Neue Partner für die Quartiersentwicklung: Die KALKschmiede* in Köln. Methoden - Erkenntnisse - Interviews [1. Aufl.] 9783839426647

Initiated by the Montag Foundation Urbane Räume (English: Urban Spaces) and the corporation GAG Immobilien, a project wa

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Neue Partner für die Quartiersentwicklung: Die KALKschmiede* in Köln. Methoden - Erkenntnisse - Interviews [1. Aufl.]
 9783839426647

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Die KALKschmiede* in Köln Methoden Erkenntnisse Interviews

INHALTSVERZEICHNIS 6

VORWORT UND DANK

8 DAS PROJEKT KALKSCHMIEDE* 10

Einführung

18

Von der Analyse zum Projekt

30

Werkzeugkasten

34

Themen, Formate, Projekte

50

Das Integrierte Handlungsprogramm Kalk Nord 2012+

68

Handeln im Rahmen

74

Meilensteine im Prozess

78 INTERVIEWREIHE ZUR ZUKUNFT DES QUARTIERSMANAGEMENTS IN DEUTSCHLAND 84

»Man braucht eine lange Zeit, um soziale Strukturen zu verändern« Engagement eines kommunalen Wohnungsunternehmens in der Stadtteilentwicklung – Das Brunnenviertel und die Gropiusstadt in Berlin Frank Bielka, degewo Eduard Heußen, Zukunftsakademie Gropiusstadt

92

»Wir wollen für 90 Prozent der Bevölkerung da sein« Genossenschaften als Akteure der Stadtteilentwicklung – die Hattinger Südstadt David Wilde, Hattinger Wohnungsgenossenschaft hwg eG

100

»Bildung ist das Thema, um das es geht« Die Praxis des Quartiersmanagements – Quartiersentwicklung in Lohbrügge-Ost, Hamburg-Bergedorf Kirsten Sehgal, Lawaetz-Stiftung

108

»Quartiersarbeit muss auch politisch sein« Bewohnerbeteiligung, bürgerschaftliches Engagement und Gemeinwesenarbeit – Stadtumbau in Bremen Osterholz-Tenever Joachim Barloschky, Anne Knauf

116

»Stadterneuerung ist eine gesamtstädtische Aufgabe« Stadtteilentwicklung – von der Sonderpolitik zur Regelaufgabe Stefan Rommelfanger Stadt Gelsenkirchen

124

»Ohne einflussreiche Fürsprecher geht es nicht« Sicherung tragfähiger Strukturen für die Quartiersentwicklung Thomas Krüger, Stefan Kreutz und Patrick Stotz, HCU Hamburg

132

Die Rolle der Pioniere Zivilgesellschaftliche Akteure in der Stadtentwicklung Thomas Sieverts

140 VIER FRAGEN ZU KALK NORD Akteure nehmen Stellung Ralf-Peter Kötter, Thomas Tewes, Sybille Wegerich, Kathrin Möller, Andreas Breil, Savas Calisir, Michael Janas, Nuran Kancok, Dirk Kranfuß, Rainer Kreke, Sylvia Kussmann, Dorothee Schuld, Hans Günter Bell, Kerstin Schmedemann, Markus Thiele, Michael Eppenich, Magdalena Gather, Manfred Kahl, Maria Kröger, Franz Schnitzler, Heinz-Hubert Specks, Martina Pfeil

158 RESÜMEE Integrierte Stadtteilentwicklung Erfahrungen und neue zivilgesellschaftliche Perspektiven

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ANHANG Autoren Team KALKschmiede* Montag Stiftung Urbane Räume Literaturhinweise Bildnachweis Impressum

VORWORT UND DANK Die Montag Stiftung Urbane Räume hat sich gemeinsam mit der GAG Immobilien AG im Jahr 2009 auf den Weg gemacht, um den Norden des Stadtteils Kalk zu einem guten und günstigen Lebens- und Wohnstandort zu entwickeln. Das Interesse der Stiftung war, die ihr anvertrauten Mittel zum Wohle von Menschen einzusetzen, die in einem Viertel leben, das nicht mehr ausreichend individuelle Entwicklungschancen bietet und dessen Wohnungsangebot stark verbesserungswürdig ist. Die GAG hatte von Anfang an großes Interesse, eine kooperative Plattform für die Aufwertung ihrer Bestände aufzubauen, weil sie – anders als an anderen Standorten in der Stadt – im Kalker Norden über Streubesitz und Einzelobjekte verfügt. Dieses Zusammenwirken aus Zivilgesellschaft und kommunaler Wohnungswirtschaft war für beide Partner ebenso wie für die zahlreichen weiteren Beteiligten, die in dem Prozess gewonnen werden konnten, ein Wagnis. Denn wenn Akteure neu zusammenfinden, entstehen auch neue Spielregeln – die geeignete Kultur des Miteinanders muss erst entwickelt und erprobt werden. Zahlreiche aktive und sehr motivierte soziale Träger, Bildungseinrichtungen, Bürger und weitere wohnungswirtschaftliche Partner, die sich seit Jahren für das Viertel und die rund 14.000 in ihm beheimateten Einwohner einsetzen, konnten im Laufe der Zeit in diese neue Kultur des Miteinanders eingebunden werden. Dass es notwendig und richtig war, neue Partnerschaften einzugehen, zeigt ein Gang durch das Viertel im Jahr 2013: Wohnungen wurden saniert und neu gebaut, öffentliche Räume nutzbar gemacht, ein Veedelshausmeister ist aktiv. Und es liegt das Integrierte Handlungsprogramm Kalk Nord 2012+ vor, das die Menschen aus dem Viertel, die engagierten Institutionen, die Wohnungswirtschaft und die Verwaltung gemeinsam entwickelt haben. Der Weg dorthin war experimentell, er konnte offen gestaltet werden, folgte keiner erprobten Förderlogik, bediente sich aber durchaus der Erfahrungen der Quartiersentwicklung und Stadterneuerung, die in Köln und in ganz Deutschland in den letzten Jahrzehnten gesammelt wurden. Die Erfahrungen, die in der KALKschmiede* gewonnen wurden, werden mit dem Ihnen vorliegenden Buch nun wiederum anderen, neuen Stadterneuerungsprojekten zugänglich gemacht.

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Das Buch dokumentiert zunächst das Projekt, macht seinen Verlauf, die Strukturen, Methoden und Instrumente, die Erfolge und auch die Aspekte deutlich, die als Lehr- und Lernstoff für Nachahmer wertvoll sind (ab Seite 8). Anschließend werden erfahrene Partner der Quartiersentwicklung aus Wohnungswirtschaft, Stadtverwaltungen, Zivilgesellschaft und Wissenschaft daraufhin befragt, wohin sich die Praxis der Quartiersentwicklung angesichts abnehmender öffentlicher Ressourcen und sich verschärfender sozialer Problemlagen zukünftig entwickeln sollte (ab Seite 78). Und schließlich möchten wir – gleichsam als Klammer – die Menschen zu Wort kommen lassen, die sich aktiv für die Verbesserungen vor Ort eingesetzt haben. Wie könnte es nach dem Ende des KALKschmiede*-Projektes weitergehen, was sind die Perspektiven des Kalker Nordens (ab Seite 140)? In dem Resümee bündeln die beiden Autoren auf der Basis der Diskussionen, die sie bei der Erstellung des Buches geführt haben, die gemachten Erfahrungen und stellen einige Thesen zur Zukunft der Quartiersentwicklung mit neuen Partnern auf. Wir hoffen, dass die Mittel, die die Stiftung in den Prozess investiert hat, auch mittelfristig Wirkung im Stadtteil haben werden und das Integrierte Handlungsprogramm Kalk Nord 2012+ wo irgend möglich umgesetzt wird. Die Akteure, mit denen gemeinsam die KALKschmiede* begonnen und umgesetzt wurde, waren schon lange vor dem Start dieses Projekts in Kalk Nord aktiv, und sie werden sich auch in Zukunft für den Stadtteil engagieren. Ihnen – den Bürgern und Ämtern, den Vereinen und Stiftungen, den Unternehmen und Verbänden – gilt unser ausdrücklicher Dank! Sollte es uns in diesem Buch nicht gelungen sein, alle Engagierten zu nennen und ausreichend zu würdigen, bitten wir dies schon heute zu entschuldigen. Wir wünschen dem Stadtteil und seinen Bewohnern, dass das Leitmotiv des Projektes »einfach gut wohnen in Kalk Nord« auch für die weitere Entwicklung die Basis des Handelns sein wird. Frauke Burgdorff Vorstand Montag Stiftung Urbane Räume gAG

EINFÜHRUNG

Wie die KALKschmiede* entstand, warum die Wahl auf Kalk Nord fiel, welche Ziele das Projekt verfolgte und welche Besonderheiten die KALKschmiede* auszeichneten

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Wie kann eine gemeinnützige Stiftung sinnvolle Beiträge zu strategischen Fragen der Stadterneuerung leisten und in der Praxis wirken? Wie kann ein großes kommunales Wohnungsunternehmen seine Bestände zwischen Rendite- und Sozialraumorientierung auch im Streubesitz entwickeln? Die Montag Stiftung Urbane Räume gAG und die Kölner GAG Immobilien AG, deren Mehrheitsaktionär die Stadt Köln ist und die insgesamt über 42.000 Wohnungen besitzt, haben vor dem Hintergrund dieser beiden Fragestellungen 2008 gemeinsam nach einem Viertel in Köln gesucht, in das baulich und sozialpolitisch investiert werden musste, in dem aber weder der Stadt noch der Wohnungswirtschaft alleine ausreichend Mittel und Hebel zur Verfügung standen, um entscheidende Verbesserungen herbeizuführen.

www.soziale-stadt.nrw.de/ stadtteile_projekte/profil_koeln.php (09.05.2013)

Mit dem Kalker Norden haben die beiden Partner ein Viertel gefunden, in dem fünf Faktoren aufeinander trafen: — Das Quartier konnte sozioökonomisch durchaus als problematisch bezeichnet werden; die Kennzahlen zu Schulabschlüssen und SGB-IIGeld-Empfängern verdeutlichten dies. — Die Wohnungsbestände waren in einem beklagenswerten Zustand, die Fassaden vernachlässigt, die technische Ausstattung der Wohnungen oft mangelhaft (es fehlten teilweise Heizungen), und die bauhygienischen Zustände bisweilen kritisch (Schimmelbildung in den Wohnräumen). — Die öffentlichen Räume waren ungepflegt und vermüllt, die interkulturellen Spannungen waren auf der Straße spürbar, Ladenlokale standen leer. — Die GAG besitzt bis heute in Kalk Nord etwa 1.200 Wohnungen, davon ein großer Teil in Streubesitz. Es gab und gibt also dort nicht »den einen« großen Bestandshalter, der sich die Entwicklung des Quartiers auf die Fahnen schreiben konnte, denn neben der GAG hält die Deutsche Annington 700 Wohneinheiten; Genossenschaften und Vereine sowie viele Einzeleigentümer kommen hinzu. — Und schließlich hatte sich die öffentliche Hand im Rahmen des Programms Soziale Stadt, das die Folgen der Deindustrialisierung in Kalk mildern sollte, verausgabt. Die Förderbücher wurden um das Jahr 2004◄ geschlossen. Zwar waren insbesondere der Süden und Westen Kalks großflächig umgebaut worden; neue Verwaltungsgebäude, die Halle Kalk und die Abenteuerhallen Kalk, ein Bürgerpark, eine Shopping Mall und neue Wohnungen sind entstanden. Doch im Kalker Norden ist diese Entwicklung nicht angekommen. Das gemeinsam von den beiden Partnern ins Leben gerufene Projekt nahm im Jahr 2009 die Arbeit im Kalker Norden auf. Die KALKschmiede* sollte experimentell, aber mit dem Anspruch auf konkrete Verbesserungen agieren und in einem Zeitraum von drei bis vier Jahren gemeinsam mit Partnern vor Ort Anstöße und Impulse für die weitere Entwicklung des Quartiers geben. Die GAG war gerade am Anfang des Projektes der zentrale Partner und Unterstützer des Vorhabens. Die Stadt Köln hat von Beginn an signalisiert, dass sie wenig

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EINFÜHRUNG

Ressourcen für das Projekt würde einsetzen können, sie war in der Analysephase aber formaler Partner und hat das Projekt mit statistischen Analysen und Zugängen in die Verwaltung unterstützt. Da mit diesem Projekt nicht intendiert war, einen Ersatz für bestehende Aufgaben der öffentlichen Hand zu schaffen, wurde das Engagement von vornherein auf einen Zeitraum von drei bis vier Jahren beschränkt. In diesem Zeitraum sollten mit einem neuen Ansatz Anregungen dafür geliefert werden, wie zur Verbesserung der Lage in einem Quartier wie Kalk Nord beigetragen werden kann und welche neuen Wege der Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Trägern sich der öffentliche Hand in Zukunft bieten.

DAS PROJEKT KALKSCHMIEDE*

► Kalk Nord: Zwischen Kalker Hauptstraße im Süden, Zoobrücke im Norden, Bürgerpark und Bahnanlagen

In dieser Ausgangssituation – Stiftung und Wohnungswirtschaft ziehen an einem Strang – lag der Stiftung daran, die etablierte Form des Quartiersmanagements weiter zu entwickeln und herauszufinden, mit welcher Art von Quartiersarbeit unmittelbar auf die Problem- und Lebenslagen der Menschen vor Ort reagiert werden kann. Es sollten Wege gefunden werden, wie das Viertel stabilisiert werden kann, wie hier lebende Menschen neue Chancen bekommen können. Die KALKschmiede* sollte aber auch Impulse und Anregungen für die Quartiersentwicklung in anderen Städten und anderen Quartieren Kölns liefern. Sie musste also mit konkreten, experimentellen Vorhaben schnell sichtbar wirken und dabei gleichzeitig die kommenden fünf bis zehn Die KALKschmieJahre der Stadtteilentwicklung in den Blick nehmen. de* stand also vor der Aufgabe, ein pragmatisches, dezidiert an den Bedürfnissen und Lebenslagen der Bewohner orientiertes Programm zu entwickeln, das deren Alltag im Stadtteil verbessert und dabei auch die Ziele der Wohnungsunternehmen langfristig sichert, ohne auf außerordentliche Mittel der öffentlichen Hand hoffen zu können. Als Motto wurde für diese Aufgabenstellung »einfach gut wohnen« gewählt: »einfach« als direktes, konkretes und unmittelbar auf »gutes Wohnen« bezogenes Attribut, als ein Wohnen, das sich im Quartier verortet, Wohnraum und Lebenswelt miteinander verzahnt, das Chancen eröffnet, heimisch zu werden und die eigene Persönlichkeit zu entfalten. Bis heute können sich auch finanziell schwächer gestellte Menschen das Leben dort leisten. Für sie heißt »einfach gut wohnen«: gute und dauerhaft bezahlbare Wohnungen, ein öffentlicher Raum, in dem man sich gerne trifft, begegnet, sich austauschen und in dem man Kinder spielen lassen kann. Ein Quartier, in dem es sich »einfach gut wohnen« lässt, schließt ebenso eine aktive lokale Ökonomie mit Handel für den täglichen Bedarf und Dienstleistungen in der Nachbarschaft ein wie eine qualitätsvolle Verknüpfung der Bildungs- und Kultureinrichtungen. Es fördert einen offenen und respektvollen Umgang mit den Unterschieden zwischen Menschen und Kulturen und ermutigt damit auch einen Kern engagierter Bürger, ihr »Veedel« mitzugestalten. Von einem solchen Ziel war Kalk Nord 2009 weit entfernt, so dass es galt, nicht nur mit perspektivischem Denken strategische Wege zur Verbesserung aufzuzeigen und die ersten Schritte einzuleiten, sondern direkt Missstände zu beseitigen. Die prekäre Situation erlaubte es nicht, erst nach der Fertigstellung eines abgewogenen Programms zu handeln. Die KALKschmiede* hat

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EINFÜHRUNG

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► Siehe Seite 140 ff. »Vier Fragen zu Kalk Nord«

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daher einen Prozess moderiert, der die Investitionen in der Gegenwart und die Perspektiven für die Zukunft so eng wie möglich miteinander verzahnt. Die Balance zwischen Aufwertung und negativer Stigmatisierung herzustellen, war nicht einfach. Einen solchen Weg kann niemand alleine beschreiten. Für die KALKschmiede* war es daher maßgeblich, Partner aus dem Viertel, soziale Träger, Partner aus der Wohnungswirtschaft und aus der Verwaltung zu finden, die sich gemeinsam für den Stadtteil engagieren und ihre Ressourcen in den Prozess einbringen. Mit dem Namen KALKschmiede* hat man zum Ausdruck gebracht, dass man zusammen mit vielen Beteiligten im Stadtteil Köln Kalk etwas bewegen und dabei auf bestehende Entwicklungen und Traditionen aufbauen wollte. Der Begriff der Schmiede stand dafür, aus Bestehendem in gemeinsamer Arbeit, mit Kraft und Energie eine für alle bessere Umwelt zu gestalten. Mit dem Sternchen am Ende des Namens wurde signalisiert, dass sich die KALKschmiede* als ein Kooperationsprojekt versteht, das Für die KALKschmiede* stets mit Partnern vor Ort zusammenarbeitet. wurde ein Team aus Fachleuten gebildet. Dessen Aufgabe war es, Ideen mit unterschiedlichen, neuen, ebenso wie etablierten Kräften im Stadtteil zu entwickeln: mit Vereinen und Unternehmen, Bildungs- und Kultureinrichtungen, Verwaltung und Politik. Der KALKschmiede* standen neben den Personalmitteln für 2¼ Stellen etwa 40.000 Euro Projektmittel jährlich zur Verfügung, um Analysen durchzuführen, Prozesse anzustoßen, Pläne zu machen und kleine Projekte in Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren zu unterstützen. Sie hatte außerdem die Möglichkeit, Know-how von anderen, ähnlichen Projekten aus Deutschland für die Arbeit in Kalk Nord zugänglich zu machen.

PHASEN DER ARBEIT

Die Arbeit der KALKschmiede* lässt sich in drei Phasen beschreiben, die aufeinander folgten. In der Analysephase wurde der Stadtteil eingehend untersucht, es wurden erste kleine Aktionen im Stadtteil durchgeführt und erste Themenfestlegungen vorgenommen (»Von der Analyse zum Projekt«, Seite 18). In der zweiten Justierungsphase wurden die Themen zu Handlungsfeldern weiter entwickelt und Formate auf den Weg gebracht (»Themen, Formate, Projekte«, Seite 34). In der Projekt- und Programmphase wurden die Handlungsfelder mit Investitionsplänen und Projekten gefüllt und das Integrierte Handlungsprogramm gemeinsam mit dem Stadtteil entwickelt und publiziert (Seite 50). Im Kapitel »Handeln im Rahmen« (Seite 68) schließt sich eine Einschätzung darüber an, worin die Möglichkeiten und Grenzen eines solchen zivilgesellschaftlichen Projekts liegen.

EINE ERSTE BILANZ

2013 ist das von Anfang an befristet angelegte Engagement beendet worden. Und die Erfolgsbilanz kann sich trotz der wenig ermutigenden Ausgangslage sehen lassen. Die GAG hat 143 Wohnungen in alten Häusern durch Neubau ersetzt, die Deutsche Annington hat sich als Partner der Stadtentwicklung engagiert und ebenfalls in ihre Bestände investiert; weitere wohnungswirtschaftliche Partner wurden im Wohndialog für ein Gespräch über die Zukunft des Quartiers gewonnen. Mit konkreten Aktionen wurde die Qualität des öffentlichen Raums verbessert, es wurde ein »Veedelshausmeister« engagiert,

◄ Wohnungsbestände in Kalk Nord, aufgenommen 2009. Sowohl äußeres Erscheinungsbild, als auch der Zustand der Wohnungen und Flure waren problematisch.

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EINFÜHRUNG

der (vorerst mindestens bis Ende 2014) durch die Wohnungswirtschaft finanziert wird und sich um das Viertel und die Belange der Bewohner kümmert. Auch die sozialen Träger haben über die gemeinsame Arbeit effektivere Abstimmungswege gefunden. Die Aufmerksamkeit von Politik und Verwaltung für diesen Stadtteil wurde gewonnen. Vor allem aber ist es gelungen, eine breite Basis für die Entwicklung eines Handlungsprogramms (das »Integrierte Handlungsprogramm Kalk Nord 2012+«) zu gewinnen. Insgesamt 310 Menschen haben in zwei »Zukunftsschmieden« an dessen Entstehung mitgearbeitet. Erste konkrete Ergebnisse sind bereits heute im Stadtteil sichtbar. Im Oktober 2012 zeichnete das Bundesbauministerium die KALKschmiede* als wegweisendes Projekt für zivilgesellschaftliches Engagement mit dem Diese Bilanz gründet vor allem Preis »Stadt bauen. Stadt leben« aus. darauf, dass die Arbeit der KALKschmiede* sich in wesentlichen Punkten von der Praxis des institutionellen Quartiersmanagements unterscheiden konnte: — Zum Ersten wurde, aus der unmittelbaren Not geboren, direktes Agieren und perspektivischer Prozess aufeinander bezogen. Während die Bewohner zu ihrem Bedarf und zur Situation im Stadtteil befragt wurden, haben die ersten Aktionen im öffentlichen Raum stattgefunden; während die Wohnungsunternehmen im Rahmen des Wohndialogs Kalk Nord ihre strategischen Entwicklungsperspektiven diskutierten, wurde in den wohnortnahen Freiraum investiert und der Veedelshausmeister eingestellt. — Zum Zweiten hat die KALKschmiede* als zivilgesellschaftliche Initiative ohne kommunalen Auftrag keine Fördermittel der öffentlichen Hand eingesetzt – und stand so nicht unter einem entsprechenden Vergabeund Legitimationszwang. Das gab ihr einerseits die Freiheit, alle denkbaren und wichtigen Kooperationspartner ohne Rücksicht auf Konkurrenzen und Vorabsprachen an einen Tisch zu holen. Andererseits hatte sie keine institutionelle Autorität – sie musste durch Argumente überzeugen und auf Kooperation setzen. Als zivilgesellschaftlicher Partner und Moderator konnte die KALKschmiede* die privaten Mittel und Energien viel unkomplizierter und auf Vertrauensbasis bündeln. — Zum Dritten hatte die KALKschmiede* die Freiheit, Strategien und inhaltliche Schwerpunkte, die zu Beginn formuliert worden waren, wieder aufzugeben und zu ersetzen. Man konnte also das während der Arbeit gewonnene Wissen so einsetzen, dass keine Energie in etwas fließen musste, was keine Aussicht auf Erfolg hatte. Nach den in Kalk Nord gemachten Erfahrungen liegt es nahe, danach zu fragen, wie die bekannten Formen des Quartiersmanagements sich neuen Konstellationen, neuen Rahmenbedingungen, die auf die Quartiere einwirken, anpassen könnten. ► Aktive Bürger: In den Beständen der Annington hat sich ein passionierter Gärtner ein Stück des Wohnumfelds angeeignet.

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VON DER ANALYSE ZUM PROJEKT

Wie begonnen, was vorgefunden wurde, was die ersten Schritte und Aktionen waren und wie die KALKschmiede* zu einem Projekt der Montag Stiftung Urbane Räume wurde

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Die Ergebnisse der ersten Phase sind veröffentlicht in: Montag Stiftung Urbane Räume (Hg.): KALKschmiede*. Analyse, Konzept, erste Projekte, Köln 2011. Online verfügbar unter: www.montag-stiftungen.de/ urbane-raeume/projekte/nachbarschaften/ kalkschmiede.html

GRUNDLAGENERMITTLUNG

► Siehe Seite 23

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Um von einer ausreichenden Basis an Wissen und von einer gründlichen Kenntnis des Viertels ausgehen zu können, um tatsächlich zielgerichtet und an den Bedarf von Quartier und Menschen orientiert zu agieren, bedurfte es eines vielschichtigen Analyseansatzes. 2009 schrieb die Montag Stiftung Urbane Räume in Partnerschaft mit der GAG Immobilien AG ein Stipendienprogramm aus. Im Mai wurden unter Beratung von Thomas Sieverts aus 40 Bewerbungsteams Sandra Bernien (Sozialwissenschaften), Isabel Finkenberger (Stadtplanung und Architektur) sowie Susanne Stübben (Architektur) ausgewählt. Die Stipendiatinnen hatten ein Konzept unter dem Titel »Brücken Bauen. Innovative Stadtteilentwicklung Köln Kalks« vorgelegt und sich zum Ziel gesetzt, als interdisziplinäres Team an der Schnittstelle zwischen wissenschaftlichen Inhalten, praxisorientierten Umsetzungsstrategien, gesellDen schaftlichen Prozessen und baukulturellen Ansprüchen zu arbeiten. Stipendiatinnen wurde die Aufgabe übertragen, aufbauend auf einer gründlichen Analyse Strategien und Instrumente vorzuschlagen, die das Quartier nachhaltig stabilisieren sowie die Wohn- und Lebensumwelt der Kalker spürbar verbessern sollten.◄ Zu Beginn nahmen die Stipendiatinnen die soziale Situation, die Struktur der Wohnungseigentümer, die städtebauliche Gestalt und die Zufriedenheit der Bewohner mit ihrem Lebensumfeld unter die Lupe. Dabei bedienten sie sich unterschiedlicher methodischer Zugänge, um möglichst viele Bevölkerungsschichten zu erreichen. Es wurden Daten- und Plananalysen sowie im Rahmen von Stadtteilfesten Mental Maps erstellt, außerdem wurden Begehungen und intensive Interviews im Stadtteil durchgeführt. Menschen aus dem Quartier konnten im Rahmen von Veranstaltungen zur Aktivierung und zum Veranschaulichen von örtlichen Potenzialen – den »Schmieden« – unmittelbar angesprochen und beteiligt werden. Ergänzt um eine später durchgeführte und von den Wohnungsunternehmen beauftragte, umfassende Bewohnerbefragung ergab sich ein herausforderndes Bild. 2009 lebten fast 14.000 Menschen in dem im zweiten Weltkrieg größtenteils zerstörten Quartier Kalk Nord. Es ist bis heute geprägt vom einfachen Wohnungsbau der Wiederaufbauzeit, in der Regel Zeilenbau aus den 1950er Jahren, dazu kleinteiliges Einzeleigentum. Den industriellen Standort, für den in den Jahren der Prosperität Gastarbeiter angeworben wurden, traf der durch den Strukturwandel ausgelöste Niedergang der rechtsrheinischen Großindustrie hart. Vor allem durch die Schließung der Klöckner-Humboldt-Deutz AG und der Chemischen Fabrik Kalk wurden in großem Umfang Industriearbeitsplätze abgebaut. Die Stipendiatinnen stellten fest, dass die gravierendsten Defizite darin bestanden, — dass die Ausstattung und der Zustand der Wohnungen teilweise extrem schlecht bis gesundheitsgefährdend und die wenigsten Wohnungen alten- oder familiengerecht waren; — dass das wohnortnahe Umfeld und die öffentlichen Räume häufig stark vermüllt, schlecht gepflegt und unzureichend beleuchtet waren;

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VON DE R ANALYS E ZUM PROJ E KT

— dass 2010 14,2 Prozent der Jugendlichen in Kalk Nord die Schule ohne Hauptschulabschluss verließen – der Vergleichswert für Köln betrug im gleichen Jahr 5,9 Prozent; — dass geplant war, eine der beiden Hauptschulen im Stadtteil im Juni 2012 ohne ein Konzept für die zukünftige Nutzung des Gebäudes zu schließen; — dass ein gesicherter Standort und eine strukturelle Förderung für ein offenes Jugendprojekt fehlten. Dass daran dringender Bedarf bestand, bestätigte 2011 der Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplan der Stadt Köln; — dass es Spannungen zwischen unterschiedlichen Bewohnergruppen unterschiedlicher Herkunft und Kultur gab; — dass die Kriminalität vergleichsweise hoch und die gefühlte Unsicherheit zuletzt gestiegen war.

Der politische Bezirk Kalk ist nicht identisch mit dem Stadtteil Kalk. Der Stadtbezirk Köln Kalk umfasst die Stadtteile Brück, Höhenberg, Humboldt/Gremberg, Kalk, Merheim, Neubrück, Ostheim, Rath/Heumar und Vingst mit etwa 113.000 Einwohnern.

Außerdem für das weitere Vorgehen wichtig erscheinende Befunde waren der hohe Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund (er betrug 2009 66,3 Prozent; im gesamten Stadtteil Kalk lag er bei 54,9 und in der Gesamtstadt Köln 31,4 Prozent) sowie der hohe Anteil von Kindern und Jugendlichen; auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter kommen in Kalk Nord 29 Personen unter 18 Jahren und 21 im Rentenalter – in Köln liegt der entsprechende Vergleichswert bei 23 Personen unter 18 Jahren und 27 im Rentenalter. Auch wenn die Anbindung an den ÖPNV gut ist und die Innenstadt rasch erreicht werden kann, liegt der Norden Kalks isoliert, da er im Norden durch eine Stadtautobahn vom angrenzenden Stadtteil Buchforst getrennt wird und ausgedehnte Bahngleise im Osten wie im Westen unüberwindliche Barrieren bilden. Der Ruf des Quartiers ist in Köln schlecht, auch wenn viele Kölner ihr Urteil über Kalk nicht in eigener Anschauung gründen. Es gab und gibt bis heute (Stand Ende 2013) keine politischen Vertreter im Stadtrat oder in der Bezirksvertretung von Kalk◄, die aus Kalk Nord kommen. Dieses Fehlen eines Fürsprechers in der Politik zeigte sich 2009 darin, dass in den Diskussionen über die Stadtentwicklung in den politischen Gremien und in der Verwaltung der Norden Kalks keine Rolle spielte: Er war schlicht ein weißer Fleck auf der politischen Landkarte Kölns.

Schulabbrecherquote 2009 in Prozent

14,2

Kalk Nord

Anteil von Rentnern und Jugendlichen (unter 18Jahre) 2009 in Prozent

21 12

Kalk

27

5,2

Köln

29

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Kalk Nord

Köln

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HYPOTHESEN UND VERTIEFUNG

► Siehe Seite 22

U-Bahn-Linien / -Haltestellen DB-Linien / -Haltestellen Autobahn Rhein

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Aufbauend auf den Analysen stellten die Stipendiatinnen Hypothesen auf, die ein Zukunftsbild, aber auch die Herausforderungen für Kalk Nord skizzierten. Diese Hypothesen wurden in 15 Interviews, den Spiegelgesprächen, mit Akteuren aus dem Stadtteil geprüft und verifiziert. Daraus ergab sich, dass erwartet werden konnte (und befürchtet werden musste), dass zwar der gesamte Stadtteil Kalk in den nächsten Jahren als Wohnort attraktiver wird, aufgrund von unterschiedlichen Entwicklungsdynamiken auf kleinräumiger Ebene allerdings der Kalker Norden ohne besondere Aktivitäten auch weiterhin davon nicht profitiert. So bestand die Gefahr, dass sich soziale Grenzen festigen würden und Kalk Nord in eine Abwärtsspirale gerät. Zudem wurde befürchtet, dass sich der Stadtteil an seinen Rändern zunehmend an der Entwicklung in den benachbarten Stadtteilen orientiert und dadurch in unterschiedliche Teilräume mit eigenständigen Charakteren zerfällt, in dessen Zentrum sich Hier bestätigdie 2009 zu beobachteten Probleme weiter verschärfen. ten sich die in den ersten Beobachtungen gemachten Erkenntnisse, die durch weitere Interviews mit aktiven Menschen aus Kalk Nord erhärtet wurden: Es war dringend geboten, Wohnungsangebot und Wohnumfeld zu verbessern, Begegnungsorte zu schaffen und den öffentlichen Raum nutzbarer zu machen. Außerdem lag eine große Herausforderung darin, die Bewohner des Quartiers zueinander zu bringen. Insbesondere galt es, die Menschen und Institutionen, die sich bereits für Kalk engagierten und ein Interesse an der Entwicklung Kalk Nords haben oder haben mussten, in einen Dialog zu bringen. Es sollte schließlich die Aufmerksamkeit von Politik und Verwaltung ebenso wie die der Wohnungswirtschaft gewonnen werden, um gemeinsam tragfähige Strategien für das Viertel zu entwickeln.

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VON DE R ANALYS E ZUM PROJ E KT

Kalk Nord Zoom Hauptentwicklungsfelder in Kalk Flächenpotenziale Kleinräumige Entwicklungslinien GESAMTSTÄDTISCH RELEVANTE EINRICHTUNGEN BZ Kalker Hauptstraße Öffentliche Einrichtungen EZH / Büros / Gewerbe Kultur / Freizeit Haupterschließung

Kalker Hauptstraße Wohnen Gewerbe / Industrie Fliehkräfte Einrichtungen mit gesamtstädtischer Bedeutung U-Bahn / S-Bahn wichtige Querverbindungen wichtige Grünraumverbindungen

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ERSTE PROJEKTE UND INITIATIVEN

ENTDECKE dein KALK auf der Albermannstraße

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Im Verlauf des ersten Jahres wurde in einem Ladenlokal in der Buchforststraße die KALKschmiede* als Büro, Anlaufstelle, Begegnungs- und Sitzungsort eingerichtet. Ihre Aufgabe wurde aus den ersten Analyseerkenntnissen und -ergebnissen entwickelt: Ressourcen und Potenziale aufzuspüren, zu bündeln, Ideen zu generieren und Entwicklungsstrategien zu finden, Akteure zum (abgestimmten) Handeln zu motivieren und die Moderation innerhalb des bestehenden Akteursnetzwerks zu übernehmen. Zudem sollte die KALKschmiede* praktisch und kurzfristig durch Projekte im Stadtteil wirken. Begleitet wurde die KALKschmiede* dabei von Thomas Sieverts und dem Institut für Landesund Stadtentwicklungsforschung NRW. SCHMIEDEN: ENTDECKE DEIN KALK Um den Austausch, die Begegnung und das gemeinsame Handeln der Menschen in Köln Kalk zu unterstützen sowie den Aufbau und die Stabilisierung von Netzwerken zu fördern, wurde im Sommer 2010 ein Veranstaltungstyp zur Aktivierung und zum Veranschaulichen von örtlichen Potenzialen eingeführt: die »Schmieden«. Unter dem Titel »ENTDECKE dein KALK« startete die erste Reihe von Aktionen in Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren und Einrichtungen. Dabei sollte, intensiver als es in der Analyse möglich war, den Fragen nachgespürt werden, welche Potenziale die Menschen in Kalk Nord in ihrem Wohnumfeld sehen und wie diese genutzt werden könnten. Auf der Grundlage von Befragungen zu Lieblings- und Unorten der Bewohner wurden drei Orte im Kalker Norden ausfindig gemacht, die temporär eine neue Perspektive erhielten. Sie wurden für einige Stunden mit einer neuen Nutzung belegt und gemeinsam mit den Menschen gestaltet. Die Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren und Einrichtungen war dabei eine wichtige Voraussetzung. Um etwas Neues entstehen zu lassen, wurden Getränkekästen als Bausteine zu verschiedenen Elementen zusammengebaut. So konnten Räume neu definiert, Potenziale herausgearbeitet, Ideen kreiert und durch eine gemeinsame Aktion die Menschen im Quartier zusammengebracht und für ihren Wohnort begeistert werden. In einer ersten Aktion wurden auf einem geschlossenen Spielplatzgelände der GAG mit Unterstützung der Evangelischen Jugend Kalk und der Kalker Kicker Liga eine Sitz- und Spiellandschaft gebaut, in der ein Kickerturnier ausgetragen wurde. Eine zweite Veranstaltung fand im als Spielstraße ausgewiesenen Abschnitt der Albermannstraße statt, die bislang ihr Potenzial als Spielstraße aufgrund ihrer Gestaltung und Ausstattung nicht abrufen konnte. Es wurden Karten- und Würfelspiele ermöglicht, ein Improvisationstheater und Musiker traten auf. Die Aktion wurde wiederum von der Evangelischen Jugend Kalk und dem Pavillon e. V., einem Jugendprojekt in Köln Kalk, unterstützt; Mitarbeiter des Internationalen Bundes hatten zuvor die Sandkastenfläche der Albermannstraße gereinigt. Das Potenzial einer Spielstraße konnte so anschaulich gemacht werden. Die dritte Aktion von ENTDECKE dein KALK musste wegen Regens verlegt werden. Statt als Open Air Kino auf einem Garagenplatz mit einer Brandwand als Projektionsfläche, bei der Filme gezeigt werden sollten, in denen es um Kalk geht, musste diese Schmiede in den Räumen der KALKschmiede* stattfinden. Auch diese Aktion

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D IE ANALYS E

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wurde von der Evangelischen Jugend Kalk, außerdem von Kran51, einer Initiative von Künstlern und Kreativen aus Kalk, dem Kinderschutzbund und der Geschichtswerkstatt Kalk unterstützt.

www.openstreetmap.de und www.openstreetmap.org/browse/ relation/2613745

HANDLUNGSFELDER

◄ Temporäre Umgestaltung: Kickertournier im Rahmen der ersten Schmiede im August 2010 auf einem ungenutzten Spielplatzgelände

KALKER PLÄNE Unter dem Titel »Kalker Pläne« wurden Informationen zu anstehenden, geplanten oder möglichen Veränderungen zusammengefasst. Sie machten nicht nur anschaulich, wo tatsächlich gebaut oder investiert wird, sie zeigten auch, wo Gebäude und Flächen zur Entwicklung bereit standen, welche Potenziale es im Stadtteil gibt, wie Kalk Nord in der Vergangenheit betrachtet worden ist und welche Studien anstanden. Informationen aus Verwaltung, Tageszeitung, Internetseiten wurden zusammengetragen und auf einer Open Street Map◄ verortet. So zeigte sich nicht nur Geplantes und potenziell Veränderbares, sondern auch das Maß an Interesse und Engagement für einen Ort. Es hat sich allerdings gezeigt, dass dieses Instrument von den Menschen nicht angenommen wurde, weil es deren Alltagspraxis und Interessen nicht ausreichend berücksichtigte. Nach diesen ersten Schritten der Analyse, der Einschätzung und des Kennenlernens des Ortes schlug das Stipendiatinnenteam vor, den Schwerpunkt der Aktivitäten im Quartier auf drei Themenfelder zu konzentrieren: »Wohnen«, »öffentlicher Raum« und »lokale Ökonomie«. WOHNEN Neben der GAG ist die Deutsche Annington mit etwa 700 Wohnungen bis heute der zweite große Akteur auf dem Wohnungsmarkt in Kalk Nord. Weitere Eigentümer sind andere Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften (unter anderem die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft GWG zu Köln) und private Einzeleigentümer. Die dichte Stadtstruktur aus meist viergeschossigen Bauten besteht aus Blockrand-, Zeilen- und freistehender Bauweise. Neben dem teilweise schlechten Zustand der Häuser ist der Mangel an großen Wohnungen ein wesentliches Defizit: Im Vergleich zur Gesamtstadt gibt es hier prozentual doppelt so viele Haushalte mit fünf oder mehr Personen; der meist aus der Nachkriegszeit stammende Bestand macht für deren Bedarf keine ausreichenden Angebote. In einem von der KALKschmiede* angeregten und moderierten Dialog wurden die wichtigsten Wohnanbieter im Viertel miteinander ins Gespräch gebracht. Dieser Wohndialog wurde initiiert, um die Akteure der Wohnungswirtschaft zu einem Austausch über gemeinsame Ziele, strategische Entwicklungspotenziale des Standorts und Werterhaltung des Bestands zu animieren und gemeinsam Wohnungen und deren Umfeld zu verbessern. Es wurde außerdem darüber nachgedacht, einen Nutzer- und Bewohnerdialog zu initiieren; geplant wurde auch, nach Wegen zu suchen, das Angebot an Wohnungen und den Grundrissmix des Quartiers zu verändern.

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VON DE R ANALYS E ZUM PROJ E KT

ÖFFENTLICHER RAUM Die größten öffentlichen Freiflächen liegen am Rand von Kalk Nord, die dichte Bebauung bietet wenige, kleine, öffentlich zugängliche Freiräume. Zudem war auch der Zustand der öffentlichen Räume beklagenswert: Vermüllt, teilweise unzureichend beleuchtet, mit veraltetem und ungepflegtem Mobiliar versehen, war selbst das Wenige, was an Stadträumen für die Quartiersbevölkerung hätte nutzbar sein können, keine einladende Option für den Aufenthalt und die Begegnung im Freien. LOKALE ÖKONOMIE Da der Kalker Norden überwiegend als Wohngebiet fungiert, sind die meisten gewerblichen Angebote auf kleine Läden für den täglichen Bedarf, Kioske, Frisöre, Cafés oder Kleinstgewerbe reduziert. Erst zum Süden hin, in Richtung Kalker Hauptstraße, ändert sich dieses Bild: Die Kalker Hauptstraße bildet das Nahversorgungszentrum des Quartiers. Die Kalk-Mülheimer Straße im Westen von Kalk Nord kann diese Funktion nur noch unzureichend wahrnehmen, viele Ladenlokale stehen dort leer. In beiden Straßen macht sich der Strukturwandel im Einzelhandel bemerkbar; Filialen ersetzen Einzelhändler, das Ein wichtiger Arbeitgeber im Quartier ist das EvanQualitätsniveau sinkt. gelische Krankenhaus Kalk mit knapp 400 Betten zur stationären Behandlung sowie einer großen Notfallambulanz; es beschäftigt etwa 600 Menschen. Der markante Bau stammt aus den späten 1970er Jahren. In Interviews wurde der Wunsch nach mehr Arbeitsplätzen vor Ort geäußert. Auch eine Förderung der lokalen Ökonomie wäre ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung des Quartiers. Tatsächlich arbeitet die StandortGemeinschaft Kalk e. V. mit der Stadt bereits seit einigen Jahren an der Qualifizierung des Angebots, konzentriert sich dabei aber auf die Kalker Hauptstraße.

N E U E PA RTNE R FÜR DIE Q UARTIE RS E NT W ICKLUNG

Wohnen

Öffentlicher Raum

Lokale Ökonomie

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VON DE R ANALYS E ZUM PROJ E KT

VOM STIPENDIUM ZUM PROJEKT

Ende 2010 wurde das Stipendium beendet und die KALKschmiede* als Projekt der Montag Stiftung Urbane Räume weitergeführt. Auch die enge Kooperation mit der Stadt Köln und die exklusive Partnerschaft mit einem Wohnungsunternehmen, der GAG Immobilien AG, wurde aufgehoben. Die Analysen, Hypothesen und freien Projekte der Stipendiatinnen waren von großem Wert, weil sie ein neues und frisches Licht auf den Kalker Norden geworfen haben. Bisher verschlossene Potenziale wurden entdeckt und sichtbar gemacht, schwerwiegende Probleme eindeutig und direkt benannt. Die Stipendiatinnen waren darüber hinaus frei in der Wahl ihrer Kooperationspartner und in der Wahl der Themen, die ihrer Einschätzung nach für die zukünftige Entwicklung des Kalker Nordens entscheidend sein sollten. Auch darin lag zunächst die Chance, unabhängig mögliche Wege zur Diskussion zu stellen, die Verbesserungen einleiten könnten. Diese Freiheit des Stipendiums ging allerdings mit einer begrenzten Verhandlungs- und Entscheidungskompetenz bezüglich der Projektbudgets einher. Die Stipendiatinnen hatten nicht die Autorität, verlässliche Absprachen mit den institutionellen Partnern des Projekts zu treffen. Hätten sich aus ihrer Arbeit Probleme ergeben, wären daraus Schäden entstanden, man hätte nicht benennen können, wer dafür verantwortlich gemacht werden kann und wer gegebenenfalls diese Schäden hätte beheben Aus diesen Gründen wurde das oder die Probleme hätte lösen müssen. Stipendium beendet und die KALKschmiede* als Projekt der Montag Stiftung Urbane Räume fortgesetzt. Drei Planerinnen und ein Planer wurden mit insgesamt 2¼ Stellen engagiert, um Programm und Projekt im Auftrag der Stiftung voran zu treiben und ein Budget von jährlich etwa 40.000 Euro in kleine Investitionen, Kooperationsprojekte und Öffentlichkeitsarbeit anzulegen. Die Verantwortung für alle Maßnahmen war nun eindeutig der Stiftung zuzuweisen; so konnten beispielsweise die Vorstände der Wohnungsbaugesellschaften der Stiftungs-Vorständin auf Augenhöhe begegnen.

NEUE THEMENSTRUKTUR

Die ursprünglich aus dem Viertel heraus entwickelten Kernthemen »Wohnen«, »Öffentlicher Raum« und »Lokale Ökonomie« haben auch weiterhin eine hohe Relevanz für den Kalker Norden. Es hat sich aber in der Diskussion mit den Partnern, die potenziell Verantwortung übernehmen und die in die Weiterentwicklung investieren wollten, herausgestellt, dass sowohl im Bereich »Öffentlicher Raum« als auch im Bereich »Lokale Ökonomie« investitionsbereite Gegenüber fehlten. So wurden diese beiden wichtigen Themen schweren Herzens im Hinblick auf die perspektivische Entwicklung in das Integrierte Handlungskonzept Kalk Nord 2012+ eingebunden und damit als unmittelbares Handlungsfeld aufgegeben. Das Thema »Wohnen« wurde weiterverfolgt, es wurden aber neue Schwerpunkte gesetzt. Anstatt, wie ursprünglich gedacht, unmittelbar auf eine neue Angebotsstruktur und neue Wohnbauten im Viertel hinzuwirken, wurden nun Fragen des Wohnumfeldes und des Wohnraummanagements in den Mittelpunkt gerückt. Es hatte sich herausgestellt, dass die Wohnungsbaugesellschaften die Bedarfsentwicklung und Planung für ihre Standorte in ihre jeweils eigene – sehr unterschiedliche – unternehmerische Logik einbetten müssen. Diese unterschiedlichen Perspektiven zu koordinie-

► Siehe Seite 50

N E U E PA RTNE R FÜR DIE Q UARTIE RS E NT W ICKLUNG

► Siehe Seite 44

DIE NEUE ROLLE DER KALKSCHMIEDE*

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ren, um sie in ein angemessenes und abgestimmtes Konzept für das Quartier zu überführen, wäre für die KALKschmiede* zu aufwändig gewesen. Neu aufgenommen wurden die Themen »Nachbarschaft und Zusammenleben« sowie »Jugend und Bildung«. Im Bereich »Nachbarschaft« konnte die KALKschmiede* an die Arbeit zahlreicher schon vorher aktiver Akteure anknüpfen, die noch intensiver als bisher daran weiter arbeiten wollten, die spürbaren Spannungen im Viertel abzubauen. Das Thema »Jugend und Bildung« musste nach den Erkenntnissen der Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplanung der Stadt Köln dringend behandelt werden, da die Ausgangsdaten alarmierend und der Problemdruck extrem hoch waren. Die geänderte Verfasstheit und die geänderte Themenstruktur führten im weiteren Verlauf auch zu einer neuen Rolle der KALKschmiede*. Um weiteren Partnern als gemeinnützige Plattform dienen zu können, wurde die enge Bindung an nur einen Partner der Wohnungswirtschaft (GAG) gelöst. Auch die formale Kooperation mit der Stadt Köln wurde aufgehoben, um dem Projekt nicht durch die notwendigen Abstimmungswege der öffentlichen Hand Die KALKschmiede* hat Schlagkraft und Unabhängigkeit zu nehmen. sich in der Folge einerseits stärker als neutraler Moderator in vorhandene Prozesse und Strukturen eingebracht und gleichzeitig auch eigenständig das Themen- und Meilensteinmanagement für die anstehenden Entwicklungen vorangetrieben. Das hieß konkret, dass aus eigener Initiative Kontakte zur Presse hergestellt, Termine mit dem Oberbürgermeister vereinbart und Entwicklungsvorschläge in den Wohndialog eingebracht wurden, damit die Entwicklung Fahrt aufnehmen konnte. Dies mit dem Anspruch in Deckung zu bringen, bei jedem Schritt, bei jedem Teilprojekt einen Partner als Mitverantwortlichen zu haben, war eine große, nicht immer zu bewältigende Herausforderung. Und so hat es wiederum eine kleine Weile gedauert, bis die veränderte Rolle auch von den sozialen Trägern akzeptiert werden konnte. Es bedurfte einer Phase des Übergangs, bis diese Träger sich sicher sein konnten, dass der neue, selbstbewusste Partner keine Aufmerksamkeit von der eigenen Arbeit abziehen, sondern zusätzliche Ressourcen mobilisieren würde.

WERGZEUGKASTEN Übersicht über die Analyse- und Handlungsbausteine, die von der KALKschmiede* initiiert, eingeleitet oder unterstützt worden sind.

