Neue Stadt in altem Gewand: Der Wiederaufbau Danzigs 1945-1960. Aus dem Polnischen von Heidemarie Petersen 9783412213282, 9783412203122

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Neue Stadt in altem Gewand: Der Wiederaufbau Danzigs 1945-1960. Aus dem Polnischen von Heidemarie Petersen
 9783412213282, 9783412203122

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Neue Stadt in altem Gewand

Visuelle Geschichtskultur He­raus­ge­ge­ben von Stefan Troebst In Verbindung mit Anders Åman, Steven A. Mansbach und László Kontler Band 4

Jacek Friedrich

Neue Stadt in altem Gewand Der Wiederaufbau Danzigs 1945–1960 Aus dem Polnischen von Heidemarie Petersen

2010 BÖHL­AU VER­LAG KÖLN WEI­MAR WIEN

Gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Gedruckt mit Unterstützung des Geisteswissenschaftlichen Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e.V. an der Universität Leipzig. Projektkoordination: Arnold Bartetzky Übersetzung aus dem Polnischen: Heidemarie Petersen Deutschsprachige Redaktion: Thomas Fichtner Redaktionelle Mitarbeit: Christian Dietz

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Polnische Flagge über Danzigs Hafen. Foto um 1948. (Archiwum Państwowe w Gdańsku)

© 2010 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-412-20312-2







Inhalt Vorwort ............................................................................................................... VII Einführung ........................................................................................................

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Kapitel 1 Danzig nach dem Krieg. Aneignung des Ortes ......................................... 17 1.1 Im Angesicht der Zerstörung . ..................................................................... 17 1.2 Die Aneignung des Ortes ............................................................................ 26 Kapitel 2 Die Diskussion um den Wiederaufbau . ...................................................... 55 Kapitel 3 Die Hundegasse oder »Neue Stadt, Neue Menschen« ............................ 85 Kapitel 4 Der Königsweg und das Problem des Sozialistischen Realismus . ...... 113 4.1 Die Architektur ............................................................................................ 114 4.2 Der Bauschmuck ......................................................................................... 140 4.3 Umrahmung für sozialistische Zeremonien ................................................ 161 Kapitel 5 Breitgasse oder zwei Konzeptionen für den Wiederaufbau von Danzig: die »historische« und die »kreative« . .................................... 165 5.1 Die Theorie . ................................................................................................ 166 5.2 Die Praxis .................................................................................................... 177 Kapitel 6 Die Häkergasse oder die Niederlage der Geschichte ............................. 209 Kapitel 7 Das Theater am Kohlenmarkt oder der Triumph der Moderne .............. 221 Kapitel 8 Die städtebauliche Struktur des wiederaufgebauten Danzig ................ 235 Schluss .............................................................................................................. 245 Bibliografie ......................................................................................................... 249 Abbildungsnachweis ........................................................................................... 267 Personenregister . ................................................................................................ 269

Für Wolfgang Drost

Vorwort

Nicht erst seit dem Beschluss des Bundestages zur Teilrekonstruktion des Berliner Stadtschlosses erlebt Deutschland eine Welle von Projekten zum Wiederaufbau zerstörter Baudenkmäler und städtebaulicher Ensembles. In den mitunter sehr emotionalen Debatten, von denen diese Projekte begleitet werden, richten sich die Blicke immer wieder nach Polen. Vor allem die nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebauten historischen Stadtzentren von Warschau und Danzig und das etwas später rekonstruierte Warschauer Schloss werden oftmals als nachahmenswerte Vorbilder oder zumindest als zu diskutierende Vergleichsbeispiele angeführt. Doch unser Wissen über die polnischen Rekonstruktionen ist genau besehen bescheiden. Es basiert hauptsächlich auf touristischen Impressionen und unablässig wiederholten, mythisierenden Berichten über das Wiederaufbauwerk, die letztlich auf die Propaganda aus der Zeit der sozialistischen Volksrepublik zurückgehen und bis heute in der populären Reiseliteratur wiederholt werden. Auch wenn das wissenschaftliche Interesse am rekonstruktiven Wiederaufbau polnischer Städte in letzter Zeit deutlich gestiegen ist, klaffen selbst in der polnischen Forschung noch einige große Lücken auf diesem Gebiet. Um so schwerer ist es für den deutschsprachigen Leser, sich über das Thema umfassend und zuverlässig zu informieren. Zwar liegen inzwischen auch einige wissenschaftliche Beiträge in deutscher Sprache vor, doch sie werden weder in ihrem Umfang noch mit ihrer Quellenbasis und Methodik der Komplexität des Themas gerecht. Zudem sind sie verstreut publiziert und damit für Interessierte außerhalb des kleinen Kreises von Experten schwer zugänglich. Deshalb hat sich das Geisteswissenschaftliche Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig (GWZO) entschlossen, mit der Dissertationsschrift des Danziger Kunsthistorikers Jacek Friedrich die wohl profundeste und inhaltlich vielschichtigste Untersuchung zu einer nachkriegszeitlichen Wiederaufbaukampagne in Polen in deutscher Übersetzung zu publizieren. Das vorliegende Buch bietet die erste umfassende, systematische Darstellung des Wiederaufbaus des historischen Stadtzentrums von Danzig. Jacek Friedrich zeichnet akribisch den Prozess des Wiederaufbaus nach und analysiert die ihm zugrunde liegenden denkmalpflegerischen und städtebaulichen Prinzipien. Dabei kann er etwa aufzeigen, dass sich hinter den nur annähernd originalgetreu wiederhergestellten historischen Fassaden, die dem touristischen Blick als Nachbildung des untergegangenen Stadtbilds erscheinen, tatsächlich eine neue urbane Struktur verbirgt, die mit dem alten Danzig wenig gemein hat. Sein Interesse gilt aber nicht minder den geschichtspolitischen und sozialen Voraussetzungen und Funktionen des historisierenden Wiederaufbaus, der keineswegs von Anfang an beschlossene Sache war, sondern gegen erhebliche politische Widerstände durchgesetzt werden musste. Das ideologische Hauptproblem bestand in der deutschen Prägung des vor-

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Vorwort

kriegszeitlichen Danzig, das nach Flucht und Vertreibung der deutschen Bevölkerung von Neubürgern aus verschiedenen Gegenden Polens besiedelt worden war. Der Wiederaufbau in historisierenden Formen fungierte, wie Friedrich deutlich macht, als zentrales Element einer Strategie zur mentalen Aneignung des Ortes, in der das seinen neuen Bewohnern anfangs fremde Danzig als polnische Stadt neu kodiert wurde. Im Dienste dieser Umdeutung standen die vielfältigen Propagandaaktivitäten, die den Wiederaufbau popularisieren und damit auch Identität stiften sollten. Die semantische Polonisierung der Stadt wurde aber auch in den einzelnen Bau- und Dekorationsformen der wiedererrichteten Gebäude selbst anschaulich, auf die der Autor ein besonderes Augenmerk richtet. Die Arbeit fußt auf einem immensen Korpus von bisher unerschlossenen Quellen unterschiedlichster Art und eigens durchgeführten Interviews mit Zeitzeugen. Sie verbindet ein Höchstmaß an wissenschaftlicher Akkuratesse und Unvoreingenommenheit mit einer allgemein verständlichen Darstellungsform, die auch ein fachfremdes Publikum ansprechen kann. Ihre Lektüre lohnt nicht nur wegen der Aktualität des Themas. Mit ihrem Facettenreichtum bietet Friedrichs Dissertationsschrift weit mehr als eine gründliche Studie zu einem nach wie vor zu wenig erforschten Kapitel der Geschichte des Städtebaus und der Denkmalpflege. Sie ist darüber hinaus und vielleicht vor allem ein gewichtiger Beitrag zur visuellen Geschichtskultur im Polen der Nachkriegszeit. Die Publikation dieser Schrift in deutscher Sprache ist ein Gemeinschaftsunternehmen der am GWZO angesiedelten Forschungsprojekte »Visuelle und historische Kulturen Ostmitteleuropas im Prozess staatlicher und gesellschaftlicher Modernisierung seit 1918« sowie »Imaginationen des Urbanen in Ostmitteleuropa. Stadtplanung – Visuelle Kultur – Dichtung«, die in ihrer Arbeit gleichermaßen von Jacek Friedrichs Untersuchungen profitiert haben. Den Projektleitern Prof. Dr. Stefan Troebst und Dr. Alfrun Kliems sei für ihre anhaltende Unterstützung des zeitaufwendigen Vorhabens gedankt. Ein Dank für dessen großzügige finanzielle und institutionelle Förderung gebührt dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. Dass die deutsche Textversion ebenso gut lesbar ist wie der polnische Ausgangstext, ist der Übersetzerin Dr. Heidemarie Petersen und dem Redakteur des Buches, Thomas Fichtner, zu verdanken. Die letzten Korrekturarbeiten übernahm freundlicherweise Christian Dietz. Für die so sorgsame wie engagierte verlegerische Betreuung der Publikation danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Böhlau Verlags, vor allem Sandra Hartmann, auf deren Wirken die ansprechende Gestaltung des Buches zurückgeht, und Harald S. Liehr, dem Leiter der Weimarer Niederlassung, dessen Geduld im Zuge der langwierigen Vorarbeiten zur Drucklegung gelegentlich auf harte Proben gestellt worden war. Arnold Bartetzky

Einführung

Im Januar 2000 gab der damalige polnische Präsident Aleksander Kwaśniewski der Wochenzeitung Tygodnik Powszechny ein ausführliches Interview, in dem er unter anderem eine Bewertung des von der Volksrepublik Polen hinterlassenen Erbes abgab. Er stellte darin fest, dass die Regierungen der Volksrepublik bei allen wirtschaftlichen Einschränkungen »die Chancen auf einen zivilisatorischen Aufstieg nicht ungenutzt gelassen haben. Bildung, Kultur, der Wiederaufbau der Städte. Mindestens Letzteres. Wir sind das einzige Land, das sich entschlossen hat, seinen Altstädten in Warschau und Danzig ihre Vorkriegsgestalt zurückzugeben. Köln, Hamburg oder Berlin haben sich dazu nicht aufraffen können.«1 Weiter sagte er, auf persönliche Erlebnisse zurückgreifend: »Beim Staatsbesuch von Bundeskanzler Schröder haben wir einen Spaziergang durch Danzig gemacht. Er hat gefragt: ›Sag’ mal, wer hat eigentlich entschieden, diese Stadt so wiederaufzubauen wie vor dem Krieg?‹ Ich habe ihm geantwortet, dass ich das nicht weiß, aber bestimmt war es das Politbüro. Und wer auch immer es gewesen ist, es war eine ausgezeichnete Entscheidung.«2 Diese Äußerung berührt mindestens zwei Schlüsselfragen zum Wiederaufbau Danzigs. Erstens bekräftigt sie den Mythos, dass die nach 1945 erbaute Stadt dieselbe sei wie vor dem Krieg3, und zweitens – was hier sogar wichtiger ist – offenbart sie die politischen Implikationen des Wiederaufbaus, denen man offenbar auch noch mehr als ein halbes Jahrhundert nach seinem Beginn nicht entgehen kann. Natürlich wird der Zusammenhang von Wiederaufbau und Politik heute anders wahrgenommen als in der Nachkriegszeit. Heute ist der Wiederaufbau eines der wenigen Argumente, um das Ansehen der Volksrepublik zu retten, während er damals

1 Bilans kadencji. Z prezydentem Aleksandrem Kwaśniewskim rozmawiają Witold Bereś i Krzysztof Burnetko [Bilanz einer Amtszeit. Mit Präsident Aleksander Kwaśniewski sprechen Witold Bereś und Krzysztof Burnetko]. In: Tygodnik Powszechny, 16. Januar 2000, 8. 2 Bilans kadencji … (wie Anm. 1). Kwaśniewskis Vermutung, wer für die Entscheidung zum Wiederaufbau verantwortlich war, trifft übrigens nicht zu – siehe dazu Kapitel 2 der vorliegenden Untersuchung 3 Die Mythologisierung des Wiederaufbaus von Danzig ist eines jener Probleme, die einer gesonderten Bearbeitung bedürften. Es existieren gleich zwei Mythen: Bis vor nicht allzu langer Zeit dominierte der »rosige« Mythos, man habe Danzig angeblich aus Ehrfurcht gegenüber der Vergangenheit wiederaufgebaut. Neuerdings verbreitet sich jedoch ein »schwarzer« Mythos, der besagt, dass die ganze wiederaufgebaute Stadt eine einzige große Attrappe sei. Das mythologisierte Bild vom Wiederaufbau findet sich an ganz unerwarteten Stellen – so konnte ich etwa aus einem französischen Dokumentarfilm aus den 70er Jahren zur Schlacht bei Tannenberg 1410 Entzücken über den Wiederaufbau Danzigs heraushören 

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Einführung

nur als eine von vielen großartigen Leistungen des sozialistischen Staates galt.4 Ein politischer Hintergrund ist auch in dem Streit um eine Frage zu sehen, die man folgendermaßen formulieren könnte: »Ist das wiederaufgebaute Danzig das echte Danzig?« Die aus der Stadt stammenden Deutschen, die den Prozess des Wiederaufbaus mit gemischten Gefühlen beobachteten, haben sich solche Fragen schon in den 50er Jahren gestellt.5 Und sie gewinnen in den letzten Jahren neue Aktualität, seitdem man begonnen hat, das nach dem Krieg realisierte Wiederaufbaukonzept zu hinterfragen, unter anderem, weil es die Architektur des 19. Jahrhunderts außen vor gelassen hat. Diese Ansicht wurde vor allem von einer Gruppe um den Danziger Politiker und heutigen polnischen Ministerpräsisdenten Donald Tusk vertreten.6 4 Ein Plakat zum zehnjährigen Bestehen der Volksrepublik Polen mit dem Titel »Blütenlese der Volksrepublik« illustriert dies in sehr komprimierter Form: Darauf erscheinen Danzig, Warschau und Posen (noch eine nach den Zerstörungen des Krieges in historischer Gestalt wiederaufgebaute Stadt) neben großen Industriestandorten wie der Traktorenfabrik Ursus und dem PKW-Werk F.S.O. (Fabryka Samochodów Osobowych) in Warschau, der Bierut-Hütte in Tschenstochau, der Hütte Bobrek in Beuthen, der Waggonbaufabrik Pafawag (Państwowa Fabryka Wagonów) in Breslau, der Stadt Starachowice nördlich von Krakau, in der u. a. das LKW-Werk Star und ein Werk zur Herstellung von Panzern und anderem militärischem Gerät ansässig waren, und natürlich und an erster Stelle die Lenin-Hütte bei Krakau. Eine Reproduktion dieses von Józef Mroszczak gestalteten Plakates findet sich in: Dziennik Bałtycki, 16. Juli 1954, 1. 5 Zum Beispiel: Gehrmann, K. H.: Gedanken zum Wiedererstehen Danzigs. In: Unser Danzig 13 (1959), 4 f. 6 Diese trat im Zusammenhang mit der Veröffentlichung einer Buchserie und später auch einer Monatsschrift unter dem gemeinsamen Titel Był sobie Gdańsk [Es war einmal: Danzig] in Erscheinung (die Monatsschrift wurde später in 30 dni [30 Tage] umbenannt). Tusk selbst hat das Nachkriegskonzept des Wiederaufbaus so sehr in Frage gestellt, dass er erklärte: »Danzig hat im 20. Jahrhundert zwei Katastrophen, eine nach der anderen, erlebt, nämlich die Zerstörung seiner Innenstadt am Ende des Zweiten Weltkrieges und deren Wiederaufbau im Geiste des Kommunismus.« – Tusk, D.: Udawanie miasta [Simulation einer Stadt]. In: Program ożywienia śródmieścia Gdańska. Hg. von G. Boros und Z. Gach. Gdańsk 1998, 45. Da ich über keine politologischen Kompetenzen verfüge, kann ich nicht beurteilen, inwieweit die Ansichten dieser Gruppe mit ihrer liberalen politischen Ausrichtung zusammenhängen. Es scheint mir aber, dass hier das 19. Jahrhundert (natürlich nicht nur in Danzig) als eine Zeit individuellen Unternehmergeistes wahrgenommen wird, den im Danzig der Vorkriegszeit etwa das Kaufhaus der Gebrüder Freymann symbolisierte. Man darf dennoch nicht vergessen, dass dasselbe 19. Jahrhundert – auch in Danzig – zahlreiche Verwaltungsgebäude als Zeugnisse staatlicher Selbstdarstellung hinterließ. Natürlich lässt sich die in Danzig relativ neue Faszination für die historisierende Architektur des 19. und vom Beginn des 20. Jahrhunderts (zu ihrer negativen Rezeption in den Jahren des Wiederaufbaus siehe die entsprechenden Abschnitte der Kapitel 1, 2 und 4 der vorliegenden Untersuchung) nicht ausschließlich auf politische Faktoren zurückführen. In noch höherem Maße gründet sich diese Faszination auf ästhetische bzw. spezifisch historisch-architektonische Prämissen, obgleich der Grad der Ignoranz, den einige Vertreter jener Gruppierung in dieser Hinsicht an den Tag legen, manchmal geradezu erstaunlich ist. Als Beispiel sei die vom Schriftsteller Paweł Huelle vorgeschlagene Definition eines »spezifischen Danziger Stils« in der Architektur genannt, der eine »Verbindung von Jugendstil, Renaissance sowie eines barocken Manierismus in seiner niederländischen Variante« sei. – Huelle, P.: Jak po grudzie, czyli w kilku odsłonach rzecz o tym, w jaki sposób zeszpecić Gdańsk i



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Die Bewertung des Wiederaufbaus ruft immer noch Emotionen hervor und provoziert Diskussionen, darunter auch über die sehr wichtige Frage, ob man ihn heute in derselben Form fortsetzen, korrigieren oder ergänzen sollte. Diese Umstände könnten vielleicht einen auf Wahrung der Objektivität bedachten Wissenschaftler davon abhalten, sich mit einem derart kontroversen Thema zu befassen. Gleichzeitig jedoch erlaubt die inzwischen vergangene Zeit von gut einem halben Jahrhundert, eine Perspektive einzunehmen, aus der heraus die den Wiederaufbau begleitenden Auseinandersetzungen und Kontroversen nicht mehr darüber entscheiden, wie man das Problem insgesamt betrachtet. Differenzen in der Bewertung des Wiederaufbaus kamen relativ früh auf. Schon 1953 stellte eine Gruppe von Architekturhistorikern des Instituts für die Geschichte der Polnischen Architektur an der Danziger Technischen Hochschule (Zakład Historii Architektury Polskiej Politechniki Gdańskiej) zumindest teilweise die Art des Wiederaufbaus in Frage.7 Die Kritik betraf im Wesentlichen das Problem, dass beim Wiederaufbau der historische Wert der Bauten sowohl hinsichtlich ihrer Gestalt als auch ihrer Substanz missachtet wurde.8 Dank der Forschungsaktivitäten und des polemischen Temperamentes von Jerzy Stankiewicz, eines der Unterzeichner jenes Artikels, rückte diese Problematik in den folgenden Jahrzehnten in den Vordergrund der Diskussion.9 Ein frühes Beispiel dafür ist ein Beitrag von Stanisław Bobiński, der 1958 in der Zeitschrift Rocznik Gdański veröffentlicht wurde und den man als Beginn einer wissenschaftlichen Reflexion des Wiederaufbaus betrachten kann.10 Davor wurde die Diskussion – was völlig verständlich ist – von spontanen, affirma-

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uczynić go architektonicznym, nijakim brzydactwem [Eine mühsame Sache oder Stück in mehreren Aufzügen darüber, wie man Danzig verunstaltet und eine gesichtslose architektonische Hässlichkeit aus ihm macht]. In: 30 dni 3 (1999), 11. Versuch einer Analyse solcher Urteile in: Friedrich, J.: Problem »gdańskości« w architektonicznych upodobaniach współczesnych gdańszczan [Das Problem des »Danzig-Typischen« in den architektonischen Vorlieben heutiger Danziger]. In: Gust gdański. Materiały z sympozjum 23./24. października 2002. Hg. von B. Dejna und J. Szczepański. Gdańsk 2004, 82–98. Ciemnołoński, J., u. a.: O nowy, piękny, narodowy w swej dawnej formie a socjalistyczny w treści Stary Gdańsk [Für ein neues, schönes, in seiner einstigen Form nationales und in seinem Inhalt sozialistisches Altes Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 29./30. November 1953 (Beilage »Rejsy«), 8. Zu den in diesem wichtigen Text vertretenen Ansichten ausführlicher siehe Kapitel 4. Dass formale Fragen und später vor allem solche der materiellen Authentizität im Mittelpunkt des Interesses standen, resultierte leider nicht ausschließlich aus einem speziellen Forschungsinteresse, sondern wurde durch die ständige Bedrohung dieser Authentizität quasi erzwungen (siehe Kapitel 6). Bobiński, S.: Problemy i trudności odbudowy Gdańska [Probleme und Schwierigkeiten des Wiederaufbaus von Danzig]. In: Rocznik Gdański 8 (1958), 202–213. Bobiński war nicht nur als Architekt am Wiederaufbau beteiligt, sondern auch ein versierter Erforscher der Geschichte Danziger Stadtplanung und Autor des Buches: Gdańsk wczesnodziejowy. Analiza planu miasta [Das frühzeitliche Danzig. Analyse des Grundrisses der Stadt]. Danzig 1951.

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tiven11 und häufig polemischen Beiträgen dominiert. In der damaligen Situation, solange die Arbeiten noch andauerten, zeigte sich selbst in Bobińskis ausgewogenem Text ein polemischer Zug. Die Literatur zum Wiederaufbau Danzigs hat einen spezifischen Charakter. Die überwiegende Mehrheit aller bis in die letzten Jahre getroffenen Aussagen zu diesem Thema kann man in zwei Kategorien einteilen. Die erste umfasst Arbeiten von Autoren, die in der einen oder anderen Form selbst am Wiederaufbau beteiligt waren. Das ist einerseits mit dem Risiko einer verengten und einseitigen Forschungsperspektive verbunden. Doch auf der anderen Seite besitzen gerade diese Arbeiten oftmals den größten Wert.12 Ihre Autoren verfügten naturgemäß über ein umfang11 Siehe zum Beispiel: Borowski, J.: Zabytkowy Gdańsk w odbudowie [Das historische Danzig im Wiederaufbau]. In: Technika Morza i Wybrzeża 3 (1948), 32–36. 12 Die wichtigsten sind: Bobiński: Problemy … (wie Anm. 10). – Stankiewicz, J./Szermer, B.: Gdańsk. Rozwój urbanistyczny i architektoniczny oraz powstanie zespołu Gdańsk-Gdynia-Sopot [Danzig. Stadtentwicklung und Architektur und die Entstehung des Ballungsraumes Danzig-Gdynia-Zoppot]. Warszawa 1959, hier Kapitel 11: Lata powojenne [Die Nachkriegsjahre], v. a. 273– 307. – Stankiewicz, J.: Uwagi o odbudowie zespołu zabytkowego Gdańska [Anmerkungen zum Wiederaufbau des historischen Bauensembles von Danzig]. In: Ochrona Zabytków 3/4 (1959), 153–172. – Stankiewicz, J.: Les monuments de Gdańsk. Histoire, destruction et reconstruction. Poznań 1961 (Offprint aus: Polish Western Affairs 2 (1961), 1–36 [381–414] – Stankiewicz, J.: Kilka refleksji związanych z odbudową Gdańska [Einige Reflexionen zum Wiederaufbau von Danzig]. In: Rocznik Gdański 34/35 (1974/1975), 213–235 – Stankiewicz, J.: Probleme der Erforschung und des Wiederaufbaus der Alten Stadtzentren des polnischen Ostseeraumes mit besonderer Berücksichtigung von Gdańsk und Szczecin. In: Zeszyty Naukowe Politechniki Gdańskiej. Architektura 12 (1975), 63–78. – Stankiewicz, J.: Dalsze refleksje nad odbudowanym Gdańskiem [Weitere Reflexionen zum wiederaufgebauten Danzig]. In: Sztuka pobrzeża Bałtyku. Materiały Sesji Stowarzyszenia Historyków Sztuki, Gdańsk, listopad 1976. Warszawa 1978, 413–436. – Stankiewicz, J.: Odbudowa zabytkowych zespołów Gdańska po 1945 r. [Der Wiederaufbau historischer Bauensembles in Danzig nach 1945]. In: Ochrona Zabytków 3 (1979), 177–190. – Kowalski, J., u. a.: Rozwój urbanistyczny i architektoniczny Gdańska [Städtebauliche und architektonische Entwicklung Danzigs]. In: Gdańsk. Jego dzieje i kultura. Warszawa 1969, 129–265, hier Kapitel 7: Massalski, R./Stankiewicz J.: Odbudowa Głównego Miasta i obiektów zabytkowych [Der Wiederaufbau der Rechtstadt und ihrer Baudenkmäler], 223–236. – Massalski, R.: Odbudowa renesansowej Szkoły Mariackiej w Gdańsku [Der Wiederaufbau des Renaissancebaus der Marienschule in Danzig]. In: Rocznik Gdański 34/35 (1974/1975), 173–210. – Gruszkowski, W.: Zagadnienia adaptacji historycznych ośrodków miejskich w Polsce dla potrzeb współczesnego życia (streszczenie) [Probleme der Anpassung historischer Stadtzentren in Polen an die Erfordernisse des modernen Lebens (Zusammenfassung)]. In: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 3 (1958), 339–340. Es handelt sich hier um die Zusammenfassung eines Referates der Konferenz »Geschichte des Städtebaus und des Wiederaufbaus in historischen Städten« im tschechischen Schloss Dobříš im Jahr 1957. Der vollständige Text des Referates liegt mir als Kopie vor. – Gruszkowski, W.: Planowanie urbanistyczne pięciu miast Zatoki Gdańskiej [Stadtplanung in den fünf Städten der Danziger Bucht]. In: Przegląd Zachodni 4 (1959), 371–381. – Gruszkowski, W.: Warunki mieszkaniowe w odbudowanych historycznych ośrodkach miejskich. Streszczenie [Die Wohnverhältnisse in den wiederaufgebauten historischen Stadtzentren. Zusammenfassung]. In: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 1/2 (1960), 269–275. – Szermer, B.: Główne Miasto w Gdańsku. Zabudowa, znisz-



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reiches, über die Archivalien hinausgehendes Wissen zu den Phänomenen, die sie beschrieben und häufig selbst mitgestaltet haben, und daher haben sie sich in ihren Ausführungen in der Regel auch nicht auf Quellen gestützt. Im Gegenteil haben die von ihnen vermittelten Informationen im Laufe der Jahre selbst den Charakter von Quellen angenommen. Die zweite Kategorie umfasst Texte, die aus einer gleichsam externen Perspektive geschrieben wurden. Darunter finden sich auch solche, die Quellenwert besitzen, da sie die vom jeweiligen Autor in Danzig vorgefundene Situation zuverlässig beschreiben13 doch in ihrer Mehrzahl tragen sie nichts Substantielles zum Wissen über den Wiederaufbau bei, im besten Falle wiederholen sie die in Danzig selbst getroffenen Befunde.14 Eine gesonderte Position nehmen dabei deutsche Publikationen czenia i warunki odbudowy a stan obecny [Die Rechtstadt in Danzig. Bebauung, Zerstörungen, Bedingungen des Wiederaufbaus und gegenwärtiger Zustand]. In: Gdańsk pomnik historii, Bd. 2. Gdańsk 2001 (Teka Gdańska, Bd. 4), 43–70. – Krzyżanowski, L.: Historical center of Gdańsk. Reconstruction and role within the conurbation. In: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 2 (1967), 11–28. – Krzyżanowski, L.: Gdańsk. In: Zabytki urbanistyki i architektury w Polsce. Odbudowa i konserwacja. Hg. von W. Zin. Warszawa 1986 (Bd. 1: Miasta historyczne. Hg. von W. Kalinowski), 93–102. – Krzyżanowski, L.: Gdańsk z perspektywy Głównego Miasta. Problematyka konserwatorska po roku 1945 [Danzig aus der Perspektive der Rechtstadt. Probleme der Denkmalpflege nach 1945]. In: Gdańsk średniowieczny w świetle najnowszych badań archeologicznych i historycznych. Hg. von H. Paner. Gdańsk 1998, 143–146. 13 So etwa im Fall der Publikationen Horst Strehlkes: Unser deutsches Danzig. Ein Bildbericht von der Zerstörung und dem Wiederaufbau aus den Jahren 1951/1952. In: Der Westpreusse 25 (1953), 18 f. – Wie Danzig aufgebaut wird. In: Der Westpreusse 5 (1954), 8 f.; 7 (1954), 9; 8 (1954), 13. Ich bin mir natürlich darüber im Klaren, dass man die Perspektive, aus der diese Beiträge geschrieben sind, nicht wirklich als »extern« bezeichnen kann. Extern ist sie nur in Bezug auf den Wiederaufbau, aber nicht in Bezug auf Danzig, das vermutlich die Heimatstadt des Autors oder ihm doch zumindest vertraut ist. Daher rührt auch die Fundiertheit seiner Beschreibungen. 14 Ein besonders krasses Beispiel für die Mängel dieser Art von Arbeiten bietet ein Text von Konstanty Kalinowski: Odbudowa zabytkowych miast w Polsce. Teoretyczne podstawy i realizacja na przykładzie Gdańska [Der Wiederaufbau historischer Städte in Polen. Theoretische Grundlagen und Realisierung am Beispiel Danzigs]. In: Ochrona dziedzictwa kulturowego zachodnich i północnych ziem Polski. Hg. von J. Kowalczyk. Warszawa 1995, 53–72. Dieser Text liegt auch in drei deutschsprachigen Varianten vor: Der Wiederaufbau der Altstädte in Polen in den Jahren 1945–1960. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege 3/4 (1978), 81–93. – Der Wiederaufbau der historischen Stadtzentren in Polen. Theoretische Voraussetzungen und Realisation am Beispiel Danzigs. In: Deutsche Kunst und Denkmalpflege 2 (1989), 102–111. – Der Wiederaufbau des historischen Stadtzentrums in Danzig. In: Danzig – Gdańsk. Deutsch-Polnische Geschichte, Politik und Literatur. Dillingen 1996, 110–123. Diese Publikation ist in dem die theoretischen Grundlagen des Wiederaufbaus betreffenden Abschnitt beachtenswert, aber enttäuscht dort, wo der Wiederaufbau Danzigs thematisiert wird. Der Autor mischt fundierte und zweifelhafte Informationen und gibt in der Regel weder für die einen noch für die anderen eine Quelle an. Es kommen gravierende Sachfehler vor, wie zum Beispiel die Angabe der Jahreszahl 1962 für den Baubeginn im nördlichen Teil der Rechtstadt (dass es sich hier nicht um einen gewöhnlichen Druckfehler handelt, beweist der Umstand, dass dasselbe falsche Jahr auch in den deutschen Aus-

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ein15, die, obwohl sie im Allgemeinen keine wesentlichen faktographischen Informationen enthalten, in der Interpretation der Fakten eine Perspektive anbieten, die sich von der polnischen naturgemäß unterscheidet. Gleichzeitig sind sie eine interessante Quelle für die Untersuchung der Rezeption des Wiederaufbaus von Danzig in Westdeutschland, u. a. unter den Heimatvertriebenen.16 In den deutschen Publikationen aus den 50er Jahren stehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Wiederaufbaus einer deutschen Stadt durch die Polen im Vordergrund17, doch sie verbinden sich mit gaben von 1989 und 1996 erscheint; in der Ausgabe von 1978 taucht es dagegen nicht auf). Einige der Verallgemeinerungen des Autors entsprechen nicht den Tatsachen, so zum Beispiel, dass im Verlauf der Diskussionen der Jahre 1945–1948 »ganz entschieden die Auffassung vorherrschte, dass es notwendig sei, das Stadtzentrum in moderner Form wiederaufzubauen« (zum tatsächlichen Verlauf dieser Diskussionen siehe Kapitel 2). Die mangelnde Fundiertheit des Textes ist umso bedauerlicher, als er auch, insgesamt dreimal, auf deutsch publiziert worden ist (wobei die erste Version Danzig im Unterschied zu den beiden anderen eher am Rande behandelt), wobei das Informationschaos in der deutschen Ausgabe von 1989 seinen Höhepunkt erreicht, in der sogar die Namen der Danziger Straßen und Stadtteile aus dem Polnischen ins Deutsche rückübersetzt worden sind, was solche Kuriosa wie »Hauptstadt« (statt Rechtstadt), »Brotgasse« (statt Brotbänkengasse), »Mariengasse« (statt Frauengasse) oder »Biergasse« (statt Jopengasse) hervorbringt. 15 Hierbei geht es vor allem um in der Bundesrepublik veröffentlichte Texte. Mir ist nur ein kurzer Text bekannt, der in der DDR veröffentlicht wurde: Jacob, B.: Wiedererrichtung historischer Kulturgüter. In: Blick nach Polen 1 (1953), 8. Dies ist ein propagandistischer Text, einzig erwähnenswert ist vielleicht die Aussage, dass in Polen Kulturgüter »ohne Chauvinismus« rekonstruiert würden, was den Leser hätte darauf hinweisen können, dass diese Objekte (zum Beispiel in Danzig oder Breslau) keine polnischen waren. In Polen wäre zu jener Zeit ein solcher Blickwinkel wohl nicht eingenommen worden. Ein wahrscheinlich ebenfalls für den ostdeutschen Leser bestimmter Text ist der Artikel »Der Wiederaufbau von Gdańsk«, der in der vom Polnischen Informationsbüro (Polskie Biuro Informacyjne) herausgegebenen Schrift Kulturprobleme des neuen Polen veröffentlicht wurde (2 (1950), 10 f., 15). Dies ist ein propagandistisch-affirmativer Text. 16 Hierzu würde ich die bereits erwähnten »Gedanken zum Wiedererstehen Danzigs« (wie Anm. 5) sowie die Beiträge Strehlkes (wie Anm. 13) zählen, außerdem: Schwedorowski, H.: Neubauten in Danzig. In: Unser Danzig 12 (1958), 8 f. – Heidingsfeld, H.: Danzig. Gedanken eines Danziger Architekten. In: Unser Danzig 8 (1958), 5  f. – Bahr, E.: Der Wiederaufbau der Baudenkmäler in Danzig. In: Lübeckische Blätter 7 (1961), 85–88. Außergewöhnlich ist eine Publikation von Karl Leyendecker: Danzigs Wiederauferstehung. Die geschichtlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Faktoren seiner kulturellen Geltung. In: Jenseits der Oder 3 (1953), 13–17. Dieser ausführliche Artikel ist aus der Position eines Westdeutschen geschrieben, doch in propagandistischer Hinsicht übertrifft er an manchen Stellen sogar entsprechende polnische Publikationen (besonders in den Bemerkungen zur Zerstörung der Stadt im Jahr 1945) oder kommt ihnen zumindest gleich. Der Autor übernimmt zum Beispiel die These, dass die Danziger Architektur eher flämischen als deutschen Charakter besitze (15). Auch spricht er davon, dass das zerstörte Danzig dank des ausgeprägten Nationalbewusstseins der Polen wiederaufgebaut worden sei. (15  f.). Darüber hinaus stellt er die in Danzig vollbrachten Leistungen dem angesichts der Zerstörung der historischen Städte in Westdeutschland eingeschlagenen Weg gegenüber. (16 f.). 17 Zum Beispiel: »[…] dürfen wir nicht schweigen, müssen vielmehr immer wieder auf die Fälschung hinweisen, die heute mit dem Wiederaufbau Danzigs betrieben wird«. – Heidingsfeld (wie Anm. 16), 6.



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einem sehr starken Interesse am Wiederaufbau selbst. Später setzte sich allmählich eine Haltung der Akzeptanz, ja sogar der begeisterten Zustimmung durch18. Dieser Wandel resultierte einerseits sicher aus einer schrittweisen Gewöhnung an die neue Gestalt der Stadt und andererseits aus dem allmählichen Aussterben der Alt-Danziger, die die Rekonstruktion mit dem in ihrem Gedächtnis bewahrten Danziger Stadtbild der Vorkriegszeit vergleichen konnten.19 Eine besondere Stellung unter den späteren deutschen Texten nehmen die Arbeiten von Wolfgang Deurer ein.20 Unabhängig von allen Unterschieden haben die Beiträge, die den hier definierten Kategorien angehören, zwei wesentliche Züge gemeinsam: Zum einen stützten sie sich grundsätzlich nicht auf Quellenmaterial, zum anderen haben sie in der Re18 Eine umfangreiche Auswahl an Meinungen zum Wiederaufbau Danzigs – darunter auch deutscher – präsentiert Gruszkowski, W.: Spór o odbudowę Gdańska ze zniszczeń wojennych 1945 [Die Auseinandersetzung um den Wiederaufbau Danzigs nach den Kriegszerstörungen 1945]. In: Gdańsk w gospodarce i kulturze europejskiej. Hg. von M. Mroczko.Gdańsk 1997. 19 Die erste Äußerung einer vollständig »externen« Wahrnehmung des wiederaufgebauten Danzigs auf deutscher Seite, einer Wahrnehmung gleichsam mit polnischen Augen ist ein Text vom Ende der 50er Jahre: Stephan, H.: Der Wiederaufbau von Warschau und Danzig. Notizen von einer Studienreise im Juni 1958. In: Bauwelt 42 (1958), 1019–1027. Der Autor widmet nicht nur Warschau unvergleichlich mehr Aufmerksamkeit als Danzig, sondern bezeichnet sogar die Rechtstadt als »Altstadt«, folgt also dem damals unter Architekten in Danzig allgemein verpflichtenden Sprachgebrauch, in dem die Rechtstadt notorisch als »Altstadt« bezeichnet wurde (dies spiegelt sich auch in der Presse und in den Beschriftungen der Entwürfe wieder). Vom Interesse am Wiederaufbau Danzigs in Deutschland zeugt in besonderer Weise die bisher umfangreichste Publikation: Dokumentation der Jahrestagung 1986 in Danzig. Thema: Probleme des Wiederaufbaus nach 1945. Hg. von I. Brock. Arbeitskreis Theorie und Lehre der Denkmalpflege. Bamberg 1991. Sie enthält allerdings vor allem Texte polnischer Autoren. Dazu gehören: Stankiewicz, J.: Der Wiederaufbau historischer Ensembles in Danzig nach 1945, 14–19 (Es handelt sich hier um eine leicht modifizierte Fassung des Artikels: Stankiewicz: Odbudowa zabytkowych zespołów... (wie Anm. 12)); Philipp, S.: Information über die »Denkmalpflegerischen Richtlinien für die Altstadt von Gdańsk/Danzig«, 28; Philipp S.: Erwägungen über die Gestaltung von öffentlichen Räumen im historischen Zentrum von Gdańsk/Danzig, 29–47. Dem Wiederaufbau von Elbing ist gewidmet: Baum, S.: Der Wiederaufbau der Altstadt von Elbląg/Elbing, 48–53. Nur partiell handeln von Danzig: Deurer, W.: Die polnische konservatorische Schule in ihrer internationalen Entwicklung und die Rekonstruktion der Innenstadt von Danzig, 20–27; Brock, I.: Der Wiederaufbau von Nürnberg – Vergleiche mit Danzig, 54–76. 20 Ihr Autor – Sohn des Verfassers einer grundlegenden Dokumentation der Danziger Baudenkmäler – stand den Architekturhistorikern der Danziger Technischen Hochschule nahe, vor allem Jerzy Stankiewicz. In einer umfangreichen, den einschiffigen Kirchen von Danzig gewidmeten Arbeit äußert sich Deurer jun. ziemlich kritisch zu deren denkmalpflegerischen und städtebaulichen Rahmenbedingungen: Problemy historyczne i konserwatorskie jednonawowych kościołów sródmieścia Gdańska [Historische und denkmalpflegerische Probleme der einschiffigen Kirchen der Danziger Innenstadt]. Gdańsk 1982 (vervielfältigtes Typoskript), bes. 417–431. Als Buch erschien die Arbeit unter dem allzu viel versprechenden Titel: Danzig. Die Dokumentation 52 historischer Kirchen. Wesel 1996, hier 380–387. Kritische Akzente enthält auch sein Artikel: Polnische Denkmalpflege am Scheidewege. Leistung und Kritik am Wiederaufbau – Beispiel der Stadt Danzig. In: NordOst-Archiv. Zeitschrift für Kulturgeschichte und Landeskunde 17 (1984), Nr. 75, 21–34.

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gel synthetischen Charakter, was ein typischer Zug der Literatur zum Wiederaufbau Danzigs ist. Erst in den letzten Jahren sind quellengestützte analytische Arbeiten entstanden, was damit zusammenhängt, dass sich eine neue Generation von Forschern des Themas angenommen hat, die weder über Kenntnisse jenseits der Quellen noch über eine unmittelbare und umfassende Anschauung des Wiederaufbaus verfügen.21 Eben die Auswertung der in der bisherigen Forschung kaum oder gar nicht benutzten Quellen ist der Hauptgrund dafür, das Problem des Wiederaufbaus von Danzig erneut aufzunehmen. Dabei ist auch die bereits erwähnte Generationsfrage nicht ohne Bedeutung. So, wie es eine positive Erscheinung in der Literatur ist, dass jede Generation die schon früher vielfach übersetzten Werke eines Aischy-

21 Najmajer, P.: Historyczne śródmieście Gdańska – odbudowa czy budowa nowej dzielnicy [Danzigs historische Innenstadt – Wiederaufbau oder Neubau eines Stadtviertels]. In: Gdańsk pomnik historii, Bd. 2 (Teka Gdańska, Bd. 4). Gdańsk 2001, 9–26. – Friedrich, J.: Urbanistyka odbudowanego Gdańska [Das städtebauliche Konzept des wiederaufgebauten Danzigs]. In: Morze Zjawisk. Pismo Wydziału Filologiczno-Historycznego Uniwersytetu Gdańskiego 1 (1998), 123–131. – Friedrich, J.: Die Diskussion über den Wiederaufbau von Danzig in den Jahren 1945–1948. In: Mare Balticum 1999, 24–34. – Friedrich, J.: Wystrój dekoracyjny Drogi Królewskiej w Gdańsku w latach 1953–1955 [Der Bauschmuck am Königsweg in Danzig 1953–1955]. In: Gdańskie Studia Muzealne, Bd. 6. Gdańsk 1995 [2000]. – Friedrich, J.: Dwie wizje odbudowy Gdańska: »historyczna« i »twórcza« na przykładzie dyskusji wokół zabudowy ulicy Szerokiej [Zwei Vorstellungen vom Wiederaufbau Danzigs: die »historische« und die »kreative« am Beispiel der Diskussion um die Bebauung der Ulica Szeroka]. In: Gdańsk pomnik historii, Bd. 2. Gdańsk 2001 (Teka Gdańska, Bd. 4), 71–100. – Friedrich, J.: Gdańsk 1945–1949. Oswajanie miejsca [Danzig 1945–1949. Aneignung des Ortes]. In: Gdańsk pomnik historii, Bd. 2. Gdańsk 2001 (Teka Gdańska, Bd. 4), 27–42. – Friedrich, J.: Kontinuität und Innovation beim Wiederaufbau Danzigs. In: Städtebau im südlichen Ostseeraum zwischen 1936 und 1980. Hg. von B. Lichtnau. Berlin 2002, 169–174. – Friedrich, J.: Główne założenia odbudowy historycznego Gdańska [Die wichtigsten Grundlagen des Wiederaufbaus des historischen Danzig]. In: Kunstgeschichte und Denkmalpflege. IV. Tagung des Arbeitskreises deutscher und polnischer Kunsthistoriker und Denkmalpfleger, Toruń 2.–6. Oktober 1997. Hg. von M. Woźniak. Toruń 2002, 213–224. – Friedrich, J.: »Złoty wiek« kultury gdańskiej widziany z perspektywy polskiej około połowy XX wieku [Das »Goldene Zeitalter« der Danziger Kultur, betrachtet aus der polnischen Perspektive in der Mitte des 20. Jahrhunderts]. In: Studia z historii sztuki i kultury Gdańska i Europy Północnej. Prace poświęcone pamięci Doktor Katarzyny Cieślak. Hg. von J. Friedrich und E. Kizik. Gdańsk 2003, 439–447. – Friedrich, J.: »Nowe miasto i nowi ludzie«. O przemianie społecznej funkcji kamienicy gdańskiej w połowie XX wieku [»Neue Stadt und neue Menschen«. Zum gesellschaftlichen Funktionswandel des Danziger Hauses in der Mitte des 20. Jahrhunderts]. In: Kamienica w krajach Europy Północnej. Hg. von M. J. Sołtysik. Gdańsk 2004, 510–522. – Friedrich, J.: Politics and Reconstruction. Rebuilding the Historical Towns of Eastern Europe After the Second World War: Gdańsk, Warsaw, Kaliningrad, Minsk. In: Neue Staaten – neue Bilder? Visuelle Kultur im Dienst staatlicher Selbstdarstellung in Zentral- und Osteuropa seit 1918. Hg. von A. Bartetzky, M. Dmitrieva und S. Troebst. Köln-Weimar-Wien 2005, 169–179. Zu einigen Aspekten der unmittelbaren Nachkriegszeit in Danzig aus soziologischer Sicht: Załęcki, J.: Przestrzeń społeczna Gdańska w świadomości jego mieszkańców. Studium socjologiczne, Gdańsk 2003.



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los, Cervantes oder Sterne neu überträgt, so ist es ein Zeichen für die Vitalität der Wissenschaft, wenn sie interessante Forschungsprobleme wiederaufnimmt. Und ein solches ist der Wiederaufbau Danzigs nach dem Krieg ohne jeden Zweifel. Die dritte und vielleicht wichtigste Begründung schließlich sehe ich darin, dass ich mich in meinen Forschungen auf solche Aspekte zu konzentrieren versuche, die bisher nicht Gegenstand systematischer Reflexion gewesen sind. Dazu gehört ohne Zweifel der politische Aspekt des Wiederaufbaus, der, obwohl er untergründig immer eine Rolle gespielt hat, in der Forschung bisher nicht ernsthaft erwogen wurde.22 Die wichtigsten Fragen sind für mich das Bild des Wiederaufbaus in der Propaganda (Kapitel 3) sowie das Problem der sozialistischen visuellen Kultur und dabei besonders des Sozrealismus (Kapitel 4). Ein anderes und für mich entscheidendes Problem ist der Mentalitätswandel, der in den ersten Nachkriegsjahren mit dem Heranreifen der Idee des Wiederaufbaus (ich habe diesen Prozess »Aneignung des Ortes« genannt, Kapitel 1) und danach mit dem Abrücken von den historischen Vorlagen einhergegangen ist (dies wird hier als »Triumph der Moderne« bezeichnet, Kapitel 7). Ein spezieller Aspekt der »Aneignung des Ortes« ist die Diskussion über die künftige Gestalt der Stadt, in der die neuen Danziger leben sollten (Kapitel 2).23 Ich hoffe auch, mit den auf bisher unbekanntes und meiner Überzeugung nach sehr wichtiges Quellenmaterial gestützten Überlegungen zu den zwei prinzipiell existierenden Auffassungen zum Wiederaufbau (ich habe sie »historisch« und »kreativ« genannt) und den schwierigen Versuchen, einen Kompromiss zwischen ihnen zu finden24, Neuland zu betreten. Dies gilt insbesondere für die Herausarbeitung der einen solchen Kompromiss ermöglichenden theoretischen Grundlagen, die auf beiden Seiten existierten (Kapitel 5).25

22 Siehe dazu zum Beispiel: Kalinowski: Odbudowa … (wie Anm. 14), 62 f. – Miłobędzki, A.: Polska szkoła konserwatorska [Die polnische Schule der Denkmalpflege]. In: Arka 49 (1994), 131–141. 23 Dieses Problem berührt zum Teil auch der 1997 von Wiesław Gruszkowski veröffentlichte Artikel »Spór o odbudowę …« [Die Auseinandersetzung um den Wiederaufbau …], den ich erst nach Abschluß meiner eigenen Forschungen zu diesem Thema, deren Ergebnisse im selben Jahr 1997 als Referat präsentiert und später in Mare Balticum 1999 veröffentlicht worden sind (siehe Anm. 21), zur Kenntnis genommen habe. Gruszkowskis Arbeit ergänzt in vielen Aspekten (vor allem denen, die auf den persönlichen Erinnerungen des Autors beruhen) das von mir gezeichnete Bild, ohne es jedoch umzustürzen. 24 Dieses Problem kam zwar in den bis dahin gemachten Äußerungen vor, doch wurde es von den Vertretern der beiden miteinander konkurrierenden Vorstellungen (häufiger von den »Historikern«) in unvermeidlich polemischer Weise formuliert. Dieser Umstand bedingt, dass man jene Aussagen als Quelle zu dieser Frage, aber nicht als Analyse behandeln sollte. 25 Während die theoretischen Grundlagen der »historischen« Option bereits von Kalinowski: Odbudowa … (wie Anm. 14) präsentiert worden sind, betrete ich mit meinen Überlegungen zu den Prinzipien der »kreativen« Option Neuland.

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Das Quellenmaterial, das dieser Untersuchung zugrunde liegt, besteht im Wesentlichen aus drei Arten von Dokumenten: Presseerzeugnissen, Archivalien und Erinnerungen – sowohl publizierten als auch von mir zusammengetragenen – von Personen, die am Wiederaufbau beteiligt waren. Zur Auswertung der Presse wurden die zwei wichtigsten lokalen Tageszeitungen, der Dziennik Bałtycki (Jahrgänge 1945–1960 sowie die Beilage Rejsy) und Głos Wybrzeża (Jahrgänge 1947–1960) herangezogen, darüber hinaus aber auch einige Wochenzeitungen26 und Fachzeitschriften.27 Die Tageszeitungen waren dabei ohne Zweifel am wichtigsten, sie enthalten zusammengenommen über 2.000 Beiträge, die sich mehr oder weniger direkt mit dem Wiederaufbau befassen, von mit Bildunterschriften oder kurzen Kommentaren versehenen Fotografien über zahlreiche größere oder kleinere Erwähnungen bis hin zu ausführlichen Artikeln, von denen ein Teil von grundlegender Bedeutung für die Erforschung des Wiederaufbaus ist.28 Diese in Tageszeitungen publizierten Beiträge sind die Quellenbasis der Kapitel 1–3, und in etwas geringerem Maße auch der Kapitel 4 und 7. Die Monatsschrift Architektura hat Danzig besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Die Texte, insbesondere aber die Entwürfe, die dort publiziert worden sind, stellen eine der Hauptquellen des 4. Kapitels dar. Der wichtigste Aktenbestand unter den Archivalien sind die im Staatsarchiv Danzig (Archiwum Państwowe w Gdańsku – APG) aufbewahrten, mehr als 5.000 Mappen umfassenden Akten der Baudirektion Arbeitersiedlungen Danzig (Dyrekcja Budowy Osiedli Robotniczych (DBOR), Sign. APG 1153). Sie enthalten vor allem die Dokumentation der Entwürfe und – wenn auch leider in sehr viel geringerem Umfang – die Protokolle der Entwurfsdiskussionen.29 Ich habe mich auf jene Teile der erhaltenen Dokumente konzentriert, die sich auf das äußere Stadtbild beziehen – sowohl mit Blick auf das für die Rekonstruktion Danzigs zu Grunde liegende Prinzip, demzufolge das Innere der wiederaufgebauten Häuser modern ausgeführt und einzig die Fassaden mehr oder minder historisch gestaltet werden sollten, aber auch mit Blick auf mein Interesse für die kulturelle (im Unterschied

26 Skarpa Warszawska (1945–1946); Stolica (1946-1960); Odrodzenie (1945–1946); Ziemia i Morze (1956–1957). 27 Technika Morza i Wybrzeża (1947–1961); Architektura (1947–1961); Miasto (1950–1961); Projekt (1956–1961); Przegląd Artystyczny (1950–1957); Ochrona Zabytków (ab 1948). 28 Zum Beispiel der bereits erwähnte Artikel von Ciemnołoński (wie Anm. 7). 29 An dieser Stelle taucht das Problem auf, inwiefern das erhaltene Archivmaterial vollständig ist. Józefa Wnukowa hat behauptet, dass zahlreiche – heute nicht mehr auffindbare – Entwürfe zur Bauplastik des Königsweges jahrelang unbeachtet in der Staatlichen Hochschule der Bildenden Künste (Państwowa Wyższa Szkoła Sztuk Plastycznych, heute Akademia Sztuk Pięknych – Akademie der Bildenden Künste) in Danzig »herumgeflogen« (so ihre Worte) seien. Romuald Chomicz wiederum hat erwähnt, dass viele Dokumente einem Wasserschaden im Keller der Werkstätten für Denkmalpflege (Pracownie Konserwacji Zabytków) zum Opfer gefallen sind.



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zur technischen oder funktionalen30) Seite des Wiederaufbaus. Dazu gehört auch das bereits erwähnte Element der visuellen Kultur, deren Medium die Fassaden und nicht das Innere der Häuser war.31 Ich habe mich dabei auf die Dokumentation der meisten großen Straßenzüge und einiger ausgewählter Nebenstraßen konzentriert, die etwa 1.200 Mappen umfasst. Von geringerer Bedeutung für die vorliegende Abhandlung waren der Aktenbestand »Miastoprojekt« (Stadtprojekt, Sign. APG 36) oder, wenngleich auch interessant, der Bestand der Danziger Wojewodschaftsverwaltung (Urząd Wojewódzki w Gdańsku) der Jahre 1945–1950, der zum Teil auch die Akten der Kulturabteilung dieser Verwaltung umfasst (Sign. APG 1164). Recherchen im Archiv Neuer Akten (Archiwum Akt Nowych, AAN) in Warschau haben nicht die erwarteten Resultate erbracht. Die von mir ausgewerteten Bestände des Ministeriums für die Wiedergewonnenen Gebiete (Ministerstwo Ziem Odzyskanych, Sign. AAN 196), des Ministeriums für Information und Propaganda (Ministerstwo Informacji i Propagandy, Sign. AAN 168), des Ministeriums für Öffentliche Verwaltung (Ministerstwo Administracji Publicznej, Sign. AAN 199), des Ministeriums für Kultur und Kunst (Ministerstwo Kultury i Sztuki, Sign. AAN 387) sowie – zu meiner besonderen Überraschung – des Ministeriums für den Wiederaufbau (Ministerstwo Odbudowy, Sign. AAN 314) und des Ministeriums für Stadt- und Siedlungsbau (Ministerstwo Budownictwa Miast i Osiedli, Sign. AAN 537) enthalten nichts von grundlegender Bedeutung. In vieler Hinsicht interessant, aber für das vorliegende Thema wenig ergiebig sind auch die in den staatlichen Werkstätten für Denkmalpflege (Pracownie Konserwacji Zabytków) erstellten Dokumentationen. Eine spezielle Quellenkategorie stellen die Berichte von am Wiederaufbau beteiligten Personen dar. Die zwei in einem zeitlichen Abstand von beinahe zwanzig Jahren veröffentlichten Bände der »Erinnerungen an den Wiederaufbau der Danziger Rechtstadt« enthalten annähernd 50 solcher Berichte.32 Einige weitere habe ich selbst zusammengetragen.33 Diese Beiträge beziehen sich auf die unterschied30 Diesen Aspekt hat Wiesław Gruszkowski untersucht (siehe Anm. 12). 31 Es geht mir also vor allem um die Entwürfe für die Vorder- und Hoffassaden, Details von Giebeln und Portalen, Entwürfe für Beischläge und sogenannte Kleinarchitektur, und außerdem – relativ seltene – städtebauliche Entwürfe, etwa zur Gestaltung der Straßenfronten, zur Bewirtschaftung der Höfe etc. 32 Wspomnienia z odbudowy Głównego Miasta. Zebrała oraz wstępem i spisem budowniczych opatrzyła Izabella Trojanowska [Erinnerungen an den Wiederaufbau der Rechtstadt. Gesammelt sowie mit einer Einleitung und einem Verzeichnis der Baumeister versehen von Izabella Trojanowska], Bd. 1. Gdańsk 1978. – Wspomnienia z odbudowy Głównego Miasta. Zebrała i opracowała oraz wstępem opatrzyła Izabella Greczanik-Filipp [Erinnerungen an den Wiederaufbau der Rechtstadt. Gesammelt, bearbeitet sowie mit einer Einleitung versehen von Izabella Greczanik-Filipp], Bd. 2. Gdańsk 1997. 33 Vier meiner Gesprächspartner haben ihre Erinnerungen in den oben genannten Bänden veröffentlicht (Józefa Wnukowa, Wiesław Gruszkowski, Lech Kadłubowski und Jerzy Stankiewicz), die

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lichsten Fragen und enthalten sehr oft Informationen, die andere Quellen so nicht bieten. Dies betrifft vor allem den Alltag des Wiederaufbaus. Darüber hinaus habe ich verschiedene visuelle Quellen wie alte und neue Stadtpläne, alte Fotografien und Zeichnungen benutzt. Besonders ergiebig sind in dieser Hinsicht die Sammlungen des Kunstinstituts (Instytut Sztuki) der Polnischen Akademie der Wissenschaften (Polska Adademia Nauk) in Warschau. Nützlich waren auch die Bestände des Polnischen Zentrums für die Erforschung und Dokumentation von Baudenkmälern (Krajowy Ośrodek Badań i Dokumentacji Zabytków) in Warschau. Quellencharakter hat für mich ebenfalls die Mehrzahl der Publikationen von Autoren, die selbst mit dem Wiederaufbau zu tun hatten. Eine unersetzliche Quelle schließlich ist die Stadt selbst, in der Gestalt, die ihr nach 1945 verliehen wurde. Ähnlich wie bereits von meinen Vorgängern praktiziert, spreche sowohl im Titel als auch im Text dieses Buches vom »Wiederaufbau Danzigs«, meine damit aber im Prinzip nur die Rechtstadt und – in geringerem Umfang – die an sie angrenzenden Viertel der historischen Innenstadt.34 Die Chronologie der Darstellung wird von zwei Jahreszahlen begrenzt: 1945 und 1960. Die erste versteht sich von selbst, die zweite bedarf der Begründung. Sie bezeichnet, zwar nur fiktiv, doch ziemlich präzise den Moment, in dem der Wiederaufbau Danzigs als weitgehend einheitliches, nach allgemein verbindlichen, wenn auch gelegentlich modifizierten Grundsätzen durchgeführtes Projekt an sein Ende kommt.35 Das vorrangige Ziel dieser Arbeit ist es, die verschiedenartigen Aspekte sowohl des Wiederaufbaus selbst als auch der ihn begleitenden Prozesse aufzuzeigen. Diesem Ziel soll eine Form dienen, die chronologisch-thematisch gegliedert einige für den Wiederaufbau grundlegende und dabei für mich selbst besonders bedenkenswerte Probleme präsentiert (ich habe sie bei der Begründung der Themenwahl bereits erwähnt). In den beiden ersten Kapiteln versuche ich, die verschiedenen Bereiche zu zeigen, die sozusagen den Boden bilden, auf dem der Wiederaufbau gründen sollte: die materielle Wirklichkeit der zerstörten Stadt und die Versuche, sie schrittweise zu meistern (Kapitel 1.1); die mentale Wirklichkeit einer Stadt, die ihre Bewohner sich erst wieder aneignen mussten, um in ihr leben zu können (Kapitel 1.2); sowie die Wirklichkeit der Worte, mit denen die Zukunft der Stadt entworfen weiteren Personen sind Kazimierz Ostrowski, Zacheusz Pypeć, Ryszard Semka und Roman Sznajder. Mit Romuald Chomicz habe ich ein informelles Gespräch geführt, zu dem ich keine Notizen angefertigt habe. 34 Bobiński: Problemy … (wie Anm. 10). – Stankiewicz, J.: Kilka refleksji …(wie Anm. 12), 216. – Stankiewicz, J.: Dalsze refleksje … (wie Anm. 12). – Gruszkowski (wie Anm. 18). 35 Zum schrittweisen Ende eines in dieser Weise verstandenen Wiederaufbaus und zu den diesen Vorgang begleitenden mentalen Veränderungen siehe Kapitel 7.



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wurde (Kapitel 2). In den fünf folgenden Kapiteln widme ich mich verschiedenen Aspekten des Wiederaufbaus, deren Manifestation ich an einzelnen Abschnitten der wieder entstehenden Stadt aufzeige. Dies sind: der Zusammenprall von Propaganda und Realität (Kapitel 3), die den Sozrealismus begleitende visuelle Kultur und die Neudefinition der Geschichte (Kapitel 4), das Finden eines Kompromisses zwischen zwei prinzipiell verschiedenen Auffassungen zum Wiederaufbau (Kapitel 5), die Vernichtung der noch erhaltenen originalen Spuren der Vergangenheit der Stadt (Kapitel 6), schließlich der Modernitätsrausch in der zweiten Hälfte der 50er Jahre (Kapitel 7). Eine Analyse der städtebaulichen Struktur, die als Resultat des Wiederaufbaus enstand (Kapitel 8), beschließt die Arbeit. Es versteht sich von selbst, dass die vorliegende Arbeit den Wiederaufbau Danzigs keinesfalls erschöpfend behandelt. Sie ist eher eine Studie zur polnischen Kulturgeschichte nach 1945. Je mehr Dokumente ich durchgesehen habe und je mehr Wirkfaktoren des Wiederaufbaus sich mir erschlossen haben, umso klarer wurde, dass der Wiederaufbau Danzigs – was immer man auch von seinem Ergebnis halten mag – eine so außergewöhnliche und dabei vielschichtige Aufgabe war, dass weder ein Historiker noch ein Kunsthistoriker allein sie in erschöpfender Weise erfassen könnte. Ohne Zweifel bietet sich hier Stoff für Vertreter von mindestens zwei weiteren Disziplinen, zum Beispiel für Theoretiker der Denkmalpflege und Soziologen, um voneinander unabhängige Arbeiten zu diesem Thema schreiben. Ersterer würde sich auf eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem hier nur knapp skizzierten Problem der Zerstörung von Überresten der originalen Architektur konzentrieren, auf den Vergleich einzelner Gebäude mit ihren historischen Vorlagen, auf die Untersuchung der beim Wiederaufbau eingesetzten Techniken und Technologien, und bestimmt würde er sich vorrangig Objekte der sakralen und profanen Monumentalarchitektur vornehmen, die, im Gegensatz zu den wiederaufgebauten Häusern, reich an rein denkmalpflegerischen Aufgaben sind.36 Letzterer könnte sich mit der Mythologisierung des Wiederaufbaus befassen, die verschiedenen Phasen verfolgen, in denen er von den Deutschen rezipiert wurde, und vor allem versuchen, die Frage zu beantworten, ob und in welcher Weise er nach dem Krieg zur Entstehung irgendwelcher Formen kollektiven Bewusstseins bei den neuen Bewohnern der Stadt beigetragen hat. Der Katalog an Fragen, die man an den Wiederaufbau stellen könnte, erschöpft sich nicht in den oben skizzierten Problemen, sie veranschaulichen lediglich, wie unterschiedlich solche Fragen sein können. Und wenn von Fragen die Rede ist: Unter denen, die sich mir selbst im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau stellten, ist eine ohne zuverlässige Antwort geblieben: Was war das eigentliche Motiv für die Regierung der Volksrepublik, als sie die Entscheidung

36 Eben weil bei der Behandlung solcher Bauten die rein denkmalpflegerische Problematik gegenüber den mich am meisten interessierenden kulturhistorischen Fragen überwiegt, habe ich diese Objekte in meinen Überlegungen außer Acht gelassen.

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zum Wiederaufbau traf? Ich bin auf keinerlei Dokumente gestoßen, die diese Frage hätten klären können. Hier ausschließlich der eigenen Intuition zu folgen kann trügerisch sein, wie die von Konstanty Kalinowski vorgeschlagene Erklärung beweist: »Die Entscheidung zur Rekonstruktion des früheren Stadtbildes von Danzig war eine Entscheidung der politischen Machthaber [damit sind die Vertreter der Zentralregierung gemeint, J. F.] und fand, im Gegensatz zu Warschau, keine breitere Unterstützung der lokalen Bevölkerung, die sich in ihrer überwiegenden Mehrheit aus Umsiedlern und Zuwanderern zusammensetzte.«37 Im Licht der Forschungen, deren Ergebnis das 2. Kapitel der vorliegenden Abhandlung ist, könnte man das genaue Gegenteil annehmen. Das Interesse am Wiederaufbau, und zwar am Wiederaufbau in historischer Gestalt, war unter den Danzigern, auch den neuen, überraschend groß, und in gewissem Maße könnte man den Eindruck gewinnen, dass es vielleicht sogar der Druck der lokalen Bevölkerung war, der die Zentralregierung dazu bewog, die Entscheidung für den Wiederaufbau zu treffen.38 Doch ich will nicht in die Falle tappen, vor der ich gerade noch gewarnt habe, und werde mich nicht weiter in solchen Vermutungen ergehen. Ich möchte nur einen recht banalen Schluss ziehen: Nicht auf Quellen gestützte Feststellungen können diejenigen treffen, die an den von ihnen beschriebenen Vorgängen selbst teilgenommen haben. Diejenigen aber, die die beschriebene Wirklichkeit nicht als etwas unmittelbar Gegebenes erfahren haben, müssen sich auf Quellen stützen, was ganz und gar nicht bedeutet, diesen unkritisch zu glauben. Womöglich habe ich mich allzu treu an diese Direktive gehalten. Dafür hoffe ich aber, Behauptungen zu vermeiden, deren einzige Quelle die vorgebildete Meinung ihres Autors ist. Das Buch stellt die leicht überarbeitete Version meiner Dissertation dar, die ich im Jahr 2000 am Historischen Institut der Universität Danzig vorgelegt habe.39 Ich möchte allen meinen herzlichen Dank aussprechen, die mir im Verlauf der Arbeit

37 Kalinowski: Odbudowa … (wie Anm. 14), 62 f. Wenngleich auch andere Vermutungen existieren. Mirosław Przyłęcki meint zum Beispiel: »Im Fall der Rekonstruktion der Bebauung der Alten (sic) Stadt in Danzig oder der teilweisen Rekonstruktion des Marktplatzes in Breslau spielten emotionale Gründe und der politische Wille, diese auszunutzen, eine große Rolle […] in der Absicht, die Assimilation der neuen Bewohner dieser Städte zu beschleunigen oder überhaupt erst zu ermöglichen und einen Prozess der Identifikation der Bevölkerung mit ihrem neuen Wohnort in Gang zu bringen.« – Przyłęcki, M.: Zrekonstruowane zespoły urbanistyczne jako przedmiot ochrony konserwatorskiej [Rekonstruierte städtebauliche Ensembles als Gegenstand des Denkmalschutzes]. In: Ochrona i Konserwacja Zabytków 6 (1997), 63. Diese Vermutung wird durch das Quellenmaterial nicht gestützt. 38 Über diese Stimmung hätte zum Beispiel der mit ihm in enger Beziehung stehende Generalkonservator Jan Zachwatowicz, der sich 1947 und 1948 in Danzig aufhielt, Bierut Auskunft geben können. 39 Das Unterkapitel 1.2 sowie die Kapitel 2, 5 und 8 wurden, zum Teil in abweichender Form, bereits vorher publiziert.



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an diesem Text Hilfe und Wohlwollen entgegengebracht haben. Dank bin ich vor allem meinen Gesprächspartnern schuldig – den Zeugen und Beteiligten des Wiederaufbaus, von denen einige inzwischen nicht mehr leben, namentlich Professor Józefa Wnukowa, Romuald Chomicz, Professor Lech Kadłubowski, Professor Kazimierz Ostrowski und Professor Jerzy Stankiewicz, des Weiteren Professor Wiesław Gruszkowski, Zacheusz Pypeć, Professor Ryszard Semka sowie Roman Sznajder. Ich danke meinem Doktorvater, dem inzwischen verstorbenen Professor Roman Wapiński, sowie den Kommilitonen eines von ihm durchgeführten Seminars, in dem diese Arbeit in Teilen vorgestellt wurde, für die Möglichkeit zur Diskussion und die Hinweise auf zahlreiche Mängel des Textes. Der Universität Danzig danke ich für die Finanzierung meiner Forschungen durch Stipendien. Mein Dank gebührt auch den hilfreichen und geduldigen Mitarbeitern der Institutionen, deren Sammlungen ich benutzt habe: der Bibliothek der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Danzig, der Nationalbibliothek in Warschau (besonders den Damen in der Abteilung für Mikrofilm und Reprografie), der Bibliothek der Akademie der Schönen Künste in Danzig, des Regionalzentrums für Studien und Schutz des Kulturerbes in Danzig, des Polnischen Zentrums für die Erforschung und Dokumentation von Baudenkmälern in Warschau, des Archivs Neuer Akten in Warschau, Kunstinstitut der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau und vor allem des Staatsarchivs in Danzig. Auch danke ich allen übrigen Personen, die auf die eine oder andere Weise zum Entstehen dieser Abhandlung beigetragen haben, darunter besonders Bohdan Szermer, Camilla und Edmund Kizik, Katarzyna Moro, Małgorzata Omilanowska, Arnold Bartetzky, Jacek Bielak, Hubert Bilewicz, Dariusz Kaczor und Jacek Tylicki. In unverändert freundschaftlicher Erinnerung behalte ich Katarzyna Cieślak, die verstorbene hervorragende Kennerin der frühneuzeitlichen Geschichte der Kunst Danzigs, die mir das Typoskript eines nie publizierten Vortrags über den Wiederaufbau Danzigs nach dem Krieg überlassen hat. Schließlich danke ich meiner Familie für ihre Geduld und vielfältige Unterstützung während der mehrjährigen Arbeit an diesem Buch.



Kapitel 1 D a n z i g nach dem Krieg. Aneignung des Ortes

1.1 Im Angesicht der Zerstörung

Die Umstände, unter denen es im Frühjahr 1945 zur Zerstörung einer der größten und bedeutendsten historischen Städte in Nordeuropa kam, sind immer noch nicht abschließend geklärt. Die lange Jahre hindurch verbindliche und offizielle Version sprach davon, dass die Stadt infolge von Hitlers Entscheidung, sie zur Festung zu erklären, zerstört worden sei.1 Gegen Ende der Volksrepublik Polen wurde sie von der Überzeugung abgelöst, dass die Sowjetarmee erheblichen Anteil am Zerstörungswerk hatte, soll sie doch noch nach der Einnahme der Stadt mit Absicht Brände gelegt und die Stadt sogar zum Vergnügen beschossen haben. Auf letzteren Umstand wurde mit besonderem Nachdruck hingewiesen.2 Man suggerierte sogar, dass die Zerstörungen geradezu systematisch erfolgt seien.3 Bolesław Hajduk hat jedoch nachgewiesen, wie Ende März 1945 in Danzig erbitterte Kämpfe geführt wurden, darunter auch auf dem Gebiet der historischen Innenstadt.4 Die von ihm ausgewerteten deutschen Berichte erlauben es bisweilen sogar, die Zerstörung ein1 So schrieb zum Beispiel Wojciech Żukrowski, einer der führenden »offiziellen« Schriftsteller der Volksrepublik, in der Einleitung zu dem in einer Auflage von 50.000 Stück erschienenen Buch »Gdańsk« (Warszawa 1978) der Autoren Maria und Andrzej Szypowski: »Die letzten Monate der Besatzung. Hitler befiehlt, jedes Stückchen Erde zu verteidigen. Geraubter Erde. Der Reihe nach gibt er Stadt für Stadt der Zerstörung preis.« (o. S.). 2 Solche Berichte sollen Augenzeugen Józefa Wnukowa übermittelt haben, die 1945 noch in Zoppot wohnte (mündliche Information von Józefa Wnukowa aus dem Jahr 1989). 3 So zum Beispiel in dem Dokumentarfilm »Gdańsk 1945. Prawo wojny?« [Danzig 1945. Kriegsrecht?], TV Polska Gdańsk 1990 von I. Bartolewska, in dem gesagt wird, dass die Häuser in der ul. Korzenna  / Pfefferstadt systematisch niedergebrannt wurden. Von der Hartnäckigkeit dieser Ansicht zeugt ein zehn Jahre später publizierter Text von Mieczysław Abramowicz, in dem er schreibt: »Am selben Tag [am 28. März] begann die planvolle, gut organisierte sowjetische Vernichtung Danzigs.« – Abramowicz, M.: Gdańsk, marzec 1945 [Danzig, März 1945]. In: 30 dni 3 (2000), 18. Vielleicht am radikalsten hat Wojciech Mokwiński diese Auffassung formuliert: »Die Innenstadt von Danzig wurde von der russischen Roten Armee – aus ideologischen Gründen – im März 1945 gesprengt.« – Mokwiński,W.: Dekonstrukcja układu urbanistycznego Głównego Miasta Gdańska [Die Dekonstruktion der städtebaulichen Struktur der Danziger Rechtstadt]. In: Program Ożywienia Śródmieścia Gdańska (Konwersatorium »Quo vadis Gedania?«, Bd. I: Rewitalizacja Gdańska Historycznego, T. 1). Hg. von G. Boros und Z. Gach, Gdańsk 1998, 38. Ungleich seriöser befasst sich Barbara Okoniewska mit der Frage, ob das historische Danzig von der Roten Armee zielgerichtet zerstört wurde: Okoniewska, B.: Refleksje nad rokiem 1945 [Reflexionen über das Jahr 1945]. In: Gdańsk 1945. Hg. von M. Mroczko. Gdańsk 1996, 13–15. 4 Hajduk, B.: Założenia operacyjne, przebieg działań wojskowych i opanowanie Gdańska przez Armię Radziecką (I–III 1945) [Die operativen Voraussetzungen, der Verlauf der Kriegshandlungen

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zelner Gebäude auf den Tag genau zu bestimmen.5 Auch hat er ausdrücklich festgestellt, dass es die Haltung der »lokalen [deutschen] politischen und insbesondere militärischen Führungseliten« gewesen sei, die über den Untergang der Stadt entschieden habe.6 Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Aufzeichnungen des Kommandanten der deutschen 2. Armee, aus denen hervorgeht, dass er die »historischen Denkmäler« bewusst geopfert hat, um die sowjetischen Kräfte zu binden und die Evakuierung einer größtmöglichen Zahl von Deutschen auf dem Seewege zu ermöglichen.7 Nicht berücksichtigt hat Hajduk dagegen in seinem Text die Zerstörung der Stadt durch sowjetische Truppen nach der Einnahme Danzigs, was sich aus der mangelnden Zugänglichkeit glaubwürdiger Quellen erklärt. In jedem Fall gehen, worauf auch Wiesław Gruszkowski hinweist, die Berichte über die Zerstörung der Stadt sehr weit auseinander.8 Ohne eine gründliche Untersuchung der russischen Archivbestände lässt sich diese Frage sicher nicht klären.9 Für die vorliegenden Überlegungen ist diese Frage, so spannend sie auch sein mag, nicht die interessanteste. Unvergleichlich wichtiger ist es, das Ausmaß der Verluste zu bestimmen, die der historische Baubestand der Stadt erlitten hat (Abb. 1–4). In Bezug auf die Rechtstadt, ja sogar der ganzen historischen Innenstadt, schätzt man jene Verluste gewöhnlich auf ungefähr 90 %.10 Zum ersten Mal

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und die Einnahme Danzigs durch die Rote Armee (Januar–März 1945)]. In: Historia Gdańska, Bd. IV/2: 1920–1945. Hg. von E. Cieślak. Sopot (o. J.), 309–336. Hajduk (wie Anm. 4), 329–335. Hajduk (wie Anm. 4), 327. Hajduk (wie Anm. 4), 327. Gruszkowski, W.: Zakres zniszczeń organizmu miejskiego – straty w zabytkach [Das Ausmaß der Zerstörungen des städtischen Gefüges – Verluste an Baudenkmälern]. In: Historia Gdańska, Bd. 4/2: 1920–1945. Hg. von E. Cieślak. Sopot (o. J.), 339; dort finden sich auch Hinweise auf Berichte und Meinungsäußerungen, die betonen, dass die Zerstörungen erst nach dem Ende der Kriegshandlungen erfolgt seien Gruszkowski (wie Anm. 8). Diese Prozentzahl für die Zerstörungen in der gesamten historischen Innenstadt wird zum Beispiel angegeben in: Stankiewicz/Szermer (wie Einführung Anm. 12), 275. – Massalski, R./Stankiewicz, J. (wie Anm. 12), 215. Eine ähnliche Zahl wird angegeben in: Stryczyński, M.: Gdańsk w latach 1945–1948. Odbudowa organizmu miejskiego [Danzig 1945–1948. Der Wiederaufbau des städtischen Gefüges]. Wrocław u.  a. 1981, 32. Lech Krzyżanowski gibt die Zahl von 90  % einmal nur für die Rechtstadt an: Krzyżanowski, L.: Gdańsk. Warszawa 1977, 10; ein anderes Mal wiederum gemeinsam für Rechtstadt, Altstadt und Vorstadt: Krzyżanowski, L.: Gdańsk. In: Zabytki urbanistyki i architektury w Polsce. Odbudowa i konserwacja. Hg. von W. Zin, Bd. 1: Miasta historyczne. Hg. von W. Kalinowski. Warszawa 1986, 97. Werner Hewelt schätzt die Verluste sogar auf 95 %: Hewelt, W.: Danzig, ein europäisches Kulturdenkmal. Lübeck 1988, 112, zitiert nach: Hajduk (wie Anm. 4). Er hat diese Zahl möglicherweise aus einem in deutscher Übertragung veröffentlichten Bericht des Volksrates der Wojewodschaft Danzig (Wojewódzka Rada Narodowa w Gdańsku) aus dem Jahr 1962 übernommen: Der Wiederaufbau von Danzig aus polnischer Sicht. In: Lübeckische Blätter 15 (1963), 208. Bohdan Szermer behauptet ebenfalls, dass »in einigen Abschnitten des historischen Teils« der Stadt die Zerstörungen die Marke von 90 % überschritten



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taucht diese auf die Innenstadt bezogene Zahl meines Wissens 1948 im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Danziger Direktion für den Wiederaufbau (Gdańska Dyrekcja Odbudowy) auf.11 Man kann also nicht ausschließen, dass bewusst mit einer so hohen und suggestiven Zahl operiert wurde, um die Position der Direktion in ihren Bemühungen um den Erhalt von Krediten für den Wiederaufbau zu stärken. Dabei ist klar, dass diese Art von Schätzungen ausschließlich Annäherungswerte sein können, die zudem von den ihnen zugrunde gelegten Kriterien abhängig sind. Leider wurden diese Kriterien in der Mehrzahl der Fälle nicht offengelegt, was den Verdacht nähren kann, dass man hier – unabhängig von dem tatsächlich enormen Ausmaß der Zerstörungen – mit Zahlen Eindruck schinden oder sich einander in der Bewertung des Ausmaßes der Zerstörungen überbieten wollte.12 Gleichzeitig soll das Betonen des Übermaßes an Zerstörungen kontrastierend dazu dienen, die eigenen Wiederaufbauleistungen herauszustellen.13 Es ist wohl nicht ganz zufällig, dass jene präzisen Befunde aus dem Jahr 1948 – die wohl die Quelle für alle folgenden gewesen sind – erst seit dem Ende der 50er Jahre verbreitet wurden14, also von dem Moment an, als der Wiederaufbau allmählich seinem Ende zuging. In früheren Arbeiten bedienen sich die Autoren überhaupt keiner konkreten Zahlen, sondern begnügen sich mit allgemeinen, mehr oder weniger eindrucksvollen Formeln zur Beschreibung der Zerstörungen, wie etwa: »eine große

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hätten: Szermer, B.: Gdańsk – przeszłość i współczesność [Danzig – Vergangenheit und Zukunft]. Warszawa 1971, 84. Marian Pelczar hat die Zerstörungen in der ul. Długa / Langgasse auf 97 % geschätzt: Pelczar, M.: Gdańsk. Warszawa 1958, 165. Dunin, J./Kurcewicz, J.: Rozwój działalności Gdańskiej Dyrekcji Odbudowy w latach 1945–48 [Die Entwicklung der Tätigkeit der Danziger Direktion für den Wiederaufbau in den Jahren 1945– 48]. In: Technika Morza i Wybrzeża 11/12 (1948), 1. Diese Tendenz klingt zum Beispiel im folgenden Satz an: »In der Rechtstadt betrugen die Verluste an Baudenkmälern 90 %, eine tragische Bilanz, die der der Warschauer Altstadt gleichkommt.« – Krzyżanowski, L.: Gdańsk. Warszawa 1977, 10. Nebenbei sei erwähnt, dass Barbara Okoniewska zu Recht auf das Risiko hingewiesen hat, dass sich im Vergleich der Verluste beider Städte verbirgt: »Ein anderes Problem verbindet sich mit der Frage nach den die Art der Kriegsführung bedingenden zivilisatorischen Standards, besonders in der Stadt. In den Beispielen des zerstörten Danzigs und des dem Erdboden gleichgemachten Warschaus scheinen sich jene Standards nur auf den ersten Blick zu gleichen.« – Okoniewska (wie Anm. 3), 16. In dieser Hinsicht sehr charakteristisch ist die Bildunterschrift unter einer Fotografie der Häuser am Długi Targ 41–43, die unter anderem besagt, dass sie »nach ihrer nahezu vollständigen Zerstörung während der Kriegshandlungen wiederaufgebaut« worden seien (Technika Morza i Wybrzeża 9 (1960), 259–261), während gerade die wertvolle Fassade des Hauses Nr. 43 zu den am besten erhaltenen in der Rechtstadt zählt. Eine Anekdote, die Jerzy Stankiewicz erzählte, illustriert jene spezifisch polnische Verliebtheit in die eigene Martyrologie: Auf dem Turm des Danziger Rathauses steht eine Gruppe von englischen Gästen, offenbar Architekten. Ihr polnischer Gastgeber weist stolz mit der Hand auf verschiedene Stellen der wiederaufgebauten Rechtstadt und sagt: »Hier war nichts, das war alles zerstört, ein einziger großer Trümmerhaufen«, woraufhin einer der Engländer sichtlich enttäuscht fragt: »Dann gibt es hier also gar nichts Originales mehr?«. Siehe Einführung Anm. 12.

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Brandstätte, aus der nur die unzerstörbaren Mauern der Gotteshäuser als stumme Anklage herausragen«15; »von Danzig sind trotz der so großen Zerstörung erschütternd dramatische Ruinen übriggeblieben«16; »die historischen Stadtviertel lagen in Trümmern«17. Zwei Quellen erlauben es, dem verallgemeinernden Bild der Zerstörungen in Danzig differenziertere Details hinzuzufügen. Die erste ist eine Aufstellung der Verluste an Architekturdenkmälern, die vom Denkmalpfleger der Wojewodschaft Jan Borowski angefertigt und am 5. April 1946 an das Ministerium für Kultur und Kunst geschickt wurde.18 Die zweite Quelle ist ein von Bohdan Szermer veröffentlichter Plan (Abb. 5), der die Zerstörungen des zentralen Teils der Innenstadt aufzeigt.19 Dank dieser Zeugnisse, die beide das Maß der Zerstörung einzelner Objekte, jedoch nicht eines Stadtteils als Ganzem bestimmen, kann man eine kritische Analyse wagen. Vergleichen wir zum Beispiel, was beide Quellen zu den Zerstörungen am Großen Zeughaus sagen: Borowskis Aufstellung spricht von einer 95 %-igen Zerstörung20, während der »Szermer-Plan« es als »teilweise zerstörtes Bauwerk« einstuft. Diese Differenz lässt sich erklären, wenn man Archivaufnahmen heranzieht.21 Das Zeughaus erlitt tatsächlich erhebliche Zerstörungen, die im 15 Kilarski, J.: Gdańsk miasto nasze. Przewodnik po Gdańsku starym i nowym [Unsere Stadt Danzig. Führer durch das alte und neue Danzig]. Kraków 1947, 8. 16 Czerny, W.: Odbudowa Gdańska [Der Wiederaufbau von Danzig]. In: Technika Morza i Wybrzeża 11/12 (1948), 24–32. 17 Bobiński: Problemy … (wie Einführung Anm. 10), 202. Siehe auch die Beschreibungen des zerstörten Danzig in Kapitel 2. 18 APG, Sign. 1164/1248, einen Auszug aus diesem Dokument hat Najmajer (wie Anm. 21) veröffentlicht. Der prozentuale Anteil der Verluste stellt sich darin wie folgt dar: Marienkirche – 70 %; Johanniskirche – 70 %; Katharinenkirche – 70 %; Brigittenkirche – 65 %; Nikolaikirche – 15 %; Peter- und Paulskirche – 60 %; Bartholomäuskirche – 85 %; Elisabethkirche – 60 %; Jakobskirche  – 30 %; Dreifaltigkeitskirche – 30 %; Heilig-Geist-Kirche – 95 %; Königskapelle nebst Pfarrhaus – 85 %; Rechtstädtisches Rathaus – 80 %; Altstädtisches Rathaus – 20 %; Artushof und Danziger Diele – 75 %; Großes Zeughaus – 95 %; Stockturm und Peinkammer – 70 %; ehemaliges Franziskanerkloster – 30 %; Georgshalle – 85 %; Krantor – 70 %; Brotbänken-, Frauen- und Heilig-Geist-Tor – 80 %; Hohes Tor – 10 %; die Stadthof-Bastei – 60 %; Grünes Tor – 90  %; Langgasser Tor – 70 %; Häuser in der Frauengasse [ul. Mariacka] – 95 %; in der Heilig-GeistGasse [ul. Św. Ducha] – 90 %; in der Jopengasse [ul. Piwna] – 85 %; am Langen Markt – 90 %; Häuser in den übrigen Straßen – 90 %. 19 Szermer (wie Einführung Anm. 12) 84 ff. Der Plan ist nicht signiert, ich werde ihn im Folgenden jedoch aus Gründen der Übersichtlichkeit als »Szermer-Plan« bezeichnen. Obwohl er sehr wertvoll und auch präzise ist, enthält er leider keinerlei genauere Informationen, insbesondere nicht zu den Quellen, auf deren Grundlage er erstellt wurde. 20 Man muss jedoch zugeben, dass Borowski in seiner Beschreibung des Zeughauses dessen Zustand präzise wiedergibt: »Völlig zerstört bis auf zwei erhaltene Fassaden, die sich in keinem schlechten Zustand befinden.« – APG, Sign. 1164/1248, 39. 21 Z. B.: Tusk, D./Duda, W./Fortuna, G./Gach, Z.: Był sobie Gdańsk 1945 [Es war einmal: Danzig 1945]. Gdańsk 1998, 90–93.



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Wesentlichen das Gebäudeinnere vernichtete. Doch glücklicherweise blieben beide Fassaden nahezu unberührt (Abb. 6, 7). Aus einer funktionalen Perspektive betrachtet gab es das Gebäude nicht mehr – ihm fehlten die Dächer, die Geschossdecken, die Stützpfeiler im Erdgeschoss – doch aus denkmalpflegerischer Perspektive hatte das Objekt seine wertvollsten und in erster Linie über seinen denkmals- und architekturhistorischen Wert entscheidenden Elemente bewahrt.22 Ähnliches lässt sich für das Goldene/Steffensche Haus feststellen, das nach dem »Szermer-Plan« vollkommen zerstört worden war, was der Wahrheit entspricht – mit einer sehr wichtigen Einschränkung: es blieb nämlich ein bedeutender Teil der Fassade erhalten (Abb. 8), und darüber hinaus wurden Teile der zerstörten Steinmetzarbeiten sorgfältig aus den Trümmern geborgen (Abb. 9).23 Wie im Fall des Zeughauses war es wiederum die berühmte Fassade, die über den außergewöhnlichen Wert des Gebäudes entschied. Angesichts der Tatsache, dass diese Fassade bis heute größtenteils original aus dem 17. Jahrhundert stammt, lässt sich das Goldene/Steffensche Haus zu Recht als Baudenkmal bezeichnen, obwohl es 1945 gemäß der oben skizzierten Kriterien nicht mehr existierte. Bezogen auf das Goldene/Langgassertor Tor wiederum spricht Borowski von einer 70 %-igen Zerstörung, während tatsächlich das Dach und die Ziegelwand im Innern an der Westseite zerstört wurden, aber der gesamte steinerne Bauschmuck erhalten blieb – nur eine Säule, ebenfalls auf der Westseite, war zersprungen und neigte sich zur Seite.24 Um diese Anmerkungen nicht übermäßig auszudehnen, möchte ich nur noch ein weiteres Beispiel anführen, dieses Mal aus der Sakralarchitektur – die Marienkirche. Der »Szermer-Plan« zählt sie zu den teilweise zerstörten Bauten, Borowski schätzt das Ausmaß der Zerstörungen auf 70 %. Die Zerstörungen umfassten die Dächer, einen Teil der Gewölbe, die meisten der Turmhelme sowie Fragmente der Giebel und des Zinnenkranzes. Der Rest des Gotteshauses blieb in mehr oder weniger gutem, aber originalem Zustand erhalten. Die aufgezählten Zerstörungen wogen natürlich schwer, waren aber von 70 % doch weit entfernt. Es sei am Rande noch erwähnt, dass sowohl aus der 22 Eine andere Sache ist es, dass diese Fassaden bereits in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts weitgehend restauriert und infolgedessen die Mehrzahl der originalen Steinmetzarbeiten durch Kopien ersetzt wurden. 1945 waren sie also, zumindest, was ihre materielle Substanz anbetrifft, schon nicht mehr zur Gänze Architekturdenkmäler des 17. Jahrhunderts. Zu den früheren Umbauten, den Zerstörungen des Jahres 1945 sowie dem Wiederaufbau des Zeughauses nach dem Krieg: Bartetzky, A.: Das Große Zeughaus in Danzig. Baugeschichte. Architekturgeschichtliche Stellung. Repräsentative Funktion. Stuttgart 2000, bes. 70–76. 23 Bielak, J.: Złota Kamienica Jana Speymana w Gdańsku z lat 1609 – ok. 1617. Próba monografii. Praca magisterska napisana w Instytucie Historii Sztuki Uniwersytetu im. A. Mickiewicza w Poznaniu pod kierunkiem prof. dr. hab. Adama Labudy [Das Goldene Haus des Johann Speymann in Danzig, 1609 – ca. 1617. Versuch einer Monografie. Magisterarbeit, eingereicht am Institut für Kunstgeschichte der A.-Mickiewicz-Universität Posen, betreut von Prof. Adam Labuda], [1995], 16 (Ich danke dem Autor, der mir ein Exemplar seiner Arbeit zur Verfügung gestellt hat). 24 Kossakowski, M. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Anm. 32), 57.

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Analyse der erwähnten Quellen, als auch aus anderen Überlieferungen hervorgeht, dass gerade die mit starken Mauern ausgestatteten Sakralbauten und auch die monumentalen öffentlichen Bauten relativ gesehen geringere Zerstörungen erlitten als die weniger stabilen und häufig zusätzlich durch zahlreiche Umbauten strapazierten Wohnhäuser.25 Diese Anmerkungen haben nicht das Ziel, das Bild von der katastrophalen Zerstörung der Stadt zu revidieren. Ich wollte einzig auf die Ambivalenz der zu Grunde liegenden Quellen und Untersuchungen hinweisen, die man unbedingt berücksichtigen muss, wenn man die nicht unwichtige Frage nach der materiellen Originalität des wiederaufgebauten Danzigs behandelt. Dabei sollte auch bedacht werden, dass sich allein schon im Begriff »Zerstörung der Stadt« eine gewisse Falle verbirgt, in die Kritiker des nach dem Krieg erfolgten Wiederaufbaus manchmal tappen. Sie analysieren Aufnahmen von 1945 und kommen zu dem Schluss, dass viele Baudenkmäler den Krieg in relativ gutem Zustand überstanden hätten und erst in den darauf folgenden Jahren aufgrund von Vernachlässigung oder Fehlern beim Wiederaufbau zerstört worden seien. Natürlich sind solche, manchmal schwerwiegenden Fehler vorgekommen.26 Sehr viele Verluste an den Überresten der historischen Bausubstanz wurden offenbar aber auch durch die Stürme der Jahre 1945/1946 verursacht, wie viele Zeugen übereinstimmend betonen27, darunter auch Bohdan Szermer, der notiert: »[…] das Zentrum Danzigs bot das Bild einer Stadt, die vor allem vom Feuer zerstört worden war und wo die Mauern der ausgebrannten Gebäude zum überwiegenden Teil gen Himmel ragten. Doch dieses Bild änderte sich. Als die Herbst- und danach die Frühjahrsstürme kamen, schwankten die vom Feuer geschwächten und der sie verbindenden Decken beraubten Mauern und brachen in sich zusammen, versperrten die schon geräumten Straßen und bedrohten die Sicherheit der Vorbeigehenden.«28 Der Autor dieser Worte berührt hier ein weiteres Problem, nämlich die Notwendigkeit, aus Rücksicht auf die Sicherheit der Stadtbewohner auch zahlreiche erhaltene Gemäuer abzutragen. Vermutlich besaßen viele der dabei verlorengegangenen Baufragmente einen bedeutenden Denkmalswert; gleichwohl wurde in der damaligen Situation, in der es um die Wiederherstellung der grundlegendsten Elemente der städtischen Struktur ging, das Gros der Bevölkerung von der Räumung der Trümmer und der Wiederherstellung der Infrastruk-

25 Auf diesen Umstand weisen Massalski und Stankiewicz übereinstimmend hin (siehe Anm. 10), außerdem Gruszkowski (wie Anm. 8), 340. 26 Diesem Problem widmet sich das sechste Kapitel des vorliegenden Buches. 27 Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 21 (Gruszkowski), 56 (Kossakowski), 151 (Sajko), 206 (Stankiewicz). Dies bestätigt auch ein amtliches Schreiben des obersten Denkmalpflegers der Wojewodschaft Danzig, Jan Borowski, (der diese Funktion damals nur inoffiziell innehatte) vom Februar 1946, APG, Sign. 1164/1248, 1. 28 Szermer, B.: Mój pierwszy rok w Gdańsku [Mein erstes Jahr in Danzig] (Manuskript im Besitz des Autors), 8 (zitiert nach: Najmajer (wie Einführung Anm. 21), 9 f.).



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tur, aber nicht von rein denkmalpflegerischen Fragen in Anspruch genommen29, die gezwungenermaßen zwar in den Hintergrund traten, aber dennoch im Bewusstsein blieben. Die Mittel, die zur Rettung der Baudenkmäler bereitgestellt wurden, reichten natürlich nicht aus, um alle historischen Relikte zu sichern, gleichwohl waren sie nicht unbeachtlich. Zwischen 1945 und 1949, also bis zum Beginn des Wiederaufbaus der Rechtstadt, stellte die Danziger Direktion für den Wiederaufbau ganze 6,8  % ihrer sämtlichen Ausgaben für die Sicherung der Baudenkmäler bereit.30 Gemessen am damaligen Ausmaß wirklich dringlicher Aufgaben war dies meiner Meinung nach eine ganz ansehnliche Quote.31 In der Anfangszeit wurden die Mittel in Übereinstimmung mit den Richtlinien des Ministeriums für Kultur und Kunst zur Gänze für Sicherungsarbeiten verwendet, was der Rettung einer größtmögli-

29 Massalski/Stankiewicz (wie Einführung Anm. 12), 223. 30 Najmajer (wie Einführung Anm. 21), 11. Der prozentuale Anteil der verschiedenen Arten von Ausgaben stellte sich wie folgt dar: Wohngebäude – 9,8 %; Schulen – 15,7 %; Gebäude der Gesundheitsdienste – 12,6 %; Verwaltungs- und andere öffentliche Gebäude – 30,6 %; öffentliche Betriebe, Bau – und Abbrucharbeiten – 25,1 %; Sicherung von Baudenkmälern – 6,8 % (von Najmajer angegebene Zahlen, nach APG, Sign. 1180/14). Wenn man berücksichtigt, dass in den Mitteln zur Sicherung der Baudenkmäler die Abrisskosten nicht eingeschlossen sind, worauf die gesonderte Position für Abrissarbeiten hinweist, dann lässt sich annehmen, dass der fast siebenprozentige Anteil an Aufwendungen für Baudenkmäler vollständig für Sicherungs- und denkmalpflegerische Arbeiten vorgesehen war. 31 Eine andere Auffassung vertritt Najmajer, der nicht nicht nur meint, dass der der Anteil der Ausgaben für die Sicherung der Baudenkmäler an den Gesamtausgaben niedrig war, sondern sogar behauptet, dass selbst ihre Erhöhung um das Vielfache keine großen finanzielle Verwerfungen hätte verursachen müssen. Najmajer (wie Einführung Anm. 21), 21. Die von ihm eingenommene ahistorische Perspektive verleitet Najmajer an anderer Stelle zu der vorwurfsvollen Feststellung: »In diesem entscheidenden Moment [1945–1947] mangelte es deutlich an einer Vision für den Wiederaufbau der historischen Viertel des Danziger Stadtzentrums. Man war nicht im Stande, die damaligen Handlungsprioritäten wie die Inbetriebnahme des Hafens und die Belebung des städtischen Organismus mit den Bemühungen um die Rettung des einzigartigen Baudenkmalensembles in Einklang zu bringen. Man war nicht fähig, im Wiederaufbau der Denkmalobjekte das wichtigste Mittel zur Wiederbelebung der Stadt zu erkennen. In einem Dokument der Danziger Direktion für den Wiederaufbau vom 1. August 1945 (APG 1180/8) findet sich unter den für 1945 zu realisierenden grundlegenden Zielen die Sicherung der Baudenkmäler erst an fünfter und vorletzter Stelle.« Najmajer (wie Einführung Anm. 21), 12. Die Nennung der Baudenkmäler an fünfter Stelle der Prioritätenliste für den Wiederaufbau des städtischen Gefüges 1945 zeugt meiner Meinung nach davon, dass man diesem Problem keineswegs eine geringe, sondern eine erstaunlich hohe Bedeutung beimaß. Massalski und Stankiewicz, bekanntermaßen Anhänger der »historischen Option« für den Wiederaufbau, schreiben über die Situation in Danzig zu jener Zeit immerhin Folgendes: »Die verstümmelte Stadt, ihrer lebenswichtigsten Institutionen entledigt, ohne funktionierende Einrichtungen, Anlagen und Verkehrsmittel, ohne Arbeitsstätten und Dienstleistungsbetriebe, war an der Wende vom März zum April 1945 ein vollkommen lebloser städtischer Organismus.« – Massalski/Stankiewicz (wie Anm. 10), 218.

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chen Zahl bedrohter Objekte dienen sollte.32 So gelang es schon im ersten Jahr der Tätigkeit von Jan Borowski, der von Stanisław Lorentz auf den Posten des Denkmalpflegers der Wojewodschaft berufen worden war33, viele der wichtigsten Baudenkmäler vor einem weiteren Verfall zu bewahren: die Marienkirche, die Königskapelle, das Rechtstädtische Rathaus, den Artushof mit der sogenannten Danziger Diele, das Große Zeughaus, alle Stadttore und die Mehrzahl der Kirchen.34 Einige der durch die Kriegshandlungen weniger zerstörten Objekte konnten schon in dieser ersten Phase wiederaufgebaut oder zumindest in einen Zustand versetzt werden, in dem sie zu nutzen waren. Darunter befanden sich das Altstädtische Rathaus, das Museum im ehemaligen Franziskanerkloster, die Kirche St. Nikolai und weitere Kirchen.35 Eine relativ geringe Aufmerksamkeit wurde den Häusern gewidmet, was insofern verständlich ist, als sowohl ihre Zahl, als auch der Grad ihrer Zerstörung riesig waren. Trotzdem begann man mit den Arbeiten am Goldenen/Steffenschen Haus und am Haus der Äbte sowie auch an drei Arbeiterhäusern in der Altstadt.36

32 Kieszkowski, W.: Opieka nad zabytkami na Ziemiach Odzyskanych [Die Pflege von Baudenkmälern in den Wiedergewonnenen Gebieten]. In: Architektura 1 (1947), 20 f. 33 Als leitender Direktor der Museen und des Denkmalschutzes berief Lorentz die Denkmalpfleger. Die Berufung Borowskis auf den Posten des Danziger Denkmalpflegers resultierte zweifelsohne aus seiner Zusammenarbeit mit Lorentz vor dem Krieg. Lorentz selbst erinnerte sich später: »Den Posten des dortigen [Danziger] Denkmalpflegers vertraute ich Jan Borowski aus Wilna an […], der zu meinen Wilnaer Zeiten die Instandhaltung der mittelalterlichen Schlösser in Troki, Wilna, Krewo und Miedniki Królewskie geleitet hatte.« – Jarocki, R.: Rozmowy z Lorentzem [Gespräche mit Lorentz]. Warszawa 1981, 324. Jan Borowski kam am 15. Oktober 1945 in Danzig an, obwohl er seine offizielle Nominierung erst am 21. März des folgenden Jahres erhielt – Ciemnołoński, J./ Stankiewicz, J.: Jan Borowski – architekt i konserwator [Jan Borowski – Architekt und Denkmalpfleger]. In: Konserwator i zabytek. In memoriam Jerzego Remera. Warszawa 1991, 158. Dies wird dadurch bestätigt, dass ein Brief vom 5. Februar 1946 mit »Borowski. Denkmalpfleger«, ein Brief vom 26. März 1946 jedoch schon mit »Denkmalpfleger der Wojewodschaft Danzig« unterzeichnet ist (APG, Sign. 1164/1248, 1 und 19). Zu Borowski außerdem: Lorentz, S.: Jan Borowski (1890–1966). In: Biuletyn Historii Sztuki 4 (1967), 561 f. – Grygiel, T.: Borowski, Jan. In: Saur Allgemeines Künstlerlexikon, Bd. 13, München-Leipzig 1996, 96. Unter den Personen, die vor dem Krieg mit Borowski bei den Arbeiten am Schloss von Troki zusammengearbeitet hatten, waren nach 1945 mindestens zwei – Kazimierz Macur und Wacław Witkiewicz – am Wiederaufbau Danzigs beteiligt. Siehe dazu: Macur, K. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 2 (wie Einführung Anm. 32), 85. 34 Kieszkowski (wie Anm. 32), 21 f.; siehe auch APG, Sign. 1164/1248, 3, 5, 119, 159, 205, 217. 35 Sankt Ignatius, Sankt Elisabeth, Fronleichnamskirche – Kieszkowski (wie Anm. 32), 22. Kieszkowski spricht auch von der Sicherung und dem Wiederaufbau der Brigittenkirche, es ist jedoch bekannt, dass diese eines der Gotteshäuser war, die infolge einer fehlenden adäquaten Sicherung (in diesem Fall ein ganzes Vierteljahrhundert hindurch) am meisten gelitten haben. Vielleicht wurden aber 1946 tatsächlich irgendwelche Sicherungsarbeiten unternommen, die später eingestellt worden sind. 36 Kieszkowski (wie Anm. 32), 22. – Najmajer (wie Einführung Anm. 21), 13.



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Außerdem beschloss Borowski in dieser Zeit die Sicherung einiger Dutzend Häuser in der ul. Długa / Langgasse und am Długi Targ / Langen Markt.37 Man darf dabei nicht vergessen, dass entgegen dem Anschein in der ersten Zeit weder der Bau neuer, noch der Wiederaufbau alter Wohnhäuser eine vordringliche Aufgabe waren. Zahlreiche, relativ wenig zerstörte Stadtteile waren erhalten geblieben, in denen die die Stadt verlassende deutsche Bevölkerung Wohnungen zurückließ, die nach und nach von polnischen Neuankömmlingen besetzt wurden.38 Unter diesen Umständen genossen Reparaturarbeiten, selbst an den am besten erhaltenen Häusern, nicht oberste Priorität, geschweige denn an den stärker beschädigten.39 In der Rechtstadt wurden aus privaten Mitteln offenbar nur zwei Häuser wiederaufgebaut – in der ul. Kołodziejska / Große Scharmachergasse 5 und in der ul. Straganiarska / Häkergasse 23.40 Für die Anfangszeit der Rettung Danziger Baudenkmäler muss man die besondere Rolle von Jan Kilarski hervorheben, der die gegen Ende des Krieges zerstreuten Danziger Musealia und Ausstattungselemente der wichtigsten, vor allem sakralen Bauwerke, wiederfand und rettete, sich aber auch bemühte, im Rahmen der damals begrenzten Möglichkeiten, die in den Ruinen erhaltenen Elemente historischer Steinmetzarbeiten zu retten.41 In den folgenden Jahren wurden die Sicherungsarbeiten fortgesetzt42, und man begann auch mit breiter angelegten denkmalpflegerischen Maßnahmen. Unter ihnen nahm die Rekonstruktion der Gewölbe und des Daches der Marienkirche (Abb. 10) einen besonderen Platz ein.43 Für das weitere Schicksal der historischen Innenstadt von großer Bedeutung war der Beschluss des Wojewodschaftsdenkmalpflegers vom 11. Oktober 1947, das gesamte Stadtgebiet innerhalb der neuzeitlichen Festungsanlagen zum Kulturdenkmal zu erklären, was bedeutete, dass – wie

37 Najmajer (wie Einführung Anm. 21), 12 f. 38 Dunin/Kurcewicz (wie Anm. 11), 2. 39 Hier steht meine Haltung wiederum im Widerspruch zu Najmajer, der in der möglichen Übernahme rechtstädtischer Immobilien durch private Investoren eine nicht genutzte Chance zur Rettung einer größeren Zahl von historischen Gebäuden sah. Dies war in einer Situation einfach nicht rentabel, in der es in der Stadt Tausende von Häusern gab, die in einem unvergleichlich besseren technischen Zustand waren. Einer ähnlichen Meinung ist Bohdan Szermer, der zu Recht auf den grundsätzlichen Unterschied zwischen der Situation privater Investoren in Gdynia und in Danzig hinweist – Szermer (wie Einführung Anm. 12), 53. 40 Szermer (wie Einführung Anm. 12), 53. 41 Zur Tätigkeit von Jan Kilarski siehe: Kilarski, M. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 2 (wie Einführung Anm. 32), 100 ff. Zur Rettung der Steinmetzarbeiten siehe auch: Stankiewicz, J. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 207. 42 Den Stand jener Arbeiten im Jahr 1948 dokumentiert, wenn auch nicht allzu detailliert, der Artikel von Borowski (wie Einführung Anm. 11). 43 Borowski (wie Einführung Anm. 11), 34 f., außerdem Borowski, J.: Dachy gdańskie. Rekonstrukcja [Danziger Dächer. Eine Rekonstruktion]. In: Ochrona Zabytków 1 (1949), 37–43.

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es Borowski selbst interpretierte – »der Wiederaufbau dieses Teils der Stadt mit ihm abgesprochen werden«44 müsse. Zur Begründung schrieb Borowski: »Das Gebiet der Stadt Danzig zum Kulturdenkmal zu erklären resultiert nicht nur aus dem Vorhandensein einzelner sakraler und weltlicher Architekturdenkmäler auf diesem Gebiet, sondern hängt ebenso mit den Ensembles weltlicher Bauwerke zusammen, die in aufeinander folgenden Stilepochen errichtet wurden und einer allgemeinen städtebaulichen Konzeption unterworfen wurden, die von den Stadtgründern im Mittelalter entworfen worden ist.«45 Dass neben dem traditionell gewürdigten individuellen »Architekturdenkmal« auch das Problem historischer städtebaulicher Ensembles wahrgenommen und die Stadt als eine Einheit bewertet wurde, belegt ein modernes, weit gefasstes Verständnis des Begriffs »Baudenkmal«. Borowskis Beschluss war dabei einer der wichtigsten Schritte auf dem Weg zum Wiederaufbau des historischen Stadtkerns. Ihm folgten weitere: die Berufung einer speziellen Kommission von Sachverständigen für den Städtebau, die aus Warschauer Fachleuten zusammengesetzt wurde und – gestützt auf die zuvor von Władysław Czerny erarbeiteten Grundsätze46 – einen Plan zum Wiederaufbau der historischen Stadtviertel ausarbeitete, der umgangssprachlich als »Zachwatowicz-Plan« bezeichnet wurde. Sie war auch für die folgenden, detaillierteren Projekte in Danzig verantwortlich.

1.2 Die Aneignung des Ortes

Im Juli 1945, also zu einem Zeitpunkt, als sich in Danzig die neue Nachkriegsgesellschaft erst herauszubilden begann, stellte Jan Kilarski im ersten seiner Danziger Briefe, die ein einzigartiges Zeugnis der damaligen Geistesverfassung darstellen, fest: »Hier reißen sie überall ab und bauen auf; nicht bloß die Stadt, sondern auch ihr neues Leben. Gelegentlich ist darin so etwas wie ein Leitgedanke erkennbar, aber eher gewinnt das natürliche Gesetz die Oberhand, nach dem sich Gesellschaften bilden. Vielleicht nirgends sonst in Polen entsteht heute aus neuen und verschiedenartigen, mit dem Land und seinen ganz anderen Lebensbedingungen ganz unverbundenen Elementen mit solcher Kraft eine neue Gesellschaft. Diejenigen, die hier seit Urzeiten verwurzelt sind und diejenigen, die schon in der Vorkriegszeit am Leben des polnischen Danzig teilgenommen haben, kann man an einer Hand abzählen; die, die sich hier zu Recht als Einheimische fühlen, werden als 44 Borowski (wie Einführung Anm. 11), 32. 45 Den Text des Beschlusses gebe ich nach einem Faksimile wieder: Kostarczyk, A.: Gdańsk, pomnik historii. Jakie wartości i jaka dobra kontynuacja? [Danzig, ein Geschichtsdenkmal. Welche Werte, welche gute Kontinuität?]. In: Gdańsk pomnik historii. Gdańsk 1998 (Teka Gdańska, Bd. 3), 8. 46 Siehe dazu Kapitel 2.



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Eingedeutschte geringgeschätzt und tauchen in der Masse unter; viele dagegen, die oberflächlich germanisiert, deren Blut, deren Erinnerungen und Sehnen aber trotzdem polnisch sind, teilen das Los derjenigen, die von hier abtreten müssen. Dabei geschieht womöglich viel Unrecht – und es wird viel Schaden angerichtet.«47 Im weiteren aber, auch wenn er Vandalismus und Diebstahl registriert, erklärt er: »In eine so mächtige Menschenwoge, wie sie aus den polnischen Gebieten hierher an das Meeresufer schlägt, muss sich auch Schmutz mischen. Doch das spielt keine Rolle – das Leben wird dadurch nicht verdorben und in seiner Entwicklung nicht aufgehalten.«48 Diese Beschreibung charakterisiert gut die damalige Situation, doch vor allem hebt sie treffend die Gruppen von Menschen hervor, die in unterschiedlichem Ausmaß das Antlitz der Stadt prägten. In erster Linie waren dies aus verschiedenen Teilen des Landes zugewanderte Polen sowie Personen, die schon vor 1945 in Danzig gelebt hatten und die in der damaligen Presse konsequent als Autochthone bezeichnet wurden und die sich in sehr unterschiedlichem Grade zum Polentum bekannten. Dazu zählten Personen, die bewusst Zugehörigkeit demonstrierten, aber auch Menschen, die zwar polnischer Herkunft waren, die sich aber trotzdem in keiner Weise mit dem Polentum identifizierten.49 Eine dritte und anfangs scheinbar recht große Gruppe bildeten diejenigen, von denen man schrieb, dass sie Betrüger seien, »die Danzig als ein Revier für ihre dunklen Machenschaften anlockte«50, die man an anderer Stelle sogar als Heuschrecken bezeichnete51 und als »Aasgeier und Totenvögel, die auf Beute lauern«52; kurzum: jede Art von Spekulanten, Dieben und anderen Freunden des schnellen Geldes. Die letzte, wenn auch zu jener Zeit zahlenmäßig noch definitiv vorherrschende, Gruppe schließlich bildeten diejenigen, von denen Kilarski euphemistisch geschrieben hatte, dass sie »von hier abtreten müssen« – die Deutschen. Schrittweise begann ihre Entfernung, und mit

47 Kilarski, J.: Listy z Gdańska [Briefe aus Danzig, später veröffentlicht als »Listy gdańskie« – Danziger Briefe]. In: Dziennik Bałtycki, 22. Juli 1945, 4. 48 Kilarski (wie Anm. 47). 49 Hejger, M.: Kwestia narodowościowa na tle przekształceń ludnościowych w Gdańsku po zakończeniu działań wojennych [Die Nationalitätenfrage vor dem Hintergrund der Bevölkerungsverschiebungen in Danzig nach dem Ende der Kriegshandlungen]. In: Gdańsk 1945 (wie Anm. 3), bes. 100. 50 Zelawska, M.: Odradzający się Gdańsk [Danzig wird wiedergeboren]. In: Dziennik Bałtycki, 22. Mai 1945, 4. 51 W węzłowym punkcie akcji przesiedleńczej w Gdańsku [Im Mittelpunkt der Umsiedlungsaktion in Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 26. Juni 1945, 3. 52 Solche Ausdrücke benutzte der Vorsitzende des Volksrates der Wojewodschaft Danzig während einer Ansprache am 7. April 1946. Wójtowicz, Z.: W rocznicę odzyskania Wybrzeża. Uroczyste posiedzenie Gdańskiej Wojewódzkiej Rady Narodowej [Zum Jahrestag der Wiedergewinnung der Küstenregion. Feierliche Sitzung des Volksrates der Wojewodschaft Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 10. April 1946, 3.

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ihnen ging auch einen Teil der Autochthonen polnischer Herkunft. Mit der Verfestigung der lokalen staatlichen, ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturen verschwanden auch die zu Beginn der Neuansiedlungen der Nachkriegszeit so virulenten Plünderer und Diebe.53 Zurück blieb ein Teil der ortsansässigen Polen. Von Tag zu Tag wuchs die Schar der Zuwanderer aus dem Landesinneren, sowohl aus Zentralpolen54 wie auch aus den polnischen Ostgebieten. Für sie war es neben den naheliegenden Existenzproblemen von entscheidender Wichtigkeit eine Form zu finden, in der sie ihre Präsenz an diesem »neuen Platz auf der Erde«, wie es Jahre später einer der damaligen Zuwanderer in seinen Erinnerungen an seine Danziger Anfänge bezeichnete, legitimieren konnten.55 Dieser Prozess lief auf individueller und auch auf kollektiver Ebene ab. Eben jener Aspekt der Danziger Nachkriegswirklichkeit ist es, der hier als »Aneignung des Ortes« bezeichnet werden soll, und der das Thema der vorliegenden Überlegungen ist. Die ganz entscheidende Mehrheit der Zuwanderer wusste bis auf einige Stereotypen nicht viel oder gar nichts von Danzig. Am präsentesten war das Bild der Stadt als Bestandteil des polnischen »Meeres-Mythos« der Zwischenkriegszeit, und als Ort, an dem die Westerplatte verteidigt worden war.56 Dieses fragmentarische Wis53 Das Problem war so weit verbreitet, dass Bierut es bei einem Besuch Danzigs im Oktober 1945 in seiner Ansprache aufgriff: »Unsere Aufgabe, die Aufgabe aller ehrlichen Menschen ist es, die Geisteshaltung des bloßen Abwartens und der schnellen Geschäfte in den Griff zu bekommen und zu überwinden. Dies kommt sowohl einer Beschleunigung des Arbeitstempos zugute, aber ebenso bringt es den Moment näher, in dem es dem Land gut gehen wird.« – Podstawą naszej potęgi jest praca. Prezydent Bierut zwiedza porty w Gdańsku i Gdyni [Die Grundlage unserer Macht ist die Arbeit. Präsident Bierut besucht die Häfen in Danzig und Gdynia] In: Dziennik Bałtycki, 24. Oktober 1945, 1. 54 So wurde zum Beispiel die Ankunft von 50.000 Arbeitern aus Łódź angekündigt: Gdańszczanami jesteśmy już my! Rozmowa z wiceprezydentem Chudobą [Jetzt sind wir die Danziger! Gespräch mit Vizepräsident Chudoba]. In: Dziennik Bałtycki, 26. Juni 1945, 3. 55 Macur, K. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 2 (wie Einführung Anm. 32), 87. 56 Wapiński, R.: Gdańsk w polskiej mitologii politycznej – kształtowanie świadomości politycznej [Danzig in der polnischen politischen Mythologie – die Entstehung eines politischen Bewusstseins]. In: Brostiana, Bd. 3: Gdańsk. Z historii stosunków polsko-niemieckich. Hg. von M. Andrzejewski. Warszawa 1998, 13–20, hier 19. Der Aufsatz ist auch in deutscher Sprache erschienen: Danzig/Gdańsk in der polnischen Politmythologie. Das Werden eines politischen Bewusstseins. In: Brostiana, Bd. 3: Danzig, sein Platz in Vergangenheit und Gegenwart. Hg. von U. Arnold. Warschau-Lüneburg 1998, 13–21, hier 19 f. Diesen Bewusstseinszustand gibt eine Äußerung von Wojciech Zaleski (dem späteren Architekten des Arbeitersiedlungskombinates [Zakład Osiedli Robotniczych, ZOR]) hervorragend wieder: »Als ich im April 1946 nach Danzig kam, wusste ich nicht viel über diese Stadt. Ein bisschen Geschichte der Zwischenkriegszeit, die Verteidigung der Küste und der Westerplatte 1939 – und das war schon alles.« – Zaleski, W. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 2 (wie Einführung Anm. 32), 214. – Dazu außerdem: Lekcja odbudowy (rozmowa z Januszem Ciemnołońskim) [Lektion des Wiederaufbaus (Gespräch mit Janusz Ciemnołoński)]. In: Dziennik Bałtycki, 5. Februar 1999 (Beilage »Rejsy«), 4. Das Motiv der Fremdheit Danzigs findet sich auch in den Erinnerungen von Franciszek Mamuszka an das Jahr 1945. Der später



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sen und vor allem der Umstand, dass Danzig, im Gegensatz zur Mehrheit der übrigen an Polen angegliederten Städte (man darf nicht vergessen, dass solche territorialen Fragen zum damaligen Zeitpunkt noch nicht abschließend geklärt waren), als unzweifelhaft polnische Stadt angesehen wurde, bedingten, dass der Zufluss neuer Einwohner hier um vieles größer und spontaner war, als in den Städten der sogenannten wiedergewonnenen Gebiete.57 So oder so muss die emotionale Bindung der Mehrheit der Zuwanderer an Danzig damals verschwindend gering gewesen sein. Dies hielt den Vizepräsidenten der Stadt, Franciszek Chudoba, jedoch nicht davon ab, zu behaupten: »Jetzt sind wir die Danziger, die wir von verschiedenen Enden Polens hierhergekommen sind, um hier zu leben und mit unserer Arbeit den Grundstein für den entstehenden Staat am Meer zu legen.«58 Zwar gab es unter den Zuwanderern auch Menschen vom Schlage Jan Kilarskis, eines Danzig-Kenners und Autors einer in der Vorkriegszeit erschienenen Monografie über die Stadt; aber sie gehörten zwangsläufig zu den Ausnahmen. Gerade auf solchen Personen ruhte in hohem Maße die Last, die Übrigen mit dem Ort vertraut zu machen, ihre Präsenz zu rechtfertigen, ihnen eine Art mentalen Boden unter den Füßen zu schaffen. Sie taten dies mithilfe der Publizistik, mit Vorträgen, Vorlesungen usw. Diesen Teil der Aneignung kann man als Propagierung des polnischen Danzigs bezeichnen, was sich oft, aber nicht notwendigerweise mit der Präsentation einer spezifischen Sicht der Vergangenheit verknüpfte. Selbstverständlich zelebrierte man die Polonität Danzigs, indem man seine deutschen Wurzeln hinterfragte oder negierte, sie beide in Opposition zueinander stellte – zum radikalsten Ausdruck dessen wurde die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung. Dies scheinen mir die wichtigsten Aspekte der Aneignung zu sein; doch darin erschöpft sich nicht das Repertoire der Mittel, mit denen dieser Prozess vollzogen wurde. Eine wichtige Rolle spielte dabei mit Sicherheit auch die Errichtung einer polnischen Administration; das Entstehen einer institutionalisierten polnisch-katholischen Kirche; die Gründung oder Wiedergründung anderer polnischer, u. a. kultureller Institutionen; die Schaffung eines polnischen Kulturlebens generell; die Einführung polnischer Orts- und Straßennamen etc. Das chronologisch betrachtet früheste Element – der Aufbau einer polnischen Administration in Danzig – ist von Michał Stryczyński gründlich untersucht worhochverdiente Kenner der Danziger Geschichte schrieb: »Danzig war für mich nur als historischer Begriff bekannt, nicht als großartiges Denkmalsensemble aus dem 14. bis 19. Jahrhundert. Die Stadt war mir fremd, ich hatte zu ihr kein emotionales Verhältnis [...]« Mamuszka, F.: »Było to obce mi miasto, ale mimo to widok, powiedzmy przerażający i szokujący... « [»Es war für mich eine fremde Stadt, aber dennoch, sagen wir, ein bestürzender und schockierender Anblick«]. In: Danzig 1945. Erinnerungen nach 50 Jahren/Gdańsk 1945. Wspomnienia 50 lat później. Hg. von Peter Oliver Loew, Reiner Zekert, Elżbieta Rusak. Gdańsk 1997, 355. 57 Wapiński (wie Anm. 56). – Okoniewska, B.: Refleksje nad rokiem 1945 [Reflexionen über das Jahr 1945]. In: Gdańsk 1945 (wie Anm. 3), 13. 58 Gdańszczanami jesteśmy ... (wie Anm. 54).

