Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts: Vorschläge für eine neue Zustellungskonvention [1 ed.] 9783428494484, 9783428094486

Zustellungsrecht ist nicht bloß "technisches" Recht ohne rechtsphilosophisch bedeutsamen Hintergrund. Es dient

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Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts: Vorschläge für eine neue Zustellungskonvention [1 ed.]
 9783428494484, 9783428094486

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Schriften zum Prozessrecht Band 145

Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts Vorschläge für eine neue Zustellungskonvention

Von

Gregor Geimer

Duncker & Humblot · Berlin

GREGOR GEIMER

Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts

Schriften zum Prozessrecht Band 145

Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts Vorschläge für eine neue Zustellungskonvention

Von Gregor Geimer

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Geimer, Gregor: Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts : Vorschläge für eine neue Zustellungskonvention / von Gregor Geimer. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zum Prozessrecht ; Bd. 145) Zugl.: Regensburg, Univ., Diss., 1997/98 ISBN 3-428-09448-4

Alle Rechte vorbehalten © 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-09448-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Für Ewald und Anna

Vorwort Die Arbeit wurde der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg im Juli 1997 vorgelegt und von dieser im Wintersemester 1997/98 als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung wurden bis Juni 1998 nachgetragen. Herrn Professor Dr. Peter Gottwald danke ich fur das interessante Thema und die intensive Betreuung sowie die schnelle Erstellung des Erstgutachtens. Herrn Professor Dr. Ekkehard Schumann bin ich zu Dank verpflichtet, daß er das Zweitgutachten übernommen hat.

München, den 6. September 1998 Gregor Geimer

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel Einleitung

1

A. Gang der Untersuchung

1

B. Gegenstand der internationalen Zustellungshilfe

2

2. Kapitel Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts A. Zustellung als Gradmesser für effektiven Rechtsschutz I.

5 5

Justizgewährungsanspruch

5

II.

Rechtliches Gehör

8

III.

Ausbalancieren der Verfahrensgrundrechte des Klägers und des Beklagten

9

IV. Verschulden kein Kriterium

11

V.

Justizgewährungsanspruch versus Anspruch auf rechtliches Gehör

12

1. Unbekannter Aufenthalt des Beklagten

12

2. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte... 14 3. Grundsatz des "mildesten Eingriffs" VI. Zustellung an Nichtparteien

15 15

1. Beweispersonen

15

2. Streitverkündete

16

3. Pfändung und Überweisung

16

a) Drittschuldner

16

b) Vollstreckungsschuldner

17

VII. Rationelle Verfahrensgestaltung 17 VIII. Umgewichtung der Rechtspositionen zwischen Kläger und Beklagtem durch das geplante Zustellreformgesetz 19 B. Aktive und passive Zustellungshilfe

21

X

Inhaltsverzeichnis I.

Aktive Zustellungshilfe

21

II.

Passive Zustellungshilfe

23

III.

Empfindlichkeiten der kontinentaleuropäischen Staaten

23

IV. Formen der Direktzustellung 1. Konsularische Zustellung

25 25

2. Zustellung unmittelbar durch die Post

26

3. Zustellung von "Gerichtsvollzieher zu Gerichtsvollzieher"

26

C. Wirksame Beschleunigung der Auslandszustellungen

26

I.

Große Lösung

26

II.

Kleine Lösung

27

III.

Keine Lösung

29

D. Unterschiedliche Zustellungstatbestände I.

30

Tatsächliche Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks im Ausland versus fiktive Inlandszustellung mit anschließender Benachrichtigung ins Ausland über die bereits im Inland erfolgte Zustellung 30 1. Deutsches System der effektiven Zustellung

30

2. Französisches Konzept der "remise au parquet"

31

II.

Scheitern der Versuche zur Abschaffung der remise au parquet

33

III.

Unbefriedigender Haager Kompromiß

34

IV. Zustellung durch Aufgabe zur Post im Inland während des laufenden Verfahrens nach Auslandszustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks 38 1. Zustellung durch Einwurf in den Postbriefkasten in Deutschland

38

2. Zeitpunkt der Perfektuierung der Inlandszustellung

39

3. Vereinbarkeit mit dem HZÜ

40

4. Vergleich mit der remise au parquet

40

5. Wegfall der Befugnis zur Zustellung durch Aufgabe zur Post

40

6. Fairneßgebot und Diskriminierungsverbot

41

7. Zustellung von Urteilen und sonstigen Endentscheidungen

42

8. Individuelle gerichtliche Festsetzung der Rechtsmittel- und Rechtsbehelfsfristen 43 9. Hürden fur Wiedereinsetzungsgesuche 10. Vollstreckungsbescheide

44 45

11. Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren 46 a) Gesetzesvorschlag

46

Inhaltsverzeichnis b) Ermessensentscheidung des Gerichts

46

c) Erster Alternativvorschlag: Rücknahme des deutschen Widerspruchs zu Art. 10 lit. a HZÜ 47 d) Zweiter Alternativvorschlag: Der Oberlandesgerichtspräsident als gesetzlicher Zustellungs"bevollmächtigter" 47 e) Dritter Alternativvorschlag: Einschreiben mit Rückschein V.

Ersatzzustellungen

VI. Ausreichender Zustellungsversuch E. Zustellung auf Veranlassung des Gerichts versus Parteizustellung

48 48 50 51

I.

Denkbare Gestaltungen

51

II.

Deutsche ZPO

52

1. ZPO-Novellen von 1909, 1924, 1950 und 1976

52

2. Keine Steuerungsmöglichkeit für die Partei

53

3. Ausführung der Amtszustellung

55

III.

4. Zustellungsersuchen aus dem Ausland

55

Nouveau Code de Procédure civile

56

IV. Codice di procedura civile

56

V.

56

England und Wales

VI. New Federal Rules of Civil Procedure F. Vorbehalt des Gesetzes für Auslandszustellungen

57 57

I.

Zustimmungs-bzw. Ausführungsgesetze zu den Staats Verträgen

57

II.

Vertragsloser Zustellungsverkehr

58

1. Nichtanwendbarkeit der ZPO

59

2. Notwendigkeit eines Gesetzes?

59

3. Stellungnahme

62

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe

62

I.

Zustellungshilfe im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland

62

II.

Entscheidungsverfahren der deutschen Rechtshilfebehörde

63

III.

Bereich der rechtsprechenden Gewalt

64

1. Deutsche Ersuchen um ausländische Zustellungshilfe

64

2. Ausländische Ersuchen um deutsche Zustellungshilfe

65

IV. Formlose undförmliche Zustellung

65

V.

Gründe für die Ablehnung eines ausländischen Zustellungsersuchens

68

1. Ablehnung im Anwendungsbereich völkerrechtlicher Verträge

68

XII

Inhaltsverzeichnis a) Rechtshilferechtlicher ordre public

68

b) Zustellungshilfe auch bei negativer Anerkennungsprognose

69

c) Enger Anwendungsbereich

71

d) Anwendungsbeispiele

72

(1) Überblick

72

(2) Pfândungs- und Überweisungsbeschlüsse

74

(3) Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes

75

(4) US-amerikanische punitive damages-Klagen

76

(5) US-amerikanische Class Actions

77

(6) Antisuit injunctions restraining foreign proceedings

77

(7) Subpoenas

81

e) EU-Zustellungsübereinkommen

81

f) Ablehnungsgründe außerhalb des rechtshilferechtlichen ordre public 83 2. Ablehnung außerhalb des Anwendungsbereichs der völkerrechtlichen Verträge 83

VI.

3. Ergebnis

84

Sprache des Rechtshilfeverfahrens

84

VII. Zustellungszeugnis

84

VIII. Amtshaftung

87

1. Rechtswidriges Handeln der deutschen Rechtshilfebehörden

87

2. Kein Haftungsprivileg nach § 839 II BGB

87

3. Einlegung von Rechtsmitteln als Obliegenheit zur Schadensabwendung 87 4. Erfordernis der Verbürgung der Gegenseitigkeit

88

5. Haftung der Deutsche Post AG und sonstiger Lizenznehmer nach Amtshaftungsrecht 88 IX. Notwendigkeit einer Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks 1. Übersetzungserfordernis bei eingehenden Ersuchen

89 89

a) Förmliche Zustellung

89

b) Formlose Zustellung

93

c) EU-Zustellungsübereinkommen

93

d) Keine Notwendigkeit von Übersetzungen bei Inlandszustellungen. 96 ( 1 ) Zustellung durch Aufgabe zur Post

96

(2) Mitteilung über eine bereits im Gerichtsstaat vorgenommene fiktive Zustellung ("remise au parquet") 96

Inhaltsverzeichnis 2. Übersetzungserfordernis bei ausgehenden Ersuchen H. New Federal Rules of Civil Procedure

97 99

I.

Verantwortung des Klägers für die Zustellung

99

II.

Zustellungspersonen

99

III.

Vorheriger Verzicht auf förmliche Zustellung nach FRCP 4 (d) (waiver of service)

100

1. Verfahren

100

2. Verhältnis zum HZÜ

101

3. Formulare

102

IV. Verfahren bei Klagezustellung ins Ausland gemäß FRCP 4 (f)

103

V.

105

Keine Beifügung einer vollständigen Übersetzung

I. Geltendmachung von Zustellungsmängeln I.

II.

III.

105

Liste häufiger Zustellungsfehler

105

1. Falscher Übermittlungsweg

106

2. Fehlende Übersetzung

106

3. Fehler bei der Durchführung..

106

4. Nicht rechtzeitige Zustellung

107

5. Unerledigte Zustellung

107

6. Fiktive Auslandszustellungen

107

7. Unzulässige fiktive Inlandszustellungen

107

Geltendmachen von Zustellungsmängeln in dem im Gerichtsstaat (Erststaat) laufenden Verfahren 108 1. Der Zustellungsadressat nimmt am Verfahren teil

108

2. Der Zustellungsadressat nimmt am Verfahren nicht teil

108

Geltendmachen von Zustellungsmängeln im Stadium der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung in anderen Staaten 109 1. Zustellungsmängel bei Verfahrenseinleitung

109

a) Doppelte Prüfung der Übermittlung der Klage bzw. des entsprechenden verfahrenseinleitenden Schriftstücks 109 b) Keine teleologische Reduktion durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften 111 c) Keine prozessuale Last, Rechtsmittel und Rechtsbehelfe im Erststaat einzulegen 112 d) EuGH-konforme Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch für das autonome deutsche Anerkennungsrecht 113

XI

Inhaltsverzeichnis e) Kritik

113

f) Beachtung von Zustellungsmängeln nicht von Amts wegen, sondern nur auf Grund Rüge der beschwerten Partei 115 g) Souveränitätsverletzungen

117

h) Anwendungsbereich des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ

117

(1) Verfahrenseinleitendes Schriftstück

117

(2) Erststaatliches Verfahren nach Verfahrenseröffnung

118

(3) Fehlende bzw. fehlerhafte Zustellung des erststaatlichen Urteils 119 i) Übersetzung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks

119

j)

121

Einlassung

k) Vom Erstgericht bestellter Verfahrenspfleger

122

1) Vorschlag de conventione ferenda: Verzicht auf die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung nach erststaatlichem Recht als Voraussetzung der Anerkennung 122 m) Reformvorschlag der EU-Kommission 2. Zustellungsmängel während des Verfahrens

125 125

a) Keine révision au fond

125

b) Ausnahmecharakter des ordre public

126

c) Reformvorschlag der EU-Kommission

127

3. Kapitel Völkergewohnheitsrechtliche Vorgaben A. Klassisches Souveränitätsverständnis

129 129

I.

Zustellung als Hoheitsakt

129

II.

Verbot der Vornahme von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet

130

III.

"Titel" zum Handeln auf fremdem Territorium

131

IV. Parteizustellung

132

V.

Anderer Ansatz des Common Law

132

VI.

Privatisierung der Postregimes

133

VII. Zustellung von Rechtsanwalt zu Rechtsanwalt B. Zustellung an eigene Staatsangehörige im Ausland C. Zustellung unmittelbar durch die Post ins Ausland I.

Divergierende Staatenpraxis

135 135 136 136

Inhaltsverzeichnis II.

Staatenliste

III.

Rücksichtnahme auf den Rechtsstandpunkt des Staates, auf dessen Territorium die Zustellung unmittelbar durch die Post erfolgen soll 138

D. Übermittlung von bloßen Mitteilungen

137

140

I.

Überblick

140

II.

Unklare Abgrenzung zu verbotenen Postzustellungen

141

III.

Keine Klärung durch die Haager Übereinkommen

142

IV. Gegenmeinung: Unzulässigkeit bloßer Mitteilungen E. Entfallen der Notwendigkeit einer Auslandszustellung I.

Zustellungsbevollmächtigte

143 143 146

1. Zustellungsbevollmächtigte im Zusammenhang mit der Aufnahme einer beruflichen bzw. gewerblichen Tätigkeit 146 2. Verfahrensbevollmächtigter..

147

II.

Vorübergehende Anwesenheit im Gerichtsstaat

148

III.

Zustellung an die inländische Niederlassung des Zustellungsadressaten mit Wohnsitz/Sitz im Ausland 149

IV.

"Zustellungsdurchgriff ' im Konzern

V.

150

1. US-Recht

150

2. Deutsches Recht

150

Fiktive Inlandszustellungen

152

1. Remise au parquet

152

2. Zustellung durch Aufgabe zur Post im Inland

153

3. Öffentliche Zustellung

154

4. Zustellung an den Secretary of State

156

F. Internationale Zustellungshilfe

157

I.

Kooperation der Staaten

157

II.

Keine Verpflichtung zur Zustellungshilfe

158

G. Unterscheidung nach dem Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks

158

I.

Zustellungsmodus versus Inhalt des zugestellten Schriftstücks

158

II.

Schriftstücke mit bzw. ohne Androhung von Strafen oder sonstigen Sanktionen 159 1. Leipolds Ansatz

160

2. Schlossers Ansatz

161

3. Klaus P. Mössles Ansatz

162

XVI

III.

Inhaltsverzeichnis 4. Weitere Stellungnahmen

163

5. Nicht-Parteien

163

Reine Benachrichtigung von Verfahrensakten im Gegensatz zur Übermittlung von Schriftstücken mit konstitutivem Inhalt 164

IV. Verfahrenseinleitende Schriftstücke und Schriftstücke während eines laufenden Verfahrens 164 V.

Schriftstücke an Parteien und an Dritte

165

VI. Urteile, Beschlüsse und sonstige gerichtliche Entscheidungen im Gegensatz zu Schriftsätzen der Parteien oder Dritter 165 H. Sanktionen wegen verbotener Direktzustellung I.

165

Problemstellung

165

1. Völkerrechtliche und innerstaatliche Ebene

165

2. Dialektischer Sprung über die Rechtsposition des in seiner Souveränität verletzten Staates 165 3. Rückzug auf die Menschenrechte

166

II.

Ermessensspielraum des in seiner Souveränität verletzten Staates

167

III.

Rechtslage im Gerichtsstaat

168

IV. Rechtslage im Aufenthaltsstaat des Zustellungsempfängers

169

1. Die Stürnersche Schutzschildtheorie

170

2. Der Standpunkt Stadlers

170

3. Der Standpunkt Haus

170

4. Der Standpunkt Schacks

171

5. Der Standpunkt Geimers

171

6. Der Standpunkt Schlossers

172

7. Der Standpunkt Jametti Greiners

172

8. Der Standpunkt Volkens

173

9. Der Standpunkt Kondrings

173

10. Stellungnahme

173 4. Kapitel

Völkerrechtliche Übereinkünfte A. Haager Übereinkommen

175 175

I.

Abkommen über den Zivilprozeß vom 17.7.1905

175

II.

Übereinkommen über den Zivilprozeß vom 1.3.1954

175

Inhaltsverzeichnis 1. Vertragsstaaten a) Staaten, die das HZÜ (noch) nicht in Kraft gesetzt haben

175

b) HZÜ-Vertragsstaaten

176

2. Übernahme des alten Konzeptes

III.

177

3. Festhalten am Rogationsprinzip

177

4. Förmliche und formlose Zustellung

177

5. Zustellungsnachweis

177

6. Direktzustellungen

178

7. Kein Verbot von fiktiven Inlandszustellungen

178

Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen vom 15.11.1965 179 1. Vertragsstaaten a) HZPÜ-Vertragsstaaten

179 179

(1) HZPÜ 1954-Staaten

179

(2) HZPA 1905-Staat

179

b) Weitere Vertragsstaaten

IV.

175

179

2. Keine Notwendigkeit, im Ausland zuzustellen

180

3. Zentrale Behörden

181

4. Förmliche Zustellung als Regel

181

5. Muster für Zustellungszeugnis

182

6. Direktzustellungen

182

Widerspruch gegen Direktzustellungen

183

1. Kreis der widersprechenden Staaten

183

2. Kein Gegenseitigkeitsprinzip als Folge des Widerspruchs

184

3. Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 über den Zivilprozeß

185

4. Versehentliches Unterlassen eines Widerspruchs nach Art. 6 II 1 Alt. 2 HZPÜ 186 5. In Betracht kommende Konstellationen

187

a) Beide Staaten sind Vertragsstaaten nur des HZPÜ (1954), zwischen ihnen gilt das HZÜ nicht 187 (1) Es besteht kein Zusatzabkommen

187

(2) Es besteht ein Zusatzabkommen

188

b) Zwischen beiden Staaten gilt das HZÜ

188

(1) Es besteht kein Zusatzabkommen

188

(2) Es besteht ein Zusatzabkommen

188

(a) Keine ausdrückliche Regelung der Direktzustellung 2 Geimer

188

XVIII

Inhaltsverzeichnis (b) Ausdrückliche Zulassung der Direktzustellung Zusatzabkommen trotz Widerspruchs nach Art. HZÜ

im 10

B. Zusatzvereinbarungen im Sinne von Art. 24 HZÜ

189 189

I.

Deutsch-belgische Vereinbarung vom 25.4.1959 zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 über den Zivilprozeß 189

II.

Deutsch-dänische Vereinbarung vom 1.6.1910 zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs mit Änderungsvereinbarung vom 6.1.1932.... 190

III.

Deutsch-französische Vereinbarung vom 6.5.1961 zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1. 3.1954 über den Zivilprozeß 190

IV.

Deutsch-luxemburgische Vereinbarung vom 1.8.1909 zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs 190

V.

Deutsch-niederländischer Vertrag vom 30.8.1962 zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 über den Zivilprozeß 191

VI.

Deutsch-norwegische Vereinbarung vom 17.6.1977 zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 über den Zivilprozeß 191

VII. Deutsch-österreichische Vereinbarung vom 6.6.1959 zur weiteren Vereinfachung des rechtlichen Verkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 191 VIII. Deutsch-schwedische Vereinbarung vom Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs

1.2.1910

zur

weiteren 192

IX.

Deutsch-schweizerische Vereinbarung vom 30.4.1910 zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs 192

X.

Deutsch-polnische Vereinbarung vom 14.12.1992 zur weiteren Erleichterung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 über den Zivilprozeß 192

C. Sonstige Rechtshilfeübereinkommen in Zivil-und Handelssachen

193

I.

Deutsch-britisches Abkommen vom 20.3.1928 über den Rechtsverkehr

193

II.

Deutsch-türkisches Abkommen vom 28.5.1929 über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen 195

III.

Deutsch-griechisches Abkommen vom 11.5.1938 über die gegenseitige Rechtshilfe in Angelegenheiten des bürgerlichen und Handels-Rechts 196

Inhaltsverzeichnis IV. Deutsch-tunesischer Vertrag vom 19.7.1966 über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit 196 V.

Deutsch-marokkanischer Vertrag vom 29.10.1985 über die Rechtshilfe und Rechtsauskunft in Zivil- und Handelssachen 197

D. Übereinkommen fur andere Rechtsmaterien I.

197

Strafsachen

197

1. Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20.4.1959 197

II.

2. Zweites Schengener Übereinkommen vom 19.6.1990

198

Verwaltungssachen

199

1. Europäisches Übereinkommen vom 24.11.1977 über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland 199 2. Deutsch-österreichischer Vertrag vom 31.5.1988 über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen 200 3. Sozialversicherungsabkommen

201

4. Steuersachen

201

E. Weltpostvertrag vom 14.12.1994

202

F. Historisches: DDR-Rechtshilfeverträge

203

G. Exkurs: Interamerikanische Konvention von Panama

204

5. Kapitel Recht der Europäischen Union

205

A. Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen

205

I.

Verweisung auf Art. 15 HZÜ in Art. 20 III EuGVÜ

205

II.

Zustellung von "Gerichtsvollzieher zu Gerichtsvollzieher"

205

III.

Exkurs: Lugano-Übereinkommen

207

B. Europäisches Zustellungsübereinkommen

208

I.

Entstehungsgeschichte im Rahmen der dritten Säule des Maastrichter Unionsvertrages vom 7.2.1992 208

II.

"Vergemeinschaftung" der justiziellen Zusammenarbeit Amsterdamer Vertrag vom 2.10.1997

durch den 209

Inhaltsverzeichnis

X III.

Anwendungsbereich

210

IV. Zustellungshilfe der anderen Mitgliedstaaten

V.

210

1. Festhalten am Rogationsprinzip

210

2. Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen

211

3. Schnellstmögliche Kommunikation zwischen den Mitgliedstaaten

212

4. Ausführung der Zustellung

212

5. Keine Vorbehaltsklausel

213

Direkte Zustellung ohne des Zustellungsstaates

Einschaltung

der

Rechtshilfebehörden 213

1. Zustellung durch die Post

213

2. Zustellung durch diplomatische und konsularische Vertreter

213

3. Beauftragung von Gerichtsvollziehern oder sonstigen Zustellpersonen im Wohnsitzstaat des Zustellungsadressaten 214 VI.

Exekutivausschuß

214

C. Auslegungszuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs

214

I.

Protokoll vom 3.6.1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen 214

II.

Protokoll vom 26.5.1997 betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union 215

D. Vorschlag für eine EG-Zivilprozeß-Richtlinie

216

E. EG-Verordnungen über Soziale Sicherheit

216

6. Kapitel Plädoyer für Zustellungen unmittelbar per Post

217

A. Verfahrensbeschleunigung durch Postzustellung

217

B. Kreis der in Betracht kommenden Staaten

217

C. Rechtstechnische Möglichkeiten

218

I.

Vereinbarung im Rahmen der dritten Säule des Maastrichter Vertrages über die Europäische Union 218

II.

Keine eklektische Rücknahme des Widerspruchs zu Art. 10 lit. a HZÜ

218

III.

Völkerrechtliche Vereinbarungen

218

Inhaltsverzeichnis D. Keine Pflicht zur Einfuhrung der unmittelbaren Postzustellung

219

E. Derzeitige Rechtslage in Deutschland

219

I.

Zulassung der Zustellung unmittelbar durch die Post in den Haager Übereinkommen 219

II.

Widerspruch gegen die unmittelbare Postzustellung

220

III.

Motiv für die abwehrende Haltung

220

IV. Zusammenarbeit in der Europäischen Union

221

V.

Auslandspostzustellung zulassende völkerrechtliche Verträge

222

1. Deutsch-österreichischer Konkursvertrag

222

2. Deutsch-österreichischer Amts- und Rechtshilfevertrag in Verwaltungssachen 223 3. Sozialversicherungs-und Doppelbesteuerungsabkommen

223

4. Deutsch-britisches Abkommen

223

VI. Fehlender Widerspruch gegen die in Art. 6 I HZPÜ (1954) vorgesehenen Zustellungswege 224 VII. Ergebnis: Widersprüchliche Vertragspraxis Deutschlands

225

VIII. Zulassung der unmittelbaren Postzustellung im geltenden autonomen deutschen Recht 225 1. Zustellung nach § 175 ZPO

225

2. Formlose Mitteilung nach § 270 II ZPO

226

3. Freiwillige Gerichtsbarkeit

226

4. Strafprozeß

226

5. Zwangsvollstreckungsverfahren

227

6. Insolvenzverfahren

228

7. Abgabensachen

228

8. Sonderregelungen für das Beitrittsgebiet

228

IX.

Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz) 228

X.

Historischer Exkurs: Postzustellung nach der Zivilprozeßordnung der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik 229

XI.

Spiegelbild-Exkurs: Postzustellung in den Fällen des § 203 II ZPO

229

F. Fehlende Kontrollmöglichkeit

230

G. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit unmittelbarer Zustellung

231

I.

Fragestellung

231

XII

Inhaltsverzeichnis

II.

Kein Verzicht auf Gewährleistungen der Verfassung durch bloße Auslandsbestätigung 232

III.

Anspruch auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren

232

IV.

Rechtsstaatsprinzip

232

V.

Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit

234

VI. Demokratieprinzip

235

VII. Schutzpflicht des Staates

236

1. Auslieferungsverbot des Art. 16 II GG

236

2. Internationale Zusammenarbeit

237

3. Direkte Beweisaufnahme nach dem Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland 239 VIII. Ergebnis H. Notwendigkeit einer Übersetzung

239 240

I.

Haager Übereinkommen

240

II.

Deutsche Rechtsprechung zu § 184 GVG

241

1. Anspruch auf rechtliches Gehör

242

2. "Assimilierungspflicht" der sich in Deutschland ständig aufhaltenden Ausländer und Staatenlosen 242 3. Keine Ungleichbehandlung

242

III.

Zurückhaltung auch in den Vereinigten Staaten von Amerika

243

IV.

Stellungnahmen in der Literatur

243

1. Der Standpunkt Wiehes

243

2. Der Standpunkt Klaus P. Mössles

243

3. Der Standpunkt Schabenbergers

244

V.

Stellungnahme

245

VI.

Kontrolle

247

VII. EU-Zustellungsübereinkommen vom 26.5.1997 I. Ersatzzustellung

247 247

I.

Keine Chancen auf eine völkervertragliche Organisation eines "internationalen Zustelldienstes" 247

II.

Regelungen durch das Zustellungsrecht des Gerichtsstaates

J. Zustellung außerhalb des Wohnsitzstaates des Zustellungsadressaten I.

248 248

EU-Zustellungsübereinkommen vom 26.5.1997

248

1. Zustellung nur im Wohnsitzstaat des Empfängers ?

248

2. Zustellung an Gesellschaften und juristische Personen

249

Inhaltsverzeichnis II.

Stellungnahme

249

K. Zustellungsnachweis

250

I.

Fragestellung

250

II.

Verfassungsrechtliche Ausgangslage

250

III.

Briefsendung mit einfacher Post

250

IV.

Eingeschriebene Briefsendung mit Rückschein

251

1. Keine Notwendigkeit eines vom Zustellungsadressaten unterschriebenen Empfangsbekenntnisses 251 2. Ausreichender Zustellungsversuch

252

3. Stellungnahme

253

4. Briefsendung mit Zustellnachweis

253

7. Kapitel Weitere Vorschläge für ein neues Zustellungsübereinkommen A. Keine loi uniforme fur das Zustellungsrecht

255 255

I.

Keine Chance für eine globale Lösung

255

II.

EU-Lösung

255

B. Nichtregelung der Notwendigkeit der Auslandszustellung in dem Übereinkommen 255 C. Anwendungsbereich nur flir Zivil- und Handelssachen

256

D. Zustellung von Anwalt zu Anwalt

257

E. Zustellung gegen Empfangsbekenntnis

258

F. Verlagerung der Zustellung in die Sphäre der Parteien?

258

G. Neue Datenübertragungssysteme

259

I.

Telefax

259

1. Wesentliche Erleichterung der Kommunikation

259

2. Deutsche Rechtsprechung

260

a) Zulassung der Telefax-Übermittlung zur Fristwahrung bei der Einlegung von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen 260 b) Abgehen vom Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift

261

c) Datex-J (früher: Btx)

261

X I

Inhaltsverzeichnis d) Keine Abstriche vom Schriftformerfordernis rechtlichen Willenserklärungen

bei materiell262

e) Rechtsmittelbegründungsschriften

262

f) Fristgebundene Klagen

263

3. Kritik

263

4. Andere Fragestellungen im internationalen Zustellungsrecht

265

a) Keine telegrafische Klagezustellung

265

b) Authentizität

265

c) Beweis des Zugangs beim Adressaten

266

d) Datenschutz

266

e) Bedeutung des Sendeberichts

267

II.

Gesetzliche Regelung in Österreich

III.

Geplante Regelung im Zustellreformgesetz

IV. Zulassung von Sendungen per Telefax in der neuen Konvention

269 270 271

1. Keine völkerrechtliche Verpflichtung zur Implementierung in das nationale Zustellungsrecht 271 2. Zweckmäßigkeit der Regelungsdichte

271

3. Hilfsweise Anlehnung an FRCP 4 (d) und § 179 ZPO-E: Notwendigkeit eines Empfangsbekenntnisses bzw. eines Verzichts auf weitereförmliche Zustellung 271 4. Hilfsweise Unterscheidung zwischen natürlichen und juristischen Personen 272 5. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

272

6. Electronic Mail

272

H. Zulassung von telefonischen Übermittlungen

274

I. Zulassung von Videokonferenzen

274

J. Zustellungen durch diplomatische und konsularische Vertreter

274

I.

Derzeitige Rechtslage

274

1. Völkergewohnheitsrecht

274

2. Vertragspraxis der Bundesrepublik Deutschland

275

3. Zustellung an Mehrstaater und Staatenlose

278

4. Zustellung an Gesellschaften und juristische Personen 278 5. Irrelevanz der Staatsangehörigkeit der gesetzlichen oder organschaftlichen Vertreter 279 6. Keine Beifügung einer Übersetzung

279

Inhaltsverzeichnis

II.

7. Tätigwerden nur fìir die Gerichte des Entsendestaates

280

8. Keine "Zwangszustellungen"

280

Kein Reformbedarf.

280

K. Beauftragung von Zustellungsorganen im Aufenthaltsstaat

281

I.

Derzeitige Rechtslage

281

II.

Reformbedarf

282

L. Zustellung von "Gerichtsvollzieher zu Gerichtsvollzieher"

283

I.

Haager Zustellungsübereinkommen

283

II.

Kein Reformbedarf.

283

M. Parteivereinbarungen über Zustellungsmodalitäten

283

I.

Derzeitige Rechtslage in Deutschland

283

II.

Reformbedarf

285

N. Heilung von Zustellungsmängeln

285

O. Recht des Beklagten auf tatsächlichen Zugang

286

P. Multimediales Zentralregister fur öffentliche Zustellungen

287

Q. Ladung von Beweispersonen

288

I.

Ersuchen um Zustellungshilfe bei Übermittlung der Ladung des ausländischen Gerichts durch die Rechtshilfebehörden des Aufenthaltsstaates der Beweisperson 288 1. Bloße Übermittlung der ausländischen Ladung

288

2. Ladung durch den ersuchten Staat, vor dem ausländischen Gericht zu erscheinen 289 II.

Direktladungen

290

III.

Strafschutz

290

IV. Freies Geleit

291

1. Haager Übereinkommen vom 25.10.1980 über die Erleichterung des internationalen Zugangs zur Rechtspflege 291 2. Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen

293

3. Autonomes deutsches Recht

294

4. Kein vordringlicher Reformbedarf.

295

V.

Vergütung der Beweisperson

295

VI.

Kein Regelungsbedarf in neuer Zustellungskonvention

295

R. Datenschutz

296

XVI

Inhaltsverzeichnis

I.

Aktive Rechtshilfe

296

II.

Justizmitteilungsgesetz vom 18.6.1997

297

III.

Direktzustellungen

297

1. Postzustellungen

297

2. Neue Medien

298

S. Subpoenas

298

T. Prozeßfiihrungsverbote

298

U. Zusammenfassung

298 8. Kapitel

Textvorschlag für ein neues Zustellungsübereinkommen

301

9. Kapitel Ergebnisse der Untersuchung A. Der Befund

305 305

I.

Völkergewohnheitsrecht: Menschenrechte versus Verabsolutierung der territorialen Souveränität 305

II.

Rogationsprinzip als Haupttrend in den völkerrechtlichen Übereinkünften 306

III.

Fehlen einer gesetzlichen Grundlage in Deutschland fïir die internationale Zustellungshilfe 307

IV. Die internationale Zustellung im Spannungsfeld der Gewalten

307

1. Justiz - Exekutive

307

2. Bund-Länder

308

B. Der Vorschlag

309

C. Die Utopie

310 10. Kapitel Anhang

A. Formulare zu den New Federal Rules of Civil Procedure

312 312

Β. Übereinkommen vom 26.5.1997 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union 315

Inhaltsverzeichnis C. Protokoll aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften 332

Literaturverzeichnis

338

Materialien

358

Sachverzeichnis

360

Abkürzungsverzeichnis jst

first, second, third...

A.A./ a.A.

anderer Ansicht

a.a.O.

am angegebenen Ort

ABl.EG.

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

A.C.

Law Reports, Appeal Cases (England und Wales)

ADHGB

Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861

a.F.

alte Fassung

AG

Amtsgericht / Aktiengesellschaft

AGB BfD Ini

Allgemeine Geschäftsbedingungen der Post AG für den Briefdienst Inland

AGB BfD Ausi

Allgemeine Geschäftsbedingungen der Post AG für den Briefdienst Ausland

AJP/PJA

Aktuelle Juristische Praxis/Pratique Juridique Actuelle

Alt.

Alternative

Anm.

Anmerkung

AnwBl

Anwaltsblatt

AO

Abgabenordnung

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

AusfG-HZPÜ

Deutsches Ausführungsgesetz vom 18.12.1958 des Haager Übereinkommens vom 1.3.1954 über den Zivilprozeß, BGBl. 1958 I, S. 939.

AusfG-HZÜ/HBÜ

Deutsches Ausfuhrungsgesetz vom 22.12.1977 zu den Haager Übereinkommen vom 15.11.1965 und vom 18.3.1970, BGBl. 1977 I, S. 3105.

AusfO-EPÜ

Ausfïihrungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen vom 21.6.1976

AVAG

Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz)

BAG

Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger

BAnz

Abkürzungsverzeichnis

XXI

BayAGBGB

Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze vom 20.9.1982

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BayObLGZ

Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen

BayVerfGHE

Sammlung der Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

BayVwVfG

Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz

BayVwZVG

Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstrekkungsgesetz

BB

Betriebs-Berater

bearb. BEG

bearbeitet Bundesgesetz zur Entschädigung flir Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (Bundesentschädigungsgesetz)

begr.

begründet

Bek.

Bekanntmachung

belg.

belgisch

BerDGVR

Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht

bestr.

bestritten

BFH

Bundesfinanzhof

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Schweizer Bundesgerichtshofs (Schweiz)

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BJM

Bundesministerium der Justiz

BPatG

Bundespatentgericht

BSG

Bundessozialgericht

BT-Drucksache

Bundestagsdrucksache

BundesAnz.

Bundesanzeiger

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

bzw.

beziehungsweise

XXX

Abkürzungsverzeichnis

C. Α.

California Appellate Reports

Cal. Rptr.

California Reporter

Cal. App.

California Court of Appeal

C.C.P.

Code of Civil Procedure (Kalifornien/USA)

CCR

County Court Rules 1981 (England und Wales)

Cir.

Circuit Court of Appeals (USA)

Co.

Company

Clunet

Journal de droit international, begründet von Clunet (franz.)

C.P.L.R.

Civil Practice Law and Rules (New York)

CR

Computer und Recht

DA Vorm

Der Amtsvormund

D.C.

District of Columbia

DDR

Deutsche Demokratische Republik

ders.

derselbe

d.h.

das heißt

dies.

dieselbe

DNotZ

Deutsche Notar-Zeitschrift

DStR

Deutsches Steuerrecht

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

DRZ

Deutsche Rechts-Zeitschrift

E. D.

Eastern District (USA)

EGGVG

Einflihrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz

EGMR

Europäischer Gerichtshof fiir Menschenrechte

EGZPO

Einfuhrungsgesetz zur Zivilprozeßordnung

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

EO

(österr.) Exekutionsordnung

EPÜ

Europäisches Patentübereinkommen

etc.

et cetera

EU

Europäische Union

EuG

Europäisches Gericht erster Instanz

EuGH

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

EuGHE

Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Sammlung der Rechtsprechung des EuGH) Europäische Grundrechtezeitschrift

EuGRZ

Abkürzungsverzeichnis

XXXI

EuGVÜ

E[W]G-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

EWS

Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht

F. 2d

Federal Reporter, second series (USA)

f. / ff.

folgende

FamRZ

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht

FGO

Finanzgerichtsordnung

Fn.

Fußnote

fortgef.

fortgeführt

FRCP

Federal Rules of Civil Procedure (USA)

F.R.D.

Federal Rules Decisions (USA)

FS

Festschrift

F. Supp.

Federal Supplement (USA)

FTC

Federal Trade Commission (USA)

GA

Goltdammer's Archiv fur Strafrecht

GBl. DDR

Gesetzblatt der DDR

GebrMG

Gebrauchsmustergesetz

g. E.

gegen Ende

gem.

gemäß

GesO

Gesamtvollstreckungsordnung

GG

Grundgesetz

ggf.

gegebenenfalls

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GOG

Gerichtsorganisationsgesetz (österr.)

GP

Gesetzgebungsperiode

griech.

griechisch

GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht

GSZ

Großer Senat in Zivilsachen

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

HBÜ

Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 18. 3. 1970

hessAGBGB

hessisches Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 17.7.1899

h.M.

herrschende Meinung

Abkürzungsverzeichnis HZPÜ (1905)

Haager Abkommen über den Zivilprozeß 17.7.1905

HZPÜ (1954)

Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß vom 1.3.1954

HZÜ

Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15.11.1965

hrsg.

herausgegeben

Hrsg.

Herausgeber

Hs.

Halbsatz

i.d.R.

in der Regel

i.d.F.

in der Fassung

i.e.S.

im engeren Sinne

ILM

International Legal Materials

vom

Inc.

Incorporated

InsO

Insolvenzordnung

Int. & Comp. L. Q.

International and Comparative Law Quarterly (UK)

IPRax

Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts

IPRspr.

Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiet des IPR

IRG

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen

i.S.d.

im Sinne des/der

IStR

Internationales Steuerrecht

i.S.v.

im Sinne von

ital.

italienisch

i.V.m.

in Verbindung mit

i.w.S.

im weiteren Sinne

JurBüro

Das Juristische Büro

JR

Juristische Rundschau

JuS

Juristische Schulung

JW

Juristische Wochenzeitschrift

JZ

Juristenzeitung

KG

Kammergericht / Kommanditgesellschaft

KO

Konkursordnung

lit.

littera

LJV

Landesjustizverwaltung

Abkürzungsverzeichnis

XXXIII

LM

Nachschlagwerk des Bundesgerichtshofs, hrsg. von Lindenmaier/Möhring

LugÜ

Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.1988

MarkenG

Markengesetz

MDR

Monatsschrift für deutsches Recht

m. E.

meines Erachtens

Minn.

Minnesota

Mo.

Missouri

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

N. D.

Northern District

η.F.

neue Fassung

niederl.

niederländisch

NILR

Netherlands International Law Review

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

No.

numéro

Nr.

Nummer

NW2d

Northwestern Reporter, second series

Ν. Y.

New York

OGH

Oberster Gerichtshof (Österreich)

OLG

Oberlandesgericht

OLGZ

Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit

österr.

österreichisch

österr. ZPO

österreichische Zivilprozeßordnung

PatG

Patentgesetz

PostG

Postgesetz

PostG-E RabelsZ

Entwurf der Bundesregierung eines Postgesetzes Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begr. von Rabel

RADG

Rechtsanwaltsdienstleistungsgesetz

RBHaftG

Gesetz über die Haftung des Reichs für seine Beamten

RdC

Recueil des Cours de Γ Académie de Droit International de la Haye

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RGSt

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen

3 Geimer

Abkürzungsverzeichnis RGZ

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

RHEZiv

Rechtshilfeerlaß in Zivilsachen (österr.)

RIW

Recht der Internationalen Wirtschaft

RiStBV

Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren

RiVASt

Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten

Rn.

Randnummer

ROW

Recht in Ost und West

RPfleger

Der deutsche Rechtspfleger

Rs.

Rechtssache

RSC

Rules of Supreme Court (Vereinigtes Königreich)

S.

Seite

Sec.

Section

SEC

Securities Exchange Commission

SGG

Sozialgerichtsgesetz

SGO

Sozialgerichtsordnung

SGB

Sozialgesetzbuch

S lg.

Sammlung

sog.

sogenannte I r l s

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozeßordnung

u. a.

und andere

US

United States

U. S.

United States Reports

USC

United States Code

u. U.

unter Umständen

UVÜ

Haager Obereinkommen vom 2.10.1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen

v.

versus

VAG

Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen

VerfO-EuG

Verfahrensordnung des Europäischen Gerichts erster Instanz

VerfO-EuGH

Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften

Abkürzungsverzeichnis

XXX

VersR

Zeitschrift für Versicherungsrecht

VG

Verwaltungsgericht

vgl.

vergleiche

VglO

Vergleichsordnung

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

WM

Wertpapier-Mitteilungen

WiB

Wirtschaftsrechtliche Beratung

WiRO

Wirtschaft und Recht in Osteuropa

WRV

Weimarer Reichsverfassung

WuB

Entscheidungssammlung Bankrecht

WÜK

Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963

württABGBG

württembergisches Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 29.12.1931

z.B.

zum Beispiel

ZBernJV

Zeitschrift des Berner Juristenvereins

ZEuP

Zeitschrift für Europäisches Privatrecht

zum

Wirtschafts-

und

ZfRV

Zeitschrift für Rechtsvergleichung (österr.)

Ziff.

Ziffer

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

zit.

zitiert

ZPG

Zivilprozeßgesetz (griech.)

ZPO

Zivilprozeßordnung

ZPO/DDR

Zivilprozeßordnung der Deutschen Demokratischen Republik

ZPO-Ε

Diskussionsentwurf des Bundesministeriums für Justiz (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren

ZRHO

Rechtshilfeordnung in Zivilsachen

ζ. T.

zum Teil

ZustellG

Zustellungsgesetz (Österreich)

ZVG

Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung

ZZP

Zeitschrift für Zivilprozeßrecht

ZZPInt

Zeitschrift für Zivilprozeßrecht International

1. Kapitel

Einleitung Α. Gang der Untersuchung Das Thema ist ein rechtspolitisches, kein dogmatisches. Sinnvolle Vorschläge für eine neue Zustellungskonvention lassen sich aber nicht im luftleeren Raum machen. Es bedarf vielmehr einer Plattform, von der aus über Verbesserungen des status quo nachgedacht werden kann. Daher werden die Grundfragen des internationalen Zustellungsrechts dargestellt. 1 Im Anschluß daran werden die völkergewohnheitsrechtlichen Vorgaben, 2 die internationalen Übereinkünfte 3 und die Rechtslage in der Europäischen Union 4 erörtert. Der derzeitige Rechtszustand ist durch das Rogationsprinzip geprägt: Der Gerichtsstaat, d.h. der Staat, in dem das gerichtliche Verfahren stattfindet, ersucht - wenn die Zustellung ins Ausland erfolgen soll - den fremden Staat, in dem sich der Zustellungsadressat aufhält, um Zustellungshilfe. Dies entspricht klassischem, vor allem kontinentaleuropäischem Souveränitätsverständnis. 5 Es liegt auf der Hand, daß dieses Zustellungsverfahren zeitraubend und umständlich ist.6 Daher wird der Vorschlag gemacht, Direktzustellungen aus dem Gerichtsstaat zuzulassen, die eine zeit- und kostenintensive aktive Mitwirkung des Aufenthaltsstaats des Zustellungsadressaten überflüssig machen. Im 6. Kapitel 7

1

Unten S. 5 ff.

2

Unten S. 129 ff

3

Unten S. 175 ff.

4

Unten S. 205 ff

5

Näher unten 3. Kapitel A. (S. 129 ff.). Das kontinentaleuropäische Verständnis steht hier als pars pro toto. Auch die südamerikanischen und viele (nicht vom common law geprägte) afrikanische Staaten folgen der gleichen Konzeption, ebenso alle ehedem sozialistischen Staaten. 6 Zum derzeitigen Stand des internationalen Zustellungsrechts Linke, Probleme der internationalen Zustellung (im Erscheinen) sub Vorbemerkung: „Die Probleme der internationalen Zustellung lassen sich schlagwortartig wie folgt umschreiben: Sie ist schwerfällig, umständlich und dauert zu lang. Sie ist unüberschaubar und damit unkalkulierbar. Sie ist fehleranfällig und dadurch kontraproduktiv. Sie ist abhängig von nationalen Souveränitätsempfindlichkeiten und damit schwer reformierbar." 7

Unten S. 217 ff.

2

1. Kapitel: Einleitung

findet sich ein Plädoyer für die Zulassung unmittelbarer Postzustellungen. Da sich das Deutsche Reich und die Bundesrepublik Deutschland - ebenso wie eine Reihe anderer Staaten - bisher energisch dieser Zustellungsform widersetzt haben, bedarf es einer Auseinandersetzung mit den hierfür vorgebrachten Argumenten sowie einer Klärung der Frage, ob der Wegfall jeder Kontrolle des Zustellungsvorgangs durch die deutschen Rechtshilfebehörden mit der Verfassung vereinbar ist. Da hierauf eine positive Antwort zu geben sein wird, folgen im 7. Kapitel 8 weitere Vorschläge fur eine neue Zustellungskonvention. Dabei war stets im Auge zu behalten, daß die weltweite oder auch nur regionale Vereinheitlichung des Zustellungsrechts durch eine internationale Übereinkunft eine Utopie wäre. 9 Sinn und Zweck einer neuen Zustellungskonvention kann nur sein, die durch das Völkergewohnheitsrecht errichteten Hürden abzubauen, um eine sinnvolle Weiterentwicklung der nationalen Zustellungssysteme zu ermöglichen. Die Vorschläge zielen daher darauf ab, fur die nationalen Gesetzgeber Freiräume zu schaffen. Sie sollen aber nicht mehr als unbedingt erforderlich durch die völkerrechtliche Konvention gebunden werden, weil dies langfristig zu einer rechtspolitisch unerfreulichen Verkrustung und Versteinerung fuhren würde. Eine solche wäre für die Verwirklichung der auch auf der Ebene des Völkerrechts durch die internationalen Menschenrechtspakte garantierten Verfahrensgrundrechte (effizienter Rechtsschutz und faires Verfahren) kontraproduktiv. Im 8. Kapitel 10 werden die präsentierten Vorschläge in Textbausteine für eine neue Zustellungskonvention umgegossen und im 9. Kapitel 11 die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefaßt.

B. Gegenstand der internationalen Zustellungshilfe Gegenstand der internationalen Zustellungshilfe ist die Übermittlung von gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken, Art. 1 I HZÜ. Der Schwerpunkt des internationalen Zustellungsverkehrs liegt jedoch bei den gerichtlichen Schriftstücken. 12 Dort überwiegt die Zustellung von Klageschriften, An-

8

Unten S. 255 ff.

9

Skeptisch auch Gottwald in Habscheid/Beys, S. 25.

10

Unten S. 301 ff

11

Unten S. 305 ff

12

Als außergerichtliche Schriftstücke kommen z.B. in Betracht: vollstreckbare Urkunden der Notare (§ 794 I Nr. 5 ZPO), Wechselproteste, Privaturkunden, wie Mahnungen, die nach § 132 BGB zugestellt werden sollen, Schlosser, EuGVÜ Art. 1 HZÜ Rn. 12; Berti in Honsell/Vogt/Schnyder, Art. 11 Rn. 30.

Β. Gegenstand der internationalen Zustellungshilfe

3

tragsschriften und sonstigen verfahrenseinleitenden Schriftsätzen sowie von Terminsladungen. 13 Jedoch ist auch die Bitte um Zustellung von gerichtlichen Entscheidungen (Urteilen und Beschlüssen), sowie von Ladungen an Beweispersonen (Zeugen, Sachverständige) nicht selten. Die Arbeit behandelt die internationale Zustellungshilfe in Zivil- und Handelssachen,14 nicht jedoch in Straf-, Verwaltungs- und Abgabensachen. Die fur diese Bereiche gefundenen Lösungen werden nur vergleichend herangezogen. Ausgeklammert sind die Zustellungen auf Veranlassung internationaler oder supranationaler Gerichte und Behörden, wie z.B. des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag, 15 des Internationalen Seegerichtshofs in Hamburg, 16 des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) 17 bzw. des Europäi-

13

Volken, Rn. 2.3 (S. 30); Bischof, S. 7.

14

Zum Anwendungsbereich des Art. 1 HZÜ Nachweise bei Merkt, S. 34 ff.; Volken, Rn. 2.26 (S. 37). 15 Nach Art. 40 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs (BGBl. 1973 II, S. 505) „übermittelt" der Kanzler des Gerichts die Klageschrift umgehend allen Beteiligten. Für alle Zustellungen an andere Personen als die Bevollmächtigten, Beistände und Anwälte wendet sich nach Art. 44 I des Statuts der Gerichtshof „unmittelbar an die Regierung des Staates, in dessen Hoheitsgebiet die Zustellung erfolgen soll." Auch in Verfahren vor dem IGH hat sich das Rogationsprinzip noch weitgehend erhalten. 16 Vgl. Art. 24 II des Statuts des Internationalen Seegerichtshofs = Anlage VI des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 (BGBl. 1994 II, S. 1799). Diese Vorschrift hat ihr Vorbild in Art. 40 II des Statuts des Internationalen Gerichtshofs. 17 Nach Art. 79 § 1 VerfO-EuGH (ABl.EG 1991 L 176, 7, zuletzt geändert AB1.EG 1995 L 44, 61) werden die Zustellungen vom Kanzler des Gerichtshofs in der Weise veranlaßt, daß dem Zustellungsbevollmächtigten des Empfängers eine Abschrift des betreffenden Schriftstücks entweder auf dem Postweg durch Einschreiben mit Rückschein übermittelt oder mit Quittung übergeben wird. Bei Direktklagen sind die Verfahrensbeteiligten verpflichtet, in Luxemburg eine Zustellungsanschrift zu benennen, der Kläger bereits in der Klageschrift (Art. 38 § 2 I VerfO-EuGH), der Beklagte in seiner Klagebeantwortung (Art. 40 § 1 II i.V.m. Art. 38 § 2 I VerfO-EuGH), nachdem ihm die Klage per Post mit Einschreiben mit Rückschein zugestellt worden ist. Benennt der Kläger in der Klageschrift keinen Zustellungsbevollmächtigten in Luxemburg, so erfolgen bis zur Behebung dieses Mangels alle Zustellungen an die betreffende Partei auf dem Postweg durch Einschreiben an den Bevollmächtigten oder Anwalt der Partei. Abweichend von Art. 79 gilt in diesem Fall die Zustellung mit der Aufgabe des Einschreibens zur Post am Ort des Gerichtssitzes (Luxemburg) als bewirkt (Art. 38 § 2 II VerfO-EuGH). Die gleiche Regelung gilt für den Beklagten, der keinen Zustellungsbevollmächtigten in Luxemburg in seiner Klagebeantwortung benennt (Art. 40 § 1 I). Fehlgehend Fleischhauer, S. 54, der gem. Art. 38 § 7 VerfO-EuGH die Klage als unzulässig verwerfen will, wenn trotz Fristsetzung durch den Kanzler kein Zustellungsbevollmächtigter durch den Kläger benannt wird. Diese Vorschrift greift nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur in den Fällen des Art. 38 §§ 3-6. Zum Komplex „Zustellung" leider nur en passant Koenig/Sander, 63 bei Fn. 32.