VORBEREITEN UND EINBEZIEHEN

SCHMIEDEN 3 Aktionen »ENTDECKE dein KALK« Veranstaltungen zur Förderung des Kennenlernens von Menschen, Einrichtungen und Orten in Kalk Nord. Lieblings- und Unorte des Viertels erhielten durch temporäre Aktionen vorübergehend eine neue Perspektive. ► »Von der Analyse zum Projekt« Seite 23 KALKER PLÄNE Übersicht über aktuelle und geplante Maßnahmen – Bauprojekte, Studien, Potenziale, um Geplantes, potenziell Veränderbares und Interesse an verschiedenen Orten sichtbar zu machen. ► »Von der Analyse zum Projekt« Seite 25 HYPOTHESEN, INTERVIEWS UND SPIEGELGESPRÄCHE Formulieren und Verifizieren von Zukunftsszenarien für Kalk und Kalk Nord, um Potenziale, Entwicklungshindernisse und Gefahren zu identifizieren und zu veranschaulichen. ► »Von der Analyse zum Projekt« Seite 21 KALKTAUSCHT* Mit der Tauschbörse KALKtauscht* hat die KALKschmiede* sich an bestehenden Festen beteiligt und einen Rahmen für die Kontaktaufnahme und den Austausch zwischen Bewohnern und Einrichtungen des Viertels geschaffen, der über das jeweilige Fest hinaus geht. ► »Themen, Formate, Projekte« Seite 34

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ENGAGEMENT BÜNDELN DIALOG FÖRDERN, KONKRETE VERBESSERUNGEN ANSTOSSEN

Unterstützung von Vereins- und Gremienarbeit. Einrichtungen des Viertels wird geholfen, Gremien- und Vereinsarbeit zu strukturieren und effektiv zu gestalten. — Führen von Protokollen — Moderation — Hilfe bei der Darstellung in der Öffentlichkeit — gemeinsame Quartiersspaziergänge — Weiterleiten von Wünschen und Anregungen — Vertreten und Artikulieren von Bedarfen — Vernetzen ähnlicher Interessen und Anliegen ► »Themen, Formate, Projekte« Seite 34 WOHNDIALOG Hochrangige Entscheider der im Viertel mit Beständen vertretenen Unternehmen stimmen Strategien und Maßnahmen aufeinander ab und entscheiden im Konsens. — Finanzierung einer Bewohnerbefragung — Eckpunktepapier als öffentlich gemachte Selbstverpflichtung — Modernisierungen und Sanierungen — Verbesserung der Müllsammelstellen — Einrichtung Mieterbüro — Verbesserung Vermietungspraxis — Abriss und Neubau eines Wohnblocks — Gründung eines Mieterbeirats — Finanzierung Veedelshausmeister ► »Themen, Formate, Projekte« Seite 37 RUNDER TISCH QUARTIERSENTWICKLUNG Das Gremium wurde zur sozialverträglichen Gestaltung von Abriss und Neubau eingerichtet, in ihm findet der Austausch über die Entwicklungen im Quartier sowie über Vorschläge zur Lösung von Problemen statt; er bildet die Schnittstelle zu anderen Gremien und Arbeitskreisen. — Intensivierung der Zusammenarbeit von Gremien, Einrichtungen und Institutionen — Unterstützung der Gründung eines Mieterbeirats — Intensive Einbindung in die Vorbereitung und Erstellung des Integrierten Handlungsprogramms Kalk Nord 2012+ (IHP 2012+) ► »Themen, Formate, Projekte« Seite 40

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VEEDELSHAUSMEISTER Der durch den Wohndialog ermöglichte Veedelshausmeister sorgt für höhere Sauberkeit, nimmt kleinere Reparaturen vor und initiiert eigene Projekte, sorgt für den intensiveren Kontakt zwischen Bewohnern und Verwaltung und unterstützt Bewohner bei der Initiative zur Pflege des öffentlichen Raums. — Reparaturen und Haus und Wohnumfeld — Weiterleiten von Kritik, Anregungen und Problemen — Kontaktaufnahme und -pflege mit verantwortlichen Stellen der Stadt — Initiierung und Unterstützung Baumscheibenpatenschaften — Unterstützung Gartenclub Lilienstraße ► »Themen, Formate, Projekte« Seite 43 QUARTIERSPAZIERGÄNGE UND BELEUCHTUNGSANALYSE Bei Spaziergängen von Veedelshausmeister, Verantwortlichen der Stadt und Bewohnern konnten die Probleme mit der Beleuchtung erläutert und identifiziert werden. — Identifikation von Angsträumen — Rückschnitt von Bepflanzung — Verbesserung der Beleuchtung an neuralgischen Punkten — Erarbeitung eines Plans zur weiteren Verbesserung ► »Das Integrierte Handlungsprogramm Kalk Nord 2012+« Seite 63

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EXTERNES EXPERTENWISSEN EINHOLEN

BILDUNGSATLAS KALK Im Bildungsatlas wurden Bildungslage und Raumsituation in Kalk und Kalk Nord analysiert, Handlungsempfehlungen erarbeitet und Anregungen zur Kooperation und stadtteilbezogenen Bildungsarbeit gegeben. Verfasser: Fachhochschule Köln, Forschungsschwerpunkt Nonformale Bildung, Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften ► »Themen, Formate, Projekte« Seite 46 BROSCHÜRE ZUWANDERUNG AUS RUMÄNIEN UND BULGARIEN Bündelt Erfahrungen, Handlungsansätze und Herausforderungen, bezogen auf Städte in Nordrhein-Westfalen. Verfasser: Büro für lokale und internationale Entwicklung, Köln ► »Themen, Formate, Projekte« Seite 42 STUDENTENENTWÜRFE FÜR DIE SPIELSTRASSE ALBERMANNSTRASSE Entwürfe eines Studentenwettbewerbs eröffneten Ideen zur Neugestaltung des verkehrsberuhigten Bereichs der Albermannstraße. Fachhochschule Köln (Fakultät für Architektur) mit Unterstützung der GWG zu Köln eG ► »Themen, Formate, Projekte« Seite 38

PERSPEKTIVEN FÜR DIE ZUKUNFT SCHAFFEN

ZUKUNFTSSCHMIEDEN Vorbereitende und aktivierende Aktionen, um Hinweise und Anregungen für den Bedarfe im Quartier zu bekommen. ► »Das Integrierte Handlungsprogramm Kalk Nord 2012+« Seite 53 IHP 2012+ Vom ganzen Viertel erarbeitetes, mittelfristiges Handlungsprogramm für das Viertel. Fasst die aktuelle Situation zusammen, stellt Maßnahmen und Vorschläge zusammen, die in Zukunft besonders große Wirkung für ein gutes und einfaches Wohnen und Zusammenleben im Kalker Norden haben werden. ► »Das Integrierte Handlungsprogramm Kalk Nord 2012+« Seite 50

THEMEN, FORMATE, PROJEKTE

Wie die Themen den Rahmenbedingungen neu angepasst wurden, welche Methoden in den einzelnen Handlungsfeldern verfolgt und welche Ergebnisse dabei erzielt wurden

N E U E PA RTNE R FÜR DIE Q UARTIE RS E NT W ICKLUNG

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Die KALKschmiede* hat in der zweiten Phase Schlüsselthemen definiert, in denen sie mit den Partnern konkrete Verbesserungen in die Wege leiten und greifbare Vorschläge für zukünftige Verbesserungen entwickeln konnte. In diesen Themen wurde jeweils ein inhaltliches Fundament entwickelt, Teilprojekte und Meilensteine definiert, Partner aus dem Quartier zusammengebracht und spezifische Kommunikationsstrategien und -formate entwickelt. Die Themen, die in der zweiten Etappe des Projektes im Vordergrund standen, waren Wohnen, Nachbarschaft, Jugend und Bildung. Hier waren entweder der Problemdruck immens, das Lösungspotenzial hoch oder die Partner ausreichend kräftig, um konkrete Veränderungen zu bewirken.

WOHNEN DER WOHNDIALOG

BILDUNG

ZUSAMMENLEBEN NEUE NETZWERKE, VIELE PROJEKTE UND DER VEEDELSHAUSMEISTER

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Öffentliche Einrichtungen

Religiöse Institutionen

Land NRW & Stadt Köln

VIKZ Neuapostolische Kirche

Wohnungsbaugesellschaften & Genossenschaften baugelast e.G.

Katholische Kirche Evangelische Kirche

Metropol Immobiliengruppe

Private Besitzer

Deutsche Annington

Privatinvestor.V-D&H

GWG zu Köln e.G.

Eigentümer unbekannt, meist Einzeleigentümer

Karte ohne Maßstab, Stand: 02.08.2011

GAG Immobilien AG

Dieser Plan wurde auf Basis eigener Erhebungen der KALKschmiede* erstellt.

Dewog mbH Mieterschutz e.G.

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WOHNEN DER WOHNDIALOG

Präsentation des Eckpunktepapiers, Mai 2011

► Siehe Seite 40

Vorstellung der Ergebnisse der Bewohnerbefragung, November 2011

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Auf Basis der Eigentümeranalyse wurden zunächst alle wohnungswirtschaftlichen Partner eingeladen, um gemeinsam eine Kommunikations- und Arbeitsstruktur zu entwickeln. Die GAG Immobilien AG, die Deutsche Annington, die GWG zu Köln und der Kölner Haus- und Grundbesitzerverein von 1888 e. V. konnten als aktive Partner für den Wohndialog gewonnen werden. Sie hatten ein Interesse an der Zusammenarbeit, weil angesichts des Streubesitzes keiner der Partner im Alleingang eine qualitative Wende im Stadtteil hätte erzeugen können. Darüber hinaus war ihnen bewusst, dass die sozialen Spannungen in den Häusern und im öffentlichen Raum über kurz oder lang zu massiven Problemen am Standort führen würden, was sich wiederum auch in wirtschaftlicher Hinsicht auf die Wohnungsbestände ausgewirkt Die wohnungswirtschaftlichen Partner haben gemeinsam ein hätte. Eckpunktepapier entwickelt, das von ihnen, der Montag Stiftung Urbane Räume und dem Oberbürgermeister der Stadt unterschrieben wurde. Die wichtigsten Selbstverpflichtungen im Eckpunktepapier waren, sich gemeinsam für die Verbesserung der Wohnsituation einzusetzen mit dem Ziel, »einfach gute« – und das heißt auch günstige – Wohnungsangebote im Stadtteil zu schaffen oder aufrecht zu erhalten. An den anschließenden, etwa alle sechs Wochen stattfindenden Treffen des Wohndialogs nahmen die jeweiligen Entscheider der Unternehmen beziehungsweise des Verbandes teil. Es gab keine Geschäftsordnung, das heißt, es konnten nur Entscheidungen im Konsens gefällt und nur solche Vorhaben kommuniziert werden, die von einem oder mehreren Partnern konkret getragen werden. Die Kommune war nicht Mitglied des Wohndialogs. Der Wohndialog wollte schnell sichtbare Ergebnisse erzielen und sehr pragmatisch dort ansetzen, wo der Schuh drückte. Um genau und nahe an den Lebenslagen der Menschen vor Ort in Erfahrung zu bringen, wo der höchste Handlungsdruck bestand, hat er eine Bewohnerumfrage finanziert, die unter anderem zum Ergebnis hatte, dass die Sauberkeit im öffentlichen Raum, die desolaten Zustände in den Wohnungen und die interkulturellen Spannungen das Leben der Menschen im Stadtteil beeinträchtigten. Diese Ergebnisse wurden gemeinsam mit ersten Handlungsansätzen in einer großen öffentlichen Versammlung präsentiert, in dem sich sowohl die Deutsche Annington als auch die GAG den durchaus kritischen Einwürfen der Bewohner stellen mussten. Sowohl die Bewohnerumfrage, als auch die anschließende zentrale Veranstaltung wurden organisatorisch und inhaltlich maßgeblich von der Sozialraumkoordination Humboldt-Gremberg/ Kalk unterstützt. Nach der Präsentation haben die Partner des Wohndialogs direkt kleine und große Verbesserungen vorgenommen. Insbesondere die Deutsche Annington hat hier einiges an bisher Versäumtem nachgeholt: Sie hat ihre Müllsammelstellen umgebaut, vor Ort ein Mieterbüro mit festen Ansprechpartnern eingerichtet und Vermietungen wieder persönlich organisiert. Die GAG hat beschlossen, in den Abriss und den Neubau eines Wohnblocks zu investieren und öffentlich geförderten Wohnraum herzustellen. In diesem Rahmen hat sie die Gründung eines Mieterrates unterstützt, der die Abbruch- und Neubauarbeiten begleitet hat. Die GWG zu Köln hat sich als Pate einer der vernachlässigten Flächen im öffentlichen Raum zur Verfügung

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► Zu Beschreibung des Aufgabenfeldes siehe Seite 42

gestellt und die Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen durch Studierende der FH Köln unterstützt. Wichtigstes und auch öffentlich am deutlichsten wahrnehmbares Ergebnis des Wohndialogs war die Finanzierung des Veedelshausmeisters. Die Unternehmen und der Kölner Haus- und Grundbesitzerverein investieren jährlich etwa 40.000 Euro, um diese Person, die nahe an den Bedürfnissen der Menschen und zwischen den Zuständigkeiten der Unternehmen und der Kommune agiert, zu finanzieren. Am Ende der Projektlaufzeit der KALKschmiede* konnten die Partner des Wohndialogs auf ein Abriss-Neubau-Projekt, etliche sanierte Fassaden, auf teilweise hygienisch und bauphysikalisch verbesserte Bestände, neue Balkone, auf eine bessere Vor-Ort-Betreuung der Mieter, bessere Drähte in Politik und Verwaltung sowie eine große öffentliche Resonanz ihrer Arbeit blicken. Der Wohndialog wird über die Projektlaufzeit hinaus weiter geführt. ZWISCHENFAZIT Der Wohndialog war und ist sicher das wichtigste Format, das im Rahmen der KALKschmiede* entstanden ist. Er hat sowohl im Stadtteil große Wirkung erzeugt als auch maßgeblich dazu beigetragen, dass der Kalker Norden auf der Landkarte der Bezirks- und Stadtverwaltung wie auf der der Bezirks- und Stadtpolitik an Bedeutung gewonnen hat. Er hat in sehr kurzer Zeit konkrete und von einem überwiegenden Teil der Bewohner geschätzte Veränderungen ausgelöst. Die Mitglieder des Wohndialogs haben eigens benannt, dass die Moderation durch eine externe, neutrale Instanz – die KALKschmiede* – maßgeblich zu diesem Erfolg beigetragen hat und dass es zumindest in der Etablierungsphase wichtig war, nicht unmittelbar an die öffentliche Hand Die Ängste der Bewohner, dass die Wohangebunden gewesen zu sein. nungsunternehmen eigentlich an einer Erhöhung der Mieten und an einer wirtschaftlich wirksamen Aufwertung der Bestände interessiert sind, konnten nur teilweise entkräftet werden. Denn es war leider nicht möglich, innerhalb des Wohndialogs eine konkrete Selbstverpflichtung für moderate Mietpreise zu erwirken. Ursprünglich war vorgesehen, den Wohndialog, also die Gespräche über die Zukunft des Wohnens im Stadtteil, aus zwei Perspektiven zu führen – einmal aus der Nutzer- beziehungsweise Mieterperspektive, einmal aus der Anbieter- beziehungsweise wohnungswirtschaftlichen Perspektive. Leider ist es nicht gelungen, neben der Anbieterseite eine stabile Gruppe von Bewohnern zusammen zu stellen, die über das eigene Objekt hinaus die Themen, Ängste und Anforderungen insbesondere der Mieter vertreten hätte.

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WAS WICHTIG WAR:

WAS KRITISCH WAR:

Das Eckpunktepapier war eine wichtige gemeinsame Basis und Selbstverpflichtung.

Der Dialog mit den Nutzern brauchte viel und eigene Energie.

Der Wohndialog wurde extern moderiert – die Moderation hat Fortschritte angemahnt. Vorstände und Entscheider trafen sich im Wohndialog. Schnelle Entscheidungen wurden gefällt und Maßnahmen kurz danach durchgeführt. Die Ziele des Wohndialogs wurden von dessen Mitgliedern definiert, die öffentliche Hand war nur am Rande involviert. Bewohner wurden in zentralen Veranstaltungen informiert.

Die Selbstverpflichtung der Unternehmen, niedrige Mieten zu halten, blieb unverbindlich.

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NACHBARSCHAFT UND ZUSAMMENLEBEN NETZWERKE, PROJEKTE, VEEDELSHAUSMEISTER

Im Einzelnen waren aus dem Bereich Bildung, Jugend und Soziales beteiligt: der Nachbarschaftstreff, die Caritas und das Mehrgenerationenhaus Kalk, der Pavillon e.V., der Veedelshausmeister, die Sozialraumkoordination Humboldt-Gremberg/Kalk, das Amt für Soziales & Senioren und der Interkulturelle Dienst der Stadt Köln.

► Siehe Seite 50

Die Befragung der Bewohner hat verdeutlicht, dass viele Menschen in Kalk Nord weder mit ihrer Lebenslage, noch mit ihrer Wohnung und mit ihren Nachbarn zufrieden waren. Es entwickelten sich Vorbehalte vor allem bezogen auf die unterschiedliche Herkunft. Gerade die Zuzüge aus Osteuropa und die leider damit einhergehende Vermüllung öffentlicher Räume waren Anlass für gefährlich gespannte Situationen zwischen den Bewohnern. Hinzu kamen die kriminalpräventiv hohe Polizeipräsenz und die vermehrten Razzien »nach Augenscheinverdacht« in manchen Straßenzügen. Die Alteingesessenen haben deutlich gemacht, dass sie sich überfremdet und teilweise bedroht fühlten, die neu Zugezogenen haben geäußert, dass sie sich massiv marginalisiert und stigmatisiert fühlten. Dabei kann der Stadtteil Kalk auf eine breite Basis engagierter Institutionen zurückgreifen, die in den Kalker Norden hinein gewirkt haben: die Sozialraumkoordination Humboldt-Gremberg/Kalk, das Bezirksamt, der Arbeitskreis Kalk und die Stiftung Kalk Gestalten. Im Kalker Norden selber waren und sind die Bildungseinrichtungen, die evangelische Jugend, die Moscheen, der Interkulturelle Dienst, das Sozialmanagement der GAG, das Jugendprojekt Pavillon e. V. und der Nachbarschaftstreff aktiv. Sie engagieren sich alle intensiv und auf ihre Weise für ein besseres Zusammenleben im Stadtteil. Die meisten von diesen Engagierten wirken schon seit den 1990er Jahren im Stadtteil. RUNDER TISCH QUARTIERSENTWICKLUNG ALS EINE BASIS DES DIALOGS Der »Runde Tisch Quartiersentwicklung Kalk Nord« wurde gegründet, um insbesondere den Abriss und Neubau eines Wohnblocks sozialverträglich zu gestalten. An ihm nahmen Vertreter der Stadt Köln, Akteure aus den Bereichen Bildung, Jugend und Soziales ◄, der Veedelshausmeister, je ein Vertreter der GAG Immobilien AG und der Deutschen Annington sowie ein Vertreter der Polizei und der KALKschmiede* Platz. Die vierteljährlichen Treffen wurden teilweise von der KALKschmiede* moderiert; sie dienten dazu, sich über die Folgen von anstehenden Veränderungen im Viertel auszutauschen, akute Probleme im Viertel zu besprechen, Lösungsvorschläge zu diskutieren und die Kooperation der verschiedenen Akteure im Quartier zu intensivieren. Der Runde Tisch Quartiersentwicklung Kalk Nord sollte und soll als Ansprechpartner für Wohnungsunternehmen, Stadt, Einrichtungen und Bewohner dienen und die Schnittstelle zu anderen Gremien und Arbeitskreisen herstellen, die sich im und für das Viertel engagieren. Zudem hat der Runde Tisch selbst kleine Projekte und Maßnahmen initiiert. Er hat die Gründung eines Mieterrates unterstützt, der für die Begleitung des Abriss-Neubau-Projektes im sogenannten »Block 4« von der GAG angeregt wurde. Der Runde Tisch wurde, darüber hinaus insbesondere bei der Entwicklung des Integrierten Handlungsprogramms Kalk Nord 2012+, das Ende 2012 vorgelegt wurde, eingebunden, um die wichtigen Handlungsfelder zu identifizieren und Möglichkeiten, Partner und Strategien zur Umsetzung zu bestimmen.

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Nachbarschaftstreff (Fr. Kussmann)

Caritas / Mehrgenerationenhaus Kalk (Hr. Schmitz)

Veedelshausmeister (Hr. Breil)

Pavillon e.V. (Hr. Janas)

Sozialraumkoordination (Hr. Specks)

Runder Tisch Quartiersentwicklung Kalk Nord Polizei (Hr. Attemeier)

KALKschmiede*

GAG Immobilien AG (Fr. Klein)

Stadt / Amt für Soziales & Senioren (Hr. Schnitzler)

Stadt / Interkultureller Dienst (Fr. Gather)

Bildung, Jugend & Soziales Stadt Köln Wohnen Polizei Quartiersentwicklung Handlungsebene Kalk

Mitglieder Runder Tisch Quartiersentwicklung Kalk Nord

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Montag Stiftung Urbane Räume

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ZUWANDERUNG AUS RUMÄNIEN UND BULGARIEN Hintergrund, Herausforderungen und Handlungsansätze. Erfahrungen aus nordrhein-westfälischen Städten

Montag Stiftung Urbane Räume gAG (Hg.): Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien. Hintergrund, Herausforderungen und Handlungsansätze. Erfahrungen aus nordrhein-westfälischen Städten. Verfasser: Alexander Wagner, Büro für lokale und internationale Entwicklung, Bonn 2012 Diese Studie ist vergriffen und nur noch als pdf verfügbar: www.montag-stiftungen.de/ urbane-raeume/projekte/nachbarschaften/ kalkschmiede.html

INTERKULTURELLE ÖFFNUNG ALS DURCHGEHENDE HERAUSFORDERUNG In den meisten sozialräumlich ausgerichteten Gremien engagieren sich wenige bis keine Migrantenselbsthilfeorganisationen, Moscheen oder andere eher herkunftspezifische Gruppen. Dies gilt in Kalk Nord sowohl für die Menschen türkischer als auch italienischer, osteuropäischer und im weitesten Sinne afrikanischer Herkunftsgeschichte. Die Stellvertreter und Anwälte des Stadtteils sind also zumeist deutscher Herkunft und wissen selten, wie sie mit den Engagierten »auf der anderen Seite« umgehen sollen oder können. Gegen diese Unsicherheit gibt es kein Patentrezept; auch die KALKschmiede* hat keines gefunden. Aber sie hat es mit ihrem türkisch sprechenden Mitarbeiter geschafft, Drähte und Verbindungen in die türkische Gemeinde zu legen, die vorher nicht vorhanden waren. So wurden die Moscheenvereine oder der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) konsequent über alle Maßnahmen informiert und zu allen Projekten, Maßnahmen und zur Entwicklung des Integrierten Handlungsprogramms eingeladen. Zudem hat die KALKschmiede* dazu beigetragen, dass der VIKZ in die städtischen Netzwerke integriert Die Menschen auf der Straße, die Bewohner konnten direkter und wurde. unmittelbarer angesprochen werden. Die mit den jüngsten Zuwanderungen aus Bulgarien und Rumänien verbundenen Herausforderungen konnte allerdings auch die KALKschmiede* nicht mit praktischen Projekten beantworten. In einer Veröffentlichung, im Auftrag der KALKschmiede* vom Kölner Büro für lokale und internationale Entwicklung erstellt, wurden die Erfahrungen aus nordrhein-westfälischen Städten gebündelt und Hintergrund, Herausforderungen und Handlungsansätze zusammengefasst. Damit hat die KALKschmiede* im Rahmen ihrer Möglichkeiten einen Beitrag geliefert, um Informationen verfügbar zu machen und die Grundlage für eine sachliche Diskussion zu schaffen.◄ GROSSE UND KLEINE BEGEGNUNGEN IM ÖFFENTLICHEN RAUM SCHAFFEN Feste zu feiern ist nicht nur in Köln die unkomplizierteste und angenehmste Art und Weise, Begegnungen zu organisieren. Auch in den Jahren vor der KALKschmiede* gab es im Kalker Norden ein Nachbarschaftsfest, das der Nachbarschaftstreff mit Unterstützung der GAG regelmäßig durchgeführt hat. Hinzu kamen und kommen die Feste entlang der Kalker Hauptstraße, in denen vor allem die Stiftung Kalk Gestalten, der Bürgerverein und die Immobilien- und Standortgemeinschaft aktiv sind sowie – natürlich – der Karneval. Die KALKschmiede* wollte und konnte kein neues Fest erfinden, hat sich aber insbesondere mit der Aktionsserie KALKtauscht* einige Male in die vorhandenen eingebracht. Unterstützt von einigen Privatpersonen und Einrichtungen im Viertel konnten die Bewohner insgesamt drei Mal im Jahr nützliche oder auch weniger nützliche Dinge gegen andere Gegenstände ebenso wie gegen Dienstleistungen tauschen und über den Tausch miteinander in Kontakt treten. Vereine, Organisationen sowie Handels- und Gewerbebetriebe konnten ihre Dienstleistungen zum Tausch anbieten und so Werbung für sich innerhalb

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► Siehe Seite 53

► Siehe Seite 53

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der Bewohnerschaft machen. Außerdem wurde eine Schnitzeljagd mit dem Künstler Boris Sieverts veranstaltet, und es wurden im Rahmen der Entwicklung des Integrierten Handlungsprogramms Möbel im öffentlichen Raum gebaut und repariert. Darüber hinaus haben Projekte des Interkulturellen Dienstes und des Pavillon e. V. mit Kindern und Jugendlichen der rumänischen und bulgarischen Zuwandererfamilien im öffentlichen Raum stattgefunden und geholfen, viele Brücken zu bauen. Und schließlich sind die Stiftung Kalk Gestalten, die Kirchen und das Bezirksamt Kalk während und nach der Laufzeit der KALKschmiede* mit den kleinen, klassischen, aber hilfreichen Malund Umgestaltungsaktionen nun auch im Kalker Norden aktiv geworden. DER VEEDELSHAUSMEISTER ALS ANSPRECHPARTNER, SEISMOGRAPH UND BRÜCKENBAUER Eine durch den Wohndialog angestoßene Verbesserung war die 2012 eingeführte Stelle des Veedelshausmeisters. Es galt, eine Person zu finden, die für die Bewohner des Quartiers ansprechbar ist, um ihre Probleme und Hinweise aufzugreifen oder weiterzugeben, die von den Bewohnern des Viertels anerkannt ist und weiß, wie man sie erreichen kann, eine Person mit Talent fürs Diese PerPraktische und mit einem Gespür für die Nöte der Menschen. son wird von den Partnern des Wohndialogs finanziert und von der Wohnungsund Baugenossenschaft »Mieterschutz« e.G. unterstützt. Die Jugendzentren gGmbH konnte als neutraler Anstellungsträger gewonnen werden. Die Stelle soll bis Ende 2015 finanziert werden, sicher zugesagt ist die Finanzierung bis Ende 2014. Andreas Breil, der für diese Aufgabe gewonnen wurde, ist seit 1974 ein Bewohner von Kalk Nord. Er kann zum einen die Anregungen der Bewohner selbst berücksichtigen, sie durch eigene Arbeit, mit ihnen zusammen und durch eigens angestoßene, kleine Projekte umsetzen und damit unmittelbar so manches Alltagsproblem unkompliziert beheben. Dazu gehören kleinere Sanierungsarbeiten in den Häusern, etwa in Treppenhäusern und Gemeinschaftsräumen, aber auch darüber hinausgehende Initiativen, wie etwa Baumscheibenpatenschaften, die Ausbesserung und Verschönerung von Bänken, (so im Rahmen einer Zukunftsschmiede) oder die eigenständige Pflegen von Teilen des öffentlichen oder gemeinschaftlichen Grüns. So unterstützt er auch den durch den Wohndialog initiierten Gartenclub Lilienthalstraße. Er kann zudem für die Fragen und Probleme der Bewohner entweder die Ansprechpartner in der Verwaltung, auf den Ämtern und bei den Wohnungsbesitzern nennen oder selbst die Anfragen weiterleiten und auf ihre Umsetzung dringen. Seine Rolle für die Verbesserungen des nachbarschaftlichen Zusammenlebens, sowohl als aktiver Kümmerer als auch als Vermittler zwischen Bewohnern, städtischen Ansprechpartnern (Grünflächenamt, Ordnungsamt, Bürgeramt, Kitas, Schulen und anderen Einrichtungen), den Abfallwirtschaftsbetrieben, den Geschäften und den Hausmeistern der Wohnungsbaugesellschaften kann kaum überschätzt werden.

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ZWISCHENFAZIT Die KALKschmiede* hat in den Themen des nachbarschaftlichen Zusammenlebens und der Kooperation der Institutionen untereinander an der einen oder anderen Stelle Dinge in Bewegung gesetzt und teilweise auch für eine größere Durchsetzungskraft sorgen können. Allerdings ist auch deutlich geworden, dass der Aufbau eines stabilen und lebendigen Gemeinwesens, das sich mittelfristig für seine eigenen Geschicke engagiert, einen sehr langen Atem und kontinuierliche Arbeit braucht. Die engagierte Sozialraumkoordination Humboldt-Gremberg/Kalk ist für diese Arbeit personell nicht ausreichend ausgestattet, zudem ist der Sozialraum, den sie abzudecken hat, zu groß dimensioniert, um konzentriert genug Kalk Nord zu berücksichtigen. Die Partner der Jugendhilfe und der interkulturellen Arbeit, aber auch die Schulen und Bildungseinrichtungen bringen sich nach ihren Kräften in die Gemeinwesenarbeit ein, können aber – weil sie andere Aufträge haben – weder Antreiber noch zentraler Träger sein. Und so fällt die Verantwortung für die dauerhaften und schwierigen Herausforderungen in einer Nachbarschaft mit besonderen Problemlagen in ein Verantwortungsvakuum, das nicht von projektbasierter Arbeit gefüllt werden kann.

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WAS WICHTIG WAR:

WAS KRITISCH WAR:

Die Bewohner wurden im öffentlichen Raum aktiv und gestalteten konkrete Ereignisse oder Veränderungen.

Neue Projektideen konnten in Konkurrenz zu etabliertem Engagement treten.

Ansprechpartner aus dem Stadtteil für den Stadtteil wurden gefunden und eingebunden. Kollegen unterschiedlicher Kulturkreise und Sprachen wurden in die Arbeit eingebunden. Für den Sozialraum wurden spezifische Treffen und Gruppen organisiert. Der Stadtteil war in stadtweiten Foren, Aktionen und Gremien präsent.

Die Entwicklung eines lebendigen und kooperativen Gemeinwesens braucht einen sehr langen Atem.

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BILDUNG

Montag Stiftung Urbane Räume

Montag Stiftung Urbane Räume gAG (Hg.): Bildungsatlas Kalk. Kleinräumige Analyse der Angebote, Herausforderungen und erste Empfehlungen. Verfasser: Fachhochschule Köln, Forschungsschwerpunkt Nonformale Bildung, Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften, Bonn 2012. Online verfügbar: www.montag-stiftungen.de/urbane-raeume/ projekte/nachbarschaften/kalkschmiede.html

BILDUNGSATLAS KALK Kleinräumige Analyse der Angebote, Herausforderungen und erste Empfehlungen

DER BILDUNGSATLAS KALK Als eine Grundlage und im Rahmen der Arbeit am Integrierten Handlungsprogramm entstand der Bildungsatlas Kalk.◄ Er berücksichtigte, dass Bildung und Weiterbildung sowie die Angebote der Jugendarbeit zu einem der wichtigsten Handlungsfelder in benachteiligten Quartieren gehörten. Der Bildungsatlas nahm, da die für das Viertel wirksamen Zusammenhänge sich nicht auf Kalk Nord beschränken lassen, Kalk als Ganzes in den Blick, Handlungsempfehlungen wurden dann aber auf den Norden Kalks fokussiert. Die statistischen Zahlen waren 2010 alarmierend: 14,2 Prozent Schulabgänger in Kalk Nord (12,0 Prozent in Kalk) waren ohne Hauptschulabschluss (in Köln waren es 5,9 Prozent), und auch die Quote der Übergänge von der Grund- in die Hauptschule war in Kalk mit 28,3 Prozent mehr als drei mal so hoch wie im Kölner Schnitt (7,9 Prozent). 81,6 Prozent der Kinder Kalks besaßen einen Migrationshintergrund, bei mehr als 50 Prozent der Kinder wurde ein Sprachförderbedarf festgestellt (in Gesamtköln lag der Vergleichswert bei 28,4 Prozent). 2011 war von der Integrierten Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplanung festgestellt worden, dass der Bedarf für eine anerkannte Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe im Kalker Norden so groß Kinder und Jugendliche haben in ist wie kaum irgendwo sonst in Köln. Kalk auf besonders hohem Niveau mit vielen Benachteiligungen zu kämpfen; der Bildungsatlas wurde getragen von der Überzeugung, dass Inklusion sich nicht auf die Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention beschränken darf, sondern auch darauf zielen muss, die Benachteiligungen durch Geschlecht, Milieu, Religion, sozialem, kulturellem und sprachlichem Hintergrund zu berücksichtigen und entsprechende Barrieren abzubauen. Der Arbeit am Bildungsatlas Kalk lag außerdem ein erweitertes Bildungsverständnis zugrunde, das sowohl Kindertageseinrichtungen und Schulen, aber auch Kinder- und Jugendhilfe sowie die Arbeit zivilgesellschaftlicher Akteure und die Potenziale, Elternengagement zu berücksichtigen, einschließt. Die räumliche Situation der untersuchten Schulen war in zweierlei Hinsicht unbefriedigend: Es gab zu wenig Räume und sie waren oft in einem schlechten Zustand. Mit anderen Worten: Die Benachteiligung drückte sich direkt räumlich und architektonisch aus. Eine der Schulen wurde 2012 geschlossen, die Räume wurden bis zum projektierten Abriss vorübergehend von einer Institution eines anderen Stadtteils belegt, was die Raumprobleme verschärfte. Der prekären Raumsituation entsprach eine hohe Personalfluktuation sowohl in den Schulen wie bei freien Trägern – eine zusätzliche Belastung der Bildungsarbeit im Viertel. In der Studie wurde auf der Basis einer gründlichen Analyse abgeleitet, wie die bestehenden Strukturen gefördert werden könnten. Insbesondere sollte eine Strukturförderung bestehender Jugendeinrichtungen forciert werden. Festgestellt wurde zudem, dass die Personalsituation gerade vor dem Hintergrund eines erweiterten Bildungsverständnisses beunruhigend ist, denn viele freie Träger müssen ohne hauptamtliche Mitarbeiter auskommen. Es hat sich aber auch herausgestellt, dass in Kalk bereits ein in vielen Bereichen funktionierendes Netzwerk engagierter Akteure vorzufinden ist, das insbe-

Buchheim

Buchforst

Kalk Höhenberg

Vingst

Humboldt-Gremberg

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T H E ME N, FO RMATE , PROJ E KTE

ENTDECKE dein KALK – Improvisationstheater

Schulgelände Albermannstraße

sondere durch die Sozialraumkoordination zusammengehalten wird, das aber weiter gestärkt und dessen inhaltliche Zusammenarbeit verbessert werden kann. Dabei könnten vor allem die Schnittstellen zwischen schulischen und anderen Trägern ausgebaut werden, es ließen sich etwa Praxispartner aktivieren, die Praktika oder andere Formen erster Berufserfahrung anbieten. Generell besteht für den Übergang ins Berufsleben ein hoher Beratungsbedarf. Die Empfehlungen der Forscher konzentrierten sich prinzipiell auf drei Handlungsfelder: Eine besser ausgestattete und gestärkte Kooperation der Einrichtungen untereinander zu fördern und zu ermöglichen; die Jugendarbeit zu intensivieren und schließlich die Elternarbeit zu unterstützen und besser als bisher zu verzahnen. In der Kooperation der Einrichtungen untereinander empfahlen die Forscher insbesondere, gemeinsame Themenorientierungen zu entwickeln und sich darin gegenseitig zu unterstützen, so etwa bei Erhöhung der eingeschränkten Mobilität von Jugendlichen in Kalk oder dem Im Hinblick auf die Elternarkonzeptionellen Ausbau der Elternarbeit. beit wurde geraten, soweit möglich, niedrigschwellige Angebote zu sichern und auszubauen, wie etwa Elterncafés und offene Treffs. Aufgrund der hohen Anzahl von Schülern mit Migrationshintergrund sollten diese kultursensibel aufgebaut werden. Außerdem sollten Lotsen im Sozialraum eingesetzt werden, um die aufsuchende Arbeit zu unterstützen. Ein »Pool Elternkompetenz« als Plattform des Erfahrungs- und Wissensaustauschs kann helfen, besser zu erkennen, welche Fragen die Eltern umtreiben, wie sie unterstützt und in die Elternarbeit eingebunden werden könnten.

N E U E PA RTNE R FÜR DIE Q UARTIE RS E NT W ICKLUNG

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WAS WICHTIG WAR:

WAS KRITISCH WAR:

Drängende Probleme wurden benannt und belegt.

Konkrete Verbesserungen konnten nicht umgesetzt werden.

Ein erweitertes Bildungsverständnis legte die Basis für eine Integration der Bildungsarbeit in den Stadtteil. Aktive Institutionen und Initiativen wurden besser sichtbar gemacht. Es wurden Anregungen gegeben, die nicht aus den Institutionen selbst kommen können.

DAS INTEGRIERTE HANDLUNGSPROGRAMM KALK NORD 2012+

Was in Zukunft noch geändert und verbessert werden muss, wer sich zum Handeln verpflichtet und welche Prioritäten gesetzt werden müssen

N E U E PA RTNE R FÜR DIE Q UARTIE RS E NT W ICKLUNG

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Integriertes Handlungsprogramm Kalk Nord 2012+. Ein Gemeinschaftswerk des Viertels im Rahmen der KALKschmiede*. Fassung 2.0, Stand Februar 2013, herausgegeben von der Montag Stiftung Urbane Räume gAG, Bonn 2013. Online verfügbar unter: www.montag-stiftungen.de/urbane-raeume/ projekte/nachbarschaften/kalkschmiede.html

INTEGRIERTES HANDLUNGSPROGRAMM KALK NORD 2012+ Ein Gemeinschaftswerk des Viertels im Rahmen der KALKschmiede* Fassung 2.0 l Stand Februar 2013

► Siehe Seite 46

Stadt Köln, Amt für Stadtentwicklung und Statistik: Rechtsrheinisches Entwicklungskonzept, Teilraum Nord, mit Deutz-Nord, Mülheim-Süd und Buchforst. Köln 2009 Bernd Streitberger, Anne Luise Müller (Hg.): Rechtsrheinische Perspektive. Stadtplanung und Städtebau im postindustriellen Köln 1990 bis 2030. Berlin 2011 ► Siehe Seite 37

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Das Integrierte Handlungsprogramm Kalk Nord 2012+ (IHP 2012+) war eines der wichtigsten Ergebnisse der KALKSchmiede*, gerade weil es von den Akteuren und Bewohnern des Stadtteils verfasst wurde. Dabei geht es nicht lediglich um das gedruckte Werk ◄, sondern auch um den Weg dorthin: um die gemeinsame Arbeit in Werkstätten, das Setzen von Prioritäten und das Auswählen von Projekten sowie schließlich das Hinterlegen der Ziele mit Indikatoren und Ressourcen. Das IHP 2012+ formuliert eine mittelfristige gemeinschaftliche Perspektive für Kalk Nord, es löst sich so weit wie möglich von potenziellen Fördermitteln, sektoralen Zuständigkeiten und Interessen. Es konzentriert sich auf die Maßnahmen und Vorschläge, die nach Meinung des Verfassers – und das ist der ganze Stadtteil – in Zukunft besonders große Wirkung für ein gutes und einfaches Wohnen und Zusammenleben im Kalker Das IHP 2012+ hätte nicht ohne die inhaltliche Norden haben könnten. und vertrauensbildende Arbeit der vorangegangenen Zeit entstehen können. Die Investitionen der Wohnungswirtschaft, das Engagement der Akteure vor Ort und des Bezirksamts, die Einrichtung des Veedelshausmeisters und die öffentlichen Aktionen der KALKschmiede* haben bei den Teilnehmern der Werkstätten die Vertrauensbasis dafür geschaffen, dass die Arbeit an einer gemeinsamen Strategie keine verlorene Investition von Zeit und Herzblut war. Insofern gehören alle Aktivitäten der KALKschmiede* mit zu diesem Handlungsprogramm. Dabei bleibt das Besondere der KALKschmiede* auch das Besondere des IHP 2012+: Es ist ohne politischen Auftrag erstellt worden und kommt ohne verbindliche Verträge, aber nicht ohne Selbstverpflichtungen aus. Was sich in diesem Papier als ein Gemeinschaftswerk des Viertels artikuliert, ist ein von Teilen der kommunalen Verwaltung, von Teilen der Wohnungsunternehmen, den Institutionen vor Ort und einigen Bewohnern gemeinsam entwickelter Orientierungsrahmen für das zielgerichtete Handeln im Quartier. Es entstand auf Anregung und mit Unterstützung der KALKschmiede* und ist somit ein zivilgesellschaftlich finanziertes Projekt, das die Arbeit der öffentlichen Hand um das ergänzt, was sie selbst nicht leisten konnte. Damit wurde das Primat der Politik nicht angetastet – eher könnte man sagen, dass es herausgefordert wurde: denn die Politik »muss nun entscheiden, was ihr der Kalker Norden inhaltlich und finanziell wert ist und welche Zukunft sie sich für das Viertel vorstellt«, wie es im Vorwort des IHP 2012+ heißt. Wichtige fachliche Grundlagen des IHP 2012+ waren neben den Analysen der Jahre 2009 und 2010 die Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplanung der Stadt Köln mit den Aussagen zum Jugendhilfe- und schulischem Entwicklungsbedarf im Viertel sowie der darauf aufbauende Bildungsatlas Kalk, der Entwurf des rechtsrheinischen Entwicklungskonzepts◄ und die rechtsrheinischen Perspektiven der Stadt Köln◄ sowie natürlich das Eckpunktepapier des Wohndialogs Kalk Nord. Die zentrale Grundlage für die letztendlichen Aussagen, die im IHP 2012+ fest gehalten wurden, waren allerdings die beiden Zukunftsschmieden im Frühjahr und Herbst 2012.

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DAS INTEGRIERTE HANDLUNGSPROGRAMM KALK NORD 2012+

2012 JANUAR

MÄRZ

MAI

Konzeption / Beratung / Analyse

Grundlagen & Haltung abstimmen

7.–9.Mai 2012 1.Zukunftsschmiede Kalk Nord Wie sieht die Situation in Kalk Nord aus? Wohin soll es sich entwickeln? Was müssen wir dafür tun?

JULI

Abstimmen

Auswerten & Ausarbeiten

SEPTEMBER

20.–22.September 2012 2.Zukunftsschmiede Kalk Nord

NOVEMBER

Einarbeiten / Korrigieren

In der 2.Zukunftsschmiede* wurden Maßnahmen festgelegt, Verantwortlichkeiten benannt und gangbare Finanzierungswege aufgezeigt.

Handlungsfelder & Konkretes NACHBARSCHAFT & ZUSAMMENLEBEN WOHNEN & WOHNUMFELD

DEZEMBER

Aufbereiten / Drucken (Fassung 1.0) Übergabe an den Oberbürgermeister

2013

FEBRUAR

JUGEND & BILDUNG Inhaltsebene

Aufgaben

Analyse

Motivator + Beobachter + Umsetzer + Finanzier

Ziele

Integriertes Handlungsprogramm Kalk Nord 2012+ (Fassung 2.0)

Verfahrensschritte zum IHP 2012+

Indikatoren Maßnahmen

Implementierungsstrategie

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INTENTION, METHODE UND KERNAUSSAGEN

Entwürfe von Studierenden für den öffentlichen Raum – Teil des Projektpfads 2012

Das IHP 2012+ wird im Bürgerhaus Kalk weiter entwickelt

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INTENTION Das IHP 2012+ hatte zum Ziel, Engagement und Investition in Kalk Nord einen Rahmen zu geben, der ihnen die Chance einer kontinuierlichen Wirkung eröffnet und dazu führt, dass sich die Lebenswirklichkeit der Menschen tatsächlich nachhaltig verbessert. Für politische Entscheider und mögliche Förderer ebenso wie für Investoren wurden Hinweise auf dringenden Bedarf wie auf einen effektiven Mitteleinsatz gegeben. In acht Handlungsfeldern wurden im IHP 2012+ — akuter Bedarf und akute Bedürfnisse formuliert, — die gemeinsamen Ziele definiert, die Indikatoren beschrieben, an denen sich der Erfolg messen lässt, — Maßnahmen aufgezeigt, die mittelfristige Ziele verfolgen und benannt, wer für die Umsetzung, die Finanzierung, Begleitung und/oder Moderation zuständig sein sollte. METHODE Die Grundlagen des IHP 2012+ wurden im Kern in zwei jeweils dreitägigen Zukunftsschmieden gelegt. Diese Zukunftsschmieden kombinierten Information, Austausch, Begehung, verändernde Praxis und Werkstattgespräche miteinander. Ausgerichtet wurden sie von der KALKschmiede* in Zusammenarbeit mit der Sozialraumkoordination Humboldt-Gremberg/Kalk und weiteren Partnern, unterstützt durch den Veedelshausmeister; insgesamt kamen dabei etwa 310 Menschen zusammen. Die Zukunftsschmieden standen den Bewohnern des Viertels ebenso offen wie den Vertretern der in Kalk und für Kalk aktiven Gruppen, Vereinen und Institutionen, der Wirtschaft, der PoliDiese Werkstätten waren vorstrukturiert und tik und der Verwaltung. wurden extern moderiert. Die Ausgangsinformationen waren vorbereitet und abgestimmt worden. Zu den Partnern dieser Vorarbeit zählten das Amt für Stadtentwicklung und Statistik, das Bürgeramt Kalk, die Sozialraumkoordination Humboldt-Gremberg/Kalk, der Interkulturelle Dienst, der Runde Tisch Quartiersentwicklung und der Wohndialog Kalk Nord. Im Mittelpunkt der Zukunftsschmieden standen die Fragen: Wo liegen die Schwierigkeiten? Welche Herausforderungen sollen angegangen werden? Welche Entscheidungen und Maßnahmen sind dafür notwendig? Wer könnte auch über einen längeren Zeitraum hinweg Verantwortung übernehmen? Die beiden Zukunftsschmieden unterschieden sich maßgeblich voneinander. Während in der ersten die inhaltlichen Grundlagen für die Handlungsfelder gelegt wurden, diente die zweite einerseits der Überprüfung des Erarbeiteten, andererseits aber auch dazu, einer neuen Wahrnehmung des eigenen Viertels Raum zu geben und den öffentlichen Raum durch kleine Interventionen zu verändern. In der zweiten Zukunftsschmiede wurde außerdem das bisher Erreichte durch einen Spaziergang öffentlich inszeniert, in dem Bilder aus den Anfangsmonaten der KALKschmiede* gezeigt wurden.

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Aktionen und Diskussion im Rahmen der Entwicklung des IHP 2012+

DAS INTEGRIERTE HANDLUNGSPROGRAMM KALK NORD 2012+

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KERNAUSSAGEN DAS IHP 2012+ beschreibt in den acht Handlungsfeldern mögliche Verbesserungen und die Wege, auf denen sie erzielt werden können. Es haben sich vier Maßnahmenpakete identifizieren lassen, die mehr als andere darüber entscheiden werden, ob die weitere Entwicklung in Kalk Nord erfolgreich sein wird, also dem handlungsleitenden Motto »einfach gut wohnen in Kalk Nord« gerecht werden kann. Diese vier Maßnahmenpakete sind: — der Ausbau und die Kontinuität der Kinder- und Jugendarbeit, inklusive einer Schule mit Stadtteilbezug (am Standort der ehemaligen Max-Albermann-Schule / Adolph-Kolping-Schule) sowie die Verbesserung der Elternarbeit. Dies ist wichtig, um den Weg dafür zu öffnen, dass in Kalk Nord mehr Jugendliche die Schule mit einem Schulabschluss verlassen und so selbstbestimmtere, gerechtere Entwicklungschancen erhalten und stabilere Bildungswege beschreiten können; — die Bewahrung günstigen und die Schaffung familien- und altengerechten Wohnraums, damit Menschen mit wenig Kapital zentrumsnah wohnen und Familien mittelfristig an den Standort gebunden werden können; — die Gewährleistung einer kontinuierlichen, viertelsbezogenen Gemeinwesenarbeit in Ergänzung zu den Ressourcen der Sozialraumkoordination, damit eine aktive Teilhabe ermöglicht, die Befähigung und Möglichkeiten zur Selbstorganisation gestärkt und die verantwortliche Bindung an die Nachbarschaft intensiviert wird; — die Verbesserung der Aufenthaltsqualität der Frei- und öffentlichen Räume, damit das Zusammenleben wertschätzender gestaltet wird, sich Plattformen für Austausch und Kommunikation in der Nachbarschaft bieten und sich das Image des Stadtteils zum Positiven entwickelt. Die acht Handlungsfelder sind diejenigen, die von den Akteuren vor Ort als wichtig und zentral für die Zukunft bezeichnet wurden. Dazu gehörten auch diejenigen, die von der KALKschmiede* bereits im Vorfeld der Erstellung des Handlungsprogramms behandelt wurden: Beteiligung und Teilhabe; Nachbarschaft und Zusammenleben; Wohnen und Wohnumfeld; Jugend und Bildung. Diese konnten ausführlich mit Analysen und Vorschlägen für die Zukunft vorgestellt und diskutiert werden. Für die weiteren vier Handlungsfelder, die in der Arbeit der KALKschmiede* und im Prozess zum IHP 2012+ identifiziert werden konnten, stand keine vergleichbare Grundlagenarbeit zur Verfügung. Sie konnten daher im IHP 2012+ nicht genauso ausführlich behandelt werden, ohne dass damit über ihre Bedeutung etwas ausgesagt wäre. Es geht darin um: Sicherheit und Sauberkeit; Alter und Gesundheit; Versorgung und Infrastruktur; Netzwerk und Zusammenarbeit.