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den.59 An dieser Stelle mag es genügen, an einige grundlegende Fragen zu erinnern. Schon am 30. März 1945, also am Tag der Einnahme Danzigs durch sowjetische und polnische Truppen, erließ der Ministerrat ein Dekret über die Schaffung einer neuen administrativen Einheit: der Wojewodschaft Danzig mit dem Wojewoden als Exekutivorgan. Anfang April traf der zum Stadtpräsidenten ernannte Franciszek Kotus-Jankowski in Danzig ein, und am 9. Juli fand die erste Sitzung des Volksrates der Stadt statt, dem Repräsentanten der Polnischen Arbeiterpartei (Polska Partia Robotnicza, PPR), der Polnischen Sozialistischen Partei (Polska Partia Socjalistyczna, PPS), der Demokratischen Partei (Stronnictwo Demokratyczne, SD) und der Volkspartei (Stronnictwo Ludowe, SL) angehörten.60 Spätere Turbulenzen innerhalb des Rates spiegelten ein Phänomen wieder, das für das gesamte politische Leben des damaligen Polen charakteristisch war. Es ist angebracht, länger beim Schlüsselthema des Verhältnisses von Polentum und Deutschtum zu verweilen. Roman Wapiński hat, als er über »Uns« und »die Fremden« in der Zweiten Republik schrieb, die Kategorien »unsere Fremden«, »fremde Fremde« und scharfsinnig auch »unsere Unsere« sowie »fremde Unsere« unterschieden.61 Kurz nach dem Krieg existierte in Danzig noch die Kategorie »unsere Fremden« – für die ortsansässigen Polen waren das die Deutschen, und vice versa – doch sie verschwand bald und ließ nur die drei anderen übrig. Die »fremden Unseren«, das waren für die Zuwanderer von außerhalb Danzigs diejenigen, die Autochthone genannt wurden, und umgekehrt. Die am deutlichsten spürbare und in jedem Fall am deutlichsten manifestierte Trennlinie verlief jedoch zwischen den Kategorien »unsere Unsere« – den Polen – und »fremde Fremde« – den Deutschen. Diese Trennlinie konstituierte man nach dem Prinzip des größtmöglichen Kontrastes, indem alles Polnische positiv, alles Deutsche aber negativ bewertet wurde. In Bezug auf die Vergangenheit der Stadt scheint diese Opposition sehr explizit und präzise in einem Vortrag auf, den Władysław Czerny, der Vizestadtpräsident von Danzig, am 1. September 1945, also am Jahrestag des Überfalls der Deutschen auf Polen, an der Technischen Hochschule gehalten hat. Nach einem Pressebericht »unterscheidet und grenzt [der Referent] alles aus, was in Danzig ›auf Germanismus getrimmte corpora delicti der Zeit der preußischen Unterdrückung‹ sind, alle jene ›deutsch, deutscher, am deutschesten [deutsch im Original] geschminkten Gebäude‹ – jene Zeichen der Barbarei müssten entfernt werden, weil sie ›einfach der 59 Stryczyński (wie Anm. 10), 47–72. 60 Wapiński, R.: Powstanie władzy ludowej w Gdańsku w świetle sprawozdania prezydenta miasta Gdańska z 30 lipca 1945 roku [Die Errichtung der sozialistischen Herrschaft in Danzig im Lichte eines Referates des Danziger Stadtpräsidenten vom 30. Juli 1945]. In: Rocznik Gdański 19 (1962), 225–236, hier 226. 61 Wapiński, R.: »Swoi« i »obcy« w dziejach Drugiej Rzeczypospolitej [»Wir« und »die Fremden« in der Geschichte der Zweiten Republik]. In: Rozmyślania gdańskie. Materiały z sesji »Miejsce Gdańska w procesie powstawania narodowego państwa polskiego«. Gdańsk 1998, 83–91, hier 83.



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Menschheitskultur feindlich‹ seien. Das jedoch, was im alten Danzig ›ein klassisches Beispiel unseres unschätzbaren kulturellen Liberalismus‹ sei, was eine jahrhundertealte Kultur im Dienste der Rzeczpospolita geschaffen habe, das ›müssen wir so getreu wie nur möglich wiedererschaffen‹«.62 Das symbolische Ringen der Elemente »polnisch« und »deutsch« illustriert auch ein Ausschnitt eines anderen, ein Jahr später entstandenen Textes: »Die Ruinen des Senats und des Volkstages erinnern an die letzte durch das Deutschtum erlittene Niederlage. Doch an der erhaltenen Frontfassade des Volkstages [deutsch im Original] sehen wir immer noch seine Überreste: überaus bezeichnende Reliefs. In der oberen Reihe sind die Kolonisatoren des ›deutschen Ostens‹ platziert: Mönch, Kaufmann, Matrose herrschen über die auf dem unteren Relief dargestellten Konterfeis der Einheimischen: kaschubischer Fischer, slawisches Mädchen in Dorftracht, Flößer mit riesigem Sarmatenschnurrbart. Ein Relief aus der Zeit und den Träumen der Hakatisten. Aber das ist vorbei.«63 Die Genugtuung, Danzig für Polen wiedergewonnen zu haben, scheint auch in den bereits erwähnten Danziger Briefen von Jan Kilarski auf, deren Autor sich an Bezeichnungen wie »Danzig – uraltes Erbe der pommerschen Fürsten und uraltes polnisches Bollwerk« förmlich berauscht.64 Auch in anderen Texten aus jener Zeit kommen ähnliche Töne vor: »Danzig – das ist nicht nur das herrlichste Kleinod in der polnischen Krone, sondern vor allem die Lunge Polens« so Zbigniew Rynduch, ein Stadtrat aus den Reihen der Demokratischen Partei.65 »Danzig gewinnt seinen polnischen Charakter zurück« – dies sind wiederum die Worte des Vizestadtpräsidenten Władysław Czerny.66 Sie drücken den Glauben an eine genuine Polonität der Stadt aus, die in den Zeiten der preußischen Herrschaft bewusst verschleiert worden sei. Diese häufig wiederkehrenden Postulate sollten die Überzeugung bekräftigen, dass die polnische Präsenz in Danzig legitim sei, was wiederum dazu diente, die »Neudanziger« in der Stadt zu verwurzeln. Polonität ist in den ersten Nachkriegsmonaten sowohl Forderung als auch Kampfparole, und so sind die Worte des Stadtpräsidenten Franciszek Kotus-Jankowski während der Neujahrsfeierlichkeiten in der Stadtverwaltung auch keinesfalls leere Phrasen: »[…] in Erwiderung auf die mir übermittelten guten Wünsche [für das neue Jahr] möchte

62 Cywińska-Chylicka, W.: Gdańsk – Semper nostrum. Odczyt wiceprezydenta inż. Czernego w auli politechniki [Danzig – semper nostrum. Rede des Vizestadtpräsidenten Czerny in der Aula der Technischen Hochschule]. In: Dziennik Bałtycki, 6. September 1945, 3. 63 Poznajemy Gdańsk [Wir lernen Danzig kennen] In: Dziennik Bałtycki, 12. Mai 1946, 4. 64 Kilarski, J.: Listy gdańskie [Danziger Briefe]. In: Dziennik Bałtycki, 26. August 1945, 5. 65 Uroczyste posiedzenie MRN m. Gdańska [Feierliche Sitzung des Volksrates der Stadt Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 9. April 1946, 5. 66 Wójtowicz, Z.: Gdańsk odzyska polski charakter. Plan odbudowy w oświetleniu wiceprezydenta inż. Wł. Czernego [Danzig gewinnt seinen polnischen Charakter zurück. Der Wiederaufbauplan, erläutert vom Vizestadtpräsidenten Wł. Czerny]. In: Dziennik Bałtycki, 4. September 1945, 3.

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ich Ihnen neben meinem herzlichsten Dank und meinen guten Wünschen auch die Versicherung aussprechen, dass ich als Stadtpräsident darüber wachen werde, dass Danzig polnisch bleibt«.67 Die Betonung jenes »Polnisch-Seins« nahm nach der Bevin-Erklärung zu den polnischen Westgebieten einen speziellen Charakter an. »Danzig war polnisch, ist polnisch und wird polnisch bleiben« – so lässt sich, mit einer Schlagzeile des Dziennik Bałtycki, der Tenor der damaligen Erklärungen zusammenfassen.68 Im Laufe der Zeit beruhigten sich die Emotionen etwas, doch das bedeutete nicht, dass in öffentlichen Äußerungen auf eine Betonung der Polonität Danzigs verzichtet wurde. Im Gegenteil: Ein hervorragendes Beispiel patriotischer Phraseologie bietet etwa ein Ausschnitt aus der Rede des Vizestadtpräsidenten von Danzig, Tredjakowski, anlässlich des Tags des Meeres im Jahr 1947: »Wir kehren nach langen Jahren auf den uralten Pfad der Piasten zurück und umgeben diese Gebiete mit tiefer Liebe. Sie sind durch eine Reihe von Arterien mit den Zentren unseres Landes verbunden. In diesen Arterien fließt Blut, das uns auf Leben und Tod verbindet und eine unverbrüchliche Einheit schafft. Danzig, Zoppot und Gdynia sind die Verlängerung der Marszałkowska-Straße Warschaus und der PiotrkowskaStraße von Łódź.«69 Einer der frühesten Versuche, die polnische Präsenz in Danzig zu resümieren, war die Rede des Volksratsvorsitzenden der Wojewodschaft Danzig zum ersten Jahrestag der Einnahme der Ostseeküste. Durch eine vielfache Wiederholung des Epithetons »polnisch« wurde hier der erwünschte Effekt einer »Intensivierung der Polonität« erzeugt: »Wir fanden verkohlte Ruinen und inmitten von ihnen noch reichlich übriggebliebene Deutsche vor. Unsere erste Aufgabe war es, eine polnische Administration auf den Trümmern des Kreuzritterdünkels zu errichten, zu einer, sei sie auch noch so bescheidenen, Ordnung zu gelangen, und anschließend beinahe aus dem Nichts die notwendigsten Gebäude und Einrichtungen des öffentlichen Lebens mühsam wiederaufzubauen […] die zweite große Aufgabe war es, auf diesem Territorium polnische Ideen, polnische Kultur und polnische Arbeit einzuführen, Türen und Fenster weit zu öffnen, um alle Überreste des Kreuzrittertums und der germanischen Hitlerpest auszuräuchern und das Tor zur weiten Welt zu öffnen, zur polnischen Ostsee, zum polnischen Meer.«70

67 Nowy Rok w Zarządzie Miejskim w Gdańsku [Neujahrsfeier in der Stadtverwaltung von Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 4. Januar 1946, 5. 68 Gdańsk poza dyskusją [Danzig nicht zur Diskussion]. In: Dziennik Bałtycki 1945, 14. November 1945. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier der Ursprung des politischen Slogans »Wir waren – wir sind – wir werden sein« liegt, der in großen Lettern gegenüber der Langen Brücke geschrieben stand und, wenn ich mich recht erinnere, uns noch zu Beginn der 90er Jahre erfreut hat. 69 Obchód »Święta Morza« w Gdańsku [Danzig begeht den »Tag des Meeres«]. In: Dziennik Bałtycki, 30. Juni 1947, 2. 70 Wójtowicz (wie Anm. 52).



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Die antideutsche Phraseologie des angeführten Ausschnitts verdient besondere Aufmerksamkeit. Erstens: »wir fanden […] reichlich übriggebliebene Deutsche vor«. Der Ausdruck »reichlich« hat vermutlich zum Ziel, die Anwesenheit von Deutschen in Danzig zu bagatellisieren, gibt aber mit Sicherheit nicht ihre tatsächliche Zahl in den ersten Nachkriegsmonaten wieder.71 Zweitens: die Begriffe »Kreuzritter« und »Kreuzrittertum«, die hier vorkommen, wurden damals als pejorativ gefärbte Synonyme für »deutsch« und »Deutschtum« benutzt. Ihr negativer Beiklang wird in Ausdrücken wie »Kreuzritter-Hydra« besonders deutlich und ist sogar stärker als bei den häufig und selbstverständlich abwertend benutzten Worten »preußisch« und »Preußentum«. Gerade letztere kommen in der oben zitierten Rede nicht vor, ähnlich wie die zuvor angeführten Hakatisten, dafür finden wir hier die überaus typische Kombination »Kreuzrittertum und germanische Hitlerpest«. Ähnlich, wie man durch die Vervielfachung des Epithetons »polnisch« beim Zuhörer und Leser positive Assoziationen hervorrufen wollte, sollte durch die Vervielfachung von Ausdrücken, die damals Synonyme für »deutsch« darstellten, der gegenteilige Effekt erreicht werden – Ablehnung, ja geradezu Hass. Vergleichbare Gefühle weckte sicherlich auch das Wort »Entdeutschung«, das man womöglich mit »Entlausung« oder »Entwesung« assoziierte.72 Ergänzt sei, dass man in der unmittelbaren Nachkriegszeit die Worte »Deutscher« und »Deutschland« häufig klein schrieb.73 Solche einfachen, manchmal geradezu geschmacklosen, dafür aber überaus expressiven sprachlichen Verfahren sollten eventuelle Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vertreibung der Deutschen aus dem »polnischen Danzig« auf ein Minimum reduzieren. Es ist allerdings eine andere Frage, ob nach den deutschen Kriegsverbrechen solche Art von Zweifeln oder gar Mitgefühl mit den vertriebenen Deutschen überhaupt vorkamen.74

71 Im selben Text tauchen die folgenden Angaben zur Zahl der Deutschen und Polen in Danzig Anfang September 1945 auf: Deutsche – 107.000, Polen – 18.000. – Wójtowicz (wie Anm. 52). Der damaligen demographischen Situation Danzigs bespricht Sobczak, I: Przemiany demograficzne w woj. gdańskim w latach 1945 – 1974 [Der demographische Wandel in der Wojewodschaft Danzig in den Jahren 1945 – 1974]. In: Przemiany społeczne w regionie gdańskim w powojennym 30-leciu. Hg. von K. Podoski. Gdańsk 1977, 58–74. 72 So zum Beispiel in einem Zeitungsartikel: Odniemczenie Wybrzeża [Die Entdeutschung der Küstenregion]. In: Dziennik Bałtycki, 20. Mai 1946, 7. Der Genauigkeit halber sei hinzugefügt, dass der Begriff »Entdeutschung« schon in der Zwischenkriegszeit in einem weniger emotional aufgeladenen Kontext auftauchte (für diese Information danke ich Marek Stażewski). 73 Dies kam sogar bei so differenziert denkenden Intellektuellen wie Ksawery Piwocki vor: Piwocki, K.: Uwagi o odbudowie zabytków [Anmerkungen zum Wiederaufbau von Kulturdenkmälern]. In: Biuletyn Historii Sztuki i Kultury 1/2 (1946), 53–59, hier 53. 74 Barbara Okoniewska stellt dazu fest: »Das Ausmaß der von den Deutschen begangenen Verbrechen machte es unmöglich, diese (früheren sozialen und kulturellen) Bande nach dem Krieg wiederherzustellen – selbst dann, wenn die deutsche Bevölkerung nach dem Krieg nicht aus diesen Gebieten ausgesiedelt worden wäre.« – Okoniewska (wie Anm. 57), 13. Dazu auch der Leserbrief:

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Die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus den von Polen 1945 wiedergewonnenen Gebieten ist für die vorliegenden Überlegungen eine Schlüsselfrage. Zu diesem Problem sind erste Untersuchungen gemacht worden75, damit zusammenhängende Zahlen und Fakten müssen hier also nicht angeführt werden. An dieser Stelle genügt die Feststellung, dass der Akt oder eher der Prozess der Aussiedlung der Deutschen das wichtigste und deutlichste Element des Kampfes gegen das »deutsche Danzig« und zugleich das eindrücklichste Zeichen dafür war, dass man diesen Kampf gewonnen hatte.76 Nach der Beseitigung der deutschen Einwohner der Stadt musste man sich allerdings auch darum kümmern, die Spuren ihrer Anwesenheit zu beseitigen, zumindest diejenigen, die offensichtlich deutsch waren, also vor allem Benennungen und Aufschriften.77 Schon am 28. Juni 1945 wurde gemeldet, dass »[in Danzig] die deutschen Schilder in den Straßen durch polnische ersetzt worden sind«.78 Diese Worte waren etwas verfrüht, denn der ab 1948 in der Stadtverwaltung als Landvermesser arbeitende Czesław Srogosz stellte fest: »In den Jahren 1948 bis 1949 führte die Geodäsie in ganz Danzig eine Umbenennung der deutschen Straßennamen in polnische durch. Wir haben sogar selbst die damals noch nicht emaillierten Straßenschilder angefertigt.«79 Auch in den Leserbriefen des Dziennik Bałtycki gibt es wiederkehrende Klagen über deutsche Straßenschilder80, deutsche Aufschriften auf Apothekenschränken81 oder die an vielen Häusern (vor allem im Stadtteil Wrzeszcz / Langfuhr) angebrachten Schilder mit der Auf-

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Polacy nie miejcie serca dla Niemców [Polen, habt kein Herz für die Deutschen]. In: Dziennik Bałtycki, 31. Juli 1946, 4. Hejger (wie Anm. 49), 87–117. Davon, wie wichtig dies für die damalige polnische Administration war, zeugt die Tatsache, dass die Aussiedlung der Deutschen unter den vom Danziger Wojewoden Stanisław Zrałek für 1946/47 festgelegten dreizehn Prioritäten an erster Stelle stand und als einzige fettgedruckt verzeichnet wurde: Za rok ani jednego Niemca na polskiej ziemi. Wojewoda inż. Zrałek o pracach na Ziemiach Odzyskanych [In einem Jahr kein einziger Deutscher mehr auf polnischem Boden. Wojewode Zrałek über die Aufgaben in den Wiedergewonnenen Gebieten]. In: Dziennik Bałtycki, 11. Mai 1946, 2. Weniger offensichtlich war etwa die »Nationalität« der Architektur. Es ist interessant, in welcher Weise man der Danziger Architektur absprach, deutsche Kultur zu repräsentieren, indem man das Flämische, Italienische etc. an ihr hervorhob (siehe Anm. 63). Nasz meldunek w dniu »Święta Morza« [Unsere Meldung zum »Tag des Meeres«]. In: Dziennik Bałtycki, 28. April 1945, 2. Srogosz, Cz. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1, (wie Einführung Anm. 32), 191. Dass 1946 eine bedeutende Zahl von Straßen und Wohnsiedlungen noch keine polnischen Benennungen hatte und immer noch mit deutschen Namen bezeichnet wurde, bestätigt ein Straßenverzeichnis aus diesem Jahr, abgedruckt in: Fronik, Z./Gosz, K.: Przewodnik po Gdańsku [Führer durch Danzig]. Gdańsk 1946, 5–12. Darin finden sich mehr als zwanzig deutschsprachige Bezeichnungen. So noch im September 1947: Zabytek, który nie razi mieszkańców Jelitkowa [Ein Kulturdenkmal, das die Bewohner von Jelitkowo (Glettkau) nicht stört]. In: Dziennik Bałtycki, 24. Juni 1947, 4. Grunt to patriotyzm (list do redakcji) [Patriotismus ist die Grundlage (Leserbrief)]. In: Dziennik Bałtycki, 30. November 1946, 4.



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schrift Danziger Feuersozietät und, noch schlimmer, mit der »Krähe« (so nannte man verächtlich den deutschen Reichsadler) und Hakenkreuz.82 Interessanterweise wurden alle hier erwähnten Fälle nicht von Journalisten, sondern von Lesern der Zeitung angeprangert83, was – wenn man davon ausgeht, dass die Briefe echt waren – bezeugt, dass die Abneigung gegenüber allen deutschen Spuren in Danzig nicht nur von oben angeordnet war. Andererseits aber zeigt die Tatsache, dass sie so lange überdauern konnten, dass dies für die meisten Einwohner kein vorrangiges Problem war.84 Eine größere Provokation schien der öffentliche Gebrauch der deutschen Sprache gewesen zu sein. Ein außergewöhnlich prägnantes Zeugnis der Abneigung gegen sie ist in einem Text vom Februar 1948 zu finden, dessen Autor sich darüber beschwert, dass ein Teil der alteingesessenen Bevölkerung sich weiterhin des Deutschen bediene: »[…] im polnischen Danzig darf nicht deutsch gesprochen werden. Nicht nur, weil wir in den sechs Jahren des Krieges gelernt haben, diese Sprache zu hassen wie die Pest. […] sondern auch, weil beim Klang des deutschen Kauderwelschs die Ruinen des Danziger Postamtes erzittern. Weil diese bellende, menschenfeindliche Art zu reden das klagende Echo von Stutthof und den trauernden Widerhall der Märtyrergräber in den Wäldern von Piaśnica wachruft.«85 Man geht wahrscheinlich nicht fehl, wenn man wie Stanisław Michel feststellt: »Damals gab es eine ziemlich verbreitete Überempfindlichkeit, […] Abneigung gegen alles, was deutsch war, was ›die Spuren des polnischen Danzigs verwischte‹. Man war der Meinung, dass man es am besten rauswerfen, ausradieren sollte.«86 Nicht unmittelbar mit Danzig zusammenhängend, aber sehr charakteristisch dafür, wie man über das hier erörterte Problem dachte, ist ein im Dziennik Bałtycki veröffentlichter Text zur Zukunft der Marienburg. Wegen seiner verdichteten antideutschen Phraseologie soll er hier ausführlich wiedergegeben werden: 82 Uwagi przechodnia (list do redakcji) [Anmerkungen eines Passanten (Leserbrief)]. In: Dziennik Bałtycki, 29. September 1947, 4. 83 Die wiederum noch im Jahr 1949 entdeckten, dass der Name »Alldag« zur Bezeichnung eines Abschnittes am östlichen Ufer des Kaiserhafens (Kanał Kaszubski) benutzt wurde, und dies folgendermaßen kommentierten: »Dieser Zustand ist ziemlich kompromittierend für diejenigen, die für das Austauschen deutscher Bezeichnungen gegen polnische verantwortlich sind.« – Napis zniknął – nazwa została [Die Aufschrift ist verschwunden – der Name geblieben]. In: Dziennik Bałtycki, 23. Juli 1949, 3. – Im Januar 1948 wiederum stellte das Warschauer Postamt eine Telefonrechnung auf einem deutschen Formular aus der Zeit des Krieges aus – die Brisanz der ganzen Angelegenheit wurde noch dadurch verschärft, dass der Adressat der Rechnung der »Verband der Kämpfer für die Unabhängigkeit« war – Mieczek, B.: Niedbalstwo, które bywa zdradą [Nachlässigkeit kann Verrat sein]. In: Głos Wybrzeża, 25. Januar 1948, 8. 84 Dabei spielten, zumindest ganz zu Anfang, auch praktische Fragen eine Rolle. 85 We własnym interesie [Im eigenen Interesse]. In: Dziennik Bałtycki, 17. Februar 1948, 1. Außerdem: Dozorca cmentarza wymyśla po niemiecku (list do redakcji) [Der Friedhofswärter schimpft auf deutsch (Leserbrief)]. In: Dziennik Bałtycki, 27. August 1949, 6. 86 Beitrag von Michel, S. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 2 (wie Einführung Anm. 32), 120 f.

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»Der Krieg hat Marienburg nicht verschont, und der Unterschlupf der Ordensgroßmeister hat schwer gelitten. Aber man kann und muss die Burg wiederaufbauen und mit ihrem ganzen Prunk wiederherstellen. Auch wenn die Repolonisierung der Wiedergewonnenen Gebiete es erfordert, alle Denkmäler der Germanenherrschaft zu sprengen, muss man die Marienburg als Ausnahme behandeln. Eignet sich doch kein Andenken an die deutsche Übermacht auf dem Boden der Rzeczpospolita mit seinen Ausmaßen, seinem Charakter und seiner historischen Vergangenheit so sehr dazu, aus ihm das zentrale Museum deutscher Verbrechen in Polen zu machen wie gerade der Sitz der Kreuzritter in Marienburg. Seit den ältesten Zeiten, seit dem Untergang der unglücklichen slawischen Brudervölker an Elbe und Oder, seit dem Völkermord an den Pruzzen87, seit den ersten räuberischen Feldzügen der Kreuzritter auf polnischem Boden, seit der Hinschlachtung Tausender Danziger im Jahr 1308, von all den Morden, den Gewalttaten und der Rechtlosigkeit zur Vernichtung anderer Nationen bis zu dem Albtraum der biologischen Ausrottung eines Volkes mit Hilfe von Massenexekutionen, Gaskammern und Krematorien soll die ganze Tragödie des polnischen Volkes in der Umklammerung durch den Ansturm der Germanen in den Sälen und Kammern der einstigen Kreuzritterfestung in Marienburg ihren visuellen Ausdruck finden. Und im Großen Kapitelsaal des Hochschlosses [entsteht] in kollektiver Anstrengung aller polnischen Maler ein Panorama zur Veranschaulichung des polnischen Martyriums.88 Das alles, damit niemals, im Bewusstsein keines Polen, Illusionen über die ewig feindlichen Absichten jedes einzelnen Deutschen gegen jeden einzelnen Polen aufkommen«.89 Im abschließenden Satz verzichtet der Autor auf jegliche Differenzierung des Problems und präsentiert antideutsche Polemik in Reinform. Tatsächlich rief die Marienburg außergewöhnlich heftige negative Gefühle wach, da sie als »Symbol des Preußentums« galt.90 Kehren wir jedoch zum zitierten Text zurück, der auffällige Merkmale einer Art primitiver Historiosophie trägt, die ein ungewöhnlich krasses Beispiel für die all87 Gemeint ist die Unterwerfung des baltischen Volkes der Pruzzen durch den Deutschen Orden. 88 Dieser Vorschlag ist ein Beleg für die These Roman Wapińskis, dass das Leiden in der polnischen Tradition eine außerordentlich große Rolle spielt. – Wapiński (wie Anm. 56), 14. 89 Dybowski, M.: Co zrobić z zamkiem malborskim? Warownia krzyżacka sanktuarium polskiej martyrologii [Was soll man mit der Marienburg machen? Eine Kreuzritterfestung als Heiligtum des polnischen Martyriums]. In: Dziennik Bałtycki, 16. Juli 1946, 3. 90 Zamek malborski – symbol prusactwa [Die Marienburg – Symbol des Preußentums]. In: Dziennik Bałtycki, 1. September 1946, 5. Dazu außerdem der Artikel: Na gruzach pruskiej buty [Auf den Trümmern des Preußendünkels]. In: Dziennik Bałtycki, 28. April 1946, 5. Ein interessanter Beitrag hierzu ist auch ein Text des Marienburger Korrespondenten der Danziger Tageszeitung unter dem alles sagenden Titel: O nowy herb dla Ziemi Malborskiej. Symbol krzyżactwa powinien zginąć raz na zawsze [Ein neues Wappen für die Region Marienburg. Das Symbol des Kreuzrittertums muss ein für alle Mal verschwinden]. In: Dziennik Bałtycki, 23. April 1947, 6.



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gemeinere Tendenz in der damaligen Presse darstellt, historische Publizistik zu betreiben, bzw. eher historische Argumente zu Zwecken der politischen Propaganda zu verwenden. Neben Texten, die von Journalisten verfasst wurden, finden wir hier populärwissenschaftliche Publikationen von Intellektuellen (Pelczar, Czerny, Kilarski) und außerdem Texte von Vorträgen oder Aufrufen, deren gemeinsamer Nenner eine mehr oder minder direkte Legitimierung der polnischen Ansprüche auf Danzig ist.91 Es gibt Schriften, die darauf zielen, relativ gelassen über die Befunde von Historikern zu berichten (wobei es sich natürlich um aus polnischer Perspektive formulierte Befunde handelt)92, aber auch solche, die in wenigen Absätzen versuchen, mit dem Mythos des angeblich deutschen Danzigs abzurechnen93, die Beziehungen zwischen Preußen und Polen in ihrer Gesamtheit94, oder 1.000 Jahre polnisches Danzig darzustellen.95 Die komprimierteste Version der Stadtgeschichte hat der 1. Sekretär des Danziger Bezirkskomitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR) Witold Konopka in einer seiner Reden präsentiert – man beachte die spezifische Poetik: »Der Adel hat einst das alte polnische Danzig an die Preußen verschachert. Die Bourgeoisie, Piłsudskis Sanacja und Dmowskis Endecja haben Danzig ein weiteres Mal den deutschen Imperialisten und Faschisten ausgeliefert. Die Arbeiterklasse, die Volksdemokratie hat diese Stadt gemeinsam mit der gesamten polnischen Ostseeküste dem sozialistischen Vaterland zurückgegeben.«96 Mit seiner unverhüllt propagandistischen Absicht steht dieser Text am Rand meiner Überlegungen zur »Aneignung des Ortes«, aber man kann wohl nicht ausschließen, dass diese Art von Vorstellungen zumindest für einen Teil der Zuhörer überzeugend waren und damit das Gefühl begünstigen konnten, sich zu Recht auf dem neu besiedelten Gebiet zu befinden.

91 Besonders interessant ist ein Ausschnitt aus einem Vortrag von Władysław Czerny, der suggeriert, dass es entbehrlich sei, rationale Argumente (oder zumindest einen Anschein davon) zu finden: »Wir brauchen keine künstlichen Forschungen und Nachweise, denn unsere Traditionen in dieser Region sind klar und deutlich.« – Cywińska-Chylicka (wie Anm. 62). 92 Odnowa, A.: »Wczoraj« i »dziś« najstarszej części Gdańska. Tam, gdzie odbywały się obrady Związku Miast Morskich [»Gestern« und »Heute« des ältesten Teils von Danzig. Dort, wo die Sitzungen des Verbandes der Seestädte stattgefunden haben]. In: Dziennik Bałtycki, 14. Juli 1946, 4. – Wójtowicz, Z.: Pierwsze wiadomości historyczne o morskiej stolicy Polski. Przed 950-leciem miasta Gdańska [Die ersten historischen Nachrichten über Polens Seemetropole. Vor dem 950-jährigen Jubiläum der Stadt Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 27. Juli 1947, 4. 93 Morska Stolica Polski [Polens Seemetropole]. In: Dziennik Bałtycki, 10. August 1947, 1. 94 Polska a Prusy [Polen und Preußen]. In: Dziennik Bałtycki, 1. April 1946, 1. 95 W 950 rocznicę Gdańska [Zum 950-jährigen Jubiläum Danzigs]. In: Dziennik Bałtycki, 2. August 1947, 2. 96 Odbudujemy Gdańsk piękniejszy niż był kiedykolwiek! Przemówienie I. sekretarza KW PZPR ob. Witolda Konopki [Wir bauen Danzig schöner wieder auf, als es jemals gewesen ist! Ansprache des 1. Sekretärs des Bezirkskomitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei Witold Konopka]. In: Dziennik Bałtycki, 3. Oktober 1949, 1.

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In ungleich subtilerer Art und Weise leisteten dies die Artikel und Bücher der zwei wichtigsten Multiplikatoren von Danzig-Wissen in den ersten Nachkriegsjahren, Jan Kilarski und Marian Pelczar97, aber auch andere Arbeiten und Autoren98. Diese Publikationen zielten darauf, die Danziger Bevölkerung mit den polnischen Traditionen der Stadt bekannt zu machen – daher kommen polnische Könige oder polnische Adler häufig darin vor (Abb. 11).99 Jan Kilarski, eine Person mit bedeutendem Einfluss auf die Vorstellungen vom historischen Danzig, hatte ohne Zweifel eine deutliche Meinung von der Geschichte der Stadt, in der das Ringen mit dem feindlichen deutschen Element eine wichtige Rolle spielte, die sich aber darin nicht erschöpfte. Seine Ansichten hat er in sehr lapidarer Weise schon im Juni 1945 in einem Artikel formuliert: »[…] tausend Jahre auf dem Weg zum Meer, zu dem uns die Vorsehung und das Gebot des Lebens geführt haben. Lang war dieser Weg und mühsam. Eine Hürde waren uns dabei nicht nur die Hindernisse des feindlichen Nachbarn, der unersättlichen germanischen Nation Tücken und Gewalttaten, sondern häufig auch unsere Trägheit, die Unentschiedenheit, Nachgiebigkeit und die damalige Geringachtung der Meeresfrage.«100 Aus dieser Perspektive gelang es Kilarski, Danzig als »Stadt, die unser und auch nicht unser war«101 zu bezeichnen und damit seiner Überzeugung von der Komplexität ihrer Geschichte Ausdruck zu verleihen. In seiner schriftstellerischen Tätigkeit bemühte er sich gleichwohl, sich 97 Pelczar, M.: Gdańska rocznica [Danzigs Jahrestag]. In: Dziennik Bałtycki, 10. August 1947, 2. – Pelczar, M.: Polski Gdańsk [Das polnische Danzig]. Gdańsk 1947. – Kilarski, J.: Królowie polscy na szczytach gdańskich wież [Polnische Könige auf Danziger Turmspitzen]. In: Dziennik Bałtycki, 8. Juni 1947, 4. – Kilarski, J.: Haus der Könige von Polen. In: Dziennik Bałtycki, 29. Juni 1947. – Kilarski (wie Anm. 15). 98 Miziołek, E.: Poznajemy Gdańsk. Drogą królów polskich [Wir lernen Danzig kennen. Auf den Spuren der polnischen Könige]. In: Dziennik Bałtycki, 22. Mai 1946, 4. – Białe orły na budowlach zabytkowych w Gdańsku widomym znakiem odwiecznych praw Polski [Die weißen Adler auf Danzigs Baudenkmälern sind ein sichtbares Zeichen der ewigen Ansprüche Polens]. In: Dzien- nik Bałtycki, 11. August 1946, 5. 99 Das Vorhandensein der polnischen Adler wurde auch in späteren Äußerungen, die die Ansprüche der Polen auf Danzig beweisen sollten, ständig angeführt. Die vielleicht deutlichste und in gewisser Weise die Strategien zur Verteidigung Danzigs gegen seinen mehr oder weniger spürbar deutschen Charakter zusammenfassende Erklärung stammt aus dem Jahr 1954, vom Chefredakteur des Dziennik Bałtycki, Piotr Kraak: »Die geretteten jagiellonischen Adler, polnischen Aufschriften und bildlichen Darstellungen auf den Mauern Danzigs sind ein lebendiges Abbild der Treue des Volkes von Danzig zum polnischen Mutterland, einer Treue, die die schwersten Jahre der Herrschaft von Kreuzrittern, chauvinistischer preußischer Bourgeoisie und Hitlerterror überstanden hat.« – Dawna Droga Królewska to w niedalekiej przyszłości wielka świetlica Gdańska. Mieszkańcy i budowniczowie żywo dyskutują na temat rozwoju swojego miasta [Der einstige Königsweg wird in naher Zukunft die gute Stube von Danzig sein. Bewohner und Erbauer diskutieren lebhaft über die Entwicklung ihrer Stadt]. In: Dziennik Bałtycki, 8. Juni 1954, 3. 100 Kilarski, J.: Gdańsk – Dantiscum – miasto przesławne – celeberrima urbs [Danzig – Dantiscum – ruhmreiche Stadt – celeberrima urbs]. In: Dziennik Bałtycki, 29. Juni 1945, 5. 101 Kilarski (wie Anm. 100).



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auf »unseres« zu konzentrieren oder die deutschen Einflüsse durch englische, flämische, italienische oder französische zu neutralisieren.102 Als einen Versuch, die Geschichte von einer antideutschen Warte aus zu revidieren, kann man aus heutiger Perspektive auch die extrem ablehnende Haltung zur Architektur des 19. Jahrhunderts in Danzig und generell in den sogenannten wiedergewonnenen Gebieten verstehen.103 Ein deutlicher Ausdruck dessen sind die Worte, die Władysław Czerny für die vom Ende des 19. Jahrhunderts stammende Fassade des Postamtes an der ul. Długa / Langgasse fand: »Diese Schweinerei

102 Diese Tendenz eröffnete ein 1939 in der Zeitschrift Wiadomości Literackie veröffentlichter Text von Marian Morelowski mit dem Titel »Die Ursprünge der Danziger Architektur«.Morelowski, M.: Źródła architektury gdańskiej [Die Ursprünge der Danziger Architektur]. In: Wiadomości Literackie (1939) 31/32, 29. Vgl. Friedrich, J. Netherlandism of Early Modern Gdańsk Art in the Eyes of Polish Researchers before 1945. In: Netherlandish Artists in Gdańsk in the Time of Hans Vredeman de Vries. Material from the conference organized by Museum of the History of the City of Gdańsk and Weserrenaissance-Museum Schloß Brake Lemgo. Gdańsk-Lemgo 2006, 28 f. Ein wichtiger Hinweis auf seine Rezeption ist eine 1948 von Czerny veröffentlichte Meinungsäußerung, die hier sowohl wegen ihrer Deutlichkeit, als auch wegen der Bedeutung des Autors ausführlich zitiert werden soll: »[…] um die kulturelle Zugehörigkeit Danzigs ist seit einigen Jahrzehnten ›cum ira et studio‹ eine weitere – falsche – Legende entstanden. Über jene ›urdeutsche‹ Herkunft der Kunst Danzigs ist soviel gesagt und geschrieben worden, dass allein schon dieser Umstand Zweifel wecken könnte. – Erfordern zweifelsfreie Ansprüche denn so viele Bestätigungen, Beweise, Steigerungsformen? Kann denn z. B. eine gerade Linie ›gerader‹, ›am geradesten‹, ›urgerade!‹ sein? Auch die Adjektive zur Bezeichnung der nationalen Zugehörigkeit unterliegen ja wohl keiner Steigerung. Eine solche Steigerungsform ist bloß schmückendes Beiwerk. […] Allzu sichtbar ist der Unterschied zwischen der Kunst der nordischen, deutschen Städte und den Hafenstädten der Ostsee, die unter dem Einfluss der sich in Polen entwickelnden lateinischen Kultur standen. – Der Humanismus hat sich über Krakau in Polen verbreitet, wo er auf besonders fruchtbaren Boden fiel. Der Prometheus der Kultur trägt das Feuer nicht dorthin, wo man nicht auf ihn wartet, und er bleibt nicht dort, wo er kein dem Schöpfertum günstiges Klima findet. Kultur zieht Künstlernomaden aus aller Welt an. – Der ›Nationalismus‹ dieser Künstler sind die Humanität und die Kultur, die ihr Gastgeber pflegt. – Die reformistischen Strömungen der Renaissance sind auch in den Nordwesten Europas gelangt, um dort jenen niederländischen Ableger des Humanismus hervorzubringen. – Auf holländischen Segelschiffen sind diese Strömungen die Mottlau heraufgewandert; hier trafen sich beide Strömungen des Humanismus, hier haben sie sich mit lokalen Elementen gekreuzt, ja sogar mit östlichen Einflüssen.« – Czerny (wie Anm. 16), 24. Ein Beleg für die Rezeption dieses Denkens über die Kreise der Architekturspezialisten hinaus sind die Worte von Karol Małcużyński, der von der »Verwüstung der Stadt, die mit den Händen der hervorragendsten holländischen Meister der Renaissance und des Barock errichtet wurde, der Stadt, die eines der schönsten historischen Bauensembles in Europa darstellte« gesprochen hat. – Zitiert nach: Trojanowska, I.: Wstęp [Einführung]. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 21. 103 Rewski, Z.: O odprusaczenie architektury Ziem Zachodnich [Zur Entpreußung der Architektur der Westgebiete]. In: Odra 7 (1949), 6. März 1949; bzw. die Besprechung dieses Beitrags in: Ochrona Zabytków 4 (1949), 284, wo es u. a. heißt: »Der Autor spricht sich für eine planmäßige Umgestaltung ›prussischer‹ Werke in ästhetischer und national-pädagogischer Hinsicht aus«.

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müsste man so schnell wie möglich abreißen«.104 Dieser Vorschlag war das Resultat allgemein verbreiteter Ansichten über die preußische Gründerzeitarchitektur, die Czerny selbst folgendermaßen ausdrückte: »Diese ›wissenschaftlich‹ als pseudoDanziger ›Stil‹ definierten Bauten sind ein typisches Zeugnis der preußischen Barbarei. Objekte, die nur auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten zu ihrer Beseitigung warten.«105 Man darf jedoch nicht vergessen, dass die architektonischen Abwandlungen des Neostil im 19. Jahrhundert damals generell gering geschätzt wurden106, so dass zu der zweifelsohne nationalistisch motivierten Abneigung architekturgeschichtliche und denkmalpflegerische Dogmen hinzukamen.107 Dies muss im Blick behalten werden, wenn man sich mit dem Schicksal der preußischen Architektur in Danzig nach dem Krieg auseinandersetzt. Wenn wir noch für einen Moment zu Jan Kilarski zurückkehren, dann müssen wir an den von ihm 1946–1949 an der Danziger Technischen Hochschule abgehaltenen Zyklus von außerordentlichen, aber von vielen, die später am Wiederaufbau Danzigs beteiligt waren, als überaus wichtig angesehenen Lehrveranstaltungen unter dem Titel »Danzig-Kunde« erinnern.108 Darüber hinaus hielt er Kurse für Stadtführer ab, die man damals sehr ernst nahm – sie wurden außer von Kilarski auch 104 Gruszkowski, W. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 21. – Stankiewicz (wie Anm. 41), 121 f. 105 Czerny (wie Anm. 16), 31. 106 Zum Beispiel: Delafons, J.: Politics and Preservation. A Policy History of the Built Heritage, 1882–1996. London u. a. 1997, 82. 107 In ähnlicher Weise kann man die Beseitigung von Baudenkmälern des Barock in Pommern unter der preußischen Teilungsmacht als »mehr oder weniger diskrete Beseitigung polnischer Spuren« interpretieren. – Ciemnołoński, J./Pasierb, J. St.: Pelplin. Wrocław u. a. 1976, 36. Gleichzeitig aber war sie Ausdruck der Ansichten der damaligen Epoche, in der auch in Deutschland barocke Baudenkmäler beseitigt wurden; ebenso in Polen, und dort ganz sicher ohne nationale Vorzeichen, zum Beispiel in der Kathedrale auf dem Wawel. Dass man nach dem Zweiten Weltkrieg auch in Deutschland selbst die Beseitigung von Gründerzeitarchitektur nicht als Eliminierung deutscher Kultur, sondern eher als »Säuberung« des historischen Stadtbildes verstand, kann die folgende Äußerung belegen: »Dabei [der Autor spricht vorher von dem durch den Wiederaufbau erreichten Effekt, der es so aussehen ließ, als sei gar nichts zerstört gewesen, J. F.] ist das Straßenbild im denkmalpflegerischen Sinne bereinigt worden: während die Renaissancegiebelhäuser mit ihren Beschlägen (sic) gewissenhaft wiedererrichtet sind, ließ man die Warenhäuser und größeren Gebäude des 19. Jahrhunderts, die hier eingedrungen waren, weg und ersetzte sie ebenfalls durch schmale Giebelhäuser, die auf alte Darstellungen zurückgehen« – Stephan (wie Einführung Anm. 19), 1027. Natürlich darf man nicht vergessen, dass Stephans Bericht aus der Perspektive eines Anhängers der Architektur der Moderne verfasst worden ist. Siehe auch Leyendecker (wie Einführung Anm. 16), 16. Zitat: »Die scheußlichen Umbauten seit der 2. Hälfte des 19.  Jahrhunderts, die gefühllosen modernen Ladeneinbauten aber werden verschwunden sein«. Zu Leyendeckers Aussage sei ergänzt, dass seine Publikation, auch wenn sie im Westen Deutschland erschien, zahlreiche charakteristische Züge kommunistischer Propaganda trägt. 108 Stankiewicz (wie Anm. 41), 207. – Kroman, J. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 2 (wie Einführung Anm. 32), 162 f.



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von so verdienten Danzig-Kennern wie Franciszek Mamuszka geleitet, dem späteren Autor vieler populärwissenschaftlicher Publikationen zur Geschichte und den Kulturdenkmälern Danzigs, sowie von Marian Pelczar, dem damaligen Direktor der Danziger Bibliothek.109 Eines der psychologisch wichtigsten Elemente bei der »Aneignung« der neuen Wirklichkeit war, ihr, oder genauer gesagt: ihren zahlreichen Bestandteilen neue, selbstverständlich polnische Benennungen zu geben. Ein Teil dieser Benennungen, insbesondere der Stadtviertel, ließ sich aus stellenweise noch mittelalterlichen Aufzeichnungen ableiten (zum Beispiel Brzeźno für Brösen, Orunia für Ohra, Polanki für Pelonken, Siedlce für Schidlitz, Wrzeszcz für Langfuhr110), andere waren Lehnübersetzungen der deutschen Benennungen (zum Beispiel Biskupia Górka für Bischofsberg, Nowe Szkoty für Neu Schottland, Nowy Port für Neufahrwasser, Stogi für Heubude etc.).111 In der Anfangsphase der polnischen Ansiedlung herrschte in dieser Hinsicht noch eine verständliche Unsicherheit – die Festlegungen der Sprachwissenschaftler wurden nicht immer sofort in die Praxis umgesetzt. So wurde zum Beispiel häufig statt der offiziellen Bezeichnung »Suchanino« der Name »Cyganki« für »Zigankenberg« benutzt, »Holm« statt »Ostrów«, »Zawiśle« statt »Przeróbka« für »Troyl« oder »Sianki« statt »Stogi« für »Heubude«. Letzteres Beispiel, bei dem man den Namen eines Dorfes am San übernommen hatte112, ist insofern von Bedeutung, als es überaus interessante und, wie es scheint, für Danzig und die polnische Besiedlung der Nord- und Westgebiete nicht erforschte Prozesse enthüllt, bei denen 109 Powstają nowe kadry propagatorów morza i Gdańska [Neue Kader von Propagatoren für Danzig und das Meer wachsen heran]. In: Dziennik Bałtycki, 29. Juni 1946, 5. Zu Schulungen für Stadtführer siehe auch: Kurs dla przewodników po Gdańsku [Kurse für Stadtführer durch Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 12. Mai 1946, 4. – Krajoznawcy z całej Polski w Gdańsku [Landeskundler aus ganz Polen in Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 6. Juni 1947, 2. – Poznaj Gdańsk i jego zabytki. Kurs przewodników po Gdańsku [Lerne Danzig und seine Kulturdenkmäler kennen. Kurs für Stadtführer durch Danzig]. In: Głos Wybrzeża, 15. März 1948, 6. 110 In Bezug auf letzteren Ortsnamen gab es in der Presse eine bezeichnende Diskussion, in der von einem Teil der neuen Bewohner vorgebrachte phonetische (unaussprechlich) und semantische (ruft merkwürdige Assoziationen hervor [mit dem polnischen Verb »wrzeszczeć« = brüllen, Anm. d. Übers.] ) Argumente mit den gewollten Anklängen an den historischen Namen der ursprünglich dort ansässigen Bevölkerung kollidierten. 111 Górnowicz, H.: Nazwy Gdańska i jego dzielnic [Die Namen Danzigs und seiner Stadtviertel]. In: Historia Gdańska, Bd. 1. Hg. von E. Cieślak. Gdańsk 1978, 15–23. Siehe dazu auch eine Artikelserie des Dziennik Bałtycki aus dem Jahr 1951 (Nr. 60, 83, 88, 124, 142, 160, 163, 188), außerdem auch: Kilarski, J.: Listy gdańskie [Danziger Briefe]. In: Dziennik Bałtycki, 19. August 1945, 4 f., wo von einer vom Instytut Bałtycki frisch herausgegebenen Pommern-Karte mit zahlreichen rekonstruierten slawischen Ortsnamen die Rede ist. 112 Górnowicz (wie Anm. 111), 23, merkt an, dass man jene für gewöhnlich benutzte Bezeichnung meiden sollte, da sie ukrainisch sei – hier zeigt sich eine Tendenz zur Durchsetzung eines homogenen, »rein polnischen« Systems in allen Bereichen.

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bestimmte Elemente – in diesem Fall onomastische – des kulturellen Systems, aus dem die Umsiedler stammten, nachgebildet und übernommen wurden. Ein ähnlicher Versuch, Elemente des kulturellen Systems des Herkunftsortes der Umsiedler nachzubilden – in diesem Fall stammten sie aus Wilna – war die Benennung einer der Straßen von Danzig mit dem typisch Wilnaer Namen »Pohulanka«.113 Verglichen mit den Umbenennungen der Stadtviertel gab es allein schon hinsichtlich der Quantität bei den Straßennamen größere Probleme.114 Außerdem reichten die Namen der Stadtviertel für gewöhnlich weit in die Vergangenheit zurück und ließen sich in ihrer slawischen Form rekonstruieren. Die Straßennamen hatten nur ausnahmsweise eine solche Herkunft, wie zum Beispiel Jaśkowa Dolina (Jäschkentaler Weg) oder Polanki (Pelonkerweg). Häufig jedoch – vor allem außerhalb der historischen Innenstadt – bezogen sie sich auf deutsche Traditionen, und sei es auch nur – in der einfachsten Form – indem sie nach hervorragenden Gestalten der deutschen Geschichte oder Kultur benannt waren, was nach 1945 prinzipiell nicht akzeptiert wurde. Die einzige Ausnahme scheint man in Danzig bei großen deutschen Komponisten gemacht zu haben: Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann und sogar – das überrascht am meisten in der Nachkriegszeit – Richard Wagner.115 In der entscheidenden Mehrzahl aller Fälle wurden solche Art von Namen jedoch durch neue ersetzt, die sich nun auf die polnische Kultur bezogen – so zum Beispiel die ul. Wajdeloty (Marienstraße), ul. Grażyny (Elsenstraße) oder ul. Zbyszka z Bogdańca (Westerzeile) in Wrzeszcz / Langfuhr. Diese offenkundige 113 Diese Bezeichnung ist scheinbar nie offiziell bestätigt worden. 114 Das Problem der Straßennamen in den Wiedergewonnenen Gebieten regelte ein von Kazimierz Mijal unterzeichnetes Rundschreiben aus der Kanzlei des Staatspräsidenten vom 17. März 1947 mit den folgenden Richtlinien: »a) Bestehende Namen von Durchgangsstraßen oder solchen, die in eine bestimmte Richtung führen und die ihre Bedeutung erklären (z. B. Warszawska – nach Warschau führend, Bydgoska – nach Bydgoszcz führend etc.) bleiben unverändert, und neu entstehenden Straßen dieser Art sollen solche Namen gegeben werden. b) Historische Namen von Straßen und Plätzen, die von der Vergangenheit des jeweiligen Ortes zeugen, sollen nicht verändert werden (Złotnicza für Goldschmiedegasse, Tatarska für Tatarengasse). c) In den anderen Fällen eignen sich Namen von nicht mehr lebenden Nationalhelden, nicht mehr lebenden herausragenden Gelehrten, Künstlern und Schriftstellern sowie von nicht mehr lebenden Personen, die sich um den jeweiligen Ort besonders verdient gemacht haben, zur Bezeichnung von Straßen und öffentlichen Plätzen. d) Zur Bezeichnung von Straßen oder Plätzen dürfen keine Namen lebender Personen benutzt werden. e) Namen von Straßen und öffentlichen Plätzen dürfen nur in polnischer Sprache ausgeschrieben werden.« – AAN, Ministerstwo Ziem Odzyskanych 196/130, 37. Eine bezeichnende Ergänzung macht ein Brief des Ministeriums für die Wiedergewonnenen Gebiete vom 14. Oktober 1947: »Auf dem Territorium der Wiedergewonnenen Gebiete können solche Benennungen nicht beibehalten werden, die eine irgendwie geartete Verbindung zur Geschichte des Deutschtums in diesen Gebieten haben.« – AAN, MZO 196/130, 52. 115 Fronik/Gosz (wie Anm. 79), 9 f. Hier sei angemerkt, dass das Patronat der Pestalozzistraße nicht geändert wurde.



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deutsch-polnische onomastische Konkurrenz wurde von politischen Fragen überlagert – daher auch die relativ zahlreichen Veränderungen in der Benennung der Straßen in den ersten Jahren nach dem Krieg.116 Der bereits zitierte Czesław Srogosz erwähnt: »Den Straßen wurden ›en gros‹ polnische Namen gegeben, und in der Rechtstadt wurden sie einfach übersetzt«.117 Allerdings nicht ganz so einfach, wie diese Aussage suggeriert. Einige historische Namen (dies betraf nicht nur die Rechtstadt, sondern den größten Teil der historischen Innenstadt) konnte man tatsächlich ohne Schwierigkeiten übersetzen, doch schon bei scheinbar so klaren Fällen wie zum Beispiel der Johannisgasse oder der Heilig-Geist-Gasse musste man eine Auswahl treffen, denn in anderen polnischen Städten existierten verschiedene Entsprechungen: Świętojańska oder Św. Jana, Świętoduska oder Św. Ducha? Und was machte man mit der Frauengasse? Anfangs wurde sehr häufig, eigentlich allgemein, der Name Panieńska statt des späteren Mariacka benutzt. Und die Jopengasse? Hier kam neben der Benennung Piwna anfangs auch Jopejska vor, was insofern berechtigt war, als der Name Jopengasse sich nicht auf »Bier« im Allgemeinen, sondern auf eine konkrete, lokale Biersorte bezog. Aber »Jopejska« klang trotzdem allzu unverständlich, außerdem ist denkbar, dass man, als schließlich die Form »Piwna« gewählt wurde, sich bewusst oder unbewusst am Warschauer Vorbild orientierte. Nach Krakau blickte man offenbar bei der Übertragung des Namens Poggenpfuhl in Żabi Kruk anstelle von, sagen wir, Ropusze Bagnisko oder Ropusza Kałuża. Und wenn man wiederum die Brotbänkengasse »einfach« übersetzt hätte, dann wäre ihr Name Ławy Chlebowe und nicht Chlebnicka (Jan Kilarski nennt sie übrigens noch in seinem Buch von 1947 so). Es gab auch solche Namen, deren Polonisierung nicht wenig Erfindungsgabe erforderte – zum Beispiel die Hundegasse, die zu Ogarna wurde (es hätte auch Psia118 sein können), oder die Ketterhagergasse, aus der die ul. Zbytki119 wurde. 116 Eine ausgezeichnete Illustration jenes Durcheinanders bietet das Schicksal der vormaligen Ostseestraße: Nach dem Krieg entschied man sich nicht für eine einfache Übersetzung in »ulica Bałtycka«, sondern gab ihr den politischen Namen »aleja Roosevelta«, worauf zwei weitere politische Umbenennungen folgten: in »aleja Karola Marksa« und, nach 1989, in »aleja Józefa Hallera« nach dem den Nationaldemokraten nahestehenden verdienten General des Polnisch-Sowjetischen Krieges, der auch dafür bekannt ist, dass er 1920 Polen mit der Ostsee »vermählte«. 117 Srogosz, Cz. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 191. 118 Andrzej Wyrobisz vermutet, dass der Name »ulica Ogarna« anstelle des in anderen Städten Polens vorkommenden »Psia ulica« deswegen eingeführt wurde, weil er – was in Bezug auf eine der zentralen Straßen der Stadt erwünscht gewesen sei – »nobler« klinge [als Ableitung vom polnischen »ogar« = Jagdhund anstelle von »pies« = Hund, Anm. d. Übers.]. – Wyrobisz, A.: Nazwy ulic, placów i dzielnic w miastach polskich: nośniki informacji – źródła historyczne  – zabytki kultury [Straßen-, Platz- und Stadtteilnamen in polnischen Städten: Informationsmittel – historische Quellen – Kulturdenkmäler]. In: Przegląd Historyczny 4 (1999), 511–523, hier 515. 119 J. St[ankiewicz]: Nazwy gdańskich ulic (list do redakcji) [Danziger Straßennamen (Leserbrief)]. In: Dziennik Bałtycki, 12. November 1947, 4. – Zu den Straßennamen außerdem: Małodobry – znaczy kat [Małodobry – d. h. Henker]. In: Dziennik Bałtycki, 22. April 1951 (Beilage »Rejsy«), 2.

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Auch Irrtümer kamen vor – die Straße Altes Roß wurde zum Beispiel ul. Rumacza genannt, obwohl ihr vorheriger Name sich von einer alten Bezeichnung für »Entwässerungsgraben« und nicht von »Ross« (poln. rumak) ableitete120 – sie wurde dann auch alsbald in ul. Grząska (von poln. grząski = sumpfig, morastig) umbenannt. Bis heute nicht ihren ursprünglichen Namen zurückgegeben hat man dagegen der ul. Spichrzowa, die erst unter Hitler von Judengasse in Speichergasse umbenannt worden war.121 Man könnte noch zahlreiche Beispiele solcher onomastischer Probleme anführen, doch auch ohnedies lässt sich mit ganzer Sicherheit feststellen, dass die Einführung polnischer Straßennamen kein leichtes Unterfangen war. Für die vorliegenden Überlegungen am wichtigsten ist, dass die Danziger Straßen relativ schnell polnische Namen erhielten, die insbesondere im Gebiet der historischen Innenstadt den Eindruck erweckten, als seien sie schon ewig so gewesen.122 Zwar sollten sich die Straßennamen der Rechtstadt endgültig erst während des in der Presse ausführlich besprochenen Wiederaufbaus im Bewusstsein weiterer Kreise von Danzigern einbürgern, doch ohne Zweifel trug der gesamte Prozess der Umbenennungen von Straßen und Stadtvierteln dazu bei, sich an den neuen Wohnort zu gewöhnen.123

120 St[ankiewicz] (wie Anm. 119). 121 St[ankiewicz] (wie Anm. 119). 122 Es langt jedoch, zu einem polnischen Stadtführer aus der Vorkriegszeit zu greifen, der vom Danziger polnischen Schulverein »Macierz Szkolna« herausgegeben wurde, um sich zu überzeugen, dass dort, abgesehen von einigen besonders wichtigen (wie Langgasse, Langer Markt, Breitgasse, Langgarten) die übrigen Straßennamen nicht einmal übersetzt worden sind (z. B. Beutlergasse, Milchkannengasse oder Brotbänkengasse). – Przewodnik po Gdańsku [Führer durch Danzig]. Gdańsk (1938). 123 Es verwundert auch nicht, dass die Namensgebung der Straßen gelegentlich zum Gegenstand politischer Auseinandersetzungen wurde: Szremowicz, W.: Czy nazwy ulic Gdańska odpowiadają treści naszego życia? [Entsprechen die Straßennamen Danzigs unserer Lebenswirklichkeit?]. In: Dziennik Bałtycki, 5. Dezember 1950, 4. Ein Abschnitt zu den historischen Stadtvierteln liest sich wie folgt: »Machen wir uns die Sache klar, dann müssen wir feststellen, dass es erst in unserer Epoche üblich geworden ist, dass ein lebendiges historisches Stadtviertel seine traditionellen Namen beibehält, die, gestützt auf wissenschaftliche Erkenntnisse, zurückgegeben, wiederhergestellt oder ersetzt werden. Unbedingt möchten wir das spezifische Kolorit erhalten, das Straßennamen wie Ogarna (Hundegasse), Świętojańska (Johannisgasse), Pończoszników (Große Hosennähergasse) oder Tandeta (Tagnetergasse) einem solchen Stadtviertel verleihen. Einzig plumpen Neuschöpfungen wie Chlebnicka (Brotbänkengasse), Podbielańska (Weißmönchen-Hintergasse) und anderen möchten wir einen angemessenen Klang verleihen […]. Vor diesem Hintergrund versteht es sich, dass wir die Helden des Proletariats nicht angemessen ehren, wenn wir ihre Namen zwischen solche wie Mariacka (Frauengasse), Bosmańska (Bootsmanngasse) oder Grząska (Altes Roß) setzen, in eine Umgebung, die ihnen weder der Bedeutung, noch dem äußeren Anschein ihrer Ideen und Taten nach entspricht.« Schwer zu sagen, ob diese Überlegungen rein theoretischen Charakter hatten oder ob sie auch ein Reflex auf irgendwelche tatsächlichen Versuche zur Umbenennung historischer Straßennamen im Geiste der neuen Zeit waren.



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Eine solche Rolle erfüllte mit Sicherheit auch das polnische kulturelle und religiöse Leben. Ersteres ist relativ gut untersucht124, ich möchte an dieser Stelle einzig auf die Bedeutung der neu- oder wiederentstandenen Kulturinstitutionen in Bildung und Wissenschaft hinweisen, wie zum Beispiel die Technische Hochschule125, die Ärzte-Akademie126, die Hochschule für Außenhandel127, die Gesellschaft der Freunde von Wissenschaft und Kunst128, die Gesellschaft für Landeskunde129, aber auch das Museum130, die Bibliothek131, das Archiv132 und andere. Das Bild des religiösen Lebens, das ebenfalls schon recht gut untersucht worden ist133, möchte ich um einige Beobachtungen ergänzen, die für die vorliegenden Überlegungen von besonderer Bedeutung sind. In der unmittelbaren Nachkriegszeit war die Teilnahme kirchlicher Würdenträger an weltlichen, auch staatlichen Feierlichkeiten nichts Ungewöhnliches. Bei solchen Gelegenheiten hatten sie die Möglichkeit, ihre Haltung zur Wiedergewinnung Danzigs und der Ostseeregion zum Ausdruck zu bringen, die dem allgemeinen Enthusiasmus folgte. Ein gutes Beispiel liefert ein Ausschnitt aus der Predigt des Militärkaplans der Kriegsmarine anlässlich der ersten Begehung des Tages des Meeres nach dem Krieg: »Die Wellen der Ostsee rauschen und verkünden der Welt die frohe Kunde, dass über dem polnischen Meer für ewige Zeiten polnische Fahnen [wehen] und der Weiße Adler seine Flügel ausgebreitet hat, und die polnische Marine hat ihre Wacht über polnische Häfen bezogen. Froh erklang das Läuten der Kirchenglocken, in Freude

124 Stryczyński (wie Anm. 10), 110–124. – Lachnitt, W.: Teatry dramatyczne Wybrzeża w okresie XX-lecia Polski Ludowej [Die Schauspieltheater der Küstenregion zur Zeit des 20-jährigen Bestehens der VR Polen]. In: Gdańskie Zeszyty Humanistyczne 12 (1964), 134–178. 125 Kilarski, J.: Listy gdańskie [Danziger Briefe]. In: Dziennik Bałtycki, 24. September 1945, 5. Kilarski schreibt u. a.: »Die Danziger Technische Hochschule ist eine wichtige Sache – es ist, als sei Danzig selbst schon wiedererrichtet worden.« 126 Dekret o Akademii Lekarskiej w Gdańsku [Dekret über die Ärzte-Akademie in Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 22. Oktober 1945, 5. 127 Kilarski (wie Anm. 125). 128 Gdańsk dźwiga się z ruin do życia [Danzig erhebt sich aus den Ruinen zum Leben]. In: Dziennik Bałtycki, 22. Juli 1945, 3. 129 Kilarski, J.: Listy gdańskie. In: Dziennik Bałtycki, 8. September 1945, 5. Kilarski schreibt zunächst über die Absicht, »an den Ufern Danzigs eine Gesellschaft für Landeskunde« zu berufen. 130 Muzeum Państwowe powstaje w Gdańsku [In Danzig entsteht ein Nationalmuseum]. In: Dziennik Bałtycki, 19. März 1947, 4. 131 Barowa, I.: Serce Gdańska [Das Herz von Danzig]. In: Odrodzenie 31 (1945), 10. 132 Rewindykacja gdańskich archiwów [Die Rückführung der Danziger Archive]. In: Dziennik Bałtycki, 2. Juni 1947, 4. 133 Szczudłowski, P.: Wpływ wydarzeń 1945 r. na los Kościoła katolickiego w Gdańsku [Der Einfluss der Ereignisse des Jahres 1945 auf das Schicksal der katholischen Kirche in Danzig]. In: Gdańsk 1945 (wie Anm. 3), 55–69. – Szczudłowski, P.: Kościół katolicki wobec poewangelickich świątyń w Gdańsku [Die katholische Kirche und die ehemals evangelischen Gotteshäuser in Danzig]. In: Nasza Przeszłość 84 (1995), 257–301.

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brennen unsere Herzen, und in mehr als einem Auge schimmert eine Träne. Eine teure Träne, denn wie sollte man sich nicht freuen, wo doch das Meer, unser Meer nach Jahren der schweren Unfreiheit zu seinem Mutterland zurückgekehrt ist. Und der weiße Adler entfaltet seine von den Fesseln befreiten Flügel über den blauen Wassern der Ostsee.«134 Das Motiv der Kirchenglocken, die über der Ostsee erklingen, war scheinbar besonders suggestiv, denn Jan Kilarski führt es in einem seiner »Danziger Briefe« ebenfalls an.135 Von großer Bedeutung ist ein Abschnitt eines anderen seiner »Briefe«, in dem Kilarski ganz explizit die Rolle der Kirche bei der Integration der sehr verschiedenartigen Gruppen von Neusiedlern darstellt: »Vergeblich würdest Du in den Gesichtern dieser Menschen einen ›hiesigen‹, vielleicht kaschubischen Typus suchen; die Unterschiede in Kleidung, Frisuren, in den Bewegungen, der Sprache, sogar im Lächeln sind groß. Nur eins ist ihnen gemeinsam: das polnische Wort und die offene, wohlwollende Art, sich im Gespräch zusammenzufinden, aus dem Du erfährst, dass diese aus der Gegend von Grodno stammen, jene Wolhynier sind, jene dort Dir Lemberg in Erinnerung rufen. […] In ihrem Leben sind der Sonntag und die Kirche wichtig, die sie, die aus verschiedenen polnischen Welten hier versammelt sind, zu einer Gemeinschaft verbindet und mit dem Land verbindet. Es kommt vor, dass auch der Pfarrer ein Ankömmling von irgendwoher aus der Gegend von Łuck ist und dass die ganze neue Gemeinde sich zum Gottesdienst in einer verlassenen deutschen Kirche zusammenfindet. Und von den gotischen Mauern des Gotteshauses […] hallt dann zu allen Seiten, legt sich auf die Stoppelfelder die einmütige Bitte im gesungenen Gebet: ›Herr, verlass’ uns nicht‹. – Und Du siehst, wie dieses Land sich verwandelt, sein einstiges Kolorit zurückgewinnt – es selbst und unseres wird.«136 Zwar bezieht sich diese Beobachtung auf die Żuławy, die Landschaft an der Weichselmündung bei Danzig, dennoch meine ich, dass sie sich auch auf die in Danzig herrschenden Verhältnisse übertragen lässt, wo zum Beispiel an Fronleichnam Tausende in der Prozession durch die Stadt zogen und dadurch ohne Zweifel das Gemeinschaftsgefühl unter den teilnehmenden »Neudanzigern« gestärkt wurde. Die erste Prozession nach dem Krieg fand 1946 statt. Die feierliche Messe wurde nicht zufällig in der Nikolaikirche der Dominikaner abgehalten, eines der wichtigsten katholischen Gotteshäuser des alten Danzig, in das ein Jahr zuvor polnische Dominikaner zurückgekehrt waren – mit ihrer Rückkehr verband sich da134 Na zakończenie tysiącletniej walki ślubujemy bronić prastarego wybrzeża polskiego od Szczecina po Gdynię, Gdańsk i Elbląg. Wielka manifestacja narodowa w Gdańsku [Zum Ende des tausendjährigen Kampfes geloben wir, die seit den ältesten Zeiten polnische Küste von Stettin über Gdynia und Danzig bis nach Elbing zu verteidigen. Große nationale Kundgebung in Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 30. Juni 1945, 1. 135 Kilarski, J.: Listy gdańskie. In: Dziennik Bałtycki, 17. September 1945, 5. 136 Kilarski, J.: Listy gdańskie. In: Dziennik Bałtycki, 3. September 1945, 3.



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mals die Hoffnung, dass »das Polentum seine Wurzeln vertieft und mit Sicherheit schneller seine Krone entfaltet«137. Zweifelsohne spielte auch der praktische Aspekt eine entscheidende Rolle bei der Auswahl gerade dieses Gotteshauses, denn es war von allen Kirchen der Innenstadt am besten erhalten.138 Mit deutlicher Absicht wählte man die Orte aus, an denen Altäre für die Prozession aufgestellt wurden: das Zeughaus, den Artushof und das Hohe Tor.139 In sichtbarer und explizit symbolischer Weise nahm die polnische Kirche diese bis vor kurzem noch fremde, ja geradezu feindliche Stadt ein. Diese große religiöse, aber auch nationale Manifestation (in einem Bericht ist von Zehntausenden von Gläubigen die Rede), wird sicher die eigene Präsenz gestärkt und die »Aneignung« Danzigs durch seine neuen Bewohner befördert haben. Eine spezielle Form der Verankerung Danzigs im kollektiven Bewusstsein nicht nur der Neudanziger, sondern der ganzen polnischen Gesellschaft war die Abbildung von Stadtansichten auf allgemein zugänglichen visuellen Informationsträgern, wie zum Beispiel Briefmarken, Banknoten und Plakaten. Zum ersten Mal erschien ein Danziger Motiv – das Krantor – schon im April 1945 auf einer polnischen Briefmarke140, und im September desselben Jahres wurde eine Serie von 137 »Dominik« w Gdańsku [Der »Dominik« in Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 2. August 1945, 3. In der Übernahme protestantischer Gotteshäuser durch die Katholiken erblickte man wiederum einen Akt der historischen Gerechtigkeit, ähnlich der Übernahme deutscher Gebiete durch die Polen. Kennzeichnend für eine solche Auffassung ist eine Äußerung des Pfarrers A. Wronka aus dem Jahr 1949: »In Danzig selbst gibt es keine einzige Kirche, die von Protestanten errichtet worden wäre. Sie haben in Gotteshäusern gewaltet, die sie den Katholiken weggenommen haben. Deshalb ist es richtig, wenn diese Gotteshäuser heute der katholischen Kirche als ihr altes Eigentum zurückgegeben werden.« – Zitiert nach: Szczudłowski: Wpływ wydarzeń … (wie Anm. 133), 66 f. 138 Dass die mit dem Polentum verknüpfte katholische Nikolaikirche fast unversehrt den Krieg überstand, betrachtete man im Danzig der Nachkriegszeit als Wunder bzw. als wunderbares Zeichen. Dies wurde mir von Barbara Zaporowska überliefert. Siehe auch: »Dominik« w Gdańsku (wie Anm. 137). 139 Gdańsk wznowił wspaniałą tradycję obchodu Bożego Ciała [Danzig hat seine prachtvolle Tradition der Fronleichnamsprozessionen erneuert]. In: Dziennik Bałtycki, 21. Juni 1946, 3. Im folgenden Jahr wurden die Altäre an denselben Stellen errichtet: Krajoznawcy z całej Polski … (wie Anm. 109). Während der Fronleichnamsprozession 1946 ein eigener Artikel gewidmet wurde, vertuschte man die Information über die Prozession im folgenden Jahr nahezu und brachte sie in einem Artikel zu einem völlig anderen Thema unter: Prof. Kilarski führte die Teilnehmer des Kongresses [der Landeskundler] zu einer Veranstaltung von großem landeskundlichem Wert, der Fronleichnamsprozession in Danzig. Krajoznawcy z całej Polski … (wie Anm. 109). 1948 wurde dann wieder mit einem gesonderten Text über die Prozession informiert: Boże Ciało w Gdańsku. Deszcz nie odstraszył wiernych [Fronleichnam in Danzig. Regen konnte Gläubige nicht abhalten]. In: Dziennik Bałtycki, 28. Mai 1948, 4. 140 Die Briefmarken wurden in der Serie »Liga Morska« [Bund des Meeres] am 24. April 1945 ausgegeben. Siehe: Katalog polskich znaków pocztowych 2000 [Katalog polnischer Briefmarken 2000]. Bytom-Kraków 2000, Nr. 370.

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drei Marken mit Danziger Baudenkmälern ausgegeben (Abb. 12), auf denen der Stockturm, das Hohe Tor und wiederum das Krantor dargestellt waren.141 Letzteres Motiv kehrte noch einmal im folgenden Jahr als eines der drei Bildelemente einer Gedenkmarke für die Verteidigung des polnischen Postamtes in Danzig wieder.142 Es sei hinzugefügt, dass man in den ersten Jahren nach dem Krieg sonst nur noch Krakau und Warschau mit gesonderten Briefmarkenserien ehrte. Im Januar 1946 wurde eine 500-Złoty-Banknote emittiert (Abb. 13), auf deren Revers eine Ansicht Danzigs von der mit Segelbooten bedeckten Mottlau aus erschien, mit dem Krantor, der Langen Brücke sowie den Türmen des Rechtstädtischen Rathauses und der Marienkirche im Hintergrund.143 Auf einem 1945 veröffentlichten Plakat mit dem Titel »Danzig ist unser!« (Abb. 14) wurde dem Krantor erneut die Funktion eines Erkennungszeichens für die Stadt zugewiesen.144 Ein spezielles Beispiel ist darüber hinaus der Umschlag der ersten, noch vor Kriegsende herausgegebenen Nummer der Kinderzeitschrift Świerszczyk (Die Grille) (Abb. 15), auf dem Jan Marcin Szancer eine Ansicht Danzigs aus genau derselben Perspektive darstellte wie auf der oben erwähnten Banknote.145 Am Ende soll das interessanteste, wenn auch schwierig mit Quellen zu belegende Problem stehen. Es handelt sich dabei um die – in Umkehrung des Blickwinkels der bisherigen Überlegungen – Aneignung der Neuankömmlinge durch die Orte und Objekte, auf die sie in Danzig trafen. Die beste mir bekannte Darstellung, um dieses Phänomen zu erfassen, findet sich im Roman Tod in Danzig von Stefan Chwin, besonders im Kapitel »Lavendel«, in dem davon die Rede ist, wie die polnischen Neuankömmlinge auf die erstarrte Welt der von den Deutschen zurückge-

141 Briefmarkenserie »Zabytki Gdańska« [Kulturdenkmäler Danzigs], ausgegeben am 15. September 1945. Siehe: Katalog polskich znaków … (wie Anm. 140), Nr. 377–379. 142 Briefmarkenserie: »7. Rocznica obrony Poczty Polskiej w Gdańsku« [Zum 7. Jahrestag der Verteidigung des polnischen Postamtes in Danzig], ausgegeben am 14. September 1946. Siehe: Katalog polskich znaków … (wie Anm. 140), Nr. 411. 143 Der Entwurf der Banknote stammte von Wacław Borowski, ein Reprint befindet sich in: Pieniądz papierowy na ziemiach polskich [Papiergeld in Polen]. Warszawa 1996, 166. Der Avers war mit der Gestalt eines Fischers, der in der einen Hand einen Fisch, in der anderen sein Netz hält, sowie mit einem Matrosen, der ein Modell trägt und zu dessen Füßen ein Anker zu sehen ist, verziert. Dies ist die einzige nach 1945 emittierte polnische Banknote, die mit einer Ansicht Danzigs versehen wurde, aber nicht die einzige mit einem Meeresmotiv: 50-Złoty-Banknote vom Mai 1946; 500-Złoty-Banknote vom Juli 1947; 50-Złoty-Banknote aus dem Jahr 1950. 144 Entwurf von Jan Kulikowski. Reprint in: Abramowicz (wie Anm. 3), 19. 145 Świerszczyk 1, 1. Mai 1945, 1. Der Künstler schreibt über seinen Umschlagsentwurf: »Der Erste Mai, an dem Łódź rot von Fahnen war, fiel mit einem bescheidenen Feiertag für mich persönlich zusammen. Die erste Nummer des Świerszczyk kam heraus. Auf der ersten Seite spielte die ›Grille‹ vor dem Hintergrund einer Ansicht des alten Danzigs auf einer winzigen Geige. Danzig lag, ähnlich wie Warschau, in Ruinen, aber es war unser, unser für immer.« – Szancer, J. M.: Curriculum vitae. Warszawa 1969, 298.



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lassenen Interieurs und Gerätschaften treffen.146 Sich jedoch ausschließlich auf die literarische Vision Chwins zu stützen, greift hier wohl aber zu kurz. Einige weitere Quellen ermöglichen den Versuch, dieses schwierige Thema zu untersuchen. auseinanderzusetzen. Diese Quellen sind, wen wundert’s, keine Erinnerungen von Personen, die nach dem März 1945 nach Danzig gekommen sind (in den zwei veröffentlichten Bänden von Erinnerungen an den Wiederaufbau147, aber auch in dem Band »Gdańsk/Danzig 1945«148 habe ich nichts Interessantes in Hinsicht darauf gefunden), sondern Texte, die zwischen 1946 und 1948 im Dziennik Bałtycki veröffentlicht wurden und deren Ziel mitnichten der Wunsch war, das uns interessierende Phänomen zu dokumentieren. Die allgegenwärtige und selbstverständliche Präsenz des Hausrates und der Möbel der Deutschen dokumentiert eine Notiz vom 6. Oktober 1946, in der es darum geht, dass das Amt für Liquidationen (Urząd Likwidacyjny) seine Tätigkeit mit dem Ziel aufgenommen habe, den Besitz dieser Dinge zu legalisieren.149 Aus der Notiz geht hervor, dass es denjenigen, die entsprechend frühzeitig nach Danzig gekommen waren, mitunter gelang, große Bestände davon zusammenzutragen, während die Übrigen erfolglos danach suchen mussten.150 Jedenfalls steht außer Frage, dass in den von polnischen Neuankömmlingen besetzten Wohnungen im Allgemeinen Möbel, Haushaltsgeräte, Geschirr, Bestecke und sicher auch Tisch- oder Handtücher vorhanden waren, die vorher jemand anderem gehört hatten. Allein diese Tatsache konnte den neuen Bewohnern nicht gleichgültig sein, umso mehr, wenn Art und Qualität jener Ausstattungen weit von dem abwichen, was sie in ihrer Heimat gewohnt gewesen waren. Jene Kluft war bei den aus großen Städten stammen146 Chwin, Stefan: Tod in Danzig. Reinbek bei Hamburg 1999, 94–100 (poln. Originalausgabe: Hanemann. Gdańsk 1995, dort 67–71). 147 In Bezug auf den 1978 veröffentlichten, also noch der Zensur unterliegenden ersten Band der »Wspomnienia z odbudowy« kann dieser Mangel nicht weiter verwundern, aber er überrascht doch im zweiten Band, der 1997 schon ohne Zensurbeschränkungen erschien. 148 Danzig/Gdańsk 1945. Erinnerungen nach 50 Jahren / Wspomnienia 50 lat później. Gdańsk 1997. 149 Sprawa mebli poniemieckich [Das Problem der von den Deutschen zurückgelassenen Möbel]. In: Dziennik Bałtycki, 6. Oktober 1946, 1. 150 Ein deutliches Zeugnis dessen, dass man sich in großem Umfang ehemals deutsches Hab und Gut aneignete, ist ein im Mai 1946 veröffentlichter Artikel, in dem die Autorin sich an das Jahr 1945 erinnert und u. a. schreibt: »Die Leute besetzten ohne Skrupel, aber mit einem ausgeprägten Sinn für den eigenen Vorteil, unter dem Deckmantel wichtiger staatlicher Funktionen die schönsten Villen, um sie nach einigen Tagen ihrer Wertgegenstände und Möbel beraubt zurückzulassen, sie organisierten, verkauften und gründeten dubiose Betriebe, um Diebstähle in großem Umfang zu betreiben.« – Pierwsze zetknięcie z Wybrzeżem [Erster Kontakt mit der Küste]. In: Dziennik Bałtycki, 19. Mai 1946, 5. Eine bezeichnende Ergänzung findet diese Beschreibung in einem Brief von Stanisław Różański (einem später an der Küste tätigen Architekten) an den Minister für den Wiederaufbau Michał Kaczorowski vom 13. April 1945 aus Zoppot: »Angesichts der Zerstörungen darf man keine große Kriegsbeute erwarten. Private Diebereien tun ein übriges.« – AAN, Ministerium für den Wiederaufbau, Mappe Nr. 153, 32 f.

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den Akademikern mit Sicherheit nicht so groß, ihre verlorengegangene Objektwelt unterschied sich nicht grundsätzlich von der, die sie in den Häusern von Wrzeszcz / Langfuhr oder den Villen von Zoppot vorfanden151; doch nichtsdestoweniger waren auch sie eine etwas andere Art der Raumgestaltung, der Gegenstände selbst etc. gewohnt. Umso fremder musste diese Welt jemandem aus einem Dorf in Zentralpolen oder aus der Vorstadt von Łódź vorkommen. Die Erforschung dieses Problems ist unter anderem deswegen besonders schwierig, weil aus der Zeit vor der Erfindung transportabler Blitzgeräte nur wenige fotografische Aufnahmen existieren, die das Innere gewöhnlicher Wohnungen dokumentieren. Möbelhauskataloge können hier nur in beschränktem Maße als Hilfe dienen, da sie nur ein Ideal oder Postulat abbilden. Die erwähnten Texte aus dem Dziennik Bałtycki sind daher von unschätzbarem Wert. Der erste Text, der nicht so sehr die Begegnung, als den Zusammenstoß mit der Welt der Zoppoter Villen – wenn auch in einer außergewöhnlich luxuriösen Ausgabe – zeigt, trägt den Titel (nomen est omen) »Erster Kontakt mit der Küste«. Seine Autorin berichtet wie folgt von ihren Erlebnissen: »Der Luxus […] der Villa überstieg unsere Vermutungen. Weiße Marmortreppen, in den Nischen Skulpturen und schöne Vasen, passend zum Hintergrund. Stilvoll eingerichtete Zimmer, ein in dunklem Ton gehaltenes Speisezimmer mit alten Stichen und ausgezeichneten Kopien holländischer Meister. Ein Schlafzimmer, in dem sogar das Telefon in seinem Weiß absolut erlesen wirkte. Hinter einer Schiebewand des Salons ein Wintergarten. Palmen, stachlige Agaven, grüne Araukarien, Rhododendrensträucher und eine Sammlung von Kakteen, und inmitten dieser exotischen Flora Korbsessel und -liegen. Nur die vernachlässigten Böden, die riesigen verhüllten Diwane, die Kandelaber und Lampen ohne Licht, die Bäder ohne einen Tropfen Wasser brachten uns die Wirklichkeit in Erinnerung und dämpften unsere Begeisterung.«152 Ungeachtet der abschließenden Einwände sieht man, was für einen starken Eindruck solche Interieurs machten. Natürlich fielen nicht allen solche Wohnungen wie die hier beschriebene zu, die einem namentlich nicht bekannten Offizier gehört hatte, gleichwohl mussten auch die bescheideneren Quartiere den Eindruck von Relikten einer – zumindest in materieller Hinsicht – besseren Welt erwecken. Man darf auch nicht vergessen, dass in Langfuhr, Oliva und Zoppot ganze Wohnviertel von den Kriegszerstörungen unberührt geblieben waren, während viele Polen aus 151 Selbstverständlich existierten auch in der Freien Stadt Danzig erhebliche Unterschiede in den Standards der Innenausstattung und der Räume selbst, auch fielen den Zuwanderern, abhängig von ihrer jeweiligen Position im neu entstehenden Nachkriegsdanzig, unterschiedliche Wohnungen zu. Doch sind dies bislang nicht untersuchte Fragen – eine adäquate Erfassung würde ein spezifisches Forschungsinstrumentarium erfordern – die in meinen Überlegungen keine zentrale Stellung einnehmen. Deswegen beschränke ich mich darauf, einige einführende Bemerkungen zu machen, nehme aber nicht in Anspruch, das Problem erschöpfend zu behandeln. 152 Pierwsze zetknięcie … (wie Anm. 150).



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Orten gekommen waren, von denen der Krieg nur Trümmer übrig gelassen hatte. Diese Umstände mussten das Gefühl des Kontrastes, von dem bereits die Rede war, noch verstärken, aber auch das der Bewunderung, der Befremdung und der Wut darüber, dass diejenigen, die dort bisher gewohnt hatten, wenn schon nicht in Luxus, so doch zumindest in für die entscheidende Mehrheit der Polen während der Kriegsjahre unerreichbarem Komfort gelebt hatten. Der interessanteste unter den gefundenen Texten, beinahe ein kulturelles Denkmal, bewegt sich irgendwo zwischen einem Artikel und einem Kurzessay und versucht, anhand der von den Deutschen verlassenen Häuser ein kollektives Modell der deutschen Psyche, vor allem der Psyche der deutschen Frau zu konstruieren. Wegen der ungewöhnlichen emotionalen Intensität und des literarischen Anspruchs dieses Textes, den man geradezu als eine »gegen den Strich gebürstete« Variation des Kapitels »Lavendel« aus dem Roman von Stefan Chwin bezeichnen könnte, lohnt es sich, ihn ausführlich wiederzugeben. Seine Autorin berichtet von ihrem Besuch in einer nicht namentlich genannten Stadt in den von den Deutschen übernommenen Gebieten und schreibt in der Einleitung: »Ich gehe an hellen, mit roten Dächern gedeckten Villen entlang, und es kommt mir vor, als liefe ich in ein und demselben Häuserblock immer im Kreis. Mich quält irgendein undeutliches Gefühl, ich kann zunächst nicht erfassen, welches genau.« Weiter beschreibt sie ihre Eindrücke vom Inneren des Hauses, das sie gesucht und endlich gefunden hat: »Ich schlafe in irgendeinem Esszimmer auf einer soliden, modernen Couch, die mit irgendeinem verblichenen Stoff bezogen ist. Auf einem niedrigen Tischchen daneben liegt ein Buch. Luxuriös aufgemacht, mit Vergoldungen, wahrscheinlich auf Büttenpapier. Gedichte? Irgendein Werk aus dem eisernen Repertoire der deutschen Literatur? Die Bibel? Nein. Der Prospekt einer Möbelfirma. […] Die Interieurs aus dem Prospekt sind Standard, in wirklichen deutschen Wohnungen treu abgebildet und wiederholt. Überall moderne, niedrige Anrichten, Glasschränkchen auf kurzen ›Chippendale-Dackelbeinchen‹, Clubsessel, niedrige Tischchen, Kaffeekannen und Tassen mit zinnoberrotem Blütenmuster, gemusterte Gardinen aus leichtem, durchsichtigen Stoff und flache Lampenschirme. Keine einzige individuelle Note, kein Abweichen von der Schablone, irgendetwas fehlt hier. In allen Wohnungen fehlt etwas wie menschliche Seele. Zwischen blankpolierten Möbeln und gescheuerten Töpfen geistert einzig ein mikroskopisch kleines Frauenseelchen umher – das von ›Kinder, Kirche, Küche‹ [deutsch im Original]. Und tatsächlich, wenn man in eine deutsche Küche kommt, sieht man einen wuchernden Wasserkopf von Apparaturen wie aus dem Panoptikum – Siebe, Maschinen zum Schneiden, zum Reiben, zum Auspressen, zum Hobeln, um Kugeln aus Butter und irgendwelchen Schnickschnack aus Teig herzustellen. Und wahrlich, dem Waschen, Säubern und In-Ordnung-Halten dieses Arsenals muss man viel Zeit widmen. Einfach das gesamte Leben. Nichts weniger. Während die Männer zur selben Zeit in Reih’ und Glied marschieren. […] In einer deutschen Wohnung kann jeder in jedem Sessel, auf jedem Sofa, an jedem Tisch, mit jeder Tasse, Lampe, Kanne, Schlafmütze, mit jedem

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Paar Pantoffeln wohnen. […] Das ist eine Musterwohnung, eine Wohnung wie vom Reißbrett, alle genau gleich, alle einheitlich – alle, alle Deutsche – [deutsch im Original] wie im Parteiprospekt.«153 Nach weiteren Beschreibungen von Häusern, Gärten und Straßen gelingt es der Autorin schließlich zu benennen, was sie von Anfang an so gequält hat: »Diese unerhörte, pedantische Einförmigkeit. Es ist adrett, es ist sauber, gerade, glatt und sogar ›gemütlich‹ [deutsch im Original]. Aber eng. Hier fehlt es an Schwung, Phantasie, es fehlt etwas Unerwartetes, etwas, dass der Brust einen Schrei des Entzückens oder des Protestes entreißen würde. Bewunderung – ja, aber Bewunderung ist ein kaltes Gefühl, und bei aller Bewunderung möchte man diese Häuschen wie Bauklötze durcheinander werfen. Zum Teil hat das der Krieg getan. Aber jenseits der Trümmer hat sich an jedem Ort irgendwo das alte Leben erhalten, […] zeigt sich die genormte, gezählte und in jeder Einzelheit vorhersehbare deutsche Seele.«154In weiteren Abschnitten folgt der Versuch, das männliche und weibliche Element jener Seele zu bestimmen, der in den emotionsgeladenen Worten kulminiert: »Der hundertprozentige Mann – das ist die dumpfe Bestie, die Mord und Zerstörung schnaubt, die hundertprozentige Frau aber – das ist etwas zwischen einem toten Gegenstand und einem primitiven Tier. Ein seelenloses Werkzeug zum Gebären und Nähren. Und diese zwei Elemente […] bilden das Gros der deutschen Gesellschaft, das gebären und töten muss, denn das liegt in den tiefsten Gründen seiner psychisch-geschlechtlichen Beschaffenheit verborgen.«155 In dem hier zitierten Text gibt es viele Übertreibungen, sowohl in den Vorstellungen von uniformen deutschen Behausungen als auch in dem Versuch, die deutschen Verbrechen mit einem schlichten Geschlechterfatalismus zu erklären. Nichtsdestoweniger ist er ein facettenreiches Zeugnis. In ihm schwingen sowohl Aversion als auch Faszination mit. Bezeichnend ist das von der Autorin verwendete Wort »Bewunderung«, das irgendwie entgegen ihrer Absicht ein wichtiges Charakteristikum der Begegnung mit der deutschen bürgerlichen Wohnkultur offenbart. Wahrscheinlich darf man sogar annehmen, dass die an die Adresse deutscher »Gemütlichkeit« [deutsch im Original] vorgebrachten Anschuldigungen ein Versuch sind, sich ihres besonderen Charmes zu erwehren. Denn im Grunde genommen finden wir hier keine Vorwürfe ästhetischer Natur, die etwa in Bezug auf einen linksgerichteten Modernismus formuliert wären. Die Beunruhigung hat ihre 153 Osten-Ostachiewicz, E.: Sto procent płci (o niemieckiej duszy na tle niemieckich mieszkań) [Zu hundert Prozent Geschlecht (über die deutsche Seele anhand deutscher Wohnungen)]. In: Dziennik Bałtycki, 4. Dezember 1945, 2 f. 154 Osten-Ostachiewicz (wie Anm. 153). 155 Osten-Ostachiewicz (wie Anm. 153). In diesem Urteil klingen die Theorien Otto Weiningers an, was die Autorin übrigens nicht leugnet, wenn sie schreibt, dass dessen Theorien zwar nicht frei von Fehlern seien, aber trotzdem »bringen sie frischen Wind in die Geschlechterproblematik, ein Nährboden, auf dem interessante Ergebnisse gedeihen können«.



Danzig nach dem Krieg. Aneignung des Ortes

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Wurzeln woanders, der grundsätzliche Vorwurf der Wiederholbarkeit, der Monotonie und des »Musterhaften« ist aus der Sicht der Autorin ein moralischer, aber kein ästhetischer Vorwurf. Ohne Zweifel trägt zu der negativen Haltung der Verfasserin vor allem der Umstand bei, dass die von ihr beschriebeneWirklichkeit deutschen Ursprungs ist. Offenbar hat dies die Mehrheit der Nutznießer der ehemals deutschen Wohnungseinrichtungen nicht gestört, denn drei Jahre später berichtet ein Redakteur des Dziennik Bałtycki verblüfft über die Beobachtung, die »einige berühmte Repräsentanten der polnischen Kultur, die sich in den Sommerhäusern von Zoppot erholen«, gemacht haben, dass »in der Mehrzahl der Zoppoter Wohnungen, im Gegensatz zu den völlig von allem Deutschen gesäuberten Straßen von Zoppot, immer noch ein uneingeschränkt deutscher Lebensstil herrscht.«156 Und er gibt ihnen vollkommen Recht, wenn er schreibt: »In keiner einzigen der zahlreichen ehemals deutschen Wohnungen, die ich besucht habe, konnte ich sichtbare Anzeichen dafür feststellen, dass ihre neuen polnischen Bewohner seit drei Jahren darin anwesend sind. Überall dominieren wie früher abscheuliche deutsche Plüschmöbel und Öldrucke, ja sogar erbauliche gereimte Sinnsprüche wie ›flink fegen, blank putzen ist immer von Nutzen‹ [deutsch im Original] – mit einem Wort, verschiedene Elemente dessen, was sich zum hässlichsten Stil aller Zeiten und Orte zusammenfügt – zur kleinbürgerlichen, preußischen ›Gemütlichkeit‹« [deutsch im Original].157 Im Anschluss an diese Feststellung fordert der Autor eine Ausstellung aller Künstler der Ostseeregion zu organisieren, die vorführen soll, »wie man mit minimalem Kostenaufwand oder sogar ganz ohne Kosten das Innere jeder ehemals deutschen Wohnung polonisieren kann«158. Scheinbar haben solche Appelle nicht die gewünschten Resultate erbracht, auch deswegen, weil der damalige Markt nicht viel Ersatz für den deutschen Hausrat anzubieten hatte. Die Situation besserte sich erst in den 60er Jahren deutlich, als die Anschaffung moderner Einrichtungen einen großen Teil der alten Möbel und des Hausrates verdrängte159 – dies allerdings unabhängig »nationaler« Herkunft. Auch begann hier eine neue, in Danzig oder Zoppot aufgewachsene Generation, auf Basis der vorherigen »Aneignung« des Ortes und dank der inzwischen vergangenen 156 Oczyśćmy nasze mieszkania [Lasst uns unsere Wohnungen säubern]. In: Dziennik Bałtycki, 21. August 1948, 1. Unter den vom Autor erwähnten berühmten Repräsentanten der polnischen Kultur befand sich unter anderem der bekannte Publizist und Dichter Edmund Osmańczyk. 157 Oczyśćmy nasze mieszkania (wie Anm. 156). 158 Oczyśćmy nasze mieszkania (wie Anm. 156). 159 Dazu ausführlicher: Friedrich, J. »Dziś kupuje się mebelek funkcjonalny«. Kilka słów na marginesie jednej sceny z filmu Stanisława Barei »Małżeństwo z rozsądku« [»Heute kauft mein ein funktionales Möbel. «Einige Randbemerkungen zu einer Szene aus dem Film »Eine Vernunftehe« von Stanisław Bareja]. In: Dom – spotkanie przestrzeni prywatnej i publicznej na tle przemian cywilizacyjnych XIX i XX w. Hg. von Z. Opacki und D. Płaza-Opacka. Gdańsk 2008, 301–314.

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Kapitel 1

Zeit, die sie umgebenden Orte und Objekte als ihre eigenen aufzufassen. Langsam wunderte man sich, wenn auf einem Kanaldeckel oder an einer alten Mauer eine deutsche Aufschrift zu finden war.

Kapitel 2 D i e Diskussion um den Wiederaufbau

Der Beginn der Diskussion um den Wiederaufbau Danzigs ist paradoxerweise in den Berichten über seine Zerstörung zu sehen, da in ihnen häufig schon Vorstellungen über die Zukunft der Stadt enthalten sind. Die Schilderungen der Zerstörungen sind naturgemäß ungewöhnlich stark emotional gefärbt und lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen: die einen sind vollkommen pessimistisch, bei den anderen durchdringt ein vorsichtiger Optimismus die Schilderungen der Ruinen. Selbstverständlich kann man daraus keine eindeutigen Schlüsse auf die Meinungen der Autoren zum künftigen Schicksal der Stadt ziehen, gleichwohl wird der Ton dieser Äußerungen vor allem jenen Leuten, die man später als Danzig-Pioniere bezeichnet hat, bei ihrer Meinungsbildung nicht gleichgültig gewesen sein. Zwei frühe Berichte über die Ruinen von Danzig sollen hier miteinander verglichen werden. Einer ist ein weithin bekannter Text von Edmund Osmańczyk, den dieser schon im April 1945 verfasste: »Die Belagerung Danzigs dauerte zwei Wochen. Für die Menschen, die aus Warschau hierhergekommen sind, enthalten die Erzählungen der Danziger vom Verlauf der Kämpfe um die Stadt keine unbekannten Aspekte. Brände und Trümmerlawinen mitsamt dem endlosen Donner der Artilleriegeschosse und dem schneidenden Pfeifen der Maschinengewehre. Diese Synchronität von Klang, Bewegung und Feuer gebar unablässig den Tod, der Stadt und Menschen zu Boden presste. Und da liegt sie, die ermordete Stadt. Danzigs Leichnam […]. Drei Tage vor meiner Ankunft in Danzig war ich in Warschau. Allein für die Zerstörung der Heiligkreuzkirche und das Niederbrennen des Wokulski-Hauses [ein Haus an der Krakowskie Przedmieście-Straße im Zentrum Warschaus, in dem Bolesław Prus den Protagonisten seines Romans »Die Puppe«, StanisławWokulski wohnen lässt, Anm. d. Übers.] hätte ich morden und brandschatzen können, und wie erst für die Zerstörung der Kanonia-, der Świętojańska-, der Podwale-Straße? Hier in Danzig konstatiere ich kühl die Zerstörung. Vielleicht bin ich ein Barbar, aber wenn Jan Kilarski, der verdiente Historiker des polnischen Danzig, von der Unmöglichkeit spricht, die Marienkirche [deutsch im Original] wiederaufzubauen, dann herrscht in mir eitel Freude. Wenn schon alle Winkel, die gesamte Innenstadt des alten Danzig niedergebrannt und zertrümmert sind, wenn die Speicherhäuser im Bombenhagel untergegangen sind, die Danziger Kräne, wenn all’ das zugrunde gegangen ist, was vom Geist der Kreuzritterherrschaft über die Weichselmündung durchtränkt war, dann werden wir es nicht wiederaufbauen, noch werden wir Tränen über die rauchenden Trümmer vergießen. Von Danzig ist nur übriggeblieben, was jeder internationale Hafen besitzt, also Hafeneinrichtungen, Werften, Fabriken,

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Kapitel 2

Arbeitervorstädte. Mehr brauchen wir nicht. Wir werden uns endlich ein Danzig nach polnischer Art aufbauen, und keines der Kreuzritterherrlichkeit. Das, was kulturell so reich war, aber das Schwert seiner Kultur, auch wenn diese aus polnischem Reichtum erwachsen war, hasserfüllt gegen Polen richtete, ist abgebrannt. Das dagegen, was an Danzig wirtschaftlich am wertvollsten ist, und was aus polnischem Reichtum und polnischer Arbeit erwuchs, das ist geblieben.«1 Die letzten Sätze sind besonders wichtig, da sich aus ihnen die Absicht ablesen lässt, die Stadt im neuen Polen als wichtiges Wirtschaftszentrum wiederaufzubauen, aber nicht der Wille, das historische Danzig wiederzubeleben, welches Osmańczyk als ein dem Polentum im Prinzip fremdes Gebilde behandelt. Auf diese Sicht der Dinge hatte die negative Haltung des Autors zur Vergangenheit der Stadt zweifelsohne einen starken Einfluss, eine Haltung, der er in der Schlusspartie seines Artikels Ausdruck verleiht: »Gefühle des Bedauerns über das unwiederbringliche Wirken des Krieges in Danzig dürfen bei Polen nicht aufkommen. Achten wir unsere Gefühle. Die Zeit, als Historiker, Politiker und Journalisten Arbeiten mit dem schmerzlich demütigenden Titel ›Danzig und Polen‹ schrieben, ist nun unwiederbringlich vorbei.«2 Wie anders klingt dagegen eine Schilderung in der dritten Nummer des im Mai 1945 begründeten Dziennik Bałtycki: »Die Innenstadt von Danzig – das sind Trümmer, Ruinen und Brandstätten. Doch trotz der Zerstörungen hat die Stadt nichts von ihrer Imposanz verloren. Zerschlagen und verstümmelt stellt sie stolz die Überreste ihrer erhabenen Größe zur Schau […]. Der Passant, der durch die Gassen und Winkel der Altstadt irrt, vergisst, dass er sich inmitten der Ruinen einer einst vor Leben überschäumenden Stadt befindet. Die vollendeten Silhouetten der ausgebrannten Häuser, die Schönheit der teilweise geretteten architektonischen Fragmente vermitteln den Eindruck einer ganz eigentümlichen Theaterdekoration. Dass Grauen vergisst man, weil die Straßen schon vollständig von den Trümmern geräumt sind, und weil die Bäume frühlingshaft grün sind.«3 Zudem sprach man schon damals, im Mai 1945, von Plänen, die Stadt wiederaufzubauen, wobei man auch an ihre historischen Schätze dachte. Man sah nämlich nicht nur die Reparatur und den Wiederaufbau der Wohnhäuser vor, was selbstverständlich das dringendste Problem darstellte, sondern widmete sich »mit besonderer Sorge« den geretteten Baudenkmälern, ihrer Registrierung, Inventarisierung und im Rahmen des Möglichen auch ihrer Restaurierung.4

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Osmańczyk, E.: Gdański finał [Danziger Finale]. In: Odrodzenie 23 (1945), 7. Osmańczyk (wie Anm. 1). Zelawska (wie Kapitel 1, Anm. 50). Zelawska (wie Kapitel 1, Anm. 50).



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Einen ähnlich optimistischen Ton, trotz des riesigen Ausmaßes der Zerstörungen, findet sich in einem im folgenden Monat ebenfalls im Dziennik Bałtycki publizierten Text des von Osmańczyk erwähnten Autors Jan Kilarski, einem der wenigen Fachmänner für die Danziger Baudenkmäler und Verfasser eines der schönsten polnischen Bücher der Vorkriegszeit über Danzig5: »Danzig ist unser! Polens Danzig – und polnisches Danzig! Wie das? Diese große, in ihrer Traurigkeit bestürzende Ruine – ist das etwa das Danzig, das wir uns gewünscht haben? Diese stolzen und heute ihrer Helme baren Türme – die bedrohliche Säule des Turms der Marienkirche, gleich daneben der Rathausturm, von dessen Spitze einst das in Metall getriebene Antlitz des Königs Sigismund August golden glänzte – sieht so das Bild des glanzvollen, in der ganzen Welt berühmten Emporiums der polnischen Res Publica aus? Nein. Der Untergang des alten Danzig, dem die Geschichte eine so schwere Strafe zugedacht hat, eine Strafe, die ihm einst seine eigenen Hellseher vorhergesagt haben – dass in seinem Hochmut die Quelle seines Untergangs liegen werde – bestürzt uns nicht. Trotz aller Widrigkeiten und Widerstände, die wir von dieser Stadt erfahren haben, die unser und doch nicht unser war – mit unseren Herzen waren wir ihr immer verbunden. Es ist uns nicht gleichgültig, dass Danzig heute in Schutt und Asche liegt. Doch dass wir uns unseren Gefühlen ergeben, schwächt nicht unseren Willen, sondern stärkt ihn eher bei all’ denen, die unter den schwersten Bedingungen das neue, polnische Danzig aufbauen. Vor unseren Augen vollzieht sich das Wunder der Wiedererweckung, der Wiederauferstehung eines neuen Danzig, in dem wir auch seiner Vergangenheit ihren Platz zuweisen. Danzig – Stadt und Hafen – wird, in neuer Gestalt und Funktion durch und durch polnisch, als celeberrimum emporium, nicht nur Poloniae, sondern totius mundi – der ganzen Welt – zu Ruhm gelangen.«6 Der Unterschied dieser beiden Äußerungen zu dem zuvor zitierten Artikel von Osmańczyk ist verblüffend! Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass letzterer eine heftige Polemik hervorrief, und zwar nicht von irgendwem, sondern von Michał Walicki selbst, einem der größten polnischen Kunsthistoriker, der sie in der ersten Nummer der Zeitschrift Skarpa Warszawska unterbrachte. Mit direktem Bezug auf Osmańczyks Text schreibt Walicki: »[…] Die Erlebnisse der letzten Jahre, die verständlicherweise auf die Schroffheit eines Urteils einwirken, verdunkeln zugleich die Einsichtsfähigkeit. Immer häufiger spürt man in Äußerungen diese bittere, schmerzliche Lust an den erlittenen Verletzungen, verbunden mit dem Versuch, sich selbst davon zu überzeugen, dass es vielleicht so, wie es gekommen ist, gut war […]. Ich persönlich bin ande-

5 Kilarski, J.: Gdańsk. Poznań [1937]. 6 Kilarski (wie Kapitel 1, Anm. 100).

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rer Meinung. Vielleicht nicht anderswo, aber gerade in Danzig sind architektonische und bildhauerische Werke von ganz besonderem Rang verlorengegangen. Hier sind die Arbeiten van Obergens und van der Blocks, von Karfycz und Ranisch, von Niederländern und Polen zu Asche geworden. Aber davon an anderer Stelle und später.«7 Leider scheint aus diesem »an anderer Stelle« nichts geworden zu sein, obgleich Walicki sich aktiv in die Rettung der Danziger Kunstdenkmäler eingeschaltete. Umso mehr lohnt es sich, noch einen weiteren Abschnitt seines Artikels aus der Skarpa Warszawska anzuführen: »Die Gespenster der niedergebrannten Städte, die Brandstätten von Warschau und Danzig, Posen und Breslau bringen eine hartnäckige Vision von neuen, herrlichen und glücklichen Städten hervor. Die Frage von Aufbau und Wiederaufbau wird zu einer begeisternden, alle ergreifenden und allen verständlichen Losung: ihre Vision bekommt eine emotionale Färbung, ein Empfinden und Erleben, das nicht frei von Schärfe ist. Aber wie jede Liebe ist sie subjektiv, wacht eifersüchtig über ihre Rechte, idealisiert fanatisch Gestalt und Züge ihres Gegenstandes. Und sie geht nicht nur die Stadtplaner sondern uns alle an. Diese ihre Allgemeinheit – wie verständlich und erfreulich sie auch immer sein mag – erklärt das Entstehen sehr verschiedenartiger Ansichten zum Thema des Wiederaufbaus. Es entsteht ein neuer Typ von Menschen, die in die Vision eines neuen Warschau oder eines neuen Danzig verliebt sind.«8 Kehren wir zu Walickis Verteidigung Danzigs gegen die durch Osmańczyk vertretene Denkweise zurück, dann stellen wir fest, dass er in dieser Verteidigung polnische Akzente setzt. Das ist in der damaligen Situation vollkommen verständlich. Egal wie ehrlich die Verbundenheit mit den polnischen Aspekten der Vergangenheit der Stadt war, man zeigte sie – ein taktisches Mittel um möglichst viele Anhänger für die Idee zu gewinnen, die historischen Schätze Danzigs zu retten, Repräsentanten der Macht nicht ausgeschlossen. Manchmal trat dies in Gestalt der Forderung nach einem »Wiederaufbau der Polonität« Danzigs in den Vordergrund. Anfang Juni 1945 erschienen im Dziennik Bałtycki die folgenden Worte: »[…] die Entwicklung Danzigs hängt vollkommen von seiner engen Bindung an Polen ab. Diese Wahrheit wird in der Gegenwart dadurch bestätigt, dass der

7 Walicki, M.: Kiedy po miastach stały ratusze [Als in den Städten Rathäuser standen]. In: Skarpa Warszawska 1 (1945), 5 f. Am Rande dieser Polemik sei ergänzt, dass Osmańczyk ein Vierteljahrhundert später seinem Opponenten Recht gab und schrieb: »Natürlich hatte Walicki und nicht ich hundertprozentig Recht …«. – Osmańczyk, E.: Był rok 1945 … [Es war das Jahr 1945 …]. Warszawa 1970, 142 (zitiert nach: Rymaszewski, B.: Klucze ochrony zabytków w Polsce [Schlüssel zum Denkmalschutz in Polen]. Warszawa 1992, 171). 8 Walicki (wie Anm. 7).



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Wiederaufbau Danzigs nach Warschau an die zweite Stelle im allgemeinen Plan zum Wiederaufbau des Landes gestellt worden ist. Doch dieser Wiederaufbau muss, einfach gesagt, von Grund auf erfolgen, das heisst, er muss Danzig vor allem Einwohner geben, die bereit sein können und werden, ehrlich für Polen zu arbeiten […]. Das polnische Danzig muss künftig von Polen bewohnt sein. Das deutsche Element muss die Stadt verlassen, muss den ganzen Staat Polen verlassen. Und eben diesen Akt müssen wir als die erste Etappe im allgemeinen Wiederaufbauwerk betrachten, denn Danzig wiederaufzubauen, das heißt vor allem, das in ihm zerstörte Polentum wiederaufzubauen und ihm den Bürger zu geben, der sich nie und in keiner Situation von Polen abwenden wird. Danzig hat seine Lebenssäfte immer aus Polen gesogen, also soll das Blut, dass diese Säfte umwandelt, auch polnisches sein. Genau damit muss man anfangen.«9 Das Element, oder besser Argument des Polentums behandelt ebenfalls ein sehr interessanter Text des Chefs der Danziger Direktion für den Wiederaufbau, der Ende Juni im Dziennik Bałtycki über die damals vom Regionalen Planungsbüro durchgeführten Arbeiten schreibt und dabei feststellt: »Die Pläne [zur Bebauung der Stadt] gehen in die Richtung, die Zerstörungen sowohl dazu zu nutzen, veraltete stadtplanerische Vorgaben zu berichtigen, als auch zu einer Polonisierung des Charakters der Stadt, die speziell in Danzig aktuell ist, natürlich, im Rahmen des Möglichen, unter Beibehaltung des unvergänglichen Wertes seiner Kulturdenkmäler.«10 Sehr wichtig ist ein weiterer Abschnitt des Artikels, der einen ersten, zwangsläufig noch provisorischen Plan zum Wiederaufbau skizziert: »Das Wiederaufbauprogramm, das momentan umgesetzt wird, erarbeitet ein bei der Danziger Direktion für den Wiederaufbau angesiedelter Programmrat. Das Programm zielt einstweilen auf einen zügigen Wiederaufbau des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens an der polnischen Küste, es sieht in erster Linie vor, Betriebe und öffentliche Dienstleistungseinrichtungen sowie den städtischen Verkehr wieder in einen Zustand der Benutzbarkeit zu versetzen, dann Bauten, um Regierungsstellen, Ämter und Institutionen unterzubringen, danach Wohnhäuser für die Arbeitermassen, schließlich die notwendige Sicherung von Objekten, die von besonders großem kulturhistorischem Wert sind.«11 Der zitierte Ausschnitt stellt eine klare Rangliste von Problemen auf, wobei man auch an denkmalpflegerische Fragen dachte – zwar erst ganz am Schluss, was allerdings in Anbetracht der Fülle der Aufgaben nicht schwer zu verstehen ist. Es fällt auf, dass diese Fragen für gewöhnlich mit der bereits erwähnten Hervorhebung 9 Odbudować polskość Wybrzeża [Das Polentum der Küstenregion wiederaufbauen]. In: Dziennik Bałtycki, 2. Juni 1945, 3. 10 Wątorski, J.: Odbudowa miast Wybrzeża [Der Wiederaufbau der Küstenstädte]. In: Dziennik Bałtycki, 29. Juni 1945, 4. 11 Wątorski (wie Anm. 10).

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des Polentums einhergehen. Es scheint, dass wir es hier gleich in den ersten Nachkriegsmonaten mit der Formierung eines Kreises von Leuten zu tun haben, die, und zwar mit Erfolg, einen Wiederaufbau der Stadt fordern, der ihren historischen Charakter respektiert und dabei zwei Aspekte miteinander verbindet: die polnischen Schätze Danzigs und seine kulturhistorischen Schätze als solche, unabhängig von ihrer »Polonität«. Am deutlichsten zeigte sich dieses Bewusstsein von der universellen Bedeutung der Stadt in einem mit »K.« signierten Text, der zweifelsohne von Jan Kilarski stammt: »Es wird gesagt, dass man alles sprengen und Danzig neu erbauen müsse. Das ist allzu voreilig gedacht. Die Kulturdenkmäler Danzigs gehören nicht uns allein, sondern der ganzen europäischen Kultur.«12 In seinen ebenfalls im Dziennik Bałtycki im September veröffentlichten Danziger Briefen, die sich sehr intensiv mit dem Erhalt der Kulturdenkmäler Danzigs befassen, behandelt Kilarski den damals in der Wojewodschaftsverwaltung präsentierten Plan zum Wiederaufbau der Stadt: »[…] in diesem Plan wird für das alte, historische Danzig Platz gelassen. Also ist nicht nicht zum Untergang verdammt, was wiederaufgebaut von unserer Vergangenheit hier zeugen kann, aber auch von der Fähigkeit, Werke einer Kunst wertzuschätzen, die das gemeinsame Gut aller Völker ist und die hier nur zu einem geringen Teil deutsch war.«13 In eine ähnliche Richtung weist eine Äußerung Władysław Czernys, die von einer Journalistin festgehalten wurde: »Die Misere von Kunst und Kultur in Polen muss ein Ende haben. Danzig ist dank der polnischen Kultur entstanden, es war ein Zentrum, von dem diese Kultur ausstrahlte, bis das Preußenjoch es verfinstert hat. Heute muss man diese Glut wieder anfachen: erneut die Anziehungskraft Danzigs erschaffen, die polnische Kultur auf den alten Traditionen in ihm wiederaufbauen, deren Höhe erreichen und sie übertreffen. Man muss die Denkmäler der Vergangenheit dieser Stadt retten, damit sie ihren Platz neben Krakau, Warschau und Posen einnehmen kann – als Zentrum der polnischen Kultur. Was wir in Danzig leisten, was wir auf dem Gebiet der Kultur von ihm retten und erschaffen – das beweist der Welt, dass wir das Recht hatten, Danzig für Polen zu beanspruchen.«14 Beide hier angeführte Stimmen weisen ausdrücklich auf die bereits erwähnte »Polonität« Danzigs hin, und auch auf die Legitimität der polnischen Präsenz in der Stadt – besonders deutlich wird dies in den Worten von Czerny. Die Frage nach der »Polonität« und »Germanität« Danzigs in der damaligen Publizistik und die Konsequenzen dieses Problems für die Wiederaufbaupläne erfordern eine geson-

12 W ruinach Gdańska [In den Ruinen von Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 24. August 1945, 2. 13 Kilarski, J.: Listy gdańskie [Danziger Briefe]. In: Dziennik Bałtycki, 3. September 1945, 2 f. 14 Szczepkowska, M.: O polską kulturę w Gdańsku [Für eine polnische Kultur in Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 21. August 1945, 3.



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derte Behandlung.15 An dieser Stelle möchte ich mich einzig auf die räumlichen, stadtplanerischen und denkmalpflegerischen Aspekte der Diskussion konzentrieren. Im Gegensatz zu Kilarski hob Czerny nicht den universellen Wert der Kulturdenkmäler Danzigs hervor, aber der Wille, diese zu retten, war bei beiden gleich stark. Die Äußerung von Władysław Czerny hatte übrigens in praktischer Hinsicht größeres Gewicht – er war nicht nur der damalige Vizestadtpräsident aus den Reihen der Demokratischen Partei, sondern bald darauf auch der Verfasser des ersten ernstzunehmenden Wiederaufbauplans für die Stadt, in dem die Notwendigkeit berücksichtigt wurde, ihr historisches Gesicht zu bewahren. Deswegen lohnt es, sich seine bereits ziemlich detaillierten Vorstellungen von der Rekonstruktion der Stadt näher anzusehen, die er im September 1945 präsentierte.16 Er konstatiert, dass die Stadt infolge des Krieges ihr Zentrum verloren habe und erklärt, dass eben die Rekonstruktion oder Neukonstruktion des Zentrums die dringendste Aufgabe des Wiederaufbaus sei. Es könne keine Rede von einer mechanischen Rekonstruktion des Zentrums der Vorkriegszeit sein, obgleich seine Lage, bedingt durch das erhaltene Verkehrssystem, keiner Änderung unterliegen dürfe. Seine grundlegende Forderung lautet, die Nutzung als Wohnquartier aufzugeben, so dass ein »relativ kleiner […], aber funktional gut organisierter« innenstädtischer Verwaltungskomplex entstünde, der sowohl die zentrale Verwaltung der Stadt als auch des Hafens beherbergen könnte. Den passenden Ort für ein so konzipiertes Zentrum erblickte Czerny in einem Areal westlich der historischen Stadt, dem von den neuzeitlichen Befestigungsanlagen begrenzten sog. Podgórze. Was jedoch die historischen Stadtviertel anbelangte, so sah der Stadtplaner einen Konflikt zwischen ihrem kulturhistorischen Wert und den Erfordernissen eines funktionierenden modernen Verwaltungszentrums. Gleichzeitig bekräftigte er die Notwendigkeit, deren kulturhistorische und – wie er sie selbst bezeichnet – architektonische Werte zu erhalten und schlugt daher für die Alt- und die Rechtstadt eine neue Nutzung vor, wobei »Sitze gesellschaftlicher Vereinigungen, der wichtigeren Dienstleistungsinstitutionen, von Buchhandel und Verlagen, Antiquariaten, Kunsthandwerk, Bildender Kunst, Theater und Musik« einen entscheidenden Platz einnehmen sollten. Ihm schwebte also an diesem Ort ein »künftiges Danziger Quartier Latin« vor. Im Folgenden begründet er seine Forderung nach dem Erhalt der kulturhistorischen Werte 15 Dieses Problem ist in Bezug auf die Frage der künstlerischen Tradition und nicht nur am Beispiel Danzigs von Adam Labuda skizziert worden: Niemieckie dziedzictwo historyczno-artystyczne w Polsce. Sądy, stereotypy i opinie po II wojnie światowej [Das historisch-künstlerische Erbe der Deutschen in Polen. Urteile, Stereotypen und Meinungen nach dem 2. Weltkrieg]. In: Artium Quaestiones 8 (1997), 5–25. 16 Wójtowicz (wie Kapitel 1, Anm. 66). Ausführlicher zu Czerny: Friedrich J.: Czerny, Władysław. In: Polski Słownik Biograficzny Konserwatorów Zabytków, Heft 2. Hg. von H. Kondziela und H. Krzyżanowska. Poznań 2006, 51–53.

