Nationalökonomen im wilhelminischen Deutschland 9783666357176, 9783647357171, 3525357176, 9783525357170

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Nationalökonomen im wilhelminischen Deutschland
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Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Herausgegeben von Helmut Berding, Jürgen Kocka, Hans-Ulrich Wehler

Band 58 Dieter Krüger Nationalökonomen im wilhelminischen Deutschland

Göttingen · Vandenhoeck & Ruprecht · 1983 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Nationalökonomen im wilhelminischen Deutschland von

Dieter Krüger

Göttingen · Vandenhoeck & Ruprecht. 1983 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Biblioth Kruger, Dieter: Nationalökonomen im wilhelminischen Deutschland / von Dieter Krüger. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1983. (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; Bd. 58) ISBN 3-525-35717-6 NE: GT

© Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1983. - Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, da; Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. EDV-Satzerstellung: Mohndruck, Graphische Betriebe GmbH, Gütersloh Druck und Einband: Hubert & Co., Göttingen

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Inhalt Vorbemerkung

9

I.

Einführung 1. Positionen der deutschen Nationalökonomie vor 1914 . 2. Biographisches 3. Zum Vorgehen

II.

Das Problem sozialliberaler Theorie und Praxis am Beispiel von Gerhart v. Schulze-Gävernitz 1. Sozialreform - das englische Vorbild 2. Konservative Formierungsideologie und 'liberaler Imperialismus' 3. Politischer Gelehrter und gelehrter Politiker: SchulzeGävernitz und Friedrich Naumann

III.

IV..

Die Auseinandersetzung mit dem Marxismus 1. Kant gegen Marx! (Schulze-Gävernitz) 2. Hegel gegen Marx! (Plenge) 3. Neukantianismus, Sozialdemokratie und Gelehrtenpolitik Die Auseinandersetzung mit dem Organisierten Kapitalismus 1. Die Bürokratiedebatte von 1909 2. Plenge und Jaffe über den Wandel der Wirtschaftsordnung 3. Das Kreditwesen als Steuerungsinstrument 4. Die Manager 5. Finanzpolitische Probleme 6. Schulze-Gävernitz und das Petroleummonopolprojekt .

11 13 20 25 29 29 33 43 49 50 57 66 74 78 82 88 92 93 96

V.

Die 'Schule der Organisatoren' - Plenges Projekt einer Unterrichtsanstalt für praktische Volkswirte

102

VI..

Die Gelehrtenpolitik in der Krise am Vorabend des Ersten Weltkrieges 1. Binnenkonflikte im Verein für Socialpolitik

109 109 5

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2. Das Scheitern einer liberalen akademischen Sozialpolitik 3. Die Alternativen Plenges

111 116

VII. Die Kriegswirtschaft als Ordnungsproblem 118 1. Von der 'Militarisierung' zur 'Sozialisierung' (Jaffé) · · 121 2. Von der Organisation'zum Sozialismus 124 3. Die Kontroverse über den Kriegssozialismus 129 VIII. Die Kontroverse um die Übergangswirtschaft 1. Staatssozialismus oder Staatsinterventionismus? 2. Die Finanzreform als Problem der Nationalökonomie . 3. Finanzreform und Sozialisierung: die Vorschläge Jaffes und Rudolf Goldscheids 4. Staatssozialismus und Sozialdemokratie - einige Aspekte des Wandels sozialdemokratischer Übergangskonzeptionen 5. 'Wirtschaftsliberalismus versus Staatssozialismus' und die Reichstagsrede von Schulze-Gävernitz im Mai 1918 . 6. Der Kampf um die Wirtschaftspolitik nach der Novemberrevolution - ein Ausblick

141 141 148

IX.

170 172

Handelspolitik und Kriegsziele 1. Mitteleuropa 2. Die Kontroverse über die Zollannäherung

3. Brentanos Plädoyer für Freihandel 4. Sozialliberale Kriegszielpolitik - das Beispiel SchulzeGävernitz X.

XL

Der Beitrag deutscher Nationalökonomen zur Kriegs- und Burgfriedensideologie 1. Plenges'Ideen von 1914' 2. Die Rezeption der'Ideen von 1914' 3. Wahlrechtsreform, Parlamentarismus und 'Deutsche Freiheit' Arbeiterbewegung und Gesellschaftswissenschaft im Zeichen des Burgfriedens 1. Bürgerliche Sozialreform und sozialdemokratischer Reformismus 2. 'Neumarxismus' und 'Neukonservatismus': Plenge und die Lensch-Cunow-Hänisch-Gruppe

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152 158 161 165

175

177 180 189 194 199 204 214 214 219

XII. Kriegsideologie - Präfaschismus - Faschismus 1. Die Lauensteiner Tagung 2. Plenge und der Präfaschischmus (Ernst Krieck, Eduard Stadtler) 3. Plenge und der Nationalsozialismus

232 234

XIII. Epilog

241

Abkürzungen der Periodika und Sammelwerke

251

Anmerkungen

254

Quellen und Literatur 1. Ungedruckte Quellen 2. Literatur

342 342 343

Personenregister Sachregister

359 364

236 239

7 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

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Vorbemerkung Diese Studie ist eine überarbeitete Fassung meiner 1981 vom Fachbereich Geschichtswissenschaft der Philipps-Universität Marburg angenommenen Dissertation mit dem Titel "Deutsche Nationalökonomen in Politik und Gesellschaft des späten Kaiserreichs 1900-1918". Für die Betreuung dieser Dissertation danke ich Prof. Gerd Hardach und Prof. Theo Schiller, beide Marburg. Durch ihre kritische Lektüre und vielen Hinweise haben Prof. Peter Hertner, Florenz, und die Herausgeber dieser Reihe zum Zustandekommen dieser überarbeiteten Fassung beigetragen. Ferner sei auch allen anderen, die mir mit Hinweisen, Rat und Kritik geholfen haben, besonders Dipl.-Soz. FranzGeorg Duhr, Florenz, und Dr. Stefan Bajohr, Düsseldorf, gedankt. Großen Anteil am Gelingen der Studie haben auch die Mitarbeiter der benutzten Archive und Bibliotheken; dabei seien die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Zentralarchive der DDR, der Bundesarchive und der Universitätsbibliothek Bielefeld, wo ich jeweils längere Aufenthalte verbrachte, besonders hervorgehoben. Der Friedrich-NaumannStiftung, Gummersbach, bin ich für ein zweieinhalbjähriges Doktorandenstipendium zu großem Dank verpflichtet. Sie hat auch einen Druckkostenzuschuß gewährt. Vielfache Hilfestellung gab mir ferner das Fachgebiet Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Marburg und besonders dessen Leiter, Prof. Ingomar Bog. Bei der Fertigstellung des Manuskripts konnte ich in dankenswerter Weise auf den Rechner des Europäischen Hochschulinstituts, Florenz, zurückgreifen. In jeder Hinsicht haben mich schließlich meine Eltern, Alice und Heinz Krüger, Konstanz, unterstützt, ohne deren unermüdliche Hilfe diese Arbeit nicht zustandegekommen wäre; ihnen gilt mein besonders herzlicher Dank. San Domenico di Fiesole, im Februar 1983

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

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I.Einführung Bis vor zwanzig Jahren war das Interesse der Forschung an der Rolle der deutschen Wissenschaft für die gesellschaftliche Entwicklung des Kaiserreichs und der Weimarer Republik gering. Das hat sich heute ins Gegenteil verkehrt.1 Nicht zuletzt die Literatur über die Sozialwissenschaften der wilhelminischen Ära - also vor allem über die Nationalökonomie und Soziologie sowie Bereiche der Geschichtswissenschaft und Philosophie - hat seitdem zugenommen,2 Auf der Grundlage dieser neueren Forschungen und unter weitgehender Berücksichtigung vorhandenen Quellenmaterials soll in dieser Studie das Verhältnis der Nationalökonomie als führender Sozialwissenschaft ihrer Zeit zur wilhelminischen Gesellschaft und ihren Hauptproblemen untersucht werden. Die bisherigen Darstellungen konzentrieren sich meist auf einen über die Zeit hinaus relevant gebliebenen Gelehrten und vernachlässigen darüber jene zeitgenössischen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Kommunikationsstrukturen, in denen das jeweilige Werk entstanden ist. Oder sie behandeln summarisch eine ganze Disziplin als Gruppe und vermögen so, den Prozeß der Rezeption gesellschaftlicher Entwicklung in sozialwissenschaftlicher Theorie nur in Grundzügen darzustellen. Einen Fortschritt hingegen stellt die Arbeit Bruchs dar. Ihm gelingt es, am Beispiel mehrerer Gelehrter, Vereine, Zeitschriften und bestimmter von Gelehrten mitgetragener öffentlicher Kampagnen wesentliche Wechselbeziehungen von Professorenschaft, öffentlicher Meinung und staatlicher Politik zwischen 1890 und 1914 aufzuzeigen. 3 Die hier vorliegende Studie konzentriert sich auf den Vergleich von drei Nationalökonomen, die sie im Kontext der wissenschaftlichen Kommunikation der Zeit behandelt. Möglichst differenziert sollen der Prozeß der wissenschaftlichen Rezeption gesellschaftlicher Phänomene unter Maßgabe bestimmter gesellschaftlicher Interessen und spezifischer Denktraditionen sowie der Versuch der Rückvermittlung von Theorie in die Gesellschaft bestimmt werden. Daß dabei wesentliche Strömungen und Gruppierungen der Nationalökonomie nur in den jeweiligen Problemfeldern, wie etwa in der Auseinandersetzung mit dem Marxismus, mit der Kriegszielfrage und ähnlichem, skizziert werden, kann umso leichter in Kauf genommen werden, als 11

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sich Gruppen meist in der Auseinandersetzung um zentrale wissenschaftliche und politische Fragen bildeten. Es war nicht die Ausnahme, sondern die Regel, daß ein und derselbe Wissenschaftler je nach Streitfrage verschiedenen Gruppierungen angehörte. Ferner beabsichtigt die Studie weniger ein komplettes Panorama der zeitgenössischen Sozialwissenschaften, als vielmehr die Darstellung der Wechselbeziehung von Gesellschaft und Sozialwissenschaften anhand ausgewählter Personen und Probleme. Allgemein sahen sich die Sozialwissenschaften der Kaiserzeit in wachsendem Maße vor die Aufgabe gestellt, die historischen Bedingungen und aktuellen Folgen jener wirtschaftlichen, sozialen und politischen Probleme zu analysieren, die sich aus der raschen Entwicklung Deutschlands zur Industriegesellschaft ergeben hatten. Ferner fühlte sich die Mehrheit der Sozialwissenschaftler aufgerufen, Perspektiven und Leitbilder der künftigen gesellschaftlichen Entwicklung zu entwerfen. Daraus folgend, galt es, durch derartige Leitbilder politische und ökonomische Entscheidungen von sozialen Gruppen und Individuen zu beeinflussen und/oder zu legitimieren. Das war zunächst über direkte Verbindungen zu Entscheidungsträgern wie Beamten, Politikern, aber auch Funktionären der Arbeiterbewegung möglich. Beinahe noch bedeutender war der Versuch vieler Gelehrter, als Einzelne oder im Zusammenwirken mit Kollegen, mit Politikern, mit Publizisten, selten im Rahmen politischer Parteien und immer häufiger in Zusammenarbeit mit den seit 1890 erstarkenden Agitations- und Interessenverbänden, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Schließlich hatte sich die öffentliche Meinung seit Jahrhunderten als wichtigster Raum des gesellschaftlichen Selbstverständigungsprozesses herausgebildet, aus dem heraus die Ergebnisse der Selbstverständigung zu politischen Konsequenzen drängen.4 Viele Hochschullehrer versuchten, nicht nur in ihrer Eigenschaft als Sozialisationsinstanzen, sondern eben als Faktoren der öffentlichen Meinung, solche Wertnormen zu verbreiten, die der Begrenzung und Unterdrückung gesellschaftlicher Konflikte dienen sollten. Das gilt natürlich im besonderen Maße für die Kriegszeit. So zeigt das Beispiel von Schulze-Gävernitz, wie sich selbst sozialliberale Reformvorstellungen mit einem an konservativen Topoi anknüpfenden ideologischen Konzept verbinden konnten. Die unter dem Stichwort "Gelehrtenpolitik" zusammengefaßten Bemühungen der Hochschullehrer, über den akademischen Bereich hinaus ihren Vorstellungen Geltung in der Öffentlichkeit und Einfluß auf Entscheidungsträger zu verschaffen, entsprachen der Tatsache, daß wissenschaftliche Erkenntnis per se keine Handlungsmacht entfalten kann; sie bleibt immer darauf verwiesen, von, in der Regel konfligierenden, gesellschaftlichen Gruppen rezipiert zu werden. Insofern waren auch die Sozialwissen12 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

schaffen der wilhelminischen Ära gleichzeitig Ferment, Produkt und Spiegel gesellschaftlicher Konflikte.

1. Positionen der deutschen Nationalökonomie vor 1914 Seit den 1880er Jahren war die deutsche akademische Nationalökonomie zur Domäne der Jüngeren Historischen Schule geworden, als deren Haupt Gustav Schmoller (1838 - 1917) gilt. Im Anschluß an die Vorläufer der Alteren Schule (Roscher, Knies u.a.) lehnte Schmoller die Theorie und deduktive Methodologie der englischen Klassik und ihrer deutschen Fortsetzer (Rau, Thünen, Hermann u.a.) ab. Er sah in der umfassenden Beschreibung der Herausbildung ökonomischer und sozialer Strukturen die Voraussetzung einer später zu entwickelndenden Theorie. Obwohl diese angesichts einer Fülle wirtschafts- und sozialhistorischer Forschungen dann doch nur ein Schattendasein führte, formulierten Lujo Brentano (1844 - 1931), Karl Bücher (1847 - 1930) und Georg F. Knapp (1842 - 1926) immer wieder theoretische Überlegungen. Sieht man von Adolf Wagner (1835 - 1917) - der eher an die Korrektur als an die Überwindung der klassischen Theorie dachte - und dem Neoklassiker Heinrich Dietzel (1857 - 1925) ab, so war der eigentliche Antipode der Historischen Schule die österreichische Grenznutzenschule. Ihr Protagonist Carl Menger (1840 - 1921) focht mit Schmoller einen heftigen Methodenstreit um den Stellenwert deduktiver Verfahren aus. Aber selbst zwischen diesen Richtungen waren vermittelnde Positionen möglich, wie das Werk Eugen v. Philippovichs (1858 - 1917) zeigt. Er gehörte mit Carl Ballod (1864 1933), Franz Eulenburg (1867 - 1943), Carl J . Fuchs (1865 - 1937), Eberhard Gothein (1853 - 1938), Heinrich Herkner (1863 - 1932), Ignaz Jastrow (1865 - 1937), Karl Rathgen (1856 - 1921), Gerhart v. Schulze-Gävernitz (1864 - 1943), Max Sering (1857 - 1939), Ferdinand Tönnies (1855 - 1936), August Sartorius v. Waltershausen (1852 - 1938), Alfred Weber (1868 - 1958), Hermann Schumacher (1868 1952), Walther Lotz (1865 - 1941) und anderen zu einer neuen Generation von Nationalökonomen, die überwiegend der Historischen Schule entstammte. Dennoch strebten einige ihrer Vertreter nach neuen Paradigmata der Forschung, die der Erklärung des modernen Kapitalismus und seiner Entstehung gerecht werden sollten. Am bekanntesten wurden Max Weber (1864 - 1920) und Werner Sombart (1863 - 1941), deren Arbeiten das Bestreben prägte, sozialwissenschaftliche Theorie und historische Beschreibung wieder zu integrieren. Das gilt sowohl für das von Max Weber entwickelte Instrumentarium des 'Idealtypus' wie für Sombarts Arbeit über die Entstehung 13 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

des modernen Kapitalismus, deren erste Auflage zudem von marxistischen Theoremen beeinflußt war. Überhaupt sahen sich viele jüngere Nationalökonomen zur Auseinandersetzung mit dem Marxismus herausgefodert, wie das Beispiel von Schulze-Gävernitz und des zur jüngsten Generation vor dem Weltkrieg zählenden Johann Plenge (1873 - 1963) zeigt. Die theoretischen Überlegungen Schulze-Gävernitz' verweisen zudem auf die starke Resonanz Max Webers in der jüngeren Generation und deuten das Bemühen an, dessen Vorstellungen mit der Historischen Schule in Einklang zu bringen. Auch Karl Diehl (1864 - 1943) blieb mit seinem Versuch, eine konkrete Wirtschaftstheorie aus den Rechtsinstituten einer Gesellschaft herzuleiten, der Historischen Schule verbunden. Mit ihren entwicklungs- und konjunkturtheoretischen Arbeiten gelang den ebenfalls zur allerjüngsten Generation zählenden Arthur Spiethoff (1873 - 1957) und Josef Schumpeter (1883 - 1950) die Bewältigung des Schmoller-Mengerschen Methodenstreits. Ähnlich vermittelnde Positionen bezogen Paul Mombert (1876 - 1938), Robert Liefmann (1874 - 1941) und Otto v. Zwiedineck-Südenhorst (1871 - 1957). Der Versuch vieler jüngerer Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler, die Sterilität zu vermeiden, in welche die Historische Schule zu geraten drohte, führte zu einem Generationenkonflikt, der sich auch auf andere Gebiete erstreckte und sich mit den Gegensätzen dort verband. Unter anderem entluden sich die Spannungen im Streit um die ethischen Zwecksetzungen und sittlichen Postulate der Gesellschaftswissenschaften, wie sie besonders von Wagner, Schmoller, Gustav Cohn (1840 - 1919) und dem Protagonisten des katholischen 'Solidarismus', Heinrich Pesch (1854 1926), gefordert wurden. Auf der anderen Seite standen vor allem Max Weber und Sombart, die den Gesellschaftswissenschaften das Recht absprachen, ethische Normen aufzustellen und daraus politische Handlungsanweisungen abzuleiten. Daß der Werturteilsstreit nicht nur eine Generationenfrage war, zeigt die vermittelnde Haltung Knapps, Brentanos, Schulze-Gävernitz' sowie die Kritik an Webers Forderung nach Werturteilsfreiheit durch Herkner, Alfred Weber, Rudolf Goldscheid (1870 - 1931) und Robert Wilbrandt (geb. 1875). Ähnlich wie Plenge, schrieb Wilbrandt der Nationalökonomie die Funktion zu, Handlungsanweisungen zu geben. So richteten sich Vertreter der dritten, jüngsten Generation ihrerseits wieder gegen die Forderungen ihrer Vorgänger, der zweiten Generation. Bezeichnend dafür sind unter anderen Edgar Jaffé (1866 - 1921) und Othmar Spann (1878 - 1950), deren gesellschaftspolitische Konzeptionen manche Vorstellungen der älteren Kathedersozialisten wieder aufnahmen. Andererseits gehörte auch ein unbedingt liberaler Soziologe wie Leopold v. Wiese (1876 - 1970) zu dieser jüngsten Generation. Freilich war der Konflikt um die Werturteilsfreiheit vielfältig mit den 14 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Gegensätzen in der Einschätzung des modernen Kapitalismus, der Rolle der preußisch-deutschen Bürokratie und vor allem der Ziele der Sozialpolitik verwoben.5 Angesichts der offensichtlichen sozialen Probleme im Gefolge des aufstrebenden deutschen Kapitalismus bekannten sich die meisten Vertreter der Historischen Schule und ihre jüngeren Nachfolger zur Forderung nach Besserung der sozialen Lage der Arbeiterklasse als Voraussetzung ihrer Integration in das gesellschaftliche System. Freilich schieden sich die Geister an der Frage, wie dieses gemeinsame Ziel erreicht werden sollte. Seit seiner Gründung und auch in seiner Glanzzeit in den 1880er Jahren prägte der latente Konflikt zwischen Sozialkonservativismus und Sozialliberalismus den 'Verein für Socialpolitik', der neben einem Zentrum bürgerlichen Engagements für die Sozialreform auch immer mehr zum Kommunikationszentrum der Gesellschaftswissenschaften geworden war. Die Begriffe 'sozialkonservativ' und 'sozialliberal' geben zunächst keine parteipolitischen Orientierungen, sondern gesellschaftspolitische Richtungen an, die ihre Legitimation nicht zuletzt aus der wissenschaftlichen Analyse bezogen. Unter den älteren Nationalökonomen und Gründern des Vereins zählten besonders Schmoller, Knapp, Wagner, Johannes E. Conrad (1839 - 1915) und Georg v. Mayr (1841 - 1925) zur konservativen und Brentano sowie Bücher zur liberalen Richtung. Daß die von Brentano repräsentierte Richtung seit etwa 1890 die Unterstützung vieler jüngerer Nationalökonomen erhielt - etwa von Max und Alfred Weber, Jastrow, Fuchs, Sombart und Schulze-Gävernitz - verschärfte den Gegensatz zur konservativen älteren Generation, die mit Schmoller als Vorsitzendem den Verein führte. Das Grundproblem, dem sich beide Richtungen - besonders nach 1890 - konfrontiert sahen, war der Widerspruch, daß sich in Deutschland ein technologisch modernes, hochkonzentriertes Industriesystem mit einer dieser Grundlage weithin inadäquaten politischen und sozialen Verfassung verbunden hatte. Dem liberalen Bürgertum war es kaum gelungen, den Einfluß der Rittergutsbesitzerschicht auf den Staat zurückzudrängen. Allen ökonomischen und technologischen Neuerungen zum Trotz blieb die von vorindustriellen Werten geprägte Mentalität der Junker von großem Einfluß auf die politische Kultur und ihre spezifischen wirtschaftlichen Interessen von vorrangiger Bedeutung für die Staatstätigkeit. Die überlieferte ungenügende parlamentarische Rückbindung und Kontrolle der Bürokratie kam der vornehmlich im Großbürgertum sich verfestigenden Überzeugung entgegen, daß die Vorteile des Obrigkeitsstaates - besonders in der Auseinandersetzung mit der Arbeiterschaft - den Nachteil des junkerlichen Einflusses überwogen. Ausschlaggebende Teile des Großbürgertums, der Agrararistokratie, der höheren Beamtenschaft und des

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Militärs gingen ein Bündnis ein, das sich der Modernisierung der politischen und sozialen Verfassung nach Möglichkeit widersetzte. Diese beruhte eben nicht auf der Vermittlung und Integration notwendig konfligierender Interessen, welche die Fähigkeit zum allmählichen Wandel des politischen und sozialen Gefüges gleichermaßen zur Voraussetzung und zur Folge hat. Ferner adaptierten das Bürgertum und in der Folge auch andere Schichten der Bevölkerung ganz oder teilweise die feudal-junkerliche und militaristische Mentalität der Großagrarier und Militärs. Demgegenüber hatte sich westlich-liberales Denken kaum oder nur oberflächlich durchsetzen können. Diese, bei allen Interessenunterschieden im einzelnen, gemeinsame Machterhaltungs- und Privilegiensicherungsstrategie der konservativen Eliten aus Großindustriellen, Großgrundbesitzern, hohen Beamten (vor allem in Preußen) und Militärs sowie ihnen nahestehenden Politikern und Verbandsmanagern ließ interne Spannungen wachsen und beschleunigte Desintegrationsprozesse. Auf der anderen Seite organisierte sich eine zahlenmäßig zunehmende Arbeiterbewegung, die zumindest programmatisch dem revolutionären Umsturz verpflichtet war. Der Versuch der Ableitung dieser vielfältigen Spannungen nach außen forcierte die aggressive Potenz des Deutschen Reiches.6 Gemeinsam war beiden Strömungen der akademischen Sozialpolitik der Zweifrontenkampf gegen dieses herrschende Bündnis und die sozialistische Arbeiterbewegung - gegen 'Reaktion' und 'Revolution'.7 Ferner war beiden Richtungen oft ein sittliches Pathos gemeinsam, mit dem man den desintegrativen Erscheinungen der wilhelminischen Gesellschaft entgegenzuarbeiten versuchte. Die Konservativen jedoch

sahen vornehmlich im Erhalt des starken, bürokratischen und vermeintlich gegenüber gesellschaftlichen Partikularinteressen neutralen Staates die Möglichkeit, gesellschaftliche Konflikte zu verhindern oder mindestens einzudämmen. Die Prädominanz des Staates gegenüber den aus der wirtschaftlichen Entwicklung resultierenden Einzelinteressen sollte der zweckneutralen Bürokratie die Ausübung einer 'ausgleichenden Gerechtigkeit' ermöglichen. Wagners 'Staatssozialismus' ging dabei am weitesten. Das Engagement für soziale Reformen als Voraussetzung einer positiven Integration der Arbeiterbewegung fand seine Grenze in der möglichen Gefährdung des 'übergesellschaftlichen' Staates. Bei aller Kritik blieb das Verhältnis zum Junkertum als wichtigem Rekrutierungspotential der höheren Bürokratie letztlich positiv. Dennoch nahmen die konservativen Sozialreformer eine kritische Haltung gegenüber den Eliten ein, sobald deren egoistische Machterhaltungsstrategie dem Ziel der ausgleichenden Gerechtigkeit fundamental widersprach. Von den Erfolgen der Sozialdemokratie - deren staatlicher und rechtlicher Diskriminierung sie sehr oft reserviert gegenüberstanden - erhofften sie sich eine Revision 16 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

der herrschenden bürgerlichen Politik. Grundsätzlich waren die Konservativen bestrebt, das politische System in seinen Grundstrukturen zu erhalten. Sie waren eher geneigt, die ökonomische Entwicklung den Erfordernissen des Systems anzupassen als umgekehrt. Daraus resultierte die konservativ-antikapitalistische Note vieler kathedersozialistischer Vorstellungen. Die Sozialliberalen suchten weniger, den Konflikt gesellschaftlicher Interessen durch staatliche Intervention zu verhindern, sondern strebten nach Integration aller Gesellschaftsgruppen auf der Grundlage der Rechtsgleichheit. Sie sahen sich vor die Aufgabe gestellt, der zunehmenden Dysfunktionalität des politischen Systems durch seine allmähliche Modernisierung und Anpassung an den ökonomischen Wandel zu begegnen. Tendenziell zielten ihre Vorstellungen auf die geregelte Konkurrenz und politische Partizipation kollektiv organisierter gesellschaftlicher Interessen, vor allem auf die "Institutionalisierung des Klassenkonflikts" (Dahrendorf) bei aufrechtzuerhaltender bürgerlicher Präponderanz - insgesamt also auf eine dem kapitalistischen Industriestaat adäquate Ordnung.8 Dementsprechend sollte sich der Staatseingriff weitgehend auf die Schaffung und Wahrung gleicher Bedingungen für den geregelten Konflikt gesellschaftlicher Gruppen beschränken und die wirtschaftliche Entwicklung auf keinen Fall behindern. Galt den Konservativen eher die Wohlfahrt des Ganzen als Leitgedanke, so den Sozialliberalen eher die Wohlfahrt des Einzelnen als Voraussetzung für das Funktionieren des Ganzen. Vordringlich erschien dabei die Regelung des Konflikts zwischen Kapital und Arbeit, so daß dieser Konflikt seine systemgefährdende Potenz verlor. Wollten die Konservativen dies eher durch sozialpolitische Staatseingriffe erreichen, so die Sozialliberalen eher durch Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit. Solange die Machterhaltungsstrategie der konservativen Eliten dies verhinderte, richtete sich das Engagement der Sozialliberalen gegen sie und zwar eindeutiger als das der Konservativen. Die Sozialliberalen waren überzeugt, daß die allmähliche Modernisierung des politischen Systems in Verbindung mit den 'Früchten' des technischen Fortschritts, die auch den Arbeitern zugute kamen, jene Kräfte innerhalb der Arbeiterbewegung förderten, die den revolutionären Umsturz durch evolutionären Reformismus zu ersetzen sich anschickten. Langfristig sollte ihre politische Partizipation die Arbeiterschaft gemeinsam mit dem Bürgertum zum Träger eines modernen Sozialkapitalismus machen, der nicht zuletzt aus außenpolitischen Gründen geboten schien.9 Der sozialliberalen Richtung gelang es jedoch nicht, gemeinsame Zielvorstellungen und geeignete Formen ihrer Vermittlung in die öffentliche Meinung zu finden. Das zeigt die anhaltend ungeklärte Situation im Verein für Socialpolitik nach 1905 und das Scheitern einer geplanten Kundge17 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

bung der sozialpolitischen 'Linken' 1912. Die Modifizierung des Brentanoschen Sozialliberalismus zum 'liberalen Imperialismus' durch Schulze-Gävernitz deutet ebenso wie der Bruch zwischen Brentano und dem liberalen Politiker und Sozialreformer Friedrich Naumann (1860 - 1919) auf den Generationenkonflikt auch innerhalb der sozialliberalen Richtung. Vertreter der jüngsten Generation wie Plenge, Wilbrandt und Jaffé wandten sich dann auch vom Sozialliberalismus ab und einem meist diffusen Sozialismus zu. Oft verlor für sie, wie im Falle Plenges und Bernhard Harms' (1876 - 1939) die traditionelle akademische Sozialpolitik an Interesse gegenüber neuen Formen von Forschung und Lehre.10 Seit der Jahrhundertwende sahen sich die akademischen Sozialpolitiker zudem der scharfen Kritik aus den eigenen Reihen konfrontiert. Schon die Berufung des dezidierten Antikathedersozialisten Julius Wolf (1862 - 1937) nach Breslau wurde weithin als "vollständige Capitulation vor Stumm" empfunden.11 Der sozialkonservative Saarindustrielle v. Stumm hatte in den 1890er Jahren eine heftige Agitation gegen den Kathedersozialismus entfaltet.12 Mit Richard Ehrenberg (1857 -1921), Ludwig Pohle (1869 - 1926), Andreas Voigt (1860 1941), Adolf Weber (1876 - 1963) und Ludwig Bernhard (1875 1935) formierte sich nach der Jahrhundertwende eine Gruppe, die teilweise an der Forderung nach wertfreier Wissenschaft anknüpfend - gegen die akademische Sozialpolitik Front machte. Hatten die Kathedersozialisten seinerzeit mit dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit die Sozialreform popularisiert, so versuchten ihre Gegner jetzt, die Unwissenschaftlichkeit der Kathedersozialisten nachzuweisen und die Forderung nach einem Stop der Sozialreform wissenschaftlich zu legitimieren.13 Besonders hohe Wellen schlugen der 'Fall Ehrenberg' und der 'Fall Bernhard'.14 Der vergebliche Widerstand Büchers gegen die Berufung Pohles als Nachfolger auf seinen Leipziger Lehrstuhl weist auf die Konsequenzen dieser Gegensätze bei Berufungsfragen.15 Nach dem Kriege war es vor allem Adolf Weber und seine Schule, die diese Tradition industrienaher Nationalökonomie fortsetzte.16 Die Kritik dieser Gruppe verhärtete den Widerstand der älteren Kathedersozialisten gegenüber den Forderungen ihrer Schüler und bestätigte sie in ihrem nach der Jahrhundertwende zunehmend vorsichtigeren sozialpolitischen Kurs. Ferner behinderte diese Kritik die Suche der liberalen Sozialpolitiker nach einer eigenständigen Politik, da sie sich zur Loyalität und Rücksichtnahme auf die älteren Kollegen veranlaßt sahen. Die ungeklärte Situation mündete in eine Krise der Gelehrtenpolitik vor dem Krieg. Nur wenige zogen, wie Schulze-Gävernitz, die Konsequenz und engagierten sich parteipolitisch. 18 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Während die Sozialliberalen einem gesellschaftlichen Engagement für ihre Reformziele eher zuneigten, lehnten die Konservativen - sieht man von Wagner ab - die Politisierung der Gelehrten ab. Sie sahen den Professor als ebenso zweckneutral und gesellschaftsfrei an wie die Regierung, deren Ratgeber sie sein wollten. Gemeinsamkeiten der Sozialisation und der Mentalität begünstigten einerseits die gouvernementale Haltung vor allem der eher konservativen Wissenschaftler und verschaffte ihnen andererseits Rückhalt in der Bürokratie gegen Anfechtungen der Gegner der Sozialreform sowie einen oft bevorzugten Informationsstand.17 Nicht zuletzt die Berufungspolitik des preußischen Hochschulreferenten Friedrich Althoff (1839 - 1908) sicherte den kathedersozialistischen Gesellschaftswissenschaftlern eine überlegene Stellung.18 Bezeichnend ist jedoch auch, daß führende Vertreter der sozialliberalen Richtung an außerpreußischen Universitäten lehrten, so Bücher in Leipzig, Brentano in Leipzig, Straßburg und München, Max Weber in Freiburg und Heidelberg, Alfred Weber in Prag und Heidelberg, Schulze-Gävernitz in Freiburg. Aufs engste verknüpft mit der Frage nach Ziel und Mitteln der Sozialpolitik war das Problem der ordnungstheoretischen Einschätzung des Organisierten Kapitalismus, der aus ihm resultierenden politischen und sozialen Konsequenzen und die daraus abzuleitenden wirtschaftspolitischen Schlußfolgerungen.19 Meist wurde diese Frage zwischen den Polen Verkehrswirtschaft und Verwaltungswirtschaft diskutiert.20 Die Vorstellungen über letztere waren von den Kenntnissen über den Kameralismus, von den vagen Perspektiven der Marxisten und vor allem von der Tradition etatistischer und korporativistischer Ordnungsvorstellungen beeinflußt, die sich mit den Namen Fichte, Adam Müller, Rodbertus, Wagener, Schäffte und Adolf Wagner verbinden.21 Vertraten die konservativen älteren Nationalökonomen im Sinne dieser Tradition und ihres Staatsverständnisses eine positive Haltung zum regulierenden und kompensatorischen Staatsinterventionismus, so lehnten ihn die liberalen Gelehrten oft rundweg ab. Sie betrachteten den Staatseingriff als Behinderung der grundsätzlich begrüßten Fortentwicklung des modernen Kapitalismus. Daß manche verbale Anleihe beim etatistischen Wirtschaftsdenken einem tatsächlich gemäßigt-staatsinterventionistischen Wirtschaftsliberalismus der liberalen Nationalökonomen nicht entgegenstand, mögen die praktischen wirtschaftspolitischen Vorschläge zeigen, besonders im Falle Plenges und Schulze-Gävernitz'. Mit Ausbruch des Krieges wurde die Funktion der Sozialwissenschaft als Produzent systemaffirmativer Wertvorstellungen doppelt wichtig. Insbesondere die Professorenschaft - die Ökonomen Sombart und Plenge mit an der Spitze - wurde zum Propagandisten der 'deutschen Sendung'. Meist anknüpfend an konservative Denktraditionen,

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versuchten sie, die Begeisterung der Augustwochen in eine dauernde Burgfriedensideologie umzumünzen und die deutsche Kriegspolitik zu legitimieren. Im Rahmen dieser neuen Aufgabe kam es zu einer starken Annäherung ehedem eher liberaler und eher konservativer Sozialpolitiker. Entscheidender als dieser Gegensatz wurde nun die Spaltung der Professorenschaft in zwei Gruppen: die intransigenten Siegfriedenspropagandisten - neben den Historikern Dietrich Schäfer (1845 - 1929) und Georg v. Below (1858 - 1927) vor allem auch Plenge - und die 'Gemäßigten'. Ihnen galt das Konzept der allmählichen politischen Modernisierung, besonders die Gleichberechtigung der burgfriedenstreuen Sozialdemokratie, und gemäßigte Kriegsziele als wechselseitige Bedingungen einer erfolgreichen deutschen Kriegspolitik. Daneben wurde die Einschätzung der Kriegswirtschaft und der aus ihr resultierenden langfristigen Folgen für die Wirtschaftsordnung sowie das Problem der künftigen Friedenswirtschaft zur wesentlichen Aufgabe der Nationalökonomie. Die Debatte über den sogenannten 'Kriegssozialismus' muß dabei einerseits als Beitrag zur Burgfriedensideologie, andererseits aber auch als Fortsetzung ordnungstheoretischer Überlegungen der Vorkriegszeit verstanden werden. Es zeigt sich auch hier, daß die überwiegende Mehrheit trotz mancher, meist verbaler, Anleihen bei verwaltungswirtschaftlichen Konzepten durchaus verkehrswirtschaftlich orientiert war. Die Frage nach der künftigen Handelspolitik und den Kriegszielen stand in engstem Zusammenhang mit dieser Debatte.

