Natürliche generative Morphologie und Phonologie des Dialekts von Ludwigsstadt: Die Erprobung eines Grammatikmodells an einem einzelsprachlichen Gesamtsystem 3484301902, 9783484301900

Die Buchreihe Linguistische Arbeiten hat mit über 500 Bänden zur linguistischen Theoriebildung der letzten Jahrzehnte in

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Natürliche generative Morphologie und Phonologie des Dialekts von Ludwigsstadt: Die Erprobung eines Grammatikmodells an einem einzelsprachlichen Gesamtsystem
 3484301902, 9783484301900

Table of contents :
ABKÜRZUNGEN
SYMBOLE
Karte
I. EINLEITUNG
1. Zur Begründung und Einordnung dieser Arbeit
1.1. Ortsgrammatik, Dialektologie, Sprachtheorie
1.2. Ortsgranimatik und 'Sprechergraramatik'
2. Untersuchungsort und Materialkorpus
2.1. Untersuchungsort
2.1.1. Außersprachliche Daten
2.1.2. Sprachgeographische Lage
2.2. Korpus und Sprecher
2.2.1. Gewährspersonen und Erhebungen
2.2.2. Idiolektaler Hintergrund des Verfassers
3. Transkriptionssystem
II. LINGUISTISCHE VORAUSSETZUNGEN
4. "Where's morphology?" - Methodische und theoretische Grundlagen der Morphologie
4.1. Gesamtgrammatik
4.2. Flexion und Derivation
4.3. Flexivische Merkmale: Art und Leistung
4.3.1. Kategorialsemantische Merkmale
4.3.2. Syntaktische Merkmale
4.3.3. Syntaktische Kategorie 'Wortart'
4.3.4. Lexikonmerkmale
4.3.5. Die Inhaltsseite des minimalen Zeichens
4.4. Flektierte Wörter, Flexionsmorpheme und -morphe
4.4.1. Merkmalsbündel, Wort, Morphem
4.4.2. Wort und Paradigma
4.4.3. Morphologische Verkettung und "Null"
4.4.4. Die Ausdrucksseite des minimalen Zeichens
4.4.5. Die Organisation des morphologischen Ausdrucks
4.5. Morphologische Natürlichkeit und der Aufbau der Grammatik
5. "How abstract is phonology?" - Methodische und theoretische Grundlagen der Phonologie
5.1. Zulassung und Einschränkung von Abstraktheit durch Evidenzen aus Distribution und Alternation
5.2. Regelordnungsverbot
5.3. Distribution und Distinktion
5.4. Merkmalsphonologie
5.5. Phonologische Natürlichkeit: Merkmale und Markiertheit
III. MORPHOLOGIE
6. "Reguläre" Morphologie: Konstruktioneller Ikonismus
6.1. Nomina
6.1.1. Deklination
6.1.2. Graduation
6.1.3. Diminution
6.1.4. Stammbildung
6.2. Verba
6.2.1. Konjugation
6.2.2. Imperativ
6.2.3. Stammbildung: Infinite Formen
6.3. Zusammenfassung
7. Phonologisch auffällige morphologische Formen: morphologisch oder phonologisch konditioniert?
7.1. Fragestellung und Problemfälle
7.1.1. Sandhi zwischen Stammauslaut und Suffix
7.1.2. Sandhi zwischen Wortauslaut und Enklise
7.1.3. Sandhi zwischen Suffix und Suffix
7.2. Problemdeutung
7.2.1. Re-aktive Morphologie
7.2.2. Morphologisches Klassenverhalten und Zusammenfassung
8. "Irreguläre" Morphologie: Akzidentielle Symbolisierung und Flexionsklassenstabilisierung
8.1. Verbale Klassen
8.1.1. Verbalklasse I
8.1.2. Verbalklasse II
8.2. Nominale Klassen
8.2.1. Substantive
8.2.2. Adjektive: Graduation
8.3. Zusammenfassung
9. Morphologie nach Phonologie: Kompensatorische Symbolisierung
9.1. Verb
9.2. Substantiv
9.3. Adjektiv
9.4. Artikel
9.5. Pronomen
9.6. Zusammenfassung
IV. PHONOLOGIE
10. "Emische" Phonologie: Phonemische Distribution und distributioneile Lücken
10.1. Der Einsilhler als Rahmen
10.1.1. Konsonantischer Anlaut
10.1.2. Konsonantischer Auslaut
10.1.3. Konsonantischer An- und Auslaut im Spiegelbild
10.1.4. Sonderprobleme konsonantischer Distribution: Die phonematische Wertung von Affrikaten und Velarnasal
10.1.5. Vokalische Phonemdistribution
10.2. Mehrsilbigkeit und Phonotaktik
10.2.1. Silbengrenze und Silbenträger
10.2.2. Vokale als Silbenträger
10.2.3. Konsonanten als Silbenträger
10.2.4. Gibt es eine synchron wirksame Synkoperegel?
11. "Etische" Phonologie: Allophonische Distribution und komplementäre Verteilung
11.1. Konsonanten in komplementärer Distribution
11.1.1. Parameter Artikulationsort
11.1.2. Parameter Artikulationsart
11.1.3. Zusammenfassung
11.2. Vokale in komplementärer Distribution
11.2.1. Korrelation von Höhen- und Quantitätsmerkmalen
11.2.2. Vertikaler Parameter
11.2.3. Horizontaler Parameter: Rhotazierung
11.2.4. Parameter Rundung
11.2.5. Parameter Betonung
11.2.6. Zusammenfassung
LITERATUR

Citation preview

Linguistische Arbeiten

190

Herausgegeben von Hans Altmann, Herbert E. Brekle, Hans Jürgen Heringer, Christian Rohrer, Heinz Vater und Otmar Werner

Rüdiger Harnisch

Natürliche generative Morphologie und Phonologie des Dialekts von Ludwigsstadt Die Erprobung eines Grammatikmodells an einem einzelsprachlichen Gesamtsystem

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1987

Diese Arbeit wurde ausgezeichnet mit dem "Preis der Stadt Bayreuth" des Jahres 1986

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Harnisch, Rüdiger : Natürliche generative Morphologie und Phonologic des Dialekts von Ludwigsstadt : d. Erprobung e. Grammatikmodells an e. einzelsprachl. Gesamtsystem / Rüdiger Hämisch. - Tübingen : Niemeyer, 1987. (Linguistische Arbeiten ; 190) NE:GT ISBN 3-484-30190-2

ISSN 0344-6727

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1987 Alle Rechte vorbehalten. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus photomechanisch zu vervielfältigen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt.

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VORWORT

Was hier leicht gekürzt und in Maßen aktualisiert vorliegt, wurde 1985 von der Sprach- und Literaturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation angenctrmen. Sie entstand am Lehrstuhl für Germanistische Linguistik und Dialektologie. Allen, die dazu gehören, sowie vielen ändern hier auch nicht im einzelnen genannten Kolleginnen und Kollegen verdanke ich wertvolle Anregungen, Hilfe und konstruktive Kritik. Prof. Dr. Robert Hinderung und Prof. Dr. Rudolf Zimmer waren die Gutachter der Arbeit, Prof. Dr. Otmar Werner hat ihre Aufnahme in diese Reihe empfohlen. Durch ein Stipendium der FriedrichNaumann-Stiftung waren mir zweieinhalb Jahre ungestörten Arbeitens möglich. Frau Christine Heinz hat die Druckvorlage geschrieben, und das heißt: die mit Tabellen, Skizzen, Sonderzeichen und ändern "Gemeinheiten" (Zitat) gespickte Arbeit zur Reproduktionsreife gebracht. Auf dem Wege dahin gewährten finanzielle Unterstützung der Landkreis Kronach, die Stadt Ludwigsstadt und die dortige Volksbank. Sehr viel Geduld mit mir haben meine Gewährsleute aufgebracht, allen voran und über Jahre hinweg Walter Schmitt. Allen, die auf diese verschiedenen Weisen an der Entstehung dieser Arbeit mitgewirkt haben, danke ich ganz herzlich. Freuen würde ich mich, wenn diese Grammatik über ihren Forschungszweck hinaus dazu beitrüge, daß sich die "Ludschter" im Gebrauch ihres Dialekts von der Wissenschaft her gestützt fühlten.

Bayreuth im Spätsommer 1987

R.H.

INHALT

ABKÜRZUNGEN SYMBOLE

XIV XV 2

Karte I.

EINLEITUNG

3

1.

Zur Begründung und Einordnung dieser Arbeit

3

1.1.

Ortsgraimatik, Dialektologie, Sprachtheorie

3

1.2.

Ortsgraimatik und ' Sprechergramnatik1

4

2.

Untersuchungsort und Materialkorpus

6

2.1.

Untersuchungsort

6

2.1.1. 2.1.2.

Außersprachliche Daten Sprachgeographische Lage

6 7

2.2.

Korpus und Sprecher

8

2.2.1. 2.2.2.

Gewährspersonen und Erhebungen Idiolektaler Hintergrund des Verfassers

8 11

3.

Transkriptionssystem

11

II.

LINGUISTISCHE VORAUSSETZUNGEN

13

4.

"Where's morphology?" - Methodische und theoretische Grundlagen der Morphologie

13

4.1.

Gesamtgraititatik

13

4.2.

Flexion und Derivation

14

4.3.

Flexivische Merkmale: Art und Leistung

15

4.3.1. 4.3.2. 4.3.3. 4.3.4. 4.3.5.

Kategorialsemantische Merkmale Syntaktische Merkmale Syntaktische Kategorie 'Wortart1 Lexikonmerkmale Die Inhaltsseite des minimalen Zeichens

17 18 20 22 23

4.4.

Flektierte Wörter, Flexionsmorpheme und -morphe

25

4.4.1.

Merkmalsbündel, Wort, Morphem

25

4.4.2. 4.4.3. 4.4.4. 4.4.5.

Wort und Paradigma Morphologische Verkettung und "Null" Die Ausdrucksseite des minimalen Zeichens Die Organisation des morphologischen Ausdrucks

26 29 31 33

4.5.

Morphologische Natürlichkeit und der Aufbau der Graimatik

34

5.

"Kow abstract is phonology?" - Methodische und theoretische Grundlagen der Phonologie

39

Zulassung und Einschränkung von Abstraktheit durch Evidenzen aus Distribution und Alternation

39

*> 5 .^.

Regelordnungsverbot

41

5.3.

Distribution und Distinktion

41

5.4.

Merkmalsphonologie

43

5.5.

Phonologische Natürlichkeit: Merkmale und Markiertheit

47

III.

MORPHOLOGIE

51

6.

"Reguläre" Morphologie: Konstruktioneller Ikonismus

51

6.1.

Nomina

56

6.1.1.

Deklination

56

6.1.1.1. 6.1.1.2.

56

6.1.1.5. 6.1.1.6.

Substantivische Flexion Adhärente "pronominale" (sog. "starke") Flexion von Adjektiven und Artikeln Reduzierte adhärente "pronominale" Flexion: Possessivartikel und /(gx)am/ ' (k) ein1 Inhärente "pronominale" Flexion: Paradigmen 'ganzer1 Wörter beim (in)definiten Artikel und personalen Pronomen Die sog. "gemischte" und "schwache" Adjektivflexion Zahlen größer als "eins1

72 88 93

6.1.2. 6.1.3. 6.1.4.

Graduation Diminution Stamnibildung

93 94 95

6.2.

Verba

99

6.2.1. 6.2.2. 6.2.3.

Konjugation Imperativ Stammbildung: Infinite Formen

99 106 107

6.3.

Zusammenfassung

111

7.

Phonologisch auffällige morphologische Formen: morphologisch oder phonologisch konditioniert?

112

Fragestellung und Problemfälle

112

5.1.

6.1.1.3. 6.1.1.4.

7.1.

63 68

XI

7.1.1.

Sandhi zwischen Stammauslaut und Suffix

114

7.1.2.

Sandhi zwischen Wortauslaut und Enklise

122

7.1.3.

Sandhi zwischen Suffix und Suffix

125

7.2.

Problemdeutung

128

7.2.1.

Re-aktive Morphologie

130

7.2.2.

Morphologisches Klassenverhalten und Zusammenfassung

132

8.

"Irreguläre" Morphologie: Akzidentielle Synibolisierung und Flexionsklassenstabilisierung

135

8.1.

Verbale Klassen

137

8.1.1.

Verbalklasse I

137

8.1.1.1. 8.1.1.2. 8.1.1.3. 8.1.1.4. 8.1.1.5.

Zweite/Dritte Person Singular Partizipium Präteriti Präteritum Präteritum Konjunktiv Die "Staiitnformen" der Verben von Klasse I

138 147 156 157 158

8.1.2.

Verbalklasse II

166

8.2.

Nominale Klassen

173

8.2.1.

Substantive

173

8.2.1.1. Pluralbildung

174

8.2.1.2.

Diminution

196

8.2.2.

Adjektive: Graduation

200

8.3.

Zusammenfassung

203

9.

Morphologie nach Phonologie: Kompensatorische Symbolisierung

205

9.1.

Verb

205

9.2.

Substantiv

207

9.3.

Adjektiv

210

9.4.

Artikel

211

9.5.

Pronomen

212

9.6.

Zusammenfassung

214

IV.

PHONOLOGIE

216

10.

"Emische" Phonologie: Phonemische Distribution und distributionelle Lücken

216

10.1.

Der Einsilbler als Rahmen

217

XII

10.1.1.

Konsonantischer Anlaut

221

10.1.1.1. Einzelsegmente und Konsonantencluster 10.1.1.2. Zusanmenfassung der Anlautstrukturen

221 225

10.1.2.

229

Konsonantischer Auslaut

10.1.2.1. Von EinzelSegmenten bis zu Dreierclustem 10.1.2.2. Zweier- oder Dreiercluster? - Der sequentielle Übergang von Sonanten zu Obstruenten 10.1.2.3. Vierer- und Fünfercluster 10.1.2.4. Zusanmenfassung der Auslautstrukturen 10.1.2.5. Auslautcluster in Abhängigkeit von der Vokalquantität 10.1.3. 10.1.4.

Konsonantischer An- und Auslaut im Spiegelbild Sonderprobleme konsonantischer Distribution: Die phonematische Wertung von AffrUcaten und Velarnasal

229 237 243 249 255 259 261

10.1.4.1. Affrikaten 10.1.4.2. Velarer Nasal

261 263

10.1.5.

265

Vokalische Phonemdistribution

10.1.5.1. Vokalqualität und Folgekonsonanz 10.1.5.2. Vokalische Cluster und die phonenatische Wertung von Diphthongen 10.1.5.3. Vokalischer Auslaut

268 268

10.2.

Mehrsilbigkeit und Phonotaktik

270

10.2.1. 10.2.2.

Silbengrenze und Silbenträger Vokale als Silbenträger

271 273

10.2.2.1. Diphthong und Hiatus 10.2.2.2. Langvokale im Nebentonauslaut

273 275

10.2.3.

275

Konsonanten als Silbenträger

265

10.2.3.1. Nachhaupttonige Position

275

10.2.3.2. Vorhaupttonige Position

279

10.2.4.

Gibt es eine synchron wirksame Synkoperegel?

282

11.

"Etische" Phonologie: Allophonische Distribution und konplementäre Verteilung

292

11.1.

Konsonanten in komplementärer Distribution

295

11.1.1.

Parameter Artikulationsort

295

11.1.1.1. Postkoronale 11.1.1.2. Nasalassimilation

295 296

11.1.2.

299

Parameter Artikulationsart

11.1.2.1. Plosive

299

XEII

11.1.2.2. Frikative 11.1.2.3. Nasale und Liquiden 11.1.2.4. Approximanten

303 305 306

11.1.3.

Zusartmenfassung

308

11.2.

Vokale in komplementärer Distribution

310

11.2.1. 11.2.2. 11.2.3. 11.2.4. 11.2.5. 11.2.6.

Korrelation von Höhen- und Quantitätsmerkmalen Vertikaler Parameter Horizontaler Parameter: Rhotazierung Parameter Rundung Parameter Betonung Zusanmenfassung

311 315 318 319 320 321

LITERATUR

324

ABKÜRZUNGEN Für hier nicht aufgelöste Abkürzungen des alltäglichen Gebrauchs vergleiche man die DUDEN Rechtschreibung. Ich hatte die 17. Aufl. (Mannheim. Wien. Zürich 1973) zur Hand. Wurden in begrenzten Textpassagen aus Raumgründen andere als die hier genannten Abkürzungen verwendet, sind sie entweder so sprechend, daß sie keiner Auflösung bedürfen, oder dort an Ort und Stelle erklärt. Gängige bibliographische Abkürzungen sind ebenfalls nicht in dieses Verzeichnis aufgenommen.

ADJ AFFRIK AKK AL ALV ANT ART B-/bair. BEL OOMP DAT DEF DEKL DEOT DERIV DGfS DIM dt. DWB

Adjektiv Affrikata Akkusativ Acta Linguistics alveolar anterior Artikel B-/bairisch Belebtheit Complementizer Dativ definit Deklination dental Derivation Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft Diminutiv deutsch Deutsches Wörterbuch

E-/engl. EST

E-/englisch Extended Standard Theory

FEM FLEX FlN FORT FRIK F-/frk. ged. GEN GER GLOT GP GRAD GTG

Femininum Flexion Flurname Fortis/fortisiert Frikativ F-/fränkisch gedehnt Genus Gerund glottal Generative Phänologie Graduation Generative Transformationsgrammatik

H-/hd. HT HUM IA IMP

H-/hochdeutsch Hauptton Mensch item and arrangement Imperativ

IND INDEF INF IP IPA /K/ /k/ KÄS KL KOMP KCNJ KONS KONT KOR KS Kt. L LAB LAT LB LBij LEB Lg LGL LI LIQ L-/lst. m M-/mhd. MOD MSK MVB N MAS NGP NOM NP NT NTR

Indikativ indefinit Infinitiv item and process International Phonetic Association konsonantisches Segment konsonantische Sequenz Kasus Klasse Komparativ Konjunktiv Konsonant Kontinuant koronal Konstituentenstruktur Karte language (in "L-spezifisch") labial lateral Linguistische Berichte Leuvense Bijdragen Belebt- oder Unbelebtheit Language Lexikon der Germanistischen Linguistik Linguistic Inquiry Liquid L-/ludwigsstädtisch markiert M-/mittelhochdeutsch Modus Maskulinum Morphologische Verkettungsbedingung Nomen nasal Natürliche Generative Phonologie Nominativ Nominalphrase Nebenton Neutrum

XV

MUM

Numerus

CBSTR O-P-S PAL PALV PART.INF PERF PERS PL PLOS PN POS POSS

Obstruent Objekt-Prädikat-Subjekt palatal palato-alveolar partizipialer Infinitiv Perfekt Person Plural Plosiv Personenname Positiv Possessiv

POSTKOR

postkoronal

P.P. PRSS PRAT PRON PROX P-S-O REST

Partizipium Präteriti Präsens Präteritum Pronomen Approximant Prädikat-Subjekt-Objekt Revised Extended Standard Theory rhotaziert sentence/Satz Strukturbeschreibung (einer Regel) Singular silbisch Sonorant spirantisiert Subjekt-Prädikat-Objekt Statmibildung stiitmhaft stiranlos "starkes" Verb Substantiv

RHO S SB SG SILB SON SPIR S-P-O STBI STH/sth. STL/stl. STV SUBST

SUP SW sym

Superlativ "schwaches" Verb symbolisiert

TEMP Tempus Th-/thür. Th-/thüringisch u unmarkiert UNBEL Unbelebtheit UVUL uvular V /V/ /v/ /Vi/ VEL

Verb kurzvokalisches Segment vokalische Sequenz langvokalisches Segment velar

VIER

Vibrant

VOK VP vs. /W/ WP

Vokal Verbalphrase versus Diphthong word and paradigm

X ZDL

lexikalische Wurzel Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik Zeitschrift für deutsche Mundarten zentralisiert Zeitschrift für Mundartforschung Zeitschrift für Phonetik und allgemeine Sprachwissenschaft Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kcmnunikationsforschung Zeitschrift für Sprachwissenschaft

ZDM ZENTR ZMF ZPS ZPSK ZS

SYMBOLE

0

"+" oder "-" i.S.v. Pkt. (2) bei "+" und "-" unten Null (=Nichtvorhandensein eines phonologischen/morphologischen Merkmals) 'wird zu1 (z.T. auch 'impliziert' wie " > " ) 'impliziert' (1) Grenze zwischen Lautsegmenten (2) vor morphologischen/phonologischen Merkmalen: 'Merkmal liegt nicht vor1 (1) morphologische Grenze (2) vor morphologischen/phonologischen Merkmalen: 'Merkmal liegt vor'

XVI

#

Wortgrenze (v.a. verwendet zu Klitika hin)

$ *

Silbengrenze erschlossen, nicht belegt, falsch

1

...'

senantische Angabe

Bündel von Merkmalen in einer Entweder-Oder-Relation Bündel von Merkmalen in einer Sowohl-als-auch-Relation

[...] /.../ .../... ...

...

Laute in phonetischer Repräsentation Laute in phonemischer Repräsentation in formalisierten Regeln: '... tritt in Kraft, wenn Bedingung ... erfüllt ist1 Platzhalter für das von der Regel betroffene Element in der Umgebung von ... Variante von ... ..., wenn ... und zu einem Element gehören

• · ·

Die Konventionen für die Formulierung generativer Regeln findet man zusammengestellt bei Mayerthaler (1974: Kap. II.2.).

"Man ist gewöhnt, auf jede Mundart, die nicht mit der einmal angenommenen Schriftsprache übereinstimmt, mit Verachtung herabzusehen. Darinn geht das Streben nach Einheit wahrlich zu weit. Was in Vergleichung mit einem angenommenen Muster abweichend und fehlerhaft ist, kann auch für sich selbst bestehend und als einzig rechtmäßiges Muster gedacht werden. Es braucht weiter nichts, als daß der Wörter-Vorrath einer Mundart gesammelt, ihre Regeln wissenschaftlich aufgestellt, und in ihr geschrieben werde, um sie selbständig in die Reihe der Sprachen zu setzen." Johann Andreas Schmeller

Karte Erfurt

BR D e u t s c h l a n d

Bamberg 50 km

I.

EINLEITUNG

1.

Zur Begründung und Einordnung dieser Arbeit

1.1.

Qrtsgranitatik, Dialektologie, Sprachtheorie

"Unter Dialektologie" versteht Goossens (1977: 23) "die Abteilung der Areallinguistik, die die diabopische Erforschung von Dialekten zur Aufgabe hat". In seiner Rezension von Werlen (1977) sagt Haas (1982: 65) in Anspielung auf den ortsgranmatischen Charakter der rezensierten Arbeit: "Es handelt sich dabei also weniger um Dialektologie, sondern vielmehr um die Anwendung moderner linguistischer Methoden auf ein Sprachsystem, das soziolinguistisch als Dialekt gilt". Man erkennt unschwer: "von vielen Dialektologen wird Mundartforschung mit Sprachgeographie geradezu in eins gesetzt" (Hinderung o.J.: 26). Doch "[w]ir lehnen hier diese Einengung ab" - und zwar nicht nur so weit, daß "Ortsgrammatiken als taugliche Basis für summierende Darstellungen" (Reiffenstein 1982: 34), also für sprachgeographische Arbeiten dienen können (und somit letztlich doch von Anfang an auf sprachgeographische Ziele gerichtet sind), sondern so weit, daß Ortsgrammatiken auch ohne diese diatopische Zielrichtung schon "Dialektologie" sind: "Außer den von Goossens 1977, 23-25 genannten diatopischen (also sprachgeographischen) Aufgaben gehören u.E. auch monographische Beschreibungen dialektaler Sprachsysteme und ihre sprachgeschichtliche Deutung zum Aufgabenbereich der Dialektologie" (Hinderung ebd.: 2). Gerade bei dieser Art von Monographien ist das gut möglich, was Haas angedeutet hat: "die Anwendung moderner linguistischer Methoden auf ein Sprachsystem". So reichen Ortsgrartmatiken oft über den Gegenstandsbereich Dialekt hinaus in allgemeinlinguistisch interessante methodische Felder: nicht nur in der Weise, daß man sich mit neuen Methoden auf der Spielwiese von Einzeldialekten gleichsam austobt, sondern auch in der Weise, daß man erstens die Tragfähigkeit methodischer Konzepte, die nie an ganzen Einzelsprachen, sondern nur an splitterhaften Ausschnitten aus ihnen entwickelt worden sind, an einer Einzelsprache (hier: einem ortsdialektalen Gesamtsystem) erprobt und man zweitens in umgekehrter Richtung durch bestimmte einzelsprachliche (hier: ortsgrattmatische) Strukturen und Besonderheiten zu ganz neuen oder ändern methodischen Prinzipien gezwungen werden kann: "Confronting a theoretical model with a lot of empirical data taken from one language is always to be

preferred over supporting one's claims by isolated examples taken fron a variety of languages" (Gussmann 1985: 621-2). Vorliegende Untersuchung versteht sich einerseits als dialektologische Arbeit der ortsgrantnatischen Spielart im obigen Sinne (wobei ich hoffe, daß diese sprachliche Topographie der Sprachgeographie dienen kann) und will anderseits ein Vorschlag dafür sein, wie, nach Maßgabe der Prämissen von 1.2. unten, Grammatiken bzw. deren morphologischer und phonologischer Ausschnitt geschrieben werden sollten. Mir ist dabei natürlich klar, daß nur das in mein Gesichtsfeld rücken konnte, was der beschriebene Dialekt an methodischem 'Zündstoff lieferte. Die Methoden-Kapitel sind damit mehr als nur Einleitungen und Hinführungen zum "Eigentlichen", den L-spezifischen dialektologischen Teilen. Sie behandeln das, wozu einen eine noch wenig traktierte und nicht standardisierte kleine Sprache methodisch und theoretisch angestoßen hat. So kann jede neue Beschreibung eines auch noch so kleinen einzelsprachlichen Systems neue Bausteine gerade für das Gebäude der sprachlichen Universalien liefern - oder wie Rapp (1836) das formuliert, als er, bezogen auf die "süddeutschen Volksdialecte", feststellt, "daß aus den nächstgelegenen unserer Umgebungen [...] sich oft die feinsten und wichtigsten Grundzüge und Analogien entnehmen lassen, mit denen man dann [... ] oft im buchstäblichen Sinne den Erdkreis bewältigen kann" (zitiert nach Schneller 1837: 521; vgl. auch Harnisch 1985: 58). 1.2.

Ortsgrammatik und 'Sprechergrairmatik1

Mit dem Begriff 'Sprechergrammatik1 wird auf einen methodischen Entschluß angespielt. Diese auch am Titel der Arbeit ablesbare Entscheidung für eine Methode bringt, wie jede solche Entscheidung, den Konflikt zwischen "god's truth"- und "Hokuspokus"-Linguistik ins Spiel (dazu Henrici 1975: 68ff.). Es soll gar nicht bestritten werden, daß "various descriptions from various angles may be rather complementary than contradictory" (Fischer-J#rgensen 1975 b: 223). Doch setzen gewisse Prämissen darüber, was für eine Grammatik man schreiben will, gewisse Grenzen des theoretisch wie methodisch Erlaubten (des "Hokuspokus"). Hier war es die, sprachliche Strukturen und Prozesse nicht losgelöst von ihrer möglichen sprecherpsychologischen Realität (einer "göttlichen Wahrheit"?) zu sehen. Das mußte zur Wahl eines Gramnatikmodells führen, bei dem der Sprecher sein Regelwissen über ihm zugängliche sprachliche Repräsentationen erwerben können muß (das also bei aller Rücksicht auf die interne Instabilität, Variabilität und Dynamik sprachlicher Systeme konsequent "synchron",

ferner eher "konkret" avisgerichtet ist), das die einzelnen Teilkcmponenten der Grammatik sowohl genügend voneinander trennt (also "modular" ist), als auch, den engen Beziehungen zwischen ihnen Rechnung tragend, zwischen ihnen vermittelt (statt "autonctnistisch" also "integrativ" und "generativ/transformationeil" ist) und Erklärungen aus der Markiertheit von sprachlichen Merkmalen bezieht (also im Sinne der nach Mayerthaler 1982: 241 allerdings noch eine "Zielutopie" darstellenden biologischen/psychologischen Realität "natürlich" ist). Nun wird man von psycholinguistischer Seite einwenden: "Natürlich kann man der Meinung sein, linguistische [...] Regeln besäßen "psychische Realität'. Aber das muß man psychologisch nachweisen" (Günther 1986: 151). Doch psychische Realität wird für vorliegende Grammatik nicht schon behauptet, sondern Linguistik und Psychologie stehen nur auf folgende zwei Weisen in Verbindung: Einerseits wird linguistische Analyse unter den o.g. psychologischen Präsumtionen betrieben. Andererseits soll der psychologisch orientierten Sprachforschung linguistisch gewonnene sprachliche Evidenz, auf die auch sie nicht verzichten kann, zur Verfügung gestellt werden, denn es gilt zwar, daß "linguistic evidence does not provide the psychological answers, but it goes a long way toward clarifying the questions" (Henderson 1982: 65). Vorliegende Arbeit wählt also den linguistischen Weg der Annäherung an die 'Sprechergrammatik', nicht den experimentalpsychologischen, und will in Bezug auf die psychische Realität prüfen, "what the language allows and encourages" (ebd.). Deshalb ist sie auch dem Wahrheitspostulat ("truth claim"; vgl. Fanselow/Felix 1984) nicht unterworfen, wohl aber muß sie sich der Forderung nach "Stringenz" der Granmatikschreibung (Hinderung o.J.) stellen, also der nach Widerspruchsfreiheit, Vollständigkeit und Einfachheit (v.a. der, nicht ungenügend zu generalisieren). Es dürfte klar geworden sein, daß der hier gemeinte 'Sprecher' zumindest insofern wenig mit dem "idealen Sprecher/Hörer" zu tun hat, als jener im Gegensatz zu diesem z.B. gerade psychischen Beschränkungen (v.a. des Gedächtnisses) unterworfen ist oder bei ihm Performanzerscheinungen auf die Kompetenz zurückwirken (vgl. Mayerthaler 1984: 80O). Dennoch ist dieser Sprecher(/Hörer) "ideal" in dem Sinne, daß er seine Sprache ausgezeichnet beherrscht und man von Fehlern, die er macht, von zeitweiliger Zerstreutheit, Unaufmerksamkeit usw. absehen kann. Die teilweise Aufrechterhaltung dieser Idealisierung scheint mir nach der vorgenommenen Relativierung ebenso berechtigt wie das Festhalten am Konstrukt der "hcnogenen Sprachgemeinschaft" - beides übrigens unausge-

sprochene Theoreme auch der klassischen Dialektologie: Man nimnt einzelne Gewährspersonen als (ideale) Sprecher eines ganzen (homogenen) Ortsdialekts und schreibt auf dieser Grundlage eine "Ortsgranmatik". Man weiß jedoch, daß eine solche Grammatik nur ein "Register" erfaßt, das an einer bestürmten Stelle auf einer diastratischen/diasituativen Skala liegt und das der Sprecher neben ändern "Registern" hat. Trotzdem scheint mir bei aller Berechtigung der Einwände gegen diese Idealisierung ein Festhalten an ihr dann unverzichtbar, wenn es sich um eine Varietät handelt, über die viele Sprecher einvernehmlich urteilen, daß es sich un den "x-er Dialekt" (mit für einen Ort) handelt, also wenn es um die Erfassung eines Systems (meinetwegen: eines Subsystems im Rahmen eines Varietätenstratums) geht. 2.

Untersuchungsort und Materialkorpus

2.1.

Untersuchungsort

2.1.1.

Außersprachliche Daten

Da die hier für das Lst. wichtigsten geographischen und historischen Daten bei Werner (1961: 283-5, 3O1-4) nachzulesen sind, sei hier nur eine kulturpsychologische Skizze angefertigt. Vor dem Ende des zweiten Weltkriegs stand der Ludwigsstädter in folgendem Spannungsfeld: Einerseits fühlte er sich ethnisch, kulturell und sprachlich als Thüringer, was von geographischen und historischen Umständen gestützt wurde. Andererseits gehörte er politisch zu Franken bzw. Bayern. Nach Kriegsende war man von Thüringen abgeschnitten und befand sich in einer Art Identitätskrise. In dieser Situation bekundeten die vielen 'echten1 Thüringer, die sich nun in Ludwigsstadt niederließen oder als Grenztouristen in den Ort kamen, gegenüber den 1st. 'Bekenntnis'-Thüringern, daß sie sich bei ihnen nach Sitte, Küche, Landschaft, Sprache, "Menschenschlag" usw. heimisch fühlten. Sie nährten damit bei den Ludwigstädtern, die sich nun wohl oder übel stärker nach Franken orientieren mußten, wenigstens deren Gefühl, als Quasi-Thüringer den "Hannessen", also den südlich direkt benachbarten Bewohnern des Frankenwaldes, überlegen zu sein (vgl. Werner 1961: 12). Das drückt sich etwa in dem Glauben aus, - feiner zu sprechen und der Hochsprache näher zu sein, - religiös fortschrittlicher und toleranter zu sein, - als Protestanten aufgeklärter und "gescheiter" zu sein, - kultiviertere Umgangsformen zu pflegen usw.

Nicht in dieses Vorurteilsgefälle nach Süden hin gehört, daß sich der Ludwigsstädter als "Städter" auch den Bewohnern der direkt benachbarten Dörfer überlegen fühlt, die für ihn ja ethnisch, kulturell, historisch und - cum grano salis - sprachlich durchaus seinesgleichen sind, aber eben Dörfler. 2.1.2.

Sprachgeographische Lage

"Dasjenige Lauensteirt-aber, welches hier beschrieben werden solle, liegt an der Gränze des bekannten Voigtlandes, im Thüringer Walde, und wird eigentlich noch, von den ältesten Zeiten her mit zu Thüringen gerechnet; wie denn auch die Einwohner bis jetzt in ihrer Aussprache, einen, dem Thüringischen ähnlichen Dialect beibehalten haben" (Fischer 1790: 47-8). "Im Amt Lauenstein herrscht die thüringische Mundart im höchsten Grad ihrer Unvollkommenheit" (Lange 1750). * Ludwigsstadt ist der Hauptort des ehemaligen Amts Lauenstein.

Beide Stellungnahmen interpretiere ich als Hinweise auf den Sachverhalt einer vom 'Kern1-Thüringischen abweichenden, peripheren sprachgeographischen Varietät. Diese wird von zwei fürs Lst. wesentlichen sprachgeographischen Untersuchungen einbezogen: Posenkranz (1938) hat seinen Untersuchungsschwerpunkt im thür. Norden, Werner (1961) im frk. Süden. Die Stellung, die das Lst. in dem bei den Autoren jeweils verschiedenen sprachgecgraphischen Gesamtrahmen einnimmt, läßt sich anhand der "Kombinationskarten" bei Rosenkranz (ebd.: Kt.23) und Werner (ebd.: Kt.2O) ablesen. Bei beiden Autoren wird die Lage Ludwigsstadts an einer der ausgeprägtesten binnendeutschen Sprachraumgrenzen deutlich. Werner (1961: 301) spricht von dieser Grenze zwischen dem thür. Gebiet Ludwigsstadt im Norden und den südlich angrenzenden, ostfrk. Gebieten Windheim und Teuschnitz als einer "Grenze 6. Grades" (mit einer Bündelung von 191 bis 214 Einzelgrenzen) und weist auf "ihre außerordentliche Stärke, mit der sich keine andere ostfrk.-thür. Sprachgrenze messen kann", hin. Dabei wurden von Werner sogar "nur eindeutige lautliche Unterschiede berücksichtigt; die im ganzen andere Artikulationsbasis wurde dabei nicht" einmal "gewertet11 (ebd.: Anm. 99). Eine kurze Beschreibung dieser Artikulationsbasis, durch die "sich wohl kein Vokal in diesem Gebiet mit einem Laut südlich davon (deckt)", gibt Werner (ebd.: XX). Mit dem ostfrk. Süden teilt Ludwigsstadt denn auch nur "wenige lautliche Erscheinungen [ — ] wie z.B. ai, au >a " (ebd.: 12). Unter Einbeziehung dieser Fälle kann besonders gut veranschaulicht werden, welche Art von Übergang bzw. "Sprachmischung" (Rosenkranz 1967: 728) das Lst. da ausbildet, wo es, als ansonsten thür. Dialekt, auch einmal mit dem frk. Süden geht. Es erweist sich nämlich als ein Kontaminationsraum, in dem, (1) diachronisch argumentiert, die sechs historisch verschiedenen Laute mhd.

8

ged. e, ged. ä, ae , ou, öü und e-i, (2) synchronisch argumentiert, zwei frk. VOK-Phoneme (/ei/ für die ersten drei mhd. Laute, /ai/ für die letzten drei) und drei thür. (/ai/ für die ersten drei, /DI/ für den vierten, /ei/ für die letzten beiden) in einem 1st. VOK-Phonem /ai/ zusammenfallen (vgl. ebd.: Kt. 5). über lautliche Kriterien hinaus ist das Lst. aufgrund morphologischer und/oder syntaktischer Merkmale sprachgeographisch eingeordnet worden. Sperschneider (1959) berücksichtigt Ludwigsstadt am Ostrand seines Uhtersuchungsgebiets. Seine Kombinationskarte (Nr. 57) gibt Auskunft über die sprachgeographische Lage des Lst. nach morphosyntaktischen Kriterien. Im einzelnen handelt es sich etwa um 1st. INF-e vs. frk. n bzw. 0 (ebd.: Kt. 20-1; auch Rosenkranz 1938: Kt. 7) oder überhaupt um die Erhaltung der e-Auslaute im Lst., die Auswirkungen auf Intonation, Satzmelodie und das gesamte prosodische Erscheinungsbild dieses Dialekts hat (dazu v.a. auch Werner 1961: 12, 175-8). Sprachgeographisch aufgrund morphosyntaktischer Kriterien ist das Lst. auch noch anhand der PRHT-Staffeiung (Sperschneider 1959: Kt. 17-8; Rowley 1983: 175/7), der sog. "Flexion der Konjunktionen"/Nebensatzeinleiter (Sperschneider 1959 : Kt. 53) und der präpositionalen Funktion von Richtungsadverbien (ebd.: Kt. 41-3; auch Rosenkranz 1938: Kt. 8) eingeordnet worden. Am letzten Beispiel ist (in Harnisch 1982: 125-8) auch die Frage des nach 1945 zunehmenden "Druckes vom fränkischen Süden her auf das 1st. Gebiet" erörtert worden. In diesem Zusammenhang ist auch die wirtschaftsgeographische Tatsache zu sehen, daß nach einer Erhebung von 1970 148 Ludwigsstädter in die Räume Tettau und Steinbach am Wald aus- und 589 Personen aus diesen Räumen nach Ludwigsstadt einpendelten. Sprachgeographisch gesehen wird im Tettauer Raum ein mainfränkisch beeinflußtes Thüringisch ähnlich wie im Raum Sonneberg gesprochen (vgl. Rosenkranz 1964: 58, 246-8; Kt. 16, 2O, 57; Werner 1961: 12-3, 302-3), während Steinbach am Wald "voll dem ostfrk. Bereich" angehört (Werner ebd.: 13). Zur sprachgeographischen Lage beider Orte gegenüber Ludwigsstadt vergleiche man insbesondere Rosenkranz (1938: Kt. 7). 2.2.

Korpus und Sprecher

2.2.1.

Gewährspersonen und Erhebungen

Die Haupt-Gewährsperson war Walter Schmitt. Die Reihenfolge der nachfolgend aufgeführten Daten zu diesem Sprecher bezieht sich auf das von Hotzenköcherle (1962) vorgeschlagene Personalblatt:

1. NAME: Walter Schmitt 2. GEBURTSJAHR: 193O 3. GEBURTSORT: Ludwigsstadt 4. AUFGEWACHSEN IN: Ludwigsstadt 5. AUSWÄRTIGE AUFENTHALTE: keine 6. a. BERUF(E): nach Schulbesuch in Ludwigsstadt selbständiger Landwirt daselbst; in den 60-er Jahren Kraftfahrer mit Routen in Nordbayern (Standort: Förtschendorf, 11 km südlich von Ludwigsstadt). b. ÄMTER: Mitbegründer der Ortsgruppe Ludwigsstadt des Frankenwaldvereins e.V. und des "Geologischheimatkundlichen Arbeitskreises" Ludwigsstadt. 7. HERKUNFTSORT DER ELTERN: Ludwigsstadt 8. HERKUNFTSORT DER GROSSELTERN: bis auf einen Großvater, der aus Kirchlein bei Küps (zwischen Kronach und Burgkunstadt) stammt, sind alle aus Ludwigsstadt . 9. HERKUNFTSORT DER EHEFRAU: Lauenhain bei Ludwigsstadt (Vgl. Werner 1961: Kt. l "Grundkarte" und Kt. 4 "Kirchliche Gliederung"). Dieser Ortsdialekt unterscheidet sich vom Lst. im Grunde nur durch die sprachrhythmisch auffälligen und dadurch auch dem Laien auffallenden Formen ohne NT-e, vom Gewährsmann mit dem Hinweis beschrieben: /dii ferjlugn wilder dii endsilbn/ 'die verschlucken wieder die Endsilben 1 . 10. CHARAKTERISTIK: Der Erzählfreudigkeit und -gäbe des Gewährsmannes ist es zu verdanken, daß ein Korpus freier Rede auf Tonband aufgezeichnet werden konnte. Seiner 'Sattelfestigkeit 1 im Lst., seiner schnellen Erfassung der angesprochenen sprachlichen Probleme und seinem Einfühlungsvermögen in pragmatische Zusammenhänge von fiktiven Kommunikationssituationen ist es zu verdanken, daß ein wertvolles an das Fragebuch gebundenes Korpus zustande kam.

Das gesamte Korpus setzt sich folgendermaßen zusammen: (A) Tonbandaufzeichnung, Januar 1979; Gewährsmann ist Walter Schmitt. Dauer: 2 h 10 min. Inhalt: freie Rede im Rahmen einer zwanglosen Unterhaltung zwischen dem Gewährsmann und mir; viele mehr oder weniger monologische und in sich geschlossene Texteinheiten (Episoden, Beschreibungen usw.) (B) Protokoll über ein von mir bei Walter Schmitt durchgeführtes Interview, bei dem ein vorbereitetes Fragebuch zu Spezialproblemen abgefragt wurde. Gegenstand waren aus dem phonologischen Bereich Fragen zu Unterschieden in der Lautfarbe innerhalb des e-Spektrums, zur Existenz eines o zwischen u und und zur regressiven Wirkung des r auf die Qualität eines vorausgehenden VOK, aus dem morphologischen Bereich Fragen zur Bildung der PRfiT- und KONJ-Formen, zur Kürzung des Stamm-VOK in der Personalflexion des Verbs und zu den 'morphonologischen1 Problemen, die entstehen, wenn ein /d/-Suffix an eine Sequenz /V:(K)b/ oder ein /e/-Suffix an langvokalische Stammauslaute antritt. Zusätzlich diente diese Nacherhebung auch dazu, Beleglücken, die morphologische Paradigmen, flexivische Klassen oder das Lautsystem betrafen, zu füllen. Auf diese Weise war "es ein Leichtes, mir, dem Faden meines Manuskriptes folgend [...] jede nöthige Auskunft und Belehrung zu verschaffen" (Schneller. Bei Rockinger 1886: 125).

10

(C) Vollständige Abfragung von König (1974), die auch Vorarbeit für F. Harnisch/ Rowley (1984) war, in folgenden Etappen und unter Beteiligung folgender Personen: Datum

Gewährsperson

Exploratoren

1983

Walter Schnitt

FH

RHi

Dezember 1983

Walter Schmitt

AR

RHa

2- 88 112-156 162-232 308-346 416 510

Hermann Schmidt

AR

RHa

158-160 234-306 354

Frau Lipfert/ Frau Meier

AR

RHa

348-352 356-402 496-502

1 984

Walter Schmitt

AR

RHa

404-414 418-494 504-508 512-536

Februar 1984

Frau Meier/ Ludwig Treuner

FH

RHa

Nachfragen

Februar

Januar

FH Felicitas Harnisch RHi Robert Hinderung

AR

abgefragte Seiten RHa

90-110

AR Anthony Rowley RHa Rüdiger Harnisch

Die Antvrorten der Gewährsleute wurden an Ort und Stelle (in TeuthonistaUmschrift) transkribiert. Bei dem Umfang der Erhebung fiel neben dem fragebuchgebundenen Material eine Menge wertvollen Spontanmaterials an. V.a. wenn es um das Auffüllen von Flexionsparadigmen und -klassen ging, stellte ich über die vom Fragebuch her vorgesehene Morphologie hinaus zusätzliche Fragen. Auch zur Klärung phonologischer Probleme wurde die Befragung, v.a. um MinimalpaarTests, ausgedehnt, z.T. auf Tonband aufgencmnen und im Nachhinein nochmals vom Band transkribiert und/oder sonagraphisch analysiert. Die oben genannten ändern Gewährspersonen entstammen alle alteingesessenen Ludwigsstädter Bauernfamilien und waren, bis auf Frau Meier, die nach ihrer Heirat einen Beamtenhaushalt führte, zeitlebens in der Landwirtschaft tätig. Frau Meier und Herr Treuner sind beide 1897 geboren, Frau Lipfert war zur Zeit der Befragung um die 70, Herr Hermann Schmidt um die 80 Jahre alt. Frau Lipfert stammt aus dem Ortsteil Ottendorf, lebt aber seit ihrer

11 Heirat im eigentlichen Ludwigsstadt. Bei Frau Meier waren schriftsprachliche Interferenzen unüberhörbar, Hermann Schmidt verglich im Nachhinein seine dialektalen Äußerungen metasprachlich oft mit der hochsprachlichen Lautung und sprach dabei des öfteren das Lst. mit hd. Phonen. Unbeirrt von solchen Überlegungen ließen Frau Lipfert und Herr Treuner in ihren Antworten die Selbstverständlichkeit ihres Dialektgebrauchs und ihre Sicherheit in ihm spüren.

2.2.2.

Idiolektaler Hintergrund des Verfassers

Die Gefahr von interviewbedingten "Registerwechseln" und Interferenzen bei den Gewährsleuten war dadurch gemildert, daß ich (als alleiniger oder Hauptfrager bei allen Erhebungen) Sprecher desselben Dialekts bin. Doch wurde ich durch die hohe dialektale Qualität der Gewährspersonen auf meine idiolektalen Besonderheiten aufmerksam (oder aufmerksam gemacht), durch die ich, hätte ich die "autophone" Methode (dazu Löffler 1974: 25, 97) angewandt, kein idealer Gewährsmann für das Lst. gewesen wäre. Von diastratisch bedingten, v.a. in Schul- und Studienzeit entstandenen Interferenzen ganz abgesehen, sind bei mir v.a. auch schon biographisch bedingte diatopische Interferenzen vorhanden: (1) von Thür. sprechenden Eltern und Geschwistern her, die erst kurz vor meiner Geburt bzw. z.T. erst danach nach Ludwigsstadt gezogen waren und aus Liebengrün stammten (vgl. Rosenkranz 1938: Kt. 1, Planquadrat 0 20 zur sprachgeographischen Lage dieses Ortes); mit meinen Geschwistern spreche ich heute noch überwiegend Thür.; (2) meine Geburt, Kindheit und Grundschulzeit in Ludwigsstadt, mit dem mich Bekanntschaften und Freundschaften immer noch verbinden; (3) Gymnasialzeit im Ostfrk. sprechenden Kronach und mehrjährige Freundschaft, jetzt Ehe mit einer Kronacherin; die innerehelich gebrauchte Sprachvarietät liegt zwischen "Kronacherisch" und einer ostfrk. geprägten Umgangssprache, wie sie auch in Bayreuth (meinem derzeitigen Wohnort) anwendbar ist. 3.

Transkriptionssystem

Das zunächst in Teuthonista vor Ort oder vom Band transkribierte Material wurde hier in die IPA-Verschriftung umgesetzt. Der Grund ist die an Diakritika ärmere Schreibart, die vom typographischen Standpunkt aus leichter schreibbar und besser lesbar ist. Für die verwendeten Grundzeichen und Diakritika und deren lautlichen Wert ziehe man deshalb die "Principles" ([1949] 1977) und ergänzend Knetschke/Sperlbaum (1967) zu Rate. Für Abweichungen von gängigen Brauch vgl. man die Einleitung zu Kap. 11.

12

Da in phonemischem Zusammenhang oft exakte phonetische Werte vernachlässigt werden können, nehme man dort das Transkript nicht als Angabe der genauen Phonie. Welcher genaue Lautwert hinter vereinfachten Verschriftungen steht, ist ausführlich in der Einleitung zu Kap. 11 behandelt (unter "Voraussetzungen"). Außerdem bleibe ich selbst in phonetischen Transkriptionen (zwischen eckigen Klammern [···]) dann sehr nahe an der Schreibweise für die phonemische Repräsentation, wenn die genaue Lautung von Segmenten in dem betreffenden Kapitel gar nicht das Thema ist. Wenn es also z.B. um das vokalische Problem der Senkung von phonemisch /u/ zu [o] vor /r/ geht wie im phonemisch repräsentierten Wort /gxurn/ 'Korn1, notiere ich phonetisch [gxorn] und nehme keine Rücksicht darauf, daß z.B. das [x] eigenlich [h] oder das [r] eigentlich [R] ist usw. In morphologischen Zusammenhängen werden, v.a. in Kap. 8, des öftern Vokale groß geschrieben, wenn es, quantitätsunabhängig, allein um deren Qualität geht. Entstammt das VQK-Zeichen dem Normalalphabet, wird der dazugehörende Großbuchstabe gewählt (also z.B. zu /e/ ein /E/). Handelt es sich jedoch um ein Sonderzeichen, mußte auf andere Großbuchstaben ausgewichen werden. Das betrifft / / und / n ( i ) / , wofür die Großbuchstaben /Ä/ und /A/ gewählt wurden.

II.

LINGUISTISCHE VORAUSSETZUNGEN

4.

"Where's morphology?"* - Methodische und theoretische Grundlagen der Morphologie

4.1.

Gesamtgraitmatik

Im Titel der vorliegenden Arbeit ist der in 1.2. begründete Entschluß zu "einem integrierten Granmatilonodell11 (Kehrt 1983: 141), in dem "eine Ebene als Funktion einer anderen Ebene aufgefaßt werden" kann ("Thesen" 1962: 17), klar ausgedrückt. Dadurch, daß mit den Gegenstandsbereichen Morphologie und Phonologie ein Ausschnitt aus der Gesamtgrammatik gewählt wurde, steht die vorliegende Arbeit in der Tradition von Untersuchungen, wie sie z.B. Wurzel (1970) und Kloeke (1982) fürs Hd. vorgelegt haben. Eigentlich handelt es sich nicht um einen Ausschnitt mitten aus einer Gesamtgraitmatik, sondern um deren letzten Abschnitt. Er endet mit der phonetischen Ausgabe und beginnt erst, nachdem die syntaktische Oberflächenstruktur bereits hergestellt ist:

Syntaktische

Oberflächenstruktur

Morphologie

Phonologie

Phonetische Ausgabe

Die syntaktische Oberflächenstruktur wird als gegeben angencnmen, und nur die Elemente der drei weiteren Komponenten werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit generiert. Ausgangspunkt ist also der serial durchgeordnete, lexikalisch komplett besetzte und granmatisch voll spezifizierte Satz. Zuunterst in der Hierarchie Anderson (1982)

14

der Konstituentenstruktur der Sätze in diesem ctoerflächensyntaktischen, also post-transformationellen Zustand befinden sich, verknüpft mit den sog. "präterminalen Kategorien (Substantiv, Verb, Adjektiv usw.)" (Weber 198O: 166), die "tenninalen" Lexikoneinsetzungen und, an sie gekoppelt, ein Bündel von semantischen, syntaktischen und Lexikon-Merkmalen. Der Frage, ob diese Merkmale "schon1 aus der "Tiefenstruktur" stammen oder 'erst' auf der Stufe, die zur syntaktischen Oberflächenstruktur führt, "transformationeil eingeführt" werden, sind die Kapitel 4.3.1. - 4. gewidmet. Die Merkmale, die auf dieser oberflächensyntaktischen Ebene und in diesem Bündel stehen (können), gehören nur wenigen und immer ganz bestimmten sog. "grammatischen" Kategorien an. Sie werden als "flexivisch" zusammengefaßt und damit implizit Merkmalen der Wortbildung und hier insbesondere "derivativischen" gegenübergestellt. Von Wortbildungsprodukten wird angenommen, daß sie schon Lexikoneinsetzungen in die genannten Endeinheiten der syntaktischen Oberflächenstruktur sind und nicht erst auf dieser Ebene generiert werden. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist mithin nur diejenige Morphologie, die erst nach der Herstellung der syntaktischen Oberflächenstruktur einsetzt: die Flexionsmorphologie. Nicht behandelt wird also diejenige Morphologie, deren Produkte in diesem Stadium schon vorliegen: die Wortbildungsmorphologie. 4.2.

Flexion und Derivation

Der Versuch einer Abgrenzung zwischen Flexion und Derivation muß v.a. über folgende Kriterien laufen: (1) die Produktivität der Merkmale, (2) die durchgängige Anwendbarkeit bestimmter Merkmalsspezifizierungen bei allen Angehörigen einer Wortart, (3) die Bedeutungskonstanz der Merkmale allein und in dem durch diese Merkmale spezifizierten Gesamtwort, (4) der Grad der Kategorisierung von Inhalt ("Grammatikalisierung"). Diese Kriterien lassen sich nun nicht als entweder 'erfüllt1 oder 'nicht erfüllt1 gleichsam binär behandeln, sondern nur skalar zwischen den Extremen 'minimal' (links in der Skala) bzw. 'maximal erfüllt1 (rechts). Auf einer entsprechenden Meßlatte liegen die "flexivischen" Merkmale weiter rechts als die "derivativischen", eine Folge der viel stärker wirkenden Idiosynkrasien bei Wortbildungs-Prozessen. Doch eine scharfe Trennungslinie zwischen Flexion und Derivation läßt sich nicht ziehen. Z.B. nähern sich auch hochproduktive,

15

durchgängig anwendbare/ sehr bedeutungskonstante und semantisch stark kategorisierte Spezifizierungen, die mithin sehr 'flexionsverdächtig1 erscheinen, der Derivation. Diese Tatsache spiegelt sich z.B. in Unsicherheiten bei Aussagen zum DIM wider. Er wird einerseits in Arbeiten zur "Wortbildung" behandelt (Fleischer 1976: 2.2.31.), andererseits unter der Überschrift "Granrnatik" (des Substantivs), wie bei Rowley (1986: 3.0. und 3.1.1.3.). Rowley weist allerdings auch darauf hin, daß Diminution "die Grundbedeutung des verkleinerten Lexems manchmal ändern kann, also semantischen Einfluß hat" (198), d.h. Einschränkungen hinsichtlich der Kategorisierbarkeit/Grartinatikalisierung gemacht werden müssen. 4.3.

Flexivische Merkmale: Art und Leistung

Im Zusammenhang der nun anstehenden Aufgabe, Herkunft und Art der flexivischen Merkmale zu klären, ist auch die Frage angeschnitten, in welchen Beziehungen die Flexionsmorphologie zu ändern Grairnatik-Komponenten steht, die sich über bestiitittte Merkmale Zugang zum Wort verschaffen. Die in 4.2. als flexionsmorphologisch ausgewiesenen Kategorien sind zunächst folgende: KONJUGATION DEKLINATION KOMPARATION

TEMP

MOD

PERS PERS

GEN

NUM NUM

KÄS GRAD

Die Kategorien und ihre Merkmale fallen also unter bestimmte Arten von Flexion: "Bei der Flexion ist zwischen Deklination, Konjugation und Komparation zu unterscheiden" (Weber 198O: 164). Merkmale der genannten Kategorien (auch "Subkategorien" genannt; Weigand 1978: 138) sind: Kategorie*

Flexivische Merkmale/Subkategorien*

±IMP TEMP MOD PERS GEN NUM KÄS GRAD

-IMP.-i-IMP** PRÄS . PRÄT IND . KONJ 1.2.3. MSK.NTR.FEM SG.PL NOM.AKK.DAT POS. KOMP. SUP

*

Dazu, daß periphrastisch ausgedrückte Kategorien wie GENUS VERBI oder TEMP-Merkmale wie PERF usw. in dieser Liste fehlen, siehe 4.4.1.

**

Dazu, daß IMP nicht als

Subkategorie von MOD behandelt wird, siehe 6 . 2 . 2

16

Eine weitere flexionsmorphologisch relevante Kategorie ist WORTART. Einige ihrer Subkategorien werden in 4.3.3. noch näher behandelt. Zwischen ihnen und den genannten Flexionsarten herrschen folgende Beziehungen: NOMINA SUBST

ADJ

ART

PRON

VERB

COMP*

KONJUGATION DEKLINATION KOMPARATION

* Die Flexion von COMP (=Nebensatzeinleiter) im Lst. in Harnisch (1987b).

ist dargestellt

Eine weitere flexionsmorphologisch relevante Kategorie ist KL, die Merkmale zur Steuerung des morphologischen Verhaltens von Wörtern enthält. Subkategorien der Kategorie KL sind Gegenstand eines eigenen Kapitels der Morphologie (Kap. 8.) über die genannten flexivischen Kategorien und Merkmale hinaus werde ich als 'Kategorie zwischen Flexion und Derivation' auch Diminution (6.1.3.) behandeln. Im Rahmen der Flexion wird ein weiterer Bereich morphologischer Ableitung behandelt: die sog. "Staimibildung". Sie tritt unter diesem Namen bei einigen Nomina, v.a. Substantiven, auf (Typ /bed+e/ 'Bett', /dnuxd+n/ 'Knoten') und unter dem Namen "Infinitiv" bzw. "Partizipium Präteriti" bei allen Verben (/laif+e/ 'laufen1 INF, /ge+luf+n/ 'gelaufen' P.P.). Den INF könnte man so gesehen "verbale PRfiS-Stamm-Bildung" nennen, das P.P. "verbale PRST-StammBildung". Allen Stammbildungen ist gemeinsam, daß sie infinit sind. Außer dem P.P., das das markierte TEMP-Merkmal PRÄT trägt, tragen alle ändern Stammbildungen kein markiertes flexivisches Merkmal. Deshalb dienen sie als Lexikoeinträge der betreffenden Wörter und sind auch insofern nichts als reine Basen, als ihre Stammbildungsmorpheme verschwinden, wenn markierte flexivische oder derivationelle Formen gebildet werden (ausführlich dazu in 6.1.4. und 6.2.3.). Die Stammbildung bei den Substantiven formt darüber hinaus "Klassen", von denen her Voraussagen zum morphologischen Verhalten in ändern Formenkategorien gemacht werden können. Die verbale Stammbildung kann diese Funktion nicht ausüben, da prinzipiell alle Verben auf ausdrucksseitig gleiche Weise 'stammgebildet' (mit INF-Suffix versehen) werden können. Merkmale der 'reinen1 Flexionsmorphologie werden von Generativisten mit "syntactic features" gleichgesetzt (so von Bierwisch 1967). Noch deutlicher drückt die angebliche Syntaktizität der Flexion Andersen (1982: 587) aus: "inflectional morphology is what is relevant to the syntax". Diese Beschreibung

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wäre akzeptabel, wenn Andersen, was er aber nicht tut (zur Kritik daran siehe 4.3.2.), den Syntax-Begriff in der für Generativisten sonst typischen Weise so ausweitete, daß in ihm neben oberflächensyntaktischen auch sog. "basis-syntaktische", also im traditionellen Verständnis semantische Merkmale enthalten sind. Diese grundsätzliche Unterscheidung mit zunächst noch groben Begriffen muß bei den flexivischen Merkmalen zwar getroffen werden: Merkmale der "Tiefenstruktur"

der "Oberflächenstruktur"

"basissyntaktisch" eingeführt

"transformationssyntaktisch" eingeführt

semantisch

syntaktisch

in generativer Terminologie in traditionellem Verständnis

Doch darf man auch hier "wahrlich nicht von vornherein davon ausgehen [...], syntaktische und semantische Erwägungen könnten säuberlich voneinander geschieden werden" (Chomsky 1969: 105). Denn ein und dasselbe Merkmal kann (wortartenspezifisch) einmal semantisch, ein andermal syntaktisch eingeführt sein (siehe 4.3.2.). Es läßt sich aber sehr wohl in primär semantische Merkmale und primär syntaktische, die der formalen Organisation des Satzes dienen, differenzieren. Schließlich gibt es einen dritten Bereich von Merkmalen. Sie sind den Lexikoneinträgen mitgegeben. Einige von ihnen dienen der formalen Organisation des flektierten Wortes, sind also so etwas wie Merkmale des morphologischen Selbstzwecks. 4.3.1.

Kategorialsemantische Merkmale

Merkmale der Kategorien ±IMP, TEMP, MOD, PERS, NUM, GRAD (und selbst, wenn SEXUS-relevant, GEN) gelten gemeinhin als mehr oder weniger "frei wählbar" (Weber 198O: 166-7) bzw. am direktesten semantisch zugänglich. Zwar kann man die meisten dieser Kategorien mit gutem Recht als Satzkategorien betrachten, die "gleichsam nur an 'Stützwörtern1 repräsentiert" seien (Wurzel 1984: 50). Doch diese Argumentation ist eben nicht mehr syntaktisch im eigentlichen Sinne, sondern semantisch: "So ist z.B. der senantische [ i ] Skopus der traditionell als Verbkategorien gefaßten Tempus- und Moduskategorien der gesamte Satz". Die semantische Besonderheit der hier aufgezählten Merkmale ist ihre nichtbegriffliche, kategoriale Bedeutung. Sie kann inhaltssemantisch sein wie bei NUM, redesituativ (und dabei wiederum sprechakt- oder deiktisch semantisch) sein wie z.B. bei MOD oder PERS. Die Kategorialität wird jedenfalls bei einer

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semantischen 'Ausbuchstabierung1 der Subkategorien ganz deutlich. Vgl. Merkmale wie 'Vergangenheit', 'Mehrzahl1, 'Sprecher1, 'Möglichkeit' usw. Zur kategorialen Satantizität der hier behandelten Merkmale finden sich weitere Ausführungen bei Weigand (1978). 4 . 3 . 2 . Syntaktische Merkmale Vorbemerkung: Die 'Semantizität' der syntaktischen Merkmale wird hier vorläufig noch außer acht gelassen. Zu ihr folgt in 4.3.6. Näheres. Die Syntax, "concerned with the internal organization of sentences" (Anderson 1982: 572), "must assign or have access to properties of words" (ebd.: 574-5), habe also direkten Einfluß auf die Morphologie, "concerned with the internal organization of words" (ebd.: 572). Um ihrer Aufgabe der formalen Organisation von Sätzen gerecht werden zu können, muß die Syntax die Zusammengehörigkeit syntaktischer Endelemente (Wörter) markieren können. Sie gebraucht dazu Kategorien wie KÄS mit ihren primär syntaktisch funktioneilen Merkmalen. Sie verwendet für ihre Zwecke aber auch Kategorien wie z.B. NUM weiter, die primär semantisch waren, aber dann sekundär syntaktisch, etwa als Kongruenzmarker innerhalb einer NP oder zwischen Subjekts-NP und Verb, 'umgepolt1 werden: Diese Unterscheidung trifft Anderson nicht. Bei ihm wird alles als gleichermaßen syntaktisch behandelt, was Ergebnis syntaktischer Transformationen sein kann, also alles, was potentiell unter Kongruenz oder Rektion fällt. Z.B. führt er als Erweis der Syntaxrelevanz des NUM an, daß "lexical nouns are further developed as [iplurall(because the rule of subject/verb agreement [...] needs access to this feature)" (592). Doch fragt man sich, woher dann etwa Substantive in der Objektrolle ihr NUM-Nerkmal haben, wo sie doch, von der NUMKongruenz eventueller Attribute abgesehen, in diesem Merkmal keine weiteren syntaktischen Beziehungen, etwa mit dem Verb, aufweisen. Der NUM kann in diesem Falle nicht transformationeil eingeführt sein, sondern ist (1) semantisches Merkmal der Tiefenstruktur. Er kann aber sehr wohl (2) transformationeil weiterverwendet werden: (D

NUM

beim Substantiv

(2)

beim attribuierten Adjektiv oder Artikel

Diesen Doppelcharakter hat Anderson nur bei Merkmalen erkannt, die zum einen als (1) sog. "Lexikonmerkmale" auch der Tiefenstruktur angehören, zum ändern aber (2) auch transformationell auf andere Mitglieder desselben Syntagmas übertragen werden, z.B.:

19 (1) GEN

beim Substantiv

(2)

beim attributiven Adjektiv und Artikel

Wenn Andersen ganz zurecht die Syntaxrelevanz von Merkmalen nur anerkennt, wenn diese ein oberflächensyntaktisch sichtbares Ergebnis von Transformationen, also Phänomene von Kongruenz oder Rektion sind, höhlt er gleichzeitig seine Aussage aus, daß Syntaxrelevanz das typische Kennzeichen flexivischer Merkmale sei. Denn TEMP z.B. trägt nichts zur formalen Organisation des Satzes durch Transformation bei/ wird aber trotzdem, auch von Anderson, als flexivisch anggesehen. Wenn Anderson (1982: 588-9) dann von "tensed sentences" spricht und damit für die Syntaktizität dieses Merkmals argumentieren will, greift er, ohne sich dessen allerdings bewußt zu sein, gerade nicht zu einem syntaktischen, sondern zu einem semantischen Argument (vgl. Wurzels Aussage zum Satz als dem semantischen Skopus von Tempus). Andersens Identifizierung von Flexion und Syntaxrelevanz kann daher so nicht hingenommen werden, zumal er darauf einen noch viel folgenreicheren Schluß aufbaut. Generell gelte, daß "morphology is to be found in more than one place", Flexionsmorphologie speziell sei wegen der Syntaxrelevanz seiner Merkmale (was, wie gesehen so nicht stimmt) in der Syntax angesiedelt (610). Hier spürt man deutlich ein Nachwirken der Tatsache, daß "historically, morphology and generative grammar have been uneasy bedfellows" (Aronoff 1976: XI) und daß eine "completely isolated, uniquely 'morphological' component" zu bestreiten (Anderson 1982: 610) und auf die 'anerkannten1 Komponenten der GTG (Syntax, Lexikon, Phonologie) zu verteilen sei. Doch daß es am Wort morphologisch ausgedrückte syntaktische Merkmale gibt, reicht nicht dafür aus, denjenigen Teil der Morphologie, der dies leistet, der Syntax zuzuschlagen. Es spricht nicht gegen eine oben in ihrer Funktion beschriebene eigenständige "generativ-transformationelle" Morphologiekomponente, wenn diese in ihrer Aufgabe, Merkmale am Wort in morphologische Symbolisierungen zu fassen, auch aus der Syntax stammende Merkmale (neben ändern) mitverarbeitet. Die Derivationsmorphologie wird von Anderson dann konsequenterweise im Lexikon angesiedelt, Jensen/Stong-Jensen (1984) machen es gar zum Ort jeglicher, also auch der flexivischen Morphologie. Wenn sie sagen: "we answer Anderson's title Where's morphology? with our title: Morphology is in the lexicon!" (475), dann setzen sie die in Andersons Fragestellung schon falsch eingeschlagene Richtung nur fort, nach der Morphologie irgendwo anders zu sein hat und keine eigene Komponente der Grammatik sein darf.

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In der Frage, welcher Art die Merkmale der Flexion sind, muß jedenfalls zwischen primär (kategorial-)semantischen und primär syntaktischen unterschieden werden, wobei erstere sekundär syntaktisch weiterverwendet werden können. 4.3.3. Syntaktische Kategorie 'Wortart' WORTART-Merkmalen kamt deswegen eine entscheidende Funktion zu, weil sie, als syntaktische Merkmale, sowohl die unterste Stufe der Konstituentenstruktur bilden wie auch, als Lexikonmerkmale, mit der Lexikoneinsetzunq in die Merkmalmenge des komplexen Symbols gelangen und somit entscheidend dafür sind, "ob eine Lexikoneinheit das von einer präterminalen Kategorie dominierte komplexe Symbol belegen kann oder nicht" (Weber 1980: 167, an dessen Beispiele das folgende angelehnt wurde): syntaktische Konstituentenstruktur

- - NP

VP

(ART)

(V)

+N

2 Genus 5 Dekl l Kasus

präterminale, syntaktische WORTART-Merkmale terminales Lexikonmerkmal WORTART Merkmalbündel und terminale Lexikoneinsetzung

KIND

Es wird von den "meisten Grammatikern" (Regula 1951: 72) nicht reflektiert, daß es wohl genau diese zentrale Funktion des Merkmals WORTART ist, wegen der sie "die Wortart zum Anordnungsprinzip des Stoffes erheben" (ebd.). Wenn einerseits das Merkmal WORTART als primär syntaktisches gilt, heißt das umgekehrt auch, daß zur Bestimmung von Wortarten das syntaktische Kriterium als das entscheidende zu betrachten ist. In äußerster Konsequenz sind damit Bergenholtz/Schäder (1977) zu 51 (!) klar definierten Wortarten gelangt. Während sie aber z.B. in durchaus angemessener Weise als Substantiv alles zusammenfassen, was, für sich allein, Subjekt, Objekt, Prädikativ und, zusammen mit einer Präposition, Teil eines Adverbiale sein kann (ebd.: 104), haben sie sich anderswo vermeidbare Doppelbesetzungen eingehandelt. Z.B. werden im herkömmlichen Sinne attributiv genannte Adjektive als "Adjektive" behandelt,

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prädikativ genannte aber als "Adverbien" (ebd.: 110). Z.B. werden beim Verb elf Klassen gebildet, obwohl allen gemeinsam ist, daß sie allein oder zusammen mit ändern Elementen eine verbale Einheit und ein Satzglied ("Prädikat") bilden. Die genannte Uberdifferenzierung in elf verbale Wortarten beruht hier wie bei ändern Wortarten auf Unterscheidungskriterien, die sich sämtlich auf beschränktes Vorkommen in bestimmten syntaktischen Positionen eines Satztyps und bestimmten Satztypen überhaupt beziehen (ebd.: 68-70). Diese Differenzierungen unterlassend komme ich zu einer gemäßigten syntaktisch orientierten Wortartenklassifikation der Art von Vater (1963: 26-7). Während auf die Wortart 'Verb' hier nicht näher eingegangen werden braucht, soll anhand zweier Proben sichtbar gemacht werden, wie innerhalb der Gruppe der 'Nomina' nach einzelnen Wortarten unterschieden werden kann: 1. Attribut-Probe: "Welche Nomina können welchen ändern als Attribut vorangestellt werden, welche nicht?" - Die Probe fällt so aus:

gröl s gxain

waindringer mix r

Anm.: Ein Fall wie /miir waindringer/ 'wir Weintrinker' wird hier also anders behandelt als einer wie /gxaine waindringer/, denn /mi:r/ ist nicht Attribut zu /waindringer/, sondern umgekehrt.

2. Artikel-Probe: "Welche Wörter vertragen vor sich einen Artikel (herkömmlich: ein "Artikelwort"), welche nicht?" - Das Ergebnis ist: grois

waindringer

gxain

miir

Anm.· Dieses Kriterium ist nicht dasselbe wie das etwa von den "Grundzügen" (1981: 491) angewandte der "Artikelfähigkeit"!

Zusammengefaßt ergibt sich eine Vierteilung: attributfähig groi s

waindriqger

gxain

miir

l + artikelverträglich

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Diese vier Typen ergeben vier nominale Wörtarten: attributfähig SUBST ADJ PRON ART

artikelverträglich

+*

* (1) Für die Reichweite des "Attribuf'-Begriffs, durch die auch ART erfaßt wird, vgl. DUDEN Grammatik (1984: 313 § 53O). (2) Die hier gegebene syntaktische Definition des ART macht gegenüber herkömmlicher Terminologie oft eine Umbenennung von (z.B. Possessiv-) "Pronomen" in (z.B. Possessiv-)"Artikel" nötig.

Aufgrund dieser Kriterien ist z.B. die senentisch einheitliche Gruppe "Indefinita" syntaktisch auf zwei Wortarten verteilt: (1) auf (Indefinit-)Artikel und (2) auf (indefinite) Adjektive: (2)

(D

z.B. /el/ 'all-' in:

z.B. /gons/ 'ganz' in:

/uf ein filrn/ 'auf allen Vieren'

/dii gimse fuire/ 1 die ganze Fuhre'

Wortarten stellen Kernbereiche dar, was nicht heißt, daß sie nicht auch peripher in andere Bereiche übertreten können (vgl. etwa Eichinger 1982: 69-7O zum Adjektiv) . Solche Übertritte sind von den "attributfähigen" hin zu selbständigen ("nicht attributfähigen") Wortarten möglich, nicht umgekehrt: Was primär Adjektiv ist, kann sekundär substantiviert werden, was primär Artikel ist, kann sekundär pronominale Funktion übernehmen: waiber/ 'alte Frauen 1

->wie

/gxa menjY 'kein Mensch

1

·> wie

/dii

/ 'die Alten 1

/dii waiber/ 'die Frauen' /gxains/ 'niemand' /niimnd/ 'niemand' .

4.3.4. Lexikonmerkmale Neben primär semantischen und primär syntaktischen Merkmalen sind solche zu nennen, die dem Lexikoneintrag mitgegeben sind: das Merkmal WORTART etwa, das mit dem syntaktischen WORTART-Merkmal der präterminalen Kette übereinstimnen muß (s.o.), oder die PEPS von Substantiven; auch KL-Merkmale gehören hierher. Einige von den aufgezählten Merkmalen können als Organisatoren des morpho-

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logischen Verhaltens von Wörtern selbst gelten: "morphologische Merkmale" in engem Sinn (daneben verwende ich diesen Begriff auch in einem weitem Sinn und synonym mit der Bezeichnung "flexivische Merkmale"). Bei diesen "Merkmalen des morphologischen Selbstzwecks1 geht es um die Organisation der Ausdrucksseite von Morphemen. Typen dieser Organisation ist 4.4.5. gewidmet, der Flexionsklassenstabilität ein ganzer Teil der Morphologie (Kap. 8.). 4.3.5. Die Inhaltsseite des minimalen Zeichens Von den primär semantischen und aus dem Lexikon startroenden Merkmalen wurde gesagt, daß sie sekundär syntaktisch weiterverwendet werden können. Umgekehrt wurde bei primär syntaktischen Merkmalen angedeutet, daß sie auch semantisch bewertbar sind. Diese Bewertung ist der eine Teil von Weigands (1978: 51) berechtigter Forderung, syntaktische und semantische Flexionskategorien jeweils "nach beiden Bereichen zu analysieren". Voraussetzung für eine semantische Beurteilung auch syntaktischer Merkmale ist ein "Inhaltsbegriff im weiteren Sinn" (ebd.: 49). Er steht neben der "auf die außersprachliche Welt" bezogenen Inhalts-, Referenz- und Sprechaktsemantik "im engeren Sinn" und umfaßt "innertextliche Funktionen". Es handelt sich im wesentlichen um differentielle und disambiguierende Leistungen "bezogen auf den Text selbst" und um die Herstellung "innertextlicher Referenzbeziehungen" (ebd. 113-8). Gemeint ist hier also nicht die an der Oberfläche schon mehrfach gebrochene 'Tiefenbedeutung1 syntaktischer Kategorien wie etwa bei den Beziehungen zwischen "Tiefen"- und "Oberflächen"-KAS, sondern die Semantizität der Mittel zur scheinbar bloß formalen Organisation des Satzes. Am Beispiel: Die Kennzeichnung der Zusammengehörigkeit zwischen Nomina derselben NP durch GEN ist nicht nur syntaktisch im rein formalen Sinne, sondern auch (und v.a.) eine Leistung zur Verstehbarkeit des Satzes, also semantisch. Die weiterentwickelte GTG ("EST") hat dem Rechnung getragen und später auch Merkmale der Oberflächenstruktur, also semantische in Weigands weiterem Sinne, einer semantischen Interpretation zugänglich gemacht (Hundsnurscher 198O: 231). Die "REST"-Variante der GTG hat diesen Aspekt später sogar verabsolutiert, was Sternefeld (1980: 11) zu der Bemerkung veranlaßt hat: "Die neue Maxime heißt jetzt: Allein die Oberflächenstruktur bestimmt die Semantik". Nicht übersehen werden darf jedoch die Tatsache, daß die 'neue1 Oberflächenstruktur Spuren ("traces") der Tiefenstruktur (jetzt: "Logische Form") enthält (vgl. Bennis/Groos 1982: 254). Überlegungen dieser Art führten Bergenholtz/Mugdan (1979: 71) schließlich zu der Einsicht, "daß ein Inhalt

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keineswegs dasselbe ist wie eine außersprachliche Bedeutung". Gerade bei grammatischen Kategorien, dem Ausdruck von "Inhalte[n] durch nicht-lexikalische Einheiten", handle es sich 'nur 1 um "kognitive Ordnungsschemata" (Weigand 1978: 11). In diesem Lichte ist etwa AKK, NTR oder selbst, wie Bergenholtz/ Mugdan (1979: 71) für das Beispiel des sog. "Fugen- sagen, FÜGE "genauso viel oder genauso wenig eine Bedeutung" wie z.B. PL oder PRS.T. Es sind hier also nicht mehr nur Merkmale der formalen Organisation des Satzes für semantische Beurteilung zugänglich, sondern selbst solche der morphologischen Organisation des Wortes: Neben FUGE kann hierher auch ein Lexikonmerkmal wie STBI gerechnet werden, das Wörter zu einer morphologischen Klasse zusammenbindet, welche sich wiederum bei ändern morphologischen Kodierungen als Klasse einheitlich verhält: Substantive mit STBI z.B. haben (fast) alle /n/'-PL (s.u. 8.2.1.1.). Lexikonmerkmale wie KL, die allein oder zusammen mit phonologischen Mustern das morphologische Verhalten steuern, sind nicht nur auf eine indirekte Weise insofern mit Semantik verbunden, als sie die Art der Kodierung von in engerem und in weiterem Sinne semantischen Merkmalen bestirnten und den Ausdrucksteil des sprachlichen Zeichens organisieren. Vielmehr wird darin in viel direkterer Weise auch ihre eigene Motiviertheit deutlich, und als Anzeiger für die Art der morphologischen Kodierung flexivischer Kategorien erhalten sie eigenen semantischen Wert. Für eine genaue semantische Beschreibung dieser Bedeutung (im engern und weitern Sinne) von flexivischen Merkmalen ist hier nicht der Ort. Sie kann, was die semantisch-syntaktischen Merkmale betrifft, bei Weigand an den genannten Stellen nachgelesen werden. Wichtig ist aber der Hinweis, daß mit einem solchermaßen erweiterten Inhaltsbegriff zumindest die Merkmale, die kodiert (siehe 4.4.1.) und damit zu Einheiten der Morphologiekomponente werden, ohne weiteres in Hocketts (1958: 123) Sinne definierbar sind als "smallest individually meaningful elements". Diese Definition widerspricht nicht der Rolle des Wortes als "basic unit" (s.u. 4.4.1. Robins): Zwar steht "erst auf der Ebene des Wortes [...] die Bedeutung fest" (Kloeke 1982: 156-7), aber daß erst das Wort das "vollständig spezifizierte Zeichen" ist (ebd.), heißt nicht, daß es nicht aus "einzelnen minimalen Zeichen"(ebd.: 163), eben den Morphemen, bestehen und damit "zusammengesetztes Zeichen" (ebd.) sein kann. Bei aller "wordbased morphology", wie die Formel für die geschilderte Auffassung bei Aronoff (1976: 21) lautet, sei zu bedenken: "Note that we have not abandoned the concept of the morpheme" (ebd.: 14). Es dürfte hinreichend erwiesen sein, daß Morphologie nicht ohne die Bindung ihrer Einheiten (Morpheme) an die Semantik auskommen

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kann. Entgegengesetzte Versuche der frühen GIG müssen als gescheitert gelten. Sie sind innerhalb dieser methodischen Schule selbst zunehmend überwunden worden. Mit dem Hinweis auf "Minimalzeichen" ("Thesen" 1962: 23) und darauf, daß "unterhalb der Morphemebene" keine semantische Interpretation mehr möglich sei, findet gleichsam durch die Hintertür eine Rückkehr zur "geläufigen Definition des Morphems als kleinster Bedeutungseinheit" (ebd.: 25-6) durch eine Schule statt, die mit dem Anspruch aufgetreten war, daß die "Frage, ob Morpheme kleinste Bedeutungseinheiten" seien, "gar nicht berührt" zu werden brauche (ebd.: 21). 4.4.

Flektierte Wörter, Flexionsmorpheme und -morphe

4.4.1. Merkmalsbündel, Wort, Morphem Welche einzelnen Merkmale als flexivisch angesehen werden, wurde in 4.3. näher erläutert. Nun interessiert das Faktum, daß sie Teile der terminalen Bündel sind. Chomsky (1969: 215) nennt diese Bündel "komplexe Symbole", Bierwisch (1967: 240) die im Bündel vorkommenden Merkmale "features of complex symbols in final derived phrase markers". In dieser Bündelung und dem Terminus "komplexes Symbol" lassen sich unschwer das 'Wort1 und seine wichtigste Eigenschaft, die 'Kohärenz1 erkennen: Kohärenz nämlich von lexikalischer Wurzel und flexivischen Merkmalen. Gegenstand der Morphologie ist dieses kohärente Bündel. Anders als kohärent mit der lexikalischen Wurzel ausgedrückte grammatische Merkmale, also periphrastische Formen, behandelt sie mithin nicht. Das hier mit "lexikalischer Wurzel" Bezeichnete entspricht Hinderlings (1981: 49) "Paradigmenkern", einer nach Wortart, also nach der syntaktischen Funktion spezifizierten Größe (vgl. 4.3.3.). Die hier mit "flexivischen Merkmalen" bezeichneten Einheiten binden den "Kern" in ein Paradigma ein, bilden also "die herkäimlichen Wortformen" (ebd.). Genau an diesem Komplexum 'Wort1, das im vorliegenden Grammatikmodell die primäre Einheit ist, setzen die Aufgaben der Morphologie ein. Strukturalismus und frühe GTG hatten die Morpheme als in der "syntaktischen Oberflächenstruktur schon vorhandene abstrakte Formative" (Wurzel 1970: 21) angesehen und Wörter zu "Sequenzen von Morphemen [...], die zwischen Wortgrenzen stehen" ("Thesen" 1962: 21), erklärt. Das Wort war damit gegenüber der primären Einheit Morphem nur sekundär, die syntaktischen Endelemente waren schon Morpheme. Während also diese morphemorientierten Methoden "start from the morpheme passing through the word as relatively unimportant", ist für die auch von mir gewählte wortorientierte Methode das Wort "not just

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a stage in the progression 'from morpheme tu utterance'" (Robins 1959: 118-9, 137). Diese Haltung wird auch von der spätem GTG eingenommen: Flexivische Merkmale werden nun zunächst als dem lexikalischen Kern zugeordnet behandelt und bilden mit ihm ein Komplexum, werden also "als Merkmale der Wurzeln traktiert" (Wurzel 1970: 21): "Ihre segmentalen Reflexe werden erst von den geführt [·..]. Das heißt, daß die Wortanalyse syntaktische Oberflächenstruktur, sondern in und nach dem Operieren dieser geliefert würde

morphologischen Regeln einnicht unmittelbar durch die Verbindung mit der Morphologie [ · « · ] " (ebd.)·

Als komplexes Symbol unter den "phrase markers" (s.o. Bierwisch) ist das Wort damit "the basic unit of syntactic structure" (Robins 1959: 118; so auch Kramsky 1969: 67). Ureigene Aufgabe der generativen Morphologie ist es nun, "durch eine Transformationsregel [—], die das komplexe Symbol in Stamm und Suffix zerlegt" bzw. sog. "replacives" ("Um-/Ablaut") erzeugt, aus der primären Einheit Wort sekundäre morphemische Einheiten herauszuoperieren, "wie sie in der strukturellen Morphemik beschrieben sind" (Weber 1980: 167) bzw. wie sie in der "item-and-prccess"-Morphologie behandelt werden (s.u. 4.2.2.). Die Morphologie sorgt also dafür, Merkmale, die aus unten (4.5. und 6.) noch zu nennenden Gründen symbolisiert/kodiert werden sollen, zu symbolisieren/kodieren. Die betroffenen Merkmale werden Morpheme, die nicht betroffenen bleiben inhärent Welche jeweils betroffen sind oder nicht, ist einerseits stark wortartenabhängig (und wird bei der Flexion der einzelnen Wortarten ausführlich behandelt) und andererseits von der semantischen Markiertheit der einzelnen Merkmale (siehe wiederum 4.5. und 6.) abhängig. Nicht offen symbolisiert werden die eingangs genannten Merkmale der Kategorien WDKTAKT und KL, da sie in flexionsmorphologischer Sicht "nur1 Steuerungsmerkmale dafür sind, welche Merkmale kodiert werden müssen bzw. wie. Freilich lassen sich Klassen z.T. an ändern morphologischen und/oder nichtmorphologischen (v.a. phonologischen) Merkmalen erkennen. Dazu vgl. man die Kapitel zur "Organisation der Ausdrucksseite" (4.4.5.), zur KL-Morphologie (8.) und zur sog. "Stammbildung" der Substantive (6.1.4.). 4.4.2. Wort und Paradigma Es gehört infolge ihrer oben beschriebenen semantischen Besonderheiten zum Wesen der flexivischen Merkmale, daß sie innerhalb der Kategorie, zu der sie gehören, ein Paradigma bilden. Aufgrund der Tatsache, daß diese Merkmale nicht

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selbständig vorkamen können, sondern nur mit einer lexikalischen Wurzel zu einem "komplexen Symbol" zusammengebündelt (4.4.1.), steht dieses gesamte Komplexum (das ganze Wort) in einem Paradigma. Eine Morphologie in dem hier zugrundegelegten Grammatikmodell kann mithin nur eine sog. "word-and-paradigm"Morphologie sein (zur Terminologie vgl. Hockett 1954). Dieses Konzept von Paradigmen ganzer flektierter Wörter darf natürlich nicht dazu führen, riaR die morphologische Struktur dieser Wörter dunkel bleibt. Mir war es demnach auch nur die (inzwischen nicht mehr sichtbare) Basis zur Ausleuchtung der Kodierungsmöglichkeiten, die die Morphologie im einzelnen zur Verfügung hat. Es geht hier also schon um diese spezifischen morphologischen Mittel (Morphe) und nicht mehr nur um nebeneinandergehaltene 'Formen ganzer Wörter1. Selbst Bartsch/Vennemann (1982), die für ein "Lexikon voll spezifizierter Wörter" (93) und damit für eine "reine Paradigmen-Morphologie" (91) plädieren, lassen sog. "Wohlgeformtheitsbedingungen" zu, die "den morphologischen Aufbau der Wörter [··.] beschreiben" (86; vgl. Kritik daran von Eynde 1983: 466-8). Demnach gilt: Auch das WP-Modell "must recognize the morpheme as the minimal [...] unit" (Robins 1959: 119). Das WP-Verfahren ist zunächst nur dasjenige, mit dem vorerst nichts verkehrt gemacht werden kann, da es selbst den maximal komplizierten Fall morphologischer Kodierung erfaßt: die Suppletion. Für sie ist WP sogar das einzige angemessene Prinzip. Behandelte die WP-Morphologie aber alle Arten morphologischer Vorgänge nach diesem Prinzip, beginge sie einen ähnlichen Fehler wie die reine -Morphologie, die nur für "items" anordnende Sprachen funktionieren kann und trotzdem andere Arten morphologischer Kodierung gewaltsam nach diesem Prinzip behandelte. Gerade an flektierten Wörtern im Paradigma, also im Vergleich morphologisch alternierender Wortformen, wird man aber sehr schnell sehen, welche Art der morphologischen Kodierung von Merkmalen vorliegt: "Addition" (und "Subtraktion"), "Modulation" oder "Suppletion". Ausführlich dargestellt sind diese Typen bei Mayerthaler (1981: 24) und Wurzel (1984: 52-3). "Additions"-gerechtes -Modell, "modulations"gerechtes IP-Modell und "suppletions"-gerechtes WP-Modell lassen sich schon insofern nicht gegeneinander ausspielen, als sie nicht konkurrierende Modelle für jeden einzelnen morphologischen Sachverhalt sind, sondern spezifische Modelle für spezifische Sachverhalte. Nur ist das WP-Modell über seinen spezifischen Anwendungsbereich (Suppletion) hinaus auch von genereller Bedeutung dadurch, daß sich, wie gesagt, an flektierten Wörtern im Paradigma erst die genauen spezifischen morphologischen Prinzipien (wie Addition, Modulation, Suppletion) erkennen und, wie es in der vorliegenden Arbeit dann geschieht.

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als Suffigierung, VöK-Wechsel ("Um-/Ablaut") oder Wechselparadigma 'ganzer1 Wörter darstellen lassen. SACHVERHALT

generell spezifisch

MODELL

WP

Wörter in einem Paradigma Addition

Modulation

Suppletion

Diese Perspektive ermöglicht eine Gleichbehandlung aller Arten morphologischer Kodierung: Die Formen des Paradigmas werden formell mit der betreffenden Basisform verglichen. Ich gehe davon aus, daß erst die darin aufscheinenden Abweichungen der Flexionsformen von den Basen den zeichenhaften Signalcharakter haben, nicht schon die Flexionsformen selbst. Annahme ist also, daß sowohl das Kodieren durch den Sprecher wie das Dekodieren durch den Hörer auf einem solchen Nebeneinanderhalten von Basis und Flexionsform aufbaut. Dabei spielt es keine Rolle, welcher formellen Art die Abweichung ist. Das /er/ in der flektierten Form /faider/ 'Felder' wirkt gegenüber der Basis /fald/ genau nicht anders wie das /DI/ der Flexionsform /gxt>im/ '(sie) kam' gegenüber der Basisform /gxum/. Von daher muß der Äußerung Wurzels (1984: 38) widersprochen werden, nur Modulationen (wie Vokalwechsel) wirkten "relational im Vergleich mit anderen Formen." Doch tun dies, wie gesehen, auch segmentale Additionen: Alle morphologische Kodierung ist relational (zur nichtkodierten Basis), nur die Mittel zur Herstellung der Relation sind verschieden: Mittel Addition Modulation Suppletion

SG

/fald/ /t>ger/ /frai/

Anweisung zur PL-Bildung

/+er/ /D -»-a/ /frai ·> waiber/

PL

/falder/ /ager/ /waiber/

'Feld/er' 'Acker /A'- ' 1 Frau/Weiber

Das Verfahren Wurzels (1984: 38), nur den Mitteln des Additionsprinzips, den Affixen, den Status "Morph(em)" zu reservieren und ihn den Mitteln der Modulation, den Ersetzungen (engl. "replacives") vorzuenthalten, mag zwar berechtigt sein, kann aber, wie gesehen, nicht mit dem Argument der Relationalität begründet werden (vgl. die Kritik an Wurzel von Harnisch 1986: 5OO). Diese Reservierung dürfte eher forschungsgeschichtlich bedingt sein, da die "Morphem"-ik in ihren Anfängen vorwiegend -orientiert war. Man kann also zwar die Mittel der Addition (Affixe) "Morphe" nennen, die der Modulation "Ersetzungen" ("replacives") und als überbegriff zu beidem von "Markern" sprechen; aber es hindert einen auch nichts, anstatt von oder synonym mit "Markern" von "Morphen" zu sprechen,

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wenn man, wie dies hiermit geschieht, klarstellt, was man unter diesem Terminus versteht: alle Ausdrucksmittel der "Morpho"-logie. Unter diesem Begriff haben dann z.B. auch Allo-"Morphe" Platz, die Modulationen sind. Sie missen dann nicht - wie es streng genonnen z.B. Wurzel tun müßte (s.o.), es aber begreiflicherweise nicht tut - "modulatorische Allo-Marker" o.a. genannt werden. 4.4.3. Morphologische Verkettung und "Null" "Morphologische Verkettungsbedingungen" (MVBs) nennt Kloeke (1982) die Muster, nach denen komplexe Symbole in morphologische Einheiten zerlegt werden. Dieser Terminus ist nach dem zuletzt Gesagten nicht nur bei reiner Addition zu verwenden, sondern ist in einer allgemeineren Weise Angabe dazu, ob überhaupt Kodierung erfolgt und in welcher Reihenfolge. Komplexe Symbole sind nach einer MVB für Substantive, was NUM betrifft, in "X + PL" zu zerlegen (mit X für z.B. FALD oder £GER). Die Verselbständigung von PL heißt nichts anderes als PL-Kodierung, gleich welcher Art. Diese hängt vom Lexikoneintrag (genauer: seiner KL-Zugehörigkeit) ab: PL kann also, bei FALD, für /+er/-Kcdierung ebenso stehen wie, bei ÄGER, für / -> a/-Kodierung. Was nun die Nichtkodierung flexivischer Merkmale betrifft, hat nach Chomsky (1969: 218) das WP-Modell gegenüber IA und IP folgenden verlockenden Vorteil: "in der paradigmatischen Repräsentation braucht man sich auf [... ] Elemente, die nicht Teil der [morphologischen; RH] Endkette sind, überhaupt nur in den Regeln zu beziehen, für die sie relevant sind": Merkmale, die nie morphologisch am Wort kodiert werden, bleiben inhärent und sind nicht adhärente Nullen. Damit konnte die im -orientierten Strukturalismus auftretende "Proliferation von Nullendungen" (Kloeke 1982: 168) im Sinne von Meier (1961) und Haas (1957) gebremst werden. Man geht nur noch auf Merkmale ein, die in der Wortstruktur sichtbar sind. In Kategorien wie NUM und KÄS des Substantivs z.B. werden nun bestimmte Subkategorien/Merkmale kodiert, bestimmte andere nicht: kodiert?