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mit diesen Worten: »[…] wir haben die Pflicht, alle Ruinen von Wert vor der weiteren Zerstörung zu sichern, damit sie als Element zur schrittweisen Wiederherstellung der traditionellen Stadtlandschaft erhalten bleiben.«17 Seine Vorstellungen von dieser Stadtlandschaft finden sich in einem anderen Text des Dziennik Bałtycki: »Der Zauber der großen Werke ist so unwiderstehlich, dass sie sogar als Ruinen noch Bewunderung hervorrufen. In den Ruinen Danzigs haben wir den ganzen Reichtum mittelalterlicher Bastionen und Befestigungen noch besser erhalten als in anderen Städten Polens, die wir heute umso leichter dem Chaos des Alltags entreißen können. Dies ist unser Carcassonne! Besonders die Kombination von Stadt und Wasserläufen, ihre generelle Gestalt sind ungewöhnliche Werte, die Danzig sogar in seinem heutigen Zustand auf eine Stufe mit den bedeutendsten Kunststätten aller Zeiten stellen. In Polen gibt es heute nur drei große, traditionelle Kunstzentren: Krakau, Danzig und Warschau.«18 In den Äußerungen, die im ersten Jahr seines Bestehens im Dziennik Bałtycki veröffentlicht wurden, herrschen Optimismus und ein besonnener Enthusiasmus vor. Die Beispiele sind zahlreich. Motor solcher Äußerungen war für die »Neudanziger«, wie man sie damals nannte, mit absoluter Sicherheit der Wunsch, eine Stadt zu errichten, die ihren Bedürfnissen oder auch Träumen entsprach (über diese Art von Enthusiasmus hat der oben zitierte Walicki geschrieben). Psychologisch ist dies vollkommen verständlich – diese Menschen verbanden ihr Schicksal mit dem für die Mehrheit von ihnen neuen Ort und wünschten sich, in den Grenzen des Möglichen, die Rahmenbedingungen ihrer neuen Existenz so attraktiv wie möglich zu gestalten. Mehr noch – in der Bewegung zugunsten einer Rekonstruktion Danzigs kann man wohl die Anfänge eines sich herausbildenden Lokalbewusstseins erblicken, eines neuen Identitätsgefühls. Es ist bezeichnend, dass die Stimmen, die dem Wiederaufbau gegenüber skeptisch oder sogar ablehnend waren, in Zeitschriften erschienen, die in Krakau (Odrodzenie) und Warschau (Skarpa Warszawska) herausgegeben wurden. Ihre Autoren waren emotional nicht mit Danzig verbunden und konnten sich ohne Schwierigkeiten mit der Ablehnung eines Wiederaufbaus in historischer Gestalt einverstanden erklären. Besonders interessant ist ein perfider Text, den ein führendes Mitglied der Danziger Direktion für den Wiederaufbau, der Architekt Mieczysław Janowski geschrieben hat. Zuerst präsentiert der Autor einen Standpunkt aus der Perspektive seiner Gegner, den er wie folgt zusammenfasst: »Danzig muss auf dem bestehenden Straßenraster wiederaufgebaut werden, in einer Weise, die die Bewahrung des ursprünglichen Maßstabs garantiert. Also eine 17 Wójtowicz (wie Kapitel 1, Anm. 66). 18 Cywińska-Chylicka (wie Kapitel 1, Anm. 62). Die These, dass Danzig neben Krakau und Warschau eines der Zentren der polnischen Kunsttradition sei, wird später von Czerny selbst weiterentwickelt (Czerny (wie Kapitel 1, Anm. 16), 24–32) und auch von Jan Kilarski übernommen, der schreibt: »[…] Danzig ist gemeinsam mit Krakau und Warschau einer der Grundpfeiler der polnischen Architektur«. – Kilarski (wie Kapitel 1, Anm. 15), 10.



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geschlossene Straßenbebauung mit schmalen, niedrigen kleinen Häusern gotischen bzw. niederländischen Renaissance-Typs. Dieses Konzept herrscht im Allgemeinen unter den Leuten vor, die über den Wiederaufbau der Stadt nachdenken.« Anschließend wendet er sich vehement gegen diesen Standpunkt und erklärt: »Ich betrachte das als Kardinalsünde gegen die eigene Epoche. Die Moderne besitzt bereits ziemlich präzise konkretisierte charakteristische Züge; warum wie Caliban dem offenen Blick in das eigene Antlitz ausweichen? Trotz der Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Kleidung würden wohl wenige Postbeamte es fertigbringen, seelenruhig in altpolnischer Tracht ihre Briefmarken zu kleben. Moderne Menschen in gotische Häuser zu stopfen ist ebenso inkonsequent, wie moderne Häuser in gotische Gassen zu stopfen. Ich meine, dass Danzig gar nicht wiederaufgebaut werden sollte. Niemand denkt heute ernsthaft über einen Wiederaufbau des Forum Romanum in seinem ursprünglichen Zustand nach, um etwa ein Bezirksamt in der Basilica Julia unterzubringen oder im Colosseum eine Motorradrennbahn einzurichten. Wir sind uns darin einig, dass es seriöser ist, Ruinen ehrlich, eingebettet in einen strikten und speziell ausgearbeiteten Rahmen zu präsentieren und sogar die notwendigen Sicherungen sichtbar zu machen. Machen wir aus Danzig ein Forum eines küstenstädtischen Bauensembles. Bemühen wir uns nicht, aus den Ruinen geschlossen bebaute Gassen wiederaufzubauen, sondern im Gegenteil, reißen wir sie bis auf die Fundamente, bis zum Erdboden ab. Entwickeln wir auf diese Weise einen großen, zweidimensionalen Plan des alten Danzig im natürlichen Maßstab, auf dem wir jedes irgendwann einmal existierende Haus aufzeigen. Rufen wir Danzig zum Nationalpark aus […]. Das Neue Danzig, eine Stadt als Museum, eine Stadt als Nationalpark, ein Forum Gedanum.«19 Vermutlich entspringt die Motivation dieser so formulierten Forderung den mittelbar im Text ausgedrückten modernen Ansichten des Autors über Form und Funktion von Architektur, vielleicht auch einer Sympathie für die klassische denkmalpflegerische Lehrmeinung, die keine Rekonstruktion einmal verlorener Kulturdenkmäler vorsieht.20 19 Janowski, M.: Miasto, którego nie należy odbudowywać [Eine Stadt, die nicht wiederaufgebaut werden darf]. In: Skarpa Warszawska 19 (1946), 8. Interessanterweise bemühte sich der Autor der einzigen Reaktion auf diesen Text, die ich in der Lokalpresse finden konnte, ihn »konstruktiv«, gewissermaßen als Unterstützung der lokalen Wiederaufbaupläne, zu interpretieren: »Der Autor [Janowski] verlangt eine planmäßige Anbindung der durch Grünflächen miteinander verbundenen historischen Partien an die neue Stadt.« – Kronika. In: Dziennik Bałtycki, 31. Mai 1946, 3. 20 Am Rande sei erwähnt, was Michał Walicki 1945 über das aufkommende Konzept schrieb, in den kriegszerstörten polnischen Städten sogenannte »dauerhafte Ruinen« zu erhalten: »Man muss es ganz klar sagen: Wir können es uns nicht leisten, die Gebäudestümpfe zu sprengen, und wir

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Unter den Stimmen, die einem Wiederaufbau Danzigs negativ gegenüberstanden, nimmt ein Artikel von Ksawery Pruszyński, den dieser in der Krakauer Zeitschrift Odrodzenie veröffentlichte, einen besonderen Platz ein. In diesem Text finden wir zwar keinen deutlich ausgedrückten Einwand gegen einen Wiederaufbau, sondern lediglich die als selbstverständlich angenommene Feststellung, dass es schlicht nicht gelingen könne, das historische Danzig wiederaufzubauen. Außerdem handelt der Text des bekannten Publizisten eher von der Vergangenheit, als von der Zukunft der Stadt, zu der der Autor eine dezidiert negative Haltung hat. Dies ist sicher der Ursprung der im Artikel gegenwärtigen düsteren Befriedigung, die sich in ihrem Tonfall trotzdem von dem Text von Osmańczyk unterscheidet – bei Pruszyński ist er wesentlich milder, geradezu nostalgisch: »Durch das Fenster, durch das ich einen Blick auf die Türme von Krakau habe, an einem frostigen und sonnigen Morgen […] erscheint mir jetzt Danzig, das es nicht mehr gibt und das heute keine Kraft mehr zum Leben erwecken wird. Seine Mauern sind zu Staub zerfallen, buchstäblich zu Staub, seine Bevölkerung ist unter ihm umgekommen oder wurde in alle Welt zerstreut. Ich weiß nicht, was mit den Menschen geschehen ist […] die den Krieg erwartet haben wie einen belebenden Regen. Gott hat sie bestraft, das ist sicher, mit der strengsten Strafe, die er Menschen zu geben vermag, mit der Erfüllung ihrer Wünsche […]. Danzig, aus dessen alten Häusern nie mehr heiterer Rauch wehen wird, dessen Türme dunkle Häupter aufgehört haben, in den Himmel zu ragen, muss heute ein memento für all’ diejenigen auf der Welt sein, die das jahrhundertealte Gut der vielen Generationen vor uns lieben, den gesammelten kulturellen Nektar, die Schätze des Geistes, der Kunst und der Rede, das, was wichtiger ist als die Probleme des Tages oder der Epoche. Dem wir alle dienen. Ohne das Danzig nicht mehr Danzig ist. Ohne das wir keine Nation wären.«21 Pruszyńskis Text wurde Ende 1946 veröffentlicht. Mit dem Beginn des folgenden Jahres beginnt die historische Option deutlich zu überwiegen, und ihre Ankönnen es uns auch nicht leisten, tote Ruinen zu erhalten, was auch immer Simmel über den Wert von Ruinen und deren Innenleben, welches sich in dem Maße, in dem der Verfall fortschreite, auf immer neue Weise artikuliere, geschrieben haben mag. Dem Einfluss dieses gehässigen Demiurgen muss ein für alle Mal ein Ende gesetzt werden. Folglich muss man meiner, aber ich nehme an, nicht nur meiner persönlichen Meinung nach, sowohl die Warschauer Altstadt als auch die Ruinen – des übrigens ganz und gar nicht kreuzritterlichen – Danzig wiederaufbauen. Würden wir diese Reste sprengen, begingen wir ein Verbrechen an der gesamteuropäischen Kultur. Würden wir sie als Ruinen bewahren, dann würden wir ihre Lesbarkeit einschränken und ihnen eine gänzlich inadäquate Rolle als touristische Attraktionen zuweisen.« – Walicki (wie Anm. 7). In ähnlichem Ton ist eine etwas spätere Äußerung von Jan Zachwatowicz gehalten: Program i zasady konserwacji zabytków [Programm und Grundsätze der Denkmalpflege]. In: Biuletyn Historii Sztuki i Kultury 1/2 (1946), 48–52; siehe auch Kapitel 5. 21 Pruszyński, K.: Gdańskie dziś widmo [Die heutige Danziger Spukgestalt]. In: Odrodzenie 45 (1946), 1 f.



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hänger skizzieren immer präzisere Rekonstruktionspläne. Womöglich hatte der Danzig-Aufenthalt des damaligen Direktors der Museen und Kulturdenkmäler, Stanisław Lorentz, im Februar 1947 darauf einen gewissen Einfluss. Anlässlich dieses Besuches schrieb die Presse: »In den Vordergrund rückt der Wiederaufbau der Marienkirche und des Rathauses. Der Wiederaufbau des alten Danzig wird ganz ausdrücklich erwogen. Die erwähnten Baudenkmäler werden zu den Punkten, von denen aus das alte Stadtviertel Widerstand leistet. Um sie herum wird die ganze Stadt wiederaufgebaut.«22 Eine ziemlich genaue und, was wichtig ist, den bald darauf beschlossenen Lösungen nahe Vorstellung vom Wiederaufbau der Stadt finden wir im Vorwort des im selben Jahr 1947 von Jan Kilarski herausgegebenen ersten Nachkriegsstadtführers durch Danzig.23 Der Autor schreibt dort über Grundsätze, die festgelegt worden seien (leider geht aus dem Text nicht hervor wann und von wem) und die es »erlauben, die künftige Gestalt der Stadt zu sehen – d. h. der historischen Innenstadt«.24 In Bezug auf die Stadtplanung sahen diese Grundsätze folgendermaßen aus: eine Rekonstruktion des historischen Straßenrasters der Rechtstadt, die »Abschaffung von Straßendurchgängen« – was man wahrscheinlich als Absage an einen Wiederaufbau der engen Seitengassen interpretieren kann – und die Schaffung eines umlaufenden Grüngürtels an Stelle der geschleiften neuzeitlichen Festungsanlagen, gleichzeitig die Beseitigung der an dieser Stelle bestehenden preußischen Bebauung des 19. und 20. Jahrhunderts. Für die Altstadt und die Alte Vorstadt war keine vollständige Rekonstruktion vorgesehen, auf diesem Areal plante man einen »Wohnbezirk mit kleinteiliger Bebauung«, wobei einige historische Elemente beibehalten und sogar in begrenztem Umfang rekonstruiert werden sollten: zum Beispiel die Bebauung rund um die Katharinenkirche, entlang der Radaune / Radunia sowie am Hakelwerk / Osiek für die Altstadt; für die Alte Vorstadt erwog man den Komplex des ehemaligen Franziskanerklosters zu erhalten, der als Museum vorgesehen war.25 Auch die wichtigsten architektonischen Grundsätze wurden definiert: für jeden Entwurf sollte, im Rahmen des Möglichen, eine präzise historische Dokumenta22 Muzeum Państwowe powstaje w Gdańsku [In Danzig entsteht ein Nationalmuseum]. In: Dziennik Bałtycki, 19. März 1947, 4. In der Formulierung »Punkte, von denen aus das alte Stadtviertel Widerstand leistet« hallt das Echo der erbitterten Diskussionen, ja des Kampfes wider, den die Anhänger des Wiederaufbaus der Stadt in ihrer historischen Gestalt mit den Gegnern einer solchen Lösung ausfochten. 23 Kilarski (wie Kapitel 1, Anm. 15), 10 . Der Genauigkeit halber sei hinzugefügt, dass noch vor Kilarskis Stadtführer eine Broschüre erschien: Fronik/Gosz (wie Kapitel 1, Anm. 79), die man jedoch ungeachtet ihres Titels schwerlich als Stadtführer betrachten kann. Es handelt sich dabei nämlich um ein alphabetisches Straßenverzeichnis mit angefügten Plänen, einer halbseitigen Geschichte der Stadt in Daten sowie einem zweiseitigen Verzeichnis der Kulturdenkmäler. Der Rest ist Werbung. 24 Kilarski (wie Kapitel 1, Anm. 15), 9. 25 Kilarski (wie Kapitel 1, Anm. 15), 10.

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tion erstellt werden, aber darüber hinaus wollte man keine historisierenden Stilisierungen oder architektonische Fantasien zulassen – diesen Fehler warf Kilarski den deutschen Architekten vor. Die Ausführungen konnten modern sein, jedoch unter Beibehaltung des ursprünglichen Maßstabs – sowohl hinsichtlich der Breite, als auch der Höhe der Gebäude. Auch wurde eine vollständige Rekonstruktion der Kirchen sowie, wie es der Autor nennt, der »historischen Repräsentationsbauten« festgelegt.26 Interessant ist in Kilarskis Text die Vorstellung eines Nutzungskonzeptes für die Rechtstadt. Es räumt weder den Verwaltungsgebäuden noch »großen Institutionen« einen Platz ein, was mit den Vorstellungen von Czerny übereinstimmt; davon abgesehen sollte sie dennoch kein »Wohnviertel von der Art des Westends« sein. Bei der letzten Äußerung stutzt man – was soll damit gemeint sein? Schwierig sich vorzustellen, dass der Autor, der doch die damals entstehenden Bebauungspläne für die Innenstadt ganz genau kannte, für die Rechtstadt eine Nutzung als Wohnviertel vollständig ausschloss.27 Vielleicht drückte er auf diese Weise die Meinung aus, dass hier kein Luxusviertel für wenige Auserwählte entstehen solle – so muss man ganz sicher die vom Autor verwendete Bezeichnung »Westend« verstehen. Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen erklärt Kilarski jedoch – was ebenfalls mit dem Konzept von Czerny übereinstimmt – dass in der Rechtstadt »Kaufleute, Kunsthandwerk, Goldschmiede, kleine Gaststättenlokale« ihren Platz finden sollten, ebenso wie Gewerkschaften, Wissenschafts- und Künstlervereinigungen und darüber hinaus Theater und Museen. Unter den damaligen ökonomischen und sozialen Bedingungen entsprach dieses Nutzungskonzept eher einem wohlhabenden Westend als einem proletarischen East End, also einem ärmeren Wohnviertel, wozu die Rechtstadt dann nach dem Wiederaufbau de facto doch wurde. Unabhängig von dieser grundsätzlichen Unklarheit präsentiert Kilarskis Arbeit ein Konzept, das dem schließlich angenommenen nahe kommt, wobei es vor allem die Notwendigkeit unterstreicht, den historischen Charakter der Stadt zu 26 Kilarski (wie Kapitel 1, Anm. 15), 9. 27 Es sei erwähnt, dass zu dieser Zeit der Nutzungsplan für die Rechtstadt noch nicht endgültig festgelegt worden war: »Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Danzig als Hauptstadt der Wojewodschaft Ämter und Institutionen beherbergen muss, sieht der Plan der Stadtverwaltung vor, für diesen Zweck in der ersten Etappe die unmittelbar an der ul. Długa und am Długi Targ gelegenen Blocks wiederaufzubauen. In Anlehnung an das wiederaufgebaute Rechtstädtische Rathaus sollen dort, zentral gelegen, die Büros der Stadtverwaltung in einem der angrenzenden Blocks entstehen. Dort werden auch die Mehrzahl der staatlichen Institutionen, von Industrie und Handel, Banken und Hotels ihren Platz finden.« – Zitiert nach: Problemy odbudowy Gdańska [Probleme des Wiederaufbaus von Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 14. September 1947, 7. Die hier vorgestellten Absichten stehen im Widerspruch zu der damals populären Konzeption von Czerny (immerhin eines Mitgliedes der Stadtregierung), das Verwaltungszentrum außerhalb der Rechtstadt zu errichten.



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erhalten.28 Zu dem Zeitpunkt, als das Buch publiziert wurde, begannen solche Ansichten immer entschiedener und deutlicher Gestalt anzunehmen. Zu einem wichtigen Element der Diskussion wurde dabei ein von der Danziger Gesellschaft der Freunde von Wissenschaft und Kunst (Towarzystwo Przyjaciół Nauki i Sztuki) organisiertes Kolloquium an der Danziger Technischen Hochschule am 25. Juli.29 In seiner Ankündigung schreibt Marian Des Loges: »Probleme im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau gibt es viele, sowohl wirtschaftliche als auch künstlerische oder denkmalpflegerische. Über die Mühen und Fragen des Alltags vergessen wir diese Probleme allzu häufig oder überlassen sie anderen. Dabei sollten sie zu einer lebendigen und dringenden Angelegenheit für die Allgemeinheit werden.«30 Das Kolloqium erfüllte die Hoffnungen des Autors, denn einige Tage später berichtete er: »Die Diskussion, die sich nach dem Referat [von Władysław Czerny, es war der Haupttagesordnungspunkt der Versammlung, J. F.] entspann, zeigte eine überwältigende Einmütigkeit sowohl bei den Architekten als auch bei den Historikern und schließlich bei den Vertretern der unterschiedlichsten Berufe, die sich für den Wiederaufbau Danzigs interessieren […] in der Forderung nach einem Wiederaufbau des historischen Danzig, Einmütigkeit in der Zurückweisung jener Stimmen – von Nicht-Danzigern –, deren Ansätze zu einer anderen Lösung des Problems immerhin stark zur Erhöhung des öffentlichen Interesses beigetragen haben […]. Eben zur Zurückweisung solcher Ideen. Und die Stimme des Referenten aus dem Touristikbereich, der beispielhaft unterstrichen hat, wie der Anblick der Kulturdenkmäler Danzigs auf jene Exkursionsgruppen von Soldaten, Arbeitern und Bauern wirken wird, die sich bisher nicht für die Geschichte der Stadt interessiert haben, war die glänzendste Antwort und zugleich das glänzendste Argument für den Wiederaufbau unserer Stadt.«31

28 Das von Kilarski vorgestellte Konzept ist im Prinzip mit den Plänen Czernys identisch. Man kann daraus schließen, dass in den Kreisen, die eine historische Rekonstruktion der Stadt forderten, Übereinstimmung über die wichtigsten Grundsätze einer solchen Maßnahme herrschte. 29 Z problemów odbudowy Gdańska [Zu den Problemen des Wiederaufbaus von Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 24. Juli 1947, 3. Womöglich war dieses Kolloquium in gewisser Weise eine Antwort auf das Informationsbedürfnis der Einwohner von Danzig, das ein Leser des Dziennik Bałtycki in einem Brief an die Redaktion einforderte, in dem er sich beschwerte, dass in Danzig, im Gegensatz zu Warschau, den Bürgern die Wiederaufbaupläne nicht zugänglich gemacht würden: Na marginesie odbudowy Gdańska (J. A. R. z Gdańska) [Am Rande des Wiederaufbaus von Danzig (J. A. R. aus Danzig)]. In: Dziennik Bałtycki, 27. Oktober 1946, 4. 30 Des Loges, M.: Czy Gdańsk zostanie odbudowany? [Wird Danzig wiederaufgebaut?]. In: Dziennik Bałtycki, 23. Juli 1947, 3. 31 Des Loges, M.: Jak odbudować Gdańsk? (Opinia Towarzystwa Przyjaciół Nauki i Sztuki) [Wie soll man Danzig wiederaufbauen? (Die Meinung der Gesellschaft der Freunde von Wissenschaft und Kunst)]. In: Dziennik Bałtycki, 2. August 1947, 3.

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Es sei ergänzt, dass der Autor des Artikels auf dem Kolloqium sowohl alte wie auch neue Danziger bemerkte. Vier Monate später schlug derselbe Marian Des Loges, der mit Genugtuung feststellte, dass die Danziger die Idee des Wiederaufbaus mit ihrer zahlreichen und freiwilligen Beteiligung an den Aufräumarbeiten unterstützten, vor, darin »ein besonderes Plebiszit und die Antwort auf alle Fragen und Zweifel, die von mehr oder minder verkappten Gegnern der Rekonstruktion der Stadt vorgebracht wurden«32 zu sehen. Aus diesem Anlass gab es in der Lokalpresse eine Diskussion, bei der der Sinn eines Wiederaufbaus der Danziger Innenstadt an der alten Stelle und in mehr oder minder historischer Gestalt erneut ernsthaft in Frage gestellt wurde. Gleichzeitig begünstigte diese Diskussion die Festigung des Konzeptes zur Rekonstruktion der Stadt in ihrer früheren Gestalt. Zunächst soll diese zweite Tendenz betrachtet werden. Ihren wichtigsten und ausführlichsten Ausdruck fand sie in dem oben erwähnten Referat von Władysław Czerny mit dem Titel »Das Problem des Wiederaufbaus der Stadtlandschaft von Danzig«.33 Der Autor forderte darin eine präzise Rekonstruktion auf der Grundlage von »Plänen, Aufnahmen und Zeichnungen« jener Häuser, für die es möglich sei, eine solche Dokumentation zu erstellen. In den anderen Fällen solle man sich darauf beschränken, »ganz bescheidene, unprätentiöse« dreiaxiale Häuser zu entwerfen. Darüber hinaus erklärte er, dass das Straßenraster und ebenso »die Gesamtheit der vom Mauergürtel umgebenen Stadt« nichts von ihrer ursprünglichen Zweckmäßigkeit verloren hätten und als solche erhalten werden sollten. Czerny sah die Notwendigkeit, rund um die historische Stadt ein neues Zentrum zu schaffen, dessen Gestalt »aus neuen Bedürfnissen und neuen Funktionen« erwachse, gleichwohl stellte er fest, dass es mit der alten Stadt nicht in brutalen Konflikt geraten dürfe, zum Beispiel durch einen allzu großen Maßstab, der die historische Bebauung überragen würde. Seine während des Kolloqiums an der Technischen Hochschule präsentierten Vorstellungen behandelte Czerny im folgenden Jahr ausführlicher in dem Artikel »Odbudowa Gdańska«34 (Abb. 16). Czerny sieht die Vorzüge in der räumlichen Struktur Danzigs, er bezeichnet sie als »vorbildlich gegliederten Organismus«, in dem jeder Stadtteil eine separate Einheit bilde und der darüber hinaus zahlreiche Grünflächen besitze. In dieser 32 Des Loges, M.: A jednak odbuduje się zabytkowy Gdańsk [Und trotzdem wird das historische Danzig wiederaufgebaut]. In: Dziennik Bałtycki, 23. Januar 1947 (Beilage »Rejsy«), 1. 33 Besprechung des Referates von Czerny: Des Loges (wie Anm. 31). 34 Czerny, W.: Odbudowa Gdańska [Der Wiederaufbau von Danzig]. In: Technika Morza i Wybrzeża 11/12 (1948), 24–32. Dabei handelte es sich um eine Präsentation des von Czerny ausgearbeiteten Konzeptes zum Wiederaufbau der Innenstadt (dieses Konzept hatte Czerny spätestens seit 1946 unter Beteiligung von Stanisław Bobiński und Witold Doliński entwickelt. Siehe Bobiński, S. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 199).



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Einschätzung der Vorteile der Stadt lässt sich ohne Mühe der Einfluss moderner stadtplanerischer Theorien erkennen, die das aus dem 19. Jahrhundert stammende Modell einer vom Zentrum aus in konzentrischen Kreisen wachsenden Stadt verwarfen. Trotzdem sieht Czerny das grundsätzliche Manko, das ein fehlendes Zentrum bedeutet. Ursache dieses Mangels sind naturgemäß die Kriegszerstörungen, aber, so Czerny, auch die Innenstadt in ihrer Vorkriegsgestalt und ohne Zerstörungen konnte modernen Ansprüchen nicht genügen. Diese Feststellung führt ihn zu der grundlegenden Forderung nach dem Bau eines neuen Stadtzentrums. Die Voraussetzung dafür sei, einen Ort zu bestimmen, an dem es anzusiedeln sei. Indem er in erster Linie die Verkehrsinfrastruktur, aber auch andere Faktoren analysiert, kommt er zu dem Schluss, dass das Zentrum im Prinzip an seinem alten Platz bleiben müsse. Dennoch seien wesentliche Korrekturen und Ergänzungen unentbehrlich. Vor allem müsse man die bisher nicht vernünftig ausgenutzten Flächen westlich der Rechtstadt, die der Autor als »Podgórze« bezeichnet, nutzen. An dieser Stelle sieht er die Möglichkeit, ein Verwaltungszentrum anzusiedeln, das sich über der Innenstadt erheben und »der Silhouette des alten Danzig gegenüberstehen« könne. Dieses Zentrum solle zwei räumliche Akzente setzen: den das gesamte Ensemble umrahmenden Sitz des Rates der Wojewodschaft sowie als »Forum« einen Platz in der Achse des Hohen Tors, von dem Czerny schreibt, dass er »sich als kompositorische Notwendigkeit aufdrängt, die die neue Epoche in der Existenz Danzigs betont«. Am Rande sei festgestellt, dass diese Idee einige Jahre später in sozrealistischen Nutzungsplänen für diesen Teil der Stadt eine erstaunlich getreue Fortsetzung fand. Große Bauten könnten darüber hinaus in der Gegend der Eisenbahndirektion entstehen. Ein Teil der Verwaltungsgebäude sollte sich auch am westlichen Rand der Rechtstadt (die der Autor als Neustadt bezeichnet) und der Altstadt befinden, diese Gebäude müssten sich jedoch »den Erfordernissen der historischen Viertel anpassen«, vor allem hinsichtlich ihres Maßstabs. Die Altstadt selbst, die in ihren westlichen und nördlichen Randgebieten innenstädtische Funktionen übernehmen könne, solle in ihrem wesentlichen Teil ein Wohnviertel bleiben, zumal, wie der Autor feststellt, der ursprüngliche Grundriss, »neu bebaut mit ganz modernen Reihenhäusern, gehalten im alten Bebauungsmaßstab, ein glänzendes Beispiel eines vorbildlichen, modernen Zentrums sein wird – ein Viertel für bis zu 10.000 Einwohner«. Zwischen der Alt- und Rechtstadt sollten kulturelle Institutionen angesiedelt werden. In der Alten Vorstadt sieht Czerny eine Flächenreserve für die sich entwickelnde Innenstadt, einzig zwischen der St. Peter und Paul- und der Dreifaltigkeitskirche sieht er die Notwendigkeit für eine »historische Lösung«. Der Speicherinsel wiederum soll eine Funktion als Handels- und Versorgungszentrum zukommen. Interessanterweise ist Czerny überzeugt davon, dass es unmöglich sei, die Bebauung der Insel »in dokumentarischer Weise« zu rekonstruieren, schlägt aber dennoch vor, Gebäude zu errichten, die mit den geretteten historischen Speichern harmonieren – dies sollten fünf- oder sechs-

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geschossige Häuser in Skelettbauweise sein. Am substantiellsten sind dennoch die Vorschläge Czernys für die Rechtstadt. Ausgehend von ökonomischen (die erhaltene Infrastruktur und Fundamente, die sich für eine erneute Nutzung eignen), stadtplanerischen (der Autor erklärt – nach gewissen Korrekturen – sei der historische Grundriss der Rechtstadt »absolut modern«), historischen (er spricht von der »Jahrhunderte währenden Verlässlichkeit der Raumstruktur« Danzigs) sowie ästhetischen (Czerny führt »jene wahre Legende von der schönen Architektur Danzigs« an) Prämissen fordert der Autor die Wiederherstellung der »zerstörten Stadtlandschaft« übrigens nicht nur der Rechts-, sondern auch der Altstadt. Da sich jedoch die detaillierten Ausführungen Czernys eher auf die Rechtstadt beziehen, kann man sie als allgemeine Skizze eines Konzeptes zum Wiederaufbau eben dieses Viertels betrachten. Demnach müsse man vor allem den historischen Grundriss beibehalten, wobei man einzig an den breiten Straßen Gebäude errichten solle, die Seitenstraßen blieben unbebaute Durchgänge für Fußgänger. An die Stelle geschlossener Innenhöfe sollten Grünflächen treten. Nicht umzäunte Höfe sollten einen einheitlichen Raum bilden. Czerny fordert die Beibehaltung des traditionellen Maßstabs der Häuser, wie es scheint auch in ihrer Tiefe (er schreibt davon, die Fundamente der dreitraktigen Häuser auszunutzen). Bezüglich der Architektur sieht der Autor eine gewisse Zahl von historisch getreuen Rekonstruktionen vor (»damit die Stadt ihren individuellen Ausdruck nicht verliert«). Er spricht sich gegen ein Bauen »im alten Stil« aus, welches er als »Fälschung von Dokumenten, die niemals existiert haben« bezeichnet. Gleichzeitig lässt er die Errichtung von Häusern in zeitgenössischen Formen zu, unter der Bedingung, dass »es ihnen gelingt, die künstlerische Tradition und den traditionellen Maßstab dieser Stadt zu würdigen und sich in ehrlicher, zurückhaltender und von Attributen einer vorübergehenden Mode freier Form in sie einzufügen«. Schließlich seien noch einige Worte über die von Czerny vorgesehene Nutzung der Rechtstadt ergänzt. Er sah in ihr »ein Zentrum kleinerer innenstädtischer Institutionen und Versammlungslokale, Einzelhandel, Buchläden, Kunst, Skulptur, Antiquariate, hochwertiges Handwerk, Schneiderwerkstätten, Schuhe, Modehäuser, aber auch technische Büros und Agenturen, Einrichtungen von Industrievereinigungen und Verkaufszentralen, Klublokale und Gastronomie«. Während die Vorstellungen Czernys in stadtplanerischer und – in etwas geringerem Maße – architektonischer Hinsicht der schließlich realisierten Variante des Wiederaufbaus nahekommen, strebte die Wirklichkeit im Hinblick auf die Funktionen in eine andere als die von Czerny geforderte Richtung. Eine mittlere Position nimmt in der Diskussion ein kurzer, aber sehr interessanter – leider anonym verfasster – Text vom August 1947 ein. In ihm findet sich ein ähnlicher Ausgangspunkt wie bei Czerny – der Autor schreibt von der Notwendigkeit, die Stadt an der alten Stelle und gemäß »desselben Generalplans« wiederaufzubauen, er sieht vor, die zum Teil geretteten Architekturdenkmäler zu erhalten



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und wiederaufzubauen – gleichzeitig aber bringt er ernsthafte Einwände gegen eine Rekonstruktion »in allen Einzelheiten« vor. Er erklärt: »Erstens […] wird niemand das schaffen. Zweitens hätten solche scheinbar originalgetreu wiederaufgebauten Gebäude (und damit die ganze Stadt) nicht die Aura des Authentischen (und es ist vor allem die Authentizität, die für Touristen, Snobs oder Nicht-Snobs, attraktiv ist und Deviseneinnahmen bringt, worauf einer der Diskussionsteilnehmer hingewiesen hat [es geht um die Diskussion vom 25. Juli, J. F.]).35 Drittens würden Häuser, die anhand historischer Pläne entworfen würden, sich nur schwer für die Bedürfnisse eines modernen städtischen Lebens eignen. […] Viertens wäre es beleidigend für die polnische Architektur, ihr ausschließlich eine rekonstruierende Rolle zuzuweisen und ihr ihre kreativen Möglichkeiten zu nehmen […] [Man muss ihr] die Möglichkeit geben, dem wiederaufgebauten Danzig ihren eigenen Stempel aufzudrücken, damit man später erkennen kann, welche Generation Danzig wiederaufgebaut hat.«36 Besonders die beiden letzten Argumente verdienen Beachtung, da sie in anderer Form in den späteren Jahren und auch noch im Verlauf des Wiederaufbaus erneut auftauchen werden. Wesentlich weiter reichten die Konzeptionen von Julian Rummel: »Solange das alte Danzig noch ganz war, wäre es schwierig gewesen, von seiner Verlegung an eine andere Stelle zu reden. […] Aber jetzt ist dieses Danzig ein Trümmerhaufen. Wir können also bei unseren Bestrebungen, etwas Neues, Praktisches und den Bedürfnissen des Staates sowie der Massen seiner Bevölkerung Entsprechendes zu schaffen, freier denken. Diese Einsicht muss bei einer rationalen Entwurfsplanung entscheidend sein.«37 Weiter schreibt der Autor von der Notwendigkeit, die Hafenanlagen ganz nach Neufahrwasser / Nowy Port zu verlegen, und im Zusammenhang damit, dass es sinnvoll sei, in diesem Bezirk auch das administrative, Finanz- und Handelszentrum zu schaffen. Wo es aber um die hier am meisten interessante Frage der historischen Innenstadt geht, äußert der Autor die Meinung, dass »an dieser Stelle zeitgenössische, schöne Wohnviertel entstehen könnten, in Verbindung mit restaurierten historischen Gebäuden. […] Diese schönen neuen, reich begrünten Villenviertel [sic] könnten sich sehr schön mit den wiederaufgebauten alten Bauten zusammenfügen«. Dennoch ergänzt der Autor, »dass nur von der Restaurierung ei-

35 Dies ist insofern interessant, als es belegt, dass es damals auch diese Art von Argumenten gab, was in der Presse allerdings nicht zum Ausdruck kam. 36 Gdańszczanin (Nieautochton)/Ein Danziger (Kein Autochthoner): Jak odbudować Gdańsk (Artykuł polemiczny) [Wie soll Danzig wiederaufgebaut werden (ein polemischer Artikel)]. In: Dziennik Bałtycki, 9. August 1947, 3. 37 Rummel, I.[Julian?]: Odbudowa Gdańska [Der Wiederaufbau von Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 17. August 1947, 3.

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niger Gebäude die Rede sein kann, aber nicht von einem Wiederaufbau des gesamten alten Danzigs, oder einzelner seiner Straßen«.38 Nicht einmal diesen Grad von Akzeptanz für das historische Erbe der Stadt besitzt eine Äußerung von Henryk Tetzlaff im Dziennik Bałtycki vom 25. Juli39, also präzis dem Tag des Kolloquiums an der Technischen Hochschule, die in zweifelsohne polemischer Absicht gegenüber der Konzeption von Czerny, die der Hauptgegenstand des Kolloquiums war, verfasst ist. Tetzlaff schreibt: »Wiederbeleben muss und kann man historische Denkmäler, die dem gesamten Volk wichtig sind. Die historischen Denkmäler von Danzig können nur wenigen Liebhabern seiner alten Architektur wichtig sein, für die Allgemeinheit sind sie jedoch mehr oder minder gleichgültig. Dagegen kann uns die Frage nach dem Wiederaufbau Danzigs als Hafenstadt nicht gleichgültig sein. Und hier müsste man die einzigartige, wenn auch für sich genommen zweifelsohne traurige Gelegenheit der kompletten Zerstörung dieser Stadt nutzen.«40 Ähnlich wie Rummel sieht der Autor die Notwendigkeit, das Verwaltungszentrum der Stadt an anderer Stelle wiederaufzubauen und schlägt dafür das Areal zwischen Neufahrwasser, Langfuhr und der historischen Innenstadt vor. Er berücksichtigt auch die Argumente, das Zentrum an seiner alten Stelle zu belassen, Argumente, die vor allem die dort erhaltene Infrastruktur betreffen, dennoch erklärt er, dass man diese auch nutzen könne, wenn »wir anstelle des alten Handelszentrums von Danzig, anstelle seiner verwinkelten, engen Gassen ein modernes Wohnviertel mit breiten, sonnigen und luftigen Verkehrsadern bauen, mit Gärten und Grünanlagen, die sich breit an den malerischen Kanälen und Gewässern der alten Innenstadt entlangziehen. Damit schaffen wir das Muster einer modernen Küstenstadt mit einem separaten Handelsviertel und mit getrennten Wohnsiedlungen. Dann erfüllt sich das moderne, in dem Slogan: ›Wohne nicht dort, wo du arbeitest‹ ausgedrückte Ideal für die Lebensbedingungen des werktätigen Menschen.«41 Charakteristisch für die von Tetzlaff präsentierte »moderne« Option ist der Schluss des Artikels: »Eine so wiederaufgebaute Stadt […] bringt uns mehr Anerkennung in den Augen der Welt, als wenn wir sie in ihrer zweifelsohne

38 Rummel (wie Anm. 37). 39 Tetzlaff, H.: Czy i gdzie Gdańsk powinien być odbudowany? [Soll Danzig wiederaufgebaut werden, und wo?]. In: Dziennik Bałtycki, 25. Juli 1947, 3. 40 Dieser Standpunkt resultierte zweifelsohne aus der negativen Haltung des Autors zur Vergangenheit der Stadt ganz allgemein, der er an anderer Stelle seines Artikels Ausdruck verlieh: »Als Volk haben wir für Danzig keine besondere Sympathien, wie z. B. für Warschau, und können auch keine haben. So oder so ist diese Stadt Polen gegenüber immer fremd und aufsässig gewesen. […] Wir alle […] erinnern uns […], wie diese undankbare Stadt besinnungslos und wütend die Hand biss, die sie ernährt hat. Folglich kann es auch keine Sympathien für den Wiederaufbau von Danzig geben. Wir dürfen uns hier einzig und allein von vernünftigen Prämissen leiten lassen.« – Tetzlaff (wie Anm. 39). 41 Tetzlaff (wie Anm. 39).



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romantischen, zweifelsohne schönen, aber fremden und veralteten mittelalterlichen Gestalt aus den Trümmern wiedererrichten würden.«42 Ein letztes Mal kehrten Konzepte, die die Errichtung des Zentrums – oder, wie man damals schrieb, der »City« des Hafenkomplexes von Danzig-Gdynia außerhalb der bisherigen Innenstadt anstreben, an der Jahreswende 1947/1948 wieder, in einer Diskussion, die im Dziennik Bałtycki entbrannte, und in der energische Anhänger einer Errichtung jenes Zentrums in Gdynia auftraten.43 Es scheint jedoch, dass die Wiedererrichtung der Innenstadt an der alten Stelle und darüber hinaus auch die Rekonstruktion der Rechtstadt in ihrer historischen Gestalt damals schon entschieden waren. Zu einem wichtigen Ereignis, das nicht ohne Einfluss auf den Wiederaufbau bleiben konnte, wurde die im Herbst 1947 in Danzig organisierte landesweite Konferenz der Denkmalpfleger, an der u. a. der Generaldenkmalpfleger des Landes, Jan Zachwatowicz teilnahm.44 Einen Eindruck von diesem Ereignis, das man wohl als wegweisend für die hier behandelte Diskussion betrachten kann, vermittelt eine Notiz, die in der Zeitung Głos Wybrzeża veröffentlicht wurde: »Nach mehrtägigen Beratungen wurde ein Beschluss angenommen, der auf den Richtlinien des während der Konferenz vorgetragenen Referates von Prof. Czerny beruht. Der Beschluss lautet, dass das alte Danzig zum Kern des städtischen Ballungsraumes von Danzig werden soll. Der Wiederaufbau des alten Danzig, um das herum weiträumig entworfene neue Viertel entstehen sollen, soll nicht nur die Linie verfolgen, einzelne, besonders wertvolle Objekte sorgfältig zu rekonstruieren, sondern auch, die räumliche Qualität der städtebaulichen Innenräume von Straßen und Gassen wiederherzustellen. Dieses Prinzip kollidiert in keiner Weise mit einer rationalen Nutzung und einer vollständigen, gesunden Verbesserung [sic] der Bebauung des alten Danzig. Auf diese Weise haben die größten Autoritäten der Denkmalpflege und polnischen 42 Tetzlaff (wie Anm. 39). 43 Gdańsk czy Gdynia [Danzig oder Gdynia]. In: Dziennik Bałtycki, 30. November 1947, 3. – W obronie Gdańska [Zur Verteidigung Danzigs]. In: Dziennik Bałtycki, 3. Dezember 1947. – Borowik, J.: Gdzie ma powstać city naszego kompleksu portowego? [Wo soll die City unseres Hafenkomplexes entstehen?]. In: Dziennik Bałtycki, 5. Dezember 1947, 3. – Sarota, J.: Stolica w Gdańsku, City w Gdyni [Hauptstadt in Danzig, City in Gdynia]. In: Dziennik Bałtycki, 18. Dezember 1947, 3. – Rummel, I.: W obronie Gdańska ... i Gdyni [Zur Verteidigung Danzigs … und Gdynias]. In: Dziennik Bałtycki, 23. Dezember 1947, 4. – Bądkowski, L.: Gdańsk-Gdynia wielkie miasto przyszłości [Danzig-Gdynia – eine Großstadt der Zukunft]. In: Dziennik Bałtycki, 8. Januar 1948, 3. Es sei ergänzt, dass scheinbar auch das Konzept Anhänger hatte, das Zentrum des gesamten städtischen Ballungsraumes in Zoppot anzusiedeln, dazu: Malisz, B.: Plan zespołu portowomiejskiego Gdańska i Gdyni [Plan für den hafenstädtischen Ballungsraum Danzig und Gdynia]. In: Miasto 6 (1952), 1–4. 44 Ogólnopolski zjazd konserwatorów w Gdańsku [Landesweite Konferenz der Denkmalpfleger in Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 26. September 1947, 1. Siehe auch: Mieszkowski, B.: Odbudowa pomników kultury w Gdańsku [Der Wiederaufbau der Kulturdenkmäler in Danzig]. In: Stolica 16–17 (1949), 13.

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Architekten ihre Absicht erklärt, das alte Danzig unter Beibehaltung seiner historischen Gestalt wiederaufzubauen.«45 Ein Beleg dafür, dass die Beschlüsse der Konferenz zu einem Argument in den Händen der Befürworter einer historischen Rekonstruktion wurden, sind die Worte Jan Kilarskis vom Februar des folgenden Jahres: »Wie Danzig sein soll, das steht außer Frage. Ort und Antlitz [in alter Gestalt – das geht aus dem Artikel insgesamt hervor, J. F.] garantiert ihm die Entscheidung des Konferenzbeschlusses der polnischen Denkmalpfleger und die darauf gestützte Verfügung.«46 Als eine Art Bestätigung des Sieges dieser Konzeption lässt sich eine Ausstellung betrachten, die der Wojewode und die Stadtverwaltung im Dezember 1947 gemeinsam im Sejm präsentierten. Aus den Presseberichten geht hervor, dass eine 45 Odżyje stary Gdańsk. Uchwały Zjazdu Konserwatorów [Das alte Danzig wird wiederbelebt. Die Beschlüsse der Konferenz der Denkmalpfleger]. In: Głos Wybrzeża, 15. Oktober 1947, 4. Bestimmte, auf der Konferenz geäußerte Thesen führt darüber hinaus Henryk Frey im dritten Teil einer Artikelserie unter dem Titel »Probleme des Wiederaufbaus von Danzig« an: Ograniczyć tereny miasta zabytkowego [Zur Eingrenzung der historischen Stadtgebiete]. In: Głos Wybrzeża, 29. Dezember 1947, 5. Darin ist davon die Rede, auf dem erwähnten Areal eine geschlossene Bebauung zu schaffen, »mit großen gemeinschaftlichen Höfen in der Mitte« (also auf die vor dem Krieg charakteristische dichte Blockinnenbebauung zu verzichten). Auch habe man auf der Konferenz die Grenzen des, wie man es nannte, historischen Danzig festgelegt. Der Verlauf dieser Grenzen wird leider nicht angegeben. Auch ist nicht ganz klar, ob die übrigen Bemerkungen Freys die Festlegungen der Konferenz wiederholen. Wenn dies tatsächlich der Fall ist, dann wurde während der Konferenz noch eine weitere, sehr wichtige Frage behandelt, nämlich die Ablehnung einer Methode zur Projektierung der auf dem Gebiet der historischen Stadt zu errichtenden Gebäude, die Frey »Entwerfen im sog. Danziger Stil« nennt und die eine Abwandlung des Historismus des 19. Jahrhunderts ist. Dies bezog sich selbstverständlich einzig auf diejenigen Objekte, für die man zuverlässiges Dokumentationsmaterial existierte, das eine originalgetreue Rekonstruktion ermöglicht hätte. 46 Kilarski, J.: Przed nowym etapem odbudowy Gdańska [Vor einer neuen Etappe des Wiederaufbaus von Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 17. Februar 1948, 4. Leider ließ sich nicht ermitteln, welche Verordnung der Autor meint und vor allem, in welcher Form sie rechtskräftig wurde. Es ist natürlich möglich, dass Kilarski, als einer der eifrigsten Verfechter eines Wiederaufbaus in historischer Gestalt, die Beschlüsse der Konferenz zugunsten der eigenen Konzeption ausgelegt hat; doch andere Aussagen und vor allem die späteren Fakten scheinen seine Interpretation zu bestätigen. Ebenso kategorische Feststellungen finden sich zum Beispiel in einem Text von Stefan Jelnicki vom Beginn des Jahre 1948: »Alle bisherigen Konzepte zur Schaffung eines neuen Stadtzentrums außerhalb von Danzig (in Wrzeszcz / Langfuhr oder dem Areal zwischen Wrzeszcz und Letniewo / Lauental ) sind – so könnte man meinen – ein für alle Mal beerdigt worden. Selbst eine flüchtige Analyse des Grundrisses des mittelalterlichen Danzig macht deutlich, dass dieser Stadtteil – nach der Beseitigung der unnötig dichten Bebauung – sich perfekt dafür eignen wird, dort Institutionen und Unternehmen mittleren und kleinen Maßstabs unterzubringen.« – Jelnicki, S.: Czas najwyższy zakończyć dyskusję na temat Gdańsk czy Gdynia. Sprawa Gdańska, jako ośrodka dyspozycji portowej już została przesądzona [Es ist höchste Zeit, die Diskussion um Danzig oder Gdynia zu beenden. Das Problem Danzigs als Verwaltungszentrum für den Hafen ist bereits entschieden]. In: Głos Wybrzeża, 4. Januar 1948, 6.



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damals präsentierte Entwurfsskizze vorsah, in der Innenstadt von Danzig ein Verwaltungs- und Handelszentrum zu errichten, wobei der historische Charakter dieses Teils der Stadt erhalten bleiben sollte.47 Doch der deutlichste Beleg dafür, dass sich die Waagschale zu Gunsten der historischen Option geneigt hatte, wurde die vom Denkmalpfleger der Wojewodschaft Danzig gefällte Entscheidung, im Bereich der Rechtstadt gemeinsam mit der Speicherinsel konservatorische Maßnahmen einzuleiten, womit man schon Ende 1947 begann.48 Im Februar besucht Zachwatowicz erneut Danzig, um an der Versammlung der Danziger Gesellschaft der Freunde von Wissenschaft und Kunst teilzunehmen, die – nach den Worten eines Presseberichtes – »der Besprechung aktueller denkmalpflegerischer Probleme im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau Danzigs«49 gewidmet war. Wegen der hohen Position von Zachwatowicz und des großen Einflusses, den er mit Sicherheit auf die damals zu fällenden Entscheidungen – nicht nur strikt denkmalpflegerischer Natur – hatte, sei hier eine ausführliche Zusammenfassung seines Referates angeführt: »Angesichts der Verlagerung des Schwerpunktes staatlicher Aufgaben in den Norden, an die Küste, wird das Problem des Wiederaufbaus der Stadt, die eine wichtige wirtschaftliche und kulturelle Rolle im Norden Polens zu erfüllen hat, besonders akzentuiert. Genaue Studien von Stadtplanern zeigen, dass […] der Wiederaufbau einer Stadt, sogar einer sehr stark zerstörten, ein ökonomischeres Unternehmen ist als der Bau einer neuen. Im Zusammenhang damit fallen jegliche Vorschläge zum Bau eines neuen Danzigs an anderer Stelle vollständig weg […]. Die [Höhe der notwendigen] Investitionen in Straßen und städtische Einrichtungen entscheidet über die Zweckmäßigkeit des Wiederaufbaus einer Stadt. Es besteht natürlich die Not-

47 Wystawa »Odbudowujący się Gdańsk« w Sejmie [Die Ausstellung »Danzig im Wiederaufbau« im Sejm]. In: Dziennik Bałtycki, 1. Dezember 1947, 2. – Gdańsk przyszłości. Wystawa planów odbudowy w Sejmie [Das Danzig der Zukunft. Ausstellung der Wiederaufbaupläne im Sejm]. In: Głos Wybrzeża, 28. November 1947, 7. – Kazanowska, S.: Z wystawy »Gdańsk w odbudowie«. Zniszczenia – Co odbudowano – Plany na przyszłość [Von der Ausstellung »Danzig im Wiederaufbau«. Zerstörungen – Was wiederaufgebaut wird – Pläne für die Zukunft]. In: Głos Wybrzeża, 14. Dezember 1947, 4. 48 Die Entscheidung wurde am 11. Oktober 1947 gefällt, siehe: Kostarczyk (wie Kapitel 1, Anm. 45), 7. Der Autor veröffentlichte auch eine Fotokopie der Entscheidung Borowskis. Zur frühzeitigen Verbreitung der Entscheidung siehe: Ożyją stare mury Gdańska. Odbudowa zabytków architektonicznych [Die alten Mauern Danzigs werden wiederbelebt. Der Wiederaufbau der Architekturdenkmäler]. In: Głos Wybrzeża, 20. November 1947, 4. Dort findet sich folgende Feststellung: »Der Denkmalpfleger der Wojewodschaft Danzig hat bereits die Grenzen des ›alten‹ Danzig festgelegt.« Stryczyński (wie Kapitel 1, Anm. 10), 203, gibt fälschlich 1948 als Datum dieser wichtigen Entscheidung an. 49 Odbudowa starego Gdańska jest przesądzona i już się odbywa [Der Wiederaufbau des alten Danzig ist beschlossen und findet schon statt]. In: Dziennik Bałtycki, 19. Februar 1948, 3.

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wendigkeit, alte Städte modernen Bedürfnissen anzupassen. Diese Forderung ist im Falle Danzigs vollständig realisierbar. […] Die alte Anordnung der Wohnbauten hat nichts an Aktualität verloren, erfordert aber eine Anpassung an die Gegenwart. Das Verhältnis von bebautem und unbebautem Raum im alten Danzig ist sinnvoll und sollte beim Wiederaufbau erhalten bleiben. Die Idee von einem großen Park auf den Ruinen der alten Stadt, in dem sich Gebäudeinseln, wie das Rathaus, die Marienkirche etc. befinden würden, ist vollständig überholt. Über die äußeren Umrisse des Wiederaufbaus der Stadt entscheiden die bestehenden Baukörper, wie das oben erwähnte Neustädtische Rathaus, die Marienkirche, das Arsenal und andere Bauten. Ersteres Ensemble muss zur Gänze wiederbelebt werden, ebenso wie das zweite Ensemble, namentlich die Wohnbauten, wobei Straßen, Plätze etc. eine entscheidende Rolle spielen. Es muss das große Werk geleistet werden, das alte Danzig mit modernen Bedürfnissen in Einklang zu bringen. Danzig ist durchdrungen von polnischer Kultur. Dank dessen, dass es das Einfallstor verschiedener europäischer Kulturströmungen nach Polen war, besitzt es zahlreiche Kulturdenkmäler von allgemeineuropäischer und nicht nur polnischer Bedeutung, deswegen können wir unsere Achtung nicht nur auf solche Objekte beschränken, die einen unmittelbaren Bezug zu Polen haben.«50 Diese Feststellungen kann man einerseits als Zusammenfassung der bisherigen Diskussion, andererseits aber auch als ihre Beendigung oder geradezu als ihren Abbruch betrachten. Denn es ist sicher keine Sache des Zufalls, dass nach dem Besuch des Generaldenkmalpflegers in Danzig im Februar keine Stimmen mehr zu vernehmen sind, die den Wiederaufbau Danzigs an der alten Stelle und in alter Gestalt in Frage stellen – bis zur Jahreswende 1949/1950 (davon wird im weiteren noch die Rede sein). Das Ergebnis der hier vorgestellten Diskussion war also eine grundsätzliche Zustimmung zu den allgemeinen Grundlagen des Wiederaufbaus, darunter auch zur Gestaltung der historischen Viertel von Danzig. Konkretere Richtlinien sollte eine vom Ministerium für Kultur und Kunst in Person von Jan Zachwatowicz berufene Kommission von Sachverständigen für Stadtplanung ausarbeiten, die sich aus den Warschauer Spezialisten Piotr Biegański, Wacław Podlewski, Kazimierz Saski sowie Stanisław Bobiński als Repräsentanten Danzigs zusammensetzte.51 Vorsitzender der Kommission wurde Piotr Biegański.52 Die Aufgabe dieses Gremiums war es, einen Raumordnungsplan für die historischen Viertel von Danzig zu erstellen53, der die Grundlage für den Wiederaufbau 50 51 52 53

Odbudowa starego Gdańska … (wie Anm. 49). Gruszkowski (wie Einführung Anm. 18). Trojanowska (wie Kapitel 1, Anm. 102), 11. Borowski, J.: Zabytkowy Gdańsk w odbudowie [Das historische Danzig im Wiederaufbau]. In: Technika Morza i Wybrzeża 11/12 (1948), 32.



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bilden sollte. Die wichtigsten Richtlinien für diesen Plan lieferte wahrscheinlich Kazimierz Saski, der aber selbst an der Skizzierung des Projektes nicht teilnahm.54 Leider wurde er nie veröffentlicht, und sein Original ist nicht auffindbar. Glücklicherweise hat Jan Borowski 1948 seine wichtigsten Grundsätze zusammengefasst. Wegen ihrer fundamentalen Bedeutung für den Wiederaufbau Danzigs, vor allem aber der Rechtstadt55 (die übrigen Viertel wurden schließlich ohne Berücksichtigung der Richtlinien dieses Plans wiederaufgebaut, der gelegentlich als »Zachwatowicz-Plan« bezeichnet wurde, nach dem Namen des dem ganzen Projekt vorstehenden Generaldenkmalpflegers56) sollen sie hier nahezu vollständig angeführt werden, so wie sie von Borowski aufgezeichnet worden sind: »Gemäß dieses Plans sollen das Straßennetz und die Wohnblocks unverändert bleiben, nur die Bebauung der letzteren soll die Fläche nicht zu 90  % ausfüllen, sondern zwischen den Blocks und in ihrem Innern wird freier Raum für Höfe und Grünanlagen gelassen. Einzelne Häuser sollen wie früher die schmalen Parzellen so ausfüllen, dass die Fassaden auf jeder Etage nicht mehr als drei Fenster aufweisen, wobei diese, wenn das Innere einiger Häuser dies erfordert, zu einem einzigen, großen verbunden werden können. Die wiederaufgebauten, nicht allzu hohen (3–4 Geschosse) Häuser werden in ihrem Innern eine moderne Aufteilung und Ausstattung haben. Die Hausfassaden an den historischen Hauptstraßen, wie der ul. Długa [Langgasse], des Długi Targ [Langer Markt], der ul. Piwna [Jopengasse] oder der ul. Garncarska [Töpfergasse]57 sollen präzise auf der Grundlage erhaltener Stiche und Fotografien wiederaufgebaut werden, nur mit dem Unterschied, dass das Erdgeschoss der Häuser ebenfalls einen historischen Charakter haben wird. Vorher hatten deutsche Architekten es so mit großen Schaufenstern durchbrochen, dass das Erdgeschoss auf der gesamten Länge der Straße durch seinen modernen Charakter stilistisch von den oberen Fassadenteilen abgeschnitten war. Nicht allzu große Schaufenster (maximale Breite 1,60 m) entsprechen sogar besser der modernen Art der Schaufenstergestaltung […] Die wiederaufzubauenden Häuser in den weniger historischen Stadtvierteln, für die es keine entsprechende historische Dokumentation gibt, können auf moderne Weise behandelt werden, wobei jedoch die schmalen Fassaden erhalten bleiben sollen, ›kleinmaßstäbig‹ in der architektonischen Ausarbeitung, mit schmalen, giebelständigen Ziegeldächern.«58 Borowski erwähnt auch zwei weitere Forderungen: »die Hervorhebung und Betonung des ursprünglichen, 54 Mündliche Information von Wiesław Gruszkowski. 55 Den Grad der Übereinstimmung zwischen dem schließlich durchgeführten Wiederaufbau mit dem hier besprochenen Plan analysiere ich in Kapitel 8. 56 So Trojanowska (wie Kapitel 1, Anm. 102), 11. 57 Die Erwähnung der ul. Garncarska / Töpfergasse belegt zweifelsfrei, dass die Richtlinien ursprünglich dazu bestimmt waren, auch in der Altstadt realisiert zu werden. 58 Borowski (wie Anm. 53), 32.

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gotischen Grundrisses der Stadt« sowie den teilweisen Wiederaufbau der Befestigungsmauern, auch wenn in Bezug auf diese schwer zu sagen ist, ob sie eine Fortsetzung der Richtlinien des »Zachwatowicz-Plans« sind, oder eine eigene Ergänzung des Danziger Wojewodschaftsdenkmalpflegers.59 Parallel zu den Entwurfsarbeiten fielen Entscheidungen, die den Beginn des Wiederaufbaus ermöglichten. So wurde am 15. August 1948 während einer Beratung in Danzig beschlossen, den Wiederaufbau der Rechtstadt vom Arbeitersiedlungskombinat (Zakład Osiedli Robotniczych, ZOR) durchführen zu lassen.60 Darauf folgte die Berufung eines Gremiums, das sich im Zentralen Planungs- und Entwurfsbüro für den Siedlungsbau des ZOR mit der Frage des Wiederaufbaus beschäftigen sollte.61 Die zweite für den Wiederaufbau grundlegende Entscheidung war ein geheimnisvoller Regierungsbeschluss, der Ende 1948 gefasst wurde.62 Zum Schluss wollen wir uns dem letzten Akt der Diskussion über den Wiederaufbau Danzigs widmen, der sich insofern von den vorhergehenden abhebt, als er sich nicht nur nach der Entscheidung für den Wiederaufbau in historischer Gestalt, sondern sogar noch während der laufenden Arbeiten daran abspielte.

59 Borowski (wie Anm. 53), 32. f 60 Gruszkowski (wie Einführung Anm. 18). Zum ZOR siehe: Od Zakładu Osiedli Robotniczych (ZOR) do Centralnego Zarządu Budowy Miast i Osiedli »ZOR« [Vom Arbeitersiedlungskombinat (ZOR) zur Zentralverwaltung für Stadt- und Siedlungsbau »ZOR«]. In: Miasto 7 (1951), 2–12. – Andrzejewski, A./Litterer,W.: Społeczna rola budownictwa mieszkaniowego ZOR [Die gesellschaftliche Funktion des Wohnungsbaus des ZOR]. In: Miasto 7 (1952), 19–24. – Pięć lat działalności ZOR [Fünf Jahre Tätigkeit des ZOR]. In: Miasto 3 (1953), 1 f. 61 Gruszkowski (wie Einführung Anm. 18). – Im Technischen Rat des Zentralen Planungs- und Entwurfsbüros saßen: Zbigniew Żuławski, Jan Borowski, Władysław Czerny, Marian Osiński, Witold Minkiewicz, Witold Doliński und Witold Majewski. Żuławski, Borowski und Doliński erhielten 1951 gemeinsam den Nationalpreis III. Ranges »für die Planung und die Beteiligung an der Realisierung der kreativen Rekonstruktion des alten Danzig«. – Architekci laureaci Nagród Państwowych 1951 r. [Die Architekten und Preisträger der Nationalpreise 1951]. In: Architektura 3 (1952), 61. 62 Der Regierungsbeschluss wurde nicht veröffentlicht, auch fehlt in den Archiven ein entsprechendes Dokument. Dazu: Trojanowska (wie Kapitel 1, Anm. 102), 7. In den von Trojanowska zitierten Berichten Zbigniew Żuławskis – des damaligen Direktors des Planungs- und Entwurfsbüros – tauchen zwei Daten auf: Ende 1948 und der 13. November des folgenden Jahres. Letzteres Datum ist offensichtlich falsch. Man könnte höchstens annehmen, dass nur die Jahresangabe falsch ist, aber zumindest der Tag zutrifft – wenn dies tatsächlich so wäre, dann wäre der Beschluss am 13. November 1948 gefasst worden. Für die Richtigkeit des früheren Datums spricht nicht nur, dass es schwer vorstellbar ist, dass eine solche Entscheidung erst nach dem Beginn des Wiederaufbaus gefällt worden ist; sondern es existieren auch andere Berichte neben dem von Żuławski, vor allem von Henryk Frey, der als der damalige Direktor der Baudirektion Arbeitersiedlungen Danzig ohne Zweifel eine glaubwürdige Quelle darstellt. Siehe: Frey, H. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 121 f. (hier auch über die den Regierungsbeschlüssen vorausgehenden Umstände). Eine weniger offensichtliche Bestätigung für einen solchen Regierungsbeschluss kann man auch in einem Artikel von Bolesław Malisz finden: Plan zespołu portowo-miejskiego Gdańska i Gdyni [Plan für den hafenstädtischen Ballungsraum Danzig und Gdynia]. In: Miasto 6 (1952), 3.



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Eben die Aufnahme dieser Arbeiten und damit die beginnende Materialisierung der bislang abstrakten Ideen provozierte im November 1949 den Architekten Kalikst Krzyżanowski zu der Frage: »In welche Richtung soll sich der Wiederaufbau dieses [an der Langgasse / ul. Długa gelegenen] historischen Teils von Danzig entwickeln?«63 Seiner Auffassung nach war es ein Fehler, »neue Baudenkmäler« durch »eine präzise, unkritische Wiederherstellung der alten, fehlerhaften bürgerlichen Architektur« zu schaffen, denn dies führe dazu, »ein totes Museumsstück« zu schaffen. Unterdessen, erklärte der Autor, »steht diese Art des Wiederaufbaus von Danzig in erster Linie im Widerspruch zu der Herangehensweise jedes künstlerisch kreativen Architekten, dessen Bestreben es ist, sich in der Epoche zu artikulieren, in der er lebt, in ähnlicher Weise wie seine Vorgänger auf eben jener ul. Długa im 17. und 18. Jahrhundert die Möglichkeit hatten, dies zu tun. Die Rolle des gestaltenden Architekten, der neben die existierenden Kleinodien alter Architektur treten soll, ist dabei sehr interessant. Sie kann nicht in einer mechanischen Wiederherstellung der Baudenkmäler bestehen, sondern muss die Kunst sein, neue Gebäude in den historischen Teil der Stadt einzufügen und mit ihrer Umgebung in Einklang zu bringen.«64 Indem er sich auf die Weisungen der Parteiversammlung der Architekten Mitte des Jahres 1949 beruft (während der, was Krzyżanowski nicht erwähnt, der sozialistische Realismus zum künftig verbindlichen Stil in der Architektur erklärt wurde), fordert er, die wertvollsten Originaldenkmäler in historischer Form zu erhalten, indem man um sie herum eine spezielle Schutzzone schafft, und die übrigen Bauten neu, in möglichst bescheidenen und neutralen Formen zu entwerfen. Dem Autor zufolge hätte eine solche Art des Wiederaufbaus auch den Wert, dass sie »den alten Elementen einen neuen künstlerischen Ausdruck verleiht, in dem die Kleinodien des architektonischen Schaffens unseres Volkes in noch größerem Glanz erstrahlen und die dadurch, vor dem Hintergrund der neuen Architektur, zu lebendigen Teilen des zeitgenössischen Lebens von Danzig werden«.65 Wenn man die Ansichten Krzyżanowskis aus der Perspektive der klassischen denkmalpflegerischen Lehrmeinung bewertet66, kann man ihnen zumindest darin eine Berechtigung zusprechen, dass sie die Schaffung von Pseudo-Baudenkmälern ablehnen, wenn auch mit Sicherheit die Ansichten von Riegel keinen Einfluss auf diese Ablehnung gehabt haben. Krzyżanowskis Artikel bekam fünf ausführliche Erwiderungen, die sich mehr oder minder unmittelbar auf die darin enthaltenen Thesen bezogen. Nur eine von 63 Krzyżanowski, K.: W jakim kierunku powinna pójść odbudowa starego Gdańska? (Artykuł dyskusyjny) [In welche Richtung soll der Wiederaufbau des alten Danzig gehen? (Diskussionsbeitrag)]. In: Głos Wybrzeża, 3. November 1949, 5. 64 Krzyżanowski (wie Anm. 63). 65 Krzyżanowski (wie Anm. 63). 66 Siehe die Überlegungen zu den ideologischen Grundlagen der verschiedenen Vorstellungen über den Wiederaufbau in Kapitel 5.

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ihnen unterstützte ihn entschieden, sie geht in ihrer Kritik des beschlossenen Wiederaufbaukonzeptes sogar wesentlich weiter als der ursprüngliche Text. Gemeint ist der Artikel von K. Dorosiewicz, der es von sich weist, dass er »ein Gegner des Wiederaufbaus und der Erhaltung von Baudenkmälern«67 sei, aber erklärt, dass man »einzig gerettete Objekte«68 restaurieren und für die übrigen der Gegenwart adäquate Formen vorbehalten solle. Er beruft sich auf die Erklärungen des in Polen führenden Ideologen des sozialistischen Realismus in der Architektur, Edmund Goldzamt, und auf die Erfahrungen sowjetischer Architekten69 und erklärt: »In einer Zeit, in der in Polen der Sozialismus aufgebaut wird, wo wir den Bau von Fabrikhallen, Arbeitsstätten und öffentlichen Einrichtungen betreiben, die voller Raum und Licht sind, und ebenso von Wohnhäusern für die Arbeiterklasse voller Licht, Komfort und umgebendes Grün, können wir nicht zulassen, dass historische Häuser wiederaufgebaut werden, die schon in Trümmern lagen.«70 Dabei bezweifelt er, dass solche Häuser, die man bezeichnenderweise »mittelalterliche«71 nenne, das Wohlbefinden des von der Arbeit erschöpften Werktätigen gewährleisten könnten.72 67 Dorosiewicz, K.: W jakim kierunku powinna pójść odbudowa Starego Gdańska (Artykuł dyskusyjny) [In welche Richtung soll der Wiederaufbau des alten Danzig gehen? (Diskussionsbeitrag)]. In: Głos Wybrzeża, 10. Dezember 1949, 5. 68 Dorosiewicz (wie Anm. 67). Diese Erklärung ist nicht nur unklar, sondern – zumindest auf den ersten Blick – sogar in sich widersprüchlich – denn was gerettet wurde, muss man schließlich nicht wiederaufbauen. Die Sache wird dadurch kompliziert, dass der Autor nicht präzisiert, was er unter Wiederaufbau versteht, und was »gerettetes Objekt« bedeutet. Vielleicht, auch wenn dies nicht deutlich ausgedrückt wird, geht es dem Autor darum, dass eine erhaltende Pflege (so muss man wahrscheinlich heute den vom Autor verwendeten Begriff »Restaurierung« verstehen, dessen Inhalt sich seither deutlich verändert hat) jene Objekte umfassen soll, die vollständig oder teilweise erhalten sind, aber dass für letztere eine Art begrenzter Rekonstruktion durchgeführt werden soll (»Wiederaufbau« in den Worten von Dorosiewicz). Ein gewisses Licht auf die Auffassung des Autors der Begriffe »Restaurierung« und »Rekonstruktion« wirft die von ihm angeführte Meinung Goldzamts: »Die Reaktion strebt nach einer Restaurierung, d. h. nach einer Wiederherstellung so, wie sie [die Bauten] einst gewesen sind. Wir streben nach einer Rekonstruktion, d. h. danach, sie so zu gestalten, wie es heute notwendig ist und morgen notwendig sein wird.« 69 Die sich ausführlicher Zitate bedienende Anführung von Meinungen, die den (wenn auch in diesem Text nicht beim Namen genannten) sozialistischen Realismus propagieren, ist eine der frühesten im Danziger Kontext erscheinenden Rezeptionen dieser Doktrin. Siehe Kapitel 4. 70 Dorosiewicz (wie Anm. 67). 71 Die negativen Konnotationen dieses Begriffes in Texten aus der Zeit des Stalinismus, ebenso wie die positiven Konnotationen des weit verbreiteten Begriffs »Renaissance«, wären einer eingehenden Untersuchung wert. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung, zumindest in Bezug auf architektonische Fragen, ist der Artikel von Torbus, T.: Die Rezeption der Renaissance in Nachkriegspolen – die Suche nach einem Nationalstil. In: Hansestadt–Residenz–Industriestandort. Beiträge der 7. Tagung des Arbeitskreises deutscher und polnischer Kunsthistoriker in Oldenburg, 27.–30. September 2000. Hg. von B. Störtkuhl. München 2002, 313–326. 72 Unabhängig davon, dass die Befürchtungen Dorosiewiczs aus heutiger Perspektive übertrieben erscheinen, muss man ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen und zugeben, dass einige seiner Vorbehalte gut begründet waren. Ein Beispiel wäre das Postamt an der ul. Długa / Langgasse, das



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Die Äußerung von Dorosiewicz war jedoch eine Einzelmeinung. Die übrigen Autoren verteidigten entschieden, wenn auch in unterschiedlicher Weise, das Konzept des Wiederaufbaus der Stadt in historischer Gestalt. Am eindringlichsten war sicherlich die Erwiderung von Witold Minkiewicz, einem bedeutenden Architekten, der sich bereits im Vorkriegspolen einer allgemeinen Anerkennung erfreute und seinerzeit als Professor an der Danziger Technischen Hochschule tätig war.73 Er entdeckte hinter Krzyżanowskis Rhetorik dessen eigentliche Ansichten, die sich in einer liberalen intellektuellen Atmosphäre herausgebildet hatten und, zumindest auf dem Gebiet der Architektur, auf einem kreativen Individualismus beruhten. Minkiewicz nimmt die Realität der Kriegszerstörungen wahr, die unausweichlich Einfluss auf die Revision bisheriger Ansichten zu Erhaltung und Rekonstruktion von Baudenkmälern haben musste, worin er zum Beispiel mit Zachwatowicz übereinstimmte.74 Diese Perspektive bringt ihn dazu, das zu verteidigen, was Krzyżanowski ironisch »neue Baudenkmäler« nennt, und er erklärt, dass diese angesichts der geschehenen Barbarei »zu einer kulturellen Notwendigkeit des Wiederaufbaus der Kriegszerstörungen«75 würden. Eine Konsequenz ist für ihn auch, dass angesichts des riesigen Ausmaßes der Aufgabe »nur die organisierte, kollektive Arbeit von Architekten, die sich von einer zuvor formulierten Idee leiten lassen, es schaffen wird, tatsächliche bauliche Qualität hervorzubringen und die Kriegszerstörungen auf einem angemessenen Niveau auszugleichen.«76 Anerkennung verdient auch jener Aspekt von Minkiewiczs Argumentation, der den Wiederaufbau als Versuch verteidigt, nicht einzelne Baudenkmäler zu retten, sondern ein ganzes Ensemble »durch die Jahrhunderte hindurch gewachsener Formen und Gestalten«, wobei »dieses charakteristische Konglomerat […] für sich ge-

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man, trotz der Einheitlichkeit seines Innern, von außen wie eine Sequenz unterschiedlicher rekonstruierter Fassaden gestalten wollte, was tatsächlich Befremden erzeugen konnte. Dass man schließlich dem Postamt eine einheitliche Gestalt verlieh (siehe Kapitel 4), lässt sich als Erfolg der »kreativen« sozrealistischen Option beim Wiederaufbau interpretieren. Man kann aber in dieser Tatsache auch einfach bloß den Sieg der architektonischen Logik erblicken, nach der das Innere eines Gebäudeentwurfs mit seiner äußeren Form kohärent sein sollte. Minkiewicz, W.: W jakim kierunku powinna pójść odbudowa Starego Gdańska (Artykuł dyskusyjny) [In welche Richtung soll der Wiederaufbau des alten Danzig gehen (Diskussionsbeitrag)]. In: Głos Wybrzeża, 6. Dezember 1949, 4. Zachwatowicz (wie Anm. 20). Minkiewicz (wie Anm. 73). Minkiewicz (wie Anm. 73). Erstaunlich ist die Wendigkeit, mit der die damaligen Diskussionsteilnehmer, die zum Teil radikal gegensätzliche Ansichten vertraten, mit Argumenten fechten, die sämtliche Anzeichen völliger Übereinstimmung mit der vorherrschenden politischen Linie haben. Im Text von Minkiewicz gilt das besonders für seine Kritik am »krassen Individualismus« der Ansichten Krzyżanowskis (der sich doch auf der rhetorischen Ebene sehr viel mehr auf Seiten der neuen Wirklichkeit engagierte) und die Betonung des kollektiven Charakters des Wiederaufbaus.

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nommen ein Kulturdenkmal von hohem Wert«77 darstelle. Und noch ein weiterer Aspekt: Minkiewicz macht etwas aus, was er »regionales Bauen« nennt und zu dessen Garant und Vorbild das wiederaufgebaute Danzig werden müsse.78 Eine andere Art von Argumenten benutzte Stanisław Bobiński.79 Der Architekt und Urheber einer gewagten und – wie sich erst Jahre später zeigte – weitgehend zutreffenden Hypothese über die Ursprünge des Danziger Stadtgrundrisses80 baut auf eben dieser Hypothese seine Argumentation auf und erklärt, dass der Grundriss der Rechtstadt die Anlage widerspiegele, wie sie vor der Ankunft der Kreuzritter in Danzig gewesen sei. Bobińskis Argumentation beruft sich unmittelbar auf die Notwendigkeit, die Polonität Danzigs zu kultivieren, die durch den Grundriss der Stadt belegt wird, der wiederum nur mittels einer historischen Rekonstruktion erhalten werden könne. Der Autor erklärt darüber hinaus, dass dieser Grundriss »vollständig den Erfordernissen einer modernen Stadtplanung entspricht«81, sieht aber trotzdem die Notwendigkeit einer von der historischen abweichenden Nutzung des Blockinnenraums, was mittelbar Krzyżanowski entspricht, der befürchtete, dass die Höfe einzig dazu dienen würden, Teppiche zu klopfen und Müll abzuladen. Unmittelbar auf diesen Vorwurf bezog sich dagegen Żuławski, der Leiter des Zentralen Planungs- und Entwurfsbüro für den Siedlungsbau des ZOR, indem er davon sprach, dass man im Blockinnenraum »moderne, gemeinschaftlich [genutzte] Grünflächen im Areal des Wohnblocks« schaffen müsse, die als »gemeinschaftliche ›cortille‹« zu gestalten seien.82 In gewisser Weise stimmt Żuławski auch Bobiński zu, wenn er sagt: »Der Maßstab des städtischen Wohnhauses stimmt in erstaunlicher Weise mit dem Maßstab der gemäß der Weisung des Bauministeriums für die Baustandards neu errichteten Häuser überein.«83 Sowohl Bobiński, als auch Żuławski hoben darüber hinaus den ökonomischen Nutzen hervor, der sich aus der Verwendung bestehender Fundamente und Infrastrukturen ergebe.

77 In diesem Argument kann man den Einfluss der Begründung für die Entscheidung Borowskis vom Oktober 1947 erkennen. 78 Minkiewicz (wie Anm. 73). 79 Bobiński, S.: Stary plan zabudowy Gdańska odpowiada nowoczesnym wymaganiom [Der alte Bebauungsplan entspricht modernen Erfordernissen]. In: Głos Wybrzeża, 12. November 1949, 7. – Bobiński, S.: Zabytkowa architektura Gdańska powinna być odtworzona [Die historische Architektur Danzigs muss rekonstruiert werden]. In: Dziennik Bałtycki, 1. Januar 1950, 9. 80 Bobiński, S.: Gdańsk wczesnodziejowy [Das Danzig der Frühzeit]. Gdańsk 1951. Zu Bobiński ausführlicher: Friedrich, J.: Bobiński, Stanisław. In: Polski Słownik Biograficzny Konserwatorów Zabytków, Heft 2. Hg. von H. Kondziela u. H. Krzyżanowska. Poznań 2006, 19–21. 81 Bobiński: Stary plan … (wie Anm. 79). 82 Żuławski, Z.: Problemy odbudowy Gdańska (Artykuł dyskusyjny) [Probleme des Wiederaufbaus von Danzig (Diskussionsbeitrag)]. In: Głos Wybrzeża, 24.–26. Dezember 1949, 6. 83 Żuławski (wie Anm. 82).



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Die letzte polemische Stimme gegen Krzyżanowski war eine Äußerung von Ryszard Brożyna, die deutlich vom niedrigen Argumentationsniveau der zuvor besprochenen abweicht.84 Zitiert sei hier der Schlusssatz, in dem der Autor eine offenbar ziemlich gängige Ansicht ausdrückt: »Man darf nicht vergessen, dass wir gegenüber unseren Nachkommen die volle Verantwortung dafür tragen, dass die jahrhundertealte polnische Kultur überdauert. Und deshalb muss das Alte Danzig zumindest äußerlich in seiner ursprünglichen Form wiederaufgebaut werden.«85 Es war offenbar genau diese Überzeugung, die bei den einzelnen Akteuren der mehrjährigen Diskussion zwar aus unterschiedlichen Motivationen gespeist, letztlich darüber entschied, dass man Danzig in seiner historischen, oder zumindest in einer für historisch gehaltenen Gestalt wiederaufbaute.86

84 Brożyna, R.: Stary Gdańsk powinien odzyskać swą historyczną szatę (Artykuł dyskusyjny) [Das alte Danzig muss sein historisches Gewand wiedererhalten (Diskussionsbeitrag)]. In: Głos Wybrzeża, 10. Januar 1950, 5. Das Niveau der Argumentation des Autors illustriert ein Abschnitt wie dieser: »Warum behandelt Ilja Ehrenburg die Alltagskultur amerikanischer Hosenträgerfabrikanten in seinen glänzenden Artikeln mit so treffender Ironie? Die Architektur des alten Moskau berechtigt ihn, seine eigene Kultur als höherstehend anzusehen, deswegen, weil die Jahrhunderte sie geschaffen haben, weil sie aus den Anstrengungen hunderter von Generationen erwachsen ist« usw. 85 Brożyna (wie Anm. 84). Das Motiv der auf der damaligen Generation lastenden Verantwortung für das kulturelle Erbe des Volkes erscheint zum Beispiel bei Zachwatowicz (wie Anm. 20), 52. 86 Im Vergleich mit konkurrierenden Vorschlägen zur damaligen Vorstellung vom historischen Wiederaufbau erscheint sie als Variante, die ungewöhnlich wohlwollend gegenüber der historischen Wirklichkeit der Stadt ist, sogar wenn wir heute geneigt sind, in der Realisierung dieser Vorstellung zahlreiche, manchmal fundamentale Mängel zu sehen.

Kapitel 3 D i e Hundegasse oder »Neue Stadt, Neue Menschen« 1

Zwei Faktoren waren für die Rekonstruktion der Stadt in ihrer ursprünglichen Gestalt entscheidend: der Beschluss über den Wiederaufbau der historischen Innenstadt und die Festlegung der Grundsätze dieses Wiederaufbaus im sogenannten ZachwatowiczPlan. Dabei bestand kein Zweifel, dass der einzig gangbare Weg ein Wiederaufbau der Rechtstadt als Wohnsiedlung – unter den damaligen gesellschaftlichen Bedingungen somit als Arbeitersiedlung – sein würde.2 In den unmittelbaren Nachkriegsjahren war das Fehlen einer entsprechenden Zahl vonWohnungen für die Arbeiter der Stadt, die in den wiederaufgebauten Wirtschaftsbetrieben beschäftigt waren, ein besonders schwerwiegendes Problem.3 In Danzig handelte es sich überwiegend um Hafen- und Werftarbeiter. In Hinblick auf sie plante die »Baudirektion Arbeitersiedlungen Danzig«4 – teilweise schon 19485, teilweise aber offenbar auch Anfang des folgenden Jahres – den Bau von Siedlungen in Brzeźno / Brösen und Nowy Port / 1 Die im Titel des vorliegenden Kapitels gebrauchte Formulierung habe ich der Überschrift eines Artikels im Dziennik Bałtycki (22. Juli 1952, 6) entnommen. 2 Das gibt auch Jerzy Stankiewicz zu, der immerhin ein konsequenter Verfechter des historischen Wiederaufbaus war (siehe Kapitel 5), wenn er schreibt: »Im Unterschied zur Warschauer Altstadt war der Wiederaufbau der Danziger Rechtstadt als Wohnsiedlung in der schwierigen Zeit der ersten Nachkriegsjahre die einzig realistische Möglichkeit.« – Stankiewicz: Odbudowa zabytkowych … (wie Einführung Anm. 12), 178 f. Argumente für die Umgestaltung Danzigs in eine Arbeitersiedlung trugen im Vorfeld des Wiederaufbaus Henryk Frey, der damalige Leiter der Baudirektion Arbeitersiedlungen Danzig, und Zbigniew Żuławski, einer der wichtigsten Entwerfer des Wiederaufbaus, vor. Vgl. Frey, H.: Z.O.R. odbudowuje Stary Gdańsk [Das Arbeitersiedlungskombinat baut das Alte Danzig wieder au.]. In: Stolica 44–45 (1949), 15; Żuławski, Z.: Gdańsk w 6-letnim planie odbudowy [Danzig im 6-jährigen Aufbauplan]. In: Stolica 44–45 (1949), 14. 3 Zum Wohnungsmangel in den drei Städten Danzig-Gdynia-Zoppot: Zagadnienia mieszkaniowe trzech miast Wybrzeża w 1948 roku [Die Wohnungsfrage in den drei Küstenstädten im Jahr 1948]. In: Dziennik Bałtycki, 9. Februar 1948, 1 f. 4 Die Baudirektion Arbeitersiedlungen (Dyrekcja Budowy Osiedli Robotniczych, DBOR) Danzig wurde im Mai 1948 auf Beschluss der Hauptverwaltung des ZOR berufen. Dazu: Frey (wie Kapitel 2, Anm. 62), 119. Die Vorteile einer Zuordnung des Wohnungsbaus zum ZOR hob die damalige Presse hervor: »Im Siedlungsbau werden die technischen Kräfte (in Entwurf und Ausführung), die finanziellen Mittel und die Transportkapazitäten gebündelt. Beim Bau ganzer Siedlungen wird der Bau von Schulen, Kindergärten, von Zentren des staatlichen und genossenschaftlichen Handels etc. umfassend berücksichtigt.« – Sprawy mieszkaniowe w Gdańsku ureguluje Zakład Osiedli Robotniczych [Wohnungsfrage in Danzig wird vom ZOR geregelt]. In: Dziennik Bałtycki, 24. Mai 1949, 4. 5 Osiedla robotnicze w Gdańsku [Arbeitersiedlungen in Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 31. August 1948, 4.

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Kapitel 3

Neufahrwasser sowie die Siedlung »Północny Wrzeszcz« (Langfuhr Nord).6 Gemäß der damaligen Festlegung sollten »Menschen, die nicht unmittelbar mit dem Meer zu tun haben«7 in Blocks an der ul. Kartuska / Karthäuserstr. sowie in einer durch die Bebauung des Quartiers zwischen der ul. Długa / Langgasse, ul. Pocztowa / Postgasse, ul. Ogarna / Hundegasse und der ul. Garbary / Große Gerbergasse entstehenden Siedlung wohnen. Während die zuerst genannten Siedlungen gemäß der vom ZOR festgelegten Standards errichtet wurden, stellte die rechtstädtische Siedlung für die Baudirektion Arbeitersiedlungen eine untypische Investition dar, was sich unvermeidlich in der Einstellung dieser Institution zu historischen bzw. denkmalpflegerischen Fragen niederschlug.8 Unter den damaligen sozialen und ökonomischen Bedingungen, vor allem angesichts der beinahe vollständigen Ausschaltung privater9 und genossenschaftlicher10 Investoren – gab es keinerlei realistische Alternative dazu, dass die DBOR Danzig bzw. in der Praxis die die Finanzen verwaltende Zentrale des ZOR in der Rechtstadt die Rolle des Investors übernahm.11 Denn nur sie verfügte über enorme Mittel12 und stellte zum einen die Enttrümmerung des ganzen Terrains (Abb. 17) und seine Vorbereitung für eine Bebauung sicher, was kleinere Firmen

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Sprawy mieszkaniowe … (wie Anm. 4). Sprawy mieszkaniowe … (wie Anm. 4). Bobiński (wie Kapitel 2, Anm. 34), 201. Dass es in der Rechtstadt nach 1949 im Prinzip keine privaten Investoren mehr gab, bedeutet nicht, dass die Privatinitiative aus dem Wiederaufbauprozess vollständig ausgeschlossen war. So wurde zum Beispiel das Abtransportieren des Schutts praktisch von privaten Firmen dominiert. Siehe: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 176, 292. Dort zur Beteiligung privater Firmen am Wiederaufbau auch: 54, 56, 58, 108, 110, 181, 254, 291, 314 f. und Wspomnienia z odbudowy … Bd. 2 (wie Einführung Anm. 32), 69, 71, 75. 10 Andrzej K. Olszewski weist darauf hin, dass gerade die Berufung des ZOR, dem der Wohnungsbau unterstellt wurde, die faktische Auflösung der Wohnungsbaugenossenschaften bedeutet habe: Architektura polska w latach 1944–1960 [Polnische Architektur 1944–1960]. In: Polskie życie artystyczne w latach 1945–1960. Grupy artystyczne. Galerie, salony, kluby. Stowarzyszenia twórcze, naukowe oraz instytucje badań nad sztuką. Muzealnictwo. Architektura. Wzornictwo przemysłowe. Czasopiśmiennictwo. Hg. von A. Wojciechowski, Wrocław-Warszawa-Kraków 1992, 340. 11 Wenn ich mir einen polemischen Einwurf erlauben darf: die tatsächlichen Bedingungen des Wiederaufbaus werden heute im allgemeinen von seinen Kritikern vergessen. 12 Das Budget des ZOR für die Wojewodschaft Danzig im Jahr 1950 sah zum Beispiel die Investition von 1,236 Milliarden Złoty vor: Ponad miliard złotych na budownictwo mieszkaniowe na Wybrzeżu [Über eine Milliarde Złoty für den Wohnungsbau an der Küste]. In: Dziennik Bałtycki, 18. Juli 1949, 2. – ZOR buduje kosztem 32,5 miliarda złotych [Das ZOR baut für 32,5 Milliarden Złoty]. In: Dziennik Bałtycki, 27. Oktober 1949, 3. – Charakterystyka budownictwa ZOR-u w roku 1950 [Die Bautätigkeit des ZOR im Jahr 1950]. In: Dziennik Bałtycki, 5. August 1950, 5.



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nicht hätten bewältigen können; zum anderen waren so kontinuierliche Investitionen und letzlich eine garantierte Realisierung des ganzen Projekts sichergestellt.13 Die Umstände, unter denen über die Beteiligung des ZOR an dem für das Kombinat untypischen, und bis zu einem gewissen Grad sogar seiner Satzung widersprechenden14, Projekts entschieden wurde, sind nicht geklärt.15 Der erste Chef der DBOR Danzig, Henryk Frey stellt fest: »Unter den damaligen Bedingungen verband sich Organisation mit der Notwendigkeit, mutige Entscheidungen zu treffen und musste die Züge einer großen Improvisation tragen.«16 Frey unterstreicht 13 Das Problem der Unfähigkeit der jeweiligen Investoren (sowohl der privaten wie der öffentlichen) zur Bewältigung eines so komplizierten Projekts wie der Rekonstruktion der Häuser in der Rechtstadt wurde schon 1948 aufgegriffen. Ein Journalist schreibt über die unkoordinierten und langsamen Arbeiten am Długi Targ und stellt fest: »Leider verzögern die Nachlässigkeit der Investoren und ihre unsachgemäße Verwendung der Kredite den Wiederaufbau eines historischen Teils von Danzig – des Alten [Langen, J. F.] Marktes. Es wäre notwendig, dass sich so schnell wie möglich die richtigen Leute mit dieser Straße und der Arbeit der Investoren befassten und die Kredite in die richtigen Hände gäben, die den Wiederaufbau der ul. Długa schneller und besser durchführen würden.« – Z wędrówek po Gdańsku. Czy nie czas zdjąć już tabliczki a przystąpić do odbudowy? [Streifzüge durch Danzig. Wäre es nicht Zeit, die Schautafeln abzunehmen und zum Wiederaufbau zu schreiten?]. In: Głos Wybrzeża, 3. September 1948, 6. Wenn man die mögliche politische Absicht dieser Äußerung berücksichtigt, kann man gleichzeitig annehmen, dass sie den status quo vor der Einbindung des ZOR in den Wiederaufbau schildert. Dazu auch die folgende Äußerung: »Angesichts dessen, dass bisher das Tempo des Wiederaufbaus keine zügige Planerfüllung verspricht, wurde das ZOR mit dieser Aktion betraut, das die Aufgabe übernommen hat, unter Wahrung denkmalpflegerischer Vorgaben moderne, gesunde Wohnungen für die Werktätigen bereitzustellen.« – ZOR kształtuje oblicze śródmieścia Starego Gdańska [ZOR gestaltet das Antlitz des Zentrums des Alten Danzig]. In: Głos Wybrzeża, 2. Juni 1949. Dazu außerdem die ersten Absätze eines Artikels von Henryk Frey: Wskrzesimy piękno Starego Gdańska. Doświadczenia pierwszego etapu odbudowy [Wir erwecken die Schönheit des Alten Danzig zu neuem Leben. Erfahrungen der ersten Etappe des Wiederaufbaus]. In: Głos Wybrzeża, 22. Oktober 1949, 3. 14 So fasste zumindest der Direktor der Zentralverwaltung des ZOR Juliusz Goryński in einem Gespräch mit Wiesław Gruszkowski die Sache auf (mündliche Information von Gruszkowski). Andererseits beschränkte sich die Betrauung des ZOR mit dem Bau historischer Stadtensembles nicht auf Danzig, sondern umfasste darüber hinaus auch Neisse und vor allem die Alt- und Neustadt in Warschau. – Tworkowski, S./Malicki, Z.: O architekturze osiedli ZOR [Zur Architektur der ZORSiedlungen]. In: Architektura 10 (1952), 249. 15 Die im Archiv Neuer Akten in Warschau aufbewahrten Dokumente haben nicht die erwartete Antwort geliefert. Gleiches gilt für die damalige Presse, die die ganze Angelegenheit mit der Feststellung quittiert, dass das ZOR den Wiederaufbau der Rechtstadt übernommen habe, ohne einen Versuch zur Klärung der sich hinter dieser Tatsache verbergenden Motive: »Die Diskussionen, in welcher Weise der Wiederaufbau der völlig in Trümmern liegenden Altstadt (sic) durchzuführen sei, haben ergeben, dass auf diesem Areal ein Wohnviertel entstehen soll. Die Realisierung des Projektes wurde der Danziger Niederlassung des ZOR anvertraut.« – Budownictwo osiedli ZOR polepsza warunki mieszkaniowe ludzi pracy w miastach Wybrzeża [Der Siedlungsbau des ZOR verbessert die Wohnbedingungen der Werktätigen in den Küstenstädten]. In: Głos Wybrzeża, 14. September 1950, 5. 16 Frey (wie Kapitel 2, Anm. 62), 119 f.

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außerdem die bedeutende Rolle von persönlichen Kontakten17 und informellen Beziehungen »zwischen dem Investor, demjenigen, der die Entwürfe schuf, und dem Ausführenden.«18 Beides erleichterte zweifelsohne denjenigen, die das Danzig der Nachkriegszeit gestalteten, ihre Aufgabe, doch gleichzeitig reduzierte es die Zahl der Dokumente, die es einem Historiker ermöglichen, die Umstände zu ermitteln, unter denen die folgenträchtige Entscheidung getroffen wurde, das ZOR am Wiederaufbau der Rechtstadt zu beteiligen. Ein nachvollziehbarer Aspekt der Beteiligung der DBOR Danzig am Wiederaufbau der historischen Innenstadt ist dagegen deren Haltung zu der in den 40er Jahren diskutierten Frage, ob die Rechtstadt zum Verwaltungszentrum für das Danzig der Nachkriegszeit werden sollte, oder ob sie ungeeignet sei, diese Funktion zu erfüllen und damit für die Rolle einer Wohnsiedlung in Frage käme. Die Repräsentanten des ZOR sprachen sich entschieden für die Wohnsiedlungsoption aus, und es gelang ihnen, wie der damalige Direktor der DBOR Danzig, Henryk Frey, bestätigte, andere »von der Richtigkeit ihrer Annahme zu überzeugen, dass das Areal es hinsichtlich seiner Größe absolut nicht erlaubt, das Zentrum vollständig innerhalb seiner Grenzen zu realisieren.« Ein zweites Argument war, so Frey, »dass die Architektur der Danziger Häuser 17 Wie wichtig persönliche Motive sein konnten, beweist das Beispiel von Juliusz Goryński. Als Chef der Zentralverwaltung des ZOR war er ausgebildeter Architekt und Kunsthistoriker (mündliche Information von W. Gruszkowski) und besaß eine überdurchschnittliche Sensibilität für denkmalpflegerische Fragen. Dem verlieh er schon 1947 Ausdruck, also in einer Zeit, als noch keine Rede von einer Einbindung des ZOR in den Wiederaufbau war: »Für die Baudenkmäler muss eine komplette Sicherung derjenigen Objekte erreicht werden, die von wesentlichem kulturellem und künstlerischem Wert sind. Der Wiederaufbau der Baudenkmäler muss unter Berücksichtigung ihrer künftigen Nutzung durchgeführt werden.« (Referat auf dem Allpolnischen Kongress für den Wiederaufbau, 12. Februar 1947, 4. – AAN, Ministerium für den Wiederaufbau: Nr. 89, 11). Der letzte Satz scheint den später beim Wiederaufbau der Rechtstadt eingeschlagenen Weg vorherzusehen. Die besondere Rolle Goryńskis bei der Überwindung der Krise, die der Wiederaufbau der Rechtstadt 1951/52 erlebte, unterstreicht Adam Sokół, der in den 50er Jahren führende Funktionen in der DBOR Danzig erfüllte: »Der Erhalt eines Bauplatzes in der Rechtstadt entgegen den Weisungen der Lokalregierung war nur deswegen möglich, weil die Mittel für den Bau von Wohnungen und Dienstleistungseinrichtungen zentral verwaltet wurden. […] Nachdem ich dem Direktor der Zentralverwaltung des ZOR in Warschau, Dr. Juliusz Goryński, die Faktenlage dargestellt hatte, erhielt ich die schriftliche Entscheidung, den Wiederaufbau des Alten Danzig fortzusetzen […]. Die vermehrten Aufgaben des Wohnungsbaus und die von Direktor Goryński im Exekutivkomittee der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR) geführten Diskussionen haben schließlich über den weiteren planmäßigen Wiederaufbau der Rechtstadt entschieden.« – Sokół, A. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 141. An anderer Stelle seines Berichtes (145) spricht Sokół über den Verlauf des Verfahrens der Zuerkennung von finanziellen Mitteln für den Wiederaufbau der Rechtstadt und erklärt: »Besonders möchte ich das herzliche und über das Dienstliche hinausgehende Engagement des damaligen Direktors der Zentralverwaltung des ZOR Dr. Juliusz Goryński, eines ausgebildeten Architekturhistorikers, hervorheben.«. 18 Frey (wie Kapitel 2, Anm. 62), 120. Dazu außerdem Gordziejczuk, W. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 158.



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in ihrem Maßstab nicht den modernen Nutzungsbedürfnissen der jeweiligen Elemente eines Verwaltungsviertels entspricht. Eine moderne Wohnung kann man dagegen hervorragend mit der Fassade eines Danziger Hauses vereinbaren und dabei geräumige, helle und sogar lichtdurchflutete Räume garantieren.«19 Der Text von Frey ist noch aus einem anderen Grund wichtig. Denn er enthält einen Abschnitt, der womöglich die eigentliche und grundlegende Motivation für die Entscheidung offenbart, die Rechtstadt als Arbeitersiedlung wiederaufzubauen. Frey schreibt: »Diese Entscheidung stellt ein sichtbares Zeichen der Zeit und einen Wendepunkt in unseren stadtplanerischen Auffassungen über die sozialistische Stadt dar, denn an die Stelle des Kapitalisten und Kleinbürgers, der bisher der Herr der Innenstadt war und der den Armen, die ihm unmittelbar dienten, einzig erlaubte, in dunklen Hinterhäusern zu wohnen, tritt der eigentliche Herr unseres Staates, der Vorkriegsmieter der außerhalb der Stadt gelegenen Vorstädte, diesem Symbol tiefster Zurückgebliebenheit, von Schmutz und Elend – der Arbeiter.«20 Diese Motivation, die einen unvermeidlich an Bieruts 1949 geäußerte Formulierung vom »Einzug der Arbeiterwohnungen in die Innenstadt«21 denken lässt, und später mit der Parole »Das Volk betritt die Innenstadt«22 vom Ważyk popularisiert wurde, erscheint aus heutiger Perspektive selbstverständlich. Damals jedoch war sie zwar präsent23, wurde aber in Danzig nicht speziell hervorgehoben. 19 Frey, H.: Wskrzesimy piękno Starego Gdańska. Doświadczenia pierwszego etapu odbudowy [Wir erwecken die Schönheit des Alten Danzig zu neuem Leben. Erfahrungen der ersten Etappe des Wiederaufbaus]. In: Głos Wybrzeża, 22. Oktober 1949, 3. Eine erweiterte Fassung dieses Artikels erschien zwei Wochen später in der Warschauer Zeitschrift Stolica. FREY, Z.O.R. odbudowuje… (wie Anm. 2). 20 Frey (wie Anm. 19). 21 Włodarczyk, W.: Socrealizm. Sztuka polska w latach 1950–1954 [Sozrealismus. Polnische Kunst 1950–1954], Paris 1986, 82. 22 So der Titel eines Gedichtes von Adam Ważyk, das allerdings etwas später als der Artikel von Frey entstanden ist. 23 Aus dem den Arbeiten in der Rechtstadt vorausgehenden Zeitraum stammt zum Beispiel folgende Notiz: Dzielnica willowa Sopotu stanie otworem dla rodzin robotniczych [Das Villenviertel von Zoppot steht Arbeiterfamilien offen]. In: Dziennik Bałtycki, 28. Januar 1949, 4. Wichtiger für die vorliegenden Überlegungen ist ein ein Jahr später veröffentlichter Artikel: Charakterystyka ZORu w roku 1950 [Der Charakter des ZOR im Jahr 1950]. In: Dziennik Bałtycki, 5. August 1950, 5. Darin steht u. a.: »Der Plan für 1950 vernachlässigt nicht […] den Umbau und Wiederaufbau der existierenden Stadtviertel. So muss man das mutige Vordringen des Arbeiterwohnungsbaus in die historischen altstädtischen Zentren von Warschau und Danzig beurteilen.« Ein weiteres Mal erscheint das Bild des in die Innenstadt einziehenden Volkes in der Lokalpresse, soweit ich weiß, erst wieder Ende 1952 in einer marginalen Veröffentlichung, einer Antwort auf einen Leserbrief: Na miejscu gruzów reprezentacyjna dzielnica socjalistycznego miasta [Anstelle der Trümmer ein repräsentatives Viertel einer sozialistischen Stadt]. In: Dziennik Bałtycki, 3. Oktober 1952, 4. Ein deutlicher, wenn auch nie umgesetzter Beleg für die sich vollziehenden gesellschaftlichen Veränderungen im historischen Zentrum von Danzig sollte die Umwandlung des Artushofes sein, den man – in sehr bezeichnender, propagandistischer Weise – als »ehemaliges Gebäude der Gilde der

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Unabhängig davon, wo man die eigentlichen Motive für die Entscheidung, in der Rechtstadt eine Arbeitersiedlung zu bauen, suchen müsste24, fiel diese Entscheidung, und schon im Juni 1949 machte man sich daran, in der Rechtstadt den ersten Block zwischen ul. Długa / Langgasse, ul. Garbary / Große Gerbergasse, ul. Ogarna / Hundegasse und ul. Pocztowa / Postgasse zu errichten.25 Die Arbeiten begann man an der Ecke ul. Garbary und ul. Ogarna.26 Die Fertigstellung des Blocks war für den Dezember desselben Jahres geplant. Nach den Worten von Henryk Frey sollte der eben begonnene Block 45 Wohnungen mit insgesamt 117 Räumen Platz bieten.27 Die Arbeiten gingen tatasächlich schnell voran, doch eine zusätzliche, von den Initiatoren bestimmt nicht vorhergesehene Folge war eine erbitterte Polemik, die sich Ende 1949 auf den Seiten der Zeitung Głos Wybrzeża abspielte. Hier wurde noch einmal versucht, die Zweckmäßigkeit eines Wiederaufbaus in historischer Gestalt in Frage zu stellen, wobei man sich auf die immer sichtbarere Umsetzung der für die Rechtstadt angenommenen Konzeption, also auf die an der ul. Ogarna und der ul. Długa entstehenden Häuser bezog.28 Das energisch begonnene Vorhaben konnte dies gleichwohl nicht mehr aufhalten. Im April 1950 berichtete der Dziennik Bałtycki: »Das Arbeitstempo in der Altstadt ist imponierend. Die neuen Häuser schießen aus dem Boden wie die Pilze nach dem Regen. Innerhalb weniger Wochen verändert sich der Charakter der Straße beinahe vollständig, und auf den tragischen Ruinen Danzigs wächst neues, üppiges Leben.«29 Und im September teilte man den Lesern in derselben Zeitung mit: »Die ul. Długa in Danzig ist wiederaufgebaut«30, und wenn diese Feststel-

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Freien Stadt Danzig« bezeichnete, und der nun zum »Haus des Volkes« werden sollte. – Pióro, Z./Hryniewicz, S.: Programowanie urządzeń społeczno-usługowych w budownictwie osiedlowym »ZOR« [Planung sozialer Dienstleistungseinrichtungen im »ZOR«-Siedlungsbau]. In: Miasto 3 (1952), 15. Natürlich gab es nicht nur ein entscheidendes Motiv, sondern eher einen ganzen Komplex von Motiven, in dem bestimmt auch der Wunsch, den historischen Charakter der Stadt zu erhalten, einen gewissen Platz einnahm (siehe Anm. 17). W Gdańsku powstaje piękne osiedle [In Danzig entsteht eine schöne Siedlung]. In: Dziennik Bałtycki, 11. Juni 1949, 4. W Gdańsku powstaje … (wie Anm. 25). W Gdańsku powstaje … (wie Anm. 25); an anderer Stelle ist von 118 Zimmern und einem Rauminhalt von 20.312 m3 die Rede: ZOR kształtuje oblicze śródmieścia Starego Gdańska [ZOR gestaltet das Antlitz der Innenstadt des Alten Danzig]. In: Głos Wybrzeża, 2. Juni 1949, 4. Eine Polemik rief der Architekt Kalikst Krzyżanowski mit einem Artikel hervor: W jakim kierunku powinna pójść odbudowa … (wie Kapitel 2, Anm. 63). Mehr zu dieser Polemik im 2. Kapitel der vorliegenden Untersuchung. Umacniamy pokój – zbudujemy socjalizm. ZOR oddaje robotnikom 1060 izb na 1-Maja [Wir stärken den Frieden – wir bauen den Sozialismus auf. ZOR übergibt den Arbeitern zum 1. Mai 1.060 Räume]. In: Dziennik Bałtycki, 8./9. April 1950, 6. Ulica Długa w Gdańsku odbudowana [Die ul. Długa in Danzig ist wiederaufgebaut].In: Dziennik Bałtycki, 15. September 1950, 3.



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lung auch etwas übertrieben war (der Autor selbst gab zu, dass die Gebäude erst in der ersten Hälfte des kommenden Jahres komplett fertiggestellt sein würden), so ließ sich doch mit Befriedigung feststellen: »Die tiefe Perspektive […] der Straße, abgeschlossen vom Goldenen Tor, erfreut das Auge des Betrachters mit ihren geschlossenen Mauerreihen.«31 In ähnlichem Tempo wurde die Bebauung der ul. Ogarna errichtet (Abb. 18). Ihr erster Abschnitt wurde im Rohbau und teilweise noch ohne Dächer vor Ende Oktober 1949 abgeschlossen.32 Die Bebauung des ersten Quartiers betrachtete man in gewisser Weise als ein den weiteren Wiederaufbauphasen vorausgehendes Experiment33, wobei man wegen der geringeren Gewichtung für das Gesamtprojektes beschlossen hatte, den Abschnitt an der ul. Ogarna früher auszuführen als den entsprechenden Teil der ul. Długa, den man als »zu riskanten und exponierten Abschnitt dieses Blocks«34 ansah. Die Realisierung des so verstandenen Experimentes offenbarte tatsächlich zahlreiche Mängel35, die zum Teil beim Wiederaufbau der weiteren Abschnitte der Rechtstadt beseitigt wurden. Unter den schon von Stanisław Bobiński hervorgehobenen Schwierigkeiten und Problemen, die während des Wiederaufbaus dieses Probeblocks sichtbar wurden, waren folgende besonders prägnant: 1. die durch das schnelle Arbeitstempo verschenkte Gelegenheit, angemessen gründliche historische und baukünstlerische Untersuchungen durchzuführen; 2. die Schwierigkeit, die von den Maßen der Parzellen bestimmten Entwürfe an die Baunormen anzupassen, die kein Abweichen von Grundflächen und Rauminhalt zuließen; 3. die Beschränkung auf vier Fenstertypen erzeugte einen monotonen Eindruck, der durch die Verwendung vorgefertigter Fenstereinfassungen aus Kunststein noch vertieft wurde.36 Versuche, Entwürfe und Normen miteinander in Einklang zu bringen, führten in der Praxis dazu, dass man zwei Häuser zu einem Komplex mit einem gemeinsamen 31 Ulica Długa … (wie Anm. 30). Schon im August schrieb man, dass sowohl die ul. Długa als auch der Długi Targ »vor der Fertigstellung stehen«. – Na budowach starego Gdańska toczy się zwycięska walka o plan [Auf den Baustellen des alten Danzig wird siegreich um die Planerfüllung gekämpft]. In: Głos Wybrzeża, 26. August 1950, 4. 32 Siehe dazu die Illustration zum oben erwähnten Artikel von Frey (wie Anm. 13). 33 Bobiński (wie Einführung Anm. 10), 207 f. – Massalski/Stankiewicz (wie Einführung Anm. 12), 226. 34 Bobiński (wie Einführung Anm. 10), 207. 35 Eine knappe, aber zutreffende Beschreibung dieser Mängel lieferten Gerard Ciołek und Adolf Ciborowski schon 1953. Sie schrieben unter anderem von einer unverständlichen Kombination von Häusern »mit unterschiedlich angeordneten und proportionierten Fensteröffnungen«, von einer schablonenhaft »schnurgerade gezogenen« Bebauung auf der Hofseite und von der monotonen Farbgebung und Oberflächengestaltung der Gebäude. – Ciołek, G./Ciborowski, A.: Problemy urbanistyczne odbudowy zespołów zabytkowych [Städtebauliche Probleme des Wiederaufbaus von Baudenkmalsensembles]. In: Miasto 7 (1953), 16. 36 Ciołek/Ciborowski (wie Anm. 35), 208. Bobiński merkt an: »Die für die Entwürfe Verantwortlichen haben Anstrengungen unternommen, um jene vier Fenstertypen in möglichst vielfältiger Weise miteinander zu kombinieren«, und er stellt fest: »Mit den vorhandenen Möglichkeiten haben sie die maximale Wirkung erreicht«. – Bobiński (wie Einführung Anm. 10), 207.

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Treppenhaus verband, wobei der Eingang meist über die Rückfassade führte. Dies wirkte mitunter, als verhänge ein historischer bzw. historisierender Paravant das moderne Innere eines Blocks, dessen Aufteilung nicht dem entsprach, was die Fassade suggerierte.37 Die Wirkung des Blockartigen wurde auch dadurch verstärkt, dass die oberen Fensterkanten im Prinzip eine gerade Linie bildeten38 (Abb. 19), und zudem wurde ursprünglich der Fassadenzug zwischen der ul. Garbary und der ul. Pocztowa einheitlich weiß ausgeführt39 (Abb. 20). Monoton erscheinen auch die geraden Fluchtlinien der Front-40 und Hofseiten41 (Abb. 21), die eigentlich viel unregelmäßiger verliefen. Ein schwerer Fehler war die mit der vorherrschenden denkmalpflegerischen Lehrmeinung nicht übereinstimmende Versetzung von drei originalen Portalen von ihrem ursprünglichen Platz an den wiederaufgebauten Abschnitt in der ul. Ogarna42, was sich vielleicht mit einem mangelnden Vertrauen in die Fortsetzung des Wiederaufbaus in historischer Gestalt erklären lässt.43 Trotz der erwähnten Mängel sah man den Versuch als gelungen an, entschied sich aber trotzdem, bei den weiteren Bauabschnitten der Rechtstadt unvermeidliche Korrekturen vorzunehmen.44 Diese schlossen, wie eine genauere Analyse ihrer spä37 Massalski/Stankiewicz (wie Einführung Anm. 12), 226. 38 Dies ist besonders ausgeprägt bei den Häusern Nr. 117–122, wo ganze 19 Fensterachsen hintereinander auf diese Weise gestaltet wurden (die minimale Absenkung der oberen Ränder an der Fassade des Hauses Nr. 118 ist vor Ort nicht sichtbar). Diese negative Wirkung wird glücklicherweise von dem unterschiedlichen Niveau der Fensterbänke abgemindert. 39 Odbudowa Gdańska sprawą każdego obywatela. Głos czytelnika o konserwacji gdańskich zabytków [Der Wiederaufbau Danzigs geht jeden Bürger an. Stimme eines Lesers zur Bewahrung der Danziger Baudenkmäler]. In: Dziennik Bałtycki, 18. Oktober 1950. Dort ist von den »schneeweißen, neuen Häusern in der ul. Ogarna« die Rede. Belegt wird diese ursprüngliche Farbausführung von einem Foto, das die Fassaden der Häuser Nr. 117–124 in der ul. Ogarna zeigt, es ist abgebildet in: Wnuk, W.: Wiosna nad Motławą [Frühling an der Mottlau]. Warszawa 1952, 32 f. Es sei ergänzt, dass das Zentrale Planungs- und Entwurfsbüro, gestützt auf die Analyse von Resten der ursprünglichen Farbgebung, einen Entwurf für die farbliche Ausführung des Blocks zwischen ul. Garbary, ul. Długa, ul. Pocztowa und ul. Ogarna vorlegte, der jedoch nicht umgesetzt wurde. – Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 211. 40 Die Fassaden der Hausnummern 117–122 wurden in einer perfekt gleichmäßigen Reihe errichtet, nur bei der Numer 118, wo die Linie leicht unterbrochen wird, versuchte man etwas zu variieren. 41 Hier wurde konsequent eine gerade Linie gezogen, nicht einmal die Eckhäuser wurden, wie es später zur Norm wurde, verlängert. 42 Bobiński (wie Einführung Anm. 10), 208. 43 So bei Stankiewicz: Odbudowa zabytkowych … (wie Einführung Anm. 12), 182. Da von denkmalpflegerischen Fragen die Rede ist, sei angemerkt, dass auf der Südseite der ul. Ogarna zwei Fassaden vom Ende des 19. Jahrhunderts erhalten wurden (Nr. 26 und 27/28), was jedoch eher durch ihren guten Erhaltungszustand motiviert wurde und nicht durch ihren historischen Wert, den man erst bedeutend später erkannte. 44 Bobiński schreibt: »In erster Linie wurde es als notwendig angesehen, die Zahl der Fenstertypen zu erhöhen […]. Die aus Kunststein vorgefertigten Teile erforderten es, Abwandlungen und Abwechslungen zu schaffen. Ernste Vorbehalte weckte auch die Monotonie der Verputzung aller



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ter wiederaufgebauten Abschnitte belegt, auch die ul. Ogarna mit ein.45 Vor allem bemühte man sich mit mehr oder minder großem Erfolg, das Niveau der Fensteranbringung, das Fensterfutter und auch die Fensterrahmungen zu variieren.46 Auch das Aussehen der Vorderfassaden selbst änderte man nach und nach47, wobei man meiner Meinung nach an der östlich der ul. Słodowników / Melzergasse gelegenen südlichen Straßenfront (besonders der Nummern 39–52) die überzeugendsten Resultate erzielte.48 Die Errichtung der ul. Ogarna, besonders der ersten Abschnitte, wurde von einer lebhaften Pressepropaganda begleitet, die ihrer Stellung innerhalb der gesamten städtebaulichen Anlage der Rechtstadt eigentlich nicht angemessen, aber wegen ihrer Vorreiterfunktion im Wiederaufbauprozess dennoch verständlich war. Na-

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Fassaden, die durch einen Anstrich in unterschiedlichen Farben aufgelockert werden sollte.« – Bobiński (wie Einführung Anm. 10), 208. Der Wiederaufbau der ul. Ogarna wurde im Prinzip vor 1956 abgeschlossen, mit Ausnahme der Parzellen Nr. 10–14. – Siehe dazu einen auf den 14. Juli 1956 datierten Plan: »Danzig. Rechtstadt. Erster Entwurf. 1. Bauabschnitt«, der die vor dem 8. Februar 1956 abgeschlossenen Arbeiten verzeichnet (aus der Sammlung von Prof. Lech Kadłubowski). Aus diesem Plan geht hervor, dass die Parzellen Nr. 10–12 bebaut werden sollten, während die an der Ecke zur ul. Zbytki / Ketterhagergasse gelegenen Parzellen Nr. 13 und 14 unbebaut bleiben sollten. Eine interessante Begründung für diese (letztlich aufgehobene) Entscheidung liefert ein Brief des Komitees für Stadtplanung und Architektur an das Präsidium des Volksrates der Wojewodschaft Danzig vom 31. März 1956, in dem wir u. a. lesen: »Es ist vorgesehen, die Ecke ul. Ogarna / ul. Zbytki ohne Bebauung zu belassen und auf eine Realisierung der Geb. [Nr.] 13 und 14 an der ul. Ogarna sowie des Geb. [Nr.] 2 an der ul. Zbytki zu verzichten, was die hohe Blockrandbebauung der ul. Ogarna unterbrechen und den engen Eingang in die ul. Zbytki verbreitern wird. An dieser Stelle wäre es angebracht, eine Grünfläche zu gestalten.« – APG 1153/2493. Dies ist ein weiteres Indiz für ein »kreatives« Herangehen an den Wiederaufbau, siehe dazu auch Kapitel 4 und 5. Aufschlussreich ist in dieser Hinsicht ein Vergleich der Fassaden des Abschnitts zwischen der ul. Pocztowa / Postgasse und der ul. Ławnicza / Matzkausche Gasse. Während bei den Häusern Nr. 110–114 dieselbe Reihung wie bei dem Abschnitt zwischen ul. Pocztowa und ul. Garbary herrscht, folgt östlich der Hausnummer 110 eine bedeutende Verbesserung, und bei der Differenzierung der Fenstereinfassungen ist im gesamten Ensemble eine positive Veränderung sichtbar. Dasselbe lässt sich im Prinzip von der gesamten Südseite sagen. Auch die Ausführung der Blocks auf der Hofseite ist differenziert, wobei sich das allgemeine Prinzip beobachten lässt, dass, je weiter man nach Osten kommt, also je später die jeweiligen Blocks entstanden sind, diese Diversifizierungen umso sichtbarer werden. Dabei sei daran erinnert, dass die Fassadenarbeiten sich manchmal weit über das Jahr 1956 hinauszogen, siehe zum Beispiel: Kosztorys na roboty elewacyjne. Ogarna 39 [Kostenplan für Fassadenarbeiten. Ogarna 39], datiert auf den 15. Mai 1958, APG 1153/2648. Dieser Bauabschnitt wurde von Andrzej Martens projektiert (APG 1153/2657 und 2658) und entstand im übrigen relativ spät, nämlich erst nach dem 30. September 1954, auf den der »detaillierte Baukostenplan« für diesen Gebäudekomplex datiert ist (APG 1153/2666). Am Rande sei dennoch ergänzt, dass die Südseite der ul. Ogarna, so sehr sie insgesamt als »Probeblock« auch gelungen ist, durch die Bresche unglücklich verstümmelt worden ist, die von der Fassade einer Schule an der Stelle der ursprünglichen Häuser Nr. 53–56 geschlagen wird.

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türlich wurden auch die späteren Arbeiten für propagandistische Ziele ausgenutzt, aber doch nie mit vergleichbarer Intensität. Im weiteren Verlauf der vorliegenden Überlegungen möchte ich mich eben diesem propagandistischen Aspekt des Wiederaufbaus widmen. Das wiederaufgebaute Danzig wurde ambivalent betrachtet – einmal als neue Stadt, dann wiederum als das »alte Danzig«.49 Beide Bezeichnungen lassen sich in der damaligen Presse häufig finden, wenn von den in der Innenstadt und vor allem in der Rechtstadt errichteten Bauten die Rede ist. Eindeutiger bezeichnet man dagegen die Menschen, die diese Bauten errichten und später bewohnen sollten. Es wird von den »neuen Menschen« gesprochen, manchmal stellt man sie bewusst der überwundenen und bezwungenen Vergangenheit gegenüber, so etwa, wenn davon die Rede ist, dass die wahre Moderne eben »neue Menschen in Patrizierhäusern«50 seien. Die Bezeichnung »neue Menschen« bzw. in diesem Kontext eher »der neue Mensch« erscheint in Zusammenhang mit Architektur zum ersten Mal im April 1949 in der Lokalpresse, in einem Bericht über eine Ausstellung sowjetischer Architektur im Warschauer Nationalmuseum51, um sich dann gründlich in den Darstellungen des Wiederaufbaus der folgenden Jahre einzunisten. Dieser Begriff ist eine der wirksamsten rhetorischen Wendungen, die im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau Danzigs auftauchen. Seine beiden Bestandteile geben in verknappter Form zwei in der damaligen Propaganda gängige Topoi wieder – auf der einen Seite das mit Fortschritt und Fortschrittlichkeit gleichgesetzte Neue, auf der anderen den Menschen, der zum Objekt der Fürsorge eines »sozialistischen Humanismus« wird. Selbstverständlich war der neue Mensch ein beim Wiederaufbau mitwirkender Arbeiter (Abb. 22, 23), vor allem, wenn er sich am sozialistischen Wettbewerb beteiligte oder Bestarbeiter war. Ein wichtiges Ereignis im sozialistischen Wettbewerb war der Anfang Oktober 1949 unternommene Versuch, beim Bau eines der Häuser in der ul. Ogarna einen Geschwindigkeitsrekord zu brechen, weshalb das Haus auch »szybkościowiec« – »Rapidbau« genannt wurde. Die Vorbereitungen zu dieser Heldentat und dem Bau selbst wurden von einem erheblichen Pressein49 Nowi ludzie odbudowują stary Gdańsk [Neue Menschen bauen das alte Danzig wieder auf]. In: Dziennik Bałtycki, 9. Juli 1949, 4. – Nowe życie w starych murach. Plan 6-letni – planem odbudowy Gdańska [Neues Leben in alten Mauern. Der 6-Jahr-Plan ist ein Plan zum Wiederaufbau von Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 2. Oktober 1950, 4. – W nowych słonecznych domach mieszkają nowi, szczęśliwi ludzie [In neuen, sonnigen Häusern wohnen neue, glückliche Menschen]. In: Dzien- nik Bałtycki, 30./31. März 1952, 4 (»Alte Stadt – junge Menschen«). – Oto Gdańsk dnia dzisiejszego [Das ist das Danzig von heute]. In: Głos Wybrzeża, 21./22. Juli 1951, 6 (»So sind heute die Bewohner von Danzig, des alten, aber zugleich neuen Danzig«). 50 Kobylińska, E.: Rozmowa na ulicy Długiej [Gespräch auf der ul. Długa]. In: Dziennik Bałtycki, 30./31. August 1953 (Beilage »Rejsy«), [7]; Siehe auch die vorhergehende Anmerkung. 51 Nowa architektura w służbie nowego człowieka [Neue Architektur im Dienste des neuen Menschen]. In: Dziennik Bałtycki, 12. April 1949, 2.