1. Kapitel Einleitung

4

sehen Gerichts erster Instanz (EuG) 18 in Luxemburg oder des Europäischen Patentamts,19 ebenso die Zustellung an Staaten20 und an diplomatische und konsularische Vertreter 21 sowie an Angehörige fremder Truppen und ihres Gefolges, die auf dem Territorium des Gerichtsstaates stationiert sind. So dürfen z.B. nach Art. 36 I des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikpaktes über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3.8.195922 Zustellungen an Mitglieder einer Truppe, eines zivilen Gefolges und an Angehörige nicht durch öffentliche Zustellung bewirkt werden.

18

Art. 100 VerfO-EuG (ABl.EG 1991 L 136, 1 zuletzt geändert AB1.EG 1995 L 172, 3); Art. 9 der Dienstanweisung für den Kanzler des EuG (ABl.EG 1994 L 78, 32): Zustellung auf dem Postweg durch Einschreiben mit Rückschein oder Übergabe gegen Quittung. Auch vor dem EuG besteht fur die Parteien von Direktklagen die Pflicht zur Bestellung von Zustellungsbevollmächtigten in Luxemburg (Art. 44 § 2 I, Art. 46 § 1 II VerfO-EuG). Kommen sie dieser Obliegenheit nicht nach, so erfolgt Zustellung durch Aufgabe zur Post in Luxemburg. 19 Nach Art. 119 EPÜ (BGBl. 1976 II, S. 826) i.V.m. Regel 77 II, 78 AusfO-EPÜ (BGBl. 1976 II, S. 915) ist die Postzustellung durch eingeschriebenen Brief im Verwaltungsverfahren des Europäischen Patentamts zugelassen. 20 Vgl. Art. 16 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität vom 16.5.1972 (BGBl. 1990 II, S. 35). 21 § 200 ZPO; künftig: § 191 II ZPO-Ε. Hierzu Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz), S. 79: Es handle sich um „einen Sonderfall der Amtshilfe nach § 181". „Die Zustellung an Inländer, auch an Deutsche, die der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterliegen, sind als internationale Rechtshilfeersuchen zu behandeln." „Weitgehend entspricht die Vorschrift dem bisherigen § 200 ZPO. Der Wortlaut wurde an § 14 ZRHO und § 14 I VwZG angepaßt. Anstelle des Bundeskanzlers wird die Bundesregierung benannt. § 191 II ZPO-Ε lautet: „Eine Zustellung an einen Deutschen, der das Recht der Exterritorialität genießt und zu einer Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gehört, erfolgt auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozeßgerichts durch die Bundesregierung." 22

BGBl. 1961 II, S. 1218; 1974 II, S. 143; 1990 II, S. 1250.

2. Kapitel

Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts A. Zustellung als Gradmesser für effektiven Rechtsschutz Das Recht auf effektiven Rechtsschutz ist ein Menschenrecht, das nicht nur die nationalen Verfassungen, sondern auch die internationalen Menschenrechtspakte verbürgen. In Europa ist Art. 6 I EMRK einschlägig.1 In diesem Zusammenhang spielt das Zustellungsrecht, das lange Zeit nur als „technisches Recht" in der wissenschaftlichen Diskussion ein Mauerblümchendasein geführt hat, eine große Rolle. 2 Dies läßt sich sowohl aus der Sicht des Klägers, wie aus der des Beklagten aufzeigen. 3

1 Zur Bedeutung des Art. 6 EMRK für das internationale Zustellungsrecht: Fleischhauer, S. 83 ff., 86 und Schlosser in FS Matscher, S. 387. Vgl. auch die Garantien effizienten Rechtsschutzes in Art. 8 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 und Art. 14 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, 19.12.1966 (BGBl. 1973 II, S. 1534). Anders als nach Art. 25 EMRK steht kein supranationaler Rechtsweg offen, weil Deutschland das Fakultativprotokoll vom 19.12.1966 (BGBl. 1992 II 1247) nicht in Kraft gesetzt hat. 2

Gottwald in Habscheid/Beys, S. 21: „Das auf den ersten Blick 'rein technische' Zustellungsrecht gewinnt damit eine herausragende Bedeutung für die Justizgewährung gegenüber Kläger und Beklagtem." 3 Siehe auch den Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz), S. 24: „Die Zustellung bildet die Grundlage für das Ingangsetzen des Verfahrens, seinen Fortgang und die Bestandskraft der verfahrensbeendenden Entscheidung. Ihre Ausgestaltung ist daher nicht nur bedeutsam für die Verwirklichung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern gleichermaßen von Bedeutung für den im Justizgewährungsanspruch begründeten Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz in angemessener Zeit und für die Rechtssicherheit als wesentliches Element des Rechtsstaatsprinzips." Ebenso die amtliche Begründung zu § 33 des neuen PostG vom 22.12.1997, BGBl. I, S. 3294 (=§ 32 PostG-E), BT-Drucksache 13/7774, S. 28: „Die förmliche Zustellung, wie sie in der Zivilprozeßordnung und anderen Verfahrensordnungen sowie den Bundes- und Landesgesetzen über die Verwaltungszustellung geregelt ist, ist für eine funktionierende Rechtspflege wie auch für viele förmliche Verwaltungsverfahren von großer Bedeutung. Sie ist ftir die Verwirklichung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ebenso bedeutsam wie für den im Justizgewährungsanspruch begründeten Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz in angemessener Zeit sowie für die Rechtssicherheit als wesentliches Prinzip des Rechtsstaatsprinzips."

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2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts I. Justizgewährungsanspruch

Schon die Verfasser der Reichscivilprozeßordnung von 1877 wußten: „Die praktische Brauchbarkeit eines Prozeßverfahrens hängt nicht zum geringsten Theil davon ab, daß sich nach demselben der Beginn und die Fortfuhrung des Rechtsstreits, ingleichen die Realisierung des Richterspruchs in einfacher, zweckmäßiger, jeder wünschenswerthen Beschleunigung zugänglichen Weise erreichen läßt."4 Aus der Sicht des Klägers geht es um den Justizgewährungsanspruch. Dieser folgt in Zivilsachen weder aus Art. 19 IV GG, noch aus Art. 103 I GG, sondern aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 I I I GG) i.V.m. Art. 2 I GG. 5 Er ist das nach der Rechtsstaatsidee des Grundgesetzes notwendige Korrelat fur das staatliche Gewaltmonopol und das Selbsthilfeverbot. 6 Der Justizgewährungsanspruch hat auch in Art. 6 I EMRK Niederschlag gefunden. 7 In einem Prozeßrechtssystem wie dem deutschen, nach dem die Rechtshängigkeit nicht schon mit Einreichung der Klage bei Gericht, sondern erst mit Zustellung der Klage- bzw. Antragsschrift beim Beklagten bzw. Antragsgegner eintritt, 8 hat der Kläger bzw. Antragsteller ein erhebliches Interesse an einer zügigen Zustellung.9 Muß bei der Auslandszustellung Rechtshilfe des Aufenthaltsstaates des Zustellungsadressaten in Anspruch genommen werden, was nach dem kontinentaleuropäischen System derzeit die Regel ist, dann treten Verzögerungen ein, weil das auslaufende Rechtshilfeersuchen im Gerichtsstaat einer besonderen Prüfung (§ 9 ZRHO) unterzogen wird und weil die Übermittlung an den ersuchten Staat und die dortige Erledigung erhebliche Zeit beansprucht. 10

4

Hahn, Materialien S. 219.

5

Rosenberg/Schwab/Gottwald § 3 I (S. 14); BVerfGE 30, 1; 41, 277; 41, 291; 50, 1; 51, 146 und 352; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz Art. 19 IV Rn. 16 insbesondere Fn. 38; Stiirner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses S. 39, der zusätzlich auf die allgemeine Handlungsfreiheit des Klägers, Art. 2 I GG, zurückgreift. 6

BVerfG NJW 1991, 413; BVerfGE 74, 220, 224; Papier in Isensee/Kirchhof, HbStR VI § 153 Rn. 1; Stern, Staatsrecht III/1 S. 1438; Gelmer, ZfRV 33 (1992), 321, 325. 7

Hierzu Stem-Jonas 20/Schumann Einl. Rn. 206.

8 §§ 253 J, 261 I ZPO; rechtsvergleichende Hinweise bei Nagel/Gottwald, Rn. 87. 9

IZPR § 5

Volken, Rn. 2.14 (S. 34); Gottwald in Habscheid/Beys, S. 23 weist auf die Möglichkeit des Beklagten hin, durch eine eigene spätere Klageerhebung in einem Staat, der Rechtshängigkeit bereits mit Einreichen der Klageschrift bei Gericht eintreten läßt, die Rechtshängigkeitssperre (Art. 21 I EuGVÜ/LugÜ) herbeizufuhren und so die Klage des Klägers zu unterlaufen. Nachweise z.B. bei Otto, S. 119. 10

Gottwald in Habscheid/Beys, S. 25.

Α. Zustellung als Gradmesser fìir effektiven Rechtsschutz

7

In § 31 12 ZRHO wird zur Geduld gemahnt: „Dabei ist zu berücksichtigen, daß in einigen Ländern, insbesondere, wenn ausländische Behörden eingeschaltet werden, mit einer Erledigung von Ersuchen erst nach mehreren Monaten zu rechnen ist. Soweit im Länderteil auf eine längere Erledigungsdauer hingewiesen ist, muß mit einer Frist von mehr als sechs Monaten gerechnet werden." Daraus folgt nach § 33 I I ZRHO: 1 1 „Termine sind so anzuberaumen, daß bei Berücksichtigung der Einlassungsfrist die rechtzeitige Zustellung und der Eingang des Zustellungszeugnisses vor dem Termin gesichert erscheinen. Dabei ist zu bedenken, daß die Erledigung durch ausländische Behörden häufig erhebliche Zeit in Anspruch nimmt." 1 2 So werden nicht etwa aus exotischen Ländern, 13 sondern aus europäischen und sonstigen nahe gelegenen Staaten folgende durchschnittlichen Erledigungszeiten berichtet: 14 Belgien: 3-4 Monate

Bulgarien: 9 Monate

Dänemark: 3-4 Monate

Finnland: 3 Monate

Frankreich: 5 Monate

Griechenland: 3-5 Monate

Großbritannien: 4 Monate

Irland: 3 Monate

Israel: 6 Monate

Italien: 5 Monate

Luxemburg: 3-4 Monate

Niederlande: 3-4 Monate

Norwegen: 4 Monate

Österreich: 3-4 Monate

Polen: 6 Monate

Portugal: 5 Monate

11

Ebenso z.B. in Polen § 50 der Instrukcja obrotu prawnego ζ zagranica = Anleitung für den Rechtsverkehr mit dem Ausland, hierzu Weyde, S. 118. 12 Siehe für eingehende Zustellungsersuchen auch § 59 IV 3 ZRHO: „Ein Zustellungsantrag, mit dem um Ladung eines Zeugen oder Sachverständigen ersucht wird, ist unerledigt zurückzugeben, wenn die Ladung auch bei unverzüglicher Bearbeitung des Antrags nicht mehr rechtzeitig zugestellt werden kann, insbesondere der Termin bereits verstrichen ist." Vgl. zur Frage, ob ein Zustellungsersuchen ausgeführt werden soll, wenn der im zuzustellenden Schriftstück genannte Termin, zu dem der Zustellungsempfänger geladen wird, verstrichen ist: Report on the Work of the Special Commission in Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes et Documents de la Quatorzième session 6 au 25 octobre 1980, Tome IV: Entraide judiciaire/Judicial co-operation, S. 381. 13

Mehrere Jahre soll die Zustellung in Anspruch nehmen auf den Bahamas (die allerdings ab 1.2.1998 dem HZÜ beigetreten sind, BGBl. 1998 II, S. 288) und in Honduras, in Brasilien 12-18 Monate, Kuba 14 Monate und in Peru 15 Monate. 14 Vgl. Rahm/Künkel/Breuer, Familiengerichtsverfahren VIII Rn. 42. Siehe auch Fleischhauer, S. 325 sowie Linke, Probleme der internationalen Zustellung (im Erscheinen) sub I 4 a bei Fn. 104.

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

8

Schweden: 3-4 Monate

Schweiz: 3-4 Monate

Spanien: 5 Monate15

Tschechien: 4-6 Monate

Türkei: 6 Monate

Ungarn: 6 Monate

Schließlich dauert auch der Rücklauf des Zustellungszeugnisses aus dem ersuchten Staat in den ersuchenden Staat noch seine Zeit, um die der tatsächliche Beginn des Prozesses bzw. seine Fortsetzung verzögert wird. Mitunter ist die Zustellungshilfe fur ausländische Gerichtsverfahren rechtlich gar nicht sichergestellt. So fehlt z.B. in Deutschland eine gesetzliche Grundlage außerhalb des Anwendungsbereichs der Staatsverträge. 16 Die Staaten sollten aber dafür sorgen, daß Personen in ihrem Hoheitsbereich für die ausländische Ziviljustiz erreichbar sind. Daher kritisiert Schlosser 17 mit einleuchtenden Argumenten das Fehlen einer gesetzlichen Regelung: „Unter Menschenrechtsgesichtspunkten ist es [...] völlig untragbar, daß Staaten, wie die Bundesrepublik Deutschland, auf dem Standpunkt stehen, im völkervertragslosen Verkehr seien 'Zwangszustellungen' an Inlandsbewohner nicht möglich, § 70 Abs. 2, § 68 Abs. 2 ZRHO. Auch wenn es dem Heimatstaat des ausländischen Klägers jederzeit freisteht, dem Haager Zustellungsübereinkommen beizutreten, so verstößt es dennoch gegen die justiziellen Menschenrechte des privaten Klägers, dem Beklagten an dessen Wohnsitz eine Vollstrekkungsoase zuzubilligen, weil er sich gegen die Vollstreckung des ergehenden ausländischen Urteils jedesmal darauf 'berufen' kann, daß ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist, weil es ihm nicht ordnungsgemäß zugestellt werden konnte."

I I . Rechtliches Gehör Aus der Sicht des Beklagten geht es um die Währung elementarer Verteidigungsrechte. Wer nicht weiß, daß gegen ihn ein Verfahren anhängig ist, kann sich nicht verteidigen. 18 Sein Recht auf rechtliches Gehör und auf einen fairen Prozeß ist verletzt.

15 12-14 Monate nach Karl in Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, 663.113 Fn. 107 unter Berufung auf das Bundesjustizministerium, gar 2 Jahre nach Auskunft der Deutschen Botschaft, berichtet von AG Bad Säckingen FamRZ 1997, 611 = IPRspr. 1995 Nr. 163A. Vgl. auch OLG Köln FamRZ 1998, 561, 562 und Fleischhauer, S. 328 Fn. 610. 16

Näher unten 2. Kapitel: F. II. (S. 58 f.).

17

Schlosser in FS Matscher, S. 387, 388 f.

18

US Supreme Court in Mullane v. Central Hanover Bank & Trust Co. 339 U.S. 306, 314 (1950): „The right to be heard has little reality or worth unless one is informed that the matter is pending and can choose for himself whether to appear or default, acquiesce or contest." Vgl. auch Chase/Barker, S. 215 und Field/Kaplan/Clermont, S. 1091.

Α. Zustellung als Gradmesser f r effektiven Rechtsschutz

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Doch ist hervorzuheben, daß dem Beklagten lediglich Gelegenheit19 gegeben werden muß, sich am Verfahren zu beteiligen. 20 Ob er dies tut, bleibt seiner Entschließung überlassen. 21 Auch treffen ihn im Rechtsverkehr gewisse Grundobliegenheiten. Er darf nicht „abtauchen".22 Wer absichtlich die Zustellung vereitelt, ist selbst daran schuld, daß er vom Inhalt des ihm zuzustellenden Schriftstücks nichts erfährt und daß er sich deshalb nicht wirksam verteidigen kann. Er wird auch aus dem Blickwinkel des Art. 103 I GG und des Art. 6 I EMRK seiner Prozeßverantwortung nicht gerecht; daher ist eine Verkürzung und sogar Verwirkung des rechtlichen Gehörs in concreto nicht zu beanstanden.23 Der Zustellungsadressat (insbesondere der Beklagte) muß sein persönliches Umfeld so „organisieren", daß im Falle der Ersatzzustellung seine Familienangehörigen bzw. Hausgenossen das zugestellte Schriftstück ihm zur Kenntnis bringen. Denn die Zustellung ist bereits mit Übergabe an die Ersatzperson bzw. Benachrichtigung von der Niederlegung bei der Post perfekt. 24

I I I . Ausbalancieren der Verfahrensgrundrechte des Klägers und des Beklagten Art. 103 I GG steht nach seinem Wortlaut unter keinem Gesetzesvorbehalt. Aber auch textlich unbeschränkte Grundrechte unterliegen verfassungsimmanenten Schranken. 25 Als solche kommen insbesondere kollidierende Grund19 Durch Verweigerung der Annahme des zuzustellenden Schriftstücks ohne rechtlichen Grund kann der Zustellungsvorgang nicht blockiert werden. Näher unten 2. Kapitel: D. VI. (S. 50). 20 Zur US-amerikanischen Sicht Born, S. 771 unter Hinweis auf Mullane v. Central Hanover Bank & Trust Co. (Fn. 18): „The due process clause requires that service of process be reasonably likely to provide the defendant with notice of the proceedings against it. Specifically, due process demands 'notice reasonably calculated under all the circumstances, to apprise interested parties of the pendancy of the action and to afford them an opportunity to present their objections.' [...] The notice must be of such nature as reasonably to convey the required information. [...] Service by a method of mail requiring some form of signed return receipt will generally satisfy the due process clause ". 21 Vgl. BVerfGE 5, 9; Schwab/Gottwald in Habscheid, Effektiver Rechtsschutz S. 55; Fleischhauer, S. 224; Stein-Jonas21[/Leipold, Vor § 128 Β II Rn. 30. 22

Vgl. auch BGH RIW 1992, 56. Der Beklagte muß für eine zustellungsfähige Anschrift sorgen. Er kann sich nicht dadurch der Rechtsverfolgung entziehen, daß er sich an einen unbekannten Ort absetzt. Vgl. auch Geimer, IZPR Rn. 2104. '

23

Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz Art. 103 I Rn. 83.

24

§§181 ff ZPO; hierzu Rosenberg/Schwab/Gottwald

S. 33.

§ 74 III (S. 407); Kondring,

25 Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz Art. 103 I Rn. 5; Fleischhauer, S. 220 m.w.N.

10

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

rechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte in Betracht, sofern diese zumindest gleichrangig sind. 26 Durch eine schrankenlose Gewährung rechtlichen Gehörs kann das verfassungsmäßige Recht des Klägers auf Justizgewährung gefährdet oder vereitelt werden. 27 Der von der Verfassung und der EMRK garantierte Justizgewährungsanspruch umfaßt das Recht auf eine gerichtliche Entscheidung innerhalb angemessener Frist. 28 Die Zustellungsvorschriften dürfen daher nicht so ausgestaltet oder ausgelegt werden, daß der Zugang zu den Gerichten versperrt oder ungebührlich erschwert wird. Zu beanstanden ist daher auch eine unverhältnismäßig lange Zeitspanne bis zur Einleitung des Verfahrens. Der Gesetzgeber muß Möglichkeiten dafür schaffen, daß gerichtliche Schriftstücke - insbesondere zum Zwecke der Verfahrenseinleitung - auch dann zugestellt werden können, wenn der Adressat nicht persönlich anwesend ist 29 oder einfach nicht erreichbar sein will. 3 0 Das Bundesverfassungsgericht hat daher die Ersatzzustellung (§§181-184 ZPO) 31 und die öffentliche Zustellung

26 BVerfGE 28, 243, 261; BVerfGE 49, 24, 56. Ähnlich die Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts, z.B. BGE 82 II 167; BGE 91 II 152; BGE 100 III 3; hierzu Bischof, S. 2 bei Fn. 5. 27

Fleischhauer, S. 220.

28

Näher Fleischhauer, S. 221; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 3 I (S. 14). Das Bundesverfassungsgericht hat es zwar bisher in Bezug auf den Zivilprozeß - anders etwa, als hinsichtlich des Verwaltungsgerichts- und Strafverfahrens (z.B. BVerfGE 35, 382, 405; 40, 237, 257; 55, 349, 369; 63, 45, 68) - vermieden, von einem Recht auf Entscheidung in angemessener Frist zu sprechen. Allerdings fordere das Rechtsstaatsprinzip im öffentlichen Interesse die Herstellung von Rechtssicherheit. Dies setze die Klärung streitiger Rechtsverhältnisse in angemessener Zeit voraus; so BVerfG NJW 1993, 1635; EuGRZ 1993, 140, 142. Vgl. auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Präklusion verspäteten Vorbringens, BVerfGE 54, 117, 124. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sogar ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht als zu zögerlich und daher als mit Art. 6 I EMRK nicht vereinbar kritisiert, EGMR NJW 1997, 2809. 29 Angesichts der gestiegenen Mobilität der Bevölkerung im allgemeinen und der Berufstätigkeit außerhalb des häuslichen Bereichs ist die Zahl der Ersatzzustellungen in den letzten Jahrzehnten immer mehr angestiegen, vgl. Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz), S. 72: „Da die Anzahl der Ersatzzustellungen durch Niederlegung wegen der zunehmenden Berufstätigkeit der Bevölkerung und der Verringerung der Zustellgänge der Post steigt, muß eine neue und kostengünstige Möglichkeit für den Zustellungsadressaten gefunden werden." Vgl. hierzu auch unten S. 49 Fn. 239. 30 Plastisch MünchKommZPO/v. Feldmann § 203 Rn. 1: Die Zustellung nach § 203 I ZPO „betrifft in der Mehrzahl der Fälle solche Leute, die sich aus nicht zu billigenden Gründen aus dem Staube machen, ohne eine Spur zu hinterlassen, so z.B. säumige Unterhaltsschuldner." 31

BVerfG NJW 1992, 224, 225 m.w.N.

Α. Zustellung als Gradmesser fìir effektiven Rechtsschutz

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(§ 203 ZPO) nicht beanstandet, auch wenn der Adressat keine Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück erhalten hatte.32 Es muß generell von Gesetzes wegen dafür gesorgt werden, daß „Zwangszustellungen" möglich sind: 33 Es kann nicht angehen, daß der Adressat die Zustellung dadurch scheitern lassen kann, daß er schlicht die Annahme verweigert. 34 Wird die Annahme ohne gesetzlichen Grund von dem Adressaten oder der Ersatzperson verweigert, so ist nach § 186 ZPO das zu übergebende Schriftstück am Ort der Zustellung zurückzulassen. Damit ist der Zustellungsvorgang abgeschlossen. Der Diskussionsentwurf (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz) möchte allerdings eine Zwangszustellung an Ersatzpersonen ausschließen.35

I V . Verschulden kein Kriterium Die öffentliche Zustellung setzt nicht voraus, daß der Adressat seine Unerreichbarkeit selbst verschuldet hat. Der willkürlich oder gar mißbräuchlich Abwesende, der sich bewußt der Zustellung von Schriftstücken entziehen möchte, ist weniger schutzbedürftig, als ein Adressat, dessen Aufenthalt infolge von Umständen unbekannt ist, die er nicht beeinflussen konnte, 36 wie politische Verfolgung oder Kriegs- und Revolutionswirren. 37 Aber auch in solchen Fällen muß die Durchführung eines Zivilprozesses 38 möglich gemacht werden. Der Justizgewährungsanspruch setzt sich gegenüber dem Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör durch. 39

32

Ebenso sehr deutlich BGH FamRZ 1997, 490 = NJW 1997, 2051. Einzelheiten hierzu unten 6. Kapitel: Κ. IV. 2. (S. 252 f.). 33 Für das Verfahren vor dem Schiedsgericht, nicht aber vor dem staatlichen Gericht (§1028 II ZPO), gilt als Spezialnorm seit 1.1.1998 nunmehr § 1028 I ZPO. 34

Diese Möglichkeit hat aber de lege lata der Adressat in Deutschland im völkervertraglich nicht geregelten Bereich. Vgl. unten S. 66. 35

Diskussionsentwurf, S. 67 f., 70.

36

Dies muß der Richter im konkreten Einzelfall bei der Entscheidung, ob öffentliche Zustellung angeordnet wird, berücksichtigen. 37

Fleischhauer, S. 321 f.

38

Anders für Strafprozesse in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik: BVerfGE 1, 332, 347. 39 MünchKommZPO/v. Feldmann § 203 Rn. 1 verneint eine Verletzung des Art. 103 I GG: „Denn der Prozeßgegner hat ebenso Anspruch auf Wahrung seiner Rechte wie der Zustellungsempfänger."

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

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V. Justizgewährungsanspruch versus Anspruch auf rechtliches Gehör Der Justizgewährungsanspruch des Klägers und der Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren können sich mithin derart gegenüberstehen, daß das eine Recht nur auf Kosten und zu Lasten des anderen realisiert werden kann. 40 1. Unbekannter Aufenthalt des Beklagten Jede Rechtsordnung muß sich mit der Frage auseinandersetzen, wie zu verfahren ist, wenn der Aufenthaltsort des Beklagten unbekannt ist. Hier entscheiden sich viele Prozeßordnungen 41 für eine fiktive Zustellung, um den Prozeß in Gang zu bringen. In Deutschland42 erfolgt gem. § 203 I ZPO 43 öffentliche Zustellung;44 diese geschieht nach § 204 I I ZPO durch Anheftung an die Gerichtstafel 45 und - wenn das zuzustellende Schriftstück eine Ladung oder eine Aufforderung nach § 276 I ZPO enthält - außerdem durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger nach Maßgabe des § 204 I I I ZPO. 46 Hier tendiert für den Normalbürger die Chance, von dem Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks Kennt-

40

Siehe auch Droz, Les droits de la demande S. 113: „Droits de la demande et droits de la défense sont également respectables." 41 Vgl. document préliminaire N° 2 d'octobre 1963 in Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes et Documents de la Dixième Session 7 au 28 octobre 1964, Tome III: Notification, S. 11 und insbesondere die Antworten der einzelnen Staaten a.a.O. S. 21 ff. 42 Für Polen siehe Weyde, (S. 33 f.).

S. 118 und für die Schweiz vgl. Volken,

Rn. 2.13

43

Um den Justizgewährungsanspruch zu unterstreichen, hat der Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz) die Formulierung „kann [...] erfolgen" in § 203 ZPO durch „erfolgt" in § 192 ZPO-Entwurf ersetzt. 44

Hierzu z.B. Fleischhauer, S. 319 ff.; VoIbers, S. 169 ff.

45

Der Anschlag eines Auszugs des Schriftstücks an der Gerichtstafel genügt nach österreichischem Recht (§ 25 ZustG; § 115 österr. ZPO) nur dann, wenn die Zustellung des Schriftstücks keine prozessuale Handlungspflicht des Adresssaten bewirkt. Der Anwendungsbereich dieser Zustellungsart ist daher eng begrenzt (Streitverkündung, Auktorbenennung); Fasching, ZPR Rn. 542. Hat der Empfänger eine Prozeßhandlung vorzunehmen oder wird er zu Gericht geladen, dann ist nach § 116 österr. ZPO ein Kurator (Abwesenheitspfleger) zu bestellen. Dieser hat nicht nur die Zustellung entgegenzunehmen, sondern auch den Abwesenden solange im Rechtsstreit zu vertreten, bis dieser selbst im Prozeß auftritt. In Deutschland begründet nur § 6 ZVG die Pflicht des Gerichts zur Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten. Näher hierzu unten 6. Kapitel: E. VIII. 5 (S. 227). 46

Einzelheiten hierzu unten 3. Kapitel: E. V. 3 (S. 154). Zur Zustellung an Nichtseßhafte Blankenheim, MDR 1992, 926.

Α. Zustellung als Gradmesser f r effektiven Rechtsschutz

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nis zu erlangen, gegen Null. 4 7 Denn „die an die Gerichtstafel angehefteten Schriftstücke (§ 204 I I ZPO) werden allenfalls aus Langeweile von Gerichtsbesuchern gelesen und mit den in öffentliche Blätter eingerückten Ladungen steht es kaum besser," resümiert zutreffend Waldner: 48

47 Zur US-amerikanischen Sicht Born, S. 771: „Service by publication will ordinarily be permitted only in the case of persons whose presence is unknown and cannot reasonably be ascertained, Mullane v. Central Hanover Bank & Trust Co., 339 U. S. 306, 314-315 (1950)." So wurde die Veröffentlichung der Klage und der Ladung in der International Herald Tribune als „reasonably calculated" anerkannt, weil diese Zeitung „an English language paper" sei, „which is widely read by the international financial community in Europe", SEC v. Tome, 833 F. 2d 1086, 1091 (2d Cir.1987). Hierzu Born, S. 772; Wiehe, S. 80. Hinweise zum kalifornischen Zustellungsrecht bei Nagel/Gottwald, IZPR § 7 Rn. 43. Beispielhaft sei die Regelung des service by publication in (revised) § 316 New York Civil Practice Law and Rules erwähnt: „Service by publication.

(a) Contents of order; form of publication; filing. An order for service of a summons by publication shall direct that the summons be published together with the notice to the defendant, a brief statement of the nature of the action and the relief sought, and, except in an action for medical malpractice, the sum of money for which judgment may be taken in case of default and, if the action is brought to recover a judgment affecting the title to, or the possession, use or enjoyment of, real property, a brief description of the property, in two newspapers, at least one in English language, designated in the order as most likely to give notice to the person to be served, for a specified time, at least once in each of four successive weeks, except that in a matrimonial action publication in one newspaper in the English language, designated in the order as most likely to give notice to the person to be served, at least once in each of three successive weeks shall be sufficient. The summons, complaint, or summons and notice in an action for divorce or separation, order and papers on which the orders was based shall be filed on or before the first day of publication. (b) Mailing to accompany publication in matrimonial actions. An order for service of a summons by publication in a matrimonial action shall also direct that on or before the first day of publication a copy of the summons be mailed to the person to be served unless a place where such person probably would receive mail cannot with due diligence be ascertained and the court dispenses with such mailing. A notice of publication shall be enclosed. (c) Time of publication; when service complete. The first publication of the summons shall be made within thirty days after the order is granted. Service by publication is complete on the twenty-eighth day after the day of first publication, except that in a matrimonial action it is complete on the twenty-first day after the day of first publication. 48

Waldner, Aktuelle Probleme des rechtlichen Gehörs im Zivilprozeß S. 51. Zu optimistisch MünchKommZPO/v. Feldmann § 203 Rn. 1 : Keine reine Fiktion, denn das Gesetz schaffe mit den Bestimmungen über die Anheftung an die Gerichtstafel und Einrückung in den Bundesanzeiger immerhin die Gelegenheit, daß der Zustellungsempfänger Kenntnis von der Zustellung erhalten könnte. 4 Geimer

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2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts 2. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Im Urteil Colozzä 49 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Strafverfahren, das in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt wurde, den Grundsatz der Fairneß des Verfahrens wie folgt konkretisiert: Es gehe nicht an, daß das Gericht bei Wohnsitzwechsel des Angeklagten jegliche Nachforschung nach dem neuen Domizil unterläßt und ohne weiteres annimmt, er habe auf die Teilnahme an der Gerichtsverhandlung verzichtet, und daher ein Urteil in Abwesenheit des Angeklagten erläßt. Es sei ferner konventionswidrig, dem Angeklagten den Beweis dafür aufzuerlegen, daß er sich dem Gerichtsverfahren nicht entziehen wollte und seine Abwesenheit auf höhere Gewalt zurückzuführen war. Im Zivilprozeß liegen die Dinge komplizierter als im Strafprozeß. Es geht hier - wie schon erwähnt - um das Abwägen des Justizgewährungsanspruchs des Klägers gegen das Recht des Beklagten auf ein faires Verfahren. Der Justizgewährungsanspruch des Klägers kann nicht endlos auf die lange Bank geschoben und damit de facto unerfüllt bleiben. 50 Dies widerspräche dem durch die Verfassung und durch Art. 6 I EMRK begründeten Anspruch auf ein zügiges und effizientes Verfahren in einer überschaubaren Zeit. Auf der anderen Seite darf der Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren nicht mehr als unbedingt notwendig eingeschränkt werden. Deshalb wurde z.B. folgende Lösung vorgeschlagen: 51 Öffentliche Zustellung nach einem halben Jahr seit Einleitung der Auslandszustellung (nach Maßgabe von § 199 ZPO) 52 bei großzügiger Wiedereinsetzungsmöglichkeit. Dies sei nicht nur gerade noch konventionskonform, sondern von der EMRK geboten. Anders als in Strafsachen gehe es nicht nur um die Position des Angeklagten und die Wahrung seiner prozessualen Rechte, sondern um das Austarieren von zwei menschenrechtlichen Positionen, nämlich der des Klägers auf der einen und der des Beklagten auf der anderen Seite, die beide gleichermaßen durch die Konvention geschützt sind.

49 EGMR EuGRZ 1985, 631, Haefliger, S. 125 f. Fn. 36.

Die EMRK und die Schweiz S. 147 und

50

Geimer, BerDGVR 33 (1994), 213, 238, 260; Stein-Jonas21///. Roth § 199 Rn. 4: „Ansonsten würde der Justizgewährungsanspruch des Klägers verletzt." 51

Geimer, a.a.O. (Fn. 50) S. 260.

52

Die Halbjahresfrist kritisiert Fischer in ZZP 107 (1994), 163, 171 als zu kurz; er spricht sich für eine Verdoppelung auf ein Jahr aus. Vgl. auch Staudinger/Spellenberg §§ 606 ff. ZPO Rn. 512. Das Bundesjustizministerium hat im Rundschreiben vom 20.1.1993 fur den Rechtsverkehr mit Spanien vorgeschlagen, die Erledigung nach sechs Monaten anzumahnen und nach weiteren drei Monaten öffentlich zuzustellen; dies berichtet Linke, Probleme der internationalen Zustellung (im Erscheinen) sub I 5 c (2) Fn. 155.

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,

Α. Zustellung als Gradmesser f r effektiven Rechtsschutz

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Dagegen wird es in der Rechtsprechung als fur den Kläger noch zumutbar angesehen, wenn er zwei Jahre auf die Zustellung der Klage im Wege der Rechtshilfe warten muß. 53 3. Grundsatz des „ mildesten Eingriffs

"

Im konkreten Einzelfall ist stets nach Möglichkeiten zu suchen, den „Eingriff 4 in die grundlegende Verfahrensgarantie eines fairen Verfahrens, insbesondere des rechtlichen Gehörs, möglichst sanft „abzufedern". So bemerkt Fleischhauer treffend: 54 „Die menschenrechtlichen Diskriminierungsverbote stehen zwar grundsätzlich Differenzierungen durch Zustellungsnormen nicht entgegen, die auf der Anknüpfung an Sitz, Wohnsitz oder Aufenthalt des Adressaten beruhen, wenn und soweit dafür sachliche Gründe der Verfahrensökonomie und der Justizgewährung sprechen. [...] Aus der Interessenabwägung des Justizgewährungsanspruchs des Klägers und des Anspruchs des Beklagten auf rechtliches Gehör ergibt sich: Die gewählte Zustellungsform muß zum Schutz der benachteiligten Seite stets das mildeste von mehreren geeigneten Mitteln darstellen. Daraus ergibt sich die grundsätzliche Zulässigkeit von (auch fiktiven) Inlandszustellungen, aber auch die Notwendigkeit enger Voraussetzungen und ausgleichender Maßnahmen zum Schutz des Adressaten. Dazu zählen insbesondere die Pflicht zu sorgfältigen Nachforschungen über den Verbleib des Adressaten, bevor eine fiktive Zustellung angeordnet wird, der Versuch einer formlosen Benachrichtigung und die Versendung einer Zustellungsmitteilung, die Rücksichtnahme auf fehlende Sprachkenntnisse des Adressaten sowie die Verlängerung von Fristen."

VI. Zustellung an Nichtparteien 1. Beweispersonen Bei der Zustellung an Nichtparteien ist eine solche Abwägung i.d.R. nicht erforderlich. Geht es etwa um die Ladung eines Zeugen oder Sachverständigen im Ausland, 55 so ist klar, daß Beuge- und sonstige Zwangsmaßnahmen gegen die säumige Beweisperson nur dann ergriffen werden können, wenn diese auch die Ladung erhalten hat. Es wäre wenig sinnvoll, die Ladung öffentlich zuzu-

53 So für die Zustellung der Antragsschrift in einem Scheidungsverfahren AG Bad Säckingen FamRZ 1997, 611 = IPRspr. 1995 Nr. 163A. Dieses Gericht will jeweils im Einzelfall je nach der Bedeutung des Prozesses die Länge der für den Kläger noch zumutbaren Zustellungsfrist bestimmen. Die Interessen des Klägers betont dagegen mehr OLG Köln FamRZ 1998, 561, 562. 54 55

Fleischhauer, S. 89.

Zur strittigen Frage, ob das Völkergewohnheitsrecht die Ladung eines Zeugen, der Staatsangehöriger des Gerichtsstaates ist, ohne Einschaltung von Rechtshilfeinstanzen des Aufenthaltsstaates zuläßt, unten 7. Kapitel: Q. II. (S. 290).

16

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

stellen. So sieht denn § 203 ZPO eine solche fiktive Zustellung nur dann vor, wenn der Aufenthalt einer Partei unbekannt ist. 56 2. Streitverkündete Wenn es aber um die Zustellung einer Streitverkündung an einen sich im Ausland Aufhaltenden geht, dann kann man schon wieder die Frage stellen, ob der Anspruch des Streitverkünders auf effiziente Rechtsdurchsetzung gegenüber dem Anspruch des Streitverkündeten auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör abzuwägen ist. Die Streitverkündung erfolgt nach deutschem Recht durch Einreichung eines Schriftsatzes bei Gericht, welches ihn von Amts wegen dem Dritten zustellt. Die Streitverkündung wird erst mit Zustellung an den Dritten wirksam, § 73 Satz 3 ZPO. Förmliche Zustellung i.S.v. §§ 208 ff. ZPO ist nicht erforderlich; es genügt gemäß § 270 I I ZPO formlose Mitteilung. 57 Das Gericht kann aber auch förmliche Zustellung anordnen. Dann wäre bei unbekanntem Aufenthalt des Streitverkündeten oder bei Nichtfunktionieren der ausländischen Zustellungshilfe i.S.v. § 199 ZPO (§ 203 I I ZPO) öffentliche Zustellung möglich, weil unter den Parteibegriff des § 203 ZPO auch der Streitverkündete zu subsumieren ist. 58 3. Pfändung und Überweisung a) Drittschuldner Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse sind dem Drittschuldner ins Ausland nach § 199 ZPO zuzustellen.59 Ist dies nicht möglich, so kommt eine öffentliche Zustellung nach § 203 ZPO nicht in Betracht, da der Drittschuldner keine Partei ist. Auch die Bestellung eines Abwesenheitspflegers scheidet aus.60 Dies ist sinnvoll, weil man die Einhaltung des Zahlungsverbots (§ 829 I 1 ZPO) und die Erfüllung der Auskunftspflicht (§ 840 ZPO) schlechterdings nicht von einem Drittschuldner verlangen kann, der von der Pfändung nichts weiß. Eine

56

Zöller/Stöber § 203 Rn. 2.

57

OLG Köln NJW 1981, 2264; Stein-Jonas21[/Bork §73 Rn. 2; Wieczorek/SchützeiMansel § 73 Rn. 14. 58

ZöllerIStöber § 203 Rn. 2.

59

Gottwald, IPRax 1991, 285, 289; Geimer, IZPR Rn. 408; Schack, IZVR Rn. 982; Stein-Jonas21/Brehm § 829 Rn. 56; Zöller/Stöber § 829 Rn. 33 sub Ausländer; Jaeckel, S. 35 m.w.N. Zu den Problemen bei der Zustellung ins Ausland unten 2. Kapitel: G. V. 1 d) (2) (S. 74). 60

OLG Zweibrücken RPfleger 1987, 201; Stein-Jonas21/ÖreÄm § 829 Rn. 57.

Α. Zustellung als Gradmesser f r effektiven Rechtsschutz

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Übersendung mit der Post hält man fur unzulässig; allerdings soll die Anwendung des Rechtsgedankens des § 187 ZPO möglich sein.61 b) Vollstreckungsschuldner Anders ist es jedoch wiederum im Verhältnis zwischen Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner. Hier setzt sich das oben beschriebene Spannungsverhältnis zwischen Kläger und Beklagtem auch im Zwangsvollstreckungsverfahren fort. Die Zustellung an den Vollstreckungsschuldner entfällt, wenn dieser unbekannten Aufenthalts ist, §§ 829 I I 2, 835 I I I 1 ZPO. Damit wird seine verfahrensrechtliche Position, die ohnehin nicht stark ist, weil gem. § 834 ZPO die Pfändung ohne vorherige Anhörung erfolgt, noch mehr geschwächt; er hat keine Kenntnis von der Pfändung und Überweisung und kann eventuelle Einwendungen nicht vorbringen. Gleichwohl ist dies gerechtfertigt, weil das Interesse des Gläubigers an einem schnellen Zugriff überwiegt. 62 Fehlt ein Drittschuldner und ist deshalb nach § 857 II ZPO die Zustellung des Verfögungsverbots (§ 829 I ZPO) an den Vollstreckungsschuldner - entgegen § 829 I I I ZPO - für das Wirksamwerden der Pfändung konstitutiv, 63 so ist öffentliche Zustellung möglich, weil der Vollstreckungsschuldner „Partei" des Vollstreckungsverfahrens ist. 64 Die Beeinträchtigung dessen rechtlichen Gehörs durch die Zustellungsfiktion des § 203 ZPO ist im Verhältnis zum Gläubiger gerechtfertigt, weil dessen Interesse an einer effizienten Zwangsvollstreckung, die vom Justizgewährungsanspruch mitumfaßt wird, überwiegt.

V I I . Rationelle Verfahrensgestaltung Im Interesse einer effektiven Verfahrensgestaltung bedarf in den Systemen der tatsächlichen Zustellung im Ausland 65 nur das verfahrenseinleitende Schriftstück (Klage, Antragsschrift) der förmlichen Zustellung. Durch Zustellung der Klage- bzw. Antragsschrift wird das Prozeßrechtsverhältnis begründet und der Beklagte hat nun die prozessuale Last, im Gerichtsstaat einen Zustel-

61

Schack, Rpfleger 1980, 175, 176; ders., IZVR Rn. 983; Stein-Jonas21/ßre/im § 829 Rn. 57; a.A. Gottwald, IPRax 1991, 285, 289. 62 Fleischhauer, S. 316: „Indes ist diese gesetzliche Konstruktion allein aus individualrechtlicher Perspektive noch keine überzeugende Erklärung [...], da sie nichts über die nachträgliche Wahrung der Gegenrechte des Schuldners besagt. Das entscheidende Argument wird erst in der Gegenüberstellung der Interessen der Beteiligten gefunden." 63

Vgl. Zöller/Stöber § 857 Rn. 4 und MünchKommZPO/Smü/ § 857 Rn. 6.

64

MünchKommZPO/Sm/i/ § 857 Rn. 6; Stein-Jonas2i/Brehm § 857 Rn. 98.

65

Hierzu unten 2. Kapitel: D. I. (S. 30).

18

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

lungsbevollmächtigten zu benennen.66 Unterläßt er dies, so werden in Deutschland67 gem. § 175 I 1 ZPO alle Zustellungen durch Aufgabe zur Post68 bewirkt. 69 In manchen Staaten unterbleibt sogar im Unterlassensfall jede weitere Mitteilung durch das Gericht, so z.B. Polen 70 und in der Schweiz.71 Die dahinter stehende gesetzgeberische Erwägung ist folgende: Sobald der Beklagte von dem gegen ihn schwebenden Verfahren weiß, kann er seine Verteidigung zur Wahrung seiner Rechte selbst organisieren. Jedenfalls „wäre es mit einer rationellen Gestaltung des Prozesses nicht zu vereinbaren, wenn für jede kleine Gerichtsmitteilung (TerminsVerschiebung, Fristverlängerung) der ζ. T. langwierige Rechtshilfeweg beschritten werden müßte." 72 Treffend führt Linke 73 aus: „Der Gesetzgeber der Civilprozeßordnung von 1877 hat die Auslandszustellung auf die verfahrenseinleitenden Schriftstücke beschränkt und dabei ist es bis heute geblieben. Man hat das damals damit begründet, daß Zustellungen im Ausland, „so einfach dieselben auch geregelt werden mögen", zu Verfahrensverzögerungen („Verschleppungen") führen müssen.74 Eine solche Regelung läßt sich aber auch damit rechtfertigen, daß es dem Beklagten, wenn er denn in einer seinen Interessen Rechnung tragenden Art und Weise über die Einleitung und den Gegenstand des Verfahrens unterrichtet worden ist, selbst dafür Sorge tragen muß, daß er über den weiteren Verlauf des Verfahrens unterrichtet

66 Die Kommunikation zwischen dem inländischen Bevollmächtigten und dem Vollmachtgeber im Ausland ist kein hoheitlicher Vorgang, der völkerrechtlich bedenklich sein könnte, Schlosser in FS Matscher, S. 387, 395. 67

In einzelnen US-Bundesstaaten (state law) wird - anders als nach FRCP - ein inländischer Zustellungsbevollmächtigter fingiert, Nagel/Gottwald, IZPR § 7 Rn. 47; Otto, S. 162. 68 Nicht zu verwechseln mit der Zustellung im Ausland durch die Post nach der Direktmethode (ohne Einschaltung der Rechtshilfebehörden des Aufenthaltstaates des Zustellungsadressaten). 69 Siehe auch § 15 VwVerfG und § 123 Satz 2 AO. Zur Zustellung durch Aufgabe zur Post in Luxemburg, wenn die betreffende Partei dem EuGH bzw. EuG keinen Zustellungsbevollmächtigten in Luxemburg benannt hat, siehe oben S. 3 f. Fn. 17 und 18. 70 71

Weyde, S. 118.

Frank/Sträuli/Messmer, (S. 35 f.).

§ 30 Rn. 2; Volken,

Rn. 2.15 Fn. 21 (S. 34), Rn. 2.19

72 Volken, Rn. 2.16 (S. 35). Unverständlich daher seine Kritik an § 175 ZPO, a.a.O., Rn. 2.10 Fn. 15 (S. 32). 73

Fn.26. 74

Linke, Probleme der internationalen Zustellung (im Erscheinen) sub I 2c bei

Linke a.a.O., Fn. 26 verweist auf die Begründung zum Entwurf der CPO, Hahn, Materialien, 1880, S. 226.

Α. Zustellung als Gradmesser f r effektiven Rechtsschutz

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bleibt.75 Weitere zeit- und kostenaufwendige Auslandszustellungen berühren den Justizgewährungsanspruch des Klägers."76 Die sachliche Berechtigung der Obliegenheit der Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten im Gerichtsstaat bestreitet aber Volken 77 in den Fällen, in denen der unmittelbare Post- bzw. Faxverkehr zugelassen ist. 78 Das Bundesverfassungsgericht 79 sieht die Dinge nüchterner: Es erwägt parallel zur Aufgabe zur Post eine Ankündigung der Postsendung per Fax. Dies sei zwar „bei rücksichtsvoller Verfahrensgestaltung" naheliegend, aber rechtlich nicht zwingend geboten. V I I I . Umgewichtung der Rechtspositionen zwischen Kläger und Beklagtem durch das geplante Zustellreformgesetz Der Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz) möchte die gesetzliche Pflicht zur Bestellung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten (§174 I I ZPO) durch eine Ermessensentscheidung des Gerichts ersetzen. Nach § 170 ZPO-Entwurf kann es den im Ausland sich aufhaltenden Beklagten auffordern, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, der im Inland wohnt oder im Inland einen Geschäftsraum hat. Kommt er dieser Aufforderung nicht nach, entfällt die bisher in § 175 ZPO vorgesehene Sanktion der Zustellung durch Aufgabe zur Post.80

75

Linke a.a.O., Fn. 27 verweist auf Taborda Ferreira, Rapport explicatif, in Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes et Documents de la Dixième Session 7 au 28 octobre 1964, Tome III: Notification, S. 93. 76

Linke a.a.O., Fn. 28 verweist auf Geimer, BerDGVR 33 (1993) 213, 239.

77

Volken, Rn. 2.17 (S. 35).

78

Skeptisch auch Schlosser in FS Stiefel, S. 683, 692.