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DAS INTEGRIERTE HANDLUNGSPROGRAMM KALK NORD 2012+

NETZWERK & ZUSAMMENARBEIT VERSORGUNG & INFRASTRUKTUR ALTER & GESUNDHEIT SICHERHEIT & SAUBERKEIT JUGEND & BILDUNG WOHNEN & WOHNUMFELD NACHBARSCHAFT & ZUSAMMENLEBEN BETEILIGUNG & TEILHABE Inhaltsebenen

Aufgaben

Analyse

Umsetzer + Finanzier + Fürsprecher + Beobachter

Ziele Indikatoren Maßnahmen

Die acht Handlungsfelder und die verschiedenen Inhaltsebenen

Umsetzungsstrategie

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HANDLUNGSFELDER

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BETEILIGUNG UND TEILHABE – EINBINDUNG UND VERANTWORTUNGSÜBERNAHME VON BEWOHNERN Ausgangslage Neben der fehlenden politischen Unterstützung leidet das Viertel daran, dass viele Bewohner wenig oder schlechte Erfahrung im Umgang mit Behörden und Politik gemacht haben. Sie sind wenig geübt in diesem Umgang und haben möglicherweise auch deswegen wenig Interesse an einer Beteiligung. Die Möglichkeiten, sich unbürokratisch einzubringen, sind bislang rar gesät. Potenziale und Herausforderungen Dabei hat sich in den letzten Jahren bereits etwas getan. Die Stiftung Kalk Gestalten, die 2005 gegründet wurde, engagiert sich zunehmend auch im Kalker Norden. Und neben dem Runden Tisch Quartiersentwicklung und dem Mieterrat der GAG Immobilien AG haben sich weitere Initiativen gegründet oder ihre Arbeit intensiviert und waren im Kalker Norden aktiv. So etwa das Filmprojekt KALK FÜR ALLE, in dem dokumentiert wurde, wie der Stadtteil Kalk einen Projektfond von 10.000 Euro mit kreativen Ideen füllt. Als »Gewinner« ist aus diesem Prozess das offene Projekt »Kalk – Raum für Alle« hervorgegangen, das sich auf der Kalk-Mülheimer Straße befindet. Außerdem gab es erste Interessenten, die das Modell der Soziokratie im Kalker Norden erproben wollten, um eine andere Form der basisdemokratischen Entscheidungskultur einzuüben. Wünsche Für die Zukunft wünschen sich die Teilnehmer der Zukunftsschmieden einfache, effektive, unbürokratische und transparente Kommunikationswege sowie die Möglichkeit, tatsächlich an Entscheidungen mitwirken und Verantwortung für sie übernehmen zu können. Empfehlungen Das IHP 2012+ schlägt vor diesem Hintergrund vor, einen Veedelsmoderator einzurichten, also einen Moderator für die Beteiligungs- und Teilhabeprozesse im Viertel zu installieren, der Menschen gewinnen, Arbeitsgruppen aufbauen und dafür Sorge tragen kann, dass die Akteure vor Ort ihre Arbeit wirkungsvoll aufeinander abstimmen. Ein Veedelsfonds, ein Fonds für das Viertel, könnte die Mittel bereitstellen, über die die Bewohner selbst entscheiden und für deren Verwendung sie Verantwortung übernehmen könnten. Das IHP 2012+ empfiehlt zudem, das Modell der Soziokratie in der Stadtteilentwicklung zu erproben.

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DAS INTEGRIERTE HANDLUNGSPROGRAMM KALK NORD 2012+

NACHBARSCHAFT UND ZUSAMMENLEBEN – INTERKULTURELLES UND SOZIALES ZUSAMMENLEBEN Ausgangslage Die Bewohnerbefragung von 2011 hat ergeben, dass die Stimmung unter den Nachbarn nicht gut war. Ordnungsamt und Polizei berichteten, dass die Spannungen zwischen den Nachbarn zugenommen haben. Der wohnortnahe Freiraum wurde vor der Einrichtung des Veedelshausmeisters bis auf wenige, zauberhafte Ausnahmen so gut wie nicht selbstorganisiert gepflegt. Das Zusammenleben in diesem bunt gemischten Viertel, aus dem die Menschen häufig zu- und wegziehen, wird zudem belastet durch die dichte Bebauung und die unzureichenden Spiel- und Aufenthaltsmöglichkeiten. Einrichtungen der Interkultur- und Jugendarbeit konnten bislang zu großen Teilen nur auf Projektbasis arbeiten.

Sommer im Viertel

Gemeinsam mit dem Veedelshausmeister den öffentlichen Raum verschönern

Nachbarschaftsfest. Bürgertreff und interkultureller Dienst schaffen eine Plattform für Begegnungen.

Potenziale und Herausforderungen In der Vielfalt der Kulturen und den unterschiedlichen Milieus lassen sich auch Potenziale ausmachen. Die Bewohnerumfrage 2011 hat gezeigt, dass die Bereitschaft zum Engagement deutlich höher ist als erwartet und dass 80 Prozent der Haushalte mit Kindern regelmäßig Kontakte zu Menschen unterschiedlicher Herkunft pflegen. Die Verbundenheit mit dem Viertel ist gerade bei Jugendlichen und Älteren hoch. Auch die vorhandenen Institutionen haben großes Anknüpfungs- und Entwicklungspotenzial: Der im Rahmen des Programms Soziale Stadt entstandene Nachbarschaftstreff wird derzeit von der GAG und anderen Trägern finanziert. Hier werden die Bewohner zu alltäglichen Fragen beraten, sie können Veranstaltungen des Interkulturellen Dienstes der Stadt in Verbindung mit dem Kinderschutzbund und dem Seniorennetzwerk Kalk besuchen, und es werden insbesondere für neu zugezogene Kinder und Jugendliche Kurse angeboten, die Brücken des Ankommens bauen. Mittlerweile am gleichen Standort wie der Nachbarschaftstreff befindet sich das Jugendprojekt Pavillon e. V., das sich intensiv um eine vertrauensund qualitätsvolle Freizeitgestaltung aller Jugendlichen kümmert und seine neuen Räume in einer ehemaligen Eckkneipe auch der Nachbarschaft zur Verfügung stellt. Und schließlich kümmert sich der Veedelshausmeister darum, dass sich die Patenschaften für den öffentlichen Raum und die ambitionierten Mietergärtner als Ausgangspunkt und Basis für neue Kontakte stabilisieren und ausweiten.

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Wünsche Der Blick in die Zukunft sollte vor allem auf die Verstetigung und die Verknüpfung der vorhandenen Angebote gerichtet werden. Damit diese aber wirksam für die Menschen im Viertel werden, bedarf es – eventuell am Runden Tisch Quartiersentwicklung Kalk Nord – des intensiven und praktischen Austauschs zwischen Institutionen, deren Aufgabe sich auf Kalk Nord konzentriert, und den Aktivitäten der Anbieter, die sich entweder mit temporären Projekten engagieren wollen (wie zum Beispiel der AWO) oder nur teilweise einen Nachbarschaftsbezug haben (etwa Caritas oder Bürgerhaus). Die Bewohner wünschen sich, dass die von der GAG unterstützten und vom Nachbarschaftstreff durchgeführten Nachbarschaftstfeste auch in Zukunft stattfinden. Empfehlungen Für die Zukunft schlägt das IHP 2012+ vor, das Miteinander kontinuierlich zu fördern, insbesondere über eine gut ausgestattete Gemeinwesenarbeit. Die Ressourcen der Sozialraumkoordination für das Viertel reichen nicht aus, um die Effektivität der Schnittstellen und die Zusammenarbeit für die Menschen vor Ort zu vergrößern. Die Gemeinwesenarbeit könnte durch den bereits unter »Beteiligung und Teilhabe« empfohlenen Veedelsmoderator gefördert werden. Darüber hinaus sollte weiterhin wie bisher im Nachbarschaftstreff ein Nachbarschaftscafé helfen, Kontakte auszubauen, so dass sich Bewohner mehr als bisher gegenseitig unterstützen. Ähnlich wie bereits in Einzelfällen oder im Beispiel der Baumscheibenpatenschaften könnte zur Verbesserung des öffentlichen Raums die gemeinsame Gestaltung und Pflege von bestehenden Freiräumen deren Qualität steigern und die Identität des Viertels stärken. Das IHP 2012+ empfiehlt darüber hinaus, das Projekt der Integrationslotsen der Integrationsagentur der AWO Mittelrhein in Kalk Nord anzuwenden.

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WOHNEN UND UMFELD – WOHNUNGSANGEBOT UND WOHNORTNAHER FREIRAUM Ausgangslage Dass die Wohnsituation in Kalk Nord eines der Kernprobleme des Quartiers ist, wurde bereits mehrfach genannt: Von den etwa 7.800 Wohnungen befanden sich 2009 geschätzt ein Viertel in besorgniserregendem oder gesundheitsgefährdendem Zustand. Der geringe Wert, dem man dem Viertel entgegenbrachte, drückte sich neben vernachlässigten Gebäuden auch in ungepflegten und schlecht nutzbaren wohnortnahen Freiräumen aus und schadet bis heute dem Ruf des Quartiers nachhaltig. Teilweise steigende Mieten, eine hohe Fluktuation der Bewohner und ein zu geringes Angebot für Familien und Ältere sind zusätzliche Belastungen; der Freiraumanteil ist zu gering, die Verantwortlichkeiten ungeklärt, das Verantwortungsbewusstsein wenig ausgeprägt.

► Siehe Seite 37

Potenziale und Herausforderungen Die seit 2009 sanierten Häuser zeigen, welche belebende Wirkung und positive Ausstrahlung von einer Sanierung ausgehen kann. Gleiches gilt für die Aufwertung und Pflege des öffentlichen und wohnortnahen Freiraums, die Nutzungen und Aufenthaltsmöglichkeiten neu erschlossen haben. Es zeigte sich auch, dass bei verlässlichem Rahmen die Bewohner der Quartiers Verantwortung für ihr Viertel übernehmen und dieser gerecht werden. Der Wohndialog war für diese ersten Erfolge eine maßgebliche Grundlage. Die Praxis im Umgang mit den Mietern wurde verbessert, eine konzertierte Vorgehensweise schuf eine andere Qualität der Planungssicherheit. Wünsche Für die Zukunft wünscht man sich in Kalk Nord, dass günstiger und guter Wohnraum geschaffen und erhalten bleibt, auch, um die Fluktuation zu senken. Die Freiräume sollen gesichert und weiter verbessert, der Veedelshausmeister mittelfristig etabliert werden. Der Wohndialog sollte unbedingt fortgesetzt, intensiviert und weiterhin neutral und kompetent moderiert werden. Der Runde Tisch Quartiersentwicklung Kalk Nord und der Mieterrat der GAG als weitere Informations- und Austauschplattformen in Sachen Wohnen und Wohnumfeld leisten wertvolle Vernetzungs- und Verständigungsarbeit, auch diese Institutionen sollten beibehalten und erweitert werden. Empfehlungen Das IHP 2012+ rät, die Wohnungsbauunternehmer dafür zu gewinnen, dass mit einer Vereinbarung die Erhöhung der Jahresmiete nach einer Sanierung unter den erlaubten 11 Prozent der anteiligen Modernisierungskosten bleibt und die Mieten generell unterhalb der durchschnittlichen Nettokaltmiete im Stadtteil Kalk bleiben. Dafür muss für Sanierungsmaßnahmen Förderung in Anspruch genommen werden. Die Modernisierung sollte durch ein intensives Modernisierungsmanagement sorgfältig im Dialog mit den Bewohner

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abgestimmt werden. Familien und ältere Menschen sollten stärker als bisher in der Strategie der Wohnungswirtschaft berücksichtigt werden, da gerade hier die Unzufriedenheit hoch ist und Familien – ein stabilisierender Faktor in der Quartiersentwicklung – abzuwandern drohen. Schließlich sollten kleinere und größere Freiflächen aufgewertet, benutzbar gemacht und gesichert werden. Neben der Wohnungswirtschaft muss sich auch die Stadt engagieren, damit der Wohnstandort attraktiv bleibt; insbesondere der Erhalt des Spielplatzes an der Remscheider Straße liegt den Verfassern des IHP 2012+ am Herzen. Auch die Spielstraße Albermannstraße sollte grundlegend umgestaltet werden. Das IHP 2012+ empfiehlt zudem, die Finanzierung des Veedelshausmeisters für weitere fünf bis zehn Jahre zu sichern, da sich seine Arbeit für die Kommunikation im Viertel, die Pflege des öffentlichen Raums und als Unterstützung bei kleineren Reparaturen als sehr wertvoll erwiesen hat.

JUGEND UND BILDUNG – SCHUL- UND ANGEBOTSLANDSCHAFT DER JUGENDHILFE

► Siehe Seite 20

Der Designer Oliver Schübbe hat mit Kindern aus dem Viertel neue Sitzmöbel aus Sperrholz gestaltet.

► Siehe Seite 46

Ausgangslage Die Daten zu den Schulabschlüssen im Stadtteil und die Informationen der Akteure aus diesem Handlungsfeld lieferten alarmierende Erkenntnisse. Sie basieren auf Aussagen der Mitarbeiter der Kindergärten, der Grundschulen und der bestehenden Hauptschule sowie auf Gesprächen mit den beiden anerkannten Trägern der Jugendhilfe, die im Kalker Norden aktiv sind, aber auch mit den islamischen und christlich geprägten Weiterbildungsträgern. Der Bildungsstand der Kinder und Jugendlichen im Stadtteil ist extrem niedrig, die Sprachkenntnisse sind schlecht, das Engagement der Eltern im schulischen System sehr gering und die Herausforderungen der jüngsten Migrationswelle Dies bestätigte auch der Jugendhilfe- und eigentlich nicht zu bewältigen. Schulentwicklungsplan der Stadt Köln: Kalk – und insbesondere der Kalker Norden – hat einen sehr hohen Bedarf an der Verstetigung und am Ausbau der Jugendarbeit. Der Bildungsatlas Kalk hat zwar fest gestellt, dass sich die Schulen und Kitas zu großen Teilen auf die schwierige Situation eingestellt haben und ihr Möglichstes für eine Verbesserung der Bildungschancen im Stadtteil tun. Dass die kommunale Jugendarbeit im Viertel vor diesem Hintergrund nur auf Projektbasis gestaltet werden kann (Pavillon e. V.), grenzt an einen Skandal, denn auch die anderen Träger der Jugendarbeit im Stadtteil (VIKZ, Evangelische Jugend, Moscheen) machen vor allem konfessionsorientierte Angebote. Potenziale und Herausforderungen Die Eltern könnten als Partner in Erziehung und Bildung gewonnen werden. Die von den Schulen und Kitas initiierten Angebote, die bestehen, könnten auf der Basis des bereits funktionierenden Netzwerks weiterentwickelt und durch ergänzende Maßnahmen gestärkt werden. In zwei Arbeitskreisen, die

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den gesamten Sozialraum Humboldt-Gremberg/Kalk abdecken, tauschen sich die Kindertageseinrichtungen sowie Grund- und offene Ganztagsschulen über Bedarf, Entwicklungen und Projekte aus. Wünsche Für den Stadtteil Kalk Nord wünscht man sich, dass die Kinder- und Jugendarbeit aus- und insbesondere eine institutionalisierte Jugendeinrichtung mit stabiler Trägerschaft aufgebaut wird; ferner, dass die Zusammenarbeit der Institutionen intensiviert wird. Eltern sollen stärker als bisher in die Bildungsarbeit eingebunden werden, teils durch aufsuchende Aktivierung, teils durch eine Kooperation bestehender Einrichtungen. Empfehlungen Die Kooperation der Institutionen und insbesondere die Kooperation mit jenen Institutionen, die sich auf die Weiterbildung von Kindern mit türkischem Migrationshintergrund spezialisiert haben, sollte intensiviert und bestehende Angebote besser sollten aufeinander abgestimmt werden. Die schlechte personelle Ausstattung bildete hier bislang unüberwindbare Hindernisse und sollte daher substanziell verbessert werden. Das IHP 2012+ schlägt vor, neben diesen weichen Maßnahmen und auf der Basis erster Konzepte, die die KALKschmiede* in Abstimmung mit den Ämtern für Schulentwicklung und für Kinder, Jugend und Familien erarbeitet hat, eine Sekundarschule mit Stadtteilbezug am Standort Remscheider-/ Falckenstein-/ Albermannstraße aufzubauen. In dieses Konzept sollten die bereits bestehenden Schulgebäude und neue Stadtteilnutzungen integriert werden. Eine fundierte Machbarkeitsstudie und ein gemeinsames pädagogisches Konzept potenzieller Akteure sollte die Grundlage dafür Der dringende Bedarf einer neuen und stabil ausgebereitstellen. statteten Jugendeinrichtung, am besten unter Mitwirkung der Kinder und Jugendlichen aus Kalk Nord, wurde darüber hinaus im IHP 2012+ einhellig bestätigt. Das IHP 2012+ empfiehlt außerdem, lokale Unternehmen zu einem Engagement für eine Allianz zu gewinnen, mit der Jugendliche gefördert und ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt gesteigert werden.

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SICHERHEIT UND SAUBERKEIT – PFLEGE UND NUTZBARKEIT DES ÖFFENTLICHEN RAUMS Ausgangslage Sauberkeit im öffentlichen Raum spielt eine große Rolle für das Wohlbefinden der Menschen im Quartier. 60 Prozent der 2011 Befragten betrachteten unzureichende Sauberkeit als ein Problem. Sie erzeugt ein Unsicherheitsgefühl und befördert die Angst vor Kriminalität. Drogen- und Alkoholkonsum im öffentlichen Raum, auf Straßen und Spielplätzen wurde als Störung empfunden, 60 Prozent fühlten sich gegenüber Jugendlichen, jungen Erwachsenen und alkoholisierten Männern unsicher. Die Unzufriedenheit mit der fehlenden Sauberkeit im öffentlichen Raum war ein Hauptgrund für Umzugsabsichten. Die Anzahl der Wohnungseinbrüche und Straftaten stieg zuletzt, es bestanden Probleme mit Schädlingen in den Häusern, wenige Personen übernahmen Verantwortung. Potenziale und Herausforderungen Es gibt eine hohe Bereitschaft zum Engagement seitens der sozialen Einrichtungen, der Polizei und der Wohnungswirtschaft. Die Arbeit des Veedelshausmeisters zeigt Wirkung, die ersten Beispiele für selbstgestaltete Beete, Nachbarschaftsgärten und die Baumscheibenpatenschaften machen Mut. Die Bezirksbeamten der Polizei nehmen regelmäßig an verschiedenen Arbeitskreisen im Quartier teil, die Müllsammelstellen sind verbessert worden, die Kommunikation zur Verwaltung wurde verbessert. Solche Entwicklungen gilt es weiterzuführen und darauf aufzubauen. Neu organisierte Müllsammelstellen der Dt.Annington

Wünsche Für Kalk Nord wünscht man sich erhöhte Sicherheit, weniger Fälle von Kleinkriminalität und eine weitere Reduzierung des Mülls im öffentlichen Raum. Empfehlungen Das IHP 2012+ schlägt vor, für eine auf einer bereits bestehenden Analyse aufbauende, bessere Beleuchtung im öffentlichen Raum zu sorgen. Außerdem sollten zusätzliche Müllbehälter aufgestellt werden und ein fester Ansprechpartner der Polizei mit Sprechstunde in Kalk Nord für Sicherheits- und rechtliche Fragen benannt werden. Für ein bestehendes Beratungsprogramm der städtebaulichen Kriminalprävention, das sich an Immobilienbesitzer richtet, sollte in Kalk Nord gezielt geworben werden und ein Aufklärungsprogramm über Müllvermeidung, -trennung und -entsorgung sowie eine intensivierte Einbeziehung der Bürger bei der Freiraumpflege entwickelt werden.

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DAS INTEGRIERTE HANDLUNGSPROGRAMM KALK NORD 2012+

ALTER UND GESUNDHEIT – DEMOGRAFISCHER WANDEL UND KONSEQUENZEN

► Siehe Seite 37

Tanztee im Bezirksrathaus

Ausgangslage Ein generell wichtiges Thema stellte sich unter den Rahmenbedingungen in Kalk Nord noch einmal als spezifische Herausforderung dar: Auch unter den über 65-jährigen im Stadtteil (14,2 Prozent der Bewohner) hatten 38,4 Prozent einen Migrationshintergrund. Diese Menschen haben eigene Bedürfnisse, die selten wahrgenommen und berücksichtigt werden. Generell ist die Gestaltung des öffentlichen Raums den Bedürfnissen von alten Menschen nicht angepasst, die schlechte Anbindung an andere Stadtteile verstärkt ein Gefühl von Isolation. Fehlendes Wohnangebot für Senioren, unsichere und teilweise ungesunde Wohnverhältnisse verschärfen bestehende Herausforderungen der Armut und der Einsamkeit im Alter. Das kulturelle Angebot für Senioren wurde im Rahmen der Bewohnerbefragung von 30 Prozent als unzureichend empfunden. Potenziale und Herausforderungen Die medizinische Versorgung in Kalk ist gleichwohl sehr gut, die personellen Auslastungsgrenzen sind allerdings erreicht. Beratungsangebote für gesundheitliche Vorsorge, für den Übergang von medizinischer Betreuung zur Pflege oder nach stationären Aufenthalten sowie die Unterstützung bei häuslicher Pflege entsprechen nicht dem Bedarf. Aber auch in diesem Handlungsfeld sind bereits einige Institutionen aktiv, so das gut vernetzte Seniorennetzwerk Kalk, das Evangelische Krankenhaus und türkischstämmige Seniorenvertreter – sie weiter zu unterstützen und zu fördern würde helfen, das Potenzial von Senioren für den Stadtteil als identitätsbewahrende Gruppe des Quartiers zu nutzen. Wünsche Für Kalk Nord wünscht man sich ein größeres Angebot seniorengerechter Wohnungen und ein barrierefreies Wohnumfeld, einen Ausbau und eine Verstetigung bestehender Angebote. Insbesondere die ältere Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist auf günstigen und altengerechten Wohnraum angewiesen. Außerdem hofft man auf einen verstärkten Austausch zwischen den Einrichtungen der Gesundheitsversorgung; auch hier wünscht man sich mehr Angebote für Senioren mit und ohne Migrationshintergrund. Empfehlungen Das IHP 2012+ empfiehlt, die Situation von Senioren bei Neu- und Umbauten stärker zu berücksichtigen. Eine gezielte Bindung engagierter Menschen könnte helfen, das Nachwuchsproblem bei Senioreninitiativen zu beheben, insbesondere Senioren mit Migrationshintergrund sollten dabei eine wichtige Rolle spielen. Viele Träger haben mit einer unsicheren Raumsituation zu kämpfen, ein informelles Raummanagement könnte dieses Problem lindern.

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Außerdem empfiehlt das IHP 2012+, eine jährlich stattfindende »Stadtteilkonferenz Gesundheit«, um Bedarf zu erkennen, Angebote zu koordinieren und Beratungstätigkeiten zu kanalisieren. Als Einstiegsthema wird der Bereich Frauengesundheit vorgeschlagen.

VERSORGUNG UND INFRASTRUKTUR – LOKALE ÖKONOMIE UND VERKEHR Ausgangslage Im Bereich der wohnortnahen Versorgung stellt sich die Situation in Kalk Nord aus Sicht der Bewohner als nicht gänzlich zufriedenstellend dar: Die nächsten Einkaufsmöglichkeiten finden sich entweder an der Kalk Nord südlich begrenzenden Kalker Hauptstraße oder in dem nördlich angrenzenden Stadtteil Buchforst – im Viertel selbst fehlen, von wenigen kleinen Geschäften abgesehen, Einkaufsmöglichkeiten. Dadurch sind die Wege weit, was insbesondere für alte und körperlich eingeschränkte Menschen ein Problem darstellt. Für leerstehende Ladenlokale lassen sich kaum neue Mieter finden, sie erzeugen eine deprimierende Atmosphäre im Viertel. Potenziale und Herausforderungen Die Nähe zur Innenstadt und eine insgesamt gute Verkehrsanbindung, bestehende Eckkioske sowie die Vielfalt der Geschäfte an der Kalker Hauptstraße sind ein Potenzial. Die Standortgemeinschaft Kalk e. V. und die Stiftung Kalk Gestalten bemühen sich bereits darum, hier anzuknüpfen und für eine Verbesserung zu sorgen. Wünsche Für Kalk Nord wünscht man sich, dass die leerstehenden kleinen Ladenlokale wieder genutzt werden und eine alternative Versorgung für Menschen mit körperlichen Einschränkungen aufgebaut wird. Empfehlungen Das IHP 2012+ schlägt vor, durch temporäre Nutzungen dem Ladenleerstand entgegen zu wirken und eine Beratung anzubieten, die sich auf die Lage und die Potenziale in Kalk Nord konzentriert. Hier könnten vor allem Kioske und kleine Läden entstehen, Ladenlokale könnten aber auch als barrierefreier Wohnraum oder für die Gemeinwesenarbeit und für ehrenamtliches Engagement genutzt werden. Ein Bringdienst könnte in Kooperation mit lokalen Supermärkten mobilitätseingeschränkten Menschen dabei helfen, sich leichter mit Gütern für den täglichen Bedarf zu versorgen.

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DAS INTEGRIERTE HANDLUNGSPROGRAMM KALK NORD 2012+

NETZWERK UND ZUSAMMENARBEIT – PROFESSIONELLE AKTEURE IM STADTTEIL Ausgangslage Als das wesentliche Querschnitts-Handlungsfeld sollte für eine einfache und gute Zukunft von Kalk Nord das Thema »Netzwerk und Zusammenarbeit« separat in den Blick genommen werden. Eine ganze Reihe von Arbeitskreisen, Gremien und Initiativen treffen sich regelmäßig und engagieren sich für den Stadtteil; Bewohner und Neueinsteiger der Sozialarbeit werden über das bestehende Angebot auf verschiedenen Wegen informiert. Der Stadtteil Kalk gehört als Sozialraum der Sozialraumkoordination Humboldt-Gremberg/Kalk an, die die Kooperation und Vernetzung von Trägern, Verbänden, Ehrenamtlichen und Einrichtungen unterstützt und optimiert. Potenziale und Herausforderungen Die etablierte Zusammenarbeit der Einrichtungen und Institutionen ist eine gute Basis, von der ausgegangen werden kann. Die Zahl der Menschen, die sich in unterschiedlichsten Bereichen in und für Kalk Nord engagiert, ist groß. Die Einrichtungen stoßen allerdings vielfach an ihre personellen und finanziellen Grenzen, manche von ihnen haben hohe Zugangsschwellen, und so werden einige Angebote im Viertel nicht ausreichend wahrgenommen. Die Arbeit der Sozialraumkoordination Humboldt-Gremberg/Kalk wird durch den großen Sozialraum, der ihr zugewiesen ist, erheblich erschwert. Wünsche Für Kalk Nord wünscht man sich, dass die vielen Einrichtungen effektiver miteinander kommunizieren und sich aufeinander abstimmen. Empfehlungen Das IHP 2012+ rät, die Sozialraumkoordination zu verstetigen und die große Anzahl von Akteuren, von Beziehungen und Netzwerken durch einen gemeinsamen Auftritt in Flyern, im Internet und auf Festen besser sichtbar zu machen. Ein übergreifender Info-Point könnte dabei helfen, den Zugang zu Bewohnern und potenziellen Ehrenamtlichen zu verbessern und Zugangsschwellen zu senken.

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AUSBLICK

Übergabe des IHP2012+ an den Oberbürgermeister im Dezember 2012

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Das IHP 2012+ ist ein Gemeinschaftsprodukt von Bewohnern, institutionellen Akteuren freier und kommunaler Träger, von Teilen der kommunalen Verwaltung und natürlich Vertretern der Wohnungswirtschaft. Angesichts der – trotz aller Anstrengungen der letzten Jahre im Stadtteil – weiterhin prekären und instabilen Situation ist es nun wichtig, dass die im IHP 2012+ erarbeiteten Ergebnisse größere Verbindlichkeit bekommen, als zu sichern einer Initiative wie der KALKschmiede* möglich ist. Das IHP 2012+ wurde am 10. Dezember 2012 dem Oberbürgermeister der Stadt Köln in einer öffentlichen Veranstaltung übergeben, damit dieser zweierlei einleiten kann: zum einen, dass die städtischen Selbstverpflichtungen und Aufträge, die im IHP 2012+ formuliert sind, so schnell wie möglich umgesetzt werden und zum anderen, dass die unterschiedlichen Aktivitäten in einer übergreifenden Strategie zusammengebunden werden. Der Oberbürgermeister hat bei der Übergabe sehr deutlich formuliert, dass er sich für eine fachliche Einordnung und eine Unterstützung der weiteren Entwicklung des Stadtteils einsetzen wird, soweit es Das IHP 2012+ hat auf konstruktive in den Kräften der Kommune steht. Weise deutlich gemacht, dass die Menschen im Kalker Norden engagiert sind, dass ihr Quartier größere Aufmerksamkeit braucht, dass es aber auch ausreichend Potenziale gibt, an die angeknüpft werden kann. Es bedarf mehr denn je – nun aber mit einer guten Grundlage – der Unterstützung durch einen Fürsprecher in der Politik, der entscheidungskompetenten Zuständigkeit in der Verwaltung und einer unabhängigen Moderation.

HANDELN IM RAHMEN

Warum die Rahmenbedingungen, unter denen die KALKschmiede* gearbeitet hat, zum Wesen und zur Qualität dieses Projektes gehören

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Die KALKschmiede* hatte, als sie ihr Engagement begann, keinen kommunalpolitischen Auftrag, aber einen starken kommunalen Partner der Wohnungswirtschaft – die GAG Immobilien AG – an ihrer Seite. Sie hat sich gemeinsam mit diesem Partner selbst beauftragt, Kalk Nord in den Blick zu nehmen. Viele Partner konnten daher in den Anfängen des Projekts die KALKschmiede* nur schwer einordnen. In welcher Rolle sieht sich die KALKschmiede*, welche Verantwortung übernimmt sie, wer hat sie beauftragt? Es war Teil des Projektes, dies auszuhalten und nicht den üblichen Weg zu gehen: zunächst den Stadtteil zu analysieren, dann ein Rahmenkonzept zu verabschieden und erst anschließend zu investieren. Die KALKschmiede* war befristet und verfügte jenseits der guten personellen Ressourcen nur über überschaubare Mittel, um selbst Projekte durchzuführen. Die Rahmenbedingungen setzten der KALKschmiede* Grenzen und verpflichteten sie auf Methoden, die diese Sondersituation zu berücksichtigen hatten. Sie forderten ein Handeln, das sich motivierend, Kräfte bündelnd und unterstützend zu verstehen hatte, nicht aber dem Anspruch verpflichtet sein konnte, selbst zu investieren. Die KALKschmiede* war deswegen darauf konzentriert, sich als Partner im Quartier zu verstehen, der mit anderen gemeinsam das Ziel verfolgte, die Lebensumstände der Menschen in Kalk Nord zu verbessern. Die Zeit nach dem eigenen Engagement wurde in das eigene Handeln gedanklich einbezogen, um eine stabile und breite Basis zu legen, auf der eine weitere Entwicklung aufbauen kann. Dass dies nur zum Teil gelungen ist, gehört auch in die kritische Bilanz des Projektes. Die Grenzen im Engagement der KALKschmiede* haben letztlich bewirkt, dass genau das getan wurde, was dem Viertel geholfen hat: respektvoll mit anderen Menschen und ihrem Engagement umzugehen. Mit dieser Haltung wurde um Vertrauen und gute Partnerschaft geworben – mit zwei Zielen: zum einen, um Partner im Quartier zu finden, die Verbesserungen einleiten und weiterführen können, zum anderen, um zu zeigen, wie viel Potenzial in einem Quartier steckt, wenn es gelingt, Kräfte wirkungsvoll zu bündeln. In diesem Sinne lassen sich die Leitlinien, die sich im Laufe der Arbeit herausgeschält haben, in drei strategischen Ansätzen und drei Handlungsmaximen zusammenfassen.

STRATEGISCHE ANSÄTZE

ENTDECKE dein KALK – Schnitzeljagd mit Boris Sieverts

ÖFFENTLICHE MEILENSTEINE UND BINNENFESTIVALISIERUNG Kalk Nord hatte den Ruf eines Absteigerquartiers, um das sich nur wenige lokale und externe Kräfte kümmern. Um diesen Ruf zu ändern, war es notwendig, viele der kleinen und großen Dinge, die im Viertel angestoßen und verbessert wurden, sichtbar zu machen. Es galt zu zeigen, dass das Viertel in Bewegung gekommen ist. Um die dafür notwendige Öffentlichkeit zu schaffen, um Akteure und Bewohner zusammenzubringen, war es unerlässlich, konkrete Anlässe zu schaffen – dazu gehörten die Aktivitäten ENTDECKE dein KALK ebenso wie die öffentliche Verabschiedung des im Wohndialog erarbeiteten Eckpunktepapiers im historischen Rathaus der Stadt Köln. Grundsätzlich war es dabei stets das Ziel, Öffentlichkeit nicht über eine Anklage oder Skandalisierung herzustellen, sondern positive Signale zu setzen.

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Besondere Anlässe wurden als Teil einer beginnenden und fortzuführenden Zusammenarbeit dargestellt und als Meilensteine kommuniziert. Sie schufen dadurch die Möglichkeit sowohl zur Begegnung und zum Austausch als auch dazu, Aufmerksamkeit von Medien und Öffentlichkeit auf das Quartier zu richten. Sie boten damit Gelegenheiten, Politiker und Verantwortliche nach Kalk Nord zu holen und sie über die Probleme und Entwicklungen im Quartier zu informieren. Damit verbunden war der implizite Appell, sich intensiver als bisher um das Viertel zu kümmern und es auch zukünftig im Blick zu behalten. Darüber hinaus übten die öffentlich gemachten Meilensteine ausreichend produktiven Druck auf das Projekt selbst aus: Es wurde nun erwartet, dass zu bestimmten Zeitpunkten eine Zwischenbilanz gezogen und dabei gezeigt wird, was erreicht wurde.

► Siehe Seite 25

► Anlässlich der 2.Zukunftsschmiede Ende 2012 wurde sichtbar gemacht, was verbessert worden ist.

VERTRAUEN AUFBAUEN UND PARTNERSCHAFTEN SCHMIEDEN Ohne das Vertrauen des Umfelds in die Arbeit der KALKschmiede* hätte sie keine Möglichkeit gehabt, Dinge in Bewegung zu bringen. Um Vertrauen aufzubauen, signalisierte die KALKschmiede*, dass sie nicht im eigenen Interesse agieren, sondern für die Anliegen der Menschen im Viertel eintreten möchte. Für die in der KALKschmiede* engagierten Menschen hieß dies zu lernen, ihre eigenen, von außen in das Viertel hineingetragenen Ansprüche aufzugeben. Statt dessen galt es, sich auf die Kräfte des Viertels zu konzentrieren, auf die Akteure zuzugehen, die sich schon vor der KALKschmiede* in Kalk Nord engagiert hatten und die dies Deswegen wurde auch nach dem Ende des Engagements weiter tun würden. kaum ein Projekt innerhalb der Tätigkeiten der KALKschmiede* ohne mindestens einen Partner durchgeführt. Es wurde viel Engagement investiert, um Akteure aus dem Quartier zusammenzuführen oder sie durch Öffentlichkeit, durch Unterstützung und Vernetzung stark und nach außen, ebenso wie voreinander, sichtbar zu machen. Die Projekte, die diesem Anspruch nicht folgten, haben sich als nicht durchführbar oder wenig erfolgreich erwiesen, obwohl sie an sich hervorragend angelegt waren; so zum Beispiel die Kalker Pläne, aber auch ein Nachbarschaftsgarten, der ohne die Menschen vor Ort initiiert wurde. FLEXIBEL AGIEREN – DAS PROJEKT DEN BEDÜRFNISSEN ANPASSEN Als ein Stiftungsprojekt ohne Fördermittel der öffentlichen Hand stand die KALKschmiede* nicht unter einem entsprechenden Vergabe- und Legitimationszwang. Die Entscheidungen über die Schwerpunkte der Arbeit konnten ohne aufwändige Rechtfertigung von der Stiftung selbst getroffen und kurzfristig den gewonnenen Erkenntnissen angepasst werden. Dadurch konnten auch Grenzen, die in einem frühen Stadium für die Arbeit der KALKschmiede* erkannt wurden, umgehend berücksichtigt werden. Energie wurde nicht in Aktivitäten investiert, bei denen keine Aussicht auf Erfolg bestand. Das hieß konkret, dass Handlungsfelder wie »Lokale Ökonomie«, die am Anfang im Fokus standen, aufgegeben werden konnten, weil sich nicht ausreichend Partner dafür motivieren ließen; das hieß aber auch, dass Mittel innerhalb des Projektes schnell von einem Projekt in das andere umgelenkt werden konnten, ohne dafür umfassende Rechenschaftsberichte ablegen zu müssen.

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HANDLUNGSMAXIMEN

PRAKTISCH WERDEN Mit sichtbaren Verbesserungen wurde zunächst dem drängenden Bedarf an tatsächlicher Veränderung Rechnung getragen, um die unmittelbaren, die Bewohner belastenden Notlagen, insbesondere in deren Wohnumfeld, zu mildern. Damit wurde die Motivation für weiteres Engagement gestärkt und die Menschen dazu ermutigt, selbst Verbesserungen anzugehen, anzuregen oder einzufordern. Dazu gehörte auch – unter anderem mit einer Ausstellung im öffentlichen Raum – das Erreichte deutlich zu machen und zu zeigen, wie es noch vor wenigen Jahren an gleicher Stelle ausgesehen hatte. NEUTRAL UND DENNOCH ZIELGERICHTET MODERIEREN Eine Moderation kann nur dann wirken, wenn sie der Parteinahme unverdächtig ist. Und doch übernimmt auch der Moderator Verantwortung für die Struktur der Prozesse und die Kultur der Gespräche. Für Kalk Nord hieß das, sich den Überblick über die Aktiven, die Akteure im Viertel zu verschaffen, deren Anliegen und Möglichkeiten miteinander zu verknüpfen, damit Kräfte konzentriert, der Austausch intensiviert und in gemeinsamen Runden Prioritäten gesetzt werden konnten. Dieses komplexe System musste in einem relativ straffen Programm von Ereignissen und Meilensteinen gebündelt werden, dem man durchaus angemerkt hat, wer sie initiiert und für sie Sorge getragen hat. Es wurde also kein Bottom-up-Prozess initiiert, sondern eher ein Prozess, der sich kontinuierlich um die Teilhabe der Menschen im Kalker Norden beDabei war ein schmaler Grat zu beschreiten: zwischen einer müht hat. neutralen Moderation, die nicht lenkte und ausschließlich an den Potenzialen im System ansetzte und einer motivierenden und steuernden Moderation, die Meilensteine vorgab und Handlung einforderte. Es ist – so die Erfahrung der KALKschmiede* – keine theoretische und keine Glaubensfrage, welches der richtige Weg ist. Vielmehr galt es, je nach Fall und Zeitpunkt zwischen beiden Alternativen zu wählen und dabei die Gründe für die jeweilige Entscheidung transparent zu machen. GRÜNDLICH UND OFFEN ANALYSIEREN Die Basis, um Projekte in die Wege zu leiten, waren sorgfältig aufbereitete Analysen und aufmerksam zusammengetragene Informationen. Die Analysefragen konnten sowohl in den vorbereitenden Untersuchungen der Stipendiatinnen, als auch in der Bewohnerbefragung und den Recherchen zum Integrierten Handlungsprogramm Kalk Nord 2012+ offen formuliert werden. Es war also nicht nur erwünscht, sondern auch notwendig, Recherchen zum Thema Städtebau mit Fragen der demographischen Entwicklung und der Immobilienwirtschaft oder Recherchen zum Thema sozialräumliche Differenzierung mit Fragen zum Thema Bildung zu verknüpfen. Diese breite und unkonventionelle Mischung war relativ schwer zu vermitteln, weil sie die Grenzen der Professionen immer wieder in Frage gestellt und so von allen Themen, die von beBeteiligten integriertes Denken eingefordert hat. sonderer Bedeutung waren oder besonders komplexe Zusammenhänge hatten, wurden darum mit gesonderten Forschungsaufträgen bearbeitet, so

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der »Bildungsatlas Kalk Nord« und die Studie »Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien«. Die Erkenntnisse der Analysen wurden allgemein zugänglich gemacht, was insbesondere bei der Bewohnerbefragung sowohl von Teilen der Bewohnerschaft als auch von im Viertel aktiven Institutionen kritisiert wurde. Darf man negative Antworten zum Zustand des Viertels oder zur Einschätzung der Zugezogenen veröffentlichen? Die KALKschmiede* war dezidiert der Meinung: ja! Denn wenn man den Menschen in einem Viertel nicht zutraut, das über sie Gesprochene selbst zu verarbeiten, kann man sie als Partner der Entwicklung auch nicht ernst nehmen. OFFENE ZUKUNFT Trotz einer konzeptionellen Neuorientierung nach etwa eineinhalb Jahren ist es den Partnern in Kalk Nord gemeinsam mit der KALKschmiede* in einer kurzen Zeit gelungen, an den Problemen und dem Bedarf der Menschen vor Ort orientiert Dinge in Bewegung zu setzen und dem Quartier eine deutlich höhere Aufmerksamkeit zu verschaffen: Wohnungen wurden saniert und neu gebaut, der Veedelshausmeister leistete und leistet wertvolle Arbeit, der Runde Tisch Quartiersentwicklung hat sich etabliert, die Politik weiß inzwischen, wie dringend notwendig es ist, in die Jugend- und Bildungsarbeit im Stadtteil zu investieren. Kalk Nord ist damit nicht nur dem Ziel, dass man darin »einfach gut wohnen« kann, ein Stück näher gekommen, es ist auch auf der Landkarte der Verantwortlichen in Politik und Verwaltung deutlicher markiert, als es Von Anfang an bestand die Absicht, die KALKschmie2009 der Fall war. de* als Ergänzung zu erprobten und institutionellen Formen der Stadterneuerung zu verstehen und nicht als deren Ersatz. Darauf, wie auf Dauer mit dem umgegangen wird, was durch die KALKschmiede* angeregt und in Bewegung gesetzt worden ist, ob die Erfahrungen aus Kalk in anderen Quartieren Anwendung finden, hat die Montag Stiftung Urbane Räume nun keinen Einfluss mehr. Auch nicht darauf, wie die begonnenen Projekte im Kalker Norden für die Menschen vor Ort weitergeführt und nutzbar gemacht werden. Die Kritik, dass die KALKschmiede* zeitlich zu kurz angelegt war und sich nun aus dem zähen Geschäft der Verstetigung heraus hält, liegt nahe und wird von der Stiftung sehr ernst genommen, obwohl von Anfang an kommuniziert wurde, dass das Engagement der Stiftung begrenzt sein wird. Sie hat daraus zunächst die Konsequenz gezogen, nur noch in Quartieren aktiv zu werden, in denen sie auf die strukturelle Unterstützung der Kommune und auf die Aussicht einer zivilgesellschaftlichen Verstetigung hoffen kann. Das Integrierte Handlungsprogramm Kalk Nord 2012 + könnte aber auch ohne direktes Engagement der Stiftung, ergänzt durch eine auf das Quartier bezogenen Gemeinwesenarbeit (Veedelsmoderator), eine hervorragende Basis für die Verstetigung sein. Der Oberbürgermeister der Stadt hat es mit dem Versprechen entgegen genommen, es – so weit möglich – auch von Seiten der öffentlichen Hand umzusetzen. Der Wohnungswirtschaft würde es dann leichter fallen, den Veedelshausmeister langfristig zu engagieren und das große Engagement der Akteure aus Verwaltung und Zivilgesellschaft würde mit einer positiven Perspektive belohnt werden.

MEILENSTEINE IM PROZESS 2009 AUSWAHL STIPENDIATINNEN Ausschreibung: Februar 2009 Auswahl: April & Mai 2009 Laufzeit Stipendium: August 2009 bis Ende 2010

RUNDER TISCH QUARTIERSENTWICKLUNG Gegründet im September 2009, tagt vierteljährlich

ANALYSEPHASE August 2009 – Ende 2010

2010 BÜRO KALKSCHMIEDE* EINRICHTEN Januar 2010, Eröffnung: 14. Januar 2010

ERSTE SCHMIEDEN Sommer 2010 am 6. August, 3. September und am 22. Juli 2011

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2011 WOHNDIALOG UND ECKPUNKTEPAPIER

NEUAUSRICHTUNG KALKSCHMIEDE*

Gegründet im Januar 2011 Unterzeichnung Eckpunktepapier im Mai 2011

ab Januar 2011 mit neuer Besetzung & Organisation

KALKER PLÄNE

BEWOHNERBEFRAGUNG

September 2011 – Januar 2012, online ab März 2012

Im Zeitraum von Juni bis November 2011 Veröffentlichung und Präsentation der Ergebnisse im November 2011

KALK TAUSCHT Dreimal im Sommer 2011

2012 EINSTELLUNG VEEDELSHAUSMEISTER

STUDENTENENTWÜRFE FÜR DEN BERUHIGTEN BEREICH DER ALBERMANNSTRASSE

März 2012, läuft mindestens bis Ende 2014

März – Juli 2012

IHP 2012+ Zukunftsschmiede* I: Mai 2012 Zukunftsschmiede* II: September 2012 Übergabe an den Oberbürgermeister: Dezember 2012 Veröffentlichung der Fassung 2.0: Februar 2013

AKTIONEN IM ÖFFENTLICHEN RAUM Ab März 2012: Baumscheibenpatenschaften, gemeinsame Verschönerung von Bänken, Stromkästen …

ZUWANDERUNGSBROSCHÜRE Veröffentlichung: August 2012

BILDUNGSATLAS Erarbeitung: September 2011 – September 2012 Veröffentlichung: September 2012

»MAN BRAUCHT EINE LANGE ZEIT, UM SOZIALE STRUKTUREN ZU VERÄNDERN« Stadtteilentwicklung ist ein Interesse der Wohnungsunternehmen, weil sie hier Kompetenzen haben und unmittelbar mit den Lebenslagen der Menschen im Quartier verbunden sind. Ohne eine Vernetzung bis in die Leitungsebene der maßgeblichen Akteure ist Quartiersmanagement nur begrenzt wirksam. Es bedarf eines Maßnahmenmixes, der individuell auf die Probleme im Quartier abgestimmt ist und auch Ebenen außerhalb des Quartiers berücksichtigt.

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Frank Bielka ist seit 2003 Vorstandsmitglied der degewo, dem größten kommunalen Wohnungsunternehmen Berlins. Die degewo verwaltet in Berlin einen Bestand von 73.000 Wohnungen.

Eduard Heußen ist selbstständiger Unternehmensberater und hat in Zusammenarbeit mit der degewo die Bildungsverbünde im Brunnenviertel, in der Gropiusstadt und in Marienfelde ins Leben gerufen. Er ist zudem Projektleiter der Zukunftsakademie Gropiusstadt.

Bielka und Heußen sprachen mit uns über das Engagement des Wohnungsunternehmens in der Stadtteilentwicklung und die Bedeutung von Bildung für die Stabilität im Quartier.

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I NTE RV IE W MIT FRANK BIE L KA UND E DUARD HEUSSEN

degewo ist in Berlin ein starker Partner der Kommune im Quartiersmanagement. Wie ist das Verhältnis dieses Engagements zum eigentlichen Kerngeschäft?

Sie investieren sowohl in der Gropiusstadt als auch im Brunnenviertel in Personal für Aufgaben des Stadtteilmanagements. Gibt es innerhalb Ihres Unternehmens Stimmen, die sagen, dass dies eigentlich nicht Aufgabe der degewo, sondern der öffentlichen Hand ist?

Wie stark ist das degewo-Stadtteilmanagement vor Ort? Hat es die Kompetenz und die Anerkennung bei den Akteuren, um die Kräfte im Quartier zu bündeln und für Veränderungen zu sorgen?

