zeichnungen (vgl. S. 351). Die beete Vorstellung vom Bilderreichtum dieser Felsurkunden gewinnt man durch die großen Tafelwerke über die Felszeichnungen Bohusläns und Östergötlands. Das klassische Werk Baltzers über die Felszeichnungen von

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Vorwort zur deutschen Ausgabe

Bohusl&n, das in den Jahren 1881—1908 in zwei Serien erschien, ist jetzt vergriffen; aber ein Nachdruck der ersten und wichtigsten Serie in ver­ kleinertem Maßstab wurde 1919 vom Folkwangverlag Hagen i. W. unter dem Titel: Schwedische Felsbilder herausgegeben, leider mit einem ganz unwissenschaftlichen Text eines anonymen Verfassers. In demselben Ver­ lage veröffentlichte A. Nordön 1923 seine Felsbilder von Ostgotland, wovon dann 1926 eine sehr erweiterte schwedische Ausgabe erschien. Die Alteren Deutungsversuche dieser Felszeichnungen sind im folgenden an mehreren Stellen, besonders in den Kapiteln 3—5 besprochen worden. Über den Entwicklungsgang meiner eigenen Forschungen verweise ich auf das Vorwort zur schwedischen Ausgabe. loh betrachte meine Arbeit nur als eine Anregung zum mühsamen und vorsichtigen Weiterarbeiten auf den verschiedenen hier berührten Gebieten. Dieser künftigen kritischen Forschung überlasse ich die Wahl zwischen meinen Gesichtspunkten und gewissen in jüngster Zeit hervorgetretenen von sehr kühner Art, auf die ich nicht n&her eingehen kann — aber auch die endgültige Beurteilung der unsicheren Punkte meiner Arbeit, auf die 0. Giemen, Urgesohichtliche Religion (Bonn 1932), hingewiesen hat. Pro­ fessor Giemen hat mir indessen freundlichst mitgeteilt, daß er in der Grund­ auffassung und in vielen Details mit mir einig ist. Dieses Urteil des erfahrenen Religionshistorikers hat minh natürlich besonders gefreut, ebenso wie die sehr anerkennenden und entgegenkommenden Äußerungen meines Kollegen Ekholm in Nordisk kultur XXVII. Seine und meine Ansichten dürften nunmehr nicht viel auseinandergehen, wie mein Nachtrag zeigen wird. Professor Giemen ist es auch, der im Verein mit seinem Kollegen Professor H. Hempel diese Übersetzung veranlaßt und eingehend ge­ prüft hat. Ich spreche hiermit den beiden Herren Kollegen meinen w&rmsten Dank aus und zugleich der von ihnen berufenen Übersetzerin, Frl. Dr. Sigrid Vranoken, die die mühsame Aufgabe mit größter Sorgfalt und Umsicht ausgeführt hat. Ferner richte ich meinen ergebensten Dank an den Verlag Moritz Diesterweg in Frankfurt a. M. sowie an Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitete-Akademien, Nordiska Museet und Göteborgs och Bohusläns Fomminnesförening, die die Druckstöcke zur Verfügung gestellt haben. Endlich danke ich von Herzen allen den Freunden, die auch diese Auflage meiner Arbeit in mannigfacher Weise gefördert haben. Upsala, im Februar 1933.

0. A.

Vorwort zur schwedischen Ausgabe

An Bernhard Salin Du, mein alter Freund und Lehrer, warst der erste, der sich der Mühe unterzog, diese Untersuchung in der Form durchzulesen, die sie 1922 besaß. Du gabst mir manche Anregung und wertvolle Hinweise. Als Dank für diesen Freundschaftsdienst und für all das, was Du während eines Drittel Jahrhunderts mir gewesen bist, möchte ich nun, da diese Arbeit gedruckt erscheint, Dir in erster Linie zueignen, was in ihr Wertvolles enthalten sein könnte. Diese persönliche Wendung möchte zugleich das persönliche Gepräge meiner Arbeit unterstreichen. Ich lege hier keine endgültigen Resultate vor; die Arbeit bringt vielmehr einen Teil Orientierungsmaterial sowie einige Zusammenstellungen, die ich mit Freuden soweit verfolgte, wie es mir nur möglich war und die ich jetzt denen zum Nutzen und zum weiteren Nach­ prüfen überlassen möchte, die sich eventuell veranlaßt fühlen könnten, sie weiter fortzuführen. Aus diesem Grunde hat die Darstellung fast den Charakter einer Reihe von ungezwungenen Vorträgen bekommen, die für einen engeren Kreis von Fachgenossen, Archäologen undReligionshistorikern gedacht sind. Der zwanglose Charakter meiner Darstellung hat mich nun dazu ver­ anlaßt, das eine oder andere mit aufzunehmen, dem ich keine gründlicheren Detailuntersuchungen widmen konnte, eine Menge von Problemen oder Fragen, die sich dem aus dem aktiven Dienst zurücktretenden Forsoher aufdrängten und die er deshalb gern seinen Nachfolgern mitteilen möchte, für den Fall nämlich, daß irgend etwas davon sich als verwendbar heraus­ stellen könnte. Da das Wohlwollen der Akademie es mir möglich gemacht bat, in diesem Buche meine Stellung zum Felsbilderproblem, bei der ich nach langjährigen Studien stehen bleiben zu dürfen glaubte, ausführlich darzulegen, bo habe ich künftighin nicht die Absicht, mich an Diskussionen über diese Fragen zu beteiligen. Nun überlasse ich anderen das Wort, und die Zukunft mag entscheiden, inwieweit die verschiedenen Ansichten das Richtige trafen. Glücklicherweise erfährt unser Felsbildermaterial dauernd * noch Bereiche-

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Vorwort zur schwedischen Ausgabe

rungen durch Neuentdeckungen, die mitunter sich als geeignet erweisen, unser bisheriges Wissen in unerwarteter Weise zu ergänzen und zu vertiefen. Im Verlauf meiner jetzt abgeschlossenen Untersuchungen bin ich immer mehr zu der Überzeugung gelangt, daß wir in unseren Felsbildern religions­ historisches Material von unschätzbarem Wert besitzen. Soviel steht fest, daß wir nur durch allerengstes und umfassendstes Zusammenarbeiten der vergleichenden Altertumswissenschaft, der vergleichenden Religionswissen­ schaft und der vergleichenden Ethnologie wirklich in das Mysterium unserer Felsbilder Einblick gewinnen können. Dabei danken wir es nicht zum wenigsten den gewaltigen Fortschritten, die die Religionswissenschaft in den letzten Jahrzehnten gemacht hat, daß sich die Aussichten auf eine endgültige Lösung des Rätsels jetzt in der Tat als weit weniger hoffnungs­ los dartun als vor 20—30 Jahren. Meine Untersuchung nahm ihren Ausgangspunkt von einer Anregung, die mir der frühverstorbene Upsalaer Religionshistoriker Josef Helander vermittelte. In einem im Herbst 1903 in dem Verein Urd gehaltenen Vor­ trag, der posthum in Ord och Bild 1906 erschienen ist, streifte er u. a. die hakannten Sonnensymbole der schwedischen Felszeichnungen und führte dabei ein neues, bedeutsames Moment in die Diskussion ein, indem er näm­ lich darauf hinwies, daß diese Symbole in einigen Fällen deutlich als in Kultaufzügen getragen oder geführt dargestellt werden. Wahrscheinlich un­ abhängig von Helander brachte der norwegische Forscher Andr. M. Hansen 1908 dieselbe Erklärung für den das Sonnenrad tragenden Mann der im Nachstehenden aufgeführten Abb. 1. Er war sodann auoh der erste, der die vielen, mit emporgehobenen Armen abgebildeten Figuren der Felsbilder als Adoranten deutete, und er wies ebenfalls auf die Möglichkeit hin, daß die Pflugszenen eine rituelle Bedeutung haben könnten. Im Anschluß an Helanders Erklärungen (Hansens Deutungen waren mir damals nicht im Gedächtnis, weshalb ich leider versäumt habe, sie zu zitieren) führte ioh im R4sum6 meiner 1912 herausgegebenen Sohrift über die Felsbilder im Härad Tanum eine weitere Reihe von Bildern an, die Sonnenriten darstellen dürften und hob (S. S69f.) die Möglichkeit hervor, daß auch das Abbilden dieser Riten und Kultgegenstände auf den Felsen einen praktischen magischen Sinn gehabt haben könnte, nämlich den, be­ stimmte Wirkungen hervorzurufen. Am ehesten neigte ioh damals zu der Annahme, daß magische, historiograiphisohe und ästhetische Beweggründe

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gemeinsam zur Entstehung der Felsbilder geführt haben. Ungefähr gleich« zeitig äußerte Bror Schnittger in verschiedenen Vorlesungen eine ähnliohe Ansicht, wobei er auf Reinachs magische Deutung der paläolithischen Grottenbilder verwies. Als ich dann im Frühjahr 1916, gelegentlich meiner Universitätevorleeungen über die Bronzezeit, zu den Ansichten über die ausschließlich religiöse Bedeutung der Felsbilder Stellung zu nehmen hatte, die gerade kurz vorher von wieder ganz anderen Ausgangspunkten ausgehend Just Bing und Gunnar Kkholm vorzulegen begonnen hatten, kam mir der Gedanke, daß eine eingehendere Untersuchung über die Reichweite des Helandersohen Hinweises besonders dazu angetan sein könnte, diese Fragen zu beleuchten. Über die ersten, von mir in dieser Richtung unternommenen Untersuchungen erstattete ich in einem vor der nordischen Archäologen« konferenz zu Kristiania 1916 (vgl. Oldtiden VH) gehaltenen Vortrag Be« richt. Sie kamen erneut in Gang, als ich 1917 auf die von uns nordischen Archäologen bisher allzu wenig beachtete Erscheinung des Kultbootes auf­ merksam geworden war, die, wie es rieh nun herausstellte, für eine Menge rätselhafter Details der Felsbildersohiffe unerwartet gute Erklärungen gab. Dieser Teil meiner Untersuchungen bildet auoh den Vordergrund (Kap. 1) der heute von mir vorgelegten Arbeit. Im 2. und 3. Kapitel mache ich den Versuch, eine rituelle Deutung des gesamten Bildmaterials der Felstafeln durchzuführen. Ich mußte jedoch auoh zu den ähnlioh gearteten Zeichnungen auf Stein­ gräbern und der von ihnen ausgehenden Hypothese Ekholms Stellung nehmen, wonach nämlich auoh die Felsbilder so gut wie ausnahmslos dem Totenkult geweiht gewesen sind. Diese Ansicht ist keineswegs eo ipso durch den Hinweis auf die zahlreichen Abbildungen von Sonnen- und Fruchtbarkeitsriten auf den Felstafeln abzutun. Eine eingehendere Unter­ suchung zeigt nämlich, daß lebensfördernde Riten dieser Art im weitesten Umfange auch in dem damaligen Totenkult vorgekommen sind; wenn man sie mithin an Stellen abgebildet findet, die weder Gräber noch ganz un­ zweifelhaft Heiligtümer von Gottheiten sind, so ist es unmöglich, a priori zu entscheiden, ob diese Darstellungen im Dienste des Götter- oder des Totenkults entstanden sind. Man muß sich nach anderen Ausgangspunkten umsehen, um an den Kern des Problems heranzukommen, und das ist gar nicht so einfach. Die eine Spur weist in diese, die andere in jene Richtung. Ich habe aus diesem Grunde in den ausführlichen Untersuchungen, die ioh

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Vorwort zur schwedischen Ausgabe

im 4. Kapitel diesem Problem gewidmet habe, nicht zu einem endgültigen Resultat gelangen können.

Im letzten Kapitel habe ich sodann den Versuch gemacht, unsere aus der Bronzezeit stammenden Felsbilder in einen größeren kultur- und re­ ligionsgeschichtlichen Rahmen einzuordnen. Ein solcher Versuch, einen größeren Zusammenhang zu konstruieren, ist natürlich hier wie stets eine sehr heikle Angelegenheit, und doch muß man zuweilen derartige Wagnisse unternehmen, und zwar eigens zu dem Zweck, zu ermitteln, wo die Lücken und unsicheren Stellen in unserem Wissen am fühlbarsten sind und wo die Wissenschaft die günstigsten Aussichten hat, durch eingehenderes Forschen den Rätseln besser beizukommen. Ich bin mir selbstverständlich durchaus bewußt, daß meine Kombinationen und meine Behandlungsweise religions­ historischen Materials meines ungenügenden Überblicks über dieses un­

erhört weit ausgedehnte Forschungsgebiet wegen sich besonders unvoll­ ständig und willkürlich ausnehmen müssen. Aber selbst die von einem interessierten Touristen zufällig zusammengetragenen Forschungseigebnisse aus einem noch unerforschten Land pflegen ja von Nutzen sein zu können, wenigstens insofern, als sie Fachleuten den Anreiz geben, systematische Expeditionen zu unternehmen. Im übrigen bin ich bei dem Sammeln des Materials nicht ohne Beistand geblieben; Spezialisten auf den verschie­ densten Gebieten haben mit liebenswürdigster Bereitwilligkeit mir mit einer Reihe von Aufklärungen und Hinweisen gedient. Im Nachfolgenden führe ich diese meine Berater an entsprechender Stelle an; hier spreche ich ibnan allen gammnaam meinen herzlichen Dank aus. In gleich herzlioher Weise möchte ich auch meinen Kollegen vom Fach danken, die mir stets auf mannigfache Art und Weise kameradschaftlich zur Seite gestanden haben. Zum Schluß möchte ich besonders mit inniger Dankbarkeit derjenigen gedenken, deren treue, verständnisvolle und dauernde Mitarbeit die Durch­ führung dieser Untersuchung erst möglich gemacht hat und der ich manch wertvolle Anregung verdanke: meiner Frau. Sodann möchte ich noch dank­ bar des großen Vorzugs Erwähnung tun, demzufolge ich in den letzten Jahren, von allen Amtspflichten entbunden, wieder völlig als „über Stu­ ** diosus arbeiten konnte.

Upsala, im Mai 1925.

O.A.

1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultschiffe a) Felsbilderschiffe mit deutlichen Kultszenen

Wenn es gilt, den Sinn der gebräuchlichsten Darstellungen auf den nordi­ schen Febbildern, den der Sohiffe, zu deuten, so ist es unerläßlich, alle die Fälle einer Musterung zu unterziehen, in denen diese Schiffe mit deutlicheren Figuren bemannt sind ab mit den üblichen kleinen senkrechten Strichen, oder in denen sie mit einer stärker in die Augen fallenden Ausrüstung ver­ sehen sind. Zunächst sei an die allbekannte Tatsache erinnert, daß biB heute weder Segel noch Ruder auf den Schiffen der nordischen Felsbilder1 deutlich ab­ gebildet vorgefunden worden sind, während dies häufig auf gleichzeitigen Schiffsdarstellungen aus den Mittelmeerländern der Fall ist, z. B. in Abb. 43 unten sowie auf dem bekannten Novilarastein (Montelius, Civ. II: 1, pl. 143, Abb. 2b). Die von Coll (Aarsberetn. 1901 S. 45, 1902 S. 120) als Mast und Segel ausgelegten Figuren oberhalb einiger norwegischer Felsbilderschiffe erscheinen mir hinsichtlich ihrer Bedeutung höchst unsicher. Derselbe Ver­ fasser (1906, S. 2ff.) möchte sogar die im Nachstehenden behandelten runden Sonnenbilder auf den Schiffen ab Segel erklären, obsohon er gelegentlich auch die mögliche Deutung dieser Schiffe ab Sonnensohiffe zugibt2. Die einzige Abbildung eines Febbildschiffes, die mit Hilfe von schräg­ gestellten Strichen unter dem Kiel Ruder andeutet, stammt aus Thams 1 Vgl. jedoch Nachtrag. A mit Abb. 156. • Ein Mast, der einen zelt&hnlichen Überbau zu tragen scheint, ist auf einem Schiff auf dem Felsbild bei Järrestad in Schonen zu sehen (AT. VI: 5, S. 5); diese Auslegung läßt sich ganz gut mit der Deutung der Febbilderschiffe, die im Nachstehenden vorgelegt werden soll, vereinbaren. Masten ohne Segel oder anderem Zubehör sind auf einigen Schiffen eines Febbildes bei Möklerud im Kirchspiele Torhamn in Blekinge zu finden, wenn man sich auf die Zeichnungen bei Worsaae, Blekinges mindesmaerker, pl. XIV, XV verlassen darf. Almgren, NordiBche Felsieichnungen all religiöse Urkunden.

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1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultschiffe

Göthiska Monumenter (reproduziert bei Holmberg, Abb. 100) her und dürfte deswegen wenig Anspruch auf Beweiskraft erheben; die betreffende Felszeichnung hat sich späterhin nicht wieder auffinden lassen (Bohusl. Bidrag III, S. 504). In den seltenen Fällen, wo BemannungBstriohe senk­ recht unter dem Kiel fortgeführt sind (Holmberg, Abb. 126 und die Ritzung von KinnekuUe, SFT VIII, pl. 1), können diese nicht mit Sicherheit als Ruder erklärt werden, wie dies Holmberg und Coll tun (vgl. jedoch S. 331 ff.). Es ist ja, wie sohon häufig gesagt, möglich, daß zur Bronzezeit die Kunst des Segelns im Norden noch nicht bekannt war, da selbst bei dem etwa 75 Fuß langen Nydamboot aus dem Ende der älteren Eisenzeit, trotz seiner beträchtlichen Länge, jede Anordnung für einen Mast fehlt. Das Fehlen von Rudern auf den nordischen Felsbilderschiffen jedoch kann wohl nur da­ durch erklärt werden, daß entweder die Zeichner dieses Detail als selbst­ verständlich und deshalb bedeutungslos für das, was sie mit ihrer Bilder­ sprache ausdrücken wollten, wegließen, oder auch damit, daß die Schiffe, die hier abgebildet werden, in Wirklichkeit niemals Ruder gehabt haben, da sie nicht für die Schiffahrt bestimmt waren. In der Tat kennt man heute vereinzelte auf Felsen gezeichnete Schiffe, die von Pferden oder Männern, ganz offensichtlich über Land, gezogen werden. Um jedoch die Reichweite dieser Erscheinung voll und ganz verstehen zu können, werden wir, bevor wir diese Bilder einer Betrachtung unterziehen, zunächst einen Überblick über die geläufigsten Gegenstände werfen, die auf dem Deck der Felsbilder-

schiffe dargestellt werden. Vorerst sei jedoch auf eine weitere negative Tatsache hingewiesen. Es ist oft behauptet worden, daß die Felsbilder Seeschlachten abbilden, aber in Wirklichkeit kenne ich aus dem gesamten nordischen Felsbildermaterial keinen sicheren Fall, bei dem bewaffnete Männer auf zwei sich begegnenden Schiffen ihre Waffen gegeneinander richten. Der einzige Fall, in dem die Sachlage sich möglicherweise so verhält (Hästholmen in Ostgotland), soll am Ende des Kapitels näher diskutiert werden. Diese Tatsache fällt um so mehr auf, als wir auf den Felsbildem häufig Kämpfen zu Fuß und, zumindest in einem Fall, einem Kampfe zu Pferde begegnen. Es findet sich indessen noch ein singulärer Kampf zwischen zwei Männern auf ein und demselben Schiff (Fossum in Tanum); er wird im nächsten Kapitel behandelt werden (S. 120 ff.).

Abb. 1. Stora Bucket, Kirchspiel Brastad, Bohuslän.

a) Felsbildereahiffe mit deutlichen Kultezenen 3

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1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultachiffe

Unterziehen wir nun die deutlich angeführten Figuren, insbesondere der bohuslänischen Felsbilderschiffe, einer systematischen Betrachtung, so er­ halten wir als Resultat einen Vorstellungskreis von höchst seltsamer Zu­ sammensetzung. Scheiben- oder radförmige Sonnensymbole nehmen häufig einen zen­ tralen oder sonst hervorragenden Platz auf den Felsbilderschiffen ein. Der­ artige Bilder kommen vor allem in einem Teil von Bohuslän, der zwischen dem Gullmarsfjord und Fjällbacka liegt, vor. Helander gibt in seinem Aufsatz (Ord och bild 1906) als Beispiel hierfür das Schiff wieder, das sich auf der großen Brastadzeichnung Abb. 1 (B. 9—10: 1) unten be­ findet. Wahrscheinlich soll man sich die großen, an Stangen befestigten Sonnenräder auf den Sehiffen errichtet denken, aber die ganze Bildgruppe

Abb. 2 a. Kirchspiel Botina, Bohuslän.

Abb. 2 b. Backa, Brastad.

ist allzu verworren, um ganz erklärt werden zu können. Ganz unzwei­ deutig ist dagegen das von einem Felsbild in der Nähe der Kirche von Bottna entnommene Bild eines Schiffes Abb. 2 a1, in dessen Mitte sich eine hohe Stange mit einem Sonnenrad erhebt. Auf der BrastadZeichnung B. 5—6 findet sich ganz unten rechts die in Abb. 3 wieder­ gegebene Gruppe. Hier sieht man ein ringförmiges Sonnenbild an einer auf dem Schiffe errichteten Stange; es ist jedoch nicht an seinem untersten Ende, sondern an der Seitenkante befestigt, wie es auch bei dem einen Rade in Abb. 1 der Fall ist. Sehr interessant ist der Umstand, daß neben dem Sonnenbild auf dem Schiffe Abb. 3 ein Mann mit hochgehobenen Händen steht. Es dürfte kein Zweifel darüber bestehen, daß diese auf den Felsbildem so geläufige Geste den gleichen Sinn hat wie in so vielen anderen 1 Nach Holmberg, Abb. 86, kopiert bei B II, 19: 1. — Weder Baltzer noch Eckhoff (Bohusl. Bidrag II, 8. 171 f.) haben diese Zeichnung wiederfinden können.

a) Felsbilderschiffe mit deutlichen Kultszenen

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Fällen der prähistorischen Kunst, nämlich den, Anbetung auszudrücken1. „Adorantenstellung“ heißt ja der technische Ausdruck dafür. Auf dem

Abb. 4. Kirchspiel Tose, Bohuslän.

Schiffe, das unmittelbar an daB vorige anstößt, steht ein ähnlicher Adorant, der mit der einen Hand ein kleines Boot emporhebt, worüber Weiteres im folgenden (vgl. Abb. 46).

1 Diese Erklärung gab als erster Andr. M. Hansen, Aaraberetn. 1908, S. 24, 45. Über die Figuren mit großen, gespreizten Händen an den emporgehobenen Armen siehe dagegen Kap. 2, Abtl. i.

1. Kapitel: Felabildersohiffe und Kultechiffe

Abb. 5. Lökebergel, Kirchspiel Foss, Bohuslän.

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a) Felsbilderschiffe mit deutlichen Kultszenen

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Sehr aufschlußreich ist das schöne, klar gezeichnete Schiff auf der in Abb. 4 vollständig wiedergegebenen kleinen Zeiohnung aus dem Kirchspiel Tose (B. 17: 2). Auf diesem erhebt sich eine Sonnenscheibe, die wie ein völlig ausgetieftes Rund gezeichnet ist. Zwischen den Bie umgebenden Be­ mannungsstrichen sieht man drei vollständig gezeichnete Männer, von denen zwei Äxte emporheben, während die Waffe des dritten nicht klar erkennbar ist. Über die drei auf den Kopf gestellten Männer oberhalb des Schiffes soll gleich weiter unten beriohtet werden. Ähnliche Sonnenscheiben kommen

auf einigen Schiffsbildern in der Nähe vor. Das kleine Schiff B. 18—21: 4a zeigt in der Mitte eine kleine Scheibe, während das undeutliche und wahr­ scheinlich unvollendete Schiff B. 17: 1 zwei solcher trägt, die eine mit einer, die andere mit zwei Stützen. Auf beiden Seiten von ihnen sieht man weitere zwei Scheiben ähnlicher Art, jedooh ohne direkte Verbindung mit dem Schiff. Ein unvollständiges Schiff auf einer der Brastadzeichnungen (B. 3) trägt auf einer doppelten Stütze ein Sonnenbild, das aus zwei konzentrischen Kreisen besteht (Abb. 2 b). Diese Form des Sonnensymbols läßt uns die eigentümlichen Rondelle verstehen, die mehrere Schiffe auf der be­ kannten großen Zeichnung bei Lökeberg im Kirchspiel Foss (B. 1—2: 1) kennzeichnen, von der Abb. 5 den wichtigsten Teil wiedergibt. Des kleineren Maßstabes wegen sind jedoch die Sonnenbilder hier nicht so deutlich ge­ zeichnet; nur in einem Falle ist der Kreis vollständig geschlossen, in den anderen Fällen geht er direkt in die beiden Abstriche über, bo daß zwischen diesen der Kreis unterbrochen erscheint. Daß hier zumeist zwei solcher Sonnenbilder auf jedem Schiff vorkommen, entspricht der Sachlage auf einem der eben erwähnten Schiffe von Tose wie auoh dem paarweisen Auftreten von Sonnenrädern auf dem Grabe von Kivik (Abb. 116). Zwei ähnliche kleine Sonnenbilder, jedoch mit geschlossenem Kreis und nur einer Stütze, finden sich zu beiden Seiten einer großen männlichen Figur auf einem im übrigen einfachen Schiff einer Zeichnung aus dem Kirch­ spiel Bro (B. 14—15: 1). Ein kreisförmiges Sonnenbild mit unten gegabelter Stütze kommt auf einem Schiff aus dem Kirchspiel Kville (B. II, 17—18: 1) vor. Auf derselben Zeichnung befindet sich ein großes Schiff, dessen Sonnen­ rad an dem inneren, ungewöhnlich kurz geratenen Vordersteven befestigt ist (siehe die Vignette zu diesem Kapitel). Ein ähnliches Rad am Steven hat ein Schiff in Abb. 5, rechts unterhalb der Prozession. Zwei Schiffe auf

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1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultschiffe

der großen Zeichnung von Litsleby in Tanum (Abb. 93) zeigen an jedem Ende zwischen den beiden Steven ein Rad. Auf einem anderen Bilde aus der Nähe von Litsleby (B. 27—29: 5) ist ein Schiff ersichtlich, das dicht

Abb. 6 a, b. Himmelstadlund bei Norrköping.

über den Bemannungsstrichen einen Kreis aufweist. Diese Schiffe von Litsleby sind die einzigen Fahrzeuge mit Sonnenbildern, die ich aus dem an Fehbildern so reichen Tanum kenne. Aus dem Felsbildergebiet von Norrköping hat Norden ein paar ausgesprochene Sonnenradschiffe ab­ gebildet (Abb. 6a, b).

Abb. 7. Kallcby, Kirchspiel Tnnum, Bohuslän.

a) Felsbilderschiffe mit deutlichen Kultszenen

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Wenn man auch in einigen dieser Fälle annehmen könnte, daß die Sonnen­ symbole auf den wirklichen Schiffen, die durch die Felsbilder wiedergegeben werden, nur als eine Art Gallionsbilder oder Merkzeichen dafür, daß man das Schiff unter den Schutz des Sonnengottes stellte, angebracht wurden, so nehmen sie doch in anderen Fällen einen allzu dominierenden und auf­

fallenden Platz ein, um diese Erklärung wahrscheinlich zu machen. Noch deutlicher wird dies in einigen Fällen, wo die Schiffe einen anderen Kultgegenstand tragen, den heiligen Baum. Hier zeigt die ganze Situation an, daß es sich um eine Kultszene handelt. So vor allem bei der bekannten Gruppe Abb. 7, einem Felsbild bei Kalleby in Tanum ent­ nommen (B. 57—58: 3), auf dem das Schiff mit dem sehr klar erkennbaren kleinen Baum von

vier Lurenbläsern umgeben ist. Eine Zeichnung bei Slänge in Tanum zeigt ein Schiff (Abb. 8), auf dessen Heck ein ähnlicher kleiner Baum, Abb. 8. Slänge, Tanum. allerdings in viel kleinerem Maßstabe gezeichnet, steht. Diesem zugewandt sind ein aufrecht stehender Mann und drei andere in hockender Stellung, die Schwerter oder Keulen tragen. Ein weiteres Fels­ bild von Kalleby (Abb. 9 = B. 57—58: 2) hat gleich oberhalb eines schönen Schiffes mit zahlreichen Menschen in halber Figur einen größeren Baum; aus räumlichen Gründen reicht der Baum wohl nicht bis auf das Deck des Schiffes hinab, sondern scheint über einem der Männer zu schweben. Von diesen tragen zwei Äxte, die übrigen Knüttel (oder vielleicht Schwerter ?). Nur ein einziger Mann erscheint unbewaffnet; er umarmt stattdessen eine Frau — dies wäre demnach ein Gegenstück in Halbfigur zu den auf den

Felsbildern bo geläufigen, selbständig vorkommenden Abbildungen von Liebespaaren1. Zu diesen drei interessanten Darstellungen von Schiffen mit Bäumen, die alle aus Tanum herstammen, gesellt sich noch ein Paar aus dem südlicheren

Gebiete, in dem das Sonnenschiff sonst am geläufigsten ist. Das eine Schiff befindet sich auf einer auch in anderer Hinsicht merkwürdigen kleinen 1 Haakon Shetelig lenkte zuerst meine Aufmerksamkeit auf diese Deutung der fragliohen Figuren des Kallebyschiffes. Man sieht deutlich das lange Haar der Frau; man vergleiche die Frauengestalten Abb. 73 und 75. Diese Erklärung der fraglichen Figuren auf dem Kallebyschiffe ist später durch die Entdeckung des Felsbildes von Sandäker, Abb. 37, bekräftigt worden.

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1. Kapitel: Fekbilderschiffe und Kultechiffe

Zeichnung bei Lökeberg (B. 1—2), die größtenteils hier durch Abb. 10 wiedergegeben wird. Das andere (Abb. 11a) ist auf einem nur von Holmberg abgezeichneten Bilde aus Valla im Kirchspiel Toesene zu

Abb. ff. Kalleby, Tanum.

a) Felsbilderschiffe mit deutlichen Kultpzenen

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finden1. Das Schiff hat hier, falls die Zeichnung richtig ist, als Fortsetzung des inneren Vorderstevens eine hohe Stange, die in einem Busch endigt; also beinahe ein „Maibaum“ in seiner ursprünglichen Gestalt: ein Baum­ stamm, der bis auf den Wipfel entästet wurde2.

Abb. 10. Lükebcrget, Foß.

In den meisten der angeführten Fälle beabsichtigte man wohl Tannen

abzubilden; mit Bestimmtheit kann man dies von dem großen freistehenden Baum auf dem Felsbilde von Lökeberg (Abb. 5) sowie von einem ähnlichen auf einem Bilde bei Solberg in Smaalenene (Gustafson, Norges Oldtid, 1 Baltzer, der das Büd nicht wiederfinden konnte, hat Holmbergs Zeichnung reproduziert (II pl. 23). Gustafson, der die Zeichnung im Jahre 1884 einer Prüfung unterzog (Bohusl. Bidrag HI, S. 483), erklärt Holmbergs Zeichnung für ziemlich befriedigend, jedoch sei die rechte Seite des „Zeltes“ (d. h. die Luren) etwas undeutlich. * Vgl. Martin P:n Nilsson, Ärets folkliga fester, S. 26; Die volkstümlichen Feste des Jahres, S. 10; Abbüdungen bei Louise Hagberg, Fataburen 1916, S. 142f. Vgl. auch weiter unten die Beschreibungen der norwegischen Mitt­ sommerfeuer, bei denen eine bis auf den Wipfel entästete Birke und ein Boot verbrannt werden.

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1. Kapitel: Felsbildereohiffe und Kultechiffe

Abb. 204) behaupten. Vielleicht käme z. T. die in Bohuslän noch vor­ kommende Eibe1 in Frage. Zwei Bäume auf ein und demselben Schiffe sind auf demselben Felsbilde von Himmelstadlund in der Nähe von Norrköping Abb. 11b ersichtlich, auf dem auch Abb. 6b zu finden ist (Nord6n, Taf. 4). Das in der Nähe befindliche Felsbild Taf. 6 weist ein weiteres Schiff mit einem Baum auf, dessen Details jedoch schwerer zu bestimmen sind. Im Anschluß an das einen Baum tragende Schiff der Zeichnung Abb. 10 haben kürzlich mehrere Forscher, Hoernes, Schuchhardt, Wilke Abb. lia. Valla, (siehe Literaturverzeichnis), auch diejenigen Kirchspiel Tossene, Bohuslän. rätselhaften Figuren als Bäume gedeutet, die sich auf einigen wohlbekannten dänischen Bronzemessem (Abb. 12a, b) über den dort abgebildeten Schiffen erheben und die früher zuweilen als stilisierte Wiedergaben von Mast und Segel aufgefaßt wurden. Hoernes und

Abb. 11b. Himmelsladlund bei Norrköping.

Schuchhardt wollen freilich auch die Bäume oder Büsche auf diesen Schiffen als eine Art primitiver Segelanordnung erklären. Aber wie Wilke zeigt, ist eine religiöse Deutung vorzuziehen, worüber Weiteres S. 34, 43. Auch die dritte Art der gebräuchlichsten Kultgegenstände der Bronze­ zeit, die großen paarweise gestellten Äxte vom Skogstorp- oder Kiviktyp, erscheinen mehrere Male an hervorragender Stelle auf den Schiffen der Felsbilder, z. B. Abb. 13a2. Sie bilden hier die Fortsetzung je eines Be-

1 Vgl. L. Fr. Läffler, Det evigt grönakande trädet vid Upsala hednatempel (Svenska landsmäl, Heft 114), besonders S. 646, 662 ff. * Einer Felszeichnung bei Sotorp in Tanvun (B. 47—48: 9) entnommen, wo möglicherweise noch ein anderes Schiff ähnliche, jedoch undeutlichere Äxte

a) Felsbilderschiffe mit deutlichen Kultszenen

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mannungsstriches, wodurch wohl angedeutet werden soll, daß sie von zwei Mannern getragen werden. Man vergleiche hiermit die beiden große Äxte

tragenden Männer im Vorderteil eines sonst mit Strichen bemannten Schiffes (Abb. 13 b) auf dem großen Felsbilde von Hvitlycke (vgl. Abb.75) sowie auch die Axtträger auf einem Schiffe des bekannten, von Worsaae und zuletzt von Nordman (Old­ tiden VH) behandelten dänischen Rasiermessers (Abb. 13c). Die Axt­ träger auf dem letztgenannten Schiffe zeigen eine höchst eigentüm­ liche Beinstellung, die wohl, falls man auf Abb. 15 einen vergleichenden Blick wirft, als Tanz gedeutet werden muß. Zwei Axtträger fanden wir auch unter den Männern des Schiffes Abb. 9 und wahrscheinlich ferner Abb. 4.

Die Haken, die sich in Abb. 11a und 13a über den üblichen Be­ mannungsstrichen erheben, erhalten ihre richtige Erklärung durch einen trägt. Weitere etwas variierende Wiedergaben sind B. 30—40: 2 und 61 —62: 12 zu sehen. Eine einzelne Axt erhebt sich zwischen den Bemannungsstrichen in der Mitte des großen Schiffes, das sich vor den Stieren auf dem Felsbild von Aspe­ berg Abb. 73 befindet; sie zeigt indessen einen anderen Typus.

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1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultschiffe

Vergleich mit einer Reihe von Schiffsdarstellungen, auf denen teils deutliche Lurenbläser, teils schematisierte Wiedergaben solcher vor­ kommen; manchmal sind sie paarweise geordnet, so z. B. in Abb. 14a—c, die alle aus Tanum stammen. Ein weiteres gutes Beispiel bietet das außerordentlich lange Schiff des Bildes B. II, pl. 5.

In Abb. 14a sind dieselben hockenden männlichen Gestalten wie in Abb. 8 zu sehen. Diese Stellung findet sich ziemlich oft auf Schiffen von un­ gleich schematisierter DarBtellungsart1. In heftig tanzender Bewegung, die mit großer künstlerischer Bravour veranschaulicht wird, sieht man fünf

Abb. 15. Lycke, Turtum.

Männer auf einem Schiff aus Lycke in Tanum (Abb. 15), nicht weit ent­ fernt von dem Felsbild von Slänge (Abb. 8). Es ist schwer zu sagen, welche Art von Gegenständen die Männer in den Händen halten (man dürfte viel­ leicht an Luren aus Birkenrinde denken). Die sechste Figur, die dem Vorder­ steven am nächsten steht und den übrigen zugewandt ist, scheint eine*II, 1 Z. B. bei B. 37—38: 1 u. 2 (vgl. Tanums hällr., Abb. 192, 193), 51—52: 4, II, pl. 7.

a) Felsbilderschiffe mit deutlichen Kultszenen

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Frau zu sein. Diese Tänzer erinnern stark an einige springende Männer, die auf zwei Felsbildern aus Görlöf im Kirchspiel Skee oberhalb eines Schiffes dargestellt sind (Holmberg, Taf. 3, Abb. 6 und 8; das letztere Bild ist hier in Abb. 16a, vgl. B. II, 10: 11, wiedergegeben). Diesen ähnlich ist das von Lindquist publizierte Bild Abb. 16b aus Sandäker in dem an­ grenzenden Kirchspiel Näsinge. Mit diesen springenden Gestalten lassen sich wohl auch die stark rückwärts gebeugten Männer zusammenbringen, die, über den Schiffen schwebend, auf einigen Felsbildem vorkommen und

möglicherweise Voltigeure darstellen. Sie finden sich auf zwei Felsbildern von Brastad (Abb. 1 und B. 7—8: 2) sowie auf zwei kleineren bei Sotorp in Tanum (B. 47—48: 3 und 4; das erstere, deutlichere ist hier in Abb. 17 wiedergegeben). Diesen nahe verwandt ist Abb. 18, dem Fels­ bild B. 31—32: 1 aus Bro in Tanum entnommen, auf dem ein Mann sich an den beiden Vordersteven eines kleinen Schiffes festhält und von da aus in etwas gebogener Haltung zum Schiffe „hinausliegt“. Möglicherweise ge­ hört auch die schlecht gezeichnete Figur oberhalb des Stevens des größten Schiffes auf dem Fehbild B. 7—8: 1 hierher. Zwischen den Steven zweier Schiffe ist ein ähnlicher nach rückwärts gebeugter Mann auf der Zeichnung von Skebbervall bei Kville (Abb. 82 unten) zu sehen. Vielleicht muß man auch die drei auf den Kopf gestellten Männer über dem Schiff von Tose

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1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultsohiffe

(Abb. 4) zu dieser Gruppe hinzurechnen; es erscheint mir nämlich weniger wahrscheinlich, daß die verschiedenen männlichen Figuren dieser kleinen Bildgruppe von zwei entgegengesetzten Standpunkten aus betrachtet sein sollen, etwas, was in der Tat bei den Felsbildem ziemlich selten vorkommt.

In einigen Fällen finden sich Schiffe, die nur Adoranten tragen. Auf einem Felsbild in dem Kirchspiel Hogdal (B. II, pl. 8) weist ein Schiff drei gleich hohe kleine Adoranten in ganzer Figur auf, desgleichen zeigen zwei andere Schiffe eine gleiche Figur. Aus Finntorp in Tanum stammt das Schiff Abb. 19a mit zwei Adoranten in halber Figur. Etwas stärker schematisiert Bind die Adoranten zweier Schiffe auf einem Felsbild von Bro im gleichen Kirchspiel (Abb. 19b). Unter diesen beiden Schiffen Abb. 17. Solorp, Tanum. befinden sich größere freistehende Ado­ ranten; es sieht beinahe so aus, als ob sie die Schiffe tragen sollten (vgl. Abb. 28), doch ist dies wohl kaum beabsichtigt, da z. T. zwischen den Händen und den Schiffen deutliche Zwischenräume sichtbar werden. Schließlich ist noch das Schiff Abb. 95 auf dem Felsbild von Greby (B. 39—40: 2) bemerkenswert, auf dem zwischen zwei kleineren Adoranten

a) Felsbilderachiffe mit deutlichen Kultszenen

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eine doppelt bo hohe ähnliche Gestalt mit sehr großen Händen steht. In­ wieweit diesem Unterschied in der Größe besondere Bedeutung beizumessen ist, soll später (Kap. 2 i) diskutiert werden. Iö der Gegend von Norrköping befindet sich auf dem Fels­ bild von Ekenberg, Norden, Taf. 38, ein Schiff mit Abb. 18. Bro, Tanum. zwei Adoranten, die mit weit auseinandergespreizten Beinen dastehen. Es ist vielleicht angebracht, hier mit der Untersuchung der Detailfiguren auf den Schiffen der Felsbilder abzubrechen. Was wir bisher auf diesen Schiffen beobachtet haben, bildet nämlich die beste Basis für die Erörterung ihrer Bedeutung; weitere, ©®

Abb. 19 a. Finntorp, Tanum.

besser verständlich sein, wenn die bisher behandelten ihre Erklärung gefunden haben. Wir sahen: Sonnen­ bilder, (heilige) Bäume, (Kult-)Äxte, waffentragende Männer, Adoranten, Lurenbläser, Männer in hockenden, tanzenden, springenden und volti­

Abb. 19 b. Bro, Tanum.

gierenden Stellungen, in einem Falle einen Mann, der eine Frau, umarmt, in einem anderen (wahrscheinlich) eine Frau vor einigen tanzenden Männern. Es gibt nur einen Totalbegriff, unter den man alle diese bunt zusammen­ gewürfelten Elemente bringen kann: den heidnischen Kultus. Aus diesem Grunde finden wir im wirklichen Leben nur auf kultischem Gebiete Schiffe mit derselben eigenartigen Ausstattung und Bemannung, nämlich bei den rituellen Festzügen und deren Nachfolgern, den Karnevalszügen. Almgren, Nördlich« Febzeichnungen ah religiöse Urkunden.

2

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1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultechiffe

b)Karnevalsschiffe und Götterboote Im folgenden habe ich versucht, alle wichtigeren Beiträge, die ich zur Ge­ schichte des Kultschiffes durch die Jahrtausende hindurch auffinden konnte, zusammenzustellen, eine Frage, die wohl noch nicht in ihrem ganzen Zusammenhang behandelt worden ist. Den ersten Anstoß zu dieser Unter­ suchung erhielt ich durch einige Notizen und Literaturangaben in Martin P:n Nilssons instruktiver Arbeit „Arets folkliga fester“ (S. 284f., 328; vgl. auch: Die volkstümlichen Feste des Jahres, S. 66ff.). Jedoch wurde die Frage bereits viel früher innerhalb der schwedischen Literatur von N. E. Hammarstedt in seiner tiefschürfenden Untersuchung über Lussi auf­ geworfen, worin er auf den Zusammenhang mit dem Orient ausdrücklich hinwies. Weitere Anleitung gaben mir die Arbeiten von Mannhardt, Hahn, Giemen, Frickenhaus, und für den wichtigsten Teil, Ägypten, hatte ich mich auf Professor W. Brede Kristensens Schriften und Upsala-Vor­

lesungen (1922) sowie des Amanuensis Per Lugn sachverständige Führung zu verlassen. Meine Darstellung kann allerdings nur skizzenhafter Natur

bleiben, da mir die notwendigen Voraussetzungen zu einer eingehenderen religionshistorischen Untersuchung fehlen; ich hoffe, meine Andeutungen vermögen es, dieReligionshistoriker vom Fach zu einer näheren Erforschung des Problems anzuregen. In einer wertvollen Untersuchung über den Ursprung des Karnevals* 1

weist Giemen nach, daß in diese bekannten Fastnachtszüge verschiedene jener alten Fruchtbarkeitsriten eingehen, die von Mannhardt (Wald- und Feldkulte) und Frazer (The golden bough) ausführlich erforscht worden sind. So z. B. das Verbrennen einer Strohpuppe, die den alternden und kraft­ losen Wachstumsdämon versinnbildlicht, die Kämpfe zwischen den Re­ präsentanten des Winters und des Sommers, das Auspeitschen mit Ruten zu dem Zweck, durch die vegetative Zeugungskraft die menschliche zu Btärken, sowie alle die Hochzeitsriten, die umgekehrt mit Hilfe der

menschlichen Zeugungskraft die Vegetation fördern sollten. Giemen zieht aus all diesen Gebräuchen die Schlußfolgerung, daß die Karnevalsfeste ihren Ursprung in uralten rituellen Festen zur Förderung der Fruchtbar­ keit haben8. 1 Archiv für Religionswissenschaft 1914. 1 Über Rademachers z. T. abweichende Auffassung siehe Kap. 5, S. 282.

b) Karnevalschiffe und Götterboote

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Zu den konstituierenden Elementen dieser Feste zählt Clemen auch die bei den heutigen Fastnachtszügen allgemein üblichen schiffsförmigen Wagen. Man hat sogar das Wort Karneval von „carrus navalis“ = Schiffswagen ableiten wollen. Aber Clemen und ebenso Nilsson halten diese Ableitung für wenig wahrscheinlich. Heutzutage sind derartige Karnevalsschiffc vor allem aus dem südlichen und westlichen Deutschland sowie aus Belgien und

Abb. 20 a. Schif/sivagen der Stadt Paris mit La reine des reines.

Frankreich bekannt1. So zeigt uns Abb. 20a (nach Le monde illustre, 12. März 1921) „le vaisseau de la ville de Paris“, in dem „la reine des reines“ mit ihrem Gefolge im Fastnachtszug am Mittfastensonntag herum­ geführt wird. In ganz Flandern und manchen Gegenden Frankreichs kommen zu Fastnacht (oder auf den davon sich ableitenden Jahrmärkten) Bolche auf Räder oder Kufen gesetzte Schiffe vor. Angefüllt mit Musikanten und maskierten KamevalBfiguren werden sie von Pferden in Prozession herumgezogen und neben ihnen werden andere groteske Gestalten, wie 1 In England scheinen diese Gebräuche weniger üblich zu sein; sioho Withington, English Pageantry (Cambridge 1918—1920), Index unter dem Wort „ship“. 2*

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1. Kapitel: Felsbildersuhiffe und Kultschiffe

riesenhafte Menschen, Drachen und Glücksräder, herumgeführt (Mannhardt I, S. 594). Mit den letzteren ist deutlich die aus dem Mittelalter bekannte allegorische Darstellung des Rades der unbeständigen Fortuna gemeint1. Der französische Forscher Gaidoz gibt in seinen inhaltsreichen Abhand­ lungen über den radtragenden keltischen Sonnengott (Rev. arch. 1884, 2, 8.33 f.) eine ziemlich ausführliche Beschreibung einer derartigen Pro­ zession in der nordfranzösischen Stadt Douai aus dem Jahre 1770 wieder.

Der Aufzug wurde im selben Jahre durch den Bisohof von Arras verboten; aber als man ein älteres Privilegium dafür nachweisen konnte, kam er mit dem Jahre 1801 wieder in Brauoh. Der Umzug wurde damals in den Anfang des Juli verlegt, während er vor 1770 an dem dritten Sonntag im Juni stattfand — ein wichtiges Faktum, auf das ioh später zurückkommen werde. In dem bischöflichen Schreiben wird erwähnt, daß in der Prozession, an der sowohl die geistlichen als auch die weltlichen Kor­ porationen teilnahmen, eine Menge kirchlicher Reliquien mitgeführt worden seien. Der Schluß des Zuges war indessen von ganz anderer Art. Er bestand aus Spaßmachern, die Asche und Zucker auf die Zuschauer warfen. Außer­ dem führte man dort ein großes Rad, „roue de fortune" genannt, mit, auf dem verschiedene Personen dargestellt waren, darunter eine, die, der Tracht nach zu urteilen, einen Mann der Kirche repräsentierte. Darauf folgten ferner eine riesenhafte Figur, „le grand Gayant“ (= géant) sowie einige ähnliche, die „les enfants du Gayant" hießen. Der Zug endigte zuweilen mit einem Schiffswagen („une espèce de machine en forme de vaisseau"), der mit verkleideten und lustig gestikulierenden Personen besetzt war. Sowohl Mn.nnha.rdt, als auch Gaidoz nehmen an, daß das Glücksrad im

Laufe des Mittelalters in diese Umzüge hineingekommen ist als Ersatz für das uralte einfache Sonnensymbol, das Sonnenrad, das sich in verschiedenen anderen Festbräuchen erhalten hat2. Wenn diese Vermutung richtig ist, so hätten wir also in diesen Festzügen ursprünglich die gleiche Kombination 1 Vgl. den Artikel „Lyckohjul“ von C. R. af Ugglas im Nordisk Familjebok sowie H. Hildebrand in Vitterhetsakademiens M&nadsblad 1879, S. 3f. (mit der Abbildung einer Wandmalerei in der Kirche von Härkeberga). ■ Auch ein solches einfaches, mit Stroh umwickeltes Rad, zum Verbrennen bestimmt, wird in einer französischen Urkunde des Jahres 1566 „roue de for­ tune“ genannt (Gaidoz a. a. O. S. 26). Über Glücksräder, die in bretonischen Kirchen unter den Bogen aufgehängt und als eine Art Orakel gebraucht wurden, siehe G., S. 142 ff.

b) Kamevahchiffe und Götterboote

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von Sonnenrad und Schiff gehabt wie auf so vielen unserer nordischen Fels­ bilder (z. B. Abb. 9), eine Übereinstimmung, an die die beiden Forscher sioher nicht gedacht haben, die indessen sehr dazu geeignet erscheint, ihre Mutmaßung zu stützen. Ob die Glücksräder der Karnevalszüge vielleicht zuweilen auf den Schiffswagen selbst plaziert waren, weiß ich nicht. Falls dies der Fall war, so hätten wir eine direkte Analogie auch zu solchen Felsbildern wie Abb. 2ff., oder mit anderen Worten, zum Sonnenboot Belbst. Da wir später finden werden, daß auch die Riesen und Drachen der Karnevalszüge ihre Gegenstücke auf unseren Felsbildern haben (die Drachen in Gestalt von Schlangen), bald selbständig vorkommend, bald auf Schiffen untergebracht, so ist es keineswegs unwahrscheinlich, daß auch die Riesen, Drachen und Räder des Festzuges ursprünglich nicht nur selb­ ständig auftraten, sondern ebenfalls auf Schiffen auf­ gestellt waren. Daß Schiffswagen mit Sonnenrädem einst in Frank­ reich üblioh waren, scheint mir durch einen kleinen, sicherlich als Amulett getragenen Anhänger aus Bronze bestätigt zu werden (Abb. 20 b), der in der Nähe von Gannat in Mittelfrankreich gefunden wurde und von D&helette (Manuel II, 1, S. 442) dem Ende der Bronzezeit zugeschrieben wird. Der Anhänger stellt ein Rad vor, das mit drei Stützen auf einem kleinen Boot befestigt ist, dessen Steven in Vogelköpfen auslaufen — auch hier finden wir also eine Analogie zu den eben genannten Felsbildem vor. Unterhalb des Bootes sieht man indessen hier drei kleine Ringe. Freilich gleichen diese der oben befindlichen Öse und den beiden Ringen, die dazu symmetrisch die Arme des Kreuzes auf beiden Seiten abschließen; aber durch ihre Lage erwecken doch diese drei unteren Ringe den Gedanken an Räder, die unter ein Kultboot gesetzt sind. Bei einigen stärker entarteten Exemplaren solcher Amulette, die ebenfalls bei Dächelette abgebildet sind, erscheint die Anzahl der Ringe unter dem Boot auf vier oder sechs vermehrt. Das Vorkommen von Schiffen oder Booten in neuzeitlichen Festzügen bestätigt uns ferner Mannhardt (I, S. 555,594) teils für Oldenburg, wo man zu Pfingsten kleine Boote auf einen Wagen zu setzen und damit in den Straßen herumzufahren pflegte, teils für die süddeutschen Donauländer.

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1. Kapitel: Feiebilderschiffe und Kulteohiffe

Hier ist es üblich, zur Fastnachtszeit Boote auf Bollen herumzuziehen; in die Masten hängt man Eßwaren, und .im Mastkorb unterhält man ein Feuer. In Ulm setzt man zur gleichen Zeit, falls nooh Schnee liegt, ein Schiff auf Kufen und fährt darin durch die Straßen, unter Musik und fröh­ lichem Lärmen. Für diese Stadt ist die Sitte schon seit dem Jahre 1630 bezeugt, allerdings damals für eine andere Jahreszeit. In eben diesem Jahre nämlich wurde ein Verbot erlassen, sich während der Adventszeit zu ver­ kleiden und mit Pflug und Schiff herumzuziehen. Die hier auftretende Kombination mit dem rituellen Pflügen ist sehr beachtenswert, da auch sie ihre Entsprechung auf unseren Felsbildern findet (siehe Kap. 2). Dieselbe Verbindung von Schiff und Pflug findet sich auch in einigen deutschen Sagen, die von Hahn (Demeter und Baubo, S. 40, 44) angeführt werden. In einer bestimmten Gegend sagt man, daß die mythische Frau Holle auf einem Schiffe herumfährt, in dem ein Wagen mit einem Pflug sich befindet. In der Gegend von Judenburg in Steiermark glaubt man, daß die Göttin der wilden Jagd in einem Schlitten einherfährt, der die Form eines Schiffes hat, woran vorn eine Pflugschar befestigt ist. Es ist wohl offensichtlich, daß die Sagen diese Vorstellungen aus den Festzügen entlehnt haben, wie auch so viele griechische Mythen sich als aus Kult­ gebräuchen entstanden erwiesen haben.

Wir besitzen aus dem Ende des 16. Jahrhunderts ein literarisches Zeugnis für die Karnevalsschiffe: das satirische Lehrgedioht des Straßburgers Sebastian Brant, „Das Narrenschiff“ (1. Aufl. 1494), das, wie man an­ nimmt, seine Anregung dem hier zur Diskussion stehenden Brauche ver­ dankt. In 113 „Schiffslasten“ oder Kapiteln werden hier verschiedene Arten menschlicher Narren vorgeführt, deren Torheiten gebührend ge­ geißelt werden. Die beigefügten Holzschnitte zeigen freilich keine Schiffs­ wagen, sondern wirkliche Schiffe, aber an vielen Stellen heißt es, daß die Narren auf Wagen kommen. Ein Kapitel handelt vom Glücksrad. Als im Jahre 1236 Prinzessin Isabella von England nach Köln kam, um mit Kaiser Friedrich II. Hochzeit zu feiern, kamen ihr eine ganze Beihe Schiffswagen entgegen, die von verdeckten Pferden gezogen wurden und mit musizierenden Priestern besetzt waren1. Zu dieser Zeit hatte also auch * Burckhardt, Die Kultur der Renaissance in Italien, 11. Aufl. 1913, II, S. 143.

b) Karnevalechiffe und Götterboote

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die Kirche sich dieser alten Sitte bemächtigt; wie ganz anders hatte sie doch ein Jahrhundert früher darüber geurteilt! Aus dem Jahre 1133 besitzen wir nämlich eine zuerst von Grimm vor­

gelegte, sehr ausführliche und bemerkenswerte Erzählung über das Herum­ führen eines solchen Sohiffswagens. Der Vorgang ist der ernsten Folgen wegen, die er mit sich führte, von einem Augenzeugen ausführlich in einer belgischen Klosterchronik, Gesta abbatum Trudonensium1 (der Ort heißt heute Saint Trond) geschildert worden. Der Verfasser beginnt (in Buoh XII, Kap. 10) seinen Bericht über die Ereignisse des Jahres 1133 mit einer genauen Beschreibung der Umbau­ arbeiten, die der kraftvolle Abt Rudolf damals im Kloster ausführen ließ. Diese Arbeiten wurden jedoch durch unglückliche Ereignisse gestört, deren

Verlauf im folgenden geschildert wird. Est genus hominum mercennariorum, quorum officium est ex lino et lana texere telas, hoc prooax et superbum super alios mercennarios vulgo reputatur. Ad quorum prooaoitatem et superbiam humiliandam et propriam iniuriam de eis ulciscendam pauper quídam rusticus ex villa nomine Inda (a. 1133.) hanc diabolicam excogitavit tegnam. Accepta a iudicibus fiducia et a levibus hominibus auxilio, qui gaudent iocis et novitatibus, in próxima silva navim composuit, et eam rotis suppoaitis affigens vehibilem super terram effecit. Obtinuit quoque a potestatibus, ut iniectis funibus textorum humeris de Inda Aquisgrani traheretur. Aquis suscepta cum grandi hominum utriusque sexuB processione, nichilominus a textoribus Traiectum est pervecta, ibi emendata et malo veloque insignita, Tungris est inducía, de

Tungris Los. Audiens abbas Rodulfus navim illam infausto compaotam omine, maloque solutam alite cum huiusmodi gentilitatis Studio nostro oppido adventare, presago spiritu hominibus predicabat, ut eius susceptione abstinerent, quia maligni spiritus sub hao ludificatione in ea traherentur, in proximoque seditio per eam moveretur, unde cedes, incendia rapinaeque

fierent, et humanus sanguis multus funderetur. Quem ista declamantem ómnibus diebus, quibus malignorum spirituum illud simulachrum Los

morabatur, oppidani nostri audire noluerunt, sed eo Studio et gaudio excipientes, quo perituri Troiani fatalem equum in medio fori sui dedicaverunt. Statim proscriptionis sententiam accipiunt villae textores, qui ad 1 Hrsg, in Monumenta Germaniae histórica, Scriptores X (1852). Die Er­ zählung findat sich hier S. 309ff.

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1. Kapitel: Felsbildersohiffe und Kultsohiffe

profanas huios simulachri excubias venirent tardiores. Papé! Quia hominum vidit unquam tantam — ut ita liceat latinizare — in rationabilibus animalibus brutuitatem ? quis tantam in renatis in Christo gentilitatem ? Cogebant sententia proscriptionis textores noote et die navem atipare omni armaturae genere, sollicitasque ei excubias noote et die continuare. Mirumque fuit, quod non cogebant eos ante navim Neptuno hostias immolare, de cuius naves esse soient regione; sed Neptunus ess Marti reservabat, cui de humanis carnibus fieri volebat. Quod postea multipliciter factum est. Textores interim occulte sed precordiali gemitu Deum iustum iudioem super eos vindicem invocabant, qui ad hano ignominiam eos detrudebant, oum iuxta rectam vitam antiquorum christianorum et apoetolicorum virorum manuum suarum laboribus viverent, nocte ac die operantes, unde alerentur et vestirentur liberisque suis id ipsum providerent. Querebant etiam et conquerebantur ad invicem lacrimabiliter, unde illis magis quam

aliis mercennariis haeo ignominia et vis contumeliosa, oum inter Christianos plura alia essent officia suo multum aspernabiliora, cum tamen nullum ducerent aspemabile, de quo christianus posset se sine pecoato conducere, illudque solum easet vitabile et ignobile quod immundiciam peccati contraheret animae, meliorque ait rusticus textor et pauper, quam exactor orphanorum et spoliator viduarum urbanus et nobilis iudex. Cumque haeo et horum similia secum, ut dixi, lacrimabiliter conquererentur, concrepabant ante illud, nescio cuius potius dicam, Bacchi an Veneris, Neptuni sive Martis, sed ut verius dicam, ante omnium malignorum spirituum execrabile domioilium genera diversorum musicorum, turpia cántica et religioni ohristianae indigna concinentium. Sanccitum quoque erat a iudioibus, ut prêter textores quicunque usque ad tactum navi appropinquarent, pignus

de eolio eorum ereptum textoribus relinquerent, nisi se ad libitum redimerent. Sed quid faciam ? Loquarne an sileam ? Utinam spiritus mendacii stillaret de labiis meis! Sub fugitiva adhuo luce diei, imminente iam luna, matronarum catervas, abiecto femíneo pudore, audientes strepitum huius vanitatis, passis capillis de stratis suis exiliebant, aliae seminudae, aliae simplici tantum clámide circumdatae, chorosque ducentibus circa navim impudenter irrumpendo se ammiscebant. Videres ibi aliquando mille hominum animas sexus utriusque prodigiosum et infaustum celeuma usque ad noctis medium celebrare. Quando vero exeorabilis illa chorea rumpebatur, emisso ingenti clamore vocum inconditarum sexus uterque hac illacque

b) Karnevalschiffe und Gôtterboote

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bachando ferebatur. Quae tuno illio agebantur, illorum ait dicere, quibus libuit videre et agere, nostrum est tacere et deflere quibus modo contingit graviter luere. Istis tam nefandis faotis plus quam duodecim diebus supradicto ritu celebratis conferebant simul oppidani quid agerent amodo de deduoenda a se navi. Qui sanioris erant consilii, et qui earn susceptam fuisse dolebant, timentes deum pro his quae faota videront et audierant, et sibi pro his futura conjioiebant, hortabantur ut comburatur (combureretur) aut isto vel illo modo de medio tolleretur; sed stulta quorundam coecitas huio salubri consilio cantumeliose renitebatur. Nam maligni spiritus, qui in ilia ferebantur,

disséminaverant in populo, quod locus ille et inhabitantes probroso nomine amplius notarentur, apud quos remanmaM inveniretur. Deducendam igitur earn ad villam, quae juxta nos est, Leugues decreverunt. Interea Lovaniensis dominus audiens de daemonioso navis illius ridiculo, instructusque a religioeis viris terrae suae de illo vitando et terrae suae arcendo monstro, gratiam suam et amidtiam mandat oppidanis nostris, commonefaciens eos humiliter, ut pacem illam quae inter illos et se erat reformata et sacramentis oonfirmata non infringerent, et inde praecipue illud diaboli ludibrium vidniae suae inferrent; quod si ludum esse dicerent, quaererent alium cum quo inde luderent. Quod si ultra hoc mandatum committerent, pacem praedictam in eum infringerent et ipse vindictam in eos ferro et igné exsequeretur. Id ipsum mandaverat Duraohiensibus dominis, qui et homines ejus fuerant manuatim, et interpositis sacramentis, et obsidibus datis sibi oonfoederati. Hoc cum jam tertio feciaset, spretus est tam ab oppidanis nostris quam Duraohiensibus dominis. Nam propter peccata inhabitantium volebat dominus mittere super locum nostrum ignem et arma Lovaniensium. Ad hanc igitur plebeiam fatuitatem adjunxit se dominus Gislebertus (advocatus abbatiae S. Trudonis) contra generis sui nobilitatem, trahendamque decrevit navem illam terream usque Longues ultra Durachiensem villam, quod et fecit malo nostro omine cum omni oppidanorum nostrorum multi * duni et ingenti debacchantium vociferatione. Leuguenses, oppidanis nostris prudentiores et Lovaniensis domini mandatis obsequentes portas suas clauserunt et infausti ominis monstrum intrare non permiserunt. Lovaniensis autem dominus precum suarum et mandatorum con-

temptum nolens esse inultum, diem constituit comitibus tanquam suis

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1. Kapitel: Felsbildereohiffe und Kultsohiffe

hominibus, qui neque ad primum, neque ad aecundum, sed nee ad tertium venire voluenmt. Eduxit ergo contra eos et oontra nos multorum multitudinis exercitum armatorum tarn peditum quam militum. Nostro igitur oppido seposito, tanquam firmius munito et bellicosorum hominum pleno, primum impetum in Durachiensea fecit, quibus viriliter reaiatentibua castellum nescio quare cum posset non obsedit, aed inter Leugues et Duraohium pemoctavit. Cumque aequenti die exercitum applioare diaponeret et ex quatuor partibus aasultum faceret, habebat enim ingentem multitudinem, supervenit Adelbero Metensium primicerius filiorum Lovanienaia domini avunculus, cujus interventu, quia comitissa Durachienais erat aoror ejus, et Durachiense erat caatellum aanoti Lamberti, Lovaniensis dominus ab impugnatione cesaavit et ab obsidione se amovit, promiaao ei quod Durachienses paulo post ei ad justitiam auam educerentur. Et cum ista et alia de dominis et inter dominos tractarentur, peditea et militea per omnia nostra oircumjacentia se diffuderunt, villas nostraa, ecclesiaa, molendina et quaecunque occurrebant oombuationi et perditioni tradentes, recedentes vero quae longe a nobia fuerant prout cuique adjacebant inter ae diviaerunt. Zu dieser Erzählung bemerkt Clemen mit Recht, daß, da nur die Weber das Schiff berühren durften, dieses als heilig angesehen worden sein muß, und daß die Weber wohl als eine Art Priester bei demselben Dienst taten. Die scharfe Ablehnung seitens der christlichen Priesterschaft beweist, daß es sich um eine alte heidnische Sitte handelte, und der Umstand, daß ein Bauer das Schiff baute, deutet nach Clemen an, daß diese Sitte rein volks­ tümlicher Art und nicht eine Entlehnung aus dem römischen Brauche, alljährlich der Isis ein Schiff zu weihen, gewesen sein muß. Mannhardt gibt für das Auftreten der Weber die ziemlioh einleuchtende Erklärung, daß diese als eine der bedeutendsten Handwerkszünfte der Gegend einst sich der Ausführung des uralten Kultfeatzugea angenommen hatten, in einer ähn­ lichen Weise, in der gewisse Zünfte am Ende des Mittelalters dies mit dem Umzug des Maigrafen taten, daß sie aber später des beschwerlichen Herum­ ziehens müde wurden, so daß die Sitte einige Zeit außer Brauch kam. Später­ hin hätten jedoch die Behörden auf Wunsch des Volkes die Weber ge­ zwungen, den alten, der allgemeinen Belustigung dienenden Brauch wieder aufzunehmen. Man könnte sich indessen auch denken, daß dieser Brauch alljährlich in dem Aachener Gebiete ausgeübt wurde, jedoch nur in dem

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betreffenden Jahre sich bis auf Saint Trond erstreckte und deshalb in dieser Gegend als ein neuer und aus der Luft gegriffener Einfall angesehen wurde. Clemeu bringt, wie schon Grimm und Mannhardt, dieses Herumführen eines heiligen Schiffes mit zwei durch Tacitus * Germania bekannten alt­ germanischen Kultgebräuchen in Verbindung, nämlich mit dem Herum­ fahren des Nerthusbildes auf einem Wagen von Ort zu Ort, sowie mit dem bei einem Teile der Sueben vor­ kommenden Kult einer Göttin, deren „signum“ die Gestalt eines Bootes hatte. Tacitus nennt diese Göttin Isis und hält das Boot für ein Anzeichen dafür, daß ihr Kult von auswärts eingeführt wurde. Das Boot ist aber ein uraltes Isisattribut. Sonderbarerweise hat man auf der Insel Walcheren im Rheindelta mehr als zwanzig lateinische Votivtafeln gefunden, die, in vielen Fällen offensichtlich von Kaufleuten, einer, wie man allgemein an­ nimmt, germanischen Göttin Nehalennia geweiht waren, die auf einigen der Tafeln, z. B. Abb. 21a, in einer Stellung ab­ Abb. 21 a. Die Güttin Nehalennia gebildet ist, in der sie gerade einen Fuß auf einem römischen Volivslein von auf ein Boot setzt (Näheres bei Helm I, der Insel Walcheren, Holland. S. 383ff.). Nicht nur dieses Attribut, sondern auch andere, wie Fruchtkorb, Füllhorn und Hund, hat sie mit Isis gemeinsam, deren Verehrung sich einst bis zu den römischen Rhein­ provinzen verbreitet hatte1. Von hier aus ist deshalb ein Einfluß auf die germanische Göttin annehmbar; aber deshalb ist nicht gesagt, daß Gott­ heiten mit Booten nicht lange vorher schon im Norden vorgekommen seien.

Der innerhalb der Grenzen des römischen Reiches zur Kaiserzeit gepflegte Isiskult ist uns dank einer ausführlichen Schilderung im elften Buche des von Apulejus im 2. Jahrhundert nach Christus verfaßten Romans „Meta­ morphosen“ bekannt. Hier wird ein in einer der Hafenstädte von Korinth 1 Bonner Jahrbücher 9, S. lOOff. (Lersoh) und 76, S. 33ff. (Schaaffhausen).