2. Biographisches

Für die Entscheidung, Schulze-Gävernitz, Plenge und Jaffe ins Zentrum dieser Untersuchung zu stellen, sprach, daß alle drei bislang wenig erforscht sind, jedoch ihre zeitgenössische Bedeutung kaum geringer war als die ihrer bekannteren Kollegen.22 Obwohl ihre Leistungen aus heutiger Sicht weit hinter denen Max Webers und Sombarts zurückstehen, repräsentieren sie gleichwohl wichtige Strömungen der Nationalökonomie. Von besonderer Bedeutung erscheint die Tatsache, daß alle drei bis heute als Vertreter des 'Staatssozialismus' gelten, als Freunde einer zumindest stark etatistischen, wenn nicht gar planwirtschaftlichen Ordnung. Die genauere Analyse zeigt jedoch, daß Schulze-Gävernitz und Plenge im Gegenteil verkehrswirtschaftlich orientiert waren. Jaffé dagegen oszillierte tatsächlich zwischen konservativem und sozialistischem Antikapitalismus und setzte am ehesten die Tradition etatistischen Wirtschaftsdenkens fort. Freilich verbanden Schulze-Gävernitz und Plenge ihre wirtschaftspolitischen 20 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Vorstellungen mit einem unterschiedlichen liberalen bzw. konservativen Konzept. Gerhart v. Schulze-Gävernitz wurde als Sohn des geadelten Staatsrechtlers Hermann v. Schulze-Gävernitz 1864 in Schlesien geboren. Nach Studien bei Schmoller, Brentano und anderen sowie ausgedehnten Reisen durch Westeuropa, veröffentlichte er 1890 eine stark von Brentano inspirierte Studie zur sozialpolitischen Entwicklung in England. Der reaktionäre preußische Innenminister v. Köller deutete darauf dem jungen Regierungsassessor in der Reichsverwaltung Elsaß-Lothringens an, daß für Leute seines Schlages ein weiteres Avancement nicht in Frage komme.23 Schulze-Gävernitz wandte sich darauf der akademischen Laufbahn zu. Nach einer ausgedehnten Rußlandreise wurde er 1896 zum ordentlichen Professor in Freiburg berufen, wo er bis 1926 lehrte. Prägnanter noch als sein zeitweiliger Freiburger Kollege Max Weber vertrat er das in der zweiten Generation der Nationalökonomen verbreitete Konzept des 'liberalen Imperialismus': gesellschaftliche Modernisierung im Sinne imperialistischer 'Weltpolitik'. Ebenfalls repräsentativ für viele jüngere Nationalökonomen, verband er die Bejahung des modernen Kapitalismus mit der Anerkennung der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie als tendenziell systemstabilisierende Kräfte. Seine neukantianisch geprägte Auseinandersetzung mit dem Marxismus wie der Historischen Schule erscheint typisch für die Suche der jüngeren Nationalökonomen nach neuen theoretischen Paradigmata. Den auch affirmativen Funktionen der Sozialwissenschaften war die Propagierung einer konservativen Formierungsideologie verpflichtet. Darunter sei die Propaganda für Wertorientierungen verstanden, die der Verhinderung gesellschaftlicher Konflikte und der Formierung der Gesellschaft unter Zurückstellung oder gar Verzicht auf Veränderungswünsche dienten. Die dezidiert gegen westlich-liberale Denktraditionen gerichteten Inhalte der Formierungsideologie machten ihren eigentlich konservativen Charakter aus; sie reflektierte die ungebrochene Kontinuität antiliberaler deutscher Denktraditionen. Seine enge Zusammenarbeit mit Naumann war ebenfalls charakteristisch für viele sozialliberale Gelehrte, während sein direktes parteipolitisches Engagement als Reichstagsabgeordneter der Fortschrittlichen Volkspartei bzw. der Deutschen Demokratischen Partei von 1912 bis 1920 eine der wenigen Ausnahmen innerhalb der Professorenschaft blieb. Gerade diese von Schulze-Gävernitz verkörperte Kombination von Gelehrtem, Sozialreformer, Publizisten und Parteipolitiker erlaubt Rückschlüsse auf die praktischen Implikationen sozialliberaler Gelehrtenpolitik. Das gilt besonders für die Kriegszeit, in der Schulze-Gävernitz in diversen offiziellen und 'offiziösen' Missionen tätig war. Wissenschaftlich freilich mag das Urteil zutreffen, das der Dekan der Berli21 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

ner Philosophischen Fakultät anläßlich der Besetzung des WagnerLehrstuhls 1917 über ihn formulierte: "Idealist und doktrinärer Pathetiker von einer oft seltsamen Steifheit, übt er auf die studierende Jugend doch einen tiefgehenden Einfluß aus." Freilich müsse "in seinen starken philosophischen, ethischen und soziologischen Interessen ein teilweiser Ersatz für große theoretische und methodologische Leistungen gesucht werden." 24

Nach Auflösung der Nationalversammlung 1920 fand seine politische Tätigkeit ein Ende. 1923 legte er die Freiburger Professur nieder. Nach Gastdozenturen in England und Amerika 1924 - die er im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt wahrnahm -25 hielt er seit 1925 Vorlesungen an der einst von Naumann gegründeten 'Hochschule für Politik'. In zahlreichen Aufsätzen verfolgte er seine alten Themenschwerpunkte weiter.26 Von der zuständigen Völkerbundskommission wurde er 1925 zum Leiter der wissenschaftlichen Abteilung des 'Instituts für geistige Zusammenarbeit' berufen, für dessen Arbeit er gegen scharfe Widerstände in der deutschen Hochschulszene warb.27 Als er 1932 der Freiburger Studentenschaft in einem Vortrag seine liberalen Grundsätze vermitteln wollte, stieß er auf harte Ablehnung der nationalsozialistischen Studenten.28 In seinem Alterswerk unternahm er den Versuch, in einem verquollen-mystischen Universalismus seine Vorstellungen mit dem Nationalsozialismus auszugleichen. Seine von Anfang an vertretenen antiliberalen Ideologeme kamen ihm entgegen, wenn nunmehr auch er den Vorstellungen Möller v. d. Brucks, dem autoritären Staat und Hitler als dem Verwirklicher des 'Mythos des Dritten Reiches' huldigte.29 Schulze-Gävernitz starb 1943 auf seinem schlesischen Gut und hinterließ eine angefangene Arbeit über 'Marx und Kant'; es fehlte, so berichtete ein Freund, das "Schlusswort über das 3. Reich, an dem er das Gute durchaus anerkannt hat."30 Der 1873 in Bremen geborene Johann Plenge studierte bei Dietzel und promovierte bei Bücher mit einer den geläufigen sozialwissenschaftlichen Studien der Kathedersozialisten entsprechenden Arbeit.31 Schon früh bekundete er jedoch sein Unbehagen an der rein archivalisch ausgerichteten Wirtschaftswissenschaft. Im Einklang mit den Interessen der meisten jüngeren Wissenschaftler, wollte sich Plenge durch das Studium der englischen und deutschen Klassiker sowie durch die Betrachtung des praktischen Wirtschaftslebens, besonders der Konjunkturbewegungen, frühzeitig das Rüstzeug schaffen für eine Beschäftigung mit der Geschichte des Kapitalismus, wie er 1897 in einem Brief an Bücher formulierte.32 Diese theoretischen Ambitionen schlugen sich in seiner späteren Antrittsvorlesung nieder. Bis 1912 lehrte Plenge dann als Privatdozent und Extraordinarius in Leipzig. Vornehmlich durch seine Hegel-Rezeption hatte er den einflußrei22 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

chen Berliner Historiker und konservativen Sozialpolitiker Hans Delbriick (1848 - 1929) für sich eingenommen, während er den in Berufungsfragen entscheidenden Kreis konservativer Kathedersozialisten, eben habilitiert, durch die öffentliche Brüskierung Schmollers düpiert hatte. Der später als jugendlicher Leichtsinn bedauerte Affront 33 war jedoch typisch fur Plenges Persönlichkeit. Obwohl Bücher Plenge, neben seinem anderen Schiiler Eulenburg, 1912 fiir einen Berliner Lehrstuhl vorgeschlagen hatte - fiir den im übrigen auch SchulzeGavernitz im Gesprach war -34 begann Plenge seit 1912 eine scharfe Polemik gegen seinen alten Lehrer. Bald trug er die zunächst nur in Privatbriefen erhobenen Vorwurfe in die Offentlichkeit. 35 Delbrück mahnte: "Sie machen es Ihren Freunden schwer, etwas für Sie zu tun." 36 Auch Max Weber - der in dem liberalen Kathedersozialisten Biicher einen "Fiihrer" der jüngeren Nationalokonomen sah -37 mahnte zur MäBigung. 38 Das personliche Ressentiment verband sich jedoch auch mit wissenschaftlichen Gegensätzen. Schon mit seiner Antrittsvorlesung wandte sich Plenge vom Historismus ab und forderte, unter Berufung auf den Neoklassiker Dietzel und noch auf Büchers Wirtschaftsstufentheorie, 39 eine theoretisch-systemmatische Erklärung der Verkehrswirtschaft. Namentlich die Arbeiten Schmollers und Sombarts lehnte er ab. 40 Im Gegensatz zu Schulze-Gävernitz und den meisten anderen Vertretern der zweiten Generation verstand sich Plenge spätestens 1913 als strikter Gegner des nationalokönomischen Historismus. Er hielt ihn für unfähig, eine praktische, zielbewufit auf die Gegenwart ausgerichtete Wirtschaftsforschung zu betreiv ben, die allein der gebotenen Veranderung der überkommenen Organisationsstrukturen den Weg weisen könne. 41 Seine aktuelle Orientierung und seine theoretischen Ambitionen trugen ihm die Protektion M a x Webers ein, der ihm versicherte: "bei alien Berufungen ... habe ich wenn gefragt, mich riickhaltlos fiir Sie eingesetzt." 42 Nachdem Plenges Hoffnungen auf die Nachfolge Biichers und seine Berufung nach Giessen nicht zuletzt an der Polemik gegen Bücher gescheitert waren, 43 vermochten Weber und Delbrück jedoch seine Berufung nach Münster zu fördern. 44 Mit seinen theoretischen Interessen und seiner Beschäftigung mit praktischen Problemen des Organisierten Kapitalismus setzte Plenge in vielem den Weg der hier von Schulze-Gävernitz repräsentierten zweiten Generation fort. Plenges Kritik an Schulze-Gävernitz' reformerischen Neukantianismus war freilich auch symptomatisch für das abnehmende Interesse an der akademischen Sozialpolitik in der jüngsten Generation. Ferner leitete Plenges Kritik an Schulze-Gävernitz die Entwicklung einer den Organisierten Kapitalismus absolut bejahenden, hegelianisch inspirierten Formierungsideologie ein, die dem liberalen Imperialisms der zweiten Generation entgegenstand. Besonders duch seinen wichtigen Bei23 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

trag zur Kriegsideologie wurde Plenge zum Mittler zwischen dem Konservativismus des 19. Jahrhunderts und dem Präfaschismus der Weimarer Republik. Unter Präfaschismus seien dabei alle jene neukonservativen Ideologen und Bewegungen verstanden, die nach dem Ersten Weltkrieg wesentliche Elemente der faschistischen Ideologie antizipierten und popularisierten, ohne jedoch unmittelbar nationalsozialistische Propagandisten zu sein. Plenge spielt in dieser Studie gewissermaßen den Gegenpart des hier von Schulze-Gävernitz repräsentierten Sozialliberalismus. Insgesamt unterschied sich Plenge deutlich von den Hauptströmungen der deutschen Nationalökonomie vor der Jahrhundertwende und war insofern typisch für die zunehmende Heterogenität dieser Disziplin; eine Entwicklung, die sich nach dem Ersten Weltkrieg noch verstärken sollte.45 Mit Unterstützung des ersten sozialdemokratischen Kultusministers Konrad Hänisch gelang Plenge nach dem Krieg die Verwirklichung seiner Pläne zur Reform der wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung in Form eines eigenen staatswissenschaftlichen Instituts.46 Nach dessen Auflösung 1923 Plenge hatte sich mit der gesamten Fakultät überworfen und die Unterstützung des Kultusministeriums verloren - zog er sich in esoterische Kunststudien zurück.47 In einem gigantischen Tafelwerk versuchte er Anfang der 1930er Jahre eine Veranschaulichung aller sozialen Beziehungen der modernen Gesellschaft. Er blieb jedoch so abstrakt, daß kaum jemand seine Graphiken verstehen konnte.48 Bis zum Ende des Nationalsozialismus hielt er an seinem Anspruch fest, zu dessen Ahnherren zu gehören.49 Mit seinem Alterswerk stellte er sich nach dem Krieg sofort wieder in den Dienst der 'Vergangenheitsbewältigung' und verbreitete eine antikommunistische Abendlandmythologie.50 Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte er seine Lehren unter dem Begriff "organisatorischer Sozialismus" zusammengefaßt; je nach politischer Lage sah er diesen, mindestens ansatzweise, durch die Kriegswirtschaft des Ersten Weltkrieges, durch die frühe Weimarer Republik und dann durch den Nationalsozialismus verwirklicht. 1951 gab er diesem Begriff erneut eine zeitgemäße Wendung: "Sachlich ist Sozialismus nur als 'soziale Herrschaft' über den Kapitalismus möglich und fällt insofern mit der 'sozialen Marktwirtschaft' weitgehend zusammen."51 Vereinsamt und Außenseiter seines Fachs schon seit den 1920er Jahren, starb Plenge 1963 in Münster. Ähnlich charakteristisch für die mit den jüngsten Nationalökonomen zunehmende Heterogenität der Disziplin erscheint auch Edgar Jaffé. Seinem Alter nach zählte er eher zur zweiten, dem Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere nach der Jahrhundertwende entsprechend jedoch zur jüngsten Generation. 1866 geboren, verbrachte er, nach einer kaufmännischen Ausbildung in Hamburg, Frankreich und Spanien, lange Jahre als Angestellter in Manchester.52 Zusammen mit 24 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Max Weber und Sombart gab er seit 1904 das als Forum der jüngeren Nationalökonomen schlechthin geltende 'Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik' heraus; sein offensichtlich nicht unbeträchtliches finanzielles Engagement ermöglichte erst diese wichtige Zeitschrift. Doch trotz seiner vielfältigen Verbindungen mit Max Weber hatte Jaffé aus seiner Beschäftigung mit dem Organisierten Kapitalismus ganz andere Konsequenzen gezogen als Weber, Schulze-Gävernitz und die Mehrzahl der jüngeren Nationalökonomen. Er wurde der Vertreter des Kriegssozialismus unter den Nationalökonomen und hatte sich mit seiner Vision einer korporativen Gesellschaft und einer gemeinwirtschaftlichen Ordnung am ehesten wieder den Vorstellungen Wagners genähert. Zusammen mit Goldscheid beeinflußte er die Debatte über die Übergangswirtschaft nachhaltig. Sein Engagement im ersten bayerischen Nachkriegskabinett Kurt Eisners machte ihn schließlich zu einer der schillerndsten Figuren der Nationalökonomie. Bald nach dem Ende der Regierung Eisner erlitt Jaffé einen Nervenzusammenbruch und starb 1921 in einer Heilanstalt. Leider war im Vergleich zu anderen der Nachlaß Jaffés verstreut und relativ geringfügig.

3. Zum Vorgehen

Zunächst soll am Beispiel von Schulze-Gävernitz verdeutlicht werden, wie die jüngere Gelehrtengeneration ihr gesellschaftspolitisches Konzept entwickelte. Es beinhaltete bei grundsätzlicher Bejahung des wilhelminischen Staates vor allem die Überwindung der Kluft zwischen einer modernen Wirtschaft und der ihr kaum adäquaten politischen Ordnung. Der Stellenwert konservativer Topoi und das Machtstaatsdenken stehen dabei oft im Widerspruch mit dem Ziel einer liberalen Konkurrenzgesellschaft; tatsächlich könnte man von der "Instrumentalisierung des Liberalismus zur Durchsetzung ... imperialistischer Ziele" sprechen.53 Besonders anschaulich wird dies an der sozialliberalen Reformstrategie während des Krieges, wenn man sie im Zusammenhang mit den Kriegszielen der 'Gemäßigten' sieht. Die Darstellung der Zusammenarbeit zwischen Naumann und SchulzeGävernitz soll schließlich den Versuch der politischen Umsetzung sozialliberaler Gesellschaftswissenschaften zeigen. Die Auseinandersetzung von Schulze-Gävernitz mit dem Marxismus zeigt den Versuch vieler jüngerer Wissenschaftler, dem Marxismus und der sozialdemokratischen Programmatik ein eigenes Konzept gegenüberzustellen. Da die Relevanz des Marxismus für die Analyse der modernen Gesellschaft nicht mehr zu übersehen war, ver25 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

suchte man, Teile des Marxismus in die eigenen methodologischen und theoretischen Ansätze zu integrieren. Dabei ist der Rekurs auf Kant typisch für die Dominanz des Neukantianismus in der zeitgenössischen Sozialphilosophie und -Wissenschaft. Dagegen repräsentiert die Wiederbelebung Hegels durch Plenge eine neue Richtung, die deutlich die Traditionen des Rechtshegelianismus wieder aufnahm. Beide Strömungen fanden ihre Fortsetzung als sozialliberale bzw. neukonservative Varianten der Kriegs- und Burgfriedensideologie. Aufs engste verknüpft mit der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Marxismus war der hier an einigen Beispielen zu dokumentierende, bisweilen sehr erfolgreiche Versuch einiger jüngerer Gesellschaftswissenschaftler, ihre Vorstellungen in die Sozialdemokratie hineinzuvermitteln und so zugunsten des reformistischen bzw. revisionistischen Flügels auf innerparteiliche Gegensätze Einfluß zu nehmen. Im Zeichen des Burgfriedens sollte der Einfluß der Gelehrten auf die Sozialdemokratie noch zunehmen und zu partieller Zusammenarbeit führen. Die unmittelbare politische Relevanz und die gesellschaftliche Bedingtheit des oft sehr abgehoben behandelten Neuidealismus mag hier deutlich werden. Kaum zu trennen von der Formulierung des jeweiligen ideologischen Konzepts ist die Bewertung des Organisierten Kapitalismus. Die Beiträge Plenges, Jaffés und Schulze-Gävernitz' verdeutlichen die vor dem Krieg in der Nationalökonomie verbreitete Auffassung, daß der Kapitalismus von einer Wirtschaftsordnung abgelöst werde, die sich durch ein Maximum an Ordnung und Organisation und einem Minimum an Verkehr auszeichne. Eine Auffassung, die vor allem in den ersten Kriegsjahren um sich griff. Tatsächlich zielten die praktischen wirtschaftspolitischen Vorschläge auf staatliche und zentralbankliche Steuerungsfunktionen, wie sie heute praktisch jede marktwirtschaftliche Ordnung kennt. Einzig bei Jaffé- dessen Analyse sich marxistischen Vorstellungen näherte - zeichnen sich etatistische Ordnungsvorstellungen ab. Darüber hinaus reproduzierte die Frage nach dem Einfluß des Staates die bekannten Fronten: Plädierten Schmoller und Wagner in unterschiedlichem Maße für Staatseinfluß, so die Gebrüder Weber, Naumann, Schulze-Gävernitz und andere für mehr oder minder ungehemmte Entfaltung des Kapitalismus. Besonders am Beispiel der Bürokratiedebatte von 1909 sollen diese Gegensätze deutlich werden. Die gesamte Problematik erfuhr ihre Fortsetzung in der Diskussion über die Kriegswirtschaft, wo es - wie im Falle Naumanns - zu einzelnen Annäherungen an konservative Vorstellungen kam, die verkehrswirtschaftliche Orientierung unter den Ökonomen aber die Oberhand behielt. Mit seinem Projekt einer 'Unterrichtsanstalt für Volkswirte' versuchte Plenge, repräsentativ auch für andere jüngere Nationalökono-

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men, die Konsequenzen aus der modernen wirtschaftlichen Entwicklung für den Bereich der wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung zu ziehen. Zusammengenommen mündeten die tiefen theoretischen wie gesellschaftspolitischen Gegensätze in Verbindung mit dem Wandel der Öffentlichkeitsstrukturen in eine Krise der Gelehrtenpolitik am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Am Beispiel des Binnenkonflikts im Verein für Socialpolitik soll dies verdeutlicht werden. Auch die sozialliberale Richtung erwies sich aufgrund ihrer Heterogenität zu einer eigenen Politik unfähig, wie das Scheitern des Versuchs einer sozialpolitischen Kundgebung 1912 zeigt. Die Vorschläge Plenges und anderer, den Verein zum reinen Koordinationsgremium sozialwissenschaftlicher Forschung umzustrukturieren, reflektierten das Ende der akademischen Sozialreform und das abnehmende Interesse der jüngsten Generation an der Sozialpolitik. Der Ausbruch des Krieges verhinderte jedoch, daß diese Krise sichtbar wurde. Die Professorenschaft sah sich vor allen anderen Gruppen dazu aufgefordert, die Kriegspolitik des Reiches nach außen und vor allem nach innen zu legitimieren. Dabei ist Plenges Beitrag charakteristisch für das Bestreben, dem Krieg metaphysischen Sinn zu verleihen und die Burgfriedensideologie in eine dauernde Formierungsideologie - die 'Ideen von 1914' - umzugestalten. Wie tief das aktuell-politische Interesse auch theoretische Überlegungen zur Sozialwissenschaft beeinflußte, mag dabei offensichtlich werden. Im Gegensatz zu dem sich immer deutlicher konservativ und alldeutschannexionistisch profilierenden Plenge setzte sich bei Schulze-Gävernitz, aber auch Max Weber, Naumann und anderen die Modernisierungsstrategie im Sinne einer effizienten deutschen Kriegspolitik fort. Die meisten ehemaligen Sozialpolitiker, vor allem die Protagonisten sozialliberaler Positionen, fanden sich bald in der Gruppe der Gemäßigten, die sich am ehesten der Reichsleitung unter Bethmann-Hollweg und später den Parteien der Friedensresolution des Reichstages verbunden fühlten. In seinen Funktionen als Professor, Politiker und Offizier wirft das Beispiel Schulze-Gävernitz wiederum ein Schlaglicht auf die Vorstellungswelt dieser Gruppe und erlaubt Rückschlüsse auf die praktisch-politischen Implikationen ihrer Konzepte. Faktisch blieb jedoch auch diese Gruppe zu heterogen und ohne wirkliche Unterstützung aus dem Bürgertum. Sie konnte sich folglich gegen den immer besser organisierten Propagandafeldzug der konservativen Eliten und ihrer Sprachrohre - unter diesen die alldeutsche Professorenrichtung - gegen politische Reformen und für den 'Griff nach der Weltmacht' nicht durchsetzen. Dazu kam freilich - was die Behandlung der Kriegsziel- und handelspolitischen Vorstellungen zeigen soll -, daß selbst die Sozialliberalen und Gemäßigten sich in ihrer Mehr27 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

heit in diesem Punkt nur graduell von den Alldeutschen unterschieden. Dies gilt vor allem für Schulze-Gävernitz und Naumann, die beredten Protagonisten des liberalen Imperialismus. Der beherrschende Gedanke der Zusammenarbeit sozialliberaler Gelehrter mit vornehmlich reformistischen Sozialdemokraten war die Hoffnung, im Gegenzug für politische Reformen die Arbeiterschaft für mäßige Kriegsziele zu gewinnen und sie dauerhaft als staatstragende Kraft in das System einbauen zu können. Auch diese am Beispiel von Schulze-Gävernitz und Jaffé sowie der sogenannten bürgerlich-sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft von 1915 darzustellende Bestrebung setzt die gesellschaftspolitische Konzeption der Vorkriegszeit fort. Eine bemerkenswerte Ausnahme stellt Plenges Zusammenspiel mit der rechtssozialdemokratischen Gruppe um Paul Lensch und Konrad Hänisch dar, da sie vermutlich der einzige Fall einer engeren Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und einem annexionistisch-konservativen Gelehrten ist. Nicht zuletzt diese Gruppe gab Plenge die Möglichkeit, sein ideologisches Konzept weiter zu entfalten und somit zu jener im Präfaschismus weiterwirkenden Synthese aus Sozialismus und Konservativismus beizutragen, die schon Huhn in einem bemerkenswerten Aufsatz umrissen hat.54 Anhand einiger Beispiele sollen das Entstehen präfaschistischer Ideologie aus der Kriegsideologie und ihre langfristigen Konsequenzen gezeigt werden.

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II. Das Problem sozialliberaler Theorie und Praxis am Beispiel von Gerhart v. Schulze-Gävernitz

1. Sozialreform - das englische Vorbild Dem Vorbild seines Lehrers Brentano folgend,1 beschäftigte sich Schulze-Gävernitz nach einer längeren England-Reise - auf der er zahlreiche Gewerkschaftsführer kennengelernt hatte -2 mit der Entwicklung der dortigen Verhältnisse. Als führende Industrienation schien England in mancher Hinsicht zukunftsweisend auch für die deutsche Entwicklung. Als wichtigstes Ergebnis seiner ersten großen, in engem Kontakt mit Brentano verfaßten Studie3 galt Schulze-Gävernitz die Entwicklung der englischen Arbeiterbewegung vom umstürzlerischen Chartismus zur pragmatisch-sozialreformerischen Gewerkschaftsbewegung.4 Die englischen Arbeiter seien mittlerweile "weit entfernt, Verstaatlichung der Produktionsmittel zu fordern." Sie hofften vielmehr, "in und durch den bestehenden Staat gewisse Reformen durchzusetzen."5 Demgegenüber sei der revolutionäre Sozialismus eine reine Intellektuellenbewegung.6 Nicht zuletzt die gegen den herrschenden Manchesterliberalismus gerichteten Anschauungen Thomas Carlyles7 hätten die "socialpolitische Erziehung" der englischen Unternehmer vom "socialen Torytum" zur Anerkennung der Gewerkschaften bewirkt.8 So stünden sich in England Arbeitgeber und Arbeiter als "nunmehr zwei gleichstarke Mächte gegenüber;"9 mit der Folge, daß die Unternehmer ihren Gegensatz zu den Arbeitern zunehmend als rein wirtschaftlich bedingt begreifen würden und andererseits auch die Gewerkschaften die Vorteile von Verhandlungen gegenüber Kampfmaßnahmen zu schätzen wüßten. Mit der wechselseitig bewirkten Organisation der konträren Interessen wachse die Möglichkeit friedlicher Vereinbarung auf dem Verhandlungswege. Dies zeige der Erfolg paritätischer Tarif- und Schlichtungsgremien in der englischen Textil29

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und Bergbauindustrie.10 Das Aufeinanderwirken der Organisationen habe also eine "beschränkte Interessengemeinschaft" zur Folge.11 Neben dem Wandel der öffentlichen Meinung sei der Fortschritt in der rationalen Regelung von Arbeitskonflikten vor allem an den Fortschritt der Großindustrie gebunden. Die große Zeit des Chartismus sei mit der Strukturkrise in der englischen Baumwollindustrie einhergegangen. Das zu jener Zeit vorherrschende Konzept der Eroberung der Staatsmacht sei ein Zeichen der ökonomischen Schwäche der Arbeiterklasse gewesen. Die großindustrielle Produktionsweise jedoch steigere den absoluten Anteil des Unternehmers wie des Arbeiters am Mehrprodukt,12 was in der Zunahme der Wochenlöhne bei sinkenden Stücklöhnen zum Ausdruck komme. Die Verbesserung des Lebensstandards bewirke eine verbesserte Leistungsfähigkeit der Arbeiter. Diese erleichtere den vom technischen Fortschritt erzwungenen Übergang zum Großbetrieb und schaffe durch erhöhte Massenkaufkraft entsprechende Absatzmärkte.13 Diese Entwicklung verleihe dem gelernten Arbeiter - der in England meist gewerkschaftlich organisiert sei - zunehmend ökonomische Macht und politischen Einfluß.14 In der Baumwollindustrie seien die früher haßerfüllten Beziehungen dem gemeinsamen Interesse am Erhalt der Märkte der eigenen Industrie gewichen. Die Arbeiter akzeptierten nun den Reichtum der Unternehmer als Voraussetzung höherer Löhne. Diese wiederum ermöglichten die Einrichtung von Unterstützungskassen und Lohnsenkungen bei konjunkturellen Einbrüchen. In Deutschland sei das hingegen kaum möglich, da die Löhne sich am Existenzminimum bewegten und zum anderen die Arbeiterorganisationen fehlten, welche die konjunkturelle Anpassung der Löhne bewirken und möglicherweise, wie in England, arbeitslose Mitglieder unterstützen könnten.15 Neben der Kritik an Marx16 zielte Schulze-Gävernitz wie Brentano mit seinen England-Studien auf eine Änderung der koalitionsfeindlichen Haltung der deutschen Unternehmer. Es erschien ihm, so schrieb er an Brentano über seinen Vergleich der deutschen und englischen Baumwollindustrie,17 "praktischer, äusserlich den capitalistischen oder technischen Standpunkt in den Vordergrund zu rücken," da er sich "an Leute, die in Deutschland erfahrungsgemäß für sociale Erwägungen verschlossen sind," wende.18 Auch in Deutschland sei der Übergang zur maschinellen Großproduktion mit gut bezahlten und organisierten Arbeitern zu vollziehen. Beides garantiere eine effektivere Kapitalverwertung als die kümmerlich entlohnte Handarbeit wenig konsumtionsfähiger Arbeiter, deren Leistungsfähigkeit gering und deren Neigung zur Rebellion groß sei.19 Im Gegensatz zu Herkner - der staatliche Sozialpolitik zur Hebung der Massenkaufkraft empfahl -20 sah Schulze-Gävernitz im technischen Fortschritt die Vor30 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

aussetzung einer starken Gewerkschaftsbewegung, die allein in der Lage sei, die Besserung ihrer Bedingungen zu erzwingen.21 Deshalb lehnte er die von vielen Konservativen empfohlene künstliche Konservierung der als staatstragend verstandenen kleingewerblichen Schichten ab.22 Nicht die durch übertriebene Schutzzölle und die Restauration handwerklicher Zünfte mögliche "Zerstörung, sondern Fortentwicklung des bestehenden Wirtschaftssystems wird ... die Losung des sozialen Reformers."23 Verfehlt wie der Mittelstandsschutz erschien ihm auch jene betriebliche Sozialpolitik, wie sie der Saarindustrielle Stumm betrieb.24 Sie erzeuge eine der früheren Gutsuntertänigkeit ähnliche "patriarchalische Abhängigkeit",25 welche die "Selbsthülfe der Arbeiter"26 verhindere. Die englischen Unternehmer hätten dagegen längst begriffen, daß die Regelung des Verhältnisses von Kapital und Arbeit als Voraussetzung der Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt "von der gewerkvereinlichen Organisation abhängt, ja ihr geradezu proportional ist."27 Das deutsche Bürgertum irre, wenn es in "den Umsturzparteien das unabwendbare Gespenst der Zukunft" sehe. Der mit voller Koalitionsfreiheit mögliche "Einfluß des Arbeiters auf die Preisbildung der Ware Arbeit bedeutet erst die eigentliche Vollendung unserer Gesellschaftsordnung, welche auf Kontraktverhältnissen beider Parteien beruht, im Gegensatz zu früheren Besitzund Herrschaftsverhältnissen am Menschen."28

Aber auch dem deutschen Arbeiter hielt Schulze-Gävernitz den englischen Spiegel vor. Sie sollten sich als gleichberechtigte Partner der Unternehmer verstehen und begreifen, "daß durch Einmischung persönlicher und politischer Elemente, durch Ausbrüche des Klassenhasses der Arbeiter sich selbst schadet."29 Die Fixierung der deutschen Sozialdemokratie auf die Staatsmacht, von deren Eroberung sie sich die alleinige Besserung verspreche, beweise ihr tiefes Mißtrauen in die eigene Stärke - im Gegensatz zur englischen und amerikanischen Arbeiterbewegung.30 Sie solle sich stattdessen vor allem der praktischen Gewerkschaftsarbeit und dem Aufbau der Konsumgenossenschaften widmen.31 Die Erfolge der englischen Arbeiter zeigten, daß "die wirtschaftliche Macht der politischen vorangeht."32 Daß die Bemühungen um einen nicht-revolutionären Kurs der Sozialdemokratie nicht nur theoretischer Natur waren, zeigt eine Bemerkung von 1891.33 Auch in einen Arbeitskonflikt der Buchdrucker griff SchulzeGävernitz ein.34 Wie Brentano galt Schulze-Gävernitz die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse nach englischem Vorbild als eine "der unaufhaltsamen Entwicklung des Individualismus" entsprechende Notwendigkeit.35 Gegenüber dem Staatsinterventionismus der konservativen Sozialpolitiker erkannten also die Sozialliberalen in der uneingeschränkten

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Koalitionsfreiheit die Möglichkeit zur geregelten Vermittlung der kollektiv organisierten Interessen von Kapital und Arbeit auf der Grundlage von Vertragsbeziehungen.36 Die für das Funktionieren dieses Systems notwendige Anerkennung als wechselseitig für die Realisierung der eigenen Zwecke unentbehrlich und die daraus resultierende Bereitschaft zum Kompromiß erforderte die Orientierung der Arbeiterbewegung auf Sozialreformen innerhalb des bestehenden Systems, ferner die Bereitschaft der Unternehmer, den durch kontinuierlichen Kompromiß der konfligierenden Interessen bewirkten Wandel des Systems hinzunehmen. Hatte Schulze-Gävernitz 1889 gemahnt, die friedliche Lösung der Arbeiterfrage nicht der Opposition zu überlassen,37 so traf das Erscheinen seiner England-Studie mit einem sozialpolitischen Kurswechsel der Regierung zusammen. Der junge Kaiser, sein Kanzler Leo v. Caprivi und der preußische Handelsminister v. Berlepsch schienen eine neue Ära der Sozialreform einzuleiten. So kam die Einrichtung paritätischer Gewerbegerichte den Vorstellungen von SchulzeGävernitz entgegen.38 Auf der Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik von 1890 resümierte Brentano die Kritik an der Bismarckschen Sozialpolitik und die Forderungen der liberalen Sozialreformer.39 Der Geschäftsführer des 'Centralverbandes deutscher Industrieller', Bück, kritisierte das in seinen Augen verkehrte England-Bild von Brentano und Schulze-Gävernitz.40 Aber auch Schmoller widerriet der Übertragung englischer Einrichtungen und der vollständigen Koalitionsfreiheit. Brentano und seinen Schülern warf er vor, Riesenmonopole auf der einen und latent 'terroristische' Gewerkvereine auf der anderen Seite seien gleichsam ihr Ideal. Dagegen wollte er die letzte Entscheidung zwischen Arbeiter- und Unternehmerinteressen am liebsten in die Hände von Beamten gelegt sehen.41 Da der Aufschwung der Sozialdemokratie durch die wenigen Reformen Berlepschs nicht beeinträchtigt wurde, gingen Kaiser und Regierung bald wieder zu einem strammen Repressionskurs über, der seit Mitte der 1890er Jahre durch die Sammlungspolitik von Schwerindustrie und Großagrariern unterstützt wurde. Für die Kathedersozialisten begann die 'Ära Stumm', mit schwersten Anfechtungen seitens der Industrie, gegen die sie vor allem ihr Rückhalt in der Bürokratie schützte.42 Indirekt bestätigte zwei Jahrzehnte später Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg die Wichtigkeit der England-Studien von SchulzeGävernitz und Brentano. Er erklärte, daß ihm die "vorsichtige englische Entwicklung ... immer als besonders beachtenswert erschienen" sei.43 Mit seinen freilich gescheiterten Arbeiterkammer-Projekten machte auch er einen Schritt in die einst von Brentano und SchulzeGävernitz gewiesene Richtung.44 32 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