'Vieh' (Individuum) nein SG

(PL)NOM

ja

fiix

fixx+er

PL

fitxer

fiixer+n

(PL) DAT

30

Ist es für PL und DAT klar, daß sie aus dem komplexen Symbol heraussegmentiert werden, gibt es für SG.NOM zwei gleichwertige Darstellungsarten. Entweder beläßt man, wie es Chomsky im Auge hatte, SG und NOM inhärent im komplexen Symbol, oder man geht, wie Weigand (1978: 138), nicht von den Subkategorien wie SG und NOM aus, sondern von den Gesamtkategorien wie NUM und KÄS, und fordert: wenn eine Subkategorie einer Kategorie je kodiert wird (hier also z.B. "+PL+DAT"), wird die ganze Kategorie und mit ihr auch eine unkodiert bleibende Subkategorie so behandelt (also z.B. auch "+SG+NQM"). Die Konsequenz dieses Weges ist, daß die Nichtkodierung solcher Merkmale als adhärente Null behandelt werden muß. Trotzdan läßt sich auch auf Weigands Wege das Nullenproblem schon reduzieren: Kategorien, die nie paradigmatische Opposition von kodierten und nichtkodierten Subkategorien aufweisen, stellen kein Problem im Zusammenhang von "Null" dar, da die ganze Kategorie und ihre Subkategorien als inhärent repräsentiert gelten (z.B. GEN des Substantivs). Das Problem "Null" ist auf Subkategorien beschränkt, die innerhalb einer Gesamtkategorie im Paradigma mit Nichtnull anderer Subkategorien alternieren (z.B. SG und PL in der NUM-Kategorie des Substantivs). Haas (1957: 49) nennt diese Art von Null denn auch "distinctive omission of overt forms". Davon setzt er eine zweite Art ab: Nullen als "alternants to overt morphs" (ebd.: 45), wobei er "alternants" i.S.v. Allomorphen versteht (vgl. Weigand 1978: 137. Anm. 1). Es ist das klassische Kriterium des Distributionalismus für morphologische Nullen. Nullen treten also auf als 1. Allomorphien mit Nichtnull, 2. Alternationen mit Nichtnull im Paradigma. Die Angabe dieser Arten von Null ist allemal wichtiger als alles Bemühen um eine Klärung der Frage, ob es sich um "Null" oder "Nichts" (Kloeke 1980), eine 'Existenz von Nichts1 oder eine 'Nichtexistenz von Etwas1 (so ähnlich Weigand 1978: 139), eine Bezeichnung des Nichtvorhandenseins oder einen "Mangel der [.'..] Signalisierung" (Jakobson [1932] 1971: 3) handle. Ich verwende also im Grunde "Nullsetzung als technisches Verfahren" zur Verdeutlichung "struktureller Faktoren" (Meier 1961: 181) und handle nach der Devise, "daß solche 'Nullregeln1 Leerstellen markieren, aber keine 'Null-Morpheme1 einführen" (Wurzel 1984: 59). Die Brücke zu Chomskys strengerer Auffassung läßt sich dann in folgender Weise schlagen: Weigands (und meine) adhärente "0" ist Symbol dafür, daß das betreffende Merkmal nicht kodiert, also nicht aus dem komplexen Symbol morphologisch heraussegmentiert wird.

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Nun gibt es bekanntlich auch Wörter, die eine Menge von Merkmalen nie adhärent, sondern nur inhärent repräsentieren, morphologisch also intern gar nicht gegliedert sind und als 'ganze Wörter1 einen bestimmten Platz in einem Paradigma einnehmen. Einig mit der WP-Methode verstehe ich nun aber Morphologie nicht nur als die Lehre morphologisch intern strukturierter Wörter (die also mindestens aus zwei Morphen bestehen müßten, sondern behandle auch Paradigmen dieser 'ganzen' oder sog. "Morphem-Wörter" (vgl. Einleitung zu 6.1.1.4.). 4.4.4. Die Ausdrucksseite des minimalen Zeichens Es war bereits von den Morphemen als minimalen Zeichen die Rede. Morpheme sind die Miniinaleinheiten, in denen Inhalt und Ausdruck aneinandergekoppelt, im Sinne de Saussures untrennbar verbunden sind. Im vorliegenden Grammatikmodell sind diese minimalen Zeichen Speichereinheiten, mit denen kreativ, d.h. generativ, umgegangen wird. Die Bindung des Ausdrucks an den Inhalt innerhalb der Speichereinheit Minimalzeichen geschieht nach der hier gemachten Annahme des generativen Umgangs mit bedeutungstragenden Kleinsteinheiten morphemweise. Von der Annahme her, daß die phonologische Substanz Morphemen (und nicht etwa ganzen Wörtern, Syntagmen oder Sätzen) zugewiesen wird, ergibt sich die enge Beziehung, die zwischen Morphologie und Phonologie existiert. Darauf baut Anderson (1982: 611) sogar die These auf, die Morphologie sei diesbezüglich in der Phonologie enthalten, und schießt damit in bekannter Weise (s.o. 4.3.2.) über das Ziel hinaus, Beziehungen zwischen Morphologie und ändern Komponenten der Grammatik aufzufinden. Die Art der Beziehungen zwischen Morphologie und Phonologie, wie sie sich im Konzept des bilateral aus Inhalt und Ausdruck bestehenden minimalen Zeichens manifestieren, müssen auch terminologisch erfaßt werden. Ich gehe hierbei folgenden Weg: Soll die Inhaltsseite des Minimalzeichens betont werden, spreche ich von "Morphem", soll alles Ausdrucksseitige betont werden, von "Morph". Doch hängt das "Morphem" untrennbar mit dem "Morph" zusammen, da es die Inhaltsseite eines Ausdruckselements ist. Auch das "Morph" ist untrennbar mit dem "Morphem" verbunden, da es Ausdruck einer Inhaltseinheit ist. Daß beide nur im Bezug aufeinander existieren, hat Mugdan (1977: 31-2) zu der überspitzten Formulierung veranlaßt, daß das "Morphem [..·] keine Einheit der Inhaltsseite" und das "Morph [... ] keine Einheit der Ausdrucksseite" darstelle, sondern (1) ein "Morphem [...] eine Menge von Minimalzeichen mit bestimmtem

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Inhalt und beliebigen Ausdruck", (2) ein "Morph [...] eine Menge von Minimalzeichen mit bestimmtem Ausdruck und beliebigem Inhalt" sei. Damit hat er zweifellos dem Prinzip der Untrennbarkeit dieser beiden Seiten des Zeichens konsequent Rechnung getragen. Wenn er die Ausdrucksvarianten von (1) jedoch "Allomorphe" nennt und die Inhaltsvarianten von (2) "Allomorpheme", schimmert auch bei ihm wieder der Brauch durch, die emischen Einheiten als Inhalts-, die nicht-emischen als Ausdruckseinheiten aufzufassen. Mit dem Hinweis auf die ausdrucksseitige Implikation der Inhaltseinheit und die inhaltsseitige Implikation der Ausdruckseinheit habe ich m.E. die nötige Vorsicht walten lassen und werde im weiteren mit "Morphem" (oder morphologischem "Merkmal") den Inhaltsaspekt des Zeichens, mit "Morph" (oder "Marker", auch "Exponent") seinen Ausdrucksaspekt in den Vordergrund stellen. "Morphe" sind Einheiten der von phonologischen Prozessen noch ungestörten Morphologie. "Wir tun (vorerst natürlich kontrafaktisch) so, als gäbe es die Morphologie allein" (Mayerthaler 1981: 21). Dies bedeutet, daß "Morphe" auf den Ebenen der Ausdrucksanweisung und des (fiktiven) "ungestörten" Ausdrucks phonemisch repräsentiert sind. Auf diese Repräsentation wirkt sich nun erst die Tatsache aus, daß "die Phänologie [...] (vom Resultat her gesehen) fast immer gegen die Morphologie (agiert)" (ebd.). Die ins phonologische Regelwerk eingegebene phonemische Repräsentation eines Morphs verläßt dasselbe als (Allo-)Phon: i 1 Zuweisung phonologischer Substanz 2 Herstellung konkreter Lautung aus abstrakter Repräsentation i Beispiel: BEG + PL ->·

/beg+n/

2 -*·

[begq] '(die) Becken (=Bäcker) '

Bei [n] handelt es sich also um eine Allo-"Phonie", nicht um ein PL-Allo-"Morph"! Es ist durch die lautliche Umgebung eindeutig als phonologisch bedingt ausgewiesen. Was durch Bedingungen der Phonologiekomponente entsteht, ist auch ein Element von ihr und nicht ein Element einer ändern, hier: der morphologischen, Komponente. Ich schließe mich also der v.a. in Lehrwerken (Kastovsky 1973: 365-78; 1974: 571-2, 577-8), aber auch sonst(z.B. Hoffmann 1979: 29, 31) weit verbreiteten Sitte nicht an, eine nach Lipold (1976: 261) "hybride" terminologische Unterscheidung in sog. "phonologisch bedingte" und "morphologisch bedingte Allomorphe" zu treffen. Allomorphe können nur morphologisch

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bedingt sein, "phonologische Konditionierung" (Bergenholtz/Mugdan 1979: 6.2.) kann nur zu Allophonien führen (auch wenn sie die lautliche Erscheinungsform morphologischer Entitäten betreffen) z.B.: Allomorphie

Allophonie

Subst.-Pl.*

*KL-bedingt Anmerkungen: (1) Ob so entstandene Allophone mit sonst vorkommenden "Phonemen" identisch sind oder nicht, ist in der GP bekanntlich unerheblich (s.u. Einleitung zu Kap. 11). (2) Zwar gibt es auch Allomorphien, die mit bestimmten phonologischen Mustern korrelieren, aber eben nicht (zumindest synchron nicht) phonologisch "konditioniert" sind. Zu ihnen vgl. 4 . 4 . 5 . Zu recht warnt jüngst auch Carstairs (1986: 5) davor, eine aufgrund phonologischer Muster vorhersagbare Allomorphie als phonologisch "bedingt" aufzufassen.

4.4.5. Die Organisation des morphologischen Ausdrucks Die Rede ist hier von der im Anschluß an obige Tab. angesprochenen Erscheinung, daß morphologisches Verhalten sich nach bestimmten phonologischen (und morphologischen) Merkmalen richtet (oben: "Korrelation"), ohne lautlich bedingt zu sein (oben: "Konditionierung"). Phonologische Muster wirken so mit an der Bildung morphologischer Klassen und erlauben, lernpsychologisch (mnemotechnisch) gesehen, Voraussagen über das Wie der morphologischen Kodierung. Ziel einer Morphologie muß es also sein, die Zahl expliziter Angaben zum morphologischen Klassen-Verhalten so gering wie möglich zu halten. Die Angabe der KL ist erst dann notwendig, wenn von ändern (phonologischen oder/und morphologischen) Merkmalen her das morphologische Verhalten nicht mehr vorhergesagt werden kann. Dem Zwecke der Vorhersage, die eine KL-Angabe entweder unnötig macht oder ihr zumindest Details erspart, ist deshalb ein eigenes großes Kapitel der Morphologie gewidmet (Kap. 8). Im folgenden werden einige Typen für diese Organisation der Ausdrucksseite durch KL-bildende Mittel genannt: Es ist z.B. weder "phonologisch bedingt", daß /jliis+d/ '(er) schließt1 zu [jlisd] gekürzt wird, noch in der Weise "morphologisch bedingt", daß in dieser

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Formenkategorie der Stamn-VOK gekürzt werden muß. Gegen beides spricht ein Fall wie /biis+d/ '(er) büßt 1 , der als [biisd] realisiert wird. Vielmehr löst das phonologische Muster OBSTR + OBSTR in Koexistenz mit den morphologischen Merkmalen "STV" und '3.SG' diese morphologische "Hyper1-Symbolisierung durch zusätzliche Kürzung des Stamm-VOK erst aus. Z.T. läßt sich sogar ohne eine KL-Angabe auskcrrmen und aus phonologischen Merkmalen in Verbindung mit gegebenen morphologischen ein Verhalten in einer bestürmten Flexionskategorie prognostizieren. Z.B. haben Substantive mit dem phonologischen Muster NT-/er/ und der GEN-Subkategorie +FEM 'normalerweise1 /n/-PL (Typ /gxiapner-t-n/ 'Kammern'), welche mit demselben Muster, aber dem GEN-Merkmal -FEM 'normalerweise1 /0/-PL (Typen NTR /dsimer+0/ 'Zirtmer'; MSK /gxaler+0/ 'Keller'). Korrelation (nicht: KausalnexusI) zwischen morphologischem KL-Verhalten einerseits, phonologischen und morphologischen Mustern andererseits, ist in letzter Zeit zu einem gewissen Schwerpunkt der Merkmalsgrammatik geworden (z.B. Kopeke 1982). Köpcke/Zubin (1983) haben, zwar nur am Beispiel der GENZuweisung an dt. Substantive entwickelt, doch von durchaus programmatischer Bedeutung, dazu folgende Prinzipien formuliert: "Im folgenden werden wir dafür argumentieren, daß aufgrund von Lern- und Speicherungsprinzipien ein Systematisierungsdruck seitens der Sprachbenutzer existiert, der es ermöglicht, stochastische Regeln für die Genuszuweisung zu den einsilbigen Nomen der deutschen Gegenwartssprache zu formulieren" (166). Und: "die Speicherung des Genus erfolgt durch die Bildung prototypischer Gruppen; das Genus der Nomen wird zwar einzeln gespeichert, aber auch in enger Assoziation zu einer ganzen Gruppe von Nomen, die das gleiche Genus und ein spezifisches (phonologisches) Muster gemeinsam haben" (179).

4.5.

Morphologische Natürlichkeit und der Aufbau der Grammatik

Eine "Natürliche Flexionsmorphologie" setzt in zweifacher Hinsicht genau an der in 4.3.6. behandelten Semantizität von Kategorien an. Zum einen beurteilt sie das Verhältnis der semantischen Markiertheit flexivischer Merkmale zu ihrer morphologischen Symbolisierung/Kodierung nach "ikonischen" Prinzipien. Diesen Aspekt stellt Mayerthaler (1981) in den Vordergrund. Zum ändern zeigt sie die Prinzipien intern morphologischer Organisation auf und hebt die Motiviertheit der klassenbildenden Mittel mit ihrem besondern semiotischen Charakter deutlich hervor. Solche Aspekte stellt Wurzel (1970 und 1984) ins Zentrum seiner Arbeiten. Ersterer stellt besonders auf supersystemare Natürlichkeitsprinzipien wie "konstruktioneilen Ikonismus", "Transparenz", "Uniformität" ab, läßt sogar nur sie gelten. Letzterer hingegen stellt besonders auf

35

intrasystemare Natürlichkeitsprinzipien wie "Systemangemessenheit" morphologischer Bildungsinittel und "Flexionsklassenstabilität" ab, ohne den supersystemaren ihren Rang, den er allerdings stark relativiert, streitig zu machen. Darauf, daß beide Arten von Natürlichkeitsprinzipien

integraler Bestandteil der

"Natürlichen Morphologie" sind und nicht gegeneinander ausgespielt werden können, wurde in Harnisch (1986: Rezension von Wurzel 1984)

ebenso deutlich hinge-

wiesen wie auf einen weiteren Faktor, der bei beiden Autoren eine zu untergeordnete Rolle spielt und auf dessen Au nähme in die morphologische Natürlichkeitstheorie Werner (zuletzt 1986 und 1987) inner wieder gedrungen hat und dringt: auf den Faktor 'Frequenz' und 'Ökonomie' (dazu v.a. Ronneberger-Sibold 1980). Anlaß seiner Kritik ist v.a. Mayerthalers Sicht, daß die Idealrealisation seiner Natürlichkeitsprinzipien, die agglutinierende

Inhalt:1 Ausdruck-

1

Morphologie also, am "natürlichsten" sei. Darauf hatte schon Wurzel kritisch mit einem Plädoyer dafür reagiert, daß auch "irreguläre"

Erscheinungen in

Einzelsprachen wie die Existenz lernaufwendigerer Flexionstypen usw. "natürlich" seien, wenn sie nur systemangemessen seien oder weil sie mit Mitteln wie implikativen Zusammenhängen zwischen 'Verhaltensmerkmalen1 gleichsam 'in "Klassen"-Disziplin genormen" und dadurch gebändigt ('naturalisiert') würden. Doch geht Werner noch darüber hinaus, indem er nicht nur wie Wurzel beide Typen morphologischen Verhaltens als "natürlich" ansieht (ja selbst von "Natürlichkeit und Nutzen [!] morphologischer Irregularität" [1986] spricht), sondern ihr Nebeneinander in Einzelsprachen mit der Folge typologischer Uneinheitlichkeit, ausgewogen durch ökononiefaktoren und Frequenzverhältnisse (s.u.), sogar als morphologischen Normal-, Idealfall bezeichnet. In diachronem Zusammenhang formuliert er (1987) programmatisch: "the aim of morphological change is a good mixture - not a uniform language type". Das Mischungsverhältnis ergibt sich dann daraus, daß (1) hohe "token"- ("Gebrauchs"-) Frequenzen, zumeist gekoppelt an niedrigere "type"-Frequenzen ("niedere Mitgliederzahl"), mit - Kctnprimierung, Irregularität/Opazität und 'Gebrauchsfertigkeit' des morphologischen Ausdrucks (Typen: Flexion, Suppletion) korreliert sind, wobei zwar größerer Lernaufwand getrieben werden muß, aber an Ausdrucks-äkonomie gewonnen wird, (2) hohe "type"-Frequenzen ("hohe Mitgliederzahl"), zumeist gekoppelt an niedrigere "token"- ("Gebrauchs"-) Frequenzen, mit

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- Expansion/Isolation, Regular!tat/Transparenz und 'Zusammenbau1 ('Konstruktionalität*) des morphologischen Ausdrucks (Typ: Agglutination) korreliert sind, wobei zwar der Lernaufwand geringer, der Ausdruck selbst aber weniger ökonomisch ist. Zu einzelnen dieser Aspekte ähnlich, nur daß er nicht eine L-interne Typenmischung anspricht, sondern Sprachbautypen an sich, hat sich Dressler (1985: 325) geäußert, der auch, so weit ich ebd. (333) sehe, gegenüber dem Faktor Frequenz (auch von "tokens"!) offener zu sein scheint als andere natürliche Morphologen. In Werners Modell stellt sich auch die zwischen Mayerthaler und Wurzel heftig diskutierte Frage danach, welche Natürlichkeitsprinzipien ("konstruktioneller Ikonismus" usw. versus "Systemangemessenheit" usw.) und welche mit ihnen zusammenhängenden morphologischen Typen ("uniform-transparente, 1:1Morphologie" versus ggf. auch "irreguläre Klassenmorphologie") sich gegen welche ändern durchsetzen, nicht so schroff als eine Entweder-oder-Frage, da die geschilderte Ausbalancierung ein ständiges Kräftespiel sei, bei dem die Morphologie auf Änderungen der Frequenzen oder der phonologischen 'Störungen der Morphologie von außen1 ständig neu reagiere: was letzteres betrifft z.B. durch Morphologisierung (ursprünglich) phonologischer Pegeln, die oft zu einem scheinbaren 'Luxus' von Hypersyrribolisierungen (zu 'Irregularität') führen, der sich jedoch wegen der damit erreichten deutlichen innerparadigmatischen Differenzierung für hoch gebrauchsfrequente Wörter als kommunikativ nützlich erweist. Welche morphologischen Typen im 1st. Sprachsystem an dem erwähnten Kräftespiel teilhaben, wird in den vier der Morphologie (und ihrer Abgrenzung von der Phonologie) gewidmeten Kapiteln der vorliegenden Untersuchung dargestellt. Die hier gewählte Spielart der "Natürlichen Morphologie", die im wesentlichen dem "Vergleichsangebot" von Wurzel (1984) folgt (siehe Harnisch 1986: 495) und das von Werner entworfene Mischprinzip ernst nimmt, hat folgende Auswirkungen auf den Aufbau des Morphologieteils dieser Grammatik: Es wird untersucht, welche morphologischen Typen (Prinzipien) im einzelnen die das 1st. morphologische System konstituierende Typenvielfalt (Werners "typologische Uneinheitlichkeit") ausmachen, d.h., es wird untersucht, (1) ob der vielfach (v.a. von Mayerthaler) als kognitiv optimales (und deshalb als allein "natürliches" und universelles) morphologisches Organisationsprinzip angesehene "konstruktionelle Ikonismus" auch dem System des Lst. angemessen und wie er dort vertreten ist (einer psychologischen Validierung dieses Problems enthalte ich mich im übrigen unter Hinweis auf das in 1.2. Gesagte); diesem Komplex, dessen Gegenstand v.a. die Relation zwischen semantischer Markiertheit

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morphologischer Merkmale und deren Symbolisierung/Kodierung durch morphologische Marker sind, ist das eine große Morphologiekapitel (6.) gewidmet; (2) ob noch andere als konstruktionell ikonische - in Mayerthalers Augen weniger "natürliche" - Typen der Abbildung von semantischen Kategorien auf ihre Symbolisierungen das morphologische System des Lst. mitkonstituieren und von welchen "natürlichen" Prinzipien bei der Bändigung dort auftretender "Irregularitäten" sie Gebrauch machen. Hier wird - und in Kap. 7. wird dies begründet - zu unterscheiden sein zwischen Mitteln (a) zur Bildung und Stabilisierung von Klassen "akzidentieller" Symbolisierungen; dem ist das zweite große Morphologiekapitel

(8.) gewidmet;

(b) zur Kompensation von ge- oder gar zerstörtem Ikonismus, mit denen sich die Morphologie phonologischer Störungen erwehren kann; diesem Komplex ist Kap. 9. gewidmet. Da die oben zuletzt genannte kompensatorische Symbolisierung erst in jüngerer Zeit verstärkt die Aufmerksamkeit von Morphologen erweckte und die bei ihr stattfindenden Prozesse vorher v.a. Phonologen interessierten, die die dort auftretenden Erscheinungen denn auch meist zu rasch als phonologisch konditioniert interpretierten, soll sie hier etwas genauer umrissen werden als die oben genannten beiden ändern Typen von Morphologie, die sich unter den Etiketten "regulär" und "irregulär" von jeher eines großen Interesses bei den Morphologen erfreuten. Der "latente Natürlichkeitskonflikt zwischen der Phänologie und der Morphologie" (Wurzel 1984: 33 mit einem Beispiel) führt zu der in 4.4.4. bereits erwähnten Tatsache, daß "die Phänologie [... ] fast immer gegen die Morphologie (agiert)", weswegen es übrigens - das sei aus diachroner Perspektive nur angemerkt - überhaupt Morphologie verschiedener Grade von (Ir-)Regularität gibt, v.a. dann, wenn sich die Morphologie dagegen nicht wehrt oder allenfalls durch die Mbrphologisierung der phonologischen Regeln 'rächt'. Doch z.T. reagiert die Morphologie - auch synchron schon! - kompensierend. Ein Grammatikmodell muß solchen Reaktionen Raum geben. Die klassische GTG tut das nicht, denn sie

ist

in gewisser Weise eine 'Einbahnstraße': Die Reihenfolge der Komponenten ist festgelegt, und von Komponente zu Komponente geht es stets nur in einer Richtung weiter (vgl. die Skizzen zum Aufbau der Grammatik bei Wurzel 1970: 275) oder Mayerthaler 1974: 77). Ferner hat die generative Grammatik zwar die Autonomie einzelner Komponenten überwunden (etwa die "autonome Phonologie"), doch hat sie die Grannvatik insgesamt zu sehr autononisiert. Dagegen wurden mit Recht die Bedenken vorgebracht, "daß sprachliche Äußerungen vom Sprecher in der Regel

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hörer-, situations- und gegenstandsadäquat gebildet werden und in der Kcntnunikation folglich auch einer karrtunikativ-pragmatischen und nicht nur einer granmatischen Orientierung unterliegen" (Meinhold/Stcck 1980: 54). Wichtig ist also, daß alle Komponenten der Grammatik "auf kdtittunikativ-pragmatische Irrpulse reagieren können" ("Theoretische Probleme" 1976: 523) und sich, von Werner (1984: 543), allerdings in diachroner Perspektive und in etwas anderm Zusammenhang so genannte, "Schleifen" bilden können, deren für meine Arbeit wichtigste die synchrone (!) postphonologische zurück zur Morphologie ist. Da es sich, wie gesehen, um Zyklen handelt, kann man es mit Plank (1981: 81) "phonologische vor morphologischen Regeln" nennen, obwohl eine Redeweise 'morphologische nach phonologischen Regeln1 das, worum es geht, besser ausdrückt (vgl. die inzwischen auch bei Plank [1985] im Titel aufscheinende terminologische Änderung): daß nach einem ersten Durchlauf der Komponenten Morphologie - Phänologie die phonetische Ausgabeform die kcrrmunikativ-pragmatische Kontrollinstanz nicht passiert und ein Bogen zurück zur Morphologie geschlagen wird, die die Ausgabedefekte heilen soll und Ausgangspunkt eines zweiten Durchlaufs durch das phonologische Regelwerk ist. Weitere Schleifen und erneute Durchläufe sind nicht ausgeschlossen, wenngleich synchron gesehen unwahrscheinlich, da die zweite (kompensatorische) morphologische Operation nicht gleich wieder eine phonologische Substanz verwenden wird, die nach Passieren der Phonologie-Komponente erneut Defekte aufweist. Planks Musterbeispiel (vgl. Harnisch 1984a: 167) würde das Regelwerk auf folgende Art durchlaufen:

i

*


0 / PL l

-sym

l

+m

,

wobei es einen hohen Erklärungswert hat, daß die Vorzeichen rechts vom Pfeil (d.h. vor und nach dem Bedingungs(schräg)strich) reziprok sind (vgl. dazu Harnisch 1984b: 32-3). Anm.: Als Erklärung von Fällen, wo ein unmarkiertes Merkmal trotzdem kodiert wird (-m: +sym; siehe Anm. oben), kann u.U. eine Regel wie die folgende aus der sog. "pronominalen" Flexion stammende dienen, die ebenfalls reziproke Vorzeichen rechts vom Pfeil hat, nur umgekehrt: MSK -»· er / GG.NOM I

-m

I

+sym

I

-m

54

Unter Gesichtpunkt (b) sehen solche Regeln scheinbar so aus, als ob auch hier 1:1-Relationen zwischen Inhaltsmerkinal und Ausdrucksmittel (Morph) herrschten. Das stimmt jedoch nur bedingt und insofern, als zwar das "/0/-Morph" als AKK- oder das /er/-Morph als MSK-Marker zu identifizieren ist. Doch darf der Umgebungsteil der Regel, der die Bedingungen für diese Kodierungen/Nichtkodierungen enthält, nicht vernachlässigt werden. M.a.W.: Daß MSK kodiert wird, liegt an der Umgebung SG.NOM; daß AKK nicht kodiert wird, liegt an der Umgebung PL. Solche Regeln wie oben machen also Aussagen über Wechselwirkungen von Merkmalen untereinander; sie bringen eine Symbolisierung mit einem Merkmal in Verbindung, andere Merkmale bilden die Bedingungen dafür. Beides darf also nicht getrennt werden. Der Umgebungsstrich über SG.NOM in obiger Regel etwa drückt das formal auch ganz genau aus. Die Regel (a)

MSK -»·

er / SG.NOM

ist nur eine andere Schreibweise für die Regel ( a 1 ) MSK.SG.NOM

->

er ,

aber eben die Schreibweise, die ausdrückt, daß es das Merkmal MSK ist, das - im SG.NOMl - kodiert wird. Dieser Hinweis war nötig, um dem Vorwurf von vorneherein zu begegnen, ffaft solche Regeln mit aller Gewalt 1:1-Beziehungen zwischen Merkmalen und Morphen herstellen wollen. Sie tun es nicht, da andere Merkmale als bedingende Formen immer erst die Regel komplett machen. Matthews' (1972: 93) kritischer Frage, "why [...] should one be obliged to detach the 'realised1 morphemes, on the one hand, from the 'conditioning1 morphemes on the other?", setze ich deshalb meine Frage entgegen, warum man darauf verzichten sollte, Regelhaftigkeiten der oben genannten Art durch die entsprechenden Regelformulierungen auch darzustellen. Warum in morphisch realisierte Einzelmerkmale einerseits und als Umgebungsfaktoren fungierende Merkmale andererseits unterschieden werden sollte, liegt auf der Hand: Nur diese Perspektive ermöglicht durchgängige Aussagen über ein Einzelmerkmal, das in einem Interaktionszusanmenhang und nicht einfach in einem Koexistenzverhältnis mit ändern (im komplexen Symbol versammelten) Einzelmerkmalen steht. Eine Darstellung dieser Zusammenhänge als Ursache-Wirkung-Mechanismus ist mithin aussagekräftiger als eine schlichte Kumulation von Merkmalen. Kein solches Ursache-Wirkung-Verhältnis besteht bei folgenden Regeln. In ihnen sind Merkmal (unten abstrakt in Großbuchstaben) und Kodierung nur insofern

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kausal aufeinander bezogen, als semantisch Markiertes kodiert und Unmarkiertes nicht kodiert wird: 1.

A

-»·

I

0

2.

t

-m

C I

-sym

+m

+ I

-i-sym

Als Ursache-Wirkung-Relationen im oben angesprochenen Sinne (mit betroffenen und bedingenden Merkmalen) werden sich in den morphologischen Kapiteln zu einzelnen Wortarten die folgenden, oben bereits genannten, hier aber an abstrakten Merkmalen ( -D) gezeigten, erweisen: 3.

A -»· l

-m

/ t

+sym

B l

-m

D.h.: Ein semantisch ünmarkiertes Merkmal (A) wird - trotzdem - kodiert, und zwar in der Umgebung eines semantisch unmarkierten (B). Hinweise auf solche Relationen habe ich in der Literatur keine gefunden, werde aber fürs Lst. Beispiele dafür beibringen (6.1.1.2.). Ein etwas anders, aber ähnlich gelagertes Beispiel gibt Hooper (1980). Vgl. ausführlicher dazu Harnisch (1984b: 23-4). Schließlich gibt es eine vierte Relation (vgl. Greenberg 1966: 27): 4.

c -> 0 / D l

+m

l

- sym

l

+m

D.h.: Ein semantisch markiertes Merkmal (C) wird - trotzdem - nicht kodiert, und zwar in der Umgebung eines semantisch markierten (D). Hinweise auf solche Relationen sind in der Literatur genügend zu finden: Z.B. werde im Russischen die PERS-ünterscheidung im PRA'T aufgehoben (Jakobson [1940] 1971: 222), im Deutschen die AKK-Markierung im NTR/FEM und im PL aufgehoben (Bierwisch 1967: 254). Auf den negativen Kodierungswert (-sym) und dessen Abhängigkeit von der Umgebung eines ändern Merkmals geht Boeder (1976: 122) sogar ausdrücklich ein, nachdem auch er darauf hingewiesen hat, daß z.B. "das Pluralparadigma immer mehr Synkretismen aufweist als der Singular" (118): "Synkretismus bedeutet nicht, daß zwei Kategorien irgendwie zusammenfallen, [ . . . ] sondern t · · · ] Synkretismus besteht in der Neutralisierung (negativen Spezifizierung) eines Merkmals in der Umgebung eines anderen Merkmals".

Die gegebenen Beispiele mögen genügen, um die Rechtfertigung dafür abzuleiten, alle Paradigmen auf solche Phänomene hin abzusuchen. In den Beispielen wurde die Nichtkodierung - von PERS-Unterschieden in einem markierten TEMP

56

- von KAS-Unterschieden in einem markierten NUM genannt. Doch, gibt es nicht auch fehlende Kodierungen beispielsweise - von GEN-Unterschieden in einer markierten PERS oder in einem markierten KÄS oder in einem markierten NUM, - von KAS-Unterschieden in einem markierten GEN, - von NUM-Unterschieden in einer bestimmten PERS, - von PERS-Unter schieden in einem bestimmten NUM usw.? Solche Fragen sollen fürs Lst. im folgenden beantwortet werden. 6.1.

Nomina

Gegenstände dieses Kapitels sind die Deklination aller nominalen Wortarten, die Graduation des Adjektivs und die Diminution des Substantivs. Schließlich ist der sog. "Stammbildung" von Substantiven (und Adjektiven) ein eigenes Kapitel gewidmet. 6.1.1.

Deklination

Die zur Deklination gerechneten Kategorien und deren Merkmale sind in 4.3. genannt. 6.1.1.1.Substantivische Flexion

Im WORTART-Merkmal SUBST ist 3.PERS impliziert. Ungeachtet der unten noch darzustellenden KL-bildenden Mittel wird vorerst der Einfachheit halber so getan, als ob der Lexikoneintrag eine inhärente Angabe zur KL der PL-Bildung berge. Als Beispiel für das Paradigma unten wurde aus Gründen lautlicher Ungestörtheit die KL der PL-Bildung auf /er/ gewählt. Beispiele: /fald/ - /fald+er/ ' F e l d ( e r ) ' /dig/ - /diq+er/ ' D i n g ( e r ) 1 usw.

Mit Umlaut, der hier noch unberücksichtigt bleibt (s.u. 8.2.1.1.): /doirf/ - /deirf+er/ /grund/ - /grind+er/

SG-PL SG-PL

'Dorf 'Grund 1

usw.

Die Wahl des PL-Suffixes wird KL-bedingt geregelt (s.u. ebd.). Weitere und andere Allomorphe als /er/ sind:

57 /+n/

wie in

/wurdsl/ - /wurdsl+n/ ' W u r z e l ( n ) ' /Jdig/ - /Jdig+n/ 'Stück(en) 1 usw.

/+e/

wie in

/bain/ - /bam+e/ ' B e i n ( e ) ' /daix/ - daix+e/ 'Teich(e)' usw. mit Umlaut in A>sd/ - /esd+e/ SG-PL 'Äst 1 /Jduxl/ - /Jdiil+e/ SG-PL 'Stuhl' usw.

/+0/

wie in

/lefl/ - /lefl/ SG-PL 'Löffel' /amii/ - /ami:/ SG-PL 'Amerikaner 1 usw.; mit Umlaut in /bruider/ - /briider/ SG-PL 'Bruder' /gxui/ - /gxix/ SG-PL 'Kuh' usw.

Die KAS-Flexion ist beim Substantiv nur noch rudimentär erhalten. Im SG gibt es bei einigen marginalen Fällen eine Kodierung obliquer Kasus gegenüber dem Casus rectus: NOM AKK DAT

/0/ , . /n/

Beispiele:

/dii xüd n buib+n/ 'sie hat einen Buben' im Vergleich zu NOM /buibe/ /das gxün mer gxainn menj+n SOI/ 'das kann man keinem Menschen sagen' Daß trotzdem nicht ein Zweikasussystem RECTUS OBLIQUUS

vorliegt, wird an der KAS-Markierung im PL deutlich. Dort sind nämlich NQM und AKK formengleich, der DAT davon abgehoben. In der Zusammenschau wird sichtbar, daß es Grenzen zwischen allen Kasus gibt, wenn auch nach NUM verschieden: SG

/men;/ , , , /men;+n/

PL

NOM AKK AKK DftT

NOM —

AKK / f a l d e r / AKK /falder+n/

Das Substantiv hat also drei verschiedene Kasus. Da die Behandlung der KASFlexion im SG zunächst noch aufgeschoben werden soll, wird vorläufig so getan, als ob nur der PL eine KAS-Flexion aufweise. Es ergibt sich demnach folgendes Paradigma: SG NOM AKK DAT

PL er er er+n

58

Nach Ausweis des Paradigmas ist in den Exponenten keine GEN-unterscheidende Funktion festzustellen. GEN-Merkmale werden inhärent repräsentiert, Merkmale des NUM und des KÄS adhärent. Dieses Paradigma ist insofern transparent/ als an seinem entscheidenden Schnittpunkt, nämlich im PL. DAT, die Verteilung von Merkmalen zweier Kategorien auf zwei Exponenten und deren Reihenfolge zu sehen ist. Im einzelnen ist zu erkennen: (1) PL ist kodiert, SG nicht. (2) PL-Kodierung ist durch alle KÄS hindurch präsent. (3) im PL ist DAT kodiert, NCM und AKK sind es nicht. Es ergibt sich das folgende transparente Paradigma: PL

SG NOM AKK DAT

_

_

-

-

NUM

KÄS

er er er

_ n

Anm.: Die Unterteilung einer Spalte (wie hier bei SG) in kleinere Spalten, die einzelnen grammatischen Kategorien zugeordnet sind (wie hier NUM und KÄS), wird hier und in den folgenden transparenten Paradigmen nur das erste Mal (wie hier bei SG) explizit mit den Namen der betroffenen Kategorien bezeichnet, nicht mehr jedoch bei einem zweiten oder folgenden Male, wo diesselbe Unterteilung vorgenommen wurde (wie hier bei PL). Das KAS-System des SG ist jedoch etwas komplizierter, als es das obige transparente Paradigma zu einem bestimmten Beispielfall suggeriert. Vgl. das SG-Paradigma zu einem Substantiv wie /ugs/

'Ochse1:

SG NOM

ugs

AKK DAT

ugs+n ugs+n

In transparente Form gebracht, sind die grammatischen Kategorien wie folgt kodiert: SG NOM AKK DAT

-

n n

-

NUM

KÄS

Faßt man beide transparenten Paradigmen zusanmen, erhält man eine Vereinigungsmenge aller bei Substantiven je oder nie symbolisierten Merkmale ("+" oder "-"):

59 PL

SG _ NOM AKK DAT

-

+ +

NUM

KAS

_

+ + +

+

Es geht nun im folgenden darum, die Bedingungen für Kcdierung/Nichtkodierung anzugeben. Die meisten Faktoren lassen sich mit Werten semantischer Markiertheit widerspruchsfrei in Verbindung bringen, manche jedoch nicht. Nachfolgend werden semantische Markiertheitswerte (im; "++m" für 'maximal markiert1 bei Kategorien mit mehr als zwei Merkmalen) und morphologische Kodierungswerte (isym) in Beziehung gesetzt, wobei gleiche Vorzeichen gemäß den einleitend gemachten Bemerkungen zum konstruktioneilen Ikonismus nicht, ungleiche aber sehr wohl erklärungsbedürftig sind. Auf letztere wird mit einem "l" aufmerksam gemacht: m

NUM

SG PL

KAS

NOM AKK DAT

sym

+

t

Erklärungsbedürftig sind also die Fälle, wo AKK und DAT nicht symbolisiert werden. Faktum ist zum einen, daß nach Ausweis des transparenten Paradigmas im PL kein AKK kodiert wird. Nach der vielfach belegten Tatsache, daß "in markierten Kategorien eher mit Neutralisation als in weniger markierten Kategorien zu rechnen" ist (Mayerthaler 1981: 168), ergibt sich dafür eine einfache Erklärungsmöglichkeit: Im markierten NCM-Merkmal PL wird das an sich markierte KAS-Merkmal AKK nicht symbolisiert. Formell: AKK

-sym / +mNUM

Sym-Wert des einen und m-Wert des ändern Merkmals sind reziprok! Ich bewerte eine solche Relation ebenfalls als "natürlich", da in der Markiertheit eines ümgebungsmerkmals der Grund für die merkmallose Repräsentationsform des ändern Merkmals gesehen werden kann (vgl. Harnisch 1984b: 33) . Zur Erklärung des nichtsymbolisierten AKK und DAT im SG ist ein weiteres Ausholen nötig. Da es nur wenige Substantive gibt, die, wie /ugs/ oben, Im SG eine Symbolisierung der obliquen Kasus haben, liegt es näher, nach den Bedingungen zu fragen, die bei diesen Fällen für eine KAS-Symbolisierung verantwortlich sind. Es sind dies die Merkmale MSK, /n/-PL und RET., (i. S. v. 'Mensch oder Tier sein1), wie die folgenden Beispiele belegen:

60

(1) (2) (3)

ugs menj"

JdDid dogs fugs

MSK

/n/-PL

BEL

+

+

+

AKK-/DATKodierung im SG

+

+

+

:

I

nicht

Es gibt also drei Gruppen von Kriterienkonstellationen. Nur wenn, wie in (1), alle drei Bedingungen erfüllt sind, wird AKK/DAT im SG kodiert. Daß /men;/ und /ugs/ betroffen sind, ist Indiz dafür, daß es nicht auf ein Merkmal 1 Imenschlich1 ankommt. Läßt sich nun diese Besonderheit der KAS-Flexion im SG ähnlich lösen wie die der ÄKK-Neutralisierung im PL? - Zu diesem Versuch bedarf es jedenfalls einer Bewertung der drei Merkmale nach ihrer Markiertheit. Zunächst zum GEN und der Kategorie 'Belebtheit' (im folgenden LEB mit den Merk malen BEL und UNBEL, für 'belebt1 und 'unbelebt'): GEN

MSK NTR FEM

LEB

BEL UNBEL

Daraufhin kann man feststellen, daß eine Kodierung der obliquen SG-Kasus nur möglich ist, wenn simultan MSK, BFT. und /n/-PL gegeben sind, also -mGEN, -mLEB und, sofern man /n/-PL als häufigste und "schwächste" Art der PL-Bildung fassen will, auch -mKL. Auf ebenfalls reziproke Weise stehen sich auch hier Werte von semantischer Markiertheit und morphologischer Kodierung gegenüber: SG

! "

[DAT]

+ sym /

-mGEN -mLEB -mKL

Anm.: Die eckige Klammer drückt aus, vorliegen muß.

daß all das von ihr umfaßte simultan

Will man in umgekehrter Perspektive zu oben nicht das Vorkommen der KAS-Kodierungen regeln, sondern deren Nichtkodierung, läßt sich, für AKK und DAT getrennt, folgendes Regelwerk aufstellen: AKK wird nicht kodiert, wenn entweder markiertes GEN (NTR/FEM) oder markierter NUM (PL) oder markiertes LEB-Merkmal (UNBEL) oder markierte KL der PL-Bildung ("Nicht-/n/-PL") auftreten. Hier genügt eine der Umgebungen, um AKK-Kodierung zu verhindern (man beachte die deshalb geschweifte Klammer in folgender Formel):

61

i+mGEN) AKK

->

, -sym / J

+mNUM J ^ 1 +mLEB [+mKL J

Beim DAT fällt, anders als beim AKK, das markierte NCM-Merkmal PL als Bedingung für Nichtkodierung aus. Diese muß im Gegenteil auf SG, das unmarkierte NUM-Merkmal, eingeschränkt werden. Hier funktioniert das Erklärungs-Prinzip der reziproken Werte von Markiertheit und Symbolisierung also nicht, denn es stehen sich (nicht-reziprok) [-symDAT] und [-rriNUM] gegenüber. Doch das Verhältnis der DAT-Kodierung zu ändern Merkmalen stimmt wieder mit dem Erklärungs-Prinzip der 'Reziprozität1 überein. Die Gesamtformel ist: DAT

->

-sym /

+mGENi]

UmKL J

/

-mNUM

Zusammenfassung

(1) Wird überhaupt kodiert? Kontextfrei werden beim Substantiv SG und NOM nicht kodiert, wird PL stets kodiert, wenn nicht KL-Zwänge einen 0-PL bedingen. Kontextabhängig werden AKK und DAT kodiert oder nicht kodiert. Nach diesen Vorentscheidungen darüber, ob ein Merkmal überhaupt kodiert wird, muß geregelt werden, welche phonologische Substanz einem zu kodierenden Merkmal zugewiesen werden muß. Daher die Frage: (2) Wie wird kodiert? Kontextfrei werden AKK und DAT mit /n/ kodiert, während die PL-Bildung KL-abhängig mit verschiedenen Suffixen erfolgt. In Formeln gefaßt ergibt sich folgende RegelSammlung zur substantivischen Deklination. Anm.: Da das Darstellungsziel hier nicht die mögliche Reziprozität zwischen Werten semantischer Markiertheit (isyra) ist, werden die obigen Formeln, in denen diese Reziprozität zum Ausdruck kam, umformuliert. "-sym" wird durch "0" ersetzt, "+sym" wird durch die phonologische Substanz der Morphe ersetzt, "im Kategorie" (z.B. iinNUM) wird durch das einzelne flexivische Merkmal ( z . B . SG oder PL) ersetzt. Bei Entweder-oder-Relationen (formal: bei geschweiften Klammern) wird die im Vergleich zur semantischen Markiertheit unnormale Nichtkodierung/ Kodierung zuerst und mit der Angabe ihrer Bedingungen angeführt, der Normalfall danach. Dessen Bedingungen brauchten nicht genannt zu werden, da sie die Umkehrung der Bedingungen des unnormalen Falles darstellen. Die fehlende Angabe einer Umgebung ist in so einem Falle gleichbedeutend mit "sonst".

62 MUM

SG

PL

KÄS

/ KL

NOM FEM NTR PL UMBEL

Nicht-/n/-PL

AKK

0 /


dar güblsaide nauf/ 'an dieser Giebelseite hinauf FEM.SG.DAT /dii esde su: rundergxend/ 'Die Äste (haben) so heruntergehängt! ' PL.NOM /wen er das dig doi erdsei Id xüd/ 'wenn er das Ding da erzählt hat' NTR.SG.AKK usw.

(2)

/rnmln se in de gxeirxe/ 'rammeln (=rennen) sie in die Kirche1 FEM.SG.AKK /uf der raxdn saide/ 'auf der rechten Seite' FEM.SG.DAT /wensd de s j m r dsomgeraxnd XDsd/ 'wenn du das Jahr zusammengerechnet hast' NTR.SG.AKK /undn xüsd de n friidxuif gsein/ 'unten hast du den Friedhof gesehen' MSK.SG.AKK /gxurds befuir de amii gann sin/ 'kurz bevor die Amis gegangen sind1 PL.NOM noi imer n laidn gedsaixd/ ' (du) hast dann immer den Leuten gezeigt' PL. DAT

Synoptisch dargestellt stehen betonter und unbetonter Definitartikel in folgendem Paradigma. Als Artikel sind sie in der PERS auf 3. festgelegt. Das Paradigma ist deshalb, wie gehabt, ein GEN-NUM-KAS-Paradigma. PL

SG MSK

FEM

NTR

NOM

dar der

dii de

das s

dii de

(D (2)

AKK

dan n

dii de

das s

dii de

(1) (2)

DAT

dan n

dar (+e) dan der n

dan n

(D (2)

Das bei der adhärenten "pronominalen" Flexion zur Erkennbarkeit eines (1) Zweinumeri-, (2) Dreigenera- und (3) Dreikasussystans Gesagte gilt hier entsprechend. Vgl. für den am schwierigsten nachweisbaren Fall (3) beispielsweise den Paradigmenausschnitt

74

NOM AKK DAT

MSK

FEM

dar dan dan

dii dii dar

an den sowohl eine Grenze zwischen MOM und AKK zu erkennen ist (im MSK) als auch eine zwischen AKK und DAT (im FEM). In der Form FEM.SG.DAT tritt fakultativ ein Suffix /+e/ auf. Es kann als Maximalkodierung des semantisch maximal markierten KÄS interpretiert werden: /bai dar+e surde gxtm mer blaibe/ 'bei dieser Sorte kann man bleiben' /uf dar+e saide/ 'auf dieser Seite' /in dar+e geixnd/ 'in dieser Gegend' Ansonsten ist das Paradigma ein Paradigma von "ganzen Morphemwörtern', die alle Merkmale inhärent repräsentieren und intern nicht morphologisch strukturiert sind. Freilich läßt sich (a) der unbetonte Definitartikel ganz oder teilweise mit (b) den Suffixen der "pronominalen" Flexion identifizieren:

Sind also /der/ und /de/ als /d+er/ und /d+e/ zu strukturieren, wobei /d/ der Stanm wäre? - Er stünde, wollte man alles gleich behandeln, dann einem /0/-Stamm in */0+s/ bzw. */0+n/ allomorphisch gegenüber - doch 0-Stämme sind wohl eine unmögliche Annahme. Alternativ könnte man versuchen, einen 'tiefen' /d/-Stamn überall, also auch bei */d+n/ und */d+s/ anzunehmen, was morphologisch einen Sinn hätte, und diese Formen einer phonologischen Regel einzugeben, durch die das /d/ schwindet. Doch läßt sich die synchrone Wirksamkeit einer solchen Regel im Lst. nicht beweisen, wenn sie auch sprachhistorisch und -geographisch als existent angesehen werden kann (vgl. Trüb 1980: 91). Ich nehme daher, wie dies die natürliche Phänologie in solchen Fällen von phonologisch nicht voneinander ableitbaren, gleichwohl aber in einem phonologischen Muster sich gleichenden Alternationen tut, sogenannte "via-rules", also Korrespondenzregeln zwischen Varianten an (Hooper 1976: 48, 51-2, 63; Kettemann 1978: 9). In diesem Sinne lassen sich dann sogar die betonten Definitartikel (unten: (c)) mit einbeziehen, wenn man beim /e/- und /ii/Auslaut die Vokalität als gemeinsam betrachtet: (a) (b) (c)

der +er dar

de +e du

s +s das

n +n dan

75

Auch eine phonologische Ableitung von (a) aus (c) in der Umgebung Schwachton o.a. ist keine synchrone Regel. Ein solcher Versuch stößt, was die Relationen /das/ : /s/ und /dan/ : /n/ betrifft, deswegen, weil es eine Zwischenform */ds/ und */dn/ geben mißte,auf dasselbe Problem eines nicht nachweisbaren /d/-Schwundes (s.o.). Auch eine weitere Zwischenform, die noch vor diesem Stadium angenotinen werden mißte, wäre das Ergebnis einer synchron unwirksamen Regel: wenn es auch noch plausibel wäre, eine VOK-Abschwächung von [das] zu *[des] anzunehmen, ist der Schwund des (Schwachton-) [e] vor [s] synchron nicht begründbar (s.u. 10.2.4.). Fazit

Es liegen also bei betontem und nicht betontem Definitartikel ko-variierende Paradigmen vor. Sie sind zusätzlich beide auch noch ko-variant zum Endungssatz des Paradigmas der sog. "pronominalen" Flexion. Es ist genau diese Kovarianz zwischen den Definitartikeln und dem genannten Endungssatz, die wohl dazu geführt hat, bei Vorliegen von letzterem von der "pronominalen" Flexion zu sprechen. Die Beziehungen zwischen diesen Paradigmen bestehen, wie Pike (1965: 220) das genannt hat, in sog. "Bildungselementen (phonologischen bits [···])", die in jedem der Paradigmen die gleichen Flexionsformen (Bedeutungen) durch gleiche (Ausdrucks-)Mittel anzeigen. Diese phonologischen Muster hat Schneller (1821: 180) im selben Zusammenhang pronominaler Flexion lautliche "Erinnerungsmittel" genannt (Näheres bei Harnisch 1985: 62-3) . Wenn sich nun die einzelnen Paradigmen bei der genannten Art so sehr gleichen, liegt es nahe, die für die Endungen der adhärenten "pronominalen" Flexion gefundene Transparenz auch auf die inhärent flektierenden "Morphemwörter" zu übertragen. So, wie z.B. das /s/ von /glain+s/ als NTR-Marker betrachtet wurde, würde auch das entsprechende Morphemwort /das/ als solcher angesehen. Voraussetzung ist, daß dieselbe grammatische Kategorisierung erfolgt. Dies trifft zu, da ebenfalls nach GEN-, NUM- und KAS-Merkmalen unterschieden wird. Das Paradigma der Definitartikel läßt sich demnach in folgende transparente Form bringen: PL

SG

NOM

du de

das s

dii de

dan dii n de

Idas s

dii de

dar der

AKK DAT GEN NUM

NTR

FEM

MSK

dan n KÄS

dar(-i-e) der

dan n

dan n

76

Da sich "Morphemwörter" nicht teilen lassen, läßt sich für den "Stapelfall" PL.DAT ein "Portemanteau"-, also Kumulations-Sachverhalt nicht vermeiden, d.h. in /dan/ 'stecken' sowohl das NUM- als auch das KAS-Merktnal. Hingegen läßt sich durchaus der /dar/-/dii/-/das/-Wechsel als Darstellung des GEN-Unterschieds, z.B. der /dii/-/dar/-Wechsel innerhalb von FEM als Darstellung des KASünterschieds, z.B. der /das/-/dii/-Wechsel bei NTR als Darstellung des NUMUhterschieds herausfiltern. Definitartikel

in pronominaler Funktion

Diese Funktion kann nur der betonte (demonstrative) Definitartikel übernehmen, nicht jedoch der gemeinhin als "bestiirmter" Artikel bezeichnete. Letzterer kann sich vom Substantiv nicht unabhängig machen und es, in pronominaler Funktion, nicht ersetzen. Die betonten Definitartikel treten (fast) ohne formale Änderungen in pronominale Funktion über. Sie übernehmen dann die Rolle von Personalpronomina der 3.PERS und fügen sich in ein nun auch nach PERS unterscheidendes Paradigma ein. Nur im PL.DAT tritt eine formelle Änderung ein: Es wird /n/ addiert, das aus dem Endungssatz der "pronominalen " Flexion stammt und dort Suffix genau der vorliegenden Formenkategorie PL.DAT ist. Im FEM.SG.DAT tritt bei pronominaler Funktion das schon in der Artikelfunktion fakultativ vorhandene Suffix /e/ obligatorisch auf. Wieder ist es also der semantisch maximal markierte KÄS, der auch ikonisch merkmalhafter kodiert wird. Zumindest bei /dan+n/, realisiert als [danen], ist auch disaibiguierendeFunktion anzunehmen, da MSK.SG.DAT /dan/ und PL.DAT */dan/ bei pronominaler Verwendungsweise, also gegenüber dem Artikelgebrauch ohne das disambiguierende Substantiv, nicht auseinanderzuhalten wären. Schneller (1821) hätte das als eine "sehr gerathene Bildung" (199) und als einen "nachhelfenden Sprachgebrauch" (z.B. §§ 799 u. 863) bezeichnet (vgl. Harnisch 1985: 64-6): DAT

Artikelgebrauch

pronominale Verwendung

PL

/uf dan deirfern/ 'auf diesen Dörfern 1

/bai dan+n driibn/ 'bei denen drüben1

dar giiblsaide/ 'an dieser Giebelseite'

/dar+e XDI ix s der gaibn/ "der hab ich es aber gegeben!

FEM.SG

/bai dar+e surde/ 'bei dieser Sorte'

Über die reine personalpronominale Funktion hinaus sind weitere wesentliche pronominale Anwendungsbereiche des betonten Definitartikels die Wiederauf-

77

nähme einer NP innerhalb desselben Satzes und die Verstärkung eines Possessivartikels, wenn der Eigner eine 3.PERS ist (s.u. Abschnitt zum Personalpronomen) : /der bfif - dar xed der sui Jnairdsle gxin erdseile/ 'der Pfiff (PN) hätte dir solche Schnärzlein (Schnurren/Anekdoten) erzählen können1 /der frids - dar lixd jt> mnnixmoil dse midix nux in bede/ 'der Fritz liegt ja manchmal zu mittag noch im Bett" /mainn foder sai bruider - das wmr mai boxde - dan sai frai - dii müsd wilder nauf ufJoifix/ 'die Frau des Bruder meines Vaters, der mein Pate war, mußte wieder hinauf auf Schofig (Ortsteil von Ludwigsstadt)'

Indefinitartikel

und -adjektive

Von 6.1.1.3. her ist das Adjektiv /ain/ in seiner semantischen Doppelfunktion als 'reines1 und indefinites Zahladjektiv bekannt. Dort wurde es in seiner artikellosen syntaktischen Variante behandelt, deren typische Flexionsweise die "reduzierte adhärente 'pronominale1" ist. Die Formen dieses semantischen Zweierpaares stellen eine betonte Spielart dar, zu der es jeweils noch eine unbetonte gibt. Diese unbetonte gehört jedoch nicht der oben (4.3.3.) syntaktisch definierten Wortart ADJ an wie die betonte, sondern ist ART. Es gibt also einerseits ein - stets betont verkennendes - Zahl-/Indefinit-ADJ 'ein-', das wie jedes ADJ auch in der sog. "prononinalen" Flexion vorkamen, also gleichsam wie ein ART gebraucht werden kann. Andererseits gibt es einen - stets unbetonten - Zahl-/Indefinit-ART 'ein-', der selbstredend nicht adjektivisch verwendet werden kann. Es ist also keineswegs so, daß eine betonte Form wie /a/ mit dem Zahlwort 'ein1, eine unbetonte Form wie /e/ mit dem Indefinitum zu identifizieren ist, sondern sowohl (1) Zahl als auch (2) Indefinitum können sowohl (a) betont (und damit ADJ; im Beispiel unten im "Artikelgebrauch", d.h. in "pronominaler" Flexion; s.o.) als auch (b) unbetont (und damit ART; s.o.) sein. Erst der Kontext läßt die richtige semantische Zuordnung zu. Beispiele: Zu ( l a )

/dswijndrine a Jdig wmr wold/ "ein (und nur ein) zwischen war Wald'

Stück da-

Zu ( I b )

/XDdn

Zu (2a)

/wilsd n dux wexrglix idse a floje wain aufnroxe/ 'willst denn du wirklich jetzt eine Flasche Wein aufmachen? 1

se e gxui older dswai/ "hatten sie eine Kuh oder zwei"

/doi XOSd de imer e weq a g x o i m i f s gfi 11 gexcd/ 'Ua hast du immer ein wenig ein komisches Gefühl gehabt' Zu (2b)

/dar

n seir guidn wain/ 'der hat (generell) sehr guten Wein 1

/xon mer moil e J i i d u i r gemcxd/ 'haben wir mal eine Skitour gemacht'

78

Synoptisch dargestellt stehen (1) betonte und (2) unbetonte Variante, als "Begleiter des Substantivs" auf 3.PERS festgelegt, in folgendem Paradigma. In ihm werden NUM-ünterschiede nicht gemacht (vgl. 6.1.1.3.). Da die betonte Variante oben (6.1.1.3.) schon behandelt wurde, wiederholt sich ihr Paradigma hier. Ihre Stairnallomorphien wurden oben an gleicher Stelle auch schon behandelt. Das Paradigma stellt gar kein morphologisch intern unstrukturiertes Paradigma von "Morphemwörtern" dar (unten die Formen zu ( 1 ) ) , und gehört insofern gar nicht in dieses Kapitel, bzw. nur insoweit, als es mit einem tatsächlichen "Morphemwörter"-Paradigma, zu dem es in engem Bezug steht (Formen zu ( 2 ) ) , verglichen wird:

NOM AKK DAT

MSK

FEM

NTR

a+0 e

a+0 e

a+0 e

ain+n n ain+n n

a+0 e

a+0 e

ain+er er

ain+n n

(1) (2)

Lassen sich etwa hier die Formen von (2) von denen von (1) phonologisch ableiten, was bei den Definitartikeln (/n/ aus /dan/?) zumindest synchron nicht gut möglich war? - Berücksichtigt man, daß die 'tiefen1 /ain+n/-Formen aus unten (Kap. 7. und 9.4.) noch genannten Gründen als [an] realisiert werden, stehen in lautlicher Relation 1l) (2)

/ a e

an n

ainer er

/

Unter der Bedingung "Schwachton" ließe sich [e] von [a] direkt, [n] als Ergebnis der Synkopierung einer Zwischenform *[en] von [an] indirekt, [er] von [ainer] aber synchron gar nicht ableiten. Deshalb sind die Formen des /a(i)/-Paradigmas wiederum nur durch Korrespondenzregeln ("via-rules"; s.o. Definitartikel) aufeinander zu beziehen. Sie gleichen sich in phonologischen Mustern, die hier wie dort im Schmellerschen Sinne "Erinnerungsmittel" an bestürmte Flexionsformen sind. Die Formen der unbetonten Variante sind also synchron nicht von denen der betonten phonologisch ableitbar, sondern bilden ein eigenes Paradigma. Dieses ist entweder (1) eines aus 'ganzen' Morphemwörtern oder (2) eines mit dem Stamm-Morph /e/ und den Endungen wie bei der betonten Form / a ( i n ) / s.o. synoptisches Paradigma).

79 (1)

MSK

FEM

NTR

NOM AKK DAT

e

n n

e e er

e e n

(2)

MSK

FEM

NTR

NOM AKK DAT

e+0 e+n e+n

e+0 e+0

e+0

oder

e+0 e+n

e+er

Die Realisationsformen von (2) ließen sich durch synchron wirksame phonologische Regeln herstellen: (a) Synkope von Schwachton-[e] vor Nasal: /e+n/->- [n] (b) Verschmelzung von Schwachton-[e]: /e+er/ -> [er] Nur (1) dürfte in diesem Kapitel "Paradigmen von 'Morphemwörtern1" stehen, während (2) ins Kapitel "Reduzierte pronominale Flexion" (6.1.1.3.) gehörte. Während (2) parallel zu den dortigen Paradigmen in transparente Form gebracht werden kann, sähe dieselbe bei (1) wie folgt aus: (l1) NOM AKK DAT

NTR

FEM

MSK e

n n

e e

e e

er

n

GEN KÄS

Beide Male ist GEN nicht kodiert, und beide Male ist im NOM und FEMAfTR.AKK /e/ blanker, weder nach GEN noch nach KÄS spezifizierter Stamm. Doch während in ( 1 1 ) , dem transparenten Paradigma zu (1), die DAT- und MSK.AKK-Formen ganze "Morphemvrörter" sind, erscheinen sie in (2) als Suffix. Indefinita in pronominaler Funktion

Nur die betonte Variante kann diese Funktion ausüben. Die unbetonte ist ausschließlich "Begleiter" des Substantivs. Für die Wahl des Stanmallomorphs (/am/) und der Suffixe (die der "pronominalen" Flexion) gilt das oben in 6.1.1.3. zum Zahladjektiv /am/ Gesagte. Personalpronomen

Auch hier ist in den meisten Fällen, wie bei den Definita und Indefinita, wieder zwischen (1) einer betonten und (2) einer unbetonten Variante grammatischer Formen zu unterscheiden. Beides in einem Satz und auf dieselbe Form bezogen kommt z.B. vor in:

80 /ail geid dse frii furd un dse Dimd geid se xaim/ 'sie geht morgens fort und abends geht sie heim 1 3.FEM.SG.NOM /dar is noi in frongraix is er noi ai gfonn wuirn/ 'er ist dann in Frankreich - ist er dann auch gefangen worden" 3.MSK.SG.NOM

vgl. auch (1)

(2)

/iix was nei/ "ich weiß nicht1 l.SG.NOM

/idse was ix nimer/ 'jetzt weiß ich nimmer' l.SG.NOM

/dar xüd n sei r guxdn wain/ 'er hat sehr guten Wein' 3.MSK.SG.NOM

/er xOd e boir sei r guide xeqe gxcd/ 'er hat ein paar sehr gute Hänge gehabt' 3.MSK.SG.NOM

In ein Paradigma der Personalprcncmina läßt sich auch der Stamm des Possessivartikels einfügen: sozusagen ein 'vierter Fall1, dem man das genitivische Merkmal POSS (Kennzeichnung der Person des Besitzers) geben könnte. Seine Formen sind genauso nach GEN-, NUM- und PERS-Merkmalen dekliniert wie die der ändern Kasus des Personalpronomens. Der Possessivartikel hat demnach zwei Teile, die in zwei verschiedenen Paradigmen stehen: Die Endungen kennzeichnen die Kongruenz zum Substantiv (Artikelfunktion; s.o. 6.1.1.3.) und sind sozusagen "Eigentums"-bezogen. Die Stämme allein sind pro-nominal im wahren Sinne des Wortes, indem sie für den "Eigner" stehen und deshalb numerisch, generisch und personal differenziert werden. Insgesamt läßt sich also das folgende personale Paradigma aufstellen (die Stammallarorphie beim Typ /mai/ - /main/ wird hier vernachlässigt, da sie in 6.1.1.3. schon erörtert wurde): PL

SG

1.

2.

~-

~"

MSK

FEM

NTR

dux de

dar er

dii se

das s

mii r mer

iir er

dii se

das s

uns

aix

dii se

uns

aix

dan+n n+n

uner

aier

iir

3.

NOM

iix ix

AKK

miix mix

diix dix

dan n

dii se

DAT

miir mer

diir der

dan n(+n)

dar (+e) dan er n(+n)

POSS

main

dain

sain se*

iir

sain

1.

2.

"~



3. —

(D (2)

* Nur für 3.MSK.SG belegt; weitere Formen waren nicht zu elizitieren.

Ins personalproncminale Paradigma gehören neben den Stämmen des Possessivartikels auch die reflexiven Pronomina, die im AKK und DAT auftreten. In der 1./2. PERS sind sie im SG wie im PL mit den Personalpronomina identisch, in

81

der 3. PERS tritt im SG wie im PL, im MSK wie im FEM und NTR /siix/ an die Stelle der entsprechenden Personalprancmina. Auch bei den Reflexiva gibt es die Unterscheidung nach ibetont. Vgl. das obige Paradigma für 1./ 2. PERS. Die unbetonte Variante zum /siix/ der 3. PERS ist /six/. Was 'Possessivität1 und 'Reflexivität1 betrifft, gibt es im Lst. eine weitere, syntaktisch- semantische Differenzierung: die zwischen (a) einem reflexiven und (b) einem nicht-reflexiven Possessivartikel in der 3. PERS. Was (b) von (a) abhebt, ist das formale Mittel eines vor dem Possessivartikel stehenden Personalpronanens, das mit jenem im GEN und NUM (und selbstredend in der 3. PERS) kongruiert und stets im DAT steht: Beispiel ( 1 ) : (a) /wOir er mid sainer frai ibernnner/ 'war er mit seiner Frau übereinander (=in Streit) ' (b) /iix bin aixndlix seir dsefriidn mid dan sainn wain/ 'ich bin eigentlich sehr zufrieden mit dessen Wein 1 Beispiel ( 2 ) : (a) /iirn aixnn wain fergxaifn dii doi/ 'ihren eigenen Wein verkaufen sie da' (b) /dann iirn diielegd -doi XDI ix mer nigs Oingeaixnd/ 'deren Dialekt, da (=von dem) habe ich mir nichts angeeignet'

Die (a) -Variante steht also dann, wenn Subjekt und der im Possessivum auftretende Eigner identisch sind. Nicht-Identität wird, in ikonischen Maßstäben gemessen, besonders markiert. Im Paradigma der personalen Pronomina tritt zu den bislang stets nur gemachten GEN-, NUM- und KAS-Unterscheidungen erstmals eine Unterscheidung nach den drei PERS-Merkmalen auf, deutlich voneinander abgehoben in z.B. den PL.NOM-Formen 1. /miir/ - 2. /iir/ - 3. /du/.

Daß ein Dreigenerasystem vorliegt, braucht hier nicht nochmals nachgewiesen zu werden, ebenso nicht, daß zwei Numeri, und im Grunde auch nicht, daß die drei Kasus NOM, AKK und DAT sichtbar unterschieden sind. Diese Nachweise wurden bei der "pronominalen" Flexion oben geliefert. Hier soll lediglich an den Formen der 1./2. SG gezeigt werden, daß diese drei Kasus nicht nur, wie bei der substantivischen und "proncminalen" Flexion geschehen, aus dem Vergleich zweier unterschiedlicher Zweikasussysteme indirekt sichtbar werden, sondern auch direkt sichtbar werden können. Vgl.

82 1. NOM AKK DAT

2.

/iix/ /mi / /miir/

/dui/ /diix/ /diir/

Schon in der obigen noch nicht transparenten Form des Paradigmas fällt die Neutralisierung einer Kategorie in der Umgebung einer ändern auf: GEN-Unterschiede werden in der 1. und 2. PERS nicht gemacht. (Im PL wird dies von der Regel, daß dort GEN-ünterschiede nicht gemacht werden, überlagert!) Diese Erscheinung läßt sich im Sinne der bisher formulierten Regeln zur Neutralisierung markierter Merkmale in der Umgebung anderer markierter Merkmale erklären. Man vergleiche dazu die angenommenen Werte semantischer Markiertheit der PERS-Merkmale: m

PERS

l. 2. 3.

Demnach wird der GEN-ünterschied bei den semantisch markierten PERS-Merkmalen nicht gemacht, genauer: die semantisch markierten GEN-Merkmale FEM und NTR werden bei den semantisch markierten PERS-Merkmalen 1. und 2. nicht kodiert. Formal herrscht wieder Reziprozität der Vorzeichen des sym- und des m-Wertes: ^U

->·

-sym / -t-m PERS

Für ein zu entwerfendes transparentes Paradigma hat das die Folge, daß die Personalpronomina der 1. und 2. PERS jedenfalls GEN nicht mitmarkieren können. Wie die Morphemwärter der 1./2. PERS fungieren im Paradigma der personalen Pronomina auch die Morphemwörter der 3.PERS mit allen ihren Flexionsformen unter auch als Marker von Merkmalen der Kategorie PERS. Transparente Funktionen bei der Kodierung der verbleibenden GEN-, NUMund KAS-Merkmale wurden oben für die Pronomina der 3.PERS bereits aufgedeckt. Die Possessiv-Stämme der 3.PERS sind in diesem Paradigma Marker für den markierten, genitivischen Kasus POSS. Welche paradigmatische Transparenz läßt sich jedoch für die Pronomina der 1./2. PERS finden, was die Kategorien NUM und KÄS betrifft? (GEN fällt, wie oben gesehen, in diesen Personen weg.) Schließt man im Sinne der genannten konstruktionell-ikonischen Prinzipien von semantischer Markiertheit/Unmarkiertheit flexivischer Merkmale auf deren Kodierung/Nichtkodierung zurück, lassen sich die personalen Pronomina der 1./2.PERS allenfalls auf folgende Art in ein transparentes Paradigma bringen:

83 SG 1.

PL

1

1

NOM AKK

DAT POSS

1.

2.

iix ] miix milr main

dui | dixx diir dain

2. 1

mi i r | uns uns uner

ür aix aix aier

!

PERS|NUM]KAS

PERSl KAS

Anm.: Im SG (dem uNUM) wurde eine NUM-Spalte gar nicht erst vorgesehen.

Wo das Morphemwort über mehr als ein Feld reicht, liegt Kumulation für die Merkmale vor, in deren Spalten es steht. Zu beachten ist, daß AKK-, DATund POSS-Formen, die der semantisch markierten Kasus also, sich in der Symbolisierung stets von der NOM-Form, der des unmarkierten KAS, abheben. Beim Vergleich der Lautbilder dieser als Morphemwörter bezeichneten Pronomina drängt sich die Frage auf, ob es sich wirklich um morphologisch nicht weiter strukturierbare Einheiten handelt. Verwiesen sei etwa auf die folgenden (allerdings nie innerparadigmatisch ganz durchgezogenen und sich auch überschneidenden) assoziativen Zusanmenhänge: zwischen

/m-/

und bzw.

/d-/

und 2. SG (alle KAS);

/-iix/ und /-x/

/LiT/

1. SG (AKK/DAT/POSS) 1. PERS (SG.AKK/DAT/POSS; PL.NOM);

SG.AKK (1./2.; 3.REFLEXIV);

und AKK (1./2.SG; 2.PL) bzw. (auf etwas komplexere Art) 2.AKK (SG/PL) bzw. l.SG. (NOM/AKK); und

3.POSS (SG/PL)

bzw. SG.DAT (1./2.PERS); /-r/

und

++mKAS, d.h. DAT (1./2.SG) und POSS (PL alle PERS; 3.SG.FEM), wozu man die DAT-Endung des FEM.SG der "pronominalen" Flexion (/+er) lautlich in Beziehung setzen kann; /-ain/ und

SG.POSS (1./2.; 3.MSK/NTR).

Und es gibt weitere, z.T. anders gelagerte Gemeinsamkeiten: Nicht /m/ allein steht für 1.PERS, sondern verschiedene /mV-/-Strukturen mit den Allostrukturen /mii-/ und /mai-/, nicht nur /d-/ steht für 2.PERS (SG), sondern /dV-/ mit Allostrukturen /dui/, /dii-/, /dai-/. Die /r/-Auslaute bei /miir/, /diir/ und schließlich auch bei /uner/, /aier/ und /iir/ korrespondieren mit dem

84

gängigen /+er/-Suffix bei FEM.DAT aus der pronominalen Flexion, die /n/-Auslaute bei /main/, /dain/ (und sain/) korrespondieren mit dem gängigen /+n/-Suffix bei MSK.AKK/DAT aus der pronominalen Flexion. Keine Parallele in ihr hat auslautendes /x/, das aber auffällig oft im AKK steht (s.o.). Die Frage ist natürlich, ob solche Evidenzen ausreichen, tatsächlich Morphe (mit konstanter Beziehung zu entsprechenden Inhaltsmerkmalen) anzusetzen, oder ob es sich nicht nur um phonologische Muster handelt, die nach dem "Gesetze der Ideenassoziation" (Schneller 1803: 11) auch so etwas wie Zeichen für flexivische Merkmale oder auch nur paradigmatisch wiederkehrende Versatzstücke zur Erleichterung der Memorationsleistung sind, ohne selbst morphischen Status zu haben. Auch solche pseudanorphologischen Versatzstücke hat Pike (1965: 220) als eine Möglichkeit der "Verbindung (ccmpositer) von Form und Inhalt" angesehen, und er bezeichnet sie, wie oben bereits erwähnt, als "phonologische bits" mit Beziehungen zur Semantik, genauer: zu sich "überschneidenden (intersecting) Kategorien" (ebd.). Auch Plank (1981: 4.2.) stellt die Frage nach dem potentiellen morphologischen Status solcher Muster. Wahrend Plank dazu neigt, sie zu bejahen, hat Pike sie, wie gesehen, verneint. Ich schließe mich in der Beurteilung dieser Phänomene Pike an, da eine durchgängige Paradigmenbildung für diese "bits" nicht möglich erscheint. An ikonischen Prinzipien fällt noch die Addition des /+n/-Suffixes aus der "pronominalen" Flexion an unbetonte pronominale /n/-Stäinne auf. /n+n/ wird dabei stets als [nen] realisiert, d.h. die beiden Nasale werden durch [e]-Epenthese an Verschmelzung gehindert. Diese Addition tritt (1) im PL.DAT. obligatorisch auf, dort also, wo sie beim betonten Personalpronomen schon vorkam: PersonaIpronome n

PL.DAT

betont

unbetont

dan+n

n+n

Fakultativ ist sie (2) in den /n/-Formen des SG. Vgl. mit

/sunsd gxOn er n JD nei fergxaife/ 'sonst kann er ihn ja nicht verkaufen 1 /er fild n+n salber Ob - gxelderd n+n salber/ 'er füllt ihn selber ab, keltert ihn selber'.

Bestimmte phonologische Gegebenheiten favorisieren diese "Hyper"-Ikonisierungen, d.h. es handelt sich wahrscheinlich um morphologische Kompensationen von solchen Lautungen, die unter ikonischen Aspekten als unbefriedigend gelten

85

(s.u. 9.5). Dieser "nachhelfende Sprachgebrauch" (Schneller 1821: §§ 839, 863; dazu Harnisch 1985: 64-5) sorgt dafür, daß der personalproncminale /n/-Stanm durch Addition der (homophonen) "pronominalen" Endung für dieselbe Flexionsform einer drohenden ikonischen Schwäche entgeht. Ableitung der· unbetonten von den betonten Formen? In Ableitungsbeziehungen ließen sich folgende betonten und unbetonten Varianten setzen: betonte Formen

Angenommene Prozesse im NT (D

er mer der

er mer der

*si

se

se

*du

de

de

iir mil r diir

*ir *mir *dir

dux

(4)

ix mix dix

ix mix dix

sai

(3)

ix mix dix

iix miix diix

sain

(1) (3) (4)

(2)

unbetonte Formen

er me r der

/n/-Schwund (2) VOK-Kürzung /i/-Senkung vor /r/. Vgl. 10.1.5.1. Herstellung von Reduktionsvokalen. Hier müßte phonetisch genauer [ ] und [3] geschrieben werden. Vgl. 11.2.5.

Umgebung für die Regeln (1), (2) und (4) wäre jeweils Schwachtonigkeit. Doch die Regeln (1) und (2) sind in ihrer synchronen Wirksamkeit nur schwer nachzuweisen (vgl. das schon oben genannte Beispiel eines präpositionalen Klitikums /bain/ 'beim1, das nicht über *[bai], *[bi] zu *[be] o.a. wird). Auf die Schwierigkeiten, etwa auch /s/ von /das/ abzuleiten, wurde oben ebenfalls bereits hingewiesen. Letztendlich wird sich also das schwachtonige Gesamtparadigma nicht als synchron produktive Abschwächung der starktonigen interpretieren lassen, zumal weitere Gegenargumente hinzukommen: Erstens sind verschiedene Fälle für Kürzung usw. 'gesperrt1:/aix/ -> *[ix] o.a. Zweitens sind Fälle, die in bestimmten Formenkategorien für die Schwachtonprozesse zugelassen sind, es für andere nicht: 2.PL.NOM FEM.3.SG.POSS

/iir/ /iir/

: [er] : *[er]

Drittens stehen sich Formen wie /dii/ : /se/ gegenüber, die gar nicht direkt voneinander ableitbar sind, ohne daß Substitutionen vorgenommen werden. Mit dem Paradigma der 'Vollformen1 korrespondiert also ein eigenes schwachtoniges Paradigma, dessen Formen unter der Bedingung "Pro- oder Enklise" gewählt werden.

86

Mehr als zwei Betonungsvarianten gibt es im MSK.SG.NOM, wo zwischen betontem /dar/ und unbetontem /er/ eine Zwischenform /ar/ existiert: /dar xüd n sei r guidn wain/ 'er hat einen sehr guten Wein' /ar gxnn six grüide sui ixber WOser xnlde/ 'er kann sich gerade so über Wasser halten' /er xnd e boir seir guide xeqe gxcd/ "er hat ein paar sehr gute Hänge gehabt'.

Syntakt-isohe Stellung von betonten und unbetonten Varianten Die betonten Formen können sowohl vor als auch nach dem Verb stehen. Die unbetonten Formen sind dagegen grundsätzlich die enklitisch hinter dem Verb (und Nebensatzeinleiter) stehenden. Nur die betonten Formen mit dem Merkmal NCM können auch vor dem Verb stehen. Ausnahme ist nur die 2.PERS (SG wie PL), was man damit in Verbindung bringen könnte, daß sie als semantisch maximal markierte PERS in der syntaktischen Normalstellung nicht unbetont sein kann. So gibt es zwar 3.PERS /er /s geid/ /se wil/ /se wtJirn/

'er hat' 'es geht" 'sie will 1 'sie waren'

vs. vs. vs. vs.

/XDd er .../ /wii geid s/ /geid se/ se/

'hat er' 'wie geht es?' 'geht sie' 'waren sie 1

•ich bin 1 'wir haben1

vs. vs.

/bin ix/ mer/

'bin ich 1 'haben wir 1

und 1.PERS

/ix bin/ /mer /

aber es gibt keine 2.PERS */de bisd/ */er said/

'du bist 1 , •ihr seid 1 ,

sondern nur /bisd de/ •bist d u 1 , sondern nur /said er/ 'seid ihr 1 .

Außer dem NOM gibt es aber auch in der 3./1.PERS nicht das vorangestellte unbetonte Pronomen, da in einer S-P-O bzw. P-S-O-Sprache wie dem Lst. die O-P-SStellung und die mit voranstehendem O verbundenen obliquen Kasus markiert sind: also nicht */se sei ix/, aber /sei ix se/ oder /ix sei se/ oder /dii sei ix/

'ich sehe sie1 usw.

Nur unbetont und enklitisch könnt in der 3.PERS ein partitiver Genitiv vor. Dieser "Teilungsgenitiv", wie ihn Weise (1906b) nennt, ist nach (a) MSK/NTR.SG und (b) FEM.SG und PL differenziert und lautet zu (a) /sn/, zu (b) /ere/. Zwischen (1) ihm, (2) der zu /sain/ POSS 'sein1 existierenden unbetonten Variante /se/ (s.o.) und (3) dem pronominalen Staitm des betonten Possessivartikels gelten synchron "nur1 noch Korrespondenzregeln ("via-rules"; vgl. den vorausgehenden

87

Abschnitt zu den Schwierigkeiten einer "Ableitung der unbetonten von den betonten Formen" über synchron wirksame phonologische Regeln):

(D (2) (3)

(a)

(b)

sn se sain

er+e iir

Anm.: Die /e/-Suffigierung in /er+e/ ist /dar+e/ bekannt ( s . o . ) .

aus Formen wie FEM.SG.DAT

Beispiele: Pro-nominal für PL /Oimaisnleibn/ 'Ameisenlöwen' (schriftsprachlicher biologischer Fachterminus mit 'hd.'/oimaisn/ statt 1st. /xamesn/) steht /xindn in xaislix wnirn ere ... ix ere gfOnn/ 'hinten im Häslach /F1N) waren welche, ... habe ich welche gefangen; für PL /midgliider/ 'Mitglieder 1 steht /sin ere sui f i l l ausgedraidn/ "sind so viele von ihnen ausgetreten 1 ; für FEM.SG /buder/ 'Butter 1 steht /is ere nux dol/ "ist noch welche da 1 ; für MSK.SG /wain/ 'Wein' steht /ar xüd sn gebruxd/ er hat welchen gebracht' und /iix xoi sn fun der moisl driibn/ 'ich habe welchen von der Mosel drüben; für NTR.SG /gemüse/ 'Gemüse' steht /milr sn in gordn/ 'wir haben welches im Garten'.

Phonetische und Homophonie-Probleme in Paradigmen unbetonter Morphemwörter Ein synoptisches Paradigma der unbetonten Varianten von (1) Personalproncmina (der 3.PERS), (2) Definit- und (3) Indefinitartikeln (als Artikel ohnehin auf 3.PERS beschränkt) gibt Aufschluß über mögliche Hcrnophonien: PL

SG MSK

FEM

NTR

-

NOM

er der (e)

se de (e)

s s (e)

se de -

(1) Personalpronomen (2) Definitartikel (3) Indefinitartikel

AKK

n n n

se de (e)

s s (e)

se de -

(1) (2) (3)

DAT

n n n

n n n

n+n n -

(D (2) (3)

er der er

Anm.: Bei den eingeklammerten (e) handelt es sich um Formen des in 6.1.1.3. "reduziert" genannten Flexionstyps, die deshalb mit den entsprechenden Flexionsformen des Personalpronomens oder Definitartikels nicht vergleichbar sind.

88

In folgenden Beispielen kennen homophones Personalprononen und Definitartikel im selben Satz vor: NTR.SG.AKK

/uf der raxdn saide ix s vroser drine geloisn - uf der liqgn XDI ix s raus/ 'auf der rechten Seite habe ich das Wasser drin gelassen, auf der linken habe ich es heraus 1 MSK.SG.DAT

/das xod n milserfnaider gexeird und gexeird n gloib ix ax nux/ 'das hat dem Milzerschneider (PN) gehört und gehört ihm, glaube ich, auch noch1

Mit dem Personalprononen derselben Flexionsform homophon ist der Indefinitartikel in folgenden Beispielen: FEM.SG.DAT

/dan mer fun er genusnjOfd/ 'den haben wir von einer Genossenschaft 1 /dar doi is ai fun er/ 'der da ist auch von ihr 1

Nur aus dem Kontext als definit oder indefinit zu erkennen sind die folgenden Artikel: MSK.SG.AKK

/undn xüsd de n friidxuif gsein/ "unten hast du den Friedhof gesehen 1 : definit, da von Lst. erzählt wird und der Ort nur diesen einen Friedhof hat. /xod er n grisbaim xiin/ "hat er einen Christbaum hin': indefinit, da an dieser Stelle zum ersten Mal vom Christbaum die Rede ist, er also noch kein 'bestimmter' sein konnte.

Alle oben synoptisch präsentierten Wortarten können pro- und enklitisch vor: das Pronomen v. a. vorm bzw. hinterm Verb, die Artikel vorm Substantiv (oder Adjektiv+Substantiv) bzw. hinter Präpositionen. Als zugrundeliegend wurden die enklitischen Varianten gewählt, weil die Enklise phonalogisch 'unverdächtiger1 ist als die Proklise. Dazu und zur Herstellung der proklitischen Varianten (1) silbisch [n] aus /n/ und (2) durch [e]- Epenthese zu [es] syllabifiziertes /s/ vgl. 10.2.3. 6.1.1.5. Die sog. "gemischte" und "schwache" Adjektivflexion Diese Flexionsvariante ist erst vor dem Hintergrund der bereits behandelten "pronominalen" Flexion (6.1.1.2. und 6.1.1.4.) und reduzierten pronominalen Flexion (6.1.1.3. und 6.1.1.4.) zu verstehen. Es geht nun um die Endungen von Adjektiven, die gegenüber denen der "pronominalen" Flexion verändert sind und dann stehen, wenn vor dem betroffenen Adjektiv ein Artikel steht. Ist es ein "pronominal" flektierender, flektiert das Adjektiv "schwach", ist es ein reduziert pronominal flektierender, flektiert es "gemischt".

89 Anm.: Unter "pronominaler" Flexion ist nicht nur die adhärente Flexion durch Suffixe zu verstehen, wie sie Gegenstand von 6.1.1.2. war. Auch diejenigen Morphemwörter gehören wie gesagt dazu, die zwar inhärent alle flexivischen Merkmale repräsentieren, aber in ihrer (monomorphen) lautlichen Gestalt doch den Suffixen der "pronominalen" Flexion verwandt sind: Morphemwörtei: des Definitartikels betont

Suffix der "pronominalen" Flexion

unbetont der n s de

dar dan das dii

+er +n +s +e

Ein Beispiel für adhärent pronominal flektierenden Artikel plus "schwach" flektiertes Adjektiv ist /el+e Jdail+n hene sin idse aufgefurjdd/'alle steilen Hänge sind jetzt aufgeforstet'; für dasselbe Verhältnis, nur mit inhärent flektierendem Pronomen, stehen die Beispiele /dii Dld-t-n Jbrixwerder xed dii ele nux gewusd/ 'die alten Sprichwörter hätte sie alle noch gewußt1 /dar gons+e

drag drningxend/ 'der ganze Dreck drangehängt'

/WDS das guid+e dsaix is/ 'was das gute Zeug ist1; Beispiele für reduzierte adhärente pronominale Flexion eines Artikels mit nachfolgend "gemischt" flektierendem Adjektiv sind etwa /mixlbauers iir+0 old+s gxalerxaus/ 'Michelbauers ihr altes Kellerhaus 1 /e (+0) gebuirn+er lud/der/ 'ein geborener Ludwigsstädter' /mir sin gxain+e grois+n waindringer/ 'wir sind keine großen Weintrinker 1 Wichtig ist festzustellen, rfaft sich jeweils die Endungen des Artikels und des Adjektivs unterscheiden. In der Reihenfolge der Beispiele: Artikel e (d) ii (d)ar

Adjektiv n n e

(d)as 0 0

e s er n

Doch muß dies nicht inner so sein. Vgl.: /jeid+e eim+e flexe/ 'jede ebene Fläche1 /mid n erj" d+n dsuix/ "mit dem ersten Zug'. Einen genauen Überblick kann erst der Vergleich der Artikelparadigmen mit den Adjektivparadigmen bringen. Es ist ein Links-rechts-Vergleich zwischen zwei Partnern eines Syntagmas, dessen linker Teil den rechten ganz offensichtlich beeinflußt. In einem Paradigma werden unten, jeweils durch einen Doppel-

90

punkt voneinander getrennt, (1) die "pronominalen" und "schwachen" Suffixe direkt nebeneinandergestellt, in einem zweiten (2) die reduziert "pronominalen" und die "gemischten". Für die "pronominale" Flexion wurden der Einfachheit halber adhärente Symbolisierungen (Suffixe) anstatt der Morphemwörter gewählt. Es handelt sich um noch intransparente Paradigmen: SG (1) NOM AKK DAT

FEM

MSK er :e n:n n:n

PL NTR

e:e e:e er: n

s:e s:e n:n

0:e 0:e

0:s 0:s

er: n

n:n

e:n

e:n n:n

(2) NOM AKK DAT

0:er

n:n n:n

e:n e:n n:n

Transparentes Paradigma: PL

SG (D NOM AKK DAT

MSK

FEM

er:e

n:n n:n GEN

NUM

-

NTR

s:e s:e

e:e e:e er:n

n:n

e:n e:n e:n

n:n

n:n

e:n e:n e:n

n:n

KÄS

(2) NOM AKK

0:er n:n n:n

DAT

GEN

NUM

0:s 0:s

0:e 0:e

er: n

KÄS

Nun soll für "schwache" und "gemischte" Flexion nicht dasselbe Regelwerk wie für die "pronominale" Flexion nochmals aufgebaut werden, das nur mit veränderter phonologischer Substanz arbeitet. Vielmehr wird von flexivischen Maximalfall, der sog. "pronominalen" Flexion ausgegangen. Die ändern Flexionstypen werden davon abgeleitet: durch Prozesse, die durch die Syntagmen, in denen die betroffenen Adjektive stehen, plausibel begründet werden können (zum Versuch solcher Begründungen vgl. Harnisch 1983: 7-10). Zum Verhältnis der "pronominalen" zur "schwachen" Flexion

Im Belegmaterial findet sich der artikellose Ausruf /jen+er winder/ 'schöner Winter' mit der MSK-Endung /er/. Ebenfalls MSK ist ein anderes Syntagma aus

91

dan Material: /der roid-tg doirm/ 'der Rote Torn' (FIN) . Die MSK-Endung des Adjektivs hat sich im letzten Fall verändert, in MaßStäben des konstruktioneilen Ikonismus: abgeschwächt. Verantwortlich kann nur der linke Partner im Syntagma sein. Dessen GEN-Kodierung erlaubt die Nivellierung der GEN-Kodierungen /er/, /e/, /s/ in /e/ beim adjektivischen Partner im Syntagma: /der de s

roid -t t>ld Jdailsd,

doirm dreixe .fdig/

'der Rote Turm 1 'die Alte Tröge' (F1N) 'das steilste Stück

Ferner gibt es (a) Nivellierung der KAS-Kodierungen /n/ und /er/ in /n/, (b) Veränderungen der NUM-Kodierung von /e/ in /n/: (a)

(b)

in uf der mid n /de

guns raxd besd

\ ^+n J

dOix 'den ganzen Tag" saide 'auf der rechten Seite' fainle/ 'mit dem besten Fähnlein (=Anzug)'

besd

J+n

wiisn/

'die besten Wiesen*

Im "Stapelfall" PL.DAT müßte dann / ( f u n ) el+e+n guid}+n+n gaisdern/ '(von) allen guten Geistern [verlassen]' veranschlagt werden.

Zum Verhältnis der reduzierten "pronominalen" zur "gemischten" Flexion In 6.1.1.3. wurde der Unterschied zwischen voller und reduzierter "pronominaler" Flexion erklärt: Letzterer fehlen die GEN-Marker (d.h. MSK, FEM und NTR werden im folgenden als 0 repräsentiert). Genau dann, wenn den davon betroffenen Artikeln diese Flexionsformen fehlen, zeigt sie das Adjektiv in voller "pronominaler" Weise. Fehlen denselben Artikeln Flexionsformen nicht (NUM-, KAS-Marker), verhält sich das Adjektiv "schwach". Genau diese Mischung aus "pronominalem" und "schwachem" Verhalten des ADJ hat zu der Bezeichnung "gemischte" Flexion geführt. Hier interessiert also, nachdem die Relation "pronominaler" Artikelflexion zu "schwacher" Adjektivflexion schon oben dargestellt wurde, die Relation zwischen weggefallener "pronominaler" Artikelflexion und erhaltener. Diese zeigt sich, wie gesehen, bei der GEN-Kcdierung: /gxa l a ?+0 ixrJ

grois +er dum +e Did +s

gxarl saue gxalerxaus/

'kein großer Kerl 1 'eine dumme Sau" "ihr altes Kellerhaus'

Auf solche Fälle, wo fehlende Symbolisierung des einen Syntagma-Partners durch Symbolisierung am ändern kompensiert wird, weist Pike (1965: 221 u. Tab. S. 213) hin: "Aufgehobene Gegensätze zwischen Kategorien innerhalb einer bestimmten Matrix an einem Punkt in einem linearen System können durch Verschmelzung (conflation) mit einer anderen Matrix [.··] ausgeglichen werden".

92

Neben diesem Kompensationsprinzip innerhalb von Syntagmen gibt es das weiter oben behandelte Nivellierungsprinzip. Es gibt im attributiven Teil von Nominalphrasen nur diese zwei Typen von gegenseitigen Abhängigkeiten der Werte morphologischer Kodierung ("desym" steht für 'desymbolisiert1):

Typ 1 Typ 2

links

:

rechts

+sym -sym

: :

desym +sym

"Nivellierung" "Kompensation"

Trotz erkannter oder eigentlich nur erahnter Zusammenhänge, wofür als Beispiel die Formulierungen der DUDEN-Grammatik (1984: § 474ff.) genügen mögen, wird dem "schwachen" und "gemischten" Flexionstyp sein spezifisches Suffixparadigma immer getrennt und von Grund auf zugewiesen, so, wie es in Regeln für die "pronominale" Flexion angebracht war. Was es jedoch nachzuweisen galt, war, daß es genügt, allein das Paradigma dieser "pronominalen" Flexion von Grund auf zu erzeugen, und alle ändern sog. "gemischten" oder "schwachen" Flexionsarten, die eben nur im Syntagma mit dieser "pronominalen Flexion" vorkommen, genau von dieser abzuleiten. Die Abbildung stellt die Zusammenhänge der Exponenten in solchen Syntagmen von Substantiv-Attributen nochmals zusammenfassend dar: links GENUS

NUMERUS

rechts KASUS

GENUS

NUMERUS

KASUS

er

e s

ABC aBC

ist die volle "pronominale" Flexion. ist die reduzierte "pronominale" Flexion. ist die "schwache" Flexion. Sie steht rechts von ABC und kann als Nivellierung davon verstanden werden. ist die "gemischte" Flexion. Sie steht rechts von aBC und ist eine Mischung aus der Nivellierung von BC und der Kompensation von a.

93

6.1.1.6. Zahlen größer als 'eins' Bis zur Flexionslosigkeit reduziert sind die attributiv-adjektivisch gebrauchten Zahlen 'größer als eins1: /dii dswai briider/ 'die zwei Brüder1 /mid dan dswelf manlen/ 'mit diesen zwölf Männlein1

In substantivischer Funktion sind sie jedoch nicht flexionslos. Doch welche Merkmale werden dann kodiert ? - Was NUM betrifft, sind die Zahlen größer als 'eins' logischerweise auf PL beschränkt. Mit dem Ausschluß des SG entfallen natürlich auch alle GEN-bezogenen Unterscheidungen und alle SG-Kasus. Es können also allenfalls PL (und PL.DAT) kodiert werden: /iix xüd ere fiir+e/ 'ich hatte vier von ihnen' /mir wt>:rn dii erjdn drai+e/ 'wir waren die ersten drei' /dse frii n drai+e aufgjdonn/ ' ( z u ) f r ü h um drei aufgestanden 1 /bis n nain+e xclb dsain+e/ 'bis um neun, halb zehn' /fun dan drai+e+n woir iix der ledsde/ 'von diesen Dreien war ich der letzte'

Formal sind PL-Morph /e/, das im letzten Beispiel in gewohnter Weise als zugrundeliegend vorhanden betrachtet wurde, und DAT-Morph /n/ identisch mit dem Endungssatz der adhärenten "pronominalen" Flexion (siehe 6.1.1.2.). Doch verhalten sich diese Zahlwörter, was das PL-Morph /e/ angeht, nicht wie substantivierte 'normale1 Adjektive: Das "pronominale"PL-/e/ wird nach definitem Artikel nicht zum PL-Morph /n/ abgeschwächt, wie dies in 6.1.1.5. als regelhaft beschrieben wurde: Es heißt nicht /dii drai+*n/ wie ADJ /dii guid+n/, sondern /dii drai+e/ wie SUBST /dii bairx+e/. Es handelt sich bei substantivischer Funktion also offensichtlich nicht um ein substantiviertes Zahl-Adjektiv, sondern um ein eigenes 'Zahl-Substantiv'. 6.1.2. Graduation Die Merkmale der Kategorie GRAD (für Graduation) sind: POS, KOMP und SUP. Ungeachtet der KL-gebundenen und deshalb nicht durchgängig angewandten Mittel zur Steigerung (Umlaut; Kürzung; dazu 8.2.2.) wird hier nur das durchgängig angewandte Mittel der Suffigierung behandelt. KOMP

Beispiele für (im prädikativen Gebrauch) undeklinierte Adjektive: /der aine is e weg xeirb+er - der Dnere is e bisle süs+er/ 'der eine ist ein wenig herber, der andere ist ein bißchen süßer 1 /dar J'nid is imer bred+er wuirn/ 'der Schnitt ist immer breiter geworden'

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Attributiv (in diesem Falle bezüglich auf ein vorher genanntes Substantiv /grundjdig/ 'Grundstück') sind /s Jlaxd+er+e/ 'das schlechtere' /s Jen+er+e/ 'das schönere' usw. und /s bes+er+e/ "das bessere',

bei dem zwar das KQMP-Suffix und der Stamm isolierbar sind, der Stamm allein aber nicht als Grundform (POS) existiert. SUP

Im Gegensatz zu KOMP kamt SUP, auch prädikativ, nie undekliniert vor und hat im prädikativen Gebrauch stets einen Artikel vor sich. /das WOir Ober not xex+sd+e dsaid/ "das war aber dann höchste Zeit 1 /s Jdail+sd+e ;dig/ 'das steilste Stück1 /dar WDir der dim+sd+e fun ein/ "er war der dümmste von allen' /sui gig s n Jnel+sd+n/ "so ging es am schnellsten1 usw.