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1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultschiffo

gefeiertes Isis fest1 beschrieben, bei dem ein reich geschmücktes Schiff eingeweiht wurde, das man dann später auf das Meer hinausließ. Es trug eine Inschrift, die Glückwünsche für die Seefahrt unter der neuen Segelperiode enthielt. In Rom wurde ein entsprechendes Fest als Isidis navigium all­ jährlich am 5. März gefeiert, aber über dessen nähere Einzelheiten weiß

man nichts (Wissowa, S. 296; Lersch, S. 111). Möglicherweise bezieht sich jedoch eine in Roms Hafenstadt Ostia aufgefundene Wandmalerei, wozu mir mein Kollege Häkan Sjögren freundlicherweise Aufschlüsse und die

Abb. 21b. Wandmalerei aus Roms Hafenstadt Ostia.

in Abb. 21b wiedergegebene Photographie gab, auf dieses oder ein ähn­

liches Fest. Hier sieht man Kinder, die (im Ernst oder Spiel 1) mit einem auf einem Karren aufgestellten kleinen Boot eine Prozession anordnen2. — Zur Beschützerin der Seefahrt ist nach Lersch (S. 108) Isis jedoch erst geworden, nachdem Ägypten in Alexandria eine große Hafenstadt er­ halten hatte. Eigentlich war ja Isis eine Fruchtbarkeitsgöttin; Herodot stellt sie mit Demeter zusammen. Auch den deutsch-flandrischen Brauch, ein Boot oder ein Schiff im Festzug über Land zu führen, möchte Mannhardt (I, S. 559, 593) damit 1 Die Geschichte wird ausführlich wiedergegeben bei Erman, Die ägyptische Religion, S. 271 ff. a Nach Folk-Lore 12, S. 307ff. foiort man in Frejus in Südfrankroich gewöhn­ lich am dritten Sonntag nach Ostern ein Fest, bei dem ein kleines Boot aus einer Kapello horausgeholt, auf Räder gesetzt und in einer Prozession mitgeführt wird, begleitet von Knaben, die auf Steckenpferden reiten.

b) Karnevalschiffe und Götterboote

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erklären, daß man hierdurch Segen für die Schiffahrt des Jahres erwirken wollte. Er glaubt sogar, daß diese Prozessionen ursprünglich damit endigten, daß die Schiffe ins Wasser gesetzt wurden, was jedoch nirgends bezeugt wird, und er vermutet, daß auch der Zug des Jahres 1133 schließlich an der Scheldemündung, am offenen Meere, sein Ende finden sollte. In diesem speziellen Falle kann man sich jedoch schlecht vorstellen, daß man die Schiffahrt durch das meilenweite Herumschleppen eines Schiffes auf Rädern über Land segensreich beeinflussen wollte. Und ganz unmöglich kann man diese Erklärung für das Vorkommen des Schiffes in der Prozession

Abb. 22 a. Dionysos’ Schif/swagen nach einem griechischen Vasenbild.

von Douai zulassen, die am dritten Sonntag im Juni stattfand, zu einer Jahreszeit, da die Schiffahrt längst im Gange ist. Hier kann es sich nur, wie Gaidoz hervorhebt, um ein ursprüngliches Sonnenstillstandfest handeln. Die in dieser und anderen flandrischen Prozessionen auftretenden riesen­ haften, aus Weidenruten geflochtenen Menschengestalten muß man allen Analogien nach offenbar als Fruchtbarkeitsgötter auffassen. Weit nähere Analogien zu diesen Prozessionen, als die in See ge­ setzten Isisschiffe der Kaiserzeit, bieten, wie Clemen nachweißt, die in Griechenland bereits seit dem Anfang der klassischen Zeit bekannten Fest­ züge, bei denen der Fruchtbarkeitsgott Dionysos auf einem schiffBförmigen Wagen umhergeführt wurde. Dieser Vorgang ist ausführlich von FrickenhauB behandelt worden. Bei einem der großen öffentlichen DionysoBfeste in Athen, man woiß nicht genau, bei welchem, war es üblich, das Bild des Gottes auf einem mit Rädern versehenen Schiff herumzufahren, auf dem es, von Weinreben umschattet und von Flötenbläsem umgeben, saß. Dieser

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1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultschiffe

Festzug ist auf mehreren Vasen im späten schwarzfigurigen Stil der Zeit um 600 v. Chr. abgebildet. Eine dieser Malereien wird hier in Abb. 22a wiedergegeben. Auf diesem Bilde wird der Schiffswagen von ein paar als Satyrn auftretenden Männern gezogen; aber auf ein paar anderen, zweifel­ los aus derselben Werkstatt hervorgegangenen Vasen mit ähnlichen Dar­ stellungen sind die den Wagen ziehenden Männer weggelassen, offenbar aus Mangel an Baum oder aus Bequemlichkeitsgründen. Ähnliche Fest­

züge, bei denen Dionysos in einem Schiffe mitgeführt wurde, fanden in Smyrna und Massilia statt. Dionysos war ein ausgesprochener Fruchtbarkeitsgott; es wurde deshalb sowohl im Altertum als auch heute den Forschern schwer, daraus klug zu

werden, was er mit .dem Schiff zu tun hatte. Die Athener dichteten eine erklärende („ätiologische“) Mythe darüber, wie Dionysos von tyrrhenischen

Seeräubern gefangen wurde; sie bildet den Inhalt eines der sogenannten homerischen Hymnen, und ihre Ereignisse werden auf etlichen mit den vorhin

genannten gleichzeitigen Vasenbildern wiedergegeben. Dem Hymnus nach bewies der gefangene Dionysos seine göttliche Macht dadurch, daß Weinreben auf dem Schiffe aufschossen und es überschatteten, Efeu sich um den Mast rankte, daß ein Löwe und ein Bär auftauchten, so daß die Seeräuber er­ schrocken ins Meer sprangen und in Delphine verwandelt wurden. Nur der Steuermann blieb zurück, und ihm gab Dionysos zu erkennen, wer er war. Man nimmt nun an, daß der Festzug, bei dem das DionyBOsbild unter der Weinrebe im Schiffe saß, vermutlich mitsamt dem Priester, der den Steuer­ mann darstellte, den Anlaß zu dem Kern dieser Mythe gab, die dann später mit weiteren aus der Phantasie geschöpften Einzelheiten poetisch ausgeschmückt wurde. Jedoch ist es, wie O. Crusius (Philologus 48, 1889, S. 208ff.) vermutet, möglich, daß auch die Episode von dem Sprung der Seeräuber ins Meer wirklich zum Feste gehörende Taucherspiele wider­ spiegelt, da solche von einem DionyBosfest in der Stadt Hermione bezeugt

sind, wo man nach Pausanias zu Ehren des Gottes ein „Wettspiel mit Tauchern und Sohiffen“ anstellte1. 1 Vgl. S. Wide, De sacris Troezeniorum, Hermionensium, Epidauriorum (Upsaliae 1888) S. 44. — Vielleicht sind sogar Löwe und Bär in der Dionysosmythe kultischer Herkunft. In einem Fastnachtszug in Zürich wurden früher im Gefolge eines Brautpaares ein als Bär verkleideter Mann und das Bild eines Löwen herumgeführt. (Mannhardt I, 8. 433; vgl. S. 136 unten.)

b) Kamevalschiffe und Götterboote

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Neuere Forscher, vor allem Nilsson1, haben auf das Auftreten des Dionysos im Schiffswagen die Bestimmung des Isisschiffes, die Schiffahrt des Jahres einzuweihen, übertragen wollen. Der Fruchtbarkeitsgott sei in das Schiff gesetzt worden als Zeichen dafür, daß die Schiffahrt in dem be­ treffenden Jahr mit dem Zeitpunkt beginnen könnte, zu dem das Fest ge­ feiert wurde. Einen ähnlichen Zusammenhang versucht Nilsson auch für das Auftreten des Schiffswagens bei dem großen panathenäischen Feste auf-

Abb. 22 b. Der panathenäische Schiffsivagen auf einem Kcdenderreltef, verdeckt durch ein byzantinisches Ringkreuz.

zuweisen. Die Aufgabe des Schiffswagens bestand hier darin, das neue Ge­ wand (,,Peplos ), ** das beim Feste dem Bilde der Athene im Parthenon ge­ schenkt wurde, zur Akropolis hinaufzubefördern. Das tuohförmige Gewand War als Segel an der Bähe des Schiffsmastes aufgehängt und so in seiner ganzen Pracht für die Menge sichtbar2. 1 A. f. R. 11, S. 400, Jahrb. 1916, S. 326, 333 ff. 8 Näheres hierüber: Michaelis, Der Parthenon (Leipzig 1871) S. 328f.. Aug. Mommsen, Feste der Stadt Athen (Leipzig 1898) 8. 116. Die älteste Er­ wähnung dieses Schiffswagens stammt aus dem Jahre 299 v. Chr. Eine Abbil­ dung davon scheint auf einem in einer byzantinischen Kirche in Athen einge­ mauerten Relief, das Szenen aus dem atheniensischen Festkalender enthält, sich befunden zu haben. Dor obere Teil dieses Schiffsbildes (Abb. 22 b) ist jedoch durch das Hineinhauen eines byzantinischen Ringkreuzes zerstört worden, so daß man nicht sichor weiß, ob Mast und Pcplos abgebildet waren. Statt dessen hat die Figur drolligerwcise eine gewisse Ähnlichkeit mit Sonnen-

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1. Kapitel: Felsbildersohiffe und Kultachiffe

Die von Nilssan angenommene Verbindung zwischen den genannten Festen und der Eröffnung der Seefahrt ist jedoch, wie aus seiner Darstellung hervorgeht, kaum völlig nachweisbar. Aber wenn sie auch wirklich be­ standen haben sollte, dürfte ihr nur sehr sekundäre Bedeutung für die Er­ klärung der eigentümlichen Kombination von Fruohtbarkeitsgott und Schiff beigemessen werden. Denn daß die Verbindung der beiden von weit intimerer Art ist, wird im Verlaufe unserer Untersuchung klar werden. Wie Hahn, Hammarstedt und Clemen nachgewiesen haben*1, müssen wir bis auf die Kultschiffe der Ägypter und Babylonier zurückgehen.

Zunächst wollen wir jedoch noch einige weitere bemerkenswerte Er­ scheinungen aus der griechisch-römischen Welt anführen. Pausanias, der griechische Baedeker aus dem 2. Jahrh. n. Chr., erwähnt (I, 29) mit Bezug auf das panathenäische Kultschiff, daß es wohl an Größe von anderen über­ troffen werde, daß aber das von Delos seines Wissens das größte sei, da es sogar bis zu neun Reihen Ruderer übereinander unter Deck (oder der „Brücke“) faßte8. Der Zusammenhang sowie der Umstand, daß die kleine unfruchtbare Insel Delos ausschließlich als Kultzentrum Bedeutung hatte, webt deutlich darauf hin, daß Pausanias mit dem Schiff auf Delos eben­ falls ein Kultschiff meint, und die Größenangabe zeigt, daß es sich in diesem Falle nicht um einen Schiffswagen handeln kann. Im übrigen wurde auch auf Delos ein Dionysosfest gefeiert, bei dem der Gott auf einem Wagen herumgeführt wurde, und Frickenhaus vermutete, daß dieser eben ein Schiffswagen gewesen sei, wogegen aber Nilsson Einwendungen erhebt. Am annehmbarsten ist wohl die Ansicht, daß das Kultschiff auf Delos dem dort besonders verehrten Sonnengott Apollo gehört habe; man könnte es am ehesten mit den großen Kultschiffen der ägyptischen Sonnentempel ver­ gleichen, über die später berichtet werden soll. Da Pausanias sagt: „das Sohiff auf Delos“, so kann er schwerlich auf jenes Schiff anspielen, das allschiffen wie in Abb. 2a und 20b bekommen, ein Zusammentreffen, das keines­ wegs auf Zufall beruht, da das Ringkreuz ja ganz einfach ein verohristlichtes Sonnenrad ist. — Für die obigen Literaturangaben wie für viele anderen bin ich Axel Boethius zu Dank verpflichtet. 1 E. Hahn, Demeter und Baubo, S. 40; Das Alter der wirtschaftlichen Kultur, S. 126; Die Entstehung der Pflugkultur, S. 47; Zeitschrift für Ethnologie 1918, S. 222; Clemen, A. f. R. 17, S. 160; Hammarstedt, Lussi, S. 27, 36. 1 Über die Konstruktion der griechischen Sohiffe mit mehreren Reihen von Ruderern siehe A. M. Alexandersson, Den grekiska trieren (Lunds universitets ärskrift 1914), besonders S. 6ff., 73ff.

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jährlioh von Athen mit einer Gesandtschaft zu dem großen delischen Apollo * fest ausgesandt wurde (hierüber Weiteres S. 63). Zu der Kategorie der Kultschiffe gehörten, wenigstens der Herkunft nach, wohl auch die beiden Prunkschiffe aus der römischen Kaiserzeit, die in dem kleinen Kratersee bei Nemi in den albanischen Bergen versunken liegen. An dem Ufer des Sees lag einst ein berühmtes Dianaheiligtum (nemus). Teile dieser Schiffe sind in späterer Zeit aufgefischt worden und werden jetzt im Museo delle Terme in Rom aufbewahrt1. Aus der Zeit der minoischen Bronzekultur auf Kreta ist uns eine bild­ liche Darstellung bekannt, die zu unserer Untersuchung einen sehr wichtigen Beitrag liefert. Sie befand sich auf einem großen Siegelring aus Gold, der auf der kleinen Insel Mochlos bei Kreta gefunden und zuerst von Evans 1909 veröffentlicht wurde; er ist später gestohlen worden1 2* . Wir sehen hier ein Boot (Abb. 23), dessen Abb. 23. Siegelbild eines Goldrings einer Steven mit einem Pferdekopf (?) von der Insel Mochlos bei Kreta. geschmückt ist. Im Boote befinden sich eine sitzende weibliche Figur sowie ein von einem Gestell umgebener kleiner Baum. Es handelt sich offenbar um den heiligen Weinstock, nach ähnlichen Darstellungen von Kultszenen in der mykenischen Kunst, so z. B. einem Goldring aus Mykene (Abb. 24) 8, zu urteilen. Die Göttin landet anscheinend an den Toren eines Tempels und führt mit der Hand eine grüßende Bewegung aus. Unstreitig haben wir es hier mit einer nahen

1 Baedekers Mittel-Italien, 14. Aufl., S. 186, 446; V. Mulfatti, Le nave romane del lago di Nemi (1906). Diese Hinweise verdanke ich Häkan Sjögren. Nach Angabe der Hlustrated London News 11. Okt. 1924 beabsichtigt man jetzt den Versuch zu machen, durch Trockenlegung des Sees die Schiffe voll­ ständig zu heben, die auf Grund von gefundenen Inschriften von Kaiser Caligula erbaut sein sollen. [Bekanntlich ist die große Untersuchung nunmehr durch­ geführt worden, wobei, wie mir Axel Boethius freundlichst aus Rom mitgeteilt hat, d'.e früher angenommene Datierung der beiden Festschiffe durchaus be­ stätigt worden ist. Für die Frage, ob sie kultische Vorgänger gehabt haben, dürfte die Untersuchung keine Aufklärung gebracht haben.] * A. Evans in Transactions of the Congress for the History of Religion, Oxford 1909 II, S. 196. Vgl. G. Karo, Mitteil. d. deutschen archäolog. Inst,, athenische Abteilung 36, S. 343 sowie Dussaud S. 277. * Nach Dussaud Abb. 192. Vgl. A. Evans, Mycenian tree and pillarcult (Journal of hellenic studies 21, 1901). älmgren, Nördliche Felaielchnungen als rellgWie Urkunden. 3

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1. Kapitel: Felebilderschiffe und Kultschiffe

Parallele zu dem atheniensischen Schiffswagen zu tun, auf dem Dionysos unter einer Weinrebe saß; bei dem Mochlosschiff handelt es sich indessen aller Wahrscheinlichkeit nach um ein in See gesetztes Kultschiff, und die Gottheit ist weiblich. G. Wilke1 hat bereits 1913 das Mochlosbild dem schwedischen Felsbild Abb. 10 gegenübergestellt und für beide eine religiöse Deutung eher mythologischer als kultischer Art gegeben. Daß der heilige Weinstock auf dem Schiffe im Norden durch die ewig grünende Tanne ersetzt

Abb. 24. Siegelbild eines Goldrings aus Mykene.

wurde, ist ja ganz natürlich. In diesem Zusammenhang erwähnt Wilke auch eine von R. von Lichtenberg ausgesprochene Vermutung2, daß das Heiligtum des Zeus in Dodona die Form eines Schiffes hatte, worin die heilige Steineiche die Stelle des Mastes einnahm. Soviel ich weiß, hat von Lichtenberg diese Ansicht nicht näher motiviert. Da man, wie Axel Boöthius mir mitteilte, auB der Antike keine bestimmten Angaben darüber besitzt, daß das Heiligtum von Dodona die Form eines Schiffes hatte, scheint von Lichtenberg seine Hypothese ausschließlich auf den Bei* * namen des Zeus von Dodona, Naios, aufzubauen. Naios kann nämlich ebensogut „der mit dem Schiffe“ wie „der Nasse“ bedeuten; letzteres ist die gewöhnliche Übersetzung. In Skotussa in Thessalien hat Zeus den Bei­ 1 Kulturbeziehungen, S. 155, 167; vgl. Mannus 11—12, S. 159ff. * R. von Lichtenberg, Die ägäische Kultur (Wissenschaft und Bildung Nr. 83, Leipzig 1911) S. 105 (= 2. Aufl. 1918, S. 125). Auf diese Arbeit bezieht sich Wilko, wie er mir mitteilto, a. a. O., wo er aber kein Zitat bringt. Ob von Lichtenberg die Frage anderswo ausführlicher behandelt hat, weiß ich nicht.

b) Karnevalschiffe und Götterboote

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namen Phegonaios, der vom selben Gesichtspunkt aus durch „der mit dem Eichenschiff“ anstatt durch „der Eichennasse“1 übersetzt werden kann. Im Hinblick auf die übrigen hier behandelten Erscheinungen kommt mir von Lichtenbergs Hypothese recht beachtenswert vor. In Palästina ist eine merkwürdige Analogie zum Mochlosring zutage ge­ fördert worden. Es ist ein von Dalman veröffentlichtes Steinsiegel1 2 aus der Zeit vor dem Exil, hier durch Abb. 25 wiedergegeben. Das Bild zeigt ein mit Vogelköpfen an den Steven ge­ schmücktes Schiff, auf dem eine männliche (Götter-) Gestalt sitzt, umgeben von zwei nach phönizischer

Abb. 25. Slcinsieycl aus Palästina.

Art stilisierten Lebensbäumen, die innerhalb von Gestellen, ähnlich denen auf dem Mochlosring, stehen. Eineinschrift auf der Rückseite gibt den Namen des Besitzers an: Elischama, Gedaljahus Sohn. Da der letzte Name soviel heißt wie „Jahve ist groß“, hat Dalman vermutet, daß auch Elischama Jahveanbeter war und daß Jahve hier wirklich in menschlicher Gestalt nach fremden Vorbildern dargestellt worden sei. Fries dagegen findet es glaub­ hafter, daß der Besitzer des Siegels sich fremden Göttern zugewandt hatte. Jastrow gibt unter Bezug auf das babylonische Kultschiff (siehe unten S. 50) an, daß die hebräische Bundesladc die Form eines Schiffes 1 Vgl. T. Segerstedt, Ekguden i Dodona (Lunds universitets ärskrift 1905). [Einer freundlichen Mitteilung von J. Charpentier gemäß dürfte jedoch Phe­ gonaios am ehesten eine einfache Ableitung von dem Wort „Phegon“ - „Eichen­ hain“ sein.] 2 Palästina-Jahrbuch 1906, S. 48; vgl. Fries, Israel, S. 73, 91. 3*

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1. Kapitel; Felsbilderschiffe und Kultschiffe

gehabt zu haben scheine. Er führt jedoch hierfür keine Beweise an, und nach dem, was mir Dompropst Stave gütigst hierzu mitteilte, fehlt jeder reelle Grund zu einer solchen Behauptung. Aber auch Kristensen empfiehlt in seiner Arbeit über die Bootssymbolik der Ägypter (S. 288) aus gewissen

Gründen eine nähere Untersuchung darüber, inwieweit die jüdische Arche mit den Götterbooten verwandt war. Auf Cypern fand man jenes ägyptische Siegel („Skarabäus“), das in Abb. 26a, im Anschluß an Montelius (N. T. 1911, S. 18), wiedergegeben wird. Hier sieht man in der Mitte eines Bootes die von Uräusschlangen umgebene Sonnenscheibe in der bekannten ägyptischen Schematisierung. Darüber er­ blickt man eine zweite runde Scheibe, die von einem Halbkreis umgeben wird. Hier handelt es sich um ein Zeichen, das sich häufig in der phönizischen und in damit verwandten Kunstrichtungen wiederfindet. So sieht man auf einer Münze von Sidon (Abb. 26 b) dieses Abb. 28 a. Skarabäus Zeichen als Kultbild auf einem Prozessionswagen an­ aus Cgpem. gebracht, und es scheint sich hier wie in vielen anderen Fällen auf die Göttin Astarte zu beziehen. Jedoch wird auch die Schutzgöttin der hetitischen Stadt Kadesch mit diesem Zeichen auf dem Kopfe abgebildet1. Die von der Mondsichel umrahmte Kugel wird auf ver­ Abb. 28 b. schiedene Weise gedeutet: als Sonne, als Vollmond Münze aus Sidon. oder als Stern Venus. Die Deutung als Sonne erscheint mir bei dem Skarabäusbild (Abb. 26 a) ausgeschlossen, das nämlich sonst eine schwer erklärbare Wiederholung des Begriffs Sonnenboot in zwei verschie­ denen Ausdrucksgestalten aufweisen würde. Es wäre eher denkbar, daß man sich das Verhältnis zwischen Neumond und Vollmond so vorstellte, daß der Vollmond in dem Boote des Neumondes über den Himmel fährt, obwohl man in Wirklichkeit die beiden niemals zusammen sieht, sondern entweder nur das Boot oder nur die Scheibe. Ich halte es für das Wahrscheinlichste, daß das Bild eine Konstellation des Neumonds mit dem Planeten Venus vor­ stellt, der, wie man mit Bestimmtheit weiß, der Astarte geheiligt war. Für diese Deutung spricht nicht zum wenigsten die Tatsache, daß, naoh Hammarstedt, der „Halbmond“ mit dem Stern im frühen Mittelalter ein 1 Roschers Myth. Lexikon 1:1, Sp. 652; Hammarstedt, Lussi, S. 35.

b) Kamevalschiffe und Götterboote

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häufig auch innerhalb der Christenheit angewandtes Zeichen war; es findet sich ja übrigens heute noch in der türkischen Reichsflagge wieder1. Wie dem auch sei, so dürfte es, wie einige Forscher hervorheben, höchst wahr * scheinlich sein, daß gerade die bootsähnliche Neumondsichel, die in Ägypten und den angrenzenden Ländern in einer mehr waagerechten Stellung als bei uns zu sehen ist, Veranlassung bot zu der besonders bei den Ägyptern seit den ältesten Zeiten hervortretenden Vorstellung, daß die Sonne, der Mond und die Sterne in Booten oder Schiffen über den himmlischen .Ozean fahren *. Natürlich hat zu dem Auftauchen dieser Vorstellung noch der Umstand beigetragen, daß das meistbenutzte Beförderungsmittel der Ägypter das Nilboot war, wie ferner der, daß man sich auch die Himmelskörper aus dem die Erde umgebenden Ozean auf- und untergehend und nachts auf unterirdischen Wassern fahrend dachte. Daß ähnliche Vorstellungen sehr früh schon auch bei den Babyloniern vorkamen, werden wir unten sehen. Weder die ägyptischen noch die babylonischen Götterboote können einzig und allein, wie man oft versuchte, mit der praktischen Notwendigkeit erklärt werden, die Götterbilder ebenso wie die Menschen auf den Flüssen und Kanälen herumfahren zu müssen, die allerdings damals die eigent­ lichen Verkehrsstraßen dieser alten Kulturländer waren. Wenigstens werden die ägyptischen Kultboote keineswegs nur auf dem Wasser gebraucht, sondern vielleicht noch öfter an Land, wie unzählige Abbildungen und andere Zeugnisse dartun. Sie wurden innerhalb oder außerhalb der Tempel aufgestellt, und in den feierlichen Prozessionen trugen Priester sie auf den Schultern, oder man zog sie auf Kufen oder Rädern einher. Diese tiefwurzelnden Gebräuche müssen eine weit intimere Verbindung zwischen dem Gott und dem Boote voraussetzen. Sie müssen andeuten, daß man vermittels der Kultboote den Gott in dem Fahrzeug abbilden wollte, das er benutzte, wenn er über das himmlische und das unter­ irdische Fahrwasser fuhr, wie dies ägyptische Wandbilder oft darstellen, z. B. Abb. 27. Ferner sind die Götter, die in Ägypten am häufigsten in

1 Nach dem, was mir Professor Osten Bergstrand im Herbst 1921 mitteüte, hatte sich die betreffende Konstellation damals vor kurzem eingestellt, und bei dieser Gelegenheit wurde auf deren Ähnlichkeit mit den türkischen Reichs­ symbolen in einer wissenschaftlichen Zeitschrift hingewiosen. Aber natürlich ist es fehlerhaft, den Stern in die Mondsichel hineinzuzeichnen, denn er kann ja nur oberhalb des oberen Randes der Mondkugel sichtbar sein. 1 Erman, Religion, S. 9.

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1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultschiffe

Booten auftreten, ganz ausgesprochene Sonnengötter oder solche, bei denen der ursprüngliche Charakter eines Sonnengottes mehr oder weniger deutlich hindurchleuchtet. Im Boote tritt zunächst der typische Sonnengott Re auf, der sein ursprüngliches Kultzentrum in der „Sonnenstadt ** Heliopolis hatte und durch die hierher stammende 5. Dynastie zum obersten Gott wurde (siehe Erman, Religion, S. 48). Man glaubte, daß er ein Morgenboot besäße,

Abb.

27.

Ägyptische Darstellung der Fahrt des Sonnenboots über das Himmelsgewölbe.

das er beim Sonnenaufgang zur Reise über den Himmel bestiege, worauf er dann im Westen in das „Abendboot ** umstieg zu der nächtlichen Fahrt unter der Erde1. Diese Vorstellung blieb während der ganzen altägyptischen Kulturepoche lebendig und tritt z. B. auch noch in einer Inschrift des äthiopischen Erobererkönigs Pianchi im 8. Jahrh. v. Chr. hervor2. Zur Zeit des neuen Reiches (seit der 18. Dynastie, etwa ab 1600 v. Chr.) wurde als

Reichsgott, vor allem in der Hauptstadt Theben, eine Verschmelzung 1 Nach Kristensen, Aegyptemes forestillninger etc., scheint man in den ältesten Zeiten die Vorstellung gehabt zu haben, daß die nächtliche Fahrt der Sonne nicht unter der Erde, sondern über den Nachthimmel hin vor sich ging, über den nördlichen Teil des Himmelsgewölbes oder besser gesagt innerhalb desselben, was damit symbolisiert wurde, daß die Sonne durch den Körper der riesenhaften Schlange Apap oder der Himmelsgöttin Nut hindurchging. a E. Meyer, Geschichte I, 2, S. 206.

b) Karnevalschiffe und Götterboote

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zwischen Re und dem alten Hauptgott der Stadt, Amon, unter dem Namen Amon-Rö verehrt; auoh dieser tritt sehr oft im Kultboot auf. Dasselbe ist der Fall mit dem ursprünglich in Memphis beheimateten Gotte Sokar, der spater mit dem allgemein bekannten Gott vereinigt wurde, den die Griechen Osiris nannten, eine Umbildung seines ägyptischen Namens Asar. Osiris tritt ja vor allem als Fruchtbarkeit«- und Todesgott hervor, jedoch ist auch seine enge Verbindung mit der Sonne (und dem Mond) deutlich erkenn­ bar1. Er erscheint, wie wir sehen werden, ebenfalls sehr oft im Boot, und als er auoh Todesgott wird, wird sein Boot bei Begräbniszeremonien ver­ wandt (worüber Näheres in Kap. 4).

Osiris’ Sohn Horus ist ein ganz ausgesprochener Sonnengott, der in der

Hauptsache die aufgehende Sonne repräsentiert. Oft erscheint er wie Sokar in Gestalt eines Sperbers oder Falken und findet sich so auoh im Sonnen­ boot. Ein weiterer Repräsentant der aufgehenden Sonne, Chep-re, der die Gestalt des heiligen ägyptischen Käfers oder Skarabäus hat, wird ebenfalls sehr häufig auf einem Boot dargestellt. Dieses Skarabäussymbol verdankt offenbar seinen Ursprung der Tatsache, daß der genannte Käfer (Ateuchus saoer) jedes seiner Eier mit einem aus Kuhmist gebildeten Ball von der Größe einer Billardkugel umgibt, der dann später der Larve als Nahrung dient. Man stellte sich damals vor, daß der jeden Morgen neugeborene Sonnenball am Horizonte von einem riesigen Käfer geformt würde.

1 Kristensen, Aegyptemes forestülninger, S. 167 ff., kommt zu dem End­ resultat, daß Osiris eigentlich als Allgott angesehen werden kann und deutlich Verwandtschaft mit semitischen Göttergestalten aufweist. Ist es da wirklich noch ein Zufall, daß des Gottes ägyptischer Name so große Ähnlichkeit mit dem Namen des assyrischen Hauptgottee Assur aufweist ? Desgleichen fällt es auf, daß Osiris’ Gemahlin, von den Griechen Isis genannt, auf ägyptisch (nach einer Mitteilung von Per Lugn) Ast oder Ist hieß, was ja Btark an die semitische Göttin Astarte oder Isohtar erinnert. Bemerkenswert ist auch, daß nach Plutarchs Osirismythe die Leiche des toten Gottes in Syrien an Land ge­ schwemmt wurde, wo ein heiliger Baum um dieselbe emporwuchs, und daß sie durch Isis von dort nach Ägypten zurückgeführt wurde. Da E. Briem in seiner Abhandlung Studier över Moder- och fruktbarhetsgudinnorna i den sumeriskbabyloniska religionen (Lund 1918) S. Iß4ff. erklärt, daß eine sichere Ety­ mologie für den Namen Isohtar noch nicht erbracht wurde, weder von semi­ tischem noch von sumerischem Standpunkt aus, so habe ich auf die oben ange­ führte, wahrscheinlich wenig beachtete Namensverwandtschaft der beiden wesensverwandten Göttinnen hinweisen wollen, für den Fall, daß die Ange­ legenheit einer weiteren Untersuchung wert befunden werden könnte.

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1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultechiffe

Selbst wenn die ägyptischen Bildwerke nicht im realen leben gebrauchte Kultboote darstellen, sondern mythische Schilderungen von Fahrten des Sonnengottes illustrieren sollten, wie es z. B. im Totenbuche und in damit verwandten Texten (vgl. Kap. 4) der Fall ist, so haben dennoch diese Bilder von Sonnenbooten unstreitig ihre Details den wirklichen Kultbooten ent­ lehnt. Deshalb müssen wir, wenn wir hier das Problem des Kultbootes näher erörtern, in gewissem Umfange auch die Totentexte auf Grabmauern und Papyrusrollen berücksichtigen.

Abb. M. Kullboot des Amon Rt nach einer Wandmalerei im Tempel zu Karnak.

Wenn wir jetzt darangehen, einige spezielle Beispiele für ägyptische Kult * boote und deren Gebrauoh anzuführen, so sei zuerst ein bemerkenswerter Fund aus der Zeit des alten Reiches erwähnt. Bei Abu-Gurab in der Nähe von Abusir in Unterägypten hat man einen Sonnentempel ausgegraben, der von dem König Ne-woser-re erbaut wurde; er gehörte der ß. Dynastie an und regierte nach Eduard Meyer etwas vor dem Jahre 2600 v. Ohr., nach anderen Forschern etwas früher. Neben dem Tempel fand man einen schiffsförmigen Ziegelbau von 30 Meter Länge, der das Untergestell eines Bootes gebildet hatte, das im übrigen aus Holz bestand. Bereits vor diesem Fund wußte man aus Texten, daß sowohl der genannte Pharao als auch andere Könige des alten Reiches solche Kultschiffe bauen ließen1.

1 von Bissing und Borchardt, Das Re-Heiligtum des Königs Ne-woser-re I. (Berlin 1905), S. 16, 52. Vgl. A. Moret, Mystères égyptiens, S. 310, pl. XV, 2; Meyer, S. 206.

b) Karnevalsohiffe und Oötterboote

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Abb. 28 zeigt uns nach einer im großen Tempel von Karnak, dem alten Theben, befindlichen Wandmalerei aus der Zeit der 18. Dynastie ein ge­ waltiges Kultboot, das dem Amon-Rö geweiht war und hier von nioht weniger als 26 Männern in einer Prozession getragen wird. Auf anderen ähnlichen Booten sieht man das Bild des widderköpfigen Gottes in der Kajüte1. Wenn Curtius Rufus (IV, 31) den Besuoh Alexanders des Großen im Orakeltempel Amons in der Wüste schildert, so erzählt er, daß die Priester während der Verkündung des Orakelspruohes das Sinnbild des Gottes, das die Form eines mit Edelsteinen besetzten Kegels hatte, auf einem vergoldeten Boote einhertrugen, dessen Seiten mit silbernen Schalen behängt waren*.

Besonderes Interesse haben für nns einige Bilder, auf denen ein Baum oder eine Pflanze sich auf dem Boote des Sonnengottes befinden . * Abb. 29a, einer Vignette zu Kap. 130 des Totenbuches entnommen, stellt das Morgenund Abendboot der Sonne dar, in die der Tote mitgenommen zu werden bittet. Vorbilder dürften auf Sockeln stehende Tempelboote sein. Auf jedem Boote sieht man in der Mitte die Sonnenscheibe und auf dem Vorderteil eine grasähnliche Pflanze. Ein paar besser ausgeführte Sonnenboote, auf denen die nächtliche Fahrt des Sonnengottes dargestellt wird, zeigen uns Abb. 29b, 29o, die aus einem Saale im Grabe Ramses * IV. bei Theben stammen. Das Boot des Sonnengottes wird hier von Männern an Seilen gezogen, wie dies oft bei Kultbooten der Fall war (vgl. Abb. 31, 33). Auf beiden Schiffen sieht man in der von einer Schlange umringelten Kajüte den Gott selbst mit dem Widderkopf; im Vorderteil des Schiffes steht eine Pflanze oder ein kleiner Baum. In dem einen Boote Bitzen auf diesem Baum zwei Habichte oder Falken. Verwandte Bilder kommen bereits in den sog. Pyramidentexten vor, d. h. auf Inschriften in Pyramiden, die jüngeren Pharaonen des alten Reiches zugehören. Daher stammen die Kultboots­ bilder Abb. 29d, 29e; auf dem einen ist der Falke zwischen zwei Pflanzen vor der Kajüte aufgestellt; das andere zeigt nur eine in die Mitte des Bootes gesetzte Pflanze. Einer viel späteren Zeit gehört die in 1 Andere getragene oder mit Kufen versehene Kultboote mit den Bildern Amons oder des Horus siehe bei Lepsius, Denkmäler in, pl. 180, 189, 235, 245. Vgl. auch Erman, Religion, Abb. 7. * Vgl. Sven Nilsson, Skand. Nord. Ur-invänarc, 2. Aufl., Brons&ldern, S. 27, sowie unten Kap. 4, S. 182, Anm. 1. a Vgl. Kristensen, De symboliek, S. 285 f.

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1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultschiffe

Abb. 29. Ägyptische Sonnenboole: a) aus einem Tolenbuchtext; b, c) aus einer Decken­ malerei im Grab Ramses' IV. bei Theben; d.e) aus Pyramidentexlen; f) aus dem Tempel in Denderah.

b) Kamevalschiffe und Götterboote

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dem bereits genannten Denderahtempel befindliche Darstellung eines Bootes (Abb. 29f) an, das eine große Lotosblume trägt, aus dem sich eine Schlange emporhebt. Sie stellt symbolisch dar, wie der Sonnengott Horsam-ta (Horus) sich aus der Lotosblume der Morgendämmerung erhebt1. Ohne Zweifel kann man mit vollem Recht den eben geschilderten Bildern aus Ägyptens dynastischer Zeit jene eigenartigen Bootsabbildungen bei­ gesellen, die auf Tongefäßen aus prädynastischen Gräbern vorkommen und auf deren Vorderteil man deutlich eine Pflanze erkennen kann, z. B. Abb. 30. Auf diesen Booten Bieht man allerdings keine ausgesprochenen Götterbilder; im allgemeinen tragen sie zwei Kajüten sowie eine Stange mit einem symbolischen Abzeichen wechselnder Art1 2. Ein Vergleich zwischen diesen Bootsbildem und den oben angeführten Sonnenbooten mit Pflanzen läßt die schon an und für sich unwahrscheinliche Er­ klärung, die Aßmann (Zeitschrift Abb. 30. Schif/sbild auf einem Tonge/äß für Ethnologie 1916) vorbringt, aus einem pordynastischen Grab, Ägypten unmöglich erscheinen, wonach nämlich die Büsche auf den prädynastischen Booten eine Art primitiver Segelanordnung dargestellt hätten. Betreffs der neueren Analogien, die er für den malayischen Archipel und Guyana anführt, ist nicht bezeugt, daß sie ein praktisches Ziel hatten3. Daß der Baum oder die Pflanze auf dem ägyptischen Sonnenboote die Wiedergeburt der Vegetation versinnbildlicht und in engem Zusammenhang mit dem uralten und weitverbreiteten Baum­ kult steht, kann man wohl als unstreitig ansehen. Auf dem aus dem Edfutempel in Oberägypten entnommenen Bild Abb. 31a ist der Gott Sokar in der Gestalt eines Raubvogels, die 1 Le Page Renouf, Übersetzung des Totenbuches, S. 164. 2 W. M. Flinders Petrie and J. E. Quibell, Naqada and Ballas (London 1896), PI. 34, 66, 67 und S. 12. Über die Datierung sieho E. Meyer, Geschichte I, 2, § 170. 3 Ebenso imsinnig ist es, wie bereits Wilke hervorgehoben hat (Mannus 11 bis 12), mit Hoernes und Schuchhardt Aßmans Erklärung auf das Bild des MochloBringes, auf das mit einem Baum versehene Schiff des Lökebergfelsbildes und auf die Darstellungen der dänischen Rasiermesser Abb. 12a und b (vgl. oben S. 12, 34) anzuwenden. Dor Weinstock des Mochlosbildes allein und dio deutliche Kultszene des Kallebyfelsbildes Abb. 7 verbieten eine solche Aus­ legung.

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1. Kapitel: Folsbilderachiffe und Kultechiffe

Sonnenscheibe auf dem Haupte, dargestellt. Der göttliche Vogel sitzt hier auf einem mit einem Antilopenkopf als Gallionsfigur versehenen Boot, das seinerseits wieder auf einem Schlitten ruht. Dieser wird von dem König selbst, einem Ptolemäer, gezogen. Der Tempel stammt nämlich aus

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/ ■ '1 b. Abb. 31. Sokars Bootschlitten: a) aus dem Tempel in Edfu; b) aus dem Papyrus Busca.

dieser späten Epoche, die jedoch uralte Kulturtraditionen getreulich auf­ rechterhielt. Der das Bild begleitende Text läßt den König sagen: „Ich

ziehe den Gott auf seinem Schlittenboot um den Tempel herum, so wie man es mit ihm in der Stadt Memphis macht. Der Lichtgott geht am Horizonte auf, die kleine Sonne wächst von neuem heran/ * Zur Erläuterung der letzten Worte fügt Brugsch in seinem weiter unten angeführten Kom­ mentar zu der großen Denderahinschrift einen anderen Text hinzu, welcher lautet: „Die große Sonne ist Horus, die kleine Sonne ist Sokar.“ Er erklärt

b) Kamevalschiffe und Götterboote

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dies wohl richtig mit der Gegenüberstellung von Sommersonne und Winter­ sonne. Eine weit ältere Darstellung von dem Herumziehen eines Sokarbootes gibt uns Abb. 31 b, die einem Papyrus aus der Zeit der 18. Dynastie entnommen ist1. Hier folgen dem Bootsschlitten ein Mann, der eine Hacke trägt, und ein zweiter, der mit Säen beschäftigt zu sein scheint. Daß es sich bei dieser Zeremonie um einen Ackerbauritus handelt, dürfte demnach völlig klar sein (vgl. nächstes Kapitel S. 112). Kristensen glaubt, daß dieser Ritus uralt ist und daß eine Andeutung dieser Verbindung zwischen dem Sokarboot und dem Aufhacken der Erde bereits in den Pyramidentexten zu finden ist.

Der eigentliche ägyptische Fruchtbarkeitsgott war Osiris a, den Herodot ausdrücklich dem Dionysos gleichstellt. Er war der personifizierte Re­ präsentant des jährlichen Absterbens und Wiedergeborenwerdens der Vege­ tation, und in dieser Eigenschaft wurde er zugleich zum Lebensspender der Toten und zu deren Schutzgott. Er wird als Sohn des Erdgottes Keb und der Himmelsgöttin Nut bezeichnet. Er wird aber auch mit der Sonne, dem Mond und dem Fruchtbarkeit spendenden Nilfhuse identifiziert. Kult­ bräuche und Mythen schilderten, wie er von seinem Bruder Set (dem Typhon der Griechen) getötet, von seinen Schwestern Isis und Nephtys (die erstere war zugleich seine Gemahlin) beweint und begraben wurde, und wie er dann später wieder zum Leben erwachte oder in seinem Sohne Horus auf-

erstand, der sich an seinen Feinden rächte. Zahlreiche Anspielungen auf diese Mythe kommen schon in den oben erwähnten Pyramidentexten aus der Zeit des alten Reiches vor, aber ihren Ursprung dürfte sie weit zurück in Ägyptens prähistorischer Zeit zu suchen haben. Erman meint, daß sie bereits ausgebildet war, als das ägyptische bürgerliche Jahr von 366 Tagen

etwa um 4241 v. Ohr. eingeführt wurde, da nämlich die fünf Schalttage in diesem Kalender die Namen der fünf genannten Gottheiten trugen.

Die erste ausführlichere Schilderung des Osiriskultes besitzen wir aus der Zeit des mittleren Reiches, in der die 12. Dynastie herrschte. Sie findet sich auf einem im Berliner Museum aufbewahrten und von Schäfer 1906 publi­ zierten Inschriftstein, den ein Oberschatzmeister des Königs Sesostris m. (1887—1860 v. Ohr.) ausführen ließ. Ihm war vom König befohlen worden,

1 Kristensen, De symboliek, S. 287; Le Page Renouf, pl. VUI. 1 Erman, Religion, S. 21, 38ff.; Biehe ferner Frazer in Teil IV, 2 (nach einer anderen Numerierung Teil 6) von The golden bough, 3. Aufl.

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1. Kapitel: Felsbildersohiffe und Kultschiffe

die Osirismysterien in Abydos anzuordnen und zu leiten, und er beriohtet unter anderem, wie er das Bild des Gottes mit Gold und edlen Steinen schmücken und sein Boot, das sog. Neschmetboot, und dessen Kajüte an­ fertigen ließ. Ferner schildert er die verschiedenen Phasen des Festes selbst, die offenbar viele Tage in Anspruch nahmen und möglicherweise auf ver-

Abb. 32 a. Osirisboot, abgebildet tm Tempel in Denderah.

sohiedene Jahreszeiten verteilt waren. „Er schlug die zurüok, die sich gegen das Boot erhoben und warf die Feinde des Osiris nieder * * (also ein ritueller Kampf!). Er ordnete „den großen Auszug“ an, kleidete den Gott in seinen Schmuck und führte ihn auf dem Schiffe, das „Er erscheint in Wahrheit“ genannt wurde, zu seinem Grabe. Darauf rächte er Osiris an dem Tage des großen Kampfes und schlug alle seine Feinde auf dem Wasser Nedit (mithin wahrscheinlich ein Seegefecht). Schließlich ließ er den Gott (jetzt offenbar wieder auferstanden) sein Schiff besteigen: „Es trug seine Schönheit, und ich machte das Herz der Bewohner

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b) Karnevalschiffe und Götterboote

der Ostseite weit vor Freude und braohte Jubel in die Herzen der Bewohner der Westseite, als sie die Schönheit der Neschmetbarke sahen. Sie landete in Abydos und brachte Osiris-Chontamenti, den Herrn von Abydos, zu seinem Palast“1. Zahlreiche Abbildungen von Kultbooten des Osiris, die freilich aus der Behr späten Ptolemäerzeit stammen, aber ohne Zweifel auf malte Vorbilder

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zurückgehen, sind an den Wänden des großen Tempels bei Denderah in Südägypten zu sehen8. Als Beispiel sei hier Abb. 32a wiedergegeben, wo das mit einem Sonnenbild auf dem Steven geschmückte Boot zwar

mit Kufen zum Zwecke des Herumziehens versehen ist, doch im Augen« blick auf einem Gestell im Tempel steht. Abb. 32 b aus demselben Tempel stellt ein Boot dar, das ein gewaltiges Götterbild trägt; nach der Inschrift ist es ein Bild des Horus. Er hält eine Schlange in der einen Hand. Neben 1 Vgl. Kees bei Bertholet, Religionsgeschichtl. Lesebuch 10, 1928, 338f. 3 Mariette Bey, Denderah IV, pl. 64, 65.

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1. Kapitel: Fekbilderychiffe und Kultsehiffe

ihm sieht man eine zweite Schlange (vgl. unten S. 75 ) sowie einen Menschen in Adorantenstellung. Ein langer Text aus demselben Tempel1 beschreibt die Feier von Osiris­ festen an verschiedenen Orten Ägyptens, vor allem in Busiris, von wo der Osiriskult ausgegangen zu sein scheint. Die Riten, die hier beschrieben werden, Pflügen, Aussaat usw., betonen zur Genüge seinen Charakter als Fruchtbarkeitsgott. Es interessieren uns dabei vor allem folgende Einzel­ heiten: ein „Bootsfest“ wird erwähnt, bei dem das Bild des Osiris sowie die­ jenigen von 33 anderen Gottheiten in ebenso vielen kleinen Booten aus Papyrus, die eine Elle und zwei Handbreit Länge maßen, auftraten; sie

Abb. 33. Bootswagen des Osiris oon einer Mumienbinde.

waren von 365 brennenden Lampen umgeben. Während der folgenden Tage wurde die Bestattung des Osiris gefeiert. Der Sarg stand während der Feier auf einem Boote von 3 % Ellen Länge, das auf einem silbernen Wagen herumgefahren wurde2. Eine vorzügliche Abbildung eines solchen dem Osiris zugehörigen Bootswagens, die von einer Mumienbinde stammt, wird hier in Abb. 33 nach Rawlinson wiedergegeben. Man sieht auf dem Boote Isis und Nephtys klagend zu beiden Seiten des Gottes stehen. Über diesem schwebt ein Vogel, der seine Seele vorstellt. Nach der In­

schrift von Denderah sollte man neben den Osiris eine Garbe desjenigen Getreides auf die Bahre legen, das auf dem rituell gepflügten und besäten Acker gewachsen war. 1 Übersetzt und kommentiert von Brugsch, Zeitschrift für ägyptische Sprache 1881, S. 77 ff. a Auch Herodot (II, 63) erwähnt einen vierrädrigen Kultwagen aus Ägypten.

b) Karnevalschiffe und Götterboote

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Kristensen hat in seiner 1919 herausgegebenen Arbeit über die Boots­ symbolik der Ägypter zu zeigen versucht, daß das Osiris-, das Vegetations­ und das Todesboot eine andere Quelle als das Sonnenboot haben, da die ersteren seiner Ansicht nach auf die sowohl bei den Ägyptern als auch bei anderen Völkern vorkommende Vorstellung zurückgehen, daß die Erde einem: Schiffe zu vergleichen sei, das auf dem Weltmeer schwimmt. Kristensen muß jedoch zugeben, daß schon frühzeitig Verschmelzungen der Vorstellungen von Erdboot und Sonnenboot vorgekommen seien, die die Veranlassung zu solchen Bildern wie Abb. 29a—c und Abb. 32a waren. Eür einen Niohtfachmann ist es schwer zu entscheiden, inwieweit diese Auf­ fassung größere Berechtigung für sich hat als die, die Kristensen in seiner Arbeit 1896 S. 56 darlegte, wo er erklärte, alle ägyptische Bootssymbolik gehe auf das Sonnenboot zurück. Aus allgemeinen Gesichtspunkten heraus ist es mir jedoch wahrscheinlicher, daß das Boot, in dem der Gott herum­ gefahren und zuletzt in sein Grab geführt wird, so wie die Denderahinsohriften es beschreiben, ursprünglich das Boot der untergehenden Sonne darstellte. Es wäre kaum verständlich, wenn man eine derartige Zeremonie mit einem Boot, das die Erde vorstellen sollte, vorgenommen hätte. Selbst wenn Osiris ursprünglich nicht Sonnen- und Vegetationsgott in einer Person gewesen wäre, kein „Allgott ** (siehe S. 39, Anm. 1), sondern nur eine Personi­ fikation des aufsprießenden und absterbenden Wachstums, die später mit einem Sonnengotte (Sokar ?) verschmolz, so dürfte bei diesem Versohmelzungsprozeß das Boot am ehesten von dem Sonnengotte hergekommen sein. In seinen Upsalavorlesungen 1922 äußerte Kristensen die Ansicht, daß das Boot ursprünglich als „Retter“ der Sonne angesehen wurde, weil es sie beim Anbeginn der Zeiten aus dem Urwasser emporhob (vgl. S. 299). Wie häufig Tempelboote verschiedener Art mit der Zeit in Ägypten

wurden, geht aus der Angabe hervor, nach der Ramses UI. während seiner 31jährigen Regierungszeit verschiedenen Tempeln nicht weniger als 178 Schiffe schenkte (Erman, Ägypten, S. 408). Zum Teil mag es sich hier jedoch um kleinere Votivboote gehandelt haben (vgl. unten S. 83 und Reisners Catalogue, S. XXVII). Ein Rudiment dieses Opferbrauchs der Pharaonen haben wir wohl in der Gepflogenheit zu Beben, nach der der Khedive von Ägypten alljährlich an das Heiligtum in Mekka eine Gabe schickt, „a tabernacle, knotvn as Mahmal, ihat presenis the ouilines of a ship“ (Jastrow, S. 655). Almgren, Nordische Felaaelohnungen als religiöse Urkunden.

4

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1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultschiffe

Kultboote waren auch in Babylonien allgemein üblich1. Dies wird jedoch mehr durch Erwähnungen in Texten als durch Bilder bewiesen. In einer großen Inschrift, in der Nebukadnezar II. (604—561 v. Chr.) Bechenschaft ablegt über seine Bauten und andere Unternehmungen, schildert er auch, wie er Tempeln angehörende Schiffe ausschmüokte. So heißt ob über ein solches bei dem Tempel des Gottes Nabu oder Nebo in Borsippa: „Das Schiff des Ganulkanals, das Fahrzeug seiner Herrlichkeit, das Schiff für die Prozession am Neujahrstage, dessen Masten (oder Balken ?) und dessen Gemächer im Inneren bekleidete ich mit einem Überzug aus ,Sassü‘ (Mar­ mor ?) und (Edel-) Steinen. ** Eine andere Inschrift berichtet, daß das Schiff des Nabu Steuermann und Besatzung hatte, daß es von beträchtlicher Größe war und der Mondsichel an Gestalt glich. Eine Tontafel von einem Tempel in Babylon nennt uns eine lange Reihe von Göttern und mindestens eine Göttin, die solche Schiffe besaßen. König Hammurapi, der nach den neuesten Forschungen von 2123 bis 2081 v. Chr.2 regierte, befiehlt in einem Brief*8, daß die Göttinnen von Emutbal mit den Tempelsklavinnen auf einem Schiffe nach Babylon geführt werden sollen, das mit einer aus Mehl, Schafen und Wein be­ stehenden Reisekost auszurüsten sei, ferner daß eine Mannschaft zu be­

schaffen sei, um dasselbe zu ziehen. Wenn es eich auch hier um eine Übersiedlung von Götterbildern handelt, die den Charakter einer ge­ wöhnlichen Reise auf den Kanälen erhält, so deutet doch das eben angeführte Zitat aus Nebukadnezars Inschrift an, daß auch die eigent­ lichen Kultschiffsprozessionen auf den Kanälen vor sich gingen. Auch hieß das Schiff des Gottes Naru nach einem Kanal, „dem königlichen

, ** Kanal

dem größten des Landes.

Jedoch sei bemerkt, daß Fleming in der Nebukadnezarinschrift über­ setzt: „Das Schiff für die Feststraße , ** wobei er an die besonderen Pro-

zesmonsstraßen denkt, die sich beim Tempel befanden. Ferner erwähnt 1 Das Folgende in der Hauptsache nach Jastrow, S. 663f-, sowie nach Flemings und Wincklers Übersetzungen der großen Inschrift des Nebukadnezar (die erstere Göttingen 1883, 8. 16, 39, die letztere in Keilinschriftliche Biblio­ thek HI, 2, Berlin 1890, S. 15, 17). « Meyer 8. 627; vgl. J. Kolmodin, A. T. 20: 5, 8. 18. 8 Veröffentlicht von Nagel in Beiträge zur Assyriologie (hrsg. von Delitzsch und Haupt) IV, 8. 464.

b) Kamevahohiffe und Götterboote

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F. Hommel in einem Referate1, daß in Babylonien auch Kultschiffe auf Rädern vorgekommen seien; nähere Aufschlüsse hierüber habe ich aber bisher nicht erhalten können. Hugo Winckler sagt ausdrücklich 1903 (Der alte Orient HI, 2—3, S. 56), daß man es unentschieden lassen muß, ob die babylonischen Kultschiffe auf Rädern fortbewegt wurden. [Vgl. jedooh S. 362 f.] Die älteste bekannte Erwähnung eines Kultschiffes aus Babylon rührt von König Gudea von Lagasch her, der nach Meyer (S. 541) um 2600 bis 2560 v. Ohr. regierte. Er berichtet in einer Inschrift, daß er dem Gott Nin-Girsu „das teure Schiff“ bauen ließ und ihm den Namen „das Schiff des aus dem Teich der Tiefe aufsteigenden“ gegeben hätte. Derselbe Gott wird in anderen Insohriften einmal genannt „der, der Dunkelheit in Licht verwandelt“, ein andermal „der Gott der Getreidehaufen“. Hier erhalten wir also klaren Bescheid über den nahen Zusammenhang des vegetations­ fördernden Sonnengottes mit dem Wasser und dem Boot. Jastrow vermutet, daß die babylonischen Kultschiffe ursprünglich auf dem Meere verwandt wurden und daß sie zuerst in der sehr entlegenen Zeit in Gebrauch kamen, in der die altbabylonischen Städte noch an den Ufern des Persischen Golfes lagen, die dann später infolge der Anschwem­ mungen der großen Flüsse weit vorgeschoben worden sind. Absolut not­ wendig ist diese Annahme nicht. Aber es ist doch merkwürdig, daß Nabu, der eigentlich Stadtgott von Borsippa war, das einst an einer Meeresbucht gelegen zu haben scheint, in einem Text auoh der Gott von Dihnun ge­ nannt wird, womit man wahrscheinlich eine der Bahreininseln im Persischen Golf meint (Jastrow, S. 125). Dieser Nabu, der später insbesondere als Gott der Weisheit galt, hatte ursprünglich ebenfalls den Charakter eines Fruohtbarkeitsgottes gehabt; er wird genannt „der, der die Saat in den Korn­ speichern anhäuft“, und „der, der die unterirdischen Quellen aufschließt, tun die Felder zu bewässern“, und seine Ungunst, so glaubte man, ruft Hungersnot hervor. Wir fänden also wahrhaftig schon hier einen Beleg für die merkwürdige Verbindung zwischen Fruchtbarkeit«- und Sonnengöttern mit Inseln, für die die bekanntesten Beispiele sind: Apollo auf Delos, Aphrodite auf Kyproe oder Kythera sowie die nordisohe Nerthus-Njord. In

einigen Fällen hielt man ja die Insel für den Geburtsort der Gottheit, bo Delos und Kythera. Auf die eine oder andere Weise stand wohl auch diese 1 Beiträge zur Religionswissenschaft 1: 2, Stockholm 1914, S. 226. 4*

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1. Kapitel: Felsbildersohiffe und Kultechiffe

Ansicht im Zusammenhang mit der Vorstellung, daß die Himmelskörper aus dem Meere hervorgehen (vgl. ferner Kap. 5, 8. 299 f.). Aber die Fruchtbarkeitsgötter gehen nioht nur aus dem Wasser hervor, sie verschwinden auch darin. Nach des Griechen Plutarohos Schrift über Isis und Osiris, die in ihrer phantastischen Sagenform deutlich eine Menge alter Kultbräuche und mythologische Erklärungen von solchen wider­ spiegelt, tötete Typhon seinen Bruder Osiris dadurch, daß er ihn in eine Kiste steckte, die in den Nil geworfen, in das Meer hinausgetrieben wurde und bei Byblos landete, woher dann Isis die Leiohe auf einem Schiffe zu­ rückbrachte. Sehr aufschlußreich ist der Schlußakt des Festes, mit dem das syrische Gegenstück des Osiris, Adonis, zur Ptolemäerzeit in Alexandrien gefeiert wurde, und von dem sich eine lebensvolle Schilderung in der 15. Idylle des griechischen Dichters Theokrit erhalten hat. Hier singt eine Sängerin: „Heute mögen sich Aphrodite und Adonis erfreuen; morgen bei Tagesanbruch werden wir Frauen mit aufgelöstem Haar, zerrissenen Ge­ wändern und entblößter Brust ihn ins Meer tragen und singen: Sei uns gnädig, teurer Adonis, jetzt und im nächsten Jahre, komme freundlicher­ weise zu uns, willkommen wieder I“ Auch in Athen warf man das Adonisbild entweder ins Meer oder in eine Quelle. Das weibliohe Gegenstück des Adonis in dem syrischen Fruchtbarkeits­

kult, Astarte oder Atargatis (entstellt: Derketo), besaß bei Askalon einen großen Tempel an einem heiligen See. Den Legenden nach soll sie sich in diesen See gestürzt haben und entweder in einen Fisch mit einem Menschenantlitz verwandelt oder durch einen Fisch gerettet worden sein. Naoh einer anderen Legende wurde sie mitsamt ihrem Sohne Iohthys (= Fisch) zur Strafe für ihren Übermut in den See versenkt. Ähnlich« Legenden werden von dem Astartetempel in Bambyke in Syrien erzählt, woselbst ein heiliger Teich lag, in dessen Mitte sich ein Altar befand. Hier­ her gehört auch die grieohisohe Erzählung, nach der Aphrodite sich mit ihrem Sohn Eros in den Euphrat warf und in einen Fisch verwandelt wurde.

Aber andererseits heißt es auch zuweilen, daß die syrische Venus aus einem Ei entstanden Bei, das Fischer im Euphrat gefunden und auf den Strand gelegt hätten, wo es von einer Taube ausgebrütet wurde. Man hat mit Recht vermutet, daß diese wirren Mythen und die Kult­ bräuohe, auf die sie zurückgehen, nicht nur auf der engen Verbindung der Fruchtbarkeitsgötter mit den Himmelskörpern, die man sich als aus dem

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Meere auf- und niedergehend dachte, sondern auch auf der Vorstellung von der Wiedergeburt der welkenden Vegetation durch das Wasser fußen*1. Von diesem Gesichtspunkte aus müssen wir wohl auch eine Reihe be­ kannter europäischer Kultbräuohe zu verstehen suohen. Hierher gehört das Baden des Bildes der Fruchtbarkeitsgöttin nach beendigten Festlich­ keiten, wie dies mit der Göttermutter Kybele in Rom (Mannhardt H, S. 293) und mit der germanischen Nerthus geschah. Ferner gehört hierher das vorgenommene Ertränken des Repräsentanten der gealterten Vegetationskraft, als Spaß oder in effigie, bei bo vielen Volksfesten der Vorzeit. Im Ernst ertränkte man ihn, der Schilderung Adams von Bremen (IV, 27, sohol. 138) gemäß, im Opferbrunnen bei dem alten Upsala, ferner auch beim Nerthuskult, wo die Sklaven, die die Göttin gebadet hatten, in dem heiligen See ertränkt wurden (vgl. K. F. Johansson, S. 148ff.). Sicherlich muß man hierher die Taucherspiele bei den griechischen DionyBosfesten rechnen, die wir besonders für Hermione bezeugt fanden, und die sich in Athen in der Sage von dem Sprung der Seeräuber ins Meer widerspiegelten. Hier fliehen überall die greisen Vegetationsgeister, während der Gott des neuen Vegeta­ tionsjahres seinen Einzug hält. Der Schiffewagen des Dionysos in Athen hat die terrestrische Seite der ägyptisch-orientalischen Kultbootsaufzüge aufgenommen; dasselbe ist der

Fall bei den modernen europäischen Karnevalsschiffen auf Rädern oder Kufen. Die Schiffsspiele in Hermione erinnern dagegen, wie wir sahen, an die rituellen ägyptischen Seegefechte auf dem Wasser Nedit. Auf dem Mochloeringe scheint hingegen die Kultfahrt einer Göttin zu Wasser dar­ gestellt zu sein, und es ist bemerkenswert, daß dieser auf einer kleinen Insel in der Nähe des kretischen Festlandes gefunden wurde. Vielleicht darf man die Vermutung aussprechen, daß die alljährliche Expedition der Athener zu dem Apollofest auf der Insel Delos ursprünglich die Aufgabe hatte, den wiedergeborenen Sonnengott nach Athen zu holen. Zumindest ist bezeugt, daß eine entsprechende jährliche Gesandtschaft von Lemnos nach Delos die Aufgabe hatte, neues Feuer zu holen1. Es ist ferner sehr wahrscheinlich, daß das Isisschiff der Kaiserzeit, das als glückbringendes Omen für das neue Schiffahrtsjahr ins Meer hinausgeschickt wurde, ursprünglich eine Be1 Obiges im engsten Anschluß an Roschers Mythol. Lexikon, Artikel Adonis und Astarte; vgl. auoh Mannhardt II, S. 273ff. 1 A. Boethius, Die Pythaia, Upsala 1918, S. 34.

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1. Kapitel: FelsbiJderschiffe und Kultschiffe

deutung hatte, die sioh enger an den eigentlichen Charakter der Isis als Fruchtbarkeitsgöttin und an die üblichen Fruchtbarkeitsriten anschloß. Aus dem westlichen Mittelmeergebiete ist uns ein noch lebendiger Kult­ brauch bekannt, der mit einer besonders typischen, verchristlichten Er­ klärungssage verbunden ist, die auf die Kultfahrt einer Fruchtbarkeits­ göttin auf dem Meere zurückzuweisen soheint. Die Geschichte wurde aus­ führlich von Dolores Örn in der Zeitung Idun, 8. Februar 1920, wieder­ gegeben. In Monaco wird danach alljährlich am 27. Januar ein Boot vor einer der heiligen Devota geheiligten Kirche verbrannt. Diese Heilige war nach der Legende ein junges Christenmädchen aus Korsika, das während der Verfolgung Diooletians im Anfang des 4. Jahrhunderts den Märtyrertod erlitt. Ihre Leiche sollte verbrannt und die Asche ins Meer geworfen werden, aber ein paar christliche Priester retteten sie an Bord eines Schiffes, um sie nach Afrika zu bringen. Es erhob sich jedoch Gegenwind, und stattdessen wurde das Schiff ohne Hilfe der Ruder oder Segel von unsichtbaren Engels­ händen, wobei eine weiße Taube den Dienst des Lotsen versah, nach Monaco geführt, wo es an einem grünen Tale landete. Die Bevölkerung nahm das Schiff mit Verwunderung in Empfang, beerdigte die Heilige und baute ihr zu Ehren eine Kirche. Im 11. Jahrhundert versuchte ein reicher Florentiner, die Reliquien der Heiligen zu seiner Stadt zu schaffen, aber sein Schiff konnte trotz günstigen Windes und trotz Anwendung der Ruder nicht vom Fleck kommen. Man entdeckte daher den Diebstahl, und die Reliquien wurden zurückgebracht. Seitdem verbrennt man jedes Jahr ein Boot vor der Kirche, „damit die Heilige sich nicht aufs Meer hinausbewegen kann“. Es erscheint mir nicht unmöglich, daß diese Sage alte Kultbräuche wider­ spiegelt, bei denen man die Fruchtbarkeitsgöttin auf einem richtigen Schiff auf dem Meere sowohl ankommen als auch abreisen ließ. Zu der Ver­ brennung des Bootes werden wir bald Analogien auf nordischem Gebiete finden, die deutlich zeigen, daß diese Sitte in engem Zusammenhang mit dem Verbrennen der Repräsentanten der gealterten Vegetation stand, das oft mit deren Ertränken abwechselte oder auch kombiniert wurde. Man könnte sogar vermuten, daß das Hinausschicken der altgewordenen Göttin aufs Meer in Monaco, analog zu dem Vorgang bei dem Adonisfeste, der ursprüngliche Ritus war. Aber da diesem, z. B. bei Gegenwind, gewisse praktische Schwierigkeiten sich entgegenstellten, so war man unter dem Einfluß der jährlichen Festfeuer zu der Verbrennung des Bootes über-

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gegangen. Nachdem die Göttin in eine christliche Heilige umgedeutet worden war, gab man nun der Verbrennung des Bootes eine gerade ent­ gegengesetzte Erklärung, nämlich die, daß dieser Brand ihre Abfahrt ver­ hindern solle. Eine ganz parallele Entwicklung treffen wir in einer estländisohen Erklärungssage zu einem ähnlichen Brauch an. Diese estländische Sage, die dadurch besonders interessant wird, daß hier auch die bekannte rituelle Hochzeit zum Vorschein kommt, ist mir freundlicherweise von Kaleb Andersson, dem Rektor an der schwedischen Volkshochschule Birkas auf Nuckö, mitgeteilt worden. Sie findet sich in einer Arbeit von C. E. Papst: Bunte Bilder, das ist Geschichten, Sagen und Gedichte nebBt sonstigen Denkwürdigkeiten Estlands, Livlands, Kurlands und der Nachbarlande. Erstes Heft. Reval 1856, S. 60f., gedruckt. Nach einer von Rektor Andersson vorgenommenen Abschrift sei hier die etwas umständlich abgefaßte Sage in extenso mitgeteilt, da die Originalarbeit sohwer erreichbar ist.

Der estnische Johannistag. In alter Zeit soll ein estnischer Prinz, König oder Gott, von heftiger Liebe zu einer Prinzessin oder Göttin, die auf dem fernen Island wohnte, ergriffen worden sein. Trotz der vielen Gefahren, die ihn auf der Reise zu einem so entlegenen Lande treffen mußten, machte sich der Prinz, von Sehnsucht getrieben, auf den Weg, seine Geliebte heimzuholen. Er hatte aber in einem anderen mächtigen Gotte oder Zauberer einen argen Feind, der ihm sein Glück, die isländische Prinzessin zu besitzen, neidete und ihn auf der Reise mit Verfolgung und Unglück begleitete. Der Prinz kämpfte sioh an­ fangs mutig duroh, allein endlich wurde er, schon nahe bei Island, doch noch von seinem Ziel verschlagen und fiel seinem Feinde in die Hände, der ihn auf einem fernen öden Eilande gefangen hielt. Die Prinzessin, die ihren Geliebten längst erwartete und über sein langes Ausbleiben tief trauerte, erhielt endlich von der Ursache der Verzögerung und von dem Aufenthalt des Prinzen Kunde und beschloß sogleioh, ihn zu befreien. Sie baute am Strande von Island, nicht ohne Hilfe der ihr zu Gebote stehenden Zaubermittel, ein festes und unverwüstliches Schiff, mit dem sie allen Stürmen des bösen Zauberers trotzte und endlich auch ihren Geliebten von der wüsten Insel entführte. Da die siegreiche und mächtige Gewalt der Zauberkünste der schönen

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1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultschiffe

und liebenden Prinzessin die Künste des neidischen und bösen Zauberen ohnmächtig gemacht und überwältigt hatte, so kehrten beide Geliebten ungestört und triumphierend durch die beruhigte und grünlich schim­ mernde Woge des Meeres nach Estland zurück. Hier verbrannten sie am Ufer das Schiff, weil sie beschlossen, fortan nun nirgends mehr als in ihrem heimatlichen Paradiese zu weilen. Der Tag ihrer Ankunft war der Johannis­ tag, welchen denn auch alle Esten zum Andenken an jenes Ereignis noch jetzt heilig halten. Die Schaukeln Bpielen dabei die wichtigste Rolle. Die Mädchen sitzen die ganze Nacht darin und schwingen sich, indem sie die alten Gedichte, welche jene Sage erzählen und in welchen alles so genau geschildert ist, daß sogar die Beschreibung der Zusammensetzung des Schiffes, das die isländische Prinzessin baute, darin detailliert wird, absingen. Die Schaukeln stellen das Schiff dar, in dem die singenden Mädchen etwa als Begleiterinnen ihrer Königin zu segeln sich einbilden. Die zuletzt angezündeten Teertonnen, welche die Feier beschließen, bedeuten den Brand des Schiffes. So wie sie ausgebrannt sind, hat das Ganze ein Ende. Auch werden dann die Schaukeln sogleich abgenommen, und von diesem Augenblicke an findet man in ganz Estland keine Schaukeln mehr, weder in einem Dorfe noch bei irgend

einem Kruge.