2. Konservative Formierungsideologie und 'liberaler Imperialismus'

Schon in dieser frühen Phase lassen sich bei Schulze-Gävernitz Tendenzen erkennen, welche die scheinbar eindeutig sozialliberale Haltung modifizieren. So hatte der konservative Staatsrechtler und Sozialpolitiker Otto v. Gierke45 gerade den philosophischen Teilen des 'Socialen Friedens' "größte Verwandtschaft" entgegengebracht.46 Schulze-Gävernitz verstand die Anschauungen Thomas Carlyles mit denen er "viel Zeit verloren" habe -47 als Paradigma der Überwindung des klassischen Manchesterliberalismus. Carlyle - Brieffreund Goethes und steter Bewunderer Preußens - sah in einer der deutschen romantischen Staatslehre verwandten Weise die altruistische Hingabe des Individuums an die herrschaftlich gegliederte und von einem gemeinsamen Glaubens- und Wertesystem getragenen Gemeinschaft die ideale Vergesellschaftung schlechthin.48 Durch Erziehung von Bürgertum und Arbeiterschaft im Sinne eines neuen umfassenden Wertesystems sollte wieder eine in Führung und Gefolgschaft gegliederte Gemeinschaft entstehen.49 Zwar distanzierte sich SchulzeGävernitz vom krassen Antikapitalismus Carlyles,50 übernahm aber von ihm den Gedanken der Essentialität eines Wertesystems als tragendes Moment der Gesellschaft. Damit verbunden war die Gleichsetzung von klassischem Liberalismus und Materialismus: "beide sind utilitaristisch indem sie das Wohlsein des Einzelnen, 'das höchste Glück der größten Menge' zum Endziel setzen."51 Hier unterschied sich Schulze-Gävernitz klar von Brentano, dessen Ziel ausdrücklich das "größte Glück der größten Menge" und die Fortsetzung des klassischen Liberalismus war.52 Die notwendige Synthese aus Individuum und Gesellschaft lasse sich, so Schulze-Gävernitz, allein durch "eine freie auf inneren Veränderungen des Einzelnen beruhende ... Erziehung der Menschheit zur Freiheit durch Sittlichkeit" erreichen.53 Schulze-Gävernitz genügte also das System der Vermittlung konfligierender Interessen - das durch Verfolg individueller Interessen in seinem institutionalisierten Bezugsrahmen ständig reproduziert wird 54 als alleinige Klammer der bürgerlichen Gesellschaft nicht. Er hielt einen übergreifenden moralischen Kanon für unabdingbar, um in diesem die höhere Identität von Kapital und Arbeit als 'organische' Komponenten einer im Prinzip ganzheitlich gerichteten Kulturbewegung herzustellen. Konservative Nationalökonomen sahen in der Verzögerung der industriestaatlichen Entwicklung Deutschlands die Möglichkeit, die scheinbare Paralyse der Gesellschaft durch Individualismus und 33 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Materialismus - die für kapitalistisches Bürgertum und sozialistisches Proletariat standen - zu verhindern. Im Gefolge des Widerstandes gegen Caprivis gemäßigte Freihandelspolitik sprachen sich vor allem Wagner, Sering, Karl Oldenberg (geb. 1864) und Gustav Ruhland (1860 - 1914) gegen die Weiterentwicklung Deutschlands zum Industrie- und Welthandelsstaat aus. In vielem nahmen sie die Argumente des romantischen Antikapitalismus der Carlyle, Müller, Wagener und anderer wieder auf. Auch verwiesen sie ausdrücklich auf das soziale Elend infolge der rapiden Urbanisierung dieser Jahre. Daneben stand die Furcht, daß Deutschland einst zwischen den autarken 'Weltreichen' USA, britisches Empire und Rußland mangels ausreichender Nahrungsmittelgrundlage zerrieben werden könne. Sie forderten ein künstliches Ende des ökonomischen und, unter Caprivi, ansatzweise auch politischen Modernisierungsprozesses. Deutschland sollte Agrarstaat bleiben.55 Mit den Gebrüdern Weber und Brentano gehörte Schulze-Gävernitz zu den scharfen Gegenern dieser Konzepte.56 Deutschland, so stellte er 1898 fest, habe sich bereits zum Industriestaat gewandelt.57 Die weltwirtschaftliche Integration habe der Existenz von Schutzzöllen zum Trotz "die kühnsten Träume der alten Freihändler überflügelt."58 Die Industrieländer seien sich gegenseitig die besten Abnehmer gworden. Daher hänge nun "Wohl und Wehe der gesamten Volkswirtschaft" von der Intensivierung der Industrie und der bewußten Förderung des Außenhandels ab. Gerade Deutschland sei, ohne nennenswerte Kolonien und einen geschlossenen Wirtschaftsraum, auf jenen Freihandel angewiesen, den es durch Schutzzöllc sclbst behindere. Falsch sei daher die Ansicht Wagners und anderer, daß man Deutschland nur soweit zum Industriestaat ausbauen dürfe, wie die eigene agrarische Grundlage hinreiche. Dies sei nur um den Preis einer nationalpolitisch nicht wünschenswerten Bevölkerungsbeschränkung möglich. Allein die Großagrarier und die "Stumm'schen Reptilien", also die solidarprotektionistische Schwerindustrie, würde diese von Wagner empfohlene verhängnisvolle Fessel der industriellen Entwicklung begrüßen. "Nicht darin ... liegt die wahre crux, daß wir Industriestaat, sondern daß wir es noch nicht ganz sind," beschrieb Schulze-Gävernitz das Problem der dualen Produktionsstruktur der deutschen Wirtschaft.59 Sie war durch das Nebeneinander noch vor- und frühindustriell geprägter Gewerbe, des junkerlichen Großgrundbesitzes und moderner Industrie charakterisiert, die soeben in ein neues Stadium technologischer und organisatorischer Innovation trat. Gegenüber Nationalökonomen, welche die großagrarische Landwirtschaft als Leitsektor erhalten wollten, erkannte Schulze-Gävernitz die langfristig negativen Folgen für die gesamte Industrie und die Landwirtschaft selbst.60 Die Industriezölle bewertete er positiver, da sie zum Strukturwandel der Wirtschaft bei34 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

getragen hätten. Er sah aber auch hier die langfristige Gefahr einer Verteuerung der Grundstoffe für die in Zukunft technologisch wie außenwirtschaftlich entscheidenden 'neuen' Industrien. Da reiner Freihandel in einer Welt des Schutzzolls und ungleich entwickelter Länder unmöglich sei, unterstützte er die vornehmlich von der Exportindustrie geforderte Handelsvertragspolitik. Der dadurch geförderte technische Fortschritt ermögliche die Erhöhung des Lebensstandards der Arbeiter und in der Folge neue Verdienstmöglichkeiten für die auf Veredelungswirtschaft umzustrukturierende Landwirtschaft. Eine "schlagfertige Flotte"61 freilich galt Schulze-Gävernitz als notwendige Folge und unentbehrliche Ergänzung der Weltmarktorientierung. Nur sie könne die deutschen Interessen weltweit geltend machen und Deutschland wirksam gegen eine englische Blockade schützen. Zwar sei dem Verhältnis zu England besondere Sorgfalt zu widmen, aber England könne ohne eigene Gefährdung den künftigen Lebensnerv Deutschlands abschneiden.62 Neben Schmoller, Delbrück, und Brentano63 wurde Schulze-Gävernitz zum beredten Anwalt maritimer Rüstung; er wurde "Flottenprofessor".64 Auch auf der Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik von 1901 propagierte er mit Alfred Weber und Lotz gegen die 'Agrarier' Pohle und Oldenberg sein Konzept: 'Handelspolitik plus Flotte'.65 Sein Engagement für eine Weltmarktorientierung verband SchulzeGävernitz mit einer zutreffenden Kritik am Junkertum und am 'feudalisierten5 Großbürgertum. Er warf dem Großgrundbesitz vor, die Militär- und Flottenpolitik "zur Fortfristung seiner wirtschaftlichen Ohnmacht" zu mißbrauchen, da es mit seiner Zustimmung eine handelsfeindliche Politik erzwinge. Die Forderung nach autonomen Getreidezöllen und die Ablehnung langfristiger Handelsbindungen provoziere zwangsläufig den Zollkrieg mit Agrarstaaten und Abnehmern von Industrieprodukten. Durch seinen unablässigen Kampf gegen Sozialdemokraten und Liberale, vor allem in seinem Einflußbereich, verhindere es die Zustimmung weltwirtschaftlich orientierter Kreise und der Arbeiterschaft zur Flottenpolitik. Aus durchsichtigen, egoistischen Motiven treibe "das ostelbische Junkertum den Keil zwischen Arbeit und Kapital, mit deren Vereinigung seine Herrschaft zu Ende wäre."66 Die "Fabrikfeudalen" des deutschen Großbürgertums kämen diesen Bestrebungen noch entgegen und verleugneten durch "Anpassung an den ostelbischen Typus" ihre bürgerlichen Interessen und Traditionen.67 Sie verlören jegliche Verbindung zur Arbeiterschaft, die doch ihr eigentlicher Partner sei. Die Handelsverträge der Ära Caprivi - die so große Bedeutung für die Fortentwicklung der deutschen Industrie gehabt hätten - seien nur mit Hilfe der Sozialdemokratie möglich gewesen; das erstemal seit der Bauernbefreiung, 35 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

daß Wirtschaftspolitik gegen die Junker betrieben worden sei.68 So sollten "die Industriellen, die nach einem neuen Sozialistengesetz schreien," bedenken, "daß sie der Arbeiter als handelspolitischer Bundesgenossen schlechthin bedürfen."69 Jene "Reserveoffiziere der Fabrik" sollten sich vergegenwärtigen, daß "unser dringenstes Interesse ist, ..., den deutschen Arbeiter zur nationalen Politik empor zu erziehen und dieses können wir nur, indem wir ihn als freien und gleichberechtigten Bürger ... zeinordnen.''70

Die meisten Arbeitskämpfe und die scharfe Opposition aber resultierten aus der politischen Unterdrückung. Somit, entgegenete Schulze-Gävernitz dem sozialkonservativen Schwerindustriellen Vorster, "wendet sich gegen Sie der Haß, den andere säten. Denn die Puttkammer und Köller entstammen nicht ihren Kreisen, hochverehrter Herr Kommerzienrat, aber sie haben der deutschen Industrie Millionen gekostet"

Das Großbürgertum müsse sich endlich seiner Verantwortung besinnen und das Junkertum beerben, da die Rittergutsbesitzer ihre politische Macht zwangsläufig zu einer "wirtschaftlichen Vabanquepolitik" gebrauchten.71 Schulze-Gävernitz hatte die Rolle der Rittergutsbesitzerklasse erkannt. Mit Erfolg hatte sie es verstanden, moderne Methoden der Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen, um den Einfluß ihrer politischen Anschauungen auf die öffentliche Meinung zu sichern. In Verbindung mit ihrer formellen und informellen Macht ermöglichte dieser Einfluß die Aufrechrerhaltung der vom Fortschritt bedrohten ökonomischen Basis des Junkertums zu Lasten von Industrie und Bevölkerung.72 Gegenüber der antijunkerlichen Haltung der Schulze-Gävernitz, Max Weber und anderer ist die Äußerung des Historiographen der preußischen Agrarreformen, Knapp, charakteristisch für die eher konservativen Nationalökonomen. Ihm war "klar geworden, dass das blosse Geheul gegen Junkerthum für Preussen nicht ausreicht, sondern dass man diese Classe mit hineinbauen muss, trotz ihrer Mängel." 73 Tatsächlich 'baute' eher das Junkertum das Bürgertum in sein System 'ein'. Vielleicht hat Schulze-Gävernitz die ökonomischen Motive verkannt, welche die 'alte' Industrie zur Festigung ihres Bündnisses mit den Junkern bewog. Schließlich wurde ihre Leitfunktion allmählich von (Ter verarbeitenden Industrie übernommen, die an billigen Grundstoffen und guten Exportmöglichkeiten interessiert war. Für sie vor allem wäre das von Schulze-Gävernitz skizzierte Bündnis mit der Arbeiterschaft von Vorteil gewesen; aus ihren Reihen kam denn auch Opposition gegen die Miquelsche Sammlungspolitik.74 Daß man den Flottenbau nicht mit weltwirtschaftlichen Motiven begründete, sondern ihn zum Instrument einer imperialistischen Sammlungspolitik 36 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

machte und ihn zudem mit neuen Schutzzöllen verband, forcierte tatsächlich den chauvinistischen Charakter der deutschen Politik.75 Die von Schulze-Gävernitz beklagte Feudalisierung des Bürgertums und der Mittelschichten76 erhielt jetzt erst richtigen Auftrieb. Die Tragik der 'Flottenprofessoren5 war es, daß sie halfen, eine Maschine in Gang zu setzen, die viele von ihnen später 'so nicht gewollt' hatten. Schulze-Gävernitz hatte auch die Gefahr eines möglichen ökonomischen Nachteils Deutschlands gegenüber jenen Nationen erkannt, denen es gelang, ihre Arbeiterklasse zu integrieren. Folgerichtig nahm er aktiv am Kampf gegen die Umsturzvorlage der Regierung Hohenlohe teil, die ebenso wie die preußische Volksschulvorlage und die Agitation Stumms den Protest der gelehrten Welt hervorrief.77 Schulze-Gävernitz wandte sich 1895 an Karl v. Mangoldt, den Koordinator einer öffentlichen Adresse gegen die Vorlage. Er habe von Herkner über das Projekt gehört und empfehle ihm, sich an Prof. Förster und an Christlich-Soziale wie Naumann und Göhre zu wenden. Förster78 - Astronom und Gründer der 'Gesellschaft für ethische Kultur' - werde "unter Berliner Collegen mit Ausnahme von A. Wagner werben." Vielleicht werde aber auch dieser unterschreiben, dann müsse er ihm aber "direct schreiben u. die Vorsicht gebrauchen, nicht zu erwähnen, dass auch ich, Brentano oder ähnliche Namen dabei sind."79 Diese Bemerkungen sind wiederum bezeichnend für den Gegensatz zwischen konservativer und liberaler Sozialpolitik. Ebenso charakteristisch erscheint die Bitte von Schulze-Gävernitz, Mangoldt möge die in seinem Entwurf betonte Notwendigkeit von "Opfern" der herrschenden Klasse zugunsten der Sozialreform weglassen: "Unsere wissenschaftliche Auffassung ist doch, dass der soziale Fortschritt auch im wirtschaftlichen Interesse des Ganzen, selbst der oberen Klassen, erforderlich ist. Scheinbar handelt es sich um Opfer, tatsächlich um verkanntes Selbstinteresse (vgl. Herkner u. meinen Großbetrieb)."80

Schließlich sandte Schulze-Gävernitz - auf Veranlassung von Max Weber und Lotz, die auf einer Überarbeitung bestanden hatten einen neuredigierten Entwurf an Mangoldt.81 Er war mit der zweiten, erst in der 'Hilfe' Naumanns, dann in den 'Grenzboten' veröffentlichten Erklärung bis auf wenige Formulierungen identisch. Die erste Erklärung in den 'Grenzboten' - die auch von Wagner unterschrieben wurde - fand wesentlich schärfere Worte gegen die "sozialdemokratische Agitation" und betonte die "ausgleichende Gerechtigkeit". Demgegenüber hob die zweite Erklärung wesentlich stärker auf die Vermittlung natürlicher sozialer Gegensätze ab.82 Die Zentrumspartei signalisierte der Regierung ihre Bereitschaft, die Vorlage anzunehmen, sofern Angriffe gegen Religion und Kirche ebenfalls unter die vorgesehenen Sanktionen fielen. Jetzt versuchte Schulze-Gävernitz, 37 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Mangoldt zu einer zweiten Adresse zu bewegen; da nunmehr auch die Freiheit der Wissenschaft gefährdet schien, hoffte er, auch ausgesprochen konservative Sozialpolitiker wie Oldenberg, Sering und Gierke gewinnen zu können.83 Die Konzessionen an das Zentrum besiegelten jedoch das Schicksal der Vorlage. In seiner positiven Haltung zur Flottenrüstung kündigte sich eine Wende an, die Schulze-Gävernitz endgültig nach der Jahrhundertwende vollzog. Folgt man den idealtypischen Bestimmungen Mommsens,84 so wandelte sich Schulze-Gävernitz vom eher 'pragmatischen Antiimperialisten' Brentanoscher Färbung zum Vertreter eines 'liberalen Imperialismus', den sein Freiburger Kollege Max Weber mit seiner Antrittsvorlesung eingeläutet hatte.85 Wieder am Beispiel Englands versuchte Schulze-Gävernitz zu zeigen, daß der ältere Kapitalismus beruhend auf möglichst ungehinderter Verkehrswirtschaft, weitgehendem Freihandel und den klassischen liberalen Doktrinen - zu Ende gehe. Korrespondierend mit den Studien Max Webers und Ernst Tröltschs,86 erklärte er die "Weltherrschaft des Angelsachsentums"87 aus der Verbindung von puritanischem Ethos, liberal-aufklärerischer Emanzipation und Förderung der Naturwissenschaft.88 Die um die Jahrhundertwende sich abzeichnende ökonomische Erschlaffung Englands galt ihm folgerichtig als Ausdruck der Erstarrung des geistigen Lebens im abgelebten puritanischen Dogma und in der 'naturalistischen' Weltanschauung des Manchesterliberalismus. Der "Luxus der Rentnerklasse"89 - zu der ein großer Teil des Bürgertums sich entwikkelt habe - geriet ihm zur Folge dieser geistigen Erstarrung. Desgleichen der zunehmend spekulative Charakter des englischen Kapitalismus, der sich in steigenden Kapitalexporten, wachsender Bedeutung der Börse und in der Konservierung des verknöcherten Bankwesens sowie im technologischen und kaufmännischen Konservativismus äußere.90 Dem niedergehenden Wirtschaftsindividualismus des Manchestertums erwachse jedoch im schutzzöllnerischen 'neubritischen Imperialismus' eine Konkurrenz, die durch den auch in England spürbaren Trend zur industriellen Organisation und durch die steigende Orientierung der Arbeiterschaft auf Staatshilfe begünstigt werde. Gerade in der englischen Arbeiterklasse wachse die Neigung, sich durch Schutzzölle vom Weltmarkt zu lösen, wie dies von den Kolonien schon lange gefordert werde. Der neubritische Imperialismus verstehe sich nicht mehr als Wirtschaftsprogramm, dem die Akkumulation von Reichtum letztes Ziel sei, soondern als 'Kulturmission'. Carlyle sei der geistige Vater und Rhodes der herausragende Praktiker dieses Imperialismus.91 Der neubritische Imperialismus knüpfe somit deutlich an die Tradition des deutschen Idealismus und Militarismus an, die Wirtschaft "unter überwirtschaftliche Zwecke" zu stellen.92 Aber erst die rückhaltlose Preisgabe der "utilitaristischen Ethik" 38 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

und des "ökonomischen Automatismus"93 und damit die volle Übernahme des deutschen Idealismus könnten einen neuen Aufstieg bewirken. Den Auflösungstendenzen der modernen Gesellschaft könne nur jener überempirische Wert der Freiheit entgegenwirken, den Kant und Goethe in der Persönlichkeit und Hegel im Staat gesucht hätten.94 Diese Rezeption des klassischen Idealismus mit dem Ziel der Neuorganisation oder besser: Formierung der Gesellschaft im Sinne nationalstaatlicher Machtpolitik war von nun an charakteristisch für Schulze-Gävernitz. Der Imperialismus war nach dieser Betrachtungsweise nicht primär der Kampf um die Einbeziehung immer größerer Räume in die nationale Wirtschaftssphäre und der Versuch, das eigene Wirtschaftswachstum auf Kosten der Handelspartner und Rohstoffländer voranzutreiben - subjektiv als Kulturmission verstanden und legitimiert -, sondern die Herausbildung eines neuen gesellschaftlichen Ethos'. Damit war der Kritik am Junkertum die frühere Schärfe genommen. Die Machtstaatspolitik der Ära Bülow wurde durch den Verweis auf England - das angeblich zur Formierung seines Imperiums und zum Schutzzoll überzugehen sich anschickte - als fortschrittlich gerechtfertigt. Trotz mancher Fortschritte in der Sozialpolitik hielt jedoch auch jetzt der junkerliche und schwerindustrielle Einfluß an. Allerdings verzeichneten die Interessen von Banken und Exportindustrie seit 1905 eine gewisse Steigerung ihrer Resonanz bei der Bürokratie.95 Die Zolltarife von 1902 und die halbherzige Handelsvertragspolitik nahmen denn auch Rücksicht auf die Interessen ostelbischer Junker und westfälischer ,Fabrikfeudaler'. Dagegen war der prognostizierte imperiale Schutzzoll Englands trotz mancher derartiger Bestrebungen ökonomisch unmöglich. Der "liberal imperialism" dominierte die britische Exportpolitik.96 Freilich trat Schulze-Gävernitz weiterhin für eine konsequente Weltmarktorientierung ein. Er sprach sich gegen mitteleuropäische Zollunionsprojekte aus, die in alldeutschen, konservativen und nationalliberalen Kreisen zirkulierten und ihre Anhänger auch unter Nationalökonomen hatten (Wolf, Rathgen, Schmoller, Sering u.a.). 97 Mitteleuropäische Zollprojekte könnten den Handel mit dem Empire nicht ersetzen, es sei denn, "umwälzende politische Katastrophen" träten ein.98 Obwohl er die wirtschaftliche Verflechtung mit England anerkannte und trotz zunehmender außenpolitischer Isolierung Deutschlands, gab auch Schulze-Gävernitz sich der Illusion hin, gerade die Flotte sei der Garant einer Verständigung mit England.99 Selbst Max Weber distanzierte sich seinem Bruder gegenüber von Schulze-Gävernitz: "Was den Schulze-Gävernitzschen Imperialismus anlangt, so bin ich insoweit natürlich Deiner Ansicht, als diese Übertreibung von Ansichten, die ich auch vertrete, in der Tat notwendig diesen Ansichten selbst schaden müssen, so glänzend das Buch ist."100

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Mit der immer unverhüllteren Absage an den klassischen Liberalismus und die konsequent freihändlerischen Positionen Dietzels und Brentanos101 trennten sich auch die Wege von Schulze-Gävernitz und seinem ehemaligen Lehrer.102 Wie viele Hochschullehrer, die in den Wahlen von 1907 den Bülow-Block unterstützten,103 stand auch Schulze-Gävernitz hinter dem Bündnis von Konservativen und Liberalen. Nach Schmoller - mit dessen sozialpolitischen Vorstellungen sich Bülow 1903 einverstanden erklärt hatte -104 und neben Wagner galt dem weltgewandten SchulzeGävernitz die besondere Wertschätzung des Kanzlers. Neben Schmoller und Wagner105 bedauerte vor allem Schulze-Gävernitz die Entlassung Bülows 1909. Bülow habe - so schrieb er dem Kanzler nach seiner Entlassung - dazu beigetragen, Deutschland aus englischer Abhängigkeit zu lösen und durch gerechtere Behandlung die Arbeiterklasse zu integrieren. Ferner habe er "die ostelbische Ansiedlungsfrage als die wichtigste Daseinsfrage ... erfaßt, erkannt und gelöst."106 Tatsächlich unterstützte Schulze-Gävernitz gemeinsam mit Naumann Bülows Germanisierungspolitik im polnischen Osten.107 In der 'Hilfe' befürwortete er die Enteignung polnischen Grundbesitzes zur Ansiedlung deutscher Bauern; das Gegenargument der Unverletzlichkeit des Privateigetums verwarf er als "Manchestertum".108 In einem Dankschreiben wiederum erklärte Bülow seine Übereinstimmung mit Schulze-Gävernitz. Neben der Ostkolonisation zur Brechung der "polnischen Sturmflut" habe auch er, so Bülow, "es als eine Hauptaufgabe betrachtet, den 4. Stand in das Gefüge des monarchischen nationalen Staates allmählich einzufügen wie das vor 100 ... Jahren mit dem 3. Stand zum Heil unseres Volkes geschehen ist."109 Damit war exakt die Zielvorstellung konservativer Sozialpolitik formuliert. Die 'Revolution von oben' hatte Preußen gerade soweit modernisiert, daß die Junker auch unter veränderten ökonomischen Bedingungen ihre Macht behaupten konnten; der Erfolg der preußischen Verwaltung war der Anfang vom Ende des revolutionären Bürgertums. Diesen Erfolg hoffte man mit der Arbeiterschaft wiederholen zu können. Auf dem Evangelisch-Sozialen Kongreß bekannte sich SchulzeGävernitz 1907 wie Bülow zum Geist der preußischen Reformer von 1806. Sie hätten die Sittlichkeit durch politische Freiheit zu verinnerlichen gesucht, im Gegensatz zur "französischen Revolution, welche die politische Freiheit in eine utilitaristische Ethik und eine naturalistische Weltanschauung einzupflanzen versucht" habe.110 Mit dieser Gegenüberstellung war die spätere Antinomie 'westlicher' und 'deutscher' Freiheit, von Ί789' und Ί914' vorweggenommen. Neben dem Unbehagen gegenüber westlichem politischen Denken drückte die Absage an die Französische Revolution vor allem die Ablehnung des Sozialismus aus, der sich als Erbe des revolutionären Jakobinertums 40 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

verstand. Angesichts der defizitär gebliebenen Verbürgerlichung Deutschlands kam allerdings eine bloße Negation politischer Freiheit wider die Realitäten nach konservativem Muster nicht in Frage. Folglich verband Schulze-Gävernitz seine Berufung auf die Reformen von 1806 als Vorbild systemkonservierender Modernisierung mit der Herauslösung des Begriffs politischer Freiheit aus jeglichem materialistischen Begründungszusammenhang. Er hoffte, so dem Dilemma zu entgehen, daß einerseits das liberale System der Konfliktvermittlung erst zu vervollkommnen war und andererseits die politische Freiheit als organisatorisches Prinzip dieses Systems vor dem Hintergrund der fortschreitenden Arbeiterbewegung auf die Ablösung des Systems selbst zu weisen schien. Aus dem wiederbelebten deutschen Idealismus glaubte er jene Werte herleiten zu können, auf deren Grundlage sich Kapital und Arbeit im Interesse kapitalistisch-imperialistischer Machtentfaltung zu gegenseitigem Nutzen vereinbaren sollten. Der Imperialismus geriet dabei zum ethischen Zweck und der Kapitalismus zu dessen Instrument. Das soziale Ideal einer Wirtschafts- und Sozialpolitik, die unter Vorrang der Selbsthilfe vor Staatshilfe zur "Kultivierung unserer Arbeiter führe," so Schulze-Gävernitz, müsse sich mit dem nationalen Ideal der "Bewußtheit zur Einheit" verbinden. "Stärke nach außen" und "Freiheit nach innen", Rüstung und politische Partizipation, wie Naumann fordere, könnten allein Deutschlands Zukunft als Weltmacht sichern. Beides erfordere "die bewußte und entschiedene Bejahung und Steigerung des Kapitalismus - des mächtigsten Werkzeugs nationaler und sozialer Kulturzwecke. Angewiesen auf maritime Machtentfaltung bejahen wir zunächst das Kapital als nationales Machtmittel. Aber auch die sozialpolitische Aufgabe erheischt kapitalistische Wirtschaftspolitik."

Zwar sei "der Kapitalismus in Deutschland eine jugendlich vorstoßende Kraft," aber er werde im Innern durch die "Mächte der Vorzeit" und nach außen von besser konditionierten Konkurrenten beengt. Die Arbeiterklasse solle deshalb dem Kapitalismus die "machtpolitische Bundesgenossenschaft nach außen" nicht länger versagen, sondern mit ihm eine "gemeinsame Firma" bilden und damit das Bündnis des Kapitals mit den Agrariern beenden, denn: "Stockt die kapitalistische Ausdehnung, so welkt die Arbeiterklasse."111 Der "Demokratisierung im Innern" entspreche "eine gewisse Aristokratisierung des Deutschtums in der Welt." Beides verlange die absolute Pflichterfüllung jedes einzelnen: "Hier gilt es, wenn irgendwo: alle Mann an Bord!"112 Der markige Sprachduktus des Marinismus war in diesem Referat eine denkwürdige Symbiose mit jenem "Vulgäridealismus"113 eingegangen, der in schöngeistigen Sonntagsreden in 'kulturellen Werten' schwelgte. Es war so recht das Produkt des Wilhelmi41 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

nismus und eines liberalen "Sozialimperialismus",114 der in äußerer Expansion die Möglichkeit innerer Stabilisierung erkannte, obwohl er, im Unterschied zu den konservativen Eliten, der Arbeiterschaft politische Mitsprache nicht verweigern wollte. Der liberale Theologe Ernst Troeltsch betonte gegen SchulzeGävernitz, daß der deutsche Idealismus "Produkt der deutschen Studierstuben" und, im Gegensatz zur westeuropäischen Sozialphilosophie, nicht dem "praktischen Leben" entwachsen sei. Mit Fichte habe sich eine sozialistische Wende des Idealismus vollzogen, nach der die Individuen "bloßer Stoff der Gesellschaft und des von ihr ... zu erreichenden Kulturwertes" geworden seien. Troeltsch hatte die Zwiespältigkeit des deutschen Idealismus, seine totalitären Potenzen, erkannt. Die "eigentümliche Mischung von Persönlichkeit und Unpersönlichkeit"115 erleichterte es jedoch, dem Idealismus die Elemente einer Ideologie der sozialen Formierung zu entnehmen. Wagner kritisierte Schulze-Gävernitz' Verklärung des Kapitalismus. Ihm erschien zweifelhaft, ob die Logik des Kapitals aus sich heraus hervorbringen könne, was er für unabdingbar hielt: ausgleichende Gerechtigkeit. Vor allem bezweifelte er - die Kampagne Stumms noch in Erinnerung -, ob die Repräsentanten des Kapitals jenen gesellschaftlichen Aufgaben genügen könnten, die ihnen mit der Macht des monopolistischen Kapitalismus zufallen würden. Nur der Staat könne die Mittel des modernen Kapitalismus vernünftig im Sinne des Ganzen verwenden, wobei der Volkswille über die Parlamente einen gewissen Einfluß erhalte.116 Er empfahl die Ausweitung staatlicher Eigentätigkeit, die dem Staat sozialpolitische Handlungsfähigkeit ermögliche und den Unternehmer zum "Funktionär der Gemeinschaft" mache, wie schon Rodbertus gefordert habe. Ferner bedürfe es starker Arbeiterorganisationen, um die Macht der Unternehmer zu zügeln. Freilich dachte Wagner dabei eher an die christlichen Gewerkschaften, deren Stärkung der Evangelisch-Soziale Kongreß neben anderem diente.117 Erst in dieser Verbindung wachsender Staatstätigkeit und starker Gewerkschaften könne der Arbeiterklasse ein steigender Anteil am "Nationalreichtum" gesichert werden, "so daß die leitenden privatkapitalistischen Kräfte nicht gar zu reichlich den Rahm für sich allein abschöpfen."118 Schulze-Gävernitz konzedierte Troeltsch, daß der Staat oft als "Zwingherr" erscheine, aber doch wohl als "Zwingherr zur Freiheit", auf daß "alle zu Teilnehmern jener normativen Werte werden, in welchen sich Kultur verwirklicht."119 Wagner wiederum hielt er entgegen, daß er selbst dem "Kapitalismus freundlicher gegenüberstehe," da er die "deutsche Flottenfrage" für entscheidend halte. "Nur großkapitalistische Nationen allerersten Ranges" seien in der Lage, "eine Seemacht zu besitzen."120 42 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Moderner Kapitalismus, Handelspolitik, imperialistische 'Weltpolitik' und ein politisches System, das die Regelung notwendiger gesellschaftlicher Interessenkonflikte und vor allem die Integration der Arbeiterschaft erlauben sollte, waren die einander bedingenden praktischen Momente der Entwicklungsperspektive, die Schulze-Gävernitz dem wilhelminischen Deutschland wies. Eine konservative Formierungsideologie sollte der Gesellschaft die konstitutiven Wertnormen liefern, auf deren Grundlage Bürgertum und Arbeiterschaft unter selbstverständlicher Prädominanz des ersteren das alte Bündnis der konservativen Eliten ablösen sollten, ohne daß sich die Gesellschaft strukturell änderte. Die in der Tendenz antiwestliche Formierungsideologie ist bezeichnend für die "eindeutig gegen den Liberalismus" gerichtete "Grundstimmung selbst unter den liberalen Professoren."121 Vor allem sein liberaler Imperialismus verband ihn mit Max Weber. Freilich war das persönliche Verhältnis zu ihm eher distanziert.122 Für Weber war sein zeitweiliger Fakultätskollege insgesamt angenehm, vor allem "gescheit", aber auch "ohne Geschmack: er sagte die größten Trivialitäten mit einem geheimnisvollen Ton in der Stimme."123 Noch in seinem Nachruf auf Max Weber von 1923 betonte Schulze-Gävernitz die Verbindung von Machtpolitik nach außen und Sozialreform bzw. Demokratisierung des maroden Obrigkeitsstaates des Junkertums als bedeutendstes Charakteristikum des 'politischen' Max Weber.124 Den beständigen Interessenkonflikt bzw. Kampf um die Macht - den Weber zum Strukturelement jedes Systems und jeder sozialen Entwicklung erklärte -125 wollte Schulze-Gävernitz ideologisch 'zügeln', aber im übrigen bemühte er sich ebenso wie Weber um seine adäquate Regelung. Da das Junkertum diese notwendige Modernisierung verhinderte, teilte er mit Weber die antifeudale Gesinnung.126 Vor allem aber war er sich mit Weber einig, daß nationale Machtentfaltung, wirtschaftliche Expansion und eine möglichst wenig beschränkte Verkehrswirtschaft sich gegenseitig bedingen, mag er auch Webers Furcht vor der Bürokratisierung der Welt in diesem Maße nicht geteilt haben.127 Damit zählte Schulze-Gävernitz nicht nur zum 'linken' bzw. sozialliberalen, sondern auch zum kapitalistischen Flügel der Nationalökonomie und des Vereins für Socialpolitik.