79

BVerfG NJW 1997, 1772: „Eine Vorabinformation der Beschwerdeführer per Fax, die - wie dem Gericht bekannt war - über einen entsprechenden Anschluß verfügen, wäre zwar bei rücksichtsvoller Verfahrensgestaltung nahegelegen, war aber rechtlich nicht zwingend geboten." 80

Diskussionsentwurf, S. 49: „Wird ein Zustellungsbevollmächtigter nicht benannt, muß anders als bisher in der ZPO eine Zustellung nach den Regeln über die Auslandszustellung erfolgen. Die Zustellung durch Aufgabe zur Post ist nicht mehr möglich. Im Ergebnis ist die Benennung des Zustellungsbevollmächtigten damit freiwillig. Bewußt wird einem in der Praxis vielfach geäußerten Wunsch, an die Nichtbenennung Rechtsfolgen zu knüpfen, nicht gefolgt. [...] Die steigende Zahl der völkerrechtlichen Vereinbarungen zur Auslandszustellung vermindert laufend das Bedürfnis einer Regelung über Zustellungsbevollmächtigte bei der Auslandszustellung. Eine nähere Ausgestaltung zur Ausübung des gerichtlichen Ermessens wäre bei einer Regelung über die Folgen einer Nichtbenennung erforderlich. Dies wäre mit Schwierigkeiten verbunden, deren Umfang von der Art der Regelung abhängt. Auch müßte u. U. eine gerichtliche Überprüfung der Aufforderung, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, eröffnet werden, da sie

20

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

Es ist vielmehr weiter ins Ausland zuzustellen. Die in § 175 ZPO vorgesehenen für den Beklagten unerfreulichen Rechtsfolgen (Perfektionierung der Zustellung mit Einwurf in den deutschen Briefkasten und Beginn des Fristenlaufs; Kosten fur einen Zustellungsbevollmächtigten) sind nach Auffassung des Bundesjustizministeriums „im Lichte der Entwicklung der internationalen Rechtshilfe nicht länger hinnehmbar. Im Konfliktfall muß das rechtliche Gehör Vorrang vor den Interessen des Gerichts an einer Arbeitserleichterung und den möglicherweise vorhandenen Interessen einer dritten Partei81 an einer zügigen Durchführung des Verfahrens haben.41 Damit verschiebt der Diskussionsentwurf die Gewichte zwischen den Parteien massiv. Man focusiert einzig und allein die Verfahrensgrundrechte des Beklagten und läßt außer Betracht, daß diese gegen diejenigen des Klägers ausbalanciert werden müssen. Die Prozeßförderungspflicht des Beklagten wird schlicht übersehen, der Justizgewährungsanspruch des Klägers und sein Recht auf ein zügiges Verfahren zu stark reduziert. Es ist zu hoffen, daß diese Radikallösung, die den Beklagten unangemessen bevorzugt, nicht Gesetz wird. Auch der Alternativvorschlag, den Oberlandesgerichtspräsidenten kraft Gesetzes zum Zustellungsbevollmächtigten82 für alle im Ausland domizilierten

den im Ausland wohnhaften Zustellungsempfänger tatsächlich belastet und sein rechtliches Gehör beeinträchtigen kann. Beispielsweise kann die Pflicht, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, im Einzelfall offensichtlich für den Betroffenen unzumutbar sein, ohne daß das Gericht dies bei seiner Anordnung prüfen würde oder prüfen könnte. Schließlich bestünde ein erhebliches Spannungsverhältnis zwischen den deutschen Vorstellungen, daß ausländische Zustellungen im Inland und deutsche Zustellungen im Ausland nicht erfolgen dürfen (vgl. deutscher Vorbehalt zu Art. 10 des Haager Zustellungsübereinkommens) und der bisherigen Regelung der ZPO, welche nach der bewirkten Zustellung einer Übersendung des zugestellten Schriftstücks durch die Post zuläßt. Die bisher vorgesehene Zustellungsfiktion beinhaltet praktisch zumindest eine erhebliche Gefährdung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Die Postbeförderung dauert häufig länger, als die bereits durch die Aufgabe zur Post in Lauf gesetzte Rechtsmittelfrist beträgt." 81

Diese Formulierung im Diskussionsentwurf, S. 50 ist schwer verständlich, da doch wohl jeder im Bundesjustizministerium weiß, daß sich im Zivilprozeß notwendigerweise zwei Parteien kontradiktorisch gegenüberstehen. 82

Der Diskussionsentwurf, S. 50 stellt diese Variante wie folgt vor: „Gesetzlich könnte ein bestimmter Zustellungsbevollmächtigter, z.B. der zuständige Oberlandesgerichtspräsident, benannt werden, welcher ohne Kosten für die Beteiligten tätig werden muß. Diesem könnte das zuzustellende Schriftstück mit der Maßgabe überlassen werden, es mit Einschreiben/Rückschein dem Empfänger im Ausland zuzuleiten. Das Gesetz könnte die Zustellung zu dem Zeitpunkt als bewirkt ansehen, in dem das Einschreiben mit Rückschein dem Empfänger (persönlich?) übergeben oder von diesem die Annahme verweigert wird (schwierig, da das internationale Postrecht keine Annahmepflicht kennt). Der Zustellungsbevollmächtigte könnte das Recht erhalten, seine Mitwirkung mit der Folge zu verweigern, daß die übliche Zustellung im Ausland durchgeführt werden muß. Eine solche Regelung hätte den Vorteil, daß der Empfänger praktisch nicht belastet wird, das rechtliche Gehör des Empfängers voll gewahrt bleibt, eine fakti-

Β. Aktive und passive Zustellungshilfe

21

Beklagten zu machen, gegen die vor den Gerichten seines Amtsbezirks ein Prozeß anhängig ist, verdient keine Zustimmung, weil die Zustellungswirkung erst mit Annahme des dem Adressaten ins Ausland per Post nachgesandten Schriftstücks eintreten soll und es dieser in der Hand hätte, die Zustellung durch Annahmeverweigerung zu vereiteln. 83 Auch bei dieser Lösung würde der Beklagte gegenüber dem Kläger unangemessen bevorzugt.

B. Aktive und passive Zustellungshilfe Zu unterscheiden ist zwischen aktiver und passiver Zustellungshilfe. 84

I. Aktive Zustellungshilfe Bei der aktiven Zustellungshilfe ersucht der Gerichtsstaat, also der Staat, in dem ein gerichtliches Verfahren stattfindet, einen anderen Staat um Zustellungshilfe. I.d.R. ist dies der Staat, in dem der Zustellungsempfänger seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. In Betracht kommt aber auch der Staat, in dem der Zustellungsadressat sich gerade vorübergehend aufhält. Im ersuchten Staat werden dessen Rechtshilfebehörden tätig: Sie fuhren die Zustellung aus. Dies erfolgt nach dem Zustellungsrecht des ersuchten Staates, sofern der ersuchende Staat nicht um Zustellung „in einer besonderen Form" 85 bittet. 86

sehe Kontrolle des Gerichts stattfindet und von dieser Regelung nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht wird, was der deutschen Haltung grundsätzlich nach den Regeln über die internationale Rechtshilfe in Zivilsachen beziehungsweise den Regeln über die konsularische Zustellung im Ausland zuzustellen, entspricht." 83

Zur Bedeutung der Annahmeverweigerung vgl. unten 6. Kapitel: Κ. IV. 2. (S. 252). 84 Zur Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Rechtshilfe allgemein Nagel, Friedenswarte 59 (1976), 249, 258; Kondring, S. 78 f.; Schabenberger, S. 49, 161. 85

Art. 3 II 1 HZPÜ; Art. 5 I lit. b HZÜ; Art. 7 I des noch nicht in Kraft getretenen Übereinkommens vom 26.5.1997 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union; Art. 3 V des deutsch-griechischen Rechtshilfevertrages; Art. 5 des deutsch-marokkanischen Rechtshilfe Vertrages; Art. 12 II Nr. 2 des deutsch-tunesischen Vertrages; Art. 10 II des deutsch-türkischen Vertrages; Art. 3 lit. d des deutschbritischen Vertrages. Siehe auch Art. 11 II des schweizerischen IPR-Gesetzes, § 57 I Hs. 2 des tschechoslowakischen Gesetzes zum internationalen Privat- und Prozeßrecht, § 67 II Hs. 2 der ungarischen Gesetzesverordnung über das internationale Privatrecht, Art. 71 III des italienischen IPR-Reformgesetzes. Hierzu z.B. Jaeckel, S. 38 ff. Für Frankreich z.B. Loussouarn/Bourel, Rn. 437 (S. 492). Für spezielle Wünsche deutscher Gerichte an die ausländischen Rechtshilfebehörden empfiehlt § 20 ZRHO Zurückhaltung, „da das deutsche Recht die Beobachtung deutscher Formvorschriften bei der Erledigung eines Ersuchens in der Regel nicht verlangt." Weitergehend der Diskus-

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2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

Zu denken ist etwa an eine Zustellung „zu eigenen Händen", die das österreichische Recht - um eine besonders effektive Norm zur Wahrung des rechtlichen Gehörs des Beklagten zu erlassen87 - vorschreibt ftir die Zustellung von Klagen und der ihnen gleichgestellten Schriftstücke, durch die der Adressat erstmalig in ein gerichtliches Verfahren einbezogen werden soll. 88 Danach ist die Ersatzzustellung an Familienangehörige, Hausgenossen, Mitarbeiter etc. 89 ausgeschlossen; vielmehr ist ein zweiter Zustellversuch an einem dem Adressaten durch eine schriftliche Benachrichtigung angekündigten Termin zu machen. Ist auch dieser erfolglos, dann ist durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt zuzustellen.90 In den Prozeßrechtssystemen, in denen die Zustellungen von den Parteien veranlaßt werden, taucht die Frage auf, ob die Partei selbst den Zustellungsstaat ersuchen kann oder ob sie eine staatliche Stelle im Gerichtsstaat bitten muß, dies zu tun. Nach Art. 3 I HZÜ können nur die nach dem Recht des Ursprungstaates zuständigen Behörden oder die nach diesem Recht zuständigen Justizbeamten einen Zustellungsantrag bei der Zentralen Behörde des ersuchten Staates stellen. Privatpersonen haben kein Antragsrecht. 91 Allerdings sollen

sionsentwurf des Bundesjustizministeriums (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz), S. 79: „Bei einem internationalen Rechtshilfeersuchen kann das deutsche Recht dem ausländischen Staat nicht vorschreiben, in welcher Form die Zustellung nachgewiesen wird. Zwar können Wünsche, wie beispielsweise die Zustellung an einen bestimmten Adressaten oder in bestimmter Form, geäußert werden. Ob diese Wünsche erfüllt werden bzw. erfüllt werden können, ergibt sich jedoch ausschließlich aus dem ausländischen Recht." 86 Nur noch von historischem Interesse sind die von der ehem. Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossenen Rechtshilfeverträge. Auch diese gingen von der lex fori des ersuchten Staates aus, sahen aber auch Erledigung in einer vom ersuchenden Staat gewünschten Form vor, so z.B. Art. 13 II des Vertrages mit der Vereinigten Arabischen Republik über den Rechtsverkehr in Zivil- und Familiensachen vom 22.5.1969 (GBl. DDR I Nr. 12 S. 216): „Das ersuchte Gericht kann auf Verlangen des ersuchenden Gerichts sowohl hinsichtlich der Art als auch der Form so verfahren, wie es im Rechtshilfeersuchen bezeichnet ist, sofern dies nicht den Grundsätzen der Gesetzgebung des ersuchten Vertragspartners widerspricht." Zusammenstellung der von der DDR abgeschlossenen Verträge in: Der internationale Rechtsverkehr der Deutschen Demokratischen Republik in Zivil-, Familien- und Strafsachen, herausgegeben vom Ministerium der Justiz,3 1987. 87

Fasching, ZPR Rn. 535.

88

§ 106 österr. ZPO, § 21 ZustellG.

89

§ 103 österr. ZPO, § 16 ZustellG.

90

§ 17 ZustellG; hierzu Fasching, ZPR Rn. 537.

91

Taborda Ferreira, Rapport explicatif, in Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes et Documents de la Dixième Session 7 au 28 octobre 1964, Tome III: Notification, S. 368; Schlosser, EuGVÜ-Kommentar Art. 3 HZÜ Rn. 1. Großzügiger § 2 II 2 ZRHO. Vgl. auch Nagel, Rechtshilfe S. 104 f.

Β. Aktive und passive Zustellungshilfe

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ausländische Anwälte antragsberechtigt sein, wenn sie nach dem Recht des Gerichtsstaates fur die Veranlassung der Zustellung verantwortlich sind. 92

I I . Passive Zustellungshilfe Bei der passiven Zustellungshilfe erfolgt die Zustellung unmittelbar durch den vom Gerichtsstaat berufenen Funktionsträger (z.B. Konsularbeamten) auf dem Territorium des Staates, in dem sich der Zustellungsadressat aufhält. Dieser Staat duldet die vom ausländischen Gericht veranlaßte Zustellung auf seinem Territorium. Insofern spricht man von passiver Zustellungshilfe. Hierunter fallen auch die Konstellationen, in denen der Gerichtsstaat zwar keinen seiner Funktionsträger auf fremdem Territorium tätig werden läßt, aber gleichwohl Zustellungshilfe des Aufenthaltsstaates des Adressaten nicht in Anspruch nimmt, sondern die Zustellung direkt durch die Post oder durch Beauftragung eines Gerichtsvollziehers oder eines sonstigen Zustellungsorgans des Aufenthaltsstaates veranlaßt.

I I I . Empfindlichkeiten der kontinentaleuropäischen Staaten Nach klassischem kontinentaleuropäischem Verständnis ist die Zustellung ein Hoheitsakt. 93 Findet die Zustellung nicht im Gerichtsstaat, sondern in einem anderen Staat, in dem sich der Zustellungsadressat aufhält, statt, so ist die staatliche Souveränität des Aufenthaltsstaates betroffen. 94 Aus dessen Sicht ist die aktive Zustellungshilfe schonender: 95 Denn dann wird die Zustellung für

92 Bericht des Ständigen Büros der Haager Konferenz zur Expertenkommission, ILM 1978, 319, 325; Kondring, S. 129. Zum Antragsrecht von US-Anwälten PfeilKammerer, S. 93 f. Siehe auch Wiehe S. 101 Fn. 34; Greger in FS Schwab, S. 331, 333; Practical Handbook, S. 50 ff. 93 BGHZ 58, 177, 179; BVerfGE 63, 343, 372; Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums zum Zustellreformgesetz (Stand: 30.1.1997), S. 77: „Da eine förmliche Zustellung nach der ZPO eine Hoheitshandlung darstellt, kann sie im Ausland nicht unmittelbar durch das deutsche Gericht durchgeführt werden. Ein deutsches Gericht hat nicht die Befugnis, im Ausland, also außerhalb des deutschen Staatsgebiets, hoheitlich tätig zu werden." Dieser Einordnung als Hoheitsakt folgt die h.M.: Z.B. Gottwald in FS Habscheid, S. 119, 123; Dörig, S. 380; Fleischhauer, S. 19, 54; Geimer, IZPR Rn. 414; Linke, IZPR Rn. 218; Pfennig, S. 13 ff.; Schabenberger, S. 161; Siegrist, S. 169; Vogel, S. 341 ff.; Volken, S. 29 Rn. 1; Wiehe, S. 96 ff.; großzügiger Klaus P. Mössle, S. 62, 255; Otto, S. 158 ff.; Schack, IZVR Rn. 589; 593 f. 94 Gottwald in FS Habscheid, S. 119, 123; Rosenberg/Schwab/Gottwald (S. 104 f.); Kondring, S. 75; Schabenberger, S. 26 ff. 95 Vice versa wäre aus der Sicht des Gerichtsstaates der „direkte Zustellungsdurchgriff 11 angenehmer als die Notwendigkeit, einen fremden Staat um Zustellungshilfe zu ersuchen. Daher sucht der Gerichtsstaat nach Möglichkeiten, die „lästige" Bitte um Zustellungshilfe durch den Aufenthaltsstaat des Adressaten zu vermeiden. Dies führt zu einem enormen Erfindungsreichtum der nationalen Gesetzgeber in puncto „Inlandszu-

§2111

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2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

den Gerichtsstaat von Organen des Aufenthaltsstaates durchgeführt. 96 Dagegen ist die unmittelbare Zustellung durch das ausländische Gericht ohne Einschaltung der Rechtshilfebehörden des Staates, auf dessen Hoheitsgebiet sich der Zustellungsadressat aufhält, für diesen viel einschneidender, 97 weil er hinnimmt, daß auf seinem Staatsgebiet fremde Gerichte Zustellungen vornehmen bzw. vornehmen lassen, auf die er keinen Einfluß nehmen kann. 98 Insbesondere kann er den Inhalt der unmittelbar zugestellten Schriftstücke nicht kontrollieren und auch nicht überwachen, daß der Zustellungsvorgang ordnungsgemäß und fair verläuft. 99

Stellung", was wiederum die Verwirklichung des Menschenrechts auf ein faires Verfahren tangieren kann. Siehe auch Fleischhauer, S. 244: „Sachfremd und bei der Erreichung des Zustellungszwecks hinderlich ist die traditionelle deutsche Vorstellung, daß in der Zustellung ein Hoheitsakt liegt. Daraus resultieren unnötige Beeinträchtigungen der individuellen Rechte der Verfahrensbeteiligten, sei es, daß durch fiktive Inlandszustellungen das rechtliche Gehör des Adressaten geopfert, sei es, daß durch langwierige Auslandszustellungen der Justizgewährungsanspruch des Klägers gefährdet wird. [...] Der nationalstaatliche Gedanke ist überholt, wenn es um globale wirtschaftliche Aktivitäten geht: Der übernational handelnde Konzern hat keine Staatsangehörigkeit, oft nicht einmal einen Sitz in nur einem Staat. Es geschieht ihm daher kein Unrecht, wenn ihm in dem Staat, in dem er wirtschaftliche Aktivitäten entfaltet, gerichtliche Schriftstücke übergeben werden. [...] Die deutschen Bedenken mögen daher rühren, daß die Einleitung eines Verfahrens im Normalfall die Benachrichtigung des davon Betroffenen voraussetzt. Der alleinige Grund dafür ist jedoch dessen Anspruch auf rechtliches Gehör. Denn die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks dient der Information des Adressaten über ein gegen ihn anhängiges Verfahren vor einem Gericht, das unabhängig von der Zustellung auf Grund der gesetzlichen Gerichtsstandsregelungen zuständig ist. [...] Das Ziel eines gerechten Interessenausgleichs verlangt nicht nur die Überwindung dieser Hemmnisse, sondern auch eine Flexibilisierung des deutschen Zustellungsrechts. Dazu müssen neben dem eigentlichen Zustellungsvorgang geeignete Instrumente zur Ergänzung oder Kompensation, wie die Verlängerung von Fristen, zusätzliche formlose Mitteilungen, Verständigungshilfen und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in den Effektivitätsausgleich einbezogen werden. [...] Bei der Entscheidung über die „richtige" Zustellungsart muß sich das Organ von den Interessen der Beteiligten leiten lassen, weniger von angeblichen staatlichen Interessen." 96 Pfeil-Kammerer, S. 86; Kondring, S. 78: „Diese Konstruktion erlaubt es, den ausländischen Prozeß zu fördern, ohne daß die Gebietshoheit des ersuchten Staates tangiert wird." 97

Anders die US-Sicht, Born, S. 838: Der offizielle Kommentar zu § 2.04 des Uniform Interstate and Procedure Act spricht von „the existing freedom to make service within a state of the United States on behalf of litigation pending elsewhere as long as a particular manner employed does not constitute disturbance of peace or other violation of law." 98 Plastisch Kondring, S. 83: „Bei der aktiven Rechtshilfe fiihrt der ersuchte Staat mit seinen eigenen Organen für den ersuchenden Staat die erforderlichen Handlungen aus und bleibt so anders als bei der Duldung fremdstaatlichen Handelns ,Herr im eigenen Haus'." 99

Aus diesem Grund plädiert Schabenberger, S. 173 generell und pauschal gegen die Zulassung einer Direktzustellung aller gerichtlichen Schriftstücke, deren Nichtbe-

Β. Aktive und passive Zustellungshilfe

25

Während bei der aktiven Zustellungshilfe - wie bereits erwähnt - im Regelfall 100 die Zustellung nach dem Recht des ersuchten Staates erfolgt, ist dies bei der passiven Zustellungshilfe anders: Die Zustellungsmodalitäten richten sich nach dem Recht des ausländischen Gerichtsstaates. Allerdings kommt es in den meisten Fällen wieder zu einer Konvergenz mit den im Zustellungsstaat üblichen Zustellungsgepflogenheiten, wenn der Gerichtsstaat die Post im Zustellungsstaat benutzt, da davon auszugehen ist, daß diese aus dem Ausland erteilte Zustellungsaufträge nach den gleichen Regeln abwickelt wie Zustellungsaufträge der eigenen (inländischen) Gerichte. Die Post im Zustellungsstaat, in dem sich der Adressat aufhält, steht nicht in unmittelbarer Rechtsbeziehung zum ausländischen Gericht, von dem bzw. von dessen Parteien der Zustellungsauftrag ausgeht. Dieses beauftragt vielmehr die (eigene) Post im Gerichtsstaat, welche wiederum im Rahmen des Weltpostverkehrs die „Weiterbeförderung" und „Weiterbehandlung" der Zustellung der Post im Aufenthaltsstaat des Adressaten überläßt. 101

IV. Formen der Direktzustellung 1. Konsularische Zustellung Seit alters her kennt man die konsularische Zustellung} 02 Allerdings darf der ausländische Konsularbeamte die Zustellung nur ohne Anwendung von Zwang vornehmen, 103 d.h. der Zustellungsadressat bzw. sein Zustellungsbevollmächtigter muß kooperativ sein und das zu übergebende Schriftstück annehmen. Weigert er sich, so ist jede Form der „Zwangszustellung" unzulässig. Damit scheiden alle Formen der Ersatzzustellung an Familienangehörige, Hausgenossen, Vermieter etc. aus. Zudem gestatten viele Staaten nicht etwa die Zustellung an jedermann, sondern nur an eigene Staatsangehörige des Entsendestaates. 104

achtung Prozeßnachteile nach sich ziehen kann bzw. in denen Zwangsmaßnahmen angedroht sind. 100 Ausnahmen: Art. 3 II 1 HZPÜ; Art. 5 I lit. b HZÜ; Art. 7 I Alt. 2 des noch nicht in Kraft getretenen Übereinkommens vom 26.5.1997 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. 101

Denkbar ist aber, daß sich an diesem Grundmodell etwas ändert im heraufziehenden Zeitalter des Zusammenbruchs der Postmonopole und der Zulassung von Wettbewerb auch bei den Briefzustelldiensten. Doch ist dies derzeit noch Spekulation. 102

Hierzu unten 7. Kapitel: J. (S. 274).

103

Art. 8 I HZÜ.

104

Nagel/Gottwald,

IZPR § 7 Rn. 67; Vgl. auch Kondring, S. 127 f.

26

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts 2. Zustellung unmittelbar durch die Post

Weitere Formen der unmittelbaren Zustellung ohne Einschaltung der Rechtshilfebehörden des Staates, auf dessen Gebiet der Zustellungsvorgang abläuft, sind zwar schon seit langem bekannt und in Art. 6 1 HZPÜ bzw. Art. 10 HZÜ aufgelistet, insbesondere die Zustellung durch die Post. Jedoch haben viele Staaten, darunter Deutschland, den in Art. 10 HZÜ aufgeführten Zustellungsmethoden widersprochen. 105 3. Zustellung von „Gerichtsvollzieherzu

Gerichtsvollzieher"

Art. 10 lit. c) HZÜ läßt - wie schon Art. 6 I Nr. 2 HZPÜ - die Möglichkeit zu, „daß jeder an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligte Zustellungen gerichtlicher Schriftstücke unmittelbar durch Justizbeamte, andere Beamte oder sonst zuständige Personen des Bestimmungsstaates bewirken lassen darf." Dieser auch unter der Kurzbezeichnung „Zustellung von Gerichtsvollzieher zu Gerichtsvollzieher" bekannten Methode haben aber etliche Staaten, darunter auch Deutschland, widersprochen. 106

C. Wirksame Beschleunigung der Auslandszustellungen I. Große Lösung Eine unmittelbare Zustellung würde die Zustellungszeiten erheblich verkürzen, weil die Übersendung an den ersuchten Staat und die Rückleitung vom ersuchten an den ersuchenden Staat wegfiele. In einer Zeit der Revolution der Informationstechnologie, in der die Übertragung von ganzen Büchern in weniger als einer halben Stunde über Tausende von Kilometern per Internet oder Datenautobahn möglich ist, erscheint es anachronistisch, an Zustellungssystemen festzuhalten, die für eine formelle Nachrichtenübertragung ins Ausland mehrere Monate oder noch länger in Anspruch nehmen. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung ist die unmittelbare Zustellung zu empfehlen. 107

105

Hierzu unten 4. Kapitel: Α. IV. (S. 183 ff.).

106

Hierzu unten 7. Kapitel: K. (S. 281 f.).

107

Hierfür Gottwald in Habscheid/Beys, S. 25: „In unseren Zeiten weltumspannender Nachrichtenübermittlungssysteme können auch längere schriftliche Texte durch Telex oder Telekopie in wenigen Stunden jeden größeren Ort der Erde erreichen. Zustellungssysteme, die für eineformelle Nachrichtenübermittlung ins Ausland stattdessen mehrere Monate oder noch länger beanspruchen, vermögen deshalb langfristig nicht zu befriedigen. International einheitliche Lösungen dürften sich dabei kaum erzielen lassen. [...] Auch eine Übermittlung per Posteinschreiben mit Rückschein erscheint als ein praktikabler Ausweg." Schach, IZVR Rn. 593 tendiert in die gleiche Richtung: „An

C. Wirksame Beschleunigung der Auslandszustellungen

27

Eine Beschleunigung der aktiven Rechtshilfeverfahren scheidet als ernst zu nehmende Alternative aus, weil die Übermittlungswege im Laufe dieses Jahrhunderts erheblich gestrafft wurden. 108 Das HZPÜ (1905 und 1954) sieht eine Übermittlung des Zustellungsersuchens auf konsularischem Wege vor (Art. 11), jedoch kann jeder Staat auf Einhaltung des noch umständlicheren diplomatischen Weges bestehen (Art. 1 III). Das HZÜ brachte die Einfuhrung der Zentralen Behörden als Regelweg, am einfachsten ist jedoch der direkte Geschäftsverkehr zwischen den Justizbehörden 109 der beteiligten Staaten.110

I I . Kleine Lösung Als „kleine Lösung" bliebe fur diejenigen, die sich gegen eine direkte Zustellung aussprechen, nur der Ausbau des unmittelbaren Geschäftsverkehrs unter Beibehaltung des Rogationsprinzips des aktiven Rechtshilfekonzeptes. 111 Damit könnte im Verhältnis zu manchen Ländern vielleicht eine geringe Beschleunigung erreicht werden. 112 Der große Durchbruch wäre dies aber nicht.

einer Zustellung durch die Post, etwa mittels Einschreiben mit Rückschein, vermag ich nichts Schlimmes zu entdecken." Ebenso Linke, Probleme der internationalen Zustellung (im Erscheinen) sub II 1 a bei Fn. 179 ff. zur Eröffnung der Direktzustellung: „Sie würde das Zustellungsverfahren beträchtlich beschleunigen. Dagegen stehen aus offizieller deutscher Sicht das extensive Souveränitätsverständnis und die fehlende Inhaltskontrolle eingehender Ersuchen. Ersteres läßt sich sicherlich ohne Gesichtsverlust zurücknehmen. Die ,Schutzschildfunktion 4 der Zentralen Behörde bzw. der örtlichen Prüfungsstellen kann der Empfänger seinem Anwalt übertragen und in Extremfällen kann die Bundesregierung ihren Bürgern immer noch mit einem amicus-curiae-brief oder einer Demarche des Auswärtigen Amtes zur Seite treten. Im übrigen wird auch jetzt schon bei eingehenden Ersuchen mit fremdsprachigen, nicht übersetzten Anlagen aus Kostengründen weitgehend auf die Kontrolle verzichtet." Für Zulassung der unmittelbaren Zustellung im Interesse der Verfahrensbeschleunigung weiter Nagel, Vorträge S. 11; Fleischhauer, S. 60; Lindacher, FS Gâspârdy S. 256 und Wiehe, S. 104. Braun, S. 155 räumt zwar ein, daß die Direktübermittlung per Einschreiben der schnellere Weg sei. Dieser Aspekt werde aber „durch die allein auf dem Rechtshilfeweg zu garantierende Sicherheit bei der Übermittlung aufgewogen." 108

Zu den verschiedenen Übermittlungswegen Pfennig, S. 59 ff. ; Kondring, S. 92 f.

109

Dies sind in Deutschland die in §§ 9 II, 29 I Nr. 2 ZRHO genannten Prüfungsstellen, vgl. Unterreitmayer, RPfleger 1972, 117, 124. 110

Hierzu Gottwald in Habscheid/Beys, S. 22; Stein-Jonas21///. Roth § 199 Rn. 3; Kondring, S. 94. 111

Nach Pfennig, S. 146 ff. erfolgten 1986 ca. 52 % der ausgehenden Zustellungsersuchen und ca. 80 % der eingehenden Zustellungsersuchen im Wege des unmittelbaren Behördenweges ohne Zwischenschaltung konsularischer oder diplomatischer Stellen. 112

Dagegen halten im Hinblick auf die Effektivität Pfeil-Kammerer, S. 134 und Pfennig, S. 62 die Zustellung über die Zentrale Behörde und die Zustellung im unmittelbaren Behördenverkehr für gleichwertig.

28

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

Der unmittelbare Behördenverkehr ist aus deutscher Sicht im Verhältnis zu Belgien, 1,3 Dänemark, 114 Frankreich, 115 Luxemburg, 116 den Niederlanden, 117 Norwegen, 118 Österreich, 119 Polen 120 und der Schweiz 121 vereinbart. Der unmittelbare Verkehr konnte gem. Art. 1 IV des HZPÜ (jeweils von 1905 oder 1954) eingeführt werden. Im Anwendungsbereich des HZÜ gelten die genannten Abkommen gem. Art. 24 H Z Ü fort. Im vertragslosen Rechtshilfeverkehr findet Zustellungshilfe im unmittelbaren Behördenverkehr nur im Verhältnis zum Fürstentum Liechtenstein statt. 122 Das noch nicht in Kraft getretene Übereinkommen vom 26.5.1997 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union 1 2 3 ist der „kleinen Lösung" verhaftet. Man verspricht sich eine Beschleunigung von der

113

Deutsch-belgische Vereinbarung vom 25.4.1959 zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954, BGBl. 1959 II, S. 1524. Hierzu Moons, RIW 1989, 903. 114 Deutsch-dänische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs vom 1.6.1910 in der Fassung vom 6.1.1932, RGBl. 1910, S. 873 und 1932 II, S. 20. 115 Deutsch-französische Vereinbarung vom 6.5.1961 zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 über den Zivilprozeß, BGBl. 1961 II, S. 1040. 116

Deutsch-luxemburgische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs vom 30.4.1910, RGBl. 1910, S. 674. 117 Deutsch-niederländischer Vertrag vom 30.8.1962 zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 über den Zivilprozeß, BGBl. 1964 II, S. 468. 1,8 Deutsch-norwegische Vereinbarung vom 17.6.1977 zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs nach dem Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß, BGBl. 1979 II, S. 1292. 119

Deutsch-österreichische Vereinbarung vom 6.6.1959 zur weiteren Vereinfachung des rechtlichen Verkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954, BGBl. 1959 II, S. 1523. 120 Deutsch-polnische Vereinbarung vom 14.12.1992 zur weiteren Erleichterung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 über den Zivilprozeß, BGBl. 1994 II, S. 361. 121 Deutsch-schweizerische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs vom 30.4.1910, RGBl. 1910, S. 674. 122

Rechtsgrundlage ist ein Notenwechsel vom 17.2.1958 und vom 29.5.1958, BAnz. 1959 Nr. 73 vom 17.4.1959 S. 1; abgedruckt bei Stein-Jonas21///. Roth Anh. zu § 199 Rn. 81. 123 Abi.EG Nr. C 261 vom 27.8.1997, S. 1; Text auch unten im Anhang S. 315 sowie in Jayme/Hausmann, Nr. 107a.

C. Wirksame Beschleunigung der Auslandszustellungen

29

Schaffung neuer Übermittlungs- und Empfangsstellen. Diese Hoffnung ist wohl übertrieben.

I I I . Keine Lösung Ungeeignet für eine sinnvolle Lösung ist der Vorschlag, die sog. Inlandszustellung auszubauen, um die langen Wege zu vermeiden, die bei Inanspruchnahme der Zustellungshilfe eines ausländischen Staates unausweichlich sind. 124 Dieser läuft darauf hinaus, nur an im Inland zu lokalisierende Tatbestände anzuknüpfen, um die Zustellung an den im Ausland sich aufhaltenden Adressaten perfekt werden zu lassen. 125

124

So aber Fleischhauer, S. 244: „Das US-amerikanische Recht hält diverse Formen der Inlandszustellung unter 4due process'-Aspekten zu Recht für angemessen, weil sie geeignet sind, dem Adressaten 4actual notice' zu verschaffen. Die Auslandszustellung kann zwar für sich in Anspruch nehmen, den Adressaten unter Einschaltung der ausländischen Gerichtsbehörden über ihn betreffende gerichtliche Vorgänge sicher zu unterrichten. Solange in Deutschland das Verbot der Postzustellung ins Ausland gilt, ist die Auslandszustellung aber nur auf dem zeitraubenden Rechtshilfeweg möglich. Eine Inlandszustellung kann daher meist schneller und kostengünstiger bewirkt werden, ohne daß die Rechte des Adressaten zwangsläufig verkürzt werden. In vielen Fällen inländischen Aufenthalts oder inländischer Repräsentanz des Adressaten steht die Inlandszustellung schon aus der Sicht des Empfängers der Auslandszustellung in nichts nach. Sie ermöglicht darüber hinaus die effektive Benachrichtigung des Adressaten, wenn eine Auslandszustellung für unzulässig gehalten wird (wie bei der Übermittlung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner, §§ 829 II 1, 835 III 1 ZPO) oder wenn das Gesetz auf die Prozeßhandlung und damit auf die Information des im Ausland befindlichen Adressaten ganz (§§ 841, 844 II, 875 II ZPO) oder zugunsten einer schwächeren Zustellungsform (§ 829 II 4 i.V.m. § 175 ZPO) verzichten würde. Auch die eilbedürftige Zustellung von durch Beschluß angeordneten Arresten und einstweiligen Verfügungen (§§ 922 II, 936 ZPO) läßt sich so innerhalb kurzer Frist herbeiführen. Außerhalb des GVÜ und der bilateralen Rechtshilfe Verträge mit Israel und Norwegen ist das Mahnverfahren überhaupt nur zulässig, wenn im Inland zugestellt werden kann (§ 688 III ZPO i.V.m. § 35 AVAG). Schließlich erlauben fiktive Formen der Inlandszustellung die Einleitung und zügige Fortführung des Verfahrens auch dann, wenn der Adressat nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand erreichbar ist. [...]" 125

Zur völkerrechtlichen 3. Kapitel: E. (S. 143 ff). 5 Geimer

Unbedenklichkeit

der

(fiktiven)

Inlandszustellung

30

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

D. Unterschiedliche Zustellungstatbestände I. Tatsächliche Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks im Ausland versus fiktive Inlandszustellung mit anschließender Benachrichtigung ins Ausland über die bereits im Inland erfolgte Zustellung 1. Deutsches System der effektiven

Zustellung

Nach § 199 ZPO 1 2 6 muß auch dann dem Zustellungsadressaten das zuzustellende Schriftstück übergeben werden, wenn er sich im Ausland befindet. 127 Deshalb muß im Regelfall ausländische Rechtshilfe in Anspruch genommen werden, was zeitraubend ist. 128 Ebenso ist die Rechtslage129 z.B. in Japan, Norwegen, Österreich, 130 Polen, 131 Finnland, Norwegen, Schweden132 und in einigen Kantonen der Schweiz, 133 ferner im Vereinigten Königreich, 134 in Skandinavien und in den USA. 1 3 5

126 Dem entspricht § 191 I des Diskussionsentwurfs eines Gesetzes (Stand: 30.1.1997) zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren. 127 Ebenso § 141 VwZG. Allgemein zum „germanischen" Zustellungssystem aus schweizerischer Sicht Bischof S. 80 ff. 128 § 122 V AO schreibt nur in Ausnahmefällen Zustellung vor, für die dann § 14 VwZG gilt. Im Regelfall wird ein schriftlicher Verwaltungsakt gem. § 122 II Nr. 2 AO durch Aufgabe zur Post bekanntgegeben. Das gleiche gilt für die landesrechtlichen Regelungen, z.B. Art. 17 I BayVwZVG. 129

Eine Zusammenstellung der nationalen Lösungen findet sich in document préliminaire N° 2 d'octobre (annexe), Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes et Documents de la Dixième Session 7 au 28 octobre 1964, Tome III: Notification, S. 21. 130

§ 11 I ZustellG: „Zustellungen im Ausland sind nach bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden vorzunehmen." Diese Vorschrift ist flexibler formuliert als § 199 ZPO, der die Zustellung „mittels Ersuchen der zuständigen Behörde des fremden Staates" vorschreibt (sofern nicht Zustellung durch die deutsche Auslandsvertretung möglich ist). Aufgrund der Ermächtigung des § 121 I österr. ZPO wurde durch Verordnung die Postzustellung in viele Staaten zugelassen. Vgl. § 31 des Erlasses vom 24.10.1997 über die internationale Rechtshilfe und andere Rechtsbeziehungen mit dem Ausland in Zivilsachen (RHE Ziv. 1997, Amtsblatt der österreichischen Justizverwaltung 1997 Nr. 40) sowie die Verordnung des Bundesministers der Justiz über die Zustellung an Personen im Ausland durch die Post im gerichtlichen Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, österr. BGBl. 1961/10. 131

Hierzu Weyde, S. 117.

132

Nachweise bei Bischof S. 87.

133

Volken, S. 32 Rn. 10. Vgl z.B. § 178 Züricher GVG.

134

Nachweise bei Bischof, S. 103.

D. Unterschiedliche Zustellungstatbestände

31

2. Französisches Konzept der „remise au parquet " Dagegen arbeitet das französische Recht mit einer Zustellungsfiktion. Wohnt der Empfänger im Ausland, so wird die Zustellung dadurch bewirkt, daß der huissier zwei Abschriften des Schriftstücks an die nach Art. 684 I I Nouveau Code de Procédure civile zuständige Staatsanwaltschaft übergibt und beglaubigen läßt. Damit ist die Zustellung perfekt. 136 Die Fristen beginnen zu laufen (La signification à parquet fait courir les délais). 137 Es handelt sich aus französischer Sicht um eine Inlandszustellung. 138 Deshalb muß auch keine Übersetzung beigefugt werden. 139 Nach einem mittlerweile geflügelten Wort von Gottwald m ist diese Form der Zustellung „ebenso effektiv wie die Ladung des Ausländers mittels Posaunenschalls über die Landesgrenze, die aus früherer Zeit für Frankreich überliefert ist." 1 4 1 Der Zustellungsadressat im Ausland wird von der bereits in Frankreich erfolgten Zustellung vom huissier durch Übersendung einer beglaubigten Abschrift per Einschreiben mit Rückschein benachrichtigt. 142 Daneben übersendet

135

Kondring, S. 85; Nagel, Rechtshilfe S. 98.

136

Nachweise bei Bischof, S. 89 ff; Fleischhauer, S. 37 ff, 173; Kondring, Karen Ilka Mössle, S. 197; Wiehe, S. 48 ff, 53 Fn. 39, 61 ff.

S. 88;

137 Z.B. Loussouarn/Bourel, Rn. 437 (S. 491). Anders ist es nur nach Art. 8 des französisch-monegassischen Abkommens und Art. 2 II des französisch-schwedischen Abkommens. Danach kommt es auf den Zeitpunkt der Übergabe bzw. der Verweigerung der Annahme an. Jedoch gilt nach dem französisch-schwedischen Abkommen die Zustellung bereits fünfzehn Tage nach Absendung durch die französischen Behörden als erfolgt. Siehe auch Art. 9 des noch nicht in Kraft getretenen Übereinkommens vom 26.5.1997 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (hierzu unten S. 54). 138

Schlosser in FS Matscher, S. 387, 397.

139

Näher hierzu unten 2. Kapitel: G. IX. 1 d (2) (S. 96).

140

Gottwald in Habscheid/Beys, S. 24.

141

Vgl. Meili, S. 103. Vgl. auch Loussouarn/Bourel, Rn. 437 (S. 491): „Cette règle destinée à protéger le demandeur présente Γ inconvenient de ne pas tenir compte du fait que la signification à parquet ne garantit nullement que le défendeur domicilié à l'étranger a pû être effectivement touché." 142 Diese Mitteilung über die bereits in Frankreich erfolgte Zustellung hält man für völkerrechtskonform, Schlosser in FS Matscher, S. 387, 397. Treffend weist Fleischhauer, S. 341 daraufhin, daß wegen dieser Mitteilung die „signification au parquet" den Adressaten effektiver schützt, als die öffentliche Zustellung des deutschen Rechts (§ 203 ZPO): „Zwar treten die Zustellungswirkungen im Zeitpunkt der Übergabe des Schriftstücks an die örtliche Staatsanwaltschaft ein; der Adressat wird aber durch die anschließende Übersendung des zugestellten Schriftstücks, eine zusätzliche postalische Mitteilung und die Verlängerung der Einlassungs- und Rechtsmittelfristen geschützt. Es ist also allein das deutsche Recht, das durch sein Beharren auf der Auslandszustellung eine Extremsituation heraufbeschwört, aus der nur noch eine fiktive Zustellung heraus-

32

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

der Staatsanwalt die Abschriften gem. Art. 685 I I Nouveau Code de Procédure civile dem Justizminister. Dieser veranlaßt die Weiterleitung nach den einschlägigen internationalen Übereinkommen bzw. durch Ersuchen im Wege der vertragslosen Rechtshilfe. 143 Den Unterschied zwischen dem deutschen und dem französischen System der Auslandszustellung bringt Art. 1 I der deutsch-französischen Vereinbarung vom 6.5.1961 144 klar zum Ausdruck. Von Zustellung („notification") wird nur im Verhältnis von Deutschland zu Frankreich gesprochen; denn nur bei Zustellungsadressaten in Frankreich liegt eine Zustellung in Frankreich nach dem Konzept des § 199 ZPO vor, nicht jedoch vice versa bei an Deutschland gerichteten französischen Zustellungsersuchen. Hier ist in Art. 1 I Nr. 1 nur von (gerichtlichen und außergerichtlichen) Schriftstücken die Rede, „die für Personen in der Bundesrepublik Deutschland bestimmt sind" („[Lorsqu'ils sont destinés à des personnes résidant sur le territoire de la République fédérale d'Allemagne"). Der eigentliche Zustellungsakt ist bereits in Frankreich geschehen. Die Übersendung an den Zustellungsadressaten in Deutschland gehört nicht mehr zum Zustellungstatbestand nach französischem Recht. 145 Das französische Zustellungssystem haben Belgien 146 , die Niederlande 147 , Luxemburg 148 , Italien 149 und Griechenland 150 mit Modifikationen rezipiert. 151

hilft. Das Dilemma ist perfekt, wenn gegen die verfassungsrechtlich zum Schutz des Adressaten gebotene Zustellungsmitteilung eingewandt wird, daß deren Übersendung die Souveränität des anderen Staates verletze." 143

Audit, Rn. 411; Battifol/Lagarde, er, S. 181.

Rn. 704 Fn. 11; Kondring,

S. 147; Fleischhau-

144 BGBl. 1961 II, S. 1040, abgedruckt bei Bülow/BöckstiegelGeimer/Schütze, 120.5; diese gilt gem. Art. 25 HZÜ fort. Das Gleiche gilt im Verhältnis zu anderen remise au parquet-Ländern. Vgl. Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, 102.3 Fn. 7 (Belgien); 165.6 Fn. 19 (Niederlande). 145

Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze,

146

Art. 40 Code Judiciaire.

147

Art. 4 Nr. 8 Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering.

148

Art. 69 Nr. 10 Code de Procédure Civile.

120.4 Fn. 12.

149

Art. 142, 143 ital. Codice di Procedura civile. Hat der Zustellungsadressat in Italien weder Wohnsitz, Aufenthalt oder Domizil (Art. 43 Codice Civile) noch ein Domizil gewählt (Art. 47 Codice Civile) oder einen Bevollmächtigten bestellt, so erfolgt die Zustellung des Schriftstücks durch Anschlag (affissione) an der Amtstafel des mit dem Verfahren befaßten Gerichts und durch eingeschriebene Versendung einer weiteren Abschrift an den Adressaten mit der Post, Art. 142 I Codice di Procedura Civile. Eine dritte Abschrift wird der Staatsanwaltschaft übergeben, die sie an das Außenministerium zur Übergabe an die Person, an die sie gerichtet ist, weiterzuleiten hat. 150

Art. 134, 136 griech. ZPG. Hierzu Yessiou-Faltsi,

Rn. 234 (S. 218).

D. Unterschiedliche Zustellungstatbestände

33

Die vorgenannte Differenzierung in der Formulierung des Art. 1 der deutschfranzösischen Zusatzvereinbarung, die sich aus der unterschiedlichen Konzeption des Zustellungsvorgangs ergibt, findet sich auch in Art. 1 I der deutschbelgischen Vereinbarung vom 25.4.1959 152 sowie in Art. 1 I der deutschniederländischen Vereinbarung vom 30.8.1962 153 , nicht jedoch in Art. 1 des deutsch-griechischen Rechtshilfeabkommens vom 11.5.1938.154

I I . Scheitern der Versuche zur Abschaffung der remise au parquet Die Zustellungsfiktion nach dem Modell der remise au parquet kann für den Zustellungsadressaten mitunter gravierende Auswirkungen haben, weil die Einlassungs- und Rechtsbehelfsfristen bereits abgelaufen sein können, wenn der Zustellungsadressat die Mitteilung 155 über die bereits im Gerichtsstaat erfolgte Zustellung erhält, und weil infolgedessen bereits ein Versäumnisurteil ergangen sein kann. Deutschland hatte bereits anläßlich der Verhandlungen zur Vorbereitung des Haager Abkommens zur Regelung von Fragen des internationalen Privatrechts vom 14.11.1896156 und nachfolgend des Haager Zivilprozeßabkommens vom 17.7.1905157 die Abschaffung der remise au parquet verlangt, 158 konnte sich aber seinerzeit und auf den Folgekonferenzen nicht durchsetzen. 159 Die deutsche Delegation hatte vorgeschlagen, daß „Zustellungen an Personen, die sich in einem anderen Vertragsstaat aufhalten, [...] auf einem anderen als dem im Artikel 1 bezeichneten Wege nur bewirkt werden [dürfen], wenn dieser andere

151

Einzelheiten bei Kondring, S. 88 ff; Schach, IZVR Rn. 597; Karen Ilka Mössle, S. 197 ff; Nagel/Gottwald, IZPR § 7 Rn. 15; Pfennig, S. 127 ff. 152

BGBl. 1959 II, S. 1524. Hierzu Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze,

102.3 Fn. 7.

153

BGBl. 1964 II, S. 468. Hierzu Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze,

165.6 Fn. 19.

154

RGBl. 1939 II, S. 848. Bekanntmachung über die Wiederanwendung nach dem Zweiten Weltkrieg mit Wirkung ab 1.2.1952 in BGBl. 1952 II, S. 634. 155 Zur völkerrechtlichen Unbedenklichkeit bloßer Mitteilungen unten 3. Kapitel: D. (S. 140). 156

RGBl. 1896, S. 285.

157

RGBl. 1909, S. 409. Nachweise bei Schack, RabelsZ 57 (1993), 224, 228 Fn. 21.

158

Fleischhauer, S. 26.

159

Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes 4. Conférence 1904, S. 90; Actes 5. Conférence 1925, S. 299 ff, 322 f , 333, 345 f. Auch das Haager Zivilprozeßübereinkommen vom 1.3.1954, das auf der 7. Tagung 1951 verabschiedet wurde, brachte keine Änderung.

34

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

Weg in einem gleichen Falle auch für die Zustellung an einen Inländer, der sich im Inland aufhält, zulässig ist." 1 6 0 Die remise au parquet-Länder haben zwar im Laufe der Zeit die rigiden Auswirkungen der Fiktion einer Inlandszustellung auf den Lauf der Fristen im Interesse der Verbesserung der Verteidigungsmöglichkeiten des Zustellungsadressaten aufgelockert, 161 wollen aber ihr Grundkonzept für die Auslandszustellung nicht aufgeben. 162 So berichtet die deutsche Denkschrift zum HZÜ und HBÜ: 1 6 3 Sie „räumten zwar ein, daß die Auswirkungen dieses Systems im internationalen Rechtsverkehr unerwünscht seien und abgeschwächt werden müßten. Sie hielten jedoch eine Regelung, die wie das deutsche Recht grundsätzlich die Zustellung des Schriftstückes an den Empfänger im Ausland verlangt, ebenfalls für eine 'extreme Lösung': So wie das System der remise au parquet einseitig den Kläger begünstige, schütze das System des tatsächlichen Zugangs bei Prozessen mit internationalem Einschlag weitgehend den Beklagten auf Kosten des Klägers. Die Zustellung im Ausland nehme oft recht lange Zeit in Anspruch, wobei der Kläger oder die sonst an der Prozeßfuhrung interessierte Person Rechtsnachteile erlitten."

I I I . Unbefriedigender Haager Kompromiß Man einigte sich auf einen Kompromiß: 164 Das remise au parquet-System wird als solches nicht angetastet, jedoch wurden für die Zustellung der Klage (Vorladung) und des Versäumnisurteils „mittelbare Sanktionen" eingeführt, welche die Durchführung und Einhaltung des im Übereinkommen vertraglich vereinbarten Übermittlungsverfahrens gewährleisten sollen. Art. 15 HZÜ bestimmt:

160

S. 187.

Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes 4. Conférence 1904

161 Nach Art. 643 Nr. 2 Nouveau Code de Procédure civile werden die Einlassungsund Rechtsmittelfristen um zwei Monate verlängert. Weiter kann nach Art. 687 Nouveau Code de Procédure civile der Richter das Verfahren aussetzen, wenn Zweifel bestehen, daß der Beklagte von dem bei der Staatsanwaltschaft zugestellten Schriftstück tatsächliche Kenntnis erlangt hat. Hierzu kritisch Karen Ilka Mössle, S. 199; ungenau Bülow/Böchstiegel/Geimer/Schütze, 120.4 Fn. 8 und 12; Kondring, S. 92: „Nach wie vor eine erhebliche Gefährdung der Beklagteninteressen". Ist ein Versäumnisurteil ergangen und hat der Beklagte davon ohne eigenes Verschulden nicht rechtzeitig Kenntnis erlangt, so kann er gem. Art. 540 Nouveau Code de Procédure civile Wiedereinsetzung in den vorigen Stand („relevé de forclusion") beantragen. 162

Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes et Documents de la Dixième Session 7 au 28 octobre 1964, Tome III: Notification, S. 160 ff., 252 ff. 163 164

BT-Drucksache 8/217, S. 40. Vgl. auch Otto, S. 115.

Berti in Honsell/Vogt/Schnyder, Art. 11 IPRG Rn. 27; Bischof, S. 291 ff.; Schach, RabelsZ 57 (1993), 224, 246.

D. Unterschiedliche Zustellungstatbestände

35

„(1) War zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens eine Ladung oder ein entsprechendes Schriftstück nach diesem Übereinkommen zum Zweck der Zustellung in das Ausland zu übermitteln und hat sich der Beklagte nicht auf das Verfahren eingelassen, so hat der Richter das Verfahren auszusetzen, bis festgestellt ist, a) daß das Schriftstück in einer der Formen zugestellt worden ist, die das Recht des ersuchten Staates für die Zustellung der in seinem Hoheitsgebiet ausgestellten Schriftstücke an dort befindliche Personen vorschreibt, oder b) daß das Schriftstück entweder dem Beklagten selbst oder aber in seiner Wohnung nach einem anderen in diesem Übereinkommen vorgesehenen Verfahren übergeben worden ist und c) daß in jedem dieser Fälle das Schriftstück so rechtzeitig zugestellt und übergeben worden ist, daß der Beklagte sich hätte verteidigen können. (2) Jedem Vertragsstaat steht es frei zu erklären, daß seine Richter ungeachtet des Absatzes 1 den Rechtsstreit entscheiden können, auch wenn ein Zeugnis über die Zustellung oder die Übergabe nicht eingegangen ist, vorausgesetzt, a) daß das Schriftstück nach einem in diesem Übereinkommen vorgesehenen Verfahren übermittelt worden ist, b) daß seit der Absendung des Schriftstücks eine Frist verstrichen ist, die der Richter nach den Umständen des Falles als angemessen erachtet und die mindestens sechs Monate betragen muß und c) daß trotz aller zumutbaren Schritte bei den zuständigen Behörden des ersuchten Staates ein Zeugnis nicht zu erlangen war. (3) Dieser Artikel hindert nicht, daß der Richter in dringenden Fällen vorläufige Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, anordnet." Die Schutzvorschrift des Art. 15 I HZÜ gilt nur fur das Verfahrens einleitende Schriftstück, nicht jedoch für solche Schriftstücke, die erst im Laufe des Verfahrens zuzustellen sind. 165 Von der Vorbehaltsmöglichkeit des Art. 15 I I HZÜ haben - um unzumutbare Verfahrensverzögerungen zu vermeiden - folgende Vertragsstaaten Gebrauch gemacht: 166 Antigua und Barbuda, Belgien, Botsuana, China, 167 Dänemark, Estland, 168 Frankreich, Griechenland, Irland, 169 Japan, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Pakistan, Portugal, Seychellen, Spanien, Slowakische Republik, Tschechische Republik, Türkei, Venezuela, das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staâten von Amerika und Zypern.