Eine andere Version derselben Sage hat mir Prof. M. J. Eisen aus Dorpat liebenswürdigerweise mitgeteilt. Er hat sie in Hapsal 1882 aufgezeichnet und in seiner Schrift Esiwanemate Warandus, d. h. das Erbe der Väter (3. Aufl., Dorpat o. J., S. 36 ff.) abgedruckt. Mein Kollege K. B. Wiklund war so freundlich, sie mir zu übersetzen. Die Sage berichtet von einem estnischen Häuptling der Vorzeit, der sich in eine schwedische Königs­ tochter verliebte, auf einer BrautwerbungBreise nach Schweden durch das Zutun eines feindlichen Zauberers Schiffbruch erlitt und allein an einer un­ bewohnten Insel an Land kam. Dort suchte ihn die Königstochter, die auf einem silbernen Schiffe einhergesegelt kam, auf, und mit ihr segelte er dann wieder zu seinem Lande zurück. Um für alle Zukunft fi.hnlir.he Angriffe von Zauberern zu vereiteln, ließ er danach das Silberachiff zerstören und alle hölzernen Schiffe verbrennen. Die Heimkehr der beiden und die Ver­ brennung der hölzernen Schiffe fand am Mittsommertage statt, und zum Andenken hieran pflegte man seitdem am Mittsommertage auf Pfähle ge­

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setzte Teertonnen abzubrennen. Dieser Vorgang sollte das Verbrennen des Sohiffes darstellen. Professor Eisen teilte mir ferner mit, daß diese Sage bei den Esten wenig bekannt sei; er hält sie für schwedischen Ursprungs. Estnische Gesänge, die von der Verbrennung des Bootes erzählen, gibt es nicht1. Im übrigen ist es auffallend, daß beide Sagenvarianten darauf hinauslaufen, daß man zum

Andenken an das Verbreimen der Schiffe noch heute am Mittsommertage Teertonnen verbrennt. Von den beiden Erzählern scheint keiner die Ver­ brennung der Boote als lebendige Sitte gekannt zu haben. Und doch wird dieser Brauch faktisch noch heutzutage zuweilen in Estland ausgeübt. Bei einer vor 25 Jahren unternommenen Untersuchung kam Professor Eisen zu dem Resultat, daß das Verbrennen von Booten im Mittsommerfeuer einst hie und da an der estländischen Küste sowie auf den Inseln vorkam. Aus anderen Quellen habe ioh hierzu jetzt folgendes beibringen können. Zuerst lenkte eine Mitteilung von der Insel Runö, wo sich die Sitte am besten erhalten zu haben scheint, meine Aufmerksamkeit auf diesen Vorgang. Im Svenska Dagbladet vom 6. August 1920 wird folgender Auszug aus einem Briefe des damaligen schwedischen Pfarrers auf Runö, Emst Gordon, mitgeteilt: Ebenso wie wir zu Hause in Schweden am Abend des Walpurgisfestes Feuer anzünden, so ist es hier bei der Jugend auf Runö Sitte, an jedem Mittsommerabend ein altes Boot zu verbrennen. Das Boot wird zu einem kleinen Tale in der Nähe der Kirche hinaufgezogen und mit einer dicken Lage Teer bestrichen; sobald jung und alt nach Untergang der Sonne sich auf dem Platze versammelt hat, wird das Boot angezündet. Das ergab eins der schönsten Bilder, das man sehen kann. Der Feuerschein und der dicke, schwarze Rauch, der an dem ruhigen Abend kerzengerade in die Höhe stieg und dessen Farbe sich so wunderbar gegen den Sommerhimmel abhob, die erwachsenen Männer und Frauen, die auf den Anhöhen rechts und links vom Feuer standen, und ein Stüokchen abseits davon die Kinder, die in ihren farbenfrohen FeiertagBkleidem schwedische Reigenspiele aufführten. Auf meine Anfrage hin teilte mir Pastor Gordon mit, daß die Bevölkerung von Runö für diese Sitte keine Erklärung hat und auch keine damit ver­ 1 Dagegen findet man bei Neus, Estnische Volkslieder (Reval 1860) S. 347, Nr. 97 B ein Lied über ein aus phantastischen Bestandteilen gebautes Schiff, wobei ein Ausdruck vielleicht darauf schließen läßt, daß das Schiff auf Rädern läuft. Professor Kaarle Krohn war so freundlich, mir die Arbeit von Neus zur Verfügung zu etellen.

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1. Kapitel: FelsbilderBchiffe und Kultsohiffe

knüpften Traditionen kennt. Er wußte nur hinzuzufügen, daß das Herauf­ ziehen, Anstreichen und Anzünden des Bootes ausschließlich von den un­ verheirateten Männern ausgeführt werde, ein Zug, den man oft bei ähn­ lichen Fällen feststellen kann.

Ein Berioht über die Verbrennung des Bootes auf Bund findet sich, worauf Arvid Julius mioh hinwies, schon 1847 bei F. J. Ekman, Beskrifning om Runö i Liffland (gedruckt zu Tavastehus) S. 80ff. Hier heißt es, daß der Scheiterhaufen aus einigen Booten bestand; nach dem Brande wurde in dem Hause desjenigen Hausbesitzers, dem das größte dieser Boote gehörte, getanzt. 0. Rußwurm, der in seiner Arbeit: Eibofolke oder die Schweden an den Küsten Estlands und auf Runö (Reval 1855), S. 103f., Ekmans Schilde­ rung der Bootsverbrennung auf Runö wiedergibt, beschreibt weiter auch Mittsommerfeuer auf Wormsö, erwähnt aber hier nichts von Booten, sondern sagt nur, der Scheiterhaufen habe aus Tannenzweigen, Wacholderbüschen und eventuell Teertonnen bestanden. Ich wandte mich um weitere Auf­ klärungen über die Ausbreitung der Sitte in Estland, Boote im Mittsommer­ feuer zu verbrennen, an Rektor Kaleb Anderason, der darauf im Frühjahr 1921 die Schüler der Volkshochschule von Birkas Aufsätze über die Mitt­ sommerfeiern in ihren Heimatsorten schreiben ließ; diese waren: Wormsö, NuckÖ, Rickholtz und Korkis. Aus diesen Arbeiten ergab sich, daß Mitt­ sommerfeuer überall in diesen Gegenden angezündet werden. Zu dem Schei­ terhaufen sammelt man Reisig und anderes Brennmaterial und fügt, wenn möglich, eine Teertonne hinzu. Die Sitte, Boote zu verbrennen, war den meisten Schülern gänzlioh fremd; nur drei, je einer von den drei letzt­ genannten Orten, hatten gesehen, daß man ein Boot verbrannte, falls man ein altes fand, das zu nichts anderem mehr als zum Verbrennen taugte. Doktor A. Friedenthal aus Reval war ferner so liebenswürdig, mir mit­ zuteilen, daß, soweit ihm bekannt ist, das Verbrennen von Booten im Mitt­ sommerfeuer nur rein zufällig vorkommt, falls sich eben ein altes Boot zur Hand findet. So geschieht dies z. B. in einigen Orten östlich von Reval (Kolkwiese, Tapaswiese), wo jedes ausrangierte Boot zu diesem Zwecke auf­ gespart wird. Dasselbe ist auf Dagö der Fall, wo jedoch die alten Leute er­ zählen, daß früher regelmäßig zum Mittsommerfeste Boote verbrannt worden seien. Der Gebrauch ist jedenfalls nur an der Küste und auf den Inseln, nicht im Innern des Landes bekannt. Die gewöhnliche Form des estnischen Mittsommerfeuers ist aber die, daß man eine alte Teer- oder

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Pstroleumtonne auf eine Stange setzt und diese mitten in den Scheiter­ haufen hineinsteckt; wenn möglich, schichtet man den Scheiterhaufen auf einem Hügel auf, damit das Feuer weithin sichtbar ist. Das Verbrennen von Figuren iBt Doktor Friedenthal nioht bekannt, desgleichen weiß er nichts über das Vorkommen von Brautpaaren. Ernst Klein, der in seinem Buche Runö (Stockholm 1924, S. 330f.) das dort übliohe Verbrennen von Booten kurz erwähnt, berichtet in diesem Zu­ sammenhang, daß ein Einwohner von Runö einen Esten erzählen hörte, daß man auf Oesel zu Johannis Boote zu verbrennen pflegte, und zwar zum Andenken daran, daß es den Vorvätern einmal gelungen sei, das Boot eines von Schweden kommenden Seeräubers zu verbrennen. Diese Sagen­ variante schließt sich deutlich am engsten an die von Professor Eisen aufgezeiohnete an.

Auch in Finnland werden zuweilen bei den Mittsommerfeuern Boote ver­ brannt, wie mir Professor Kaarle Krohn gütigst mitteilte. Auf diese Sitte weist, soviel mir scheint, eine auffallende Stelle in dem 48. Gesang der Kalewala hin. Hier wird erzählt, wie Väinämöinen ein Netz anfertigte, um darin den Fisch zu fangen, der das Feuer verschluckte. Er sät zuerst den Flachs, aus dem das Netz bereitet werden soll (V. 15ff.): Ward ein wenig Land gefunden, Eine Stelle, nie geschwendet, Auf des Sumpfes großem Rücken, In der Mitte zweier Stämme. Ausgegraben ward die Wurzel, Flachsessamen dort gefunden, Von Tuonis Wurm behütet, In dem Schutz der Erdenlarve. War ein Klümpchen dort von Asche, War ein Häuflein trocknen Staubes, Eines Boots Rest, das einst brannte, Eines Fahrzeugs, das verzehrt ward; Dorthin ward der Flachs gesäet, In die Asche eingesenket, An den Strand des Sees Alue, In den lehm’gen Aokerboden. Keime trieb empor die Pflanze, Üppig schoß der Flachs zur Höhe, Über Hoffnung hob der Lein sich Während einer Nacht des Sommers. (Nach der Übertragung von Anton Schiefner.)

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1. Kapitel: FelBbildereohiffe und Kultschiffe

Der Asche des verbrannten Bootes wurde demnach besondere Kraft zu­ geschrieben. Dies scheint mir ein deutlicher Beweis dafür zu sein, daß der Brauch, alljährlich ein Boot zu verbrennen, nicht allein darauf fußte, daß in Küstengegenden alte Boote aus praktischen Gründen ein prächtiges Brennmaterial für derartige Feuer darboten, Bondern vielmehr darauf, daß diese Sitte einen speziellen Sinn hatte, der mit der Bedeutung der Kult­ schiffe im allgemeinen in Verbindung stand. Die Erklärung für die Verbrennung des Bootes, die sowohl die estländische ErläuterungBsage als auch die Legende aus Monaco andeutet, daß nämlich durch den Brand die Abreise des Königs, der Gottheit oder des Heiligen, dessen Ankunft man gefeiert hatte, verhindert werden sollte, kann kaum den ursprünglichen Sinn des Ganzen treffen1. Dies beweisen Ge­ bräuche, die in Norwegen bei Mittsommerfeuem mit ähnlichen Einäsche­ rungen von Booten verbunden waren. Diese norwegischen Gebräuche hat Lektor Kristian Bugge aus Aalesund zusammengestellt und sie zunächst einmal in Folk-Lore 1920 und in Big 1921 veröffentlicht. Er hat hier nachgewiesen, daß man an der ganzen norwegischen Küste, von Vestfold bis Söndmöre, am Mittsommerabend (St. Haasaften oder Jonsok = Johanniswacht) eine bis auf den Wipfel ent­ ästete Birke oder eine kreuzförmige Stange, die mit Wacholderzweigen oder dergleichen umwunden ist und in deren Spitze mitunter eine Teertonne steckt, aufzurichten und zu verbrennen pflegt. In den nördlichen Teilen des Stiftes Bergen wird diese Stange oder dieser Birkenstamm „Jonsokkallen“ (kall = Kerl, Kreis) oder „Jonsokkjaerringa“ (kjaerringa = Frau, altes Weib) genannt. Ähnliche Figuren werden manchmal auch zu Syftesok (= St. Svithunswacht, am 1. Juli) verbrannt und werden dann „Syftesokkallen“ oder „-kjaerringa“ genannt. Sehr oft werden auch längs der nor­ wegischen Küste bei den Mittsommerfeuern alte Boote verbrannt; man hält es stets für „det gildeste“, ein solches in den Scheiterhaufen mit hinein­ zubekommen. In Aalesund pflegte man das Boot zuerst durch die Straßen zu ziehen; ein Knabe stand darin und bettelte um Geld für das Fest. In dem Stifte Bergen traten zu früher Stunde am Mittsommerabend ein paar als „Jonsokbrautpaar“ verkleidete Kinder auf, die ihre Hochzeit damit 1 Die Eisensche Sagenvariante hat eine abweichende und undeutlichere Erklärung für die Verbrennungszeremonie. was am besten beweist, daß der richtige Zusammenhang vollständig in Vergessenheit geraten war.

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feierten, daß sie dreimal um einen großen Stein gingen, worauf man eine Mahlzeit hielt. Für einen Fall wird mit Bestimmtheit abgegeben, daß dieses Brautpaar auch dabei sein mußte, wenn der Scheiterhaufen zu einer späteren Stunde des Abends verbrannt wurde. Auch in Frankreich treten Schein­ brautpaare bei den Jahresfeuern auf (Frazer Vll, 1, S. 109). Bugge hält dieses Kinderbrautpaar für das Götterpaar des neuen Vegetationajahres, das das auf dem Scheiterhaufen verbrannte alte Paar ersetzt. Das alte Paar bringt er in Beziehung zu Balder und Nanna (worüber später in Kap. 5) und glaubt, daß das Boot als Entlehnung aus den Schiffsgräbem über­ nommen worden sei. loh für mein Teil glaube, daß das Verhältnis in dieser Hinsicht ein umgekehrtes gewesen ist, worüber Weiteres in Kap. 4. Meiner Ansicht nach haben wir es hier eher mit einer Verschmelzung der Vorstellung von dem im alljährlichen Feuer verbrannten Fruchtbarkeits­ gotte mit der von seiner Abfahrt zu Schiff auf das Meer hinaus zu tun. Eine gleiche Verschmelzung der parallel vorkommenden Gebräuche, den Re­ präsentanten der alt gewordenen Vegetation durch Feuer zu vernichten oder auf das Wasser hinauszusohicken, ist in St. Lo in der Normandie (Frazer IU, S. 228f.) vor sich gegangen, wo man am Fastnaohtsdienstag eine brennende Figur in den Fluß wirft und sie wegtreiben läßt, bis sie völlig ausgebrannt ist. Vorher wird der Tote auch hier von seiner Gemahlin beweint. Daß die Gemahlin des Vegetationsgottes ihm in den Tod und auf den Scheiterhaufen folgt, ist offenbar ein nordisoher Zug, der kaum seine Entsprechung im Süden finden dürfte; wenigstens war dies nicht beim Adoniskult der Fall. Ob das in Norwegen auftretende Kinderbrautpaar als Ersatz des ver­ brannten Götterpaares anzusehen ist, mag in Frage gestellt werden. Das Paar tritt ja in der Tat zeitiger am Tage auf und scheint seine Aufgabe durch die Gegenwart beim Brande zu Ende zu führen. Es sieht hier eher so aus, als hätten wir es mit derselben Reihenfolge zu tun, wie beim Adonis-

ritus und vielen ihm verwandten Riten: zunächst feiert der Fruchtbarkeits­ gott seine Hochzeit, was oft durch einen menschlichen Repräsentanten ver­ sinnbildlicht wird, darauf vollzieht sich sein Hinscheiden im Wasser oder durch Feuer, was aber gewöhnlich in effigie dargestellt wird. Die Annahme einer solchen Reihenfolge könnte vielleicht auch die eigen­ tümliche Sitte, entweder am Mittsommerabend oder am 1. Juli eine Figur zu verbrennen, erklären. Ein gleicher Weohsel des Einäsoherungsdatums kommt auch andernorts vor, mitunter im deutlichen Zusammenhang mit

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1. Kapitel: Felsbildersohiffe und Kultsobiffe

dem Fortdauern der Feste über mehrere Tage hindurch. Nach Mannhardt I, S. 514 pflegt man in dem in der Umgebung von Paris gelegenen Brie am 23. Juni einen aus Weidenruten geflochtenen Riesen zu verbrennen; aber in Paris selbst war es bis 1743 Sitte, eine derartige Figur erst am 3. Juli in der Straße Rue aux Ours einzuäschern, nachdem man sie vorher einige Tage lang feierlich in der Stadt herumgeführt hatte. Bei Moosheim in Württemberg wurde „das Santo Hans Segensfeuer ** an dem zweiten Sonn** tag nach Mittsommer dadurch gelösoht, daß ein mit Laub bekleideter Jüng­ ling es austrat (Mannhardt I, S. 524; Frazer VH, 2, S. 26). Es sieht dem­ nach so aus, als ob die Mittsommerfeste, wenigstens in gewissen Fällen, sich über mehrere Tage hin erstreckt und mit dem Verbreimen des Vegetations­ repräsentanten geendigt hätten. Später hat man die Festlichkeiten auf einen einzigen Tag konzentrieren wollen, und dabei sind die Gebräuche ver­ schiedenartigen Änderungen unterzogen worden. In Schweden war im all­ gemeinen am Mittsommerabend das Errichten der Maistange die Haupt­ sache; an gewissen Orten ließ man sie bis zum nächsten Jahre stehen. In Norwegen dagegen wurde das Verbrennen der Stange die Glanznummer, und deshalb wurde dieser Vorgang auf den großen Festtag, den Mittsommer­ abend selbst, verlegt, jedooh blieb man hie und da bei der Sitte, die Ver­ brennung erst acht Tage später, an Syftesok1, vorzunehmen. So lassen sich die verschiedenen Daten für das Verbrennen der französischen Korbfiguren wie vielleicht auch der Umstand erklären, daß die Prozession in Douai ehe­ dem am dritten Sonntag im Juni stattfand, jedoch später auf den ersten Sonntag im Juli verlegt wurde. Eine sprechende Parallele zu diesen Verbrennungszeremonien, die den Abschluß der Mittsommerfeste bildeten3, stellt eine Mittwintersitte auf Shetland dar (Frazer VI, S. 169). Man glaubt dort, daß „Ttowb“, d. h. Trolle, während der ganzen Weihnachtsfestzeit die Welt der Menschen be1 Wann man den Mittsommerabend als den ersten Tag rechnet, ist der 1. Juli der neunte. Dies stimmt vortrefflich mit Adam von Bremens Angabe (IV, 27, sohol. 141) überein, daß die größten Feste in dem alten Upsala neun Tage währten. — Auf Runö wiederum soll man früher Feuer und Tanz, die den Vorgängen am Mittsommerabend ähnlich waren, am 29. Juni oder am 2. Juli veranstaltet haben (Klein, Runö, S. 331). * [Auch bei Würzburg finden zur Mittsommerzeit Verbrennungen von Booten statt, wie mir Professor F. R. Schröder mitteüte. Eine erklärende Tradition soheint aber dafür nicht zu bestehen.]

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suchen. Diese Festzeit rechnet man bis zum 29. Januar, der „üp-helly-a“ d. h. „Upholiday", i. e. das Aufhören der Festzeit, genannt wird. An diesem Tage jagt man zum Schein die Trolle fort. Man stößt dort ferner brennende Teertonnen auf den Straßen mit den Füßen weiter, und früher zog man sogar ein altes, mit Teer gefülltes, brennendes Boot herum. In späterer Zeit sind diese Bräuche durch eine Karnevalsprozession ersetzt worden, bei der man in einem Faokelzug das Modell eines Bootes herumtrug, das zum Sohluß verbrannt wurde. Es ist klar ersichtlich, daß dieses ver­ brannte Boot genau demjenigen Boote entspricht, dessen Einäscherung in Monaoo am 27. Januar stattfand. Die Abfahrt der greisen Vegetations­

geister im Boot bildete demnach, mit oder ohne Verbrennungszeremonie, den Abschluß von Mittwinter- und Mittsommerfesten. Diese westeuropäischen Gebräuche haben merkwürdigerweise Parallelen im äußersten Osten. Mannhardt (I, S. 693) gibt nach Bastian an, daß man auf den Nikobaren im Indischen Ozean beim Beginnen der trockenen Jahreszeit ein Boot in den Dörfern herumzutragen pflegt. Die Einwohner jagen zum Schein die bösen Geister, die „ivi”, aus den Hütten heraus auf das Schiff, das darauf in See gesetzt und den Wogen überlassen wird. Diese ,,ivi“ werden jedoch nicht nur als böse Wesen angesehen, sondern auch als Erhalter der Natur und Beschützer des Wachstums. Ähnliche Gebräuche werden von den Malediven und von Borneo berichtet. Um eine Spezial * form hierzu handelte es sich offenbar auoh, als man zu Beginn des 20. Jahr­ hunderts in China ein Schiff baute, das Tausende von Dollars kostete, um auf diesem die bösen Geister fortzusenden, die, wie man glaubte, eine Choleraepidemie verursacht hätten (L’Anthropologie 1902, S. 788).

Indessen findet sich nicht nur der Schlußakt der Kultsohiffsaufzüge bei den ostasiatischen Gebräuchen vertreten. Bei dem alljährlich gefeierten Shintofest in Japan kommen in den Prozessionen Sohiffswagen vor, die den westeuropäischen sehr ähnlich sehen. Sie erscheinen hier mit den Porträts chinesischer Philosophen1 geschmückt. Es ist wohl kaum anders denkbar, als daß diese ostasiatischen Gebräuche von demselben Zentrum ausgestrahlt sind, von dem die entsprechenden euro­ päischen ausgingen, und dieses ist gewiß am ehesten in Babylonien zu suchen. 1 G. Buschan, Die Sitten der Völker, II, Abb. 26. Für diesen Hinweis bin ioh Arvid Julius zu Dank verpflichtet. [Das berühmte Marmorschiff, das in einem See bei dem in der N&he von Peking gelegenen Sommerpalast liegt, gehört vielleicht auch hierher.]

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1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultschiffe

Zum Schluß seien hier nooh einige Beobachtungen über Bootsopfer­ funde, meistens aus nordischem Gebiet zusammengestellt. Nach dem, was oben über das Entfernen der Kultboote bald durch Feuer, bald ins Wasser berichtet wurde, dürfte man berechtigt sein, als eine Parallele zu der westnorwegisohen Bootsverbrennung, jene in Sümpfen ver­ grabenen Reste zerhauener oder zerbrochener Boote größeren oder kleineren Formats aufzufassen, die an zehn bis zwölf Stellen derselben westnorwegischen Gegenden gefunden wurden. Über diese Funde erstattete Haakon Sheteling in einem Vortrag gelegentlich der nordischen Arohäologenzusammenkunft in Stockholm 1922 einen vorläufigen Bericht (in deren Bericht S. 74ff. gedruckt)1. In einigen gründlich untersuchten Fallen waren diese Reste in N-S-Richtung gelegt, also in der gleichen Riohtung wie die norwegischen Grabschiffe aus der Wikingerzeit (siehe unten S. 192). Hin­ sichtlich ihrer Konstruktion vertreten jedoch diese in Sümpfen auf­ gefundenen Schiffe ältere Typen als die Grabschiffe und stimmen eher mit dem bekannten Boote aus Nydam in Südjütland überein, das in das Ende des 4. Jahrhunderts gehört. Die Fundstätte von Nydam, die außer dem er­ haltenen Boote ein zweites ähnliches sowie Teile eines dritten bewahrte, ist deutlich, wie Shetelig naohweist, als Opferniederlage mit den norwegischen Funden auf eine Stufe zu stellen, obwohl in jener außerdem noch eine Menge Waffen und andere Gegenstände sioh fanden. Eine beachtenswerte Analogie hierzu, obschon aus bedeutend früherer Zeit, bildet der Fund, der neulich in einem kleinen Moore bei Hjortspringskobbel auf der Insel Alsen aus­ gegraben wurde, und von dem Rosenberg bei der eben erwähnten Zu­ sammenkunft Mitteilung machte (siehe den Bericht S. 56ff.). Das dort ge­ fundene Boot enthielt eine Menge Lanzenspitzen, rechteckige und ovale Sohilde sowie ein paar einschneidige Schwerter; diese Waffen gehören an­ scheinend einer frühen Periode der vorrömischen Eisenzeit an. Die beiden dänischen Funde dürfte man wohl als zufällige, nach großen Kämpfen vor­ genommene Erweiterungen des einfachen Bootopfers ansehen; die großen dänischen Moorfunde werden ja allgemein durch den Hinweis auf Cäsars Bericht (B. G. VI, 17,3) über die Sitte der Gallier, die Beute dem Kriegs­ gott zu opfern, erklärt. Von einfacherer Art ist das Gegenstück zu den norwegischen Bootsopfer1 [Vgl- jetzt die ausführliche Publikation von H. Shetelig und Fr. Johannessen, Kvalsundfundet og andre norske myrfund av farteier, Bergen 1029.)

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b) Karnevalschiffe und Götterboote

fanden, das Shetelig aus Schweden anführt. Es handelt sich hier um die von Sernander im örsmoore in Uppland entdeckten, z. T. zerhauenen Kanus, die er einer Untersuchung unterzog und dann selbst mit dem Nydamfunde verglich (siehe die Weihnachtsnummer der Upsala Nya Tidning 1913). Unter einer Torfdecke von etwa 1 Mieter Dicke fand er hier dicht beieinander vier ausgehöhlte Baumkähne aus Fichtenholz, von denen zwei mit Absicht zerschlagen worden waren. Sie lagen einst hochgezogen auf dem Ufer einer damaligen kleinen Landzunge, und die meisten waren gegen einen kleinen b

Abb. 34. Boolmodell, in dem Marschland von Holdemess, England, gefunden.

Steinhaufen gerichtet, der aus Bieben großen weißen Quarzitblöcken bestand und von einer dünnen Kohleschicht und einigen Bohlenresten umgeben war. Sernander deutet wohl mit vollem Recht diese Anlage als eine Opferstätte, die wahrscheinlich irgend einmal im Laufe der Eisenzeit angelegt wurde. Besonders interessant ist ein Fund aus dem Marschlande von Holdemess an der Mündung des Flusses Humber im östlichen England. Hier fand man 1836 in ungefähr 6 Fuß Tiefe im Lehm den in Abb. 34 abgebildeten hölzernen Gegenstand, der im Museum zu Hüll aufbewahrt wird und den Feddersen in Aarboger 1881, S. 383ff. (mit Abb. S. 371) beschrieben hat. In dem Zu * stand, in dem das Fundobjekt heute vorliegt, ist es unvollständig; das Mittelstück mit weiteren vier Menschengestalten war allzu schlecht er * Almgren, Nordische Felsielchnungen als reUglfiae Urkunden.

ß

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1. Kapitel: Felsbildersohiffe und Kultschiffe

halten, als daß es sich retten ließ. Das Ganze stellte einmal ein Miniatur * schiff mit einem Drachenkopf am Bug vor. Die 35—40 cm hohen männ­ lichen Figuren trugen Waffen und waren phallischen Charaktera.Feddersen weist auf die Ähnlichkeit des Gegenstandes mit gewissen Felsbilderschiffen hin und ist der Ansicht, daß er irgendwie zum Fruchtbarkeitskult in Be­ ziehung stand. Daß es sioh um ein VotivBtück handelt, liegt klar auf der Hand; über sein Alter wage ich mich nioht zu äußern. Aus der Bronzezeit besitzen wir einen oft besprochenen Bootsopferfund anderer Art, nämlich die ungefähr hundert kleinen Miniaturboote aus Goldblech, die ineinandergesteckt in einem Tongefäß liegend, bei Nors in Jütland gefunden wurden (Müller, Vor Oldtid, S. 387).

In der Lappenreligion, soviel man von dieser aus Erzählungen aus dem 17. und 18. Jahrhundert weiß, kamen verschiedene Formen von Boots­ opfern vor. Genauere Angaben hierüber hat Axel Olrik in seinem bekannten Aufsatz: Nordisk og lappisk Gudsdyrkelse (Danske Studier 1905, S. 40, 42f., 52f.) zusammengestellt. Bootsopfer wurden von den Lappen teils dem Sturmgott, Bieka Galles, den Olrik mit Njord identifizieren möchte, teils dem „Julfolk“ gebracht, von dem man glaubte, daß es zur Weih­ nachtszeit in der Luft herumfahre. Man stellte für es kleine Boote aus Birkenrinde oder Holz, etwa %—1 Elle lang, hin, versah sie mit Mast, Segeln und Rudern, und füllte sie mit aufgesparten Speiseresten an oder beschmierte sie mit Renntierblut. An den Opferstätten der finnischen Lappen kamen zuweilen Opferbäume vor, die Bootskielen glichen und Teufelsboote genannt wurden; an diese wurden die Opfertiere angebunden. Wie Olrik nachweist, ist die Bestimmung des Bootes in diesen Fällen deut­ lich die, die Opfer zu den Mächten zu befördern; er vergleicht dies mit der Aufgabe der Grabboote, den Toten ins Totenreich zu bringen (worüber weiteres in Kap. 4). Bei dieser Gelegenheit sei auch an die von Lindquist angeführten Lieder von dem Julbock im Boote erinnert; siehe unten S. 76f. Nach Edgar Reuterakiöld (De nordiska lapparnas religion, S. 123) erscheint das Boot auch auf den Lappentrommeln abgebildet und heißt in einer Erklärung derselben „das Boot der Engel“, in einer anderen „der Wagen der Engel, auf dem sie fahren“. Hier nähert man sich vielleicht der Vorstellung vom Todesboot; jedoch kann man wohl auch mit Recht die S. 22 angeführten deutschen Sagen von Frau Holles Schiff zum Vergleich heranziehen. Auf jeden Fall haben die beiden zitierten Forscher mit der

c) Vergleich von Kultschiffen und Felsbildersohiffen

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Behauptung recht, daß die BootevorateUungen von den Lappen ihren ger­ manischen Nachbarn entlehnt worden sind. Votivboote sind ja ebenfalls unsere sog. Kirohenboote. Man pflegt zu sagen, daß diese aus Dankbarkeit für die Errettung aus Seenot geopfert wurden. Aber das ist wahrscheinlich nioht die ursprüngliche Veranlassung des Brauches. In der Bretagne werden solche kleine Kirchenschiffe ge­ legentlich eines Festes, bei dem das Meer gesegnet wird, in einer Prozession herumgetragen (siehe Allere familjejournal vom 13. Juli 1921, mit Ab­ bildung). Hier werden wir an die von Priestern getragenen ägyptischen Kultboote und an das S. 27f. beschriebene Isisfest erinnert. Daß die Ent­ wicklung beständig dahin tendiert, die symbolischen Boote mit dem Meere

in Verbindung zu bringen, ist ja leicht verständlich. Schon in dem klassi­ schen Griechenland scheinen Votivopfer dieser Art hauptsächlich unter zwei sehr realistischen Voraussetzungen vorgekommen zu sein: Fischer opferten ihre Boote dem Poseidon, Sieger in Seeschlachten schenkten den Tempeln eroberte Schiffe, Teile davon oder Miniaturschiffe* 1. Da jedoch ein Miniaturboot bereits aus der minoischen Palastkapelle bei Hagia Triada auf Kreta’ bekannt ist, bo ist es sehr wahrscheinlich, daß auch die griechischen Votivboote ursprünglich von den ägyptischen her­ stammen, deren Beziehungen zu den Götterbooten unbestreitbar feststehen (vgl. oben S. 49 sowie Abb. 46 unten).

c) Vergleich von Kultschiffen und Felsbilderschiffen

Die hier gegebene Übersicht ergab, daß Kultschiffe oder Kultboote in Ägypten oder Babylonien eine allgemein übliche Erscheinung waren, und daß man ihre Spuren bis etwa zu dem Jahre 2600 v. Chr. mit Sicherheit ▼erfolgen kann; ihre Anwendung sahen wir in üppigster Blüte, solange die alten Kulturen dieser Länder bestanden. Es scheint mir kein Zweifel

darüber zu bestehen, daß wir in diesem machtvollen orientalischen Brauch den Ursprung sowohl des Kultschiffs der griechisch-römischen Antike als auch der mittelalterlichen und modernen Karnevalsschiffe des kontinen1 W. EL D. House, Greek votive offerings (Cambridge 1902), S. 71, 103, 106, 107, 116; 8. 230 werden Votivschiffe von unsicherer Bedeutung erwähnt, die nach R. vermutlich Dankopfer für die Errettung aus Seenot darstellen. [Über Kirchenschiffe vgl. weiter Nachtrag B.] 1 Paribeni in Monumenti antichi XIX, Sp. 26.



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1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultschiffe

talen Europa sowie ferner der Gebräuche zu Buchen haben, die wir aus den östliohen Teilen der alten Welt anführten. In Nordeuropa fanden wir aus jüngerer Zeit nur schwache Reminiszenzen an die Erscheinung des Kult­ schiffs in äußerst rudimentären Gebräuchen und dunklen Sagen wieder. Die isländische Literatur weist bereits nur wenige und oft mißverstandene An­ deutungen über Götterschiffe auf (siehe Kap. 5). Diese Spuren deuten jedoch darauf hin, daß Kultschiffe einmal auch im Norden üblich waren, obschon ihre eigentliche Blütezeit sehr weit zurückliegt. Damit stimmt die Tatsache trefflich überein, daß wir auf unseren aus der Bronzezeit stammen­ den nordischen Fehbildem zahlreiche Zeugnisse für den Gebrauch der Kultschiffe wie auch für so viele andere, noch heute in alten Volkssitten erhaltenen Aufzüge aus dem primitiven Fruchtbarkeitskult vorfinden. Alle diese Ackerbauriten bekommen ihre richtige Perspektive, wenn wir sie in

das Kulturmilieu der Bronzezeit hineinversetzen und annehmen, daß sie während dieser Periode ein Hauptelement der damals in Europa bestehen­ den Religionen bildeten. Im Orient gehen diese Riten offenbar noch weiter zurück; die ältesten sicheren Angaben über orientalische Kultschiffe stam­ men ja aus einer Zeit, die älter iBt ah die nordischen Ganggräber. Von der durch unsere Studien über die Kultschiffe gewonnenen Bash aus wollen wir nun den Sinn der detailreicheren Schiffsbilder unserer Feh­ zeichnungen näher untersuchen, und zwar sowohl diejenigen, die wir im Anfang des Kapitels beschrieben haben ah auch eine Menge andere. Zu den Schiffen der Fehzeichnungen, die Sonnenbilder oder Bäume auf­ wiesen, fanden wir im Süden verschiedene Gegenstücke, z. B. Abb. 20 b, 23, 25 \ 26a, 29, 32a. Es scheint jedoch so, ah ob man sich im Norden meistens damit begnügt hätte, den symbolischen Gegenstand allein (Scheibe, Rad, Baum) die göttliche Macht repräsentieren zu lassen, während dieser im Süden gewöhnlich nur ein Attribut der anthropomorphhierten Götter­ gestalt ist. Schon lange wurden die Sonnenschiffe der nordischen Fehbilder so von einigen Forschern gedeutet8. Jedoch hat man im allgemeinen angenommen, 1 Man vergleiche besonders Schiffe mit zwei Bäumen: Abb. 25 und 11b. * Siehe z. B. Worsaae, Danish Arts S. 113; Sophus Müller. Vor Oldtid, S. 421; Montelius, Kulturgeschichte Schwedens, S. 136; Vär Forntid, S. 152; Dächelette, Revue arch. 1909, 1, S. 324ff.; Manuel II, 1, S. 418ff.; Sohneider S. 15.

c) Vergleich von Kultschiffen und Felsbilderschiffen

69

daß ihre Aufgabe darin bestand, durch die Zeichnung den Begriff „Sonne“

oder „Sonnengott“ symbolisch auszudrücken; eine ähnliche symbolisch­ mythologische Auffassung hat Wilke über die Abbildungen von Schiffen,

die Bäume tragen, geäußert. Aber in den vielen Fällen, in denen wir auf den Felsbildern Lurenbläser, Adoranten oder Tanzende bei dem Schiffe

sehen, kann man diese wohl schwerlich anders denn als Darstellungen

wirklicher Kultszenen deuten, und soweit ich eB beurteilen kann, spricht

alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß auch den stärker schematisierten und weniger detailreichen,

aber

mit zahlreichen BemannungBstrichen ver­

sehenen Zeichnungen dieselbe Erklärung zukommt wie den detailreicheren. Die Entwicklung scheint mir auf europäischem Boden so verlaufen zu sein,

Abb. 35. Schilfe mit Adoranten auf einem Vasensliick aus dem Heratempel in Argos.

daß ganze Scharen von Festteilnehmern auf den Schiffen untergebracht wurden, die beinahe zu einer Art Estrade für mehr oder minder drama­ tische Aufzüge wurden. Man denke an Bilder wie Abb. 4, 8, 9, 13c, 14a—c,

15, 19a und b. Man vergleiche damit auch die jüngeren Karnevalsschiffe, in denen die sicherlich direkt von einer Fruchtbarkeitsgöttin (wie der des

Mochlosringes) herstammende „Königin der Königinnen“ sitzt, umgeben von ihrem ganzen Hofstaat, oder in denen auf andere Weise verkleidete Personen und Musikanten zu sehen sind. Derartige Figuren treten ja auch

auf dem Schiffswagen des Dionysos (Abb. 22a) auf. Drei Schiffe mit Adoranten finden Bich ferner auf einem griechischen Vasenstück geometri­

schen Stils aus dem Heraion in Argos (Abb. 35), worauf Axel Boethius mich aufmerksam machte.

Auch für die springenden und „voltigierenden “ Gestalten (Abb. 16—18) finden wir jetzt eine natürliche Erklärung, wenn wir an die rituellen Taucher­

spiele und an ähnliche Festbräuche denken sowie überhaupt an all die

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1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultschiffe

Sprünge, die eine so große Rolle bei den Jahresfesten spielen, wie das Springen über erloschene Feuer usw. Was die stark rückwärts gebeugte

Körperhaltung auf mehreren Bildern anbelangt, so finden wir dieselbe bei einigen der auf einer ägyptischen Wandmalerei

abgebildeten Akrobaten wieder (Abb. 36);

die

Schilfkronen, die die Akrobaten tragen, deuten

vielleicht darauf hin, daß es sich auch hier um einen

rituellen Vorgang handelt1.

Das Brautpaar in Abb. 9 haben wir allen Grund, sowohl mit dem bei der Bootverbrennung2 auf­ tretenden norwegischen Jonsokbrautpaare und dem

nach estländischen Sagen am Mittsommerfeste an­

Abb. 36. Allägyptische Voltigeure.

kommenden Paare, als auch, um Entlcgeneres

anzuführen, mit den Brautzügen der Kamevalsfeiern und der rituellen

Hochzeit (‘hieros gamos’) bei einem Dionysosfeste in Athen zusammen­

Abb. 37. Sandaker, Kirchspiel Näsinge, Bohuslän.

zustellen. Ein auf einem Schiff stehendes Brautpaar sehen wir auf der von

Lindquist (Göteb. FT. 1923, Abb. 6) veröffentlichten Felszeichnung aus Sandäker im Kirchspiel Näsinge, im nördlichsten Teil von Bohuslän

(Abb. 37)3. 1 Vgl. Moret, S. 258. a Bei Herand in Hardanger befindet sich eine Felszeichnung mit zwei Braut­ paaren, allerdings nicht auf, sondern zwischen den Schiffen; weiter sieht man dort Zirkelfiguren, Elfenmühlen und eine Fußsohle (Oldtiden II, S. 99). • Über die möglicherweise hierher gehörenden Schiffsbilder auf Hästholmen siehe unten 8. 83 ff.

c) Vergleich von Kultschiffen und Felsbilderschiffen

Abb. M. Kalleby, Tanum.

71

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1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultsohiffe

In Abb. 1 sieht man unten in der Mitte dicht über einem Schiffe, einen liegenden phallischen Mann, über den sich eine weibliche Figur in Halbfigur zu erheben scheint1. Diese Bildgruppe entspricht wohl dem auf dem Schiffe aufgebahrten toten Osiris und der ihn beweinenden Isis (vgl. Abb. 33). Der tote Osiris wird ebenfalls zuweilen ithypallisch (Mariette, Denderah IV, pl. 90, oberes Feld) dargestellt2. Im nächsten Kapitel werden wir Gelegenheit nehmen, verschiedene andere Bilder zu studieren, die auf Hochzeit und Tod des Fruchtbarkeitsgottes anzuspielen scheinen. Als triumphierenden Gott auf dem Sohiffe möchte ich Abb. 38 deuten, eine Felszeichnung bei Kalleby in Tanum (B. II, 1—2: 9), die sich also auf

demselben Grund und Boden befindet wie Abb. 7 und 9. Durch seine im Verhältnis zum Schiffe und zu dem nebenstehenden Manne riesige Größe erinnert der Gott an die Gestalt des Horus (Abb. 32b), und im ganzen be­ trachtet bildet er, wie mehrere im nächsten Kapitel behandelte Figuren auf Felsbildem, eine nahe Analogie zu den bewaffneten Biesen in den flandrischen Prozessionen. Bemerkenswert ist auch die Verwandtschaft dieses Bildes mit der in einem Boote befindlichen und mit einer Axt ver­ sehenen Figur des hl. Olaf, die sich auf dem von Montelius in seinem Aufsatz über die Axt des Sonnengottes angeführten mittelalterlichen Siegel aus Torshälla, dem alten Torsharg findet (Abb. 39); dieses Siegel bietet den schlagendsten Beweis dafür dar, daß St. Olaf der Nachfolger Tors geworden ist. In Abb. 38 dürften wir wohl dagegen einen Vorgänger Tors vor uns haben. 1 Diese Auffassung des Bildes erscheint mir, besonders im Hinblick auf eine im nächsten Kapitel behandelte Gruppe auf der Zeichnung von Hvitlycke, weit natürlicher als diejenige Kossinnas (D. V., 8. 95), nach der nämlich die Zeichnung den jungen Frühling darstellt, der aus dem Schoße des getöteten Winters hervorgeht, oder als die Edv. Lehmanns (Maal og Minne 1916), nach der es sich hier um einen bisexuellen Fruohtbarkeitsgott mit Phallus und Frauenbrust handelt. — Daß das betreffende Bild von Baltzer im ganzen wesentlich richtig wiedergegeben worden ist, hat Gustaf Hallström bei einer Untersuchung der Zeichnung festgestellt, die er auf moinen Wunsch hin vor einigen Jahren freundlicherweise unternahm. * Der Sage nach wurde er gerade in diesem Zustand durch Isis Vater des Horus (vgl. Kristensen, Livet fra deden, 8. 189). Dies gibt dem Motive eine zentrale Stellung in der Kultmythe und stützt die Vermutung, daß es sich bei den eben angeführten schwedischen Felsbildem um eine gleiche Mythe, resp. Kultszene handelt.

c) Vergleich von Kultschiffen und Felsbildersohiffen

73

Die Darstellungen auf den Schiffen Abb. 13a—c deute ich indessen als von Menschen mit den heiligen Äxten ausgeführte Kulthandlungen.

Vor allem sprechen die tanzenden M&nner auf der Rasiermesserklinge für eine solche Erklärung. Analog dazu sehe ich in der kleinen männlichen Figur, die auf dem Bchönen B. 47—48: 2 abgebildeten Schiffe mit beiden Armen einen Speer waagerecht über dem Haupte hält, eine Kulthandlung mit dem heiligen Speer. Einige ähnliche, jedoch weniger pompöse Bilder finden sich auf anderen Felszeichnungen (z. B. Abb. 9 oben und B. 31 bis 32: 1); in B. II, 9: 2 sehen wir zwei derartige Speerträger auf Abb. 39. Mittelalterliches Siegel einem Schiffe; demnach läge hier der Stadt Torshälla. eine noch nähere Parallele zu den beiden Axtträgem in Abb. 13 a—c vor. Sowohl einen Axt- ah auch einen Speerträger findet man auf einem Schiffe in B. 31—32: 1 (unten). Höchst merkwürdig erscheinen uns die Schiffe, oberhalb deren man eine Schlange sieht und die in mehreren Exemplaren auf der Zeichnung von Lökeberg Abb. 10 sowie einzeln auf den Zeichnungen B. 42—43:1 aus Tanum und B. II, pl. 8 aus dem Kirchspiel Hogdal im nördlichen Bohuslän zu finden sind1. Eine ähnliche Darstellung sieht man auf einem dänischen Rasiermesser, das zuletzt von Nordman (Oldtiden VII, S. 197) behandelt wurde, der bei dieser Gelegenheit auch die erwähnten Felsbilder diskutierte und darauf hinwies, daß sie religiösen Charakters sein müßten. In welcher Richtung man nach der religiösen Deutung suchen muß, geht schon aus dem Umstand hervor, daß die Schlangenschiffe in Abb. 10 in der Gesell­ schaft eines mit einem Baum versehenen Schiffes auftreten. Wir haben bereits in Abb. 29f. eine ägyptische Darstellung eines Bootes angetroffen (aus dem Tempel zu Denderah), auf dem eine Schlange Bich aus einer Lotos­ blume erhebt, und ein ähnliches Bild ist auf dem Bug des in Abb. 32 b 1 [Über ein ähnliches Bild auf einer norwegischen Felszeichnung siehe Nach­ trag A, S. 339.J

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1. Kapitel: Felebilderechiffe und Kultechiffe

wiedergegebenen Horusbootes aus demselben Tempel zu sehen; hier hält der Gott ebenfalls eine Schlange in der Hand. Die vollkommenste Parallele zu dem nordischen Schlangenschiff, die wir uns wünschen können, finden wir indessen auf einem anderen ägyptischen Bild (Abb. 40). Sie ist einer weitläufigen Bilderfolge in einem Grabe aus der Zeit der 26. Dynastie ent­ nommen, die die nächtliohe Fahrt des Sonnengottes auf seinem Schiff durch die Unterwelt darstellt1. Der Gott wird hier zu verschiedenen Malen ab­ gebildet, auf einem Schiffe stehend und gleichsam umrahmt von einer

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Abb. 40. Schlangenboot, abgebildet in einem ägyptischen Grabe aus der Zett der 20. Dynastie.

großen Schlange, aber unter diesen Bildern kommt auch das in Abb. 40 wiedergegebene vor, wo die Schlange allein auf dem Schiffe ruht; unter ihrem Kopf befindet sich das bekannte Lebenszeichen und über ihr ein auf­ klärender Text. Betreffs dieses Bildes Bowie über Abb. 32 b bat ich Pro­ fessor Brede Kristensen um Rat, der mir liebenswürdigerweise folgendes mitteilte: »Die Schlange im Boote (Abb. 40) ist dem beigefügten Texte nach „die leuchtende Hau-Schlange“. Sie ist (nach dem Pyramidentexte 233) die kosmische Schlange, die „Himmel und Erde umsohlingt“. Sie ist identisch mit der Erdschlange „Leben der Götter ** (nach dem Amduat-Text, 1 J. Dümischen und W. Spiegelberg, Der Grabpalast des Patuamenap in der thebanischen Nekropolis III (Leipzig 1894).

c) Vergleich von Kultachiffen und Felsbilderschiffen

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12. Stunde), durch die der Sonnengott im Laufe der Nacht hindurchreist und aus deren Mund er des Morgens am östliohen Horizont hervorgeht. Sie heißt auoh „Leben der Erde ** und wird dann ähnlich wie „die leuchtende Hau-Schlange ** abgebildet, im Boote liegend und mit dem Abzeichen des Lebens im Munde. Die Schlange vor Horus auf dem Denderahbilde (Abb. 32b) ist „der Erdensohn (Sa-ta), der große, der sioh aus der Lotos­ blume emporhebt . ** Sie ist auf das engste mit der Hau-Schlange, dem Leben der Götter (oder der Erde) verwandt. Der Beiname „die leuch­ ** tende zeigt an, daß sie wohl identisch ist mit der Schlange, die aus der Lotosblume aufsteigt. Sie ist das Sinnbild der Erneuerung des Lichtes; wie „das Leben der Götter (oder der Erde) , ** schenkt sie dem Lichtgotte die

Kraft der Erneuerung.« Die schlagende Ähnlichkeit zwisohen dem ägyptischen Schlangenschiff

(Abb. 40) und dem nordischen (Abb. 10) kann unmöglich wegerklärt werden und wird daher zu dem besten Beweis für die Berechtigung der in dieser Untersuchung vorgenommenen Gegenüberstellung orientalischer und nordi­ scher Kultformen. Die Frage danach, wie sich nun die Fortpflanzung der

Bildtradition auf diesem langen Wege vollzogen hat, drängt sioh uns be­ sonders in einem solchen Falle wie dem eben behandelten auf. Handelt es sioh hier lediglich um ein gezeichnetes Phantasiebild, das von Volk zu Volk wanderte, das man auf vergänglichem Material festhielt und das deshalb meistens verschwunden ist, sioh jedooh in Ägypten und im Norden in einigen in Stein eingeritzten Exemplaren erhalten hat 1 Obwohl ich diese Möglichkeit nicht für ausgeschlossen halte (vgl. Kap. 5, S. 272), glaube ich doch eher, daß wir auch in diesen Fällen es in den verschiedenen Ländern mit Abbildungen wirklicher Kultboote zu tun haben, auf denen plastisch hervortretende Schlangen lagen. Hinsichtlich ihres Vorkommens in Ägypten

ktt-nn ich vorläufig nur auf eine Angabe in Weigalls populärer Arbeit: Pharao Aohnaton, verweisen, nach der Amenhotep HI. ein Bild der Agathodämon-Schlange in einem Tempel in Benha aufstellte. Was die nordischen

Schlangenbilder anbetrifft, so ist es merkwürdig, daß sie in einigen Fällen ein besonderes Kennzeichen bekommen haben, das Bich nicht bei den ägyp­ tischen wiederfindet. Zwei der Schlangen auf der Zeichnung von Lökeberg (Abb. 10) scheinen nämlich mit Hörnern versehen zu sein. Nordman ver­ gleicht sie mit den gehörnten Sohlangenfiguren auf dem Gundestrupkessel, die auoh in der keltischen religiösen Kunst wieder auftauchen und

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1. Kapitel: Felsbildersohiffe und Kultschiffe

ferner, wie 8. Reinach mitteilt, im griechischen Mythos*1. Es ist wohl nioht unwahrscheinlich, daß die mythische gehörnte Schlange letzten Endes auf die wirklich existierende Schlangenart mit hornähnlichen Auswüchsen auf dem Kopfe (Cerastes) zurüokgeht, die in der ägyptischen Wüste vorkommt und deren Bild ein gebräuchliches Hieroglyphenzeichen darstellt; aber diese gehörnte Schlange scheint in der ägyptischen Religion keine Rolle gespielt zu haben. Da die Cerastesart (nach dem Nordisk Familjebok) auch in Persien vorkommt, könnte man sioh denken, daß die europäischen Vor * Stellungen hierher stammen. Auf jeden Fall spielt die mythische gehörnte Sohlange offensichtlich in der religiösen Kunst Galliens eine große Rolle, und deshalb darf man wohl annehmen, daß größere plastische Schlangen­ bilder in Kultprozessionen herumgeführt worden sind. Man könnte sogar in Versuchung kommen, zu vermuten, daß sie die Vorgänger der Drachen­ gestalten waren, die heute bei flandrischen und englischen Karqevalsfestzügen herumgeführt werden8. Die Umwandlung wäre dann auf Grund der Vorliebe des Mittelalters für den Drachen vollzogen worden, genau so wie das ursprüngliche einfache Sonnenrad der Karnevale im Mittelalter mit dem Glücksrad und dessen Begleitfiguren vertauscht wurde. Einige weitere Zeugnisse für die Verwendung von Schlangen beim Frucht­ barkeitskult werden in Kap. 2 gelegentlich der Behandlung der übrigen auf Felsbildern abgebildeten Schlangen, die ohne Verbindung mit Schiffen vor­ kommen, angeführt werden. Nur einige wenige Male sieht man vierfüßige Tiere auf den Schiffen der nordischen Felsbilder. Auf der Zeichnung von Aspeberg (Abb. 73) findet sioh oben in der Mitte ein Schiff mit drei Tieren, auf der Zeichnung B. II, 9: 6 aus dem Kirchspiel Hogdal eins mit einem einzigen Tier. Auf dem von I. Lindquist veröffentlichten Bilde (in Göteborgs FT. 1923) von Sandäker in Näsinge (Abb. 37) sieht man einen Hirsch auf einem Schiffe; eine an gleicher Stelle abgebildete Zeichnung von Maßleberg in Skee (Abb. 83) zeigt ein Boot mit mehreren Hunden. Sicherlich haben auch diese Darstellungen einen rituellen Sinn; im nächsten Kapitel sei bei der Besprechung anderer Tierdarstellungen auf den Felsbildern hiervon aus­ führlicher die Rede. Hier sei einstweilen nur die höchst interessante Tat1 8. Reinach, Cultes, Mythe® et Religions II (Paris 1906), 8. 68ff.: Zagreus, le serpent oomu. 1 Betreffs England siehe Withington, Register unter dem Worte „Dragon".

c) Vergleich von Kultschiffen und Felsbilderschiffen

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Sache hervorgehoben, auf die Lindquist hinwies, daß in den Sternsinger­ liedern aus Bohuslän und Öland auf einen Weihnachtsfestzug mit einem Book in einem Boote angespielt wird; der Bock wird getötet, wird aber wieder lebendig. Der Kehrreim des öländischen Liedes: „So legten sie den

Bock in das Boot , ** betont, daß gerade das Boot ein wichtiges Moment ist. Da demnach die meisten der an Deck der Felsbilderschiffe vorkommen­ den Darstellungen von Objekten diese unstreitig der Klasse der Kultschiffe einordnen, und da es ferner keine Bilder gibt, die einer solchen Deutung ausdrücklich widersprechen, kommt man leicht zu der Frage, ob sich nicht etwa auch das Ziehen der Schiffe auf den Felstafeln abgebildet findet. Es gibt tatsächlich sichere, wenn auoh nicht viele Beispiele hierfür. Aus Bohuslän sind mir drei Fälle bekannt: bei ihnen allen handelt es sich um

Abb. 41a. Backa, Brustud; b. Skebbervall, Kville; c. Ekenberg bei Norrköping.

einen Mann, der ein Boot hinter sich herzieht. Es sind die in Abb. 41a und b wiedergegebenen Bilder von Brastad und Kville sowie eine kleine Gruppe

auf der Felstafel bei Lilla Gerum in Tanum, die auf dem in Abb. 70 mit­ geteilten Ausschnitt ganz unten zu sehen ist. Hier geht dem Mann, der das Schiff zieht, bezeichnenderweise eine ganze kleine Prozession von

Adoranten voraus. Der sicherste Beweis für die Beziehung der Felsbilderschiffe zu den Kult­ schiffen wurde indessen 1923 durch Nordöns Veröffentlichung (Felsbilder, Taf. 39) des merkwürdigen Bildes Abb. 41c, das er auf einem der großen, mit Zeichnungen bedeckten Felsen bei Ekenberg1 entdeckte, und das er später genauer in MÖF. 1923—1924 behandelte, erbracht. Bei einem Be­ suche des Fundortes, den ich im Herbst 1924 in Gesellschaft von Norden 1 Nach dem, was Nordön mir mitteilte, ist die Bildgruppe schon früher von C. F. Nordenskjöld abgezeichnet worden, der aber nicht die Zugleinen be­ achtete.

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1. Kapitel: Felsbilderschiffe und Kultechiffe

und Ekholm unternahm, hatte ich Gelegenheit, mich davon zu überzeugen, daß dieses Bild besonders scharf gehauen und gut erhalten ist, so daß wirk­ lich bezüglich seiner Deutung kein Zweifel aufkommen kann. Mit aller wünschenswerten Deutlichkeit sieht man hier, wie zwei Pferde mittels Zug­ leinen an das Schiff gespannt sind, die von dessen unterem Vordersteven ausgehen; in der naiven Darstellung sind die Leinen, um deutlich sichtbar gemacht zu werden, über die Pferde hinweg gezeichnet und gehen dann all­ mählich in eine einzige über, die bis auf das Maul des einen Pferdes hinab­ geführt ist. Falls der Mann oberhalb des Schiffes den Wagenlenker vor­ stellen sollte, so fehlen auf jeden Fall die Zügel. Man darf ja nicht erwarten, bei einer derartigen Darstellung alle Details wiedergegeben zu finden; aber bemerkenswert ist es immerhin, daß Ivar Lindquist in seinem eben er­ wähnten Aufsatz dieses Bild mit einer Beschreibung des Tacitus (Germ., Kap. 10) vergleicht, hach der man durch einen mit Pferden bespannten heiligen Wagen Vorzeichen für die Zukunft einzuholen pflegte, wobei vor­ ausgesetzt schien, daß die Pferde gehen durften, wohin sie wollten. Da niemals Räder unter den Schiffen der Felsbilder angedeutet werden, muß man bei der Annahme stehenbleiben, daß man sich zur Bronzezeit im Norden noch nicht an jene Konstruktion herangewagt hat, nämlioh Kultsohiff und Kultwagen zu kombinieren. Die Schiffe entsprechen statt­ dessen den auf Kufen gleitenden Kultbooten, den Bootschlitten. In ge­ wisser Beziehung hätte also unser großer Chemiker Berzelius mit seiner ketzerischen Ansicht1 recht behalten, daß die sogenannten Schiffe der Fels­ bilder Schlitten darstellten, aber wie so häufig lag die Wahrheit hier zwisohen beiden Deutungsversuchen. Auf eine ungewöhnlich großartige und über­ raschende Weise haben in diesem Fall beide Parteien reoht bekommen: die Deutungen „Boot“ und „Schlitten“ trafen sich ganz unerwartet in der wunderlichen hybriden Bildung „Bootsohlitten“8! Ein drolliger Zufall ist es auch, daß der ausschlaggebende Beweis für diese Erklärung von demselben

Felsen bei Ekenberg geliefert wurde, der 1867 durch die Entdeckung des prächtigen Sohwertbildes B. E. Hildebrand den sicheren Anhaltspunkt da­ für bot, die Entstehung der Felsbilder definitiv in die Bronzezeit zu ver­

legen. Wir verstehen jetzt auch, weshalb die vielleicht gebräuchlichste Form 1 Angeführt von Montelius, Bohusl. Bidr. I, S. 152. 1 Die Bezeichnung „Bootschlitten“ wird auoh von Lindquist in seinem oben angeführten Aufsatz über die Schiffe der Felsbilder angewandt.

c) Vergleich von Kultschiffen und Felsbilderschiffen

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des Untergestells der Felsbilderschiffe (siehe z. B. Abb. 41c und 15) so vollkommen einem Schlitten mit „Ständer“ gleicht1. Daß das Ziehen der Schiffe auf den Felsbildern nicht häufiger dargestellt wird, ist leioht verständlich. Auf den griechischen Vasenbildern, die den Schiffswagen des Dionysos Wiedergaben, sind die ziehenden Männer auch nur in einem einzigen Falle abgebildet. Dem panathenäisohen Schiffswagen auf dem obengenannten Kalenderrelief (Abb. 22b) fehlen sie ebenfalls; die ganze große Festprozession wird nur durch zwei Personen angedeutet. Den nordischen Felszeichnern war es offensichtlich die Hauptsache, jene feierlichsten Momente abzubilden, in denen die eigentlichen Zeremonien mit Musik, Tanz ubw. auf dem ruhenden Schiff oder um dieses herum aus­ geführt wurden. In St. Trond blieb ja der Schiffswagen mehr als zwölf Tage unter fortwährenden Feiern stehen.

Abb. 42 a. Ryland, Tanum.

Abb. 42 b. Lyse by, Kirchspiel Lyse, Bohuslän.

In einigen Fällen sieht es sogar so aus, als ob die Schiffe auf recht hohe Gestelle gesetzt gewesen wären, z. B. das größte Schiff auf der Zeichnung von Kalleby (Abb. 9) sowie das Schiff rechts unterhalb des großen Mannas

auf dem Bilde von Litsleby (Abb. 93 unten). Diese beiden Bilder sind einander sehr ähnlich; das stark gebogene bemannte Schiff ruht auf zwei Endstützen, die durch eine waagerechte Grundlinie und eine etwas ge­ krümmte Mittellinie miteinander verbunden werden. Auf dem Kallebyschiffe finden sich noch weitere Stützen, von denen einige schräg gestellt sind. Es dürfte sich hier wohl um Schiffe handeln, die als eine Art Estrade für die heiligen Handlungen auf dem Festplatz aufgeschlagen wurden. Diese Annahme ergibt ebenfalls eine gute Erklärung für Schiffe mit kom­ pliziertem „Stützwerk“, wie sie Abb. 42a und b zeigen, sowie für dasjenige, das ganz unten rechts auf der Zeichnung vonHvitlycke (Abb. 75) zu sehen ist. 1 Man vergleiche z. B. die in finnischen Mooren aufgefundenen Schlitten­ kufen sehr hohen Alters, die von Sirelius im Journal de la société finno-ougrienne XXXIII, 2 veröffentlicht worden sind.

80

1. Kapitel: Felsbildersohiffe und Kultschiffe

Freilich geht aus einem Vergleich zwischen dem aus der Zeusgrotte auf Kreta entnommenen griechischen Bronzebild (Abb. 43) und den ungewöhn­

lich gut ausgeführten Schiffsbildern Abb. 44 a und b, die Eckhoff nach einer

Abb. 43. Bronzerelief uns Kreta.

Felszeichnung bei Gisslegärde im Kirchspiel Bottna veröffentlichte, her­

vor, daß die Sohiffe auf den FelBbildern ursprünglich Bammschiffe des­ selben Typs darstellen, der im Altertum auf dem Mittelmeer allgemein üblich war. Aber es liegt nahe anzunehmen, daß bei den Kultsohiffen, die

o) Vergleich von Kultschiffen und Felsbilderschiffen

81

an Land fortbewegt wurden, das Untergestell mit dem Sporn in eine Art Schlitten umkonstruiert wurde1. In einigen Fällen könnte man vielleicht Anlaß zu der Vermutung haben, daß im Norden auf dem Wasser schwimmende Kultschiffe gebraucht worden seien. Es rieht so aus, als ob bei ein paar in meiner Arbeit Tanums hällristningar (Abb. 192, B. 37—38:1) abgebildeten Schiffen ein Anker unter dem Kiele dargestellt sei; man könnte sie für draußen auf dem Fjord verankerte Kultschiffe halten. Jedoch wäre es ja ebenso gut möglich, daß man auch Schiffe, die an Land fortbewegt wurden mit dem Anker versah, um die Wiedergabe möglichst naturgetreu zu gestalten; so scheint z. B. auch, der eben erwähnten Abbildung gemäß, der panathenäisohe Schiffe­ wagen Ruder gehabt zu haben. Wahrscheinlich bildete man sogar den Anker der an Land stehenden Sohiffe, da er ja sichtbar war, eher ab als die unsichtbaren der in See gesetzten Schiffe. Falls nun die springenden und voltigierenden Figuren über den Schiffen durch einen Vergleich mit den griechischen rituellen Taucherspielen, die das Hinscheiden des alten Vegetationsgottes im Wasser versinnbildlichten, ihre richtige Erklärung fanden so läge es wohl nahe, an in See gesetzte Schiffe zu denken; aber notwendig ist dies nicht, die Szene könnte an Land mimisch nach­ gebildet worden sein. Auf den Schmuck der Steven an den Felsbilderschiffen, die Tierköpfe, Spiralen usw., gehe ich hier nicht ein; sicherlich sind auch diese oft symbo­ lischer Natur, aber sie fanden sich ja ebenfalls auf gewöhnlichen Schiffen wieder und sind deshalb für den speziellen Sinn der Felsbilder von keiner 1 Naoh dem, was hier oben ausgeführt wurde, habe ich keine Veranlassung, näher auf die von Ossian ElgBtröm in Fomvännen 1924 vorgebrachte, an und für sich nicht ganz undenkbare Möglichkeit einzugehen, daß die auf den Fels­ bildern abgebildeten Schiffe Renneiner (Skuller) vorstellen könnten. Er gibt selbst zu (S. 283), daß die Ähnlichkeit der abgebildeten Schiffe mit einem Schlitten, zumal mit einer norrbottnischen .jissla“, auffallend ist, aber er glaubt, diese Möglichkeit von der Hand weisen zu müssen, da ihm kein Fall bekannt ist, wo Zugtiere vor dem Fahrzeug zu sehen sind. Er hatte demnaoh keine Kenntnis von der Entdeckung Nordéns bei Ekenberg. Vgl. weiter Hall­ ströme Äußerungen in Fomvännen 1926, die ich erst nach der Abgabe meines Manuskriptes einsehen konnte. Nordén wird in der Teknisk Tidskrift 1926 über die Konstruktion der Felsbildersohiffe berichten; seine Darstellung wird von dem oben angeführten Boote von Alsen ausgehen, das, wie sich zeigte, einen Sporn hatte. [Vgl. noch P. Dahlgren, Primitiva skepp. Stockholm 1932.] Aimgren, Nordische Feteieichnungen als religiöse Urkunden. ß

82

1. Kapitel: Felsbiiderschiffe und Kultschiffe

Bedeutung. Hier sei nur daran erinnert, daß wir Tierköpfe als Schmuck

der Steven auf verschiedenen, mit Sicherheit als Kultschiffe gedeuteten

fl.

Abb. 45. a. Öster-Röd, Kirchspiel K uiIle; b. Backa, Brastad; c. Ryxö, Brastad; d. Himmelstadlund bet Norrköptng.

Schiffen fanden, wie z. B. in Abb. 23, 25, 39, daß solche aber auoh, wie mit Professor Capart mitteilte, auf ägyptischen Schiffen des täglichen Ge­ brauchs durchaus üblich waren.

Eine besondere kleine Gruppe für sich bilden unter den bohusläniBchen Felsbilderschiffen kleine Schiffe, die von Männam getragen werden. Kin

n) Vergleich von Kultschiffen und Felsbilderschiffen

83

solcher Mann mit einem Boot steht auf dem Schiffe Abb. 3; andere sind

aus verschiedenen Zeitungen in Abb. 45 a—c zusammengestellt. Eine etwas undeutlichere Figur befindet sich in Abb. 72 gleich rechts von der mit einem Stiel versehenen Spirale. Desgleichen kann man wohl das Bild links von der

Tanne auf Abb. 5 hier hinzurechnen. In Abb. 45d haben wir einen deutlichen

Schiffsträger aus der Umgebung von Norrköping. Am ehesten könnte man

Abb. 46. Ägyptisches Bootopfer, abgebildet im Tempel zu Denderah.

wohl diese Bilder mit ähnlichen ägyptischen Darstellungen, wie z. B. der aus dem Tempel zu Denderah entnommene Abb. 46, auf eine Stufe stellen, auf denen der König einem Gotte ein kleines Votivboot hinreicht (vgl. oben S. 49). Zur Besprechung bleiben uns nur noch ein paar Schiffsbilder übrig, die

Otto Frödin vor einigen Jahren auf einer Felsfläche bei Hästholmen in Ost­ gotland, nicht weit vom Strande des Wättersees, auffand (Abb. 47). Man kann wohl sagen, daß bei der Erklärung dieser Bilder die beiden Haupt­ * fi

Abb. 47a. Hästholmen, Ostgotland. Teil der Bildfläche nach 0. Frödin.