3. Politischer Gelehrter und gelehrter Politiker: Schulze-Gävernitz und Friedrich Naumann Seit der Jahrhundertwende hatte Naumann unter allen deutschen Politikern den vielleicht engsten Kontakt zu den Gesellschaftswissenschaften. Insbesondere die jüngere Generation der Nationalökono43 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

men konnte für sich in Anspruch nehmen, seine Auffassungen wesentlich geprägt zu haben. Hervorgegangen aus der christlich-sozialen Bewegung um den Hofprediger Stöcker, stand Naumann im Zentrum der Bemühungen des fortschrittlichen Bürgertums, die Arbeiterbewegung in die bürgerliche Gesellschaft zu integrieren.128 Schon Anfang der 1890er Jahre ergaben sich durch die in vielem gleichgerichteten sozialpolitischen Bestrebungen auf dem Boden des Evangelisch-Sozialen Kongresses enge Kontakte zwischen Naumann, Max Weber, Schulze-Gävernitz, Rathgen und anderen jungen Wissenschaftlern.129 Neben Max Weber wurde vor allem SchulzerGävernitz - auf dessen Gut Crainsdorf Naumann später oft zur Sommerfrische weilte -13° zum persönlichen Freund und Mitstreiter Naumanns. Er hat "weniger auf Naumanns politische Entschlüsse gewirkt, als ihm geholfen, die Grundauffassungen durch methodische Bestätigung zu sichern."131 Mitte der 1890er Jahre unterstützte Schulze-Gävernitz Naumann bei der Auseinandersetzung mit Stöcker über die Agrarpolitik im Evangelisch-Sozialen Kongreß.132 Unter anderem veranlaßten die radikalen Parolen von Schulze-Gävernitz den konservativen Stökker, den Kongreß zu verlassen.133 Schulze-Gävernitz hatte Naumann geholfen, sich von den "reaktionären Velleitäten"134 Stöckers zu lösen. Max Weber bemühte sich seinerseits als "ziemlich reiner Bourgeois," Naumann "sachte von seinen sozialistischen Velleitäten loszulösen."135 Als Naumann den 'Nationalsozialen Verein' gründete, entsprachen seine zu Neujahr 1896 an Schulze-Gävernitz übermittelten Programmpunkte dessen eigener Konzeption: Kapitalismus (Privateigentum), Sozialreform, ländlicher Kleinbesitz, Imperialismus.136 Obwohl zwischen Naumann und dem eher sozialistisch orientierten Paul Göhre einerseits und Max Weber und Rudolf Sohm andererseits strittig blieb, ob die neue Partei eher eine national ausgerichtete Arbeiterpartei oder eine Partei des fortschrittlichen Bildungsbürgertums sein sollte,137 war die Verbindung von Sozialreform und 'Weltpolitik' auch das Hauptanliegen von Schulze-Gävernitz. Klassenkampf und Internationalismus der Sozialdemokratie sollten durch integrative Sozialpolitik und Imperialismus ersetzt werden.138 Mit der Parole "Vereinsfreiheit und Flotte" faßte Naumann gegenüber Delbrück sein Programm zusammen.139 Max Weber kritisierte, daß die Nationalsozialen in ihren Leitsätzen den einzigen klaren Punkt ihres Programmentwurfs, eine Aussage gegen den Großgrundbesitz, hatten fallen lassen.140 Monate vorher hatte auch Schulze-Gävernitz an Naumann geschrieben: könne er die vereinbarten Leitsätze "annehmbar machen, so ist das immerhin ein Fortschritt; später müssen Sie wohl noch freiheitlicher, capitalistischer, entschieden antiagrarischer werden."141 Wie Schulze-Gävernitz hoffte auch Naumann auf eine imperialistische Arbeiterschaft als Massenbasis der Industrie, mindestens aber der 44 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Exportindustrie, die dann auf das unbequeme Bündnis mit dem Großgrundbesitz verzichten konnte.142 In "fröhlicher Tirpitzgläubigkeit"143 machten die Nationalsozialen die Flottenfrage zu ihrem Anliegen. Sie versuchten, die Flottenrüstung unter den Arbeitern zu popularisieren, da sie notwendig auch in deren Interesse liege, schließlich seien sie auf eine prosperierende Industrie angewiesen. Die imperialistische Umorientierung der Arbeiterschaft erschien auch Naumann als notwendige Ergänzung ihres Kampfes gegen Schutzzölle und für Handelsverträge.144 Auf dem nationalsozialen Vertretertag von 1898 forderte Schulze-Gävernitz, die Handelsvertragspolitik zu unterstützen, da sie die "Interessengemeinschaft der Industrie und der industriellen Arbeiterschaft" fördere.145 Als Ergänzung empfahl er ein auf das Kleinbauerntum abgestelltes Agrarprogramm.146 Die Förderung des Kleinbauerntums galt ihm als "Korrelat des gewerblichen Großbetriebes."147 Tatsächlich fällte der Vertretertag von 1898 die endgültige Entscheidung für eine antiprotektionistische Handelsvertragspolitik, zu der der Verein sich vorher noch nicht hatte durchringen können.148 Ein Jahr darauf versuchte Naumann, Brentano als Referenten zu gewinnen, um den Einfluß zu stärken, "den das Auftreten des Herrn Prof. v. Schulze-Gaevernitz merkbar gehabt hat."149 Zunächst hofften die Nationalsozialen, Teile der Sozialdemokratie in den Verein hinüberziehen zu können. Später trat der Gedanke in den Vordergrund, durch informelle Kontakte und partielle Kooperation den Revisionismus innerhalb der Sozialdemokratie zu stärken.150 Kautsky nannte die nationalsozialen Bestrebungen gar eine "bürgerliche Paralellaktion zum theoretischen Revisionismus."151 Alle Bemühungen freilich, "altsocialdemocratische Wahlkreise" zu erobern, und der "Versuch ..., ob im ältesten socialdem. Besitzstand der geistige Fortschritt von der Utopie zur vaterländischen Arbeiterpolitik geschehen kann,"152 erwiesen sich als Fehlschlag. Im Gegenteil, die christlich-sozialistischen Kräfte sahen im Nationalsozialen Verein bald nur noch eine bürgerlich-nationalistische Partei; sie traten 1899 zur Sozialdemokratie über.153 Die Reichstagswahlen von 1903 besiegelten endgültig das Scheitern der Nationalsozialen.154 In den Reichstagswahlen von 1898 kandidierte Schulze-Gävernitz der schon 1890 mit dem Gedanken gespielt hatte, in die Politik zu gehen -155 im Wahlkreis Schaumburg-Lippe. Unter der Parole "verkehrsfreundliche Wirtschaftspolitik und freiheitliche Sozialpolitik" warb er für die 'Freisinnige Vereinigung'.156 Max Weber bedauerte, daß Schulze-Gävernitz nicht gewählt wurde. Schließlich habe "die Kandidatur ihm immerhin in seiner Stellung geschadet."157 Die Freisinnige Vereinigung um Theodor Barth hatte besonders in der Handels- und Militärpolitik einige Gemeinsamkeiten mit den Nationalsozialen. Die Annäherune beeann schon mit der Kandidatur von 45 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Schulze-Gävernitz; sie war von Barth, Naumann und Brentano als gemeinsame Aktion der Nationalsozialen und Freisinnigen geplant, obwohl die Zusammenarbeit dann doch nicht zustande kam.158 Bereits 1900 förderten Schulze-Gävernitz und Brentano hinter den Kulissen die Annäherung von Barth und Naumann.159 Noch 1903 befürchtete jedoch der freisinnige Abgeordnete Gothein den Verlust der "geldkräftigen Kreise" im Falle der Vereinigung.160 Unter führender Mitwirkung von Schulze-Gävernitz und Brentano kam die Fusion schließlich doch zustande.161 Vier Wochen bevor Naumann auf dem letzten nationalsozialen Vertretertag die Vereinigung mit dem Freisinn begründete,162 fiel es wieder der wissenschaftlichen Autorität von Schulze-Gävernitz zu, den Beschluß in einem offenen Brief vorzubereiten. Er forderte die Nationalsozialen auf, nicht am Mißerfolg der Reichstagswahlen zu verzweifeln. Nur "eine starke national zuverlässige Linke," eine "Linke einschließlich der Sozialdemokratie" könne die deutsche Politik voranbringen. Daher sei die Vereinigung mit den Freisinnigen zu empfehlen, deren mögliche Attraktivität in Arbeiterkreisen die Sozialdemokratie zwingen würde, mit der sozialreformerischen liberalen Partei ein regierungsfähiges Bündnis anzustreben.163 Wie schon früher unterstützte Schulze-Gävernitz neben Max Weber, Jaffé und anderen Naumanns Aktivitäten mit erheblichen finanziellen Beträgen;164 1910 organisierte er sogar selbst eine Kollekte für Naumann.165 Die von Naumann und Schulze-Gävernitz konzipierte 'Koalition von Bassermann bis Bebel' war angesichts der realen Gegensätze ein Wiinschtraum, auch wenn einzelne Revisionisten wie Georg v. Vollmar soweit gingen, eine große sozialliberale Partei unter Einschluß der Sozialdemokraten zu fordern. Selbst den Linksliberalen gelang es erst seit 1905, ihre eigenen Gegensätze zu bereinigen.166 Immerhin kam Naumann in seiner Schrift "Neudeutsche Wirtschaftspolitik" dem Revisionismus weit entgegen. Der Gedanke eines 'Fabrikkonstitutionalismus' und seine Betonung der vielen Berührungspunkte zwischen Liberalismus und Sozialismus vor allem in der Wirtschaftspolitik sollten der Sozialdemokratie die Annäherung an die Linksliberalen erleichtern.167 Noch 1898 hatte Schulze-Gävernitz das Zusammengehen von Zentrum und Konservativen als "Bündnis der Dunkelmänner" perhorresziert.168 1904 mahnte er Naumann, er solle nicht Kaiser und Agrarier zugleich angreifen; letzteres sei "wichtig, ersteres zwecklos (Sie ändern ihn nicht)."169 Nach den Wahlen von 1907 unterstützten Naumann und Schulze-Gävernitz - Naumann auch als Reichstagsabgeordneter - den gegen Zentrum und Sozialdemokratie gerichteten Bülow-Block der Liberalen und Konservativen.170 Die Flotten- und Ansiedlungspolitik fanden die ausgesprochene Zustimmung von Schulze-Gävernitz171 und Naumann.172 Dieses "Alldeutsch46 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

tum"173 führte zum Konflikt mit Brentano. Naumann lehnte es ab, sich von den Praktiken des Kolonialpioniers Carl Peters zu distanzieren, wie Brentano gefordert hatte.174 Über die Ansiedlungsnovelle und den Sprachenparagraphen des Vereinsgesetzes, den Naumann um der rechtlichen Regelungen des Vereinswesens hinzunehmen bereit war, kam es schließlich zum Bruch mit Brentano.175 Schulze-Gävernitz stellte sich hinter Naumann,176 ebenso Max Weber.177 Die Position Naumanns in der Sprachenfrage und die "schwächliche Haltung" gegenüber der Wahlrechtserklärung Bülows178 führten dann auch zum Austritt Barths, v. Gerlachs, Breitscheids und anderer aus der Vereinigung.179 Obwohl Naumann 1909 noch klagte: "der Liberalismus ist grenzenlos unfähig, sich zu einigen,"180 brachte das Ende des Bülow-Blocks auch die Einigung des Linkliberalismus. 1910 wurde die 'Fortschrittliche Volkspartei' aus der Taufe gehoben. Schulze-Gävernitz sorgte sich um die nationale Orientierung der neuen Partei. Vor dem Hintergrund der Pläne zur Hebung der Präsenzstärke des Heeres mahnte er Naumann: "Zu unseren Gesprächen in Crainsdorf: ich persönlich würde nie - unter keinen taktischen Bedingungen - gegen eine Erweiterung unserer Wehrmacht stimmen. Die Verantwortung wäre mir zu gross angesichts der Gefahren der Zukunft. Die nationalpolitische Erziehung des Liberalismus ... war eine wichtige Leistung der Nationalsocialen, "181

Nach der Einigung des Linksliberalismus und der Zusammenarbeit von Linksliberalen und Sozialdemokraten in den Reichstagswahlen von 1912 nahm Naumann seine Konzeption des Großblocks wieder auf. Um die kleine Volkspartei sollten sich die schweren Flügel der Nationalliberalen und der Sozialdemokraten drehen; Ziel sollte die Parlamentarisierung des Reiches sein.182 Die Flügelkämpfe und die Heterogenität der Nationalliberalen - die zwischen links und rechts lavierten und keine Konzeption zur Modernisierung des Reiches besaßen - entzog diesem Konzept jedoch den Boden, obwohl auch hier sozialliberale Tendenzen Raum gewannen. Jedoch blieb selbst in der Wählerschaft der Linksliberalen die Stimmung gegenüber den Sozialdemokraten im Grunde negativ und die Haltung der Parteiführer schwankend.183 Immerhin unterstützte Schulze-Gävernitz - der eben noch "mehr Bülow!" gerufen hatte -184 Naumanns Konzept. Vor den Reichstagswahlen von 1912 einigten sich Nationalliberale, Fortschrittliche und Sozialdemokraten auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Stichwahl im Freiburger Wahlkreis. Der Historiker Friedrich Meinecke hatte Schulze-Gävernitz vorgeschlagen. Gemeinsam mit dem Medizinprofessor Aschoff organisierte Meinecke den Wahlkampf, den der elegant-aristokratisch wirkende Schulze-Gävernitz 47 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

zum Spott der Zentrumspresse sehr populistisch führte. Below hingegen engagierte sich für die konservative Reichspartei.185 In einer Wahlrede skizzierte Schulze-Gävernitz sein Programm: Sicherung der individuellen Rechtssphäre bei Schutz des Schwächeren, Parlamentarisierung des Reiches, Sicherung der "nationalen Machtmittel" - alles in allem eine Liberalisierung "nach badischem Muster."186 Letzteres war nicht nur eine Referenz an den badischen Wähler, wie dem Brief an Bülow zu entnehmen ist.187 Der badische Großblock - in dem von 1905 bis 1913 Linksliberale, Nationalliberale und Sozialdemokraten zusammenarbeiteten - war der reale Hintergrund für die Hoffnungen Naumanns und überhaupt das "Vorbild der Opposition gegen Wilhelm IL im ganzen Reich."188 Sein Scheitern entzog der Möglichkeit, ihn auf das Reich zu übertragen, vorläufig den Boden.189 Besonders erbitterte die konservative Presse die Aufforderung von SchulzeGävernitz, der badischen Großblockregierung gegen Berlin "das Rückgrat zu stählen," sowie seine unkonventionellen Bemerkungen zu den Moabiter Unruhen.190 Der preußische Graf Mirbach meinte darauf im Preußischen Herrenhaus, der schon etwas altersschwache Bebel habe in Schulze-Gävernitz einen Ersatz gefunden. Er forderte eine Intervention der preußischen bei der badischen Regierung.191 Mit einer Mehrheit von rund tausend Stimmen konnte Schulze-Gävernitz das bisher vom Zentrum gehaltene Mandat gewinnen.192 In den zwei Jahren bis zum Ausbruch des Krieges setzte sich Schulze-Gävernitz im Reichstag vor allem für die Belange der kleinund mittelbäuerlichen Betriebe ein - entsprechend seinen eigenen agrarpolitischen Auffassungen und der ökonomischen Struktur seines Wahlkreises.193 In einer Wahlkreisrede, ein Jahr vor Kriegsausbruch, kamen noch einmal Ziele und Widersprüche der linksliberalen Politik zum Ausdruck. Wieder forderte er angesichts der Wehrvorlage von 1913 "Stärke nach außen!",194 deren Notwendigkeit aus ökonomischen Gründen er betonte.195 Nicht zuletzt gegenüber England sei eine umfassende Aufrüstung nötig, da sie am ehesten die im Interesse der engen Handelsbeziehungen gebotene Verständigung ermögliche.196 Die Stärkung der Wehrkraft sei jedoch nur durch "freiheitliche Reformen" zu sichern, welche die Diskriminierung der Sozialdemokratie in Staat und Heer beendeten. An erster Stelle stehe die Reform des preußischen Wahlrechts, das in der gegenwärtigen Form "in den Tornister des ausrückenden Wehrmannes gelegt, ... ein Bleigewicht ist, das jeden Aufschwung der Seele lähmt."197

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III. Die Auseinandersetzung mit dem Marxismus Die jüngeren Gesellschaftswissenschaftler setzten sich mit den konservativen Kathedersozialisten und ihrer 'ethischen' Nationalökonomie sowie mit dem Marxismus auseinander. Den älteren Nationalökonomen war der Marxismus weitgehend fremd geblieben.1 Unter ihnen erkannte vor allem Wagner die befruchtende Wirkung der marxistischen Kritik an.2 Das bezog sich aber eher auf die wirtschaftspolitischen Konsequenzen als auf die marxistische Kapitalismusanalyse. Gerade mit ihr aber begannen die jüngeren Gelehrten sich zu beschäftigen. Anläßlich des Erscheinens einer Monographie des langjährigen Schmoller-Assistenten Wenckstern über Marx 3 forderte Sombart: "... die Epoche der Don Quixoterien im Feldzug [!] gegen den Marxismus, die wir bürgerlichen Theoretiker nun seit einem Menschenalter zum Gaudium der sozialdemokratischen Weisheitsverkünder aufführen, muß jetzt ihr Ende erreichen. Und ich hoffe, daß Wencksterns 'Marx' der letzte seines Standes ist ... ."1

Sombart zog die Konsequenz, indem er das Verwertungsstreben des Kapitals als Movens der modernen Entwicklung anerkannte.5 Freilich näherte sich Sombart bis zur Jahrhundertwende dem Marxismus auf eine Weise, die es Zeitgenossen schwer machte, zu entscheiden, ob Sombart nun eher Marxist oder ein an Marx geschulter und mit marxistischen Vokabeln argumentierender Protagonist des modernen Kapitalismus war.6 Max Weber würdigte den Marxismus als "Systematisation von brillanten idealtypischen Hypothesen" zur Entwicklung des modernen Kapitalismus,7 der er ein konkurrierendes Erklärungsmodell entgegenzusetzen versuchte.8 Seine wissenschaftstheoretischen Überlegungen richteten sich gegen die ethische Nationalökonomie und sollten die objektive Erfassung von Entwicklung und Funktion des Kapitalismus unabhängig von subjektiven Wertungen ermöglichen. Indem Weber aber erkennende und handelnde Praxis in die als heterogen verstandenen Sphären wertfreier Erkenntnis und wertorientierten Handelns spaltete, trat er zugleich dem Anspruch des Historischen Materialismus entgegen, "daß die Lösung der theoretischen Rätsel eine Aufgabe der Praxis und politisch vermittelt ist, wie die wahre Praxis die Bedingung einer wirklichen und positiven Theorie ist."9 In letzter Instanz vermag also das Handeln bei 49

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Weber seine Rechtfertigung nicht aus der Erkenntnis zu beziehen, wie die Erkenntnis selbst nicht ein bestimmtes Handeln als Folge beanspruchen kann. Der Begriff der Wertfreiheit entzieht die von Weber zu Elementen überhistorischer Realität hypostasierten Strukturmerkmale bürgerlicher Gesellschaft und kapitalistischer Produktionsweise der auf Veränderung gerichteten Kritik, die ihre Rechtfertigung aus der historischen Qualität dieser Strukturen bezieht. Die wertfreie Erkenntnis wird zur bloß axiomatischen Prämisse der durch ihre Wertrelativität letztlich dezisionistischen Politik.10 Dieses Amalgam aus Positivismus und Dezisionismus charakterisierte auch die wissenschaftstheoretischen und geschichtsphilosophischen Überlegungen von Schulze-Gävernitz. Bei ihm treten die unmittelbar politischen Ambitionen auch viel deutlicher zu Tage als bei den viel niveauvolleren Betrachtungen Webers. Eben hinsichtlich dieser politischen Grundintentionen und weniger bezogen auf die philosophischen Details erscheint Schulze-Gävernitz repräsentativ für die jüngeren Gesellschaftswissenschaftler und darüber hinaus für den Neukantianismus als herrschende Denkrichtung der Zeit.

1. Kant gegen Marx! (Schulze-Gävernitz) Die gesamte Welt der Erscheinungen unterliege, so Schulze-Gävernitz, der Kategorie der Kausalität. Es seien daher "die eigenen, praktischen Zielsetzungen der streng kausalen Seinswissenschaft fernzuhalten." Die quasi-naturwissenschaftliche Betrachtung gesellschaftlicher Phänomene und die Aufstellung ökonomischer Gesetzmäßigkeiten, wie sie in Dietzels Isoliermethode und Webers 'Idealtypus' zum Tragen komme, sei hingegen zulässig.11 Andererseits erkenne man in der Kausalität der Erscheinungswelt "seit Kant nur die Betrachtungsweise, durch welche der erkennende Mensch die Irrationalität des Seins zwar bekämpft und zurückdrängt, aber nicht überwindet."12 Der Zusammenhang zwischen Allgemeinem und Besonderem bleibe letztlich irrational. Mit der "Willensfreiheit" als "Voraussetzung für die pflichtmäßige Anwendung der Denkgesetze, insbesondere der rein kausalen Denkform in der Wissenschaft,"13 bedürfe es der Vorstellung der Geschichte als eines "einmaligen Kulturwerte verwirklichenden Wertverlaufs," um die "Masse wertneutralen Geschehens" zu ordnen. Nur der so gewonnene "überindividuelle, Allgemeingültigkeit fordernde 'Kulturwert"' könne der Wissenschaft als "allgemeinverbindliches Auswahlprinzip ... dienen."14 Obwohl die Geschichtswissenschaft empirisch-kausale Aufgaben habe, erfolge die Auswahl der sie interessierenden Fragen aufgrund dieser Kulturwerte, die "zwar ebenfalls 50 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

empirisch gegeben und dem gesellschaftlichen Wechsel unterworfen sind, deren Verbindlichkeit jedoch überempirisch verankert" sei und die ihre letzte Gewißheit aus dem Glauben an die Verwirklichung der Sittlichkeit in der Welt bezögen. Dennoch könne auch dieser "Zweck (telos) niemals Realgrund irgendwelchen Tatbestandes" sein.15 Ebenso sei "der Wert ... ein Ding, das ... nicht bewiesen werden kann, sondern ergriffen werden will. Er ist die Voraussetzung des Beweisens."16 Unter dem leitenden Wertgesichtspunkt fasse der Historiker "Ursachen disparatester Herkunft zur Einheit" zusammen.17 Er bediene sich der notwendigen Kausalketten nicht als Selbstzweck, sondern als "Mittel der Darstellung" des vorrangig intuitiv erfaßten Zusammenhanges. Insoweit könne auch der "historische Materialismus dem Historiker als 'heuristisches Prinzip' von Nutzen werden."18 Mit dieser von Windelband, Rickert und Weber entwickelten Geschichtsmethodologie19 werde die Geschichte als "Kulturwissenschaft" frei von "höchst subjektiven Werten," ohne daß das Einzelsubjekt zum bloßen Appendix objektiver Prozesse gerate, wie dies in der "unrealistischen Geschichtsmetaphysik" von Hegel und Marx geschehe.20 SchulzeGävernitz teilte also Max Webers Aversionen gegen alle Auffassungen, die dem Geschichtsprozeß objektiv-gesetzmäßigen Charakter unterstellten, und erkannte wie dieser den Marxismus als fruchtbare Hypothese an.21 Wie Weber forderte er ferner die strikte Trennung der Wirtschaftswissenschaft als Erkenntnis von der Wirtschaftspolitik als 'wertgeleiteter Seinsverbesserung'.22 Die Wirtschaftswissenschaft habe "nicht zu klagen, nicht zu loben, sondern lediglich das was ist, festzustellen und kausal zu erklären."23 Wirtschaftswissenschaft sei zugleich auf das Problem der "Sachgüterbeschaffung" gerichtete Kulturwissenschaft im Windelband-Rikkertschen Sinne und Sozialwissenschaft, insofern sie Prozesse der Naturunterwerfung unter gesellschaftliche Zwecke zum Gegenstand habe.24 Ganz im Sinne des Rankeschen Historismus hatte die Geschichte nach Schulze-Gävernitz auf der Grundlage allgemeiner Kulturwerte "einmalige Vorgänge als die eigentlichen Kulturträger ... zum 'Nacherleben' zu bringen."25 Auch hier befand sich SchulzeGävernitz in Übereinstimmung mit Weber, der die 'verstehende' Rekonstruktion sozialer Handlungszusammenhänge als wesentliche Aufgabe der Sozialwissenschaft ansah, obwohl er sich vom lebensphilosophischen 'Verstehens'-Begriff absetzte.26 Die Wirtschaftsgeschichte im engeren Sinne, so Schulze-Gävernitz, habe idealtypische Prozesse und Zustände zu isolieren. Sie komme dann zu einer Geschichtstheorie, die drei Entwicklungsstufen konstatiere: Hauswirtschaft, Tauschwirtschaft und die gegenwärtig sich herausbildende "Gesamtwirtschaft (Kollektivwirtschaft)" mit den diesen Stufen entsprechenden psychologischen Idealtypen: "Vorwirtschaftsmenschen", 51 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

"Wirtschaftsmenschen" und "Überwirtschaftsmenschen".27 Die "Individualwirtschaft", also die Verkehrswirtschaft, sei als in das Ganze der wirtschaftlichen Entwicklung eingebundener Faktor zu betrachten und es sei das eigentliche Verdienst der Historischen Schule wie der Marxschen Mehrwertlehre, auf den sozialen Charakter der Wirtschaft hingewiesen zu haben. Freilich sei die Historische Schule oft in "geistloses Antiquariertum" ausgeartet.28 Die klassische Nationalökonomie hingegen sei die dem Manchesterkapitalismus adäquate Theorie gewesen - der "Versuch einer Privatwirtschaftslehre, die weit über ihr Ziel hinausschoß."29 Die Fortbildung der klassischen Theorie in der Grenznutzen-Schule sei daher nur von begrenztem Wert.30 Die Entwicklung einer Privatwirtschaftslehre als Teildisziplin der Wirtschaftswissenschaft sei dennoch unverzichtbar.31 Im Rekurs auf die Antinomie von Denken und Sein bei Kant im Lichte der südwestdeutschen Schule des Neukantianismus fand Schulze-Gävernitz den Ausgangspunkt für seine Überlegungen. Kant hatte die Intelligibilität der objektiv-natürlichen Voraussetzungen subjektiver Praxis negiert.32 Er konstruierte die Realität aus den apriorischen Kategorien des subjektiven Verstandes, die selbst Ausfluß der Transzendentalvernunft seien.33 Nachdem Hegel, noch im Rahmen des Idealismus, und Marx, dann bezogen auf die historisch-soziale Entwicklung, die prozeßhafte Vermittlung von Subjekt und Objekt versucht und die subjektive Realisierung objektiver Entwicklungsnotwendigkeiten behauptet hatten, brach der Neukantianismus diesen Zusammenhang wieder auf. Er rekurrierte auf die These Kants, daß die Vernunft in "völliger Spontaneität eine eigene Ordnung nach Ideen" errichte, "in die sie die empirischen Bedingungen hineinpaßt."34 Der Neukantianismus erklärte wieder die ausschließliche Ordnung der Erfahrung durch die logische Kraft des Bewußtseins. Dabei unterschied zunächst Wilhelm Windelband zwei Verfahren wissenschaftlicher Erkenntnis: die idiographische und die nomothetische Methode.35 Heinrich Rickert - für Max Weber "einer unserer tüchtigsten Logiker" -36 spann den Faden weiter. Unter dem Eindruck der mit der Krise des gesellschaftlich-kulturellen Bewußtseins schwindenden Plausibilität positivistisch-naturwissenschaftlicher Fortschrittsund Erkenntnisideologie unterschied Rickert zwei paradigmatische Erkenntnisformen, denen er material die Trennung von Natur- und Kulturwissenschaft zuordnete. Die Naturwissenschaft beziehe sich auf die immer gleichen Naturvorgänge, denen der Mensch keinen genuinen Wert beimesse, während die Kulturwissenschaft sich mit den einmaligen, von Menschen geschaffenen Wertvorgängen befasse.37 Gegenüber dem generalisierenden Charakter der Naturwissenschaften habe die Kulturwissenschaft das jeweils historisch Einmalige zum Gegenstand.38 Sie stelle, in der Formulierung von Schulze-Gävernitz, 52 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

"dem Reich der wertneutralen Natur das gewertete Reich der Kultur" entgegen.39 Bedeutung erhält die Darstellung von Kulturobjekten bei Rickert durch die Beziehung auf Werte, die in einem historischen Kontext allgemein und objektiv gelten.40 Max Weber konnte Rickerts Zustimmung zu der auch von Schulze-Gävernitz angewandten Methode des Idealtypus verzeichnen.41 Der Idealtypus war der Rikkertschen Verfahrensweise kongenial, da er die wertbezogene Ordnung des empirischen Materials ohne dessen ständige Bewertung zu erlauben schien. Freilich hatten die in den Idealtypus eingehenden letzten Werte bei Weber anders als bei Rickert und wohl auch bei Schulze-Gävernitz keinen streng objektiven Charakter, sondern beruhten vornehmlich auf der wertsetzenden Kraft von Gruppen und Personen. Das vermittels des heuristischen Instrumentes Idealtypus Dargestellte sollte selbst wertfrei bleiben.42 Dieser "nominalistische Dezisionismus"43 richtete sich gegen die laufend Werturteile produzierende ethische Nationalökonomie und gegen den Materialismus. Anhand der neukantianischen Prämissen resümierte Schulze-Gävernitz seine Kant-Interpretation gegenüber dem Marxismus: "Gewisse Teile der äußeren Natur erscheinen dem handelnden Menschen als 'wesentlich' - als wesentlich zuerst für das Ich. Das Ich bejaht bestimmte Gegenstände der Umwelt als Mittel seiner individuellen Zwecke ... . Insoweit hat ein jeder seine besondere Welt des Handelns. Daneben aber treten im Laufe der menschlichen Entwicklung solche Werte hervor, die Allgemeingültigkeit beanspruchen. Von der Natur sondert sich die Kultur: das Reich jener Dinge, welche wesentlich sein sollten nicht nur für das Ich, sondern auch für das Du."44

Der Neukantianismus negierte damit die These des Historischen Materialismus, daß die Gesetzmäßigkeit der objektiv-natürlichen Grundlagen menschlichen Lebens auch seine tendenzielle Gesetzmäßigkeit und Entwicklungslogik des gesellschaftlichen Lebens selbst konstituiere, die dem politischen Handeln Spielräume schaffe. Der marxistische Sozialismus schließt aus dieser Entwicklungslogik die Transformation kapitalistischer Strukturen als tendenzielle Notwendigkeit, die gesellschaftlich zu realisieren ist; er beansprucht die Vermittlung von gesellschaftlicher Entwicklung mit der politischen wie erkennenden Praxis. Diese Konsequenz der Behauptung einer objektiven Entwicklungslogik motivierte zum Rekurs auf Kants Antinomie. "Widerlegt" sei die "Lehre vom revolutionären Proletariat," so Schulze-Gävernitz, denn "diejenige Wirklichkeit, welche den Historiker wie den Politiker interessiert ist irrational und daher aus allgemeinen Gesetzen nicht abzuleiten;"45 womit seine Auffassungen dann auch in den Kontext antigesetzlicher Geschichtstheorien gehören.46 Für die von Schulze-Gävernitz angestellten Überlegungen zur theoretischen Begründung der Wirtschaftswissenschaften implizierte die Übernahme des neukantianischen Schemas erhebliche Widersprüche: 53 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Einerseits wird strenge Kausalität gefordert, andererseits ist dies letztlich Soll-Gebot des freien Willens. Einerseits wird Wertungsfreiheit gefordert, andererseits bleiben die Kriterien zur Bestimmung objektiver Wertgeltung vage. Einerseits wird gerade für die Wirtschaftswissenschaft die Notwendigkeit einer Entwicklungsfolge in Form der ebenfalls wertfreien Stufentheorie betont, andererseits steht und fällt die Stufentheorie mit dem bloß vorstellbaren Prozeß der Kulturwertverwirklichung; dabei lassen diese Kulturwerte sich nicht aus der empirischen Erfahrung herleiten, sondern sind bloße Ideen, die sich letztlich aus verbreiteter Akzeptanz legitimieren. Sucht man bei Schulze-Gävernitz nach einer Konkretisierung der immer wieder angeführten 'Kulturwerte', so lassen sich folgende Momente nennen: die freie Einzelpersönlichkeit in freiwilliger Einbindung in die Nation, das Privateigentum als Mittel der Kulturverwirklichung, der technische Fortschritt als Movens gesellschaftlicher Entwicklung und schließlich die machtstaatlich verfaßte Nation - insgesamt, der Kapitalismus als äußere Erscheinung der Kulturentwicklung. Vage mußte denn auch die Bestimmung politischer Praxis bleiben, der Schulze-Gävernitz die Prämisse auferlegte: "Der handelnde Mensch bedarf des kantischen Dualismus von Sein und Soll: er mißt die Zustände am Ideal und entnimmt daraus die Pflicht zur 'Verbesserung' des Seins in der Richtung auf das Soll."47 Das 'Soll' leitete sich aus den selten präzisierten Kulturwerten her, denen SchulzeGävernitz freilich quasi-allgemeinen, überhistorischen Charakter beimaß, obgleich er ihre Ableitung aus einer gesellschaftlichen Entwicklungslogik strikt negierte. Sie waren faktisch Projektionen auf die Wirklichkeit unter Zuhilfenahme scheinbar wertfreier Erkenntnisse über diese Wirklichkeit. Auch hier ging Schulze-Gävernitz mit Max Weber mehr oder minder konform.48 Die Kulturwerte waren Projektionen einer Vernunft, die sich die Realisierung der Menschheit als Gattung oberhalb der kaum anders als anarchisch-kapitalistisch vorstellbaren gesellschaftlich-ökonomischen Sphäre zur permanenten Aufgabe stellt. Schulze-Gävernitz vertrat die Ethik des aufgeklärten Bürgers, der als 'Citoyen' den Menschen geistig, sittlich und politisch als Gattung will, die er als 'Bourgeois' negiert. Jedes einzelne Gesellschaftsmitglied sollte neben und über seinen Interessen sozialer und ökonomischer Natur die Werte zu verwirklichen trachten, in denen die Einheit der Gesellschaft und der Menschheit verbürgt schien. Im Dualismus von Sein und Sollen reproduzierte sich die Antinomie von Citoyen und Bourgeois: der Mensch führt "das Leben im politischen Gemeinwesen, wo er sich als Gemeinwesen gilt und das Leben in der bürgerlichen Gesellschaft, worin er als Privatmensch tätig ist."49 Da die Herstellung eines adäquaten bürgerlichen politischen Systems ohne die Arbeiterbewegung unmöglich und es ohne Massenkonsens 54 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