Über die Reihenfolge morphologischer Verkettung läßt sich nach diesen Beispielen schon sagen, daß erst graduiert, dann dekliniert wird. MVB ist X + GRAD + DEKL

Unter dem Aspekt des konstruktioneilen Ikonismus stimmen semantische Markiertheits- und morphologische Kodierungswerte überein: m GRAD

sym

POS KOMP SUP

Kontextfrei ist den Merkmalen die phonologische Substanz ihrer Morphe zuzuweisen: POS ·> /0/

KOMP ->- /er/

SUP -> /sd/

6.1.3. Diminution Auch hier wird nur das durchgängig angewandte Diminutionsmittel, die Suffigierung, behandelt. KL-abhängige konkonitante Kodierungsrröglichkeiten für DIM werden erst unten in 8.2.1.2. besprochen. Beispiele: /drixder/ - /drixder+le/ 'Trichter/Trichterlein' /grund/ - /grind+le/ '(Wiesen-)Grund/Gründlein 1 /noixl/ - /naxl+le/ 'Nagel/Nägelein' Anm.: Zur Realisierung [naxele] des letzten Beispiels vgl. 8.2.1.2.

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Diminution steht der Wortbildungskcnponente nahe, wie man an Beispielen von Lexikalisierung der DIM-Form sehen kann (vgl. 4.2.): /xairde/ /dubf/ /drag/ /meid/ /fOine/

'Viehherde* 'Topf 'Dreck 1 'Magd' 'Fahne'

-

/xaJrd+le/ /dibf+le/ /drag+le/ /maid+le/ /fain+le/

'Menschengruppe1 'Trinknapf 1 'Kleinigkeit 1 'Mädchen' 'guter Anzug 1 usw.

Es ist bei diesem Hang zur Lexikalisierung nicht überraschend, daß die Diminution der Deklination vorausgeht. Sie steht in der MVB näher am Stamm. Da Diminutive einen 0-PL haben und als Neutra im SG keine an das Merkmal MSK gebundene KASFlexion haben können, läßt sich diese Reihenfolge nur für PL.DAT belegen: /mid dan blad+le+n un Jraib+le+n/ "mit diesen Plättlein und Schräublein1 /fun dan maid+le+n/ 'von diesen Mädchen'

Also gilt die MVB X + DIM + DEKL

m/ sym-Relation: m IDIM

sym

-DIM +DIM

Kontextfrei gilt: -DIM

·>

/0/

+DIM

->-

/le/

Eine DIM-bedingte Stammbildungsallonorphie (zur Stammbildung vgl. 6.1.4.) wird in 8.2.1.2. behandelt: Vgl. /woix+n/ 'Wagen' mit /wax+l+le/ 'Wägelein1. 6.1.4. Stammbildung Bei dieser der KL-Bildung v.a. von Substantiven dienenden Formenkategorie muß zunächst überhaupt erst geklärt werden, ob das lautlich präsente Merkmal 'nur 1 phonologischen Status hat, also zum lautlichen Erscheinungsbild einer monomorphen Einheit gehört, oder morphologischen Status hat. Ist also /n/ /e/ /er/ /!/

in in in in

/dnuxn/ /Jnuire/ /faider/ /runsl/

'Knochen' 'Schnur 1 'Feder' 'Runzel'

Morph oder gehört es zur Wurzel? - Diese Frage stellt sich überhaupt nur, da diese Endungen nicht ohne weiteres mit einem Inhaltsmerkmal in Verbindimg gebracht werden können, wie das etwa für

96 /n/ /e/ /er/ /!/

bei bei bei bei

/as+n/ /leq+e/ /fras+er/ /bind-fl/

'Essen 1 , 'Länge', 'Fresser', 'Bündel',

vgl. vgl. vgl. vgl.

/äs/ /loq/ /fräs/ /bund/

'iß!'? 'lang 1 ; 'friß! 1 ; 'Bund'

der Fall ist. Aufschluß über eine mögliche interne Strukturierung obiger Zweifelsfälle geben unter Umständen Seitenblicke in andere Ableitungskategorien, auch und v.a., wenn dies mit einem Wechsel der Wortart verbunden ist. Im Sinne Hinderlings (1981: 48-51) werden dann nämlich die "Lexeme" sichtbar. Sie sind die "Größen", die selbst wortartenunabhängig sind, aber als "Paradigmenkerne" die wortartenspezifischen Grundgrößen ("Basen") für flektierte Formen ("Wörter") abgeben. Zu /n/

/dnuxn/ ferner: /raxn/ /;dagn/

und /dnux+d/

' ( e r ) knocht' (= 'kriecht auf Knien 1 )

und /rax+d/ und /;dag+d/

' ( e r ) recht' ' ( e r ) steckt 1

usw.

Ein phonologischer Grund für fehlendes /n/ kann nicht vorliegen, denn es gibt z.B. die Formen /raxnd/ '(er) rechnet* oder /drugnd/ '(es) trocknet1. Damit sind die Wurzeln /dnux/ usw. ausgemacht und ist erwiesen, daß das /n/ in diesen Fällen morphologische Einheit ist. Zu /e/

/Jnuire/ ferner: /Jbuile/ /dsaixe/

und /Jniir+d/ ' ( e r ) schnürt' und /Jbuil+d/ ' ( e r ) spult' und /dsaix+d/ ' (er) macht Zeuge 1

usw.

Phonologisch kann auch das Fehlen des [e] nicht bedingt sein, da es Formen wie /WOired/ 'Wahrheit1 usw. gibt. Zu /er/ /faider/ ferner: /r>ger/ /müder/

und /faider+d/

Zu /!/

und /runsl+d/

' ( e r ) runzelt"

und /noixl+d/ und /Jufl+d/

' ( e r ) nagelt' ' ( e r ) schaufelt 1

/runsl/ ferner: /noixl/ /;ufl/

' (es) federt'

und /üger+d/ ' (er) ackert" und /bemuder+d/ "bemuttert"

usw.

usw.

Die Wörter mit den 'Endungen1 /er/ und /!/ verhalten sich bei den vorgeführten verbalen Ableitungen anders als die Wörter mit den 'Endungen1 /e/ und /n/. Erstere sind offensichtlich nicht intern strukturiert. M.a.W.: Die Wurzeln */faid, og, mud, runs, noix, juf/ gibt es nicht; daher auch nicht die Morphe */+er, +!/ in diesen Wörtern. Nun besteht beileibe nicht für alle Substantive mit einer der vier 'Endungen' die Möglichkeit, sie zu Testzwecken in andere Ableitungskategorien (mit Wortartenwechsel) zu transformieren. Doch ist z.B. Diminution fast bei allen möglich.

97 Zu /n/

(a)

(b)

/gxnsdn/ und /gxt>rn/ und /gDrdn/ und aber auch: /wDi-xn/ und /frndn/ und

/gxasd+le/ 'Kästlein 1 /gxar+le/ 'Kärrlein' /gard+le/ 'Gärtlein' /wax+l+le/ 'Wägelein' /fad+l+le/ 'Fädlein'

Anm.: Zur Entstehung dieses diminutivischen /l/-Morphs zwischen Wurzel und eigentlichem DIM-Suffix vgl. 8 . 2 . 1 . 2 . , zur lautlichen Realisierung als [waxele] , [fädele] ebd.

Die /n/-lose Form ist wieder nicht phonologisch zu begründen. Man vergleiche für (a) nur mit

/gxürn/ - /gxar+le/ /gxurn/ - /gxern+le/ 'Körnlein'

Zu /e/ /fli>;e/ /lüde/ /gxürde/

und /fla;+le/ und /lad+le/ und /gxard+le/

'Fläschlein 1 'Lättlein' "Kärtlein 1 usw.

Die [e]-lose Form kann nicht phonologisch bedingt sein, denn wenn man Synkopierung annähme, müßten nach dem Regelordnungsverbot (s.o. 5.2.) auch Fälle wie [waxele], [fädele] oben bzw. [abfeie] 'Apfelein1, [fexele] 'Vogelein' unten davon erfaßt werden. Hält man Synkopierung in dieser Silbenstruktur (s.u. 10.2.4.) aber nicht für eine synchrone Regel des Lst., wofür ich plädiere, kann man das /e/ von /flOje/ usw. nicht für einen Teil der Wurzel halten. Dann müßte bei Addition des DIM-/le/ eine Form Vflajele/ entstehen. Da das /e/ aber offensichtlich eigenständig genug ist, um bei DIM sich von /flaje/ zu lösen, scheinen eine Wurzel /flaj1/ und ein Morph /+e/ vorzuliegen. Zu /er/

Zu /!/

/maser/ /gxomer/

und und

/maser+le/ /gxamer+le/

'Messerlein' "Kämmerlein 1

usw.

/Obfl/ /dswibl/ /foixl/

und /abfl+le/ und /dswibl+le/ und /fexl+le/

'Äpfelein' 'Zwiebelein' 'Vögelein1

usw.

Anm.: Auch hier werden die zugrundeliegenden Formen wie /abflle/ in [abfeie] überführt. Vgl. oben /waxlle/ -> [waxele] und 8.2.1.2.

Hier bestätigt die DIM-Form das bereits Gesagte: Diese Fälle sind intern nicht morphologisch strukturiert. Zusammenfassung

Alle vier behandelten 'Endungen1 tragen zur Bildung von Klassen und zur Vorhersage morphologischen Verhaltens bei (Genaueres in 8.2.1.1.). Sie können morphologischen (und damit als Minimalzeichen i.w.S. 'inhaltlich'-semiotischen) Status haben wie die als Stamtribildungssuffixe nachzuweisenden An/ und /+e/

98

oder 'nur1 phonologischen wie die zur Wurzel gehörenden /!/ und /er/. Letztere bleiben deshalb, wenn auch wie das /!/ z.T. nur in phonetischen Reflexen wie [e], bei Ableitungen erhalten, erstere sind als Morphe nicht fest an die Wurzel gebunden und sind in Ableitungsformen meist nicht vorhanden. Exkurs: Beim Adjektiv gibt es in der Grundform auch verschiedene 'Endungen1, für die man ebenso die Frage nach morphologischem oder 'nur' phonologischem Status stellen könnte: Zu /er/

/munder/ "munter" wie oben /f aider/. Vgl. nämlich /munder+d/ ' (er) muntert (auf) ' mit /faider+d/.

Zu /!/

/iibl/ "übel" wie oben /runsl/. Vgl. nämlich /iibl+d/ ' ( e r ver-)übelt' mit /runsl+d/.

Zu /e/

/din+e/ "dünn" wie oben /Jnuir+e/. Vgl. nämlich /din+d/ ' (er ver-) dünnt" mit /Jniir+d/.

Nur bei /n/ gibt es Unterschiede: /drugn/ 'trocken 1 nicht wie oben /dnux+n/! Denn vgl. /drugn+d/ ' (es) trocknet" mit /dnux+d/.

Offensichtlich hat das STBI-Suffix nur Bestand, so lange kein anderes flexivisches (oder derivativisches) Merkmal morphologisch kodiert wird. Kloeke (1982: 4.3.2.) hat diesen Verdrängungsprozeß in Anlehnung an Isacenko und Aronoff (1976: 88) als "Kappen" bezeichnet. Er argumentiert v. a. mit DIM. Lst. Beispiele sähen bei ihm so aus: /gord+n/ /bed+e/

->· -»-

/gard+rf+le/

Diese Tilgung ist sequentiell dargestellt: in einem - wohlgemerkt - morphologischen Prozeß scheinen Folgemorphe das STBI-Morph zu eliminieren. Auch wenn es im Ergebnis auf dasselbe hinausläuft, scheint mir die Konstellation von STBI und morphologischen Folgeprozessen anders zu sein: Derivativ/Flexlonsmorphe treten nicht ans STBI-Morph an und zerstören es , sondern treten an seine Stelle. Nicht die syntagmatische Kettendarstellung Kloekes trifft den Sachverhalt, sondern eine paradigma tische: WURZEL

bed bed bed

e le n

STBI DIM PL

99

Ferner gehe ich mit Wurzel (1984: 55-6) davon aus, daß eine Wurzel wie /bed/ (ebenso wie das £7IBI-Morph /&/) als Baustein des itorphologischen Regelwerks existiert, wenn sie auch nie als pure Wurzel vorkamt. Wenn das voll spezifizierte Zeichen auch erst auf der Ebene von /bed+e/ vorliegt, muß das aber nicht heißen, daß dem kein morphologischer Vorgang vorausgegangen sein kann, der es aus minimalen Zeichen hergestellt hat. Ctoige Tabelle zur /e/-STBI auf /n/-STBI übertragen gibt: WURZEL

gnrd gard gard

n le n

STBI DIM PL

Wenn es denn stürmt, daß Flexionsmorphe an die Stelle von STBI-Morphen treten, haben Fälle wie SG /gordn/ - EL /gardn/ weder /gardn+0/-PL noch /gardn+n/-EL mit Degemination beider /n/, sondern SG-/n/ und PL-/n/ stehen in einem Paradigma mit demselben Suffix in allen Formen, das im SG ein STBI- und im PL ein NUM-Marker ist. Daß es sich beim /+n/ in den obliquen SG-Kasus um einen AKK-/DAT-Marker handelt, wäre auch möglich, ist aber letztenendes nicht stichhaltig nachzuweisen. Nimmt man es aber an, könnte man die Liste der oben (in 6.1.1.1.) genannten Bedingungen für eine Kodierung des obliquen SG-Kasus erweitern und sagen, daß im SG von Substantiven, die /n/-STBI in der Basisform (SG.NOM) haben, AKK/DAT kodiert wird. 6.2.

Verba

Gegenstände dieses Kapitels sind die Konjugation des Verbs in den Kategorien TEMP, MOD, PERS und NUM, der Imperativ, der nicht eigentlich in die Konjugation gehört, die infiniten Formen des Verbs, die, in Anlehnung an den bei Substantiven gebräuchlichen Begriff, unter dem Stichwort "Stammbildung" behandelt werden. 6.2.1.

Konjugation

Ungeachtet der in 8.1. noch darzustellenden KL-bildenden Mittel zur Regelung des morphologischen Verhaltens in einzelnen Flexionsformen werden vorerst Klassen zwar genannt, aber noch nicht in ihrer Motiviertheit erklärt. KL-Merkmale werden also vorläufig jedem Lexem explizit zugeordnet, bevor in einem späteren Kapitel Wege und Möglichkeiten aufgezeigt werden, solche Angaben so spärlich wie möglich zu halten und das Verhalten der einzelnen Verben durch phonologische und/oder morphologische Merkmale vorauszusagen. Alle Verba sind für alle Konjugations-Kategorien spezifiziert, d.h. enthalten TEMP-, MOD-, PERS- und NUM-Informationen in paradigmatischer Ordnung:

100 PRÄS

SG

PRAT

sd d

A b 1

n d n

a u t

sd

(+d*) PL

SG

A b 1

PL

a u t

IND

n d n U m l

sd

a u t

n d n

(+d*)

KONJ**

* Bei der KL der sog. "schwachen" Verben zusätzlich. ** Daß KONJ zu PRA'T gestellt wurde, hat nicht semantische, sondern formale Gründe. KONJ-Formen bauen auf PRA'T.IND-Formen auf (ümlautung dieser Basis) und sind z . T . (im /d/-Suffix "schwacher" Verben) formengleich mit PRA'T. Beispiele für PERS-/NUM-Flexion: In PRÄS und PRS.T gleich sind die Personalendungen von SG. 1./2. und allen Personen im PL: Vgl. /noi SOi+0 ix ai nux/ 'dann sage ich auch noch1 mit /iix gxund+0 mer das imer net fuirjdele/ 'ich konnte mir das immer nicht vorstellen'. Vgl. /dui gxim+sd der das nei fuirjdele/ 'du kannst dir das nicht vorstellen' mit /dui xed+sd dsen bfif gemusd/ 'du hättest zum Pfiff (PN) gemußt 1 . Vgl. /miir saix+n waider/ 'wir sägen weiter' mit /fun waixn das miir dox nunder gxund+n un gxund+n n xalfe/ 'von wegen. daß wir da hinunter konnten und konnten ihm helfen'. Vgl. / i i r wis+d JB goir nei/ 'ihr wißt ja gar nicht' mit / i i r wt>ir+d nux nei löge furd/ 'ihr wart noch nicht lange f o r t ' . Vgl. /Jloife du+n JD dii ele gairn/ 'schlafen tun ja die alle gern' mit /Jdtmd+n dii b f a i r e driibn/ 'standen die Pferde drüben'. In PRSS und PR8.T unterscheiden sich jedoch die Endungen der 3. SG: Vgl. /das glem+d nei- das gex+d j ü noi usenDner/ 'das klemmt nicht, das geht ja dann auseinander' mit /das 1 +0 sui n bairx nauf/ 'das lag so den Berg hinauf oder /wui er dse frii aufjdeie wold+0 - müsd+0 furd/ 'wo er zu früh (=morgens) aufstehen wollte, mußte f o r t ' .

101

Daß auch die 3.SG von MOD-Verben im PRSS nicht kodiert wird, könnt unten noch ausführlich zur Sprache. Vorerst vergleiche man nur die beiden Verbformen in folgendem Satz: /dar

+d at WDIS er wil+0/ 'der macht auch, was er will 1

Beispiele für TEMP-/MDD-Flexion: Zunächst PRST.IND: /doi SDIS ix der drufe mai liiber/ 'da saß ich dir (modal) drauf, mein Lieber!' /wii SDix n dar wilder aus/ 'wie sah denn der wieder aus!' /doi wnir der wai nux uibn/ 'da war der Weih (PN) noch oben1 /noi giQ s meibn wilder lois/ 'dann ging das Mähen wieder los' /milr gxii/ 'wir hatten Kühe 1 /gxa audoi xi>dn mer nux neid/ 'kein Auto hatten wir noch nicht 1 /das wusdn ferjiidne/ 'das wußten verschiedene' /das wnld ix J"ein lt>ne moil/ 'das wollte ich schon lange mal' Zum PRfiT.KONJ: /doi mesd emoil mai mndOm iirn diielegd loisloise/ 'da müßte mal meine Madam ihren Dialekt loslassen' /dil beje wen nei gewaisn weirn weirer xiin gewaisn/ 'die Büsche wenn nicht gewesen wären, wäre er hin gewesen' /wen mer das dsaix neir imer meirge / "wenn man das Zeug nur immer merken täte' /iix xed filaixd nux sui drai f i i r moil mis nauf f o i r e - w e i r ix ferdix gewaisn/ 'ich hätte vielleicht noch so drei, vier mal müssen hinauffahren, (dann) wäre ich fertig gewesen'.

Um- und Ablaut sind durchgängig angewandte Kodierungsinittel und nicht 'nur1 konkcrnitant (wie etwa der Umlaut bei manchen Fällen von substantivischer PL-Bildung). Die Systematik dieser VQK-Wechsel-Prozesse ist erst Gegenstand von 8.1.1.3. und 8.1.1.4. Bei der Frage, welche Kodierungen für welche Merkmale stehen, fällt zunächst auf, daß PRÜT eine eigene Symbolisierung hat, ganz gleich, ob (bei "starken" Verben) nur durch Ablaut oder (bei "schwachen") durch 'Ablaut' und /d/-Suffix. PRKS. erscheint demgegenüber ohne TEMP-Kennzeichnung zu sein. Es ist auch nicht in den Suffixen mit ausgedrückt, denn diese sind im PR&T (bis auf die Ausnahme der 3.SG) auch zu finden und symbolisieren offensichtlich kumulativ PERS und NUM. Als Unterscheidungsmerkmal zwischen IND und KONJ ist allein "Umlaut" auszumachen, da sonst Identität herrscht. Die im Paradigma implizit aufgestellte Behauptung (s.o. PRA'T.KONJ-Spalte), daß auch im KONJ (der auf PRÄT beschränkt istl) das PRiiT-Symbol "Ablaut" (dazu /+d/ bei "schwachen" Verben) vorhanden ist, stützt sich auf die Tatsache, daß die im PRftT abgeläuteten Verben als Eingabe für die Umlautungsregel des KONJ benutzt werden:

102

PRÄS / gxum+/ /mus+/

PRÄT.IND

/gxOim/ /mDs+d+/

PRÄT.KONJ

/gx€im/ /mes+d+/.

Auf welche Weise genau der Stairm-VOK bei Ab- und Umlaut qualitativ wie quantitativ verändert wird, ist 8.1.1.3. und 8.1.2. zu entnehmen. In cbigem Paradigma ist also schon eine Menge Transparenz enthalten. Die verschiedenen Kodierungen/ Nichtkcdierungen entsprechen semantisch markierten/unmarkierten Merkmalen: |

TEMP

PRÄS PRÄT

MOD

IND KONJ

m

sym

Hinweise auf eine MVB haben sich auch schon ergeben, v.a. daraus, daß PRST.INDFormen die Basis zur Herstellung von PR&T.KONJ-Formen sind: X + TEMP + MOD -f

[PERS] l_NUM J

Der hierin enthaltenen Kumulation von PEPS- und NUM-Merkmalen gelten die nächsten Überlegungen. Sie scheinen z.T. TEMP-abhängig zu sein, denn im PRS.T entfällt die Kodierung der 3.SG. Deshalb werden in folgenden Paradigmenausschnitt die TEMPMerkmale mit aufgenommen: PRÄS

PRÄT

SG

1. 2. 3.

0 sd d

0 sd 0

PL

1. 2. 3.

n d n

n d n

Da, wie oben gezeigt, die PP&T-Kodierung nicht selbst in den Exponenten steckt, reduziert sich die Frage darauf, ob diese Exponenten nur semantisch markierte Merkmale der Kategorien NUM und/oder PERS kodieren und, wenn ja, welche. Erste Anhaltspunkte gibt wieder die Liste semantischer Markiertheitswerte: m PERS

3. * 1.

2. NUM

SG PL

* Zum Gegensatz -m3.PERS vs. +ral./2.PERS vgl. Benvenistes ([1946] 1977) Binarisierung NICHTPERSON (=3.) vs. PERSON

103

Interessant muß das Paradigma am Schnittpunkt des markierten NUM-Merkmals und des maximal markierten PERS-Merkmals werden: in der 2.PL also, die eine ähnlich wichtige Stelle einnimmt wie im nominalen Bereich PL.DAT als Schnittpunkt des markierten NUM und des maximal markierten KÄS (s.o. 6.1.1.1.). Tatsächlich hebt sich der Exponent dieser Merkmalskumulation formal deutlich von den beiden ändern PL-Formen ab. Geht man ferner von einer zu erwartenden Nichtkodierung der semantisch unmarkierten 3.PERS und gleichzeitig von einer zu erwartenden Kodierung des semantisch markierten PL aus, scheint der Exponent im Schnittpunkt der Merkmale 3. PERS und PL nur PL-Marker zu sein. Da er uniform mit dem Exponenten in der 1.PL ist, scheint auch dort nur PL kodiert zu werden und NUM-Kodierung vor der PERS-Kodierung zu rangieren. Nur zugunsten der Kodierung der maximal markierten PERS (2.) muß die PL-Kodierung weichen. Wirft man einen Blick auf die PERS-Kodierung im PRfiT.SG, sieht man, daß es sich dort ganz ähnlich verhält: Der Marker der 2.PERS hebt sich von den formal identischen der ändern PERSMerkmale ab. Rechnet man nun noch mit, daß die Exponenten im doppelt unmarkierten SG.PRSS schwerlich etwas anderes sein können als PERS-Marker, ergibt sich das folgende, hinsichtlich der Verteilung von PERS- und NUM-Kodierung transparente Paradigma: PKAb

SG

1. 2. 3.

PL

1. 2. 3.

FKAT

_

_

_

_

sd d _

-

sd -

-

n n

_ d -

n n

NUM

PERS

NUM

d PERS

An diesem Paradigma sieht man, daß PERS- und NUM-Kodierung komplementär verteilt sind. Die oben vorgeschlagene MVB mit Kumulation von PERS und NUM, also einer Sowohl-als-auch-Relation, stellt sich in diesem Lichte als nicht zutreffend heraus. Die zwischen PERS und NUM bestehende Entweder-oder-Relation macht jedoch eine Entscheidung darüber, in welcher Reihenfolge PERS und NUM in der MVB stehen, nicht möglich. Ad hoc gehe ich von folgender Kette aus: X + TEMP + MOD + PERS + NUM

Wo entsprechen nun beim Verb semantische Markiertheitswerte und morphologische Kodierungswerte sich nicht? - Dazu die folgende vergleichende Tabelle (mit einem "!" für Nichtentsprechung):

104 m TEMP

PRÄS PRAT

MOD

IND KONJ

PERS

3. 1. 2.

NUM

SG PL

sym

Wann wird 3.PEES kodiert? - Nur, wenn PRÄS.(IND).SG, also die unmarkierten TEMP-, MOD- und NUM-Merkmale gleichzeitig gegeben sind (beachte eckige Klanmer): 3.

->·

-mTEMP -mMOD -mNUM

+ sym/

Doch warum ist dann bei den folgenden Verben die 3.PEPS nicht kodiert, obwohl SG und PRSS (der keinen KONJ kennt und deshalb auch den unmarkierten MOD, nämlich IND impliziert) vorliegen? PRÄS.IND.3.SG (1) /was/ (3) /sul/ (5) / /

von 'weiß' 'soll' 'mag'

(2) (4) (6)

/dairf/ /mus/ /wil/

'darf 'muß 1 'will'

Ein Satz aus Paul/Moser/Schröbler (1975: § 173) ist in diesem Zusammenhang aufschlußreich: "Beruhen die Unregelmäßigkeiten der Formenbildung bei den PräteritoPräsentien [Verben (1)-(5), RH] auf einer Verschiebung des Tempus, so bei wellen [Verb (6), RH] auf einer des Modus". Allerdings kann man diesen Verben eine Markierung für PRÄT nicht mehr ansehen. Man müßte sie also im Lexikon explizit mit diesem Merkmal versehen - synchron wohl wenig sinnvoll. Viel eher führt eine MOD-Markierung zum Ziel, denn den Verben (2) bis (6) sieht man auch synchron an, daß sie "Modalverben" sind. Für Verb (1) bleibt dann nur eine explizite Angabe zum morphologischen Verhalten in der 3.PERS. Es ist nicht implizit über ein Merkmal semantischer Markiertheit durch obige Symbolisierungsregel zu steuern. Wann wird PL nicht kodiert? - Wenn 2., also die maximal markierte PERS, vorliegt. Formal: PL

-sym/++mPERS

Warum wird, könnte man auch fragen, die 2.PERS im PL weniger merkmalhaft kodiert als im SG? - Auch hier läßt sich das mit dem Markiertheitsgrad der bedingten

105

NUM-Merkmale erklären: Im markierten NUM (PL) wird die 2. PERS weniger stark kodiert (/d/) , im weniger markierten NUM (=SG) stärker (/sd/). Wann wird die 1 .PERS nicht kodiert? - Inroer. Dann stimmt entweder die semantische Markiertheitsevaluation nicht oder das Lst. folgt hierin nicht Prinzipien des konstruktionellen Ikonismus. Einen Hinweis darauf/ daß letzteres zutrifft, liefert zwar folgende diachrone Interpretation (doch verbietet sie sich natürlich als "Erklärung" in der vorliegenden synchronen Granmatik) : Das /0/-Morph der 1 .SG kann man aus einem */e/ durch Apokope ableiten und damit als Ergebnis eines diachronen lautlichen Prozesses auffassen. Dieser hätte dann kontramorphologisch gewirkt, nämlich eine morphologische Kodierung zerstört. Diese ist im Lst. nicht kompensiert worden. Damit ist eine sprachspezifische Eigenheit geblieben, die dem Prinzip des konstruktionellen Ikonismus zwar widerspricht, aber auch zeigt, "daß der Abbau morphologischer Differenzierung ohne Schaden möglich war" und "ein - wie hier - partieller Zusammenbruch eines Formensysterns auf nicht (mehr?) erforderliche Erhaltung hinweist" (Harnisch 1984c: 89 bzw. 85) . Zusammenfassung

Kontextfrei nicht kodiert werden beim Verb also PRSS, IND, 1 .PERS und SG. Kontextabhängig wird nach oben angegebenen Regeln über Kodierung/Nichtkodierung der 3. PERS und des PL entschieden. Die genaue phonologische Substanz der kodierten Merkmale ist untenstehender Regelsanmlung zu entnehmen. Die bei der substantivischen Deklination zu der dortigen Regelsanmlung gemachten Vorbemerkungen gelten hier entsprechend (s.o. 6 . 1 . 1 . 1 . ) : TEMP

PRÄS

->

0

PRÄT + Ablaut (und z.T. /+d/) MOD

IND KONJ

-> -»·

0 Umlaut X

*

v

[PRÄS d/

PERS

3.

-»· -

[0 1.

NUM

-»-

[SG ) > J

0

2.

ld

SG PL

0 n

X.

}

106

6.2.2. Iirperativ Entgegen der gängigen Auffassung, wie sie jüngst auch wieder von Donhauser (1986) vertreten wird, gehe ich mit Moskalskaja (1975: 75) davon aus, "daß der Iirperativ nicht mit dem Indikativ und dem Konjunktiv in eine grammatische Kategorie zusarrmengehört, sondern ihnen als eine selbständige kategorielle Form gegenübersteht." Der Imperativ hat im Gegensatz zu den beiden Modi Indikativ und Konjunktiv "keinen Anteil am Tempussystem und an der Abwandlung nach dem Genus [...]. Das differenzierende Merkmal des Imperativs (als merkmalhaltige kategorielle Form) wäre also der Ausdruck der Aufforderung, der dem Indikativ und dem Konjunktiv, d.h. dem schwachen Gegenglied der Opposition abgeht" (ebd.: 76). Mit den Nicht-Imperativen gemeinsam hat IMP die Kategorisierung in PERS (wenn auch universalpragmatisch beschränkt auf 2.PERS; Mayerthaler 1981: 32-3) und NUM, anders als die aber keine in TEMP und MOD. In einer Kategorialhierarchie muß also über ±IMP schon sehr früh entschieden werden, wie das Moskalskaja (ebd.) tut. Es bietet sich als Ausgangspunkt die Flexionsform der 2.PERS im PRSS an: -IMP PRÄS

+IMP

SG

weg+sd

weg+0

PL

weg+d

weg+d

Basis

Produkt

zu 'wecken 1

2.

Da IMP die 2.PERS impliziert, könnte man den PERS-Marker als redundant betrachten und weglassen. So geschieht es auch im unmarkierten NUM, dem SG. Da aber die NUM-Unterscheidung aufrecht erhalten werden muß, bleibt der PERS-Marker der markierten NUM-Subkategorie PL erhalten. SG /weg mix/

'weck mich!'

/Jraib auf/

'schreib auf!'

/mox dai bisle lündwerdjDfd naibnbai un gei in de airbed - Jai dassd de.../ 'mach dein bißchen Landwirtschaft nebenbei und geh in die Arbeit, schau, daß d u . . . ! ' PL

/bedsDild mer weisdns de Inmbe/ dasd er aier dsaix mOxd/

'bezahlt mir wenigstens die Lampe! 1 'schaut, daß ihr euer Zeug macht!'

107

6.2.3.

Staimibildung: Infinite Formen

Von Substantiv her ist Stammbildung als KL-bildendes Mittel einer bestimmten Gruppe von Lexemen bekannt. Für diese Lexeme war die Form mit Staitinbildung die kanonische Grundform, d.h. es steht /flaj+e/ 'Flasche1 im Lexikon, nicht */flcj/. Bei Verben ist der INF die kanonische Grundform, und zwar nicht auf bestimmte 'Klassen1 beschränkt, sondern bei allen Verben: es steht z.B. eine Form /sauf+e/ 'saufen1 im Lexikon und nicht */sauf/. Der morphische Charakter des INF-/e/ ist bei den Verben ungleich leichter zu beweisen als der der Stanmbildungssuffixe bei den Substantiven (vgl. die aufwendige Analyseprozedur in 6.1.4.). Während nämlich bei den Substantiven die Stammbildungslose Form (*/flnj·/) für sich allein nie vorkommt, gibt es bei den Verben Flexionskategorien mit dieser formalen Gestalt: l.SG/IMP.SG

/sauf/

zu

'saufen'

Mit diesen Testkategorien läßt sich auch sehr leicht beweisen, wann eine verbale Stammbildung vorliegt und wann nicht. Aus Formen wie IMP.SG

/raxn dsom/ /badl n e i / /gaifer nei/

'rechen zusammen! 1 'bettle nicht!' 'geifere nicht!'

geht hervor, daß die auslautenden /n/, /!/ und /er/ dort keine Stammbildungssuffixe sind, sondern zur Wurzel gehören. Beim Verb gibt es Staitinbildung in verschiedenen Formenkategorien. Bislang war nur von INF die Rede. Er ist Stammbildungsform des PRÄS. Sein temporales Pendant ist P.P.: die Stammbildungsform des PRfiT. Ferner gibt es im Lst. noch die vom INF auch formal geschiedenen Sonderformen des substantivierten und eines sog. "präpositionalen Infinitivs" (Dal 1966: §§ 85-7); Weise 1900: § 76) wie /dse fmr+n/ 'zu fahren' und eines "partizipialen Infinitivs" (Dal 1966: § 88; Weise 1906a: 193-8 [zwei Aufsätze]; Rosenkranz 1938: Kt. 12) wie /xcsd dix mis+0 Jinde/ 'hast dich müssen schinden'. Erstere werde ich im folgenden "Gerund" nennen. Infinitiv

Er tritt auf (1) nach Modalverben, (2) Verben wie /dui/ 'tun 1 und /waire/ 'werden', (3) Verben wie /loise/ 'lassen' und /seie/ 'sehen' und (4) alleine als substantivischer NOM: (1)

/wui er draib+e d u i r f d / ' w o er (Schafe) treiben durfte' /mosd er s elderndsaix i i bernam-t-e/ 'mußte er das Elternzeug (= -anwesen) übernehmen' /seldn mer dux erjd uibn objnaid+e/ 'sollten (KONJ) wir doch erst oben abschneiden'

108 /doi mesd eraoil mal nrodOm iirn diielegd loislois+e/ 'da müßte einmal meine Madam (= Frau) ihren Dialekt loslassen (= zum Besten geben)' (2)

/wen mer six das dsaix neir imer meirg+e dexd/ 'wenn man sich das Zeug nur immer merken täte!' /das dud er fert>irbaid+e/ 'das tut er verarbeiten 1 /das wird Je

(3)

sui sai+e/ "das wird schon so sein'

/xt>d mer n J e i n sei liix+e/ 'hat man ihn schon liegen sehen1 /lois das liix+e/ 'laß das liegen!'

(4)

usw.

usw.

/dswai xern diin+e - das gexd nei/ 'zwei Herren dienen, das geht nicht' /dse frii de dsiene mid wain buds+e/ 'zu früh (=am Morgen) die Zähne mit Wein putzen" (Ausruf) usw.

Eine markiertheitstheoretische Evaluation dieser verbalen Stamribildung ist nur, wie schon bei der Stammbildung des Substantivs, schwer möglich, zumindest nicht, wenn es sich um den INF handelt, die Stammbildungsform des PRÄS. Ihr gegenüber die des PRKT nach semantischer Markiertheit einzustufen, ist dagegen möglich. Nur wird dann nicht "Stammbildung" bewertet, sondern TEMP! So bleibt nur der Hinweis auf eine in vielen Sprachen vorkommende Markierung der INF-Form und eine daraus abzuleitende Art semantischer Markiertheit der 'Infinitivität1 als besonderer Vorkommensform eines Verbs gegenüber einer 'normalen1, finiten Vorkcmmensform. Es wird von INF auch als von einer "nominalen" Form des Verbs gesprochen. Insofern könnte der IMF-Marker auch Marker der 'Nominalität1 sein. Die Regel der Zuweisung phonologischer Substanz ist INF

·>

e

Suffixlose Formen wie das oben bereits aufgetauchte /dui/ sind phonologisch bedingt (s.u. 10.2.2.1.). Gerund

Formal vom 'reinen1 INF geschieden und wie eine (1) substantivische deverbale /n/-Ableitung (Sandberg 1976) gebildet wird der INF (2) mit /dse/ 'zu 1 und (3) nach /geie/ 'gehen1 (i.f. GER): (1)

/doirx das drufnrimdraid+n/ 'durch das Daraufherumtreten' /dan xr>i ix der dsn Jdei+n gebrüxd/ 'den hab ich dir Stehen gebracht!'

(2)

(modal) zum

/wen se wt>is dse ft>ir+n xodn/ 'wenn sie etwas zu fahren hatten' /wii se nux aufdsedraib+n sin/ 'wie sie noch aufzutreiben sind 1

(3)

/dii geid aingxaif+n/ 'sie geht einkaufen'.

1O9

Ein interessantes Nebeneinander dieser Form und eines INF nach Modalverb ist im folgenden Satz belegt. Für den ersten Teil des Satzes nehme ich elliptisches /geie/ an: /wen emoil ains ausdraidn [geiej RH] mus - e ains ausdraide mus/ /wenn einmal jemand austreten [gehen; RH] muß, äh, jemand austreten muß'

Die Zuweisung phonologischer Substanz an diese gegenüber dem 'reinen1 INF noch stärker als "nominal" markierte Form (s.o.) geschieht mit der Regel GER

-»·

n.

Partizipialer

Infinitiv

(1) Modalverben und (2) die Verben /seie/ 'sehen', /xexre/ 'hören' und /loise/ ' lassen' treten als infiniter Teil von analytischen Vergangenheitsformen, also in P.P.-Funktion, formell in einer Art 'INF ohne Endung1 auf: (1)

/dar xed der sui Jnairdsle gxin+0 erdseile/ 'der hätte dir so Schnärzlein (Anekdoten) erzählen können" / i i x xed noi sui wii sui derxaim duirf+0 blaie/ "ich hätte dann sowieso daheim bleiben dürfen' /WDIS se doi xedn mild mis+0 müxe/ "was sie da hätten mitmachen müssen' /iir xedd dux dsui gxin+0 dunere/ 'ihr hättet doch zudonnern (=weiterfahren) können' /xosd dix über ai saumaisix mis+0 Jinde/ 'hast dich aber auch saumäßig schinden müssen' usw.

(2)

/xod dan dsedl uf iirn noxdjrangle sei+0 liixe/ 'hat den Zettel auf ihrem Nachtschränklein liegen sehen' /

ix aine nain lois+0 füle/ 'habe ich eine hineinfallen lassen'

/iix XDX dan fai idse neid auf xeir Jliise/ 'ich habe ihn fei jetzt nicht aufschließen hören" usw.

Auf das auffällige Serialisierungsmuster PART.INF - INF (/mis irroxe/ 'machen müssen1) und, wenn der INF ein (Doppel-) Partikelverb ist, die Reihung Verbpartikel - PART.INF - Verb /dsui gxin - dunere nain lois - ftile/

sei am Rande hingewiesen. Die Kodierungsregel für den partizipialen Infinitiv ist PART. INF

-f

0.

Wie bei den Modalverben das Stammallomorph des PART.INF mit den Varianten des Stamms in ändern Formenkategorien zusaitmenhängt, wird in 8.1.2. behandelt.

110 Partizipium Präteviti

Es tritt (1) bei analytisch gebildeten Vergangenheitstempora (und deren konjunktivischen Weiterbildungen) und (2) bei passivischen Verbformen zusammen mit finiten Formen von /saie/ 'sein* und /waire/ 'werden' auf: Beispiele zu ( 1 ) : /xtm mer moil e Jiiduir genroxd/ 'haben wir mal eine Skitour gemacht' /dar woirjun gefüln/ "er war schon gefallen 1 /xodn se bfaire gxüd/ "hatten sie Pferde gehabt 1 ; mit Verstärkung des Vergangenheitsaspekts durch addiertes P.P. /gxüd/: dar lauider sui bunde lamble nDingenroxd gxOd/ 'hatte der lauter so bunte Lämplein hinangemacht gehabt' /dii xtidn se Jein serwiird gxüd/ 'die hatten sie schon serviert (=abgesetzt und gefangen genommen) gehabt1 ; als INF des Perfekts: /das gxon Je in emoil sui WDIS gewaisn saie/ 'das kann schon einmal so etwas gewesen sein' Beispiele zu ( 2 ) : /das wird mii naingebumbd - wird doirxgeriird/ 'das wird mit hineingepumpt, wird durchgerührt 1 /das ix noixer nimer aingedsuixn wuirn weir/ 'daß ich nachher nicht mehr eingezogen worden wäre' /WDIS aufgefurjdd is/ 'was aufgeforstet ist' /di woirn neid ausgebaud/ 'die waren nicht ausgebaut1 usw.

Diese infinite Verbalform des markierten TEMP-Merkmals PRÄT ist erwartungsgemäß auch merkmalhafter kodiert als die des unmarkierten TEWP-Merkmals PFfiS (der INF) : durch gleichzeitige Prä- und Suffigierung, also durch diskontinuierliche morphologische Mittel. Die Allomorphie /+d/ - /+n/ des Suffixes ist KL-bedingt (s.u. 8. 1.1. 2.): /ge+lan-d/ 'gelegt1 usw. vs. /ge+sei+n/ 'gesehen' usw. Die Kodierungsregel ist P.P.

-

ge+

...

Die MVB ist

p.p^

+

+ P;P.

Zu den konkomitant neben Prä- und Suffigierung noch vorkeimenden Ablauterscheinungen und zu 0-Allomorphien des Präfixes vgl. 8.1.1.2./ zu Allophonien des Präfixes 10.2.4.

111

6.3.

Zusammenfassung

In den zurückliegenden Kapiteln konnte nachgewiesen werden, daß die 1st. Morphologie bei den durchgängig anwendbaren und angewandten morphologischen Mitteln zur Kodierung von Merkmalen im großen und ganzen Prinzipien des konstruktionellen Ikonismus folgt: (1) Semantisch unmarkierte Merkmale wurden meist auch nicht kodiert. (2) Semantisch markierte Merkmale wurden meist auch kodiert. (3) Wurden semantisch unmarkierte Merkmale trotzdem kodiert, dann in der Umgebung anderer semantisch unmarkierter Merkmale. "Zwischen unerwarteter Symbolisierung des betroffenen Merkmals und Unmarkiertheit der Umgebung herrscht [...] ein reziprokes Verhältnis" (Harnisch 1984b: 32). (4) Wurden semantisch markierte Merkmale trotzdem nicht kodiert, wurde das zumeist von ändern, semantisch markierten Merkmalen in der Umgebung verursacht. Auch "zwischen gestörter Symbolisierung des betroffenen Merkmals und der Markiertheit des verursachenden Merkmals herrscht ein reziprokes Verhältnis" (ebd.). Es sei betont, daß nicht nur (1) und (2) als "natürlich" aufgefaßt werden, sondern auch (3) und (4), wo "im Prinzip der Reziprozität eine plausible Begründung gefunden werden konnte" (ebd.: 33). Für dieses sich formal in 'Reziprozität' äußernde Prinzip werden sprachpsychologische Gründe vorgebracht. Was (4), den wohl wichtigsten Punkt, betrifft, formuliert sie Robertson (1983: 53O). An sein Beispiel für Neutralisierung von Merkmalen im Plural schließt er folgenden psychologischen Deutungsversuch an: "Thus in the English 3rd person plural (they), we make no formal distinction corresponding to the masculine (he), feminine (she), or neuter (it) of the singular, even though such distinctions are logically possible. [ - · · ] We therefore identify a tension in the grammatical systems of language: on the one hand, the possibility of filling all the logical spaces [ . . . ] permanently exists [...]. On the other hand, the most complex spaces often remain unfilled because of the apparent psychological difficulty of processing the semantically complex portions of such fields."

Auf diese Weise wird der Raum für Kodierungen eng und es setzt, bildlich gesprochen, um ihn ein Kampf der verschiedenen Merkmale ein. Es kommt zu Verdrängungsprozessen, und da das eine Mal dieses Merkmal siegt, ein andermal jenes, es aber zumeist verdeckt ("intransparent") bleibt, welche Kodierung für welches Merkmal steht, sieht es so aus, als ob flektierender Sprachbautyp vorliege, für den Kumulationen (Portemanteau-Sachverhalte) typisch sind. In Wirklichkeit handelt es sich um ein agglutinierendes Prinzip, dessen Charakter nur dadurch nicht zutage tritt, daß stärkere Merkmale auf Kosten schwächerer

112

kodiert werden und sonit große Lücken in die Reihung der morphologischen Einheiten (ins "arrangement" der "items") reißen. Doch was sind die stärkeren, was die schwächeren Merkmale? - Geht man daran, so etwas wie eine Hierarchie der Kategorien herauszuarbeiten, sie also nach der Kraft zu ordnen, mit der sie andere Kategorien verdrängen können, käme man zu folgender Rangliste: TEMP

* FERS

»· GEN

/ll/II

MOD

MUM



» KÄS

= Richtung der Verdrängung

TEMP und MOD scheinen also die relativ stärksten Kategorien zu sein, gefolgt von den gleichstarken Kategorien PERS und NUM und erst dann von GEN und KÄS, wobei sich die letzten beiden Paare jeweils gegenseitig von den Kodierungsplätzen verdrängen. Weiter links, d.h. in der Stärke-Hierarchie weiter oben, stehen die tiefenstrukturell eingeführten Kategorien, weiter rechts die erst transformationeil eingeführten, in der Mitte bezeichnenderweise die, welche z.T. tiefenstrukturell eingeführt sind, z.T. syntaktisch als Kongruenzkategorien weiterverwendet werden (vgl. 4.3.2.). Boeder (1976: 121) kommt zu demselben Ergebnis: "Wenn ein kategorialer Gegensatz im Paradigma unberücksichtigt bleibt, so trifft dieser Synkretismus die syntaktischen Merkmale vor den sernantischen." 7.

Phonologisch auffällige morphologische Formen: morphologisch oder phonologisch konditioniert?

7.1.

Fragestellung und Problemfalle

Bei den bisher (in Kap. 6.) behandelten Kodierungen flexivischer Merkmale handelt es sich um höchst durchgängige, d.h. für alle Wörter gleich anwendbare Mittel. Zur Auffindung ihrer tatsächlichen phonologischen Gestalt wurden Lexeme mit "neutralem" Stammauslaut gewählt ("neutral" gegenüber der jeweiligen lautlichen Gestalt der addierten Suffixe, vgl. Hinderung 1980: 35). So waren natürlich z.B. Stammauslaute, die mit Suffixen zusammen eine Geminate ergeben oder Assimilationen bewirkt hätten, als Testfälle höchst ungeeignet. Das nasale Flexionssuffix der Adjektive wäre nach Ausweis flektierter Wörter mit nichtneutralem Stammauslaut wie bei [dinen] bei [flDxn]

'dünnen 1 ein */+en/, 'flachen 1 ein */+n/ oder gar */+£/»

113

aber nach Ausweis flektierter Vtörter mit neutralem Starrmauslaut wie bei [blain] [dern] [fuln]

'blauen' 'dürren 1 'vollen'

ein

An/.

Hilfsmittel zur Vermeidung dieses wenig wahrscheinlichen Allcmorphiereichtums ist die in 5.1. behandelte Alternaticnsbedingung. Sie zwingt zu Seitenblicken, aufgrund derer zumindest die zugrundeliegenden Segmente an Nahtstellen zwischen Stamm und Affix bestinmt werden können. Ein weiterer Prcblemfall wäre, um beim Beispiel der Adjektivflexion zu bleiben, auch eine Form wie [Jen] 'schönen1 MSK.SG.AKK. Seitenblicke auf Alternationen ergeben eindeutig einen Starm /jein/: jein Jein e Jein er Je:n s

Basis (etwa prädikativer Gebrauch) etwa FEM.SG.NOM etwa MASK.SG.NOM etwa NTR.SG.NOM

Ein Seitenblick auf andere Adjektive in der gleichen Flexionsform (MSK.SG.AKK), z.B. von [blai] 'blau' oder [grois] 'groß' ergibt eindeutig ein /n/-Suffix: blai blai

groi s groi s

Basis MSK.SG.AKK.

Zugrunde liegen also ein Stamm /Jein/ und die Suffixe /e/, /er/, /s/ und /n/: (1) (4)

/Jein/ /Jein+s/

(2) (5)

/Jein+e/ /Jem+n/

(3)

/Jein+er/

Drei lautlich 'unverdächtigen' Suffigierungen (2-4) steht die eine lautlich 'verdächtige1 (5) gegenüber, die dann auch tatsächlich eine erklärungsbedürftige Realisierung, nämlich [Jen], aufweist. Die bisher angesprochenen lautlichen Problemfälle haben also folgende zugrundeliegenden Repräsentationsformen: [dinen] [flOxip] [Jen]'

hat " "

/din+n/ /flDx+n/ /Jein+n/.

Die [e]-haltigen Suffix-Realisationen wie bei [dinen] sind insofern besonders problematisch, als sie zur Rechtfertigung dafür genatmen werden, auch zugrundeliegende Suffixe mit /e/ anzusetzen, also eben z.B. */en/. So gilt es für Isacenko (1974: 146) seit Jakobson "als erwiesen, daß man bei Vorhandensein zweier nicht gleichlanger Morphemvarianten von der längeren ('expliziteren') Variante auszugehen hat, da die kürzere ('elliptische') Form inroer ganz eindeutig durch Tilgungsregeln gewonnen werden kann." Doch hat man diese rigorose

114

Forderung, mit Recht erhoben gegen einen z.B. bei Wurzel (1970) vorkommenden Typ "Regeln, die Einschubvokale generieren, um sie im nächsten Schritt wieder zu tilgen" (Isacenko ebd.: 147), angesichts folgenden Sachverhalts stark zu revidieren: Diese "expliziteren" Affixe können ausschließlich in lautlich verdächtigen Umgebungen vor. Das [e] z.B. hält zwei identische Segmente auseinander, also solche, die aufeinander offensichtlich idiosynkratisch reagieren. Machte man die [e]-haltigen Affixe selbst zur zugrundeliegenden Form, hätte man das paradoxe Ergebnis, in allen lautlich unmarkierten Umgebungen (und das sind doch noch die meisten) einen 'Besserungs-1 Prozeß ([e] -Schwund) ansetzen zu müssen, während ausgerechnet in den lautlich markierten Umgebungen (und das sind trotzdem die wenigeren) der 'Normal '-Fall herrschte. Man hätte es mit einem unbefriedigenden Sachverhalt zu tun, wie ihn Wurzel (1970: 207) bei einem ändern, aber vergleichbaren Fall kritisiert hat: "Damit eine Handvoll Ausnahmen als generell behandelt werden können, werden Hunderten von [ . · · ] Morphemen [···] abweichende zugrundeliegende Repräsentationen zugeschrieben [ . . . ] . Vom Sprecher als Ausnahmen empfundene [ - - . ] Formen würden als regelmäßig interpretiert und quasi zum Zentralpunkt des [...SJystems erhoben".

Hinzu kennt, daß die von Isacenko favorisierten Tilgungsregeln wie [e] -Schwund zwischen Segmenten (=Synkope) auch nicht so ohne weiteres in allen Umgebungen, in denen sie greifen müßten, als synchron wirksame Regeln auch tatsächlich greifen (10.2.4.). Solche und andere Nachweise von Gründen lautlicher Auffälligkeiten bei Flexionsformen bedürfen einer sorgsamen und umsichtigen Analyseprozedur. Sie wird nachfolgend versucht. 7.1.1. Sandhi zwischen Stammauslaut und Suffix Im folgenden werden zunächst die Prozesse angegangen, die sich, bedingt durch die dortige 'Naht '-Situation, zwischen Stamm und Endung abspielen. Zu phonologisch auffälligen Erscheinungen der am Beispiel der Adjektivflexion oben gezeigten Art (Verschmelzung von Geminaten oder ihre Trennung durch Epenthese; Kürzungen) kann es können, wenn durch segmentaladditive morphologische Vorgänge folgende Segmente aneinander geraten: !A)

Stammauslaut | S u f f i x d , +d + s +sd

+n

(B)

Stammauslaut Suffix d i +sd~ . . . VOK

s J

| i

+d +d

+d -

:

+sd

115

In (A) ist zusammengestellt, was zum Aufeinandertreffen identischer Segmente führt, also zur Bildung von Geminaten. Da es z.T. Verschmelzungen von [j] und [s] gibt, wurden diese Cluster als Quasi-Geminaten hier mit aufgenctmen. In (B) ist zusammengestellt, was zum Aufeinandertreffen nicht identischer Segmente führt, also keine Geminaten ergibt. Hier handelt es sich entweder um - in Hinderlings (1980: 33) Interpretation - eine Pseudogeminata /dsd/, wo "die zwei Verschlußlaute durch ein s getrennt sind", oder um Ketten von FRIK-/d/, die auch von so einem dazwischenstehenden s "getrennt1 sein können (FRIK-/s/-/d/). In (A) wie in (B) ist also eine starke phonologische Musterung zu erkennen. Trotzdem kann nur eine Umsicht in allen betroffenen Formenkategorien aller Wortarten die Frage beantworten helfen, ob die genannten Erscheinungen tatsächlich phonologisch bedingt sind oder doch morphologische Faktoren dafür (mit-)verantwortlich sind. Bevor die Einzelheiten behandelt werden, folgen einige notwendige Vorbemerkungen: Wenn unten die potentiellen Konfliktfälle näher analysiert werden, geht es nicht um qualitative VOK-Änderungen, sondern um die angesprochenen quantitativen Änderungen (Kürzungen), dazu um die Verschmelzung von Geminaten oder deren Verhinderung durch Epenthesen. Gekürzte Vokale werden als solche notiert, Suffixe (wie sie bei 'unverbauten' Stämmen sichtbar wurden) addiert: /bild+e - bid+d/. Geraten dadurch zwei identische KONSSegmente aneinander, ohne daß Epenthese auftritt, schreibe ich die entstehenden zugrundeliegenden Geminaten zwar (hier /d+d/), doch müssen sie als zu Einzelsegmenten vereinfacht gedacht werden (Verschmelzung/Degemination; hier [d]).Bei Epenthese wird das vokalische 'Sproß'-Element [e] notiert: /from +[e]n/ 'Gemeinschaftsdienste leisten". Einer Entscheidung in der Frage, ob abstrakte oder konkrete Formen vorliegen, und auch, ob morphologische und/oder phonologische Bedingungen gewirkt haben, enthalte ich mich bei den nachfolgend aufgezählten Fällen zunächst noch. Solche Wertungen folgen erst in 7 . 2 . Da vokalische Basis-Kürze auch in den betroffenen Flexionskategorien erhalten bleibt, sind diese Fälle im Gegensatz zu denen mit vokalischer Basis-Länge für das Problem der Quantität uninteressant. Hingegen sind Basis-Kürzen in ihrem (De-)Geminationsverhalten sehr wohl aufschlußreich für das Problem, ob Verschmelzungen nur bei langem oder auch bei kurzem Basis-VOK vorkommen. Bei /d+d/, / s + s ( d ) / und /n+n/, den Geminationsfällen also, werden auch in der Basis kurzvokalische Wörter mit einbezogen, sonst hingegen nicht. Bei den Verben wird unterschieden, ob es sich um solche handelt, die ihr P.P. mit /+n/ oder /+d/-Suffix bilden. Sie werden vorläufig als "starke Verben" (STV) vs. "schwache Verben" (SWV) unterschieden, da es KL-bedingtes Verhalten geben könnte.

Folgende Möglichkeiten von Cluster-Bildung an der Naht zwischen Stanm und Endung gibt es. Es wird stets danach unterschieden, ob es zu Geminaten koimt (A) oder nicht (B):

116 (A)

Geminaten

(1)

Stammauslaut /d/ - Suffix /+d/

STV

swv

VERB INF

3.SG

2. PL

gaid+e Jiid+e wed+e

gad+d Jid+d wed+d

gad+d Jid+d wed+d

P.P. 'jäten' ge+J"ud+d * ge+wed+d

/ V i / 'schütten'

/v/

'wetten 1

Staitmauslautendes und flexivisches /d/ verschmelzen nach /Vi/ und /V/ regelmäßig, /Vi/ wird gekürzt. (2) Stammauslaut /s/ (a) Suffix As/ ADJ POS

FLEX

grois nos

grois+[e]s nt>s+[e]s

/Vi/

/v/

'groß' 'naß'

Anders als bei /d+d/ findet weder bei lang- noch bei kurzvokalischer Basis eine Verschmelzung von /s+s/ statt. Sie wird beide Male durch [e]-Epenthese verhindert. Fand vor verschmolzenem /d+d/ Kürzung statt, tritt sie bei unverschmolzenem /s+[e]s/ nicht ein. (b) Suffix Asd/ ADJ POS

SUP

grois xais not s

gres+sd xais+sd nes+sd

STV SWV STV SWV

/VI/

/V/

VERB INF

2.SG

lais+e biis+e as+e wis+e

lis+sd biis+sd is+sd wus+sd

'groß 'heiß' 'naß'

' lesen' /Vi/ 'büßen' /V/ 'essen' 'wissen

Beim ADJ wechselt Kürzung mit erhaltener Länge, beim VERB korreliert Kürzung mit SW. Stets findet eine Verschmelzung des Stammauslauts /...s+/ mit dem ersten Segment des Suffixes Asd/ statt. Eine morphologische Interpretation, wie sie Hinderung (1980: 34) fürs Bair. vorgeschlagen hat, daß nämlich "anscheinend bei Zischlauten allgemein die Endung der 3.SG auf die 2.SG übertragen wurde", also im Lst. etwa 2.SG */lis+d/ oder */biis+d/ vorläge, wird hier nicht bemüht, da die phonologische viel näher liegt.

117

(3) Stammauslaut III (a) Suffix As/ Ein Adjektiv mit /;/-Auslaut und vorhergehendem /Vi/ ist nicht belegt. Daher kann nur der Fall A7J/ überprüft werden. Er weist bei Suffigierung mit /+s/ im Gegensatz zur unten behandelten Suffigierung mit Asd/ jedoch keine Verschmelzung auf: ADJ BASIS

FLEX

frij

fri;+s

/v/

'frisch'

Belegt ist nicht verschmolzenes /+s/ auch bei Addition an das nebentonige Wortbildungssuffix /i;/ wie in /gxoim+ij+s/. Die Artikulationsorte beider Frikative (PALV bei /;/ und ALV bei /s/) liegen jedoch so eng zusammen, daß, v.a. bei direkter Nachbarschaft beider Segmente in einem Syntagma, der artikulatorische Unterschied zwischen ihnen verwischt zu werden droht: Zwei Segmente, die im Vereinigungsmerkmal KOR der beiden Einzelmerkmale PALV und ALV quasi homorgan sind und dann als Geminaten (hier: zu [ j ] ) verschmolzen werden müßten, werden deshalb oft durch [e]-Epenthese auf Distanz gehalten. Von diesem Mittel wird um so mehr Gebrauch gemacht, je komplexer das konsonantische Auslautcluster und je schwieriger dadurch die Kontrolle über eine separate Artikulation des /s/ direkt nach dem /j/ wird (siehe auch die Anm. zur Distributionstabelle "Dreier-Cluster" in 10.1.2.1.):

neben

BASIS

FLEX

frij

frij+s

fri; fülj für;

frij-i-[e]s fi>lj + [e]s furj+[e]s

•frisch' 'falsch' 'forsch'

(b) Suffix Asd/ Hier war kein Fall von SUP des Adjektivs und nur ein kurzvokalisches Verb der KL STV belegt, da es eine 2.SG von SWV /drcij+e/ 'stark regnen1 und ein STV mit /Vx;/ (s.o.) nicht gibt. Beim Fall /draj+e/ 'dreschen' mit /Vj1/ alternierten die Formen [drijsd] (vgl. Werner 1961: 225 mit 1st. Beleg w>ssd 'wäschst') und [drijd], wobei für letzteres eine Verschmelzung von einzelnen Merkmalen bzw. eine Dominanz von einzelnen Merkmalen über andere zu veranschlagen ist: Allem Anschein nach werden die Merkmale +FRIK verschmolzen, das Merkmal +PALV jedoch dominiert das entsprechende Merkmal +ALV, wohl weil der ('stärkere') KONS des Stamms gegen den ('schwächeren') KONS der Endung 'siegt'.

118

(4)

Stanmauslaut /n+/, Suffix /+n/ ADJ/ART/PRON BASIS FLEX glain main grim din dan

glan+n min+n griin+[e]n din+[e]n dan- - [ e ] n

'klein 1 /VI/

/V/

'mein 1 grün' 'dünn'

1

'den' 3.PL.DAT

/ai/ wurde als Diphthong quantitativ wie /Vi/ behandelt und folglich /ai -> i/ als /Vi -»- V/, also als Kürzung. SUBST BASIS

FLEX

Jdain dsoin bun

Jdan+[e]n dsein+[e]n bun+ [ e ] n

/Vi/ /V/

'Stein' 'Zahn' 1 Bohne '

Anm.: Basisform /bun/ ist die Wurzel ohne Stammbildungssuffix wie im Lexikoneintrag /bun+e/. Da Stammbildung und Flexion paradigmatisch zueinander stehen (s.o. 6 . l . 4 . / b e d + e / ) , also ein flexivisches /n/ direkt an die Wurzel antritt und nicht ans Stammbildungssuffix, steht /bun/ als Basisform. VERB

STV SWV STV SWV

INF

1./3.PL GER

grain+e froin+e fin+e gxin+e

grain+[e]n froin+[e]n fin+[e]n gxin+[e]n

P.P. ge+grin+[e]n ge+fun+[e]n

/Vi/ /V/

'greinen' 'fronen' ' finden ' 1 können '

Insgesamt gibt es also eine Fülle von Möglichkeiten zum Umgang mit der /n+n/Addition: Epenthese verhindert Gemination nach (a) kurzem und (b) langem Basis-VOK bei

(a) /din/ /dan/ /bun+/ /fin-t·/ /gxin+/

-

/din+[e]n/ /dan+[e]n/ /bun+[e]n/ /fin+[e]n/ - /ge+fun-i-[e]n/ /gxin+[e]n/

/grün/ /dsüin/ /grain+/ /froin+/

(b) - /griin+[e]n/ - /dsein+[e]n/ - /grains[e]n/ - /froin+[e]n/.

Im Gegensatz zu /grim - griin+[e]n/ stehen (c) mit Geminatenverschmelzung und Kürzung des Stamm-VOK allein, (d) mit VOK-Kürzung und [e]-Epenthese: /glain/ /main/

(c) - /glan+n/ - /min+n/

/Jdain/ /grain+/

(d) - /Jdan+[e]n/ - /ge+grin+[e]n/.

119

(B) Keine Geminaten-Cluster (1) Stammauslaut /d/ - Suffix /+sd/ ADJ POS

SUP

braid bleid

bred+sd bleid+sd

STV

swv

'breit' 'blöd' !

VERB INF

2.SG

gaid+e JiJd+e

gad+sd Jid+sd

1

jäten' ' schütten 1

Es liegt reine Addition der Segmente /...d+sd/ vor. Das Prinzip der Kürzung ist vom Fall /bleid+sd/ durchbrochen! (2) Stanmauslaut /f+/ (a) Suffix /+d/

STV

swv

VERB INF

3.SG

2. PL

laif+e Jloif+e gxaif+e

lef+d ;ieif+d gxaif+d

laif+d Jloif+d gxaif+d

P.P.

ge+gxaif+d

'laufen 1 "schlafen" 'kaufen'

Probleme bei der Addition /f+d/ selbst gibt es nicht. Mit Kürzung korreliert sie keineswegs durchgehend. Erstens konint Kürzung, wenn überhaupt, nur bei STV vor (/lef+d/), zweitens ist sie aber selbst dort auf die Kategorie 3.SG beschränkt und kamt in der 2.PL nicht vor:/laif+d/. (b) Suffix /+sd/ ADJ POS

SUP

diif

diif+sd VERB INF laif+e

STV SWV

;ioif+e gxaif+e

1

tief

2.SG lef+sd Jleif+sd gxaxf+sd

'laufen1 'schlafen 1 'kaufen'

Anders als bei (2a) bieten sich hier beim VEPB nicht zwei Formenkategorien zum Vergleich an (dort 3.SG vs. 2.PL). Innerhin zeigt, wie bei (2a) auch, schon der interne Vergleich, daß Kürzung und Erhaltung der Länge schwanken:

120

SWV hat stets erhaltene Länge (wie übrigens auch ADJ.SUP); notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für Kürzung ist das Merkmal STV. (3) Stanttiauslaut /s/ - Suffix /+d/

STV

swv

VERB INF

3.SG

2.PL

lais+e biis+e

lis+d biis+d

lais+d biis+d

P.P.

'lesen' gebüs+d 'büßen'

Kürzung ist wiederum nur bei gleichzeitig vorliegenden Merkmalen STV und 3.SG überhaupt möglich. (4) Stammauslaut III - Suffix /+d/ VERB INF

swv druij+e

3.SG

2.PL

drüij+d

-

P.P

ge+drciJ 1 - -d

'stark regnen 1

Kürzung tritt nicht ein, was bei SW auch nicht verwundert. STV-Fälle mit /Vij/ sind nicht belegt.

(5) Stammauslaut /x/ (a) Suffix Ad/

STV swv

VERB INF

3.SG

2. PL

griix+e grixx+e

grix+d griix+d

griix+d griix+d

P.P.

griix+d

'kriechen 1 'kriegen'

Kürzung korreliert mit STV und 3.SG. (b) Suffix /+sd/ ADJ POS

SUP

xoix waix

xex+sd waix+sd

'hoch' 'weich 1

VERB

STV SWV

INF

2.SG

griix+e griix+e

grix+sd griix+sd

'kriechen' 'kriegen'

Der ADJ.SUP schwankt zwischen erhaltener Länge und Kürzung; beim VERB 2.SG ist Kürzung an STV gekoppelt.

121

Zusammenfassung

Der eingangs gehegte Verdacht, gewisse lautlich auffallende und von denen des konstruktioneilen Ikonismus abweichende Flexionsformen könnten auch kausal phonologisch bedingt sein, hat sich bei einem Typ von Fällen nicht bestätigt: 'schließ - schließt 1 .

Typ [Jliis] - [Jlis+d] Aus einem Vergleichsfall wie [biis]

'büß - büßt 1

- [biis+d]

geht hervor, daß es eine allumfassende Kürzungsregel jedenfalls nicht gibt. Mit norphologischen Einflußfaktoren muß gerechnet werden. Nicht umsonst waren Kürzungen mit morphologischen Merkmalen wie STV oder 3.PERS o.a. in Verbindung zu bringen. Der Verdacht phonologischer Bedingtheit bleibt jedoch bei einem ändern Typ auch weiterhin bestehen: Typ

[glain] - *[glan+n]? - [glan]

'klein - kleinen 1 .

Ein rein phonologischer Lösungsversuch könnte etwa so aussehen. Die Regel wird allgemein formuliert und mit dem Beispielfall formalisiert: (1) Vor KONS-Geminaten wird Lang-VOK gekürzt: ai ->·

a/

nn

(2) KONS-Geminaten werden verschmolzen: nn

->

n

An der historischen phonologischen Plausibilität solcher Prozesse wäre nicht zu zweifeln. Hinderung (1980: 35) hat mit seiner "Moren"-Iösung, die er allerdings als eine synchrone ausgibt, einen möglichen Weg gewiesen. Selbst synchron ist der Ausgangspunkt dieser Prozesse (Addition von Suffixen an Stämme) rekonstruierbar und deren Endprodukt (phonetische Realisation) der Beobachtung direkt zugänglich. Die zwischen Ausgangspunkt und Endprodukt angenommenen Prozesse jedoch sind zwar nicht unplausibel, letztenendes aber, auch hinsichtlich der Regelanordnung, die zusätzliche Probleme bringt (vgl. 5.2.), nicht beweisbar zumindest nicht, wenn nur das flektierte Wort selbst als Testfall genommen wird. Denn bei morphologischen Vorgängen ist, wenn es auch Folgen scheinbar nur phonologischer Art gibt, stets mit deren Morphologisierung zu rechnen. "Wege der Morphologisierung phonologischer Regeln" zeigt Wurzel (1982: 1-29) beispielreich auf. Zudem entstehen viele der additiven Cluster ausschließlich bei Suffigierung, also durch Morphologie, und sind deshalb unter phonologischen

122

Gesichtspunkten an distributioneilen morphinternen Verhältnissen nicht überprüfbar. Hierher gehören etwa alle zunächst zustande körnenden, aber höchst unstabilen (weil im phonotaktischen System nicht vorgesehenen) Geminaten wie

/dd/

/ss/

/ssd/ /nn/,

aber auch andere Cluster wie z.B.

/fs/ /dsd/ und, unter Einbezug des Stamm-VQK, etwa /vifd/

/vixs/,

die alle keinen morphinternen distributioneilen Vergleichsfall haben (siehe 10.1.2.5.). Wo es aber möglich ist, sollen Monomorphe mit ihren internen distributioneilen Verhältnissen und ggf. auch Vergleichsfälle mit interner, aber anders gelagerter Morphgrenze herangezogen werden, vgl. etwa: 1

( d u ) zieh+st' ( e r ) buß+t 1 'Biest(milch)' 1

7.1.2. Sandhi zwischen Wortauslaut und Enklise Frei von morphologischen Zusammenhängen (und damit frei von der Gefahr der Morphologisierung der Ergebnisse von möglichen phonologischen Prozessen) sind neben mononorphen auch und v.a. satzphonetische Testfälle (Klitika im Satzsandhi). Auf deren Befund stützt auch Hinderung (1980: 30, 51) in Anlehnung an Kufner (1961) sehr stark seine Argumentation: "H.L. Kufner cites various instances of sandhi [...]. Using this as a starting point, the present paper provides further evidence for Kufner's position from the inflectional system of verbs".

Sandhi ist dort insofern viel mehr als nur "starting point", als es der einzige nicht in morphologischen Zusammenhängen stehende Testfall ist, der es Hinderung erlaubt, "fortis [...] as a combination of two lenes" zu interpretieren (ebd.). Für das zur bair. Fortis-/Lenis-Frage analoge 1st. Kürzungsproblem sollen deshalb, bevor die Befunde der flektierten Wörter ausgewertet werden, zunächst die Verhältnisse im Satzsandhi Hinweise auf das phonologische Verhalten und die Wirkung von Konsonanten liefern, die auf diese Weise aneinandergeraten, ohne der Gefahr der Morphologisierung ausgesetzt zu sein. Über Beispiele mit potentiell zu kürzendem /Vi/ hinaus werden bei den im Satzsandhi zunächst entstehenden Geminaten

123

auch kurzvokalische Fälle berücksichtigt. Die Reihenfolge richtet sich bis in die Numerierung hinein ganz nach der oben für Cluster aus Stanmauslaut plus Suffix gewählten, so daß der vergleichende Blick erleichtert wird. Die Schreibweise dieser enklitischen Fälle folgt der oben zu den wortinternen Fällen praktizierten und ist ebenso wie dort zu interpretieren. Der Vollständigkeit halber werden hier auch noch einmal enklitische Vergleichsfälle zu dem oben bereits als nicht phonologisch bedingt erwiesenen Typ /lais/ - /lis+d/ gegeben. (A) Geminaten (1) Wortauslaut /d/ - Enklitikum /#d.../ /Vi/ /V/

Wort

Wort und Enklise

seid mid

sei+d#dar mid#der

'sieht - sieht der 1 'mit - mit der 1

xe+d+d

xe+d+dttdux

'hättet - hättet doch'

Die beiden (oder sogar drei) [d] verschmelzen. Zur Kürzung von /Vi/ könnt es nicht. (2) Wortauslaut /s/ - Enklitikum /#s.../

/vi/

lais äs

lais#se as#se

'lies! - lies sie! 'iß! - iß sie! 1

Sowohl nach /Vi/ wie nach /V/ wird /ss/ zu [s] verschmolzen. Zur Kürzung von /Vi/ kamt es jedoch nicht. Ist das Enklitikum aber ein monosegmentales Wort, wird es nicht verschmolzen, sondern es tritt, nach /Vi/ und /V/, [e]-Epenthese ein:

/v»/ /V/

lais äs

laxs#[e]s as#[e]s

'lies! - lies es!' 'iß! - iß es!'

(3) Wortauslaut /;/ - Enklitikum /#s.../ Ein Wort mit /Vij1/-Auslaut, an das ein Enklitikum /#s.../ antreten könnte, ist nicht belegt. Von den Fällen mit /V;/ ist das Enklitikum /#s/ für die Frage interessant, ob es an /;/ total assimiliert wird: Vgl. mit oder

/wij#se/ /wij#s/ /mij#s/

->· ->· ->

[wije] [wijs] [mijes]

'wisch sie!' 'wisch es! ' 'misch es!'

Hier vereinnahmt sich das 11/ das enklitische /s/ dann, wenn es nicht monosegmentales Wort ist: /se/ "sie1. Das /s/ wird jedoch nicht ins /J/ hineingeschmolzen, wenn es monosegmentales Wort ist: /s/ 'es 1 . Vergleichsfall zu diesen /;s/- Clustern aus Wortauslaut und Enklise sind dieselben Cluster aus Staimauslaut und Suffix (7.1.1., Fälle (3a/b)):

124 Vgl. mit und

/drij+sd/ /frij+s/ /fri;+s/

-> -»· ->·

[drijd] [frijs] [frijes].

' (du)drischst 1 'frisches 1

Auch hier gilt also das, was schon in 7.1.1. zur Quasi-Honorganität der Segmente eines /^/-Clusters, zur dadurch drohenden Verschmelzung dieser Quasi-Geminaten und zur Verhinderung dessen durch [e]-Epenthese gesagt wurde. (4) Wortauslaut /n/ - Enklitikum /#n.../ gei+n si(+)n

/vi/ /V/

gei+n#nux sin#nei

'gehen - gehen noch' 'sind - sind nicht'

Beide Beispiele weisen auf /nn/-Verschmelzung hin, das erste zudem darauf, daß /Vi/ nicht gekürzt wird. Wie aber schon beim 'Wort' /s/ 'es' wird auch hier beim 'Wort1 /n/, sei es Prononen oder Artikel oder Partikel 'denn1, Verschmelzung durch Epenthese verhindert:

/Vi/ /v/

sei+n si(+)n

sei+n#[e]n sin#[e]n

'sehen - sehen ihn' 'sind - sind denn1

(B) Keine Geminaten-Cluster (1) Wortauslaut /d/ - Enklitikum /#sd.../ |

gei+d

(2) Wortauslaut

gei+d#s#der

'geht - (wie) geht es dir?'

/f/

(a) Enklitikum /#d.../ |

gxaif

gxaif#der

'kauf! - kauf dir! 1

(b) Enklitikum /#sd.../ l

gxaif

gxaif#s#der

'kauf! - kauf es dir! 1

(3) Wortauslaut /s/ - Enklitikum /#d.../ llois

loisttder

'laß! - laß dir! 1

Von (1) bis (3) werden die enklitischen Einheiten addiert, ohne daß es zu Änderungen beim Stamm-VOK oder Stammauslaut-KONS könnt. (4) Wortauslaut III - Enklitikum /#d.../ Nach /Vi/ liegen keine Belege vor, nach /V/ sind die Verhältnisse lautlich uninteressant. (5) Wortauslaut /x/ (a) Enklitikum /#d.../ wiix

wiixttdix

'wieg! - wieg dich!'

125

(b) Enklitikum/#sd.../ |

wi:x

wiix#s#der

'wieg - wieg es dir!'

Beide Male bleibt die Addition folgenlos. Zusammenfassung

An solchen Fällen zeigt sich, daß zwar Satzsandhi-Fälle nicht (wie polymorphe Wörter) durch morphologische Reaktionen auf phonologische 'Störungen' beeinflußt sind, wohl aber durch 'Gegenwehr' monosegmentaler Wörter: /lois#s/ -»- [lois+es] (wie /grois+s/ -*· [grois+es]

'laß es!' 'großes')

Umgekehrt können mehrsegmentale (gebundene) Morphe und (enklitische) Lexeme sich 'Nachgeben1 leisten: /wij#se/ (wie /wij+sd/

-»· [wije] -»· [wijd]

"wisch sie! ' 'wischst').

Ein ganz wichtiges Ergebnis dieses Überblicks über Verhalten im Satzsandhi ist, daß - von den monosegmentalen Wörtern abgesehen - gleiche (/dd/, /ss/ und /nn/) oder sehr ähnliche (/js/) Segmente immer verschmolzen werden und /Vi/ vor diesen wie vor ändern KONS-Häufungen nie gekürzt wird. Man wird annehmen können, daß sich die Trägerlexeme des enklitischen Aggregats auch nicht gegen Kürzung ihres Stamm-VOK 'wehren' würden, wo sie sich doch auch die Verschmelzung ihres Auslaut-KONS mit identischem Anlaut-KONS der Enklise 'gefallen1 lassen. Damit will ich sagen, daß die Verhältnisse im Satzsandhi völlig gegen die Annahme phonologisch bedingter VOK-Kürzungen durch 'kritische1 KONS-Cluster sprechen. An die Verhältnisse im morphologischen Bereich 'Wort-Sandhi1 kann nun von diesem "starting point" (s.o. Hinderung) aus mit einer eindeutigen Vorgabe aus dem Enklisebereich 'Satz-Sandhi' herangegangen werden. 7.1.3.

Sandhi zwischen Suffix und Suffix

Doch müssen vor einer Auswertung des Sandhi zwischen Stammauslaut und Suffix noch Vorgänge analysiert werden, bei denen es um Agglutination allein von Suffixen geht. Dabei zustande kommende Cluster lassen sich folgender Tabelle entnehmen. Man vergleiche dazu die in Kap. 6 gegebenen MVBs.

126 MUM

KAS

SUBST

+er +e +n

+n +n +n

(1) (2) (3)

ADJ "stark" 11 schwach"

+e +n

+n +n

(4) (5)

TEMP

MOD

+d +d +d

VERB

PERS

GEN

+d +sd +n

(6) (7) (8)

(1) ist phonologisch unproblematisch: /braid+er+n/

->

[braidern]

'Brettern'

(2) unä (4) unterliegen einer als synchron wirksam nachweisbaren Synkoperegel für /e/ in solchen Phonotaxen (s.u.10.2.4.): /bax rx+e+n/ /gro: s+e+n/

[bairxn] [grqisn]

1

Bergen' 'großen'

Fälle wie [dsemen] 'Zähnen' und [griinen] 'grünen' PL.DAT können dann auf zweierlei Art erklärt werden: Entweder läßt man auch "tief /dsein+e+n/, /grim+e+n/ durch die Synkoperegel mit der Ausgabe *[dseinn], *[griinn] laufen, die einer noch zu begründenden Regel zur [e]-Epenthese wieder eingegeben wird (morphologische Konditionierung): /dsein+e+n/ - [dseinn] - [dscinen] /gri m+e+n/ - [griinn] - [griinen]. Alternativ zu dieser morphologisch bedingten Reaktion auf eine phonologische Störung ([e]-Epenthese nach Synkope) könnte man auch gleich eine morphologisch motivierte Verhinderung einer phonologischen Störung ([e]Erhaltung bei drohender Synkope) ansetzen.

Oder man nimmt an, daß die Synkoperegel am Wirksamwerden gehindert wird, wenn der Stammauslaut /n+/ ist, genauer: daß [e] zwischen (homorganen) Nasalen erhalten bleibt (phonologische Konditionierung): /dse:n+e-i-n/ /griin+e+n/

[dsc inen] [griinen]

Argumente hierfür werden in 9.2. angeführt. Als Gegenargument zur obigen morphologischen Konditionierung sei hier nur darauf verwiesen, daß man durch verbotene Eingriffe in die Regelordnung verhindern müßte, daß das Produkt der morphologischen Regeln (internasales [e]) von der Synkoperegel sofort wieder erfaßt wird.

127

(3) und (5) sind (zusammen mit (6); s.u.) besonders aufschlußreich, weil hier im Vergleich zu Fällen wie /glain+n/ /büin+n/

-+ -»·

[glan] [btJinen]

'kleinen' 'Bahnen'

mit /nn/-Clustern aus Staitmauslaut und Suffix /nn/-Cluster aus zwei Suffixen beobachtet werden können. Vgl. die zugrundeliegenden, unter phonotaktischen Aspekten gleichen Cluster /glain+n/ und /blai+n+n/ 'blauen' (PL.DAT "schwach") mit ihren verschiedenen Realisationsformen [glan]

und [blain].

Vgl. ebenso 'tief1 /boin-t-n/ 'Bahnen' und /grai+n+n/ 'Krähen' PL.DAT mit realisiert fboinen]

und [gram].

Der Vergleich zeigt, daß bei Stammauslaut-Suffix-Clustern die identischen Segmente entweder, bei gleichzeitiger Kürzung des Staimt-VCK, verschmolzen oder durch [e]-Epenthese auseinandergehalten werden, während bei den Suffix-SuffixClustern weder [e]-Epenthese *[blainen]

*[grainen]

noch Verschmelzung mit /Vi/-Kürzung *[blan]

*[gran]

eintritt. Der maßgebende Unterschied dieser Fälle zu jenen, bei denen solche lautlichen Konsequenzen auftreten, ist, daß der Stammauslaut von einer Geminatenverschmelzung nicht mitbetroffen ist oder wäre. (6) ist leider nur an den ganz wenigen Verben der KL SW testbar, die überhaupt PRÄT haben. Zudem fehlen gleichermaßen günstige Vergleichsfälle wie bei (3) und (5). Es gibt zu kein

/ J i x d + d / -»· [jid] ' ( e r ) schüttet 1 * / . . . v : + d + d / -> *[...Vid]

wie es auf der ändern Seite zu ein

/glain+n/ -»· [glan] /bla:+n+n/ ·* [bla:n]

128

gegeben hatte. Imnerhin zeigen aber Fälle von PRÄT.2.PL wie /xe+d+d/ ->- [xed] /sal+d+d/ -»- [said] /duirf+d+d/-*· [duirfd]

'hättet 1 'solltet' 'durftet',

daß identische Suffixe verschmelzen. (7) ist wie (6) von den wenigen Verben der KL SW mit PRST abhängig. Die nicht identischen Suffixe addieren sich ohne Störungen zu einem Cluster: /(dui)

xe+d+sd/

·*

[xedsd]

Anm.: Ein Sonderfall, der mit dem hier zu behandelnden Problem allerdings nichts zu tun hat, sondern seinen Grund in der phonemischen Distribution findet ( s . u . 1 0 . 1 . 2 . 3 . ) , ist, wenn das Suffixcluster /+d+sd/ z . B . an stammauslautenden FRIK antritt und der 'eingeschlossene' PLOS schwindet: /duirf+d+sd/ ·> [duirfsd] ' ( d u ) durftest 1 .

(8) ist erwartungsgemäß 'störungsfrei': /nros+d+n/

·*·

[mosdn]

' (wir)

mußten"

Auch dieser überblick über die Verhältnisse im reinen Schwachtonbereich legt es nahe, beim Aneinandergeraten identischer Segmente zunächst Verschmelzung als das phonologisch Normale anzunehmen und Nicht-Verschmelzung als Blockierung des phonologischen Prozesses aufzufassen, die selbst jedenfalls anders als phonologisch motiviert ist. Außerdem zeigen die hier behandelten Suffix-Cluster auch wieder, daß, führt das Cluster zu Geminaten, diese Geminaten keineswegs /Vi/-Kürzung automatisch phonologisch bedingen. Mit dieser zusätzlichen Vorgabe aus dem ausschließlich suffixischen Bereich des flektierten Wortes können nun endgültig die Tabellen mit den flektierten Wörtern ausgewertet werden, deren Konfliktpotential an der Naht von Stamm und Endung lagert. Anm.: Ergebnisse von Verschmelzungs-Prozessen, die sich schon im reinen Suffixbereich abgespielt haben, können schon vorausgesetzt werden, d.h. es genügt z.B. bei /bt>in+n+n/ PL.DAT von 'Bahn' das 'Überbleibsel' /+n/ in die konfliktträchtige Stellung zum /n+/ des Stammes zu bringen, also von /büin+n/ auszugehen.

7.2.

Problemdeutung

Vorgaben aus 7.1.2. und 7.1.3. zur Beurteilung des Sandhis zwischen Stammauslaut und Suffix (7.1.1.) sind: 1. Im Sandhi zwischen Suffixen (7.1.3.) werden nicht identische Segmente aneinandergereiht, ohne daß es zu Kürzungen des Stamm-/Vi/ kommt. Nur phonotaktische

129

Kegeln (z.B. Synkope van /e/ vor Auslaut /n/) wirken. Identische Segmente, also 'tiefe1 Geminaten, lösen nie Kürzung des Stamn-/Vi/ aus. Sie werden auch nie durch [e]-Epenthese getrennt voneinander gehalten, sondern irrtner verschmolzen. 2. Im Sandhi zwischen Wortauslaut und Enklisen (7.1.2.) gilt für nicht identische Segmente das zu 1. Gesagte. Identische Segmente (Geminaten) werden jedoch durch [e]- Epenthese auf Distanz gehalten, wenn das enklitische Wort monosegmental ist. Sonst verschmelzen identische Segmente, lösen aber nie Kürzung des Staitri-/Vi/ aus. Fazit (a) Eine phonologische Regel zur Kürzung von langem Starttn-VOK vor Geminaten gibt es nicht. Da sich Enklisen und Suffigierungen phonologisch gleich verhalten, sind Erkenntnisse aus Enklisesystemen auf Suffixsysteme übertragbar. Wird das "fictitious agglutinating analogue" Lounsburys (s.o.) von enklitisch /lain#n/ '(sie) legen ihn1 und suffixisch /graz+n+n/ 'Krähen' PL.DAT, also der phonologisch im Auslaut identischen Ketten /lainn/ bzw. /grainn/, in der phonetischen Realisation nicht zu *[lan] bzw. *[gran] gekürzt (sondern als [lamen] bzw. [gram] realisiert), kann beim Sandhi zwischen Stairmauslaut und Suffix eines Falles wie suffixisch /glain+n/ '(die) kleinen1, der phonologisch mit obigen Fällen im Auslaut ebenfalls identisch ist,

vgl. /glaxnn/, die

stattfindende Kürzung (zu [glan]) nicht plötzlich mit dem phonologischen Sachverhalt einer postvokalischen Gemination erklärt werden. (b) Eine phonologische Regel, daß Geminaten verschmolzen werden (wenn sie nicht durch [e]- Epenthese auf Distanz gehalten werden; siehe ( c ) ) , gibt es sehr wohl: /grai-t-n+n/ /glain+n/

-»· -»·

[gram] [glan].

(c) Die [e]-Epenthese kann keine phonologische Regel sein, da der in (b) geschilderte Gegenfall, nämlich phonologisch ganz plausible Geminatenverschmelzung, existiert. Doch was sind (a) und (c), wenn sie nicht phonologisch bedingt sind? - Eine Antwort darauf wird in den zwei folgenden Kapiteln gegeben.

130

7.2.1. Re-aktive Morphologie [e]-Epenthese

Auf ihre möglichen Ursachen gab es schon mehrere Hinweise. 1. Das [e] ist nicht Teil der zugrundeliegenden Repräsentation eines Morphs. Das wurde in der Einleitung zu Kap. 7. ausführlich begründet. 2. Es tritt genau dort auf, wo zwei identische Segmente, die durch morphische Addition nebeneinander zu stehen kannen, verschmolzen zu werden drohen. 3. Diese Segmente haben lexiko- bzw. morphosemantische Funktion, d.h. sie leisten als Suffixe die konstruktionell-ikonische Kodierung flexivischer Merkmale bzw. tragen als Auslaute des Stanmes dazu bei, den lexikalischen Kern zu kodieren. Wenn nun durch [e]-Epenthese die lautliche Repräsentationsform sowohl des Stamms wie des Suffixes unversehrt bleiben kann, erscheint die [e]-Epenthese als semantisch motivierter Ikonismus. Sie tritt denn auch bezeichnenderweise da auf, wo eine Geminatenverschmelzung unter ikonischem Aspekt am nachteiligsten wäre: wenn nämlich (a) nach der Verschmelzung des gesamten Enklitikums mit dem Wortauslaut das Wort wieder in seinen Zustand vor der Klitisierung versetzt würde oder (b) nach der Verschmelzung eines Suffixes mit dem Stantnauslaut der eigentlich zu flektierende Stamm wieder mit dem unflektierten identisch wäre. (a)

/laxn/#/n/ ->-

*[lain]

' (sie) legen ihn1

Das Produkt wäre mit unklitisiertem /lain/ identisch. M . a . W . : Das enklitische Pronomen wäre total verschwunden. (b)

/grim/+/n/ ·*

* [grün] 'grünen 1

Das Produkt wäre mit unflektiertem /griin/ identisch. M . a . W . : das Suffix wäre total verschwunden.

Dieser Effekt wird beide Male durch [e]-Epenthese verhindert. Stanm und Suffix bleiben unverändert. Solange jedoch die lautliche Gestalt klitisierter/suffigierter Wörter nach dem Durchlaufen des phonologischen Regelwerks nicht wieder mit der lautlichen Gestalt vor der Klitisierung/Suffigierung identisch ist, werden ikonische Teilverluste hingenatmen. Beispiele dafür finden sich v.a. (a) in 7.1.2., aber auch in (b) 7.1.3, und (c) 7.1.1. (der Stanm ist in folgenden Beispielen immer noch identifizierbar; nach ihm wird jeweils eine Grenze markiert, auf die noch 'etwas1 folgt): (a) (b) (c)

/sal+d+d/ -> /as#se/ + /biJs+sd/ ·>

[sal+d] [as#e] [biis+d]

' ( i h r ) solltet' 'iß sie! 1 ' ( d u ) büßt'

131

Ein ähnlicher ikonischer Teilverlust wird durch Synkope ausgelöst. Auch er wird hingencmnen: /bairx+e+n/

->·

[baxrx+n]

'Berg 1 PL. DAT

/Vi /-Kürzung Wie [e]-Epenthese tritt auch Kürzung im Zusaintienhang van 'tief entstehenden Geminaten auf. Wie bei Fällen, die letztlich [e]-Epenthese aufweisen, ist bei Fällen, die letztlich /Vi /-Kürzung aurweisen, danach zu fragen, was ohne diese Kürzung geschähe: /glain/+/n/

-»· -»

*[glain] *[jixd]

'kleinen 1 ' (ihr) schüttet 1

Die Produkte wären mit unsuffigierten Stämmen identisch: Es herrschte ikonischer Totalverlust.

Muß in diesem Lichte die /Vi /-Kürzung nicht als ein Mittel zur Verhinderung ikonischer Totalverluste erscheinen, das gegenüber der [e]- Epenthese zwar anders geartet, aber funktioneil gleichwertig ist? - In der Zusammenfassung zu 7.1.1. wurden zwei Vorgänge genannt, die in einer bestirnten Reihenfolge stünden und beide als phonologisch bedingte Prozesse angesehen wurden: (1) /Vi/- Kürzung (vor KONS-Geminaten) (2) Verschmelzung der KONS-Geminaten

In 7.1.2./3. wurde aber nachgewiesen, daß es die oben eingeklammerte Bedingung für (1) nicht gibt: /Vi /-Kürzung findet zwar unbestreitbar statt, jedoch nicht aus dem phonologischen Grund, daß dem Lang-VQK KONS-Geminaten folgen. Also bleiben als Regeln (1) nicht phonologisch bedingte /V /-Kürzung (2) phonologisch bedingte KONS-Geminaten-Verschmelzung.

Die enge Bindung der /V» /-Kürzung daran, daß, fände sie nicht statt, ikonischer Totalverlust drohte, legt es nahe, sie in ihrer Funktion der [e]-Epenthese gleichzustellen. Für die Reihenfolge der oben genannten Regeln bedeutet dies jedoch, daß sie umgekehrt ist: die Kürzung stellt eine Reaktion auf Geminatenverschmelzung dar - und zwar eine ikonisch motivierte! Der Argumentationszusaitmenhang wäre dann: (1) phonologisch bedingte Verschmelzung einer morphologisch- ikonischen Einheit mit dem Stammauslaut ist hochgradig kontramorphologisch. (2) Die Reaktion ist morphologisch motivierte kcmpensatorische Kürzung: So, wie /grim+n/ -»· [grixnen] Kompensation durch Epenthese ist, ist /glaxn+n/ ->- [glan] Kompensation durch Kürzung.

132

Offensichtlich müssen aber einzelne Lexeme auch dann, wenn sie wie die obigen Beispiele einer Wortart angehören, explizit dafür markiert werden, auf welche der beiden konkurrierenden Weisen die konpensatorische Symbolisierung im gegebenen Falle zu erfolgen hat. Andererseits scheint es doch wortartenbedingte und segmentbedingte (d.h. von den betroffenen Phonemen abhängige) Unterschiede zu geben. Auch dürften Frequenzen eine Rolle spielen. Diese in der obigen Kapitelüberschrift so genannte "re-aktive Morphologie" wird im Kap. 9. ausführlich behandelt. Hier ist schon deutlich geworden, daß es sich um eine bestimmte Ausfornung der Morphologie handelt: um "Morphologie nach Phänologie" (vgl. 4.5.) 7.2.2. Morphologisches Klassenverhalten und Zusammenfassung In 7.2.1. wurde nachgewiesen, daß auf einen phonologischen Prozeß der Verschmelzung von Geminaten, der kontra-ikonisch wirkte, die Morphologie mit.dem Mittel der Kürzung des Stamm-/Vi/ als Kompensation für die verschüttet gegangene, ursprünglich segmental-additive Kodierung re-agiert. VCK-Kürzung ist hier also nicht durch nachfolgende KONS-Geminate, also nicht phonologisch bedingt. Auf viel direkterem Wege kannte schon in 7.1.1. nachgewiesen werden, daß die VCKKürzung bei Fällen, deren postvokalische KONS-Cluster keine Geminaten bilden, nicht phonologisch bedingt ist. Es sei an Gegensätze erinnert wie gekürzt 3.SG /Jiis+d/ vs. ungekürzt 2.PL /;iis+d/ oder 3.SG /biis+d/

-* ·> ->

' ( e r ) schießt1 ' ( i h r ) schießt' ' ( e r ) büßt 1 .