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teresse begleitet, vor allem von Seiten der Parteizeitung Głos Wybrzeża.52 Dies bestätigte den propagandistischen Charakter der ganzen Unternehmung, ähnlich wie eine Ansprache des Danziger Wojewoden Stanisław Zrałek, die er nach der Fertigstellung des Baus hielt: »Mit eigenen Augen haben wir gesehen, wie innerhalb von viereinhalb Tagen ein neues Haus entstanden ist. Viele glauben noch nicht, dass solche Leistungen möglich sind, aber jeder Tag überzeugt [sie davon], dass dies eine Tatsache ist. Die ganze kapitalistische Welt kann dies nicht verstehen. Fremd sind ihr unsere Arbeitsmethoden, fremd die Quelle unseres Tempos und unserer aufopferungsvollen Anstrengungen.«53 Der Bericht über die Vorbereitungen zur Errichtung des »Rapidbaus« liest sich wie der Entwurf zu einem Produktionsroman. Schon die ersten Worte eröffnen eine entsprechende Perspektive: »Die Initiative ging wie gewöhnlich von den Arbeitern aus«54, und weiter erfährt der Leser, dass der Gedanke während eines Besuchs in der Hauptstadt geboren worden sei55, und schließlich kann man von Nahem zusehen, wie die Idee in die Tat umgesetzt wird: »Nach der Rückkehr nach Danzig gab

52 Charakteristisch ist die Zurückhaltung des Dziennik Bałtycki, der diesem Ereignis nur einen Beitrag widmete: Nowy szybkościowiec w Gdańsku bije wszelkie rekordy [Neuer Rapidbau in Danzig bricht alle Rekorde], 9. Oktober 1949, 4. In der Głos Wybrzeża erschienen mindestens sechs Beiträge: Gdański szybkościowiec. Stylowa kamieniczka stanie w ciągu 9 dni na Starym Mieście [Der Danziger Rapidbau. Innerhalb von neun Tagen entsteht in der Altstadt ein Haus im alten Stil], 27. September 1949, 5. – Nowy system pracy przyśpieszy odbudowę Gdańska. Szybkościowiec przy ul. Ogarnej stanie w ciągu 9 dni [Neues Arbeitssystem beschleunigt den Wiederaufbau von Danzig. Rapidbau an der ul. Ogarna entsteht innerhalb von neun Tagen], 1. Oktober 1949, 5. – Szybkościowiec gdański rośnie. 28 proc. planu budowy – w ciągu pierwszej doby [Der Danziger Rapidbau wächst. 28 Prozent Planerfüllung innerhalb der ersten 24 Stunden], 5. Oktober 1949, 1. Eine Fotografie ist unterschrieben: »Der Danziger Rapidbau, innerhalb von viereinhalb Tagen erbaut von der Belegschaft des Volkseigenen Baubetriebs Nr. 5«, 9. Oktober 1949, 3. – Entuzjazm załogi przyśpieszył dwukrotnie budowę szybkościowca [Enthusiasmus der Belegschaft beschleunigt Errichtung des Rapidbaus um das Doppelte], 11. Oktober 1949, 4. Und schließlich ein Text, der sich auf den »Rapidbau« in der ul. Ogarna bezieht, als er den Bau eines weiteren, diesmal außerhalb der historischen Innenstadt, ankündigt: Przygotowania do budowy nowego szybkościowca w Gdańsku [Vorbereitungen zur Errichtung eines neuen »Rapidbaus« in Danzig], 15. Oktober 1949, 5. 53 Wskrzesimy stary Gdańsk dla jego nowych gospodarzy. Przemówienie wojewody gdańskiego inż. Stanisława Zrałka [Wir erwecken das alte Danzig für seine neuen Herren wieder zum Leben. Ansprache des Danziger Wojewoden Stanisław Zrałek]. In: Głos Wybrzeża, 9. Oktober 1949, 5. 54 Gdański szybkościowiec … (wie Anm. 52). 55 Die in der damaligen Propaganda so häufige Mythologisierung der Hauptstadt ist selbstverständlich keine polnische Erfindung. Ein herausragendes sowjetisches Beispiel für dieses Phänomen ist Ivan Pyrjews Spielfilm »Svinarka i pastuch« [Schweinehirtin und Schäfer]. Zur Mythologisierung Warschaus und Berlins in der stalinistischen Zeit siehe z. B.: Bartetzky, A.: Stadtplanung als Glücksverheiβung. Die Propaganda für den Wiederaufbau Warschaus und Ost-Berlins nach dem Zweiten Weltkrieg. In: Imaginationen des Urbanen. Konzeption, Reflexion und Fiktion von Stadt in Mittel- und Osteuropa. Hg. von A. Bartetzky, M. Dmitrieva und A. Kliems. Berlin 2009, 51–80.

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es unter den Arbeitern langanhaltende Diskussionen um die Anwendung des neuen Systems. Die Gespräche und Diskussionen führten dazu, dass man in dieser Angelegenheit einen allgemeinen Rat der Arbeiter des Volkseigenen Baubetriebs Nr. 5 einberief, die am Bau der Wohnhäuser des ZOR in der Alt [Rechts]stadt arbeiten. Es meldeten sich erfahrene Fachleute zu Wort, Bestarbeiter erhoben ihre Stimmen, Maurermeister und ihre Gehilfen. Das neue System siegte – es fiel der Entschluss, mit dem Bau eines neuen Wohnhauses an der ul. Garbary56 im Rapidsystem zu beginnen – innerhalb von neun Tagen.« Die weiteren Phasen erforderten dennoch eine direkte Beteiligung der Direktion des Volkseigenen Baubetriebs Nr.  557, die sich mit der Initiative der Arbeiter befasste, detaillierte Pläne ausarbeitete und diese an das Ministerium für den Wiederaufbau schickte, »von wo sie umfassend genehmigt zurückkehrten«58. Es wurde festgelegt, dass die Bauarbeiten am 1. Oktober beginnen sollten – tatsächlich begann man erst einige Tage später damit.59 An dem Gebäude sollten 60 Maurer in drei Schichten arbeiten.60 Über die Leistungen jeder Schicht sollte eine spezielle Tafel mit Diagrammen informieren.61 Dieser Aktion sahen angeblich Tausende von Danzigern zu.62 Wie vorausgesehen63 wurde die geplante Zeit zur Fertigstellung des Baus nicht nur eingehalten, sondern sogar um genau die Hälfte unterschritten.64 Der Erfolg schien vollkommen zu sein, doch entgegen der Überzeugung des Journalisten vom Głos Wybrzeża, der eine allgemeine Einführung des »Rapidsystems« im Wiederaufbau voraussagte65, wurde kein weiterer Versuch unternommen. 56 In späteren Berichten ist von der ul. Ogarna die Rede: Szybkościowiec gdański rośnie … (wie Anm. 52). 57 Die Volkseigenen Baubetriebe waren der unmittelbare Akteur im Auftrag des Generalausführenden, der Vereinigung für Stadtbau [Zjednoczenie Budownictwa Miejskiego]. Ausführlich schreibt Włodzimierz Gordziejczuk über die Organisationsstruktur des Wiederaufbaus: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 158–161. 58 Gdański szybkościowiec … (wie Anm. 52). 59 Szybkościowiec gdański rośnie … (wie Anm. 52). 60 Nowy system pracy … (wie Anm. 52); ein anderer Bericht spricht von 23 Arbeitern (Entuzjazm załogi … (wie Anm. 52). Vielleicht wurden im ersten Bericht alle Beschäftigten berücksichtigt, im zweiten nur die Maurer. 61 Leider wird nicht direkt gesagt, wieviele Stunden täglich die Arbeit dauern sollte, doch eine Information über die Installierung von vier Scheinwerfern und zehn weiteren Lichtquellen auf der Baustelle belegt, dass vorgesehen war, auch in der Dunkelheit zu arbeiten. 62 Frey (wie Kapitel 2, Anm. 62), 131. Frey hielt übrigens noch Jahre später die Errichtung des Rapidbaus für einen »echten Festtag der Bauarbeiter von Danzig«. 63 Nowy system pracy … (wie Anm. 52). 64 Entuzjazm załogi … (wie Anm. 52). 65 Nowy system pracy … (wie Anm. 52): »Das Rapidbausystem wird in Danzig beim Wiederaufbau der Stadt zweifelsohne breite Anwendung finden. Die Danziger Häuser im alten Stil in der Altstadt werden nicht, wie bisher, in Monaten, sondern in einigen dutzend oder sogar nur einigen Tagen entstehen.«



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Warum? Die Erklärung liefern die 25 Jahre später formulierten Erinnerungen des Maurers Bernard Hinz, der am Wiederaufbau der Rechtstadt und unter anderem auch der ul. Ogarna mitarbeitete: »Schnell wurde das […] für einige Zeit vielberedete 3-Schichten-System wieder abgeschafft, weil schlicht niemand bereit war, mitzumachen. Ein Maurer war in diesem System kein Maurer – die Ziegel legten die Gehilfen für ihn, und er kam bloß und glättete hier und verschob dort ein bisschen, und das war’s. Oder die berühmte Normübererfüllung um 600–700 Prozent. Das war entweder eine Show, bei der man Material und Werkzeug drei Wochen vorher zurechtgelegt hatte und die Leute bis zum Umfallen bauten, oder es wurde getrickst […]. Denn schließlich hat keiner mehr als zwei Hände, und die Normen waren damals ganz schön hoch. Unsere Brigade erfüllte sie zu 150 bis 180 Prozent – und das war alles, was auf ehrliche Weise zu leisten war.«66 Eine ähnliche Scheinerrungenschaft war das Durchführen von Arbeiten im Winter, eine Fähigkeit, die polnische Maurer beherrschten, »da sie die uns freundlicherweise überlieferten sowjetischen Methoden des Winterbaus anwenden.«67 Dies stelle eine große, nicht nur technische, sondern auch soziale Errungenschaft dar, weil im Gegensatz zu den vergangenen Zeiten Maurer und andere Bauarbeiter nicht mehr zur saisonalen Arbeitslosigkeit verdammt seien.68 Ein sicherlich unvorhergesehener Effekt der Winterarbeiten war jedoch, dass die unter solchen Bedingungen errichteten Gebäude sehr feucht waren.69 Doch unabhängig davon, wie die Wiederaufbauarbeiten tatsächlich aussahen, lebte die Propaganda von spektakulären Heldentaten der »neuen Menschen«. Eine solche war zweifelsohne der Erfolg der in der Rechtstadt, auf der Baustelle 40-C arbeitenden Maurerbelegschaft, die im Wettbewerb um den Titel der besten Baubrigade Polens siegte.70 Besonders interessant wegen des Ortes ist ein Bericht von einem anderen »Abschnitt« des Wiederaufbaus, der Baustelle 40-A, dem Block zwi66 Hinz, B. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 184 f. 67 Mańska, F.: Budujemy mimo mrozu i śniegu [Wir bauen trotz Frost und Schnee]. In: Dziennik Bałtycki, 8. Januar 1951, 2. Zu den sowjetischen Vorbilder siehe: Skrócenie martwego sezonu w budownictwie przyniesie wielkie korzyści robotnikom i gospodarce narodowej [Die Verkürzung der Wintersaison im Bauwesen bringt Arbeitern und Volkswirtschaft großen Nutzen]. In: Głos Wybrzeża, 17. Mai 1950, 4. Über die Arbeiten im Winter: Mrozy nie przeszkodzą w prowadzeniu robót budowlanych na Wybrzeżu [Der Frost verhindert nicht die Bauarbeiten an der Küste]. In: Głos Wybrzeża, 24.–26. Dezember 1949, 9. – Pracownicy PPB nie boją się mrozów [Die Mitarbeiter der Volkseigenen Baubetriebe fürchten keinen Frost]. In: Dziennik Bałtycki, 13. Januar 1950, 3. – Ostrowska, R.: Odcinek »C« zwyciężył zimę [Abschnitt »C« hat den Winter besiegt]. In: Dziennik Bałtycki, 1. April 1951 ( Beilage »Rejsy«), 1. 68 Mańska (wie Anm. 67). – Oto Gdańsk dnia dzisiejszego [Dies ist das Danzig von heute]. In: Głos Wybrzeża, 21./22. Juli 1951, 6. 69 Sokół (wie Anm. 17), 146. 70 Nazwiska ich winien znać każdy: Rupiński i Rosiński czołowymi pracownikami budowlanymi trójmiasta [Ihr Namen sollte jeder kennen: Rupiński und Rosiński, Baubestarbeiter von DanzigGdynia-Zoppot]. In. Dziennik Bałtycki, 14. Dezember 1950, 4.

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schen ul. Garbary, ul. Długa, ul. Ogarna und ul. Pocztowa. Der den Bau leitende Ingenieur Radomski erklärte den vom Arbeitstempo erstaunten Journalisten: »[…] seht Ihr, der Wettbewerb unter Maurern, Zimmerleuten und Betonarbeitern tut das seine […]. Ihr dürft dabei nicht vergessen, dass wir nicht überall [wegen des historischen Charakters des Baues, J. F.] im 3-Schichten-System arbeiten konnten.«71 Die kollektiven Arbeitsmethoden wurden nicht nur in Pressepublikationen propagiert72, sondern auch durch spezielle Vorführungen, »die von einer Bestarbeiterequipe aus Warschau auf Baustellen in Danzig durchgeführt wurden«.73 Doch nichts konnte einen eindrucksvollen kollektiven Erfolg ersetzen. Zu einem solchen wurde die Heldentat des Maurerduos Plackowski-Kośmicki74 (oder PlatkowskiKuśmicki75), die mit der Errichtung der Kellerwände eines der Häuser an der ul. Piwna / Jopengasse bei 875  %-iger Normerfüllung den polnischen Rekord aufstellten.76 Weiter erhielt Jan Kiersznikowicz, der in der Rechtstadt arbeitete, den Titel des besten Bauarmierers in Polen.77 Ein anderer Bestarbeiter der Rechtstadt, der Maurer Kazimierz Ujma, der die Monatsnorm zu 220% erfüllte, enthüllte die Rolle, die die Oktoberrevolution und ganz allgemein das sowjetische Vorbild bei seinem Erfolg gespielt hätten: »Niemand anderem, als der Volksrepublik, also der Oktoberrevolution, verdanke ich, dass ich eine so hohe Qualifikation erhalten habe […]. Heute, nachdem ich den Vorarbeiterkurs abgeschlossen habe, habe ich die Ehre, zur Brigade des Kollegen Talaśko zu gehören, aus der Bestarbeiter wie der Rekord-Maurer Wyszkowski und der Maurer Połatyński hervorgegangen sind. Sie

71 Mokrzyszewski, B.: Ludzie odcinka »40A«. Gdański »Mariensztadt« (sic) jest naprawdę śliczny [Die Leute vom Abschnitt »40A«. Die Danziger »Mariensztadt« (sic) ist wirklich reizend]. In: Dziennik Bałtycki, 14. August 1950, 2. Nebenbei gesagt belegt die Bezeichnung der Rechtstadt als »Danziger Mariensztat« eine komplette Geschichtsumdeutung. Soweit ich weiß, hat sich diese propagandistische Bezeichnung jedoch nicht durchgesetzt. 72 Zu Muranów: Ruszył »potok«. Doniosły krok naprzód w budownictwie [Die »Fließarbeit« ist in Gang gekommen. Ein deutlicher Schritt vorwärts im Bauwesen]. In: Głos Wybrzeża, 26. März 1950, 4. 73 Stare musi ustąpić nowemu. Pokazy zespołowych metod pracy w budownictwie [Das Alte muss dem Neuen weichen. Vorführungen kollektiver Arbeitsmethoden im Bauwesen]. In: Głos Wybrzeża, 28. September 1951, 5. 74 Praca zespołowa przyśpieszy wykonanie planów. Jak Plackowski i Kośmicki pobili rekord murarski [Kollektivarbeit beschleunigt Planerfüllung. Wie Plackowski und Kośmicki den Mauerrekord gebrochen haben]. In: Dziennik Bałtycki, 12. April 1951, 4. 75 Diese Version ihrer Namen auf der Titelseite in: Murarze Gdańska ustanowili nowy rekord ogólnopolski [Danziger Maurer haben einen neuen polnischen Rekord aufgestellt]. In: Głos Wybrzeża, 10. April 1951. – Die Nachlässigkeit in der Schreibung der Namen dieser beiden Helden mag mit einem Phänomen zusammenhängen, das ich als »typisierte Individualisierung« bezeichne, siehe dazu die folgenden Ausführungen dieses Kapitels. 76 Murarze Gdańska ustanowili … (wie Anm. 75). 77 Kiersznikowicz, J.: Jak zdobyłem tytuł najlepszego zbrojarza budowlanego w kraju [Wie ich den Titel des besten Bauarmierers im Lande errungen habe]. In: Głos Wybrzeża, 23./24. Mai 1953, 3.



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sind die ersten, die auf der Baustelle den sozialistischen Wettbewerb nach dem Vorbild der sowjetischen Maurer eingeführt haben.«78 Von den sowjetischen Maurern übernahm man (zumindest deklarativ) nicht nur die Methoden der Arbeitsorganisation, sondern auch die »in der Welt führende Technik«79 – zum Beispiel eine beim Bau an der ul. Długa verwendete Verputzmaschine.80 Zu einem sichtbaren Zeichen des gesellschaftlichen Aufstiegs des »neuen Menschen« wurde das Beispiel des Maurers und Bestarbeiters Stanisław Wyszkowski, der zum Direktor eines Baubetriebes wurde.81 Noch als Maurer erfüllte er »beim Bau alter Danziger Häuser« die Norm zu 491% und brach den polnischen Rekord im Kollektivbau. Er sagte damals: »Durch meine Arbeit habe ich bewiesen, dass man sogar unter schwierigen Bedingungen [es geht hier um »den historischen Charakter des Bauwerks«, J. F.] die Normen weit überschreiten kann. Ich weiß, dass wir durch die ständige Erhöhung der Arbeitsproduktivität unseren Wohlstand mehren und die Pläne der Kriegstreiber durchkreuzen werden.«82 Die Mehrzahl solcher Rekorde wurde aus Anlass verschiedener Feiertage aufgestellt, zum Beispiel des Internationalen Friedenstages83, des Jahrestages der Ok78 Co mi dała Rewolucja Październikowa. Kto wie, czy byśmy dzisiaj pracowali w Gdańsku? [Was mir die Oktoberrevolution gegeben hat. Wer weiß, ob wir sonst heute in Danzig arbeiten würden?]. In: Dziennik Bałtycki, 22. November 1950, 3. In dieser Äußerung lässt sich der Versuch erkennen, eine spezifisch sozialistische bzw. proletarische Genealogie aufzustellen. 79 Skolimowski, J.: Radziecka tynkownica wykańcza nasze domy. Próba nowej maszyny przełamała nieufność gdańskich murarzy [Sowjetische Verputzmaschine vollendet unsere Häuser. Die Vorführung der neuen Maschine hat das Misstrauen der Danziger Maurer beseitigt]. In: Dziennik Bałtycki, 19. September 1951, 3. Der Titel rekurriert ausdrücklich auf die für die damalige Propaganda charakteristische Opposition »alt und neu«. 80 Skolimowski (wie Anm. 79). 81 Włodzimierz Gordziejczuk, 1950–1952 führender Verantwortlicher für die Arbeiten in der Rechtstadt, äußerte sich Jahre später etwas spitz zum Thema eines auf diese spezifische Weise verstandenen sozialen Aufstiegs: »Im Übereifer haben manche den Begriff des Fortschritts und des sozialen Aufstiegs verflacht oder sogar verzerrt. Es kam vor, dass Menschen ohne entsprechende Vorbereitung aufgestiegen sind, oft zu ihrem eigenen Schaden.« Gordziejczuk (wie Anm. 18), 157. – Über Wyszkowski selbst äußert er sich dagegen anerkennend (165). 82 Murarz – dyrektorem przedsiębiorstwa budowlanego. Jest nim inicjator pracy zespołowej ob. Wyszkowski [Ein Maurer als Direktor der Baubetriebe. Bürger Wyszkowski, der Initiator der Kollektivarbeit]. In: Dziennik Bałtycki, 11. Januar 1951, 4. Die Phraseologie der zitierten Äußerung findet ihre visuelle Entsprechung in satirischen Zeichnungen, zum Beispiel in: Dziennik Bałtycki, 26./27. April 1953: Stilisiert zu einer Eins mit der Inschrift »Produktionsverpflichtungen« über dem Wort »Mai« (also: Erster Mai) hält ein kräftiger Arbeiter mit hochgekrempelten Ärmeln einen Presslufthammer in der Hand. Mit dem Hammer nagelt er zwei sich konvulsivisch windende Individuen fest – einer davon verliert seinen Zylinder mit der Aufschrift »Wall Street« und presst seine Hand auf einen Sack mit Dollars, der andere, mit Fliege, hält »Aggressionspläne« in der Hand, die mit einem charakteristischen Monogramm versehen sind: den Buchstaben »U« und »S«, die von einem Hakenkreuz gespalten werden. 83 Nowy szybkościowiec … (wie Anm. 52).

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toberrevolution84, und vor allem des 1. Mais85 und des Tages der Wiedergeburt Polens am 22. Juli86 [zwischen 1945 und 1990 polnischer Nationalfeiertag, Anm. d. Ü.]. Spezielle Anlässe lieferten die Geburtstage politischer Führer – der 70. von Stalin87 und der 60. von Bierut88. Letzteren ehrten die Arbeiter des Danziger »Mia-

84 Ku czci wielkiego Października. Załogi budowlane Trójmiasta oddadzą przed terminem do użytku 225 izb mieszkalnych [Zu Ehren des Großen Oktober. Die Baubelegschaften von DanzigGdynia-Zoppot übergeben vorzeitig 225 Wohnräume zur Nutzung]. In: Głos Wybrzeża, 5. November 1951, 3. – Zobowiązanie zrealizowane! Budowę kina w Gdańsku zakończono [Produktionsverpflichtung erfüllt! Kinobau in Danzig abgeschlossen]. In: Dziennik Bałtycki, 29. Oktober 1953. 85 Umacniamy pokój (wie Anm. 29), 6. – 20 nowych budynków wykończą przed terminem robotnicy budowlani dla uczczenia Święta Pracy [Zur Ehrung des Tags der Arbeit stellen Bauarbeiter vorzeitig 20 Gebäude fertig]. In: Dziennik Bałtycki, 7. April 1951, 4. – Wspaniały będzie nasz 1 Maj. Robotnicy trójmiasta meldują o wykonaniu zobowiązań [Glänzend wird unser 1. Mai sein. Arbeiter von Danzig-Gdynia-Zoppot melden Erfüllung der Produktionsverpflichtungen], Dziennik Bałtycki, 20. April 1951, 3. – W Czynie (sic) 1-majowym odgruzowywali Gdańsk [Mit Arbeitseinsatz zum 1. Mai wurde Danzig von Trümmern befreit]. In: Dziennik Bałtycki, 29. April 1952, 4. – U gdańskich kamieniarzy przed 1 Maja. Na Ogarnej rozkwitają kamienne kwiaty [Vor dem 1. Mai bei Danziger Steinmetzen zu Besuch. In der ul. Ogarna blühen Blumen aus Stein]. In: Dziennik Bałtycki, 19./20. April 1953, 4. – Ostrowska, R.: Odcinek »C« zwyciężył zimę [Bauabschnitt »C« hat den Winter besiegt]. In: Dziennik Bałtycki, 1. April 1951 (Beilage »Rejsy«), 1. Eine besondere Art von Produktionsverpflichtung zum 1. Mai beschreibt der folgende Artikel: Murarze z ul. Lektykarskiej wystawią »Balladynę«, jako swój czyn [Maurer aus der ul. Lektykarska (Portechaisengasse) führen als Arbeitseinsatz Słowackis »Balladyna« auf]. In: Dziennik Bałtycki, 3. Mai 1951, 4. 86 ZOR oddał 22 lipca 88 mieszkań nowym lokatorom – ludziom pracy [ZOR hat am 22. Juli 88 Wohnungen ihren neuen Mietern – den Werktätigen – übergeben]. In: Dziennik Bałtycki, 25. Juli 1950, 4. – Kopia zabytkowej figury będzie gotowa już 22 lipca br. [Kopie von historischer Figur schon am 22. Juli diesen Jahres fertig]. In: Dziennik Bałtycki, 19. Mai 1953, 4. – Ich czyn lipcowy przyspiesza odbudowę miasta. Maskarony (sic) rzeźbi się w Gdańsku [Ihr Julieinsatz beschleunigt Wiederaufbau der Stadt. Maskarone werden in Danzig gefertigt]. In: Dziennik Bałtycki, 5./6. Juli 1953, 4. – Kamieniarze realizują swe zobowiązania. Zanim Mars i Merkury ozdobią kamieniczki starego Gdańska [Steinmetze erfüllen ihre Produktionsverpflichtungen. Bis Mars und Merkur die Häuser des alten Danzig schmücken]. In: Dziennik Bałtycki, 17. Juli 1953, 3. – Oddanie mieszkań przed terminem stało się sprawą ich honoru. Nowe domy przy ul. Szerokiej [Vorzeitige Wohnungsübergabe war ihnen Ehrensache. Die neuen Häuser an der ul. Szeroka (Breitgasse)]. In: Dziennik Bałtycki, 22. Juli 1955, 6. 87 Przyspieszeniem tempa budowy witają robotnicy rocznicę urodzin Wodza [Arbeiter begehen Geburtstag des Großen Führers mit Beschleunigung des Arbeitstempos]. In: Głos Wybrzeża, 21. Dezember 1949, 9 (es geht u. a. um die in der ul. Ogarna arbeitende Belegschaft des Volkseigenen Baubetriebs Nr. 5). 88 »Grzenia begeht den Geburtstag des Präsidenten und absolviert 1.598 Arbeitsstunden, 598 über der Norm«. – Według wskazań Pierwszego Budowniczego Polski Ludowej. Piękno przeszłości i przyszłości zamknie w swych murach nowy socjalistyczny Gdańsk [Nach Weisung des Obersten Erbauers Volkspolens. Das neue sozialistische Danzig vereint in seinen Mauern vergangene und zukünftige Schönheit]. In: Głos Wybrzeża, 18. April 1952, 8.



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stoprojekt« (Stadtprojekt) mit der Übernahme von Produktionsverpflichtungen, worüber sie den Jubilar mit einem speziellen Brief informierten. Dieser besaß ein »künstlerisch gestaltetes« Titelblatt, auf dem das Danziger Stadtwappen haltende Löwen abgebildet waren, gestützt auf ein Band, das die Parole »Wir bauen das neue, sozialistische Danzig« trug, flankiert von einer Ansicht der Rechtstadt und einem Fragment des für den Stadtteil Wrzeszcz / Langfuhr entworfenen »Danziger Wohnviertels« mit seinem charakteristischen Turm.89 Von einigen der Produktionsverpflichtungen wird nur soviel gesagt, dass sie eingegangen oder schon realisiert worden seien, ohne den Anlass zu benennen.90 »Der neue Mensch«, das sind auch Frauen auf dem Bau. Ein Journalist der Zeitung Głos Wybrzeża begrüßte enthusiastisch dieses neue Phänomen und schrieb: »Viele Frauen – Bewohnerinnen der Küstenregion, die ein paar Jahre früher noch ohne Beruf waren, arbeiten gegenwärtig in verschiedenen Betrieben. Schon sehen wir Frauen, die an Hebe- und Laufkränen arbeiten, die Aufgaben als Schweißerinnen, Nieterinnen usw. erfüllen. Es gibt gegenwärtig kein einziges Arbeitsgebiet, in dem Frauen keine Beschäftigung fänden, und häufig führen sie im Wettbewerb mit den Männern.«91 Außerdem stellt er zufrieden fest: »Immer mehr Frauen melden sich gegenwärtig zur Arbeit am Wiederaufbau des Alten Danzig.«92 Unter ihnen auch Janina Gołębiowska, die vorher im Transportwesen gearbeitet hatte und schon am ersten Arbeitstag innerhalb von vier Stunden die Norm zu 120% erfüllte93 (Abb.  24). Bei einem so glänzenden Auftakt wundert es nicht, dass sie knapp zwei Wochen später, zumindest den Pressemeldungen zufolge, schon über 200 % erreichte.94 Der Fall der Gołębiowska war so außergewöhnlich, dass er in einem 89 Eine Reproduktion gibt der Dziennik Bałtycki als Illustration zu folgendem Artikel wieder: Czynem wyraża miłość do Prezydenta inteligencja techniczna Wybrzeża [Technische Intelligenz der Küstenregion drückt mit Arbeitseinsatz ihre Liebe für den Präsidenten aus], 6. März 1952, 3. In einem daneben stehenden Briefauszug lesen wir u. a.: »Architekten und Konstrukteure, Stadtplaner und Finanzplaner, die Belegschaft von Sanitär- und Elektrowerkstätten, Baustellenlogistik und Verwaltung, Jugend und Frauen – sie verstehen vollauf die Wohnbedürfnisse der Werktätigen der Küstenregion und im Besonderen des Werftarbeiters und des Fischers [der Fischer ist ein selten verwendetes Motiv, J. F.], und mit dem Ziel einer beschleunigten Ausführung der für den Siedlungsbau unentbehrlichen technischen Dokumentation beschließen sie, die Ausführungszeit zu verkürzen und übernehmen die Verpflichtung zu einer außerplanmäßigen Produktionseinheit in Form von 591 Arbeitstagen mit dem Wert von 45.932 Złoty.« 90 So wurden zum Beispiel beim Bau der Schule in der ul. Ogarna »insgesamt 16 Produktionsverpflichtungen übernommen« – Dziennik Bałtycki, 27. April 1954. Das Datum lässt vermuten, dass es hier um Produktionsverpflichtungen zum 1. Mai geht. 91 Kobiety – cieśle i murarze pracują przy odbudowie Starego Miasta [Frauen arbeiten als Zimmerleute und Maurer beim Wiederaufbau der Altstadt]. In: Głos Wybrzeża, 17. August 1950, 5. 92 Kobiety … (wie Anm. 91). 93 Kobiety … (wie Anm. 91). 94 Na budowach Starego Gdańska toczy się zwycięska walka o plan [Auf den Baustellen des Alten Danzig wird siegreich um Planerfüllung gekämpft]. In: Głos Wybrzeża, 26. August 1950, 4.

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Buch erwähnt wurde, das die Leistungen der Volksrepublik in der Küstenregion anpries.95 Hier erfährt man auch, dass die Danziger Maurerin sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhte – im März 1951 verpflichtete sie sich während der Plenarsitzung des Polnischen Komitees der Verteidiger des Friedens dazu, als Anlass des Tages der Arbeit bis zum 1. Mai die Keller von acht Häusern an der ul. Długa zu verputzen und damit die Norm zu 380% zu erfüllen, was sie schließlich auch sechs Tage vor dem Termin tat.96 Sozialistischer Wettbewerb, kollektive Arbeitsmethoden, Winterbau, schließlich das Einspannen der Frauen in den Wiederaufbauprozess – all dies sollte dem neuen, sozialistischen Bauen dienen. Dieses Bauen, das sowohl die grundlegenden als auch die »soziokulturellen [Lebensbedürfnisse] des Werktätigen und seiner Familie«97 berücksichtigen sollte, wurde ausdrücklich der kapitalistischen Vergangenheit gegenübergestellt, der Bau von »fortschrittlichen Wohnsiedlungen«98 wurde als Überwindung der »Überreste kapitalistischer Traditionen im Bau von Arbeiterwohnungen«99 angesehen. Diese Gegenüberstellung wird quasi zu einem Leitmotiv, das besonders explizit in einer im Oktober 1950 veröffentlichten Äußerung von Stanisław Podgórczyk, eines Mitarbeiters der Bezirksdirektion der Staatlichen Eisenbahn (Dyrekcja Okręgowa Kolei Państwowych, DOKP) benutzt wird, in der er die Vorkriegsbebauung Danzigs mit den folgenden Worten beschrieb: »Ich erinnere mich an den äußeren, oberflächlichen Prunk der Altstadthäuser. Ich erinnere mich an das schreckliche Elend der unterschiedlichsten Buden, mit denen die Plätze, die von den geschlossenen Häuserblocks geschaffen wurden, bebaut waren«, um dann entschieden zu erklären: »Niemand wird mehr in ›Wanzenbuden‹ [deutsch im Original] wohnen. Ihren Platz nehmen Grünflächen ein, auf denen unsere fröhlichen, lachenden Kinder spielen werden.«100 Diese Rhetorik kehrt im Titel eines wenige Tage vor dem 22. Juli 1951 veröffentlichten Artikels wieder: »In sieben Jahren haben wir mehr für die Werktätigen getan als die Sanacja-Regierung der Vorkriegszeit in zwanzig. Danzig wird eine Stadt gesunder und glücklicher Menschen sein.«101 95 Wnuk (wie Anm. 39), Kapitel 3: »Der Königsweg für die Maurer«, 26–38, hier 34–38 (über die Gołębiowska). 96 Wnuk (wie Anm. 39), 37 f. 97 Charakterystyka budownictwa ZOR-u w roku 1950 [Die Bautätigkeit des ZOR im Jahr 1950]. In: Dziennik Bałtycki, 5. August 1950, 5. 98 Charakterystyka budownictwa … (wie Anm. 97). 99 Charakterystyka budownictwa … (wie Anm. 97). 100 Nowe życie w starych murach [Neues Leben in alten Mauern]. In: Dziennik Bałtycki, 8. Oktober 1950, 4. 101 Dziennik Bałtycki, 17. Juli 1951, 4. Der zweite Teil des Titels entspricht einem Abschnitt aus dem Entwurf für die polnische Verfassung, der ein halbes Jahr später zum Motto für einen anderen Text über den Wiederaufbau von Danzig wurde: »Die Volksrepublik Polen sichert das ständige Wachstum von Wohlstand, Gesundheit und kulturellem Niveau der Volksmassen« – Jeszcze



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Im Jahr 1950, am Tag vor dem Weihnachtsfest, das damals als »die Feiertage« bezeichnet wurde102, hatten die Leser des Dziennik Bałtycki die Möglichkeit, eine Familie näher kennenzulernen, die als pars pro toto jener »gesunden und glücklichen Menschen« stand, die in der ul. Ogarna wohnten – die Familie Siejka.103 Dies war eine der Familien, die die Feiertage nicht – wie vor dem Krieg – in »verfallenden, heruntergekommenen Häusern oder in den Baracken von Grabówek [Grabau], sondern in den neuen Siedlungen der ul. Ogarna, in Siedlce [Schidlitz], in Oliwa oder in Wzgórze Focha [heute Wzgórze św. Maksymiliana] in Gdynia«104 feiern. Sie feiern sie dabei »üppiger als jemals zuvor«, sichtbare Zeichen dessen sind »schöner Schinken, Wurst und Schweinebraten«105 auf dem Tisch. Die propagandistische Absicht der Publikation offenbart sich in einer der Hausfrau zugeschriebenen Äußerung: »Wir wollen unseren Weihnachtsbaum so schmücken, dass die Kinder wissen, dass sie an der Küste wohnen, nahe am Meer, und dass sie wissen, dass in diesem Moment die Bewahrung des Friedens das Wichtigste ist. Wir werden also Möwen basteln […], aus weißem Zeichenkarton schneiden wir kleine Schiffe aus, Segelboote und vor allem viele kleine hübsche Täubchen. Unsere Kinder, auch wenn sie noch klein sind, sollen wissen, dass die Taube das Symbol für den Frieden ist, und der Frieden ist das teuerste Gut auf der Welt.«106 Diese Aussage soll auf das politische Bewusstsein der »Neuen Menschen des Alten Danzig« verweisen, das auch bei anderen Gelegenheiten präsentiert werden sollte. Eine davon war das Nationale Plebiszit für den Frieden. Unter denen, die als erste den Friedensappell unterzeichneten, waren »die Erbauer des alten Danzig«.107 Einer von ihnen sollte seine Motivation wie folgt erklären: »Wir haben [unsere Stimme] mit diesem einen Gedanken abgegeben, um noch einmal vor der ganzen Welt dem Krieg ein deutliches NEIN auszusprechen. Wozu hätten wir wohl neue

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jedno nowe osiedle dla ludzi pracy z trójmiasta [Noch eine neue Siedlung für die Werktätigen von Danzig-Gdynia-Zoppot]. In: Dziennik Bałtycki, 28. Februar 1952, 3. In der damaligen Presse wurde die Bezeichnung »Weihnachten« vermieden und konsequent durch »die Feiertage« ersetzt. Tegoroczne święta ludzie pracy spędzają dostatniej, niż kiedykolwiek [Die Werktätigen verbringen diesjährige Feiertage reichlicher denn je]. In: Dziennik Bałtycki, 24.–26. Dezember 1950, 7. Tegoroczne święta ludzie … (wie Anm. 103). Tegoroczne święta ludzie … (wie Anm. 103). Tegoroczne święta ludzie … (wie Anm. 103). Kosiński, J. [Leiter der Abteilung für Arbeitsmodernisierung des Städtischen Baukombinats ZBM]: Karta plebiscytowa – w ręku gdańskiego murarza [Die Abstimmungskarte in den Händen des Danziger Maurers]. – Dieser Text ist Teil einer Sammelpublikation mehrerer Autoren unter dem gemeinsamen Titel: Ludność trójmiasta twardo i zdecydowanie manifestuje wolę walki o pokój i nienawiść przeciwko imperialistycznym podżegaczom wojennym [Die Bevölkerung von Danzig-Gdynia-Zoppot manifestiert hart und entschlossen ihren Willen zum Kampf um den Frieden und ihren Hass auf die imperialistischen Kriegstreiber]. In: Dziennik Bałtycki, 18. April 1951, 3.

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Häuser, neue Läden gebaut, was sollen die Straßen Danzigs, die Plätze, Rathäuser und schönen Baudenkmäler – wenn wir nicht für ein friedliches Leben unserer Gesellschaft, für den Frieden unserer koreanischen Brüder, für die Bewahrung des Weltfriedens immer und überall kämpfen, wo und wann es nötig ist.«108 Ein anderer erklärt: »Wenn ich daran denke, dass es welche gibt, die einen neuen Krieg entfesseln und das zerstören wollen, was wir aus den Trümmern errichtet haben, die unsere Leistungen zerstören wollen, dann packt mich die Wut. Deswegen werde ich umso aktiver für den Frieden kämpfen.«109 Die so dargestellten Bewohner von Danzig wurden zu einer homogenen, einförmigen Masse, die sich zusammen mit den von ihr bewohnten Gebäuden zu einer »neuen, prachtvollen Stadt, sozialistisch im Inhalt und national in der Form«110 fügte, in der »in neuen sonnigen Häusern neue glückliche Menschen wohnen.«111 Der Monotonie dieses Bildes sollten Versuche der Differenzierung vorbeugen, doch in der Regel wurde zu diesem Zweck ein Verfahren angewendet, das man »typisierte Individualisierung« nennen könnte, was der folgende Abschnitt glänzend illustriert: »Neben dem Bestarbeiter von der Werft wohnt unter einem Giebel im Stil der Danziger Renaissance ein Architekt; in der Nachbarwohnung eine Arbeiterin aus der Textilfabrik, die die Norm zu 160  % erfüllt, ein Literat und ein Straßenbahner – Menschen, für die Arbeit nicht bloß eine

108 Dwie krótkie rozmowy. W cieniu starogdańskich śpichlerzy [Zwei kurze Gespräche. Im Schatten der Altdanziger Speicher]. In: Dziennik Bałtycki, 23. Mai 1951, 2. Der Charakter der zitierten Äußerung sowie der Umstand, dass der Name des Urhebers, eines Maurers, nicht angegeben wird – man beschränkt sich auf die Nennung seines Arbeitsplatzes, die ul. Chmielna / Hopfengasse (daher übrigens auch die im Text vorkommenden Läden) – lässt zu der Annahme neigen, dass diese Äußerung vom Autor des Artikels erfunden wurde. 109 Do Starego Miasta przybywają nowi mieszkańcy. ZOR oddaje do użytku ludzi pracy 630 nowych izb [Die neuen Bewohner kommen in die Altstadt. ZOR übergibt Werktätigen 630 neue Räume zur Nutzung]. In: Głos Wybrzeża, 19. Januar 1951, 6. 110 W nowych słonecznych domach mieszkają nowi, szczęśliwi ludzie [In neuen sonnigen Häusern neue glückliche Menschen wohnen]. In: Dziennik Bałtycki, 30, 31. März 1952, 4. Diese Formulierung gehört zu den in der damaligen Phraseologie am häufigsten verwendeten. Da sie eng mit der architektonischen Problematik des Sozrealismus verbunden ist, behandle ich sie im Kapitel 4, das diesen Fragen gewidmet ist. Siehe auch: Nowe miasto i nowi ludzie [Neue Stadt und neue Menschen]. In: Dziennik Bałtycki, 22. Juli 1952: »eine Stadt, historisch in der Form, aber neu im Inhalt«. 111 W nowych słonecznych domach … (wie Anm. 110). Die Benutzung der Metaphorik von Sonne und Licht ist eine der damals wichtigsten rhetorischen Strategien, die wohl einen doppelten Hintergrund hat; auf der einen Seite werden positive Konnotationen, gestützt auf die universelle Symbolik von Licht und Helligkeit hervorgerufen; auf der anderen Seite wird eines der Prinzipien des damaligen Städtebaus betont: die Notwendigkeit von angemessen hellen Wohnräumen. Nicht unwichtig war auch die Möglichkeit, die neuen, sozialistischen, lichtdurchfluteten Häuser den dunklen Häusern im Kapitalismus gegenüberzustellen. Siehe etwa: Ulicami starego Gdańska [In den Straßen des alten Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 30./31. März 1952, 4.



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Pflicht, sondern auch eine Ehre ist.«112 Das zitierte Fragment offenbart noch einen anderen Aspekt der Propaganda, indem es apotheotisch eine Gemeinschaft von Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft verkündet, in der diese Unterschiede aber nivelliert werden.113 Die Mitglieder dieser Gemeinschaft werden wiederum »Neue Menschen« genannt, und nach den Worten des Autors der Publikation »sind sie gereift […] im Laufe dieser acht Jahre seit dem Moment, als das historische Julimanifest ihnen bis dahin unbekannte Perspektiven für Entwicklung und Wohlstand eröffnete. Diese Menschen arbeiten mit größtem Eifer für ihr Glück und das weitere Aufblühen des Landes«114 – so wie der Maurer Wunderlich, der dem Journalisten offenbart, woraus er seine Kraft schöpft – »weil man weiß, dass in diesen Häusern keine Bummelanten wohnen werden, sondern solche Leute wie ich selbst, Werktätige.«115 Den – zumindest postulierten – kollektiven Charakter der »neuen Stadt und neuen Menschen« geben die folgenden Worte besonders knapp und deutlich wieder: »Die neuen Danziger Häuser sind nicht das Eigentum uns gleichgültiger Individuen, sondern der ganzen Stadt.«116 Nicht zufällig nahm auch der Bezug der ersten Wohnungen einzelner Blocks den Charakter eines öffentlichen Ereignisses an, mit einer zweifachen Botschaft. Auf der einen Seite wurden die messbaren Erfolge des sozialistischen Staates kommuniziert, der in großem Tempo immer neue Häuser errichtete; auf der anderen bekräftigte man das abstraktere Gefühl einer neuen sozialistischen Gerechtigkeit, die diese Häuser ihrem rechtmäßigen Eigentümer übergibt – der Arbeiterklasse. So war auch der erste Mieter in der ul. Ogarna ein Bestarbeiter – der Fahrer und Mechaniker Alfred Siejka117 mit seiner Familie, ihre Festtagsvorbereitungen konnten die Leser des Dziennik Bałtycki einige Monate später verfolgen.118 Der Bericht, der mit dem Bild der spielenden

112 Nowe miasto … (wie Anm. 110). 113 Über »die sozialpolitische Politik (sic) des Staates, der dem Wohnungsbau das Prinzip aufzwang, unter einem Dach Familien unterschiedlicher Klassen- und Kulturzugehörigkeit zusammenzubringen« schreibt in Bezug auf die 50er Jahre Adam Miłobędzki und bemerkt gleichzeitig sehr zutreffend, dass die Warschauer Altstadt vor dem Krieg ein vernachlässigtes Viertel war und nach dem Krieg zu einem elitären Viertel wurde, so dass die dort gebauten attraktiven Wohnungen, die den intellektuellen Eliten des damaligen Polen zugesprochen wurden, zu einem wichtigen Element wurden, um jene Eliten für sich zu gewinnen. – Miłobędzki (wie Einführung Anm. 22), 140. 114 Nowe miasto … (wie Anm. 110). 115 Wyrastają nowe domy starego Gdańska. Załogi ZB znajdują sposób na wszystkie trudności [Die neuen Häuser des alten Danzig wachsen. Die Belegschaften des Baukombinats finden eine Lösung für alle Probleme]. In: Dziennik Bałtycki, 13. Dezember 1951, 3. 116 Nowe miasto … (wie Anm. 110). 117 Pierwszy lokator staromiejskiej kamienicy Alfred Siejka zamieszkał przy ulicy Ogarnej [Alfred Siejka, erster Mieter eines Altstadthauses, ist in der ul. Ogarna eingezogen]. In: Dziennik Bałtycki, 12. November 1950, 5. 118 Siehe Anm. 103.

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Tochter der Siejkas beginnt, endet mit der vom Autor geäußerten Überzeugung, dass »in jeder Wohnung glückliche, gesunde Kinder des glücklichen, sozialistischen Vaterlandes leben werden.«119 Zu dieser Zeit wohnten bereits einige Dutzend Familien in den Häusern der ul. Ogarna120, weitere zogen gerade ein. Eine davon war die Familie des Schlossers und Vorarbeiters Ignacy Urbaszek, die früher in einer mit drei Familien belegten Wohnung in Nowy Port / Neufahrwasser gelebt hatte. Zufrieden mit der neuen Unterkunft, gab Urbaszek die folgende Erklärung ab: »Wir Arbeiter sehen in der täglichen Praxis, dass unsere Lebensbedingungen sich unaufhörlich verbessern.Wir werden uns bemühen, noch mehr Wohlstand zu erreichen, indem wir unsere Arbeitsproduktivität erhöhen und den 6-Jahr-Plan vorzeitig erfüllen.«121 Gegen Ende des Jahres 1950 waren in den neuen Häusern der Rechtstadt schon mehr als 300 Räume bewohnt.122 Im Januar des folgenden Jahres übergab man 68 Wohnungen in der ul. Długa »den Werktätigen zur Nutzung«.123 Die erste Mieterin in den neuen Häusern dieser Straße wurde die schon erwähnte Bestarbeiterin Janina Gołębiowska, die aus einem »einfachen Schuppen« in Oliva »in das Herz der alten Stadt« umzog.124 Das Motiv des Austausches alter, enger »Bruchbuden« gegen sonnige Wohnungen im alten Danzig kommt in vielen, den »neuen Mietern der Altstadt« gewidmeten Berichten vor.125 Am suggestivsten vielleicht in einer der Werft gewidme119 Pierwszy lokator … (wie Anm. 117). 120 Nowi lokatorzy Starego Miasta [Die neuen Mieter der Altstadt]. In: Głos Wybrzeża, 13. September 1950, 5. 121 Nowi lokatorzy … (wie Anm. 120). 122 W nowych mieszkaniach spotykają nowy rok setki rodzin robotniczych [Hunderte von Arbeiterfamilien begrüßen das Neue Jahr in neuen Wohnungen]. In: Głos Wybrzeża, 30. Dezember 1950, 7. 123 Do Starego Miasta przybywają nowi mieszkańcy. ZOR oddaje do użytku ludzi pracy 630 nowych izb [Die neuen Mieter kommen in die Altstadt. ZOR übergibt den Werktätigen 630 neue Räume zur Nutzung]. In: Głos Wybrzeża, 19. Januar 1951, 6. 124 Wnuk (wie Anm. 39), 37. Laut dem Artikel: Nowe kamieniczki zatętnią życiem. U pierwszego lokatora odbudowanej ulicy Długiej [Die neuen Häuser vibrieren vor Leben. Beim ersten Mieter der wiederaufgebauten ul. Długa]. In: Dziennik Bałtycki, 20. Januar 1951, 4, war nicht die Gołębiowska, sondern der Bürger Frankowski, ein Mitarbeiter der Lebensmittelzentrale, der erste Mieter. 125 »Vorher haben wir in einem kleinen Zimmerchen gehaust, ich hatte keine Küche, weder Wasser noch Gas« – Do Starego Miasta przybywają … (wie Anm. 109). »Die frühere [Wohnung] in der ul. Lelewela in Wrzeszcz war eine Ruine« – Pierwszy lokator … (wie Anm. 117). »Die Familie von Józef Weryk […] wohnte bis vor kurzem noch in einem Ladenlokal voller Stockflecken und Feuchtigkeit« – Nowi lokatorzy … (wie Anm. 120). »Wir haben bisher in Wrzeszcz in einem verfallenden Haus gewohnt« – Nowi lokatorzy … (wie Anm. 120). »Dieser Augustyn z. B. hat vorher mit seiner fünfköpfigen Familie […] ein Zimmer bewohnt. Heute bewohnt er eine moderne Wohnung mit einer schönen Küche, mit Bad, Korridor, mit hellen, hygienischen Zimmern, mit Zentralheizung«. – Murarze pierwszymi lokatorami nowych mieszkań przy ul. Długiej w Gdańsku. Trzeba skończyć z opieszałością przy budowie »Własnego Domu«! [Maurer sind die



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ten Reportage, in der der Arbeiter Józef Ziółkowski »keine Worte hat, seine tiefe Freude auszudrücken: – Vorher haben wir in Orunia [Ohra] gehaust, in einem kleinen Zimmerchen mit Küche, das wie ein Keller war. Drei Kinder, meine Frau und ich – erklärt er. – Aber wenn Ihr sehen würdet, was ich jetzt für eine Wohnung habe! – Seine Augen lachen – drei Zimmer, Küche, Bad, hell, sonnig. Und wo erst – im Zentrum von Danzig, in der ul. Długa!«126 Nicht alle konnten in eigene Wohnungen einziehen. Einige mussten Arbeiterwohnheime nutzen, in denen sie sich trotzdem »wie zuhause«127 fühlen sollten, was nicht verwundert angesichts der Bezeichnung »Männerparadies«, die der Journalist für das Arbeiterwohnheim an der ul. Ogarna verwendete.128 Allen aber sollten die in der rechtstädtischen Arbeitersiedlung angesiedelten Kulturhäuser129, Läden130, Milchbars131, Wäschereien132, Kinderkrippen und Kindergärten133 dienen, und

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ersten Mieter der neuen Wohnungen in der ul. Długa in Danzig. Schluss mit der Nachlässigkeit beim Bau des »Eigenen Heims«!]. In: Dziennik Bałtycki, 6. Februar 1951, 4. »Vor ein paar Tagen sind sie in die neue Wohnung eingezogen. [Die Hausherrin] mag sich gar nicht daran erinnern, wie sie vorher gewohnt haben. Ein dunkles, feuchtes Souterrain und das Fehlen noch des primitivsten Komforts haben sie manchmal daran denken lassen, Danzig zu verlassen.« – Gdańsk zdobył już miłość swoich mieszkańców [Seine Bewohner haben Danzig schon liebgewonnen] In: Głos Wybrzeża, 24.–26. März 1951, 7. Radość mieszka w stoczniowym miasteczku [In die Werftsiedlung zieht Freude ein]. In: Dziennik Bałtycki, 29./30. Juni 1952, 3. Czujemy się tu jak w domu mówią mieszkańcy hoteli robotniczych PPB [Wir fühlen uns hier wie zu Hause, sagen die Bewohner des Arbeiterwohnheims der Volkseigenen Baubetriebe]. In: Dziennik Bałtycki, 17. November 1950, 4. Czujemy się tu jak … (wie Anm. 127). W świetlicy skupia się życie kulturalne Starówki [Im Kulturhaus konzentriert sich das kulturelle Leben der Altstadt]. In: Dziennik Bałtycki, 21. Oktober 1950, 7. Nowoczesny sklep przy ulicy Ogarnej [Modernes Geschäft in der ul. Ogarna]. In: Głos Wybrzeża, 25. Oktober 1951, 5. – Coraz więcej sklepów przy ul. Długiej w Gdańsku [Immer mehr Geschäfte in der ul. Długa in Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 4. Januar 1952, 3. – Pierwszy sklep z artykułami dziecięcymi na Wybrzeżu. Radośnie i gwarno jest w gdańskim Domu Dziecka [Erstes Geschäft mit Kinderartikeln an der Küste. Laut und lustig ist es im Danziger Haus des Kindes]. In: Dziennik Bałtycki, 2. Januar 1952, 3. Trudem robotnika i inżyniera Polski Ludowej wspaniałe, nowoczesne trójmiasto powstaje po kapitalistycznym zaniedbaniu i zniszczeniach wojennych [Arbeiter und Ingenieur Volkspolens lassen nach kapitalistischer Vernachlässigung und Kriegszerstörungen durch ihre Arbeit ein strahlendes, modernes Danzig-Gdynia-Zoppot entstehen]. In: Dziennik Bałtycki, 24.–26. Dezember 1951, 5. Osiedle przy ulicy Długiej otrzyma mechaniczną pralnię [Siedlung in der ul. Długa bekommt Wäscherei]. In: Dziennik Bałtycki, 10. April 1951, 4. W przedszkolu na Starym Mieście [Im Kindergarten in der Altstadt]. In: Głos Wybrzeża, 11. Januar 1952, 5. – Nowe izby mieszkalne, szkoły, przedszkola i żłobki otrzyma Gdańsk w roku bieżącym [Im laufenden Jahr erhält Danzig neue Wohnräume, Schulen, Kindergärten und Krippen]. In: Głos Wybrzeża vom 28. Februar/1. März 1953, 5.

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schließlich auch »Grünflächen, Blumenbeete und Gärten, die in die [historische] Stadt eingebettet sind«134 und die ein Ausdruck von Modernität sein sollten. Natürlich wich das in der Sprache der Propaganda präsentierte Bild des Wiederaufbaus vom wirklichen ab.135 Es wurde bereits erwähnt, unter welchen Bedingungen die Rekorde tatsächlich zustandekamen und welche Folgen der als Erfolg der sozialistischen Wirtschaft präsentierte Winterbau hatte. Wenn man das von der Presse der 50er Jahre präsentierte Bild des Wiederaufbaus mit dem konfrontiert, was sich aufgrund der ein Vierteljahrhundert später veröffentlichten Erinnerungen rekonstruieren lässt, dann kann man den Eindruck gewinnen, das die beiden Bilder erheblich auseinandergehen. Im Rückblick ist zum Beispiel die Frage der Löhne ein wichtiges und häufig wiederkehrendes Problem136, welches aber in die das sozialistische Bauen propagierenden Publikationen keinen Eingang fand. Umso weniger war Platz für notorische Unwirtschaftlichkeit137, bloß simulierte Arbeit138 oder den traditionell auf den Baustellen allgegenwärtigen Alkoholkonsum139, nicht zu reden von den dort beschäftigten Prostituierten, die dank ihrer Arbeitsbescheinigungen der zwangsweisen Aussiedlung aus Danzig entgingen.140 Auch die idyllische Vorstellung von der wiederaufgebauten Rechtstadt als eines nahezu makellosen Ortes entsprach nicht ganz der Wirklichkeit. Natürlich bin ich mir bewusst, dass es im Danzig der Nachkriegszeit als außergewöhnliches Glück wahrgenommen werden musste, eine Wohnung in einem Neubau – und das waren schließlich die wiederaufgebauten rechtstädtischen Häuser – zu bekommen. Trotzdem besaß die in aller Eile errichtete Siedlung zahlreiche Mängel, was übrigens auch die damalige Presse gelegentlich zur Kenntnis nahm. Besonders notorisch war die Langsamkeit, mit der die Ausbauarbeiten durchgeführt wurden.141 Es kam vor, dass die neuen Mieter in Häuser einzogen, in denen die Installationsarbeiten 134 Kobylińska (wie Anm. 50). 135 Siehe die oben erwähnte, unkritische Vorstellung eines Arbeiterwohnheims für Männer mit einem diametral entgegengesetzten Bericht über ein ebenfalls in der ul. Ogarna gelegenes Arbeiterwohnheim für Frauen: Dwa hotele robotnicze – dwa przykłady niedbalstwa [Zwei Arbeiterwohnheime – zwei Beispiele für Vernachlässigung]. In: Głos Wybrzeża, 9. Oktober 1951, 3. 136 Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 87, 89, 95 (Juszkiewicz); 117 (Bojakowski); 168 (Gordziejczuk); 176, 178 (Kosianowska); 182, 184 (Hinz); 294, 301 (Orlof); 306, 312 (Radowicz); 336, 339, 342 f. (Stelmach). 137 Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 94. 138 Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 103. 139 Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 53 (Kwaśny); 81 (Juszkiewicz); 163 (Gordziejczuk); 323 (Goździelewski); 334 (Stelmach). Wie begehrt Alkohol war, bezeugt eine von Bernard Hinz erzählte Anekdote darüber, wie man in der ul. Ogarna einen Bottich mit vergorenem Most fand: »Die ganze Ogarna hat damals geradezu geschäumt [vor Freude]«. – Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 186. 140 Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 165. 141 Wykonamy plan na rok 1950 [Wir erfüllen den Plan für 1950]. In: Dziennik Bałtycki, 5. April 1950, 2. – Czas już otworzyć sklepy i zaludnić mieszkania na ul. Długiej [Es ist Zeit, in der ul.



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noch nicht abgeschlossen waren.142 In der ul. Długa, wo schon um die Jahreswende 1950/51 die ersten Mieter einzogen, hatte man zum Beispiel noch im darauffolgenden September nicht damit begonnen, die Gasleitungen zu legen.143 Trotz des herannahenden Winters bestand selbst noch Mitte Oktober keine Hoffnung, dass bald eine Zentralheizung installiert würde.144 Es gab undichte Kanalisationsrohre, nicht funktionierende oder schadhafte Elektroinstallationen, an denen man einen Schlag bekommen konnte, oder vollgelaufene Keller.145 Diese Mängel müssen weit verbreitet gewesen sein, denn 1952 führte man offiziell eine »Verpflichtung zur Übergabe mängelfreier Bauten« ein.146 Eine aus den historischen Vorgaben für den Wiederaufbau resultierende Gegebenheit waren die bis zum Boden reichenden Fenster in den Wohnungen und Treppenhäusern, die nicht durch Gitter gesichert waren und – vor allem für die Kinder – die Gefahr des Herausfallens bargen.147 Die Bewohner behalfen sich, indem sie den unteren Teil der Fenster mit Brettern vernagelten, was sich ungünstig auf das Erscheinungsbild der Gebäude auswirkte.148

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Długa die Läden zu öffnen und die Wohnungen zu bevölkern]. In: Dziennik Bałtycki, 10. August 1951, 3. Do Starego Miasta przybywają … (wie Anm. 109). Na miejscu gruzów reprezentacyjna dzielnica socjalistycznego miasta [Anstelle der Trümmer ein repräsentatives Viertel einer sozialistischen Stadt]. In: Dziennik Bałtycki, 3. Oktober 1952, 4. Sogar Maksymilian Kierzkowski, der Nachfolger von Henryk Frey auf den Posten des Direktors der Baudirektion Arbeitersiedlungen Danzig, äußerte sich offen über die Mängel der neu übergebenen Wohnungen: »Es kommen […] empfindliche Mängel vor, die das Erreichte ernstlich schmälern. Die Bewohner der neuen Siedlungen kennen diese Mängel nur zu gut. Feuchtigkeit in den neuen Wohnungen, häufig kein Licht, verspätete Installation der Zentralheizung, nicht aufgestellte Wannen oder Herde, kein Wasser in der Kanalisation und den Wasserleitungen, hochstehende Fußböden, undichte Türen und Fenster etc.« – Ludność Wybrzeża otrzymuje tysiące nowych mieszkań [Die Bevölkerung der Küstenregion erhält tausende neuer Wohnungen]. In: Dziennik Bałtycki vom 24.–26. Dezember 1952, 5. Kiedy ulica Długa otrzyma gaz? [Wann bekommt die ul. Długa Gas?]. In: Głos Wybrzeża, 29. August 1951, 5. Mieszkańcy nowych domów przy ulicy Długiej czekają na urządzenie centralnego ogrzewania [Bewohner der neuen Häuser in der ul. Długa warten auf Installierung von Zentralheizung]. In: Głos Wybrzeża, 25. November 1951, 5. – Karygodne niedbalstwo DBOR skazuje lokatorów nowych domów na zamieszkiwanie w nieogrzanych izbach [Sträfliche Nachlässigkeit der DBOR verdammt Mieter der neuen Häuser dazu, in ungeheizten Räumen zu wohnen]. In: Głos Wybrzeża, 18. Oktober 1951, 4. Usunąć bolączki lokatorów domów przy ul. Długiej i Piwnej [Den Beschwerden der Mieter in der ul. Długa und ul. Piwna nachkommen]. In: Głos Wybrzeża, 14. August 1952, 4. Ludność Wybrzeża … (wie Anm. 142). Czas usunąć braki nowych mieszkań przy ul. Ogarnej [Es ist Zeit, die Mängel der neuen Wohnungen in der ul. Długa zu beseitigen]. In: Dziennik Bałtycki, 14. Januar 1951, 4. O estetyczny wygląd osiedli robotniczych [Die Ästhetik der Arbeitersiedlungen]. In: Głos Wybrzeża, 4. August 1952, 3.

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Kapitel 3

Auch die Umgebung der allgemein bewunderten Häuser entsprach nicht dem Idealbild der Propaganda. Schlamm und Dreck waren allgegenwärtig. Besonders drastisch wurde dies in einem Leserbrief des Dziennik Bałtycki beschrieben: »Gleich wenn sie durch das Goldene Tor kommen, stoßen Tausende von Werktätigen, besonders an regnerischen Tagen, auf eine an jedem anderen Ort unvorstellbare Menge von Schlamm auf den nicht gereinigten Fußwegen und Fahrbahnen, was ein Durchkommen unmöglich macht. Die Fußwege sind häufig mit Schutt, Balken, Steinen und anderen Materialien überhäuft, ganz zu schweigen von den Schlaglöchern, an denen auf diesem Abschnitt in den Fußwegen kein Mangel ist. Und die vorbeirasenden Autos übergießen die Passanten mit einer Schlammflut.« Eine andere Leserin bemerkt noch ein anderes Problem und schreibt: »Die Mülltonnen sind ständig überfüllt und Haufen von Müll liegen auf der Erde«149, die manchmal, sogar im Sommer, mehrere Wochen nicht abgeholt würden und einen Gestank verbreiteten, der, wie ein anderer Leser schreibt, es den Kindern unmöglich mache, auf dem Hof zu spielen und den Bewohnern der ul. Długa die Freude »an den schönen, neuen Häusern und schönen Wohnungen« verdorben habe.150 Außer den fehlenden Mülleimern störten die Bewohner auch noch die fehlenden Teppichstangen.151 Die unordentlichen und ungepflegten Höfe, die die Autorin des obigen Briefes ärgerten, waren auch nach einigen Jahren noch ein Problem, wovon eine satirische Zeichnung aus dem Jahr 1956 mit dem Titel »Die zwei Seiten der Medaille« zeugt 149 Na miejscu gruzów reprezentacyjna dzielnica socjalistycznego miasta [Anstelle der Trümmer ein repräsentatives Viertel einer sozialistischen Stadt]. In: Dziennik Bałtycki, 3. Oktober 1952. Sowohl der Brief selbst, den die in der ul. Ogarna wohnende Janina Wiśniewska geschrieben hatte, als auch die Antwort der Redaktion verdienen übrigens besonderes Interesse wegen der von beiden Seiten verfolgten Strategie. Das Problem mit dem Dreck, das zweifelsohne für die Leserin am wichtigsten ist, taucht erst am Ende des ausführlichen Briefes auf, ihm gehen umfangreiche Ausführungen zu den Qualitäten des Wiederaufbaus voraus. Ähnlich geht die Redaktion vor, die in ihrer Antwort an die Leserin zuerst deren richtige Einschätzung der Errungenschaften würdigt, wobei sie diese in charakeristischer Weise »überinterpretiert«, wenn sie schreibt: »Die Autorin des Briefes erkennt […] dass die einst von der Bourgeoisie bewohnte Innenstadt heute ein Viertel der Werktätigen ist. Für sie sind die schönen, mit Respekt wiederaufgebauten, in ihrem Innern modern ausgestatteten Häuser im alten Stil entstanden«. Ähnlich kommt auch die Leserin erst nach dieser Art von Einleitung zum Problem des Mülls und erklärt: »Das Problem der überfüllten Mülleimer und der Müll auf den Höfen verdienen Beachtung als ein in Danzig allgemein verbreitetes Problem« Der Genauigkeit halber sei dennoch ergänzt, dass die spezifische Form des Briefes daraus resultieren könnte, dass er im Rahmen des Wettbewerbs entstand, »Die Errungenschaften und Mängel meines Viertels« zu beschreiben. Siehe auch: Drążek, A.: W obronie opinii miasta (list do redakcji) [Verteidigung des Ansehens der Stadt (Leserbrief)]. In: Dziennik Bałtycki, 30. Juli 1952, 4. 150 Nie chcemy śmietnika na ulicy Długiej (list do redakcji) [Wir wollen keine Müllhalde auf der ul. Długa (Leserbrief)]. In: Dziennik Bałtycki, 3./4. August 1952, 6. Nicht regelmäßig abgeholter Müll war in ganz Polen ein Problem, siehe: Matejko, A.: O wyższą kulturę mieszkaniową osiedli ZOR-owskich [Über die hohe Wohnkultur der ZOR-Siedlungen]. In: Miasto 11 (1955), 11. 151 Dawna Droga Królewska … (wie Anm. 99).



Die Hundegasse oder »Neue Stadt, Neue Menschen«

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(Abb. 25), die die verdreckten Höfe im Kontrast zu den gepflegten Vorderseiten der Häuser darstellt.152 Man kann diese Zeichnung wohl als Beleg nehmen, dass sich zumindest auf der Straßenseite die Situation verbessert hatte. Man beschwerte sich auch über eine vollständig fehlende Straßenbeleuchtung153, was umso ärgerlicher war, als man dekorative, aber nicht funktionierende Straßenlaternen montiert hatte.154 Dies war ein allgemein empfundenes Übel, das man 1952 satirisch als »Danziger Affentheater« kommentierte155, trotzdem wurde es zumindest bis 1956 nicht beseitigt.156 Wie man sieht, entsprach das von der Propaganda geschaffene Bild der Wirklichkeit weder in Bezug auf den Wiederaufbau selbst, noch in Bezug auf die Lebensbedingungen, die den Bewohnern der Rechtstadt in dessen Folge geboten wurden. Gleichzeitig muss man jedoch daran erinnern, dass der Aufbauprozess echten Eifer und die Aufopferungsbereitschaft zahlreicher Menschen freisetzte157 und dass er Vielen realen beruflichen und sozialen Aufstieg158 ermöglichte. Schließlich wurde der Wiederaufbau in der allgemeinen Meinung zum Bindemittel der sich gerade erst herausbildenden Nachkriegsgesellschaft, der polnischen Danziger159, und so auch zum Fundament ihres kollektiven Bewusstseins. Man muss dabei mit Bedauern feststellen, dass diese wichtigen Phänomene beide noch auf eine genaue Erforschung warten.160 152 Dziennik Bałtycki vom 4./5. November 1956, 5. 153 Oświetlić ulicę Ogarną na Starym Mieście [Die ul. Ogarna in der Altstadt beleuchten]. In: Głos Wybrzeża, 31. Januar 1951, 5. 154 Faraona mowa obrończa [Pharaonische Verteidigungsrede]. In: Dziennik Bałtycki, 31. Oktober/ 1. November 1954, 8. 155 »Obwohl Danzig nicht Kairo ist und die Mottlau nicht der Nil, herrscht bei uns ägyptische Finsternis« – Szopka Gdańska [Danziger Affentheater]. In: Dziennik Bałtycki, 24.–26. Dezember 1952, 7. 156 Kiedy wreszcie lampy i neony zapłoną na ulicy Długiej [Wann leuchten endlich die Lampen und Neonröhren in der ul. Długa]. In: Dziennik Bałtycki, 29./30. Januar 1956, 4. 157 Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 166 f. (Gordziejczuk); 215 (Stankiewicz); 301 (Orlof); 304 (Radowicz); 339, 343 (Stelmach). – Wspomnienia z odbudowy … Bd. 2 (wie Einführung Anm. 32), 57 (Wysocki). 158 Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 94 f. (Juszkiewicz); 157, 161, 165 (Gordziejczuk); 215 (Stankiewicz). 159 Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 130 f. (Frey); 145 (Sokół). – Wspomnienia z odbudowy … Bd. 2 (wie Einführung Anm. 32), 104 (Kilarski). Jerzy Stankiewicz hat dies so zusammengefasst: »[…] Angesichts der Völkerwanderung der Nachkriegszeit beschleunigte und vertiefte es den Integrationsprozess der neuen Gesellschaft, den ruhmreichen historischen Traditionen Danzigs einen in der Vergangenheit bewährten, individuellen räumlichen Ausdruck zu verleihen, es verband sie stärker mit der Stadt, sowohl mit der alten, und gleichzeitig mit der neuen, mit eigenen Händen errichteten, oder zumindest der mit eigenen Augen in ihrem Entstehungsprozess gesehenen.« – Stankiewicz: Kilka refleksji … (wie Einführung Anm. 12), 216. 160 Einen ersten Versuch hat Wiesław Gruszkowski unternommen: Der Wiederaufbau von Danzig und das regionale Bewusstsein. In: Mare Balticum 1999, 19–23.

Kapitel 4 D e r Königsweg und das Problem des Sozialistischen Realismus

Unter den Hauptstraßenzügen der Rechtstadt, die vertikal zur Mottlau verlaufen, nimmt der Straßenzug der ul. Długa und des Długi Targ einen besonderen Platz ein. Dieses von zwei neuzeitlichen Toren abgeschlossene städtebauliche Ensemble besaß seit Jahrhunderten einen exponierten Stellenwert, sowohl weil sich dort die wichtigsten gesellschaftlichen Institutionen befanden – das Rechtstädtische Rathaus, der Artushof oder auch die Stadtwaage im Grünen Tor –, als auch wegen der attraktiven großen Grundstücke an der Südseite. Dies begünstigte die Niederlassung von Mitgliedern der Danziger Eliten an diesem Ort. Das wiederum führte dazu, dass entlang der ul. Długa und des Długi Targ beeindruckende Häuser errichtet wurden, die sich gemeinsam mit den erwähnten öffentlichen Bauten zu einer außergewöhnlichen städtebaulichen, architektonischen und historischen Einheit zusammenfügten.1 Es verwundert daher nicht, dass man diesem Straßenzug nach dem Krieg (um Danzigs Verbundenheit mit Polen zu betonen, wurde er damals häufig »Königsweg« genannt)2 beim Wiederaufbau der Rechtstadt eine außergewöhnliche Form geben wollte, die ihn von den übrigen Straßen der rekonstruierten Stadt unterscheiden würde. Als man den ersten Probeblock zwischen ul. Długa, Pocztowa, Ogarna und Garbary errichtete, begann man mit Absicht in der ul. Ogarna mit den abschließenden Arbeiten an den Fassaden, da man fand, dass die ul. Długa ein zu wichtiger Ort sei, um sich dort Experimente erlauben zu können.3 Dieses Herangehen, das darauf setzte, die Fassaden der ul. Długa besonders sorgfältig auszuführen, während man die beim Probeblock angewandte städtebauliche und architektonische Gesamtkonzeption im Wesentlichen

1 Zur städtebaulichen Struktur siehe Kapitel 8. 2 Diese Bezeichnung wurde, obwohl offenbar erst nach dem Krieg von Jan Kilarski eingeführt und als solche für die Zeit davor nicht belegbar, in der Nachkriegszeit allgemein für den Straßenzug ul. Długa und Długi Targ verwendet, daher halte ich in Bezug auf speziell mit diesem Zeitraum verbundenen Fragen seine Benutzung für gerechtfertigt. 3 Andererseits erhielten die in der ul. Długa zuerst errichteten Häuser Nr. 1–21 (also vom Goldenen/ Langgasser Tor bis zur ul. Pocztowa) eine architektonische Ausstattung und einen Bauschmuck, die der Ausführung des ersten Abschnitts der ul. Ogarna ziemlich nahe kamen, unter anderem bei den in Kunststein ausgeführten Elementen. Diese Vorgehensweise in diesem Abschnitt der ul. Długa rief gleich nach dessen Fertigstellung Bedenken hervor, doch entschieden ökonomische Gründe darüber, dass keine Änderungen mehr vorgenommen wurden. – Kadłubowski, L.: Pierwszy etap realizacji ul. Długiej [Die erste Bauphase in der ul. Długa]. In: Dziennik Bałtycki, 22. Juli 1953, 5. Der dekorative Anstrich war mit Sicherheit ein Versuch, das nicht zufriedenstellende Aussehen dieses Abschnitts der ul. Długa abzumildern; siehe weiter unten in diesem Kapitel.

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Kapitel 4

beibehielt, sollte zum Hauptproblem des neu entstehenden Königsweges werden. Dabei nimmt in der Zeit als der Wiederaufbau durchgeführt wurde jene Sorgfalt bei der Ausführung der Fassaden eine ganz spezifische Dimension an, die man als »visuelle Beschwörung« bezeichnen könnte. Im vorliegenden Kapitel möchte ich mich jenen Bereichen widmen, in denen sich diese für die Kunst des Sozialistischen Realismus charakteristische »visuelle Beschwörung« äußerte, übrigens nicht nur am Königsweg, sondern auch in seiner mehr oder minder nahen Umgebung. In dieser Hinsicht lassen sich drei grundsätzliche Aspekte unterscheiden: das Einfügen einer sozrealistische Züge tragenden oder schlicht sozrealistischen Architektur in die historische Stadt4; die Ausschmückung mehr oder minder historischer Fassaden mit vollkommen ahistorischen malerischen und seltener auch plastischen Elementen; schließlich das Entwerfen ephemerer Dekorationen zur Umrahmung sozialistischer Zeremonien in historischer Umgebung. Obgleich jedes dieser visuellen Beschwörungselemente in seiner Wirkung durch die jeweils anderen verstärkt wurde, hatte man sie doch nicht gemeinsam entworfen. Einzeln bedienen sie sich eigener Ausdrucksmittel und besitzen eine eigene innere Dynamik. Dies berechtigt dazu, die jeweiligen Aspekte gesondert zu betrachten. 4.1 Die Architektur

Das, was man für gewöhnlich als »Rekonstruktion« der Danziger Häuser bezeichnet, ist eigentlich und im genauen Sinne dieses Wortes keine Rekonstruktion. Wir haben es hier eher mit einer Neuschöpfung zu tun, die von einem ganzen Bündel von Faktoren beeinflusst wurde. Dazu gehören die Notwendigkeit, funktionale Erfordernisse und bauliche Normen zu berücksichtigen, die Eile sowohl bei der 4 Der zeitliche Rahmen des sozialistischen Realismus in der polnischen Achitektur lässt sich ziemlich genau abstecken: seinen Beginn markieren die Beschlüsse der Landesparteiversammlung der Architekten vom Juni 1949, auf der die »neue« Doktrin für verbindlich erklärt wurde; die beginnende Abkehr von dieser Doktrin lässt sich, nicht ganz so präzise, auf Ende 1954 datieren. – Olszewski (wie Kapitel 3, Anm. 10), 340 f. Die erste im Danziger Kontext explizit geäußerte Forderung nach einer Anwendung der Methoden des sozialistischen Realismus und sowjetischer Erfahrungen war der programmatische Artikel von K. Dorosiewicz (wie Kapitel 2, Anm. 67). Der erste Vorbote einer Abwendung von dieser Doktrin, den ich in der damaligen Presse ausfindig machen konnte, ist ein mit »Bauingenieur E. G.« unterzeichneter Artikel: Quo vadis, ars architectonica? Czyli o rekonstrukcji twórczej, wymyślnych wystrojach, dziwnej zasadzie urbanistycznej i innych sprawach gdańskiej architektury [Quo vadis, ars architectonica? Oder über kreative Rekonstruktion, raffinierten Bauschmuck, merkwürdige städtebauliche Grundsätze und andere Probleme der Danziger Architektur]. In: Dziennik Bałtycki, 23./24. Januar 1955 (Beilage »Rejsy«), 8. Im März des folgenden Jahres, gleich nach dem 20. Parteitag der KPdSU, rief Józef Cyrankiewicz auf der Allpolnischen Architektenversammlung zu Neuerungen in der Architektur und zu einer Öffnung gegenüber den Anregungen nicht nur aus dem Osten, sondern auch aus dem Westen auf, siehe dazu Kapitel 7.



Der Königsweg und das Problem des Sozialistischen Realismus

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Projektierung, als auch bei der Umsetzung, die Zurückstellung denkmalpflegerischer Aspekte gegenüber den Interessen der Bauherren5 etc. Eine nicht unwichtige Stellung kam hier der Methode der sogenannten kreativen Rekonstruktion zu. Dieser Begriff, obgleich wahrscheinlich nie näher definiert6, taucht häufig in damaligen Publikationen auf, was mit Sicherheit die Durchführungspraxis beeinflusst hat. Unter den mir bekannten Aussagen kommt eine Notiz zu Äußerungen der am Königsweg arbeitenden Architekten vom Januar 1954 einer Definition am nächsten. Danach sei eine kreative Rekonstruktion »keine modernistische7 Barbarisierung historischer Formen, sondern die Wiederherstellung von Formen aus einer entfernten, nicht unbedingt stilistisch reinen Epoche, die einem neuen Inhalt dienen können, gestützt auf gründliche historische Studien, auf eine Analyse der Ikonografie, bei einer bewussten Beseitigung verunstaltender, nicht-historischer Elemente […].«8 Die Autoren erklären selbst, dass eine solche Definition der kreativen Rekonstruktion nicht erschöpfend sei, da sie Sonderfälle nicht berücksichtige, in denen es zulässig sei, zum Beispiel einige historische Elemente zu versetzen, wie etwa Beischläge oder Portale, »um neue kompositorische Einheiten zu schaffen«.9 Überaus bezeichnend ist die Schlussfolgerung dieser terminologischen Überlegungen: »Bei der Rekonstruktion geht es schließlich nicht so sehr um einzelne Formen […], sondern um Formensembles, die eine spezifisch altstädtische Atmosphäre schaffen. Natürlich spielt hierbei das [stilistisch] vorherrschende Element die entscheidende Rolle.«10 Eine solche Haltung, die ein eigentümliches Jonglieren mit

5 Das Problem der Schwäche und mangelnden Entscheidungskompetenz der damaligen Denkmalpfleger greift Jerzy Stankiewicz auf: Odbudowa zabytkowych … (wie Einführung Anm. 12), 179. 6 Eine Erklärung dieses Begriffs konnte ich in keiner der damals wichtigen und für Architekten meinungsbildenden Zeitschriften wie Architektura oder Przegląd Artystyczny finden, auch in Ochrona Zabytków nicht. Von dem großen Gewicht, das diesem Begriff damals beigemessen wurde, zeugt jedoch die die Verleihung des Nationalpreises an Zbigniew Żuławski, Jan Borowski und Witold Doliński begleitende Begründung »für die Planung und Beteiligung an der kreativen Rekonstruktion des alten Danzig« – Architekci laureaci Nagród Państwowych 1951 r. [Die Architekten und Preisträger der Nationalpreise 1951]. In: Architektura 3 (1952), 61. 7 Die antimodernistische und, wie sich nach 1956 zeigen wird, konjunkturell bedingte Einstellung der Anhänger einer »kreativen Rekonstruktion« lässt sich nicht übersehen. Unter diesem Gesichtspunkt besonders interessant ist der von Stanisław Michel, einem der Unterzeichner des zitierten Briefes, verfolgte künstlerische Weg. Nach einer Phase des Modernitätsrausches (deren extremstes Beispiel der im 7. Kapitel besprochene Entwurf für die Danziger Innenstadt ist, dessen Koautor Michel war), kehrte er in den 80er und 90er Jahren zum Historismus zurück, diesmal als Fürsprecher weniger einer »kreativen Rekonstruktion«, sondern eher eines spezifischen Neo-Neohistorismus. 8 Bojarski, J., u. a.: Wyciągnijmy wnioski z dotychczasowych błędów i osiągnięć w odbudowie Gdańska [Lasst uns aus den bisherigen Fehlern und Leistungen beim Wiederaufbau Danzigs Konsequenzen ziehen]. In: Dziennik Bałtycki, 26. Januar 1954, 3. 9 Bojarski (wie Anm. 8). 10 Bojarski (wie Anm. 8)

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Kapitel 4

aus der Vergangenheit entnommenen Elementen zulässt und dabei den Akzent auf eine visuelle Reorganisation des vorgefundenen Raumes setzt (denn so muss man wohl die Aussage über die entscheidende Rolle des vorherrschenden Elementes verstehen), rückt die »Methode« der kreativen Rekonstruktion verblüffend dicht an sozrealistische Entwurfspraktiken heran.11 Die oben dargestellte Praxis traf auf radikale Kritik aus dem Umfeld des Instituts für die Geschichte der Polnischen Architektur an der Danziger Technischen Hochschule, das im November 1953 einen wichtigen Artikel veröffentlichte, der den Charakter einer Programmschrift besaß – Stankiewicz wird ihn Jahre später als »unser Credo« bezeichnen12 – und sich gegen die »Methode« der kreativen Rekonstruktion wandte.13 Vor allem verwiesen die Autoren auf die Schwammigkeit des Begriffes selbst, außerdem kritisierten sie die damit verbundene bzw. die unter diesem Begriff firmierende Entwurfspraxis. Dabei ist es bezeichnend, dass sie zur Stützung ihrer Thesen, die schließlich nicht nur der Praxis der »kreativen Rekonstruktion«, sondern auch dem Sozrealismus widersprachen, genau jene Rhetorik verwendeten, die für den sozialistischen Realismus propagierende Texte charakteristisch ist, und sich in hohem Maße der Losung von einer Kunst bedienten, die »national in der Form und sozialistisch im Inhalt« sein sollte.14 Als gravierendsten Mangel beim Wiederaufbau der Häuser der ul. Długa und des Długi Targ sah man die fehlende Übereinstimmung mit den historischen Originalbauten an (Abb. 26) – die Frage der Originalität der Formen hatte schon immer im Zentrum des Interesses der Architekturhistoriker der Danziger Technischen Hochschule gestanden. Auch diesmal stellten sie fest: »Eine Wiederherstellung [von Baudenkmälern], die sich nicht auf wissenschaftliche Prämissen stützt, sondern hauptsächlich aus einem Wissen aus zweiter Hand der entwerfenden Architekten resultiert, konterkariert vollständig den grundsätzlichen Sinn von Rekonstruk11 Siehe die im 5. Kapitel besprochenen sozrealistischen Entwürfe für die ul. Szeroka / Breitgasse, in denen beide Phänomene deutlich werden. 12 Stankiewicz (wie Anm. 80), 224. 13 Ciemnołoński (wie Einführung Anm. 7). Dieser Text sollte ursprünglich in einer umfangreicheren Version in der Zeitschrift Przegląd Kulturalny veröffentlicht werden, aber frustriert vom Warten auf den Abdruck entschieden sich die Autoren, ihn, wenn auch in beschnittener Form, in der Lokalpresse unterzubringen, siehe Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 224. 14 Jahre später merkte Stankiewicz an, dass es gelungen sei, die Doktrin des Sozrealismus »zur Förderung der Idee der Rekonstruktion und des Wiederaufbaus vieler während des Krieges zerstörter historischer Stadtensembles zu nutzen«. – Stankiewicz, J.: Dalsze refleksje … (wie Einführung Anm. 12), 431. Ein indirektes Nachdenken über die Notwendigkeit, die propagandistische Rhetorik für den Denkmalschutz einzuspannen, gibt es auch in Äußerungen Stankiewiczs über die deutschen Denkmalpfleger der Vorkriegszeit: »Das nationalsozialistische Etikett, mit dem jene Denkmalpfleger nach und nach ihre Arbeit versehen mussten, hat uns ein bisschen verwirrt und manchmal geradezu schockiert. Aber jetzt verstehe ich, dass sie ohne dieses Aushängeschild ihre schwierigen Aufgaben nicht hätten bewältigen können.« – Stankiewicz, J.: Odbudowa zabytkowych zespołów … (wie Einführung Anm. 12), 180.



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tionen, sie eröffnet dem Entstehen einer Architektur am Rande zum Eklektizismus Tür und Tor, und sie reduziert bewusst den Bestand an Zeugnissen der materiellen Kultur vergangener Epochen. Die sogenannte ›kreative Rekonstruktion‹ ist gleichbedeutend mit dem ›Entwerfen von Pseudo-Baudenkmälern‹, die weder vollwertige Hervorbringungen eines neuen architektonischen Denkens sind, noch irgendeinen wissenschaftlich-historischen Wert besitzen.«15 Diese starken Worte stützten die Autoren mit einer Aufzählung, aus der hervorging, dass von 38 Fassaden, die zum Zeitpunkt der Entstehung des Artikels an der ul. Długa fertiggestellt worden waren, gerade einmal drei »relativ präzis« wiederhergestellt worden seien.16 Auf der Suche nach einer Erklärung für diesen Zustand wies man auf mehrere Faktoren hin: zum einen die gleichgültige oder sogar ablehnende Haltung der Verantwortlichen des »Miastoprojekt« gegenüber einer präzisen Rekonstruktion; zum zweiten die fachlich ungenügend auf diese Art von Arbeit vorbereiteten Entwurfsplaner; zum dritten schließlich, wenn auch an anderer Stelle des Textes, auf die finanzielle Ausstattung, die die kreative Rekonstruktion gegenüber einer präzisen bevorzuge – ihre Projektierung unterliege, wie man sich ausdrückte, »ihrem Charakter nach« für den Entwurfsplaner günstigeren Normen, als das Entwerfen originalgetreuer, also weniger »kreativer« Rekonstruktionen.17 Eine auf diese Weise vorbelastete, spezifische Entwurfspraxis bringe nicht nur eine Bedrohung für die Originalität der Form mit sich, sondern auch für die Authentizität der historischen Substanz, was ebenfalls zum Gegenstand eingehender Kritik der Autoren wurde.18 Die Unschärfe des Begriffes »kreative Rekonstruktion« macht es praktisch unmöglich zu bewerten, ob die am Königsweg erzielten Resultate mit ihren theoretischen Grundlagen (wenn solche überhaupt existierten) übereinstimmten. Betrachtet man diese Frage vom Standpunkt der historischen Originalität aus, dann muss man zweifelsohne dem Urteil der Architekturhistoriker der Technischen Hochschule zustimmen. Gleichzeitig darf man jedoch nicht vergessen, dass für viele der damaligen Architekten die Arbeit an der Projektierung der sogenannten historischer Architektur der einzig realistische Ausweg aus »dem größeren Übel [war]: hin zu einer authentischen Geschichte, weg von einer Pseudogeschichte«19, also weg vom orthodoxen Sozrealismus, dessen Hochzeit beinahe genau mit dem intensiven Wiederaufbau der Rechtstadt zusammenfiel.20 Dennoch konnten oder wollten nicht alle dem Sozrealismus entfliehen. Einige schafften es auch, auf beiden Gebieten aktiv zu sein. Ein Beispiel hierfür ist Lech 15 16 17 18 19

Ciemnołoński (wie Einführung Anm. 7). Ciemnołoński (wie Einführung Anm. 7). Ciemnołoński (wie Einführung Anm. 7). Diesen Aspekt bespreche ich genauer in Kapitel 6. Stankiewicz, J.: Dalsze refleksje … (wie Einführung Anm. 12), 431 f.; Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 217. 20 Siehe Anm. 4.

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Kapitel 4

Kadłubowski. Als leitender Entwurfsplaner der ul. Długa und des Długi Targ war er einer der führenden Verfechter der kreativen Rekonstruktion. Gleichzeitig entwarf er Objekte, die keine Rekonstruktionen, ja nicht einmal kreative Rekonstruktionen waren, sondern eher architektonische Stilisierungen mit einem Hang zum Sozrealismus. Beispiele sind das Postamt an der ul. Długa oder die Fassade des Arbeiterwohnheims am Długi Targ. Es gibt übrigens mehrere solcher Bauten in der Rechtstadt und in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft, was mit dem von Jan Borowski für Danzig formulierten Prinzip übereinstimmt, dass Monumentalbauten nicht in einem gesonderten, repräsentativen Stadtviertel konzentriert sein sollten, sondern dass sie »in das Ensemble eines Wohnviertels eingehen und sich mit ihm verbinden«21 sollten. Eines der wichtigsten Objekte diesen Typs ist mit Sicherheit Kadłubowskis Postamt. Dieses Gebäude, das als Projekt der DBOR22 an der ul. Długa errichtet wurde, entstand als Resultat eines im Danziger »Stadtprojekt« intern ausgeschriebenen Wettbewerbs.23 Ihm ging eine Diskussion über die Prinzipien des Wiederaufbaus voraus. Die Lage des Neubaus an der Ecke ul. Długa und Pocztowa hing mit der an dieser Stelle noch vorhandenen Telekommunikations-Infrastruktur des früheren Postamtes zusammen, dessen Fassade vom Ende des 19. Jahrhunderts »sich noch tapfer hielt«.24 Die Möglichkeit, dort ein Gebäude im Stil des 19. Jahrhunderts zu errichten, zog damals niemand in Betracht.25 Die Frage war aber, ob man ein im Innern einheitlich gestaltetes Postamt hinter einem Paravant von mehreren in historischer Form rekonstruierten Fassaden verbergen wollte, wie es Władysław Czerny vorschlug26 (Abb. 27), oder ob man eine Lösung finden sollte, die die in21 Zitiert nach Kowalski, J.: I Sesja Naukowa Politechniki Gdańskiej [1. Wissenschaftliche Tagung der Danziger Technischen Hochschule]. In: Miasto 11 (1951), 34. 22 Frey (wie Kapitel 2., Anm. 62), 131. Ausführlicher zum Postgebäude an der ul. Długa vor und nach 1945: Nieczyporowski, R.: Architektura i ideologia. Budynek Urzędu Poczty i Telekomunikacji w Gdańsku [Architektur und Ideologie. Das Gebäude des Amts für Post und Telekommunikation in Danzig]. In: Aksjologiczne Spektrum Sztuki 3 (2005): Estetyczne przestrzenie, Hg. von. P. Kawiecki und J. Tarnowski. Gdańsk 2005, 255–273. 23 Kadłubowski, L. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 244. 24 Gruszkowski, W. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 21. Den tatsächlich guten Erhaltungszustand der Fassaden, obgleich ohne Giebel, dokumentiert ein Foto auf Seite fünf des Dziennik Bałtycki vom 24. November 1949, das übrigens falsch mit »Gebäude des ehemaligen polnischen Postamtes, am 1. September 1939 von den Hitleristen zerstört« betitelt ist. 25 Gruszkowski (wie Anm. 24). – Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 210. Stanisław Michel behauptet sogar, »Lech Kadłubowski ordnete an, das Postamt an der ul. Długa abzureißen, weil es deutsch sei« – Michel (wie Kapitel 1, Anm. 86), 122. Schließlich ließ man an der Ostseite ein Randsegment der Fassade aus dem 19. Jahrhundert stehen. 26 Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 210. – Kadłubowski (wie Anm. 23), 244 f. Czerny realisierte eine solche Variante in einem anderen Entwurf, nämlich im Bürogebäude der Polnischen Getreidekombinate am Długi Targ.



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nere Struktur offenlegen würde. Anfangs plante man die Annahme der ersten Variante, die sogar von den Denkmalpflegern akzeptiert, aber vom Bauherren, d. h. vom Ministerium für Post und Telegrafenwesen, abgelehnt wurde.27 Schließlich entschied man sich also für die zweite, von Stankiewicz spitz als »ehrlich«28 bezeichnete, von Kadłubowski jedoch als Widerspiegelung der Funktion in der äußeren architektonischen Ausstattung29 interpretierte Variante. Der siegreiche Entwurf von Kadłubowski30 sah an der ul. Długa eine dreigeschossige Fassade mit einem fünfachsigen Korpus und zwei dreiachsigen Seitenrisaliten ohne Portale vor, die sich nur wenig vom Baukörper abheben sollten (Abb. 28–30). Die Mittelachse wurde durch ein Portal und eine die Fassade bekrönende Skulptur der Danziger Löwen, die ein Schild mit dem Stadtwappen hielten, betont. Die allgemeine Disposition der neu entworfenen Fassade kam dabei ihrer Vorgängerin verblüffend nahe31, die, zählt man die Lukarnen nicht mit, ebenfalls dreigeschossig gewesen war, und bei der zwei ebenso zurückhaltend zur Straße hin vortretende Risalite in ähnlicher Weise einen fünfachsigen Korpus eingefasst hatten, mit einer von einem Portal und einem kümmerlichen Giebel betonten Mittelachse, als deren Entsprechung man im Entwurf von Kadłubowski die heraldische Skulptur ansehen kann, zu deren Umsetzung es übrigens nie kam, trotzdem ein Gipsmodell32 ausgeführt worden war. Natürlich gab es vor allem in den Details Unterschiede, die in Kadłubowskis Fall Züge eines gemäßigten Klassizismus trugen. Das auffälligste Element, das diesen Entwurf zugleich eng mit der Ästhetik des Sozrealismus verknüpft, ist eine den Mittelkorpus bekrönende Balustradenattika. Dies war einerseits ein gängiges architektonisches Motiv des Sozrealismus, andererseits lässt es sich auch als Anknüpfung an bestimmte lokale Bauausführungen interpretieren, wie 27 Zanim murarz położy pierwszą cegłę. Jak powstał projekt poczty przy ul. Długiej w Gdańsku? [Ehe ein Maurer den ersten Ziegelstein in die Hand nimmt. Wie ist der Entwurf für das Postamt an der ul. Długa in Danzig zustande gekommen?]. In: Dziennik Bałtycki, 4. November 1950, 4. 28 Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 210. Stankiewicz neigte im Übrigen dazu, in dem Streit um das Postamt ein weiteres Indiz für eine »ideologische Konfrontation« zwischen kreativer und historischer Schule zu sehen. Siehe dazu auch Kapitel 5. 29 Kadłubowski (wie Anm. 23), 245. 30 Abgedruckt in: Architektura 5/6 (1951), 180. Die Bildunterschrift schreibt den Entwurf irrtümlich W. Rembiszewski und L. Taraszkiewicz zu (wobei man auch noch deren Namen zu »W. Kembiszewski« und »Ł. Faraszkiewicz« verunstaltete). Nach diesem Entwurf wurde das Postgebäude 1950 begonnen und noch im selben Jahr im Rohbau fertiggestellt. Siehe: Zanim murarz położy … (wie Anm. 27). Abgeschlossen wurde der Bau wohl gegen Ende des Jahres 1952: Siehe: Ostatnie prace przy budowie reprezentacyjnego gmachu poczty [Letzte Arbeiten am Bau des repräsentativen Postgebäudes]. In: Dziennik Bałtycki, 29. November 1952, 3. Es sei erwähnt, dass Kadłubowskis Entwurf sofort zum von anderen imitierten Vorbild wurde, siehe etwa den Entwurf eines Bürogebäudes von K. Ratajczyk in: Architektura 10 (1951), 338. 31 Abgebildet z. B. in: Danzig und seine Bauten. Berlin [1908], 137. 32 Kadłubowski (wie Anm. 23), 245. – Między Złotą a Zieloną Bramą, [Zwischen Goldenem und Grünem Tor]. In: Dziennik Bałtycki, 20./21. Dezember 1953, 4.

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etwa die Bekrönungen des Goldenen/Steffenschen Hauses, des Goldenen/Langgasser Tors oder des Artushofes. Ein noch offensichtlicherer Rekurs auf die lokale Bautradition ist die Stilisierung der Seitenrisalite als dreiachsige, mit dreieckigen Giebeln bekrönte Hausfassaden.33 Dieses Motiv taucht in den für die historische Innenstadt, vor allem aber für die Rechtstadt vorgesehenen sozrealistischen Entwürfen relativ häufig auf. Das früheste Objekt dieser Art und zugleich der erste sozrealistische Bau in Danzig überhaupt ist ein Gebäude, das zum »Haus der Presse« am Targ Drzewny / Holzmarkt gehört und das während seiner Entstehungszeit schlicht als »Czytelnik«-Haus bezeichnet wurde34 (Abb. 31). Das Gebäude wurde schon Mitte 1949 von Wacław Rembiszewski unter Mitwirkung von Leopold Taraszkiewicz, Józef Chmiel, Marian Chomicki und Daniel Olędzki entworfen.35 Rembiszewski erklärte, dass bei der Arbeit an diesem Objekt »die Hauptidee war, eine zeitgenössische Architektur zu schaffen, die an die Bautraditionen des historischen Danzig anknüpft«.36 Man bemühte sich, den postulierten Effekt durch die fünffache Wiederholung eines dreiachsigen Moduls in der Fassade zu erreichen, welches, nach den Worten des leitenden Entwurfsplaners, »nach dem typischen Schema eines Danziger Hauses«37 ausgeführt wurde. Unabhängig von den Intentionen der Autoren des Entwurfs weicht seine Umsetzung in hohem Maße vom »typischen Schema eines Danziger 33 In einem noch im Verlauf der Bauarbeiten geführten Interview erklärt der Architekt selbst, dass er sich bemüht habe, »die Atmosphäre der Danziger Architektur zu bewahren«, obwohl er seinen Entwurf an anderer Stelle des Gesprächs als modern bezeichnet. – Zanim murarz położy … (wie Anm. 27). 34 Zum Beispiel: Kiedy nareszcie rozpocznie się budowa szybkościowca »Czytelnika«? (list do redakcji) [Wann endlich beginnt die Errichtung des Rapidbaus »Czytelnik«? (Leserbrief)]. In: Dziennik Bałtycki, 16. November 1949, 6. – Staje gmach »Czytelnika« w Gdańsku [Der »Czytelnik«-Bau in Danzig entsteht]. In: Dziennik Bałtycki, 29. November 1949, 6. – Rośnie gmach »Czytelnika« [Der »Czytelnik«-Bau wächst]. In: Dziennik Bałtycki, 3. Januar 1950, 4. 35 Laureaci nagród państwowych na Wybrzeżu [Die Preisträger des Nationalpreises in der Küstenregion]. In: Głos Wybrzeża, 25. Juli 1952, 5. Der Entwurf wurde leicht abweichend von der schließlich realisierten Form veröffentlicht in: Architektura 5/6 (1951), 182. Diese Abweichung betrifft jedoch nicht den zentralen Baukörper, sondern lediglich einen Verbindungsbau zwischen ihm und einem Nebengebäude an der Ostseite. Diese ursprüngliche Konzeption zeigt auch ein Modell, abgebildet in: Nagroda w dziale architektury [Preis in der Sektion Architektur]. In: Dziennik Bałtycki, 31. Juli 1952, 2. Die ursprüngliche Lösung sah an der Ecke Targ Drzewny / Holzmarkt und ul. Kowalska / Schmiedegasse die Errichtung eines Gebäudes vor, das wesentlich niedriger war als der fünfmodulige Gebäudekorpus. Aber schon im September 1950 änderte Rembiszewski die Konzeption grundlegend und entwarf an dieser Stelle einen Bau, der den Korpus wesentlich überragte. Dieser Entwurf fand im März 1953 die Zustimmung der Denkmalpflege. – APG 1153/1934, 1935. Der schließlich errichtete Bau wiederholt im Prinzip die in diesem Entwurf vorgeschlagene Lösung, jedoch bereichert um einen – meiner Meinung nach – außergewöhnlich misslungenen Bauschmuck. 36 Nagroda w dziale architektury … (wie Anm. 35). 37 Nagroda w dziale architektury … (wie Anm. 35).



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Hauses« ab, vor allem durch den Verzicht auf die Giebel, die durch eine einfache bekrönende Attika ersetzt wurden. Tatsächlich lässt sich unter den alten Danziger Häusern eine ähnliche Lösung finden – zum Beispiel in der ul. Długa 28 und 29 – nichtsdestotrotz ist sie nicht typisch, im Gegenteil, die so gestalteten Fassaden sind eine Ausnahme von der Regel, dennoch wurden gerade sie als nachahmenswertes Vorbild betrachtet. Das ist überaus kennzeichnend für die Entwurfsstrategie des Sozrealismus – nicht nur in Danzig. Vollzieht man doch hier eine Interpretation der Architektur der Vergangenheit, die unabhängig von der deklarierten Treue zur lokalen Tradition klassizisierende Elemente in den Vordergrund rückt. Ein gewisses Echo der für den »Czytelnik«-Bau gefundenen Lösung lässt sich in der Fassade des Kinos »Leningrad« entdecken (Abb. 32), die 1950 von Alfred Monczyński und Andrzej Martens entworfen wurde.38 Auch hier taucht eine Kombination identischer dreiachsiger Module auf (in diesem Fall zwei), die insgesamt an die traditionelle Fassade eines Danziger Hauses anknüpft, jedoch wieder ohne Giebel. Diese Fassade verdeckt die relativ schmale Kassenhalle des Kinos, das erst in der Tiefe des Grundstücks seine volle Breite erreicht. Dank dessen setzt die Front keinen allzu starken Akzent auf der Nordseite der ul. Długa. Dem kommt der zurückhaltende Bauschmuck entgegen, der sich auch in diesem Fall auf klassizisierende Vorbilder bezieht, vor allem im Motiv der die Fassade bekrönenden Steinvasen. Die hier aufgeführten Merkmale hatten sicher Einfluss auf die positive Meinung, die die Fassade des Kinos »Leningrad« bei der damaligen Kritik hervorrief: »Die Vorderfassade des Gebäudes fällt in der Nachbarschaft der rekonstruierten Danziger Häuser nicht unangenehm auf. Das ist sehr viel. Das heißt, dass die Entwurfsplaner ihre Sache gut gemacht haben.«39 Bezeichnend ist die Betonung der Übereinstimmung des Neubaus mit seinem historischen Kontext, was die damals häufig geäußerte Sorge um eine Harmonisierung des »Neuen« mit dem »Alten« widerspiegelt. Ein Beleg dafür, dass das »Alte« zumindest nicht zur Niederlage verdammt war, ist die Rückfassade des Kinos, die sich an der ul. Piwna / Jopengasse erstreckt. Hier verzichtete man völlig darauf, die moderne Funktion des Gebäudeinneren sichtbar zu machen, verdeckte es mit einer Sequenz einiger traditioneller Hausfassaden.40 Das große, sich zwischen ul. Długa und ul. Piwna er38 APG 1153/713 (diese Mappe enthält Entwurfsskizzen, von denen eine auf den 22. März 1950 datiert ist). – APG 1153/714 (Entwurfszeichnungen, datiert auf den 13. Juli 1950). 39 Kowalski, J.: Kino »Leningrad« w Gdańsku [Das Kino »Leningrad« in Danzig]. In: Architektura 3 (1955), 64. Eine abweichende Meinung äußerte Władysław Czerny, der die Fassade »peinlich« nannte. Czernys negative Meinung resultierte aus der Gegensätzlichkeit seiner eigenen Vorstellungen, wie neue Gebäude in einer historischen Umgebung auszusehen hätten – »zeitgenössisch, unter der Bedingung, dass sie auch im Maßstab der Stadt und in ihrer Einfachheit wirklich zeitgenössisch und weit entfernt von prätentiöser Maskerade sind« – Czerny, W.: Krytyka projektowania Gdańska (Po konkursie na śródmieście) [Kritik zur Projektierung von Danzig (nach dem Wettbewerb für die Innenstadt)]. In: Architektura 1 (1955), 54. 40 Siehe die Anmerkungen zur allgemeinen Konzeption des Postamtes in diesem Kapitel.

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streckende Kino verdient auch wegen der Innenausführung Beachtung, bei der die von Rembiszewski entworfenen Gitter41 und die von Jacek Żuławski stammenden Sgraffiti eine wichtige Rolle spielen (Abb. 33). Während der Entwurf von Monczyński und Martens dazu tendiert, das »Neue« mit dem »Alten« in Einklang zu bringen, verzichtete Stanisław Holc vollständig auf diese Tendenz, als er den mächtigen Block an der Ostseite der ul. Kołodziejska / Große Scharmachergasse entwarf. Für diesen Teil der Rechtstadt war es nicht gelungen, eine ikonografische Dokumentation zu erstellen, die eine historische Rekonstruktion ermöglicht hätte42, was, in Übereinstimmung mit den allgemeinen Grundsätzen des Wiederaufbaus, die Entscheidung nach sich zog, den erwähnten Abschnitt in modernen Formen zu entwerfen, worunter man damals sozrealistische Formen verstand.43 Der Entwurfsplaner entschied sich für eine einheitliche Ausführung der gesamten Straßenfront an der ul. Kołodziejska – von der ul. Piwna bis zur ul. Św. Ducha – wobei er als wichtigste architektonische Verzierung eine Attika und aus der lokalen Tradition überhaupt nicht zu begründende Arkaden44 über die gesamte Länge des Blocks verwendete.45 Diese Lösung wurde, trotz des anfänglichen Widerstands des obersten Denkmalpflegers der Wojewodschaft46, 1954 realisiert47 und traf umgehend auf die Kritik von Bobiński, der dem Entwurf von Holc nicht nur die ahistorischen Arkaden vorhielt, sondern auch den »sehr agressiven« Giebel an der ul. Piwna48, und vor allem den Verrat an dem für den Wieder41 Kowalski (wie Anm. 39), 65, 67 (Abb.). 42 Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 210. 43 Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 210. Schon 1959 definierte Stankiewicz den Bau an der ul. Kołodziejska / Große Scharmachergasse als »sozrealistisch«. – Stankiewicz: Uwagi o odbudowie … (wie Einführung Anm. 12), 163. Am Rande sei auf die Gleichsetzung von »Modernität« mit »Sozrealismus« hingewiesen, die man immer mitdenken muss, wenn man die damaligen Diskussionen und Überlegungen zur Architektur verfolgt. Heutzutage neigen wir eher dazu, die Bezeichnung »Modernität« mit der architektonischen Moderne zu verknüpfen, welcher der Sozrealismus bekanntermaßen feindlich gegenüber stand. 44 Die Verwendung von Arkaden stellte meiner Meinung nach eine der Hauptstrategien zur architektonischen Polonisierung Danzigs dar, auch wenn sie selbstverständlich auch außerhalb Danzigs ziemlich häufig gebraucht oder sogar missbraucht wurde, so zum Beispiel in Lublin. Dazu die Kritik an einem solchen Missbrauch, die Zygmunt Skibniewski auf der 1. Allpolnischen Architekturentwurfsschau vorbrachte: Architektura 5/6 (1951), 206. 45 Diesen grundlegenden Fehler besaß schon der genauso »blockartige« Entwurf von Sypniewski, der auf den 28. Juli 1951 datiert ist und im Mai 1952 vom Wojewodschaftsdenkmalpfleger Bronisław Mieszkowski abgelehnt wurde. – APG 1153/1780. 46 Siehe Anm. 45. 47 Rosną mury Starego Gdańska [Die Mauern des Alten Danzig wachsen]. In: Głos Wybrzeża, 13. April 1954, 4. 48 Bobiński: Problemy i trudności … (wie Einführung Anm. 10), 212. Wohlgemerkt tauchte der Giebel an einer Stelle auf, für die gutes ikonografisches Material existierte, was die Frustrationen der Anhänger der historischen Option noch verstärken musste. Siehe: Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 210.



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aufbau – auch in Bezug auf Neubauten – verpflichtenden Prinzip, »harmonische architektonische Ensembles zu schaffen«.49 Zweifelsohne entsprach der Bau ganz überwiegend nicht diesem Grundsatz und forderte damit gewissermaßen das direkt benachbarte Zeughaus heraus, das immerhin das bedeutendste Denkmal neuzeitlicher Monumentalarchitektur in Danzig war.50 Es war im Übrigen eines der Hauptmerkmale der sozrealistischen Entwürfe für das Areal der Rechtstadt, dass sie gegenüber ihrer architektonischen Umgebung jedes Maß überschritten. Als Beispiel dafür können sowohl die nicht realisierten Konzepte zum Wiederaufbau der ul. Szeroka / Breitgasse dienen, hier vor allem ein in der Konzeptvariante II C vorgeschlagenes, 30 Meter hohes Hochhaus51, als auch das nach einem Entwurf von Henryk Frey52 und Lech Kadłubowski (Fassadenentwurf)53 ausgebaute Arbeiterwohnheim »Jantar« am Długi Targ 1954. Jahre später sollte dann auch einer der zwei Entwurfsplaner zugeben, dass dieses Gebäude »die unmittelbare Umgebung mit seinem Baukörper erdrückt«.55 Umso stärker kam die Tendenz, große Gebäude zu entwerfen, jenseits der mittelalterlichen Mauern zum Tragen. Die in den 50er Jahren veröffentlichten Entwürfe, von denen nur ein geringer Teil vor der Mitte des Jahrzehnts einsetzenden Krise des Sozrealismus umgesetzt werden konnte56, zeigen eine für die besonders 49 Bobiński: Problemy i trudności ... (wie Einführung Anm. 10), 212. 50 Eben diese Maßstabsänderung wirft Czerny dem Gebäude an der ul. Kołodziejska (das er »sehr schlecht« nennt) vor, da sie »eine Dominante schafft, die in der Gesamtkomposition der Straße nicht aus der städtebaulichen Situation begründet ist«. – Czerny (wie Anm. 39), 54. Den selben Vorwurf erhebt Stefan Marcinkowski, der darüber hinaus auf die unglückliche Zusammenstellung des Gebäudes von Holc mit dem Zeughaus hinweist. Für ihn erschlägt das schwerfällige Äußere die subtilen Formen des Zeughauses. – Światła i cienie architektury gdańskiej [Licht und Schatten der Danziger Architektur]. In: Głos Wybrzeża, 29. Oktober 1955. Holc bemühte sich, auf die Vorwürfe von Marcinkowski zu antworten: Jeszcze o sprawach gdańskiej architektury [Noch einmal über Fragen der Danziger Architektur]. In: Głos Wybrzeża, 5./6. November 1955, 3. 51 Siehe Kapitel 5. 52 Frey (wie Kapitel 2, Anm. 62), 133. – Mamuszka, F.: Droga Królewska w Gdańsku [Der Königsweg in Danzig]. Wrocław-Gdańsk 1972, 112. 53 APG 1153/1024. Die mit »Frontfassade. Erster Entwurf. 1:50« betitelte Zeichnung ist von Lech Kadłubowski signiert und auf den 15. März 1954 datiert. Dass Frey trotzdem in irgendeiner Form am Entwurf der Fassade beteiligt war, belegen seine eigenen Worte: »Ich gab der Fassade des Wohnheims ein klassizistisches Aussehen mit Danziger Bauschmuck.« – Frey (wie Kapitel 2, Anm. 62), 133. 54 Dieses Gebäude wurde als Wohnheim für die Arbeiter der Werft errichtet. – Frey (wie Kapitel 2, Anm. 62), 133. – Sprawa hotelu »Jantar« definitywnie zakończona [Angelegenheit des Wohnheims »Jantar« definitiv abgeschlossen]. In Głos Wybrzeża, 19. September 1957, 5. 55 Frey (wie Kapitel 2, Anm. 62), 133. Der Genauigkeit halber sei der ganze Satz angeführt, dem der zitierte Abschnitt entstammt und in dem Frey in charakteristischer Weise seine Arbeit verteidigt: »Heute, und obwohl es die unmittelbare Umgebung mit seinem Baukörper erdrückt, harmoniert das Gebäude mit der Atmosphäre des Długi Targ.« 56 Dazu ausführlicher im 7. Kapitel dieser Arbeit.

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ehrgeizigen architektonischen Bestrebungen jener Zeit typische Lokalisierung. Grundsätzlich lassen sich hier drei Orte ausmachen: die Altstadt, das Areal westlich der Rechtstadt sowie Wrzeszcz / Langfuhr, wo man das sogenannte GrunwaldzkaWohnviertel (Grunwaldzka Dzielnica Mieszkaniowa, GDM) errichten wollte, offensichtlich ein Rekurs auf das große sozrealistische Bauprojekt im Zentrum von Warschau, das sogenannte Wohnviertel an der ul. Marszałkowska (Marszałkowska Dzielnica Mieszkaniowa, MDM). Das weit von der historischen Innenstadt gelegene GDM soll hier nicht weiter behandelt werden57, im Gegensatz zu den unmittelbar an die Rechtstadt angrenzenden Areale, wo man einen privilegierten Platz für die neue Vision der Danziger Innenstadt fand. Nördlich der Rechtstadt erstreckt sich ein historisches Stadtviertel, das als Altstadt bezeichnet wird. In den 50er Jahren nannte man es häufig auch ahistorisch als Danzig-Nord.58 Die vorhandenen Quellen erlauben eine Rekonstruktion, zumindest in allgemeinen Umrissen, der für diesen Teil der Stadt geplanten Gestalt. Die früheste mir bekannte Quelle, ein anlässlich des 22. Juli 1950 veröffentlichter Artikel, begründet die Notwendigkeit, ein neues Zentrum in der Nachbarschaft des historischen Stadtkerns zu bauen, folgendermaßen: »Das sozialistische Danzig beabsichtigt nicht, seinen prächtigen, mit solcher Mühe rekonstruierten gotischen Kern in einem Gewimmel durchschnittlicher Wohnbauten zu verstecken, und deswegen strukturieren und konzipieren die Architekten ihre stadtplanerischen Lösungen so,

57 Die wichtigsten Publikationen zum GDM sind: Cieślińska, H.: Na wzorach MDM rośnie Grunwaldzka Dzielnica Mieszkaniowa [Grunwaldzka Dzielnica Mieszkaniowa wächst nach dem Vorbild der MDM]. In: Głos Wybrzeża, 27. Juni 1951, 4. – Jak będzie wyglądał Wrzeszcz w końcu Planu 6-letniego [Wie Wrzeszcz am Ende des 6-Jahr-Planes aussehen wird]. In: Głos Wybrzeża, 23. Januar 1952, 5. – [Hordyński, R., u. a.]: Grunwaldzka Dzielnica Mieszkaniowa. In: Architektura 8 (1953), 202  f., 198 f. (Abb.). – Zur sozrealistischen Bebauung von Wrzeszcz außerdem: (e.h.) Gdańskie miasteczko akademickie dziś i w 1956 roku [Die Danziger Wissenschaftsstadt heute und 1956]. In: Dziennik Bałtycki, 25. November 1953, 3, dort auch eine Abbildung eines der Entwürfe. Ein wichtiges und realisiertes Beispiel des Sozrealismus in Danzig ist außerdem das Stadion »Gwardia« an der ul. Elbląska, heute ul. Długie Ogrody, insbesondere dessen Kolonnaden. Dazu siehe: Nowy stadion sportowy w Gdańsku pomieści 30 tys. widzów [Neues Sportstadion in Danzig fasst 30.000 Zuschauer]. In: Dziennik Bałtycki, 10. Oktober 1953, 4 (mit Abb.). 58 Dies macht eine charakteristische Geringschätzung für die onomastischen Traditionen des historischen Danzig deutlich. Weitere Anzeichen dafür waren – beschränkt auf die eigentliche historische Innenstadt – die Bezeichnung der Alten Vorstadt als Danzig-Süd und der Rechtstadt selbst als Altstadt. Daher rührt sicher auch die Notwendigkeit, für die eigentliche Altstadt die unterscheidende Bezeichnung Danzig-Nord zu verwenden. Ein Beleg für die Verbreitung der fehlerhaften Bezeichnung Altstadt für die Rechtstadt ist z. B. der Artikel: (Z.B.) [Zbigniew Brocki?]: Dlaczego »Stare Miasto« i dlaczego »Główne Miasto«. Nazwy te oznaczają różne dzielnice Gdańska i ... nie należy ich mylić [Warum »Altstadt« und warum »Rechtstadt«? Die beiden Namen bezeichnen verschiedene Stadtteile Danzigs ..., man sollte sie nicht verwechseln]. In: Dziennik Bałtycki, 10. April 1951, 4.