Frank Bielka (FB) Natürlich ist es unsere Hauptaufgabe, durch eine gute Vermietung Erträge zu erzielen. Aber genau in diesem Kerngeschäft haben wir im Brunnenviertel Schwierigkeiten bekommen. Der Leerstand stieg, und wir haben gemerkt, dass hier etwas nicht stimmt. Damals haben wir Eduard Heußen gebeten, über eine genaue Analyse zu ermitteln, was im Quartier schief läuft. Wir haben alle Felder aufgelistet und angefangen, daran zu arbeiten. Aus den Konzepten, die wir auf Basis dieser Analyse entwickelt haben, ist unser Engagement im Sinne einer integrierten Quartiersentwicklung hervorgegangen. Dass dies richtig war, hat sich über den Erfolg in der Vermietung bestätigt. Inzwischen haben wir alle Wohnungen vermietet, es gibt keinen Leerstand mehr. Insofern schließen sich betriebswirtschaftlicher Anspruch und soziales Engagement nicht aus. FB Innerhalb des Unternehmens gibt es für unser Vorgehen großes Einverständnis. Das ist auch wichtig, denn damit diese Strategie erfolgreich ist, müssen alle mitziehen, der Kundenzentrumsleiter vor Ort genauso wie die Leute hier aus der Zentrale. Wir setzen ja auch nur dort Stadtteilmanager ein, wo wir glauben, dass dies als Unterstützung des normalen Vermietungsgeschäfts notwendig ist, um wieder zu sozialer Stabilität zu kommen. Wir haben zurzeit fünf Stadtteilmanagerinnen, im Brunnenviertel, in Marzahn-Nord, in Kreuzberg, in der Gropiusstadt und in Marienfelde. Das ist natürlich ein Auftrag, der über den betriebswirtschaftlichen hinausgeht. Aber als kommunales Unternehmen sind wir dem Land Berlin, unserem Eigentümer, verpflichtet, der von uns erwartet, dass wir für sozial stabile und gemischte Quartiere Sorge tragen. FB Unsere Stadtteilmanagerinnen leisten eine hervorragende Arbeit, die auch Anerkennung bei den unterschiedlichen Akteuren im Kiez findet. Aber das allein reicht natürlich nicht. Im Unternehmen trifft sich etwa alle sechs Wochen eine Gesprächsrunde, die von mir geleitet wird und sich jeweils mit nur einem Quartier beschäftigt. Wenn sich die Vorstandsebene nicht für die Prozesse im Quartier interessiert, hat es weder nach innen, ins Unternehmen hinein, noch nach außen hin die Autorität, bekommt es nicht die Impulse, die es braucht, um Wirkung entfalten zu können. Eduard Heußen (EH) Es ist auch wichtig, die Ebene des Senats mit einzubeziehen und dort Unterstützung für die Arbeit im Quartier zu organisieren. Ein Quartiersmanager kann das aus hierarchischen Gründen nicht leisten, Verwaltungsleiter sind unter Umständen schon ungehalten, wenn die Quartiersmanager die Sachbearbeiter übergehen.

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Wird es Stadtteile geben, in denen Sie immer ein Stadtteilmanagement brauchen und mittragen werden?

Das heißt, obwohl ganz Berlin wegen der Wohnungsnot über Gentrifizierung spricht, sagen Sie, dass ein Nachfrageüberhang die Entstehung von hochsegregierten Quartieren begünstigt?

Wie stellen Sie sicher, dass am Ende nicht die verdrängt werden, für die sie sich verantwortlich fühlen? Wie wichtig ist es für Sie, dass von kommunaler Seite der Auftrag ergeht, dass Sie aktiv werden – ist das eine Bedingung?

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FB Das kann ich nicht abschließend beurteilen. Ein langer Atem ist aber immer von Nöten. Ich gebe zu, ich war am Anfang ungeduldiger und der Meinung, in zwei oder drei Jahren könne ein solches Engagement wieder beendet werden. Das war ein Irrtum. Man braucht eine lange Zeit, um soziale Strukturen zu verändern, die sich über einen großen Zeitraum entwickelt haben Dazu sind auch administrative Fehler gemacht worden. Im Brunnenviertel wie in der Gropiusstadt, aber nicht nur hier, wurde beispielsweise daran festgehalten, dass in den sozialen Wohnungsbau nur Personen einziehen durften, die im Besitz eines Wohnberechtigungsscheins waren. Da die Einkommensgrenzen für eine solche Berechtigung abgesenkt wurden und von denen, die über diese Grenze kamen, eine Fehlbelegungsabgabe verlangt wurde, haben die Mittelschichten das Quartier verlassen. Glücklicherweise wurde vor gut zehn Jahren im Senat entschieden, diese Restriktion aufzuheben und damit auch mittleren Einkommen wieder den Zugang zu diesen Quartieren zu öffnen. Natürlich ist es in solchen Fällen leichter, wieder zu einer sozial stabilen Mischung zu kommen, wenn es eine stärkere Nachfrage nach Wohnraum gibt. Anders herum ausgedrückt: Angebotsüberhang fördert Segregation, weil es dann einfacher ist, woanders eine Wohnung zu finden. Auch wenn die Klage über die Wohnungsnot weit verbreitet ist, bin ich der Meinung, dass es eine solche Not eigentlich noch nicht gibt, jedenfalls nicht bezogen auf die Gesamtstadt. FB Wenn Gentrifizierung wieder zu einer gewissen Mischung führt, sehe ich das eher positiv, ja. Wobei kommunale Gesellschaften wie die unsere ihrer Verantwortung gerecht werden müssen und weiter Wohnraum für Niedrigverdienende und Menschen mit Transfereinkommen bereitstellen müssen. In meinem Bild von der Gropiusstadt ebenso wie vom Brunnenviertel ist immer auch Platz für arme Leute, aber auch für Menschen, die ein auskömmliches Einkommen haben. Ich bin ein Anhänger von gemischten Stadtteilen. FB Durch die Vermietung. Wir achten sehr auf die soziale Mischung und verdrängen dabei niemanden. Dies erreichen wir unter anderem dadurch, dass wir mit Mieterhöhungen maßvoll umgehen und soziale Kriterien berücksichtigen. FB Aus meiner Sicht ist eine Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand sehr wichtig, weil viele Rahmenentscheidungen nur von der öffentlichen Hand getroffen werden können. Allerdings möchte ich nicht verschweigen, dass ich mir von der Politik manchmal etwas mehr Verständnis für wohnungswirtschaftliche und soziale Zusammenhänge wünsche.

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I NTE RV IE W MIT FRANK BIE L KA UND E DUARD HEUSSEN

Sie haben sich nun ganz bewusst als Wohnungsbaugesellschaft im Brunnenviertel wie in der Gropiusstadt auf den Sektor Bildung konzentriert.

Was ist nun ihr konkreter Beitrag für die Bildungssituation?

FB Für viele Menschen hat die Frage der Bildungseinrichtungen vor Ort eine große Bedeutung. Und wenn wir feststellen, dass die Bildungseinrichtungen im Quartier Probleme haben, dann hat das für uns auch wirtschaftliche Folgen, denn dann ziehen die Menschen, wenn sie können, spätestens weg, sobald die Kinder in die Schule kommen. Gute Bildungseinrichtungen hingegen stabilisieren die Quartiere. FB Wir sind sicher nicht die Experten in Bildungsfragen. Aber wir machen den Schulen mit den Bildungsverbünden ein Angebot und haben als Koordinator für diese Aufgabe Eduard Heußen gewonnen. Diesem Angebot müssen zualWir haben uns außerdem lererst der Bezirk und der Senat zustimmen. um Fördermittel für diesen Sektor bemüht – das ist aber keine verlässliche Grundlage mehr. Ein oder zwei Jahre bekommen wir solche Mittel, dann wieder nicht. Mir sind diese Projekte zu wichtig, um sie dem Risiko dieses Aufs und Abs auszusetzen. Und wir haben schließlich eine Vielzahl von Einzelprojekten unterstützt. Wir sind für die Schulen nicht deswegen ein starker Partner, weil wir Millionen zur Verfügung hätten, die können auch wir nicht für dafür einsetzen. Viel wichtiger ist, dass wir oftmals helfen können, weil wir gut in der Stadt, in der Politik und in der Verwaltung vernetzt sind. Die Schulen wissen, dass sie sich an uns wenden können, wenn sie Probleme haben. Das stärkt dann auch die Motivation innerhalb der Schule. In der Gustav-Falke-Schule im Brunnenviertel beispielsweise hat die Lehrerschaft sehr viel selbst in die Hand genommen. EH Diese Schule stand kurz vor der Schließung – und trotzdem ist es gelungen, sie wieder zu einer nachgefragten Schule zu machen. Das hatten viele für unmöglich gehalten. Der nächste Schritt wird es nun sein, über eine Fusion mit der benachbarten Sekundarschule den Schulstandort im Gesamten aufzuwerten. Dazu wird die Sekundarschule, wie zuvor die Gustav-Falke-Schule, auf ein neues und zukunftsweisendes pädagogisches Konzept umstellen müssen. Wenn es gelingt, aus beiden Schulen einen im Gesamten akzeptierten Schulstandort zu machen, dann haben wir gewonnen. Da hilft auch das Image, das die degewo aufgebaut hat. Sie gilt als zuverlässiger Partner.

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Wie gelingt es ihnen, die Schulen dafür zu gewinnen, Quartiersarbeit zu machen? Stoßen Sie nicht auf Widerstand, weil die Schulen sich damit überfordert fühlen?

Was konnten Sie den Bildungseinrichtungen versprechen?

Wie wurde das Thema soziale Arbeit und Jugendhilfe im Brunnenviertel berücksichtigt?

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EH Natürlich sind die Schulen und Bildungseinrichtungen in den Quartieren schon hoch belastet. Deswegen mussten wir alle Hebel in Bewegung setzen. Frank Bielka konnte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung davon überzeugen, dass wir im Brunnenviertel zwei Stellen für das Stadtentwicklungsmanagement brauchen. Aber auch hier mussten wir Geduld haben. Viele Lehrer waren nachvollziehbar demotiviert. Sie hatten weder die Erfahrung noch waren sie darauf vorbereitet worden, wie sie mit Schülern mit Migrationshintergrund und solchen aus Familien, die von Transfereinkommen leben, umgehen können. Wir mussten darauf hinwirken, dass hier Korrekturen vorgenommen werden. Außerdem haben wir eine Schulleiterrunde gegründet, die sich regelmäßig mit uns trifft, damit Vertrauen aufgebaut werden kann. EH Wir haben besondere Ereignisse organisiert. Einmal waren wir mit viertausend Kindern auf dem Bebelplatz, um die »Woche der Sprache und des Lesens« zu eröffnen; dort haben die Kinder ihre eigenen Gedichte vortragen. Oder sie fanden sich auf den Plakatwänden bei der Oper wieder. Außerdem sind wir Fürsprecher der Schulen in den Behörden, so dass sich die SchuIch hab Schulen mit einem hohen len nicht selbst exponieren müssen. Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund und aus Familien mit Transfergeldeinkommen beraten. Das hat zu einem Sofortprogramm für hundert Schulen geführt; der neue Senat hat daraus ein Programm für 200 Schulen gemacht. Es wurde besser ausgestattet, als ich es mir jemals erträumt hatte. Diese Gelder können frei verwendet werden. Vielerorts wird diskutiert, ob ein Sozialpädagoge oder ein Verwaltungsleiter eingestellt werden soll. Ich rate zum Verwaltungsleiter, damit die Schulleitungen größere Kapazität für die inhaltliche Arbeit haben. EH Wir haben die verschiedenen Aspekte parallel verfolgt – die Arbeit in den Schulen und das Quartiersmanagement. Was in Berlin besonders schwierig ist, ist die Zusammenarbeit zwischen Schulen und den für die Jugend zuständigen Abteilungen. Jedes Ressort macht seine Arbeit, ohne die Zusammenhänge zu berücksichtigen. FB Ulrich Pfeiffer hat das mal die Versäulung der Politik genannt: Das Denken in den Instanzen der einzelnen administrativen Bereiche erschwert eine vernetzte Vorgehensweise.

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I NTE RV IE W MIT FRANK BIE L KA UND E DUARD HEUSSEN

Betrifft das auch die Förderung?

Kann man das am Beispiel des Brunnenviertels illustrieren?

Wie ist Ihnen das gelungen?

EH Leider ja, auch hier werden die integrierten Ansätze viel zu wenig berücksichtigt. FB Ich glaube, dass das Programm Soziale Stadt viel zu solchen integrativen Ansätzen beigetragen hat. Wir haben uns immer dafür eingesetzt, dass diesem Programm keine Mittel gekürzt werden. Davon abgesehen wäre eine klügere Verteilung der bestehenden Mittel sehr wichtig. Quartiersentwicklung ist auch, aber nicht vorrangig eine Geldfrage, sondern eine des Kopfes, des Konzeptes. FB Der Bildungssektor war unser Schwerpunkt, aber wir haben auch andere Aspekte berücksichtigt. Wir haben jahrelang dafür gekämpft, das Geschäftsleben in der Brunnenstraße im Brunnenviertel aufzuwerten. Dort sind wir Vermieter. Die Lage war von Leerstand, von Second-Hand-Shops und von Import-Export-Läden geprägt. Sie wissen, dass auch dies Einfluss auf ein Quartier hat. Wir haben zunächst auf ein innerstädtisches Factory Outlet Center gesetzt, das war eine falsche Strategie. Aber in der Zwischenzeit sind wir voll vermietet, mit jungen Start-ups, mit Cafés, Eisläden, mit Geschäften, die man nicht überall findet. FB Das war sehr mühsam. Wir haben »Wedding Dress« ins Leben gerufen, eine Modenschau, die im Zusammenhang mit der Berliner Fashion Week aufgelegt worden ist. Junge Designer werden eingeladen, gegen wenig Geld, ohne Standgebühren ihre Sachen auf der Straße und in den angrenzenden Räumlichkeiten zu präsentieren. Wir sorgen für Musik, für Essen und Getränke. Zuletzt hatte Wedding Dress 20.000 Besucher. Das findet inzwischen einmal im Jahr, im Sommer statt. Am Anfang wurde das im Quartier skeptisch beäugt, in der Zwischenzeit ist es akzeptiert. Dann haben wir einen Modedesignerwettbewerb ausgeschrieben und haben den Gewinnern Ladenräume zur Verfügung gestellt. Und auf einmal waren andere Leute da, jüngere Menschen haben sich für die Brunnenstraße interessiert. Das war aber ein Weg, den zu gehen genau so lang gedauert hat wie beim Thema Bildung, Sie müssen nicht denken, dass das eine Sache von drei Jahren ist. EH Jede einzelne Vermietung musste erkämpft werden. Das ist bei der Wohnraumvermietung genauso wie bei der Gewerberaumvermietung. FB Ein anderes wichtiges Thema: Sicherheit im Quartier. Es gab ein hohes Maß an Sicherheitsängsten. Das hat damit zu tun, dass die U-Bahn-Linie 8 Drogenumschagsplatz war und ist, und dass im Quartier Drogen zumindest konsumiert wurden. Das konnten wir eindämmen, aber in geringerem Maße ist das immer noch der Fall.

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EH Wir beide waren beim Polizeipräsidenten. Auf das Problem angesprochen, meinte er lapidar, das sei ein gesamtgesellschaftliches Problem, das könne er nicht ändern. Für die Polizei sei wichtig, dass sie wissen, wo die Drogendealer sind. Wir mussten also selbst initiativ werden und haben in einer vorübergehenden Zeit Streifen mit einem Drogenhund eingesetzt, der die Verstecke aufgespürt hat.

Über das Ordnungsamt?

Was erhoffen Sie sich von der Zukunft?

FB Das hätte zu lange gedauert. Nein, es ging um die eigenen Grundstücke, da konnten wir das mit einem Sicherheitsdienst machen. Der hat natürlich nicht die Befugnisse wie die Polizei, aber immerhin, ein wenig verändert sich die Lage doch. Wir haben uns auch lange mit den Verkehrsbetrieben der BVG auseinandergesetzt, weil uns daran lag, dass die BVG die Bahnhöfe renoviert; In jedem Quartier das ist nun endlich geschehen. Das waren Höhlen. gilt es, einen gezielten Maßnahmenmix zu erarbeiten. In der Gropiusstadt haben wir uns darauf konzentriert, die Wertigkeit einer 1960er Jahre Siedlung hervorzuheben. Die Gropiusstadt ist jahrzehntelang unter Wert behandelt worden. Sie musste auch in Fachkreisen vierzig Jahre lang Schmähungen über sich ergehen lassen. Dabei stecken in ihr viel Qualität und Fantasie, mehr als in manch anderer Großsiedlung, auch wenn sie nicht so wie ursprünglich geplant realisiert und das Konzept verfälscht worden ist. Wir haben ihren städteplanerischen und architektonischen Wert hervorgehoben, damit auch die Bewohner wissen, dass sie in einer außergewöhnlichen Siedlung wohnen. Wir werden in der Gropiusstadt ab 2014 etwa 200 Wohnungen neu bauen. Das werden ungeförderte Wohnungen sein. Wir haben auf der Basis anderer Erfahrungen die Hoffnung, dass sie von älteren Bewohnern der Gropiusstadt bezogen werden, die ihre große Wohnung nicht mehr brauchen und gerne mehr Komfort und eine altengerechte Einrichtung hätten. Dann würden die billigeren Wohnungen wieder frei für die, die auf günstigen Wohnraum angewiesen sind. FB Für mich ist es ein großes Ziel, sozial stabile Quartiere zu schaffen, in denen die Leute zufrieden sind, in denen sie ihre Aufstiegschancen organisieren können, in denen die Bildung wieder so einen Stellenwert hat, dass die Leute gerne ihre Kinder dort auf die Schule schicken.

»WIR WOLLEN FÜR 90 PROZENT DER BEVÖLKERUNG DA SEIN« Genossenschaften orientieren sich am gemeinschaftlichen Wohl ihrer Mitglieder. Weil Genossenschaften keinen externen Eigentümer haben, können sie auf eine Weise soziale Verantwortung übernehmen, die anderen Unternehmen oft von ihren Eigentümern nicht zugestanden wird. Die aktuelle Förderpraxis von Bund und Ländern entspricht in vielerlei Hinsicht nicht mehr den aktuelle Bedürfnissen von Wohnungsunternehmen.

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David Wilde ist hauptamtlicher Vorstand der Hattiger Wohnungsgenossenschaft hwg. Mit einem Bestand von etwa 4.200 Wohnungen ist die hwg in Hattingen (etwa 55.000 Einwohner) in der Rolle wie sonst kommunale Wohnungsunternehmen. Seit 2007 saniert sie sukzessive eine ihrer Siedlungen, die etwa 1.200 Wohnungen zählende Südstadt. Wilde sprach mit uns über das Genossenschaftsmodell und die Förderpraxis der öffentlichen Hand.

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INTERVIEW MIT DAVID WILDE

Als Genossenschaft hat die hwg eine besondere, eine wichtige Rolle in der Stadtentwicklung Hattingens. Kann die Stadt auf ihre Arbeit Einfluss nehmen?

Grundsätzlich hat die Stadt keinerlei Möglichkeiten, auf unsere Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Die Stadt bestimmt dort mit, wo sie es bei anderen Investoren auch kann: Sie legt die architektonischen und städtebaulichen Leitlinien fest. Für die Südstadt mussten wir einen Masterplan vorlegen, bevor wir beginnen konnten, das erste Haus zu sanieren. Wir haben uns grundsätzlich dazu entschieden, die alten Gebäude, die städtebauliche Struktur und den parkähnlichen Charakter zu erhalten. Aber um die Modernisierung zu finanzieren, mussten und müssen wir die Dachgeschosse zu Wohnungen ausbauen, was große Gauben zur Folge hat – da musste die Stadt zustimmen. Aber im Grunde ist die Stadt heilfroh, dass es eine Genossenschaft gibt, die soviel investiert. Auch die Deutsche Annington hält hier Bestände, die investiert hier aber nicht, für Stadtentwicklung ist sie nicht zu gewinnen. Andere große Wohnungsunternehmen gibt es kaum. Wir haben in der Südstadt bisher etwa 50 Mio. Euro investiert, das kommt der Stadt zugute. Es ziehen gut verdienende Menschen hierhin, wir beauftragen Unternehmen aus der Stadt und aus der Region.

Wie findet bei einer Maßnahme wie der Sanierung der Südstadt der Austausch mit der Kommune statt?

Wir haben ein gutes Verhältnis zu Politik und Verwaltung. Wir laden regelmäßig die Ratsfraktionen ein und informieren sie über den Stand des Umbaus, über die Auswirkungen auf die Mieter- und Sozialstrukturen, über städtebauliche Entwicklungen und über die Verbesserungen in energetischer Hinsicht. Wir haben aus einigen Häusern der 1950er Jahre Passivhäuser gemacht und dabei oft den Neubaustandard erreicht. Dort, wo wir abreißen und neu bauen mussten, weil die Gebäude zu einer Seite abgesackt sind, haben wir ein Mehrgenerationenwohnprojekt realisiert. Es ist für die Stadt wertvoll, alternative Wohnformen in Hattingen anbieten zu können.

Nimmt die Stadt Einfluss darauf, wer bei Ihnen wohnt?

Eine solche Handhabe hat die Stadt nicht. Belegungsrechte gab es nur in der Vergangenheit. Wir haben vor Jahrzehnten öffentlich geförderten Wohnungsbau errichtet, der mit städtischen Belegungsrechten verbunden war, aber das haben wir schon vor langer Zeit eingestellt. Jetzt sind wir in den Nachwirkungsfristen, etwa 10 Prozent unserer Bestände sind noch öffentlich oder ehemals öffentlich gefördert.

Sie lehnen es ab, Förderung zu beziehen?

Mit einer Ausnahme. Wir nehmen gerne und umfangreich die KfW-Förderung, die Kreditfinanzierung über zinsgünstige Darlehen für energieffiziente Maßnahmen, sowohl für energieeffizientes Bauen als auch für energieeffizientes Sanieren in Anspruch, weil sie bürokratisch nicht aufwändig, schlank in der Abwicklung und nicht mit Bindungen verbunden sind. Wir sind in Kontakt mit dem Landesministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr, weil die Wohnungsunternehmen viele Fördergelder nicht abrufen. 2012 hat das Land etwa 1,4 Milliarden Euro für barrierefreies Bauen und Wohnen im Alter zur Verfügung gestellt, davon wurden nur um die 200 Mio. abgerufen, weil diese Mittel oftmals zu kompliziert zu beantragen sind und über Jahrzehnte hinweg einen hohen Verwaltungsaufwand erzeugen. Da ist der wirtschaftliche Nutzen in Frage gestellt: Man hat zusätzliche Arbeit, bekommt die Mie-

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te gedeckelt und kann nicht über die Belegung entscheiden. Das wollen die Wohnungsunternehmen nicht mehr. Deshalb rufen auch wir diese Mittel nicht ab. Die Landesregierung hat das Problem erkannt und bietet für bestimmte Maßnahmen auch sozialbindungsfreie Förderung an, die etwa auch für das Wohnumfeld in Anspruch genommen werden kann. Das könnte man ausbauen. Wenn es analog zu den Förderprogrammen der KfW solche für soziale Dienstleistungen geben würde, damit man Stadtteilbüros mit einer halben Stelle einrichten kann, würden wir das in Anspruch nehmen. Inwiefern ist preisgünstiger Wohnraum für Sie eine Aufgabe?

Wohnungen, die wir auf einen hohen Standard bringen, die wir neu vermieten, haben für Hattinger Verhältnisse eine ordentliche Miete. Tatsächlich ist es aber so, dass von den 600 in der Südstadt modernisierten oder neu gebauten Wohnungen nur die Hälfte im oberen Preissegment vermietet wird. Und die Mieten für den Großteil unserer 4.000 Wohnungen liegen am unteren Ende des Mietspiegels: Wir sind der Anbieter günstigen Wohnraums in Hattingen. Viele Transfergeldempfänger finden bei uns eine Wohnung.

Sie sehen sich in der Pflicht, auf Dauer günstige Wohnungen anzubieten – ist das grundsätzlich eine Aufgabe, die die Wohnungswirtschaft übernehmen kann und soll?

Die kommunalen Wohnungsunternehmen sind oft in einer Zwickmühle, denn die Politik fordert von ihnen sowohl hochwertige Bestände als auch sozialverträgliche Mieten. Das ist in einer Region wie Köln ein enormes Problem. Auch für uns ist das nicht immer einfach. Die energetischen Anforderungen werden immer höher, in manchen Gewerken haben sich in den letzten fünf Jahren die Baukosten verdoppelt.

Welche Strategie der Mischung, des sozialen Ausgleichs verfolgen Sie, wie gehen Sie vor?

Wir wollen für 90 Prozent der Bevölkerung da sein. Wir wollen die unteren 5 Prozent nicht haben – nicht im Sinne eines niedrigen Einkommens, sondern wir wollen keine Menschen, die negativ auffallen, die gewalttätig geworden sind. Und wir wollen auch die oberen 5 Prozent nicht bedienen, wir sind nicht für die Reichen in Hattingen da. Die hwg ist kein Luxusvermieter. Die 90 Prozent dazwischen sind aber eine riesige Bandbreite. Wir stellen nach wie vor günstigen Wohnraum bereit. Wir wollen und müssen uns aber am oberen Ende des Mietspiegels bewegen, um dadurch Kapital in die Genossenschaft zu holen. Für die Menschen mit niedrigen Einkommen brauchen wir die mit dem höheren, um die Baukosten refinanzieren zu können. Wir wollen nicht, dass Menschen ausziehen müssen, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen können. Das ist die generelle Leitlinie.

Überprüfen Sie, wenn Sie günstigen Wohnraum anbieten, ob sich der Mieter tatsächlich nichts anderes leisten kann?

Das machen wir konsequent. Und das wird von den Mitgliedern mitgetragen. Wir lassen uns gegebenenfalls die entsprechenden Bescheide vorlegen. Wenn uns die Mitglieder wissen lassen, dass eine bestimmte Erhöhung, die eigentlich nach der Sanierung eingefordert werden müsste, zu hoch für sie ist, und sie können uns das belegen, dann suchen wir nach einer Lösung – und es gelang uns bisher immer, eine zu finden. Wir machen das nicht nur, weil wir der genossenschaftlichen Idee verpflichtet sind und soziale Verantwortung übernehmen wollen, das hat auch handfeste ökonomische Vorteile. Wir beschäftigen im Rahmen der Sanierung der Südstadt zwei Mitarbeiter, die nichts

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anderes machen, als Gespräche mit den Mitgliedern darüber zu führen, wie wir bei der Sanierung und Modernisierung vorgehen können. Das ist ein Kostenfaktor, der einem Finanzinvestor vielleicht nicht einleuchten würde. Aber wir haben in den bislang 600 Modernisierungen nicht eine Klage, noch nicht einmal eine Auseinandersetzung mit dem Mieterschutzbund gehabt. Warum haben Sie in der Südstadt erst recht spät mit der Sanierung begonnen?

Die Südstadt ist von hoher städtebaulicher Bedeutung. Sie liegt zwischen der Innenstadt und einem Naherholungsgebiet. Sie ist locker bebaut, hat parkähnlichen Charakter. In der Südstadt selbst gibt es eine Grundschule, eine Realschule, ein Berufskolleg und drei Kindergärten. Wir haben daher trotz des schlechten Zustands lange Jahre enorm viele Kunden gehabt. Die Siedlung ist in den 1950er Jahren aus dem Boden gestampft worden, in einfachster Bauweise. Es gab einen Bestand an Standard-Grundrissen mit wenigen Nuancen, vier Bautypen, die sich nur geringfügig voneinander unterscheiden; man hätte eigentlich spätestens in den 1980er Jahren sanieren müssen. Aber weil wir immer wieder Phasen hatten, in denen die Wirtschaft florierte und Menschen nach Hattingen gezogen sind, mussten wir weiter in den Neubau investieren.

Es gibt inzwischen auch Unternehmen, die auch dann nicht sanieren, wenn es dringend ist, weil die Vermietungslage noch gut ist.

Für uns wurde es ein Risiko. Wir haben vor der Modernisierung eine sehr umfangreiche Sozialerhebung machen lassen. Das Ergebnis war unter anderem, dass wir einen überdurchschnittlich hohen Anteil – über 60 Prozent – an Menschen im Rentenalter haben. Das sind bescheidene Mitglieder, die sich nie an die Genossenschaft gewandt haben, die selbst die Treppenhäuser gestrichen und kleine Reparaturen vorgenommen haben, die sich selbst Heizungen eingebaut hatten. Aber rein statistisch ist diese Gruppe in wenigen Jahren sehr viel kleiner, die Wohnungen werden dann vielleicht trotz der guten Lage nicht mehr zu vermieten sein. Das können wir uns nicht leisten, bei einem Bestand von insgesamt 4.200 Wohnungen wäre Leerstand für uns existenzbedrohend. Die zweite Herausforderung besteht darin, dass wir in der Südstadt bei den niedrigen Einkommen stark überrepräsentiert sind. Modernisierungen müssen auch bei einer Genossenschaft über die Mieterhöhungen refinanziert werden. Doch dabei kommt uns zugute, dass man als Genossenschaft anders argumentieren und rechnen kann als andere Wohnungsunternehmen. Wir müssen lediglich auskömmlich wirtschaften und keine Renditeerwartung bedienen.

Im Rahmen der Modernisierung mussten viele Menschen umziehen. Wurden Alternativen aus dem eigenen Portfolio angeboten?

So gut wie immer. Wir haben uns bei diesem Thema sehr intensiv um die Kommunikation gekümmert. Anders als es der Gesetzgeber fordert, wollten wir nicht erst drei Monate vor Baubeginn, sondern ein Jahr vorher die Modernisierung ankündigen, um auf den Bedarf der Menschen eingehen und die Möglichkeiten des eigenen Portfolios darauf abstimmen zu können. Die meisten entscheiden sich dafür, in eine neue Wohnung der hwg zu ziehen, in der sie dauerhaft bleiben wollen, wenn es geht in der gleichen Siedlung. Wir achten darauf, dass die Mietpreise sozialverträglich angepasst werden. Auf Grund

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des Alters der Menschen kann man etwa ermitteln, wie lang die modernisierten Wohnungen mit niedriger Miete bewohnt bleiben werden. Das wurde auch mit den Wirtschaftsprüfern abgestimmt, die uns im Auftrag des Aufsichtsrats kontrollieren und prüfen, damit die Genossenschaft nicht in wirtschaftliche Not kommt. Agieren Sie auf dem Markt strategisch, in dem Sie nach bestimmten Zielsetzungen kaufen und verkaufen?

Wir verkaufen eher, weil wir einen großen Modernisierungsdruck haben, denn auch andere unserer Bestände sind aus der Nachkriegszeit, um die wir uns kümmern müssen. Wir konzentrieren uns auf die zusammenhängenden Siedlungen. Streubesitz würden wir gerne abstoßen, um die Einnahmen wieder investieren zu können. An wen man verkauft, ist allerdings ein sensibles Thema. Wir müssen nicht um jeden Preis verkaufen. Grundsätzlich bieten wir immer den dort Wohnenden das entsprechende Haus an, wir informieren früh und umfassend. Mieterkauf ist aber in der Regel keine Option. Bei externen Kaufinteressenten prüfen wir, was sie mit dem Haus und mit den Mietern vorhaben, Ein Grundstück der Stadt am bevor wir ein Objekt tatsächlich abstoßen. Rand der Südstadt würden wir gerne von der Stadt kaufen, wir haben schon Pläne dafür, aber der Preis ist zu hoch, das zwänge uns dazu, zu hohe Mieten erwirtschaften zu müssen. Wir hätten eine mietgünstige Seniorenwohnanlage errichten können. Die Stadt Hattingen aber will zum Höchstpreis verkaufen, und das können wir nicht mittragen. Die Stadt könnte uns allgemein gut fördern, in dem sie uns günstiges Bauland zur Verfügung stellte, auch die Stadt hätte davon etwas – es gibt hohen Bedarf an bezahlbaren Seniorenwohnungen, aber für uns muss sich das rechnen. Andererseits hat die Stadt Hattingen sehr wenig Geld.

Stichwort Kommunikation: Welche Beteiligungskultur, welche Mitsprache der Mitglieder haben Sie bisher gepflegt?

Eine richtige Beteiligungskultur gab es bislang nicht. Wir weisen das nicht zurück, aber die Mitglieder signalisieren uns nicht, dass sie das wollen. Wir informieren sehr umfassend, insbesondere im Zusammenhang mit der Sanierung der Südstadt. Wir haben in der Rechtsform der Genossenschaft aber bestimmte Gremien-Strukturen. Unsere Mitglieder (etwas mehr als 5.000) wählen alle fünf Jahre eine sogenannte Vertreterversammlung, die aus etwa 70 Vertretern besteht, in der Regel Mitglieder. Diese Versammlung hat gemäß Genossenschaftsgesetz starke Mitbestimmungsbefugnisse. Wir müssen uns vor dieser Versammlung für die Geschäftsführung und unsere Aktivitäten, die mit den Mitteln der Genossenschaft finanziert wurden, rechtfertigen. Die Vertreterversammlung wählt wiederum aus ihrem Kreis einen Aufsichtsrat mit sieben Personen, ein Gremium, das beschlussfähig ist und dem wir ebenfalls rechenschaftspflichtig sind. Über die formellen Strukturen hinaus informieren wir die Gremien über unsere Arbeit über Vertreterforen, die als Arbeitsgruppen mit etwa 10 bis 15 Personen organisiert sind. So gibt es auch ein Forum, das die Interessen der Menschen aus der Südstadt wahrnimmt, in dem die Menschen von Konflikten und über Unzufriedenheit berichten können und von wo aus sie die Informationen wieder in den Stadtteil tragen. Es wird aber immer schwieriger, Personen zu finden, die sich engagieren wollen.

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In Kalk Nord haben wir festgestellt, dass sich Menschen nicht für große Pläne interessieren, sondern für das, was vor ihrer Haustüre passiert.

Diese Beobachtung haben wir auch gemacht. 2012 haben wir erstmals die Menschen nicht zu uns eingeladen, sondern sind zu ihnen gegangen und haben mit ihnen Rundgänge durch die Siedlungen gemacht. Dabei wurden Probleme angesprochen, die vorher nie thematisiert wurden. Auch bei uns ist Sauberkeit ein wichtiges Thema, ebenso Parkplätze – die Siedlung ist für heutigen Bedarf nicht ausgelegt. Wichtig ist, dass wir zeigen können, dass Anregungen umgesetzt wurden.

In Kalk hat es eine große Wirkung, dass die Wohnungsunternehmen einen Veedelshausmeister engagiert haben.

So etwas ähnliches gibt es bei uns auch. Wir nennen die Personen, die diese Aufgabe übernehmen, Hauswarte. Sie sind für Kleinstinstandhaltung und kleine Reparaturen im Quartier und den Häusern zuständig. Wenn es Ärger oder größeren Reparaturbedarf gibt, dann können sie es an uns weitergeben.

Wie tauschen Sie sich mit sozialen Trägern und Akteuren der Gemeinwesenarbeit, mit Kirchen, Schulen, Kindergärten aus?

In der Südstadt funktioniert dies besser als in manch anderem Quartier. Es gibt dort seit Jahren eine Arbeitsgemeinschaft von Trägern und Akteuren »Wir in der Südstadt«. Wir haben davon zunächst nichts mitbekommen, was für uns ein Zeichen dafür war, dass wir diese Kontakte zu lange vernachlässigt haben. Seit drei Jahren sind wir Teil dieser Gruppe. In ihr sind unter anderem noch die Leiterinnen der Kindergärten und einer Krabbelgruppe und der Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde vertreten, das wächst immer mehr zusammen.

Wer moderiert diese Gruppe?

Der Pastor ist die Person, bei der die Fäden zusammenlaufen. Er ist die treibende Kraft, aber er ist nicht offiziell legitimiert.

Über Hattingen hinaus: Ist das Modell der Genossenschaft ein Modell, für das Sie werben möchten? Was müsste passieren, dass Genossenschaften die Rolle einnehmen können, die die hwg einnimmt?

Ich bin ein großer Fan der Rechtsform Genossenschaft. Was wir hier getan haben, hätten wir nicht tun können, wenn wir ein kommunales Wohnungsunternehmen wären und jedes Jahr eine Ausschüttung erwirtschaften müssten. Solche Unternehmen verfolgen unterschiedliche Strategien, sind aber vom Eigentümer abhängig. Es gibt Städte, die wollen, dass die kommunalen Wohnungsunternehmen eine ordentliche Rendite abwerfen, um damit andere Aufgaben der Kommune finanzieren zu können – von den Unternehmen, die von Die GenossenschafFinanzinvestoren abhängig sind, ganz zu schweigen. ten haben keine externen Eigentümer. Die Mieter sind Eigentümer, und können Einfluss darauf nehmen, wie die Genossenschaft geführt wird und welche Schwerpunkte sie setzt. Das gibt es bei keiner anderen Rechtsform. Deswegen sind Genossenschaften auch wieder sehr populär, auch kleine Genossenschaften sind wieder im Kommen. Die Politik scheint es erkannt zu haben und will das weiter unterstützen. In München wird inzwischen beim Verkauf von Grundstücken das Konzept bewertet – und Genossenschaften oder Baugemeinschaften werden bei der Baulandausweisung bevorzugt behandelt. Wenn solche Konzepte sich übertragen, dann kann ich das nur begrüßen. Das große Entgegenkommen kann ich aber noch nicht sehen.

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»BILDUNG IST DAS THEMA, UM DAS ES GEHT«

Eine erfolgreiche Quartiersarbeit braucht engagierte und potente Partner, die sich für das Quartier verantwortlich fühlen. Die Arbeit in der Quartiersentwicklung sollte wieder entbürokratisiert werden, um die Ressourcen nicht über Gebühr zu binden und die Menschen vor Ort besser erreichen zu können. Die Förderung der Quartiersentwicklung in Hamburg hatte zwischenzeitlich die Anschubfinanzierung nicht-investiver Projekte ermöglicht, was eine umfassendere Entwicklung der sozialen Infrastruktur des Gebietes erlaubte.

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Kirsten Sehgal leitet für die Hamburger Lawaetz-Stiftung seit 2008 das Stadtteilbüro Lohbrügge-Ost im Stadtteil Bergedorf. Quartiersentwicklung ist eines der Arbeitsfelder der Stiftung, sie ist derzeit in sieben Quartieren in Hamburg engagiert. Vor Lohbrügge-Ost war die Lawaetz-Stiftung bereits in Lohbrügge-Nord tätig. Mit Kirsten Sehgal sprachen wir über die aktuelle Praxis der Quartiersentwicklung.

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Wie ist die Stiftung in die Rolle hineingewachsen, Partner der öffentlichen Hand zu sein?

1986, zur Zeit der besetzten Häuser in der Hafenstraße, wurde die LawaetzStiftung von der Stadt gegründet, weil die Verwaltung in diesem Konflikt ohne eine vermittelnde Instanz überfordert war. Das ist bis heute unser wichtigster Auftrag: zwischen Gruppen und Menschen, zwischen denen es Konflikte gibt, zu vermitteln. Unser Slogan ist »Innovativ für das Gemeinwohl«. Es ist unser Anspruch, integriert zu denken. Quartiersentwicklung ist daher folgerichtig seit dem Ende der 1990er Jahre eines unserer Geschäftsfelder. Wir haben hier den Ruf, mit Herzblut und viel Bürgerbeteiligung zu arbeiten. Wir können aber nicht frei und ungebunden agieren. In der Vergabe des Gebietsentwicklungsauftrages unterliegen wir genauso dem Wettbewerb wie andere Träger der Quartiersentwicklung. Die Bezirke entscheiden, welches ihrer Gebiete Förderung von dem jeweilige Programm erhalten sollte, derzeit ist es das Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung RISE. Wird die Förderung vom Senat genehmigt, schreibt der Bezirk die Quartiersentwicklung aus. Die Stiftung kann sich dann um einen solchen Auftrag bewerben.

Wie werden die verschiedenen Programme aufeinander abgestimmt?

Eigentlich werden mit RISE alle Programme zusammengefasst. Lobrügge-Ost ist auch Programmgebiet der Sozialen Stadt, dadurch werden aber nicht mehr Mittel zur Verfügung gestellt.

Auf welche Dauer sind die Förderungen angelegt?

In der Regel auf sieben Jahre. Manchmal wird die Förderung auch noch verlängert, außerdem kann der Bezirk eine Betreuung nach der Projektlaufzeit beantragen, in Hamburg nennt sich das Nachsorge, hierfür ist eine Förderung von maximal drei Jahren möglich.

Damit ist das Bild von einem Quartier verknüpft, das man irgendwann sich selbst überlassen kann.

Das scheint uns eine Illusion zu sein. Wir wissen schon lange, dass man von einem Quartier, in dem viele Menschen leben, denen die Organisation ihres eigenen Lebens sehr viel abverlangt, nicht erwarten kann, eine selbsttragende Struktur aufzubauen und sich – ohne externe Unterstützung – um ihren Stadtteil zu kümmern. Wenn man Glück hat, gibt es aktive Menschen, die über längere Zeit mitarbeiten. Aber auch dann lassen sich die Folgeprobleme, die Armut und Arbeitslosigkeit oftmals verursachen, nicht lösen. In manchen Quartieren wird die Förderung beendet, und nach ein paar Jahren wird sie dort wieder aufgenommen.

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Wie weit haben Sie in Ihrer Arbeit in der Quartiersentwicklung freie Hand, eigenständig Schwerpunkte zu setzen, wie eng sind Sie an politische Zwischenentscheidungen gebunden?

Wir können und sollen eigene Ideen entwickeln, insbesondere in den Bereichen Projektentwicklung und Beteiligung. Die Richtung unseres Handelns wird aber mit dem Bezirk abgestimmt. So schaffen wir einen integrierten Prozess, der sehr effektiv ist. Wir bekommen in unserer Arbeit auch meistens die Unterstützung der Lokalpolitik, die sich intensiv für unsere Arbeit interessieren und engagieren. Das ist sehr gut für uns, weil dadurch die Entwicklungen im Quartier sehr schnell in der Bezirksversammlung ankommen, weil aktive Lokalpolitik die Dinge vorantreibt. Da ist Lohbrügge-Ost aber keine Ausnahme, sondern auch in anderen Bezirken ist die Lokalpolitik meist intensiv an der Quartiersentwicklung interessiert. Die Basis der Arbeit ist das Integrierte Entwicklungskonzept (IEK), das am Beginn geschrieben und von der Politik und Verwaltung im Bezirk bestätigt werden muss. Dem haben wir eine Dialogphase vorangestellt, in der wir über eine aktivierende Befragung mit den Bürgern in Kontakt getreten sind und Experteninterviews mit all jenen geführt haben, die schon lange im Gebiet arbeiten, die in Einrichtungen tätig oder in Vereinen aktiv sind. Diese Dialogphase haben wir mit einer sogenannten Entwicklungskonferenz abgeschlossen. Dazu haben wir alle eingeladen, mit denen wir bis dahin zusammengearbeitet hatten, außerdem alle, die mit dem Gebiet befasst sind und schließlich alle Bürger. Wir haben dort die bisherigen Ergebnisse vorgestellt und aufgenommen, was sich die Bürger wünschen. Das ist die Basis des IEK.

Wenn sich dann die Lage anders entwickelt, als Sie es erwartet haben, können Sie dann noch beisteuern oder sind Sie an das IEK gebunden?

Man kann noch viel verändern, neue Projekte können aufgenommen werden. Das läuft über das Bezirksamt, und wenn die Kofinanzierung geklärt ist, geht es meistens sehr schnell und problemlos. In einem Zwischenbericht zur Hälfte der Laufzeit legen wir Rechenschaft ab über den Weg vom IEK bis zu dahin entwickelten und umgesetzten Maßnahmen und Projekten.

Zum Programm gehört auch ein Stadtteilbeirat. Wann wird der gegründet, wie ist er besetzt?

Das wird mit dem Bezirk ausgehandelt. Es ist gut, wenn das früh geschieht. Wir haben zunächst den Stadtteilbeirat aus Lohbrügge-Nord übernommen, das einschließlich der Nachsorgephase von 2000 bis 2011 gefördert worden ist. Dort waren keine Bewohner im Stadtteilbeirat vertreten, die Bezirksversammlung hatte für jedes Themengebiet eine Person bestimmt. Im Laufe des Prozesses hat sich erwiesen, dass in Lohbrügge-Ost die Bewohnerschaft unbedingt im Stadtteilbeirat vertreten sein sollte. Wie der Beirat besetzt ist, unterscheidet sich von Gebiet zu Gebiet, in manchen Bezirken wird darauf geachtet, dass die Bewohner gegenüber den Profis in der Mehrheit sind, in anderen muss der Stadtteilbeirat von der Bezirksversammlung bestätigt werden. In Lohbrügge-Ost besteht der Stadtteilbeirat aus zehn Bewohnern und 20 Vertretern aus den verschiedenen Bereichen. Die Sitzungen finden einmal im Monat statt und sind öffentlich. In der Regel kommen um die 50 Gäste.

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Entscheidet der Stadtteilbeirat auch über die Vergabe von Mitteln?

Es gibt einen für die Projektlaufzeit eingerichteten Verfügungsfonds, über den der Stadtteilbeirat verfügt. Das sind 20.000 Euro im Jahr, die verfallen, wenn sie nicht während des Jahres in Anspruch genommen werden. Über die Anträge auf Mittel aus dem Verfügungsfonds zu entscheiden, ist eine wichtige und beliebte Aufgabe der Stadtteilbeiratssitzung. Da wird intensiv diskutiert, und nicht immer geht es in der Hitze der Diskussion freundlich zu, aber es werden dann doch die meisten Anträge bewilligt. Es geht da ja auch nicht um hohe Beträge; dass etwa 5.000 Euro beantragt werden, ist schon ein Sonderfall.

Was löst der Verfügungsfonds aus?

Es ist für viele Menschen eine ganz besondere Qualität, dass Leute aus ihrem Kreis, aus ihrem Viertel über die Mittelvergabe entscheiden. Letztendlich werden die Mittel aber zu 90 Prozent von den etablierten Einrichtungen in Anspruch genommen. Ich würde mir wünschen, dass auch die Bewohner eine Initiative entwickeln und dafür Geld beantragen, aber das ist selten, auch wenn wir unsere Unterstützung regelmäßig anbieten. Auf jeden Fall ist der Verfügungsfonds eine große Hilfe, weil die Einrichtungen mehr Spielräume haben, weil wir etwas anbieten können, und weil man den Gedanken stärkt, dass es wichtig für das Gebiet ist, darin aktiv zu sein.

Wie aktivieren Sie die Bürger, die nicht von sich aus aktiv sind?

Wir nutzen verschiedene Aktivierungsmöglichkeiten wie Befragungen, Workshops zur Mitgestaltung oder auch Veranstaltungen zu verschiedenen Themen. Aktivierung und Beteiligung sind eine Daueraufgabe für uns. Besonders effektiv finde ich es, Menschen einzuladen, sich ganz konkret zu beteiligen, wie bei der Planung von Festen oder kulturellen Projekten. Auch wiederkehrende Feste sind ein gutes Mittel, den Kontakt zu den Menschen aufzubauen, zu halten, sie für ein Engagement zu gewinnen; solche Feste werden auch Die, die sowieso in Lohbrügge-Ost veranstaltet und gut angenommen. schon engagiert sind und die sich freuen, wenn sie die Chance bekommen, sich einzubringen, gewinnt man zuerst. Sie sind die treusten Partner und ein wichtiges Potenzial.

Wenn sie als neuer Akteur in einem Viertel auftreten, wird Ihnen Misstrauen entgegengebracht, weil sie die Aufmerksamkeit der Einrichtungen und des Bezirks auf sich ziehen?

Nein, in der Regel nicht. Man bringt ja Ressourcen mit. Man kann sich als Person in seiner Arbeitszeit um vieles kümmern, es gibt die erheblichen Fördermittel über RISE und es gibt das kleine Geld im Verfügungsfonds. Eigentlich ist man beliebt, aber das hängt wohl nicht zuletzt von unserem Auftreten ab, da wir sehr stark und mit allen Beteiligten eine intensive und sehr persönliche Kommunikation pflegen.

Wie groß sind die über RISE zur Verfügung gestellten Mittel?

Zum IEK gehört immer ein ZMKP, ein Zeit-Maßnahmen-Kosten-Plan, auf dessen Basis Kosten ermittelt und Summen beantragt werden. Insofern ist die Höhe der Mittel nicht von vorne herein festgelegt. Nach dem aktuellen Stand, der sich aber nicht mehr maßgeblich ändern wird, beläuft sich die Summe hier auf 15,4 Mio. Euro, die aber nur zu fünfzig Prozent von RISE sind, denn die RISE-Mittel müssen immer kofinanziert werden. Die Kofinanzierung kommt zu großen Teilen auch von der öffentlichen Hand.

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Wie hoch ist dabei der Anteil an investive Maßnahmen, wie hoch der an konsumtiven Mitteln?

Die Mittel wurden zu zwei Dritteln für investive Maßnahmen vergeben, ein Drittel für konsumtive Maßnahmen. Wir haben von einer Zwischenphase profitiert, wo erstmalig auch konsumtive Maßnahmen finanziert wurde. Aber das ist jetzt schon wieder vorbei, jetzt muss Förderung mindestens investitionsvorbereitend sein. Für das Kinderkulturhaus KIKU konnten zum Beispiel anschubweise Betrieb und Honorare finanziert werden, auch das Projekt »Integration durch Bildung« des Vereins Sprungbrett konnten wir unterstützen. Für das KIKU wurde übrigens ein altes Haus saniert und umgebaut, was normalerweise über RISE auch nicht gefördert werden kann, denn eigentlich muss man neu bauen. Es haben sich aber Lawaetz-Stifung, die Schulen, der Bezirk und die sozialen Träger so sehr dafür eingesetzt, dass es dennoch möglich war.

Derartiges geht jetzt nicht mehr?