[Jisd] [jiisd] [bizsd]

Insgesamt waren Kürzungen bei solchen Nicht-Geminaten belegt für die Cluster /f, s, + d/ und /d, f, + sd/ (siehe obige Listen). Zu all diesen Clustern mit Kürzung ließen sich jedoch selbst aus dem Bereich der Morphologie auch welche ohne Kürzung finden, so daß die Evidenzen des Satzsandhi gar nicht mehr als Argumente gegen eine phonologische Bedingtheit gebraucht wurden. Fragt man anstatt nach den (jedenfalls nichtphonologischen) Bedingungen für erhaltene Länge nach denen für Kürzung, ergibt sich folgendes Bild. "K" steht in der Tabelle für regelmäßige Kürzung "(K)" für Kürzung in Einzelfällen: VERB.PRÄS.3.SG STV SWV

f+d s+d x-i-d

K K K

M = Morpholgische Merkmale

VERB . PRÄS . 2 . SG STV SWV ADJ . SUP

d+sd f+sd x+sd

K

K

(K)

K

K

P = Phonologische Muster

(K)

133

Die Kürzung in Einzelfällen wäre explizit zu markieren, die Regelfälle haben systematischen Charakter und einen weiten Geltungsbereich. Da Kürzung nicht automatisch (phonologisch) eintritt, muß sie an andere Merkmale gekoppelt werden, die hier in erster Linie morphologisch sind: Kürzung ist verknüpft mit einer Angabe der verbalen Kategorien 2./3. SG.PRSS. Damit würden aber auch die entsprechenden Kategorien bei SWV erfaßt, was wegen der Fälle /gxaif+d/ /biis+d/ /griix+d/

-

/gxalf+sd/ /büs+sd/ /griix+sd/

3./2.SG 'kaufen' 'büßen' 'kriegen 1

nicht angeht. Dagegen kann die Geltung der Regel strikt an STV gekoppelt werden. Dann bleiben jedoch Fälle wie /xiid+sd/

-+·

[xidsd]

2.SG 'hüten' SWV

unerfaßt. Da sich die Kürzungsregel bei SWV nicht auf die Kategorie PRSS.2./3.SG generell ausdehnen läßt (s.o. [biisd] '(du) büßt')/ muß zusätzlich auf den Stammauslaut /d+/, ein phonologisches Muster, Bezug genommen werden. Eine Regel, die dem gesamten Sachverhalt gerecht wird, müßte so formuliert sein: In der 2./3.SG.PRÄS wird langer Basis-VOK gekürzt, wenn STV vorliegt (Regel I) oder SWV mit stammauslautendem /d+/(Regel I I ) .

Diese Regeln stehlen zwar gewissermaßen der Regel, die eine morphologisch bedingte, weil Ikonitätsverlust kompensierende Kürzung des Stairm-VOK nach /d+d/-Verschmelzung vorsieht, die Eingabefälle, wenn sie zu übergeordneten Regeln gemacht werden. STV /siid+d/ '(er) siedet1 und SWV/jiid+d/ '(er) schüttet' würden nämlich von beiden Regeln erfaßt und korrekt als [sid] bzw. [/id] ausgegeben. Nur hat die Regel zu STV (I)

Vi

·> V / STV.PRÄS.2./3.SG

einen weit über die /d-Ki/-Fälle hinausgehenden Geltungsbereich, indem sie alle die genannten Fälle auch mit anderen Stammauslauten als /d+/ erfaßt. Regel II !_Stammauslaut/d+/

reicht ebenfalls über die auch als kompensatorisch erklärbare VOK-Kürzung bei /d+d/ hinaus, da nicht nur die 3.SG mit ihrem /+d/-Suffix betroffen ist, sondern auch die 2.SG mit /+sd/. Natürlich hätte man dann Regel II auf 2.SG beschränken können. Nur wäre dann die Generalisierung, daß beide Personen

134

(2. und 3.SG) in beiden Verbklassen (STV und SWV) betroffen sind, nicht möglich gewesen. Mit der hier gewählten (und wahrscheinlicheren) Lösung lassen sich die Regeln I und II sogar zusammenfassen: (I/II) Vi

->·

V / PRÄS.2.-3.SG

/

Diese Doppelregel jedoch macht die oben bereits formulierten Regeln zur phonologisch bedingten KONS-Degemination (III) und der morphologisch-ikonisch motivierten kompensatorischen VCK-Ktirzung (IV) nicht überflüssig: (III)

K K X X

(IV)

VI

H

V/Regel III

Denn diese Regeln werden für die 2. PL des STV und des SWV noch gebraucht. Deren Realisationen würden nämlich durch die Regeln I und II nicht hergestellt werden können: Recjeln

zugrundeliegend 2. PL. STV 2. PL. SWV

siid+d Jiia+d

III

IV

Ausgabe

slid ;i«d

sid Jid

sid Jid

1 1

( i h r ) siedet' ( i h r ) schüttet1

Damit hätte man zwei Regelkomplexe (I/II und II3/IV), die sich teilweise überschneiden, indem bestimmte Fälle von beiden erfaßt würden. Ließe man nun je ein STV und SWV mit /d+/-Auslaut in sowohl der 3.SG als auch in der 2.PL durch die Regeln I-IV laufen, würden über folgende Etappen die korrekten Ausgaben hergestellt: zugrundeliegend 3.SG.STV

siid+d

3.SG.SWV auf /d+/

Jiid+d

2. PL. STV

siid+d

2. PL. SWV

I

II

Regeln III

sid+d Jid+d

IV

realisiert

sid

sid

' ( e r ) siedet1

Jid

Jid

1

(er) schüttet1

sid

1

( i h r ) siedet'

1

( i h r ) schüttet'

siid Jixd

sid Jid

Jid

Anzumerken bzw. zu wiederholen ist, daß der Regelkomplex III/IV unbeschränkt nur für /d/ gilt, eingeschränkt für /s/ auf das Cluster /s+sd/, noch stärker eingeschränkt für /n/ auf bestimmte (zu markierende) Wörter und gar nicht für /s/ in /s+s/-Clustern. In den beiden letzten Fällen wird nämlich als Strategie der kompensatorischen Symbolisierung nicht VOK-Kürzung, sondern [e]- Epenthese gewählt.

135

Es ist bislang noch nicht darauf hingewiesen worden, daß Regel I in dieser Unbeschränktheit ebenfalls zu falschen Ergebnissen führen würde, da ihr Inkrafttreten auch von phonolcgischen Auslautmustern abhängig ist. Ich breche daher an dieser Stelle meine allgemeinen und wortartenübergreifenden Vorüberlegungen zur phonolcgischen und/oder morphologischen Regulation von Folgekonflikten suffixischer Addition ab und wende mich den wortart- und flexionsspezifischen Regelungen des KL-Verhaltens im Detail zu. Über die bislang im Vordergrund gestandene Veränderung des Stamm-VOK als KL-typische Verhaltensweise bestimmter Flexionsformen hinaus müssen im folgenden noch einbezogen werden: (a) qualitative Veränderungen des Stamm-VOK, (b) Suffixwahl (z.B. beim PL des Substantivs) . Bei diesen Erscheinungen wird es sich als viel offensichtlicher herausstellen, daß rein phonologische Bedingtheit nicht vorliegen kann. Wohl aber werden phonologische Muster das KL-Verhalten mitbestiitmen. Von daher werden dann auch Voraussagen zum morphologischen Verhalten möglich (Kap. 8.) . 8.

"Irreguläre" Morphologie: Akzidentielle Symbolisierung und Flexionsklassenstabilisierung

Zu diesem Typ von Morphologie vgl. man 4.4.5., 4.5. und, was die Frage phonologischer oder/und morphologischer Bedingtheit lautlich auffälliger Formen angeht, Kap. 7. Ein Kap. 8 ist notwendig, weil sich die Morphologie verschiedenen 'Luxus' ('Luxus' freilich nur unter dem Aspekt des Speicheraufwands, sonst durchaus mit bedingtem kommunikativen Nutzen; s.o. 4.5.) leistet: (1) Beim "Konstruktionellen Ikonismus" (Kap. 6.) war davon die Rede, daß ein (semantisch markiertes) Merkmal durch nicht mehr als ein Morph symbolisiert zu sein braucht (aber auch durch nicht weniger als ein Morph symbolisiert werden sollte) . Doch ist es auch oder sogar eher einzelsprachliche Normalität, daß bestimmte einzelne Merkmale durch mehr als ein morphologisches Mittel kodiert werden: z.B.:

in:

ein Merkmal 2.PERS

/Iaif0/

-

(a)

( b ) , (c)

/lefsd/

-»· -

mehrere Marker (a) /+sd/ (b) /Umlaut/ (c) /Kürzung/ 'laufen 1

136

"Akzidentiell" nenne ich diese Symbolisierung, weil andere Lexeme in der gleichen Flexionsform mit einem der genannten Kodierungsmittel auskamen, das sich dadurch als (eben nicht nur akzidentieller) Hauptträger der morphologischen Symbolisierung eines Merkmals herausstellt. Vgl. zu oben in:

2.PERS -»· /gxaif0/ l

nur (a) /+sd/ /gxaifsd/ 'kaufen 1 jt_f

(a)

Auch hier wären (b) Umlaut und (c) Kürzung phonologisch möglich: Der /ai ->· e/Wechsel in morphologischem Zusammenhang ist ein weiter verbreitetes Muster. Doch folgt dieses Verb dem genannten Vorbild nicht. Die entsprechende Form lautet nicht Vgxefsd/, eben weil das Verb nicht zu der KL von Verben gehört, die sich nach diesem Muster richten. Ein weiterer Gesichtspunkt ist, daß diese Mittel der akzidentiellen Kodierung meistens solcher Natur sind, daß sie gar nicht überall funktionieren könnten (v.a. Um-/Ablaut; VQK-Kürzung) : Was nützte z.B. eine Anweisung "PL -»· Umlaut", wenn der umzulautende (= zu palatalisierende) Basis-VQK schon palatal ist! Deswegen sind akzidentielle Mittel immer in ihrem Anwendungsbereich beschränkt (vgl. Wurzel 1984: 172). (2) Eine zweite Belastung besteht darin, daß die Morphologie nicht inner nach dem nur eine Möglichkeit morphologischen Verfahrens darstellenden Prinzip "one function - one form" (siehe Einleitung zu Kap. 6.) handelt: Sie leistet sich Allcmorphie. Besonders deutlich werden wird dies unten in 8.2.1.1. zur Wahl der substantivischen PL-Allonorphe. Beide Arten von 'Luxus' bedeuten, daß man die KL-Zugehörigkeit wissen muß, bedeuten also "zusätzlichen Lernaufwand" (Wurzel 1984: 117). Gleichzeitig damit, daß sich die Morphologie diesen Aufwand leistet, ist sie gezwungen, ihn in Grenzen zu halten. Dafür steht ihr das Mittel zu Gebote, die rein morphologischen Eigenschaften des Verhaltens flektierter Formen an andere Merkmale "anzulehnen" (ebd.): (a) an andere flexivische Merkmale (semantische, syntaktische, morphologische selbst; vgl. fürs Hd. Wurzel 1970) und/oder (b) an "außermorphologische" (ebd.) wie v.a. phonologische. Wurzel (1984: 118-21) nennt solche Beziehungen zwischen KL-Verhalten und ändern Merkmalen "Implikationsmuster" (vgl. Beispiel in 4.4.5.). Wichtig ist Wurzels (1984) Hinweis darauf, daß diese "Implikationsmuster keine Erzeugungsregularitäten, sondern Strukturregularitäten" seien (121).

137

KL-Verhalten ist also nie phonologisch oder morphologisch "bedingt" im Sinne der sprachwissenschaftlichen Verwendungsweise dieses Begriffs, sondern für KLVerhalten gelten lediglich "statistische Gesetze" (ebd.: 199). Der Grammatiker hat mithin "stochastische Regeln" (vgl. das Zitat von Kopeke/Zubin in 4.4.5.) zu formulieren. Sie ermöglichen Prognosen des morphologischen Verhaltens und begrenzen den Lernaufwand. Sie fürs Lst. aufzustellen, soll im folgenden versucht werden. Dabei mag es oft zweifelhaft erscheinen, für eine relativ geringe Zahl von Fällen und angesichts einer zwar stets kleineren, aber häufig doch ganz beträchtlichen Zahl von Gegenfällen ("Ausnahmen") von "Gesetzen" oder "Regeln" zu sprechen. Doch sind, weil es sich um "statistische Gesetze" und "stochastische Regeln" handelt, damit 'nur' strukturelle Gesetzmäßigkeiten und Regularitäten (der Mnemotechnik) gemeint. 8.1.

Verbale Klassen

8.1.1. Verbalklasse I In 4.3.4. und 4.4.5. war von dem Ziel jeder Morphologie die Rede, explizite KL-Angaben (w.o. "Verbalklasse I"), also Angaben zum morphologischen Verhalten möglichst ganz überflüssig zu machen und es nur aus ändern, in der Einleitung zu Kap. 8. so genannten "Implikationsmustern" vorherzusagen. Dies wurde auch bei den Konjugations-Klassen versucht, war aber nur bis zu einem gewissen Punkt möglich. Es stellte sich heraus, daß es bei den Verben mit auffälligem morphologischen Verhalten unumgänglich ist, dem Basislexem eine KL-Angabe (I oder II) beizugeben. Detaillierte Angaben zum morphologischen Verhalten ('Sub-Klassen' wie *I1 o.a.) sind dann jedoch nicht mehr nötig. Das KL-Merkmal I ersetzt im folgenden das bisher verwendete STV, und KL-Merkmal II steht für irreguläres SWV. Gerade für das Verb ist die Zuordnung von Einzellexemen zu Klassen mehr noch als beim Substantiv von jeher Bestandteil von Grammatiken gewesen. Sie findet sich sowohl in Grammatiken zu historischen Vorstufen des Deutschen als auch in synchronischen Untersuchungen wie denen von Halle ([1953] 1970) und Ulvestad ( [1956] 1970). Hier werden stets wortstrukturelle/phonotaktische Muster mit Ablautungsregularitäten korreliert und sonit KL gebildet. Dabei scheinen von der Basiskategorie INF her Voraussagen zur KL-Zugehörigkeit schwieriger zu sein als solche dazu, ob und wie innerhalb einer KL regelmäßige Prozesse vor sich gehen. Eine neue Arbeit dazu stammt von Bybee/Moder (1983), denen es im Zusammenhang der Korrelation von Wortstruktur und Ablautklasse (hier: englischer "starker" Verben) weniger um eine Voraussage der abgeläuteten

138

Basisform geht als um eile vorbildhafte Wirkung von abgeläuteten Mustern auf Basisformen, die KL-übertritte 'begehen', indem sie einem Ablautvorbild folgen. Die Blickrichtung ist also weniger basisorientiert ("source oriented") als vielmehr produktorientiert ("product oriented"; ebd.). Eine KL-Morphologie des Verbs hat beides zu berücksichtigen. Die Verben der KL I lassen sich größtenteils danach ordnen, welchen StammVOK die Basis (INF) aufweist. Basisorientiert ergaben sich fünf Gruppen (1-5). Zunächst wird getrennt untersucht, wie sich die Angehörigen dieser Gruppen in der 2./3.SG.PRHS, sodann im P.P. verhalten (8.1.1.1./2.). Erst danach werden aufgrund der Ergebnisse dieser ersten Schritte die "Stantnformen" jeder der Gruppen (1) bis (5) gemeinsam dargestellt (8.1.1.5.). Dazwischen liegen noch Kapitel zum PRS.T (8.1.1.3./4.), deren Ergebnisse z.T. auch für die Zusammenstellung der "Stammformen" gebraucht werden.

8.1.1.1. Zweite/Dritte Person Singular Die fünf Gruppen, die sich basisorientiert ergaben, werden produktorientiert nach dem quantitativen und qualitativen Verhalten der 2./3.SG.PRKS in (a) und (b) untergliedert. Die Zahl vor jedem Beispielbeleg bezieht sich darauf, wie viele Verben zu diesem Verhaltenstyp gehören. Sie werden in 8.1.1.5. im einzelnen verzeichnet. Der Beleg steht in der Produktform (PERS-Flexion), nicht in der Basisform (INF). Was die Änderungen des Stamm-VCK betrifft, verhalten sich 2. und 3.SG gleich. Deshalb wurden die Belege nur anhand einer PEPS-Form gegeben - der 3.SG: (a)

(b)

\2.3. \.

INF

ai

X

2 bfif+d 4 Jmis+d 3 Jlix+d

'pfeift' 1 schmeißt1 ' schleicht'

d

4 fnid+d

' schneidet '

f s

(D ai

i

b

4 draib+[e]d

'treibt'

n -

1 grain+d

'greint 1

1 blai+d*

'bleibt'

* Mit der Variante /blaib+[e]d/ auch im Typ /draib-t-[e]d/ vertreten.

139

>^

(a)

(b)

i

ii 1

11 fin+d

(2)

3 gis+d 3 flix+d

s

ii

'gießt' 'fliegt '/'biegt'

2 biix+d

'siedet 1

2 sid+d

d

'schiebt 1

b r

2 friir+d

•friert'

-

1 dsii+d

'zieht 1

(a) i

INF^v

a

l J)

ai

findet '

(b)

(a)

(b)

ii

a

ai

•ißt 1 'drischt' 'trifft' •bricht 1

X

3 1 1 4

m

1 nim+d

' nimmt '

1

5 Jwil+d

•schwillt 1

(b)* d

1 gi+d 1 drid+d

'gibt 1 'tritt'/' jätet'

s J f

is+d drij+d drif+d brix+d

s

1 lis+d

r

1 wir+d**

3 gad+d

'liest 1 1 wiirf+d 1 Jdiirb+[e]c1

1 Jair+d 'wirft' /'schert 1 fdairb+[e]d 'stirbt'

* Basisform-Varianten /gai-t·/ und /gaib-t·/. ** Oder /wird+0/, dessen Stamm dann schwach suppletiv zum Basis-Stamm /wair/ ohne /d/ wäre. (a)

(b)

(a)

e D

(4)

^ d

Df

b r 1

(b) Dl

6 xeld+d

3 ;bold+d

'hält'/'spaltet 1

1 led+d

1 büd+d

'lädt'/'badet'

1 greib+[e]d

1 grDib+[e]d

•gräbt'

1 droi+d

•trägt 1 'fährt 1

1 feir+d 1 müil+d

•mahlt'

140 (a)

(b)

i

ei

\2.3. INF^X^^

(5) ox

d

3 Jrid+d

'schrotet 1

s

3 lis+d

'läßt'

(f)

2 Jleif+d

'schlaff

Quantität

Zunächst sollen alle qualitätsverändemden Prozesse ausgespart bleiben. Als Urteile über die Quantität sind nach Aasweis der Tabellen möglich "erhaltene Kürze", "Kürzung", "erhaltene Länge". Nicht möglich ist das Urteil "Dehnung". Durchgehend ist, daß kurzer Basis-VOK auch in der Produktform kurz bleibt. Was langen Basis-VCK betrifft, ist zunächst festzustellen, daß "erhaltene Länge" gegen die in 7.2.2. formulierte Regel I spricht, die Kürzung in der 2./3.SG.PRKS generell vorsah. Trotzdem ist daran festzuhalten, daß es in der überwiegenden Zahl der Fälle zu einer Kürzung des Stamm-VOK kommt. /ai/, also ein Diphthong (/W/), wird /Vi/ quantitativ gleichgestellt. Unter "Kürzung" kann dann auch die Alternation /ai-i/ gefaßt werden. Immerhin ist auch in ändern morphologischen Prozessen die Gültigkeit einer "via-rule"/ Korrespondenzregel zwischen 'lang1 /ai/ und "kurz1 /i/ zu belegen. Man vgl. etwa die "kompensatorische" Kürzung von /main+n/ -»· [main] -*· [min] 'meinen1 analog zu /jem+n/ ·*· [jem] -»· [Jen] 'schönen1. Daß die in diesem Kapitel behandelten Kürzungen nicht phonologisch bedingt, sondern Teil eines Implikationsmusters sind, in dem morphologische Merkmale z.T. zusammen mit phonologischen das Verhalten bestimmter Flexionsformen steuern, braucht hier nicht nochmals nachgewiesen zu werden. Die entsprechenden Argumente dafür finden sich schon in 7.2.2. Diesbezügliche Regeln wie (I) und (II) wurden dort schon vorformuliert. Im Gegensatz zu der von Hinderung (1980: 33) fürs Bair. entworfenen Lösung kann, zumindest fürs Lst., nicht von einer phonologischen Konditionierung dieser Vorgänge ausgegangen werden, sondern allein von einer morphologischen, die allerdings nur zusammen mit bestimmten phonologischen Mustern wirksam wird. Die in 7.2.2. dafür schon formulierte Regel (II) enthält eine solche Information bereits, die ebendort vorformulierte Regel (I) müßte dahingehend noch präzisiert werden. Um dies zu erreichen, wird im folgenden ein anderer, umgekehrter Weg beschritten, d.h. nicht zuerst nach Gründen für Kürzung gesucht, sondern nach den Ursachen erhaltener Länge. Die Fälle mit quantitativer Konstanz des /Vi/, also erhaltener Länge, lassen sich in wenige Gruppen zusammenfassen:

141 (A)

/blai bed zu ( l ) drai bed rai bed Jrai bed (2) Jii bed Jdairbed (3) Jdiirbed grei bed/ (4)

'bleibt treibt reibt schreibt schiebt stirbt

(B)

/blai dsii driDi Jlei

d zu (D d (2) (4) d d/ (5)

'bleibt' zieht trägt schlägt1

(O

/grain friir ferlür Jair wiirf müil feir

d zu (1) d (2) d d (3) d d (4) d/

'greint friert verliert schiert wirft mahlt fährt 1

/bii d zu (2) wii d Jlei f d/ zu (5)

'biegt wiegt schläft'

(D)

II

gräbt1

Merkmal der Gruppe (A) ist stanmauslautendes /b/, das in der Position nach /Vi/ bzw. /W/ gegen die Bildung eines Clusters mit /+d/ (und +sd) idiosynkratisch ist, wodurch sich das Epenthese-[e] erklärt (vgl. 10.1.2.1.). Gruppe (B) ist durch stairmauslautend /W/ bzw. /Vi/ gekennzeichnet und hat mit (A) gemeinsam, rteR bei der Addition des PERS-Morphs kein Cluster zustande kennt. Clusterbildend sind die Verben in (C) und (D), wobei in (C) dem Stamm-VCK Konsonanten mit den Merkmalen LIQ oder NAS, also SON folgen. Daß hier das Kriterium der auf VCK direkt folgenden Konsonanz maßgebend ist und nicht der Auslaut, zeigt der Vergleich von Verben wie /bfaif+e - bfif+d/ mit /wairf+e wiirf+d/, die in der Produktform unterschiedliche Quantitäten haben, obwohl der Stamm beider auf /f/ auslautet. Gruppe (D) unterscheidet sich insofern von den ändern, als jene drei Verbformen durch acht Gegenbeispiele mit gleicher Folgekonsonanz zu Ausnahmen gemacht werden, wäTirend sich zu den Verben in den Gruppen (A) bis (C) umgekehrt nur drei Gegenbeispiele /Ausnahmen finden lassen: LANG

KURZ

KURZ

A-C

D

2 biix+d 1 Jleif+d — 3

LANG

6 flix+d 2 grif+d — 8

7 blaib+ed* l gi+d* 4 blai+d* l gi+d* 7 friir+d l wir+d 18 3 * Die Basisvarianten /blai-i·/ - /blaib-t·/ und /gai+/ - /gaib+/ wurden als je ein Beleg gezählt.

142

Die Verben in (D) sind als Ausnahmen zu behandeln. Bei den regelmäßigen Fällen sind die Kriterien für quantitativ konstanten /V:/ offensichtlich folgende: (1) Fehlendes Cluster aus postvokalischem Stamm-KONS und Suffix-KONS. Es kann selbstverständlich keines entstehen, wenn der Verbstaitm auf VOK auslautet. Es kann auch nicht entstehen, wenn der stammauslautende KONS ein /b/ ist, da bei nachfolgendem Obstruenten (/+s/- bzw. /+sd/-Suffix der PERS-Flexion) nach einer in 10.1.2.5. formulierten phonologischen Regel [e]-Epenthese eintritt. (2) Bei vorhandenen Clustern das Kriterium, das dem Stamn-VOK kein Obstruent folgt. In die Form eines Regelwerks gebracht, läßt sich folgender Entscheidungsmechanismus für die VOK-Quantität konstruieren. Anm.: Im folgenden beziehen sich bei solchen 'Schalttafeln 1 die Kriterien und ihre binären Verzweigungen auf die Basisform. Erst der Pfeil führt auf die Produktformen zu. Ob sich ein Kriterium der Basisform oder die Produktform auf (Stamm-)VOK oder (Folge-)KONS bezieht, wird seitlich jeweils vermerkt. Eingabe 1 Lfl iNG

1 i

VOK

+LANG +CLUSTER

-CL1JSTER

1

1

i

t

KONS

S

-LANG

+LANG

VOK

Anm.: +LANG impliziert auch /W/. Innerhalb der hier gemeinten CLUSTER muß eine Morphgrenze liegen, da es ja um Prozesse geht, die in Zusammenhang mit morphologischer Addition stehen. OBSTR bezieht sich auf Stellung nach Stamm-VOK und nicht auf Stellung vor Morphgrenze.

Diese Schalttafel regelt auch die Staitm-VOK-Quantität von Fällen, die aus verschiedenen Gründen in obigen Verb-Listen nicht enthalten waren. Sie haben entweder schon in der Basisform INF oder erst in der Produktform 2./3.SG einen qualitativ abweichenden Startm-VOK (s.u. Qualität), oder sie verhalten sich, obwohl im INF der Staim-VOK nicht abweicht, in der in 8.1.1.2. noch darzustellenden Produktform P.P. anders als die Gruppe von Verben, mit denen sie in der Basisform INF den Stamm-VOK teilen. Welchen Gruppen diese Verben jeweils zugeordnet werden, ist im "Staimformen"-Kap. 8.1.1.5. zu sehen. p-LANG

[-CLUSTER]

/xaibed xeibed gel d Jde: d sei d/

zu

/xaibe xeibe geie Jdeie seie/

'hauen' 'heben' "gehen" 'stehen' 'sehen 1

143 +LANG +CLUSTER +OBSTR

"-LANG]

zu

/lefd sifd lixd xesd/

:

:

1

laufen 1 saufen ' 1 liegen' 'heißen'

/laife saufe liixe xaise/

1

1

/gxume sidse/

/gximd sidsd/

1

kommen ' sitzen'

Abschließend läßt sich die in 7.2.2. erarbeitete, aber noch unzureichende Regel (I), die in ihrem Umgebungsteil nur die morphologischen Bedingungen STV.PR&S.2./3.SG enthielt, um die phonologischen Bedingungen Clusterbildung und postvokalischer OBSTR ergänzen. Alle genannten Bedingungen müssen ausnahmslos erfüllt sein, um Kürzung des Stamm-VCK auszulösen: 2./3.SG PRÄS dar dar dar iir dar

grain+d raib+[e]d gxaif+d laxs+d lis+d

STV

CLUSTER

VOK-OBSTR

+

-

+

+

+

+

+

+

Kürzung? nein nein nein nein ja

Qualität

Produkt-VOK ist in der überwiegenden Zahl der Fälle ein VOR mit dem Merkmal PAL, also /E/, /A7 oder /!/. Anm.: Die Schreibung in Großbuchstaben soll im folgenden ausdrücken, daß es unabhängig von Länge/Quantität nur auf Qualität ankommt. /A/ impliziert also z.B. /a/ und /ai/.

Im Vergleich zum Basis-VCK liegt entweder erhaltene Palatalität vor oder durch einen Palatalisierungsprozeß entstandene. Solche qualitativen Wechsel können von Basis-VOK mit dem Merkmal -PAL her folglich nur in den Verbgruppen (3) bis (5) stattfinden. Von allen Quantitäten abgesehen ergibt das: (3)

/A/

-

/!/

(5)

/O/

->·

/!/

(4)

/A/

->·

/E/

/A/

+

/Ä7

In (3) und (5) ist Palatalisierung zu /!/, in (4) Palatalisierung zu /E/ und /Ä7 der insgesamt überwiegende und daher als Regelfall angenommene Vorgang: HOCH

TIEF +PAL

-PAL

144

Von einem Basis-VQK ('rechts1 im System) sind die bei Palatalisierung eintretenden Qualitäten des Produkt-VOK ('links1 im System) vorhersagbar. Nur die Palatalisierung, die von /Ä/ ausgeht, verzweigt sich in /E/- und /A/-Produkt. Zwei Fragen stellen sich daher: (1) Wanm muß hier zwischen zwei e-Lauten (in einem weiten Sinne) differenziert werden? (2) Ist auch diese Verzweigung vorhersagbar? (Zu 1) Wie /!/ und alle ändern Vokale außer /Ä/ steht /E/ in einer Korrelation von Kurz- und Langvokal (s.u. 11.2.1.): /i/ zu /ii/, /e/ zu /ei/. Nun kommt gerade, aber nicht nur bei morphologisch motivierten Palatalisierungen ("Umlauten") ein / / vor. Es ist zu /ei/ keineswegs 'nur1 allophonische Variante, denn beide kommen in gleicher Umgebung vor und haben damit potentiellen distinktiven Charakter, der in einem Paar wie /greib[e]d/ 'kräht1 vs. /greib[e]d/ 'gräbt1 auch aktuell wird. Nun hat dieses / / weder ein kurzvokalisches Korrelat */ / der oben für /ii/ und /ei/ beschriebenen Art, noch kann es mit dem kurzen /e/ in eine solche Korrelation gebracht werden, da dieses mit dem /Vi/-Phonem /ei/ korreliert ist. Für die Vorhersage von e-Palatalisaten (im weiten Sinne) von Basis-/A/ her hat das nun die Folge, daß /E/- und /Ä/-Produkt getrennte Wege gehen müssen und nicht wie die -Palatalisaten unter einem /!/ figurieren können. (Zu 2) Aufgrund der Regelung, daß es zwischen Basis- und Produkt-VCK entweder quantitative Entsprechung oder Kürzung, aber keine Dehnung gibt, kann die quantitativ einzig mögliche Produkt-/Ä/-Realisierung lang /ei/ überhaupt nur dann auftreten, wenn auch die Basis lang war und im Regelwerk zur Herstellung der Quantitäten keine Kürzung erfahren hat. Dies ist nun zwar eine notwendige, aber keineswegs eine hinreichende Bedingung dafür, daß / > / zu / / und nicht zum Beispiel zu /ei/ palatalisiert wird. Man kann also nicht von quantitätsneutralem Basis-/Ä/ aus die Qualität des Produkt-VOK vorhersagen, sondern das Regelwerk, in dem über die Qualität des Produkt-VCK entschieden wird, muß bei /Ä/-Basis nochmals auf ein Merkmalspaar rekurrieren, das Ausgabe des Regelwerks zur Herstellung der Produkt-Quantitäten war: auf ±LAMG. M.a.W.: Von einem in der Basis kurzen oder in der Basis langen, aber im Regelwerk gekürzten /D/ läßt sich Produkt-/e/ voraussagen, von einem in der Basis langen (und nach Verlassen des Quantitätsregelwerks lang gebliebenen) /DI/ läßt sich / / voraussagen. O

Anm.: Das gleiche Problem tritt auch bei der Nominalmorphologie (SUBST.PL und ADJ.GRAD) auf (s.u. 8.2.1.1. und 8 . 2 . 2 . ) . Von dort braucht dann jeweils nur auf die hier gemachten Ausführungen zurückverwiesen werden.

145

Im Basis-VOK bereits vorhanden ist das Merkmal PAL in den Verb-Gruppen (1) und (2). Diphthonge, d.h. zwei direkt nebeneinanderstehende Vokalphoneme können nur (siehe 10.1.5.2.) mit /A/ als erstem und /!/ oder /U/ als zweitem Segment vor. Von der zu stellenden Frage, ob im Basis-Vokalismus PAL schon vorhanden ist oder nicht {und erst noch hergestellt wird), ist das erste VOKElement, also /A/, auszunehmen. Sie bezieht sich nur auf VQK 2 . Sie ist für /!/ mit ja, für /U/ mit nein zu beantworten, /raid+e/ z.B. wäre in diesem Sinne +PAL, /sauf+e/ z.B. -PAL. Dieses -PAL würde zu +PAL umgewandelt, und zwar, weil /U/ die Basis ist, zu /!/. Es käme /saif+/ heraus. Qualitativ bleiben diese Fälle wie alle ändern auch in der Folge stabil und werden nur noch quantitativ verändert, /raid+e/ als 'schon' +PAL und /sauf+e/ als zu +PAL, also zu /saif+/ gemacht, erreichen also die Instanz, die nun über die Quantität entscheidet, mit identischen qualitativen Voraussetzungen. Da beide aus oben genannten Gründen gekürzt werden, tritt für sie die Korrespondenzregel ("viarule") /ai-i/ in Kraft, und es werden /rid+/ und sif+/ korrekt ausgegeben. Die Qualität und Quantität berücksichtigende 'Schalttafel1 ist unten abgebildet. Wie der Stamm-VCK quantitativ in CXJ ankamt, so bleibt er. Was danach mit ihm geschieht, hat nur Einfluß auf seine Qualität: Eingabe -LANG

VOK

+LANG +CLUSTER

-CLUSTER KONS

— +OBSTR

-OBSTR

-LANG

+LANG l

l

+PAL

-PAL

REST

BasisQual.

-LANG* 4* E

VOK

+LANG*

* Bezieht sich auf obige Produktwerte, nicht auf Basis-Quantität.

Auch /gxum+e/ wird vom Regelwerk richtig erfaßt: Als Fall von -LANG gelangt es über -PAL und "Rest" zur /I/-Ausgabe und zur Umlautform /gxim-t-d/. Das Schwanken bei /gr£ib+[e]d/ vs. / grr>ib+[e]d/ und bei /jdiirb+[e]d/ vs.

146

/Jdairb+[e]d/ und nicht umgelautete Prcduktformen wie /droi+d/ deuten darauf hin, daß bei Vorliegen des Wortstruktur-Merkmals -CLUSTER nicht nur Neigung zu quantitativer, sondern auch zu qualitativer VCK-Konstanz besteht, Palatalisierung zurückgencntnen bzw., wie bei /drci+d/, gar nicht durchgeführt wird. Ausnahmen für Quantität (aber qualitativ durchaus regelkonform) sind: /gai + gaxb+e

gi-t-d

wair+e

wir+d

'werden 1

biix+e wiix+e

bizx+d wiix+d

'biegen' "wiegen 1

dul+e

du+d/

'tun'

zu ' geben '

Ausnahmen für Qualität (aber quantitativ durchaus regelkonform) sind: lef+d xes+d

1

baid+e gaid+e dnaid+e

bad+d gad+d dnad+d

'beten' 'jäten' 'kneten'

xaib+e Jair+e

xaib+[e]d Jair+d

'hauen' ' scheren'

boid+e J-old+e Jbüld+e

bnd+d jDld+d ;bOld+d

'baden' ' schalten' 1 spalten '

sols+e moi 1+e drt>i + Jlox+e

SDls+d mDil+d drni+d ;lei+d/

1

/laif+e xai s+e

laufen 1 'heißen'

salzen' mahlen ' ' tragen ' ' schlagen' 1

Ausnahme für beides ist: /Jloif+e

Jleif+d/

'schlafen 1

Bei /jair+e - jair+d/ ist zu bedenken, daß zwischen dem hier behandelten /jair+e/ 'scheren1 mit P.P. /ge+juir+n/, also dem STV, und SWV /jaxr+e/ 'Schafe scheren1 mit P.P. /ge+jair+d/ eine enge Beziehung besteht, die in der betroffenen PERS-Form dafür verantwortlich sein könnte, daß die 3.SG des "schwachen" Verbs auch beim "starken" gewählt wird. Mit dazu dürfte beitragen, daß 'scheren' semantisch so gut wie gar nicht über 'Schafe scheren' hinausreicht. In einem Paradigma /jair+e - ;air+d - ge+juir+n/ ist also damit zu rechnen, daß die PERS-Form von "schwachen", die P.P.-Form vom "starken" Verb könnt. Die Zahl der Ausnahmen könnte dadurch reduziert werden, daß man den fehlenden Umlaut bei /bod+d/, /jold+d/, /;bTjld+d/ und bei /bad+d/, /dnad+d/, /gad+d/ als genügend starkes Indiz dafür niimt, daß hier gar keine "starken Verben"

147

vorliegen. Ihr P.P. mit /+n/ könnte man als Flucht vor einem morphonologisch prekären /d+d/-Cluster erklären, stamnauslautendes /d/ wäre also die Grundvoraussetzung für diese Interpretation. Da nun jedoch eine 'Flucht1 im obigen Sinne durchaus nicht so häufig stattfindet, was sich durch regelmäßige Verben mit /d+/-Auslaut und /+d/-Präfix wie bei /fDld+e /meld+e /braid+e -

ge+fold+d/ ge-t-meld+d/ ge+brad+d/ (mit Kürzung)

zu 'falten' 'melden' '(aus)breiten'

zeigen läßt, wird oben vorgeschlagene Erklärungmöglichkeit verworfen, d.h. die einschlägigen Fälle werden weiterhin als Ausnahmen behandelt. Morphologische Gegebenheiten verwischende Produkte phonologischer Prozesse sind [weirfd] und [fdeirbed], denen "tief /wiirf+d/ und /jdiirb+[e]d/ zugrundeliegen. Diese abstrakten Formen widersprechen einer (s.u. 10.1.5.1.) Morphemstrukturbedingung des Lst., wonach vor KONS-Clustern aus /r/ und nichtkoronalem KONS kein /ii/ (auch kein /ui/), also keine hohen Lang-Vokale stehen können. Diese distributioneile Lücke drückt sich folgerichtig darin aus, daß in dieser phonotaktischen Struktur die hohen Langvokale /ii/ und /ui/ zu /ei/ bzw. /oi/ gesenkt werden. Mit dieser Regel läßt sich dann 'abstrakt' /wirrfd/ zu 'konkret' [weirfd], /Jdürb[e]d/ zu [jdeirbed],

später dann (in 8.1.1.2. zum P.P.) auch /gewuirfn/ /gejduirbn/

zu zu

[gewoirfn] [gejdoirm]

transformieren. Ans Ende gestellt sei das in der PERS-Flexion gleich mehrfach suppletive und daher so etwas wie eine eigene KL bildende Verb /sai+e/, das morphologisch oder auch nur nach phonologisehen "Erinnerungsmitteln" (Pikes "bits"; s.o. 6.1.1.4.) wie folgt strukturiert sein könnte. SG.l.

2. 3.

bi + n bi + sä is

s i +n s a i +d s a i +e

PL.1./3. 2. INF

8.1.1.2. Partizipium Präteriti Mit den bisher erarbeiteten Testverfahren zur Klärung der Frage, ob und wie phonologische oder/und morphologische Merkmale mit bestimmtem Verhalten von Verben in flexionsmorphologischen Formen in Zusammenhang stehen, soll im

148

Anschluß und in Anlehnung an die PERS-Flexion die Bildung des P.P. behandelt werden. Kriterium für die unten gewählte Einteilung in (1) bis (5) ist deshalb auch hier wieder der Stamn-VCK, den ganze Gruppen von Verben der KL I gemeinsam haben. Bei Verben ohne dieses KL-Merkmal, die in der Basisform INF den gleichen Stamm-VCK und den gleichen Folge-KONS haben, tritt eine andere Bildung der Prcduktform P.P. auf als bei Verben der KL I. In der folgenden Liste steht oben jeweils INF, unten P.P. Links stehen die Verben mit dem morphologischen Merkmal SWV, rechts die mit STV (=KL I): (1)

(2)

raif+e ge+raif+d

ge+bfif+n

bils+e

Jiis+e

ge+biis+d (3)

(4)

bfaif+e

brax+e

ge+rax+d

ge+brux+n

ge+lon+d

'büßen/schießen 1

ge+J"us+n

rax+e

1 > )+

' reifen/pfeifen '

fOq+e

1

rechen/brechen '

' langen (=genügen) /fangen '

ge+ft>n+n

(5) (aus) lois+e

lois+e

ge+loi s+d

ge+lois+n

' losen/lassen*

Besonders schlagkriiftige Beispiele lassen sich zu (3) anführen: (3.1)

(3.2)

brax+e j

brax+e 2

ge+brax+dj

ge+brux+n 2

Jair+ej

Jair+e 2

ge+Jair+dj

ge+Juir+nj

'Flachs brechen/brechen 1

'Schafe scheren/scheren 1

Der eine Typ von Verben hat im P.P. durchgehend /d/-Suffix, der andere durchgehend /n/-Suffix. Der Typ mit /d/-Suffix bleibt bei den Beispielen im Stantnvokalismus unverändert, mit dem /n/-Suffix scheint oft - hier bei (1) bis (3) - eine qualitative und/oder quantitative Veränderung im Stamn-VCK einherzugehen. Die Frage im folgenden wird sein, ob sich aus phonologischen Mustern der Basisform eines Lexems und morphologischen Angaben (wie v.a. KL I) Vorhersagen zur Art der P.P.-Bildung machen lassen und, wenn ja, welche. Wie schon bei der 2./3.SG.PRKS sollen auch hier beim P.P. statistische Listen die Bestimmung von Verhaltensgruppen, von Regel- und Ausnahme-Fällen erleichtem. Auch hier sind die Kriterien wieder Qualität und Quantität des Stammvokals

149

und die Folgekonsonanz. Geordnet nach dem Staim-VOK in der Basiskategorie INF (Gruppen (1) bis (5)), der Folgekonsonanz und dem Stanm-VOK in der Produktkategorie P.P. (ggf. Untergruppen (a) und (b)), ergeben sich innerhalb der KL I folgende Verteilungen. Alle Belege sind in 8.1.1.5. im einzelnen verzeichnet. \P.P.

(a)

(b)

i

ii

INF ^\ f S

( 1 ) ai

V

2 ge+bfif+n 4 ge+Jmis+n 2 ge+Jdrix+n

b d ] n

1 ge+Jdiix+n 4 ge+drixb+n 4 ge+Jnixd+n

1 ge+grin+[e]n

'gepfiffen' 'geschmissen 1 ' gestrichen/gestiegen ' getrieben' geschnitten*

1

'gegr innen'

(a)

(b)

u

UI

>\ s X

ix

3 ge+gus+n 3 ge+flux+n

2 ge+buxx+n*

'gegossen' 1 geflogen/gebogen'

b d

1 ge+Juxb+n 2 ge+suxd+n

1

r

2 ge+fruir+n

1

CM

1

geschoben' gesotten 1 gefroren"

' gefunden'

11 ge+fun+[e]n

*Bezieht man /ge+dsuxx-t-n/ (schwach suppletiv zur Basis / d s i x + e / ) ein, erhöht sich die Zahl auf 3.

\P.P. MF\^

(3)a,ai

(a)

(b)

a, a:

u,ux

b d

1 gaxb+n 4 ge+gaxd+n

' gegeben' 'gejätet 1

s

3 g+as+n 1 ge+lais+n

' gegessen' ' gelesen'

J f X

m ~ r

1

1 ge+druj+n 1 ge+druf+n 4 ge+brux+n

gedroschen ' 'getroffen' 1 gebrochen '

1 ge+num+n

' genommen1

5 ge+Jwul+n 3 gejuir+n

1 1

geschwollen 1 geschoren'

150 P.P. INF

(4) D,TJI

D,DI

(K)

ge+foq+n ge+niDil+n

'gefangen 1 'gemahlen'

8 ge+lois+n

"gelassen"

15

(5)

Das bewährte Vorgehen, quantitative und qualitative Prozesse zunächst separat zu behandeln, soll auch hier praktiziert werden. Quantität

Eine Kürzung im Zusanmenhang mit dem phonologischen Muster eines OBSTROBSTR-Clusters, wie es in der 2./3.SG.PRSS. z.T. gegeben war, kann hier bei dem SON-Suffix /+n/ nicht mehr vorliegen. Trotzdem können in (1) und (2) Kürzungen vor. Von ihnen wäre nur beim Fall [gegrinen] die Beteiligung einer phonologischen Regel in der Weise denkbar, daß die in der zugrundeliegenden Repräsentation von Stanmauslaut und Suffix gebildete Geminate / + / vereinfacht und damit eine Kette morphologischer Kcmpensationsprozesse (Kürzung, Re-Suffigierung, [e]-Epenthese) ausgelöst würde. Dieser Fall möglicher Uberkcmpensierung wird hier jedoch von einer übergreifenderen ändern Regel dominiert: In Gruppe (1) bleibt allem Anschein nach die Quantität des Stamm-VQK nur erhalten, wenn ihm ein PLOS folgt. Daß das keine phonologische Regel ist, sondern wiedenm ein Implikationsmuster vorliegt, bei dem eine phonotaktische Struktur (/Vi/-[-PLOS]) mit dem morphologischen Verhalten (/Vi/-Kürzung) eines Wortes in einer bestimmten Formenkategorie (P.P.) korreliert, zeigen Gegenbeispiele aus (a) ändern Verbgruppen mit derselben phonotaktischen Struktur und (b) aus ändern Formenkategorien derselben Verbgruppe: (a) (b)

/laxs+e/ /bfaif+e/

-

/ge+lais+n/ /bfaif+n/

Gruppe (3) P.P. Gruppe (1) 1./3.PL

Folgendes Regelwerk würde nur vom Fall /jdaix+e/ - /ge+Jdiix+n/ gestört, der deshalb zur Ausnahme erklärt werden kann: ai +PLOS l +LANG

VOK

-PLOS

; -LANG

KONS VOK

151

In Gruppe (2) gilt nicht so eindeutig wie in (1) eine Distribution nach iPLOS. Hier muß, was bei (1) mangels Vorkamen nicht nötig war, in die Regel mit aufgenommen werden, daß sich PLOS und LIQ hinsichtlich des Produkt-VOK gleich verhalten. Phonotaktisches Basis-Muster /iix/ schwankt in der Produktform zwischen erhaltener Länge /uix/ und Kürzung /ux/, und zwar mit einem zahlenmäßigen Verhältnis von 2 (bzw. 3; s.o. Anmerkung zur Belegtab. ( 2 ) ) zu 3. Deshalb werden die Fälle mit erhaltener Länge (Typ /biixe/ - /gebuixn/) als Ausnahmen behandelt. Nach Abzug der Ausnahmen kann also bei Länge des Stamm-VOK der Basis je nach phonotaktischem Muster (Folge-KONS) nach Erhaltung der Länge und Kürzung selektiert werden. Kürze des Stantn-VOK in der Basisform bleibt immer erhalten, weshalb die phonotaktische Tatsache, daß der kurze Stamm-VCK der Basis stets vor MAS (-PLOS) steht, für die Voraussage des Verhaltens in der Produktform ohne Belang ist. Eine 'Schalttafel1 für die Regelfälle hat dann folgendes Aussehen: VOR

KONS

VOK

Einfacher in dem Sinne, daß Merkmale hätten gespart werden können, wäre es gewesen, in der Gruppe (2) nach dem Kriterium ±LANG nur in ±FRIK weiterzuverzweigen. Ein solches Regelwerk hätte ebenso die richtigen Produkte erzeugt. Von der auf den Stamm-VCK folgenden und sich auf dessen Quantität auswirkenden Konsonanz her drängt sich jedoch eine Zusaitinenschau der beiden Gruppen (1) und (2) auf. Beide haben im wesentlichen FRIK oder PLOS als Folge-KONS, bei beiden ist PLOS mit Quantitätserhaltung, FRIK mit Kürzung verbunden. Auch wenn (1) kein phonotaktisches Muster /Wr/ und keinen kurzvokalischen Basis-VOK hat und (2) eine Lücke für die phonotaktische Struktur /V«n/ aufweist, kann man die Schalttafeln für (1) und (2) zusammenlegen. Nur sind manche Abzweigungen für eine der beiden Gruppen "blind1, d.h. sie werden wegen nicht-vorhandener Verben mit solchen Strukturbeschreibungen nicht genutzt. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten der Merkmalswahl, die beide gleichberechtigt sind. Die eine geht von der kürzenden Wirkung des FRIK aus und muß die Kürzung auch bei NAS vorsehen /ge+grin+[e]n/, die andere geht von der quantitätserhaltenden Wirkung des PLOS aus und muß dieselbe Wirkung des LIQ berücksichtigen. Beide

152

Male ist wegen Gruppe (2) vorher in HANG zu differenzieren,

auch wenn die

Verben von Gruppe (1) immer nur zum Knoten +LANG wandern können: ai I

ai I

VOK.

I +PLOS

|— +LANG —,

-LANG

r- +LANG —

•— -FRIK —|

j— -PLOS —.

-LANG

+FRIK KONS

h

+LIQ

+LANG

-NAS

-LIQ -LANG

+LANG

+NAS -LANG

VOK

Bei den restlichen Gruppen (3-5) tut sich quantitativ nichts, d.h. Basis- und Produkt-Quantität des Stamm-VCK sind gleich. Da in diesen Gruppen oft dasselbe phonologische Muster, das in (1) und (2) mit Kürzung korreliert, auch vorliegt, aber nicht mit Kürzung korreliert, sind hier beim P.P. die morphologischen Verhaltensweisen weniger durchgängig an phonologische Muster gekoppelt als etwa bei der PERS-Flexion. ±Kürzung richtet sich also nach der Gruppe: (1,2)

ge+Jmis+n ge+Jus+n

(3,5) ge+lais+n ge+lois+n

Da sich aber die Gruppen-Einteilung ihrerseits nach dem Basis-VCK richtete, läßt sich von seiner Qualität her auch die Quantität im P.P. vorhersagen: /ai/oder /ii/-Basis korrelieren mit Kürzung bei bestiirrntem phonologischen Muster, alle ändern Basen nicht. Qualität

In den bereits als quantitätsstabil erwiesenen Gruppen (4) und (5) ändert sich auch qualitativ nichts, in (3) ändert sich nicht immer etwas. Bei (1) und (2) jedoch ist mit qualitativer Änderung zu rechnen. Bei (1) könnte das P.P.-/i/ als Kürzungsprodukt des Basis-/ai/ betrachtet werden, was nach der bereits aufgestellten Korrespondenzregel 'lang' /ai/ : 'kurz 1 /i/ möglich wäre und keiner qualitativen Änderung bedürfte. Bei quantitativer Stabilität in dieser Gruppe ist nun jedoch der Prcdukt-VCK im P.P. nicht /ai/-, sondern /ii/. Die gekürzte Variante /i/ müßte zur Wahrung der Gleichbehandlung anstatt von /ai/ ebenfalls von diesem /ix/ abgeleitet werden. Es stellt sich also als notwendig heraus, vor der Entscheidung über die Kürzung das Basis-/ai/ mit Produkt-/!/ in Verbindung zu bringen. Von diesem /!/ läßt sich dann sowohl die lange Variante AI / als auch die kurze Variante /i/ herstellen. Am Beispiel: Stünden Fälle wie /bfaife/-/gebfifn/ allein,

153

würde der qualitativ richtige Produkt-VOK schon durch eine Quantitätsregel 'Kürzung' erzeugt. In Fällen erhaltener Länge funktioniert dies dagegen nicht: /jnaide/ wird im P.P. nicht zu Vgejnaidn/. Hier muß vielmehr ein qualitativer Wechsel /ai-ii/ vorgesehen werden. Um gekürzte und lang bleibende Fälle einheitlich behandeln zu können, wird dieser beim Fall /jnaide-gejniidn/ eindeutig vorliegende qualitative Wechsel auch für Typ /bfaife-gebfifn/ angenonmen. Bei (2) wechselt Basis-/!/ stets zu Produkt-/U/. Bei (3) wechselt Basis-/A/ entweder zu Produkt-/U/ oder nicht. Qualitativen Wechsel haben innerhalb der Gruppe (3) die Fälle, wo dem /A/ ein FRIK /f/, /J1/ oder /x/ folgt oder ein NAS oder ein LIQ. Produkt und Basis sind qualitativ gleich, wenn dem /A/ der FRIK /s/ folgt oder ein PLOS. Die Einteilung nach Merkmalen natürlicher phonologischer Klassen sieht so aus: In der (b)-Variante mit /U/-Produkt kctnnen die FRIK-Varianten mit den Merkmalen LAB, PALV und POSTKOR sowie NAS und LIQ vor, es fehlen die FRIK-Variante mit dem Merkmal ALV

sowie PLOS.

In der (a)-Variante herrschen genau umgekehrte Verhältnisse. Es bietet sich folglich eine Unterscheidung zunächst in ±PLOS an, an deren Minus-Variante eine Verzweigung in 1FRIK anschließen nüßte. +FRIK mißte näher in ±ALV spezifiziert werden, um das /s/ herausfiltern zu können: VOR

VOK Zusammenfassung

Das Verfahren, zunächst vom Basis-VOK den Produkt-VOK qualitativ vorherzusagen und dann die qualitativ fortan stabil bleibenden Stamm-VOK erst ins Regelwerk zur Herstellung der geforderten Quantität einzugeben, ergibt für die Gruppen (1-5) folgende Gesamt-'Schalttafel' für die Regelfälle:

154 Eingabe I •KL I

ai

A l

--FRIK

fJ-iUÖ — i -PLOS

U

Rest

VOR

+PLOS

— +FRIK— ALV

I

1

KONS

+ALVBasis-Qual.

VOR

VOK

KONS

-HANG

VOK

Eine Reihe von Verben der KL I sind als Ausnahmen vor der Eingabe ins Regelwerk abzuzweigen: Für /seie/ wurde ein Ausnahmestatus angencntnen, da es als einziger Vertreter einer Relation INF-/ei/ vs. P.P.-/ei/ keine eigene Gruppe konstituieren kann. Für eine erste Gruppe von Ausnahmeverben ist eine explizite Angabe der VCK-Alternation notwendig. Sie soll verhindern, daß Fälle wie /jdaix+e/ 'steigen1 bzw. /biixe/ 'biegen1 und /wixx+e/ 'wiegen1 innerhalb ihrer Gruppe (1 bzw. 2) mit dem falschen P.P.-VCK (*/i/ bzw. */u/) verbunden werden. Sie soll ferner verhindern, daß Fälle wie /xaib+e/ 'hauen1, /laif+e/ 'laufen1 und /liix+e/ 'liegen1 von Basis-VOK her in eine Gruppe geraten, in die sie von der Produkt-Perspektive her gar nicht gehören. Deshalb ist produktorientiert /xaib+e/ zu Gruppe (1), /laxf+e/ zu Gruppe (2), /litx+e/ zu Gruppe (3) zu stellen. Die explizite Angabe des VCK-Wechsels soll schließlich bei den Verben stehen, die von ihrem Stamm-VOK her gar nicht von einer der Regeln zu den Gruppen (1-5) erfaßt würden: /sauf+e/ 'saufen1, /xeib+e/ 'heben', /gxum+e/ 'können', /gex+e/ 'gehen', /Jdei+e/ 'stehen1, /sei+e/ 'sehen1 und /dux+e/ 'tun'. Produktorientiert war /sauf+e/ der Gruppe (2) zuzuordnen, /xeib+e/ ebenfalls, /gxum+e/ ließe sich Gruppe (3), /dui+e/ Gruppe (5) zuordnen, /sei+e/ steht wie gesagt (vorläufig; s.u. 8.1.1.5.) isoliert. Von den verbleibenden Verben wären /geie goqn/ und /jdexe - gejdDn[e]n/ unter qualitativem Aspekt der Gruppe (4) zuzuordnen, aber quantitativ stimmen Basis- und Produkt-VOK nicht überein, wie sie

155

es dem Regelwerk nach tun müßten. Außerdem ändert sich nicht nur im Stamm-VOK etwas, sondern es kctrmt auch zu einer konsonantischen Erweiterung im P.P., weshalb beide Verben als schwach suppletiv aufgefaßt werden. Das bedeutet, daß der P.P.-Stamm als ganzes Morph anzugeben ist: /gei+e - gon+n/ und /Jdei+e - ge+jdiDn+n/. Ähnlich, nur nicht als konsonantische Stammerweiterung im P.P., sondern als Reduktion, ist /sids+e - ge+sas+n/ zu behandeln, das produktorientiert zur Gruppe (3) paßt. Wählt man für /blaib+e/ (Gruppe 1) und /gaib+e/ (Gruppe 3) deren Reduktionsvarianten /blai+e/ und /gai/, sind auch sie als Suppletionen zu behandeln: /blai+e - ge+bliib+n/ und /gai - gaib+n/. Schließlich ist unter Suppletion noch das Verb /dsii/ (Gruppe 2) zu behandeln und als /dsii - ge+dsuix+n/ zu notieren. Anm.: Die Angabe KL I wird, aber nur für die Zwecke der Vorhersage des P.P., in dem Moment überflüssig, wo die explizite Angabe des VOK-Wechsels ohnehin gemacht werden muß. Trotzdem wird diese KL-Angabe gebraucht, denn sie impliziert die Information, daß das betreffende Verb im P.P. ein /+n/-Suffix bekommt, oder auch, daß in der PERS-Flexion mit KL-bedingtem Verhalten zu rechnen ist (s.o. 8.1.1.1.).

Stellt man nach Abzug der Fälle ohne VCK-Wechsel von INF zu P.P. die Ablautungsprozesse im phonologischen System dar, ergibt sich unter Vernachlässigung quantitativer Erscheinungen und ohne Berücksichtigung der Alternation /ai/ ->· /ii/ folgendes Bild: +HOCH +TIEF -VEL ] +VEL

Produktorientiert scheint also /U/ besonders 'attraktiv1 als VÖK der Flexionsform P.P. zu sein, da es sowohl mit /!/- als auch mit /A/-Basis korrespondiert. Prozeßorientiert läßt sich Ablautung als Velarisierung fassen, und zwar als Velarisierung der nach dem Höhenkriterium extremen, also mit +HOCH und +TIEF gekennzeichneten, nichtvelaren Vokale bezeichnen. Von der 'Schalttafel' zu Gruppe (3) wurden auch die Formen /ge+Jduirb+n/ und /ge+wuirf+n/ erzeugt, denen als konkrete Realisierungen aber [gejdoirbn] und [gewoirfn] zuzuordnen sind. Auf diese phonotaktisch bedingte Senkung wurde oben in 8.1.1.1. bereits hingewiesen. Suppletiv stehen INF /sai+e/ und P.P. /ge+wais+n/ zueinander. Zur Suppletion mit den Formen der PERS-Flexion dieses Verbs vergleiche man die Tabelle am Ende von 8.1.1.1.

156

8.1.1.3. Präteritum Nur wenige Verben der KL I (und bestürmte Verben der KL II; s.u. 8.1.2.) können PRA'T bilden. Sie sind deshalb eigens dafür zu markieren. Verben, die mit diesem Merkmal versehen sind, erhalten die synthetische Form der 'Vergangenheit1, die TEMP-semantisch mit der analytischen Form PERFEKT aller ändern Verben äquivalent ist. Nähere Ausführungen, die ich an anderer Stelle zu dieser Frage gemacht habe, sind bei Rowley (1983: 177) zitiert. Das PRÄT wird stets durch eine in 6.2.1. "Ablaut" genannte VOK-Alternation gebildet. Sie wird deutlich, wenn nachfolgend die für PRÄT markierten Verben der KL I in ihrem INF-Stairm, ihran P.P.-Starrm und ihrem PRÄT-Stamm aufgelistet werden: INF gai (b+e) liix+e (sai+e) sids+e sei+e gxum+e gei+e Jdei+e

P.P.

PRÄT

gaib laix wais sas sei gxum

güib IDIX WDir

guq

gut]

Jdün

Jdund

SO IS

SülX

gxDim

PRÄT- StammVarianten* gig Jdünd

*gesondert anzugeben

Produktorientiert gibt es nur zwei Gruppen im PRÄT: Eine mit /Ä/-Qualität und gleichzeitiger Länge, eine mit /U/-Qualität und gleichzeitiger Kürze. Da für PRÄT-Produkt die Annahme einer P.P.-Basis wegen der TEMP-Ubereinstinnrung näher liegt als die einer INF-Basis, empfiehlt es sich, beim P.P. nach Anhaltspunkten der Voraussagbarkeit der PRST-Form zu suchen. Tatsächlich läßt sich ein solcher Anhaltspunkt in der 1:1-Beziehung zwischen P.P.-/Ä/ und PRÄT-/U/ finden. Für den Rest, also für andere P.P.-Vokale als /Ä/» läßt sich dann PRÄT-/Ä/ prognostizieren. Da Produkt-/U/ -LANG impliziert und Produkt-/A/ +LANG, ist ein VorhersageMechanismus leicht zu konstruieren: L + P R Ä T j j

andere

157

Nur im PBÄT-Verhalten ein Verb der KL I ist /;dag+e/. Da in seinem P.P.-Stamn /jdag/ keine /Ä/-Basis vorliegt, wird regelhaftes langes /ÄY-Produkt hergestellt: /jdoig/. Ansonsten aber verhält sich dieses Verb so, als sei es nicht für KL markiert: INF

3.SG

Jdag+e

Jdag+d

P.P.

ge+Jdag+d

Deshalb ist die Angabe "KL I" ausdrücklich auf das Verhalten im PRA'T zu beziehen. Mehr als der Staitm-VCK ändert sich vom P.P. zum PRA'T bei den folgenden Formen:

a:

ei

Jrd

— u

n

d

P.P. PRÄT

8.1.1.4. Präteritum Konjunktiv Wie bereits in 6.2.1. angedeutet wurde, baut die Herstellung der PRA'T. KONJFormen auf denen des PRA'T. IND auf. Es gibt fast kein Verb mit PRA'T.KONJ, das nicht auch einen PRA'T. IND hätte. Einzige Ausnahme ist das Verb /dun-e/, das einen PRA'T.KONJ /deid/ hat, ohne eine PRA'T.IND-Form */doid/ o.a. zu besitzen. Wie im PRKT.IND, wo die beiden nur vorkommenden Quantitäten bi-unik mit den beiden nur vorkommenden Qualitäten verknüpft waren, verhält es sich auch im PRÄT.KONJ: PRÄT.IND

PRA'T.KONJ

LANG =

/A/

LANG =

/Ä/

KURZ =

/U/

KURZ =

/E/

Quant. Qual.

Quant. Qual.

Bei der Herstellung der KONJ-Formen aus dem PRÄT.IND bleibt die Quantität stabil, der Basis-VOK wird qualitativ verändert: palatalisiert ("umgelautet"). Wie unten zu sehen ist, ist das "Umlaut"-Produkt von /DI/ bei, wie hier, erhaltener Länge stets / / (zu den PRÄT-Formen s.o. 8.1.1.3.): PRÄTStämme IND

KONJ

gtiib ID ix WDir

wtir

SD IS

SCI S

gelb

SD IX

SSIX

gxDim

gxeim

zu ' geben ' 'liegen 'sein' 'sitzen 'sehen' 1 kommen

158

Umlaut-Produkt von den Verben mit Stamm-VOK /u/ im PRA'T.IND ist bei PRÄT.KONJ /e/. Da Basis und Produkt quantitativ gleich sind, stehen sich die Stänme wie folgt gegenüber: Jdund

guq

Jdend geq

zu 'stehen' 'gehen'

Diese PRA'T. IND-Formen haben als Neuerungen zu interpretierende Varianten und /giq/. Doch werden auch von den Jüngeren, die diese Formen verwenden, die obigen KONJ-Formen /jdend/ und /geq/ gewählt. Produktorientiert sind also die e-Formen (im weiten Sinne) die, die vorbildhaft wirken und den Umlautungsprozeß auf sich ziehen. Das VOK-Wechsel-System (1) von PRfiS.IND zu PRA'T.IND und (2) von PRAT.IND zu PRÄT.KONJ ist also in qualitativer Hinsicht wie folgt aufgebaut: Zu (1)

u

Zu (2)

u i/

E* \

A-*Ä

Ä

Anm.: Dazu, daß lange /A/-Basis ( z . B . /SOIS/) an /ÄY-Produkt (impliziert LANG: /seis/) und kurze /&/-Basis (z.B. /JdOnd/) an kurzes /E/-Produkt (/Jdend/) gekoppelt ist, siehe ausführlicher 8.1.1.1.; vgl. auch 8.2.1.1., 8.2.2. Nachbemerkung

Dadurch, daß nur die genannten Verben der KL I überhaupt PRA'T(.IND) haben und nur dieselben Verben (zuzüglich /dui/ 'tun') (PRA'T.)KONJ haben können, 1 stimmen1 die genannten Regeln zwar, doch sind sie nur Regeln über ein sehr beschränktes morphologisches Gebiet. Vor diesem Hintergrund sind die oben genannten, wie gesagt 'richtigen1 Regeln, daß z.B. PRA'T-Ablaut stets Velarisierung bedeutet oder sich zumindest innerhalb des velaren Bereichs abspielt, stark zu relativieren. Auch die Aussage über den KONJ-Umlaut (Palatalisierung) baut auf der, wie gesagt zu relativierenden, Regel über die Velarität des Ablaut-Produkts auf. Was wäre, so könnte man weiter fragen, wenn es auch nicht-velare PRA'T.INDFormen gäbe? "Ablaut" wäre dann nicht mehr auf Velarisierung einzugrenzen, "Umlaut" als Palatalisierung könnte im KONJ nicht mehr stattfinden usw. 8.1.1.5. Die "Stammformen" der Verben von Klasse I In den Kapiteln 8.1.1.1./2. wurden von der Basisform INF her die Produktformen der 2./3.SG und des P.P. getrennt erzeugt. Das Kriterium für die Einteilung in

159

die Gruppen (1) bis (5) war jeweils der Stamm-VOK der Basisform. Deshalb waren die Gruppen (1) bis (5) inner von denselben Verben besetzt, ganz gleich, ob es um die Herstellung der Produktformen der 2./3.SG oder des P.P. ging. Wenn auch gespiegelt in der Aufteilung der verbalen Klassenmorphologie in die zwei wesentlichen Abteilungen 2./3.SG und P.P. - davon ausgegangen wurde, HaR (a) die Formen beider Abteilungen von der infiniten (also der Basis)-Form her separat generiert werden, läßt sich doch ein zweites, übergreifendes Strukturprinzip erkennen: (b) das der sog. "Stanmformen", m. a.W. die Zusammenschau der beiden von Flexionsklassenregularitäten abhängigen Produktabteilungen. All diese Formen mit morphologischem 'Sonderverhalten1 werden danach mit dem INF nicht separat in eine Reihe gestellt, sondern gemeinsam: Nicht (a) INF - 2./3.SG INF - P.P. (- PRST) gilt, sondern (b) INF - 2./3.SG - P.P. (- PRA'T).

Im Verfahren (a) kristallisierten sich bei den Produktformen der 2./3.SG z.T. andere Untergruppen heraus als bei denen des P.P. So lag bei den Verben /giise/ "gießen1, /siide/ 'sieden', /friire/ 'frieren1 der Gruppe (2) die Grenze zwischen +LANG und -LANG des Stanro-VQK in den Produktabteilungen verschieden: 3.SG -LANG +LANG

gisd sidd friird

P.P. gegusn gesuidn gefruirn

-LANG +LANG

Im Verfahren (b) müssen nun Grenzen, die nur bei einer Abteilung auftauchen, auch auf die jeweils andere ausgedehnt werden, weil sonst keine einheitlichen "Stammformen"-Untergruppen zustande kämen (am Beispiel): 3.SG

P.P.

gisd

gegusn

sidd

gesuidn

friird

gefruirn

Hatte man beim gewählten Beispiel im Verfahren (a) mit seiner Trennung der Abteilungen 2./3.SG und P.P. je zwei Untergruppen, die nicht kongruierten, hat man im Verfahren (b) mit seiner Aufhebung der Trennung zwischen den Abteilungen und ihrer Zusammenfassung zu einer Kette von "Stammformen" nun drei Untergruppen: /i-u/, /i-ui/ und /ii-ui/. Im einzelnen ergeben sich für die fünf Gruppen folgende "Stammformen" (INF - 2./3.SG - P.P.) in folgender Untergruppierung.

160 Anm:: Da bei der Untergruppierung nach Quantität des Stamra-VOK phonologische MUSTER eine Rolle spielen, werden sie in den folgenden Tabellen stets angegeben. Sie beziehen sich auf die Folgekonsonanz. Innerhalb jeder (Unter-) Gruppe werden auch vermerkt: AUSNAHMEN, SUPPLETIVSTÄMME und Fälle, bei denen nur auf Grund einer oder zwei Stammformen eine ZUORDNUNG zu einer der (Unter-)Gruppen vorgenommen werden kann. Gruppe (1) /ai - ai - I/ Vorbemerkung: Ein /i/ in der zweiten Stammform muß als Kürzung von /ai/ aufgefaßt werden (s.o. 8.1.1.1.), denn die Stammformen /graine - graind/ 'greinen 1 und /draibe - draib[e]d/'treiben' legen es nahe, von qualitativer Konstanz in der 2./3.SG bei allen Verben dieser Gruppe auszugehen, so daß bei /bfaife - bfifd/ 'pfeifen 1 und /Jnaide - Jnidd/ 'schneiden' das kurze /i/ nicht als qualitativer, sondern nur als quantitativer Wechsel aufgefaßt werden kann. Dagegen ist das /!/ in der P.P.-Stammform /gebfifn/ gegenüber der Basis /bfaife/ schon qualitativ anders, wie ein Blick auf das /!/ im P.P. /gedriibn/ (und allen ändern P.P.-Formen dieser Gruppe) zweifelsfrei zeigt. Ein quantitativer Unterschied kommt, gekoppelt an bestimmte phonologische Muster, nur noch hinzu. INF

3.SG

P.P.

ai

ai

ii

- MUSTER "FRIK"

bfaife graife Jmaise Jaise baise raise ;laixe Jdraixe

bfifd grifd Jmisd Jisd bisd risd Jlixd Jdrixd

gebfifn gegrifn gejmisn gejisn gebisn gerisn ge/lixn gejdrixn

'pfeifen greifen schmeißen scheißen beißen reißen schleichen streichen

AUSNAHME (QUANT.)

Jdaixe

- MUSTER "[PLOS.-LAB]" Jnaide Jraide raide laide

Jdixd

gejdiixn

steigen

Jnidd Jridd ridd lidd

gejniidn gejrixdn geriidn geliidn

schneiden schreiten reiten leiden

- MUSTER "NAS" graine graind - MUSTER "[PLOS.+LAB]" oder "-KONS" draibe draib[e]d raibe raib[e]d Jraibe J"raib[e]d blaibe blaib[e]d blaie blaid SUPPLETIVSTÄMME (0 vs. b) blai+ blai+ ZUORDNUNG (xaibe) (xaib[e]d)

gegrin[e]n greinen gedriibn gerilbn gejriibn gebliibn

treiben reiben schreiben bleiben

gexiibn

hauen'

161 Gruppe (2)

/I - I - U/

INF

3.SG

fine gewine gine binde ferJwinde Jinde dsinde Jbrine dringe Jdinge winge

find gewind gind bindd ferJwindd Jindd dsindd Jbriqd driggd Jdingd wiqgd

P.P.

gefun[e]n gewun[e]n gegun[e]n gebundn ferJwundn gejundn gedsundn ge;brunn gedrungn gejduqgn gewuqgn

' finden gewinnen gönnen binden verschwinden schinden zünden springen trinken stinken winken 1

Anm.: Daß hier stets ein Muster NAS(-PLOS) vorliegt, ist für eine Vorhersage des Verhaltens in den Produktabteilungen unerheblich. INF

3.SG

P.P.

ii

11

UI

MUSTER "FRIK"

giise jiise Jlii se fliixe griixe riixe

gisd Jisd jlisd flixd grixd rixd

gegusn gejusn gejlusn gefluxn gegruxn geruxn

(lefd) sifd*

gelufn gesufn

'gießen schießen schließen fliegen kriechen riechen

ZUORDNUNGEN

(laife)

(saufe)

laufen saufen

AUSNAHMEN (QUANT. )

biixe wi i xe s.u.

biixd wi i xd s.u.

gebuixn gewuixn gedsuixn

biegen wiegen ziehen

gesuidn gebuidn

sieden bieten

MUSTER "[PLOS.-LAB]"

siide bilde

sidd bidd

MUSTER "LIQ" oder " [PLOS.-t-LAB]" oder "-KONS" friire friird gefruirn ferliire ferliird ferluirn Jiibe jiib[e]d ge/uibn dsiie dsiid s.o. SUPPLETIVSTÄMME (0 - x) dsix+ dsin-

frieren verlieren schieben ziehen

+dsuix+

ZUORDNUNG

(xeibe)

(xeib[e]d)

* Kürzungsprodukt aus /ai/

gexuibn

heben1

(= Umlaut zu /au/), nicht aus */ ii/!

162 Gruppe (3)

/A - I - A vs. U/.

Für die Prognose der P.P.-Form bedarf es der Hinzuziehung eines phonologischen Musters: (a) (b)

/A/ bei PLOS und FRIK.ALV /U/ sonst.

Zunächst zu ( a ) : INF

3.SG

P.P.

äse fräse

isd frisd

gasn gefrasn gemasn

"essen fressen messen

gesasn

sitzen'

mase misd ZUORDNUNG (sidse) sidsd SUPPLETIVSTÄMME

sids+

sids-t-

INF

3.SG

P.P.

ai

ii

a:

+ sas+

- MUSTER "[PLOS.-LAB]" oder'FRIK"

draide lai se AUSNAHMEN

1

dridd lisd

gedraidn gelaisn

gadd dnadd badd

gegaidn gednaidn gebaidn

jäten kneten beten

lixd (xesd)

gelaixn gexaxsn gewaisn

liegen heißen sein

gid gid

gaibn gaibn

geben'

treten lesen

(QUAL.)*

gaide dnaide baide ZUORDNUNGEN

(liixe) xa:se MUSTER "-KONS" oder AUSNAHMEN (QUANT.)

gaibe gaie SUPPLETIVSTÄMME (0 - b)

gai

* Diese drei Fälle dominieren zwar den einen Fall /draxde - dridd - gedraidn/ mit dem gleichen Stammauslaut /d/, so daß man den frequenteren Typ zum Regelfall erklären könnte. Doch wurde trotzdem der Typ /draide/ mit qualitativem VOK-Wechsel als Regelfall genommen, da er sich dem in Gruppe (4) eindeutig dominierenden /A-I-.../-Wechsel einpaßt.

163

Zu ( b ) : INF

3.SG

P.P.

braxe Jbraxe Jdaxe flaxde drafe draje name Jwale gwale xalfe malge Jmalse

brixd Jbrixd Jdixd flixdd drifd drijd nimd ;wild gwild xilfd milgd Jmilsd

gebruxn gejbruxn gejduxn gef luxdn gedrufn gedrujn genumn gejwuln gegwuln gexulfn gemulgn gejmulsn

(gxume)

gximd

gxumn

INF

3.SG

P.P.

ai

II

Ul

1

brechen sprechen stechen flechten treffen dreschen nehmen schwellen quellen helfen melken schmelzen

ZUORDNUNG

MUSTER"LIQ" oder "[PLOS.+LAB]" wairfe wiirfd

Jdairbe AUSNAHME

Jdiirb[e]d

kommen1

oder "-KONS" gewuirfn

'werfen

gejduzrbn

sterben

wusrn

werden

gejuirn gejduirbn

scheren1 s.o.

(QUANT.)

waire

wird

AUSNAHME (QUAL.)

Jaire Jdairbe

Jaird ,fdairb[e]d

In Gruppe (3) treten die meisten der Verben von KL I auf, die eine PRÄTForm kennen. Die Kette der Stammformen ist in diesen Fällen um eine vierte zu erweitern. PRÄT-VOK ist stets / /: dritte Stammform P.P.

vierte Stammform PRfiT

gaibn gxumn gesasn gelaixn gewaisn

gtiib gxDim SO is (schwach suppletiv)

Dieser PRÄT-VOK (und nur er) ermöglicht im Falle des Verbs /seie/ 'sehen 1 mit seinen vier Stammformen /seie - seid - gesein - SDIX/ (beachte übrigens die schwache Suppletion) dessen Zuordnung zur Gruppe ( 3 ) .

164 Gruppe (4)

/Ä - E,S - Ä/

Anm.: /E/ ist mit Kürze, also /e/, und /Ä/ mit Länge, also / setzen (s.o. 8 . 1 . 1 . 1 . ) .

3.SG

INF

xülde böge wDgse woje fT>qe ftile AUSNAHMEN

P.P.

e

D

xeldd begd wegsd wej"d fend feld

gexDldn gebügn gewBgsn gewDjn gefüqn gefDln

'halten backen

wachsen waschen fangen fallen

(QUAL.)

JbDldd jDldd solsd

geJbPldn gejüldn gesDlsn

spalten schalten salzen

(geie) (Jdeie)

(geid) (Jdeid)

gtinn geJdOn[e]n

gehen stehen1

INF

3 . SG

Jbolde Jnlde sülse

* Schwach suppletiv und mit PRÄT-Stammform /gun; -i-/ bzw. /Jdund; -o-/.

ZUORDNUNGEN*

DI

P.P. e

DI

lüide

ledd

gelDidn

AUSNAHME (QUAL. ) büide

bDdd

gebo i dn

MUSTER "[PLOS.-LAB]"

1

grnibe moi le dro:e

fahren graben

(QUAL.)

groib[e]d im>i Id droid

Gruppe (5)

laden baden

MUSTER "[PLOS.+LAB]" oder "LIQ" oder "-KONS" füire fcird gefoirn grüibe greib[e]d gegrDibn AUSNAHMEN

tt

gegrüibn gemOi In gedrü

mahlen tragen

/O - I , E - O/

Anm.: /!/ ist stets kurz /i/, /E/ stets lang /ei/. INF 01

3.SG ei

P.P.

i

o:

MUSTER " FRIK" oder "[ PLOS.-LAB]"

Jroide

Jridd ridd

roide broide loise bloise Jdo i se AUSNAHME

Jloife "

bridd lisd blisd j-disd (QUANT.) Jleifd

gejroidn gero idn gebroidn geloisn gebloisn ge jdo i sn

1

schroten raten braten lassen blasen stoßen

gejloifn

schlafen

gejloin

schlagen

gedoin

tun 1

MUSTER " -KONS"

,floie

rleid

ZUORDNUNG

(duie)

/ gleichzu-

(dud)

165

Zusammenfassung Die phonologischen VQK-KONS-Muster, die mit einem bestimmten morphologischen Verhalten von Stammformen und ihren Untertypen in einen implikativen Zusammenhang gebracht wurden, stehen z.T. nur mittelbar in diesem Zusammenhang und sind z.T. übergreifenden Implikationsregularitäten, wie sie in 8.1.1.1./2. herausgearbeitet wurden, nur untergeordnet: Zur 2./3.SG Folge-FREK fällt in den Bereich der Regularität, daß bei Addition der Suffixe für 2./3.SG Cluster aus postvokalischem OBSTR und Suffix-OBSTR entstehen und dann /Vi/ gekürzt wird. Für PLOS.-LAB gilt dasselbe. PLOS.+LAB hingegen gehört in den Zusammenhang, daß bei der 2./3.SG aus Stammauslaut und Suffixen gar keine Cluster entstehen und deshalb /Vi/ erhalten bleibt. Für -KONS gilt dasselbe, für NAS und LIQ Ähnliches: es entstehen zwar KONS-Cluster, aber

der

postvokalische KONS ist nicht OBSTR. Zum P.P. Folge-FRIK ist hier Teil der oben in 8.1.1.2. herausgearbeiteten Regularität, daß bei gleichzeitigem Vorliegen der Merkmale -PLOS und -LIQ in den Gruppen (1) und (2) der Stamm-/Vi/ gekürzt wird. Für NAS gilt Entsprechendes, für LIQ und PLOS (ob +LAB oder -LAB) selbstredend das Umgekehrte. Schon die Zugehörigkeit zu den Gruppen (3) bis (5), angezeigt durch die entsprechenden Stantnvokale der Basis, impliziert, daß Basis-Länge im P.P. erhalten bleibt. In der Schalttafel zur Herstellung der P.P.-Formen (8.1.1.1.) wurde dem Rechnung getragen durch das Kriterium, ob die Basis-Vokale /ai/ oder /i:/ (impliziert Zugehörigkeit zur Gruppe 1 oder 2) vorliegen oder nicht (impliziert

Zugehörigkeit zu den

Gruppen 3 bis 5). Auf Kriterien der Folgekonsonanz braucht hier folglich kein Bezug genormen werden. In der folgenden zusammenfassenden Tabelle wird gezeigt, wie sich die paar wenigen phonologischen Implikationsmuster (= Arten der auf VOK folgenden Konsonanz) auf das Verhalten langer Basisvokale in den beiden morphologischen Produktkategorien 2./3.SG und P.P. auswirken und in welchem Zusammenhang zu schon erarbeiteten übergreifenden Iirplikationsregularitäten sie stehen:

166

Bei /Vi/-Basis

Produkte sind

LANG

Gruppe

(1-2)

(3-5)

Produktabteilung

FRIK PLOS.-LAB NAS LIQ PLOS.+LAB -KONS

+

Ü.I.

+ + -t+

i

2./3.SG

P.P.

Ü.I

+

Ü.I.

+

Ü.I.

iv v iv v v *

-

i

+ +

vi vi ·>

P.P.

2./3.SG

+ _ + + + +

i ii ii iii iii

+ = erhaltene Länge - = Kürzung * = kommt in Produktform P.P. nicht vor, die daher stets schwach suppletiv zu vokalisch auslautenden Basen steht: /gebliibn/ zu /blaie/, /gedsuxxn/ zu /dsiie/.

p

i ?

+ + +

ii iii iii

•p

+ + +

vi vi vi

ü.I. = übergreifende Implikationsregularitäten (vgl. Schalttafeln von 8.1.1.1./2.): i = +Cluster. +OBSTR ii = +Cluster. -OBSTR iii = -Cluster iv = -PLOS. -LIQ v = PLOS oder LIQ vi = Gruppe (1-2) oder nicht,d.h. Basis-VOR /ai/, /ii/ oder nicht. Kein Bezug auf FolgeKONS.

8.1.2. Verbalklasse II Personalflexion und Partizip Die meisten sog. "schwachen Verben", das sind solche, die ein /+d/-Suffix im P.P. haben, verhalten sich regulär, d.h. alle ihre morphologischen Kategorien werden durch reine Addition der Morphe hergestellt, ohne daß es zu Prozessen kamt, die den Stanm-VOK qualitativ oder quantitativ verändern. Diese Verben brauchen nicht mit einem KL-Merkmal versehen werden. Doch gibt es unter den "schwachen Verben" wie bei Verben der KL I auch Fälle von stammvckalischen Veränderungen, sowohl (1) im P.P. als auch (2) im PRfiS.(2./)3.SG: (1)

bren+e ge+bron+d

(2)

fairb+e vs. f Eirb+[e]d

vs.

+e ge+lon+d

zu 'brennen'/'langen'

bren+e bren+d

z u 'färben'/'brennen'

167

Eine weitere Besonderheit ist die Erscheinung, daß es bestimmte "schwache Verben" gibt, die im PRKS verschiedenen Staimt-VOK in SG und PL aufweisen: SG /wil+/ vs. PL /wul+/. Schließlich sind auch aus der Menge der "schwachen Verben" bestimmte Verben dahingehend zu kennzeichnen, daß sie PPA'T haben können: /wis+e/ /wus+d/. In diesem TEMP wird, wie bei Verben der KL I, der Startm-VQK verändert, nur tritt ein /d/-Suffix noch hinzu. Alle "schwachen Verben", bei denen mit Besonderheiten der geschilderten Art zu rechnen ist, erhalten das Merkmal "KL II". Die auch schon bei der KL I aufgeworfene Frage, ob und wie sich Vorhersagen zur ""akzidentiellen" Art der PERS-/ NUM- und der PRS.T- und P.P.-Flexion machen lassen, muß auch für die Verben der KL II (also der "irregulären schwachen Verben") gestellt werden. Kürzung und qualitativ er VOK-Wechsel Produktkategorie P.P.

Basiskategorie INF

ferglad gebrad gered gerud* gejmid gexud gejud geflud gelud

(fer+)glaid+e braid+e reid+e roide Jmixd+e xiid+e Jiid+e *fliid+e? laid+e be+daid+e

Produktkategorien (2./)3.SG/2.PL ferglad brad

xid i" flid lid bedid

'verkleiden' 1 (aus)breiten' 1 reden 1 'roden' 'schmieden' 1 hüten' 'schütten' 'fluten (schwemmen) 'läuten' 'bedeuten'

*Kürzungsprodukt von /oi/ ist /u/. Siehe 11.2.1.

In 7.2.2. wurde bereits herausgearbeitet, daß bestürmte Vorgänge als zwar von phonologischen Mustern mitbestinmt, aber letztendlich als morphologisch bedingt zu werten sind, bestürmte andere jedoch als morphologischer Reflex auf einen phonologischen Prozeß mit kontramorphologischer Wirkung. Die bei den Verben der KL I sichtbar gewordene Tendenz zur morphologischen Kürzung in der 2./3.SG.PR&S wurde dort oben in Regel (II) auf die "schwachen Verben" übertragen, war aber auf /d+/-auslautende Verben (also ein phonologisches Muster) zu begrenzen. Nur mit phonologisch bedingter /d+d/-Verschmelzung und morphologischer Re-aktion darauf (Kürzung) war in diesen Formenkategorien nicht auszukörnen, da eine phonologisch nicht zu begründende Kürzung auch bei /d+sd/ vorkam. Regel (II) gilt also für die 2./3.SG.PRÄS der soeben in obiger Tabelle aufgelisteten Verben der KL II. Die Erklärungen für Kürzungen in den über die 2./3.SG.PRSS hinausgehenden Formenkategorien waren und sind allerdings weiterhin auf die

168

Regeln III (Geminatenverschmelzung) und IV (kompensatorische Kürzung) angewiesen. Sie gelten nicht nur für die 2.PL der obigen Verben, sondern sind auch auf den P.P. anwendbar. Also gilt (am Beispiel /(aus+)braid+e/ '(aus)breiten1 gezeigt):

3.SG 2. PL P.P.

zugrundeliegend ( I I )

(III)

(IV)

realisiert

braid+d braid+d braid+d

brad braid braid

brad brad

brad brad brad

brad+d

Z.T. gibt es auch Blockierungen des Kürzungsmechanisnuis, wie die folgenden Beispiele belegen: P .P.

geroid bedaid gexaid gemiid gexaieroid gefluid

INF

roid+e be+daid+e *xaid+e be+naid+e miid+e xaiercid+e *fluid+e?

J.SG

benaid

'gerodet 1 'bedeutet 1 'gehäutet' 'beneidet 1 'gemietet' 'geheiratet' 'geflutet'

Dem P.P. [geroid] steht jedoch P.P. [gerud], dem P.P. [bedaid] die 3.SG [bedid] gegenüber, ohne daß semantische Unterschiede zu erkennen wären. Beim P.P. [gexaieriDid] könnte es eine Rolle spielen, daß die Auslaut-Sequenz /Vid/ nicht im HT steht. Zu [gefluid] nehme ich als Basis ein aus dem Hd. 'entlehntes' Vfluide/'fluten' an, daß mit dem 'nativen1 */fliide/ 'schwemmen', dem der P.P. [geflud] und die 3.SG [flid] zuzuordnen sind, semantisch eng verwandt ist. Deshalb werte ich gekürzt [geflud] ebenfalls als Gegenbeispiel zu ungekürzt [gefluid], Insgesamt scheint es sich deshalb bei ungekürzten P.P.-Formen darum zu handeln, daß die Regel (IV) zum kcrrpensatorischen Ikonismus unterdrückt wurde, vielleicht eben, weil die betroffenen Verben als hd. Entlehnungen nicht in 1st. Wechselparadigma gezwängt wurden. Die umfassende Gültigkeit der Degeminationsregel (Regel III) erweisen jedoch auch diese Fälle. Die ungekürzte 3.SG [benaid] ist (aus denselben Gründen?! nicht von Regel (II), der auf ein phonologisches Muster reagierenden morphologischen, erfaßt worden. Das schon bei den Verben der KL I beobachtete häufige gemeinsame Auftreten von Kürzung und VOK-Alternation ist im P.P. auch bei einer Reihe von Verben der KL II anzutreffen:

169 P.P.

INF

gelud

laid+e

'läuten 1

gexud

xiid+e

'hüten 1

gejud

Jiid+e

'schütten 1

geflud

*fliid+e

'schwemmen'

gebred

braid+e

'(aus)breiten 1

Dieser VCK-Wechsel ist phonologisch nicht zu begründen und deshalb als morphologisch gesteuert zu bewerten, wie "Ablaut" beim P.P. der Verben der KL I auch. Die Mehrzahl der Fälle wechselt im P.P. zu /U/, ganz im Sinne der "Ablaut"Gruppe (2) von KL I. Ausnahmslos von Basis-/!/ her ist Wechsel zu Produkt-/U/ bei Verben der KL II trotzdem nicht, da den drei obigen Fällen der Fall [jmiide - gejmid] (nicht *[gejmud]) gegenübersteht. Bemerkenswert regelhaft ist hingegen bei den genannten Verben, daß der VOR des P.P. qualitativ mit dem des jeweiligen deverbalen Substantivs übereinstimmt. Dies gilt auch für /braide gebred/:

P.P.

SUBST

ge_[mid

J^miide

'Schmiede'

gexud gejud geflud

xuid ;ud fluid

'Hut (Viehweide) 1 'Schutt 1 'Flut 1

gebred

brede*

"Breite 1

*Vgl. unten auch ADJ.KOMP /breder/ 'breiter 1

Solch ein verbal-nominaler Zusammenhang läßt sich auch zwischen P.P. /gelud/ und ADJ /laud/ 'laut' konstruieren, da man analog der Entsprechung 'lang' /ai/ 'kurz1 /i/ eine Entsprechung 'lang1 /au/ - 'kurz1 /u/ annehmen darf. Zu /*fliide - geflud/ muß angemerkt werden, daß der INF nicht zu elizitieren war. Es kamen vor [es flid] 'es schwemmt1 und [es xt>d geflud] 'es hat geschwemmt1 Daraus habe ich analog zu [xiide - xid - gexud] oder [jiide - Jid - gejud] einen INF */fliide/ rekonstruiert. Als Nebenform von [geflud] hörte ich auch [geflid], die nicht 'abgeläutete1, aber ebenfalls gekürzte Form. Durch abweichendes Verhalten auffallende Verben sind ferner (1) mit qualitativem VOK-Wechsel zu einer Produktkategorie hin: ge+brnn+d* ge+wus+d

fairb+e bren+e wis+e

feirb+[e]d

'färben' 'brennen' 'wissen'

170

(2) mit vckalischer und konsonantischer Alternation und deshalb schwach suppletiv: ge+brüx+d* ge+dox+d*

'bringen 1 'denken'

breq+e degg+e

*Hingewiesen sei auf die zwischen INF und P.P. bestehenden Beziehungen der phonologisehen Muster /e - NAS/ und /D - KONS/, /er ( g ) / und /t>x/.

Wie die Beispiele ge+gxen+d (fer)mis+d ge+Jbreq+d ge+Jeng+d

gxen+e (fer)mis+e Jbren+e Jeqg+e

'kennen' '(ver)missen' 'sprengen' 'schenken'

zu zu zu zu

oben oben oben oben

/bren+e/ /wis+e/ /breq+e/ /deqg+e/

zeigen, sind die Abweichungen bei /bren+e/, /wis+e/, breq+e/ und /deqg+e/ nicht vorhersagbar, also anzugeben. (3) Schließlich fallen im morphologischen Verhalten die sog. "Modalverben" auf. Für sie sind Aussagen zur Bildung von P.P. und INF nicht oder nur sehr bedingt möglich, da sie wegen ihrer syntaktischen Gebrauchsbedingungen diese beiden Kategorien nicht in der sonst üblichen Weise und Frequenz kennen (ein INF für Modalverben ist überhaupt nur nach dem Verb /waire/ 'werden' belegt). Bei ihnen gibt es vielmehr eine Art von INF in der Funktion eines PART.INF (vgl. dazu 6.2.3.) wie in /dar xed der sui Jnairdsle gxin erdseile/ "der hätte dir so Schnärzchen erzählen können 1 .

Ein P.P. des Musters /ge+...+d/ ist überhaupt nur in /ge+mus+d/ 'gemußt1 belegt. Diese Verben haben außerdem überwiegend Stanmallomorphie im SG und PL des PRSS, z.B. /dar mus/ - /dii mis+n/ zu 'müssen'. Daß also einerseits die Formen (INF, P.P.), die bei der KL I zur Bestimmung verbaler Gruppen nötig waren, gar nicht durchwegs existieren, andererseits Formenklassen existieren, die sonst (bei anderen Verben) gar nicht zu veranschlagen sind (PART.INF, SG- vs. PL-Stanm), hat natürlich Auswirkungen auf die Tabelle der "Stammformen" der Modalverben:

171 PRA£ c3G

PL

1.

2./3.

PART.

und INF

gxnn

gxon

dairf

diirf

INF

gxin

gxun

1

diirf

duirf

'dürfen'

wul

wul

'wollen'

können '

!

wil

wil

sul

sul

sul

sul

'sollen'

mus

mus

! mis

mis

'müssen'

J

Anmerkungen: Die Formen /diirf/ und /duirf/ werden nach dem Durchlaufen einer schon genannten phonologisehen Regel (Senkungen) als [deirf] und [doirf] realisiert (vgl. 1 0 . 1 . 5 . 1 . ) - Jene zugrundeliegenden, aber nie so realisierten Formen wurden deshalb angesetzt, weil die Alternationsbedingung dann verletzt werden darf, wenn Zusammenhänge morphologischer Paradigmen für bestimmte zugrundeliegende Formen sprechen: hier die Einbindung des */diirf/ in die größere Gruppe mit Stamm-VOK /!/, des Vduirf/ in die mit /U/. Ähnliches wurde schon in 8 . l . l . l . / 2 . mit /wiirfd/ /gewuirfn/

[weirfd] [gewoirfn]

praktiziert. Zur Rechtfertigung dieses Vorgehens vgl. Harnisch (1987a). Zur Form /duirf/ PART.INF gibt es das freie Allomorph /dairf/, das mit 2./3.SG formengleich ist. Zur Form /gxun/ PART.INF gibt es das freie Allomorph /gxin/, das mit dem belegten 'echten' INF und dem PL-Allomorph formengleich ist.