langfristig nicht aufrechtzuerhalten war, galt es, Ideologie und Politik der Arbeiterbewegung auf eine Politik allmählicher Reformen zu orientieren. Dabei hoffte Schulze-Gävernitz, wie er Naumann schrieb, durch seine Aufsätze zu 'Marx oder Kant' jene "Umwandlungstendenzen der Sozialdemokratie zu vertiefen, auf welche wir unsere Hoffnungen setzen."50 Die Kritik der theoretischen Grundlagen des "Sozialrevolutionären Nihilismus" erschien Schulze-Gävernitz daher auch nicht überflüssig, obwohl "politische Freiheit und wirtschaftlicher Fortschritt" sich als die wirksamsten Remedien erweisen würden. Unter dem Eindruck der preußischen Restauration und der Niederlage des Idealismus, so Schulze-Gävernitz, habe Marx gegen die überlieferten Werte "Gott und Staat" Front gemacht. Dieser Protest gegen die "verschlissenen Wertüberlieferungen" habe Marx zur Ablehnung jeglicher Werte geführt. Zeitlebens habe in ihm die "Leidenschaft der Zerstörung" geflammt.51 So habe er zwar die negativen Folgen des entfalteten englischen Kapitalismus wahrgenommen, sei aber mit den positiven Tendenzen der englischen Gewerkschafts- und Genossenschaftsbewegung nur sehr wenig vertraut gewesen.52 Marx habe schließlich die mechanisch-naturwissenschaftliche Auffassung der französischen Aufklärer und den Utilitarismus Benthams53 in den 'Monismus' Hegels getragen und den "technisch-ökonomischen Faktor"54 zur einzigen Triebkraft der Geschichte gemacht. Indem er das Denken "zur Funktion des körperlichen Seins herabdrückt,"55 werde der Marxismus zum "Naturalismus" und damit "grundsätzlich unpolitisch,"56 da Ethik und Politik nur mit positiven Wertvorstellungen möglich seien. Marx aber sei sich in der Setzung des egoistischen Menschen mit Hobbes und der klassischen Nationalökonomie grundsätzlich einig. Er reduziere den Sozialismus auf eine "Messer- und Gabelfrage" und die "Menge eingeheimsten Geschlechtsgenusses."57 Gerade darin würden sich Marx sowie die englischen und französischen Sozialisten vom älteren Sozialismus Fichtes und Rodbertus' unterscheiden, die unter der Voraussetzung einer Weltanschauung den Menschen aus der Natur herausgehoben und in ein überempirisches "Reich der Zwecke" eingeordnet hätten.58 Indem Schulze-Gävernitz einen sensualististisch-mechanischen Naturalismus à la Holbach und La Mettrie sowie einen Utilitarismus à la Bentham unterstellte - die Marx und Engels selbst ihrer objektiven Funktion nach als Ideologen der revolutionären Bourgeoisie kritisierten und würdigten -59 diente dies erneut dem Ziel, die skizzierte Verschränkung menschlicher Praxis zugunsten des kantischen Dualismus aufzubrechen. Die auch für Plenge typische psychologische Deutung des Marxismus aus der persönlichen Entwicklung seines Begründers korrespondierte dem historistischen Ansatz. Dem vermeintlich von Hobbes, Bentham und anderen übernommenen 'egoistischen 55 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Menschen' stellte Schulze-Gävernitz die "wirtschaftlich selbstverantwortliche Persönlichkeit" gegenüber, die sich auf die "kulturelle Bedeutung des Privateigentums" gründet.60 Aus seiner Geschichtskonstruktion, so Schulze-Gävernitz, habe Marx seine Zusammenbruchstheorie hergeleitet, die "heute durch Beibringung empirischen Stoffes mühelos widerlegt werden" könne.61 Das Proletariat sei keine unterschiedslos verelendete Masse mehr, sondern die Arbeiterklasse verbürgerliche, während mit dem Vordringen des Großbetriebes vormals bürgerliche und kleinbürgerliche Schichten sich der Arbeiterschaft angleichen würden. Keine Kapitalkonzentration in den Händen weniger Magnaten fände statt, sondern "jene Vergesellschaftung vieler kleiner Kapitalien, welche Heere von Aktionären aus dem Boden stampft."62 Die großen Wirtschaftskrisen seien "mit Verbreitung des Weltmarktes zu Teilkrisen abgemildert." Zwar habe Marx den Charakter des Kapitalismus wie kein anderer erkannt, aber eben nur den Charakter des Manchesterkapitalismus "des ersten unorganisierten Kapitalismus, der noch von Kartellen nichts weiß."63 Die moderne Entwicklung habe er nicht verstehen können, denn nicht die prophezeite Katastrophe kündige sich an, sondern die "allmähliche Durchsetzung der bestehenden Ordnung durch sozialen Sauerteig: Sozialkapitalismus" 6 * Der Kritik am dialektisch-materialistischen Ansatz entsprach die Behauptung, der Marxismus sei durch die empirische Entwicklung obsolet geworden. Soziale Nivellierung, Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt - zur 'Vergesellschaftung' des Kapitals deklariert und partielle Erfolge des Reformismus schienen den Marxismus in Frage zu stellen. Höchstens für den englischen Frühkapitalismus, der vor allem vom hochorganisierten deutschen Kapitalismus überwunden werde, galt der Marxismus als adäquat. Allerdings ruhten "in Marx gewaltige Baublöcke vom besten deutschen Idealismus."65 Und diese galt es nach Schulze-Gävernitz wiederzubeleben. Denn was erstrebe der Sozialismus letztlich anderes, "als dem Kapitalismus Zügel anzulegen, zugunsten des Persönlichkeitsideals?" Auch Marx halte an den Grundwerten des Idealismus, "Persönlichkeit und Vernunftstaat", fest, und erst recht "Hegel, der Prophet des neudeutschen Kapitalismus."66 Diese unausgesprochene Ethik gelte es mit Kant zu erneuern, denn "auf Kants dualistischem Boden ist 'wissenschaftlicher Sozialismus' sehr wohl möglich: eine Summe politischer Sollsätze, welche auf das soziale Ideal gerichtet, aber zugleich durch kausal-empirische Wissenschaft als durchführbar erkannt sind."67 Die deutsche Sozialdemokratie müsse ihrem politischen Handeln einen eigenen ethischen Hintergrund schaffen, den sie bislang dem westlichen "Durchschnittsliberalismus"68 entliehen habe. Dieser ethische Hintergrund solle die sozialreformerische Praxis anleiten und sie 56 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

zugleich vor "possibilistischer Verflachung" bewahren.69 SchulzeGävernitz versuchte so, für die Reduktion des Sozialismus auf ein bloß ethisches Postulat zu werben, dessen Aufgabe sich wesentlich darin erschöpfte, der mühseligen sozialreformerischen Tagesarbeit ein feierliches Pathos zu verleihen. Diese 'Sonntagsideen' sind dezisionistisch gesetzte Weltanschauung, deren Konkretisierung positivistisch'wertfreier' wissenschaftlicher Analyse überlassen bleibt. Die programmatischen Hauptziele der Sozialdemokratie - Eroberung der Staatsmacht, Vergesellschaftung der Produktionsmittel, Aufhebung des Staates und der Arbeitsteilung und internationale Solidarität des Proletariates - sollten nach Schulze-Gävernitz und anderen Sozialreformern mehr oder weniger unverbindliche Fernziele werden oder am besten ganz verschwinden. Dafür sollten andere Ziele in den Vordergrund des 'wertbejahenden' Sozialismus rücken. Die Persönlichkeit, so Schulze-Gävernitz, bewähre sich vor allem in Familie und Nation, denn "sexuelle Disziplinierung in der Ehe, staatliche Disziplinierung im Volksheer erzieht zu jener allgemeinen sozialen Disziplinierung," ohne die die Annäherung an zukunftsstaatliche Ideale "Utopie" sei.70 Bei dem Versuch, den sozialistischen Zukunftsstaat - hinter dem der "Schatten Fichtes" stehe -71 "aus den Wolken zu holen," werde sich zeigen, daß dies "allein auf dem Boden einer straff nationalen Organisation möglich ist."72 Bei allen Unterschieden war es das gemeinsame Ziel des 'liberalen Imperialismus' von Weber, Naumann, Schulze-Gävernitz und anderen, Praxis und Theorie der Arbeiterbewegung in Richtung der eigenen Zielvorstellungen zu verändern: Gleichberechtigung durch Sozialreform, militärische Disziplinierung und gesellschaftliche Formierung zur Stärkung des nationalen Machtstaates als Voraussetzung allgemeiner und individueller Wohlfahrt. Im Revisionismus schien sich die erhoffte Abwendung vom Materialismus anzukündigen, dem "lendenlahmen Jugendgenossen"73 der Arbeiterbewegung. Noch beherrsche der Marxsche "Katastrophismus" und der Massenstreikgedanke jedoch Partei und Gewerkschaften; so müsse "die richtige Praxis Schritt für Schritt der falschen Theorie" abgerungen werden.74 Die "eschatologische Stimmung" spiegle die "ganze Ohnmacht der sogenannten stärksten Partei" wider,75 die durch ihre Theorie an einer zeitgemäßen Praxis gehindert werde.

2. Hegel gegen Marx! (Plenge) Plenge kritisierte die Gegenüberstellung von Kant und Marx als durchsichtig denunziatorisch: "Kant als Mittel zum Zweck!"76 Er betonte die Bedeutung Hegels als Vermittler zwischen dem klassi57 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

schen Rationalismus Kants und dem Marxschen Materialismus; eine Bedeutung, die Schulze-Gävernitz nicht erkannt habe, da er bestrebt sei, "das Hegeische Gerüst, die Dialektik zu zertrümmern."77 Die letztinstanzliche Reduktion kritischer Negation - die auch Marx als Vorstufe neuer Qualität begreife - auf Marxens Zerstörungsdrang empfand Plenge mit Recht als "bedenkliche Psychologie".78 Die auf Rickert zurückgehende Kritik am fehlenden 'Selektionswert' der marxistischen Geschichtsauffassung sei ein "Lufthieb"; Marx habe nämlich sein Auswahlprinzip in der freilich "einseitigen und weit übertriebenen Behauptung der Vorherrschaft des Ökonomisch-Technischen" gefunden. Gleichwohl sei die Behauptung gesellschaftlicher Globalwirkung struktureller ökonomischer Veränderungen immerhin "eine Hypothese von überzeugender Wahrscheinlichkeit,"79 Ähnlich löse sich auch die Kritik an der fehlenden Ethik auf in der Unfähigkeit von Schulze-Gävernitz, seine Forderung nach ethisch begründetem Sollen zu konkretisieren. Er stelle die Kantschen Vernunftmaximen, die einer qualitativ-inhaltlichen Füllung weithin widerstrebten, bloß der rohen, spontanen und praktischen "Klassenethik und Kampfesethik"80 der Arbeiterbewegung gegenüber, um deren Existenz zu bestreiten. Dieses Verfahren versage völlig vor der Aufgabe jeder Gesellschaftsneubildung, zwischen den spezifischen Werten und Pflichten des konkreten Menschen und den allgemeinen Idealen und Prinzipien zu vermitteln.81 Demgegenüber sei, von der mehr oder minder wahrscheinlichen Stufenreihe sozialer Entwicklungszustände ausgehend, eine "Ethik der Epochen" festzustellen, welche in Zeiten bevorstehender gesellschaftlicher Veränderungen alle sozialen Gruppen, die von dieser Veränderung Kenntnis nehmen, veranlassen, die aufkommende Welt möglichst zu der ihren zu erklären. Hier finde sich auch die wahre Verbindung von Marx und Kant, da jede neue gesellschaftliche Epoche als erneute Annäherung an die 'regulative Idee' vernunftgemäßer Gesellschaftlichkeit empfunden werde. Im gegenwärtigen expansiven Kapitalismus aber bestünde die Ethik der Epoche in der Erwartung eines kommenden konkreten Zukunftsstaates. Zwar sei dessen besondere Gestalt als proletarischer Zukunftsstaat unwahrscheinlich und als "Machtgelüste des Proletariats" zurückzuweisen,82 aber es sei notwendig, sich am Kommenden und nicht am Bestehenden zu orientieren. Dabei komme es bei aller Ferne der Idee nicht auf deren Erreichbarkeit an, sondern auf den Grad ihrer Realisierung. Der bloße "Quietismus"83 täglicher Kleinarbeit plus 'unendlicher Sehnsucht' nach der 'Idee' entspreche nicht den gewaltigen Veränderungen der Gegenwart. Stattdessen gelte es nachzuweisen, daß der Umformung des Kapitalismus ganz anderes entspringe als die Herrschaft des Proletariates. Der Arbeiterbewegung

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seien statt des Marxismus greifbarere, aber zugleich auch größere und erreichbarere Ziele zu weisen.84 Ein wesentlicher Unterschied zu Schulze-Gävernitz wird deutlich. Nicht mehr Sozialreform als zentrale Modernisierungsaufgabe mit der Perspektive einer in ferner Zukunft heraufdämmernden 'neuen Welt', sondern Vorbereitung der Gesellschaft auf die konkret sich ankündigenden grundlegenden Veränderungen stand im Vordergrund. Hegels Lehre von der stufenweisen Entwicklung des Weltgeistes über epochale Volksgeister zu sich selbst85 sollte mit der Stufenlehre der Historischen Schule und Teilen des Marxismus amalgamiert werden. Dabei schloß sich Plenge mit seinem Rekurs auf Hegel dem nach der Jahrhundertwende einsetzenden Trend zur Wiederbelebung der Philosophie Hegels an. In ihrem "Hunger nach Weltanschauung," so Windelband 1910, wende sich die "junge Generation" wieder verstärkt dem Hegelianismus zu; sie suche einen Ausweg aus "positivistischer Verarmung" und "materialistischer Verödung".86 Da weder die oft inhaltsarme kantianische Dogmatik noch der Vulgärmaterialismus bzw. -marxismus der aktuellen Entwicklung des Organisierten Kapitalismus gerecht zu werden schien, etablierte sich neben der irrationalistischen Lebensphilosophie - deren Vertreter neben anderen Dilthey, Scheler und Walther Rathenau waren - der Neuhegelianismus als dritte Strömung.87 Kant habe, so Plenge, die Erkenntnis der Notwendigkeit begrifflicher Rezeption und Strukturierung aller Seinserfahrung durch das Bewußtsein zu einer von der Empirie gelösten transzendentalen Vernunft als letztem Bezugspunkt geführt. Hegel hingegen sei zu der Auffassung gelangt, daß sich ein entfalteter Bewußtseinszusammenhang aus konstitutiven Denkelementen über die stufenweise und gegensätzliche Herausbildung immer höherer Denkgebilde herstelle.88 Allerdings gerate Hegel die gesetzmäßige Entwicklung immer höheren Bewußtseins aus der ständigen Negation aller bestehenden Kategorien und dem notwendigen Auseinanderfallen von Subjekt und Objekt sowie der schließlichen Aufhebung zu einer höheren Stufe des Bewußtseins "zu einer alle anderen (Gestaltungs-) Formen ausschließenden Gewißheit."89 Obwohl Hegel die Dialektik auf die "logogenetische Rekonstruktion" kategorialer Abfolge habe beschränkt wissen wollen, wachse die Wirklichkeit aus den Kategorien und kehre wieder in sie zurück. Damit gelange Hegel zu einem "konstruierten Aufbau, wo nicht die sachliche Notwendigkeit, sondern die fremdartigen und unverständlichen Begriffsvorgänge der Dialektik die Aufeinanderfolge bestimmen."90 Indem Marx die hegelianischen "dialektischen Denkformen seiner Jugend" auf das Gebiet der Gesellschaft anwende, treibe er "empiristischen Mißbrauch";91 ein Grundmangel seiner Anschauungen, der sich in Einseitigkeit, Schematismus und mangeln59 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

der Systematik niederschlage.92 Möglicherweise sei die Dialektik zur erkenntnismäßigen Erfassung des Kapitalismus noch verwendbar, aber sie als reale Bewegung aufzufassen, sei verfehlt.93 Tatsächlich hatte Hegel die Voraussetzungslosigkeit des kanonischen Kritizismus als Schein entlarvt und in der Folge versucht, die Voraussetzung der Erkenntnis in ihrer Prozeßhaftigkeit selbst zu finden. Hegel ersetzte die axiomatische Prämisse Kants, den naturwissenschaftlichen Rationalismus, durch verflüssigte Begriffe eines ständigen Erkenntnisprozesses, der sich dialektisch zwischen Kategorie, Gegenstand und Erkenntnissubjekt vollzieht. Mit der Vorstellunge der 'Kulturwertverwirklichung' hatte auch der Neukantianismus, insbesondere in der Formulierung Schulze-Gävernitz', bereits eine Konzession an Hegel gemacht. Marx transponierte diese Dialektik in den historischen Vermittlungsprozeß zwischen Natur, Gesellschaft und Subjekt. Erkenntnis wurde zur gesellschaftlichen Arbeit, verstanden als Vermittlung zwischen Mensch und Natur.94 Jenseits der berechtigten Kritik Plenges am Formalismus Hegels wird seine Absicht deutlich: Mag die Dialektik für die Rekonstruktion der 'reinen' Kategorien einen heuristischen Wert haben, ihre reale Wirksamkeit in sozialen Prozessen wird bestritten. Schon die Auffassung Hegels, daß die Kategorien ihre Verwirklichung in der Realität erfahren und vermittels dieser Vergegenständlichung auf neuer Stufe zu sich zurückkehren - somit also tatsächlich objektive Grundbestimmungen sind -95 wurde mit dem Terminus 'logogenetische Rekonstruktion' verwischt. Vor dem Hintergrund der Marxschen Realdialektik wurde Plenge die prozeßhaft sich immer wieder herstellende Identität von Wesen und Erscheinung suspekt. Er verbannte die Dialektik wieder in die Welt der Ideen, was dem Idealismus Hegels ja gerade sein formalistisches Gepräge gegeben hatte. Die Kritik am Formalismus führte sich damit selbst ad absurdum, vermag doch gerade die materialistische Fundierung die Dialektik mit Leben zu erfüllen.96 Wie Dilthey - der eine hegelianisch getönte Lebensphilosophie vertrat -97 reduzierte Plenge "Hegels spekulatives 'Begreifen' des Begriffs der Wirklichkeit auf ein analytisches 'Verstehen' ihrer allgemeinsten Strukturen."98 Diese Ablehnung, mindestens aber Einschränkung der dialektischen Methode war "ein durchlaufender Zug der ganzen Erneuerung des Hegelianismus." 99 Sie kam dem Verdikt des Neukantianers Windelband entgegen, daß die "Dialektik als Ganzes" nicht wieder Methode der Philosophie werden dürfe.100 Hegel habe erkannt, so Plenge, daß der universale Prozeß der Bewußtwerdung sich immer individuell realisiere und zugleich soziales Phänomen sei, insofern sich kommunikativ jene über das einzelne hinausgreifende Ideen und Kategorien herstellten, in denen das Allgemeine und Gattungsmäßige begründet liege: "Cogito ergo sumus. Ich 60 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

denke, also bin ich Glied eines gesellschaftlichen Ganzen, das in solchen allgemeinen Bestimmungen lebt, wie ich sie denkend erfasse."101 Damit würden Rechtsphilosophie und Philosophie der Geschichte die "beiden Ecksteine" der Lehre Hegels. Recht und Staat seien das innere Prinzip der Geschichte als "äußere Daseinsfülle" menschlichgeistigen Lebens, das in der Herausbildung immer neuer allgemeiner Bestimmungen und diese verobjektivierender Institutionen zum Bewußtsein der Freiheit fortschreite. Dieser Fortschritt vollziehe sich über ein immer größeres soziales Selbstbewußtsein in Gestalt der jeweiligen Volksgeister als überindividueller Einheit. Im Staat wiederum erfahre der Volksgeist und damit das Allgemein-Gattungsmäßige seine Vergegenständlichung. Er rücke notwendig in das Zentrum der Geschichtsbetrachtung102 und sei für Hegel "die notwendige Organisationsform jener höchsten uns bekannten biologischen Einheit, genannt: geistig zusammengehaltene menschliche Gesellschaft."103 Diese Reduktion des Gesamtkomplexes der Hegeischen Philosophie auf die Geschichts- und Staatsphilosophie - die Unterscheidung eines 'lebenden' und eines 'toten' Teils, wie sie der italienische Neuhegelianer Benedetto Croce vornahm - war charakteristisch für die ganze Hegelrenaissance. Die Natur- und Religionsphilosophie, vor allem auch die Logik wurden als unzeitgemäß verstanden, während die im Sinne gesellschaftlicher Formierung ausdeutbare Rechtsphilosophie ins Zentrum der Betrachtung rückte.104 Hegel, so Plenge weiter, habe nur dunkel geahnt, "daß die Art der Arbeitsverfassung und die Arbeitstechnik die ganze Kultur färbt und bedingt."105 Durch diesen Mangel sei die Staatslehre Hegels zum Instrument der Reaktion geworden und bald in Vergessenheit geraten; ein Mangel, den Marx durch die "unvollständige und einseitige Weiterbildung der Hegeischen Philosophie" zu beseitigen gehofft habe.106 Marx sei an der Spießbürgerlichkeit des Vormärz verzweifelt und vom bornierten 'Materialismus' des deutschen Bürgertums enttäuscht worden. Unter dem Eindruck des Zusammenbruchs der "bürgerlichen Welt seiner akademischen Hoffnungen" habe der "leidenschaftliche Jude" schließlich ohne langfristige induktive Verfahren "aus der Not seines Herzens" das Proletariat zum Träger der Emanzipation erklärt.107 Zur Hilfe kamen ihm, so Plenge, die Arbeit von Lorenz v. Stein über die Entwicklung des Sozialismus in Frankreich, die Skizze der Nationalökonomie des jungen Friedrich Engels und die HegelKritik Feuerbachs. Damit habe Marx die Abwendung von der Staatsphilosophie und die Hinwendung zur Analyse der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Bewegungsgesetze vollzogen.108 Schärfste Kritik übte Plenge an diesem dezidiert gegen den Idealismus gerichteten Anspruch Marx', vom "wirklichen Menschen" ausgehend "den wirkli61 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

chen Produktionsprozeß" mit allen seinen Implikationen zu entwikkeln.109 Marx habe den Unterschied zwischen dem alltäglichen Menschen der bürgerlichen Gesellschaft und den überindividuellen Gesetzmäßigkeiten der Gesellschaft verwischt: die "aggressive ! Wirklichkeitslehre ist also eine Ideologie unter falschem Namen."110 Die von Hegel geistesgeschichtlich verstandene Notwendigkeit werde von Marx "im Aufklärungssinn als natürlicher Mechanismus gedacht. ... Marx naturalisiert die Gesellschaftswissenschaft im Sinne eines geistlosen, mechanischen Zusammenhangs," so daß bald die "ökonomisch-technischen Faktoren ... so aufgefaßt werden, daß alle Bewußtseinstätigkeit eindeutig in allen ihren Veränderungen in einseitiger Abhängigkeit von jenen materiellen Zuständen abläuft."111 Nach seinem Bruch mit dem Idealismus habe Marx "eine im engeren Sinne naturwissenschaftliche Weltanschauung" gefunden112 und falle "als Fortsetzer der Hegeischen Logik grundsätzlich in den platten Alltagsverstand der bürgerlichen Aufklärung zurück ... - nicht die geringste Ahnung davon, daß sich das Denken als eine autonome Gesetzlichkeit des lebendigen Seins fassen läßt."113

Marx habe die Hegeische Lehre von der Notwendigkeit, so Plenge, zu einem "blindgläubigen Fatalismus"114 entartet und die soziologische Begründung neuer "Sittenbildung" in eine "Schematisierung der Klassengegensätze" verwandelt.115 Während Hegel die Freiheit immer auch als Organisationsproblem gesehen habe, habe Marx ein leeres Emanzipationsideal verkündet, da er die Kritik der bürgerlichen Gesellschaft nicht mit konkreten Neuordnungsvorstellungen verband.116 Dieses Gemenge aus Fatalismus, Schematismus und inhaltslosem Freiheitsideal sei beim entwurzelten Proletariat auf fruchtbaren Boden gefallen. Der "leidenschaftliche Wille des radikalen Freiheitsapostels"117 vermochte so, "agitatorisch alle Instinkte des Hasses" aufzupeitschen.118 Tasächlich könnten die Handarbeiter niemals die aufsteigende Klasse sein, da selbst für den Marxismus Produktionsmittel und Produktionsverfassung ausschlaggebende Momente der Umgestaltung des Kapitalismus seien. Damit würden nur "diejenigen, die mit weitschauender Voraussicht neue Produktionsmittel schaffen und organisieren können," zur aufsteigenden Klasse.119 Selbst wenn das Proletariat die Macht erobern könne, wüßte es sie nicht zu gebrauchen: "Ein Barbarenschwarm ist über die Kultur hinweggebraust. ... Die Trümmer bleiben."120 Wie Hegel die Totalität seiner Rechtsphilosophie vom Ausgangspunkt des freien Willens her entfaltete, ohne daß dieser freie Wille als chemisch reine Voraussetzung ohne Bezug in dieser Totalität jemals denkbar wäre,121 so nahm Marx den Menschen mit seinen Existenzbedürfnissen und der hierdurch bestimmten gesellschaftlichen Arbeitsorganisation zum Ausgangspunkt der entfalteten Totalität der bürgerlichen Gesellschaft, ohne die von Plenge unterstellte einseitige Abhängigkeit zu behaupten. Eine derartige Monokausalität ist ebenso 62 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

unmöglich, wie die arbeitshypothetische Zerlegung von materiellen und geistigen Faktoren schwierig und zugleich unumgänglich ist. Von der in den 'Frühschriften' skizzierten Totalität der bürgerlichen Gesellschaft wandte sich Marx der kategorialen Bestimmung ihrer politischen Ökonomie und der Darstellung ihrer historischen Herausbildung zu. Dabei bildeten die zeitgenössische sozioökonomische Entwicklung, die Probleme der politischen Praxis der Arbeiterbewegung und die theoretische Reflexion von beidem selbst eine prozeßhaft vermittelte Einheit mit der Analyse der bürgerlichen Gesellschaft.122 Nicht die "Vorherrschaft der ökonomischen Motive," so Lukacs, unterscheide den Marxismus von bürgerlicher Wissenschaft, "sondern der Gesichtspunkt der Totalität."123 Noch in hohem Alter wies Engels angesichts mancher Simplifizierungen auf diesen Tatbestand hin.124 Bei aller zutreffenden Kritik Plenges am Vulgärmarxismus125 blieb ihm dieser Zusammenhang infolge seiner Ablehnung der Dialektik verborgen.126 Daß die Frühschriften seinerzeit noch weithin unveröffentlicht waren, fällt zusätzlich ins Gewicht. Trotz der in vielem treffenden Kritik an Schulze-Gävernitz stellten sich bei Plenge die gleichen Argumentationsmuster her: die Überbewertung individualpsychologischer Momente - Marx als 'verzweifelter rheinischer Liberaler' -, die Abwertung seiner Originalität und vor allem seine Reduktion auf den mechanizistischen Naturalismus. Dieser Reduktion korrespondierte Plenges Betonung einer autonomen Gesetzlichkeit des Denkens. Plenge wurde die Geschichte, gut hegelianisch, wieder zu "einer aparten Person, einem metaphysischen Subjekt, dessen bloße Träger die wirklichen menschlichen Individuen sind."127 Hegels Formalismus galt Plenge denn auch als Folge seiner "Vernunftüberschätzung"128 und eben nicht als Konsequenz seines Idealismus, den Plenge "durch den 'Materialismus' hindurch"129 erneuern, d.h. mit empirischer Faktizität anreichern wollte. Warf er Marx eine an "rätselhaften Wahrscheinlichkeiten orientierten Erfahrungswissenschaft" vor,130 so bewegte sich sein Idealismus bald in den Konstrukten der 'Ideen von 1914'. Seine Studien zum Kreditwesen blieben mit seinen philosophiegeschichtlichen Betrachtungen ebensosehr unvermittelt, wie er selbst sie als deren praktische Entsprechung verstand. Auch Plenge bewegte sich vielfach auf dem Niveau des "Marxtöters"131 und verfuhr letztlich wie Schulze-Gävernitz: Hegel gegen Marx!. 1917 resümierte er gegenüber Ernst Krieck seine Marx-Rezeption: "Bei Marx habe ich frühzeitig erkannt, dass ein Frontalangriff auf sein intrikates Theoriegebäude immer erfolglos bleiben muss [hs. korrigiert: "vor Mühe stecken bleibt"], und habe die Position darum im wesentlichen umgangen, indem ich mir den Kapitalismus selbständig ansah und mich in Hegel vertiefte. Marx jetzt in den Einzelheiten der Kapitaltheorie genau zu lesen, lohnt nicht und ist m.E. nicht einmal eine

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schärfere Verstandesübung, weil dafür zuviel entartete und manirierte Dialektik darin steckt."132

Der Marxismus schien Plenge allein als Fortsetzer des Hegelianismus wertvolll.133 Als bedeutungsvoller Kerngedanke galt ihm die fortschreitende Ausbildung des Intellekts bis zur "wissenschaftlichen Selbsterkenntnis und damit zur vollbewußten Gestaltung der Gesellschaft," wobei neue Produktionsmittel und Klassenkämpfe nur "notwendige Bewegungsmaschinerie"134 seien. Die Entwicklung einer sozialistischen Organisation der Menschheit sei letztlich Sache "subjektiven Glaubens"; die soziologische Vorhersage könne "über die vagen Generalitäten einer vagen Wahrscheinlichkeit nicht hinauskommen."135 In den neuen Organisationsformen der Wirtschaft jedoch offenbare sich eine künftige Welt der Organisation, die ihre innere Einheit im Sozialismus finde, verstanden als bewußte Einordnung des Individuums in die Gesellschaft.136 Plenge sah in den Organisationstendenzen der Wirtschaft die Lösung der überkommenen Widersprüche, sofern man sich der neuen Entwicklung nur bewußt wurde. In der Folge erkannte er sein Leben lang seine Aufgabe nicht im unmittelbaren sozialreformerischen oder gar politischen Engagement, sondern in der wissenschaftlichen Erkenntnis als Voraussetzung des notwendigen Bewußtwerdungsprozesses. Es sei, so Plenge, "eigentliche methodische Aufgabe der Sozialwissenschaft, ... die Entwicklungswahrscheinlichkeiten einer zeitgenössischen Gesellschaft zu erfassen," um zu "möglichst konstruktiven Leitgedanken" zu gelangen: "Ideen! Konstruktiver Gedanken! Plan und Entwurf zur Vorbereitung unserer sozialen Zukunft. Das ist die Arbeit der Gesellschaftswissenschaft, wenn sie zur Praxis wird."137

Wie Max Weber, Sombart, Naumann, Schulze-Gävernitz, Jaffé und andere glaubte auch Plenge, aus der Entwicklung des Organisierten Kapitalismus nach 1890 einen Trend zu allumfassender Organisation und Planung herleiten zu können. Im Einklang mit Weber betrachtete er diesen Vorgang als unaufhaltsam; im Gegensatz zu ihm und darin einig mit Jaffé und Schulze-Gävernitz bewertete er diese Entwicklung eher positiv. Plenge galt die 'neue Welt' der Organisation als 'Notwendigkeit', der gegenüber man die Freiheit habe, sie zu erkennen und bewußt durchzusetzen. Den 'ethischen Sozialismus' der Neukantianer und Revisionisten, ihre Forderung nach Emanzipation als 'regulative Idee' der Sozialreform lehnte Plenge ab, da ihm der Marxismus mit "seiner absoluten und hohlen Freiheitsidee" schon genug im abstrakten Rationalismus der Zeit vor Hegel verwurzelt schien.138 Diese Freiheit enthielt ihm zu wenig vernünftige Wirklichkeit, wie er sie in der 'neuen Welt' zu erkennen glaubte.

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In der Gesinnungsethik Kants konstituierte sich das Allgemein-Gattungsmäßige, letztlich der Staat, in der pflichtbewußten Erfüllung des Sollens durch die subjektive Vernunft,139 obwohl in der Frage der Legitimation staatlicher Gewalt auch bei Kant die Staatsräson vor dem individuellen Konsens rangiert.140 Gegenüber dieser Priorität der subjektiven Vernunft schob sich bei Hegel zwischen den absoluten Geist - wie er in Wissenschaft, Kunst und Religion zum Ausdruck kommt - und das tätige Ich des subjektiven Geistes das Objektive als verwirklichte Vernunft und vernünftige Wirklichkeit -141 "faktische Quasiabsolutheit" nach der einen und "unbedingte Dominanz" nach der anderen Seite fordernd.142 Hegel entwickelte aus den Grundbestimmungen des freien Willens den Staat als Verkörperung des Allgemeinen und Sittlichen,143 die er - da in der äußeren Welt existierend trotz aller möglichen Defigurationen auch bleibe.144 In dem Versuch, die mit der Französischen Revolution gesetzten Prinzipien bürgerlicher Gesellschaftlichkeit mit Elementen des überkommenen Staatsabsolutismus zu verbinden, hat Hegel "die Volonte Generale immer mehr mit den preußischen Landesfarben versehen."145 Freiheit erschöpfte sich demnach in der Reproduktion des als vernünftig verstandenen Objektiven', des preußischen Machtstaates.146 Insoweit führte Hegel auch den konservativen Konterschlag gegen den vornehmlich von Kant repräsentierten Rationalismus und Subjektivismus der Wirtschaftsgesellschaft an; und dies effektiver als Romantiker wie Haller und Müller, da er das gesellschaftliche Formensystem unbeschränkt privater Aneignung mit dem Staatsabsolutismus zu vermitteln suchte.147 Ganz im Gegensatz zu den Behauptungen Plenges hatte Hegel dabei sehr wohl die Erkenntnis der zeitgenössischen Nationalökonomie verarbeitet.148 Dies macht gerade die Ambivalenz des Hegeischen Staatsideals aus: Einerseits sind die korporativstaatlichen und bürokratischen Züge nicht zu übersehen, andererseits kann man ihm mit Recht die Erkenntnis der Notwendigkeit kompensatorischen Staatseingriffs zur Stabilisierung der bürgerlichen Gesellschaft zuschreiben.149 Plenge setzte an die Stelle von Hegels Staat den vermeintlich mit marxistischem Realitätssinn gewonnenen Begriff Organisation' als Ausdruck der Konzentrations- und Organisationsprozesse des modernen Kapitalismus, deren Erkenntnis und bewußte Durchsetzung sie nicht nur wirklich, sondern auch vernünftig machen sollte. Die Einund Unterordnung des Individuums in bzw. unter die kaum hinterfragt als notwendig deklarierten kapitalistischen Organisationsprozesse schien Plenge erst das von Hegel im Staat erhoffte Zusammenfallen individueller und allgemeiner Zwecke sowie die Aufhebung der dem Kapitalismus entspringenden Widersprüche zu garantieren. Daher erblickte er in der Propaganda für die 'organisatorische 65 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Zukunft' die Hauptaufgabe der Gesellschaftswissenschaft. In Hegel fand er das Vorbild, nach dem er Wirtschaft und Gesellschaft des wilhelminischen Deutschland als Träger 'an sich' fortschrittlicher Organisationstendenzen ausmachen konnte, trotz partieller Kritik am Wilhelminismus.150 Wie Heller richtig bemerkte, war Plenges Weg "von Hegel zur unmittelbarsten Gegenwart" der deutschen Kriegsgesellschaft "durchaus kein ad hoc konstruierter," sondern lag in der Konsequenz seiner Vorkriegsphilosophie, die selbst in der Kontinuität des Rechtshegelianismus stand.151 Kann man den Sozialliberalismus von Schulze-Gävernitz mit der Formel 'Modernisierung und Formierung' umschreiben, so blieb bei Plenge bald kaum mehr als Formierung übrig. Die Sozialdemokratie sollte nach Plenge nicht bloß in den Liberalismus hinübergleiten, sondern sich zu einem "organisatorischen Sozialismus" bekennen, der - wie Plenge selbst gegenüber Delbrück formulierte - konservativen und revolutionären Charakter zugleich hatte.152 Unter 'konservativer Revolution' kann man die gegenrevolutionäre Bewegung gegen Aufklärung und Sozialismus, gegen Marx und Kant, verstehen, die sich als geistige Strömung - oft in Verbindung mit korporativistischen und staatssozialistischen Ordnungsvorstellungen - durch das 19. und 20. Jahrhundert zieht, um im Faschismus ihren Aschermittwoch zu erleben. Angesichts der größeren Resonanz, die der Sozialliberalismus in der Arbeiterbewegung fand, kann man Plenges Hegel-Renaissance und den ähnlich gerichteten Versuch Hammachers153 als "Episoden ohne wichtige Folgen" bezeichnen.154 Plenges Bedeutung für die Kriegsideologie und für den Präfaschismus belegen eher das Gegenteil. Delbrück ließ in seinen einflußreichen, eher konservativen 'Preußischen Jahrbüchern' eine positive Besprechung von "Marx und Hegel' erscheinen, welche die eindeutigen Aspekte der Formierungsideologie Plenges noch präzisierte.155 Der Rezensent Schmidt profilierte sich· mit seinen an die spätere Burgfriedensideologie gemahnender Ausdeutungen und Weiterführungen Plenges für die Berufung auf einen Lehrstuhl der konservativen Berliner Philosophischen Fakultät156 und auch Plenge war im wesentlichen mit Schmidt einverstanden.157 Jedoch waren diese Debatten um den Stellenwert des Idealismus und des Marxismus durchaus nicht nur von akademischei Relevanz.