Bei der Nutzung der alten Villa fürs KIKU hat sich meiner Meinung nach gezeigt, dass man zu guten, kreativen Lösungen kommen kann, sobald mehreBezüglich konsumtiver re engagierte Akteure an einem Strang ziehen. Förderung war in unserem Fall der IEK mit einem Fünfjahresplan bereits beschlossen, so wurden uns keine Mittel gestrichen. Aber für neue Projekte wäre es wahrscheinlich wieder sehr viel schwieriger, Vergleichbares durchzusetzen. Man kann das aber nicht abschließend beantworten, weil sich die Richtlinien, nach denen gefördert wird, immer wieder ändern. Investive Maßnahmen sind wichtig, aber sie nähren die Illusion, dass man ein Quartier bald wieder sich selbst überlassen kann. Jeder, der vor Ort arbeitet, weiß das. Ich finde Bauen auch gut, weil es oft Defizite in diesem Bereich gibt, weil es die Stimmung im Quartier hebt und dadurch viel in Gang setzt. Aber Mittel für die soziale Infrastruktur und für die Einrichtungen, die sich um die Menschen kümmern, sind genau so wichtig. In Lohbrügge-Ost konnten wir bereits viel im Bereich Bildung und in soziale Netze investieren. Die Chancengleichheit in der Bildung ist das wichtigste. Bildung ist eigentlich das Thema, um das es geht. Mit sozialen Einrichtungen arbeiten wir immer gut und intensiv zusammen, denn sie haben die Kontakte zu den Zielgruppen, um die es bei der Gebietsentwicklung geht.

Wie arbeiten Sie mit sozialen Einrichtungen und den Bildungsträgern zusammen?

Die Schulen hier sind sehr engagiert. Auch die Zusammenarbeit mit der Bildungsbehörde hat gut funktioniert, auch wenn eine Behörde immer ein wenig schwerfällig ist. Aber sie haben »Integration durch Bildung« und das KIKU mitfinanziert.

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Sind diese Projekte dauerhaft angelegt?

»Integration durch Bildung« leider nicht, das längerfristig zu erhalten, wird schwer werden. Beim KIKU sieht es etwas besser aus. Um zu starten, wurden im KIKU die Mittel, die die Schulen für additive Sprachförderung bekommen, gebündelt, und als Service den Schulen angeboten. Das könnte eine langfristige Perspektive sein. Es bleibt aber für die Mitarbeiter im KIKU anstrengend, weil sie jedes Jahr selbst Gelder einwerben müssen. Dabei ist die Grundidee überzeugend. Die Kinder machen dort beispielsweise im Rahmen des Schulunterrichts Theaterkurse und nehmen an wirklich hochwertigen Kulturprojekten teil. Gerade bei Kindern, die über das Elternhaus solche Möglichkeiten normalerweise nicht bekommen, hat das eine große Wirkung. Das kulturelle Erleben stärkt sie in ihrer Persönlichkeit.

Sie können in der Zeit, in der Sie hier sind, viel bündeln, aber zusätzliche Ressourcen, um den Sozialraum zu berücksichtigen, haben die Schulen hier genausowenig wie in anderen Ländern und Städten Deutschlands.

Darüber wird seit vielen Jahren diskutiert, wie Schule und Nachbarschaft besser aufeinander bezogen werden könnten. Für die Schulen ist das aber zusätzlich zu dem, was sie sowieso leisten müssen, einfach zu viel. Seit Neuestem müssen sie sich um Inklusion bemühen, müssen behinderte Kinder mit aufnehmen, haben aber weder mehr Personal noch zusätzliche Räume. Dazu kommt die Umstrukturierung auf Ganztagesbetrieb, da kommen die Schulen meiner Meinung nach auch nicht zur Ruhe.

Ist in der Bezirksverwaltung eine solche sozialräumlicher Orientierung des Handelns auszumachen?

Ja! In den Bezirksämtern hat eine Umstrukturierung stattgefunden, es gibt dort jeweils ein Fachamt Sozialraummanagement. Im Rahmen unserer Arbeit wird diese sozialräumliche Ausrichtung im Bezirksamt auch konkret praktiziert.

Übernimmt die Wohnungswirtschaft im Quartier Verantwortung?

Ja. Es wird in Wohnumfeldmaßnahmen investiert, etwa in der Wohnanlage Billebogen, das wird von den Wohnungsunternehmen mitgetragen. Kleinere Projekte, wie das Suppenfest und das Konzert der Kulturen, werden jährlich von der SAGA-GWG mitfinanziert. Aber in der Regel konzentrieren sich die Wohnungsunternehmen, auch die SAGA-GWG, auf investive Maßnahmen.

Gibt es keinen Betreuer vor Ort, der für den Stadtteil zuständig ist?

Doch, das schon. Die SAGA-GWG hat eine Tochter, ProQuartier, deren Mitarbeiter sich als Sozialplaner verstehen und für uns wichtige Partner sind, als Kümmerer, als Seismographen, als Experten, auch, weil durch sie der Kontakt zur SAGA-GWG direkt hergestellt werden kann. Über die Personen hinaus hat ProQuartier aber keine Mittel für die Quartiersarbeit zur Verfügung. Zudem ist deren Arbeit an die Bestände der SAGA-GWG gebunden.

Sind die Wohnungsbaugesellschaften auch im Stadtteilbeirat vertreten?

Das waren sie auch schon in Lohbrügge-Nord. Dort haben sich die Wohnungsbaugesellschaften auch an der Nachsorge beteiligt. In Lohbrügge-Ost finanzieren die SAGA-GWG Stiftung und ein anderes Wohnungsunternehmen zum Beispiel auch die Kinderbücherei »Lesemäuse« mit, die in einer Schulbücherei eingerichtet worden ist.

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Speisen die Wohnungsunternehmen Mittel in den Verfügungsfonds ein?

Nicht, solange er auch so besteht. Aber wenn man über den Verfügungsfonds den Stadtteilbeirat verstetigen könnte, dann wären die Unternehmen vielleicht dafür zu gewinnen. Die Ausgangslage ist in Lohbrügge-Ost jedenfalls sehr gut, weil in diesem Stadtteilbeirat sehr viele professionelle Akteure vertreten sind, die eine enge Bindung an den Ort haben und wissen, wie Gremienarbeit geleistet werden muss.

Wie geht die Arbeit in Lohbrügge-Ost weiter, was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?

Das Projekt wird bis 2015 weitergeführt. Ob wir dann auch eine Nachsorgephase haben werden, ist im Moment noch offen, denn sie ist kein Automatismus und muss vom Bezirk beantragt werden. Aktuell wird beim Hamburger Landesprogramm RISE gerade zum Ende hin eine intensive Phase von Selbstevaluation, mit einer Abschlussbilanzierung und einem Verstetigungskonzeptes gefordert. Ich hoffe, dass dies nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt, so dass wir den Übergang inhaltlich gut vorbereiten können, auch mit den Akteuren, die Aufgaben übernehmen werden. Die Menschen in Lohbrügge-Ost sind sehr engagiert und ich wünsche mir, dass einige der besonders effektiven Strukturen erhalten werden können.

Sie gehen derzeit davon aus, dass Ihre Arbeit hier 2015 endet. Was wäre aus Ihrer Sicht die richtige Art, sich so aus einem Prozess zu verabschieden?

Es ist wichtig, dass die grundlegenden Strukturen bestehen bleiben. Wir erarbeiten eine Exit-Strategie, in der wir – in Abstimmung mit dem Bezirksamt und dem Stadtteilbeirat – festlegen, was erhalten bleiben soll. Nach meiner jetzigen Vorstellung wären das zum Beispiel die Stadtteilzeitung, der Stadtteilbeirat, das Suppenfest und das Konzert der Kulturen, und vor allem, wie all deren Weiterführung gewährleistet werden kann. Im letzten Jahr werden wir uns dann langsam aus der Moderationsrolle zurückziehen. Es ist auch vorstellbar, unter den Aktiven und Engagierten gezielt Menschen zu Moderatoren zu schulen. Dann ist es wichtig, eine gute und verständliche Dokumentation dessen zu erstellen, was in den sieben Jahren geleistet wurde, damit es sichtbar wird und eine Wertschätzung erfährt. Und dann würde ich ein große Party machen. Trotz aller Widrigkeiten machen wir den Menschen immer wieder Mut, denn sie haben bis zu dem Zeitpunkt – mit uns gemeinsam – schon viel bewegt und können auch weiter viel bewegen, wenn sie zusammenhalten. Dafür ist absolut wichtig, dass ein Verfügungsfonds im Gebiet bleibt. Zum einen schafft der Verfügungsfonds die Notwendigkeit, die aufgebaute Struktur zu erhalten. Zum anderen können damit wichtige kleine Projekte für die Nachbarschaft weiter unterstützt werden.

Welche übertragbaren Erfahrungen können Sie aus dem Projekt Lohbrügge-Ost weitergeben?

Generell ist es wichtig, ein stabiles Netzwerk aufzubauen und dafür zu sorgen, dass die Stimmung gut ist. Die gute Stimmung entsteht durch die konstruktive und wertschätzende Zusammenarbeit, die wir immer wieder anregen und umsetzen. Am wichtigsten aber sind engagierte und professionell agierende Akteure, die sich für eine spezielle Sache und/oder für das Gebiet verantwortlich fühlen. Am besten ist es, wenn sie schon über Einrichtungen oder Vereine in etablierten Strukturen eingebunden sind. Diese Menschen bringen neue Ideen und Kontakte ein, können andere begeistern, mitziehen, sie glauben an eine Idee, auch wenn andere noch skeptisch sind.

»QUARTIERSARBEIT MUSS AUCH POLITISCH SEIN«

Quartiersarbeit ist eine Daueraufgabe, solange es Benachteiligung und sozialräumliche Segregation gibt. Quartiersarbeit ist in Tenever erfolgreich auf der Basis von Engagement für das Gemeinwesen und einer intensiven Zusammenarbeit aller Einrichtungen im Sinne der Gemeinwesenarbeit. Erfolgreiche Beteiligung von Bewohnern wie Akteuren funktioniert in Tenever auf der Basis von drei Faktoren: Menschen werden gehört und respektiert, sie können über die Verwendung von Mitteln entscheiden, und Beschlüsse haben reale Konsequenzen im Quartier.

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Joachim Barloschky hat in Bremens Großwohnsiedlung Tenever den Bewohnertreff Tenever mitgegründet und war von 1990 bis 2011 als Quartiersmanager und Geschäftsführer der Stadtteilgruppe Tenever aktiv beteiligt am Stadtumbau. Mit ihm und seiner Frau Anne Knauf, die in Tenever die Kita Kinderhafen leitet, sprachen wir über den Stadtumbau, Bewohnerbeteiligung, bürgerschaftliches Engagement und Gemeinwesenarbeit in Tenever.

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INTERVIEW MIT JOACHIM BARLOSCHKY UND ANNE KNAUF

Wie bewerten Sie vor dem Hintergrund der jahrelangen Arbeit in Tenever das Programm Soziale Stadt, wo hat es gut gegriffen, wo ist es am Bedarf der Menschen vorbeigegangen?

Tenever stand und steht dafür, dass Sie es geschafft haben, trotz knapper konsumtiver Mittel in den Dialog zu investieren. Wie ist das gelungen?

Das ist nicht selbstverständlich, dass das Quartier seinen Bedarf selbst bestimmt.

Joachim Barloschky (JB) Aus meiner Erfahrung in Tenever kann ich bestätigen, wie wichtig es war, dass das Programm Soziale Stadt eingeführt wurde, einschließlich seiner meist auf Länderebene angesiedelten Vorgängerprogramme. Denn diese Programme haben erst einmal signalisiert, dass wir als Gesellschaft ein Problem haben, um das man sich kümmern muss. Es war wichtig zu bekennen, dass im Rahmen der Spaltung der Gesellschaft und der damit einhergehenden Spaltung unserer Städte in den ärmeren Quartieren Problemlagen entstanden sind, die sich nicht auf solche baulicher und städtebaulicher Art beschränken und denen mit einem ressortübergreifenden Programm begegnet werden muss. Trotz dieses richtigen Ansatzes hat man aber leider nicht ausreichend Mittel für konsumtive wie Sozialprojekte bereitgestellt. Und meiner Kenntnis nach sind die gesellschaftlichen Probleme oft nicht gelöst, wenn das Programm Soziale Stadt in einem Stadtteil beendet wird. Hier müssten weitere Förderungsprogramme für eine Fortsetzung der begonnenen Arbeit zur Verfügung stehen. Die Kürzung des Programms 2013 ist eine Verschlechterung für alle von Benachteiligung Betroffenen. Damit unterstreiche ich, dass das Programm grundsätzlich ein gutes Programm ist, weil es weitere öffentliche Mittel, aber auch private Mittel durch das Engagement von Unternehmen, Bewohnern und sozialen Institutionen in einem Quartier mobilisiert. Das trägt sehr viel dazu bei, die soziale, die Alltags- und die Wohnlage der Bewohner zu verbessern. JB Bremen ist da in gewisser Hinsicht eine Ausnahme, denn schon 1998, bevor das Programm Soziale Stadt aufgelegt wurde (1999), war hier das Programm Wohnen in Nachbarschaften (WiN) initiiert worden. Es war, ähnlich wie das Programm Soziale Stadt, auf »Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf« ausgerichtet, hat aber für die Verwendung der Mittel keinen Verteilungsschlüssel festgelegt. Die Mittel konnten sowohl für investive wie für konsumtive Zwecke verwandt werden, entsprechend dem Bedarf, den die Quartiere nach dem Konsensprinzip vor Ort für sich ermitteln. JB Dieser basisdemokratische Ansatz ist bei uns in der Tat stark ausgeprägt. Wir wollten, dass die Betroffenen Rechte haben, mitzuentscheiden, wofür das Geld ausgegeben wird; die Professionalität von Planern alleine hilft uns nicht. Es ist bei uns ein Grundsatzprinzip, dass die, für die die Mittel bestimmt sind, an deren Vergabe beteiligt werden. Diese Entscheidungen dafür fallen in Stadtteilgruppen, in denen alle mitwirken können, die mit dem Quartier zu tun haben.

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Wie kann man die Aufgabe dieser Stadtteilgruppe beschreiben?

Wer ist in der Stadtteilgruppe vertreten?

Verantwortliche lassen sich mit dem Argument gewinnen, dass es zu ihrer Arbeit gehört, an solch einer Sitzung teilzunehmen. Aber wie konnten Sie die Bewohner gewinnen?

Trotzdem: der Leiter einer Schule ist leichter anzusprechen als die Bewohner.

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JB Die Stadtteilgruppe hat die Aufgabe, die Zusammenarbeit der Akteure zu organisieren und die Interessen des Quartiers zu vertreten. Konkret heißt das, den Quartiersdiskurs über alle gesellschaftlichen Fragen und Ärgernisse des Quartiers zu initiieren und zu führen und in den entsprechenden Themen zu klären, wer jeweils verantwortlich ist. Außerdem kann sie Projekte initiieren. In der Regel haben wir 40 bis 50 Projekte im Jahr durchgeführt. Manche wurden mit 500, manche mit 50.000 Euro gefördert, je nach Inhalt und Zielsetzung. Am Anfang spielte die städtebauliche Entwicklung und das Thema Infrastruktur eine große Rolle. Es wurden soziale Initiativen und Einrichtungen gegründet, so etwa Gesundheits- und Mütterzentren. Gerade für solche Projekte war das ressortübergreifende Denken und Handeln wichtig, denn nach der Investition mussten der Unterhalt und der Betrieb gewährleistet sein. JB In erster Linie die Bewohner, aber auch diejenigen, die mit den Menschen aus Tenever arbeiten – Lehrer, Menschen von sozialen Einrichtungen und Kindergärten. Außerdem Vertreter der lokalen Ökonomie und der Wohnungsbaugesellschaften, vor allem die städtischen. Die Finanzinvestoren hatten bei uns kein Interesse am Viertel, sie sind ja auch nicht vor Ort. Es hat mich sehr beeindruckt, dass das in Kalk Nord anders ist, und die Wohnungsbaugesellschaften dort aufeinander zugegangen sind und gemeinsame Verantwortung Außerdem gehören über ihren eigenen Bereich hinaus entwickelt haben. zur Stadtteilgruppe Vertreter aus der Bremischen Bürgerschaft (dem Landtag) und aus dem Bezirkstag, wie der Stadtteilbeirat in Bremen heißt. Verantwortung für das Viertel trägt auch die öffentliche Verwaltung, deswegen nehmen an den Sitzungen in der Regel teil: Vertreter aus dem Bauressort, aus dem Amt für soziale Dienste, vom Sozialzentrum, vom Umweltbetrieb Bremen, der Ortsamtsleiter als Vorsteher der Bezirksverwaltung und der Kontaktpolizist oder der Revierleiter der Polizei. JB Die Freiwilligkeit gilt grundsätzlich für alle – keiner, auch kein Politiker, wird verpflichtet zu kommen.

JB Deswegen haben wir in den 1990ern das Konsensprinzip eingeführt – Bewohner können mit einem Veto verhindern, dass Geld für etwas ausgegeben wird, mit dem sie nicht einverstanden sind.

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INTERVIEW MIT JOACHIM BARLOSCHKY UND ANNE KNAUF

Die Bewohner kommen, weil es ein Gremium ist, in dem sie etwas zu entscheiden haben?

JB Eine wichtige Voraussetzung für jede Beteiligung ist zunächst einmal Information. Die Quartiersmanager haben sich, obwohl sie bei der Stadt angestellt sind, in den 1990er Jahren erkämpft, dass sie eine eigene Pressearbeit für die Quartiere machen dürfen. Ein Mensch bewegt sich dann, wenn er ein konkretes Interesse hat. Das kann ein materielles Interesse sein, aber auch eines ideeller Art sein: man möchte gelobt, anerkannt werden. Die Menschen in Tenever müssen kämpfen, um ihren Alltag zu bewältigen, in so einer Lage denkt man nicht unbedingt darüber nach, wie man sich am gesellschaftlichen Umgestaltungsprozess beteiligen kann. Wenn bei uns dennoch viele Menschen zu den Sitzungen kommen, dann hat das drei Gründe – wir geben den Menschen Rechte, wir nehmen sie ernst und die Beschlüsse der Die Sitzungen finden im Gruppe haben reale Konsequenzen im Quartier. monatlichen Turnus statt, so dass Probleme früh angesprochen werden können. Durchschnittlich kommen zu den Sitzungen 60 bis 120 Leute, von denen etwa die Hälfte Bewohner sind. Die Sitzungen dauern drei Stunden. Jeder ist willkommen. Auch bei Anfeindungen sorgen wir dafür, dass ein Klima bestehen bleibt, in der der Respekt vor jeder Person und jedem Bewohner gewahrt bleibt. In der ersten Hälfte tauschen wir uns über das Quartier aus, in der zweiten werden Projekte werden vorgestellt oder initiiert, werden Gelder bewilligt. In diesem zweiten Teil sind nur noch 60 Prozent der Leute da, von denen nur noch ein Drittel Bewohner sind. Das gesellschaftliche Ereignis hat stattgefunden, Bewohner konnten ihre Sorgen loswerden und ihr Anliegen vorbringen. Die Mittelvergabe ist für die Bewohner meist nicht mehr so relevant, sie wissen, dass Menschen da sind, die in ihrem Sinne agieren und entscheiden werden. Aber es weiß jeder, dass er gegebenenfalls auch selbst darüber mitentscheiden kann, welche Mittel für welches Projekt bewilligt werden. Und schließlich ist wichtig, dass man im Viertel weiß: es hilft, in die Stadtteilgruppe zu kommen, wenn man mit etwas unzufrieden ist oder wenn man einen Wunsch, eine Idee hat. Denn wir verändern real. Verbesserungen werden sichtbar. Wir haben zum Beispiel Grabeland für fünfzig Familien geschaffen – je 150 Quadratmeter. Die Menschen haben Gärten verlangt, ein halbes Jahr später hatten wir sie organisiert. Die Flächen kamen von der Stadt, wir haben einen Verein als Träger gegründet und die Fläche aufgeteilt. Und es gibt ja nicht nur die Stadtteilgruppe. Eine Ebene darunter gibt es das Netzwerk der verschiedenen Vertretungsgruppen, Hausversammlungen, Mieterräte, Arbeitskreise, Beteiligungsverfahren – nur deswegen können Themen auch in der Stadtteilgruppe so effektiv behandelt werden. In der Stadtteilgruppe wird keiner überrascht – die Ideen sind meist schon woanders entwickelt und besprochen worden.

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Sie haben 2000 die Großsanierung politisch durchgesetzt. Ging auch die Sanierung nach dem Konsensprinzip?

Inzwischen ist der Druck der Sanierung weg. Braucht es den Motor des Quartiersmanagements noch?

Ist es jetzt einfacher, über die kleinen Themen – Gärten, Beleuchtung, Spielplätze – einen Dialog mit der Bevölkerung zu führen als über die großen Projekte?

Warum gelingt das so viel besser als in vielen anderen Quartieren, wo Akteure wie Leiter von Schulen oder von Kindereinrichtungen es ablehnen, sich auch noch ums Quartier zu kümmern, sei es, weil das ihre Kräfte übersteigt, sei es, weil das nicht ihre eigentliche Aufgabe ist?

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JB Die grundlegende Sanierung Tenevers wurde durch das jahrelange Engagement der Bewohner und der Stadtteilgruppe Tenever durchgesetzt. Nur die Geldentscheidungen in der Sanierung sind nicht von der Stadtteilgruppe getroffen worden. Die traf die Gewoba, die Eigentümerin, in Kooperation mit einer anderen städtischen Gesellschaft. Aber zu den inhaltlichen Entscheidungen wurden Arbeitsgruppen gebildet – Freiraum, Technik, Umzug, Öffentlichkeitsarbeit. Diese Gruppen wurden jeweils besetzt mit Vertretern des Bauressorts, der Wohnungsbaugesellschaft und zwei Vertretern der Stadtteilgruppe, von denen einer ein Bewohner sein sollte. Auch in diesen Gruppen wurde meist im Konsensprinzip entschieden. Die Umzüge während der Sanierung wurden ohne einen einzigen Prozess gemanagt. JB Unbedingt. In den benachteiligten Quartieren ist eine mit finanziellen Mitteln ausgestattete Quartiersarbeit erforderlich, um die Vernetzung am Leben zu erhalten, neue Impulse zu organisieren, Reibungen zu schaffen und den Bedarf zu ermitteln, der sich aus der Benachteiligung ergibt. Anne Knauf (AK) Das lässt sich nicht verallgemeinern. Es ist vor allem wichtig, dass die Menschen in ein funktionierendes Netzwerk eingebunden sind, in dem sie die Möglichkeit haben, ihr Problem anzubringen – das machen sie dort, wo sie mit den Menschen vertraut sind. Das ist in der Regel nicht die Stadtteilgruppe. Die Menschen docken dort an, wo sie selbst involviert sind. Dann versuchen die Einrichtungen, mit diesen Menschen das Problem anzugehen und herausAuch die Eltern zufinden, wo sie sich am besten hinwenden können. kommen zu uns in die Kita und bringen ihr Anliegen vor – dann versuchen wir zuerst eine Lösung zu finden, ohne dass wir in die Stadtteilgruppe müssen, wenn es aber sein muss, wird in der Kita dieser Schritt vorbereitet: Wir stimmen uns dann mit den anderen sozialen Einrichtungen im Arbeitskreis Tenever ab, bereiten Anträge gemeinsam vor – und gehen gemeinsam auf die Stadtteilgruppensitzung. JB Wir verstehen Gemeinwesenarbeit als ein Arbeitsprinzip, das in alle Ebenen hinein verästelt ist. Wenn alle dieses Arbeitsprinzip verinnerlicht haben, dann profitiert auch der Einzelne beziehungsweise die jeweilige Einrichtung oder Institution davon. Wir haben in Tenever ein eigenes Netzwerk der sozialen und schulischen Träger organisiert und aufgebaut, das seit mehr als dreißig Jahren besteht und das parallel zu der alle Ressorts betreffenden Stadtteilgruppe agiert. Einmal im Monat trifft sich dieser Arbeitskreis zum Austausch. Sie kooperieren bei Festen und anlassbezogen, beraten sich gegenseitig in personellen Dingen, mischen sich sozialpolitisch ein, organisieren sich als Stimme, die bei der entsprechende Stelle einen Beschluss vorbringt und die Interessen der Gruppe artikuliert.

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INTERVIEW MIT JOACHIM BARLOSCHKY UND ANNE KNAUF

Das heißt, die Gemeinwesenarbeit wird nicht an den Quartiersmanager delegiert?

Derzeit wird Bildung in der Quartiersarbeit als zentraler Faktor gesehen, um Chancengerechtigkeit zu gewährleisten. Stimmen sie dem zu?

Damit ist die politische Komponente von Stadtteilarbeit und guter Quartiersentwicklung angesprochen. Wie gehen Städtebauförderer damit in der Regel um, wenn Erneuerungsprozesse politisch verstanden werden?

Das Fazit wäre also, nicht in bestimmte Dinge zu investieren, sondern in eine Organisationsform jenseits der Ressortbindung.

AK Diese Struktur der verschiedenen, miteinander und über die Stadtteilgruppe vernetzten Arbeitsgruppen ermöglicht es, dass Probleme sich mitunter ganz schnell erledigen lassen. Und jeder kann konkret erfahren, dass man für den eigenen Arbeitsbereich, die eigene Einrichtung etwas gewinnt, wenn man sich beteiligt. Nur durch diese Erfahrung nehmen die Menschen die Belastung einer Arbeit in Arbeitsgruppen und für das Quartier auf sich. Am Ende wirkt es sich auf die eigene Arbeit aus. Denn wenn es den Eltern schlecht geht, geht es den Kindern schlecht, und in der Kita mischen diese Kinder dann die Gruppe auf. Deswegen haben wir auch daran festgehalten, dass sich die Arbeitsgruppe regelmäßig trifft. Die Atmosphäre wird dabei von der Haltung des Respekts getragen, die es leichter macht, in der Gruppe aufgenommen zu werden, in sie hineinzuwachsen und weiter darin zu arbeiten. Es gibt Kollegen, die sich darin schon zwanzig oder dreißig Jahre engagieren. AK Bildung ist auf jeden Fall ein Schlüssel zur Chancengleichheit – aber auch die Qualifikation der Eltern ist wichtig. Die Frauen in Tenever haben ein hohes Interesse daran Deutsch zu lernen. Das ist die Basis für das Selbstbewusstsein, auch Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Dann erleben die Menschen, dass sie nicht allein mit ihren Problemen sind und etwas verändern können. JB Sie tun sich damit oft sehr schwer; oft sind Planer sehr technokratisch. Es gibt Geld von einem Programm, das Geld muss sinnvoll ausgegeben werden, das muss wunderbare Effekte haben und hinterher ist das Problem der Benachteiligung weg. Und dabei muss man sich an die Vorschriften halten. Ein Projekt ist ein Projekt ist ein Projekt, und irgendwann ist es zu Ende. Das ist realitätsfremd. Soziale Arbeit muss politisch sein, um Not zu lindern. Es reicht nicht, wenn ich dem Obdachlosen eine Tasse Kaffee gebe, die braucht er auch, der muss irgendwo übernachten können. Aber es ändert sich nichts. Es muss sich etwas auf politischer Ebene ändern, und zwar nicht auf parteipolitischer, denn es geht um Menschenrechte. Die Ursachen der Probleme und die Verantwortlichkeiten liegen nicht im Stadtteil. AK Das wäre gut. Denn die Bedürfnisse richten sich nicht nach Ressorts. Aber so lange es eine Grundfinanzierung nicht gibt, muss dies die Vernetzung und die gegenseitige Unterstützung leisten. Das heißt aber auch, dass die Kitas beispielsweise die personelle Ausstattung haben müssen, um die Arbeit für das Quartier auch leisten zu können, um über ihren eigenen Arbeitsbereich hinaus vermitteln und unterstützen zu können.

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Wie ist die Perspektive in Tenever?

Was braucht es, um diese Prozesse stabil zu halten, um das Quartier weiterhin einen guten Ort fürs Leben sein zu lassen?

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JB Tenever ist ein internationales Dorf mit menschenwürdigem Wohnen geworden. Das ist ein riesiger Erfolg. Früher einmal ist in Tenever jeder weggezogen, sobald er es sich leisten konnte, jetzt haben wir Neuzuzüge. 70 Prozent der Neumieter sind Selbstzahler. Das ist eine Aufwertung der sozialen Struktur, nicht durch Großverdiener, sondern durch Menschen, die gerne kommen, die gerne auch zurückkommen, die hier aufgewachsen sind. JB Man braucht weiter Quartiersmanagement, man braucht Mittel, um selbst Projekte anzuregen und durchzuführen und aus dem Bedarf von unten zu entwickeln. Es braucht dafür immer eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe, die die Mittelverteilung am Bedarf orientiert. Man muss das Programm Soziale Stadt wieder aufstocken. Und es muss Personen geben, Verantwortliche der Stadtpolitik, die ein Problem, einen schwierigen Ort ins Gespräch bringen und sich dafür einsetzen. Und es sollten möglichst viele solidarisch aktiv bleiben – für soziale Gerechtigkeit und gegen Rassismus!

»STADTERNEUERUNG IST EINE GESAMTSTÄDTISCHE AUFGABE« Für eine effektive Stadtteilentwicklung müssen die Akteure vor Ort sowohl eigenständig agieren können als auch in der Kernverwaltung einen festen Partner haben. Es bedarf innerhalb der sektoralen Verwaltungsgliederung neuer Freiräume für Personen, die einen Teil ihrer Arbeit gezielt einem bestimmten Gebiet widmen können. Verstetigung kann auch darin bestehen, in einem Gebiet mit einem anders angesetzten Instrumentarium weiter aktiv zu bleiben. Stadtteilprogramme müssen in eine gesamtstädtische Perspektive eingebunden werden, damit Probleme nicht lediglich in andere Gebiete verlagert werden.

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Stefan Rommelfanger ist stellvertretender Leiter des Referats Stadtplanung der Stadt Gelsenkirchen und Leiter der Koordinierungsstelle Stadterneuerung. Zuvor war er im Programmgebiet Soziale Stadt Gelsenkirchen Bismarck/SchalkeNord im Stadtteilmanagement tätig. Mit Stefan Rommelfanger sprachen wir über die Verstetigung von Prozessen, die durch Förderung eingeleitet wurden und über gesamtstädtische Strategien der Stadterneuerung.

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Gelsenkirchen Bismarck/SchalkeNord gilt als vorbildlich hinsichtlich der Verstetigung der Entwicklungen, die durch das Programm Soziale Stadt eingeleitet wurden. Wie wird ein funktionierendes Verstetigungssystem aufgebaut?

Man braucht stabile Akteursstrukturen im Gebiet und man muss das Thema der Stadterneuerung in der politischen Leitungspriorität der Gesamtstadtebene verankern. Beides muss man parallel zueinander entwickeln und miteinander verbinden.

Beginnen wir mit der Quartiersebene.

Wir haben in Bismarck/Schalke-Nord 1995 offiziell mit dem Förderprogramm begonnen. Aber wir wussten, dass wir uns nicht jahrelang auf ein Gebiet konzentrieren können. 2002, drei Jahre vor Programmende, haben wir begonnen, Verstetigung als Projekt anzugehen. Wir haben gefragt, was man im Gebiet braucht, wenn es das Stadtteilmanagement nicht mehr gibt, wenn es keine Fördermittel mehr gibt, wie sieht es baulich-räumlich aus, wie stabil sind die sozialen Projekte und Netzwerke? Wir haben früh eine Akteurskonferenz zum Ausstieg aus der Förderung einberufen, in die alle Bewohner und Akteure aus dem Quartier, aber auch die Politik und Verwaltung der Stadt eingebunden wurden.

Welche Rolle hat in diesem Prozess das Stadtteilmanagement gespielt?

Das Stadtteilbüro hat den Prozess organisiert. Wir haben es uns zur Regel gemacht, dass das Stadtteilmanagement eigenständig ist, eine eigene Finanzverwaltung hat, dass es handeln kann, ohne jedes Projekt, jede Maßnahme mit dem Planungsamt rückkoppeln oder genehmigen zu müssen. Wir haben die Fördermittel im Stadtteilbüro mit einem Verwaltungsbeamten als Mitarbeiter bearbeitet. Das Planungsamt muss unterstützen, als Ansprechpartner in der Kernverwaltung zur Verfügung stehen, aber das Stadtteilbüro ist der prägende Akteur, und folgerichtig war es auch beim Verstetigungsprozess so.

Wird ein aktives Stadtteilbüro zur Belastung für die Verstetigung, weil es eine zu große Lücke hinterlassen könnte?

Die erste Zeit des Stadtteilprojektes war eine des Niederganges, die Zeche war bereits zu Teilen geschlossen, die Depression war groß. In dieser Situation war Planung gefordert, Visionen zu formulieren. Am Anfang waren der städtebauliche Wettbewerb Gesamtschule und Solarsiedlung sowie der Planungsprozess fürs Zechengelände die wichtigen Aufgaben. Zudem haben sich die Akteure vor Ort nicht politisch artikuliert, wir mussten erst organisatorische Aufbauarbeit leisten. Nach fünf Jahren haben wir diese Strategie geändert, das Stadtteilbüro wurde dann von einer Kollegin geleitet, die sich eher als Koordinatorin und Moderatorin verstanden hat. Sie hat die Initiativen, Einrichtungen und Vereine vor Ort unterstützt und vernetzt, es wurde ein Forum der Vereine gegründet. Dieses Forum hat früh angefangen, eigenständig zu arbeiten. Die Vereine unterstützen sich über das Forum gegenseitig, unternehmen gemeinsame Aktionen und bringen sich in die Stadtteilerneuerung mit gezielten Maßnahmen ein.

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Wer waren die Treiber bei den Selbstorganisationsprozessen?

Im Wesentlichen braucht man dafür die richtigen Personen. Es war ein Glück, dass der Verwaltungsbeamte im Stadtteilbüro auch Bewohner des Stadtteils war. Er war eine Schlüsselperson in diesen Prozessen. Weitere Hauptakteure waren zwei Kindergartenleiterinnen, die ihre Einrichtungen für Elternarbeit und den Austausch im Quartier geöffnet haben. Eine Gruppe von Bergleuten hatte ein besonderes Interesse, viel von dem alten Bergwerk zu erhalten, sie wurden von einer Person aus dem Denkmalschutz professionell unterstützt. Wir hatten eine bunte Truppe, die wiederum viele Menschen erreicht hat.

Wie wichtig war dabei, dass sich der Stadtteil baulich sehr verändert hat?

Das spielte zunächst kaum eine Rolle. Die Menschen waren am Anfang skeptisch. Und es hat lange gedauert, bis diese Projekte fertig waren. Die Gesamtschule hatte insgesamt eine Bauzeit von 5 bis 6 Jahren. Auch die Solarsiedlung wurde erst später fertig. Die Schließung und die Abrissarbeiten auf dem Bergwerksgelände in der Stadtteilmitte dauerten mehrere Jahre und dominierten die Wahrnehmung der Menschen. Die Motivation der Leute war nicht von den baulichen Veränderungen abhängig.

Die Aktivität der Menschen setzt schon eine Fähigkeit zum Engagement voraus.

Deswegen ist die Abgrenzungsfrage bei der Förderprogrammfestlegung wichtig. Es wird sehr schwierig, wenn man nur den sozialen Brennpunkt als Förderkulisse definiert und nur dort Gemeinwesenarbeit macht. Wir haben das Programmgebiet weiträumig abgegrenzt, so dass darin auch Bereiche mit einer stabilen Mittelschichtsbevölkerung und intakten Wohnbedingungen lagen. Von dort kamen viele Aktive, wir mussten sie nur für das Zechengelände interessieren.

Wie ist Ihnen das gelungen?

Wir waren nicht nur dort aktiv, wo die Probleme am größten sind, wir haben auch auf die Probleme in den anderen Teilen des Gebiets reagiert. Wir haben zum Beispiel den Schulhof einer Grundschule erneuert. Die Schule hatte auch über ein unzureichendes Raumangebot geklagt. Ein Schulgebäude ist nicht förderfähig, ein Nachbarschaftszentrum aber schon: Und so entstand auf dem Schulhof eine Begegnungsstätte (»Holzhaus«), dessen Räume auch für Veranstaltungen im Quartier genutzt werden und das von Menschen aus dem Quartier verwaltet wird.

Wie haben die Bewohner reagiert, als sie damit konfrontiert wurden, dass die Förderung ausläuft?

Die Menschen haben kaum darauf reagiert. Das war zum einen zu abstrakt. Zum anderen haben wir aber auch immer deutlich gemacht, dass die Stadtverwaltung sich weiterhin in der Verantwortung für den Stadtteil sieht. Wir konnten in einem ersten Schritt das Stadtteilmanagement noch bis 2007, also nach dem Ende der Programmförderung zwei Jahre lang aufrecht erhalten. In dieser wichtigen Übergangsphase kam uns der Zufall zu Hilfe. 2003 wurde die Konversionsfläche des ehemaligen Kraftwerkgeländes »Graf Bismarck« ins Programmgebiet integriert, dort entsteht seither das Stadtquartier »Graf Bismarck«. Das neue Quartier soll Bezüge zum bestehenden Stadtteil haben, damit das keine Satellitenstadt wird. Wir konnten damit überzeugen, dass es sinnvoll ist, die städtische Projektsteuerung mit der Stadtteilarbeit

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zu verbinden, so konnte die Stadtteilarbeit in kleinerem Umfang noch weitergeführt werden. Das Stadtteilmanagement wurde also langsam und sehr behutsam zurückgefahren. In dieser Zeit wurde dann auch Institutionen wie der AWO oder dem Consol-Theater geholfen, Förderanträge für neue gemeinwesenorientierte Projekte und Nachbarschaftsarbeit zu stellen. Das heißt, die Einrichtungen vor Ort wurden gezielt auf die Zeit nach der Förderung vorbereitet.

Einerseits das, andererseits haben wir diese Einrichtungen auch für die Verstetigung in die Verantwortung genommen. Dort, wo das Stadtteilbüro war, in einer alten Schule, haben wir beispielsweise in Zusammenarbeit mit der AWO ein internationales Migrantenzentrum etabliert. Vorher hatte die AWO keine Stadtteilarbeit gemacht, sondern sich um einzelne Zielgruppen gekümmert. Wir haben mit Städtebauförderungsmitteln ein städtisches Gebäude modernisiert, die AWO als Träger gewonnen und ihr einen langfristigen Mietvertrag angeboten unter der Bedingung, dass sie dort neben ihrer Regelarbeit Stadtteilarbeit als Perspektive ihrer Arbeit aufbaut. An diesem Ort treffen sich jetzt zum Beispiel auch die Bezirksvertretung und der Präventionsrat und halten Auch bei der Gesamtschule Bismarck war von Anfang ihre Sitzungen ab. an ein offenes Stadtteilhaus integriert, das mit Städtebauförderungsmitteln gebaut wurde.

Wie lässt sich diese Sozialraumorientierung aufrecht erhalten? Ämter wie das Sozialoder das Schuldezernat sind ja nicht sozialräumlich, sondern sektoral organisiert.

Das ist richtig. Auf der mittleren Ebene der Ämter sind Arbeitskreise in dem Stadtteil entstanden, die auch nach dem Auslaufen des Programms weiter existieren. Aber sobald man Veränderungen anspricht, die wirklich an die Grundfesten der etablierten Struktur gehen, etwa in Richtung eines stärkeren raumorientierten Arbeitens, wird es sehr schwierig. In den Fachämtern muss es Leute geben, die Spielraum und Arbeitszeit dafür haben dürfen, sich mit anderen Fachbereichen zu vernetzen und jenseits von der Zielgruppe oder der speziellen Aufgabe, auf die sie sich sonst konzentrieren müssen, das Quartier in den Blick zu nehmen. Die Fachämter in unserer neuen Struktur der gesamtstädtischen Koordinierung der Stadterneuerung müssen für verschiedene Quartiere »Gebietsbeauftragte« benennen, ob Abteilungsleiter, Sachbearbeiter oder Teamleiter, deren Arbeitsplatzbeschreibung um das gebietsbezogene Arbeiten ergänzt wird. So wird im Übrigen auch die Stadtteilarbeit in die Fachressorts getragen.

Wie werden nun die Gebiete der Stadterneuerung in eine gesamtstädtische Ebene integriert?

2002 haben wir Gelsenkirchen Südost mit der Bochumer Straße als zweites Soziale Stadt-Stadtteilprogramm initiiert, weil es auch dort große Probleme gab. Das Gebiet war noch größer als Bismarck/Schalke-Nord, weil die damalige Politik fürchtete, dass es das Programm Soziale Stadt nicht mehr lange geben wird, und deshalb so viele Stadtteile wie möglich noch von dem Programm profitieren sollten. Schließlich wurden drei Stadtteile in einem Gebiet zusammengefasst und in das Programm aufgenommen. Das war für mich der Anlass, in enger Abstimmung mit dem Planungsdezernenten die Gesamtstadt in den Blick zu nehmen und ein eigenes »Stadtteilentwicklungskonzept« zu initiieren, um das Thema Stadtteilerneuerung auf die Gesamtstadtebene zu bringen. Wir wollten wissen, in welchen Gebieten wir welche Probleme

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und Potenziale haben. Die Gefahr besteht, dass man sich zehn Jahre auf eines oder auf zwei Gebiete konzentriert und dabei Entwicklungen in anderen Quartieren nicht mehr scharf genug wahrnimmt, man vielleicht sogar die Probleme nur verlagert und die Stärken und Potenziale nicht erkennt. 2007 hatten wir einen Bericht zur Stadterneuerung formuliert, für den wir Sozialdaten und bestehende sektorale Planungskonzepte überlagert und in Abstimmung mit den Fachämtern potenzielle Stadterneuerungsgebiete abgegrenzt haben. Wir haben für neun Gebiete in der Gesamtstadt Konzepte der Stadterneuerung vorgeschlagen. Darin wurde festgehalten, welche Förderung wir jeweils für sinnvoll halten, welche Arbeitsschwerpunkte jeweils gesetzt werden müssten. Eine solche differenzierte Strategie kann aber nur als eine Aufgabe der gesamten Verwaltung verfolgt werden: Stadterneuerung ist eine gesamtDer Bericht wurde 2007 vom Rat beschlossen und städtische Aufgabe. hat regelrecht eine Aufbruchstimmung für das Thema Stadterneuerung ausgelöst. Wie wurde dieser Anspruch der gesamtstädtischen Aufgabe organisatorisch umgesetzt?

Ausführlich beschrieben in: Stefan Rommelfanger und Matthias Santer: Integrierte Stadt(-teil-)entwicklungspolitik. Vom Sonderprojekt zur Regelaufgabe – Das Beispiel Gelsenkirchen. In: Sozial Extra. Zeitschrift für Soziale Arbeit und Sozialpolitik, Wiesbaden, Ausgabe 7/8 (2010)

Wie wird diese Struktur nun wieder in den Stadtteil eingebunden?

Als ein wesentliches Leitthema der gesamten Stadt muss diese Aufgabe auf der Verwaltungsvorstandsebene verankert sein. Die Leitlinienkompetenz liegt bei einem Lenkungskreis, der sich zusammensetzt aus dem Verwaltungsvorstand, aus allen Dezernenten und aus allen Amtsleitern. Vertreten ist dort außerdem das Integrationscenter für Arbeit und nach Bedarf die Leitung von AWO oder Caritas. Unterhalb dieser Ebene wurde die Koordinierungsstelle Stadterneuerung eingerichtet, etwa vergleichbar einer Stabsstelle. Diese Koordinierungsstelle ist einerseits die Geschäftsstelle für den Lenkungskreis, andererseits soll sie die Stadtteilbüros entlasten und Dienstleistungsfunktion übernehmen, den Erfahrungsaustausch zwischen den derzeit fünf Stadtteilbüros koordinieren und den Transfer in die lokale Politik gewährleisten. In der Koordinierungsstelle gibt es Programmverantwortliche, die für jeweils ein Programmgebiet zuständig sind und Koordinatoren und Partner der Stadtteilbüros sind. Außerdem haben wir ämterübergreifende Gebietsteams eingerichtet, für das die Fachämter je einen Mitarbeiter namentlich benennen.◄ Diese Mitarbeiter haben den Freiraum, von dem ich sprach. Sie verstehen sich tatsächlich als Verantwortliche und als Anwälte des Gebiets, für das sie eingeteilt werden. Auf der Gebietsebene existiert jeweils ein akteursübergreifendes Stadtteilgremium (Beiräte). Dort sind zunächst einmal Bewohner vertreten, die im Rahmen der Stadtteilkonferenzen gewählt werden und die die Mehrheit haben müssen. Außerdem gehören die örtlichen Politiker dazu. Die Wohnungsunternehmen, die Vereine, Kirchen und quartiersrelevanten Einrichtungen Über das Stadtteilbüro und das Gebietsteam werden ebenfalls vernetzt. wird die Verbindung in die Verwaltung sichergestellt. Die Stadtteilkonferenzen werden immer von einem Stadtrat geleitet, damit die Verbindung in den Rat sichergestellt ist. Das Stadtteilgremium kann aus einem Verfügungsfonds selbst Mittel für bürgerschaftliche Projekte vergeben. Der Fonds ist im Moment an das Programm Soziale Stadt gebunden.

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Fördert der Verfügungsfonds die Gemeinschaftsbildung?

Dass vor Ort über Mittel entschieden wird, ist wichtig, denn dann lassen sich kleinere Projekte schnell und unkompliziert umsetzen. Damit kann man Bürger gewinnen, die sich nicht regelmäßig über eine Partei oder eine Institution, aber für den Stadtteil engagieren wollen. Man fördert Menschen, die wiederum andere ermutigen. Uns ist wichtig, dass im Stadtteilgremium je nach Bevölkerungszusammensetzung die wesentlichen Gruppen repräsentiert sind. Jugendliche, Menschen mit Migrationshintergrund, Senioren, da findet man den direkten Zugang zu den Bewohnern. Das ist wirklich gut.

In der Bochumer Straße wird nun nach der Förderung durch die Soziale Stadt das Sanierungsrecht angewendet. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Die Bochumer Straße war mit Gelsenkirchen Südost 2002 zum Programmgebiet der Sozialen Stadt geworden. Damals waren die Leerstände noch nicht so hoch wie heute, aber sie waren schon auf einem problematischen Niveau. Deswegen haben wir damit begonnen, Hauseigentümer zu beraten und eine Anreizförderung, das Haus- und Hofflächen-Programm, ins Leben gerufen. Wir haben 2004 außerdem ein Projekt initiiert, in dessen Rahmen Künstler Im Lauf der Zeit sind und Schulen leere Ladenlokale bespielt haben. die strukturellen Bedingungen durch die Schrumpfung der Stadt aber immer schwieriger geworden, so dass die Anreizaktivitäten dem Trend zu mehr Leerstand nicht mehr entgegenwirken konnten. Der bauliche Verfall nahm zu, die Einzeleigentümer waren für uns nicht mehr erreichbar und investierten nicht mehr in eine Instandsetzung und Modernisierung ihrer Gebäude. Dazu kam, dass die katholische Kirche mit der Heilig-Kreuz-Kirche einen wichtigen Quartiermittelpunkt außer Dienst gestellt hat. Und damit nicht genug: Flöz Dickebank, eine Ikone der Arbeitersiedlungen im Ruhrgebiet, wurde von der Deutschen Annington verkauft; der neue Eigentümer privatisiert nun Einzelhäuser und teilt die Siedlung – das macht für uns die Sache nicht leichter, weil wir viele Einzeleigentümer haben, die wir erreichen müssen. In dieser Lage konnten die notwendigen Impulse nicht mehr aus dem Gebiet heraus kommen. Nach einer intensiven Phase des fachlichen Austausches, der Analyse und der Bewertung wurde deutlich, dass wir Leitprojekte initiieren müssen. Gleichzeitig wurde klar, dass wir eine Erweiterung des Instrumentenkastens benötigen.

Welcher Art sind diese Leitprojekte?

Wir haben zwei davon. Eines wird das Ensemble Heilig Kreuz mit der HeiligKreuz-Kirche und dem angrenzenden Gebäude sein, aus dem wir ein neues Stadtteilzentrum machen wollen. Da sind wir schon recht weit. Es ist vorgesehen, aus der Kirche eine Veranstaltungshalle mit 600 bis 700 Plätzen zu machen, die der Wissenschaftspark nutzen wird, die aber auch für Andere interessant ist, weil in dieser Größenordnung ein guter Veranstaltungsort in Das zweite Leitprojekt ist das Justizzentrum, mit Gelsenkirchen fehlt. dem wir den Eingangsbereich ins Gebiet neu strukturieren. Dieser Bereich ist städtebaulich sehr dispers. Eine stadtweite Einrichtung wie ein Justizzentrum ist für einen solchen Ort ideal, denn sie zieht keine Ressourcen aus dem Gebiet ab und sorgt dafür, dass das Areal eine gesamtstädtische Relevanz bekommt.

N E U E PA RTNE R FÜR DIE Q UARTIE RS E NT W ICKLUNG

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Wie wurden diese Leitkonzepte mit dem Instrumentarium kombiniert?