Wie die meisten Modalverben differenziert in SG- und PL-Stamm des PRfiS auch das Verb /wis+e/: SG /was+/ - PL /wis+/. über diese Unterscheidung SG-PL hinaus ist für /diirf-dairf/ zusätzlich eine Differenzierung zwischen 1. und 2./3. SG.PRSS einzuführen, was der Erscheinung entspricht, daß sich bei vielen für KL markierten Verben die im Stanm-VCK einheitliche Form 2./3.SG.Präs von Rest des gesamten ändern (SG- und PL-)Paradigmas abhebt (qualitativ und/oder quantitativ): PRÄS-Stämme 2./3.SG grif

lid feirb dairf

l.SG und PL graif laid fairb diirf

KL I KL II

172

Mit dem Merkmal KL II sei auch auf das Paradigma von / wiesen, das folgendermaßen aufgebaut ist:

(b+e)/ "haben* ver-

SG INF

1.

2.3.

PL

P.P.

XD+

XDI +

Auch hier liegt allomorphischer Quantitätswechsel des Stamm-VQK vor, denn phonologisch ist die Alternation nicht zu erklären. Präteritum und Konjunktiv Wie schon bei den mit der Markierung PPÄT versehenen Verben der KL I soll auch bei den entsprechenden Verben der KL II die Voraussagbarkeit des Stamm-VOK im PRÄT vom P.P. her bzw., was die Modal-Verben angeht, vom PART.INF her überprüft werden {/+d/-Suffix vernachlässigt, da durchgängig): Basis-Stämme P.P.

Produkt-Stämme PRÄT

dox

dt>x

wus

wus

zu

1

denken ' 'haben' 'wissen 1

PART. INF

duirf gxun mis sul wul

duirf gxun mos sol WDl

'dürfen 1 können ' 'müssen 1 'sollen 1 'wollen 1 1

Bei allen betroffenen Verben entspricht der PRST-Stamm dem der Basis (P.P. bzw. PART.INF) quantitativ, bei den Nicht-Modal-Verben und bei den Modal-Verben /diirf+e/ und /gxin+e/ auch qualitativ, während die ändern drei Modal-Verben /A/-PRST haben. Ein Regelwerk ließe sich auf verschiedene Arten konstruieren, doch für solche Versuche gilt nun einmal, daß Regelaufwand und Anzahl der in den Regeln bearbeiteten Fälle in keinem sinnvollen Verhältnis stehen. Regelmäßiger verhält sich die Urnlautung in der Kategorie PR&T.KCNJ. Die soeben erzeugten PRfiT.INDFormen bilden die Eingabe in die Umlautregel:

173 PRÄT-

Stäimne IND

KONJ

di>x

dex xe me s wel sei gxen wis dixrf

mo s WOl

gxun wus duirf

zu 'denken 1 'haben' 'müssen 1 'wollen' 1 sollen' 'können' 'wissen 1

'dürfen 1

Auch hier bleibt die Quantität des Stamm-VOK gleich. Qualitativ regelmäßig werden / / zu /e/ und /ui/ zu /ii/ umgelautet, doch wird /u/ zu /e/ oder /i/ umgelautet, was bei den jeweiligen Basen expliziert markiert werden müßte. 8.2.

Nominale Klassen

8.2.1. Substantive Hier treten auch wieder Erscheinungen auf, die vom Verb her schon bekannt sind: qualitativer Wechsel des Stairm-VCK oder/und quantitativer Wechsel des Stamm-VCK und die Wahl bestimmter Suffix-Allomorphe. Es wird auch hier stets darum gehen, Anhaltspunkte für die Voraussage morphologischen Verhaltens zu finden und morphologische wie phonologische Informationen, die ohnehin vorliegen, für diese Zwecke auszunützen. Für das Substantiv werden solche Versuche etwa von Werner (1969) unternommen. Nicht dem Zweck solcher Vorhersagen dienten zwei Untersuchungen, die sich vertieft mit dem System der deutschen Substantiv-Flexion beschäftigen. Sowohl Rettig (1972) als auch Bettelhäuser (1976) determinieren nämlich umgekehrt von PL- und KAS-Bildung (genauer: PL.NQM und SG.GENITIV) her erst die KL-Zugehörigkeit (vgl. Bettelhäusers Kapitelüberschrift zu III.3.: "Klassifikation mit Hilfe der Genitiv-Singular- und der Nominativ-Plural-Allomorphe"). Für beide Autoren ist die KL-Angehörigkeit eines bestimmten Substantivs offensichtlich eine nicht näher geregelte Zufälligkeit. Symptomatisch dafür ist etwa Rettigs (ebd.: 23) Äußerung: "Die Zugehörigkeit eines Substantivs zu einer der Untermengen ist relativ willkürlich." Dagegen betreibt Wurzel (1970) besonders fürs Substantiv eine konsequente Zusammenschau aller morphologischen Merkmale und die Analyse ihrer Interdependenzen. Sein Ziel ist, "morphologische Redundanzbedingungen" (35) herauszufinden, was nichts anderes bedeutet, als von einem morphologischen Merkmal her andere vorauszusagen (vgl. seine Liste der "MRB"-Regeln S. 35). Dahinter steht bei ihm (wie bei mir) die Absicht, die

174

Lexikoneintragungen zu vereinfachen, von expliziten Angaben zu morphologischem Sonderverhalten so frei wie möglich zu halten (33-6). Wurzel (1984) niimt dann über "morphologische Redundanzbedingungen" hinaus auch die von ihm so genannten "Inpükationsmuster", wo sich morphologische Eigenschaften an "außermorphologische" (wie v.a. phonologische) gleichsam "anlehnen" (ebd.: 117) und damit KL-Verhalten stabilisieren, hinzu. Danach bin ich schon im Kap. zur Flexionsklassenstabilität der Verben verfahren und werde es auch hier bei der der Substantive versuchen. Das folgende Kap. 8.2.1.1. dient (A) der Prognose der Suffix-Allomorphe des PL, (B) der Prognose der Veränderungen des Stanm-VOK im PL. Schließlich werden in einem Pkt. (C) alle belegten PL-Formen von Substantiven, geordnet nach phonologischen, morphologischen und senantischen Kriterien, aufgelistet. 8.2.1.1. Pluralbildung (A) Allomorpkie der PL-Suffixe Nicht weiter eingehen werde ich darauf, daß einem Derivationstyp stets eine Art der PL-Bildung zugeordnet werden kann. Vielmehr wird es darum gehen, die implikativen Zusammenhänge zwischen Merkmalen nicht derivierter Substantive und deren PL-Allomorphen aufzuzeigen. Die angesprochenen Merkmale sind vornehmlich Genera und solche der Wortstruktur. Zu letzteren gehören sowohl morphologische (monomorphe Wörter oder Wörter mit STBI auf /+e/ oder /+n/) als auch phonologische (Einsilbler oder Wörter mit - -Strukturen, v.a. mit /-l/oder /-er/-NT). Zum Unterschied zwischen morphologischen und nicht-morphologischen 'Endungen1 vgl. man die Ausführungen in 6.1.4. Daß man das Stammbildungsmorph /+n/ nicht mit NT-/n/ gleichsetzen und dadurch morphisch strukturierte und morphisch unstrukturierte Fälle nicht in einem Merkmal " " zusammenwerfen kann, mag der Fall /gxnr+n/ 'Karren' belegen, der durchaus zweimorphig ist (vgl. z.B. VERB /gxt>r+e/ 'karren'), aus distributionellen Gründen jedoch (NAS nach LIQ) keineswegs zweisilbig! Das phonologische Merkmal "NT", mit dem wir monomorphe Wörter mit HT-NT-Struktur beschreiben, und das Merkmal "Morph", mit dem wir Wort-/Stammbildungen kennzeichnen, fallen also keineswegs zusammen: Ein Morph muß nicht silbischer NT sein (/gxor+n/), eine NT-Silbe nicht morphisch (/figer/)!

175

Kopeke (1982) hat gezeigt, daß auch das GEN der Substantive von bestirnten Mustern (der Wortstruktur und -seraantik) her oft in erstaunlichem Umfang vorherzusagen ist. Die einzelnen Implikationsketten (zwischen Wortstruktur und GEN, zwischen PL-Bildung und Wortstruktur, aber auch zwischen GEN und PL-Bildung) lassen sich in ein Implikationsdreieck bringen, bei dem jeder Faktor mit jedem ändern verbunden ist:

GEN *·

* Wortstruktur

(O

Da es den Rahmen dieser Arbeit gesprengt hätte, wenn das von Kopeke am Hd. Gezeigte fürs Lst. nachvollzogen worden wäre, gehe ich im folgenden noch von einer im Lexikon verzeichneten Angabe des GEN aus, versuche also nicht, es von der Wortstruktur her vorauszusagen. M.a.W.: "Schenkel1 (c) des Dreiecks interessiert hier nicht. Vielmehr ist die voraussagende Kraft der beiden unteren 'Ekken1 für die obere von Belang. Es interessieren mithin die 'Schenkel' (a) und (b) allein oder in Kombination. Als Merkmale der Wortstruktur werden, wie gesagt, morphologische (Stammbildung) und phonologische (lautliche NT-Muster) benutzt. Bei letzteren ist man wiederum versucht, von "phonologischer Bedingtheit" der PL-Bildung zu sprechen. Phonologische Bedingungen für die eine PL-Art oder die Verhinderung einer ändern lassen sich jedoch nicht finden. In PL-Bildungs-Alternativen wie (1)

(2)

Jnaibl

wurdsl+n

'Schnäbel/Wurzeln'

fiijer

gxümer+n

'Finger/Kammern 1

zeigen die Fälle unter (2), daß ein Morph, das nicht /0/ ist, der NT-Silbe durchaus folgen kann, es also keine phonologischen Gründe für den /0/-PL gibt. Es hat sich vielmehr gezeigt, daß solche phonologischen Informationen wie /, -/er/ oder -/V»/ nur zusammen mit rein morphologischen Bedingungen Wert für die Vorhersage der PL-Bildung haben (daß z.B. /!/ und /er/ im NT nur dann mit /0/-PL korrelieren, wenn gleichzeitig -FEM vorliegt, mit /+n/-PL dann, wenn gleichzeitig +FEM vorliegt). Die GEN-Angabe gehört als morphologische Kategorie also dazu. Ebenso dazu gehört das morphologische Merkmal Wortart (hier Substantiv) , das stets stillschweigend mit einbezogen werden muß. Denn wie stark abhängig davon bestimmte morphologische Verhaltensweisen sind, mag folgendes Bei-

176

spiel beleuchten: Beim PL der Substantive kamen NT-Auslaute der Art */-er+e/ überhaupt nicht vor. Dagegen sind sie in Formen von ändern Wortarten und selbst in ändern Formen derselben Wortart Substantiv ganz gängig: NT

Verb Adjektiv Substantiv!

dsid bid leg gelan

er+e er+e er+e er+e

'zittern 1 'bittere 1 1 längere ' 1 Geländer

SG

Auch diese Fälle sprechen gegen eine phonolcgische Bedingtheit des substantivischen /0/-PL nach NT-/er/. In der folgenden Tabelle wird zusammenfassend dargestellt, wie im Sinne des obigen Implikationsdreiecks Wortstruktur, GEN und die Art der PL-Bildung zusammen ein "Implikationsmuster" bilden. Die Zahl vor jedem Beispielwort zeigt wieder an, wie oft der jeweilige Typ belegt ist, denn um entscheiden zu können, was 'Regel', was 'Ausnahme' ist, sind wieder statistische Daten aus meinem Textkorpus erforderlich. Die Belege finden sich vollständig in Pkt. (C). Das Merkmal +STBI hat hohen Voraussagewert für die Wahl des PL-Allomorphs und stellt deshalb ein erstes wichtiges Kriterium der Kategorie "Wortstruktur" dar. Alle lexikalischen Stänme mit dem Merkmal -STBI sind monomorph. Bei diesen Wörtern gibt es wiederum zwei Möglichkeiten der Strukturiertheit: Entweder sind sie mehrsilbig oder nicht. Von den Mehrsilblern haben die allermeisten eine -NT-Reihenfolge. Als Kriterium wird daher ein Merkmal ±NT# eingeführt, dessen Pluswert ausdrückt, daß ein NT vorliegt (also es sich um einen Mehrsilbler, meist Zweisilbler, handelt) und dieser NT nachhaupttonig (also auslautend) steht. Mit dem Merkmalen j^STBI und _+NT# lassen sich alle wesentlichen Wortstrukturtypen beschreiben, die (neben GEN-Merkmalen) zur Prognose der PL-Allomorphien beitragen: (1) monomorphische Lexeme mit HT-NT-Struktur mit dem Kriterium [-STBI.+NT0]; (2) Lexeme mit Stammbildung, also mit interner morphischer Strukturierung, mit dem Merkmal +STBI, wobei es keine Rolle spielt, ob +NT# wie in [dnuxn] oder -NT# wie in [gxnrn] vorliegt, weshalb auf das NT-Kriterium verzichtet werden kann; (3) monomorphische Lexeme ohne HT-NT-Struktur, also Einsilbler, mit dem Kriterium [-STBI.-NT#], wobei das Merkmal -STBI Fälle ohne NT#, aber mit Suffix (wie /gxrr+n/) ausschließen soll, das Merkmal -NT# Fälle ohne Suffix, aber mit NTStruktur (wie /finer/). In dieser Reihenfolge stehen die Typen (1-3) in folgender Tabelle:

177 Wortstruktiir

GEN MSK

2 dexder+0 1 Töchter '

? bindl+0 •Bündel'

0

2 feder+n 'Vettern'

0

7 gxomer+n 1 Kammern '

-1

1 bcndufl+n 'Pantoffeln'

0

13 Jufl+n 'Schaufeln'

+e

7 bul+n 'Bullen 1

3 aix+n ' Augen '

+n

24 dnux+n 'Knochen'

? gxis+n 'Kissen 1

0

5 raif+ 'Reifen'

1 Jdig+n 'Stücken'

8 glai+n ' Klauen '

-er

-3 [+NT# J

-1

10 Jnaibl+0 'Schnäbel 1

-er

+STBI

(3)

L-NT# J

FEM

3 glafder+0 'Klafter'

5 fiqer+0 'Finger'

(D

(2)

NTR

56 dnaxd+e 1 Knechte ' 8 men+er 'Männer'

9 bain+e •Beine' 27 braid+er 'Bretter'

PLArt

+0

+n

100 flT>;+n 'Flaschen'

14 gens-t-e 'Gänse' 0

+e +er

Im folgenden soll die Tabelle erläutert werden: (1) Moncnorphe Mehrsilbler: [-STBI.+NT#] Liegt NT-/er/ oder NT-/1/ zusammen mit MSK/NTR vor, ist /+0/-PL die Regel, /+n/PL die Ausnahme. Liegt dagegen NT-/er/ oder NT-/1/ zusammen mit FEM vor, ist /*n/-PL die Regel, /+0/-PL die Ausnahme. Durch diese zusammenfassende Regel sind Nuancen allerdings verwischt worden: so etwa die Tatsache, daß es gar keine Fälle gibt, die gleichzeitig die Merkmale NT-/1/, FEM und /+0/-PL haben; ferner, daß es kein NTR mit NT-/er/ oder -/!/ gibt, das seinen PL auf /+n/ bildet. Bei NT-Fällen kommen nur zwei Arten der PL-Bildung vor: /+0/ und /+n/. (2) Bimorphe Staitribildungsfälle: +STBI Nach Ausweis der Tabelle deutet das Kriterium +STBI stets auf /+n/-PL hin, ganz gleich, ob /+e/- oder /+n/-STBI vorlag. Feminina mit /+n/-STBI gibt es übrigens nicht. (3) Monomorphe Einsilbler: [-STBI.-NT#] Nur die monomorphen Einsilbler haben PL-Bildung auf /+er/ und /+e/ (FEM mit /+er/-PL gibt es allerdings nicht). Mit den monomorphen Mehrsilblern und den Stammbildungsfallen teilen sie die Möglichkeit der PL-Bildung auf /+n/. Statistisch verteilen sich die PL-Allomorphe bei den moncmorphen einsilbigen Basen so: /+e/-PL ist den ändern Genera gegenüber eine Domäne von MSK, /+er/-PL

178 eine von NTR und /+n/-PL eine von FEM. Innerhalb desselben GEN dominiert bei MSK /+e/-PL über die ändern Allonorphe (/+n/ und /+er/), bei NTR /+er/-PL ebenso (über /+n/ und /+e/) . Doch während bei MSK und NTR ein spezifisches PL-Allomorph sowohl demselben Allomorph anderer Genera als auch GEN-intern ändern Allomorphen statistisch überlegen war, trifft auf FEM nur das erste Kriterium zu, das zweite nicht: bei den femininen monomorphen Einsilblern doniniert zwar /+n/PL numerisch gegenüber /+n/-Pluralen bei -FEM, doch ist

innerhalb von FEM der

/+e/-PL häufiger. Dadurch entsteht ein Beurteilungsproblem: Soll man, abstellend auf das erste Kriterium, sagen (a) "Einsilbler", die FEM sind, haben 'normalerweise' /n/-PL" und damit die Tatsache unterdrücken, daß GEN-intern der /+e/-PL bei Einsilblern statistisch überlegen ist,

oder, abstellend auf das zweite Kriterium, formulieren

(b) "Einsilbler, die FEM sind, haben 'normalerweise1 /e/-PL" und damit den Sachverhalt verwischen, daß im statistischen Vergleich der Einsilbler aller Genera der /+n/-PL "typisch1 FEM ist? In dieser Entscheidung helfen könnte ein Blick über den Bereich der monomorphen Einsilbler hinaus: /+n/-PL scheint die PL-Bildungs-Art von FEM schlechthin zu sein. Zwar läßt sich /n/-PL ohne Bezugnahme auf das GEN auch schon ans Kriterium +STBI knüpfen, doch ist erstens stets damit zu rechnen, daß es koexistente Regeln gibt, die sich gegenseitig einen Teil der von ihnen erfaßbaren Fälle abnehmen - hier: (I) "FEM hat normalerweise /+n/-PL" und (II) "+STBI hat normalerweise /+n/-PL". Anm.: Dadurch, daß Regel (I) über Fälle wie /flOj+e/ hinaus auch die Typen /gxDmer/, / J u f l / und /glar/ erfaßt und Regel (II) über Fälle wie /floj+e/ hinaus auch die Typen /bul+e/, /aix+e/ usw., erweist es sich, daß sie als je einzelne Regeln mit je eigenen Geltungsbereichen ihren Sinn haben und sich nur partiell überlappen.

Zweitens sprechen für einen weiten Geltungsbereich der Regel (I) die Typen /gxOmer/ und /;ufl/, bei denen zur Vorhersage der PL-Bildung nicht nur auf Wortstrukturmerkmale, sondern eben auch auf das GEN-Merkmal FEM ausdrücklich Bezug genommen werden muß. M.a.W.: Nur weil diese Typen FEM sind, haben sie gegenüber den regelhaften Typen mit derselben Wortstruktur, aber dem GEN-Merkmal -FEM (/figer/, /jnDibl/ usw.) einen /n/-PL. Aus diesen Gründen werde ich den /+n/-PL auch bei Einsilblern, die FEM sind, zulasten -des bei diesem Typ sogar häufigeren /+e/-Allomorphs als "normal1 ansehen. Ausnahmen Für die Fälle, auf welche die in den zurückliegenden Abschnitten formulierten implikativen Zusammenhänge nicht zutreffen, ist die Art der PL-Bildung explizit

179

anzugeben. Davon sind alle vier Arten der PL-Bildung betroffen: (a) /+0/ ist anzugeben bei FEM mit NT-/er/, hier beim Typ /duxder/. Noch nicht erwähnt wurde, daß es ganz vereinzelt (im Korpus zwei mal) auch Einsilbler mit /0/-PL gibt. Sie sind MSK: /jiib/ 'Jeep1, /weils/ 'Wels'. (b) /+n/ ist anzugeben bei MSK mit NT-/er/ oder -/!/ (/feder/, /bondufl/) und den Einsilblern mit den Merkmalen MSK/NTR (Typ /raif/ und /Jdig/) . (c) /+e/ ist anzugeben bei Einsilblern mit den Merkmalen FEM oder NTR (wie /gt>ns/ oder /bain/) .Bislang noch nicht genannt wurden folgende vier Ausnahmefälle: Für die Substantive FEM /beir+e/ 'Beere' NTR /xem+e/ 'Hemd'

/sau+e/ 'Sau' / + / 'Haar'

wären der Regel nach PL-Bildungen mit /+n/ zu erwarten, tatsächlich treten aber die Formen PL

/beir+e/ /xem+e/

/sai+e/ /xüir+e/

auf. Diese Fälle sind von vornherein als "Ausnahmen" zu behandeln, bei ihnen ist /+e/-PL (der paradigmatisch an die Stelle der /+e/-STBI der Basis tritt) explizit anzugeben.

(d) /+er/ ist anzugeben bei Einsilblern, die MSK sind (Typ /irroin/). Bei notwendig gewordener expliziter Angabe zur Art der PL-Bildung trägt die Angabe des GEN nichts mehr zur Prognose der PL-Art bei, ist für diesen Zweck also überflüssig geworden. Doch ist die Angabe des GEN als Teil des Lexikoneintrags dadurch nicht überhaupt unnötig, denn als syntaktisch verwendetes Merkmal (Kongruenzkategorie) ist es nach wie vor unverzichtbar. Der in der statistischen Tabelle enthaltene Befund und die auf der Grundlage dieser Tabelle formulierten Implikationsregeln sollen nun in eine 'Schalttafel1 umgeschrieben werden. Allererstes Merkmal, auf das Bezug zu nehmen ist, ist nach der Eingabe die Wortartenspezifikation SUBST. Der schon beim Verb geübte Brauch, die Ausnahmen bereits frühzeitig von den im Schaltplan zu regelnden Fällen abzuzweigen, empfiehlt sich auch hier. Die Ausnahmetypen wurden aufgezählt. Im eigentlichen Schaltplan ist eine erste Verzweigung die nach dem Kriterium j^STBI. Als nächstes muß es möglich sein, zwischen +NT# zu unterscheiden. Da diese Unterscheidung, wie gesehen, für die Fälle mit +STBI irrelevant ist, wird in ± # nur vom Knoten -STBI aus weiterverzweigt. Da sowohl bei /er/- und /1/-NT als auch bei -NlW-Fällen GEN-spezifische Steuerungen der PL-Bildung zu beobachten waren, ist bei beiden eine Weiterverzweigung nach GEN notwendig,

18O

nicht jedoch bei den +STBI-Fällen, die unbeeinflußt vom GEN ihre Zuweisung des PL-Allomorphs erhalten: Eingabe 1

Aus

-STBI ,

NT#

MSK

NTR

+e

+er

l

* An/ oder Ae/

1

1

FEM

,

+STBI*

r+NT#**-,

1

-FEM

1

+FEM

-t-n

+0

** /-er/ oder /-!/

Da bei +FEM und bei /+e/-STBI (wovon 100 Belege auch +FEM sind) stets /+n/-PL erscheint, ist es erwägenswert, GEN zum Obermerkmal zu machen: Eingabe Ausnahmen

+n * /+e/ und /+n/

** /-er/ und /-!/

Beide vorgeschlagenen Wege führen zum jeweils 'richtigen' Ergebnis. Bei beiden durchkreuzt eine Generalisierung jeweils eine andere: Macht man +STBI zum übergeordneten Kriterium, unterdrückt man die Tatsache, daß schon von +FEM ein direkter Weg zu /+n/-PL führt; macht man ±FEM zum übergeordneten Kriterium, unterdrückt man die Tatsache, daß schon von +STBI ein direkter Weg zum /+n/-PL führt. Ich habe hier die zweite Lösung der ersten vorgezogen, weil sie weniger Verzweigungen hat. Doch ist zu bedenken, daß die ganze Wahrheit wohl erst im (redundanten) Nebeneinander von beiden Wegen liegt.·

181 Ergänzungen Zu -FEM

Ganz in dieses Regelwerk fügen sich auch noch andere Fälle ein: -FEM und in der Wortstruktur zum Merkmlbündel [-STBI.+NIW] gehörig sind auch noch andere Wörter als solche, die auf NT-/er/ oder -/!/ auslauten: (1) welche mit anderm konsonantischen -Auslaut (i.f. Merkmal -VCK#): Typen /gxeirbis/ 'Kürbis' und /gxumed/ 'Kummet1; (2) welche mit (lang-)vokalischem NT-Auslaut (i.f. Merkmal +VOK#): Typen /rüidjoi/ "Radio1 und /audoi/ 'Auto'. Beide verhalten sich wie die genannten Wörter mit NT-/er/ oder -/l/, denn sie haben ebenfalls /0/-PL:

-STBll L+NT# J

-VOK#

-er -1 Rest

+VOK#

MSK

NTR

finer Jnaibl gxeirbis rüidjoi

glafder bindl gxumed audoi

+0

/0/-PL hat noch ein weiterer Typ, der, wie alle in der Tabelle verzeichneten Typen, mehrsilbig ist und, wie die Typen /rmdjox/ und /audoi/, vokalisch auslautet. Anders als alle diese Typen hat er jedoch keine - -Struktur, also kein Merkmal NT#, sondern eine NT-HT-Struktur, also ein Merkmal -NT#. Es handelt sich um den Typ /fi'lui/ 'Filou (Schelm)1 MSK und /bi'wei/ 'Büffet 1 NTR. Aus diesem Typ ergeben sich nun einige Verdachtsmomente, was die implikativen Wortstruktur-Merkmale betrifft: Gibt es vielleicht eine Regel, daß vokalische Auslaute überhaupt mit /0/-PL verbunden sind - ein Kriterium, das sich mit dem generellen Kriterium [-STBI.+NT#], zu dem als Sonderfall von +NT# auch +VOK# im NT gehört, partiell überlappt? Im ganzen Umfang gilt eine solche Regel aber offensichtlich nicht. Z.B. haben der Typ MSK /floi/ 'Floh1, NTR /rei/ 'Reh' keine /0/-Plurale (sondern PL auf /+e/: /flei+e/, /rei+e/). Exkurs: Es gibt zwar auch einige langvokalisch auslautende EinsilbLer, die kein PL-Suffix haben:

SG

PL

gxui

gxii Jui

JUI

zu 'Kuh' 'Schuh 1

dnii

dnii

zu "Knie" 'Tag'

Doch wird sich in 10.2.2.1. zeigen, daß endungsloser PL gerade bei solchen auslautenden Langvokalen auftritt, die HOCH (wie / u i / und / i i / ) oder TIEF (wie / / und / a i / ) sind. Vgl. dagegen /ei/ in /rei+e/! Gäbe es nun z . B . im Lst. keine Allomorphie bei PL-Suffixen, sondern nur das /+e/ wie in /rei+e/ (wie es beim INF des Verbs z.B. nur das /+e/ gibt), könnten auch

182

*/gxii+e/

-

Vjui+e/

-

*/dnii+e/

-

*/dui+e/

zugrundegelegt werden (wie das beim INF von /dsiz+e/ 'ziehen', /dui+e/ 'tun', /drox+e/ "tragen 1 auch tatsächlich geschieht), aus denen man durch "Apokope" die Realisierungen [gxii] usw. (wie [dsii] usw.) mit rein phonotaktischen Regeln herstellt. Da jedoch beim PL der Substantive Allomorphie herrscht, kann nicht einfach von einem später zu apokopierenden /+e/ ausgegangen werden, zumal als eines der PL-Allomorphe auch /+0/ vorkommt. In einem Kompromiß werde ich deshalb bei den obigen Einsilblern mit /Vx/-Auslaut einen allomorphischen /0/-PL annehmen, ihn aber an das phonologische Muster "Auslaut auf hohen/tiefen /Vi/" knüpfen.

Der Typ /floi/ hat das Merkmal - , ist also Einsilbler. Das Kriterium VOK# zur Prognose von /0/-PL greift also, von den im Exkurs behandelten Fällen abgesehen, wohl nur, wenn die Basis gleichzeitig zweisilbig ist, also ein Kriterium + überhaupt vorliegt - ob vor- oder nachhaupttonig ist unerheblich: vgl. [,fi'lui +0] mit ['roxd,jox+0]. Reicht es nun vielleicht sogar aus, nur von Kriterium "+ überhaupt" (also von "Mehrsilbigkeit überhaupt") auszugehen und es mit /0/-PL zu verbinden? Dagegen sprechen monomorphe Mehrsilbler mit Betonung der Endsilbe vom Typ MSK [,gxD'm>xl] 'Kanal1, NTR [,bü'dend] "Patent1, die keinen /0/-PL haben, sondern im PL [,gxt>'nexl+e] und [,bt>'dend+e] lauten. Endbetonte monomorphe Mehrsilbler verhalten sich also eher wie monomorphe Einsilbler. Folgendes Implikationsmuster gilt also bei den angesprochenen Fällen. Da hier nur interessiert, ob /0/-PL voraussagbar ist oder nicht, werde ich nur zwischen /0/ und Nicht-/0/ unterscheiden und im folgenden für Nicht-/0/-Suffix "+sym" schreiben: MSK

-STBll _+NT J

-STBll |_+NT# J

-STBI" -NT# . "-STBI" .-NT J

(-VOK#)

(+VOK#) +VOK# -VOK# (+VOK#)

4 9 1 6

finer Jnaxbl gxe irbis rüidjoi fi'lui gxti'neil flex

NTR

3 6 4 3

glafder bindl gxumed audoi bi'wei bo'dend rei

+0

+sym

Auf Merkmale in runden Klairmern braucht bei der Formulierung von Irrplikationsregeln nicht Bezug genotitien werden. Z.B. haben die PL-Bildungen /flei+e/ und /rei+e/ nichts mit dem Merkmal +VQK# zu tun, denn sie verhalten sich wie andere Fälle mit den Merkmalen -STBI und -NT (also wie monomorphe Einsilbler) auch. Hier wurden nur vokalisch auslautende Beispiel-Basen gewählt, um sie mit ändern Typen, die auch das Wortstrukturmerkmal +VOK# aufweisen, zu vergleichen. Eben-

183

falls nicht Bezug genommen werden braucht auf das Merkmal +VOK# bei den mononcrphen Mehrsilblern mit NT-Auslaut, denn das Merkmalbündel aus -STBI und +NT# allein reicht als Wortstrukturkriterium mit der Implikation /0/-PL völlig aus. Relevant für die Unterscheidung aller Typen sind also die Kriterien j^STBI, +NT (i.e. jtMehrsilbigkeit) überhaupt, *NH# (i.e. NT- oder HT-Auslaut von Mehrsilblern) und j^VQK# (i.e. vokalischer Auslaut oder nicht bei Basen mit Endsilbenbetonung) . Sie lassen sich in die oben favorisierte Schalttafel, die +FEM sehr früh abzweigt, wie folgt einbauen: Eingabe SUBST

Rest

Ausnahmen

-FEM

+FEM

-STBI -NT

+STBI+NT

-NT#

.

+NT#

-VQK#

+sym

Der umstrichelte Regelteil hätte auch anders angeordnet werden können, wenn man die Regularität, daß vokalische Auslaute bei Mehrsilblern, ob endbetont oder nicht, auf /0/-PL weisen, als Regularität höherer Ordnung auffassen will. Oben war das Kriterium +VOK# nur zur Differenzierung innerhalb der Gruppe der endbetonten Mehrsilbler benutzt worden (Unterscheidung von /gxü'miil/ und / f i ' l u i / ) , wobei sich endbetonte Mehrsilbler mit VOK-Auslaut im PL-Verhalten (/0/-PL) der großen Gruppe von NT-Auslauten (inkl. Auslaut auf NT-VQK, z.B. /audoi/) anschlössen. Unten zweigt es alle vokalisch auslautenden Mehrsilbler ungeachtet ihrer Akzentstruktur schon als einheitliche Gruppe ab (/roidjoi/ und / f i ' l u i / ) , der sich dann erst sekundär die Fälle mit dem gleichen PL-Verhalten (/0/-PL) anschließen, die nicht vokalisch, aber nebentonig auslauten (/figer/, /jnaibl/, /gxeirbis/): l

-STBI -NT l

-

| --NT#

VOK#—| +NT#-

+VOK#

184

Wie oben schon einmal gesagt, sind diese unterschiedlichen (Teil-)Regelwerke keine Konkurrenten um eine Optimallösung, sondern Ausdruck der Tatsache, daß es koexistierende und sich in Teilbereichen überlappende Pegeln gibt. Zu +FEM

Die im letzten Abschnitt unter -FEM behandelten Wortstrukturtypen sollen nun daraufhin überprüft werden, wie sie sich verhalten, wenn sie das Merkmal +FEM tragen. Im Anschluß an die schon bekannten Typen mit NT-Auslaut (/gxwner/ wie -FEM /fiqer/; und /Jufl/ wie -FEM /jnoxbl/) und deren PL-Verhalten sollen die Typen /gxeirmes/ 'Kirmes1 (wie -FEM /gxeirbis/), /feirnroi/ 'Firma' (wie -FEM /audoi/), /D'lei/ 'Allee' (wie -FEM /bi'wei/), /fri'suir/ 'Frisur' (wie -FEM /gxn'nüil/) und /grai/ 'Krähe' (wie -FEM /floi/) in ihrem PL-Verhalten untersucht werden. Die Frage ist, ob die Implikation "+FEM ist normalerweise mit /n/PL verbunden" auch hier gilt. Sie kann bejaht werden: FEM

-STBI _+NT

- STB L+NT# .

-STBI L-NT# . -STBI -NT

(-VOK#)

(+VOK#) +VOK# -VOK# (+VOK#)

1 4 7 1

gxOmer Jufl gxeirmes feirm(+t>x) ' le i fri'suir grai

-t-n

Es verhalten sich also alle Typen wie erwartet: Wenn nur das Merkmal +FEM vorliegt, wird der PL auf /+n/ gebildet. Interessant ist, was im Falle von /fexrntDi/ geschieht. Feminina scheinen im Gegensatz zu Nichtfeminina dazu zu neigen, solche VOK-Auslaute morphisch von einer restrukturierten Wurzel als STBI-Suffix abzusetzen: biitorphes /fexrm+t>x/ wie /fluj+e/ vs. monotorphes /audox/. Es sei darauf verwiesen, daß auch bei Typen wie endbetonten und/oder langvokalisch auslautenden Mehrsilblern kein Bezug auf ein Merkmal 'Fremd-/Lehnwort' o.a. genommen werden muß, wie es denn auch im Lst. "gewiß als widersinnig" erscheint, wenn ein Wort wie /audoi/ 'Auto1, "das zu den gebräuchlichsten Substantiven überhaupt und zu den ersten Worten gehört, die das Kind erlernt", "als Fw. [Fremdwort; RH] bezeichnet werden müßte" (Hinderung 1981: 65-6). Solche Fälle sind dem System angepaßt, bei ändern (jungen Wörtern für junge Sachen) läßt sich noch verfolgen, wie sie angepaßt werden (hier hat das Kriterium 1 Fremd-/Lehnwort' durchaus Sinn). Gerade solche Prozesse vermögen viel darüber auszusagen, wie das übernehmende System strukturiert ist. Deshalb bin ich auch dafür, solches 'Fremd-/LehnwortI-Material für Phänologie und Morphologie einer

185

Sprache in gebührendem Umfang mit auszuwerten, wie das Kloeke (1982) gründlich tut. Nur bringt es keinerlei Aufschlüsse z.B. über das Deutsche, wenn ich dieses Material aus Nontibüchem beziehe. Denn diese legen es ja dem deutschen Sprachbenutzer nahe, das "Fremdwort" lautlich wie z.T. sogar morphologisch getreu seiner Herkunftssprache zu gebrauchen. Doch lassen sich nur Informationen über ein System gewinnen, wenn keine fremde Norm die Anpassung an die eigene verhindert. In diesem Sinne äußert sich auch Hinderung (1982: 290-1), der sich nach Durchsicht der normativen Wörterbücher zu diesem Problem "des Eindrucks nicht erwehren" kann, daß sie "nur beitüht sind, soviel von den ausgangssprachlichen Verhältnissen ins Deutsche hinüberzuretten wie möglich, so dass teilweise der fatale Eindruck entstehen muss, nur derjenige könne richtig deutsch sprechen, der das Griechische beherrscht". Maß und Menge

Wurden in die Schaltpläne bisher nur morphologische Merkmale wie ^STBI oder j^FEM und phonologische Muster wie _+NT zur Vorhersage der PL-Art verwendet, empfiehlt sich zur Regelung der PL-Bildung von Fällen wie /dii bfif/ 'die (Familie) Pfiff oder /büir moirg/ 'paar Mark' ein Rückgriff auf semantische Merkmale. Dabei kann die kollektive Familienbezeichnung als Sonderform eines Merkmals "Maß und Menge" (i.f. "M&M") angesehen werden. Der nicht-symbolisierte PL von Substantiven mit diesem Merkmal ist im eigentlichen Sinne semantisch "bedingt", M&M ist kein semantisches Merkmal, das mit dem /0/-PL nur mehr oder weniger zufällig "korreliert" (wie es z.B. das Merkmal "nächste weibliche Verwandtschaft" mit dem /0/PL der Personenbezeichnungen /müder/ und /duxder/ tut). Vgl. zu dieser semantischen M&M-Klasse folgende Tabelle: M&M

GEN irrelevant

Familienkollektiv

. . . Jmid bfif lainer

'Schmitt 1 'Pfiff

... me i der dsandner brudsend mt>irg jDir Jdig

1

/dii . . . andere /dswa

...

PL

'Leiner 1

Meter ' 'Zentner' 'Prozent 1 1 Mark ' 'Jahr' 'Stück'

Der nichtsymbolisierte PL /Jdig/ tritt da auf, wo er Proform für Konkreta z.B. also (konstruiert):

ist,

Wirt: / w ü f l broidwirjde wilsd de n/ 'wieviel Bratwürste willst du denn?' Gast: /dswai drai Jdig/ 'zwei, drei Stück 1

186

Geht es um 'Stücken von einem ganzen Brotlaib1 etwa, wird der PL von /Jdig/ mit /+n/ gebildet, also z.B. /dswai Jdig+n broid/. Ein Äquivalent zur Familienbezeichnung vom Typ /dii Jmid/ ist die artikellose, aber mit einem /+s/-Suffix auftretende Form vom Typ /Jmid+s/. Auch diese Form ist in der Kongruenzkategorie NUM zwischen Subjekts-NP und Verb pluralisch: /Jmids .../ 'Schmitts haben ...' wie /dii Jmid .../ 'die Schmitt haben ...'. Dies legt die Vermutung nahe, daß es sich hier um einen /+s/-PL an Namen handelt. Ansonsten gibt es /+s/-Plurale nicht (auch nicht bei "Fremd-/Lehnwörtern"). Weil das so ist, könnte man die Existenz eines /s/'-PL überhaupt bestreiten und das /+s/-Suffix als so etwas wie ein Kollektivsuffix bei Familiennamen auffassen, nüßte zu solchen Wörtern aber aus Kongruenzgründen angeben, daß sie PL implizieren. Subtraktionen

Neben Suffigierungen können als PL-Marker bei den Fällen SG /gxind/ - PL /gxin+er/ /bfaird/ /bfair+e/

'Kind/er' 'Pferd/e 1

Subtraktionen von staimauslautenden, nach SON und vor vokalischen Suffixen stehenden Konsonanten vor (vgl. ähnlich auch PR&T /jdünd/ - P.P. /ge+J'don+ [e]n/). Diese Formen können aber nicht Produkte einer synchron wirksamen phonologischen Regel sein. Vgl. mit ihnen nämlich SG /grund/ - PL /grind+er/ und monomorph /winder/

'(Wiesen-)Grund 1 'Winter 1

SG /xaird/ - PL /xaxrd+e/ und die STBI /xaird+e/

'Herd' 'Herde'

INF /bind+e/ - P.P. /ge+bund+n/ und die 'STBI' /und+n/

'binden 1 'unten'

Also sind auch sie als - morphologische - Ausnahmefälle zu behandeln. Suppletionen Suppletionen unterschiedlichen Grades sind /xen+e - xixn+er/ 'Henne/n' und /frai - waib+er/ 'Frau/en'. Beim ersten Fall gibt es keinen PL */xen+n/, wie es vom Merkmal FEM oder der /+e/-STBI der Basis her zu erwarten wäre, und keinen SG */xuin/, wenn man von /ui->ix/-Umlaut ausgeht, der konkomitant zu /+er/Suffigierung auftritt. Die Morphgrenze vor /+er/ ist auch nur erschlossen. Zwischen SG-Stairm /xen/ und PL-Starrm /xim/ herrschen irtmerhin noch enge Beziehungen im konsonantischen An- und Auslaut. Beim zweiten Fall sind solche Beziehungen nicht anzutreffen, die Suppletion ist total. Auch hier gibt es weder einen

187

PL */frain/, wie er von GEN her erschlossen werden könnte, noch einen SG */waib/ in dieser neutralen, nicht-pejorativen Bedeutung. Pluraletanta Folgende nur im PL auftretende Substantive sind belegt. Ihr Auslaut wurde, da er auch sonst vorkeimenden PL-Allomorphien glich, morphisch abgetrennt: GEN?

NT-/1/

HT-Auslaute?

dsiixl bfurbfrind laid uingxusd

PL +0 +e +n

'Zügel 1 'Pfarrpfründe' 1 Leute' "Unkosten"

Wegen der GEN-Neutralisierung im PL ist eine Zuordnung zu bestimnten Genera nicht zweifelsfrei möglich und aus demselben Grunde auch nicht nötig. (B) Wechsel des Stamm-VOK im PL

Nicht von der additiven PL-Bildung geschieden werden kann die z.T. begleitend auftretende modifikatorische Änderung des nicht-palatalen Stanm-VOK der Basis. Um herausfinden zu können, ob die Art des addierten PL-Morphs und Umlautung/ Nichtumlautung zusammenhängen, empfiehlt sich eine Statistik, die die Fälle getrennt nach den vier additiven PL-Bildungs-Arten auflistet. Ein Vergleich von Fällen mit Umlaut wie /bruider - briider/ /foixl - feixl/ /gord+n - gard+n/

'Bruder/-ü-' 'Vogel/-ö-' ' Garteri/-ä-'

gegenüber Fällen ohne Umlaut wie /older /doifl /uir+e

- oider-t-n/ - dDifl+n/ - ulr+n/

'Ader/n 1 'Tafel/n 1 Ohr/en'

legt folgende Interpretation nahe: Umlaut in der ersten Gruppe von Substantiven tritt genau dann auf, wenn sie ohne Umlaut in SG und PL identisch wären. In der zweiten Gruppe, wo sich SG und PL durch Suffigierung unterscheiden, tritt er nicht auf. Die bereits praktizierte Differenzierung in Einsilbler und morphologisch bzw. in und gegliederte Fälle wird in der folgenden Übersicht fortgesetzt. Anm.: Die Belege zu den einzelnen Typen lassen sich vollständig aus der Liste unter Pkt. (C) herauslesen, die zum Kriterium Ohne Umlaut wäre SG =PL·' aus den Punkten 1., 2.6. und 3 . 2 . von Liste ( C ) . Für das Kriterium -UMLAUT schaue man in dieser Liste stets unter " ( b ) " nach, für +UMLAUT unter " ( c ) " .

188

PL- AI lomorph PLjiSG (durch Suffix)

+er

0

+e

6

glOXs 'Glas

- gleis+er - Gläser'

bug 'Bock

- beg+e - Böcke"

- Joif+e - Schafe '

54

XOIS

- xo:s+n - Hasen"

0

'Hase uir+e Ohr

- uir+n - Ohren1

1

12

düifl 'Tafel

- doxfl+n - Tafeln'

0

5

older 'Ader

- oider+n - Adern'

0

+e

1

xDir+e 'Haar

- xr>ir+e - Haare'

1

sau+e 'Sau

- sai+e - Säue 1

+n

8

13

uxf+n Ofen

- eif+n - Öfen"

+n

6

61

PL=SG

27 Joif Schaf

1

(ohne Umlaut wäre)

+UMLAUT

-UMLAUT

1

+0

dnux+n - dnux+n Knochen - Knochen '

1

Jnoig+e - Jnaxg+n Schnake - Schnaken"

1

musder 'Muster

- musder - Muster"

6

bruider - brüder ' Bruder - Brüder"

1

J-düibl 'Stapel

- JdBibl - Stapel '

5

foixl 'Vogel

- feixl - Vögel"

5

gxügdus - gxtigdus •Kaktus - Kaktusse '

0

Dgui 'Akku

- Ogui - Akkus"

0

- fi'lux - Filous1

0

- Jui - Schuhe'

1

gxui "Kuh

- gxii - Kühe'

11 2

1

2

fi'lux Filou

Jux •Schuh

Als erste Schlußfolgerung legt die Statistik nahe, daß bis auf die Typen /jnoxge - jnaign/ und /uifn - eifn/ bei /+n/-PL nicht umgelautet wird. Wo Unlaut neben additiven Morphen auftritt, muß er als "begleitend", "konkctnitant" bis "redundant" bewertet werden. Wo er aber bei sonst fehlender PL-SG-Differenzierung vorkcrant, überninmt er die ikonische Funktion. Er wird alleiniger Träger der morphologischen Information, des Merkmals PL. Beim Typ /uif+n - exf+n/ mit immerhin 13 Belegen liegt zwar /+n/-PL vor, bei dem ütoilaut normalerweise sonst nicht vorkamt, doch tritt der Umlaut genau in dem Zusartmenhang auf, daß PLForm (mit PL-/n/) und SG-Form (mit STBI-/n/) identisch sind. Dem Kriterium "±SG=PL" kommt tatsächlich eine besondere Bedeutung zu. Bringt man die Fälle des PL von /uif+n/ oder /gord+n/ in die Reihenfolge der Tabelle auf der nächsten Seite läßt sich die ttnlautung, die vom /n/-PL her gar nicht gefordert wäre, als kompensatorischer morphologischer Prozeß deuten: als Reaktion auf

189

die SG-PL-Identität durch homophone Suffixe der SG-Stamm- und der PL-Bildung: SG mit STBI-Suff ix

PL-Suffix allein

PL- Umlaut

ui f+n gnrd+n

*uif+n *gord+n

eif+n gard+n

Ofen/ö- 1 1 Garten/-ä- '

Im Stil der schon mehrfach benutzten 'Schalttafeln' sähe diejenige zur Beantwortung der Frage, ob umgelautet wird, wie folgt aus: Eingabe Jl PL=SG*

PL^SG* — Rest

+UMLAUT

+n

l

-UMLAUT**

* Bezieht sich auf einen nur erschlossenen Zustand nach der reinen Suffigierung und vor einer eventuellen Umlautung ** Ausnahme /Jnoige - Jnaign/; s.o.

Diese Regel hätte thematisch eigentlich erst in Kap. 9. zur "Kompensatorischen Symbolisierung" gehört. Da sie aber sehr stark damit zusammenhängt, welche PLSuffixe (inkl. dem in diesem Zusammenhang besonders wichtigen /0/-Allonorph) gewählt werden und ob nach der Suffigierung dieser gewählten Allanorphe sich PL und SG überhaupt unterscheiden, wurde ihre Formulierung schon in dieses Kap. vorgezogen. Ein Drittel aller Fälle (13 von 39) jedoch, die die Bedingung *PL=SG erfüllten, werden nicht umgelautet (v.a. Typ /dnuxn/ mit immerhin 8 Belegen). Sie müßten in der Schalttafel als Ausnahmen abgezweigt werden. Dasselbe gilt für den Typ /joif/ (mit allerdings nur 6 Belegen), der die Bedingung *PL^SG und 'Rest1 zwar erfüllt, aber trotzdem nicht umgelautet wird. Für die umgelauteten Formen ist nun weiter zu fragen, von welchem velaren Basis-VQK aus welcher nicht-velare Prcdukt-VOK jeweils hergestellt wird. Von der Quantität wird nach gewohntem Brauch hierbei wieder abgesehen. Statistisch verteilen sich die VOK-Wechsel-Arten wie folgt (Tab. siehe Folgeseite): Eindeutig ist die Umlautung des /U/ im Diphthong zu /!/. Als Produkt-VOK von /O/ ist /E/ die Regel, /A/ die Ausnahme. Von /Ä/ als Basis führen zwei verschiedene Wege von der Velarität weg: der eine, bei SG^PL, in der Regel zu /E,Ä/ (selten zu /A/), der andere, bei SG=PL, umgekehrt in der Regel zu /A/ (und nur selten zu /E,Ä7) . Bei Basis-/U/ wird man nicht umhin können, das jeweilige Produkt (/!/ oder /E/) explizit anzugeben.

190 Produkt ai**

Basis

I

E/A

A

9 xaiser 1 Häuser '

au**

16 grinder 16 lexer ' Löcher '

U

12 gleise 'Klöße 1

O

Ä

E

3 Jnaign 'Schnaken' 34 esde/glsiser 'Äste/Gläser'

SG?iPL*

5 naxde 'Nächte'

2 ebfl/fazdn 15 faidn 1 'Äpfel/Fäden 1 Fäden '

SG=PL*

* Bezogen auf "vor/ohne Umlaut"

** Ist nur Untertyp zu /U-I/

Die Belege entnehme man wiederum der Liste ( C ) , Unterpkt. ( c ) .

Die regelhaften Umlaute werden unten im Zusammenhang des VOK-Systems dargestellt. o

Am /A-*A/-Umlaut zeigt sich, daß Umlaut hier weniger 'Palatalisierung' als vielmehr 'Entvelarisierung' ist: Produkt-/A/ ist -VEL und -PAL! i

U

E

0

HOCH

Anm.: /U-*-!/ steht für /au ->- ai/ mit.

Ä TIEF -VEL l +VEL

o

Die Ausgaben der Regel zur Umlautung des /A/ sind, wie das schon von der PERSund KONJ-Flexion des Verbs her bekannt ist, je nach Quantität wieder qualitativ verschieden, nämlich /E/ oder /Ä/: 'lang' /DI ·>

/, aber 'kurz' /

-> e/

Auch im anschließend behandelten Kürzungsfall besteht Parallelität zur Verbalflexion darin, daß bei Kürzung von Basis-/Dj/ die Produktform /e/ ist, also qualitativ nicht /A'/, sondern /E/ zuzuordnen ist (vgl. 10.2.1.): /mt> i n/

wie

KÜRZUNG KÜRZUNG

/E/-Qualität /E/-Qualität

/men+er/ /led+d/

'Männer' 'lädt 1

Man braucht also das Produkt der erst unten behandelten Kürzung schon als Eingabe in das Regelwerk zur Herstellung der richtigen VCK-Qualität. /U/-Basen nüssen außerhalb der 'Schalttafel' explizit für /!/- oder /E/-Produkt markiert werden.

191 —

l im Diphthong

umjrtU 1 0

CD

. . . 7V

im Moncjphthong

i 1

... '

Expl]Lzite An«jabe

PL^SG *·

1 1

+



PL==SG

1

1

I:

Ä

* Steht für Basis-Kürze und Kürzung in der Produktform den Abschnitt)

2^

(siehe anschließen-

Eine letzte noch nachzutragende Erscheinung bei der Herstellung der PL-Formen ist die Kürzung einer Basis-Form. Hier sind Regelmäßigkeiten (Stichwort: "Einsilblerdehnung") synchron nicht zu erkennen. Außerdem ist nur das Substantiv /nroin - men+er/ davon betroffen, sieht man von /blüid - bled+er/ ab, zu dem eine PL-Variante /blcid+er/ belegt ist. Ansonsten herrscht quantitative Identität im Stamm-VOK von Produkt- und Basisform. (C) Belegliste

In den vorausgehenden Kapiteln (A) und (B) wurde auf diese Sammlung vorausverwiesen. Sie ist so aufgebaut, daß man Suffixallonorphien, phonologische und morphologische Wortstrukturmerkmale (wie z.B. NT-/1/ bzw. /+ /-3 ) , Genera, semantische Kriterien (wie "PL=SG ohne/vor Umlaut") und die Ausnutzung des Umlauts aufeinander beziehen kann. Was den letzten Punkt betrifft, wird jeweils unterschieden nach - nicht umlautfähigem Basis-VOK (Merkmal -VEL)

- umlautfähigem, aber nicht umgelautetem ("nicht entvelarisiertem") Basis-VCK - umlautfähigem und auch umgelautetem ("entvelarisiertem") Basis-VCK. Der erste Sachverhalt erscheint in der Liste stets unter einem Pkt. (a), der zweite unter (b), der dritte unter (c). Bei (b) und (c) steht vor der PL-Form der umlautfähige Basis-VOK. 1. /0/-PL

Diese PL-Art impliziert, daß PL ohne bzw. vor Umlaut gleich dem SG ist. 1.1.

NT-/er/

1.1.2.

NTR

1.1.1.

MSK

(a)

maser

(a)

finer dsandner

(c)

/ xaraer ager ui/ briider

Finger Zentner Hammer Äcker Brüder

Messer

(b) u / musder

Muster

(c)

Klafter

/ glafder

1.1.3. FEM (c) u / mider dexder

Mütter Töchter

192 1.2.

1.5.2. NTR

NT-/1/

(a)

1.2.1. MSK

(a)

dswibl xiigl lefl airdefl

Zwiebeln Hügel Löffel Erdäpfel

(b) OI/ Jdoibl

Stapel

(c)

Äpfel Armvoll Schnäbel Vögel Nägel

/ ebfl OI/ airfl Jnaibl oi / feixl neixl;-ai-

(b) oi/ be'roi 1.6.

(a)

bindl . .. ?

Bündel

1.3.

Anderer NT-KONS# ildis gxeirbis

(b) D / gxügdus oi/ groigus

1.4.

(b)

/ cgui fudoi D I / rüidjoi oi/ soidsii u / gxumbii au/ raudii

Alben Mopeds Kummete

1.6.3. FEM

1.7.

diiai

(b) D / fudoi / gxDinui oi / moifai soifai

au/ audoi 1.5.

(a)

Jiib weils

2.

/n/- PL

2.1.

NT- /er/

Jeeps Welse

2.1.1. MSK (a)

federn

Vettern Nachbarn

2.1.2. FEM

Pikkolos Amis Nazis Akkus Fotoapp . e Radios Sozis Kombis Rowdies

(a)

faidern maidern Jwasdern

(b)

/ gxOmern oi/ oidern u / glumbern numern

2.2.

Federn Maltern Schwestern Kammern Adern Kotklunkern Nummern

NT-/1/

2.2.1. MSK Dias

(b) u / bimdufln

Fotogr . en Kanus Mofas Sofas Autos

2 . 2 . 2 . FEM

HT-/Vi#/ in Mehrsilblern

1.5.1, MSK (b) u i / f i ' l u i

Kühe

Andere Einsilbler

(b) D / nüxbern

1.4.2. NTR (a)

Knie

Kaktusse Krokusse

1.4.1. MSK bigeloi ami naidsii

dnix

Nur MSK

Iltisse Kürbisse

NT-/Vi#/

(a)

Tage Schuhe

1.6.2. NTR

(c) u i / gxil

1.3.2. NTR (b) t> / Olbum oi/ mo bed u / gxumed

Büros

Einsilbler mit HT-/Vi#/ (VOK = HOCH oder TIEF)

(b) ü i / doi ui/ Jui

1.3.1. MSK (a)

Services Etuis Büffets

1.6.1. MSK

(a)

1.2.2. NTR

ser'wi 1 ed'wii bi'wei

Filous

(a) (b)

sixln samln / dDifln gOlbln irln oi / noidln u / Jufln

Pantoffeln

Sicheln Semmeln

Tafeln Gabeln Erlen Nadeln Schaufeln

193 u / xumln wurdsln mudj" In gxubln ruqgln u i / nuidln

2.3.

beirgn reibn gre dn Jbinweibn Jeirn drein[e]n eirn andn badsn sansn gran[e]n gwadj ixn J"baixn bra imn xamesn airbesn

Hummeln Wurzeln Tannenzapfen Kuppeln Runkeln Nudeln

Anderer NT- KONS # Nur FEM

(a)

gxexrmesn

2.4.

STBI-/e/

2.4.1.

MSK

(a)

dsaixn egsberdn xern

(b) u / buln guqn noixgxumn u i / buibn

2.4.2.

NTR

(a)

bedn a ixn

(b) u i / uirn

2.4.3.

FEM

(a)

;bin[e]n mign libn f ixdn bigsn silbn rindn xurnisn Jmiirn fliixn wiisn biin[e]n m D j i i n t e l ni sailn Jain[e]n xainsn ;iebn ejn gxedn bern gxerjn bfedn webesn Jelsn Jeggn Jbern dseibn leirxn

Kirmessen

Zeugen Experten Herren Bullen Jungen Nachkommen Buben

Betten Augen Ohren

Spinnen Mücken Lippen Fichten Büchsen Silben Rinden Hornissen Schmieren Fliegen Wiesen Bienen Maschinen Säulen Scheunen Heinzen Schleppen Eschen Ketten Birnen Kirschen Pfetten Wespen Schalen Schänken Sperren Zehen Lerchen; -ä-

(b)

Birken Reben

Kröten Spinnweben Scheren Tränen Ähren Enten Batzen Sensen Gräten Zwetschgen Speichen Stechbremsen Ameisen Erbsen

Flaschen Wanzen Ratten Tassen Walzen Kanten Kassen Lampen Pflanzen Kannen Kalben Latten Wannen wr>n[e]n Tannen dtm[e]n Stangen JdDqn Achsen Ogsn gxorn Karren Katzen gxOdsn Patschen bDdjn > / fr>m[e]n Fahnen Garben go rbn Granaten grtmoidn Schalen J1 t>i In Waden wDidn Forellen oi/ foiraln Jobloinle]|n Schablonen Schnaken Jnoign Dosen doisn Schoten Joxdn Gurken goirgn Küchenschaben Jwoibn Augenbrauen broimn Motten u / mudn Borsten burjdn Wolken wulgn Wochen wuxn Blumen blumn Bohnen bun [ e ] n uirgxundn Urkunden Stunden Jdun[e]n / flDjn

WOnsn rOdn dnsn WOlsn gxDndn gxOsn iDmbn bf lunsn gxi>n[e]n gxT>lbn

194 u / flusn glugn glumudn ui/ JuHn xuisn Jduifn Jduibn Jbuiln buixn Jbui rn gxuifn ruibn buidn au/ raubn daubn draubn (c) oi/ Jnaign 2.5.

Flossen Glocken Klamotten Schulen Hosen Stufen Stuben Spulen Buchen Spuren Kufen Rüben Buden

Raupen Tauben Trauben

wiln Villen bt>leriin[e]n Ballerinen 2.6.

MSK

Jdrixn dsingn raxn (b) / bogn gxorn Jbürn D I / gxDirbfn u / dnuxn xurdn drubfn u i / dnuidn (0 D / gardn balgn gxasdn O I / maixn naimn faidn;-eiwaixn maidn xaign laidn U / xifn UI/ eifn beidn (a)

(a)

gxu'biin bt>de'riin melu'dim üler'giin gxule'nün Jnle'sün 'lein

2.8.

HT-KONS* in Mehrsilblern

Strichen (Zitzen) Zinken Rechen Backen Karren Sparren Karpfen Knochen Wagenhurden Tropfen Knoten Gärten Balken Kästen Mägen Namen Fäden Wägen Mahden Haken Läden Haufen Öfen Böden

Kopien Batterien Melodien Allergien Kolonien Jalousien Alleen

Nur FEM

Frisuren

Einsilbler

2.9.1. MSK xerdn rai fn

(a)

> sn Jdnidn u / ugsn

(b) O I /

STBI-/n/

/n/-PL in Verbindung mit Basen, die /n/-STBI haben, impliziert, daß ohne/ vor Umlaut PL und SG gleich sind.

2.6.1.

Nur FEM

2.9. Firmen Ligen

Kissen

HT-/VI#/ in Mehrsilblern

(b) u i / f r i ' s u i r n

STBI-/DI/ feirmn liixn

2.7.

s.o. (b)

Nur FEM (a)

2.6.2. NTR (a) gxisn

2.9.2.

NTR

(a)

Jdign

2.9.3.

FEM

(a)

Jixdn diirn dsaidn glam

gram (b) o i / f o I rmn UI/

foirxdn uirn

3.

/e/-PL

3.1.

Einsilbler

3.1.1.

MSK

(a)

Jdixe grife dije fij-e da ixe Jderne grebse xexde dnaxde baime

Hirten Reife (n) Hasen Staaten Ochsen

Stücken

Schichten Türen Zeiten Klauen Krähen Formen Furchen Uhren

Stiche Griffe Tische Fische Teiche Sterne Krebse Hechte Knechte Bäume

195

(b)

(c)

Jdaine bairxe

Steine Berge

(b) oi/ J o i f e u i / duire

> / Dimde JdDire Dirme u / duxde

Abende Stare Arme Dochte

3.1.3.

/ esde Äste Jdele Ställe Jwense Schwänze bexe Bäche sege Säcke xeqe Hänge gxeme Kämme D I / fuxrdreixe Vorträge Jdeibe Stäbe seile Säle ine Hähne dssine Zähne bairde Barte graime Gräben oi/ dreixe Tröge gleise Klöße fiele Flöhe deirme Türme leine Löhne seine Söhne Jbeine Späne u / xinde Hunde figse Füchse Jdrimfe Strümpfe Jdirdse;-e -* Stürze brixe Brüche Jdege Stöcke bege Böcke gledse Klötze gxebfe Köpfe dsebfe Zöpfe grebfe Kröpfe freje Frösche dnebfe Knöpfe debfe Töpfe be Je Büsche ui/ fiise Füße au/ dsaine Zäune Jdraise Sträuße baixe Bäuche

3.1.2.

NTR

(a)

Jdige nedse fasde baine saile bfaire reie

Stücke Netze Feste Beine Seile Pferde Rehe

Schafe Tore

FEM

(c) D I / gense Gänse wende Wände grefde Kräfte benge Bänke xende Hände agsde Äxte naxde Nächte D I / mal de Mägde oi/ neide;-ai- Nähte u / lifde Lüfte wirjde;-e-* Würste au/ faisde Fäuste maise Mäuse xaide Häute

3.2.

STBI-/e/

/e/-PL in Verbindung mit /e/-STBI der Basis bedeutet, daß ohne/vor Umlaut die PL-Form mit der SG-Form identisch ist. 3.2.1. NTR (a)

xeme

(b) D I / xDire

Hemden Haare

3 . 2 . 2 . FEM (a)

beire

(c) au/ saie 3.3.

Beeren Säue

HT-KONS# in Mehrsilblern

3.3.1. MSK (a)

gxü'miine fri'seire

Kamine Friseure

(b) D I / Dbe'raide lin'JDile oi/ bo'roine

Apparate Lineale Barone

(c) D I / g x ü ' n e i l e

Kanäle

3.3.2. NTR (a)

4.

4.1.

fide'mitne Vitamine bD'dende Patente bro'dsende Prozente

/er/-PL. Nur Einsilbler

MSK

(c) D / xelmer weider render

Halme Wälder Ränder

196 DI/ / U

/

Männer mener de irmer Därme Würmer we irmer Gründe grinder dirner ;-e- * Dornen

4.2.

NTR

(a)

gxiner lixder bilder füxer gliider falder nasder braider

(O

Kinder Lichter Bilder Viecher Glieder Felder Nester Bretter

* Bei den mit * versehenen Formen beachte man die distributioneilen Verhältnisse bei /V/ vor /r/ (vgl. 10.1.5.1.).

D / emder Ämter gxelber Kälber feser Fässer Dächer dexer lemer Lammer i/ bieder; - - Blätter deiler Täler reiaer Räder gleiser Gläser greiser Gräser grEiber Gräber oi/ deirfer Dörfer u / lexer Löcher Jleser Schlösser blexer Blöcher xirner; -e-* Hörner ui/ diixer Tücher au/ mailer Mäuler xaiser Häuser

8.2.1.2. Diminution Beim DIM ist die Frage, ob umgelautet wird, uneingeschränkt mit ja zu beantworten, ganz gleich, ob etwa im PL desselben Substantivs umgelautet wurde oder nicht, und natürlich abhängig davon, daß umlautfähiger Basis-VOK vorliegt. Zur Entscheidung der Frage nach der Umlautfarbe ist, insbesondere bei /U/- und /O/Basis, die Belegsituation viel zu schlecht. Nur für /Ä/-Basis kann eine Regel Q

(ohne AusnahmeI) formuliert werden: Umlaut einer /A/-Basis geht immer zu /A/Produkt hin, unabhängig davon, ob im PL (1) /A ·*· E,A'/-Umlaut, (2) /A ->· A/-ümlaut oder (3) gar kein Umlaut vorlag:

(D (2) (3)

Basis

PL

DIM

fDS

fes+er graim+e gxods+n

fas+le graim+le gxads+le

grcim gxtidse

'Fäßlein' 'Gräblein 1 'Kätzlein'

Für /U/- und /0/-Basis kann lediglich die Faustregel aufgestellt werden, daß der DIM-Umlaut gleich ist dem PL-Umlaut: Basis

PL

DIM

Jdraus grund ,fdug foixl noid noixl

Jdrais+e grind+er Jdeg+e feixl naid+e* naixl*

Jdrais+le grind+le Jdeg+le fexl+le naid+le naxl-+-le

'Sträußlein 1 'Gründlein' 'Stöcklein 1 'Vöglein 1 'Nähtlein' 'Nägelein 1

* Beachte die PL-Varianten /neide/ bzw. /neixl/

197

Doch läßt sich bei den Substantiven, die gar keinen PL-Umlaut hatten (meist Fälle mit PL-Suffix /n/; s.o.)/ natürlich von daher auch der DIM-Umlaut, der ja trotzdem eintritt, nicht bestürmen: Basis

PL

DIM

blum+e wulg+e foirm Jdrois+e older

blum+n wulg+n foirm+n Jdrois+n oider+n

blim+le welg+le feirm+le Jdrais-t-le aider+le

'Blümlein' 'Wölklein 1 'Förmlein 1 'Sträßlein' 'Äderlein 1

Hier hilft nur eine explizite Angabe der Produkt-Qualität weiter. Im Unterschied zum Umlautsystem der Regelfälle beim PL führt von Basis-/ÄV kein Weg zum Produkt-/E/ oder -/Ä/. Ansonsten sind die Umlaute, die wie bei der PL-Bildung 'Entvelarisierungen1 sind, gleich: +HOCH

+TIEF -VEL |_+VEL +PALJ-PAL

Bevor ich zur Kürzung des Stamm-VQK beim DIM komme, muß folgendes noch geklärt werden: Die oben verwendeten Beispiele /foixl/ und /noixl/ sind nach 6.1.4. nicht morphologisch strukturiert. Das /!/ gehört zur Wurzel. Deshalb war es gerechtfertigt, bei DIM von folgender zugrundeliegenden morphischen Repräsentation auszugehen (die qualitativen wie quantitativen Veränderungen des StamnVQK sind hier unerheblich): /fexl+le/ und /naxl+le/. Folgende Silbenstruktur ist zu erwarten: *[fexlle] und *[naxlle]. Sie wird phonetisch auch realisiert, doch das *[1] ist vokalisiert und liegt in Form des

-VOK [e] vor. Festgehal-

ten werden kann folgender Prozeß: Repräsentationsebenen zugrunde liegend realisiert

Prozeß fexl+le fexele fexele

[ 1 ] -Vokalisierung

Daß bei der Erhaltung dieser Silbenstruktur (zweisilbiger lexikalischer Stamm plus einsilbiges Suffix), respektive bei der Verhinderung der Geminatenverschmelzung (/11/->·[1]), morpholexikalisch-ikonische Gründe mitspielen, ist nicht auszuschließen oder sogar wahrscheinlich.

198

Dieselben Realisationsformen liegen nun auch bei den meisten der Fälle vor, deren Basis nach 6.1.4. intern in Wurzel und Stanribildungsmorph /+n/ strukturiert

ist:

Wie /foixl/ - /fexl+le/ - [fexele] geht /ft)id+n/ ? - [fädele].

Doch fehlt, wo das Fragezeichen steht, eine Zwischenform. Eine Möglichkeit wäre, parallel zum [l]-Vokalisierungs-Prozeß [fexile]-"[fexele] eine [n]-VokalisierungsRegel [fadnle]->-[fädele] anzunehmen. Doch halte ich folgenden Weg, der von einer Zwischenform /fadl+le/ (wie /fexl+le/) ausgeht, für aussichtsreicher. Für ihn sprechen drei Argumente: 1. Es gibt eine Art DIM mit dem Morph /!/: /ezrm-t-l/ /Jden+1/ /bind+1/ /dnex+1/

'Ärmel' 'Stengel' 'Bündel' 'Knöchel'

zu zu zu zu

/Dirm/ /JdT>n+e/ /bund/ /dnux+n/

'Arm' 'Stange' 'Bund' 'Knochen' usw.

2. In diminutivischer Umgebung könnte dieses 'Diminutivoid1 /+!/ das STBI-Morph /+ / ersetzen. Es würde zum diminutivischen STBI-Allomorph: Basis /fsid+n/, DIM /fad+1-i-le/. 3. Diese diminutivische Stammallomorphie läßt sich aus dem Bereich der desubstantivischen Verbalableitung erhärten. Bekanntlich gibt es Ableitungen wie /jufl+e/ 'schaufeln', wo an eine Wurzel wie /jufl/ 'Schaufel1 ein Verbalsuffix (hier INF-/e/) addiert wird. Nach diesem Muster hätten die Verben /fädle/

'fädeln'

-

/xaigle/

'häkeln'

-

/xifle/

'häufeln 1 ,

deren substantivischen Basen die STBI-Strukturen /fOid+n/

-

/xt>ig+n/

-

/xuf+n/

-

/xif+l+e/.

zugrundeliegen, folgende interne Struktur: /fad+l+e/

-

/xaig+l+e/

Auch hier korrespondieren /+n/-STBI und deren /+l/-Allomorph. Die genannten Verbalableitungen könnten also zusammen mit DIM Umgebungen sein, in denen STBI-/n/ in /!/ transformiert wird. Beides wird in folgender Tabelle durchgespielt und mit einem Fall, der das /!/ schon in seiner Basis hat, verglichen. Der Unterschied ist nur, daß die [l]-Vokalisierung einmal ein morphisches, einmal ein zur Wurzel gehöriges [1] erfaßt. Doch phonologisch ist das irrelevant. Die Realisationsformen, die Schneller (1821: § 887-8) angibt, spiegeln das deutlich

199 Wurzel-/!/

Stammbildungs-/+n/ Verbalableitung 1 2 3 4 5 6

fDid+n fad+1 fad+l+e fadle fadle -

DIM

foid+n fad+1 fad+l+le fadlle fad lie fädele

Legende: 1 Basis Morphologische Regeln: 2 STBI-Morph eingeführt 3 Verbal-/DIM-Suffix addiert

xodl xadl+le xadlle xadlle xadele

'Zicke'

4 phonemische Repräsentation Phonologische Regeln: 5 Syllabierung 6 [l]-Vokalisierung

wider, z.B. "Nägs'le" und "Wäga'le". Als 'tiefe' Form gibt er für Fälle von Basis-SlBI mit der "Endsylbe en" an, daß sie "die Doppelform" ("Doppel-Diininutiv"; § 886), also z.B. "Wägel-lein", hätten. Diese verhielten sich dann gleich wie "Substantiva, welche ohnehin schon die Endsylbe ei führen". Dieses diminutivische STBI-Allomorph /+!/ statt /+n/ wird bei den meisten Basen mit langem Stamm-VOK eingeführt, bei den meisten kurzvokalischen hingegen nicht. Zu kennzeichnende Ausnahmen wären für ersteres etwa /(rusd)breid+le/ '(Post)brätlein1 zu /(rusd)broid+n/, für letzteres etwa /jdag+1+le/ zu /jdag+n/ 'Stecken'. Die Information "diminutivisches STBI-Allomorph /+!/", bzw. genauer: deren phonologische Konsequenz " -/1/", wird für eine andere Regel gebraucht: die zur DIM-bedingten Kürzung des langen Starrm-VOK der Basis. Siehe dazu die folgende Beispielsammlung: Basis (foid-t-n ->· ) *fOid+l (wDix+n -> ) *wDix+l folxl noidl

wie

Das wie für ven

DIM

fad+l+le wax+l+le

'Wagen'

fexl+le nadl+le

'Vogel' 'Nadel 1

Wortstruktur-Merkmal -/1/, ob es nun diminutivisches STBI-Allomorph ist bei /fad+l+le/ oder Teil der Wurzel wie bei /fexl+le/, ist ein Kriterium Kürzung von langem Basis-VOK. Ein zweites ist Kürzung im EL bei Substantimit langem Basis-VQK (s.u. Tab.). Sonst herrscht qualitative Konstanz. Basis

PL

DIM

mOin bloid

men+er bled+er*

man+le blad+le

* Nur Variante zu /bleid+er/

zu "Mann 1 zu 'Blatt 1

200

8.2.2. Adjektive: Graduation Auch bei GRAD sind qualitative und quantitative VCK-Wechsel-Erscheinungen zu beobachten: Kürzung

KOMP

Umlaut

entf.

- Jen+er J m n i l - Jmsil+er grois - gres+er

' schön - schöner ' 1 schmal - schmäler ' 'groß - größer 1

Zunächst zur Kürzung: Phonologisch kann sie bei KOMP nicht bedingt sein, denn diese Adjektive werden nicht gekürzt, wenn z.B. das homophone Deklinationsmorph /er/ addiert wird: KOMP

DEKL

Jener greser

Deiner groiser

Ist Kürzung dann vielleicht Teil eines Impükationsmusters, innerhalb dessen, wie etwa bei der PERS-Flexion der Verben, VOK-Kürzung mit einem bestimnten Stairtnauslaut korreliert? Zur Beantwortung dieser Frage werden Fälle von Kürzung Fällen erhaltener Länge, geordnet nach Folge-KONS, gegenübergestellt: FolgeKONS

erhaltene Länge

Kürzung

0

nüi nai

1

Jmoi 1 - JmEil+er Jdail - Jdail+er

schmal steil

r

Jweir - Jweir+er xeirb xeirb+er wOirm WEirm+er Jdoirg - Jdeirg+er jDirf - Jeirf+er

schwer herb warm stark scharf

f

dilf

diif+er

tief

s

xai s sils

xai s+er siis+er grois - gres+er

heiß süß groß

xoix

weich leicht hoch

X

waix laixd XOIX

d

n

laud Jbeid bleid waid

'nah neu

+er nai+er

waix+er laixd+er xeix+er

- xex+er

braid - bred+er

laut spät blöd weit breit

glain - glen+er J e i n - Jen+er

klein schön1

laud+er - Jbeid+er - bleid+er waid+er

201

Anders als bei den Fällen der PERS-Flexion des Verbs, wo Kürzung nur stattfand, wenn an der Naht von Stamm und Endung phonologisch einigermaßen 'verdächtige1 Segmente, etwa /OBSTR+OBSTR/, aufeinanderstießen, ist ein addiertes /+er/ reichlich 'unverdächtig1 ("neutral" im Sinne Hinderlings 1980). Näher könnt man der Ursache für Kürzung dann, wenn man von einer Addition des SUP-Suffixes /+sd/ an obige Stammauslaute ausgeht, wobei z.T. ein solches /OBSTR+OBSTR/Cluster entsteht: /gres+sd/, /xex+sd/, /bred+sd/. Diese Fälle sprechen tatsächlich dafür, die folgenden allerdings nicht. Es variiert /xex+sd/ selbst /gres+sd/ /bred+sd/

mit mit mit

/xeix+sd/ /xais+sd/ /bleid+sd/.

Kürzung ist also auf jene drei genannten Adjektive einzuschränken, die, wie andere (mit allerdings niedrigerer "token"-Frequenz?) auch, die Bedingung /OBSTR+OBSTR/-Cluster im SUP erfüllen. Diese Kürzung, die, wie gesehen, im SUP motivierbar ist, kann als auf die gesamte Graduation dieser Adjektive ausgedehnte Erscheinung aufgefaßt werden. So lassen sich dann auch folgende KOMPFormen erklären: /xex+er/ wie /xex+sd/

-

/gres+er/ wie /gres+sd/

-

/bred+er/ wie /bred+sd/

Mehr als deskriptiven Wert hat diese Schilderung allerdings nicht, da eine Markierung der wenigen tatsächlich betroffenen Adjektive unverzichtbar ist. Immerhin wird aber plausibel, daß bei Clustern aus /VOK+OBSTR/ oder /VOK-LIQ(-KCNS)+ QBSTR/ nie Kürzung stattfindet (s.o. Tab.: z.B. /nai+sd/, /jmcil+sd/). So, wie KOMP /gres+er/ vom SUP /gres+sd/ und seiner Clusterbildung her als Übertragung erklärt werden konnte, könnte der Typ KOMP /glen+er/, SUP /glen+sd/ von der Flexionsform des kompensatorisch gekürzten /glan/ mit ihren Vorstufen [glain] und /glain+n/ her übertragen worden sein (vgl. 7.2.1. und 9.3.). Ist nun ähnlich wie Kürzung auch vorauszusagen, ob im KOMP/SUP umgelautet wird? Das Material legt nahe, daß Umlaut die Regel ist. Nur bei /laud+er/ 'lauter', /xais+er/ 'heißer', /jlaxd+er/ 'schlechter1 und /waix+er/ 'weicher1 wird nicht umgelautet, obwohl nicht nur von der /U/-, sondern selbst von der /A/Basis her durchaus Umlaut möglich wäre. Das Beispiel /braid - breder/ zeigt es für letzteren Typ. Ausnahmslos scheint aber folgender Zusammenhang zu bestehen: Alle im KCMP gekürzten Fälle weisen im KOMP auch Umlaut auf (aber nicht umgekehrt) : /gres+er/ zu /grois/ /xex+er/ zu /xoix/

/bred+er/ zu /braid/ /glen+er/ zu /glain/

202

Ein sicheres Vorhersagekriterium für +UMLAUT im KOMP gibt es also mit der Kürzung im KCMP. Auch sonst ist Umlaut die Regel, die oben genannten Ausnahmen /laud/, /xais/, /Jlaxd/ und /waix/ müßten in einer 'Schalttafel' früh als Ausnahmen abgezweigt werden. Alle ändern Fälle, die einen umlautfähigen Basis-VÖK haben (15), werden auch umgelautet. Die Kürzung ist offensichtlich auch Voraussetzung dafür, daß /A/ überhaupt umgelautet werden kann. Da logischerweise nur lang /ai/ kürzbar ist, gibt es auch nur von /ai/, nicht von /a/ einen Umlaut: +LANG +KÜRZUNG

+LANG -KÜRZUNG

-LANG

bra id - bred+er

xais - xais+er

Jlaxd - Jlaxd+er

+UMLAUT

-UMLAUT

-UMLAUT

Von den Qualitäten her gesehen herrschen bei der Adjektiv-Steigerung folgende Umlaut-Möglichkeiten: Produkt

Basis

I

E/A

A

braxd glam

- bred+er - glen+er

A

Jmoil WDinn JdOirg Jüirf

-

old gxold xürd nüs

eld+er - gxeld+er xerd+er nes+er

alt kalt hart naß

groxs xoix

- gres+er xe ( i ) x+er

groß hoch

O U

guq - gin+er gxurds - gxirds+er*

Jmeil+er weirm+er ;deirg+er Jezrf+er +er

'breit klein schmal warm stark scharf nah

jung kurz 1

* Beachte die distributionellen Probleme (10.1.5.1.) Die schon von ändern Wortarten her bekannte Verteilung, daß ungekürztes BasisO

O

/A/ zu Produkt-/Ä7 führt und kurzes bzw. gekürztes Basis-/A/ zu Produkt-/E/, ist auch hier anzutreffen. Mit den Verben /xaise/ 'heißen' (3.SG /xesd/!) und /laife/ 'laufen1 (3.SG /lefd/!) gemein hat GRAD, daß auch Basis-/A/ zu den umlautfähigen Vokalen gehört und von ihm (wie von Basis-/A/) aus ein Produkt-/E/ voraussagbar ist. Produkt-/Ä7 kann von /A/ aus nicht entstehen, da /A/-Umlautung iimner mit Kürzung einhergeht. Für Basis-/U/ sind nur /I/-Produkte belegt. Insgesamt herrschen folgende Bezüge:

203 +HOCH

+TIEF +PAL| -PAL

Umlautung ist hier also anders als beim PL und DIM. des Substantivs nicht Entvelarisierung, sondern Palatalisierung, da auch /A/ zu den umlautfähigen BasisVokalen gehört. 8.3.

Zusammenfassung

In den zurückliegenden Kapiteln wurden als verschiedene Arten von Speicherungs1 Luxus1 Suffixallomorphien und Modulationen wie "Umlaut", "Ablaut" und "VOKKürzung" abgehandelt. Letztere wurden als "akzidentielle" Symbolisierungen eingestuft, da sie (a), anders als beim KONJ-Umlaut (s.o. 6.2.1. und 8.1.1.4.) oder bei den allomorphiebedingten substantivischen PL-Formen, die sich ohne Umlaut nicht vom SG unterscheiden würden (s.o. 8.2.1.1.), nicht die ganze Last der Symbolisierung alleine tragen und sie (b) oft auch nicht tragen können: Modulation ist nun einmal auf bestimmte Basisbedingungen angewiesen, sei sie auch noch so produktiv: Daß z.B. beim DIM umgelautet wird, wo immer es geht, ändert nichts daran, daß Wörter mit Palatal-VCK in der Basisform gar nicht umgelautet werden können. Wurzel (1984) spricht in diesem Zusammenhang auch von additiven "Hauptmarkern" und modulatorischen "Nebenmarkern" (93) und schreibt weiter (172): "Daß im Vergleich zu additiven Markern eingeschränkte Vorkommen von raodifikatorischen Markern ist also offenbar nicht universell durch ihren niedrigeren Ikonismusgrad bedingt, sondern dadurch, daß sie aus rein faktischen Gründen im allgemeinen keine so hohen Grade an Stabilität und damit an Produktivität erreichen können wie mit ihnen konkurrierende additive Marker".

Schließlich werden sie als "akzidentiell" aufgefaßt, da sie (c) z.T. hochgradig von einer Korrelation mit den verschiedensten Faktoren abhängig sind: Daß z.B. in der 3.SG.PRÄS Kürzung des Stamm-VCK stattfindet, ist nur richtig, wenn dazugesagt wird, daß diese Kürzung von ganz bestimmten Auslaut-Clustern und der Zugehörigkeit zu einer besondern KL abhängt. Durch diese Abhängigkeit des Ob und Wie der Modulation von bestimmten phonologischen Voraussetzungen und weitern morphologischen Merkmalen ist es gerechtfertigt, sie als

204

"akzidentiell" und "konkcmitant" zu bezeichnen. Das Akzidentielle kamt deutlich zum Ausdruck, wenn man Fälle KL-bedingten, "irregulären" Verhaltens mit Fällen "regulären" Verhaltens konfrontiert. So wird die 3.SG.PRSS von Verben der KL I mit einem bestimmten phonologischen Muster nicht nur durch /+d/-Suffix symbolisiert (=1), sondern konkcmitant mit Kürzung (=3), ja bei bestirntem Stamm-VCK zusätzlich noch mit Palatalisierung (=2): Ikonismus Basis

konstruktioneil

akzidentiell

Produkt

lois

+d

O -> I

+LANG -»· -LANG

lisd

(D

(2)

(3)

1

lassen'

Auf diese Weise kommt das Verb /lois+e/ 'lassen' zu einer dreifachen Symbolisierung von nur einer Formenkategorie. Das Verb /lois+e/ 'losen' begnügt sich mit einfacher Symbolisierung, obwohl es außer der KL-Angabe alle Bedingungen für Kürzung und Palatalisierung erfüllen würde: Basis

konstruktioneller Ikonismus

lois

Produkt

lois+d

'losen 1

(1)

Es war also angebracht, diese verschiedenen Syi±ölisierungstypen auch in verschiedenen norphologischen Kapiteln abzuhandeln. Gerade die hier behandelte KL-Morphologie gilt selbst Generativisten, die eher dazu neigen, keine eigene Morphologie-Komponente anzunehmen (zur Kritik daran vgl. Kap. 4 . ) , als Anzeichen für die mögliche Existenz von 'etwas autonom Morphologischem1. Andersen (1982: 607-8) spricht von innermorphologischen, nicht syntaktisch bedingten Regular!täten, Kiefer (1973: 4) davon, daß die syntaktische Struktur am Wort morphologisch verschieden realisiert werden könne, und beide nehmen die Tatsache, daß es verschiedene Flexionsklassen gibt, als Hinweis auf eine eigenständige Steuerungskomponente für morphologisches Verhalten. Daß dieses Verhalten nicht, wie man oft meint, indeterminierbar und unerklärbar ist, sondern von einem komplexen und komplizierten System "statistische[r] Gesetze" gesteuert, stellt Wurzel (1984: 199) mit aller Deutlichkeit heraus.

205

9.

Morphologie nach Phänologie: Kompensatorische Syntoolisierung

Auf eine solche Abteilung der Morphologie wurde schon in 4.5. in theoretischem Rahmen hingewiesen, die tatsächliche Existenz dieser "re-aktiven Morphologie" in 7.1. und 7.2.1. empirisch untermauert. Ganz konkret war von diesem "nachhelfenden Sprachgebrauch", wie ihn Schneller nannte (s.o. 6.1.1.4. zun Personalpronomen) , auch schon mehrfach in Einzelkapiteln der Flexionsmorphologie die Rede. So z.B. bei der betonten und unbetonten Form des Personalpronomens, wo an den Stamn nochmals ein Suffix derselben Flexionsform addiert wird (6.1. 1.4.): /dan+n/ bzw. /n+n/. Ein weiterer Fall trat im Zusamnenhang der PL-Alloitorphie des Substantivs (8.2.1.1.) auf: Sind Substantive mit /0/-PL oder solche mit /n/-PL (bei /n/-STBI im SG) von der rein segmental-additiven Perspektive her im SG und PL gleich, übernimmt der Umlaut die

Unterscheidungsfunktion.

Das an diesen Fällen entdeckte Prinzip, daß es so etwas wie eine Kontrollinstanz gibt, die die Basisform und eine Zwischenform des Produkts vergleichend nebeneinanderhält und bei fehlender ünterscheidungsmöglichkeit den Fall nochmals an die Morphologie verweist, wird im folgenden ganz entscheidend sein. Dieses Prinzip hat mich veranlaßt, von einer "kcmpensatorischen" Symbolisierung zu sprechen. Im letzten Beispiel oben war der ikonische Defekt des Zwischenprodukts "PL vor Umlautung" durch PL-Allomorphie bedingt, öfter jedoch könnt er durch die phonologische Regel der Geminatenvereinfachung zustande, deren Folge es auch ist,

daß sich Basis und Zwischenprodukt/vorläufiges Endprodukt nicht unter-

scheiden lassen. Verschiedene Strategien der kompensatorischen Synbolisierung, diesen ikonischen Defekten Herr zu werden, wurden in 7.2.1. auch schon genannt. Ob aber nun verschiedene Wortarten oder verschiedene Formenkategorien einer Wortart auch mit unterschiedlichen Mitteln re-agieren, wurde noch nicht systematisch untersucht. Diesem Zweck dienen die folgenden Kapitel. In ihnen wird gezeigt, bei welchen Wortarten und Formenkategorien es zu 'tiefen1 Geminationen von Stamnauslaut und Suffix können kann, d.h., wo die Gefahr besteht, daß nach der Degemination der genannte ikonische Defekt (Identität von Basis und Zwischenprodukt) eintritt.

9.1.

Verb

Stamnauslaut /n/ - Suff-ix

/+n/

Ganz gleich, ob durch das homophone Suffix /+n/ die Formen 1./3.PL, P.P. der "starken" Verben oder GER ausgedrückt wird, ganz gleich auch, ob es sich bei

206

PERS-Flexion und GER um "starke" oder "schwache" Verben handelt, auch gleichgültig schließlich, ob der Stairm-VQK der Basis lang oder kurz ist - die Strategie, die das Verschmelzen beider /n/ verhindern soll, ist inner die gleiche, nämlich [e]-Epenthese: Formkat.

VerbKL

VOKQuant .

Repräsentationsfc >rmen realisiert zugrundeliegend

1./3. PL

swv

/v/

gxen-t-n mal n+n

raainen

fin+n grain+n

finen grainen

'finden' 'greinen'

fun+n *

funen *

'finden'

bren+n rai n+n

brenen rainen

'brennen' ' regnen'

Jbin+n grain+n

Jbinen grainen

1

/VI/ STV

/v/ /VI/

P.P.

STV

/v/ /VI/

GER

swv

/v/ /VI/

STV

/v/ /VI/

gxenen

zu 'kennen' 'meinen'

'spinnen' greinen'

* Der einzige Fall dieses Typs wäre P.P. zu /graine/. Seine Realisation [gegrinen] wurde aber nicht mit dem Problem /n+n/ in Verbindung gebracht, da in der Verbgruppe, zu der /graine/ gehört, ein übergeordnetes morphologisches Prinzip für Kürzung verantwortlich ist (vgl. /gebfifn/ usw.; s.o. 8 . 1 . 1 . 2 . ) .

Stammauslaut l a/ - Suffix /+d/ Anders als bei /n+n/ wird /d+d/ nie durch [e]-Epenthese auseinandergehalten. M.a.W.: /d+d/ wird immer zu [d] verschmolzen. Das bedeutet, daß Ikonitätsverlust dann in Kauf genonmen werden muß, wenn keine ändern Kodierungsmittel wie VCK-Kürzung zur Verfügung stehen. Dies ist selbstredend bei allen Fällen mit kurzem Basis-VOK so, unabhängig von Flexionsform und KL: Flex.form

KL

VOKQuant .

zugrundeliegende realisierte Repräsentationsfoi nn

3.SG 2. PL P.P.

SWV STV SWV

/V/ /V/ /V/

wed+d jTJld+d wed+d

wed J-Dld

wed

zu 'wetten' 1 schalten' 'wetten'

Bei langem Basis-VOK ist hingegen logischerweise Kürzung möglich. Sie tritt gerade bei /d+d/-Fällen sehr häufig auf. Trotzdem hat sie im wesentlichen zwei verschiedene Ursachen: (A) Entweder ist sie, freilich im Zusammenhang mit dem phonologischen Muster Auslaut-/d/, Teil einer umfassenderen morphologischen Regel, in deren Umgebungsteil sowohl noch andere phonologische Muster (z.B. Auslaut-/s/) als auch noch andere Flexionsformen (z.B. 2.SG mit /sd/-Suffix) gehören.

207

(B) Oder sie ist reine Reaktion der Morphologie auf Ergebnisse von sich kontramorphologisch auswirkenden phonologischen Prozessen. Nur (B) gehört thematisch in dieses Kapitel zur "konpensatorischen" Symbolisierung. /VI/

zugrundeliegend

(A)

phon. Regel: Degemination

(B)

re.alisiert

3 . SG . STV SWV

dnaid+d reid+d

dnad+d red+d

dnad red

_

dnad red

2 . PL . STV SWV

dnaid+d reid+d

_

dnaid reid

dnad red

dnad red

P.P. SWV

reid+d

-

reid

red

red

Beispielverben sind /dna;de/ 'kneten 1 und /reide/ 'reden 1

Sonstiges

Ein weiteres Beispiel für kompensatorische Synibolisierung ist, daß zugrundeliegend /ge+Juib+n/ 'geschoben1 das phonologische Regelwerk als [gejuim] verläßt, eine adjektivische Form /ge+Juib+n+e/ aber nicht als *[gejuime] auftaucht, sondern als [gejuimne]. Das P.P.-Suffix An/ wird, obwohl "tief in [gejuim] vor der Assimilation schon einmal enthalten, nochmals addiert.

9.2.

Substantiv

Stammauslaut /n/ - Suffix

f+n/

Speziell beim Substantiv gibt es in dieser Frage ein paar Besonderheiten: Die Wahl des PL-Allomorphs ist KL-bedingt. Hier interessiert also die KL der PLBildung auf /+n/. Beim PL.DAT dieser KL kommt es sogar zu einem 'tiefen' Dreiercluster aus Stammauslaut und zwei Suffixen: /n+n+n/. Doch kann nach dem in 7.1.3. Ausgeführten dieser Fall mit dem Normalfall eines Clusters aus stammauslautendem und suffixischem /n/ gleichgesetzt werden, da das Doppel-Suffix stets unkompensiert degeminiert wird, über die KL des /+n/-PL hinaus interessiert auch die KL der PL-Bildung auf /+e/ insofern, als sich beim PL.DAT dieser KL mit dem Cluster /n+e+n/ die Frage stellt, was mit dem /e/ (und in der Folge davon mit den beiden es umgebenden /n/) geschieht (s.o. 7.1.3.).

PL-KL

Flex.form

VOK Quant .