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dass […] die Schönheit der Stadt enthüllt und offenbart wird.«59 Eine erste Idee für ein neues, in der Altstadt lokalisiertes Verwaltungs- und Dienstleistungszentrum sah die Errichtung eines Parteihauses und des Sitzes des Volksrates der Wojewodschaft vor, sowie ein Opernhaus und die Schaffung eines großen Versammlungsplatzes.60 Eine weitere Beschreibung der geplanten Bebauung der Altstadt vom März 1952 führt einige Veränderungen und Präzisierungen an.61 Darin ist vor allem von einer Teilung des Viertels in zwei Hälften die Rede, von denen man der einen, näher an der Rechtstadt gelegenen, ihren historischen Charakter ließ, die zweite aber, in der Nähe der Werft, sollte auf der Westseite der ul. Korzenna / Pfefferstadt Wohnbauten beherbergen. Im Norden plante man einen großen Platz, für den neben dem Präsidium des Volksrates der Stadt und einem Theater, »mächtige Gebäude für Institutionen der Wirtschaft und der Seefahrt«62 konzipiert wurden. Trotz einer gewissen Veränderung der vorgesehen Funktion im Verhältnis zum Text von 1950 wurde an der allgemeinen Tendenz festgehalten. Den Hauptplatz versah man mit einem an die Traditionen der Altstadt anknüpfenden Element, dem historischen Ensemble von drei Hevelius-Häusern mit einem rekonstruierten Observatorium.63 Eine Bestätigung der zentralen Rolle der Altstadt in den neuen Plänen für die Danziger Innenstadt bringt eine etwas spätere Veröffentlichung von Stefan Lier, die umso interessanter ist, als sie sich bereits auf die Pläne bezieht, die vom Regierungspräsidium mit Bierut an der Spitze genehmigt wurden.64 Ein gleichzeitig veröffentlichter Ausschnitt des Plans zeigt den oben erwähnten Platz mit angrenzendem Theater, dem Bau des Präsidiums des Volksrates der Stadt sowie den Hevelius-Häusern, die inzwischen zu einem Hevelius-Museum umgewidmet worden waren (Abb. 34). Andere Quellen ermöglichen es, die allgemeinen Umrisse der Monumentalbauten des Theaters und des Volksrates der Stadt zu erkennen. Das Theater (Abb. 35) sollte sämtliche Merkmale eines monumentalen Klassizismus tragen und war im Prinzip ein strenger steinerner Kubus mit einem davorgesetzten sechssäuligen Portikus, der sich über mächtigen Treppen erhob.65 Das Präsidiums59 Cieślińska, H.: Gdańsk niedalekiej przyszłości [Das Danzig der nahen Zukunft]. In: Głos Wybrzeża, 22./23. Juli 1950, 7. 60 Cieślińska (wie Anm. 59). 61 Szremowicz, W.: Gdańsk przyszłości [Das Danzig der Zukunft]. In: Dziennik Bałtycki, 30./31. März 1952 (Beilage »Rejsy«), 7. 62 Szremowicz (wie Anm. 61). 63 Zum weiteren Schicksal des Hevelius-Hauses siehe Kapitel 6. 64 Lier, S.: Przyszłość Gdańskiego Zespołu Portowo-Miejskiego [Die Zukunft des Danziger StadtHafen-Komplexes]. In: Dziennik Bałtycki, 31. August/1. September 1952 (Beilage »Rejsy«), 7. Zur Zustimmung Bieruts und des Regierungspräsidiums zu den Danziger Umbauplänen: Zaufania nie zawiedziemy [Wir werden das Vertrauen nicht enttäuschen]. In: Głos Wybrzeża, 20. Oktober 1952, 6. 65 Siehe die Abbildung zum Artikel: Gdy dzisiejsze plany staną się rzeczywistością. Rzut oka w przyszłość Ziemi Gdańskiej [Wenn die Pläne von heute Wirklichkeit werden. Ein Blick auf die

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gebäude des Volksrates der Stadt (Abb. 36) sollte wiederum die Form eines großen Gevierts mit Innenhof erhalten. Auch hier hatte man sich für strenge und klassizisierende Formen mit dem beherrschenden Motiv der einfachen Attika als Bekrönung des gesamten Blockes entschieden.66 Dass die Pläne zur Umgestaltung der Altstadt sehr weit gingen, zeigen auch andere Entwürfe. Am monumentalsten von allen war vielleicht ein Ende 1952 veröffentlichter Entwurf, bzw. eher eine Vision, für die Bebauung des Gebiets zwischen Bahnhof und Werft mit einer ganzen Reihe von mächtigen Bauten (Abb. 37), die sich entlang einer breiten Allee mit Kandelabern erstreckten, welche an die hochgerühmten Kandelaber am Warschauer Plac Konstytucji erinnerten.67 Eine besonders auffällige Form hatte man den Bauten an der östlichen Seite der Allee gegeben – eines von ihnen, natürlich das Haus des Werftarbeiters68, war gar als Kubus gestaltet worden, der in eine von einer Kuppel abgeschlossene Rotunde überging, was Assoziationen an das römische Pantheon hervorrief. In einer späteren Version verzichtete man nicht nur auf diese auffällige Form für das Haus des Werftarbeiters, sondern änderte auch seinen Standort und verlegte es an die ul. Łagiewniki / Schüsseldamm in der Nähe der Bartholomäuskirche.69 In einigen Entwürfen ging die Umgestaltung des nördlichen Teils der historischen Innenstadt sogar so weit, dass man die Sprengung des gut erhaltenen, aber aus der Jahrhundertwende stammenden Bahnhofsgebäudes in Betracht zog. Möglicherweise hätte man ihm dann eine sozrealistische Form gegeben.70

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Zukunft der Region Danzig]. In: Głos Wybrzeża, 25. Oktober 1952, 5. Außerdem die Reproduktion eines der Wettbewerbsentwürfe als Illustration eines Artikels von S. Lier: Konkurs na projekt urbanistyczno-architektoniczny fragmentu śródmieścia Gdańska [Wettbewerb für einen städtebaulich-architektonischen Entwurf für einen Abschnitt der Danziger Innenstadt]. In: Architektura 7/8 (1954), 191; der Bau wird hier wiederum als »Opernhaus« bezeichnet. Eine Reproduktion des Modells mit einem bedeutenden Abschnitt des Gebäudes wurde als Illustration zu folgendem Artikel veröffentlicht: Rozmowa z architektem-projektantem [Stanisławem Holcem]. Sami decydujemy, jak wyglądać będzie nasz dom, nasze miasto [Gespräch mit einem Architekten (mit Stanisław Holc). Wir entscheiden selbst, wie unser Haus und unsere Stadt aussehen werden]. In: Dziennik Bałtycki, 21. Mai 1952, 3. In einer anderen, später veröffentlichten Variante wurden die Ecken mit hausartigen Giebelmodulen hervorgehoben, die Assoziationen zum Postamt an der ul. Długa wecken. – Sowiński, S.: Już niedługo rozpocznie się budowa nowego osiedla Gdańsk-Północ [Bald beginnt der Bau der neuen Siedlung Danzig-Nord]. In: Dziennik Bałtycki, 24./25. Oktober 1954, 4. Włodarczyk (wie Kapitel 3, Anm. 21), 82–95. Wspaniałe jutro naszego trójmiasta [Ein glänzendes Morgen für unsere Dreistadt (Danzig-GdyniaZoppot)]. In: Dziennik Bałtycki, 26. Oktober 1952, 7. Die Bildunterschrift ist nicht eindeutig, aber die von mir vorgeschlagene Interpretation scheint die sicherste zu sein. Siehe die Abbildungen zum Artikel von Sowiński (wie Anm. 66). Siehe dazu den Wettbewerbsbeitrag Nr. 2, veröffentlicht in: Lier (wie Anm. 65), 189. Die Reproduktionen des Entwurfs von Józef Chmiel, Marian Chomicki, Romuald Połujan, Tadeusz Różański und Leopold Taraszkiewicz zeigen nur eine Risszeichnung des neu entworfenen Bahnhofs. In der



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Noch interessanteres Material, um ein Bild von der Strategie zu bekommen, Altem Neues gegenüberzustellen, sind die Nutzungspläne für das Areal im Westen der Rechtstadt. Das Territorium mit dem repräsentativen Hohen Tor war außergewöhnlich attraktiv, denn es bildete gewissermaßen die Verlängerung des Straßenzugs der ul. Długa und des Długi Targ, also der Hauptachse der historischen Stadt. Darauf sollte auch die Mehrheit der Lösungen zielen, die in einem großen, 1953 ausgelobten Wettbewerb zur Gestaltung dieses Abschnitts der Danziger Innenstadt vorgeschlagen wurden.71 Doch zuerst entstanden Entwürfe, die das Problem nicht insgesamt angingen, sondern sich auf die Neugestaltung der unmittelbaren Nachbarschaft des Hohen Tors konzentrierten. Auch sie veranschaulichen ausgezeichnet die uns interessierende Tendenz. Die Rede ist von den Entwürfen Lech Kadłubowskis und Adam Haupts, die 1952 veröffentlicht wurden72 und einen Vorschlag zur Bebauung der an das Hohe Tor grenzenden Abschnitte der Wały Jagiellońskie / Dominiks- bzw. Elisabethwall und der ul. Okopowa / Karrenwall präsentierten.73 Kadłubowski zeigt neu entworfene Objekte im Kontext der existierenden historischen Bebauung, was ihre genaue Lokalisierung erlaubt. Dies trifft auf den Entwurf von Haupt leider nicht zu, es lässt sich jedoch annehmen, dass auch er den nördlichen, also an das Hohe Tor grenzenden Abschnitt der ul. Okopowa im Auge hatte. An dieser Stelle war ein Gebäude der früheren Reichsbank erhalten geblieben74, dessen historisierende Architektur gemäß der erwähnten Ent-

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Bewertung der Wettbewerbsjury ist davon die Rede, dass »die Architektur des existierenden Bahnhofs in ihrer Komposition asymmetrisch [ist], [was] die Möglichkeit ausschließt, eine symmetrische Anlage zu schaffen.« – Lier (wie Anm. 65), 196. Dies könnte die Annahme bestätigen, dass man eher einen Umbau als den Abriss des bisherigen Gebäudes plante. Einen Eindruck davon, wie man sich in Danziger Architektenkreisen das Bahnhofsgebäude vorstellte, gibt eine Entwurfszeichnung der Fassade von F. Pasławski, deren Form im Übrigen ziemlich genau der Risszeichnung des Bahnhofs des oben erwähnten Entwurfs entspricht. Pasławskis Entwurf wurde als Illustration des folgenden Artikels veröffentlicht: Kopciński, E., u. a.: Nauka projektowania w polskich uczelniach architektonicznych [Entwurfslehre an polnischen Architekturschulen]. In: Architektura 11/12 (1951), 338. Lier (wie Anm. 65). – Lier, S.: Wstępny plan zespołu portowo-miejskiego Zatoki Gdańskiej [Vorläufiger Plan für den hafenstädtischen Ballungsraum der Danziger Bucht]. In: Architektura 8 (1953), 194–196. – Dąbrowski, L.: Plan śródmieścia Gdańska [Plan der Danziger Innenstadt]. In: Architektura 8 (1953), 197 ff. Abbildung und Besprechung in: Staszewski, S./Szober, W.: Zagadnienia kompozycyjne w pracach młodych architektów [Fragen der Komposition in den Arbeiten junger Architekten]. In: Architektura 7/8 (1952), 201 ff., 207, 209. In der Beschreibung wird fälschlicherweise die Bezeichnung »Wałowa« verwendet. Der heutige Zustand des Gebäudes weicht erheblich vom ursprünglichen ab, vor allem in den Partien oberhalb des bekrönenden Gesimses, siehe die Abbildung in: Danzig und seine Bauten (wie Anm. 31), 227.

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würfe durch Neubauten ersetzt werden sollte.75 Es existiert heute immer noch in seiner ursprünglichen Form. Beide Architekten schlugen eine monumentale Bebauung in sozrealistischer Manier vor, doch taten sie dies jeweils in unterschiedlicher Weise. Bei Kadłubowski erscheint die Tendenz, die Höhe der Bebauung zu variieren, was davon zeugt, dass er die historische Raumspezifik berücksichtigte. Zu beiden Seiten des Hohen Tors, also entlang der Wały Jagiellońskie und der ul. Okopowa, plante er niedrige, dreigeschossige Verwaltungsbauten von etwa 30 Metern Breite, die nicht nur kleiner als das Tor selbst waren, sondern auch Einblick in das Innere des historischen Stadtraums ermöglichten (Abb. 38, 39). Mithilfe dieser niedrigen, etwa 30 Meter langen Gebäude hob der Architekt gewissermaßen den Vorhang und offenbarte eine fast 100 Meter breite Aussicht auf den wichtigsten Teil der Rechtstadt mit den dominierenden Akzenten des Hohen Tors und des Rathausturmes. Die niedrigeren Häuser sind mit einem sehr zurückhaltenden Bauschmuck versehen, der mit einem in sich nicht gegliederten Band zwischen dem zweiten und dritten Geschoss geradezu einem reduzierten Klassizismus bzw. einem klassizisierenden Modernismus verwandt zu sein scheint.76 Die höheren Wohngebäude, die schon eine eindeutig sozrealistische architektonische Gestalt haben, werden mit den Verwaltungsbauten mithilfe von Toren verbunden, die, soweit sich das aus der vagen Zeichnung schließen lässt, mit dem Danziger Wappen bekrönt sind. Dies kann man wohl als Absicht interpretieren, dass den Straßenzug der ul. Długa und des Długi Targ eröffnende Torensemble zu erweitern. Die Wohnhäuser selbst haben den Charakter mächtiger Blöcke von über 20 Metern Höhe und einer Länge von mehr als 100 Metern. Diesen horizontalen Block lockerte der Architekt auf, indem er sechs vertikale, dreiachsige, giebelbekrönte Module plante, die scheinbar an die Tradition des Danziger Hauses anknüpfen sollten, was man auch als eine Art Abwandlung des bereits erwähnten, auf eine Multiplizierung eines »haus-

75 Scheinbar zog man trotz des guten technischen Erhaltungszustandes des ehemaligen Reichsbankgebäudes ganz ernsthaft dessen Abtragung in Erwägung (siehe dazu meine Anmerkungen zur Haltung gegenüber der Architektur des Späthistorismus im 1. Kapitel). Davon zeugt auch ein anderer Raumordnungsentwurf für das Areal rund um das Hohe Tor von Ryszard Massalski, der eine Rekonstruktion eines Teils der neuzeitlichen Erdbefestigungsanlagen vorsah, dazu die Abbildung in: Chrzanowicz, J./Massalski, R.: Dom Architekta w Gdańsku [Das Haus des Architekten in Danzig]. In: Architektura 3 (1953), 203. 76 Dieser »moderne« Charakter der Gebäude zeigt sich noch deutlicher in einer Perspektivzeichnung, die den folgenden Artikel illustriert: Wspaniałe jutro naszego trójmiasta [wie Anm. 68]. Die Zeichnung zeigt darüber hinaus die Proportionen der beiden Gebäudetypen in ihrem räumlichen Kontext – die kleineren Verwaltungsgebäude sollten eine Linie mit dem Hohen Tor bilden, während die größeren Wohngebäude kühn über die so definierte Fluchtlinie hinaus in die Tiefe des Straßenzugs der Wały Jagiellońskie und der ul. Okopowa hineinragen sollten, was den bereits erwähnten Effekt einer Erweiterung der historischen Torsituation zusätzlich verstärkt hätte.



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artigen« Moduls gestützten sozrealistischen Danziger Fassadentyps interpretieren kann.77 Einen vergleichbaren Versuch, mit dem vorgefundenen Raum in Dialog zu treten, sehe ich im Entwurf von Haupt nicht, der die Errichtung eines mächtigen, etwa 120 Meter breiten Verwaltungsbaus vorsieht, der von leicht vortretenden Seitenrisaliten abgeschlossen wird (Abb. 40). Auch hier bemüht sich der Autor, den horizontalen Block, den eine sich so breit erstreckende Fassade unvermeidlich hervorbringt, durch die Einführung vertikaler Elemente aufzulockern. In diesem Fall sind dies von Lisenen eingefasste blinde Wandflächen, die die Portale des Gebäudekorpus und die Eckrisalite betonen, welche im Erdgeschoss zusätzlich überlebensgroßen Figuren zieren. Der Entwurf von Haupt ist eher allgemeiner Art und weniger in der spezifischen Danziger Strömung des polnischen architektonischen Sozrealismus verortet, was ein Vergleich mit den parallel dazu in der Zeitschrift Architektura veröffentlichten Entwürfen zu anderen Zentren belegt.78 Es ist bezeichnend, dass die Kritiker dem Entwurf von Haupt gewogener waren und Kadłubowski »mangelnde Harmonisierung mit der Umgebung«79 und einen übermäßigen Kontrast zwischen neuer und alter Architektur vorwarfen. Sie konzentrierten sich dabei auf die plastische Fassadengestaltung und erkannten nicht den eigentlichen Wert des Entwurfs von Kadłubowski, der ja gerade in der Koexistenz von Altem und Neuem lag, und generell widmeten sie der Architektur als einer Kunst der Raumgestaltung wenig Aufmerksamkeit.80 Diese Art von architektonischem »Fassaden«-Denken erscheint auch in den für den bereits erwähnten Wettbewerb aus dem Jahr 1953 eingesandten Arbeiten81, gleichwohl wird es in diesem Fall durch den stadtplanerischen Charakter des Projekts eingeschränkt. Der Wettbewerb zum Entwurf eines städtebaulich-architektonischen Abschnittes der Danziger Innenstadt, denn so wurde das Thema definiert, wurde von der Sektion Küste des Polnischen Architektenverbandes (Oddział Wybrzeże SARP) im Auftrag des Präsidiums des Volksrates der Stadt Danzig or-

77 Die von Kadłubowski vorgeschlagene Lösung weist darüber hinaus eine gewisse Ähnlichkeit mit den Entwürfen des Architektenteams Biszewski für die ul. Szeroka in deren besonders radikal sozrealistischer Variante auf, siehe Kapitel 5. 78 Staszewski/Szober (wie Anm. 72). 79 Staszewski/Szober (wie Anm. 72), 202. 80 Es sei ergänzt, dass die Kritiker der Architektura aus den Details des Kadłubowski-Entwurfes sogar »formalistische Tendenzen« herauslasen: Staszewski/Szober (wie Anm. 72), 202. 81 Dies erkannten die Juroren schon damals, siehe etwa ihre Meinung zum Entwurf des Zentralen Kulturhauses in der Arbeit Nr. 5: »Die architektonische, konsequent aus einer banalen Raumanordnung (der Baukörper und des Risses) resultierende Komposition des ZKH-Gebäudes schafft eine unangemessene Unterscheidung von ›Vorder-‹ und ›Rückfassade‹.« – Lier (wie Anm. 65), 197.

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ganisiert.82 An ihm beteiligten sich 28 Architektenteams. In die Endrunde kamen sieben, wovon eines seinen Entwurf zurückzog.83 Der Wettbewerb umfasste die östlichen Areale der Recht- und der Altstadt sowie die Teile, die sich östlich der alten Befestigungslinien der Stadt erstrecken. Für die vorliegenden Überlegungen am interessantesten sind die Gestaltungsvorschläge für das Areal gegenüber dem Hohen Tor, das gemäß den Wettbewerbsvorgaben als »Platz für Massenversammlungen und Manifestationen« sowie für ein Zentrales Kulturhaus vorgesehen war84, was man damals als »eines der wichtigsten auszuarbeitenden Themen« betrachtete.85 Denn dieser Bereich war nicht nur dem Torensemble der ul. Długa, also einem besonders exponierten Ort des historischen Danzigs, benachbart, sondern war geradezu als Fortsetzung, vielleicht sogar als Krönung der wichtigsten alten städtebaulichen Achse vorgesehen – des Straßenzuges der ul. Długa und des Długi Targ. Dass diese Aufgabe genau so verstanden wurde, können die folgenden Formulierungen aus der Wettbewerbsausschreibung zeigen: »Auf dem das Thema des Wettbewerbs darstellenden Areal ist eine Reihe von Anlagen zu entwerfen, die Ausdruck der modernen sozialistischen Stadt sein sollen. Es ist eine hinsichtlich der Planvorgaben und des künstlerischen Ausdrucks adäquate Verknüpfung der historischen und der geplanten neuen Anlagen zu berücksichtigen. Die unmittelbare Nachbarschaft der für die neuen Anlagen vorgesehenen Areale zur Rechtstadt ist

82 Lier (wie Anm. 65), 188. 83 Unter diesen sieben Architektenteams waren vier aus Danzig, zwei aus Warschau und eines aus Breslau, siehe: W przyszłym roku rozpocznie się zabudowa śródmieścia Gdańska [Im kommenden Jahr beginnt die Bebauung der Innenstadt von Danzig]. In: Głos Wybrzeża, 25. November 1953, 4. Am Ende wurden also sechs Arbeiten ausgeführt, wobei in der Architektura fünf veröffentlicht wurden, die Arbeit Nr. 6 ließ man weg, siehe Lier (wie Anm. 65). 84 Die Idee zur Errichtung eines Kulturhauses soll spontan von einem der Teilnehmer einer Versammlung des Städtischen Komitees der Verteidiger des Friedens im Oktober 1951 vorgebracht worden sein. Die Beschreibung jenes Ereignisses möchte ich wegen des speziellen Charmes dieses Textes hier anführen: »Als […] Gen. Sierocin mit einem Antrag zur Errichtung eines Zentralen Kulturhauses mit der Unterstützung der Bevölkerung der Küstenregion und ohne Inanspruchnahme staatlicher Mittel auftrat, hatten viele der Versammelten Zweifel, ob sich ein so kühnes Projekt verwirklichen ließe. Der Antragsteller schaffte es jedoch, die Versammelten mit seinem Enthusiasmus zu überzeugen und ihnen zu beweisen, dass schon eine Wertstoffsammlung die nötigen Mittel zur Errichtung des Hauses erbringen könne. Der Antrag wurde angenommen.« – Wysiłkiem całego społeczeństwa powstanie w Gdańsku Centralny Dom Kultury [In Danzig entsteht mit Unterstützung der gesamten Bevölkerung ein Zentrales Kulturhaus]. In: Głos Wybrzeża, 26./27. Juli 1952. Man begann tatsächlich mit der Sammlung von Schrott und anderen Wertstoffen, bekam dabei innnerhalb von vier Jahren aber nur einen geringen Teil der auf insgesamt 70 Millionen Złoty geschätzten Gesamtkosten zusammen. – Rezygnacja z pięknych, ale na razie nierealnych zamierzeń nie przynosi ujmy [Verzicht auf schöne, aber für’s erste unrealistische Pläne tut [der Sache] keinen Abbruch]. In: Dziennik Bałtycki, 5. Oktober 1956, 3. 85 Lier (wie Anm. 65), 188.



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ein Moment, das verschiedene Möglichkeiten zur Anknüpfung dieser Anlagen an die Struktur und den künstlerischen Charakter der Rechtstadt bedingt.«86 Weiter wird explizit darauf hingewiesen, dass »die Umbauung des Versammlungsplatzes monumentalen Charakter haben soll«87, mit dem Zentralen Kulturhaus als dominierendem Akzent; der erwähnte Platz sollte außerdem an eine »Aufmarschstrecke« anschließen. Der deutlichste Hinweis lässt sich jedoch nicht in der Wettbewerbsausschreibung selbst finden, sondern in den Empfehlungen der Jury, in denen der folgende Satz vorkommt: »Der Bau des Kulturhauses ist als ideologischer und architektonischer Akzent zu behandeln«.88 Am Beispiel der zwei von der Jury ausgezeichneten Arbeiten89 kann man sehen, auf welche Weise versucht wurde, diese Art von Forderungen zu erfüllen. Die Entwürfe behandelten den Raum zwischen Hohem Tor und Kulturhaus jeweils unterschiedlich. Ein bereits in den Wettbewerbsbedingungen vorgegebener Punkt war die Positionierung des Zentralen Kulturhauses an der nördlichen Flanke des Stolzenbergs und seine Anknüpfung an die Achse des Hohen Tors.90 Die Ausführung der Details blieb jedoch dem Einfallsreichtum der Architekten überlassen. Entwurf Nr. 5 (Abb. 41, 42) schlug eine Grünfläche mit Versammlungsplatz vor, der einzig durch zwei Kolonnadenreihen hervorgehoben wurde91, während Entwurf Nr. 2 (Abb. 43, 44) in diesem Areal einen Komplex monumentaler Bauten ansiedelte, die offenbar administrativen und Dienstleistungszwecken vorbehalten waren.92 Diese zwei Optionen spalteten auch die Jury, für die die Komposition des Raumes zwischen Hohem Tor und Kulturhaus zu einem Hauptstreitpunkt wurde.93 Ein anderes Problem, welches allerdings mit einem gesonderten Wettbewerb gelöst werden sollte94, war das Kulturhaus selbst, nichtsdestoweniger nahm es sowohl in den eingereichten Arbeiten, als auch in den an den Wettbewerb anschlie-

86 87 88 89

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Lier (wie Anm. 65), 188. Lier (wie Anm. 65), 188. Lier (wie Anm. 65), 197. Keiner der drei vom Reglement vorgesehenen Preise wurde verliehen, man beschränkte sich darauf, zwei Arbeiten lobend hervorzuheben: Die Nr. 2 (eines Danziger Teams mit den Architekten Józef Chmiel, Romuald Połujan, Tadeusz Różański und Leopold Taraszkiewicz) sowie die Nr. 5 (eines Warschauer Teams mit den Architekten Józef Łowiński, Leonard Tomaszewski, Wiesław Nowak und Władysław Strumiłło unter Mitarbeit der Bauzeichner Witold Dębski, Danuta Krajewska, Zdzisław Kuźmierkiewicz, Zygmunt Majchrzak, Zofia Supronowicz, Alicja Wirt, Roman Wołyniec und Hanna Zaborska). Der ansonsten genaue Bericht in der Architektura enthält keine Informationen über eine Rangfolge in den Auszeichnungen, es scheint aber, als habe man die Arbeit Nr. 2 höher bewertet, siehe: W przyszłym roku … (wie Anm. 83). Lier (wie Anm. 65), 195 Lier (wie Anm. 65), 191 (Abbildung). Lier (wie Anm. 65), 189, 195 Lier (wie Anm. 65), 195 Lier (wie Anm. 65), 197

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ßenden Diskussionen einen wichtigen Platz ein. Die grundsätzliche Differenz betraf die Höhe des geplanten Baus. Während die Autoren des Entwurfs Nr. 5 in dieser Hinsicht unsicher waren und zwei Varianten vorschlugen – eine vertikale, dem Warschauer Kulturpalast angenäherte sowie eine etwas gedrungenere (Abb. 42), sprachen sich die Urheber des Entwurfs Nr. 2 eindeutig für eine vertikale Lösung aus (Abb. 44), auch diese nah am Warschauer Vorbild.95 Die Frage wurde auch während der Diskussion nicht entschieden, und man beschränkte sich auf die mehrdeutige Erklärung, dass »das entscheidende Moment die Notwendigkeit sein muss, den Bau sehr behutsam in seine unmittelbare Umgebung sowie in die Stadtsilhouette einzufügen«96, außerdem dürfe das Kulturhaus »den Maßstab Danzigs nicht durch eine allzu aggressive Gestaltung seines Baukörpers erschlagen«.97 Die Vorsicht sollte allerdings nicht so weit gehen, den Monumentalbau nicht »zur Dominante in der bauplastischen Struktur der Stadt« werden zu lassen.98 Genau dies war wohl das Hauptziel bei der Planung eines so mächtigen Baus am Rand der historischen Stadt, der dank seiner erhöhten Lage sogar noch dann das Panorama bestimmt hätte, wenn die horizontale Variante gewählt worden wäre.99 Durch ihre räumliche Anordnung sollte die neue, sozialistischen Anlage die historische Stadt dominieren. Versammlungsplatz und Kulturhauses thronten nicht nur über der Rechtstadt, sie lagen direkt an der Achse und am räumlichen wie gesellschaftlichen Rückgrat, dem Straßenzug der ul. Długa und des Długi Targ. Dies wäre eine deutliche Visualisierung der Beherrschung nicht nur der Gegenwart, sondern auch der Geschichte der Stadt gewesen, und gleichzeitig hätte es als Krönung dieser Geschichte verstanden werden können (Abb. 45). Eine Bestätigung solcher Bestrebungen auf der räumlichen Ebene ist sicher die Empfehlung der Jury, die 95 Die übrigen, eine vertikale Variante vorschlagenden Arbeiten (Nr. 1 und 4) entfernen sich wesentlich weiter von diesem Vorbild (siehe die Abbildungen in: Lier (wie Anm. 65), 192, 194), wenngleich die Ähnlichkeit beider Projekte allgemein aufgefallen sein muss. Davon zeugt die Bildunterschrift unter einer der Zeichnungen zur Arbeit Nr. 4: »Anlage des Kulturpalastes (sic), Ansicht vom Rathausturm.« 96 Lier (wie Anm. 65), 195. 97 Lier (wie Anm. 65), 195. 98 Lier (wie Anm. 65), 195. Man sollte ergänzen, dass die Vorstellung von einem »Hochhaus« die Fantasie der potentiellen Adressaten mehr beschäftigt hat, worauf etwa die Beschreibung des Dekors der 500-Jahrfeier zur sogenannten Abschüttelung des Kreuzritterjochs hinweist: »Auf der Bühne, wo man den Präsidiumstisch aufgestellt hatte, war eine schöne Dekoration zu sehen, die eine Ansicht des künftigen Danzigs darstellte – die wiederaufgebauten Altstadthäuser vor dem Hintergrund eines großartigen Hochhauses, des Zentralen Kulturhauses.« – Uroczysta sesja MRN m. Gdańska zainaugurowała rok jubileuszowy. W 500-ną rocznicę zrzucenia jarzma krzyżackiego i w 9-tą rocznicę wyzwolenia [Festsitzung des Volksrates der Stadt Danzig eröffnete Jubiläumsjahr. Zum 500. Jahrestag der Abschüttelung des Kreuzritterjochs und zum 9. Jahrestag der Befreiung]. In: Dziennik Bałtycki, 1. Mai 1954, 3. 99 Lier (wie Anm. 65), 191 (Abbildung, die zwei Varianten des Gebäudes in der Silhouette der Stadt zeigt).



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Achse des neuen Komplexes, die in den vorgelegten Entwürfen leicht schräg zur Achse des Hohen Tors verläuft, mit dieser in Übereinstimmung zu bringen100, was vom Gesichtspunkt der oben dargestellten Ziele völlig verständlich ist: Wenn es gelänge, die Achse der ul. Długa vollständig mit der Achse des Kulturhauses in Kongruenz zu bringen, dann wäre die räumliche Suggestion von Kontinuität und Unterordnung komplett. Dieses Verständnis einer Abhängigkeit zwischen »Altem« und »Neuem« oder eher der Abhängigkeit des »Alten« vom »Neuen« fand auch prägnanten verbalen Ausdruck in einem der Kommentare zum Wettbewerb: »Wenn man auf das Panorama des alten Danzig blickt […] fällt es schwer, sich ein plötzliches Wachstum der Stadt in Form einer Reihe moderner architektonischer Massive vorzustellen, die die einstige, von alten Stichen her erinnerte Silhouette der Stadt nicht erdrücken würden. Und doch ist dieses Wachstum ebenso notwendig und sogar hundertmal notwendiger als die Errichtung des alten Danzig in seiner feudalen und späteren Entwicklungsphase. Die Errichtung eines modernen, sozialistischen Zentrums ist ein Faktum, das man der einstigen Dominante des innerstädtischen Massivs weder unterordnen kann noch darf.«101 Diese Äußerung lenkt die Aufmerksamkeit noch auf ein weiteres wichtiges Problem – darauf, dass es zum Verständnis der sozrealistischen Architektur nicht ausreicht, ihre strikt architektonischen Aspekte zu betrachten, wie es eine rundum zutreffende Beobachtung von Waldemar Baraniewski wiedergibt: »Die grundlegende Problematik des Sozrealismus liegt jenseits der Frage stilistischer Anknüpfungspunkte oder Kontinuitäten.«102 Zweifelsohne lassen sich bestimmte immanente, beziehungsweise eher traditionell stilistische Determinanten nachverfolgen. Mehr oder minder intuitiv habe auch ich mich ihrer bedient, wenn ich bestimmte Bau100 Lier (wie Anm. 65), 197. 101 Szmidt, B.: Na drodze przemian [Auf dem Wege der Veränderungen]. In: Przegląd Kulturalny 51/52 (1953), zitiert nach: Goldzamt, E.: Architektura zespołów śródmiejskich i problemy dziedzictwa [Die Architektur innenstädtischer Bauensembles und die Frage des Kulturerbes]. Warszawa 1956, 526. Etwas zurückhaltender äußerte sich Bolesław Malisz zu diesem Thema: »Der Kampf um dieses grundlegende Postulat der Methode des sozialistischen Realismus [einer harmonischen Verbindung von ›Altem‹ und ›Neuem‹, J. F.] zeichnete sich in Danzig besonders scharf ab, wo man als Resultat vieler ›Versuche und Irrtümer‹ schließlich eine Konzeption fand, die den neuen Grundsätzen bei völliger Wahrung der historischen Werte die adäquaten Möglichkeiten sichert.« – Malisz, B.: Droga rozwoju naszej urbanistyki [Der Entwicklungsweg unseres Städtebaus]. In: Miasto 7 (1953), 6. 102 Baraniewski, W.: Klasycyzm a nowy monumentalizm [Klassizismus und neuer Monumentalismus]. In: Klasycyzm i klasycyzmy. Materiały Sesji Stowarzyszenia Historyków Sztuki. Warszawa, listopad 1991. Warszawa 1994, 238. Baraniewskis Feststellung bezieht sich unmittelbar auf die Architektur, eine ähnliche Ansicht findet sich jedoch auch in Bezug auf die Malerei: Ilkosz, J.: Malarstwo realizmu socjalistycznego w Polsce [Die Malerei des sozialistischen Realismus in Polen]. In: Sztuka polska po roku 1945. Materiały Sesji Stowarzyszenia Historyków Sztuki, Warszawa, listopad 1984. Warszawa 1987, 189 f.

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werke der Stilrichtung des Sozrealismus zugeschrieben habe. Schon der Umstand, dass ich die Bezeichnung »Stilrichtung des Sozrealismus« verwende, verweist darauf. Zu diesen Determinanten gehören ohne Zweifel der Monumentalismus, ferner etwas, das man »Fassadenhaftigkeit« nennt103, dazu ein spezifischer Klassizismus104 sowie ein gleichermaßen spezifischer Historismus.105 Doch ebenso unzweifelhaft ist auch die Notwendigkeit, neben der eigentlichen architektonischen Materie auch nach externen Komponenten zu suchen. Unter ihnen kommt verbalen Mitteilungen, wie der oben zitierten, ein wichtiger Platz zu. Sie erfüllten nicht nur, worauf Wojciech Tomasik zu Recht in seinen Überlegungen zum Zusammenhang von Architektur und Literatur im sozialistischen Realismus hingewiesen hat, eine exegetische Funktion106, sondern auch eine kreative. Die Publizistik der ersten Hälfte der 50er Jahre entwarf häufig und gern das Bild noch nicht existierender Städte, wobei sie sich manchmal sogar einer in die Zukunft verschobenen zeitlichen Perspektive bediente. In einem dieser Texte findet sich ein besonders interessanter Abschnitt zum Komplex des Kulturhauses, der bestätigt, was auch bei einer räumlichen Analyse deutlich wird, nämlich die Dominanz des Gebäudes über die alte Stadt: »Und hier der mächtige Bau des Kulturhauses der Wojewodschaft.107 Er ist wenig niedriger als der Kulturpalast in der 103 Olszewski (wie Kapitel 3, Anm. 10), 338. 104 In Danzig hat Władysław Czerny als erster einen Zusammenhang zwischen der neuen sozialistischen Architektur und dem Klassizismus formuliert und sich dabei auf Zhdanov berufen. – Czerny (wie Kapitel 1, Anm. 16), 31. Die Zusammenhänge zwischen Klassizismus und Revolution untersucht Krzysztof Lipka: Wizjonerzy w służbie propagandy, czyli architektura klasycyzmu rewolucyjnego [Visionäre im Dienste der Propaganda, oder die Architektur des revolutionären Klassizismus]. In: Klasycyzm i klasycyzmy … (wie Anm. 102), 131–143. Zwar beziehen sich die Bemerkungen des Autors auf die Architektur des 18. Jahrhunderts, doch viele Beobachtungen bleiben auch für die Situation im 20. Jahrhundert aktuell, vor allem in Bezug auf die paradoxe Natur jener Zusammenhänge. 105 Zur Spezifik des polnischen Sozrealismus gehörte zum Beispiel die Betonung der Renaissance als postuliertem Vorbild. Dazu: Włodarczyk (wie Kapitel 3, Anm. 21), 33. Zum Geschichtsverständnis der Danziger siehe auch das zweite Unterkapitel dieses Kapitels. Die dort enthaltenen allgemeinen Anmerkungen lassen sich in hohem Maße auch auf die Architektur übertragen. 106 Tomasik, W.: Inżynieria dusz. Literatura realizmu socjalistycznego w planie »propagandy monumentalnej« [Ingenieure der Seele. Die Literatur des sozialistischen Realismus und der Plan einer »Monumentalpropaganda«]. Wrocław 1999, 54 f. Die erwähnten Überlegungen enthält das Kapitel mit dem bezeichnenden Titel »Kann die Architektur die Literatur ersetzen?«. 107 Dass der Name der künftigen Danziger Entsprechung des Warschauer Kulturpalastes nicht eindeutig feststand, bezeugt, dass neben der am häufigsten auftretenden Bezeichnung »zentral« auch andere vorkommen: »der Wojewodschaft« (außer im zitierten Text von Szremowicz auch in: Śródmieście Gdańska w perspektywie przyszłości [Die Innenstadt von Danzig in künftiger Perspektive]. In: Dziennik Bałtycki, 29. Oktober 1951, 3. – Rośnie Gdańsk piękniejszy niż był kiedykolwiek [Danzig wird wachsen, schöner als es jemals war]. In: Głos Wybrzeża, 28. Mai 1952, 5); sowie »des Meeres« (in: Fenikowski, F.: Gdańskie korzenie [Danziger Wurzeln]. In: Dziennik Bałtycki, 20. November 1954, 2). Für Fenikowski ist das Kulturhaus eines der wich-



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Hauptstadt. Die Silhouette unseres Hochhauses ist in Danzig von allen Vierteln aus zu sehen. Es ist immerhin zweimal so hoch wie die Türme der Marienkirche und des Rathauses«.108 Eine für die uns interessierende Zeit spezifische Artikulationsform waren Ansprachen und Artikel von lokalen Machtrepräsentanten, besonders in Zusammenhang mit sozialistischen Feiertagen. Den im Kontext der vorliegenden Überlegungen vielleicht interessantesten Passus birgt eine Äußerung des Vorsitzenden des Präsidiums des Volksrates der Stadt Danzig, Stanisław Schmidt, anlässlich des Tags der Arbeit: »Wenn man von den unzweifelhaften Errungenschaften im Bauwesen spricht, darf man nicht die Schöpfer der im Umbau und Aufbau Danzigs entstandenen urbanen Anlagen übergehen, das sich von einer typisch kapitalistischen Stadt in eine sozialistische Stadt verwandelt hat. Aus den Händen unserer Architekten […] gehen Entwürfe hervor, die konsequent die Aufgaben des sozialistischen Staates realisieren, wie sie in der genialen Formulierung des Genossen Stalin über das grundlegende Gesetz des Sozialismus enthalten sind, der sagt, dass ›die Sicherung der maximalen Befriedigung der ständig wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnisse der ganzen Gesellschaft auf dem Wege eines ununterbrochenen Wachstums und der Perfektionierung der sozialistischen Produktion […]‹ der Kern dieses Gesetzes ist.«109 Diese Äußerung vermag eine These von Tomasik ausgezeichnet zu veranschaulichen: »Zwischen der in architektonischer [in diesem Fall eher stadtplanerischer] Form chiffrierten Mitteilung und dem Empfänger, an den sie gerichtet ist, müssen die Schriftkundigen stehen.«110 Denn erst die Benennung der baulichen Umgestaltungen der Stadt als »sozialistische« offenbart das eigentliche Projekt der Architekten, welches ohne dies als gewöhnliche Entwurfstätigkeit gesehen werden könnte. tigsten Elemente von Danzig, das noch dazu im überaus vielsagenden Kontext des folgenden Satzes vorkommt: »Für uns ist Polen vor allem Danzig, das Danzig der farbigen Fresken an den wiederaufgebauten Häusern, das Danzig der Werft und des Kulturhauses des Meeres.« 108 Szremowicz, W.: W płomieniu marzeń wypalone cegły [Ziegel, im Feuer von Träumen gebrannt]. In: Szremowicz, W.: Szturmujcie ratusz [Stürmt das Rathaus]. Warszawa 1954, 172– 178. Dieser Text hat die Form einer Erzählung über das wiederaufgebaute Danzig, die ein Vater 1961 vor seinem am ersten Jahrestag der Befreiung der Stadt geborenen Sohn ausbreitet. Andere Beispiele einer in die Zukunft gewandten Publizistik sind unter anderen: Szremowicz, W.: Gdańsk przyszłości [Das Danzig der Zukunft]. In: Dziennik Bałtycki, 30./31. März 1952 (Beilage »Rejsy«), 7. – Gdy dzisiejsze plany staną się rzeczywistością. Rzut oka w przyszłość Ziemi Gdańskiej [Wenn die Pläne von heute Wirklichkeit werden. Blick in die Zukunft der Danziger Region]. In: Głos Wybrzeża, 25. Oktober 1952, 4 f. – Wspaniałe jutro naszego trójmiasta [Die glänzende Zukunft unserer Dreistadt]. In: Dziennik Bałtycki, 26. Oktober 1952, 7. – Gawryluk, H.: Spacer po Gdańsku niedalekiej przyszłości [Spaziergang durch das Danzig der nahen Zukunft]. In: Dziennik Bałtycki, 27. April 1955, 3. 109 Szmidt, S.: Rośnie i rozkwita socjalistyczny Gdańsk [Das sozialistische Danzig wächst und gedeiht]. In: Dziennik Bałtycki, 1. Mai 1953, 6. 110 Tomasik (wie Anm. 106), 54 f.

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In der erwähnten Äußerung fällt noch etwas ins Auge, das Beschwören der Autorität Stalins und der von ihm formulierten »Gesetze«. Zweifelsohne erfüllt dieses Beschwören neben einer spezifisch rhetorischen auch noch eine weitere Funktion. Es verortet nämlich den Wiederaufbau Danzigs auf der Ebene vorgeblich allgemein gültiger, quasi-wissenschaftlicher Gesetze, die von der historischen Notwendigkeit überzeugen sollen, die den Wiederaufbau mit der neuen sozialistischen Wirklichkeit verbinde.111 Unter den verbalen Mitteilungen nehmen Parolen einen privilegierten Platz ein. Ihre permanente Wiederholung sollte eine günstige emotionale Atmosphäre für den Wiederaufbau des historischen Teils der Stadt und ihrer neuen Viertel schaffen. Außerdem wollte man dadurch zugleich eine affirmierende Akzeptanz der neuen gesellschaftlichen Wirklichkeit herstellen – als Wirklichkeit, die solch einen umfassenden Wiederaufbau ermöglicht. Besonders hartnäckig wiederholen sich in der damaligen Publizistik zwei Parolen. Die erste von ihnen war ein damals allgemeingültiges Schlagwort. Sie postulierte eine Kunst und Architektur, die »national in der Form und sozialistisch im Inhalt« zu sein habe – ein Bezug auf die, wie Włodarczyk anmerkt112, höchst unpräzise Schlüsselkategorie der sozrealistischen Doktrin – die nationale Form. Für Danzig hatte dieser Begriff eine zweifach ideologisierte Bedeutung, denn neben den dem Sozrealismus generell eigenen Inhalten, die der Leninschen Doktrin von den »zwei Kulturen« und die Theorie des Klassenkampfes implizit waren113, konnte man es mit einem spezifischen Inhalt anreichern und aus diesen allgemeinen Thesen eine Aussage über die Polonität Danzigs machen.114 Die zweite Losung stellte ebenfalls einen Reflex auf externe, in diesem Fall Warschauer Anreize dar.115 Sie lautete: »Wir bauen Danzig schöner wieder auf, als 111 112 113 114

Siehe die in Anm. 101 angeführte Äußerung von B. Szmidt. Włodarczyk (wie Kapitel 3, Anm. 21), 29. Włodarczyk (wie Kapitel 3, Anm. 21), 29 Andererseits konnte man die Kategorie der »nationalen Form« auch für Bemühungen um den Erhalt der historischen Gestalt des rekonstruierten Danzigs ausnutzen, wie der bereits angeführte Text der Mitarbeiter des Instituts für Architekturgeschichte der Danziger Technischen Hochschule beweist: Ciemnołoński (wie Einführung Anm. 7). Siehe auch die Äußerung von Marian Osiński, der versuchte, diese Kategorie so zu interpretieren, dass sie den zeitweise in Frage gestellten Wiederaufbau der gesamten Rechtstadt in ihrer historischen Gestalt (dazu Kapitel 5) ermöglichen konnte. So muss man wohl die Worte Osińskis im Kontext der Zeit, in der sie geäußert wurden, verstehen: »Wir müssen die nationale Form wiederherstellen. Die Straßenzüge müssen rekonstruiert werden. Dies drückt ein Charakteristikum unserer Nationalkunst aus.« – Dawna Droga Królewska … (wie Kapitel 1, Anm. 99). Dass Osiński den Begriff der »nationalen Form« hier instrumentalisiert, steht außer Zweifel, denn es wäre wohl schwierig, Häuser, die eine geschlossene Straßenbebauung bilden, als spezifisch polnisches Phänomen anzusehen (Böswillige könnten sogar das Gegenteil beweisen). 115 In Bezug auf Warschau gab es eine ähnliche Losung schon mindestens seit 1947, siehe: Odbudujemy Warszawę piękniejszą niż była. Konferencja prasowa w Min. Odbudowy [Wir bauen War-



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es jemals gewesen ist.« Zum ersten Mal taucht sie wohl in der Ansprache des Ersten Sekretärs des Wojewodschaftskomitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR) in Danzig, Witold Konopka, auf einer Kundgebung anlässlich des Internationalen Friedenstages am 2. Oktober 1949 auf116, also im Vorfeld der Arbeiten am sogenannten Rapidbau in der ul. Ogarna.117 In großen Lettern auf den ersten Seiten der Lokalzeitungen gedruckt118, wurde diese Losung von da ab zu einer den Wiederaufbau begleitenden Parole.119 Es ist bezeichnend, dass man dieser Parole in der Parteizeitung Głos Wybrzeża sofort und eindeutig eine politische Interpretation

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schau schöner wieder auf, als es war. Pressekonferenz im Ministerium für den Wiederaufbau]. In: Głos Wybrzeża, 25. September 1947, 2. Letztlich ist sie auch hier sicher nicht neu, sondern wurde aus der sowjetischen Phraseologie übernommen, wie die – wenn auch etwas später veröffentlichten – Worte eines sowjetischen Delegierten auf dem I. Kongress der Internationalen Union der Architekten (Union Internationale des Architectes) in Lausanne 1948 bezeugen können: »Unsere Aufgabe besteht darin […] die Städte noch schöner, noch großartiger und vollkommener wiederaufzubauen, als sie zuvor gewesen sind.« – Bylinkin, N.: Architekt i uprzemysłowienie budownictwa [Der Architekt und die Industrialisierung des Bauens]. In: Architektura 11/12 (1948), 31. Vollständiger Text der Ansprache in: Głos Wybrzeża, 4. Oktober 1949, 2. In den Abschnitten zur historischen Stadt und deren Wiederaufbau klingt sie folgendermaßen: »Danziger! Es ist kein Zufall, dass wir uns gerade heute, wo wir für die Verteidigung des Friedens demonstrieren, hier im Alten Danzig versammeln, um den Wiederaufbau des Viertels zu proklamieren, das das Herz unserer Stadt darstellt. Diese vor Hunderten von Jahren erbauten Häuser, deren Schönheit sich noch in Ruinen bewahrt hat, stellen den Beweis für die Polonität unserer Stadt dar. Der Artushof ist erhalten geblieben, auf dem wir alle die Bildnisse der einstigen polnischen Könige sehen. Der Adel hat einst das alte polnische Danzig an Friedrich, an die Preußen verschachert. Die polnische Bourgeoisie, Sanacja und Endecja haben Danzig noch einmal den deutschen Imperialisten und Faschisten ausgeliefert. Die Arbeiterklasse der Volksrepublik hat diese Stadt gemeinsam mit der ganzen polnischen Küstenregion der Heimat zurückgegeben.« Weiter erklärt der Redner, warum »wir unsere Stadt lieben«, um dann festzustellen: »Im Namen dieser Liebe zu Danzig, im Namen dieser Liebe zu Volkspolen, im Namen dieses unseres entschiedenen Willens, den Weltfrieden zu erhalten, verkünden wir unsere Bereitschaft, den größtmöglichen Beitrag zum Wiederaufbauwerk unseres zentralen Stadtviertels – der Altstadt [es geht selbstverständlich um die Rechtstadt, J. F.] zu leisten. Wir werden Tausende neuer Wohnungen für die Mitarbeiter der entstehenden Fabriken, für die Werktätigen bauen. Wir wollen Danzig schöner wiederaufbauen, als es jemals gewesen ist. Wir wollen die Schönheit dieser Häuser erhalten und sie zu Wohnungen nach den Bedürfnisse der Werktätigen machen.« Siehe Kapitel 3. Odbudujemy Gdańsk … (wie Kapitel 1, Anm. 96). – W pokojowym trudzie gdańszczanie odbudują swe miasto piękniejsze niż kiedykolwiek. Przemówienie I. sekretarza KW PZPR tow. W. Konopki na manifestacji w Gdańsku [In Friedensarbeit bauen die Danziger ihre Stadt schöner als jemals wieder auf. Ansprache des 1. Sekretärs des Wojewodschaftskomitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei Gen. W. Konopka auf Kundgebung in Danzig]. In: Głos Wybrzeża, 3. Oktober 1949, 1. Schon einige Tage später bediente sich der Danziger Wojewode Stanisław Zrałek dieser Parole in einer Ansprache: »In gemeinsamer Anstrengung bauen wir unser polnisches Danzig mit seinen Baudenkmälern, mit seinem Artushof, dem Alten Rathaus und der Marienkirche wieder auf. Aber wir bauen es schöner wieder auf, als es jemals gewesen ist.« – Wskrzesimy stary Gdańsk … (wie

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zuschrieb, indem sie in großen Lettern die Losung ausgab: »Danzig beantwortet die Kriegstreiberei der Imperialisten mit dem Wiederaufbau«.120 Den Charakter einer Parole hat auch die Forderung des Ministers für Städtebau und Siedlungswesen, Aleksander Wolski, der Königsweg müsse zur »guten Stube von Danzig« werden.121 Am Rande sei erwähnt, dass, obwohl sich die Losung selbst nicht in der den Wiederaufbau begleitenden Phraseologie einbürgerte, die ministerielle Forderung doch mit dem spezifischen Ritual erfüllt wurde, jede Art von mehr oder minder offiziellen Danzig-Gästen den Königsweg entlang zu führen (Abb. 46), was man wohl auch als der Architektur externe Determinante des »sozialistischen Charakters« des Geschaffenen behandeln muss.122 Die Unterstützung oder geradezu Ersetzung der Architektur durch das Wort123 ist ohne Zweifel ein wichtiger Faktor, der die Zuordnung einzelner architektonischer Werke bzw. Projekte in das Umfeld des Sozrealismus erleichtert. Als solchen

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Kapitel 3, Anm. 53). Es zeugt von der Nachhaltigkeit dieser Losung, dass man auch heute noch gelegentlich hört, das wiederaufgebaute Danzig sei schöner als jenes vor dem Krieg. Gdańsk odpowie czynem odbudowy na knowania wojenne imperialistów. Wielotysięczne tłumy manifestują w Dniu Walki o Pokój [Danzig beantwortet die Kriegstreiberei der Imperialisten mit dem Wiederaufbau. Vieltausendköpfige Massen demonstrieren am Tag des Kampfes für den Frieden]. In: Głos Wybrzeża, 3. Oktober 1949, 2. Dawna Droga Królewska … (wie Kapitel 1, Anm. 99). Der Titel verdient einen kurzen Kommentar: Der Gebrauch der Bezeichnung »einstig« im Zusammenhang mit dem Königsweg, dessen Name in dieser Form erst in der Nachkriegszeit lanciert wurde (siehe Anm. 2), könnte auf den Wunsch hinweisen, dem alten, königlichen, also feudalen Charakter der Straße einen neuen, sozialistischen entgegenzusetzen, in dem ul. Długa und Długi Targ der Allgemeinheit eben als gute Stube dienen. Man muss jedoch zugeben, dass ein solcher Versuch, das Königliche zu negieren, wenn man denn überhaupt das kleine Wörtchen »einstig« richtig interpretiert, ungewöhnlich ist. In der Praxis musste der sich aus der Möglichkeit einer Betonung des Zusammenhangs des wichtigsten und besonders repräsentativen Straßenzuges des einstigen Danzigs mit den polnischen Königen ergebende Nutzen bedeutend größer sein, als der Nachteil eventueller negativer »Klassenkonnotationen«. Berichte dieser Art summieren sich in den 50er Jahren zu Dutzenden, man kann sie also nicht komplett anführen. Stellvertretend sei daher eine Notiz im Dziennik Bałtycki angeführt, in der man Folgendes lesen kann: »Das Ausmaß der Zerstörungen machte auf viele Exkursionsteilnehmer einen großen Eindruck. In vielen Sprachen fielen zugleich Ausdrücke der Bewunderung für das schnelle Tempo des Wiederaufbaus der Stadt sowie die Fürsorge und Liebe, mit denen man ihre Kulturdenkmäler umgibt.« – Uczestnicy Międzynarodowego Spotkania Architektów zwiedzają Gdańsk [Teilnehmer von Internationalem Architektentreffen besuchen Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 22. Juni 1954, 1. Eine besondere, spätere Abwandlung dieses »Sich-selberLobens« für das wiederaufgebauten Danzigs sehe ich in dem Film »Eine Frau für den Australier« von Stanisław Bareja aus dem Jahr 1964, in dem der Lange Markt neben anderen »Exportgütern« Volkspolens – dem Tanz- und Gesangsensemble »Mazowsze« und dem Hochseedampfer »Batory« – auftaucht. An dieser Stelle möchte man die in einer der Kapitelüberschriften des Buches von Tomasik enthaltene Frage (siehe Anm. 106) umkehren und fragen: »Kann die Literatur die Architektur ersetzen?«



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kann man auch den Grad der Anerkennung, auch der offiziellen, für die Leistungen einzelner Architekten oder auch eines ganzen Kreises von Architekten sehen. Es lässt sich versuchen, diese über die Quantität und Qualität der Publikationen zu bestimmen, die Danziger Architekten und ihren Werken in polnischen Fachzeitschriften gewidmet wurden, über die Meinungen von Repräsentanten anderer Architekturkreise, und auch, was nicht weniger wichtig ist, über die offiziellen Preise, mit denen Danziger Architekten bedacht wurden. Solche Preise haben die Danziger einige erhalten. Die wichtigsten darunter sind: Ein kollektiver Nationalpreis III. Ranges, der Zbigniew Żuławski, Jan Borowski und Witold Doliński 1951 »für die Planung und die Beteiligung an der Realisierung der kreativen Rekonstruktion des alten Danzig«124 verliehen wurde (Abb. 47), sowie ein analoger Einzelpreis für Wacław Rembiszewski, der ihm 1952 unter anderem »für Entwurf und Ausführung« des »Czytelnik«-Gebäudes verliehen wurde.125 Die hohe Achtung, die die Danziger in den heimischen Architekturkreisen genossen, bestätigen wiederum die Preise, die ihnen 1953 vom Polnischen Architektenverband für Arbeiten verliehen wurden, die auf der Landesarchitekturausstellung gezeigt worden waren126 und die »relativ besten Ergebnisse […] beim Nachvollziehen und Anwenden der Methoden des sozialistischen Realismus«127 erreicht hatten. Zwar fielen von den 19 verliehenen Preisen ganze 12 an Warschauer Architekten, gleichwohl konnten sich neben den offenbar konkurrenzlosen Repräsentanten der Hauptstadt nur die Danziger als eigene Schule behaupten, indem sie drei Preise erhielten, davon einen der drei ersten128, während sich die Übrigen mit drei dritten Preisen zufrieden geben mussten. Unter den ausgezeichneten Danzigern befanden sich sowohl Lech Kadłubowski als

124 Architekci laureaci Nagród Państwowych … (wie Kapitel 2, Anm. 61). 125 Nagroda w dziale architektury … (wie Anm. 35). Das zweite Objekt, neben dem »Czytelnik«Bau, mit dem die Verleihung des Preises an Rembiszewski begründet wurde, war das Gebäude des Volksrates des Bezirkes in Pruszcz Gdański (Praust b. Danzig). 126 Danziger Architekten, die in der Lokalpresse von der Ausstellung berichten, betonen stolz, dass die Arbeiten der Danziger in einem separaten Saal präsentiert würden, was nahelege, dass man schon vor Beginn der Ausstellung die Spezifik der Danziger Architekturschule erkannt habe. – Lepczak, T./ Matoń, A.: Po I Krajowej Naradzie Architektów. »Dążyć będziemy do tego, by stworzyć architekturę godną naszych czasów« [Nach der 1. Landesarchitektenversammlung. »Wir werden danach streben, eine unserer Zeit würdige Architektur zu schaffen«]. In: Głos Wybrzeża, 22. Mai 1953, 4. 127 Nagrody architektoniczne SARP 1953 [Die Architekturpreise der Vereinigung Polnischer Architekten 1953]. In: Architektura 7 (1953), 169. Vom Wettbewerb ausgenommen wurden Arbeiten, die bereits früher ausgezeichnet worden waren, etwa mit dem Nationalpreis. 128 Der erste Preis ging an Lech Kadłubowski für das Postamt an der ul. Długa, der dritte an Leopold Taraszkiewicz für den Entwurf eines Wohnhauses und an ein Team mit den Architekten Józef Chmiel, Marian Chomicki und Wacław Rembiszewski für den Entwurf der Grafischen Kombinate (Abb. in: Architektura 8 (1953), 200 f.).

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auch Wacław Rembiszewski, die man als die führenden Vertreter der sozrealistischen Architektur in Danzig betrachten muss.129 Eine Bestätigung für das hohe Ansehen der Danziger Architekten stellten auch die Veröffentlichungen ihrer Entwürfe und eine ganz ansehnliche Zahl von Danzig gewidmeten Beiträgen in der wichtigsten Fachzeitschrift Architektura dar130, mit einem Sonderheft zu Danzig an der Spitze.131 Doch zum deutlichsten Beweis der Anerkennung wurde für meine Begriffe die in der Architektura veröffentlichte Äußerung eines der damals führenden polnischen Architekten, Bohdan Pniewski, während einer Diskussion über die Erste Gesamtpolnische Schau der Architekturentwürfe: »Mir scheint, dass in Warschau eine wichtige Sache fehlt. Ich möchte hier auf die Entwürfe der Kollegen aus Danzig hinweisen. Es geht dabei zwar nicht um die Entwürfe selbst, unter diesen Entwürfen sind schlechtere und bessere Entwürfe, und einige von ihnen sind sogar sehr schön. Aber in allen Entwürfen sieht man eine Sache – eine architektonische Schule. […] Wichtig ist, dass man die Gesamtheit dieser Arbeit sieht. Ich beneide die Kollegen aus Danzig, denn das ist eine einzigartige Position. Man kann daraus sehen, dass eine ernstzunehmende Gruppe von Kollegen in Danzig hervortritt. Tatsache ist, dass ihre Arbeit dort erstklassige Resultate erbringt. Genau so eine Schule fehlt in Warschau.«132 4.2 Der Bauschmuck

Am 31. Oktober 1952 erließ der Minister für Stadt- und Siedlungsbau die Anordnung Nr. 207 »Betreffs der Durchführung von Bau- und Fassadenarbeiten am Straßenzug ul. Długa – Długi Targ in Danzig«133, die den Termin der endgültigen Fertigstellung des sogenannten Königsweges auf das vierte Quartal 1953 festlegte. Die Anordnung verpflichtete darüber hinaus »die Direktoren des ZOR in Warschau und der DBOR in Danzig zur vollständigen finanziellen Absicherung dieser Investition im Plan für 1953, die Ausführenden zur Gewährleistung eines entsprechenden Produktionspotentials [und] das Danziger Miastoprojekt […] zur Sicherung einer termingerechten Dokumentation, die ein spezielles Planungsteam gesondert für die 129 Ihre Position wird dadurch bestätigt, dass gerade diese beiden die Danziger Schule in einer Delegation polnischer Architekten vertraten, die im Juni 1953 die Sowjetunion besuchten, u. a. Moskau, Leningrad, Stalingrad, Jerewan und Kiew. – Gdańscy architekci w Moskwie [Danziger Architekten in Moskau]. In: Dziennik Bałtycki, 23. Juni 1953, 4. 130 Die Mehrheit von ihnen taucht in den Anmerkungen zum vorliegenden Kapitel auf, daher verzichte ich darauf, sie erneut anzuführen. 131 Architektura 8 (1953). Diese Nummer brachte ganze sieben Danzig gewidmete Artikel und noch einen weiteren zur Küste allgemein. 132 Dyskusja na temat I Ogólnopolskiego Pokazu Projektów Architektury, Architektura 5/6 (1951), 207. 133 Zitiert nach: Trojanowska (wie Kapitel 1, Anm. 102), 13.



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Rechtstadt zu erstellen hat.«134 Bald wurde tatsächlich ein solches Planungsteam berufen, und zu seinem Chef und gleichzeitig zum obersten Entwurfsplaner machte man Lech Kadłubowski. Die Anordnung hatte auch die vom Ministerium wahrscheinlich nicht vorhergesehene Folge, dass Danziger Künstler zur Beteiligung an den durchzuführenden Fassadenarbeiten mobilisiert wurden, was in der Konsequenz zu einer Änderung des visuellen Charakters der ul. Długa und des Długi Targ führte, sowohl im Vergleich mit dem historischen Vorbild, als auch mit den ursprünglichen Planungsprinzipien, die mit denen vergleichbar waren, die man in der ul. Ogarna umgesetzt hatte.135 Am 4. Dezember 1952 fand ein Treffen der Architektenvereinigung und des Verbandes der Polnischen Bildenden Künstler (Związek Polskich Artystów Plastyków, ZPAP) statt, bei dem man »grundlegende Thesen zur Sicherung einer hohen Ausführungsqualität der Fassadenarbeiten (Steinmetzarbeiten, Feinmaltechniken sowie Farbputz für die Fassadenmalereien der Häuser)«136 beschloss. Eine solch detaillierte Aufzählung hatte einen konkreten Grund: Der stellvertretende Minister für Stadt- und Siedlungsbau, Aleksander Wolski, in der Regierung unter anderem für den Wiederaufbau Danzigs verantwortlich, hatte, um der knappen Terminplanung gerecht zu werden, eine einfache Verputzung der Fassaden und eine Nachbildung rekonstruierter steinerner Elemente in Kunststein empfohlen.137 Der Vorschlag, die ul. Długa und den Długi Targ mit einem vor allem in malerischer Hinsicht abwechslungsreichen Bauschmuck zu versehen, fand allgemeine Zustimmung und rief lediglich den Protest von Witold Minkiewicz und Zbigniew Żuławski hervor, die sich für eine die historische Wirklichkeit widerspiegelnde Gestaltung des Straßenzuges aussprachen.138 Der Beschluss der bildenden Künstler wurde zum Ausgangspunkt eines neuen Projektes Danziger Künstler, die schon früher mit einem kollektiven großformatigen Bildnis Feliks Dzierżyńskis an der Spitze der Demonstration zum 1. Mai einen landesweiten Erfolg errungen hatten.139 Im Jahr 1952 nahm Jacek Żuławski an einem Wettbewerb für eine der Warschauer U-Bahn-Stationen teil und gewann gemeinsam mit einem Architektenteam den zweiten Preis. Zu jener Zeit genoss Hanna Żuławska bereits Anerkennung als

134 Trojanowska (wie Kapitel 1, Anm. 102), 13. 135 Siehe Kapitel 3. 136 Państwowa Wyższa Szkoła Sztuk Plastycznych w Gdańsku. 1945–1960 [Staatliche Hochschule der Bildenden Künste in Danzig]. Ohne Datum, ohne Ort, ohne Seite. 137 Mündliche Auskunft von Józefa Wnukowa. Diese und alle weiteren als mündlicher Bericht gekennzeichneten Informationen verdanken ich einer Reihe von Gesprächen, die Frau Professor Wnukowa im Jahr 1989 freundlicherweise mit mir geführt hat. 138 Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 221. 139 Nagroda zbiorowa za obraz »Dzierżyński w pochodzie 1-Majowym« [Kollektivpreis für das Bild »Dzierżyński auf der 1. Mai-Demonstration«]. In: Dziennik Bałtycki, 5. Juli 1952, 2.

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Autorin der Mosaik-Decken »Die Vier Jahreszeiten« in den Arkaden der Gebäude am Plac Konstytucji in Warschau. Żuławski selbst führte darüber hinaus die nicht erhaltene, aber aus Entwurfsskizzen140 bekannte Innendekoration des Speisesaals des Volksrates der Wojewodschaft in Danzig aus, die den »Einzug des Arciszewski« darstellte [Krzysztof Arciszewski, polnischer Adliger in niederländischen Diensten, gest. 1656 bei Danzig, Anm.  d.  Ü.]. Dieses Werk ist insofern interessant, als es sowohl auf ikonografischer wie auf formaler Ebene einige der Lösungen vorwegnimmt, die bei den Arbeiten am Königsweg verwendet werden sollten.141 Wie man Ende 1952 sehen konnte, also in dem Moment, als die Entscheidung fiel, dass die der Hochschule der Bildenden Künste nahestehenden Künstler mit den Entwurfsarbeiten beginnen sollten, besaßen diese die Ausbildung sowie genügend praktische Erfahrung, was auf eine fachgerechte Ausführung der vorgesehenen Fassadenmalereien hoffen ließ.142 Man darf dennoch nicht vergessen, dass der Charakter des Projektes sich von denen unterschied, die die Künstler gewohnt waren. Es sollten hier nicht neue, sondern alte oder für alt geltende Gebäude dekoriert werden, was mit einer speziellen Herangehensweise an die Aufgabe verbunden war oder zumindest verbunden sein sollte. Die Neuartigkeit der Aufgabe bezeugt die Tatsache, dass man in der Geschichte der polnischen Kunst bislang nur ein ähnlich konzipiertes Werk kannte. Dabei handelt es sich um die in der Zwischenkriegszeit berühmt gewordenen Fassadenmalereien der Häuser des Altstädtischen Marktes in Warschau. Obwohl die Danziger

140 Abbildung in: Jacek Żuławski. Gdańsk 1987, 107. 141 So zum Beispiel das Gemälde von Żuławski im Kino Leningrad, der Keramikfries von Edward Roguszczak und Stanisław Mizerski in der ul. Długa 61, der Sgrafitto-Fries von Barbara Massalska am Długi Targ 26, der Giebelschmuck von Jan Rzyszczak in der ul. Długa 51 oder der Sgrafitto-Fries von Tadeusz Dembski in der ul. Długa 7. 142 Die hier erwähnten Arbeiten Żuławskis waren durchaus nicht die ersten Monumentalgemälde, die die wichtigsten unter den Danziger Fassadenmalern angefertigt hatten. Einige von ihnen besaßen in dieser Hinsicht sehr viel Erfahrung. Jacek Żuławski hatte 1934 einen Wettbewerbsbeitrag für eine Wandmalerei in der Kirche der Hl. Vorsehung in Chełmno ausgeführt (zusammen mit Felicjan Kowarski); außerdem den Bauschmuck des Kulturhauses einer Kaserne in Redłowo zu einem Thema aus der polnischen Militärgeschichte; zusammen mit seiner Frau Hanna Żuławska den Bauschmuck einer Krankenhauskapelle in Gdynia sowie einen wegen des Kriegsausbruches nicht realisierten Entwurf für eine Wandmalerei im großen Saal des dortigen Regierungspräsidiums, die eine »Apotheose Gdynias« darstellen sollte. Stanisław Teisseyre führte in den 30er Jahren mehrere Wandgemälde in Kirchen Lembergs und Umgebung aus, und 1936 arbeitete er in Gdynia, wo er die Wandmalereien für das Haus des Schwedischen Matrosen ausführte. Nach dem Krieg hatten Teisseyre und Żuławski gemeinsam an der Deckendekoration einer Kirche in Łańcuchów gearbeitet. An diesen Arbeiten war auch Józefa Wnukowa beteiligt. Kazimierz Ostrowski dagegen, der kein systematisches Kunststudium absolvierte, hatte sich vor dem Krieg in Gdynia mit dem Malen von Schildern und Reklametafeln befasst.



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Künstler einen möglichen Einfluss jenes Werkes auf ihre Arbeit zurückwiesen143, lässt sich dies sicher nicht komplett ausschließen. Die allgemeine farbliche Konzeption des 1928 realisierten Werkes hatte Zofia Stryjeńska vorgegeben, und unter den Entwurfsplanern der einzelnen Fassaden befanden sich so herausragende und gleichzeitig unterschiedliche Künstler wie Edward Okuń, Zbigniew Pronaszko, Felicjan Kowarski, Leonard Pękalski144 und andere. Die vielköpfige und künstlerisch inhomogene Gruppe brachte die ursprünglich einheitliche Konzeption zwangsläufig zu Fall. Tatsächlich arbeitete jeder unabhängig von der Gesamtaussage. Das einzig wahrnehmbare gemeinsame Charakteristikum war die Anwendung »flacher« und »scherenschnittartiger« ornamentaler Motive, wobei diese im Verhältnis zur architektonischen Gliederung sehr groß ausfielen.145 Trotz der überwiegend ablehnenden Rezeption durch die Kritik erfreuten sich die Fassadenmalereien des Marktplatzes eines großen öffentlichen Interesses und haben wahrscheinlich die Ausführenden des Danziger Bauschmucks beeinflusst, und sei es auch nur als – wie sie selbst behaupteten – Gegenbild zu den nun durchzuführenden künstlerischen Arbeiten. Am Beginn jenes Projektes stand das bereits erwähnte Treffen im Dezember 1952. Dieses wichtige Ereignis fand in der Presse keinerlei Widerhall, auch sind keinerlei Archivmaterialien dazu erhalten. Es bleibt also nichts anderes übrig, als sich auf die Erinnerungen der Beteiligten zu stützen. Bei dem Treffen wurden die Grundsätze der Arbeitsorganisation und des Zusammenwirkens von Architekten und bildenden Künstlern festgelegt. Die Funktion des leitenden Entwurfsplaners für die Malerei wurde Jacek Żuławski146 anvertraut, für die plastischen Arbeiten wurde Stanisław Horno-Popławski ausgewählt. Wahrscheinlich wurde damals auch festgelegt, dass Lech Kadłubowski der oberste Entwurfsplaner für die künstlerischen Arbeiten am Königsweg werden sollte.147 Einige Wochen nach der Erarbeitung eines Modells für die Zusammenarbeit von Architekten und bildenden Künstlern erschien ein Artikel von Lech Kadłubowski – jetzt schon leitender Planer für den Königsweg – in dem er über die Aufgaben schrieb, die die Künstler aus Zoppot erwarteten: »Die Gebäude stehen über die ge143 Aussage Żuławskis in: Fenikowski, F.: Ulica zakochanych malarzy [Die Straße der verliebten Maler]. In: Dziennik Bałtycki, 12. August 1953, 3, sowie eine mündliche Äußerung von J. Wnukowa. 144 Es sei erwähnt, dass Kowarski und Pękalski die Lehrer der beiden Żuławskis und Pękalski darüber hinaus der Lehrer von J. Wnukowa gewesen waren. 145 Urbanowicz, B.: Dwie polichromie Starego Rynku [Zwei Fassadenmalereien am Alten Markt]. In: Ochrona Zabytków 2/3 (1953), 147, dort auch nähere Angaben zu den Warschauer Fassadenmalereien. 146 Das künstlerische Profil Żuławskis und der wichtigeren übrigen Künstler der Danziger Fassadenmalereien stelle ich ausführlicher vor in: Wystrój dekoracyjny Drogi Królewskiej w Gdańsku w latach 1953–1955 [Der Bauschmuck am Königsweg von Danzig 1953–1955]. In: Gdańskie Studia Muzealne 6 (1995) [zurückdatiert, eigentlich: 2000], 111–133. 147 Państwowa Wyższa Szkoła … (wie Anm. 136), o. S.

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samte Länge der Straße, doch sie sind nicht verputzt und angestrichen oder mit Stein verblendet. Das Künstlerkollektiv unter Leitung von Prof. Jacek Żuławski sowie Prof. Horno-Popławski erarbeitet gegenwärtig bereits eine künstlerische Konzeption, d.  h. es erarbeitet die Farbgebung und die plastischen Elemente. Einige Häuser werden einfarbig gestrichen, einige erhalten eine abwechslungsreichere künstlerische Ausstattung in Form von Fresken und Sgrafitto (sic).«148 Die ersten Pläne entstanden in einem relativ engen Kreis schon Ende 1952 in einer Villa in der ul. Obrońców Wybrzeża 25 in Zoppot, wo die der Hochschule für Bildenden Künste nahestehenden Künstler wohnten. Damals begann eine Gruppe von Professoren der Hochschule mit den Entwurfsarbeiten: Krystyna und Juliusz Studnicki (deren Beteiligung an den Arbeiten sich auf diese Anfangsphase beschränkte), Józefa Wnukowa sowie Hanna und Jacek Żuławski und außerdem von Assistenten und Absolventen des von Żuławski geleiteten Ateliers für Architekturmalerei: Maria Leszczyńska, Barbara Massalska und Kazimierz Ostrowski. Entwurfsgrundlage waren Architekturzeichnungen aller Fassaden der ul. Długa, die Marian Osiński von der Danziger Technischen Hochschule den Künstlern übergeben hatte. Auf dieser Vorlage, auf die sich nach Beschreibung von Józefa Wnukowa »die Künstler stürzten«, entstand im Maßstab 1:100 ein erster, vorläufiger Vorschlag für die Ausführung der Straßenfront der ul. Długa, über den Wnukowa schreibt: »Ich erinnere mich, dass unser Entwurf sehr farbig war, kühn ausgemalt, und er stellte außer den Steinplastiken auch plastische Elemente in Keramik, Mosaiktechnik, Freskenmalerei und Sgrafitto vor.«149 Leider ist keine Spur dieses Entwurfes erhalten geblieben, er lässt sich einzig auf Grundlage der Erinnerungen von Józefa Wnukowa rekonstruieren, die behauptet, er sei wesentlich moderner gewesen als der schließlich realisierte. Viele Häuser sollten einen einfachen, geometrischen Sgrafitto-Schmuck erhalten; eine farbliche Differenzierung berücksichtigte man erst später. Der Schmuck war wesentlich reduzierter als in der späteren Version; in geringem Maße bezog man auch eine historisierende Ornamentik mit ein. Man operierte häufig mit breiten horizontalen Streifen, Quadraten usw., was in der Gesamtheit im Vergleich zum endgültigen Entwurf einen aggressiveren Charakter hatte.150 Es drängt sich der Eindruck auf, dass sich der erste Entwurf am Bauschmuck des Warschauer Marktplatzes von 1928 orientierte, wo man ebenfalls mit Vorliebe große geometrische Ornamente verwendet hatte. Gleichwohl behaup-

148 Kadłubowski, L.: Wspólnym wysiłkiem architektów i plastyków zakończone będą w 1953 r. prace nad artystycznym wykończeniem centrum Gdańska [In gemeinsamer Anstrengung von Architekten und Künstlern werden 1953 die Arbeiten an der künstlerischen Fassadengestaltung im Zentrum von Danzig abgeschlossen werden]. In: Dziennik Bałtycki, 1. Januar 1953, 3. 149 Wnukowa, J. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 279. 150 Mündlicher Bericht von J. Wnukowa.



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tet Wnukowa, dass die dortige Ausführung keinerlei Einfluss auf sie gehabt habe151, vor allem wegen des völlig abweichenden architektonischen Charakters der Warschauer Bauten, wo man von einer gewissen Einheitlichkeit des Ausdrucks aller Fassaden sprechen könne, während der Königsweg sich aus sowohl stilistisch als auch hinsichtlich der Größe sehr unterschiedlichen Fassaden zusammensetze. Einer solchen Interpretation des architektonischen Charakters des Straßenzuges ul. Długa und Długi Targ folgend, sahen die Künstler es als notwendig an, für die einzelnen Fassaden einen entsprechend individualisierten Bauschmuck zu verwenden. Nach der Ausführung der ersten Entwurfsfassung stellten die Danziger Künstler sie noch 1952 in Warschau in der Kommission für Städtebau und Architektur vor, wo sie von Architekten und Denkmalpflegern mit dem Generaldenkmalpfleger Jan Zachwatowicz an der Spitze begutachtet wurden. Der Entwurf wurde als allzu kühn verworfen, doch, wie Wnukowa schreibt, »der Anfang war gemacht und allmählich gewöhnte man sich an den Gedanken, dass man mit der Hilfe aller zeitgenössischer künstlerischer Mittel versuchen könnte, ein einmaliges Ambiente für die geretteten und manchmal sehr wertvollen historischen architektonischen Objekte zu schaffen.«152 Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass jene Version nicht nur wegen der formalen Ausführung keine positive Aufnahme fand, sondern auch, weil sie keine ausgearbeitete Ikonografie bot, welche natürlich ein besserer Träger des gewünschten Inhaltes gewesen wäre als der in mehr oder minder abstrakten künstlerischen Formen verharrende Entwurf.153 Die zweite und schließlich realisierte Version sollte sich vor allem durch eine vielschichtige Ikonografie auszeichnen. Unterdessen wurden die von der negativen Bewertung unbeeindruckten Künstler aktiv, um ihre Konzeption durchzusetzen. Zuerst statteten sie Anfang 1953 Aleksander Wolski, dem stellvertretenden Minister für Stadt- und Siedlungsbau, einen Besuch ab. Als Repräsentanten der Danziger Künstler und Architekten sollten Józefa Wnukowa und Jacek Żuławski, ausgestattet mit einem sowohl von Vertretern des Verbandes Polnischer Bildender Künstler, als auch der Architektenvereinigung unterzeichneten Empfehlungsschreiben, den stellvertretenden Minister von der Richtigkeit ihrer Idee überzeugen. Das war nicht einfach, denn Wolski, wie sich Wnukowa erinnert, »hatte kein Vertrauen zu Künstlern, er glaubte nicht, dass [sie es schaffen], eine so komplizierte Arbeit an einem großen Projekt durchzuführen, die Ausführung, gestützt auf eine nicht erprobte Technologie, in solchem Maßstab 151 Eine Bestätigung der negativen Haltung der Danziger Künstler zu jenen Arbeiten aus dem Jahr 1928 ist folgende deutliche Äußerung von Jacek Żuławski: »Die Fresken von Stryjeńska, mit denen vor dem Krieg der Altstädtische Markt in Warschau ausgeschmückt wurde, waren eindeutig vom fehlenden Kontakt mit den Architekten belastet. Sie waren schlicht Wandillustrationen.« In: Fenikowski (wie Anm. 143). 152 Wnukowa (wie Anm. 149), 279. 153 Obgleich selbstverständlich auch die Form bedeutungstragend sein kann; siehe dazu die folgenden Überlegungen des vorliegenden Kapitels, zum Beispiel zum ornamentalen Repertoire.

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zu organisieren.«154 Nicht ohne Bedeutung war auch die Furcht des Ministers, dass es den Künstler nicht gelingen würde, den vorgesehenen Termin Ende 1953 zur Fertigstellung der Fassadenarbeiten einzuhalten. Wie sich herausstellen sollte, hatte sich Wolski in dieser Hinsicht nicht geirrt. Ein zusätzlicher Faktor, der den Widerstand des Vizeministers verstärkte, waren die bereits begonnenen Fassadenarbeiten an der ul. Długa, wo der Abschnitt zwischen ul. Garbary und ul. Tkacka schon verputzt und die Portale und Fensterverkleidungen schon in Kunststein ausgeführt worden waren. Wolski billigte schließlich die ihm vorgelegte Konzeption und legte eine Frist von sechs Wochen fest, um Jan Zachwatowicz einen endgültigen Entwurf vorzulegen. Dieser Entwurf sollte präziser als der vorhergehende sein und sämtliche Straßenfronten der ul. Długa und des Długi Targ in einem Maßstab von 1:50 umfassen. Der knappe Termin erforderte die sofortige Organisierung eines Planungsteams, was Jacek Żuławski unmittelbar nach der Rückkehr aus Warschau in Angriff nahm. Nach dem Vorbild der Architektenteams nahmen auch die Künstler eine Aufteilung der ul. Długa und des Długi Targ in Abschnitte vor, die jeweils die »erfahrensten Künstler«155 unter ihre Obhut bekamen, darunter Hanna Żuławska, Józefa Wnukowa, Stanisław Teisseyre und Stanisław Żukowski. An den Maler-, Bildhauer- und Keramikarbeiten beteiligten sich schließlich über 40 Künstler der Staatlichen Hochschule für die Bildenden Künste (Abb. 48), die sich zuerst in Zoppot und ab 1954 in Danzig befand.156 Die Gesamtheit der die Projektierung aller Fassaden am Königsweg umfassenden Arbeiten wurde vom Leiter des Instituts für die Geschichte der Polnischen Architektur der Danziger Technischen Hochschule Marian Osiński, dem Wojewodschaftsdenkmalpfleger Bronisław Mieszkowski sowie einem speziell einberufenen Technischen Rat beaufsichtigt. Im Zusammenhang damit wurden einzelne

154 Wnukowa (wie Anm. 149), 279. 155 Państwowa Wyższa Szkoła … (wie Anm. 136). o. S. 156 Die vollständige Zusammensetzung des Künstlerkollektivs stellt sich wie folgt dar: die Maler Tadeusz Dembski, Zygmunt Karolak, Ryszard Kozakiewicz, Maria Leszczyńska, Roman Madejski, Barbara Massalska, Kazimierz Ostrowski, Teresa Pągowska, Jan Rzyszczak, Bernarda Świderska, Stanisław Teisseyre, Stanisław Wójcik, Józefa Wnukowa, Hanna Żuławska und Jacek Żuławski; die Bildhauer Franciszek Duszenko, Dominik Główczewski, Stanisław Horno-Popławski, Adam Haupt, Anna Pietrowiec, Maria Przyłuska, Adam Smolana, Janina Stefanowicz-Schmidt, Elżbieta Szczodrowska, Leszek Verocsy und Alfred Wiśniewski; die Keramiker Maria Alkiewicz, Cecylia Dobrowolska, Hanna Główczewska, Janina Jesipowicz, Bohdan Kiziorek, Franciszek Luterek, Teresa Machajska und Edward Roguszczak; als sonstige Mitarbeiter Zbigniew Alkiewicz, Halina Bajońska, Mieczysław Baryłko, Zofia Polasińska-Tec, Michał Strzelecki und Roman Usarewicz. Außer diesen Künstlern der Staatlichen Hochschule für die Bildenden Künste arbeiteten noch einige weitere, nicht mit der Hochschule verbundene Künstler am Bauschmuck des Königsweges mit, so unter anderem Stanisław Żukowski oder der Krakauer Maler und Vertreter der Richtung des sog. Kolorismus Czesław Rzepiński.



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Fassaden und auch ganze Abschnitte »vielfach diskutiert und geändert«.157 In der Praxis hatte jedoch die Macht des Denkmalpflegers keine große Bedeutung, und Künstler und Architekten übten großen Druck auf ihn aus, dem er sich meistens unterwarf . Ein Beispiel ist etwa die Durchsetzung der ahistorischen Arkaden an den Häusern Długi Targ 23 (Abb. 49) und 25 durch die Architekten gegen den anfänglichen Widerstand der Denkmalpfleger.158 Diese spezifische »Entmündigung« unterstreicht auch Józefa Wnukowa, die schlicht feststellt, dass der Denkmalpfleger damals nicht viel zu sagen hatte.159 Nach dem Bericht der Künstlerin war der schon mehrfach erwähnte Architekturhistoriker Marian Osiński die Person, die die Einzelheiten des Entwurfes am kritischsten beurteilte und mit der allgemeiner Konzeption nicht einverstanden war. Trotz dieser Kritik wurde der auf großen Schautafeln ausgeführte Entwurf nach Warschau übermittelt, wo er von der Kommission für Städtebau und Architektur und von Jan Zachwatowicz persönlich beurteilt werden sollte. Die Tafeln mit den Entwürfen wurden in den erhaltenen Teilen des Königsschlosses ausgestellt. Besonders positiv sollte sie Zachwatowicz beurteilen, der, wie Wnukowa feststellt, die allgemeine Konzeption mit großer Begeisterung aufnahm.160 Mit Sicherheit war dies für die schließliche Bestätigung des Entwurfs wichtig, die offenbar im März erfolgte.161 Von diesem Zeitpunkt an waren die mit der Unterschrift des Generaldenkmalpflegers versehenen Entwürfe verbindlich.162 Der Ausgangspunkt für die Maler, die sich bereits in der Rechtstadt, in der sogenannten Danziger Diele eingerichtet hatten163, waren die Annahme einer definierten Farbskala und eine Festlegung der formalen und stilistischen oder allgemeiner: der kulturellen Präferenzen (Abb. 50). Man entschied sich für eine Farbskala von Braun-, Ocker-und Rottönen, die aus der Farbgebung des Rathauses abgeleitet war, an dessen Fassaden, so meinten die Künstler, die Ziegel in eben diesen Farben ein charakteristisches Ganzes ergaben. Die Verwendung einer solchen Farbausführung lässt sich auch damit erklären, dass die Rekonstruktionsentwürfe die mit Ziegeln verblendeten und mit Sandstein ergänzten Fassaden, die im einstigen Danzig so verbreitet gewesen waren, fast vollständig vom Königsweg getilgt hatten. Eine Verwendung von Putz in Ziegelfarben konnte diesen Mangel zumindest teilweise kompensieren. Vielleicht sollte man generell den abwechslungsreichen maleri-

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Wnukowa (wie Anm. 149), 280. Siehe z. B.: APG 1153/1069. Mündlicher Bericht von J. Wnukowa. Mündlicher Bericht von J. Wnukowa. Kadłubowski (wie Anm. 3). Die Entwürfe wurden wahrscheinlich schon im Verlauf der Realisierungsarbeiten zu einem großen Teil zerstört. Doch nach Wnukowa blieb zumindest ein Teil der Schautafeln noch länger erhalten – vermutlich in der Hochschule; die nicht archivierten Entwürfe sind mit Sicherheit verloren gegangen. 163 Kadłubowski (wie Anm. 3).

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schen Bauschmuck als einen spezifischen Versuch ansehen, gewisse Versäumnisse der Rekonstruktion zu vertuschen und mit Hilfe der Fassadenmalerei den bis auf wenige Ausnahmen fehlenden plastischen Bauschmuck nachzuahmen. Daher die so häufigen figurativen Dekorationen und die Verwendung von Sgrafitti, die man wegen ihrer »Architekturhaftigkeit«164 als einen Ersatz für die Bauplastik ansah. Der teilweisen Wiederherstellung des Effektes von plastischem Bauschmuck diente auch die Verwendung einer historisierenden Ornamentik. Unter den von den Künstlern angenommenen Grundsätzen nahmen rein formale Fragen wie die Kontrastierung verzierter mit glatten Flächen, die Anbringung von Bauschmuck an bestimmten Fassaden, die Unterscheidung von Fassaden mit ornamentalem und figurativem Bauschmuck usw. einen wichtigen Platz ein. Alle Probleme dieser Art wurden auf dem Papier gelöst, indem man die Straßenfronten wie Bilder in einem vergrößerten Format behandelte, die man richtig komponieren müsse. Es wurden also verschiedene Lösungen vorgestellt: Fassaden wurden kontrastiert und differenziert, man wechselte dekorierte mit glatten Fassaden ab, und gelegentlich wurden benachbarte Fassaden an eine bereits entworfene und vom Team akzeptierte Fassade angepasst. Die einzige Einschränkung waren die historischen Fassaden der besonders wertvollen Häuser, die zu wichtigen Referenzpunkten wurden. Darauf bezogen sagten die Künstler, dass man »das Authentische nicht umbringen«165 dürfe und bemühten sich, den neu entworfenen Bauschmuck mit der historischen Nachbarschaft in Einklang zu bringen. Leider sah dies in der Praxis häufig so aus, dass eine historische Fassade eine neue und wesentlich »attraktivere«, das heißt mit reicherem Bauschmuck versehene, zum Nachbarn bekam, was eine adäquate Präsentation des »Authentischen« selbstverständlich nicht begünstigte. Ein glänzendes Beispiel dafür ist der unglaublich üppige Fassadenschmuck des Hauses ul. Długa 31, das von drei Fassaden mit im Wesentlichen historischen Elementen umrahmt wird (Abb. 51, 52). Interessant ist vor allem, dass der hier verwendete Bauschmuck ursprünglich für eine andere Fassade vorgesehen gewesen war und man ihn noch während der Realisierungsphase in Abweichung mit dem abgesegneten Generalentwurf an die Fassade der Nr. 31 umsetzte.166 Ein anderes Problem war die Anbringung der Elemente an den einzelnen Fassaden. In der Praxis hatte man ein ziemlich genau zu befolgendes Schema erarbeitet, nach dem das Parterre ohne Bauschmuck bleiben und dieser sich auf die oberen Teile der Fassaden inklusive der Giebel konzentrieren sollte. Eine Abweichung von diesem Prinzip war die Anbringung von Figurenfriesen – gemalten167 oder auch keramischen168 – über die ganze Breite einer Fassade im Erdgeschoss – über dem 164 165 166 167 168

Diesen Ausdruck benutzt J. Wnukowa; mündlicher Bericht. Mündlicher Bericht von J. Wnukowa. Mündlicher Bericht von J. Wnukowa. Ul. Długa 51, Długi Targ 26 und 35. Ul. Długa 61.



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Portal und den Parterre-Fenstern – oder auch die Bedeckung des Parterres mit Sgrafitto- Rustizierungen.169 Die oberen Zonen dekorierte man in ähnlicher Weise, wobei man den Bauschmuck abhängig von der Form der verzierten Oberfläche an der gesamten Fassade170 oder nur in horizontalen Bändern zwischen den Fenstern anbrachte.171 Dagegen kam es nicht vor, dass man die vertikalen Flächen zwischen den Fenstern dekorierte. Selten sind Fassaden, die einzig in der Giebelpartie ausgeschmückt sind172, doch es kommen solche vor, bei denen der Giebelschmuck deutlich den restlichen Bauschmuck dominiert.173 Es treten auch untypische Lösungen auf, wo Malereien blinde Fenster174 oder asymmetrisch nur eine Seite der Fassade175 bedecken. Etwas anders sieht es mit der Anbringung der keramischen und der wenigen plastischen Schmuckelemente an den Fassaden aus. Diese Teile wirken in der Architektur natürlich stärker als die zweidimensionale Malerei, sie nehmen also auch entsprechend weniger Platz ein. Häufig werden sie zwischen den Ecken der Fenster176 oder zwischen den Stockwerken177 angebracht. Nur in Ausnahmen bringt man sie unregelmäßig178 oder in Form eines Frieses aus keramischen Fliesen179 an. Größere keramische Formen werden ebenfalls in den Fensterachsen in horizontalen, die einzelnen Fenstergeschosse voneinander abteilenden Bändern platziert.180 Mosaikschmuck, der im Übrigen nicht allzu häufig ist, befindet sich meistens unmittelbar über den Fenstern181 oder im Giebel182. Man sieht, dass das Kompositionsprinzip der Fassaden trotz vieler Varianten ziemlich klar und übersichtlich war. Doch nicht immer gelang es, den malerischen Bauschmuck mit der architektonischen Konstruktion in Einklang zu bringen. Trotz der von Żuławski geforderten engen Verknüpfung von Bauschmuck und Gebäude – »die Hülle muss mit der Architektur genauso organisch verbunden sein wie die

169 Ul. Długa 11 und 16, Długi Targ 26 und 38. 170 Zahlreiche Beispiele, so u. a. ul. Długa 7, 16, 31, 54, 66, 72, 79 und 83; Długi Targ 8, 11, 12, 14 und 26. 171 Ul. Długa 1, 14, 15, 42 und 64; Długi Targ 5–6, 13, 16. 172 Ul. Długa 81. 173 Ul. Długa 67, Długi Targ 37. 174 Seitliche Fassade ul. Długa 80. 175 Długi Targ 46. 176 Kopf-Skulpturen an der Fassade ul. Długa 77, bzw. Tierfiguren auf Konsolen am Długi Targ 7. 177 Keramikmedaillons ul. Długa 8, 33, 43 und 53; Keramikgirlanden ul. Długa 84. 178 Ul. Długa 49. 179 Ul. Długa 85. 180 Große Medaillonbüsten an der Fassade Długi Targ 4, bzw. rechteckige Keramikplatten ul. Długa 76. 181 Ul. Długa 33, Długi Targ 18. 182 Ul. Długa 47.

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Rinde mit dem Baum«183 – entspricht sogar sein eigener Bauschmuck an der Fassade Długi Targ 8 nicht vollständig dem von ihm verkündeten Prinzip eines »Sichtbarmachens der tragenden Elemente«184, vor allem deshalb, weil die horizontalen Bänder den Eindruck vermitteln, auf den vertikalen aufzuliegen, aber nicht von diesen gestützt zu werden. Im Zusammenhang mit den verbindlichen Grundsätzen der Projektierung bleiben noch zwei Probleme – zum einen die Kriterien für die Anwendung der einen oder anderen stilistischen bzw. ornamentalen Konvention; und zum anderen die Quellen, aus denen man die formalen Lösungen und ikonografischen Motive bezog, sowie die Art ihrer Verarbeitung. Wenn es um das erste Problem geht, dann bestimmte, zumindest in der Absicht der Künstler, der Baustil des Giebels über die Auswahl eines ihm entsprechenden Stils des Fassadenschmucks.185 In der Praxis stehen jedoch viele Beispiele im Widerspruch zu einer konsequenten Anwendung dieser Regel. Man begegnet zum Beispiel Häusern mit einem RokokoGiebel und einem explizit an die Renaissance anknüpfenden Bauschmuck186, mit klassizistischem Giebel und Neorenaissance-Schmuck187, oder mit Barock-Giebel und Neorokoko-Schmuck.188 Am meisten wird die Sache jedoch durch eine andere Frage kompliziert: Schon am Ausgangspunkt unterschieden sich die stilistischen Zuordnungen einzelner Häuser wesentlich von denen, die wir heute geneigt wären zu verwenden: Dies betrifft vor allem die Definition von »Renaissance«, der man Gebäude zuschrieb, von denen wir heute eher sagen würden, dass sie der Strömung des niederländischen bzw. nordischen Manierismus angehören189, oder manchmal auch offenkundig barocke Gebäude190. Die Stil-Definition »Renaissance« für eine Fassade zog die Verwendung von Renaissance-Motiven nach sich. Die Epochenbegriffe – egal welcher Art – verstand man dabei als etwas Universelles und Absolutes, daher die völlige Vernachlässigung lokaler und zeitlicher stilistischer Abwandlungen. Bei einem solchen Herangehen applizierten die Künstler ohne Zögern an Danziger Fassaden, die um 1600 entworfen worden waren, Motive aus der um ein Jahrhundert früher entstandenen toskanischen Kunst, wobei es sich dabei nicht 183 184 185 186 187 188 189

Massalska, B. In: Jacek Żuławski (wie Anm. 140), 105–108. Massalska (wie Anm. 183). Mündlicher Bericht von J. Wnukowa. Ul. Długa 16, 27 und 79. Ul. Długa 7 und 48. Długi Targ 9. Zur Veränderung der Terminologie in Bezug auf die Danziger Architektur um 1600, hier am Beispiel des Großen Zeughauses, siehe: Bartetzky (wie Kapitel 1, Anm. 22). 190 Zum Beispiel versieht Edmund Goldzamt die Sobieskische Königskapelle mit dem Attribut »Renaissance« und erweitert damit den zeitlichen Rahmen der Renaissance bis weit in das 17. Jahrhundert hinein. Natürlich ist schwer festzustellen, ob ein solches Vorgehen das Resultat schlichter Ignoranz, oder einer bewussten Manipulation dieses führenden polnischen Ideologen des Sozrealismus in der Architektur ist. – Goldzamt (wie Anm. 101), 96.



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einmal um Wandmalereien handeln musste. Ein bezeichnendes Beispiel ist die Anbringung eines direkten Zitats einer Plastik von Verrocchio an einer der Fassaden am Długi Targ.191 Solchen direkten Zitaten begegnet man dennoch recht selten.192 Häufiger bediente man sich einer mehr oder minder kenntlichen Stilisierung. Wnukowa erwähnt, dass die Künstler während der Projektierung des Bauschmucks für den sog. Königsweg zahlreiche Kunstbände vor allem über italienische Kunst und besonders über die florentinische Renaissance auf der Suche nach verwendbaren Motiven durchsahen. Dies hing damit zusammen, dass die persönlichen Vorlieben von Wnukowa, Żuławski und Teisseyre, also der für den Bauschmuck an ul. Długa und Długi Targ hauptverantwortlichen Künstler, in eben diese Richtung gingen.193 Jener ostentative Italianismus (Abb. 53) hatte nicht nur einen ästhetischen Hintergrund.194 Die Künstler assoziierten die Formen der Renaissance mit dem »Goldenen Zeitalter« der polnischen Kultur und wollten in einer abweichend gestalteten kulturellen Realität bewusst an eine derart spezifisch verstandene Polonität anknüpfen. Eine solche Redefinition war ohne Zweifel dem gesamten Projekt eingeschrieben. Davon zeugt eindrücklich ein Satz von Wnukowa, den sie während der Feier zur Eröffnung des Rechtstädtischen Rathauses nach langjährigen Restaurierungsarbeiten am 4. April 1970 formuliert haben soll: »Wir waren von einer romantischen Idee geleitet, denn wir bauten eine fremde Stadt wieder auf, um sie zu einer polnischen zu machen.«195 Wnukowa behauptet kategorisch, dass die ikonografischen Fragen ausschließlich den Künstlern selbst überlassen waren. Die Machthabenden hätten ihnen keinerlei Vorschläge untergeschoben, welche Motive an den Fassaden des ja schließlich repräsentativsten Straßenzuges der historischen Innenstadt zu erscheinen 191 Długi Targ 46. Józefa Wnukowa, die Urheberin des Entwurfes dieses Fassadenschmucks, hat hier den Putto vom Springbrunnen des florentinischen Palazzo Vecchio verwendet. 192 Ein anderes Beispiel ist die Travestie eines Stilllebens von Chardin aus dem Moskauer PuschkinMuseum an der Fassade ul. Długa 14, ebenfalls von J. Wnukowa. 193 Mündlicher Bericht von J. Wnukowa. 194 Er hängt mit der damals vorhandenen Tendenz zu einer politisch motivierten, außergewöhnlich hohen Wertschätzung der Renaissance zusammen. 195 Gespräch des Autors mit J. Wnukowa, Zoppot 1989. Am Rande sei erwähnt, dass ein solches Vorgehen auch den Architekten nicht fremd war. Im Entwurf der Häuser des östlichen Abschlusses des Długi Targ führten sie – trotz der Proteste der Denkmalpfleger – Arkadengänge ein, die man ebenfalls als spezifisch polnisch empfand. Dass dieser Aspekt schon in den 50er Jahren auch von deutschen Beobachtern deutlich wahrgenommen wurde, bezeugen die folgenden Äußerungen: »Wir wissen, daß der Wiederaufbau stark von der Absicht geleitet war, Geschichte umzuschreiben [Hervorhebung im Original], durch die Veränderung von bestimmten Emblemen und Denkmälern eine nachträgliche Polonisierung [Hervorhebung im Original] der Danziger Geschichte herbeizuführen.« – Gedanken zum Wiedererstehen Danzigs. In: Unser Danzig 13 (1958), 6; sowie speziell zum malerischen Bauschmuck: »Auch sonstige Verzierungen an Häusern mit polnischen Emblemen werden dahin ausgelegt, dass die Häuser mit diesem Schmuck schon früher versehen gewesen seien.« – Schwedorowski (wie Einführung Anm. 16), 9.

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hätten196, und man habe überhaupt keinen Druck auf die Künstler ausgeübt und einzig deren Vorschläge akzeptiert. Angenommen, es war tatsächlich so – dann muss man sich ansehen, in welcher Weise sie die ikonografische Ebene gestaltet haben. Unter dem Begriff »ikonografische Ebene« verstehe ich dabei die offenkundig inhaltliche, man könnte sagen: textuelle Ebene. Die Warnung Porębskis, ein Werk nicht mechanisch in »Inhalt und Form, Bild und Text«197 zu spalten, nicht außer Acht lassend, beziehe ich hier auch den Bestand an ornamentalen Formen und sogar einige stilistische Merkmale mit ein, insofern sie bedeutungstragend sind. Die erste umfangreichere Pressepublikation zum Bauschmuck am Königsweg spricht von der Notwendigkeit einer Zusammenarbeit von Künstlern, Kunsthistorikern und Denkmalpflegern und vermerkt zufrieden, dass die Entwürfe bewiesen, dass die Künstler »den historisch authentischen Charakter« der Fassaden bewahrt hätten.198 In der Realität ist es unterdessen schwierig, hier von irgendeiner historischen Authentizität zu reden, weder auf der Ebene der in der Kunst des einstigen Danzig verwendeten konkreten Lösungen, noch auf Basis eines weiter gefassten Kulturkreises, in dem diese Kunst entstand. Ersteres wurde schon im Verlauf der Arbeiten am Bauschmuck des Königstraktes zum Gegenstand der Kritik. Diese wurde im November 1953 in einem bereits erwähnten, ungewöhnlich wichtigen Artikel einer Gruppe von Autoren formuliert, die mit dem Institut für die Geschichte der Polnischen Architektur an der Danziger Technischen Hochschule verbunden waren. Sie geben zu, dass das erhaltene ikonografische Dokumentationsmaterial keine präzise Rekonstruktion der Farbgestaltung der Danziger Häuser erlaube; dennoch meinen sie, dass bestimmte allgemeine Grundsätze existierten, die die Künstler nicht einhielten. Vor allem stellen sie fest, dass in der lokalen Tradition solche Techniken der Wandmalerei wie Fresken oder Sgraffiti außerordentlich selten verwendet worden seien, und wenn sie doch einmal auftauchten, dann »zeichnete sie ein dezidierte Zurückhaltung und außerdem strikte Unterordnung unter die Architektur aus«199. Auch weisen sie mit Bedauern auf die Tatsache hin, dass die Maler sich nicht für die Möglichkeit einer Wiederherstellung der originalen Farbgebung auf der Grundlage womöglich noch existierender Farbschichten interessierten200, 196 Eine klare Bestätigung der Aktualität jener Feststellung auch für die 50er Jahre ist der weiter oben besprochene Wettbewerb für einen Abschnitt der Innenstadt. 197 Porębski, M.: Semiotyka a ikonika [Semiotik und Ikonik]. In: Sztuka a informacja. Kraków 1986, 114. 198 Marcinkowski, S.: Artyści pracują nad ozdobieniem zabytkowej dzielnicy Gdańska [Künstler arbeiten an Ausschmückung von historischem Viertel in Danzig]. In: Głos Wybrzeża, 14. Mai 1953, 4. 199 Ciemnołoński (wie Einführung Anm. 7). 200 Dass man in zumindest einem Fall die Möglichkeit einer Rekonstruktion der originalen Fassadenmalerei erwogen hat – bei dem von einem Stich aus dem 17. Jahrhundert bekannten Fassadenschmuck am Długi Targ 43 – bezeugt eine Zeitungsnotiz: Między Złotą a Zieloną Bramą [Zwischen Goldenem und Grünem Tor]. In: Dziennik Bałtycki, 5. Mai 1954, 3.



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um dann zu dem Schluss zu kommen: »Unsere Künstler gehen entschieden ›kreativ‹ an die Rekonstruktion der Danziger Häuser heran, wobei sie in vielen Fällen bewusst keine Rücksicht auf grundlegende historische Postulate nehmen. […] Nicht selten erschlägt der malerische Bauschmuck praktisch die Reste der mit solcher Mühe rekonstruierten Architektur.«201 Die zweite Frage, also das Problem von allgemeineren bei der Ausschmückung des Długi Targ berücksichtigten Kulturmustern, konnte unter den damaligen politischen Bedingungen nicht in derselben Weise der Kritik unterzogen werden, da sie Fragen der tatsächlichen kulturellen Zugehörigkeit Danzigs berührte und damit das als nicht antastbar geltende Dogma von der Polonität der Stadt in Frage stellen musste.202 Die Bewusstseinslage der Künstler, aber nicht nur der, wird bestens dadurch illustriert, dass man es nach den Worten Wnukowas für eine absolut selbstverständliche Sache hielt, Anregungen, die aus der deutschen Kunst kamen, zu verwerfen. Und wo es um die politisch weniger kontroversen und in Danzig schließlich so fundamentalen niederländischen Vorbilder ging, da stellte die Künstlerin schlicht fest: »Die holländischen Sachen machten uns keinen Spaß.«203 Außerdem wussten sie nicht viel über die Danziger Kunst204, es scheint sogar, dass sie schlicht nichts wissen wollten – denn die Arbeit der oben erwähnten Gruppe von Architekturhistorikern belegt, dass es damals möglich war, solches Wissen zu erwerben. Eines der Resultate dieser Haltung war, dass man zwar immer wieder die alten Grafiken eine der Hauptinspirationsquellen nannte205, man aber dem dort weit verbreiteten Rollwerk-Ornament fast gar nicht begegnet.206 Die Wahl eines speziellen Stils bestimmte noch nicht die Themenwahl, obgleich sich hier ein gewisser Zusammenhang aufspüren lässt. Die konkreten Entwürfe wurden in Diskussionen in den einzelnen Entwurfsteams ausgewählt, gleichwohl waren die Hauptthemenstränge – wiederum in den Worten von Wnukowa – allen selbstverständlich: es ging darum, die Vergangenheit Danzigs in Zusammenhang mit dem Meer und mit Polen zu zeigen, was in Darstellungen polnischer Adliger in

201 Ciemnołoński (wie Einführung Anm. 7). Ähnlich kritisch spricht sich zwei Jahre später die Projektgruppe »Altstadt« des Danziger »Miastoprojekt« aus. – Kroman, J., u. a.: Architekci gdańscy domagają się dyskusji [Danziger Architekten fordern Diskussion]. In: Głos Wybrzeża, 17. August 1955, 3. 1956 nennt Władysław Czerny diesen Bauschmuck »auf Fassaden gemalte Weihnachtsengelchen«. – Dwa stanowiska w sprawie zabudowy dzielnicy Gdańsk-Południe. Dwugłos profesora i dziennikarza [Zwei Standpunkte zur Bebauung des Viertels Danzig-Süd. Zwei Stellungnahmen eines Professors und eines Journalisten]. In: Dziennik Bałtycki, 2. Juni 1956, 2. 202 Zur Strategie der Polonisierung Danzigs siehe Kapitel 1. 203 Mündlicher Bericht von J. Wnukowa. 204 Mündlicher Bericht von J. Wnukowa. 205 Mündlicher Bericht von J. Wnukowa. 206 Mit Ausnahme der Häuser ul. Długa 20 (Künstler unbekannt) und ul. Długa 80 (Mieczysław Baryłko).

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historischen Kostümen207 (Abb. 54), alter Schiffe, von Seeungeheuern, aber auch von konkreten Gestalten, die das alte Polen repräsentierten, mündete: Kopernikus208, Jan Kochanowski209, polnische Seefahrer210 (Abb. 55) und Schauspieler211 (Abb. 56). An der Fassade des Hauses Długi Targ 46 tauchte sogar eine Figur aus der polnischen Literatur auf: das »Mädchen am Fenster«.212 Einem ähnlichen Ziel sollte es dienen, wenn aus dem Fundus der polnischen oder mit Polen verbundenen Kunst geschöpft wurde – daher die Anverwandlungen von Motiven der Gobelins des Krakauer Wawelschlosses213 (Abb. 51) oder des Gnesener Tores214 (Abb. 57), oder die Absicht der Autorin an die Ornamentik aus der Zeit des Fürstentums Warschau anzuknüpfen.215 Es kommen auch Figuren vor, die außerhalb des polnischen Kulturkreises stehen, welche aber gleichwohl in bezeichnender Weise die »fortschrittliche Renaissance« repräsentieren. Auch wenn wir heute nicht geneigt wären, sie alle als Vertreter der Renaissance zu betrachten, hier eine Auswahl: Dante, Donatello, Bramante, Raffael und Shakespeare216 (Abb. 58). Man orientierte sich aber nicht nur an polnischen oder italienischen Motiven. Ziemlich häufig, besonders an den Rokoko-Fassaden, folgte man den in diesem Fall sich aufdrängenden französischen Vorbildern. Wnukowa behauptet darüber hinaus, dass Textilien und Möbel verschiedener Epochen und Gegenden, außerdem auch romanische Illuminationen und persische Kunst sie und die anderen Künstler inspiriert hätten.217 207 Zum Beispiel ul. Długa 67 (Hanna Żuławska) oder das Foyer des Kinos Leningrad (Jacek Żuławski). 208 Długi Targ 19 (Kazimierz Ostrowski unter Beteiligung von Kazimierz Łakomiak). Der Genauigkeit halber sei erwähnt, dass Kopernikus hier als Astronom und nicht ausdrücklich als Pole vorkommt, ihm zur Seite Ptolemäus, Galilei und Hevelius. 209 Długi Targ 12 (Czesław Rzepiński). 210 Ul. Długa 16 (Józefa Wnukowa). Dargestellt sind: Henryk Popiel, Jan Henski, Michał Starosta, Arendt Dickmann, Krzysztof Arciszewski und Teofil Łapiński. 211 Ul. Długa 72 (Hanna Żuławska und Mieczysław Baryłko). 212 Ein bekannter, 1898 erschienener Roman der Autorin Jadwiga Łuszczewska, gen. Deotyma (1834–1908). Es sei erwähnt, dass, obgleich dieser Roman aus heutiger Perspektive eher gegen Danzig eingestellt zu sein scheint, er doch in den ersten Nachkriegsjahren einen der wichtigsten Bezugspunkte des populären polnischen Geschichtsbewusstseins in Danzig darstellte. Von der relativ weiten Verbreitung dieses Werks zeugt etwa seine Ausstrahlung im Radio, siehe das Radioprogramm in: Dziennik Bałtycki, 29. Februar 1952, 4. 213 Ul. Długa 31 (Ryszard Kozakiewicz und Bernarda Świderska). 214 Ul. Długa 11 (Józefa Wnukowa). Ein charakteristisches Merkmal dieses von der Bordüre des Gnesener Tors inspirierten Bauschmucks ist die deutliche Abweichung vom Vorbild zugunsten einer klassizistischen Konvention, was vor allem in der Figurengestaltung sichtbar wird. 215 Girlanden am Długi Targ 39 (Józefa Wnukowa – jedenfalls hat sie dies im Gespräch mit mir ganz entschieden behauptet, obgleich F. Mamuszka sowohl den Entwurf als auch die Ausführung Wincenty Lewandowski zuschreibt – höchstwahrscheinlich hat Wnukowa den Entwurf geliefert und Lewandowski ihn ausgeführt. – Mamuszka (wie Anm. 52), 115). 216 Długi Targ 12 (Czesław Rzepiński). Die erwähnten Gestalten treten neben Jan Kochanowski auf. 217 Mündlicher Bericht von J. Wnukowa.



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Die Verbindungen der oben aufgezählten Motive mit der städtischen Wirklichkeit Danzigs waren sehr lose oder überhaupt nicht vorhanden. Eine lobenswerte Ausnahme stellte die Anbringung astronomischer Motive an der Fassade des Hauses ul. Długa 15 dar, wo Hevelius gewohnt haben soll, was sich jedoch bald als falsch herausstellte. Das Ziel der zwischen 1953 und 1955 die ul. Długa und den Długi Targ ausschmückenden Künstler war mit Sicherheit keine antiquarische Genauigkeit, wie die unersetzliche Wnukowa treffend erfasst hat: »Es ging darum, den Anschein eines reichhaltigen kulturellen Sediments zu schaffen, das es – auch wenn es dies so nie gegeben hatte – in Danzig hätte geben können«218 – also nicht um Geschichte, sondern um Legenden. Sowohl die häufige Benutzung und manchmal schlicht Zitierung fertiger kompositorischer und ornamentaler Lösungen, wie auch der geradezu übertrieben erscheinende Rückgriff auf verschiedene Traditionen und Schulen durch die Schöpfer des Bauschmucks am Königsweg lassen andererseits jedoch den Gedanken an Eklektizismus und einen spezifischen Akademismus aufkommen. Damit betreten wir einen Bereich, der für die Interpretation des untersuchten Bauschmucks zentral ist, nämlich das Feld der Kunst des sozialistischen Realismus. Dies ist eine schwierige Aufgabe – nicht nur, weil es bisher keinem der über den sozialistischen Realismus schreibenden Autoren gelungen ist, eine überzeugende und erschöpfende Definition des sozrealistischen Kunstwerkes oder des Sozrealismus selbst zu geben, sondern auch in Hinblick auf das Verhältnis der am Danziger Vorhaben beteiligten Künstler zu ihrem Werk. Sie widersprechen kategorisch einer Definition ihrer Arbeiten als sozrealistisch, mehr noch, sie behaupten, dass es eine Form der Flucht vor dem Sozrealismus gewesen sei.219 Ähnliche Meinungen hatten schon die an der Rekonstruktion der Rechtstadt arbeitenden Architekten geäußert. Obgleich eine Beurteilung des Bauschmucks am Königsweg gekoppelt an die Frage nach der Zugehörigkeit zum sozialistischen Realismus eine schwierige Aufgabe ist, kann man dennoch dieses Werk nicht erklären, ohne einen solchen Versuch zu unternehmen. Die Ausgangsproblematik gründet sich nicht bloß auf die bereits erwähnten Unsicherheiten bei der Definition eines sozrealistischen Werkes, sondern auch darauf, dass die Monumentalmalerei jener Zeit bisher eigentlich nicht Gegenstand wissenschaftlicher Reflexion gewesen ist. Notwendigerweise werde ich also das, was bisher zu den unterschiedlichen Aspekten des sozialistischen Realismus gesagt worden ist, der Art des Bauschmucks am Königsweg gegenüberstellen. Jerzy Ilkosz schreibt: »Die formale oder ikonografische Analyse jener Werke ist nicht ausreichend, weil das das damalige künstlerische Schaffen auszeichnende Merkmal […] nicht ausschließlich […] dessen ›Herausnahme aus den Gesetzmäßigkeiten der modernen Kunst‹ war, sondern vor allem die autoritative Einführung

218 Mündlicher Bericht von J. Wnukowa. 219 Mündlicher Bericht von J. Wnukowa.

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eines unifizierten Stils, der für alle Künstler verbindlich war.«220 Betrachten wir diese beiden Kriterien – Antimodernität und Unifizierung. Wenn eine Absage an Modernität tatsächlich ausreichen würde, um ein Werk sozrealistisch zu nennen, dann könnte man die Danziger Fassadengestaltungen der Jahre 1953/1954 zweifelsohne so bezeichnen. Doch das Kriterium der Antimodernität ist erstens ein Negativkriterium und schon als solches schwer zu akzeptieren; zum zweiten aber, selbst wenn man es annähme, kommt man nicht umhin, seine Begrenztheit festzustellen. Jedes Werk ohne moderne Eigenschaften müsste dann zu einem sozrealistischen werden. Während man sich, obgleich mit Vorbehalten, im Fall der Künstler, die vor dem Beginn des sozialistischen Realismus moderne oder sogar avantgardistische Kunst geschaffen hatten, auf dieses Kriterium verständigen könnte, so ist es gegenüber den traditionellen oder auch nur nicht-avantgardistischen Künstlern mit Sicherheit nutzlos. Das beste Beispiel hierfür ist Felicjan Szczęsny Kowarski, den die Machthaber zum »Protagonisten des Sozrealismus« machten, was, wie Ilkosz schreibt, »umso leichter war, als der Künstler schon tot war und in dieser Sache keine Stellung beziehen konnte«.221 Kowarski war tot, aber seine Schüler lebten und arbeiteten, und ein Teil von ihnen – davon war bereits die Rede – bildete den Stamm des Künstlerkollektivs, das die Fassadenmalereien am Königsweg schuf. Im Übrigen repräsentierten auch diejenigen unter den an diesem Projekt beteiligten Künstlern, die keine Schüler von Kowarski waren, vor dem Anbrechen des Sozrealismus in Polen eine eher traditionelle Strömung in der Malerei. Auch in späteren Jahren waren sie nicht geneigt, die aus der modernen Kunst kommenden Anregungen aufzunehmen. Eigentlich war Kazimierz Ostrowski der einzige unter den wichtigen Autoren des Bauschmucks der ul. Długa und des Długi Targ, den man mit moderner Kunst in Verbindung bringen könnte. Die bloße Tatsache einer fehlenden Modernität reicht also zur Bestimmung einzelner Künstler oder ihrer Werke als sozrealistisch nicht aus. Somit muss man nach Ilkosz das bereits erwähnte andere Hauptmerkmal untersuchen, das »das damalige künstlerische Schaffen auszeichnete, nämlich die autoritative Einführung eines unifizierten Stils, der für alle Künstler verbindlich war«. Tatsächlich ist beim Bauschmuck des Königsweges – trotz der Vielzahl der verwendeten formalen, kompositorischen und technischen Lösungen – eine gewisse Anonymität zu erkennen, ein Mangel an deutlichen, die einzelnen daran beteiligten Künstler unterscheidenden Merkmalen. Gleichwohl muss man sich überlegen, ob dies aus einer sozrealistischen Vereinheitlichung der Künstler resultiert, oder vielleicht eher aus dem von den Künstlern postulierten Streben nach einer homogenen Gesamtaussage des Königsweges. Weiterhin existierte eine Vielzahl technischer Mittel, die von den einzelnen Künstlern verwendet wurden, von denen natürlich je-

220 Ilkosz (wie Anm. 102), 189 f. 221 Ilkosz (wie Anm. 102), 189 f.



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weils Konsequenzen formaler Natur ausgingen, welche die Bewahrung eines kohärenten individuellen Stils erschwerten. Wnukowa entwarf und realisierte zum Beispiel Fassaden, die sowohl mit Fresken, Tempera und Sgrafitti, als auch mit Stuck verziert waren, ähnlich wie die anderen auch. Darüber hinaus sollte jede Fassade, zumindest der Idee nach, eine individuelle und sie von den anderen unterscheidende künstlerische Behandlung erhalten, was die Verschiedenartigkeit der verwendeten Lösungen beeinflusste. Diese Diversifikation, die paradoxerweise eher handwerkliches Können als eine besondere künstlerische Vision erforderte, musste gar nicht der Sichtbarmachung individueller Züge eines persönlichen Stils zugute kommen, ähnlich wie die Verwendung einer historischen Ornamentik oder das Schöpfen aus verschiedenen Vorbildern. In der Summe ist man somit geneigt, die Vorstellung von Wnukowa zu akzeptieren, dass die verzierten Fassaden ein integrales Werk bilden und der Schmuck der einzelnen Fassaden lediglich ein Fragment oder Teil eines großen Ganzes sei.222 Wenn man einen solchen Standpunkt einnimmt, kann man feststellen, dass hier tatsächlich eine gewisse Vereinheitlichung eintrat, oder genauer gesagt: eine Entindividualisierung. Aber ich denke nicht, dass dies das Resultat einer bewussten Unterordnung der Ausführenden unter die sozrealistische Doktrin war. Eher war es ein Spezifikum der von den Künstlern übernommenen Aufgabe. Andere Kriterien als Ilkosz nimmt Włodarczyk für eine Zugehörigkeit eines Werks zum sozialistischen Realismus an, für den der sog. »Ideengehalt« [ideowość] eine wichtige Grundlage ist. Er schreibt in seiner Arbeit, dass »der Ideengehalt nach der Auslegung der damaligen Ästhetik ein Charakteristikum ist, das den Grad der Engagiertheit eines Werkes auf der Seite der fortschrittlichen Kräfte im Klassenkampf bestimmt. […] Der Ideengehalt ließ sich, gemäß der Interpretation von Theoretikern und Politikern, im Bild durch eine [spezifische] Interpretation von Raum und Licht, durch ein entsprechendes Repertoire ›optimistischer‹ Gesten, durch eine idealisierende Retusche der gemalten Figuren darstellen. Man erreichte auf diese Weise eine spezifische Aura, die bewirkt, dass das Bild uns tot und leer vorkommt. Das Prinzip des Ideengehaltes sah eine Darstellung der Erscheinungen nicht als die vor, die sie waren, sondern als die, die sie sein sollten, bzw. in der neuen Ordnung sein würden.«223 Wenn der Autor über die in diesem Zitat erwähnte spezifische Rauminterpretation schreibt, stellt er fest, dass »zwei Kunstgriffe am häufigsten verwendet werden: eine die Gestalten monumentalisierende Froschperspektive und eine bewusste Deformation der Grundsätze der Linearperspektive, die auf eine unnatürliche Weise die Helden der präsentierten Ereignisse von der Ebene der Leinwand abhebt. Die interpretierende Rolle des ›Standpunktes‹ wurde in der Theorie des Sozrealismus sehr betont.«224 222 Mündlicher Bericht von J. Wnukowa. 223 Włodarczyk (wie Kapitel 3, Anm. 21), 18. 224 Włodarczyk (wie Kapitel 3, Anm. 21), 18.