Wir hatten nach der Bestandsaufnahme die These formuliert, dass man die Immobiliensituation in den Griff bekommt, wenn man über 20 Prozent des Bestandes verfügen kann. Die Stadt kann das nicht leisten. Wir haben uns dann dazu entschieden, eine Stadtentwicklungsgesellschaft zu gründen, um Liegenschaften erwerben und als Eigentümer auftreten zu können. Diesen Schritt haben wir 2011 vollzogen. Die Stadt, die Sparkasse und die städtische Wohnungsgesellschaft haben gemeinsam diese SEG gegründet. Wir haben inzwischen sechs Häuser gekauft.

Wie greifen Sanierungsrecht und die Gründung der neuen SEG ineinander?

Mit dem Sanierungsrecht haben wir unter anderem ein Vorkaufsrecht, das uns den Zugriff auf Schlüsselgrundstücke im Sinne unserer städtischen Ziele ermöglicht. Außerdem haben wir durch das Sanierungsrecht Informationen über die einzelnen Häuser und das Gebiet in einer anderen Tiefe, weil das Sanierungsrecht die Eigentümer zur Zusammenarbeit verpflichtet. Die Stadt ist Und schließlich ist auch die Werternun in einer stärkeren Position. mittlung an das Sanierungsrecht gekoppelt. Man kann den Bodenwert anders als über die Kaufpreissammlung bewerten – die Kaufpreissammlung liefert Werte, die inzwischen nur noch fiktiv sind und sich nicht mehr über einen Verkauf erzielen lassen. Außerdem hat man im Hinblick auf private Investitionen bessere Abschreibungsmöglichkeiten. Wichtig ist aber vor allem, dass die Stadt signalisiert, dass dieses Gebiet eine Zukunft hat und nicht aufgegeben wird. Südost wird bald aus der Förderung Soziale Stadt entlassen. Aber dort, wo man die Probleme nicht lösen konnte, wird weiter an ihnen gearbeitet. Förderung löst selten die Probleme endgültig, und wenn sie sich, wie hier, nicht durch das Programm substanziell mildern ließen, muss man auf eine andere Weise weiterarbeiten. Auch das ist Verstetigung.

»OHNE EINFLUSSREICHE FÜRSPRECHER GEHT ES NICHT« Verfügungsfonds sind ein sinnvolles Element der Stadtteilarbeit und ihrer Verstetigung. Zur Verstetigung braucht es bauliche Elemente und stabile Kommunikationstrukturen im Quartier. Es kann sehr nützlich sein, wenn in segmentierten Zuständigkeiten und Interessen die Kommunikation im Quartier von einem neutralen Dritten moderiert und motiviert wird. Die öffentliche Hand braucht neue Instrumente für die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen, die sich in der Stadtteilarbeit engagieren.

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Thomas Krüger ist Leiter des Arbeitsgebietes Projektentwicklung und Projektmanagement in der Stadtplanung an der HCU Hamburg, Stefan Kreutz und Patrick Stotz sind dort wissenschaftliche Mitarbeiter. Unter der Leitung von Thomas Krüger und Simon Güntner (HAW Hamburg), der Mitarbeit von Kreutz, Stotz und anderen entstand 2012 die ForschungsStudie »Sicherung tragfähiger Strukturen für die Quartiersentwicklung im Programm Soziale Stadt«▼, über deren übertragbare Ergebnisse wir mit Thomas Krüger, Stefan Kreutz und Patrick Stotz sprachen.

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) (Hg.), Bearbeitung: HafenCity Universität Hamburg (HCU), Thomas Krüger, Sascha Anders, Stefan Kreutz, Patrick Stotz; Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), Simon Güntner, Laura Röhr; Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg mbH (steg), Nadia Fritsche: Sicherung tragfähiger Strukturen für die Quartiersentwicklung im Programm Soziale Stadt, Berlin 2012

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INTERVIEW MIT THOMAS KRÜGER, STEFAN KREUTZ UND PATRICK STOTZ

Wie lassen sich selbsttragende Strukturen in Stadtteilen etablieren, in denen es sie bislang nicht gab oder die nicht stark genug waren, um eine positive Entwicklung zu unterstützen?

Kann das eine professionelle Institution ausfüllen, die im Gebiet engagiert ist?

Thomas Krüger (TK) Was wir zu dieser Frage sagen können, basiert auf einer Arbeit, in der fünf Programmgebiete der Sozialen Stadt als Fallstudien untersucht wurden. Diese Auswahl wurde wiederum aus 35 Gebieten getroffen, die sich für die Untersuchung von Verstetigungsansätzen gemeldet hatten. Wir können daraus ableiten, dass es zwei essentielle Kernelemente gibt, die für die Verstetigung wichtig sind. Zum einen haben bauliche oder institutionelle Elemente, die als ein Symbol der Eigenentwicklung einen physischen Wiedererkennungswert haben und das Gemeinsame des Quartiers sichtbar machen, eine hohe Bedeutung. Zum anderen müssen Kommunikations- und Diskussionsstrukturen geschaffen oder etabliert werden, die das Vorhandene im Quartier aufgreifen – nicht von außen, sondern aus dem Quartier heraus, als eine Metastruktur in den Quartieren, die die vorhandenen Initiativen, Gruppen, Einrichtungen, Vereine, Verbände zu bündeln in der Lage ist, ohne dass diese Struktur parallel zu bestehenden aufgebaut wird. Bewährt hat sich zum Beispiel die Konstruktion eines »Vereins der Vereine«, eines Dachvereines, in dem die Gruppierungen vor Ort eingebunden sind. Die Unterstützung im Rahmen der Förderung sollte sich auf eine organisatorische und methodische Assistenz konzentrieren, damit die Menschen vor Ort lernen, eine solche Vereinsarbeit selbst zu organisieren. Hält jemand von Seiten der Stadt oder in deren Auftrag, finanziert über ein Programm, auf Dauer die Fäden inhaltlich zusammen, wird er nicht zu ersetzen sein, wenn das Programm ausläuft. TK Ich bin da skeptisch. Soziale Träger beispielsweise stehen ja selbst untereinanEs ist tatder in Konkurrenz um den Zugang zu öffentlichen Ressourcen. sächlich nicht einfach, aber die Frage der Bündelung hat für die Verstetigung eine zentrale Bedeutung. Im Quartier agieren verschiedenen Gruppierungen mit jeweils einer eigenen Logik, die meist zu wenig von der Logik wissen (wollen), nach der die anderen handeln. Die Gemeinwesenarbeitsszene tickt anders als die der Städtebauer und Stadterneuerer, man hat es zu tun mit Beschäftigungsträgern, mit Akteuren aus dem Bildungssektor, mit den städtischen Akteuren, die sich um Freiraum, Reinigung, Sicherheit, und Gebäudeaufsicht kümmern. Und diese einzelnen Gruppen sind in sich auch nicht homogen. Allein auf der Ebene der städtischen Verwaltung wissen die Ressorts oftmals zu wenig von dem, wie die anderen Ressorts im Quartier agieren.

N E U E PA RTNE R FÜR DIE Q UARTIE RS E NT W ICKLUNG

Wie kann es gelingen, die konkurrierenden, sich nicht wahrnehmenden Instanzen und Einrichtungen auf den Sozialraum zu bündeln?

Ein zentraler Punkt in dieser Argumentation ist ein Fonds, ein Verfügungsfonds für den Stadtteil. Ist das ein geeignetes Instrument?

Wer sollte in einem solchen Gremium vertreten sein?

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TK Grundsätzlich müssen wir davon ausgehen, dass es weiterhin Segmentierung geben wird. Der Jugendhilfeausschuss wird weiterhin nichts mit dem Stadtteilentwicklungsausschuss zu tun haben. Der Jugendhilfeausschuss organisiert und verteilt Jugendhilfe, und zwar stadtweit und nicht nach den Kriterien, die das Quartier kennzeichnen. Im Stadtteil sollten sich aber, gerne befördert durch kleine Budgets, die Menschen, die sich engagieren, in Stadtteilkonferenzen oder vergleichbaren Gremien regelmäßig treffen. Und damit sie dies tun, müssen solche Treffen einen Mehrwert haben, damit es ein Vorteil ist, sich dort zu beteiligen. Über eine solche Stadtteilkonferenz, die über einen »Verein der Vereine« organisiert sein könnte, sollte es einen privilegierten Zugang zu den Ressourcen der Stadt geben. Das muss nicht oder nicht nur Geld sein. Hierbei kann es auch um den Kontakt zu den großen sozialen Trägern der Stadt gehen. Die Einzelinitiativen sind oft mit den unterschiedlichen Zuständigkeiten in der Stadtverwaltung überfordert, aber über diese Ebene Ein anderer Mehrwert könnten sie diesen Zugang einfacher bekommen. kann es sein, dass auf dieser Meta-Ebene eine Öffentlichkeit hergestellt wird. Wenn es gelingt, dass dieses Gremium konzertiert über Einzelinteressen hinweg Quartiersinteressen artikuliert, wird die Stadt ihrerseits gezwungen sein, diese Interessen zu berücksichtigen und ihre Ressourcen zu koordinieren. Stefan Kreutz (SK) Es wird oft gefordert, dass sich die Verwaltung für ihren Umgang mit den öffentlichen Mitteln rechtfertigt. Die Kommunikation wird einfacher, wenn ein kleiner Teil der Mittel in die Stadtteile gegeben wird und die Menschen vor Ort selbst darüber verfügen können. Wir waren beeindruckt davon, dass überall, wo es einen solchen Fonds gab, über die Mittelvergabe heftig gerungen und ernsthaft gestritten wurde, auch wenn die Summen nicht hoch waren. In der Praxis wird das sehr unterschiedlich organisiert. Verallgemeinern lässt sich die Erfahrung, dass es eine formale Legitimation dafür geben sollte, dass dieses Gremium öffentliche Mittel vergibt, etwa durch den Gemeinderat oder das politisch legitimierte Gremium auf Bezirksebene. Patrick Stotz (PS) Das Gremium, das über den Verfügungsfonds entscheidet, sollte vor allem breit im Quartier verankert sein. Aber über die Besetzung gibt es unterschiedliche Auffassungen. In Chemnitz beispielsweise wurde diskutiert, ob Amtsträger und Professionelle der Sozialen Träger über den Verfügungsfonds mitentscheiden, oder ob das nur die Bürger tun sollten. Die Meinung überwog dort, dass die Menschen erst einmal frei reden können, dass sie sich trauen können sollten, ihre Meinung zu äußern und einen Vorschlag zu machen. Es bestand die Sorge, dass dies nicht der Fall sein könnte, wenn auch Professionelle mit ihrer Erfahrung und ihren Kontakten oder Politiker mit bereits vorgefertigten Einstellungen mitentscheiden können. In Chemnitz war die Politik auf dieser Ebene nicht aktiv involviert.

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INTERVIEW MIT THOMAS KRÜGER, STEFAN KREUTZ UND PATRICK STOTZ

Ist das dann noch ein Instrument für Stadtteile, wo es sehr viele Tranferleistungsempfänger oder Menschen gibt, die benachteiligt sind?

Gibt es die Chance, dass die verschiedenen Gruppierungen, die im Stadtteil agieren, über die Vefügungsfondsdiskussion besser zueinander ins Gespräch finden?

Wie kann man diesen Transfer fördern?

SK Die Frage, wen man überhaupt aktivieren kann, wird immer gestellt. Aber dass ein solches Gremium einen wirklich repräsentativen Quartiersquerschnitt abbildet, ist vielleicht auch eine überzogene Zielsetzung. PS Die Aussage derer, die wir interviewt haben, war übereinstimmend, dass der Verfügungsfonds wichtig ist, denn mit ihm lassen sich auch Projekte initiieren, mit denen man erst die Gruppen und Menschen erreicht, die sonst nicht zu gewinnen sind. Uns wurde berichtet, dass diese Fonds auch dann noch erfolgreich waren, wenn nach der Programm-Förderung die Mittelausstattung reduziert wurde. Die geförderten Projekte, um die es geht, sind nie besonders teuer, aber die Leute wissen, dass sie etwas entscheiden, dass sie mitreden können und dass sie gehört werden. SK Die Chance besteht durchaus. In den Gesprächen wurde vielfach festgestellt, dass Eigentümer und Bewohner, soziale Träger und Vereine meist gar nicht so unterschiedliche Interessen und Anliegen haben, nur wussten sie das vorher nicht. Dass ist der Reiz von quartiersbezogener Kommunikation in Beiräten Damit diese gemeinsame Interessenverund Stadtteilversammlungen. tretung aber auch wirkt, muss das Gespräch von der Quartiersebene seinen Weg wieder in die sektoral organisierten Strukturen, in die Verwaltungen und die Abteilungen finden. Das ist kein Automatismus. SK Auch hier gibt es unterschiedliche Modelle. In Gelsenkirchen haben Mitarbeiter aus der Verwaltung Aufgaben des Quartiersmanagements im Programmgebiet übernommen und sind anschließend wieder in die Verwaltung zurückgekehrt. Sie bekamen dadurch ein anderes Verständnis für die Prozesse in einem Quartier. In Gelsenkirchen ist es zudem bemerkenswert, dass sich die Politik dazu bekannt hat, dass Stadterneuerung eine Daueraufgabe und nicht nur eine befristete Intervention ist. (Siehe dazu das Interview mit Stefan Rommelfanger ab Seite 116) PS Auch in Chemnitz wird ein gesamtstädtisches Konzept verfolgt. In allen Quartieren, egal, welche Förderung sie in Anspruch genommen hatten, soll ein Dort wureinheitliches Verstetigungskonzept implementiert werden. den im Quartiersmanagement jeweils Menschen eingesetzt, die Erfahrung in der Sozialarbeit hatten, die sehr schnell einen Kontakt zu Initiativen, zu den Gruppen vor Ort aufgebaut und den Austausch mit der Verwaltung vermittelt haben. Aus diesem Kommunikationsprozess hat sich das Quartiersmanagement im Lauf der Zeit immer weiter zurückgezogen. Das Engagement und die Akzeptanz auf lokaler Ebene waren hoch. Gleichzeitig hatte die Verwaltung Strukturen eingefordert, die funktionieren, wenn das Quartiersmanagement beendet wird.

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Ist ein Quartiersmanagement für den Aufbau stabiler Strukturen unverzichtbar?

Es muss aber auch eine Verbindung zu den politischen Gremien und zur Verwaltung auf gesamtstädtischer Entscheidungsebene hergestellt werden.

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SK Das Quartiersmanagement ist schon sehr wichtig. Die Frage ist vielleicht eher, wer es betreibt: Ein Dienstleister, die Stadt selbst, oder lässt sich auch jemand im Stadtteil finden, ein Akteur, der schon gut vernetzt ist und nur die Unterstützung braucht, um diese Rolle umfassender wahrzunehmen. Zentrale Voraussetzung ist, dass Vertrauen zu den Akteuren im Stadtteil aufgebaut werden kann. Das ist nicht immer einfach, denn je nach Träger werden oft schon Absichten unterstellt. Noch heute hat beispielsweise die steg Hamburg als Träger in manchen Hamburger Quartieren einen schweren Stand, weil sie aufgrund zurückliegender Projekte verdächtigt wird, eigentlich aufwerten zu wollen und eigene Interessen zu verfolgen. Deswegen ist es gut, wenn man im Stadtteil einen Akteur findet, der akzeptiert wird, von dem nicht sofort vermutet wird, ein verlängerter Arm spezifischer Interessen zu sein. TK Man braucht einen einflussreichen Fürsprecher, seien es Dezernatsleiter, seien sie aus der Politik, sonst geht das nicht. Die Verknüpfung in die Politik muss auch deswegen aufrecht erhalten bleiben, damit die Quartiersgremien legitimiert sind und auf der Ebene anerkannt bleiben, die entscheidet, dass es sie überhaupt gibt. Nicht nur die Menschen im Quartier, auch Politiker wollen sozial anerkannt werden. Gerade auf kommunaler Ebene, wo viele politische Positionen Ehrenämter sind, ist das eine wichtige Währung. PS Das Beispiel Schwäbisch Gmünd ist in dieser Hinsicht sehr aufschlussreich. Der Quartiersmanager hat dort viel Arbeit und Herzblut investiert und konnte einiges in Bewegung bringen – aber nur, solange die Politik diese Arbeit unterstützt hat. Da sich die politischen Verhältnisse und mit ihnen diese Unterstützung im Laufe des Projekts verändert haben, konnte man gut erkennen, wie sehr das Engagement vor Ort auf die (kontinuierliche) politische Unterstützung angewiesen ist. SK Es kann den Austausch zwischen Quartier und Stadt auch erleichtern, wenn das Stadtteilgremium jemanden findet und bestimmt, der für das Gremium zu sprechen legitimiert ist, der Ansprechpartner für Politik und Verwaltung ist.

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INTERVIEW MIT THOMAS KRÜGER, STEFAN KREUTZ UND PATRICK STOTZ

Das zeigt, wie schwierig es ist, die Kommunikations-Strukturen auf Quartiersebene aufrecht zu erhalten, wenn das Quartiersmanagement sich vollständig zurückgezogen hat.

Das heißt, es kann auch Fälle geben, die keine Verstetigung brauchen, sondern nur einen temporären Impuls?

Inwieweit lässt sich die Wohnungswirtschaft hierfür in die Pflicht nehmen?

Welche Rolle könnten in Zukunft zivilgesellschaftliche Akteure in der Stadtteilentwicklung einnehmen?

SK Ich vertraue auch auf die Erfahrungen, auf das Eigeninteresse der Akteure. Eigentümer werden doch, wenn sie Schwierigkeiten haben, ihre Bestände zu vermieten, wenn das Image schlecht ist, ein eigenes Interesse daran haben, dass die aufgebaute Kommunikation und der etablierte Austausch nicht abbrechen. Für die sozialen Träger gilt das genauso. Aber die Quartiere unterscheiden sich unter Umständen ganz erheblich. Der Problemdruck kann auch so groß sein, dass sich nicht die Ressourcen finden lassen, um die Funktionen des Quartiersmanagements zu übernehmen. Manchmal findet man auch einfach nicht die geeigneten Personen oder scheitert an großen persönlichen Differenzen zwischen den Akteuren. Es gilt zu unterscheiden: wo ist das Stadtteilmanagement eine Daueraufgabe und wo kann eine Initialzündung oder eine Anschubfinanzierung ausreichen? TK Die Zahlen sprechen zunächst einmal dafür, dass Verstetigung ein wichtiges Thema ist, weil die Fürsoge in vielen Stadtteilen eine Daueraufgabe sein wird. Viele Probleme lassen sich nicht auf der Ebene des Quartiers lösen. Aber wie lange ein Quartier gefördert und unterstützt wird, muss immer eine Einzelfallentscheidung sein. SK Wenn es das Ziel des Unternehmens ist, die Bestände bald wieder zu verkaufen und dabei einen höheren Preis zu erzielen, als man selbst gezahlt hatte, wird das nicht gehen – aber alle anderen, stärker bestandsorientierten UnterIch sehe ein Pronehmen lassen sich meines Erachtens dafür gewinnen. blem darin, dass Stadterneuerung und Quartiersentwicklung bei uns immer defizitorientiert sind und erst dann greifen, wenn anhand bestimmter Kriterien Missstände ausgemacht werden, die temporäre Interventionen und die Verwendung öffentlicher Mittel rechtfertigen. Warum gibt es kein präventives Quartiersmanagement, wenn sich in noch »stabilen« Quartieren abzeichnet, dass Probleme eintreten werden? Gerade hier könnte ich mir vorstellen, dass sich die Wohnungsunternehmen als Partner gewinnen lassen. Es gibt auch Unternehmen, die von sich aus aktiv werden, selbst wenn die Stadt sie nicht unterstützen kann, weil die Kriterien für eine Förderung (noch) nicht erfüllt werden. TK Wir haben eine geclaimte Landschaft – die Gemeinwesenarbeitsfraktion, die Stadterneuerer und -sanierer, die Verwaltungsakteure, die bürgerschaftlichen Akteure im Quartier, die Vereine. In dieser segmentierten Struktur gibt es Konkurrenzen, wird den Akteuren mitunter auch Misstrauen entgegengebracht. Da kann es gut sein, wenn eine Institution, die aus sich heraus neutral ist, sich aber der Stadtteilentwicklung allgemein verpflichtet fühlt, Prozesse initiiert, ihnen auf die Beine hilft und Hilfestellung gibt.

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Ist das nicht eigentlich die Rolle der Stadt?

Gilt das auch für die schwachen Stadtteile, die Stadtteile »in need«, wie sie Häußermann genannt hat?

Das Potenzial dafür ist da – aber wie sollte die Kommune in Zukunft auf zivilgesellschaftliche Initiativen reagieren?

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TK Die Kommune wird nicht als Bürgervertretung wahrgenommen, sondern als Behörde, die unter Umständen bevormundet, die ihre eigenen Interessen hat, die danach strebt, die Wege zu verfolgen, die sie für richtig hält. Eine Stiftung ist glaubwürdiger, kann integrierender wirken. Sie sollte aber ihr Engagement jeweils befristen, um neutral zu bleiben. Ich kann mir vorstellen, dass es Kraft hätte, wenn sich eine Stiftung genau darauf kapriziert, die Zusammenarbeit dieser verschiedenen Akteure, die Kommunikation, den Austausch anzustoßen und ihn über die Entwicklung gemeinsamer Projekte und Strukturen voranzubringen. TK Die Kommune muss in schwachen Stadtteilen Finanzmittel zur Verfügung stellen. Die Frage ist, wer die Kommunikation in diesem Prozess organisiert. Auch da kann die Initialfunktion zur Schaffung von möglichst selbsttragenden Strukturen von einem neutralen Dritten ausgehen, der weder die Fraktion von Sozialarbeit und Gemeinwesen noch die des Städtebaus und der Architektur vertritt. Das wäre schon allein deswegen gut, damit nicht investive Mittel gegen Gemeinwesenarbeit ausgespielt werden können. SK Wir brauchen zusätzlich zur Städtebauförderung ein Programm, vielleicht auch auf Landes- oder Bundesebene, das Gemeinschaften und Initiativen unterstützt, die von sich aus in den Stadtteilen aktiv werden wollen. Das muss nicht sehr groß sein, es sollte nicht als Dauerförderung angelegt werden und man muss zuverlässige Indikatoren entwickeln, damit das Programm nicht zweckentfremdet wird. Aber wenn die Zivilgesellschaft eigene Mittel und Ressourcen zur Quartiersentwicklung auftreibt und aktiviert, muss doch viel mehr als derzeit die öffentliche Hand mit Ressourcen, Leistungen und mit Know-how unterstützen können.

DIE ROLLE DER PIONIERE Die Arbeit unabhängiger Akteure ist eine wichtige Ergänzung für die Arbeit der Verwaltungen, weil sie sich den Themen zuwendet, für die Verwaltungen noch keine Handhabung entwickelt haben. Es muss ein neues, am großen Bestand orientiertes Verständnis davon entwickelt werden, wie das Verhältnis zwischen investiven und konsumtiven Maßnahmen ausbalanciert werden kann. Für die Zukunft der Stadtentwicklung wird entscheidend sein, wie die Verwaltung das von unabhängigen Akteuren Geleistete aufgreifen und fortführen kann.

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Thomas Sieverts hat als Stadtplaner und Hochschullehrer über Jahrzehnte Architekten und Stadtplaner mit seinen Thesen und Projekten inspiriert. Er war bei der Auswahl der Stipendiatinnen im Projekt KALKschmiede* beteiligt und hat die Entwicklung des Projekts kontinuierlich verfolgt. Im Interview äußert er sich zur Rolle von Pionieren, von zivilgesellschaftlichen Akteuren in der Stadtentwicklung und spricht über Voraussetzungen, derer es bedarf, damit die Arbeit solcher Pioniere von der öffentlichen Hand aufgegriffen und fortgeführt werden kann.

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I NTE RV IE W MIT TH O MAS S IE V E RTS

Eine Stiftung mischt sich in Quartiersentwicklung ein: Wie wichtig ist diese Position eines von außen agierenden Partners der Stadtentwicklung?

Es ist sehr wichtig, dass es Initiativen »beyond institutions« gibt, die ohne die Bindungen der Bürokratie die Freiheit haben, neue Wege zu gehen. Ein Partner wie die Montag Stiftung nimmt, wie hier exemplarisch bei der KALKschmiede*, eine zentrale Rolle ein als eine notwenige Ergänzung zu staatlicher Förderung, zum Planungshandeln und zur Programmorientierung der öffentlichen Hand.

Ist hier Programm im Sinne von Städtebauförderung gemeint oder im Sinne des Programms, dass sich die Stadt selbst gibt als Leitlinien der Stadt- oder der Stadtteilentwicklung?

Ich meine das ganz formal, bezogen auf die Funktionsweisen der Bürokratie, bezogen auf die notwendigen Wege, auf denen Beschlüsse gefasst und Mittel zugewiesen werden. Diese Wege sind festgelegt und definiert. Die auf Kontrolle und auf den Nachweis der Mittelverwendung, auf Legitimation ausgerichteten, arbeitsteiligen Bürokratien können das, was über den Weg des Experiments von freien Trägern, von unabhängigen Initiativen eingebracht werden kann, selbst nicht leisten. Die Arbeit unabhängiger Träger ist eine Ergänzung, die sich den neuen Themen zuwendet, für die die Planung der Verwaltungen noch keine Handhabung entwickeln konnte. Das betrifft etwa die neuen Formen der selbstverantworteten Solidarität zu neuen Formen jenseits der Familie, für die der Bedarf dermaßen zunimmt, dass wir Pioniere brauchen, die das leben.

Die KALKschmiede* ist allerdings mit einem anderen Anspruch gestartet, nämlich mit dem, Stadtteilentwicklung zu betreiben.

Das ist sicher ein anderer Fall, aber auch in der Stadtteilentwicklung gilt, dass die Verwaltung Partner außerhalb ihres eigenen Systems braucht. Auch die KALKschmiede* hat Ideen entwickelt, die aus der Planungsverwaltung nicht hätten kommen können.

Ist es sinnvoll, sich auf diese Arbeitsteilung zwischen Akteuren außerhalb der Verwaltung und der Verwaltung selbst zu verlassen? Oder muss sich langfristig auch etwas innerhalb der Verwaltungen ändern?

In der Verwaltung, im bürokratischen System wird sich sicher nur bedingt etwas ändern. Eine Bürokratie kann nicht innerhalb des Systems das System in Frage stellen, dass kann nur von außerhalb kommen, wie zum Beispiel durch das Projekt der KALKschmiede*. Auch neue Verbindungen herzustellen, neue Ansätze etwa in der Bildungsarbeit vorzuschlagen: Das können die Institutionen von sich aus nicht, weil sie fixierte Aufträge haben, die sie erfüllen müssen und an die sie gebunden sind.

Sie sehen es als legitim an, dass Akteure wie die Montag Stiftung außerhalb der normalen, parteigeleiteten Demokratie, ohne einen kommunalen Auftrag agieren?

Ja, unbedingt. Hier wird deutlich, dass eines der ganz zentralen Felder zukünftiger Planungspraxis sein muss, die Nahtstelle zwischen der Institution und Akteuren außerhalb der Institution zu untersuchen und zu fragen, wie eine Verwaltung ihre Aufgaben erfüllen und sich gleichzeitig über das Kooperieren neuen Fragestellungen öffnen kann. Tatsächlich hatte sich ja auch gezeigt, dass im Falle der KALKschmiede* die Verwaltung Schwierigkeiten hatte, mit dieser zivilgesellschaftlichen Initiative umzugehen.

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Ich höre aus Ihren Äußerungen ein Plädoyer für Ausnahmezustände heraus, die es der Verwaltung erlauben, sich entsprechend zu öffnen.

Wir brauchen Ausnahmezustände – ohne sie gleich als spektakuläre Ereignisse wie eine IBA anzulegen. Gefragt sind sie auf einem sehr viel niedrigeren, sehr viel kleinräumigeren Niveau, um Kriterien zu finden, an denen man sich orientieren kann, um einen Umgang mit neuen gesellschaftspolitischen Zielen und neue Aufgaben zu finden. Ein solcher Ausnahmezustand braucht einen eigenen Raum, einen Schutzschirm, den eine Stiftung gewährleisten kann.

Das Projekt KALKschmiede* wurde zu Beginn als Stipendienprogramm strukturiert. Wie bewerten Sie diesen Versuch heute?

Das Stipendienprogramm hatte zum einen das Problem, dass ein Stipendiat kein Empfänger von Anweisungen ist. Er arbeitet frei, und die Stiftung hatte nicht die Möglichkeit, konkret auf die Arbeit einzuwirken. Zum anderen ist ein Stipendienprogramm geeignet für eine abstrakte Arbeit, für eine Studienarbeit, aber in der praktischen Planungsarbeit innerhalb eines Stadtteils, in der Konfrontation mit den dort lebenden Menschen, geht man mit einem solchen Programm in der Verantwortung für das Quartier und die Menschen vor Ort ein hohes Risiko ein. Das Problem des Stipendienprogramms war es, dass die Stipendiatinnen in erster Linie (berechtigterweise) für sich selbst etwas gewinnen wollten. Aber auch mir ist das erst im Nachhinein bewusst geworden.

Wenn man jetzt wieder auf einen Stadtteil zuginge, müsste man zuerst analysieren, was eigentlich für Menschen, für Fähigkeiten, für Talente gefragt sind, bevor man Vorschläge macht und Aktionen startet?

Es ist richtig, dass man für ein solches Projekt eine Phase der Analyse durchlaufen muss, aber man muss auch eine Haltung, eine Position haben, mit der man an eine solche Arbeit herangeht. Das ist das Paradoxon an einer solchen Aufgabe: Man muss eine starke Haltung haben, dann aber auch bereit sein, umzudenken, wenn man auf Widerstand stößt. An der KALKschmiede* ließ sich gut beobachten, wie es nach dem ersten Schritt, nach dem anfänglichen Scheitern gelungen ist, einen passenden und der Aufgabe adäquaten Weg einzuschlagen. Dazu war aber der Mut zum ersten Schritt notwendig.

Als Stiftung haben wir gelernt, dass wir zu schwach sind, wenn wir nur als Moderatoren agieren. Wo war im Nachhinein aus Ihrer Sicht die KALKschmiede* schlagkräftig und wo war sie nicht stark genug?

Sie war überall dort schlagkräftig, wo es gelungen ist, starke persönliche Beziehungen aufzubauen und über diese persönlichen Beziehungen Einfluss zu nehmen und Wirkung zu entfalten. Hier ist es gelungen, eine richtige Mischung aus Moderation und eigenem Handeln zu finden und Strukturen wie den Wohndialog zwischen den beteiligten Wohnungsbaugesellschaften und weiteren Partnern aufzubauen, die auch nach dem Ende des Engagements weiter bestehen.

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Liegt eine Gefahr darin, wenn eine Stiftung sich in den Kontext eines Quartiers mit einem eigenen Projekt begibt und dann, wie hier nach dreieinhalb Jahren, das Quartier wieder sich selbst überlässt?

Es ist absolut notwendig, dass sich eine Stiftung ein Zeitlimit setzt. Ob das drei oder zehn Jahre umfasst, ist dabei nicht so entscheidend, wichtig ist, dass es von Anfang unmissverständlich ist, dass sie den Ort wieder verlässt, weil man sie sich sonst möglicherweise nicht mehr wegdenken kann. Das gilt für eine Initiative wie die Ihre genauso wie für eine IBA. Ich konnte in Frankreich beobachten, was passiert, wenn kein Zeitlimit besteht, dann werden die Stiftungsinitiativen weiterfinanziert und arbeiten parallel zu den Institutionen der öffentlichen Hand auf dem gleichen Feld, was am Ende sehr teuer wird, ohne produktiv zu sein. Es ist aber nicht falsch, wenn am Ende des Engagements für eine kurze Zeit eine Lücke entsteht, ein Vakuum spürbar wird. Das führt dazu, dass die Menschen, dass die Partner des Projekts nun etwas Entscheivermissen, von dem sie wissen, dass es eine Relevanz hat. dend wird sein, wie es Städten gelingt, den Bereich zwischen zivilgesellschaftlichem Engagement und eigenem Verwaltungshandeln zu füllen und für die Zeitdauer des begrenzten Engagements eine Beziehung aufzubauen, die es erlaubt, am Ende dieses Engagements das Geleistete aufzugreifen und fortzuführen. Denn irgendwann muss sie sich bekennen: Will sie das von anderen Begonnene weiterführen oder nicht?

In welchen Themenfeldern brauchen wir diese Ausnahmezustände, wie es die KALKschmiede* einer gewesen ist?

Ich glaube, man braucht sie zum Beispiel in den ländlichen Räumen, wo die Bevölkerungszahlen zurückgehen, wo aber immer noch gewährleistet sein muss, dass Standards der Versorgung und des Bildungsangebots eingehalten werden. Es kann aber innerhalb der Städte genauso eine Herausforderung sein, dafür zu sorgen, dass die unterschiedlichen Situationen nicht über ein hierarchisches System bewältigt werden, sondern dass der Gedanke der Subsidiarität gestärkt wird. Für sehr wichtig halte ich die Pionierarbeit überall dort, wo sich neue Lebensstile, neue Lebensweisen mit neuen Ideen im Bereich des Sozialen verknüpfen, aber auch dort, wo sie sich mit ökologischen Ansprüchen verbinden. Auch für die Herausforderung des interkulturellen Zusammenlebens können solche Ausnahmezustände einen Impuls geben, Anregungen vermitteln, wie das Zusammenleben besser gemeistert werden kann. Allerdings darf sich das nur auf das beschränken, was nicht der großen Kontinuität bedarf, was kurzfristig etwas anregen kann, um nicht in die Falle der Unverzichtbarkeit zu tappen.

Damit ist indirekt auch die Sehnsucht von Stadtentwicklern angesprochen, dass man sich nach einer bestimmten Zeit aus einem Stadtteil wieder zurückziehen kann. Ist das eine Sehnsucht, die wir aufgeben sollten?

Es wird Stadtteile geben, in denen man auf absehbare Zeit auf eine Form der aufbauenden Arbeit von Stiftungen und Stadt nicht verzichten kann; es ist aber auch immer eine Gratwanderung, zu erkennen, wann für die Stadt der richtig Moment gekommen ist, das Engagement der Stiftung oder der Stadt zu reduzieren oder zu beenden, weil der Stadtteil selbst eigene Kräfte aufgebaut hat oder aufbauen kann.

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In solchen Prozessen geht es auch darum, abzuwägen, inwiefern man mit Gebäuden, mit investiven Maßnahmen reagieren kann. In vielen Förderprogrammen ist der Anteil für solche investiven Maßnahmen sehr hoch – ist er zu hoch?

Meistens. Der Gebäudebestand in unseren Städten ist zu groß, als dass man immer wieder neu bauen müsste – die Häuser, die benötigt werden, stehen meistens schon. Es ist eine ganz wichtige Aufgabe unserer Zeit, zu lernen, dass wir zuerst danach schauen müssen, ob das, was wir brauchen, nicht schon da ist. Das Bauen kann auch ein süßes Gift sein, das den Anschein gibt, ein Problem würde damit gelöst. Sich darauf einzustellen, dass wir uns auf das Umbauen, möglicherweise mit wenigen Mitteln, mit wenigen strategischen Eingriffen konzentrieren müssen, erfordert ein gewaltiges Umdenken, auch in Bezug darauf, wie wir sozialräumliche Prozesse betrachten und bewerten.

Ließe sich die sehr einflussreiche Städtebauförderung auch auf eine Weise entwickeln, dass nicht mehr das Bauen, sondern der Gebrauch eines Gebäudes, seine soziale Nutzung gefördert würde anstatt das Gebäude selbst?

Wenn das gelänge, wäre das ein gewaltiger Fortschritt. Es wäre gut, wenn es sich öffentlich fördern ließe, dass die Nutzung des Gebäudes moderiert werden könnte. Das ließe sich in verschiedenen Abstufungen denken, so dass beispielsweise auch die temporäre Nutzung von bestehenden Leerständen mit in die Förderung einbezogen werden könnte.

Die Stärke des Bauens ist immer noch, dass sie Handlung symbolisiert. Auch in der KALKschmiede* wurden die ersten beiden Jahre, in denen nicht in das Bauen investiert wurde, wahrgenommen als eine Zeit, in der nur geredet wurde. Das änderte sich erst, als die Wohnungsbaugesellschaften entschieden haben, abzureißen und neu zu bauen, als der Veedelshausmeister begonnen hat, Reparaturen vorzunehmen und zu renovieren.

Aber das zeigt ja auch, dass diese symbolische Bedeutung des Bauens, die man nicht vernachlässigen soll, auch nicht vernachlässigen muss, sich auch mit anderen Mitteln erreichen lässt – durch Sanieren, durch ganz einfache, aber sichtbare Veränderungen im Bestand.

Wichtig war auch, dass wahrgenommen werden konnte, dass es ab einem bestimmten Zeitpunkt weniger Müll im Stadtteil gibt.

Das ist ein gutes Beispiel für etwas, das von Stadtplanern zuerst einmal meist nicht gesehen, nicht erkannt wird – das sich aber für die Menschen im Viertel als essentiell herausstellt. Es ist kaum zu unterschätzen, wie wichtig es ist, wenn die Menschen feststellen, dass sich jemand um diese Dinge kümmert und sich jemand um sie sorgt.

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Wenn in Kalk Nord ein Aufwertungsprozess in Gang kommt, nachverdichtet wird, alternative Wohngruppen hier eine Chance bekommen – besteht das Problem, dass hier ein Prozess der Verdrängung einsetzt?

Diese Gefahr besteht meines Erachtens derzeit noch nicht. Zunächst kommt die Verbesserung, die geleistet wurde, direkt den Menschen zugute, die dort leben. Und sie hatten diese Verbesserung dringend nötig. Aber es gibt ja, falls die Gefahr der Verdrängung tatsächlich realistisch werden sollte, auch Möglichkeiten der Einflussnahme. In Kalk Nord haben Sie es geschafft, dass die GAG in geförderten Wohnungsbau investiert, damit besteht für die nächste Zeit zunächst einmal ein gewisser Schutz. Man soll ja aber auch einem Quartier keine Glasglocke überstülpen. Wichtig ist es, dass die Bevölkerung zumindest in Teilen fähig wird, ihre eigenen Interessen zu artikulieren und Fürsprecher zu gewinnen. Das kann eine Stiftung zumindest ein Stück weit fördern. Wenn darüber hinaus harte Instrumente gefragt sind, etwa der Erwerb von Beständen, die als sozialer Wohnungsbau gehalten werden oder für Festsetzungen von Grundstücken, die in Erbbaurecht vergeben werden dürfen, ist sie nicht mehr zuständig; darüber muss die Stadt entscheiden.

Hätte die Stiftung sich auch dafür engagieren können, die Bewohner zu stärken und einen Widerpart zur Wohnungswirtschaft zu bilden?

Das wäre keine Alternative gewesen wäre. In Kalk Nord war es doch auch so, dass die Menschen noch nicht die Energie hatten, sich so zu organisieren. Das in die Wege zu leiten hätte vermutlich auch die Stiftung überfordert. Gerade die in Köln noch lebendige Tradition der öffentlich verantwortlichen Hausund Wohnungsbaugesellschaften bieten ja einen Ansatz für Kooperation.

Sollte sich eine Stiftung nur engagieren, wenn sie auf eine gut vorbereitete Kommune trifft?

Ich denke nicht. Sonst vergibt sie einen Teil des Potenzials, das sie einbringen kann und verstärkt möglicherweise damit auch noch das Gefälle zwischen den Kommunen, die eine gut funktionierende Verwaltung haben, die gut vernetzt sind, wo die Arbeit von Politik und Verwaltung gut aufeinander Sicher wäre es abgestimmt sind und denen, wo das nicht der Fall ist. ein Idealfall, mit einer gut vorbereiteten Kommune zusammenzuarbeiten, die genau weiß, wo sie auf die Hilfe eines Akteurs aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich angewiesen ist und die diese Hilfe direkt gewinnbringend in Anspruch nehmen kann. Aber vielleicht braucht eine solche Stadt eine Stiftung wie die Montag Stiftung gar nicht wirklich – es gibt solche Städte ja, was auch zeigt, dass unser Staatswesen in dieser Hinsicht richtig aufgebaut ist. Die Kommunen haben bei uns ja eigentlich sehr viel Gestaltungsmöglichkeiten, die sie aber leider meist viel zu selten nutzen. Das ist bei uns ganz anders als etwa in Frankreich oder auch in den Niederlanden. Deshalb sollten sich die Stiftungen in Deutschland gerade auch auf Problemfälle konzentrieren, auch wenn eine solche Arbeit zunächst weniger dankbar erscheint.

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VIER FRAGEN ZU KALK NORD

1 Warum lohnt es sich, sich in Kalk Nord zu engagieren? 2 Wie hat sich Kalk Nord in den vergangenen Jahren verändert? 3 Was erhoffen Sie für die Zukunft von Kalk Nord? 4 Welche Partner müssen in Zukunft gewonnen werden, damit die Entwicklung weiter geht?

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VIER FRAGEN ZU KALK NORD

1 Warum lohnt es sich, sich in Kalk Nord zu engagieren? 2 Wie hat sich Kalk Nord in den vergangenen Jahren verändert? 3 Was erhoffen Sie für die Zukunft von Kalk Nord? 4 Welche Partner müssen in Zukunft gewonnen werden, damit die Entwicklung weiter geht?

Ralf-Peter Kötter Deutsche Annington Business Management GmbH, Business Manager Geschäftsbereich Ruhr/Rheinland

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Ich bin davon überzeugt, dass Kalk Nord erhebliches Entwicklungspotenzial besitzt. Diese Entwicklung hat vor ungefähr zehn Jahren ihren Anfang genommen und ist von der linksrheinischen Seite auf die rechtsrheinische übergesprungen. Zunächst nach Deutz, nun aber auch zunehmend in die angrenzenden Bereiche Mülheim und Kalk, in Kalk zuerst sichtbar an der Kalker Hauptstraße und den angrenzenden Gebieten durch Wohnungsneubauten und die Kalker Arkaden. Ich erwarte, dass dieser Funke auch in den Kalker Norden überspringt, wenn die Beteiligten ihren Beitrag dazu leisten.

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Die positive Entwicklung hat in einigen Teilen von Kalk schon begonnen. Durch Neubau konnte eine neue Klientel an Kalk gebunden werden. Durch die Ansiedlung von moderner Infrastruktur für Konsumenten ist auch die Attraktivität als Einkaufsstandort gestiegen. Diese Entwicklung gilt es weiterzuführen.

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Ich erhoffe mir, dass die Zusammenarbeit unter den Immobilieneigentümern fortgesetzt wird, um ein Klima der verbesserten Investitionssicherheit zu schaffen.

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Neben den Immobilieninvestoren muss eine Reihe von zusätzlichen Partnern für Kalk Nord gewonnen werden, ohne die es keine positive Entwicklung geben wird. Dazu zählt in erster Linie einmal die Stadt, die sich endlich zum Standort bekennen und die Handlungsnotwendigkeit erkennen muss und die für die notwendige Infrastruktur sorgen sollte: Eine ausreichende Kita-Versorgung, angemessen ausgestattete Schulen, ein attraktiverer öffentlicher Raum ... Daneben gilt es, Förderpartner zu gewinnen, die eine Interessenkoordination in den nächsten Jahren gewährleisten, damit die vielen guten Ansätze der letzten Zeit nicht wieder im Sande verlaufen. Hier sind durch die KALKschmiede* eine ganze Reihe von Anstößen geliefert worden, die weiterverfolgt werden müssen.

Thomas Tewes Hauptgeschäftsführer Kölner Hausund Grundbesitzerverein von 1888 e.V.

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Der Kölner Haus- und Grundbesitzerverein von 1888 hat in Kalk Nord einen nicht unerheblichen Bestand an Mitgliedern. Wir sehen es als eine Verpflichtung an, uns im Sinne der Mitglieder nicht nur um Partikularinteressen, sondern auch um das Gesamtwohl zu kümmern. Dies beinhaltet die Beschäftigung mit Themen wie Wohnumfeld, Stadtgestaltung, aber auch Quartiersentwicklung im Hinblick auf soziale Strukturen. Ein von uns bereits behandeltes Themenfeld ist die altersgerechte Ertüchtigung von Immobilien und deren Wohnumfeld. In Kalk Nord kümmert sich der Verein nun auch konkret um die Quartiersentwicklung im gesamtheitlichen Sinne. Dies stellt für alle Akteure eine große Herausforderung dar, der sich der Verein aber gerne zu stellen bereit ist. So können auch die privaten Eigentümer ihren Teil zu einer positiven Stadtentwicklung beitragen.

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Seit der Wohndialog in Kalk Nord tätig ist, hat sich nach Ansicht des Vereins vor allem durch die Tätigkeit des Veedelshausmeisters der Zustand des öffentlichen Raums gebessert, aber auch die dort wohnende Bevölkerung hat einen unmittelbareren Bezug zu ihrem Quartier gewonnen. Der Wohndialog konnte hier darauf aufbauen, dass die Anwohner eine positivere Einstellung zu ihrem Viertel haben, als man das vermutet hatte – das hatte sich erst durch eine Bewohnerumfrage gezeigt. Die Einladung zum Dialog wurde von vielen Bewohnern angenommen, mündete in gute Ergebnisse und machte vor allem unmissverständlich deutlich, dass Kalk Nord kein »vergessenes« Stadtviertel ist. Insofern hat sicher auch die positive Berichterstattung in den Medien dazu beitragen, dass sich auch über die Grenzen von Kalk Nord das Ansehen des Viertels gebessert hat. Vor allem besteht von Seiten des Vereins die Hoffnung, dass sich Politik und Verwaltung der Stadt Köln ihrer Verpflichtung gegenüber Kalk Nord bewusst werden. Um das private Engagement vor allem der Wohnungswirtschaft vor Ort zu würdigen, wäre es wünschenswert, wenn, gemäß den Aussagen des Oberbürgermeisters, auch die öffentliche Hand sich aktiv am Aufwertungsprozess in Kalk Nord beteiligte. Dies ist vor allem deshalb dringend geboten, da viele Aufgaben hoheitlicher Natur sind und nur durch die Verwaltung genehmigt und Wichtigster durchgeführt werden können. Baustein im Fortkommen des begonnenen Prozesses ist nach dem Ausscheiden der KALKschmiede* die Installierung eines neuen Moderators, ohne den sich dieser Prozess kaum wird fortsetzen lassen.

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Die Akteure in Kalk Nord haben sich bereits zusammengefunden. Einer Ausweitung darüber hinaus bedarf es zurzeit nicht. Maßgabe ist vorrangig die Erfüllung der im Integrierten Handlungsprogramm 2012+ niedergelegten Schritte, die mit allen am Prozess Beteiligten abgestimmt wurden. Es geht also zuerst darum, die beteiligten Akteure so zu vernetzen, dass die angefangenen Arbeiten zu handfesten Ergebnissen führen. Für Kalk Nord wäre schon Erhebliches erreicht, wenn die Ziele, auf die man sich verständigt hat, auch langfristig erreicht werden können.

Sybille Wegerich und Kathrin Möller Vorstand der GAG Immobilien AG

1

In Kalk Nord steckt jede Menge ungenutzte Energie. Mit überschaubaren Mitteln lassen sich dort positive Veränderungen erreichen, die spürbar sind – von Einzelnen und von der Allgemeinheit. Der Stadtteil und die Menschen, die dort leben, haben das Bedürfnis nach neuen Impulsen, nach einem Gefühl von Heimat und Verwurzelung.

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Es ist ein neues Selbstbewusstsein entstanden, verknüpft mit der Einsicht, dass keiner alleine, aber alle gemeinsam Ziele erreichen können. Auch wenn es nur in kleinen Schritten voran geht. Entscheidend ist, dass die Mutlosigkeit der Menschen und der engagierten Akteure sich in Zuversicht gewandelt hat. Sicherlich geht von unserem Neubauvorhaben ein deutliches und sichtbares Signal aus. Aber auch kleine Fortschritte, ein paar Quadratmeter mehr Grün, weniger wilder Müll, ein freundliches Gesicht bei mittlerweile nicht länger anonymen und unbekannten Nachbarn – all das kann man beobachten. Es ist sauberer, sicherer und auch ein Stück optimistischer geworden.

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1 Warum lohnt es sich, sich in Kalk Nord zu engagieren? 2 Wie hat sich Kalk Nord in den vergangenen Jahren verändert? 3 Was erhoffen Sie für die Zukunft von Kalk Nord? 4 Welche Partner müssen in Zukunft gewonnen werden, damit die Entwicklung weiter geht?

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Es ist wichtig, Perspektiven zu schaffen und Zusagen auch einzuhalten. Ganz wichtig neben der Investition in Häuser und öffentliche Flächen sowie in diverse Initiativen zur Integration sind Investitionen in Bildung. Die Chance auf Bildung für Kinder und Jugendliche ist die Chance für Familien, in Kalk Nord eine Heimat zu finden. Das kann nicht ohne die Beteiligung von privatem und öffentlichem Engagement geschehen. Hier sind langfristige und konstante Konzepte mit konkreter Umsetzung gefragt. Strohfeuer werden nicht weiterhelfen. Vor allem müssen sich die Bewohner für ihren Stadtteil engagieren. Sie müssen selbst aktiv werden, fordern und sich gegenseitig fördern. Es geht nicht darum, abzuwarten und zu konsumieren, hier muss die vorhandene Kraft jedes Einzelnen in die gemeinsame Entwicklung des Stadtteils fließen. Flankierend sind Bildung und Infrastruktur wichtig sowie die Chance auf eine positive wirtschaftliche Entwicklung. Und natürlich müssen die bereits gewonnenen Partner unvermindert weiter daran arbeiten, Kalk Nord voran zu bringen.