Repräsentationsfc 3rmen zugrundeliegend realisiert

/W

PL(NOM)

/V/ /VI/

bun+n füin+n

bunen f nen

'Bohne/n' 'Fahne /n 1

/+e/

PL . DAT

/v/

Jdern+e+n dsein+e+n

Jdernen dseinen

'Stern/e/n 'Zähn/e/n'

/VI/

208

Wie schon beim Verb wird in allen Formen der drohenden Verschmelzungsgefahr durch [e]-Epenthese begegnet. Nimmt man eine Synkoperegel auch für die Umgebung /n n/ an (vgl. unten 10.2.4.)r wären auch die Realisationsformen EL.DAT [jdernen] und [dseinen] als Produkte neuerlicher morphologisch motivierter [e]-Epenthese (als Reaktion auf die phonologische Störung 'Synkope') zu interpretieren - oder, ebensogut, als Produkte morphologisch motivierter [e]-Erhaltung (als Verhinderung der drohenden Synkope). Jedenfalls würde damit weniger dem Verlust des PL-/e/ als vielmehr einer drohenden Folge der Synkopierung begegnet: der Verschmelzung der beiden [nn] und damit dem Zusammenfall von Basisund Produktform (wenn man von der Verschiedenheit der Stamm-Vokale absieht). Nimmt man nun aber ein Verbot der Synkopierung in der Umgebung /n n/ an, verdankt ein Fall wie [ ] seine ikonische Unversehrtheit einer phonologischen Kondition. Daß wahrscheinlich sie und nicht eine morphologische für die Erhaltung des [e] verantwortlich ist, läßt sich so begründen: Bei Synkope auch in obiger Umgebung wären nicht nur die 'tief vorhandenen [e] der soeben behandelten PL.DAT-Fälle, sondern alle morphologisch motivierten epenthetischen [e] sofort nach ihrem Einsatz zu ikonischen Zwecken wieder durch diesen phonologischen Prozeß gefährdet. Ich hatte jedoch bereits darauf verwiesen, und jüngere Forschungen (z.B. Plank 1985) haben es auch ergeben, daß eine "zweite (kompensatorische) morphologische Operation nicht gleich wieder eine phonologische Substanz verwenden wird, die nach Passieren der Phänologie-Komponente erneut Defekte aufweist" (s.o. 4.5.). Gerade weil diese Ratio existiert und, wie in 7.2.1. nachgewiesen wurde, das [e] als Epenthetikum für morphologische Zwecke auch in der Umgebung /n n/ so gut taugt, ist es sehr unwahrscheinlich, daß es gleichzeitig eine phonologische Synkoperegel gibt, die auch in dieser Umgebung wirksam würde und den morphologischen Kompensationsprozeß umgehend wieder um seine Früchte brächte. In zwei belegten Fällen des Typs [dscinen] wird zusätzlich zum internasalen [e], das unabhängig von seinen Entstehungs- bzw. Existenzbedingungen ikonische Unversehrtheit schon allein gewährleisten würde, der /Vi/ des Stammes gekürzt:

/+e/

PL.DAT

/VI/

'tief

'realisiert'

bain+e+n Jdain+e-t-n

banen Jdanen

'Bein/e/n' 'Stein/e/n

Das ist im Bereich dieses SUBST-morphologischen Typs ein einmaliger Vorgang, denn sonst tritt diese Kürzung weder im PL.DAT von Wörtern der KL mit /e/-PL, Typ [dseinen], noch im PL.NOM von Wörtern der KL mit /n/-PL (DAT braucht hier

209

nicht benüht werden; s.o. 7.1.3.), Typ [ft>men], auf. Das einzige, womit sich der Hyperikonismus dieser zwei Fälle korrelieren lassen könnte, ist ihr GENMerkmal -FEM als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung und - hier nüßte erst ein Frequenzwörterbuch Auskunft geben - eine womöglich größere Vorkommenshäufigkeit dieser Token im Vergleich zu ändern Substantiven dieser KL: z.B. PL.DAT [jbemen] 'Spänen1 usw. (zum Zusammenhang zwischen morphologischem Sonderverhalten und Token-Frequenz vgl. Harnisch 1986). Daß diese Kürzung syn- wie diachron etwas mit der Nähe der beiden [n..n] zueinander zu tun haben wird, darf vermutet werden. Die entstehungsgeschichtlichen Umstände dieser Kürzung können hier nicht Gegenstand sein. Da sie synchron nicht mit dem Regelapparat zur kompensatorischen Kürzung (7.2.1.) hergestellt werden kann, bleibt nur die Annahme einer Stammallomorphie, die allenfalls noch mit dem phonologischen Muster /n..n/ an der Naht von Stamm(auslaut) und Endung in Verbindung gebracht werden kann: SG

-DAT +DAT

PL

bain bain bain [ban

Die Annahme, PL.DAT /bam+e+n/ würde durch Synkope in eine Form [bainn] mit beieinander liegenden Nasalen gebracht, auf deren Verschmelzung ([bain]) die Morphologie nicht mit [e]-Epenthese, sondern mit kompensatorischer Kürzung reagieren würde (Produkt: [ban]; weitere Prozesse s.u. (5) und ( 6 ) ) , ist nach der obigen Zurückweisung einer Synkoperegel in der Umgebung /n n/ unmöglich geworden. Eine direkte Nachbarschaft von stammauslautendem und suffigiertem /n/, Voraussetzung für kompensatorische Kürzung (s.o.), wäre höchstens dann gegeben, wenn nicht /bain/ + PL-/e/ + DAT-/n/ zugrunde läge, sondern /bain/ + PL.DAT-/n/, und der Erzeugungsprozeß folgender wäre: (1) Die zugrundeliegende Form ergibt (2) eine /nn/-Sequenz, die (3) degeminiert wird. Diese Wortform wird daraufhin (4) kompensatorisch gekürzt, (5) ihr wird, hyperikonisierend, nochmals das /+n/ addiert, und, damit es zur Geltung kamt, wird es (6) durch [e]-Epenthese vom Stammauslaut /n/ ferngehalten: (1) (2) (3) bain+n bainn bain

(4) (5) (6) ban ban+n banen

Warum aber auch diese Ausgangsbasis, ein kumulatives Morph /n/ für PL.DAT, abzulehnen ist, wurde oben (6.1.1.1.) schon begründet. So bleibt nur, die beiden Fälle PL.DAT [banen] und [jdanen] als Ausnahmen mit einem allomorphischen (kurzvokalischen) PL.DAT-Stamm zu behandeln, die gar nicht in dieses Kapitel zur "kompensatorischen", sondern in das zur "akzidentiellen" Symbolisierung gehörten.

210 Sonstiges

Es gibt im Lst. eine SG-PL-Alternation [groim] - [grautne] 'Graben - Gräben1. Ninmt man eine synchron von Sprecher noch durchschaute Beziehung zum Verb /groib+e/ 'graben' an, läßt sich eine 'tiefe1 Form mit dem Stamm Vgruib/ und dem STBI-Suffix */+n/ rekonstruieren. Von dieser Form */gn>ib+n/ gehen nun verschiedene Prozesse aus, die dann erst wieder in der obigen PL-Form /graim+e/ zusammenlaufen. (1) Nach /Vi/ der Basis verschmelzen infolge reziproker Assimilation /b/ und /n/ zu [m]. Das Wort wird zum Einsilbler /grVim/. Da es zusätzlich MSK ist, geschieht das in dieser Merkmalkonstellation Normale: Es wird das PL-Allomorph /+e/ suffigiert. Dieses Suffix kompensiert das Ergebnis des phonologischen Assimilations- und Verschmelzungsprozesses, nämlich eine von der Endung her nicht als PL erkennbare Form. (2) Den Umlaut der Qualität /Ä-+A/ bringt der PL /graime/ gewissermaßen aus seiner 'Vorzeit1 mit. In ihr hat sich */grT>ib+n/ genauso verhalten wie der ganze Typ /gt>rd+n/ 'Garten' :

SG-STBI

reine PLSuffigierung

Urteil der PragmaKontrolle

kompensatorischer Umlaut

gt>rd+n groib+n

gürd+n grüib+n

PL=SG PL=SG

gard+n graib+n

9.3.

Adjektiv

Stanmauslaut /n/ - Suffix /+n/ Unabhängig von Flexionsform und Quantität des Stairm-VOK gibt es beim Adjektiv [e]-Epenthesen zur Verhinderung von Geminatenverschmelzung:

/v/ /VI/

zugrundeliegend

realisiert

din-t-n griin+n

dinen griinen

1

dünnen ' 'grünen'

Doch wählt die kompensatorische Symbolisierung bei ein paar Adjektiven eine andere Strategie. Geminatenverschmelzung wird in Kauf genonmen, die danach eingetretene Gleichheit von Basis- und Produktform wird durch VOK-Kürzung kompensiert. Es handelt sich um zwei gegenüber dem Vergleichsfall /griin/ sehr frequente Adjektive. Hohe Token-Frequenz und morphologisches Sonderverhalten koinzidieren bekanntlich häufig (vgl. Harnisch 1986).

211

/VI/

zugrundeliegend

Degemination

"Pragmakontrolle"

kompensatorische Kürzung/realisiert

Jein+n glain+n

Jem glain

Produkt=Basis Produkt=Bas i s

Jen glan

' schönen" 'kleinen'

Selbstredend ist diese Strategie nur bei langem Basis-VOK möglich. Fällen mit kurzem Basis-VCK steht nur [e]-Epenthese zur Verfügung. Sie wird in diesen Fällen jedoch ausnahmslos genutzt/ d.h. hier gibt es anders als bei /Vdd/ -* [Vd] keine Verschmelzung. Für die zugrundeliegenden Sequenzen /n+n+n/ wie in /din+n+n/ 'dünn' PL.DAT ("schwach") oder /n+e+n/ wie dito ("stark") sind dieselben Lösungen möglich wie bei den entsprechenden substantivischen Fällen (siehe dort). Stammauslaut /s/ - Suffix /+s/ Durchgängig ist beim Adjektiv der Umgang mit dem durch Addition entstehenden /s+s/-Cluster geregelt. Zwischen beide /s/ tritt ein epenthetisches [e], das für transparente Synibolisierung sorgt. Dabei ist es irrelevant, ob kurzer oder langer Stanm-VCK vorliegt. Verschmelzung in Kauf genotinen und durch Kürzung kompensiert wird also auch bei /Vi/ nicht:

/v/ /VI/

9.4.

zugrundeliegend

realisiert

m>s+s grois+s

noses groises

1

nasses 1 'großes'

Artikel

Stammauslaut /n/ - Suffix /+n/ Hier geht es um die auf /n/ auslautenden Possessivartikel 'mein1, 'dein1, 'sein und den Artikel /gxain/ 'kein'. Weil damit formell verwandt, wird auch /am/ "ein1 (vgl. 6.1.1.3.) hier mitbehandelt. Alle haben langen Stanm-VOK, wenn man /W/ mit /Vi/ zusammenfaßt. Die Konfliktformen sind in zugrundeliegender Repräsentation /m-, d-, sain+n/ und /(gx)ain+n/. Mit diesem Konflikt gehen diese Wörter um, wie es von den Adjektiven /jem/ und /glain/ her bekannt ist: zugrundeliegend

Degemination

Pragma-Kontrolle

Kompensation

... Vin+n

. .. Vin

Produkt =Basis

... Vn

Ctoige Wörter werden nach diesem Prozeß wie folgt ausgegeben: [min - din - sin gxan - an]. Daß von zugrundeliegender VOK-Länge des Stanms tatsächlich auszuge-

212

hen ist, zeigen die phonologisch unverdächtigen flektierten Formen /(gx)am+e(r)/ 1 (k)eine(r)' und /sain+e(r)/ 'seine(r)'. Da die obigen gekürzten Formen wie gesehen aus diesen langen plausibel erzeugt werden können, kamt man um die Annahme von Stanm-Allomorphie herum. Pronomen

9.5.

Wortauslaut /n/ - Enklitikwn In 7.1.2. wurde die Verhinderung einer Verschmelzung von Wortauslaut /n/ mit Enklitikum /#n/ durch [e]-Epenthese schon angesprochen. In Kauf genommene Verschmelzung mit kompensatorischer Kürzung gab es dort nicht: /sein#n/ ->· [seinen] nicht: *[sein]

·> *[sen]

'sehen ihn'

über diese Erscheinung hinaus soll hier die folgende behandelt werden: Enklitikum /n/ - 'weiteres' /n/

Folgende Beispiele belegen den Typ eines ikonisch erweiterten enklitischen Personalpronomens verschiedener Flexionsformen mit homophonem /n/ (vgl. 6.1. 1.4.). Die ikonischen Erweiterungen werden mit eckigen Klanmern deutlich gemacht. Gegenbeispiele werden im Anschluß daran gegeben: Beispiele (D (2) (3) (4) (5) (6)

dar fild#n[en] s xsd#n[en] mid#n[en] iix xDi#n[en] XDi#ix#n[en] xüd#er#n[en]

'er füllt ihn' 'es hat ihn" 'mit ihm' ' ich habe ihn 1 1 habe ich ihn ' 'hat er ihn'

Gegenbeispiele (7) (8) (9) (10) (U) (12)

dar gxend#n das gxeirdtn s xOd#n # # XDd#s#n gxt>n#er#n

zu: 1

'er könnte ihn 'das gehört ihm1 'es hat ihn' 'habe ich ihn' 'hat es ihn' 'kann er ihn1

(1) (1) (2,3) (5) (6)

Das Mittel zu dieser Steigerung des Ikonismus ist eine in der Überschrift vage als "weiteres /n/" apostrophierte Kodierung. Sie könnte ihrer Herkunft nach zweierlei sein: entweder das gedoppelte Pronominalenklitikum selbst oder das aus der adhärenten sog. "pronominalen" Flexion stammende, ans Pronominalen-

213

klitikum suffigierte Morph derselben Flexionsform. Da beide homophon sind (vgl. in 6.1.1.4. das Kap. zu Homophonie-Problemen), ist die Frage letztendlich nicht zu entscheiden. Nur dadurch, daß im PL.DAT der 3.PERS des betonten Personalpronomens an /dan/ ein nur als Suffix deutbares An/ addiert wird/ ist ein Hinweis gegeben, daß es sich beim unbetonten nicht anders verhalten wird. Das Mittel, nach dem enklitischen Pronomen das homophone Suffix auch zur Geltung kommen zu lassen, ist aus ändern, vergleichbaren Fällen bekannt: [e]-Epenthese, die aus zugrundeliegend /xt>i#n+n/ das realisierte [xmnen] erzeugt. Wie die Gegenbeispiele zeigen, hängt diese morphologisch-ikonisch motivierte Nachbesserung offensichtlich nicht mit der phonotaktischen Struktur zusammen: Vgl. [OBSTRn-e-n] mit [OBSTR-n] oder [,er-n-e-n] mit [,er-n]. Doch möchte ich eine von Rowley (1986: 117-8) in anderm Zusammenhang getroffene Einschätzung auf diese Fälle übertragen, es aber ansonsten bei dieser Andeutung der Richtung belassen, in die ein Lösungsversuch gehen müßte: Solche 'Allo-Varianten' brauchen "nicht durch die Stellung bedingt" und können trotzdem "von der proscdischen Umgebung [...] beeinflußt" sein. Da ich diese Bedingungen hier nicht herausgearbeitet habe, nenne ich diese Allo-Varianten "frei". Leichter läßt sich hingegen herausfinden, unter welchen Bedingungen die freie Allovariante, dieses "weitere /n/", überhaupt vorkamen kann. Auf den ersten Blick könnte man den Grund satzphonologisch in der enklitischen Stellung der Pronomina, also in ihrer akzentphonologisch schwächeren Position nach dem HT-Träger sehen. Dazu würde der umgekehrte Fall passen, daß es keine entsprechende ikonische Nachbesserung bei den homophonen Flexionsformen des unbetonten definiten und indefiniten Artikels gibt, der sich vorhaupttonig ans folgende Nomen / die folgende NP anlehnt: Vgl. die Artikel-Proklise /xt>i ix n durnisder aufgexugld/ 'habe ich den Tornister aufgehuckelt1 mit der Pronominal-Enklise /

ix n+[e]n aufgexugld/ 'habe ich ihn

1

aufgehuckelt . Doch auf den zweiten Blick stellt sich heraus, daß diese ikonische Nachbesserung weniger satzphonologisch bedingt als wortartenabhängig ist. Zwar stehen in den meisten Fällen die unbetonten Pronomina enklitisch und die unbetonten Artikel proklitisch, und die Kriterien 'Satzphonologie' und 'Wortart1 scheinen Hand in Hand zu gehen, doch gibt es, zumindest teilweise, auch das Umgekehrte: enklitische definite (aber nicht indefinite) Artikel nach Präpositionen (vgl. 10.2.3.1.) und proklitische Pronomina. Allerdings fallen für diesen Typ die obliquen KAS-Formen des unbetonten Pronomens und mit ihnen das hier nur interessierende /n/ deswegen aus, weil die unmarkierte Serialisierung im Lst. S-P-O ist und die markierte Serialisierung OP-S für O ein betontes Pronomen verlangt (Näheres in 6.1.1.4.). Doch unbetonte definite Artikel in enklitischer Stellung gibt es nach Präpositionen und damit auch für das die

214

obliquen Kasus ausdrückende /n/. Daran, daß dieses enklitische /n/ nach Präpositionen genau wie das proklitische nie ikonisch nachgebessert wird, diese Nachbesserung vielmehr nur bei Pronomina vorkamt, ist ein Zusammenhang dieser Erscheinung mit der Wortart zu erkennen. Definit-Artikel /n/

PersonalPronomen /n/

proklitisch

: ix n#durnisder... 'habe ich den Tornister.

entfällt (s.o.)

enklitisch

bin ix bai#n Jdroibl "bin ich bei den (=zum) Strobel (PN)

ix#n 'habe ich ihn 1

unbelegt (s.o.)

XDI ix#n+[e]n 'habe ich ihn 1

9.6.

/n/

/n+[e]n/

Zusamnenf assung

In einer Synopse wird nochmals dargestellt, welche Strategien wortartenspezifisch gewählt werden, um drohende Verschmelzungen und damit ikonische Verluste entweder von vornherein zu verhindern oder bereits durch Verschmelzung entstandene Defekte anderweitig zu kompensieren. Es geht also nur um Reaktionen der Morphologie auf drohende bzw. geschehene Störungen durch die Phonologie, nicht jedoch um morphologisches KL-Verhalten, das mit phonologischen Mustern 'nur1 implikativ zusammenhängt (das war Gegenstand von Kap. 8.). Zunächst werden synoptisch solche Fälle dargestellt, wo quantitative Kompensation möglich wäre, also bei Lang-VOK des Stamms: /Vi/ Verb (a) (b)

Substantiv Adjektiv

Artikel

(0)

(1)

wuin+n Jixd+d

wuinen

drein+n J"bein+e+n griin-t-n glain+n grois+s gxam+n

(2)

(3) 1

J'iid

Jid

( s i e ) wohnen 1 ' ( i h r ) schüttet' 'Tränen' 'Spänen' PL.DAT

Jbeinen

1

griinen glain

glan

grünen' 'kleinen' 'großes'

gxa

gxan

'keinen'

groises

(0) Zugrundeliegende Addition (1) Verhinderte Verschmelzung durch (a) [e]-Epenthese (b) phonologisch bedingte Erhaltung des 'tiefen' [e] (Synkopeverbot nach [n]; Begründung in 9 . 2 . ) (2) Nicht aufgehaltene Verschmelzung (3) Die die nicht aufgehaltene Verschmelzung kompensierende Kürzung Ausgabeform ist die jeweils letzte Form einer Zeile

215

Wo eine die Verschmelzung kompensierende Kürzung (3) nicht einspringen kann, nämlich bei Kurz-VQK im Stamm, wird die Verschmelzung (2) nicht hingencntnen, sondern von Anfang an durch VOK-Epenthese verhindert ( 1 ) . 'über (1) kommen deshalb Fälle mit Kurz-VOK nicht hinaus. Nur bei /d+d/ kann die Verschmelzung (2) nicht aufgehalten

werden (s.o.

/v/

(0)

(1)

Verb

fin+n wed+d

finen

bun+n

bunen

Substantiv Adjektiv

din+n nos+s

dinen nüses

9.1.). (2) 1

wed

1

-

1

-

1

(sie) finden 1 (ihr) wettet 1 Bohnen '

dünnen ' 'nasses'

Ausgabeform ist die jeweils letzte Form einer Zeile

In Fällen wie /wed+d/ -> [wed] ohne Kompensation wird man deshalb in Anlehnung an den Terminus "konstruktioneller Ikonismus" von "destruiertem Ikonismus" sprechen dürfen. Präzisiert man in diesem Sinne weiter, stößt man auch auf "reduzierten Ikonismus": In Kauf genommen wird der Verlust eines Teils einer Kodierung, etwa wenn /s+sd/ zu [sd] verschmilzt und nur [d] als Symbolisierung des betreffenden morphologischen Merkmals erhalten bleibt: /biis+sd/ ·> [büsd] /xais+sd/ -f [xaisd]

' ( d u ) büßt 1 'heißest- 1 SUP

Von diesem Typ war ausführlich in Kap. 7. die Rede. Auch ein letzter Typ wird in seinen Folgen auf die Morphologie nicht mehr behandelt: der "modifizierte Ikonismus", der vorliegt, wenn zugrundeliegende Repräsentationen von Morphen allophonische Varianten (und nicht "phonologisch bedingte Allomorphe"; s.o. 4.4.4.) erhalten: /mwc+n/ ->· [irroxn] ' (sie) machen'. Dieser Typ begegnet häufig in den Kapiteln zur Phänologie (10. und 11.), ohne daß jedes Mal explizit auf die kontramorphologische Wirkung hingewiesen würde. "Destruierter", "reduzierter" und "modifizierter" Ikonismus haben gemeinsam, daß solche kontramorphologischen Wirkungen der Phonologie von der Morphologie nicht "kompensiert11 werden.

IV.

PHONOLOGIE

10.

"Emische" Phonologie: Phonemische Distribution und distributionelle Lücken

In Harnisch (1987a) ist ausführlich begründet worden, warum eine DistributionsPhonologie in einen phonemischen und einen allophonischen Teil getrennt werden sollte. Im folgenden werden distributioneile Probleme zunächst auf phonemischer Ebene behandelt, d.h. um allophonische Distributionen erleichtert dargestellt. Es wird also mit einem unter funktionellem Aspekt nicht mehr reduzierbaren Inventar (eben mit "Phonemen") gearbeitet. Dessen Einzelelemente können einerseits durchaus erhebliche distributionelle Lücken aufweisen. Lücken und Nicht-Lücken eines solchen Segments sind jedoch andererseits nicht dergestalt, daß sie zu Nicht-Lücken und Lücken eines vergleichbaren (=phonetisch ähnlichen) Segments komplementär distribuiert sind. Solche Verteilungen werden erst in Kap. 11. behandelt. Alles, was nicht auf diese Art verteilt ist, ist selbst zugrundeliegendes Segment (="Phonem"). Das Inventar der KONS-Phoneme des Lst. bildet folgendes System: |

KOR

AMT

OBSTR

LIQ

SON

LAB

ALV

PLOS

b

d

FRIK

f

s

NAS

m

n

LAT

POSTKOR g

J

x

q

1 r

VIBR PROX

PALV

w

j

"Affrikaten" wurden ebensowenig ins obige System der KONS-Phoneme aufgenommen wie "Diphthonge" in das nachfolgende System der VOK-Phoneme. Zur Begründung dafür vgl. 10.1.4.1. bzw. 10.1.5.2.

Das phonemische VCK-System des Lst. ist, unabhängig vom Länge-Parameter (und daher quantitätsneutral in Versalien geschrieben), so aufgebaut, wie es der ersten Abb. der folgenden Seite zu entnehmen ist. Alle VOK-Phoneme außer /A'/ und /O/ können als +LANG vor, die genannten Ausnahmen nur als +LANG. Diese quantitätsspezifischen Teilsysteme sind der zweiten Abb. auf der folgenden Seite zu entnehmen.

217 PAL HOCH

- HOCH] L-TIEF]

-PAL! L-VELj

VEL

H IV

I

U

H

E

O

III

Ä

H II

O

TIEF

A

H I

A

ii

ui

i

ei

oi

e

ai LANG KURZ

. .

Der Einsilbler als Rahmen

Untersuchte Grundeinheit ist das einsilbige "phonologische Wort", da an dessen Polen (An- und Auslaut) die Grenzen von Silben ($), Morphemen (+) und Wörtern (#) zusartmenfallen. Das heißt wohlgenerkt nicht, daß dieser Einsilbler nicht auch interne Morphem-, ja Wortgrenzen haben kann (vgl. Werner 1972: 76-7 und Seiler [1962] 1970: Einleitung):

I

$ =+ =#

r-(jj.t; X

U

f f

u i

s 1+ s 1# s 1

t

i $ = + = #

1

Holz' 'volles 1 'fülle es!

interne Grenzen

Hinter den Verfahren, innermorphische und morph- oder wortgrenzüberschreitende Sequenzen gleich zu behandeln, steht die Überlegung, daß oft erst flektierte Formen oder Wörter mit Enklitika Distributionen erkennen lassen, die man bei Beschränkung auf Basisformen nicht feststellen könnte, obwohl sie ebenso Teil der SequenzStrukturbedingungen einer Sprache sind (vgl. Hinderung 1979: XVf.). Trotzdem soll die Information, ob die Sequenz innermorphisch oder 'nur1 über Morph- und Wortgrenze hinweg vorkamt, nicht unterschlagen werden, wenngleich dieser Differenzierung der Rang, den sie etwa bei Hintze (1948) genießt, hier nicht beigemessen wird. Immerhin wird in einer Art Hierarchie unterschieden nach (1) innermorphischan Vorkommen, (2) Zustandekommen über Morphgrenzen hinweg,

218

(3) Zustandekommen über Wortgrenzen hinweg. In den folgenden Distributionstabellen wird nur der in der Hierarchie jeweils höher stehende Gesichtspunkt verzeichnet, also z.B. nur (1) /neds/ 'Netz', obwohl (2) /fed+s/ 'fettes1 oder (3) /fed#s/ 'fette es (ein)!1 auch vorkamen; oder etwa nur (2) /waix+s/ 'weiches1, weil (1) innermorphisch */Vixs/ nicht und obwohl (3) /waix#s/ 'weiche es (ein)!1 auch vorkamt. Symbol für (1) soll in den unten folgenden Tabellen "X" sein, für (2) das Morphgrenzsynibol "+", für (3) das Wortgrenzsymbol "#". Für Einsilbler ist von folgender maximalen Sequenz Struktur auszugehen, wobei /k/ und /v/ nicht nur für Einzelsegmente stehen können, sondern auch für ganze /konsonantische =/k/ bzw. vokalische = /v/) Segmentsequenzen: /k-v-k/ "Maximal" soll heißen, daß konsonantische Sequenzen auch fehlen können: im Anlaut (=/k-/) oder/und im Auslaut (=/-k/) . /k/ kann also auch "gleich null" sein, doch die Möglichkeit /v/ "gleich null" gibt es im Lst. nicht. "Inlaut" ist bei Einsilblern nur eine Sache von /u/! Folgende Möglichkeiten gibt es: / V V-k k-V k-V-k/

z.B.

/ai/ /ernsd/ /Jdroi/ /Jdrumf/

'auch' 'ernst' 'Stroh 1 'Strumpf

Cluster im Anlaut werden mit der Strukturformel / ^ .../ bezeichnet, d.h. der /K/ mit dem niedrigeren Index steht weiter innen, also näher an /u/. Auslautcluster werden nach demselben Kriterium (Nähe zu /v/) dargestellt als /...yKjKjJCn/. Dieselbe Symmetrie findet sich bei Kopeke (1982: 70) angewandt, wenn er, mit "I" für "Initialkonsonant", "F" für "Finalkonsonant" und "N" für "Nukleus-Vokal" eine Anordnung /I H I 3 I 2 I 1 /N/F 1 F 2 F 3 F^/ vorschlägt. Hinter dieser Zählung steht die Annahme, daß es (1) anlautend nicht entscheidend ist, welcher /K/ nach welchem /K/ stehen kann, sondern welcher /K/ vor welchen /K/ treten kann, während es (2) auslautend umgekehrt nicht entscheidend ist, welcher /K/ vor welchen /K/ treten kann, sondern welcher /K/ nach welchem /K/ stehen kann: nicht

sondern

(1) Anlaut (2) Auslaut

Es wird sich als zweckmäßig erweisen, die möglichen und unmöglichen Cluster mit Merkmalen natürlicher phonologischer Klassen, die Artikulationsart und -ort betreffen, zu beschreiben, um Regularitäten angemessen erfassen zu können. Dabei

219

wird in einer Art Hierarchie versucht, zuerst Regularitäten zu finden, die mit der Artikulationsart zusammenhaängen, da diese als genereller erachtet werden. "Eine erste Auflösung in Folgen von distinktiven Merkmalen" dieser Art (wie +NAS, +KONS usw.) "hat schon Lindner 1963 vorgenommen" (Werner 1972: 82) , es folgt ihm Ellenberg (1964) mit einer "Figur mit den drei Dimensionen 'FrikativeExplosive-Sonore1 " (Werner 1972: 81) für Anlaut-Cluster. Für den Ausbau von Einzelsegmenten zu kleinen Clustern und von kleineren Clustern zu größeren werden folgende Prinzipien als wesentlich erachtet (und später empirisch belegt) : Zugrunde liegt die Annahme, daß die Verhältnisse in Zweierclustern insofern weitreichende Auswirkungen haben, als mit ihnen Möglichkeiten und Restriktionen höherer Cluster schon festgelegt sind. Das Prinzip ist jeweils, daß überhaupt nur höhere Cluster aus niedrigeren durch Kontamination entstehen können, wobei sich (1) Dreier-Cluster aus Zweier-Clustern, (2) Vierer-Cluster aus Dreier-Clustern usw. aufbauen und als Bindeglied bei (1) ein monosegmentales gemeinsames Zwischenstück, bei (2) ein bisegmentales usw. als Mindestvoraussetzung vorhanden sein muß. Es handelt sich also genau um das Dominoprinzip. Identisches reiht sich nicht, sondern überlagert sich. (Ein Buchstabensymbol, also ein Feld eines Dominosteins, steht im folgenden als Abstraktion für ein bestimmtes Lautsegment.)

2

'

Auch Lindner (1963: 118) war unausgesprochen von diesem Dominoprinzip ausgegangen, denn er schreibt: "Jeder Laut tritt bei einer derartigen Erfassung zweimal auf: Erstens als zweites Glied der einen und zweitens als erstes Glied der folgenden Lautverbindung". Wie dieses Prinzip funktioniert, wird an folgendem Beispiel gezeigt: /fr/ ist ein im Anlaut zugelassenes Zweier-Cluster. Nach einem rein linearen Prinzip müßte man nun testen, welche Konsonanten im einzelnen noch davortreten können, welche Dreier-Cluster dadurch zustande kommen. Wäre nicht das Prinzip der Kontamination eingeführt worden, müßten also alle Konsonanten daraufhin durchgetestet werden, ob sie als /K/ 3 vor /fr/ treten dürften. Ein solcher Test würde nun aber sehr schnell deutlich machen, daß als /K/ 3 überhaupt nur solche Konsonanten auftauchen können, die schon als /K/ 2 vor /f/! stehen konnten, nämlich /b/ und /g/ in den Zweier-Clustern /bf/ und /gf/. Das

220

'Dominoprinzip1 gestattet also eine Voraussage darüber, welche Konsonanten überhaupt nur eine Chance haben, zu einem bestehenden Cluster noch hinzuzutreten. Auch die Forderung nach einem mit den Clustern größer werdenden Verbindungs.stüokder Kontaminanden hat ihren Sinn. Man könnte zunächst meinen, es genüge beim Zusainnenbau von Clustern mit mehr als drei Konsonanten, von 'Dominos' wie 0 vM M w

auszugehen, was normalerweise durchaus hinreichte, ein zulässiges Vierer-Cluster herzustellen. Es mag zu streng erscheinen, Kontaminationen wie r n s n s d

zu fordern, wo doch r ns s d

auch genügte. Die Berechtigung für den ersten, strengeren Weg ergibt sich jedoch aus einem ändern Beispiel: Aus den anlautenden Zweier-Clustem /jb/ und /bf/ hätte sich ein Dreier-Cluster

1 b

b f

kontaminieren lassen missen, fiel aber unter ein hier nicht interessierendes Verbot. Ein Cluster */Jbf/ schied also für alle Zukunft als Baustein zu größeren Clustern aus, was auch bedeutete, daß es fürderhin keine größeren Cluster mehr mit diesem sequentiellen Ausschnitt geben konnte. Genau dem beugt aber der zweite, weniger strenge Weg nicht vor. Zwar wird das Dreier-Cluster */jbf/ dort nicht zugelassen, doch kann es gleichsam 'durch die Hintertür1 inner wieder zustande können und nüßte wieder und wieder neu verboten werden. Z.B. ist ein phonemisches Cluster /bfl/ zugelassen, das nun u.a. einen Kontaminationspartner /;b/ hat: J b b f l

So entstünde hier nachgeordnet ein */jbfl/ erneut, das im Abschnitt */jbf/ schon vorher nicht zugelassen war, während der strenge Weg dieses */jbf/ ein für alle mal ausgeschlossen hält.

221

10.1.1. Konsonantischer Anlaut 10.1.1.1. Einzelsegmente und Konsonantencluster Anlautf hig sind alle phonemischen Einzelsegmente au er /q/. Was, wie dieses /q/, anlautend nicht allein vor VOR stehen kann, kann auch in keinem AnlautCluster stehen. Zweier-Clus t er

\^/ΚΛ /Κ/2_\^

PLOS b

d

FRIK g

f

n |mx

S

ds gf gs gj gx

dn

f

1

r

w

bl br dr gl gr

gw

j

fl fr k

S

FRIK

PROX

LIQ

bf

b d g

PLOS

NAS

; m ;n

Jbja

sw fw

X

Zum erschlossenen */sw/ folgen unten noch n here Ausf hrungen

Differenziert danach, ob diese Cluster erst ber Grenzen ("+" oder "#") hinweg zustande kennen oder schon in einer monomorphen Einheit ("X") vorhanden sind, ergibt sich das folgende Bild:

/K/\

b

d

g

f

b d

X

g f

+

s J

X

X

s X +

J

χ

m

n

χ 4·

1

r

Χ

Χ

Χ

Χ

j

χ

χ χ χ χ

X

W

χ χ

χ *χ χ

X

Hieran sieht nen u.a., da die innermorphisch genutzten Cluster aus PLOS und FRIK die hotorganen sind ("Affrikaten"). Fa t nan PLOS /d/ auf der einen, FRIK /s/ und /j/ auf der ndern Seite unter dem Artikulationsstellen-Merkmal KOR zusanmen, k nnte auch /dj/ als eine quasi-honorgane PLOS-FRIK-Verbindung (eine Affrikate) gelten, doch gibt es sie im Lst. anlautend nicht. Indiz ist, da dem in der Nachkriegszeit durch die amerikanische Besatzungsmacht aufgekctimenen Wort 'Jeep' phonemisch nicht */djiib/ zugrunde liegt, sondern /jixb/. Damit wird einer phonotaktischen Verbotsregel des Lst. Folge geleistet (s.u. Regel 5).

222

Beispiele zur obigen Tabelle der anlautenden Zweier-Cluster sind: +

X

bfaird blai braid dsui dnaxd drag gxui glain grai gwOirg

•Pferd' 'blau 1 'breit 1 'zu 1 'Knecht 1 'Dreck' 'Kuh 1 'klein 1 'Krähe' 'Quark'

1 fliix flieg' freix •frag 1 zu/dswai/'2' *swai /bin ' spinn' Jdaxn 'Stein 1 Jmeir 'Schmer' Jnel ' schnell' Jlug 'Schluck' 1 Jreix schräg' Jwürds ' schwarz '

g+fnln g+sein g+Jaind

'gefallen' 'gesehen' ' geschienen1

Abstrahiert nach den natürlichen Klassen der Artüculationsart, also unter Vernachlässigung der artikulationsort-bedingten Besonderheiten, gibt es folgende Cluster: K2

Kl

FRIK PLOS PLOS FRIK

PLOS FRIK NAS/LIQ/PROX

/Jbag/ /dsui/ /dnii/ /Jnei/

'Speck' 'zu' ' K n i e ' , /glei/ 'Klee', /gwair/ 'quer 1 'Schnee', /Jlau/ 'schlau', /Jweir/ 'schwer 1

Daraufhin lassen sich zwei Regeln formulieren: Regel ( 1 ) : /K 2 Kj /-Cluster mit Sonanten als /K/ 2 gibt es nicht. Regel ( 2 ) : Es gibt keine homogenetischen / ^ /-Cluster (so daß PLOS-PLOSbzw. FRIK-FRIK-Cluster nicht auftreten) .

Artikulationsortbezogene Einschränkungen sind: Regel ( 3 ) : /K 2 K! /-Cluster mit postkoronalem Plosiv bzw. Approximant (/g/ bzw. / j / ) in /K^-Position gibt es nicht. M. a. W . : vor /g/ und / j / kann kein /K/ 2 stehen. Regel ( 4 ) : In /K 2 K! /-Clustern können vor den nach Regel (1) bis (3) verbliebenen /K/ j -Segmenten folgende Frikative in /K/ 2 -Position stehen: palatoalveolarer Frikativ /JY 2 immer, labialer Frikativ / f / 2 nur vor Liquiden, alveolarer Frikativ /s/ 2 nur vor /w/j und das nur in /K 3 s 2 Wj /-Sequenzen (s.u. Anm.). Postkoronaler Frikativ /x/ kann die /K/ 2 -Position nie einnehmen. Anm. : Da es /s 2 K t /-Cluster nur bei /sw/ und auch nur dann gibt, wenn dieses von K3 gedeckt wird, bedeutet strenger formuliert natürlich, daß */sK/Anlaute verboten sind. Indiz dafür sind z.B. die Umwandlungen von fremdsprachlichen /sK/-Anlauten in •einheimische 1 [j"K]-Lautungen, v. a. jugendsprachlich [jlen] 'Slang 1 [j"nuibi] 'Snoopy' [jdoins] ' (Rolling) Stones' usw.

223 Regel ( 5 ) : In /K 2 K 1 /-Clustern können vor den nach Regel (1) bis (3) verbliebenen /K/!-Segmenten folgende Plosive in /K/ 2 -Position stehen: postkoronaler Plosiv /g/ 2 überall außer vor Nasal, alveolarer Plosiv /d/ 2 nur vor homorganem Frikativ, homorganem Nasal und vor /r/, labialer Plosiv /b/ 2 nur vor homorganem Frikativ und den Liquiden. Dreier-düster·

Nach dem Doninqprinzip mißten aufgrund der oben als möglich erachteten Zweierdüster folgende Kontaminationen, die die Artikulationsart betreffen, möglich sein, doch gibt es auch Ausfälle ("-" statt Beleg): FRIK

PLOS

PLOS PLOS PLOS PLOS PLOS

FRIK NAS LIQ PROX

FRIK FRIK FRIK FRIK FRIK

PLOS NAS LIQ PROX

/Jdroi/

'Stroh 1

/gjbond/ /gjmiird/ /g;lugd/ /gjwuln/

'gespannt1 'geschmiert 1 'geschluckt' 'geschwollen 1

Hier wurden nur Restriktionen, die die Artikulationsart betreffen, berücksichtigt. Nimrtt man die artikulationsort-bedingten Restriktionen noch hinzu, ergeben sich untenstehende konkreten Dreier-Cluster aus Zweier-Clustern. .bf

bl

br | ds dn

dr | fl

fr

sw

;b

Jd

,fm

,fn

.fl

.fr

,fw

+

+

+

+

-

+

+

3-2\^ Jb

-

jd

1

bf

gf ds gs

'

gj Beispiele Jblid Jbrax Jdroi bfluix bfrubf dswai

'Split' 'sprich' ? Stroh1 'Pflug 1 'pfropf 1 'zwei 1

g+flaid g+freixd g+Jbond g+Jdeird g+Jmiird g+Jnüld g+Jlugd g+JTubd g+jwuln

'gefleit' 'gefragt 1 'gespannt 1 'gestört 1 •geschmiert' 'geschnallt 1 'geschluckt' 'geschrubbt' 'geschwollen'

224

Von den 19 überhaupt möglichen Kontaminationen werden 15 auch gebildet. Die Ausfälle lassen sich wie folgt erklären: mit Artikulationsart-Merkmalen die Tatsache , daß die oben als grundsätzlich möglich bezeichneten Cluster FRIK-PLOS-FRIK FRIK-PLOS-NAS

nicht zustande kommen: Regel (6) : Wenn / K / j ein Frikativ oder Nasal und /K/ 2 ein Plosiv ist, kann kein /K/ 3 davor stehen. Nach obiger Tabelle wären in /K/ 3 -Positionen überhaupt nur Plosive und Frikative möglich, nach obiger Regel (2) , die homogenetische Cluster verbietet, kann bei den hier zur Debatte stehenden Dreier-Clustern mit PLOS in der /K/ 2 -Position davor kein PLOS mehr stehen, sondern nur FRIK.

Zur Erklärung der Tatsache, daß das oben ebenfalls theoretisch mögliche Cluster FRIK-PLOS-PRCX nicht zustande kommt, scheint auf den ersten Blick die Beiziehung artikulationsort-bedingter Einschränkungen notwendig, denn der einzige Fall eines PLOS-PROX-Clusters ist /gw/, und genau das zum FRIK hin notwendige Bindestück PLOS /g/ verträgt nach Regel (3) nichts vor sich. Nicht testen, aber auch nicht widerlegen laßt sich nun aber die "fliese, daß hier Restriktionen des Artikulationsortes gar nicht bemüht werden brauchen, wenn man obige Regel (6) ausbaut: Regel ( 6 1 ) : Wenn / K / j ein Frikativ oder Nasal oder Approximant ist und /K/ 2 ein Plosiv, kann kein /K/ 3 davorstehen. M. a. W. : Nur wenn / K / j ein Liquid ist, kann vor plosivem /K/ 2 ein (frikativer; s.o.) /K/ 3 stehen.

Tatsächlich auf Artikulationsort-Merkmale rekurrieren muß man aber für den Ausfall von */gsw/, denn, wie an /gjw/ zu sehen ist, sind ArtikulationsartenCluster PLOS-FRIK-PROX ja möglich: Regel (7) : Da die nichthomorganen /g 2 -FRIK 1 /-Sequenzen nur über Morphgrenzen hinweg Zustandekommen, muß theoretisch mögliches */gsw/ ausfallen, da zwischen K 3 und K 2 eine "+"-Grenze liegt, die morphanlautend */+sw/ nicht zuläßt. Nach dieser Grenze ist von den koronalen Frikativen nur der palato-alveolare Frikativ / J / zugelassen.

Vierer-Cluster Theoretisch möglich ist, da ein zweigliedriges Bindeglied gefordert ist, nur

die Kontamination PLOS

FRIK

PLOS

FRIK

PLOS

LIQ

/gjbrend/ 'gesprengt 1

Da sie tatsächlich realisiert wird, sind keine artikulationsartbezogenen Restriktionsregeln notwendig. Im einzelnen:

225

Jbl

Jbr |

;dr

Diese Cluster haben allesamt eine interne Morphgrenze nach /g+/: Beispiele g +Jblid(erd) 'gesplittert 1 g-t-Jbrend 'gesprengt' g+Jdraifd 'gestreift 1

Die Bildung eines Fünfer-Clusters ist auch theoretisch nicht mehr möglich, da es keine kontaminierbaren Vierer-Cluster mehr gibt. Mit sich selbst zu kontaminieren ist das Vierer-Cluster PLOS-FRIK-PLOS-LIQ mangels eines passenden (nun dreigliedrigen) Bindegliedes auch nicht. 10.1.1.2. Zusartitenf assung der Anlautstrukturen Getrennt nach anlautenden Einzelsegmenten, Zweier-, Dreier- und Vierer-Clustern werden alle Möglichkeiten unten nochmals aufgeführt. Mit einem Index von (a) bis (h) werden Fälle markiert, wo kleinere Einheiten (Einzelsegmente oder Cluster) in größeren aufgehen können, wenn sie in /K/-Positionen und natürlicher Klasse übereinstimmen, z.B. mit Index (e) in dieses in

FRIK 3

PLOS 2 PLOS2

dieses in

PLOS^

FRIK 3

PLOS2

,

K3

2

KI

Einer

Zweier

PLOS FRIK NAS LIQ PROX FRIK PLOS PLOS FRIK PLOS FRIK PLOS FRIK

PLOS FRIK NAS NAS LIQ LIQ PROX PROX

LIQ LIQj, LIQj,

LIQj .

(a) (b) (c,d) (e,f)

(g, h) (a) (b) (c) (d) (e) (f)

(g)

(h)

[Fortsetzung nächste Seite]

226

Dreier

Vierer

PLOS

PLOS PLOS FRIK PLOS PLOS

FRIK FRIK PLOS FRIK FRIK

PLOS NAS LIQ LIQ PROX

(a) (d) (e) (f) (h)

FRIK

PLOS

LIQ

(e)

Läßt man nun nach dan obigen Muster von Index (e) alle kleinen Cluster in größeren aufgehen, ist folgende Vereinfachung zu erreichen: 2.

(a) (b) (c) (d) (e) (f)

PLOS

PLOS

PLOS FRIK PLOS

(g) (h)

PLOS

FRIK PLOS PLOS FRIK PLOS FRIK PLOS FRIK

PLOS FRIK NAS NAS LIQ LIQ PROX PROX

Regularitäten: Durchgehend gilt, daß kein weiterer /K/ stehen kann vor PLOS-FRIK, ganz gleich, ob sie die Indices 2-1 tragen wie bei (b) oder 3-2 wie bei (a,d, f,h) oder 4-3 wie bei (e). Andere Cluster, vor denen nichts mehr steht, sind PLOS-NAS und PLOS-PROX, beide mit den Indices 2-1. In jeder der in der Tabelle angegebenen größeren Strukturen sind nicht nur kleinere, stets mit / / beginnende enthalten, sondern jedes der Cluster, das mit einem höheren Index als /K/ : beginnt, muß sich nach dem Dominoprinzip auch in einer mit /K/! beginnenden /Kn -Kj/-Struktur wiederfinden. Solche Cluster von /K/ 2 aufwärts gibt es aber nur drei, nämlich PLOS-FRIK, FRIK-PLOS und PLOS-FRIK-PLOS: (a,d,f,h) (e) (e) (e)

PLOS 3 -FRIK 2 und PLOS U -FRIK 3 entsprechen PLOS 2 -FRIKi bei ( b ) , FRIK 3 -PLOS 2 entspricht FRIK2-PLOS, bei ( a ) , PLOS„-FRIK 3 -PLOS 2 entspricht PLOS 3 -FRIK 2 -PLOS! bei ( a ) .

Alle /K/ mit Index gleich/größer 2 sind Obstruenten. Alle /K/ mit Index 1 sind Obstruenten oder Sonanten. Die allgemeinste Strukturformel ist:

PLOS

OBSTR

OBSTR

KONS

Es genügen im Grunde wenige Regeln, die darin vorkommenden Oberklassen-Merkmale KONS und OBSTR näher zu spezifizieren und die Grenzen der Clusterbildung aufzuzeigen :

227

1. Es gibt keine homogenetischen Cluster. Das entspricht obiger Regel (2) . OBSTR-Cluster müssen demnach in den Merkmalen PLOS und FRIK alternieren. Da nach obiger Strukturformel /K/,» nur PLOS sein kann, gibt es, wenn OBSTR in /K/3:-Position schon PLOS ist, nach der Regel des Verbots homogenetischer Cluster keinen /K/\. Folgende Möglichkeiten müßte es also theoretisch geben. Sie bauen sich, sobald man / / kennt, von ihm her nach links automatisch auf: Ku

K!=PLOS l K^FRIK | K i=NAS | l Kj =LIQ l l K!=PROX | |

K.

K9

Ki

PLOS-FRIK-PLOS PLOS-FRIK-PLOS-FRIK PLOS-FRIK-PLOS-NAS PLOS-FRIK-NAS PLOS-FRIK-PLOS-LIQ PLOS-FRIK-LIQ PLOS-FRIK-PLOS-PROX PLOS-FRIK-PROX

2. Wenn /K/2 gleich PLOS ist und gleichzeitig /K/! ungleich LIQ, sind höhere Cluster nicht möglich. Das entspricht Regel (6). Markiert man die durch diese Regel bedingten Ausfälle (mit " "), bleiben von obigen theoretischen Möglichkeiten noch folgende übrig, und es liegt wieder die oben schon einmal gezeigte Gesamtmatrix mit den Clustertypen (a) bis (h) vor: (a) (b) (c) (d) (e) (f) (g) (h)

PLOS-FRIK-PLOS PLOS-FRIK PLOS-NAS PLOS-FRIK-NAS PLOS-FRIK-PLOS-LIQ PLOS-FRIK-LIQ PLOS-PROX PLOS-FRIK-PROX

Weitere Restriktionen zur Artikulationsart gibt es nicht. Zusammengefaßt lassen sich obige Regularitäten tabellarisch folgendermaßen darstellen. Man beachte wieder die Rechts-Links-Reihenfolge. Steht "i", heißt das, daß größere Cluster dort nicht mehr möglich sind: (D

2 FRIK PLOS OBSTR

(2)

1

PLOS FRIK -OBSTR

2

1

OBSTR !PLOS

KONS -LIQ

228 (3)

4

JPLOS

1

2

3

1PLOS FRIK

FRIK PLOS

RONS LIQ

In Worten drücken die Tabellen folgendes aus: (1) Hcnogenetische Cluster gibt es nicht. Diese Regel setzt sich auch in höheren Indices fort. (2) Vor allen Konsonanten können Obstruenten stehen. An das Verbot von (1) ist zu denken! Vor solche Cluster können weitere Konsonanten treten, außer es liegt folgender Fall vor: Steht vor einer Nicht-Liquida ein Plosiv, sind Erweiterungen des Clusters nicht mehr möglich! (3) Steht vor beliebigen Konsonanten ein Frikativ, kann vor ihn noch ein Plosiv treten (ein weiterer Konsonant aber nicht!). Steht vor einer Liquida ein Plosiv, kann davor noch ein Frikativ und davor noch ein Plosiv treten (ein weiterer Konsonant aber nicht mehr!). Beispiele dazu, wie größere Anlautcluster Einzelsegmente und kleinere Cluster (rechtsbündig) enthalten, sind etwa: bt>nd Jbund gjbt>nd

'Band' (er) spannt1 'gespannt 1

zu (b)

faild gfaild

1

zu (c)

nix dnii

zu (d)

naid jnaid gjnaid

'Neid' 1 (es)schneit' 'geschneit 1

zu (e)

rax brax Jbrax gjbrux(n)

'rech!' 'brich!' 'sprich' 'gesprochen 1

zu

(f)

laz flai gflai (d)

'lau' /'leg!' 'flei! (spül!) ' 'gefleit 1

zu

(g)

wair gwair

'wer' ' quer '

zu (a)

zu (h)

wids Jwids gjwidsd

1

(es)fehlt 1 •gefehlt'

'nie' 'Knie 1

'Witz' ' (ich) schwitze 1 "geschwitzt 1

229

Nach Artikulationsart und -ort vollständig sind folgende Cluster-Tabellen in der Art von Seiler ([1962] 1970: 419, 422-3). Dabei soll jeder mögliche Anlaut und jedes mögliche Anlaut-Cluster des Lst. verzeichnet sein, d.h. kleinere Strukturen, die in größeren enthalten sein können, werden selbständig aufgeführt: Kj=PLOS

b Jb

d Jd gjd

K!=FRIK

f bf

s

j

gf

ds gs

gj

K! =NAS

m Jm g;m

K! =LIQ

g

gx

n dn Jn l bl Jbl gjbl

r br Jbr gjbr dr Jdr gjdr

gl

gr

fl bfl gfl

fr bfr gfr

Jl

gji K!=PROX

w

Jr

gjr j

gw *sw dsw

;w gjw

10.1.2. Konsonantischer Auslaut 10.1.2.1. Von Einzelsegmenten bis zu Dreierclustern Zunächst wird, was in einem späteren Schritt (10.1.2.5.) noch erfolgen muß, nicht darauf Rücksicht genomnen, in welchem Zusanmenhang die Quantität des Stamm-VQK und konsonantische Auslautstrukturen stehen.

230

Einzelsegmente Generell auslaut-unf hig sind nur die Approximanten, also /w/ und /j/. Ich werte mithin die potentiell auslautenden Zweitsegmente von den als biphonematisch betrachteten Diphthongen anders als Wurzel (1970: 134-54) nicht "in (m.E. allzu) enger Anlehnung an Analysen des Englischen [...] als 'glides'" (Werner 1972: 34) und nehme /bau/ statt */baw/ 'Bau' und /drai/ statt */draj/ 'drei' an. Was, wie /w/ und /j/, auslautend nicht allein nach VQK stehen kann, kann auch in keinem Auslaut-Cluster stehen. Zweier-Cluster Χ. 2

b

PLOS d g

s

J

bf

bs ds gs

bj1 dj

b PLOS d

bd

g

gd

f

fd sd

fs

S

X

xd

xs

FRIK

NAS

LIQ

m n

r

rob

md nd

Ib rb

Id rd

Ig rg

m

NAS n

Im rm

In rn

FRIK

f

χ

mf

ms ns

mj nj

If rf

Is

1J rj1 rx

η

Differenziert danach, ob diese Cluster erst ber Grenzen hinweg zustandekcninen oder schon im monomorphen Lex vorhanden sind, ergibt sich: b

d

g

f

s



X

X X

χ

m

n

X X

+ X

>\ b d

+

g

X

X X X

f

X

+

s J

X

X

X

+

m n 5

X

1 r

X X

+ +

X X X

X

X X

X X

X

X X X?

X X

X X

X

X X

X

q

231

Hieran sieht man u.a., daß honogenetische Cluster (fast; vgl. /dt>gd/ 'Takt') nur durch Überschreitung morphischer Grenzen zustandekonmen können: Beispiele +

gxubf Jnßbs grübj neds rudj dügd wpgs grofd misd OXd

lumb Dmd semf bims rornj xund gOns menj

'Kopf ' Schnaps ' •grapsch' 1 Netz ' 'rutsch' 'Takt' ' Wachs ' 'Kraft' 'Mist' 'acht' ' Lump' 'Amt' 'Senf ' Bims ' ' Ramsch' 'Hund 1

' Gans ' 'Mensch 1

1

süi^d

'Sankt ' schlank 1 •Dings 1 'halb 1 •half 'melk 1 •hilf XDls ' Hals ' fülj 'falsch' xolm 'Halm 1 gxo i rb 'Korb 1 wOrd ' warte ' m e i r g ' merke ' 1 jOirf scharf ' 'Hirsch' xer; bairx 'Berg' Dirm 'Arm' gxurn ' Korn '

JlDqg ?dins 1 xnlb xüld | malg xalf l

1

1 1 ,

1

gxib+d diif+s drij+d frij+s flDx+s wul+n

' kippt ' 'tiefes' 'drischt' 'frisches 1 'flaches' 'wollen'

Abstrahiert nach natürlichen Klassen der Artikulationsart gibt es folgende Cluster:

PLOS/FRIK/NAS

OBSTR OBSTR

LIQ

NAS

Regel ( 1 ) : Liquiden nach auslautfähigen Konsonanten gibt es in Einsilblern nicht. Anm.: Natürlich können sie nach allen auslautfähigen Konsonanten stehen, dann sind sie aber selbst Silbenträger wie das [1] oder gehören einer vokalisch getragenen Silbe an wie das [r] in [er]: [goibl] [lefl] [gximl] [gwiirl]

'Gabel 1 'Löffel 1 'Kümmel' 'Quirl'

-

[laber] 'Leber' [gxufer] ' K o f f e r ' [xsmer] "Hammer 1 [gxaler] 'Keller 1

Regel ( 2 ) : Nasale nach auslautfähigen Konsonanten gibt es in Einsilblern nur nach Liquiden (s.o. Beispielliste mit /gxurn/ 'Korn' und /wuln/ ' w o l l e n ' ) Anm.: Zwar können auch Nasale nach auslautfähigen nicht-liquiden Konsonanten stehen, doch sind auch sie dann, wie oben das /!/, silbisch, z . B . [buidn] 'Boden' [baisn] 'Besen' [daumn] 'Daumen'

232

Da homogenetische Strukturen offenbar grundsätzlich zugelassen sind (s.o. /gxibd/ oder /diifs/), kamt einer Regel, die artikulationsortbezogen ist/ besondere Bedeutung zu: Regel ( 3 ) : Homogenetische Cluster dürfen nicht auch noch homorgan sein. Es gibt also keine Geminaten. Wo Geminaten durch morphologische Addition entstehen, werden sie, sofern es keine Gegenwehr der Morphologie gibt (vgl. Kap. 7 . ) , vereinfacht.

Weitere Regeln zum Artikulationsort sind: Regel ( 4 ) : Von den postkoronalen Nichtliquiden tritt in /K/ 2 -Position der Nasal (/ /) gar nicht auf, der Frikativ (/x/) nur nach /r/, der Plosiv (/g/) lediglich nach Liquid und homorganem Nasal. Anm.: Direkt nach /!/ bzw. /n/ kommt /x/ nie vor. Zwischen ihnen steht meist ein NT-/i/ mit der Folge, daß das Wort zweisilbig ist: /milix/ 'Milch 1 , /bolix/ 'Balg, /fulix/ 'folg! 1 ,· /münix/ 'manch'. Regel ( 5 ) : Von den labialen Obstruenten kann in /K/ 2 -Position der Frikativ ( / f / ) nur nach Liquid und homorganem KONS stehen, der Plosiv (/b/) nur nach Liquid und homorganem Nasal. Die Cluster */ff/ und */bb/ sind schon durch Regel (3) ausgeschlossen. Regel ( 6 ) : Palato-alveolarer Frikativ /J/ tritt in /K/ 2 -Position nicht nach homogenetischen Konsonanten (also Frikativen) und postkoronalen Nichtliquiden (betrifft /g/ und / n / ) auf. Regel ( 7 ) : Alveolarer Frikativ /s/ begegnet nicht nach /r/. Vielmehr gilt: Wird das 'tiefe' Suffix oder Enklitikum /s/ an einen Stamm mit Auslaut-/r/ addiert, überführt eine Regel das Merkmal ALV des Frikativs in das Merkmal PALV, z.B. /der+s/ ->· [derj] 'dürres' /dser#s/ -»· [dserj] 'zerr es!'

Auf die Probleme von /js/-Clustern wurde oben in 7.1. schon aufmerksam gemacht. Nahezu unbeschränkt, d.h. nur von der Geminatenverbotsregel (3) und von Regel (7) limitiert, können die alveolaren Obstruenten Folgekonsonanten sein. Vor dem Hintergrund, daß sie mit zu den Segmenten gehören, deren Artikulationsort am wenigsten markiert ist (s.o. 5.5. und Kloeke 1982: 93-5), verwundert es nicht, daß die Morphologie von diesen Folgekonsonanten ausgiebig Gebrauch macht. Denn als relativ unmarkierte Segmente sind sie vergleichsweise leicht und 'störungsfrei1 addierbar. Die Suffixe /+s/, /+d/ und - in Kombination - Asd/ sind alveolar (die Suffixe /+n/ und /+!/ übrigens auch). Diesem Umstand (der Addition dieser Suffixe) ist es zu verdanken, daß sehr lange Sequenzen von Auslautclustern entstehen, wozu auch noch das Klitikum /#s/ 'es' (Pronomen) beiträgt. Wie schon beim Anlaut dargestellt wurde, gilt auch für die Auslautcluster, daß die Kontaminationsmöglichkeiten zu Dreier- und höheren Clustem von den realisierten Zweierkombinationen abhängen: Die möglichen Zweier-Cluster sind

233

Bausteine der Dreier-Cluster, diese sind Bausteine der Vierer-Cluster usw. Nicht alle Kontaminationen, die theoretisch möglich sind, werden auch tatsächlich realisiert. Deshalb werden im folgenden hier wieder die theoretischen Möglichkeiten dargestellt, um vor diesem Hintergrund Ausfälle erklären zu können. Es wird sich wiederum als zweckmäßig erweisen, die Clustermöglichkeiten nach Artikulationsart und -ort getrennt und in dieser Reihenfolge zu prüfen. Manchmal genügt nämlich ein artikulationsartenbezogenes Merkmalcluster schon zur Begründung von Ausfällen: Z.B. gibt es keine Cluster der Art ],- 52FRlKj-PLOSi,. Doch manchmal müssen artikulationsstellenbezogene Merkmale herangezogen werden, wenn die Artikulationsarten-Kriterien nicht ausreichen: So gibt es realisierte und nicht realisierte NASj- £ 2-FKIK3-PLOS i»-Cluster, doch müssen die realisierten in den Positionen /Kj-Kj/ homorgan sein. Dreier·-Cluster

Auf natürliche Klassen der Artikulationsart beschränkt, müßten, wenn nicht zusätzliche Restriktionen auftauchen, möglich sein: PLOS

PLOS

FRIK

FRIK

NAS

MAS

LIQ

LIQ

LIQ

PLOS PLOS PLOS

PLOS FRIK

/J"nib+d#s/

"schnippt es 1

FRIK FRIK FRIK

PLOS FRIK

/xubf+d/ /glubf#s/

'hupft 1 'klopf es'

PLOS PLOS PLOS

PLOS FRIK

FRIK FRIK FRIK

FRIK PLOS

/Jof+sd/

PLOS PLOS PLOS

PLOS FRIK

/Dimd+s/

'abends'

FRIK FRIK FRIK

PLOS FRIK

/SOmfd/ /Jdumf+s/

' sanft ' ' stumpfes 1

PLOS PLOS PLOS

PLOS FRIK

/railg+d/ /walg+s/

'milkt 1 'welkes 1

FRIK FRIK FRIK

PLOS FRIK

/xilf+d/ /jDirf+s/

'hilft 1 ' scharfes'

NAS NAS NAS

PLOS FRIK

/gwDlm-t-d/ /WL>irm+s/

'qualmt' 'warmes 1

'-haftes 1

'schaffst 1

-

234

Nicht zu übersehen ist,

mit den theoretisch möglichen anlautenden Dreier-

Clustern verglichen, die ungleich höhere Zahl von Möglichkeiten, Segmente verschiedener Artikulationsarten zu Clustern zu verschmelzen. Welche tatsächlich genutzt werden und welche artikulationsart- bzw. artikulationsortbedingten Restriktionen unterliegen, soll die folgende Tabelle der konkreten kontaminierbaren Fälle zeigen:



bd bf bs bj ds dj gd gs fd fs mb lb rb bd gd fd sd id xd md nd qd Id rd

ig

rg bf mf If rf bs ds gs fs

xs ms ns qs Is

3 if

rj

__

*

_

_

-

X -

-

# #

sd

Jd

xd xs

mb md mf ms mj

nd ns nj"

-

X

-

+

-

# -

+

# -

+

-

# -

+

-

X

+

+

+

X

+ + +

# + + + + + + + +

+ X X

+ •t-tX

rx~~ 1m rm In rn * Nicht belegt, aber als möglich angenommen.

X

#

- + - # +

-

+

- # X

#

-

235

Aus schon in 7.1.1. genannten Gründen wurde das Zweier-Cluster /Js/ gar nicht mehr als Baustein für größere Cluster in die Tabelle aufgencnmen. Beim Aufbau von Dreier- aus Zweier-Clustern tauchen erstmals Cluster auf, die nur über Wortgrenzen hinweg zustande kamen: fr

+

Jneirbfd) saifds gxurds moirgs sumfd wOnsd Dnsd wurjd foirxd arnd

' Schnorpfel'* ' seufz ' ' kurz' ' Murks ' ' sanft' ' Wanst 1 ' Angst* ' Wurst' Furche ' ' ernte 1

*Vgl. DWB 15 ( [1899] 1984: 1379) "ende von wursten, gurken" .

besd+s exd+s blind+s Dld+s malg+d walg+s meirg+d xubf+d Jdumf+s xilf+s xilf+d Jeirf+d jDirf+s gxib+sd weds+d wegs+d grif+sd rix+sd gxim+sd gjwul+sd grnbj+d modj+d (fer) rBm.f+d bDnJ+d felj+d gwülm+d weirm+d wDirm+s

'bestes 1 •echtes' •blindes' •altes' 'melkt' 'welkes' ' merkt ' ' hupft ' ' stumpfes' 'Hilfe-' 'hilft' ' schärft' ' scharfes 1 'kippst 1 'wetzt 1 'weckst 1 'greifst' 'riechst' 1 kommst ' 'Geschwulst 1 'grapscht' 'matscht' '-ramscht' 'panscht' 'fälscht 1 1 qualmt ' ' wärmt ' 'warmes 1

J"nDb+d#s xug+d#s wij+d#s gxim+d#s +dits dsubf#s weirx#s film#s wul+n#s lar+n#s

'schnappt es' •hockt es' 'wischt es 1 'kommt es" 'langt es' 'zupf es1 'würg es1 •filme es' 'wollen es1 'lern es'

Danach, wo genau die " + "-Grenze liegt, wurde nicht weiter differenziert: Statt /weds+d/ ' ( e r ) wetzt' mit /ds+d/-Strukturierung hätte auch z.B. /wed+sd/ ' ( d u ) wettest 1 mit /d+sd/-Strukturierung gewählt werden können.

Für 31 Ausfälle muß eine Erklärung aufgrund artikulationsart- oder artikulationsortbedingter Merkmale gefunden werden. Eine Entscheidung ist dabei nicht iitmer leicht möglich, da z.T. artikulationsortbedingte Restriktionen für den Ausfall ganzer natürlicher Artikxilationsartenklassen innerhalb bestirnter Cluster verantwortlich sein können. Zwar könnte man den Totalausfall der Cluster PLOS FRIK NAS K

l

PLOS

PLOS

V

KS

ganz einfach so erklären: Hat /K/j eines der angegebenen Merkmale, kann nur

236

noch ein FIDOS folgen. Anders wäre es, wenn / / das Merkmal LIQ trüge. Doch scheitert ein Cluster *FKEK1-PDOS2-PDOS3 auch daran, daß nach Ausweis der Tabelle zu den Zweier-Clustern der PLOS2 nach FRIKi nur der Alveolar /d/ sein kann, dem dann, ebenfalls nach Ausweis dieser Tabelle, kein anderer Plosiv und (nach der Geminatenverbot-Regel) auch nicht nochmals ein /d/ folgen kann. Und ein Cluster *PLOSl-PLOS2-PLOS3 könnte, wie auch das Cluster *FRIK1-FRIK2-FRIKj, genausogut auch deswegen verhindert sein, weil drei homogenetische Segmente aufeinanderfolgen: Regel ( 8 ) : Mehr als zwei homogenetische Segmente werden nebeneinander nicht zugelassen. Was das Verbot von NAS-PLOS-PLOS-Clustern bzw. den Prozeß betrifft, durch den die nach morphologischer Addition entstandenen NAS-PLOS-PLOS-Cluster im Sinne des angesprochenen Verbots zu NAS-PLOS-Clustern reduziert werden, folgen in 10.1.2.2. nähere Ausführungen.

Auf Merkmale des Artikulationsortes muß man bei weiteren einschränkenden Regeln zurückgreifen. Zunächst fällt folgender Umstand auf, den man als Regel so formulieren könnte: Regel (9): Normalerweise kommen (a) solche Cluster, deren K3 das Merkmal ALV trägt, zustande, werden aber (b) solche, deren Kj das Merkmal -ALV trägt, verhindert. Im Lichte dieser Regel "Ausnahmen" sind zu (a) die nicht zugelassenen Sequenzen */rnbd Ibd rbd/, */mbs Ibs rbs/, Vggd/, Vngs/ und */lnd/, zu (b) die Fälle /rbf *mbf/, wobei die Berechtigung der Annahme eines möglichen Clusters */mbf/ am Ende von 10.1.2.2. noch nachgewiesen wird.Die "Ausnahmen" zu (b) kann man leicht unter Bezug auf das (im Merkmal LAB) homorgane PLOS2-FRIKa-Cluster erklären, muß allerdings einschränken, daß bei K^LAT diese Regelung nicht gilt. Die "Ausnahmen" zu (a) sind anderweitig auf verschiedene Weisen trotzdem reguliert: Die Gruppe */mbd mbs ngd ngs/ wird von Regel (10) erfaßt (s.u. 10.1.2.2.). Die Gruppe */lbd rbd Ibs rbs/ wird von einer Regel erfaßt, die als Teilregel in 10.1.2.5. zusammen mit einer ändern Teilregel formuliert werden wird. Das noch übrig bleibende Cluster */lnd/ gibt es nicht, wohl als Spätfolge der Tatsache, daß es schon in Zweier-Clustern einen /ln/-Auslaut nur über "+"Grenzen hinweg gab. Stammauslaut */ln+/, an den /+d/ antreten könnte, gibt es also nicht, ein Suffix */+nd/, das an Stammauslaut /!+/ anschließt, auch nicht.

237

10.1.2.2. Zweier- oder Dreiercluster? - Der sequentielle Übergang von Sonanten zu Obstruenten Wie in der Kontaminationstab, von 10.1.2.1. zu sehen war, waren phonemisch */mbs mb J

ngs /,

ndj

also NAS-PLOS-FRIK-Cluster mit einer bestimmten Konstellation von Artikulationsstellen-Merkmalen, nicht zulässig, obwohl sie aus Zweier-Clustern hätten kontaminiert werden können. Zugelassen waren demgegenüber */mbf/ r /nds/ und, was noch eine Rolle im Argumentationszusammenhang spielen wird, /Ids/. Neben diesen waren auch die plosivlosen Cluster /mf/, /ns/ und /1s/ erlaubt, im Vergleich zu den oben aufgeführten Ausfällen auch /ms mj

s

nj

/.

Von all diesen Clustem können zumindest die mit /s/-Auslaut getestet werden, indem man Stammauslaute auf /m(b)/, /n(d)/ und /o(g)/ mit dem Suffix bzw. dem Enklitücum /s/ probehalber in Verbindung bringt und beobachtet, welche konkreten Formen realisiert werden. Drei Gruppen lassen sich unterscheiden: (l)

/dum+s/ /din+s/ /lon+s/ /ful+s/

-*-*· ->· -»·

[dums] [dins] [fule]

vs. vs. vs. vs.

[dura s] [din°s] [lT>ds] [ful d s]

'dummes' 'dünnes' 1 langes* 'voiles'

(2)

/bumb#s/ -f [bum s] /grt>ng+s/ ->· [gri>n g s]

vs. vs.

[bums] [grüns]

'pumpe es 'krankes'

(3)

/blind+s/ + [blinds] /Dld+S/ + [ülds]

[lüns]

'blindes 1 'altes'

Bei variierenden phonetischen Formen steht diejenige als erste, die der zugrundeliegenden Form auch lautlich näher kommt. Während bei obigen bimorphen Fällen aufgrund von isolierbaren Stämmen und Suffixen Annahmen über zugrundeliegende Formen gemacht werden konnten, liegen für monomorphe Fälle zunächst nur konkrete Lautungen und Lautungsvarianten vor: (4)

[mums] [grnns] [dins] [xuls]

vs. vs. vs. vs.

[men; ]

vs. vs. vs.

[mum s] [grim s] [di^s] [xul s]

'Mumps' ' Kranz ' 'Dings' 'Holz 1

[men |]

' Ramsch1 'Mensch' 'falsch'

iSUDfe [sem f]

1

Sumpf •Senf

usw.

238

Bei allen bisher behandelten Fällen tauchte in einer Variante zwischen Nasal bzw. Lateral und Frikativ stets ein Plosiv auf, meist alternierend mit einer plosivlosen Variante. Die Frage, die sich angesichts dieses Befunds stellt, kann systematisch in folgender Skizze dargestellt werden: s/J

-

FRIK

(PLOS)

MAS LAT

LAB

KOR

POSTKOR

Paraphrasiert: Stellt sich beim Übergang von NAS/LAT zu FRIK ein zum jeweiligen NAS/LAT homorganer Sproß-PLOS ein?

Wie die obigen Listen (1) bis (3) suggerieren,

ist mit zweierlei Prozessen

zu rechnen: einem epenthetischen in ( 1 ) , einem reduktiven in (2). In (3) findet kein Abwandlungsprozeß statt. Bei allen Fällen mit der phonetischen Variation iSproßplosiv tritt die Frage auf, die Hartmann (1964: 390) für einen Beispielfall gestellt hatte: "ob das Bemühen, die Lautfolge [-ns] und [-nts] in Silbenendstellung sprecherisch zu differenzieren, überhaupt sinnvoll ist". Für die Fälle von (1) tritt jedenfalls fakultativ das ein, was Reimold (1974b: 29, 43) "sloppy timing" genannt hat: "präzise temporale Kontrolle bestimmter Gesten wird ersetzt durch weniger präzise Kontrolle" (29). Seiler ([1962] 1970: 419) hatte dasselbe weniger physiologisch so ausgedrückt: "Der Verschluß [... ] stellt sich beim Übergang vom Nasal zum Spiranten automatisch ein". Fürs Lst. wäre "Nasal" um "Lateral" noch zu ergänzen, "automatisch" durch "fakultativ" zu ersetzen. Daraufhin erscheint es wenigstens bei jenen Fällen unter (1) sinnvoll, die plosivlose Form zugrundezulegen und diese mit einer Sproßplosiv-Regel in die konkrete Lautung zu überführen. Bevor nun entschieden wird, was mit den ändern Fällen geschehen soll, wird noch ein Blick auf die Fälle mit einem Cluster MAS-(PLOS?-)PLOS geworfen. Testfälle sind wieder bimorphische Formen mit Suffix /+d/. Hier gibt es im Vergleich zu obigen /+s/-Fällen folgende Realisierungsgruppen:

239

(6)

/fel+d/

->-»·*· ->-

[gximd] [Jbind] [lOijd] [feld]

/bumb+d/ /bind+d/ /legg+d/ /xeld+d/

-»· -»· -> ->·

[bumd] [bind] [leqd] [xeld]

/gxim+d/ /Jbin+d/ /lT>n + d/

(7)

' kommt ' spinnt 1 'langt 1 •fällt 1 1

1

pumpt ' •bindet' •lenkt' •hält'

Im Sinne obiger Skizze stellt sich die Frage so d

b?

d?

1

1

1

m

1

n

PLOS

g?

1

1 LAB

KOR

PLOS

1

NAS LAT

POSTKOR

Paraphrasiert: Stellt sich für die Fälle unter (6) beim Übergang von NAS/LAT zum PLOS /d/ ein zum jeweiligen NAS/LAT homorganer Sproß-PLOS ein? Bleibt bei den Fällen unter (7) beim Übergang von NAS/LAT zum PLOS /d/ der 'tiefe 1 zum jeweiligen NAS/LAT homorgane PLOS erhalten? - Beide Fragen müssen verneint werden.

In (6) und (1) bzw. in (7) und (2) liegen parallele Fälle vor: der Auslaut der Stänme und der ArtUculationsort ALV der addierten Obstruenten sind gleich. Doch sind diese Suffixe nach Artikulationsart verschieden: FRIK dort, PLOS hier. Weitere Unterschiede sind: Bei (6) kennt keine Variante vor, die, wie bei (1), einen mit dem Nasal homorganen Plosiv hätte: Es gibt keinen Typ *[gxim d]. Bei (7) schwindet der mit dem Nasal homorgane Plosiv anders als bei (2) völlig (wobei für die /d+d/ Fälle zusätzlich Geminatenverbot gilt): also auch hier könnt kein Typ *[bum d] vor< y.

Setzt man nun die /+d/-Fälle von (6) und (7) mit den /+s/-Fällen von (1) und (2) parallel, wozu angesichts des den beiden Fällen gemeinsamen Merkmals OBSTR Anlaß besteht, werden die Variationen in (1) und (2) besser beschreibbar. Auf folgende Art können die Fälle von (1) und (6) bzw. von (2) und (7) jeweils partiell gleich geregelt werden: 1. In (1) ist die plosivlose Artikulation des Typs [dums] primär. Man vergleiche die Artikulation des Typs [gximd] in (6). Erst sekundär kann in (1) ein epenthetischer Plosiv wie in [dum s] entstehen, wenn ein Frikativ folgt. 2. In (2) ist entgegen der dort angegebenen Reihenfolge der phonetischen Varianten ebenfalls die plosivlose Artikulation des Typs [bums] primär. Sie ist wie bei (7) durch Schwund des mit dem Nasal homorganen Plosivs entstanden.

240

Man vergleiche für (7) den Typ [bumd] . Auch erst sekundär kann in (2) wie in (1)der Typ [bum s] entstehen, wenn Frikativ folgt. Daß bei (6) und (7) anders als bei (1) und (2) keine sekundäre Plosiv-Epenthese eintritt, könnte wie folgt erklärt werden: Eine "präzise Kontrolle" läßt sich bei NAS-PLOS deswegen leichter als bei NAS-FRIK erreichen, weil NAS und PLOS den oralen Verschluß gemeinsam haben und die Plosion von dieser gemeinsamen Artikulationsarten-Basis aus erfolgen kann, während eine "präzise Kontrolle" beim Übergang NAS-FRIK, die eine Zwischenplosion vermeidet, schwieriger auszuüben ist. Die Elisionen wie in (7) und (2) wären durch folgende globale Regel trotzdem nicht richtig beschrieben: INAS) *PLOS -> 0 / OBSTR \LAT/ —

D.h.: Nach Nasal oder Lateral schwinden Plosive, wenn ihnen ein Obstruent folgt.

Demnach dürfte es (a) weder [blinds] und [Olds] noch (b) etwa [gximds] 'kommt es' geben. Ein generelles Verbot für Cluster der Artikulationsarten {NAS.LAT }-PLOS-FRIK gibt es offensichtlich nicht.Sieht man genauer hin, ist auch ein Verbot für das auf Artikulationsarten-iterkrnale bezogene Cluster NAS-PLOS-PLOS, wie es oben einmal erwogen wurde, zu generell. Letzteres hätte zwei Fälle betroffen: /mbd/ -»· [md] und /ngd/ -> [qd]. Beide haben gemeinsam, daß NAS und PLOS homorgan sind. Es scheint also auch der Artikulationsort eine Rolle zu spielen. Genau dieses Kriterium der Homorganität ist nämlich auch die Voraussetzung dafür, daß folgende Prozesse in Gang können: /mbs/ ·*· [ms] und /ngs/ -> [QS]. Eine Regel müßte also auf diese Tatsache Bezug nehmen: (Regel:) Nach Nasal oder Lateral schwinden Plosive, wenn sie mit jenem Nasal/Lateral homorgan sind und ihnen ein Obstruent folgt.

Doch auch in dieser Form ist die Regel noch nicht treffend formuliert. Zwar läßt sie jetzt [gximds] und [lords], also heterorgane NAS-PLOS-Folgen zu, aber sie würde noch [blinds] und [t>lds], also honorgane NAS-PLOS-Folgen verhindern. Diesen beiden Typen ist nun gemeinsam, daß nicht nur NAS-PLOS homorgan sind, sondern das ganze Cluster NAS-PLOS-FRIK. Dies ist der Grund für verhinderten Schwund, so daß die Regel nochmals präzisiert werden muß und endgültig so formuliert werden kann: Regel (10) : Nach Nasal oder Lateral schwinden Plosive, wenn sie mit jenem Nasal/Lateral homorgan sind und ihnen ein heterorganer Obstruent folgt.

241

Für die nicht testbaren mononorphen Fälle von (4) wäre es nun, nachdem Regel (10) existiert, möglich, folgende zugrundeliegenden Formen anzusetzen: /mumbs/ -> /rtmibj1/ ·+

Regel (10) ->Regel (10) ->·

[mums];

Setzte man für Fälle der Gruppe (5) eine zugrundeliegende Form wie */sumbf/ an, würde es Regel (10) bei *[sumbf] belassen. Das entspricht jedoch nicht der einzig möglichen Realisierung [sum f]. Letztere kann nur von einer 'tiefen' Form /sumf/ aus durch die Sproßplosiv-Regel hergestellt werden. Für obige Fälle von (4) erzielt man nun aber dieselben Resultate, wenn man, wie bei (5) /sumf/, anstatt von einer Basis wie /mumbs/ von einer plosivlosen 'tiefen' Form /mums/ ausgeht. Da die Masse der Realisationen plosivlos ist, wäre es nicht besonders "einfach" formuliert, wollte man sie von einer plosivhaltigen Basis ableiten. Insgesamt neigen also die Ludwigsstädter anders als Seilers ([1962] 1970: 415, 419) Informationen aus dem Hannover nicht zu einer unpräzisen temporalen Kontrolle ("sloppy timing") . Eigentlicher Grund dafür dürfte sein, daß im Lst. der nasale Verschluß mit wenig Druck auf die jeweilige Artikulationsstelle gebildet wird und auch beim lateralen Engelaut der koronale Kontakt an postdentaler Stelle lose ist, so daß präzise Kontrolle nicht so notwendig wird. Für die monomorphen Fälle von (4) und (5) werden mithin folgende abstrakten Formen und die folgenden Regeln zur Herstellung der phonetischen Varianten angesetzt: In (4) liegen plosivlose Formen zugrunde. Realisiert wird in freier Verteilung entweder diese plosivlose Form oder eine mit Sproß-PLOS. Letztere ist hier also fakultativ. In (5) liegen auch plosivlose Formen zugrunde. Realisiert wird nie die plosivlose Form, sondern nur die mit Sproß-PLOS. Er ist hier also obligatorisch. Für alle Fälle von (1) bis (7) bietet folgende Tabelle einen Überblick darüber, welche Formen zugrundegelegt und über welche Regeln die realisierten Formen hergestellt werden. Die phonotaktische Regel (10) wurde schon formuliert. Die Regel zum Sproßplosiv jedoch wurde erst z.T. vorformuliert: Sproßplosiv-Regel. Teil 1: Sproßplosive kann es nur vor Frikativen, nicht aber vor Plosiven geben.

Doch der andere Teil der Regel, der Antwort auf die Frage geben muß, wann ein solcher Sproßplosiv fakultativ, wann obligatorisch ist, steht noch aus: Sproßplosiv-Regel. Teil 2: Obligatorisch ist er pur, wenn Nasal und Frikativ im Merkmal LAB homorgan sind (/mf/ ->· [m f ] ) .

242 Zugrundeliegende Repräsentation

RealisationEformen Sproßplosiv-Regel

Regel (10): PLOS-Schwund

nein

nein

ja

ja

fakultativ obligatorisch (D

dum+s din+s lDn+s ful+s

(2)

bumb#s groqg#s

(3)

blind+s Dld+s

(4)

(5)

entf .

bums grüqs

sumf semf

(6)

gxim+d Jbin+d lt>q+d fel+d

(7)

bumb+d bind+d leqg+d xeld+d

fuls

dum s din s loq^s ful d s

bums grt>qs

bum s grDq g s

dums dins iDqs

blinds

obligatorisch

entf.

DldS

mums grüns diqs xuls rümj menj folj

fakultativ

b mum s grt>n s

mums grtins diqs xuls rümj menj folj

*&

xu 1s rwn J men^J fT>l J

b suni f sem f

entf. gximd Jbind loqd feld bumd bindd* leqd xeldd*

bumd bind leqd xeld

*Wird von der Degeminierungsregel erfaßt-

Zur Regelfolge vgl. man den "Darstellungspraktischen

Hinweis" von Kap.5.2.

Anm.: Formen mit Sproß-PLOS sind von solchen mit 'vollem' PLOS artikulatorisch wie auditiv deutlich unterschieden. Man vergleiche Paare wie [blinds] 'blindes 1 vs. [din s] 'dünnes' und [dsin s] 'Zins',· [olds] 'altes 1 vs. [jm>l s] 'schnall e s . . . 1 und [XD! s] ' H a l s 1 . Ein solcher Vergleich ist zwar nur speziell für diese ALV-Cluster möglich, aber er läßt den generellen Unterschied zwischen Übergangs-(Sproß-/ b Epenthese-)Plosiv und 'Voll'-Plosiv erkennen. Da nun Fälle wie Lbum s] oder [mum s], wenn sie überhaupt 'etwas Plosives' enthalten, wie [din s] artikuliert werden und nicht wie [blinds] als *[bumbs] oder *[mumbs], ist ihre phonetische Repräsentation mit Sproß-Plosiv richtig wiedergegeben. Vgl. zum Hd. Meinhold (1973: 28-9).

243

Ein wichtiges Ergebnis der obigen Übersicht ist, daß die nach Regel (10) zugelassenen homorganen 'tiefen1 Cluster mit 'Voll'-Plosiv NAS LAT

Voll- FRIK PLOS

im Vergleich zu den entsprechenden plosivlosen bzw. nur sproßplosivhaltigen Clustern NAS LAT

/SproßX - FRIK \PLOS )

nur über Morphgrenzen hinweg zustande können: [blind+s] [ +s]

vs. vs.

[grons], [xuls] ,

[grt>n s] [xul s]

Aus diesem Grunde ist ein phonologisch von mir als möglich erachtetes */mbf/Cluster, das ja nach Regel (10) möglich sein müßte (NAS-PLOS-FRIK sind honorgan), nicht zu belegen. Denn in dieses Cluster hinein ist keine Morph-Grenze zu legen. In Monorrorphen gibt es aber ebensowenig einen */mbf+/-Auslaut wie einen */nds+/oder */lds+/-Auslaut. 10.1.2.3. Vierer- und Fünfercluster Vierer-Cluster

Von den nun noch verbleibenden Dreier-Clustern lassen sich folgende theoretisch möglichen Vierer-düster kontaminieren, von denen aber nicht alle tatsächlich auch vorkommen: PLOS

PLOS

PLOS

FRIK

FRIK

NAS

PLOS PLOS PLOS

FRIK FRIK FRIK

PLOS FRIK

FRIK FRIK

PLOS PLOS

FRIK

/xubf+d#s/ 'hüpft es'

FRIK FRIK

FRIK FRIK

PLOS

/glubf+sd/ ' ( d u ) klopfst'

PLOS PLOS PLOS

FRIK FRIK FRIK

PLOS FRIK

FRIK FRIK

PLOS PLOS

FRIK

PLOS PLOS PLOS

FRIK FRIK FRIK

PLOS FRIK

?/;Df+sd#s/

' ( d u ) schaffst es'

244 MAS

NA5

LIQ

LIQ

LIQ

LIQ

LIQ

LIQ

FRIK FRIK

PLOS PLOS

FRIK

/st>mfd+s/

FRIK FRIK

FRIK FRIK

PLOS

/gxemf+sd/ ' ( d u ) kämpfst"

PLOS PLOS

PLOS PLOS

FRIK

/(fer)walgd+s/ '(ver)welktes'

PLOS PLOS PLOS

FRIK FRIK FRIK

PLOS FRIK

/milgsd/

FRIK FRIK

PLOS PLOS

FRIK

/xilf+d#s/ 'hilft es 1

FRIK FRIK

FRIK FRIK

PLOS

/;eirf+sd/

NAS NAS

PLOS PLOS

FRIK

/gwDlm+dts/ 'qualmt es 1

NAS NAS NAS

FRIK FRIK FRIK

PLOS FRIK

/gwDlm+sd/

'sanftes 1

' ( d u ) milkst'

'schärfst- 1

' ( d u ) qualmst"

In der folgenden vollständigen Liste der Kontaminationen und der anschließenden Beispielsairmlung verweisen die Fragezeichen auf entweder elizitierte oder von mir vorgesprochene und von den Gewährsleuten für möglich gehaltene Belege. Hinter diesem Problem steht natürlich die Tatsache, daß mit wachsenden Clustern die Zahl der mithaltenden Lexeme, die eine genügend komplexe Auslautstruktur aufweisen, immer mehr schrumpft.

245 bfd bfs

*mbf rbf bds gds fds sds Jds xds mds nds nds Ids rds Igd rgd IgT rgs bfd mfd Ifd rfd bfs mfs Ifs rfs bsd dsd gsd fsd xsd msd nsd nsd Isd bjd djd rajd rjd rxd rxs Imd rmd 1ms rms rnd Ins rns

dsd

gds

gsd

fds

fsd

sds

;ds| xds

xsd

mdsι msd

#? #? #? #? #? #? #? #? #? #? # #? # # # # #

ndsι nsd

246 Beispiele ernsd

'ernst' +

#

gxerds+d (fern-) walg+d+s milg+sd meirg+sd sDmfd+s glubf+sd Jimf+sd xilf+sd Jeirf+sd weirx+sd

'kürzt' ' (ver-) welkte s' 'milkst' 'merkst 1 ' sanftes 1 'klopfst' 'schimpfst' 'hilfst 1 'schärfst- 1 'werkst/ würgst' 1 qualmst ' 'wärmst' 1 (ver-) hörnte s 1

gwDlm+sd weirm+sd (fer+) xorn+d+s

*Von 'auslängen' (='gefällte Bäume nach Blöchern ausmessen 1 )

meirg+d#s xubf+d#s xilf+d#s wiirf+d#s ?glüb+sd#s ?weds+d#s ?J'lug+sd#s ?J-T)f+sd#s ?nim+sd#s ?gxen+sd#s ?leq+sd#s ?fil+sd#s ?grDbJ-+d#s bT>dJ-+d#s ?(fer+) rornj+dtts bonj+dtts felf+d#s berj+d#s weirx+d#s gwDlm+d#s weirra+d#s

'merkt es" 'hüpft es' 'hilft es 1 "wirft es 1 "klappst es' 'wetzt es 1 ' schluckst es ' 'schaffst es 1 •nimmst es« " ? mi>x+sd*s machst es •kennst es 1 'längst es'* 'füllst es' 'grapscht es 1 'patscht es' ' (ver-) ramscht es ' 'panscht es' •fälscht es' 'bürstet es 1 'würgt es 1 'qualmt es' 'wärmt es'

Eine Liste der Ausfälle enthält folgende artikulationsartenbezogene MerkmalsCluster: (1)

*[PLOS l -

PLOS

-

FRIK

-

PLOS

FRIK

-

FRIK

INAS J PLOS FRIK

(2)

PLOS PLOS PLOS PLOS NAS

NAS

LIQ LIQ

Zur Erklärung von (1) hilft die Tatsache weiter, daß Cluster mit derselben Besetzung der Positionen /K/2 bis /K/„ zugelassen sind, wenn /K/! ein LIQ ist (z.B. /meirgsd/): LIQ

- PLOS

-

FRIK

-

PLOS

Eine Regel muß also auf die /K/!-Position in jedem Falle Bezug nehmen. Cluster der Art von (1) existieren jedoch, zumindest für /K/^FRIK.NAs}, in zugrundeliegenden Repräsentationen durchaus. Doch vom phonologischen Regelwerk werden sie folgendermaßen verändert:

247 /xefd+sd/ -> /boxd+sd/ ·*· /bind+sd/ -»-

[xefsd] [büxsd] [binsd]

' (du) heftest 1 ' (du) pachtest' ' (du) bindest'

Die konkreten Formen [mesd] ' (du) müßtest1 oder [misd] ' (du) mistest (aus)' kommen auch auf diese Art zustande, nur daß eine weitere Regel (Degemination) angewandt wird: /mes+d+sd/ ->· *[messd]->- [mesd] /misd+sd/ -»· *[missd]->- [misd]

Nicht zwei identische Zweiercluster /sd-sd/ verschmelzen als solche, sondern erst schwindet der 'eingeschlossene' PLOS, dann verschmelzen die auf solche Weise aneinander geratenen /ss/. Regel ( 1 1 ) : In den Viererclustern /K/1 -PLOS 2 -FRIK 3 -PLOS„ schwindet PLOS2 , wenn /K/! entweder OBSTR oder NAS ist. Ist /K/ : jedoch LIQ, bleibt PLOS2 erhalten.

Der letzte Teilsatz muß jedoch durch den Einbezug eines ArtikulationsstellenMerkmals präzisiert werden, denn ein Fall wie *[xeldsd] '(du) hältst' ist ausgeschlossen: Regel (12) : Der mit dem Lateral (= dem alveolaren Liquid) homorgane Plosiv schwindet auch (/xeld+sd/ -> [xelsd]).

Die Ursache für den Ausfall der obigen Cluster unter (2) wird man wohl darin sehen müssen, daß hanogenetische /K/3 -/K/ ,-Strukturen nicht zugelassen sind. Zwar scheitern schon die weitaus meisten Fälle daran, daß in FRIK-FRTK-Clustern die Positionen /K/3 und /K/\ im Merkmal ALV homorgan wären und unters Geminatenverbot fielen, doch inrierhin wären die Kontaminationen r

b

f

b

f

und s

*m

b

f

b

f

s

theoretisch möglich. Nur läßt sich diese Möglichkeit nicht verifizieren, weil es einen Staimauslaut /rbf/, der ein Suffix /s/ haben könnte, und eine Sequenz */mbf/ ohnehin nicht gibt. Das heißt andererseits aber auch, daß sich folgende generelle Regel von obigen Fällen zumindest nicht widerlegen läßt: Regel (13): Homogenetische /K/ 3 -/K/^-Strukturen sind unzulässig.

Ein weiterer von Merkmalen des Artikulationsortes bedingter Ausfall ist der von */lnsd/ vs. möglichem /Imsd/, /msd/. Er ist jedoch wieder stark von bereits öfters so genannten "Zufälligkeiten" abhängig: Es gibt schon keine Stammauslaute */ln+/ (plus potentielles Morph /+sd/) oder */lns+/ (plus potentielles Morph /+d/), während es sie mit /lm+/ gibt (vgl. /gwolrn/). Das gesamte Cluster /rnsd/ steht

248

sogar einmal komplett vor der Stammauslaut-Grenze: /ernsd/. Man muß also für Fälle wie */lnsd/ vorsichtig sein mit Äußerungen wie "unaussprechlich" oder "nicht zugelassen", da oft nur die Basen fehlen, mit deren Auslaut addierte Morphe Cluster bilden könnten. Doch darf man das Fehlen solcher Basen und die damit restringierte Möglichkeit zur Clusterbildung andererseits auch wieder nicht als reine "Zufälligkeit" abtun, denn daß es stammauslautend */ln+/ nicht gibt, wird natürlich nicht "zufällig" im Sinne von "unabhängig von der Phänologie" sein. Ein phonologischer Grund für die Verhinderung von */lnsd/ ist also nicht erst hier bei den Vierer-Clustern gegeben, sondern schon früher: in der Vermeidung von */ln/-Auslauten für lexikalische Stämme. Nur wirkt sich diese phonologische Ursache erst hier aus. Fünfer-Cluster Aus den übriggebliebenen möglichen Vierer-Clustern lassen sich, was Artikulationsarten-Merkmale betrifft, folgende Kontaminationen zu Fünfer-Clustern bilden. Auch wenn schon verschiedene Vierer-Cluster mit Fragezeichen versehen waren, wurden sie hier doch noch mitverarbeitet. Die Fragwürdigkeit nimmt natürlich nun eher noch zu (vgl. das oben zum Fragezeichen Gesagte). PLOS

NAS LIQ

LIQ

LIQ

LIQ

FRIK FRIK

FRIK FRIK

PLOS PLOS

FRIK

?/glubf+sd#s/ ' ( d u ) klopfst es 1

FRIK FRIK

FRIK FRIK

PLOS PLOS

FRIK

?/Jimf+sd#s/ ' ( d u ) schimpfst es 1

PLOS PLOS

FRIK FRIK

PLOS PLOS

FRIK

?/meirg+sd#s/ ' ( d u ) merkst es'

FRIK FRIK

FRIK FRIK

PLOS PLOS

FRIK

?/weirx+sd#s/ ' ( d u ) würgst es"

NAS NAS NAS

PLOS PLOS PLOS

FRIK FRIK FRIK

PLOS FRIK

NAS

FRIK

PLOS

NAS

FRIK

PLOS

FRIK

?/larn+sd#s/ ' ( d u ) lernst es 1

Vollständige Liste der Kontaminationen: rdsd , Igsd rgsd bfsd raf sd Ifsd rfsd rxsd Imsd rmsd rnsd

dsds #?

gsds

fsds

xsds | msds

nsds

#? #? #? #? * #?

i?

#? #? #?

249 Beispiele: ?J"wDrd+sd#s ?wt>lg+sd#s ?mexrg+sd#s ?glubf+sd#s ?gxemf+sd#s

'schwartest es 1 * 'walkst es1 'merkst es' 'klopfst es 1 1 (be) kämpf st es'

' , ' |

* Von /xiinjworde/ 'hinschwarten'

?Jeirf+sd#s ?weirx+sd#s ?gwOlm+sd#s ?wsirm+sd#s ?larn+sd#s

' schärfst es 'würgst es 1 'qualmst es" 'wärmst es 1 'lernst es'

(='mißmutig hinwerfen 1 )

Für den Ausfall */lfsds/ nach Regeln suchen zu wollen, ist unangemessen, zumal das Nichtzustandekatmen dieser Sequenz weniger erst auf der Ebene der Fünfer-düster phonotaktisch begründet ist, als daß (vielmehr phonotaktische Regularitäten niedrigerer Ebenen spiegelnd) bestürmte Stammauslaute von Morphen nicht existieren und somit mit den suffixischen bzw. enklitischen Elementen kein Cluster bilden können. M.a.W.: */lfsds/ gibt es nicht, weil es nur einen auf /lf+/ auslautenden Verbstaim /xalf·»·/ gibt, an den zwar /+sd/ antreten kann, nicht mehr aber das Klitikum /#s/, 'es1, da dieses Verb DAT und nicht AKK regiert. Ein 'tief1 zustandekcninendes Fünfer-Cluster wie /arnd+sd/ '(du) erntest1 unterliegt in seinen Positionen /K/ 2 - 5 der Tilgungsregel (11), nur daß die Indices dieses Clusters gegenüber denen der Regel um 1 höher sind. Ausgabeform ist dann [arnsd]. Die verbleibenden Fünfer-Cluster PLOS NAS LIQ

FRIK

LIG.