165

Deutsche Denkschrift zum HZÜ und HBÜ, BT-Drucksache 8/217, S. 48.

166

Vgl. Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze,

351.18 Fn. 11.

167

Vgl. Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze,

353.3 a.

168

Vgl. Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze,

353.4 a.

169

Vgl. Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze,

353.6.

36

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

Ursprünglich wollte die deutsche Bundesregierung, auf deren Anregung Art. 15 I HZÜ zurückgeht, ihren Standpunkt lupenrein manifestieren und deshalb keine Vorbehaltserklärung abgeben.170 Doch konnte sie - anders als die Schweiz 171 - diese Linie nicht durchhalten und entschloß sich am 19.11.1992, doch den Vorbehalt nach Art. 15 I I HZÜ zu erklären. 172 Wie nach Ablauf der Sechsmonatsfrist das deutsche Gericht zu verfahren hat, ist umstritten. Es geht um die Frage, ob nunmehr der Kläger trotz § 335 I Nr. 2 ZPO einen Anspruch auf Erlaß eines Versäumnisurteils oder einer Entscheidung nach Lage der Akten hat 173 oder ob Art. 15 I I HZÜ lediglich die in Art. 15 I HZÜ aufgestellten Hürden für den Erlaß einer Versäumnisentscheidung beseitigt, aber das autonome Zustellungsrecht des Gerichtsstaates unberührt läßt. Während das französische Recht auch für die Verfahrenseröffnung (Übermittlung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks) mit einer Zustellungsfiktion (remise au parquet) arbeitet, schreibt § 199 ZPO grundsätzlich die Übermittlung durch Inanspruchnahme ausländischer Rechtshilfe vor. Ist dieser Weg binnen sechs Monaten nicht gangbar, muß nach § 203 I I ZPO 1 7 4 öffentlich zugestellt werden. 175 Die öffentliche Zustellung verzögert den Erlaß einer Versäumnisentscheidung wiederum um einen nicht unbeträchtlichen Zeitraum, während nach dem französischen System Versäumnisurteil ergehen kann. In einem unveröffentlichten Brief des Bundesministeriums der Justiz vom 16.10.1991 an die Landesjustizverwaltungen aus Anlaß der beabsichtigten deutschen Erklärung gem. Art. 15 I I H Z Ü 1 7 6 wird jedoch die Ansicht vertreten, im Falle des Art. 15 I I HZÜ (auf dem Rechtshilfeweg steckengebliebene Zustellung) sei alternativ zur öffentlichen Zustellung gem. § 203 I I ZPO unmittelbar durch die Post durch Einschreiben mit Rückschein zuzustellen.

170 Hierzu die deutsche Denkschrift zum HZÜ und HBÜ BT-Drucksache 8/217, S. 48 zu Art. 15: „Für das deutsche Verfahrensrecht soll es vielmehr grundsätzlich dabei bleiben, daß auch die Zustellung im Ausland eine echte Zustellung ist und nachgewiesen werden muß. Ist dieser Nachweis nicht möglich, so kann, wenn die Voraussetzungen des § 203 II der Zivilprozeßordnung vorliegen, im Inland öffentlich zugestellt werden." 171

Vgl. Bischof S. 299.

172

BGBl. 1993 II, S. 704. Hierzu Fleischhauer, S. 45 f.

173

Offengelassen bei Geimer, IZPR Rn. 1929a, 2098; Bülow/Böckstiegel/Geimer/ Schütze, 515.36, Art. 17 Fn. 76 für das Verhältnis zu Tunesien. 174

Ähnlich § 121 II österr. ZPO.

175

Geimer, NJW 1989, 2204, 2205; ders., NJW 1991, 1431; Otto, S. 166.

176

Berichtet von Karl in Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, kennung S. 171.

663.113; dies., Aner-

D. Unterschiedliche Zustellungstatbestände

37

Im Falle von Ersatzzustellungen, öffentlichen Zustellungen bzw. remises au parquet ist es, wie bereits erwähnt, denkbar, daß ein Versäumnisurteil ergeht und die Einspruchsfrist verstreicht, obwohl der Beklagte weder von der Einleitung des Verfahrens noch vom Erlaß des Versäumnisurteils tatsächlich Kenntnis erlangen konnte. Hier will Art. 16 HZÜ durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Abhilfe schaffen: 177 „(1) War zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens eine Ladung oder ein entsprechendes Schriftstück nach diesem Übereinkommen zum Zweck der Zustellung in das Ausland zu übermitteln und ist eine Entscheidung gegen den Beklagten ergangen, der sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat, so kann ihm der Richter in bezug auf Rechtsmittelfristen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligen, vorausgesetzt, a) daß der Beklagte ohne sein Verschulden nicht so rechtzeitig Kenntnis von dem Schriftstück erlangt hat, daß er sich hätte verteidigen können, und nicht so rechtzeitig Kenntnis von der Entscheidung, daß er sie hätte anfechten können und b) daß die Verteidigung des Beklagten nicht von vornherein aussichtslos erscheint. (2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nur zulässig, wenn der Beklagte ihn innerhalb einer angemessenen Frist stellt, nachdem er von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat. (3) Jedem Vertragsstaat steht es frei zu erklären, daß dieser Antrag nach Ablauf einer in der Erklärung festgelegten Frist unzulässig ist, vorausgesetzt, daß diese Frist nicht weniger als ein Jahr beträgt, vom Erlaß der Entscheidung an gerechnet. (4) Dieser Artikel ist nicht auf Entscheidungen anzuwenden, die den Personenstand betreffen." Art. 16 HZÜ kommt vor allem dann zur Anwendung, wenn ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten erlassen worden ist und der Beklagte gegen dieses aus Unkenntnis über die Existenz des Urteils kein Rechtsmittel einlegen konnte. Wenn z.B. das Urteil durch remise au parquet oder durch Aufgabe zur Post gem. § 175 ZPO oder überhaupt nicht 178 zugestellt worden ist, besteht die konkrete Gefahr der Verweigerung des rechtlichen Gehörs. 179 Fazit: Das HZÜ verpflichtet die Vertragsstaaten nicht, ihr nationales Zustellungsrecht in Richtung effektive Auslandszustellung nach dem Modell des deutschen Rechts zu ändern. Das HZÜ läßt nach wie vor die Möglichkeit offen, „durch unangemessene fiktive Inlandszustellungen das HZÜ praktisch leerlau-

177

Ausführlich hierzu Bischof, S. 308 ff. und Kondring, S. 157 ff.

178

Richardson in Procès-Verbal N° 9, Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes et Documents de la Dixième Session 7 au 28 octobre 1964, Tome III: Notification, S. 275. 179

Kondring, S. 159.

38

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

fen zu lassen."180 Denn Art. 1 I HZÜ verlangt nur, daß das Schriftstück „doit être transmis à l'étranger pour y être signifié ou notifié". Damit steht es jedem Vertragsstaat frei, auch für Zustellungsadressaten im Ausland durch mehr oder minder phantasievolle Konstruktionen 181 (fiktive) Inlandszustellungen vorzusehen. 182 Daher konstatiert Schach: 183 „Letztlich muß das HZÜ deshalb unbefriedigend bleiben."

IV. Zustellung durch Aufgabe zur Post im Inland während des laufenden Verfahrens nach Auslandszustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks 1. Zustellung durch Einwurf in den Postbriefkasten

in Deutschland

Ist die Klage bzw. das verfahrenseinleitende Schriftstück ordnungsgemäß zugestellt, d.h. bei einem Zustellungsadressaten im Ausland durch Einschaltung ausländischer Rechtshilfe gem. § 199 ZPO, so müssen nach der derzeitigen 184 Gesetzeslage in Deutschland 185 alle weiteren in diesem Verfahren erforderlichen Zustellungen nicht mehr durch Ersuchen um ausländische Rechtshilfe erfolgen, § 175 I 2 ZPO. 186

180

Schack, RabelsZ 57 (1993), 224, 247.

181

Anders aber § 170ZPO-E.

182

Schack, IZVR Rn. 612.

183

Schack, RabelsZ 57 (1993), 224, 247.

184

Anders aber § 170 ZPO-E.

185

Hierzu außer den ZPO-Kommentaren z.B. Kondring, S. 86 ff.; Karen Ilka Mössle, S. 149; Staudinger/Spellenberg 12, §§ 606 ff. ZPO Rn. 520. Auch das englische Prozeßrecht stellt für Verfahren vor dem High Court eine mit § 175 ZPO vergleichbare Regelung bereit. Wenn einmal der „writ of originating process " zugestellt worden ist, werden nachfolgende „pleadings" und andere Dokumente, die der Zustellung an den Beklagten bedürfen, grundsätzlich innerhalb der »jurisdiction" an die zulässige Zustellungsadresse zugestellt, RSC Order 65 Rule 5. Die zulässige Adresse ist entweder die des solicitors des Beklagten oder, wenn der Beklagte keinen solicitor beauftragt hat, die Adresse, die der Beklagte auf der Empfangsbestätigung („acknowledgement of service") angegeben hat, vgl. RSC Order 12 Rule 3, hierzu Supreme Court Practice 13/3/2. „Pleadings" und andere Dokumente, die dem Beklagten zuzustellen sind, müssen grundsätzlich an die Adresse innerhalb der „Jurisdiction " zugestellt werden, die er zu diesem Zweck gegeben hat, RSC Order 6 Rule 5 (2). Allerdings ist zu beachten, daß bestimmte Dokumente immer der Partei, an die sie gerichtet sind, persönlich zuzustellen sind, hierzu Supreme Court Practice, 65/1/2. Zum Ganzen O'Malley/Layton Rn. 4.04 (S. 81); Rn. 4.22 (S. 92 f.) und Rn. 4.51 (S. 115). 186 Auf diese Vorschrift nehmen Bezug: §§ 276 13; 641 η Satz 4; 642 a II 2; 829 II 4; 835 III 1 ZPO und außerhalb der ZPO §§ 4, 34 AVAG; § 4 ZVG; § 127 I Nr. 5 PatG; § 5 RADG; § 8 I 2 InsO (Ausnahme: Zustellung an Gläubiger im Verbraucherinsolvenzverfahren, § 307 I 3 InsO).

D. Unterschiedliche Zustellungstatbestände

39

Wohnt der Beklagte bzw. Antragsgegner nicht in Deutschland, so ist er gem. § 174 I I ZPO zur Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten am Ort des Prozeßgerichts verpflichtet, falls er nicht bereits dort einen Prozeßbevollmächtigten bestellt hat. 187 Ernennt die Partei einen Zustellungsbevollmächtigten, so erfolgen alle Zustellungen an diesen. Aber auch wenn sie dies unterläßt, ist eine Auslandszustellung nicht mehr erforderlich, weil dann die Zustellung durch Aufgabe zur Post gem. § 175 I 3 ZPO als bewirkt gilt, „selbst wenn die Sendung als unbestellbar zurückkommt." 188 Bei § 175 I 3 ZPO handelt es sich um eine Inlandszustellung mit der Konsequenz, daß eine Verlängerung von Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelfristen im Hinblick auf den Aufenthalt des Zustellungsadressaten im Ausland nach herrschender Auffassung nicht in Betracht kommt. 189 2. Zeitpunkt der Perfektuierung

der Inlandszustellung

Die Zustellung wird im Zeitpunkt der Übergabe des Schriftstücks an die Postanstalt bzw. des Einwerfens des Briefes in den Postbriefkasten fingiert, nicht etwa - wie z.B. gemäß § 270 I I 2 ZPO, § 15 VwVfG 1 9 0 oder § 123 Satz 1 A O 1 9 1 - nach Ablauf einer bestimmten Frist 192 ab diesem Zeitpunkt. 193

187

Hierzu z.B. Fleischhauer, S. 268. Zur verfassungsmäßigen Zulässigkeit der Aufbürdung von Mitwirkungspflichten im Hinblick auf den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG) Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz Art. 103 IRn. 70. 188

Eine solche Sanktion kennt das Verwaltungszustellungsgesetz nicht; § 15 VwVfG und die Parallelregelungen der Länder (z.B. Art. 15 des BayVwVfG) sowie § 14 SGB X begründen lediglich eine (widerlegbare) Vermutung fur den Zugang binnen sieben Tagen seit Aufgabe zur Post, nicht aber - wie § 175 ZPO - eine Fiktion. Es ist unklar, ob in Verfahren vor den Verwaltungs- und Sozialgerichten § 175 ZPO anzuwenden ist, obwohl § 56 III VwGO und § 63 III SGO auf das Verwaltungszustellungsgesetz verweisen, welches wiederum nur auf §§ 180-186, 195 II ZPO Bezug nimmt, vgl. Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz), S. 46, 86. 189

S. 196.

BGHZ98, 263 = NJW 1967, 592; BGH RIW 1992, 398. Vgl. auch Kondring,

190

Die gleiche Regelung findet sich in den Verwaltungszustellungsgesetzen der Länder, z.B. in Art. 15 des BayVwVfG. Nachw. bei Stelkens/Bonk/Sachs, § 15 Rn. 1 ff. 191

Vgl. auch § 5 II der Verordnung über die Ablösung früherer Rechte und andere vermögensrechtliche Fragen (Hypothekenablöseverordnung) vom 10.6.1994 (BGBl. I, S. 1253) und § 15 III 2 des Grundbuchbereinigungsgesetzes (eingefügt durch die 2. Zwangsvollstreckungsnovelle vom 16.12.1997, BGBl. I, S. 2998). 192 Schlosser in FS Stiefel, S. 683, 688 schlägt de lege ferenda eine Frist von 10 oder 14 Tagen vor. 193

Fleischhauer, S. 307.

40

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts 3. Vereinbarkeit

mit dem HZÜ

Die Regelung des § 175 ZPO ist mit dem HZÜ vereinbar. Da es sich nach der gesetzestechnischen Konstruktion um eine Inlandszustellung handelt, kommen die Mechanismen des HZÜ nicht zur Anwendung. 194 Das HZÜ regelt insbesondere nicht, wann eine Auslandszustellung erforderlich ist. Hierüber befindet allein das nationale Zustellungsrecht des Gerichtsstaates. 195 4. Vergleich mit der remise au parquet Vergleichbar ist diese Art der Zustellung mit der remise au parquet der romanischen Rechtsordnungen. Danach gilt die Zustellung mit Niederlegung bei der Staatsanwaltschaft als bewirkt. Bereits ab diesem Zeitpunkt laufen die Einlassungsfristen. Der Zustellungsadressat wird nämlich lediglich über die bereits im Inland erfolgte Zustellung informiert. 196 Der Unterschied liegt darin, daß in Frankreich schon das verfahrenseinleitende Schriftstück (Klage, Antrag) durch Inlandszustellung (signification par remise au parquet) zugestellt wird, während in Deutschland das verfahrenseinleitende Schriftstück gem. § 199 ZPO durch Inanspruchnahme ausländischer Rechtshilfe zuzustellen ist. Erst wenn durch diese Auslandszustellung ein Prozeßrechtsverhältnis begründet ist, trifft den Beklagten die ProzeßfÖrderungspflicht zur Bestellung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten. § 175 I 2 ZPO sanktioniert - anders als § 171 ZPO-E - die Verletzung dieser Pflicht. 197 5. Wegfall der Befugnis zur Zustellung durch Aufgabe zur Post Die Befugnis zur Zustellung durch Aufgabe zur Post entfällt, sobald die Partei doch noch einen Zustellungsbevollmächtigten oder Prozeßbevollmächtigten bestellt oder wenn sie ihren Wohnsitz in das Inland verlegt und dies dem Gericht bzw. dem Gegner mitteilt. 198 Weiter kommt § 175 I 2 ZPO bei verfassungskonformer Auslegung im Lichte des Art. 103 I GG nicht zur Anwendung, wenn andere Möglichkeiten der Inlandszustellung bestehen, so wenn sich der gesetzliche Vertreter der im Ausland wohnhaften Partei im Inland aufhält

194

BGHZ 98, 263, 266; BGH NJW 1989, 1432, 1433; Otto, S. 112.

195

Hierzu unten 4. Kapitel: A. III. 2. (S. 180).

196

BGHZ 98, 263, 266; BGH NJW 1992, 1700, 1701; BGH NJW 1992, 1701, 1702; Stem-Jonas 20/Schumann §175 Rn. 9; Hartmann in Baubach/Lauterbach/Albers/ Hartmann §175 Rn. 5; Zöller/Geimer §199 Rn. 23; Geimer, IZPR Rn. 2116; Nagel/Gottwald, IZPR § 6 Rn. 37; Linke, IZPR Rn. 225 f.; Kiezler, IZPR S. 687 f.; H. Roth, IPRax 1990, 90. 197

Fleischhauer, S. 307. Fleischhauer, S. 308.

D. Unterschiedliche Zustellungstatbestände

41

(§171 ZPO). Das gleiche gilt für Generalbevollmächtigte und Prokuristen (§ 173 ZPO, § 8 VwZG). 1 9 9 6. Fairneßgebot und Diskriminierungsverbot Nur § 34 I I I 2 A V A G 2 0 0 schreibt vor, im Mahnbescheid den Antragsgegner darauf hinzuweisen, daß er einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen hat, während § 174 I I ZPO schlicht und einfach bestimmt: „Wohnt die Partei nicht im Inland, so ist sie auch ohne Anordnung des Gerichts zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten verpflichtet, falls sie nicht einen in dem durch den ersten Absatz bezeichneten Ort oder Bezirk wohnhaften Prozeßbevollmächtigten bestellt hat." §§ 174 f. ZPO müssen im Lichte der Verfahrensgrundrechte interpretiert werden. Die Zustellung durch Aufgabe zur Post wird zwar für verfassungs- 201 und völkerrechtskonform gehalten.202 Doch verlangen das Fairneßgebot und das Diskriminierungsverbot über den Wortlaut des § 174 I I ZPO hinaus, daß die im Ausland sich aufhaltende Partei auf ihre gesetzliche Verpflichtung zur ProzeßfÖrderung durch Stellung eines Zustellungsbevollmächtigten und die Folgen ihrer Verletzung (Zustellung durch Aufgabe zur Post) hingewiesen wird. 203

199

Fleischhauer, S. 308; Otto, S. 167.

200

Ebenso § 123 Satz 2 AO sowie § 15 Satz 3 VwVfG.

201

BVerfG, NJW 1997, 1772.

202

Fleischhauer, S. 67, 236, 308. Rechtsstaatliche Bedenken gegen diese „legislatio in fraudem legis internationalis" jedoch bei Schlosser in FS Stiefel, S. 683, 688. Auch Gottwald äußert sich kritisch zur Konstruktion des § 175 ZPO in Habscheid/Beys, S. 28: „Unbefriedigend hieran ist vor allem, daß durch diesen Kniff ein tatsächlicher Auslandsprozeß fiktiv zum Inlandsprozeß erklärt wird." Besonders kritisch der Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz), S. 49 f. „Die bisher vorgesehene Zustellungsfiktion beinhaltet praktisch zumindest eine erhebliche Gefährdung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Dies ist [...] nicht länger hinnehmbar." Vgl. zu den Reformvorhaben des Bundesjustizministeriums oben S. 19 Fn. 80. 203

Fleischhauer, S. 270, 309; Hausmann, IPRax 1988, 140, 143; ders., FamRZ 1989, 1288, 1289; Lin/ce, IZPR Rn. 226; H. Roth, IPRax 1990, 90, 93; Schack, IZVR Rn. 599; Stein-Jonas21///. Roth § 175 Rn. 11; Schlosser, JR 1987, 160; Wieczorek, § 174 Anm. Β I; differenzierend Zöller! Geimer § 199 Rn. 20: Hinweis auf Obliegenheit, einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu bestellen, nicht erforderlich, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück bereits im Inland zugestellt worden war. In der Schweiz verlangt das Bundesgericht einen vorausgegangenen gerichtlichen Hinweis, der im Wege der Rechtshilfe (z.B. in Zürich nach Maßgabe von §§ 178, 183 GVG) zugestellt worden sein muß, BGE 96 I 398; 97 I 258; 102 Ia 315. Hierzu auch FrankJSträuli/ Messmer, § 30 Rn. 2, 4.

42

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

Weiter wird man im Interesse der effizienten Gewährung rechtlichen Gehörs das Gericht fur verpflichtet halten müssen, Sendungen per Luftpost ins Auge zu fassen. 204 Zu erwägen wäre auch, daß das Gericht parallel zur Zustellung durch Aufgabe zur Post den Adressaten per Fax verständigt, damit dieser Anstalten zu seiner Rechtsverteidigung treffen kann. Dies hält das Bundesverfassungsgericht205 allerdings für nicht zwingend geboten, sondern nur bei „rücksichtsvoller Verfahrensgestaltung" naheliegend.206 Auch sonst sind die Gerichte überwiegend sehr zurückhaltend. So stellte z.B. das OLG München in Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 207 mit Urteil vom 30.9.1997 208 klar: „Die Rechtsfolge des § 175 Abs. 1 Satz 2 ZPO tritt von Gesetzes wegen ein. Eine Belehrungspflicht ist im Gesetz nicht vorgesehen; sie folgt auch nicht aus dem verfassungsrechtlich verankerten Gebot des fairen Verfahrens. Nach Auffassung des Senats dürfen die Anforderungen an gerichtliche Hinweis- und Aufklärungspflichten bei Klageerhebung gerade auch im Interesse des Beklagten mit Blick auf die Transparenz der richterlichen Verfugung nicht überspannt werden. Der Empfänger einer Klageschrift, die an das Landgericht gerichtet und mit den gesetzlich vorgesehenen Belehrungen förmlich im Rechtshilfewege zugestellt worden ist, ist hinreichend über die Tatsache informiert, daß er sich zur Vermeidung von Rechtsnachteilen innerhalb der ihm gesetzten Frist über einen zugelassenen Rechtsanwalt der Sache anzunehmen hat. Wer dieser Aufforderung nicht folgt, hat die Folgen zu tragen, die das deutsche Recht an ein solches Verhalten knüpft." 7. Zustellung von Urteilen und sonstigen Endentscheidungen § 175 I 2 ZPO betrifft nicht nur Zustellungen während des laufenden Verfahrens, wie von gerichtlichen Hinweisen, Beschlüssen, Terminsladungen 209 und Schriftsätzen der Parteien, sondern auch von Urteilen und sonstigen gerichtlichen Endentscheidungen.210Allerdings setzt § 175 I 1 ZPO voraus, daß die Partei sich wenigstens durch die Zustellung eines Schriftsatzes an den Gegner an dem Verfahren beteiligt hat. Daher konnte bis zum Inkrafttreten des

204

Fleischhauer, S. 309; Schlosser in FS Stiefel, S. 683, 693.

205

BVerfG NJW 1997, 1772.

206

Das Bundesverfassungsgericht sieht keinen Verfassungsverstoß bzw. jedenfalls keinen schweren, der die Annahme der Verfassungsbeschwerde rechtfertigen könnte, wenn das Fachgericht statt Versendung durch Luftpost nur eine einfache Postsendung veranlaßt hat. 207

BGHZ 98, 263, 268.

208

OLG München MDR 1997, 1150.

209

BGH NJW 1989, 1432, 1433 (Ladung des in Frankreich wohnhaften Beklagten zum zweiten Verhandlungstermin). 2,0

Fleischhauer, S. 308 f.

D. Unterschiedliche Zustellungstatbestände

43

Rechtspflege-Vereinfachungsgesetzes vom 17.12.1990211 am 1.4.1991 im schriftlichen Vorverfahren (§ 331 I I I ZPO) ein Versäumnisurteil durch Aufgabe zur Post nach § 175 I 2 ZPO nur dann zugestellt werden, wenn der Beklagte vorher einen Schriftsatz hatte zustellen lassen und darin keinen Zustellungsbevollmächtigten benannt hatte, § 175 I 1 ZPO. 212 Diese Einschränkung ist nunmehr entfallen. Die Zustellung durch Aufgabe zur Post kommt nun auch für Versäumnisurteile im schriftlichen Vorverfahren (§ 276 I 3 ZPO) und für ohne mündliche Verhandlung ergehende Anerkenntnisurteile (§ 307 I I ZPO) zum Zuge. Denn nunmehr erklärt § 27613 ZPO n.F. § 175 ZPO in der Weise für anwendbar, daß der Zustellungsbevollmächtigte innerhalb der richterlich gesetzten Erwiderungsfrist zu bestellen ist, d.h. der Anwendungsbereich des § 175 ZPO wird durch § 276 I 3 ZPO n.F. erheblich ausgeweitet. Die Zustellung eines Schriftsatzes ist nicht erforderlich, so daß nunmehr § 175 ZPO auch im schriftlichen Versäumnisverfahren zur Anwendung kommt. 213 8. Individuelle gerichtliche Festsetzung der Rechtsmittel- und Rechtsbehelfsfristen Die Zustellung von Versäumnisurteilen durch Aufgabe zur Post gilt - wie bereits erwähnt - als Inlandszustellung, da die Zustellung formell am Aufgabeort bewirkt wird 2 1 4 mit der Konsequenz, daß nach h.M. die Einspruchsfrist gem. § 339 I ZPO zwei Wochen beträgt. Die Frist beginnt gem. § 175 I 3 ZPO mit Übergabe des Urteils an die Postanstalt bzw. Postniederlassung. Im Hinblick auf die längeren Postlaufzeiten im Ausland besteht die Gefahr, daß die Zwei-Wochen-Frist bereits verstrichen ist, wenn die Post beim Adressaten eingeht. In jedem Falle bleibt dem Adressaten im Ausland im Vergleich zum inländischen eine wesentlich kürzere „tatsächliche" Frist zur Erhebung des Einspruchs bzw. die Last, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. 215 Obwohl die Zustellung gem. § 175 ZPO als Inlandszustellung konstruiert ist, sollte man die tatsächlichen Gegebenheiten nicht aus den Augen verlie211

BGBl. 1990 I, S. 2847.

212

BGH NJW 1979, 218; OLG München IPRax 1988, 164.

213

Stein-Jonas21///. Roth § 175 Rn. 12.

214

Gottwald in Habscheid/Beys, S. 28; Nagel/Gottwald, IZPR Rn. 416, 2083.

IZPR § 6 Rn. 37; Geimer,

215 Dieser Antrag kann nach § 234 I ZPO nur binnen zwei Wochen nach Hindernisbehebung (§ 234 II ZPO) gestellt werden. Diese Frist hält Schlosser in FS Stiefel, S. 383, 384 für eine „Überforderung". Kommt das Schreiben überhaupt nicht beim Empfänger an, so kann es sein, daß der Empfänger erst nach Ablauf der absoluten Wiedereinsetzungsfrist von einem Jahr (§ 234 III ZPO) von dem gegen ihn ergangenen Urteil erfährt, Schlosser, a.a.O. Dann könnte er nach der lex scripta Einspruch bzw. Rechtsmittel nicht mehr einlegen. Dieses Ergebnis ist unter dem Blickwinkel des Art. 103 I GG bzw. Art. 6 I EMRK weder verfassungs- noch menschenrechtskonform. Vgl. zu rechtsstaatlichen Bedenken gegen § 175 I 3 ZPO schon oben Fn. 202.

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2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

ren und daher eine richterliche Fristbestimmung gem. § 339 I I ZPO zulassen.216 Dem ist der Bundesgerichtshof allerdings nicht gefolgt. Er ist der Auffassung, daß die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO, Art. 16 HZÜ) ausreiche. 217 Dies mag den Anforderungen des Art. 103 I GG bzw. Art. 6 I EMRK gerade noch genügen. Jedenfalls wird diese Rechtsprechung vom Bundesverfassungsgericht mehr oder minder lapidar hingenommen. 218 9. Hürden för Wiedereinsetzungsgesuche Doch muß man klar sehen, daß ein erfolgreiches Wiedereinsetzungsgesuch für den ausländischen Adressaten mit vielen Hürden verbunden ist und daß die „Nachteilskompensation" im Wiedereinsetzungsverfahren zu einer Verzögerung des gesamten Prozeßablaufes führt. 219 Art. 103 I GG und Art. 6 I EMRK verbieten es, daß durch eine restriktive Handhabung der Wiedereinsetzungsgründe der Anspruch auf rechtliches Gehör de facto verkürzt wird. 2 2 0 Der Bundesgerichtshof verlangt auch von juristisch nicht vorgebildeten Laien, sich alsbald nach Zugang einer (nachteiligen) Entscheidung über Form und Frist einer Anfechtung dieser Entscheidung und die Wirkung einer Zustellung durch

216 Fleischhauer, S. 311; Zöller/Geimer § 199 Rn. 23; Schock, ZZP 100 (1987), 442, 445. Linke, IZPR Rn. 228 hält die Anwendung des § 339 II ZPO für ausgeschlossen. Er will jedoch analog § 274 III 3 ZPO zu einer richterlichen Fristbestimmung kommen. Neuerdings hat Linke, Probleme der internationalen Zustellung (im Erscheinen) sub II 2 a (4) bei Fn. 211 seinen Standpunkt wie folgt zusammengefaßt: „Das Problem der individuell verlängerten Einspruchsfrist (§ 339 II ZPO) ließe sich mit Hilfe der Auslegung oder Analogie auch schon de lege lata lösen. § 339 II ZPO nennt als Anwendungsfälle die Zustellung im Ausland und die öffentliche Zustellung, so daß man mit dem Segen des Art. 103 I GG den Fall des § 174 II ZPO einbeziehen könnte. Der BGH (NJW 1992, 1701) glaubt dem durch großzügige Gewährung der Wiedereinsetzung genügen zu können. De lege ferenda könnte man entweder die Anwendungsfälle des § 339 II ZPO erweitem oder den Bewirkungszeitpunkt in § 175 I ZPO wie im Verwaltungsverfahrensrecht so weit hinausschieben, daß die zweiwöchige Einspruchsfrist ausreicht. Die individuelle Verlängerung der Berufungsfrist ließe sich wohl nur de lege ferenda erreichen. Vgl. Bachmann, FamRZ 1996,1277/8." H Roth, IPRax 1990,90,92 will das gleiche Ergebnis durch Einschränkung der Fiktionswirkungen des § 175 I 3 ZPO erreichen. 2,7 BGH NJW 1992, 1701, 1702: „Derartige Fälle lassen sich aber mit Hilfe einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 339 II ZPO nicht allgemein lösen, sondern allenfalls entschärfen. Das geeignete Mittel [...] ist vielmehr das Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand." 218

BVerfG NJW 1997, 1772.

2,9

Fleischhauer, S. 310.

220

Geimer, BerDGVR 33 (1994), 213, 233.

D. Unterschiedliche Zustellungstatbestände

45

Aufgabe zur Post zu erkundigen. Tun sie es nicht, wird keine Wiedereinsetzung gewährt. 221 Diese prozessuale Last trifft gleichermaßen In- wie Ausländer. 222 Das Bundesverfassungsgericht 223 sah leider keine Veranlassung zur Kritik: „Der Frage, ob es. der im Rechtsstaatsgebot wurzelnde Grundsatz des fairen Verfahrens geboten hätte, den Beschwerdeführern Wiedereinsetzung zu gewähren, braucht nicht im einzelnen nachgegangen zu werden. Selbst wenn sie zu bejahen wäre - wofür einiges spricht-, läge ein so gewichtiger Verfassungsverstoß, daß allein deshalb eine Annahme der Verfassungsbeschwerde angezeigt wäre, nicht vor." 10. Vollstreckungsbescheide Auch Vollstreckungsbescheide können durch Aufgabe zur Post ins Ausland zugestellt werden. Hier wird das einschränkende in § 175 I 1 ZPO enthaltene Erfordernis der Schriftsatzübermittlung durch § 34 I I I 3 A V A G übersprungen, 224 der § 175 ZPO mit der Maßgabe für entsprechend anwendbar erklärt, daß der Zustellungsbevollmächtigte innerhalb der Widerspruchsfrist zu benennen ist. Doch dürfte sich die Zulässigkeit dieser Zustellung schon aus der Verweisung in § 697 I I 2 ZPO auf § 276 I 3 ZPO ergeben. 225 Für die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid ergeben sich im Hinblick auf die Verweisung des § 700 I ZPO die gleichen Probleme, wie die oben 226 zur Einspruchsfrist gegen Versäumnisurteile beschriebenen. Auch hier sollte man entgegen der Rechtsprechung 227 § 339 I I ZPO entsprechend anwenden.228

221

S. auch unten S. 96 bei Fn. 472.

222

BGH FamRZ 1989, 1287 {Hausmann) = IPRspr. 1989 Nr. 203; Schlosser in FS Stiefel, S. 683, 684. 223

BVerfG NJW 1997, 1772.

224

Fleischhauer, S. 313.

225

Stein-Jonas21///. Roth § 175 Rn. 13.

226

2. Kapitel: D. IV. 8. (S. 43).

227

BGHZ 98, 263, 267.

228

Schack, ZZP 100 (1987), 442, 445; ders., IZVR Rn. 599; Hausmann, IPRax 1988, 140, 141; H. Roth, IPRax 1990, 90, 92; Fleischhauer, S. 314. 6 Geimer

46

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts 11. Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren a) Gesetzesvorschlag Im Zustellreformgesetz sind grundlegende Änderungen vorgesehen. 229 § 170 ZPO-Ε lautet: „Kann einer Person nur im Ausland zugestellt werden, kann das Gericht sie durch unanfechtbaren Beschluß auffordern, einen Zustellungsbevollmächtigten, der im Inland wohnt oder im Inland einen Geschäftsraum hat, zu benennen."

Die vorgeschlagene Regelung unterscheidet sich von dem Konzept der §§174 II, 175 ZPO in zwei Punkten: (1) Es besteht keine Verpflichtung ex lege, einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen, sondern es bedarf hierfür eines gerichtlichen Aufforderungsbeschlusses. (2) Folgerichtig werden an die Nichtbenennung keine Sanktionen geknüpft. Kommt der im Ausland sich aufhaltende Zustellungsadressat der gerichtlichen Aufforderung nicht nach, so ist nach den Vorstellungen des Bundesjustizministeriums weiterhin ins Ausland im Wege der internationalen Rechtshilfe zuzustellen, falls eine Zustellung durch deutsche diplomatische oder konsularische Vertreter nicht in Betracht kommt. Notfalls ist öffentlich zuzustellen.230 b) Ermessensentscheidung des Gerichts Anders als nach § 174 I I ZPO besteht keine generelle Verpflichtung, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Hierzu findet sich im Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums 231 folgende Erläuterung: „Während bei der Mehrzahl der Zustellungen im Ausland, insbesondere im vertraglich geregelten Bereich innerhalb der EU, die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten im Inland nicht unerläßlich erscheint, ist das Bedürfnis der Praxis nach einer solchen Regelung im Rechtsverkehr mit anderen Staaten ausnahmsweise durchaus anzuerkennen. Die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten durch eine nicht im Inland wohnhafte Partei, die in Deutschland keinen Prozeßbevollmächtigten bestellt hat, kann im Einzelfall ihrer Prozeßförderungspflicht entsprechen und einer zügigen Verfahrensdurchführung dienen. Da 229 Die Pflicht für eine im Inland wohnhafte Partei, nach Maßgabe von § 174 I ZPO einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen, entfällt ersatzlos. Hierzu der Diskussionsentwurf, S. 47: „Konkrete Anwendungsfälle sind in den letzten Jahren nicht bekannt geworden. Eine gerichtliche Anordnung, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, wäre auch regelmäßig ermessensfehlerhaft." 230

Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren, S. 34, 49. 231

A.a.O., S. 48.

D. Unterschiedliche Zustellungstatbestände

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die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten jedoch mit einem erheblichen Aufwand für die damit belastete Person verbunden und in Einzelfällen die Benennung unzumutbar sein kann und sie nur in Einzelfällen erforderlich ist, muß künftig der Zustellungsbevollmächtigte nicht mehr zwingend in allen Fällen benannt werden. Die Aufforderung, einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu benennen, ist in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt. Damit wird auch der Tatsache Rechnung getragen, daß eine Benennung der betroffenen Staaten weder möglich noch wünschenswert ist, und die Schwierigkeiten nicht allein und oft auch nicht entscheidend davon abhängen, ob völkerrechtliche Übereinkünfte über die Zustellung bestehen oder nicht. Maßgeblich fur diese Aufforderung ist allein die Tatsache, ob zur ordnungsgemäßen und zügigen Zustellung künftig ein Zustellungsbevollmächtigter unerläßlich ist. Kann die Zustellung an die im Ausland lebende Partei auch ohne einen solchen Bevollmächtigten reibungslos, insbesondere mit einer hinnehmbaren Zeitverzögerung erfolgen, bedarf es nicht des Umwegs über den im Inland wohnenden Zustellungsbevollmächtigten. Regelmäßig wird, jedenfalls wenn durch völkerrechtliche Übereinkünfte der justizministerielle oder ein nachrangiger Geschäftsweg vereinbart wurde, eine solche Ermessensentscheidung nicht in Betracht kommen. Ist die internationale Rechtshilfe jedoch schwierig, wird häufig die Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten für die Beteiligten schwierig sein. Auf eine nähere Ausgestaltung, nach welchen Kriterien dieses Ermessen ausgeübt werden soll, und eine gerichtliche Überprüfbarkeit kann im Hinblick darauf verzichtet werden, daß an die Nichtbenennung eines Zustellungsbevollmächtigten keine nachteiligen Folgen für die damit belastete Partei geknüpft werden." c) Erster Alternativ Vorschlag: Rücknahme des deutschen Widerspruchs zu Art. 10 lit. a HZÜ Für den „Fall, daß aus politischen Gründen an die Nichtbenennung des Zustellungsbevollmächtigten eine Rechtsfolge geknüpft werden muß", wird die Rücknahme des deutschen Widerspruchs zu Art. 10 lit. a HZÜ vorgeschlagen. Allerdings würde nach Auffassung des Bundesjustizministeriums dies „gegen den dogmatischen Grundsatz der Zustellung als Hoheitsakt verstoßen." 232 d) Zweiter Alternativ Vorschlag: Der Oberlandesgerichtspräsident als gesetzlicher Zustellungs"bevollmächtigter" Aufwendiger 233 wäre der in zweiter Linie gemachte Vorschlag, 234 einen bestimmten Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, der ohne Kosten für die

232 233

A.a.O., S. 50.

Das gleiche gilt für den Vorschlag von Linke, Probleme der internationalen Zustellung (im Erscheinen) sub II 2 a (2) bei Fn. 208: „Zweckmäßiger wäre vielleicht das mit der Aufforderung zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten zu verbindende Angebot, auf Wunsch des Adressaten einen Rechtsanwalt zu beauftragen, wie es aus dem Prozeßkostenhilfeverfahren geläufig ist. Es wäre dann dessen Sache, sich umgehend die Mandatierung von der Partei bestätigen zu lassen. Das beträfe diejenigen Fälle, in denen der Adressat kooperationsbereit ist und in denen daher die Sanktion des § 175 ZPO besonders unangemessen erscheint."

48

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

Beteiligten tätig werden muß. Gedacht wird an den zuständigen Oberlandesgerichtspräsidenten. e) Dritter Aiternati ν Vorschlag: Einschreiben mit Rückschein Als weitere Variante erörtert der Diskussionsentwurf 235 die Postzustellung: „Die bisherige Zustellung durch Aufgabe zur Post könnte durch eine Regelung, nach welcher die Zustellungswirkung bei einer Mitteilung im Ausland eintritt, wenn das Gericht das zuzustellende Schriftstück durch Einschreiben mit Rückschein in das Ausland übersendet und durch den Rückschein die Kenntnisnahme des Empfängers nachgewiesen wird, inhaltlich verändert werden. Zu regeln wäre auch, ob die Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks an einen Ersatzempfänger ausreicht oder an den Zustellungsadressaten persönlich erfolgen muß (letzteres wohl sachgerechter), und welche Rechtsfolge im Falle der bei privaten Postsendungen möglichen Annahmeverweigerung eintritt (wohl keine). Eine solche Regelung, die dogmatisch keine Zustellung wäre, da sie die Zustellungswirkung an - ähnlich wie bei der Heilung - die Kenntnisnahme geknüpft würde, wäre auch auf die erste »Zustellung1 im Ausland anwendbar. Sie würde den Grundzügen der Zustellung im Inland weitgehend entsprechen. Nach diesen ist entscheidend für die Wirkung der Zustellung die Kenntnisnahme bzw. die Möglichkeit der Kenntnisnahme; eine Heilung von Zustellungsmängeln ist vorgesehen. Dogmatisch wäre die Regelung, ähnlich wie auch das geltende Recht, unter dem Gesichtspunkt der Bindung der Ausübung der Hoheitsgewalt an das Staatsgebiet und an die völkerrechtlichen Grundsätze im Bereich der internationalen Rechtshilfe in zivilrechtlichen Angelegenheiten (auch: deutscher Vorbehalt zum Haager Zustellungsübereinkommen) problematisch. Faktisch würde die Auslandszustellung weitgehend zurückgedrängt. Diese Zurückdrängung wäre jedoch mit einer erheblichen Verfahrensvereinfachung, Kosteneinsparung und Verfahrensbeschleunigung verbunden."

V. Ersatzzustellungen Auch eine Ersatzzustellung 236 läuft oft nur auf eine Fiktion hinaus. Denn es ist nicht gewährleistet, daß der Zustellungsempfänger 237 den Zustellungsadres-

234

Diskussionsentwurf, S. 50.

235

Diskussionsentwurf, S. 51.

236

Sowohl § 181 ZPO als auch § 182 ZPO verlangen, daß der Adressat am Ort der Ersatzzustellung seine Wohnung hat. Hierzu BVerfG NJW-RR 1992, 1084 = BGH NJW 1992, 1963; Graßhoff in FS Merz, S. 133, 144; Wiehe,, S. 12 ff. Die h.M. {Stein/Jonas/Roth § 181 Rn. 5; Zöller/Stöber § 181 Rn. 5) betrachtet auch ein vorübergehend bewohntes Hotelzimmer als Wohnung. Danach könnte die Zustellung an einen durchreisenden Gast auch durch ersatzweise Übergabe an das Hotelpersonal perfekt werden. Dagegen zu Recht Fleischhauer, S. 284 und Staudinger/Spellenberg 11, §§ 606 ff. ZPO Rn. 503, weil die Wahrscheinlichkeit, daß das Schriftstück den Hotelgast (der bereits abgereist sein könne) erreicht, typischerweise zu gering ist. 237

Das ist die „Person, der [tatsächlich] zugestellt ist" (§ 191 Nr. 4 ZPO).

D. Unterschiedliche Zustellungstatbestände

49

säten238 von der erfolgten Zustellung verständigt. In der Praxis spielt die Ersatzzustellung eine bedeutende Rolle. 239 Man nimmt eine gesetzliche Vertretung des Zustellungsempfängers durch die Ersatzperson an, 240 der anstelle des Zustellungsadressaten tatsächlich das Schriftstück übergeben worden ist. 241 Dies ist aus menschenrechtlicher Sicht nur dann akzeptabel, wenn man großzügig Wiedereinsetzung gewährt. 242 Mit der Wiedereinsetzungsmöglichkeit will auch Art. 16 HZÜ Zustellungen entgegenwirken, die zwar nach dem jeweiligen Zustellungsrecht formal in Ordnung sind, aber ihren normativen Zweck, nämlich die sichere Gewähr rechtlichen Gehörs, verfehlen, weil sie den Adressaten nicht erreichen. Der Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz) 243 verlangt in § 183 ZPO-E - anders als die lex lata (§ 181 I ZPO) - generell Annahmebereitschaft der Ersatzperson (so schon derzeit § 181 II ZPO). „Die Zustellung an einen erkennbar nicht empfangsbereiten Dritten ist bereits gegenwärtig bedenklich. Zum anderen ist es problematisch, an die für den Dritten rechtlich zumindest folgenlose Weigerung, ein Schriftstück entgegenzunehmen, die Folge einer ordnungsgemäßen Zustellung zu Lasten des Zustellungsadressaten zu knüpfen." Erwogen wird auch die Übergabe an die Ersatzperson mit der Bitte zu verbinden, das durch Ersatzzustellung zugestellte Schriftstück an die Person, der zugestellt werden soll, auszuhändigen.244

238

Gemeint ist die „Person, an die zugestellt werden soll" (§ 191 Nr. 3 ZPO). Vgl. zur Terminologie Rosenberg/Schwab/Gottwald § 74 I (S. 405) und Thomas/Putzo Rn. 4 ff. 239 Nach Hohmann, S. 80 werden 70% aller Zustellungen im Wege der Ersatzzustellung bewirkt. Vgl. auch Erhebungen aus den frühen 70er Jahren, a.a.O. S. 4 sowie Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz) S. 26. Vgl. hierzu oben S. 10 Fn. 29. Zur Ersatzzustellung an den Gewerbegehilfen nach § 183 I ZPO s. BGH NJW 1998, 1958. 240

Rosenberg/Schwab/Gottwald

§ 74 III (S. 407).

241

MünchKommZPO/v. Feldmann § 181 Rn. 1. Rechtsvergleichende Hinweise bei Volken, Rn. 2.13Fn. 19 (S. 34 f.). 242

Geimer, BerDGVR 33 (1994), 213, 233 f.

243

Diskussionsentwurf, S. 34, 67.

244

Diese hätte allerdings nur deklaratorische Bedeutung; nach dem Diskussionsentwurf, S. 69 reicht der gem. § 180 ZPO-Ε vorgeschriebene Weitergabevermerk auf dem Briefumschlag.

§ 191

50

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

Anders als im deutschen Recht, wo die Fälle der Ersatzzustellung bzw. Annahmeverweigerung tatbestandsmäßig genau festgelegt sind, 2 4 5 definiert FRCP 4(e) (2) „service upon individuals within a judicial district of the United States" als „delivering of a copy of the summons and of the complaint to the individual personally or by leaving copies thereof at the individual's dwelling house or usual place of abode with some person of suitable age and discretion then residing therein or by delivering a copy of the summons and of the complaint to an agent authorized by appointment or by law to receive service of process."246 Im Falle der Annahmeverweigerung kann der Zustellende (process server) die Schriftstücke nach Abwägung des Einzelfalls zurücklassen. Damit ist die Zustellung abgeschlossen. Entscheidend ist, daß eine vernünftige Person (reasonable person) zur Überzeugung kommen kann, daß personal service versucht wurde. 247 Auch im englischen Recht gibt es in Verfahren vor dem High Court keine tatbestandlich genau umrissene Ersatzzustellung, wie etwa im deutschen Recht an einen zur Familie gehörenden Hausgenossen oder Hauswirt oder Vermieter (§181 ZPO). 248 Nach RSC Order 65 Rule 2 wird „personal service" eines Schriftstücks bewirkt, „by leaving a copy of the document with the person to be served." Erweist sich „personal service" als undurchführbar, kann das Gericht anordnen, daß die Zustellung durch Einwurf in den Postbriefkasten bewirkt werden soll. Das Schriftstück gilt dann am siebten Tage nach dem Tag des Einwurfs im Postbriefkasten als zugestellt. Das Gericht kann aber auch „substituted service" anordnen. Es kann beispielsweise bestimmen, daß das zuzustellende Schriftstück an eine Adresse geschickt werde, von welcher der Richter annimmt, daß dort das Schriftstück dem Zustellungsadressaten ausgehändigt werde. In Frage kommt zum Beispiel, daß das zuzustellende Schriftstück an eine Bank geschickt wird, bei welcher der Zustellungsadressat ein Konto hat. 249

V I . Ausreichender Zustellungsversuch Keine Rechtsordnung kann das Gelingen der Zustellung vom Belieben des Zustellungsadressaten abhängig machen. Ist dieser nicht annahmebereit, so ist die Zustellung bereits mit dem Übergabeversuch perfekt, § 186 ZPO.

245 Zur deutschen Ersatzzustellung z.B. Kondring, S. 33, zur schweizerischen Bischof, S. 68. Rechtsvergleichende Hinweise bei Nagel/Gottwald, IZPR § 7 Rn. 31 ff. 246

Ausführlich hierzu Wiehe, S. 78.

247

Nielsen v. Braland, 119 NW2d 111 (Minn 1963). Hierzu Wiehe, S. 72, 83, 90 f.

248

McClean, S. 7; vgl. auch Nagel/Gottwald,

249

Vgl. Practical Handbook, S. 104.

IZPR § 7 Rn. 39; Kondring, S. 98.

E. Zustellung auf Veranlassung des Gerichts versus Parteizustellung

51

§ 188 Satz 3 ZPO-Ε bestimmt ausdrücklich: „Die Zustellungswirkung tritt durch die Annahmeverweigerung ein." Der Zustellungsadressat und sein rechtsgeschäftlicher Vertreter (§ 167 ZPOE) haben grundsätzlich kein Annahmeverweigerungsrecht, 250 de lege lata auch nicht die in der Wohnung angetroffenen zur Familie gehörenden erwachsenen Hausgenossen und die in der Familie dienenden erwachsenen Personen. Lediglich der in dem selben Haus wohnende Hauswirt oder Vermieter kann nach § 181 I I ZPO die Annahme verweigern. Künftig sollen alle in der Wohnung oder im Geschäftsraum angetroffenen Ersatzpersonen die Annahme ablehnen können, § 183 ZPO-Ε. Liegt kein gesetzlicher Grund zur Annahmeverweigerung vor, muß der Betroffene darüber belehrt werden, daß eine beurkundete Zustellung vorliegt. Bleibt er bei der Verweigerung, wird durch Zurücklassen des zuzustellenden Schriftstücks in der Wohnung bzw. dem Geschäftsraum zugestellt; bei Obdachlosen tritt die Zustellungswirkung bereits mit Annahmeverweigerung nach Belehrung ein. Die Verweigerung der Annahme und die Zurücklassung des Schriftstücks sind nach §§ 189, 190 Nr. 2 ZPO-Ε zu beurkunden. 251

E. Zustellung auf Veranlassung des Gerichts versus Parteizustellung I. Denkbare Gestaltungen Die Prozeßordnungen divergieren stark, was die Frage betrifft, ob die Zustellungen (allgemein und damit auch die Zustellungen ins Ausland) vom Gericht unmittelbar von Amts wegen oder von der (interessierten) Partei veranlaßt werden. Bei der Parteizustellung ist wieder danach zu unterscheiden, ob diese eine (staatlich bestellte) Amtsperson (Gerichtsvollzieher) einschalten muß, die dann die Zustellung in die Wege leitet und über die durchgeführte Zustellung ein Zustellungszeugnis erstellt oder ob sie die Übergabe bzw. Übersendung des zuzustellenden Schriftstücks selbst in die Hand nimmt bzw. durch eine private dritte Person bewirken läßt. Dies wäre die „staatsfernste" Variante, die man nur dann als „Amtshandlung" i.w.S.. qualifizieren könnte, wenn man auf ihre arbeitsteilige Funktion in einem staatlich organisierten Verfahren abstellt, das auf den Erlaß eines Hoheitsaktes (gerichtliche Entscheidung) intendiert. 252

250 Ausnahme: Zustellung zur Unzeit oder am falschen Ort, z.B. sonntags in der Kirche. Vgl. unten S. 148 Fn. 88. 251 Vgl. Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz), S. 58, 73, 70, 73. 252

Näher hierzu unten im 3. Kapitel Α. IV. (S. 132 f.).