Andreas Breil Veedelshausmeister, Kalk Nord

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Ich lebe seit 1974 in Kalk. Es ist ein Viertel mit Ecken und Kanten, wo es viel Positives und Negatives gibt – also ein Viertel wie jedes andere auch. Die Medien betonen meiner Meinung nach zu sehr die negativen Aspekte. Für eine Sache, zu der man mit Leib und Seele steht, lohnt sich Engagement immer. Kalk war immer ein Arbeiterviertel, dessen Bewohner Arbeit hatten. Weil in Kalk fast nicht mehr industriell produziert wird, ist in Kalk Nord die Arbeitslosigkeit stark angestiegen. Doch mit der Arbeitslosigkeit ist auch ein Stück Lebensqualität verlorengegangen. Das macht sich vor allen im Kalker Norden und in der Kalker Hauptstraße bemerkbar.

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Ich erhoffe mir eine Besserung der sozialen Verhältnisse und eine direktere und unkomplizierte Beziehung zwischen den Wohnungsbaugesellschaften und den Bewohnern. Das Viertel benötigt natürlich auch eine finanzielle Unterstützung seitens der Stadt Köln: In Kalk muss investiert werden.

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Wir haben sehr viel Glück hier in Kalk, dass der Wohndialog gegründet worden ist. Mit Hilfe der Montag Stiftung Urbane Räume konnte Kalk ein großes Stück vorangebracht werden. Wir wären sehr dankbar, wenn sich groß ebenso wie kleine Firmen aus Kalk für Verbesserungen im Quartier engagieren würden.

Savas Calisir VIKZ e.V. Ausbildungsstätte Kalk

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Kalk Nord ist ein sehr schöner, spannender und multikultureller Stadtteil mit einer langen Geschichte. Viele Nachbarschaften existieren schon sehr lange. Zudem benötigen die Menschen, die dort leben, häufig eine helfende und lenkende Hand.

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Kalk Nord ist bunter geworden. Viele Menschen sind nach Kalk gezogen, auch wenn Kalk allgemein nicht der schönste Stadtteil in Köln war. Es hat sich aber einiges getan in den Bereichen Sauberkeit, öffentlicher Raum und Wohnumfeld.

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Ich hoffe, dass Kalk Nord ein attraktiverer Stadtteil wird, dass die Straßen und Parks weniger vermüllt sind, dass das interkulturelle Zusammenleben besser funktioniert und dass die Migrantinnenselbstorganisationen besser bei der Stadt integriert sind.

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Externe Partner wie die KALKschmiede* sind natürlich sehr viel wert. Unabhängig davon müssten aber die städtischen Organisationen und Ämter sowie die Religionsgemeinschaften und Institutionen besser zusammenarbeiten und vernetzt sein. Die städtische Seite könnte dabei mehr Bedeutung bekommen, sie müsste als stabiler Partner gewonnen werden, der die positive Entwicklung weiter fördert.

Michael Janas Teamleiter und pädagogischer Mitarbeiter der Jugendeinrichtung Pavillon des Pavillon e.V.

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Kalk Nord ist ein Stadtviertel mit besonderem Flair. Hier leben und begegnen sich Menschen aus vielen Herkunftskulturen. Das Miteinander ist dadurch manchmal spannungsgeladen, bringt jedoch auch viele verschiedene positive Ressourcen mit sich. Jugendliche auf ihrem Weg in ein selbständiges Leben zu begleiten, ist die Zielsetzung des Pavillon e. V. Die Vermittlung von Werten wie Respekt und Toleranz durch ein vielfältiges Team, bestehend aus sicheren Bezugspersonen, die in Vorbildfunktion offene Kinder- und Jugendarbeit leisten, zählt zu den Kernaufgaben in der pädagogischen Arbeit. Jugendlichen in beengten Wohnverhältnissen öffentliche Aufenthaltsorte und Rückzugsräume zu bieten, in denen sie akzeptiert werden und sich in allen Lebensbereichen Rat und Hilfe zu holen, ist Motivation für unsere Arbeit vor Ort.

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Durch das Engagement der KALKschmiede* sind verschiedene Themen in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. So ist die Verbesserung des Wohnungsangebotes durch Sanierungen und Neubauprojekte bereits in vollem Gang. Dank der Arbeit des Veedelshausmeisters, die unter anderem dafür gesorgt hat, dass die Straßen weniger vermüllt sind, wurde das Interesse der Bewohner am Stadtteil geweckt. Durch die Bemühungen des Veedelshausmeisters wurden die Verwaltung und die Versorgungsbetriebe dazu aktiviert, Missstände zu beseitigen und die Lebenssituation in Kalk Nord nachhaltig zu verbessern.

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Aus Sicht vieler Jugendlicher ist es wünschenswert, dass in Kalk Nord familiengerechter Wohnraum entsteht, der bezahlbar ist. So wird möglich, dass Menschen, die gerne hier leben, dauerhaft im Viertel wohnen bleiben können. Wegzugstendenzen, die wir in den letzten Jahren häufig beobachtet haben, können so vermieden und eine stabile Bewohnerstruktur kann gefördert werden. Für die Kontinuität in der Jugendarbeit des Pavillon e. V. ist eine langfristige räumliche und finanzielle Planungssicherheit notwendig, um dauerhaft vielfältige und den Interessen der Jugendlichen entsprechende Angebote unterbreiten zu können.

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Für die Bewohner, für die Initiativen und Institutionen in Kalk Nord ist das Engagement der Wohnungsbaugesellschaften, der Politik und der Verwaltung gleichermaßen von Bedeutung. Alle gemeinsam können mit ihren Ressourcen aktiv zur Weiterentwicklung des Viertels beitragen und Kalk Nord zu einem lebenswerten Stadtteil werden lassen.

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1 Warum lohnt es sich, sich in Kalk Nord zu engagieren? 2 Wie hat sich Kalk Nord in den vergangenen Jahren verändert? 3 Was erhoffen Sie für die Zukunft von Kalk Nord? 4 Welche Partner müssen in Zukunft gewonnen werden, damit die Entwicklung weiter geht?

in Kalk viele Menschen mit Migrationshintergrund, die den Stadtteil prägen, da sie hier kleine Geschäfte und Unternehmen gegründet haben. Kalk zeichnet sich durch eine hohe gesellschaftliche Vielfalt aus, die nicht immer von Chancengerechtigkeit und Konfliktfreiheit geprägt ist. Dazu trug auch die Ansiedlungs- und Umsiedlungspolitik der Stadt Köln bei. Durch starke Zuwanderung und die Präsenz von alteingesessenen Menschen mit Migrationshintergrund hat sich eine multikulturelle Gesellschaft entwickelt. Menschen verschiedenster Herkunft leben auf engem Raum nebeneinander. Ein Teil der arbeitslosen Menschen versucht, sich selbständig machen.

Nuran Kancok Integrationsagentur der AWO, Bezirksverband Mittelrhein e.V.

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Kalk Nord ist nicht nur ein sozialer Brennpunkt, der gekennzeichnet ist von Arbeitslosigkeit, Armut in den Familien und Schulabbrechern, Kalk Nord hat auch den Charakter der Vielfalt. Vielfalt birgt Potenzial. Viele soziale Einrichtungen, städtische Dienste, Kitas und Schulen arbeiten seit vielen Jahren zusammen und nehmen den Bedarf der Menschen auf, um entsprechende Angebote zu installieren: sozialräumliche Gemeinschaftsaktivitäten wurden durchgeführt, ehrenamtliches Engagement und Bürgernähe wurde gefördert, besonders in Zeiten knapper kommunaler Ressourcen. In der Vergangenheit konnte Kalk auch im Norden unter Beweis stellen, dass diese Bemühungen erfolgreich Selbsthilfepotenziale sind umgesetzt wurden. vorhanden und werden genutzt. Auch Nachbarschaftshilfe war in Kalk Nord in der Vergangenheit sehr präsent, hat aber aufgrund der Herausforderungen, die die neuen Zuwanderungsströme mit sich bringen, sehr nachgelassen. Ehrenamtliches Engagement ist dann stark, wenn die entsprechende Basis, das heißt die Koordination vorhanden ist. Engagement in Kalk Nord zu fördern lohnt sich, weil auf den positiven Erfahrungen der letzten Jahre aufgebaut werden kann. Sie zeigen, dass dieser Stadtteil Beispielcharakter für die Lösung sozialer Probleme hat. Hierzu sind die Ergebnisse der KALKschmiede* und das Integriertes Handlungsprogramm Kalk Nord 2012+ zu beachten. Es war schon vor etwa 20 Jahren voraussehbar, dass sich Kalk Nord zu einem Problemgebiet entwickeln und sehr unter der Segregation von Arm und Kalk zeichnet sich durch Reich leiden wird. eine hohe Arbeitslosigkeit, Armut, soziale Benachteiligung und Marginalisierung aus. Mit dem Niedergang der nahegelegenen Industrie und der damit verbundenen Schließungen der Fabriken wurden hier viele Menschen arbeitslos. Nach wie vor leben

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Die Installierung eines Quartiersmanagements zur Vermittlung zwischen Politik, Verwaltung, sozialen Einrichtungen, Hauseigentümern, Wohnungsbaugesellschaften und Bürgern würde das Viertel lebenswerter und lebendiger machen. Ein Quartiersmanagement soll zur Verbesserung der Wohn-, Lebens- und Arbeitssituation beitragen sowie für wohnortnahe Angebote sorgen. Beispiele dafür sind ein Elterncafé mit pädagogischem Ansatz, Freizeitbeschäftigung für Familien, soziale Beratung mit aufsuchendem Charakter, eine InfoDas Schulamt und die Börse und Streetwork. Bezirksregierung müssten die Verantwortung dafür übernehmen, dass Kinder und Jugendliche aus Rumänien und Bulgarien Schulplätze ohne Wartezeiten bekommen.

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Schlüsselpersonen und Brückenbauer aus den jeweiligen Communities sollten sich für ihren Stadtteil engagieren. Sie sollten viele Bewohner kennen und gute Kontakte zu ihnen haben. Die Wohnungspolitik sowie die Wohnungsbaugesellschaften vor Ort sollten insbesondere darauf achten, dass alteingesessene Bewohner nicht wegziehen und der weitere Zuzug der Menschen von außerhalb gestoppt wird. Dies würde dem Gefühl der Überfremdung im eigenen Stadtteil, in dem sich viele Menschen nicht mehr wohl- oder nicht mehr sicher

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fühlen, entgegenwirken. Bei Projekten und Aktionen ist darauf zu achten, dass sie langfristig angelegt sind, weil sie dann viel eher das soziale Klima in Kalk Nord verbessern. Ein weiteres großes Problem neben Armut und Arbeitslosigkeit ist das von Schule und Bildung: Zwei Hauptschulen wurden aufgrund des Rückgangs der Schülerzahlen geschlossen. Jedoch sehe ich neben dem dringenden Bedarf an Seiteneinsteigerklassen und Alphabetisierungsgruppen absolute Priorität darin, Schulplätze für zugewanderte Kinder und JugendSchulsozialarbeiter liche zu gewährleisten. sind wichtig, die mit Lehrern, Eltern und Schülern zusammenarbeiten. Sie sollten interkulturell geschult sein, sich im Bildungs- und Ausbildungssystem auskennen, gute Kontakte zur Industrie- und Handelskammer, zur Handwerkskammer und zu Handwerksbetrieben haben. Auch Schülerpatenschaften in den Schulen könnten helfen. In Köln Kalk wohnen viele Studierende, die man als Paten gewinnen könnte. Oft fehlt es an gesundheitlicher Versorgung, weil Menschen nicht krankenversichert sind: Das Gesundheitssamt und die Ärzte vor Ort müssten als Partner gewonnen werden, damit Kinder und Jugendliche sowie Erwachsene (Zuwanderer aus Südosteuropa) gesundheitlich angemessen versorgt werden. Diese Versorgung könnte zunächst auch in Form einer mobilen Straßenambulanz erfolgen.

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Dirk Kranfuß Geschäftsführer Standort Gemeinschaft Kalk e.V.

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Kalk Nord beherbergt einen größeren Teil der ärmeren Bevölkerung von Kalk. Hier herrscht aufgrund der individuellen Verhältnisse, aber auch wegen der nicht immer ausreichenden Wohnqualität eine höhere Fluktuation. Es bestehen Verwahrlosungstendenzen, die sich auf das Bezirkszentrum Kalk auswirken. Insofern hat die KALKschmiede* hier zu Recht den Hebel angesetzt und eine bessere Wohnqualität gefordert, einhergehend mit Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung, die mit einem Veedelshausmeister gewährleistet werden soll. Dies wirkt sich stabilisierend mit positiver Ausstrahlung auf ganz Kalk aus: mehr Integration, weniger Kriminalität, bessere Bildungsund Berufschancen.

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Immobilien sind in Kalk Nord im Durchschnitt von Köln recht preiswert, so dass Eigentum auch von Wenigerverdienenden erworben werden kann. Auch das wirkt sich stabilisierend für den Ortsteil aus. Bereits jetzt gibt es eine ganze Reihe von Bauvorhaben, Plätzen und Straßenzügen, die gegenüber ihrem ursprünglichen Zustand sichtbar aufgewertet wurden. GAG Immobilien und Deutsche Annington haben Teile ihrer Bestände saniert, sie sollten zu einem weiteren Engagement ermuntert werden.

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Durch Revitalisierung der Industriebrachen sind neue Arbeitsplätze entstanden. Weitere Arbeitplätze entstehen im Kleingewerbebereich, welcher besonders von Migranten, insbesondere Türken betrieben wird. Billige Arbeitskräfte werden weiteres Gewerbe nach sich ziehen, so dass die überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit sinken wird. Hiervon gehen auch Impulse zur Integration aus, die wichtig sind, den Wegzug von Deutschen und Ansätze einer Ghettobildung zu vermeiden. Multinationalität ist auch eine Chance zu neuer Kreativität im Arbeitsleben, Multinationalität ist ein Attraktionswert in touristischer Hinsicht, aber auch in Gastronomie und Einzelhandel.

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In erster Linie die Stadt Köln, die Bezirksvertretung. Darüber hinaus aber sollten die Kindergärten, Kirchen und Schulen ständiger Gesprächspartner sein, um positive wie negative Trends aufzudecken. Einbezogen werden sollten weiterhin die beiden großen Immobilienfirmen Deutsche Annington und GAG Immobilien AG, auch örtliche Vereine sowie die Religionsgemeinschaften können unterstützend wirken. Größere Arbeitgeber wie die Köln Arcaden werden nicht ständig, aber punktuell helfen können. Nicht zuletzt sind Sportvereine gute soziale Stützpunkte. Denkbar wäre eine zweimal im Jahr stattfindende Stadtteilkonferenz mit den genannten Akteuren als Teilnehmern, um Empfehlungen auszusprechen.

Rainer Kreke Vorstand Stiftung Kalk Gestalten Kalk Nord drohte zu einem verwahrlosten Ghetto zu werden. Einige der Wohnungsbaugesellschaften haben nicht einmal die nötigsten Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt, geschweige denn etwas an der Außendarstellung verändert. Auch wurde wild vermietet, das heißt, es wurde nicht im Geringsten darauf geachtet, wer in die einzelnen Wohnungen gezogen ist. Wilder Müll stapelte sich an allen Ecken und Enden. Die Grünanlagen waren abDie KALKschmiede* hat ersolut ungepflegt … reicht, dass sich alle Wohnungsbaugesellschaften an einen Tisch gesetzt und Überlegungen angestellt haben, wie man in Kalk Nord die Wohnungsverhältnisse ebenso wie Bildung und Kultur deutlich verbessern könnte. Das war der Standortgemeinschaft vorher nicht geglückt, da mindestens zwei der Gesellschaften die Zusammenarbeit verweigerten hatten und nicht ansprechbar waren. Die Überlegungen im Wohndialog haben dazu geführt, dass viele der Mietshäuser renoviert worden sind, eine farbige Fassade erhalten haben und dass deren Wohnumfeld gereinigt worden ist. Des

weiteren hat man gemeinsam einen Quartiershausmeister eingestellt, der als Ansprechpartner der Mieter für Ruhe, Sauberkeit und Ordnung sorgt, und das mit großem Erfolg. Kalks Wiederaufbau nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg war sehr mühsam, aber erfolgreich, denn bis Ende der 1980er Jahre stand eine blühende Industrie in und um Kalk. Dann kam aus den verschiedensten Gründen das Ende der Industrie mit über 10.000 Arbeitslosen und Kalk musste sich eine neue Identität suchen, was immer noch nicht abgeschlossen ist. Aber die neuen Errungenschaften, etwa das Polizeipräsidium, das Odysseum, die Neubauten am Bürgerpark oder auf dem ehemaligen KHD-Gelände weisen deutlich auf die Änderungen in Kalk hin. Und in diesem Sinn ist auch die weitere Entwicklung von Kalk Nord zu einem lebens- und liebenswerten Teil von Kalk zu wünschen. Die Chancen dafür stehen nach der Vorarbeit der KALKschmiede* mit den vielen anderen Beteiligten sehr gut, auch Insbesonwas die Bildung und Kultur angeht. dere bedarf es dazu, dass erstens die Wohnungsbaugesellschaften und die Politik dafür sorgen, dass sowohl bei den modernisierten und als auch bei den Neubauten die Mieten erschwinglich bleiben und hier nicht nach Gewinnoptimierung geschaut wird. Zweitens sollten sich alle im Integrierten Handlungsprogramm Kalk Nord 2012+ aufgeführten Organisationen und Personen an die im Programm festgehaltenen Vereinbarungen halten und sich weiter dauerhaft für Kalk Nord einsetzen.

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Dorothee Schuld Effata Köln e.V., katholische Seelsorgerin

Sylvia Kussmann Nachbarschaftstreff KalkNord

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Weil in Kalk Nord städtebaulich viel in Bewegung ist, und damit Ein- und Umzüge von Mietern, Bewohnern und Nachbarschaften verbunden sind.

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Die Stadt Köln, Politik, Verwaltung, aber auch die GAG Immobilien AG haben in den letzten zwei Jahrzehnten diesen Stadtteil vernachlässigt und haben ihn verkommen lassen. Die Verantwortung für den Stadtteil wurde nicht mehr wahrgenommen. Dazu kommen die Belegungssünden, die in den letzten Jahren dazu führten, dass aus Kalk Nord ein Ghetto wurde. Dem hoffe ich dadurch entgegenwirken zu können, dass ich immer wieder auf diesen Zusammenhang aufmerksam mache.

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Ich erhoffe mir eine zuverlässige Vision und deren Umsetzung! Ich erhoffe mir, dass ohne Wenn und Aber auf den Punkt gebracht wird, dass Kalk beziehungsweise Kalk Nord so zu bebauen und zu gestalten ist, das es tatsächlich familienfreundlich ist – mit allen dazugehörigen Freiräumen. Tut man das nicht, sollte »man« so ehrlich sein und der Öffentlichkeit eingestehen, dass die Wohnbauförderung, die Schaffung von Wohnraum, Vorrang hat! Das würde bedeuten, dass Kalk irgendwann aufgrund der Innenstadtnähe tatsächlich nur noch von Ein- oder Zweipersonenhaushalten belebt werden wird; Menschen, die hier zur Ausbildung wohnen und sich beruflich orientieren ... und die umziehen werden, sobald sie sich langfristig an einen Ort binden wollen. Ich habe gelernt, dass es ohne Städtebauer und Stadtplaner, ohne die vielen Gruppierungen, seien sie aus der Verwaltung, der Politik, seien es Wohnungseigentümer, Organisationen, Bewohner ... nicht geht!!!

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Das Viertel ist sehr lebendig, viele Milieus leben hier zusammen, mit denen man in Kontakt treten kann. Die Menschen sind bodenständig, sie sind bescheiden und helfen sich gegenseitig. Es wird viel zusammen gefeiert. Weil Kalk keine Hochhäuser hat, ist es mit einem guten Lebensgefühl verbunden, hier zu wohnen, auch wenn die Enge gelegentlich Schwierigkeiten macht.

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Die stärksten Veränderungen kommen von den Wohnungsbaugesellschaften, die ihre Planungen umgesetzt haben. Da gleichzeitig die soziale Vernetzung der vielen Vereine in letzter Zeit gewachsen ist, entwickelte sich ein sehr gutes Zusammenspiel, das Kalk für viele von außen erheblich attraktiver gemacht hat. Neue Migrationsgruppen werden offensichtlich immer wieder integriert, dies auch durch die starken Bemühungen des Interkulturellen Dienstes, des Veedelshausmeisters und anderer Akteure. Man sollte auch die starke innere Entwicklung des Evangelischen Krankenhauses nicht unterschätzen und stärker in den Blick nehmen. Das Interesse an der Nachsorge für die Patienten ist gewachsen, und viele dieser Menschen leben in unserem Viertel.

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Ich hoffe, dass wir weiter an der begonnenen Entwicklung arbeiten und dass dabei die gute Durchmischung der Bevölkerung aus allen Milieus erhalten bleibt. Es wäre wichtig, einen stärkeren Blick auf alleinstehende, ältere und kranke Menschen richten zu können, sie verschwinden durch ihre Vereinzelung aus dem Blickfeld, lassen sich allerdings auch nur sehr schwer aktivieren. Ich hoffe, dass die sympathischen, kleinen, neuen Initiativen im kreativ-kommunikativen Bereich bleiben, dass die Kulturarbeit sich ein wenig verbreitert, dass Kalk Nord durch ein verbessertes Gemeinschaftsgefühl etwas sauberer wird.

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VIER FRAGEN ZU KALK NORD

1 Warum lohnt es sich, sich in Kalk Nord zu engagieren? 2 Wie hat sich Kalk Nord in den vergangenen Jahren verändert? 3 Was erhoffen Sie für die Zukunft von Kalk Nord? 4 Welche Partner müssen in Zukunft gewonnen werden, damit die Entwicklung weiter geht?

Ich hoffe, dass wir mit unserer Arbeit in der Gewaltprävention gewalterfahrene und orientierungssuchende Menschen noch besser erreichen und dass dadurch das Zusammenleben für alle an Qualität gewinnt. Die neuen Initiativen zur Stärkung von Bildung und Arbeit sollen engagiert und verständnisvoll ihre Arbeit fortsetzen, und ich hoffe, dass die Eigeninitiative der Menschen dadurch Ich hoffe, dass in Kalk Nord das neue wächst. Klarissenkloster entsteht und dass sich das kirchliche Leben etwas deutlicher nach den Bedürfnissen der Bevölkerung richtet. Die Kommunikation der Religionsgemeinschaften untereinander ist unterentwickelt. Es wäre schön, wenn sie ihre Häuser als Orte der Stille in Kalk anbieten. Kinder und Jugendliche brauchen gewiss noch viel mehr Anlaufstellen und das Gefühl, dass sie mit ihren Bedürfnissen willkommen sind.

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Akteure, die bereit sind, sich persönlich mit dem Viertel zu verbinden und die eigene Konzepte hineintragen, die nicht am Reißbrett entwickelt wurden. Für mehr echtes Bürgerengagement müssen die fördernden Stellen, Stiftungen und Behörden punktgenauer und respektvoller die Leistung der Aktiven vor Ort fördern, die das Ganze ja nicht für sich, sondern für die Stadtteilentwicklung machen. Das Engagement von Migranten ist Dabei muss dabei ganz besonders zu fördern. ein differenzierterer Blick vor allem auf Konflikte zwischen den Migrantengruppen geworfen werden. Sie brauchen teilweise echte Moderation, auch wenn nach außen das Zusammenleben problemlos erscheint. Beispielsweise gibt es Mobbing nach Dienstschluss in den Integrationskursen. Selbstverständlich handelt man solche Konflikte nicht im Beisein der Kursleiter aus. Zudem fürchten sowohl Koordinatoren der Freiwilligenarbeit als auch die öffentlichen Medien, für Vereinswerbung oder im Sinne einer kommerziellen Werbung für ansässige soziale Unternehmen missbraucht zu werden. Dieser unglückliche Konflikt wird vom

Verein Effata Köln schon lange analysiert. Durch dieses nicht näher aufgearbeitete Misstrauen geht sehr viel Engagement von Akteuren mit Doppelrollen (beruflich und ehrenamtlich in der Stadtteilentwicklung des eigenen privaten Umfeldes engagiert zu sein) verloren. Das Effata hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Akteure zusammenzubringen. Eine dafür entstehende Internetplattform ist trotz Ablehnung der Förderanträge durch Bezirk und Sozialraum weiterhin in Arbeit. Vor allem das Kalker Gesundheitswesen würde sich gewiss viel stärker im Gemeinwesen engagieren, wenn dieser Konflikt gelöst und in eine geordnete Zielformulierung überführt würde. Diese Erkenntnis ist ein erstes Arbeitsergebnis aus dem Auftrag, den die Integrierte Raumanalyse mir als Schnittstellenkoordinatorin zwischen Krankenhaus und Stadtteilentwicklung übertragen hat. Wir Akteure vom Vereinshaus Effata in der Bertramstraße formulieren unser Selbstverständnis in dieser Angelegenheit so: »Wir sind ein Zwischenraum für die Fachwelt in Kalk und für das Gemeinwesen und stehen als Drittes zwischen kommerzieller Werbung und Freiwilligenengagement. Dort liegen Ressourcen, derer sich niemand bedienen will, die aber das professionelle Hilfsnetz und die Vision enorm anreichern und qualifizieren. Wir haben zur Aufarbeitung einen Förderverein gegründet, der sich FAIReint e. V. nennt, einen Förderverein für soziale Integration. Eine bessere Koordination unseres Bürgerengagements für Gewaltabbau mit Gleichgesinnten ist unser ehrgeiziges Ziel.«

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Hans Günter Bell stellvertretender Sprecher von DIE LINKE.NRW

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Die Menschen, die in Kalk Nord wohnen, sind in vielfacher Hinsicht benachteiligt. Ihnen zu helfen, ist Ausdruck der Solidarität; ob es sich »lohnt«, weiß ich nicht. Eine Erfolgsgarantie gibt es nicht. Aber darf man deshalb zusehen, wie Menschen ihre Chance vorenthalten wird, darf man sie deswegen sich selbst überlassen, obwohl Hilfe erforderlich ist? Bei allem Bemühen um Verbesserungen bleibt ein Kernproblem: Die Arbeitslosenquote ist zwar zurückgegangen, sie ist aber immer noch doppelt so hoch wie in Köln insgesamt. Aber immerhin tut sich beim Wohnen etwas: Es wird modernisiert. Allerdings weiß ich nicht, wie sich das auf die Mieten ausgewirkt hat.

Kerstin Schmedemann Vorstand Stiftung Kalk Gestalten und Mitglied der Bezirksvertretung Kalk für die SPD

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Weil hier Menschen wohnen, für die es sich einfach lohnt, etwas »Herzblut« und Einsatz zu bringen!

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Kalk Nord wird bei den Institutionen, der Politik und den Organisationen im Stadtbezirk Kalk stärker wahrgenommen. Die Diskussion über die Albermann-Schule hat wieder begonnen. Es finden Stadtverschönerungsmaßnahmen durch die Bewohner und mit ihnen statt.

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Dass das Motto der KALKschmiede* gilt: In Kalk Nord kann man »einfach gut wohnen«.

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Das Land Nordrhein-Westfalen, und noch mehr Mieter im Veedel!

Ich erhoffe mir vor allem zwei Dinge: erstens, dass auf dem Gelände der ehemaligen Hauptschule Albermannstraße eine Gesamtschule eröffnet wird und dass zweitens niemand aus Kalk Nord verdrängt wird, weil das Wohnen zu teuer geworden ist. Vor allem muss die Stadt Köln ihre Verantwortung weiterhin, eigentlich sogar stärker als bisher wahrnehmen. Die Gelder für den Sozialraumkoordinator streichen geht überhaupt nicht.

Markus Thiele Bezirksbürgermeister Kalk / GAG Immobilien AG

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Die Menschen, die dort leben und arbeiten, haben es schlicht und ergreifend verdient, dass man sich hier engangiert. Sie machen das Veedel zu dem, was es ist.

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Eindeutig zum Positiven! Durch die Initiative der KALKschmiede* sind viele wichtige Steine ins Rollen gekommen, angestoßen durch den Wohndialog und den Veedelshausmeister; das ist beispielhaft. Es wird in Steine und in Menschen investiert. Gut so!

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Ein Bildungszentrum im Zentrum des Veedels – der Anfang ist gemacht.

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VIER FRAGEN ZU KALK NORD

1 Warum lohnt es sich, sich in Kalk Nord zu engagieren? 2 Wie hat sich Kalk Nord in den vergangenen Jahren verändert? 3 Was erhoffen Sie für die Zukunft von Kalk Nord? 4 Welche Partner müssen in Zukunft gewonnen werden, damit die Entwicklung weiter geht?

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Ohne die Unterstützung der verschiedenen Ämter der Stadt Köln wird es nicht gehen. Hier wünsche ich mir als Bezirksbürgermeister hin und wieder, dass die Abstimmungsprozesse zu einem logischen Ende geführt werden, damit entschieden werden kann. Manchmal hat man den Eindruck, als würden die Fäden, die gesponnen werden, in unterschiedliche Richtungen weisen. Außerdem brauchen wir private Unterstützung. Die Wirtschaft muss begreifen, dass ihre Fachkräfte von morgen in Kalk Nord buchstäblich auf der Straße stehen. Hier müssen sie abgeholt und mitgenommen werden. Ein neuer Anlauf in der Partnerschaft von Ausbildung und Wirtschaft kann hier entstehen.

Michael Eppenich Amtsleiter im Bürgeramt Kalk

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Die KALKschmiede* hat mit ihrer Arbeit wichtige Impulse gegeben, um Aktivitäten zur Lösung der großen Probleme dieses Quartiers, insbesondere in den Bereichen der Bildung, des Erscheinungsbildes und des Wohnungsangebotes in Gang zu setzen. Die Erfolge der Arbeit habe ich selbst durch sichtbare Veränderungen im Erscheinungsbild sowie durch das große Engagement vieler Menschen aus diesem Quartier, von Wohnungsbaugesellschaften, Vereinen und Institutionen wahrnehmen können. Der Wohndialog und die daraus resultierenden Verbesserungen von Wohnungen und des Wohnumfeldes mit dem Einsatz eines Veedelshausmeisters ist ein ganz wesentliches Zeichen dieser Entwicklung mit einem aus meiner Sicht bereits nachhaltigen Charakter.

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Wichtig ist es, die Impulse aufzunehmen und den Entwicklungsprozess fortzusetzen. Dazu gehört vor allem, Gemeinwesensarbeit im Quartier Kalk-Nord aufzubauen, damit sie sich langfristig durch das Engagement der Bewohner verstetigen kann. Als Partner sind dazu die bisher Beteiligten, wie städtische Dienststellen, örtliche Vereine und Institutionen und möglichst besonders engagierte Bewohner des Viertels auch weiterhin notwendig und willkommen.

Magdalena Gather Stadt Köln, Interkultureller Dienst im ASD (Allgemeiner sozialer Dienst)

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Kalk ist ein Kölner Stadtteil in Bewegung und in Veränderung. Hier leben die unterschiedlichen Szenen dicht mit- und nebeneinander: Autonomes Zentrum (zwischenzeitlich umgezogen), junge Künstler, Studenten, Bürgerliche, Arbeiter, Arbeitslose, Junkies, junge Familien, Migranten, Senioren, Religionsgemeinschaften von russischen, italienischen, polnischen und deutschen Christen, Muslime, Sikhs, ... Kalk Nord ist das Stadtviertel, in dem es viele soziale Probleme gibt. Die Menschen leben beengt in renovierungsbedürftigen, zum Teil überteuerten Wohnungen. Ein hoher Anteil an Arbeitslosen ebenso wie berufstätigen Menschen mit Familien bezieht Transferleistungen. Es gibt zu wenig Spielraum für Kinder. Wilder Müll liegt an den Straßenrändern und in den Grün- und Spielanlagen. An Plätzen und Spielflächen halten sich viele Trinker und Drogengebrauchende auf. Die Kinder haben schlechtere Bildungsperspektiven als andere Kölner Kinder. Die Kalker Kinder und Jugendlichen müssen eine gute Perspektive für ihre Zukunft haben. Das ist für die Stadt und ihre Bewohner eine gute und sichere Investition in die Zukunft.

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Einerseits: Die sozialen Probleme verschärfen sich. Gebildete und Bürgerliche wandern ab. Wilde Müllkippen finden sich an den Straßenrändern, in den Kellern und Hausfluren. Immer mehr Menschen betteln. Menschen leben in Kellern und Parks. Durch die Belastungen ist der soziale Friede instabil. Die Menschen engagieren sich wenig für den Stadtteil, für ihre Interessen. Die sozialen Unterschiede und Probleme polarisieren die Menschen. Die KALKschmiede* hat die Themen aufgelistet und Strukturen dargestellt. Anderseits: Durch Aktionen im Stadtteil werden unterschiedliche Gruppen miteinander bekannt, der Stadtteil wird belebt. Durch die KALKschmiede* wurden die Prozesse angeregt und sichtbar gemacht. Themen des Stadtviertels Kalk Nord werden gebündelt und an die Stadt und die Politik herangetragen. Die Wohnungswirtschaft spricht im Wohndialog Maßnahmen ab. Seit 2011 ist der Veedelshausmeister auf Initiative der KALKschmiede* zum Thema Sauberkeit und Sicherheit eingesetzt. Seit 2012/13 werden Wohnungen zunehmend modernisiert. Soziale Projekte wurden gegründet und intensivieren ihre Arbeit. Durch die beharrliche Unterstützung der KALKschmiede* kommt es zu Initiativen und Gesprächen in der Stadtverwaltung, der Politik, der Wohnungswirtschaft und dem Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen.

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Besseren Wohnraum, Stabilisierung der Bevölkerung, friedliches Zusammenleben, bessere Bildung, mehr gerecht bezahlte Arbeit und damit auch ein entspanntes Zusammenleben.

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Partner aus der Wohnungswirtschaft, der lokalen Ökonomie und von sozialen Trägern – mit dem Ziel, die unterschiedlichen Szenen, Akteure und Bewohner im Stadtteil einzubinden.

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Manfred Kahl Stadt Köln, Amt für Kinder, Jugend und Familie

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Kalk Nord ist ein zentraler und »bunter Ort« im Veedel. Soziale, kulturelle und ökonomische Entwicklungen vollziehen sich auf dichtestem Raum. Ethnische Vielfalt charakterisiert dieses Wohngebiet. Arbeitslosigkeit, Armut und Bildungsferne prägen den Alltag. Es handelt sich also um ein hochsensibles Wohngebiet, so dass das Pendel der Befindlichkeiten schnell in beide Richtungen ausschlagen kann: Ein lebendiges Wohnquartier mit einer positiven Grundstimmung ist ebenso möglich wie dessen Gegenteil. In Kalk Nord gilt es, Ruhe einkehren zu lassen, Versorgung und Teilhabe sicherzustellen, und Bildungsstrukturen zu verbessern. Positive Entwicklungen müssen erkannt werden, damit man auf ihnen aufbauen kann, um ein lebenswertes Wohnquartier zu schaffen. Und schließlich müssen Kinder und Jugendliche in Kalk Nord eine Perspektive bekommen.

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Durch die im Rahmen der KALKschmiede* entstandenen intensiven Analysen und Dokumentationen sind die Strukturen Kalk Nords sichtbar geworden. Bauliche Veränderungen stehen symbolhaft für die Gegensätzlichkeit. Kalk Nord ist Thema geworden und in den Fokus der Öffentlichkeit und der Verwaltung gerückt. Man sieht Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur, man reagiert, man redet zusammen darüber, man sucht gemeinsam nach Handlungslinien.

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VIER FRAGEN ZU KALK NORD

1 Warum lohnt es sich, sich in Kalk Nord zu engagieren? 2 Wie hat sich Kalk Nord in den vergangenen Jahren verändert? 3 Was erhoffen Sie für die Zukunft von Kalk Nord? 4 Welche Partner müssen in Zukunft gewonnen werden, damit die Entwicklung weiter geht?

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Ich erhoffe mir, dass Antworten auf drängende Probleme gegeben und die Mittel bereitgestellt werden, damit sie sich auch konkret umsetzen lassen.

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In Kalk Nord engagieren sich viele Menschen und Institutionen. Was fehlt, ist die Bündelung der verschiedenen Ziele im Sinne einer nachhaltige Weiterentwicklung. Die Aufgaben sind sehr komplex und in unterschiedlichen Fachdisziplinen angesiedelt. Ohne eine verantwortliche Personalstelle besteht die Gefahr, dass die Entwicklungen in den Aufgabenbereichen (Bauen, Wohnen, Bildung, Soziales, ...) auseinanderlaufen.

Maria Kröger Leiterin des Amts für Stadtentwicklung und Statistik der Stadt Köln

1

Kalk als innenstadtnahes Quartier mit Entwicklungspotenzial ist prädestiniert, neue Bewohner aufzunehmen. Durch die eingeleitete Steigerung der Attraktivität der Wohnungs- und Infrastrukturangebote sind gute Grundlagen geschaffen worden, um eine weitere Aufwertung des Sozialraums und die soziale Durchmischung der Bevölkerung zu ermöglichen. Gleichzeitig muss im Interesse der lange im Quartier lebenden Menschen die erfolgreich begonnene Stabilisierung des Stadtteils fortgeführt werden. Wichtig ist dafür die vernetzte Zusammenarbeit der Wohnungsbaugesellschaften, aller Sozialakteure und der Bürgerschaft vor Ort. Die Stadt Köln wird diesen Prozess fortlaufend begleiten und fördern.

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Der Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft hat zu sozialen Polarisierungen im Kölner Stadtraum geführt. Aufgabe der Kommune ist es, diese durch geeignete Maßnahmen auszugleichen. Auch der Stadtteil Kalk war dieser Entwicklung und Destabilisierung durch zunehmende Entstehung sozialer Problemlagen und Verschlechterung der Wohnverhältnisse unterworfen. Als benachteiligter Stadtteil wird Kalk daher seit Anfang der 1990er Jahre mit Zuwendungen zur Stadtentwicklung und Stadterneuerung des Landes bezuschusst. Kalk wurde zunächst als klassisches Sanierungsgebiet mit dem Schwerpunkt der Instandsetzung und Modernisierung von Wohnraum und durch Gestaltungs- und Begrünungsmaßnahmen im Wohnumfeld gefördert. Bis 2004 wurde der Stadtteil Kalk als einer der ersten Kölns durch das Förderprogramm »Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf – Soziale Stadt« unterstützt. Mit dem Handlungsschwerpunkt sozial-integrativer Maßnahmen konnten die Zukunftschancen insbesondere für Kinder und Jugendliche spürbar verbessert werden. Die Nachbarschaftsprojekte der Bürgerteilhabe wurden zuletzt durch den Einsatz der Montag Stiftung Urbane Räume im Rahmen der KALKschmiede* befördert. Seit den 1990er Jahren wurden im Programmgebiet Kalk rund 1.900 Wohnungen errichtet, von denen ein hoher Anteil öffentlich gefördert wurde. Im Rahmen der Wohnungsbelegung wurde versucht, eine sozial ausgewogene Bewohnerstruktur zu schaffen. Ebenso hat das Wohnungsangebot im Bestand an Qualität gewonnen, und die Wohnungsbaugesellschaften im Gebiet Kalk Nord haben erhebliche Investitionen im Wohnumfeld getätigt. Nachbarprojekte und sozialintegraive Aktivitäten waren darauf angelegt, das Bürgerengagement und die Identifikation mit den neu geschaffenen öffentlichen Räumen zu stärken und die Bereitschaft der Bewohnerschaft zu mehr Verantwortung zu erhöhen. Sie sind eine Voraussetzung dafür, dass die geschaffenen Wertverbesserungen

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im öffentlichen Raum langfristig erhalten bleiben. Als Ergebnis des Wohndialogs fördert der Zusammenschluss aller Wohnungsbaugesellschaften in Kalk Nord den Einsatz eines Veedelshausmeisters. Die Wohnungsbaugesellschaften führen diesen begonnenen Wohndialog fort und beraten gemeinsam mit der Stadt Köln über die Schaffung einer investorengeförderten Jugendeinrichtung, welche langfristig dem erhöhten Jugendhilfebedarf im Stadtteil Rechnung tragen soll.

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Mit den Wohnwertverbesserungen, den begonnenen Nachbarprogrammen der Bewohneraktivierung, der umfangreichen Mieter-, Jugend-, Seniorenund interkulturellen Arbeit haben in Kalk umfassende Maßnahmen der Bewohnerstabilisierung bereits ihre Wirkung entfaltet. Diesen Weg der Stabilisierung gilt es fortzusetzen und zu verstetigen. Die Verwaltung wird sich darum bemühen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Aufwertungsprozesse im Stadtteil so zu steuern, dass die angestammte Bevölkerung im Stadtteil bleiben kann und ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Gemeinwesen erfolgt.

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Die Akteure, die den bisherigen Prozess der Stabilisierung und Aufwertung des Quartiers begleitet haben, sind auch zukünftig wichtige Partner. Dazu gehören insbesondere die Bewohner als Experten in eigener Sache, die Wohnungsbaugesellschaften und die Träger der sozialen Arbeit vor Ort.

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Franz Schnitzler Stadt Köln, Amt für Soziales und Senioren, Fachstelle Wohnen; Stadtteilkoordinator

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Die Analysedaten und Indikatoren zur sozialen Lage und Bildungsbeteiligung weisen insbesondere Kalk Nord nach wie vor als Stadtviertel mit erheblichen Benachteiligungen aus. Im Interesse einer nachhaltigen sozialen Stadtentwicklung, die wirksam versucht, ein weiteres Abkoppeln sozial benachteiligter Stadtquartiere zu verhindern, ist das Engagement in diesem Stadtviertel lohnend. Das Projekt KALKschmiede* hat gezeigt, dass sich Bewohner, Akteure und verantwortliche Wohnungsunternehmen aktiv an einem produktiven Entwicklungsprozess für ein Quartier beteiligen können. Für Kalk Nord ist ein erkennbarer Zugewinn hinsichtlich der Lebens- und Wohnqualität entstanden. Es lohnt sich auch zukünftig, die seit Jahren bestehenden Netzwerke und die im Zuge des Projektes entwickelten Strukturen zu erhalten und gleichzeitig mit neuen Schwerpunkten aus dem IHP 2012+ auszurichten.

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Die Modernisierung des überalterten Wohnungsbestandes und die schrittweise Aufwertung des Viertels hat begonnen und wird fortgeführt. Die öffentlichen Räume sind stärker in den Blick der Bewohner gekommen. Es sind deutliche Verbesserungen hinsichtlich Sauberkeit festzustellen, die sicherlich im Zusammenhang mit dem VeedelsDie Akteure vor Ort, etwa hausmeister stehen. der Runde Tisch Quartiersentwicklung, haben eine gemeinsame Haltung zu den Erfordernissen und dem Bedarf im Stadtviertel abgestimmt, die Grundlage für die Erarbeitung weiterer Strategien zur Entwicklung des Stadtviertels ist. Die Bewohner nutzen aktiv die öffentliche Veranstaltungen und Aktionen der KALKschmiede*, um ihre Interessen und Vorstellungen im Sinne einer Beteiligung an der Quartiersentwicklung einzubringen.

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VIER FRAGEN ZU KALK NORD

1 Warum lohnt es sich, sich in Kalk Nord zu engagieren? 2 Wie hat sich Kalk Nord in den vergangenen Jahren verändert? 3 Was erhoffen Sie für die Zukunft von Kalk Nord? 4 Welche Partner müssen in Zukunft gewonnen werden, damit die Entwicklung weiter geht?

Stadtweit sind erste Imageveränderungen des Stadtteils wahrzunehmen. Junge Erwachsene und Studenten erleben den Stadtteil Kalk einschließlich des Stadtviertels Kalk Nord als interessante Alternative zu den ansonsten bevorzugten Stadtvierteln im linksrheinischen Köln.

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Die entwickelten Beteiligungsstrukturen, Netzwerke und Konzepte (wie der Veedelshausmeister) sollten verstetigt werden. Der notwendige Aktivierungs- und Moderationsprozess, der bisher im Wesentlichen durch die KALKschmiede* erfolgt ist, bedarf ebenfalls einer professionellen Fortführung. Eine Aktivierung und Beteiligung der Bewohner an der eingeleiteten baulichen Veränderung des Stadtviertels sollte weiterhin gewährleistet sein. Kalk Nord kann ein zukunftsweisendes Modell für eine bewohnerorientierte Quartiersentwicklung werden.

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Das Projekt der KALKschmiede* hat gezeigt, dass eine Intensivierung von Beteiligungsprozessen an den sozialen, kulturellen und stadtplanerischen Entwicklungen des Stadtviertels Kalk Nord notwendig ist und zu einer höheren Identifikation mit dem Quartier führt. Dazu notwendige Strukturen, Partnerschaften und Kooperationen wie Wohndialog und Runder Tisch Quartiersentwicklung müssen beibehalten, verstetigt und weiterentwickelt werden.

Heinz-Hubert Specks Sozialraumkoordination Martina Pfeil Humboldt-Gremberg/ Kalk (Träger: Deutscher Kinderschutzbund, OV Köln e.V.)

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Kalk Nord ist ein Sozialraum mit vielen Benachteiligungen. Der Anteil von Familien und Alleinerziehenden, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, liegt in Kalk Nord weit oberhalb der Quote im Gesamtstadtgebiet, 82 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren im Stadtteil Kalk haben einen Migrationshintergrund. Der Lebenskreis vieler Menschen bleibt überwiegend auf den Stadtteil selbst und die Wohnung beschränkt. Die psychosozialen Folgen der Problematiken zeigen sich bei vielen in Form von Resignation, Vereinsamung, Verbitterung und entsprechenden Verhaltensweisen. Die Probleme im Bereich Wohnung, Bildung, Arbeit und Integration zeigen sich seit vielen Jahren insAuf der anderen Seite besondere in Kalk Nord. zeigt sich Kalk als ein buntes Viertel mit Menschen aus verschiedenen Kulturen und verschiedenen Milieus, die friedlich zusammen leben. Es gibt nur geringe und kaum kulturbedingte Spannungen oder Konflikte. Durch den Zuzug von jungen Menschen (Studenten) entstehen neue Lebensformen. Sie bringen kreative Ideen mit und entwickeln neue kulturelle und soziale Angebote, der Stadtteil wird bunter und lebendiger.

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Seit einigen Jahren nimmt vor allem die Zahl der Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien zu. Die Lebenssituation dieser Neu-EU-Bürger ist häufig katastrophal. Die Erwachsenen haben in der Regel keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Eine Reihe von Männern versucht, über den »Arbeiterstrich« an Arbeit zu kommen; einige Frauen bieten sich als Prostituierte an. Kalk Nord steht auf Rang 5 der Stadtviertel mit besonders hohem Kinder- und Jugendhilfebedarf. Es ist eindeutig bestätigt, dass eine Jugendeinrichtung im Viertel dringend

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erforderlich ist. Die 2009 (im Rahmen des Projekts »Lebenswerte Veedel«) von der Stadt Köln installierte Sozialraumkoordination Humboldt-Gremberg / Kalk hat gemeinsam mit anderen Einrichtungen vor Ort ein neues Gremium geschaffen – den Runden Tisch Quartiersentwicklung Kalk Nord –, der sich intensiv mit der Situation im Stadtteil auseinandersetzt und neue Perspektiven entwickelt. Mit der Einrichtung der KALKschmiede* im Jahre 2009 haben diese Perspektiven eine konkrete Unterstützung erfahren. Es ist gelungen, Bewohner für den Stadtteil zu aktivieren und gemeinsam mit ihnen kleinere Projekte zur Verschönerung des Viertels durchzuführen. Die KALKschmiede* hat verschiedene Wohnungsbaugesellschaften im Wohndialog zusammengeführt und erreicht, dass diese einen Veedelshausmeister finanzieren.

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Der Veedelshausmeister hat sich bewährt; die Stelle sollte weitergeführt werden. Die bisher aktiven Bewohner sind weiterhin für ein Engagement für ihren Stadtteil zu motivieren und zusätzliche Bürger sollen hinzugewonnen werden. Aus diesem Grund wäre die Einrichtung eines Stadtteiltreffs mit einer hauptamtlichen Stelle für Gemeinwesenarbeit aus Sicht des Runden Tisches Quartiersentwicklung Kalk Nord sehr erfolgversprechend. Eine professionelle Fachkraft als Ansprechpartner, Ratgeber, Unterstützer und Katalysator im Hintergrund kann die Bewohner zu mittel- und längerfristigem bürgerschaftlichen Engagement motivieren. Eine Jugendeinrichtung sollte geschaffen werden, um den Bedürfnissen und Interessen dieser Zielgruppe durch ein entsprechendes Angebot gerecht werden zu können. Der bestehende preiswerte Wohnraum sollte erhalten und neue, mit staatlichen Mitteln geförderte Wohnungen sollten gebaut werden, um eine Vertreibung der Bewohner zu verhindern und einen weiteren Zuzug von jungen Familien und Studenten zu ermöglichen.