PLOS NAS

FRIK

PLOS

FRIK

lassen sich, da es kein viergliedriges Verbindungsstück gibt, nicht zu höheren Clustem kontaminieren. 10.1.2.4. Zusammenfassung der Auslautstrukturen Unter der Vorgabe, daß kleinere Cluster in größeren (rechtsbündig oder auch nicht; s.o. das in 10.1.1. zum Anlaut Gesagte) enthalten sind, läßt sich folgende, nach Merkmalen der Artikulationsart aufgebaute, zusammenfassende Tabelle erstellen:

250 1^1

J\-2

PLOS

PLOS PLOS

PLOS FRIK FRIK

FRIK PLOS FRIK

FRIK PLOS

FRIK FRIK

PLOS FRIK

FRIK PLOS

FRIK

NAS NAS NAS

PLOS FRIK FRIK

FRIK PLOS FRIK

FRIK FLOS

LIQ LIQ LIQ LIQ LIQ LIQ

PLOS PLOS FRIK FRIK NAS NAS

PLOS FRIK PLOS FRIK PLOS FRIK

FRIK PLOS FRIK PLOS FRIK PLOS

· 3

·»

.5

FRIK

(a) (b) (c) (d) (e) (f)

(g) FRIK FRIK FRIK FRIK

(h) (i) (j) (k) (1) (m) (n)

Regularitäten: Durchgehend gilt, daß kein weiterer /K/ stehen kann nach FRIKPLOS-FRIK, ganz gleich, ob sie die Indices 1 - 2 - 3 tragen wie bei (d) oder 2 - 3 - 4 wie bei (b,e,g,k) oder 3 - 4 - 5 wie bei (c,h,j,l,n). Ein anderes Cluster, nach dem nichts mehr stehen kann, ist PLOS-PLOS-FRIK, auch unabhängig davon, auf welche Indices es sich verteilt. Nur so häufig wie obiges ist es nicht, kommt es doch nur mit den Indices 1 - 2 - 3 in (a) und mit 2 - 3 - 4 in (i) vor. Ein drittes Cluster, das nach sich keine weiteren Segmente verträgt, ist NAS-PLOS-FRIK mit den Indices 1 - 2 - 3 in (f) und 2 - 3 - 4 in (m).übergreifende Strukturformel ist: KI

K2

KONS

OBSTR

LIQ

NAS

K3 OBSTR

K„ OBSTR

K5 FRIK

KONS umfaßt natürlich PRQX nicht mit (Einleitung zu 10.1.2.1.). Ab /K/ 3 ist nur noch OBSTR möglich. In /K/2-Position kann außer OBSTR, der nach jedem KONS stehen darf, auch NAS stehen, aber wegen der Silbenregeln in Einsilblern nur nach LIQ. Aus denselben Gründen gibt es keinen LIQ in Positionen, die größer als 1 sind. In /K/5-Position kann nur noch FRIK stehen. In diesen Fällen muß /K/1* gleich PLOS und /K/a wieder gleich FRIK sein. Ist / / gleich FRIK, muß /K/ 3 gleich PLOS sein. M.a.W.: Ab /K/ 3 aufwärts müssen die homorganen Obstruenten wegen des Geminatenverbots heterogenetisch sein, d.h. zwischen PLOS und FRIK und vice versa alternieren. Zwar gibt es einen nicht-alveolaren Obstruenten in /K/3 Position, nämlich /f/ im Cluster /rbf/, der theoretisch einen homogenetischen, in /K/,,-Position obligatorisch alveolaren Frikativ /s/ nach sich haben könnte,

251

doch scheitert eine solche Addition (ebenso wie die von /d/) mangels geeigneter Stämme mit auslautendem /rbf/-Cluster. Berücksichtigt, daß PRDX nicht auslautend stehen kann, lassen sich die Regularitäten für Artikulationsarten-Cluster zusammenfassend wie folgt formulieren (Ausrufezeichen "!" steht, wenn kein weiteres Segment anschließen darf): (D

1

-LIQ LIQ

wenn

(2)

1

-LIQ -LIQ LIQ

2 OBSTR -LIQ dann 2

PLOS FRIK -LIQ

1

-LIQ LIQ

-LIQ LIQ

FRIK! OBSTR

dann

wenn (3)

3

2

FRIK -LIQ FRIK -LIQ wenn

3

5

4

PLOS

FRIK!

FRIK

PLOS

FRIK!

dann

In Worten:

(1) Wenn eine Nicht-Liquida (also ein Plosiv, Frikativ oder Nasal) im Auslaut steht, kann ihr ein Obstruent (also ein Plosiv oder Frikativ) folgen. Wenn eine Liquida im Auslaut steht, kann ihr eine Nicht-Liquida (also ein Plosiv, Frikativ oder Nasal) folgen. (2) Wenn einer Nicht-Liquida ein Plosiv folgt, kann nur noch ein Frikativ und kein weiterer Konsonant hinzutreten. Wenn einer Nicht-Liquida ein Frikativ folgt oder wenn eine Liquida der erste Auslautkonsonant ist (dem eine beliebige Nicht-Liquida folgt; s.o. (1)), kann ein Obstruent (also ein Plosiv oder Frikativ) hinzutreten. (3) Ist dieser hinzutretende Obstruent ein Plosiv, kann nur noch ein Frikativ, aber kein weiterer Konsonant hinzutreten (vgl. (2)),-ist der hinzutretende Obstruent aber ein Frikativ, kann ihm noch ein Plosiv und diesem wiederun noch ein Frikativ, aber kein weiterer Konsonant folgen. Nicht als 'Hinzutritts'-Verbot, sondern als Schwund durch 'Hinzutritt1 sind die in den Regeln (10), (11) und (12) beschriebenen Fälle aufzufassen:

252 /leqg+d/ -»[lend] /grong+s/ ·*· [gruns] /xefd+sd/ -> [xefsd] /gxen+d+sd/·* [gxensd] /wol+d+sd/ ->· [wulsd]

' ( e r ) lenkt 1 'krankes' 1 (du) heftest' 1 ( d u ) könntest 1 ' (du) wolltest 1

Bei ihnen werden unzulässige in zulässige Cluster verwandelt. Fazit Wieder genügte es, wie schon bei den Anlautclustem (10.1.1.2.), auf obige "übergreifende Strukturformel" einige wenige Regeln anzuwenden, um die in ihr vertretenen Oberklassenmerkmale KCNS und CBSTR näher zu spezifizieren, die Cluster von /K/! her (hier: nach rechts) aufzubauen und die Grenzen der Clusterbildung zu markieren. Diese Regeln sind: 1. Blockierungen nach dem Muster "Auf eine Merkmalskette X-Y-Z kann kein weiteres Segment folgen" (Einzelheiten oben).

2. Von /K/j an aufwärts missen die Segmente heterogenetisch sein. 3. Homogenetische Dreiercluster sind verboten. 4. Wenn / nicht LIQ ist und /K/2 gleich PLOS, kann /K/3 nicht wieder PLOS sein. Begrenzt man mit diesen Regeln die theoretischen Möglichkeiten der "Übergreifenden Strukturformel", erhält man die einleitend zu diesem Kap. (10.1.2.4.) abgedruckte "zusanmenfassende Tabelle". Beispiele dazu, wie größere Auslautcluster Einzelsegmente und kleinere Cluster (linksbündig) enthalten, sind etwa: zu (a)

bug

•packl ' (er) packt' 1 (er) packt es'

zu (e)

xuf xufs xufsd xuf sds

1

zu (f)

bin bind binds

' (ich) bin' 1 (ich) binde' ' (ich) binde es'

zu (g)

dorn dümf dümfd dOmfds

'Damm1 •Dampf 1 (es) dampft' •dampft es?'

zu (h)

dum Jimf Jimfs Jimfsd Jimf sds

'dumm' ' (ich) schimpfe' 1 (ich) schimpfe es 1 (du) schimpfst 1 ' (du) schimpfst es

1

zu (b)

drig drigs drigsd drigsds

•drück! ' 1 drück es ! ' 1 (du) drückst' 1 (du) drückst es 1

zu (c)

•klupp! (quetsch!)' glub glubf 'klopf! ' glubfs •klopf es! ' glubfsd 1 (du) klopfst' glubfsds 1 (du) klopfst es'

zu (d)

bis bisd bisds

•bis 1 ' (du) bist 1 1 (du) bist es'

(ich) hoffe 1 ' (ich) hoffe es 1 1 (du) hoffst' ' (du) hoffst es1

253 zu (i)

fol wr>lg wolgd wolgds

'(ich) falle 1 'walke! * ' ( e r ) walkt' ' ( e r ) walkt es'

zu (j)

fül wolg wolgs wOlgsd wolgsds

'fall (nicht)!' zu (m) 'walke!' 'walke es!' '(du) walkst 1 ' ( d u ) walkst es'

fil fils filsd filsds

zu (n) 'füll!' 'füll es!' ' ( d u ) füllst 1 '(du) füllst es1

zu (k)

zu (1)

bol xalf xilfs xilfsd *lfsds

'Ball 1

'hilf! 1 'Hilfs(-) ' ' ( d u ) hilfst' ?

gwülm gwolmd gwolmds

'Schwall1 'Qualm' 1 (es) qualmt 1 'qualmt es? 1

dnol gwülm wulns gwülmsd gwülmsds

'Knall' 'Qualm' ' (sie) wollen es' 1 (du) qualmst' ' (du) qualmst es'

;wül

Einschließlich aller Möglichkeiten der Clusterbildung nach Artikulationsart und -ort kamt man zu folgender Aufstellung der Art von Seiler ([1962] 1970: 419, 422-3): =PLOS gd gds

bd bds bf bfd bfds bfs bfsd bfsds

bs bsd bsds

ds dsd dsds

bj bfd bjds

djds

fd fds

sd sds

gs gsd gsds

=FRIK

fs fsd fsds =NAS

Jd Jds

xd xds xs xsd xsds

m mb *mbf

md mds

nd nds

nds

254

mf mfd mfds mfs mfsd mf sds

LIQ

ms msd msds

ns nsd nsds

mj mj mjds

nj njd njds

qs Qsd qsds

l

r

Ib

rb rbf

Id Ids

rd rds rdsd rdsds

Ig

rg

Igd Igds

rgd rgds

Igs Igsd Igsds

rgs rgsd rgsds

If

rf

Ifd Ifds

rfd rfds

Ifs Ifsd *lfsds

rfs rfsd rfsds

Is Isd Isds 1J IJd IJds

rj rj-d rjds rx

rxd rxds rxs

rxsd rxsds

1m

rm

Imd

rmd

Imds

rinds

255 1ms Imsd Imsds

rms nnsd rmsds

In

rn rnd rnds

Ins

rns rnsd rnsds

10.1.2.5. Auslautcluster in Abhängigkeit von der Vokalquantität /VOK-LIQ-KONS/

Darüber, welche Konsonanten in Abhängigkeit von der VQK-Quantität nach postvokalischen Liquiden stehen können, sollen folgende Tabellen Auskunft geben: r

V

VJ

b d

g f

gxo i rb xaird wairg

X

wairf * OirJ· bairx

m n

WDirm gairn

s J

'Korb 'Herd 1 'Werk 1

xT>rd

— _

'wirf 'Arsch 1 Berg'

'hart'

* gxurj

1

'Misthaken 1

_

1

warm ' 1 gern '

gxern

'Kern'

1 V

VI

b d

g f s J X

m n

dseild _

xuils *

'zählt'

gxolb xDld malg

'Kalb 1 'half 'melk 1

'hohles'

xalf xt>ls fulj *

'hilf 'Hals' 'falsch'

xolm büln

'Halm 1 'Ballen'

_

moiln

'malen'

* Andere als durch VOK-Quantität bedingte Ausfälle

256

Läßt man die Fälle beiseite, bei denen es Belege mit /Vi/ und /V/ gibt, begegnen bei den Liquiden /r/ und /!/ genau umgekehrte Distributionen: Regel ( 1 . 1 ) : Vor Clustern aus /r/ und Konsonant stehen 'normalerweise' lange Vokale. Regel ( 1 . 2 . ) : Vor Clustern aus /!/ und Konsonant stehen 'normalerweise 1 kurze Vokale.

Doch kommt auch der 'Ausnahme'-Fall vor, daß die nicht-'normale' VOK-Quantität auftaucht: /V/ vor /r/ und KONS bzw. /Vi/ vor /!/ und KONS. Doch trägt bei solchen Fällen KONS ein ganz bestiitmtes Merkmal: Regel ( 2 . 1 . ) : Steht vor /r/ plus KONS ein kurzer Vokal, so ist koronal.

KONS

Regel ( 2 . 2 . ) : Steht vor /!/ plus KONS ein langer Vokal, so ist

KONS koronal.

Anra.: Das Merkmal KOR habe ich deswegen gewählt, weil die Fälle mit /s/ oder /jY gemeinsam behandelt werden sollten. Nach /r/ besteht die bereits behandelte distributionelle Lücke für /s/, vgl. etwa /der+s/ -> [derj] 'dürres'.

In Maßstäben phonologischer Markiertheit ausgedrückt, heißt das: Kommt eine der markierten Sequenzen /VrK/ oder /VilK/ vor, ist der den Liquiden folgende Konsonant im Artikulationsstellen-Merkmal unmarkiert. Bemerkenswert ist noch, daß die markierte Sequenz /VrK/ bei monomorphen Basen vorkommt, während die markierte Sequenz /VilK/ fast (vgl. nämlich /wexls/ 'Wels') nur durch morphologische Addition von Suffixen zustande kommt: /xord/ /gxorjY /gxern/

'hart' 'Misthaken' 'Kern 1

-

/xuil+d/ /xuil+s/ /xuil+n/

' ( e r ) holt' 'hohles' ' ( s i e ) holen'

/Vi-NAS(-KONS)/

Eine erste Einschränkung betrifft den postkoronalen Nasal /n/: Er kann nach Langvokal nicht stehen: -POSTKOR /VI/

I

+POSTKOR

baim bain

Die zweite Einschränkung betrifft die Konsonanten, die nach /V*/ plus Nasal stehen:

257

Vgl.

'nach / V / ' lumb ornd sumf sims r^mj xund gt>ns menj

mit

'nach / V i / 1

'Lump'

'Amt' 'Sumpf 'Sims' 'Ramsch' 'Hund 1 'Gans 1 'Mensch'

nimd

'Abend'

eim+s wuin+d am+s

'ebenes' 1

wohnt ' 'eins 1

Man sieht, daß (a) nach /Vi-NAS/ nur noch alveolare, also nach Artikulationsstelle am wenigsten markierte Obstruenten auftreten und dieselben (b) zumeist morphisch addiert werden: /Vi-NAS-OBSTR/-Verbindungen werden lexikalisch so gut wie nicht genutzt. /Vi-b-OBSTR/

Nach /Vi/ gibt es keine Cluster aus /b/ und nachfolgenden heterorganen Obstruenten. Wenn nach /Vi/ diese Konsonanten in zugrundeliegenden Repräsentationen aneinandergeraten, wird epenthetisches [e] eingeschoben (vgl. auch 8.1.1.1.): /laib+d/ /laib+sd/ /daib+s/

-»-»· -»·

[laibed] [laibesd] [daibes]

'lebt' 'lebst' 'närrisches' (< 'taubes')

Ein Vergleich dieser Fälle mit den folgenden zeigt, daß auf den Faktor VOKQuantität Bezug genonmen werden muß: /dob+d/ /dob+sd/ /;iOb+s/

-*· -»· ·>

[dDbd] [dobsd] [;iObs]

'tappt' 'tappst' 'schlappes'

Aus der Morphologie bringt Werner (1961: 207) fürs Lst. noch das Beispiel waibasbild 'Weibsbild' bei. Ganz in das Bild von diesem phonotaktischen Verbot paßt auch das morphologisch intern nicht strukturierte Wort /uibesd/ 'Obst1. Auch bei entsprechenden Enklisen tritt der Vorgang selbstverständlich ein: /iix erlaib das nimer/ 'ich erlebe das [... erlaibedas . . . ]

nicht mehr' ->·

/iix draib se bisle naus/ 'ich treibe sie bißchen hinaus 1 [... draibese . . . ]

·*

Dieses epenthetische [e] wird auch eingeschoben, wenn bei der oben angegebenen Strukturbeschreibung (SB) /Vi-b-OBSTR/ die Veränderung eintritt, daß zwischen /Vi/ und /b/ noch ein /r/ steht:

258 /eirb+d/ -> /ezrb+sd/ ->· /meirb-t-s/ -*·

[ezrbed] [eirbesd] [meirbes]

'erbt' 'erbst 1 "mürbes 1

Man vgl. auch monomorphe Belege wie /xeirbesd/ "Herbst 1 oder einen Fall von Enklise wie / i i x f a i r b se ne:d/ 'ich färbe sie nicht' ·*· [.. . fa:rbese... ].

Man könnte also dbige (SB 1 . 1 . )

/Vl-b-OBSTR/

ergänzen durch (SB 1 . 2 . )

/Vi-r-b-OBSTR/

bzw. beides zusammenfassen zu (SB 1)

/Vi-(r-)b-OBSTR/.

Doch wird [e]-Epenthese in noch einer Umgebung ausgelöst, die allerdings mit der in diesem Kapitel thematisierten "Abhängigkeit von der Vokalquantität" nichts mehr zu tun hat, aber doch am zweckmäßigsten mit ihr (der SB /V:-b-.../) zusammen dargestellt wird. Es geht um Fälle wie /welb+d/ /SOlb+sd/ /xDlb+s/

-+ -> ->

[welbed] [sOlbesd] [xülbes]

"wölbt 1 'salbst' "halbes 1

In Ergänzung zur (SB 1) oben könnte man für diese Fälle die folgende, eine zweite SB formulieren, die auf den Kurz-VOK und /!/ Bezug nimmt: (SB 2)

/V-1-b-OBSTR/.

Nun ist jedoch das Vorkommen von (wenn auch verschiedenen) Liquiden an ein und derselben Stelle der SBs (1) - genauer: (1.2.) - und (2) zu auffällig, als daß man diese Strukturregularität unterschlagen könnte. Anm.: Diese Verschiedenheit der Liquiden wurde in diesem Kapitel einleitend phonotaktisch begründet: Vor /b/ kann nach /Vi/ nur der LIQ /r/ stehen, nach /V/ nur der LIQ /!/.

Anstatt nun in die SB /Vi-b-.../ den Fall Regel für den ändern LIQ in anderer, aber voraussagbarer vokalischer Umgebung, also ich die geltenden Strukturbedingungen auf beschreiben:

/r/ einzubauen und eine gesonderte nach der soeben gemachten Anmerkung eine SB /V-l-b-.../ anzusetzen, will folgende Art und adäquater so

259

Regel: [e]-Epenthese zwischen /b/ und heterorganera OBSTR wird ausgelöst, wenn dem /b/ (a) entweder [VOK.+LANG] (b) oder [VOK.dLANG]-LIQ vorausgehen. Da in Auslautclustem LIQ nur in Kj-Position nach VOK vorkamen kann, erübrigt sich das Umgebungsmerkmal VOK samt seiner Spezifierung in oLANG im Regelteil (b), den man dann so vereinfachen kann: "(b)

oder LIQ".

Anm.: Das realisierte [rbs] im Beleg /Jnoirbs/ 'scharf Gebackenes 1 muß demgegenüber als Ausnahme erscheinen, kann aber als Onomatopoetikum des Kaugeräuschs erklärt werden (DWB 15 [1899] 1984: 1379) und wird schließlich zur Bezeichnung für eine Speise, deren Verzehr diese 'Schnorps'Geräusche hervorbingt. Zwar kann man von diesem Fall her bezweifeln, daß es ein phonotaktisches Verbot für eine Sequenz [VOK-LIQ-b-OBSTR] überhaupt gibt. Doch muß man umgekehrt auch erwägen, ob nicht Onomatopoetika gegen phonotaktische Regeln sogar verstoßen sollen. /W-LIQ/

Nach den beiden VOK-Clustern /au/ und /ai/,

die quantitativ den Langvokalen

gleichgestellt sind (z.B. kein /n/ nach /W/), weis t /r/ eine distributioneile Lücke auf: */air/ und */aur/ sind im Gegensatz zu etwa /fail/ 'feil', /faul/ 'faul1 nicht möglich. Zu zweisilbigem /aier/ 'euer' und /airer/ 'eurer' s.u. 10.2.2.1.

Es versteht sich von selbst, daß die genannten, von der VOK-Quantität abhängigen Restriktionen bei auslautenden Einzelsegmenten (etwa Verbot von */Vin/) und bei Zweier-Clustern (etwa Verbot von */Vrb/ und */Vilg/, von */Vimb/ oder */Vibd/) auch den Aufbau größerer Cluster verhindern. D.h. etwa: Wo kein */Vilg/ war, kann auch kein */Vxlgd/ entstehen usw. 10.1.3. Konsonantischer An- und Auslaut dm Spiegelbild Die Indizierung von rechts nach links (vcm Innern zum Äußern) beim Anlaut und von links nach rechts (ebenfalls vom Innern zum Äußern) beim Auslaut war symnetrisch: / -.. .-Kj-iq-y-iq-Kj -.. .- / Symmetrie-Achse war /v/· Die Frage ist nun, ob die KONS-Syrtmetrie auch gilt, wenn man /K/ durch natürliche Klassen der Artikulationsart ersetzt. Zur ÜberPrüfung dieser Frage werden im folgenden alle Anlautcluster aufgelistet und ggf. mit ihren Auslaut-Pendants gespiegelt. Ferner werden auch jene Cluster berücksichtigt, die nun an- oder nur auslautend vorkommen.

26O

Die Numerierung der Anlautcluster von (a) bis (h) folgt der in 10.1.1.2. verwendeten, die der Auslautcluster (a) bis (n) folgt der in 10.1.2.4. verwendeten. Diese Numerierungen erfolgten unabhängig voneinander, so daß z.B. Anlauttyp (a) mit Auslauttyp (a) keine strukturelle Gemeinsamkeit aufweist. Gleiche Budistabennummern bei An- und Auslaut spielen also keineswegs auf Strukturverwandtschaft von An- und Auslauttyp an.

i

AN

a b c d e f

PLOS

PLOS

PLOS FRIK PLOS

FRIK PLOS PLOS FRIK PLOS FRIK

PLOS FRIK NAS NAS LIQ LIQ

PLOS

PLOS FRIK

PROX PROX

g h

1 PLOS FRIK NAS NAS LIQ LIQ

2

FRIK PLOS PLOS FRIK PLOS FRIK

3

PLOS FRIK FRIK PLOS FRIK PLOS

4

5

FRIK

FRIK PLOS FRIK

AUS b d f

FRIK

I

g j k

II

PLOS PLOS FRIK NAS LIQ LIQ

PLOS FRIK FRIK FRIK PLOS FRIK

FRIK FRIK PLOS FRIK PLOS FRIK

PLOS FRIK PLOS FRIK PLOS

FRIK

a c e h i 1

LIQ LIQ

NAS NAS

PLOS FRIK

FRIK PLOS

FRIK

m n

FRIK FRIK

III

IV

Man beachte wieder, daß in größeren wieder kleinere Cluster enthalten sind, die jeweils ab Indexj gezählt werden müssen, also beim Anlaut rechts-, beim Auslaut linksbündig, dem VOK mithin iirmer direkt benachbart. Ergebnis: (1} Alle Anlautcluster, die keinen Approximanten enthalten, werden im Auslaut auch gespiegelt. Charakteristikum des Auslauts ist es, daß durchgehend noch ein Frikativ hinzutreten kann (Gruppe I). (2) Anlautcluster der Gruppe II können sich im Auslaut nicht spiegeln, da Approximanten nicht auslautfähig sind. (3) Die Spiegelung der Auslautcluster von Gruppe III in den Anlaut scheitert an der Regel, daß anlautend homogenetische Cluster unmöglich sind. Vereinfachte man die homogenetischen Zweiercluster dieser Gruppe, ließen sich Sequenzen der Auslaut-Gruppe III zu solchen der Auslaut-Gruppe I stellen: in

|

i

a, c e h i l

zu zu zu zu zu

b d g j k

261

(4) Das Handicap für die Spiegelung der Auslautcluster von Gruppe IV in den Anlaut ist, daß NAS in /K/2-Position auftritt, anlautend aber nur in /K/jPosition stehen dürfte. Faßt man zu natürlichen Oberklassen zusammen, gibt es zwei grundsätzliche Spiegelbilder: ANLAUT 4

(a-b) (c-f)

3

AUSLAUT 2

1

OBSTR OBSTR OBSTR OBSTR OBSTR OBSTR SON

1 VOK VOK

2

3

4

5

OBSTR OBSTR OBSTR (OBSTR) SON OBSTR OBSTR OBSTR (OBSTR)

(b-d)

(f-g. j-k)

Seilers ([1962] 1970: 424) Befund (vgl. auch Werner 1972: 81) "C R g R C " , wobei R für LIQ oder NAS steht, C für anderen KONS und 0 für Silbengipfel und Synmetrie-Achse, kann damit auch fürs Lst. bestätigt werden, zum ändern wurden weitere, über Seilers Ziel hinausreichende Erkenntnisse gewonnen. 10.1.4. Sonderprobleme konsonantischer Distribution: Die phoneroatische Wertung von Af f rikaten und Velamasal 10.1.4.1. Affrikaten Ohne daß bislang darauf eingegangen worden wäre, wurden "Affrikaten", also homorgane PLOS-FRIK-Verbindungen, als "Cluster" behandelt, wie das ganz natürlich wäre, würden im Zusammenhang mit Sprachvarietäten des Deutschen/Germanischen nicht immer wieder synchrone Zustände vor dem Hintergrund diachroner Prozesse {"Lautverschiebung") interpretiert. Die "Pro"-Argumente für monophonematische Wertung sind im wesentlichen (a) Gegenüberstellungen wie Pf-l-ug zu k-l-ug. (b) Einheitliche artikulatorische Bewegung (Homorganität bei Abfolge heterogenetischer Konsonanten; beides Trubetzkoy [1939] 1977: 50, 64) . (c) Spiegelbildlichkeit von An- und Auslautclustem als Wesenszug des Deutschen (gespiegelt und daher biphonemisch gewertet: Bart vs. Trab; nicht gespiegelt und daher monophonemisch gewertet: Pfote vs. Topf; Becker 1953). Mit ändern Worten bringt dasselbe Argument Philipp (1970: 78-9), wenn sie meint, daß biphonematisch gewertete Affrikaten die einzigen Verbindungen seien, die anwie inlautend vorkämen. Gerade das spreche aber für eine monophonematische Wertung. (d) Altemationen wie Klotz zu.Kloß (so etwa Vennemann 1968). (e) Distributionelle Verhältnisse wie mögliches /tsvar/ 'zwar 1 vs. unmögliches */sv.../ (Wurzel 1981: 938), mögliches /tsol/ 'Zoll' vs. unmögliches (stimmlos

262

anlautendes) */sV.../ (Martinet 1939), mögliches (aspiriertes) /pf*1/ wie /ph/, aber unnögliches */phf/ (Brandenstein 195O: 55, 78). (f) Formalien wie Einfachheit von Regeln (Wurzel 1970: 204) und Regelfolge (Dressler 1973: 10). Forschungsgeschichtlich interessant ist nun, daß die Befürworter der monophonematischen Wertung die Beweispflicht bei sich sehen. Deshalb kann es den Verfechtern der biphonematischen Lösung genügen, obige Pro-Argumente zu entkräften und damit der monophonematischen Wertung die Basis zu entziehen. Folgende "Contra"-Argumente lassen sich vorbringen: Zu ( f ) : Am leichtesten läßt sich Dresslers Aphasie-Argument widerlegen, daß Metathesen von monophonematischem /pf/ zu /fp/ zuvor einer Bisegmentierungsregel bedürfen. Ein besseres Indiz für schon zugrundeliegende Biphonematik konnte Dressler gar nicht liefern. Wurzel erkauft die Einfachheit bei der Regelformulierung dadurch, daß er das Inventar der Segmente vergröbern muß: eben um die monophonematischen Affrikaten. Zu diesen Einwänden vgl. Kloeke (1982: 42-3). Zu (e): Wurzels */sv.../ scheitert nicht daran, daß man /ts/ wie in /tsvar/ nicht in zwei Phoneme auseinandemehmen könne, sondern daran, daß den Fall eine andere Regel überlagert, die anlautend /s/ vor KONS verbietet. Man muß dann also bei einem Vergleich von /tsvar/ und /jvarts/1schwarz1 o.a. das /s/ und das /;/ als Entsprechungen ansehen,und schon ist die Argumentation hinfällig. In Martinets Beispiel kann ich nichts weiter erblicken, als daß zwei verschiedene s-Laute in verschiedenen Umgebungen vorkommen (sth. anlautend vor VOK, stl. nach PLOS), sei es als stellungsbedingte, komplementär distribuierte Allophone eines zugrundeliegenden Phonems, sei es als zwei Phoneme mit jeweils spezifischen distributioneilen Lücken. Mit solchen Argumenten der Stellungsbedingtheit hat schon Morciniec (1958) Brandensteins Argument widerlegt. Dem ist nichts hinzuzufügen. Zu (d): Vennemanns Alternationsargument war selbst Wurzel (1970: 204-7) zu viel, da der Zusammenhang "nur von einem Linguisten mit historischen Kenntnissen zu gewinnen" und "keine auch psychologisch konkrete Wiedergabe des Wissens des Sprechers" sei. "Damit hätten wir also die gesamte Lautverschiebung zu synchronen Regeln gemacht" (207) - eine Kritik freilich, die Wurzel an anderer Stelle nicht daran hindert, [J] aus /sk/ herzuleiten (226-32) und damit auch einige Jahrhunderte Sprachgeschichte zu überbrücken. Zu (c): Beckers Gegenüberstellung krankt schon daran, daß ein PLOS-LIQ-Cluster mit einem PLOS-FRIK-Cluster verglichen wird. Seilers 'Spiegelbildlichkeits1-

263

Hypothese sich aber ausschließlich auf OBSTR-SON-Cluster (also z.B. PLOS-LIQ) bezieht. Beckers und Philipps Argumente schließlich leben von der Aussparung von Fällen wie /ksanten/ 'Xanten' oder /psalm/ 'Psalm1. Zu Recht meint Werner (1972: 54) zur 'Nativität'obiger Belege: "Wenn man [...] Tschako mit Pschorr vergleicht, dann müßte man" gegen Fälle wie Netz, Schnaps, Max auch "Zahn, Psalm, Xanten setzen". Auch ohne Rückgriff auf solche 'Fremdwörter' gilt das von Philipp Gesagte fürs Lst. zumindest nicht. Voraussetzung ist dabei allerdings, daß auch phonotaktische Sequenzen, die Morphgrenzen überschreiten, herangezogen werden dürfen - und sie dürfen bzw. sollen es sogar (vgl. Hinderling 1979: XIV-VI). So stehen sich PLOS-FRIK-Verbindungen wie [gse:n] 'gesehen' und [nigs] 'nichts1 oder auch FRIK-PLOS-Verbindungen wie [jdiird] '(er) stürt* und [drijd] '(er) drischt' gegenüber, ohne daß man dafür aufgrund des Vorkcnmens in An- und Auslaut für [gs] und [jd] Monophonematik fordern würde. Ich gehe sogar so weit, [Jdam] 'Stein1 und [nasd] 'Nest' bzw. [blai] 'blau' und [naibl] 'Nebel' gegenüberzustellen und zu sagen, daß auch hier sich An- und Auslaut entsprechen. Denn wiederum liegt nur eine Überlagerung durch andere Regeln vor, die im ersten Fall von den koronalen Frikativen anlautend nur /;/ zulassen und im zweiten den Lateral stellungsbedingt nach Konsonant silbisch machen (vgl. 10.2.3.1.). Zu (b): Einheitliche artikulatorische Bewegung liegt nicht nur bei Affrikaten, sondern auch bei KONS-KONS-Folgen wie /st/, /mf/, /Id/ vor, ohne daß man hier Monophonematik postulierte. Zu (a): Wer Pf-l-ug mit k-l-ug vergleicht, müßte, sagt Twaddell (1939: 62), auch das Paar Sp-l—itter/F-l—itter gleichbehandeln, also /Jp/ monophonematisch werten. Es liegen aber gar keine Minimalpaare vor. Dagegen bilden etwa Torf und Topf sehr wohl ein Minimalpaar, das sich nach Morciniec (1958) nur durch den /r/-/p/-Gegensatz unterscheide, so daß das /p/ allein und ohne das /f/ eine phonemische Funktion erfülle. 10.1.4.2. Velarer Nasal Wie gesehen, wurde [q] im Zusammenhang phonemischer Distribution behandelt, also als zugrundeliegendes Segment angesehen. Doch als Laut mit erheblichen distributioneilen Defekten ist [Q] immer wieder Versuchen ausgesetzt, morphintem auf zugrundeliegendes /ng/ zurückgeführt zu werden. Dafür stehen z.B. Isacenko ([1963] 197O) und der anfänglich zu hochabstrakten Lösungen neigende Vennemann (1968), der auf seinem Wege zur "Natural generative phonology" (1971) in der Frage des deutschen Velarnasals schließlich eine vermittelnde

264

Stellung einnahm: [g] wurde von einem "case for abstract phonology" (1970) zum "case for concrete phonology" (1974a: 212). So betrachtet er die von ihm so genannten "'hole in a pattern'-arguments" (1970: 70) Isacenkos zu den distributionellen Lücken des [n] nicht als hinreichend dafür, ein Segment nicht als Phonem zuzulassen. Vennemanns Utischwenken zur radikalen "Phonological concreteness" (1974a) wird gerade noch dadurch gebremst, daß er aus dem Vergleich von u in gebunden, gesungen mit o in gesponnen, geschwommen auch für das [g] in gesungen ein 'tiefes' NAS-PLOS-Cluster /ng/ annimmt und von diesem aus das [13] herstellt. Am Lst. kann übrigens Vennemanns letzte Bastion für ' [ ] aus /ng/' nicht geprüft werden, da es in obigen Fällen einen [o]-[u]-Unterschied nicht gibt. Die Argumente für ein /^/-Phonem im Lst. sind bei Berücksichtigung der drei in 5.1. und 5.2. und Harnisch (1987a) formulierten Abstraktionsbedingungen folgende: 1. Alternationsbedingungen: *[ng]-Realisationen gibt es in keiner der Oberflächen-Realisationen - übrigens ebensowenig *[nb]-Realisationen. Konkretem [ng] läßt man nun aber nicht dieselbe Behandlung angedeihen wie etwa konkretem [mb], obwohl beide homorgan und damit distributioneil sehr plausible Syntagmen sind: Phonemisch /mb/ wird zugelassen, */ng/ nicht. Ich plädiere dafür, in homorganen NAS-PLOS-Clustem [Jdung] 'Stunk (Streit)1 nicht anders zu behandeln als [lumb] 'Lump1 und [xund] 'Hund1, also /jdung/ - /lumb/ - /xund/ zugrundezulegen. 2. Regelordnungsverbot: Selbst, wenn man 1. mißachtete und eine nie realisierte Repräsentation zugrundelegte, wäre */ng/ nicht zu rechtfertigen. Der angenommene Prozeß jingabe Ausgabe

| ng | | ng | j g | | |

Nasalassimilation [g]-Schwund

ist zwar plausibel, aber [g]-Schwund ist kein synchron produktiver Prozeß im Lst. Beweis: Es gibt [ng]-Realisationen. Der Ausweg über strikte Regelordnung, die in diesen Fällen tatsächlicher [ng]-Realisation das [ng] (etwa aus 'tief */nk/) erst entstehen läßt, nachdem die [g]-Schwund-Regel bei ändern [ng]-Fällen (aus */ng/) bereits gewirkt hat, verbietet sich nach dem Regelordnungsverbot (vgl. 5.2.). Damit, daß eine Regel irrmer dann greife, wenn ihre Strukturbeschreibung erfüllt sei, argumentiert auch Smith (1982: 394-5) fürs Englische: Die "concrete

265

analysis" des [q] als "underlying form" /q/ sei geshalb geboten, da es noch synchrone [q]-[qg]-Alternationen gebe. Damit sei [n] nicht durch eine [g]Schwund-Regel herstellbar, denn sonst verliere auch das realisierte [qg] zu unrecht sein [g]. 3. Komplementäre Distribution: [q] ist nicht komplementär mit den ändern Nasalen distribuiert. Hier genügen als Indiz Minimalpaare wie [dum] [xeme]

'dumm' 'Hemd 1

[diq] [xeqe]

[din] 'dünn' [xene] 'Henne'

'Ding 1 'hängen 1

10.1.5. Vokalische Phonemdistribution 10.1.5.1. Vokalqualität und Folgekonsonanz Die auffällige Tatsache, daß kurze hohe Vokale nicht vor /r/ stehen können, gibt Anlaß, die präkonsonantischen Distributionsverhältnisse der hohen Vokale ([i] und [u]) und ihrer nächsten phonetischen 'Verwandten' [e] bzw. [o] überhaupt zu prüfen. Deshalb werde ich Listen (a) zu [i] und [e] vor allen Konsonanten und (b) zu [u] und [o] vor allen Konsonanten aufstellen. Nicht umsonst widmet dieser Umgebung Werner (1961) in seiner Arbeit über ein größeres Dialektgebiet, in dem auch das Lst. liegt, stets ein eigenes Unterkapitel "vor r, K"l (a) [i]

Jnib 'schnipp 1 gxid 'Kitt' Jdig 'Stück'

[e]

FRIK

PLOS

Jleb 'schlepp 1 fed 'fett 1 freg 'verreck 1

LIQ

NAS

Jif Jis fi; Jdrix

'Schiff 'Schiß' 'Fisch' 'Strich 1

Jlira din siq

'sing 1

ef bes(er) be;(e) xex(er)

'äff 'besser' 'Büsche1 •höher 1

glem wen

' klemm' ' wenn '

weg

'schlimm' ' dünn '

' (ein) wenig"

fil

'füll'

Jnel

"schnell 1

dser

'zerr 1

Die Distribution des [i] ist also zwar defektiv vor /r/, doch ist [i] mit [e] keineswegs komplementär distribuiert. Wir haben also phonemisch /e/ ohne Lücke in präkonsonantischer Stellung und /i/ mit Defekt vor /r/. Dieser 'statische1 Defekt kann 'dynamisch1 werden, wenn etwa ein Verb /waire/, das 'in KL-Disziplin steht' (vgl. 8.1.1.1.), in der 2./3.SG.PRSS gekürzt und zu /!/ palatalisiert wird. Das Produkt /wird/ wird dann zu [werd] gesenkt.

266

Anders sieht es bei der Verteilung von [u] und [o] vor KONS aus: (b)

tu]

PLOS sub(e) 'Suppe1 dud '(er)tut1 'juck 1

FRIK suf 'Suff mus ' (ich)muß 1 buj 'Busch' lux 'Loch 1

LIQ

NAS

dum 'dum' lun 'Achsnagel 1 Jbruq

ful

'voll 1

'Sprung'

[o]

dnor 'knurr'

Hier sind [u] und [o] komplementär distribuiert, d.h.: jedes [o] ist genau vorherzusagen. Es könnt nämlich nur vor [r] vor. Da es der markierte Fall ist, wird als phonanischer Wert /u/ angesetzt. Diese Distribution von [u] und [o] gehört also eigentlich in Kap. 11., wurde aber schon hier behandelt, um es mit der Distribution anderer Vokale vor [r] vergleichen zu können. Regel: Phonemisch /u/ wird vor/r/ zu allophonisch [o] gesenkt.

Eine entsprechende Distributionsregel für die Lan^-Vokale [ui] und [01] gibt es nicht. Verfolgt man jedoch die Verteilung von [ ], [ui] für den Fall weiter, daß nach dem /r/ noch ein Konsonant steht, werden wieder distributionelle Lücken der Vokale sichtbar, die im Zusammenhang mit der auf /r/ folgenden Konsonanz stehen: [ui] LAB KOR POSTKOR

PLOS

buird

'bohrt 1

FRIK

ifuirj

NAS

'vor das'

'bohren 1

buirn

Anm.: Bei einer Sequenz /r-1/ würde Mehrsilbigkeit entstehen. Eine Sequenz */r-q/ kann es wegen des bereits bekannten Defekts des Velarnasals nach /Vi/ nicht geben, */r-s/ nicht wegen der Neutralisierung von /s/ und / J / nach /r/, so daß hier und im folgenden die Merkmale ALV (/d/ und /n/) und PALV ( / J / ) in einer Reihe stehen und zu KOR vereinigt werden können.

[01]

PLOS

gxoirb 'Korb' doirf KOR | Jmoird 'schmort 1 jwoirj 1 POSTgxoirg- l Kork(en)'|boxrx KOR LAB

FRIK

'Dorf 'wahres'

NAS

woirm gloirn

'Wurm' 'klaren'

'Burg'

Es gibt also zwar einen konsonantischen Auslaut [uxr], doch gibt es ein Zweiercluster [uirK] nach Ausweis obiger Listen nur, wenn [K] 2 das Merkmal KOR trägt, also wenn der Sequenz [uir] ein [d],[f] oder [n] folgt. Diese Einschränkung

267

gibt es für das Zweiercluster [oirK] nicht. Noch eine Beobachtung läßt sich machen: Sowohl nach [ui] als auch nach [01] kamen Cluster aus [r] und folgendem koronalem KCNS nur über Morphgrenzen hinweg zustande, d.h., sie werden lexikalisch gar nicht genutzt: [buir+d]

[ui]:

[Jmoir+d] [woir+j] [gloir+n]

[ox]:

[fuir#j] [buir+n]

Wie zu erwarten, findet sich Vergleichbares bei [i:] und [ei] vor [r]: PLOS LAB | KOR j f i x r d ' ( e s ) weht' POST-

ixrj

FRIK

l

NAS

'ihres 1

I j d i i r n ' ( s i e ) sturen 1

KOR 1 Jexrf 'schärfe! 1 I j e i r m 'Schirm' LAB j eirb ' ( i c h ) erbe 1 1 jJdeird ' (es) stört' JweirJ ' ( e i n ) schweres ijwexrn '(die) schweren KOR POSTweirx "würgl/wirk!' m e i r g 'merk!' KOR

[ixrK] verhält sich wie oben [uirK], [eirK] wie oben [oirK]. Auch für die KOR-Reihe von [iirK] und [eirK] gilt das für die KOR-Reihe von [uirK] und [oirK] Gesagte: Das Cluster könnt nur über Morphgrenzen hinweg zustande: [ix]:

[fixr+d] [iir+j]

[ex]:

[;dixr+n]

[Jdeir+d] [jwexr+J·] [Jwexr+n]

Die Formulierung (a) des (statischen) distributioneilen Defekts, daß von den nicht-tiefen Langvokalen nur die auch nicht-hohen vor /r/ und einem weiteren nicht-koronalen Konsonanten stehen können, kann (b) in morphologischen Zusanmenhängen durchaus zu einer (dynamischen) Formel ausgebaut werden: etwa wenn das in KL-Disziplin stehende /waxrfe/ 'werfen1 in der 3.SG zu /wixrfd/, im P.P. zu /gewuirfh/ wird und zu phonetisch 'richtigem' [wexrfd] bzw. [gewoxrfn] umgewandelt werden muß: "VOK +LANG +HOCH (-TIEF)

->·

VOK •l- LANG -HOCH -TIEF

t

iCONS"

_

Defektregel

-KOR.

(a)

Prozeßregel (b) Vgl. die ganz ähnliche Distributionsregel zu den hohen Kurzvokalen vor [r] oben.

268

10.1.5.2. Vokalische Cluster und die phonematische Wertung von Diphthongen Es gibt im Lst. nur zwei vokalische Cluster in Einsilblern: /ai/ und /au/, die beide ganz symmetrisch im System stehen:

In Merkmalen dargestellt kann vor den beiden Vokalen, die das Merkmal HOCH gemeinsam haben und sich in den Merkmalen PAL und VEL gegenüberstehen, nur der Vokal stehen, der den ändern beiden in der Höhenkorrelation genau entgegengesetzt, also TIEF ist und bei den Vorne-Hinten-Werten eine neutrale Stellung einnimmt: er ist weder PAL noch VEL. Mit dem gleichen Argument wie beim obigen Vergleich Topf-Torf (10.1.4.1.) spricht sich Morciniec (1958) am selben Ort für eine biphonematische Wertung der Diphthonge aus, da die Bedeutungsunterscheidung in einem Fall wie GreisGraus am Unterschied der zwei Einzel-Laute [i] - [u] hänge. Trubetzkoy (1939: 51) hat sich durch sein Argument, Diphthonge seien monophonematisch zu werten, weil sie nicht auf zwei Silben verteilbar seien, nicht davon abhalten lassen, Affrikaten trotz der Möglichkeit, daß sie wie [sit$sen] 'sitzen1 auf verschiedene Silben verteilt sein könnten, auch monophonematisch zu werten. Dieses Argument zählt also nicht viel. Und schließlich ist es nicht einzusehen, warum eine vokalische Alternation wie leiden - litt, vergleichbar durchaus mit etwa der konsonantischen sitzen - saß, unbedingt als monophonematischer Wechsel /ai/-/i/ (bzw. /ts/-/s/) beschrieben werden muß (Werner 1972: 34), wo er doch nicht aufwendiger auch als Wechsel zwischen Biphonem /a-i/ und Monophonem /i/ beschrieben werden kann. Ich nehme daher in der Diskussion eine Haltung ein, die nach Werner (1972: 34) "stark einer biphonematischen Interpretation zuneigt." Kloeke (1982: 16) zitiert diese Äußerung auch zustimmend. 10.1.5.3. Vokalischer Auslaut Kurzvokalische Auslaute von Einsilblern sind insgesamt selten. Es sind belegt: /da/ 'da (hast d u ) ! ' /ge/ 'geh(, das glaub1 ich nicht)! 1

/ja/ ' j a (wirklich)? 1 /so/ 'so (geschafft)!'

Diese Fälle nehmen insofern eine Sonderstellung ein, als sie isoliert, d.h. syntaktisch unabhängig (meist als Interjektionen) vorkommen.

269

Langvokalische und diphthongische Auslaute von Einsilblern sind dagegen häufig. In der Reihenfolge der Kardinalvokale sind das z.B.: fii wir nii frii dnii

1

'Vieh 'wie 1 'nie' 'früh' 'Knie 1

'Klee 1 seh1 1 Schnee ' 'Reh 1 1 steh1 1 sowieso1

frai Jai nax blai glai ai*

/oi/ 1

glOi düi drei *

1

glei sei fnei rei i dei ei*

/u i /

jt>i

/ai/

/ex/

/U/

'ja ' mag ' 'klag' 'Tag 1 •trag 1 ' ab '

doi noi Jdrox froi roi 01*

'Frau 1 'schau 'nein 1 'blau 1 'Klaue 1 'auch 1

/UI/ 1

'da 1 nachher ' 'Stroh 1 1 froh 1 'roh 1 •wirklich?! 1

gxui jui dui sui

'Kuh' 'doch, wirklich! ' 'du 'tu 1 ·3 ·

*Sozusagen "absolute 1 Langvokale

/au/ bau Jlau dräu au*

/ai/

|

'Bau' 'schlau' 'trau' 'au 1

bai Jrai mai ai*

'bei 1 1 schrei' 'Mai 1 'Ei 1

*Sozusagen 'absolute' Diphthonge

Diese 'nativen' Strukturen ermöglichen auch die Übernahme von mehrsilbigen "Fremdwörtern1 mit Endbetonung und /Vi/-Auslaut: /ser'wix/ /bi'wei/ /bi'roi/ /fi'lui/

1

(Kaffee-)Service' 'Büffet 1 "Büro" 'Filou/Schlitzohr 1

wie / f e r ' g l i i / wie / f e r ' J d e i / wie /be'droi/ wie /ge'dui/

'verglüh 1 •versteh 1 'bedroh' •Getue'

•Partei' 'Kakao 1

wie wie

•dabei' 'versau!'

Diphthonge /bor'dai/ 'gxau/

/der'bai/ /fer'sau/

Exkurs: Das Gesamtkapitel zur Distribution von VCK-Phonemen (10.1.5.) soll nicht ohne einen Hinweis darauf abgeschlossen werden, was nicht untersucht wurde. V.a. konnte die Frage, ob bzw. wie die VOK-Quantität mit den ihr 'links1 und 'rechts1 benachbarten Konsonanten(-Clustern) zusammenhängen könnte, wegen des Arbeitsaufwands, der zu ihrer Beantwortung notwendig gewesen wäre, hier nicht geklärt werden. Hier hätte maschinelle Datenverarbeitung, deren Einsatz ich zu spät erwogen habe, mit ihren Zugriffsmöglichkeiten bei der nötigen Materialmenge helfen können. Zur Verwendung der EDV für Distributionsanalysen vergleiche man Kelle/Platzek (1983). Konkret ginge es darum, herauszufinden, welche

270

VCK-Quantitäten in der Umgebung von konsonantischen Clustern eines bestimmten ümfangs vorkonmen. Z.B. kann /V/ vor oder zwischen konsonantischen Einzelsegmenten ebenso nachgewiesen werden wie /Vi/. Nicht geklärt sind aber die zahlenmäßigen Verhältnisse der Verteilung von /V/ und /Vi/, der Einfluß natürlicher konsonantischer Klassen (und Cluster von ihnen) auf die VOK-Quantität, der mögliche Einfluß der Tatsache, daß An- und Auslautcluster umfangmäßig gleichgroß sind oder nicht usw. Hier liegen sicher noch zu hebende Erkenntnis1 Schätze" zur einzelsprachlichen Typik der VCK-Quantität. Wie es in diachroner Perspektive möglich war, für Dialekte vor mhd. Hintergrund bei Einzelvokalen "vorwiegend erhaltene Kürze/Länge" bzw. "vorwiegend Dehnung/Kürzung" festzustellen (Werner 1961: z.B. 22, 26, 35, 41), müßten sich in synchroner Perspektive statistische Aussagen zu "vorwiegender Länge/Kürze" (bei dieser und jener Umgebung) machen lassen, die auch eine Basis für Überlegungen zur Markiertheit der Typen abgeben könnten. 10.2.

Mehrsilbigkeit und Phonotaktik

Bis jetzt wurde der "Einsilbler" als schon gegebene Grundeinheit behandelt, obwohl er das gar nicht ist. Vielmehr muß die Silbenstruktur eines Wortes in der phonologischen Komponente einer Grammatik erst hergestellt werden. Sie ist von "höheren" Komponenten nicht notwendigerweise schon vorgegeben. Z.B. sind Morph und Silbe keineswegs identische Einheiten: $ f a l|d.e r

'Felder'

+

Ebensowenig müssen sich Einsilbigkeit und Einmorphigkeit, Zweisilbigkeit und Zweimorphigkeit usw. entsprechen: j

l

Silbenzahl

2

Morph-

1

gxurn

"Korn"

maser

'Messer'

zahl

2

gxcr+n

'Karren'

fras+er

'Fresser'

Der Vergleich von morphologischer und syllabischer Strukturierung von Wörtern zeigt überdeutlich die prinzipielle Autonomie der beiden grammatischen Bereiche Morphologie und Phonologie und den latenten Konflikt, in dem sie miteinander liegen. Wir stehen also vor der Frage, inwieweit die Silbenstruktur aus der Phonfolge selber vorhersagbar ist und in welchem Maße Einflüsse anderer grammatischer Bereiche (Morphologie, Lexik, Syntax) mitspielen. Ein zur 'Silbenfeindlichkeit1 der herkömmlichen generativen Phonologie entgegengesetzter

271

Pendelausschlag der NGP scheint mir zwar forschungsgeschichtlich verständlich, aber übertrieben: eine Autononisierung der silbischen Ebene, die hier ähnlich behandelt wird wie die sog. "Junktur" in der "autonomen Phonologie". In Bartschs/ Vennemanns (1980: 76) Interpretation sollen Hocketts (1955) Beispiele 'night rate1

(1)

[nait].

[reit]

(2)

[nait].

[treit]

'nitrate1

(3) *[dai] .

[treit]

'dye trade'

angeblich zeigen, "daß auch die Silbenstruktur einer Wortgestalt separat anzugeben ist, da sie sich nicht automatisch aus der Phonfolge ergibt." Ganz abgesehen davon, daß ich an diese lautlichen Differenzierungen in normal gesprochener Sprache nicht so recht glaube, halte ich die separate Angabe der SilbenStruktur für unnötig, wo sie, wie bei (1) und (3), eindeutig in morphologischen Zusammenhängen steht. Und wo, wie in ( 2 ) , morphologische Grenzen nicht existieren, ergibt sich die Silbenstruktur wohl doch "automatisch aus der Phonfolge." Wie sie das tut, muß allerdings stets L-spezifisch geklärt werden. Für Silbengrenze oder auch (wonit ich mich nur beschäftigen werde) Silbenträgerschaft gilt, daß sie "nicht allgemein bestimmt werden kann,

sondern für jede Einzel-

sprache - ihrer eigenen Struktur gemäß - besonders ermittelt werden muß", es sich hier also "nicht um eine allgemein phonetische, sondern um eine spraohliahphonologisahe Frage handelt" (Essen 1979: 135). Daran ist bei den folgenden Ausführungen zu den L-spezifischen Silbenträgern des Lst. (und bei den Seitenblicken auf andere Sprachen, z.B. das Engl.) stets zu denken. 10.2.1. Silbengrenze und Silbenträger Im folgenden will ich darauf verzichten, die Frage nach exakten Silbengrenzen zu beantworten. Zumindest für bestimmte Fälle ist dieses Problem bislang ungelöst (und unlösbar?): V.a. in Konsonanten(gruppen) zwischen HT- und NT-Nukleus, also in sog. "interludes", ist es nahezu unmöglich, genaue Silbengrenzen zu legen ([berj$de] oder [ber$j-de] 'Bürste'?), weil es hier eine klare Gliederung in "coda", "Junktur" und "onset" nicht gibt. Werner (1973b: 55) urteilt über solche Nuklei wie oben, daß es gar "nicht nötig" sei, "die dazugehörige Silbe abzugrenzen und überhaupt von Silben zu sprechen". Aus diesen Gründen werde ich mich im folgenden darauf beschränken, Mehrsilbigkeit und Silbenträgerschaft festzustellen und, wenn möglich, vorauszusagen. Für diese Zwecke genügen wenige grundlegende Kriterien, und deshalb verstehe ich Ladefogeds (1982: 220) Bedenken nicht, es sei "curiously difficult to state an objective procedure for locating the number of syllables in a word": Hat es nicht zumindest so viele

272

Silben wie silbentragende Segmente? Bestätigt nicht gerade folgender Fall, mit dem Ladefoged weitere Schwierigkeiten bei der Syllabierung belegen will, die relative Prcblemlosigkeit bei der Auffindung und Zählung von Silben, wenn man sich ans Kriterium unzweifelhafter Silbenträger hält (die L-spezifisch ermittelbar sind; s.o.)? "I would say that the word 'predatory' has three syllables because I say [predetli]. Other people who pronounce it as ['predstoli] say that it has four syllables" (ebd.).

Hier hat jeder recht, denn im ersten Fall sind nur drei, im zweiten vier Silbenträger da. Beide Äußerungen gehören auch verschiedenen (dialektalen/idiolektalen) Systemen an. Selbst wenn er innersystemar einen Prozeß von zugrundeliegend ['predatoli] zu realisiert ['prsdatJi] annähme, könnte im selben Sinne argumentiert werden: mit dem VOK-Schwund geht ein Silbenträger, also eine Silbe verloren o.a. Umgekehrt entstehen mit epenthetischen Vokalen, also neuen Silbenträgern, neue Silben. So ist auch Kloekes (1962: 134) Vermutung "daß Japaner das Wort sticks als viersilbig erfahren" (etwa *sitikuso?-f!R) und das engl. capitalist als sechssilbig (kjapitarisuto), nur die halbe Wahrheit. Nicht die englischen Wörter werden primär als höhersilbig empfunden, sondern deren /K-K/Cluster werden durch distributionell-phonotaktische Zwänge des Japanischen primär in /KVKV/-Strukturen verwandelt, wonach es sekundär nur zu verständlich ist, daß mit den epenthetischen Vokalen (neuen Silbenträgern) neue Silben entstehen. Insgesamt halte ich also die Abhängigkeit der Silbentruktur von der phonotaktischen Segmentreihung für viel höher,als dies etwa vennemann annimmt (s.o.). Und wo gesteuerte Syllabierungen vorliegen, muß man nach Einflüssen anderer als phonologischer Faktoren der Grammatik suchen und wird sie, hauptsächlich in morpholexikalischen Faktoren (wie Komposition z.B.) auch finden. Fürs Lst. formuliere ich die folgenden, vorläufigen und rein auf phonologischer Gesetzmäßigkeit beschränkten Regeln: (1) Jeder Vokal trägt eine Silbe. (2) Nasal und Lateral werden in bestimmten, unten noch näher zu spezifizierenden Umgebungen zu Silbenträgern. Zunächst liegen silbisch überhaupt nicht vorgegliederte Sequenzen vor wie (a) /gxOrn/ 'Karren1, (b) /xufn/ 'Haufen1, (c) /xeie/ 'Höhe1. Sie erhalten nach (1) zunächst eine Markierung für Silbenträgerschaft der Vokale (mit "," unter dem Silbenträger markiert): (a) [gxDrn], (b) [xufn], (c) [xeie]. Dieser Silbenträgerschaft von Vokalen ist 10.2.2. gewidmet. Die Beispielfälle (a) bis (c)

273

durchlaufen nun auch noch ein Regelwerk (2) zur Silbenträgerschaft von Konsonanten. Es ist Gegenstand von 10.2.3. Seine Ausgabeformen wären folgende (man beachte die Veränderung in (b)): (a) [gxnrn], (b) [xufn], (c) [xeie]. 10.2.2. Vokale als Silbenträger 10.2.2.1. Diphthong und Hiatus Wenn die vorhin aufgestellte Behauptung stintnt, daß jeder VOR ein Silbenträger ist, wie konnte es dann zum Kapitel "Der Einsilbler als Rahmen" (10.1.) ein Uhterkapitel "Vokalische Cluster" (10.1.5.2.) geben? /W/-Cluster müßten dann doch wohl zweisilbig sein: /bau/ /fai/

-> ->

*[bau] *[fai] l l

'Bau' 'fei 1

(Modalpartikel).

In Wirklichkeit wird aber [bau], [fai] realisiert. Im Grunde wird auch nicht [bau], [fai] realisiert, wie man immer wieder transkribiert sehen kann, denn mit Recht betont Kloeke (1982: 149), daß das Merkmal 'silbisch1 "nicht sinnvoll einem der beiden Elemente eines Diphthongs zuzuweisen ist" (auch wenn eines dieser Elemente, im vorliegenden Falle das [a], quantitativ [in Länge, Druck o.a.] vorherrscht). Stoßen nun aber nicht gerade die Vokale [a] und [u] oder [a] und [i] aneinander, gilt die Regel, daß jeder VOK ein Silbenträger ist, wieder. Es entsteht zwischen den beiden silbentragenden Vokalen ein Hiatus ("-"): [ge-enerd] 'geändert1, [gei-e] 'gehen'. Die Besonderheit des [au]- bzw. [ai]Clusters wird auch wieder deutlich, wenn daran noch ein VCK anschließt, [au] und [ai] bilden die eine Silbe, der hinzugekommene VCK die andere. Dazwischen liegt wieder ein Hiatus: [sau-er] 'sauer' [dai-er] 'teuer'

[sau-e] [sai-e]

'Sau' 'Säue'

[ge-aiderd]

'geeitert'

Man kann also einerseits die Regel, daß jeder VCK ein Silbenträger ist, zwar beibehalten, muß aber andererseits die Diphthonge davon ausnehmen. Man müßte für Diphthong und Monophthong eine Gemeinsamkeit finden, von der her das silbische Verhalten erklärt werden kann. Der Diphthong müßte definiert werden als "Zwielaut (Vokaldiade), der die sprachliche Funktion eines einfachen Vokals erfüllt" (Essen 1979: 94). Doch worin besteht diese Gemeinsamkeit? - Wenn man den Diphthong nicht anders als einen Monophthong als silbisch (genauer: als Träger einer Silbe) bezeichnet und gleichzeitig definiert, daß "each sound which

274

constitutes a peak of prcminence is said to be syllabic" (Jones 1960: 55), stellt sich als Besonderheit des Diphthongs gegenüber anderen VCK-Clustern und damit als Gemeinsamkeit mit Monophthongen heraus, daß er in seinen beiden Segmenten ein und "dasselbe akzentuelle [... ] Silbenmerkmal zu tragen hat" (Essen ebd.): "A diphthong is defined as an independent vowel-glide not containing within itself either a 'peak1 or a "trough1 of prominence" (Jones ebd.: 58). Bestimmte VOK-Cluster haben also nur einen 'Gipfel1, bestürmte andere wechseln nach 'Gipfel' und 'Tal'. Ob nun also Cluster der ersten Art (also Diphthonge) vorliegen oder der zweiten, ist nicht rein phonotaktisch zu entscheiden, sondern nur nach und zusammen mit Regeln der Akzentverteilung: VGK-Cluster mit gemeinsamem Akzent sind Diphthonge! Geraten vokalische Akzentträger, ganz gleich, ob es Di- oder Monophthonge sind, aneinander, gibt es einen Hiatus. Dabei ist es gleich, in welcher Reihenfolge HT und NT stehen: [,ge-'enerd] 'geändert' [,ge-'aiderd] 'geeitert' ['gei-,e] 'gehen 1

'Dia' 'Sau 1

['sau-,e

Wie man sieht, spielen die Quantitätsverhältnisse in diesem Zusammenhang keine Rolle. Unter distributionellem Aspekt läßt sich nur feststellen, daß es in der Reihenfolge - zu keinem Hiatus von stammauslautendem kurzem /V/ und NT-VOK kommen kann (s.o. 10.1.5.3.). Eine weitere distributionelle Fragestellung ist, ob nach einem HT-/Vi/ jeder Qualität ein NT-/e/ stehen kann. Hier scheint es nämlich zu "Apokopen" zu können. Als Testfall kann hier der INF dienen, der in zugrundeliegender Repräsentation erwiesenermaßen durch ein Morph /+e/ ausgedrückt wird. In der Reihenfolge der Kardinalvokale sieht der Befund bei den verschiedenen VCK-Qualitäten folgendermaßen aus: Qualität des HT-VOK HOCH

zugrundeliegend

NT-VOK realisiert?

TIEF

+ 4 + 4

Diphthonge

ja dsii+e gei+e droi+e Jax+e Jloi+e dui +e gxai+e drau+e

nein

dsü gei-e drtii /ai Jloi-e

|

dui gxai-e drau-e

'ziehen' 1 gehen ' 1 tragen ' 'schauen 1 1 schlagen" 'tun' 1 1

kauen ' trauen '

275

Eine Realisierung des NT-VCK /e/ und damit Zweisilbigkeit und Hiatus zwischen den Silbenträgern kernt also nur nach Diphthongen und den Langvokalen mit den Merkmalen [-HOCH.-TIEF] zustande. An alle ändern auslautenden Langvokale kann kein /e/ anschließen. Angesichts 'tiefer1 Formen mit /e/ muß man eine Apokope-Regel für die Fälle formulieren, wo das /e/ nach einem hohen oder tiefen langen Monophthong steht. Diese Regel gilt offenbar nicht für Langvokale im NT, wie der Fall [dii-ai] 'Dia' zeigt. Sie gilt ebenfalls nur bei konsonantisch ungedecktem NT-[e], denn Fälle wie die folgenden sind von obiger Regel nicht betroffen: [frii-er] 'früher', [blai-er] 'blauer 1 ,[(grois)dui-er] 'Großtuer'. Zur Frage, ob endungsloser PL wie bei [gxii]'Kühe' aus */gxii+e/ hergeleitet werden kann oder nicht, s.o. 8.2.1.1. "Ergänzungen". 10.2.2.2. Langvokale im Nebentonauslaut Im Einsilbler-Kap. 10.1.5.3. wurden schon auslautende Langvokale von mehrsilbigen, aber monomorphen Vförtem aufgezählt. Im Gegensatz zu diesen Wörtern, bei denen der auslautende /Vi/ den HT trug, geht es hier um auslautenden NT-/Vt/. Es gibt ihn bei allen Kardinalvokalen: -t-VEL

-VEL

HOCH

juinii

' Juni '

-HOCH -TIEF

gxpfei

' Kaffee '

roidjoi

TIEF

oimai

' Oma 1

briimOi

"prima 1

musgau

'Moskau'

'Alu' 1

Radio '

Diphthonge solbai

'Salbei'

'

Negativ ausgedrückt und auf vor sich gehende Entlehnungsprozesse bezogen, könnte man auch sagen, daß es im auslautende Kurzvokale nicht gibt und, wenn solche in der gebenden Sprache vorlagen, sie in der nehmenden (hier: im Lst.) gelängt werden (vgl. Behaghel 1927: 164-5). 1.0.2.3. Konsonanten als Silbentxäger 10.2.3.1. Nachhaupttonige Position In 10.2.1. wurden zwei Beispiele genannt, die sich in der Frage, ob Konsonanten Silben tragen, unterschiedlich verhalten: (a) [gxnrn] 'Karren1 vs. (b) [xufn] 'Haufen'. Der Auslaut von (a) ist so beschaffen, daß keine Nebentonsilbe mit dem Nasal als Träger entsteht, während sie bei (b) aus phonotaktischen Gründen

276

entstehen iruß. Was (a) betrifft, fiel schon bei den Zweier-Clustern auf, daß bei Einsilblern ein auslautender Nasal überhaupt nur nach Liquid und Lateral zugelassen war (s.o. 10.1.2.1.). Der Grund ist folgende Regel: Nasale werden nach nichtliquiden Konsonanten silbisch, der Lateral wird nach Konsonanten immer silbisch.

Auf der ändern Seite unterliegen Nasal/Lateral, gerade wegen ihrer Fälligkeit zum Silbentragen, keinerlei phonotaktischen Restriktionsbedingungen. Von Assimilation der Nasale an die Artikulationsorte benachbarter Konsonanten will ich hier einmal absehen (dazu mehr in 11.1.1.2.). So taucht silbischer NAS/LAT nach allen Klassen von Nichtliquiden und nach konsonantischen Clustem aller Größenordnungen auf: (1) nach auslautendem Einzelsegment NAS

[buidn] [asn]' [namn]

'Boden' '(wir)essen' '(wir)nehmen'

LAT [xodl] [lefi] [jdeql]

'Hattel(Ziege)' 'Löffel' 'Stengel'

Silbischer LAT zusätzlich nach VIER [gwiirl]

'Quirl 1

[ferdl]

'viertel 1

(2) nach Zweier-Clustern [malgn]

'(wir)melken 1

(3) nach Dreier-Clustern [gxüirbfm] 'Karpfen'

[Jneirbfl]'Zipfel1

(4) nach Vierer-Clustern [ernsdn]

'ernsten 1

Ab hier fällt LAT mangels geeigneter BasenU) aus, nicht etwa, weil ein *[ernsdl] phonotaktisch nicht möglich wäre. (5) nach Fünfer-Clustern [larnsdsn] ' ( d u ) lernst es ihm1 Die nächste Frage ist, welche Cluster in der von einem KCNS getragenen NT-Silbe Zustandekommen, wobei insbesondere interessiert, wieviele andere Konsonanten diese konsonantischen Silbenträger wieder binden können. Es liegt nahe, diese Frage anhand der Cluster zu überprüfen, die NAS/LAT schon in Einsilblern eingehen konnten. Demnach müßten alle NAS-/IAT-Verbindungen, wie sie oben für die Einsilbler festgestellt wurden, auch hier gelten, wo NAS/LAT silbisch

277

werden: Wenn in einem Einsilbler wie [tilds] 'altes' eine Sequenz [Ids] vorkam, so die Hypothese, müßte es dieselbe Sequenz auch geben, wenn der LAT Träger eine NT-Silbe ist: [bimlds] 'birtmelt es ? Daß dies hier nicht in dem Maße wie dort der Fall ist, liegt an einer Folge der Tatsache, daß diese Nasale/Laterale nach Konsonanten inner schon ziemlich am Wortende stehen, sei es 'nur1 als Auslaute, die zur Vfortwurzel gehören ([drugn.] 'trocken1, [giibl] 'Giebel'), sei es 'gar1 schon als Suffixe ([lois+n] 'lassen1, [bind+1] 'Bündel').Deshalb kann ihnen bestenfalls noch phonologische Substanz in Form von weiteren Morphen oder Enklisen folgen. Diese sind aber nun zu allermeist nach Artikulationsort unmarkiert, also ALV. Daher kann es bei silbischem NAS/LAT nur einen Teil von den konkreten Clustermöglichkeiten geben, die NAS/LAT in Einsilblern aufwiesen (s.o. 10.1.2.1.-3.). In der folgenden Liste beziehen sich die die Artikulationsartenmerkmale betreffenden Cluster-Angaben erst auf die Sequenz ab ( und inklusive) silbischem NAS/IAT: (1)

NAS-PLOS NAS-PLOS-FRIK

[ugs+n+d] [drugp+d#s]

(2)

NAS-FRIK [drugs*s] NAS-FRIK-PLOS [drugp+sd] NAS-FRIK-PLOS-FRIK[drugn+sd#s]

'trocknes 1 ' ( d u ) trocknest 1 ' ( d u ) trocknest es'

(3)

LAT-PLOS LAT-PLOS-FRIK

' (er) rammelt ( r e n n t ) ' 'bimmelt es 1

(4)

LAT-FRIK [iibl+s] LAT-FRIK-PLOS [jnabsl+sd] LAT-FRIK-PLOS-FRIK[biixl+sd#s]

'übles 1 ' ( d u ) schnäpselst' ' ( d u ) bügelst es'

(5)

LAT-NAS LAT-NAS-FRIK

'Wurzeln 1 ' ( s i e ) stützein es1

[roml+d] [bimi+d#s]

[wurdsl+n] [Jdiidsl+n#s]

' ( d i e Kuh) ochsent' 'trocknet es'

Wie es sich in den letzten Fällen schon andeutete, spielt es für die Realisierbarkeit solcher Ketten keine Rolle, wie umfangreich das Cluster nach dem ersten Silbenträger und wie groß es nach dem zweiten ist. Ein belegter Fall wohl nahe der oberen Grenze des lexikalisch-morphologisch (und vielleicht noch nicht einmal an der des phonologisch) Möglichen ist etwa [wurjdlsd] '(du) wurstelst' mit je einem Dreiercluster in der vom Stanm-VOK und vom LAT getragenen Silbe. Wenn an solche Cluster mit konsonantischem Silbenträger und nichtliquidem Auslaut nochmals Nasale antreten, werden diese selbstverständlich wieder silbisch: nach LIQ vgl.oben

[wurdsln]

nach -LIQ vs.

[ri>ml+d#n] [iibl+sd+n] [Jdiidsl+nttsttn]

[ugs+n+d#s#n]

'rammelt ihn ( u m ) 1 ' ( d i e ) übelsten 1 'stützein sie ihn 1

'ochsent sie denn? 1

278

Abschließend kamt noch ein Fall zur Sprache, bei dem ein Nasalkonsonant nach der zugrundeliegenden Repräsentation und in einer anzunehmenden Zwischenstufe ein Silbenträger ist, diese Rolle aber infolge eines phonologischen Elisionsprozesses wieder verliert. Differenziert man das Vorkamen postplosiver Nasale zusätzlich nach der Quantität des Stanm-VOK, tritt auf phonetischer Repräsentationsebene folgende Lücke ("*") zutage: /V/

zwar: aber:

gxedn bogn' drebm

'Ketten' 'backen' 'Treppen'

/Vi/

|

draidn JdOigip *laibm

'treten 1 ' staken (steckten}' 'leben 1

Statt *[laibm] wird diese Flexionsform (1./3.PL) als [laim] realisiert. Zugrunde liegt aber /laib+n/, was durch Seitenblicke auf andere Formen des Verbs /la:be/ und gleiche Flexionsformen anderer Verben rekonstruierbar ist. Ist also eine 'tiefe' Strukturbeschreibung (SB) (SB 1.1.)

/vi-b-n/

erfüllt, wird die phonemische /bn/-Sequenz in eine [m]-Phonie auf eine unten noch näher erläuterte Weise umgewandelt. Dasselbe gilt aber auch, wenn zwischen /Vi/ und /b/ noch ein /r/ tritt, also für (SB 1 . 2 . )

/vi-r-b-n/,

so daß man eine zusammenfassende Strukturbeschreibung (SB 1)

/Vi-(r-)b-n/

formulieren kann. Ein Beispiel für (SB 1.2.) ist etwa /eirb+n/-»· [eirm] ' (wir) erben'. Ein weiterer Fall einer Umwandlung von /...bn/ in [m] ist der Typ /XT>lb+n/ ->· [xülm] ' (die) halben1. Die Regel wird also auch ausgelöst, wenn folgende SB erfüllt ist: (SB 2)

/V-l-b-n/.

Die Ubereinstiitmung dieser Strukturbedingungen mit denen eines ändern phonotaktischen Problems, der [e]-Epenthese zwischen /b/ und heterorganem OBSTR (s.o. 10.1.2.5.) sind frappant. Auch hier stellt sich die schon in jenem etwas ändern Zusarmenhang aufgeworfene Frage wieder: Soll man auch beim vorliegenden Problem den Fall "mit /r/" in (SB 1) einbauen und eine gesonderte (SB 2) für /V-l-b-.../ ansetzen, oder soll man nicht lieber, wie oben beim Problem der [e]-Epenthese auch schon geschehen, eine regelauslösende Umgebung veranschlagen, von der angenommen wird, daß sie den geltenden Strukturregularitäten mehr entspricht? - Die zweite Lösung, die auf die Umgebungsfaktoren /Vi/ und LIQ getrennt Bezug nimmt, wurde auch hier wieder vorgezogen:

279 Regel: Die Umwandlung von zugrundeliegendem /bn/ in phonetisch [m] wird ausgelöst, wenn dem /b/ (a) entweder [VOK.+LANG] (b) oder LIQ vorausgehen. Anm. : Ob der in (b) genannte LIQ auf /V/ oder / V i / (impliziert /W/) folgt, ist wieder unerheblich. Auch braucht nicht nochmals darauf hingewiesen zu werden, daß im konsonantischen Auslaut LIQ in Kj-Position auf VOR folgen muß, d.h. kein anderer KONS ihm noch vorausgehen kann. Daß vor /b/ und nach /Vi/ von den Liquiden nur /r/ stehen kann, nach /V/ nur /!/, ist ebenfalls eine andernorts ( 1 0 . 1 . 2 . 5 . ) schon herausgearbeitete und oben beim Problem der [e]-Epenthese zwischen /b/ und heterorganem OBSTR bereits berücksichtigte phonotaktische Strukturregularität.

Die realisierten Formen [laim], [eirm] und [xülm] sind axis den zugrundeliegenden Repräsentationen in folgenden Stufen abzuleiten (Kontrollfall ist eine Sequenz mit /V/ und ohne LIQ vor /b/): Eingabe Regelwerk

drebn

(1) (2) Ausgabe

drebm1 |

drebm

|

(b)

| 1

(a) laibn

eirbn

xolbn

*laibm laim

*eirbm eirm

*xi>lbm xülm

j

xolm

|

laim

|

eirm

|

(1) Syllabierung und Assimilation des Nasals an die Artikulationsstelle des Labialplosivs (zum Zusammenhang von Silbenträgerschaft und Assimilation des Nasals s.u. 1 1 . 1 . 1 . 2 . ) . (2) Schwund des [b] nach (a) Langvokal oder (b) nach LIQ und vor homorganem NAS und damit Wegfall der Voraussetzung der Silbigkeit des [m]: Aus dem mehrsilbigen *[laibm] wird der Einsilbler [laim] mit VOR als Silbenträger Zur Regelfolge vgl. "Darstellungspraktischen Hinweis" von 5.2.

10.2.3.2. Vorhaupttonige Position Vorhaupttonige Silbenträgerschaft von Konsonanten ist ein Problem der Proklise. Am Ende von 6.1.1.4. wurde auf die Behandlung zweier Fragen im vorliegenden Kapitel schon verwiesen: (1) Welche Form wird als zugrundeliegend angesehen? (2) Wie kann die gewählte Form den phonologischen Ansprüchen proklitischer Stellung gerecht werden? Angesichts einer Variation [wii geids] 'wie geht es?1 vs. [es geid] 'es geht' steht man vor der Frage, welche 'Allo-Form1 des Pronomens man zugrundelegen soll: - zwei Allonorphe, die zwei getrennten Systemen, einem Proklise- und einem Enklisesystem, zugehören? - 'tief 1 /s/, aus dem proklitisch durch Epenthese [es] hergestellt wird, damit

280

es silbenfähig wird (eine Eigenschaft, die in der Proklise verlangt wird, die aber [s] von sich aus nicht mitbringt)? - 'tief /es/, bei dem enklitisch das [e] auf irgendeine Art getilgt wird? Beim definiten Artikel, der aus syntaktischen Gründen meist proklitisch vor der dazugehörigen Ncminalphrase steht, aber im Spezialfall, daß diese Nominalphrase von einer Präposition eingeleitet wird ("Präpositionalphrase"), Enklise zur Präposition ist, ist dasselbe Schwanken zu beobachten: [ufs dox] 'auf das Dach1 vs. [es dcx] 'das Dach'. Anm.: Letztgenannter Erscheinung der enklitischen Stellung des Artikels zur Präposition wird Bierwischs (1973: 109ff.) an sich richtungsweisender Ansatz, nach dem satzphonetische "Phrasierungseinheiten" zwar keine 1:1Projektion, aber doch eine Funktion "syntaktischer Struktur" sind, nicht ganz gerecht. Bei ihm bleibt auch in einer Präpositionalphrase PRÄP-ARTSUBST der Artikel Proklise zum Substantiv. Nicht zuletzt wegen Inkonsistenzen dieser Art plädiert Klavans (1985) für die "independence of syntax and phonology in cliticization".

Obige zum Pronomen gestellte Fragen sind also auch für den Artikel relevant. Bevor sie beantwortet werden können, ist zunächst nochmals daran zu erinnern, daß weder die klitischen Pronomina (z.B. [s]/[es] 'es') aus der betonten Variante der Pronomina (z.B. /das/ 'es') noch die klitischen DefinitartUcel (z.B.[es]/[s] 'das') aus der betonten Variante der Definitartikel (z.B. /das/ "das") synchron ableitbar sind. Dieser Nachweis wurde schon in 6.1.1.4. geführt. Vielmehr bilden sie (wie etwa auch der proklitische Indefinitartikel gegenüber der betonten Variante und dem Zahlwort 'eins') ein eigenes Paradigma (siehe ebendort) und zeigen in ihrer vorliegenden Form "gewisse Eigenschaften von Affixen: wie bei diesen handelt es sich um gebundene Morpheme, sie können also nicht selbständig auftreten" (Altmann 1984: 194). Sie sind aber syntaktisch und semantisch "echte Vförter" (ebd.), stehen sie doch in direkter Korrelation zu ihren volltonigen Entsprechungen. Man muß also nach eigenen zugrundeliegenden Repräsentationen dieser Klitika suchen. Zur Erleichterung dieser Entscheidung sei vorweg nochmals der Ausschnitt aus den Paradigmen der betreffenden Wortarten gegeben. Er bildet die Kategorien ab, in denen die [es]/[s]-Variation vorkommt. Da ihr beim Nasal eine [n]/[n]Variation genau entspricht, wird auch der dafür relevante Paradigmenausschnitt gegeben. Er betrifft Variationen wie [bain jdroxbl] 'beim Strobel' vs. [n jdroibl] 'den Strobel1 (PN). Die Repräsentationsform der folgenden Beispiele ist phonetisch:

281 Pers.-Pron. Def .-Art. 3.SG.MSK. AKK .DAT .NTR.NOM .AKK .DAT .PL. .DAT

dan dein das das dan dan (en)

Pers. -Pron.

Def .-Art.

Prokl . Enkl. Prokl. l Enkl.

es —

n n s s n nen

n nt es es n n1 1

n n s n n

Indef .-Art. Prokl .

Indef .-

Art.

n n

an an

n

an

1 1

Anmerkungen zur Tabelle: (1) Bei NAS wurden assimilierte labiale oder velare Varianten nicht verzeichnet. (2) Silbisches [n] wurde nur geschrieben, wenn Silbigkeit ausnahmslos gefordert ist: bei'Proklise (zum Nachweis dieser Behauptung siehe weiter unten). Nicht ausnahmslos gefordert ist sie bei Enklise. Deshalb steht dort ein nicht für Silbigkeit markiertes [n]. Doch soll das nicht heißen, daß dieses [n] nicht auch silbisch werden kann: dann nämlich, wenn es nach -LIQ steht und damit der obon in 10.2.3.1. formulierten phonotaktischen Regel unterliegt. (3) Dahinter, daß Indefinitartikel stets proklitisch vorkommen kann und nie pro- und enklitisch wie Definitartikel, vermute ich die semantische Motivation, Zusammenfall der beiden Wortarten zu verhindern. Testfall ist eine Präpositionalphrase: [bain Jdroibl] 'beim Strobel1 vs. [bai n Jus] 'bei einem Schuß'. (4) Daß nicht in jeder Flexionsform des Personalpronomens auch proklitische Varianten existieren, hat syntaktische Gründe, die oben in 6.1.1.4. schon genannt wurden: Oblique Kasus in der entsprechenden syntaktischen Position müßten betont sein. Also fallen die unbetonten Formen dafür aus. Nur der Casus rectus kann unbetont in vor- und nachhaupttoniger Position stehen. (5) Daß es umgekehrt bei der Enklise des Definit-Artikels keine Form im Casus rectus, dem NOM, gibt, liegt daran, daß Enklise in dieser Wortart an Stellung nach Präpositionen gekoppelt ist. Diese regieren jedoch oblique Kasus.

Alternierende Fälle kann es also nur (1) im Casus rectus der Prononina und (2) in den obliquen Casus der Definit-Artikel geben: (Zu 1) (Zu 2)

[es geid] [n nnern] [es fale] [n sain]

'es geht1 'dem ändern 1 'das Fell'AKK'den Säuen' -

[geids] [undern degl] [ins bede] [bain sain]

'geht es 1 'unterm Deckel1 'ins Bett 1 'bei den Säuen"

Eine Möglichkeit braucht jedenfalls nicht weiterverfolgt werden: die Klitika selbst nochmals in zwei verschiedene, allomorphische Systeme aufzuspalten, in ein pro- und in ein enklitisches. Denn die Alternationen sind voneinander synchron ableitbar. Doch auf welche Weise sind sie es? - Soll nun [es] oder [s] bzw. [n] oder [n] als zugrundeliegend betrachtet werden? - Aufgrund der Alternationsbedingung wäre beides berechtigt. Nur läßt sich [s] synchron nicht durch Synkope aus [es] ableiten (dazu 10.2.4.). Das spricht für ein zugrundeliegendes /s/. Ein zugrundegelegtes silbisches */n/ wäre ein Unikum. Auch das spricht

282

für zugrundeliegendes /n/. Aus den Basisrepräsentationen /s/ und /n/ jedoch lassen sich die proklitischen Varianten [es] und [n] plausibel herstellen. Dazu muß man ein weiteres Faktum kennen: das spezifische Verhalten von Proklisen gegenüber dem phonologisch 'normalen' der Enklisen. Es gehört zum Wesen der Enklitika, daß sie sich den Regeln der Auslautphonotaktik völlig fügen. Dagegen widersetzen sich die Proklitika einer spiegelbildlichen Einverleibung in Anlautphonotaxen: Zwar verhält sich [fer#n] 'für ihn' wie [gxern] 'Kern1, aber [n#obfl] 'den/einen Apfel* nicht wie [nobf] 'Napf. Zwar verhält sich [fer#j] 'für das1 wie [gxerj·-...] ' Kirsch (bäum)', aber [es beid] 'das Beet1 nicht wie *[jbeid] 'spät'.Bei Proklise müssen also die zugrundegelegten /n/ und /s/ selbständig realisierbar sein. Dieses gemeinsame Ziel wird für beide Monosegmente auf verschiedene Weisen erreicht. Das Ziel heißt Syllabierung, die Wege dahin sind: (1) Syllabierung des silbenfähigen Nasals selbst, (2) [e]-Epenthese bei nicht-silbenfähigem KONS, wo das [e] die silbentragende Funktion übernimmt: (Zu 1)

n -*-

n/Proklise

(Zu 2)

s ·+·

es/Proklise

10.2.4. Gibt es eine synchron wirksame Synkoperegel? Diese Frage wird hier unter dem Oberkap. "Mehrsilbigkeit und Phonotaktik" (10.2.) behandelt, da es sich um den möglichen Schwund eines Silbenträgers handelt. Vor Nasal

Bei NAS sieht der distributionelle Befund so aus: Vor nasalem Auslaut ist bis auf einen unten genannten Fall von DIM.PL.DAT phonetisch kein NT-[e] vorhanden, sondern der Nasal schließt entweder unsilbisch an nichtobstruenten (inkl. vokalischen) oder silbisch an obstruenten Stammauslaut an: di stributione11 nicht belegt

belegt

*en#

foidnl

'Faden'

Mit Seitenblicken auf das enklitische System läßt sich sogar ein Synkopierungsprozeß vor Auslaut-NAS belegen, da man dort PrononuLnalenklitika mit NT-[e] wie /de/ 'du' oder /se/ "sie1 hat, an die das Pronominalenklitikum /n/ 'ihn/ihm1 anschließt:

283 zugrundeliegend i

realisiert

*wil#se#n *wilsd#de#n

wilsn wilsdnl

| |

'will sie ihn' 'willst du ihn'

Damit ist ein kräftiges Indiz für einen auch synchron wirksamen SynkopierungsProzeß vor auslautendem [n] erbracht. Von daher bekannt man auch für die Deutung der PL.DAT-Fälle mit PL-/e/ und DAT-/n/, bei denen man gerne zusätzliche Beweise für die Berechtigung eines zu [n] synkopierten 'tiefen' morphischen Aggregats /e+n/ gehabt hätte (vgl. die "transparenten Paradigmen" zur Nominalflexion in 6.1.1.1./2.), einen gewissen Rückhalt: zugrundeliegend j

realisiert

*bairx+e+n *grois+e+n

bairxn groisn

| |

' ( a u f den) Bergen' ' ( m i t den) großen'

Hält man also obige Synkope-Regel für erwiesen, stellen die Fälle von DIM.PL.DAT einen 'Störfall1 dar, da sie das NT-[e] nie verlieren (vgl. 6.1.3.): [mid dan jraiblen un bladlen] 'mit den Schräublein und Plättlein1. Auf die phonotaktische Struktur kann man die Erhaltung des [e] nicht zurückführen, da sich z.B. gegenüberstehen: | zugrundeliegend (1) (2)

DIM.PL.DAT PL.DAT

*sen-le+n *seil+e+n

j realisiert seilen sei In

'Seelein' 'Sälen'

Zu (1), dem einzigen Typ für [en]-Strukturen, muß also nach einer ändern Erklärung gesucht werden. Sie wird weiter unten versucht. Vor Lateral Mit dem Nasal hat der Lateral gemeinsam, daß es vor ihm dann kein wenn er Auslaut-KONS ist:

[e] gibt,

distributionell nicht belegt | *el#

belegt noidll

'Nadel 1

Eine ähnlich gute Testsituation wie durch das Enklitikum [n] gibt es hier leider nicht. Selbst produktive morphologische Vorgänge wie /+l/-Ableitung (für Gerätenamen o.a.) schließen nie an [e]-Auslaute an (vgl. 6.1.4. und das dort zum morphologischen Status dieses [e] und der morphologischen Bedingtheit seines Schwundes Gesagte).Doch beschert uns ein anderer Prozeß, der mit DIM-/le/ in Verbindung steht, einen für Testzwecke glücklichen Fall: die Entstehung eines NT-[e] aus 'tiefen' Sequenzen der Art /...Kl+le/, die zu [...Kele]-

284

Sequenzen transformiert werden (zur 'Phonologizität1 und 'Morphologizität1 dieser Erscheinung siehe 8.2.1.2.; vgl. auch 6.1.3.): /dswibl+le/ ->· /sixl+le/ ->·

[dswibele] [sixele]

zu 'Zwiebel' 'Sichel·'

usw.

Was hier interessiert, ist das [e] als Produkt dieses Prozesses und die Frage: Warum schwindet das [e] vor [1] nicht? Erste These: SequenzStrukturen wie [grimle] oder [fädle] gibt es aus phonotaktischen Gründen nicht. Doch das ist nicht der Fall. Es gibt [grimle] [fädle]

"krümeln" '(ein)fädeln'

wie [bimle] wie [badle]

"bimmeln" 'betteln'

Zweite These: Es gibt zwar eine Synkoperegel/ aber sie ist in der Regelordnung so plaziert, daß sie die aus [l]-Vokalisierung entstandenen, sekundären NT-[e] nicht erfaßt, sondern nur die primären, die 'schon immer1 [e] waren. Diese extrinsische Regelordnung zu einem Fall wie [fädele] sähe, mit einem Vergleichsfall aus dem Enklise-Bereich (/wil#se#n/ "will sie Ihn'), so aus: Eingabe

fad-t-1+le

Regel- (1) werk (2)

fädele

Ausgabe

fädele

wil#se#n wilsn

Synkope [ 1 ] -Vokal isierung

wilsn

Da aber von Fällen, auf die Strukturbeschreibungen von Regeln zutreffen, zu erwarten ist, daß sie von diesen Regeln auch erfaßt werden, mutet eine Lösung über solche extrinsische Regelordnungen recht willkürlich an. Die prinzipielle Ablehnung solcher Regelordnungen "von außen1 für synchrone, in sich geschlossene Sprachsysteme wurde in 5.2. begründet. Dritte These: Die Synkopierungsregeln gelten für Lateral (und Nasal) nur, wenn kein weiterer Silbenträger (wie hier das zweite [e] in [fädele] usw.) folgt. Damit erwiese sich auch das oben zur Begründung von Synkopen verwendete Kriterium "Auslautstellung des KONS" als nicht ganz richtig, denn es käme darauf an, ob dem betreffenden KONS noch ein Silbenträger folgt oder nicht. Die Richtigkeit dieses Kriteriums wird sich in den folgenden Ausführungen noch mehrmals herausstellen. Anstatt von der etwas umständlichen Formulierung "Silbenträger folgt dem KONS oder nicht" werde ich im folgenden von silbisch "gedecktem/ungedecktem KONS" sprechen.

Da sie in den Zusammenhang der Diskussion dieser These gehört, sei zunächst die Frage der Synkope vor Obstruenten erörtert: Vor OBSTR

Folgender Vergleich zwischen ungedecktem NAS und ungedecktem FRIK zeigt eines ganz deutlich (Testfall ist wieder das Verhalten von Enklitika):

285 zugrundeliegend | realisiert [e] v o r N A S | * w i l s d # d e # n ] wilsdn [e] vor FRIK | *wilsd#de#s | wilsdes

'willst d u ihn 1 'willst du es1

NT-[e] bleibt vor [s] stabil, und zwar nicht etwa deswegen, weil aus phonotaktischen Gründen ein [Isds]-Auslaut verboten wäre, wie der Fall /wil+sd#s/ -> [wilsds] ' (du) willst es1 deutlich zeigt. Im Gegensatz zu MAS und IAT kann man also für FRIK (wie auch für PLQS, also insgesamt für CBSTR) folgenden distributioneilen Befund für [e] vor ungedecktem KONS aufstellen: distribut.Lonell belegt: mit [e]

belegt: ohne [ e ]

vor FRIK

gxeirmes gages

'Kirmes' 'cakes'*

oirms digs

' armes' 'dickes'

vor PLOS

gxumed grumed

'Kummet' 1 Grummet '

gxumd brumd

1

' (ihr) kommt' (es) brummt 1

* Von einem 1st. Kolonialwarenhändler aus dem Engl. in ein 'einheimisches' Wort transponiert, was ihm dann für den Rest des Lebens den 'Spitznamen' /gages/ einbrachte.

Fälle wie [airbed] 'Arbeit' oder [airbese] 'Erbse' stehen im Zusammenhang der [b]-Idiosynkrasie (vgl. 10.1.2.5.), so daß der '[e]-lose* Vergleichsfall gar nicht auftreten kann. Vgl. /exrb+d/ "(er) erbt1 ->· [eirbed], nicht *[exrbd]. Nun soll an die beim Lateral geäußerte These angeknüpft werden, Haft das prälaterale [e] in Fällen wie [jdagele] wegen der Silbenstruktur, d.h. wegen einem postlateralen Silbenträger, nicht synkopiert wird. Denn für dieses Problem bietet das Material "vor FRIK" zwar spärliches, aber wertvolles Material. Die Frage ans Material lautet: Was geschieht, wenn an nebentonige [es]-Strukturen eine weitere Silbe anschließt? - Wird dann synkopiert und damit die dritte These zum Prototyp [Jdagele] unwahrscheinlich oder wird auch dann nicht synkopiert und sonit jene These gestützt? Testfälle sind wiederum proncminale Mehrfachenklisen im Vergleich zugrundeliegender und realisierter Repräsentationen: zugrundeliegend

realisiert

*wilsd#de#se *wilsd#de#s#n

wilsdese wilsdesn1

'willst du sie' 'willst du es ihm'

Daß das /de/ nicht aus ikonischen Gründen unversehrt bleibt, zeigte der Fall, daß in /wilsd#de#n/ das /e/ von /de/ vor /n/ synkopiert wurde: [wilsdn]. Mit dem Fall [wilsdese] ist nun zwar der Fall [jdagele] gestützt, doch könnte Synkope vor [s] ja generell verboten sein, ob nun ein weiterer Silbenträger folgt oder nicht. Schließlich unterscheiden sich im ungedeckten Vorkommen die Umgebungen "vor LAT" und "vor FRIK" auch darin, daß im Gegensatz zu NT-[es]

286

ein MT-*[e]] gar nicht vorkamt und daher [1] im Gegensatz zu [s] viel stärker in den Verdacht gerät, vorausgehendes NT-[e] zu synkopieren. Das Manko bei [1] ist, wie gesagt, nur, daß man diese Wirkung nicht beweisen kann, da es keine Testfälle gibt, umgekehrt konnte die synkopierende Wirkung von ungedecktem [n] bewiesen werden. Doch tut man sich hier wieder schwer, einen Testfall dafür zu finden, daß [n] diese regressive Wirkung vielleicht nicht hat, wenn ihm weitere Silbenträger in der Enklise folgen. Doch fand sich im Spontanmaterial meines Korpus ein Beleg, der insofern ein äußerst glücklicher Zufall ist, als er den relevanten Kontrast in einem Satz enthält: [dse erjd woldsn jo mid eler gewnld - rvo nuine 'zuerst wollte sie ihn ja mit aller Gewalt (haben), na, nun hat sie ihn 1 .