52

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts I I . Deutsche ZPO 7. ZPO-Novellen von 1909, 7924, 7950 wwrf 797tf

Anders als bei Erlaß der Reichscivilprozeßordnung im Jahre 1877 steht heute nach der etappenweisen Reform durch die ZPO-Novellen von 1909, 1924, 1950 und 1976 253 im deutschen Zivilprozeß die Amtszustellung im Vordergrund (§ 270 I ZPO), 254 während die Zustellung auf Betreiben einer Partei (Parteizustellung) nur mehr die Ausnahme bildet. 255 Gem. § 2701 ZPO bzw. § 693 I ZPO wird die Zustellung aller Klagen, Anträge und sonstigen Erklärungen vom Gericht von Amts wegen veranlaßt. Im Erkenntnisverfahren ist eine Zustellung nur in den Fällen der §§ 699 I V 2, 922 I I und 936 ZPO von der Partei zu bewirken. Es handelt sich um die Zustellung des Vollstreckungsbescheides (allerdings nur alternativ, wenn der Antragsteller die Übergabe an sich zur Zustellung im Parteibetrieb beantragt, § 699 IV 1 ZPO), des Arrestes und der einstweiligen Verfugung. Die große Domäne der Parteizustellung ist das Vollstreckungsverfahren (z.B. §§ 750 I und III, 751 II, 756, 765 Satz 1, 795, 798, 829 II, 835 III, 858 III, 840, 845 I, 843 ZPO). 256 Eine „Zwitterlösung" bringt § 8 InsO. Die Zustellungen geschehen von Amts wegen, § 8 I 1 InsO. Das Insolvenzgericht kann aber den Insolvenzverwalter beauftragen, die Zustellungen durchzufuhren, § 8 I I I InsO. Trotz der Umgewichtung durch die Reformgesetze wurde der Aufbau der ZPO bisher nicht verändert. 257 A m Anfang des Zustellungsrechts steht trotz seiner geringen Bedeutung für das Erkenntnisverfahren die Parteizustellung (§§ 166 ff. ZPO); erst danach kommen die Vorschriften über die Amtszustellung (§§ 208 ff. ZPO). Dabei wird auf die Vorschriften über die Parteizustellung verwiesen. Einschlägig für die Auslandszustellung ist also im Regelfall nicht unmittelbar § 199 ZPO, sondern nur über die Verweisung des § 208 ZPO. Nunmehr sieht der Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren eine Umstellung vor: Die

253

RGBl. 1909, S. 475; 1924 I, S. 135; BGBl. 1950, S. 455; 1976 I, S. 3281. Hierzu der Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz), S. 29. 254

Vgl. Fleischhauer, S. 240.

255

In Österreich gilt - ebenso wie in Deutschland - der Grundsatz, daß nur das Gericht, nicht aber die Parteien für die Anordnung und Durchführung der Zustellung verantwortlich sind, Fasching, ZPR Rn. 523. 256 Die Zustellung im Zwangsvollstreckungsverfahren gem. § 780 ZPO kann an den inländischen Prozeßbevollmächtigten (§ 176 ZPO) erfolgen. Ist ein solcher nicht vorhanden, so muß nach § 199 ZPO verfahren werden. Erst dann greift § 175 ZPO, Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozeßrecht S. 177. 257

Hierzu ausführlich Kondring, S. 32.

E. Zustellung auf Veranlassung des Gerichts versus P a r t e i z u s t e l l u n g 5 3 Zustellungen von Amts wegen (§§ 166-195 ZPO-Ε) werden zuerst normiert; dann folgen die Zustellungen auf Betreiben der Parteien (§§ 196-200 ZPO-E). 2. Keine Steuerungsmöglichkeit für die Partei Im Fall der Amtszustellung hat die Partei bzw. der Antragsteller nach Einreichung des Schriftsatzes bei Gericht keine Möglichkeit, auf den Zustellungsvorgang einzuwirken. Sie können insbesondere nicht eine Beschleunigung veranlassen. Deshalb bestimmen §§ 270 I I I und 693 I I ZPO bei fristgebundenen Anträgen eine „Vorwirkung" 2 5 8 mit Einreichung bei Gericht: 259 Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt oder die Verjährung unterbrochen werden, so tritt die Wirkung der Klageerhebung bereits mit der Einreichung der Klage oder Anbringung des Antrags oder der Erklärung ein. 260 Nunmehr findet sich auch im Konventionsrecht eine einschlägige Bestimmung. Art. 9 I des Übereinkommens vom 26.5.1997 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union verweist auf das Recht des Empfangsstaates. Wenn allerdings die Zustellung eines Schriftstücks im Rahmen eines im Übermittlungsmitgliedstaat einzuleitenden oder anhängigen Verfah-

258

Hierzu z.B. Otto, S. 165.

259

Künftig: § 174 ZPO-Ε. Hierzu Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz), S. 55. 260 Vgl. hierzu den Fall des OLG Schleswig NJW 1988, 3104; hierzu kritisch Pfennig, NJW 1989, 2172: Auf Antrag des deutschen Klägers erließ das Amtsgericht am 16.1.1986 einen Mahnbescheid. Die formlose Zustellung an den Beklagten mit Wohnsitz in den Niederlanden wurde am 20.1.1986 veranlaßt. Nachdem der Beklagte in seiner Wohnung beim Zustellungsversuch nicht angetroffen worden war, wurde der deutsche Mahnbescheid beim niederländischen Bezirksgericht Breda niedergelegt. Der Beklagte wurde aufgefordert, den Mahnbescheid abzuholen. Dieser Aufforderung kam er jedoch nicht nach. Daraufhin sandte die niederländische Rechtshilfebehörde den Zustellungsantrag als unerledigt zurück. Am 28.4.1986 beantragte der Kläger förmliche Zustellung, die am 11.6.1986 erfolgreich durchgeführt wurde. Das OLG wies die Klage mit der Begründung ab, die Forderung sei verjährt, weil die Zustellung des Mahnbescheides nicht mehr „demnächst" i.S.d. § 693 II ZPO erfolgt sei. Der Kläger hätte von vornherein ausdrücklich eine förmliche Zustellung beantragen müssen. Diese Argumentation kritisiert Pfennig, NJW 1989, 2172 zu Recht: „Der Kläger braucht überhaupt keinen Antrag zu stellen und damit auch nicht um die Zustellung in bestimmter Form zu ersuchen. Vielmehr müssen stets Gericht und Justizverwaltung das geeignete Rechtshilfeersuchen stellen. [...] Hätte das Amtsgericht von vornherein eineförmliche Zustellung für den Fall beantragt, daß der Beklagte das Schriftstück nicht annimmt, so wäre der Mahnbescheid dem Beklagten wahrscheinlich bereits im Februar 1986 und damit jedenfalls 'demnächst' zugestellt worden. [...] Traf den Kläger keine Pflicht, das Gericht auf diese Möglichkeit hinzuweisen, so durfte es auch nicht zu seinen Lasten gehen, daß erst dem zweiten Zustellungsversuch Erfolg beschieden war. Der Kläger hatte mit dem fristgerechten Einreichen des Antrags auf Erlaß eines Mahnbescheides bereits das seinerseits Erforderliche und Mögliche getan."

54

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

rens innerhalb einer bestimmten Frist zu erfolgen hat, gilt gemäß Art. 9 I I „ i m Verhältnis zum Antragsteller als Datum der Zustellung der Tag, der sich aus dem Recht des Übermittlungsmitgliedstaats ergibt." 261 Art. 9 I I erfaßt also die Fälle, in denen die materiellrechtlichen Wirkungen der Rechtshängigkeit antizipiert werden, wie z.B. in §§ 270 III, 693 I I ZPO. 262 Dies macht der Erläuternde Bericht deutlich: 263 „Mit dieser Bestimmung [Absatz 1] sollen die Rechte des Empfängers gewahrt werden. Mit Absatz 2 hingegen sollen die Rechte des Antragstellers geschützt werden, für den es wichtig sein kann, innerhalb einer bestimmten Frist oder zu einem bestimmten Zeitpunkt zu handeln. Es erschien angezeigt, [ihm] 264 fiir einen solchen Fall die Möglichkeit zu geben, seine Rechte zu einem Zeitpunkt, den er selbst bestimmen kann, geltend zu machen, anstatt daß er sich auf ein Ereignis - die Zustellung eines Schriftstücks in einem anderen Mitgliedstaat - verlassen muß, auf das er keinen unmittelbaren Einfluß hat und das eintreten könnte, wenn der festgesetzte Termin bereits verstrichen ist. Die Absätze 1 und 2 können kumulativ angewandt werden, so daß die Zustellungswirkungen gegenüber dem Empfänger zu einem anderen Zeitpunkt beginnen können als gegenüber dem Übermittler. Ein solcher Fall könnte zum Beispiel in Anbetracht der Rechtsordnungen einiger Mitgliedstaaten dann eintreten, wenn eine Ladung eine Verjährungsfrist unterbricht und eine Aufforderung zum persönlichen Erscheinen umfaßt. Was den Zeitpunkt anbelangt, zu dem die Verjährungsfrist gegenüber dem Antragsteller unterbrochen wird, so ist nach Artikel 9 Absatz 2 das Recht des Übermittlungsstaates maßgeblich. In bezug auf den Empfänger des Schriftstücks richtet sich dagegen der für die Berechnung der Erscheinungsfrist maßgebliche Zeitpunkt nach dem Recht des Empfangsstaates."

261

Jeder Mitgliedstaat kann aber gemäß Art. 9 III die Anwendung sowohl von Absatz 1 wie von Absatz 2 ausschließen. 262 Linke, Probleme der internationalen Zustellung (im Erscheinen) sub II 1 d nach Fn. 199: „Ich gehe davon aus, daß die Bezugnahme auf das Recht des Empfangsstaates zum Ausdruck bringen soll, daß die Zustellung erst nach ihrer vollständigen Erledigung im Empfangsstaat als bewirkt gelten soll, so daß Zustellungsfiktionen nach dem Vorbild der remise au parquet ausgeschlossen sind. Art.9 II EUZustÜ, der das Recht des Übermittlungsstaates anspricht, verstehe ich als deklaratorischen Vorbehalt zugunsten einer Regelung wie z.B. in § 270 III ZPO, also der Rückbeziehung der mit der Zustellung ausgelösten materiellrechtlichen Wirkungen auf den Eingang des Zustellungsantrags." 263 Erläuternder Bericht Abi.EG Nr. C 261 vom 27.8.1997, S. 33; Meyer, IPRax 1997, 401,404. 264

Im Text heißt es versehentlich: „dem Empfänger".

E. Zustellung auf Veranlassung des Gerichts versus Parteizustellung

55

3. Ausführung der Ämtszustellung In Deutschland erfolgt die Amtszustellung 265 gem. § 209 ZPO durch die Geschäftsstelle (Urkundsbeamten) des Gerichts. 266 Der Veranlasser der Zustellung (Geschäftsstelle) ist gleichzeitig Zustellungsorgan. 267 Dagegen fallen bei der Parteizustellung (§§ 166 ff. ZPO) Zustellungsveranlasser (Partei) und Zustellungsorgan (Gerichtsvollzieher, § 166 I ZPO) auseinander. 268 In beiden Fällen kann die Post mit der Durchführung beauftragt werden. 269 Dies geschieht in den meisten Fällen. Insofern münden Amts- wie Parteizustellung im Ergebnis wieder beim gleichen Überbringer. Die Übergabe an den Adressaten durch den Gerichtswachtmeister (bei der Amtszustellung, §211 ZPO 2 7 0 ) bzw. den Gerichtsvollzieher (bei der Parteizustellung, § 166 ZPO) bildet in der Praxis die Ausnahme. 4. Zustellungsersuchen aus dem Ausland Eingehende ausländische Ersuchen um Zustellung werden - sofern nicht formlose Zustellung 271 erfolgt - nach den Vorschriften der ZPO über die Zustellung von Amts wegen erledigt. § 6 I 2 des deutschen AusfG-HZÜ/HBÜ erklärt diese für entsprechend anwendbar. 272 Im Anwendungsbereich des HZPÜ wird nach § 2 des deutschen AusfGHZPÜ 2 7 3 die Zustellung durch die Geschäftsstelle des Amtsgerichts bewirkt, in dessen Bezirk die Amtshandlung vorzunehmen ist. Im Anwendungsbereich des HZÜ gilt nach § 4 I I AusfG-HZÜ/HBÜ die gleiche Regelung, sofern die Zentrale Behörde die Erledigung des Zustellungsersuchens nicht gemäß § 4 1 AusfG-HZÜ/HBÜ selbst übernimmt. In letzterem Falle händigt die Zentrale

265

§§ 208 ff., 270 I ZPO.

266

Künftig: § 175 ZPO-Ε. Hierzu Diskussionsentwurf, S. 56.

267

Rosenberg/Schwab/Gottwald

268

Kondring, S. 33.

§ 75 III 1 (S. 416).

269

Amtszustellung: § 211 ZPO, § 180 ZPO-Ε; Parteizustellung: § 193 ZPO, § 198 ZPO-E. 270

Möglich ist auch bei der Amtszustellung die Übergabe an der Amtsstelle gemäß § 212 b ZPO. 271

Hierzu unten 2. Kapitel: G. IV. (S. 65 ff.).

272

Ohne diese präzise Festlegung zugunsten der Vorschriften über die Amtszustellung § 2 II AusfG-HZPÜ (1905). Die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Amtszustellung ergibt sich aber bereits aus dem Hinweis auf die Geschäftsstelle. Darin kann man eine Verweisung auf § 211 ZPO erblicken. 273

Gesetz vom 18.12.1958, BGBl. 1958 I, S. 939.

56

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

Behörde nach § 4 12 AusfG-HZÜ/HBÜ das zu übergebende Schriftstück der Post zur Zustellung aus. 274 Auch Art. 7 I des Übereinkommens vom 26.5.1997 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sieht eine alternative Zuständigkeit vor. Danach „bewirkt" die Empfangsstelle die Zustellung des Schriftstücks selbst, oder läßt das Schriftstück zustellen.

I I I . Nouveau Code de Procédure civile In anderen Rechtsordnungen steht die von der Partei veranlaßte Zustellung stärker im Vordergrund als im deutschen Recht. So betont z.B. das französische Recht das Prinzip der Parteizustellung. 275 Es definiert in Art. 55 Nouveau Code de Procédure civile die den Prozeß einleitende „assignation" als den „acte", durch den der Kläger den Beklagten lädt. Die Zustellung erfolgt auf Antrag der Partei durch einen auxiliaire de justice in deren Namen. 276 IV. Codice di procedura civile Ähnlich verhält es sich im italienischen Zivilprozeß. Die Klageschrift wird von der Partei bzw. von ihrem Prozeßbevollmächtigten dem Gerichtsvollzieher gem. Art. 163 IV Codice di procedura civile übergeben, der die Zustellung nach Art. 137 ff. veranlaßt. 277 V. England und Wales Eine summons vor einen County Court wird innerhalb der Jurisdiction" nach CCR Order 7 Rule 8 und Rule 10 normalerweise von einem Gerichtsbeamten dadurch zugestellt, daß er sie mit der Post verschickt. Dagegen muß in Verfahren vor dem High Court nach RSC 278 Order 10 Rule 1(1) der Kläger oder sein Vertreter („agent") für die Zustellung eines writs sorgen. 279 274

Siehe auch § 72 ZRHO.

275

Näher Wiehe, S. 48.

276

Solus/Perrot , I Nr. 332; Piekenbrock, S. 117.

277

Zum italienischen Konzept Piekenbrock, S. 117.

278

Zur Rechtsnatur der Rules of the Supreme Court Henrich, Einfuhrung in das englische Privatrecht S. 10: Bei den RSC handelt es sich nicht um ein formelles Gesetz im Sinne etwa der deutschen ZPO, denn sie werden von den Richtern auf Grund sec. 99 des Judgement Act 1925 erlassen. Gleichwohl stellen diese Regeln die maßgebliche Verfahrensordnung dar und haben wenigstens de facto Gesetzeskraft (hierzu Houtestroom v. Sagaporak [1927] A.C. 47; Donald Campbell & Co. v. Pollak [1928] A.C. 804). 279

Vgl. McClean, S. 7; O'Malley/Layton,

Rn. 4.01 Fn. 1 (S. 79).

F. Vorbehalt des Gesetzes für Auslandszustellungen

57

Erfolgt die Zustellung außerhalb der Jurisdiction", kann der writ dem Beklagten vom Kläger oder seinem „agent" persönlich übergeben werden. 280 Dies gilt allerdings nur, wenn dies nach dem Recht des Aufenthaltsstaates des Zustellungsadressaten zulässig ist. Ist der Aufenthaltsstaat des Zustellungsadressaten Vertragsstaat des HZÜ, so kann die Zustellung auf Ersuchen des Gerichts auch von Behörden des Aufenthaltsstaates ausgeführt werden. 281

VI. New Federal Rules of Civil Procedure Besonders konsequent ist das System der Parteizustellung im USamerikanischen Bundesrecht verwirklicht in FRCP 4 (c) ( l ) . 2 8 2 Der Kläger erstellt nicht nur die Klageschrift (complaint), sondern fertigt nach FRCP 4 (b) auch die Ladung (summons). Der clerk des Gerichts, bei dem die Klage eingereicht ist, beschränkt sich darauf, die vom Kläger verfertigten summons mit Siegel und Unterschrift zu versehen. 283 Sodann ist die Zustellung Sache des Klägers. „Upon or after filing the complaint, the plaintiff may present a summons to the clerk for signature and seal. If the summons is in proper form, the clerk shall sign, seal and issue it to the plaintiff for service on the defendant." Die Zustellung selbst darf jedoch auch im US-Bundeszivilprozeßrecht die Partei selbst nicht ausführen, sondern jeder Dritte, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, FRCP 4(c) (2): „Service may be effected by any person who is not a party and who is at least 18 years of age."

F. Vorbehalt des Gesetzes für Auslandszustellungen I. Zustimmungs- bzw. Ausführungsgesetze zu den Staatsverträgen Im Bereich der Staatsverträge sind die deutschen Zustimmungs- bzw. Ausführungsgesetze nach allgemeiner Meinung eine ausreichende gesetzliche Grundlage für Eingriffe in die Rechtssphäre des Zustellungsadressaten, sofern

280

Vgl. RSC Order 11 Rule 5(1).

281

Cromie/Park,

S. 411.

282

Die FRCP werden vom US-Supreme Court erlassen. Rechtsgrundlage hierfür ist der Rules Enabling Act, 28 USC. § 2072. Die FRCP gelten für die Bundesgerichte. Die Einzelstaaten haben für ihre Gerichte eigene Zustellungsnormen aufgestellt. Für New York siehe §2103 C.P.L.R., für Kalifornien §414.10 C.C.P. Zu „mail service under state law" Fleischhauer, S. 135. 283

Zu den „mechanics of giving notice" z.B. Cound/Friedenthal/Miller/Sexton, S. 193 und Dörig, S. 389 ff.

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

58

man der Auffassung ist, daß die nicht näher präzisierte Zustellung in vom ausländischen Gerichtsstaat gewünschten Formen (Art. 5 I lit. b HZÜ bzw. Art. 3 I I 1 HZPÜ) dem Rechtsstaatsprinzip (in der Ausprägung des Bestimmtheitsgebots) genügt. 284 Abgrenzungsprobleme ergeben sich bei der Zustellung von punitive und treble damages-Klagen hinsichtlich desjenigen Teils der Schadensersatzforderung, der auch bei großzügigster und wohlwollendster Auslegung 285 nicht mehr als Zivilsache qualifizierbar ist. 286 Man erörtert die Möglichkeit einer „Teilzustellung". 287 Bezüglich des nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallenden Teils des zuzustellenden Schriftstücks fehle eine gesetzliche Grundlage. Man bejaht einen Anspruch des präsumtiven Zustellungsadressaten auf Unterlassung der Erledigung des Zustellungsantrags, soweit eine gesetzliche Grundlage fehlt. 288

I I . Vertragsloser Zustellungsverkehr Außerhalb des Anwendungsbereichs der Staatsverträge gibt es in Deutschland - anders als in vielen anderen Staaten289 - derzeit 290 keine gesetzliche Grundlage. 291

284 Bedenken gegen die Parallelvorschrift des Art. 9 II HBÜ (Beweisaufnahme in besonderen Formen) bei Geimer, IZPR Rn. 2446. 285

Hierzu BGHZ 118, 312, 345. Vgl. unten S. 76.

286

Schadensersatz nach US-Recht weicht - wie in BGHZ 118, 312, 334 ff. ausfuhrlich dargestellt - ganz erheblich vom deutschen zivilrechtlichen Schadensersatzsystem ab. Hauptzweck ist die Bestrafung und Abschreckung (punishment and deterrance). Der Täter soll nicht nur wiedergutmachen müssen, sondern darüber hinaus für sein absichtliches, bösartiges und rücksichtsloses Fehlverhalten bestraft sowie von künftigem sozialschädigendem Verhalten abgeschreckt werden. Siehe auch Böhmer, NJW 1990, 3049, 3059; Merkt, S. 56 ff; Requeijo Isidro, Rev.Esp.Der.Int. 1996, 266; Zekoll, S. 68; Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829, 835 ff.; Siehr, RIW 1991, 705; Witte, S. 170. 287 Zur Frage der „Teilzustellung" Merkt, S. 118. Dabei ist nicht klar, wie die Teilung durchgeführt werden soll. 288 289

Merkt, S. 118.

Andere Staaten kennen eine Zwangszustellung för ausländische Gerichtsverfahren auch außerhalb der Anwendung der Staatsverträge. Z.B. Frankreich (Art. 736 ff Nouveau Code de Procédure civile, vgl. z.B. Loussouarn/Bourel, Rn. 437 S. 492); England und Wales (RSC Order 69), Italien (Art. 71 des Gesetzes vom 31.5.1995, Nr. 218 [Riforma del sistema italiano di diritto internazionale privato, abgedruckt bei Riering, IPR-Gesetze in Europa S. 43 ff.]), Österreich (§121 ZustG), Polen (§§ 57 ff. der Instrukcja obrotu prawnego ζ zagranica = Anleitung fur den Rechtsverkehr mit dem Ausland, hierzu Weyde, S. 117), die Schweiz (Art. 11 IPRG i.V.m. mit dem kantonalen Recht), Slowakei und Tschechien (§56 des tschechoslowakischen Gesetzes zum internationalen Privat- und Prozeßrecht vom 4.12.1963, abgedruckt bei Riering, IPR-Gesetze in Europa, S. 298 ff.). Vgl. auch Kondring, S. 105 f.

F. Vorbehalt des Gesetzes für Auslandszustellungen L Nichtanwendbarkeit

59

der ZPO

Die Zustellung für ausländische Gerichtsverfahren ist eine Justizverwaltungsangelegenheit,292 für die gem. § 3 EGZPO die §§166 ff. ZPO nicht zur Anwendung kommen. 293 Die ZPO regelt nur die Zustellung im Rahmen von deutschen Gerichtsverfahren. 294 Daraus folgt, daß „Zwangszustellungen", d.h. Zustellungen an nicht annahmebereite Adressaten (§ 186 ZPO, vgl. §§ 83 12, 70 II, 68 I I ZRHO), ebensowenig zulässig sind, wie Ersatzzustellungen an Hausgenossen, Hauswirte oder Vermieter (§181 ZPO). Es fehlt die erforderliche gesetzliche Basis. 295 2. Notwendigkeit

eines Gesetzes?

Diskutieren kann man darüber, ob im vertragslosen Rechtshilfeverkehr die Zustellung als bewirkt anzusehen ist, wenn die Zustellungsperson (Postbedienstete) dem Zustellungsadressaten das zuzustellende Schriftstück persönlich übergeben wollte, dieser aber die Annahme verweigert hat; denn immerhin

290 Nach Inkrafttreten der Reichscivilprozeßordnung sah man in Preußen in § 225 b I der Preußischen Allgemeinen Gerichtsordnung vom 7.6.1793 eine nach dem damaligen Rechtsstaatsverständnis ausreichende gesetzliche Grundlage für die Anwendung von Zeugniszwang. Hierzu Lehmann/Krauss in Leske/Loewenfeld, S. 127 Fn. 63. Dagegen fand sich keine Parallele für eine gesetzliche Grundlage bei der internationalen Zustellungshilfe. 291 Lehmann/Krauss in Leske/Loewenfeld, S. 126: „Die Verwaltungsbehörden sind jedoch in den Fällen, wo sie die Rechtshilfe nur aus internationaler Höflichkeit gewähren, nicht zu der Anordnung befugt, daß zur Ausführung des Geschäfts in Freiheit oder Eigentum der Personen einzugreifen ist, die zur Mitwirkung berufen sind, sich ihr aber versagen. Ebensowenig sind sie in der Lage, dritten Personen für die Zustellungsadressaten Vertretungsmacht zu verleihen (Ersatzzustellung). Denn zu solchen Maßnahmen bedürfen die Verwaltungsbehörden nach dem rechtsstaatlichen Prinzip von der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Inländern wie Ausländem gegenüber der gesetzlichen Ermächtigung, weil das Reich kein allgemeines Rechtshilfegesetz erlassen hat und auch das Völkerrecht keinen Rechtssatz dieses Inhalts aufzuweisen hat. [...] In Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage darf dem Ersuchen eines ausländischen Staates um Anwendung von Zwang selbst dann nicht entsprochen werden, wenn es sich gegen einen Angehörigen dieses Staates richtet." Siehe auch Kondring, S. 101 ff. 292 Diskussionsentwurf (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz), S. 77; Pfennig, S. 47. 293

Kondring, S. 102; Schach, IZVRRn. 181.

294

Geimer, IZPR Rn. 2151.

295

Bei der Zustellung im vertragslosen Verkehr ist die formlose Zustellung auf Seiten der Bundesrepublik Deutschland die einzig zulässige Zustellungsart, weil die förmliche Zustellung (mit der Ersatz- und Zwangszustellung) nicht ohne gesetzliche Grundlage möglich ist. Hierzu Bülow/Böchstiegel/Geimer/Schütze, 900.56 Fn. 220; von Normann, S. 9 f.; Kondring, S. 99 und 102 f.; Pfennig, NJW 1989, 2172.

60

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

wurde ihm Gelegenheit gegeben, Kenntnis von dem Schriftstück zu erlangen. 296 § 186 ZPO kommt zwar nicht zur Anwendung, die Zustellungsperson könnte jedoch den Vorgang des Versuchs der Übergabe protokollieren. Fraglich ist, ob hier der durch Art. 2 I GG gewährleistete Schutzbereich tangiert ist. Zwar sieht das Bundesverfassungsgericht jede Form menschlichen Handelns, ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht der Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt, als durch Art. 2 I GG geschützt an. Bei der Zustellungshilfe für ein ausländisches Gericht hat es jedoch im Beschluß vom 7.12.1994 297 die Frage des Eingriffs in den Schutzbereich des Art. 2 I GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip offengelassen. 298 Denn es wird dem in Deutschland sich aufhaltenden Zustellungsempfänger weder ein bestimmtes Handeln abverlangt noch ein bestimmtes Verhalten geboten. Er hat allerdings die prozessuale Last, sich auf das ausländische Verfahren einzulassen bzw. als Beweisperson der Ladung zu folgen, wenn er keine Rechtsnachteile erleiden will, die er durch aktive Beteiligung am Verfahren möglicherweise abwenden kann, insbesondere als Beklagter durch eine sinnvolle Verteidigung einer Verurteilung zu entgehen. Diese Last besteht jedoch auf Grund der Rechtslage im Gerichtsstaat, sie wird nicht erst durch die deutsche Zustellungshilfe bewirkt. Hiervor kann ihn die deutsche öffentliche Gewalt durch Verweigerung der Zustellungshilfe nicht wirksam schützen, weil wohl alle Zustellungssysteme eine Ersatzlösung für den Fall bereithalten, daß die Auslandszustellung scheitert. 299 Deshalb ist nicht klar, ob das Handeln der deutschen Rechtshilfebehörden, die für einen fremden Staat die Zustellung eines gerichtlichen Schriftstücks veranlassen, einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Zustellungsadressaten darstellt. 300 Es geht um die Frage, inwieweit der Zustellungsvorgang als solcher Ausübung staatlichen Zwangs darstellt. 301 Zu denken ist vor allem an die Perfektio-

296

Vgl. BGH FamRZ 1997, 490 = NJW 1997, 2051.

297

BVerfGE 91, 335, 339 = NJW 1995, 649: „Ob die Zustellung in den Schutzbereich des Art. 2 I GG eingreift oder nur an den Anforderungen zu messen ist, die sich aus den Schutzpflichten des Staates ergeben, kann dahingestellt bleiben, weil hier den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen Eingriff genügt wird und aus der Schutzpflicht jedenfalls keine strengeren Maßstäbe folgen." 298

83, 84. 299

Für Eingriff „im klassischen Sinn der Vorbehaltslehre" Tomuschat, IPRax 1996, Vgl. Schack, IZVR Rn. 591.

300

So meinte KG G A 1963, 151, die Zustellung eines Strafurteils als solche greife nicht in die Grundrechte des Zustellungsempfängers ein. 301 Die amtliche Begründung zu § 33 des neuen PostG vom 22.12.1997, BGBl. I, S. 3294 (=§ 32 PostG-E), BT-Drucksache 13/7774, S. 28 hält die öffentlich-rechtliche Beleihung nur im Hinblick auf „die nach der derzeitigen Rechtslage erforderliche öffentliche Beurkundung" für erforderlich.

F. Vorbehalt des Gesetzes für Auslandszustellungen

61

nierung der Zustellung trotz Annahmeverweigerung durch den Zustellungsadressaten (§ 186 ZPO) oder das Konstrukt einer „gesetzlichen Vertretung" bei Zustellung an Ersatzpersonen (§§ 181 ff. ZPO). 302 Stellt man nicht auf den Zustellungsvorgang, sondern auf den Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks 303 ab, dann dürfte in den meisten Fällen ein Eingriff zu bejahen sein, weil die zuzustellende Klage oder Antragsschrift mit einer Vorladung zum Verhandlungstermin verbunden ist, jedenfalls dann, wenn das persönliche Erscheinen 304 angeordnet ist. Verfassungsrechtlich käme es darauf an, ob bereits die Übermittlung der Vorladung eine „Beihilfehandlung der deutschen Staatsgewalt" ist, die am Grundgesetz zu messen ist. Dies behauptet Merkt, 305 in kritischer Auseinandersetzung mit dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 7.12.1994. Er sieht die Grundrechte aus Art. 14 I, 103 I I und I I I GG und - subsidiär - aus Art. 2 I GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip tangiert bzw. verletzt. 306 „Die Bindung der Staatsgewalt an Art. 14 Abs. 1 GG endet [...] nicht an den Staatsgrenzen, vielmehr wird von Art. 14 Abs. 1 GG sowohl das im Inland wie im Ausland belegene Eigentum geschützt. Die Eigentumsgewährleistung verlangt vom Staat, das Eigentum der Grundrechtsträger gegen ausländische Zugriffe zu schützen." Das Argument, die deutsche Mithilfe bei Zustellung einer Klage sei nicht grundrechtsrelevant, da die eigentliche Beschwer noch nicht in der Klageerhebung liege, sondern erst in der Verurteilung durch das ausländische Gericht und ob eine solche erfolgen werde, stehe zum Zeitpunkt der Klagezustellung noch

302

Vgl. auch Wiehe, S. 98.

303

Unabhängig vom Zustellungsvorgang, nämlich der Art und Weise der Übermittlung einer gerichtlichen Anordnung, Ladung bzw. Aufforderung etc., wird die Frage nach dem Inhalt der ins Ausland zuzustellenden gerichtlichen Anordnung gestellt; Leipold, Lex fori S. 52; Geimer, IZPR Rn. 424. Dies gilt vor allem für Beweisbeschaffungsanordnungen, Schabenberger, S. 141, 161. Vgl. auch § 33 III ZRHO. 304 Gem. § 141 III ZPO kann gegen eine Partei, die entgegen der Anordnung des persönlichen Erscheinens im Termin ausbleibt, Ordnungsgeld festgesetzt werden. Dies gilt nach Auffassung des OLG München NJW-RR 1996, 59 = IPRspr. 1995 Nr. 134 jedoch nicht, wenn es sich um einen im Ausland lebenden Ausländer handelt, weil „die Zwangsbefugnisse deutscher Gerichte an den Grenzen der Bundesrepublik enden." Davon unberührt bleibt die Möglichkeit, ein unentschuldigtes Fembleiben der Partei im Rahmen des § 286 ZPO frei zu würdigen und eine wegen des Fembleibens lückenhaft gebliebene Sachaufklärung zu Lasten der unentschuldigt ausgebliebenen Partei zu werten." 305

Merkt, S. 169 ff.

306

Außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs des HZÜ bzw. bei Vorliegen eines Versagungsgrundes im konkreten Einzelfall postuliert Merkt, S. 120 einen Unterlassungsanspruch des betroffenen (präsumtiven) Zustellungsadressaten. 7 Geimer

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

62

gar nicht fest, verwirft Merkt 307 im Hinblick auf die Kosten der Rechtsverteidigung und das Fehlen einer Erstattungsregelung im US-Recht. 308 Dabei übersieht er, daß auch bei Verweigerung der deutschen Zustellungshilfe das Verfahren im Ausland in Gang kommt bzw. fortgesetzt wird, so daß faktisch die Notwendigkeit einer kostenauslösenden Verteidigung i.d.R. ohnehin unvermeidlich ist. 3. Stellungnahme Auch ohne gesetzliche Grundlage muß es zulässig sein, daß die deutschen Rechtshilfebehörden den Adressaten fragen, ob er zur Annahme des (formlos) zuzustellenden Schriftstücks bereit ist. Lehnt dieser ab, so bedarf jeder weitere „zwangsweise" Schritt der Rechtshilfebehörde jedoch einer gesetzlichen Basis, die de lege lata in Deutschland außerhalb des Anwendungsbereichs der völkerrechtlichen Verträge fehlt.

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe I. Zustellungshilfe im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland Abgesehen von den in Art. 92 ff. GG aufgeführten Bundesgerichten wird die Justiz in der Bundesrepublik Deutschland von den Ländern organisiert (Art. 30 GG). Jedenfalls die süddeutschen Bundesländer vertreten die Auffassung, daß der Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland zur Rechtspflege gehöre und daher grundsätzlich Ländersache sei. Dagegen ist die Bundesregierung der Meinung, es handle sich allein um eine Bundesangelegenheit, da es um die Pflege der auswärtigen Beziehungen (Art. 32 I und Art. 73 Nr. 1 GG) gehe. 309 Für den strafrechtlichen Bereich konnte die Bundesregierung in § 741 IRG ihren Standpunkt voll durchsetzen. Durch die Zuständigkeitsvereinbarung vom 1.7.1993310 wurden Aufgaben des Bundes an die Länder delegiert. Eine solche Zuständigkeitsvereinbarung fehlt für den Bereich der Zivilsachen. Man hat die gegensätzlichen Standpunkte dadurch überbrückt, daß der

307

Merkt, S. 181: „Indessen verkennt dieser Einwand, daß dem Zustellungsadressaten bereits mit der Zustellung ein unwiederbringlicher finanzieller Schaden zugefügt wird. Denn wie dargelegt, führt die Zustellung nach der 'American Rule' zwangsläufig entweder zur Verurteilung, oder - im Fall des Obsiegens - zumindest zur Aufbürdung der gesamten Anwaltskosten für die erfolgreiche Abwehr der Klage." 308

Nachweise bei Merkt, S. 71.

309

So z.B. die Stellungnahme in BT-Drucksache 9/1338, S. 94.

310

BAnz. 1993, 6383; abgedruckt bei Schomburg/Lagodny,

Anhang 10 S. 1357.

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe

63

Bund und die Länder die Rechtshilfeordnung in Zivilsachen (ZRHO) jeweils als eigene Verwaltungsvorschrift 311 inhaltsgleich erlassen haben. Auch bei Änderungen der ZRHO stimmen sich Bund und Länder ab. Diese pragmatische Vorgehensweise darf jedoch den Blick nicht darauf verstellen, daß die verfassungsrechtliche Einordnung der Rechtshilfe im Bund-Länder-Verhältnis nach wie vor offen ist. Das Bundesjustizministerium hat seinen Standpunkt im Diskussionsentwurf (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz) 312 wieder bekräftigt: „Die Zustellung im Ausland ist Bestandteil der auswärtigen Angelegenheiten nach Art. 32 Abs. 1, 73 Nr. 1 GG und nicht der Rechtspflege nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Im Kern stellt ein internationales Rechtshilfeersuchen oder ein Ersuchen um konsularische Zustellung damit eine Justizverwaltungsangelegenheit dar. Dies hat zur Folge, daß Vorgaben, insbesondere Bedingungen und Auflagen der für die Pflege der internationalen Beziehungen zuständigen Bundesregierung, welche im Regelfall durch das Auswärtige Amt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz handelt, ebenso wie Weisungen vorgesetzter Justizbehörden in Justizverwaltungsangelegenheiten beachtet werden müssen. [...] Die Bundesregierung hat bei der Stellung von Rechtshilfeersuchen ein Ermessen. Verweigert sie aus außenpolitischen Gründen die Stellung eines Rechtshilfeersuchens, besteht [...] die Möglichkeit einer öffentlichen Zustellung. [...] Zustellungsersuchen sind, da es sich um Maßnahmen im Bereich der Pflege auswärtiger Beziehungen handelt, von der Bundesregierung zu stellen, soweit diese ihre Befugnisse nicht auf andere Behörden oder Gerichte übertragen hat. Letzteres wird häufig der Fall sein, soweit nicht der diplomatische Geschäftsweg einzuhalten, sondern ein unmittelbarer Geschäftsweg zwischen den Justizbehörden im In- und Ausland oder den Landesjustizverwaltungen und einer ausländischen Stelle eröffnet ist. Das zustellende Gericht bereitet das Ersuchen nur vor."

II. Entscheidungsverfahren der deutschen Rechtshilfebehörde Bei der Prüfung der Frage, ob dem ausländischen Zustellungsersuchen stattzugeben oder ob es abzulehnen ist, 313 ist die Rechtshilfebehörde 314 grundsätz-

3,1

Die ZRHO hat als Verwaltungsvorschrift keine Rechtsnormqualität, Vollkommer, ZZP 80 (1967), 253 Fn. 8. Sie enthält kein zwingendes Zustellungsrecht, vgl. Wiehe, S. 119; Arnold, MDR 1957, 385 Fn. 1; Baur/Stürner, S. 165; Stein-Jonas21///. Roth § 199 Rn. 38; a.A. wohl OLG Frankfurt/Main RIW 1987, 627, 629; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 328 Rn. 23. 312 Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz), S. 77 zu § 191 ZPO-Ε. Einschränkend aber z.B. Karen Ilka Mössle, S. 115. 313

Zur Prüfungsbefugnis Merkt, S. 34; Greger in FS Schwab, S. 331, 333.

64

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

lieh, falls nicht ausnahmsweise eine Rückfrage nach Art. 4 HZÜ erfolgt, auf die vom ausländischen Gericht übersandten Unterlagen (z.B. Klageschrift) nebst Begleitpapieren beschränkt. Sie darf keine Ermittlungen über Hintergrund, Anlaß und Berechtigung des ausländischen Zustellungs-, erst recht nicht des Klagebegehrens vornehmen. 315 Die Rechtshilfebehörde hat auch den Zustellungsempfänger nicht vor seiner Entscheidung anzuhören. 316 Lehnt die Rechtshilfebehörde die Ausführung der Zustellung ab, so ist der präsumtive Zustellungsadressat durch den Justizverwaltungsakt nicht beschwert, sondern allenfalls begünstigt. Greift der Kläger bzw. Antragsteller des ausländischen Verfahrens die Ablehnung des ausländischen Zustellungsersuchens gem. §§23 ff. EGGVG mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung an, 317 so wird das Oberlandesgericht den präsumtiven Zustellungsadressaten anhören, wenn es den Antrag nicht aus formellen Gründen abweist. 318 Bewilligt die Rechtshilfebehörde die Zustellung, so erfährt der Zustellungsadressat hiervon in der Regel erst bei Ausführung der Zustellung. Er kann dann immer noch die gerichtliche Überprüfung der Zustellungsverfügung gem. §§23 ff. EGGVG beantragen, selbst dann, wenn die Rechtshilfebehörde ein Zustellungszeugnis erstellt und dieses bereits an den ersuchenden Staat versandt hat. 319 Π Ι . Bereich der rechtsprechenden Gewalt 1. Deutsche Ersuchen um ausländische Zustellungshilfe In den Bereich der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 GG) fällt die Entscheidung des deutschen Gerichts, das Ausland um Zustellungshilfe gem. § 199 ZPO zu ersuchen. 320 Die Weiterleitung an den ersuchten ausländischen

3,4

D.h. die Zentrale Behörde bzw. Prüfungsstelle bzw. Empfangsstelle nach Art. 2 II des noch nicht in Kraft getretenen Übereinkommens vom 26.5.1997 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. 315

OLG Düsseldorf RIW 1992, 846, 847.

316

OLG Düsseldorf a.a.O. (vorherige Fn.).

317

Er hat kein subjektives öffentliches Recht auf Bewilligung der Zustellungshilfe, sondern nur ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, Geimer, IZPR Rn. 2016, 3638. 318

Zu den Rechtsmitteln in der Schweiz Bischof, S. 235 ff.

319

OLG Düsseldorf RIW 1992, 846; OLG Frankfurt/Main RIW 1991, 416 = IPRax 1992, 166 (kritisch Stadler 147). 320

Pfeiffer

in Gilles, Transnationales Prozeßrecht S. 81; Geimer, IZPR Rn. 2126.

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe

65

Staat gehört aber schon zur Pflege der auswärtigen Beziehungen (Art. 32 I GG), für welche die Bundesregierung zuständig ist. 321 2. Ausländische Ersuchen um deutsche Zustellungshilfe Die Durchführung der Zustellung auf Grund von Ersuchen aus dem Ausland ist keine Aufgabe des Gerichts, sondern reine Verwaltungsangelegenheit. 322 Nur Puttfarken 323 hat dem mit nicht überzeugenden Argumenten widersprochen. 324

I V . Formlose und förmliche Zustellung Die Haager Übereinkommen 325 und die meisten sonstigen Rechtshilfeübereinkommen 326 unterscheiden zwischen förmlicher Zustellung nach dem Zu-

321

Zu Art. 32 I GG siehe auch Schabenberger, S. 71 ff, 200 ff. sowie Staudinger/ Spellenberg 13, §§ 606 ff. ZPO Rn. 510. Ebenso aus schweizerischer Sicht Bischof S. 13 Fn. 32. 322

OLG Frankfurt/Main IPRax 1992, 166, 167; Pfeil-Kammer er, S. 89; Pfennig, S. 50; Merkt, S. 121; Wiehe, S. 38; siehe auch § 66 ZRHO. 323

Puttfarken,

NJW 1988, 2155, 2157.

324

Skeptisch aber auch Linke, Probleme der internationalen Zustellung (im Erscheinen) sub I 2 b bei Fn. 24 sowie II 1 c bei Fn. 199: „Für Deutschland stellt sich die Frage, ob der durch die Einschaltung der Prüfungsstellen verursachte Zeitaufwand verringert werden kann Die Einschaltung der Prüfungsstellen [bedeutet] für die Amtsgerichte ohne eigene Präsidialverwaltung die Weiterleitung der Akte oder des Vorgangs an das Landgericht mit evtl. Rücklauf zur Verbesserung. Das betrifft z.B. auch alle Scheidungsklagen gegen im Ausland wohnende Ehepartner. Dieser Aufwand kann durch Dezentralisation verringert werden; der Rechtspfleger beim Amtsgericht, der für die Durchführung eingehender Ersuchen ohnedies zuständig ist, kann auch die Tätigkeit der Prüfungsstelle übernehmen. Außerdem sollten die Prüfungsstellen, deren Nutzen für die zügige und sachkundige Bearbeitung dieser (und anderer) Rechtshilfeersuchen für mich außer Zweifel stehen, aus der Justizverwaltung ausgegliedert und in den Bereich der Rechtsprechung eingegliedert werden. Das bedeutet in praxi, daß der Rechtspfleger nunmehr für den Richter tätig wird. Das Zustellungsverfahren bleibt damit Bestandteil des Gerichtsverfahrens; es verliert den Charakter als eigenständiger Verwaltungsvorgang, für den die Eilbedürftigkeit des konkreten Gerichtsverfahrens kein Kriterium ist. Berichtsauflagen zugunsten der Landesjustizverwaltung sind damit ohne weiteres vereinbar." 325 326

Art. 2 Satz 2 HZPÜ, Art. 5 II HZÜ.

Z.B. Art. 3 lit. c Satz 2 des deutsch-britischen Vertrages vom 20.3.1928, Art. 2 des deutsch-griechischen Vertrages vom 11.5.1938, Art. 4 II des deutsch-marokkanischen Vertrages vom 29.10.1985, Art. 10 II des deutsch-türkischen Vertrages vom 28.5.1929. Ebenso einige der von der ehemaligen DDR abgeschlossenen Rechtshilfeverträge, z.B. Art. 15 II des Vertrages vom 22.5.1969 mit Ägypten, Art. 9 I 2 des Vertrages vom 11.1.1959 mit Albanien, Art. 15 II des Vertrages vom 20.5.1966 mit dem ehemaligen Jugoslawien, Art. 13 II des Vertrages vom 8.6.1979 mit Kuba, Art. 15 II des

66

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

stellungsrecht des ersuchten Staates bzw. in besonderen von der ersuchenden Stelle gewünschten Formen einerseits und der formlosen Zustellung andererseits.327 Wie bereits erwähnt, 328 kommt im vertragslosen Rechtshilfeverkehr in der Bundesrepublik Deutschland mangels eines formellen Gesetzes ohnehin nur eine formlose Zustellung in Betracht. Diese setzt Annahmebereitschaft voraus. Damit ist jede Art der Ersatzzustellung ausgeschlossen, weil es gerade auf die Annahmebereitschaft des Empfängers ankommt. Daher kann die formlose Zustellung nur an den Zustellungsadressaten selbst, seinen gesetzlichen Vertreter oder seinen (rechtsgeschäftlich) Bevollmächtigten erfolgen, sofern diese annahmebereit sind. 329 Bei der formlosen Zustellung kann der Empfänger das zuzustellende Schriftstück auf eine Aufforderung hin beim Amtsgericht zunächst einsehen,330 um sich zu entscheiden, ob er das Schriftstück annehmen will oder nicht. 331 § 69 III ZRHO bestimmt: „Dem Empfänger ist zunächst Gelegenheit zu geben, sich das Schriftstück anzusehen und sich über die Annahme zu entscheiden. Ist nur die formlose Zustellung zulässig, so ist er darüber aufzuklären, daß er zur Annahme nicht verpflichtet sei, daß aber unter Umständen das ausländische Verfahren ohne Rücksicht auf die Annahmeverweigerung durchgeführt werden und er auch sonst Nachteile erleiden könne. Die Belehrung ist aktenkundig zu machen und im Begleitbericht (§ 65) zu vermerken." Der Adressat kann die Annahme aus beliebigen Gründen ablehnen.332 Tut er dies, 333 so ist die Zustellung gescheitert; denn eine „Zwangszustellung", d.h.

Vertrages vom 30.4.1969 mit der Mongolei, Art. 17 des Vertrages vom 15.12.1980 mit Vietnam. 327

Ausführlich Bischof, S. 163 ff.; Pfennig, S. 68 ff., 77. Vgl. auch Kondring, S. 104, 122, Schmitz, S. 17, Szâszy, S. 661 und Wiehe, S. 43. Dem common lawRechtskreis ist die Unterscheidung zwischen förmlicher und formloser Zustellung fremd, Mc Clean, S. 7. 328

Hierzu oben 2. Kapitel: F. II. 1. (S. 59).

329

Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze,

100. 12.

330

Besonders kritisch Schütze, Rechtsverfolgung Rn. 32: „Es ist im Grunde eine Unverschämtheit, den Beklagten zu Gericht zu bestellen, um ihm eine gegen ihn gerichtete Klage auszuhändigen." 331

Das österreichische Recht (§ 12 II 2.Halbsatz ZustellG) unterstellt die Annahmebereitschaft des Empfängers, wenn er nicht binnen drei Tagen erklärt, daß er zur Annahme nicht bereit sei. Diese Regelung bezeichnen Nagel/Gottwald, IZPR § 7 Rn. 63 als „wesentlich praktikabler" als die deutsche. Weniger deutlich ist - was die dem Empfänger eingeräumte Überlegungsfrist anbelangt - die Rechtslage nach Art. 8 des noch nicht in Kraft getretenen Übereinkommens vom 26.5.1997 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union; hierzu unten S. 94.

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe

67

eine Zustellung gegen seinen Willen, findet nicht statt. 334 In Betracht kommt dann nur eine förmliche Zustellung. 335 Eine Zustellung gegen den Willen des Adressaten erfolgt dann nach Maßgabe des Zustellungsrechts des ersuchten Staates, sofern hierfür eine gesetzliche Grundlage vorhanden ist. 336 Während das HZPA vom 17.7.1905 und das HZPÜ vom 1.3.1954 die formlose Zustellung jeweils in Art. 2 Satz 2 in den Vordergrund stellen und die förmliche Zustellung nur auf besonderen Antrag des ersuchenden Staates stattfindet, ist nach Art. 5 I HZÜ die förmliche Zustellung der Regelfall. Dies begründet die deutsche Denkschrift 337 wie folgt: „Die förmliche Zustellung, die nach dem Recht des ersuchten Staates für die Bewirkung gleichartiger Zustellungen im Inland erfolgt, wird grundsätzlich als Garantie dafür angesehen, daß die Zustellung ordnungsgemäß durchgeführt wird." Ebenso wie nach dem HZPÜ (Art. 3 II) ist gem. Art. 5 I I I HZÜ für die förmliche Zustellung die Beifügung einer Übersetzung in die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des ersuchten Staates erforderlich, wenn dies die Zentrale Behörde im Einzelfall oder der ersuchte Staat - wie z.B. die Bundesrepublik Deutschland338 - generell verlangt. 339 Nicht übersetzte Schriftstücke können nur formlos zugestellt werden. 340 Die ZRHO sieht bei nicht übersetzten Schriftstücken hierfür folgende Regelung vor: Da die formlose Zustellung die Annahmebereitschaft des Zustellungsadressaten voraussetzt, muß ihm Gelegenheit gegeben werden, sich darüber zu entscheiden, ob er das Schriftstück annehmen will oder nicht. Deshalb gewährt ihm § 60 IV 3 ZRHO auch die Möglichkeit, sich innerhalb angemessener Zeit auf seine Kosten eine Übersetzung zu beschaffen. 341 Die Rechtshilfebehörde hat jedoch von sich aus keine Übersetzung herstellen zu lassen; das „Interesse

332 Gottwald in Habscheid/Beys, S. 39. Er kann die Ablehnung also auch auf das Fehlen einer Übersetzung stützen. Vgl. auch Braun, S. 109. 333

§ 12 II österr. ZustellG sieht eine Frist von 3 Tagen vor.