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Die Einrichtungen und Akteure, die sich in Kalk Nord – zum Teil seit vielen Jahren – engagieren, werden sich auch in Zukunft aktiv für das Veedel einsetzen. In ihrer Funktion wird die Sozialraumkoordination mit dafür sorgen, dass entsprechende Arbeitskreise und Verbindungen zu Entscheidungsträgern erhalten und gepflegt werden. Es ist notwendig, dass sich die zuständigen städtischen Ämter und die Ministerien des Landes dauerhaft verantwortlich für den Stadtteil zeigen und dafür Sorge tragen, dass zusätzliche – auch finanzielle – Unterstützung bereit gestellt wird. Die bereits eingeleiteten Aktivitäten – Stadtteilbegehungen des Ministers und seiner Mitarbeiter sowie von Leitern und Mitarbeitern städtischen Ämter, Einrichtung der interministeriellen Arbeitsgruppe – versprechen positive Entwicklungschancen für Kalk Nord. Die Sozialraumkoordination wird sich im Verbund mit den Akteuren in Kalk Nord dafür verwenden, dass der Bedarf und die Perspektiven für Kalk Nord im öffentlichen Bewusstsein bleiben und die Entwicklung weitergeht.

RESÜMEE INTEGRIERTE STADTTEILENTWICKLUNG Erfahrungen und neue zivilgesellschaftliche Perspektiven

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»Dabei anerkennen Bund und Länder ihre Verpflichtung, Finanzierungsmittel für Aufgaben, deren Ursachen nicht aus unmittelbarem Bezug zu städtebaulichen Missständen herrühren, zuerst auch in anderen Programmen mit Investitionshilfen zu suchen und durch die Koordinierung und Bündelung aller für die Entwicklung der Städte und Gemeinden notwendigen Finanzierungsmittel größtmögliche Synergien zu erreichen.« (Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung 2013 über die Gewährung von Finanzhilfen des Bundes an die Länder nach Artikel 104 b des Grundgesetzes zur Förderung städtebaulicher Maßnahmen (VV Städtebauförderung 2013) vom 21.12.2012/21.03.2013

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Wird es in angespannten Wohnungsmärkten gelingen, auch den Menschen mit geringem Einkommen ausreichend guten Wohnraum in guten Lagen zur Verfügung zu stellen oder öffnet sich die Schere zwischen wohlhabenden und armen Stadtteilen weiter? Werden wir den Zugang zu Entwicklungschancen gerecht gestalten können oder wird sich insbesondere die Bildungsungerechtigkeit auch entlang der sozialräumlichen Trennungen verschärfen? Werden kulturelle und lebensanschauliche Milieus auf Dauer friedlich nebeneinander leben können oder ist die befürchtete religiöse Radikalisierung von Jugendlichen ein Hinweis darauf, dass das Projekt der sozialen Inklusion einer romantisierenden Vorstellungen folgt? Nur ein Bruchteil der hinter diesen Fragen liegenden Herausforderungen lassen sich auf Stadt-, Stadtteil- oder Quartiersebene lösen. Für manche Planer ist dies ein Grund, sich auf das Terrain des Städtebaus und der Investition zurückzuziehen und die sozialen Professionen in die Pflicht zu rufen. Andere wiederum sehen sich auch jenseits struktureller, übergeordneter Lösungen in der Verantwortung und fühlen sich dazu aufgefordert, über ihr Fach hinaus Allianzen zu schmieden, damit auf die Probleme des Zusammenlebens, der Bildung- und Ausbildung, des Wohnungsmarktes auch im unmittelbaren Lebensumfeld der Menschen reagiert Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, bedarf werden kann. es ausreichender Mittel: Der Ruf nach angemessener staatlicher Unterstützung wird laut. Zu Recht fordern die Partner der Stadtentwicklung, dass die Mittel, die das Städtebauförderungsprogramm Soziale Stadt für Quartiere in besonderen Problemlagen zur Verfügung gestellt hat, weiter aufgestockt werden und dass die grundsätzliche Beschränkung auf investive Maßnahmen entweder gelockert ◄ oder durch kongruente Förderstrukturen ergänzt wird. Die Kommunen und kommunalen Wohnungsbaugesellschaften bleiben derweil nicht untätig und entwickeln eigene Programme und Projekte. Sei es über eigene integrierte Zugänge wie dem Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung RISE in Hamburg, durch das sozialräumliche Engagement der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften oder Wohnungsbaugenossenschaften in ihren eigenen Beständen, sei es durch die Neustrukturierung der Verwaltung in Richtung Sozialraumorientierung wie in Gelsenkirchen oder wie in Köln durch die Sozialraumkoordinatoren. Trotz dieser großen Anstrengungen verdichten sich die Problemlagen in einigen Quartieren hartnäckig. Die Menschen, die dort leben, haben wesentlich schlechtere Chancen, ihren eigenen Lebensentwurf zu verwirklichen oder auch nur ein stabiles, ausgeglichenes, von existentiellen Nöten freies Leben zu führen. Verschärfend kommen allgemeine Trends der urbanen Entwicklung hinzu: Die Wohnungsnot in Ballungszentren, die Aushöhlung des Bodenmarktes in Schrumpfungsregionen, die älter und in Teilen immobiler werdende Gesellschaft, die jüngste Armutsmigration aus Osteuropa, die Bildungs- und Ausbildungsschere – das sind nur einige Aspekte, die genau in den Nachbarschaften sichtbar werden, die ohnehin kaum dazu in der Lage sind, weiteren Stress und soziale Störungen zu verkraften. Diese Stadtteile »in need« (Hartmut Häußermann) brauchen langfristige Unterstützung aus den Regel- und Sonderinvestitionen der öffentlichen Hand. Aber auch die Stadtteile »of opportunities« benötigen die

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»Mit der Identitätsrelevanz des Raumes und den je nach Bevölkerungsrelation unterschiedlichen Durchsetzungschancen nimmt die Konfliktträchtigkeit zu. Der Stadtraum kann dann zur Ersatzpositionierung für ausbleibende gesellschaftliche Positionierung und Anerkennung gelten. Stadtraum avanciert zum kollektiven Kampfgelände zur Überwindung individueller Ohnmachtserfahrung.« Wilhelm Heitmeyer: Versagt die »Integrationsmaschine« Stadt? Zum Problem der ethnisch-kulturellen Segregation und ihrer Konfliktfolgen. In: ders., Rainer Dollase, Otto Backes (Hg.): Die Krise der Städte. Analysen zu den Folgen desintegrativer Stadtentwicklung für das ethnisch-kulturelle Zusammenleben, Frankfurt am Main, 1998, Seite 443–468, hier Seite 459f.

sorgfältige Begleitung und Weiterentwicklung, damit die Entwicklungschancen, die in ihnen angelegt sind, genutzt werden. Solange alte Instrumente nicht mehr ausreichend greifen oder nicht angemessen auf die Komplexität reagieren können und neue Programme noch nicht schlüssig entwickelt worden sind, lässt sich von einer »Phase des Übergangs« (Thomas Sieverts) sprechen. In dieser Phase muss die Rolle der Stadt als Integrationsplattform und Basis für eine chancengerechte Entwicklung nicht nur in den Megacities, sondern auch bei uns neu verhandelt werden. In dieser Phase ist es notwendig, Neues zu wagen, neue Wege zu gehen und neue Allianzen zu schmieden. Ein zunehmend gewichtiger Partner auf diesen neuen Wegen ist die Zivilgesellschaft. Bürger- und Unternehmensstiftungen, Vereine und Werkstätten übernehmen mehr Verantwortung für ihr Lebensumfeld und den sozialen Zusammenhalt der Stadt. Sehr gut funktioniert dies bereits in jenen Stadtteilen, in denen der bürgerliche Mittelstand zu Hause ist, der vor allem Wert auf ein friedliches Miteinander legt und sein soziales und kulturelles Kapital auch dafür nutzt, Einfluss auf Investitionen in der eigenen Nachbarschaft zu nehmen. Wesentlich weniger gut entwickelt sich das Selbstorganisationspotenzial allerdings in ärmeren Stadtteilen, in denen zum Beispiel die Schulabbrecherquote und die Arbeitslosenquote gleichermaßen hoch sind. Gerade denen, die es am härtesten trifft, ist es oft unmöglich, sich zu organisieren, ihre eigenen Interessen auf dem politischen Parkett zu artikulieren und sich selbst für eine Verbesserung im eigenen Stadtteil stark zu machen. Hinzu kommt, dass sie selbst von anderen als eine Bedrohung empfunden werden: Die, die um einen Abstieg fürchten, sehen in ihnen die Gruppe von Menschen, von denen sie meinen sich distanzieren zu müssen, um die eigenen Ansprüche aufrecht erhalten zu können. Die Schwächsten sehen sich so einer Belastung von zwei Seiten ausgesetzt: den realen Benachteiligungen im Hinblick auf den Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Bildung oder zu Wohnraum einerseits, und andererseits der, von der Stadtgesellschaft im täglichen Umgang und in den AuseinanIn einer solch dersetzungen um Ressourcen diskriminiert zu werden.◄ komplexen Ausgangslage wäre es wohlfeil, auf das Alte zu schimpfen und zu behaupten, dass etwas Neues die Probleme lösen könne. Das ist sicher nicht der Fall. Es muss aber die Freiräume geben, eingeübte Routinen so mit neuen Ansätzen zu verbinden, dass sie ihre Wirkungen auch in einem veränderten Kontext erfüllen. Das ist eine große Herausforderung, denn die Verwendung öffentlicher Mittel steht in Zeiten klammer Kassen unter einem hohen Rechtfertigungs- und Legitimationsdruck. Deswegen sind alle, die sich um den sozialen Zusammenhalt unserer Städte sorgen, aufgerufen, Neues auszuprobieren und im Alten auf die Suche nach dem Zukunftsfähigen zu gehen. In den Interviews, die den zweiten Teil dieser Publikation ausmachen, haben wir mit Menschen gesprochen, die in anderen Städten und in anderen Kontexten nach einem Umgang mit Fragen, Themen und Problemen suchen, die geeignet sind, vor dem Hintergrund des Projekts der KALKschmiede* und vergleichbarer Probleme den Blick auf die zukünftigen Fragen und Herausforderungen der Quartiersentwicklung zu geben. Aus diesen Interviews und aus den Erfahrungen der KALKschmiede* können Schlüsse gezogen werden: auf den konkreten

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Erfahrung vor Ort aufbauend, aber auch über sie hinaus können Thesen zur Zukunft der Quartiersentwicklung formuliert und zur Diskussion gestellt werden. Die Erfahrungen, die durch das Projekt KALKschmiede* gemacht wurden, die Realität der Situation in Kalk Nord 2009, aber auch noch die 2013, und die offenen Fragen zur Zukunft dieses Stadtteils sind ein Zeichen dafür, dass eine Diskussion darüber geführt werden muss, wie solchen Stadtteilen eine Zukunft gegeben werden kann, wenn viele der bislang sich teilweise hervorragend etablierten und bewährten Instrumente nicht mehr zu greifen scheinen. Es widerspräche allen Ansprüchen unseres Staates und unseres Gemeinwesens, sich damit abzufinden. Kalk Nord ist kein Einzelfall.

STADTTEILENTWICKLUNG MUSS BEI DEN KONKRETEN PROBLEMLAGEN DER MENSCHEN VOR ORT ANSETZEN siehe hierzu: Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt am Main 1982, etwa Seite 25: »Nichts hebt stärker ab, klassifiziert nachdrücklicher, ist distinguierter als das Vermögen (...) Objekte zu ästhetisieren, als die Fähigkeit, (...) in vollkommener Umkehrung der populären Einstellung die Prinzipien einer ›reinen‹ Ästhethik spielen zu lassen«.; oder Seite 284: »Der Geschmack (...): Durch ihn geraten die Unterschiede aus der physischen Ordnung der Dinge in die symbolische signifikanter Unterscheidungen.«

STADTTEILENTWICKLUNG BRAUCHT PROJEKTE UND PROGRAMME GLEICHERMASSEN

Das Verhalten vieler Kommunen, die Probleme zu fokussieren, für deren Lösungen Ressourcen zur Verfügung stehen, ist nur allzu verständlich. Darüber hinaus ist angesichts der Faszination für Gestaltung und der über Bilder wirksamen Kraft aufwändiger Maßnahmen die Verführung groß, sie in den Vordergrund des Engagements zu stellen. Das kann dazu führen, dass Investitionen getätigt werden, die lediglich eine neutrale Wirkung haben. Die Wirkung kann sogar eine negative sein: dann nämlich, wenn den Menschen vor Ort zugemutet wird, ihre Heimat gegen eine Außenwahrnehmung verteidigen zu müssen, die ihnen zeigen möchte, wie das vermeintlich gute Leben eigentlich gestaltet werden sollte – wenn nicht gar der Verdacht genährt wird, die Aneignung des Viertels durch eine Gruppe anderer, wirtschaftlich Stärkerer vorzubereiten.◄ Um Effektivität und Empathie miteinander zu verknüpfen, ist es absolut notwendig, förder- und politikneutral zu ermitteln, wo die wirklichen Entwicklungsbedarfe liegen: im Wohnungsangebot, in der Bildungsinfrastruktur, bei den Angeboten für Alte? Ist vielleicht der Müll auf den Straßen das größte Problem für die Anwohner, oder haben sie vor allem Sorge um ihre Sicherheit? Erst dann, wenn an diesen konkreten Problemlagen angesetzt wird, werden die Menschen in den Quartieren ernst- und mitgenommen, erst dann lässt sich Weiteres in den Blick nehmen. Die strategische Perspektive guter Quartiersentwicklung steht häufig im Widerspruch zu den Erwartungen und Wahrnehmungshorizonten von Politik, Bürgern und Unternehmen. Denn bis zur Realisierung einer größeren Maßnahme im Bereich des Wohnungsbaus oder der (Bildungs-)Infrastruktur gehen häufig mehrere Jahre, nicht selten auch ein Jahrzehnt ins Land. Die unterstützende Politik, vor allem aber die Bewohner eines Quartiers brauchen unmittelbare und schnell sichtbare Ereignisse und Projekte, die in die Richtung weisen, die eingeschlagen werden soll. Die richtige Mischung aus Programm und Projekt herzustellen und sich nicht von den Kommentaren lokaler Politik (»… hier wird doch nur geredet«) und den enttäuschten Erwartungen der Bewohner (»… was macht ihr denn tatsächlich für uns?«) treiben zu lassen, ist eine große Herausforderung. Zentral ist, das eigene Handeln kontinuierlich und mit großem Einsatz transparent zu machen und den einen oder anderen Vorgriff auf das Kommende über Projekte zu wagen, der nicht schon abschließend durchdacht und abgewogen ist.

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QUARTIERSMANAGEMENT SOLLTE SICH AUCH DER STRATEGIEN DER GEMEINWESENARBEIT BEDIENEN

Das Instrument des Quartiersmanagements hat sich als eines bewährt, das die Aufgaben verschiedener Sektoren bündelt und die Möglichkeiten investiver Maßnahmen in ein Gesamtkonzept mit mehrschichtiger Herangehensweise integriert. Grundsätzlich ist jedoch zu fragen, ob dabei die Bedeutung der Gemeinwesenarbeit für die Stabilität in einem Quartier, insbesondere als langfristig angelegte und gesicherte Ressource an Raum, Personal und Ausstattung, ausreichend berücksichtigt worden ist. Die Erfahrungen in Kalk Nord haben gezeigt, dass es weniger die großen, öffentliche Aufmerksamkeit sichernden Maßnahmen sind, an denen die Menschen im Viertel selbst interessiert sind, sondern dass es neben den unmittelbar ihr Lebensumfeld beeinflussenden Faktoren (Müll, Sicherheit) vor allem die Stabilität sozialer Strukturen und die Verlässlichkeit der für das Gemeinwesen tätigen Akteure sind, die die Menschen benötigen, um sich wohl zu fühlen und um eigene Initiativen entwickeln und einbringen zu können.

INTEGRIERTE ZUGÄNGE SIND UNABDINGBAR

Gestalterische und investive Maßnahmen haben eine große Wirkung, insbesondere für die Darstellung nach außen. Das verführt dazu, ihre Wirkung zu überschätzen, das heißt aber nicht, dass sie keine hätten. Stadterneuerung darf also weder überbewertet, noch gegen konsumtive Maßnahmen ausgespielt werden. Stadtteile, die im Rahmen eines Programms ausgewählt werden, sollten mit einer Strategie weiter entwickelt werden, die auf die verschiedenen Problemlagen reagieren kann. Das heißt aber, dass auf kommunaler und auf Landesebene kongruente Förderpakte entwickelt werden müssen und auch die Ressorts mitwirken, die keinen eingeübten sozialräumlichen Zugang haben. Wichtig ist, dass daraus kein neuer Zweig der Förderbürokratie entsteht, sondern es (endlich) gelingt, sozialräumlich wirksame Investitionen unter einer kompetenten Federführung effektiv zu bündeln. Besonders wichtig ist es, die Schnittstellen zur regionalen und kommunalen Bildungs- und Jugendpolitik, aber auch die zur Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsförderung zu verbessern. Aber auch die halbstaatlichen und zivilgesellschaftlichen Kümmerer müssen ihre Selbsterhaltungsinteressen hinter den übergeordneten Zielen zurückstellen. Dass dies nicht einfach ist, wissen alle Praktiker vor Ort nur zu gut. Denn jeder soziale Träger, jeder Verwaltungszweig und jede Stiftung ist in der Regel darauf angewiesen, gesehen zu werden, um so die eigene Existenz in die Zukunft zu verlängern. Diesem Dilemma kann nur mit einem starken politischen Willen und auf Basis gemeinsamer und klar formulierter mittelfristiger Ziele begegnet werden.

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FÜR DIE EFFEKTIVE ENTWICKLUNG VON STADTTEILEN BRAUCHT ES EINE STRATEGISCHE PLATTFORM DER ÖFFENTLICHEN HAND ► Siehe Seite 68 »Handeln im Rahmen«

POLITISCHE VERTRETUNG UND AUFMERKSAMKEIT SIND EIN ZENTRALER FAKTOR FÜR DIE WEITERENTWICKLUNG VON STADTTEILEN

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Nahezu alle Institutionen, die sich mit Stadterneuerungsfragen beschäftigen, leiden unter der kurz- und mittelfristigen Perspektive, mit der Förderprogramme angelegt sind. Die Erfahrungen sowohl anderer als auch die eigenen Erfahrungen zeigen, dass mindestens sieben bis zehn Jahre benötigt werden, um stabile Ansätze für ein selbstorganisiertes Gemeinwesen zu schaffen. An manchen Standorten wird auch das nicht ausreichen. Für eine solche Kontinuität sind Zivilgesellschaft und Wirtschaft nur in den seltensten Fällen die richtigen Partner. Wir haben gezeigt, dass sich aus dem zivilgesellschaftlichen Charakter des Projekts der KALKschmiede* und der Kooperation mit den Wohnungsunternehmen Charakteristika ergeben, die sich grundlegend von einem Vorgehen durch die öffentliche Hand unterscheiden. Aber zivilgesellschaftliche Partner können auch mittelfristig die öffentliche Hand bei der Entwicklung und Umsetzung von Strategien und Projekten unterstützen – am effektivsten dann, wenn sie eine Möglichkeit haben, gerade ihre eigenen Vorteile (etwa Geschwindigkeit und Unabhängigkeit) mit einzubringen, wenn sie nicht ausgebremst werden und wenn sie dies auf Basis einer verlässlichen strategischen Plattform (Handlungsprogramm o. ä.) tun können. Stadtentwicklung, die sich gezielt auf die korrespondierenden Problemlagen innerhalb der Stadt einlässt und integrative Lösungen innerhalb der Quartiere verfolgt, kann nicht sektoral behandelt werden. Stadtentwicklung ist keine Aufgabe, die an Stadtplanung delegiert werden kann, es ist eine Aufgabe, für die eine politische Verantwortung in der Stadt übernommen werden muss. Gerade dort, wo Lösungen einen langen Atem und eine intensive Abstimmung von Akteuren und Verantwortlichkeiten erfordern, ist die Unterstützung der Politik oder zumindest eines politischen Vertreters unersetzlich. Nur so wird die Aufmerksamkeit immer wieder auf das entsprechende Viertel gelenkt, wird Öffentlichkeit hergestellt und erhalten die Akteure durch Rückendeckung und Unterstützung Kraft und Motivation. Nun haben aber gerade die segregierten Stadtteile mit großer Bildungs- und finanzieller Armut Schwierigkeiten, engagiertes politisches Personal aus den eigenen Reihen zu stellen. Es sollte ein Ziel der Quartiersentwicklung sein, diese Personen zu finden und im Rahmen selbstverwalteter Projekte und Fonds für das politische Feld zu gewinnen.

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STADTTEILENTWICKLUNG MUSS IN GESAMTSTÄDTISCHE UND REGIONALE STRATEGIEN EINGEBUNDEN WERDEN

Stadt ist in Bewegung und die Veränderung der Lebenslagen in Quartieren ist ein Stück Normalität. Trotzdem muss gerade die Sorge der Menschen mit wenig finanziellen Ressourcen, aus ihrer gewohnten Umgebung vertrieben zu werden, ernst genommen werden. Dem gegenüber steht die Sorge der Stadtpolitik, dass Quartiere in eine ökonomische oder soziale Sackgasse geraten, wenn sie auf Dauer von einer ökonomisch schwachen Bewohnerschaft dominiert werden. Zwischen diesen beiden Polen eine Balance herzustellen, bedarf es eines gesamtstädtischen und umfassenden Zugangs. Denn auch die konkrete Quartiersarbeit, das konkrete Maßnahmenpaket, das vor Ort wirkt und sichtbar ist, wirkt über den Standort hinaus; spätestens dann, wenn die Ressourcen anderen Quartieren nicht mehr zur Verfügung stehen. Darum ist es notwendig, die Strategien für einzelne Quartiere in den Zusammenhang mit der Entwicklung in anderen zu stellen und die Wechselwirkung zwischen den Quartieren zu berücksichtigen.

QUARTIERSENTWICKLUNG IST KEIN PROZESS, DER INNERHALB DER GESAMTSTADT ABGESCHLOSSEN WERDEN KANN

Erkennt man die Tatsache an, dass es Quartiere gibt, deren Probleme auch als die der Gesamtstadt verstanden werden müssen, die mit denen der Gesamtstadt in Beziehung stehen und mit den Entwicklungen in anderen Quartieren korrespondieren, so sollte es nicht mehr weit zu der Erkenntnis sein, dass zu einer Stadt Quartiere gehören, in denen die Unterstützung gewährt werden muss und dass es immer Quartiere gibt, die unter Umständen auch auf Dauer auf Hilfe angewiesen sein werden. Solche Quartiere können nicht nach dem Abarbeiten eines einmal erstellten Handlungsprogramms wieder sich selbst überlassen werden. Auch darin kommt die politische Dimension von Quartiersentwicklung zum Vorschein: die Probleme der Quartiersebene lassen sich so gut wie nie auf die Probleme reduzieren, die allein innerhalb des Quartiers gelöst werden können; diese räumlich nicht einzugrenzenden Probleme sind oft auch solche, die sich auch nicht auf der Ebene der Stadt lösen lassen. Darum ist es eine Kernverantwortung der Politik aller Ebenen, das ihre zu tun, um die Chancengerechtigkeit anzustreben und nicht die Menschen mit Lasten zu belegen, die in Stadtteilen leben, in denen es schwerfällt, ein »einfaches und gutes« Leben zu führen.

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AUTOREN FRAUKE BURGDORFF war nach dem Studium der Raumplanung in Kaiserslautern und Dortmund Mitarbeiterin bei der Studiegroep Omgeving in Antwerpen und wissenschaftliche Angestellte beim Sekretariat für Zukunftsforschung, Gelsenkirchen. Nach Tätigkeiten bei der Kulturpolitischen Gesellschaft, Bonn, und der EuRegionale 2008, Aachen, leitete sie das Europäische Haus der Stadtkultur, Gelsenkirchen. Sie ist seit 2006 Vorstand der Montag Stiftung Urbane Räume gAG, Bonn. CHRISTIAN HOLL studierte Architektur in Aachen und Stuttgart und schloss das Studium mit dem Studienschwerpunkt Städtebau ab. Er arbeitete als Redakteur bei der db deutschen bauzeitung und war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Städtebau-Institut der Universität Stuttgart. 2004 gründete er mit Ursula Baus und Klaus Siegele die Partnerschaftsgesellschaft frei04 publizistik; in deren Rahmen ist er als freier Autor und Kurator tätig. Seit 2010 ist er zudem Geschäftsführer des BDA Hessen.

TEAM KALKSCHMIEDE* (2011–2013) MARIE CHARLOTTE SELTER studierte Architektur mit Schwerpunkt Stadtentwicklung an der TU Berlin. Nach Mitarbeit in Büros für Städtebau und Stadtplanung schloss sie 2010 das städtebauliche Referendariat des Landes NRW ab. 2011–2013 war sie Mitarbeiterin der Montag Stiftung Urbane Räume im Projekt KALKschmiede*. Seit 2013 leitet sie die Abteilung für Stadtentwicklung und Stadterneuerung des Stadtplanungsamts Düsseldorf. SUSANNE STÜBBEN studierte Architektur an der RWTH Aachen und in Valencia. Sie war zunächst Stipendiatin und dann 2011 – 2013 Mitarbeiterin der Montag Stiftung Urbane Räume im Projekt KALKschmiede*. Sie studierte berufsbegleitend Real Estate Management + Construction Project Management (Master) an der Universität Wuppertal. Seit 2013 ist sie bei Drees & Sommer im Bereich Projektmanagement und bautechnische Beratung tätig. ENES BIYIK studierte Raumplanung an der TU Dortmund. Nach Tätigkeiten u. a. im Forschungsprojekt zum Thema Raumplanung und demographischer Wandel an der FH Dortmund begann er 2010 eine Promotion an der TU Dortmund. 2011 – 2013 arbeitete er als Mitarbeiter der Montag Stiftung Urbane Räume im Projekt KALKschmiede* und ist seit 2013 als selbstständiger Berater für Stadtentwicklung, Demografischer Wandel, Migration und Integration tätig.

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AUTOREN FRAUKE BURGDORFF war nach dem Studium der Raumplanung in Kaiserslautern und Dortmund Mitarbeiterin bei der Studiegroep Omgeving in Antwerpen und wissenschaftliche Angestellte beim Sekretariat für Zukunftsforschung, Gelsenkirchen. Nach Tätigkeiten bei der Kulturpolitischen Gesellschaft, Bonn, und der EuRegionale 2008, Aachen, leitete sie das Europäische Haus der Stadtkultur, Gelsenkirchen. Sie ist seit 2006 Vorstand der Montag Stiftung Urbane Räume gAG, Bonn. CHRISTIAN HOLL studierte Architektur in Aachen und Stuttgart und schloss das Studium mit dem Studienschwerpunkt Städtebau ab. Er arbeitete als Redakteur bei der db deutschen bauzeitung und war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Städtebau-Institut der Universität Stuttgart. 2004 gründete er mit Ursula Baus und Klaus Siegele die Partnerschaftsgesellschaft frei04 publizistik; in deren Rahmen ist er als freier Autor und Kurator tätig. Seit 2010 ist er zudem Geschäftsführer des BDA Hessen.

TEAM KALKSCHMIEDE* (2011–2013) MARIE CHARLOTTE SELTER studierte Architektur mit Schwerpunkt Stadtentwicklung an der TU Berlin. Nach Mitarbeit in Büros für Städtebau und Stadtplanung schloss sie 2010 das städtebauliche Referendariat des Landes NRW ab. 2011–2013 war sie Mitarbeiterin der Montag Stiftung Urbane Räume im Projekt KALKschmiede*. Seit 2013 leitet sie die Abteilung für Stadtentwicklung und Stadterneuerung des Stadtplanungsamts Düsseldorf. SUSANNE STÜBBEN studierte Architektur an der RWTH Aachen und in Valencia. Sie war zunächst Stipendiatin und dann 2011 – 2013 Mitarbeiterin der Montag Stiftung Urbane Räume im Projekt KALKschmiede*. Sie studierte berufsbegleitend Real Estate Management + Construction Project Management (Master) an der Universität Wuppertal. Seit 2013 ist sie bei Drees & Sommer im Bereich Projektmanagement und bautechnische Beratung tätig. ENES BIYIK studierte Raumplanung an der TU Dortmund. Nach Tätigkeiten u. a. im Forschungsprojekt zum Thema Raumplanung und demographischer Wandel an der FH Dortmund begann er 2010 eine Promotion an der TU Dortmund. 2011 – 2013 arbeitete er als Mitarbeiter der Montag Stiftung Urbane Räume im Projekt KALKschmiede* und ist seit 2013 als selbstständiger Berater für Stadtentwicklung, Demografischer Wandel, Migration und Integration tätig.

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JENNIFER VAN DE LOO studiert Raumplanung an der TU Dortmund. Während des Studium absolvierte sie zahlreiche Fachpraktika und war unter anderem im Rahmen eines vom DAAD und InWent geförderten Studienprojekts an der TU Dortmund tätig. 2012–2013 war sie Projektassistentin bei der Montag Stiftung Urbane Räume im Projekt KALKschmiede*, seit 2013 ist sie in dieser Stiftung in der Projektorganisation tätig.

STIPENDIATINNEN KALKSCHMIEDE * 2009–2010 Stipendium der Montag Stiftung Urbane Räume gAG, Bonn, ausgelobt in Zusammenarbeit mit der GAG Immobilien AG, Köln SANDRA BERNIEN studierte Sozialwissenschaften mit Schwerpunkt Stadtsoziologie an der HU Berlin. Nach Arbeitsstationen in der Wissenschaft und Wirtschaft war sie von 2009–2010 Stipendiatin des Projekts KALKschmiede*. Seit 2011 ist sie am Fachgebiet für Stadt- und Regionalsoziologie des soziologischen Instituts der TU Berlin als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt und arbeitet an ihrer Dissertation. ISABEL FINKENBERGER lebt und arbeitet als Freie Stadtplanerin in Köln. Sie ist außerdem als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bergischen Universität Wuppertal am Lehrstuhl Landschaftsarchitektur (Prof. Klaus Overmeyer) tätig. SUSANNE STÜBBEN (s. o.)

Das Team KALKschmiede* 2010–13 mit dem Veedelshausmeister Andreas Breil. (Von links: Susanne Stübben, Andreas Breil, Jennifer van de Loo, Enes Biyik, Marie Charlotte Selter)

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MONTAG STIFTUNG URBANE RÄUME Die Montag Stiftung Urbane Räume setzt sich dafür ein, dass die Räume, in denen wir wohnen, arbeiten und lernen, so gestaltet werden, dass sie ein sozial ausgewogenes, inklusives und chancengerechtes Leben ermöglichen. Gemeinsam mit Partnern aus der Zivilgesellschaft und Kommunen befördert sie Projekte und Programme, die das Zusammenleben in Nachbarschaften und die Qualität von Lernräumen verbessern. Dabei nutzt sie vor allem die Möglichkeiten, die Stadtentwicklung, Städtebau und Architektur den Menschen eröffnen. Mit dieser Ausrichtung folgt die Montag Stiftung Urbane Räume dem Leitgedanken der gesamten Stiftungsgruppe: Handeln und Gestalten in sozialer Verantwortung. Sie hat drei Projektfamilien aufgebaut, in denen sie im ständigen Dialog mit den relevanten Partnern handeln will: Lernräume, Nachbarschaften, Urbane Dialoge. In der Projektfamilie Nachbarschaften, zu dem das Projekt KALKschmiede* zählte, handelt die Stiftung nach der Überzeugung, dass Nachbarschaften eine zentrale Basis für die soziale Entwicklung unserer Städte darstellen. Eine aktive und heterogene Nachbarschaft in guten Wohn- und Lebensverhältnissen ist aber keine Selbstverständlichkeit. Die Stiftung unterstützt daher Projekte, die sich für ihre unmittelbare Umgebung engagieren. Sie setzt sich dafür ein, dass gerade in Stadtteilen, in denen Menschen mit großen ökonomischen Problemen leben, aktive Nachbarschaften entstehen können. Um guten Ideen den Weg zu bereiten, lobt sie Wettbewerbe aus, führt eigene Projekte durch und beauftragt Untersuchungen zu relevanten Fragestellungen des nachbarschaftlichen Zusammenlebens. Die Montag Stiftung Urbane Räume wurde 2005 gegründet. Der Stiftungssitz ist Bonn. www.montag-stiftungen.de/urbane-raeume

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LITERATURHINWEISE THEMEN DER STADTENTWICKLUNG, DER STADTTEILENTWICKLUNG UND DES QUARTIERSMANAGEMENTS

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hg.): Impulse aus 26 Pilotprojekten der nationalen Stadtentwicklungspolitik, Berlin 2010. Online verfügbar unter: www.nationale-stadtentwicklungspolitik.de/ nn_251568/Content/Publikationen/NSP/impulse,templateId=raw,property= publicationFile.pdf/impulse.pdf Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) (Hg.), Bearbeitung: HafenCity Universität Hamburg (HCU), Thomas Krüger, Sascha Anders, Stefan Kreutz, Patrick Stotz; Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), Simon Güntner, Laura Röhr; Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg mbH (steg), Nadia Fritsche: Sicherung tragfähiger Strukturen für die Quartiersentwicklung im Programm Soziale Stadt, Berlin 2012. Vergriffen. Online verfügbar unter: www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/BMVBS/Forschungen/ 2012/Heft153_DL.pdf;jsessionid=B314F43C6D7E36CBDCAF650F5062E37E. live2052?__blob=publicationFile&v=2 Deutsches Institut für Urbanistik (Hg.): Westeuropäische Großsiedlungen. Informationen zur modernen Stadtgeschichte, Berlin, Ausgabe 1 (2013) dass.: Was ist eigentlich Quartiermanagement? Difu-Berichte, Berlin, Ausgabe 4 (2007) dass.: Urbane Räume in Bewegung. Geschichte, Situation und Perspektiven von Stadt, Berlin 2013 Jan Dohnke, Hartmut Häußermann, Antje Seidel-Schulze: Segregation, Konzentration, Polarisierung – sozialräumliche Entwicklung in deutschen Städten 2007 – 2009. Difu-Impulse, Berlin, Ausgabe 4 (2012) Matthias Drilling, Olaf Schnur, (Hg.): Governance der Quartiersentwicklung, Wiesbaden 2009 Thomas Franke: Raumorientiertes Verwaltungshandeln und integrierte Quartiersentwicklung, Wiesbaden 2011 Sabine Friedrich: Stadtumbau Wohnen. Ursachen und methodische Grundlagen für die Stadtentwicklung mit Fallstudie zu Wohngebieten in Zürich. Band 1 der Schriftenreihe des Netzwerks Stadt und Landschaft NSL der ETH Zürich, Zürich 2004 Walter Hanesch (Hg.): Die Zukunft der »Sozialen Stadt«, Wiesbaden 2011 Tilman Harlander, Gerd Kuhn, Wüstenrot Stiftung (Hg.): Soziale Mischung in der Stadt. Case Studies, Wohnungspolitik in Europa, Historische Analyse, Stuttgart 2012 Wilhelm Heitmeyer, Rainer Dollase, Otto Backes (Hg.): Die Krise der Städte. Analysen zu den Folgen desintegrativer Stadtentwicklung für das ethnisch-kulturelle Zusammenleben, Frankfurt am Main 1998

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Hochschule für Technik Stuttgart, Karoline Brombach, Detlef Kurth, Christina Simon-Philipp (Hg.): Quartiersmitten. Bausteine für die Entwicklung und das Management von Stadtteilzentren, Stuttgart 2011 Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.), Bearbeitung Thomas Franke, Wolf-Christian Strauss: Verstetigung integrierter Quartiersentwicklung in benachteiligten Stadtteilen in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2011. Online verfügbar unter: https://broschueren.nordrheinwestfalendirekt.de/ herunterladen/der/datei/verstetigung-integrierter-quartiersentwicklungpdf/von/verstetigung-integrierter-quartiersentwicklung-inbenachteiligten-stadtteilen-in-nordrhein-westfalen/vom/mbwsv/801 Barbara Müller, Loring Sittler, Alexander Thamm: Bürgerbeteiligungen neu organisieren. Im Fördernetzwerk Community Organizing in Deutschland arbeiten Stiftungen und Unternehmen eng zusammen. In: StiftungsWelt, Berlin, Ausgabe 1 (2011) Joachim Weber: Begeisterung für die Macht als politische Grundhaltung. Ein Gegenentwurf zur deutschen Rezeption von Empowerment. In: Widersprüche. Zeitschrift für sozialistische Politik im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich. Frankfurt am Main, Ausgabe 112 (2009)

KALK NORD IM KONTEXT KÖLN

Montag Stiftung Urbane Räume gAG (Hg.): Integriertes Handlungsprogramm Kalk Nord 2012+. Ein Gemeinschaftswerk des Viertels im Rahmen der KALKschmiede*. Fassung 2.0, Stand Februar 2013, Bonn 2013. Online verfügbar unter: www.montag-stiftungen.de/fileadmin/Redaktion/ Urbane_Raeume/PDF/Projekte/Nachbarschaften_und_Wohnräume/ Kalkschmiede/IHP_KalkNord2012__Fassung_2__5MB_.pdf Montag Stiftung Urbane Räume gAG (Hg.): KALKschmiede*. Analyse, Konzept, erste Projekte, Köln 2011 Montag Stiftung Urbane Räume gAG (Hg.): Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien. Hintergrund, Herausforderungen und Handlungsansätze. Erfahrungen aus nordrhein-westfälischen Städten. Verfasser: Alexander Wagner, Büro für lokale und internationale Entwicklung, Bonn 2012. Vergriffen. Online verfügbar unter: verfügbar: www.montag-stiftungen.de/ fileadmin/Redaktion/Urbane_Raeume/PDF/Projekte/Nachbarschaften_ und_Wohnräume/Kalkschmiede/Zuwanderung_aus_Rumaenien_und_ Bulgarien_1MB.pdf Montag Stiftung Urbane Räume gAG (Hg.): Bildungsatlas Kalk. Kleinräumige Analyse der Angebote, Herausforderungen und erste Empfehlungen. Verfasser: Fachhochschule Köln, Forschungsschwerpunkt Nonformale Bildung, Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften, Bonn 2012 Online verfügbar unter: www.montag-stiftungen.de/fileadmin/ Redaktion/Urbane_Raeume/PDF/Projekte/Nachbarschaften_und_ Wohnr%C3%A4ume/Kalkschmiede/Bildungsatlas_Kalk_12MB.pdf

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Stadt Köln, Amt für Stadtentwicklung und Statistik: Rechtsrheinisches Entwicklungskonzept, Teilraum Nord, mit Deutz-Nord, Mülheim-Süd und Buchforst, Köln 2009 Bernd Streitberger, Anne Luise Müller (Hg.): Rechtsrheinische Perspektive. Stadtplanung und Städtebau im postindustriellen Köln 1990 bis 2030, Berlin 2011

STÄDTE UND QUARTIERE

BERLIN BRUNNENVIERTEL Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin, Philipp Mühlberg, Referat Soziale Stadt: Quartiersmanagement BrunnenviertelBrunnenstraße; www.quartiersmanagement-berlin.de/ Brunnenstrasse.3225.0.html ders.: Quartiersmanagement Brunnenviertel-Ackerstraße www.quartiersmanagement-berlin.de/Brunnenviertel-Ackerstrasse. 3186.0.html BERLIN GROPIUSSTADT Brigitte Schultz u. a.: Themenheft Gropiusstadt: 50 Jahre nach Gründung der Berliner Großsiedlung arbeiten Künstler, Architekten und Wohnungsunternehmen an einer Neubewertung. Bauwelt, Berlin, Ausgabe 7 (2013) Vorstand der degewo, Frank Bielka und Christoph Beck: Heimat Großsiedlung. 50 Jahre Gropiusstadt, Berlin 2012 BREMEN OSTERHOLZ-TENEVER Joachim Barloschky: Schlussfolgerungen aus 20 Jahren Quartiersmanagement www.sozialraum.de/schlussfolgerungen-aus-20-jahrenquartiersmanagement.php Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS): Bremen Osterholz-Tenever www.staedtebaufoerderung.info/StBauF/DE/StadtumbauWest/Praxis/ Kommunale__Praxisbeispiele/Massnahmen/Bremen__OTe/Bremen__OTe__ node.html Julia Greb: Bremen-Osterholz-Tenever. In: arch+, Zeitschrift für Architektur und Städtebau, Aachen, Ausgabe 103 (2011) HAMBURG LOHBRÜGGE-OST Bezirksamt Bergedorf, Fachamt Sozialraummanagement, Ingrid Stöckl (Hg.): Gebietsentwicklung Lohbrügge-Ost 2008–2015, Hamburg 2012 HATTINGEN SÜDSTADT Bettina Schulze Wehnick: Hattinger Wohnungsgenossenschaft hwg eG. Zentrumsnah und doch im Grünen – die Südstadt erhält ein neues Gesicht. In: Die Wohnungswirtschaft DW, Hamburg, Ausgabe 3 (2012)

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GELSENKIRCHEN, GELSENKIRCHEN BISMARCK/SCHALKE-NORD UND GELSENKIRCHEN SÜDOST Reinhard Blümel, Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen: Gelsenkirchen Bismarck/Schalke-Nord. www.soziale-stadt.nrw.de/stadtteile_projekte/ profil.php?st=gelsenkirchen-bismarck (21. 09. 2013) ders.: Gelsenkirchen-Südost www.soziale-stadt.nrw.de/stadtteile_projekte/profil.php?st= gelsenkirchen-suedost Stadt Gelsenkirchen. Der Oberbürgermeister, Referat Stadtplanung (Hg.): Bismarck/Schalke-Nord im Wandel. Ein Stück Stadt neu erfinden! Gelsenkirchen 2013. Online verfügbar unter: www.stadterneuerunggelsenkirchen.de/Projektgebiete/Bismarck_Schalke-Nord/_Doc/ Bismarck_Schalke-Nord.pdf Stefan Rommelfanger und Matthias Sauter: Integrierte Stadt(-teil-) entwicklungspolitik. Vom Sonderprojekt zur Regelaufgabe – Das Beispiel Gelsenkirchen. In: Sozial Extra. Zeitschrift für Soziale Arbeit und Sozialpolitik, Wiesbaden, Ausgabe 7/8 (2010)

BILDNACHWEIS Stadt Köln, Amt für Stadtentwicklung und Statistik: Seite 13 Stephan Bayer: Seite 14, 27 (Mitte rechts) Christopher Clem Franken: Seite 17, 23, 24, 37 (beide), Seite 42, 43 (oben), Seite 48 (oben und 2. von oben), Seite 58 (unten), Seite 64, 69, 76, 77, 168 Axel Hartmann: Seite 27 (oben links) Christian Holl: Seite 85, 93, 101, 119, 125, 133 Frauke Burgdorff: Seite 109 Alle anderen: KALKschmiede*

HINWEISE Die deutsche Sprache bietet zurzeit noch keine befriedigende Lösung für eine zeitgemäße sprachliche Gleichstellung. Mit diesem Buch werden alle Personengruppen und Geschlechter gleichermaßen angesprochen. Für eine bessere Lesbarkeit verwenden wir in den Texten, sofern nicht eindeutig anders angegeben, die männliche Form. Trotz intensiver Bemühungen konnten nicht alle Urheber oder Rechteinhaber der Fotos und Abbildungen ermittelt werden. Die Urheberrechte bleiben natürlich gewahrt. Wir bitten um entsprechende Meldung an den Herausgeber.

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GELSENKIRCHEN, GELSENKIRCHEN BISMARCK/SCHALKE-NORD UND GELSENKIRCHEN SÜDOST Reinhard Blümel, Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen: Gelsenkirchen Bismarck/Schalke-Nord. www.soziale-stadt.nrw.de/stadtteile_projekte/ profil.php?st=gelsenkirchen-bismarck (21. 09. 2013) ders.: Gelsenkirchen-Südost www.soziale-stadt.nrw.de/stadtteile_projekte/profil.php?st= gelsenkirchen-suedost Stadt Gelsenkirchen. Der Oberbürgermeister, Referat Stadtplanung (Hg.): Bismarck/Schalke-Nord im Wandel. Ein Stück Stadt neu erfinden! Gelsenkirchen 2013. Online verfügbar unter: www.stadterneuerunggelsenkirchen.de/Projektgebiete/Bismarck_Schalke-Nord/_Doc/ Bismarck_Schalke-Nord.pdf Stefan Rommelfanger und Matthias Sauter: Integrierte Stadt(-teil-) entwicklungspolitik. Vom Sonderprojekt zur Regelaufgabe – Das Beispiel Gelsenkirchen. In: Sozial Extra. Zeitschrift für Soziale Arbeit und Sozialpolitik, Wiesbaden, Ausgabe 7/8 (2010)

BILDNACHWEIS Stadt Köln, Amt für Stadtentwicklung und Statistik: Seite 13 Stephan Bayer: Seite 14, 27 (Mitte rechts) Christopher Clem Franken: Seite 17, 23, 24, 37 (beide), Seite 42, 43 (oben), Seite 48 (oben und 2. von oben), Seite 58 (unten), Seite 64, 69, 76, 77, 168 Axel Hartmann: Seite 27 (oben links) Christian Holl: Seite 85, 93, 101, 119, 125, 133 Frauke Burgdorff: Seite 109 Alle anderen: KALKschmiede*

HINWEISE Die deutsche Sprache bietet zurzeit noch keine befriedigende Lösung für eine zeitgemäße sprachliche Gleichstellung. Mit diesem Buch werden alle Personengruppen und Geschlechter gleichermaßen angesprochen. Für eine bessere Lesbarkeit verwenden wir in den Texten, sofern nicht eindeutig anders angegeben, die männliche Form. Trotz intensiver Bemühungen konnten nicht alle Urheber oder Rechteinhaber der Fotos und Abbildungen ermittelt werden. Die Urheberrechte bleiben natürlich gewahrt. Wir bitten um entsprechende Meldung an den Herausgeber.

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IMPRESSUM NEUE PARTNER FÜR DIE QUARTIERSENTWICKLUNG Die KALKschmiede* in Köln Montag Stiftung Urbane Räume (Hg.) transcript Verlag BIBLIOGRAFISCHE INFORMATION DER DEUTSCHEN NATIONALBIBLIOTHEK Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2013 transcript Verlag, Bielefeld HERAUSGEBER Montag Stiftung Urbane Räume gemeinnützige Aktiengesellschaft, Bonn AUTOREN Frauke Burgdorff, Montag Stiftung Urbane Räume gAG Christian Holl, frei04 publizistik, Stuttgart TEAM KALKSCHMIEDE * Enes Biyik, Jennifer van de Loo, Charlotte Selter, Susanne Stübben LEKORAT Petra Bohnenberger, Reutlingen GESTALTUNG, SATZ, LITHOGRAFIE labor b designbüro, Dortmund SCHRIFT National (Klim Type Foundry) PAPIER Umschlag: Passat GD2 400 g/m² Innenteil: PlanoJet 120 g/m² DRUCK DruckVerlag Kettler, Bönen/Westfalen

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CREATIVE COMMONS

Diese Lizenz erlaubt Ihnen, dieses Werk zu verbreiten, zu bearbeiten, zu verbessern und darauf aufzubauen, auch kommerziell, solange die Urheber des Originals, also die Herausgeber, genannt werden und die auf deren Werk/Inhalt basierenden neuen Werke unter denselben Bedingungen veröffentlicht werden (Creative Commons Lizenzmodell ATTRIBUTION SHARE ALIKE).

ISBN 978-3-8376-2664-3 www.transcript-verlag.de

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NEUE PARTNER FÜR DIE QUARTIERSENTWICKLUNG Die KALKschmiede* in Köln Initiiert von der Montag Stiftung Urbane Räume und der GAG Immobilien AG wurde im Kölner Stadtviertel Kalk Nord ein Projekt angestoßen, das sich von den üblichen Formen des Quartiersmanagements unterscheidet: die KALKschmiede*. Die in der etwa dreieinhalb Jahre währenden Laufzeit entwickelten Methoden und gewonnenen Erkenntnisse können den Diskurs über die Zukunft des Stadtteilmanagements befruchten und beleben. Dieser Band stellt das Projekt vor und lässt Partner und Beteiligte ebenso zu Wort kommen wie erfahrene Stadtteilentwicklungsexperten, die die KALKschmiede* im Kontext aktueller Fragen zur Zukunft der Stadtteilentwicklung verorten und grundsätzliche Probleme des Quartiersmanagements ansprechen. TEAM KALKSCHMIEDE* Enes Biyik Jennifer van de Loo Charlotte Selter Susanne Stübben AUTOREN Frauke Burgdorff Christian Holl

INTERVIEWS MIT Joachim Barloschky + Anne Knauf Frank Bielka + Eduard Heußen Thomas Krüger + Stefan Kreutz + Patrick Stotz Stefan Rommelfanger Kirsten Sehgal Thomas Sieverts David Wilde

MONTAG STIFTUNG URBANE RÄUME (HG.)