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Von einer solchen Warte aus betrachtet scheint das Danziger Projekt nichts mit dem Sozrealismus gemeinsam zu haben. Es ist schwierig, in ihm eine Erfüllung, und sei es auch nur in geringem Maße, der Anforderungen an einen »Ideengehalt« zu entdecken. In der Thematik fehlen die Anspielungen auf die Gegenwart, es gibt auch keine Elemente, die ein »Engagement des Werkes auf der Seite der fortschrittlichen Kräfte im Klassenkampf« suggerieren würden. Das einzige ideenhaltige Element, das sich tatsächlich nachvollziehen lässt, ist die in vielen Dekorationen ausgedrückte Verbindung von Danzigs mit Polen, was sich angesichts der damaligen politischen Situation eher als eine Art ideologischen Statements der Künstler auffassen lässt. Doch es ist eher unwahrscheinlich, dass ihnen dies von den Machthabenden aufgezwungen werden musste. Vielmehr kann man annehmen, dass es aus einer ehrlichen Überzeugung der Künstler herrührte, obgleich es selbstverständlich den Intentionen der Politik nicht widersprach. Wenn man hier also von Ideengehalt sprechen kann, dann ist dies eine andere Art von Ideengehalt als in der Auffassung von Włodarczyk. Auch die von ihm vorgeschlagenen formalen Kriterien erlauben es nicht, den Bauschmuck des Königsweges in den Bereich der sozrealistischen Kunst einzubeziehen, zumindest nicht in deren Hauptströmung. Selbstverständlich darf man nicht vergessen, dass die von Włodarczyk definierten Charakteristika der sozrealistischen Malerei sich auf Staffeleibilder beziehen, gleichwohl könnte man sie umso besser auch auf Fassadenmalereien anwenden – denn Monumentalisierung, Froschperspektive, Deformation der Grundsätze der Linearperspektive sind schließlich beinahe natürliche Merkmale der Wandmalerei. Umso verblüffender ist die Vermeidung solcher formaler Kunstgriffe in der Danziger Realität: eine Monumentalisierung fehlt beinahe vollständig, die Froschperspektive wird nur einmal und das recht vorsichtig verwendet (ul. Długa 51), und die Deformation der Grundsätze der Perspektive, die relativ häufig vorkommt, ist eher mit einer der Monumentalmalerei eigenen Tendenz zu Dekorativität und Expressivität zu erklären, als mit dem Wunsch, den Betrachter psychologisch zu manipulieren. Im Gegenteil, ein für viele der realisierten Fassaden charakteristisches formales Phänomen ist die Tendenz, einen persönlichen Kontakt zum Betrachter herzustellen, indem man typische Motive der traditionellen Staffelmalerei verwendet: Genreszenen, Stillleben, Tierdarstellungen und Portraits, wobei diese, unabhängig von ihrer Verankerung in der Tradition, in der Praxis des Sozrealismus einen speziellen Status einnahmen, doch davon später mehr. Dabei verwendete man »malerische« formale Lösungen. Der konsequenteste Vertreter dieser Strömung scheint Czesław Rzepiński zu sein, aber auch die anderen mieden solche Art von Dekorationen nicht. Diese kursorische Besprechung einiger formaler Charakteristika des Bauschmucks am Königsweg reicht aus, um festzustellen, dass er auch in dieser Hinsicht nur schwer als typische Erscheinung des sozialistischen Realismus zu sehen ist. Eine andere sehr wichtige Frage wurde von Włodarczyk aufgegriffen: das Problem des Verhältnisses des Sozrealismus zur Tradition. Er schreibt: »Gemäß der



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sozrealistischen Theorie lässt sich das realistisch-akademische Gepäck der Malerei der stalinistischen Epoche nicht als Tradition, sondern als Erbe bezeichnen, eine Definition, die sich in der weiteren Entwicklung der Theorie des sozialistischen Realismus sehr verbreitete. Indem man den feinen Unterschied in der Bedeutung dieser Wörter ausnutzt, kann man sagen, dass ›Tradition‹ eine Konfrontation mit der Vergangenheit postuliert, die Notwendigkeit, sich zu entscheiden, während ›Erbe‹ die Art von Hinterlassenschaft ist, der man sich kritiklos unterwerfen muss. Eine solch deterministische Auffassung des Begriffs der Tradition ist für den Sozrealismus außerordentlich charakteristisch.«225 Wenn man den Bauschmuck am Königsweg betrachtet, kann man Zweifel haben, ob seine Schöpfer sich kritiklos dem »Erbe« unterwarfen, oder ob sie eine Konfrontation mit der »Tradition« suchten. Włodarczyk erkennt richtig den Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen, dennoch zieht er keine Konsequenzen aus dieser Erkenntnis – weder entwickelt er dieses Problem theoretisch, noch gibt er Beispiele aus der damaligen künstlerischen Praxis in Polen. Auf das Risiko hin, nicht mit seinem Verständnis der beiden Begriffe übereinzustimmen, lässt sich feststellen, dass trotz des von den Ausführenden unterstrichenen Bestrebens, sich in die künstlerische Tradition Danzigs kreativ einzuschreiben und die aus der Kunstgeschichte kommenden Anregungen umzuformen, sie sich eher dem Druck eines Erbes unterwarfen, das sich eben als kritiklos anzunehmende Hinterlassenschaft verstehen ließ. Die Tatsache, dass die historischen Vorbilder manchmal recht erheblich umgeformt wurden, ändert nichts an meiner vielleicht allzu kategorischen Einschätzung. Es handelte sich hier doch einzig um eine Modifizierung von aus der Vergangenheit entnommenen formalen Lösungen – nicht um den Ausdruck eines kreativen Verhältnisses zur Tradition. Ein solches Verhältnis war ohne eine vertiefte Kenntnis der historischen Prozesse nicht möglich, und ein solches Wissen besaßen die den Bauschmuck der ul. Długa und des Długi Targ schaffenden Künstler nicht. Dies betrifft ohne Zweifel ihr Maß an Vertrautheit mit der lokalen Tradition, doch sicher wurde auch eine allgemein verstandene künstlerische Tradition von ihnen ziemlich oberflächlich aufgefasst. Von diesem Gesichtspunkt aus lässt sich das Danziger Werk als identisch mit den Bestrebungen des Sozrealismus betrachten. Ein weiterer Berührungspunkt ist die am Königsweg häufig anzutreffende Präsentation von Portraits herausragender historischer Gestalten – von Gelehrten226, Künstlern227, Schauspielern228 oder Seefahrern229. Portraits behandelte man damals

225 226 227 228 229

Włodarczyk (wie Kapitel 3, Anm. 21), 20. Długi Targ 19. Długi Targ 12. Ul. Długa 72. Ul. Długa 16.

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als »Symbol bestimmter typischer und wünschenswerter Eigenschaften«.230 Eine Begründung für die Schaffung besonderer Portraitgalerien im städtischen Raum lässt sich bei Lenin finden, der unter Berufung auf die didaktischen Fresken an den Mauern der utopischen Stadt Campanellas feststellt, dass auch die marxistische Propaganda ähnliche Ausführungen in den städtischen Raum einführen müsse. Als besonders wichtig sieht er dabei eben Portraits an, wenn auch vor allem in Form von Skulpturen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen in dem uns interessierenden Kontext die folgenden Worte: »Wir müssen eine Liste der Vorväter des Sozialismus, seiner Theoretiker und Vorkämpfer aufstellen, und auch von Größen der Philosophie, Wissenschaft, Kunst usw., die, wenn sie auch unmittelbar nichts mit dem Sozialismus gemein haben, doch echte Helden der Kultur waren.«231 Auf der einen Seite bestätigen diese Worte den zentralen Stellenwert des Portraits in der sozrealistischen Kunst, auf der anderen aber legitimieren sie die Suche nach »dem Sozialistischen« selbst dort, wo es auf den ersten Blick nicht vorhanden ist. Anders gesagt, sie verleiten ein weiteres Mal dazu, die Wurzeln des Sozrealismus jenseits formaler Eigenschaften und sogar jenseits eindeutig ideologischer Determinanten zu suchen. Darüber hinaus darf man nicht die Inkohärenz dieser Richtung in Polen vergessen, was einen dazu neigen lässt, ähnlich wie in der Architektur bestimmte Werke eher auf der Grundlage von außenliegenden Phänomenen als sozrealistisch zu qualifizieren, denn auf der Basis dem Werk inhärenter Charakteristika. Diese Situation zeichnet Włodarczyk eindrücklich nach: »Die Kunst des sozialistischen Realismus in Polen erscheint uneinheitlich. Im Vergleich mit der Kunst der Sowjetunion fällt die Vielzahl der verwendeten Stilmerkmale auf. Dies resultierte hauptsächlich aus dem kurzen Zeitraum, in dem diese Richtung in Polen adaptiert wurde. Deswegen kann man von einem Sozrealismus der Zoppoter Schule, einem Sozrealismus der Koloristen, einem Sozrealismus der »Pickeligen« [so nannte man die jungen, radikalen Anhänger des Sozrealismus, J. F.], einem der Avantgardisten sprechen, von einem offiziellen Sozrealismus, einem der jungen, gerade aus dem Westen gekommenen Künstler [...] usw. Es ist auch verwunderlich, wie viele der damals entstandenen Werke von den Machthabenden akzeptiert wurden, und wie wenige davon etwas mit dem sozialistischen Realismus gemein hatten. Solche Erscheinungen lassen sich am häufigsten in den überwiegend pragmatischen Künsten beobachten.«232 Die abschließende Feststellung passt ausgezeichnet auf das am Kö230 Kostyrko, T.: Realizm socjalistyczny – o niektórych źródłach jego niepowodzeń [Der sozialistische Realismus – über einige Ursachen seines Scheiterns]. In: Sztuka 3 (1980), 24. 231 Lenin in einem Brief an Lunačarskij (Jahreswende 1917/18), zitiert nach: Tomasik (wie Anm. 106), 39. Tomasik wiederum zitiert nach: Bowlt, J. E.: Russian Sculpture and Lenin’s Plan of Monumental Propaganda. In: Art and Architecture in the Service of Politics. Hg. von H. A. Millon und L. Nochlin. Cambridge (Mass.) 1978. 232 Włodarczyk (wie Kapitel 3, Anm. 21), 66.



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nigsweg geschaffene Werk, ähnlich wie eine andere Bemerkung von Włodarczyk: »Die Vielzahl der Stilmerkmale in der Kunst der Jahre 1950–1954 resultierte nicht aus den inneren Prämissen der Doktrin selbst, sondern bloß aus der Vitalität heimischer Traditionen.«233 Unabhängig vom Grad der Übereinstimmung mit den Grundlagen des Sozrealismus steht eines außer Frage – das hier besprochene Werk fand die Zustimmung der Machthaber. Es erhielt enthusiastische Bewertungen der durch und durch offiziösen Presse234, seine Schöpfer erhielten staatliche Auszeichnungen235 und Anerkennung. Der Königsweg in seiner neuen künstlerischen Gestalt sollte zum repräsentativsten Ort in Danzig werden – und wurde es teilweise sogar; mit der Bestimmung, dort Kundgebungen und andere Formen der Teilhabe der Massen an staatlichen Feiertagen abzuhalten. 4.3 Umrahmung für sozialistische Zeremonien

Obwohl die Aufmarschstrecke der 1. Mai-Demonstration für gewöhnlich die Aleje Rokossowskiego (heute Aleja Zwycięstwa, ehemals Große- bzw. Hindenburgallee) entlangführte, wurden trotzdem für die anderen Viertel Danzigs Dekorationen vorbereitet236, darunter auch für die Rechtstadt. Dies belegen erhaltene Entwürfe für die sogenannte Beflaggung von ul. Długa und Długi Targ für das Jahr 1954237 (Abb. 59–61). Die danach angefertigten Dekorationen sollten nicht nur der Umrahmung der 1. Mai-Feiern, sondern auch anderer Feiertage wie dem 22. Juli und dem Jahrestag der Oktoberrevolution dienen.238 Diese wiederholt239 von den Architekten 233 Włodarczyk (wie Kapitel 3, Anm. 21), 66. 234 Als Beispiel der Begeisterung sei aus einem Artikel von S. Marcinkowski zitiert: »Ein herausragender Architekt hat gesagt, dass Danzig die größte Architekturschule der Welt sei. Heute kann man ohne Übertreibung hinzufügen, dass es auch die größte Schule der Welt für Malerei und Bildhauerei ist, die mit der Architektur untrennbar verbunden sind.« – Laureaci Nagród Państwowych ozdabiają gdańskie kamieniczki [Nationalpreisträger schmücken Danziger Häuser aus ]. In: Głos Wybrzeża, 14. August 1953, 3. 235 Laureaci Nagród Państwowych … (wie Anm. 234). 236 Najzdolniejsi architekci Gdańska przygotowują dekoracje 1-majowe [Die fähigsten Architekten gestalten die Dekorationen zum 1. Mai]. In: Dziennik Bałtycki, 25. April 1952, 3. 237 APG 1153/939 (Konzept zur Beflaggung der ul. Długa und des Długi Targ. Version I, Entw. W. Wierzbicki, 13. März 1954). – APG 1153/942 (Konzept zur Beflaggung der ul. Długa und des Długi Targ. Version III, Entw. J. Augustyn, 28. April 1954). – APG 1153/943 (Beflaggung. Ul. Długa und Długi Targ in Danzig. Version II, Entw. A. Kulesza, L. Błazik, 24. April 1954). – APG 1153/1217 (Konzept zur Beflaggung des Długi Targ. Version I, Entw. W. Wierzbicki, 20. März 1954). 238 Technische Beschreibung zu APG 1153/943. 239 Najzdolniejsi architekci Gdańska … (wie Anm. 236). Dekorationen zum 1. Mai wurden nicht nur von den Architekten des »Miastoprojekt«, sondern auch von Mitgliedern des Verbandes der

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des »Miastoprojekt« geschaffenen Entwürfe präsentieren ein reichhaltiges Repertoire an künstlerischen Mitteln: von den klassischen, längs der Fassaden hängenden roten Bannern und Portraits staatlicher Würdenträger über Blumengirlanden mit eingeflochtenen Flaggen bis hin zu komplizierten Konstruktionen an den Einmündungen der Seitenstraßen. Diese Konstruktionen erinnern gelegentlich an die Triumphbögen, die man im 16. und 17. Jahrhundert bei festlichen Einzügen in die Stadt errichtete, und vermutlich verdankt die Gesamtheit der Dekorationsentwürfe solchen Renaissance- und Barockfestlichkeiten einiges. Sogar eine Illumination war vorgesehen.240 Diese Art visueller Beschwörungsmittel dienten dazu, die folgenden Worte zu materialisieren: »Das alte Danzig erstrahlt im Glanze der Fahnen. Die aus Ruinen wiederaufgebauten weißen Häuser greifen gierig den Rhythmus Polnischen Bildenden Künste und sogar von Studenten der Hochschule für die Bildenden Künste erarbeitet. – Gdańsk w świątecznej szacie. Artyści plastycy i architekci pracują nad przygotowaniem dekoracji 1-Majowych [Danzig in festlichem Gewand. Künstler und Architekten arbeiten an Dekorationen zum 1. Mai]. In: Głos Wybrzeża, 23. April 1953, 3. 240 Die zweite Beflaggungsvariante (APG 1153/943) sah zum Beispiel vor, dass die Dekorationen die Architektur des gesamten Straßenzuges als eine dekorative Einheit betonen sollten, wobei der Długi Targ stärker betont wurde. Als Schmuck wählte man hängende Flaggen von 10–12 Metern Länge und einem Meter Breite, zwei- und zweieinhalb Meter große rote Banner, einen halben Meter große Standarten, Transparente von etwa einem Meter Breite sowie zehn Meter hohe Masten, die die erwähnten Dekorationselemente tragen sollten. Auch die Verwendung von Pflanzenschmuck und Beleuchtung war vorgesehen. Scheinwerfer sollten »an den Punkten mit intensiverer Dekoration« fest installiert werden, also am Goldenen/Langgaser und am Grünen Tor, am Rathaus, Artushof und am sogenannten Haus der Polnischen Könige sowie an den Einmündungen der Seitenstraßen. »Eine zurückhaltendere Beflaggung von Teilen der Straße wird die Architektur der attraktiven Hausgiebel unterstreichen und den Vorbeigehenden auf die stärkeren obengenannten Dekorationselemente vorbereiten.« Die Steigerung der Spannung sollte ihren Kulminationspunkt in den den Długi Targ westlich abschließenden Fassaden des Rathauses und des Hauses der Polnischen Könige finden, die als »Zentrum der intensiven Beflaggung« festgelegt wurden. Diese Tendenz zur Theatralisierung des architektonischen Raums lässt in der Tat an barocke Inszenierungen denken. Komplettiert werden sollte das Ganze mit drei Arten von Portraits: Staatliche Würdenträger der Volksrepublik (am Goldenen und Grünen Tor), staatliche Würdenträger der Bruderstaaten sowie Bestarbeiter und Wissenschaftler (beide in Schaufenstern der Häuser). Siehe dazu: Jak dekorujemy domy na dzień 1 Maja [Wie wir zum Maifeiertag die Häuser dekorieren]. In: Dziennik Bałtycki, 26./27. April 1953, wo die Redaktion Fragen der Leser beantwortet und folgende Hinweise gibt: »Wenn wir Portraits als Dekorationselemente benutzen, dann gruppieren wir sie thematisch, also z. B. platzieren wir die Portraits der Klassiker des Marxismus-Lenismus – Marx, Engels, Lenin und Stalin; oder die Führer der Kommunistischen Partei der Sowjetunion – Malenkov, Berija und Molotov; oder auch die Führer der internationalen Arbeiterbewegung wie z. B. Mao Zedong, Palmiro Togliatti, Maurice Thorez etc.; progressive Denker oder Führer der polnischen Arbeiterbewegung. Neben das Portrait des Vorsitzenden des Ministerrates Bolesław Bierut setzen wir nur das Portrait von Marschall Konstanty Rokossowski. […] Wir weisen darauf hin, dass die Portraits der staatlichen Würdenträger, der Führer der polnischen und internationalen Arbeiterbewegung etc. in den Läden des ›Dom Książki‹ erhältlich sind.«



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der siegreichen Schritte, die Klänge des Orchesters, die Gesänge auf und geben sie mit einem kraftvollen Echo wieder … Die Straßen der Stadt durchzieht eine Demonstration freier Menschen in einem wirklich freien Land.«241 Im Übrigen kamen in demselben Festumzug, der nicht die Rechtstadt durchquerte, sicher auch Dekorationen vor, die an die Arbeiten zur Rekonstruktion des einstigen Danzigs erinnerten. Es ist zum Beispiel bekannt, dass der Umzug der Mitarbeiter des »Miastoprojekt« 1952 von Architekturmodellen begleitet wurde, die man auf Lastwagen montiert hatte.242 Zwar ist es mir nicht gelungen festzustellen, was diese Modelle darstellten; weil aber zu jener Zeit die Projektierung der einzelnen Quartiere der Rechtstadt eine der wichtigsten Aufgaben des Unternehmens war, kann man annehmen, dass mindestens eines der beim Festumzug präsentierten Modelle einen Abschnitt der rekonstruierten historischen Bebauung zeigte. Auch zu anderen Gelegenheiten wurden spezielle Dekorationen entworfen: zum 2. Weltkongress der Verteidiger des Friedens243, zum 60. Geburtstag von Bolesław Bierut244 oder zum zehnjährigen Bestehen der Volksrepublik245. Diese Art von Unternehmungen sollten selbstverständlich bei den verschiedenen Kundgebungen und Aufzügen die Emotionen intensivieren, doch für die vorliegenden Überlegungen ist noch ein anderer Aspekt wichtig. Auch wenn das Risiko einer Überinterpretation besteht, so liegt doch nahe, dass die an den historischen Gebäuden der Innenstadt angebrachten Dekorationen eine spezifische Vereinnahmung jener positiven Werte bewirkten, die man intuitiv von Geschichtsdenkmälern erwartet. Diese Strategie erinnert, wenn auch in ungleich geringerem Maße, an jene, die mit dem weiter oben analysierten Projekt verfolgt wurde, die Achse des Długi Targ in westlicher Richtung zu verlängern und mit einem die historische Stadt dominierenden, sozrealistischen Kulturhaus abzuschließen. Auf diese Weise suggerierte man, dass die sozialistische Wirklichkeit ein weiterer

241 Wspólnym rytmem biją nasze serca dla Ojczyzny [Im Gleichtakt schlagen unsere Herzen für das Vaterland]. In: Dziennik Bałtycki, 1. Mai 1952, 6. Das in diesem Text gezeichnete Bild eines Aufmarsches inmitten weißer Häuser ist entweder eine Metapher oder bezieht sich auf die Demonstrantengruppen, die erst noch auf dem Weg zum eigentlichen Aufmarsch waren, der immer die Aleje Rokossowskiego entlangführte. 242 Ponad ćwierć miliona mieszkańców trójmiasta w radosnym dniu święta 1 Maja manifestowało niezłomną wolę walki o Pokój i Plan [Mehr als eine Viertelmillion Bewohner der Dreistadt manifestierten am freudigen Maifeiertag ihren unbeugsamen Willen zum Kampf um Frieden und Planerfüllung]. In: Dziennik Bałtycki, 2. Mai 1952, 3. 243 Gdańsk wita kongres wspaniałą dekoracją gmachów i ulic [Danzig grüßt Kongress mit glänzend dekorierten Bauten und Straßen]. In: Dziennik Bałtycki, 18. November 1950, 4. 244 Dzień 18 kwietnia zakwitł w trójmieście czerwienią flag, uśmiechem i pieśnią [Am 18. April erblühte die Dreistadt im Rot der Flaggen, mit Lachen und Gesang]. In: Dziennik Bałtycki, 19. April 1952, 3. 245 Barwnie święciły Gdańsk i Gdynia 10-lecie Polski Ludowej [Farbenfroh begingen Danzig und Gdynia den 10. Jahrestag der Volksrepublik]. In: Dziennik Bałtycki, 23. Juli 1954, 5.

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Schritt auf dem Weg der Geschichte, ja sogar die Krönung dieser Geschichte sei, und spannte auf geschickte Weise die kulturellen Leistungen vergangener Jahrhunderte für den Apparat der politischen Propaganda ein. Das Schaffen neuer Bedeutungen, neuer pseudohistorischer Quasi-Traditionen – es sei nur an die formidable Formel Wnukowas vom kulturellen Sediment erinnert, das zwar nicht existierte, aber hätte existiert haben können246 – stellt gewissermaßen ein Spiegelbild des von Christine Brooke-Rose als »Palimpsest-Geschichte« bezeichneten Phänomens dar. Die Wissenschaftlerin sah es als charakteristisch für totalitäre Gesellschaften an, dass diese »selbst ständig darum bemüht [sind], die Geschichte im Sinne ihres Palimpsests umzuschreiben.« [Hervorhebung im Original]247 In Übernahme dieser Metapher könnte man sagen, dass die beim Wiederaufbau Danzigs angewendeten Verfahren visueller Beschwörung gleichzeitig eine Form der Entzifferung des Palimpsestes, wie auch der Stoff zu dessen neuen Ablagerungen waren.

246 Siehe die Äußerung von J. Wnukowa in Anm. 218. 247 Brooke-Rose, C.: Palimpsest-Geschichte. In: Zwischen Autor und Text. Interpretation und Überinterpretation. Hg. von U. Eco. München 1994, 135–149, hier 142.

Kapitel 5 B r e i t g asse oder zwei Konzeptionen für den W i e d e raufbau von Danzig: die »historische« und die »kreative«

In den Berichten über den Wiederaufbau von Danzig kommt eine als Streit der Ideen1 oder sogar der Ideologien2 bezeichnete Auseinandersetzung vor. Sie wurzelt in einem unterschiedlichen Herangehen an die Frage der Rekonstruktion unter den Architekturhistorikern der Danziger Technischen Hochschule einerseits3 und den eine »kreative« Haltung repräsentierenden Architekten des »Miastoprojekt« bzw. später auch dem für den sogenannten Königsweg zuständigen Planungsteam andererseits. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass die »kreative« Haltung selbst komplex ist – sie ist mit drei nur scheinbar identischen Tendenzen verknüpft: 1. mit der Tendenz, mithilfe von Architektur und Städtebau soziale Probleme zu lösen, 2. mit einer scheinbar historischen Tendenz unter dem Namen »kreative Rekonstruktion«, und 3. mit der Tendenz, den sozialistischen Realismus umzusetzen.4 Auch wenn es keineswegs möglich ist, diese scharf voneinander abzugrenzen5, lässt sich dennoch feststellen, dass Unterschiede existierten, die zudem auch von den Zeitgenossen wahrgenommen wurden, was zum Beispiel die Entwurfsplaner des Königsweges aus ihrer Position der »kreativen Rekonstruktion« heraus zu einem Angriff gegen die Autoren einer sozial motivierten Konzeption provozierte, die die Bebauung der engen Seitenstraßen der Rechtstadt ablehnten.6 1 Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 212. 2 Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 210. Zu den unterschiedlichen Erscheinungen dieses Streits siehe auch: Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 224. – Kadłubowski (wie Kapitel 4., Anm. 23), 251. – Orlof, K. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 297. 3 Im uns interessierenden Zeitraum durchlief dieser Lehrstuhl einige organisatorische Veränderungen, er konzentrierte sich jedoch immer um die Person von Marian Osiński. Anfangs trug die Abteilung der Technischen Hochschule, die sich mit architekturhistorischen Fragen befasste, den Namen »Lehrstuhl für die Geschichte der Polnischen Architektur«, dann »Institut für Geschichte der Architektur«, um schließlich den Namen »Institut für die Geschichte der Polnischen Architektur anzunehmen«, dazu: Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 213–223. 4 Der »kreativen Rekonstruktion« und dem sozialistischen Realismus widme ich mich ausführlicher im 4. Kapitel. 5 So ist zum Beispiel Lech Kadłubowski, einer der wichtigsten Fürsprecher einer »kreativen Rekonstruktion« in Danzig, als Architekt des Postamtes an der ul. Długa zugleich ein Repräsentant des Sozrealismus. Ich sehe an dieser Stelle von der späteren Metamorphose dieses Architekten ab, die ihn nach 1956 zu modernistischen Positionen führte. 6 Bojarski (wie Kapitel 4, Anm. 8). Hierbei ist es kennzeichnend, dass die Autoren der kritisierten Konzeption mit der Bezeichnung »Modernisierungslager« bedacht werden, was damals wohl negative Konnotationen hervorrufen sollte.

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Kapitel 5

Der Streit zwischen »Historikern« und »Kreativen« fand hauptsächlich dank der Texte von Jerzy Stankiewicz in das Denken über den Wiederaufbau Danzigs Eingang. Er wurde schon 1953, also relativ früh publik, als er in einer Veröffentlichung der erwähnten Architekturhistoriker explizit formuliert wurde7, welcher eine marginale, aber den Konflikt offenbarende Äußerung der Architekten in der Zeitschrift Architektura vorausgegangen war.8 Ohne die realen Grundlagen dieses Streits in Zweifel zu ziehen, soll ein anderes Interpretationsmodell dieses Phänomens vorgeschlagen werden, das es nicht als Konflikt, sondern als Kompromiss9 sieht, der gerade dadurch möglich wurde, dass der komplizierte Prozess, welcher der Wiederaufbau Danzigs war, zwei grundlegende Gesichter hatte. Der erste Teil des vorliegenden Kapitels hat die Ursachen beider Positionen und außerdem die eine Übereinkunft zwischen ihnen ermöglichenden theoretischen Prämissen zum Inhalt. Der zweite Teil versucht dagegen zu zeigen, wie dieser zugegebenermaßen schwierige Ausgleich in die Tat umgesetzt wurde.

5.1 Die Theorie

Ganz am Anfang des Wiederaufbaus stand ein grundsätzlicher Kompromiss, der darin bestand, dass man die Rechtstadt als moderne Wohnsiedlung wiederaufbauen wollte, die allen, oder zumindest der Mehrzahl der damaligen Grundsätze des Städtebaus genügen und gleichzeitig den historischen Charakter des Viertels bewahren sollte. Der Wiederaufbau des historischen Stadtviertels durch einen Bauherren wie dem Arbeitersiedlungskombinat (Zakład Osiedli Robotniczych, ZOR), das eigentlich für andere Aufgaben geschaffen worden war10, barg natürlich zahlreiche Risi 7 Ciemnołoński (wie Einführung Anm. 7). 8 Gruszkowski, W., u. a.: O pracy gdańskiego środowiska architektonicznego [Über die Arbeit Danziger Architekten]. In: Architektura 8 (1953), 209. Der entsprechende Passus lautet wie folgt: »Das Problem des Wiederaufbaus der Rechtstadt, sowohl am Beispiel der ul. Długa, wie auch noch deutlicher am Beispiel der ul. Szeroka, ist eng mit der Notwendigkeit verbunden, Kriterien in Bezug auf den Wiederaufbau historischer Städte aufzustellen. Denn sehr häufig besteht die wirklichkeitsfremde und unaufrichtige Tendenz zur Schaffung eines ›Baudenkmals‹, unabhängig vom dokumentarischen und kompositorischen Wert der zur Verfügung stehenden Materialien, unabhängig schließlich von den aktuellen materiellen Möglichkeiten und dem Nutzungsbedarf. Solche Tendenzen finden im Kreise der im Institut für Architekturgeschichte der Danziger Technischen Hochschule arbeitenden Kollegen des öfteren ihre Tribune.« 9 Die Auffassung vom Wiederaufbau als einem Kompromiss ist auch in den Texten von Stankiewicz selbst präsent, siehe: Massalski/Stankiewicz (wie Einführung Anm. 12), 226. 10 Der damalige Chef des ZOR, Juliusz Goryński, soll behauptet haben, dass er die Rolle des Bauherren in der Danziger Rechtstadt übernommen habe, obwohl dies im Grunde genommen nicht in Einklang mit den Statuten des ZOR gewesen sei und der Quadratmeter zweimal so teuer wie auf den anderen Baustellen des ZOR war (diese Information verdanke ich einem Gespräch mit Wiesław Gruszkowski am 3. April 1998). Vollkommen anders stellte 1953 Adolf Ciborowski die



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ken, aber vor allem die Chance, den historischen Charakter der Stadt in mehr oder minder hohem Maße wiederherzustellen. Eben dieser Ausgangspunkt begünstigte die Formierung der zwei grundsätzlichen Haltungen zum Wiederaufbau und daraus folgend mindestens zweier im Wiederaufbau engagierter Gruppen. Jede dieser Gruppen sah den Sinn des Wiederaufbaus in etwas anderem: Die einen in der Lösung praktischer, d. h. sozialer, hygienischer und funktionaler Probleme, wobei denkmalpflegerische Forderungen nach einer historischen Rekonstruktion eine gewisse Berücksichtigung fanden. Die zweite Gruppe strebte beim Wiederaufbau vor allem die historische Rekonstruktion des Stadtbildes an. Aus heutiger Perspektive könnte es so aussehen, als sei das »historische« Ziel von Anfang an dem »sozialen« Ziel gegenüber benachteiligt und untergeordnet gewesen; doch resultiert eine solche Überzeugung nicht aus einer ahistorischen Betrachtungsweise einer komplexen und vielschichtigen Frage? Unser Wissen über das einstige Danzig, die Entwicklung moderner denkmalpflegerischer Auffassungen, aber vor allem die zeitliche Distanz erlauben uns, zahlreiche Mängel der Aufbaujahre zu erkennen und das Versäumen vieler Chancen und den Verlust ungezählter authentischer Elemente der einstigen Bebauung aufzuzeigen. Zugegebenermaßen riefen viele der heute erkannten Probleme auch damals schon Beunruhigung hervor. Die Veröffentlichungen von Stanisław Bobiński, Maciej Kilarski oder der Autoren aus dem Umfeld des Instituts für die Geschichte der Polnischen Architektur der Danziger Technischen Hochschule wiesen schon Mitte der 50er Jahre aus denkmalpflegerischer Perspektive auf viele Unzulänglichkeiten und Fehler des Wiederaufbaus hin.11Sowohl das Ausmaß, als auch die Ursachen dieser Fehler sind dank der Publikationen von Jerzy Stankiewicz relativ gut bekannt.12 Seiner Autorentätigkeit verdanken wir eine eindrückliche und überzeugende Vorstellung von dem denkmalpflegerischen Desaster, das sich seit den 40er Jahren in Danzig abspielte. Gleichwohl stellte er, der nicht nur Beobachter, sondern auch Beteiligter des Wiederaufbaus war, den anfangs er-

Sache dar. Er behauptete, dass die Kosten für die Wohnungen in den wiederaufgebauten historischen Vierteln die durchschnittlichen Aufwendungen für diesen Zweck um kaum mehr als 10–20 % überschritten hätten, siehe: Ciborowski, A.: Społeczne budownictwo mieszkaniowe jako czynnik kształtowania miast [Der öffentliche Wohnungsbau als Mittel zur Stadtgestaltung]. In: Miasto 5 (1953), 3. 11 Zugegebenermaßen erkannte man auch damals schon diese Risiken, vgl. Ciemnołoński (wie Einführung Anm. 7), Bobiński, S. (wie Einführung Anm. 10). Gleichzeitig muss man feststellen, dass auch heute, trotz eines scheinbar größeren Verständnisses etwa für Fragen der historischen Bausubstanz, in Danzig eine fortschreitende Zerstörung, ja häufig praktisch Vernichtung historischer Bauten oder sogar ganzer Bauensembles zu beobachten ist. 12 Stankiewicz: Uwagi o odbudowie … (wie Einführung Anm. 12); Stankiewicz: Les monuments de Gdańsk … (wie Einführung Anm. 12); Stankiewicz: Kilka refleksji … (wie Einführung Anm. 12); Stankiewicz: Probleme des Erforschung … (wie Einführung Anm. 12); Stankiewicz: Dalsze refleksje … (wie Einführung Anm. 12); Stankiewicz: Odbudowa zabytkowych zespołów (wie Einführung Anm. 12).

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wähnten Kompromiss nicht grundsätzlich in Frage. Er kannte dessen Charakter und daher gleichermaßen die immanenten Bedrohungen und Chancen. Dies unterscheidet seinen Standpunkt von einer in jüngerer Zeit anzutreffenden Haltung, die man als einen auf ahistorischen Prämissen beruhenden Rekonstruktionsmaximalismus oder kurz als Rekonstruktionismus bezeichnen könnte.13 Gerade diese ahistorische Perspektive bewirkt, dass wir dazu tendieren, eher die Zugeständnisse von Seiten der Verteidiger einer historischen Gestalt und der historischen Bausubstanz zu beachten, als die Zugeständnisse der anderen Seite zu erkennen, also der Anhänger eines Vorhabens, das so schnell wie möglich gute Wohnungen für tausende Familien schaffen wollte. Um also selbst nicht in die Falle einer ahistorischenPerspektive zu tappen, soll versucht werden, den Charakter und die Wurzeln jenes grundsätzlichen Kompromisses zu bestimmen und gleichzeitig die Situationen zu betrachten, in denen es zum Konflikt zwischen den oben erwähnten Positionen kam. Es steht außer Frage, dass ein Vorgehen in strikter Übereinstimmung mit denkmalpflegerischen Lehrmeinungen in Danzig in der zweiten Hälfte der 40er Jahre undenkbar war.14 Dies war vor allem wegen dem Ausmaß der Zerstörungen und der finanziellen Not des kriegszerstörten Landes unmöglich, aber auch der Mangel an entsprechend ausgebildeten Experten trug dazu bei.15 Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass, entgegen der heute gängigen Meinung16, in der unmittelbaren Nachkriegszeit ein Wiederaufbau der Rechtstadt in mehr oder minder historischer Gestalt ganz und gar nicht selbstverständlich war.17 Ein letzter wesentlicher Umstand ist außerdem die Tatsache, dass die Prinzipien der Denkmalpflege selbst in 13 Über dieses Phänomen habe ich ausführlich im angeführten Artikel für 30 dni geschrieben: Friedrich, J. : Czy Gdańsk ma swój styl? [Hat Danzig einen eigenen Stil?]. In: 30 dni 3 (1999), 25–31. Was den Ahistorismus betrifft, so lassen sich Beispiele davon im Artikel von Piotr Najmajer, Najmajer (wie Einführung Anm. 21), besonders in den Passagen zur Direktion für den Wiederaufbau und der Praxis der Jahre 1945–47 im Gegensatz zur späteren, von der Baudirektion Arbeitersiedlungen verantworteten. 14 Über die emotionalen Begleitumstände des Abweichens von denkmalpflegerischen Erfordernissen schreibt Kalinowski: Odbudowa zabytkowych … (wie Einführung Anm. 14). 15 Dieses in der Diskussion über den Wiederaufbau der historischen Innenstadt erstaunlich selten aufgegriffene Problem machte sich auch in den folgenden Jahren ständig bemerkbar, als man den Entschluss zum Wiederaufbau schon gefasst und mit der Gründung spezialisierter Werkstätten – sowohl für die Entwurfsplanung als auch für die Ausführung – begonnen hatte. Es sei auch die vieles erklärende Tatsache erwähnt, dass ein großer Teil der am Wiederaufbau der Rechtstadt arbeitenden Architekten Nachkriegsabsolventen der Technischen Hochschule waren, die 1945 oder 1946 gerade erst ihr Studium begonnen hatten. Über einen »katastrophalen Mangel entsprechend vorbereiteter Leute« schreibt im Zusammenhang mit den denkmalpflegerischen Aufgaben auch Jan Zachwatowicz (wie Kapitel 2, Anm. 20), 51. 16 Zum Beispiel schreibt Zdzisław Żygulski jr., dass der Wiederaufbau Danzigs zu einer Museumsstadt »etwas völlig Natürliches und Notwendiges« sei. – Stary Gdańsk jako forma muzealna [Das alte Danzig als Museumsform]. In: Porta Aurea, Bd. 3, 1994, 11. 17 Siehe Kapitel 2.



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Polen einer rapiden Umorientierung unterlagen. In diesem Kontext lohnt es, sich ein in der ersten Nachkriegsnummer der Zeitschrift Biuletyn Historii Sztuki i Kultury veröffentlichtes und bezeichnendes Zwiegespräch näher anzusehen.18 In ihm stießen zwei Positionen aufeinander: Jan Zachwatowicz forderte mit Nachdruck ein weitgehendes Programm zur Rekonstruktion der Baudenkmäler; Ksawery Piwocki hingegen erklärte sich damit einverstanden, dass es Umstände geben könne, die die Ersetzung eines Originals durch eine Kopie rechtfertigten, erkannte aber dennoch die mit einem solchen Vorgehen verbundenen Risiken an. Zachwatowicz schrieb geradeheraus: »Ich kann nicht damit einverstanden sein, dass uns Kulturdenkmäler entrissen werden, wir werden sie rekonstruieren, werden sie von den Fundamenten wiederaufbauen, um den [nachfolgenden] Generationen, wenn schon keine authentische, so doch zumindest eine präzise Gestalt jener Denkmäler zu überliefern, wie sie in unserem Gedächtnis lebendig und in den Quellen zugänglich ist.«19 Betont seien hier die Worte »zumindest eine präzise Gestalt«, denn hauptsächlich in diese Richtung sollten die Bemühungen der Vertreter der »historischen« Option eines Wiederaufbaus von Danzig gehen. Zachwatowicz, der schon vor dem Krieg zu ähnlichen Ansichten tendiert hatte20, begründete seine mit der klassischen Lehre von Riegel nicht übereinstimmende Meinung mit einem singulären und über die Jahrhunderte hinweg gewachsenen Ausmaß an Zerstörungen und Vernachlässigungen, die im Kataklysmus des letzten Krieges ihren Kulminationspunkt gefunden hätten.21 Dabei muss man unbedingt betonen, dass Zachwa-

18 Diese Diskussion gewinnt aus dem zeitlichen Abstand fundamentale Bedeutung als Ausgangspunkt zahlreicher Überlegungen zum Schutz und Wiederaufbau von Kulturdenkmälern im Polen der Nachkriegszeit, dazu: Kalinowski: Odbudowa zabytkowych … (wie Einführung Anm. 14), 60 ff. – Rymaszewski (wie Kapitel 2, Anm. 7), 56–60. 19 Zachwatowicz (wie Kapitel 2, Anm. 20), 48. 20 Przypkowski, T./Zachwatowicz, J.: Mury obronne Warszawy [Die Verteidigungsmauern von Warschau]. Warszawa 1938, bes. 18 f. In der Annahme, dass man mit ihrer Realisierung rechnete, würden die 1942 von Zachwatowicz angefertigten Rekonstruktionszeichnungen für die Warschauer Barbakane und das Neustädter Tor darauf hinweisen, dass er schon vor der Katastrophe des Warschauer Aufstandes und des späteren Untergangs der Stadt dazu tendierte, Baudenkmäler zu rekonstruieren, und zwar in einer ausgesprochen neoromantischen Form. Siehe dazu die Abbildungen in: Architektura 7/8 (1950), 229. 21 Etwas Ähnliches gibt eine etwas später von Piotr Biegański gemachte Äußerung wieder: »Städte, die so zerstört wurden wie Warschau, Breslau, Danzig und andere, finden in ganz Europa keine Entsprechung ihrer Verluste. Deswegen ist die Position, die die verantwortlichen Denkmalpfleger hier einnehmen, eine vollständig neue, sie hat die Aufgabe, alle jene Schätze aus den Ruinen zu bergen, die von den künstlerischen Leistungen und dem historischen Reichtum einzelner Zentren zeugen können.« – Nowoczesne poglądy na konserwację zespołów miejskich [Moderne Ansichten über die Bewahrung städtischer Bauensembles]. In: Biuletyn Historii Sztuki i Kultury 1/2 (1947), 129. Diese Äußerung ist für die vorliegenden Überlegungen insofern wesentlich, als ihr Autor einer der wichtigsten Urheber der als Zachwatowicz-Plan bekannten Konzeption für den Wiederaufbau Danzigs war.

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towicz sich der Abweichung von denkmalpflegerischen Grundsätzen vollkommen bewusst war, denn er schrieb: »Das Gefühl der Verantwortung gegenüber kommenden Generationen erfordert den Wiederaufbau dessen, was uns zerstört worden ist, einen vollständigen Wiederaufbau im Bewusstsein der Tragik, eine denkmalpflegerische Fälschung zu schaffen.«22 Piwocki war also grundsätzlich damit einverstanden, dass Umstände existieren, die eine Rekonstruktion von Kulturdenkmälern rechtfertigen, darunter an erster Stelle emotionale Rücksichtnahmen.23 Doch gleichzeitig stellte er fest, dass eine Rekonstruktion sich einzig auf ausgewählte Werke der Architektur beschränken müsse, und hier ausschließlich auf deren äußeren Baukörper, der als »dem Original besonders nahe kommende Kopie […] den Nachkommen einen möglichst authentischen Nachweis des künstlerischen Schaffens der vorhergehenden Generationen überliefern wird«24. Eine solche Kopie nannte er »Symbol«. Er befasste sich auch mit dem Austausch originaler Bauteile durch neue und stellte fest: »Die Ersetzung ist ein quasi chirurgischer Eingriff, und diesen darf man nur in wirklichen Ausnahmefällen vornehmen«25. Im Zusammenhang damit forderte er für eine Prophylaxe zu sorgen, die diese Art von Interventionen entbehrlich machen würde. Am deutlichsten offenbaren sich Piwockis Zweifel wohl in der hellsichtigen Frage, ob »allzu unüberlegt und umfassend wiederhergestellte Baudenkmäler, die in der Zeit der gegenwärtigen Kriegswirren zerstört worden sind, künftigen Generationen nicht ein verzerrtes Bild unserer künstlerischen Kultur geben, auch wenn sie wissen werden, dass sie es mit einer Rekonstruktion eines unwiederbringlich zerstörten Werkes zu tun haben?«26 Das Anführen der stark divergierenden Ansichten zweier hervorragender Kenner des Problems soll veranschaulichen, wie heterogen die theoretischen Grundlagen zum Wiederaufbau historischer Städte nach 1945 waren, darunter auch Dan-

22 Zachwatowicz (wie Kapitel 2, Anm. 20), 52. Siehe auch den folgenden Passus desselben Artikels: »Quantität und Qualität der Baudenkmäler in Polen erlauben keine Anwendung der auf Denkmalpflegerkongressen verlautbarten Grundsätze. Jahrhunderte bewusster Zerstörungen, Jahrhunderte eigener Vernachlässigungen haben die historischen Schätze in Polen so sehr reduziert, dass zu ihrer Bergung spezielle Methoden und abweichende Grundsätze notwendig waren. Man musste die Überreste unserer kulturellen Errungenschaften um jeden Preis vor dem endgültigen Untergang retten; damit aber diese Überreste irgendeinen Sinn haben und zumindest in gewissem Grad jene Rolle erfüllen konnten, die wir Kulturdenkmälern im Leben unseres Volkes und in der Gestaltung seiner Kultur zuweisen, musste man ihnen eine ihrer eigentlichen möglichst nahe Form verleihen. Selbstverständlich ist dies für die verfeinerte Kunst der Denkmalpflege ein Rückschritt um viele Jahrzehnte, aber hier bei uns ist dies die einzig mögliche Vorgehensweise.« – Zachwatowicz (wie Kapitel 2, Anm. 20), 52. 23 Piwocki (wie Kapitel 1, Anm. 73), bes. 54, 57, 59. 24 Piwocki (wie Kapitel 1, Anm. 73), 59. 25 Piwocki (wie Kapitel 1, Anm. 73), 59. 26 Piwocki (wie Kapitel 1, Anm. 73), 57.



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zigs, das auch im Text von Piwocki namentlich erwähnt wird.27 Bekanntermaßen erwies sich schließlich die Option von Zachwatowicz als siegreich, und er selbst wurde als Generaldenkmalpfleger quasi zur Personifizierung des Wiederaufbaus nach dem Krieg.28 Dass er die Notwendigkeit erkannte, historische Werte und die Lebensbedingungen in den Altstadtvierteln miteinander zu versöhnen, belegt eine von ihm gemeinsam mit Wojciech Kalinowski abgegebene Bewertung der Arbeiten der Vorkriegszeit in der Warschauer Altstadt, in welcher die Auflockerung der Bebauung sowie die Integration öffentlicher Institutionen in das historische Viertel und als Konsequenz daraus die Verringerung der Bevölkerungsdichte positiv bewertet werden.29 Eine solche Haltung ermöglichte einen Kompromiss mit der anderen im Wiederaufbau Danzigs engagierten Seite, die die Umsetzung von Zielen anstrebte, die hier als »sozial« bezeichnet werden. Innerhalb dieser sozialen Komponente kam dem Architekten die wichtigste Stellung zu, denn das Gewicht lag naturgemäß auf praktischen Problemen: der richtigen Planung einzelner Stadtteile, der Festlegung entsprechender Funktionen und hygienischen Bedingungen, dem Durchsonnungsgrad oder der grundlegenden Bevölkerungsdichte. Es ist daher verständlich, dass die Architekten, die sich schon vor dem Krieg in hohem Maße für eine Gesundung der Städte, die sie als modernen Anforderungen nicht entsprechende Orte betrachteten, engagiert hatten, wünschten, die aufgrund der Zerstörung Danzigs, aber auch anderer Städte eingetretene Situation zu nutzen und die in der Zwischenkriegszeit theoretisch formulierten Postulate in die Praxis umzusetzen. Die genaue Befolgung dieser Richtlinien erklärt viele während der Arbeiten am Wiederaufbau der Rechtstadt getroffene Planungsentscheidungen. Zuerst soll jedoch eine Äußerung angeführt werden, die zeigt, wie die damaligen Architekten die Stadt des 19. Jahrhunderts sahen: »[…] die im Zeitalter des Pseudoliberalismus erbauten Städte sind nicht nur unpraktisch und planlos, sondern vor allem bedrohlich für das Leben und die Gesundheit ihrer Bewohner – im Grunde genommen sind sie Lager, in denen die Menschheit physisch und moralisch zu Grunde geht. – Jene furchtbaren Erfahrungen machen uns wachsam, denn nachdem wir nach den Kriegszerstörungen die Städte in einer menschenwürdigen Weise wiederaufbauen können, hören wir schon wieder ein ums andere Mal die Stimmen der Herrschaften Würden- und Amtsträger, die tief in ihren

27 »Das Problem des Schutzes und der Restaurierung geretteter Denkmalsüberreste, die Erneuerung bzw. Rekonstruktion scheinbar unwiederbringlich zerstörter Güter tritt an vorderste Stelle der Kulturprobleme unserer Epoche.« – Piwocki (wie Kapitel 1, Anm. 73), 53. 28 Es ist außerordentlich bezeichnend, dass der Plan, nach dem Danzig rekonstruiert worden ist, sehr häufig als Zachwatowicz-Plan bezeichnet wird, obgleich er offenbar bei seiner Ausarbeitung nicht aktiv beteiligt war. 29 Kalinowski, W./Zachwatowicz, J.: Odbudowa zabytkowych zespołów urbanistycznych [Der Wiederaufbau historischer städtebaulicher Ensembles]. In: Materiały do zagadnień muzealnictwa i konserwatorstwa polskiego w latach 1944–1963. Warszawa 1968, 131–137.

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alten pseudoliberalen und kapitalistischen Gewohnheiten verwurzelt sind. Heute, in der neuen Zeit, wollen sie wieder zu dicht, zu hoch, eben ›großstädtisch‹ bauen, als gäbe es immer noch die wucherische Grundsteuer.«30 Diese Worte äußerte Władysław Czerny 1948 anlässlich der Präsentation seines Planes zum Wiederaufbau von Danzig, eines Planes, von dem zahlreiche Elemente in den sogenannten Zachwatowicz-Plan übernommen wurden. Die Grundlagen einer solchen Sicht auf die jüngere Vergangenheit der Stadt und das Akzeptieren notwendiger Änderungen lassen sich in den von linksorientierten Architektenkreisen in der Zwischenkriegszeit formulierten Ansichten finden. Am umfassendsten manifestierten sie sich vielleicht auf dem 4. Internationalen Kongress für Moderne Architektur (Congrès International d’Architecture Moderne, CIAM) im Jahr 1933, wo man ein Dokument verabschiedete, das als »Charta für den Städtebau der Zukunft« der CIAM bezeichnet wurde und das sowohl Feststellungen zum damaligen Zustand der Städte wie auch Postulate für die Zukunft enthält. Dort finden sich Feststellungen, die deutlich mit den Ideen von Czerny korrespondieren: übermäßige Bevölkerungsdichte und daraus resultierende ungesunde Lebensbedingungen, eine den Grundsätzen der Hygiene widersprechende Bebauungsstruktur, eine fehlerhafte Verteilung öffentlicher Bauten etc.31 Die Charta widmet sich auch dem für die vorliegenden Überlegungen 30 Czerny (wie Kapitel 1, Anm. 16), 31 f. 31 Da ich überzeugt bin, dass die Philosophie der CIAM-Charta trotz aller untypischen Elemente des Projektes beim Wiederaufbau der Danziger Rechtstadt umgesetzt wurde, möchte ich sie in ausführlichen und für die vorliegenden Überlegungen besonders wichtigen Auszügen anzuführen. Sie entstammen dem zweiten Teil der Charta, die mit dem Titel »Der gegenwärtige Zustand der Städte. Kritik und Abhilfe« überschrieben ist. Die Zitate mit eckig eingeklammerten Seitenzahlen beziehen sich auf die deutsche Ausgabe: Le Corbusiers »Charta von Athen«. Texte und Dokumente. Kritische Neuausgabe. Hg. von T. Hilpert. Braunschweig 21988. Eine polnische Übersetzung der Charta von Athen wurde publiziert in: Syrkus, H.: Ku idei osiedla społecznego [Zur Idee der Sozialsiedlung]. Warszawa 1976, 142–147. »Die Bevölkerungsdichte ist zu groß im historischen Kern der Städte […], wie auch in gewissen Stadtgebieten industrieller Expansion des 19. Jahrhunderts [124]. […] In den zusammengedrängten Stadtteilen sind die Wohnbedingungen unheilvoll in Ermangelung von ausreichend Raum in den Wohnungen, in Ermangelung verfügbarer Grünflächen, wegen der Mängel bei der Instandhaltung der Gebäude [125]. […] Die zu Wohnungen bestimmten Bauwerke sind im Widerspruch zu den Notwendigkeiten der Hygiene auf der Grundfläche der Stadt verteilt [126]. […] Die Verteilung von Gebäuden, die der Allgemeinheit dienen und mit dem Wohnen zusammenhängen, ist willkürlich [128]. […] Vor allem Schulen liegen häufig an Verkehrsstraßen und sind zu weit entfernt von den Wohngebäuden [129]. […] Die Freiflächen sind im allgemeinen unzureichend [135]. […] Die Arbeitsstätten sind innerhalb des städtischen Komplexes nicht mehr rationell angeordnet [140].« Diese Diagnose der Wirklichkeit erforderte natürlich Gegenmaßnahmen, die man in Form von Postulaten formulierte, von denen ich einige anführen möchte: »Die Wohnviertel müssen zukünftig im Raum der Stadt die besten Standorte einnehmen, ihre Vorteile aus der Topografie ziehen, die klimatischen Verhältnisse nutzen, über günstigste Besonnung und bequem gelegene Grünflächen verfügen [131]. […] Die Aufreihung der Wohngebäude längs der Verkehrstraßen muss verboten werden [133]. […] Jedes Wohnviertel muss künftig über Grün-



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besonders wesentlichen Problem der historischen Stadtviertel und legt unter dem Titel »Historisches Erbgut der Städte« Folgendes fest: »Architektonische Werte müssen bewahrt werden (einzelne Gebäude städtische Ensembles). Sie werden bewahrt, … wenn sie der Ausdruck einer früheren Kultur sind und wenn sie einem allgemeinen Interesse entsprechen. … wenn ihre Erhaltung nicht das Opfer fordert, dass für die Bevölkerung ungesunde Lebensbedingungen aufrecht erhalten werden … wenn es möglich ist, den Nachteilen ihres Vorhandenseins durch radikale Maßnahmen abzuhelfen: zum Beispiel durch Umleitung lebenswichtiger Elemente des Verkehrs oder sogar durch das Verlagern von Zentren, deren Lage man bisher für unabänderlich hielt.«32 Man könnte jede der obigen Feststellungen in Hinblick auf ihre Übereinstimmung mit den einzelnen Aspekten des Wiederaufbaus von Danzig analysieren, doch an dieser Stelle ist der Punkt zwei am wichtigsten, der eine mögliche Senkung hygienischer Standards im Namen der Erhaltung historischer Werte kategorisch ausschließt. Da eine solche Forderung für tatsächlich historische Bausubstanz galt, musste sie umso mehr für eine rekonstruierte, also quasi neu erbaute Stadtstruktur gelten – wenn schon neu, dann in Übereinstimmung mit den Postulaten des modernen Städtebaus. In der unmittelbaren Nachkriegszeit war eine zweibändige, schon vor dem Krieg geschriebene und 1948 wiederaufgelegte Arbeit von Tadeusz Tołwiński die wichtigste Quelle städtebaulichen Wissens in Polen.33 Bekanntermaßen war sie

flächen verfügen, die für die rationelle Ausstattung mit Anlagen für Spiel und Sport der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen, notwendig sind [138]. […] Die ungesunden Häuserblocks müssen abgerissen und durch Grünflächen ersetzt werden: Die angrenzenden Viertel werden dadurch gesunden [138]. […] Die neuen Grünflächen müssen klar definierten Zwecken dienen: Sie sollten die Kindergärten enthalten, die Schulen, die Zentren der Jugend oder alle Gebäude zu allgemeinem Gebrauch, die eng mit dem Wohnen verbunden sind [139]. […] Das Handwerk, aufs engste mit dem Leben der Stadt verbunden, aus dem es direkt hervorgegangen ist, muss genau bezeichnete Orte im Innern der Stadt einnehmen können [144].« Beim Lesen dieser Postulate kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Rechtstadt der Nachkriegszeit quasi unter ihrem Diktat entstand. Der Genauigkeit halber sei jedoch festgestellt, dass man sich in keinem der mir bekannten Berichte vom Wiederaufbau unmittelbar auf das oben zitierte Dokument berief, was eine mittelbare Beeinflussung selbstverständlich nicht ausschließt, schließlich war es Allgemeingut. Und auch auf der »historischen« Seite bin ich keiner unmittelbaren Bezugnahme auf Riegel begegnet. 32 Le Corbusiers »Charta von Athen« … (wie Anm. 31), 151–153. 33 Tołwiński, T.: Urbanistyka, Bd. 2: Budowa miasta współczesnego [Urbanistik, Bd. 2: Der zeitgenössische Städtebau]. Warszawa 1948.

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auch den Danziger Nachkriegsplanern geläufig.34 Die darin enthaltene Bewertung der Stadt des 19. Jahrhunderts stimmte mit Czernys Bewertung überein, wenn sie auch weniger emotional formuliert wurde.35 Auch seine Forderungen zur Verbesserung der Situation in bereits existierenden36 und neu entstehenden37 Zentren gingen in eine ähnliche Richtung. Besonders interessant sind auch die hier enthaltenen Anmerkungen zur Arbeit des Stadtplaners in der Wirklichkeit einer historischen Stadt. Tołwińskis Konzeptionen gehen in die Richtung einer Erhaltung und Pflege der kulturellen Werte historischer Städte. Dieses Postulat resultiert aus der Erkenntnis, dass die Mehrzahl der europäischen Städte38 gerade »in ihren alten historischen Vierteln […] ihre größten Schätze [besitzen] und gerade in ihnen der Puls des großstädtischen Lebens am lebendigsten schlägt«39. Wie es scheint, tendiert der Theoretiker sogar dazu, die Rekonstruktion als eine Form des Schutzes »kultureller Werte« zu akzeptieren, denn so lassen sich die folgenden Worte interpretieren: »Als allgemeine Regel nehmen wir das Prinzip der Erhaltung und des Wiederaufbaus jener [historisch wertvollen] Objekte, aber eine – in Fällen, in denen es notwendig

34 Siehe zum Beispiel: Sokół (wie Kapitel 3, Anm. 17), 139. – Ukochać swoje miasto, jak własny dom. Od czynszowych kamienic do socjalistycznej urbanistyki [Seine Stadt wie das eigene Haus lieben. Vom [privaten] Mietshaus zum sozialistischen Städtebau]. In: Dziennik Bałtycki, 25. Februar 1951, 5. 35 Tołwiński (wie Anm. 33), 163. 36 »In Bezug auf die bestehende Stadt umfasst dieses Programm [die Rede ist vom ›Wohnungsbauprogramm für breite Schichten der städtischen Bevölkerung‹] eine Instandsetzung und die Hebung der im Wohnungswesen bestehenden Standards in hygienischer, technischer und architektonischer Hinsicht, d. h. eine Instandsetzung und den Umbau von Häusern und ganzer Häuserblocks, ihre moderne, zumindest den grundlegendsten Wohnkomfort sichernde technische Ausstattung sowie die planmäßige Einrichtung von Institutionen und Gebäuden, die verschiedenen Formen und Bedürfnissen des öffentlichen Lebens dienen.« – Tołwiński (wie Anm. 33), 259. 37 »[…] in Bezug auf die neu errichtete Siedlung […] müssen ihre beiden grundlegenden Bestandteile, d.  h. die Wohnung und sämtliche Einrichtungen des öffentlichen Lebens zu einer Einheit zusammengefasst werden, die das Leben des Menschen und seiner Familie in ihrer Wohnung und ihre zahlreichen und engen sozialen Beziehungen in der näheren und weiteren Umgebung umfassend organisiert. Die ist die Vorstellung einer ›Nachbarschaftseinheit‹ (Neighbourhood Unit), die einige Dutzend Hektar umfasst und einer Bevölkerung von einigen Tausend Bewohnern entspricht. Als Ausgangspunkt zum Zusammenschluss eines solches Stadtbezirks und einer gegebenen Zahl von Menschen gilt die gemeinsame Erziehung und Ausbildung der Kinder und Schulkinder. Diese ›Nachbarschaftseinheit‹ umfasst also Kindergarten, Schule, Versorgungszentren (Lebensmittel, Kleidung etc.) und jene Dienstleistungs- und Kultureinrichtungen, die für ein normales Leben des gegebenen Kollektivs der städtischen Bevölkerung unerlässlich sind.« – Tołwiński (wie Anm. 724), 259. Auch hier ist eine Übereinstimmung des Textes mit den grundsätzlichen Prämissen des Wiederaufbaus der Rechtstadt als Arbeitersiedlung nicht zu übersehen. 38 Namentlich erwähnt Tołwiński fünf polnische Städte, darunter auch Danzig. – Tołwiński (wie Anm. 33), 191. 39 Tołwiński (wie Anm. 33), 191.



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ist – erforderliche Beseitigung oder einen Umbau betrachten wir als Ausnahme.«40 Auch Czerny erkannte die Notwendigkeit, die Spezifika einer historischen Stadt und historischer Architektur ernsthaft zu berücksichtigen und ließ Rekonstruktionen dort zu, wo ausreichende ikonografische Daten existierten.41 Er verteidigte sogar die ästhetischen und kulturellen Werte, »die ein nationaler Kulturschatz sind und ein Gradmesser gesellschaftlicher Ordnung« angesichts »des demagogischen Argumentes von ›Ressort‹-Sparzwängen«.42 Doch gleichzeitig verwirft er kategorisch die Möglichkeit, »im alten Stil« bzw. »im alten Charakter« zu bauen43, worin er mit der CIAM-Charta übereinstimmt: »Die Verwendung von Stilen der Vergangenheit, unter dem Vorwand der Ästhetik, hat bei neuen Bauten, die in historischen Stadtgebieten errichtet werden, verheerende Folgen. Das Festhalten an solchen Gepflogenheiten oder die Einführung von darauf gerichteten Initiativen wird unter keinen Umständen geduldet.«44 Wie man aus den oben angeführten Konzepten und Ansichten sehen kann, waren beide Parteien, sowohl die historische, als auch die gesellschaftlich-soziale, bereit, jenen Kompromiss zu schließen, der der Gegenstand meiner bisherigen Überlegungen gewesen ist. Die historisch-denkmalpflegerische Partei tendierte dazu, viel vom Rigorismus der klassischen Riegelschen Lehrmeinung zu verwerfen, was unter anderem daraus resultierte, dass man die Lebensbedürfnisse der Bewohner historischer Stadtviertel verstand. Die sozial-architektonische Partei wiederum begriff genau, zumindest auf der Ebene theoretischer Prämissen, dass es notwendig sei, die historischen Werte der Städte zu schützen. Ein so konstruiertes Modell wäre jedoch nicht vollständig, wenn es die Frage des Sozrealismus beim Wiederaufbau Danzigs außer Acht ließe. Wie schon in der Einführung gesagt, standen die Anhänger dieser Doktrin prinzipiell auf derselben Seite wie die »Sozialen«. Gleichwohl bedingten die spezifisch ästhetische, auf Monumentalismus zielende Dominante des sozrealistischen Verständnisses von Architektur und Städtebau sowie der spezifische Historismus im Sozrealismus, der in der architektonischen Praxis besonders prägnant zum Ausdruck kam, dass die Konzeptionen der Sozrealisten gelegentlich mit der pragmatischen Haltung der »Sozialen« in Konflikt gerieten. Aber natürlich stimmten diese Konzepte auch nicht mit den Vorstellungen der »Historiker« überein, wenn auch aus anderen Gründen. Die Ursachen dieses Konfliktes muss man im erwähnten spezifischen Historismus des Sozrealismus suchen, der eigentlich eine

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Tołwiński (wie Anm. 33), 191. Czerny (wie Kapitel 1, Anm. 16), 31. Czerny (wie Kapitel 1, Anm. 16), 32. Czerny (wie Kapitel 1, Anm. 16), 31. Le Corbusiers »Charta von Athen« … (wie Anm. 31), 153.

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Form der Usurpation der Vergangenheit war und sich nicht mit der der Vergangenheit prinzipiell ergebenen Haltung der Architekturhistoriker vereinbaren ließ.45 Zum Abschluss meiner Erörterung der theoretischen Prämissen der beiden Vorstellungen vom Wiederaufbau Danzigs sowie des Kompromisses zwischen diesen beiden möchte ich einer Ansicht Ausdruck geben, die sicher sehr subjektiv ist, aber von deren Richtigkeit ich überzeugt bin. Jede der beiden miteinander konkurrierenden Vorstellungen ruhte auf zutiefst romantischen Fundamenten, wobei ihre potentielle und manchmal auch manifest werdende Konflikthaftigkeit aus einer grundsätzlich voneinander abweichenden Ausrichtung ihrer Romantizismen beruhte.46 Einmal ist dies ein an der Idealisierung der Vergangenheit orientierter Romantizismus, der in ihr essentielle, vor allem ästhetische Werte verortet – daher das Gewicht, das in den ersten Jahren des Wiederaufbaus eher auf die Authentizität der Form, denn der Substanz gelegt wurde47 und gleichzeitig dem modernen architektonischen Schaffen misstrauisch gegenübersteht.48 Die andere Seite lenkte ebenso romantische Beweggründe, wenn auch diese hinter der pragmatischen Planungsmaterie schwieriger zu erkennen waren. Dieser zweite Romantizismus ist einer des »Fortschritts«, genauer: der Zukunft, ein der Realität gegenüber gleichsam nonkonformer Romantizismus mit zweifelsohne linken, wenn auch nicht notwendigerweise kommunistischen Wurzeln – ähnlich jenem, in dem in der Zwischenkriegszeit die Warschauer Wohnungsgenossenschaft (Warszawska Spółdzielnia Mieszkaniowa) oder der Arbeitersiedlungsverband (Towarzystwo Osiedli Robotniczych) wurzelte, und der Maciej Nowicki, einen der größten Architekten der Mo-

45 Am Rande sei festgestellt, dass sowohl der sozrealistische Historismus, wie auch der Historismus der Anhänger einer Rekonstruktion der Stadt in ihrer einstigen Gestalt eine gewisse, wenn auch unterschiedliche, Willkür in ihrem Geschichtsverständnis offenbarten, ja sogar eine Instrumentalisierung der Geschichte betrieben. In der sozrealistischen Variante drückte sich dies darin aus, dass historische städtebauliche bzw. architektonische Lösungen, sogar bei den Details, zum Stoff wurden, aus dem man im Prinzip willkürlich völlig neue architektonische bzw. städtebauliche Einheiten schaffen konnte, die in ihrem Wesen gelegentlich dem ursprünglichen Sinn ihres Vorbildes widersprachen. Ein glänzendes Beispiel in der hier besprochenen ul. Szeroka ist die Verwendung der architektonischen Form des Zeughauses, also eines öffentlichen Gebäudes, für Wohnungen durch die Entwurfsplaner, siehe dazu die weiteren Ausführungen des vorliegenden Kapitels. Auf diese Weise wurde eine Art historischer Utopie ins Leben gerufen. Die Architekturhistoriker dagegen, indem sie der historischen Gestalt der einzelnen Fassade treu blieben, erlaubten bzw. forderten geradezu ein Straßenbild, wie es in der Vergangenheit niemals existiert hatte, sie schufen also im Grunde genommen ebenfalls eine historische Utopie, wenngleich anderer Art. 46 Eine Bestätigung der Richtigkeit dieser Ansicht, zumindest in Bezug auf die »historische« Vorstellung, findet sich in einer Definition von Adam Miłobędzki, die sich auf die Rekonstruktion des Altstadtzentrums von Warschau bezieht: »neoromantische Umsetzung dieser Rekonstruktion«. – Miłobędzki (wie Einführung Anm. 22), 131. 47 Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 225. 48 Piwocki hat dieses Problem sehr früh erkannt: Piwocki (wie Kapitel 1, Anm. 73), 55.



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derne in Polen, dazu veranlasste, ein Plakat mit dem Titel »Tuberkulose vernichtet Leben« zu entwerfen. Die konformistische Übernahme der sozrealistischen Doktrin muss man dagegen jenseits dieser beiden Romantizismen ansiedeln. Sie steht scheinbar der »sozialen« Haltung nahe, doch bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass sich beide Positionen voneinander unterscheiden lassen. Das Unterscheidungskriterium ist die tatsächliche Sorge um soziale Standards auf Seiten der »Sozialen« und eine Sorge um den visuellen Effekt sogar um den Preis solcher Standards auf Seiten der »Sozrealisten«. Aber natürlich lassen sich beide Haltungen nicht immer vollständig und zweifelsfrei voneinander unterscheiden. In jedem Fall stützten sich die miteinander konkurrierenden, oder vielleicht eher einander ergänzenden Vorstellungen vom Wiederaufbau auf theoretische und auch emotionale, romantische Prämissen, die ausreichend Berührungspunkte hatten, um die Realisierung eines so schwierigen Kompromisses zu ermöglichen, wie es der Wiederaufbau Danzigs war.

5.2 Die Praxis

In der Praxis wurde dieser Kompromiss natürlich vielfach auf die Probe gestellt. Eine der schwersten war der Konflikt, den es Anfang 1952 um die Bebauung der ul. Szeroka zu lösen galt. Jerzy Stankiewicz erinnert sich, dass es gerade die Entwürfe für diese Straße waren, die die Architekturhistoriker der Danziger Technischen Hochschule zur aktiven Einmischung in den Prozess des Wiederaufbaus mobilisiert hätten.49 Die von einem speziell für die Planung der ul. Szeroka berufenen Architektenteam geschaffenen Entwürfe weckten bei den »Historikern« Befürchtungen, dass die Rekonstruktion der Rechtstadt in historischer Gestalt begrenzt werden könnte.50 Glücklicherweise ist gerade für die ul. Szeroka umfangreiches Dokumentationsmaterial erhalten, welches eine ungewöhnlich genaue Betrachtung dieser Phase des Wiederaufbaus und der sie begleitenden Planungs- und Entscheidungsprozesse ermöglicht.51 Stankiewiczs Behauptung, dass der Fall der ul. Szeroka die Architekturhistoriker zu einer aktiven Teilnahme am Wiederaufbau mobilisiert habe, ist dennoch nicht ganz richtig. Schon im Dezember 1949 wurde in der Danziger Abteilung des Zentralen Entwurfs- und Planungsbüros für den Siedlungsbau des ZOR ein Atelier für die Rekonstruktion Historischer Architektur (Pracownia Rekonstrukcji Architektury Zabytkowej, PRAZ) geschaffen, in dem unter anderem Ryszard Massal49 Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 218. 50 Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 218. 51 Archivalia der Baudirektion Arbeitersiedlungen, APG 1153/4190, 1153/4226, 1153/4478, 1153/4481–4490.

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ski, Janusz Ciemnołoński und Jerzy Stankiewicz selbst arbeiteten, also der Stamm der später so deutlich hervortretenden Gruppe der »Historiker«.52 Ein Beleg dafür, dass dieses Atelier, obgleich organisatorisch mit dem Zentralen Entwurfs- und Planungsbüro verbunden, faktisch ein Ableger der architekturhistorischen Schule der Technischen Hochschule war, ist, dass es sich im gleichen Gebäude befand.53 Eben dort begann man eine Methode zu erarbeiten, die später von den »Historikern« konsequent weiter entwickelt werden sollte und die sich auf eine möglichst genaue Dokumentation jedes der zur Wiederherstellung vorgesehenen Bauwerke stützte, welche den Ausgangspunkt für das Rekonstruktionsprojekt darstellte.54 Außerdem war Stankiewicz schon als Student der Leiter eines eigenständigen Teams für städtebauliche Fragen der Rekonstruktion der Rechtstadt, das ebenfalls vom Zentralen Entwurfs- und Planungsbüro berufen wurde.55 Bereits im Rahmen dieser Tätigkeit hatten die »Historiker« die Möglichkeit, ihre Agenda gegenüber dem abweichenden Standpunkt der »Kreativen« zu verteidigen, zum Beispiel in der Diskussion über die Bebauung der Ecke ul. Piwna / Jopengasse und ul. Kołodziejska / Große Scharmachergasse, in der ein von Massalski sorgfältig erarbeiteter Vorschlag zur Wiederherstellung der historischen Gestalt auf einen sozrealistischen Entwurf von Stanisław Holc prallte, den Stankiewicz auch als »ideellen Widersacher« bezeichnete.56 Im Übrigen unterlag in diesem Fall der historische Vorschlag beim Zusammenstoß mit dem »Stärkeren«.57 Dessenungeachtet schalteten sich die »Historiker« nicht erst Anfang 1952 in den Wiederaufbau Danzigs ein. Das Stankiewicz, sonst ein genauer Protokollant, die Angelegenheit so darstellt, wird mit Sicherheit nicht ohne Grund sein. Wahrscheinlich geht es ihm darum, dass der Sachverhalt der ul. Szeroka die »Historiker« dazu brachte, offiziell einen Standpunkt zu beziehen, was in gewissem Maße bedeuten konnte, sich in eine offene Konfrontation mit den »Kreativen« zu begeben. Jener Standpunkt wurde in einem von Marian Osiński, dem Leiter des Instituts für Architekturgeschichte an 52 Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 209. – Bobiński (wie Kapitel 2, Anm. 34), 200 ff. 53 Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 209. 54 Stankiewicz schreibt: »Im Büro von Ing. Majewski [also im PRAZ] entstanden, gestützt auf alte Aufnahmen und Vermessungen im Gelände, Zeichnungen im Maßstab 1:100, noch ohne die Fassaden des Königsweges und auch weiterer Straßenzüge: der ul. Piwna, der ul. Chlebnicka, ul. Św. Ducha, ul. Ogarna, ul. Kołodziejska usw. Dies waren jedoch – soweit ich mich erinnere – noch keine Rekonstruktionen. Sie gaben im Allgemeinen originalgetreu den auf den Aufnahmen festgehaltenen Zustand zusammen mit allen Umbauten des 19. und 20. Jahrhunderts wieder.« – Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 209. Später wurden auf der Grundlage der so erstellten Dokumentation die Rekonstruktionsentwürfe angefertigt. Einen hervorragenden Einblick in dieses Prozedere gibt Massalski (wie Einführung Anm. 12). 55 Seit April 1950, siehe Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 211. Laut dem Autor war dieses selbständige Team ein Ein-Mann-Team. 56 Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 212. 57 Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 210.



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der Danziger Technischen Hochschule unterzeichneten Brief vom 22. Januar 1952 formuliert.58 Der Vorstellung dieses wichtigen Dokumentes muss jedoch eine Schilderung der Situation vorausgehen, die seiner Abfassung vorausgegangen war. 1951 und in weiten Teilen des folgenden Jahres59 verlangsamte sich das Wiederaufbautempo, und es hieß, dass die Gegner einer Rekonstruktion der Stadt in historischer Gestalt sogar die Unterstützung der Stadtregierung gewonnen hätten.60 Die damalige Lage hat Jerzy Stankiewicz so zusammengefasst: »[…] einige Architekten und Stadtplaner begannen ein Konzept zur Beendigung der Rekonstruktion der Rechtstadt in dieser Straße [ul. Szeroka] zu verkünden. Sie riefen Argumente historischer Natur über die spätere Entstehung des Johannisviertels, der sogenannten Neustadt, zu Hilfe […], sie stützten sich auch auf Argumente ästhetischer Natur, wonach die einstige Architektur der ul. Szeroka und der nördlich von ihr gelegenen 58 APG 1153/4481. 59 Bis zur Herausgabe einer Verordnung »Betreffs der Ausführung von Bau- und Ausbauarbeiten am Straßenzug ul. Długa – Długi Targ in Danzig« durch das Ministerium für Stadt- und Siedlungsbau am 31. Oktober 1952. Siehe Trojanowska (wie Kapitel 1, Anm. 102), 13. 60 So jedenfalls bei Trojanowska (wie Kapitel 1, Anm. 102), 13. Die Verlangsamung des Wiederaufbautempos bestätigen jedoch auch andere, so zum Beispiel Bohdan Szermer (wie Einführung Anm. 12), 54, und indirekt Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 218. Man muss dennoch feststellen, dass es zum Beispiel im Lichte der Pressemitteilungen schwierig wäre, zu einer solchen Überzeugung zu kommen. Das ganze Jahr über erscheinen zahlreiche Artikel, die die Erfolge des Wiederaufbaus thematisieren und dessen Fortsetzung ankündigen. Als Beispiel sei ein Ausschnitt aus einem Text vom Juli 1951 angeführt: »Das alte, schöne Danzig wird immer schneller wiederaufgebaut. Der Hafen pulsiert vor Leben. Aber das ist nicht alles, das langt nicht, in Danzig brauchen wir mehr Schulen, Kinderkrippen, Kindergärten, und vor allem – schöne, helle und geräumige Wohnungen.« – Odbudowaliśmy już ulicę Długą – teraz kolej na cały piękny, nowy Gdańsk [Wir haben schon die ul. Długa wiederaufgebaut – jetzt ist das ganze schöne, neue Danzig an der Reihe]. In: Dziennik Bałtycki, 2. Juli 1951, 3. Außerdem: Wyrastają nowe domy starego Gdańska [Die neuen Häuser des alten Danzig wachsen empor]. In: Dziennik Bałtycki, 13. Dezember 1951, 3. – Na miejscu ruin rosną czerwone mury domów mieszkalnych [An der Stelle der Ruinen wachsen die roten Mauern der Wohnhäuser]. In: Głos Wybrzeża, 31. Mai 1951, 5. – Cieślińska, H.: Narodowy w formie, socjalistyczny w treści odradza się Stary Gdańsk [National in der Form, sozialistisch im Inhalt wird das Alte Danzig wiedergeboren]. In: Głos Wybrzeża, 14. August 1951, 6. Dort lesen wir unter anderem: »Der Plan der kreativen Rekonstruktion umfasst die gesamte Rechte (sic) Stadt, nicht nur die Wohnhäuser, sondern auch Straßen, Brücken, Marktplätze, die Ufer der Mottlau und mittelalterliche Fragmente, die aus der Zeit der slawischen Fürsten stammen, sowie Stadtmauern [historisch gesehen ist dies nicht korrekt, J. F.].« Die hier auftauchende Formulierung »kreative Rekonstruktion« könnte sich auf Versuche beziehen, auf die historische Gestalt zu verzichten, doch die weiteren Ausführungen belegen eher, dass von einer historischen Rekonstruktion die Rede ist. Die Zahl der Beispiele von Pressestimmen, die eine Fortsetzung des Wiederaufbaus sowohl dokumentieren als auch ankündigen, könnte man vervielfachen. Als eines der wenigen Pressezeugnisse aus jener Zeit, das auf eine Verlangsamung des Arbeitstempos hinweist, lässt sich dagegen folgender Artikel betrachten: Dlaczego opóźnia się budowa hotelu robotniczego przy Długim Targu? [Warum verzögert sich der Bau des Arbeiterwohnheims am Długi Targ?]. In: Dzien- nik Bałtycki, 4. Oktober 1951, 3.

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Bezirke weniger interessant sei und sich für eine Wiederherstellung nicht eigne. Im Entwurfsbüro entstand unter der Leitung des Architekten Kazimierz Biszewski ein für die ul. Szeroka zuständiges Team, dessen Credo es war, diese Straße als eine Übergangszone zwischen einer rekonstruierten und einer neu entworfenen Bebauung zu behandeln.«61 Die »Historiker« hatten höchstwahrscheinlich schon im Verlauf der Entwurfsarbeiten Einblick in die im »Miastoprojekt« erarbeiteten Pläne, denn die Entwürfe wurden erst im Februar 1952 abgeschlossen62, während, wie bekannt, der Brief wegen der Bebauung der ul. Szeroka schon am 22. Januar verfasst wurde.63 Aus dem Brief kann man erfahren, dass das »Miastoprojekt« den Auftrag erhalten hatte, einen Entwurf für Wohnblocks an der ul. Szeroka zu erarbeiten, die für Werftarbeiter bestimmt waren und bis Ende 1952 errichtet werden sollten. Diese Information würde die These über die Verlangsamung des Wiederaufbautempos nicht bestätigen, doch sie bezeugt, dass man die Möglichkeit erwog, auf eine Rekonstruktion in historischer Gestalt zu verzichten, wie die von Osiński verwendete Bezeichnung »Blocks« belegt. Angesichts einer solchen Möglichkeit erinnert Osiński daran, dass »die Denkmäler einstiger Architektur der Innenstadt und besonders der Rechtstadt Leistungen auf Weltniveau darstellten«, angesichts derer er feststellt, dass »der einzige gegenwärtig annehmbare Weg […] die Rekonstruktion der in vielen Jahrhunderten erarbeiteten Gestalt« sei.64 Im Weiteren folgen dann die für die vorliegenden Überlegungen wichtigen Worte: »Wir stimmen vollständig überein, dass man den sich hinter dieser [historischen] Gestalt verbergenden Inhalt in Form dunkler, enger Wohnungen sowie unhygienischer, auf ein Maximum verdichteter Blocks nicht wiederherstellen kann; nichtsdestoweniger stellen wir am Beispiel der wiederaufgebauten Straßenzüge der ul. Ogarna, Długa und Piwna fest, dass eine Koexistenz von historischer Architektur und neuem, revolutioniertem, sozialistischen Inhalt, in Danzig nicht nur möglich ist, sondern geradezu glänzende Resultate ergibt.«65 Im Folgenden äußert Osiński grundsätzliche Bedenken gegen die Absichten des »Miastoprojekt«. Erstens: die Befürchtung, dass die ul. Szeroka an Stelle einer Rekonstruktion eine typische Bebauung in einem, wie Osiński schreibt, »nicht näher definierten ›Danziger Stil‹« erhalten werde. Zweitens: das Problem, dass im »Mias- toprojekt« ein entsprechend vorbereitetes Team für die Durchführung der Entwurfsarbeiten fehle, falls man die Konzeption in eine historische umwandle; und 61 Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 218. 62 APG 1153/4485–4487, 1153/4490. Bei ihrer Bearbeitung berücksichtigte man auch die im Institut für Architekturgeschichte erstellte historische Dokumentation, siehe APG 1153/4485. 63 APG 1153/4481. Der Brief trägt den Titel: »Anmerkungen zum beabsichtigten Wiederaufbau der ul. Szeroka in Danzig«. 64 APG 1153/4481 (wie Anm. 63). 65 APG 1153/4481 (wie Anm. 63).



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drittens: die zu knappe Zeitkalkulation für die Durchführung des gesamten Projektes. In Bezug auf die dritte Frage gibt Osiński Warschau als positives Vorbild an, wo der Rekonstruktion der Altstadt ernsthaft vorbereitende Studien vorausgegangen seien. Schließlich präsentiert er die Forderungen des Instituts: »Eine vollständige [Hervorhebung im Original] Rekonstruktion einer Reihe historischer Danziger Bauensembles, besonders der Rechstadt mit der ul. Szeroka«; weiterhin die Übergabe der Rekonstruktion in die Hände der Danziger Werkstatt für Denkmalpflege66; außerdem eine Verwendung »neuer Objekte«, die »Modul und Proportionen Danzigs« beibehalten, an den Orten, für die keine historische Dokumentation erstellt werden kann. Am Ende des Briefs teilt Osiński mit, dass das Institut schon historische Untersuchungen zur Bebauung der ul. Szeroka unternommen habe67 und verkündet »die Bereitschaft, die Resultate unserer Untersuchungen der Institution mitzuteilen, die den Auftrag zur Durchführung einer umfassenden Rekonstruktion [Hervorhebung im Original] der ul. Szeroka erhält.«68 In der letzten Formulierung klingt Misstrauen gegenüber dem »Miastoprojekt« als derjenigen Institution an, die solche Arbeiten durchzuführen hatte, was mit der zweiten Forderung Osińskis hinsichtlich der Werkstatt für Denkmalpflege bestätigt wird. Gleichzeitig alarmierte man die Presse. Schon Anfang Februar erschien im Dziennik Bałtycki eine Veröffentlichung, die vor der Idee warnte, »im Herzen des schönen städtebaulichen Ensembles eine modernistische ›Insel‹ zu schaffen«69, wobei man sich auf die im Institut für Architekturgeschichte erstellte Dokumentation berief, was darauf hinweisen könnte, dass die »Historiker« selbst darauf bedacht gewesen waren, die Angelegenheit publik zu machen. Die Veröffentlichung schließt mit einer bezeichnenden Warnung: »Ungeachtet dessen, dass im Sinne des Gesetzes das Regierungspräsidium der R. P. die entscheidende Instanz in Danziger Baufragen bleibt, werden sich zweifelsohne die künftigen Bewohner, das heißt die Danziger Werftarbeiter, selbst für die Frage des Aussehens des künftigen Arbeiterviertels an der ul. Szeroka interessieren.«70

66 Der Volkseigene Betrieb Werkstätten für Denkmalpflege – Abteilung Danzig entstand im März 1951 an Stelle der Werkstatt für Denkmalpflege beim Wojewodschaftsdenkmalpfleger. – Wysocki, Z. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 2 (wie Einführung Anm. 32), 55, 58. 67 Nach den Worten Osińskis fertigte man als Resultat dessen »eine Zusammenstellung der historischen Fassaden beider Straßenzüge« im Maßstab 1:200 an. Die vom Team Nr. 3 des Instituts für Architekturgeschichte signierten und auf den 21. Januar 1952 datierten Zeichnungen (APG 1153/4478) sind sicher damit identisch. 68 APG 1153/4481. 69 Szeroka woła o sprawiedliwość [Die ul. Szeroka ruft nach Gerechtigkeit]. In: Dziennik Bałtycki, 6. Februar 1952, 3. 70 Szeroka woła … (wie Anm. 69).

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In Zusammenhang mit dem Publikmachen der ganzen Angelegenheit wurde am 21. Februar ein Treffen organisiert, dessen Protokoll71 ein ungewöhnlich wertvolles Dokument ist, weil es das Aufeinanderprallen der verschiedenen Standpunkte zeigt. Die Zusammenkunft versammelte die Repräsentanten der Stadt- und Wojewodschaftsregierung, des Ministeriums für Kultur und Kunst, des Bauherren, und zwar sowohl der zentralen (Arbeitersiedlungskombinat) als auch der lokalen Ebene (Danziger Baudirektion Arbeitersiedlungen), des Denkmalpflegers der Wojewodschaft, der Werkstatt für Denkmalpflege und vor allem der Technischen Hochschule und des »Miastoprojekt«.72 Grundlage der Diskussion war ein Referat von Kazimierz Biszewski, dem Leiter des für die ul. Szeroka verantwortlichen Architektenteams des »Miastoprojekt«, dem außer ihm selbst die Ingenieure Zbigniew Żuławski und Andrzej Kulesza sowie die Studierenden Wojciech Zaleski und Jan Kroman angehörten.73 Biszewski stellte den Entwurf in Umrissen vor und informierte über die Nutzung der bei der historischen Analyse im Institut für Architekturgeschichte der Technischen Hochschule angefertigten Zeichnungen. Er bezog sich auch auf die dem »Miastoprojekt« gegenüber ablehnende Atmosphäre, deren extremstes Anzeichen er in einem Artikel des Dziennik Bałtycki vom 6. Februar sah74, dessen grundlegende Behauptungen er hinterfragte. Gleichzeitig aber stellte er die entscheidende Differenz der Standpunkte der beiden Parteien fest und schrieb: »[…] zum ersten Mal in Danzig […] haben sich gerade im Zusammenhang mit der ulica Szeroka die unterschiedlichen Ansichten zur Frage [des Wiederaufbaus] ziemlich eindeutig überkreuzt. Auf der einen Seite gibt es die Ansicht jener, die berufen sind ›über Architektur zu spre71 APG 1153/4481 – »Protokoll aus der Architektonisch-Technischen Kommission betreffs einer vorläufigen Dokumentation der Bebauung der Arbeitersiedlung an der ul. Szeroka in Danzig – stattgefunden in der Abteilung Danzig des Miastoprojekt-Nord am 21. Februar 1952«. Das Protokoll umfasst 24 nummerierte Seiten. 72 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 1. Die vollständige Zusammensetzung der Teilnehmer des Treffens präsentiert sich wie folgt: Als Repräsentanten des Volksrates der Stadt – P. Stolarek, Z. Kupian; des Volksrates der Wojewodschaft – W. Kozikowski, M. Truszkowski, L. Siemiński; des Arbeitersiedlungskombinates –Fiebiger, A. Ciborowski, Z. Dembowska; der Danziger Baudirektion Arbeitersiedlungen – Buliński, W. Połujan, A. Sokół, F. Pacławski, F. Sachse; des Ministeriums für Kultur und Kunst – [G.] Ciołek, [B.] Zborowski, P. Biegański; des Wojewodschaftsdenkmalpflegers – B. Mieszkowski, Z. Kwaśny; der Werkstatt für Denkmalpflege – W. Majewski, J. Chrzanowicz; der Danziger Technischen Hochschule – St. [laut Protokoll, wahrscheinlich handelt es sich um Marian] Osiński, W. Minkiewicz, J. Ciemnołoński, J. Stankiewicz, J. Borowski; des Miastoprojekt – W. Naumienko, St. Różański, St. Malessa, Zb. Żuławski, K. Biszewski, A. Kulesza, W. Zaleski, J. Kroman, A. Haupt, A. Kühnel, St. Bobiński, L. Dąbrowski, W. Gruszkowski, W. Rakowski, [K.] Krzyżanowski, [W.] Rembiszewski. 73 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 2. 74 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 3: »Die Angelegenheit der ul. Szeroka ist etwas verfrüht und mit einem gewissen, unangemessen polemischen Beigeschmack zu einer öffentlichen Angelegenheit geworden.«



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chen‹, d. h. der Kunsthistoriker, auf der anderen Seite derjenigen, die berufen sind ›durch Architektur zu sprechen‹, d.  h. der entwerfenden Architekten. Der Standpunkt der Ersteren ist bisher allzu extrem konservativ – die Architekten dagegen bemühen sich, fortschrittlicher zu sein, wenn auch voller Verständnis für die essentiellen [Hervorhebung im Original] Traditionen der Danziger Architektur.«75 Diesen Standpunkt entfaltete Biszewski in »allgemeinen Thesen«, die man praktisch als Manifest der »kreativen« Haltung betrachten kann.76 Darin stellt er fest, dass erstens historisches Wissen »kreative Dynamik und Entwicklung eines Realismus des Lebens« nicht übermäßig einschränken dürfe; zweitens, dass jener »Realismus des Lebens« einzig die positiven Erfahrungen der Vergangenheit übernehmen dürfe und sich dabei das Recht bewahren müsse, sie im Sinne der neuen Erfordernisse der Gegenwart zu reorganisieren […] und zu adaptieren«; drittens, dass »die Architektur Danzigs kein ›totes Latein‹ ist und sein darf […] dass ein für alle Mal nicht nur die positiven Merkmale und traditionellen Formen, sondern auch die im Laufe der Zeit entstandenen Deformationen und fremdnationalen schädlichen Einflüsse mumifiziert« – im Zusammenhang mit dieser These lenkt Biszewski die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit, einen »eigenen, realistischen [architektonischen] Ausdruck« zu finden; viertens – was sich mit dem vorherigen Thema verbindet – dass die Architektur Danzigs »eine vitale Stilrichtung [Hervorhebung im Original] sein kann und muss, die ausschließlich den wichtigsten und essentiellen traditionellen Merkmalen treu bleiben muss, sich aber ständig im Geiste eines nationalen und gesellschaftlichen Realismus und des technischen Fortschritts weiterentwickelt«. Die fünfte These offenbart in überaus charakteristischer Weise, wie man unter den »kreativen« Architekten den Begriff »Kulturdenkmal« verstand: »Nicht die Zeit, sondern vor allem das Niveau und der künstlerische Wert eines Werks, d.  h. der kompositorische Gestus des einstigen Künstlers schaffen ein Kulturdenkmal und machen ein Kulturdenkmal aus.« Sehen wir uns an, wie sich die genannten Prinzipien in den vom Team des »Mias- toprojekt« vorgelegten Vorschlägen manifestierten. Sie wurden in drei grundlegenden Varianten präsentiert: einer historischen; einer im damaligen Verständnis dieses Wortes modernen77, also de facto einer sozrealistischen; und einer mittleren (diese Bezeichnung verwendet Biszewski selbst), wobei die gegensätzlichen Varianten in alternativen Versionen vorgestellt wurden. Die Entwürfe sind bis heute erhalten, deshalb lassen sich ungewöhnlicherweise die Aufzeichnungen der Diskussion mit der Entwurfsrealität vergleichen, auf die sich der Diput bezog. 75 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 3. 76 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 7 f. 77 [Szremowicz, W.?]: Budujemy Gdańsk piękniejszy, niż był kiedykolwiek. Przykład typowy – ulica Szeroka, osiedlem pracowniczym śródmieścia [Wir bauen Danzig schöner, als es jemals war. Ein typisches Beispiel – die ul. Szeroka, eine Arbeitersiedlung der Innenstadt]. In: Dziennik Bałtycki, 14. März 1952, 3.

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Die strikt historische Variante »I A«78 (Abb. 62) führt, nach den Worten Biszewskis, »keinerlei Änderungen an den vom Institut [für Architekturgeschichte] rekonstruierten Formen [durch] und entwirft einzig an den Leerstellen entsprechend der angenommenen Umrisslinie der Baumaße Objekte hinzu.«79 Es lohnt sich dennoch anzusehen, wie diese Leerstellen ausgefüllt wurden. Bei den fast 130 Parzellen der ul. Szeroka gelang es einzig für 19 nicht, entsprechendes ikonografisches Dokumentationsmaterial zu finden80, und genau diese wurden »hinzuentworfen«, wobei man im Prinzip einfachste architektonische Lösungen anwendete81, von denen ein Teil charakteristische und nicht mit der Tradition vereinbare Merkmale aufwies: fehlende separate Eingänge in der Fassade (Nr. 49, 91, 93, 116), eine traufständige Anordnung (Nr. 56, wobei das Vorkommen ähnlicher, aus dem 19. Jahrhundert stammender Lösungen in der Rekonstruktionszeichnung eine gewisse Begründung für die Wahl einer solchen Lösung sein könnte) oder auch, vielleicht am überraschendsten, der Entwurf einer Fassade für ursprünglich zwei schmale Parzellen (Nr. 12 und 13), wobei man der Front überdies dieselbe Form wie der benachbarten (Nr. 11) gab und so einen ahistorischen »Gebäudezwilling« schuf. Die hier aufgezählten Merkmale zeugen entgegen den Deklarationen von einem großen Unverständnis für die lokalen Traditionen. Die, zumindest nach den Grundsätzen der Entwurfsplaner ebenfalls historische, Variante »I  B«82 (Abb. 63, 64) versucht, so Biszewski, »Gebäude mit dezidiert schwachen oder mangelhaften Formen durch Ensembles neuer [Gebäude] im ›Danziger Geist‹ zu ersetzen und lediglich einige alte Fassaden zu erhalten«, gleichwohl stellt der Architekt fest, dass dieses Konzept nicht zufriedenstellend sei, da es »noch keine einheitliche Komposition mit einem moderneren und rationaleren künstlerischen Ausdruck und Nutzungskonzept ergibt«83. Tatsächlich sieht dieser Entwurf nur wenige Rekonstruktionen vor, und auch die werden ziemlich willkürlich behandelt. Wir wollen aus diesem Blickwinkel die nördliche Straßenfront analysieren, die man in für die »soziale« Orientierung charakteristischer Weise als »Sonnenseite« bezeichnete. Die unmittelbar dem Krantor benachbarten Fassaden Nr. 69 und 70 bewahren ihre historische Gestalt, aber schon auf der Parzelle Nr. 71 tauchen zwei pseudohistorische Fassaden auf. Auf den Nummern 72–74 finden wir zwar historische Giebelformen, aber die Häuser selbst, die ursprünglich in Hinblick auf ihre Höhe sehr unterschiedlich gewesen waren, sind angeglichen worden. Den Fassaden Nr. 77 und 79 gab man eine rekonstruierte Form, wobei erstere, sicher der 78 APG 1153/4484. 79 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 5. 80 Es handelt sich um die Nummern 12–13, 19–20, 47–50, 56, 59–62, 64, 91, 93, 116, 123–124, siehe APG 1153/4478. 81 Soweit sich dies aus den Zeichnungen im Maßstab 1:500 schließen lässt. 82 APG 1153/4486. 83 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 6.



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Ordnung wegen, bei den Nummern 78 und 80 wiederholt wurde. Die Fassaden Nr. 84 und 85, die ursprünglich ähnlich, aber nicht identisch gewesen waren, wurden gleich entworfen, so dass erneut ahistorische »Zwillinge« entstanden. Diese Situation wiederholte sich bei den Nummern 89 und 90, deren Form noch dazu bei den Nummern 97 und 98 (die selbstverständlich ursprünglich völlig unterschiedlich gewesen waren) wiederkam, um einen symmetrischen Abschluss des Bebauungsblocks zwischen der ul. Tandeta / Tagnetergasse und der ul. Grobla II / 2. Damm zu erreichen. Eine andere Prozedur wendete man bei den Nummern 92 und 93 an, für die man eine Fassade entwarf, die eine vergößerte Version der originalen Fassade des Hauses Nr. 92 darstellte. Im folgenden Bebauungsblock zwischen der ul. Grobla II und der ul. Szklary / Scheibenrittergasse war keine einzige historische Rekonstruktion vorgesehen, stattdessen taucht dort ein pseudohistorischer Entwurf einer Fassade mit Arkaden an der Stelle der ursprünglichen Einmündung der ul. Księżej / Erste Priestergasse bzw. Kleine Pfaffengasse auf! Zur Komplettierung des Ganzen sei hinzugefügt, dass noch zwei weitere Fassaden – die Nummern 108 und 109 – in Übereinstimmung mit dem historischen Vorbild entworfen wurden. Die übrigen Parzellen erhielten neue, rhythmisierte Fassaden mit – so Biszewski selbst – »pseudohistorischen«84, im »Danziger Geist« gehaltenen Formen. Sie bewahren nur scheinbar in Übereinstimmung mit der Tradition die Unterschiede zwischen den einzelnen Parzellen, tatsächlich aber erwecken sie durch ihre Austauschbarkeit und dadurch, dass sie manchmal sogar ein gemeinsames, traufständiges Dach parallel zum Straßenverlauf besitzen (Nr. 111–114 und 119–120), den Eindruck einheitlicher Blocks. Nicht viel besser sieht es in Bezug auf die historische Authentizität der südlichen Straßenfront aus, wo mehr rekonstruierte Fassaden auftreten, aber wo im östlichen Straßenabschnitt drei identische, blockartige sozrealistische Bauensembles stehen, deren Form wohl aus der Ostfassade des Danziger Zeughauses abgeleitet ist. Sie sind noch größer als die »Blocks« auf der gegenüberliegenden Seite, denn sie umfassen jeweils fünf als Danziger Häuser stilisierte Bausegmente. Dies vermittelt einen noch erdrückenderen Eindruck. Bemerkenswert ist auch, wie die Entwurfsplaner für die drei, jeweils aus fünf Segmenten bestehenden und schließlich auf verschieden großen Parzellen geplanten »Blocks« einen einheitlichen Rhythmus herstellen. Während die Nummern 38–42 die ursprünglichen Parzellen einnehmen, vereinnahmte man für das fünfte Segment des vier Parzellen einnehmenden »Blocks« Nr. 47–50 die Hälfte der ursprünglichen Parzelle Nr. 51, und der letzte, ebenfalls fünf Segmente umfassende »Block« Nr. 59–64 nahm wiederum sechs historische Parzellen ein. Ein Mangel dieses und der Mehrheit der ande-

84 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 6.

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ren Entwürfe sind außerdem die mit großen Schaufenstern85 oder Arkadengängen ausgeführten Erdgeschosse, was schon während der Diskussion zum Referat von Biszewski zur Sprache kam. Letztere wurden sogar für die ansonsten in gotischer Form rekonstruierte Fassade Nr. 75/76 entworfen. Dies sind natürlich Schlüsse, die man aus der Betrachtung von Zeichnungen im Maßstab 1:500 ziehen kann, die aber eher Entwurfscharakter haben und wo bestimmte Ausführungen im Verlauf der weiteren Entwurfsarbeiten Veränderungen unterliegen konnten.86 Die Variante »II A«87 (Abb. 65, 66) ist die erste der »modernen« Versionen, die der entwerfende Architekt selbst als »Versuch und Prüfung zur Verwendung von Plänen von Musterwohnungen (für gewöhnlich ›Warschauer Wohnungen‹ genannt)« bezeichnet. Tatsächlich verwendet dieser Entwurf einheitliche Blocks, die mit einem langen, traufständigen Dach parallel zum Straßenverlauf gedeckt sind. Das »Danzig-Typische« wird erreicht, indem man die Fassade in gleiche Segmente unterteilt, die natürlich nicht der historischen Parzellierung entsprechen. Zusätzlich ist jedes dieser Segmente mit pseudohistorischen Giebeln in verschiedenen Typen bekrönt, was der Entwurfsplaner selbst »künstliches ›Make-up‹ der Fassaden im Danziger Geist«88 nannte. Die Standardisierung des Entwurfs offenbart sich am deutlichsten an den Hoffassaden, die sich ohne jenes »Make-up« nicht im Geringsten von typischen Wohnblocks unterscheiden.89 Diese Variante wurde wahrscheinlich nur präsentiert, um zu zeigen, dass eine so weitgehende Standardisierung in der Rechtstadt nicht möglich wäre, da der Planer selbst das Resultat des Versuchs als »eher negativ«90 bezeichnete. Die als »Versuch zu kühneren und monumentaleren bauplastischen Ausdrucksformen«91 bezeichnete Variante »II B« (Abb. 67 – 69) strebt tatsächlich kühn in Richtung einer Umgestaltung historischer Vorbilder, indem sie eine Änderung der Straßenbebauung auch in Bezug auf die Grundrisse, und nicht bloß in Bezug auf die Fassaden vorsieht, wie dies die bis dahin präsentierten Varianten taten. Selbstverständlich sah jeder von ihnen eine Modifikation des Grundrisses einzelner Blocks vor, indem eine Reduzierung der Bebauungstiefe und eine Angleichung der Fluchtlinie auf der Hofseite angestrebt wurden92, gleichwohl taucht erst in der Variante »II B« der Vorschlag auf, die Fluchtlinie der Straße selbst zu verändern, 85 Jan Borowski, einer der Repräsentanten der Technischen Hochschule, nannte sie in unmittelbarem Bezug auf die Variante »II B« amerikanisch. – APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 22. 86 Dass diese Möglichkeit bestand, bezeugt eine in derselben Mappe aufbewahrte Studie »Blockfassaden« zum Abschnitt zwischen ul. Złotników und ul. Kozia. – APG 1153/4484. 87 APG 1153/4486. 88 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 6. 89 APG 1153/4486. 90 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 6. 91 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 6. 92 Bezeichnenderweise bewahrt die Variante »I A« trotz einer Verringerung der Gebäudetiefe die stärkste Differenzierung der Fluchtlinie an der Hofseite, was eine Konsequenz der beibehaltenen,



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indem man diese zwischen ul. Złotników / Goldschmiedegasse und ul. Szklary / Scheibenrittergasse auf der einen, und der ul. Przędzalnicza / Zwirngasse auf der anderen Seite verbreiterte. Die so geweitete Straße imitiert quasi den Charakter des Długi Targ als einer städtebaulichen Zwischenform von Platz und Straße. Diese Imitation offenbart sich auch darin, dass die Entwurfsplaner für diesen Teil der Straße den Bau von Beischlägen vorsahen. Die vorgeschlagene architektonische Ausstattung trägt bereits eindeutig Züge des sozialistischen Realismus. Vor allem im verbreiterten Teil der Straße verwendete man vier Bebauungsblöcke, von denen zumindest zwei an der nördlichen Straßenseite identische Fassaden haben93, die aus zwei Arten von Segmenten komponiert sind. Die mittleren und die Randsegmente, breiter und höher als die übrigen, sind durch Lisenen in drei zweiachsige Teile untergliedert und von Giebeln mit deutlichen senkrechten (Lisenen und vielleicht – in der Giebelkrone – Pilastern94) und waagerechten (Gesimse) Unterteilungen bekrönt. Diese mit Kugeln und Obelisken verzierten Giebel haben, ähnlich wie das gesamte Segment, einen für den Sozrealismus typischen pseudoklassizistischen Charakter, der in sehr entfernter Weise an die lokale Architekturtradition anknüpft. Ihre Wirkung wird deutlicher sichtbar in den schmaleren, verbindenen Segmenten. Hier werden nämlich als Zitat – noch ein in der Architektur des Sozrealismus angewendetes Verfahren95 – von der Ostfassade des Zeughauses übernommene Formen verwendet. Das Ganze vermittelt den Eindruck eines pompösen Monumentalismus, der durch die Vereinheitlichung und teilweise Rustizierung des Erdgeschosses noch verstärkt wird. Beachtung verdient auch das zunächst als Ausnahme verwendete Motiv eines Tores mit drei Durchgängen an der Einmündung der ul. Tandeta. Zu interessanten Resultaten führt eine Analyse des Grundrisses der am verbreiterten Abschnitt der Straße gelegenen Blocks. Um den Monumentalismus der Fassaden auch auf der Ebene des Grundrisses zu bewahren, verwenden die Entwurfsplaner eine nicht ganz mit dem damals deklarierten Streben nach einer gesunden unregelmäßigen historischen Parzellierung ist. Eine völlig einheitliche Fluchtlinie an der Hofseite führt dagegen die Variante »II A« ein. 93 Auf der Grundlage der erhaltenen Zeichnungen ist es schwierig, das Aussehen der Fassaden an der Südseite eindeutig zu bestimmen, doch aus einem Grundriss der gesamten Anlage im Maßstab 1:500 geht hervor, dass an dieser Seite eine etwas andere Blockaufteilung vorgesehen war. Wieder andere Schlüsse lassen sich aus einer Analyse einer im selben Maßstab gehaltenen Axonometrie des verbreiterten Teils der Straße ziehen. Aus dieser kann man ablesen, dass zumindest für den südwestlichen Abschnitt jenes »Platzes« genau dieselbe Front vorgesehen war wie die besprochenen Fassaden an der nördlichen Straßenfront (beide Zeichnungen unter der Signatur APG 1153/4487). 94 Die Zeichnung ist nicht ausreichend präzise, um in diesen Elementen ein Kapitell feststellen zu können, deutlich ist dagegen eine Kannelierung zu erkennen. Siehe APG 1153/4487, Zeichnung im Maßstab 1:200, »Studie Blockfassaden«. 95 Das offensichtlichste Beispiel sind die Attiken am Warschauer Kulturpalast.

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Einrichtung von Wohnsiedlungen übereinstimmende Lösung.96 Hier tauchen nämlich dicht geschlossene, nicht durchlüftete Blockinnenräume auf, dazu auch Gebäudeflügel von erheblicher Tiefe, wie im Block am südöstlichen Teil des »Platzes«, die im rechten Winkel zum Korpus des Blocks stehen, was sich auf dem Papier monumental ausmacht, aber die Beleuchtung des Hofes und eines bedeutenden Teils der Wohnungen stark einschränkt. Dafür wird in Übereinstimmung mit den allgemeingültigen Grundsätzen der Blockinnenraum mit Grünflächen ausgefüllt. Auch dieses Konzept, wenngleich von Biszewski als »kühn und interessant« bezeichnet, wurde von seinen Autoren nicht forciert. Sie äußerten die Vermutung, dass es »›zu stark‹ und ›zu neu‹ für ein historisches städtebauliches Ensemble ist«97. In der Variante »II C« schließlich (Abb. 70, 71), der letzten Version der zweiten Variante, verwenden die Entwurfsplaner – unter Beibehaltung der aus der Variante »II B« bekannten Verbreiterung eines Teils der Straße98 – weitere Lösungen, die entscheidend vom historischen Original abweichen und, in den Worten Biszewskis, den Raum »bauplastisch vollständig neu organisieren«: Erstens niedrige Durchgänge, die zwischen den Blocks auf den Hof führen und quasi eine Weiterentwicklung der Idee des die Einmündung der ul. Tandeta abschließenden Tors aus der Variante »II B« darstellen – die ul. Tandeta selbst wird hier mit einem hohen Gebäude mit Arkaden im Erdgeschoss bebaut; zweitens Arkaden; und schließlich eine Auflockerung der Straßenfront durch die Verwendung zahlreicher Risalite an den einzelnen Blocks. Die architektonische Ausstattung der Mehrzahl der Häuser trägt hier offensichtliche Kennzeichen des Sozrealismus, und zwar bereits ohne Rekurs auf die Danziger Tradition, wenn man die erneute Verwendung wiederholbarer Segmente zur Markierung der historischen Parzellenunterteilung nicht einrechnet. Trotz des Vorherrschens dieses Bebauungstyps sah man auch eine gewisse Anzahl von Pseudorekonstruktionen vor. In historischer Gestalt wurde wohl nur die gotische Fassade Nr. 75/76 wiederhergestellt. Darüber hinaus führte man an der südlichen Straßenseite eine deutliche Dominante in Form eines Gebäudes von über 30 Metern Höhe ein, dessen Gestalt eher grob an das Englische Haus, eines der wertvollsten Danziger Patrizierhäuser, anknüpfte. Eine Verbindung zu lokalen Tradition sollte in der Absicht der Autoren sicher auch die Bekrönung der oben erwähnten Durchgänge mit dem Danziger Wappen samt Haltern darstellen.99 Die Anbringung eines von den Stadttoren entlehnten Motivs an den auf den Hof führenden Toren zeugt, entgegen den Deklarationen, von einem elementaren Unverständnis für die Tradition. 96 Siehe z. B. Szremowicz (wie Anm. 77), 3. 97 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 6. 98 Wenn auch an einer anderen Stelle und etwas weniger deutlich, da nur an einer Seite – durch eine Verschiebung der Fluchtlinie der südlichen Straßenfront zwischen ul. Kozia und ul. Grobla – durchgeführt, siehe APG 1153/4483. 99 Sofern ich die Aufrisszeichnung im Maßstab 1:200 richtig interpretiere, APG 1153/4483.



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Alle hier besprochenen Versionen der zwei grundlegenden Varianten hatten offenbar einzig zum Ziel, den Boden für die dritte Variante zu bereiten, die wohl von den Entwurfsplanern selbst favorisiert wurde und die sie die mittlere nannten. Bevor ich diese bespreche, möchte ich auf die Art und Weise hinweisen, in der alle Varianten präsentiert wurden. Einerseits kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass man sich hier der dialektischen Methode bediente, wobei die »historische« Variante die These, die »moderne«, also sozrealistische, die Antithese und eben jene mittlere Variante die Synthese darstellen würde. Auf der anderen Seite jedoch lässt sich die Form der Präsentation als eine Art Einschreiben des Kompromisses in den Entwurfsprozess selbst sehen. Die Entwurfsplaner, in dem Bewusstsein, dass verschiedene Optionen existieren, versuchten gleichsam, sich erst in ihre ideellen Gegner hineinzuversetzen, um nachfolgend ihre »ideale« Version zu präsentieren und schließlich, indem sie etwas vom eigenen Standpunkt abweichen, eine Version zu erarbeiten, die Elemente beider Optionen enthält. Dass es eben die Variante III100 (Abb. 72, 73) war, deren Verwirklichung die Architekten anstrebten, bezeugt deutlich die Art ihrer Präsentation – die vorhergehenden Versionen waren in der Regel mit Zweifeln und Einwänden bedacht worden, diesmal hob man ausschließlich die Vorzüge hervor, sowohl vom »sozialen«101 als auch vom »historischen«102 Gesichtspunkt, und unterstrich »die innere Kühnheit und Subtilität in der Verwendung und Entwicklung äußerer Formen im Danziger Geist«103. In der Realität kann man die Tendenz, den Fassaden zumindest eine oberflächliche Verbindung mit der historischen Tradition zu verleihen, nur an zwei Elementen erkennen: separaten Fassaden mit Giebeln sowie giebelständige Dächer quer zum Straßenverlauf. Die übrigen Elemente des Entwurfs gingen nicht mehr auf das historische Vorbild ein – wobei auch jene separaten Fassaden es nur scheinbar respektieren, tatsächlich nämlich verwirft man hier ein grundlegendes Merkmal der einstigen Wohnbebauung Danzigs, die Vielgestaltigkeit, und ersetzt diese durch Standardisierungen. Genormt sind hier im Prinzip sowohl die Höhe, als auch die Breite der Fassaden, was ein Ignorieren der historischen Parzellierung erforderte. An allen Fassaden sind die Fenster identisch verteilt104, sogar die Giebel sind nur

100 APG 1153/4490. 101 »Ein neuer, gesunder und angemessen funktionaler Grundriss der Wohnungen«. – APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 6. 102 »Eine sorgfältige Rekonstruktion quasi höheren Ranges, das ist eine Rekonstruktion künstlerisch und funktional nicht minderwertiger einzelner ehemaliger Bürgerhäuser«. – APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 6. 103 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 7. 104 Angesichts einer fehlenden eindeutigen Lösung dieses Problems in den unter der Signatur APG 1153/4490 aufbewahrten Zeichnungen habe ich mich einer als Illustration eines Artikels veröffentlichten Zeichnung bedient: Szremowicz (wie Anm. 77), 3.

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in begrenztem Maße individualisiert, da man das Prinzip befolgte, drei bis fünf benachbarte Fassaden identisch zu bekrönen. Mit der Tradition völlig unvereinbar ist die Akzentuierung der Seiten jedes Blocks mit jeweils zwei oder drei Fassaden umfassenden Einheiten, die wie eine Art von Seitenrisaliten in der Tiefe von Arkaden – mit denen man, wiederum nicht der Tradition entsprechend, die Erdgeschosse versehen hatte – vor die Fluchtlinie vorspringen. Eine Rekonstruktion der alten Baugestalt war im Prinzip ausschließlich im Fall der gotischen Fassade des Hauses Nr. 75/76 vorgesehen. Wie man sieht, war diese Variante entgegen den Deklarationen und entgegen dem oberflächlichen Eindruck der architektonischen Tradition und auch dem städtebaulichen Erbe Danzigs in vergleichbarem Maße fremd, ebenso wie die »moderne« Variante. Dabei besteht kein Zweifel, dass die Entwurfsplaner nach Stankiewiczs Aussage tatsächlich versuchten, in der ul. Szeroka der historischen Rekonstruktion eine Grenze zu setzen, jenseits derer eine Zone mit neu entworfener Architektur beginnen sollte. Dies bezeugt deutlich eine Äußerung von Zbigniew Żuławski, eines der Entwurfsplaner, der feststellte: »In den weniger historischen Teilen [der Rechtstadt] sollen neue Motive einer Danziger Architektur eingeführt werden, die uns den Fortschritt garantiert. In der ul. Szeroka muss ein neuer Stil in der Architektur beginnen und die strikt rekonstruierte durchdringen.«105 Er wandte dabei jedoch ein, dass ein allzu abrupter Übergang von der einen in die andere Zone vermieden werden sollte. Die oben vorgestellten Entwürfe wie auch die Argumente ihrer Autoren wurden von vielen Seiten der Kritik unterworfen. Die außergewöhnlichen Aufzeichnungen erlauben zumindest in gewissem Maße, den Verlauf der Entscheidungsprozesse nachzuvollziehen, die sonst für gewöhnlich im Dunkeln bleiben. Es wurden auch funktionale, ökonomische, historische und ästhetische Fragen aufgeworfen, wobei sich, manchmal ganz offen, die unterschiedlichen Präferenzen offenbarten. Die wichtigste unter den funktionalen Fragen war, ob man einer Verwendung moderner architektonischer Lösungen im Innern der Häuser zustimmte, unabhängig von der angenommenen Variante der Fassadengestaltung.106 Außerdem ging es darum, nicht nur die ul. Szeroka, sondern die gesamte Rechtstadt nicht zu eng zu besiedeln.107 Berührt wurde auch das Problem der Beleuchtung108, das zufriedenstellend gelöst werden sollte, indem man bei der vorgesehenen drei-traktigen Bebauung über den jeweils zwei oder drei Häuser bedienenden Treppenhäusern quadratische Oberlichter anbringen wollte. Einen wichtigen Platz nahmen auch Verkehrsfragen ein, wie etwa die Breite von Fahrbahnen und Fußwegen. Man vertrat die Ansicht, dass man 105 106 107 108

APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 14. APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 21 (Biegański), 20 (Ciborowski). APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 20 (Dąbrowski). Zum Beispiel das Koreferat von Wiesław Gruszkowski zum Beitrag von Biszewski, APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 15.



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die Gehsteige sogar auf Kosten der Fahrbahnen verbreitern müsse.109 Oder man wollte die Breite sowohl der Seitenstraßen110, wie auch der ul. Szeroka selbst ändern – hier neigte man dazu, ihre historischen Maße zu belassen. Am interessantesten war in dieser Hinsicht eine Äußerung von Piotr Biegański, der feststellte: »Eine Verbreiterung der ul. Szeroka wäre ein Nachäffen des Długi Targ. Es scheint, dass [zwei] solcher Motive in Danzig zu viel sind.«111 An dieser Stelle werden bereits Fragen ästhetischer Natur berührt. Auch war das Problem der Arkaden an die Verkehrsführung gekoppelt, gleichzeitig stellte es einen Teil der historischen und ästhetischen Fragestellung dar. Trotzdem die Entwurfsplaner dieses architektonische Motiv lancierten, sprachen sich die Diskutanten gegen dessen Verwendung in der ul. Szeroka aus.112 Auch eine Dienstleistungsinfrastruktur für die Bewohner wurde debattiert, wie zum Beispiel die Einrichtung von Wirtschaftsräumen im Parterre der Häuser113, die Freigabe von Ladenflächen in den erweiterten Erdgeschossen114 und nachbarschaftlich nah, also vor allem in den Seitenstraßen, die Ansiedlung von Kindergärten, Krippen, Kulturhäusern oder Bibliotheken115, wie es den allgemein verpflichtenden Grundsätzen für vom ZOR erbaute Siedlungen entsprach.116 Unter den ökonomischen Fragen verdient das Problem der Verwendung erhaltener Fundamente Aufmerksamkeit, dessen Lösung eng mit der Annahme der einen oder anderen Bebauungsvariante zusammenhing. Bei der historischen Variante konnte man sich in umfassender Weise auf die existierenden Fundamente stützen, während die Annahme einer der übrigen Alternativen, die eine Vereinheitlichung der Bebauung vorsahen, eine solche Möglichkeit nahezu ausschloss.117 Die hier erwähnten Punkte waren in erster Linie für die Architekten wichtig, die gleichwohl verschiedene Institutionen repräsentierten.118 Es ist jedoch interessant, dass auch sie historische Fragen berührten. Der die »historische« Seite repräsentierende Jan Borowski beschränkte sich, wenn man dem Protokoll glauben darf, im Prinzip darauf, seine Unterstützung für die vollständig historische Variante I A zu formulieren. Darüber hinaus machte er einzig eine Anmerkung zur Variante I B, in 109 110 111 112 113 114 115 116 117

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APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 16 (Różański). Gruszkowski behauptete, dass sie zu eng seien: APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 15. APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 15 (Biegański). APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 16 (Gruszkowski), 20 (Dąbrowski, Ciborowski; letzterer ließ die Möglichkeit zu, in den Querstraßen Arkaden zu verwenden). APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 19 (Ciborowski). APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 16 (Różański). APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 19 (Ciborowski), 22 (Biegański). Pióro/Hryniewicz (wie Kapitel 3, Anm. 23), 15–18. Obgleich Ciborowski annahm, dass eine konsequente Beibehaltung einfacher Wände immer noch eine Nutzung von etwa 25 % der bestehenden Fundamente ermöglichen würde. – APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 19. Wahrscheinlich berücksichtigte diese Zahl die Nutzung der Fundamente unter den Frontwänden. – APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 23. Siehe Anm. 72.