3. Neukantianismus, Sozialdemokratie und Gelehrtenpolitik Schulze-Gävernitz hatte das Problem der Sozialdemokratie im Kern richtig erfaßt; seine Versuche, auf die Sozialdemokratie einzu-

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wirken, erscheinen denn auch erfolgversprechender als die Plenges. In ihrer Praxis sozialreformerisch und in ihrer Programmatik verbalradikal, war sie weder eine revolutionäre noch eine sozialreformerische Partei, was trotz äußerer Erfolge die Gefahr der Stagnation in sich barg. Obwohl sich die Organisationen der Arbeiterbewegung faktisch immer mehr in das institutionelle System integrierten, blieben sie weiterhin politisch diskriminiert und ausgegrenzt .Diese unter Bismarck angelegte "negative Integration" trug dazu bei, daß ein sozialreformerisches oder sozialliberales Strategiekonzept sich nicht durchsetzen konnte.158 Das Engagement für Sozialreform, vor allem für die rechtliche Gleichstellung der Gewerkschaften, der Kampf gegen die Diskriminierung der Sozialdemokraten und die scharfe Kritik am Marxismus schien Schulze-Gävernitz und mit ihm auch den Gebrüdern Weber, Naumann, Tönnies, Brentano und anderen als möglicher persönlicher Beitrag zur Förderung sozialliberaler Tendenzen innerhalb der Sozialdemokratie. Obwohl die Ausführungen von Schulze-Gävernitz zu Marx und Kant von der Sozialdemokratie offiziell als "Geistesragout" karikiert und seine Reverenzen an Bernstein und Eduard David entrüstet zurückgewiesen wurden,159 ließen sich auffallende Gemeinsamkeiten nicht leugnen.160 Sie erschienen dem russischen Sozialdemokraten und marxistischen Theoretiker Plechanow so gravierend, daß er Bernstein gar als "kritiklosen Nachbeter" von Schulze-Gävernitz bezeichnete.161 Bernstein wiederum gab zu bedenken, daß Schulze-Gävernitz mit der Prophezeiung einer friedlichen Entwicklung in England Recht behalten habe.162 Die um die Jahrhundertwende in der Sozialdemokratie einsetzende Diskussion um den Stellenwert eines mit Kant begründeten 'ethischen Sozialismus' begriff Schulze-Gävernitz als Chance, seine Vorstellungen in die Auseinandersetzung zwischen Marxisten und Revisionisten einzubringen. Der Marxismus war in der Sozialdemokratie in enger Verbindung mit den populärdarwinistischen Lehren Häckels und Büchners rezipiert worden. Engels hatte durch den Versuch einer allzu engen Verbindung gesellschaftlicher Dialektik und natürlicher Entwicklungsgesetze die Handhabe dazu geboten.163 Demgegenüber blieb das Verständnis der Hegeischen Dialektik in der Sozialdemokratie unterentwickelt.164 Dies begünstigte mechanizistische Vorstellungen vom Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus, tatsächlich eschatologische Zusammenbruchserwartungen. Weite Kreise der Sozialdemokratie waren von dem Glauben "an einen in den Einzelheiten unklar bleibenden 'Kladderadatsch'" beherrscht.165 Die relativ günstige wirtschaftliche Entwicklung ließ diesen Zusammenbruch aber immer unwahrscheinlicher werden und verdammte den Vulgärmarxismus zur Sterilität; er vermochte Theorie und Praxis nicht mehr zu vermitteln. Der Revisionismus hingegen verstand die sozialreformeri67 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

sche Praxis nicht als Notlösung - als 'organisiertes Warten' auf den naturnotwendigen Zusammenbruch -, sondern als realistische Strategie der Arbeiterbewegung, um langfristig das bestehende System zu transformieren. Der Rekurs auf Kant - meist jedoch im Lichte der Marburger Schule - bot sich an, erklärte der Neukantianismus den Sozialismus doch zur 'regulativen Idee', aus der der politisch handelnde Mensch seine Motivation und ethische Legitimation beziehe, im Bewußtsein, sich der Idee nur immer mehr oder weniger annähern zu können.166 Stellvertretend auch für andere, sei nochmals auf Bernstein verwiesen, der über die Kritik am Vulgärmarxismus zur Ablehnung der Dialektik überhaupt gelangte.167 Er forderte stattdessen "mehr Kant!" und die Orientierung an den Vorstellungen Friedrich A. Langes.168 Bernstein betrieb wie Schulze-Gävernitz die Auflösung der vom Marxismus erstrebten Einheit von Erkenntnis, Ethik und Handeln, die der gleichfalls aus neukantianischer Schule stammende Georg Lukacs später anhand der Kritik des dogmatischen Marxismus und des Revisionismus zu rekonstruieren versuchte.169 Bernstein wollte - nicht gerade zur Freude der lieber stillschweigend ihre praktische Politik verfolgenden Reformisten - die Sozialdemokratie "von einer Phraseologie ... emanzipieren, die tatsächlich überholt ist."170 So wurde die Debatte über Kant und die Eliminierung der freilich kaum verstandenen Dialektik zum wichtigen Instrument im Kampf des Revisionismus um eine integrierte sozialreformerische Strategie. Hinter philosophischen Auseinandersetzungen verbarg sich der Streit um konkrete politische Ziele.171 Anläßlich des Kant-Jubiläums 1904 bezeichnete David die Sozialdemokratie im Reichstag als die einzige Partei, welche die Verwirklichung der Kantschen Postulate erstrebe.172 Die sozialdemokratische Presse, insbesondere der 'Vorwärts' bekundete eine uneingeschränkt positive Haltung zu Kant.173 Lenin dagegen kritisierte: "Die Professoren gingen 'zurück zu Kant' - und der Revisionismus trottete hinter den Neukantianern her."174 Dennoch erstrebten die Revisionisten eher eine Synthese von Marx und Kant, nicht die Substitution von Marx durch Kant. Karl Vorländer konzedierte Schulze-Gävernitz, daß politisches Handeln eines 'ethischen Hintergrundes' bedürfe,175 daß "ohne Ethik, d.h. ohne die Verfolgung selbstgesteckter bewußt antiegoistischer Ziele" kein Sozialismus der Welt auskomme.176 Die schroffe Gegenüberstellung von Marx und Kant lehnte er ab.177 Er forderte hingegen eine Synthese, die dem Marxismus für die Sphäre der gesellschaftlichhistorischen Entwicklung und Kant für die Methodologie der Sozialphilosophie Geltung verschaffen sollte.178 Das wiederum schien Schulze-Gävernitz ungenügend.179 Der Revisionist und ehemalige Nationalsoziale Max Maurenbrecher veröffentlichte auf Veranlassung Naumanns eine Besprechung von Schulze-Gävernitz in der 'Hilfe'. 180 68 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Dessen Ausführungen, so Maurenbrecher, müßten "in jedem unbefangenen Sozialdemokraten eine starke Freude auslösen."181 Obwohl das Proletariat das kantianische Ideal der freien Persönlichkeit übernommen habe, seien die Sozialdemokraten damit noch nicht zu Kantianern geworden. Erst Marx habe darauf hingewiesen, daß nicht der Appell an die Herrschenden, sondern die Konkretisierung als soziales Interesse diesem Ideal Wirksamkeit verleihen könne. Tiefere Einsichten in die Moral als Mittel des sozialen Machtkampfs als Kant habe jedoch Nietzsche gezeitigt. Die Sozialdemokratie könne folglich nicht hinter Marx und Nietzsche zurückgehen, außer in der Frage der Vergesellschaftung der Produktionsmittel. Diese werde angesichts der realen Entwicklung immer mehr zur 'regulativen Idee'.182 Insofern habe Schulze-Gävernitz recht, wenn er den sozialistischen Zukunftsstaat zur 'regulativen Idee' erkläre. Daß Marx keine Erkenntnistheorie und keine Ethik besäße, sei ebenfalls richtig. Sei erstere kaum relevant, so sei ethisch allerdings an die Stelle des 'größten Glücks der größten Menge' die "größtmögliche Leistungsfähigkeit oder Macht oder Herrschaft über die Natur, kurz die Veredelung der Rasse" zu setzen. Damit habe man "freilich Marx durch Nietzsche ergänzt und vertieft," ohne daß der Marxismus mit dieser "Unterbauung" aufgegeben werde. Im Gegensatz zu Schulze-Gävernitz sei daher "Kant und Marx" zu fordern, oder "noch lieber Marx und Nietzsche."183 Der Artikel Maurenbrechers ist einmal symptomatisch für die Wertschätzung, deren sich Nietzsche in revisionistischen Kreisen erfreute.184 Daneben erscheinen sowohl die Äußerungen von SchulzeGävernitz wie der sie weiterführende Artikel Maurenbrechers prototypisch für die ideologische Offensive, der sich der programmkonforme Marxismus konfrontiert sah. Zwar läßt sich die Wirkung von Schulze-Gävernitz konkret schwer abschätzen, außer Zweifel aber steht sein Kontakt mit der Kerngruppe der oft akademisch gebildeten Revisionisten und Reformisten, zu denen neben Südekum, Heine, Vollmar, Kolb, David und anderen auch Ludwig Frank gehörte.185 Frank - ein ehemaliger Schüler von Schulze-Gävernitz - wurde vor dem Weltkrieg zum Führer der badischen Sozialdemokratie und 1912 auch Reichstagskollege von Schulze-Gävernitz. Begünstigt durch die verwandten politischen Ziele186 wurde Frank zum engen Freund des Hauses Schulze-Gävernitz; sein Tod im September 1914 löste dort große Bestürzung aus.187 Frank hatte sich wie Schulze-Gävernitz bei Kriegsausbruch sofort freiwillig gemeldet, nachdem er "am 3. und 4. August ... hinter den Kulissen unermüdlich gearbeitet" hatte, um ein positives Votum der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion zu den Kriegskrediten durchzusetzen. Schulze-Gävernitz seinerseits konnte sagen: "Ich bin stolz darauf, bei dieser Arbeit nach meinen Kräften 69 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

ihm Hilfe habe leisten dürfen."188 In den persönlichen Freunden personifizierte sich gleichsam die Annäherung von sozialliberalem Bürgertum und revisionistischer Sozialdemokratie, von sozialdemokratischen Akademikern und akademischen Sozialreformern. Auch Plenge stand 1913 mit den Sozialdemokraten und ehemaligen Nationalsozialen Hildebrand und Maurenbrecher in Verbindung. Beide hatten während der Marokko-Krise die Außenpolitik der Regierung unterstützt und waren so auch als Sozialdemokraten ihrer Vergangenheit treu geblieben.189 Hildebrand wurde in aufsehenerregender Weise 1912 aus der Sozialdemokratie ausgeschlossen.190 Er hatte sich auf Veranlassung Maurenbrechers an Plenge gewandt, um noch vor seinem bevorstehenden Ausschluß auf dem Chemnitzer Parteitag mit Plenge das Projekt einer "deutschen Fabier-Gesellschaft" zu besprechen. Er dachte sich die Gesellschaft als Sammelbecken jener zahlreichen Intellektuellen, denen die "Engherzigkeit" der Sozialdemokratie einen "formellen Anschluß" verwehre.191 Plenge dachte eher an einen "Kongreß für organisatorischen Sozialismus" für "Menschen, die sich als Gesellschaftsingenieure fühlen." Der Kongreß sollte zwischen der eher theoretisch orientierten 'Gesellschaft für Soziologie' und dem "Verein für Socialpolitik mit seinem enger umgrenzten Gebiet und seinem Spiessbürgerstandpunkt" Stellung beziehen. Diese für den "impotenten radikalen Flügel der Partei" unangenehme Zusammenarbeit aller "praktischen Sozialisten", "auch der Staatssozialisten," galt Plenge als "positiver Schritt über den Marxismus hinaus."192 Allerdings hatte Plenge, wie er Max Weber mitteilte, "das Bedürfnis", sich "nach rechts hin über die etwa mögliche Mitwirkung zu informieren."193 Dazu wandte er sich an Delbrück und berichtete ihm über sein Interesse an dem Projekt Hildebrands.194 Delbrück und Herkner aber hielten "die Gruppe Hildebrand-Maurenbrecher noch nicht für ausgereift genug;" auch Plenge empfand angesichts ihrer Pläne "noch einen dilettantischen Beigeschmack."195 Als Hildebrand konkrete Schritte ankündigte,196 dachte Plenge nur noch an eine Rolle im Hintergrund. Er wollte als Ratgeber und Kritiker, allenfalls als Referent mitwirken, aber sich nicht "in eine aktive Rolle hinein" begeben, die seiner "ganzen Geistesart nicht liegt."197 Es bestanden freilich schon immer Verbindungen zwischen der Sozialdemokratie und der gelehrten Welt. Eine Schlüsselperson dieser Kontakte war der Schmoller-Schüler und Revisionist Heinrich Braun, der seit 1888 mit den Kathedersozialisten in seiner Eigenschaft als Herausgeber des 'Archivs für Gesetzgebung und Statistik' zusammenarbeitete. Er hoffte, die deutschen Intellektuellen, soweit sie dem Sozialismus gewogen waren, für die Partei zu gewinnen, deren Konzeptionslosigkeit er beklagte.198 Vor der Jahrhundertwende versuchte er vergeblich, den mit dem Revisionismus sympathisierenden, von der 70 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Linken aber abgelehnten Sombart zum Beitritt zu bewegen.199 Sombart war zwar wissenschaftlich von der Notwendigkeit des Sozialismus überzeugt, seinen praktisch-politischen Kampf degoutierte er jedoch. Er flüchtete sich wie viele bürgerliche Intellektuelle des Fin de Siècle in einen lebensphilosophisch-kultuφessimistisch angehauchten Ästhetizismus und propagierte ein rein reflexives Verhalten der Gebildeten.200 Von einem romantischen Antikapitalismus und Kulturpessimismus aus näherte sich Tönnies der Arbeiterbewegung. Er anerkannte ebenfalls die zentrale Bedeutung des Revisionismus und der sozialdemokratischen Gewerkschafts- und Genossenschaftsbewegung. Vor dem Weltkrieg stand er schließlich den Anschauungen Wagners nahe.201 Seinem Freund Sombart teilte Tönnies 1893 seine Überlegung mit, daß man nunmehr offen der Sozialdemokratie beitreten solle; so hebe man "mit einem Male die Partei aus dem Sumpf der Halbbildung darin sie zu ersticken droht."202 Ein Jahr später skizzierte er, wieder in einem Brief an den offensichtlich einem Engagement wenig geneigten Sombart, das Grundproblem der Gelehrtenpolitik. Die Arbeiterbewegung war eine Tatsache geworden, die man nicht mehr leugnen, sondern nur noch weiterentwickeln konnte: "Der Strom ist einmal da, wir können ihn nicht zurückstauen, wir müssen ihm ein tiefes Bett graben, wir müssen ihn regulieren." Daher liege ein Engagement der Gelehrten im höheren Interesse des Vaterlandes. Der Diensteid aber zwinge den Gelehrten in eine "Ordnungs-Partei'" oder zu politischer Enthaltsamkeit, obwohl es eigentlich seine Pflicht sei, "der öffentlichen Meinung zu trotzen," ja sogar "ihr zu gebieten." Wenigstens die Wissenschaft solle Brücken zur Arbeiterbewegung bauen, auch wenn man 'oben' nur Mitleid errege.203 In demselben Dilemma befand sich Wagner in den frühen 1870er Jahren; 1873 hielt er von den sozialdemokratischen Vorstellungen "95% für richtig."204 Angesichts der materiellen Konsequenzen war natürlich auch für ihn ein Engagement ausgeschlossen. Gemeinsam mit Naumann unterstützte Tönnies den Hamburger Hafenarbeiterstreik von 1897 und zog insofern einige Konsequenzen, die seiner Karriere im 'System Althoff nicht gerade zuträglich waren, auch wenn er erst Jahrzehnte später formell Sozialdemokrat wurde. Sein Freund Braun verkaufte nach der Jahrhundertwende sein Archiv an Jaffé, der es mit Max Weber und Sombart zum führenden Organ der jüngeren Gesellschaftswissenschaftler ausgestaltete.205 Braun versuchte, durch ein Wochenblatt die Position des Revisionismus innerhalb der Sozialdemokratie zu festigen und gleichzeitig die Verbindungen mit dem sozialliberalen und reformerischen Bürgertum auszubauen. Das Vorhaben scheiterte auch beim zweiten Anlauf nicht zuletzt am scharfen Widerstand der sozialdemokratischen Linken, der noch in den Aufsätzen Frickes nachhallt.206 Sombart stand dem Vorhaben und bald 71 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

auch Braun selbst reserviert gegenüber, als ihn Tönnies um finanzielle Unterstützung für das Projekt bat.207 Tönnies meinte: "Ob Ihnen und mir die Haltung des Wochenblatts sympathisch ist, dies ist ziemlich gleichgültig. Wichtig ist es, daß die nicht-intransigente Richtung innerhalb der S.D., daß die Politik, welche Haftung mit der bürgerlichen Demokratie sucht unter den Massen wirksam werde, und um wirksam zu werden, müssen diese Gedanken ... ein Zentrum haben ... . Leute an hoher Bildung sind nicht à bon vendre innerhalb der P. [= sozialdemokratische Partei] und nur auf das was innerhalb der P. geschieht kommt es an."208

Abgesehen vom konkreten Anlaß, erscheinen die Formulierungen von Tönnies stellvertretend für die Haltung wohl der meisten sozialliberalen Gelehrten. Infolge der unweigerlichen Sanktionen im Falle des formellen Beitritts und angesichts des Rot-Weiß-Schemas der bürgerlichen öffentlichen Meinung konnten die Gelehrten nur von außen den Revisionismus unterstützen. Ihr potentieller Einfluß auf die Arbeiterbewegung fand also in der staatlichen Disziplinierungspolitik seine reale Grenze. Freilich reagierten viele individualistische Intellektuelle, wie Sombart, idiosynkratisch auf die Praxis der Massenpartei, auch wenn sie sie 'theoretisch' bejahten. Immerhin spekulierte auch ein so unbedingt liberaler Mann wie Max Weber über Möglichkeiten und Hindernisse eines Parteibeitritts; ebenfalls in einem Brief an Tönnies, dem diese Frage offenbar keine Ruhe ließ.209 Aber auch ohne direkte Mitgliedschaft hatte die Vielzahl informeller Kontakte der Gelehrten zu Parteifunktionären den Professoren einigen Einfluß verschafft, wie eine von Rosa Meyer-Levine berichtete Episode verdeutlichen mag.210 Schulze-Gävernitz hatte für sich das Dilemma der Gelehrtenpolitik durch sein Engagement bei den Linksliberalen gelöst. Er setzte sein Bemühen, die Arbeiterbewegung in sozialliberales Fahrwasser zu lenken, nunmehr auf parlamentarischer Ebene fort. Freilich blieb er eine Ausnahme. Die Wirksamkeit der übrigen 'linken' Gelehrten fand in der Krise des Vereins für Socialpolitik und in der Unfähigkeit, eine eigene Organisation zu gründen, eine weitere Grenze. Trotzdem hatte die Sozialdemokratie in hohem Maße bereits bürgerliche Theoreme und Ideologeme adaptiert. Der Krieg sollte das noch deutlich zeigen. Das sozialliberale Professorentum hatte zweifellos seinen Beitrag dazu geleistet. Weniger erfolreich war es hingegen in der anderen Richtung: gegenüber dem beharrlichen Widerstand der konservativen Führungsschichten vermochte es kaum, Fortschritte in der Modernisierung des Systems zu fördern. Kuczynskis Urteil über Brentano dessen Kampf sich gegen die konservativen Eliten gerichtet und faktisch, dem Resultat nach, die Arbeiterbewegung behindert habe -211 erscheint auch dann noch bedenkenswert, wenn man es auch auf Naumann, Weber, Schulze-Gävernitz, Tönnies und andere bezieht.212 71 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Der Revisionismus Bernsteinscher Provinienz vermochte sich gegen den Vulgärmarxismus jedoch nicht durchzusetzen. In der Konsequenz gewann der theoriefeindliche Praktizismus, der selbst von SchulzeGävernitz gefürchtete Tossibilismus' an Boden. Er trug dazu bei, die Sozialdemokratie spontanen Massenstimmungen und herrschenden Vorstellungen der bürgerlichen Öffentlichkeit zu öffnen. Neben dem 'Problem Sozialdemokratie' und eng mit diesem verknüpft stellte die moderne kapitalistische Entwicklung die zweite wichtige Herausforderung der Nationalökonomie dar.

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IV. Die Auseinandersetzung mit dem Organisierten Kapitalismus Seit den 1890er Jahren unterlag das sozioökonomische System des verkehrswirtschaftlichen Kapitalismus in Deutschland einem beschleunigten Wandel. Kartelle, Trusts und Unternehmerverbände waren trotz Fortbestehens eines breiten Unterbaus kleiner und mittlerer Unternehmen - das Indiz wachsender Konzentration, Zentralisation und Organisation des Kapitals in Verbindung mit anhaltender Ausbreitung monopolistischer Abhängigkeitsstrukturen. Die Verflechtung von Industrie- und Bankkapital (Finanzkapital) und die Trennung von Eigentum- und Verfügungsgewalt in Gestalt der Kapitalgesellschaften waren gleichermaßen Ergebnis wie Akzelerator der Konzentrationsbewegung. Beide Momente erhöhten die technologische und organisatorische Innovationskompetenz. Die Dominanz marktwirtschaftlicher Konkurrenz wurde in steigendem Maße durch Elemente wissenschaftlicher Planung und kollektiver Vereinbarung und Organisation eingeschränkt, obwohl es sich oft nur um erste und schwache Ansätze handelte. Der Akkumulationsprozeß büßte seinen krisenhaftunregelmäßigen Charakter prinzipiell jedoch nicht ein. Die Verflechtungen der gesellschaftlich-ökonomischen und der staatlich-politischen Sphäre nahmen auf allen Ebenen zu. Über seine traditionelle Funktion als Wahrer bürgerlicher Rechtsverhältnisse hinaus sah sich der Staat veranlaßt, regulierend und stabilisierend in die einst als autonom verstandene Wirtschaft einzugreifen. Sozial-, Außenhandelsund Wissenschaftspolitik sowie staatliche und kommunale Eigenbetriebe verliehen dem Staat zunehmend den Charakter des 'Interventionsstaates'. Der Übergang von der Ordnungs- zur Leistungsverwaltung, die Adaption bürokratischer Organisationsstrukturen durch die Großindustrie und die immer deutlichere öffentliche Dimension der Großunternehmen kennzeichneten das gewandelte Verhältnis von Wirtschaft und Staat. Alle Momente zusammen erleichterten die Bewältigung wirtschaftlicher Krisen, die mit wachsender Weltmarktintegration globalen Charakter annahmen. Eine über die Rüstungs- und Außenhandelspolitik hinausgehende staatliche Konjunkturpolitik lag in der Konsequenz der Entwicklung, auch wenn diese erst mit der Weltwirtschaftskrise nach 1929 wirklich einsetzte. 74 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Die nationale Spezifik des so gewandelten sozioökonomischen Systems in Deutschland lag vor allem in der Kontinuität einer starken staatlichen Bürokratie und der sie reflektierenden Denktraditionen. Die konservativen Eliten hielten starke Bastionen in dieser Bürokratie, auch wenn sie den extremsten Forderungen dieser Eliten - wie im Falle Stumm - widerstrebte. Folglich profitierten Großgrundbesitz und Schwerindustrie überproportional von der Resistenz des Obrigkeitsstaates, der staatsinterventionistische Funktionen in einem modernen Kapitalismus übernommen hatte. Der historisch gewachsene Staat kam der industriellen Entwicklung ebenso entgegen, wie er ihre politische und soziale Konsolidierung behinderte.1 Zunächst rückte die industrielle Konzentrationsbewegung in das Interesse der Nationalökonomie. Im Gegensatz zur Neo-Klassik gelang es dem Kathedersozialismus, den Stellenwert ökonomischer Macht einigermaßen realistisch einzuschätzen.2 Friedrich Kleinwächter (1838 - 1927) sah als erster in den Kartellen ein Mittel, durch wachsende Organisation künftig Krisen zu vermeiden.3 Rund ein Jahrzehnt später konstatierte Bücher, daß alle Autoren, die sich mit Kartellfragen beschäftigten, "sich einem welthistorischen Prozeß gegenüber zu befinden" glaubten.4 Sombart sah in der Kartellbewegung "Keime zu einer grandiosen Umgestaltung der Volkswirtschaft, ..., Ansätze höherer und höchster Formen kapitalistischer Organisation," die im Verein mit Gewerkschaften, Genossenschaften und staatlicher Sozialpolitik zu einer Ära des "Sozialkapitalismus" führten.5 Brentano verstand Kartelle als notwendiges Resultat ständig wachsenden Anlagekapitals und ebenfalls als probates Mittel zur Bewältigung von Krisen.6 Schmoller hob den "halböffentlichen Charakter" der neuen Großunternehmen hervor,7 deren organisierende und krisenmildernde Wirkung auch er begrüßte. Ihre Nachteile hoffte er, durch gemeinwirtschaftliche Gesinnung der Manager und durch Beteiligung des Staates an der Verfügungsgewalt über die konzentrierten Kapitalien kompensieren zu können.8 Seiner Grundhaltung gemäß ging Wagner wesentlich weiter; er kritisierte die faktischen Monopole und plädierte für gesetzliche Regelung und Besteuerung.9 Nach der Jahrhundertwende wurden die Schattenseiten der Konzentrationsbewegung deutlicher und Forderungen nach staatlichen Eingriffen folglich lauter.10 Naumann formulierte allerdings ein wesentliches liberales Argument gegen 'staatssozialistische Lösungen': "Wenn wir im Ernste Krupp, Stumm pp. verstaatlichen könnten, würde dies im Effekt eine Stärkung der Agrararistokratie sein, die dann am Kopf der grossen gewinnbringenden Verwaltung sitzen würde."11 In Übereinstimmung mit den meisten jüngeren Nationalökonomen bewertete Naumann den durch Wachstum und Ausbreitung

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von Gewerkschaften, Kartellen und Verbänden geprägten ökonomischen Organisationsprozeß grundsätzlich positiv.12 Er war "geneigt, die Vorteile der staatlosen Regelung der Produktion höher einzuschätzen als die Nachteile."13 Auch die Kartelldebatte des Vereins für Socialpolitik von 1905 offenbarte die überwiegend positive Einschätzung der Konzentrationsbewegung, obwohl Schmoller, Lief mann, Diehl und andere staatliche Korrekturen empfahlen. Neben einer allgemeinen Kartellgesetzgebung schlug Schmoller für Unternehmen mit einem Gesellschaftskapital von 75 Millionen Mark oder mehr eine Vertretung des Reichskanzlers oder der Landesregierung vor. Ferner sollte der Staat einen Teil der Direktoren bestimmen und an hohen Gewinnen partizipieren.14 Alfred Weber hielt dem entgegen, daß die Verstaatlichung großer Teile der Industrie in Zukunft wohl unvermeidlich sei; vorläufig jedoch sei sie abzulehnen. Als politische Instanz wäre der Staat gezwungen, bei wirtschaftlichen Entscheidungen Interessen politischer Gruppen zu berücksichtigen, was den industriellen Fortschritt gefährde.15 Noch deutlicher wurde Naumann. Er konzedierte der kartellierten Großindustrie, sie betreibe die Sammlungspolitik mit ihren eigentlichen Gegnern, Mittelstand und Großgrundbesitz, vor allem, um eine antikapitalistische Sammlung zu verhindern. Tatsächlich unterlägen Eingriffe der Regierung immer argrarisch-mittelständischen Einflüssen. Auch viele auf der Debatte geäußerte Vorschläge stünden "nicht höher, als wenn ein Detaillistenverein das Warenhaus totmachen will."16 Da Naumann großen Beifall der Versammlung erhielt und Gelehrte wie Max Weber und Lotz in ähnlicher Richtung argumentierten,17 sah Schmoller sich zu einer Polemik gegen Naumann veranlaßt. Er bekräftigte die Überzeugung, daß nur eine beamtenähnliche Managerelite eine 'gesunde' Weiterentwicklung garantiere.18 Für Schmoller und Wagner gewährleistete allein die Assimilation der Manager an die vermeintlich gemeinwohlorientierte Mentalität der staatlichen Bürokratie den gesamtvolkswirtschaftlichen Nutzen der Großindustrie, während Naumann, dieGebrüder Weber und andere gerade darin die Gefährdung des industriellen Fortschritts erkannten. Jenseits der Fronten pro und contra staatliche Eingriffe in das veränderte, aber immer noch verkehrswirtschaftlich-kapitalistische System artikulierte sich gleichsam als Repräsentant einer unter dem akademischen Nachwuchs einflußreichen Strömung Wilbrandt. Er teilte mit Plenge die Ansicht, daß der einst vom Sozialismus getragene Organisationsgedanke nunmehr den Kapitalismus selbst umgestalte und in Richtung Sozialismus weiterentwickle.19 Wilbrandt war der Überzeugung, daß man bald zu wählen habe "zwischen einem Sozialismus ohne Konkurrenz oder einem Kapitalismus ohne Konkurrenz."20 Er führte damit die These Naumanns weiter, daß der Sozia76 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

lismus nicht mehr bloße Negation, sondern auf Organisation und Teilhabe gerichtete "Umgestaltungstendenz innerhalb des Kapitalismus" sei.21 Ähnlich galt dem marxistischen Wirtschaftstheoretiker Hilferding die Herausbildung der finanzkapitalistischen Organisation als unmittelbare Vorbereitung des Sozialismus. Bemächtige sich das Proletariat des Staates und über ihn der Schaltstellen der hochorganisierten Wirtschaft, so Hilferding, übe es zwangsläufig die Kontrolle über die gesamte Wirtschaft aus.22 Abgesehen von den Unklarheiten hinsichtlich des geeigneten Weges zur Macht, mußte jede 'staatssozialistische Lösung', jede Steigerung des Einflusses des bestehenden Staates auf die Wirtschaft folgerichtig im Interesse des Sozialismus liegen. Der Einfluß der Agrarier jedoch stellte im konkreten Fall auch die Sozialdemokratie vor schwierige Probleme. Immerhin war eine gewisse Annäherung staatlicher und sozialdemokratischer Ziele in der Tendenz erkennbar, wenn auch die Motive durchaus unterschiedlich blieben. Einiges Aufsehen erregte ein jüngerer Regierungsrat im Schatzamt, Fritz Kestner, mit einer Studie zum Kartellproblem.23 Er forderte Staatseingriffe nur bei den "wenigen großen wirklichen Monopolen," und auch hier nicht schematisch, sondern unter Berücksichtigung der jeweiligen Verhältnisse. Kestner dachte dabei vor allem an die Schwer- und Grundstoffindustrie. Im übrigen forderte er wie die Kathedersozialisten die rechtliche Gleichstellung der Gewerkschaften als Gegenmacht.24 Die Industrie beschwerte sich beim Schatzamt über Kestner,25 obwohl dieser, wie Schulze-Gävernitz hervorhob, "kein Staatssozialist", sondern einzig "erprobter Verwaltungstechniker" war.26 Schulze-Gävernitz lobte denn auch, Kestner habe kein schematisches Kartellgesetz vorgeschlagen, sondern zwischen Kartellen in der Grundstoff- und in der verarbeitenden Industrie unterschieden. Starke Monopole entwickelten sich nur im ersten Bereich. Folglich müßten Regelungen Platz greifen, die der deutschen Fertigwarenindustrie billige Rohstoffe sicherten.27 Obwohl sich in der deutschen Elektroindustrie der Dualismus der beiden Trusts 'AEG' und 'Siemens' herausgebildet hatte, sah Schulze-Gävernitz offenbar nur bei der Schwerindustrie die Gefahr des Mißbrauchs von Marktmacht. Die Ergebnisse verschiedener Anläufe zur Stärkung des öffentlichen Einflusses auf die Großindustrie blieben zwar bescheiden,28 aber das Petroleummonopolprojekt führte zu einem interessanten Zusammenspiel zwischen Kestner, Schulze-Gävernitz und Frank. Zunächst soll jedoch die Bürokratiedebatte von 1909 nochmals exemplarisch die tiefen politischen und wirtschaftspolitischen Gegensätze innerhalb der Nationalökonomie zeigen, die einerseits die Paralyse der Gelehrtenpolitik mitbewirkten und andererseits der Hintergrund sind, vor dem die jüngsten Nationalökonomen nach eigenen, 77 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

unabhängigen Einschätzungen des Organisierten Kapitalismus suchten.