84 ]. Kapitel: Felsbilderaohiffe und Kultschiffe

c) Vergleich von Kultschiffen und Felsbilderschiffen

85

Auffassungen der Schiffsfiguren auf den Felsbildem, nämlich die realistische

und die rituelle, in einer nahezu belustigenden Weise einander gegenüber * gestellt wurden. Frödin hat, wie er mir mitteilte, die Bilder von vornherein so aufgefaßt, daß auf jedem der beiden Schiffe drei Bogenschützen dar­ gestellt werden, die ihre Pfeile gegen die Schützen auf dem anderen Schiffe richten. Norden hingegen, der über diese Bilder ausführlich in MÖF. 1923/24, S. 53 ff. berichtet, hat von Anfang an die Figuren auf den Schiffen als eine Reihe von Brautpaarszenen aufgefaßt, die den oben auf S. 70 behandelten entsprechen, obwohl sie hier in mehrfachen Wiederholungen auftreten, was

Abb. 47 b, c. Hästholmen, Oslgolland. Schiffsbilder nach A. Nordin.

freilich nioht ohne Gegenstücke im Kulte selbst wäre. Bei dem von Norden vorgenommenen genauen Abwägen der beiden verschiedenen Möglichkeiten kommt er zu dem Resultat, daß die mittlere Gruppe des größeren Schiffes am stärksten für die Deutung als Hochzeitsszene spricht, da der Kopf der

Frau mit dem daranhängenden Zopf derart klar ausgeprägt ist, daß man es nioht gut mit der Erklärung, es handele sich hier um einen Bogen, ver­

einbaren kann. In bezug auf andere Gruppen bleibt er mehr im Zweifel, zumal wegen der Kleinheit der angeblichen Frau; er möchte aus diesem Grunde kein endgültiges Urteil fällen, wenn er auch am meisten der Ansicht zuneigt, daß es sich hier um Hochzeitsszenen handelt. Es ist wohl unmög­ lich, zu einem sicheren Resultat über diese kleinen Bilder zu gelangen, auf denen ja Fehlhiebe die beabsichtigte Linienführung so leicht verändern

86

1. Kapitel: FelBbilderechiffe und Kultsohiffe

konnten. Aber selbst für den Fall, daß hier einmal ein Gefecht zwischen zwei Schiffen abgebildet sein sollte, liegt meines Erachtens nach kein Hin, demis vor, auch dieses rituell aufzufassen; ich verweise auf die oben S. 46 beschriebenen Kämpfe gelegentlich des Osirisfestes auf dem Wasser Nedit sowie auf das, was ich in Kap. 2 über die auf den Felsbildern dargestellten Streitszenen zu Fuß und zu Pferde zu sagen habe. Der übrige Inhalt der Zeichnung vom Felsen bei H&stholmen spricht nicht dafür, daß sie unter den übrigen Felsbildem irgendeine Ausnahmestellung einnähme. Hiermit dürfte die Untersuchung der bohuslänisohen und ostgötischen Felsbilderschiffe, die mit Figuren ausgeprägterer Art versehen sind, alles Wesentliche zur Spraohe gebracht haben. Aus anderen schwedischen Land­ schaften sind fast nur einfache Schiffe ohne deutliche Figuren bekannt. Die einzige Ausnahme, deren ich mich entsinne, ist ein Schiff mit einem Axtund einem Sohildtr&ger auf der von Fürst im Mänadsbladet 1880, S. 160 veröffentlichten Felszeichnung von Svanhalla im Kirchspiel Torhamn in Blekinge. Das reiche norwegische Felsbildermaterial dürfte, nach der bisher veröffentlichten Auswahl zu urteilen, in bezug auf die hier behandelten Fragen interessante Analogien zu dem bohuslänischen bieten, aber da die erreichbaren Abbildungen (z. B. Coll, Gustafson, Bing) anscheinend keine speziellen neuen Gesichtspunkte ergeben, und da ich ferner keine Gelegen­ heit hatte, mich eingehender mit ihnen zu befassen, so bitte ich darum, ihre Behandlung meinen norwegischen Fachkollegen überlassen zu dürfen.

^.Kapitel: Die übrigen rituellenSzenen derFelsbilder. Göttergestalten

Auf den nordischen Felsbildern finden sich auch Kultaufzüge, die in keinerlei Beziehung zu Schiffen stehen. Im folgenden sollen nun diese Kult­ szenen im einzelnen untersucht werden. Lurenbläser und Adoranten be­ rücksichtige ich dabei nicht besonders, da ich sie ah eindeutige Kultfiguren ansehe, die gerade durch ihre Gegenwart den Beweis für den rituellen Charakter einer Bildgruppe erbringen.

a) Sonnenriten Nach Helander und Hansen zeigt das Bild, das auf der Zeichnung von Brastad Abb. 1 ganz links sichtbar ist, ein Sonnensymbol, daB in ritueller Weise herumgetragen wird. Es stellt einen Mann dar, der ein Sonnenrad an zwei Stangen in die Höhe hebt. Helander verweist bei dieser Gelegenheit auf eine auf dem Felsbilde von Kalleby (Abb. 9) befindliche Gruppe, wo drei Männer ein Rad halten. Schließlich kann man noch eine rechts auf der Zeichnung von Hvitlycke (Abb. 75) vorkommende Figur hier hinzurechnen; sie repräsentiert einen Mann, der eine runde, gefüllte Scheibe trägt. AIb stark schematisierte Darstellungen der gleichen Kulthandlung hat Ekholm in Fomvännen 1918, S. 50 die mit Beinen versehenen kreis­ förmigen Figuren gedeutet, die, 23 an der Zahl, auf dem vor kurzem ent­ deckten uppländischen Felsbild bei Stora Berg in Biskopskulla zu sehen Bind. Von diesem Bilde gibt Abb. 48 einen Ausschnitt wieder. Kurz darauf hat man eine ähnliche Figur dicht oberhalb eines Schiffes auf einer anderen Zeichnung im selben Kirchspiel entdeckt (UFT. VIII, S. 214f.). Ekholm vergleicht mit diesen Figuren die auch mit Kopf und Armen versehenen menschlichen Gestalten auf bohusläniBchen Felsbildern, deren Rumpf die Form eineB Ringes, eines Rades oder dergleichen hat, z. B. B. 11—12: 3 (dieselbe Zeichnung, der die Abb. 45c entnommen ist). Andere Deutungen derartiger Figuren werden gleich weiter unten angeführt werden. Ob man richtig verfährt, wenn man mit Nordön die ovale, konzentrisch ornamentierte Scheibe, die ein Mann auf einem bei Ekenberg in der Um­ gebung von Norrköping befindlichen Felsbild hochhält (Abb. 49), als

88

2. Kapitel: Dio übrigon rituellen Szenen der Felsbikler. Göttergestalten

Sonnenbild auffaßt, erscheint mir nicht so sicher. Eine gleichartige Scheibe, die einen seitwärts gestellten Schaft, aber keinen Träger aufweist, befindet

sich auf einer Zeichnung bei Skälf in derselben Gegend (Abb. 50c). Die

kreisrunden, aus konzentrischen Ringen gebildeten und mit einem oder zwei Schäften versehenen Scheiben (Abb. 50a und 50b) von anderen Fels­

zeichnungen aus der Umgebung von Norrköping können mit größerer Sicherheit als Sonnenbilder betrachtet werden und stützen die Annahme, daß diese Erklärung auch für die oval geformten gilt . *

Einen ähnlichen

Abb. 4S. Slora Berg, Kirchspiel Biskopskullu, Upplaml.

Gegenstand mit einem seitlichen Schaft, aber mit spiralförmig gezeichneter

Scheibe, sieht man, umgeben von Adoranten und anderen bedeutungsvollen

Figuren, die später behandelt werden Bollen, oben auf dem in Tanum be­ findlichen Felsbild Abb. 72. Rad- oder ringförmige Sonnenbilder, die an zwei oder drei, gewöhnlich unten durch ein oder zwei Querstriche ver­

bundenen Schäften befestigt sind, finden sich auf vielen Brastadzeichnungen (B. PI. 3—10, siehe z. B. Abb. 51a und b). Es ist schwer zu entscheiden,

ob diese Sonnensymbole, wie Helander bereits annahm, dazu bestimmt 1 Als Parallele sei angeführt, daß die Sonne auf den ägyptischen Bildern Abb. 26a und 106 eine etwas ovale Form hat. — Sonst könnte man ja auch die ovale Scheibe auf dem Bilde von Ekenberg für oinen heiligen Schild halten; vgl. Blinkenbergs Aufsatz in Aarboger 1920. Diese Erklärung paßt aber nicht für Abb. 50c.

a) Sonnenriten

89

waren, getragen zu werden, wie es bei Abb. 1 der Fall ist, oder ob sie auf der Erde aufgestellt wurden. Für das letztere spricht vielleicht am ehesten die Gruppierung in Abb. 103 unten.

Zuweilen findet man Sonnenzeichen ohne Stützen, denen zwei Männer in anbetender Stellung beigeordnet sind, die aber das Sonnenbild nicht fest * halten, so z. B. auf einem losen Felsblock aus Ingelstrup im Härad Odd auf Seeland (Abb. 52). Hier nimmt der eine Mann deutlich eine tanzende

Haltung mit emporgehobenen Armen ein, während der andere nur einen

Abb. 49. Ekenbcrg bei Norrköping.

Abb. 50 a—c. Skälv bei Norrköping.

Abb. 51a, b. Brastad.

Arm hebt, und zwar den, der dem Sonnenbild am nächsten ist; diese un­ gleiche Markierung soll wohl verschiedene Funktionen der beiden Männer zum Ausdruck bringen. Bloß einen Arm heben ebenfalls die beiden Männer,

die ein auf einer senkrecht abfallenden Felswand bei Trättelanda in Tanum befindliches Sonnenrad umgeben (Abb. 53), und desgleichen die, die man

auf einer Zeichnung auB Litsleby unter einer ausgefüllten Sonnenscheibe

stehen sieht (Abb. 54)l. 1 Vielleicht handelt es sich indessen hier um eine sehr große schalenförmige Vertiefung, nicht um einen Kreis mit schwacher Aushöhlung. [Nach A. W. Persson, Fornvännen 1930, 8. 18, bestand die antike Gebetstellung vor einem Göttersymbol oder einem Götterbild, d. h. für den Fall, daß der Gott als persönlich gegenwärtig gedacht wurde, gerade darin, daß die eine Hand mit gespreizten Fingern emporgehoben wurde.]

90

2. Kapitel: Die übrigen rituellen Szenen der Felsbilder. Göttergestalten

Meiner Ansicht nach wäre vielleicht auch die eigentümliche, auf mancher­ lei Art und Weise gedeutete Bildgruppe, die mehrmals variiert auf ver­

schiedenen Felszeichnungen in Tanum (Abb. 55a—g) vorkommt, als stark stilisierte Darstellung einer Kulthandlung mit einer Sonnenscheibe zu er­

klären. Am deutlichsten erkennbar von allen ist Abb. 55a, die sich zu aller-

oberst auf dem großen Felsbild des Aspeberges befindet (Abb. 73). Dio beiden kleinen vielarmigen Figuren links können nicht gut etwas anderes

Abb. 52. Ingelsirup, Ods Herred, Själland.

Abb. 54. Lilsleby, Tanum.

vorstellen als Männer, die mit der einen Hand die Scheibe fassen oder auch

je eine von dieser ausgehenden Stange, während sie den andern Arm aus­ gestreckt hinter sich halten, wie man es ähnlich bei dem Manne rechts vom

Rade in Abb. 9 sowie bei mehreren Männern in Abb. 52—54 sieht. Die

übrigen sechs verzweigten Auswüchse der Scheibe scheinen mir mit Hansen als Adoranten1 zu erklären zu sein; ein Vergleich mit Abb. 19b erscheint 1 Aarsberetning 1908, S. 45. Sophus Müller (Nord. Fortidsmindcr I, S. 312) erklärt die betreffenden Figuren als Bilder der Sonno und deren Strahlen. Schneider (S. 12) hält sie für symbolische Hände, die von der Sonnenscheibe ausgehen, wio man sie auf gewissen ägyptischen Darstellungen findet. Bing möchte sie entwodor (Oldtiden III, S. 109) als Bilder der Brde, von der ver­ zweigte Gewächse aufBchießen, oder (Mannus X, S. 175) als heilige Schilde auffassen, die mit Zweigen geschmückt sind.

a) Sonnenriten

91

besonders geeignet, diese Erklärung zu stützen. Hansen hält den Kreis selbst für die unbeholfene Darstellung eines Kultgefäßes und vergleicht ihn mit den bekannten Kesselwagen, vor allem mit dem Wagen von Juden­ burg; aber diese Deutung läßt sich wohl schwerlich mit der Felszeichnung Abb. 61c, auf die man erst kürzlich aufmerksam wurde, in Einklang bringen, wo nämlich einem ähnlichen, mit Menschenfiguren umgebenen Kreis ein Pferd vorgespannt ist. Diese Figur wird weiter unten mit dem Sonnenbild von Trundholm in Verbindung gebracht werden; einen Kessel­ wagen hätte man wohl in einer ganz anderen Weise abgebildet. Daß die

a.

d.

b.

e.

c.

f.

g.

Abb. 55 a—g. Aus verschiedenen Felszeichnungen in Tanum.

Sonnenbilder der Felszeichnungen tatsächlich die Form eines völlig aus­ gehöhlten Kreises zeigen können, geht aus Abb. 4 und zwei anderen auf S. 7 erwähnten Schiffsdarstellungen aus Tose hervor. Der Vergleich mit der ein Rad tragenden Gruppe in Abb. 9 sowie mit der eben genannten Abb. 61 c scheint mir ganz besonders dafür zu sprechen, daß man die Abb. 55a als Kulthandlung mit einer Sonnenscheibe zu deuten hat; die Btarke Schematisierung dürfte wohl dadurch notwendig geworden Bein, daß man bei der Abbildung viele Personen an der heiligen Handlung teilnehmen lassen wollte1. Daß eine auf der rechten Seite befindliche Frau, die die 1 Der Vergleich mit Abb. 61c dürfte auch die im übrigen ansprechende Er­ klärung Linderholms für Abb. 65 a unmöglich erscheinen lassen, nach der es sich hier um einen Tanz um einen heiligen Quell handelt (Nordisk magi, S. 42).

92

2. Kapitel: Die übrigen rituellen Szenen der Felsbilder. Göttergestalten

Arme gegen die Scheibe ausstreckt, ebenfalls eine Funktion in der Zeremonie hat, geht daraus hervor, daß sie an gleioher Stelle in der Bildgruppe Abb. 66 b, einer auf einem Felsbild bei Kyrkoryk vorkommenden, nach­ lässig ausgeführten Nachbildung der eben behandelten Darstellung wieder­ zufinden ist. Weitere hierher gehörige Figuren weisen eine noch stärkere Stilisierung auf. In Abb. 55c, der großen Zeichnung von Fossum (Abb. 80) entnommen, sind die kleinen menschlichen Figuren Behr undeutlich, und noch undurch­ sichtiger ist eine zweite ähnliche, gleich unter diesen befindliche Gestalt auf derselben Felszeichnung. Dagegen zeigt ein gleichartiges Bild auf der unteren Hälfte des großen Aspebergbildes (Abb. 65 d) ganz deutlich einen Kreis von sieben stilisierten Adoranten, die, genau wie in Abb. 56 a, in der Zeichnung mit der Sonnenscheibe zusammenfließen. Im Gegensatz dazu

Abb. 56. Abbildungen auf dem Bronzehorn von Wismar.

sind die vier Adoranten in Abb. 66 e (auf einem anderen Bilde des Aspe­ berges) sowie in Abb. 66 f und 66 g (von der großen Felszeichnung bei

Hvitlycke) offensichtlich von der Scheibe getrennt, die bei diesen Bildern sehr verkleinert und in einem Falle ringförmig ist. Bei den beiden letzten Gruppen sind die Adorantenfiguren deutlich geschwungen, wodurch ver­

mutlich starke Bewegung, also Tanz, ausgedrückt werden soll. Diese Figuren

sind, meiner Ansioht nach, am ehesten denen zu vergleichen, die die von einem Pferde gezogene Scheibe in Abb. 61 o umgeben, und es würde sehr gut passen, auch sie als tanzende Adoranten zu erklären. Äußerst inter­ essant ist die Tatsache, daß wir ein Bild von der Art der Abb. 55e—g

auf einem Metallgegenstand wiederfinden, nämlich auf dem bekannten, aus der dritten Periode der Bronzezeit herstammenden Home von Wismar, wo es mit Bad und Schiff vereinigt erscheint (Abb. 66). Hier stellt die Bild­

gruppe einen von sechs kleinen menschlichen Figuren umgebenen Ring

dar, von denen eine deutlich mit Kopf und allen vier Gliedmaßen gekenn­ zeichnet ist, während die anderen stärker schematisiert sind und wie mehrere der bohuslänischen Figuren, keine Beine haben. Im Gegensatz zu

a) Sonnenriten

93

den bohuslänischen wenden die Figuren auf dem Home den Kopf dem

Ringe zu und halten die Arme nach unten gestreckt1. Diese bemerkenswerte Übereinstimmung der Figuren auf den FelBbildem aus Tanum mit denen des Bildes auf dem Home von Wismar dürfte beweisen, daß wir es hier mit einer konventionellen Darstellungsart zu tun haben, die innerhalb der nordischen bildenden Kunst ziemlich weite Verbreitung gefunden hatte. Vielleicht war sie am häufigsten in der Malerei zu Hause, so daß uns deshalb nur die seltenen Fälle bekannt sind, in denen sie auf haltbarem Material, durch Einritzen, zur Ausübung kam.

Abb. 57. Bildgruppe auf einer Schwertscheide aus Hallstall.

Wie ich an anderer Stelle hervorhob1 2, finden sich Parallelen zu den auf

Felszeichnungen dargestellten radtragenden Männern auch auf ein paar be­ rühmten, aus der älteren Eisenzeit stammenden Gegenständen, nämlich auf der Scheide des Schwertes von Hallstatt (Abb. 57) und auf dem Silber­ kessel von Gundestrup (Abb. 58). Als Beispiel aus dem Orient führe ich, im engsten Anschluß an Montelius, die in Abb. 59 wiedergegebene babylo­ nische Kultszene vor dem Sonnenrad und der Mondsichel an3. An hierher gehörigen Erscheinungen aus rituellen Festbräuchen späterer Zeit sind vor allem das Verbrennen von mit Stroh umwickelten Rädern und das Schleudern von runden Holzscheiben bekannt4. Besonders aufschluß­ 1 Auch Beltz (Altertümer S. 166) deutet die betreffenden Figuren als Menschen. * Ta.ni uns hällr. S. 666 f. An gleicher Stelle habe ich zum ersten Male einige der in diesem Abschnitt ausführlicher behandelten Kombinationen vorgelegt. 8 [Über Sonnenkultbilder aus Griechenland siehe Nachtrag B.J 4 Mannhardt I, S. 498—521; weitere Stellen im Register unter den Worten »Rad“ und „Scheibentreiben“. Vgl. Montelius, NT. 1901, S. 36; Nilsson, Arets folkliga fester, S. 111 und 116; Die volkstümlichen Feste S. 35.

04

2. Kapitel: Die übrigen rituellen Szenen der Felsbilder. Göttergestalten

reich erweist sich bei den hier vorgenommenen Vergleichen eine Schilderung aus Obermedlingen in Schwaben. Dort pflegte man am St. Veitstage, dem 16. Juni, auf dem höchsten Berg der Gegend ein mit Stroh umwickeltes Rad zu verbrennen, das auf einem etwa zwölf Fuß hohen Pfahl befestigt war. Während das Rad in Flammen aufging, sagten die Versammelten ein­ stimmig einen Spruch her, wobei sie die Augen und die gefalteten Hände zum Himmel erhoben. Hier haben wir es demnach mit einer nur geringen Modifi­ kation der auf den Felszeichnungen wie­ dergegebenen Adorantenstellung zu tun1. Bei der von Mann­ hardt beschriebenen, im Moseltale üblichen

Abb. 68. Detail vom Gundestrupkessel, Dänemark.

Sitte, als Omen für die Weinernte in der Mittsommernacht ein brennen­ des Rad von einer Anhöhe aus in den Abb. 69. Babylonische Kultszene Fluß hinabzurollen, durften die (auf einem zylindrischen Steinsiegel). Frauen zwar nicht an der Handlung selbst teilnehmen, jedoch standen sie auf dem Abhang versammelt und grüßten das Rad mit lauten Rufen, wenn es an ihnen vorbeikam. Ein

1 Panzer, Beitrag zur deutschen Mythologie II (München 1856) S. 240. Vgl. Gaidoz, Rev. arch. 1884, 2, S. 36f. Der Spruch wird leider nicht mitgeteilt, aber Panzer führt deren viele von anderen ähnlichen Festen an.

n) Sonnenriten

95

ähnliches Verhalten sollten vielleicht die Frauengestalten in Abb. 55 a und 55 b ausdrücken1. Der Verlauf des hier niedergelegten Deutungsversuches geht, wie man sieht, von der von Helander ausgesprochenen Ansioht aus, daß die rad­ tragenden Männer in Abb. 1 und 9 Kultszenen darstellen. Wie ich bereits im Vorwort sagte, ist auf dieser seiner Annahme die von mir in dieser Arbeit vertretene Auffassung der Bedeutung der Felsbilder nach und nach in ihrer Gesamtheit aufgebaut worden. Es ist daher ein eigentümlicher Zu­ fall, daß ioh, da ich gerade jetzt im Marz 1925 mit der letzten Durchsicht des Manuskripts beschäftigt bin, auf eine andersartige, neue Erklärungs­ weise stoße, die von genau denselben Figuren ausgeht, sie aber von einem völlig anderen Gesichtspunkt, nämlich von einem mythologischen aus, deutet. Es handelt sich hierbei um den Aufsatz des dänischen Forschers V. La Cour in Danske studier 1924 über „Solens Personifikation i vor broncealder“. Er geht von den von Ekholm publizierten uppländischen Sonnenscheibenfiguren mit Beinen (Abb. 48) aus und meint, daß sie keines­ wegs Träger von Sonnensymbolen in Kultaufzügen wiedergeben könnten, sondern einen Versuch darstellen, die Sonnenscheibe selbst zu personi­ fizieren, d. h. den Gang der Sonne anzudeuten. Daraufhin unterzieht er die bohuslänisohen Felsbildfiguren, auf denen ein Sonnenrad oder eine andere runde Scheibe abgebildet ist und die nicht nur mit Beinen, sondern auch mit Köpfen und in einigen Fällen mit Armen und anderen Attributen, die gewöhnlich als Schwert oder Phallos gedeutet werden, versehen sind, einer Musterung. Es handelt sioh mit anderen Worten um Menschengestalten, deren Rumpf die Form eines Sonnensymbols hat. Die alte Erklärung für diese Gestalten, der auch ioh mich früher anschloß, war ja die, daß die runde Scheibe, die den Rumpf zu bilden scheint, einen Schild vorstellt, der manchmal das Radzeichen der Sonne zeigt. La Cour hält es nun für un­ möglich, daß die Figuren als Schilde aufzufassen sind und weist auf Abb. 216 in Montelius’ Kulturgeschichte Schwedens hin, als Probe für die Art und Weise, wie die bohuslänische Felsbildkunst in Wirklichkeit einen mit einem Schild bewaffneten Krieger, der den Schild mit der linken Hand hält, dar­ 1 Man könnte vielleicht auf den Gedanken kommen, die verzweigten Aus­ wüchse an den Scheiben Abb. 56 als Flammen zu deuten (vgl. Kap. 3, S. 103, Anm. 1); ich für meine Person ziehe jedoch die im Text gegebene Erklärung, wonach es sich hier um Adoranten handelt, vor. .

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2. Kapitel: Die übrigen rituellen Szenen der Felsbilder. Göttergestalten

stellt. Man könnte einwenden, daß dieser den Sohild von sich ab und nicht vor sich hält, und daß demnach im Gegensatz dazu die vorhin angeführten Bilder den in seiner Funktion befindlichen Schild zeigen könnten. Auch die von Ekholm vorgebrachte Erklärung, nach der es sich bei den zur Dis­

kussion stehenden Gestalten um Träger von Sonnensymbolen handelt, hält La Cour nicht für überzeugend. Er sieht statt dessen in ihnen Weiter­ entwicklungen der uppländischen Sonnenscheiben mit Beinen, d. h. eine

fortschreitende Anthropomorphisierung der Sonnenscheibe zum Sonnen­ gott, und er deutet an, daß der nächste Schritt in der Fortentwicklung des Bildes die Gestalt eines Mannes bringen könnte, der ein Sonnenrad trägt. Die nähere Begründung seiner Hypothese verschiebt er auf eine spätere Gelegenheit, aber es wird schon jetzt klar, daß es seine Absioht ist, auch den Radträger in unserer Abb. 1 als Sonnengott selbst und nioht als Kult­ zeremonie zu deuten. Von seinem Standpunkt aus muß man dann folge­ richtig als Sonnengötter auch jene mit sonnenförmigem Rumpf versehenen Männer auffassen, die in Kampfszenen auf der Zeichnung von Hvitlyoke (Abb. 75) und auf B. 55—56: 6, ferner in der Hochzeitsszene auf dem Fels­ bilde Abb. 173 in Tanums Hällristningar auftreten. Allen diesen Szenen möohte ich im weiteren Verlauf dieses Kapitels eine rituelle Deutung zu geben versuchen. La Cours Deutungsversuoh ist also dem meinen völlig entgegengesetzt; wir wickeln, wenn ich so sagen darf, jeder von seinem Ende aus, an dem­ selben Faden. Wird sich dieser Gegensatz beilegen lassen ? A priori möchte ich die Vermutung aussprechen, daß keiner von uns sein Garnende völlig fallen lassen muß, sondern daß wir beide in gewissem Umfang recht haben könnten, jedooh vorläufig die Tendenz zeigen, allzu lange in der einmal eingesohlagenen Richtung fortzufahren. Ein solcher Fall ist in der Wissen­ schaft nichts Außergewöhnliches; das zeigt jedes retrospektive Studium eines heute erledigten wissenschaftlichen Streites. „Nulla secta est, quae omne vidit verum, nulla quae non aliquid ex vero“, sagte schon Hugo Grotius1. 1 Diesen vortrefflichen, heilsamen und auch trostreichen Merkspruch fand ich bei dem Kieler Professor von Maack in seinem vermittelnden Beitrag zu der vor einem halben Jahrhundert geführten großen Diskussion über das archäo­ logische Dreiperiodensystem angeführt (Archiv für Anthropologie, Bd. UI). Gerade dieser Streit stellt ein gutes Beispiel für die Wahrheit dieser Regel dar: die Vorkämpfer des in der Hauptsache siegreichen SyBtemes haben ja völlig

a) Sonnenriten

97

Vielleicht wird es sich in unserem Falle herausstellen, daß unser gemein­ samer Faden tatsächlich das von uns beiden gesuchte Endziel streift, so daß wir uns dort treffen können. Wo im Lauf des Fadens dieser Punkt liegt, können wir noch nicht voraussagen, aber wir können uns über die Eventualitäten unterhalten. Was zunächst La Churs Ausgangspunkt, die uppländischen Sonnensoheiben mit Beinen, anbetrifft, so halte ich es immer noch nicht für ausgeschlossen, daß auch sie im Verein mit vielen anderen abgebildeten Objekten eine Probe für die stark schematisierende DaratellungBart der Felszeichnungen bilden, und daß demnach für sie die Erklärung Ekholms sehr wohl zulässig sei, nach der es sich hier um kultische Sonnen­ soheibenträger handelt. Aber auf der anderen Seite liegt unleugbar etwas Behr Verlockendes in der von La Cour dargelegten Auffassung gerade dieser Figuren; es gibt für sie bei seiner Erklärungsweise eine direkte psycholo­ gische Entsprechung, nämlioh eine griechische Münze, auf der das Triskelesymbol die Form eines Rades mit drei Beinen hat (siehe Kap. 3, S. 150). Aber falls La Cours Erklärung für die Figuren von Biskopskulla richtig ist, so müßte man wohl eine speziell uppländische Entwicklung annehmen. Auf den uppländischen Felsbildern fehlen nämlioh ganz die deutlichen Kult­ szenen, sie gehören durch die ganze Zeit ihres Auftretens hin der primi­ tiven, symbolischen Bildstufe an (vgl. Kap. 5, S. 278). Hier dürfen wir also wohl eine spezielle Entwicklung des Symbols selbst in anthropomorphisierender Richtung annehmen (vgl. jedoch den Nachtrag A S. 334). In Bohuslän liegt die Sache anders. Hier finden sich unverkennbare Kult­ szenen in Mengen — man denke nur an die Lurenbläser und Adoranten! —, und es ist mir absolut unmöglich, die Helandersohe Erklärung der Radträger aufzugeben, wonach diese in Abb. 1 und 9 rituelle Aufzüge darstellen1. La ihre Ansichten über das Vorhandensein scharfer Grenzen zwischen den Zeit­ altern und über das Stattfinden großer Völkereinwanderungen zu Beginn jedes neuen Zeitalters fallen lassen müssen. Ein anderes schönes Beispiel ist die Tat­ sache, daß es dem prinzipiellen Widersacher der Typologie von Oscar Montelius und seiner Einteilung der Bronzezeit zuletzt besohieden war, durch feine DetailStudien sein System zu vervollständigen und an ihm einige Stellen zu bessern, wo es infolge des früheren Mangels an Material irre gegangen war. 1 Daß mit einem Schaft versehene Sonnenbüder von der Art des von dem Manne in Abb. 1 getragenen wirklich ah Kultgeräte Verwendung fanden, geht aus den freistehenden, mit Schäften versehenen Sonnenbildem Abb. SO, 51 hervor, die ah nur fiktive Sonnensymbole keinen Sinn hätten. Almgron, Nördliche Feluelahnungen all religiöse Urkunden. 7

98

2. Kapitel: Die übrigen rituellen Szenen der Felsbilder. Göttergestalten

Cours Einwand, daß das Idol nicht für alle sichtbar, sondern verdeckt herumgeführt zu werden pflegte, darf absolut nicht verallgemeinert werden; hinreichende Beweise des Gegenteils geben verschiedene der eben angeführ­ ten Sonnenriten sowie zahlreiche in Kap. 1 erwähnte und abgebildete Fälle. Jedoch stellen unleugbar die bohuslänischen Gestalten, deren Rumpf die Form eines Sonnensymbols hat, einen sehr fragwürdigen Fall dar. Wenn es nicht möglich sein sollte, sie als richtige, mit dem Merkzeichen der Sonne versehene Schilde zu erklären, möchte ioh glauben, daß nur noch zwei Eventualitäten übrigbleiben. Die eine Möglichkeit ist die, daß wir hier realistische Abbildungen in Kultaufzügen auftretender Männer, die auf irgendeine Weise mit dem Sonnensymbol verkleidet Bind, vor uns haben. Die neueren Volksbräuche bieten ja reichliche Beispiele für ursprünglich

rituelle Verkleidungen in Hirsche oder Kälber (vgl. unten S. 127ff.), in Ge­ treidehocken oder Laubbäume dar; wäre da nicht auch die Verkleidung als Sonne ein beinahe logisches Glied in dieser Gedankenkette 1 Man sollte in der Tat in älteren oder neueren Volkssitten nach Rudimenten einer solchen Sitte Ausschau halten. Sollte man auf diesem Wege nicht vorwärts kommen, so muß man wohl versuchsweise einen Mittelweg zwischen La Cours Auf­ fassung und der meinen einschlagen. Man könnte dabei annehmen, daß die Zeichner der Felsbilder in diesen Fällen die realistischen Kultszenen durch Hinzufügen eines ihrer Phantasie entnommenen, verdeutlichenden Zuges sorgfältiger zu gestalten suchten, indem sie die als Repräsentanten des Sonnengottes auftretenden Männer mit dem Sonnenzeichen versahen. Eine, wie man mit ziemlicher Sicherheit annehmen kann, mit Hilfe der Phantasie vorgenommene Umbildung werden wir bei gewissen, in Prozessionen auftretenden Göttergestalten, die in dem letzten Abschnitt dieses Kapitels behandelt werden, feststellen können. Es wäre ja auoh möglioh, daß die Künstler so weit gegangen sind, in gewissen Fällen die heiligen Kultszenen durch entsprechende mythologische Phantaaieszenen zu ersetzen, worüber weiteres in Kap. 5, S. 277. Auf diese Weise können wir aber auf alle Fälle eine einheitliche Betrachtungsweise der Felsbilder aufrechterhalten, nach der sie nämlich heilige Zeichen und heilige Bilder verschiedener Art ent­ halten. La Cour bin ich für seinen Einwand sehr zu Dank verpflichtet, da ich durch ihn zur rechten Zeit gezwungen wurde, meine Auffassung nach­ träglich noch einmal durchzudenken und meinen Standpunkt in bezug auf gewisse schwer erklärbare Figuren klarzustellen. Dabei bin ich auch zu der

a) Sonnenriten

99

allgemeinen Einteilung der Felsbilder gekommen, die ich in Kap. 5 darlegen werde. Als Gegenstück zu dem auf Rädern gehenden Sonnenbild von Trundholm weist Helander auf ein Bild aus der großen Zeichnung von Brastad B. 5—6 hin: ein größeres Rad, das vermittels mehrerer Stützen auf einem Wagen befestigt ist, der seinerseits durch zwei kleinere, durch einen Quer­ strich verbundene Räder dar­ gestellt wird. Rad und Wagen sind mitsamt den umgebenden Figuren hier in Abb. 60 wieder­ gegeben. (Die Darstellung be­ findet sich auf dem großen Felsbild gleich oberhalb der in Abb. 3 abgebildeten Gruppe). Der Wagen hat keine Zugtiere, und es ist weiter sehr unsicher, Abb. 60. Disasen, Backa. Brastad. ob die Striche, die von dem großen Rade nach rechts auBgehen, eine Vorspannungsordnung bezeichnen sollen. Über diesen Strichen scheint ein Adorant dargestellt zu sein. Man beachte den Hirsch und die Fußsohle dicht neben dem Sonnenrad (vgl. S. 100 ff., 230).

Dagegen glaubt Helander nicht mit Sicherheit feststellen zu können, daß sioh auf den Felsbildern eine Sonnenscheibe dargestellt findet, die von einem Pferde gezogen wird. Es scheint mir jedoch, daß man mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit diese Deutung den Bildern, die, alle aus Tanum stam­ mend, hier in Abb. 61 a—c udd 62 wiedergegeben werden, geben kann. Bei dreien von diesen Fällen handelt es sich um ein Rad, das gezogen wird; man könnte allerdings annehmen, daß es sioh hier lediglich um die schematische Darstellung eines gewöhnlichen Wagens handelt1. Hiergegen spricht jedoch das im Verhältnis zu den Zugtieren auffallend große Rad in Abb. 61 b, 62. 1 Hansen (S. 19) deutet so unsere Abb. 61a; vgl. das ziemlich eindeutige Wagenbild auf der Felszeichnung von Hvitlycke Abb. 75 (Abb. 37 bei Hansen, worüber weiteres unten S. 141). 7*

100

2. Kapitel: Die übrigen rituellen Szenen der Felsbilder. Göttergestalten

Bei diesen beiden Bildern ist freilich die Art der Bespannung sehr umstili­ siert und unklar. Einfach und klar ist sie dagegen in Abb. 61a, und sie

stimmt offensichtlich überein mit der Anordnung, die auf dem Bilde von Trundholm zu sehen ist, auf dem jetzt durchgeschlissene Ösen, eine unter

dem Hals des Pferdes und eine am Rand der Scheibe befindlich, anscheinend

Abb. 6J. erge befindlichen natürlichen Nischen oder Galerien angebracht sind1. Die zweite Gruppe weist noch ziemlich naturalistische Abbildungen

von Tieren, meistens solche von Hirschen auf; der Sinn der Bilder ist

Abb. 146. Felsmalerei bei Peña Tú, Nordspanien.

jedoch hier noch klarer dadurch zum Ausdruck gebracht, daß häufig auch

die Jäger abgcbildet sind, gewöhnlich Bogenschützen, so zum Beispiel in Abb. 145. Die Menschen sind etwas schematischer dargestellt als die ab * gebildeten Tiere. Die dritte Gruppe, deren Figuren manchmal auf die der

1 Diese Gruppen sind seit 1909 vor allem von Breuil in verschiedenen Jahr“ gängen der Zeitschrift L'Anthropologie sowie von mehreren Verfassern in der Schriften folge Memorias, lirsg. zu Madrid von der Junta para amplicación de estudios é investigaciones científicas ausführlich behandelt worden. [Vgl. jetzt H. Breuil, Les peintures rupestres schématiques de la Póninsule ibérique I, II, París 1933.1

Bildmagie dos Jägerstadiums und der Ackerbaukultur

257

zweiten aufgemalt sind, besteht im allgemeinen aus stark, fast bis zur Un­ kenntlichkeit schematisierten Menschen und Tieren sowie aus symbolischen

Zeichen. Sie ist noch nicht ausführlicher beschrieben worden. Burkitt, der vor einiger Zeit eine kurze Übersicht über dieselbe vermittelte (in The

Antiquaries Journal 1924), glaubt, daß sie ihre Blüte zur Kupferzeit erlebte und wahrscheinlich auch in den Anfängen der Bronzezeit in Geltung war.

Unter den zahlreichen, nicht so weitgehend stilisierten Bildern von Tajo

Figuras im südwestlichen Spanien befindet Bich das eines Mannes, der eine Axt von ausgesprochener Metallform hält. In Nordspanien, wo sehr selten Malereien der Gruppe III vorkommen, ist eine solche an der ge-

schützten

Seite

großen Fels-

eines

blockes, der frei und weit sichtbar auf dem Rücken eines hohen, an der Küste

von Asturien befindlichen Berges ge­ legen ist, anzutreffen; der Ort heißt

Peña Tú. Hier sieht man inmitten stark schematisierter Figuren die exakt gezeichnete

Abbildung

eines

drei­

eckigen Dolches, der Nieten für den Griff auf weist (Abb. 146). Er ist so­ Abb. 147. Felsmalerei, Estremadura.

wohl gemalt als eingeritzt und ge­ mahnt unwillkürlich

an

die unten

angeführten Waffen der ligurischen Felsbilder aus dem Anfang der Bronzezeit. Interessante Analogien zu den nordischen Bronzezeitfelsbildern stellen die auf Malereien wiedergegebenen zwei- oder vierrädrigen Wagen

(eventuell auch Schlitten ?) dar, die Breuil in Estremadura entdeckte1, zum Beispiel Abb. 147. Nach Burkitt kommen bei den zur Gruppe III

gehörenden Malereien selten zusammenhängende Szenen vor; als Beispiele solcher führt er einen Mann an, der ein Tier führt, ferner eine Kampfszone.

Eine Tanzszene hat man bereits auf einer Malerei festgestellt, die man ge­ wöhnlich der Gruppe II zuordnet (Cogul). Diese zeitlich jüngeren spanischen Felsmalereien zeigen also auf der

einen Seite verschiedene Züge, die an die aus der Bronzezeit stammenden

Felszeichnungen erinnern, während sie auf der anderen offenbar die direkte

Fortsetzung der paläolithischen Kunsttradition bilden. Nach Burkitt sind 1 Terra Portuguesa, N:os 15 et 16 (1917). Almgren, Nürdinclia Felasolchuuugen al« religiöse Urkunden.

17

256

6. Kapitel: Allgemeines. A. Felsbilderprobleme

die Malereien der Gruppe HI stets an hochgelegenen Orten mit weiter Aus« eicht, oft in der Nähe einer Quelle oder eines anderen Gewässers gelegen; er hält sie für Dorf- oder Familienheiligtümer, in denen man Kulthandlungen ▼errichtete1. An dieser Stelle sei auch eine kleine Gruppe symbolischer Bilder an­ geführt, die sich in der sonst mit zahlreichen paläolithischen Tierdarstel­ lungen geschmückten Grotte von Pasiega in Nordspanien befindet* 8. Dort S. sieht man unter anderem ein paar Fußsohlen mit deutlich markierten Zehen und neben diesen eine Figur, die Breuil und Obermaier mit den sogenannten

„eignes tectiformes“ aus Font-de-Gaume und Marsoulas vergleichen, während Schneider in der S. 145 angeführten Abhandlung (S. 3) sie ab Vorder- oder Hintersteven eines bemannten Schiffes deuten möchte; er hält sie für die Darstellung eines Sonnenschiffes. Eventuell könnte man es wagen, sie den ägyptischen prädynastischen Wiedergaben von Booten, die mit zwei Kajüten versehen sind, gegenüberzustellen (z. B. Abb. 30). Für den Fernstehenden ist es indessen noch allzu schwierig, sich einen klaren Begriff von den Möglichkeiten zu bilden, die die Febenkunst der spanischen Halbinsel zur Beleuchtung des jetzt behandelten Problems dar­ bieten kann- Um BO deutlicher treten dagegen nunmehr die Berührungspunkte zwischen den jagdmagbchen Felszeichnungen und den für die Bronzezeit typischen Febbildem auf der skandinavischen Halbinsel in Erscheinung. Febbilder, die ausschließlich Darstellungen von jagdbarem Wild ent­ halten (besonders Hirsche, Elche und Renntiere, manchmal Bären, Tümmler 1 Obermaier, der die schematische Gruppe der spanischen Felsmalereien in dem letzten Kapitel seiner Arbeit Fossil man in Spain (New Haven 1924) aus­ führlich erörtert, glaubt, daß sie den auf den bekannten Aziliensteinen ange­ brachten Zeichen, die er im Anschluß an einige andere Forscher mit den austra­ lischen, schaffende und beschützende Ahnen darstellenden „churingas“ ver­ gleicht, nahe verwandt sind. Er vermutet deshalb, daß diese Felsmalereien sich auf den Ahnenkult bezogen haben, und daß ihnen nicht dieselben magischen Absichten zugrunde lagen wie den paläolithischen. Vgl. auch seine Übersicht über die spanische Felsenkunst in Prähistorische Zeitschrift XTTT—XIV, S. 182 ff. Er setzt in diesen Arbeiten auch Gruppe II ab paläolithisch und im großen und ganzen der Gruppe I gleichzeitig an. Seiner Ansicht nach vertreten die beiden zwei lokale Sonderentwicklungen, die erstere hauptsächlich eine ost­ spanische, die zweite eine nordspanische und südfranzösische. Im übrigen ver­ weise ich auf das ziemlich ausführliche Referat Nordens über die jüngere ibe­ rische Felsenkunst in der Abhandlung Östergötlands brons&lder. ■ Breuil et Obermaier, La Pasiega (Monaco 1913), S. 36, Abb. 20.

Bildmagie des Jägerstadiums und der Ackerbaukultur

259

und vielleicht auch Schollen), oder auf denen derartige Figuren entweder * durch ihre ungewöhnliche Größe oder infolge ihres zahlreichen Auftretens vorherrschen, sind heute aus sechzehn norwegischen Orten (aus dem Ge­ biete von Oslo bis Tromsö) sowie aus vier in Nordsch weden, Jämtland und Angermanland gelegenen Plätzen bekannt1. An nicht weniger als sechs von diesen Orten, die räumlich weit voneinander getrennt sind, finden sich

Abb. 148. Rildgnippe aus der Pasiegagrotle, Nordspunien.

Figuren, die für die südskandinavischen Bronzezeitfelsbilder charakteri­ stisch sind (Schiffe u. dgl.). Diese Orte sind: Sporanes, an dem Gebirgssee Totakvatn in Telemarken, Meling auf Àmoy bei Stavanger, Vingen im

Nordfjord, Bogge in Romsdal, Bardai am TrondhjemBfjord und Nämnforsen in Angermanland. Alle diese Felsbilder sind in einer von der sonst für die 1 Zu den nordskandinavischen Felsbildern, die Gustaf Hallström zusammen­ fassend in Fornvännen 1907—1909 beschrieben hat, sind seither eine ganze Menge neuentdeckter von ähnlicher Art, nicht allein aus dem nördlichen Nor­ wegen, sondern auch aus den westlichen, südlichen und südöstlichen Teilen des Landes hinzugekommen. Siehe hierüber vor allem K. Bing in Oldtiden II (Vingen); Jan Petersen in Naturen 1917 und Aarboger 1920, 8.11; Th. Petersen in Naturen 1922; H. Shetelig, Primitive tider i Norge (Bergen 1922), S. 126ff.; Norges Forhistorie (Oslo 1926), S. 37ff.; Préhistoire de la Norvège (Oslo 1926), 8. 41 ff.; A. W. Brogger, Det noreke folk i oldtiden (Oslo 1926), S. 72ff. Gustaf Hallström hat gerade ein größeres Tafelwerk über diese Felsbildgruppe und die damit verwandten Felsmalereien im Druck. Über die Felsmalereien siehe P. Olsson in Jämtlands läns fomminnesföreningens tidskrift Bd. I, II, sowie Hallström in Ymer 1907, 8. 226f.; Fornvännen 1909, 8. 55f. [Über die neuesten Funde dieser Art siehe Nachtrag 8. 338 und 362.] * 17

260

5. Kapitel: Allgemeines. A. Felsbilderprobleme

Bronzezeitfelsbilder typischen Lage abweichenden Art angebracht, die aber

fast für diese ganze Gruppe jagdmagischer Felsbilder und Felsmalereien in Norwegen und Nordschweden kennzeichnend ist. Sie sind nämlioh sehr oft an Gewässern, entweder an Stromschnellen oder an den Ufern von Binnenseen oder nahe an der Meeresküste gelegen; zu ihrer Entstehungs­

zeit, als die Landhebung noch weniger weit vorgeschritten war, müssen die letzteren sich daher sehr nahe am Ufer befunden haben. A. W. Brogger ist es gelungen, betreffs der bei dem Orte Vingen am Nordfjord befindlichen Felsbilder den Grund für deren Plazierung und damit auch deren Bedeutung einwandfrei nachzuweisen. Die Felsbilder sind hier in einer ungewöhnlich wilden und öden Gegend, in einer engen Meeresbucht auf den Beigabh&ngen, nur 10—12 m über dem heutigen Ufer angebracht. Sie setzen sich in der Hauptsache aus einer überwältigen­ den Menge von Hirschen (etwa 400Stüok), deren Köpfe sämtlich dem Wasser zugekehrt sind, zusammen. Nun weiß man, daß noch um das Jahr 1700 in diesen Gegenden eine umfangreiche Hirschjagd betrieben worden ist. Wenn die Hirsohe im Herbst zum Meere zogen, pflegte man Bie massenweise zu töten, indem man Bie über die steilen Abhänge in das Meer hineinjagte. Es wird dadurch klar, daß die in die Felswände des Ufers eingehauenen Zeichnungen davon Zeugnis ablegen, daß in unserer Vorzeit an dieser Stelle ein ähnliches Jagdverfahren angewandt worden ist; sie stellen offenbar an dio Mächte gerichtete Bitten um reiche Jagdbeute dar. Eine ähnliche Erklärung bringt Brogger im Anschluß an TTn.llHt.rfim für die auf dem IJäll Flatruet in Härjedalen befindliche Felsmalerei vor. Diese ist auf einer lotrechten Felswand am südlichen Ende des Fjälls angebracht, aber nioht weit von ihr entfernt befindet sioh eine absohüssige Stelle, die sioh ausgezeichnet für eine Jagd von der eben beschriebenen Art geeignet

haben dürfte. Es würde sich empfehlen, nachzuprüfen, ob die Stellen, an denen die jagdmagischen Bilder angebracht sind, in Skandinavien allgemein als die Jagdorte selbst zu deuten sind1. Zum mindesten in einem Fall kann dies 1 [Die Deutung als Jagdplatz wurde für die Felsbildergruppe bei Glösa in Jämtland schon von C. A. Wetterbergh in der Kopenhagener Antiquarisk Tidskrift 1843—45 vorgebracht; das hebt E. Festin in der Zeitschrift Jämten 1932, S. 211 ff. hervor, indem er dieselbe Deutung auf die neuentdeokte große Elchritzung von G&rde in Jämtland (Jämten 1928) anwendet. '

Bildmagie des Jägorstadiums und der Ackerbaukultur

261

unmöglich zutreffen, wenn es nämlich stimmt, daß ein Heilbutt zwisohen Remitieren und Bären in der Nähe des hoch oben, unterhalb des großen Gletschers Svartisen befindlichen Bergsees Fykanvatn abgebildet ist. In diesem und in verschiedenen anderen Fällen könnte man eventuell auch an eine andere Erklärung für die Platzwahl denken. Für die Jägerhorden der Steinzeit im Norden war ja der Aufenthalt an den Ufern eines Gewässers ebenso typisch wie die Höhlenwohnungen für die Westeuropäer der Eiszeit. Genau so wie nun die letzteren ihre jagdmagischen Bilder ebenfalls in Höhlen anbrachten, wenn auch in solchen, die im Verhältnis zu den Wohn« höhlen viel schwerer zugänglich und mystischer waren, so könnte man sich auf der anderen Seite vorstellen, daß auch die nordischen Jäger den Mächten, die ihrer Meinung nach über das Wild geboten, Wohnstätten zugeteilt hätten, die wie ihre eigenen an Gestaden gelegen waren, allerdings an be« sonders isolierten und durch die Wildheit der Natur imponierenden Stellan, Diese Annahme scheint mir besonders dadurch bestätigt zu werden, daß nachweislich auch eine nordisohe Felsmalerei in einer schwer zugänglichen Höhle angebracht ist: Solsemhulen auf der Insel Leka, nördlich von Trond« hjem (beschrieben von Th. Petersen in Oldtiden 1914). Die in der dunklen und durch eine Reihe von Steinen abgetrennten Seitenkammer der Höhle befindlichen Wandmalereien stellen indessen nicht Tiere, sondern rwa-ny-ig höchst schematisch gezeichnete menschliche Figuren dar, von denen «iniga

phallisch sind. Unter verschiedenen von ihnen fanden sioh so etwas wie Opferdepots von Tiergebeinen. Es ist jedoch schwer zu sagen, ob man diese Gestalten als gebietende Mächte (Naturgottheiten oder Ahnen), die man um Vorteile anging, als Tote, denen man Speisopfer darbrachte, oder eventuell als die Opfernden selbst zu deuten hat; die letzte Erklärungs« weise entspräche derjenigen Capitans, die er für die Menschengestalten der französischen Höhlen gab, sowie unserer Deutung der auf den bronzezeitlichen Felsbildern wiedergegebenen Adoranten. Die von Menschen herrührenden Gebeine, die man unter den Tierknochen des Kulturlagers der vorderen Höhle verstreut fand, dürften ebensogut oder noch eher von atattgefundenen Opfern als von Bestattungen zeugen. In den Fällen, wo Schiffe oder andere von den zur Bronzezeit ent­ standenen Felszeichnungen her bekannte Figuren in Vingen oder an den übrigen angeführten Orten zwischen jagdmagischen Felsbildern in einer für die letzteren charakteristischen Lage auftauchen, liegt kein Grund vor,

262

5. Kapitel: Allgemeines. A. Felsbilderprobleme

anzunehmen, daß sie aus magischen Absichten im Interesse der Toten her­

gestellt worden seien. Die Sachlage läßt sich wohl am einfachsten so er­ klären, daß das dort zur Bronzezeit seßhafte Bauernvolk, das noch immer der Jagd huldigte, die Sitte, an den heiligen Stätten der alten Jagdorte Felszeichnungen anzulegen, fortgesetzt hat, sich dabei aber zuweilen der

lebensfördemden Symbole bediente, die es unter dem Einfluß des Südens im Dienste des Ackerbaues zu nutzen gelernt hatte. Die Vermutung, daß hier die Bronzezeitfelsbilder von den früher an­ gebrachten Tierfelszeichnungen attrahiert worden sind, wird nicht allein durch die für die ersteren ungewöhnliche Plazierung, sondern auch durch direkte Beweise bestärkt, so zum Beispiel durch die Tatsache, daß die großen Elche des Felsbildes von Bardal von später eingehauenen Schiffen überschnitten werden, und daß ferner das Schiff von Bogge näher an dem heutigen Ufer gelegen ist als die Tierbilder (Naturen 1922, S. 102). Es ist mir nicht möglich, der von Ekholm in Ymer 1916 und Fomvännen 1922 ausgesprochenen Ansicht zuzustimmen, daß die südskandinaviBchen Bronzezeitfelsbilder die an den Grenzen ihres Verbreitungsgebietes wohnen­

den Jägerstämme dazu inspiriert hätten, als Totenspenden jagdmagische Tierbilder herzustellen, die dabei aus psychologischen Gründen dasselbe naturalistische Gepräge wie die paläolithischen erhalten hätten. Es er­ scheint mir allzu unwahrscheinlich, daß die südskandinavische Felsbilderkunst zuerst den Anstoß zu einer gänzlich abweichenden Kunstrichtung

gegeben haben sollte, um deren Erzeugnisse dann mit ihren eigenen typi­ schen Schöpfungen zu überdecken. Auch Brigger, der nunmehr, auf der Auffassung fußend, daß die Stein­ zeitkultur in Norwegen zur Bronzezeit noch stark lebendig war, die norwegi­ schen Tierfelsbilder in gewisser Ausdehnung als Zeitgenossen der Bronze-

zeitfelsbilder ansieht, hat sioh der Theorie Ekholms nicht angeschlossen, sondern glaubt vielmehr, daß die ersteren durchaus selbständige aus der Psychologie der nordischen Jägerstämme zu verstehende Sohöpfungen darstellen, die auoh in keinerlei Abhängigkeitsverhältnis zu den paläolithisohen Traditionen standen. Shetelig wiederum möchte gern im Anschluß an Hallström annehmen,

daß tatsächlich eine Tradition von der paläolithischen Tierkunst zu der skandinavischen hin bestanden hat, und dies vor allem deshalb, weil be­

stimmte technische Eigenheiten und gewisse Ornamente beiden Gruppen

Bildmagie des Jägerstadiums und der Ackerbaukultur

263

gemeinsam sind. Er hält es für möglich, daß man auch dereinst in Norwegen

Tierbilder aus der älteren Steinzeit entdecken wird. Wie kühn diese Ver * mutung sich auch zunächst ausnehmen mag, so dürften doch ganz dank,

bare Voraussetzungen für diese Möglichkeit gegeben sein. Ich werde sie hier andeuten, ohne mich jedoch endgültig auf diesen Deutungsversuch festlegen zu wollen. Wenn man auf der spanischen Halbinsel eine fortlaufende (wenn auch allmählich degenerierende) Kunsttradition feststellen zu können glaubt, die von dem jüngeren Paläolithikum bis zur Bronzezeit reichte, so stützt sich diese Annahme ja so gut wie ausschließlich auf die zahlreichen Felßmalereien. Daß diese bis auf unsere Zeit erhalten geblieben sind, beruht jedoch einzig und allein auf dem Umstand, daß sie in natürlichen Felsen * nisohen angebracht worden sind, in denen sie einigermaßen vor Nässe ge * Bchützt waren. In Skandinavien sind die wenigen erhaltenen Felsmalereien ebenfalls an Bergwänden ausgeführt worden, die durch überhängende Fels­ partien vor Niederschlägen geschützt waren. In unseren Gegenden kommen aber derartige Felsgebilde selten vor. Wahrscheinlich hat es deshalb einmal bei uns viele Felsmalereien gegeben, die auf ungeschützten Felspartien an­ gelegt waren, wo Bie nicht erhalten bleiben konnten. Gustaf Hallström teilte mir in diesem Sinne mit, daß er in der Nähe der bei Hindhammeren in Norwegen befindlichen Felsmalerei Spuren einer zweiten auf einem un­

geschützten Felsen festgestellt hat1. Man dürfte ferner ebenfalls zu der Annahme berechtigt sein, daß die­ selbe Bildmagie durch Malen auf Baumstämme, auf lose Rindenstücke und auf Häute (ich verweise auf die Lappentrommeln), durch Einritzen in Holz, Bein oder Hom (man vergleiche die bekannte, mit Abbildungen von Tieren versehene Homaxt aus der Umgebung von Ystad), durch aus ungebranntem Ton modellierte Figuren, die den in Blgouens Höhlen angetroffenen Bild­ werken glichen, Bowie ganz einfach durch in Sand ausgeführte Zeichnungen, 1 Eb ist anzunehmen, daß die Felsbilder genau wie die späteren Runen­ zeichnungen ursprünglich mit roter Farbe bemalt waren. Man hat Spuren einer solchen Bemalung sowohl auf einem nordafrikanischen als auch auf einem nord­ norwegischen Tierfelsbild gefunden (Frobenius S. ß; Shetelig, Norges forhistorie, S. 38). Vgl. ferner unten S. 273. [Hallström, der in Fornvännen 1931, S. 174f. die oben erwähnte Felsmalerei von Hindhammeren in Romsdal näher beschreibt, macht dagegen in demselben Aufsatze starke Einwände gegen die Annahme, daß auch die Felsritzungen ursprünglich bemalt waren.]

264

5. Kapitel: Allgemeines. A. Felsbilderprobleme

wie sie die Australier zu verfertigen pflegen, zur Ausübung kam. Die letzteren Arten bildlicher Wiedergabe bilden ja die einzigen Darstellungs­ möglichkeiten, die in größerem Umfang in den feuersteinreichen Gegenden Westeuropas und Südskandinaviens, in denen feste Gesteinsarten fehlen, in Frage gekommen sein können; aber Spuren davon haben sioh natürlich, abgesehen von einigen wenigen, in Knochen oder in Horn eingravierten Bildern, nicht bis auf unsere Zeit erhalten können. Dagegen in den gebirgigen Teilen der skandinavischen Halbinsel hatte die Bildmagie reich­ lich Gelegenheit, sich auf den Felsen auszubreiten. Eb ist vielleicht kein Zu­ fall, daß, wie Jan Petersen nachweist, im südöstlichen Norwegen sich einige

Tierfelsbilder in einer Höhenlage befinden, die der Strandlinie entsprochen haben dürfte, wie sie zu einer frühen Periode der jüngeren Steinzeit, in der die Kunst, Äxte aus Gesteinsarten zuzuhauen, im Schwange war, bestand. Damals lag es näher, Bilder auf Felswände einzuhauen, die man vordem

bloß gemalt oder in loses Material eingraviert hatte. Es ist wohl anzunehmen, daß die jagdmagische Bildkunst in vergänglichem Material viel weiter verbreitet gewesen ist, als wir aus den bis in unsere Zeit hinein erhaltenen Gruppen von Bildwerken schließen können. Zweifel­ hafter mag es ja sein, ob solche künstlerischen Besonderheiten, wie die von Hallström und Shetelig nachgewiesenen, tatsächlich auf diese Weise durch die Jahrtausende hindurch weiter bestehen konnten; man muß vielleicht in allen Fällen die psychologische DeutungBweise zu Hilfe nehmen. Anders verhält es sich jedoch mit der stärker spezialisierten und innerhalb eines kürzeren Zeitabschnittes konzentrierten Bildmagie der Bronzezeit. Da diese uns heute eigentümlich sporadisch verbreitet erscheint, so werden wir bei­ nahe zu der Vermutung gezwungen, daß diese Bildarten ihre hauptsächliche Verbreitung in leicht vergänglichen und somit für unsere Forschung schwer zugänglichen Formen gehabt haben. Wir werden im folgenden hierauf zurückgreifen; ich möchte mich aber vordem mit einigen Problemen be­ fassen, die uns bezüglich der Lage der typischen Bronzezeitfelsbilder ent­ gegentreten.

Die Felsbilder der ligurischen Alpen

Da die in den ligurischen Alpen gelegenen Felsbilder bezüglich des jetzt zur Diskussion stehenden Problemes besonders instruktiv sind, und da sie ihrem Gehalt nach manche Berührungspunkte mit den nordischen Bronze-

Die Felsbilder dor ligurischen Alpen

265

zeitfelsbildern aufweisen, so verdienen sie hier etwas ausführlicher be-

handelt zu werden. Bei diesen Felszeichnungen handelt es sich nicht mehr um das Sinnen und Trachten von Jägerstämmen, das auf diesem Wege zum Ausdruck gebracht worden ist, sondern um das eines Bauernvolkes, und daher l&ßt sich aus deren merkwürdiger Lage sehr viel schließen. Hoch oben in den ligurischen Seealpen, in der Nähe der französischen Grenze, hat man eine beträchtliche Anzahl von Felsbildern entdeckt. Sie sind seit dem 17. Jahrhundert bekannt, aber erst während des letzten halben Jahr­ hunderts von einer Reihe von Forschem näher untersucht worden, so vor allem von dem englischen Botaniker Bioknell, der in verschiedenen Arbeiten1 eine Menge exakt ausgeführter Abbildungen von ihnen (allerdings meist einzelner Figuren, nicht zusammenhängender Bildflächen) publiziert hat. Übersichtliche Beschreibungen von ihnen hat Montelius in La civilisation

primitive en Italie (zu PI. 127) und in noch eingehenderer Weise der Italiener Issel in seiner Abhandlung Liguria preistorica (Genova 1908) gegeben. Ihren Arbeiten sind die im folgenden mitgeteilten Angaben und Ab­

bildungen in der Hauptsache entnommen. Die Felszeichnungen Bind in vier, nahe beieinander liegenden Alpentälern, zum größten Teil in dem Valle d’Infemo und im Valle di Fontanalba untergebracht. Diese beiden Täler erstrecken sich parallel zu beiden Seiten des gewaltigen Bergmasaivs Monte Bego, dessen ständig schneebedeckter

Gipfel sich 2873 m über dem Meeresspiegel erhebt. Auf der anderen Seite des Valle di Fontanalba ragt der Monte di S. Maria empor. Die Felsbilder sind über ein ziemlioh großes Gebiet verstreut, das sich von den Ufern der Seen, die die Talsohlen ausfüllen, über die Abhänge der genannten Berge bis zur Schneegrenze hinauf erstreckt. Sie verteilen sich folglich auf örtliohkeiten, die 1900—2600 m über dem Meeresspiegel, mithin in einer Höhenlage liegen, die derjenigen der allerhöchsten skandinavischen Fjälle entspricht. Selbst bei dem so südlichen Breitengrad der Riviera sind natür­

lich so hoch gelegene Alpent&ler unbewohnbar. Das Valle d’Infemo wird als ein nahezu steriles Tal beschrieben, in dem nur Falken und Adler hausen. 1 Biehe seine Aufsätze in Atti della societä ligustica di scienze naturali o geografiche 1897, 1899, 1907, 1908 sowie die selbständig erschienenen Arbeiten The prehistorio rock engravingB in the Italian maritime alpe (Bordighera 1902) und Fürther explorations in the regions of the prehistorio rock engravings in the Italian maritime alps (Bordighera 1903). — Weitere Literatur findet sioh bei Montelius an im Texte angeführter Stelle angegeben.

266

5. Kapitel: Allgemeines. A. Felsbilderprobleme

Jedoch sind dort Überreste alter Lärchenwälder vorhanden, und etliche

Merkmale deuten darauf hin, daß hier zur Vorzeit einmal Ackerbau be­

trieben worden ist. Das Val Fontanalba enthält Weideland. Man hat aber

nicht die geringsten Spuren prähistorischer menschlicher Wohnungen oder Gräber feststellen können1. Die Felszeichnungen sind, genau wie die nordischen, auf glatten Fels­ flächen, die gewöhnlich horizontal gelegen sind oder sanft abfallcn, selten

aber lotrecht gestellt sind, manchmal auch auf losen Wanderblöcken an­ gebracht. Die eingehauenen Flächen und Striche setzen sich aus lauter dicht­

gestellten kleinen Gruben, die 2—3 mm breit und 1 mm tief sind, zusammen, und die man wahrscheinlich vermittels spitzer Steine cingehaucn hat (vgl. Montelius, Civ. II, Text-Sp. 605, Abb. a). Es handelt sich also um genau

dieselbe Technik, die uns von den skandinavischen Felszeichnungen, die der Verwitterung entgangen Bind, bekannt ist2.

Bicknell hat die Anzahl der in den ligurischen Alpentälern eingehauonen Figuren auf ungefähr 7000 berechnet. Am häufigsten begegnet man Ochsen­

köpfen mit großen Hörnern, bei denen zuweilen auch die Beine und der Schwanz (Abb. 149a, b) angedeutet sind. Oft trifft man indessen auch 1 Bicknell, Fürther explorations, S. 5. 2 Vgl. Eckhoff, SET VIII, S. 124f. sowie Almgren, Tannins hällristningar, >S. 533f. Diese Ti’chnik ist ebenfalls bei den nordafrikanisehen Fel.szciehmmg« *n und bei denen der Kanarischen Inseln angewandt worden, Issel a.a.O. S. 537, 549; dieso sind aber, wenigstens zum Teil, viel jüngeren Datums (L'Anthrojiologie 1901, S. 536, 538). Di«’ oben angeführten nordafrikanisehen Tierfels, bilder setzen sich aus ganzen Strichen zusummen.

Die Folsbildcr der ligurischen Alpen

267

auf merkwürdige Darstellungen von Ochsen, die vor einen Pflug (Abb. 150)

oder mitunter vor einen Gegenstand gespannt sind, der anscheinend eine Egge vorstellt (Abb. 151). Gewöhnlich wird der Schaft des Pfluges von einem Manne gehalten, während ein zweiter vorangeht und die Ochsen führt. Die Darstellung zeigt dieselbe naive Perspektive wie unsere Felsbilder.

Abb. 152a—c. Von den ligurischen Alpenzeichnungcn.

Eine zweite wichtige Figurenklasse bilden die Waffen, die entweder völlig freistehend oder als von Männern hoch in die Luft emporgehoben

erscheinen.

Unter den Waffen haben Montelius1 und andere Forscher

(Evans, Lissauer) für die

älteste Bronzezeit

charakteristische Typen

wiedererkannt, wie zum Beispiel Dolchstäbe (Abb. 152 a) und breite, dreieckige Dolche (Abb. 152 b); die Äxte sind dagegen selten deutlicher wiedergegeben (Abb. 152c). Allem Anschein nach kommen auch Speer­

spitzen vor (Abb. 152d). Abb. 152e zeigt eine Sichel. 1 Chronologie dor ältesten Bronzezeit in Norddeutschland und Skandinavien S. 205.

5. Kupitel: Allgemeines. A. Felsbildorproblcmo

268

Diejenigen Männer, die die Waffen tragen (Abb. 153 a, b), sind häufig mit weit gespreizten Beinen dargestellt, so als ob sie sich in tanzender Be­ wegung befänden. Dasselbe gilt von dem Maiui mit der Schlange (Abb. 85b), den wir oben S. 130 behandelt haben, sowie von der in einer anderen Szene

auftretenden Gestalt, die einen vor einer Schlange stehenden Adorantcn vorzustellen scheint (Abb. 85a).

Von den ligurischen Alpenicichnungen.

Sonnenräder (Abb. 154 b) und ähnliche Symbole finden sich ziemlich

selten. Ob Abb. 154a einen Wagen oder ein mit einem Schaft versehenes Sonnenrad darstellen soll,

mag dahingestellt

bleiben.

Die

Fußsohle

Abb. 155a scheint eine ganz vereinzelte Erscheinung zu sein, jedoch be­

gegnet man auch ein paar deutlichen Schuhsohlen (Abb. 155b). Schalen­

gruben fehlen merkwürdigerweise offenbar ganz1. Stattdessen trifft man 1 Issel S. 464, 544 f. Ihm sind im großen und ganzen Schalengrubon nur von einer einzigen Stelle in ganz Ligurien bekannt, nämlich aus dem oben S. 240 f., 244 angeführten Acquasanta. Seiner Meinung nach sind sie auch in dem übrigen Italien, abgesehen von der Lombardei, selton anzutreffen.

Die Felsbilder der ligurischen Alpen

269

auf die oben in Abb. 98 wiedergegebenen ankerähnlichen Figuren, die wir als Feuerquirle auslegten. Natürlich hat man bezüglich der Entstehung dieser Felsbilder in den schwer zugänglichen Alpentälern die gegensätzlichsten Erklärungen vor * gebracht. Wie im Norden hat man es versucht, sie auf beschäftigungslose

Hirten oder phönizische Kaufleute zurückzuführen; auch hatte man hier besonderen Anlaß, an Hannibals Soldaten zu denken. Bicknell hat im großen und ganzen wohl das Richtige getroffen, wenn er sie als Überreste

eines vorzeitlichen Kultes deutet, der unsichtbaren, sei es wohlwollenden oder furchterregenden Mächten geweiht war. Seiner Meinung nach stellen

die Felszeichnungen eine Art Votivgaben dar, in Stein niedergelegte Bitten um das Wohlergehen eines Stammes oder eines einzelnen Individuums, um das Gedeihen des Viehs, um reiohliche Ernte, Jagdbeute und KriegBglück. Man hat diese Wünsche auf die Felsen eingehauen, um ihnen auf diese Weise nicht nur für den Augenblick, sondern für alle Zukunft Wirkung zu verleihen (Issel, S. 541, 583). Bicknell vergleicht diese Maßnahme mit den modernen Wallfahrten, bei denen die Pilger an den heiligen Orten symbo­ lische Votivgaben und sogar schriftliche Andenken an ihren Besuch zu­ rücklassen. Montelius weist darauf hin, daß der Name Monte di S. Maria sicherlich wie in so vielen anderen Fällen darauf schließen läßt, daß die christliche Heilige eine an diesem Ort ursprünglich verehrte heidnische Gottheit

ersetzt hat. Den primitiven Gedankengang, dem diese alpinen Felsbilder ihre Ent­ stehung verdanken, kann man meiner Ansicht nach wie folgt interpretieren. Wenn man den himmlischen Mächten, die durch Sonnenschein und Regen die Fruchtbarkeit förderten und Menschen und Tiere gedeihen ließen, seine Wünsche übermitteln wollte, mußte man sich möglichst hoch hinauf be­ geben, um so nahe wie möglich an sie heranzukommen, damit sie die Stimmen der kleinen Menschen und deren Zeichensprache vernehmen konnten. Hier opferte man Ochsen in Massen. Nackte Priester hoben im Tantz. die heiligen Waffensymbole des Donnergottes zu den Wolken empor. Unter Umständen warf man vielleicht den einen oder anderen Dolchstab oder Dolch als Votivgabe in den See oder legte ihn an einem Steine nieder1. 1 Ich «rinnarft an den von Montelius, SFT XI, S. 101 erwähnten, hoch oben auf dem Brennerpaß aufgefundenen, aus der frühen Bronzezeit stammenden

270

5. Kapitel: Allgemeines. A. Felsbilderprobleme

Man nahm feierliche Zeremonien mit Pflug und Egge vor, um den Göttern zu verstehen zu geben, daß man zur Zeit da unten in den Ebenen das Seine getan habe, um die Erde zu bereiten, und daß die Saat erledigt sei;

nunmehr Btehe es bei den Göttern, die Saat wachsen zu lassen. Ferner

fanden feierliche Handlungen mit Schlangen statt, in denen man symbolisch das Wiedererwachen der Natur darstellte, sowie auch wahrscheinlich Zeremonien, bei denen man Feuer quirlte. Damit man aber sicher ging, daß die Götter alles behielten, was man ihnen geopfert und worum man sie gebeten hatte, und dies nicht vergaßen, so­ bald man den Rücken gedreht hatte, hieb man die Opfergaben und die heiligen Handlungen, vermittelst deren man seinen Wünschen Ausdruck verliehen hatte, in die glatten Felsflächen, am liebsten in die aufwärts gewandten ein. Alternativ könnte man ja auch annehmen, daß die Opfer und Riten unten im Tal ausgeführt worden sind, und daß man kunstfertige Männer mit dem Auftrag in die Berge hinaufsohickte, den Göttern hierüber Briefe zu schreiben. Diese Erklärung wäre vielleicht für die Pflugzeremonien die wahrscheinlichere; daß man sioh zur Verrichtung von Opfern hohe Berge aussucht, ist dagegen eine ganz geläufige Erscheinung1. Es ist jedoch mög­ lich, daß späterhin die in Stein eingehauenen Bilder als vollwertiger Er­ satz für die wirklichen Opfer und Votivgaben eingetreten sind, in ähnlicher Weise, wie dies bei den plastischen Miniaturbildern zutrifft. Wahrscheinlich war wohl der Kult, von dem die alpinen Felsbilder Zeugnis ablegen, vorzüglich einer Gottheit geweiht, durch deren Macht die regenschweren Gewitterwolken sich um die Alpengipfel zusammenscharten, Doloh sowie an andere von demselben Verfasser angeführte Gegenstände aus der Bronzezeit, die man in den Alpen an hochgelegenen Orten entdeckte. Über den merkwürdigen Depotfund, den man in einer Quelle zu St. Moritz machte, siehe Lienau in Mannus X, S. 26 ff. Aus dem Felsbildgebiet der Seealpen sind jedoch bisher keine derartigen Funde bekannt (Bicknell, Fürther explorations, S. 6). — Vgl. ferner den von F. von Duhn geschriebenen Artikel Alpenpässe in Eberts Reallexikon der Vorgeschichte. 1 Man denke an die Opferung Isaaks auf dem Berge Moria, an das heute noch auf dem Berge Garizim zur Osterzeit vorgenommene Opfer der Samaritaner, an das Pferdeopfer, das die Lakedämonier den Winden auf dem Berge Taygetos darbraohten (Preller-Jordan I, S. 116, Anm. 2), sowie an den finnischen Brauch, einen Korb mit Eßwaren als Opfergabe für den Gott Ukko auf einen Berg zu stellen, wobei man dann selbst auf dem Berge eine Mahlzeit hielt (Orth, Kalevala n, S. 209).