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der er sogenannte »amerikanische« Fenster ausmachte, wahrscheinlich meinte er damit allzu große Fenster.119 Die Denkmalpfleger ergriffen in der Diskussion überhaupt nicht das Wort. Umso interessanter ist es zu sehen, welche historischen Fragen damals zur Sprache gebracht wurden. Man merkte an, dass sich wiederholende und schematische Formen der Danziger Architekturtradition fremd seien120 und dass man realistisch über einen Wiederaufbau »gestützt auf denkmalpflegerisches Material«121 nachdenken könne. Doch gleichzeitig wurde der Vorschlag vorgebracht, den Charakter der Straße zu vereinheitlichen, so dass es kein »Sammelsurium aller bisherigen Epochen gäbe«122. Bezüglich der räumlichen Disposition der rekonstruierten Häuser wies man auf die historische Begründbarkeit einer dreitraktigen Bauweise hin und forderte die Einführung einer differenzierten Fluchtlinie an der Hofseite.123 Auch wurden Zweifel geäußert, ob die Anlage von Grünflächen an der ul. Szeroka historisch begründbar sei.124 Am interessantesten waren jedoch solche Anmerkungen, die Fragen allgemeinerer Natur berührten und das damalige Verhältnis zur Geschichte offenbarten. Eine von ihnen, die des Ingenieurs Ciołek, der das Ministerium für Kultur und Kunst vertrat, spiegelt ein Herangehen wider, welches wohl überhaupt erst eine Diskussion über den Wiederaufbau ermöglichte. Etwas enigmatisch meint er, dass »im zeitgenössischen Verständnis ein Baudenkmal kein einzelnes Objekt ist, sondern eine Ausweitung jenes Begriffes«125, worunter wohl Denkmalsensembles zu verstehen sind. Ähnlich lässt sich wohl auch eine Feststellung von Piotr Biegański lesen: »Es werden strenge Auflagen erlassen und Hürden errichtet, um die Kultur zu erhalten und sie den Nachkommen zu überliefern. Dieser Standpunkt […] ist nicht nur ungewöhnlich, sondern auch fortschrittlich: das Bild der Stadt zu erhalten.«126 Wenn man letztere Formulierung richtig versteht, dann stimmt sie mit

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APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 22 (Borowski). APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 16 f. (Minkiewicz). APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 21 (Biegański), siehe auch 17. APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 21. So sind wohl die folgenden Worte von Biegański zu verstehen: »Die hintere Fluchtlinie [so] führen, dass in der Ausführung eine plastische Gestaltung herauskommt« – APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 22. Es ist zwar schwer festzustellen, ob diese Forderung historisch oder ästhetisch motiviert war, gleichwohl ist sie aus der räumlichen Gestalt des alten Danzig begründbar. 124 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 20 (Ciborowski). 125 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 18 (Ciołek). 126 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 17 (Biegański). Biegańskis Äußerung ist gleichlautend mit den Hauptthesen seines Artikels: O problemach odbudowy staromiejskich zespołów [Über die Probleme des Wiederaufbaus altstädtischer Bauensembles]. In: Architektura 3/4 (1951), 110–119. Am Schluss dieses Textes nennt Biegański eine Bewahrung der ursprünglichen städtebaulichen Struktur »realistisch«, darüber hinaus aber postuliert er eine Unterordnung »utilitärer und funktionaler Qualitäten [unter] den fortschrittlichen ideologischen Inhalt« (119). Biegańskis Haltung während der im vorliegenden Kapitel besprochenen Diskussion berechtigt dazu, die ideologisierte Rheto-



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der von Stankiewicz zur Sprache gebrachten Suprematie der historischen Form (»Bild«) über die historische Substanz überein.127 Noch bezeichnender für die damalige Bewusstseinslage waren die Anmerkungen von Adolf Ciborowski, der feststellte, dass die strikt historische Variante I A »ein Beispiel für ein undialektisches Herangehen an die kreative Rekonstruktion«128 darstelle, während die Variante I B, in der originale, aber formal schwache Fassaden durch neue im »Danziger Geist« ersetzt würden, ein angemessenes Beispiel sei.129 Diese Äußerung ist insofern wesentlich, als jene Vorgehensweise – nennen wir sie in Analogie dialektisch – am Ende für die ul. Szeroka und, mit unterschiedlichen Anteilen historischer und innovativer Elemente, für den Wiederaufbau der gesamten Rechtstadt gewählt wurde. An dieser Stelle taucht wieder das Problem eines »kreativen« Herangehens an die Rekonstruktion auf, das auch ästhetische Fragen berührt. Es war schon von der Kritik die Rede, auf die der Vorschlag traf, Arkaden zu verwenden. Ciborowski zum Beispiel hielt die Arkaden für »bauplastisch« sehr interessant, stellte aber gleichzeitig fest, dass eine Verschiebung der Fluchtlinie in die Straße hinein mithilfe dieses architektonischen Motivs falsch sei.130 Wichtiger ist die in einigen Äußerungen aufscheinende Überzeugung, dass man die historische Straße so gestalten müsse, dass sie sich durch eine nicht näher definierte Geschlossenheit und kompositorische Einheit auszeichnen würde.131 Am unmittelbarsten formu-

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rik des Autors einzig als Mittel anzusehen, den Schutz kultureller Werte im traditionellen Sinn zu erleichtern. Ein interessantes Zeugnis damaliger Ansichten jenseits professioneller Kreise zu diesem Thema ist eine Äußerung von Piotr Kraak, Chefredakteur des Dziennik Bałtycki, während einer Diskussion zur Entwicklung Danzigs im Juni 1954: »Volkspolen hat sich auf einen anderen Standpunkt, einen neuen, entschieden fortschrittlichen gestellt: im Vordergrund steht nicht die materielle Authentizität einzelner Baudenkmäler, sondern die Authentizität von Formen, die für das einstige nationale Schaffen spezifisch sind und dessen Entwicklungsrichtung für die Zukunft bestimmen, wobei diese Formen gleichzeitig mit einem neuen sozialistischen Inhalt gekoppelt werden.« – Dawna Droga Królewska … (wie Anm. 138). APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 19 (Ciborowski). APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 6 (Biszewski). APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 20 (Ciborowski). Haupt sprach davon, dass man bei der Erörterung der sozialen Funktionen der Entwürfe »kompositorische Aspekte würdigen« müsse. – APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 21. Dąbrowski formulierte die Ansicht, dass »eine Abstimmung der Korrekturen der Variante I B und des eigentlichen Wohnungsbaus aus der III. Variante die architektonische Komposition nicht zunichte macht«. – APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 20. Minkiewicz wiederum stellt fest: »Man muss einige Baudenkmäler zu einer Gruppe anordnen und daneben eine neutrale Architektur verwenden«, außerdem, dass es an der ul. Szeroka trotz ihrer architektonischen Schlichtheit »interessante Motive [gibt], die man wiederholen könnte«. – APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 17. Siehe auch den Beitrag von Gruszkowski, Haupt, Holc, Kuźmiński und Kühnel im Heft 8 der Zeitschrift Architektura aus dem Jahr 1951 (wie Anm. 8).

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liert diese Tendenz Biegański, der die Diskussion über die vorgeschlagenen Entwurfsvarianten zusammenfasst und feststellt: »Wenn es um die Architektur geht, erfordern die versammelten Materialien eine Korrektur, die der Straße einen einheitlichen Charakter verleiht.«132 In eine etwas andere Richtung geht die Formulierung Ciborowskis, dass »wir aus den schönsten Elementen bauen«133, gleichwohl nähern sich beide Weisen über die Rekonstruktion zu denken, der Theorie und Praxis des Sozrealismus an. Trotzdem geht aus den Aufzeichnungen der Diskussion eindeutig hervor, dass die sozrealistische Option in ihrer Reinform, also in den Varianten II A, B und C, keine Unterstützung fand, während das für eine Lancierung der »kreativen« Haltung gewissermaßen prädestinierte Lager der Architekten in verschiedener Weise Verständnis für historische Fragen zeigte und damit die Möglichkeit eröffnete, zu Kompromisslösungen zu kommen. Nicht zu unterschätzen ist auch, dass sich Biegański auf die Festlegungen des sogenannten Zachwatowicz-Plans berief, dessen Koautor er war und der seit dem Beginn des Wiederaufbaus als quasi offizieller Entwurf galt. Dies ist ein wichtiges Detail, da man auf der Grundlage des Plans die Entscheidung über den Wiederaufbau Danzigs getroffen hatte. Obgleich nicht direkt, so wies er doch bei der Erörterung einer eventuellen Beendigung der historischen Rekonstruktion in der ul. Szeroka und auch zum Thema ihrer Verbreiterung darauf hin, dass bestimmte Fragen, wie das Ausmaß des Wiederaufbaus und die Bewahrung des historischen Straßenverlaufs, schon eindeutig entschieden worden seien134, wobei er sich gerade hier ausdrücklich auf den Zachwatowicz-Plan stützte.135 Auch der Präsidiumsvorsitzende des Volksrates der Stadt, Piotr Stolarek, stellte fest, dass »schon abgesteckt worden ist, wie wir bauen müssen«136. Im Zusammenhang damit schlug er vor, konkrete Entscheidungen zu treffen. Dazu sollte die Wahl eines speziellen Teams unter den Teilnehmern des Treffens dienen, das die Resultate der Diskussion formulieren und »damit den Entwurfsplanern die konkrete Arbeit erleichtern«137 sollte. In der damals berufenen Kommission befanden sich: Piotr Biegański, Adam Kühnel, Walerian Spisacki, Bronisław Mieszkowski, Adolf Ciborowski, Witold Minkiewicz und Wiesław Gruszkowski.138 Die Kommission 132 133 134 135

APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 21 (Biegański). APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 20 (Ciborowski). APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 17 (Biegański). Eine außergewöhnliche und wichtige Bestätigung für ein unmittelbares Engagement von Zachwatowicz in der Diskussion über die Bebauung der ul. Szeroka ist seine im Zusammenhang mit einem Besuch von Biszewski angefertigte Notiz, siehe Anm. 147. 136 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 18 (Stolarek). Auch Ciborowski erinnerte an die notwendige Eile: »Wir müssen in diesem Jahr bauen«. – APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 20. 137 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 22 (Stolarek). 138 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 22 (Stolarek). Aus dem Protokoll geht nicht hervor, dass Vertreter des Architektenteams (Biszewski, Kulesza, Żuławski) in die Kommission einbezogen wurden, wovon in dem Artikel »Budujemy Gdańsk piękniejszy« (wie Anm. 77) die Rede ist.



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bestimmte die Richtlinien für die Entwurfsplaner bezüglich städtebaulicher, architektonischer und funktionaler Fragen.139 Die wichtigsten städtebaulichen Grundprinzipien waren die Beibehaltung der alten Fluchtlinie nicht nur in der ul. Szeroka, sondern auch in der ul. Świętojańska / Johannisgasse und ul. Św. Ducha / Heilig-Geist-Gasse sowie der Seitenstraßen, und außerdem eine prinzipielle Festlegung der Bebauungshöhe auf vier Geschosse. Die zahlreicheren architektonischen Maßgaben sahen eine »Widerspiegelung« der traditionellen Parzellierung vor; eine Beibehaltung der giebelständigen Situation der Dächer mit der Möglichkeit, »an ausgewählten Stellen« eine traufständige Anordnung zuzulassen; eine Verputzung der Fassaden mit der Möglichkeit, Steinmetzarbeiten und Ziegel zu verwenden; und außerdem ermöglichten sie in den Seitenstraßen eine Verwendung von Arkaden. Den meiner Meinung nach wichtigsten Platz unter den damals festgelegten architektonischen Richtlinien nahm jedoch eine Unterteilung der Fassaden in drei grundsätzliche Gruppen ein: 1. »die genaue Rekonstruktion« – ihr wurden »Gebäude von besonderem Wert« zugeschrieben, über die sich die Entwurfsplaner mit dem Wojewodschaftsdenkmalpfleger verständigen sollten; 2. »die korrigierende Rekonstruktion«, ihr wurden »Gebäude von geringem künstlerischen Wert« zugeschrieben, deren Form freier gestaltet werden konnte; 3. »die kreative Rekonstruktion«, welche »Areale betrifft, in denen neue Gebäude errichtet werden, deren architektonischer Charakter an die historische Umgebung anzupassen ist«. Darüber hinaus wurde eine allgemeine Richtlinie festgelegt, die lautete: »Die Komposition der Straße sollte vielgestaltig sein.« Schließlich legte man in Bezug auf funktionale Fragen fest, dass man, außer in den Fällen einer genauen Rekonstruktion, moderne Standards einführen werde, darüber hinaus wurden die unteren Geschosse der Bebauung der Seitenstraßen für die Unterbringung von grundlegenden sozialen Dienstleistungseinrichtungen bestimmt. Schließlich erklärte die Kommission, dass für die funktionalen Ausführungen die Variante III Grundlage der weiteren Entwürfe sein solle, für die architektonischen jedoch die Variante I B. Diese Bestimmungen sind offenbar Teil jenes fundamentalen Kompromisses, von dem oben die Rede war. Sie stellten auch die im Namen »der öffentlichen Meinung der Küstenregion« auftretenden Journalisten des Dziennik Bałtycki zufrieden, die doch, zumindest in gewissem Maße, die Urheber des so folgenschweren Treffens gewesen waren.140 Einen Monat später, am 20. März, legten die Entwurfsplaner dem Technischen Rat eine die Richtlinien des Treffens vom Februar berücksichtigende Entwurfsva-

139 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 22 ff. 140 Ulica Szeroka odzyska swój zabytkowy charakter [Die ul. Szeroka erhält ihren historischen Charakter zurück]. In: Dziennik Bałtycki, 24./25. Februar 1952, 4.

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riante vor.141 Sie war höchstwahrscheinlich mit einem erhaltenen, nicht datierten Entwurf mit der Beschriftung »Variante IV (gem. der Entscheidung der Kommission vom 21. Februar 52)« identisch142 (Abb. 74). Dieser Entwurf zeigt, wie vielfältig man jene Richtlinien interpretieren konnte. Während der Autor eines Presseberichtes von der Konferenz im Februar sie als Anweisung zum Wiederaufbau der Seitenstraßen aufgrund »ihrer künstlerischen Qualität«143 las, beschränkten sich die Entwurfsplaner darauf, entlang dieser Straßen niedrige Gebäude zu planen, die Krippen, Kindergärten etc. beherbergen sollten. Einzig die ul. Grobla / Damm und die ul. Złotników / Goldschmiedegasse erhielten in dem Entwurf den Charakter einer traditionellen Straße mit einer geschlossenen Bebauung – erstere sicherlich wegen ihrer bedeutenden Breite und ihrem daraus folgenden, den Hauptstraßenzügen angenäherten Charakter, letztere aus Gründen der Aussicht, denn sie eröffnet eine effektvolle, vom Turm der Marienkirche abgeschlossene Straßenperspektive. Die ul. Złotników wurde dabei im Verhältnis zu ihren ursprünglichen Ausmaßen verbreitert, was zweifelsohne ein Resultat der Überzeugung war, dass die Wohnungen in der ehemals engen Gasse nicht ausreichend beleuchtet gewesen waren.144 Als eine Konsequenz der Übernahme der meisten städtebaulichen Lösungen der Variante III hatte man eine gerade vordere Fluchtlinie entworfen, was im Prinzip den Richtlinien widersprach, die verlangten, die ehemals existierende Flucht einschließlich bestimmter Unregelmäßigkeiten beizubehalten. Auch sollte eine einheitliche Linie an der Hofseite entstehen, wobei man lediglich eine Art Seitenrisalite verwendete, um die Ecken der Baublocks zu akzentuieren. Die Höfe bildeten konsequent Grünflächen, mit Ausnahme des Blocks zwischen ul. Szeroka, Grobla, Świętojańska und Tandeta, wo man die erhaltenen Bauten der Grafischen Betriebe einbezog. Eine wichtige Abweichung von den Empfehlungen der Kommission war darüber hinaus die Einführung einer gleichförmigen Grundstücksabfolge an Stelle der ursprünglich unregelmäßigen Parzellierung. In der architektonischen Ausstattung wiederholte man, in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der Kommission, im Prinzip die Lösungen der Variante I

141 Protokoll vom zweiten Tag der Beratungen der vom Ministerium für Kultur und Kunst in Danzig am 9. und 10. Mai in der Angelegenheit der Bebauung der ul. Szeroka in der Altstadt (sic) Danzig einberufenen Versammlung, 1 (APG 1153/4481). – Protokoll der Sitzung des Technischen Rates, abgehalten am 26. April 1952 (APG 1153/4190). 142 APG 1153/4226 und APG 1153/ 4190. Das dieser Entwurf mit dem dem Technischen Rat im März 1952 vorgestellten identisch ist, lässt sich gestützt auf eine im Protokoll des Treffens vom 10. Mai enthaltene Information von Mieszkowski annehmen (siehe Anm. 141). 143 [Szremowicz]: Budujemy Gdańsk … (wie Anm. 77). 144 Ähnlich führte man die ul. Szklary / Scheibenrittergasse aus, die die ul. Szeroka mit der ul. Świętojańska verbindet und die in der Absicht der Entwurfsplaner wohl die attraktive Stadtansicht mit einem Blick bis zu den Mauern der Nikolaikirche verlängern sollte.



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B, wobei man die sozrealistischen Elemente etwas reduzierte145, und vor allem, ebenfalls im Sinne der Richtlinien vom 21. Februar, auf Arkaden verzichtete. Ein grundlegendes Manko des Entwurfes aus Sicht der historischen Option war, wiederum konform mit den Leitsätzen, die Vereinheitlichung der Gebäudehöhe und in Zusammmenhang damit, die Angleichung der Fensterhöhe, die jedoch nicht vorgeschrieben war (Abb. 75). Dies ergab den negativen visuellen Effekt eines einheitlichen Blocks, wie er schon von der Bebauung des ersten in der Rechtstadt rekonstruierten Quartiers zwischen ul. Ogarna, Garbary, Długa und Pocztowa bekannt war. Der so gestaltete Entwurf wurde auf Antrag des Technischen Rates zur Abstimmung an das Institut für Architekturgeschichte der Danziger Technischen Hochschule weitergeleitet146, was eine Stärkung der Verfechter der historischen Option bedeutete. Eine noch wichtigere Unterstützung dieser Variante war mit Sicherheit der Standpunkt des Generaldenkmalpflegers Jan Zachwatowicz. Dieser wird in einer Notiz vom April 1952 im Zusammenhang mit einem Treffen mit Kazimierz Biszewski, dem leitenden Entwurfsplaner der Siedlung an der ul. Szeroka, deutlich, der Zachwatowicz offenbar die Entwurfsvariante IV präsentierte. Zachwatowicz ließ zwar die Angleichung der Deckenhöhe in einander benachbarten Häusern zu, doch mit den allzu sehr vereinheitlichten Erdgeschossen, die in der Entwurfsvariante IV besonders an der nördlichen Straßenfront ausgeprägt sind, war er nicht einverstanden. Vor allem aber verteidigte er definitiv einen Standpunkt, der eine Rekonstruktion in historischer Gestalt auch für den nördlichen Teil der Rechtstadt vorsah.147 145 Man verzichtete zum Beispiel auf einen »zeughausähnlichen« Komplex zwischen ul. Grobla und ul. Przędzalnicza, außerdem auf ein Torhaus an der Einmündung der ul. Kozia. Und doch behält der Entwurf an der Einmündung der ul. Księża/Erste Priestergasse ein ähnliches Haus bei. 146 Brief des »Miastoprojekt« an das Institut für Architekturgeschichte der Danziger Technischen Hochschule vom 26. Februar 1952, APG 1153/4481. Protokoll des Treffens vom 10. Mai 1952, 2 (APG 1153/4481). 147 In ihrer Gesamtheit stellen sich die Anmerkungen von Zachwatowicz wie folgt dar: »1. Die ul. Szeroka stellt einen Teil der Altstadt (sic) und keine begrenzende Straße des Viertels dar, wie man bemüht gewesen ist sie zu interpretieren. 2. In der Konsequenz muss die Bebauung dieser Straße in ihrem Charakter der in ihrem einstigen Charakter wiederaufgebauten Altstadt entsprechen, gestützt auf das zusammengetragene Dokumentationsmaterial. 3. Mit Blick auf den neuen Inhalt und die Erreichung eines rationellen Nutzungsresultates sehe ich keine Notwendigkeit zu einer unbedingten Rekonstruktion aller alten Häuser, sofern dies mit technischen Erfordernissen kollidieren würde. 4. Dies schließt zwei Grundbedingungen nicht aus: 1. die Bewahrung der einstigen Kleinteiligkeit der Häuser als einer Bedingung, um ein entsprechendes architektonisch-städtebauliches Profil der Straße zu erreichen, sowie 2. die Nutzung der zusammengetragenen Materialien für die Architektur dieser Straße in möglichst umfassender Weise. 5. Es erscheint richtig, den Eckhäusern an den Einmündungen der Querstraßen zur ul. Szeroka besondere Aufmerksamkeit zu widmen und sie entsprechend zu akzentuieren.

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Das durch das Arbeiten im Eiltempo Unkorrektheiten bei den Konsultationen der Entwurfsplaner entstanden, wirkte sich ungünstig auf die historische Option aus.148 Der Planungsprozess ging auch tatsächlich voran. Ende April waren bereits detailliertere Ausführungen für die Bauabschnitte zwischen ul. Latarniana / Laternengasse und Węglarska / Kohlengasse, Węglarska und Kozia / Ziegengasse sowie Kozia und Złotników / Goldschmiedegasse fertig.149 Das charakteristischste Element dieses Entwurfs war die Einführung eines ahistorischen Ensembles von drei identischen Fassaden zwischen ul. Latarniana und ul. Węglarska (Nr. 8–10), deren Giebel eine Form aus der Zeit um 1700 wiederholten, die von der ursprünglichen Fassade der Hausnummer 8 bekannt war.150 Diese Konzeption war Gegenstand einer vom Ministerium für Kultur und Kunst einberufenen Versammlung, die am 9. und 10. Mai 1952 in Danzig stattfand151 und deren Verlauf eine Stärkung



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6. Ich halte eine gewisse Angleichung der Deckenhöhen in Gruppen einander benachbarter Häuser für möglich, aber ich bin gegen die in den Skizzen festgelegte Einheitlichkeit der Erdgeschosse mit der stereotypen Form der Säulen und den flachen Decken in einer Höhe. Diese Gestaltung kann den Eindruck der Straße zerstören. Die Erdgeschosse müssen differenziert werden, und in dieser Hinsicht können das Dokumentationsmaterial sowie die charakteristische einstige Form der Danziger Erdgeschosse vor den Umbauten des 19. Jahrhunderts hilfreich sein. Für Gebäude, für die es keine historische Dokumentation gibt oder die nicht von besonderem Wert sind, kann man typisierte Lösungen mit vorgefertigten Bauelementen verwenden, doch darf man sich dabei nicht auf einen Typ beschränken. Es müssen mehrere Merkmale der altstädtischen Danziger Architektur vorhanden sein. Die Wahl klassizistischer Formen für einen solchen Haustypus in den Skizzen ist keine glückliche.« – APG 1153/4481. Protokoll der Sitzung des Technischen Rates vom 26. April 1952, 1 (APG 1153/4190), außerdem der Beitrag von Bobiński auf der Konferenz vom 10. Mai, 10 f. (APG 1153/4481). APG 1153/4190 (Zeichnungen, datiert auf den 25. April 1952). Siehe die Dokumente des Instituts für Architekturgeschichte der Danziger Technischen Hochschule, APG 1153/4478. Dort wird das Entstehungsdatum auf »um 1700« bestimmt, wobei die Fassadengestaltung gemäß des Umbauprojektes von 1897 überliefert wird. Protokoll vom zweiten Tag der Beratungen der vom Ministerium für Kultur und Kunst in Danzig am 9. und 10. Mai in der Angelegenheit der Bebauung der ul. Szeroka in der Altstadt (sic) Danzig einberufenen Versammlung, 23 paginierte Seiten (APG 1153/4481). Dem Protokoll angefügt ist eine Liste der Teilnehmer des Treffens: Als Repräsentanten des Ministeriums für Kultur und Kunst – Piotr Biegański, Romuald Dziewulski, Zdzisław Mączeński, Kazimierz Saski, Wacław Podlewski, Jan Bieńkowski und Gerard Ciołek; der Danziger Technischen Hochschule – Wiktor Minkiewicz, Jan Borowski, Jerzy Stankiewicz und Ryszard Massalski (Letztere vom Institut für Architekturgeschichte); der Danziger Sektion des »Miastoprojekt« – Stanisław Bobiński, Andrzej Martens, Zbigniew Żuławski, Stanisław Różański und Kazimierz Biszewski; der Danziger Baudirektion Arbeitersiedlungen – Marian Mossakowski und Adam Sokół; der Denkmalpflege – Zdzisław Kwaśny und Bronisław Mieszkowski; außerdem Marian Pelczar von der Stadtbibliothek, Józef Chrzanowicz von der Werkstatt für Denkmalpflege sowie der Journalist Władysław Szremowicz. An den Beratungen nahm auch der hier nicht erwähnte Władysław Lew teil, dies geht aus den Aufzeichnungen der Diskussion hervor. Auch die Presse informierte über das Treffen: [Szremowicz, W.]: Tu mówi ulica Szeroka [Hier spricht die ul. Szeroka]. In: Dziennik Bałtycki, 13. Mai 1952, 4.



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der historischen Option zwischen Februar und Mai belegt. Abzulesen etwa daran, dass ihre Repräsentanten wesentlich entschiedener als noch im Februar das Wort ergriffen, aber vor allem, dass der Kreis der Architekten dazu tendierte, zahlreiche Lösungen anzunehmen, die einen originalgetreueren Wiederaufbau als in den bisher vorgeschlagenen Varianten anstrebten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der erwähnte Standpunkt von Zachwatowicz einen Einfluss auf eine solche Entwicklung gehabt hatte, zumal man ihn während dieses Treffens vorstellte.152 Dass man der historischen Problematik näher stand als bisher, zeugt etwa die Einladung von Marian Pelczar, dem damaligen Direktor der Stadtbibliothek und Autor von Publikationen zur Geschichte Danzigs, der bei der Konferenz im Februar nicht anwesend war. Er hielt ein ausführliches Referat, in dem er über die geschichtlichen Grundlagen des Wiederaufbaus der ul. Szeroka sprach, und darüber hinaus richtete er einige wesentliche Empfehlungen an die Adresse der Entwurfsplaner: Rücksichtnahme auf die alte Parzellierung, Verzicht auf eine Schaffung zwei- und dreigiebliger Häuser, da diese im alten Danzig völlig ungebräuchlich gewesen seien, keine Versetzung von Baudenkmälern153, Respektierung einer traufständigen Bebauung an den Ecken der Baublocks, und vor allem »unbedingte Bewahrung des historischen Charakters der gesamten ul. Szeroka ohne irgendwelche modernen Elemente«154. Bezeichnend ist dabei die Argumentation, die Pelczar zur Stärkung seiner Option benutzte. Er behauptete nämlich, dass die ul. Szeroka als »damalige Arbeiterstraße«155 einen speziellen Charakter habe. Darüber hinaus formulierte er eine Tatsache, die selbstverständlich erscheinen mag, aber damals (zumindest in Danzig) vernachlässigt wurde: »Wir müssen mit allem Respekt an unsere Baudenkmäler herangehen und nicht jene Reste zerstören, die erhalten geblieben sind, denn dies sind Schätze, die, wenn sie der Zerstörung anheimfielen, unwiederbringlich verloren wären«.156 In seiner Wortmeldung äußerte sich auch eine Furcht vor der Verwendung neuer, noch nicht bewährter architektonischer Lösungen, die Piwocki treffend beschrieb: »Jedes Jahrhundert bringt seine neuen Werte in die Architekturgeschichte ein, es geht nur darum, dass wir beim Wiederaufbau nicht solche Werte einbringen, für die wir uns später schämen müssen.«157

152 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 20. 153 Dies ist eine wesentliche Empfehlung, denn in der Praxis des Wiederaufbaus kamen solche Fälle vor, zum Beispiel in der ul. Ogarna. Auch einige Vorschläge für die ul. Szeroka waren von solchen Ideen nicht frei. 154 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 4 (Pelczar). 155 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 4 (Pelczar). 156 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 5 (Pelczar). Die Sorge um die historische Bausubstanz taucht auch in einer Äußerung von Wacław Podlewski auf: »Wenn wir alle Querwände erhalten würden, könnten wir viele historische Elemente retten.« – APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 7. 157 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 3 (Pelczar).

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Der Wojewodschaftsdenkmalpfleger Bronisław Mieszkowski stellte in Zusammenarbeit mit den Architekturhistorikern der Technischen Hochschule vier Gebäudekategorien für die ul. Szeroka vor: Die erste bezog sich auf die wertvollsten Häuser, die man in umfassender Form wiederherstellen müsse. Hierzu zählten das Haus »Zum Lachs« und die sogenannten gotischen Häuser in der Nähe des Krantors, darunter das nicht direkt erwähnte Haus Nr. 75/76, dessen Rekonstruktion alle bisherigen Entwurfsvarianten vorgesehen hatten. Die zweite umfasste die Gebäude, bei denen eine historische Rekonstruktion der Fassade vorgesehen war, in der dritten fanden sich für eine »relative Wiederherstellung« bestimmte Objekte, in der vierten schließlich Bauten, die neu entworfen werden sollten, wenngleich mit dem Hinweis, dass »[ihre] Architektur mit der Umgebung in Einklang gebracht werden muss«158. Die Festlegung dieser Kategorien, besonders der ersten, war zweifelsohne ein weiterer Erfolg der historischen Option. Andere architekturhistorische Forderungen betrafen die Beibehaltung der ursprünglichen, unregelmäßigen Fluchtlinie, eine stärkere Differenzierung der Giebelhöhen159 und des Niveaus der Fensterbretter, auch der Fenster im Erdgeschoss160, und eine Liberalisierung der Baunormen161 in Bezug auf rekonstruierte Gebäude. Die »historischen« Forderungen fanden bei der Mehrheit der Diskussionsteilnehmer Verständnis, besonders bei den Repräsentanten des Ministeriums für Kultur und Kunst, die eine Erhaltung der ursprünglichen Parzellenumrisse162 und der unregelmäßigen Fluchtlinie163, teilweise sogar in Bezug auf die Rückfassaden164, kategorisch unterstützten und sich auch gegen die Tendenz zu einer freien, von kompositorischen Gründen motivierten Lokalisierung historischer Bauelemente wandten165.

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APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 2 (Mieszkowski). APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 8 (Minkiewicz). APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 6 (Bienkowski), 7 (Saski), 9 (Borowski), 14, 21 (Biegański). APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 13, 22 (Biegański). APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 5 f. (Mączeński, er benutzt auch ökonomische Argumente, indem er belegt, dass ein Bauen auf den alten Fundamenten billiger wäre), 16 (Ciołek), 17, 20 (Biegański). 163 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 6 (Mączeński), 13 (Biegański), 16, 18 (Ciołek: »Das Problem der Beibehaltung der einstigen Fluchtlinie ist kein Problem der freien Komposition der Architekten, sondern ein rein denkmalpflegerisches Problem. Es ist die Pflicht des kreativsten und klügsten Architekten, sich in diesen Angelegenheiten den Forderungen des Denkmalpflegers unterzuordnen.«). 164 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 19 (Mączenski). 165 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 7 (Bienkowski, Mączeński), 16 (Ciołek: »Für jene Objekte, die eine ausreichende historische Dokumentation besitzen, muss die authentische Lokalisierung unbedingt beibehalten werden, sie dürfen nicht aus kompositorischen Gründen an andere Stellen versetzt werden. In denkmalpflegerischen Fragen wird die Arbeit des Architekten durch die Resultate denkmalpflegerischer und historischer Forschungen bedingt, welche eindeutig die Haltung in dieser Angelegenheit vorgeben«).



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Darüber hinaus sprach man sich ein weiteres Mal entschieden für die Erhaltung des historischen Charakters der gesamten Rechtstadt aus.166 Ein kontrovers diskutiertes Problem waren die doppelt, dreifach oder sogar vierfach verwendeten Fassadenelemente, die in den vorhergehenden Bebauungsvorschlägen des Teams von Biszewski sehr häufig vorkamen und in diesem Entwurf besonders ausgeprägt an den Häusern zwischen ul. Latarniana und ul. Węglarska präsentiert wurden. Diese konkrete Lösung stieß auf die Zustimmung von Jan Borowski167 und den Widerspruch von Gerard Ciołek168. Darüber hinaus wurde das Prinzip der Vervielfachung von Fassaden selbst diskutiert, wobei man anerkannte, dass es bei dem Entwerfen der Häuser angewendet werden könne, für die sich kein historisches Dokumentationsmaterial erhalten hatte.169 Bei den neu geplanten Gebäuden ging es neben der seriellen Anwendung von Fassadentypen auch darum, die Quartiere »in einem solchen Charakter« zu bewahren, »dass das Profil und der Charakter der Straße erhalten bleiben«170, aber auch, dass die Giebel solcher Häuser modern zu gestalten sind und nicht an historische Details anknüpfen sollten.171 Allgemein hieß es, die neuentworfenen Gebäude nicht mit Bauschmuck zu überladen, »der, vielfach wiederholt, unangenehm ist«172. Gleichzeitig wird »zur Vermeidung einer Künstlichkeit« vorgeschlagen, die Decken- und Fensterhöhen in den neuen Häusern anzugleichen.173 Einen wichtigen Platz nahm in der Diskussion auch die Frage nach dem stilistischen Charakter der neuentworfenen Fassaden ein. Die von den Planern übernommene neoklassizistische Konvention rief Einwände hervor. Bobiński sagt es direkt: »Empörend ist die Anknüpfung der Giebel […] 166 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 5 (Mączeński: »Die gesamte Bebauung Danzigs hebt sich von der Bebauung anderer polnischer Städte ab, und diese charakteristische Bebauung müssen wir erhalten«), 10 (Biegański: »Die gesamte Rechtstadt ist als Baudenkmal angenommen und anerkannt, also sind die historischen Elemente in allen Bauabschnitten verpflichtend«), 16 (Ciołek: »Die ul. Szeroka stellt einen integralen Teil der Alten (sic) Stadt dar und kann daher nicht als Peripherie oder Übergangszone zwischen neuer und historischer Architektur betrachtet werden«), 10 (Bobiński: »Die Einführung einer Übergangszone auf dem Areal der Rechtstadt […] ist falsch, da die Gesamtheit dieser Stadt sowohl durch städtische als auch durch nationale Instanzen als Denkmalszone anerkannt worden ist, in architektonischer ebenso wie in städtebaulicher Hinsicht«). 167 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 9 (Borowski). Falls wir es hier nicht mit einer Retusche in den Aufzeichnungen der Diskussion zu tun haben, dann ist dies eine überraschende Tatsache, da Borowski als einer der Hauptrepräsentanten der historischen Option damit eine offenkundig ahistorische Lösung unterstützt hätte. 168 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 19. 169 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 9 (Minkiewicz), 10 f. (Bobiński), 14 (Biegański), 16 (Ciołek); K. Saski äußerte wiederum Zweifel: APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 7. 170 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 8 (Minkiewicz). 171 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 11 (Bobiński). 172 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 9 (Minkiewicz). 173 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 21 (Ciołek, Biegański).

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an die klassizistische, die schlechteste Architektur Danzigs«174, und Biegański, der diese Meinung (»besonders hässlich«) teilt, überlegt, »ob man sich nicht eher in der Architektur auf die Zeiten stützen sollte, als Danzig vom historischen Gesichtspunkt her polnischer war […], ob man diesen Gesichtspunkt nicht beachten und zur Interpretation einer anderen Stilepoche übergehen müsste, die polnischer und einheitlicher mit Danzig verknüpft wäre«175. Der das »Miastoprojekt« repräsentierende Stanisław Różański stellte fest, dass es am wichtigsten sei, mit dem Bau zu beginnen, weil nur dies erlaube »zu Resultaten zu kommen«176. Ähnlich stellte Biszewski die Angelegenheit dar und schlug vor, den in Frage stehenden ersten Abschnitt der ul. Szeroka als Probeabschnitt zu behandeln und in Zusammenhang damit die während der Diskussion festgelegten Grundsätze nicht rigoros anzuwenden. Dabei versprach er, sie bei der Planung der weiteren Quartiere zu respektieren.177 Gleichzeitig zeigte sich auf Seiten der Entwurfsplaner eine Tendenz zum Kompromiss, auch bezüglich des ersten Abschnitts – sie waren geneigt, das Niveau der Fenster zu differenzieren178 und den Vorschlägen hinsichtlich der Dachanordnung der Eckhäuser nachzukommen.179 Einzig Adam Sokół, der Repräsentant der Danziger Baudirektion Arbeitersiedlungen, also des Bauherren, unternahm den Versuch einer entschiedenen Revision der historischen Option. Er drückte seine Verwunderung darüber aus, dass die Frage der ul. Szeroka überhaupt erneut erörtert werde, da seiner Meinung nach die Entscheidung, die Straße modern wiederaufzubauen, längst gefallen war. Er berief sich dabei auf angebliche Äußerungen von Zachwatowicz, die von den während der Konferenz vorgebrachten abwichen.180 Biegański widersprach dem kategorisch und stellte fest: »Prof. Zachwatowicz kann sich nicht so geäußert haben, wie das 174 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 11. 175 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 14. An anderer Stelle merkt Biegański ein weiteres Mal an: »Die Architektur der klassizistischen Epoche soll nicht verwendet werden«. – APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 22. Eine interessante Fortsetzung der Gedanken Biegańskis über die angeblich polnische Architekturtradition Danzigs ist eine Pressepublikation, in der am Rande einer anderen behandelten Problematik in bezeichnender Weise auch die Frage der ul. Szeroka auftaucht: »Neben dem historischen Viertel sind moderne Bauten in einem Stil entstanden, der von den polnischen Traditionen der Stadt spricht, von den architektonischen Leistungen, die Jahrhunderte geschaffen haben, die 5-, 6- und 7-stöckigen Gebäude der ul. Szeroka, die das historische Viertel mit der Innenstadt verbindet.« – Gdy dzisiejsze plany staną się rzeczywistością. Rzut oka w przyszłość Ziemi Gdańskiej [Wenn die heutigen Pläne Wirklichkeit werden. Ein Blick in die Zukunft der Danziger Region]. In: Głos Wybrzeża, 25. Oktober 1952, 4. Die zitierte Aussage bezeugt, dass die von einem Teil der Entwurfsplaner lancierte These vom »Übergangscharakter« der ul. Szeroka zumindest in gewissem Maße angenommen wurde. 176 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 17 (Różański). 177 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 19 (Biszewski). 178 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 17 (Różański). 179 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 17 (Różański), 18 (Biszewski). 180 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 12 (Sokół).



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Herr Mag. Sokół verstanden hat, da er einer derjenigen gewesen ist, die den detaillierten Plan für Danzig erstellt haben.«181 Diese Äußerung beendete die Diskussion, und der Wiederaufbau der ul. Szeroka in historischer Gestalt wurde nicht weiter in Frage gestellt. Stattdessen wurden Resultate formuliert, die die Diskussion zusammenfassten und die Mehrheit der oben besprochenen Forderungen wiederholten.182 Fast hat man den Eindruck, als habe die historische Option im Ergebnis der Konferenz einen entscheidenden Vorteil davongetragen, so dass der Wiederaufbau der ul. Szeroka nun genau ihren Forderungen entsprechend durchgeführt werden konnte. Doch dem war nicht so. Der Mangel an Quellenmaterial macht es unmöglich, den weiteren Disput zu analysieren, doch es bleibt das Werk selbst, die Bebauung der ul. Szeroka, das Auskunft geben kann. Die Gestalt, die man ihr in den 50er Jahren und später gab, ist ein weiterer Beleg für die Kompromissformel der Rekonstruktion Danzigs. Sehen wir uns also an, in welchem Ausmaß die Forde-

181 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 12 (Biegański). 182 »Die als Resultat der Diskussion über den Bebauungsentwurf für die ul. Szeroka gefassten Beschlüsse sind zur Realisierung im Jahr … vorgesehen (sic).« Hier der Inhalt jenes Dokumentes in städtebaulichen und architektonischen Fragen (organisatorische Fragen lasse ich außer Acht): »1. Die ursprüngliche vordere Fluchtlinie beibehalten durch unbedingte Bewahrung der authentischen Lokalisierung jener Objekte, die eine ausreichende historische Dokumentation besitzen, bei historischen Gebäuden Grundstücke in Übereinstimmung mit der Anordnung der Fundamente belassen. Eine Ergänzung in liberalerer Form zwischen Baudenkmälern ist zugelassen. 2. Das Anbringungsniveau der Fenster differenzieren, mit Ausnahme neuer Gebäude. In neuen Blocks zur Vermeidung eines künstlichen Eindrucks Decken und Fenster der einzelnen Geschosse auf demselben Niveau halten. 3. Gebäude, die sich an den schmaleren Querstraßen befinden, um ein Geschoss verringern. (An den Ecken der schmaleren Straßen Gebäude in traufständiger Ausführung niedriger machen). 4. Im Aufbau der neu entworfenen Gebäude den horizontalen Fassadenabschluss ändern, sich dabei auf die Traditionen der Architektur des 18. (vor dem 19.) Jahrhundert stützen. Keine klassizistische Architektur verwenden. 5. Vereinheitlichung des Innern in Übereinstimmung mit dem Fassadenaufbau, einzelne Wohnblocks nicht über die Grundstücksgrenzen hinausziehen. 6. Bezüglich der drei Gebäude an der ul. Węglarska 8–10 [gemeint sind die Gebäude ul. Szeroka 8–10, an der Ecke zur ul. Węglarska]: Eine Zusammenfügung dreier einheitlicher Elemente, gestützt auf eine umgestaltete historische Architektur, ist nicht wünschenswert. Es muss eine Rekonstruktion des Eckhauses mit einer stärkeren Betonung der senkrechten Fensteranordnung durchgeführt werden. Die Höhe darf den First der Bastei nicht überragen. 7. Wiederholbare Gebäude auf drei (nicht vier) beschränken. 8. Bezüglich der Kinderkrippe – Empfehlung: Nur den Eingang belassen, Funktionsräume in einem von der Innenseite her hinzugefügten Bauelement unterbringen. 9. Die Empfehlungen der Kommission vom 21. Februar 1952 betreffs eines Zurückspringens der Blocks nach innen werden eingehalten (um die Erfahrungen von der ul. Ogarna zu vermeiden).« – APG 1153/4481 (wie Anm. 71), o. S.

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rungen beider Seiten verwirklicht wurden, als man zwischen 1952183 und 1956 den westlichen Teil der südlichen Straßenfront der ul. Szeroka errichtete.184 Was die ursprünglich unregelmäßige Fluchtlinie anbelangt, so wurde diese im ersten Grundriss für die Abschnitte zwischen ul. Węglarska und Kozia sowie zwischen ul. Kozia und ul. Złotników nicht berücksichtigt, vielmehr führte man eine gerade Fluchtlinie ein. Im später entworfenen Abschnitt zwischen ul. Złotników und ul. Grobla I wurde sie jedoch beibehalten. Vom Grundsatz, die ursprüngliche Linie zu respektieren, wich man durch eine massive Verbreiterung der Straßenflucht ab. Dies war ein offensichtliches Zugeständnis der historischen zu Gunsten der sozialen Option, das den Bewohnern des neu errichteten Komplexes erheblich bessere Lichtverhältnisse versprach. Den historischen Forderungen entgegen kam die Art der Bebauung der Einmündung der ul. Złotników in die ul. Szeroka. Die Eckhäuser wurden einander angenähert und markierten so die ursprüngliche Breite der Seitenstraße, gleichzeitig wurden die Erdgeschosse aber durch Arkaden gegliedert, die die ul. Szeroka verkehrstechnisch mit dem Fußweg der verbreiterten ul. Złótników verbanden. Obwohl es scheinbar ein allgemeines Einverständniss zur Beibehaltung der alten Parzellierung gab, wich man von ihr ab, was besonders zwischen ul. Kozia und ul. Złotników einen negativen Effekt hatte. Anstelle von ehemals elf Fassaden errichtete man acht, die im Wesentlichen die gleiche Breite185 und auch Höhe hatten, was an diesem Abschnitt der ul. Szeroka einen monotonen Gesamteindruck erzeugte. Dieser wurde dadurch vertieft, dass man die aus den oben besprochenen Entwurfsvarianten bekannte einförmige Anordnung der Fenster beibehielt, dies nicht nur zwischen ul. Kozia und ul. Złotników, wo nahezu alle Fenster in einer Linie eingesetzt wurden, sondern am gesamten im besprochenen Zeitraum errichteten Teil der südlichen Straßenfront der ul. Szeroka. Statt eines historisch begründbaren Effektes von Vielgestaltigkeit erreichte man einen einheitlichen, aber auch einförmigen Block.

183 Die ersten Arbeiten wurden im Dezember 1952 aufgenommen. – Rozpoczyna się zabudowa ulicy Szerokiej i ulicy św. Ducha [Die Bebauung der ul. Szeroka und der ul. Św. Ducha beginnt]. In: Głos Wybrzeża, 3. Dezember 1952, 5. – Rosną nowe domy na ul. Szerokiej [Die neuen Häuser an der ul. Szeroka wachsen]. In: Głos Wybrzeża, 3. Juli 1953, 5. 184 In diesem Zeitraum wurde die südliche Straßenfront der ul. Szeroka von der ul. Węglarska bis zur ul. Grobla I bebaut. Ein Dokument, das über die Fortschritte der Arbeiten genau Auskunft gibt, ist ein auf den 14. Juli 1956 datierter »vorläufiger Entwurf. I. Fassung« für die gesamte Rechtstadt von Hordyński, Żuławski und Kledzik, der neben den Plänen für die Zukunft auch den Stand der Dinge am 8. Februar 1956 zeigt (dies ist die Datierung des Originals der Abteilung Geodäsie des Präsidiums des Volksrates der Stadt Danzig, von dem eine Kopie angefertigt wurde). Der Plan befindet sich in der privaten Sammlung der Familie von Prof. Lech Kadłubowski. 185 Mit verständlicher Ausnahme des traufständigen Hauses an der Ecke ul. Szeroka und ul. Złotników.



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Die Frage einer Variation des Fensterniveaus wurde dagegen in der für ein historisches Straßenbild wichtigen Seitenstraße, der ul. Złotników, in Übereinstimmung mit den historischen Postulaten gelöst. Dort achtete man auch darauf, die Höhe der Häuser und damit auch der Giebellinie deutlich zu differenzieren, da dies ein besonders wichtiges ästhetisches Element des Danziger Straßenbildes darstellt. In ähnlicher Weise entwarf man die westliche Straßenfront der ul. Grobla I. Man verwendete ebenfalls die von den »Historikern« geforderte traufständige Anordnung der Eckhäuser und behielt einzig im Block zwischen ul. Węglarska und ul. Kozia eine giebelständige Anordnung bei.186 Andererseits errichtete man in einem Fall – an der nordwestlichen Ecke des Blocks zwischen ul. Kozia und ul. Złotników – ein traufständiges Haus, das nicht historisch begründbar war.187 Entsprechend den Empfehlungen der Konferenz vom Mai positionierte man rekonstruierte Fassaden nicht in ahistorischer Weise, gleichzeitig jedoch wurden die Rekonstruktionen auf ein Minimum reduziert. Zwischen ul. Węglarska und ul. Grobla I stellte man in Übereinstimmung mit der vom Institut für Architekturgeschichte der Technischen Hochschule erarbeiteten Dokumentation einzig drei von ursprünglich 28  Fassaden wieder her: die Nummern 15, 16 und 18188, wobei in Nummer 15 entgegen dem Original und entgegen der diesbezüglichen Danziger Traditionen zwei Türen in eine Fassade eingesetzt wurden; in Nummer 16 wurde die Tür an der linken Seite der Fassade untergebracht, während sie ursprünglich an der rechten gewesen war, und das Haus Nummer 18 wurde um ein Geschoss erhöht. Man kann also sagen, dass im besprochenen Zeitraum in der ul. Szeroka keine einzige genaue Rekonstruktion stattfand. Stattdessen kamen zahlreich gedoppelte189 und sogar verdreifachte190 Fassaden vor, was den Empfehlungen der Konferenz vom Mai 1952 folgte, die davon sprachen, wiederholbare Gebäude nicht mehr als dreimal auszuführen. Es sei dennoch ergänzt, dass diese Bestimmungen nicht auf die »modernen« Lösungen zutrafen. Grundlegend ist jedoch, dass in der Praxis auch historisch stilisierte Gebäude von den Leitsätzen betroffen waren. In der Theorie stimmten sowohl die Anhänger der »historischen« wie auch der »kreativen« Option darin überein, dass keine Pseudobaudenkmäler errichtet werden sollten. Andrzej Martens, der während der Diskussion im Mai das Danziger »Miastoprojekt« repräsentiert hatte, forderte dies sogar ganz kategorisch: »Wenn wir bestimmte, im engen Sinne historische Fragmente erhalten, dann stellen wir 186 An der nordwestlichen Ecke des Quartiers in Übereinstimmung mit der historischen Überlieferung, statt an der nordöstlichen Ecke gegenüber, siehe APG 1153/4478. 187 APG 1153/4478. 188 APG 1153/4478. 189 Ul. Szeroka 11–13 und 26–27 (die Giebelbekrönungen unterschieden sich hier nur unwesentlich), sowie an der westlichen Ecke ul. Szeroka und ul. Złotników (Die Doppelfassade dieses Gebäudes zeigt zur ul. Złotników). 190 Dreifachfassade in klassizisierender Form im Block zwischen ul. Kozia und ul. Złotników.

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Kapitel 5

neue Dinge daneben, denn wir können keine Baudenkmäler entwerfen, die nicht durch archivalische Unterlagen gestützt werden. Das Entwerfen von Baudenkmälern ist eine riskante Sache191, denn wir sind dazu nicht befähigt, wir sind heutzutage psychisch völlig anders eingestellt. Eher sollte deutlich zu sehen sein, was ein Baudenkmal, und was in unserer Epoche errichtet worden ist. Wir müssen in der Lage sein, etwas Neues zu schaffen. […] Man kann nicht allzu rigoros an Objekte herangehen, die wir neu bauen, gerade sie müssen modern sein und sich deutlich von den Baudenkmälern abheben.«192 Trotz dieser Erklärungen wurde in der ul. Szeroka in den 50er Jahren eine ganze Reihe von Gebäuden errichtet, die man zumindest in Bezug auf die Fassaden mit Sicherheit Pseudodenkmäler nennen kann. Dies sind all jene Gebäude, bei denen man typische Stilelemente einstiger Epochen verwendet hat, also die Häuser an der Ecke der ul. Węglarska, das eine Kinderkrippe beherbergende Haus an der Ecke ul. Kozia, nahezu alle Häuser zwischen ul. Złotników und ul. Grobla sowie ein Teil der Häuser zwischen ul. Kozia und ul. Złotników193 – hier nehme ich natürlich das rekonstruierte Haus Nr. 18 sowie die Gebäude mit der verdreifachten Fassade aus, deren klassizisierende Formen194 man eher als Phänomen des Sozrealismus, denn als Pseudodenkmal interpretieren muss. Wenn das eine zutreffende Auslegung ist, dann kann man zumindest für diesen Abschnitt sagen, dass er mit den von den sogenannten kreativen Architekten verkündeten Theorien übereinstimmt. Aber auch nicht viel mehr als das. Die Differenz zwischen der Theorie, die Pseudodenkmäler nicht zulässt, und der Praxis, in der man solche in bedeutendem Ausmaß errichtete, ist erstaunlich. Für mich stellt sie eines der größten Rätsel des Wiederaufbaus von Danzig dar.195 Wahrscheinlich müsste man dazu psychologische Kategorien heranziehen, wobei es mir jedoch an Kompetenz mangelt. In Übereinstimmung mit dem während des Wiederaufbaus verbindlichen Prozedere musste jedes Projekt nicht nur die Zustimmung des technischen Rates – in dem ja immerhin die Vertreter der »Historiker« saßen – sondern auch des Woje191 Diese heute eher nur ein Lächeln hervorrufenden Worte verdienen Beachtung, weil sie unfreiwilligerweise die damalige Auffassung vom Begriff »Baudenkmal« unter den sogenannten kreativen Architekten offenbaren, eine Auffassung, die den Terminus auf eine historische Kostümierung reduzierte. 192 APG 1153/4481 (wie Anm. 71), 9 f. (Martens). 193 Die spezielle Situation illustriert eine bezeichnende Notiz zu einer der Fassaden des Abschnitts der ul. Szeroka zwischen ul. Kozia und ul. Złotników, die entgegen den gleichzeitig abgegebenen Erklärungen unmittelbar den pseudohistorischen Charakter der damaligen Entwurfspraxis offenbart: »Der waagerechte Giebel muss durch einen Giebel im Barockstil ersetzt werden.« – APG 1153/4481 (wie Anm. 71), o. S. 194 Der für sozrealistische Tendenzen typische Hang zu klassizisierenden Formen wog in diesem Fall schwerer als die Bestimmungen vom Mai 1952, siehe Anm. 182, Punkt 4. 195 Dieses Problem betrifft durchaus nicht ausschließlich die ul. Szeroka.



Breitgasse oder zwei Konzeptionen für den Wiederaufbau von Danzig

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wodschaftsdenkmalpflegers finden. Das Aussehen der besprochenen Abschnitte der ul. Szeroka weist darauf hin, dass diese zu umfassenden Zugeständnissen an die »kreative« bzw. »soziale« Option bereit waren, was sich als Indiz für jenen fundamentalen Kompromiss interpretieren lässt, dessen Anzeichen ich mich bemüht habe nachzuvollziehen, indem ich die Diskussion über die Bebauung der ul. Szeroka näher betrachtet habe. Ich meine, dass diese Situation gerade im betrachteten Fall zu einer außergewöhnlich misslungenen Lösung führte, bei der es einerseits in keiner Weise gelang, den Geist der Geschichte wiederzubeleben, es andererseits aber auch trotz entsprechender Deklarationen nicht versucht wurde, dieser Geschichte eine neue, überzeugende Interpretation zu verleihen. Gewiss haben die negativen Erfahrungen aus dem Wiederaufbau des westlichen Abschnitts der südlichen Straßenfront der ul. Szeroka dazu beigetragen, dass ihr östlicher Teil und auch die östliche Straßenfront der ul. Grobla I anders wiederhergestellt wurden, indem man sich vor allem recht eindeutig zu nichthistorischen Formen und einer modernen Ästhetik bekannte. Da dies nach 1956 geschah, bedeutete Modernität hier schon nicht mehr Sozrealismus.196

196 Siehe die Anmerkungen zur modernen Wende im Jahr 1956 in Kapitel 7. Außerdem wurden die Häuser an der ul. Szeroka 8–10, deren architektonische Gestaltung 1952 diskutiert worden war, erst nach 1956 wiederaufgebaut. Vielleicht hatten die bedeutenden Meinungsunterschiede zu diesem Thema über die Herausnahme dieses Abschnittes aus der ersten Aufbauphase der ul. Szeroka entschieden. Bei seiner Wiedererrichtung verzichtete man auf die vom Biszewski-Team vorgeschlagene Dreifachfassade, doch man entschied sich weder für eine genaue Rekonstruktion, noch für eine moderne Ausführung und errichtete Gebäude in einfachen, doch für mein Empfinden pseudohistorischen Formen.

Kapitel 6 D i e Häkergasse oder die Niederlage der Geschichte

In dem von Bohdan Szermer veröffentlichten Plan über die Zerstörung der Danziger Innenstadt werden die vollständig oder teilweise zerstörten Bauten mit roter Farbe gekennzeichnet, schwarz ist jenen Objekten vorbehalten, die die Kataklysmen des Krieges überstanden haben.1 Unter letzteren befanden sich das Hohe Tor, die Königskapelle und die Nikolaikirche, vor allem aber Bauten, die am Ende des 19. und im 20. Jahrhundert errichtet worden waren – die ehemalige Reichsbank und die Mehrzahl der Bauten an der ul. Okopowa / Karren- bzw. Wiebenwall, die Markthalle, das Postamt an der ul. Długa, das Gebäude der Feuerversicherungsgesellschaft oder auch der im 20. Jahrhundert errichtete Speicher Deo Gloria. Erhaltene Wohnhäuser kommen nur selten vor – hier und da ein oder zwei, und diese waren gewöhnlich Neubauten, die nur einige Dutzend Jahre zuvor errichtet worden waren (so zum Beispiel zwei Häuser aus der Jahrhundertwende in der ul. Ogarna). Vor diesem Hintergrund ist es etwas Besonderes, dass auf dem Plan nahezu die gesamte Bebauung rund um die Johanniskirche schwarz gekennzeichnet ist. Dort wurde ein geschlossenes Ensemble von etwa zwanzig, überwiegend aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammenden Häusern gerettet  – ein Teil an der ul. Świętojańska / Johannisgasse, ein Teil an der ul. Warzywnicza / Petersiliengasse, die entscheidende Mehrzahl jedoch an der ul. Straganiarska / Häkergasse (Abb. 76, 77). Diese Häuser stellten in der zerstörten Stadt einen ganz außergewöhnlichen Schatz authentischer Architekturdenkmäler dar, deren ursprüngliches Inneres, wie man annehmen kann2, mehrheitlich erhalten war, mit originalen Decken, Treppenhäusern, Dachstühlen etc. Man könnte meinen, dass ein eigentlich nur durch ein Wunder verbliebenes historisches Bauensemble sich der besonderen Fürsorge der Danziger Nachkriegsoberen und besonders der Denkmalpflege erfreuen durfte. Es kam jedoch anders. Der nahezu vollständige Untergang dieses Baukomplexes in den Nachkriegsjahren 1 Unter dem Titel »Zerstörungen in der Innenstadt (zentraler Teil)« veröffentlicht in: Szermer (wie Kapitel 1, Anm. 10), nach 84. 2 Es scheint, als sei keinerlei Inventar dieser Kulturdenkmäler angefertigt worden, weshalb wir in hohem Maße auf Vermutungen angewiesen sind. Wenn man den etwas peripheren, also größere Investitionen nicht begünstigenden Charakter dieser Bebauung in Betracht zieht, und vor allem, wenn man sich auf Fotografien stützt, die belegen, dass man die Fassaden nicht umgestaltet hatte, dann kann man mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, dass auch das Innere der Häuser im 19. und 20. Jahrhundert keinen größeren Veränderungen unterworfen worden war. Dies bestätigen die teilweise erhaltenen Elemente des Bauschmucks der Häuser an der ul. Straganiarska 31 und 32.

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Kapitel 6

war ohne Zweifel die größte Niederlage beim Wiederaufbau Danzigs. Wie konnte es dazu kommen? Eine Erklärung gibt ein 1959 von Jerzy Stankiewicz veröffentlichter Text, in dem dieser mit unmittelbarem Bezug auf das Beispiel der ul. Straganiarska kurz die Finanzierung der Arbeiten an der Rechtstadt erklärt. Es geht daraus hervor, dass der wichtigste und in Bezug auf die Wohnbauten im Prinzip auch der alleinige Bauherr, die Baudirektion Arbeitersiedlungen, über Mittel für den Wiederaufbau, aber nicht für Renovierungsarbeiten verfügte.3 Die Finanzierungsvorschriften erlaubten dabei nicht, Investitionsmittel für nicht-investive Zwecke zu verwenden, und ein solcher wäre eine Renovierung der Häuser an der ul. Straganiarska gewesen. Der Wojewodschaftsdenkmalpfleger wiederum verfügte über Mittel für denkmalpflegerische Arbeiten. In der Praxis aber und angesichts der Notwendigkeit auszuwählen verwendete er sie für die historischen Monumentalbauten4, auch wenn nicht ausgeschlossen ist, dass er zeitweilig erwog, an der ul. Straganiarska Arbeiten aufzunehmen.5 Dies alles führte zu einer Situation, in der, wie Stankiewicz schreibt, »wir Zeugen eines komischen und zugleich tragischen Schauspiels wurden: einer mit großer Ehrfurcht betriebenen Wiederherstellung nicht existierender Häuser und eines nahezu vollständig fehlenden Interesses am Zustand authentischer, wertvoller Baudenkmäler.«6 Stankiewicz schreibt sogar von der »Unfähigkeit der Stadtregierung« und einem »kompletten Mangel an Initiative« in dieser Hinsicht, was dazu geführt habe, dass schon in den 50er Jahren die ersten Häuser an der ul. Straganiarska einstürzten.7 In den folgenden Jahren wurden weitere abgerissen8, und ernsthafte Bemühungen mit dem Ziel, zumindest die Reste

3 Stankiewicz: Uwagi o odbudowie … (wie Einführung Anm. 12), 165. 4 Zur finanziellen Beteiligung des Denkmalpflegers zum Beispiel an den Arbeiten am Hof der St. Georgs-Bruderschaft siehe: Chrzanowicz/Massalski (wie Kapitel 4, Anm. 75). 5 Dies könnte die Bildunterschrift einer Fotografie von Häusern in der ul. Straganiarska belegen: »Das Denkmalpflegeamt der Wojewodschaft wird in nächster Zeit ihre Restaurierung in Angriff nehmen« (abgedruckt in: Głos Wybrzeża, 26. Juni 1951, 6). 6 Stankiewicz: Uwagi o odbudowie … (wie Einführung Anm. 12), 165. Außerdem Koźlikowski, J.: Pompeje nie całkiem zniszczone [Ein nicht völlig zerstörtes Pompeji]. In: Dziennik Bałtycki, 17./18. Oktober 1954, 8. 7 Stankiewicz: Uwagi o odbudowie … (wie Einführung Anm. 12), 166. 8 Die Nr. 25 wahrscheinlich zu Beginn der 70er Jahre, Nr. 20 und 21 1970, Nr. 22, 23, 27 1971, Nr. 28 und 29 1974. Auch diejenigen, die dem völligen Abriss entgingen, wie zum Beispiel Nr. 31 und 32, wurden weitgehend zerstört. Siehe: Katalog zabytków sztuki w Polsce. Seria nowa [Katalog der Kunstdenkmäler in Polen. Neue Serie]. Bd. 8: Miasto Gdańsk [Stadt Danzig], Teil 1: Główne Miasto [Rechtstadt Danzig]. Hg. von B. Roll und I. Strzelecka. Warszawa 2006, 398–399. 1974 wurden die barocken Decken des Hauses Nr. 19 zerstört, siehe Stankiewicz: Kilka refleksji … (wie Einführung Anm. 12), 227. Die Ursachen der intensiven Abrisstätigkeit zu Beginn der 70er Jahre sieht Stankiewicz in dem Wunsch, die Stadt vor der für 1974 geplanten internationalen Segelregatta »Operation Sail« »aufzuräumen« (221).



Die Häkergasse oder die Niederlage der Geschichte

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der historischen Bausubstanz zu bewahren, wurden erst in den 70er und 80er Jahren unternommen.9 Die Häuser an der ul. Straganiarska waren nicht die einzigen geretteten Überreste der einstigen Wohnarchitektur, die in späteren Jahren verfielen.10 Gleichzeitig mit der Aufnahme des Wiederaufbaus der Rechtstadt häuften sich Fälle, in denen historische Relikte, deren Vorhandensein die Arbeiten an den neu errichteten Gebäuden verzögerte, zerstört wurden. Diese Situation hat Stanisław Bobiński, in den 50er Jahren einer der führenden Verfechter historischer Authentizität beim Wiederaufbau, Jahre später so zusammengefasst: »Sowohl mit den Arbeitern, als auch mit der Leitung [der DBOR] war es schwierig, zu einer Verständigung über die historischen Architekturschätze in der Rechtstadt zu kommen. Schon die Auffassung von historischer Authentizität, die man in den Überresten der Fassaden würdigen und bewahren müsse, war eine nicht zu überwindende Hürde. Für die Ausführenden war dies eine Erschwernis, die den Verlauf der normalen Bauarbeiten bremste, mit der Notwendigkeit, außerplanmäßig und künstlich eine neue Mauer mit einer alten Fassadenwand zu verbinden.«11 Resultat eines solchen Herangehens an die Angelegenheit war eine bewusste Zerstörung erhaltener Wandfragmente und häufig ganzer Fassaden. Das »Problem« wurde gewöhnlich gelöst, indem man die betreffenden Mauern abriss12, ohne dabei auf den Denkmalpfleger Rücksicht zu nehmen, 9 Katalog zabytków … (wie Anm. 8) 392–401. 10 Ich lasse hier diejenigen Objekte außer Acht, die 1945 und 1946 hauptsächlich durch Stürme und frühe Abrissarbeiten zur Gewährleistung der Sicherheit in den Straßen zerstört wurden. In diesen Jahren verhinderten das Ausmaß der Zerstörungen und das Fehlen ausreichender Mittel (obgleich diese ganz und gar nicht gering waren, siehe Kapitel 1) bei vielen, manchmal sehr wertvollen Objekten die Aufnahme von Rettungsarbeiten. Ich beschränke mich darauf, jene Überreste aufzuführen, die in den folgenden Jahren verlorengingen, als man die Situation schon einigermaßen beherrschte. 11 Bobiński (wie Kapitel 2, Anm. 34), 201. Eine Bestätigung dessen, dass man unter den sog. Ausführenden extrem negativ an das Problem der historischen Bausubstanz heranging, liefert die Veröffentlichung »Gdańskie burzymurki« [Danziger Mauerstürmer]. In: Dziennik Bałtycki, 27. November 1954, wo unter anderem zu lesen ist: »Über das Städtische Bauunternehmen [Miejskie Przedsiębiorstwo Robót Budowlanych, MPRB] muss man gar nicht reden. Denn wo sollte man Verständnis für die Probleme des alten Danzig finden in einem Unternehmen, in dem Leute in führenden Positionen sind, die zum Beispiel feststellen: ›Wenn ich das Wort Denkmal höre, dann schüttelt es mich‹.« 12 Eine solche Vorgehensweise in Bezug auf eine der komplett bis zu den Gesimsen erhaltenen historischen Fassaden der ul. Ogarna beschreibt Bobiński: »Die Leitung [der Baudirektion Arbeitersiedlungen] verlangte, jene Fassade abzureißen und sie wieder neu zu errichten. Die Kommission [zur Prüfung und Annahme der Wiederaufbauentwürfe für die einzelnen Häuser, deren Mitglied Bobiński war, J. F.] war damit nicht einverstanden, und der Denkmalpfleger untersagte kategorisch irgendwelche Abrissversuche. Als wir jedoch am folgenden Tag an die Stelle des Wiederaufbaus kamen, lag die Fassade in Trümmern, angeblich vom Sturm umgeworfen.« – Bobiński (wie Kapitel  2, Anm. 34), 201. Bronisław Mieszkowski, anfangs stellvertretender und ab 1951 oberster Wojewodschaftsdenkmalpfleger, bestätigt ein solches Prozedere: »[…] Am Anfang gab es täglich

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Kapitel 6

der nicht über die geeigneten Mittel verfügte, seine Empfehlungen durchzusetzen.13 Schlimmer noch: es kam vor, dass sogar die Werkstätten für Denkmalpflege14, also die Institution, die berufen worden war, um fachgerechte Arbeiten an historischen Objekten durchzuführen, dieses sträfliche Vorgehen übernahmen.15 Auch die Verwendung von schwerem Baugerät während der Aufräumarbeiten verursachte gravierende Verluste.16 Darüber hinaus war es ein allgemein verbreitetes Phänomen, im Entwurfsprozess die historischen Fragmente nicht zu berücksichtigen. Dafür gab es mehrere Gründe.17 Erstens: Die Enttrümmerung eines Geländes wurde manchmal erst nach der Absegnung eines Entwurfes durchgeführt, was eine mögliche Berücksichtigung historischer Keller, die bei dieser Gelegenheit entdeckt wurden, im Entwurf ausschloss.18 Zweitens: Die Zeitvorgaben bedingten gewöhnlich, dass man darauf

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solche Fälle, dass man unter dem Vorwand, er stürze ein, aus einem Giebel ein paar Steine herausnahm – und der Giebel flog runter. Und wenn er runtergeflogen war, dann spannte jemand in der Nacht ein Seil, warf den Rest um, und Schluss. Die mühsam wiederaufzubauende Fassade existierte nicht mehr, die Ziegel konnten in Waggons nach Warschau geschafft werden, und wir standen vor der Notwendigkeit, ein Haus von Grund auf zu bauen, was sich für die Ausführenden wesentlich mehr lohnte. Wir waren nicht in der Lage, uns um alles zu kümmern, denn es war schwierig, 24 Stunden am Tag Wache zu halten, auch wenn uns sehr viel daran lag, alle für einen Wiederaufbau geeigneten Fassaden zu erhalten.« – Mieszkowski, B. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 37. Außerdem Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 224, 227 f. Andererseits, so Stankiewicz, hätten die Denkmalpfleger zum einen kein ausreichendes Verständnis für das Problem der originalen Bausubstanz gezeigt (Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 228), zum anderen aber hätten sie allzu häufig auf eine konsequente Verteidigung ihrer Agenda verzichtet (Stankiewicz, Uwagi o odbudowie ..., wie Einführung Anm. 12, 172). Dies steht im Widerspruch zu den in der vorausgehenden Anmerkung angeführten Erklärungen Mieszkowskis. Stankiewiczs Behauptung wird, zumindest am Einzelfall, durch den Artikel »Gdańskie burzymurki« (wie Anm. 11) bestätigt. 1955 gründeten die Werkstätten für Denkmalpflege eine Ausführende Abteilung, die die Aufgabe hatte, die Arbeiten an denkmalpflegerisch komplizierteren Objekten zu übernehmen. – W Gdańsku powstało przedsiębiorstwo »Zabytki« któremu już zlecono odbudowę: murów obronnych, Domu Ferberów [In Danzig ist ein Betrieb »Denkmäler« entstanden, dem schon der Wiederaufbau der Verteidigungsmauern und des Ferber-Hauses anvertraut worden ist]. In: Dziennik Bałtycki, 26. Oktober 1955, 3. Stankiewicz: Uwagi o odbudowie … (wie Einführung Anm. 12), 166. Der Autor erwähnt, dass die Werkstätten für Denkmalpflege zwei historische Häuser in der ul. Ogarna 29 und 30 abgerissen hätten, die sogar eine historische Innenausstattung besessen hätten (228). Dies muss zwischen 1956 (so das Datum einer Fotografie der beiden Häuser, die den Artikel illustriert, 158) und 1959 (dem Datum der Veröffentlichung) passiert sein. Zum Beispiel wurden im Bereich zwischen ul. Świętojańska und Podwale Staromiejskie bei Aufräumarbeiten Bagger und Bulldozer eingesetzt. – Gdańskie burzymurki (wie Anm. 11). Auf sie haben bereits 1953 die Mitarbeiter des Instituts für die Geschichte der Polnischen Architektur der Danziger Technischen Hochschule hingewiesen. – Ciemnołoński (wie Einführung Anm. 7). Bobiński (wie Einführung Anm. 10), 211. – Walicka, M.: Kilka uwag przechodnia z ulic Głównego Miasta architektom gdańskim pod uwagę [Einige Anmerkungen eines Passanten von den Straßen



Die Häkergasse oder die Niederlage der Geschichte

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verzichtete, eine Inventarisierung des Geländes durchzuführen.19 Drittens: Eine Projektierung unter Berücksichtigung historischer Überreste ist ungleich schwieriger, als eine Projektierung, die nicht durch solche Beschränkungen belastet wird. Viertens fehlte vielen Entwurfsplanern nicht nur die Kompetenz, sondern auch der Willen zu einer unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten korrekten Projektierung. Es ist zu vermuten, dass gerade das Ignorieren erhaltener Relikte in den zur Realisierung freigegebenen Entwürfen häufig der Grund dafür war, dass die Ausführenden in der oben beschriebenen Weise historische Überreste zerstörten. Während architektonische Relikte in der Rechtstadt vom Wiederaufbau, wenn man sich einer solchen paradoxen Formulierung bedienen kann, bedroht waren, wurden historische Objekte in den übrigen Teilen der Stadt aus anderen Gründen zerstört, etwa wegen ihrer peripheren Lage, die ein mangelndes Interesse der Verantwortlichen nach sich zog.20 Das deutlichste Beispiel hierfür stellt ein Gebäudeder Rechtstadt, den Architekten zur Beachtung]. In: Dziennik Bałtycki, 30./31. Januar 1955 (Beilage »Rejsy«), 8. 19 Die nur marginal vorhandenen Inventare in den beim Wiederaufbau angefertigten und in bedeutendem Maße bis heute erhaltenen Dokumentationsmaterialien sind merkwürdig. Von den etwa 1.200 Mappen der DBOR, die ich durchgesehen habe, enthielten nur etwa 50 Inventarmaterialien (wenn man die wenigen Inventare zur Enttrümmerung nicht mitzählt, die nicht die erhaltenen architektonischen Überreste, sondern einzig das Ausmaß an Trümmern in den einzelnen Quartieren betrafen; sowie die wenigen, zu Beginn der 60er Jahre angefertigten Inventare nicht der originalen Überreste, sondern der rekonstruierten Gebäude). Dies sind die folgenden Mappen: APG 1153/ 37, 102, 139, 140, 141, 196, 200, 228, 260, 262, 350, 485, 551, 568, 576, 607, 622, 626, 627, 659, 797, 832, 999, 1039, 1082, 1138, 1158, 1201, 1202, 2091, 2134, 2187, 2234, 2313, 2364, 2396, 2511, 2551, 2581, 3276, 3288, 4078, 4703. Darüber hinaus enthalten die Archivalia des »Miastoprojekt« entsprechende Materialien: APG 36-123, 36-121 sowie 36-1492. Dabei darf man nicht vergessen, dass, zumindest im Lichte des erhaltenen Materials, die Anfertigung von Inventaren ohne jede Systematik erfolgte. Es ist schwierig nachzuvollziehen, warum das eine Objekt inventarisiert wurde, und andere nicht. Außerdem betrifft die entschiedene Mehrzahl der hier angeführten Inventare einzelne Objekte – tatsächlich sind nur die für die ul. Mariacka angefertigten einigermaßen komplett. Für einige der wichtigsten Straßen der Rechtstadt existieren Inventare für gerade einmal zwei (ul. Piwna) oder drei (ul. Ogarna) Abschnitte bzw. bloß einzelne Objekte, für die ul. Szeroka existiert kein einziges. 20 In Hinblick auf die Konzentration auf wenige, wohl auch touristisch besonders attraktive Areale des historischen Danzig (nebenbei erwähnt: nicht nur in den von den vorliegenden Überlegungen erfassten Jahren, sondern bis heute) denke ich, dass man geradezu von einer populär (sprich: touristisch) und nicht professionell motivierten Topografie des Denkmalschutzes in Danzig sprechen kann. Wahrscheinlich geht es hier auch darum, dass Objekte jenseits der Touristenpfade, also von geringerem »Schauwert« (ich bediene mich hier ganz bewusst dieses neuerdings so um sich greifenden Wortes, in Hinblick auf das mit ihm verbundene Problem der Massenrezeption als eines andere Kriterien verdrängenden Bewertungskriteriums) propagandistisch schwieriger zu nutzen sind. Damit lässt sich mit Sicherheit unter anderem die langanhaltende Vernachlässigung so wertvoller Baudenkmäler wie des Kleinen Zeughauses (Trojanowska, I.: O domu Ferberów, Małej Zbrojowni i innych budowlach [Über das Ferber-Haus, das Kleine Zeughaus und andere Bauwerke]. In: Dziennik Bałtycki, 22./23. April 1956 (Beilage »Rejsy«), [7] oder der Festung Weichselmünde

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ensemble in der mehrheitlich aus dem 18. Jahrhundert stammenden Bebauung des Stadtteils Zamczysko / Altes Schloss dar.21 Außerdem gab es Pläne zu Neubebauungen, die eine Erhaltung des historischen Charakters des betreffenden Areals nicht vorsahen – Beispiele hierfür wären die Häuser an der ul. Żabi Kruk / Poggenpfuhl22 (Abb. 78) oder die Hevelius-Häuser an der ul. Korzenna / Pfefferstadt (Abb. 79). Letztere sind eine ausführlichere Erwähnung wert. Im Gegensatz zur Mehrzahl zerstörter Überreste die still verschwanden, wurde ihr Abriss von lauten Äußerungen der Empörung begleitet, was wohl nicht an denkmalpflegerischer Rücksicht lag, sondern an der Verbindung der zerstörten Häuser mit der Person von Jan Hevelius. Das 1945 stark mitgenommene, aber erhaltene Baudenkmal war mindestens ab 1950 für einen Wiederaufbau vorgesehen23, wobei man anfangs plante, hier den Sitz Danziger wissenschaftlicher Gesellschaften24 und später sogar ein Museum für den Danziger Astronomen unterzubringen.25 Auch eine Rekonstruktion des von einer Zeichnung aus dem 17. Jahrhundert bekannten astronomischen Observatoriums von Hevelius wurde ins Auge gefasst.26 Im städtebaulichen Entwurf für die Altstadt wurde der Komplex berücksichtigt, und die Werkstätten für Denkmalpflege begannen sogar mit der Erarbeitung einer entsprechenden Dokumentation. Unter-

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(Osiński, M.: Ginąca twierdza [Sterbende Festung]. In: Dziennik Bałtycki, 5. Januar 1954, 4) erklären. Zu den Vernachlässigungen in diesem Gebiet siehe: Stankiewicz: Kilka refleksji … (wie Einführung Anm. 12), 223 ff. Das Häuserensemble Żabi Kruk 50–54 ist auf einer Zeichnung von Zdzisław Król im Buch »Gdańsk zabytkowy w roku 1950« dargestellt (Biblioteka Gdańska. Seria Graficzna Nr. 3. Gdańsk 1951, Bildtafel Nr. 35). Die Zeichnungen Króls in diesem Band weisen eine beachtliche Genauigkeit in der Wiedergabe des Erhaltungszustandes der einzelnen Objekte auf, wie man bei einem Vergleich mit Fotografien, die die Zerstörungen jener Objekte dokumentieren, feststellen kann. Für die Straße Żabi Kruk habe ich solche Fotografien nicht gefunden, weshalb die Zeichnung von Król von hohem dokumentarischem Wert ist. Mit ihrer Hilfe lässt sich feststellen, dass sie sich 1950 noch in gutem Zustand befanden. Es sind lediglich einige leicht beschädigte Dachziegel zu sehen. Ein an der Fassade des Hauses Nr. 52 angebrachtes Schild »Kłos« – also wahrscheinlich eines aus der Nachkriegszeit – bezeugt, dass das Gebäude zumindest teilweise bewohnt war. Also waren auch die Häuser in der ul. Straganiarska nach dem Krieg bewohnt. Brocki, Z.: Odbudowa domu Heweliusza [Wiederaufbau des Hevelius-Hauses]. In: Rejsy 46 (1950), 2. – Serednicki, J. S.: Zabytki Gdańska w odbudowie [Danziger Baudenkmäler im Wiederaufbau]. In: Stolica 45 (1950), 11. Der bekannte Wissenschafts- und Kunsthistoriker Tadeusz Przypkowski schrieb Ende 1950 / Anfang 1951 wegen des Wiederaufbaus des Hevelius-Hauses an die Danziger Stadtregierung. Darüber informiert ein Sitzungsprotokoll des Präsidiums des Volksrates der Stadt Danzig (PMRN), teilweise veröffentlicht in: W sprawie kamienic Heweliusza. Wyjaśnienie PMRN w Gdańsku, które nic nie wyjaśnia [In der Angelegenheit der Hevelius-Häuser. Erklärung des PMRN Danzig, die nichts erklärt]. In: Dziennik Bałtycki, 16./17. Februar 1957 (Beilage »Rejsy«), [7]. Brocki (wie Anm. 23). Lier (wie Kapitel 4, Anm. 64). Szremowicz (wie Kapitel 4, Anm. 61).



Die Häkergasse oder die Niederlage der Geschichte

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dessen aber wurde das wertvolle Objekt, höchstwahrscheinlich in Zusammenhang mit dem Verzicht auf ein sozrealistisches Bebauungskonzept für den südlichen Teil der Altstadt27 und der Festlegung eines neuen Bebauungskonzeptes, im Jahr 1956 abgerissen.28 Die Vernichtung fragmentarisch erhaltener historischer Architekturdenkmäler war so weit verbreitet, dass sich eine Gruppe von Architekturhistorikern der Technischen Hochschule dazu veranlasst fühlte, auf eigene Faust Aktivitäten zu unternehmen, um die wertvollsten und von einer Abtragung bedrohten Überreste zu kennzeichnen. Im Frühjahr 1953 brachten sie an 31 ausgewählten Objekten Hinweistafeln an, wobei es sich in der Mehrzahl um Überreste von Wohnhausarchitektur handelte.29 Parallel dazu nahmen die erwähnten Architekturhistoriker, die die Vergeblichkeit der Mehrzahl solcher Anstrengungen sahen30, eine Vermessung der noch existierenden Überreste vor und dokumentierten diese entsprechend.31 Neben der Vernichtung größerer historischer Fragmente brachte die auch noch in der späteren Zeit eilig durchgeführte Enttrümmerung weitere Verluste an der historischen Bausubstanz mit sich. Entgegen dem Mythos, dass man die Trümmerhaufen sorgfältig durchsucht habe, mit dem Ziel, wertvolle Bruchstücke von Steinmetzarbeiten oder mittelalterlicher, profilierter Ziegel zu retten32, 27 Siehe Kapitel 4. 28 Dies rief eine heftige Reaktion von Tadeusz Przypkowski hervor: »In Westdeutschland erheben sich bereits Stimmen gegen die polnische Barbarei, es ist also unsere Pflicht, die Namen jener Barbaren aufzudecken, die Polen kompromittieren.« – Barbarzyńskie zniszczenie najcenniejszego zabytku Gdańska [Barbarische Zerstörung des wertvollsten Kulturdenkmals von Danzig]. In: Problemy 5 (1957), 350–354. Es ist mir nicht gelungen festzustellen, auf welche deutschen Äußerungen Przypkowski sich hier bezieht. Von den mir bekannten westdeutschen Texten zum Thema des Wiederaufbaus von Danzig wurde keiner in der Zeit zwischen dem Abriss der Häuser und dem Text von Przypkowski veröffentlicht. Zur Zerstörung des Hevelius-Hauses siehe auch: Notatki [Notizen]. In: Materiały z Zakresu Historii Techniki, Gospodarki i Terminologii Morskiej, 12 (1956), 318; Brocki, Z.: Położyć kres wandalizmowi [Schluss mit dem Vandalismus]. In: Tygodnik Zachodni 41 (1957), 5. In der Zeitschrift »Problemy« unterstützte die bekannt polnische Schriftstellerin Maria Dąbrowska die Haltung Przypkowskis: Dąbrowska, M.: Małe uzupełnienie [Kleine Ergänzung]. In: Problemy, 7 (1957), 518. 29 »Obiekt zabytkowy« powierzono opiece społeczeństwa [»Historisches Objekt« der Fürsorge der Gesellschaft anvertraut]. In: Dziennik Bałtycki, 8. Mai 1953, 3. – Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 223, dort auch eine Fotografie eines entsprechend gekennzeichneten Fragmentes einer Fassadenprofilierung (226). 30 Schon 1959 stellt Stankiewicz fest: »Von den nach 1945 zahlreich erhaltenen und entdeckten gotischen Scheidemauern (die sich manchmal in sehr gutem Zustand befanden) […] ist beim Wiederaufbau keine einzige [Hervorhebung im Original] erhalten worden, obwohl die technischen Bedingungen dies erlaubt hätten und – nicht selten – der Innenraum entsprechend entworfen wurde.« – Stankiewicz: Uwagi o odbudowie … (wie Einführung Anm. 12), 170. 31 Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 170. 32 In ganz besonderer Reinform kommt dieser Mythos in den Worten Edgar Milewskis am Ende eines Danzig gewidmeten Bildbandes zum Ausdruck: »Ich weiß nicht, wer zuerst eine gerettete

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führte nur eine relativ kleine Gruppe von Leuten solche Sucharbeiten durch, wobei Maciej Kilarski, der Sohn von Jan Kilarski, wahrscheinlich das größte Engagement bewies.33 Ein vom Wojewodschaftsdenkmalpfleger in der Johanniskirche eingerichtetes Lapidarium34 füllte sich mit zahlreichen Fragmenten des einstigen Bauschmucks. Leider kam es selten vor, dass die dort aufbewahrten Objekte zur Grundlage von Rekonstruktionsentwürfen wurden, die die Möglichkeit berücksichtigt hätten, sie in die Struktur eines wiederhergestellten Bauwerks einzubeziehen. Darüber hinaus dezimierte Vandalismus die schlecht gesicherten Sammlungen des Lapidariums.35 Die nächste Frage, die sich nicht unter der Berücksichtigung denkmalpflegerischer Forderungen lösen ließ, war das Problem der Hofgebäude. Die Rechtstadt war bis 1945 mit Blockinnenbebauungen verschiedener Weise und Qualität ausgefüllt. Obwohl die Mehrzahl davon ohne besonderen historischen Wert war, gab es doch auch Objekte von außergewöhnlicher Bedeutung. Nahezu alle fielen einem Wiederaufbaukonzept zum Opfer, das eine Befreiung der Höfe von einer derartigen

Figur aufhob. Ich weiß nicht, ob es der niedergestürzte Kopf der Göttin der Gerechtigkeit war, der zum Flug ausgebreitete Flügel eines Vogels oder die Fratze eines mittelalterlichen Maskarons. Aber genau so fing es an. Mit Spaten, Spitzhacken, Sieben wurde Meter um Meter durchsucht.« – Szypowski, M. und A.: Serce Gdańska odwiecznego portu Rzeczypospolitej Polskiej. Ratusz Głównego Miasta i Dwór Artusa [Das Herz Danzigs, Hafen der Republik Polen seit ewigen Zeiten. Rechtstädtisches Rathaus und Artushof]. Warszawa [1996?], 187. 33 Zur Rolle Kilarskis in dieser Aktion siehe u.  a.: Wysocki (wie Kapitel 5, Anm. 66), 59. Kilarski führte auch eine Fortbildungsaktion unter den Fuhrleuten, die die Trümmer abtransportierten durch, um sie für den historischen Wert auch unscheinbarer architektonischer Bruchstücke zu sensibilisieren, was auch gewisse Resultate erbrachte. – Kilarski, M. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 2, (wie Einführung Anm. 32), 111. Darüber hinaus veröffentlichte er im Dziennik Bałtycki entsprechende Texte, wobei er auch die leider zahlreichen Fälle der Zerstörung von Baudenkmälern anprangerte. Zu den wichtigsten dieser Texte gehören: Gdańskie obrazki [Danziger Szenen]. In: Dziennik Bałtycki, 18./19. Oktober 1953 (Beilage »Rejsy«), [7  f.]. – Skarby wśród gruzu [Schätze unter Trümmern]. In: Dziennik Bałtycki, 4./5. April 1954 (Beilage »Rejsy«), [6]. – Sprawa elbląskich zabytków [Das Problem der Elbinger Baudenkmäler]. In: Dziennik Bałtycki, 1./2. August 1954 (Beilage »Rejsy«), [7]. Letzterer Text betrifft Elbing, doch die in ihm beschriebene Art und Weise und die Motive für eine Zerstörung von Baudenkmälern könnte man mit Sicherheit auch auf Danzig beziehen. 34 Nach Stankiewicz traf der Denkmalpfleger Mieszkowski diese Entscheidung Ende 1952, wobei er gleichzeitig empfohlen habe, die Sammlung fotografisch zu dokumentieren. – Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 221. 35 Bara, Z. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 268. An dieser Stelle kann ich mich auch auf eigene Erfahrungen berufen. Noch zu Beginn der 90er Jahre konnte man völlig problemlos in die Johanniskirche hineingehen, wo einstmals sehr wertvolle Steinfragmente ohne jeden Schutz gelagert wurden, darunter Bruchstücke mittelalterlicher Beischlagsplatten. Siehe: Ciemnołoński, J., u. a.: Notatki o odkryciach architektonicznych na terenie Gdańska [Notizen zu architektonischen Entdeckungen auf dem Gebiet von Danzig]. In: Rocznik Gdański 14 (1955), 445–450.



Die Häkergasse oder die Niederlage der Geschichte

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Bebauung vorsah. In gerade einmal zwei Fällen wurde der Versuch unternommen, die Bauten zu erhalten, wovon nur einer erfolgreich endete.36 Diese Probleme resultierten aus einer mangelnden Wertschätzung der originalen historischen Bausubstanz beim Wiederaufbau. Während man in der Anfangszeit diesen Mangel mit ökonomischen Ursachen erklären konnte, mit dem Ausmaß ungelöster, zur Eile zwingender Probleme, ja sogar mit der Unmöglichkeit, Umfang und Spezifik der denkmalpflegerischen Materie sofort zu erfassen37, so muss man in der späteren Zeit seine Grundlage in einem relativ geringen, aus einer spezifischen Optik resultierenden Interesse sehen, die eher auf die äußerlichen Attribute einer »historischen« Form Wert legte als auf ganz grundsätzliche Fragen.38 So ist

36 Dank der Bemühungen des Wojewodschaftsdenkmalpflegers wurden Fragmente eines eingewölbten Hofgebäudes an der ul. Długa 38 gerettet. Ein besonders wertvolles Element des Gebäudes ist ein nachträglich eingemauertes Portal aus dem 16. Jahrhundert. Kazimierz Macur fertigte Ende 1952 Entwürfe zur Sicherung und Einpassung des historischen Objektes an (APG 1153/565, 566). Ein unglücklicher Umstand war die Notwendigkeit, das Hofgebäude in einen an dieser Stelle erbauten Kindergarten zu integrieren, was zu seiner Zerstörung in späteren Jahren beitrug. Ein weiterer misslungener Versuch zur Erhaltung der Hofbebauung betrifft den Blockinnenraum zwischen ul. Chlebnicka, ul. Dziana, ul. Mariacka und ul. Grząska. Stankiewicz meint, dass trotz »einer positiven Haltung aller Betroffenen, den Investor eingeschlossen, und obwohl alle Mauern vermessen und fotografiert wurden, wurde die Idee selbst im Verlauf der Projektierung und Realisierung restlos zerstört. Natürlich wurden irgendwelche Hofgebäude ausgebaut, sogar mit Verbindungsstücken, aber sie haben nichts mit der einstigen historischen Anlage gemeinsam, nicht einmal ein Bruchstück des alten Gemäuers.« – Stankiewicz: Uwagi o odbudowie … (wie Einführung Anm. 12), 171. – Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 224. 37 Diesen frühen Zeitraum hat Jan Borowski in der griffigen Formel zusammengefasst: »Der Eifer überstieg den Verstand.« – Zrobiono wszystko, co było możliwe dla uratowania zabytków starego Gdańska. Co mówi na ten temat konserwator wojewódzki, prof. Borowski [Es wurde alles getan, was möglich war, um die Baudenkmäler des alten Danzig zu retten. Was der Wojewodschaftsdenkmalpfleger Prof. Borowski dazu sagt]. In: Dziennik Bałtycki, 25. November 1950, 3. Siehe auch Kapitel 1 der vorliegenden Arbeit. 38 Dieses Problem wurde schon in der ersten Hälfte der 50er Jahre erkannt: Ciemnołoński (wie Einführung Anm. 7). – Bobiński: Problemy i trudności … (wie Einführung Anm. 10), bes. 211. Es taucht später in zahlreichen Veröffentlichungen von Jerzy Stankiewicz wieder auf und kulminiert gewissermaßen in einer Äußerung aus der Mitte der 70er Jahre: »Die Rekonstruktion altstädtischer Bauensembles, die von der Gesellschaft – hauptsächlich aus emotionalen Gründen – recht allgemein akzeptiert worden ist, wie auch die im Bewusstsein mehrerer Generationen gewachsene Überzeugung, dass eine solche Rekonstruktion die einzige und sicher auch angemessenste Form ›denkmalpflegerischer‹ Tätigkeit sei, haben in weiten Kreisen der Gesellschaft eine unangemessene Auffassung vieler Probleme nach sich gezogen, vor allem eine Verzerrung des Begriffs der ›Denkmalpflege‹. Mehr noch, die spezifische ›polnische Schule der Denkmalpflege‹ in der Nachkriegszeit hat leider auch die Spezialisten tief geprägt, die die Prinzipien jener Schule im Land umgesetzt haben […]. Zu Ungunsten der eigentlichen Denkmalpflege wirkte […] die Leichtigkeit, mit welcher wir die kostbarsten Formen und komplexesten Anlagen wieder zum Leben erweckt haben, gleichzeitig mit dem auf der Hand liegenden offensichtlichen praktischen Nutzen, der aus der technischen, konstruktiven und funktionalen Qualität der Projektierung und Errichtung von

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zum Beispiel die Sorgfalt erstaunlich, die die Denkmalpfleger bei der Bewertung der ihnen zur Annahme vorgelegten Architekturentwürfe auf Details wie Gesimsprofile oder die Form von Türklinken verwendeten39, während sie grundsätzliche Fragen wie Bebauungstiefe oder Dielenhöhe ignorierten.40 Bei dieser Gelegenheit ist es angebracht, jenem Aspekt der »Niederlage der Geschichte« etwas Aufmerksamkeit zu widmen, der sich nicht in einem Verlust historischer Bausubstanz, sondern im Verzicht auf bzw. die Ablehnung von architektonischen Traditionen Danzigs äußert.41 Eines der Schlüsselprobleme ist hier gerade die Frage der sogenannten Danziger Dielen, die eines der wichtigsten Phänomene der lokalen Bauspezifik darstellen. In den Rekonstruktionsentwürfen wurden die traditionellen, hohen Dielen in der Regel nicht berücksichtigt, da sie mit den damals geltenden Bauvorgaben kollidierten.42 Doch sogar dort, wo es wegen des außergewöhnlichen historischen Ranges gelang, die Diele in voller Höhe zu rekonstruieren, wurde ihr Inneres nicht wiederhergestellt. Zwar nahm man Entwurfsarbeiten in der Absicht vor, die Diele des Uphagenhauses43 oder des »Löwenschloss« genannten Hauses in der ul. Długa 3544 wiederherzustellen, doch das erste und für lange Zeit einzige45 Dieleninnere, bei dem man sich bemühte, ein historisches Ambiente zu suggerieren – wenn auch nicht auf dem Wege der Rekonstruktion, sondern der Stilisierung – war das Innere des sogenannten Hauses der Polnischen Könige an der ul. Długa 45.46 Das in keiner Weise mit den historischen oder zumindest histo-

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Objekten und Komplexen resultierte, die vollständig neu rekonstruiert wurden.«  – Stankiewicz: Kilka refleksji … (wie Einführung Anm. 12), 226. Das Prozedere erforderte eine Absegnung der Entwürfe durch die Denkmalpflege. Der Denkmalpfleger konnte einen Entwurf annehmen, ablehnen oder Korrekturen verlangen. Besonders in letzterem Fall lässt sich die Sorgfalt in Detailfragen erkennen. Vielleicht muss man die Erklärung für diesen erstaunlichen Umstand in der Tatsache suchen, dass die Annahmen der Denkmalpflege sich in der Regel ausschließlich auf die Fassaden und die Rückfassaden sowie deren Bauschmuck beziehen. Dies könnte darauf hinweisen, dass ein Grundsatz existierte (dessen schriftliche Aufzeichnung – wenn es denn überhaupt eine gab – ich nicht kenne), der die Kompetenzen des Denkmalpflegers in Bezug auf allgemeine Probleme städtebaulicher Entwürfe ausschließlich auf Fragen beschränkte, die die äußere »Hülle« betrafen. In Bezug auf städtbauliche Fragen greife ich dieses Problem in Kapitel 8 auf. Zu Versuchen, diese zu umgehen, welche tatsächlich nur in der ul. Mariacka von Erfolg gekrönt wurden: Kadłubowski (wie Kapitel 4, Anm. 23), 248 f. Über die in den 50er Jahren unternommenen Anstrengungen, das historische Innere dieses Hauses zu rekonstruieren, das nach dem Krieg in bedeutendem Maße gerettet werden konnte, siehe: Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 211 f. Stankiewicz (wie Kapitel 1, Anm. 41), 212. Dazu außerdem: Za dębowymi drzwiami ... [Hinter Eichentüren …]. In: Dziennik Bałtycki, 9./10. Januar 1955 (Beilage »Rejsy«), [7]. Tatsächlich bis in die 90er Jahre, als endlich das Innere des Uphagen-Hauses rekonstruiert und das Innere der sogenannten Danziger Diele am Długi Targ 43 neu gestaltet wurden. Wysocki (wie Kapitel 5, Anm. 66), 60 f.



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risierenden Fassaden korrespondierende Innere der Danziger Häuser hielten schon die Zeitgenossen für die Achillesferse des Wiederaufbaus. Diese streng genommen skizzenhaften Anmerkungen zu den im Verlauf des Wiederaufbaus vergebenen Chancen, die rekonstruierte Stadt mit originalen Elementen der historischen Bausubstanz und das alte Danzig charakterisierenden Architekturformen anzureichern, möchte ich mit einer Reflexion abschließen, deren Ausgangspunkt die von Stankiewicz angestellte Betrachtung der Unterschiede im Wiederaufbau Danzigs auf der einen, und Warschaus sowie Posens auf der anderen Seite ist. Er behauptet, dass sowohl in Warschau wie auch in Posen, deren Zerstörungen mit denen Danzigs vergleichbar waren, die Frage des Schutzes und der Einbeziehung architektonischer Überreste auf wesentlich mehr Verständnis gestoßen sei als in Danzig. Resultierend gebe es dort eine relativ große Anzahl von Dielen, die dank erhaltener originaler Fragmente »den Geist des Authentischen atmen«, im Gegensatz zu den »toten« Innenräumen Danziger Häuser.47 Es scheint, dass jene Warschauer bzw. Posener Ehrfurcht vor den geretteten Bruchstücken der materiellen Vergangenheit der Stadt von einer elementaren Verbundenheit herrührt, die aus einer Verwurzelung in dieser Vergangenheit resultiert.48 Letzteres Element fehlte wahrscheinlich beim Wiederaufbau Danzigs. Ich sage dies trotz meiner Bewunderung für die Baumeister des Danzigs der Nachkriegszeit und besonders für diejenigen, denen es gelang, jenen Wert des Authentischen auch an der Mottlau zu erkennen. Es sei dennoch daran erinnert, dass der Wiederaufbau Danzigs ähnlichen Aktivitäten in anderen Städten vorausging und daher zwangsläufig gerade in Danzig mit Sicherheit die meisten Fehler begangen wurden. Dieser spezifischen, experimentellen Rolle waren sich die Zeitgenossen bewusst, die Danzig »ein großes Probelabor für Stadtplaner, Architekten und Denkmalpfleger« nannten und erkannten, dass die Danziger Erfahrungen »zur Richtlinie für später ausgearbeitete Entwürfe anderer Städte wurden«.49

47 Stankiewicz: Kilka refleksji … (wie Einführung Anm. 12), 226. 48 Siehe eine Äußerung von Henryk Frey, dem damaligen Direktor der Baudirektion Arbeitersiedlungen in Danzig, der die denkmalpflegerische Konzeption des Wiederaufbaus von Warschau als »zu extrem« bezeichnete. – Frey (wie Kapitel 2, Anm. 62), 123. 49 Ciołek/Ciborowski (wie Kapitel 3, Anm. 35), 15. Einen ähnlichen, lapidar ausgedrückten Gedanken enthält eine andere Veröffentlichung in derselben Zeitschrift: »Danzig ist Beispiel und Methode« – Wróblewski, A.: Cyfry i co za nimi się kryje? (Wrażenia z objazdu Ziem Zachodnich) [Zahlen und was verbirgt sich dahinter? (Eindrücke von einer Reise durch die Westgebiete)]. In: Miasto 3 (1953), 30. Auch Piotr Zaremba erkannte: »Wahrscheinlich hat Danzig als erste der Städte in Polen ein realistisches Programm für seinen Wiederaufbau erstellt«. – Mit dieser Feststellung umfasste er den Wiederaufbau sowohl historischer wie auch neuer Stadtviertel. – Zaremba, P.: Problematyka urbanistyczna miasta odbudowywanego [Städtebauliche Probleme einer wiederaufgebauten Stadt]. In: Miasto 5 (1954), 15.

Kapitel 7 D a s Theater am Kohlenmarkt oder der Triumph der Moderne

Das Theater am Targ Węglowy / Kohlenmarkt stellte eines der interessantesten Werke des Klassizismus in der Architektur Danzigs dar, und trotz eines missglückten Umbaus in den 30er Jahren1 und gravierender Kriegsschäden war es auch nach 1945 noch ein wichtiges, ja einzigartiges Baudenkmal. Auf der Grundlage historischer Aufnahmen2 ist es natürlich schwierig, den technischen Zustand des teilweise erhaltenen Objektes zu beurteilen, gleichwohl schrieb man noch 1952 von einem »relativ gut erhaltenen Skelett des modernen Theaters«.3 Wenn es um die Außenfassaden geht, so hatten sie, obgleich von Kugeln und Granatsplittern schwer gezeichnet, im Ganzen die Vorkriegsgestalt des Gebäudes bewahrt. Der gravierendste Verlust war die Zerstörung des östlichen Teils des Säulenportikus’, der aber in den folgenden Jahren rekonstruiert wurde.4 Obwohl Jan Kilarski schon 1947 schrieb, dass ein Wiederaufbau des Theaters beschlossen sei5, wurde über 10 Nachkriegsjahre hindurch keine verbindliche Entscheidung über seine Zukunft getroffen. Unter solchen Umständen war es unvermeidlich, dass das teilweise gerettete Bauwerk verfiel6, und man begann sogar davon zu sprechen, seine Überreste abzutragen.7 Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Objekt zu jener Zeit nicht das Interesse sowohl der Stadtregierung, als auch der Bewohner selbst geweckt hätte. Es wurden zahlreiche Besprechungen und Konferenzen organisiert, und der Volksrat der Stadt sowie die Parteiorgane schickten 1 Zur Geschichte des Theaters: Krause, W.: Das Danziger Theater und sein Erbauer Carl Samuel Held. Danzig 1936 (zum erwähnten Umbau 26 f.). 2 Zum Beispiel in: Tusk (wie Kapitel 1, Anm. 21), 64 f. 3 Kiedy w Gdańsku stanie teatr? [Wann wird das Theater in Danzig stehen?]. In: Dziennik Bałtycki, 10. September 1952, 3. Seinen guten technischen Zustand verdankte das Gebäude zweifelsohne den in den 20er und 30er Jahren durchgeführten Arbeiten, obgleich bei letzteren weitgehende Eingriffe sowohl in die Bausubstanz, wie auch in die Gestalt des an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert errichteten Baus vorgenommen worden waren. 4 Siehe in späteren Jahren in der Presse veröffentlichte Aufnahmen: Dziennik Bałtycki, 11. Oktober 1956, 2. – Głos Wybrzeża, 27. Juni 1956, 3. 5 Kilarski (wie Kapitel 1, Anm. 15), 86. Scheinbar wurde diese Entscheidung 1946 getroffen, dazu Spyra, S.: Teatr-widmo [Das Theatergespenst]. In: Głos Wybrzeża, 27. Juni 1956, 3. 6 Michał Bojakowski erinnert sich, dass es eine Fundgrube für Baumaterialien gewesen sei: Bojakowski, M. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 1 (wie Einführung Anm. 32), 111. 7 Gabrielewicz, W.: O teatrze przy Placu (sic) Węglowym rozmawiamy z Głównym projektantem [Gespräch mit dem obersten Entwurfsplaner über das Theater am Plac (sic) Węglowy]. In: Głos Wybrzeża, 29. Januar 1958, 5.

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Briefe an die Zentralregierung.8 Und auch in einer Erklärung, die im Zusammenhang mit den Wahlen zum Volksrat der Wojewodschaft im Dezember 1954 herausgegeben wurde, ist zu lesen: »Wir werden mit dem Wiederaufbau einer Einrichtung beginnen, deren Fehlen wir alle so sehr spüren: dem Theater am Targ Węglowy.«9 Verständlicherweise bemühte sich auch die Direktion des Theaters Wybrzeże um den Wiederaufbau des Gebäudes, unter anderem, indem sie 1954 das Wojewodschaftskomitee der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei um eine Intervention in dieser Angelegenheit bat.10 Man unternahm auch konkretere Schritte: 1948 erarbeitete Witold Minkiewicz einen ersten, sicher allgemeinen Wiederaufbauplan, der einen Ausbau des Zuschauerraums auf etwa 1.100 Plätze vorsah11, es wurde ein, offenbar zwar unvollständiges, Inventar erarbeitet12, und 1952 führte man einen Architekturwettbewerb durch, der über die Zukunft des Objektes entscheiden sollte. An dem Wettbewerb nahmen zwei Architektenteams aus Danzig und eines aus Posen teil.13 Anfangs wurde der Entwurf des Posener »Miastoprojekt« von einer Kommission beim Minister für Kultur und Kunst angenommen14, welcher jedoch die existierenden Fragmente des Bauwerks überhaupt nicht berücksichtigte, was bei einer eventuellen Realisierung mit einer Erhöhung der Wiederaufbaukosten bzw. in diesem Fall 8 Spyra (wie Anm. 5). 9 Własną pracą tworzymy coraz lepsze i dostatniejsze życie [Durch eigene Arbeit schaffen wir ein immer besseres und komfortableres Leben]. In: Dziennik Bałtycki, 5./6. Dezember 1954, 3. Eine Willenserklärung zum Wiederaufbau des Theaters enthält das »Wahlprogramm des Wojewodschaftskomitees der Nationalen Front in Danzig«, vollständig veröffentlicht in: Dziennik Bałtycki, 19. Oktober 1954, 2. Mit Bezug auf den das Theater betreffenden Programmpunkt schreibt Stanisław Spyra 1956: »Die vielfachen Bemühungen um das Theater, die Hierarchie der kulturellen Bedürfnisse der Bewohner der Dreistadt, an deren Spitze eben der Wiederaufbau dieses Theaters steht [Die Betonung dieses konkreten Gebäudes hing vielleicht damit zusammen, dass in der Propaganda der früheren Jahre oft vom Bau mehrerer Theater in der Dreistadt die Rede gewesen war, J. F.], waren eine perfekte Begründung dafür, dass es richtig gewesen war, diesen Punkt in das Wahlprogramm einzubeziehen. Und es ist kein bisschen übertrieben, wenn wir hinzufügen, dass die Wähler, die ihre Stimme für die Liste der Nationalen Front abgaben, dieses Programm unterstützten und gleichzeitig seine Realisierung forderten, da sie in ihm u. a. die Erfüllung ihrer Träume von einem richtigen Theater sahen, einer Schmiede der Theaterbewegung der Danziger Küstenregion.« – Spyra (wie Anm. 5). 10 Spyra (wie Anm. 5). 11 Spyra (wie Anm. 5). 12 W sprawie teatru, która budzi powszechne zdziwienie [In der Theater-Angelegenheit, die allgemeine Verwunderung hervorruft]. In: Dziennik Bałtycki, 8. Juli 1954, 3. 13 Kadłubowski (wie Kapitel 4, Anm. 23), 253 f. – Jak przedstawia się sprawa odbudowy teatru przy Targu Węglowym w Gdańsku [Wie sich die Angelegenheit des Wiederaufbaus des Theaters am Targ Węglowy in Danzig darstellt]. In: Dziennik Bałtycki, 31. Mai 1956, 3, wo im Übrigen das Datum des Wettbewerbs falsch angegeben ist. 14 Kadłubowski, L.: Teatr na Targu Węglowym. Projektowanie i budowa [Das Theater am Targ Węglowy. Projektierung und Bau]. In: Dziennik Bałtycki, 11./12. November 1956, 5.



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der Kosten für einen Bau von den Fundamenten an verbunden gewesen wäre. Ein ebenfalls gegen diesen Entwurf sprechendes Argument war seine städtebauliche Konzeption, in der das Hauptgebäude des Theaters sich am Targ Drzewny / Holzmarkt erheben sollte und damit das Panorama der wiederaufgebauten Rechtstadt verdeckt hätte. Wie es scheint, trugen beide Arten von Einwänden, also die ökonomischen15 und die städtebaulichen16 dazu bei, dass der Posener Entwurf schließlich abgelehnt wurde. Zur weiteren Bearbeitung zog man dagegen einen Entwurf von Lech Kadłubowski heran, der den Wiederaufbau des Gebäudes innerhalb der existierenden Umfassungsmauern vorsah, nach der Definition des Architekten in einer »für die zeitgenössische Architektur typischen« Form.17 Erneuter Geldmangel entschied jedoch nach kurzer Zeit über die Einstellung oder zumindest Aufschiebung sämtlicher mit der Wiederherstellung des Theaters am Targ Węglowy zusammenhängender Arbeiten.18 Das Fehlen einer abschließenden Entscheidung bedeutete nicht im Geringsten, dass das Theater aus dem Blickfeld der Danziger verschwunden wäre. Deren starkes Interesse bezeugt, dass während eines Treffens der Einwohner mit den Bauleuten Danzigs im Juni 1954 gerade die Forderung nach einem Wiederaufbau des Theaters auf größte Zustimmung traf. Sie rief, wie geschrieben wurde, »lebhaften Beifall« hervor19 – und darüber hinaus wurde zahlreiche Briefe in dieser Angelegenheit an die Presse geschickt.20 In der sich wandelnden gesellschaftlichen Wirklichkeit des Jahres 1956 bildete sich offenbar sogar spontan ein Öffentliches Komitee für den Wiederaufbau des Theaters (Społeczny Komitet Odbudowy Teatru)21, und die Leser der Tageszeitung Głos Wybrzeża verlangten, dass zu diesem Zweck das bisher in den Straßenbahnen nicht herausgegebene Restgeld der Fahrkarten verwendet werden sollte.22 Zweifelsohne resultierte ein so großes Inte15 Solche unterstreicht der Autor des Artikels »Jak przedstawia się sprawa odbudowy …« (wie Anm. 13). 16 Auf diese weist Lech Kadłubowski hin, wenn er über die Ablehnung des Posener Entwurfs durch die Städtebaulich-Architektonische Kommission schreibt. – Kadłubowski (wie Kapitel 4, Anm. 23), 254. 17 Kadłubowski (wie Kapitel 4, Anm. 23), 254. Wen man die Entstehungszeit des Entwurfes und den Charakter der damals von Kadłubowski durchgeführten Arbeiten berücksichtigt, dann kann man vermuten, dass dies für den Sozrealismus typische Formen gewesen wären. 18 Kadłubowski (wie Kapitel 4, Anm. 23), 254. – W sprawie teatru … (wie Anm. 12). 19 Dawna Droga Królewska … (wie Kapitel 1, Anm. 99). 20 Jak przedstawia się sprawa odbudowy … (wie Anm. 13). 21 Gawryluk, H.: Mimo poważnych trudności możemy i musimy »zarazić« swoim entuzjazmem nasze władze centralne [Trotz der ernsten Schwierigkeiten müssen wir unsere Zentralregierung mit unserem Enthusiasmus »anstecken«]. In: Dziennik Bałtycki, 9./10. September 1956, 2. – Wspólnym wysiłkiem budujemy teatr w Gdańsku [In gemeinsamer Anstrengung bauen wir in Danzig ein Theater]. In: Głos Wybrzeża, 13. September 1956, 3. 22 Nie wydawane w tramwajach pięciogroszówki przyczynią się do odbudowy teatru [In den Straßenbahnen nicht herausgegebene Groschen werden für Wiederaufbau des Theaters verwendet]. In:

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resse aus dem Wunsch der Öffentlichkeit, endlich unter angemessenen Bedingungen Theatervorführungen sehen zu können23, aber nicht aus einer Verbundenheit mit der klassizistischen Gestalt des Theaters. Hier stellt sich die für die vorliegenden Überlegungen zentrale Frage nach der Gestalt in der man das Theater wiederaufzubauen beabsichtigte – in seiner historischen oder in einer neuen. Dies wurde scheinbar zumindest bis in das Jahr 1956/57 nicht eindeutig entschieden.24 Auf der einen Seite könnten die Absicht Minkiewiczs das Gebäude zu vergrößern, außerdem der völlig neue Entwurf der Posener Architekten und schließlich das »moderne« Konzept von Kadłubowskis Entwurf bezeugen, dass eine ahistorische Option den Vorrang hatte. Doch auf der anderen Seite beschloss man am 17. Dezember 1955, während einer Konferenz beim Generaldenkmalpfleger Jan Zachwatowicz, dass »das Theater wiederaufgebaut werden muss, indem man seine existierenden Grundmauern nutzt«25, was auf die Absicht hinweisen würde, die historische Gestalt zu erhalten, insbesondere in Zusammenhang mit der, wahrscheinlich während derselben Konferenz geäußerten, denkmalpflegerischen Meinung vom »bedeutenden historischen und Denkmalswert« des Objektes.26 Gleichzeitig wurde mit Bezug auf sowjetische Erfahrungen hervorgehoben, dass der Bau eines für mehr als 1.000 Personen ausgelegten Theaters ein Fehler sei, denn es zwinge das Theaterensemble, zu häufig das Repertoire zu wechseln.27 Diese Art von Argumenten konnten eine Erhaltung des Gebäudes in seiner

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Głos Wybrzeża, 2. Oktober 1956, 1. Dem Inhalt der Notiz ist zu entnehmen, dass es ähnliche Aktionen zugunsten der Kultur und des Denkmalschutzes zuvor schon in Krakau gegeben hatte. Zu anderen Initiativen, die das Konto des Wiederaufbaus aufstocken sollten: Prace przy oczyszczaniu budynku teatru są daleko zaawansowane [Aufräumarbeiten im Theatergebäude weit fortgeschritten]. In: Głos Wybrzeża, 4. Oktober 1956, 1, 3. – Zbieramy fanty, kupujemy losy na budowę teatru w Gdańsku [Wir sammeln Pfänder und kaufen Lose für den Bau des Theaters in Danzig]. In: Głos Wybrzeża, 16./17. März 1957, 4. Das Theaterensemble Wybrzeże verfügte über keinen festen Sitz und trat unter anderem im Kulturhaus der Fachschule für Schiffbau, im Haus des Druckers oder im Jugendkulturhaus in Wrzeszcz / Langfuhr auf, was den Journalisten der Zeitung Głos Wybrzeża dazu veranlasste, das Ensemble als »nahezu eine Wandertruppe« zu bezeichnen. – Spyra (wie Anm. 5). Dass die damalige Presse übereinstimmend von einem »Wiederaufbau« und nicht etwa von einem »Ausbau« oder »Umbau« spricht, bedeutet nicht, diesen Wiederaufbau als Erhaltung oder Wiederherstellung der historischen Baugestalt zu verstehen. Dies wird etwa dadurch bezeugt, dass der Terminus Wiederaufbau auch dann benutzt wird, wenn von Minkiewiczs Entwurf die Rede ist, der einen Ausbau des Zuschauerraums vorsah, was in der Konsequenz auch eine Umgestaltung der äußeren Form nach sich ziehen musste, siehe auch Spyra (wie Anm. 5). Dennoch ist es wohl kein reiner Zufall, dass die Bezeichnung »Bau« erstmals einige Monate nachdem Lech Kadłubowski die Arbeit an seinem neuen und diesmal bereits modernen Entwurf begonnen hatte erscheint. – Zbieramy fanty … (wie Anm. 22), 4. Jak przedstawia się sprawa odbudowy … (wie Anm. 13). Spyra (wie Anm. 5). Jak przedstawia się sprawa odbudowy … (wie Anm. 13).



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Vorkriegsgestalt begünstigen, gleichwohl beantworteten sie natürlich nicht die Frage nach seiner architektonischen Form. Im September 1956 ging man an die vorbereitenden Arbeiten, die vor allem das Ziel hatten, das Gebäude und das anschließende Gelände zu sichern und zu enttrümmern28 sowie es für die vorgesehenen Bauarbeiten vorzubereiten, worüber beide lokale Tageszeitungen ihre Leser auf den Titelseiten informierten.29 Dabei wurde festgelegt, dass einzig die Elemente abgetragen werden sollten, die sich offensichtlich nicht für eine Verwendung beim Wiederaufbau eigneten, die übrigen Fragmente sollten erhalten werden, was ebenfalls bezeugen könnte, dass man immer noch die Möglichkeit in Erwägung zog, die historische Gestalt beizubehalten. Ein noch überzeugenderer Beleg dafür ist die Abstützung des Säulenportikus’.30 Gleichwohl nimmt Kadłubowski Ende 1956 die Arbeiten wieder auf, zuerst an einem vorläufigen Entwurf31, und nach der Bewilligung bedeutenderer Mittel im folgenden Jahr32 auch an den technischen Details. Im Resultat schafft der Architekt einen Bau, der – wenngleich im Entwurf die nutzbaren Konstruktionselemente berücksichtigt sind33 – die klassizistische Gestalt nicht wiederherstellt und dezidiert moderne Formen präsentiert34 (Abb. 80–82). Dieser Plan wurde zuerst von der Kommission für Städtebau und Architektur der Wojewodschaft und dann von ihrem zentralen Pendant angenommen.35 28 An der Enttrümmerung beteiligten sich viele Freiwillige, was sich als eine weitere Bestätigung des gesellschaftlichen Engagements betrachten lässt. – Buduje się teatr ogromny [Ein riesiges Theater wird gebaut]. In: Głos Wybrzeża, 16. Oktober 1956, 1. 29 Małe, ale zwycięstwo! Dziś rozpoczyna się odgruzowanie teatru na Targu Węglowym w Gdańsku [Klein, aber ein Sieg! Heute beginnt die Enttrümmerung des Theaters am Targ Węglowy in Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 25. September 1955, 1. – Rozpoczyna się odgruzowanie teatru w Gdańsku [Enttrümmerung des Theaters in Danzig beginnt]. In: Głos Wybrzeża, 25. September 1956, 1. – Władze wojewódzkie przyznały 210.000 zł na najpilniejsze roboty związane z odbudową teatru w Gdańsku [Wojewodschaftsregierung genehmigt 210.000 Zł. für dringendste Arbeiten im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Theaters in Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 26. September 1956, 1. 30 Wieści z placu boju o teatr [Nachrichten vom Theater-Kampfplatz]. In: Dziennik Bałtycki, 11. Oktober 1956, 2. 31 Kadłubowski (wie Anm. 14). 32 Kadłubowski (wie Kapitel 4, Anm. 23), 254. 33 Kadłubowski selbst schätzte den Wert der erhaltenen Elemente auf 40 % des Rohbaus. – Gabrielewicz (wie Anm. 7). 34 Als »modern« im Sinne von »modernistisch« wurde Kadłubowskis Entwurf scheinbar erstmals im folgenden Artikel bezeichnet: Zwyciężył rozsądek! Wstępny projekt budowy gmachu teatru w Gdańsku zatwierdzono [Die Vernunft hat gesiegt! Erster Entwurf für Theaterbau in Danzig bestätigt]. In: Dziennik Bałtycki, 11. Oktober 1957, 3. 35 Zwyciężył rozsądek … (wie Anm. 34). Dieselbe Publikation enthält Informationen über letzte Versuche der sogenannten »Denkmaligen« zumindest den Säulenportikus zu retten. Weitere Publikationen, die die Bemühungen und Arbeiten rund um den Bau des Theaters dokumentieren: Ziegenhierte, J.: Zgasła przedwczesna radość teatromanów. Odbudowa teatru w Gdańsku znów

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Kapitel 7

Was entschied nun aber darüber, dass man 1957 endgültig die Möglichkeit begrub, das einzige, wenn auch, wie ich noch einmal unterstreichen möchte, im 20. Jahrhundert stark umgestaltete, monumentale Baudenkmal des Klassizismus in Danzig zu erhalten? Ursachen gab es sicher viele, auf zwei soll hier hingewiesen werden. Erstens auf das spezifische Verhältnis zum Erbe des Klassizismus in Danzig in der Nachkriegszeit, und zum zweiten auf das Phänomen der Neubewertung der Architektur der Moderne Mitte der 50er Jahre. In der zweiten Ursache sehe ich die Grundlage für die hier besprochene Frage, doch würde ich auch die erste nicht unterschätzen. Der Klassizismus war in der Architektur des Sozrealismus eine allgemein akzeptierte Formensprache, der monumentalistische Wesenszüge erfahrungsgemäß nicht fremd waren.36 Es könnte also scheinen, als hätte sich das Theater in den Jahren, in denen die sozrealistische Doktrin allgemein verbindlich war, besonderer Beachtung erfreuen müssen. Dem war aber nicht so. Die Ursachen dafür sind wohl in der besonderen Situation Danzigs zu suchen, die sich zum Beispiel von der in Warschau unterschied. Denn während man in der Hauptstadt die Abwandlungen des Neoklassizismus aus der Zeit von König Stanisław August Poniatowski und später ohne Schwierigkeiten mit der polnischen Tradition und daraus folgend mit der vom Sozrealismus so nachdrücklich geforderten nationalen Form identifizieren konnte, verband sich der Neoklassizismus in Danzig zeitlich nicht mit der so sehr betonten Polonität der Stadt, sondern im Gegenteil fiel seine Entwicklung in die ersten Jahrzehnte der preußischen Herrschaft. Belege für eine solche Sicht des Danziger Klassizismus kann man in den Aufzeichnungen der Diskussion finden, die 1952 im Zusammenhang mit der geplanten Bebauung der ul. Szeroka geführt wurde.37 In ihrem Verlauf stellte Piotr Biegański als Repräsentant des Ministeriums für Kultur und Kunst und einer der uległa zwłoce [Verfrühte Freude der Theaterverrückten verflogen. Wiederaufbau des Theaters in Danzig erneut verschoben]. In: Dziennik Bałtycki, 26./27. Januar 1958, 5. – 5 mln. zł z budżetu Min. Kultury. Odbudowa teatru w Gdańsku rusza z martwego punktu [5 Mio. Zł. aus dem Budget des Kulturministeriums. Wiederaufbau des Theaters in Danzig überwindet toten Punkt]. In: Głos Wybrzeża, 16.  Juni 1958, 1. – Dyskusje nad projektem nowego Teatru w Gdańsku dobiegają końca [Diskussionen über Entwurf des neuen Theaters in Danzig nähern sich ihrem Ende]. In: Głos Wybrzeża, 13. August 1958, 3. – Nieodwracalnie w lutym rusza pełną parą budowa teatru w Gdańsku [Im Februar geht endgültig der Bau des Theaters in Danzig mit Volldampf los]. In: Głos Wybrzeża, 20./21. Januar 1959, 1 f. – Rozmawiamy z głównym projektantem inż. Kadłubowskim. Już w lutym rusza odbudowa teatru w Gdańsku [Gespräch mit dem führenden Entwurfsplaner Ing. Kadłubowski. Schon im Februar geht der Wiederaufbau des Theaters in Danzig los]. In: Dziennik Bałtycki, 21. Januar 1959, 1 f. – Akt erekcyjny pod teatr w Gdańsku [Gründungsakt für das Theater in Danzig]. In: Dziennik Bałtycki, 17. Juni 1959, 1. – Rozpoczęcie budowy teatru na Targu Drzewnym. 19 czerwca położenie kamienia węgielnego [Beginn des Theaterbaus am Targ Drzewny. Grundsteinlegung am 19. Juni]. In: Głos Wybrzeża, 17. Juni 1959, 1. 36 Siehe Kapitel 4. 37 Siehe Kapitel 5.