334

Hierzu deutsche Denkschrift BT-Drucksache 8/217, S. 43, 53 zu Art. 5 HZÜ.

335

Art. 3 II 1 HZPÜ; Art. 5 II HZÜ.

336

Deutsche Denkschrift BT-Drucksache 8/217, S. 43.

337

BT-Drucksache 8/217, S. 43.

338

§ 3 AusfG-HZÜ/HBÜ. Vgl. auch die Bekanntmachung des Auswärtigen Amts vom 21.6.1979, BGBl. 1979 II, S. 779, sowie Practical Handbook, S. 77. 339

Hierzu Pfennig, S. 79.

340

Braun, S. 58; Kondring, S. 180.

341

Vgl. Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze,

900.57 Fn. 226.

68

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

des Empfängers am Inhalt des Schriftstücks" rechtfertigt die amtswegige Beschaffung einer Übersetzung i.d.R. nicht, § 6 0 I V 2 ZRHO.

V. Gründe für die Ablehnung eines ausländischen Zustellungsersuchens 7. Ablehnung im Anwendungsbereich völkerrechtlicher

Verträge

a) Rechtshilferechtlicher ordre public Im Anwendungsbereich der völkerrechtlichen Verträge hat jeder Vertragsstaat auf völkerrechtlicher Ebene einen Anspruch auf Zustellungshilfe, 342 sofern der einschlägige Vertrag nicht in concreto Ausnahmen zuläßt. Diese sind nicht enumerativ aufgezählt, sondern in einer Generalklausel zusammengefaßt. Nach den Haager Übereinkommen kann die Erledigung eines Zustellungsantrags 343 nur abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. 344 Man spricht in diesem Zusammenhang vom rechtshilferechtlichen ordre public, der zu unterscheiden ist von dem kollisionsrechtlichen ordre public (Art. 6 EGBGB) und dem anerkennungsrechtlichen ordre public (§ 328 I Nr. 4 ZPO, § 16 a Nr. 4 FGG). 345 Die vorstehende Formulierung findet sich schon in Art. 3 des Entwurfs eines Rechtshilfeübereinkommens von 1893/94; sie wurde in Art. 4 des HZPA vom 17.7.1905 übernommen und seitdem ohne Änderungen in Art. 4 des HZPÜ vom 1.3.1954 sowie in Art. 13 des HZÜ vom 15.11.1965 „fortgeschrieben", 346 wenngleich auch auf der 10. Session der Haager Konferenz über Möglichkeiten einer präziseren Fassung eingehend diskutiert wurde. 347

342

Nicht jedoch der einzelne, der ein Interesse an der Fortsetzung des Gerichtsverfahrens im Gerichtsstaat hat; vgl. Geimer, IZPR Rn. 2016, 3637. 343 Nicht das Zustellungsersuchen als solches, sondern dessen Erledigung muß geeignet sein, die Hoheitsrechte oder die Sicherheit des ersuchten Staates zu gefährden; hierzu Taborda Ferreira, Rapport explicatif in Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes et Documents de la Dixième Session 7 au 28 octobre 1964, Tome III: Notification, S. 363, 375; Merkt, S. 124. 344

Hierzu Nagel/Gottwald,

345

Geimer, IZPR Rn. 29 b.

346

Ausführlich zu Textgeschichte Merkt, S. 127 und Pfennig, S. 39.

347

IZPR § 7 Rn. 73; Pfennig, S. 97 ff.

Insbesondere auf der Sitzung vom 14.10.1964 procès verbal N° 4, Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes et Documents de la Dixième Session 7 au 28 octobre 1964, Tome III: Notification, S. 192 ff., z.B. Beitrag von Arnold S. 193. Taborda Ferreira, Actes et Documents a.a.O. S. 363, 375 faßt in seinem Rapport explicatif die Beratungen wie folgt zusammen: „L'exécution de la demande peut être refusée uniquement en cas d'offense à l'ordre public portant atteinte à sa souveraineté ou a la sécurité de l'Etat. On a voulu limiter ordre public par l'emploi des mots souveraineté et

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe

69

Art. 14 I lit. b des Europäischen Übereinkommens über die Zustellung von Schriftstücken von Verwaltungssachen im Ausland vom 24. November 1977 348 übernimmt die Haager Formel und reichert sie durch die Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder anderer wesentlicher Interessen des ersuchten Staates an. Hierzu bemerkt der Erläuternde Bericht des Europarats: 349 „Ein zweiter Grund für eine Ablehnung ist unter Buchstabe b angeführt, wonach ein Ersuchen abgelehnt werden kann, wenn seine Erledigung die Souveränität des Staates (z.B. weil die Erledigung das zwischen den Staaten und ihren Angehörigen bestehende Staatsangehörigkeitsverhältnis beeinträchtigen würde), die öffentliche Ordnung oder andere wesentliche Interessen des ersuchten Staates beeinträchtigen könnte. Der Ausdruck 'wesentliche Interessen' bezieht sich auf die Interessen des Staates und nicht auf die von Einzelpersonen. Dieser Begriff kann auch wirtschaftliche Interessen umfassen. Die Rechte der einzelnen Person werden durch die Klausel über die öffentliche Ordnung geschützt. Diese Klausel bedeutet für die Staaten eine konkrete Verpflichtung, bestimmte Mindestgrundsätze der Rechtsstaatlichkeit zu beachten, weil sonst die Gefahr bestünde, daß andere Staaten eine Zustellung ablehnen." Die von der (ehemaligen) Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossenen Rechtshilfeverträge sahen in der Regel die Möglichkeit der Ablehnung vor, wenn die Erledigung eines Ersuchens „die Souveränität, Sicherheit oder die Grundprinzipien der Staats- und Rechtsordnung des ersuchten Staates beeinträchtigen könnte", so z.B. Art. 15 des Vertrages mit Moçambique. 350 Auch diese Formel ist prägnanter als die der Haager Übereinkommen. b) Zustellungshilfe auch bei negativer Anerkennungsprognose Rechtshilfe ist auch bei negativer Anerkennungsprognose zu gewähren. 351 Dies gilt nicht nur dann, wenn der ersuchende Staat aus der Sicht des ersuchten Staates für den konkreten Rechtsstreit, für den um Zustellungshilfe erbeten wird, international unzuständig ist, 352 sondern auch dann, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, daß die Anerkennung des zu erwartenden Sachurteils am (anerkennungsrechtlichen) ordre public scheitern wird.

sécurité. Ces mots sont imprécis mais ils sont susceptibles de répondre au but poursuivi. L'expression souveraineté serait équivalente à ordre public international ." 348

BGBl. 1981 II, S. 533.

349

BT-Drucksache 9/68, S. 42 f. Nr. 53 und 54.

350

Zusammenstellung in der vom Ministerium der Justiz herausgegebenen Textausgabe: Internationaler Rechtsverkehr der Deutschen Demokratischen Republik, 3. Aufl. 1987. 351 352

Nagel/Gottwald,

§ 7 Rn. 105; Volken, Rn. 2.45 (S. 43).

Art. 13 II HZÜ bestimmt ausdrücklich, daß der ersuchte Staat die erbetene Zustellungshilfe nicht verweigern darf, auch wenn er für sich eine ausschließliche internationale Zuständigkeit in Anspruch nimmt. Vgl. schon Meili, S. 56.

70

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

Zu Recht weist auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 7.12.1994 353 daraufhin, daß anderenfalls vor Bewilligung der Zustellungshilfe durch die deutschen Rechtshilfebehörden, d.h. die Zentralen Behörden (Art. 2 HZÜ) bzw. die Prüfungsstellen (§§ 9, 57, 59 I I I ZRHO), eine umfangreiche Prüfung stattfinden müßte, ob das zu erwartende ausländische Urteil mit dem deutschen (anerkennungsrechtlichen) ordre public vereinbar sein wird. Dies würde zu großen Verzögerungen bei der Zustellung führen, was den in der Präambel niedergelegten Zweck des Übereinkommens, nämlich die Beschleunigung und Vereinfachung der Zustellung, 354 vereiteln würde. „Zum anderen käme sie einer Erstreckung inländischer Rechtsvorstellungen auf das Ausland gleich und würde dem Ziel zuwiderlaufen, dem ausländischen Kläger die Führung eines Prozesses gegen einen inländischen Beklagten im Ausland zu ermöglichen. Eine solche Einschränkung des Rechtshilfeverkehrs ist grundsätzlich um so weniger geboten, als im Zeitpunkt der Zustellung der Ausgang des Verfahrens noch völlig offen ist." 355 Wenn aber auch bei negativer Anerkennungsprognose Zustellungshilfe gewährt wird, so ist klar, daß diese die Anerkennungsfrage nicht präjudiziell 3 5 6 Umgekehrt schließt die Versagung der Zustellungshilfe die spätere Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung der ausländischen Entscheidung nicht per se aus. Dies zeigt ein Beispiel aus den Zeiten, in denen die ehedem sozialistischen Staaten alle Hebel in Bewegung setzten, um an westliche Devisen zu kommen. Setzte sich ein zu Unterhalt in der Landeswährung verurteilter Schuldner in den Westen ab, so versuchte man, in einem Abänderungsverfahren ihn zur Zahlung eines Betrages in Deutscher Mark (zum staatlich festgesetzten [unrealistischen] Zwangskurs) zu verurteilen. So lehnte in einem an den Bundesgerichtshof 957 im 353

BVerfGE 91, 335 = NJW 1995, 649 = RIW 1995, 320 ÇMorisse 370) = IPRax 1996, 112 (Tomuschat 83) = EuZW 1995, 218 {Kronke 221) = JZ 1995, 716 (.Stadler 718) = EWiR 1995, 161 (Geimer) = IPRspr. 1994 Nr. 160 b. 354 Die Vertragsstaaten äußern in der Präambel des HZÜ den Wunsch, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke, die im Ausland zuzustellen sind, ihren Empfängern rechtzeitig zur Kenntnis gelangen, und äußern die Absicht, dafür die gegenseitige Rechtshilfe zu verbessern, indem das Verfahren (der Rechtshilfe) vereinfacht und beschleunigt wird. 355

So das BVerfG a.a.O. (Fn. 353).

356

Taborda Ferreira , Rapport explicatif in Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes et Documents de la Dixième Session 7 au 28 octobre 1964, Tome III: Notification, S. 363, 376: „L'exécution de la demande ne préjuge pas la reconnaissance de l'exécution ultérieure. Le pays requis pourra, malgré l'exécution de la demande d'assignation, ne pas reconnaître et exécuter la décision rendue par les tribunaux du pays requérant a la suite de cette assignation. Tel fut l'avis de la Troisième commission, mais on n'a pas estimé nécessaire d'établir une disposition expresse à ce sujet." Vgl. auch den Bericht von Welp, RabelsZ 54(1990), 364, 365 über die Sitzung der Expertenkommission der Haager Konferenz für internationales Privatrecht vom 17. bis 20.4.1989 zu Fragen des HZÜ und des HBÜ. 357

All).

BGH NJW 1990, 2197 = FamRZ 1990, 292 = ZZP 103 (1990), 471 {Geimer

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe

71

Anerkennungsstadium geratenen Fall der Niedersächsische Minister der Justiz die Zustellung des Abänderungsurteils ab; der deutsche ordre public stehe entgegen: Durch die Verurteilung in Deutscher Mark werde dem Unterhaltsschuldner die Möglichkeit genommen, weiterhin aus seinem in der Tschechoslowakei vorhandenen Kronen-Guthaben zu zahlen. Diese Ablehnung war aber nicht korrekt; denn Rechtshilfe muß auch gewährt werden, wenn mit der Anerkennung der Entscheidung, um deren Zustellung die deutschen Rechtshilfebehörden ersucht werden, nicht zu rechnen ist. Wie der Fall zeigt, 358 folgt aus der Verweigerung deutscher Zustellungshilfe nicht zwingend die Nichtanerkennung der ausländischen Entscheidung, die zuzustellen die deutschen Rechtshilfebehörden abgelehnt hatten. 359 c) Enger Anwendungsbereich Weil die Zustellungshilfe die Anerkennungsfrage nicht präjudiziert, interpretiert man die rechtshilferechtliche Vorbehaltsklausel enger als die anerkennungsrechtliche. 360 Denn solange der Prozeß im Ausland erst in den Anfängen steckt, läßt sich eine zuverlässige Prognose über dessen Ausgang nicht stellen. Vom Wortlaut her drängt sich eine derart restriktive Auslegung nicht auf, weil nach der rechtshilferechtlichen Vorbehaltsklausel eine „Gefährdung" 361 genügt, während jedenfalls die neuere Haager Formel „manifestement incompatible avec l'ordre public" 3 6 2 den Anwendungsbereich des ordre public einschränken will. 3 6 3 Der Verstoß muß danach offensichtlich sein. Nur dann kann

358 Der BGH (vorherige Fn.) hat im konkreten Fall die tschechoslowakische Entscheidung anerkannt und für vollstreckbar erklärt, weil der deutsche (anerkennungsrechtliche) ordre public nicht verletzt sei. 359

Geimer, ZZP 103 (1990), 477, 490 hält es in diesem Zusammenhang für nicht stimmig, „wenn einerseits eine nichtrichterliche Behörde einen - für sich betrachtet wertneutralen Vorgang wie die Zustellung eines ausländischen Urteils ablehnt mit der Begründung, die Anerkennung der zuzustellenden ausländischen Entscheidung verstoße gegen den deutschen ordre public, weil elementare - auch international durchzusetzende bzw. als 'Bollwerk' zu garantierende - Rechtspositionen des Beklagten (=Zustellungsempfängers) vom ausländischen Gericht übergangen/ignoriert/verletzt worden seien, andererseits aber - natürlich mit der unvermeidlichen zeitlichen Verzögerung - das höchste deutsche Zivilgericht attestiert, gegen die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eben dieses ausländischen Titels bestünden keine durchgreifenden Bedenken." 360

Statt vieler: Pocar, S. 134; Kronke, BerDGVR 38 (1998), 36; Witte, S. 175.

361

Anders Art. 14 I lit. b des Europäischen Übereinkommens vom 24.11.1977 über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland (BGBl. 1981 II, S. 553). Danach ist eine „Beeinträchtigung" erforderlich. 362

Die Haager Übereinkommen verwenden diese Formulierung seit 1956. Hierzu Kropholler, Internationales Einheitsrecht S. 341. Siehe auch Kropholler, EuZPR Art. 27 Rn. 5. 363

Merkt, S. 128.

72

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

der kollisionsrechtliche bzw. anerkennungsrechtliche ordre public ins Spiel kommen. Die geringere Anwendungsintensität der rechtshilferechtlichen Vorbehaltsklausel gegenüber der anerkennungsrechtlichen ergibt sich vielmehr aus dem Funktionsunterschied und dem geringeren „ Gefährdungspotential" 364 der Zustellungshilfe gegenüber der Anerkennung des Rechtsprechungsaktes, der am Ende des ausländischen Verfahrens steht, für das um Rechtshilfe ersucht wird. Pfennig? 65 spricht in diesem Zusammenhang vom „kleinen ordre public". d) Anwendungsbeispiele (1) Überblick Gleichwohl bleiben Fälle denkbar, in denen die Zustellung der Klage mit Art. 2 I GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar wäre. Stellungnahmen in der Literatur sind rar. 366 Grundrechtsschranken werden nicht bei der Zustellungshilfe, sondern bei der Rechtshilfe durch Beweisaufnahme diskutiert, so insbesondere der Schutz vor einer aus deutscher Sicht unmäßigen Ausforschung. 367

364

BVerGE 91, 335: „Zudem bewirkt die Zustellung allenfalls eine Gefährdung der finanziellen Interessen des Beklagten. Er wird zwar Prozeßpartei. Ob er aber tatsächlich zu Zahlung [...] verurteilt wird, stellt sich erst bei Abschluß des Verfahrens mit dem Erlaß des Urteils heraus. Der deutsche Beklagte kann in diesem Verfahren auf eine Abweisung der Klage hinwirken. Die Einbeziehung in das ausländische Verfahren durch die Zustellung ist ihm um so mehr zuzumuten, als er den Zugriff des ausländischen Gläubigers auf sein inländisches Vermögen unter den Voraussetzungen des § 328 I Nr. 4 ZPO verhindern kann." 365

Pfennig, S. 99.

366

So will z.B. Stein-Jonas21 IH. Roth die Anwendung des Art. 13 I HZÜ auf „besonders gravierende Fälle" beschränken. Ebenso Stadler, IPRax 1992, 147, 150; Pfennig, S. 96; Koch/Diedrich, ZIP 1994, 1830, 1831. Wenig konkret Witte, S. 177. Ohne klare Konturen auch Volken, Rn. 2.45 (S. 43) zur Rechtslage in der Schweiz: Es sei „z.B. an die Gründe aus Art. 271 StGB (Handlungen für einen fremden Staat) bzw. 273 StGB (wirtschaftlicher Nachrichtendienst) zu denken. Darüber hinaus finden sich kaum Anhaltspunkte, die eine Konkretisierung dieses Kriteriums gestatten würden. Im allgemeinen wird man davon ausgehen müssen, dass als Ablehnungsgründe nur schwere Beeinträchtigungen der nationalen Sicherheit und Unabhängigkeit in Frage kommen. In diesem Sinne dürften bei Art. 4 [HZPÜ] die Grenzen eher enger zu ziehen sein als beim traditionellen Ordre public-Vorbehalt. [...] Die Grenze wird bei Beweiserhebungen leichter zu ziehen sein, als bei blossen Zustellungen." Siehe auch Volken, Rn. 2.108 Fn. 125 (S. 63) sowie Bischof, S. 229 und Dörig, S. 410. § 271 I des schweizerischen StGB lautet: „Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, wer solche Handlungen für eine ausländische Partei oder eine andere Organisation des Auslandes vornimmt, wer solchen Handlungen Vorschub leistet, wird mit Gefängnis, in schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft." 367

Nachweise z.B. bei Geimer, IZPR Rn. 2481.

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe

73

Das Bundesverfassungsgericht 368 war in diesem Punkt vorsichtiger und hat sogar die Frage offengelassen, ob die Zustellung durch eine deutsche Rechtshilfebehörde überhaupt in den Schutzbereich des Art. 2 I GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip eingreift oder nur an den Anforderungen zu messen ist, die sich aus den Schutzpflichten des Staates ergeben. Denn bei der Zustellung einer US-amerikanischen punitive damages-Klage sei den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen Eingriff genügt und aus der Schutzpflicht seien jedenfalls keine strengeren Maßstäbe zu folgern. Anläßlich der Haager Beratungen der rechtshilferechtlichen Vorbehaltsklausel wurden 1893 folgende Beispiele erörtert: 369 •

Mitteilung der Vorladung eines fremden Souveräns oder eines fremden Staates370



Mitteilung anarchistischer oder unmoralischer Schriften.

In dem Bericht über die Sitzung der Expertenkommission der Haager Konferenz für internationales Privatrecht vom 21.-25.11.1977 zu Fragen des Zustellungsübereinkommens vom 15.11.1965 wurde auch folgender Anwendungsfall angeführt: •

Zustellung einer Klage gegen einen Richter, die auf Schadensersatz wegen der Ausübung seiner richterlichen Gewalt gerichtet ist. 371

Nach § 59 I I I Nr. 1 ZRHO kann eine Gefährdung der Hoheitsrechte der Bundesrepublik Deutschland 372 gegeben sein, wenn es sich bei dem Ersuchen um einen Antrag auf Zustellung einer Klage, eines Mahnbescheides, einer Streitverkündung u.ä. gegen die Bundesrepublik Deutschland oder eines seiner Länder handelt.

368

BVerfG NJW 1995, 649.

369

Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes 1. Conférence 1893,

S. 64. 370

Nach Art. 16 II des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität vom 16.5.1972 (BGBl. 1990 II, S. 35) erfolgt die Übermittlung des das Verfahren einleitenden Schriftstücks in Urschrift oder Abschrift auf diplomatischem Wege zum Außenministerium des beklagten Staates zur etwaigen Weiterleitung an die zuständige Behörde. Die Zustellung ist jedoch bereits mit dem Eingang beim Außenministerium bewirkt, Art. 16 III des genannten Übereinkommens. 371

Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes et Documents de la Quatorzième session 6 au 25 octobre 1980, Tome IV: Entraide judiciaire/Judicial co-operation, S. 383. 372

Vgl. vice versa für ausgehende deutsche Ersuchen § 28 II ZRHO.

74

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

(2) Pföndungs- und Überweisungsbeschlüsse Darüber hinaus wird erne Gefährdung der Hoheitsrechte der Bundesrepublik Deutschland für möglich gehalten bei einem Antrag auf Zustellung eines Pföndungs- und Überweisungsbeschlusses an einen im Inland ansässigen Drittschuldner, 373 allerdings nur dann, wenn die Pfändung in Deutschland belegenes Vermögen betrifft. Wird z.B. ein Erbanteil gepfändet und liegt das zum Nachlaß gehörende Vermögen ausschließlich im Ausland, so ist die Zustellung auch nach der ZRHO unbedenklich. Anders wäre es nach der ZRHO, wenn das von der ausländischen Maßnahme erfaßte Vermögen (vorwiegend) in Deutschland liegt. Aber auch wenn das Substrat der Pfändung in Deutschland zu lokalisieren ist, ist nicht ersichtlich, wieso die Hoheitsrechte oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet sein sollen. 374 Denn die Zustellung eines ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch die deutschen Rechtshilfebehörden bewirkt keineswegs, daß das Ausland seinen Machtbereich auf das Inland realiter erweitert. Denn es kann keinen realen Zugriff nehmen. Durch die deutsche Zustellungshilfe wird - wie auch sonst - die Frage der Anerkennung und Vollstreckung/Durchsetzung des ausländischen Aktes im

373 Hierzu Gottwald, IPRax 1991, 285, 289 Fn. 56; Karen Ilka Mössle, S. 110; Mülhausen, WM 1986, 957; Schack, RPfleger 1980, 175, 176; Schütze, DIZPR S. 193; OLG Düsseldorf IPRspr. 1980 Nr. 578. Vice versa ist nach § 829 III ZPO erst mit Zustellung des (deutschen) Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses i.S.v. § 829 I ZPO an den im Ausland domizilierten Drittschuldner die Forderungspfändung bewirkt. Dagegen stellt die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Vollstreckungsschuldner (vgl. § 829 II 2 ZPO) keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Forderungspfändung dar (§ 829 III ZPO e contrario). Die ablehnende Haltung der deutschen Justizverwaltungen, Zustellungsersuchen für Drittschuldneranzeigen an den Wohnsitzbzw. Aufenthaltsstaat des Drittschuldners weiterzuleiten, auch wenn dieser zur Ausführung der Zustellung bereit ist (wie z.B. Frankreich), kritisiert Karen Ilka Mössle, S. 98, 111. Die deutschen Justizverwaltungen verweisen auf das im Rechtshilfeverkehr übliche Gegenseitigkeitsprinzip. Weil Deutschland die Zustellung ausländischer Pfändungsund Überweisungsbeschlüsse verweigere, könne und wolle man nicht vice versa ausländische Staaten um Zustellungshilfe ersuchen. 374

Probleme bereitet bereits die Bestimmung der Belegenheit der Forderung, vgl. hierzu Karen Ilka Mössle, S. 31. Die Anknüpfung an den Wohnsitz des Drittschuldners (§ 23 S. 2 ZPO) ist logisch nicht zwingend. Würde man - wie dies z.B. das schweizerische Bundesgericht (BGE 107 III, 147, 149) tut - auf den Wohnsitz des Gläubigers (=Vollstreckungsschuldners) abstellen, wäre evident, daß der Pfändungsakt keineswegs nur „der Souveränität des Drittschuldnerstaates" unterfällt (so sehr deutlich Baur/Stürner, § 57.9 S. 670). Eine Forderung hat keine körperliche Realität und damit keine Belegenheit in der Realität der Dinge. Sie ist etwas Gedachtes und damit Fiktives. Dementsprechend enthält auch die Beantwortung der Frage nach ihrer Belegenheit ein fiktives Moment, Schack, Rpfleger 1980, 175; Karen Ilka Mössle, S. 31.

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe

75

Inland nicht präjudiziert. 375 Insbesondere wird nichts darüber ausgesagt, ob aus deutscher Sicht der Drittschuldner verpflichtet ist, das ausländische Verbot, an den Vollstreckungsschuldner (=Gläubiger des Drittschuldners) zu zahlen, zu beachten. Selbst die in Souveränitätsfragen an sich sehr empfindliche Schweiz stellt französische Drittschuldneranzeigen zu; für die Zustellung deutscher Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse wird lediglich aus Gegenseitigkeitserwägungen die Zustellungshilfe verweigert. 376 Auch Stürner hält wohl das Souveränitätsargument der ZRHO letztlich für nicht überzeugend: 377 „Die Bundesrepublik sollte ihrerseits Pfändungsbeschlüsse von Schuldnerstaaten anerkennen und bei ihrem Erlaß mitwirken (Zustellung nach dem Haager Zustellungsübereinkommen 1965), wenn der zu vollstreckende Titel anerkennungsfähig ist, die Rechte des Drittschuldners im Pfändungsverfahren (Gehör!) gewahrt sind und die internationale Zuständigkeit für den Hauptstreit zwischen Gläubiger und Drittschuldner gewahrt bleibt." Stürner vermengt aber - was er in anderem Zusammenhang selbst kritisiert 378 - die Anerkennungsfrage mit der Frage, ob deutsche Zustellungshilfe gewährt werden soll. (3) Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes Die ZRHO sieht weiter eine Gefährdung der Sicherheit Deutschlands, wenn um die Zustellung einer einstweiligen Verfügung ersucht wird. 3 7 9 Dagegen haben NageP 80 und sein Schüler Pfennig[- 381 mit einleuchtenden Argumenten darauf hingewiesen, daß es keinen Unterschied machen könne, ob einem im Inland ansässigen Prozeßbeteiligten ein im Ausland gegen ihn ergangenes

375 Vgl. hierzu bereits oben S. 70 Fn. 356 und im Zusammenhang mit der Forderungspfändung: Geimer, IZPR Rn. 2065; Karen Ilka Mössle, S. 121; Schlosser, EuGVÜ-Kommentar Art. 1 HZÜ Rn. 2 und 17; Art. 13 Rn. 2. 376

Karen Ilka Mössle, S. 117.

377

Baur/Stürner

378

Stürner, ZZP 109 (1996), 224.

a.a.O. (Fn. 374) § 51.11 (S.671).

379

In dem Fall des OLG Düsseldorf, IPRax 1985, 289 (,Schumacher 265) war von französischer Seite erst gar nicht der Versuch unternommen worden, die Ordonnance de Référé des Präsidenten des Tribunal de Commerce de Paris durch die deutschen Rechtshilfebehörden zustellen zu lassen. Gleichwohl hielt das OLG Düsseldorf die Zustellung für ordnungsgemäß i.S.v. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ. 380

Nagel, Rechtshilfe S. 125.

381

Pfennig, S. 100.

76

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

Urteil zugestellt wird, was nicht bezweifelt wird, oder eine im Ausland gegen ihn ergangene einstweilige Verfugung. Dem kann nicht entgegengehalten werden, fur die Entscheidung über dingliche Arreste oder einstweilige Verfügungen sei ausschließlich der Staat international zuständig, auf dessen Gebiet sich die Vermögensgegenstände befinden bzw. wo die Handlung oder Unterlassung durchgesetzt werden soll. 382 Deshalb könne dieser Staat ein ausländisches Ersuchen um Zustellung dinglicher Arreste oder einstweiliger Verfügungen als Eingriff in seine Souveränität betrachten. Hier wird die Vollstreckung der vorläufigen Entscheidung mit ihrem Erlaß verwechselt. 383 Zwar kann z.B. nur der Belegenheitsstaat einen dinglichen Arrest unmittelbar durchsetzen. Insoweit handelt es sich um ein Vollstreckungsproblem. Dies schließt aber nicht aus, daß auch ein anderer Staat zur Entscheidung über die Anordnung eines dinglichen Arrestes (konkurrierend) international zuständig ist. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren ist nämlich kein Vollstreckungsverfahren, sondern ein summarisches Erkenntnisverfahren. 384 Soweit es nur um die Zustellung eines ausländischen Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung geht, können die Sicherheit oder die Hoheitsrechte Deutschlands nicht betroffen sein. Dies ist nicht zu verwechseln mit der Frage, ob der Zustellungsstaat völkervertraglich verpflichtet ist, im Ausland erlassene Arreste und einstweilige Verfügungen zu vollstrecken. Bei letzterem Komplex geht es nicht um eine Frage der internationalen Rechtshilfe, sondern um eine solche des Anerkennungsrechts. 385 Aus der Mithilfe bei der Zustellung folgt keineswegs die Verpflichtung zur Anerkennung bzw. Vollstreckung der einstweiligen Maßnahme.386 (4) US-amerikanische punitive damages-Klagen Auch Klagen, die punitive damages zum Gegenstand haben, 387 betreffen jedenfalls im Grundsatz - eine Zivilsache (Art. 1 HZÜ) und sind zuzustellen.388 Der deutsche (rechtshilferechtliche) ordre public greift nicht ein.

382

Riezler, IZPR S. 665, 668.

383

Geimer, IZPR Rn. 2162; Schlosser, EuGVÜ-Kommentar Art. 1 HZÜ Rn. 2 und 17; Art. 13 Rn. 2. 384 Eilers, S. 30, 39; Geimer, IZPR Rn 2162; Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozeßrecht S. 178, 196, 201. 385 Hierzu Eilers, S. 267 ff.; Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozeßrecht S. 190; Karen Ilka Mössle, S. 121 bei Fn. 111. 386

Zu Vorstehendem Geimer, IZPR Rn. 2163.

387

Hierzu oben S. 58 Fn. 286.

388

BVerfGE 91, 335 (Fn. 353); OLG Düsseldorf NJW 1992, 3110 = RIW 1992, 846 = IPRspr. 1992 Nr. 215; OLG München NJW 1992,3113 = IPRax 1993,309

77

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe (5) US-amerikanische Class Actions

Das gleiche gilt für Ersuchen um Zustellung einer US-amerikanischen class action. 389 Eine solche Klage ist eine Besonderheit des US-amerikanischen Rechts: Hier klagt ein Mitglied einer Gruppe von Geschädigten in gewissem Umfang als Repräsentant aller. 390 Beispiel: Auf Grund eines US-Ersuchens nach dem HZÜ ließ der Hessische Minister der Justiz einer deutschen Aktiengesellschaft eine class action zustellen. Es ging um Umwelthaftungsansprüche wegen der Kontaminierung eines in den USA gelegenen Grundstücks, das einer Tochtergesellschaft der Beklagten gehörte. Zahlreiche Personen fühlten sich durch Schadstoffe in ihrer Gesundheit geschädigt. Ein Teil von ihnen verlangte mehrere hundert Millionen US-Dollar im Wege der class action von der US-Tochtergesellschaft und ihrer deutschen Mutter. Die Zustellungsadressatin beantragte gerichtliche Entscheidung gem. § 23 EGGVG. Dieser Antrag war nicht erfolgreich. Das OLG Frankfurt/Main konnte nicht erkennen, welche „unverzichtbaren Rechte" der Antragstellerin durch die Zustellung der class action verletzt sein sollten. Der Umstand, daß das deutsche Verfahrensrecht class actions nach USMuster nicht kennt, ist kein Grund, die Zustellungshilfe unter Berufung auf den rechtshilferechtlichen ordre public zu verweigern. (6) Antisuit injunctions restraining foreign proceedings Anders soll es nach h.M. aber sein, wenn um die Zustellung einer antisuit injunction 391 ersucht wird. Hierbei handelt es sich um das Verbot eines ausländischen Gerichts, einen in Deutschland anhängigen Prozeß fortzufuhren. Dieses richtet sich zwar nicht an das deutsche Gericht, sondern an den Kläger bzw. Antragsteller. Gleichwohl sieht das OLG Düsseldorf 392 hierin... „einen Eingriff in die Justizhoheit der Bundesrepublik Deutschland [...], weil die deutschen Gerichte ausschließlich selbst nach den für sie geltenden VerfahrensCKoch/Zekoll 288) = IPRspr. 1992 Nr. 216; Witte, S. 175; Zöller/Geimer § 199 Rn. 59. Ebenso aus schweizerischer Sicht Bischof, S. 57 und Schnyder, BerDGVR 37 (1998), 73, 78, jeweils m.w.N. 389

OLG Frankfurt/Main RIW 1991, 417. Hierzu Mark, Stein-Jonas21///. Roth § 199 Rn. 20.

EuZW 1994, 238, 239;

390 Allgemein zu den US-class actions Cound/Friedenthal/Miller/Sexton, S. 682 ff.; Dörig, S. 439; Mengler/Farell Pea, ZZPInt 2 (1997), 297; Schack, Einführung S. 79. 391

Nachweise bei Hau, S. 191 ff.

392

OLG Düsseldorf RIW 1996, 237 = EuZW 1996, 351 (Mansel 335) = IPRax 1997, 176 (Hau 161) = ZZP 109 (1996), 221 (Stürner 224). Der Fall des OLG Düsseldorf betraf eine Injunction in Aid of Arbitration. Diese soll verhindern, daß die Schiedsvereinbarung durch Prozesse vor in- oder ausländischen staatlichen Gerichten unterlaufen wird. Nachweise bei Stürner, ZZP 109 (1996), 224, 225 Fn. 8 und Schnyder, BerDGVR 37(1998), 73, 80 ff. 8 Geimer

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2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts gesetzen und nach den bestehenden völkerrechtlichen Verträgen darüber befinden, ob sie für die Entscheidung einer Streitsache zuständig sind oder ob sie die Zuständigkeit eines anderen inländischen oder ausländischen Gerichts (auch Schiedsgerichts) zu respektieren haben. Auch können ausländische Gerichte keine Weisungen erteilen, ob und in welchem Umfang (zeitlich und inhaltlich) ein deutsches Gericht in einer bestimmten Streitsache tätig werden kann und darf" Die Beeinträchtigung der Freiheit der Prozeßführung der Beteiligten durch das ausländische Verbot berühre auch die Justizhoheit Deutschlands als solche. „Es kann [...] auch den für die Erledigung von Rechtshilfeersuchen zuständigen Stellen, die die Justizhoheit zu respektieren haben, nicht gestattet sein, derartige Weisungen an Verfahrensbeteiligte weiterzuleiten (zuzustellen) und so dem ausländischen Gericht Einfluß auf Gestaltung und Ablauf anhängiger Gerichtsverfahren zu erlauben oder die betroffenen Verfahrensbeteiligten der Gefahr einer Bestrafung wegen 'Contempt of Court' auszusetzen, nur weil sie die ihnen nach dem deutschen Prozeßrecht garantierten Rechte in Anspruch nehmen wollen." Schließlich hebt das OLG Düsseldorf hervor, „daß die 'Antisuit Injunctions' (in welcher Form sie auch gekleidet und an wen sie auch gerichtet sind) dem alleinigen Zweck dienen, den behaupteten ausländischen Gerichtsstand (hier: die Zuständigkeit des London Court of International Arbitration) zu sichern und damit schon von der Zielsetzung her darauf gerichtet sind, in die Kompetenz der deutschen Justiz einzugreifen, die für sich in Anspruch nimmt und auch dazu verpflichtet ist, über ihre Zuständigkeit im Einzelfall ausschließlich selbst zu entscheiden."

Auf den ersten Blick erscheint die Argumentation des OLG Düsseldorf überzeugend, worauf Stürner 393 hinweist: „Weshalb sollen ausländische Gerichte die Anrufung deutscher Gerichte394 verbieten können und dabei noch auf Rechtshilfe durch die deutsche Justiz hoffen dürfen? Ist die deutsche Gerichtshoheit nicht eklatant verletzt, wenn ausländische Gerichte den Parteien Prozeßhandlungen vor deutschen Gerichten untersagen? Sind die deutschen Gerichte nicht Herr im eigenen Haus?" Doch Stürner kritisiert zu Recht, daß der common sense als Rechtsquelle nicht ausreicht und daß das OLG Düsseldorf durch Rechtsvergleichung das angelsächsische Institut der antisuit injunction hätte aufhellen sollen. Er weist nach, daß die elastische Handhabung fremder Rechtshängigkeit nach forum non conveniens-Gesichtspunkten395 im common law primär nicht der „Höherbewertung eigener Gerichtsbarkeit gegenüber fremder Gerichtsgewalt" diene. Es sei vielmehr „ein zur Deregulierung neigender Pragmatismus, der konkur393

Stürner, ZZP 109 (1996), 224.

394

Anders wäre es wohl auch nach Auffassung des OLG Düsseldorf, wenn die Prozeßführung im Vereinigten Königreich oder in einem dritten Staat verboten würde. 395

Danach wird - anders als nach Art. 21 EuGVÜ/LugÜ und nach autonomem deutschen IZPR (wo man bei positiver Anerkennungsprognose § 261 ZPO analog anwendet und deshalb eine Sachentscheidung im zweiten (zeitlich späteren) Verfahren blockiert ist) - das Prioritätsprinzip nicht strikt durchgesetzt. Es kann vielmehr zu einem Wettlauf zweier Prozesse im In- und Ausland kommen, O'Malley/Layton, Rn. 1.43.

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe

79

rierende Verfahren duldet, um dann in Mißbrauchsfällen die Notbremse der Antisuit Injunction zu ziehen." Auch das deutsche Recht lasse eine Klage auf Rücknahme einer Klage im Ausland zu. 396 Treffend ordnet Stürner auch die Zustellung ausländischer antisuit injunctions als Unterfall des „allgemeinen Problems" 397 ein, „das sich immer stellt, wenn ausländische Verfahren Titel erzeugen, die in Deutschland nicht oder allenfalls eingeschränkt anerkennungsfähig und vollstreckbar sind: Soll man bereits die Zustellung und Mitwirkung deutscher Behörden mit Hilfe des ordre public-Vorbehalts unterbinden oder soll man diesen Einwand für die Anerkennung und Vollstreckung aufsparen?" Stürner plädiert dafür, die Anerkennungskontrolle und -prognose nicht in das Zustellungsverfahren zu verlagern. „Eine Sperre schon gegen Zustellungen in geordneter und informativer Form ist selten oder nie sinnvoll." Dieses Argument ist überzeugend. Es spricht gegen die Lösung, die das OLG Düsseldorf gefunden hat. Denn durch die Verweigerung deutscher Zustellungshilfe wird dem sich in Deutschland aufhaltenden Adressaten nicht geholfen. 398 Seine Gerichtspflichtigkeit im Vereinigten Königreich wird im entschiedenen Fall durch die Verweigerung der deutschen Zustellungshilfe nicht abgeschwächt und deshalb seine prozessuale Position nicht verbessert. Insbesondere hängt - wie Stürner 599 nachgewiesen hat - die Verhängung von Zwangsmitteln wegen contempt of court nicht von der Durchführung bzw. Verweigerung der erbetenen deutschen Zustellung ab. Auch bei Erledigung des britischen Zustellungsersuchens können die deutschen Gerichte „frei" über ihre Zuständigkeit entscheiden. Auch die durch die antisuit injunction betroffene Partei kann aus deutscher Sicht das von ihr in Deutschland angestrengte Verfahren weiterführen. 400 Daß sie von britischer Seite unter Druck gesetzt wird, dieses abzubrechen, ist eine andere Sache. An dieser mißlichen Situation kann die Ablehnung der deutschen Zustellungshilfe nichts ändern.

396

RGZ 157, 136, 140.

397

Vgl. hierzu oben 2. Kapitel: G. V. l.(b) (S. 69).

398

Vgl. auch oben 2. Kapitel: F. II. 2. (S. 60).

399

Stürner, ZZP 109 (1996), 224, 231.

400

Eine Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der antisuit injunction scheitert nach Geimer schon daran, daß es sich um keine Sachentscheidung handelt. Nur solche fallen nach seiner Ansicht unter Art. 25 ff. EuGVÜ, Geimer, IZPR Rn. 1014, 2792; ZöllerIGeimer Art. 25 Rn. 6; anders die h.M., die auch Prozeßurteile unter Art. 25 EuGVÜ subsumiert, vgl. statt vieler Kropholler EuZPR Art. 25 Rn. 15 und Art. 26 Rn. 13; MünchKornrnZPO/Gomva/d Art. 26 EuGVÜ Rn. 4. Für grundsätzliche Anerkennungsfähigkeit von antisuit injunctions dezidiert Stürner, LZΡ 109 (1996), 224; differenzierend Gottwald, ZZP 103 (1990), 257, 267.

80

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

Aber auch wenn sich im konkreten Fall belegen läßt, daß die Verweigerung der deutschen Zustellungshilfe für den Adressaten nach dem Recht des Gerichtsstaates punktuell Vorteile bringt, muß eine Gesamtabwägung stattfinden. Denn die Verbesserung der taktischen Position des Zustellungsadressaten im ausländischen Verfahren kann eine Fülle von Nachteilen in anderer Hinsicht mit sich bringen. Selbst wenn per saldo die Ablehnung der deutschen Zustellungshilfe dem sich in Deutschland aufhaltenden Adressaten im ausländischen Verfahren nutzen würde, steht damit nicht fest, daß Deutschland sich auf den Vorbehalt des Art. 13 I HZÜ berufen kann. Deutschland ist auf Grund des HZÜ bzw. des deutsch-britischen Rechtshilfevertrages grundsätzlich verpflichtet, Zustellungsersuchen stattzugeben. Eine Ablehnung unter Hinweis auf die Vorbehaltsklausel kommt nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht. Selbst wenn die Zustellung der englischen Antisuit Injunction in Aid of Arbitration die prozessuale Situation des Zustellungsadressaten im englischen Verfahren verschlechtert, ist doch in Betracht zu ziehen, daß das Vereinigte Königreich zur Europäischen Union gehört, ein Land von hoher Rechtskultur ist, die zuzustellende englische Entscheidung nicht total konträr zur Rechtsidee ist und daher die deutsche Zustellungshilfe keineswegs einen Akt der Beihilfe zu völkerrechtswidrigem oder absolut unmoralischem Verfahren darstellt. 401 Schließlich ist - wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 7.12.1994 402 hervorgehoben hat - auch das allgemeine Interesse der Bundesrepublik Deutschland an einem Funktionieren des internationalen Rechshilfeverkehrs ein Grund, von der Vorbehaltsklausel nur sehr zurückhaltend Gebrauch zu machen. A l l diese Gesichtspunkte sprechen dafür, daß das OLG Düsseldorf mit seiner „Herr im eigenen Haus "-Argumentation zu kurz gegriffen hat und daß die von Stürner vorgetragene Kritik berechtigt ist. Dagegen hat Hau eingewandt, über Art. 13 I HZÜ seien auch die Menschenrechte zu wahren. Im Zusammenhang mit antisuit injunctions behauptet er eine Verletzung des Art. 6 I EMRK. Die mit erheblichen Sanktionsmöglichkeiten bewehrten antisuit injunctions würden den Justizgewährungsanspruch des Klägers einschränken. Dieses Argument ist zu pauschal; die Frage, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung bzw. Schiedsvereinbarung derogierende Kraft hat bzw., wie der Wettlauf zwischen zwei parallelen Verfahren zu entscheiden ist, sollte man nicht in den erhabenen Höhen der Freiheitsrechte ansiedeln. Es bleibt vielmehr dem Belieben der nationalen Gesetzgeber überlassen festzule-

401 Nur in solchen Extremfällen will z.B. Geimer, ZZP 103 (1990), 477, 490 die Vorbehaltsklausel der Rechtshilfeverträge einsetzen. 402

BVerfGE 91, 335 = NJW 1995, 649 = RIW 1995, 320 {Morisse 370) = IPRax 1996, 112 (Tomuschat 83) = EuZW 1995, 218 (Kronke 221) = JZ 1995, 716 (Stadler) = EWiR 1995, 161 (Geimer) = IPRspr. 1994 Nr. 160 b.

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe

81

gen, ob dem forum prorogatum (z.B. Art. 17 I 3 EuGVÜ/LugÜ) 403 bzw. dem Schiedsgericht eine Kompetenz-Kompetenz zukommt oder nicht. Im Kollisionsfall soll nicht die Rechtshilfebehörde den „Schiedsrichter" spielen. Vielmehr sind auch antisuit injunctions zuzustellen.404 (7) Subpoenas Für ausgehende Ersuchen bestmimt § 33 I I I ZRHO: „In Ladungen können zwar die prozessualen Nachteile hervorgehoben werden, die durch Ausbleiben im Termin unter Umständen entstehen; Strafen dürfen jedoch nicht angedroht werden." Dagegen sieht § 59 I V 4 ZRHO für ausländische Ersuchen um Zustellung einer subpoena405 keinen Grund, den rechtshilferechtlichen ordre public einzusetzen: „[...] werden in der Ladung Zwangsmaßnahmen oder Strafen angedroht, steht dies einer Erledigung des Ersuchens nicht entgegen. Der Empfänger ist jedoch darauf hinzuweisen, daß die Androhung der Zwangsmaßnahmen oder Strafen in der Bundesrepublik Deutschland nicht wirksam ist." Diese Wertung ist richtig. Bittet der Gerichtsstaat um Zustellungshilfe des Aufenthaltsstaates des Adressaten, dann können unbedenklich auch Anordnungen zugestellt werden, in denen der Gerichtsstaat eine Zwangsmaßnahme androht oder verhängt. Denn bei Beanspruchung aktiver Rechtshilfe veranlaßt der Aufenthaltsstaat, dessen Territorialhoheit in Frage steht, die Zustellung selbst. Der Gerichtsstaat kann also per definitionem die Souveränität des ersuchten Staats nicht verletzen. 406 e) EU-Zustellungsübereinkommen vom 26.5.1997 Das noch nicht in Kraft getretene Übereinkommen vom 26.5.1997 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union enthält keine Vorbehaltsklausel nach dem Vorbild des Art. 131 HZÜ. Damit entfällt die Möglichkeit für den ersuchten EU-Staat, die Durchführung der erbetenen Zustellung unter Hinweis auf die Gefährdung seiner Sicherheit oder seiner Hoheitsrechte abzulehnen. Da der Text des neuen Übereinkommens bewußt abweichend von den für Zustellungsübereinkommen bisher üblichen Mustern 403

Geimer/Schütze,

404

Schlosser, EuGVÜ-Kommentar Art. 13 HZÜ Rn. 2.

EuZVR Art. 17 Rn. 224.

405

Hiervon zu unterscheiden ist die Übersendung von subpoena-Ladungen unmittelbar durch die Post (ohne Einschaltung der Rechtshilfebehörden des Aufenthaltsstaates des Zustellungsadressaten). Hierzu unten 7. Kapitel Q. II. (S. 290). 406

Enger Schabenberger, S. 169.

82

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

formuliert ist, kann man in ihn auch keinen konkludenten Vorbehalt hineininterpretieren. Das Übereinkommen vom 26.5.1997 ist nicht etwa nur ergänzende Vereinbarung, sondern eine geschlossene Kodifikation. Sie schließt den Rückgriff auf Art. 13 HZÜ bzw. Art. 3 (f) des deutsch-britischen Rechtshilfevertrages bzw. Art. 4 des deutsch-griechischen Rechtshilfevertrages aus. Im neuen Übereinkommen findet sich - außer in der Präambel und in Art. 19 - kein Hinweis auf das HZÜ. Auch die Regelungsdichte des neuen Übereinkommens spricht dafür, daß es das HZÜ im Verhältnis der EU-Staaten untereinander in toto überlagern soll. Zudem hebt Art. 20 hervor, daß bestehende Übereinkünfte nur insoweit unberührt bleiben, als sie die Voraussetzungen des Art. K.7 des Vertrags über die Europäische Union erfüllen, also die Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten noch enger gestalten als im Übereinkommen vom 26.5.1997 vorgesehen. 407 Dies unterstreicht auch der Erläuternde Bericht sehr deutlich: „Das neue Übereinkommen findet alleinige Anwendung in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten der Union, sofern nicht bestehende oder künftige Übereinkünfte zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine engere Zusammenarbeit zwischen diesen Staaten nach Art. K.7 des Vertrags über die Europäische Union ermöglichen." 408 „Aus Artikel 20 in Verbindung mit Artikel 1 ergibt sich im übrigen, daß in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten, die dieses Übereinkommen ratifiziert haben, keine andere Übereinkunft oder Vereinbarung angewandt werden darf. Insbesondere ersetzt dieses Übereinkommen in den Beziehungen zwischen den ihm angehörenden Mitgliedstaaten im Bereich der Zustellung von Schriftstücken die Haager Übereinkommen von 1954 und 1965. Wenn also in der selben Rechtssache mehrere Übermittlungen von Schriftstükken vorzunehmen sind, die teils an Mitgliedstaaten der Europäischen Union und teils an andere Staaten gerichtet sind, finden auf die an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union gerichteten Schriftstücke nur die Vorschriften des vorliegenden Übereinkommens oder der unter Artikel 20 fallenden Übereinkünfte oder Vereinbarungen Anwendung. Schriftstücke, die in der gleichen Rechtssache in einem nicht der Union angehörenden Staat zuzustellen sind, werden da-

407 Art. K.7 lautet in seiner ursprünglichen (vom Amsterdamer Vertrag vom 2.10.1997 veränderten) Maastrichter Fassung, auf die das Übereinkommen vom 26.5.1997 Bezug nimmt: „Dieser Titel [„Bestimmungen über die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres"] steht der Begründung oder der Entwicklung einer engeren Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten nicht entgegen, soweit sie der nach diesem Titel vorgesehenen Zusammenarbeit nicht zuwiderläuft oder diese nicht behindert." 408

Erläuternder Bericht Abi.EG Nr. C 261 vom 27.8.1997, S. 27.

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe

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gegen natürlich gemäß den mit diesem Staat bestehenden Übereinkünften übermittelt" 409 f) Ablehnungsgründe außerhalb des rechtshilferechtlichen ordre public Inzident ergibt sich ein Ablehnungsgrund aus Art. 5 I b HZÜ: Der Zentralen Behörde des ersuchten Staates steht ein Ablehnungsrecht zu, wenn die ersuchende Behörde eine Zustellungsform wünscht, die mit dem Recht des ersuchten Staates nicht vereinbar ist. 410 Dies ist aber kein Fall des rechtshilferechtlichen ordre public, ebensowenig wie die Konstellation, daß die ersuchte Behörde ein Zustellungsersuchen ablehnt, weil es sich nicht um eine Zivil- oder Handelssache handele und daher der sachliche Anwendungsbereich der Konvention nach Art. 1 HZÜ nicht eröffnet sei. 411 Bloß formelle Beanstandungen führen nicht zu einer Ablehnung, sondern zur unverzüglichen Unterrichtung des Absenders, damit dieser den Antrag korrigieren oder ergänzen kann. 412 Enthält das zuzustellende Schriftstück eine Ladung zu einem Termin, und kann die Erledigung des Zustellungsersuchens erst nach Ablauf desselben durchgeführt werden, so ist dies kein Grund, die Erledigung des Zustellungsersuchens zu verweigern. 413 Denn in aller Regel wird nach autonomem Recht der Termin verschoben; dies empfiehlt sich schon im Hinblick auf Art. 15 I HZÜ. 2. Ablehnung außerhalb des Anwendungsbereichs der völkerrechtlichen Verträge Außerhalb des Anwendungsbereichs der völkerrechtlichen Verträge besteht keine völkerrechtliche Verpflichtung zur Zustellungshilfe. Auch innerstaatlich gibt es in Deutschland hierfür keine gesetzliche Grundlage. 414 § 3 I Nr. 2 ZRHO sieht die Erledigung eingehender Ersuchen auf Grund „gegenseitigen Entgegenkommens" vor. Doch wird dieses Erfordernis in der Praxis nicht streng gehandhabt. Eine Verbürgung der Gegenseitigkeit in dem „kompakten" Sinn, wie sie § 328 I Nr. 5 ZPO verlangt, ist nicht erforderlich.