Die Felsbilder der ligurischen. Alpen

271

um sich dann weiter über das Land zu verbreiten. Hierfür spricht der Um­ stand, daß wir so häufig auf Abbildungen von Waffen, aber selten auf Sonnenräder stoßen und Sonnenboote vollständig fehlen. Durch das Bohren von Feuer hat man vielleicht versucht, den Blitz hervorzurufen1. Man könnte eventuell behaupten wollen, daß auch diese Felsbilder den Toten geweiht gewesen sind. Der aus anderen Teilen der Welt bekannten Vorstellung, daß die Toten in abgelegenen Gebirgsgegenden hausen, be­ gegnet man nämlich auch in der Schweiz und in Tirol8; eins der Täler, das die fraglichen Felsbilder enthält, trägt ja den Namen Valle dTnfemo. Aber es ist höchst zweifelhaft, ob man den Totenkult in das entlegene Totenreich selbst verlegt hat, da dieser ja an den Gräbern zur Ausübung zu gelangen pflegte. Gräber hat man jedoch, wie bereits betont wurde, da oben nicht gefunden. Im vorliegenden Falle drängt sich uns vor allem der Umstand auf, daß die Elfenmühlen auf den alpinen Felsbildern völlig fehlen, während sjß, wie früher erwähnt worden ist, in der oberitalienischen Tiefebene nachweisbar sind. Dies ist unleugbar seltsam, da gleichzeitig im Norden Elfenmühlen und Felsbilder stets eng miteinander verbunden sind. Wären sowohl die Elfenmühlen als auoh die Alpenfelsbilder den Toten geweiht gewesen, so ließe sich dieser lokale Unterschied nicht erklären, und ebenso­ wenig, falls die Elfenmühlen schlechtweg Opferschalen für die Gottheiten wären. Wenn wir sie aber, wie dies oben versucht worden ist (Kap. 4, S. 241 ff.), als magische Symbole für die Befruchtung der Erdgöttin aus­ legen, so wird verständlich, weshalb man sie an denjenigen Orten einhieb, wo man die Lebensfrucht erwartete, nämlich auf den Äckern und an den Quellen. In diesem Falle wäre es sinnlos gewesen, sie oben auf den Gipfeln der Alpen anzubringen. Unsere Deutung würde ferner ebenfalls die von

P. Thomsen in Eberts Reallexikon I, S. 110 hervorgehobene Tatsache er­ klären, daß auf einem so alten Kultplatz, wie es die heilige Klippe von Jeru­ salem ist, die Schalengruben, die sonst in Palästina so häufig sind, fehlen8. 1 F. von Duhn äußert in Eberts Reallexikon (Art. FelBzeichnung. C. Ligurien), daß seiner Meinung nach bei den ligurischen Alpenbildem abgesehen von der Lage nichts für eine religiöse Deutung spricht. 1 Rosön, Dödsrike, S. 36; Hildebrand, Folkens tro om sina döda (Stockholm 1874), S. 48. ’ Dagegen ist eine einzige größere Schalengrube auf dem Gipfel des Berges Garizim auf dem Felsen, der als das AllerheiligBte gilt, laut Whiting, Samaritanemaa päakfest (Upsala 1917), S. 31 und Bild 71 angebracht.

272

5. Kapitel: Allgemeine«. A. Felsbilderprobleme

Die um die Schalengruben entstandenen Felsbilder und deren Voraus­

setzungen Falls den Schalengruben die Aufgabe zukam, die Befruchtung der Erd­ göttin duroh den Himmelsgott symbolisch darzustellen, so wäre es leicht erklärlich, daß sich ihnen sowohl Fußspuren, die die Gegenwart des Gottes an der betreffenden Stelle bezeichneten1, als auch, wie dies im Norden der Fall ist, seine sämtlichen Symbole, wie das Rad, das Boot und die Axt sowie bald auch die Riten, in denen diese und andere Symbole auf den Kultplätzen gehandhabt und in Prozessionen über die Fluren getragen wurden, beigesellten. Allem Anschein nach hat die Sitte, Sohalengruben und Fußsohlen in die Felsen einzuhauen, im Norden den Anstoß dazu ge­ geben, auch kompliziertere Bilder herzustellen. Hier hatte man es also vor allem darauf abgesehen, vermittelst der Ab­ bildungen den Himmelsgott zu jenen Stellen herbeizulocken, an denen seine Kraft wirksam werden Bollte, und nicht darauf, ihn womöglich an seinem Aufenthaltsort aufzusuchen. Jedoch macht sich hierbei wohl auch eine gewisse Adressierung in dem Umstand bemerkbar, daß zum mindesten in

Tanum die größeren Felsbilder meist nach Osten oder nach Süden ge­ richtet sind. Wir haben allen Anlaß, bezüglich der Bronzezeitfelsbilder die gleiche Einschränkung zu machen, wie dies bei den jagdmagischen Felszeichnungen

geschehen ist, daß sie nämlioh nur eine Seite der damaligen religiösen Kunst darstellen; wir müssen sie uns in weitestem Maße duroh gleichartige, auf vergänglichem Material angebrachte Bilder ergänzt denken. Diese Voraus­ setzung erscheint uns unentbehrlich als Verbindungsglied zwischen den Felsbildern der skandinavischen Halbinsel und den ähnlich gearteten Dar­

stellungen auf den bronzenen dänischen Rasiermessern und auf dem Home von Wismar. Es ist ausgeschlossen, daß diese Bronzegegenstände die viel früher auftretenden Felsbilder inspiriert haben, und ebensowenig können die letzteren den ersteren als Vorbilder gedient haben. Wir müssen uns diese beiden, auf haltbarem Material zum Ausdruck gekommenen Kunstrich­ tungen als zwei voneinander unabhängige Zweige eines weitumfassenden 1 Daß Fußspuren auch auf hohen Bergen, wie dies z. B. in den ligurischen Alpen, bei dem Ölberge und in Indien (vgl. 8. 231 f.) der Fall ist, auftreten, ist ja leicht verständlich.

Die um die Schalengruben entstandenen Felsbilder

273

Kunststils vorstellen, dessen zahlreichste Erzeugnisse in Holz oder Birken­ rinde eingeschnitzt oder auf Häuten oder dergleichen aufgemalt waren. Orakeltrommeln, die denen der Lappen ähnlioh sahen, würden gut in den kulturellen Rahmen der Bronzezeit passen; da Olrik bekanntlich die Re­ ligion der Lappen aus der germanischen Bronzezeitreligion herleiten möohte, läge kein Bedenken dagegen vor, auch die Orakeltrommeln als ein Erbteil der letzteren anzusehen1. Es steht mithin niohts im Wege, mit Just Bing eine bestimmte, auf einer Lappentrommel abgebildete Figur als eine miß­ verstandene Reminiszenz an eine Felsbildgestalt zu erklären . * . Es ist ferner durchaus nicht ausgeschlossen, daß es zur Bronzezeit auf ungeschützte Felsen aufgemalte Bilder gegeben hat; auch muß man wohl

annehmen, daß die Felszeichnungen ursprünglich bemalt gewesen sind, um besser sichtbar zu sein, wie letzteres zum Beispiel bei den Runensteinen der Fall wär; tatsächliche Beweise hierfür haben wir ja in dem S. 257 er­ wähnten spanischen Dolch sowie in der S. 227 beschriebenen Steinkiste aus Göhlitzsch in Sachsen (vgl. auch S. 263, Anm.). Die geographisch weit voneinander getrennten, dem Inhalt naoh aber verwandten Felsbildkomplexe der ligurischen Alpen, der west- und mittel­ europäischen Grabkisten und der skandinavischen Felszeichnungen und Grabsteine dürften also am ehesten als verschiedenartige lokale An­ wendungen eines innerhalb eines großen, zusammenhängenden Gebietes obwaltenden religiösen Kunststils zu betrachten sein, der meist mit ver­ gänglichem Material arbeitete, aber, wenn sich Gelegenheit bot, seine Zeichen auch in Stein oder in der hochentwickelten dänischen Bronze­ industrie sogar in Metall anbrachte8. 1 Trommeln aus Ton, die mit Ösen zum Festbinden eines Felles versehen sind, sind aus der Steinzeitkeramik Mitteldeutschlands bekannt. Sonnenbilder und andere unter den Ornamenten dieser Trommeln auftretende Symbole beweisen, daß sie zu religiösen Zwecken gebraucht worden sind. Jedoch dienten sie wohl in erster Linie als Musikinstrumente (Kossinna, DV, Abb. 39, 40). 1 Tallgren (Eberts Reallexikon in, S. 225) weist darauf hin, daß einige sibirische Felsmalereien an die Figuren der Schamanentrommeln erinnern. Vgl. auch Hallström, Ymer 1907, 8. 227. ’ Andr. M. Hansen, nach dessen Ansicht die nordischen Felsbilder durch den Kunststil der griechischen Dipylonkeramik beeinflußt waren, nahm bereits an, daß dieser Einfluß durch auf importierten Gegenständen, wie Bronzen und Geweben, befindliche Abbildungen vermittelt worden sei (Aarsberetn. 1908, S. ölf.). älmgren, Nordlache Felsseiahnungen als religiöse Urkunden.

18

274

6. Kapitel: Allgemeines. A. Felsbilderprobleme

Sollte es sich bestätigen, daß wir von diesem Gesichtspunkt aus an das Problem heranzugehen haben, so würde man bei der Deutung der nordi­ schen Bronzezeitfelsbilder weniger von den Axt- und Schiffsfiguren der aus dem Ende der Steinzeit stammenden west- und mitteleuropäischen Grabkisten abhängig sein, als man es vielleicht heute noch ist; es wäre uns unter dieser Voraussetzung eher möglich, unser Augenmerk bei der Inter­ pretation des Inhalts der nordisohen Felsbilder in erster Linie auf das zu richten, was man aus deren Figuren und deren örtlicher Lage schließen kann, nämlich, daß sie hier nicht ausschließlich im Dienste des Totenkultes, sondern ganz allgemein in dem des Fruchtbarkeitskultes gestanden haben.

Der Zusammenhang zwischen den mimischen und graphischen Riten Manches spricht dafür, daß man sioh im Verlaufe der gerade geschilderten Entwicklung abwechselnd des mimischen und des graphischen Ritus, der Wiedergabe in Handlung und Zeichnung, bedient hat, wenn man seine Wünsche bezüglich des zum Leben Notwendigen den unsichtbaren Mächten, von denen man glaubte, daß sie darüber geboten, nahelegen wollte. Ob man recht hat, anzunehmen, daß diese Riten an bewußte Willenswesen adressiert waren, wird weiter unten zur Diskussion stehen. Hier sei vorder­ hand einiges über das Verhältnis gesagt, in dem die mimische Ausdrucks­

weise im Laufe der Entwicklung zu der graphischen stand. Die paläolithische Kunst stellt in der Hauptsache den gewünschten Gegen­ stand dar; zuweilen wird jedoch, wie in Abb. 143 oben, auch der Imitations­ ritus wiedergegeben, der demselben Zwecke diente. Die etwas jüngeren spanischen Felsmalereien spiegeln oft die Jagdszenen selbst, also eine nähere Beschreibung dessen, was man sich wünscht, wieder; die Pfeile, die man vordem auf den Körpern der abgebildeten Tiere andeutete, hat man hier in die Hände der Jäger gelegt. Bei der ältesten Art der zur Zeit der Ackerbaukultur angelegten Felszeiohnungen, den eingehauenen (oder eingebohrten) Schalengruben, haben wir es, falls wir den Brauch richtig gedeutet haben, an sich schon mit einem mimischen Ritus oder zum mindesten mit der Vorbereitung zu einer später ausgeführten mimischen Zeremonie zu tun, durch die man die Gottheit dazu bewegen wollte, zu tun, was man von ihr verlangte. Durch die Fußspuren hat man wohl ebenfalls den Gott herbeizurufen versucht; daß diese gleich-

Der Zusammenhang zwischen den mimischen und graphischen Riten

275

zeitig mimische Riten von der Art der S. 233f. erwähnten slawischen Kult * Zeremonien andeuten, ist denkbar. Wo nun Räder, Boote und andere Figuren als Sonnensymbole, Äxte und sonstige Waffen als solche des

Donners und des Blitzes hervortreten, ist es wohl unmöglich zu entscheiden, ob sie zunächst auf Zeichnungen oder in der Gestalt von Kultgeräten, die bei den mimischen Aufzügen verwandt wurden, aufgetreten sind. Bei den aus der Bronzezeit stammenden bildlichen Darstellungen «erscheinen sie gleich von Anfang an nicht allein als selbständig vorkommende Figuren, sondern auch, wenn auch in geringerem Maße, als von Menschen bei Kult * handlungen getragen. Ich verweise auf die Waffen- und Schlangentänzer sowie auf die Pflüger der ligurischen Felsbilder, auf die Axtträger von Simris und auf die Zeichnungen von Ekenberg, wo sich unter den aus der zweiten Periode herrührenden Schwertern so unzweifelhafte Darstellungen von Kultaufzügen finden, , wie sie zum Beispiel in dem von Pferden gezogenen Bootsschlitten Abb. 41c, in dem Sonnenbildträger Abb. 49 und in der Prozession mit dem großen Götterbild Abb. 86 vorliegen1. Bei den bohuslänischen Felsbildem, deren eigentliche Blütezeit vielleicht im großen und ganzen etwas später anzusetzen ist, sind die Darstellungen von Kult­ aufzügen offenbar zur vollsten Entfaltung gelangt. Immer noch finden Bich jedoch unter ihnen die schematisch gezeichneten, symbolischen Zeichen vertreten, aber wie wir gesehen haben (S. 146), werden auch bei diesen oft vermittelst einiger stilistischen Züge die Kulthandlungen selbst an­ gedeutet. Im Laufe der Entwicklung ist also der graphische Ritus in immer größerem Umfange von dem mimischen beeinflußt worden; er trat immer mehr in den Dienst des letzteren und wurde auf diese Weise zu einem Mittel, die Wirkungen der lediglich bei gewissen Festen ausgeführten Kult­ handlungen zeitlich und räumlich weiter auszudehnen.

Klassifizierung des Inhalts der nordischen Bronzezeitfelsbilder

Von meinem Standpunkte aus gesehen, umfassen also unsere nordischen Bronzezeitfelsbilder lauter heilige Zeichen und Figuren, die man an solchen Stellen in Stein eingehauen hat, an denen man mit ihrer Hilfe die leben1 Was die Felsbilder von Ekenberg anbelangt, ist es jedoch Behr gut möglich, daß die angeführten figurenreichen Bildgruppen bedeutend jünger sind als die Schwerter. 18*

276

5. Kapitel: Allgemeines. A. Felsbilderprobleme

spendenden Kraftäußerungen der göttlichen Mäohte hervorzurufen und zu erhalten wünschte. Unter den verschiedenen Elementen, aus denen sich die Felsbilder zusammensetzen, kann man folgende Hauptgruppen unter­ scheiden: a) . Symbolische Zeichen, zum Beispiel Schalengruben (unter der Vor­

aussetzung, daß Bie die göttliche Befruchtung symbolisieren), Fußspuren, die den Gott dazu veranlassen sollten, den Platz zu betreten, ferner heilige Bäume, Sonnenräder und andere Sonnenbilder, Boote als Fahrzeuge des Sonnengottes, Äxte als Symbole des Blitzes und Schwerter, die wahrschein­ lich demselben Zweck dienten. Hierher gehören noch einige seltenere und sohwer zu deutende Zeichen, so zum Beispiel die ankerähnlichen Figuren, die ioh als Feuerbohrer zu erklären versuchte und die sioh wohl ebenfalls auf den Blitz beziehen. b) Kultszenen, festliche Aufzüge widerspiegelnd, in denen man ver­ schiedene der eben angeführten heiligen Zeiohen, in der Hauptsache die Sonnensymbole,.Boote, Bäume und Waffen, verwandt hat, indem sie von Menschen herumgetragen oder auf andere Weise gehandhabt worden sind. Die Aufzüge sind oft auf Kultschiffen oder in der Nähe von solchen dar­ gestellt. Die Waffen werden teils in Prozession herumgetragen, teils werden sie bei rituellen Kämpfen verwendet, in denen man auf symbolische Weise den Kampf der Himmelsmächte zum Ausdruok brachte. Die Schalen­ gruben werden in dieser Gruppe durch kultische Hoohzeitsszenen ersetzt. Diese wurden offenbar mit den rituellen Kämpfen zum Jahreszeitendrama zusammengestellt, dessen einzelne Phasen auf etlichen Felszeiohnungen abgebildet sind. Die Fußspuren wiederum haben hier ihr Äquivalent in dem in der Prozession einhergeführten großen Götterbild. Hierher gehören ferner sowohl ganze Opferszenen als auoh einzelne Opfertiere, rituelle Pflugzeremonien, Kultwagen, Lurenbläser und Tänzer sowie, als Re­

präsentanten der Gemeinde, Prozessionsgruppen und Adoranten. Die ab­ gebildeten Schlangen hatten wohl ebenfalls wirkliche Gegenstücke in den Kultaufzügen. o) Übergangsformen zwischen a und b, bei denen die symbolischen Zeichen am stärksten betont erscheinen, wohingegen die handelnden Personen nur ganz schematisch angedeutet sind. d) Einige symbolische Zeichen, die, da sie eventuell eine Personifikation der Symbole selbst enthalten, von der vorhergehenden Gruppe zu unter-

Klassifizierung des Inhalts der nordischen Bronzezeitfoisbilder

277

scheiden sind, falls nämlich La Cours Auffassung der uppländischen, mit Menschenbeinen versehenen Sonnenbilder sich als richtig erweisen sollte (Abb. 48). Die übrigen Figuren, die er dieser Kategorie zuordnen möchte, sind wahrscheinlich auf andere Weise zu erklären (siehe S. 98 und unten).

e) Szenen und Gestalten, die den unter b angeführten ähnlich sehen, aber unter Umständen auf Grund der Phantasievorstellungen des Zeich­ ners gewisse Veränderungen erfahren haben. Hierher gehören wohl zu­ nächst einige in Prozessionen oder anderen Kultaufzügen auftretende Götterbilder, die ein lebensvolleres Gepräge zeigen, als man sonst bei den anthropomorphen Kultbildern dieser Zeit voraussetzen kann. Dasselbe gilt in noch höherem Maße von gewissen, mitunter sehr großen Figuren, die anscheinend Götter voretellen und deren Begleitfiguren fast ausschließ­ lich aus symbolischen Zeichen bestehen; in diesen Gestalten sind offenbar die Phantasievorstellungen des Künstlers von der Gottheit zum Ausdruok gekommen, obschon er zur Darstellung derselben auch ihren in den Kultaufzügen auftretenden menschlichen Repräsentanten verschiedene Züge entlehnte. Möglicherweise gehören ferner zu dieser Gruppe die in einigen Szenen vorkommenden Männer, deren Rumpf die Form eines Sonnensymbols zeigt, sofern man nicht annehmen muß, daß in den Kult­ aufzügen Männer aufgetreten sind, die in irgendeiner Weise als Sonne ver­ kleidet waren. Besteht die erstere Annahme zu Recht, so dürften die Szenen, in denen diese Figuren zu finden Bind, eher ein mythologisches als ein kultisches Gepräge besessen haben, was natürlich nicht ausschließt, daß sie in derselben Absicht eingehauen worden sind. Auf ähnliche Weise könnte man vielleicht die Kampfszenen erklären, bei denen Enthauptung oder andere Verstümmelung dargestellt zu sein scheint (siehe S. 116, 124). Es wäre ja überhaupt sehr verständlich, wenn die Felszeichner von ihrer künstlerischen Freiheit nicht allein dazu Gebrauch gemacht hätten, schema­ tisierte Reduktionen der Vorbilder in der Art der in der Gruppe c auf­ geführten Figuren herzustellen, sondern auch dazu, ihnen neue, aus der eigenen Phantasie geschöpfte Wesenszüge zu verleihen1. Bei den Schlangen­ 1 Als Parallele zu der berührten Erscheinung könnte man die im Vorher­ gehenden besprochenen griechischen Vasenbüder anführen, auf denen Dionysos in einem Schiffe abgebildet erscheint. Auf der in Abb. 22 a wiedergegebenen Darstellung Beiner Kultfahrt im Schiffswagen hat der Gott wohl eine lebens­

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5. Kapitel: Allgemeines. A. Felebildorproblemo

schiffen Abb. 10 und der Sohlangenszene Abb. 84 könnte man ebenfalls im Zweifel sein, ob man es mit mythologischen Phantasiebildern oder mit Kultszenen zu tun hat. Im ersteren Falle handelt es sich wohl im Hinblick auf die ägyptische Parallele Abb. 40 am ehesten um eine aus dem Süden stammende mythologische Bilddarstellung, die vermittelst Kopien auf losen Gegenständen aus vergänglichem Material ihren Weg zum Norden gefunden hatte. Es ist natürlich unmöglich, zwischen den einzelnen Gruppen scharfe Grenzen zu ziehen und die verschiedenen Felsbildfiguren ganz genau auf die einzelnen Klassen zu verteilen. Im großen und ganzen können wir die hauptsächlichsten Bildarten unserer Bronzezeitfelsbilder auf drei reduzieren: symbolische Zeichen, Kultszenen und mythische Darstellungen, von denen die letzteren fraglos am seltensten vorkommen. Im übrigen tritt je nach der Gegend der eine oder der andere der drei Typen verschieden stark in Erscheinung. Der erste Bildtypus ist offenbar der primäre, und zwar ist er wahrschein­ lich schon zur Steinzeit entstanden, hat sich dann aber allem Anschein nach während der ganzen Bronzezeit neben den anderen behauptet. Dieser Typ ist es auch, der die weiteste Verbreitung gefunden hat, und in gewissen

Gegenden ist er ganz oder fast allein herrschend. Dies ist zum Beispiel in Uppland der Fall, wo man nur wenigen Abbildungen von MenBohen und Tieren begegnet. Diese Tatsache gibt uns vielleicht eine Erklärung dafür, daß gerade hier die Gruppe d, die eine Sonderentwicklung des Sonnen­ symbols selbst repräsentiert, in Erscheinung tritt. Die Kultszenen sind, wie wir sahen, während des Überganges von der ersten zu der zweiten Periode der Bronzezeit entstanden. Wir finden sie in einzelnen Exemplaren in Dänemark und bei Simris, jedoch in größerer Anzahl im Grabe von Kivik vertreten, wohingegen andere Grabzeichnungen so gut wie ausschließlich der Gruppe a angehören. In der Umgebung von Norrköping haben wir ziemlich viele Kultszenen, am meisten verbreitet sind sie jedoch in Bohuslän; in Norwegen dürften sie wiederum etwas seltener auf­ treten. Die unter e behandelten Fälle gehören fast ausnahmslos nach vollere Gestaltung erhalten, als sie das herumgeführte Kultbild in Wirklich­ keit besaß. Auf anderen Vasen wiederum hat man sich bei der Wiedergabe genau an die ätiologische Mythe gehalten: Dionysos fährt hier in einem Boote über das Meer.

Waren die Felsbilder gemeinsame oder individuelle Unternehmungen ?

279

Bohuslän und stammen sicherlich im allgemeinen aus einer ziemlich späten Zeit; vielleicht muß man indessen auch den Axtträger des FelsbildeB von Flyhov in Westgotland (Abb. 94) hierher rechnen, dessen Axt eher dem Simrisals dem Skogstorptyp anzugehören scheint. Das einzige Felsbildelement, das man allem Anschein nach auch noch während der vorgerückteren Eisenzeit, ja sogar bis in die Wikingerzeit hinein (Björkö) weiter fortgeführt hat, ist das einfachste und älteste von ihnen allen: die Elfenmühlen.

Waren die Felsbilder gemeinsame oder individuelle Unternehmungen ? Es ist schwierig, zu entscheiden, ob man sich die Felsbilder im Interesse einer ganzen Kultversammlung oder in dem des einzelnen Festteilnehmers ausgeführt denken muß. Im ersteren Falle entsprächen sie den Wandbildern der ägyptischen Tempel, wie auch, wenn wir nach Griechenland hinüber« gehen, dem Fries des Parthenon und „allem, was hinter diesem liegt“, wie

sich Gillis Wetter einmal gelegentlich einer Unterhaltung über diese Frage

ausdrüokte. Dies gilt wohl vor allem von den größeren Felsbildern, wie zum Beispiel von der Zeichnung von Hvitlycke, die, wie man gewiß vor« aussetzen darf, den Kultplatz selbst wiedergeben. Aber auch hier hat man anscheinend mit der Eventualität zu rechnen, daß die verschiedenen Figuren Vo&vgaben der einzelnen Festteilnehmer repräsentieren, die damit die Er­ innerung an ihre Mitwirkung ganz besonders gut einzuprägen gedachten,

und zugleich auf diese Weise sich die Wirksamkeit der Riten für die Dauer zu sichern hofften. Axel Boöthius machte mich darauf aufmerksam, daß man zum Beispiel in Delphi Votivtafeln gefunden hat, die von Privaten zum Andenken an ihre Beteiligung an den Festprozessionen gestiftet worden sind1. Was dagegen die vielen einzeln vorkommenden kleineren Fels­ bilder anbelangt, so muß man wohl annehmen, daß Einzelindividuen sie in der Nähe ihrer Wohnstätten einhauen ließen, sei es, um die Wirkung eines bestimmten Kultfestes dorthin zu verpflanzen, oder auoh, um sich mit Hilfa des heiligen Zeichens bei einem besonders wichtigen persönlichen Anlaß Erfolg oder Errettung vor einem drohenden Unglück zu sichern. Daß man dabei auch mitunter der Toten gedacht hat, ist ja nicht aus­ geschlossen. Mit Sicherheit ist dies bei den Grabzeiohnungen geschehen. 1 A. Boöthius, Die Pythais (Upsala 1918), S. 20ff., 148.

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5. Kapitel: Allgemeines. A. Felsbilderprobleme

Ursachen für das Aufhören der Ritzungssitle

Daß Felsbilder beinahe niemals in den auf den Bergrücken angelegten Grabhügeln oder in deren engerer Umgebung zu finden sind, stimmt mit dem oben nachgewiesenen erdgebundenen Charakter der nordischen Bronze« zeitfelsbilder und dem ihres Kernelementes, der Elfenmühlen, durchaus überein. Als man die Gräber auf die Gipfel der Berge verlegte und sie aus losen Steinen zusammenfügte, zwischen denen der Wind ungehindert hin« durohfahren konnte, bo hatte man dabei wohl im Sinn, den Toten die Reise zu den Himmelsmächten zu erleichtern, und diese Absicht lag. sicherlich auch der später einsetzenden Sitte der Leichenverbrennung zugrunde (vgl. unten S. 304ff.). Eine an das Grab gebundene, lebenspendende Magie war hier nicht mehr vonnöten. Aber was hat zu Beginn der Eisenzeit dem Brauche, Bilder auf festen Felsen anzubringen, ein Ende gesetzt? Ist es allzu kühn, auch diese Er« scheinung mit der Seraanderschen Theorie einer Verschlechterung des Klimas in Verbindung zu bringen ? Zum mindesten wäre es verständlich ge * wesen, wenn man zu dieser Zeit bezüglich der Wirkung der alten Riten mißtrauisch geworden wäre und sie aus diesem Grunde aufgegeben hätte; die alten Wahrzeichen giften nioht mehr. Abschließendes zur Frage: Fruchtbarkeilsreligion oder Totenkult? Meiner Auffassung nach haben also die Felsbilder ganz allgemein im Dienste des Fruchtbarkeitskultes gestanden. Wie ich jedoch im Vorhergehenden betont habe, will ich die Möglichkeit nicht ganz von der Hand weisen, daß

die nordischen Bronzezeitfelsbilder unter Umständen in ihrer Gesamtheit auf das 'Konto des Totenkultes zu setzen sind. Die Gründe, die für eine solche Annahme sprechen könnten, habe ich in Kap. 4, S. 165f. und225f. angeführt. Die besten Argumente, die Ekholm zur Begründung seines Standpunktes vorbrachte, scheinen mir einmal die Tatsache zu sein, daß in Stein eingeritzte Bilder von Äxten und Sohiffen in Mitteleuropa nur in

Gräbern vorkommen, andrerseits die nordische Analogie, daß die auf Bergwänden oder Steinen ausgeführten Bild« oder Runenzeichnungen der Eisenzeit fast ausnahmslos den Toten geweiht waren, obwohl sie keineswegs nur an Gräbern, sondern vielleicht noch häufiger an Wieg'rändern usw. zu finden sind. Analog dazu ließe siqh ja denken, daß man

Abschließendes zur Frage: Fruohtbarkeitareligion oder Totenkult ?

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zur Bronzezeit einzig und allein in bezug auf die Toten das Bedürfnis gespürt hat, die Wirkungsdauer der lebenfördernden Riten durch eine Wiedergabe derselben in Stein für die Ewigkeit sicherzustellen. Dieser Analogieschluß ließe sich indessen mit der gleichen Berechtigung auf die pal&olithischen Fetezeichnungen anwenden, was dooh wohl die Sache zu weit treiben hieße1. Verhält es sich denn so, wie Ekholm will, daß die Felsritzungen von dem ersten Auftreten der Elfenmühlen an ganz in den Dienst des Totenkultes getreten sind? Dies bildet sicherlich das eigentliche Kernproblem der Frage, ob die Fetebilder ausschließlich dem Totenkult oder ganz allgemein der Religion der Lebenden angehören. Einzig und allein detailliertere und möglichst umfassende Untersuchungen

bezüglich der Verbreitung und der Anlegungsart der Elfenmühlen sowie bezüglich der in verschiedenen Ländern mit ihnen verbundenen Vorstei** Jungen und Riten vermögen uns eventuell an die Lösung dieser Frage näher heranzubringen, als es heute der Fall ist. Alle Versuche, die nordischen Fetezeichnungen an Hand ihrer Bedeutung in ein so eng umgrenztes Gebiet wie das des Totenkultes hineinzupaasen, müssen als verfrüht erscheinen, so lange es nicht gelingen sollte, eine derartige Untersuchung durch« zuführen8. Das gerade zur Diskussion stehende Problem rührt an gewisse strittige Fragen, die betreffs der ursprünglichen Bedeutung bestimmter Feste er« hoben worden sind. So ist man zum Beispiel darüber sehr geteilter Meinung gewesen, ob man das Weihnachtsfest in erster Linie als Sonnen- und Fruchtbarkeitsfest oder als Totenfest zu betrachten hat. Montelius sprach 1 Nach einer im Januar 1922 erschienen Zeitungsnotiz soll man in der süd­ französischen Grotte Mas d’Azil eine Grabkammer entdeckt haben, an deren Wänden Tierbüder angebracht waren; doch solange man nicht nachweisen kann, daß Gräber in den mit Zeichnungen ausgeschmückten Höhlen eine allgemeine Erscheinung sind, muß man den eben angeführten Fall als eine Ausnahme, etwa als eine spezielle Anwendung der Jagdmagie im Interesse der Toten oder als eine ausnahmsweise erfolgte Bestattung der Toten im Stammesheiligtume betrachten. * Der EntwicklungBverlauf, den Schnittger in Fornvännen 1922 und Norden 1923 nachzuweisen versuchen, demzufolge die Felsbilder anfänglich im An­ schluß an die Schalengruben dem Totenkult geweiht waren, dann aber, später auch in der Fruohtbarkeitareligion zur Anwendung kamen, scheint mir weniger einleuchtend. Es sieht auch so aus, als ob Nordön sich heute auf Grund dessen, was seine Forschungen bezüglich der Anlage der Schalengruben zutage gebracht haben, der von mir vertretenen Anschauung genähert habe.

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6. Kapitel: Allgemeines. A. Felsbilderprobleme

sich für die Deutung Sonnenfest aus (SFT IX), wohingegen Feilberg es in seiner Arbeit Jul (Köpenhamn 1904) ganz und gar zu einem Fest der Toten macht. Martin Nilsson wiederum, der sich vor kurzem mit der Frage befaßt bat (Archiv für Religionswissenschaft XIX), ist der Ansicht, daß das Weihnachtsfest erst nachträglich den Charakter eines Totenfestes erhalten hat, daß allerdings umgekehrt die Beweise dafür, daß es ursprüng­ lich als ein Sonnenfest gegolten hat, nicht überzeugend wirken; er möchte es in der Hauptsache als Fruchtbarkeitsfest ansehen. Es dürfte aber schwierig sein, die beiden letzten Begriffe voneinander zu trennen. Die älteste Erwähnung des nordischen Mittwinterfestes finden wir ja, wie Mon-

telius hervorhebt, in dem bekannten Bericht des Prokopios (um 660), demzufolge die Bewohner von Thule, nachdem sie 36 Tage in ständiger Dunkelheit verbracht hatten, Späher auf die höchsten Berge hinauf­ schickten, um die Wiederkehr der Sonne zu beobachten, die man darauf mit Gaatgelagen feierte; diese Feier galt als das höchste Fest der Einwohner von Thule1. Strittig sind in ähnlicher Weise die Anthesterien der Athener, die einerseits ein frohes Fest waren, schon aus dem Grunde, weil man mit ihnen den neuen Wein in Gebrauch nahm, zu denen man aber andererseits auch die Geister der Toten einlud. Martin Nilsson äußerte betreffs dieser Kombination (Eranos 1906), daß beide Wesenszüge uralt sind, und daß man unmöglich zu entscheiden vermag, welchem der beiden die Alters­ priorität beizumessen sei. Selbst bei den lustigen Karaevalsfesten begegnet man zuweilen Mahlzeiten für die Seelen oder die Engel, weshalb Rade­ macher in dem Aufsatz „Cameval“ geradezu die Vermutung ausspricht, daß sie ursprünglich Totenfeste gewesen Bind, die späterhin verschiedene Gebräuche aus dem Götterkult aufgenommen haben. Diese Erklärung kommt einem jedoch gewiß viel gesuchter vor als diejenige Clemens, die wir in Kap. I (S. 18) angeführt haben, und nach der die Karnevalsbräuohe es vor allem darauf abgesehen hatten, die Fruchtbarkeit zu fördern. 1 [Neuere Untersuchungen über das nordische Weihnachtsfest: H. Celander, Nordisk Jul I (Stockholm 1928); Nils Lid, Joleband og Vogotasjonsguddom (Oslo 1929); Johsveinar og Grederikdomsgudar (Oslo 1933); H. Rydh, Seasonal fertility rites and the death cult in Scandinavia and China, in The Bulletin of far eastem antiquities, Nr. 3, Stockholm 1931. Aus diesen Untersuchungen, besonders aus denen Lids, scheint hervorzugehen, daß die Weihnachtsbräuche ursprünglich den Sinn gehabt haben, die Vegetationskraft durch die finsterste Zeit des Jahres, in der allerlei schädliche Mächte walten, hindurchzuretton.J

Religiöse, ästhetische und historische Deutung der Felsbilder

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Letzten Endes gehen im übrigen alle diese Fragen auf das eine große religionshistorische Grundproblem zurück, nämlich auf die Frage, -welches von beiden das Ursprünglichere ist, der Glaube an die Seelen der Ver­ storbenen oder der an Naturgottheiten. Uns würde es auf jeden Fall ver­ ständlicher erscheinen, wenn man die Toten der sich ständig verjüngenden Lebenskraft der Natur anvertraut hätte und nicht umgekehrt sich die Toten über die Natur herrschend vorgestellt hätte. Aus diesem Grunde muß man denn wahrscheinlich auch annehmen, daß die fraglichen Feste nicht um der Toten willen eingerichtet worden sind, sondern daß man dabei den Toten ihren angemessenen Anteil an dem allgemein lebens­ freundlichen Kult zugewiesen hat; bei dem ägyptischen Osiriskult war das Verhältnis ja so (vgl. Kap. 4, S. 171). Bei der hier vertretenen Gesamt­ auffassung des Problems fällt es mir tatsächlich schwer, mich an den Gedanken zu gewöhnen, daß die mannigfaltigen Szenen, die unsere an Äckern angelegten Felsbilder aus dem Gebiet des lebensfördernden Kultes

zur Darstellung bringen, sich ausschließlich auf die Toten bezogen haben sollten, obwohl ich nicht ganz die Möglichkeit dieser Annahme ausschließen möchte. Die religiöse Deutung der Felsbilder, verglichen mit der ästhetischen

und der historischen Wenn es also verfrüht wäre, die Felsbilder ausnahmslos dem Totenkult zuzuordnen oder umgekehrt anzunehmen, daß sie nicht auf diesen allein beschränkt gewesen sein können, so glaube ich dennoch nunmehr den Schluß ziehen zu dürfen, daß sie sämtlich im Dienste der Religion gestanden haben, und daß wir folglich von den Deutungsversuchen, die wir als den ästhetischen und historischen bezeichnet haben, vollständig absehen können. In dieser Beziehung stimme ioh durchaus mit Ekholm überein, dessen unvergängliches Verdienst es meines Erachtens gewesen ist, hier in Sohweden, wo sich die historische DeutungBweise so fest eingebürgert

hatte, als erster den Versuch gewagt zu haben, die Felsbilder in ihrer Ge­ samtheit in das religiöse Gebiet zu verweisen. Weder die ästhetische noch die historische Deutungsmethode hat mit Bezug auf die Interpretation sowohl der Details als auch der Gesamt­ erscheinung auch nur annähernd eine derart plausible Erklärung

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6. Kapitel: Allgemeines. A. Felsbilderproblemo

za liefern vermocht wie die religiöse. Letztere ist auf jeden Fall durch die vielen nachgewiesenen Darstellungen von Kultaufzügen fest fundiert, und da sie sich wahrscheinlich auf sämtliche Felsbildelemente anwenden läßt, so erübrigt sich meiner Ansicht nach eine partielle Inanspruchnahme der beiden anderen Deutungsmethoden, wie sie von einigen Forschem vor« geschlagen worden ist. Selbstverständlich ist es auoh vom prinzipiellen Standpunkt aus das beste, wenn man mit einer einheitlichen Erklärung auszukommen vermag. Sicherlich hieße es heute, da man vermittels der vergleichenden religions­ historischen Forschung so gute Erfolge erzielt hat, allzu skeptisch verfahren, falls man mit den Fürsprechern der ästhetischen Erluärungsweise den Ge­ danken an eine tiefere Bedeutung der Felsbilder aufgeben und annehmen wollte, daß sie im wesentlichen nur als Niederschlag eines primitiven künst­ lerischen Dranges anzusehen sind, d. h. daß man eben die Lust verspürt hat, die Felswände mit Bildern auszuschmücken. Für diese Auffassung möchte sich Sophus Müller bezüglich der Entstehung der Felsbilder immer noch einsetzen (Aarbeger 1920, S. 154ff.), und er beruft sich dabei vor allem auf die ähnlichen Anschauungen, die gewisse Ethnologen, unter diesen be­ sonders Richard Andree, über Felsbilder und andere Kunsterzeugnisse außereuropäischer Naturvölker vorgebracht haben1. Es ist jedoch, wie von vielen anderen Forschern betont worden ist, allzu unwahrscheinlich, daß alle jene so weit verbreiteten, so einzigartigen und mit so großer Mühe ausgeführten Felsbilder ihre Existenz nur der Sucht zu verdanken haben sollen, über das Land verstreute, nackte Felswände zu verzieren. Man denke nur an die Felszeichnungen der ligurischen Alpen, ganz zu schweigen von den in den dunkelsten Ecken der westeuropäischen Höhlen versteckten Bildern. Auch fehlt es nicht an ethnologischen Fachkollegen, die einen dem Andreeschen entgegengesetzten Standpunkt vertreten. So führt zum Bei­ spiel Roe6n (AT XX: 2, S. 11) eigens zur Erhellung unseres Felsbild­ problems aus der Langschen Arbeit „Custom and myth“ ein Zitat an, das er folgendermaßen wiedeigibt: „Die primitiven Völker üben die Kunst nicht um ihrer selbst willen aus. Sie verbinden stets irgendeinen praktischen Zweck mit ihren Kunstschöpfungen. Magie und Sage haben die primitive 1 Vgl. ferner das, was Gustaf Bolinder in Fomvännen 1912, 8. 49ff. über die ähnlich gearteten Anschauungen Karl von den Steinens und Koch-Grünbergs berichtet hat.

Religiöse, ästhetische und historische Deutung der Felsbilder

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Kunst geschaffen. Nach der magisohen Vorstellungsweise vermag man leichter auf das angebetete Wesen einzuwirken, wenn man es in sinnlicher Form, in einem Bilde oder in einer Zeichnung vor sich hat.“ Und Reinach äußert sich in seinem oben angeführten grundlegenden Aufsatz über Kunst und Magie (S. 260f.) wie folgt: „Falls ein Wilder zur Antwort gibt, daß er zu seinem Vergnügen aushaue oder male oder deshalb, weil seine Vorfahren dies getan haben, oder falls er behauptet, er könne keinen Grund dafür an­ geben, so beweist dies nur, daß seine künstlerische Betätigung im rudimen­ tären oder spielerischen Stadium ausgeübt wird (ä l’état de survivance ou de jeu), aber es genügt, daß ein paar Wilde etwas deutlichere Auskünfte geben, damit wir diesen den Vorzug geben, vorausgesetzt, daß sie mit be­ stimmten allgemeinen Ideen übereinstimmen, die dem ganzen Menschen­ geschlecht gemeinsam sind. ** Bereits 1889 hat der holländische Ethnologe ten Kate in den Verhand­ lungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie (8.665) darauf hin­ gewiesen, daß ein bestimmter Indianeratamm Nordamerikas Opfergaben in Form von Steinen, Zweigen, Glasperlen und Pfeilen an den den Ahnen geweihten Felsbildern zu deponieren pflegte, und er hebt besonders hervor, daß diese Tatsache die Vermutung des amerikanischen Forschers Cushing zu bestätigen scheint, daß nämlich diese Felszeichnungen in ritueller Absicht hergestellt worden sind und nicht, wie man früher angenommen hat, als historische Denkmäler oder aus einem spielerischen Triebe heraus. Hier haben wir es also offenbar mit einem Problem zu tun, das sich mit dem unsrigen nahe berührt, mir fehlt aber hier die nötige Zeit, diese Spur weiter zu verfolgen1. Sophus Müller räumt übrigens in seiner genannten Schrift auch ein (S. 158), daß gelegentlich eines höheren Stadiums der primitiven Kunst, wie dieses zum Beispiel durch unsere Bronzezeitfelsbilder vertreten wird, möglicherweise Darstellungen mit realem Inhalt aufkamen, wirklichen Geschehnissen geltend und etwa das Verhältnis zu den Göttern oder Be­ zeichnungen für diese ausdrückend. An gleicher Stelle (S. 145f.) spricht er die Vermutung aus, daß die Schiffe der Rasiermesser und der Felsbilder heilige Zeichen sind, die er am liebsten mit dem bei Taoitus angeführten Kultschiff der Göttin identifizieren möohte. In einer älteren Arbeit (Nord. Fort. I, 8. 313) äußert sich Müller über die zahlreichen Sonnen- 1 [Über eine wichtige Parallele aus Ostafrika siehe Nachtrag B, S. 35ßf.]

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6. Kapitel: Allgemeines. A. Felsbilderprobleme

Symbole der Felsbilder geradezu wie folgt: „Wo man ihnen begegnet, dort waren einst heilige Plätze/ * Da die Sonnenbilder ja auf den meisten unserer größeren Felsbilder vertreten sind, so ist sicherlich von dem eben angeführten Ausspruch Müllers kein allzu weiter Schritt zu dem Ent­ schlüsse, die Felsbilder ganz in das Reich der Religion zu verlegen. Nordän sprach sioh in Felsbilder, S. 43, für die Annahme aus, daß die Felsbilder zwar anfänglich und hauptsächlich im Dienste des Kults gestanden haben, daß sie aber in späterer Zeit, zumal in

Bohuslän, zu einer rein profanen Kunst, zu der Darstellung von Genrebildern übergegangen sind. Er weist darauf hin, daß sowohl die dramatische Kunst als auch die Plastik und die Malerei in ihren Anfängen religiösen, später jedoch profanen Zwecken dienstbar waren. Auch Sohnittger zeigt in seinen in Fornvännen 1922 erschienen Aufsätzen die Neigung, einen ähnlichen Entwicklungsgang für die Felsbilder anzunehmen. Rein theoretisch ist dieser Entwicklungsverlauf durchaus möglich; aber da, wie ich zu beweisen versuchte, wir alle auf den Felsbildem vorkommenden Szenen auf rituelle Weise erklären können, so erweist sich Nordens und Sohnittgera Hypothese als überflüssig. Auf einem anderen Blatt steht die Möglichkeit, daß das Einritzen der heiligen Bilder im Laufe der Zeit immer mehr zu einer gedankenlosen Gewohnheit herabgesunken sein kann. In gewisser Weise hat jedooh eine ästhetische Beurteilung der Fels­ zeichnungen ebenfalls ihre volle Berechtigung, insofern als diese nämlich oft gleichzeitig als Kunstwerke und als praktisch-religiöse Symbole gelten können. Daß dies für die naturalistischen Tierbilder zutrifft, ist oft genug hervorgehoben worden. Aber auch die stilisierten Bronzezeitfelsbilder weisen mitunter ein künstlerisches Gepräge a*uf. Ich erinnere hier nur an den Meister, der im Tale von Fossum in Tanum unsere Abb. Iß und 80 eingemeißelt hat, die wirkliche Glanzstücke naoh künstlerischem Können wie an Verve und Humor darstellen, wenn man die Entstehungszeit in Betracht zieht. Die historische Deutungsmethode, nach der die Felsbilder als Ge­ dächtnistafeln für wichtige Ereignisse im Leben des Stammes, vor allem für Kämpfe zu Wasser und zu Lande anzusehen sind, hat ebenfalls keinen Beweis erbringen können, der überzeugend gewirkt hätte. Die letzten wissenschaftlich-kritischen Vertreter dieser Richtung, unter ihnen Montelius und Eckhoff, haben sich aller Versuche enthalten, detaillierte Deu-

Religiöse, ästhetische und historische Deutung der Felsbilder

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tungen zu geben. Dieses Verhalten geht offenbar auf den Umstand zurück, daß man fast nirgends den geringsten Zusammenhang unter den einzelnen Bildgruppen nachzuweisen vermag. Die einzige Ausnahme, bei der man anscheinend etwas ähnliches annehmen kann, bildet die oberste Bildgruppe des Aspebergfelsbildes Abb. 73, die man als eine Landung von Seeräubern ausgelegt hat; Bie läßt sich aber, wie wir gesehen haben, genau so gut wie die Felsbilder in ihrer Gesamtheit, auoh auf rituelle Weise erklären. Vor kurzem machte Gaerte in Mannus XV den Versuch, die Fußspuren und Räder der Felsbilder als Symbole zu deuten, mit denen man die Er­ oberung und das Besitzergreifen von Land und Schiffen zu kennzeichnen beabsichtigte. Daß aber die unzähligen Schiffe der Felsbilder überall da, wo Bie in Erscheinung treten, die Aufgabe gehabt haben sollen, die Er­ innerung an Seegefeohte und Eroberungen aufrechtzuerhalten, ist schon an sich sehr unwahrscheinlich. Und da man bei so vielen deutlich zum Kult in Beziehung stehenden Szenen eine große Anzahl der Felsbildsohiffe dem religiösen Gebiet zuteilen kann, nirgends aber einwandfrei nachweisbare Seegefechte abgebildet sind, so dürfte fraglos eine einheitliche religiöse Deutung der historischen bei weitem vorzuziehen sein. Emil Eokhoff ist im Verlauf seiner gründlichen Untersuchung des Fels * bildproblemes von 1892 (SFT V11I, S. 123) zu folgendem Resultat gelangt: „Die Felsbilder repräsentieren nichts anderes als die Art und Weise der damaligen Bewohner des Nordens, vermittelst einer ,Schrift * ihren Ge * danken Ausdruck zu verleihen; wir müssen sie also als zeitgemäße Surrogate von Schriftzeichen ansehen. Sie enthalten vermutlich Aufzeichnungen historischer Ereignisse, religiöser Vorstellungen und vielleicht noch manches andere. Ein Versuch, deren Bedeutung im einzelnen zu ergründen, wäre jedoch, wie wir aus dem Vorhergehenden entnehmen konnten, ganz frucht­ los — falls es nioht in Zukunft glücken sollte, genauere Kenntnisse von den Gewohnheiten und Sitten, der Götterlehre usw. des Volkes zu erlangen, bei dem sie entstanden sind. ** Was das letztere anbelangt, so scheint es mir so, als ob uns heute die vergleichenden religionshistorischen Forschungen der letzten Jahrzehnte vordem ungeahnte Möglichkeiten eröffnet haben; mit ihrer Hilfe ist es uns allmählich möglich geworden, festzustellen, daß die Felsbilder tat­ sächlich eine Bildersprache repräsentieren, wenn sie auch nicht an damals gegenwärtige oder zukünftige Generationen, sondern an göttliohe Wesen

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6. Kapitel: Allgemeine«. A. Fetebilderprobleme

gerichtet war, und die Szenen, in denen man teils Wiedergaben historischer Ereignisse, teils Reproduktionen religiöser Vorstellungen vermutete, be­ ginnen jetzt so langsam sioh zu einem einheitlichen Bilde zu verschmelzen. Bei dem, was man vermittelst der Bildersprache der Felsen dargestellt oder angedeutet hat, handelt es sioh wohl in der Hauptsache um wirkliche Ge­ schehnisse, aber nur um solche religiöser Art, nämlich um Kultaufzüge. Und der Drang, ihnen durch die Wiedergabe in Stein ewige Dauer zu ver­ leihen, beruhte nicht auf irgendeinem künstlerischen oder historischen Interesse, Bondern auf der ureigensten Quintessenz alles praktischen Inter­ esses: auf dem Bestreben, Leben und Glück der Menschen sowohl in dieser als auch in der jenseitigen Welt zu erhalten und zu schützen. Die Wünsche, die man mit Hilfe der Kultaufzüge den göttliohen Mächten auf mimische Weise zum Ausdruck brachte, suchte man diesen mit allem Nachdruck einzuprägen, indem man sie auf unvergängliches Material ein­ schrieb. Die in den ewigen Steinen eingehauenen Zeichen hatten die Auf­ gabe, der Wirksamkeit der im Verlauf einiger flüchtiger Stunden aus­ geführten Riten Dauer zu verleihen1. Wenn nun die vergleichende religionshistorische Wissenschaft uns die Möglichkeiten an die Hand gab, näher an das Mysterium der Felsbilder heranzukommen, so kann vielleicht umgekehrt das reichhaltige Fetebild­ material von weittragendster Bedeutung für die nordische Religions­ geschichte' werden. Im folgenden möchte ich die Aussichten andeuten, die sich in diesem Falle eröffnen und dies insbesondere in bezug auf gewisse Probleme, die in das Gebiet der Archäologie gehören. 1 In einem Briefe, den mir Emil Eckhoff 1923 einige Monate vor seinem Tod über das Problem der Fetezeichnungen zuschrieb, hielt er seine alte Auffassung in allem wesentlichen aufrecht, indem er besonders betonte, daß es doch das Natürlichste sei, die Kampfszenen der Felszeichnungen als Darstellungen ge­ wöhnlicher Kämpfe zu deuten. Ich gebe gern zu, daß die Auffassung der Kampf« szenen als ritueller die am schwächsten begründete Seite der religiösen Deutung bildet; aber die große Menge der Bicher rituellen Szenen scheint mir mit zwingender Macht auch die Kampfszenen in ihren Kreis hineinzuziehen.

Die Verbreitung der orientalischen Fruchtbarkeitsreligion über Europa

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B. Religionshistorische Probleme Die Verbreitung der orientalischen Fruchtbarkeitsreligion über Europa „Der Orient und Europa“ — so betitelte Oscar Montelius seine große Untersuchung1 über die Formen der Megalithgräber und über deren Ver­ breitung von Vorderasien und Nordafrika über den Westen Europas bis nach Norddeutschland und Südskandinavien. Zu Beginn seiner Abhand­ lung beschreibt er, wie Viehzuoht und Aokerbau zur jüngeren Steinzeit von Asien aus Europa eroberten. Die Feststellung, daß beide zuerst in Vorderasien, ursprünglich wahrscheinlich in Babylonien aufgekommen sind, ist meines Erachtens das Endresultat, bei dem die Forschung stehen­

geblieben ist; hier sind nämlich die wilden Urformen sowohl aller Haus­ tiere als auch die ältesten Getreidearten, Gerste und Weizen, zu Hause (Eberts Reallexikon I, S. 11, 13, 16, 64). Mit dieser Ackerbaukultur haben sich offenbar die zu deren Schutz im

Orient ersonnenen Fruchtbarkeitsriten und die damit zusammenhängenden Vorstellungen8 über Europa verbreitet, wo sie heutigen Tages noch in rudimentärer Form in den volkstümlichen Gebräuchen, vor allem in den Festbräuchen der Jahreszeitenfeste weiterleben. Daß der Fruchtbarkeits­ kult schon in den frühesten Stadien des primitiven europäischen Acker­ baues mit diesem verknüpft war, ist ja an sioh ganz natürlich und wird nun durch die aus der Bronzezeit stammenden Felsbilder mit aller Deutlichkeit bestätigt. Ob das ganze mannigfaltige RitensyBtem, das die letzteren an­ deuten, bereits zur jüngeren Steinzeit im Verein mit dem ersten Ackerbau aufgekommen ist, obwohl es erst zu Beginn der Bronzezeit auf denFelsbildem in Erscheinung tritt, oder ob es sich erst nach und nach auf Grund von fortdauernden orientalischen Einflüssen weiter entwickelt hat, ist schwer zu sagen. Auf jeden -Fall kennen wir gerade aus der frühen Bronzezeit verschiedene Spuren von Beziehungen zwischen dem Orient und dem Norden, die offenbar, wie dies vor kurzem von Ekholm in einer Übersicht hervorgehoben worden ist (Svensk tidskrift 1924, vgl. auch Schnittger, Ord och Bild 1919), mit dem Bernsteinhandel Zusammenhängen. Wenn wir nun im Verlauf der oben vorgenommenen Gegenüberstellung 1 Schwedisch in AT XIH, deutsche Übersetzung, Stockholm 1899. 1 [„Wie eine Art Gebrauchsanweisung“, sagt A. W. Persaon treffend in Fomvännen 1930, S. l.J Almgren, Nördliche Febceichnungon nb rellgiHae Urkunden

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5. Kapitel: Allgemeines. B. Religionshistorische Probleme

der Felsbilder und der orientalischen religiösen Gebräuche im wesentlichen das ägyptische Bildmaterial in Anspruch genommen haben, zumal was die Kultschiffe anbelangt, bo will ich damit nicht ausdrücken, daß die religiösen Rinfliisae, die sich über Europa bis zum hohen Norden erstreckten, in der Hauptsache von Ägypten ausgegangen sind. Dieselben Riten waren, nach den literarischen Zeugnissen zu urteilen, allem Anschein nach auch in Babylonien in Anwendung, obschon das einschlägige Bildmaterial hier nur spärlich ist. Daß die Mehrzahl der religiösen Formen genau wie der Ackerbau selbst von Vorderasien nach Europa gekommen ist, wird uns durch verschiedene Umstände bezeugt. So fehlen zum Beispiel in Ägypten

die religiösen Symbole Axt und Rad, wohingegen sie in Babylonien und Assyrien heimisch sind, von wo sie sich anscheinend nach Westen weiter verbreitet haben (Montelius, Die älteren Kulturperioden im Orient und in Europa, II, S. 195 f., 409ff., 424ff.). Ferner hat offenbar der Baumkult in Asien eine größere Rolle gespielt als in Ägypten, und dasselbe gilt in noch höherem Maße von der Kulthoohzeit. Als Sven Nilsson seine bekannte Hypothese vorlegte, derzufolge der Baalskult zur Bronzezeit durch phönizische Kaufleute in Nordeuropa ein­ geführt worden sei, war ja seine Vorstellung von der Art des Vermittlungs­ weges gewiß nicht frei von Übertreibung, aber die Parallelen, die er

zwischen orientalischen und nordischen Kultformen zog, waren sicherlich im großen und ganzen recht gut fundiert. Ferner hat Arne (Fomvännen 1909) den Nachweis erbracht, daß einige weibliche Bronzestatuetten aus dem Ende der schwedischen Bronze­ zeit auf Darstellungen der Göttinnen Istar und Astarte zurückgehen; er nimmt an, daß die hier zum Ausdruck kommende religiöse Beeinflussung auf dem Wege über den Balkan oder über Südrußland, die Weiohsel odei Oder entlang, vor sich gegangen ist. Auch einige Mythologen haben es in der letzten Zeit gewagt, nordische und orientalische Mythenmotive in nähere Verbindung miteinander zu bringen. So hat zum Beispiel Hammarstedt in seinem im Jahre 1900 gedruckten Aufsatz über Lussi die nordischen Fruchtbarkeitsgöttinnen mit den orien­ talischen verglichen und auf die Möglichkeit hingewiesen (S. 36), daß geistige Einflüsse sich wie Ackerbau und Metallindustrie vom Orient aus über Europa ausgedehnt haben. Er sagt: „Ist es denn so ausgeschlossen, daß

Die Verbreitung der orientalischen Frudhtbarkeitsreligion über Europa

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der Wanenkult, gegen den das Christentum hier im Norden zu kämpfen hatte, seinem innersten Wesen nach mit jenem westsemitischen Astartekult identisch oder, besser gesagt, sehr eng verschwägert gewesen ist, gegen den die hebräischen Reformatoren so viele Jahrhunderte vorher in ihrem Lande geeifert haben ?" Des weiteren hat Axel Olrik in Danmarks Heltedigtning II, S. 257ff., gelegentlich der Interpretation der Sagen von Sceaf-Soyld (vgl. unten) und von König Frodes Tod auf den Adoniskult und andere damit verwandte Vegetationsriten verwiesen. Vor kurzem hat sodann Neckel in seiner Arbeit „Die Überlieferungen vom Gotte Balder ** (1920) den ausführlichen Beweis für die enge Verwandt­ schaft des Baldermythos mit den orientalischen Fruchtbarkeitskulten, einschließlich des babylonischen Tammnz erbracht. Seiner Ansicht nach haben jedoch Balderkult und -mythos erst zur Zeit der Völkerwanderung den Weg zum Norden gefunden, und er erklärt diesen Vorgang mit der einst vorhandenen Nachbarschaft von Goten und Thrakern. Schließlich hat noch Hugo Jungner in seiner Abhandlung über die Göttin Frigg (Upsala 1922) verschiedene Analogien zu südländischen Kultformen und im Verein damit die Ansicht vorgebracht, daß eine religiöse Beeinflussung des Nordens von Südosten aus stattgefunden hat, und zwar in den Jahrhunderten, die der Geburt Christi vorausgingen1. Die von diesen Verfassern vorgenommenen mythologischen Zusammen­ stellungen erhalten nun einen weit sichereren und auch in bezug auf die Zeit wesentlich erweiterten Hintergrund durch das eindeutige und reich­ haltige Beweismaterial, das uns die Felsbilder als Gewähr dafür bieten, daß bereits in den Anfängen der Bronzezeit orientalische Kultformen bis zum Norden vorgedrungen waren. Wir dürfen es deshalb getrost wagen, sowohl die Religion der nordischen Bronzezeit mit Hilfe der orientalischen Religionsformen zu rekonstruieren, als auoh bei der Beurteilung der Bpätheidnischen, nordisohen Religion, die uns aus literarischen Quellen be­ kannt ist, in recht großer Ausdehnung auf orientalische Urbilder zurück­ zugreifen. Damit will ich jedoch keineswegs gesagt haben, daß nicht auoh ureigene indogermanische Motive in den zur Bronzezeit im Norden üblichen Kult 1 [Vgl. noch F. R. Schröder, Germanentum und Hellenismus, Heidelberg 1924.] 19*

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5. Kapitel: Allgemeines. B. Religionshiatorische Probleme

eingegangen wären; zu diesen dürfte vor allem die Vorstellung von der von einem Pferde gezogenen Sonne und die darauf beruhende Bedeutung des Pferdes im Kulte zu rechnen sein1. Persönliche Gottheiten

Die Quintessenz des im vorhergehenden Abschnitt Festgelegten ist, kurz gesagt, die, daß wir durchaus dazu berechtigt sind, im Norden während der Bronzezeit und vermutlich auch während der jüngeren Steinzeit mit persönlichen Gottheiten zu rechnen. Dabei muß man sich freilich ver­ gegenwärtigen, daß man in bezug auf die Personifikation und Anthro­ pomorphisierung von Göttern verschiedene Stadien unterscheiden kann, anhebend mit der allgemeinen Vorstellung einer Existenz bewußter Wil­ lenswesen, die man sich über gewisse Naturerscheinungen oder über das Leben der Natur überhaupt herrschend denkt, wobei man sich aber meist über deren Gestalt nur ziemlich dunkle Begriffe maoht, bis zu den bis in die kleinsten Einzelheiten den Menschen nachgebildeten Götterbildern. Ich hatte selbst einmal Gelegenheit, zu beobachten, wie die Vernunft eines Kindes bei dem Phänomen des Donners reagiert. Als mein ältester Sohn gerade fünf Jahre alt war, sohlug der Blitz in einen nahe bei unserer Woh­ nung stehenden Baum ein, wobei er den Stamm von oben bis unten aufriß und Splitter von der Größe eines Holzsoheites nach allen Seiten hin schleuderte. Einige Zeit darauf fragte der Knabe: „Der Donner hat wohl eine Axt, mit der er hackt und schlägt ? Er hat wohl einen Mund, mit dem er die Menschen erschreckt ?“ Bei dieser Voretellungsart werden dem als lebendiges Wesen gedachten Donner ganz offenbar nur diejenigen Körper­ teile und Werkzeuge zugeschrieben, die dazu erforderlich sind, die be­ obachteten Wirkungen hervorzubringen; wie dieses Wesen im übrigen aus­ sieht, ist nicht von Belang. In ähnlicher Weise stattet das Alte Testament seinen Jahve mit Augen, Ohren, Mund, Armen, Händen, Füßen und Herz aus, geht aber nicht so weit, anzunehmen, daß er noch weitere Körperteile besitzt, und verbietet ja ferner auch ausdrücklich, ihn in menschlicher Gestalt abzubilden. Dieses Verhalten beruht wohl letzten Endes darauf, daß es auf der einen Seite sehr nahe liegt, sich die beweglichen himm­ lischen Naturerscheinungen als Handlungen vorzustellen, die von leben1 [Vgl. auch Nachtrag B, S. 348 ff. über den Gott mit den großen Händen.]

Persönliche Gottheiten

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digen, aktiven Willenswesen ausgeführt werden, daß es aber auf der anderen allzu große Schwierigkeiten macht, sich diese in den Lüften wohnhaften Wesen ganz menschenähnlich zu denken. „Wie kann Gott sein Bett in den Wolken stehen haben, wo es doch so weich ist ?" fragte einmal mein kleiner Sohn. Eine für die Anthropomorphisierung sehr geeignete materielle Unter * läge bot dagegen der heilige Baum. Man könnte sich vorstellen, daß man gerade mit dem Herumtragen desselben eine Art unpersönlicher Kraft, die man mit dem heute so häufig umschriebenen polynesischen „Mana“ vergleichen kann, möglichst direkt zu übertragen suchte. Ich will gewiß nicht abstreiten, daß dies der ursprüngliche Sinn des Brauches gewesen sein mag, aber die Anthropomorphisierung tritt gerade hier in so mannig­ faltigen Formen und auch schon so früh in Erscheinung, daß sie Wohl aus psychologischen Gründen sehr nahe auf der Hand gelegen haben muß. Man versieht den Baumstamm mit einem menschlichen Charakte­ ristikum nach dem anderen, bis er schließlich ein komplettes Götterbild darstellt. Der Maibaum wird mit einer Querstange ausgestattet, die die Arme andeuten soll („ Jonsokkallen“). Den abgesohälten Baum mit beibehaltenem Wipfel erklärt R. Karaten (Naturfolkens religion, S. 62) so, daß man sioh dessen Lebenskraft wie beim Mensohen im Haupte konzentriert dachte. Man legt des weiteren dem Menschen, der den Vegetationsgeist verkörpern soll, ein Laubgewand an, und aus Weiden flicht man jene menschenähnlichen Riesenfiguren, die uns seit Poseidonios’ Tagen, aus der uns von ihm über­ mittelten Beschreibung der bei den Galliern übliohen Kultgebräuche bis in unsere Zeit hinein aus den Karnevalszügen bekannt sind. Eine Figur der letzteren Art haben wir aller Wahrscheinlichkeit nach in Abb. 86 vor uns, die wir wohl als die unzweideutigste Darstellung eines Götterbildes ansehen dürfen, die wir aus unserem Felsbildmaterial anführen können. Um ähnliche Figuren handelt es sich vermutlich auch bei ein paar anderen, S. 132 angeführten Prozessionsbildern, wohingegen Abb. 91 anscheinend ein Götterbild anderer Art vorstellt. Bei der näheren Ausgestaltung der Götterbilder haben sicherlich, wie dies zum Beispiel von Miß Harrison in der Schrift Ancient art and ritual (London 1918) dargelegt worden ist, die Götterrepräsentanten der Kult­ aufzüge, die die Kultsymbole trugen, als Modelle für den Künstler eine wichtige Rolle gespielt. Dies glaubten wir auch oben S. 141 auf den Fels­

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ß. Kapitel: Allgemeines. B. Religionshistorische Probleme

bildern feststellen zu können bezüglich der in Abb. 92—94 abgebildeten Figuren, die eine segnende Geste ausführen. Es ist somit schwer zu ent­ scheiden, ob diese Figuren Götterbilder oder menschliche Repräsentanten der Götter vorstellen sollen. Charakteristisch ist es, daß gerade diese Ge­ stalten die Waffen des Himmelsgottes, die Axt oder den Speer tragen. Die endgültige Anthropomorphisierung der Himmelsgötter ist offenbar vorzugs­ weise über die Symbolträger in den Kultaufzügen vor sich gegangen. Aber hieraus ergibt sich auch, daß es durchaus nicht ausgeschlossen ist, daß es sich dort, wo man auf den Felsbildern nur Symbole abgebildet findet, so wie zum Beispiel Axt und Sonnenrad lange Zeit hindurch den einzigen Darstellungsgegenstand bildeten, ebenfalls um personifiziert gedachte Wil­ lenswesen gehandelt hat.