1. Die Bürokratiedebatte von 1909 Bereits 1907 hatte Schmoller als Repräsentant der gleichgesinnten Delbrück, Hintze, Wagner und anderer mit Alfred Weber einen Streit um die Funktion der Bürokratie ausgefochten, der stellvertretend stand für die Frage pro oder contra Parlamentarisierung des Reiches und Preußens.29 Die konservativen Sozialpolitiker hielten an der Fiktion des klassenneutralen bürokratischen Staates fest. Die liberalen Sozialpolitiker erkannten hingegen die Notwendigkeit der gleichberechtigten Teilhabe der gesamten Bevölkerung an der politischen Willensbildung. Für eine konsequente Parlamentarisierung traten sie meist erst im Kriege ein, während sie die Übertragung des Reichstagswahlrechts auf Länder und Kommunen befürworteten.30 Bezeichnend für die Haltung der konservativen Nationalökonomen erscheint ein Schreiben Schmollers von 1906: Wenn wir heute noch eine Beamtenregierung haben, so ist sie die allein für uns mögliche Regierungsform und ich glaube wir sind im Ganzen dabei seit 1888 doch nicht schlecht gefahren. Gewiß ist oft und viel gefehlt worden. Aber die Hauptsache davon liegt im Temparament des Kaisers, in seiner romantischen Ader. Jedenfalls ist erreicht worden, daß trotz aller starken Anstrengungen ein feudal-kirchliches Ministerium ... zu schaffen, das nicht gelang, obwohl wir genötigt sind mit Ultramontanen [= Zentrumspartei] und Konservativen zu regieren. Capnvi, Hohenlohe und Bulow haben das zu Wege gebracht, ... . Man kann einwerfen: wir müßten eben ein parlamen tarisches Ministerium haben. Aber dazu fehlt uns die Aristokratie, die Führer, die großen politischen Parteien. Bülow wäre heute zu einem pari. Ministerium bereit, wenn er irgend sähe, damit bessere Resultate zu erzielen, als mit dem jetzigen Beamtenministerium. Die Zusammensetzung dieses Beamtenministeriums muß heute - bei der Persönlichkeit des Kaisers - so gemacht werden, daß er glaubt, die Minister zu wählen, und daß sie in Wirklichkeit durch ... den Kanzler bestimmt werden."31

Schmoller hatte zwei Schwächen seiner Konzeption selbst genannt: die Person des Kaisers, dessen 'persönliches Regiment' und die dadurch bewirkten Irritationen der deutschen Politik, ferner die Unfähigkeit der Parteien, verantwortlich an der Willensbildung teilzunehmen und verantwortliche Staatsmänner hervorzubringen. Letzteres führte Schmoller allerdings nicht auf das im Grunde bejahte semiabsolutistische System zurück, sondern umgekehrt. An beidem knüpfte die Kritik Max Webers an.32 Darüber hinaus konstatierte Weber den unaufhaltsamen Prozeß der Bürokratisierung als Folge komplexer gesellschaftlicher Organisation.33 Gegen diese "Parzellierung des Menschentums zu ökonomischen und sonstigen Fachmenschen" anzu-

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kämpfen, hielt er für ein "Gebot der Menschenwürde."34 "Überlegen," so Weber, "ist der Sachkenntnis der Bürokratie nur die Sachkenntnis der privarwirtschaftlichen Interessenten auf dem Gebiet der Wirtschaft,"35 obwohl auch hier die Bürokratisierung fortschreite. Unter diesen Prämissen stießen sowohl der Staatsinterventionismus und Staatssozialismus wie die Illusionen über die gemeinwohlorientierte monarchische Bürokratie auf die scharfe Kritik Webers und seines ähnlich orientierten Bruders. Die Kontroverse entlud sich in einer Debatte des Vereins für Socialpolitik, die sich mit der wachsenden Zahl kommunalstaatswirtschaftlicher Unternehmen befaßte.36 In nuce wurden hier schon jene Fronten deutlich, die später die Debatte um den 'Kriegssozialismus' bestimmten. Alfred Weber bezweifelte, ob die zunehmende Zahl kommunaler, staatlicher und gemischtwirtschaftlicher Betriebe wirklich die beabsichtigte Befreiung von wirtschaftlicher Abhängigkeit bringe. Angesichts der staatssozialistischen Neigungen der überwiegenden Zahl der Kongreßteilnehmer habe vor allem Wagner Grund, an die Verwirklichung seiner Pläne zu glauben. Der in eine Gloriole der "Staatsmetaphysik" gehüllte behördliche Apparat trete immer mehr an die Stelle des verantwortlichen Unternehmers. Die Bürokratie sei bestrebt, die Sozialbeziehungen zunehmend dem aus der Tradition des absolutistischen Beamtentums stammenden Begriff des "Treueverhältnisses" zu subsumieren; der Warencharakter der Arbeit beispielsweise werde dadurch jedoch keineswegs verändert. Die Bürokratie werde als autonome Kraft suggeriert, obwohl sie letztlich nur auf jenen "Machtgruppen" beruhe, "die die gesellschaftliche Organisation in der Hand haben."37 Zutreffend hatte Alfred Weber die Funktion der Staatsauffassungen Schmollers, Delbrücks,38 Wagners und anderer beschrieben. Sie verschleierten mit ihrer "Ideologie einer Staatsdienerschaft",39 daß die preußisch-deutsche Bürokratie ein integrales Bestandteil des Bündnisses der konservativen Eliten war. Wagner forderte hingegen, daß der in kaum mehr kontrollierbaren Großbetrieben erzeugte Reichtum "zugunsten der mittleren und unteren Gesellschaftsschichten" in die öffentlichen Kassen gelenkt werde.40 Dafür sei der Munizipal- und Staatssozialismus - den er schon seit 1873 gefordert und den auch Bismarck angestrebt habe unabdingbar. Wie anders aber könne man diesen realsieren, so fragte er Alfred Weber, als durch Ausweitung der Bürokratie, die in Preußen und Österreich auf bedeutende Leistungen zurückblicken könne. Schließlich gehe selbst England mittlerweile zur Kommunalisierung über.41 Den Kern der Weberschen Kritik, daß die 'autonome' Bürokratie eine Illusion sei, hatte Wagner als überhebliche Herabsetzung der Leistungen der preußischen Bürokratie mißverstanden.42 79 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Darauf griff Max Weber in die Debatte ein. Zwar sei die Bürokratisierung letztlich unaufhaltsam, aber man brauche sie deshalb nicht übermäßig voranzutreiben, wie dies vor allem Wagner und, etwas gemäßigter, Schmoller wünschten. Die Grundlage dieses Staatssozialismus sei "der Glaube an die Allmacht des von niemandem bezweifelten hohen moralischen Standards gerade unseres deutschen Beamtentums." Stelle man sich jedoch auf den Standpunkt der "nationalen Machtentfaltung", wie ja auch viele Freunde des Staatssozialismus, so sei zu fragen, ob nicht ein weniger autoritäres und ideologisch verbrämtes, möglicherweise sogar etwas korruptes Beamtentum in Verbindung mit möglichst unbeschränkter privater Akkumulation die "größte 'efficiency'" besitze.43 Schulze-Gävernitz gab darauf zu bedenken, daß man das Problem kommunaler Unternehmen nicht prinzipiell, sondern nur nach der Beschaffenheit des jeweiligen Falles entscheiden könne. Im übrigen sei "die praktische Frage ... die: ob Privatmonopol oder Staatsmonopol mehr zu bejahen ist, nachdem der manchesterliche Kleinkapitalist zum alten Eisen gehört." Er erteilte beiden prinzipiellen Positionen eine Absage, warnte die Gebrüder Weber aber vor einer Überschätzung des 'freien Unternehmers'. Allerdings, so Schulze-Gävernitz, fehle dem deutschen Großkapital im Gegensatz zum englischen die weltanschauliche Schulung. Es sei "so gut wie unberührt von deutscher Kulturtradition" und die großen Volkserzieher Friedrich Naumann und Heinrich Treitschke würden in diesen Kreisen nicht gehört. Daher erscheine ihm "das deutsche Beamtentum trotz aller Schwächen der bessere Treuhänder der deutschen Zukunft." Zwar habe Alfred Weber recht, wenn er auf die persönlichkeitsfeindlichen Tendenzen der Bürokratie verweise, aber einen Ausweg habe auch er nicht zu bieten. Letztlich sei zu fragen, wo mehr Opferfreudigkeit und "sexuelle Bindung" vorhanden sei, "im Kreis der deutschen Plutokraten, oder im Kreis der deutschen Bürokraten." Die für den Flottenbau erforderlichen Mittel sprächen für die Erweiterung der wirtschaftlichen Eigentätigkeit des Staates. Sinnvoll sei freilich die Ergänzung der wirtschaftlichen Macht des Staates durch eine Reform des preußischen Wahlrechts. Entscheidend sei jedoch die "Kultivierung und Nationalisierung unseres Kapitalistentums (nicht minder auch die unserer leitenden Gewerkschaftsschichten)," damit die Plutokratie eines Tages die Bürokratie ablösen könne. Solange daran noch gearbeitet werde, sei er lieber "Staatsprofessor als Trustprofessor."44 Lindenlaub und Zunkel folgern aus dem Diskussionsbeitrag, der ehedem liberale Schulze-Gävernitz habe eine Wende zum "massiven Staatskapitalismus bzw. -Sozialismus" vollzogen.45 Zweifellos stand Schulze-Gävernitz 1909 der wirtschaftlichen Eigentätigkeit des Staates freundlicher gegenüber als vor der Jahrhundertwende, das war 80 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

aber eine Konzession an den notwendigen Staatsinterventionismus im Organisierten Kapitalismus, dem sich selbst Brentano nicht entziehen konnte. Eine prinzipielle Entscheidung für ein System à la Wagner lehnte er ab.46 Die pragmatisch zu behandelnde Frage 'Staats- oder Privatmonopol' stand gegenüber dem Problem der Erziehung der Gesellschaft zu neuen Wertnormen zurück. Mit der angestrebten Verbindlichkeit formierungsideologischer Normen trat seiner Auffassung nach eine Sozialbindung des Eigentums gleichsam stillschweigend ein. Im konkreten Fall jedenfalls trug der Staatssozialismus SchulzeGävernitz' sehr bankenfreundliche Züge. Sicherlich hatte die Beziehung zu Bülow und die Sozialpolitik des Grafen Posadowsky - der wohl am ehesten dem Beamten-Klischee der konservativen Kathedersozialisten entsprach -47 Schulze-Gävernitz zu einer freundlicheren Haltung gegen die Bürokratie bestimmt als zu Zeiten Köllers. Die Resignation angesichts der Unfähigkeit der maßgeblichen bürgerlichen Kreise, im eigenen Interesse über den Horizont der kurfristigen, bornierten Macht- und Privilegiensicherung zu blicken, bewog ihn, zunächst in der Bürokratie eher als im Großbürgertum den Träger der 'neuen' Werte zu suchen. Diese aus der Formierungsideologie resultierende Konzession an die älteren Kathedersozialisten widersprach jedoch seinen praktischen Modernisierungsbestrebungen; ein Blick auf Herkunft, Ausbildung und vor allem Auswahl der höheren Beamtenschaft bestätigt Alfred Weber voll.48 Angesichts der laufenden großindustriellen Attacken gegen eine systemstabilisierende Sozialpolitik erschien freilich jenes Bild des 'freien Unternehmers', das die Gebrüder Weber dem Beamten-Klischee gegenüberstellten, nicht weniger fragwürdig. Die Bürokratie sollte nach Schulze-Gävernitz gleichsam kommissarisch die Geschäfte führen, bis das Bürgertum seine "Korps- und Reserveambitionen", seinen "Geschäftspatriotismus" und seine "ästhetisierende Schwachmütigkeit" überwunden habe. Der traditionelle Beamte galt auch ihm als unfähig, leitende Stellen in der Wirtschaft einzunehmen, da er in Routine und "Gewohnheiten des Hausvaters" erstarre.49 Auffallend positiv bewertete er die erste größere Arbeit des Großindustriellen Walther Rathenau.50 Nach seiner Ermordung 1922 sah er in ihm gar den Prototyp des 'nationalisierten und kultivierten' Kapitalisten.51 Die Gegenüberstellung von Trust- und Staatsprofessor bezog sich auf eine Warnung Wagners. Dieser hatte auf das als abschreckend empfundene Beispiel der privat finanzierten amerikanischen Universitäten verwiesen, an denen keine von den Interessen der Finanziers unabhängige Wissenschaft betrieben werden könne.52 Die Warnung reflektierte die Dauerquerelen Büchers, Wagners, Schmollers, Brentanos und anderer mit den Anti-Kathedersozialisten. Schulze-Gävernitz schloß sich mit dem Bekenntnis zum 'Staatsprofessor' dem Widerstand der Mehrheit 81 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

der Nationalökonomen gegen diese Gruppe an. Implizit erteilte er ferner ihrem Versuch eine Absage, sich an die Kritik der jüngeren Nationalökonomen an den sozialpolitischen Zielen der älteren 'anzuhängen', um so die Sozialpolitik überhaupt zu treffen. Die kompromißlose Kritik der Gebrüder Weber hatte nicht zuletzt durch ihre Vermengung mit der Werturteilsfrage eine Verstimmung selbst gemäßigt konservativer Nationalökonomen zur Folge.53 Noch Monate später erregte sich Knapp über die "Gesinnungspaukerei", die "Schimpferei über die Bureaukratie" und das "Geschwätz über Wissenschaftlichkeit;" die "grünsten Jünglinge" hätten auf sich aufmerksam machen wollen.54 Diese Äußerungen waren ein deutliches Zeichen der Krise, in welche die akademische Sozialpolitik geraten war.55 Neben dem Kartellproblem und der Frage nach Motiv, Art und Umfang des Staatseingriffs wurden nach der Jahrhundertwende auch die Konjunkturbewegungen zum wichtigen Forschungsgegenstand, insbesondere der jüngsten Fachvertreter.56 Daneben erregte die Bedeutung des Kreditwesens und vor allem der Großbanken für die Konjunkturbewegungen und ihre mögliche Beherrschbarkeit großes Interesse. Ferner warf die desolate Finanzverfassung des Reiches die Frage nach einer den gewandelten Bedingungen entsprechenden Finanzpolitik auf. Das Problem einer möglicherweise strukturellen Veränderung der Wirtschaftsordnung war dabei meist der übergeordnete Aspekt der praktischen wirtschaftspolitischen Überlegungen.

2. Plenge und Joffe über den Wandel der Wirtschaftsordnung Unter dem Eindruck der Konjunktureinbrüche von 1897/98 und 1900/01 entwarf Plenge ein makroökonomisches Modell der Verkehrswirtschaft. Dabei griff er auf ältere kreislauftheoretische Vorstellungen Says, die Stufentheorie der Historischen Schule und eine Krypto-Dialektik als Mittel der Veranschaulichung zurück.57 Der Wirtschaftsprozeß sollte nach Herausisolierung der Einzelkreisläufe und der wirtschaftlich definierten Soziierungen in ihren räumlichen und zeitlichen Dimensionen integriert als statischer und dynamischer Gesamtkreislauf - als "Zustands-" und "Entwicklungsformel" - veranschaulicht werden.58 Plenges Modell gehört in die Reihe der didaktisch-deskriptiven Kreislaufbilder.59 Im Gegensatz zur vorherrschend historischen Betrachtung wollte er der zeitgenössischen Entwicklung des Kapitalismus als "Stufe der veränderlichen Wirtschaftsformen" und "Prozeß eines krisenerschütterten Wirtschaftslebens" gerecht werden.60 Beständig sei die Verkehrswirtschaft in allen Bereichen durch "Momente der Unruhe" geprägt; "überstürtzter Neugründun82 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

gen" in günstig erscheinenden Produktionszweigen führten dauernd zu den bekannten Krisensymptomen Arbeitslosigkeit, Zusammenbrüche und ähnliches. Andererseits ermögliche die besondere Elastizität, deren Kehrseite eben die Krise sei, eine quantitative und qualitative Steigerung der Produktion in nie gekanntem Ausmaß.61 Gegenüber unterkonsumtionstheoretischen Vorstellungen62 sah Plenge in technologischen Innovationsschüben - die sich in der Verkehrswirtschaft über das flexible, aber auch instabile Geflecht von Leihkapital, Projektoren, Neuunternehmern, Anlagebanken und Produktionsmittelindustrien vermittelten - den primären Konjunkturfaktor.63 Die Krisenlehre führe die ausdifferenzierten Komponenten des Wirtschaftsprozesses zur reflektierten Einheit zusammen und ermögliche damit, die Konjunkturbewegungen des 19. Jahrhunderts auch und vor allem hinsichtlich der Veränderung des institutionellen Gesamtzusammenhanges zu erklären. Mit diesen Ausführungen hatte Plenge schon 1902 Elemente der Krisentheorien Spiethoffs64 und vor allem Schumpeters65 antizipiert. Noch immer, so Plenge, sähen sich breite Schichten von den Konjunkturbewegungen gefährdet; der Einzelne fühle sich der wirtschaftlichen Entwicklung ausgeliefert und selbst der wirtschaftlich Starke werde "des Kampfes müde," den er vor allem gegen das "wechselvolle Spiel der Konjunktur" führe. Neben der Hoffnung auf Monopolgewinne und der "aufgezwungenen Kampfgemeinschaft" der Arbeiter, motiviere vornehmlich der Wunsch nach einem "Reich der Ordnung über dem wirrseligen Durcheinander der Verkehrswirtschaft" zum Umbau der Organisationsformen;66 Unternehmen vergrößern sich und bilden Kartelle und Trusts, Arbeiter und Konsumenten schließen sich zu Gewerkschaften und Konsumvereinen zusammen. Daneben betonte Plenge die Automatik des technischen Fortschritts. Stelle man dem Modell der "zentralisierten Sozialwirtschaft" von Rodbertus die "dezentralisierte Individualwirtschaft" Dietzels gegenüber, ergäben sich auf identischer technologischer Grundlage "ähnliche Organisationsaufgaben".67 Wie schon bei Schulze-Gävernitz blieb auch bei Plenge das Verhältnis zwischen technischem Fortschritt und dem "Geist der Zeit",68 aus dem alle Vorgänge des sozialen Lebens hervorwüchsen, unbestimmt. Er glaubte "daß das Neue da ist, daß eine neue ... Epoche unseres Wirtschaftslebens begonnen hat, eine Periode der großen Organisation und der Versuch, das Ganze des wirtschaftlichen Getriebes planvoll und bewußt zu beeinflussen und zu leiten." Es sei "üblich geworden, in Erinnerung an die straffe Regulierung des Wirtschaftslebens durch den alten Staat von dieser neuen Stufe als 'Neomerkantilismus' zu sprechen. Andere ziehen die Bezeichnung 'Sozialismus' vor ... ."69

Ähnlich ergänzte Schulze-Gävernitz das Entwicklungsschema der Historischen Schule70 durch die aktuell im Entstehen begriffene Stufe der "Gesamtwirtschaft mit zentralistischer Organisation und rationa83 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

ler Anpassung der Gütererzeugung an den Güterverbrauch, unter Verbeamtung der Arbeit und Vergesellschaftung der Produktionsmittel."71 Man könnte die erwartete künftige Wirtschaftsordnung, besonders in der Formulierung von Schulze-Gävernitz, als zentralverwaltete Planwirtschaft bezeichnen.72 Nach Jaffé hatte die "höchste Steigerung privatwirtschaftlicher Energie" durch den Kapitalismus zwar wirtschaftlichen Reichtum bewirkt, andererseits aber auch die "sozialen und politischen Reibungsflächen" vermehrt.Das System des "reinsten Individualismus" erzeugte eine Vermögensverteilung, "die dem Allgemeininteresse zuwiderläuft," die den "Starken mächtiger und den Schwachen widerstandsunfähiger" mache und das Volk in "eine oft weitgehende Abhängigkeit" gebracht habe.73 Mit dem "Streben nach Gewinn und Profit" sei die "Qualität ersetzt worden durch Quantität, der Gebrauchswert durch den Geldausdruck des Tauschwertes." Daraus folgte schließlich die "völlige Verschiebung der Kategorien Zweck und Mittel in bezug auf die menschliche Bedürfnisbefriedigung" - mit dem "City-Mann auf der Dollarjagd als letztem Produkt der Entwicklung."74 In der klassischen Nationalökonomie sei daher auch nicht "die lückenlose Bedarfsbefriedigung des Gesamtvolkes" in den Mittelpunkt der Beweisführung gerückt, sondern "lediglich die möglichst große Gewinnerzielung."75 Freilich "gegenüber den Milliardengewinnen der 'Standard Οil' ... versagten diese Lehren des klugen Schotten Adam Smith von der H armonie aller im Wirtschaftsleben Tätigen."76 Der anhaltende Kampf des Unternehmers gegen seine Konkurrenten wie gegen Grundbesitzer, Arbeiter und Kapitalgeber als

Besitzer der Produktionsfaktoren habe allmählich zum "Abbröckeln der Unternehmergewinne" geführt.77 Der "Kampf um den Absatz unter den Volksgenossen, Kampf um den 'Futterplatz' mit allen auswärtigen Konkurrenten, Kampf um Kolonialbesitz und Weltherrschaft mit Güte oder Gewalt"78 kennzeichneten das Ringen um die vorübergehende Sicherung des Unternehmergewinnes und um "Inseln relativer Monopolstellung".79 Durch neue Absatzräume, Marktvorteile, technische Produktionsvorteile, Weckung neuer Bedürfnisse und vor allem die Errichtung von Großbetrieben und Handelsmonopolen habe man das Sinken der Gewinne aufzuhalten versucht.80 Obwohl die absolute Nachfragegrenze sich als relativ elastisch erwiesen habe, hätten diese Mittel immer weniger das Sinken der Profite aufhalten können. Seit den 1870er und 1880er Jahren griff man daher zur "Ersetzung der freien Konkurrenzwirtschaft durch das Monopol als einzigem Ausweg,"81 um den Unternehmergewinn als Grundlage des Kapitalismus zu erhalten. Allein der technologisch fortschrittliche und zumal in Deutschland eng mit den Großbanken verknüpfte Großbetrieb habe diesen scharfen Wettbewerb durchstehen können. Es bilde84 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

ten sich Monopole in Form von Trusts (individuelle Monopole) und Syndikaten bzw. Kartellen (kollektive Monopole),82 wie sie in der elektrischen und chemischen bzw. in der Schwerindustrie zu finden seien. Dem Rückgang der Klein- und Mittelbetriebe, dem Verschwinden des handwerklichen Mittelstandes entspreche das Entstehen eines "'neuen' Mittelstandes" der Angestellten, die wachsende Macht des "unpersönlichen Kapitals" sowie die steigende Abhängigkeit von Konjunkturschwankungen. Damit habe sich "innerlich und materiell" eine neue Wirtschaftsstruktur herausgebildet, obwohl sich der institutionelle Rahmen äußerlich wenig veränderte habe. Weite Bereiche der Rechtsordnung sowie der Wirtschafts- und Sozialpolitik seien noch auf das System der freien Konkurrenz zugeschnitten, wie etwa die unbefriedigende Regelung des Koalitionsrechtes zeige.83 Zwar habe der Staat angesichts der Gefahren des Wirtschaftsliberalismus durch Sozialpolitik und Schutzzölle in das Wirtschaftsleben eingegriffen, aber "schwerwiegender war das, was das wirtschaftliche Leben aus sich heraus schuf,"84 nämlich die umfassende Organisation der Unternehmer, Arbeiter und Konsumenten in Kartellen, Gewerk- und Genossenschaften. Von der wirtschaftlichen Freiheit sei somit kaum mehr übriggeblieben als die "äußere Schale, der aber kein gleichgearteter Kern mehr entsprach."85 Jaffés Betonung der fundamentalen Bedeutung des industriellen Konzentrationsprozesses deckte sich mit den Vorstellungen Plenges, Schulze-Gävernitz, Naumanns und anderer. Allerdings bemühte er sich weit mehr als etwa Schulze-Gävernitz um eine ökonommische Erklärung des Organisationsprozesses.86 Das verband ihn mit marxistischen Erklärungsmustern. In den Ausführungen von Marx und Engels zum "Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate" spielt allerdings das Sinken der absoluten Profitmasse eine untergeordnete Rolle. Hier handelt es sich um die Annahme, daß die Erhöhung der Gewinne langfristig durch den im Verhältnis zu diesen immer potenzierteren Einsatz von konstantem Kapital bzw. Anlagekapital möglich sei.87 Es gibt nach dieser Auffassung einen tendenziellen Grenznutzen der Kapitalverwertung, der allerdings durch die Erschließung neuer Möglichkeiten der Kapitalverwertung wirkungsvoll verzögert werden kann. Tatsächlich konnte die Nachfrage noch erheblich ausgeweitet werden. Nichtsdestoweniger ist Organisation und Konzentration des Kapitals auch eine Folge sinkender Profitraten, erfordert doch industrielle Innovation in der Regel immer höheren Kapitaleinsatz.88 Um 1928 nahm der Betriebswirtschaftler Eugen Schmalenbach (1873 1955) die Überlegungen der Vorkriegszeit wieder auf und präzisierte sie zu der These, daß ständig steigende Fixkosten zunehmende Konzentration bewirkten. Ähnlich wie ehedem Jaffé, konstatierte folglich auch er das Ende der 'freien Wirtschaft' - und erntete den einhelligen 85 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Protest seiner Fachkollegen.89 Unter dem Aspekt der Modernisierung und Rationalisierung beurteilte Jaffe die Konzentration positiv. Andererseits erkannte er die Gefahren der Konzentration der Verfügungsgewalt über die "gewerbliche Arbeit des ganzen Volkes" in den Händen weniger "Kapitäne der Industrie". Wie Schulze-Gävernitz fürchtete er eine "plutokratische Herrenschicht" ohne die "strenge Zucht der alten Herrenklassen des alten Europa."90 In diesem Sinne hielt er Marx entgegen, daß die "Eigengesetzlichkeit rein ökonomischer Natur" nicht von sich aus zur Selbstaufhebung des Kapitalismus führe. Seine "Verewigung" als "Industriefeudalismus" sei durchaus denkbar. Nur das "zielgerichtete Wollen des Menschen," wie es im Widerstand gegen die Vertrustung zum Ausdruck komme, könne dem entgegenwirken.91 Im Einklang mit Plenge und prononcierter als Schulze-Gävernitz und Max Weber resümierte Jaffé seine Analyse mit der Forderung: "Wir müssen die gesamten Institutionen, die unser Wirtschaftsleben beeinflussen und regeln, umgestalten."92 Plenge, Jaffé und Schulze-Gävernitz neigten dazu, Deutschland gegenüber den ebenfalls hochentwickelten Kapitalismen Englands und Amerikas eine führende Rolle bei der Herausbildung der neuen Wirtschaftsordnung zu attestieren. Ihre Argumente korrespondieren teilweise den Thesen Puhles und Medicks von 1974, die nicht zuletzt im Fehlen eines relativ autonomen, bürokratischen Staatsapparates die Ursache für den im Vergleich mit Deutschland verzögerten Übergang Großbritanniens und der Vereinigten Staaten zum Organisierten Kapitalismus erkennen.93 Freilich führten partiell richtige Einsichten in die Funktion des deutschen Staates bei der Herausbildung einer modernen Wirtschaftsordnung tendenziell zur ungerechtfertigt positiven Einschätzung der Bürokratie und zur Unterschätzung jener Gefahren, welche die Inadäquanz der politischen Verfassung barg. Plenge hatte die USA eineinhalb Jahre lang bereist.94 Er konstatierte, daß hier der "bekannte Organisations- und Konzentrationsprozeß des Hochkapitalismus" mit seinen "vertrusteten Riesenunternehmungen" zum Verschwinden des Kleinbetriebes und zu "gleichgültiger Bürokratisierung des ganzen Wirtschaftslebens mit ihren dauernden Abhängigkeitsverhältnissen" geführt habe.95 Die AntiTrust-Bewegung und -Gesetze offenbarten den tiefen Widerspruch zwischen der rauhen Wirklichkeit des "organisatorischen Kapitalismus" und den alten Idealen des Individualismus und der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten.96 Möglicherweise, so Plenge, behindere gerade diese überkommene "Ideenwelt" des Amerikanismus die bewußte Weiterführung gesellschaftlicher Organisation in Amerika.97 Vielleicht seien die europäischen Nationen und besonders Deutschland, die nicht wie die USA rein bürgerliche Gesellschaften geworden seien, "verjüngungsfähiger", sofern 86 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

"die Gesellschaftsorganisation der Zukunft ... bei aller Überwindung des privategoistischen, gesellschaftsfremden Machtstrebens der extremen Klassengesellschaften gleichwohl erheblich aristokratischer und autoritativer [!] wird als der Individualismus der bürgerlichen Welt."98 Schließlich fehle Amerika "die lange Schulung des Heeres, das Vorbild der gesellschaftlichen Disziplin und der selbstverständlichen Einstellung des Einzelnen in den Dienst des Allgemeinen."99

Andererseits habe Amerika gegenüber Deutschland den Vorteil, nicht gegen den Individualismus und Konservativismus zugleich ankämpfen zu müssen.100 Ähnlich wie Schulze-Gävernitz hatte sich Plenge gewissen Ideologemen der konservativen Kathedersozialisten genähert, ohne aber deren sozialpolitischen Impetus zu teilen. Bei der wirtschaftspolitischen Konkretisierung blieb er eher vage; 'staatssozialistische Lösungen' kamen jedenfalls für ihn nicht in Betracht.101 Auch SchulzeGävernitz hatte seine frühere pragmatische Haltung zur Verstaatlichung und zur Kommunalisierung nicht geändert.102 Die Verstaatlichung blieb für ihn eine "praktische Frage von Fall zu Fall," wobei für ihn die "Qualität des zur Verfügung stehenden Beamtentums" den Ausschlag gab.103 Einzig bei der Kaliindustrie plädierte SchulzeGävernitz für konsequente Verstaatlichung.104 Anaers Hingegen jatte. Auch er kritisierte, dais Amerika keine andere Lösung des Monopolismusproblems gefunden habe als die "des starren Festhaltens an dem alten System der freien Konkurrenz."105 Die mittelständische Anti-Trust-Bewegung behindere zudem die gründliche Reform des amerikanischen Bankwesens.106 In Deutschland hingegen sei "dank einer stärkeren Staatsgewalt und eines in alter Tradition gefestigten Beamtentums" die Überführung jener Monopole, die zur "Gefahr für die Allgemeinheit werden," in die "Hände öffentlich-rechtlicher Körperschaften" möglich.107 Mit der Verstaatlichung der Eisenbahnen und der Kommunalisierung der städtischen Wasser- und Energieversorgung sei ein Anfang gemacht worden, ebenso mit den vielen gemischtwirtschaftlichen Betrieben.108 Jaffé hatte sich wirtschaftspolitisch den Auffassungen Wagners genähert. Wesentlich schärfer als Plenge und Schulze-Gävernitz akzentuierte er seinen Gegensatz zur kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Die führenden Schichten, so resümierte Jaffé eine Festrede zum Regierungsjubiläum des Kaisers, müßten sich allmählich mit dem Gedanken vertraut machen, das Erwerbsleben nicht mehr unter dem Aspekt "des privaten Gewinnstrebens, sondern unter dem der sozialen Pflichterfüllung zu betrachten." Wirtschaft müsse wieder "Dienst an der Gesamtheit" werden.109 Zusammengenommen erkannten Plenge und Jaffe die "Zangenbewegung"110, in die das Laissez-Faire geriet: einerseits verzichteten die Unternehmer auf vollständige Betriebsautonomie zugunsten stetiger

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Profitmargen, andererseits wuchs die kollektive Organisation der Arbeiter zugunsten der Sicherung und Verbesserung der Löhne und Arbeitsbedingungen. Das Bild der künftigen Wirtschaftsordnung geriet jedoch unspezifisch, war stark ideologisch beeinflußt. Die Kritik Max und Alfred Webers an der Bürokratie wurde nicht geteilt, obwohl kaum ein anderer jüngerer Nationalökonom sich den wirtschaftspolitischen Konzepten Wagners und Schmollers so stark näherte wie Jaffé. Eine präzisere Bestimmung ihrer Auseinandersetzung mit dem Organisierten Kapitalismus erlaubt die Beschäftigung von Plenge, Jaffé und Schulze-Gävernitz mit dem Kreditwesen, dem sie, analog zu Hilferding, eine Schlüsselfunktion für die aktuelle und künftige Entwicklung zumaßen.111

3. Das Kreditwesen als Steuerungsinstrument

Schon vor der Jahrhundertwende war Plenge die eigentümliche Bedeutung jener Gründungsinstitute aufgefallen, die sich vor allem die Elektrotrusts zur Finanzierung ihrer Geschäfte schufen.112 Seitdem galt sein Interesse der Rolle der Anlagebank und ihrer Bedeutung für die Industrialisierung. Bereits in seiner Habilitationsschrift über den französischen Crédit Mobilier113 vertrat Plenge die Auffassung, daß die wachsende Konzentration der Banken und ihre Bedeutung für die Gesamtwirtschaft "unabweisbar politische Entschlüsse in greifbare Nähe" rücke.114 Der Zeitpunkt für derartige Entschlüsse schien wenige Jahre vor dem Krieg gekommen. Das Kreditvolumen der Reichsbank war seit 1895 ständig gewachsen, obwohl die strenge Kontingentierung kleiner Banknoten bis 1911 eingehalten wurde. Immer offensichtlicher wurden die Widersprüche zwischen der ursprünglichen Aufgabe der Reichsbank als 'Hüterin der Währung', ihrer wachsenden Inanspruchnahme als 'lender of last resort' durch die Großbanken und der sich abzeichnenden neuen "Aufgabe, auf die Gestaltung des Wirtschaftsablaufs einzuwirken."115 Die notorisch niedrige Barliquidität der als Universalbanken konstituierten Großbanken führte zu den Hauptzahlterminen und bei den immer häufigeren außenpolitischen Krisen zu einer Beanspruchung der Reichsbank und zur Gefährdung des gesamten Kreditwesens. Da eine gesetzliche Limitierung der Kreditexpansion der Großbanken und eine Modifikation der zentralbanklichen Liquiditätsgarantie nicht durchsetzbar schien, förderte die Reichsbank seit 1912 die Bildung eines Konditionenkartells der Großbanken. Man hoffte, auf diesem Wege eine Minderung der Kreditex88 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

pansion und eine Erhöhung der Barreserven der Großbanken zu erreichen.116 Plenge kritisierte diese Pläne und forderte eine Reform der Reichsbankpolitik, die dem "konstruktiven Fortgang der gesellschaftlichen Organisation" Rechnung tragen sollte.117 Die Reichsbankleitung tappe bei ihren Überlegungen im Dunkeln, da die Bankenenquete von 1908 nur kleine Korrekturen der alten Politik beabsichtigt habe und die Wissenschaft auf die traditionelle Rolle der Reichsbank als Hüterin der Goldumlaufswährung fixiert sei.118 Die angestrebte Erhöhung der Barreserven und die Beschränkung der Kreditvergabe könne leicht die Lähmung der Konjunktur provozieren, ohne daß die notwendige Erhöhung der zentralbanklichen Deckungsreserve davon positiv berührt werde.119 Die Fortentwicklung des Kapitalismus aber erzwinge den konsequenten Fortschritt der Reichsbank zum "zentralen Geldorgan".120 Die historisch bedingte Goldknappheit der Reichsbank stehe dem entgegen.121 Dagegen ermögliche die bewußte Weiterführung der Substitution des Hartgeldumlaufs durch bargeldlosen Zahlungsverkehr und vermehrten Notenumlauf eine Goldkernwährung. Sie erlaube der Reichsbank sowohl die Konjunktursteuerung über den Notenumlauf wie den Schutz der Währungsparitäten.122 Die allgemeine Einschränkung des Reichsbankkredits, die Entfernung des Goldes aus der Zirkulation und große Zentralbankguthaben der Großbanken seien allerdings unerläßlich.123 Allgemein trete an die Stelle der ursprünglichen Konkurrenzwirtschaft die "gewillkürte Gestaltung des Wirtschaftslebens" durch Kartelle, Trusts und ähnliches. Die Reichsbank habe sich dieser Veränderung anzupassen, indem sie "nicht nur einen regulativen Zinssatz" festsetze, sondern das "Angebot der Ware Kapital nach Menge und Sorte" so reguliere, "wie die Ware Kohle vom Kohlesyndikat reguliert wird."124 Die damit eintretende "wechselseitige Durchdringung" der Geschäftsmethoden der Privatwirtschaft und des "gemeinwirtschaftlichen Geistes der Zentralnotenbank" galt Plenge als erstrebenswert.125 Indem nähmlich die Großindustrie den Markt reguliere und damit die nationale wirtschaftliche Entwicklung definiere, übe sie quasi-gesetzgeberische Funktionen aus, ohne daß der wirkliche Gesetzgeber dabei eine Rolle spiele. Andererseits zeige die Duldung der Reichsbankprojekte durch Parlament und Staat, daß Demokratie und Bürokratie bald vor der größeren Kompetenz der SpezialVerwaltungen kapitulieren müßten. Die Großbanken hingegen seien bereit, auf die Pläne der Reichsbank einzugehen, um dem gesetzlichen Zugriff des Reichstages zu entgehen. Dabei erscheine dieser Trend zur Unterordnung der Großbanken unter die Reichsbank keineswegs positiv.126 Die schematische Regulierung des Geldmarktes durch ein an Entscheidungen der Reichsbank gebundenes Konditionenkartell sei eine befremdliche

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"Gewaltpolitik".127 Statt die Entwicklung starker, unabhängiger Großbanken als Nachteil zu betrachten, solle sich die Reichsbank besser vollständig auf die indirekte "Führung der organisierten Kapitalkräfte"128 ohne Knebelung des Geldmarktes konzentrieren. Die Reichsbank reguliere dann den Kapitalverleih global-quantitativ, während die branchen- und regionenspezifische Verteilung der Kapitalkräfte, also die qualitative Seite, den Privat- und Genossenschaftsbanken zufalle.129 Diskontpolitik als Instrument der Konjunkturpolitik sei somit "das erste größere Beispiel der gemeinwirtschaftlichen Marktbeherrschung, auf rein kapitalistischem Boden und der unvergleichliche Schulfall des zum verantwortungsvollen Gesellschaftsorgan umgebildeten Monopols."130 Max Weber meinte gar in der Regulierung des Geldmarktes "die bisher am stärksten einer 'Planwirtschaft' sich annähernde Stufe kapitalistischer ... Ordnung des Wirtschaftens" erkennen zu können.131 Die Formulierungen Webers und Plenges sind typisch für die Schwierigkeiten der zeitgenössischen Wissenschaft, die Interventionsinstrumentarien des Organisierten Kapitalismus anders als im Kontext zentralverwaltungswirtschaftlicher Ordnungsvorstellungen zu sehen. Das verlieh den Termini 'Gemeinwirtschaft' und 'Staatssozialismus' ihren schillerden Charakter. Auch der Gefahr finanzieller Kriegspanik glaubte Plenge durch die starke, goldgedeckte und durch den Kriegsschatz erweiterte Zentralbankliquidität begegnen zu können.132 Obwohl der praktische Einfluß Plenges schwer abzuschätzen ist, wurde nach Kriegsausbruch in etwa nach seinen Vorstellungen verfahren.133 Plenge freilich war überzeugt, daß er durch seine Studie über die Reichsbank in der Lage gewesen sei, "deren Politik herum zu reissen."134 Seine Vorschläge zur Neubestimmung der Reichsbank als Instrumentarium globaler Konjunktursteuerung verstand Plenge als ein Exempel für die angestrebte institutionelle Reorganisation auf der Grundlage immanenter Entwicklungen des modernen Kapitalismus im Rahmen einer hegelianisch inspirierten Gesellschaftswissenschaft. Sieht man von diesem weitgreifenden Anspruch ab, so reduzieren sich Plenges Vorschläge auf eine Goldkernwährung und die Geldmengensteuerung. Ausdrücklich forderte er jedoch die Selbständigkeit der Großbanken und den Erhalt des sich selbst vermittelnden Geldmarktes. Schon die Ansätze staatlicher Regelungen waren ihm suspekt. Plenge hat einige Grundsätze moderner Notenbankpolitik formuliert, wie sie derzeit wohl in allen kapitalistischen Volkswirtschaften mehr oder minder Anwendung finden.135 Mit Sozialismus haben diese Vorschläge, trotz des Mottos "Marx und Hegel!", wenig zu tun. Der "letzte Maßstab allen Wirtschaftslebens" war für SchulzeGävernitz die "Macht und Sicherheit ... der deutschen Nation." Daher 90 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

bejahte er "trotz aller Vorbehalte im einzelnen die großkapitalistische und industriestaatliche Tätigkeit unserer Banken, ohne welche wir längst von der angelsächsischen Welt überholt wären."136 Adolf Weber verband seine ausdrückliche Zustimmung zu dieser Feststellung mit einer Spitze gegen Wagner.137 Der Imperialismus begründete auch in dieser Frage den Gegensatz zu den älteren Kathedersozialisten. Wagner hatte "prinzipielle Bedenken" gegen das Emissions- und Börsengeschäft der Großbanken vorgebracht, die die "einseitig privatkapitalistische Entwicklung" der gesamten Wirtschaft forciert hätten. Er forderte deshalb die "wirklich gemeinwirtschaftliche Organisation ... des großen Bankwesens."138 Unter dem Eindruck der teilweise auch von Wagner unterstützten Ambitionen der Konservativen und Großagrarier, die Reichsbank auf dem Wege der Verstaatlichung ihren Zwecken dienstbar zu machen,139 hatte Schulze-Gävernitz schon in den 1890er Jahren strikt gegen derartige Vorhaben plädiert.140 Ähnlich warnten auch Plenge und Jaffévor den gegen die Großindustrie gerichteten Plänen der von Wagner unterstützten Rechten.141 Schulze-Gävernitz bezog sich wie Plenge positiv auf die Vision St.Simons, über die Banken die Harmonisierung des anarchischen Wirtschaftslebens zu erreichen.142 Die Bankenkonzentration habe die "blindwaltenden Wirtschaftsgesetze schrittweise zurückgedrängt zugunsten bewußter Anordnung;" das sei "Marxismus anders, und doch nur in der Form anders, als Marx ihn sich dachte."143 Adolf Weber glaubte aus dieser Formulierung die "Zusammenschmelzung unserer Bankwelt zu einem Ganzen unter öffentlich-rechtlicher Spitze (Reichsbank) ..., ein Monopol mit gemeinwirtschaftlicher Regelung" herauslesen und vor dieser "Einschnürung der Kreditorganisation in spanische Stiefel" warnen zu müssen.144 Zwar sah Schulze-Gävernitz in der Zentralbank die künftige "Leiterin der nationalen Kreditwirtschaft" und befürwortete die Verpflichtung der Großbanken zur "Mitarbeit an den Zwecken der Zentralbank."145 Der Schulze-Gävernitz-Schüler Heiander sprach gar von einer "sozialistischen ... zu mindesten aber staatssozialistischen Tendenz" der Notenbanken.146 Aber auch Schulze-Gävernitz' praktische Forderungen beschränkten sich, wie die Plenges und Jaffés,147 auf die Vermehrung des zentralbanklichen Goldbestandes und die Entfernung des Goldes aus dem Zahlungsverkehr.148 Vor dem Reichstag rief er ausdrücklich zur Unterstützung der Reichsbankpläne auf,149 die von einer gemeinwirtschaftlichen Regelung noch weit entfernt waren bzw. gerade zu deren Umgehung dienten.