409

Erläuternder Bericht a.a.O., S. 36.

4,0

Pfeil-Kammerer, S. 141 f.; Wiehe, S. 36. Einschlägige Fälle sind in der Praxis nicht bekannt geworden. Sie dürften sehr selten sein. 411

Hollmann, RIW 1982, 784, 789; Koch, IPRax 1985, 245, 246.

412

Wiehe, S. 36; Koch, IPRax 1985, 245, 246.

413

Möller in Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes et Documents de la Quatorzième session 6 au 25 octobre 1980, Tome IV: Entraide judiciaire/Judicial co-operation, S. 280, 283; vgl. auch § 59 IV ZRHO. 414

Geimer, IZPR Rn. 2151.

84

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts 3. Ergebnis

Ersuchen um Zustellungshilfe werden in Deutschland in nahezu allen Fällen 415 entsprochen. Ablehnungen unter Berufung auf den rechtshilferechtlichen ordre public sind extrem selten. Da fragt es sich, ob der mit der deutschen Zustellungshilfe verbundene nicht unerhebliche Aufwand sinnvoll ist und ob es nicht ratsam erscheint, die (aus deutscher Sicht keine Kosten verursachende) Zulassung von Direktzustellungen vorzuziehen.

V I . Sprache des Rechtshilfeverfahrens Wenn ein Staat einen anderen um Zustellungshilfe ersucht, gebietet es die Höflichkeit, daß er dies in der Amtssprache des ersuchten Staates tut, zumindest aber eine Übersetzung in dieser Sprache beifügt. 416 Dieser Punkt ist weder im HZPÜ noch im H Z Ü 4 1 7 ausdrücklich angesprochen, nur in Art. 4 I HBÜ findet sich eine Vorschrift zu diesem Thema. Der Versuch den Rechtshilfeverkehr in den Weltsprachen Englisch, Französisch, Spanisch oder Russisch abzuwickeln, um zeitraubende Übersetzungen in weniger verbreitete Sprachen zu erübrigen, 418 dürfte gescheitert sein. 419 V I I . Zustellungszeugnis Neben der Übergabe bzw. dem Übergabeversuch war nach deutschem Recht die Beurkundung dieses Vorgangs der zweite konstitutive Bestandteil der Zustellung. 420 Dieser soll nach der Reform des Zustellungsrechts entfallen. 421 Die Zustellungsurkunde ist in Deutschland auch nach der Privatisierung der Bundespost im Hinblick auf die öffentlich-rechtliche Beleihung der Deutsche

4,5 Anders für antisuit injunctions OLG Düsseldorf RIW 1996, 237 (oben Fn. 392) und für Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse an einen sich in Deutschland aufhaltenden Drittschuldner und einstweilige Verfügungen § 59 III Nr. 1 ZRHO. 416

Gottwald in Habscheid/Beys, S. 41.

417

Siehe aber (indirekt ) Art. 7 HZÜ. Hierzu Volken, Rn. 2.104 (S. 63).

418

Vgl. Art. 4 II HBÜ; Gottwald in Habscheid/Beys, S. 42 Fn. 93 m.w.N.

419

Siehe auch § 9 AusfG-HZÜ/HBÜ (insoweit nur das HBÜ betreffend).

420

Rosenberg/Schwab/Gottwald § 75 II 1 c (1) S. 412; Kondring, S. 35. Ähnlich aus schweizerischer Sicht Bischof, S. 6: „Die Zustellung stellt einen formalisierten Mitteilungsmodus dar." 421 Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz), S. 75: „Die Beurkundung hat keine konstitutive Wirkung; sie ist nicht Teil der Zustellung. Sie dient dem Nachweis der Zustellung." Vgl. auch a.a.O., S. 39.

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe

85

Post AG durch § 33 I 2 des neuen PostG vom 22.12.1997 422 eine öffentliche Urkunde i.S.d. §418 ZPO, 423 zumindest dieser durch § 195 I I 3 ZPO n.F. gleichgestellt.424 Sie bezeugt nicht nur Ort und Zeit der Zustellung, sondern auch, daß die Zustellung den Vorschriften der ZPO konform vorgenommen worden ist. Form und Inhalt der Zustellungsurkunde sind im Gesetz genau vorgeschrieben. 425 Nach dem 31.12.2002 (§ 51 PostG, 426 vgl. Art. 143 b I I GG) 422

BGBl. 1997 I, S. 3294. Hierzu die amtliche Begründung (BT-Drucksache 13/7774, S. 28): „Um die nach der derzeitigen Rechtslage erforderliche öffentliche Beurkundung vornehmen zu können, muß das beauftragte Unternehmen mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet sein und ist in diesem Umfang beliehener Unternehmer." Danach ist - sofern man hier nicht eine untrennbare Einheit sehen will - also der eigentliche Zustellungsvorgang (Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks bzw. Übergabeversuch) nicht hoheitlich zu qualifizieren, sondern nur die Beurkundung des Vorgangs. Vgl. zur Rechtslage vor Privatisierung der Post Gottwald in Habscheid/Beys, S. 21: „Das deutsche Recht sieht in der Beurkundung der Zustellung einer Klage stets einen Hoheitsakt." Bis zum 31.12.1997 galt § 16 des alten PostG (unten Fn. 427). Danach handelte die Deutsche Post AG schon bisher als beliehener Unternehmer bei der Zustellung hoheitlich, vgl. auch Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums, S. 63 f. 423 BGH NJW 1998, 1716; OLG Frankfurt/Main NJW 1996, 3159; BFH ZIP 1997, 2012; LG Bonn FamRZ 1998, 172 = DGVZ 1997, 88 = ZIP 1998, 401; kritisch hierzu Späth NJW 1997, 2155, Löwe/Löwe ZIP 1997, 2002 sowie VG Frankfurt/Main NJW 1997, 3329. Die von Mitarbeitern der Deutschen Post AG (Zustellern) aufgenommenen Postzustellungsurkunden seien nur Privaturkunden. Sie erbrächten daher keinen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. Die Exklusivbeleihung der Deutsche Post AG durch § 16 PostG i.d.F. des Art. 6 Nr. 13 des Gesetzes zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz) vom 14.9.1994 (BGBl. 1994 I, S. 2325) war bis 31.12.1997 befristet (ungenau Seitmann, AnwBl. 1996, 403); § 51 des neuen PostG vom 22.12.1997 (BGBl. I, S. 3294) bringt nun aber eine Verlängerung bis zum 31.12.2002. Danach sind nach Maßgabe des § 33 PostG auch andere (lizenzierte) Postuntemehmen mit dem Recht und der Pflicht zur förmlichen Zustellung beliehen. Nach Art. 87 f II GG wird die postalische Infrastruktur (flächendeckende angemessene und ausreichende Dienstleistungen im Bereich des Postwesens) durch die Deutsche Post AG und andere private Anbieter erbracht. Diese bedürfen einer Lizenz nach § 5 PostG. Zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen der Beleihung Basedow/Donath/Schmidt, Postagenturen - Wirtschaftsrechtliche Rahmenbedingungen des Angebots von Postschalterleistungen durch Private in Basedow, Das neue Wirtschaftsrecht der Postdienste - Postagenturen, Postmärkte und Postmonopol in deutscher und europäischer Perspektiv e ^ . 1,31 f.: Bei der Erledigung von Postzustellungsaufträgen nimmt die Post AG. (früher Deutsche Bundespost) „postfremde, nämlich staatliche Aufgaben wahr". Die „förmliche Zustellung nach den Vorschriften der Prozeßordnungen und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln," ist nunmehr in §§33 ff. PostG normiert. Hierzu auch Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums eines Zustellreformgesetzes, S. 27 sowie Grämlich, NJW 1998, 866, 867 bei Fn. 25. 424 Durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung und anderer Gesetze vom 18. 2. 1998 (BGBl. I, S. 866) wurde dem § 195 II ZPO folgender Satz angefügt: „Für Zustellungen der Bediensteten der Deutschen Post AG gilt § 418 entsprechend." 425 Amtszustellung: §§12, 195 I ZPO; Parteizustellung: §§ 190, 191, 195 II ZPO. Künftig: § 189, 190 ZPO-Ε. Hierzu Diskussionsentwurf, S. 75 f. 426

Neues PostG vom 22.12.1997 (BGBl. I, S. 3294).

86

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

können und müssen künftig auch andere private Anbieter, die eine Lizenz für Briefsendungen haben, öffentliche Beurkundungen über den Zustellungsverlauf vornehmen. Denn § 33 PostG bestimmt: 427 „Verpflichtung zur förmlichen Zustellung „(1) Ein Lizenznehmer, der Briefzustelldienstleistungen erbringt, ist verpflichtet, Schriftstücke unabhängig von ihrem Gewicht nach den Vorschriften der Prozeßordnungen und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln, förmlich zuzustellen. Im Umfang dieser Verpflichtung ist der Lizenznehmer mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet (beliehener Unternehmer). (2) Die Regulierungsbehörde hat den verpflichteten Lizenznehmer auf dessen Antrag von der Verpflichtung nach Absatz 1 zu befreien, soweit der Lizenznehmer nicht marktbeherrschend ist. Die Befreiung ist ausgeschlossen, wenn hierdurch die förmliche Zustellung nach Absatz 1 nicht mehr flächendeckend gewährleistet wäre. Die Befreiung kann widerrufen werden, wenn der Lizenznehmer marktbeherrschend wird oder die Voraussetzung des Satzes 2 vorliegt. Der Antrag auf Befreiung kann mit dem Antrag auf Erteilung der Lizenz verbunden werden." Die Vorschriften der ZPO über die Erstellung einer Zustellungsurkunde kommen auch dann zum Zuge, wenn die deutschen Rechtshilfebehörden (Zentrale Behörde oder Amtsgericht) auf Grund eines ausländischen Ersuchens nach den Vorschriften der ZPO förmlich zustellen. 428 Wird dagegen auf deutsches Ersuchen (§ 199 ZPO) im Ausland förmlich zugestellt, so gelten nicht die Vorschriften der ZPO, sondern die Parallelvorschriften des ausländischen Zustellungsrechts nicht nur für den Zustellungsvorgang als solchen, 429 sondern auch für die Erstellung eines Zustellungszeugnisses.430 Unabhängig von den nationalen Normen über Zustellungsnachweise431 stipulieren die Haager Übereinkommen eigene Regeln über den Nachweis der 427

§ 16 PostG a.F. lautete: „Das Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost POSTDIENST wird mit dem Recht beliehen, Schriftstücke nach den Regeln des Prozeß- und Verfahrensrechts förmlich zustellen zu können." 428

Hierzu oben 2. Kapitel: Ε. II. 4. (S. 55).

429

So können z.B. die ausländischen Vorschriften über die Ersatzzustellung von den deutschen divergieren. Viel enger als das deutsche ist z.B. das englische Recht. Vgl. oben S. 50. 430 Auch im Fall der Zustellung durch den deutschen Konsul gelten fur das Zustellungszeugnis des Konsuls nicht die Vorschriften der ZPO. § 16 S. 2 des Konsulargesetzes vom 11.9.1974 (BGBl. I S. 2317) verweist nicht auf die ZPO. Maßgebend für den Dienstgebrauch ist Muster Nr. 2008 der „Rechts- und Konsularvordrucke des Auswärtigen Amts", abgedruckt auch bei Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, 800.7 Fn. 11. Auf welche Weise die Zustellung durchgeführt worden ist, wird nicht vermerkt. Zu den Einzelheiten Hecker Rn. D 127 (S. 407). 431 Siehe z.B. Art. 148 II Codice di Procedura Civile. Im Zustellungsbericht (relazione di notificazione) sind der Name und die Eigenschaft der Person, der die Abschrift übergeben worden ist, der Ort der Übergabe sowie die sonst vom Gerichtsvollzieher

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe

87

Zustellung in Art. 5 HZPÜ und in Art. 6 HZÜ. 4 3 2 Desgleichen ist nach Art. 10 des noch nicht in Kraft getretenen Übereinkommens vom 26.5.1997 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Bescheinigung über die Zustellung nach einem Formblatt zu erteilen.

V I I I . Amtshaftung 1. Rechtswidriges

Handeln der deutschen Rechtshilfebehörden

Rechtswidriges Handeln der deutschen Rechtshilfebehörden stellt eine Amtspflichtverletzung dar und kann Schadensersatzansprüche nach Art. 34 GG, § 839 BGB auslösen. Dies gilt sowohl bei Durchführung der vom Ausland beantragten Zustellung, z.B. wenn diese ohne gesetzliche Grundlage erfolgt, als auch bei Verzögerung oder Verweigerung der Zustellung. 433 2. Kein Haftungsprivileg

nach § 839 II BGB

Da die Durchführung der Zustellung keine richterliche Aufgabe (Art. 97 GG) ist, 434 kommt § 839 I I BGB nicht zum Zuge. 435 3. Einlegung von Rechtsmitteln als Obliegenheit zur Schadensabwendung Allerdings trifft den Geschädigten die Obliegenheit zur Schadensabwendung durch Einlegung von Rechtsmitteln gem. § 839 I I I BGB; er muß gegen die Bewilligung bzw. Ablehnung des ausländischen Zustellungsersuchens erfolglos Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§23 ff. EGGVG gestellt haben. Hat aber das Oberlandesgericht in diesem Verfahren die Entscheidung der Justizverwaltung bestätigt, dann ist das mit der Schadensersatzklage wegen Amtspflichtverletzung befaßte Zivilgericht an die im Verfahren nach §§23 ff. EGGVG ergangene Feststellung der Rechtmäßigkeit gebunden. Es kann - auch vorfragenweise - kein rechtswidriges Handeln annehmen.436

allenfalls auch beim Meldeamt angestellten Erhebungen, die Gründe der unterbliebenen Übergabe (motivi della mancata consegna) und die zur Auffindung des Adressaten angestellten Erkundigungen anzugeben. Zum US-Recht Wiehe, S. 90. 432

Ausführlich Pfennig, S. 82.

433

Merkt, S. 121, 186.

434

Pfennig, S. 48; Kondring, S. 78; Wiehe, S. 39.

435

Merkt, S. 121.

436

Ρ a\andt/Thomas § 839 Rn. 86.

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

88

4. Erfordernis

der Verbürgung der Gegenseitigkeit

Zudem haben Ausländer nur bei Verbürgung der Gegenseitigkeit Amtshaftungsansprüche nach § 7 des Gesetzes über die Haftung des Reichs für seine Beamten (RBHaftG) vom 22.5.1910 437 und den Parallelregelungen in den Ländergesetzen. 438 Dieses Gegenseitigkeitserfordernis wird zwar von der Literatur attackiert, aber vom Bundesverfassungsgericht für verfassungskonform gehalten. 439 Auch bejaht man die Vereinbarkeit mit EU-Recht. 440 5. Haftung der Deutsche Post AG und sonstiger Lizenznehmer nach Amtshaftungsrecht Im Hinblick auf die öffentlich-rechtliche Beleihung der Deutsche Post AG und künftig auch anderer Lizenznehmer 441 ist die einschlägige Haftungsnorm dem Amtshaftungsrecht angepaßt. Das neue Gesetz vom 22.12.1997 442 bestimmt in § 35 PostG: „Haftung bei der Durchführung derförmlichen Zustellung Für Schäden, die durch eine Pflichtverletzung bei der Durchführung der förmlichen Zustellung entstehen, haftet der verpflichtete Lizenznehmer nach den Vorschriften über die Schadensersatzpflicht eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn für seine Bediensteten im hoheitlichen Bereich." Vor dem 1.1.1998 galt inhaltlich das gleiche gem. § 16 I I des Gesetzes über das Postwesen i.d.F. des Art. 6 Nr. 13 c) des Gesetzes zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz) vom 14.9.1994:443 Danach haftete die Deutsche Post AG als Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost POSTDIENST „dem Auftraggeber oder Zustellungsempfanger bei Postzustellungsaufträgen für Schäden, die bei der Durchführung der förmlichen Zustellung entstehen, nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften über die Schadensersatzpflicht des Dienstherrn für Amtspflichtverletzungen seiner Beschäftigten."

437

RGBl. 1910, S. 798.

438

Z.B. Art. 60 II BayAGBGB; Art. 80 HessAGBGB; Art. 188 WürttAGBGB.

439

BVerfG NJW 1991, 2757; zustimmend VùmàxJ Thomas § 839 Rn. 5; Soergel12/ Lüderitz Art. 38 Rn. 72. 440

BGH VersR 1988, 1047 = IPRspr. 1988 Nr. 39. A.A. von Bar, IPR II Rn. 686.

441

Vgl. oben S. 85.

442

BGBl. 1997 I, S. 3294.

443

BGBL 1994 I, S. 2325, 2368, 2370.

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe

89

IX. Notwendigkeit einer Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks 1. Übersetzungserfordernis

bei eingehenden Ersuchen

a) Förmliche Zustellung Nach Art. 3 I I HZPÜ (1905 und 1954) muß das zuzustellende Schriftstück, um förmlich zugestellt werden zu können, 444 stets in der Sprache der ersuchten Behörde oder in der zwischen den beiden beteiligten Staaten vereinbarten Sprache abgefaßt oder von einer Übersetzung in eine dieser Sprachen begleitet sein. Dagegen ist im Rahmen des HZÜ eine Übersetzung für förmliche Zustellungen nicht automatisch und zwingend erforderlich. Nach Art. 5 I I I HZÜ 4 4 5 kann die Zentrale Behörde des ersuchten Staates bei einem auf förmliche Zustellung gerichteten Zustellungsersuchen verlangen, daß das Schriftstück in der Amtssprache 446 oder einer der Amtssprachen des ersuchten Staates abgefaßt oder in diese (fehlerfrei 447 ) übersetzt ist. 448 Das HZÜ hält es für die Wahrung des Anspruchs des Zustellungsadressaten auf rechtliches Gehör nicht für zwingend erforderlich, daß das zuzustellende Schriftstück in der Sprache des Aufenthaltsstaates abgefaßt ist bzw. ihm eine Übersetzung in diese Sprache beigefügt ist. Es genügt vielmehr nach Art. 5 IV HZÜ, wenn dem Empfänger zusammen mit dem fremdsprachigen Schriftstück ein sog. „ summary of the document to be served " ausgehändigt bzw. übersandt wird. Dieses hat nach dem dem HZÜ beigefügten Muster 449 den wesentlichen Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks wiederzugeben. Es ist nach Maßgabe von Art. 7 I I HZÜ in englischer oder französischer Sprache oder in der Sprache des ersuchten Staates auszufüllen. Kann der Zustellungsempfänger die Angaben in englischer oder französischer Sprache nicht verstehen, oder reichen die Angaben nicht aus, um seine Prozeßführung im ersuchenden Staat vorzubereiten, so muß er selbst für die

444 Zum Unterschied von förmlicher und formloser Zustellung oben 2. Kapitel: G. IV. (S. 65). 445

Vgl. die Parallelvorschriften der Artikel 2 und 3 HZPÜ.

446

Es kommt also nicht darauf an, ob dies eine Sprache ist, die der Zustellungsadressat versteht. 447

Kondring, S. 180; Braun, S. 147.

448

Das sich aus Art. 5 III HZÜ ergebende Ablehnungsrecht der Zentralen Behörde wegen des Fehlens einer Übersetzung bezieht sich auch auf die Fälle, in denen die Zustellung in einer von der ersuchenden Stelle gewünschten Form (vgl. Art. 5 I lit. b HZÜ) erfolgen soll. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Art. 5 III HZÜ, der auf den gesamten Art. 5 I HZÜ verweist. Wiehe, S. 34; a.A. Born, S. 803. 449

Abgedruckt bei Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze,

351.45.

90

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

vollständige Übersetzung des Schriftstücks sorgen. 450 Damit soll nach den Worten des Berichterstatters der Dritten Kommission der X. Haager Konferenz 451 „die Bürde in gerechter und vernünftiger Weise auf den Kläger und den Beklagten verteilt werden." 452 Das HZÜ überläßt es den Zentralen Behörden, zu fordern, daß die Schriftstücke in der Amtssprache des ersuchten Staates abgefaßt oder von einer Übersetzung in diese Sprache begleitet sein sollen. Dies könnte von Fall zu Fall geschehen.453 Deutschland verlangt allerdings stets eine vollständige Übersetzung bei eingehenden Zustellungsersuchen. 454 Deutschland hat erklärt, daß Schriftstücke in einer fremden Sprache grundsätzlich nicht förmlich zugestellt werden können. 455 Zur Begründung führt die deutsche Denkschrift zum HZÜ und HBÜ 4 5 6 an:

450

Pfeil-Kammerer,

S. 102.

451

Taborda Ferreira, Rapport explicatif in Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes et Documents de la Dixième Session 7 au 28 octobre 1964, Tome III: Notification, S. 363, 370: „On a de cette façon établi une division équitable et raisonable des charges de traduction entre le demandeur et le défendeur. Cette solution facilite les procédures. Elle évite la charge de la traduction quand elle n'est pas indispensable, en prenant cependant les mesures nécessaires pour que le défendeur puisse prendre connaissance de Γ essentiel de l'acte qui lui est remis." 452

Die „Summary-Lösung" findet sich z.B. auch im Sozialrecht der Europäischen Union: Nach Art. 48 I der Verordnung Nr. 574/72 vom 21.3.1972 (Abi.EWG 1972 L 74/1) ist dem Antragsteller eine in dessen Sprache abgefaßte „zusammengefaßte Mitteilung" zuzustellen. Ebenso genügt nach Art. 52 II des Zweiten Schengener Übereinkommens vom 19.6.1990 eine Übersetzung der „wesentlichen Passagen". 453

So z.B. die Praxis der norwegischen Zentralen Behörde. Nach norwegischem Recht kann eine förmliche Zustellung auch stattfinden, wenn die Zentrale Behörde davon überzeugt ist, daß der Zustellungsadressat über ausreichende Sprachkenntnisse verfugt, das zuzustellende Schriftstück zu verstehen. Vgl. Practical Handbook, S. 91. Ähnlich auch die finnische Praxis (hierzu Kondring, S. 280) und kanadische Praxis (hierzu Practical Handbook, S. 61). 454 Details in § 60 ZRHO. Bei ausgehenden Rechtshilfeersuchen auf förmliche Zustellung ist dem zuzustellenden Schriftstück nach § 25 I ZRHO stets eine Übersetzung beizufügen. 455 Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 21.6.1979 (BGBl. 1979 II, S. 779). Eine entsprechende generelle Erklärung haben Antigua und Barbuda (BGBl. 1987 II, S. 613), Botsuana (BGBl. 1980 II, S. 907), Kanada (BGBl. 1989 II, S. 807), Luxemburg (BGBl. 1980 II, S. 907), Schweden (BGBl. 1980 II, S. 907) und das Vereinigte Königreich (BGBl. 1980 II, S. 907) abgegeben, vgl. Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, 351.6 Fn. 5. Die zu Art. 5 III HZÜ abgegebenen Erklärungen haben vertragsmodifizierenden Charakter und binden folglich die Vertragsparteien des HZÜ völkerrechtlich; hierzu Kondring, S. 282; Braun, S. 148. Für die Bundesrepublik Deutschland gelten folgende Ausnahmen von der generellen Erklärung (vgl. Art. 20 lit. b HZÜ): Nach Art. 3 III der deutschbelgischen Vereinbarung vom 25.4.1959 zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 (BGBl. 1959 II, S. 1524) schafft

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe

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„Eine Zustellung erfüllt nur dann ihren Zweck, wenn sie in einer Weise geschieht, daß der Empfänger von ihr Kenntnis nehmen kann, also eine Sprache verwendet wird, die der Empfänger verstehen kann. Es kann nicht damit gerechnet werden, daß auch nur ein Teil der Zustellungsempfänger, die in der Bundesrepublik Deutschland leben, bei dem großen Kreis der Vertragsstaaten ein Schriftstück mit juristischem Text in der Sprache des ersuchenden Staates verstehen kann. Der Empfänger kann damit in der Regel nur Kenntnis nehmen, wenn das Schriftstück übersetzt ist oder von ihm eine Übersetzung besorgt wird. Dem Zustellungsempfänger kann die Beschaffung der Übersetzung schon aus Kosten- und Zeitgründen nicht zugemutet werden. Die Anfertigung umfangreicher Übersetzungen ist mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Ein Privatmann wird auch fast immer Mühe haben, in kurzer Zeit einen geeigneten Übersetzer zu finden. [...] Nicht selten verzögert sich die Erledigung durch Überlastung, Krankheit oder andere Verhinderungen des Übersetzers, auf die der Zustellungsempfänger keinen Einfluß hat. In vielen Fällen wird daher der Zustellungsempfänger innerhalb der ihm zugebilligten Einlassungsfrist nicht einmal Kenntnis von dem Schriftstück erhalten, geschweige denn seine Verteidigung vorbereiten können. Schließlich muß auch damit gerechnet werden, daß im Falle des Obsiegens des Beklagten die Frage der Erstattung der Übersetzungskosten Schwierigkeiten bereitet. Aus den angeführten Gründen wäre es unvermeidlich, die zuzustellenden Schriftstücke bei der Zentralen Behörde übersetzen zu lassen. Die Erledigung der Zustellungsersuchen würde sich auch dadurch wesentlich verzögern und die Stellung des Beklagten könnte sich durch diese Verzögerung verschlechtem, da nach der in Artikel 15, 16 des Übereinkommens über die Zustellung vorgesehenen Regelung im ersuchenden Staat möglicherweise schon dann eine Versäumnisentscheidung gegen ihn erlassen werden kann, wenn seit der Absendung des Schriftstücks durch den ersuchenden Staat sechs Monate vergangen sind. Die im Formblatt für die Zustellung vorgesehene zusammenfassende Angabe des Streitgegenstandes kann allenfalls für den ersuchten Staat die Prüfung der Zulässigkeit der Rechtshilfe erleichtem, für den Zustellungsempfänger aber kann sie eine vollständige Übersetzung der zuzustellenden Schriftstücke nicht ersetzen, zumal das Formular in englischer oder französischer Sprache oder in der Sprache des ersuchenden Staates abgefaßt ist und in Englisch oder in Französisch ausgefüllt sein kann. Selbst wenn der Empfänger die Sprache, in der das Formular ausgefüllt ist, versteht, muß damit gerechnet werden, daß das Formu-

die ersuchte Behörde eine Übersetzung bei, wenn die ersuchende Behörde ihrem Antrag eine solche nicht beigefügt hat. Gleiches gilt gem. Art. 3 II der deutsch-dänischen Vereinbarung vom 1.6.1910 zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs in der Fassung der Vereinbarung vom 6.1.1932 (RGBl. 1910, S. 73 und 1932 II, S. 20); Art. 3 II der deutsch-französischen Vereinbarung vom 6.5.1961 zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 über den Zivilprozeß (BGBl. 1961 II, S. 1040); Art. 3 III des deutsch-niederländischen Vertrags zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 über den Zivilprozeß vom 30.8.1962 (BGBl. 1964 II, S. 468); Art. 3 III der deutsch-norwegischen Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs nach dem Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß vom 17.6.1977 (BGBl. 1979 II, S. 1292). 456

BT-Drucksache 8/217, S. 44.

92

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts lar nur stichwortartige Angaben enthält, die es dem Zustellungsempfänger nicht ermöglichen, seine Einlassung auf den Rechtsstreit vorzubereiten. Den Zentralen Behörden kann auch nicht die Aufgabe übertragen werden, in jedem Fall, in dem ein Schriftstück in einer fremden Sprache zugestellt werden soll, zu prüfen, ob der Empfänger diese Sprache so ausreichend versteht, daß die Zustellung gegen den Willen des Empfängers durchgeführt werden kann, ohne seinen Rechtsschutz zu beeinträchtigen. Damit jeder Staat Nachteile aus dieser Regelung fur einen in seinem Gebiet wohnenden Zustellungsempfänger vermeiden kann, gibt Artikel 5 Abs. 3 des Übereinkommens über die Zustellung der Zentralen Behörde die Befugnis zu verlangen, daß das zuzustellende Schriftstück, wenn es förmlich zugestellt werden soll, in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des ersuchten Staates abgefaßt oder in diese übersetzt sein muß. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß eine solche Übersetzung in allen Fällen für die förmliche Zustellung in der Bundesrepublik Deutschland verlangt werden muß. Es soll also nicht im Einzelfall von der Zentralen Behörde entschieden werden, ob die förmliche Zustellung eines Schriftstückes zulässig ist, obwohl es nur in einer fremden Sprache vorliegt."

Nur bei der förmlichen Zustellung ist eine Zustellung auch gegen den Willen des Zustellungsadressaten nach Maßgabe des Rechtes des ersuchten Staates möglich. Auf förmliche Zustellung gerichtete Ersuchen, die bei deutschen Zentralen Behörden eingehen, müssen auch dann Übersetzungen beiliegen, wenn im konkreten Fall der Adressat die Sprache, in der das zuzustellende Schriftstück abgefaßt ist, versteht. Dies ergibt sich allerdings ausschließlich aus dem Umstand, daß das in Art. 5 I I I vorgesehene Ermessen einer deutschen Zentralen Behörde bezüglich der Frage, ob sie trotz fehlender Übersetzung eine förmliche Zustellung durchführt, auf Grund des § 3 des AusfG-HZÜ/HBÜ auf Null reduziert ist. 457 Beispiel: Einem Franzosen in Regensburg soll ein in französischer Sprache abgefaßter Schriftsatz zugestellt werden. Die Mehrzahl der Vertragsstaaten des HZÜ hat - anders als die Bundesrepublik Deutschland - auf eine förmlich notifizierte Erklärung verzichtet, wonach bei eingehenden auf förmliche Zustellung gerichteten Zustellungsersuchen stets eine Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks beizuliegen hat. Zu beachten ist jedoch, daß das autonome Zustellungsrecht der meisten Staaten für die Wirksamkeit der Zustellung eine vollständige Übersetzung verlangt, wenn der Zustellungsadressat (wegen des Fehlens einer Übersetzung) nicht annahmebereit ist. 458 Im Ergebnis kommt auch in diesen Staaten bei Fehlen einer vollständigen Übersetzung nur die formlose Zustellung in Betracht.

457 458

Kondring, S. 135; a.A. Stade, NJW 1993, 184, 185.

So ist die Rechtslage z.B. in Belgien (54), China (64), Dänemark (68), Frankreich (73), Japan (84) und Kanada (61). In Klammern der Fundstellennachweis im Practical Handbook.

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe

93

Manche Staaten - wie z.B. die Vereinigten Staaten von Amerika 459 - kennen nur die förmliche Zustellung. 460 Deshalb verlangt das US-Department of Justice wegen der mit der förmlichen Zustellung verbundenen Zwangswirkung regelmäßig eine Übersetzung. Es besteht allerdings nicht auf einer vollständigen Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks. Ausreichend ist, daß das gem. Art. 5 IV HZÜ dem Zustellungsadressaten zu übergebene Formular, das den wesentlichen Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks wiedergibt („summary of the document to be served"), in englischer Sprache ausgefüllt ist. 461 b) Formlose Zustellung Ein nicht übersetztes Schriftstück kann nur formlos zugestellt werden. 462 Dies setzt die Annahmebereitschaft des Zustellungsadressaten bzw. seiner Vertreter voraus. Dem Zustellungsadressat wird die Möglichkeit eingeräumt, das Schriftstück einzusehen, um dann über die Annahme zu entscheiden, wobei er im Fall der Annahmeverweigerung keiner Begründungspflicht unterliegt. 463 c) EU-Zustellungsübereinkommen vom 26.5.1997 Nach Art. 5 I I I HZÜ kann - wie oben S. 90 dargelegt - die Zentrale Behörde die Ausführung der vom ersuchenden Staat erwünschten Zustellung ablehnen, wenn das zuzustellende fremdsprachige Schriftstück nicht von einer Übersetzung begleitet ist. Dies gilt nicht im Anwendungsbereich des noch nicht in Kraft getretenen Übereinkommens vom 26.5.1997 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. 464 Nach dessen Art. 5 wird lediglich der Antragsteller (i.d.R. das ersuchende ausländische Gericht) von der Übermittlungsstelle im Gerichtsstaat davon in Kenntnis gesetzt, daß der Empfänger die Entgegennahme des Schriftstücks verweigern kann, wenn es nicht in einer

459

Practical Handbook, S. 109; Pfeil-Kammer er, S. 104

460

Kondring, S. 217.

461

Die Praxis des US-Department of Justice beruht auf der Entscheidung des California State Court Julen v. Larson 25 C. A. 3d 325 (1972), in der es um die Anerkennung eines schweizerischen Zahlungsurteils ging. Nach Meinung des Gerichts werde das Recht des Beklagten auf due process gewahrt, wenn das „summary of the document to be served" in englischer Sprache ausgefüllt ist, Julen v. Larson 25 C. Α. 3d 325, 330 (1972). Hierzu Pfeil-Kammerer, S. 104 f. sowie die Antwort des US-Department of Justice auf den Fragebogen des Permanent Bureau in Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes et Documents de la Quatorzième session 6 au 25 octobre 1980, Tome IV: Entraide judiciaire/Judicial co-operation, S. 362. 462

Art. 2 sowie Art. 3 II 2 HZPÜ; Art. 5 II HZÜ.

463

Vgl. oben 2. Kapitel: G. IV. (S. 67).

464

Vgl. hierzu unten S. 208.

9 Geimer

94

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

der in Art. 8 genannten Sprachen abgefaßt ist. Nach Art. 8 kann der Empfänger die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks ablehnen, wenn dieses nicht entweder in der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaates oder, wenn es im Empfangsmitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll, oder in einer Sprache des Übermittlungsmitgliedstaates, die der Empfänger versteht, abgefaßt ist. 465 Durch Art. 8 des Übereinkommens vom 26.5.1997 wird dem Empfänger ein selbständiges Entschließungsrecht eingeräumt. Er und nicht die Empfangsstelle (wie nach dem Konzept des Art. 5 I I I HZÜ) entscheidet darüber, ob eine (förmliche) Zustellung ohne vollständige Übersetzung stattfindet oder nicht. Es darf also die Empfangsstelle die Übermittlung des zuzustellenden Schriftstücks nicht schon deswegen von vorneherein ablehnen, weil es nicht von einer Übersetzung begleitet ist. Sie hat vielmehr den Empfänger nur darüber zu informieren, daß er die Annahme des (nicht übersetzten) Schriftstücks verweigern kann, Art. 8 I. Im Falle der Annahmeverweigerung setzt de Empfangsstelle die Übermittlungsstelle unverzüglich in Kenntnis, Art. 8 II. Wie die Empfangsstelle ihrer Informationspflicht gegenüber dem Empfänger nachzukommen hat, ist im Übereinkommen nicht festgelegt. Diese Modalitäten bestimmt vielmehr das Recht des um Zustellungshilfe ersuchten Staates (=Aufenthaltsstaat des Adressaten). Hierzu ist im Erläuternden Bericht ausgeführt: „Die Empfangsstelle kann ihrer Informationspflicht .... auf verschiedene Weise nachkommen. Jeder Mitgliedstaat sieht hierfür die geeigneten Mittel entsprechend den Vorschriften für die Zustellung von Schriftstücken vor. So könnte die Unterrichtung mündlich erfolgen, wenn das zuzustellende Schriftstück dem Empfänger von einem eigens hierzu befugten Beamten direkt übergeben wird. Werden die Schriftstücke auf dem Postweg zugestellt, so könnte die Unterrichtung in der Weise erfolgen, daß den an den Empfänger gerichteten Schriftstükken ein entsprechendes Dokument beigefügt wird. Auf jeden Fall ist unter Nummer 12 Buchstrabe c) der Zustellungsbescheinigung anzugeben, auf welche Weise diese Unterrichtung des Empfängers erfolgt ist. Verweigert der Empfänger die Annahme des Schriftstücks aufgrund der verwendeten Sprache, so wäre zu wünschen, daß er dies innerhalb einer angemessenen Frist mitteilt, um eine Verzögerung des Verfahrens zu vermeiden." 466 Die neue Vorschrift ist wesentlich flexibler als Art. 5 HZÜ. Insbesondere wird auf die Perspektive des Zustellungsadressaten abgestellt, indem auch die Verwendung einer Sprache des Übermittlungsmitgliedstaates als ausreichend

465

Liegt eine mit Art. 8 konforme Übersetzung bei, so kann die Annahmeverweigerung des Adressaten die Perfektuierung der Zustellung nicht verhindern, Erläuternder Bericht, Abi.EG Nr. C 261 vom 27.8.1997, S. 32. 466

Hierzu Erläuternder Bericht, Abi.EG Nr. C 261 vom 27.8.1997, S. 33.

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe

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erachtet wird, die der Empfänger versteht. Jedenfalls bei international tätigen Unternehmen kann angenommen werden, daß weltweit Englisch und regional die Sprache des Übermittlungsstaates verstanden wird, in der das betroffene Unternehmen eine Niederlassung hat oder sonst nachhaltig geschäftlich aktiv ist. Aber auch bei Nichtkaufleuten kann Art. 8 I lit. b des neuen Übereinkommens zum Zuge kommen. Man denke z.B. an international tätige Anwalts- und Wirtschaftsprüferkanzleien oder Unternehmensberatungen. Die neue Regelung führt auch zu einer Reduzierung der Heilungsproblematik, sowohl aus erst- wie aus zweitstaatlicher Sicht. Dies bedeutet einen enormen Fortschritt gegenüber der bisherigen Rechtslage. BeispielA: Einem international tätigen Bauuntemehmen mit dem Sitz in München wird eine beim High Court of Justice in London registrierte Klage ohne deutsche Übersetzung zugestellt. Der organschaftliche Vertreter der Gesellschaft (Vorstand bzw. Geschäftsführer) verweigert die Annahme. Die Annahmeverweigerung ist aber durch Art. 8 I lit. b nicht gedeckt mit der Folge, daß das Fehlen einer Übersetzung nicht dazu führt, daß die Zustellung als nicht ordnungsgemäß im Sinne des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ zu betrachten ist. Die deutsche Gesellschaft riskiert also die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der englischen Versäumnisentscheidung in Deutschland. Beispiel B\ Gleiche Situation wie in Beispiel A, jedoch mit dem Unterschied, daß die Klage in Finnland anhängig gemacht wurde. Eine Übersetzung in englischer Sprache würde an sich ausreichen, wenn man davon ausgeht, daß Englisch als Weltsprache global verbreitet ist. Doch reicht hier die englische Version nicht aus, weil in Art. 8 I lit. b auf eine Sprache des Übermittlungsmitgliedstaates (=Finnlands) abgestellt ist. Mit dieser Einschränkung wird einer weiteren Privilegierung der englischen Sprache vorgebeugt. Dies ist vor allem ein kulturpolitisches Anliegen Frankreichs. Das Übereinkommen stipuliert nicht, wie die Sprachkundigkeit bzw. -unkundigkeit festzustellen ist und wer hierfür zuständig ist. Daraus folgt: Jedes mit dieser (Vor)Frage befaßte Gericht hat darüber nach seinem Verfahrensrecht ohne Bindung an die Entscheidung anderer Gerichte zu befinden. 467 Der Zweitrichter, der über die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung zu befinden 467

In diesem Sinne ist wohl folgende Passage im Erläuternden Bericht, Abi.EG Nr. C 261 vom 27.8.1997, S. 33 zu verstehen: „Kommt es zu einer Streitigkeit darüber, ob der Empfänger des Schriftstücks eine Sprache versteht, so ist hierüber eine Entscheidung gemäß den anwendbaren Bestimmungen zu treffen, beispielsweise indem von dem Gericht, das mit dem Verfahren befaßt ist, in dessen Rahmen das Schriftstück übermittelt wurde, die Frage der ordnungsgemäßen Zustellung aufgeworfen wird." Vgl. auch Linke, Probleme der internationalen Zustellung (im Erscheinen) sub I 3 bei Fn. 54: „Nach Art. 8 darf der Empfänger die Annahme eines Schriftstücks wegen fehlender Übersetzung nur verweigern, wenn es weder in der Amtssprache seines Wohnsitzstaates (des Empfangsstaates) noch in einer ihm geläufigen Sprache des Absendestaates abgefaßt ist. Der Bericht schweigt sich allerdings über die Konsequenzen aus, die offenbar dem Prozeßgericht vorbehalten bleiben sollen, das z.B. auch zu klären hätte, ob die Sprachkenntnisse des Empfängers die Annahmeverweigerung rechtfertigen oder nicht."

96

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

hat, ist daher bei seiner Prüfung der Voraussetzungen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ bzw. § 328 I Nr. 2 ZPO - wie bisher 468 - frei und an die Erkenntnisse aus dem erststaatlichen Verfahren nicht gebunden. Offen ist auch, wie die Sprachkundigkeit bei juristischen Personen festzustellen ist. 469 Auch hierüber befindet jeder mit dieser Frage befaßte Richter frei nach Maßgabe seiner lex fori. d) Keine Notwendigkeit von Übersetzungen bei Inlandszustellungen (1) Zustellung durch Aufgabe zur Post Da die Zustellung mittels Aufgabe zur Post (§ 175 12 ZPO) als Inlandszustellung betrachtet wird, 4 7 0 ist die Beifügung einer Übersetzung auf Grund des Art. 5 I I I HZÜ nicht erforderlich, 471 da das HZÜ nicht zur Anwendung kommt. Denn die Aufgabe zur Post erfolgt nicht „zum Zweck der Zustellung in das Ausland" i.S.v. Art. 11 HZÜ; sie ist vielmehr bereits die perfekte Zustellung. Diese findet ausschließlich in Deutschland statt. Der Bundesgerichtshof 472 verlangt - wie bereits oben S. 44 erwähnt - von der ausländischen Partei, der ein deutsches Urteil in deutscher Sprache zugeht, daß sich diese unverzüglich - etwa bei einer deutschen Auslandsvertretung über die Möglichkeit der Anfechtung und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erkundigt. Tut sie dies nicht, wird nach Ablauf der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung aufgrund fehlender deutscher Sprachkenntnisse nicht gewährt. (2) Mitteilung über eine bereits im Gerichtsstaat vorgenommene fiktive Zustellung („remise au parquet") Auch die Zustellung mittels „remise au parquet" ist als Inlandszustellung konzipiert; 473 daher ist nach französischem Recht die Beifügung einer Überset-

468 EuGH, Urteil vom 15.7.1982 Rs. 228/81 - Pendy Plastic Product BV/Pluspunkt Handelsgesellschaft mbH- Slg. 1982, 2723 = IPRax 1985, 25 {Geimer 6); Nagel/Gottwald IZPR § 7 Rn. 229; Geimer/Schütze EuZVR Art. 27 Rn. 117. 469

Diese Frage wirft Linke a.a.O. (Fn. 467) auf.

470

Vgl. oben 2. Kapitel: D. IV. 3. (S. 40).

471

BGH NJW-RR 1996, 387 = FamRZ 1996, 347 {Bachmann 1276) = IPRspr. 1995 Nr. 164; Geimer, IZPR Rn. 2109. Anders Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozeßrecht S. 203, der „im Interesse der Gewährleistung rechtlichen Gehörs und eines fairen Verfahrens für den Adressaten eine Übersetzung in die Adressatensprache" verlangt. Kritisch auch Gottwald in Habscheid/Beys, S. 28. 472

BGH a.a.O. (vorherige Fn.).

473

Vgl. oben 2. Kapitel: D. I. 2. (S. 31).

G. Modell der aktiven Zustellungshilfe

97

zung für den sich im Ausland aufhaltenden Zustellungsadressaten nicht erforderlich. Der vom huissier nach Art. 686 Nouveau Code de Procédure civile dem Zustellungsadressaten per Einschreiben übersandten Kopie des bei der Staatsanwaltschaft zugestellten Schriftstücks muß keine Übersetzung beigefügt sein. Dagegen muß der im Wege der (aktiven) Rechtshilfe zu übermittelnden Kopie des zugestellten Schriftstücks dann eine Übersetzung beigelegt werden, wenn der Zustellungshilfe leistende Staat - wie etwa die Bundesrepublik Deutschland - eine solche fordert. Das Fehlen einer solchen Übersetzung läßt aber die Wirksamkeit der Zustellung nach autonomem französischem Zustellungsrecht unberührt, 474 da die im Wege der (aktiven) Rechtshilfe zu übermittelnde Benachrichtigung (Art. 685 I I Nouveau Code de Procédure Civile) ohne Auswirkung auf die Wirksamkeit der remise au parquet gänzlich unterbleiben kann. 475 2. Übersetzungserfordernis

bei ausgehenden Ersuchen

Da es - wie vorstehend erörtert - nach der deutschen Denkschrift zum HZÜ und HBÜ dem (in Deutschland wohnhaften bzw. sich dort aufhaltenden) Zustellungsempfänger aus Kosten- und Zeitgründen nicht zugemutet werden kann, sich selbst eine Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks zu beschaffen, sollte dieser Gedanke konsequenterweise spiegelbildlich auf Zustellungen an im Ausland wohnhafte Adressaten anzuwenden sein. 476 So sieht § 25 ZRHO vor, daß den auf aktive Zustellungshilfe gerichteten Ersuchen an ausländische Behörden Übersetzungen des zuzustellenden Schriftstücks beizufügen sind. 477 Die ZRHO ist aber nur eine Verwaltungsvorschrift. 478 Eine ausdrückliche gesetzliche Norm gibt es - außerhalb des Anwendungsbereichs der Zustimmungs· und Ausführungsgesetze zu den völkerrechtlichen Verträgen 479 - nicht. Insbesondere betrifft § 3 AusfG-HZÜ/HBÜ nur eingehende Ersuchen. 474

OLG Düsseldorf IPRax 1985, 289.

475

Kondring, S. 90.

476

Vgl. Kondring, S. 214 ff. (vertragsloser Verkehr), S. 243 ff. (im Rahmen der HZPÜ von 1905 und 1954) und S. 277 ff. (im Rahmen des HZÜ). 477 Nach § 25 II 2 ZRHO müssen keine Übersetzungen beigefugt werden, wenn im vertraglichen Rechtshilfeverkehr nur formlose Zustellung beantragt wird und nach der vertraglichen Regelung für diesen Fall Übersetzungen nicht erforderlich sind. 478

Die ZRHO hat deshalb nur innerdienstliche Wirkung; ihre Nichtbeachtung fuhrt nicht zur Ordnungswidrigkeit der Zustellung. 479 Nach Gottwald in Habscheid/Beys, S. 40 und Stürner in FS Nagel, S. 446, 451 sichern bei Zustellung ohne Einverständnis des Betroffenen die Staatsverträge und die deutschen Ausführungsgesetze hierzu dem Bürger ein Recht auf Zustellung übersetzter Schriftstücke.

98

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

Nur vereinzelt wird vertreten, daß es im Hinblick auf die Garantie des Art. 6 I EMRK im Einzelfall geboten sein kann, die Ladung eines im Ausland lebenden Beklagten mit einer Übersetzung zu versehen. 480 Allgemeine (ungeschriebene) völkerrechtliche Regeln, aus denen sich die Notwendigkeit einer Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks ergeben würde, gibt es nicht. 481 Das mitunter als Menschenrecht propagierte „Recht auf die eigene Sprache"** 2 findet sich nicht in den Menschenrechtspakten. Vielmehr gewähren diese nur bestimmte Menschenrechte „ohne Unterschied der Sprache". 483 Damit wird jedoch der Gebrauch einer bestimmten Gerichts- bzw. Amtssprache nicht tangiert, insbesondere wird nichts darüber ausgesagt, wer die Initiative zur Bereitstellung eines Verständigungsmediums ergreifen muß und wie die Kostenlast (Dolmetscher- und Übersetzerkosten) zu verteilen ist. Wird einem in einem anderen EU-Staat zuzustellenden Schriftstück keine Übersetzung beigefügt, so führt dies nicht zu einem Verstoß gegen Art. 6 1 EGV 4 8 4 (=Art. 12 EGV in der von Art. 12 des Amsterdamer Vertrages angeordneten Neunumerierung). Denn die EU-Staaten485 haben dem Art. 5 I I I HZÜ als Spezialregelung zugestimmt. 486 Es besteht auch keine sich aus der Verfassung ergebende generelle Pflicht, gerichtliche Schriftstücke abweichend von § 184 GVG („Die Gerichtssprache ist deutsch") in einer für den Adressaten verständlichen Fremdsprache abzufassen bzw. das zuzustellende Schriftstück in diese zu übersetzen. 487

480

Vgl. Frowein/Peukert, EMRK Art. 6 Rn. 57; Miehsler/Vogler Kommentar zur EMRK, Art. 6 Rn. 360. Ablehnend Bischof, S. 19. 481

Kondring, S. 214\ Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze,

482

Lässig, S. 60 ff.

in Internationaler

900.51 Fn. 202.

483

Art. 1 III UN-Charta; Art. 2 I des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. 1973 II, S. 1533), Art. 14 EMRK. 484 Vor dem Maastrichter Vertrag über die Europäische Union vom 7.2.1992 (Abi.EG Nr. C 191/1992, S. 1 = BGBl. 1992 II, S. 1250): Art. 7 EWGV. 485

Dies gilt auch für Irland; dort ist seit 4.6.1994 das HZÜ in Kraft. Vgl. hierzu Wagner, RIW 1995, 89, 95 Fn. 95. 486 487

Wiehe, S. 120 Fn. 74 und Schlosser in FS Stiefel, S. 690.

Vgl. auch § 23 VwVfG und die Parallelregelungen der Länder, z.B. Art. 23 BayVwVfG. Wiehe, S. 119 f. vertritt dagegen ohne nähere Begründung die Auffassung, §25 ZRHO konkretisiere Art. 103 I GG und sei deshalb zwingend zu beachten. Art. 103 I GG fordere im gerichtlichen Verfahren, daß die mangelhafte Kenntnis der deutschen Sprache bei einem Ausländer nicht zu einer Verkürzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör führen darf. Die bisherige verfassungsrechtliche Diskussion dreht sich um die Frage des Zugangs deutschunkundiger Ausländer (die in Deutschland leben) zu deutschen Gerichten und Behörden. Ausführliche Nachweise zum Schutz des Fremdsprachigen im Zivilprozeß aus deutscher Sicht bei Leipold in FS Matscher, S. 287 ff.