Die zu Beginn dieses Kapitels vorgetragenen Reflexionen über die An­ bringung der Felsbilder an Stellen, die, wenn Sie auch den Wohnstätten der Menschen ähnlich sahen, so doch besser versteckt und mystischer waren, braohten uns auf den Gedanken, mit der eventuellen Existenz einer personi­ fizierten Macht schon zur paläolithischen Zeit zu rechnen. Ein derartiger Glaube an Wesen, die Macht über das Wild haben, käme den heutigen volkstümlichen Vorstellungen von Waldschraten und Wassergeistern nahe; fraglos dürfen wir Vorstellungen dieser Art als so primitiv ansehen, daß wir sie getrost den künstlerisch so weit vorgeschrittenen Spätpaläolithikem zuschreiben können. In der S. 251 mitgeteilten Sage aus Närike stellt also meines Erachtens das Bündnis mit dem Waldschrat ein ebenso uraltes Moment dar, wie der mit magischen Absichten verknüpfte Brauoh, Tiere zu zeichnen und zu imitieren.

Magie oder Kult ?

Im Vorhergehenden ist zuweilen nach dem Vorbilde Reinachs und Anderer in Verbindung mit den Felsbildern und den auf ihnen abgebildeten Riten das Wort Magie gefallen. Damit wollte ioh jedoch nicht aus­ drücken, daß die betreffenden Bilder und Riten der genauen Definition des Wortes Magie gemäß stets als Mittel angesehen worden sind, mit deren Hilfe man unpersönliche Kräfte in Bewegung setzen oder den Göttern uneingeschränkt gebieten konnte. Ich möchte nun zunächst einiges anführen, was Edgar Reuterskiöld im Zusammenhang mit einigen

Magie oder Kult ?

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auf Steinäxten und anderen Gerätschaften angebrachten Tierbildern, die er ab jagdmagische Darstellungen auslegte, äußerte (Fomvännen 1911, S. 170): „Wir müssen uns vergegenwärtigen, daß wir der herrschenden Terminologie nach unter Magie nicht allein das zu verstehen haben, was wirklich Magie ist, sondern auch die Neigung kulturell tiefstehender Mensohen, in Bildern zu denken. In demselben Maße, wie die Sprache des primitiven Menschen im wesentlichen aus Gesten und Gebärden besteht, gibt er auch seinen Gedanken einen anschaulichen Ausdruck. Manche magische Zeremonien der Naturvölker sind nichts anderes ab solche an­ schaulich gemachte Gedanken. Der primitive Mensch denkt seine Wünsche nicht nur, er stellt sie sich auch in materieller Form vor, genau so, wie er den künftigen Verlauf der Dinge für sich erhofft." Ich für mein Teil wäre jedoch unter Berufung auf das, was oben über personifizierte göttliche Wesen gesagt worden bt, geneigt, einen Schritt weiter zu gehen und zu fragen: Muß man nicht doch annehmen, daß zum mindesten diejenigen Spezialformen der sogenannten imitativen Magie, die darauf hinausgehen, mit Hilfe einer Imitation Sonnenschein und Regen zu erwirken, von allem Anbeginn an tatsächlich an die himmlischen Mächte adressiert gewesen sind, daß sie sozusagen eine Zeichensprache darstellten, vermittebt deren man letztere dazu aufmuntern wollte, mit ihrer segen­ bringenden Tätigkeit zu beginnen ? Die emporgehobenen Hände der Adoranten und die Musik, die sicherlich die Aufmerksamkeit der Mächte erregen sollte, weisen in dieselbe Richtung. Ist es daher nicht das Gegebene, sich vorzustellen, daß man schon von dem Zeitpunkt an, da man des Ackerbaus halber die Abhängigkeit von den über die Witterung gebietenden Mächten stärker zu fühlen begann, sioh diese ab aktive Willenswesen ge­ dacht und sioh aus diesem Grunde mit seinen in Worten, Tönen und Ge­ bärden ausgedrüokten Wünschen an sie gewandt hat, wobei die letzteren Äußerungsformen eine besondere Bedeutung erhielten, da es sich ja um so weit entfernte Wesen handelte, die das, was man mit Worten sagte, wohl nur schwer zu verstehen vermochten ? Für dieselbe Auffassung setzte sich nach dem Vorbilde Powelb der amerikanische Forscher Fewkes bezüglich der symbolischen Zeremonien einiger ackerbautreibender Indianerstämme ein, die jene zur Erzeugung von Regen anzuwenden pflegten1. Es ist mir 1 19 th annual report of the bureau of American ethnology 1897—1898, U, S. lOlOf.

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5. Kapitel: Allgemeines. B. Religionshistorisohe Probleme

nioht möglich, mich mit der entschiedenen Ablehnung zu befreunden, die Söderblom (Das Werden des Gottesglaubens, 2. Aufl., S. 169), unter Be­ rufung auf den Manabegriff der Fewkessohen Ansicht zuteil werden ließ, da es sich doch hier, was die Höhe des kulturellen Entwicklungsstadiums anbelangt, um eine so fortgeschrittene Erscheinung handelt, wie die Neigung ackerbautreibender Menschen, sich an die himmlischen Mächte zu wenden. Frazer schildert (1:1, S.316f.), wie man sich auf den Fidschiinseln und auf Neuguinea anzustellen pflegt, wenn man noch spät draußen ist und den Wunsch hegt, daß der Untergang der fikmne sich so lange hinausziehen möge, bis man nach Hause gekommen ist. In einem Falle knüpfte man eine Schlinge in eine Schnur, blickte dadurch die Sonne an, zog die Schlinge in einen Knoten zusammen und sagte: „Wenn du wartest, bis wir nach Hause gekommen sind, so werden wir dir Schweinefett geben. ** An einer anderen Stelle schlang man ein Bündel Rohrhalme, die am Wege wuchsen, in einen Knoten zusammen; ein Greis erklärte diesen Brauch folgender­ maßen: „Wir glaubten, daß die Sonne uns sehen und verstehen würde, daß wir den Wunsch hatten, sie möohte noch etwas mit dem Untergang ** warten. Frazer ist der Meinung, daß hier ein älterer, rein magischer Brauch mit einem jüngeren, religiösen verschmolzen sei. Aber ist es wirk­ lich weniger primitiv, die Sonne auf diese kindliche Weise anzureden, als daran zu glauben, daß man die Sonne in einer Schlinge fangen kann ? Ist es

denn nicht möglich, daß beide Bräuche gleichzeitig entstanden sind 1 Der eine Mensoh hat seine Abhängigkeit von den Naturmächten tiefer gefühlt und sich deshalb mit einer in Worten und Zeichen ausgedrückten Bitte an sie gewandt; der andere, robusteren Wesens, hat auf die eigene Kraft ver­ traut und auf seine Fähigkeit, das Geheimnisvolle zu bezwingen. Sicher­ lich sind sogar beide Anschauungsarten bei ein und demselben Individuum zu verschiedenen Zeiten abwechselnd oder auch, wie die eben angeführten Fälle zeigen, nebeneinander aufgetreten. Aus diesem Grunde halte ich es auch nicht für ausgeschlossen, daß bereits die paläolithischen Grottenbilder eine für eine schöpferische und gebietende Macht bestimmte Zeichen­ sprache enthalten haben1. Und was insbesondere die in der Bronzezeit an­ gelegten Felsbilder angeht, so scheinen mir zum mindesten die der liguri­ schen Hochalpen bedeutungslos und unverständlich zu sein, wenn man nioht 1 [Vgl. den afrikanischen Jagdritus Nachtrag B 353 f.]

Die ägyptiaohe und die europäische Gottesdienstmagie

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bei ihrer Anlage an einen mit Bewußtsein ausgestatteten Adressaten ge­ dacht h&tte, der auch die abgebildeten Opfergaben in Empfang nahm. Bei der gewohnheitsmäßigen Ausführung, die im Laufe der Zeiten den Riten zuteil geworden ist, haben diese jedoch sicherlich mitunter einen rein magischen Charakter bekommen; die symbolischen Mittel sind in immer größerem Umfange als die eigentlich wirksamen angesehen worden. Ähnlichen Vorgängen kann man ja in der Geschichte der religiösen Zeremonien immer wieder begegnen. Infolgedessen ist eine Grenze zwischen Kult und Magie nur sehr schwer zu ziehen, und in vielen Fällen ist es bei­ nahe unmöglich, die beiden Begriffe im Gebrauch ihrer eigentlichen Be­ deutung nach so exakt zu trennen, wie man es verlangt hat. Die Vorstellung einer direkten Übertragung mehr mechanisoh gearteter,

unpersönlicher Kräfte („Mana“) war wohl vor allem in den BerührungBriten zu Hause, obwohl auoh hier unter Umständen der Weg zu einer Personi­ fikation der Kräfte nicht weit war, wie wir schon oben bezüglich des Baum­ kultes festzuBtellen Gelegenheit hatten. Ich brachte es nioht über mich, diese Reflexionen oder besser gesagt Fragen, die sich mir im Verlauf meiner Beschäftigung mit den Felsbildern aufdrängten und auch bereits hie und da in einigen früheren Partien der Arbeit auftauchten, zu unterdrücken. Es ist jedoch sehr gut möglich, daß der Ursprung der Kultbräuche der europäischen Bronzezeit, ausgegangen wie sie sind vom Orient, in weit komplizierteren religiösen Vorstellungen zu suchen ist, ähnlioh denen, die gemäß der kürzlich veröffentlichten Arbeit von Kristensen dem ägyptischen Tempeldienst zugrundeliegen. Sohon Linderholm war (Nordisk magi, S. 43), gerade was die religiöse Deutung der Felsbilder anbelangt, zu einer ähnlichen Vermutung ge­ kommen. Die ägyptische und die europäische Gottesdienstmagie

Unter dem Titel „Livet fra doden“ sind im September 1925 zu Oslo Pro­ fessor W. Brede Kristensens Olaus-Petri-Vorlesungen, die er im Herbst 1922 an der Universität zu Upsala gehalten hat, erschienen. Das Buch bringt sie in ziemlich erweiterter Form. Es zerfällt in zwei Ab­ teilungen, von denen die erste Ägypten, die zweite Griechenland behandelt. Der Verfasser vermittelt uns einen tiefen Einblick in das Wesen der ägyptischen Religion, die, wie er betont, unter allen alten Religionen, mit

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ß. Kapitel: Allgemeines. B. Religionahistorische Probleme

Ausnahme der altchristliohen, diejenige ist, die man an Hand der zahl­ reichsten und verschiedenartigsten Dokumente zu studieren in der Lage ist. Manches, was dem oberflächlichen Beschauer in dieser Religion bizarr und paradox erschienen sein mag, erhält in der hier gegebenen Beleuchtung eine logische und tiefsinnige Bedeutung. Jedoch macht sich bezüglich der Vorstellung, die der Ägypter über das Verhältnis von Leben und Tod zu­ einander hatte, ein gewisser Widerspruch geltend, mag es sich dabei um die Natur und deren Gottheiten oder um die Menschen handeln. Wir finden stets zwei Auffassungen miteinander verschmolzen: eine dualistische, die den Tod als den Erbfeind des Lebens betrachtet, den deshalb die Lebens- und Lichtgötter bekämpfen und besiegen, und eine monistische, derzufolge der Tod der Ursprung und die Voraussetzung für die Wieder­ erstehung zu neuem Leben ist, ja das spontane Leben selbst darstellt. Hierdurch erklärt sioh zum Beispiel der eigentümliche Widerspruch, der uns in der Auffassung der Weltschlange (vgl. oben S. 74f.), der Repräsen­ tantin der Dunkelheit und des Todes, die man sich entweder auf dem nächtliohen Himmel oder in der Unterwelt wohnhaft denkt, auffällt; man hält sie nämlich einerseits für den Feind (Apap) des Sonnengottes, anderer­ seits wird Bie auch „Leben der Erde ** und „Leben der Götter ** genannt, denn aus ihrem Munde geht des Morgens die Sonne hervor. Einen ähn­ lichen zwiespältigen Charakter zeigt der Bruder und Feind des Osiris, Set, der nicht allein die Macht des Bösen repräsentiert, sondern zu gleioher Zeit auch als eine Art Fruchtbarkeitsgottheit verehrt wird. Nach Kristensen ist der ägyptische Gottesdienst davon ausgegangen, vermittelst Gebärde und Wort den ersten Schöpfungsakt und den Sieg des Gottes über die Mächte des Todes immer wieder von neuem erstehen zu lassen; die Gewalt der göttlichen Tat und des göttlichen Wortes traten somit jeden Tag erneut in Funktion. Der stufenförmig aufgeführte Tempel­ bau wird häufig in den Texten mit dem Ausdruck „Hügel ** oder „Treppe der Sohöpfung" bezeichnet und stellt eine Nachbildung jenes Erdhügels oder jener Treppe dar, die sich dem Mythos gemäß im Anbeginn der Zeiten aus dem Urozean hob, und auf der der Gott emporstieg, um seine Sohöpfertat und seinen Kampf zu vollbringen. Der Tempelteich symbolisierte das Urwasser, dessen Kraft man dem Gott dadurch mitteilt, daß man ihn täg­ lich mit seinem Wasser besprengt. Die kleine dunkle Zelle, die das Aller­ heiligste darstellt, ist ein Sinnbild des Totenreiches, dessen Pforten sich

Die ägyptische und die europäische Gottesdienstmagie

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beim Sonnenaufgang öffnen. Im Innern des Allerheiligsten steht als ver­ mutlich einziger Kultgegenstand das heilige Boot, das, mag es nun ein Götterbild enthalten oder nicht, als die eigentliche Wohnung des Gottes gilt. Es heißt „Nuns (d. h. des Urozeans) Boot ** oder „Träger der Götter . ** Das Boot nämlich hob zu Anfang der Zeiten den Gott aus dem Wasser, und dies wird durch ähnliche Kulthandlungen, wie die in Abb. 28 oben wiedergegebenen, veranschaulicht. Dieses mystische Boot erscheint im Mythos beinahe personifiziert, denn das Boot ist eigentlich die Macht, die den Kampf mit Apap austrägt, und an das Boot, nicht an den darin wohnen­ den Gott richtet auch der Tote seine Bitte um Aufnahme. Ganz ähnlichen Vorstellungen begegnen wir beim Osiriskult. Die oft er­ wähnte heilige Treppe des Osiris in Abydos, die gleichzeitig als sein Grab und als seine Wiedergeburtsstätte gilt, ist, wie es sich bei den von Naville im Jahre 1914 ausgeführten Ausgrabungen herausgestellt hat, ein unter­ irdisches, stufenförmig angelegtes Gebäude gewesen, das von einem tiefen Graben umgeben war, in dem das Nilwasser so weit in die Höhe Bteigen konnte, daß es das Ganze überschwemmte. Auf diese Weise stellte man im Symbol sowohl die Überschwemmung des ägyptischen Ackerlandes

und dessen Befreiung vom Wasser, als auoh den Mythos von dem Empor­ tauchen der SchöpfungBinBel aus dem Urwasser dar. Das Neschmetboot errettet den Osiris aus dem Totenreich des Wassers, und in ähnlicher Form besorgt es dies auch mit dem toten Menschen. Dieselbe Erklärung hat Kristensen für das Boot des Dionysos vorgebracht. Wenn er nun hier wie in „De symboliek“ (obwohl hier nur en passant, 8.141) mitunter auoh den Ausdruck „Boot der Erde ** gebraucht, so ergibt aioh doch mit ziem­ licher Klarheit, daß er nunmehr zu einer einheitlicheren Auffassung der verschiedenen Götterboote — als „Retter des Gottes ** — gekommen ist, als zur Zeit der letzteren Arbeit; und dies ist sicherlich ein Gewinn (vgl. oben 8. 49). Und dennoch wird man unstreitig zu der Frage gedrängt, ob nicht trotz allem die Vorstellung von dem Boot, das das Fahrzeug der Sonne darstellt, innerhalb dieser Ideenwelt das Ursprüngliche ist; das Sonnenbild, das den Vordersteven des Osirisbootes schmückte, oder das auf dem Sonnensohiff befindliche Gewäohs zeugen für eine derartige ge­ meinsame Herkunft. Letzten Endes aber landet man auf diesem Wege wohl bei der Frage, in welchem Verhältnis ursprünglich die Sonnen- und Fruchtbarkeitsgötter zueinander gestanden haben mögen. Die oben S. 52

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5. Kapitel: Allgemeines. B. Religionshistorisohe Probleme

als Geburtsstätten derartiger Götter angeführten Inseln stehen offenbar in engstem Zusammenhang mit den ägyptischen Schöpfungamseln. Wenn also der ägyptische Tempel als Schöpfungsort angesehen wurde,

wie dies nach Kristensen schon zur Zeit des Alten Reiches, in der ersten Hälfte des dritten Jahrtausends der Fall war, und wenn man unter der ägyptischen Tempelmagie nioht die souveräne Macht des Zauberers über unpersönliche Gewalten oder etwa sein Vermögen, auf die Götter einzu­ wirken, zu verstehen hat, sondern vielmehr das Hilfsmittel des dem Gotte Dienenden, die göttliche Schöpferkraft zur rechten Zeit zum Wohle der Menschen zu neuer Wirksamkeit zu bringen, so wird es vielleicht nioht allzu kühn erscheinen, falls man dieselben Absichten den Kultformen, die, offen­ bar von den ägyptischen oder den ihnen nahe verwandten babylonischen ausgehend, sioh wohl in der Hauptsache während der letzten Hälfte des genannten Jahrtausends oder im Verlaufe des nachfolgenden über Europa verbreitet haben, zugrundelegt. Unter dieser Voraussetzung dürfte man auch in Europa jene heiligen Plätze, auf denen man das Kultschiff aufstellte oder herumzog, die Kulthochzeit und die rituellen Kämpfe aus­ führte, und wo ferner, wenigstens an gewissen Stellen, diese Vorgänge auf den Felswänden abgebildet wurden, als eigentliche „SchöpfungBorte“, an denen die Kraft des Schöpfergottes vermittelst imitierter Handlungen oder Worte zu bestimmten Zeiten erneut in Tätigkeit gesetzt wurde, oder auch, von einem anderen Gesichtspunkt aus, als Stätten der Auferstehung an­ sehen. Bezüglich der auf den Felsbildern eingemeißelten Fußsohlen wurde ja etwas Ähnliches bereits oben S. 236 angedeutet, und in diesem Zu­ sammenhang möchte ich ferner darauf hinweisen, daß eine gewisse Über­

einstimmung zwischen der ägyptischen Vorstellung von der Treppe des wieder auferstehenden Gottes und dem indischen Mythos von den drei

Schritten Vishnus, die er von der Erde aus in den Weltenraum hinein tat, vorhanden ist; die Inder selbst haben ja diesen Mythos mit den auf Berges­ höhen angetroffenen Fußspuren in Verbindung gebracht1. Sollte man es da nioht wagen dürfen, in gewisser Ausdehnung ähnliche Gesichtspunkte auf jene Kultplätze älteren Typs, die wir hier zu Beginn des Kapitels behandelt haben, anzuwenden? Lassen sich jene mit Fels­ bildern geschmückten Stätten in den ligurischen Alpen nicht am besten als 1 Über verschiedene Formen einer Bewegung des Sioh-Erhebens und Hinauf­ steigens ah Symbole einer Auferstehung siehe Kristensen S. 90ff.

Die ägyptische und die europäische Gottesdienstmagio

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Wohnorte des Donnergottes deuten, die man in der Absicht aufzusuchen pflegte, hier dessen Macht durch magische Handlungen und mit Hilfe von Opfern in Funktion zu setzen ? Von diesem Gesichtspunkt aus ließen sich ebenfalls die durch Tierbilder kenntlioh gemachten mystischen Kultplätze der Jägerstamme — mögen sie in dunklen Höhlen, an einsamen Gestaden, Stromschnellen oder in den Wüsten Australiens liegen — als Wohnstätten des Urhebergottes verstehen; man erinnere sioh, wie eng der Glaube an einen solchen Gott mit den MyBterienfesten der heutigen Australier ver­ bunden ist. Der Unterschied zwischen diesen Kultplätzen älteren Typs und den erstgenannten wäre somit vor allem der, daß man sich zur Zeit eines primitiveren Kulturstadiums Stellen gesucht hat, die durch ihre natürliche Beschaffenheit zu Aufenthaltsorten des Gottes geeignet er­ schienen, wohingegen man auf einem höheren Kulturstandpunkt für die Götter besondere Behausungen in der Nähe der menschlichen Wohnstätten und der Äcker anlegte, um die Auswirkungen der göttlichen Machtentfal­ tung um so sicherer an diese zu ketten.

Kristensen weist an verschiedenen Stellen auf gewisse Berührungspunkte in der babylonischen und in der ägyptischen Religion hin, die sioh auf den Glauben an die Wiedergeburt der Götter im Totenreioh (Isohtarmythos) und andere damit zusammenhängende Erscheinungen beziehen. Dies ist insofern für uns von Bedeutung, als wir in der europäischen Bronzezeit­ religion einen stärkeren Einfluß von babylonischer als von ägyptischer Seite konstatieren zu können glaubten. Ein entgegengesetztes Verhältnis ergibt sioh jedoch, wenn es sich um die Übertragung dieses Auferstehungs­ glaubens auf die toten Menschen handelt. In dieser Beziehung sind die Babylonier (wie allgemein die Semiten der alten Zeit) einen anderen Wag gegangen als die Ägypter; das Gilgamesch-Epos zeigt uns, daß die enteren

alles menschliche Streben, Unsterblichkeit zu erlangen, als eitel ansahen. Wenn wir nun in den europäischen Gräbern lebenfördemde Symbole ein­ gemeißelt finden, so unter anderem die wahrscheinlich aus Babylonien her­ rührenden Axt- und Radsymbole, so muß dies, falls Kristensen reoht hat, bedeuten, daß die ägyptische Lehre von der Anteilnahme der Menschen an der Wiedergeburt der Götter in die europäische, in der Hauptsache auf babylonischen Kulturströmungen beruhende Religion eingedrungen ist. Diese Ideenvermengung kann wohl schwerlich irgendwo anders als in der griechischen Welt vor sich gegangen sein, und wir finden sie ja auch bereits

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6. Kapitel: Allgemeines. B. Religionshistorische Probleme

auf Kreta (auf dem Sarkophag von Hagia Triada) in voller Klarheit aus« gebildet. Kristensen weist in dem Griechenland gewidmeten Abschnitt besonders darauf hin, daß die Religion der homerischen Gedichte mit ihrer olympi­ schen Götterwelt und ihrer Vorstellung von dem düsteren Sohattenleben der Toten im Hades stark rationalistisch gefärbt sei und beträchtlich von jener volkstümlichen Religion abweiche, die uns aus einer Menge lokaler Mythen und Kulte bekannt ist. Mit Hilfe der letzteren sucht er zu be­ weisen, daß die Griechen genau wie die Ägypter sich den Tod als gleich­ zeitigen Gegensatz und Ursprung des Lebens gedacht und die gleichen Vorstellungen bezüglich einer im Zusammenhang mit dem kosmischen Leben stehenden Auferstehung der Toten besessen haben. Er möchte aber keinesfalls an eine generelle Übertragung dieser Ideen von Ägypten nach

Griechenland denken, da ja die Spezialentwioklung in den beiden Ländern BO große Unterschiede aufweist. Er möchte vielmehr annehmen, daß diese Auffassung des Mysteriums, das der Tod uns bietet, seit undenklichen Zeiten gemeinsames Eigentum der in den östlichen Mittelmeerländem an­ sässigen Völker gewesen ist, und daß sie bei jedem einzelnen dieser Völker Beiner Eigenart gemäß weiterentwiokelt worden ist. Wer sich eingehender mit der Verbreitung der religiösen Bildsymbole und der Kultaufzüge vom Orient über ganz Europa bis hinauf in den Norden, die zum Teil offenbar in engstem Anschluß an die Ausbreitung der materiellen Kulturfortschritte, des Ackerbaus, der Viehzucht und der Metallindustrie vor sich gegangen ist, beschäftigt, wird unwillkürlich dazu gedrängt, in bezug auf alle diese Erscheinungen viel enger um­ grenzte Entstehungsgebiete anzusetzen, als Kristensen dies betreffs der religiösen Ideen annehmen wollte. Unter diesen Geburtsstätten können wir nicht gut etwas anderes verstehen als die ältesten Kulturländer, Babylonien und Ägypten. Es sind folglich wohl vor allem die Kultformen

selbst und die damit verbundenen Grundideen, die so von Volk zu Volk ge­ wandert sind, wobei die Wege, auf denen sie nach Europa vorgedrungen sind, zum großen Teil über Griechenland geführt haben. Aber diese Wande­ rung hat offensichtlich schon im Verlaufe der vormykenischen und mykenischen Zeit stattgefunden. Es bleibt daher ein genügend großer Zeitraum für die Entwicklung all jener unzähligen lokalen Variationen in Mythos und Kult übrig, denen wir in der griechischen Literatur begegnen, und

Die Gnmdzüge der imitativen Magie

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sicherlich enthalten letztere manohe Spuren jener original griechischen Vorstellungen, die sich einst mit den orientalischen verbunden hatten. Die Grundzüge der imitativen Magie

Wenn es also, wie eben hervorgehoben wurde, ganz denkbar wäre, daß

schon die primitivsten Kultstätten der Menschheit analog zu den ägyp­ tischen Tempeln als SchöpfungBstätten betrachtet wurden, wo die Fest­ teilnehmer am Schöpfungsakt mitzuwirken glaubten, so kann dies doch kaum ihre ursprünglichste Bedeutung gewesen sein. Man kann meines Er­ achtens nicht gut annehmen, daß man schon im Anbeginn der Zeiten mit dem Besuoh, den man den mystischen Mächten an ihrem angeblichen Aufenthaltsort abstattete, ein derartiges Spekulieren auf ein aktives Mit­ wirken verbunden haben soll. Der Leitgedanke ist wohl ganz einfach das Bedürfnis des Hilfesuchenden gewesen,sioh an diejenigenMächte zu wenden, von denen er sioh abhängig fühlte. Vermittelst der mimischen, graphischen und plastischen Zeichensprache hat er jenen Mächten auf nächstem Wege seine Wünsche mitzuteilen versucht. In späteren Zeiten sind jedooh die symbolischen Handlungen, die man zu bestimmtenZeiten und in festgelegten Formen wiederholte, in immer größerem Umfange einer aktiven oder ge­ radezu über die Mächte gebietenden Kraft zugeschrieben worden; der Zau­ berer und seine Handlungen rückten in den Mittelpunkt anstatt der Mächte. Aber selbst für den Fall, daß dieses rein magische Moment, soviel wir beurteilen können, erst als sekundäres Element in dem hier aufgezeigten Entwicklungsverlauf aufgetreten ist, dürfte es dennoch seine eigene, selb­ ständige Geschichte haben, die ebenso uralt ist wie das Streben, sich mit seinen Anliegen an die Gottheit zu wenden; denn die Neigung zur Magie liegt sicherlich gleioh tief in der menschlichen Psyche begründet wie der Drang, den Gott um Hilfe anzugehen. Das magische Moment wurzelt nämlich ohne Zweifel in dem dem Kinde angeborenen, unglaublich lebhaften Vorstellungsvermögen, demzufolge man sioh vermittelst vorgetäusohter Handlungen eine Wunschwelt zu schaffen vermag. Die beiden Grundelemente der imitativen Magie, die eigens für die Mächte geschaffene Zeichensprache des um Hilfe Bittenden und das in gewissem Grade selbstbewußtere imitierende Schaffen, sind wohl seit dem Kindesalter des Menschengeschlechtes in unzähligen und ständig variieren­ den Kombinationen miteinander verbunden gewesen.

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ß. Kapitel: Allgemeines. B. Religionshistorische Probleme

Zur Frage nach dem Aufkommen und der Bedeutung der Leichen­ oerbrennung

Sollte die Annahme zu Recht bestehen, daß sich bereite zur jüngeren Stein * zeit, d. h. im 3. Jahrtausend v. Chr., mit der orientalischen Ackerbaukultur auch die ihr eigentümliche Verehrung überirdischer Göttermäohte über Europa verbreitete, dann wäre es uns vielleicht eher möglich, auch den Anlaß des zur selben Kulturepoche stattfindenden ersten Auftretens des Brauches, die Toten zu verbrennen, aufzudecken. Diese Sitte taucht be­ kanntlich schon in der ausgehenden Steinzeit in europäischen Gebieten auf, so im südliohen Rußland, in Böhmen und Mähren, in verschiedenen deut­ schen Gegenden, ferner auch in Nordfrankreich, vor allem in der Bretagne,

um sich dann während der Bronzezeit nach den verschiedensten Richtungen hin weiter zu verbreiten. Man hat um die Ursache dieser radikalen Ände­ rung der Behandlung der Toten viel gestritten. Während einige Gelehrte, allen voran Erwin Rohde, in seinem berühmten Buche „Psyohe“, als aus­ schlaggebendes Moment den Glauben daran annahmen, daß man durch die Vernichtung des Körpers den Toten daran hindern könnte, umzugehen und den Lebenden zu sohaden, sind wieder andere Forscher der Ansicht, daß die Sitte der Leichenverbrennung ein Niederschlag neu aufkommender Vorstellungen gewesen sei, nämlich solcher von einer anderen Welt, zu der die Seele naoh dem Tode reisen müßte, und daß den Überlebenden aus Gründen der Pietät die Pflicht erwüchse, eben diese Fahrt zu erleichtern. Für letztere Annahme setzt sich zum Beispiel Max Ebert ein, der sich vor kurzem zu dieser Frage in seinem Aufsatz „Die Anfänge des europäischen ** Totenkultes (Prähist. Zt. XIII—XIV, S. löff.) geäußert hat. Ein äußerst wichtiger Fingerzeig zur Lösung der Frage ist meines Er­ achtens von dem schwedischen Religionshistoriker S. A. Fries gegeben worden; er setzt nämlich in seinem Buche „Israel ** (S. 27, 33) die Leichen­ verbrennung in Zusammenhang mit dem zur Zeit der Ackerbaukultur ent­ standenen Sonnenkult und den zu diesem gehörenden kultischen Feuern.

Fries sagt unter anderem: „Die Leichenverbrennung ist eine Folgeerschei­ nung der im Anschluß an den Sonnenkult erfolgten celesten Umlagerang der Weltanschauung. Die Einäscherung ist nichts anderes als ein Sakra­ ment, dem der Tote — in etwas großartiger aufgezogenen Fällen schon der Lebende — unterzogen wird, damit er in-das Licht- und Seligkeitsreich des Sonnengottes gelangt. **

Aufkommen und Bedeutung der Leichenverbrennung

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Diese Ansicht von dem Ursprung der Leiohenverbrennung hat viel für sich, jedoch dürften wir wohl noch näher an den Kem des Problems heran * kommen, wenn wir sowohl die Leiohenverbrennung als auch die Jahres * feuer als sekundäre Erscheinungen betrachten im Vergleich zum Brand« opfer, dem ja der realistische Gedanke zugrunde lag, die Opfergaben durch die auflodernden Flammen und den emporsteigenden Rauch zu den über * irdischen Göttern hinaufzugeleiten. Gehen wir auf die altindische Religion zurück, so stellen wir fest, daß hier die Leiohenverbrennung in besonders enger Beziehung zum Brandopfer gestanden hat. Dies geht klar und deutlich aus W. Oalands Abhandlung „Die altindischen Toten- und BestattungBgebräuche“ hervor, die eine systematische Übersicht über die in den Ritualtexten der vedisohen Priester­ schulen vorkommenden detaillierten Vorschriften über Leichenverbrennung darstellt. Der wichtigste Teil dieser Texte, die sogenannte Sutraliteratur, gehört den um die Mitte des letzten Jahrtausends v. Chr. liegenden Jahr­ hunderten an; die Traditionen jedoch, auf denen diese Vorschriften fußen, lassen sich zeitlich noch viel weiter zurückverfolgen. Dozent Ernst Arbman war so freundlich, mir bei dem Studium der genannten Abhandlung be­ hilflich zu sein und mir ferner eine Zusammenstellung und Erklärung der wichtigsten hierher gehörigen Textstellen aus der noch älteren indischen Literatur zu vermitteln. Klar und konzis kommt die altindische Auffassung über die Sitte der Leichenverbrennung in einem von Caland (S. 175) zitierten Sutra zum Aus­ druck: „Das Totensakrament besteht in der Verbrennung des Körpers. Die Spende des fehlerlosen Körpers ist Agni (dem Gotte des Feuers) an­ genehm; durch die Spende davon erreicht er die Himmelswelt.“ Agni ist der altindischen Auffassung nach derjenige, der das Opfer zu den Göttern emporgeleitet. Daß der Tote mit dem Brandopfer identifiziert wird, geht auch daraus- hervor, daß der Scheiterhaufen den Ritual­ vorschriften nach wie ein regelrechter Brandopferaltar mit drei verschie­ denen Feuern anzuordnen ist. Auf diesem wird der Tote im Verein mit den Opfergeräten, die er selbst zu seinen Lebzeiten benutzt hat, niedergelegt; der Opfernde wird nun selbst zum Opfer. In den Hymnen, die während der Verbrennung gesungen werden, bittet man jedoch Agni, den Toten nioht zu verzehren, sondern nur „zuzubereiten“, ihn in seiner „freundlichen Art“ zu behandeln, und statt seiner den gleichzeitig geopferten Bock zu Almgren, Nördliche Feluotahnungen all rallgiBw Urkunden.

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ß. Kapitel: Allgemeines. B. Religionshistorische Probleme

verzehren, mit dessen Haut man den Toten zu bekleiden pflegte. So heißt es schon in dem Leichenverbrennungsritual des Rigveda (X, 16, V. 1—8): „Verbrenne ihn nicht, Agni, versenge ihn nioht, verdirb nicht seine Haut oder seinen Körper. Wenn du ihn zubereitet hast, Jatavedas (Beiname des Agni), so magst du ihn zu den Vätern senden ... Wenn du ihn zubereitet hast, Jatavedas, übergib ihn den Vätern. Wenn er diese letzte Reise antritt,

soll er Untertan der Götter werden... Der Bock ist dein Anteil, ver­ brenne ihn in deinem Feuer, ihn mag deine Glut, ihn mag deine Flamme verzehren. In deiner freundlichen Art, Jatavedas, in dieser führe du ihn zu der Welt der Frommen... Gib ihn wieder den Vätern frei, Agni, ihn, der dir geopfert, mit Opfergaben zu den Vätern wandert.“ . In dem etwas jüngeren Atharvaveda (XVIII, 4,1) werden die drei Opfer­ feuer, die zusammengefaßt Agni darstellen, folgendermaßen angeredet: „Auf den Wegen der Väter sende ioh euch aufwärts. Ausgesandt, hat der Opferträger (Agni) die Opfer getragen; bringt ihr nun gemeinsam den Opfernden zur Welt der Frommen“ — und (an gleicher Stelle V. 10): „Ihr, Agni, sollt, da ihr Reitpferde geworden seid, in euer sanftesten Form ihn, der geopfert hat, in den Himmel führen, wo man mit den Göttern Feste feiert.“ Die spätere Literatur (die Upanishaden) unterscheidet nach erfolgter Einäscherung verschiedene Schicksale der Toten: die durch Kontemplation Befreiten gelangen mit dem Feuer in die Welt der Götter und von dort auf dem Wege über die Sonne zu Brahman, von wo sie niemals wieder­ kehren, während die Werktätigen mit dem Rauch zur Welt der Väter und zum Monde gehen, von wo sie mit dem Regen zur Erde wiederkehren, um auf ihr wiedergeboren zu werden (Caland, S. 6). Aus dem beim Leiohenbrand aufsteigenden Rauch schloß man auf das Schicksal des Toten (Caland, S. 59). Stieg der Rauch hoch in die Luft, dann wußte man, daß der Tote den Himmel erreicht hatte; hob sich der Rauch zunächst etwas in die Höhe, blieb dann aber stehen und zerteilte sich, dann blieb der Tote im Luftraum zurüok. Wenn der Rauch aber zur Erde niederschlug, dann blieb der Tote auf der Erde. Über das Vorkommen einer ähnlichen Vorstellung bei den heutigen Dajaken berichtet Caland nach Tylor: „Wenn der Rauch von dem Scheiterhaufen eines guten Menschen aufsteigt, steigt mit ihm die Seele zum Himmel auf; der Rauch aber von dem Scheiter­ haufen eines bösen Menschen schlägt zur Erde nieder, und die Seele wird dann auf der Erde wiedergeboren.“

Aufkommen und Bedeutung der Leichenverbrennung

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Diese Vorstellungen nähern sich deutlich weitgehendst denen, die wir oben (Kap. 4, S. 194 f.) aus dem Norden anführten; es sei hier besonders an Snorris Äußerung in der Ynglingasaga Kap. 10 erinnert: „Sie glaubten, daß, je höher der Rauch zum Himmel emporstieg, desto höher derjenige im Himmel gesetzt würde, der gerade verbrannt wurde.“ Eine diesen Vor *

Stellungen sehr nahekommende Auffassung findet sich bei den der Sitte der Leiohenverbrennung huldigenden Indianern Kaliforniens vertreten (nach Bahnson, Aarbeger 1882, S. 179f.): „Ohne Einäscherung des Körpers ge­ langt die Seele niemals in das Land der Toten; wenn im Scheiterhaufen die Funken sprühen, dann freut sich die Seele über ihre Befreiung, mit dem warmen Rauch schwingt sie sich der strahlenden Sonne entgegen, um sich an deren Wärme und Licht zu erfreuen; dann fliegt sie fort zu dem glücklichen Land im Westen. ** Da somit Vorstellungen von der Himmelfahrt des Toten anscheinend zu den verschiedensten Zeiten und in weit voneinander entfernten Gegenden mit der Sitte der Leiohenverbrennung eng verbunden sind, drängt sich einem unwillkürlich der Gedanke auf, ob diese nioht ursprünglich in dem Sinn und Zweck der letzteren enthalten gewesen sind. Dies brauchte keines * wegs auszusohließen, daß auoh die Furcht vor dem Umgehen des Toten eine große Rolle bei dem Aufkommen der Sitte gespielt hat. Hierzu be­ sitzen wir nämlich ein ziemlich eindeutiges Zeugnis im altindischen Toten * ritual, das die Vorschrift enthält, man möge gleich nach dem Ableben die Daumen des Toten und desgleichen seine großen Zehen zusammen­ binden, ein Brauch, der uns ja von verschiedenen Naturvölkern her be­ kannt ist; vor der Einäscherung schnitt man aber diese Fesseln wieder durch (Caland, S. 14, 38, 56, 175f.) Von der Furcht vor einer Ansteckung

durch den Toten zeugen auch die Reinigungsmaßnahmen, denen sioh die Verwandten nach Beendigung der Begräbniszeremonien zu unterziehen hatten. Wenn wir also anscheinend mit Sicherheit annehmen können, daß die Furcht vor dem „Umgehen ** der eigentliche Anlaß zu dem Aufkommen

der Sitte der Leichenverbrennung gewesen ist, so dürfte demgegenüber das Verfallen auf gerade diesen Ausweg zur Beseitigung des Toten seine plausibelste Erklärung in der Verbindung des Brauches mit dem Brandopfer bekommen. Auf diese Weise konnte man ja dem Toten selbst den besten Dienst erweisen, da man ihn mit denselben Mitteln in die Welt der Götter versetzte, mit deren Hilfe man ihnen die Opfer zuführte. 20*

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5. Kapitel: Allgemeines. B. Religionahistorisohe Probleme

Man kann indessen gegen diese Auslegung einen schwerwiegenden Ein­ wand erheben: nämlich die Tatsache, daß in der ältesten griechischen Literatur, den homerischen Gedichten, sich keine Spur eines Hinweises auf eine Himmelfahrt des Toten naoh dem Leichenbrande findet; man glaubte ja ganz im Gegenteil dazu, daß die Seelen durch die Einäscherung definitiv in den unterirdischen Hades versetzt wurden, wo sie ein düsteres Schatten­ leben führten. Man könnte aus diesem Grunde vielleicht zu dem Schluß kommen, daß die letztgenannte Vorstellung ihrer primitiveren Art wegen älter sei als die, die in Indien seit den Zeiten des Rigveda mit dem Leichenbtand verknüpft ist. Augenblicklich scheinen sich jedoch die Forscher darüber ziemlich einig zu sein, daß die Hymnensammlung des Rigveda um mehrere Jahrhunderte älter ist als die homerischen Gedichte. Bekannt­ lich tritt die Sitte der Leichenverbrennung in Griechenland erst in den Anfängen der Eisenzeit, etwa um 1200 v. Chr. auf, während sie in dem oben angeführten europäischen Ausdehnungsgebiet, das sich von Süd­ rußland nach Nordfrankreich erstreckte, bereits gegen Ende der Steinzeit, also ungefähr um 2000 v. Chr. auftauchte, wie auoh im Norden und in Italien entschieden früher als in Griechenland. Die alte Vorstellung von den in der Erde wohnenden Toten hatte deshalb in Griechenland bedeutend längere Zeit, sich einzubürgern, und konnte aus diesem Grunde nicht durch den vermutlich durch Einwanderer eingeführten neuen Bestattungsbrauch verdrängt werden. In Ägypten haben wir ebenfalls festgestellt, wie die volkstümlichen Vorstellungen von einem unterirdischen Totenreich während der späteren Kulturepochen auf Kosten des Himmelfahrtsglaubens der Pyramidenzeit sioh durchsetzten. Das Aufkommen des letzteren im Ver­ laufe des dritten Jahrtausends stellt eine treffliche Parallele dar zu dem ersten Auftreten des Leichenbrandes während desselben Zeitraumes, falls

diese Sitte nämlich den Ursprung hat, den wir oben nachzuweisen suchten: die Einstellung der ältesten Bauernkultur auf die überirdische Welt, von der die lebensfreundlichen Mächte kommen. Es ist nicht meine Aufgabe, in bezug auf diese schwierige Frage eine bestimmte Entscheidung zu fällen, und dennoch will es mir scheinen, daß die altindischen, mit der Leichenverbrennung verknüpften Vorstellungen eine größere Beachtung bei den Erörterungen über das Aufkommen der Sitte des Leichenbrandes in Europa und ihre Bedeutung verdienen, als dies bisher der Fall gewesen ist.

Aufkommen und Bedeutung der Leichenvorbrennung

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Kristensen äußert sieh über die Bedeutung des Leichenbrandes in „Livet fra doden“, 8.202ff. Die homerische Auffassung hält er für rationalistischen Ursprungs und glaubt, daß der Leichenbrand in Griechenland genau wie

in Indien ein Sakrament gewesen ist, eine Einweihung in das Leben des

Feuers, in ebenderselben Weise wie die Bestattung eine Einweihung in das Leben der Erde war. Er führt auch an, daß das Feuer in Indien als Führer angesehen wurde, der dem Toten den Weg zum Himmel wies. Es ist ja sehr gut möglich, daß beide Anschauungen, die von dem Feuer als Lebensprinzip und die vom Feuer als Führer des Opfert zu den himmlischen Mächten, zur Entstehung des Brauohes, die Toten zu verbrennen, beigetragen haben; aber es kommt mir doch so vor, als ob die letztere, realistischere Auffassung in den indisohen Ritualen am stärksten hervorträte, und dies sowohl beim Brandopfer wie bei der Feuerbestattung, und daß sie deshalb nicht bei der Erklärung der letzteren in den Hintergrund gedrängt werden darf. Daß die Leichenverbrennung in Zusammenhang steht mit dem, was 8. A. Fries „die celeste Umlagerung der Weltanschauung“ nennt, scheint mir klar auf der Hand zu liegen. Bei einer eingehenden Untersuchung der Beziehungen des Brandopfers zum Leichenbrand müssen gewiß auch die Jahresfeuer als dritter Faktor hinzugezogen werden. Bei näherer Betrachtung bieten sie eine äußerst auf­ schlußreiche Analogie zu dem, was man über die Leichenverbrennung fest­ gestellt hat; bald hat man ihnen eine abwehrende und reinigende Bedeutung, die Beseitigung von Ansteckungsgefahren zugesproohen, bald hat man sie vor allem als leben- und kraftspendend gefaßt, als bestimmt, die Kraft der Sonne zu stärken und damit die der Vegetation. Hammarstedt weist in einer kurzen Notiz in dem Artikel „Feuer“ in Eberts Reallexikon m, 8. 280f., nach, daß beide Anschauungen sich vereinigen lassen. Denselben Eindruck habe auch ich bei der Beschäftigung mit diesen Fragen ge­ wonnen. Da die Primitiven die Beobachtung machten, daß das Tote und Verdorrte durch Verbrennung in Licht und Wärme verwandelt wurde, in ebendasselbe Element, das durch die Sonne neues Leben in der Natur her­ vorruft, lag für sie ja der Gedanke sehr nahe, bei einer einmaligen Ge­ legenheit, große Mengen dürren und toten Abfalls zu verbrennen, um sich dadurch von dessen tödlicher Ansteckung zu befreien und gleichzeitig dessen Überreste an Kraft in das aufwärtssteigende Feuer übergehen zu lassen, von dem man die Vorstellung hatte, daß es die Kraft der im Winter

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5. Kapitel: Allgemeines. B. Religionshistorische Probleme

dahinschwindenden Sonne fördere zu ihrer Aufgabe, im Frühling Leben zu spenden. Zu der letzteren Anschauung findet sich eine gewisse Analogie in der Gepflogenheit einiger Kannibalen, ihre eigenen Alten aufzufressen, um auf diese Weise deren restliche Kräfte dem Stamme zu erhalten.

Die Jahresfeuer wären somit als Spezialform der für die Himmelsmächte bestimmten Speisebrandopfer zu betrachten, als Variante, bei der man nicht das Beste opferte, sondern das, was an Gutem übrig war in dem vom Tode Befallenen, womit man dann auch dessen AnsteckungBkraft be­ seitigte und unwirksam machte. Das oben angenommene Grundmotiv der Leichenverbrennung erscheint hierzu völlig parallel, wenngleich der Tote den Göttern nicht als Speise geopfert wird, sondern zu dem Zweck, deren Untertan zu werden und Feste mit ihnen zu feiern (wie es in einigen der oben angeführten Vedazitate heißt), wobei man wohl am ehesten an eine Teilnahme an den Mahlzeiten der Götter gedacht hat (vgl. die ägyptischen, _ • in Kap. 4, S. 169 f. angeführten Vorstellungen).

Wenn folglich die Jahresfeuer und die Sitte der Leichenverbrennung beide im Verhältnis zum Brandopfer sekundäre Erscheinungen sein dürften, so ist es indessen sicherlich viel schwerer zu ermitteln, ob jede von ihnen sich selbständig aus letzterem entwickelt hat, oder ob eine der beiden, und für diesen Fall, welche von ihnen, in bezug auf die andere sekundär ist. Fries nimmt ja, wie wir sahen, an, daß man die Idee zum Leichenbrand von den Jahresfeuern geholt hat, was ja nicht unmöglich wäre, wenn dies auch nicht in den indischen Texten zum Ausdruck kommt. Vielleicht wird man näher an dieses Problem herankommen können, wenn man die ver­ schiedenartige Verbreitung der Jahresfeuer und des Leichenbrandes studiert. Erstere scheinen ja auch innerhalb der semitischen Welt eine große Rolle gespielt zu haben, wo die Leichenverbrennung sich niemals durohgesetzt hat, wenn auch nach Fries Spuren davon nachweisbar sind. Dieser Umstand könnte eventuell darauf hindeuten, daß die Jahresfeuer das Generelle und die ältere Erscheinung sind. Aber man darf dennoch wohl mit einiger Sicherheit annehmen, daß der nordische Brauch, den Toten im Boot zu verbrennen, im Verhältnis zu der in einem so viel weiteren Ausdehnungsgebiet (z. B. in Monaco) vorkommenden Sitte, Boote von Feldgöttern in den Jahresfeuem zu verbrennen, sekundärer Art gewesen

ist (vgl. was oben S. 197 bezüglich des Vorkommens beider Bräuche an gleichen Orten im westlichenNorwegen gesagt worden ist).

Bronzezeitreligion und jüngere heidnische Religion im Norden

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Das Verhältnis der Bronzezeitreligion zu der jüngeren heidnischen Reli­ gion im Norden

Schon von vornherein ist es ja sehr wahrscheinlich, daß die spätere nordische Heidenreligion, die uns aus schriftlichen Quellen bekannt ist, tief in dem Kult der Bronzezeit, der uns in den Felsbildern entgegentritt, gewurzelt hat. So manches Charakteristikum der später auftretenden Gottheiten, insbesondere viele ihrer Attribute, dürften auf diesem Wege am ehesten

ihre Erklärung finden. Es würde sich jedoch kaum lohnen, bei diesbezüg­ lichen Untersuchungen den Versuch zu machen, die einzelnen Götter­ gestalten der Spätzeit mit ihren besonderen Attributen auf den Felsbildern wiederzufinden. Statt dessen muß man sich wohl eher an Salin und seine

Betrachtungsweise halten, mit deren Hilfe er nämlich nachwies, daß zum Beispiel Figuren, wie die in Abb. 92 abgebildete, Merkmale in sioh vereinigen, die später auf Tor und Frej verteilt worden sind1. Im frühesten Stadium der Ackerbaukultur hat man sicherlich im Norden, wie auch im Orient und in den Mittelmeerländern, überall ziemlich ähnlich geartete Götter unter Anwendung gleichartiger Riten, die sich von Land zu Land fortpflanzten, verehrt. Später jedoch haben dann verschiedene Stämme oder StammesgemeinBchaften ihren Göttern besondere Namen gegeben und an ihnen bestimmte Eigenschaften, unter Zurücksetzung anderer, ent­ wickelt. Auf diese Weise sind Lokalgötter von besonderer Prägung zustandegekommen. Im Laufe der Zeit sind einige von ihnen im Zusammen­ hang mit der politischen und kulturellen Expansion ihrer Anbeter auf Er­

oberungsfahrten ausgezogen, wobei sie sich zu Herren über andere Lokal­ gottheiten gemacht haben. So ist innerhalb jedes größeren Reiches ein Pantheon entstanden, in dem die Obliegenheiten der verschiedenen Götter immer mehr und mehr spezialisiert worden sind. Man hat diese Betrach­

tungsweise ja schon allgemein in der nordischen Religionsgeachichte an­ gewandt, zumal in bezug auf Odin und Frej, und es wäre gewiß nicht un­ möglich, daß man auf dem eingeschlagenen Wege noch erheblich weiter

kommen könnte. Man kann wohl annehmen, daß die ursprünglichen Götter, die mit der ersten Ackerbaureligion vom Orient aus zum Norden gekommen sind, eine befruchtende, männliche Gottheit, die bald mit der Sonne, bald mit dem 1 Siehe die in Kap. II, S. 140 Anm. zitierten Aufsätze von Salin.

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5. Kapitel: Allgemeines. B. Religionslustorische Probleme

Donner, bald mit dem Lebensbaum in Verbindung stand, eine mütterliche Gottheit, sodann der Rivale und Mörder, der die zerstörenden Natur­ gewalten repräsentierte, und in gewissen Fällen der Sohn des Gottes, der seinen Vater rächte und ihm nachfolgte, gewesen sind. Es wäre sicherlich für die tiefere Erhellung dieser Fragen von großem Wert, wenn man einmal

die verschiedenen Variationen, die das Jahreszeitendrama in älterer und neuerer Zeit im Orient und in Europa erfahren hat, eingehend untersuchte. Es will mir scheinen, als hätte man bisher allgemein bei der Betrachtung der Jahreszeitenriten jeden einzelnen Zug allzu sehr für sich vorgenommen,

wie zum Beispiel die Kulthochzeit, die rituellen Kämpfe, den Tod des Gottes usw. Wenn man in jedem bekannten Fall den ganzen Verlauf des Rituals zusammenstellte, so käme man sicherlich zu sehr wichtigen Schluß­ folgerungen bezüglich der ursprünglichen Gestaltung des rituellen Dramas,

der nachträglich hinzugekommenen Variationen und der verschiedenen

Verbreitungswege. Ebenso dürfte wohl auch das Studium der Lokalsagen, die Spuren ausgestorbener Kultgebräuche enthalten, hierzu noch manches ergeben können.

Der waffentragende Fruchtbarkeitsgott

Hier wäre noch einiges über die als Götter oder zumindest als Götter­ repräsentanten gedeuteten Felsbildfiguren Abb. 92—94 und 38 zu sagen.

Sie sind alle durch Phallos und segnenden Gestus gekennzeichnet; drei davon tragen Äxte, der vierte ist mit einem Speer versehen. Außerdem ist noch ein Speer dicht vor dem Axtträger auf dem Schiffe Abb. 38 auf­ gepflanzt. Diese Zusammenstellung veranlaßt uns, das eben angeführte

Satinsche Zitat dahin zu ergänzen, daß der Bronzezeitgott in sich Attribute vereinigt hat, die später auf den Phallosgott Frej, den Axtgott (bzw.

Hammergott) Tor und den Speergott Odin verteilt worden sind. Axt und Speer finden sich abwechselnd als Attribute des karischen Gottes Zeus Labrandeus auf Münzen (Montelius SFT X, S. 278f.); auf einer Bildvariante

trägt er den Speer in der einen, den Blitzstrahl in der anderen Hand. Der Speer hat also wohl genau wie die Axt die Schlagkraft des Blitzes sym­ bolisiert.

Da im Norden der Donnergott ebenfalls durch den Phallos gekenn­ zeichnet erscheint, wird hierdurch offensichtlich die befruchtende Wirkung

Der waffentragende Fruchtbarkeitsgott

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des auf den Donnerschlag folgenden Regens symbolisiert. Es war ja vor

allen anderen der Donnergott, den man Bich als Befruchter der Erdgöttin vorstellte. Zeus offenbart Bich Semele in all seiner Herrlichkeit unter Donner und Blitz, worauf sie dem Dionysos das Leben schenkt; das thrakische Wort

Semele ist aber nach Neckel (S. 200) mit dem slawischen „zemlja“ iden­ tisch, das soviel wie „Erde ** heißt. Danae wiederum wird von Zeus in Ge­

stalt eines Goldregens befruchtet; hier hat wohl die Symbolik den Regen und den zündenden Funken des goldflammenden Blitzes miteinander ver­ schmolzen. Dieser Auffassung vom Donnergott als Befruchter der Erd­ göttin ist es natürlich zuzuschreiben, daß man seinem Hammer oder seiner Axt die Kraft beilegte, irdisohe Frauen fruchtbar zu machen, eine Vor­ stellung, die nicht allein in den bekannten Worten der Thrymskvida, „legt Mjölnir in den Schoß der Braut“, sondern auch in einigen jüngeren volks­

tümlichen Bräuchen zum Vorschein kommt, bei denen man zum Beispiel eine Axt unter das Brautbett legt oder das Brautpaar über eine Axt steigen läßt (Wilke, Religion, S. 100). Wilke möchte diese Symbolik so erklären, daß die Axt ursprünglich die Erdhacke gewesen ist, die das Merkmal der

Erdgöttin darstellte und daher als Zeichen der Fruchtbarkeit galt; er geht dabei von einigen schematischen, aus neolithischer Zeit stammenden Dar­ stellungen von Frauen aus, die eine Axt auf der Leibesmitte tragen. Aber diese Bilder lassen sich auf weit natürlicheren Weise, in Übereinstimmung mit dem eben Gesagten, gerade als die Befruchtung der Erdgöttin durch den Donnergott erklären. Eins dieser Bilder, Wilke Abb. 104, befindet sioh

im Vorraum zu einer der oben S. 227 erwähnten französischen Grabgrotten und weist somit auf die Bedeutung der einzelnen, in Gräbern abgebildeten Äxte als lebenspendender Symbole hin1.

Die auf den Felsbildern dargestellten Schwerter sind wohl, analog zu den Äxten und Speeren, ebenfalls als Symbole der Wettergottheiten auf­ zufassen; man vergleiche die Dolche und Dolchstäbe auf den Felszeich­ nungen in den ligurischen Alpen. Man beobachtet auf unseren Felsbildern jedoch nie, daß Schwerter von männlichen Figuren geschwungen werden, 1 Haben vielleicht die als Äxte oder Hämmer geformten Bernsteinschmuckstücko aus der nordischen Steinzeit den Sinn gehabt, die Fruchtbarkeit der Frauen zu stärken und hat eventuell das häufige Vorkommen dieser Schmuck­ stücke in Gräbern etwas mit ihrer besonderen lebenfördernden Bedeutung zu tun?

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6. Kapitel: Allgemeines. B. Religionshistorische Probleme

so wie sie dies mit den Äxten und Speeren tun, sondern man findet sie

meist an der Hüfte der Männer befestigt (z. B. Abb. 45a)1. Es dürfte deshalb ein vergebliches Unterfangen sein, für die Bronzezeit einen be­ sonderen Schwertgott feststellen zu wollen, der dem späteren Tyr ent­ spräche. Im übrigen war ja nioht Tyr allein derjenige, dem das Schwert als Attribut beigegeben war; auch Frej besaß ein solches. Es steht mir nicht an, von den Felsbildem ausgehend, mich auf die schwierige Frage einzulassen, inwieweit der Sonnen- und der Donnergott der Bronzezeit so, wie Montelius es haben will, identisch gewesen sind, oder ob man sie sich als einander nebengeordnete oder mitunter einander bekämpfende Gottheiten vorgestellt hat; es dürfte jedoch wohl nicht ganz ausgeschlossen sein, daß man nach und nach durch Vergleich mit anderem religionsgeschichtlichen Material zu einem tieferen Einblick in dieses Pro­ blem gelangen könnte [vgl. Nachtrag B, S. 349]. Über den Rivalen des Axtgottes, den Bogenschützen, ist einiges in

Kap. 2, S. 120ff., gesagt worden. Demgegenüber geben uns die Felsbilder keine speziellen Aufklärungen über die weibliche Gottheit der Bronzezeit; ihre Repräsentantin wird in den Hochzeitsszenen und eventuell in Abb. 65 a und b lediglich durch das lange Haar und die Naoktheit charakterisiert9.

Der Gott Gautr und die Völkernamen Götar, Gutar, Goten Der phallische Göttertyp, der uns länischen Felsbildem Abb. 38, 92, entgegentritt, scheint mir geeignet, Upsala „oum ingenti priapo“ und

somit wahrscheinlich in den bohus93 und dem westgötisohen Abb. 94 nicht nur den Fricco des Tempels zu dessen Äquivalent, den Gott Frode

(nach der Deutung, die Adolf Noreen in seinem letzten, im Spräkveten-

skapliga sällskapet im Herbst 1924 gehaltenen Vortrag ihm gab8 zu er­ klären, sondern auch jenen Gott Gautr, der von Snorri mit Odin identi­ fiziert wird und der, gemäß den kürzlich von Elias Wessen vorgelegten1*3 1 [Vgl. jedoch Nachtrag B, S. 346.] 1 Bessere Aufklärungen über den Göttinnentyp der ausgehenden nordischen Bronzezeit geben uns die interessanten Untersuchungen über weiblicho Bronze­ statuetten und über Votivfundo von Halsringen, die von Arne in Fornvännen 1909 und von Bjern in Fra Haug ug Museum (Festschrift für A. W. Bregger 1924) veröffentlicht worden sind. 3 Vgl. seine posthume Abhandlung Ynglingatal in Vittorhetsakadomiens handUngar 28: 2 (1925), S. 212ff.

Der Gott Gautr und die Völkernamen Götar, Gutar, Goten

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Untersuchungen, offenbar der 8tammgott sowohl der Göten als auch der Goten gewesen ist1. Die Namen Gautr, Gautar und Goten (got. gutans) sind seit Zeuss’ Tagen von den meisten Forschem aus dem Verbum „gjuta"1*3 abgeleitet worden. So hat Carl Säve8 Gautr gedeutet als „der, der goß, schuf", ganz speziell im Hinblick auf die Bezeichnung „alda Gautr", welche er auslegt: „der, der Menschen goß oder aussäte" und dem „alda-fadir“ gegenüber * stellt, einem weiteren Beinamen Odins. Diese Auslegung ist von Finnur Jdnsson und Mogk aufgegriffen, von Erdmann jedoch abgelehnt worden (S. 7f., 34), was in Anbetraoht der ganz allgemein gehaltenen und vagen Deutung, die S&ve dem Begriff „gießen" gegeben zu haben scheint, be­ rechtigt war. Aber offenbar muß man dem Namen Gautr denselben prägnanten Sinn zuschreiben, den Much und Hellquist den verwandten Völkernamen und in erster Linie den in der isländischen Poesie auftretenden Appellativen ,,gautar" oder „gotnar“ = „Männer" sowie „goti" = „Hengst" beilegten. In allen diesen Fällen hat „gjuta" ganz offensichtlich phallische Bedeutung. Die Felsbilder geben uns nun das Recht, den Göttemamen denselben Sinn beizulegen. Daß ein Phallosgott in Westschweden sehr ver­ ehrt worden ist, geht auoh klar aus jenen späteren Volksbräuchen hervor, die vor kurzem Hilding Geländer zusammengestellt hat4*. Vielleicht kann man auch von ethnologischer und archäologischer Seite her eine natürliche Erklärung für das Schwanken innerhalb der hierher gehörenden Völkernamen und Appellative zwischen „Gautar" mit starker Stammform und Flexion, und „gotnar, Gutar, Goten" mit schwacher Ablautsform und Flexion (dessen n-Suffix z. B. in „gutnalthing" = das Allting der Gutar, sowie in got. „gutans", den latinisierten Gutones bei Plinius, Gotones bei Taoitus erhalten ist) finden. Brate und nach ihm Wessen (S. 115f.) sind der Ansioht, daß die schwachen Formen sich haupt1 Siehe die Kapitel Svenska stamgudar: Yngve-Frö och Gaut-Oden sowie Güter och goter in Wessöns Studier usw. (vgl. das Lit.-Verz.). ■ Siehe Erdmanns ausführliches Referat in AT XI, 4, die von Wessen S. 116 zitierten Äußerungen von Much und Hellquist sowie den letzteren in dem Etymologisk Ordbok unter dem Worte „göt". Wessen weist mit vollem Recht jene Hypothesen zurück, laut deren die Göten ihren Namen nach dem Göta älv und die Gutar nach der Guteä erhalten haben. * Siehe Erdmann S. 6f. 4 In der Festschrift Hall&ndsk bygdekultur, hrsg. von D. Arild, Hj. Lindroth und E. Lind&lv (Göteborg 1926).

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5. Kapitel: Allgemeines. B. Religionshistorischc Probleme

sächlich in Zusammensetzungen gebildet haben und später aus ihnen heraus­ gelöst worden sind. Aber sollten sich diese abgeleiteten Formen nicht auf natürliche Weise als eine Art Diminutivbildungen zu der starken Form mit der Bedeutung „vor kurzem mannbar gewordene Jünglinge“ erklären lassen?1 Nach dieser Auslegung würden „gautar“ und „gutar“ die beiden Alters­ stufen bezeichnen, in die die Mannbaren bei so vielen Naturvölkern ein­ geteilt erscheinen und wovon Sigurd Erixson bemerkenswerte Sputen auch in unserem Lande nachgewiesen hat (siehe seine Studie „Ynglingalaget“ in Fataburen 1921)12*. Unter „gutar“ würde man dann die Jünglinge im Alter von der Mannbarkeit bis zur Heirat verstehen, unter „gautar“ die reifen Männer, die Familienväter. Für eine solche Erklärung des Wortes „gutar“ spricht ferner die Bedeutung des neunorwegischen „gut“ (die Bezeichnung kommt nach Rietz auch in verschiedenen west- und nord­ schwedischen Dialekten vor)8, sowie unser „gösse“ (von got-se); beide werden von Muoh mit dem Völkernamen Goten in Verbindung gebraoht. Nach Aasen, Norsk Ordbog, wird „gut“ im Norwegischen auch in der Be­ deutung Jüngling, neu- oder unvermählter Mann, wie auch für Tiere und Vögel, deren Namen Maskulina sind, gebraucht, und „gösse“ heißt in norwegischen Dialekten teils soviel wie „großer, starker und tüchtiger Eerl“, teils wahrscheinlich auch „Eber“4*. Im Schwedischen ist ja „gossar“ die herkömmliche Bezeichnung für junge Krieger, und „gossar och flickor“

ist der volkstümliche Ausdruok für junge Leute im Alter des Verliebtseins. Daß „gösse“ im heutigen Schwedisch meist die Bedeutung „kleiner Junge“ hat, ist eine Parallelerscheinung zu dem Bedeutungswandel, den das Wort „dreng“ im Dänischen erfahren hat, wo es heute einen Knaben bezeichnet, während es ursprünglich „junger, kräftiger Mann“ hieß. „Dreng“ wird von Torp und Hellquist (siehe dessen Etym. Ordbok) mit isl. „drangr“ = „auf1 [Man vergleiche die zahlreichen zweisilbigen Kurznamen mit schwacher Flexion, die deutlich den Charakter von Kosenamen tragen.] ■ [Vgl. ferner die im Verlage Diesterweg demnächst ersoheinendon, überaus wichtigen Untersuchungen Dr. Otto Höflers.] 9 Rietz führt auch ein finnisches „kotti“ in derselben Bedeutung an. 4 Vgl. „gumse“, das sich zu isl. „gumi“ (= Mann) wie „gösse“ zu „goti“ verhält. Da das letztere Wort für Pferde gebraucht wird, dürfte es am ehesten „Junghengst“ bedeuten. Man vergleiche hiermit auch die bei uns gebräuchliche Anwendung des Wortes „gösse“ als Kosenamen für Pferde.

Der Gott Gautr und die Völkemamen Götar, Gutar, Goten

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recht stehender, spitzer Stein“ und mit einem altslawischen Wort in Ver­ bindung gebraoht, das „Pfahl, Stange“ bedeutet. Das abgeleitete Wort „drengr“ ist vielleicht unter Anspielung auf den mit der Pubertät auf­ tretenden Ithyphallismus gebildet worden. Demnach würden die Namen „Gautr — Gautar — Gutar“ die bekannten soziologischen Korporationen von Männern und Jünglingen kennzeichnen, die beim Kult eines Fruchtbarkeitsgottes in Erscheinung zu treten pflegen, eines Gottes, der auch als Stammvater angesehen wird, als „Frambringare“ (Hervorbringer), wie Söderblom diesen Göttertypus in „Gudstrons uppkomst“ genannt hat. Eine weitere nordische Parallele hierzu liegt offenbar in der von Hellquist (in Archiv für nord, filologi 19) nachgewiesenen Zu­ sammengehörigkeit des Namens Fomjötr (nach dem Mythos der Vater des Wassers, des Feuers und des Windes) und des Völkernamens „Jüten“, so­ wie des isländischen Appelativums „ytar“ = „Männer“ vor; auch diese Namen haben nach Hellquist die gleiche Ursprungsbedeutung wie die vom Stamme gaut- abgeleiteten. Hierher gehört noch der vonTacitus als Stamm­ vater der Germanen angeführte Mannus in seiner Beziehung zu Völker­ namen, wie zum Beispiel Alamannen, Markomannen. Daß wir von unseren Felsbildern aus auf diese religiös-sozialen Ein­ teilungen gekommen sind, ist wohl kein Zufall. Auch in Australien kann man anscheinend eine Beziehung zwischen den Felsbildern und den re­ ligiösen Männergemeinschaften, die sich mit dem Kult des Fruchtbarkeits­ gottes befassen, feststellen; dies möchte ich jedoch besser Unterrichteten zur näheren Untersuchung überlassen. Auch für die geographische Verteilung der Götar und Gutar-Goten ließe sich eventuell auf diesem Wege eine plausible Erklärung gewinnen. Es wäre leioht zu verstehen, daß die Bezeichnung für die reifen Männer „Gautar“ zum Namen für das ganze, an die Scholle gebundene Volk geworden ist (man vergleiche die im Neuschwedischen übliohen Völkernamen „engelsmän, fransmän“), und ebenso begreiflich wäre es, wenn „gutans“ (= gutterne, die jungen Bursohen) die Bezeichnung für die aus der Heimat ausgewanderten Scharen wurde, die sicherlich, wie es noch heutigen Tages der Fall zu sein pflegt, meist dem Jünglingsalter angehörten. Die Angabe des Jordanes, daß die Goten von der Insel Skandia1 aus, d. h. von Göta1 Man sollte in einem modernen Text die Schreibweise des Jordanes „Scandza" nicht wiederholen, da sie uns eine falsche Vorstellung von der Aussprache gibt.