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führenden Urheber der Konzeption zum Wiederaufbau des historischen Danzigs eine bezeichnende Frage in Bezug auf die von den Entwurfsplanern der ul. Szeroka gewählten stilistischen Optionen: »Wenn man die schwierige Aufgabe einer kreativen Nutzung der architektonischen Errungenschaften Danzigs übernommen hat, dann wohl nicht, um auf dieser Straße alle Architekturstile Danzigs wiederaufzunehmen. Daraus folgt die Frage, ob es richtig war, die klassizistische, besonders hässliche Epoche des 19. Jahrhunderts auszuwählen, oder ob man sich in der Architektur nicht eher auf jene Zeiten stützen sollte, als Danzig vom historischen Gesichtspunkt her polnischer war […], ob man diesen Gesichtspunkt nicht beachten und zur Interpretation einer anderen Stilepoche übergehen müsste, die polnischer und einheitlicher mit Danzig verknüpft wäre.«38 Der Danziger Stanisław Bobiński stimmte ihm zu und sprach von der klassizistischen Architektur als von »der schlimmsten Architektur Danzigs«.39 Die sich auf diese Weise offenbarende und meiner Meinung nach eher politisch als ästhetisch motivierte negative Haltung gegenüber der Danziger klassizistischen Architektur könnte zum Teil den Verzicht auf die historische Option einer Rekonstruktion des Theatergebäudes erklären. Eine wichtigere Ursache ist in der schrittweisen Distanzierung vom Sozrealismus Mitte der 50er Jahre und dem damit verbundenen Prozess einer Neubewertung der Traditionen der Moderne zu sehen. Ein erster wichtiger Impuls zum Wandel war ein Referat von Nikita Chruschtschow auf der Allunionsversammlung der Baufachleute und Architekten in Moskau im Dezember 1954.40 Der in ausführlichen Auszügen in der Trybuna Ludu abgedruckte Text des Referates wurde unter Architekten zur Pflichtlektüre. »In jedem Architekturbüro«, so Jerzy Łoziński und Stanisław Staszewski, »wurde diese Nummer der Trybuna Ludu wie keine andere gelesen. Nahezu jedes Wort war wichtig.«41 Was die polnischen Architekten so in Aufregung versetzte, war eine Kritik der bisherigen sowjetischen Praxis auf dem Gebiet der Architektur oder eher des Bauwesens. Wie Waldemar Baraniewski fest38 Protokoll vom zweiten Tag der Beratungen der vom Ministerium für Kultur und Kunst in Danzig am 9. und 10. Mai in der Angelegenheit der Bebauung der ul. Szeroka in der Hauptstadt Danzig einberufenen Versammlung (APG 1153/4481), 14. Im weiteren Verlauf der Diskussion formuliert Biegański allgemeine Prinzipien für den Wiederaufbau der ul. Szeroka, wobei er seine dezidiert negative Haltung zum Klassizismus beibehält: »Die Architektur der Epoche des Klassizismus sollte nicht verwendet werden.« (22). 39 APG 1153/4481 (wie Anm. 38), 11. 40 Baraniewski, W.: Odwilżowe dylematy polskich architektów [Die Dilemmata polnischer Architekten in der Tauwetterperiode]. In: Odwilż. Sztuka ok. 1956 r. Hg. von P. Piotrowski. Poznań 1996, 130. Dieser Publikation enstammen auch noch weitere Anmerkungen zu jenem Referat und seiner Rezeption in Polen. Für den Hinweis danke ich Hubert Bilewicz. 41 Łoziński, J./Staszewski, S.: Słuszność jest po stronie myślących [Das Recht ist auf der Seite der Denkenden]. In: Biuletyn Techniczny CZBPBM (Centralny Zarząd Biur Projektów Budownictwa Miejskiego) 18 (1955), 10 ff., zitiert nach: Baraniewski (wie Anm. 40), 130.

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stellt, lagen dieser Kritik keine ästhetischen, sondern eher technische und ökonomische Faktoren zugrunde. Im Zusammenhang damit stellte Chruschtschow nicht die Doktrin in Frage, sondern verlangte einzig ein sparsames und serielles Bauen, und bei dieser Gelegenheit trat er gegen »überflüssige Verzierungen« auf. Unabhängig von den sowjetischen Umständen und der durch das Referat in Polen ausgelösten besonderen Ausrichtung der Diskussionen über technische, technologische und allgemein nicht-ästhetische Fragen könnte man hier von einem Umbruch sprechen, der in kurzer Zeit zu einer Akzeptanz der Moderne in der polnischen Architektur führte. Sogar wenn man die sich bereits ab 1955 mehrenden Entwürfe, die mit dem sozrealistischen Stil brachen, außer Acht lässt42, wurde eine Ansprache von Józef Cyrankiewicz auf der Allpolnischen Architektenversammlung in Warschau im März 1956 zu einem deutlichen Zeichen jener Akzeptanz.43 Der Ministerratsvorsitzende sagte damals unter anderem: »[…] Unsere Architektur der vergangenen Periode wurde erdrückt von Fassadenhaftigkeit und falschem Monumentalismus – sie wurde erdrückt von der Vielzahl an Verzierungen und Schnörkeln«.44 Und weiter: »Wir sind uns einig, dass die vorhergehende Periode von Unzulänglichkeiten und Fehlern belastet gewesen ist. Möge schöpferische Freiheit die neue Periode auszeichnen. Möge niemand Neuerertum und Experimentierfreude fürchten, möge jeder von den Errungenschaften der Architektur anderer Länder lernen, die sowjetischen, tschechischen, deutschen Errungenschaften analysieren, die französischen, italienischen, britischen, amerikanischen Errungenschaften analysieren.45 Lernen wir, Vorbildern nicht blind zu folgen, sondern für unsere 42 Nach Andrzej K. Olszewski, einem Spezialisten für moderne Architektur, war das Mitte 1954 entworfene »Stadion X-lecia Polski Ludowej« in Warschau eines der ersten Anzeichen für den Niedergang des Sozrealismus in Polen, und der bald darauf folgende »Bruch mit dem Historismus, der 1955/1956 stattfand, eröffnete eine neue Epoche in der Geschichte der modernen polnischen Architektur.« – Olszewski (wie Kapitel 3, Anm. 10), 341. 43 Eine Kritik an der Praxis des Sozrealismus formulierte bereits ein Diskussionsbeitrag für die Versammlung von Adam Kotarbiński, der in der Märznummer der Zeitschrift Architektura veröffentlicht wurde: Kotarbiński, A.: Nasza dotychczasowa postawa wobec realizmu [Unsere bisherige Einstellung zum Realismus]. In: Architektura 3 (1956), 57 f. 44 Cała Polska czeka na tanie, praktyczne i ładne budownictwo. Fragmenty przemówienia J. Cyrankiewicza na Ogólnopolskiej Naradzie Architektów [Ganz Polen wartet auf ein billiges, praktisches und schönes Bauen. Ausschnitte der Ansprache von J. Cyrankiewicz auf der Allpolnischen Architektenversammlung]. In: Głos Wybrzeża, 29. März 1956, 1  f. Der angeführte Ausschnitt wiederholt in seiner Kritik der »Schnörkelei« die Argumente Chruschtschows aus dem oben erwähnten Referat. 45 Auf die Schädlichkeit einer »vollständigen Isolation, sowohl in der Ausbildung als auch in der beruflichen Praxis, von den fortschrittlichen Errungenschaften der Architektur in den westlichen Ländern« wurde auch in einem Referat hingewiesen, das der Vorstand des Architektenverbandes in Zusammenhang mit der Versammlung vorbereitet hatte: Architekci obradują nad nowymi zadaniami budownictwa [Architekten beraten über neue Aufgaben des Bauwesens]. In: Głos Wybrzeża, 28. März 1956, 1.



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Architektur von überallher das zu nehmen, was von Wert, was rational, klug, schön und günstig ist […].«46 Die angeführten Worte zeigen, dass Cyrankiewicz in seiner Kritik der Architektur des Sozrealismus wesentlich weiter ging als Chruschtschow, stellte er doch nicht nur deren ökonomische, sondern – wenn auch nicht unmittelbar – deren ästhetische Aspekte in Frage. So muss man wohl den Aufruf zu Experiment und Neuerertum verstehen, umso mehr noch, als er es zuließ, westliche Vorbilder zu nutzen, die zur damaligen Zeit im Prinzip ausschließlich modernen Charakter haben konnten.47 Vielleicht hatten auch die persönlichen Vorlieben von Cyrankiewicz einen Einfluss auf seine so freimütige Darstellung der Angelegenheit, denn er soll, wie Bohdan Lisowski behauptet48, einer der wenigen Funktionäre der Volksrepublik gewesen sein, der sich für moderne Architektur interessierte. Auf jeden Fall war seine Äußerung ein Indiz für eine weiterreichende Tendenz, was allein die in der selben Zeit geäußerten Worte von Włodzimierz Sokorski, dem Minister für Kultur und Kunst bezeugen: »Man muss dem Künstler ganz vertrauen, und dies ist ganz wesentlich in der gegenwärtig sich vollziehenden Zeit des Wandels.«49 In den Jahren 1955/1956 lassen sich auch in Danzig Symptome einer Kritik am Sozrealismus50 und eines wachsenden Interesses an der Architektur der Moderne 46 Dziś myśl samodzielna staje się nakazem sumienia każdego człowieka. Fragment przemówienia J. Cyrankiewicza na ogólnopolskiej naradzie architektów [Das selbständige Denken wird heute zur Gewissenssache jedes Einzelnen. Ausschnitt aus der Ansprache von J. Cyrankiewicz auf der Allpolnischen Architektenversammlung]. In: Dziennik Bałtycki, 29. März 1956, 1. Der Dziennik Bałtycki brachte eine kürzere und in einigen Partien, so zum Beispiel der hier zitierten, andere Auswahl aus dem Referat von Cyrankiewicz als Głos Wybrzeża. 47 Es ist allgemein bekannt, dass Charles Jencks den symbolischen Tod der Architektur der Moderne in einem 16 Jahre später stattfindenden Ereignis sieht – im Abriss von Teilen der modernen Siedlung von Minoru Yamasaki in St. Louis. – Jencks, Ch.: The New Paradigm in Architecture. The Language of Post-Modernism, New Haven and London 2002, 9. Es ist eine merkwürdige Koinzidenz, dass diese Siedlung 1955, also genau zu dem Zeitpunkt, als man in Polen eine Neubewertung der Haltung zur Moderne vollzog, fertiggestellt wurde. 48 Während einer Vorlesung, die dieser herausragende Vertreter der Moderne im Polen der Nachkriegszeit am Institut für Kunstgeschichte der Jagiellonen-Universität Krakau Ende der 80er Jahre hielt. 49 XIX Sesja Rady Kultury i Sztuki. Każdy artysta ma prawo własnego widzenia rzeczywistości [19. Sitzung des Rates für Kultur und Kunst. Jeder Künstler hat ein Recht auf seine eigene Sicht der Wirklichkeit]. In: Głos Wybrzeża, 27. März 1956, 1. 50 Unter den frühesten zum Beispiel: Quo vadis, ars architectonica? Czyli o rekonstrukcji twórczej, wymyślnych wystrojach, dziwnej zasadzie urbanistycznej i innych sprawach gdańskiej architektury [Quo vadis, ars architectonica? Oder über kreative Rekonstruktion, raffinierten Bauschmuck, merkwürdige städtebauliche Grundsätze und andere Probleme der Danziger Architektur] In: Dzien- nik Bałtycki, 23./24. Januar 1955, 8. – Bukowski, R.: Na marginesie dyskusji o gdańskiej architekturze. O przestarzałych receptach, nieaktualnej »książce« kucharskiej i szklanych domach [Am Rande der Diskussion über die Danziger Architektur. Über veraltete Rezepte, ein nicht mehr aktu-

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erkennen. Eine glänzende Illustration des eingeleiteten Wandels kann die damalige Tätigkeit von Lech Kadłubowski abgeben. Dieser führende Repräsentant des Sozrealismus veröffentlichte Ende 1955 einen Artikel, in dem er sich dezidiert, wenn auch unter dem Deckmantel einer sozrealistischen Phraseologie, für die Moderne bzw. für den Funktionalismus ausspricht. Dies bezeugt etwa folgender Satz: »Wir müssen ganz bewusst und mit Verantwortungsgefühl diese drei Worte – Funktion, Konstruktion, Form – in unsere tägliche Praxis einführen.« [Hervorhebung im Original]51 Während sich diese Erklärung noch als ziemlich vager Beleg für Kadłubowskis Übergang zu modernen Positionen betrachten lässt, so kommt in seiner Gegenüberstellung der sozrealistischen, mit Pseudo-RenaissanceBauschmuck ausgestatteten Siedlung Praga  II und der von Helena und Szymon Syrkus Ende der 40er / Anfang der 50er Jahre erbauten Siedlung Koło (beide in Warschau) keinerlei Zweifel mehr auf. Natürlich bewertet der Autor des Artikels die Siedlung des Architektenpaars Syrkus, die ja immerhin zu den wichtigsten Werken der Moderne im Nachkriegspolen zählt, positiver. Kadłubowski beschränkt sich jedoch nicht auf Erklärungen. Vor allem entwirft er 1956 das erwähnte moderne Theatergebäude und zwei Jahre später für den selben Targ Węglowy einen Pavillon für ein Möbelhaus, von dem die Presse schrieb, dass dieser »ein sehr modernes Objekt – ein ›Glaspalast‹ mit von außen sichtbaren stählernen Beschlägen«52 sei. Die Art der öffentlichen Präsentation dieses Entwurfes sowie der Bericht darüber illustrieren gut den Wandel, der sich innerhalb von kaum drei oder vier Jahren vollzog. Der Journalist berichtete: »Zuerst zeigte man uns eine Aufnahme mit einer Ansicht des mittelalterlichen Kölner Doms und des daneben errichteten supermodernen Baus. Die Kombination des historischen gotischen, in aller Welt bekannten Doms mit ›dem letzten Schrei‹ der Baumode ist gar nicht schockierend.«53 Jene Ansicht sollte davon überzeugen, dass »man ebenso gut bei uns, an der Schwelle der Danziger Altstadt, architektonische Kontraste herstellen kann.«54 Die Überzeu-

51

52 53 54

elles »Kochbuch« und gläserne Häuser]. In: Dziennik Bałtycki vom 6./7. Februar 1955 (Beilage »Rejsy«), [8]. – Z dyskusji o gdańskiej architekturze. Dobrej architektury jeszcze nikt nie wygadał na zjazdach [Aus der Diskussion über die Danziger Architektur. Gute Architektur hat sich noch nie jemand auf Versammlungen zusammengeredet]. In: Dziennik Bałtycki, 20./21. Februar 1955 (Beilage »Rejsy«), [7]. Siehe auch die in Kapitel 4 erwähnte Kritik an dem sozrealistischen Entwurf von Holc für die ul. Kołodziejska. Kadłubowski, L.: W nowych warunkach musimy stworzyć nowe formy architektury. Na pytanie »co dalej?« nie można odpowiedzieć bez pasji twórczej [Unter den neuen Bedingungen müssen wir neue Architekturformen schaffen. Auf die Frage »wie weiter?« lässt sich nicht ohne schöpferische Leidenschaft antworten]. In: Dziennik Bałtycki, 26. November 1955, 2. Pałac meblowy stanie przy Targu Węglowym [Am Targ Węglowy wird ein Möbelpalast stehen]. In: Głos Wybrzeża, 27./28. Dezember 1958, 4. Pałac meblowy stanie … (wie Anm. 52). Pałac meblowy stanie … (wie Anm. 52).



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gungskraft erwies sich als wirksam, denn innerhalb kurzer Zeit schritt man zur Realisierung des Entwurfs55 (Abb. 83, 84). In einer solchen Atmosphäre wird es verständlich, dass mit dem Ende der 50er Jahre der Wiederaufbau des historischen Danzig aufhört, die Presse und wohl auch die Danziger selbst zu beschäftigen. Ihre Phantasie sollte sich nun an den Hochhäusern56 in der damals häufig Danzig-Süd genannten Alten Vorstadt57 (Abb. 85–88), an den »farbigen« Blocks am Osiek / Hakelwerk entlang des Radaunekanals58 (Abb. 89), an einer modernen Genossenschaftssiedlung, für die Stanisław Schmidt, der Vorsitzende des Präsidiums des Volksrates der Stadt Danzig den Namen »Przymorze« (Meeresküste) vorschlug59, und schließlich an den »Millenniumsschulen«60 entzünden. 55 Mit seiner Realisierung wurde Ende 1959 begonnen, siehe: Za rok Gdańsk otrzyma szklany pawilon meblowy [In einem Jahr bekommt Danzig einen gläsernen Möbelpavillon]. In: Dziennik Bałtycki, 26. November 1959, 6. 56 Eines davon sogar mit 14 Geschossen. – Diemientiewa, A.: Na Stare Przedmieście i Dolne Miasto wkraczają budowniczowie [In die Alte Vorstadt und die Niederstadt ziehen die Bauleute ein]. In: Głos Wybrzeża, 22. Juni 1959, 4. 57 Gawryluk, H.: Połączywszy »stare« z »nowym« młodzi inżynierowie »Miastoprojektu« najciekawiej i najekonomiczniej opracowali projekt zabudowy śródmieścia Gdańska [Indem sie »Altes« und »Neues« miteinander verbunden haben, haben die jungen Ingenieure des »Miastoprojekt« einen besonders interessanten und besonders sparsamen Bebauungsentwurf für die Innenstadt von Danzig ausgearbeitet]. In: Dziennik Bałtycki, 23. Mai 1956, 3. Dieser Text rief eine heftige und nicht ganz verständliche Polemik von Władysław Czerny hervor, die jedoch überwiegend persönliche (bzw. mit der Selbständigkeit oder eher Nicht-Selbständigkeit einiger Entwürfe zusammenhängende) als sachliche Fragen betraf: Dwa stanowiska w sprawie zabudowy dzielnicy Gdańsk-Południe. Dwugłos profesora i dziennikarza [Zwei Standpunkte zur Bebauung des Viertels Danzig-Süd. Zwei Stellungnahmen eines Professors und eines Journalisten]. In: Dziennik Bałtycki, 2. Juni 1956, 2. Die besten Reproduktionen der damaligen Entwürfe für dieses Viertel finden sich in: Weirowska, D.: Gdańsk śródmieście-południe [Danzig Innenstadt-Süd]. In: Architektura 6 (1957), 230 ff. 58 Rośnie nowy Gdańsk [Das neue Danzig wächst]. In: Dziennik Bałtycki, 31. Juli 1958, 6. – Oby taki był nowy Gdańsk [Dass doch das neue Danzig so würde]. In: Dziennik Bałtycki, 7./8. Dezember 1958, 8 – Co nieco o prezentach, które nam dano... które otrzymamy [Ein paar Worte über die Geschenke, die wir erhalten haben..., die wir erhalten werden]. In: Dziennik Bałtycki, 31. Dezember 1958/1. Januar 1959, 8. Zu den farbigen Wohnblocks in Osiek / Hakelwerk siehe auch: Friedrich, J.: Barwa w architekturze z perspektywy półwiecza. Kilka uwag o zaniedbanym zagadnieniu na marginesie dziejów architektury odwilżowej w Gdańsku [Die Farbe in der Architektur aus der Perspektive der Jahrhundertmitte. Einige Anmerkungen zur eine vernachlässigten Randfrage der Geschichte der Danziger Architektur in der Tauwetterperiode]. In: Aktualne problemy konserwatorskie Gdańska. Modernizm powojenny (1946-1965). Hg. von Romana Cielątkowska. Gdańsk 2006/2007, 15–20. 59 Buksdorf, A.: Zbudujemy »Gdański Żoliborz« [Wir werden ein »Danziger Żoliborz« bauen]. In: Głos Wybrzeża, 14. Januar 1959, 3. – Gruszkowski, W.: Konkurs SARP i TUP na osiedle OliwaPrzymorze [Wettbewerb des Architektenverbandes und der Gesellschaft Polnischer Stadtplaner für die Siedlung Oliwa-Przymorze]. In: Miasto 10 (1960), 1–8. 60 Rejnson, W.: Kamień węgielny pod pierwszą szkołę Tysiąclecia na Wybrzeżu [Grundstein für erste Milleniumsschule der Küstenregion]. In: Głos Wybrzeża, 2. Juli 1959, 3.

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Eine besonders deutliche und dabei synthetische Wiedergabe der Bewusstseinslage, die ich hier zu rekonstruieren versuche, liefert ein Text von Stanisław Ostrowski aus dem Jahr 1958, dessen den »Danziger Sprung in die Moderne« verkündender Titel schon viel verspricht, dessen Inhalt aber noch mehr liefert. Neben Ausrufen der Begeisterung für die Blocks an der Radaune, die der Autor »stundenlang betrachten könnte«, oder für das farbige Drahtglas der Balkone der Blocks an der ul. Stolarska / Tischlergasse kommen auch Anmerkungen zur wiederaufgebauten historischen Innenstadt vor, Anmerkungen, deren Ton allein einige Jahre zuvor undenkbar gewesen wäre: »[…] Ich habe eine Entdeckung gemacht. Die Entdeckung, dass Danzig […] nicht nur die ul. Długa und der mit ihr verbundene Długi Targ, kurzum – wie man poetisch zu sagen pflegte – ›die durch die Hand des polnischen Arbeiters, Ingenieurs und Künstlers wiedererstandene historische Schönheit des Königsweges‹ ist.«61 Wenige Sätze später legt er nach: »Wir befinden uns bereits auf einer neuen Etappe, der gegenüber die Periode der ›ulica Długa‹ schon Geschichte ist.«62 Die Äußerung spiegelt die damals allgemein verbreitete Faszination für die endlich zugelassene Moderne wider – ein Phänomen, das Pierre Restany in der polnischen Kunst der Tauwetterperiode erblickte: »Die kulturelle Isolation hatte eine allgemeine Frustration verursacht, von der sich alle so schnell wie möglich befreien wollten: die Verspätung aufholen […], um jeden Preis zur Moderne gehören wollen.«63 Das wichtigste Indiz für dieses Phänomen sind vielleicht die Ende der 50er / Anfang der 60er Jahre entstandenen Entwürfe, die mutig moderne Formen mit einer historischen Umgebung kombinieren, so wie der Entwurf für die Bebauung des Mottlau-Ufers (Abb. 90), in dem schon ab der Höhe des Marientors moderne Gebäude mit Flachdächern und Fensterbändern die Nachbarschaft der historischen Wassertore bilden64, oder der 1963 angefertigte neue Plan für die Innenstadt Dan-

61 Ostrowski, S.: Na osi Heweliusza czyli gdański skok w nowoczesność [Auf Hevelius’ Spuren oder Danziger Sprung in die Moderne]. In: Głos Wybrzeża, 24.–26. Dezember 1958, 3. 62 Ostrowski (wie Anm. 61). 63 Restany, P.: Notes de voyage. In: Cimaise, Januar 1961, 78 ff., zitiert nach: Crowley, D.: Building the World Anew: Design in Stalinist and Post-Stalinist Poland. In: Journal of Design History 3 (1994), 187. Zur entsprechenden Entwicklung in Danzig ausführlicher: Friedrich, J.: Problem nowoczesności w kulturze architektonicznej powojennego Gdańska / Modernity in the Architectural Culture of Post-War Gdańsk / Das Problem der Modernität in der Architektonischen Kultur Danzigs nach dem Krieg. In: Niechciane dziedzictwo. Różne oblicza architektury nowoczesnej w Gdańsku i Sopocie / Ungeliebtes Erbe. Die verschiedenen Gesichter der Architektur des Modernismus in Gdańsk und Sopot / Unwanted Heritage. Various Faces of the Architectural Modernity in Gdańsk and Sopot. Gdańsk 2005, 33–47. 64 Z.  B. der Entwurf der Architekten A. Dąbrowski, T. Kempski, A.Matoń, W.Wierzbicki und H. Żukowski, Gruszkowski, W.:Wschodnia elewacja Głównego Miasta w Gdańsku [Die östliche Ansicht der Rechtstadt in Danzig]. In: Architektura 2 (1958), 61–64. Abb. auch in: Stephan (wie Ein-



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zigs65 (Abb. 91), in dem eine ganze Reihe großer moderner Bauten erscheint, an der Spitze ein neuer, modernistischen Bahnhof, der den Bau von der Wende des 19. in das 20. Jahrhundert ersetzen sollte.66 Abschließend lässt sich feststellen, dass die Abkehr vom Sozrealismus – dessen spezifischer Historismus trotz aller Einwände die Rekonstruktion Danzigs in historischer Gestalt begünstigt hatte – und die gleichzeitige Hinwendung zu Pragmatismus, Sparsamkeit und letztlich zur Moderne bewirkten, dass man ungefähr ab 1956 begann, sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass man den Wiederaufbau der historischen Stadt als abgeschlossen betrachten müsse.67 In den folgenden Jahren setzte man die bereits begonnenen Arbeiten fort, aber der Wiederaufbau als einheitlicher Prozess endet zu Beginn der 60er Jahre, ohne die in den Entwürfen der vorausgehenden Dekade vorgesehenen Ziele in irgendeiner Form realisiert zu haben.68

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führung Anm. 19), 1026 f. Dazu außerdem: Kadłubowski, L.: Zielony bulwar czy wąskie uliczki? Warto się zastanowić nad zabudową nabrzeża Motławy [Ein grüner Boulevard oder enge Gassen? Es lohnt sich, über die Bebauung des Mottlau-Ufers nachzudenken]. In: Dziennik Bałtycki, 2. August 1956. Eine polemische Reaktion auf die Ansichten Kadłubowskis verfasste eine Gruppe von namentlich nicht genannten Mitarbeitern des Meeresinstituts (Instytut Morski) in einem Brief unter dem Titel: W sprawie odbudowy historycznego nabrzeża Motławy [Zur Frage des Wiederaufbaus des historischen Mottlau-Ufers]. In: Materiały z Zakresu Historii Techniki, Gospodarki i Terminologi Morskiej 8 (1956), 184–189. Siehe auch: Długie Pobrzeże zostanie zabudowane [Die Lange Brücke wird bebaut]. In: Dziennik Bałtycki, 12. April 1957, 1. – Trojanowska, I.: Jaki Gdańsk będzie się przeglądał w Motławie [Welches Danzig wird sich in der Mottlau widerspiegeln?]. In: Dziennik Bałtycki, 16. April 1957, 3. Entwurf der Architekten Irena Balcerowicz, Tadeusz Woronowicz und Stanisław Michel, siehe: Michel, S. In: Wspomnienia z odbudowy … Bd. 2 (wie Einführung Anm. 32), 129. Ein Album mit Fotografien des Entwurfsmodells wurde mir von Prof. Wiesław Gruszkowski zur Verfügung gestellt. In dieser Hinsicht überaus charakteristisch sind die Resultate einer Umfrage »Altes oder neues Danzig?«, die der Dziennik Bałtycki durchführte. In ihrer Zusammenfassung lesen wir u. a.: »Aus der Mehrzahl der bei uns gemeinsam mit den Fragebögen eingegangenen Briefe geht eindeutig hervor, dass die Öffentlichkeit vor allem bequeme Wohnungen, Sonne und Grün fordert, dass sie eine weitere Rekonstruktion von Häusern für eine Vergeudung öffentlicher Gelder hält, während es bedeutend dringendere Bedürfnisse gebe, in deren Hierarchie die Baudenkmäler endlich in den Hintergrund treten müssten.« – Budujmy miasta dla naszych potrzeb i naszej wygody [Lasst uns Städte für unsere Bedürfnisse und unseren Komfort bauen]. In: Dziennik Bałtycki, 17. April 1956, 4. Siehe den städtebaulichen Entwurf von R. Hordyński, Z. Żuławski und W. Kledzik: Rechtstadt Danzig. Erster Entwurf. 1. Fassung, datiert auf den 14. und 17. Juli 1956; Grundriss in Besitz der Familie von Prof. Lech Kadłubowski.

Kapitel 8 Die städtebauliche Struktur des wiederaufgebauten Danzig

Unter den zahlreichen Problemen, welche die Rekonstruktion Danzigs dem Forscher stellt, ist die Frage nach der städtebaulichen Struktur, die man der wiederaufgebauten Metropole gab, besonders interessant. Selbstverständlicher Bezugspunkt für solche Überlegungen ist die Gestalt Danzigs vor 1945. Ebenso wichtig sind die Grundsätze, die die Richtung der Nachkriegsrekonstruktion vorgegeben haben. Beide Fragen bilden den historischen Kontext der Analyse, die ich vorschlagen möchte. Danzigs räumliche Struktur bildete sich in Jahrhunderten heraus, und ihr unterschiedlicher Charakter war in Gestalt verschiedener Stadtteile ablesbar. Das wichtigste Viertel bildete die Rechtstadt mit einer rhythmischen Anordnung langer und kurzer Hauptstraßen, die von West nach Ost zur Mottlau verliefen (Ogarna / Hundegasse, Długa und Długi Targ / Langgasse und Langer Markt, Piwna und Chlebnicka / Jopengasse und Brotbänkengasse, Mariacka / Frauengasse, Św. Ducha / Heiliggeistgasse, Szeroka / Breitgasse, Świętojańska / Johannisgasse, Straganiarska / Häkergasse und Tobiasza / Tobiasgasse) sowie sie kreuzender schmalerer Straßen von untergeordneter Bedeutung. Sie schufen ein erkennbares, wenn auch nicht regelmäßiges Straßennetz. An die Rechtstadt grenzte die Altstadt mit einer weniger klaren Struktur an – vor allem im Bereich Osiek / Hakelwerk, sowie in der Alten Vorstadt, wo sich die Hauptstraßenzüge (Rzeźnicka / Fleischergasse, Żabi Kruk / Poggenpfuhl und Lastadia / Lastadie) von Süd nach Norden bezeichnenderweise nicht zur Mottlau, sondern zur Rechtstadt hin erstreckten. Ergänzt wurde das städtebauliche Ganze durch die Mottlauinseln, von denen die Speicherinsel die größte und wichtigste war, sowie darüber hinaus durch die Niederstadt, die sich, mit Ausnahme der Długie Ogrody / Langgarten, später als die übrigen Teile Danzigs herausgebildet hatte. Die hier angeführten Stadtviertel wurden bis zum Ende des 19. Jahrhunderts von einem neuzeitlichen Befestigungsring umschlossen und bildeten einen abwechslungsreichen urbanen Komplex, dessen Elemente sich in städtebaulicher und architektonischer Hinsicht voneinander unterschieden. Die Vielfalt der Bebauungstypen, auch innerhalb der einzelnen Viertel, blieb bis zum letzten Krieg, der die Innenstadt Danzigs in Trümmer legte, in hohem Maße erhalten.1 Der Wiederaufbau stützte sich auf die Richtlinien des allgemein als »Zachwatowicz-Plan« genannten Entwurfs. Dieser Plan bildet den zweiten Ausgangspunkt der vorliegenden Überlegungen.2

1 Zu den Kriegszerstörungen siehe Kapitel 1. 2 Siehe Kapitel 2, dort eine genauere Besprechung dieses Plans.

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Kapitel 8

Ich möchte mich auf den einzigen Bereich konzentrieren, der zumindest im Prinzip in historischer Gestalt wiederhergestellt wurde, also auf die Rechtstadt und die ihr unmittelbar benachbarten Areale, die den Kontext, die Umrahmung des historischen Zentrums darstellten. Der Wiederaufbau der Altstadt bzw. der Alten Vorstadt wird mich also nur in dem oben umrissenen Bereich interessieren. Ich lege meiner Analyse zum einen einen 1956 angefertigten Plan der Rechtstadt3 zugrunde (Abb. 92), der eine Vorstellung von der Stadt, wie man sie damals zu verwirklichen beabsichtigte, präsentiert4; zum zweiten die tatsächliche Situation zu Beginn der 60er Jahre, als die erste, wichtigste Phase des Wiederaufbaus ihrem Ende zuging. Obgleich diese beiden Anlagen im Prinzip übereinstimmen, unterscheiden sie sich doch, und manchmal wesentlich, in den Details voneinander. Aus dem oben bezeichneten Blickwinkel betrachtet, stellt die Rechtstadt ein deutlich von den anderen Teilen der Innenstadt separiertes Viertel dar. Von Norden, Westen und Süden ist sie von den Überresten der mittelalterlichen Befestigungsanlagen umgeben, vor denen weitläufige Grüngürtel angelegt sind. Von Osten bildet die Mottlau eine noch klarere Grenze. Die Abgeschlossenheit der Rechtstadt wird darüber hinaus durch die sie umgebenden Straßen, die sich nach dem Krieg zu Verkehrsadern entwickelten, unterstrichen: von Norden der Podwale Staromiejskie / Altstädtischer Graben, von Westen die Wały Jagiellońskie / Dominiks- bzw. Elisabethwall und die ul. Okopowa / Karrenwall, sowie von Süden der Podwale Przedmiejskie / Vorstädtischer Graben. Wenn man diesen Zustand mit der Vorkriegssituation vergleicht, dann fällt auf, dass der heutige Podwale Staromiejskie zumindest teilweise die Situation von vor 1945 wiederherstellt, während die beiden übrigen Straßenzüge sie radikal negieren. Die Isolierung der Altstadt funktioniert auf einer anderen Grundlage, dazu später mehr. Von der Westseite machten über mehrere Jahrhunderte die neuzeitlichen Befestigungsanlagen eine räumliche Ausdehnung der Stadt unmöglich. Erst nach ihrer Schleifung entstand ein Komplex von Parks und Promenaden, die eine Art Naherholungsgebiet für die Rechtstadt bildeten. 3 Zeichnung im Maßstab 1:1000 mit dem Titel »Rechtstadt Danzig. Erster Entwurf. 1. Fassung«, signiert durch R. Hordyński, Z. Żuławski und W. Kledzik, datiert auf den 14. und 17. Juli 1956. Diese Zeichnung ist ein Dokument von besonderem Wert, da es den genauen Stand der Arbeiten zu jener Zeit zeigt. Sie wurde nach den originalen Grundrissen im Maßstab 1:200 angefertigt, die sich, so die Angaben zur Zeichnung, in der Registratur der Abteilung für Geodäsie beim Präsidium des Volksrates der Stadt Danzig, 8. Februar 1956, befinden. Darüber hinaus, was ebenso wesentlich und für die vorliegende Analyse grundlegend ist, sind auf dem Grundriss sehr präzise alle Abschnitte der Rechtstadt gekennzeichnet, die noch vom Wiederaufbau erfasst werden sollten. Man kann die Zeichnung also als städtebauliche Idealvorstellung des Wiederaufbaus lesen. Der Grundriss ist mir in einem Exemplar aus der Sammlung des verstorbenen Prof. Lech Kadłubowski zugänglich gewesen. 4 Spätere und immer noch andauernde Umgestaltungen dieser ursprünglichen Vorstellungen vom Wiederaufbau werden behandelt in: Friedrich: Urbanistyka odbudowanego … (wie Einführung Anm. 21).



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Die Situation an der Südseite der Rechtstadt sah wieder anders aus: Die Errichtung der neuzeitlichen Befestigungsanlagen rund um Danzig hatte die mittelalterlichen Befestigungen, die die Rechtstadt von der Alten Vorstadt trennten, überflüssig gemacht, was man in den folgenden Jahrhunderten eifrig ausnutzte und auf dem so gewonnenen Areal eine geschlossene städtische Bebauung schuf. Schon die Pläne des 19. Jahrhunderts weisen einen erheblichen Integrationsgrad beider Teile der Stadt aus, deren Straßen ein nahezu einheitliches, von geschlossen bebauten Quartieren ausgefülltes Netz bildeten. Der Podwale Przedmiejskie nahm gewissermaßen die Anlage und den Charakter der Hauptstraßenzüge der Rechtstadt wieder auf, und er endete ähnlich wie die Mehrzahl von ihnen (mit Ausnahme der ul. Ogarna sowie der ul. Długa und des Długi Targ) an der Mottlau und wurde nicht durch eine Brücke über sie hinaus verlängert. Nach dem Krieg veränderte der Podwale Przedmiejskie vollständig seine Gestalt. Vor allem hörte er auf, eine Straße im vollen Sinne des Wortes zu sein, denn die an ihn angrenzende Bebauung stellte man nicht wieder her. Er wurde auf eine rein verkehrstechnische Funktion reduziert und so zu einem Teil einer in den 50er Jahren konzipierten Ost-West-Tangente5, die den Straßenverkehr um die Rechtstadt herumführen sollte. Dies zog die Notwendigkeit nach sich, eine Brücke zu bauen und die Speicherinsel zu durchschneiden. Resultat einer solcher Konzeption ist eine der städtebaulichen Realität der vorhergehenden Jahrhunderte widersprechende, vollständige Isolierung der Alten Vorstadt von der Rechtstadt6 (Abb. 93). Doch nicht allein Aspekte der Verkehrsinfrastruktur haben zur Isolierung der Rechtstadt beigetragen. In hohem Maße resultiert sie aus den ästhetischen Grundsätzen, die nach dem Krieg in der historischen Innenstadt realisiert wurden. Natürlich bewirkte allein schon der Umstand, dass man im Prinzip ausschließlich in der Rechtstadt eine Wiederherstellung der historischen Baugestalt vornahm und für die übrigen Viertel eine moderne Bebauung plante, einen visuellen Kontrast zwischen der Rechtstadt mit ihrer geschlossenen Bebauung, den individuellen Fassaden, den steilen, ziegelgedeckten Dächern etc., und den benachbarten Vierteln, wo man eine aufgelockerte Bebauung mehr oder minder modernen Charakters realisierte (Abb. 85–89, 94). Dies wird besonders dort deutlich, wo sich Rechtstadt und Alte Vorstadt berühren (Abb. 93). Auch in den für die Rechtstadt selbst gefundenen Lösungen sieht man eine Tendenz zur Isolierung dieses Stadtviertels – es ist schwer 5 Stankiewicz/Szermer (wie Einführung Anm. 12), 277. 6 Nebenbei gesagt ist es ein sehr deutliches Zeichen dieser Isolierung, dass man heute von der Rechtstadt ausschließlich durch zwei Unterführungen – in der Nähe der ul. Okopowa / Karrenwall und an der Einmündung der Straße Żabi Kruk / Poggenpfuhl in der Vorstadt – in die Alte Vorstadt gelangt. Auf diese Weise fehlt zum Beispiel der ul. Rzeźnicka / Fleischergasse, einer der wichtigsten Straßen der Alten Vorstadt, die vor dem Krieg unmittelbar in den rechtstädtischen Straßenzug Zbytki / Ketterhagergasse – Pocztowa / Postgasse – Lektykarska / Portechaisengasse – Kozia / Ziegengasse überging, eine unmittelbare Verbindung mit dem historischen Zentrum.

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zusagen, inwiefern diese bewusst gewählt war. Sie zeigt sich in einer Auflockerung der Bebauung, je weiter man sich den Rändern der Rechtstadt nähert. Dieses Phänomen ist sowohl an der südlichen (Verzicht auf eine Wiederherstellung der Bebauung der ul. Za Murami / Hintergasse), als auch besonders deutlich an der nördlichen Seite zu sehen, wo man nicht nur auf eine vollständige Wiederherstellung der Straßenfronten der ul. Szeroka, ul. Świętojańska und ul. Straganiarska verzichtete und diese teilweise durch eine aufgelockerte Bebauung in ahistorischen Formen ersetzte; sondern auch schlichtweg eine Rekonstruktion der am nördlichsten gelegenen ul. Tobiasza ablehnte, die man einzig dadurch markierte, dass man ihre östliche Einmündung zum Targ Rybny / Fischmarkt wiederherstellte.7 Zur Frage der Beibehaltung des ursprünglichen Straßennetzes wird zurückzukommen sein, zunächst soll noch auf einen weiteren Eingriff hingewiesen werden, der die visuelle Isolierung der Rechtstadt verstärkte. Dabei handelt es sich um die Betonung der städtebaulichen Bedeutung der Überreste der mittelalterlichen Befestigungsanlagen. Im 17. Jahrhundert, als die ganze Innenstadt mit neuzeitlichen Wallanlagen umgeben wurde, verloren die mittelalterlichen Stadtmauern ihre Verteidigungsfunktion. Seitdem wurden sie anderweitig genutzt. Auf ihrer Basis entstanden neue Häuser, die mit der Zeit den gesamten Raum, der ursprünglich die einzelnen Stadtviertel voneinander getrennt hatte, auszufüllten – davon ist bereits im Zusammenhang mit der Podwale Przedmieście die Rede gewesen. 1945 wurde das meiste von dieser Bebauung zerstört, wobei jedoch hier und da die soliden mittelalterlichen Mauern zum Vorschein kamen. Dies schaffte die Möglichkeit, das alte Verteidigungssystem zumindest teilweise sichtbar zu machen. Zahlreiche Elemente dieses Systems überdauerten mehr oder minder komplett erhalten den Krieg. Am westlichen Mauerzug waren dies mehrere Basteien: Auf der Mauer, Wehrturm des Breiten Tores, Wehrturm in der Laternengasse, Strohturm und vor allem das Vortor der ul. Długa (Peinkammer und Stockturm) sowie Überreste der Verteidigungsmauern. Wandreste hatten auch am nördlichen und in geringerem Maße auch am südlichen Mauerzug überdauert, dort hatten sich darüber hinaus Fragmente eines später rekonstruierten Ensembles von Basteien erhalten – des Eckturms sowie der übrigen Basteien des Stadthofs. In besonders gutem Zustand war der Eckturm. Dies ist insofern wichtig, da sie die älteste Bastei Danzigs war, aber vor allem weil sie eine der vier Basteien ist, die die Ecken der mittelalterlichen Festungsanlagen akzentuieren. Sie stellt also ein wesentliches Element der mittelalterlichen städtebaulichen Struktur von Danzig dar. Glücklicherweise hatten auch die Basteien an den übrigen Ecken überdauert: der »Kiek-in-de-Kök« ge7 Die chaotische Bebauung der westlich an die Rechtstadt angrenzenden Areale ist scheinbar ein Resultat sowohl des Ende der 50er Jahre nachlassenden Eifers, als auch der finanziellen Mittel (mündliche Auskunft L. Kadłubowski). Dies war auch die Ursache für den Verzicht auf einen Entwurf, der eine einheitliche Bebauung der westlichen Straßenfront des Targ Węglowy vorsah, siehe den Grundriss von 1956.



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nannte Turm (»Baszta Jacek« im Polnischen) an der südwestlichen, der Fischturm (auch Schwanturm genannt) an der nordöstlichen sowie der Ankerschmiedeturm an der südöstlichen Ecke. Darüber hinaus waren zahlreiche mittelalterliche Tore des östlichen Mauerzugs der Befestigungsanlagen entlang der Mottlau erhalten geblieben. Die freigelegten Fragmente der Verteidigungsmauern sowie die erhaltenen Basteien und Tore wurden durch rekonstruierte Elemente ergänzt, was einen so überzeugenden Gesamteindruck ergab, dass man beschloss, sie besonders zu exponieren. Als Konsequenz daraus wurden jene Bebauungsblocks nicht wiederaufgebaut, die sich an den mittelalterlichen Mauern herausgebildet hatten. An ihrer Stelle schuf man ausgedehnte Rasen- und Grünflächen und distanzierte damit die Bebauung der benachbarten Teile der Innenstadt von der Rechtstadt (Abb. 93). Besonders für das Verhältnis von Recht- und Altstadt war das von kapitaler Bedeutung. Auf diese Weise schuf man ein bis heute erkennbares Bild der Rechtstadt als einer eigentümlichen historischen Enklave und nahm quasi die mittelalterliche Struktur wieder auf. Dies stimmte sicher mit den Absichten der Autoren des »Zachwatowicz-Plans« überein, deren Ziel es unter anderem war, »den ursprünglichen gotischen Grundriss der Stadt« hervorzuheben.8 In den so geschaffenen Rahmen sollte sich die rekonstruierte Rechtstadt einfügen. Die städtebauliche Gestalt, die ihr im Verlauf der vergangenen rund 50 Jahre gegeben worden ist, weicht gravierend vom historischen Vorbild ab (Abb. 95, 96). Von der Ablehnung eines Wiederaufbaus der ul.Tobiasza war bereits die Rede. Wichtiger als diese vereinzelte Entstellung erwiesen sich jedoch die Entwurfsprinzipien, die man für die Gesamtheit der wiederaufzubauenden Rechtstadt aufstellte und die den Akzent auf eine Wiederherstellung der Hauptstraßenzüge legten, wobei eine Rekonstruktion der übrigen Nebenstraßen vollständig oder teilweise aufgegeben wurde9 (Abb. 97). Diese Prinzipien und die aus ihnen resultierende Entwurfspraxis passten nicht zu den Richtlinien des »Zachwatowicz-Plans«, in denen von einem unveränderten Straßennetz und Wohnblocks die Rede war. Wenn man auch darüber diskutieren könnte, auf welche Zeit sich jene Unveränderlichkeit beziehen sollte, ist es doch offensichtlich, dass niemals in der Vergangenheit eine solche städtebauliche Struktur existiert hat, die sich mit der nach dem Krieg geschaffenen vergleichen ließe. In diesem Bereich, und das ist grundlegend, stimmt die Praxis des Wiederaufbaus mit 8 Borowski (wie Kapitel 2, Anm. 53). Der die Prinzipien des »Zachwatowicz-Plans« behandelnde Artikel ist zwar in dieser Hinsicht nicht eindeutig, aber man kann wohl mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, dass das Postulat, von dem hier die Rede ist, einen Teil des Plans darstellte. 9 Der Verlauf jener Straßen wurde für gewöhnlich nicht verändert, gleichwohl gestaltete man sie sozusagen eindimensional: In ihnen wurden keine Häuser errichtet, man ließ nur die Fahrbahnen und Fußwege übrig. Diese Art der Umgestaltung sticht in einem zweidimensionalen Stadtplan nicht ins Auge, doch in der dreidimensionalen Wirklichkeit schafft sie einen vollständig vom historischen abweichenden Raumeindruck.

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keinem der eingangs vorgeschlagenen Ausgangspunkte überein. Die Ablehnung eines Wiederaufbaus der Straßenfronten der Nebenstraßen wurde von einem beinahe vollständigen Verzicht auf eine Wiederherstellung oder sogar Erhaltung der originalen Blockinnenbebauung begleitet. Von etwa 30 innerhalb eines Blocks gelegenen Quartieren wurde nur eines – zwischen ul. Mariacka / Frauengasse, ul. Dziana / Kleine Hosennähergasse, ul. Chlebnicka / Brotbänkengasse und ul. Grząska / Altes Ross – mit teilweise rekonstruierten Hofgebäuden bebaut10 (Abb. 98). Die hier genannten Aspekte der Entwurfs- und Realisierungspraxis bewirkten, dass ein anderes als das historische Stadtbild geschaffen wurde. Die fehlenden Seitenstraßen brachten das Gleichgewicht der Himmelsrichtungen – Ost / West und Nord / Süd – durcheinander: im Endeffekt entstand eine dezidiert in Ost / WestRichtung ausgerichtete städtebauliche Anlage. Darüber hinaus schuf das Fehlen der Häuser in den Seitenstraßen eine Situation, in der man beim Abbiegen von den Hauptstraßen in ausgedehnte Hinterhöfe gerät, deren in die Tiefe reichende Perspektive manchmal einige der ursprünglichen Quartiere zum Vorschein kommen lässt (deutlich sichtbar zum Beispiel in der ul. Ławnicza / Matzkausche Gasse). Auf diese Weise wurde eine Art architektonisches Allerlei geschaffen: die mehr oder minder historische Gestalt der Hauptstraßenzüge wechselt mit einer völlig ahistorischen Blockinnenbebauung ab. Diesen Eindruck vertiefen Lösungen, die sich an der Grenze von Städtebau und Architektur bewegen. Zum Beispiel führte die Tendenz einer Angleichung der Bebauungstiefe der einzelnen Hauptstraßen dazu, dass die Fassadenzüge auf der Hofseite, die ursprünglich alternierend und »ausgefranst« gewesen waren, heute etwas in der Art einer Straßenfront bilden. Dieser Eindruck ist an den Rückseiten der ul. Ogarna (von der nördlichen Seite) und teilweise auch der ul. Długa, ul. Św. Ducha oder ul. Szeroka besonders stark. Durch die Angleichung des Fensterniveaus in vielen einander benachbarten Häusern (hauptsächlich an der ul. Ogarna und ul. Szeroka), und durch den Verzicht auf einen Teil der Portale (es kommt vor, dass einige aus einer Reihe von Häusern keinen Eingang von der Straße her haben, zum Beispiel am Anfang der ul. Chlebnicka) kam es dazu, dass die ursprünglichen Ensembles verschiedenartiger, individueller Häuser durch homogene Blocks – bildlich gesprochen: durch eine Art niedriger »Falowce« [spezieller Danziger Typ langgestreckter, wellenartig gekrümmter Plattenbauten, Anm. d. Ü.] – ersetzt wurden, die einzig von den Einmündungen der Seitenstraßen unterbrochen werden. Dieses Phänomen ist besonders deutlich in der ul. Ogarna und teilweise in der ul. Szeroka zu sehen. Und da schon vom Grenzbereich zwischen Städtebau und Architektur die Rede ist, sei noch ein weiterer Aspekt angedeutet, nämlich die Reduzierung des rekonstruierten architektonischen Bauschmucks, je weiter man sich von den wichtigsten Straßen wie ul. Długa, Długi Targ, ul. Chlebnicka oder ul. Mariacka entfernt. 10 Zum Problem der Hofgebäude siehe Kapitel 6.



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Um zu den strikt städtebaulichen Fragen zurückzukehren, sei noch der Verzicht auf einen Wiederaufbau einiger Bereiche der Stadt, oder auch deren Entstellung erwähnt, um in damaliger Auffassung attraktive perspektivische Wirkungen zu erzielen. Am deutlichsten sind die Spuren einer solchen städtebaulichen Gestaltungsweise im Bereich der Marienkirche. Zur Hervorhebung ihres Baukörpers verzichtete man auf den Wiederaufbau zahlreicher Häuser in ihrer Nachbarschaft. An der Südseite fiel dieser Reduktion ein malerisches Häuserensemble an der ul. Piwna zum Opfer; an der Westseite wurden einige Parzellen der ul. Piwna nicht bebaut, um den Platz vor dem Turm der Marienkirche zu vergrößern und damit einen perspektivischen »Abgang« zu schaffen; an der Ostseite verzichtete man auf den Wiederaufbau der Häuser an der ul. Klesza / Pfaffengasse und an der ul. Grząska / Altes Ross und schuf auf diese Weise eine ausgedehnte Perspektive auf den Baukörper des Gotteshauses von der Seite des Presbyteriums. An der Nordseite ging man am weitesten und verwarf den Wiederaufbau des gesamten Straßenabschnitts der ul. Św. Ducha zwischen der ul. Szewska / Korkenmachergasse und ul. Podkramarska / Kleine Krämergasse. Der auf diese Weise geschaffene Platz sichert einen hervorragenden Ausblick auf die hohen Mauern und Dächer der Kirche, doch er verunstaltete in grundsätzlicher Weise die historische Struktur der ul. Św. Ducha. Generell bleibt es eine sehr strittige Frage, ob die Herausstellung des Baukörpers der Kirche auf Kosten der sie ursprünglich umgebenden Häuser richtig war. Meiner Auffassung nach nicht, denn auf diese Weise ist der für den Städtebau des Mittelalters so charakteristische Kontrast zwischen niedrigen Wohnbauten, der Sphäre des Profanums und dem hoch über die Häuserdächer hinauswachsenden Gotteshaus, der mächtigen Visualisierung der Sphäre des Sacrums, verlorengegangen. Indem man die Umgebung der Marienkirche in dieser Weise gestaltet hat, hat man, sicher unbewusst, eine Konzeption wiederaufgegriffen, die in Danzig schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts formuliert worden war.11 Auch sei erwähnt, dass eine so radikale Freilegung des Baukörpers der Kirche womöglich auch teilweise ein Resultat des Zufalls war und keiner bewussten städtebaulichen Entscheidung. Denn während die Reduktion der der Kirche benachbarten Bebauung an der West- und der Südseite im Plan von 1956 vorgesehen war, stellte der Verzicht auf eine Bebauung von Osten und Norden eine Abweichung dar. Es ist schwer zu ergründen, ob dies bewusst geschah, oder ob es auch aus der allgemeinen Abschwächung des Wiederaufbauelans und einer Erschöpfung der finanziellen Mittel resultierte. Wiesław Gruszkowski etwa hält letzteren Umstand für die eigentliche Ursache des Verzichts auf den Wiederaufbau der südlichen Straßenfront der ul. Św. Ducha östlich der Königskapelle.12 Anders sieht Lech 11 Barylewska-Szymańska, E.: Dyskusyjne kamieniczki [Häuser zur Diskussion]. In: 30 dni 2 (2000), 68–75. 12 Mündliche Information von Wiesław Gruszkowski. Es sei erwähnt, dass der 1953 veröffentlichte städtebauliche Entwurf für den Wiederaufbau der Rechtstadt noch eine vollständige Rekon-

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Kadłubowski die Angelegenheit13, er behauptet, dass hier die Resultate der von Roman Hordyński durchgeführten Untersuchungen über die Lichtverhältnisse entscheidend gewesen seien. Dieser habe festgestellt, dass die Errichtung von Häusern in diesem Teil der ul. Św. Ducha den Bewohnern der ul. Mariacka das Licht genommen hätte.14 In jedem Fall war auch diese Entscheidung ein Schritt in die falsche Richtung. Zum einen gehörte der betreffende Abschnitt der ul. Św. Ducha vor 1945 zu den schönsten und dabei ikonografisch gut dokumentierten Bereichen des alten Danzig; zum anderen hätten die Häuser der ul. Św. Ducha in Hinblick auf ihre Lage an der Nordseite nur in unbedeutendem Maße auf die Lichtverhältnisse der Wohnungen in der ul. Mariacka einwirken können.15 Ein besserer Ausblick auf die Königskapelle war wiederum der Grund für eine erhebliche Umgestaltung des ursprünglichen Verlaufs der ul. Grobla I16 (Abb. 99). Ebenfalls mit Rücksichten auf die Perspektive lässt sich wohl die Abweichung vom Grundsatz des Nicht-Wiederaufbaus der Seitenstraßen im Fall der ul. Kaletnicza / Beutlergasse erklären. Die malerische, vom Turm der Marienkirche abgeschlossene Straße gehörte seit langem zu den am meisten genutzten Ansichtsmotiven der Stadt. Es verwundert also nicht, dass man diese Straße rekonstruierte, wenn es auch präziser wäre zu sagen, dass die charakteristische Ansicht wiederhergestellt wurde (Abb. 100). Auf den Aufbau des nördlichen Abschnitts der östlichen Straßenfront verzichtete man nämlich, da dieser Abschnitt wegen einer leichten Biegung im Straßenverlauf von der ul. Długa aus ohnehin nicht zu sehen war, und schuf stattdessen einen kleinen Platz.17 Der vielleicht wichtigste Unterschied zwischen dem Plan von 1956 und dem Bild, das sich abzeichnete, als die erste Etappe des Wiederaufbaus ihrem Ende zuging, betrifft das Ufer der Mottlau. Während der Entwurf seine Wiederherstellung auf ganzer Länge vorsah, wurden tatsächlich nur die Häuser am südlichen Abschnitt des Długie Pobrzeże / Lange Brücke wiederaufgebaut.18

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struktion der südlichen Straßenfront der ul. Św. Ducha vorsah, siehe die Abbildung in: Ciołek/ Ciborowski (wie Kapitel 3, Anm. 35), 13. Mündliche Information von Lech Kadłubowski. Im Übrigen neigte auch Gruszkowski selbst zu einer solchen Interpretation des Verzichts auf einen Wiederaufbau dieses Teils der ul. Św. Ducha, siehe: Gruszkowski: Warunki mieszkaniowe … (wie Einführung Anm. 12), 272. Mündlicher Hinweis von Wiesław Gruszkowski. In der Praxis wurde der gewünschte Effekt erreicht, indem man die Straßenfront der ul. Grobla I leicht schräg zur Kapelle verschob. In dem Grundriss von 1956 hatte man dagegen die ul. Grobla I auf ganzer Länge verbreitert, indem man die Straßenfront zurückzog. Dies hatte auch einen funktionalen Grund: der Platz konnte einen Teil der aus dem Kino Leningrad auf die schmale ul. Kaletnicza strömenden Zuschauer aufnehmen. Dem mündlichen Bericht von Lech Kadłubowski zufolge soll Stanisław Holc im Zusammenhang mit der vorgesehenen Bebauung der Langen Brücke gesagt haben: »Schluss mit lustig, wir haben



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Die oben angeführten Beispiele schöpfen natürlich den Katalog der nach 1945 durchgeführten Umgestaltungen der ursprünglichen städtebaulichen Struktur nicht aus. Dennoch meine ich, dass sie in ausreichender Weise eine These belegen, die ich an das Ende meiner Ausführungen stellen möchte: Die nach dem Krieg rekonstruierte Rechtstadt ist keine einfache und unmittelbare Nachahmung der Stadt, wie sie vor 1945 existierte. Sie ist eine auf nur wenige alte Elemente gestützte, neue städtebauliche Struktur, die in gewisser Hinsicht gerade das Gegenteil des Originals darstellt. Die Ursachen für einen solchen Zustand waren komplex – auf der einen Seite veränderten sich im Verlauf des Wiederaufbaus die Entwurfsprinzipien; auf der anderen erlaubten ökonomische, politische und gesellschaftliche Rücksichtnahmen, die begrenzte Zeit und schließlich die Erfordernisse des Alltags es nicht, die ursprüngliche Vision vollständig zu realisieren. Trotzdem entstand eine städtebauliche Anlage von außerordentlichem Rang, ein interessanter Stadt-Hybrid, der gleichzeitig alt und neu, historisch und modern ist, in dem nebeneinander die mittelalterliche städtebauliche Struktur wiederhergestellt und die Prinzipien des modernen Städtebaus verwirklicht worden sind (Abb. 101 – 105). Dieser Dualität des Wiederaufbaus, deren Ursachen ich versucht habe hier vorzustellen19, wurde man sich schon während des Wiederaufbaus bewusst. Eine zusammenfassende Darstellung der Bewusstseinsebene liefert ein Bericht aus dem Jahr 1953, also aus einer Zeit, als der Ausgang des Wiederaufbaus noch nicht bekannt war: »In welcher Weise wir wiederaufbauen, wie wir uns bemühen, die alten Werte zu erhalten, illustriert am besten das Beispiel Danzigs. Wir bemühen uns hier, sowohl formale Werte, die historischen Werte der Altstadt [also Rechtstadt, J. F.], als auch bestimmte wirtschaftliche Werte – erschlossenes Gelände bzw. andere unterirdische Einrichtungen zu erhalten. Aber an Stelle der aufgeteilten und bis zur Sinnlosigkeit zerstückelten Parzellen schaffen wir große Wohnblocks, die die Häuser im Innern miteinander verbinden, und schließen sie dann zu einheitlichen städtebaulichen Ensembles zusammen. Und im Blockinnenraum schaffen wir an Stelle dunkler und feuchter innenstädtischer Schächte Raum für Krippen, Kindergärten, Spielplätze oder Grünanlagen, Einrichtungen, die früher von der dort wohnenden Kaufmannschaft überhaupt nicht wertgeschätzt wurden.«20 Mit diesen Worten im Ohr soll ein Ausschnitt eines weiteren, nahezu ein halbes Jahrhundert später entstandenen Artikels angeführt werden: »Damals wollte man«, so der Autor in seiner Beschreibung der Situation nach dem Zweiten Weltkrieg, »dass jede gebaute Wohnung Sonne bekäme, dass die Kinder im von dieser Sonne kein Geld mehr.« Erst in den 80er und 90er Jahren gelang es, die Straßenfront an der Mottlau im Prinzip vollständig wiederherzustellen. 19 Siehe Kapitel 5. 20 Wróblewski, A.: Cyfry i co za nimi się kryje? (Wrażenia z objazdu Ziem Zachodnich) [Zahlen und was verbirgt sich dahinter? (Eindrücke von einer Reise durch die Westgebiete)]. In: Miasto 3 (1953), 30.

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gewärmten Sand spielen könnten, dass einem Leben in der Stadt weder Grasduft noch Baumschatten, in dem die vom Alter erschöpften Menschen sich ausruhen könnten, fehlen würden. Der Wiederaufbau Danzigs berief sich nicht nur auf das, was gewesen war, sondern auch auf das, worauf sich das europäische Denken schon vor dem Krieg verständigt hatte, indem man 1933 die sogenannte Charta von Athen unterzeichnet hatte, ein Dokument, dass die Grundsätze zum Bau moderner Städte definierte.«21 Der Autor dieser Worte, der Architekt und Architekturtheoretiker Jacek Dominiczak, hat nicht nur zutreffend auf den Zusammenhang zwischen dem Wiederaufbau des historischen Danzig und den Grundsätzen der CIAM hingewiesen, sondern ebenfalls unbewusst das wiederholt, was, wenn auch in anderer Form und unter anderen Umständen, schon 1953 über den Wiederaufbau der Rechtstadt geschrieben wurde. Was mir jedoch in dem Artikel von Dominiczak am wichtigsten zu sein scheint, ist die Anerkennung, mit der er von der wieder- und neuerschaffenen Stadt spricht. Wenn man berücksichtigt, dass Dominiczak nicht nur ein mit der städtebaulichen Materie vertrauter Forscher, sondern auch ein Danziger ist, der in einem der wiederaufgebauten Häuser der Rechtstadt seine Kindheit und Jugend verbracht hat, dann kann man seine Meinung wohl als zwar vereinzelte, aber bezeichnende Hommage an dieses außergewöhnliche Werk betrachten, welches das nach 1945 wiederaufgebaute Danzig ist.

21 Dominiczak, J.: Jak zbudować dobry Gdańsk [Wie man ein gutes Danzig baut]. In: 30 dni 2 (1999), 10.

Schluss

Im Frühjahr 1945 ging das noch wenige Monate zuvor gänzlich unversehrte einstige Danzig unwiederbringlich verloren. Die Stadtteile, die bis dahin das Zentrum gebildet hatten, hörten praktisch auf zu existieren, die übrigen waren schwer beschädigt, starke Schäden erlitt auch die städtische Verkehrsinfrastruktur. Das Ausmaß der Zerstörungen in der Innenstadt war so groß, dass man durchaus ernsthaft die Möglichkeit in Betracht zog, ein neues Stadtzentrum an einem anderen Ort aufzubauen. Ein erheblicher Teil der Baudenkmäler des alten Danzig lag in Schutt und Asche. Vom mittelalterlichen Krantor etwa, einem der baulichen Symbole der Stadt, war nur eine Ruine übrig geblieben. Die Neptunstatue vom Langen Markt, ein Werk von ähnlichem Symbolwert, war während des Krieges aus der Stadt gebracht worden, und es war anfangs keineswegs klar, ob man sie jemals wiederfinden würde. Völlig zerstört war auch der Helm des Rechtstädtischen Rathauses, der vier Jahrhunderte lang die Stadt überragt hatte. Der Zerstörungsgrad der Innenstadt ließ keinen raschen und umfassenden Wiederaufbau erwarten, zumal das nachkriegszeitliche Danzig nach der physischen und symbolischen auch eine soziale Desintegration erlebte, die in ihren Dimensionen sogar die Verluste der Bausubstanz bei weitem übertraf: Im Laufe einiger weniger Jahre erfolgte ein nahezu vollständiger Bevölkerungsaustausch. Auch wenn angesichts des starken Bevölkerungszuwachses im 19. Jahrhundert nicht alle deutschen Bewohner des vorkriegszeitlichen Danzig in der Stadt seit vielen Generationen verwurzelt waren, steht außer Zweifel, dass hier die lokale Identität und damit auch der soziale Zusammenhalt stark verankert war. Mit dem Massenexodus der geflohenen und vertriebenen deutschen Bewohner verschwanden aus der Stadt auch die emotionalen Bindungen, die sowohl ihrer Geschichte als auch ihrem Denkmalbestand und überhaupt ihrem urbanen Raum (durchaus nicht nur dem historischen) galten. Dieser verlassene Stadtraum wurde nun von polnischen Neubewohnern besiedelt, die in der Regel kein positiv besetztes emotionales Verhältnis zu ihrer neuen Heimat hatten. Für die Mehrheit der Polen war Danzig eine fremde, für einen Teil von ihnen sogar eine feindselige Stadt – sie hatten die gegen die Polen gerichteten Schikanen in der Freien Stadt der Zwischenkriegszeit ebenso in Erinnerung wie die Begeisterung, mit der ein Großteil der Danziger Hitler empfangen hatte. Die meisten polnischen Neubürger kamen aus beruflichen Gründen und damit auch in Hoffnung auf sozialen Aufstieg nach Danzig. Nur sehr wenige Bewohner hatten hier ihre Wurzeln, während die große Mehrheit vor dem Krieg überhaupt keine Beziehung zu Danzig gehabt hatte. Dementsprechend niedrig war der Grad an Identifikation der neuen Bewohner mit ihrer Stadt. Hinzu kam, dass sie aus verschiedenen Regionen Polens stammten, was den Integrationsprozessen ebenso wenig förderlich war.

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Schluss

Ungeachtet dieser Ausgangsbedingungen entwickelte sich aber das polnische Danzig im Laufe weniger Jahrzehnte zu einer Stadtgesellschaft mit einer starken lokalen Identität. Eines der wichtigsten Elemente dieser Identitätsbildung war die wiederaufgebaute Rechtstadt – das historische Stadtzentrum von Danzig – und zugleich auch der Akt des Wiederaufbaus selbst. Am Ende der Untersuchung über dieses ungewöhnliche Phänomen drängt sich die Frage nach dessen fundamentalem Sinn auf. Was bedeutete der Wiederaufbau Danzigs für seine neuen Bewohner, inwieweit trug er zur Integration der Stadtbevölkerung bei? Allein schon in der Idee, das Stadtzentrum in historischen Formen wiederaufzubauen, lässt sich ein Element sehen, das auf die Integration der neuen polnischen Bevölkerung mit ihrer Stadt zielte. Die Idee war eingebettet in eine umfassende Kampagne zur mentalen Aneignung der Vergangenheit Danzigs durch die Neudanziger. Es versteht sich von selbst, dass dabei Danzigs Verbindungen zu Polen und dessen Bedeutung für die Geschichte des einstigen polnischen Großreiches besonders betont wurden. Der Aneignungprozess zeigte bald Erfolge und beförderte schließlich auch die Entscheidung für den Wiederaufbau, der wiederum in einer Rückkopplung positiv auf die Identifikation der Bevölkerung mit der Stadt zurückwirkte. Einer gängigen Ansicht zufolge verschaffte der Wiederaufbau der zerstörten Stadt den Polen eine Art Legitimation ihrer Anwesenheit in Danzig nach 1945. In emblematischer Verkürzung fasste dies Józefa Wnukowa, Mitautorin der nachkriegszeitlichen Fassadenmalereien an den Fassaden der Langgasse, in die Worte: »Wir waren von einer romantischen Idee geleitet, denn wir bauten eine fremde Stadt wieder auf, um sie zu einer polnischen zu machen.« Der Wiederaufbau der Danziger Rechtstadt wird häufig als Rekonstruktion bezeichnet, doch diese Begriffswahl ist irreführend, denn die wiederaufgebaute Stadt unterscheidet sich in mehrerer Hinsicht von ihrer Vorgängerin. Vor allem haben sich die Eigentumsverhältnisse grundlegend geändert. Das Privateigentum wurde fast abgeschafft und damit verschwand auch die Basis für die charakteristische Struktur der Bebauung mit dem typischen Einzelhaus auf einem schmalen, handtuchartigen Grundstück als Grundelement. Die Verstaatlichung des Eigentums an Grund und Boden ermöglichte die Projektierung eines ganzen Stadtteils als einheitlich durchgeplante Siedlung, mit gemeinsamen Innenhöfen und einem von den Planungsbehörden konzipierten Netz von Geschäften und Dienstleistungsbetrieben, einschließlich kommunaler, allen Bewohnern zur Verfügung stehender Institutionen wie Krippen, Kindergärten und Grundschulen. Die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse hatte sogar eine weitgehende Umgestaltung der historischen Struktur des Stadtraums, etwa durch Änderungen des Straßenverlaufs, zur Folge. Wollte man den Wiederaufbau unter dem Gesichtspunkt seiner Originaltreue beurteilen, dann müsste man ihn als starke Deformation, wenn nicht gar als Auflösung der alten Stadt bezeichnen. Die wiederaufgebaute Rechtstadt entstand nach Prinzipien des modernistischen Städtebaus, die in sich kohärent waren, aber wenig mit denen des alten Danzig gemein hatten.



Schluss

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Unabhängig vom Werturteil über den Wiederaufbau des historischen Stadtzentrums von Danzig steht deshalb außer Frage, dass dessen Struktur grundlegend verändert wurde. Mit dem stadträumlichen Wandel ging ein sozialer Umbruch Hand in Hand. Auch wenn die alten Bürgerhäuser schon in der Zwischenkriegszeit längst nicht mehr von wohlhabenden Familien bewohnt waren, so hatte sich doch bis zu einem gewissen Grade der bürgerliche Charakter der Innenstadt erhalten. Mit dem Wiederaufbau änderte sich dies radikal. Die Rechtstadt wurde in eine Arbeitersiedlung umgewandelt, in der u. a. Hafen- und Werftarbeiter siedelten. Die damalige Propaganda legte großen Wert auf diesen Aspekt, der stark verkürzt mit dem in den 50er Jahren berühmten Slogan »das Volk kommt in die Innenstadt« (»lud wejdzie do śródmieścia«) beschrieben werden kann. Ähnlich wie im Fall des stadträumlichen Wandels kann man auch hier sicher von einer Desintegration des historischen Vorbilds sprechen. Bis heute wird häufig betont, dass die Verwandlung eines »Patrizierviertels« in eine Arbeitersiedlung entscheidend zur Degradierung des historischen Stadtzentrums beigetragen habe. Vor allem Kritiker aus dem liberalen Lager vertreten die Ansicht, dass die Rechtstadt eine bessere Stadt wäre, wenn sie nicht durch den staatlichen Investor, sondern durch private Investoren wiederaufgebaut worden wäre. Es ist hier nicht der passende Ort für eine eingehende Polemik gegen diese Ansicht. Doch gilt es darauf hinzuweisen, dass angesichts der damaligen politischen und ökonomischen Realien nur ein zentralisierter, offizieller Investor einen zumindest teilweisen historischen Wiederaufbau sicherstellen konnte. Dabei versteht sich von selbst, dass der Staat bestrebt war, den Erfolg des Wiederaufbaus für sich zu verbuchen, und dies übrigens nicht nur auf einer rein propagandistischen, sondern auch auf einer gleichsam soziotechnischen Ebene: Die Stimulierung des Stolzes auf den Wiederaufbau war eines der Mittel zur Förderung des sozialen Zusammenhalts der neuen Danziger und in der Konsequenz auch ein Faktor, der die gesellschaftlichen Integrationsprozesse begünstigte. Bei allen Vorbehalten, die der Wiederaufbau wecken kann, ist eines unzweifelhaft: Die Danziger sind stolz auf ihn. Und ganz gewiss gehört die Rekonstruktion der Stadt nach der Kriegskatastrophe zu den wichtigsten Gründungsmythen der heutigen Danziger Stadtgesellschaft – zusammen mit der Verteidigung von Westerplatte im September 1939, mit der Tragödie vom Dezember 1970, als die kommunistischen Machthaber ein Massaker an den streikenden Arbeitern anrichteten, und schließlich mit dem Triumph der »Solidarność« im August 1980.





1.

Ruinen der Rechtstadt, von der Mottlau aus gesehen.

2.

Ruinen der Rechtstadt.



3.

Ruinen der Altstadt und der Rechtstadt.

4.

Die teilzerstörte Marienkirche.

5.

Die Zerstörungen in der Innenstadt. Die vollständig zerstörten Bauten sind hellgrau, die teilzerstörten dunkelgrau, die erhaltenen schwarz markiert (nach Szermer).

6.

Das teilzerstörte Große Zeughaus, von der ul. Piwna / Jopengasse aus gesehen.

7.

Das teilzerstörte Große Zeughaus, vom Targ Węglowy / Kohlenmarkt aus gesehen.



9.

8.

Erhaltenes Fassadenfragment des Goldenen/Steffenschen Hauses.

Relikte der Bildhauserarbeiten des Goldenen/Steffenschen Hauses.

10. Arbeiten an der Rekonstruktion der Gewölbe der Marienkirche.

11.

Frontispiz des Buches Gdańsk miasto nasze [Danzig – unsere Stadt] von Jan Kilarski, 1947 erschienen. Der Text lautet: »Danzig – die Stadt der polnischen Adler. Dieses rühm- liche, in dieser Stadt allgemein verbreitete Zeichen zeugte mit Beweiskraft von Danzigs Verhältnis zu Polen. Auf dem Frontispiz des Buches über die Stadt, in der sich Mickiewiczs Prophetie erfüllte, dass sie wieder uns gehören werde, soll ihr königliches Schutz- zeichen wiederaufleben und zwar genau jenes, das einst als erstes zum Opfer deutscher Vernichtung wurde, als (im Artushof) sein polnisches Weiß mit dem preußischen Schwarz übermalt wurde.«

12. Briefmarkenserie mit Danziger Baudenkmälern, im September 1945 emittiert.

13. Fünfhundert-Złoty-Banknote mit einer Ansicht Danzigs, im Januar 1946 emittiert.

14. Jan Kulikowski: Gdańsk nasz [Unser Danzig], 15.  Jan Marcin Szancer: Einband der Kinderzeit- Plakat von 1945. schrift Świerszczyk [Die Grille], Mai 1945.

16.  Władysław Czerny: Projekt für den Wiederaufbau Danzigs, 1945–1948.

17.  Enttrümmerungsarbeiten in der Rechtstadt, an der Marienkirche.

18. Wiederaufbau der ul. Ogarna / Hundegasse, Abschnitt zwischen ul. Garbary / Große Gerbergasse und ul. Pocztowa / Postgasse.



19.  Die ul. Ogarna / Hundegasse während des Wiederaufbaus.

20.  Die ul. Ogarna / Hundegasse nach dem Wiederaufbau.

21.  Innenhof zwischen ul. Ogarna / Hundegasse, ul. Garbary / Große Gerbergasse, ul. Długa / Langgasse und ul. Pocztowa / Postgasse.

22.  Bauarbeiter beim Wiederaufbau Danzigs.

23.  Bauarbeiter am Długi Targ / Langer Markt.

24.  Bestarbeiterin Janina Gołębiowska.

25.  Zwei Seiten einer Medaille, satirische Zeichnung, 1956.

26.  Illustration zum Artikel O nowy, piękny... Gdańsk [Für ein schönes, neues... Danzig], November 1953.

27.  Władysław Czerny: Entwurf für die Fassade des Postamts an der ul. Długa / Langgasse, November 1948.

28.  Lech Kadłubowski: Entwurf für die Fassade des Postamts an der ul. Długa / Langgasse, 1950.

29.  Lech Kadłubowski: Entwurf für die Fassade des Postamts an der ul. Długa / Langgasse, perspekti- vische Zeichnung, 1950.

30.  Lech Kadłubowski: Postamt an der ul. Długa / Langgasse, 1950–1952.

31.  Wacław Rembiszewski: Haus der Presse, 1949–1950.

32.  Alfred Monczyński und Andrzej Martens: Fassade des Kinos »Leningrad«, 1950–1953.

33.  Foyer des Kinos »Leningrad« mit Sgraffiti von Jacek Żuławski, 1953.

34.  Fragment des Bebauungsplans für die Altstadt, 1952.

35.  Entwurf für ein neues Theater in der Altstadt, 1952.

36.  Modell der geplanten Altstadtbebauung mit dem Präsidiumsgebäude des Volksrates der Stadt.

37.  Entwurf für die Bebauung der Innenstadt mit dem Haus des Werftarbeiters, 1952.

38.  Lech Kadłubowski: Entwurf für einen Verwaltungsbau an der ul. Okopowa / Karrenwall, 1952.

39.  Lech Kadlubowski: Entwurf für einen Verwaltungsbau an der ul. Okopowa / Karrenwall, perspekti- vische Zeichnung, 1952.

40.  Adam Haupt: Entwurf für einen Verwaltungsbau an der ul. Okopowa / Karrenwall,1952.

41.  Wettbewerb zur Bebauung eines Teils der Innenstadt, Wettbewerbsbeitrag Nr. 5, 1953.



42.  Wettbewerb zur Bebauung eines Teils der Innenstadt, Wettbewerbsbeitrag Nr. 5, 1953.

43.  Wettbewerb zur Bebauung eines Teils der Innenstadt, Wettbewerbsbeitrag Nr. 2, 1953.

44.  Wettbewerb zur Bebauung eines Teils der Innenstadt, Wettbewerbsbeitrag Nr. 2, 1953.

45.  Wettbewerb zur Bebauung eines Teils der Innenstadt, Wettbewerbsbeitrag Nr. 4, 1953.

46.  Jan Kilarski Rührt ausländische Gäste durch die im Wiederaufbau befindliche Rechtstadt.

47.  Zbigniew Żuławski, Jan Borowski und Witold Doliński, Träger des Nationalpreises »für Entwürfe und Beteiligung an der Realisierung der schöpferischen Rekonstruktion des alten Danzig«.

48.  Hanna Żuławska bei der Arbeit an der Fassadendekoration des Hauses ul. Długa / Langgasse 79.

49.  Laubengang des Hauses Długi Targ / Langer Markt 23.

50.  Musterproben aus der Entstehungszeit der Fassadendekorationen an der ul. Długa / Langgasse und am Długi Targ / Langer Markt.

51.  Ryszard Kozakiewicz und Bernarda Świderska: Fassadendekoration an der ul. Długa / Langgasse 31.

52.  Häuser an der ul. Długa / Langgasse 26– 31 nach dem Wiederaufbau.

53.  Leszek Verocsy und Adam Smolana: Medaillons an der Hausfassade ul. Długa / Langgasse 52.

54.  Jacek Żuławski: Sgraffito im Foyer des Kinos »Leningrad«.

55.  Józefa Wnukowa: Fassadendekoration an der ul. Długa / Langgasse 16.

56.  Hanna Żuławska: Fassadendekoration an der ul. Długa / Langgasse 72.

57.  Józefa Wnukowa: Fragment der Fassadendekoration an der ul. Długa / Langgasse 11.

58.  Czesław Rzepiński: Fassadendekoration am Długi Targ / Langer Markt 12.

59.  Beflaggungskonzept für die ul. Długa / Langgasse, Alternative I, 1954.

60.  Beflaggungskonzept für die ul. Długa / Langgasse, Alternative I, 1954.

61.  Beflaggungskonzept für ul. Długa / Langgasse und Długi Targ / Langer Markt, Alternative I, 1954.

62.  Kazimierz Biszewski und Mitarbeiter: Entwurf für die Bebauung der ul. Szeroka / Breitgasse, Variante I A, 1952.

63.  Kazimierz Biszewski und Mitarbeiter: Entwurf für die Bebauung der ul. Szeroka / Breitgasse, Variante I B, 1952.

64.  Kazimierz Biszewski und Mitarbeiter: Entwurf für die Bebaung der ul. Szeroka / Breitgasse, Variante I B, 1952.

65.  Kazimierz Biszewski und Mitarbeiter: Entwurf für die Bebaung der ul. Szeroka / Breitgasse, Variante II A, 1952.

66.  Kazimierz Biszewski und Mitarbeiter: Entwurf für die Bebaung der ul. Szeroka / Breitgasse, Variante II A, 1952.

67.  Kazimierz Biszewski und Mitarbeiter: Entwurf für die Bebaung der ul. Szeroka / Breitgasse, Variante II B, 1952.

68.  Kazimierz Biszewski und Mitarbeiter: Entwurf für die Bebaung der ul. Szeroka / Breitgasse, Variante II B, 1952.

69.  Kazimierz Biszewski und Mitarbeiter: Entwurf für die Bebaung der ul. Szeroka / Breitgasse, Variante II B, 1952.

70.  Kazimierz Biszewski und Mitarbeiter: Entwurf für die Bebaung der ul. Szeroka / Breitgasse, Variante II C, 1952.

71.  Kazimierz Biszewski und Mitarbeiter: Entwurf für die Bebaung der ul. Szeroka / Breitgasse, Variante II C, 1952.

72.  Kazimierz Biszewski und Mitarbeiter: Entwurf für die Bebaung der ul. Szeroka / Breitgasse, Variante III, 1952.

73.  Kazimierz Biszewski und Mitarbeiter: Entwurf für die Bebaung der ul. Szeroka / Breitgasse, Variante III, 1952.

74.  Kazimierz Biszewski und Mitarbeiter: Entwurf für die Bebaung der ul. Szeroka / Breitgasse, Variante IV, 1952.

75.  Kazimierz Biszewski und Mitarbeiter: Entwurf für die Bebaung der ul. Szeroka / Breitgasse, realisierte Variante, 1952.

76.  Häuser ul. Straganiarska / Häkergasse 26–30, Zustand nach 1945.

77.  Zdzisław Król: Häuser ul. Straganiarska / Häkergasse, 1950.

78.  Zdzisław Król: Häuser an der ul. Żabi Kruk / Poggenpfuhl 50–54, 1950.

79.  Überbleibsel des Hevelius-Hauses.

80.  Lech Kadłubowski: Gebäude des Theaters »Wybrzeże« am Kohlenmarkt, 1956–1967, Gesamtansicht.

81.  Fassade des Theaters »Wybrzeże« am Kohlenmarkt.

82.  Foyer des Theaters »Wybrzeże« am Kohlenmarkt.

83.  Lech Kadłubowski: Möbelhaus, 1959–1960.

84.  Fragment des Möbelhauses.

85.  Roman Hordyński, Daniel Olędzki und Danuta Weirowska: Alte Vorstadt (Gdańsk-Süd), detaillierter Plan, 1956–1957.

86.  Modell für die Bebauung der Alten Vorstadt, 1956–1957.

87.  Entwurf für ein Fragment der Bebauung der Alten Vorstadt, 1956–1957.

88.  Alte Vorstadt, Teil der ausgeführten Bebauung.

89.  Jarosław Nowosadski: Punkthochhäuser an der Radaune, 1956–1958.

90.  A. Dąbrowski, T. Kempski, A. Matoń, W. Wierzbicki und H. Żukowski: Entwurf für die Bebauung des Mottlauufers, 1957.

91.  Irena Balcerowicz, Tadeusz Woronowicz und Stanisław Michel: Plan für die Innenstadt, 1963.

92.  Roman Hordyński, Zbigniew Żuławski und W. Kledzik: Rechtstadt Danzig, Vorentwurf, 1. Stadium, 1956.

93.  Straßenzug Aleja Leningradzka (heute Podwale Przedmiejskie) zwischen Rechtstadt und Alter Vorstadt.

94.  Häuser an der ul. Stolarska / Tischlergasse in der Altstadt.

95.  Struktur der Bebauung der Rechtstadt vor 1939 (nach Stankiewicz und Szermer).

96.  Struktur der Bebauung der Rechtstadt um 1959 (nach Stankiewicz und Szermer).

97.  Ul. Mariacka / Frauengasse, ul. Św. Ducha / Heiliggeistgasse und ul. Szeroka / Breitgasse nach dem Wiederaufbau, Blick von der Marienkirche, Zustand um 1960.

98.  Wiederaufgebaute Hinterhäuser zwischen ul. Mariacka / Frauengasse, ul. Dziana / Kleine Hosennähergasse, ul. Chlebnicka /Brotbänkengasse und ul. Grząska / Altes Ross.

99.  Blick von der ul. Grobla I / 1. Damm auf Königskapelle und Marienkirche.

100.  Blick von der ul. Długa / Langgasse in die ul. Kaletnicza / Beutlergasse.

101.  Skizze der Bebauung der Rechtstadt, um 1951.

102.  Modell der Bebauung der Rechtstadt, 1960er Jahre.

103.  Rechtstadt und Fragment der Alten Vorstadt, Luftaufnahme, 1960er Jahre.

104.  Ul. Długa / Langgasse nach dem Wiederaufbau, um 1954.

105.  Fragment der wiederaufgebauten ul. Długa / Langgasse, im Vordergrund Haus Nr. 11.

Bibliografie

I. Quellen 1. Archivalien

Archiwum Państwowe w Gdańsku [Staatsarchiv Danzig]: Gdańska Dyrekcja Budowy Osiedli Robotniczych [Baudirektion Arbeitersiedlungen Danzig]: APG 1153/ 6,7, 20–29, 31–33, 37, 44, 51, 52–63, 65, 83–86, 88–94, 96–102, 105– 107, 109, 139–144, 146–152, 154, 155, 157, 165, 166, 174, 176–182, 184–200, 202, 204, 205, 215, 217, 226, 228, 229, 233, 234, 236, 237, 252, 253, 255, 256, 262–270, 272–282, 289, 298–301, 306, 307, 310, 315, 316, 318, 324–328, 336, 340, 344, 345, 350–352, 358–361, 365, 367, 368, 373, 381–383, 385, 389, 395–398, 400, 405–408, 417–421, 432–434, 436, 441, 445–448, 450, 453–458, 462, 464–467, 469–472, 474, 476, 477, 485, 486, 492–494, 496, 497, 499–502, 507, 513–516, 521, 526–530, 532, 533, 536, 538–540, 545, 546, 551–553, 558, 559, 564–572, 574–577, 582, 586–588, 590, 591, 600–602, 604–611, 621–635, 642–651, 658–663, 669–671, 673, 674, 682, 687–691, 694, 698, 701, 703–705, 709, 713–716, 718–724, 735–743, 750–756, 764– 767, 772, 773, 780–784, 793–798, 804, 805, 813–819, 826–833, 839, 847, 849, 854, 860, 864–874, 881–883, 886, 893–896, 898–902, 910–927, 929–946, 950–955, 957– 969, 971–979, 981–990, 992–999, 1010–1021, 1023–1029, 1031, 1032, 1034–1040, 1042, 1048, 1057–1070, 1072–1075, 1078–1083, 1098, 1101–1111, 1113–1128, 1131–1138, 1155–1158, 1164–1167, 1169, 1174, 1183, 1185–1190, 1194, 1197–1202, 1204–1220, 1222–1229, 1242, 1243, 1345, 1349, 1350, 1407–1435, 1437–1447, 1464–1489, 1508, 1510, 1513, 1514, 1540, 1541, 1544–1553, 1557–1559, 1561, 1576, 1577, 1603–1609, 1617–1623, 1642–1645, 1649, 1650, 1665, 1670, 1761, 1762, 1764, 1780, 1781, 1787, 1803, 1804, 1934, 1935, 1994, 2064, 2087–2091, 2095, 2099, 2106–2118, 2125–2127, 2134–2162, 2175–2182, 2184–2192, 2194, 2201, 2205–2245, 2248, 2249, 2251–2253, 2255–2257, 2261–2263, 2274–2289, 2291–2306, 2308–2310, 2312, 2313, 2315–2317, 2319–2322, 2329–2331, 2333– 2365, 2367, 2369, 2373, 2374, 2377–2380, 2391–2400, 2420, 2422–2424, 2447, 2450, 2463, 2464, 2472, 2473, 2481, 2493–2495, 2498, 2507, 2511, 2512–2514, 2526, 2528, 2541, 2546, 2550, 2551, 2554, 2555, 2557, 2566, 2568, 2569, 2581– 2585, 2595, 2596, 2608, 2610, 2648, 2657–2659, 2666, 2708, 2712–2715, 2721, 2722, 2730, 2731, 2744, 2759, 2775, 2778, 2781, 2783, 2794, 2801, 2813–2815, 2817, 2827, 2831, 2874, 2895, 2900, 2905, 2920, 2926, 2935, 2942–2944, 2950, 2995a, 2996, 3001, 3011, 3022, 3023, 3030, 3034, 3035, 3040, 3045, 3051, 3055–

250

Bibliografie

3057, 3060–3062, 3075–3077, 3092, 3096, 3101, 3103, 3115, 3125, 3140, 3145, 3151, 3166, 3167, 3191, 3204, 3218, 3234, 3250, 3253, 3254, 3275–3278, 3282, 3287–3289, 3291, 3321, 3335–3339, 3361, 3369, 3382, 3389, 3423, 3424, 3427, 3428, 3441, 3456, 3459, 3462, 3474, 3485, 4058–4060, 4078, 4079, 4096, 4097, 4099, 4101, 4104, 4105, 4107, 4109, 4110, 4113, 4157, 4164, 4165, 4167, 4168, 4190, 4226, 4308, 4346, 4366, 4425, 4433, 4435, 4472, 4478, 4480, 4481, 4484– 4490, 4496, 4513, 4516, 4539, 4582, 4614, 4693, 4703, 4704, 4726, 4727, 4734, 4752, 4806, 4849, 4893, 4897, 4904, 4907–4915, 4918, 4919, 4924, 4931, 4935, 4944, 4945, 4946, 4961, 4964, 4978–88, 5001, 5007, 5089, 5092, 5134, 5146, 5150, 5170, 5171, 5177. Miastoprojekt [Stadtprojekt]: APG 36–31¹, 36–38¹, 36–38², 36–40¹, 36–40², 36–86¹, 36–86², 36–86³, 36–86, 36–12¹, 36–12², 36–12³, 36–111¹, 36–111², 36–111³, 36–149¹, 36–149², 36–149³, 36–173, 36–178, 36–195, 36–196, 36–198, 36–212. Urząd Wojewódzki w Gdańsku w latach 1945–1950. Wydział Kultury [Wojewodschaftsamt Danzig 1945–1950. Kulturabteilung]: APG 1164/1248. Archiwum Akt Nowych w Warszawie [Archiv Neuer Akten Warschau]: Ministerstwo Ziem Odzyskanych [Ministerium für die Wiedergewonnenen Gebiete]: AAN 196/130. Ministerstwo Administracji Publicznej [Ministerium für Öffentliche Verwaltung]: AAN 199/2471. Ministerstwo Kultury i Sztuki [Ministerium für Kultur und Kunst]: AAN 387/118, 217 (Fotoarchiv): 1350, 1351, 1345, 1347, 1352, 1355–1361, 1364, 1365, 1369. Ministerstwo Odbudowy [Ministerium für Wiederaufbau]: AAN 314/19, 31, 36, 89, 153, 178, 179, 278. Ministerstwo Budownictwa Miast i Osiedli [Ministerium für Stadt- und Siedlungsbau]: AAN 537/152.



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Abbildungsnachweis

Jan Kilarski, Gdańsk, Gateway of Poland. Warszawa-Gdańsk 1949 (Abbildung auf dem Einband); Archiwum Państwowe w Gdańsku (Abb. 2, 3, 18, 20, 21, 22, 23, 48, 53, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 86, 91); Instytut Sztuki Polskiej Akademii Nauk (Abb. 8, 10, 27, 32, 33, 49, 50, 54, 55, 56, 58, 103, 104, 105); Architektura 7/8, 1952 (Abb. 38, 40); Architektura 7/8, 1954 (Abb. 41, 42, 43, 44, 45); Architektura 6, 1957 (Abb. 85, 87); Architektura 2, 1958 (Abb. 90); Dziennik Bałtycki 1952 (Abb. 34, 36, 37, 39), 1953 (Abb. 26), 1956 (Abb. 25); Głos Wybrzeża 1952 (Abb. 35); Problemy 5, 1957 (Abb. 79); Rocznik Gdański 1974/75 (Abb. 76); Stolica 11, 1953 (Abb. 75); Świerszczyk 1, 1945 (Abb. 15); Technika Morza i Wybrzeża, 11/12, 1948 (Abb. 16); 30 dni 3, 2000 (Abb. 14); Tadeusz Bolduan, Gdańsk 1945–1965. Warszawa 1967 (Abb. 6, 88); Bohdan Garliński, Architektura polska 1950–1951. Warszawa 1953 (Abb. 28, 29); Gdańsk zabytkowy w roku 1950. Gdańsk 1951 (Abb. 77, 78); Gdańsk. bearb. von Jan Kilarski, Warszawa 1948 (Abb. 7); Jan Kilarski, Gdańsk miasto nasze. Przewodnik po Gdańsku starym i nowym. Kraków 1947 (Abb. 11); Franciszek Mamuszka, Droga Królewska w Gdańsku. Gdańsk 1972 (Abb. 46); Jerzy Stankiewicz/ Bohdan Szermer, Gdańsk. Rozwój urbanistyczny i architektoniczny oraz powstanie zespołu Gdańsk-Sopot-Gdynia. Warszawa 1959 (Abb. 95, 96); Jerzy Stankiewicz/Bohdan Szermer, Pobrzeże Gdańskie. Krajobraz i architektura, Warszawa 1961 (Abb. 30, 94); Jerzy Stankiewicz/Bohdan Szermer, Gdańsk. Warszawa 1965 (Abb. 100); Jerzy Stankiewicz/Bohdan Szermer, Gdańsk: krajobraz i architektura zespołu miejskiego. Warszawa 1971 (Abb. 82, 98, 99); Bohdan Szermer, Gdańsk – przeszłość i współczesność. Warszawa 1971 (Abb. 4, 5, 102); Włodzimierz Wnuk, Wiosna nad Motławą. Warszawa 1952 (Abb. 9, 24, 47, 101); Archiv des Autors (Abb. 1, 12, 13, 17, 19, 31, 51, 52, 57, 80, 81, 83, 84, 89, 92, 93, 97).

Personenregister

A Abramowicz, Mieczysław – 17, 48, 252 Aischylos – 9 Alkiewicz, Maria – 146 Alkiewicz, Zbigniew – 146 Andrzejewski, A. – 78, 252 Andrzejewski, Marek – 28 Arciszewski, Krzysztof – 142, 154 Arnold, Udo – 28, 265 Augustyn, Józef – 106, 161 B Bądkowski, Lech – 73 Bahr, Ernst – 6, 252 Bajońska, Halina – 146 Balcerowicz, Irena – 233 Bara, Zdzisław – 216 Baraniewski, Waldemar – 133, 227, 252, 253 Bareja, Stanisław – 53, 138, 257 Barowa, I. – 45 Bartetzky, Arnold – VIII, 8, 15, 21, 95, 150, 253, 256 Bartolewska, Iwona – 17 Barylewska-Szymańska, Ewa – 241, 253, 266 Baryłko, Mieczysław – 146, 153, 154 Baum, Szczepan – 7 Beethoven, Ludwig van – 42 Bereś, Witold – 1 Beria, Lawrenti – 162 Biegański, Piotr – 76, 169, 182, 190–192, 194, 198, 200–203, 226, 227, 253 Bielak, Jacek – 15, 21, 253 Bienkowski – 200 Bierut, Bolesław – 2, 14, 28, 89, 100, 125, 162, 163 Bilewicz, Hubert – 15, 227 Biszewski, Kazimierz – 129, 180, 182– 186, 188, 190, 193, 194, 197, 198, 201, 202, 207

Błazik, Lidia – 161 van den Block, Familie – 58 Bobiński, Stanisław – 3, 4, 12, 68, 76, 82, 86, 91–93, 122, 123, 167, 178, 182, 198, 201, 211, 212, 217, 227, 252, 253, 256 Bogusz, Jerzy – 253 Bojakowski, Michał – 108, 221 Bojarski, Jerzy – 115, 165 Bolduan, Tadeusz – 267 Boros, Grzegorz – 2, 17, 263 Borowik, Józef – 73 Borowski, Jan – 4, 20–22, 24–26, 75, 78, 82, 115, 118, 139, 182, 186, 191, 192, 198, 200, 201, 217, 239, 253, 254, 258, 261 Borowski, Wacław – 48 Bowlt, John E. – 160 Bramante, Donato – 154 Brock, Ingrid – 7, 255, 262, 264 Brocki, Zbigniew – 124, 214, 215 Brooke-Rose, Christine – 164 Brożyna, Ryszard – 83 Bukowski, R. – 229 Buksdorf, A. – 231 Buliński – 182 Burnetko, Krzysztof – 1 Bylinkin, N. – 137, 254 C Campanella, Tommaso – 160 Cervantes, Miguel de – 9 Chardin, Jean-Baptiste Siméon – 151 Chmiel, Józef – 120, 126, 131, 139 Chomicki, Marian – 120, 126, 139 Chomicz, Romuald – 10, 12, 15 Chruschtschow, Nikita – 227–229 Chrzanowicz, Józef – 128, 182, 198, 210, 254 Chudoba, Franciszek – 28, 29 Chwin, Stefan – 48, 49, 51

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Personenregister

Ciborowski, Adolf – 91, 166, 167, 182, 190–194, 219, 242, 254 Cielątkowska, Romana – 231, 257 Ciemnołoński, Janusz – 3, 10, 24, 28, 40, 116, 117, 136, 152, 153, 166, 167, 178, 182, 212, 216, 217, 252, 254 Cieślak, Edmund – 18, 41, 258, 259 Cieślak, Katarzyna – 8, 15, 254, 256 Cieślińska, Helena – 124, 125, 179 Ciołek, Gerard – 91, 182, 192, 198, 200, 201, 219, 242, 254 Le Corbusier – 172, 173, 175 Crowley, David – 232, 254 Cyrankiewicz, Józef – 114, 228, 229 Cywińska-Chylicka, Wanda – 31, 37, 62 Czerny, Władysław – 20, 26, 30, 31, 37, 39, 40, 66–70, 72, 73, 78, 118, 121, 123, 134, 153, 172, 174, 175, 231, 254, 256 D Dąbrowska, Maria – 215 Dąbrowski, A. – 232 Dąbrowski, Leszek – 127, 182, 190, 191, 193, 254 Danielewicz, Małgorzata – 266 Dante – 154 Dębski, Witold – 131 Dejna, Bronisława – 3, 256 Delafons, John – 40, 254 Dembowska, Z. – 182 Dembski, Tadeusz – 142, 146 Deotyma – 154 Des Loges, Marian – 67, 68 Deurer, Wolfgang – 7, 254, 255 Dickmann, Arendt – 154 Diemientiewa, A. – 231 Dietz, Christian – VIII Dmitrieva, M. – 8, 95, 253, 256 Dmowski, Roman – 37 Dobrowolska, Cecylia – 146 Doliński, Witold – 68, 78, 115, 139 Dominiczak, Jacek – 244, 255 Donatello – 154 Dorosiewicz, K. – 80, 81, 114

Drążek, A. – 110 Drost, Wolfgang – V Duda, Wojciech – 20, 252 Dunin, J. – 19, 25, 255 Duszenko, Franciszek – 146 Dybowski, M. – 36 Dzierżyński, Feliks – 141 Dziewicki, Jerzy – 255 Dziewulski, Romuald – 198 E Eco, Umberto – 164 Ehrenburg, Ilja – 83 Engels, Friedrich – 162 Eysymontt, Rafał – 257 F Fenikowski, Franciszek – 134, 143, 145 Ferber, Familie – 213 Fichtner, Thomas – VIII Fiebiger – 182 Figlarowicz, Stefan – 252 Fisher, Jack C. – 258 Fortuna, Grzegorz – 20, 252 Frankowski – 106 Frey, Henryk – 74, 78, 85, 87–91, 96, 109, 111, 118, 123, 219 Freymann, Gebrüder – 2 Friedrich II der Große – 137 Friedrich, Jacek – VII, VIII, 3, 8, 39, 59, 61, 82, 168, 231, 232, 236, 255–257 Fronik, Z. – 34, 42, 65, 257 G Gabrielewicz, W. – 221, 225 Gach, Zbigniew – 2, 17, 20, 252, 263 Galilei, Galileo – 154 Garliński, Bohdan – 267 Gawryluk, Halina – 135, 223, 231 Gehrmann, Karl Heinz – 2, 257 Główczewska, Hanna – 146 Główczewski, Dominik – 146 Goldzamt, Edmund – 80, 133, 150, 257



Personenregister

Gołębiowska, Janina – 101, 102, 106 Gordziejczuk, Włodzimierz – 88, 96, 99, 108, 111 Górnowicz, Hubert – 41, 258 Goryński, Juliusz – 87, 88, 166 Gosz, K. – 34, 42, 65, 257 Goździelewski, Stanisław– 108 Granke, Maksymilian – 258 Greczanik-Filipp, Izabella – 11, 252 Gruszecki, Andrzej – 266 Gruszkowski, Wiesław – 4, 7, 9, 11, 12, 15, 18, 22, 40, 76–78, 87, 88, 111, 118, 166, 182, 190, 191, 193, 194, 231–233, 241, 242, 258 Grygiel, Tomasz – 24, 258 Grzenia – 100 H Hajduk, Bolesław – 17, 18, 259 Haller, Józef – 43 Hartmann, Sandra – VIII Haupt, Adam – 127, 129, 146, 182, 193, 258 Heidingsfeld, Hans – 6, 259 Hejger, Maciej – 27, 34, 259 Held, Carl Samuel – 221, 260 Henski, Jan – 154 Hevelius, Johannes – 125, 154, 155, 214, 215, 232 Hewelt, Werner – 18 Hilpert, Thilo – 172 Hinz, Bernard – 97, 108, 161 Hitler, Adolf – 17, 36, 44, 245 Holc, Stanisław – 122, 123, 126, 178, 193, 230, 242, 258, 259 Hordyński, Roman – 124, 204, 233, 236, 242 Horno-Popławski, Stanisław – 143, 144, 146 Hryniewicz, S. – 90, 191, 263 Huelle, Paweł – 2 I Ilkosz, Jerzy – 133, 155–157, 259

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J Jacob, Bruno – 6, 259 Jakimowicz, Teresa – 259 Janowski, Mieczysław – 62, 63 Jarocki, Robert – 24, 251 Jaszuński, J. – 265 Jelnicki, Stefan – 74 Jencks, Charles – 229 Jesipowicz, Janina – 146 Juszkiewicz, Aleksander – 108, 111 K Kaczor, Dariusz – 15 Kaczorowski, Michał – 49 Kadłubowski, Lech – 11, 15, 93, 113, 118–123, 127–129, 139, 141, 143– 147, 165, 204, 218, 222–226, 230, 233, 236, 238, 242 Kalinowski, Konstanty – 5, 14, 259 Kalinowski, Wojciech – 5, 9, 18, 168– 171, 259, 260 Karfycz, Adrian – 58 Karolak, Zygmunt – 146 Kawiecki, Piotr – 118, 262 Kazanowska, S. – 75 Kempski, Tomasz – 232 Kiersznikowicz, Jan – 98 Kierzkowski, Maksymilian – 109 Kieszkowski, Witold – 24, 25, 260 Kilarski, Jan – 20, 25–27, 29, 31, 37, 38, 40, 41, 43, 45–47, 55, 57, 60–62, 65–67, 74, 111, 113, 216, 221, 260, 267 Kilarski Maciej – 167, 216 Kizik, Camilla – 15 Kizik, Edmund – 8, 15, 256 Kiziorek, Bohdan – 146 Kledzik, W. – 204, 233, 236 Kliems, Alfrun – VIII, 95, 253 Kluft, Jene – 49 Kobylińska, Eugenia – 94, 108 Kobzdej, Aleksander – 260 Kochanowski, Jan – 154 Kondziela, Henryk – 61, 82, 256, 257 Konopka, Witold – 37, 137

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Personenregister

Kopciński, E. – 127, 260 Kopernikus, Nikolaus – 154 Kosianowska, Barbara – 108 Kosiński, Janusz – 103 Kośmicki – 98 Kossakowski, Marian – 21, 22 Kostarczyk, Artur – 26, 75, 261 Kostyrko, Teresa – 160, 260 Kotarbiński, Adam – 228, 260 Kotus-Jankowski, Franciszek – 30, 31 Kowalczyk, Jerzy – 5, 259 Kowalski, Janusz – 4, 118, 121, 122, 260 Kowarski, Felicjan Szczęsny – 142, 143, 156 Kozakiewicz, Ryszard – 146, 154 Kozikowski, W. – 182 Koźlikowski, Jordan – 210 Kraak, Piotr – 38, 193 Krajewska, Danuta – 131 Krause, Waldemar – 221, 260 Kroman, Jan – 40, 153, 182 Król, Zdzisław – 214 Krzyżanowska, Hanna – 61, 82, 256, 257 Krzyżanowski, Kalikst – 79–83, 90, 182 Krzyżanowski, Lech – 5, 19, 260 Kühnel, Adam – 182, 193, 194, 254, 258 Kulesza, Andrzej – 161, 182, 194 Kulikowski, Jan – 48 Kupian, Z. – 182 Kurcewicz, J. – 19, 25, 255 Kuśmicki – 98 Kuźmierkiewicz, Zdzisław – 131 Kuźniak, Mieczysław – 258 Kwaśniewski, Aleksander – 1 Kwaśny, Zdzisław – 108, 182, 198 L Labuda, Adam S. – 21, 61, 253, 261 Lachnitt, Walerian – 45, 261 Łakomiak, Kazimierz – 154 Łapiński, Teofil – 154 Lenin, Wladimir – 160, 162 Lepczak, Tadeusz – 139 Leszczyńska, Maria – 144, 146 Lew, Władysław – 198

Lewandowski, Wincenty – 154 Leyendecker, Karl – 6, 40, 261 Lichtnau, B. – 8, 256 Liehr, Harald S. – VIII Lier, Stefan – 125–127, 129–133, 214, 261 Lipka, Krzysztof – 134, 261 Lisowski, Bohdan – 229 Litterer, W. – 78, 252 Loew, Peter Oliver – 29, 251 Lorentz, Stanisław – 24, 65, 251, 261 Łowiński, Józef – 131 Łoziński, Jerzy – 227, 260 Lunačarskij, Anatoli – 160 Łuszczewska, Jadwiga – 154 Luterek, Franciszek – 146 M Machajska, Teresa – 146 Macur, Kazimierz – 24, 28, 217, 266 Mączeński, Zdzisław – 198, 200, 201 Madejski, Roman – 146 Majchrzak, Zygmunt – 131 Majewski, Witold – 78, 178, 182 Małcużyński, Karol – 39 Malenkow, Georgi – 162 Malessa, St. – 182 Malicki, Z. – 87, 265 Malisz, Bolesław – 73, 78, 133, 261 Mamuszka, Franciszek – 28, 29, 41, 123, 154, 261, 267 Mańska, Felicja – 97 Mao Zedong– 162 Marcinkowski, Stefan – 123, 152, 161 Martens, Andrzej – 93, 121, 122, 198, 205, 206 Marx, Karl – 43, 162 Massalska, Barbara – 142, 144, 146, 150 Massalski, Ryszard – 4, 18, 22, 23, 91, 92, 128, 166, 178, 198, 210, 254, 260, 261 Matejko, Aleksander – 110, 261 Matoń, Adam – 139, 232 Michel, Stanisław – 35, 115, 118, 233 Mickiewicz, Adam – 21, 253



Personenregister

Mieczek, B. – 35 Mieszkowski, Bronisław – 73, 122, 146, 182, 194, 196, 198, 200, 201, 202, 216, 257, 261 Mijal, Kazimierz – 42 Milewski, Edgar – 215 Millon, Henry A. – 160 Miłobędzki, Adam – 9, 105, 176, 261 Minkiewicz, Witold – 78, 81, 82, 141, 182, 192–194, 198, 200, 201, 222, 224 Mizerski, Stanisław – 142 Miziołek, Edmund – 38 Mokrzyszewski, Borys – 98 Mokwiński, Wojciech – 17 Molotov, Wjatscheslav – 162 Monczyński, Alfred – 121, 122 Morelowski, Marian – 39 Moro, Katarzyna – 15 Mossakowski, Marian – 198 Mozart, Wolfgang Amadeus – 42 Mroczko, Marian – 7, 17, 258, 259, 262, 264 Mroszczak, Józef – 2 N Najmajer, Piotr – 8, 20, 22–25, 168, 262 Naumienko, W. – 182 Nieczyporowski, Roman – 118, 262 Nochlin, Linda – 160 Nowak, Wiesław – 131 Nowicki, Maciej – 176 O Obberghen, Antonis van – 58 Odnowa, Andrzej – 37 Okoniewska, Barbara – 17, 19, 29, 33, 262 Okuń, Edward – 142 Olędzki, Daniel – 120 Olszewski, Andrzej K. – 86, 114, 134, 228, 262 Omilanowska, Małgorzata – 15 Opacki, Zbigniew – 53, 257 Orlof, Kazimierz – 108, 111, 165

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Osiński, Marian – 78, 136, 144, 146, 147, 165, 178, 180–182, 214 Osmańczyk, Edmund – 53, 55–58, 64 Osten-Ostachiewicz, E. – 52 Ostrowska, Róża – 97, 100 Ostrowski, Kazimierz – 12, 15, 97, 142, 144, 146, 154, 156 Ostrowski, Stanisław – 232 P Pągowska, Teresa – 146 Paner, Henryk – 5, 260 Pasierb, Janusz Stanisław – 40, 254 Pasławski, Franciszek – 127, 182 Pękalski, Leonard – 143 Pelczar, Marian – 19, 37–41, 198, 199, 262 Petersen, Heidemarie – VIII Philipp, Stefan – 7, 262 Pietrowiec, Anna – 146 Piłsudski, Józef – 37 Pióro, Zygmunt – 90, 191, 263 Piotrowski, Piotr – 227, 253 Piwocki, Ksawery – 33, 169–171, 176, 199, 263 Plackowski – 98 Platkowski – 98 Płaza-Opacka, Dagmara – 53, 257 Pniewski, Bohdan – 140 Podgórczyk, Stanisław – 102 Podlewski, Wacław – 76, 198, 199 Podoski, Kazimierz – 33, 263 Polasińska-Tyc, Zofia – 146 Połatyński – 98 Połujan, Romuald – 126, 131, 182 Poniatowski, Stanisław August – 226 Popiel, Henryk – 154 Porębski, Mieczysław – 152 Pronaszko, Zbigniew – 142 Prus, Bolesław – 55 Pruszyński, Ksawery – 64 Przyłęcki, Mirosław – 14, 263 Przyłuska, Maria – 146 Przypkowski, Tadeusz – 169, 214, 215, 263

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Personenregister

Ptolemäus – 154 Pypeć, Zacheusz – 12, 15 Pyrjew, Ivan – 95 R Radomski – 98 Radowicz, Henryk – 108, 111 Raffael – 154 Rakowski, Witold – 182, 254 Ranisch, Bartel – 58 Ratajczyk, K. – 119 Rejnson, Wiesława – 231 Rembiszewski, Wacław – 119, 120, 122, 139, 140, 182 Remer, Jerzy – 24, 254 Restany, Pierre – 232 Rewski, Zbigniew – 39 Roguszczak, Edward – 142, 146 Rokossowski, Konstanty – 162 Roll, Barbara – 210, 260 Roosevelt, Franklin Delano – 43 Rosiński – 97 Różański, Stanisław – 49, 126, 182, 191, 198, 202, 263 Różański, Tadeusz – 126, 131 Rummel, Julian – 71–73 Rupiński – 97 Rusak, Elżbieta – 29, 251 Rymaszewski, Bohdan – 58, 169, 263 Rynduch, Zbigniew – 31 Rzepiński, Czesław – 146, 154, 158 Rzyszczak, Jan – 142, 146 S Sachse, Frydolin – 182 Sajko, Jarosław – 22 Sarota, J. – 73 Saski, Kazimierz – 76, 77, 198, 200, 201 Schmidt, Stanisław – 135, 231 Schröder, Gerhard – 1 Schubert, Franz – 42 Schumann, Robert – 42 Schwedorowski, H. – 6, 151, 263 Semka, Ryszard – 12, 15 Serednicki, Józef Stanisław – 214

Shakespeare, William – 154 Siejka, Alfred – 103, 105, 106 Siemiński, L. – 182 Sierocin – 130 Sigismund August – 57 Skibniewski, Zygmunt – 122 Skolimowski, Jerzy – 99 Śliwka, Aniela – 252 Słowacki, Juliusz – 100 Smolana, Adam – 146 Sobczak, Izydor – 33, 263 Sokół, Adam – 88, 97, 111, 174, 182, 198, 202, 203 Sokorski, Włodzimierz – 229 Sołtysik, Maria Jolanta – 8, 256 Sowiński, Stanisław – 126 Speymann, Johann – 21, 253 Spisacki, Walerian – 194 Spyra, Stanisław – 221, 222, 224 Srogosz, Czesław – 34, 43 Stalin, Josef – 100, 135, 136, 162 Stankiewicz, Jerzy – 3, 4, 7, 11, 12, 15, 18, 19, 22–25, 40, 85, 91, 92, 111, 115–119, 122, 141, 165–167, 176–180, 182, 190, 193, 198, 210, 212, 214–219, 237, 254, 260, 263, 264, 267 Starosta, Michał – 154 Staszewski, Stanisław – 127, 129, 227, 264 Stefanowicz-Szmidt, Janina – 146 Stelmach, Edward – 108, 111 Stephan, Hans – 7, 40, 232, 264 Sterne, Laurence – 9 Stolarek, Piotr – 182, 194 Störtkuhl, Beate – 80, 265 Strehlke, Horst – 5, 6, 264 Strumiłło, Władysław – 131 Stryczyński, Michał – 18, 29, 30, 45, 75, 264 Stryjeńska, Zofia – 143, 145 Strzelecka, Iwona – 210, 260. Strzelecki, Michał – 146 Studnicka, Krystyna – 144 Studnicki, Juliusz – 144



Personenregister

Surponowicz, Zofia – 131 Świderska, Bernarda – 146, 154 Sypniewski, Zbigniew – 122 Syrkus, Helena – 172, 230, 264 Syrkus, Szymon – 230 Szancer, Jan Marcin – 48, 252 Szczepański, Jakub – 3, 256 Szczepkowska, Malwina – 60 Szczodrowska, Elżbieta – 146 Szczudłowski, Piotr – 45, 47, 264 Szermer, Bohdan – 4, 15, 18–22, 25, 179, 209, 237, 264, 265, 267 Szmidt, B. – 133, 136 Szmidt, Stanisław – 135 Sznajder, Roman – 12, 15 Szober, Wincenty – 127, 129, 260, 264 Szremowicz, Władysław – 44, 125, 134, 135, 183, 188, 189, 196, 198, 214, 265 Szypowska, Maria – 17, 216 Szypowski, Andrzej – 17, 216 T Talaśko – 98 Taraszkiewicz, Leopold – 119, 120, 126, 131, 139 Tarnowski, Józef – 118, 262 Teisseyre, Stanisław – 142, 146, 151 Tetzlaff, Henryk – 72, 73 Thorez, Maurice – 162 Tłoczek, I. Felicjan – 265 Togliatti, Palmiro – 162 Tołwiński, Tadeusz – 173–175, 265 Tomasik, Wojciech – 134, 135, 138, 160, 265 Tomaszewski, Leonard – 131 Torbus, Tomasz – 80, 265 Tredjakowski – 32 Troebst, Stefan – VIII, 8, 256 Trojanowska, Izabella – 11, 39, 76–78, 140, 141, 179, 213, 233, 252, 265 Truszkowski, M. – 182 Tusk, Donald – 2, 20, 221, 252 Tworkowski, Stefan – 87, 265 Tylicki, Jacek – 15

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U Ujma, Kazimierz – 98 Urbanowicz, Bohdan – 143, 265 Urbaszek, Ignacy – 106 Usarewicz, Roman – 146 V Verocsy, Leszek – 146 Vredeman de Vries, Hans – 39, 257 W Wagner, Richard – 42 Walicka, M. – 212 Walicki, Michał – 57, 58, 62–64 Wapiński, Roman – 15, 28–30, 36, 265 Wątorski, Jan – 59 Ważyk, Adam – 89 Weininger, Otto – 52 Weirowska, Danuta – 231 Weryk, Józef – 106 Wierzbicki, Witold – 161, 232 Wilk, Jerzy – 266 Wirt, Alicja – 131 Wiśniewska, Janina – 110 Wiśniewski, Alfred – 146 Witkiewicz, Wacław – 24 Włodarczyk, Wojciech – 89, 126, 134, 136, 157–161, 266 Wnuk, Włodzimierz – 92, 102, 106, 266, 267 Wnukowa, Józefa – 10, 11, 15, 17, 141–148, 150, 151, 153–155, 157, 164, 246, 266 Wojciechowski, Aleksander – 86, 262 Wójcik, Stanisław – 146 Wójtowicz, Zdzisław – 27, 31–33, 37, 61, 62 Wolski, Aleksander – 138, 141, 145, 146 Wołyniec, Roman – 131 Woronowicz, Tadeusz – 233 Woźniak, Michał – 8, 256 Wróblewski, A. – 219, 243, 266 Wronka, Andrzej – 47 Wyrobisz, Andrzej – 43, 266 Wysocki, Zygmunt – 111, 181, 216, 218

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Personenregister

Wyszkowski, Stanisław – 98, 99 Y Yamasaki, Minoru – 229 Z Zaborska, Hanna – 131 Zachwatowicz, Jan – 14, 26, 64, 73–78, 81, 82, 145–147, 168–172, 194, 197, 199, 202, 224, 235, 239, 259, 263, 266 Załęcki, Jarosław – 8, 266 Zaleski, Wojciech – 28, 182 Załuska, Wanda – 266 Zaporowska, Barbara – 47 Zaremba, Piotr – 219, 266 Zawistowski, J. – 260 Zborowski, Bruno – 182

Zekert, Reiner – 29, 251 Zelawska, Maria – 27, 56 Zhdanov, Andrei – 134 Ziegenhierte, Julia – 225 Zin, Wiktor – 5, 18, 260 Ziółkowski, Józef – 107 Zrałek, Stanisław – 34, 95, 137 Żukowski, H. – 232 Żukowski, Stanisław – 146 Żukrowski, Wojciech – 17 Żuławska, Hanna – 141, 142, 146, 154 Żuławski, Jacek – 122, 141, 142–146, 149–151, 154, 259 Żuławski, Zbigniew – 78, 82, 85, 115, 139, 141, 142, 182, 190, 194, 198, 204, 233, 236, 266 Żygulski, Zdzisław jr. – 168, 266