H. New Federal Rules of Civil Procedure

99

Eine andere Frage ist, welche Wiedereinsetzungsmöglichkeiten bestehen, wenn der Empfänger bei verständiger Betrachtungsweise nicht in der Lage ist, den Inhalt des Schriftstücks zu verstehen. § 184 GVG schließt nicht aus, daß das Gericht seinem Schriftstück eine Übersetzung beifügt. Ist dies nicht geschehen und der Empfänger der deutschen Sprache nicht oder nicht hinreichend mächtig, so wird ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei etwaiger Fristversäumung als Folge seines sprachlichen Unvermögens gewährt. 488

H. New Federal Rules of Civil Procedure I. Verantwortung des Klägers für die Zustellung Die Zustellung ist nach US-amerikanischem Recht 489 nicht Angelegenheit des Gerichts oder dafür besonders bestellter Amtsträger; diese haben vielmehr die Parteien bzw. ihre Anwälte selbst zu veranlassen. 490 Denn Rule 4 (c) (1) der FRCP legt fest: „[...] The plaintiff is responsible for service of a summons and complaint [...] and shall furnish the person effecting service with the necessary copies of the summons and the complaint."

I I . Zustellungspersonen Als mit der Zustellung beauftragte Person kommt nach FRCP 4 (c) (2) jede Privatperson über 18 Jahre, die nicht Partei ist, in Betracht. Üblich ist die Zustellung durch professionelle „process servers", deren Vornahme der Zustellung der Kläger als Auftraggeber selbst zu überwachen hat. 491 Ausnahmsweise 492 kann das Gericht auf Antrag des Klägers nach FRCP 4 (c) (2) allerdings auch einen „United States marshal", einen „deputy United States marshal" oder

sowie bei Ingerì, S. 42 ff. und Lässig, S. 90 ff. Die Übersetzungsfrage im Zusammenhang mit ausgehenden deutschen Zustellungsersuchen wird aber nicht thematisiert. 488

Gottwald in Habscheid/Beys, S. 39; Kissel, berg n, §§ 606 ff. ZPO Rn. 532. 489

§ 184 Rn. 12; Staudinger/Spellen-

Ausführlich Fleischhauer, S. 111 ff.; Wiehe, S. 81; Witte, S. 148 ff, 167 ff.

490

Restatement (3rd) Foreign Relations § 471 Comment b (S. 530); Born, S. 759 f.; Mann, RdC 111 Band. I (1964), 1, 134; Schabenberger, S. 164; Pfeil-Kammerer, S. 24; Siegrist, S. 177. Weitere Nachweise bei Fleischhauer, S. 62. 491

Daß die Überwachung der „process servers" realiter erforderlich ist, ergibt sich aus der bei manchem „process server" angeblich verbreiteten Gewohnheit, die zuzustellenden Schriftstücke einfach in den Papierkorb zu werfen und falsche Empfangsbekenntnisse auszustellen. Hierzu Schack, Einfuhrung S. 36. 492 Wenn der Kläger Armenrecht in Anspruch nehmen kann oder ein Seemann ist, vgl. FRCP 4 (c) (2) Satz 3.

100

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

eine andere Person oder Beamten („other person or officer") mit der Zustellung beauftragen. Ein „marshal" soll allerdings erst dann eingeschaltet werden, wenn ein mit weniger Aufwand verbundener Zustellungsversuch erfolglos geblieben ist. 493

I I I . Vorheriger Verzicht auf förmliche Zustellung nach FRCP 4 (d) (waiver of service) L Verfahren 494

Nach FRCP 4 (d) kann der Kläger dem Beklagten eine Kopie der Klageschrift übersenden, begleitet von einer Anzeige, daß gegen ihn eine Klage eingereicht wurde, und ihn auffordern, auf förmliche Zustellung zu verzichten. 495 Anzeige und Verzichtsaufforderung sind nach FRCP 4 (d) (2) (B) mit Briefpost („first-class mail") oder auf anderen verläßlichen Wegen („other reliable means") zu verschicken. 496 Die Übermittlung kann auch an Beklagte im Ausland mit modernen Kommunikationsmitteln erfolgen, sofern das Erfordernis von FRCP 4 (d) (2) (A) noch gewahrt ist, daß „notice" and „request" „in writing" sind. In Frage kommt also insbesondere die Übermittlung per Telefax. 497 Ein waiver of service bedeutet keinen Verzicht der Rüge der internationalen oder örtlichen Unzuständigkeit, 498 Dies ist wichtig, weil nach dem ursprünglichen Ausgangskonzept des common law 4 9 9 die Zustellung jurisdiction begründete. 500

493 Advisory Committee Notes 1983 Amendment, 96 F.R.D. 116, 121 (1982); Fleischhauer, S. 118. 494

Nach h.M. kann dagegen auf die Einhaltung des § 199 ZPO nicht verzichtet werden. Hierzu näher unten 7. Kapitel: M. (S. 283 f.). 495

Hierzu Born, S. 769 f.; Cound/Friedenthal/Miller/Sexton, S. 196; Fleischhauer, S. 109, 120 ff.; Nagel/Gottwald IZPR § 7 Rn. 19 ff, 72; Wiehe, S. 181. S. auch Ristau, Service of Process Abroad (im Erscheinen) sub 5a. 496

Der Sendung haben die zwei im Anhang S. 312 abgedruckten Formulare (Form 1A und Form IB), die Rule 84 FRCP entsprechen müssen, beizuliegen. 497

Committee Notes 146 F.R.D. 535, 563 f. (1993); Born, S. 760.

498

FRCP 4 d (1).

499

Vgl. zur abnehmenden Bedeutung der transient rule of personal jurisdiction im US-amerikanischen Recht: Born, S. 116 ff. (insbesondere S. 122) und S. 760. 500 Zur Doppelfunktion der Zustellung im US-amerikanischen Recht (einerseits Mittel, dem Gegner Kenntnis vom Verfahren zu verschaffen, andererseits Begründung der Jurisdiktion) z.B. Bischof, S. 140; Field/Kaplan/Clermont, S. 205; Fleischhauer, S. 117; Hay, S. 75; Südmeier, S. 133 ff, 148 ff; Junker, IPRax 1986, 197, 202; Witte, S. 148.

H. New Federal Rules of Civil Procedure

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Verzichtet der Beklagte auf Zustellung der Ladung, so läuft nach FRCP 4 (d) (4) das Verfahren so weiter, als ob im Zeitpunkt des Verzichts die Ladung und die Klage zugestellt worden wäre. Er wird fur sein Entgegenkommen durch eine Verlängerung der Einlassungsfrist belohnt. 501 Letztlich bringt jedoch ein waiver of service keinen merklichen Zeitgewinn. 502 Dem störrischen Beklagten werden die gesamten Zustellungskosten aufgelastet. 503 Nach diplomatischen Protesten hat man jedoch diese Kostensanktion für Zustellungsadressaten, die im Ausland wohnen, für unanwendbar erklärt: FRCP 4 d (2) am Ende lautet jetzt: „ I f a defendant located within the United States fails to comply with a request for waiver made by a plaintiff located in the United States, the court shall impose the costs subsequently incurred in effecting service on the defendant [...]." Konsequenterweise findet die Regel des cost-shifting vice versa auch dann keine Anwendung, wenn ein im Ausland wohnhafter Kläger einen in den Vereinigten Staaten von Amerika domizilierten Beklagten nach Rule 4 (d) FRCP erfolglos auffordert, auf die Zustellung von Klageschrift und Ladung zu verzichten. Denn die Verzichtsaufforderung muß nach dem Wortlaut von Rule 4 d (2) FRCP von einem „plaintiff located in the United States" ausgehen.504 2. Verhältnis zum HZÜ Zu fragen ist, ob das Verfahren des FRCP 4 (d), in dem eine Kopie der Klageschrift nebst der Anzeige der Klageerhebung und der Verzichtsaufforderung dem Beklagten ins Ausland übersandt werden, ohne ein Ersuchen um Zustellungshilfe an den Aufenthaltsstaat des Beklagten zu stellen, unter Art. 10 lit. a HZÜ fällt mit der Folge, daß sie unzulässig wäre, wenn dieser Staat der direkten Postzustellung widersprochen hat. Für eine dahingehende Beurteilung spricht, daß, wenn bei Gericht eine Verzichtserklärung des Beklagten eingeht, nach FRCP 4 (d) (4) das Verfahren so fortgesetzt wird, als ob Ladung und Klageschrift zugestellt worden seien. Da also das Verfahren des waiver of service an die Stelle der Zustellung tritt, müssen auch die Regeln über die Zustellung angewandt werden. Wiehe 505 stellt die Frage, ob es einen Unterschied mache, „ob die Kopie der Klageschrift mit einem acknowledgment bzw. gegen Rückschein versandt wird oder mit einem vorbereiteten Verzicht auf die förmliche Zustellung", und verneint diese. Als Argument gegen die Völkerrechts501

FRCP 4 d (3) i.V.m. 12(a).

502

Schack, Einführung S. 39 Fn. 291.

503

FRCP 4 d (5).

504

Hierzu Born, S. 770; Born/Vollmer,

505

150 F.R.D. 221, 23Iff. (1993).

Wiehe, S. 182. Seine Ausführungen beruhen allerdings noch auf der ursprünglichen Fassung des FRCP 4 (d), die noch die Regel des cost-shifting auch zuungunsten von Zustellungsadressaten im Ausland vorsah.

102

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

Widrigkeit läßt er zu Recht auch nicht die Erwägung gelten, es könne gar keine Souveränitätsverletzung gegenüber Staaten, die der Postzustellung widersprochen haben, vorliegen, da ja der Adressat die Wirkung der Zustellung durch eigene Zustimmung herbeiführe. Denn der einzelne kann weder auf die Souveränität seines Aufenthaltsstaats, noch auf die Einhaltung eines völkerrechtlichen Vertrages verzichten. Dagegen stellt Schlosser* 06 darauf ab, daß sich einerseits der Adressat auf das Klageverfahren einlassen könne, 507 was zur Folge habe, daß der Anerkennungsversagungsgrund der fehlenden Zustellung (§ 328 I Nr. 2 ZPO, Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ) entfalle, und andererseits, daß die Zustellung eine bloße Mitteilung ähnlich der Benachrichtigung von der „remise au parquet" darstelle. 508 Auch Gottwald 509 hält die Bedenken für nicht „stichhaltig". Auch wenn Art. 10 lit. a HZÜ seinem Wortlaut nach jedes „Übersenden" betreffe, könne die Regelung ihrem Sinn nach nur Sendungen erfassen, „von denen unfreiwillige Rechtswirkungen gegenüber dem Empfänger ausgehen." Es wäre zwar angemessener, wenn solche Erleichterungen der internationalen „Zustellung" vertraglich festgelegt würden. In der Sache sei der Versuch einer Vereinfachung aber zu begrüßen. Auch der Diskussionsentwurf (Stand: 30.1.1997) eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz) sieht hier keine völkerrechtlichen Probleme: Nach § 170 ZPO-Ε kann das deutsche Gericht sich im Ausland aufhaltende Personen zur Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten auffordern. 3. Formulare 510

Im Anhang sind - um ein konkretes Bild des US-amerikanischen Instituts des waiver of service nach FRCP 4 (d) zu vermitteln - die vom Kläger dem Beklagten zu übersendenden Formulare wiedergegeben, durch die der Beklagte aufgefordert wird, auf die Zustellung der Klage zu verzichten.

506

Schlosser, EuGVÜ-Kommentar Art. 1 HZÜ Rn. 18.

507

An anderer Stelle (Schlosser, EuGVÜ-Kommentar Art. 27 EuGVÜ Rn. 21) spricht Schlosser davon, daß die Prüfung des Anerkennungsversagungsgrundes des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ von Amts wegen zu erfolgen habe. Unter „Einlassen" ist also das Nichtbeibringen von Umständen, die Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks begründen können, zu verstehen. Vgl. zur Frage, ob der Anerkennungsversagungsgrund von Amts wegen oder nur auf Rüge des Zustellungsadressaten zu beachten ist, Einzelheiten hierzu unten 2. Kapitel: I. III. f) (S. 115 f.). 508

Vgl. auch § 123 AO, § 15 VwVfG, § 14 SGB-X.

509

Nagel/Gottwald

510

Unten S. 312.

IZPR § 7 Rn. 21.

H. New Federal Rules of Civil Procedure

103

IV. Verfahren bei Klagezustellung ins Ausland gemäß FRCP 4 (f) Hat der Beklagte keinen Zustellungsverzicht (waiver) erklärt, so erfolgt die Auslandszustellung nach den 1993 neu gefaßten FRCP 4 (f). 511 Service upon individuals in a foreign country „may be effected [...] (1) by any internationally agreed means reasonably calculated to give notice, such as those means authorized by the Hague Convention on Service abroad of Judicial and Extrajudicial Documents." Ist nach autonomem US-amerikanischem Recht eine Auslandszustellung erforderlich, so darf nur in den vom HZÜ vorgesehenen Formen zugestellt werden; d.h. auch, daß ein Widerspruch des Aufenthaltsstaates des Zustellungsadressaten gegen die in Art. 8 und Art. 10 HZÜ vorgesehenen Formen der Direktzustellung zu beachten ist. 512 Nur wenn es solche „internationally agreed means" in concreto nicht gibt oder wenn diese keinen Anspruch auf exklusive Anwendung erheben, wie z.B. die Interamerikanische Konvention, 513 können die in FRCP 4 (f) (2) (A) bis (C) und FRCP 4 (f) (3) genannten Zustellungsmethoden angewandt werden. So z.B. auch, wenn der Staat, in den zugestellt werden soll, kein Vertragsstaat des HZÜ ist bzw. das HZÜ in concreto nicht anwendbar ist, weil es sich um keine Zivil- oder Handelssache i.S.v. Art. 1 HZÜ handelt. Wenn somit FRCP 4 (f) (2) zum Zuge kommt, sind mehrere Methoden der Auslandszustellung 514 alternativ und ohne Rangordnung untereinander 515 vorgesehen: (1) Zustellung in einer der Formen, die das Recht des Zustellungsstaates fur die Zustellung der in seinem Hoheitsgebiet ausgestellten Schriftstücke an dort befindliche Personen vorschreibt, also nach dem (Inlands-)-Zustellungsrecht des Aufenthaltsstaates des Adressaten (service in the manner permitted by foreign law), (2) Zustellung in der Form, welche die Rechtshilfebehörde in ihrer Antwort auf ein Rechtshilfeersuchen anordnet (service as directed by a foreign authority),

5,1

Die neue Rule unterscheidet sich stark von der alten, nämlich FRCP 4 (i). Hierzu Born, S. 766; Bischof, S. 129; Nagel/Gottwald IZPR § 7 Rn. 19. 512 Bereits in Volkswagenwerk AG v. Schlunk, 486 U. S. 694, 705 (1988) hat der Supreme Court festgestellt: „[...] Compliance with the Convention is mandatory in all cases to which it applies." Hierzu Born, S. 804 ff.; Otto, S. 109 ff.; Heidenberger/Barde, RIW 1988, 683, 685. Zur Rechtslage nach der Neufassung der FRCP im Jahre 1993 Born, S. 808 f. 513

Hierzu unten S. 204.

514

Allgemein zu den Zustellungsarten, die das Recht der einzelnen USBundesstaaten zuläßt, Emanuel, S. 68 f. 5,5 Born, S. 768: „Rule 4 (f) (2) imposes no preferences or hierarchy among these various mechanisms."

104

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

(3) Zustellung durch Übergabe einer Abschrift der Ladung und der Klageschrift an den Beklagten persönlich, soweit der Aufenthaltsstaat dies nicht verbietet (delivery to the individual personally), (4) Zustellung durch ein vom „clerk" ausgestelltes und an den Beklagten adressiertes Einschreiben mit Rückschein, soweit der Aufenthaltsstaat dies nicht verbietet (any form of mail requiring a signed receipt, to be addressed and dispatched by the clerk of the court to the party to be served) oder (5) auf andere vom Gericht angeordnete Weise (by other means not prohibited by international agreement as may be directed by the court). Dabei verlangt FRCP 4 (f) (2) - anders als die Vorgängervorschrift des FRCP 4 (i) - jeweils „compliance with foreign law in the place where the service is effected". 516 Die Zustellung ist erst mit Übergabe an den Adressaten wirksam, nicht schon mit der ordnungsmäßigen Aufgabe zur Post. Man hält jedoch auch eine Zustellung im Fall der Annahmeverweigerung für möglich. Danach reicht z.B. der Vermerk der Annahmeverweigerung auf der zurückgesandten Postsendung. 517 Nach FRCP 4 (f) (3) kann die Zustellung nach Maßgabe einer speziellen Anordnung eines Gerichts erfolgen. Als während der Geiselaffäre 1980 die USiranischen Beziehungen unterbrochen waren, ordnete ein New Yorker Gericht Zustellung mittels Telex und zusätzlich postalische Übersendung an, 518 um ganz sicher zu gehen, daß die beklagte Partei Kenntnis von der Klage bekommt. „Service by publication" kommt auf Grund der due process-Klausel der US-Verfassung, die „reasonable notice" erfordert, 519 erst dann in Betracht, wenn der Aufenthalt des Zustellungsadressaten unbekannt und auch nicht unter vertretbaren Anstrengungen herauszufinden ist. 520 Schließlich wurden nach dieser Vorschrift (means directed by the court) Veröffentlichungen der zuzustellenden Schriftstücke in Zeitungen angeordnet, und zwar nicht in Zeitungen, die im Gerichtsstaat erscheinen, sondern in solchen, die im Aufenthaltsstaat des Zustellungsadressaten herauskommen. 521

5,6

Hierzu auch Wiehe, S. 81.

517

Trak Microcomputer Corp. v. Wearne Bros, 628 F. Supp. 1089 (N. D. III 1985).

518

Wiehe, S. 83.

519

Mullane v. Central Hanover Bank & Trust Co, 339 U. S. 306, 314 (1950).

520

Zur zurückhaltenden Handhabung des service by publication im Hinblick auf die due process clause der US-Verfassung Otto, S. 83, 89; Fleischhauer, S. 152. Siehe auch Bischof, S. 139 und Wiehe, S. 83. 521 In SEC v. Tome 833 F. 2d 1086 (2d Cir. 1987) hat die klagende SEC in einer Klage gegen eine ausländische Bank und einige unbekannte ausländische natürliche

I. Geltendmachung von Zustellungsmängeln

105

Verglichen mit dem Verfahren nach § 204 ZPO besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, daß der Zustellungsadressat Kenntnis vom Inhalt des Schriftstücks erhält.

V. Keine Beifügung einer vollständigen Übersetzung Zwar enthält FRCP 4 (f) keine Vorschrift über die Beifügung einer Übersetzung, 522 jedoch kann nach der due process-Klausel der Kläger im Einzelfall verpflichtet sein, dem Beklagten Kenntnis von dem Prozeß in einer Sprache zu verschaffen, die der Beklagte verstehen kann. 523 Erforderlich ist aber auf jeden Fall nur ein kurz gefaßtes Schriftstück, das den Beklagten davon in Kenntnis setzt, daß eine Klage gegen ihn erhoben worden ist und die Beschreibung des Sachverhalts, auf welchem diese beruht, nicht aber eine Übersetzung der gesamten Klageschrift und der beiliegenden Dokumente. 524 In diesem Zusammenhang blieb bisher unerörtert, ob bereits das „Summary of the Document to be Served"-Formular 525 diesen Anforderungen genügt.

I . Geltendmachung von Zustellungsmängeln I. Liste häufiger Zustellungsfehler Häufig vorkommende Zustellungsfehler hat Linke 526 mit Rechtsprechungsnachweisen527 zusammengetragen, wobei er allerdings die Sicht des Gerichtsstaates (wo das Erkenntnisverfahren läuft) und die des Anerkennungs- bzw. Exequaturstaates mitunter nicht klar genug trennt. Für den Erstrichter sind auch [fiktive] Inlandszustellungen nach seiner lex fori „ordnungsgemäß". Trotz

Personen, die unter Nutzung rechtswidriger Insider-Informationen angeblich US Securities gekauft hatten, von einem District Court die Erlaubnis erhalten, die Klage durch Aufgabe einer Anzeige über den laufenden Prozeß in der „International Herald Tribune" öffentlich zuzustellen. 522

Wiehe, S. 84.

523

Julen v. Larson, 101 Cal. Rptr. 796 (1972), betraf allerdings einen Fall, in dem das HZÜ unanwendbar war. In Shoei Kako Co. Ltd. v. Superior Court for the City and County of San Francisco 109 Cal. Rptr. 402 (Cal. App., 1973), wurde die Ansicht verworfen, daß die Zustellung eines Schriftstücks, das nicht in die Muttersprache des Zustellungsadressaten übersetzt ist, von vornherein unwirksam sei. 524

Lemme v. Wine of Japan Import, Inc., 631 F. Supp. 456 (E.D.N. Y. 1986); Taylor v. Uniden Corp., 622 F. Supp. 1011 (E.D. Mo. 1985). 525

Vgl. Art. 3 und Art. 5 IV HZÜ sowie Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze,

526

Linke, Probleme der internationalen Zustellung (im Erscheinen) sub I 5 bei Fn.

128. 527

Die folgenden Zitate (Fn. 528 bis Fn. 539) finden sich bei Linke a.a.O. Fn. 128 ff.

351.39.

106

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

ordnungsgemäßer Zustellung nach dem Recht des Erststaates kann es aber im Zweitstaat zur Verweigerung der Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung kommen, weil der Beklagte das verfahrenseinleitende Schriftstück überhaupt nicht oder nicht rechtzeitig erhalten hat. Linke hat folgende „Fehlergruppen " gebildet: /. Falscher Übermittlungsweg Dabei hat Linke in erster Linie die unzulässigen Direktzustellungen im Auge, z.B. auf dem Postweg per Einschreiben mit Rückschein.528 2. Fehlende Übersetzung Linke erwähnt den Fall, daß eine formlose Zustellung beabsichtigt war, diese aber fehlerhaft durchgeführt wurde, z.B. an eine Ersatzperson, was nur bei förmlicher Zustellung zulässig gewesen wäre. 529 3. Fehler bei der Durchführung Als Beispiele für diese Fehlervariante erwähnt Linke die fehlerhafte Ersatzzustellung, insbesondere an juristische Personen, 530 die Niederlegung bei der falschen Stelle, 531 die formlose Zustellung durch die Post 532 und die Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks durch den Rechtspfleger statt durch den Gerichtsvollzieher. 533

528 Beispiele: BGHZ 120,305 = JZ 1993,618 (Schack) = ZZP 106 (1993) 391 (Schätze); OLG Koblenz IPRax 1988, 97 (Dubois 85); OLG Köln IPRax 1997, 175 (Kondring 158); OLG Stuttgart IPRspr. 1983 Nr. 173. Ohne Bedenken OLG Düsseldorf, IPRax 1985,289 (Schumacher 165). 529 EuGH, Urteil vom 3.7.1990 Rs. C 305/88 - Lancray/Peters - Slg. 1990, 2725 = EuZW 1990, 352 (Geimer) = RIW 1990, 927 = IPRax 1991, 177 (Rauscher 155). 530 EuGH, Urteil vom 27.11.1992 Rs. C-123/91 - Minalmet/Brandeis - Slg. 1992 I, 5661, 5674 = EuZW 1993, 39 = RIW 1993, 65 = EWS 1992, 389 = JZ 1993, 357 (Stürner) = IPRax 1993,394 (Rauscher 376); hierzu BGH JZ 1993, 619 (Schack); BGH IPRax 1993, 394. 531

LG Hamburg RIW 1991, 767.

532

OLG Düsseldorf RIW 1980, 664; OLG Hamm RIW 1996, 156 (Kondring 722) = IPRax 1995, 225 (Kronke); unbeanstandet von OLG Frankfurt/Main RIW 1987, 627. 533

OLG Karlsruhe OLGZ 1985, 201 = RIW 1986, 62: Zustellung nach Art. 7 des deutsch-britischen Rechtshilfevertrages.

I. Geltendmachung von Zustellungsmängeln

107

4. Nicht rechtzeitige Zustellung Bei dieser Konstellation erfolgt die Zustellung bzw. Mitteilung (notification) zu kurzfristig vor dem Gerichtstermin, zu dem geladen werden sollte, 534 oder erst nach Ablauf einer Einlassungs- oder Erklärungsfrist oder sogar nach dem Termin. In Deutschland werden eingehende Zustellungsersuchen gleichwohl nach § 59 IV ZRHO ausgeführt. 5. Unerledigte Zustellung Darunter fallen die Annahmeverweigerung bei formloser Zustellung und die Nichtrücksendung des Zustellungszeugnisses ohne Angabe von Gründen. Erfolglos sind nicht selten auch die Zustellungen an die Postfachanschrift. 535 6. Fiktive Auslandszustellungen Das sind Zustellungen, die als bewirkt gelten, obwohl der Zugang nicht nachgewiesen werden kann, z.B. die öffentliche Zustellung nach § 203 I I ZPO, die Zustellung durch Aufgabe zur Post oder die Zustellung par remise au parquet, wenn die Postsendung als unzustellbar zurückkommt. 7. Unzulässige fiktive Inlandszustellungen Hierher gehören z.B. die Zustellung in der bereits aufgegebenen und daher im Rechtssinne nicht mehr vorhandenen Inlandswohnung,536 an eine rechtlich selbständige Tochter 537 - oder Muttergesellschaft 538, an einen nicht bevollmächtigten Rechtsanwalt.539

534

Beispiel: OLG Hamm IPRspr. 1979 Nr. 195; OLG Köln IPRax 1988, 97.

535

Linke a.a.O. (Fn. 526) Fn. 136 verweist auf Schütze, ZZP 106 (1993), 397.

536

OLG Köln IPRax 1991, 114 (Linke 92); OLG Hamm FamRZ 1988,1293: an die elterliche Anschrift. 537 RGZ 109, 265, 267. In BGHZ 4, 62, 65 war die Zustellung in der Filiale - wie Linke betont - schon deshalb unproblematisch, weil das Unternehmen unter der Firma der Filiale verklagt worden war. 538

Optimistisch Linke a.a.O. (Fn. 526) Fn. 139: „Der Fall VW AG v. Schlunk, 486 U.S. 694 (1988), soll nach der Erklärung der US-Vertreter auf einer Expertenkommissionssitzung der Haager Konferenz im April 1989 ein , Ausreißer4 gewesen sein, so der Sitzungsbericht von Welp, RabelsZ 54 (1990) 364, 366. 539

BGH NJW 1989, 1154.

108

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts I I . Geltendmachen von Zustellungsmängeln in dem im Gerichtsstaat (Erststaat) laufenden Verfahren 1. Der Zustellungsadressat nimmt am Verfahren

teil

Nimmt der Zustellungsadressat am Verfahren im Erststaat teil, so sind Zustellungsmängel oft prozessual überholt. Es kann aber auch sein, daß die Rüge der mangelhaften Zustellung trotz Teilnahme am Prozeß zu einer Vertagung oder Nachlieferung einer Übersetzung oder in seltenen Fällen schlicht zur Wiederholung des Zustellungsvorgangs führt. 540 Letzteres dürfte aber selten vorkommen, da wohl die meisten Prozeßordnungen Zustellungsmängel als geheilt betrachten, wenn feststeht, daß der Zustellungsadressat von dem zu übermittelnden Schriftstück tatsächlich Kenntnis erhalten hat. 541 2. Der Zustellungsadressat nimmt am Verfahren

nicht teil

Nimmt der Zustellungsadressat am Verfahren nicht teil, sei es, weil er vom laufenden Verfahren infolge des Zustellungsmangels überhaupt keine Kenntnis hat, sei es, daß er hiervon sehr wohl erfahren hat, aber es aus prozeßtaktischen Gründen vorzieht, sich nicht zu „melden", so hat sich der Richter in jedem rechtsstaatlich orientierten Prozeßsystem zu überzeugen, ob die Anforderungen an ein faires Verfahren in concreto gewahrt sind, insbesondere, ob den Parteien rechtliches Gehör gewährt wurde. So verbietet z.B. § 335 I Nr. 2 ZPO den Erlaß eines Versäumnisurteils, wenn die nicht erschienene Partei nicht ordnungsmäßig, insbesondere nicht rechtzeitig geladen war; das gleiche gilt nach Nr. 3, wenn der nicht erschienenen Partei ein tatsächliches mündliches Vorbringen oder ein Antrag nicht rechtzeitig mittels Schriftsatzes mitgeteilt war. 542 Fehlt ein Nachweis über die ordnungsgemäße Zustellung der Ladung, hat der Richter zu prüfen, ob der Zustellungsmangel möglicherweise geheilt ist. 543

540 Linke, Probleme der internationalen Zustellung (im Erscheinen) sub I 5 c (1) bei Fn. 144. Nach FRCP 12 (b) (5) führt der Einwand des Beklagten, die Zustellung sei fehlerhaft und daher unwirksam, zur Aufforderung an den Kläger, eine wirksame Klagezustellung zu veranlassen. Hierzu Otto, S. 88. Zur Nichtigkeit der citazione im italienischen Recht Piekenbrock, S. 134. 541 Belgien: Art. 861 Code judiciaire; Deutschland: § 187 ZPO; Frankreich: Art. 114 II Nouveau Code de Procédure civile; Italien: Art. 160 i.V.m. Art. 156 II Codice di procedura civile; Österreich: § 7 ZustellG. Rechtsvergleichende Nachweise für nationale Heilungsregeln bei Kondring, S. 340 ff. 542 543

Zur gleichen Rechtslage in Italien Piekenbrock, S. 178.

Zur Heilung im erststaatlichen Urteilsverfahren ausfuhrlich Kondring, Kapitel: S. 183-297.

Zweites

I. Geltendmachung von Zustellungsmängeln

109

Auch im remise au parquet-Land Frankreich macht - trotz der Fiktion einer bereits mit Niederlegung beim Staatsanwalt perfekten Zustellung - Art. 687 Nouveau Code de Procédure civile dem Richter zur Pflicht, sich zu vergewissern, ob der Beklagte ausreichend Gelegenheit zur Verteidigung hatte. Für Verfahren vor dem High Court in England sehen die RSC in Order 13 Rule 7(1) vor, daß kein Versäumnisurteil ergehen darf, bevor nicht entweder der Beklagte die Zustellung bestätigt hat, oder der Kläger eine beeidigte Erklärung abgegeben hat, daß die Zustellung erfolgt sei oder der Kläger eine Abschrift der Klage vorlegt, die mit dem Vermerk des Rechtsanwalts des Beklagten versehen ist, daß er für den Beklagten die Zustellung als ordnungsgemäß anerkenne. 544 Zu beachten ist auch die Aussetzungspflicht des Art. 15 des HZÜ für die Gerichte der Vertragsstaaten des HZÜ. 5 4 5 Diese Norm rezipiert wiederum Art. 19 des noch nicht in Kraft getretenen Übereinkommens vom 26.5.1997 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

I I I . Geltendmachen von Zustellungsmängeln im Stadium der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung in anderen Staaten 1. Zustellungsmängel bei Verfahrenseinleitung a) Doppelte Prüfung der Übermittlung der Klage bzw. des entsprechenden verfahrenseinleitenden Schriftstücks Sowohl das autonome Recht 546 als auch die meisten Staatsverträge 547 sehen eine besonders genaue Prüfung der Zustellung anläßlich der Verfahrenseinleitung vor. So kann nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung einer gerichtlichen Entscheidung aus einem anderen Vertragsstaat versagt werden, wenn das das erststaatliche Verfahren einleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß nach dem Zustellungsrecht des Erststaates 544

Vgl. O'Malley/Layton,

Rn. 4.54 (S. 117).

545

Vgl. oben 2. Kapitel: D. III. (S. 34). Art. 15 HZÜ geht gem. Art. 20 III EuGVÜ dem Art. 20 II EuGVÜ vor, wenn das den Rechtsstreit einleitende Schriftstück gemäß dem HZÜ zu übermitteln war. Da derzeit alle 12 EuGVÜ-Staaten Vertragsstaaten des HZÜ sind, kommt Art. 20 II EuGVÜ nicht zur Anwendung. Dies gilt allerdings nicht für den gleichlautenden Art. 20 II LugÜ, da Island und Österreich nicht Vertragsstaaten des HZU sind. Deshalb haben die Gerichte der eben genannten Staaten Art. 20 II LugÜ zu beachten. Vgl. hierzu und zu den Unterschieden zwischen Art. 15 HZÜ und Art. 20 II EuGVU/LugÜ Kondring, S. 169 ff. 546

Z.B. § 328 I Nr. 2 ZPO; § 80 Nr. 2 österr. EO (verlangt Zustellung zu eigenen Händen); Art. 64 lit. b ital. IPR-ReformG (früher: Art. 797 Nr. 1 ital. Codice di Procedura Civile). 547

Geimer/Schütze,

10 Geimer

I 2 § 195 (S. 1475 Fn. 30).

110

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

einschließlich der von diesem in Kraft gesetzten internationalen Zustellungsverträge zugestellt worden ist oder wenn trotz ordnungsgemäßer Zustellung der Beklagte dieses Schriftstück nicht so rechtzeitig erhalten hat, daß er sich verteidigen konnte. Zum Schutz des Beklagten ist also eine doppelte Sicherung vorgesehen:548 (I) Einhaltung der Zustellungsregeln des Rechts des Erststaates. Durch diese Prüfung ist nicht gewährleistet, daß der Zustellungsadressat tatsächlich Kenntnis von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück erhalten hat. Denn ordnungsgemäß i.S.v. Art. 27 EuGVÜ/LugÜ bzw. § 328 I Nr. 2 ZPO ist auch eine signification par remise au parquet, eine öffentliche Zustellung und eine Ersatzzustellung, auch wenn feststeht, daß das übermittelte Schriftstück seinen Empfänger tatsächlich nicht erreicht hat. (II) Daher ist weiter rechtzeitiger Zugang erforderlich, damit der Beklagte eine reale Gelegenheit zur Verteidigung hat. Letzteres ist entscheidend aus der Sicht des Art. 6 I EMRK bzw. Art. 103 I GG. Zu unterscheiden sind somit folgende Konstellationen: (A) Die Zustellung erfolgt ordnungsgemäß nach dem im Gerichtsstaat geltenden Zustellungsrecht einschließlich der dort in Kraft gesetzten internationalen Konventionen. 549 Auch erreicht das Schriftstück den Empfänger so rechtzeitig, daß er sich verteidigen kann: 550 In einem solchen Fall ist der Versagungsgrund des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ bzw. § 328 I Nr. 2 ZPO nicht gegeben. (B) Die Zustellung ist ordnungsgemäß, tatsächlich erreicht aber das zu übermittelnde verfahrenseinleitende Schriftstück den Beklagten überhaupt nicht oder nicht so rechtzeitig, daß er sich angemessen verteidigen kann: Hier greift der vorgenannte Versagungsgrund. Dem erststaatlichen Urteil bzw.

548

Vgl. Kropholler EuZPR Art. 27 Rn. 28; MünchKommZPO/Gottwald Art. 27 EuGVÜ Rn. 21 ; Nagel/Gottwald IZPR § 11 Rn.236; zum LugÜ z.B. Bischof, S. 373 ff. 549 Der Nachweis der ordnungsgemäßen Zustellung nach dem Recht des Erststaates kann nach Zöller/Geimer § 328 Rn. 145 f mit allen Beweismitteln geführt werden, und zwar auch im Anwendungsbereich der Verträge; die dort enthaltenen Bestimmungen über die Vorlage von Zustellungsurkunden (bei Versäumnisentscheidungen), wie z.B. Art. 46 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ wollen nur die Beweisführung für den Antragsteller erleichtern, nicht jedoch andere Beweismittel ausschließen, OLG Hamm RIW 1993, 148. A.A. OLG Koblenz RIW 1991, 667, 668 und 860, 861. 550 Die Rechtzeitigkeit ist nicht näher konkretisiert. Sie ist nicht gleichbedeutend mit den im Erst- oder Zweitstaat für den Zivilprozeß geltenden Ladungsfristen, Kropholler, EuZPR Art. 27 Rn. 34. Näher MünchKommZPO/GotfwaW § 328 Rn. 72; Staudinger/Spellenberg", § 328 ZPO Rn. 435.

I. Geltendmachung von Zustellungsmängeln

111

sonstigen Vollstreckungstitel ist die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung zu versagen. 551 (C) Problematisch sind die umgekehrten Fälle, in denen das zuzustellende verfahrenseinleitende Schriftstück tatsächlich dem Beklagten rechtzeitig zugegangen ist, so daß ihm genug Zeit für seine Verteidigung geblieben ist, beim ZustellungsVorgang jedoch nach dem Recht des Erststaates ein Fehler unterlaufen ist. Die h.M. 5 5 2 hält sich an den Wortlaut und gibt auch hier einen Versagungsgrund. Die Gegenmeinung fragt nach dem Sinn des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ und fordert eine teleologische Reduktion. 553 Denn durch Anwendung dieser Vorschriften solle nicht einer sinnlosen Förmelei gehuldigt werden, sondern es solle das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör auch im Anerkennungsstadium gewahrt werden. Daher dürfen nach dieser Meinung belanglose Formfehler bei der Zustellung nicht zur Versagung der Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung führen. Denn allein Fairneß, nicht die Zustellungstechnik zählt, wie Schack 554 hervorhebt. b) Keine teleologische Reduktion durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften 555 verwarf jedoch den Vorschlag für eine solche teleologische Auslegung. Er wandte Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ auch in einem Fall an, in dem unbestritten der Beklagte die Klageschrift rechtzeitig erhalten hatte, wenngleich ein Formfehler unterlaufen war. 556

551 Zur Frage, ob Zweifel am Vorliegen ordnungsgemäßer bzw. rechtzeitiger Zustellung nur auf Rüge des Beklagten oder von Amts wegen zu beachten sind, unten 2. Kapitel: I. III. f) (S. 115). 552

EuGH, Urteil 16.6.1981 Rs. 166/80 - Klomps/Michel - Slg. 1981, 1593 = IPRax 1982, 14 (Nagel 5); OLG Köln RIW 1990,229,230; OLG Stuttgart RIW 1979, 130; Stürner in FS Nagel, S. 446, 456; ders., JZ 1992, 325, 326. 553

Zu § 328 I Nr. 2 ZPO: MünchKommZPO/Gottwald § 328 Rn. 71; Linke, IZPR Rn. 408; Zöller/Geimer § 328 Rn. 134 a. Zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ: MünchKommZPO/Gottwald IZPR Art. 27 EuGVÜ Rn. 20; Geimer/Schütze, I 1 § 140 V (S. 1065 f.); dies. EuZVR Art. 27 Rn. 86; Geimer, NJW 1973, 2138; ders., IPRax 1985, 6; ders., IPRax 1988, 271, 274; ders., EuZW 1991,447; ders., IPRax 1992, 10; ders., IZPR Rn. 2915; Linke, RIW 1986, 409; 412; ders. in Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, 606.207; ders., IZPR Rn. 408; Pfennig, S. 87 f. m.w.N.; Wiehe, S. 205. S. auch unten Fn. 623. 554

Schack, IZVR Rn 849. Bei seinen Schlußfolgerungen bleibt Schack aber nahe bei der h.M. 555 EuGH, Urteil vom 3.7.1990 Rs. C 305/88 - Lancray/Peters - Slg. 1990, 2725 = EuZW 1990, 352 (Geimer) = RIW 1990, 927 = IPRax 1991, 177 (Rauscher 155). Hierzu Stade, NJW 1993, 184, 185, der aber im konkreten Fall schon das Vorliegen eines Zustellungsfehlers verneint. 556 Es ging um einen Prozeß vor dem High Court of Justice in London gegen eine GmbH mit Sitz in Düsseldorf. Der writ wurde in Deutschland durch Einschaltung der

112

2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

Eine Heilung des Mangels komme nur dann in Betracht, wenn das maßgebliche Zustellungsrecht des Erststaates eine Heilungsmöglichkeit vorsehe. 557 Da die Haager Übereinkommen keine eigenständige Heilungsregel kennen, ergeben sich aus der Sicht des Europäischen Gerichtshofs erhebliche Probleme. Dem hält Gottwald treffend entgegen: „Dem Übereinkommen ist aber nicht zu entnehmen, daß eine Heilung von Zustellungsmängeln nach dem anwendbaren Prozeßrecht ausgeschlossen werden sollte. Vielmehr befaßt sich das Übereinkommen mit diesen Fragen weder positiv noch negativ."558 „Denn weder das Übereinkommen noch der Bericht hierzu enthalten irgendeinen Hinweis, daß sie eine nach autonomem Prozeßrecht gegebene Heilungsmöglichkeit ausschließen wollten. Zudem unterlaufen Zustellungsfehler beim Vollzug des HZustÜ derart häufig, daß der rigorose Ausschluß jeder Heilung dem berechtigten Vertrauen des Klägers auf effektiven Rechtsschutz mit Hilfe eines (durch die Justizbehörden vollzogenen) Rechtshilfevertrages nicht gerecht wird." 559 c) Keine prozessuale Last, Rechtsmittel und Rechtsbehelfe im Erststaat einzulegen Der Versagungsgrund des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ kommt nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften auch dann zum Zuge, wenn der Beklagte von dem gegen ihn laufenden erststaatlichen Prozeß Kenntnis erlangt hat und es ihm nach dem Recht des Erststaates möglich gewesen war, noch in den Prozeß durch Einlegung von Rechtsbehelfen gegen eine bereits ergangene gerichtliche Entscheidung einzugreifen. 560 Der Europäische Gerichtshof lehnte jede Art von ProzeßfÖrderungslast des Beklagten, sich durch Rechtsbehelfe rechtliches Gehör zu verschaffen, ab: 561 „Der Zeitpunkt, zu dem sich der Beklagte verteidigen können muß, ist [...] der Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung. Die Möglichkeit, später einen Rechtsbehelf deutschen Rechtshilfebehörde zugestellt. Der Geschäftsführer war in den Räumen der GmbH nicht anzutreffen. Deshalb erfolgte dort Ersatzzustellung an einen Mitarbeiter. Dies war nach deutschem Zustellungsrecht, das nach dem einschlägigen Rechtshilfevertrag maßgeblich war, nicht korrekt. Richtig wäre Ersatzzustellung nur in der Wohnung des Geschäftsführers zulässig gewesen. 557

Zustimmend z.B. Bischof, S. 394 ff. mit weiteren Nachweisen.

558

Nagel/Gottwald

IZPR § 11 Rn. 234.

559

Nagel/Gottwald

IZPR § 11 Rn. 54.

560

EuGH, Urteil vom 27.11.1992 Rs. C-123/91 - Minalmet/Brandeis - Slg. 19921, 5661 = EuZW 1993, 39 = RIW 1993, 65 = EWS 1992, 389 = JZ 1993, 357 (Stürner); hierzu BGH JZ 1993, 619 (Schack). 561

Zustimmend die h.M.; vgl. z.B. MünchKommZPO/GotfwaW IZPR Art. 27 Rn. 20; Nagel/Gottwald IZPR § 11 Rn. 235; Staudinger/Spellenberg xi, § 328 Rn.439; Bischof S. 377 ff. mit weiteren Nachweisen.

I. Geltendmachung von Zustellungsmängeln

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gegen eine bereits für vollstreckbar erklärte Versäumnisentscheidung einzulegen, ist einer Verteidigung vor Erlaß der Entscheidung nicht gleichwertig." 562 d) EuGH-konforme Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch für das autonome deutsche Anerkennungsrecht Der Linie des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften folgt der Bundesgerichtshof ohne Abstriche auch bei der Auslegung des § 328 I Nr. 2 ZPO, sowohl was die fehlenden Heilungsmöglichkeiten bei Zustellungsfehlern nach dem Recht des Gerichtsstaates als auch die vorstehend beschriebene Rügelast anbelangt.563 e) Kritik Schlosser wendet sich gegen die „perfektionistische" Auslegung des Europäischen Gerichtshofs. Die Rechtsprechung bewirke „ans Absurde grenzende Anerkennungshindernisse". 564 Droz 565 und Donzallaz 566 warnen vor einem „abus des droits de la défense". Ebenso bemüht Kondring 567 bei tatsächlicher Kenntnisnahme durch den Zustellungsadressaten und der damit einhergehenden Erreichung des Zwecks des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ den Gedanken des Rechtsmißbrauchs : „Methodischer Weg zur Berücksichtigung der tatsächlichen Zweckerreichung ist [...] der Rechtsmißbrauchsgedanke. Trägt eine Partei im Wissen um die tatsächliche Erreichung des Zustellungszwecks einen Zustellungsmangel oder diesen begründende Umstände vor, so muß dieser Vortrag vom Richter als rechtsmißbräuchlich eingestuft und damit in der Prüfung von Amts wegen unbeachtet bleiben. Doch selbst wenn sich der Zustellungsmangel schon aus anderen Umständen, etwa aus dem Zustellungszeugnis ergibt, so hat der Richter diesen außer acht zu lassen, wenn die Geltendmachung desselben im Rahmen einer Einredevorschrift rechtsmißbräuchlich gewesen wäre und bei redlichem prozessualem Verhalten des Beklagten ein Verzicht auf den Schutz der Anerkennungsvorschrift des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ zu erwarten war. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Zustellungszweck nach der Wertung des hier vertretenen europarechtlichen Heilungsgedankens als geheilt anzusehen ist." 562

Die Linie des Urteils vom 12.11.1992 (Fn. 560) hat der EuGH in seinem Urteil vom 10.10.1996 Rs. C-78/95 Bernardus/Hendrikman u. Maria Feyen/Magenta Druck & Verlag GmbH, EuZW 1996, 732, 733 sub 20 = NJW 1997, 1061 = ZZPInt 2 (1997), 13 β (H.Roth) bestätigt. 563

BGH NJW 1993, 2688; BGH NJW 1993, 598 = JZ 1993, 619 (Schack 621) = RIW 1993, 232; ebenso OLG Frankfurt/Main RIW 1991, 587 = MDR 1991, 800 = OLGZ 1991, 453 = IPRax 1992, 90 (Rauscher 71) = IPRspr. 1991 Nr. 202. 564

Schlosser, EuGVÜ-Kommentar Art. 27 EuGVÜ Rn. 11 f.

565

Siehe Droz, Les droits de la demande S. 113.

566

Donzallaz, Rn. 2930 (S. 457).

567

Kondring, S. 366 f.

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2. Kapitel: Grundfragen des Internationalen Zustellungsrechts

Auch Bungert 56* wendet sich kritisch gegen die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Bundesgerichtshofs: „Hier schöpft der Schuldner einen wertungsmäßig nicht begründbaren Vorteil aus der nationalen Spaltung der Justizapparate [...]." Geimer fordert eine teleologische Reduktion des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ, weil ratio conventionis nur die Wahrung des rechtlichen Gehörs des Beklagten sei, mehr nicht. 569 Er kritisiert, daß der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die „menschenrechtliche Dimension" der Streitfrage nicht gesehen habe. Der Justizgewährungsanspruch des Klägers, den Art. 6 I EMRK genauso schütze wie den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör, bleibe Jämmerlich auf der Strecke, wenn man auch den noch so nebensächlichsten Zustellungsfehler - trotz rechtzeitigen tatsächlichen Zugangs der Klageschrift dazu benutzt, den Kläger um die Früchte seines Sieges im Erststaat zu bringen."570 Eine Kontrolle des erststaatlichen Verfahrens auf Wahrung des rechtlichen Gehörs und der sonstigen elementaren Grundsätze eines fairen Verfahrens im Anerkennungsstadium sei von Art. 6 I EMRK sicher geboten. Jedoch verbiete diese Vorschrift aber auch jedes Übermaß, weil der ebenfalls konventionsrechtlich geschützte Justizgewährungsanspruch des Klägers sonst zu sehr geschwächt würde. Art. 6 I EMRK gebiete, Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ so auszulegen, daß der Justizgewährungsanspruch des Klägers nicht mehr als unbedingt notwendig beeinträchtigt werde. Bei rechtzeitigem Zugang der Klage dürften (nicht substantielle) Zustellungsfehler dem unwilligen, den Erstprozeß hintertreibenden Beklagten keinen willkommenen Anlaß bieten, dem Verfahren im Erststaat, wo er gerichtspflichtig ist, zu entgehen und sich so für das Anerkennungs- bzw. Vollstreckbarerklärungsverfahren einen "internationalen Revisionsgrund" zu konstruieren. Selbstverständlich habe der Beklagte Anspruch auf Einhaltung des erststaatlichen Zustellungsrechts. Er habe aber die prozessuale Last, eventuelle Zustellungsmängel zu rügen, und zwar im Erstprozeß im Gerichtsstaat, wo noch eine Korrekturmöglichkeit bestehe, nicht erst im Zweitstaat, wo es nur noch die Alternative zwischen Anerkennung und Nichtanerkennung gebe. Bei der Auslegung des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ gehe es um das Ausbalancieren der legitimen Interessen des Klägers und des Beklagten im Lichte des Art. 6 I EMRK. Deshalb solle man Zustellungsmängel im erststaatlichen Verfahren als geheilt betrachten, wenn der Beklagte tatsächlich die Klage erhalten hat. Auch 568

Bungert, EWiR 1993, 981, 982.

569

Z.B. Geimer, NJW 1973, 2138, 2142 f.; ders., EuZW 1990, 354; ders., EuZW 1991, 447; ders., IPRax 1992, 5, 11; ders., LM § 328 ZPO Nr. 42; ders., IZPR Rn. 2921. 57 0

Geimer, BerDGVR 33 (1994), 213, 252.

I. Geltendmachung von Zustellungsmängeln

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habe der Beklagte die prozessuale Last, sich in den gegen ihn laufenden Prozeß im Erststaat einzuschalten, wenn er während des Prozesses erfährt, daß gegen ihn ein Verfahren anhängig ist, in dem möglicherweise schon ein Urteil ergangen ist. 571 In Betracht kämen nicht nur die ordentlichen Rechtsbehelfe nach dem Recht des Erststaates, sondern auch der außerordentliche Rechtsbehelf des Art. 16 HZÜ. 5 7 2 Versäumt er es, diese einzulegen, so sei er im Anerkennungsbzw. Vollstreckbarerklärungsverfahren im Zweitstaat mit dem Einwand präkludiert, ihm sei rechtliches Gehör verweigert worden. Auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften betont in ihrer Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament: 573 „Durch die derzeitige Lesart dieser Bestimmung erhält der böswillige Schuldner [....] eine gefährliche Waffe, um sich der Zwangsvollstreckung zu entziehen." Daher schlägt sie in Art. 37a Nr. 2 ihres Reformentwurfs vor, die Berufung auf den Zustellungsmangel dann nicht zu beachten, „wenn der Schuldner [im Erststaat] keinen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung eingelegt hat, obwohl er ordnungsgemäß und rechtzeitig davon in Kenntnis gesetzt wurde." f) Beachtung von Zustellungsmängeln nicht von Amts wegen, sondern nur auf Grund Rüge der beschwerten Partei Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ bzw. § 328 I Nr. 2 ZPO dienen nach Geimer 574 ausschließlich dem Schutz des Beklagten. Unmittelbare staatliche (auch gegen den Willen des Beklagten durchzusetzende) Interessen stünden nicht auf dem Spiel. Es bestehe daher kein Anlaß für den Zweitrichter, von Amts wegen den Versagungsgrund des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ zu prüfen. 575 Zu ähnlichen

571 Anders die h.M., vgl. statt vieler MünchKommZPO/Go//wa/