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6. Kapitel: Allgemeines. B. Religionshistorisohe Probleme

land, in die Weiohselgegend gezogen seien, ist von Nerman unter archäo­ logischer Begründung bestätigt worden (Fornvännen 1923, Vitt. Akad. Handl. 34: ß); dagegen sprechen die archäologischen Verhältnisse auf Got­ land gegen die vonKossinna auf Grund der Namensähnlichkeit aufgebrachte Annahme, daß die Goten in der Hauptsache von dieser Insel hergekommen seien. Wahrscheinlich verhält es sich in Wirklichkeit so, daß auch die Gutar der Insel Gotland als Auswanderer von Götaland herübergekommen sind, wenn auch etwas früher als die Weichselgoten. Schon die erste, in der Steinzeit erfolgte Besiedlung Gotlands dürfte von Götaland aus vor sich gegangen sein, und auf diese sind sicherlich viele spätere Übersiedlungen

von dort aus gefolgt. Es ist besonders merkwürdig, daß nach einem Ab­ bruch oder einer Lücke im gotländischen archäologischen Material zur Zeit der zweiten Monteliusschen Eisenzeitperiode eine neue kräftige Kultur­ welle mit der dritten Periode, der Spät-Lat£nekultur einsetzt, die unter anderem bestimmte Grabformen und typische Altertümer aufweist, die allem Anschein nach von Götaland hergeleitet werden müssen, und zwar wahrscheinlich von Östergötland1. Es scheint mir also nicht ausgeschlossen zu sein, daß Gotland seinen Namen und seine Bewohner den Namen „Gutar" erst im Zusammenhang mit einer um 100 v. Ohr. einsetzenden und von Götaland ausgehenden Ansiedlerinvaaion erhalten haben, und daß dieser Auswandererstrom, naohdem die Kolonisationsmöglichkeiten auf Gotland erschöpft waren, um Christi Geburt herum sich auf das um die Weichselmündung gelegene Land geriohtet hat. Für den Fall, daß die obigen Kombinationen richtig sein sollten, bliebe noch die Frage offen, auf welohe Weise Gautr zum Beinamen Odins ge­ worden ist. Sehr wahrscheinlich ist es wohl so gewesen, daß Odin, wie die meisten Gelehrten dies heute annehmen, erst in relativ später Zeit von ger­ Es liegt auf der Hand, daß Jordanes, der wahrscheinlich im oströmischen Reiche lebte, den Buchstaben z gemäß dem damaligen griechischen Lautwert dj benutzt hat, um den germanischen j-Laut hinter d zu bezeichnen; vgl. seine Schreibung Burgundzones. 1 Ich denke hier an die in meiner Schrift „Die ältere Eisenzeit Gotlands“, S. 14, naohgewiesene Beziehung der gotländischen Grabfelder dieser Zeit zu dem von Halleby in Östergötland sowie an die Riemenzungenreihe Abb. 79—83 in derselben Arbeit, deren auf Gotland Belten auftretende Urform in Öster­ götland gebräuchlich ist, und an den einzeln vorkommenden gotländischen Hals­ ring, Abb. 84, der eine jüngere Variante zu einer in Östergötland sehr geläufigen Halsringgruppe darstellt.

Spuren des Kultaohiffesin nordischen Mythen und Sagen

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manischen Stämmen des Festlandes in den Norden eingeführt worden ist, und daß er damals in Gotaland den alten Gautr ersetzt oder besser so­ zusagen modernisiert hat und mit ihm verschmolzen ist. Vielleicht hat zu dieser Verschmelzung der Umstand beigetragen, daß beide den Speer als Attribut besaßen (vgl. Abb. 38,93), Im übrigen ist es wohl nicht unmöglich, daß der Sturm- und Kriegsgott Odin, genau wie der römische Kriegsgott Mars, ursprünglich ein Fruchtbarkeitagott gewesen ist1. Wahrscheinlich ist er zunächst ein regenspendender Wettergott gewesen, denn sein Name bedeutet ja „der Basende . ** Die Deutungsversuche, die ioh in diesem Abschnitt vorlcge und bei deren Ausarbeitung Elias Wessén und Birger Nerman mir freundlichst zur Seite gestanden haben, tragen natürlich, wie so manches andere in diesem Buche, durchaus präliminaren Charakter und seien hiermit zuständigen Faohwissensohaftleni zur eingehenden Nachprüfung überlassen.

Spuren des Kultschiffes in nordischen Mythen und Sagen

Besonders geeignet zur Erhellung des ursprünglichen Zusammenhangs der hervorragendsten Gottheiten des nordischen Wikingerglaubens mit Riten jener Art, von denen die Felszeichnungen der Bronzezeit Zeugnis ablegen, sind die Mythen, die diese Götter irgendwie mit einem Schiff in Verbindung setzen. Diese Beziehung läßt sich ohne Zweifel am besten unter Hinweis auf das Kultschiff erklären, wie dies auch in den wichtigsten Fällen von Hammarstedt in seinem bereits mehrfach angeführten Aufsatz „Lussi“ (S. 27f.) und von Helge Rosón in „Freys skepp, Skidbladnir“* * gemacht worden ist. Im Nachfolgenden möchte ich nur auf einige Umstände ver­ weisen, die meiner Meinung nach bezüglich einiger im Vorhergehenden daigestellten Erscheinungen besonders interessant sein dürften. Am merkwürdigsten ist in dieser Beziehung wohl folgende Wendung aus dem Sonnengesang der Edda (Strophe 77): „Odins Gemahlin rudert auf dem Schiff der Erde, lüstern nach Liebe. ** Einen besseren Text kann man sich ja kaum zu den Abbildungen der auf dem landgehenden Schiff statt­ findenden Kulthochzeit wünschen, wenn auch das späte Gedicht in seinem 1 Über Odin als Fruchtbarkeitsgott siehe R. Höckert, Vfluspä och Vanakulten I (Upsala 1925), S. 101. • H. Rosón, Studier i skandinavisk religionBhistoria och folktro (Lund 1919).

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5. Kapitel: Allgemeines. B. Religionshistorische Probleme

weiteren Verlauf das Schiff mit allegorischem Takelwerk versieht: „spät werden ihre Segel gefüllt, die an Sehnsuchtsseilen hängen“. Über das Schiff

Skidbladnir heißt es im Grimnismal (Strophe 43): „Ivaldes Söhne machten siah in der Vorzeit daran, Skidbladnir zu erbauen, das beste der Schiffe, für den strahlenden Frej, den segenreichen Sohn Njords.“ Die ausführliche Beschreibung, die Snorri dem Schiff in Gylfaginning Kap. 42 zuteil werden läßt, ist phantastisch und durchaus märchenhaften Charakters, enthält aber einige Züge, die vielleicht als schwache Erinne­ rungen an wirkliche Kultschiffe gedeutet werden können. „Das Schiff ist so groß, daß alle Äsen sich mitsamt ihren Waffen und der vollen Kriegs­ ausrüstung darin einschiffen können. Sobald das Segel gehißt ist, erhält das Schiff auoh stets Rückenwind, wohin auoh die Fahrt gehen mag. Aber da man damit keine Seereisen unternehmen will, ist es aus vielen Teilen zusammengesetzt und dies mit so großer Kunst, daß man es wie ein Tuch zusammenfalten und in den Beutel stecken kann.“ Nach Finnur Jönsson1 bedeutet das Wort Skidbladnir etwa soviel wie aus „smä tynde traeplader“ (kleinen, dünnen Holzscheiben) zusammen­ gesetzt. Dies würde ja vortrefflich mit Snorris Beschreibung überein­ stimmen. Vielleicht bezieht sioh diese sonderbare Schilderung der Bauart eines Schiffes auf ein für Kultprozessionen bestimmtes Fahrzeug, das man so leicht wie möglich bauen und das zusammenlegbar sein mußte für die Zeit, wo man es nicht brauohte. Man könnte also annehmen, daß Snorris phantastische Schilderung wie folgt zustande gekommen ist: nachdem Frejs Kultsohiff außer Gebrauch gesetzt worden war, haben alte Leute, die dieses Schiff in ihrer Jugend gesehen hatten, der jüngeren Generation er­ zählt, wie es aussah und wie es mit als Äsen verkleideten Personen (vgl. Saint Trond und die späteren Kamevalsschiffe) besetzt war. Wie sich nun diese Erzählungen die Jahre hindurch weiter fortpflanzten, sind die rein märchenhaften Motive von dem ständigen Rückenwind (vgl. die Monaco­ legende) und von dem Einsteoken in den Beutel hinzugekommen. Wie man nun die von Snorri in seiner später niedergeschriebenen Ynglingasaga (Kap. 7) gemachte Angabe, derzufolge das Schiff dem Odin gehört haben soll, aufzufassen hat, ist schwer zu sagen. Doch kann diese wohl kaum auf Vergeßlichkeit oder willkürlicher Abänderung Snorris beruhen; 1 In seiner Neuausgabe des Lexicon Poetic m von Egilsson (Kopenhagen 1913—1910).

Spuren des Kultschiffes in nordischen Mythen und Sagen

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er hat vielmehr vermutlich in der filteren Tradition schon verschieden lautende Angaben dieserhalb vorgefunden. Rosön glaubt, daß Odin als der siegreiche Gott Frej das Schiff abgenommen hat, jedoch erschwert unstreitig der eben erwähnte Umstand, daß Odins Gemahlin einer anderen Quelle gemäß auf einem Schiff auftritt, die Angelegenheit. Njord wohnt nach Gylfaginning, Kap. 22 in Noatun, d. h. im Schiffahof, und soll bei Seefahrt und Fischzug um Beistand angerufen werden. In Norwegen findet man nach Magnus Olsen (Hedenske Kultminder I, S. 62ff.) eine Menge Ortsnamen, die ursprünglich Njardey oder Njardvik gelautet haben. Er vermutet, daß diese Ortsnamen mit Njord, dem Gott des Meeres, in Zusammenhang gestanden haben, und daß die betreffenden Inseln und Buchten Sammelplätze für Flotten u. dgl. gewesen sind. Man könnte eher noch darauf kommen, diese Inseln des Njord mit der Insel seiner Namens­ verwandten, der Göttin Nerthus, die ja alljährlich von dort aus zu Kult­ fahrten auszog, in Beziehung zu setzen. Rosän weist darauf hin, daß die Fahrt dieser Göttin zuerst per Schiff vor sich gehen mußte, und daß dieses vielleicht dann auf Räder gesetzt worden ist, ähnlich wie die Boote der Kamevalszüge; er scheint zu der Annahme geneigt, daß auf diesem Wege auch Njords Sohn Frej zu seinem Schiff gekommen ist. Jedoch haben ja die in Kap. I nachgewiesenen Zusammenhänge ergeben, daß sowohl die Unterbringung von Fruchtbarkeitsgottheiten auf Inseln, als auoh deren Ver­ bindung mit Schiffen weitverbreitete und uralte Erscheinungen sind. Ein weiterer Beweis dafür, daß den norwegischen Njard-Inseln eine kultisohe Bedeutung zugrunde liegt, daß sie, wenn auoh nicht immer Kult­ stätten, so doch Ausgangspunkte für alljährlich vorgenommene Kult­ prozessionen gewesen sind, scheint mir mit der Tatsache gegeben zu sein, daß wir in dem in J&mtland gelegenen Storsjö außer der Insel Frösö eine zweite Insel vorfinden, die heute Norderö heißt, im Mittelalter aber Nüerda oder Nnrdrö genannt wurde. Hier hat man demnach das Götterpaar Frö und Njärd (Njärd wohl als Göttin) verehrt, und zwar jede Gottheit auf je einer eigenen Insel, wobei sich die beiden wahrscheinlich auf Kultfahrten gegenseitig besucht haben1. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine mit einer anderen Insel Frösö — im Österbotten gelegen — verknüpfte Sage von einem umgekommenen Brautzug. Diese Sage, die im Verein mit 1 Vgl. E. Wessen, Studier till Sveriges hedna mytologi och fornhistoria (Upsala univ. ärsskrift 1924) S. 128f. Almgren, Nordlache Febaelchnungenalarelistöoe Urkunden. 21

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5. Kapitel: Allgemeines. B. Religionshistorische Probleme

einigen anderen von T. E. Karsten1 angeführt wird, ist folgenden Inhalts: Vor Nykarleby liegt draußen in den Soh&ren eine Insel, Frösö, die von den sieben Brudholmar (Brautinseln) umgeben ist. Einst war einmal mitten im Hochsommer ein Brautzug von drei Kirchenbooten auf dem Wege zur Kirche in Pedersöre. Man unterhielt sich mit Gesang, Musik und Trinken, aber der Wind nahm vollständig ab und deshalb legte man an dem größten der Brudholmar an, um dort zu übernachten. Auf Vorschlag des Bräutigams beschloß man, die Hochzeit hier im voraus zu feiern, und dies geschah auch bei gewaltigem Trinkgelage und unter schrecklichen Ausschweifungen. Daraufhin brach aber ein heftiger Sturm los, in dem der ganze Brautzug umkam. Auf der schwedischen Seite gibt es eine ähnliche Sage von einem Brautgefolge, das in den seichten Gewässern bei den Brudstenar (Braut­ steinen) draußen vor Hernösand * Schiffbruoh erlitt. Hier zeugt der Orts­ name Härnö davon, daß es sich bei dem weiblichen Teil des Götterpaares um jene Göttin handelte, die sonst noch durch den Ortsnamen Hämevi bekannt ist8. Man kann hier wohl schlecht um die Schlußfolgerung herumkommen, daß diese Sagen auf Kultfahrten zurückgehen, die entweder mit wirklich ausgeführten Ertränkungszeremonien, wie beim Nerthusfest, oder mit nachgeahmten, wie in jüngeren Volksbräuchen, endigten*34*6. In anderen Fällen schlossen ja ähnlich geartete Riten mit dem Ver­ brennen des Repräsentanten der Fruchtbarkeit ab, wie dies mit den franzö­ sischen Korbriesen und dem Jonsokkalle und der Jonsokkjaerringa in den westnorwegischen Mittsommerfeuern geschah. Kristian Bugge (vgl. Kap. I, S. 61) hat diese Figuren zu Balder und Nanna in Beziehung ge­ bracht als Beweis für die von Frazer (VU: 2, S. 87) ausgesprochene An­ sicht, daß Balders Leichenfahrt einen alten Ritus widerspiegelt8. * Germanisch-finnische Lehnwortstudien (Acta societatis scientiarum fennicae XLV, Nr. 2, S. 39ff.). ■ Nach A. Salv6n, Boken om Högsjö (Stockholm 1918) S. 82. Diesen Hinweis verdanke ich Hugo Jungner. 3 Vgl. O. Lundberg u. H. Sperber, Hämevi (Upsala universitets ärsskrift 1911). « An dieser Stelle Bei erwähnt, daß auch die heidnischen Finnen die Kult­ hochzeit kannten. Nach der von Michael Agricola im 16. Jahrhundert verfaßten Abhandlung über die Religion der Finnen stellten diese beim Fest des Gottes Ukko dessen Vereinigung mit der Göttin Rauni dar und erhofften davon gutes Wetter und eine reiche Ernte (Orth, Kalevala II, S. 209). 6 Frazers Angabe, daß die Mittsommerfeuer in Schweden geradezu „Baldersb&l“ genannt werden, dürfte sich jedoch kaum beweisen lassen. Er hat diese

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Daß der ganze Baldersmythos das rituelle Jahreszeitendrama ungewöhn­ lich deutlich wiedergibt, haben ja auch Schück und Neckel in ihren Arbeiten bewiesen. Daher ist wohl auch das Schiff, in dem die Leichenfahrt Balders vor sich geht, zunächst nicht ein Totenschiff, sondern jenes die Fruchtbarkeitsgottheiten charakterisierende Schiff gewesen, mit dem diese ent­ weder ankommen oder abreisen. Merkwürdigerweise heißt Balders Schiff Hringhorni, was nach Neckel, S. Iß, Anm. 2, anzeigt, daß der Steven oben mit einem Ring geschmückt war. Es ist möglich, daß dieser Ring ein auf den Kultschiffen allgemein gebräuchliches Sonnenzeichen gewesen ist; man vergleiche Abb. 32a und die Vignette zu Kap. I*1. Auch Tor, dessen Charakter als ursprünglicher Fruchtbarkeitsgott zum Teil noch deutlich durchschimmert, sowie sein religiöser Erbe, St. Olaf, erAngabe dem Buche von Lloyd, Peaaant life in Sweden, 8. 259, entnommen, der sie offenbar, wie auch die Wortstellung bezeugt, seinerseits wieder dem Buche Sven Nilssons, Skandinaviska Nordens urinvänare, 2. Aufl., Bronsäldem I (Lund 1862), S. 14, entlehnt hat. Dort heißt es, daß die Holzfeuer, die in der Mittsommernacht in Schonen und weiter längs der Küste in Hailand, Bohuslän, bis hinauf nach Norwegen hin angezündet werden, in einigen Gegenden den Namen „Baldersbäl“ beibehalten haben, und in einer dazugehörigen Anmerkung sagt der Verfasser weiter: „Diese traditionelle Bezeichnung hat Tegnär über­ nommen und als Überschrift über den zehnten Teil seiner Fritiofsage gesetzt.“ Da den schwedischen und norwegischen Ethnologen, die iah in dieser Angelegen­ heit um Auskunft bat, keine volkstümliche Anwendung der Bezeichnung „Baldersbäl“ für Mittsommerfeuer bekannt war, scheint mir die Angabe Nils­ sons auf einem Mißverständnis zu beruhen. 1 Wenn uns der orientalische Ursprung jener Baten, die wir im Balder­ mythos wiederfinden, klar ist, so muß uns folgende sonderbare Parallelität der Namen zu denken geben und zu weiteren Forschungen anregen. Nach Snorri hieß ja Balders Gemahlin Nanna; sie war die Tochter Neps. Nach E. Briem aber, Studier över moder- och fruktbarhetsgudinnorna i den sumerisk-babyloniska religionen (Lund 1918), 8. 108ff., war bis zum Ende der heidnischen Zeit der Kult der babylonischen Göttin Nana oder Nanai über ganz Westasien verbreitet; man verehrte sie im Verein mit den Göttern Bel und Nabu, von denen der letztere als ihr Gemahl galt. Interessant ist ferner auch die Tatsache, daß Antiochus Epiphanes nach dem zweiten Buche der Makkabäer von den Priestern der Göttin Nanais gesteinigt wurde, als er sich mit dieser vermählen, also eine Kulthochzeit feiern wollte. Man vergleiche hiermit die rituelle Deutung, die Neckel für die Steinigung Balders anführt. Man muß jedooh bezweifeln, daß Neckel das Richtige trifft, wenn er annimmt, daß dieses Steinewerfen den Sinn hatte, Kraft zu übertragen; eher könnte man darauf kommen, es den rauhen, rituellen Kämpfen gegenüberzustellen, die uns in Kap. 2, S. 116, in Ägypten begegnet sind. Man vergleiche auch Kristensen, Livet fra doden, 8. 209f. 21*

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5. Kapitel: Allgemeines. B. Religionshifftorieche Probleme

Bohemen in seltsamer Weise mit einem Boote oder Schiff verknüpft. Das Olafsbild auf dem Torshällasiegel (Abb. 39), auf dem der Heilige auf einem mit Tierköpfen geschmückten Boot dargestellt ist, gibt wahrscheinlich ein an diesem Ort verehrtes Kultbild wieder. Dieses könnte eventuell ein ähn­ liches Bild vom Gotte Tor, etwa eins von der Art des in Abb. 38 dar­ gestellten, ersetzt haben. Montelius hat zudem in seiner Abhandlung über dieses Siegel (SET X, S. 293f., Nord, tidskr. 1911, S. 112) darauf hin­ gewiesen, daß auch Tor zuweilen in einem Boote stehend, und zwar fischend, dargestellt wird. Er denkt dabei offenbar an die bekannte Wiedergabe von Tors Fischzug auf dem englischen Goeforthkreuz sowie an ähnliche Szenen, die nach Angabe einiger isländischer Skalden auf einem Schild und an der Wand der Halle eines isländischen Häuptlings abgebildet waren. Hierzu ist dann noch kürzlich ein ähnliches Bild hinzugekommen, das man auf einem in der Nähe der Kirche von Altuna in Uppland ent­ deckten Runenstein festgesteüt hat (siehe O. v. Friesen in UFT Bd. IX, S. 339ff., wo auch die übrigen Darstellungen — sei es in Wort oder Bild — von Tors Fischzug angeführt werden). Vielleicht wäre es der Mühe wert, naohzuprüfen, ob nicht etwa dieser Mythos von Tors Fischzug sich sogar am besten damit erklären ließe, daß man ihn als Erklärungsgeschiohte zu einer Kultprozession faßt, zu einem Kultaufzug, in dem das Bild Tors mit­ samt einem Opferstier und einer großen Sohlangenfigur auf einem Schiff herumgefahren wurde, wobei die Schlange der ägyptischen in Abb. 40 wiedergegebenen verwandt war, deren oben S. 74 f. nach KristenBen vor­ gebrachte mythische Deutung unstreitig Merkmale vereinigt, die uns zur Midgardschlange hinführen. Ein weiteres kleines Detail aus dem Torsmythos könnte sodann ebenfalls noch eine reale Fundierung be­ kommen, nämlich die Geschichte, wie Tor den Boden des Bootes durchtrat; vielleicht war der Ausgangspunkt ein Torsbildnis, auf dem die Beine des Gottes durch den Boden des Bootes hindurchgestreckt waren, wie es zum Beispiel bei den auf dem Miniaturschiff Abb. 34 stehenden Figuren der Fall ist. Man darf wohl mit Sicherheit annehmen, daß es zahlreiche Kult­ bilder dieser Art gegeben hat, wenn sie auch selbstverständlich nur in ganz wenigen Exemplaren sich bis auf unsere Tage erhalten haben.

Als St. Olaf das Erbe Tors übernahm, scheinen dieselben kultischen Grundelemente, auf die der Mythos van Tors Fischzug zurückgeht, den Anlaß zu einer neuen ErklärungBsage gegeben zu haben, nämlich zu der in

Spuren des Kultschiffes in nordischen Mythen und Sagen

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der Form von Volksliedern, Lokalsagen und Kirchenmalereien weit ver­ breiteten Legende von der wunderbaren Fahrt des hl. Olaf, als er mit seinem Bruder Harald um die Krone Norwegens um die Wette segelte1. Harald hatte das Schiff Ormen den snare, Olaf das langsam dahinfahrende Schiff Oxen, das aber auf sein Gebet hin in rasende Fahrt kam, so daß es über Wasser und Land dahineilte. Als das Schiff über die Berge fuhr, kamen die Trolle entsetzt heraus und wurden auf St. Olafs Gebot in Steine verwandelt. Er kam drei Tage vor Harald an, der aus Wut „skapte sig till en orm sä led“ (sich in einen greulichen Wurm verwandelte), wie es in einem der Lieder heißt. Die sonderbarsten Motive dieser Legende, die Fahrt des Schiffes über Land, die Verwandlung Haralds in einen Wurm, wären leicht verständlich, wenn man sie zu dem Zwecke erfunden hätte, das Auftreten des hl. Olaf auf einem landgehenden Kultschiff in Gesell­ schaft einer Schlange zu erklären. Die Schlange würde dann auch in jenem Drachen weiterleben, auf den so manche St. Olafsfigur tritt1. Es gibt noch verschiedene andere Mythengestalten, die derart mit Booten verbunden sind und bei denen man deshalb vermuten muß, daß die rituelle Ankunft und Abfahrt des Fruchtbarkeitsgottes per Schiff der eigentliche Ausgangspunkt gewesen ist. In dem finnischen Nationalepos, dem Kalevala, gehört hierher der junge Sampsa-PeUervoinen3, der auf einer baumlosen Insel im Meere schläft, vom Sommer aber geweckt wird, um aufs Festland zu gehen und dieses zu besäen. Nach einigen Versionen schläft er mit seiner Mutter oder Schwester „im Getreidehaufen auf dem Getreideboote“, nach einer anderen Variante im „Rücksitz des bunten Schlittens“. Die Abfahrt 1 Als enter machte mich hierauf Hugo Jungner aufmerksam, und zwar unter Hinweis auf die Ausführungen von L. Daae, Norges Helgener (Christiania 1879) S. 103, 128f.; O. Sylvan in AT 14: 1, S. 62ff. und H. Falk, St. Olofs minne i Sverige (Kyrkohistorisk ärsskrift 1902), S. 77ff., 85f. Etwas später ist dieser Legendenzyklus von Nils Ahnlund in seinen Aufsätzen „Oljoberget ooh Ladugärdsgärde“ (Stockholm 1924) behandelt worden. Hierher gehört auch die Sage, wie Olaf mit seinen Schiffen den Söderström bei Stockholm aufpflügte; vgl. B. Nerman, Det fomtida Stockholm (Stockholm 1922), S. 29 ff. * In einer aus Hailand stammenden Sage vom Schiffe, das über Land und Meer HahinfAhrt, (Folkminnen och folktanker 2, 1915, 8. 141 ff.) ist dagegen dieses Motiv mit reinen Volksmärchenmotiven kombiniert, ohne irgendwelche Spur eines kultischen, Hintergrundes. Ein derart mirakulöses Element ließ sioh ja sehr leicht von der volkstümlichen Sage attrahieren. ’ Siehe Kaarle Krohn in Finnisch-ugrische Forschungen 1904.

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5. Kapitel: Allgemeines. B. Religionahistorische Probleme

des greisen Vegetationsgottes wiederum könnte sich eventuell in der Schlußepisode des Lönnrothsohen Kalevala widerspiegeln, in der Todes * fahrt des greisen Väin&möinen im kupfernen Boote. Nach einigen von Krohn1 aufgefundenen, echt volkstümlichen Varianten, verschwindet er dabei in einem Meeresstrudel, und es heißt, daß er dereinst einmal wieder * kommen wird. Dies erinnert uns an den Adonismythos (siehe oben S. 52). Auch sonst zeigt V&in&möinen verschiedene Merkmale, die dem Fruohtbarkeitsgott eigen sind8. 1 Im gleichen Zeitschriftenjahrgang; vgl. auch Orth, Kalevala II, S. 200. a Siehe hierüber Orth, Kalevala II, S. 114 ff. Unter anderem sei hier darauf hingewiesen, daß diejenigen Teile des Kalevala, die Kaarle Krohn einmal (naoh Orth S. 120ff., 126ff.) als die zentralen Partien der Väinämöinendiohtung bezeichnet hat, durchaus den Eindruck machen, als seien sie ursprünglich Texte zu rituellen Kämpfen zwischen den Repräsentanten des Sommers und des Winters gewesen. Die eine dieser Episoden (Gesang 3) ist der Sängerstreit zwischen Väinämöinen und Joukahainen, deren Namen wahrscheinlich „der Wassermann“ und „der Schneemann** bedeuten (vgl. Setälä, Mém. de la société finno-ougrienne 36, Nr. 13,1914). J. wird von V. mit Hilfe eines Zauber­ liedes in einen Sumpf oder ins Meer versenkt und wird erst dann wieder befreit, als er verspricht, V. die Schwester zur Gattin zu geben. In der anderen Episode (Gesang 6) ist es J. oder nach anderen Varianten „der magere Jüngling aus Lappland“, der mit seiner Armbrust V. oder den Elch, auf dem dieser reitet, erschießt, so daß er ins Meer fällt, in dem er dann lange herumtreibt. Ein für unser Kernproblem sehr interessanter Zug findet sich in ostkareliscben Varianten (Orth S 121 Anm ), Als J dem V. sein Boot oder seinen Schlitten als Lösegeld anbietet, antwortet V., daß er dafür keine Verwendung habe, da er kein Weib besitze, das darin neben ihm sitzen könne. Daraufhin bietet J. ihm seine Schwe­ ster als Gattin an. Somit wäre auoh hier eine enge Beziehung zwischen Braut­ paar und Boot oder Schlitten (ursprünglich vielleicht Bootsschlitten) festzu­ stellen. Auf demselben Wege wäre vielleicht auch die von Krohn (Finn.-ugr. Forsch. 1906) und Sohück (Kulturhistoriska akizzer 1922) naohgewiesene enge Verwandtschaft des Kalevalaliedes von Lemminkäinens Tod mit dem Balder­ mythos leicht zu verstehen, wenn man nämlich Annimmt, daß die beiden Mythen jeder für sich zu parallel entwickelten Riten gehört haben. Was die Geschichte anbelangt, nach der Lemminkäinens Leiche zerstückelt wird und die ins Wasser geworfenen Teile von seiner Mutter zusammengesucht werden, BO steht diese offenbar in Zusammenhang mit den Oisiris- und Orpheussagen und mit jenen rituellen Volkssitten, die Neckel in seinem Buche über Balder, 8. 164, anführt. Überhaupt würde wohl eine eingehende Untersuchung des Kalevala naoh den hier angedeuteten Gesichtspunkten sehr lohnend sein. Kaarle Krohns letzter, rein euhemeristisoher Deutungsversuch, naoh dem die Personen des Kalevala Wikingerhäuptlinge sein sollen (Folklore Fellows Communications, vol. XVI, Nr. 63, Helsingfors 1924), dürfte doch wohl kaum das letzte Wort in dieser Angelegenheit sein. — Für Literaturnachweise und Erläuterungen

Spuren des Kultschiffes in nordischen Mythen und Sagen

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Axel Olrik1 hat nun Sampsa Pellervoinen mit den angelsächsisch dänischen Stannnesheroen Sceaf und Scyld-Scefmg in Verbindung ge­ bracht. Von jedem dieser beiden wird berichtet (von dem ersten in angel­ sächsischen Chroniken, von dem letzteren im Beowulfsliede), daß der Be­ treffende als kleines Kind auf einem Langschiff nach Schonen gekommen und dort König geworden Bei. Scyld reist auch nach seinem Tode auf einem Schiff ins Unbekannte ab. Nun bedeutet der Name Sceaf soviel wie „Garbe"

während der des dritten KönigB aus dieser mythischen Dynastie, Beow, soviel wie „Gerste" heißt. Dies hat Olrik veranlaßt, diese Gestalten mit Sampsa auf dem Saatboote, mit der letzten Garbe der Ackerbauriten, mit Adonis usw. zusammenzustellen. Hiergegen hat jedoch C. W. von Sydow (in Namn och bygd 1924) neulich in entschiedener Form Einspruch er­

hoben; er ist der Meinung, daß die Sagen von Sceaf und Scyld nur Varianten des in den Volksmärchen oft auftretenden Findelkindmotives seien, und daß der Name Sceaf niohts mit der „letzten Garbe" zu tun habe, sondern rein zufällig gewählt worden sei. Je mehr man indessen auf die weit ver­ breitete Erscheinung des auf dem Schiffe einherfahrenden Fruchtbar­ keitsgottes aufmerksam wird, desto mehr Neigung spürt man, sioh der Auffassung Olriks anzuschließen und zu mutmaßen, daß er auoh hier die richtige Spur gefunden hatte. Was insbesondere die Garbe anbelangt, so pflegte man in Ägypten eine Garbe von dem nach dem Ritus bestellten Acker neben Osiris auf den Bootswagen zu legen (vgl. S. 48); es ist

sehr gut möglich, daß dieser Brauch ebenso in entsprechenden europäi­ schen Riten anzutreffen war, wenn dies auch nicht ausdrücklich bezeugt wird. Hier seien dann noch die interessanten Analogien erwähnt, die Neckel (S. 164f.) aus den altbabylonischen Mythen von Tammuz und Sargon anführt. Zu demselben Vorstellungskreis, zu dem das Saatboot Sampsas gehört, muß man wohl auch — nach Magnus Olsen (Hedenske Kultminder I, S.227) — die an der Südküste Norwegens geläufige Vorstellung von dem „Kornschiff“ zählen, das im Frühling mit dem Treibeis von Dänemark* i in bezug auf das Kalevala möchte ich an dieser Stelle meinem Kollegen K. B. Wiklund meinen Dank aussprechen. i Danmarks Heltedigtning II, S. 262 ff. Vgl. Helge Rosón in dem oben ge­ nannten Aufsatz über Skidbladnir sowie Erik Björkman in Nordisk tidskrift 1918.

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S. Kapitel: Allgemeines. B. Religionahistorische Probleme

herüberkommt, wenn auch das ursprüngliche Element hier sehr verblaßt ist und mit dem Einholen eines Omens für das Gedeihen der Feldfrucht, das aus der Bewegungsrichtung des Treibeises herausgelesen wird, ver­ bunden erscheint. Man kommt schwerlich zu einer befriedigenden Er­ klärung, wenn man mit Sydow dieses Omen als das einzig Wesentliche an der Sage ansieht; man kann sioh vielmehr nur mit Mühe von der Ver­ mutung trennen, daß dieses mystische Kornschiff etwas mit den im Vorher­

gehenden geschilderten Dingen zu tun hat. Es wäre nun von schwedischer Seite noch einiges außer demjenigen, was über die St. Olafslegende und die Brautsteine von H&möeand1 gesagt worden ist, anzuführen. Hammaratedt hat schon in seinem Aufsatz „Lussi“ (S. 5, 26f.) eine von N. P. Odman mitgeteilte wärmländische Erklärungssage zum Lussifest mit dem Kultboot in Verbindung gebracht. Die Sage berichtet, daß einst vor langer, langer Zeit eine Frau — oder vielleicht eine Göttin — mit Namen Lucia sioh während einer Hungersnot in Lichtgestalt auf einem auf dem See Vänern einherfahrenden Schiffe offenbarte. Mit diesem, dessen Last aus Schweinefleisch und Bier bestand, soll sie von Ufer zu Ufer gefahren sein, um den Darbenden ihre Gaben zu überreichen, und zu ihrem An­ denken und ihrer Ehre ist dann Bpäter die Feier des Lussifestes mit seiner reichlichen Beköstigung in Brauoh gekommen. „Laeti tune dies , ** so sagt ja Tacitus von dem Fest der Göttin Nerthus . * 1 Man sollte wirklich einmal nachforschen, ob nicht auch Ortsnamen von der folgenden ZuBammensetzungsart: Skepptuna, Skepplanda, Skeppsäs, Skeppshult sioh am besten damit erklären ließen, daß sie auf den Begriff ,,Kultanhiff“ zurückgehen. Die letzten Glieder dieser Zusammensetzungen kommen ja auch mit Götternamen kombiniert vor. Die drei ersten auf Skepp- gebildeten Ortsnamen sind Namen von Kirchspielen, die ja oft den Namen von alten Kultzentren geerbt haben. Der besonders in den Län von Älvsborg, Kronoberg und Jönköping ziemlich häufig vorkommende Name 8kepp(s)hult bezeichnet einmal ein Kirchspiel, das andere Mal ein Kirchdorf (im Kirchspiel Vislanda). Dieser Name erinnert uns ja besonders stark an das, was Tacitus von der germanischen Sitte, die Götter in Hainen(„hult“) zu verehren, und von der Göttin, deren Signum ein Boot war, berichtet. Vielleicht lohnt es sich sogar, im Umkreis von Ortschaften diesen Namens nach Lokalsagen mit kultischem Hintergrund Umschau zu halten. * Auch eine zweite Heilige, St. Gertrud, deren Ehrentag auf den 17. März, also kurz vor Frühlingsanfang fällt, erscheint auf das engste mit einem Schiff verbunden. Sie war die Beschützerin der Schiffer und der Reisenden, und man

Spuren des Kultschiffes in nordischen Mythen und Sagen

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Der Gegenpol unseres Kultbootbrauches, nämlich die von den Shetlandinseln und aus Ostasien bekannte Sitte, die bösen Geister auf einem Schiff wegzuschicken (vgl. S. 63), ist zweifellos die Voraussetzung einiger frag­ mentarischer Beschwörungsformeln gewesen, die Jöran Sahlgren (in Namn och bygd m, S. 125) aus einem aus dem Jahre 1587 stammenden Briefe eines westgötl&ndischen Adligen zur Erklärung unserer heutigen elliptischen Ausdrucksformel „ge pä bäten“ (auf das Boot geben) hervorgeholt hat. Die Zitate lauten: „Derföre gifver jagh ... hans ... stemplingar rett uppä den bäten, som Gyrid och Sisza droge till Bläkulla medh“ und „giffve Palnes stemplingh ... pä bäten, der Krockhasses (satans) moder är styreman före“. (Deshalb gebe ich... seine Umtriebe auf das Boot, mit dem Gyrid und Sisza nach Bläkulla fuhren“ und „gebe Palnes Ränke ... aufs Boot, auf dem Krockhaases [Satans] Mutter Steuermann ist.“) Der alte heidnische Kultbrauch, der nach dem Zeugnis der Felszeich­ nungen zur Bronzezeit eine so hervorragende Rolle in unserem Lande ge­ spielt hat, begegnet uns somit in dem heutigen Schweden nur in ganz schwachen Rudimenten, in der ErklärungBsage zu einem fröhlichen und üppigen Festmahle und in einer verblaßten Beschwörungsformel. Bei den Finnen dagegen hat dieser Brauch sogar in dem Nationalepos, unter anderem in der prachtvollen Schlußepisode, deutliche Spuren hinterlassen. Und in Westeuropa ist dieser Brauch heute noch im Schwange in all seinem theatralischen Glanz und mit fast offiziellem Gepräge, nämlich in den Karnevalszügen. „La reine des reines ** hält ja in Paris mit ihrem Boots­ wagen vor dem Rathause an, um dort von dem Präsidenten der Republik einen Ring in Empfang zu nehmen; dies ist niohts anderes als die alte Kulthochzeit in moderner Form. Die gegensätzliche Entwicklung, die ein und derselbe Brauch in den verschiedenen Gegenden Europas genommen hat, gibt uns zweifellos recht interessante Aufschlüsse über die verschiedenen Volkscharaktere . Jetzt aber ist es an der Zeit, daß der Archäologe einen Punkt setzt und die Nachforschung über diese Dinge „aufs Boot gibt“. Uns allen, die pflegte aus gläsernen Bechern, die die Form eines Schiffes zeigten, auf ihr Wohl zu trinken. Siehe ü. a. Sepp, Die Religion der alten Deutschen, Münohen 1890, S. 31; Bernhard OlBen, Stedsevarende Kalender© in Kulturhistoriska meddelanden (Lund) 1896—1896, S. 14. Sie ist auch die Schutzpatronin der Toten. Für diese Angaben möchte ich an dieser Stelle Herrn Dr. Hammerstedt meinen Dank aussprechen.

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5. Kapitel: Allgemeines. B. Religionshistorische Probleme

wir bisher von religionsgeschichtlichen Gesichtspunkten aus die Felsbilder

zu deuten versuchten, fehlte leider die erforderliche Schulung oder die nötige Übersicht über das weitumfassende Gebiet der Religionsgeschichte. Es wäre sehr zu wünschen, daß religionshistorische Fachgelehrte sich nun

ernstlich an die Untersuchung jenes reichhaltigen, echten und unver­ fälschten Niedersohlages des nordischen Bronzezeitkultes heranmachten, der uns in den Felsbildem erhalten ist. Von archäologischer Seite aus dieses Felsbildmaterial ein wenig für die Religionswissenschaftler zurechtzulegen und sie durch Andeutung einer Reihe hier vorhandener Anknüpfungspunkte

für religionsgeschichtliche Fragen anzulocken, dies war der eigentliche Sinn und Zweck der vorliegenden Arbeit, die in bezug auf Orientierung und Fassung des Problems nur ein Versuch sein möchte. Abgerundete,

endgültige Resultate sind, was die Deutung der Felsbilder anbelangt, erst dann zu erwarten, wenn Religionswissenschaftler und Archäologen Hand in Hand arbeiten, und wenn vor allen Dingen Wissenschaftler ans Werk gehen, die auf beiden Gebieten gleich gründliche und ausgedehnte Kennt­ nisse besitzen.

Nachtrag (A) zur schwedischen Ausgabe Da die Drucklegung der schwedischen Ausgabe, die im Konzept bereits im September 1926 fertig vorlag, Umstände halber sioh über eine unerwartet lange Zeit hinzog, wurde in der Zwischenzeit viel neues literarisches Material, das für die hier behandelten Fragen von Bedeutung war, vorgelegt: neue Funde, neue Forschungsergebnisse, neue Ansichten. Das eine oder andere davon konnte ich beim Lesen der Korrekturen noch in den Text einfügen; sodann war es noch möglich, im fünften Kapitel größere Umarbeitungen und Einschübe vorzunehmen. Weitere Zusätze sind dann in diesem Nach­ wort zusammengefaßt worden.

Zu Kapitel 1 Eine neuentdeckte Felszeichnung, ein Schiff mit Ruderern darstellend (vgl. S. 1 f.)

Im September 1925 hat Einar Kjellen eine besonders merkwürdige Schiffs­ zeichnung am Rande des sogenannten „Brandskog", 1 km nordwestlich von Boglösa Kyrka in Uppland, entdeckt. Norden hat diese Felszeichnung in Fomvännen 1925, S. 376ff., behandelt; die dort von ihm mitgeteilte Wiedergabe des größeren und stattlicheren der beiden Schiffe ist mit unserer Abb. 156 identisch. Im November 1925 konnte ich die Zeichnung in Gesellschaft von Gunnar Ekholm und mehreren anderen an Ort und Stelle kennenlemen. Wir stellten dabei fest, daß das Schiff sehr scharf eingehauen ist, wohingegen die Menschen sich nur schwach hervorheben; Ekholm erklärte mir jedoch, daß seiner Ansicht nach die Zeichnung Nordens in allen wesentlichen Punkten das Richtige trifft. Das große Schiff mißt nicht weniger als 4,13 m in der Länge; hier finden wir zum ersten Male eine unverkennbare Abbildung von Ruderern, sechs an der Zahl. Diese sind jedoch nicht, wie auf dem griechischen Bild Abb. 43, sitzend dargestellt, sondern stehen in typischer Gondolierestellung aufrecht und halten breitblättrige Paddel1. Trotz dieses realistischen Zuges muß 1 Es wäre möglich, daß die auf S. 2 erwähnten Schiffe, bei denen senkrechte BemannungsBtriche unter der Kiellinie fortgeführt erscheinen, Ruderer mit derartigen senkrecht gehaltenen Paddeln vorstellen (was Holmberg, Abb. 126, anbelangt, vgl. jedoch B. 14—15: 1).

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Nachtrag (A) zur schwedischen Ausgabe

Zu Kapitel 1

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dem Schiff jedoch, nach Kjell^n und Nord6n, eine symbolische Bedeutung zugrunde liegen, da es n&mlich von unten her von einem Mann, in der Darstellung von größerem Ausmaße als die Ruderer, emporgehoben wird,

indem dieser das hintere Ende dee Schiffes gefaßt hält. Es liegt wohl am nächsten, diese Darstellung mit unserer Abb. 45a im Vorstehenden zu vergleichen, obschon bei der Felszeichnung von Boglösa größeres Gewicht auf die Wiedergabe des Schiffes als auf die des Mannes gelegt worden ist. Das Bild sollte also die Übergabe eines VotivBchiffes wiedergeben, und

man könnte demnach die Abbildung der Ruderer mit der S. 50 angeführten Notiz über ein babylonisches Kultschiff mit Steuermann und Besatzung in Zusammenhang bringen. Es ist jedoch nicht gesagt, daß unsere Fels­ zeichnung ein VotivBchiff darstellt, das man dreidimensional ausgeführt hat; es ist eher anzunehmen, daß die Zeichnung selbst die Votivgabe aus­ macht, und daß man also hier ein gewöhnliches Schiff direkt abgebildet hat. Eine auf demselben Felsen vorkommende männliche Figur mit empor­ gehobenen Händen (Nordön, Abb. 109) spricht auch noch für den sakralen Charakter dieser Felszeichnung. Die Felszeichnung von Brandskog erscheint ferner noch dadurch be­

merkenswert und ungewöhnlich, daß in ihrer unmittelbaren Nähe ein altes Grab liegt. Nur 22 m von der Felszeichnung entfernt befindet sich auf demselben Berge ein ziemlich großer, mit nur wenig Erde vermischter Steinhügel (Fomvännen 1925, S. 390). Im Herbst 1926 hat Norden diesen Steinhügel untersucht (vgl. UFT XLI, S. 172 ff.) und dabei eine kleinere Anzahl verbrannter Knochen in dessen Innerem verstreut vorgefunden; irgendwelche genauer datierbaren Funde waren nicht festzustellen. Wie Nordän bemerkt, kommt man ja hier leicht auf den Gedanken, das in den

Fels gehauene Schiff als Votivgabe für den in dem Steinhügel beigesetzten Toten zu deuten. Aber mit Sicherheit kann man dies auoh hier nicht be­

haupten; es kann sich ja ebensogut um eine Zeichnung handeln, die zu Kultzwecken geschaffen worden ist, und die dann ihrerseits das Grab attrahierte. Sicherlich aber kann diesem seltenen Fall keinerlei Beweis­ kraft für die Bedeutung aller der unzähligen Felszeichnungen beigemessen

werden, die nicht in der Nähe von Gräbern angebracht sind. Die Auffindung der BrandskogfelBzeichnung sowie die einiger anderer in derselben Gegend, die allerdings bis dato nur flüohtig in den Zeitungen erwähnt worden sind, beweist uns, daß auoh die uppländisohen Felszeioh-

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Nachtrag (A) zur schwedischen Ausgabe

nungen Kultszenen enthalten können, weshalb die oben S. 97 und 278 gemachten Äußerungen etwas zu modifizieren wären. Felszeichnungen mit Booten auf Neu-Seeland In The Dlustrated London News vom 12. Dezember 1925 findet sich ein Bericht über eine merkwürdige Entdeckung, die man auf der nördlicheren der Neuseelandinseln gemacht hat. Es handelt sich um etwa 40 Boote,

die auf der Hinterwand einer kleinen Felsgrotte, in öder Gegend im Innern der Insel, weitab von der Küste gelegen, eingehauen sind. Diese Bilder stellen auch dadurch eine überraschende Parallele zu unseren Felsbilder­ schiffen dar, als sie mit einem Sporn versehen sind und, wenigstens auf einem der Boote, die Seitenwand mit einem Spiralmuster geschmückt er­ scheint. Für weitere Untersuchungen betreffs der Ähnlichkeit unserer

schwedischen Felsbilderschiffe mit gewissen malayisohen Kanutypen dürfte dieser Felszeichnung eine gewisse Bedeutung zukommen (vgl. W. Kaudern in Göteborgs Sjöfartsmuseums Ärstryck 1924 Bowie die oben S. 81, Anm., angeführten Schriften).

Zu Kapitel 2 und 3 Rad, Hakenkreuz und Lebensbaum (vgl. S. 87 ff., 105 ff., 149 ff.)

Uno Holmberg hat sich in seiner beachtenswerten Arbeit „Der Baum des Lebens" (Annales Academiae Scientiarum Fennicae B. XVI, 3) über die bei gewissen modernen asiatischen Völkern anzutreffende Vorstellung von einer auf dem Mittelpunkt der Erde stehenden Weltstange, deren Spitze aus dem Polarstem besteht und um die das Himmelsgewölbe sich dreht, ausführlich geäußert. In einigen Mythen findet man diese Stange durch den Lebensbäum ersetzt. Von dieser Vorstellung ausgehend, nimmt Holm­ berg (S. 6) eine bemerkenswerte Erklärung des Hakenkreuzes auf, die zuerst von Celia Nuttal in den Archaeological and ethnological papers of the Peabody Museum II (1901), S. 19, vorgelegt worden ist. Danach ist das Hakenkreuz ein Ausdruck für die verschiedenen Stellungen, die der Große Bär während der vier Jahreszeiten zum Polarstem einnimmt, und stellt somit ein Symbol für den Jahreszeitenzyklus dar. Hierauf basierend, möchte Holmberg (S. 105f.) das symbolische Bad nicht als Sonnenrad,

Zu Kapitel 2 und 3

335

sondern, unter Berufung auf altindische Wendungen wie: „das zwölfspeichige Rad der ewigen Ordnung rollt um den Himmel, ohne sich ab­ zunutzen“, sowie auf chinesische Darstellungen des Tierkreises als Rad deuten. Man fragt sioh jedoch hier notwendig, ob wirklich alle die im Vor­ stehenden behandelten Bildgruppen und Kultgebräuche, in denen das Rad anzutreffen war, besser auf diese Weise als mit der alten Deutung als Sonnenrad sich erklären lassen. Wäre es nicht möglich, daß beide Vor­ stellungen, Sonnenrad und Bimmelsrad, in der kosmischen Symbolik nebeneinander vorgekommen sind ? Da allem Anschein nach das Rad zu­ erst in Babylonien aufgekommen ist, dürfte man wohl von den Babylonisten das entscheidende Wort in dieser Angelegenheit erwarten können. Inwieweit der von Holmberg behandelte Vorstellungskreis von irgend­ welcher Bedeutung für die Erklärung unserer Felsbilder werden könnte (wie er es zum Beispiel für die nordische Mythologie durch Hugo Pippings Be­ handlung der Heimdalmythen geworden ist), wage ich nicht zu entscheiden. Auf jeden Fall ist es aber sehr bedeutsam, daß nach Holmbergs

Ansicht hierhergehörende Vorstellungen ihren Ursprung von Babylonien aus genommen und sich von dort nach verschiedenen Richtungen hin weiterverbreitet haben; dies wäre demnach völlig übereinstimmend mit dem, was ich in betreff der Kultschiffe vermutet habe (S. 63). Rituelles Pflügen in Schweden Nachfolgende interessante Notiz ist mir von dem Heimatforscher Albin Rylander übermittelt worden, der sie 1923 nach einem Bericht des 1861 im Kirchspiel Fittja in Uppland geborenen G. J. Johansson, der selbst bei der Ausübung des alten Brauches dabeigewesen ist, aufgezeichnet hat. „Bei der Frühjahrsbestellung sollte man am ersten Tage der Aussaat drei Furchen mit einem Hakenpflug ziehen, der damals dazu verwandt wurde, die Saat in den Boden zu bringen. Die Furchen sollten stets so ge­ zogen werden, daß die Erdschollen nach der Sonnenseite geworfen wurden. Man nahm dann ein wenig von dieser Erde und rieb damit die Pferde unter dem Geschirr ein, damit sie nicht während der Bestellung des Feldes wund würden." Dies könnte ja beinahe als erläuternder Text zu der Felszeichnung Abb. 71 dienen, auf der zwei Furchen schon mit dem Pfluge gezogen sind, während die dritte gerade in Angriff genommen werden soll.

336

Nachtrag (A) zur schwedischen Ausgabe

Die GöUerhand Professor E. Linderholm war so liebenswürdig, mich darauf aufmerksam zu machen, daß die große Hand, durch die so viele — wie man wohl an­ nehmen darf — Göttergestalten unserer Felsbilder gekennzeichnet sind, sich eventuell unter Anlehnung an gewisse Wendungen des Alten Testa­ mentes erklären ließe, wie 2. Mos. 14: 31, wo es in wortgetreuer Über­ setzung heißt: „Und Israel sah die große Hand, die der Herr an den Ägyptern bewiesen hatte.“ Daß „die große Hand Gottes ** gleichzeitig Aus­ druck für die durch segnenden Gestus vollzogene Kraftübertragung sein könnte, wie oben S. 141 angedeutet worden ist, dürfte jedoch nicht aus­ geschlossen sein. Sicherlich ist diese Frage einer Spezialuntersuchung wert (vgl. weiter Nachtrag B).

Zu Kapitel 4 und 5 Die Lage der Felsbilder in Östergötland (vgl. S. 215 f., 238 f.)

In seiner großen Abhandlung „Östergötlands Bronsälder“ sagt Nordén in dem Abschnitt Hällristningamas betydelse (S. 147), daß die östergötländischen Felsbilder in der Regel auf unbedeutenden, kleinen FelsBtücken, die rings von fruchtbarem Ackerland umgeben sind, angebracht seien. Als gemeinsames Merkmal der im topographischen Teil des Buches zusammengestellten Bilder hebt er die Tatsache hervor, daß die mit Zeichnungen versehenen Felsen von Ackerfurchen und wachsenden Saaten umgeben erscheinen. Dagegen hält es Nordén für weniger wesentlich, daß große Felsbildgruppen in nächster Nachbarschaft von Sümpfen, Mooren und versumpften Gestaden anzutreffen sind. Auf mein Ersuchen hin war Nordén so freundlich, mir kurz seine Ansicht über die lokalen Verhältnisse bei den verschiedenen Felsbildem darzulegen. Diese seine Ansicht läßt sich wie folgt zusammenfassen: Das Anbringen der Felsbilder auf kleinen, unbedeutenden, im Aoker ver­ streut liegenden Felsstücken ist charakteristisch für das oben S. 238 f. er­ wähnte und in Abb. 136 abgebildete Gebiet um Borgs Säteri, ferner auch für die Gruppen bei Skälv im Kirchspiel Borg (40 Felsbilder auf 10 kleinen Felskegeln, vgl. Nordéns Karte Abb. 140c, zu denen 5 Felsbilder auf dem etwas größeren Dorfhügel hinzukommen), bei Herrebro im Kirchspiel

Zu Kapitel 4 und 6

337

Borg (Nordön, Abb. 156, 39 Felsbilder auf 12 kleinen, im Acker gelegenen Felsen in nächster Nähe des Herrebro-Sumpfes), bei Nybble, Kirchspiel Kvillinge (Norden, Abb. 114a, meist Sohalengruben), bei Gäratad, Kirch­ spiel Ryßtad (Norden, Abb. 187), sowie im Stadtpark von Linköping (Nordön, Abb. 180, 181), zu denen noch einige anderen Orts gelegene

Felsbilder hinzuzurechnen wären. Bei Ekenberg, im Kirchspiel östra Eneby, besteht das ganze Fetebild­ gebiet aus größeren oder kleineren, stets eng umgrenzten, inmitten frucht­ barer Äcker gelegenen Fetepartien. Bei Himmelstadlund befinden sich

sämtliche 51 Fetebilder auf zwei kleinen Feteinseln im Ackerboden, nahe am Flußufer (Norden, Abb. 18; auf dem gegenüberliegenden Ufer hat man kürzlich auf einem Felsen, der direkt an das Wasser rührt, ein einzelnes Schiffsbild entdeckt). Die schönen Zeichnungen in der Nähe von Norrköpings Egna Hem sind mitsamt einem Hügel von verbrannten Steinen auf einem kleinen, im Ackerland gelegenen Felsen angebracht. Ähnlich ist auch die Lage bei einem Teil der Fetebilder, die in der Umgebung von

Leonardsberg und Fiskeby anzutreffen sind (zum Beispiel L. M. 50 mit Brandhügel und F. M. 16; dagegen haben L. M. 48 und 49 typische Sumpfund Seelage). Die wichtigste Ausnahme von dieser Regel bilden die Fetezeichnungen von Leonardsberg und Fiskeby Berghage, das ein größeres Massiv dar­ stellt. Die Fetezeichnung von Äby Backgärd (Norden, Abb. 8) liegt auf einem bewaldeten Bergmassiv, in näohster Nähe von großen Äckern; Norddn vergleicht ihre Lage mit der des uppländisohen Brandskogsschiffes. Bei Ulriksdal, im Kirchspiel Vreta Kloster, sind einige Schalengruben auf zwei kleinen Felsen angebracht, die nicht von Ackerland umgeben sind, sondern in der Nähe eines großen, aus der Eisenzeit stammenden Grabfeldes liegen. Nordön behauptet aber, er habe irgendeinen Zusammen­

hang zwischen den Fetebildem und den Gräbern mit Sicherheit nicht fest­ stellen können. Neuentdeckle Felsbilder in Tröndelagen Teodor Petersen hat sioh in einem bei dem nordischen Archäologentreffen in Häteingfors 1925 gehaltenen Vortrag (gedruckt in Finska Fornminnes-

föreningens Tidskrift XXXVI: 1, S. 23ff.) über eine Anzahl Fetebilder,

die man vor kurzem in Nordnorwegen, vor allem in Tröndelagen aufAlmgren, Nordische Felszelohnungen als religiöse Urkunden.

22

338

Nachtrag (A) zur schwedischen Ausgabe

gefunden hat, ausführlich geäußert, wobei er verschiedene neue Auf­ fassungen vorbrachte. Von großer Wichtigkeit betreffs des Verhältnisses der jagdmagischen Felsbilder zu den typischen Bronzezeitfelszeichnungen

sind die beiden Felstafeln von Evenhus. Sie sind ziemlich niedrig ge­ legen (23 m über dem Meere bei einer ‘Tapesgrenze * von ca. 70 m) und

setzen sich teils aus naturalistischen Darstellungen von Walen, Elchen usw. zusammen, teils aus konzentrischen Kreisen, Schalengruben, einem Menschen und einigen sonderbaren Figuren, die Petersen als unbeholfene Wiedergaben von Plattkähnen mit Querriegeln im Boden deutet. Ist diese Deutung richtig, so haben wir, wie Petersen meint, es hier deutlich mit einer von den Bronzezeitfelsbildem ausgehenden Vorstellungsübertragung zu tun, obwohl diese eine selbständige Ausformung erfahren hat. Diese Ausformung ist meiner Meinung nach darauf zurückzuführen, daß hier die Konturen zeichnende, naturalistische Kunstrichtung das Motiv aufgegriffen hat. Dies ist ein weiterer Beweis für die Selbständigkeit dieser Kunst gegenüber den Bronzezeitbildern, die, wie Petersen mit Recht annimmt, aus der Verwandtschaft der naturalistischen, in Felsen

auf kleineren, aus der Wohnstättenkultur stammenden Gegenständen erhellt. Petersen glaubt Ekholm eventuell das Zugeständnis machen zu dürfen, daß die Übertragung dieser Kunstrichtung auf die Felsbilderkunst auf Einfluß der südskandinavischen Felsenkunst zurückzuführen sein könnte; demgegenüber bin aber ich, gemäß dem, was ich 8. 262 ff. aus­ geführt habe, der Ansicht, daß ein derartiges Zugeständnis überflüssig ist, und daß gerade der nachgewiesene selbständige Charakter der EvenhusZeichnung dem widerspricht. Auf das Felsbild von Harnmar brauche ich hier nicht einzugehen, da dessen Vogelfiguren in ihrer Art ziemlich ver­ einzelt dastehen, und darum deren Verhältnis zu den aus der Bronzezeit stammenden, auf demselben Felsen angebrachten Zeichnungen kaum inter­ essieren dürfte. Was die typischen Bronzezeitfelsbilder anbelangt, die sich in Tröndelagen besonders auf das untere Stjörtal konzentrieren, so hat Petersen festgestellt, daß diese ausschließlich aus jenen einfachen, symbolischen Zeichen (einschließlich der schematisch gezeichneten Pferde und Menschen) bestehen, von denen die südskandinavischen Felsbilder ursprünglich aus­

gegangen sind (vgl. oben S. 275ff.). Eigentliche Szenen fehlen hier voll.

Zu Kapitel 4 und 6

339

ständig, dagegen sind gewisse bedeutsame Kombinationen von Sonnen­ zeichen mit Schiffen und mit Pferden anzutreffen. Besonders merkwürdig ist die Tatsache, daß auf einer bei Nedre Teasern in Beitstad befindlichen Zeichnung ein typisches Schlangenschiff auftaucht (P. Fig. 18).

Petersen neigt zu der Auffassung, daß die Bronzezeitfelsbilder sowohl für die Lebenden wie für die Toten angelegt worden sind. Sie sind in * mitten fruchtbaren Ackerlandes im inneren Trondhjemsfjord in den gleichen Gegenden angelegt, in denen man auf zahlreiche Gräber aus der Bronze­ zeit gestoßen ist. Da man feststellen kann, daß viele der Stjörtalfelsbilder an uralten, an der Peripherie des heutigen BebauungBgebietes gelegenen Fahrstraßen zu finden sind, vermutet Petersen, sie seien den Toten ge­

weiht gewesen, indem er nämlich darauf hinweist, daß Gräber und Bautasteine oft längs den Wegen errichtet worden sind (S. 36). Von größter Wichtigkeit ist die von Petersen gemachte Feststellung (S. 41), daß sämtliohe im Norden Norwegens verkommenden, mit Zeich­ nungen geschmückten Felsstücke, mögen sie nun mit naturalistischen oder mit Darstellungen vom Bronzezeittyp versehen sein, nach Süden liegen (vgl. oben S. 272).

Uppsala, den 31. Dezember 1926.

0. A.

22*

Nachtrag (B) zur deutschen Ausgabe

Weitere Beispiele vom Nachleben der Kultschiffe1 Eine sehr merkwürdige und detaillierte Beschreibung vom Bau eines auf Land gehenden Festschiffes findet sich, wie mir Dr. Otto Höfler freund * liehst mitteilte, in dem aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts herrührenden altdeutschen Gedicht Moriz von Craon (siehe Edward Schröder, Zwei alt * deutsche Bittermären, neu herauBgegeben, 2. Aufl., Berlin 1931). Das Ge * dicht behandelt ein Jugendabenteuer des Grafen Moriz von Craon in Anjou (1131—1196). Als dieser zu Ehren einer schönen Frau ein Turnei veran­ stalten wollte, ließ er (Vers 621 ff.) ein prachtvolles Schiff bauen, das durch versteckte Pferde über Land gezogen wurde; auf diesem begab er sich nach dem Festplatze. Das Festschiff diente also hier schon einem rein theatralischen Zwecke und hat wenig von dem volkstümlich-kultischen

Charakter des Schiffes von St. Trond 1133 behalten. Inwiefern dies auf der Auffassung des Dichters beruht oder wirkliche Verhältnisse aus der Zeit der Handlung (etwa 1160—1170) widerspiegelt, mag dahingestellt bleiben. Abb. 167 (nach der Wochenschrift Allere Familj-Journal 1931, Nr. 28) zeigt eine moderne Festprozession mit einem Kirchenschiffe, in dem die Bilder zweier weiblichen Heiligen aufgestellt sind. Diese Prozession findet alljährlich in dem südfranzösischen Orte Saintes Maries statt. — Die in vielen Ländern allgemein vorkommenden Kirchenschiffe, die höchst­ wahrscheinlich von den heidnischen Kultschiffen herzuleiten sind, würden es gewiß verdienen, einmal in ihrem ganzen Zusammenhänge behandelt zu werden. Eine kurze Übersicht über schwedische Kirchenschiffe gibt Ph. Humbla in dem von S. Erixon und S. Wallin herausgegebenen Sammel­ werke Svenska Kulturbilder V (Stockholm 1930), S. 69ff. Uber die königlichen Tischschiffe und ihre Beziehung zu den Kirchenschiffen handelt nach ausländischen Quellen Gerda Cederblom in der Zeitschrift Fataburen 1912, S. 202ff. 1 In der S. 106 Anm. erwähnten, sonst sehr inhaltreichen Abhandlung Forrers, Les chars cultuels usw., werden die Schiffswagen nur ziemlich bei­ läufig berücksichtigt (S. 63, 102ff.).

Weitere Beispiele vom Nachleben der Kultschiffe

341

Abb. 157 Um:ug mit einem Kirchenschiff in Saintes Maries, Siidfrankreich.

Was nordische Spuren des Kultschiffes betrifft, so sieht man unter den

figürlichen Darstellungen auf dem in Abb. 158 wiedergegebenen Runen­

steine von Ockelbo in der Landschaft Gestrikland, Schweden, links oben einen von einem Pferde gezogenen vierräderigen Wagen, der (wie mein

Sohn Bertil zuerst beobachtet und mein Kollege Otto von Friesen mir be­ stätigt hat) deutlich die Form eines Bootes zeigt. Wir dürften also hier einen Beweis dafür haben, daß der Schiffswagen noch im 11. Jahrhundert in

Schweden bekannt war.

Nach der sehr wahrscheinlichen Vermutung

Schücks (Fornvännen 1932, S. 265) stellt die Szene Brynhilds Hinfahrt

vor, wie diese in einem Eddaliede geschildert wird. In der isländischen Flateyjarbök (I, S. 22, 221) findet sich in zwei Varianten eine eigentümliche Sage, die sich auf ein über Land gezogenes

Schiff bezieht. Der mythische Seekönig Beitir segelte einmal in den Trondheimfjord hinein bis zu dessen nördlichstem Ende bei Beitstad. Da ließ

er das Schiff aufs Land ziehen und einen Schiffschlitten unter ihm machen;

es war nämlich viel Schnee. Dann setzte er sich in den Hintersteven, legte

342

Nachtrag (B) zur deutschen Ausgabe

Abb. ISS. Runenstein von Ockelbo, Gestrikland, Schweden.

Zur Sonnensymbolik

343

das Ruder zurecht, ließ das Segel hissen und sich von seinen Männern nordwärts, über die Landzunge nach dem Naumudal (jetzt Namndalen), ziehen, wobei er sich alles Land auf der Backbordseite des Schiffes zueignete. Es handelt sich also hier nicht um ein alltägliches Hinüberschleppen eines Schiffes über eine Landzunge, sondern um eine rituelle Rechtshandlung1. Wir haben hier offenbar eine Erklärungssage des Ortsnamens Beitstad, aber vielleicht auch eines hier einmal gebräuchlichen Umzuges mit einem Kultschiffe, dessen Gründung man dem Stammheros zuschrieb. Ist es denn ein Zufall, daß eben in dieser Gegend die größte Felszeichnung Nor­ wegens, die von Bardal, Ksp. Solberg (d. h. Sonnenberg) mit ihren vielen stattlichen Schiffsbildern sich befindet ? (Vgl. oben S. 259f. und Fornvännen 1908, S. 62 ff.) Eine Erinnerung an das über Land gehende Kultschiff und die rituelle Hochzeit birgt wahrscheinlich ein schwedisches Tanzlied, das von Dybeck (Runa 1843, S. 73) mitgeteilt worden ist. Bisher kannte ich aus den nordischen Ländern kein typisohes Beispiel des modernen Karnevalsohiffes. Jetzt verdanke ich meinem Freunde Rutger Sernander die Kenntnis eines solchen. In Nordens Kalender 1933 (Göteborg 1932) erzählt A. Breidahl S. 48 unter anderen Erinnerungen aus seinen Kinderjahren in der jütländischen Stadt Rändere, daß im Festzuge der Bürgerschaft am Tage des Vogelschießens auch eine Schaluppe herum­ gefahren wurde, in der ein „Admiral“ saß nebst Ruderern, die ihre Ruder gerade aufrecht vor sich hielten. Zur Sonnensymbolik

Auf einer senkrechten, nach Süden gerichteten Felswand bei Vadebacka,

Ksp. Skepplanda, Västergötland, entdeckte Oberlehrer Johan Alin 1919 eine Felszeichnung, die hier in Abb. 159 nach einer von ihm hergestellten und mir freundlichst zur Veröffentlichung überlassenen Aufnahme wieder­ gegeben ist. Durch den Doppelring am Vordersteven wird wohl das Schiff als Sonnenschiff bezeichnet; die übrigen Figuren auf dem Deck sind leider allzu stark stilisiert. Unter dem Schiff ist ein zweiräderiger Wagen ab­ gebildet. 1 Über altnordische Rechtshandlungen bei der Reaii-.CTiw.hTne eines Land­ gebietes siehe Dag Strömbäck, Att helga land, in Festakrift tillägnad Axel Hägerström, Upsala 1928.

Nachtrag (B) zur deutschen Ausgabe

344 Eine interessante Kombination

von Wagen und Schiff als

Gefährt

des Sonnengottes findet sich auf einem rotfigurigen griechischen Krater

im Louvre-Museum, auf den Professor A. W. Persson in Fornvännen 1930

S. 15f. hingewiesen hat (Abb. 160). Auf einem anderen Krater desselben Museums findet sich nach demselben Verfasser (S. 16f.) das hier in Abb. 161 wiedergegebene Bild von ge­

schwänzten Satyrn, die vor dem Sonnengott tanzen.

Abb. 159. Vadebacka, Ksp. Skepplanda, Västergötland.

Ein älteres Gegenstück dazu bildet die in Abb. 162 wiedergegebene Dar• Stellung auf einer spätmykenischen Vase aus einem Kammergrab bei

. Mykenae, auf die der Entdecker, Professor Axel Boethius, mich freundlichst hinwies; man sieht hier eine Frau in ekstatischem Tanz neben einem Rade.

Als weitere Parallele zu den auf unseren Felszeichnungen dargestellten

Sonnenriten führt Persson a. a. O. S. 17 nach Preuss (Globus 87, S. 347f.) an, daß die Arapahoindianer bei einer Sonnenaufgangszeremonie ihres

Sonnentanzes das die Sonne vorstellende heilige Rad mehrmals mit aus.

Zur Sonnensymbolik

Abb. 160. Von einem griechischen Krater im Louvre-Museum.

Abb. 161. Von einem griechischen Krater im Louvre-Museum.

Abb. 162. Von einer Vase aus einem Kammergrab bei Mykenac.