D.h. : Vor dem nicht phonotaktisch, sondern ikonisch bedingten, gedoppelten Pronaninalenklitikum [nen] (vgl. 9.5. und 6.1.1.4.) ist das [e] von [se] in [xüdsenen] nicht synkopiert, während es vor dem monosegmental in ungedeckter Stellung stehenden [n] sehr wohl synkopiert worden ist, so daß [woldsn] vorliegt. Um auf [fädele], [jdagele], [naxele] usw. zurückzukönnen: die dritte These kann also auch von ändern Fällen her gestützt werden, auch von solchen her, die morphologisch nicht strukturiert oder zumindest in ihrer möglichen Strukturierung nicht durchschaubar sind: [naxele] wie [wilsdese] wie

[dnubelix] [xamese]

'Knoblauch 1 'Ameise 1 .

Wohlgemerkt: Diese präkonsonantischen [e] sind nicht phonotaktisch bedingt. Vgl. [grimele] [dnubelix] [wilsdese] [xamese] [xüdsenen]

mit mit mit mit mit

[grimle] [jnaiblix] [wilsdse] [namse] [xOdsnen]

s.o. 'schnäblig (eigen beim Essen) 1 ' (du) willst sie' 'nimm sie' ' (sie) hat es ihm' .

"Links1 sind vielmehr zugrundeliegende /e/ vorhanden und werden bei Deckung durch Folgesilbe nicht synkopiert. Dagegen sind die nachweisbaren Synkopen wie /wil#se#n/ -> [wilsn] 'will sie ihn1 oder 'isolierte1 Fälle wie [buidn] 'Boden1 oder [wordsl] 'Wurzel1 ohne ein Gegenbeispiel, das in ungedeckter Stellung ein *[en] oder *[el] im hätte. Folgende Regel kann nun formuliert werden: Vor LAT oder NAS wird, wenn diese ungedeckt stehen, vorausgehendes NT-[e] synkopiert.

287

Allein die Konsonanten mit den Merkmalen LAT und NAS sind in der Lage, die vom [e] zuvor getragene Silbe nun selbst zu tragen. Synkopierung ließ sich vor NAS beweisen. Vor LAT ließ sie sich zwar nicht beweisen, aber auch nicht widerlegen. Die Regel gilt nicht, wenn das [e] nach PROX steht: /sezrje+n/ 'Serien1 wird nicht zu *[seirjn], sondern bleibt [seirJen]. Vgl. dazu die distributionellen Defekte des [j] und [w], für das hier keine entsprechenden Belege vorhanden sind, im Auslaut (10.1.2.1.). Auch in der Umgebung /n__n/ wird nicht synkopiert. Diese Blockierung wurde, da sie im Zusanmenhang mit dem kcmpensatorischen Ikonismus steht, dort (9.2.) bereits begründet. Vor dem Hintergrund obiger Regel müssen [e]-1haltige1 Formen in synkopeverdächtigen Positionen wie vor ungedecktem MAS um so verdächtiger erscheinen, wie sie beim DIM.PL.DAT (einem am Kapitelanfang angesprochenen, aber aufgeschobenen Problem) vorkommen. Zwar könnte man sagen, daß NT-[e] vor ungedecktem NAS dann nicht synkopiert wird, wenn [1] vorausgeht. Doch erstens sprechen dagegen Fälle wie das oben schon erwähnte /5 :1+ + / ->· [seiln] 'Sälen' PL.DAT. Zweitens läßt sich obige Vermutung von der phonemischen Distribution her nicht stützen, (a) Fällen von DIM.PL.DAT stehen nämlich durchaus [e]-lose Belege (b) anderer Formenklassen gegenüber: (a)

[sailen] [aflen] [xairlen]

[bladlen]

'Säulein Äfflein Härlein

l ibj [failn] ' ( s i e ) feilen [lefln] (sie) löffeln [gwiirln] (mit) Quirlen

Blättlein' usw.[badln]

(sie) betteln" usw.

Da also phonologische Erklärungen versagen, muß man nach außerphonologischen Gründen für die Erhaltung des [e] im DIM-Morph [le] suchen: Man wird sie wohl nur in morphosemantischer (ikonischer) Motiviertheit erblicken können. PL.DAT von Diminutiven soll gegenüber PL.DAT von den zahlreichen Substantiven mit NT-[1] eine deutlich andere Struktur haben. Vor [r]

In vielerlei Beziehungen verhält sich [r] im distributioneil anders als die bisher behandelten Konsonanten, v.a. in ungedeckter Stellung. In dieser Stellung kann CBSTR ein OT-[e] vor sich haben oder nicht, können LAT und MAS kein NT-[e] vor sich haben, kann aber [r] nur nach einem NT-[e] stehen:

288 kons. Auslaut

NAS/LAT

*lüiden *lefel

"

+

lüidn lefl'

'Laden 1 'Löffel 1

OBSTR

grumed gxeirroes

+ +

+ -

brumd wDirms

1

dsider

[r]

*dsidr

1

Grummet 1 /brummt' Kirmes'/'warmes'

'(ich) zittere'

Folgt dem Konsonanten noch ein Silbenträger, gibt es folgende Distributionen: | l NAS/LAT

KONS + Folgesilbe mit NT-[e]

|

xodsenen lefele

+ +

lefle

'hat es ihm1 'löffeln'

brumder weirmse

? /'brummt er' 'Kirmessen 1 /'wärme sie! 1

gxexrmesn

+

+ +

dsidere

+

-

OBSTR

[r]

ohne NT-[e]

|*dsidre

'zittern'

Damit verhält sich "silbisches " [er] anders als silbisches [1] oder silbischer NAS, die bei einem hinzutretenden VCK, der ja eine neue Silbe trägt, desyllabiert werden: aus aus aus aus

[lefl] [naibl] [xausmOxn] [ugsn]

+ + + +

[e] [ix] [e] [e]

wird wird wird wird

[lefle] 'löffeln' 'neblig' [naiblix] [xausmoxne] 1 hausgemachte' [ugsne] Ochsnen'* usw.

* 'Brünstigsein von Kühen'

Ein weiteres spezifisches Verhalten legt gedecktes NT-[er] an den Tag, wenn es einem Diphthong folgt: Die überwältigende Mehrheit der Fälle folgt dem Typ [lauere] 'lauem1 zu [lauer] "Lauer1. Doch sind als Varianten zu [aiere(r)] und [mauere] die Formen [aire(r)]

'eure/eurer' bzw. [maure] 'mauern' belegt. Weil

Gewährsleute, auf die Varianten angesprochen, versicherten, es heiße "eigentlich [aiere]" oder "eigentlich [mauere]", nehme ich an, daß auch dieses Schwa im Lst. 'eigentlich' "constans" im Sinne Isacenkos (1974: 142) ist und nicht "mobile" wie das des Hd. NT-[ded] Eine Art von Elision des NT-[e] betrifft aus dem enklitischen Bereich Fälle wie [xosder]

/xo+sd#de#der/

'hast du dir 1

[obsdan]

/ob+sd#de#dan/

1

ob du den'.

289

Diese Elision kann nicht als Synkope erklärt werden, denn erstens ist nach dem bisher Gesagten Synkope schon wegen der Silbenstruktur nicht zu erwarten und zweitens gehört [d] gar nicht zu den Konsonanten, die regressiv NT-[e] synkopieren können. Fälle mit einer ändern Konsonantenkonstellation dagegen zeigen das erwartete regelmäßige Verhalten, z.B.: /ob#se#der/

-*·

[obseder]

Ob sie d i r ' .

Also scheint der [e]-Schwund der obigen Fälle damit zu tun zu haben, daß das [e] in der zugrundeliegenden Form zwischen zwei [d] stand. Hier erinnert man sich daran, daß es im Lst. dann, wenn in der zugrundeliegenden morphologischen Agglutination zwei [d] aneinandergeraten wären, im Gegensatz zu ändern auf diese Art aneinandergeratenden Konsonanten nie die Möglichkeit genutzt wurde, das Verschmelzen durch [e]-Epenthese zu verhindern - auch nicht, wenn die Möglichkeit fehlte, durch Kürzung verlorengegangene Ikonität zu kompensieren (vgl. 7.1.1., 8.1.1.1., 8.1.2., 9.1.): /wed+d/ /ferjbud+d/

-> ->·

[wed] [ferjbud]

' (er) wettet 1 ' ( e r ) verspottet'

usw.

Es spricht also einiges für die Annahme, daß es [ded]-Sequenzen mit NT-[e] aus phonotaktischen Gründen nicht gibt, so daß selbst zugrundeliegendes [ded] zu [d] verschmolzen wird. [ge}-Präfix:

Synkope in vorhaupttoniger Silbe?

Mit dieser Überschrift ist im Grunde zu viel an Deutung schon vorweggencnmen. Ausgangspunkt ist zunächst die Beobachtung, daß es ein [g]-Präfix gibt, das in bestimmten Fällen mit [ge] variiert - und zwar frei und ohne an bestimmte Basiswörter gebunden zu sein, wie man trotz der Tatsache, daß mit Zufälligkeiten im Belegkorpus zu rechnen ist, aufgrund der Verhältnisse bei 86 verschiedenen Verben behaupten kann. /g/ kann demnach vor /f/, /s/, /;/ und /x/ stehen, also vor all den in dieser morphanlautenden Stellung zugelassenen Frikativphonemen. /g/ kam vor jedem der mit den genannten Frikativen möglichen Anlautcluster vor, was oben zu /K^KjKjK^.. ./-Anlautkombinationen wie /g;dr-/ geführt hat (vgl. 10.1.1.). Der Versuch, Gründe für die Verteilung von [g] versus [ge] zu finden, schlug bei aller Reichhaltigkeit des Materials fehl. Sicher ist nur, daß bei nichtfrikativem Anlaut bis auf noch näher zu besprechende Sonderfälle intner [ge] vorkamt. Die Frage ist nun, ob man von zugrundeliegend /ge/ ausgeht, das vor frikativem Anlaut zu [g] synkopiert wird, oder ob eher die Annahme eines zugrundeliegenden /g/ gerechtfertigt ist, das [e]-Epenthese fordert, wenn es vor anlautendem

290 PLOS NAS LIQ PROX

wie wie wie wie

in in in in

*/g+buird/ */g+numn/ */g+laid/ */g+weirxd/

-»· -> -*· -*·

[gebuird] [genumn] [gelaid] [geweirxd]

'gebohrt' 'genommen 1 'gelegt' 'gewürgt 1

zu stehen könnt. Diese Möglichkeit scheidet zwar nicht für Vg+PLOS/ und */g+NAS/ aus, wo tatsächlich ein phonotaktisches Verbot besteht (s.o. 10.1.1.), aber doch ganz deutlich für /g+LIQ/, wie nan an /glam/ 'klein1 sieht, und für /g+PRQX/, wie man an /gwair/ "quer1 sieht. Semit spricht mehr für die erste Möglichkeit: [g] aus /ge/ abzuleiten. Die Wechselfälle deuten in dieser Perspektive darauf hin, daß vor Frikativ eine Tendenz zur Synkopierung dabei

ist,

um sich zu greifen. Wie jung dieser Vorgang ist und wie stark mein Hauptgewährsmann (s.o. 2.2.1.) diese Neuerung mitträgt, geht aus einer Bayreuther Hauptseminararbeit von 1986 hervor, die auf Grund einer eigens dieser Frage gewidmeten Erhebung zu einem viel konservativeren Befund gelangt. Wirkungsfeld dieses Prozesses ist vorläufig nur das /ge/-Präfix, denn /be/-, /dse/-Präfix und proklitischer Artikel /de/ z.B. sind nicht davon betroffen. Nun wäre es natürlich ein Kurzschluß zu sagen, daß Synkope in den zuletzt genannten Fällen nicht zugelassen sei,

da dies zu phonotaktisch verbotenen Mustern führte. Denn

erstens gälte das zumindest nicht für Synkope-Produkte wie *[bfaile] aus [befalle] 'befehlen 1 , vgl. [bfaird] *[dsaue] aus [de saue] 'die Sau 1 , vgl. [dsaun]

'Pferd' 'Zaun 1 .

Zweitens wäre der Schluß, daß die Synkope [gfnln] 'g/Gefallen' erlaubt sei, weil [gf] ein zulässiges Anlautmuster darstelle, und daß die Synkope *[bsux] 'Besuch1 verboten sein, weil *[bs] ein unzulässiges Anlautmuster darstelle, zirkulär. Wenn [g] synkopiertes /ge/ ist, kann man behaupten: Cluster wie [gf] (aber auch [gfr] oder [gj] oder [gjbr]) können nur zustande, weil /ge/ synkopiert wird. Diese Muster sind nämlich durch Fälle, die nicht von einer Morphgrenze zwischen [g] und dem Stamm zerschnitten sind, gar nicht vorgeprägt. Die Synkope des /ge/ ist deswegen gar kein Prozeß, der als Ziel eine als Muster fungierende, 'auch sonst" verkennende Anlautstruktur erstreben würde. Er muß also anders als durch Vorbildwirkung irgendwelcher prä-existierender Cluster entstanden sein: Der /ge/-Synkopierung ist es zu 'verdanken1, daß es diese Anlautstrukturen im Lst. jetzt gibt. Für Fälle wie [be] gibt das zu der Spekulation Anlaß und Berechtigung, daß es nur einer ebensolchen Synkope bedarf, damit Cluster wie *[bj"dr] in *[bjdroifd] 'bestraft' entstehen. Die oben angesprochenen Sonderfälle sind: (1) [gasn] , entweder aus 'tief /ge+as+n/ 'gegessen1 mit einem [e]-Schwund der sonst vor Vokal kein Beispiel hat (vgl. [ge-airbed] 'gearbeitet1,

291

[ge-arnd] 'geerntet' usw.) oder aus einem Stairm-AllcniDrph /gas/ im P.P., also dann zugrundeliegend Vge+gas+n/, dessen Realisierung [gasn] man mit einem Schwund des ganzen Präfixes /ge/ (vor anlautend /g/?) in Verbindung bringen könnte. Daß aber auch eine Erklärung des angenommenen Totalschwundes des Präfixes ihre Tücken hat, wird bei der zweiten Gruppe deutlich: (2)

[gaibn] 'gegeben' [griixd]'gekriegt 1

[gönn] 'gegangen 1 [wuirn] 'geworden 1

[gxumn]

'gekommen'

Hier fehlt ein /ge/-Präfix völlig, wobei man für die ersten vier Fälle fragen könnte, ob es nicht mit im Anlaut -[g]'steckt1. Denkbar wäre etwa Synkope des /ge/ zu [g] mit anschließender Geminatenverschmelzung von Präfix- und Anlaut-[g], z.B.: *[g+gt>nn] -> [guijn]. Wenn auch der [g]-Anlaut von vier Fünfteln der betroffenen Fälle einen Verdacht in diese Richtung befördert, so gibt es doch genügend Gegenbeispiele dafür, daß von einem phonotaktischen Verbot einer [geg]Sequenz mit NT-[e] anders als von einem entsprechenden [ded]-Verbot (s.o.) nicht ausgegangen werden kann: Die Beispiele [gegaidn] "gejätet1, [gegxuxd] 'gekocht1 und [gegreibed]

'gekräht1 mögen genügen. Außerdem wäre damit [wuirn] nicht zu

erklären. Dieser Fall führt vielmehr auf eine andere Spur, die eventuell auch für die Lösung obiger Fälle weiterhilft: eine Markierung dieser Verben mit einem semantischen Merkmal PERFEKTIV (vgl. Braune/Eggers 1975: § 323, Anm. 1), bei dessen Vorhandensein kein Präfix addiert würde. Allerdings kommt dieses Verfahren einer Behandlung gleich, bei der die betreffenden Verben von vornherein und, ohne den Umweg über bedingende Merkmale wie PERFEKTIV (die synchron gar nicht ohne weiteres erkennbar sind), nur als besondere präfixlose Klasse behandelt werden. (3) Akzentuell bedingt ist das Fehlen des gesamten P.P.-Präfixes vor Wörtern mit einer Vorsilbe, die auf der gleichen Stufe von Schwachtonigkeit steht wie das [ge]: nicht

l

*,ge,er'dseild *,ge,be' fnsd * , ge , dse ' moxd *,ge,bo' siird *,ge,brD' wiird

sondern ,er'dseild ,be' füsd , dse ' mcxd ,ba' sürd ,brr>' wiird

'erzählt 1 'befaßt 1 1 zermacht 1 ** 'passiert' 'probiert 1

** 'Heu zerstreut 1

Dabei ist es belanglos, ob diese Vorsilbe allein oder zusammen mit noch ändern (und stärker betonten) Silben steht:

292 nicht

l sondern

*,ge'nai , d e ' r ü r d ' n a i , de 1 rürd 'nähteriert 1 ** 1 1 *,ge· fn.de'gro f ü r d ' ftJ.de.grD f ü r d 'fotografiert' * , g e I l a i , n e ' w a i , b e " r ü r d ' lai.ne'wai.be'rürd ' Leineweberiert1*** **

' ( i n Heimarbeit) geschneidert 1 *** ' ( i n Heimarbeit) Leinen gewebt1

Es liegt auf der Hand, daß Wörter mit trennbarem Suffix davon nicht betroffen sind. Die Serialisierungsregel zu diesen Fällen plaziert das /ge/ vor den haupttonigen Verbstanm. Zusammenfassung

Die in der Überschrift zu diesem Kapitel gestellte Frage läßt sich also folgendermaßen beantworten: Ja, es gibt eine synchron wirksame Synkoperegel im Lst., aber nur eine ganz geringe Zahl von Umgebungen, die sie auslösen. Viele der vor KONS [e]-losen Suffixe und Klitika des Lst. mögen historisch durch [e]-Schwund entstanden sein - synchron liegen ganz einfach Formen ohne [e] vor. Damit ist Isacenkos(1974: 146) Forderung, bei Variation zwischen "expliziterer"([e]haltiger) und "elliptischer" ([e]-loser) Form stets von der "expliziteren" als der zugrundeliegenden auszugehen, die Basis entzogen. Das Umgekehrte erwies sich mehrfach als berechtigt: rein konsonantische Sequenzen mit epenthetischem [e] zu versehen. Man vergleiche in rein phonologischem Zusammenhang z.B. nur /laib+d/ ->- [laibed] 'lebt 1 ( 1 0 . 1 . 2 . 5 . ) oder /s gald/ -*· [es gald] 'das Geld1 ( 1 0 . 2 . 3 . 2 . ) , dazu in morphonologischem Zusammenhang Beispiele wie /wuin+n/ ->· [wuJnen] '(sie) wohnen' und /grois+s/ -*· [groises] 'großes 1 (Kap. 9 . ) .

11.

"Etische" Phonologie: Allophonische Distribution und komplementäre Verteilung

In 10. wurden durchaus beträchtliche distributionelle Lücken bestimmter Segmente nicht als ausreichend dafür betrachtet, deren phonemischen Status zu bestreiten. Etwas anderes ist es, wenn sich distributionelle Lücken und Nichtlücken des einen Segments und distributionelle Nichtlücken und Lücken eines ändern komplementieren, also das eine genau da vorhanden ist, wo das andere fehlt und umgekehrt. Solche Segmente variieren nur auf der Oberfläche, während Segmente, die 'nur 1 distributionelle Defekte aufweisen, auch in zugrundeliegenden Formen variieren. Komplementär verteilte Phone sind Allophone und stets aus Prozeßregeln von zugrundeliegenden Phonemen hergeleitet (vgl. dagegen die nur latent prozessualen, sonst aber statischen Regeln zu distributionellen Lücken in Kap. 10.).

293

Voraussetzungen Maxime der natürlichen generativen Phonologie und Inhalt ihrer wichtigsten Regel, der Alternationsbedingung, ist, daß das zugrundeliegende Segment eine der auch konkret geäußerten Varianten und nicht nur ein abstraktes Symbol ist. Jedes zugrundeliegende Segment ist in diesem Sinne auch aussprechbar, ist selbst also schon eines seiner möglichen Allophone. Allophonisch kann es jedoch auch 'anders1 ausgesprochen werden. Ob diese Allophonie eines Phonems wieder mit einem ändern Phonem identisch ist (/n/-»· [m]; vgl. /m/) oder nur allophonisch vorkamt (/x/ -»· [9]), ist belanglos. Die strenge Regel, bei phonetischer Variation eine der Varianten zum Phonem zu machen, hat noch weitere Implikationen: Bei variierenden Allo-Segmenten muß stets eine Entscheidung fallen, welches Segment zugrundegelegt wird, welches andere (welche ändern) davon abzuleiten ist (sind). Bei dieser Wahl werden Kriterien phonologischer Markiertheit hilfreich sein. Ferner impliziert obige Regel, «foft mit sog. "Archiphonemen" nicht gearbeitet wird, denn sie sind ja gerade nicht aussprechbar. Sie bestehen nur aus einem oder mehreren Merkmalen, nie aber aus einem kompletten (und daher äußerbaren) Merkmalsbündel. Aus dem rein praktischen Grund der leichteren Les- und Schreibbarkeit habe ich euch bei Phonemen nicht immer deren genaue phonetische Normalrepräsentation geschrieben. Selbst bei Allophonen solcher Phoneme werde ich im folgenden aus demselben Grunde nicht immer deren genauen phonetischen Wert transkribieren, sondern das der Lautung am nächsten kennende leicht lesbare Schriftzeichen wählen und damit das praktizieren, was von der IPA unter "broad transcription" verstanden wird. Da natürlich die tatsächliche Lautung nicht unterschlagen werden darf, gebe ich in folgender Tabelle Auskunft darüber. Rechts (in der Tabelle unter ( 2 ) ) steht jeweils der Lautwert des (links, unter ( 1 ) ) geschriebenen Symbols. Diakritika sind hier nicht berücksichtigt. Sie stehen für eine genaue phonetische Lauteigenschaft, werden aber zu einem geschriebenen Symbol notiert, das selbst nicht unbedingt auch für den genauen Lautwert steht. Z.B. schreibe ich [ü] für zentralisiertes, kurzes [ u ] , das genaugenommen [üi] ist; [ü] steht also für den genauen Lautwert [M], wie [u] für den genauen Lautwert [ ] steht.

Unter (1) wird in der Tabelle, obwohl dies in einer generativen Phonologie unerheblich ist ( s.o.), nochmals danach differenziert, ob das Symbol (a) für Phoneme steht, die ggf. identisch sein können mit Allophonen eines ändern Phonems (s.o. Beispiel /n/ ·> [m] wie /m/), oder ob es (b) für Segmente steht, die nur allophonisch und nie auch phonemisch sein können:

294 VOR (2)

(1)

(a)

KONS

(a)

(b)

i e a •B

(2)

(D (b)

I

b

b

3

d

d

a

g

g

f s J

v z 3

B

D O

*

u

tu

ii e:

ii e:

ai

ai

DI

01

vi

ui

C1I

*Steht für entrundetes [o]

X

l

3 fi m n

m n 0

Q

1

1

r

R

H

H

X

X

W

J

j

Zu VOK

Die nicht-runden Lautwerte [m] und [Y] der 'normalerweise' runden, nichttiefen, velaren Vokale und der dazu entgegengesetzte, runde Lautwert [ ] des 'normalerweise' nicht-runden, tiefen, velaren Vokals scheinen sich zu widersprechen bzw. dafür zu sprechen, daß sich die Velar-Reihe des Lst. genau umgekehrt zum 'Normalen' verhält, wie es in den "charts" der "Principles" zu finden ist. Doch ist dem nicht so: Nicht tiefe Velarvokale und tiefer Velarvokal nähern sich im Rundungsmerkmal in einer Weise einander an, daß es schließlich neutralisiert wird. Da es für diesen Neutralwert keine transkriptive Ausdrucksmöglichkeit gibt, sondern die Symbole nur für entweder 'rund 1 oder 'nicht-rund' stehen, habe ich zu dem Mittel gegriffen, den jeweils markierten Wert zu schreiben: Entrundung für nicht-tiefe Vokale, Rundung für tiefen. Zu KONS

Die Lautwerte der Obstruenten (im Lst. nur Lenes) stehen gegen die weitverbreitete, auch von der IPA geübte Praxis nicht schon für Stimmhaftigkeit, sondern zunächst nur für stimmlose Lenes, die 'nur 1 potentiell stimmhaft werden können (so auch Meinhold/Stock 1980: 121), dazu aber eine entsprechende Umgebung brauchen. Stimmhaftigkeit muß dann zusätzlich gekennzeichnet werden: Mit dem Diakritikumf v ] (z.B.[bJ oder [z] ) . So verfährt auch die deutsche Sprachgeographie in einer Traditionslinie vom Schweizerdeutschen über den Südwestdeutschen bis zum Nordbairischen Sprachatlas. Vgl. den auch für diese nachfolgenden Projekte grundlegenden Transkriptionsschlüssel bei Hotzenköcherle (1962: 79 f f . ) . Die Praxis, für Lenisplosive [b, d, g] zu schreiben, für Lenisfrikative aber [f, s, J , x] und nicht [v, z, 3 , ], ist zwar lautsystematisch inkonsequent, schien mir aber vom typographischen und Leser-Standpunkt her gesehen vorteilhafter.

295

Welche Typen von Merkmalen ('Sub 1 -, 'Archi1-, "Oberklassen"-Merkmale) aufgeboten werden müssen, damit alle Segmente gleich welchen phonologischen Status in einer Matrix erfaßt werden können, wurde in 5.4. ausführlich dargestellt. 11.1.

Konsonanten in komplementärer Distribution

11.1.1.

Parameter Artikulationsort

11.1.1.1. Postkoronale Phonem /x/ Allophone von /x/ sind [h] auf der einen,[x] selbst und [9] auf der ändern Seite. Diese erste Stufe von Komplementarität ergibt sich nach An-/Auslautstellung (zu den phonemischen Anlautclustern unter Beteiligung von /x/ vgl. 10.1.1.): Anlaut

h

Auslaut

hund ghund

' Hund ' konnte

1

duix diic bairc

X,f

'Tuch' 'dich 1 'Berg'

Eine zweite Stufe ergibt sich nach dem Kriterium des den Lauten [x, 9] vorausgehenden Segments, [x] tritt nach nichtpalatalen Vokalen auf, [9] sonst: Anlaut

Auslaut nach



VOK -PAL

h

haim

x

-

duix

9

-

-

"VOK: PAL

oder KONS

-

GLOT

VEL dil F,

bair ?

PAL

Nach welchen Konsonanten das Phonem /x/ und damit sein Allophon [9] stehen kann, wurde in 10.1.2.1. herausgefunden: Es ist nur / r / .

Daß die phonetische Variante [x] als phonemisch angesetzt wurde, mutet willkürlich an. Genausogut könnten [h] oder [9] die zugrundeliegende Form bilden. Ein guter Testfall in der Frage, ob [x] oder [9] zugrundegelegt werden sollen, könnte der Vokal [a] sein, denn er hat die Merkmale -VEL und -PAL und nimmt eine gewisse neutrale Stellung ein: Fälle wie [fdax] 'stich!' mit diesem VOK sprechen für [x] als Basisform.

296

Für [h] als phonanische Form könnte die Anlautposition als eine wenig von der Umgebung beeinflußte sprechen. Für [x] oder [c] und damit gegen [h] spricht allerdings wieder die Tatsache, daß bestimmte zugrundeliegende postkoronale Segmente entweder beachtliche Reduktionen mitmachen, wenn sie in Anlautposition geraten, oder in dieser Stellung gar eine distributioneile Lücke aufweisen: Nasal [n] kamt im Anlaut nicht vor, Liquid [R] ist dort zu allermeist auf die Variante eines Approximanten [B] reduziert (s.u. 11.1.2.3.). Parallel dazu ließe sich die Umwandlung eines zugrundeliegenden velaren/palatalen Frikativs in anlautenden 'Frikativoid' [h] erklären, der wohl ebenfalls zum Merkmal PROX neigt (Ladefoged 1982: 61-2). Letztenendes hat mich zur Wahl des [x] als zugrundeliegenden Elements die Tatsache bewegen, daß es sich 'nach vorne' zu [9] und 'nach hinten1 zu [h], wenn nicht in Äguidistanz, so doch in einer Mittelstellung befindet. Außerdem ist sein absoluter Markiertheitswert niedriger als der von [9] und [h] (vgl. Kloeke 1982: 59). Bei FRIK ist also im Bereich des 'Archi1-Merkmals POSTKOR nach den komplementär distibuierten phonetischen 'Sub'-Merkmalen PAL, VEL und GLOT zu differenzieren. Das allophonische FRUCSegment mit dem Merkmal VEL (also kein "Archiphonem" POSTKOR!) wurde gleichzeitig als zugrundeliegende Form genommen, die beiden ändern davon abgeleitet (siehe Pfeile): POSTKOR PAL VEL GLOT PRIK

·*- x -> h

Was die Palatalisierung des Velars betrifft, so tritt sie in denselben Umgebungen natürlich auch bei Plosiven und Nasalen ein. Nur ist dort das Ergebnis erstens nicht so 'ohrenfällig' wie bei (frikativen) Kontinuanten und zweitens nicht so weit "advanced" ("Principles" [1949] 1977: 16) in Richtung PALV. So können PLOS [g] und NAS [ ] durchaus vor, wobei für [g] auch regressive Wirkung der VOK-Umgebung im Anlaut gilt: [gid] '(er) gibt' wie [dig] 'dick1. Nur habe ich diese Varianten bei der Fragebuch-Erhebung mit sofortiger Transkription nie notiert. 11.1.1.2. Nasalassimilation Der Sachverhalt "komplementärer Distribution" t r i f f t selbstverständlich (s.o. 10.1. generell; spezieller 1 0 . 1 . 4 . 2 . ) nicht auf die Nasale überhaupt zu, denn diese können Oppositionen bilden. Er ist hier vielmehr auf Nasale im Nebenton eingeschränkt.

Progressiv In den folgenden Fällen sind die auslautenden Nasale alle Morphe der Stamm-

297

oder Pluralbildung der Substantive, der Verbalflexion oder Klitika. Sie haben sich durch Seitenblicke auf Alternationen alle als zugrundeliegendes /n/ erwiesen. Als solches [n] haben sie sich zu einem Teil in folgenden Beispielen erhalten, in ändern Teilen wurde das /n/ zu [m] oder [n] assimiliert: [gxüsdn]'Kasten 1 [baisnj 'Besen' [drajn] '(sie)dreschen' [jdrijn] 1 (der)Strichen'

[gxibm] '(sie)kippen 1 [Jdagn] [buxn] [gxuifm]'Kufen'

'Stecken 1 '(sie)pochen 1

[büln] 'Ballen 1 [gxnrn] 'Karren 1

Als [n] realisiert werden diejenigen Nasale, die keine Silbe tragen, und von den Silbentragenden diejenigen, die nicht nach labialem oder velarem Obstruenten stehen. Man muß also die phonetische KONS-Realisationen abwarten, da nach [9] noch [n], nach [x] aber schon [n] steht. (zur Regelfolge vgl. man den Darstellungspraktischen Hinweis in 5.2.) Daß wirklich die Silbenträgerschaft Voraussetzung von Nasalassimilation ist, sieht man nicht nur an den LIQ-NAS-Auslauten wie [bOln], wo MAS nicht silbentragend wird, sondern auch an folgenden Gegenbeispielen zu obigen Fällen mit assimiliertem, silbischem Nasal: [gxibnen] [gxizfner] [jdagnen] [buxnen]

' (sie) kippen ihn 1 vs. •Küfner 1 ' (sie) stecken ihn 1 ' (sie) pochen ihn*

[gxibm] [gxuifm] [ Jdagq }

In morphisch nicht strukturierten Fällen wie [ufm] [drugn] [raxq]

vs. vs. vs.

[einer] Offen/Öffner 1 [drugner] ' trocken/trockner' [raxne] ' (ich) rechne/rechnen'

berechtigt die Alternation übrigens zur Veranschlagung eines tiefen /n/ in /ufn/, /drugn/ und /raxn/.

Silbentragend zu sein, ist also Voraussetzung für progressive Assimilation des /n/ durch vorausgehende labiale und velare Obstruenten. Diese Assimilation wird teilweise unterdrückt, und man hört nach FRIK [uifn] Ofen1 oder [dnuxn] 'Knochen1, nie aber nach PLOS *[lnbn] 'Lappen1 oder *[bt>gn] 'Backen1. Letzteres hängt damit zusammen, daß nasale Plosion (s.u. 11.1.2.3.), die die Aussprache enorm erleichtert, hier gar nicht möglich wäre. Damit hat man eine natürliche Erklärung dafür, daß silbischer Nasal nach PLOS ausnahmslos assimiliert wird. Wie die Aussprachen [uifn] und [dnuxn] könnten auch die Aussprachen von [namn] ' (sie) nehmen1 und [sinn] ' (sie) singen' unterdrückte Assimilationen

298

sein, etwa dadurch motiviert, daß nicht nur hcroorgane, sondern durch NAS-NASFolge auch homogenetische Cluster entstünden, die der Degeminierung unterlägen. Destruierter Ikonisntus (s.o. Kap. 9) wäre die Folge. Vergleichsfall in der Tabelle ist /fine/ 'finden1: zugrunde-| liegend /nam+n/ und /sin+n/ wie /fin+n/

l Assimilation! *[namm] *[siqn] -

l

Degemination *[nam] *[sin] *[fin]

daraus folgt: Unterdrückung der. ...Assimilation ...Degemination**

/nam+n und /siq+n/ wie /fin+n

[namn] [sinn] -

** Durch kompensatorische

[finen] [e]-Epenthese.

Regressiv

Gewissermaßen als Spiegelbild zur progressiven Nasalassimilation von Suffixen und Enklitiken an den Stammauslaut kann die regressive Nasalassimilation von Proklitiken und (Bestandteilen von) Präfixen an den Stammanlaut gelten. Der Unterschied zur progressiven Nasalassimilation ist nur, daß der Nasal von Präfixen/Proklitiken auch dann assimiliert wird, wenn er nicht Silbenträger ist: einerseits also [gxuxfm] 'Kufen 1 , aber [gxiifner] 'Küfher 1 , andererseits aber [m buim] 'einen Buben' und [nimbaise] 'anbeißen'. Weitere Beispiele sind - für /n/ -> [m]: [Dimbrene] [naimbumbe]

'anbringen 1 "hineinpumpen 1

[mim ftiider] [m wold]

'meinen Vater" 'den Wald'

Lautet der Stamm auf [m] an, wird das präfixische/proklitische assimilierte [m] damit verschmolzen: [nDimmt>xe] -* [nuimaxe] 'hinanmachen'. Nur wenn das Proklitikum monosegmental ist, bleibt es als silbisches [m] erhalten: [m maisder] 'den Meister1. Hier spielen sicherlich ikonische Gründe eine Rolle: Drohende Verschmelzung wird verhindert (vgl. 7.2.1. und 9.). Doch auch das spezifische Verhalten monosegmentaler Proklitika begünstigt diese Realisierung (vgl. 10.2.3.2.). - für /n/ + [n]: [oiqgraife] [naingriixe]

'angreifen' 'hineinkriechen*

[q gxinern] [siq gxusen]

'den Kindern' 'seinem Cousin1

299

Eine häufige enklitische Konstellation führt über regressive Assimilationswirkung eines Nasals auf vorausgehenden Nasal schließlich zu einer Verschmelzung der identisch gewordenen Segmente. Es handelt sich um Pronominalenklise der 1. PL, phonologisch um /n#m/-Sequenzen: (1)

/wt>ir+n#mer/ (vgl./mer wor+n/) -> *[wOirmmer]-*-[wOirmer] "waren wir'

(2)

/gei+n#mer/ (vgl. /mer gei+n/) -+· *[geimmer]->-[geimer] 'gehen wir 1

(3)

/laif+n#mer/ (vgl. /mer laif+n/) ·*· *[laifmmer]-»-[laifmer] 'laufen wir 1

(4)

/fin+n#mer/ (vgl. /mer fin+[e]n/) ->- *[finmmer]-»-[firmier] 'finden wir" Der Stammauslaut wird nicht assimiliert.

(5)

/gxum+ntmer/ (vgl. /mer gxum+n/) -»· *[gxummmer]->-[gxumer] 'kommen w i r 1 . Stammauslaut, regressiv assimiliertes Suffix und Anlaut des Enklitikums verschmelzen, weil sie lautlich identisch sind.

Zusammenfassung /n/ hat also über die mit der phonemischen Repräsentation identische Allophonie [n] hinaus in den genannten Umgebungen die Allophone [m] und [ n ] . Die Kcmplementarität dieser Verteilung ließ sich nur feststellen, weil die Allophone stets an der Naht von Stamm und Endung (und daher oft auch an einer Silbengrenze) auftauchten und mit Hilfe der Alternationsbedingung alle auf phonemisch /n/ zurückgeführt werden konnten. 11.1.2. Parameter Artikulationsart 11.1.2.1. Plosive Stimmhaftigkeit

Komplementär distribuiert sind stimnhafte und stimmlose Plosive. Als Utagebung für erstere gilt zunächst grundsätzlich Stellung zwischen Sonanten (denen das Merkmal STH implizit ist): | intersonantisch STH

STL

]

j |

|

sonst

meib,e, xol^e j aide, elder Jnoige, malge bain, daib i dui, mild | gei, daig

'mähen 1 , 'halbe' 'Egge', 'älter 1 1 Schnake','melken' 'Bein 1 /'taub' 'du1/"mit1 'geh'/'Teig'

300

Die Wahl, ob STH oder STL zugrundegelegt werden soll, wird von dieser Distribution her erleichtert. Die Laute, die 'weniger Umgebung1 haben und damit im Syntagma geringerem Assimilationsdruck ausgesetzt sind, liegen auch zugrunde. Diese Wahl wird durch die von der Universalienforschung herausgearbeitete Tatsache gestützt, daß es in Sprachen, in denen ein Merkmal STH vorkommt, stets auch das Merkmal STL gibt, während das Umgekehrte nicht gelten muß. Femer hat die NGP gezeigt, daß STH segmental markierter ist als STL. Dieser Evaluation widerspricht es nicht, daß Stimmhaftigkeit sequentiell (wie in obiger intersonantischer Stellung) durchaus natürlich sein kann (zur Begründung s.o. 5.5.) Nasale und laterale Plosion Nasale und orale Plosion sind ebenfalls komplementär distribuiert - nach 1 i pränasaler Position1: l vor

NAS

l

sonst 'Knie 1 1 Treppen ' 'Betten 1 'Stecken'

d.nii +NASPLOS

dreb . m bed. n Jdag.p

-NASPLOS

' wo | kein MAS folgt

-

auf PLOS

Ganz Ähnliches gilt von Verhältnis lateraler/nichtlateraler Plosion (beide oral): l vor +LATPLOS -LATPLOS

LAT

l xüd.l

i |

sonst -

'Hattel (Mutterziege)'

alle Belege, wo auf PLOS kein LAT folgt

Voraussetzung für nasale (und laterale) Plosion ist, daß Plosiv und Nasal (Lateral) homorgan sind: "For nasal plosion to occur within a word there must be a stop followed by a homorganic nasal. Only in these circumstances can there be pressure first built up in the mouth during the stop and then released through the nose by lowering the soft palate" (Ladefoged 1982: 51-2). "A phenomenon similar to nasal plosion takes place when an alveolar stop [... ] occurs before a homorganic lateral [l] [ . . . ] . The air pressure that is built up during the stop is released by lowering the sides of the tongue [ . . . ] " (ebd.: 5 2 ) .

Da LAT auf ALV beschränkt ist, beschränkt sich laterale Plosion im Lst. auf [d. 1]-Folgen. Die Pegel zur nasalen Plosion braucht in vielen Fällen (nämlich denen mit morphischem /n/) wegen dem Kriterium der Homorganität von PLOS und NAS als Eingabe die Ausgabeformen der Regel zur Nasalassimilation (11.1.1.2.), z.B. bei 'Stücken':

301 (1)

zugrundeliegend

| (2) Nasalassimil. |

;dig+n

Jdigq

Jdig.g

(3) homorgan?-ja | (4) Nasalplosion Zur Regelfolge s.o.

"Darstellungspraktischen Hinweis" in 5.2.

Bei nasaler und lateraler Plosion muß man noch der Tatsache Rechnung tragen, daß man eine Entscheidung über das Merkmal ^STH der Plosion nicht mehr treffen kann. Es findet nämlich so etwas wie eine Teilung der Lauteinheit PLOS in Verschlußbildung und dessen Lösung statt, wobei erstere STL ist und eine Entscheidung für letztere nicht getroffen werden kann, da sie mit dem Nasal/Lateral, der natürlich STH ist, koartikuliert wird. Deshalb werde ich bei diesen Fällen mit Meinhold/Stock (1980: 199) "Entstimmlichung" annehmen, obwohl das nur zum Teil, eben für den Verschlußbildungsteil, gilt. Spirantisiepung

Wenn er stitrtnhaft ist, wird labialer Plosiv außer nach Nasal stets auch spirantisiert. Da nasal plädierte Plosive "entstirtmlicht" sind (siehe obige Anm.), fallen auch sie für Spirantisierung aus. Es stehen sich als ±SPIR gegenüber (für stinmhaftes, und das impliziert: spirantisiertes [b] wird im folgenden [ g ] geschrieben) : [suge airßed mei|e

'Suppe Arbeit mähen halbe 1

vs.

[jumbe lob^m lomb'm gxülb]

'Schaukeltier Lappen Lampen Kalb'

Warum hier nur SPIR und nicht FRIK vorliegt, zeigen die distributioneilen Verhältnisse: Erstens stehen spirantisierter Labialplosiv und labialer Frikativ in denselben Umgebungen, so daß sie zueinander keine Allophone sein können: [xülße - xalfe] ' halbe1 /' helf en1 . Ein zweites Indiz für die Zugehörigkeit des [ß] zu phonemisch /b/ ist dessen Bilabialität, die der Labiodentalität sowohl des Frikativs [f] als auch des Approximanten [w] entgegensteht. Fenk-Oczlons vom Bair. her begründete Kritik an Fowleys universeller Spirantisierungsregel, nach der /b/ gegen Spirantisierung am resistentesten sein soll (vgl. Harnisch 1981: 63 und Anm. 3), ist also auch vom Lst. her zu stützen. Wollte man phonetisch noch feiner unterscheiden, ist der Spirantisierungsgrad des /b/ nach Liquiden noch höher. Solche "Lautschwächungen" hat Meinhold (1973: 20) auch für die deutsche "Standardsprache" festgestellt. Fortisierung

Vorbemerkung: Gegen das Merkmalpaar LENIS/FORTIS wird argumentiert, "Stärke" o.a. habe keinen "substantiellen phonetischen Gehalt" und man könne das Merkmal deshalb (in Anlehnung an Lass) genausogut auch "Fred" nennen (so z.B. Scheutz 1984: 15 und Anm. 6). Doch hat Kohler (1984: 152) dem LENIS/FORTIS-

302

Merkmal durchaus phonetischen Wert zugesprochen, auch und gerade für "phonetic explanation in phonology": "[ifortis] is not proposed as an abstract feature, but it will be argued that degrees of articulatory power can provide its phonetic base." Diese phonetischen "power"-Merkmale sind nach Kohler "tighter stricture [...] in the vocal tract", "tighter velopharyngeal closure" und "abduction of the vocals folds" (ebd.: 153). Von daher sehe ich es als genügend gerechtfertigt an, nachfolgend in phonetischem Zusammenhang von LENIS und FORTIS zu sprechen. Das Problem: Zum velaren Plosiv gibt es eine zu ändern Allophonen komplementär distribuierte Fortis-Variante. Sie ist an die Stellung vor phonemisch /x/ im Anlaut (= phonetisch [h]; s.o. 11.1.1.1.) gebunden: | +FORT

vor [h] | sonst kht>rn

-FORT

'

-

'Karren'

gern rüg

'Garn' 'Rock'

Alternative zu allophonischer [kh]-Sequenz, die phonemisch einer /gx/-Sequenz zugeordnet ist, wäre gewesen, phonetnisch */k/ anzunehmen, das mit Aspiration phonetisch als [kh] realisiert würde. Dieses */k/-Phonem hätte distributionelle Defekte, da es nur anlautend vor VCK vorkommt. Mit /g/ wäre es jedoch nicht komplementär distribuiert, da /g/ und */k/ zumindest im Anlaut eine Opposition bildeten: Anlaut Vküse/ /gDse/

Auslaut 'Kasse 1 'Gasse 1 | /sog/

'Sack 1

Ein System mit */k/ sähe dann im Plosivbereich so aus, wie folgende Aufstellung zeigt. In sie sind sog. "Affrikaten", also homorgane PLOS-FRIK-Verbindungen, und die entsprechenden Frikative aufgenommen: *k b bf f

d ds s

g x

FORTIS-PLOS LENIS-PLOS AFFRIK FRIK

Nimmt man jedoch die phonetische Form des */k/-Phonems ernst, die als [kh] immer mit [h] auftaucht, muß man die phonetische Sequenz [kh] nach dem erörterten Grundsatz biphonematischer Wertung von konsonantischen Zweier-Clustem als Reflex einer phonemischen Sequenz */kh/ o.a. sehen. In einer solchen Sequenz aber steht der Plosiv */k/, wie die eingangs abgebildete Tabelle zeigt, zu /g/ komplementär. Er ist quasi die /g/-Variante vor [h] (phonemisch /x/).

303 Also entspricht phonetisch [kh] einem phonemischen Zweier-Cluster /gx/. Mit diesem Ansatz läßt sich in obiger Aufstellung zum KONS-System die Fortisreihe der Plosive ganz auflösen und die Leerstelle in der Affrikatenreihe füllen, also das System mit einem Schritt gleich zweifach bereinigen: b bf f

d ds s

g gx x

LENIS-PLOS AFFRIK* FRIK

*Wird biphonematisch gewertet ( 1 0 . 1 . 4 . 1 . ) .

Der Gedanke, [kh]-'Aspirata' mit Affrikata gleichzubehandeln, findet sich, allerdings im Zusammenhang mit einer Argumentation für monophonematische Wertung, bei Merlingen (1960). Rowley (1986: 113-4) wägt für den von ihm behandelten Dialekt Vor- und Nachteile einer solchen Lösung ab. Fürs Südrheinfränkische stellt Vonficht (1964: 32), zwar in diachroner Perspektive, aber die Folgen fürs synchrone System sehend, fest: "Dort ist [kx] später [...] durch die auch sonst verbreitete Wandlung des [x] in [h] zu [kh] geworden, [kh] ist [...] also nicht durch Aspiration von [k], sondern durch Veraspirierung des [x] in [kx] entstanden." Ein letztes Indiz für die Behandlung des [kh] als /gx/ beziehe ich aus dem Vergleich eines Monomorphs mit einer Verbindung, bei der die Morphgrenze zwischen den beiden Segmenten liegt: [khodse] 'Katze' und [khnd]

'gehabt'

werden im Anlaut phonetisch gleich realisiert, [khud] läßt sich nun unschwer auf zugrundeliegend /g+xüd/ zurückführen, d.h. es läßt sich an einem Fall aus der Morphologie, bei dem die betroffenen Segmente unzweideutig in ihrer Basisform rekonstruierbar sind, beweisen, daß sich phonemisch /gx/ und phonetisch [kh] entsprechen. Diese Entsprechung läßt sich nun auf monomorphe, ansonsten eben nicht so direkt rekonstruierbare Fälle übertragen: [khodse] entspricht wie [khüd] /ghOd/ entsprochen hat. 11.1.2.2. Frikative Stvnmhaftigkeit Wie Plosive haben auch Frikative komplementär distribuierte stimmhafte und stimmlose Varianten in denselben Umgebungen (siehe dort):

304 intersonanti sch

sonst zu 'laufen 1 'lesen' ' rauchen ' 'riechen 1

laife, laifm aJ S e ' laisn raixe, raixq riige, riicn

STH

1

dto. und 'viel ' so'

laif, fill lais, sui raix

STL

Fortisienmg

Ein Fortis-[f] kommt anlautend vor [1] und [r] vor. Es soll in seiner Distribution zunächst mit [f] verglichen werden: vor LIQ

fo r

'Pflug 1 ' Pfründe ' fluix 'Fluch' frainde 1 Freunde ' fluix frinde 0

sonst ful s usw.

' Fuß

Daraus, daß sovrohl [f] als auch [f] vor LIQ vorkommen können, also aus ihrer nichtkonplementären Verteilung, geht hervor, daß [f] zumindest nicht mit unter das /f/-Phonem subsumierbar ist. Da das [f] nicht rein labiodental ist wie das [f], sondern bilabial mit gleichzeitigem Oberzähne-Kontakt der Unterlippe artikuliert wird, soll auch die Distribution dieses [f ] mit der von [bf ] verglichen werden. Denn das letztere ist zwar nicht gleichzeitig, aber in der Sequenz bilabial und labiodental: o

o

vor LIQ

fo

sonst

flOsder 'Pflaster 1 frubfe 'pfropfen 1

bf

bfüne 'Pfanne 1 dubf 'Topf

Da monosegmentales [f] mit bisegmentalem [bf] komplementär distribuiert ist, läßt sich [f] auf phonemisch /bf/ zurückführen, hat also selbst keinen phonemischen Status. Fv-ikat-iv [h]?

Vom ' Frikativoid1 [h] war im Zusammenhang mit der nach Artikulationsort komplementären Distribution schon die Rede. Hier ist sein Artikulationsart-Merkmal FRIK zu verteidigen, denn er trägt eher das Merkmal PRDX: als "voiceless counterpart of the following sound" (Ladefoged 1982: 62). Gerade im Merkmal

305

unmarkierter ("spontaner") Stirtmlosigkeit unterschiede er sich aber von den ändern Approximanten, deren unmarkierter ("spontaner") Stinmlichkeitswert STH ist. Stimmhaft wird er dagegen in derselben, markierten Umgebung wie andere Frikative auch. Man vergleiche [hiide] - [behiide] '(be)hüten'. Essen (1979: 116) urteilt ebenso: "In zwischenvokalischer Position wird [h] gewöhnlich teilweise oder ganz stintnhaft, wenn auch nur mit geringer Intensität." Essen weist an gleicher Stelle in Anspielung auf die "Phonetiker alter Schule", die "dem Hauch einen eigenen Lautwert abgesprochen (haben)", darauf hin, daß die Frage, ob "der Hauch als Laut anzuerkennen sei, [... ] eigentlich keine phonetische als vielmehr eine phonologische Frage (ist)". Da nun hier das [h] als Allophon zu einem Phonem /x/ gestellt werden konnte und dieses /x/ ein Frikatlv ist, darf mit Berufung auf Essens Aussage zur 'Phonologizität' dieser Frage das [h] als Frikativ behandelt werden. 11.1.2.3. Nasale und Liquiden Was die Tatsache angeht, daß NAS und LAT silbisch werden können, verweise ich auf das entsprechende Kap. (10.2.3.). Dort war davon die Rede, daß Nasale/ Lateral in bestimmter Umgebung den Einsilbler-Rahmen sprengen. Was silbische und unsilbische Varianten dieser Laute anbelangt, so herrscht auch da komplementäre Distribution und damit keine Veranlassung, auf phonemischer Ebene spezifische silbische Segmente anzunehmen. Phonem /v/ Die in der Einleitung zu Kap. 11. als Lautwert des Phonems /r/ genannte Realisation | R ] (uvularer Vibrant) ist die seltenste. An ihrer Stelle wird meist der uvulare Approximant bzw. der uvulare "frictionless continuant" ("Principles" [1949] 1977: 19)[B] gesprochen. Diese Variation ist z.T. stellungsabhängig, z.T. nicht. Anlautend herrscht zwischen dem "trill" (z.T. nur "flap") | R ] (Ladefoged 1982: 153) und [B] "freie" Variation. Sie ist, ohne daß ich dies hier genau beschreiben könnte, am ehesten von Faktoren wie Redegeschwindigkeit oder prosodischer Umgebung abhängig. Möglicherweise ist sie auch idiolektal bedingt. Auslautend kommt hingegen nur der Approximant [B], z.T. reduziert zu [ K ] , vor. Dazu tritt nun eine weitere Variante: uvularer Frikativ, den ich zur Unterscheidung vom Approximanten [B] nicht auch noch als [B] schreibe (so die "Principles": 10), sondern als [ ]. Diese Variante ist von inlautender, v

genauer: intervokalischer Stellung abhängig. Abgesehen von den genannten freien Allophonien zwischen anlautend [ R ] und [B] einerseits und auslautend [B] und [ B ] andererseits sind also die Varianten des Phonems /r/ komplementär distribuiert:

306 l anlautend

| auslautend

| 1

R

R im

-

H

-

dseu

X

-

-

intervokalisch " ·· ~'(he)rum' -

'zerr l

dsexe

"'zerren ( I N F ) '

v

PROX ist durch Nähe zum Merkmal VOK definiert. Dies trifft natürlich für PROX [B] genauso zu. Im Auslaut ist dieser Hang zur Vokalisierung noch deutlicher zu hören als im Anlaut. Das Allophon [R] mit dem Merkmal VIER wurde zum zugrundeliegenden Lautwert ernannt, da nur dessen Merkmal VIER es erlaubt, das Phonem /r/ zusammen mit dem LAT-Phonem /!/ in eine gemeinsame Oberklasse aufzunehmen, nämlich LIQ. Diese gemeinsame Behandlung ist angesichts gleicher Verhaltensweisen in der Phonemdistribution und gleicher phonetischer Eigenschaften geboten: Erstens kommen beide anlautend in denselben Clustern vor (s.o. Tabellen in 10.1.1.2.). Zweitens vertragen beide im Auslaut nicht nur alle auslautfähigen Plosive und Frikative hinter sich (Ausnahmen: */rs/ und */lx/), sondern als einzige Segmente auch die auslautfähigen Nasale, ohne sie silbisch zu machen (s.o. Tabellen in 10.1.2.4.). Drittens können sie in ihren phonetischen Gemeinsamkeiten als im Normalzustand stimmhafte, nichtfrikative und nichtnasale Kontinuanten beschrieben werden (Essen 1979: 75), für die sich als Oberbegriff "Liquida" eingebürgert hat (Ladefoged 1982: 86). 11.1.2.4. Approximanten Frikativ

[j]?

Da es den palatalen Approximanten [j] nur im Anlaut und den ebenfalls palatalen Frikativ [9] nie im Anlaut gibt, könnte man diese komplementäre Distribution zur Grundlage einer Phonemisierung */9»j/ machen, die mit [j] in der Rolle, die oben [h] innehatte, sogar zu einer Phonemisierung */j,9,x/ hätte ausgebaut werden können. Sie ließe allerdings bei FRIK ein isoliertes phonemisches */h/ zurück (vgl. die Opposition [jt>i] 'ja' vs. [hm] '(ich) habe'). Danach 11.1.2.2. [h] als FRIK aufgefaßt werden kann, haben /9,x,h/ die Art der Artikulation gemeinsam (FRIK) und sind nur nach Ort verschieden. Dagegen sind */j,9,x/ sowohl nach Art (PROX und FRIK) als auch nach Ort verschieden (PAL und VEL). Dieser Umstand war ein weiterer Grund, [j] nicht zu [9] und [x] zu stellen. Schließlich ist der unmarkierte ("spontane") Wert für Stimme bei [h] STL, der markierte STH, womit es sich an die Verhältnisse bei [9] und [x] wie bei allen Frikativen anlehnt. Dagegen ist bei [j] der unmarkierte ("spontane") Wert STH, und eine markierte Variante STL gibt es gar nicht. Auch dies spricht dafür, [h], [9] und [x] beieinander zu lassen und [j] davon getrennt zu behandeln.

307

Halbvokale [ ] und [j] Beide Approximanten, [w] und [j], haben mit den Vokalen [u] und [i] mehrere Merkmale gemeinsam: Alle Segmente sind HOCH, [w] und [u] sind LAB und VEL, /j/ und /i/ sind PAL. Ordnet man sie danach, ob der Umgebungsfaktor "Stellung vor Vokal" vorliegt oder nicht, erweisen sie sich sogar als komplementär

distribuiert: vor VOK JfW

IrU

sonst

'ja' 'wo*

JDI wui

_

in un

'in' ' und '

Eine Regel "i,u ·* j,w / VOK" wäre also durchaus zu rechtfertigen. Daß hier auf phonemischer Ebene trotzdem kein VOK zugrundegelegt wird, liegt daran, daß sich Vokale und Approximanten in einem fundamentalen Oberklassenmerkmal unterscheiden: /i/ und /u/ sind VOK: sie bilden im Mund kein Hindernis, wenn sie auch die Vokale sind, die verglichen mit den ändern, einer Hindemisbildung am nächsten konnten; gerade dadurch nähern sie sich /j/ und /w/ ja an; /j/ und /w/ dagegen sind KONS: sie bilden ein Hindernis (zum Kriterium "HenmLaute" vs. "öffnungslaute" vgl. etwa Meinhold/Stock 1980: 120 oder Kloeke 1982: 3): "Because a semivowel is a kind of approximant, it can be considered to have a particular place of articulation, just like any consonant" (Ladefoged 1982: 209). Im Bereich der Entlehnung und damit der Anpassung nichtsystemkonformer Phonotaxen ans eigene System ist eine Regel, die hohen VOK in PROX transformiert, allerdings schon wirksam - doch nur für den, zumeist natürlich schon längst abgeschlossenen, Prozeß (den Augenblick sozusagen) der Überführung selbst und nicht als eine Regel, die innerhalb des eigenen Systems wirkt: 'Fremder1 (Kurz-)VOK [i] oder [u] wird im Lst. unsilbisch und zu einem PROX. Produkte solcher Prozesse, die sofort an die phonemische Distribution des Lst. angepaßt werden und deshalb gleich phonemisch repräsentiert sind, sind aus dem t-Bereich etwa: /belgjen/ 'Belgien', /seirje/ 'Serie' oder /SülmJOg/ 'Salmiak', aus dem w-Bereich etwa /edwii/ 'Etui1 oder /lingwisd/ 'Linguist'. Geht dem betreffenden 'fremden' VOK allerdings eine KONS-Sequenz OBSTR-SON voraus, in der der Sonant dann silbisch würde, wenn ihm kein vokalischer Silbenträger direkt folgte (diese Konsequenz sieht Kloeke 1982: 37-8 nicht), wird für die Einpassung ins 1st. System eine andere Strategie gewählt: VOK bleibt silbisch, wird aber gelängt. Nicht */bibljoideig/ 'Bibliothek' oder */gxDdmjum/ 'Cadmium' mit silbischem [1] bzw. [m] sind die Repräsentationen, sondern

308

/bibliioideig/ und /gxüdmiium/. Diese Strategie wird v.a. im u-Bereich auch bei Fällen, die die obige Bedingung nicht erfüllen, gewählt (vgl. /biqguiim/). 11.1.3. Zusammenfassung Bevor eine vollständige, Phone und Phoneme gleichermaßen erfassende KONS-Matrix angefertigt werden kann, ist für das bisher unter phonemischem Aspekt ausreichende Merkmal LAB noch eine, von der Umgebung übrigens unabhängige, phonetische Präzisierung dazu vonnöten, welche Art von Labialität bei verschiedenen Artikulationsarten vorliegt: Während Plosiv und Nasal bilabial sind, sind Frikativ (abgesehen von [f] aus /bf/; s.o.) und Approximant labiodental. Diese Differenzierungen beziehen sich auf die für die Angabe des Artikulationsortes durchgehend anwendbare Zweiteilung in eigentliche Artikulationsstelle (fest), an der das artikulierende Organ (beweglich) das Hemmnis bildet (vgl. Tab. 3 bei Meinhold/Stock 1980: 121). Organe in diesem Sinne sind Lippe und Zunge, letztere wiederum mit verschiedenen Regionen: koronale und postkoronale (wobei letztere genauer in medio- und postdorsale Bereiche gegliedert ist). Ohne eigentliches Artikulationsorgan wird der glottale Engelaut [h] gebildet. Ich fasse diese Region mit unter "postkoronal". Für die folgende Matrix habe ich Merkmale gewählt, mit denen sowohl auf phonemischer als auch auf phonetischer Ebene gearbeitet werden kann. Damit ist die Forderung einer generativen Phonologie erfüllt, in einer Matrix und mit einem Merkmalssystem sowohl zugrundeliegende wie abgeleitete Formen darzustellen. Merkmale, die auf phonemischer Ebene zur Distinktion ausreichen würden (die hier so genannten 'Archi'-Merkmale), rahme ich in folgender Matrix ein. Sie stehen teils in einem 1:1-Verhältnis zu phonetischen Merkmalen (z.B. PALV) oder nüssen auf phonetischer Ebene z.T. in andere, hier so genannte 'Sub1Merkmale näher ausdifferenziert werden (z.B. POSTKOR in PAL, VEL, UVUL und GLOT) Die 'Archi'-LMerkmale werden jedoch als Basis zur Ableitung von Allophonen, also als zugrundeliegend, nicht benutzt, da archiphonemische Lösungen, wie gesagt, der Forderung der Altemationsbedingung widersprechen, eines der Allophone zum zugrundeliegenden Phonem zu machen. Z.B. werden bei FRIK die Allophone PAL, VEL und GLOT nicht aus POSTKOR hergeleitet, sondern aus VEL: Dieses Merkmal ist phonemisch, steht für eines der Allophone und ist Basis der Ableitung von PAL und GLOT (s.o. 5.4. und 11. "Einleitung", für das Beispiel 11.1.1.1.).

309

Welches Allophon diese Rolle des zugrundeliegenden Segments einniirmt, wird in der Tab. mit /.../ markiert. Ort Organ: LAB KOR POSTKOR N

Art

Stelle:

LAB

DENT

ALV

PALV

PAL

VEL

UVUL

GLOT

k PLOS OBSTR

STH

FRIK

/b/

/d/

b.

d.

r

d

STH

/f/

/s/

v

v

s

/m/

/n/

m

n

FORT

/g/ g-

NAS-/LATPLOS *SPIR

/ /

tll

h h

J

v

N AS

SILB

/r/ SON

LIQ

PROX

STH

SILB /j/

Anm.: Für die genauen Lautwerte zu obigen Segmenten der FRIK-Reihe, zu [r] und [w] siehe Einleitung zu Kap. 11.!

Zu einzelnen Merkmalen Chcmsky/Halle (1968: 302-3, 176-7), Wurzel (1970: 2-3) und Kloeke (1982: 239) verwenden das Merkmal der Stimribeteiligung (in der Reihenfolge der Autoren: ±VOICE, ISTIMMHAFT, ±STIFF VOCAL CORDS) zur Differenzierung von Lenes und Fortes (zum phonetischen Gehalt dieser Differenzierung s.o. 11.1.2.1.). Auch "voice onset time" bezieht sich für diese Differenzierung auf das Kriterium 'Stiime'. Der Nachteil des Verfahrens, das 'Stimme'-Merkmal zum Zwecke der Lenis/FortisUnterscheidung in Beschlag zu nehmen, ist, daß die Existenz auch stimmloser (und nur potentiell stiitmhafter) Lenes unterdrückt wird und somit keine Differenzierung zwischen stimmloser und stimmhafter (meinetwegen: weniger und mehr stinmnafter) Lenis mehr geleistet werden kann. Ein Mißverhältnis zwischen Einstufung als OBSTR und gleichzeitigem, ausschließlichem Vorkommen als 5 liegt bei Kloeke (ebd.) für [j] vor. Hier hatte Wurzel (ebd.) eine widerspruchsfreie Relation SON:STH angesetzt, die mir für diese "Semivokale" auch angemessen erscheint. Des weitern entstehen in den Merkmalsmatrizen der genannten Autoren Widersprüche zwischen den Merkmalen OBSTR/SON auf der einen, STL/STJi auf der ändern Seite. Wenn nämlich einerseits -SON (=-KBSTR) durch die Unmöglichkeit "spontaner Stimmbildung" (Kloeke ebd.: 3; nach Chomsky/Halle

310

ebd.: 302, "spontaneous voicing") definiert wird und andererseits allen Lenes, die ja mit dem Merkmal OBSTR versehen werden, "Stiitmbildung" als inhärentes (wohlgemerkt: nicht umgebungsbedingtes und damit 'nur' allophonisches) Merkmal mitgegeben wird, ist das ein Widerspruch in sich: Wie könnten Lenes, die als stimmhaft definiert werden, anders als durch spontane (d.h. umgebungsunabhängige) Stiitmbildung ihre eigene Definition erfüllen! Die Merkmale STH und OBSTR bei Lenes gehen also zwar schon zusammen, aber nur, wenn es bei ihnen auch die Wahlmöglichkeit STL gibt. Liegt nicht OBSTR, sondern SON vor, geht das mit STH einher, da Laute mit dem Merkmal SON spontane Stimmbildung implizieren. Um so befremdlicher muten Chomskys/Halles und Wurzels Merkmalkonstellationen von gleichzeitigem SON und STL an, die sie für [h] ansetzen. Diesen Mangel hat Kloeke behoben, indem er hier OBSTR und STL ansetzt. Bei "Lenis"-[h] müßte man auch fürs "Stimmen"-Merkmal "±" ansetzen: -STH als phonemischen Normalwert (unmarkiert), +STH als allophonischen, abgeleiteten (markiert durch Umgebung) Das Verhältnis von SON/OBSTR zu STH/STL ist also folgendermaßen strukturiert: SON ist genausowenig mit STH gleichzusetzen wie OBSTR mit STL (vgl. Mayerthaler 1974: 16). Im Lst. impliziert SON zwar STH, aber nicht umgekehrt. Denn auch OBSTR kann, bei Lenis, in entsprechender Umgebung STH werden. Ansonsten impliziert das Merkmal OBSTR das Merkmal STL und umgekehrt. Da im Lst. Fortes nicht systematisch vorkommen (s.o. lediglich "Fortisierungen"), entfällt die Notwendigkeit, sie mit den Merkmalen STH/STL in Beziehung zu setzen, obwohl das keine Schwierigkeiten machen würde: Fortis implizierte STL·, aber nicht umgekehrt (vgl. LenesOBSTR mit dem Merkmal STL). Was Fortis betrifft, ist also die folgende ("universelle") Merkmalskonstellation fürs Lst. hypothetisch. Alles andere ist auch auf das Lst. beziehbar: SON j _

OBSTR

LENIS _

FORTIS - ·

STH* STL

* Kann bei LENIS-OBSTR nur umgebungsbedingte Variante sein, ist also nicht inhärentes Merkmal und Ergebnis von spontaner Stimmhaftigkeit ("spontaneous voicing"). Diese liegt bei SON (und natürlich auch bei VOR; s.u.) vor.

11.2.

Vokale in komplementärer Distribution

Im folgenden wird von "vertikalem" und "horizontalem Parameter" die Rede sein. Ersteres bezieht sich auf die Skala "vorn-hinten" (PAL bis VEL), letzteres auf die Skala "oben-unten" (HOCH bis TIEF). Dies sind "terms of the position of the

311 highest point of the tongue" beim Hervorbringen der Vokale (Ladefoged 1982: 11-2).

In einem gewissen Sinne haben Vokale keine Merkmale der Artikulationsart, außer dem einen (VOK oder -KCNS), daß eben "none of the articulators come very close together" und daß "the passage of the airstream is relatively unobstructed" (ebd.: 11). Dagegen sind für die Unterscheidung der Vokale Artikulationsorte (eigentlich: Zungenstellungen) in den genannten Dimensionen von Bedeutung. 11.2.1. Korrelation von Höhen- und Quantitätsmerkmalen Bei allen Vokalen außer dem / / korrelieren bestiirmte Quantitäten mit bestimmten Höhen, die Merkmale ilANG und bestimmte Höhen-Ordinaten (1-6 von unten nach oben) sind sogar komplementär distribuiert. Die Transkription in der Tab. verzeichnet, was die VOK-Höhe betrifft, genaue Lautwerte: LANG

KURZ

6 5

xiin

KURZ

4 3

drei be *

2 1

xaim

_

xuid -

bin _



|

LANG

_

drebe

1

doirm -

dorn

1

1

wüird

word -

neun

-VEL

•hin'/'Huf 'bin'/'tut1

dud _

I

drehen ' / ' Turm ' Treppe ' / ' Dorn '

nimm 1 ' / ' warte ! ' ' h e i m 1 / ' (ihr) wart

+VEL

* Der genannte 'Störfall' außerhalb der Korrelation, z.B. in [deid] 'täte'.

Eine allophonische Lösung könnte man sich in der Weise vorstellen, daß man jeweils zwei Höhen-Ordinaten (arabische Ziffern) zusammenfaßt und für den 'Störfall' [ ] ein eignes solches 'Archi'-Merkmal ("cover-feature") nimmt:

/Phoneme/

phonem. Archi Merkmal HÖHE

Korrelat LÄNGE

phonet. SubMerkmal [Phone]

HÖHE I

ii-ui i -u

H IV

+

···-········ +

ei-oi e

H

a -D ai-Di

II

HI

+

...7

+

H 6 H-5 H 4 H 3

[••

is-ui

- ···

e:-oi E -o*

H 3 H. 2 H 1

..?.:?... ai-o:

* Allophon von /u/ durch Senkung vor /r/ (vgl. 1 0 . 1 . 5 . 1 . ) .

312

Folgende Zusammenhänge lassen sich finden: (1) Die phonetische Höhe jeder phonemischen läßt sich von der Länge/Kürze her voraussagen. (2) In jeder phonemischen Höhe gibt es Länge, außer in H II gibt es in jeder phonemischen Höhe auch Kürze. Nur wo es Kürze und Länge gibt, gibt es (nach (1)) auch verschiedene phonetische Höhenstufen, nämlich zwei. (3) Bei Länge wird von diesen zwei phonetischen Stufen die jeweils höhere gewählt, wenn das phonemische Merkmal -H I vorliegt (also ein nicht-tiefes Segment), die jeweils tiefere bei +H I (also einem tiefen Segment). (4) Umgekehrt wird bei Kürze von den beiden phonetischen Stufen die tiefere gewählt, wenn -H I vorliegt, die höhere, wenn +H I vorliegt. (5) Liegt H II vor und damit keine Differenzierung nach Länge, gibt es auch keine nach Höhe. Phonemischer und phonetischer Wert sind identisch. Diese Lösung, für z.B. phonetisch [ i ] und [ii] nur ein Archimerkmal mit und ohne Längenmarkierung, also /i/ und /ii/ zu nehmen, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß /i/ und /ii/ nicht Allophone eines Phonems sind, sondern zwei verschiedene Phoneme. Die Merkmale +LANG oder -LANG sind dem Phonem inhärent, d.h. gehören zum Merkmalsbündel dieses Phonems. Es handelt sich also nicht um komplementär distribuierte Allophone eines Phonems, sondern um komplementäre Korrelationen zwischen Einzelmerkmalen der Parameter LÄNGE (die ich gegen Stemberger 1984: 895 zum inhärenten Gehalt des Segments zähle) und HÖffi verschiedener Phoneme. Wenn nun z.B. /i/ angesetzt wird und man aber weiß, daß es bei -LANG gar keine *[i]-, sondern nur eine [i]-Realisation gibt, scheint dies der in der "Alternationsbedingung" angesprochenen Forderung zu widersprechen, daß nur zugrundegelegt werden kann, was in einer der Oberflächenalternationen vorkamt. Doch bezog sich diese Bedingung auf phonetische Varianten eines phonemischen Segments, und dies liegt, wie gesehen, hier eben nicht vor: [i] und [ii] sind keine Altemationen im Sinne der Alternationsbedingung, da sie in ihrer Lautqualität HÖHE nicht unter dem Einfluß von lautlichen Nachbarn alternieren, sondern diese Lautqualität von einem selbst zum Segment gehörenden Merkmal des Parameters LÄNGE gesteuert wird. Z.B. wird vom Merkmal KÜRZE des Phonems (Merkmalsbündels) /i/ (mit dem 'Archi'-Höhenmerkmal H IV) das phonemisch irrelevante, aber phonetisch wichtige 'Sub'-Merkmal H 5 vorausgesagt. Solche 'Archi-Merkmale' sind Notationen, die nicht exakt phonetisch sind, sondern eher so etwas wie phonemische Vereinigungsmengen phonetischer Merkmale. Sie werden nur nicht zugelassen, wenn von ihnen verschiedene Allophone abgeleitet

313

werden sollen. Dann wären sie "Archi-Phoneme" und nach der Alternationsbedingung nicht erlaubt (vgl. 5.4. und Einleitung zu Kap. 11). Wie läßt sich im Sinne einer biologisch orientierten, "natürlichen" Phänologie nun eine Erklärung für die am / /-Phonem sichtbar werdende (scheinbare) Inkonsistenz des VOK-Systems finden? - Dazu vorweg die folgende phonetische Skizze mit ihren phonemischen Zusartmenhängen: -LANG

+LANG

il

H 6

UI

H IV H 5

ei

H 4

oi H

III

H 3|~T

H 2 FäT H I

H l

ai |-VEL||+VEL|

DI

-VEL||+VEL

*Fällt phonemisch (als

velarer Kurzvokal der Höhe H III)

aus.

Kurz [ ] und lang [ ] in Verbindung zu bringen, verbietet sich schon deshalb, weil die innere Systematik für eine Gleichbehandlung der velaren und palatalen Reihe spricht. Hinderung (1982: 288) argumentiert in der gleichen Weise gegen eine "Verbindung dieses [ ] mit der ihm phonetisch nahestehenden Kürze [ ]". Vielmehr gehöre "diese Kürze nach der Systematik des Vokalsystems [... ] zur Länge /ei/". Wie aus der Skizze weiter hervorgeht, schlägt die Korrelation bei H I um: Hier ist sie von -LANG zu +LANG abwärts gerichtet, bei -H I war sie von -LANG zu +LANG aufwärts gerichtet. Dieses Umschlagen hat auch Moulton ([1947] 1970: 430 und Anm. 2) bemerkt. Bei -HANG reicht die vertikale Strecke also von H1 bis H6, bei -LANG nur von H2 bis H5. In der längeren Strecke haben vier VOK-Phoneme Platz, in der kürzeren nur drei. Das 'aus der Reihe fallende1, vierte Phonem, nämlich / /, sitzt bezeichnenderweise da, wo die Schere der Korrelationen durch das genannte Umschlagen auseinandergeht und eine Lücke bildet. Doch warum gibt es in der velaren Reihe auf Höhe H 3 bei den Langvokalen keinen solchen 'Lückenfüller1,etwa ein */ai/, und liegt damit nicht eine empfindliche Störung des Systems vor? - Zwar liegt sehr wohl eine innersystemare Asymmetrie vor, aber gerade eine natürlich orientierte Phänologie, die phonetischartikulatorische Faktoren bei der Konstruktion phonemischer Systeme wieder

314

stärker mit berücksichtigt, kann darin keine Störung des Systems durch "Fremdkörper" (vgl. Hinderung 1982: 288 mit seiner Kritik an Hotzenköcherle) o.a. sehen: "denn die vertikale 'Artikulationsstrecke1 ist [...] im Falle der Vorderzungenvokale größer als bei den Hinterzungenvokalen" (ebd.). Da dies nicht nur bei den langen Vokalen der Fall ist, sondern selbstverständlich auch bei den kurzen, läßt sich eine weitere Besonderheit des Vokalsystems "natürlich" erklären, nämlich die, daß bei -LANG das [o] als phonemisches Segment */o/ ausfällt. Es kamt nur allophonisch vor. Dies liegt an der Distributionsregel, die /u/ vor /r/ senkt, und zwar, da H 4 für Kurz-VCK ausfällt, auf die Höhe H 3. [o] vor [r] einerseits und [u] in allen ändern Umgebungen andererseits sind komplementär distribuiert. Sowohl im Lang- als auch im Kurzvokalsystem ist mithin die nichtvelare Phonem-Reihe um ein Segment größer als die velare: bei +LANG im Verhältnis 4 zu 3, bei -LANG im Verhältnis 3 zu 2: -LANG

+ LANG

H IV H III H II H I

i

u

DI

e a

>

-VEL +VEL

-VEL

il ei

ul oi

ai

+VEL

Nijtmt man noch die hier vernachlässigte phonetische Tatsache hinzu, daß im Lst. die kurzen Vokale gegenüber den langen, schon leicht zentralisierten, noch etwas zentralisierter sind, ergibt sich eine Einbettung des /V/-Systems ins /Vi/-System: Im Lst. ist der von Kurzvokalphonemen umgebene artikulatorische Raum in jeder Hinsicht (d.h. in vertikaler und horizontaler) kleiner als der von den Langvokalphonemen umgrenzte: tl 0

H 5

11

·

\ \\

\ IV

\

U

\

ei \

H 4

N

' ui

\

\

H 3

"x \

H 2

\ \

i

?

\ D '

\ >

H 1 PAL

-PAL -VEL

VEL

315

In dieser Skizze wird nur die Tatsache nicht deutlich, daß die Höhenordinaten nicht Angaben zur absoluten, sondern nur zu einer relativen Höhe sind: relativ zu -VEL und +VEL. Die nicht-tiefen velaren Vokale haben nicht absolute Höhen H 6-5 bzw. H 4-3, sondern liegen absolut gesehen niedriger als die nichtvelaren. Nur ist z.B. der Stand von [ui] der dem Stand [ii] vergleichbare relativ höchste Stand eines Velarvckals usw. Die Merkmale H 6 - H 1 sind deshalb nicht (absolute) Individualmaße, sondern (relative) Maße, in denen die Systematik bereits berücksichtigt ist. Absolut ist das VQK-Viereck ein unregelmäßiges (und kein Trapez):

•DI

Exkurs zu? phonetischen Streubreite des kurzen /e/-Phonems im Parameter HÖHE Auch wenn der Streubereich der e-Laute beim Kurzvckal kleiner ist als beim Langvokal (s.o.), gibt es natürlich trotzdem auch 'höhere1 und 'tiefere' Kurz-/e/. In den direkten und indirekten (von Tonband herunter angefertigten) Transkripten von Rowley und mir finden sich denn auch - in TeuthonistaUmschrift geschriebene - Unterschiede der Stufen [e], [e] und [e]. Gemeinsame Nachprüfungen durch Rückfragen an die Gewährsperson mit direkter Transkription, Transkription von spontanem Tonbandmaterial und instrumentalphonetische Analyse von eigens zu diesem Zweck beim Gewährsmann hergestelltem Tonbandmaterial haben jedoch ergeben, daß Unterschiede in der Zungenhöhe beim kurzen e zwar existieren, aber in einer Streubreite, die nicht zur Distinktion ausgenutzt wird, da ein und dasselbe Wort mit verschiedenen e's gesprochen werden kann. 11.2.2. Vertikaler Parameter Hier geht es anders als in 11.2.1. nicht um innersegmentale Korrelationen zwischen Merkmalen des vertikalen Parameters und Quantitätsmerkmalen, sondern um intersegmentale Korrelationen zwischen Allophonen, die sich im vertikalen Parameter unterscheiden. Allophone des Phonems /u/ In 10.1.5.1. war bereits davon die Rede, daß /u/ die zwei komplementär distribuierten Allophone [u] und [o] hat:

316

sonst

vor [r]

word Jnor

'Wort 1 1 schnurr' dum ugs

Ochse1

Neutralisierung von [o] und [ ] vor [r] tritt übrigens nicht ein, vgl. [word] 'Wort' vs. [word] 'warte!', auch nicht von [01] und [OI] vor [rK], vgl. [doirm] "Turm1 vs. [düirm] 'Darm' und [woirm] 'Wurm' vs. [wtjirm] 'warm1. Allophone der Phoneme /eil und /oi/ Für die mittelhohen /Vi/-Phoneme wurde die phonetische Grundform [ei] und [oi] gewählt. Doch in den weitaus meisten Umgebungen wird der Langvokal mit Hebung der Zunge gesprochen, so daß die diphthongischen Phonien [e·1] und [o >u ] entstehen, genauer: [e·1] und [o· ] mit zentralisiertem zweiten Teil des Diphthongs. Schreiben werde ich der Einfachheit halber i.f. aber [ei] und [ou]. vor [r]

/ei/

me J r eire

sonst ' mehr ' 'eher 1

Jnei greibed gleise ;ein

-

/oi/

'Wurm 1 Orgel'

woirm oirxl -

1

Schnee ' (er) kräht' 1 Klöße ' 'schön' 1

-

JdRou soude glous gedoun

'Stroh' Soda ' 'Kloß' ' getan ' 1

Diphthongische und zweigipflige Allophone von Langvokal-Phonemen Lagen umgebungsbedingt für /oi/, /ei/ die komplementär distribuierten Allophone [oi], [ei] gegen [ou], [ei] vor, wird /DI/ in freier Variation als [DI] und [o·B] realisiert (der Einfachheit halber i.f. [OB]). Natürlich ist auch diese Variation nicht "frei" in dem Sinne, daß es keine Bedingungen für die eine oder andere Variante gäbe. Es ist nochmals daran zu erinnern, daß Allophonie "nicht durch die Stellung bedingt" zu sein braucht, aber, wie hier (dazu unten mehr) "sehr wohl von der prosodischen Umgebung und besonders von der Redegeschwindigkeit beeinflußt" sein kann (Rowley 1986: 117-8). Gegenüber den 'steigenden' Diphthong-Phonen [ei] und [ou] ist bei der Realisierung [OB] die artikulatorische Richtung 'fallend1. Hinzu kommt, daß

317

der Ausgangspunkt der diphthongischen Allophonie des Phonems / / nicht [DI] selbst ist, wie es bei /ei/ bzw. /oi/ das [ei ] bzw. [01] war, sondern ein höherer Vokal: [oi]. Der Vorgang, der von / / zu [OB] führt, läßt sich etwa so nachvollziehen: (1) Der erste Teil des Langvokals /OI/ wird (a) verkürzt (auf 3/4 der ursprüngsprünglichen Quantität?), (b) gehoben, (c) bleibt aber velar, (2) der zweite Teil nimnt (a) quantitativ den Raum ein, der durch Kürzung des ersten Teils frei wurde (1/4?), bleibt (b) tief, (c) wird aber zentralisiert. Etwas ganz Ähnliches spielt sich beim Phonem / / ab. Zur Phonie [ ] gibt es eine häufige, auch im obigen Sinne "freie" Allophonie [e-a] (der Einfachheit halber i.f. [ e s ] ) . Vgl. etwa [ ] vs. [gr£iber] 'Gräber' [ 3 ]

[deed] [greabed] [dsesne]

' ( e r ) täte 1 , ' ( e r ) gräbt' 'Zähne 1

Für einige Fälle, die nicht oder nicht so offensichtlich in morphologischem Motivationszusarnnenhang stehen, ist nur die [es]-Phonie belegt: [xeafn] [erdseale]

'Hefe 1 •erzählen'

Der Prozeß der Umwandlung von [

[desne] [geweane]

•dehnen1 •gewöhnen 1 .

] zu [es] ist ganz parallel zu dem der Umwandlung

von [OI] zu [OB]. Die Reihenfolge ist beliebig: (a) 1/1 Länge wird auf die beteiligten Laute im Verhältnis von ca. 3/4 zu 1/4 verteilt. (b) Der Ausgangspunkt [

] wird in seinem ersten Teil zu [e] gehoben, während der

zweite im vertikalen Parameter unverändert bleibt ([s] liegt tiefer als [e]). (c) der erste Teil bleibt PAL, der zweite wird zu Schwa zentralisiert. Als Ausschnitt aus dem VCK-System dargestellt, stehen jeweils [Vi]- und [W]-Allophone wie folgt zueinander: zu /

zu / D I /

/

9

p

DI

Diese Prozesse stehen im Zusammenhang mit einem weiteren Phcnie-Muster der 1st. 'tiefen1 Langvokale: der sogenannten "Zweigipfligkeit". Werner (1961: 107) hat sie für "die Aussprache des o in Ludw." beobachtet, "die sich mit do wiedergeben ließe". Zweigipfligkeit kann erstens in der beim "oo" erwähnten tonalen Weise, für die ich im folgenden [01] schreiben will, und zweitens durch phonetische

318

Bisegmentierung eines zugrundeliegenden Langvokals geschehen, woraus, wie bei der Diphthongierung von [ ] und [ ] die "fallenden Diphthonge" [· -*·

DI

->·

oi ui

-> ->·

ii ei ea äi OTS

6f ui

Von steigender Diphthongierung bei Emphase sind nur die Langvokale mit dem Höhenmerkmal H III betroffen. Von langsamem Sprechtempo bedingte Allophonie gibt es jedoch zu allen Langvokal-Phonemen. Doch die beiden Möglichkeiten sind nochmals komplementär distribuiert: Fallende Diphthongierung begegnet bei den jeweils tiefsten Langvokalen der palatalen und velaren Reihe (/ / bzw. / D I / ) . Zweigipfligkeit tritt sonst auf: zunächst bei dem Langvokal, der keiner dieser beiden Reihen angehört (/ai/), dann bei allen, die in der jeweiligen Reihe höher als / / bzw. /DI/ liegen. Behandelte man die Phonien [ea], [OB] und [ei], [ou] biphonematisch wie die Diphthonge [ai] und [au] (vgl. 10.1.5.2.), d.h. beseitigte man obige Langvokalphoneme, bliebe ein nur noch rudimentäres, wenn auch sehr symmetrisches, monophthongisches /Vi/-System mit /ii/, /ui/ und /ai/ als den Ecken eines gleichmäßigen Trigons übrig. Der zweite entscheidende Einwand ist jedoch, daß es zu all diesen diphthongischen Allophonen immer auch monophthongische gibt. Es bleibt also bei den veranschlagten sieben /Vi/-Phonemen. 11.2.3. Horizontaler Parameter: Rhotazierung Es tauchen sämtliche VCK-Phoneme und ihre Allophone mit und ohne Rhotazierung auf. Umgebungsfaktor ist nachfolgendes und gleichzeitig nicht von einem Vokal gedecktes [r]. Ladefoged (1982: 78) schreibt zur Rhotazierung (die übrigens von den Artikulationsorten ALV und UVUL unabhängig ist):

319 "there are at least two distinct ways in which a rhotacized quality can be produced. Some speakers have the tip of the tongue raised, as in a retroflex consonant, but others keep the tip down and produce a very similar auditory effect. Recent x-ray studies of speech have shown that in both these ways of producing a rhotacized quality there is usually a constriction in the pharynx caused by retraction of the part of the tongue below the epiglottis."

Im Lst. werden die Vokale vor [r] nach der zweiten geschilderten Art gebildet. Sie stehen in komplementärer Distribution zu den entsprechenden Vokalen in der Umgebung "sonst". Die Lücken bei Kurz-VOK vor [r] rühren entweder von phonotaktischen Restriktionen her (für *[ir] ; siehe 10.1.5.1.) oder (wie bei *[ur]) von komplementärer Distribution (zwischen [o] vor [r] und [u] "sonst"). Die dritte Lücke entstand, weil es zu lang / / kein kurzes Pendant gibt. Da die Rhotazierung der Vokale in Stellungen auftaucht, wo das [r] nur approximativ artikuliert wird und zur Vokalisierung neigt (siehe 11.1.2.3. und obige Umgebungsangabe: "nicht von einem Vokal gedecktes [r]"), stelle ich den Übergang des rhotazierten Vokals in ein vokalisiertes 'Rho1 transkriptorisch mit einem hochgestellten [*] dar: vor [r] 1 1

[VI]

+RHO

mil *r sei r WEI r bai r b-oi r boi rx ui rn

1

'wir' 'sehr 1 1 wäre ' 'Bär 1 'paar ' ' Burg ' 1 Ohren '

sonst [V]

dse r

'zerr! '

da* r WO rd fo*rd

' der ' 'warte! ' 'fort 1

-

-RHO

Da [o] nur vor [r] vorkommen kann, ist

-

alle Belege mit VOR vor Nicht-[r] es immer rhotaziert.

11.2.4. Parameter Rundung Ein Merkmal iRUND wurde bislang weder für Vokale noch für Konsonanten in Betracht gezogen. Nun tauchen aber VCK-Allophone in folgender Verteilung auf. Zur Verdeutlichung wird beim hohen Velar-VCK der normale Lautwert ohne Rundung verwendet ([ui]) und mit dem Diakritikum [ > ] für Rundung versehen (vgl. "Principles" [1949] 1977: 17). Dasselbe Zeichen wird für gerundetes [i] und [e] verwendet: fi»J

'Tisch' 'Fisch' Ijimf Ijif

'(ich)schimpfe 1 'Schiff

320

fna>J gcnje

'Frosch 1 'Gusche 1 Junnbe Juifl

be'Je le>Je

' Schaukeltier' 'Schaufel'

'Büsche' löschen1

1

J-efl 'Scheffel' Ijeberle 'Schöberlein'

Ergebnis: Die kurzen, nichttiefen Vokale vor [j] werden gerundet. Der Fall *[ > ] fehlt, weil er nur aus [ui] vor [r] entstehen und damit nicht vor [j] erscheinen kann. Als 'Gegen-Umgebung1 zur Umgebung "vor [j]" wurden absichtlich Fälle gewählt, wo der Vokal zwischen [j] und Labialen steht, von denen man auch rundende Wirkung hätte erwarten können. Doch ist erstens festzustellen, daß nicht einmal [j] progressiv rundend wirkt, und zweitens, daß die Labiale nicht einmal regressiv (geschweige denn progressiv) rundend wirken. Labialität impliziert also keineswegs Gerundetsein. Als einziger KONS trägt sogar ein Nichtlabial ([;] ) das Merkmal RUND (vgl. zur 'Rundheit1 des [j] Roberts 1974 und Ladefoged 1982: 211-2, 267). 11.2.5. Parameter Betonung Das zentralisierte Phon [a] tritt, in ziemlicher Variationsbreite, ausschließlich im auf. Es steht mit dem ihm phonetisch am meisten ähnlichen Kurz-VOK [e] in komplementärer Distribution: ,NT

'e

'

'be.ga "be.sar 'e.ga .ga'red



Backe' 'besser' 'Ecke' 'geredet '

'be.ga 'be, sar 'e,ga , gs ' red

[e] und [s] lassen sich also zu phonemisch /e/ zusammenfassen. Bei der NebentonVariante gibt es auch wieder eine ganze Bandbreite von Realisierungen, die sich um den Wert [a] gruppieren: [,gs'se ] t'lax.bed] ['lai.be]

'gesehen 1 1 lebt' 'leben'

['wai, [,f>r'diind]

'Weber' 'verdient 1

321

Das [>] überrascht nicht, da auch [9] in der betreffenden Stellung vor [r] rhotaziert wird. Von denjenigen Schwas, die nicht vor [r] stehen, sind [a] und [aj die Varianten des Nachhaupttons, wobei [aj auslautend steht, [a] ni.cht. Das [a] ist die vorhaupttonige Variante: vor [ r ] *

nicht vor [r]* vor HT

nach HT +Auslaut

-Auslaut

»

,d»r ,f»r'laid "raa, sar

-

-

'der 1 (A 'verlegt 'Messer 1

3

-

.ba'füsd ,dsa'mDxd .ga'laid

-

'befaßt' 1 zermach 'gelegt 1

?

-

-

a

-

-

'Presse 1 'hell' 'Ameise'

'bra.sa xa.la" ' xa.masa -

'lai ,besd 'lebst' 'air.bad 'Arbeit' '

*Morphintern, d.h.: /ge+ramd/ 'geregnet' ->·

,

S.O.

[garaind], nicht *[g»raind]l

Zu [»] rhotaziertes NT-/e/ wird darüber hinaus durch Assimilation an die hintere Artikulationsstelle des /r/ zu [o] velarisiert. Auch für andere -Vokale als /e/ gilt, daß sie reduziert und zentralisiert werden: /lix/ -> [1 ] und /UQ/ -*· [ ]· Auch für diese Fälle gilt also die schon für [e] und [a] beschriebene kcnplementäre Distribution zwischen HT und NT. 11.2.6. Zusammenfassung

In der folgenden Tabelle werden einige grundlegende Allophonien berücksichtigt, jedoch nicht alle, v.a. nicht solche, wo es zu Sutmierungen von Allophonien könnt (ein Beispiel dazu wäre etwa ein zentralisiertes und gerundetes [i'ij] '-isch1 o.ä-). Diphthongische und zweigipflige Allophone zu Langvokalen werden mitverzeichnet:

322

PS H N

'3 §

3 Λ

1

Λ

O

3

o 2 - .

μΐ

> -t-

Λ

3

.

Q W

Iu CN

P

55 2



P Λ

Λ

0 3 Ο

Ρ

ΡΙ

A4

0

JM

>3 "^ »4 3

.0 ~~-, Μ 0

"^· »4 Ρ

ο2 g +

•rH

EH N

αα CU P* 1

1

Λ

1

Λ

κ) \ «J ^·

o

i j ι

Λ

Ό

«4

*ιΰ ^

« PS H N ~~"S _

:rH



•rH

(l)

0

1

Λ

J M

1

o

!_o "g o

.

CN

Λ

Λ

»4

(U

ο 3

3 +

Μ

*4

•rH Q Π) W

Ό 01 D> •H 0) 4J U)

Q

Q

fc

W

in m ω

4H

φ

0)

ιΗ

0>

rH

Λ •P

*j

ω

-,Η

*4

Q

DI β O



0) Λ

»4

•Η

a

•H

QJ -rH

i

0)

•Η

•P

Ό ti

»4

K ~— u CN

1

D C O

Ρ>

~

C 3 rH

01

PS

'

tjl

D> rH l|

1

rH 10

"^^

\

~^

ο s

•Η

01

ω

ψ

H

D P!

323 Anm.: Zu den eingerahmten übergreifenden Archimerkmalen, die zu rein phonemischen Zwecken ausreichen würden, gilt das schon bei der zusammenfassenden Tabelle zum Konsonantismus Gesagte ( 1 1 . 1 . 3 . ) . Zwischen /.../ geschrieben wurden wieder die Segmente, die gleichzeitig selbst ein Allophon und Basis zur Ableitung anderer Allophone sind. Zum genauen Lautwert, v.a. der KurzVOK-Phoneme, siehe die Einleitung zu Kap. 11.

Da Quantität segmentales Merknal ist, könnt man nicht ohne getrennte phonemische Reihen für Lang- und Kurzvokale aus. Wenn auch zu / / und /oi/ keine oppositionellen Kurz-VOK-Phoneme */ / und */o/ vorliegen und man deshalb die Quantitätsbezeichnung nicht brauchte, wäre es doch gegenüber den überwiegenden Fällen von Lang-VOK, zu denen es eine Kurz-VQK-Opposition gibt, inkonsequent, hier keine Länge zu bezeichnen. In der Matrix habe ich für lange und kurze Vokale nur ein Schriftzeichen zugrundegelegt und /Vi/ das Quantitätsmerkmal LANG beigegeben. Von diesem Quantitätsmerkmal her läßt sich der genaue phonetische Lautwert vorhersagen. Bei Lange ändert sich qualitativ nichts, bei Kürze wird die Qualität verändert: nichttiefer /V/ wird gesenkt, tiefer /V/ gehoben (ausführlich dazu in 11.2.1.),

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