345

346

Nachtrag (B) zur deutschen Ausgabe

gestrecktem Arm und unter einer halbkreisförmigen Bewegung vor sich hinhalten, damit die Sonne schneller über dem Horizont erscheine. Noch einen Beweis dafür, daß das Radsymbol wirklich die Sonne vor­ stellt, liefert der von Clemen, Urgeschichtliche Religion, S. 132, mitgeteilte Umstand, daß in der Gegend von Nördlingen ein von Strahlen umgebenes

Radkreuz noch jetzt auf bestimmten Gegenständen vorkommt und all­ gemein als Sonne erklärt wird. Darstellungen der von einem Pferd gezogenen Sonnenscheibe kommen auch auf zwei jungbronzezeitlichen Rasiermessern aus Dänemark vor, die von Brendsted in der Zeitschrift Acta Archaeologica II: 2 (Kopenhagen 1931), S. 199ff., veröffentlicht wurden. Über Sonnenräder und andere Fruchtbarkeitssymbole in China siehe

B. Karlgren, Some fecundity symbols in ancient China (Bulletin of the museum of far eastern antiquities Nr. 2, Stockholm 1930). Tierfelle und Schwänze als Kulttrachl In seinem Aufsatze Akerbruksriter och hällristningar in Fomvännen 1930,

spricht A. W. Persson, S. 6ff. die sehr beachtenswerte Vermutung aus, daß die bei vielen Männerfiguren der Felszeichnungen vom Leibe herab­

hängenden Striche, die bisher immer als Schwertscheiden gedeutet wurden, vielmehr Schwänze vorstellen, die als Kulttracht getragen wurden. Be­ sonders wahrscheinlich ist diese Deutung, wenn die betreffenden Männer, gestalten auch mit Stierhörnern ausgestattet sind, wie in Abb. 7, 45a, 81 oben; es muß sich dann um ganze Stierfelle gehandelt haben. Persson führt eine Menge Beispiele vom Gebrauch von Tierfellen oder bloßen Schwänzen als Kulttracht in Ägypten, im klassischen Altertum und bei heutigen Naturvölkern an; vgl. auch oben Abb. 143. Daß Tiermaskeraden mit Ochsen- und Bocksköpfen in Schweden noch im 16. Jahrhundert vorkamen, bezeugt Olaus Magnus, Historia de gentibus septentrionalibus XTTT, 42, wo er von den Fastnachtsgebräuchen seiner Heimat sagt: „praecipue tempore Bacchanalium societatum, quo unicuique iuxta suam oonditionem pulchrius fore videtur in suo genere insaniendum: ut laniones in comutis boum, caprarumque capitibus voce eorum simulata, vel suillo grunnitu: ita et piscatores retibus extensis, ut monstrent

pisces“ — die letzten Worte dürften bei Besprechung des rituellen Ge­ brauchs von Netzen Beachtung verdienen.

Eine neuentdeckte Felszaichnung mit Darstellung der rituellen Hochzeit 347

Eine neuentdeckte Felszeichnung mit Darstellung der rituellen Hochzeit Bei Rißhed, Ksp. Askum, Bohualän (also in der Nähe der S. 103 be­

sprochenen Wagenzeichnungen) entdeckte der jetzt verstorbene Lehrer J. A. Bolmstrand 1928 eine bisher unbekannte, bildreiche Felszeichnung. Oberlehrer J. Alin, der mir davon Kunde gab, war so freundlich, im Herbst 1932 einen Abklatsch von diesem Felsbild herzustellen, nach welchem die hier in Abb. 163 wiedergegebene Zeichnung ausgeführt wurde. In der zweiten Bildreihe links sieht man eine Szene, die nach Alin wahrscheinlich die Vorbereitung zur rituellen Hochzeit darstellt. Rechts im Bilde stehen ein Mann und eine Frau auf einem vierräderigen Wagen. Dieser Mann und ein anderer, unterhalb der liegenden Frau, sind nach Alin mit Schnauze, also wohl mit Tiermaske versehen. Die Prozession in der obersten Reihe deutet auch an, daß es sich hier um eine Reihe Kultszenen handelt. Dies bestätigt die Annahme, daß die Wagenbilder der Felszeichnungen Kult­ wagen darstellen; man denke an die bekannte Erzählung der Flateyjarbök

Abb. 163. Rished, Ksp. Askum, Bohwdän.

348

Nachtrag (B) zur deutschen Ausgabe

vom Isländer Gunnar Helming, der bei den Schweden die Rolle des Gottes Frey in einer Umfahrt mit seiner Priesterin spielte. Über archäologische Funde soloher Wagen vgl. Montelius, Vitterhetsakademiens Mänadsblad

1887, S. 172ffx. — Diese Felszeichnung liegt am südwestlichen Fuß eines Bergrückens, dicht oberhalb eines Ackers. Ein modernes Hirschopfer in Rumänien (vgl. S. 127 ff.) Nach einem kurzen Referat von S. Erixon in der schwedischen Zeitschrift Rig 1931, S. 79, hielt Professor Romulus Vuja (Cluj, Siebenbürgen) auf dem internationalen Kongreß für Volkskunst in Belgien 1930 einen Vor-

trag über ein außerordentlich altertümliches heutiges Volksfest in Rumänien, bei dem ein Hirsch von verkleideten, mit Phallos ausgerüsteten Personen feierlich herumgeführt und dann getötet wird.

Riesenbilder

Es scheint mir sehr wahrscheinlich zu sein, daß die riesenhaften nord­ deutschen Rolandstatuen dieselbe Herkunft haben wie die westeuropäischen Karnevalsriesen, deren frühzeitiges Vorkommen auch auf altgermanischem Boden durch die Felszeichnungen Abb. 86, 87 bezeugt wird. Vgl. meinen

Aufsatz in Arkeologiska studier tillägnade H. K. H. Kronprins Gustaf

Adolf (Stockholm 1932). Der Gott mit den großen Händen

Professor F. R. Schröder lenkte liebenswürdigerweise meine Aufmerksam­ keit auf die bei Hermann Güntert, Der arische Weltkönig und Heiland (Halle a. d. Saale 1923), S. 158ff., vorkommende Charakteristik des in­ dischen Sonnengottes Savitar, wie er im Rigveda geschildert wird. Daraus entnehme ich folgendes: „Nun werden an Savitar besonders seine Hände und seine Finger hervor­ gehoben, wie dies bei keiner anderen Gottheit in dieser Weise geschieht... Vor allem RV II, 38, 2: ,daß alle gehorchen, streckt hoch aufgerichtet 1 Man vergleiche noch den sehr merkwürdigen bronzenen Miniatur-Kult­ wagen mit mehreren Liebespaaren von Costa Figueira in Portugal, der in Forrers Abhandlung in der Zeitschrift Préhistoire I, S. 63, Abb. 21: 4 ab­ gebildet und S. 94 besprochen ist.

Der Gott mit den großen Händen

349

der breithändige seine Arme aus * ... IV, 63, 3: »gebietend hat Gott Savitar die Arme ausgestreckt, mit seinen Strahlen zur Ruhe bringend und wieder erweckend.. .* VI, 71, 5: ,er hat seine goldenen, wohlgebildeten Arme in die Höhe gehoben wie ein Priester .. .* Dann glaube ich Schritt für Sohritt aus den Texten selbst das wundervoll erhabene Bild aufgezeigt zu haben, das bei der Konzeption Savitars ausschlaggebend war: Die erhobenen Hände des Gottes mit den ausgestreokten Goldfingern sind die Sonnen­ strahlen, die bei dem Auf- und Untergang der Sonne am Horizont auf­ leuchten, insbesondere wenn nur ein Teil der Sonnenscheibe sichtbar ist,

der als Handfläche gedeutet wird ... eB ist die Geb&rde des Befehlens und zugleich doch eine zaubervoU-majestätische, gleichsam den Segen er­ teilende Ausdruoksbewegung, wobei der Mensch den sonst so unzugäng­ lichen, unsichtbaren königlichen Weltenmagier in seiner Wirksamkeit un­ mittelbar zu belausohen glaubt.“ Dies alles bildet ja die schlagendsten Parallelen zu den großhändigen, männlichen Gestalten unserer Felszeichnungen. Wenn Güntert den goldfingerigen Savitar mit der rosenfingerigen Eos bei Homer vergleicht, so können wir uns erinnern, daß Bing schon längBt die letztere zum Vergleich mit den weitgespreizten Fingern jener Gestalten herangezogen hat. Die Vedastelle VI, 71, 5 belehrt uns ganz besonders klar über den engen Zu­ sammenhang zwischen den Gebärden des fungierenden Priesters und der Darstellung des Gottes in Wort und Bild (vgl. oben S. 141, 293 f.). Diese Charakteristik des Gottes Savitar zeigt uns, daß der großhändige Gott zu den rein indogermanischen Zügen der nordischen Bronzezeit­ religion gehören dürfte. Wenn also die große Hand mit den gespreizten Fingern die aufgehende Sonne symbolisiert, die Axt oder der Speer dagegen den Blitz, so dürften die Gestalten Abb. 38 und 92—94 die von Montelius behauptete Identität des bronzezeitlichen Sonnen- und Donnergottes geradezu beweisen (vgl. oben S. 314). Diese Feststellung verhindert keineswegs die Annahme orientalischer Einflüsse (vgl. das oben S. 290 über den Axtkult Gesagte). Daß man schon bei den urindogermanisohen Göttervorstellungen mit der Möglichkeit gewisser Beeinflussungen seitens der orientalischen Ackerbau­ religionen rechnen kann, geht ohne weiteres daraus hervor, daß sich der Ackerbau schon im Neolithikum vom Orient über den größten Teil Europas verbreitet hat.

Nachtrag (B) zur deutschen Ausgabe

350

Die vermummten Gestalten des Kivikdenkmals In Fornvännen 1932,

S. 378ff. zieht V. Severin einen sehr beachtens *

werten Vergleich zwischen den auf den Kivikplatten 7 und 8 (Abb. 117—118

oben) in zwei Reihen vorkommen * den eigentümlichen Gestalten und

gewissen

griechischen

Tonidolen,

von denen Abb. 164 ein typisches Beispiel

darstellt.

Nach

Severin

stellen beide Bilderarten Seelenvögel

dar, und er verweist auf die weite

Verbreitung dieser Vorstellung. Für

mein Teil möchte ich vermuten, daß die Gestalten der Kivikplatten Teil­ nehmer an

der Leichenfeier dar­

stellen, die als Ahnen in Vogelgestalt vermummt waren und an dem Opfer­ schmaus beteiligt wurden. Auch die

eigentümliche Form der griechischen

Vogelidole verstehen wir wohl am besten, wenn wir annehmen, daß sie eigentlich

als

Vögel

vermummte

Menschen wiedergeben, die in den

Abb. 164. Boeotisches spätgeomelrisches l'onidol aus den Sammlungen der Uni­ versität Lund.

Leichenprozessionen auftraten. Dies könnte eine Vorstufe der römischen Sitte sein , in den Leichenprozessionen

als Ahnen verkleidete Menschen auftreten zu lassen obwohl sie in dieser Spätzeit mit Porträtmasken und Amtskleidern ausgerüstet waren.

Zur Datierung der nordischen Felszeichnungen Betreffs der von mir in Hällristningar och kultbruk S. 206 (= S. 222 oben) nach Montelius gegebenen Datierung der Axtbilder von Simris (Abb. 89, 96) hat Ekholm in seinem Aufsatze Bronsälderns hällristningar in dem

Sammelwerke Nordisk Kultur, Band XXVII, Konst (Stockholm 1931),

S. 92, bemerkt, daß jene Ansetzung fehlerhaft sei, weil der norwegische Forscher A. Björn jetzt bewiesen habe, daß solche Äxte nicht dem Anfang, sondern dem jüngeren Teil der Bronzezeit angehören. An der betreffenden

Zar Datierung der nordisohen Felszeichnungen

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Stelle (üniversitetets Oldsakssamlings Skrifter II, Oslo 1929, S. 57f.) sucht Björn zu beweisen, daß die großen Votiväxte aus Bronze, die wohl in religiösen Aufzügen getragen wurden, sämtlich erst der jüngeren Bronzezeit entstammen. Besonders bespricht er dabei die von Montelius in Minnen Abb. 817 abgebildete und in die erste Periode angesetzte, sehr dünne und reich verzierte Axt. Diese will nun Björn wegen der Ornamentik erst in die fünfte Periode von Montelius (= Müllers achte Zeitgruppe) setzen; es soll nach ihm eine mit nordischer Ornamentik der letztgenannten Periode ver­ sehene Nachbildung eines ziemlich späten italienischen Typus sein. Aber die betreffende Ornamentik ist in der Tat keineswegs nordisch, sondern ungarisch. Diese von mir Beit langer Zeit gehegte Auffassung hat mir mein Kollege Sune Lindqvist völlig bestätigt, indem er auf Hampel, A bronzkor emläkei magyar-honban, Taf. XX, LXXXIIIff., CLXXXII, CCL hin­ weist. Die Votivaxt Minnen 817 muß also von den Gesichtspunkten der ungarischen Chronologie aus datiert werden; jedenfalls ist sie älter als die nordische Periode V. Die von mir als nächstes Gegenstück zu den Simrisäxten hervorgehobene, 36,6 cm lange Randaxt Minnen 796 wird von Björn gar nicht berücksichtigt; sie muß doch unbedingt eine Votivaxt sein und gehört dem Ende der Periode I an. Ich finde also nicht den ge­ ringsten Grund, die Monteliussche Datierung der Axtbilder von Simris auf­ zugeben. An zwei Orten, K&rstad an der Westküste Norwegens und Himmelstadlund bei Norrköping, hat man vor kurzem Inschriften mit älteren Runen in unmittelbarer Nähe von Schiffsbildern der gewöhnlichen bronzezeitlichen Art entdeckt. Es erhebt sich da die wichtige, wohl nicht ganz leicht zu entscheidende Frage, ob hier wirklich Gleichzeitigkeit vorliegt, Bo daß solche Schiffsbilder noch einige Jahrhunderte n. Chr. ausgeführt worden wären, oder ob alte Schiffsbilder die Runenritzer herangelockt haben. Vgl. Magnus Olsen og Haakon Shetelig, KAretadristningen (Bergens Museums Arbok 1929); Arthur Nordän, HällristningBtraditionen och den urnordiska runskriften (in Arkeologiska studier tillägnade H. K. H. Kronprins Gustaf Adolf, Stockholm 1932). Die Annahme, daß die naturalistischen, jagdmagischen Felszeichnungen Norwegens neolithischen Alters sind, ist neulich durch eine wichtige Be­ obachtung gestützt worden. Auf der Insel Rodoy in Helgoland (zwischen

66° und 66° n. Br.) entdeckte man eine solche Ritzung, die der oben S. 338

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Nachtrag (B) zur deutschen Ausgabe

genannten von Evenhus sehr ähnelt, und nur 35 m davon, in gleicher Höhe über dem Meere, fand man eine steinzeitliche Ansiedlung mit Schiefer * messern und dergleichen (siehe Th. Petersen in Videnskabemes Selskabs Forhandlinger m, Nr. 29, S. llöff., Trondheim 1930). Über die naturalistischen Felszeichnungen vgl. nooh den übersichtlichen

Artikel von Johs. Bee in Nordisk Kultur XXV11 sowie das Tafelwerk des­ selben Verfassers, Felszeichnungen im westlichen Norwegen I, Die Zeichnungsgebiete in Vingen und Heneya (Bergen 1932). Das Alter des Yonisymbols In der E. Kuhn gewidmeten Festschrift: Aufsätze zur Kultur- und Sprach­ geschichte vornehmlich des Orients (Breslau 1916), hat W. Foy dargelegt, daß das Wort „Yoni“ im Big-Veda nicht nur in der ursprünglichen Be­ deutung „vulva“, sondern auoh in der übertragenen als „Opferstätte“ und besonders Feuerherd verwendet wird. Er erwähnt auch (S. 425, Anm. 1), daß der Feuerherd im RV. IV, 3, 2 mit einer Frau verglichen wird, die nach dem Gatten verlangt. Es ist also unverkennbar, daß die Symbolik, die den heute gebrauchten Yonigeräten zugrunde liegt, schon in vedisoher Zeit vorhanden war. Dies verstärkt bedeutend die Wahrscheinlichkeit dafür, daß auch die im Neo­ lithikum entstandenen Schalengruben vom Anfang an dieselbe Bedeutung gehabt haben, und der Umstand, daß auch der Feuerherd als Vulva be­ zeichnet wird, Btützt die oben S. 244 gemachten Zusammenstellungen. Daß diese Opferschalen und Feuerherde vom Anfang an absichtlich als vulvae geformt wurden, finde ich viel wahrscheinlicher als die Annahme FoyB, daß die Ypniplatten wie die ägyptischen Opfertische (mit denen ja Hammarstedt und Ekholm auch unsere Schalengruben zusammenstellten) ursprünglich nur praktische Einrichtungen für Libationen waren und erst sekundär mit einer Vulva verglichen wurden. Professor J. Charpentier, der mich auf den Aufsatz Foys freundlichst hinwies, teilt diese meine Ansicht, indem er die Ausführungen von K. F. Johansson, Über die altindisohe

Göttin Dhisäna, S. 51 ff. heranzieht1. • 1 Wahrscheinlich als Yonis zu deutende Steinringe sowie Lingas treten zahlreich in der neuentdeckten Indus-Kultur aus der Zeit um 3000 v. Chr. auf (J. Marshall, Mohenjo-Daro and the Indus Civilization, London 1931).

Bildliche Jagdmagie im heutigen Afrika

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Bildliche Jagdmagie im heutigen Afrika (zu S. 248 ff.) Zur Erklärung der nordafrikanischen Felszeichnungen hat L. Frobenius in seinem Werke: Das unbekannte Afrika (München 1923), S. 34f., ein höchst lehrreiches Ereignis angeführt, das er unter den afrikanischen Pygmäen erlebt hat. Dieser Berioht, auf den mich Dr. Hanna Rydh freund­ lichst hinwies, lautet wie folgt: Im Jahre 1905 traf ich in dem Urwaldgebiet zwischen Kassai und Luebo auf Vertreter vom Plateau in die Zufluchtsorte des Kongourwaldes verdrängter Jägerstämme, die als Pygmäen so berühmt geworden sind. Einige der Leute, drei Männer und eine Frau, geleiteten die Expedition etwa eine Woche lang. Eines Tages — es war gegen Abend, und wir hatten uns schon ausgezeichnet miteinander angefreundet — war einmal wieder große Not in der Küche, und ioh bat die drei Männlein, uns noch heute eine Antilope zu erlegen, was ihnen ja als Jäger ein Leichtes sei. Die Leute sahen mich ob dieser Ansprache offenbar erstaunt an, und einer platzte dann mit der Antwort heraus, ja, das wollten sie schon sehr gerne tun, aber für heute sei es natürlich ganz unmöglich, da keine Vorbereitungen getroffen seien. Das Ende der sehr langen Verhandlung war, daß die Jäger sich bereit erklärten, am anderen Morgen mit Sonnenaufgang ihre Vorbereitungen zu treffen. Damit trennten wir uns. Die drei Männer gingen dann prüfend umher und zu einem hohen Platze auf einem benachbarten Hügel. Da ich sehr gespannt war, worin die Vorbereitungen dieser Männer denn nun bestehen würden, stand ich noch vor Sonnenaufgang auf und schlich mich in das Gebüsch, nahe dem freien Platze, den die Leutchen gestern abend für ihre Maßnahmen ausgewählt hatten. Noch im Grauen kamen die Männer, aber nicht allein, sondern mit der Frau. Die Männer kauerten sich auf den Boden, rupften einen kleinen Platz frei und strichen ihn glatt. Dann kauerte der eine Mann nieder und zeichnete mit dem Finger etwas in den Sand. Während dessen mur­ melten die Männer und die Frau irgendwelche Formeln und Gebete. Danach abwartendes Schweigen. Die Sonne erhob sich am Horizont. Einer der Männer, mit dem Pfeil auf dem gespannten Bogen, trat neben die entblößte Bodenstelle. Noch einige Minuten und die Strahlen der Sonne fielen auf die Zeichnung am Boden. Im selben Augenblick spielte sich blitzschnell folgendes ab: die Frau hob die Hände wie greifend zur Sonne und rief laut einige mir unverständliche Laute; der Mann schoß den Pfeil ab; die Frau rief noch mehr; dann sprangen die Männer mit ihren Waffen in den Busch. Die Frau blieb noch einige Minuten stehen und ging dann in das Lager. Als die Frau fortgegangen war, trat ich aus dem Busoh und sah nun, daß auf dem geebneten Boden das etwa vier Spannen lange Bild einer Antilope gezeichnet war, in deren Hals nun der abgeschossene Pfeil steckte. Während die Männer noch fort waren, wollte ich zu dem Platze gehen, um den Versuch zu machen, eine Photographie von dem Bild zu gewinnen. Die immer in meiner Nähe sich aufhaltende Frau hinderte mich aber daran und bat mich inständigst, dies zu unterlassen. Wir marschierten also ab. Am Nach­ mittag kaman die Jäger mit einem hübschen Buschbocke uns nach. Er war ▲ lmgren, Nordische Felarelchnungen als religiöse Urkunden. 23

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Nachtrag (B) zur deutschen. Ausgabe

durch einen Pfeil in die Halsader erlegt. Die Leutchen lieferten ihre Beute ab und gingen dann mit einigen Haarbüscheln und einer Fruohtschale voll von Antilopenblut zu dem Platz auf dem Hügel zurück. Erst am zweiten Tage holten sie uns wiederum ein und abends bei einem schäumenden Palmwein konnte ich es wagen, mit dem mir vertrautesten der drei Männer über diese Sache zu sprechen. Der — schon ältere, jedenfalls von den Dreien der älteste — Mann sagte mir nur einfach, daß sie zurückgelaufen waren, die Haare und das Blut in das Antilopenbild zu streichen, den Pfeü herauszuziehen und dann das Bild zu verwischen. Vom Sinn der Formeln war nichts zu erfahren. Wohl aber sagte er, daß das „Blut' * der Antilope sie vernichten würde, wenn sie das nicht so machten. Auch das Auslöschen müsse bei Sonnenaufgang geschehen. — In­ ständig bat er mich, der Frau nicht zu sagen, daß er mit mir darüber gesprochen habe. Er schien große Furcht vor den Folgen seines Schwätzens zu haben, denn am anderen Tage verließen uns die Leutchen, ohne sich zu verabschieden, fraglos auf seine Veranlassung, denn er war der eigentliche Führer der kleinen Gesellschaft. Wer mit diesen Beobachtungen vergleicht, was ich in der Atlantis­ ausgabe der afrikanischen Volksdichtungen Bd. I, S. 14/16 als Rest des Blut­ glaubens bei den alten Kabylen in Algerien erzählt habe, wer dazu bedenkt, daß spanische Fe labilder Tiere mit cingezeichnetem Herz oder mit Pfeilspitze in der Herzgegend zeigen (vgl. Textabbüdung S. 29), und wer sich endlich vergegenwärtigt, daß auch die kleinafrikanischen und saharischen Felsbilder zumeist Tiere zeigen und daß für ihre Anbringung Stellen bevorzugt wurden, die den ersten Strahlen der Morgensonne ausgesetzt sind, der muß dann wohl eine zusammenfassende Beziehung zwischen den Sittenresten heute in den Urwald gedrängter Afrikaner und den Resten der älteren Steinzeit Afrikas erblicken.

Schiffzeichnimg im Sande S. 263f., 272f. habe ich hervorgehoben, daß die nordischen Bildzeiohnungen auf Stein und Bronze eine ähnliche, weitverbreitete Kunstausübung in vergänglichem. Material voraussetzen müssen. Daß Schiffszeichnung im Sande zu magischem Zweck einmal im Norden vorgekommen ist, wird viel­ leicht durch eine Volkssage angedeutet, die im 17. Jahrhundert in Schonen aufgezeichnet wurde (vgl. Dybeck, Runa 1844, S. 61). Die Sage gilt der oben S. 193, Anm. erwähnten großen schifförmigen Steinsetzung von KAseberga unweit YBtad. Diese soll von einem Riesen durch Zauberkünste errichtet worden sein, und von demselben Riesen wird folgendes beriohtet. Als er einmal in Gefahr war, gefangen zu werden, zeichnete er ein Schiff in den Sand, sprach eine Beschwörung aus und war sogleich „in salvo" auf dem Meer draußen.

Jetzige rituelle Benutzung alter Folamaloroien in Ostafrika

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Jetzige rituelle Benutzung alter Felsmalereien in Ostafrika

Im Märzheft der Zeitschrift Man 1931 machte A. T. Culwick eine kurze, aber höchst wichtige Mitteilung unter dem Titel: Ritual Use of Rock Paintings at Bahi, Tanganyika Territory. Die Kenntnis dieses Aufsatzes verdanke ich meinem Kollegen Axel W. Persson.

An drei Stellen in der Nähe von Bahi finden sich in Felsnischen alte Malereien in weißer Farbe. Zwei Männer aus dem jetzt in dieser Gegend wohnenden Gogostamme erzählten dem Verfasser, daß diese Malereien von einem anderen, durch ihre Vorfahren verjagten Stamme ausgeführt wären, der daselbst Kühe zu opfern pflegte; der letzte Häuptling dieses Stammes hieß Wamia. Mit dem Fette der Kühe hätten sie die Malereien ausgeführt, und diese hätten in irgendeinem den Berichterstattern unbekannten Zu­ sammenhang mit der Religion jenes Stammes gestanden. Der Gogostamm betrachte diese Plätze immerfort als heilig und bringe daselbst Opfer dar („tambika“). „When we do this, we pray to Mulungu for rain and we get it. When we .tambika * we use the fat of the beast sacrificed and with this we brush over the ancient signs, following the lines drawn by Wamia. Ab to what the piotures represent and why they were painted, we do not know now. Only Wamia and his people knew, and they have gone. (It was stated, that this lack of knowledge did not affect the magical efficacy of the ritual.)“ — Aus der Häuptlinggenealogie des Gogostammes schließt Verfasser, daß die Vertreibung Wamias aus der Gegend vor etwa 250 Jahren geschehen sei. Über entsprechende Gebräuche bei einem heutigen Splitter des Wamia-

stammes hat Verfasser von einem eingeborenen Polizisten, der diese Leute besucht hatte, folgendes erfahren: „The present Wamia have funeral rites of an unusual type. When a distinguished man or woman dies, a rock is tambika’d. All the elders assemble and drink native beer, which they spit out on the rock. The fat from the sacrificial animals, cattle or sheep, is melted in a pot and a brush is made by beating the end of a stick. The principal elder among those present then takes the brush, dips it in the melted fat and in this medium paints a picture of the deceased on the rock. He also paints representations of some of the dead man’s property, such as cattle, gourde (Kalebassen), pestles and mortars, personal ornaments etc. (Unter den Bahimalereien konstatiert Verfasser Bilder von Vieh, Schemeln, * 23

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Nachtrag (B) zur deutschen Ausgabe

einer Hacke, Kalebassen, einem Pfeil, einem Vogel, Hängeschmuck und vielleicht einem Butterfaß.) The picture is then completely screened with branches, and the elders call all the inhabitants. A large quantity of beer is brewed and a dance is held with feasting and drinking. In times of drought, the elders visit the paintings, bringing with them a black robe, a black cow and a black sheep. Beer is brewed and is poured out on the ground. The sacrificial animals are then killed, and their blood is smeared out on the rock, after which the elders pray to the deceased saying: — ,we have given you these gifts, give us rain *. The elders and their children eat the meat of the sacrifice, but the children may not eat the meat on the spine. After this the entrails of the animal are placed at the bottom of the rock with the black robe and some tobacco, and the whole company dances back to the village. In the event of a witchdoctor dying, he is always depicted as a snake.“ Verfasser fand einen Teil der Bahimalereien neuerlich mit Fett bestrichen, und die zuletzt in dieser Weise behandelten waren mit Zweigen überdeokt. Er fährt fort: „The present inhabitants do not understand the meaning of these ceremonies, but they have absolute faith in their efficacy. They say; .When we tambika, we get all we ask for, be it ohildren or rain or anything else. * — One fact remains beyond question. There are at Bahi rock-paintings which figure in religious ceremonies, in connexion with sacrifices for rain and for other needs. Whatever they may have meant to the original painters, they undoubtedly have a deep religious significance for the people living round them. They thus afford definite evidence of the ritual use of rock paintingB.“

Waren auch die nordischen Felszeichnungen den Ahnen als Fruchtbar­ keitsspendern gewidmet ? Wolfgang Schultz hat in seinem Aufsatze: Dio religiöse und geistige Kultur der germanischen Bronzezeit I1 die Auffassung ausgesprochen, daß die Felszeichnungen in erster Hand den Toten als Fruchtbarkeitsspendern ge­ widmet waren, wenn auch in späterer Zeit der Götterkult in großer Aus­ dehnung hinzugekommen ist. Aus dem Glauben verschiedener indogerma1 Jahreshefte der Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der preu0. Oberlausitz, Bd. III, Heft II, Görlitz 1020.

Waren auch die nordischen Felszeichnungen den Ahnen gewidmet ?

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nischer Völker sowie auch der Finnen führt er Beispiele dafür an, daß man die Ahnen als Förderer des Wachstums betrachtet hat. Ekholm weist in seinem oben erwähnten Artikel in Nordisk kultur XXVII auf diese Aufi faBsung als eine Synthese zwischen seiner und meiner Betrachtungsweise hin. Auch ich finde diesen Ausweg sehr beachtenswert; nur fällt es mir fort­ während schwer, zu glauben, daß hier der Totenkult das Primäre Bei. Eher möchte ich vermuten, daß man die Ahnen den unterirdischen segenspenden­ den Naturwesen zugezählt und gleichgestellt hat. Zur Beleuchtung dieser Frage ist eine kürzlich erschienene vorläufige Untersuchung über die hier­ hergehörigen Vorstellungen auf Island von großem Belang.

Landvattir, alfar, disir und Helgafell Dag Strömbäck veröffentlicht in der vom Verein Sverige-Island heraus­ gegebenen Schriftenserie Island (I, Upsala 1931) eine kurze, aber sehr inhalt­ reiche Studie über die älteren und neueren isländischen Vorstellungen von Schutzgeistern des Landes und des Bodens. Einige komplettierende Hinweise und Bemerkungen hat er mir liebenswürdigerweise schriftlich mitgeteilt. Schon in einem früheren Aufsätze (in der Festskrift tillägnad Axel Häger­ ström, Upsala 1928, S. 202, Anm. 1) hatte er hervorgehoben, daß die in der Landnämabök mehrmals auftretenden Vorstellungen von „landvattir“ als Schutzgeistem des bisher von Menschen unbewohnten Landes sich unmöglich mit der von vielen Forschem gehegten Ansicht vereinigen lassen, daß alle solche unterirdischen Wesen vom Anfang an als Tote zu erklären seien. In den Fomaldaraögur und im neueren isländischen Volks­ glauben werden die entsprechenden Wesen „alfar ** genannt. Auch die stets weiblichen „disir“, die in der alten Literatur meistens als eine Art persönliche Schutzgöttinnen auftreten, haben in den neueren Volksvorstel­ lungen ihr ursprüngliches Wesen als Natuigeister deutlich bewahrt. Kälund (Hist.-topogr. Beskr. over Island I, S. 580, Anm. 1) führt nach einem Be­ richt vom Jahre 1818 an, daß in gewissen Gegenden Islands sogenannte Landdisasteinar vorkommen, in denen die Landdisen wohnen, die man nicht stören darf. In der Kristnisaga, Kap. 2, wird von einem Steine berichtet, dem Kodran und seine Familie zu opfern pflegten; er glaubte, daß sein „ärmadr“, d. h. „Jahrwuchsmann , ** darin wohnte. In der Landnämabök, Kap. 375, wird von einem neuangesiedelten Manne erzählt, daß im Traume ein Berg-

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Nachtrag (B) zur deutschen Ausgabe

bewohner zu ihm kam und ihm ein Bündnis anbot; dann gediehen seine Ziegenherden gewaltig, und hellsehende Leute sahen, wie alle Landwichte ihn nach dem Thing und seine Brüder bei Jagd und Fischfang begleiteten. Das waren natürlich keine Ahnen! Die Eyrbyggjasaga (Kap. 4) berichtet von einem Manne, der sich auf ThorsneB ansiedelte; da war ein Berg

(ein hoher Basaltkegel), dem er große Ehrfurcht erwies und den er Helgafell nannte. Er glaubte, daß er und seine Verwandten nach ihrem Tode dort hinkommen sollten. Mit dem vorigen zusammengestellt zeigt dieser Be­ richt, daß man an die Aufnahme der Toten bei den Landwichten glaubte. Wie man den Alfen opferte, wird in der Kormaks saga (Kap. 22) ge­ sagt. Ein verwundeter Mann kommt zu einer Wahrsagerin, um geheilt zu werden. Sie sagt: „Nicht weit von hier ist ein Hügel, in dem Alfen wohnen. Diesen Hügel sollst du außen mit dem Blut eines Stieres röten und den Alfen vom Fleisch eine Mahlzeit bereiten; dann wirst du genesen.“ Daß es sich hier um einen natürlichen Hügel, nicht um einen Grabhügel handelt, zeigt die Verwendung des Wortes „höll“, das nur die erstere Bedeutung hat. Es ist klar, daß die Ansiedler Islands diese Vorstellungen aus Norwegen mitgebracht hatten, wo diese zweifelsohne uralt waren. Auch für Norwegen liegen wichtige literarische Belege vor. Das Gulathing-Gesetz verbietet den Glauben, daß es Landwichte in Hainen, Hügeln und Wasserfällen gebe. Hier wird für Hügel das Wort „haugr“ benutzt, das gewöhnlich Grab­ hügel bedeutet; es scheint also hier eine gewisse Vermischung zwischen Naturwesen und Toten vorzuliegen. Von Olaf, einem Sohne des Königs Harald Haarfager, berichtet die Flateyjarbök (II, S. 7), daß seine Untertanen ihm nach seinem Tode Opfer für den Jahrwuchs darbrachten und ihn Geirstadaalf nannten. Eine sehr interessante Parallele dazu ist es, daß man in Schweden etwa ein halbes Jahrhundert früher als einen Gegenstoß gegen die Bekehrungsarbeit Ansgars vorgeschlagen batte, den verstorbenen König Erik unter die Schutzgötter des Landes aufzunehmen (Rimbert, Vita Anskarii, Kap. 26). Wie man natürlich aus dieser Tatsache unmöglich schließen kann, daß da­ mals alle Götter als einmalige menschliche Könige aufgefaßt wurden, so darf man ebensowenig aus der Geschichte von Olaf Geirstadaalf den Schluß ziehen, daß alle Alfen ursprünglich tote Menschen waren. Da es in Rolf Krakes Saga, Kap. 47 von Skuld heißt, daß sie überaus zauberkundig war, weil sie von mütterlicher Seite den Alfen entstammt,

Waren auch die nordischen Felszeichnungen den Ahnen gewidmet ?

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so wäre es ja sinnlos, wenn dies bedeuten sollte, daß sie von Toten her * stamme. In der Edda (zum Beispiel Völuspä 49, Alvissmäl 11, 13) werden die Alfen mit Äsen, Vanen, Riesen und Zwergen, also mit reinen Naturwesen parallelisiert. Snorri führt in seiner Heimskringla (Saga Olafs des Heiligen, Kap. 92), ein Gedicht des Skalden Sighvat an, in dem dieser seine Reise durch West * götland beschreibt. Als er einmal Nachtquartier suchte, verweigerte die Hausfrau ihm den Eintritt, weil man drinnen „alfa blöt“ betreibe und sie sich vor dem Zorn Odins fürchte. Aus dieser Erzählung hat Salin (im Werke Uppland I, S. 222) den Schluß gezogen, daß die Alfen als Geister der Verstorbenen zu deuten sind, weil Odin in der volkstümlichen Auf * fassung Totengott war. E. Birkeli hat in seiner sehr bedeutsamen Arbeit „Högssstet“ (Stavanger 1932), von derselben Textstelle ausgehend, die Ansicht ausgesprochen, daß aller Hauskult den Ahnen gegolten hat. Daß diese Auffassung strittig ist, zeigt eine Untersuchung von G. Landtman (in der Schriftenserie :Folkloristiaka och etnografiska studier HI.Hälsingfore 1922) über den in Schweden früher allgemein verehrten Hausgeist „tarn­ ten“; er kommt (S. 46) zu dem Ergebnis, daß dieser der Hauptsache naoh als ein Naturwesen zu betrachten ist, wenn er auch von dem Glauben an das Fortleben des menschlichen Geistes beeinflußt worden ißt. In derselben Schrift macht Landtman sehr bedeutsame Bemerkungen über das allgemeine Verhältnis zwischen dem Ahnenkult und dem Kult der Naturwesen (S. 20f., 44f.). Er stellt fest, daß die ältere, von Herbert Spencer ausgehende Anschauung vom Ahnenkult als dem Ursprung aller anderen Religionsformen nunmehr als überwunden betrachtet werden muß. Immer zahlreichere Forscher, zum Beispiel 0. W. von Sydow in Schweden und Uno Holmberg in Finnland, sind dafür eingetreten, daß Naturkult und Ahnenkult zwei selbständige Parallelerscheinungen waren, die beide von dem Seelenglauben ausgegangen sind, aber im Laufe der Zeit vielfach aufeinander eingewirkt haben. Vielleicht könnte man sich den Vorgang folgendermaßen vorstellen. Schon früh ist man darauf gekommen, das sich immer erneuernde Wachs­ tum dem Wirken lebender, in der Erde wohnender Wesen zuzuschreiben. Als man begonnen hatte, die Toten in die Erde niederzulegen, konnte sich leicht allmählich die Frage einstellen, ob nicht jene das Wachstum fördern-

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Nachtrag (B) zur deutschen Ausgabe

den Wesen eigentlich mit den begrabenen, aber wiederbelebten Toten identisch seien. Bei manchen Völkern ist diese Anschauung dermaßen durch« gedrungen, daß der Fruchtbarkeitskult gänzlich in den anfänglich neben

ihm bestehenden Ahnenkult aufgegangen ist. Bei anderen Völkern wiederum, so bei den Skandinaviern, haben die unterirdischen Wesen ihren Charakter von Naturwesen deutlich beibehalten, aber man stellte sich vielfach vor, daß die Toten ihnen zugesellt wurden. Was ist nun der Unterschied zwischen landvettir, alfar und disir ? Die Landwichte sind die typischen kollektiven Schutzgeister des Landes und des Bodens. Die Alfen gleichen ihnen, aber die Vorstellungen über sie sind reicher ausgefarmt und den menschlichen Verhältnissen naohgebildet; sie haben Familien und Haushalt, sie können Geschlechtsverbindungen mit den Menschen anknüpfen, wobei die Nachkommen sehr zauberkundig werden. Umgekehrt werden gewisse verstorbene Menschen, denen man eine besondere Kraft zuschrieb, zuweilen den Alfen zugezählt. Wenn in dem Reisegediohte Sighvats Odin als Beschützer des Alfenopfers bezeichnet wird, so beruht das wohl weniger darauf, daß er Totengott, als darauf, daß er, wie die Ortsnamen lehren, Hauptgott der Götländer war (freilich als Nachfolger des oben behandelten Gant). Die Disen wiederum sind ausschließlich weiblich. Sie haben die Tendenz, sioh einerseits zu speziellen Schutzgöttinnen einzelner Personen oder Ge­ schlechter zu entwickeln, andererseits zu Einzelgöttinnen der Fruchtbar­ keit, wie die Wanadis Freyja, die mit einem Bruder Frey zusammen ein typisches göttliches Brautpaar bildet. Die kollektiven Disen dagegen scheinen mit dem älteren Fruohtbarkeits- und Donnergott Thor verbunden gewesen zu sein (vgl. oben S. 213). Sowohl dem Namen als dem Wesen nach hat sie K. F. Johansson in seiner mehrfach erwähnten Abhandlung (S. 101 ff.) mit der altindisohen Vegetations- und Erdgöttin Dhi$apä zu­

sammengestellt, deren Name ursprünglich Saugung, Nahrung oder der­ gleichen bedeutet zu haben scheint. Die Disen waren also ursprünglich mütterliche Erdwesen, die vom Himmelsgott befruchtet wurden. Dem­ nach darf man vermuten, daß das in der Ynglingasaga 33 und der EgilsBaga 44 erwähnte, aber nicht näher beschriebene „disablöt“ in einer Begattungszeremonie bestand, etwa in der Art der Begießung der Yonisymbole.

Zur Bedeutung der Elfenmühlen

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Zur Bedeutung der Elfenmühlen Das im vorigen Abschnitt Angeführte veranlaßt uns, auf die „älvkvarnar“ zurückzukommen. Das in der Kormaksaga beschriebene, zum Heilzweck angestellte „alfabl6t“ ist ein ausgeprägtes Speiseopfer mit Blut und Fleisch. Daß auf Island Elfenmühlen (Schalengruben) vorkämen, habe ich nie erwähnt gefunden; sie gehören ja eigentlich einer älteren Zeitstufe ab der Besiedlung Islands an, obwohl sie in Schweden unter den Grabhügeln der Wikingerzeit auf der Insel Björkö noch vorkommen. Aber die modernen Opferungen in den schwedischen Elfenmühlen bestehen vor aHem im Beschmieren mit Schweinefett, was wohl auch zunächst ab Speiseopfer zu deuten ist, wenn auch eine ursprüngliche BegattungSBymbolik nicht ausgeschlossen wäre. In Indien dagegen können wir über die letztgenannte Bedeutung beim Begießen der Yonisymbole nicht im Zweifel sein. Wie ist nun dieser Widerspruch zu deuten ? Es gibt in der Tat einen für beide Opferarten gemeinsamen Zug: in beiden Fällen handelt es sich um Löcher im Boden für die Aufnahme von flüssigen oder schmierigen Stoffen, denen man ernährende oder befruchtende Kraft zuschrieb. So wäre wohl beim Gebrauch der Schalengruben eine Vereinigung oder Vermischung beider Zwecke nicht undenkbar. Selbst die Schalengruben der Megalith­ gräber könnten, wie oben S. 246 angedeutet wurde, nicht nur NahrungBopfem gedient, sondern auch die Wiedergeburt symbolisiert haben. Doch bt wohl anzunehmen, daß nur der eine dieser Zwecke die erstmalige Erfindung der Sohalengruben veranlaßt hat. Weloher wäre denn dieser? Die Verhältnisse in Indien deuten auf die Begattungssymbolik ab die ursprünglichste; und es wäre nach dem Obigen verlockend, zu vermuten, daß die nordischen Sohalengruben ursprünglich dem Disablöt gedient haben. Aber wir kennen noch allzu wenig von den Schalengruben in ihrem großen, weiten Ausbreitungsgebiet, um etwas Bestimmtes behaupten zu können. Einige neue interessante Beobachtungen über Elfenmühlen in der Umgegend von Göteborg hat J. Alin in Göteb. F. T. 1933 zusammen­ gestellt, wobei er auch ihre kultische Bedeutung bespricht und einen neuzeitlichen Opferbrauch mitteilt. Er erwähnt ferner einen dortigen Fund von zwei Steingeräten, die den indischen Lingam-Yoni-Symbolen ent­ sprechen könnten.

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Nachtrag (B) zur deutschen Ausgabe

Schlußergebnisse Die auf Island vielfach bezeugten, offenbar von den ersten Ansiedlern aus Norwegen mitgeftthrten Vorstellungen von heiligen Steinen, Hügeln und Bergen, in denen SchutzgeiBter des Bodens wohnen und in die auch die verstorbenen Menschen aufgenommen werden, geben uns meines Erachtens die vortrefflichste Erklärung für die skandinavischen, mit heiligen Zeiohen und Bildern geschmückten und dicht bei oder mitten in den Feldfluren gelegenen Felsen. Man vergleiche zum Beispiel die isländischen „landdisasteinar" mit dem oben S. 213 erwähnten Disäsen, an dessen Fuß präch­ tige Felstafeln zu sehen sind. Die älteste Art der auf solchen Steinen und Felsen eingeritzten Zeichen sind die „älvkvaraar“, in denen man noch jetzt den Elfen Opfer darbringt, um geheilt zu werden, und die ihrer Form nach vielleicht ursprünglich als Zeichen der Befruchtung der unterirdischen weiblichen Naturwesen, der Disen, zu erklären sind. Zu diesen Schalengruben gesellten sich dann ver­ schiedenartige Symbole und Bilder der befruchtenden Himmelsmächte. Allem Anschein nach hat man diese Einritzungen an kritischen Zeitpunkten des Jahrwuohses, der Viehzucht und des Menschenlebens ausgeführt, um dadurch die helfende Kraft aller jener Mächte herbeizurufen und fest­ zuhalten. Versuoht man es, unter diesen Kultsymbolen und Kultdarstellungen zwischen den rein indogermanischen und den im Gefolge der ältesten Landwirtschaft aus dem Orient (letztlich wohl aus dem Zweistrom­ lande) eingewanderten Elementen zu scheiden, so dürfte man zu den ersteren die von einem Pferde oder Hirsche gezogene Sonne, den Pferde­ kampf und wohl auch den Gott mit den strahlenförmig gespreizten Fingern zählen können, zu den letzteren wiederum die rituelle Pflügung, den Lebens­ baum, das Sonnenrad, die Donneraxt, das Götterschiff1, die Schlangen 1 Bei der Korrektur finde ich Gelegenheit, Abb. 166 hier einzufügen. Sie wird von fachmännischer Seite als die einzige bekannte Abbildung eines Kult­ schiffes aus dem an bildlichen Darstellungen kultischer Aufzüge so armen babylonisch-assyrisohen Kulturgebiet bezeichnet (vgl. C. F. Lehmann in den Sitzungsberichten der preußischen Akademie der Wissenschaften, 1900, S. 626, E. Unger in Eberts Reallexikon der Vorgeschichte, VIII, S. 330 $ 6, sowie R. Forrer in der Zeitschrift Préhistoire I, S. 103). Das Bild entstammt einem in Armenien gefundenen Siegelabdruck aus dem achten Jahrhundert v. Chr.

Sch lußergebnistv*

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Symbolik, die rituelle Hochzeit und das rituelle Jahreszeitendrama über­

haupt. In zweierlei Gestalt hat sich diese orientalische imitative Fruchtbarkeits­ magie über Europa verbreitet, einerseits als mimische Aufzüge, die viel­ fach noch heute in den Gebräuchen der volkstümlichen Jahresfeste nach­ leben, andererseits als Zeichnungen. Diese wurden gewiß am häufigsten in leicht vergänglichen Materialien ausgeführt. Aber in einigen begrenzten und voneinander durch große Zwischenräume getrennten Gebieten ist man darauf gekommen, sie auch in festere Stoffe wie Stein, Ton und Metall einzuritzen. Die ältesten in Stein eingehauenen Darstellungen dieser Art sind die in einigen neolithischen Gräbern Frankreichs vorkommenden Axt-

AM>. IG.i. Darstellung eines Kult wagens auf einem Siegel aus Armenien.

bilder und schematischen Schiffsbilder. Aus der frühesten Bronzezeit stammen die in den ligurischen Hochalpen in den gewachsenen Felsen ein­ geritzten Zeichnungen, die den daselbst verehrten, über das Wetter walten­ den Himmölsmächten gewidmet waren. Dagegen ist man auf dem Kontinent nicht dazu gekommen, derartige Bilderzeichnungen den auf Feldsteinen und Felsen eingehauenen Schalengruben und Fußspuren beizufügen. Dies ist dagegen in Skandinavien in großer Ausdehnung geschehen. Die ältesten datierbaren skandinavischen Felszeichnungen dieser Art, und stellt einen Kultwagon nebst einem Adoranten und einem Fabelwesen vor. Der Gegenstand auf dem Wagen ist allem Anschein nach ein kleines Boot, auf dem ein bis auf den Wipfel entästeter Baum aufgerichtet ist (vgl. Abb. 11a). Das späte Auftreten des alleinstehenden Bildes darf uns nioht irreführen, da die älteste schriftliche Erwähnung eines babylonischen Kult­ schiffes, über die oben 8. 51 berichtet wurde, schon aus dem dritten Jahr­ tausend herrührt, selbst wenn die dort angegebene Zeit des Königs Gudea nach der allerneuesten Chronologie um oin paar Jahrhunderte herabgesetzt werden muß.

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Nachtrag (B) zur deutschen Ausgabe

die Axtbilder von Simris im östlichen Schonen (Abb. 89, 96), Btammen aus der ersten Zeit der selbständigen nordischen Bronzeindustrie, nach Montelius etwa um 1500 v.Chr.; sie sind ziemlich gleichzeitig mit den ligurischen. Nicht viel junger sind die Grabzeichnungen von Kivik und Villfarahögen in derselben Gegend. Die Grabzeichnungen haben in Skandinavien nur eine ziemlich beschränkte Anwendung erfahren; sie gehen indessen bis Södermanland und Südnorwegen. Die Bildritzungen auf freien Felsfläcben, fast immer mit Schalengruben, oft auch mit Fußspuren vereinigt, haben dagegen eine gewaltige Ausbreitung über Süd- und Mittelskandinavien erhalten und wurden, wenigstens in Bohuslän, noch in der ältesten Eisenzeit ausgeführt. Die ohne Vergleich gewöhnlichste Bildart dieser Felstafeln sind die Schiffe, die in unzähliger Menge vorkommen. Was bedeutet diese unglaub­ liche Fülle? Die mit detaillierten figürlichen Darstellungen versehenen Schiffsbilder stellen unzweifelhaft Kultschiffe dar, und es gibt verschiedene Übeigangsformen zwischen ihnen und den gewöhnlichen einfachen Schiffsbildern. Die natürlichste und folgerichtigste Erklärung der letzteren ist demnach die, daß auch Bie das Schiff des im Frühling wiederkehrenden Fruchtbarkeitgottes vertreten sollen. Es ist ja leicht verständlich, wenn man überall und immer wieder von neuem den Wunsch hegte, dies gesegnete Schiff herbeizurufen. Darum ist es gewiß übertrieben, wenn Schultz an­ nimmt, daß die unerhörte Zahl der Schiffsbilder nur dadurch erklärbar ist, daß die einfacheren von ihnen Totenschiffe darstellten. Andererseits kann man aber die Möglichkeit einer solchen Bedeutung nicht ohne weiteres ausschließen. Selbst der Widerspruch, der zwischen den beiden von Schultz beigebrachten Hauptgesichtspunkten vorhanden ist — einerseits sollen die Felsbilder den in der Erde hausenden, segenspendenden Ahnen gewidmet sein, andererseits sollen sie Fahrzeuge für die Hinfahrt der Toten ins ferne Land der Seligen darbieten —, darf nicht als unstreitiger Gegenbeweis gelten. Denn in allen primitiven Religionen sind solche Widersprüche zwischen Vorstellungen verschiedenen Ursprungs und Alters ja äußerst ge­ wöhnlich. Die ältere Vorstellung, daß die Toten in der Erde oder in Bergen wohnen, hat sich lange neben dem neuen Hinfahrtsglauben erhalten. Man hat fortwährend gewünscht, besonders mächtige und wohlwollende Vor­ fohren in nächster Nähe zu behalten, während man die gewöhnlichen Toten, die man als unheimliche, vielleicht schädliche Wesen betrachtete, am liebsten in die Ferne verabschieden wollte.

SohluOergebniase

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Sogar in einem und demselben Falle kann diese Ideenmischung kon­ statiert werden; nach einer sehr wahrscheinlichen Annahme ist der als Geirstadaalf verehrte Sohn Harald Haarfagers identisoh mit dem in dem berühmten Gokstadschiffe bestatteten Manne. Daß die Vorstellung vom Totenschiffe schon vom Anfang der jüngeren Bronzezeit an, also gleichzeitig mit dem vollständigen Siege der Leichen­ verbrennung, im Norden bekannt geworden war, beweisen die schiffs­ förmigen Gräber Gotlands. Zwischen die Schiffsbilder der spätneolithischen und altbronzezeitlichen Steinkistengräber einerseits und die sicherlich als Totenschiffe zu deutenden Darstellungen der schwedischen Runensteine und Bildsteine der jüngeren Eisenzeit andererseits fällt die große Masse der Schiffsfiguren auf den Felstafeln; da läßt sich kaum die Möglichkeit ver­ neinen, daß auch unter ihnen Totenschiffe vorhanden waren. Somit werden wir wohl nie entscheiden können, ob diese Felstafeln aus­ * schließlich den unterirdischen Naturwesen und den ihnen gleichgesetzten Ahnen sowie den himmlischen Wettermächten gewidmet waren, oder ob sie auch den Nebenzweck hatten, den gewöhnlichen Verstorbenen eine selige Hinfahrt zu erwirken. Dagegen scheint es mir immer unwahrschein­ licher zu werden, daß sie ausschließlich den Toten bzw. den Ahnen galten; dafür sind die Anzeichen vom Kulte der Himmelsmächte allzu zahlreich. Da indessen der Himmelsgott hier allem Anschein nach zugleich als All­ vater oder Urahne (Gautr) verehrt wurde, so dürfte man in der Religion unserer nordischen Felsbildzeichner auch nach dieser Seite hin keine scharfen Grenzen zwischen Naturkult und Ahnenkult ziehen können.

Literaturverzeichnis1 Abkürzungen Aarboger = Aarboger for nordisk Oldkyndighed og Historie, utgivne af Del kongeiige nordiske Oldskrift-Selskab. Kjubenhavn. Aarsberetn. = Foreningon til norsko Fortidamindesintcrkcrs Bcvaring, Aarsberetninger. Kristiania. A. f. R. = Archiv für Religionswissenschaft. Leipzig. AT = Antikvarisk tidskrift för Sverigc, utgiven av Kungl. Vittorhets Historie och Antikvitets Akademien. B = Baltzer, s. unten. Bohusl. Bidr. = Bidrag till kännedom om Göteborgs och Bohusläns fornminnen och historia. Eberts Reallexikon = Reallexikon der Vorgeschichte, unter Mitwirkung zahl­ reicher Fachgelehrter herausgegeben von Max Ebert. Berlin 1924—1932. Göteb. FT = Göteborgs och Bohusläns Fomminnesförenings tidskrift. Jahrb. = Jahrbuch des kais. deutschen archäologischen Instituts. Berlin. MÖF = Meddelanden fr&n Östergötlands fornminnesförening. Linköping. NT = Nordisk tidskrift, utgiven av Letterstcdtska föreningon. Stockholm. Nord. fort. = Nordiske fortidsminder, utgivne af Det kongeiige nordiske Old­ skrift-Selskab. Kjobenhavn. Nord. Mus. Medd. = Meddelanden fr&n Nordiska Musoot. Stockholm. Rev. arch. = Revue archéologique. Paris. SFT = Svenska Forruninnesföreningens tidskrift. Stockholm. Tanums hällr., s. unter Almgren. UFT = Upplands fomminnesförenings tidskrift. Upsala (zitiert nach Bänden, nicht nach Heften). * Johan Alin, Nyupptäckta hällristningar i södra Bohuslän (Göteb. FT 1920). Oscar Almgren, Sveriges fasta fornlämningar fr&n hednatiden. 1 :a uppl., Stockholm 1904. 2 :a uppl., Uppsala 1923. —, Tanums härads fasta fornlämningar fr&n bronsâldem. 1. Hällristningar (Bohusl. Bidr. VIII, häft. 8, 1912). — [Zitiert: Tanums hällr.]. —, Kulthandlingar och kultförem&l framställda p& brons&lderns hällristningar. (Oldtiden VII, S. 192ff.; Referat eines Vortrages auf dem Nordiska arkeologmötet, Kristiania 1916.) —, Ein schwedischer Festbrauch und eine schwedische Felsenzeichnung (in Festschrift, Adalbert Bezzenberger zum 14. April 1921 dargebracht von seinen Freunden und Schülern, Göttingen 1921).

1 In dies Verzeichnis sind Arbeiten aufgenommen, die im Text öfter an­ geführt sind oder auf Hauptpunkte des Gegenstands Bezug haben, oder dio in zu unvollständiger Weise angeführt sind. Nicht aufgenommen sind dagegen verschiedene Schriften von mehr sekundärer Bedeutung für das Thema, die bloß zufällig genannt sind und zwar mit ausreichender Deutlichkeit (wenn auch bei Zeitschriftaufsätzen in der Regel nur die Stolle in der Zeitschrift, nicht der Titel des Aufsatzes angeführt wird). Über die Zeitgrenze des Verzeichnisses s. oben, Vorwort S. IX.

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Vorlagen für die Abbildungen

KAP. 1. Kopfleiste, S. 1. B II, 17—18:1 (vgl. S. 7). Abb. 1. B 0—10:1. ,, 2a. Fornvännen 1922, S. 110, Fig. 19 (nach Holmberg, Fig. 86 - BII, 19:1). „ 2b. B PI. 3. „ 3. B PI. 5—6. „ 4. B 17:2. „ 5. B 1—2:1. ,, 6a, b. Fornvännen 1922, S. 109, Fig. 18 (vgl. Norden, Felsbilder, Taf. 2 u. 4). ,, 7. Tanums hällristningar, Fig. 202 (vgl. B 57—58:3). ,, 8. Tanums hällristningar, Fig. 173 b. „ 9. Tanums hällristningar, Fig. 203 (vgl. B 57—58:2). „ 10. B 1—2:2. „ 11a. Holmberg, Tab. 31, Fig. 95 (vgl. B II, 23:1). ,, 11b. Nordén, Felsbilder, Taf. 4. „ 12a, b. A. P. Madsen, Afbildninger af danske Oldsager og Mindesmærker. Broncealderen. Suiter. Pl. XXIV, Fig. 15 und 14. „ 13a. B 47—48:9. „ 13b. B 18—21:1. „ 13c. Worsaae, Danish Arts, Fig. 131. „ 14a. B 18—21:2. „ 14b. B 25—26:5. „ 14c. B 47—48:6. „ 15. Tanums hällristningar, Fig. 174. ,, 16a. Holmberg, Tab. 3, Fig. 8 (vgl. B II, 10:11). „ 16b. Göteb. FT 1923, Fig. 4. „ 17. B 47—48:3. „ 18. B 31—32:1. „ 19a. B 57—58:1. „ 19b. Tanums hällristningar, Fig. 195a (vgl. B 31—32:1). ,, 20a. Le monde illustré, 12 März 1921. „ 20b. Déchelette, Manuel 11:1, S. 442, Fig. 184:1. „ 21a. Helm, Altgerm. Religionsgeschichto I, S. 384. „ 21b. Nach Photographie. „ 22a. Jahrbuch d. archäol. Instituts, 1912. Beilage 1, Fig. Ill. „ 22b. Nach Boetticher in Philologus 1865, Tafel. „ 23. Dussaud, Fig. 201. ,, 24. Dussaud, Fig. 192. „ 25. Palästinajahrbuch II (1906), Taf. 1. ,, 26a. Nord, tidsskr. 1911, S. 18, Fig. 21. „ 26b. RoBcher, Mythol. Lexikon 1:1, Sp. 652.

Vorlagen für die Abbildungen

Abb. ,, „ ,, „ ,, „ „ „ „ M

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375

27. Budge, The gods of the Egyptians II (London 1904), Tafel bei S. 96. 28. Erman, Aegypten, S. 374. 29a. Le Page Renouf, The book of the dead, Pl. XL. 29b, o. Annales du Musée Guimet 16, Pl. XXVII. 29 d, e. Sethe, Die altägyptischen Pyramidentexte (Leipzig 1910), Nr. 950. 29 f. Le Page Renouf, a. a. O., Pl. XXIII. 30. Flinders Petrie, Naqada and Ballas. Pl. 67, Fig. 11. 31a. Naville (siehe Literatur-Verzeichnis), Pl. XXV. 31 b. Le Page Renouf, a. a. O., Pl. VIII. 32 a, b. Mariette, Denderah TV, Pl. 64, 65. 33. Rawlinson, History of Herodotus II, S. 91. 34. Aarbeger 1881, 8. 371. 35. C. Waldstein, The Argive Heraeum II (Cambridge 1905), Pl. 66, Fig. 1. 36. Moret, Mystères égyptiens, Fig. 45. 37. Göteb. FT 1923, Fig. 6. 38. B H, 1—2:9. 39. SFT X, 8. 293. 40. Nach der S. 74 Anm. angeführten Arbeit, Taf. IX. 41 a. B 4:8. 41b. B II, Pl. 16. 41o. Nordän, Felsbilder, Taf. 39. 42a. B 49—50:2. 42b. B H, 13—14:2. 43. Hoernes, Urgeschichte d. bild. Kunst, Fig. 121. 44a. b. Bohusl. Bidr. II, S. 155, Fig. 7, 8. 45a. BohuBl. Bidr. II, S. 158, Fig. 13. 45b. B Pl. 5—6. 45c. B 11—12:3. 45 d. Nordön, Felsbilder, Taf. 20 a. 46. Marietta, Denderah IV, Pl. 66. 47a. Zeichnung von H. Faith-Ell nach einem von O. Frödin aus­ geführten Abklatsch. 47b, c. MÖF 1923—24, S. 56 f., Fig. 2 b, 3a.

KAP. 2.

Fornvännen 1918, S. 51. Nordén, Östergötlands Brons&lder, S. 195, Fig. 42 (vgl. Fels­ bilder, Taf. 38). 50a—o. Nordén, Östergötlands Bronsälder, S. 194, Fig. 38—40. 51a. B 4:6. 51b. B 7—8:1. 52. Aarbeger 1875, S. 427,Fig. 7. 53. Tanums hällristningar,Fig. 205. 54. B 27—29:7. 55a. B 23—24:1.

Abb. 48. „ 49. „ ,, „ „ „ ., ..

376

Vorlagen für die Abbildungen

Abb. 66b. B 42—43:2. „ 66o. Tanums hällristningar, Fig. 170 (vgl. B 49—50:8). 55d. B 23—24:1. .. 55e. B 26—20:8. 65f, g. B 18—21:1. ,, 66. Beltz, Vorgesohichtl. Altertümer, S. 166, Fig. 12. „ 67. Tanumshällri8tningar,Fig.212(nachLindenschmit,AlterthümerIV). „ 68. Tanums hällristningar, Fig. 211 (nach Nord. Fort. I, PI. X). „ 69. Montelius, Die älteren Kulturperioden II, Fig. 614 (nach Perrot). „ 60. B PI. 6—6. ,, 61a. B H 3—4:18. „ 61b. B 4:8. ,, 01 o. Tanums hällristningar, Fig. 166. 62. Tanums hällristningar, Fig. 197 b (vgl. B 39—40:5). „ 63. Fornvännen 1909, 8. 189. „ 64. Ymer 1908, 8. 408. „ 66. Bohusl. Bidr. HI, 8. 491, Fig. 19. „ 66. Zeichnung von H. Faith-Ell nach einem Abklatsch des Verfassers. „ 67. B 51—52:12. „ 68. Nord. Mus. Medd. 1898, 8. 38. 69. Fataburen 1916, 8. 145. „ 70. Tanums hällristningar, Fig. 197 (vgl. B 39—40:5). „ 71. Tanums hällristningar, Fig. 186 (vgl. B 27—29:7). „ 72. B 65—56:4. „ 73. Tanums hällristningar, Fig. 183 (vgl. B 23—24:1). „ 74. B 27—29:6. „ 75. Tanums hällristningar, Fig. 181 (vgl. B 18—21:1). „ 76. Siehe 8. 115, Anm. 3. „ 77. Tanums hällristningar, Fig. 77 (vgl. B 49—50:3). „ 78. B 30:3. „ 79. B 51—62:2. „ 80. Tanums hällristningar, Fig. 170 (vgl. B 49—60:8). „ 81. B 41:3. „ 82. B n PI. 16. „ 83. Göteb. FT 1923, Fig. 7. „ 84. B 18—21:1. „ 85a, b. Atti della societä ligustica XVIII (Genova 1907), PI. I. ., 86. MÖF 1923—24, 8. 64, Fig. 11a. „ 87. B 18—21:1. ,, 88. B 49—* 50:8. „ 89. AT VI:5, 8. 8. „ 90. MÖF 1923—24, 8. 62, Fig. 8. „ 91. B 4:1. „ 92. B PI. 3. ,, 93. Tanums hällristningar, Fig. 185 (vgl. B 27—29:1). „ 94. SFT VIII, PI. 1. „ 95. B 39—40:2.

Vorlagen für die Abbildungen

377

KAP. 3. Almgren, Sveriges fasta fomlämningar, 2: a uppl., Fig. 42 a (nach L. J. S. Clementz). 97. B II, PI. 7. 98. Issel, Liguria preistorica, S. 516, Fig. 215, 212. 99. B PI. 16. 100. B 47—48:8. 101. A. Nordén, Felsbilder, S. 14, Fig. 8. 102. A. Nordén, Felsbilder, S. 28, Fig. 31. J03. B 9—10:3. 104. Wie Abb. 66.

Abb. 96. „ ,, „ ,, ,, „ „ „

KAP. 4.

Abb. ,, „ „ „ „ „ „

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Le Page Renouf, The book of the dead, Pl. XXV. Le Page Renouf, The book of the dead, Pl. XVII. Newberry, Beni Hassan I, Pl. XXIX. Erman, Aegypten, Tafel bei S. 432. Reisner, Catalogue etc., PI. 18, Nr 4917. Siehe S. 174, Anm. 2. 112. Monumenti antiohi XIX. Nach Hilfelings Tafel in der unter Sven LagerbringB Präsidium in Lund 1780 verteidigten Dissertation: Specimen historicum do monumento Kiwikensi. 114. Naoh Brooomans Zeichnung (vgl. Nordén, Bildg&tan, Fig. 7). 115,116. Gezeichnet von H. Faith-EU nach Gipsabgüssen in Statens historiska museum in Stockholm. 117. Zeichnung desselben nach den Fragmenten in St. hist, museum, komplettiert nach Hilfelings Tafel. 118, 119. Wie 115, 116. 120. Conwentz (siehe Literaturverzeichnis), Taf. IV, Fig. 5. 121. Hoemes, Urgeschichte d. bild. Kunst, Taf. XXXI. 122. Breuil, Le char etc., Fig. 1. 123. Almgren-Nerman, Die ältere Eisenzeit Gotlands, Textfig. 156 d. 124. Praehist. Zeitschr. XI u. XII, S. 184. 125. Rig 1918, S. 206. 126. SFT XI, S. 322. 127. Rawlinson, History of Herodotus II, S. 49. 128. Siehe S. 211, Anm. 129. Revue de l’école d’anthropologie IV, S. 285. 130. MonteliuB, Chronol. d. Alt. Bronzezeit, S. 206, Fig. 501. 131. B 11—12:2. 132. Tanums hAllristningar, Fig. 168. 133 a, b. Jahresschrift für die Vorgeschichte der sächisch-thüringischen Länder VI (Halle 1906), Taf. XVI. 134. Müller, Ordning II, Fig. 143. 105. 106. 107. 108. 109. 110. 111, 113.

Vorlagen für die Abbildungen

378 Abb. „ ., „ „ „ „

136. Baudouin (siehe Literaturverzeichnis), S. 112. 130. MÖF 1923—24, S. 60. 137a—d. Rivett-Carnac (siehe Literaturverzeichnis), PI. III. 138. Siehe S. 43. 139. Simpson (siehe Literaturverzeichnis), PI. 14:3. 140. B 67—68:1. 141. B 23—24:3.

KAP. 6.

Abb. ,, „ „ ,, „ „ „

142. L’Anthropologie XXIII, S. 661. 143. Comptes rendus de l'Académie des Inscriptions 1920, S. 305. 144. Capart, Les débuts etc., S. 193. 146. L’Anthropologie XXIII, S. 669. 146. The Antiquaries Journal 1924, S. 138. 147. Breuil, Le char etc., Fig. 2. 148. Siehe S. 268, Anm. 2. 149—166. Teils nach Montelius, Civ. II, PI. 127 und Text Sp. 605 f., teils nach Issel, Liguria preistorica, Fig. 147, 160, 163, 171, 216.

Nachtrag A Abb. 166.

FomvAnnen 1925, S. 380.

Nachtrag B Abb. „ „ „ „ „

.. „ „

Allere Familj-Journal (HAlsingborg) 1931, Nr. 28. FomvAnnen 1932, S. 260, Fig. 111. Aufnahme von J. Alin. FomvAnnen 1930, S. 10, Fig. 6. FomvAnnen 1930, S. 17, Fig. 7. Veröffentlicht von dem Entdecker A. Boöthius in Bonniers Hlustrerade VArldshistoria I (Stockholm 1926), S. 260, Fig. 167; vgl. Archaeologia, Vol. 82 (1932), PI. XVIII. 163. Gezeichnet von H. Faith-Ell nach einem von J. Alin ausgeführten Abklatsch. 164. FomvAnnen 1932, S. 378, Fig. 194, 196. 166. Sitzungsberichte der preußischen Akademie 1900, S. 626, Fig. 3.

167. 168. 169. 160. 161. 162.

t Altenburg/ ThQr. Plererfcbe Hofbuchbrudiertl Stephan Gelbel & Co.

BefteU«Nr. 7801