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4. Die Manager In der "Verbeamtung" sah Schulze-Gävernitz eine wesentliche Folge der Bankenkonzentration. Über die "Industrialisierung der Banken", das heißt durch ihre Verflechtung mit der Großindustrie,150 teile sich die Verbeamtung weiteren wirtschaftlichen und sozialen Bereichen mit.151 Je weiter die Bankenkonzentration fortschreite, desto mehr werde der "ganze Turmbau unseres Hochkapitalismus" von Fleiß, Ehrlichkeit und 'pflichtmäßiger Einordnung' der Privatbeamten abhängig, die wiederum das "Ergebnis einer jahrhundertelangen Schulung des Staatsbeamtentums," der "Staatsgesinnung" seien.152 Unter Bezugnahme auf Hegels Ideal des Beamten als individuelle Verkörperung des Allgemeinen unter möglichster Abstraktion von jeder persönlichen Willkür,153 hoffte Schulze-Gävernitz, daß sich mit dem neuen Unternehmertypus die Priorität "volkswirtschaftlicher Ziele"154 gegenüber rein privatkapitalistischen Profitinteressen gewährleisten lasse. Derartige Vorstellungen resultierten aus der wachsenden Aufmerksamkeit, die die interessierte Öffentlichkeit jener Angestelltenschicht widmete, die im Zuge gesteigerter innerbetrieblicher Organisation Schlüsselstellungen in Großindustrie und -banken übernahm.155 Teilweise dienten die von Hegel mitgeprägten bürokratischen Traditionen und die Mentalität der staatlichen Bürokratie dem neuen Mittelstand als Identifikationspotential. In nicht unerheblichem Maße war er dadurch in die antisozialistische Sammlung integrierbar.156 An der Spitze der Angestellten, bei den angestellten Unternehmern

und

Managern, setzte sich der Trend zur langfristigen Sicherung der Konzernperspektiven gegenüber dem Hang zur Realisierung unmittelbarer Profitchancen durch. Dabei mag sich ein Teil der Manager angesichts relativer Anonymisierung der Eigentümer als Träger des Gemeinwohls verstanden haben.157 So hatte für den AEG-Präsidenten (seit 1915) Walther Rathenau der moderne Konzern ein Eigenleben "nach der Art eines Staatswesens" angenommen. An der Spitze, bei den Managern, habe sich "der Ersatz der Habsucht als treibender Motor durch Verantwortungsgefühl" vollzogen.158 Plenge ging noch weiter. Er entthronte das Industrieproletariat als Träger der sozialistischen Entwicklung und aufsteigende Klasse; an seine Stelle setzte er die Manager.159 Plenge verstand die neue Schicht der Industriellen und Verbands-Manager als die soziale Gruppe, der trotz möglicher bürokratischer Irritationen die Aufgabe der umfassenden gesellschaftlichen Reorganisation im Geiste eines "der Allgemeinheit dienenden Beamtentums" zufalle.160 Er antizipierte gewissermaßen die These Burnhams, der den Beginn einer Revolution konstatierte, in der nicht der Sozialismus, sondern das Regime einer 92 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

bürokratischen Verwaltungselite auf der Grundlage gemischtwirtschaftlichen oder staatlichen Eigentums den Kapitalismus ablöse.161 Visionen, die den Befürchtungen Max Webers ähnelten. Marx habe, so Plenge später, in den "industriellen managers 'die Seele unseres Industriesystems,"erkannt.162 Daß Marx nicht sie, sondern das Proletariat zum Träger der künftigen Gesellschaftsordnung erklärte, blieb für Plenge zeitlebens ein "tödlicher Widerspruch im Marxismus."163 In Anlehnung an Burnham könnte man Plenges "organisatorischen Sozialismus" auch als Ideologie des Managements bezeichnen.164 Aus seiner Beschäftigung mit dem Crédit Mobilier, so Plenge später, habe er die Überzeugung gewonnen, daß der St.Simonismus die "Wirklichkeit des Sozialismus als 'Führung der Industriellen' bei besonderer Bedeutung der Banken zum Wohle der Massen" besser erkannt habe als der Marxismus.165 Mit dem im folgenden Kapitel behandelten Plan einer Unterrichtsanstalt für diese neue Schicht der Industriellen zog Plenge daraus die Konsequenz. Schulze-Gävernitz und Plenge empfahlen dem deutschen Manager und der Masse der Angestellten die von Hegel bis Schmoller gepriesenen bürokratischen Traditionen als Identifikationspotential. Sie erhofften sich davon eine gemeinwirtschaftliche Erziehung der privaten Verwaltungseliten. Lenins Bemerkung über die vornehmlich ideologische Funktion der deutschen Nationalökonomie war besonders durch diese Absichten veranlaßt.166

5. Finanzpolitische Probleme Ebensowenig gemeinwirtschaftlich wie die Pläne zur Neuordnung des Kreditwesens, waren die Vorschläge Plenges, Jaffés und SchulzeGävernitz' zur Reichsfinanzreform. Angesichts des hohen Anteils der öffentlichen Erwerbseinkünfte an den Staatshaushalten,167 hätte hier durchaus ein Ansatzpunkt bestanden, wie Wagner die Ausdehnung der staatlichen Eigenwirtschaft zugunsten einer verbesserten Einnahmesituation des Reiches zu fordern. Alle drei setzten sich jedoch in unterschiedlichem Maße für eine sozialere Gestaltung der Reichsfinanzpolitik ein, die letztlich zur Konsolidierung der Reichsfinanzen dringend geboten war.168 Bülow versuchte 1908, mit ähnlichem propagandistischem Aufwand, mit dem seinerzeit die Flottenpolitik inauguriert worden war, die Finanzreform zu popularisieren. Da diese überproportional die Besitzinteressen belasten mußte, hoffte Bülow, die widerstrebenden Parteien mit Hilfe der Öffentlichkeit auf seinen Kurs zu zwingen. Mit Brentano, Wagner, Schmoller, Delbrück, v. Mayr, Schulze93 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Gävernitz und anderen stellte sich die Creme der deutschen Nationalökonomie erneut in den Dienst der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung, während eine Minderheit kritisch argumentierte. Ehrenberg trat als Sprachrohr der Konservativen auf.169 Die regierungskonformen Wissenschaftler lieferten zahllose von der entsprechenden Regierungsstelle 'inspirierte' Schriften, in denen vor allem mit nationalistischen bzw. imperialistischen Argumenten für die Finanzreform geworben wurde.170 Gegenüber den geplanten direkten Reichssteuern agitierten die Konservativen und der 'Bund der Landwirte' für die mannigfaltigsten Arten der Besteuerung des 'mobilen' Kapitals, also für Kapitalertragssteuern, die das Kreditwesen belasten mußten.171 Angesichts des sich abzeichnenden Sieges konservativer Vorstellungen im Zuge der Wiederannäherung von Zentrum und konservativen Parteien trat Schulze-Gävernitz vor dem Evangelisch-Sozialen Kongreß auf. Er warnte hier, die deutsche Exportindustrie, die Reedereien, die Banken und Börsen - "diese wichtigsten Werkzeuge nationaler Macht" - "hinunterzudrücken auf das Niveau der Kleinstadt." Eine Finanzreform im Sinne der Konservativen könne die Stellung Londons als "wirtschaftlicher Hauptstadt neu befestigen und ... nicht weniger kosten als ein verlorener Krieg."172 Verbunden mit einer Eloge auf die Verdienste Wagners, forderte er eine Reichserbschaftsund Vermögenssteuer.173 1908/09 wurde schließlich das Projekt des preußischen Finanzministers v. Rheinbaben bekannt. Er wollte die Kapitalgesellschaften mit sogenannten 'Gesellschaftssteuern' belasten, die nicht dem Reich überlassen werden und somit die geplante Reichsvermögenssteuer unterlaufen sollten.174 Auch gegen dieses Projekt trat Schulze-Gävernitz auf. Er würdigte die bedeutenden Leistungen der Aktiengesellschaften in der deutschen Industrialisierung und sah mit Recht in ihnen die "Waffe der Zuspätgekommenen". Dieser 'Waffe' sei es nicht zuletzt zu verdanken, daß Deutschland nicht mehr England wirtschaftlich und politisch hinterherhinke.175 Gerade in dieser Auseinandersetzung erwies sich Schulze-Gävernitz als Anwalt industrieller Interessen. Über der Finanzreform zerbrach schließlich der Bülow-Block. Die Konservativen konnten ihre Vorstellungen im wesentlichen durchsetzen.176 Erst mit der konsequenten Militarisierung der Finanzpolitik wurde es 1913 möglich, über den Wehrbeitrag und die Erbschaftssteuer - für die Schulze-Gävernitz als Abgeordneter warb -177 einen praktisch geringen, prinzipiell aber bedeutenden Einbruch in das Steuerdogma der Konservativen zu erzielen.178 An der imperialistischen, antienglischen Argumentation von Schulze-Gävernitz wird erneut deutlich, daß selbst aus innenpolitischen Gründen gebotene Reformen nur noch über die Forcierung des Chauvinismus Durchsetzungschancen hatten. Wie die Konservativen den Imperialismus zum Eckpfeiler ihrer Machterhaltungsstrategie 94 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

machten, so geriet er den Sozialliberalen zur Legitimation ihrer Modernisierungsbestrebungen. Diesen Punkt griff Jaffé auf, wenn er zugunsten einer stärkeren Kapitalverflechtung mit dem Ausland eine "ruhigere, weniger sprunghafte und nicht mit unnötigerweise beunruhigenden Schlagwörtern arbeitende auswärtige Politik" forderte.179 Neben der Kritik der deutschen Schutzzollpolitik warnte er vor einer Finanzreform, "welche kein anderes Ziel verfolgt, als neue Steuerquellen zu erschließen" und plädierte stattdessen für eine Senkung der Rüstungsausgaben, die "unproduktiv im vollen Sinne des Wortes" seien.180 Jaffé nahm damit eine ziemliche Außenseiterposition ein. Ähnlich auch Plenge. Er kritisierte mit der ihm eigenen Rücksichtslosigkeit die Gefälligkeitsstatistiken der beamteten Statistiker, die mit dreisten Manipulationen nachzuweisen versuchten, daß Deutschlands Steuersystem gegenüber dem anderer Länder gerechter und sein Militärbudget niedriger als das Englands und Frankreichs sei.181 Er plädierte gleich für drei direkte Reichssteuern (Einkommens-, Vermögens- und Erbschaftssteuern). Es war der adäquateste und zugleich chancenloseste Vorschlag, dessen dämpfende Wirkung auf die "sozialistische Agitation" Plenge zu Recht betonte.182 Neben Wagner und Wolf gehörte Plenge zudem zu den Wenigen, welche die Bedeutung rechtzeitig eingeführter Reichssteuern für die Kriegsfinanzierung hervorhoben.183 Tatsächlich vermochte sich Dietzel mit seinem für das Großbürgertum bequemeren Vorschlag durchzusetzen, den Krieg ausschließlich mit Anleihen zu finanzieren.184 Gegen die verbreitete Unkenntnis der Möglichkeiten, Haushaltspolitik als konjunkturpolitisches Steuerungsinstrumentarium zu nutzen,185 empfahl Plenge das "Studium der öffentlich bedeutsamen Züge der Staatswirtschaft."186 Für Schulze-Gävernitz wie für Plenge gilt, daß sie praktische Modernisierungsaufgaben der deutschen Industriegesellschaft erkannten, andererseits aber ideologische Momente Analyse und Lösungen beeinträchtigten. Deutlich wird dies auch an der Arbeit des PlengeSchülers Teschemacher.187 Dieser glaubte im falschen Staatsverständnis der Parteien und in der Unkenntnis des neuen deutschen Staatstyps der Beamtenregierung den Grund für das Scheitern der Finanzreform sehen zu müssen.188 Diese blinde Befangenheit in den bürokratischen Traditionen verhinderte die adäquate Analyse und trug damit zur ideologischen Affirmation jener Strukturen bei, die der Modernisierung gerade entgegenstanden. Trotzdem hatten SchulzeGävernitz und vor allem Plenge die grundlegenden Reformnotwendigkeiten erkannt, denen schließlich auch entsprochen wurde - allerdings erst nach dem Krieg und nach einer langen Debatte der Nationalökonomie während des Krieges. Plenges Aufsätze trafen jedoch 95 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

auf die vorbehaltlose Zustimmung Max Webers, was seiner Karriere zugute kam.189

6. Schulze-Gävernitz und das Petroleummonopol-Projekt In der Petroleummonopol-Debatte von 1912 liegt der seltene Fall vor, daß ein Wirtschaftswissenschaftler als Parteipolitiker an wichtigen wirtschaftspolitischen Entscheidungen beteiligt war. Brennpunktartig wird in dieser Angelegenheit die wirtschaftspolitische Konzeption von Schulze-Gävernitz im Kontext der unterschiedlichen Interessen deutlich. Es ist ein Kapitel Politik, das herausführt aus der besonderen Atmosphäre von Professorenzirkeln und akademischen Kundgebungen. Petroleum gehörte vor dem Weltkrieg neben Gas, Elektrizität und Spiritus zu den wichtigen Leuchtmitteln; seine wachsende Bedeutung als Treib- und Schmierstoff zeichnete sich ab. Der deutsche Petroleummarkt war seit 1895 in wachsendem Maße unter den Einfluß von Rockefellers 'Standard Oil' Trust geraten, der unter anderem durch Vernichtungswettbewerb die Konkurrenten verdrängte. Die 'Deutsche Bank' und die 'Discontogesellschaft' konkurrierten um die verbleibenden Marktanteile. Ermuntert von der Reichsregierung erwarb die Deutsche Bank die Aktienmehrheit der rumänischen Produktionsfirma 'Steaua Romana' und versuchte mit ihrer Hilfe, das QuasiMonopol der Amerikaner auf dem deutschen und langfristig auch auf dem europäischen Markt zu brechen. Der Versuch scheiterte. Die Dominanz des ausländischen Trusts führte seit 1895 in der Öffentlichkeit und im Reichstag zu Überlegungen, wie seiner marktberrschenden Stellung begegnet werden könne. Nach ihrem Scheitern zeigte die Deutsche Bank und die ihren Interessen aufgeschlossenen Nationalliberalen Neigungen zu einem Staatsmonopol, das in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert wurde. Die Reichsregierung ihrerseits gab sich immer aufgeschlossener gegenüber den Vorstellungen der Deutschen Bank, was wiederum die Discontogesellschaft an die Seite der Standard Oil führte.190 Mit Erfolg brachte die nationalliberale Reichstagsfraktion 1911 eine Resolution ein, welche die Regierung beauftragte, die Frage eines Petroleummonopols zu prüfen.191 Darauf legte die Reichsregierung 1912 den "Entwurf eines Gesetzes über den Verkehr mit Leuchtöl" vor.192 Um die private Finanzierung und eine kaufmännische Betriebsführung sicherzustellen, so hieß es hier, habe sich die Regierung zwischen den drei Alternativen - zollpolitische Maßnahmen, Staatsregie und gesetzliche Monopolisierung mit privatrechtlicher Betriebsgesell96 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Schaft unter Reichsaufsicht - für letztere entschieden. Vorstand und Aufsichtsratsvorsitz sollten der Bestätigung durch den Reichskanzler bedürfen und ein Reichskommissar mit Assistenz eines Sachverständigenrats die Geschäftsführung überwachen. Die Gewinnverteilung sollte gesetzlicher Regelung unterliegen. Die Deutsche Bank hatte zur selben Zeit ihren "Unterwerfungsvertrag"193 mit der Standard Oil gebrochen und stand mit ihren rumänischen Ölanlagen als wichtigster Interessent und künftiger Hauptträger der Betriebsgesellschaft da. Nach weit verbreiteter Auffassung kam der Entwurf den Interessen der Deutschen Bank denn auch weit entgegen. Der sozialdemokratische Abgeordnete Frank meinte: "... wenn der Entwurf im Büro der deutschen Bank ausgearbeitet worden wäre, so hätte er nicht günstiger für diese Bank gemacht werden können."194 Schon vor der Veröffentlichung des Entwurfs kam es zu einer öffentlichen Kontroverse zwischen der Deutschen Bank und der Discontoeesellschaft.195 In der Plenarsitzung des Reichstages im Dezember 1912 sprach der Steuerexperte der Sozialdemokraten, Emanuel Wurm, ganz offen von einem kapitalistischen Interessenkonflikt.196 Obwohl die Sozialdemokratie grundsätzlich für Verstaatlichung sei,197 lehne sie in diesem Fall die "recht unreinliche Mischung zwischen Privatinteressen und staatlichen Privilegien" ab.198 Wurm befürchtete eine Verteuerung des Petroleums, da "die Banken eine unbeschränkte Macht" in der Betriebsgesellschaft hätten.199 Es schien ihm fraglich, ob die private Betriebsgesellschaft nicht mit den gleichen Profitinteressen arbeiten würde wie die Standard Oil.200 Dem Volk aber sei "es ganz gleichgültig, ob es amerikanisch geschunden oder deutsch-banklich geschröpft wird."201 Den Konservativen unterstellte Wurm, sie seien an der Verteuerung des Petroleums interessiert, um den landwirtschaftlich erzeugten Spiritus als Leuchtmittel konkurrenzfähig zu machen.202 Wurm schlug stattdessen die rigorose Verstaatlichung des Bergbaues und der Elektrizitätsversorgung vor, um die Verbilligung alternativer Leuchtmittel und damit indirekt auch des Petroleums zu erzielen.203 Allenfalls einem reinen Staatsmonopol mit einem vom Bundesrat und Reichstag zu berufenden Verwaltungsrat unter Einbeziehung von Arbeitnehmervertretern könne die Sozialdemokratie zustimmen.204 Das Zentrum lehnte die "Sanierung der rumänisch-russischen Petroleuminteressen der deutschen Bank" rundweg ab.205 Begrüßt wurde das Konzept der privaten Betriebsgesellschaft, trotz etlicher Vorbehalte im Detail, von den Nationalliberalen und vor allem von der Fortschrittlichen Volkspartei - der "Agentur" der Deutschen Bank.206 Die linksliberale Reichstagsfraktion hatte Schulze-Gävernitz "zum ersten und einzigen Redner in der Monopolfrage" gewählt; er war "in dieser höchst interessanten Sache, die soweit über die Petroleumfrage in die Frage der Bekämpfung der grossen monopolistischen Trusts 97 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

gipfelt, jetzt gründlich dabei."207 Schulze-Gävernitz war sich also der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit bewußt. Er stellte sich denn auch als einziger wirklicher Befürworter des Monopols heraus. Einleitend betonte Schulze-Gävernitz, es handle sich hier nicht um die prinzipielle Frage pro oder contra Staatsmonopol. Gerade im Liberalismus herrsche tiefes Mißtrauen gegen den Staatssozialismus der Rechten wie den Sozialismus der Linken; Einigkeit bestehe aber doch wohl bei allen Parteien darüber, "daß das Staatsmonopol besser ist als das Privatmonopol." Vor allem die Gefährdung der petroleumabhängigen Hausindustriellen, Taglöhner und Bauern verleihe dem geplanten Monopol den Charakter einer "sozialpolitischen Veranstaltung". Den Vorwurf, daß der Entwurf den Interessen der Deutschen Bank zu weit entgegenkomme, führte er vor allem auf die publizistische Gegenoffensive der Standard Oil zurück.208 Im übrigen solle "die Staatsaufsicht nach dem Vorbild der Reichsbank etwa so gestaltet werden, daß sich keine der beteiligten Gruppen übermäßig [!] bereichern kann." Letztlich müsse allerdings auch eine derartige Gesellschaft Gewinne machen und vor die Wahl gestellt, von der Standard Oil oder der Deutschen Bank abhängig zu sein, würde er letzteres vorziehen. Außerdem - so sein wiederkehrendes Credo - habe man zu bedenken, daß die Begünstigung der Banken die Verbilligung des Kredits und die Stärkung der deutschen Wirtschaft bewirke. Die deutschen Banken seien die "Waffen im Kampf gegen die großen Kapitalien der anderen Länder." Die deutschen Großbanken seien zudem anders als ausländische Monopole dem Druck der deutschen öffentlichen Meinung und staatlicher Aufsicht unterworfen; über ihnen "schwebt stets das Damoklesschwert der Gesetzgebung." Daher sei es durchaus angebracht, wenn der Entwurf der Steaua Romana entgegenkomme, deren Aktien hauptsächlich in deutscher Hand seien. Den skeptischen Sozialdemokraten hielt Schulze-Gävernitz entgegen, daß er das Mißtrauen der Rechten gegen die Banken ja verstehe, nicht aber das "der geistigen Abkömmlinge eines Karl Marx, der doch die volle Auswirkung des Kapitalismus als die Grundlage des von ihm erhofften sozialen Neubaues erklärt hat."209 Es war ein recht fragwürdiger Versuch, die Profitinteressen der Deutschen Bank den Sozialdemokraten mit einem Verweis auf Marx als Schritt zum Sozialismus schmackhaft zu machen. Schulze-Gävernitz verklärte die faktisch doch begrenzten Möglichkeiten des Staates, dessen Abhängigkeit von den Großbanken er ja selbst oft genug hervorhob, zum Damoklesschwert. Rein oberflächlich betrachtet, kam das Monopol Überlegungen im Geiste Hilferdings jedoch entgegen. Nicht zuletzt aus diesem Grunde plädierte die Schwerindustrie gegen das Monopol.210 Sarkastisch resümierte ein Abgeordneter der konservativen Reichspartei, Schulze-Gävernitz habe "ein Hoheslied von den Banken und Dividen98 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

den gesungen. ... Er sagt nämlich: wenn den Konsumenten nun mal das Fell über die Ohren gezogen wird, dann ist es immerhin noch besser von deutschen Bankers als von amerikanischen Trusters."211 Die Rechtsparteien forderten ein Reichsmonopol unter Einbeziehung des beteiligten Mittelstandes, ja sogar den Betrieb der Monopolgesellschaft durch den syndizierten Detailhandel. Im Gegensatz zum Regierungsentwurf - der Überschüsse der Gesellschaft auch zur Verbilligung der Leuchtölpreise benutzen wollte - forderten sie die fiskalische Verwendung der Überschüsse.212 Dies erregte den Verdacht, daß es den Konservativen um die Verteuerung des Petroleums durch eine weitere verkappte indirekte Steuer ging. Derartige fiskalische Mehreinnahmen konnten gegen die Forderungen nach direkten Reichssteuern ausgespielt werden und zugleich den Spiritus konkurrenzfähig machen. Angesichts dieser durchsichtigen Interessen der Rechten an der Verstaatlichung des Leuchtölhandels hoffte SchulzeGävernitz nicht umsonst auf das Einlenken der Sozialdemokraten, als der Entwurf an die im Dezember unter Vorsitz von Wurm und mit Schulze-Gävernitz als Berichterstatter gebildete Kommission verwiesen wurde.215 Schulze-Gävernitz schrieb an seine Mutter: "... jetzt hängt der Ausgang in der Kommission von den Soc.Democraten, d.h. praktisch von Dr. Frank ab. Zu töricht, wie die preuss. Behörden die Soc.Democraten durch kleinliche Nadelstiche (die ihnen nicht schaden) verärgern, während die Regierung im Reich fortwährend die Soc.Democraten braucht, wenn sie nicht in völliger Abhängigkeit vom Centrum stehen will."214

Das Zentrum lehnte das Monopol ab und empfahl Verhandlungen mit der Standard Oil, wofür es sich von Schulze-Gävernitz den Vorwurf einhandelte, als Sachwalter ausländischer Konzerninteressen aufzutreten.215 Die konservativen Pläne waren wiederum für Liberale und Sozialdemokraten unannehmbar. Es blieb ein Kompromiß zwischen den verschiedenen Konzepten als einziger Ausweg. Die persönlichen Beziehungen von Schulze-Gävernitz zu dem Regierungsrat Kestner - der seitens des Schatzamtes an der Ausarbeitung des Entwurf beteiligt war -216 wie zu Frank kamen der Sache zugute. Trotz seiner Kritik an der Bankenfreundlichkeit des Entwurfs, begrüßte Frank in der Plenarsitzung die wachsende Einsicht in die Notwendigkeit der gesetzlichen Regelung privater Monopole im Energiebereich. Er bedauerte, "daß der erste Versuch, ein Privatmonopol zu brechen, höchstwahrscheinlich scheitern wird."217 Tatsächlich schwenkten die Sozialdemokraten in der Kommission um und befürworteten, nach erheblichen Korrekturen des ursprünglichen Entwurfs, die private Betriebsgesellschaft.218 Dies sei, so argumentierte ein sozialdemokratisches Kommissionsmitglied, kein Widerspruch zu der in der Plenarsitzung vertretenen Position, habe man doch dieselben Gründe für die 99 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Unterstützung einer privaten Aktiengesellschaft, die auch die Verstaatlichung der Reichsbank unzweckmäßig erscheinen lasse.219 Der von der Kommission im Mai 1913 vorgelegte revidierte Entwurf stellte einen Kompromiß dar, bei dem die Sozialdemokraten nicht schlecht abgeschnitten hatten: Neben erweiterter Reichsaufsicht, verminderten Gewinnchancen für die privaten Betreiber und die Berücksichtigung des Detailhandels waren Tarifverträge sowie Arbeiter- und Angestelltenausschüsse bindend vorgeschrieben.220 Schulze-Gävernitz hatte den Bedenken und Forderungen des betroffenen Mittelstandes Rechnung getragen, indem er durchsetzte, daß ein Fünftel der Aktien ihm und den Konsumvereinen überlassen werden sollten.221 Während die sozialpolitischen Aspekte des Entwurfs mit den Forderungen Schulze-Gävernitz' und den Forderungen Naumanns nach einem , Fabrikkonstitutionalismus , übereinstimmten, war die Gewinnbeschränkung auf den harten Widerstand der Liberalen gestoßen. Die Vertreter der Reichsregierung hatten schon in der Kommission schwere Bedenken dagegen erhoben.222 Tatsächlich konnte die vorgeschlagene Lösung weder die Interessen der Deutschen Bank noch die fiskalischen Hoffnungen des Staates befriedigen. Das Interesse am Petroleummonopol nahm daher ab, obwohl Schulze-Gävernitz und andere dringend auf die militärische Bedeutung der Treib- und Schmierstoffversorgung hinwiesen.223 Das Projekt blieb schließlich unerledigt. Während des Krieges bemerkte Schulze-Gävernitz, der Staatssekretär des Innern, Clemens Delbrück, habe die exemplarische Bedeutung des Pctrolcummonopols für die späteren Kriegsgesellschaften hervorgehoben.224 Tatsächlich wurden die Kriegsgesellschaften staatlichgesetzlich privilegiert, arbeiteten unter Staatsaufsicht, hatten meist die Rechtsform von Kapitalgesellschaften - und ermöglichten der beteiligten Industrie beträchtliche Kriegsgewinne. In einer Debatte über die staatliche Subventionierung der Rohölförderung in Neuguinea 1913 im Reichstag erschien die anfangs so skeptische Sozialdemokratie als einzige Partei, die noch Interesse am Leuchtölmonopol zeigte.225 Man hatte in derartigen direkten Staatseingriffen die Möglichkeit erkannt, eigene wirtschaftsdemokratische Ziele durchzusetzen, wie die Rede Franks auf dem Parteitag der badischen Sozialdemokratie zeigt.226 Das Großkapital hingegen war natürlich nur solange bereit, mit dem Staat zu kooperieren, wie dies mit den eigenen Gewinnerwartungen harmonierte. Das von Rathenau ventilierte Reichselektrizitätsmonopol ist ein weiteres Beispiel dafür.227 Das Leuchtölprojekt war demnach von kapitalistischen Erwägungen mindestens stark geprägt, mochte Schulze-Gävernitz auch noch so sehr seinen sozialpolitischen und gemeinwirtschaftlichen Charakter betonen. Faktisch warb er bei der Sozialdemokratie um Verständnis 100 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

für die Interessen des Finanzkapitals, das er als Garanten nationaler Wohlfahrt ansah. Schulze-Gävernitz war demnach ebensowenig wie Plenge und fast alle jüngeren Nationalökonomen Staatssozialist oder Staatskapitalist, sondern Vertreter eines adäquaten Staatsinterventionismus. Seine Haltung in der Leuchtölfrage signalisierte allenfalls eine Modifikation der schroffen Thesen Naumanns von 1905; prinzipiell wich sie nicht von diesen ab. Ein Teil der Sozialdemokratie kam den Sozialliberalen entgegen und hoffte, auf diesem Wege der friedlichparlamentarischen Umformung der Gesellschaftsordnung näher zu kommen. Die Mischung aus taktischer Finesse, wissenschaftlicher Autorität und sozialpolitischem Renommee machte Schulze-Gävernitz zum prädestinierten Makler dieser Annäherung.

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V. Die 'Schule der Organisatoren' - Plenges Projekt einer Unterrichtsanstalt für praktische Volkswirte Im Zuge der industriellen Organisation und der wachsenden Komplexität der Märkte stieg der Bedarf nach wirtschaftlichen Führungskräften, deren wissenschaftliche Qualifikation einen möglichst engen Praxisbezug aufweisen sollte. 1907 beschäftigte sich der Verein für Socialpolitik mit der Frage nach Stellenwert und Aufgabe der wirtschaftswissenschaftlichen Universitätsausbildung. Bücher hielt das Eröffnungsreferat, hatte aber wenig grundlegend Neues zu bieten.1 Da die traditionell historisch geprägten staatswissenschaftlichen Studiengänge allenfalls noch der Beamtenausbildung gerecht wurden,2 erlebte die Handelswissenschaft nach der Jahrhundertwende in Form der Privat- und Betriebswirtschaftslehre eine Renaissance. Gleichzeitig wurden - oft mit Hilfe privater Geldgeber - zahlreiche Handelshochschulen gegründet.3 Mit der Einrichtung des Kieler 'Instituts für Weltwirtschaft' unter Harms und des Königsberger 'Instituts für ostdeutsche Wirtschaft' schien sich der Trend zur praxisorientierten Spezialisierung auch an den Universitäten fortzusetzen. Seine Berufung in die Nähe des Ruhrgebiets bestärkte Plenge in dem Gedanken, jene Führungskräfte heranbilden zu müssen, welche die modernen industriellen Organisationen und Verbände benötigten. Er bemühte sich um eine Ausbildung, die dem von Max Weber skizzierten 'Industriebeamten' gerecht werden sollte. Ferner erkannte Plenge in diesen Industriebeamten den potentiellen Träger gesellschaftlicher Erkenntnis und ihrer praktischen Umsetzung, Durch "vermehrtes Studium der volkswirtschaftlichen Gegenwart, Ausbau der Forschung und des Unterrichts" sollte "das Verständnis für die Grundnotwendigkeiten der kommenden Aufgaben und für die tatsächlichen Unterlagen ihrer Lösung" geweckt werden.4 Im "wachen Verständnis unserer Zeit" und in der "Erkenntnis ... ihrer wirtschaftlichen Seite," so Plenge nach Kriegsausbruch,5 sei die Voraussetzung zur bewußten Gestaltung der Gesellschaft gefunden, die er vollends im Kriege auf dem Weg zum Sozialismus wähnte. Diese sozialistische Gesellschaft sei 102

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"eine Gesellschaft von höchstgesteigerter Selbsterkenntnis und der auf dieser ... Kenntnis ... aufgebauten höchstgesteigerten Selbstgestaltung," daher müsse der Staat, "der sozialistisch wird, ... beste Forschungs- und Unterrichtsmöglichkeiten für die vollständige Erfassung und gründliche Darstellung der unmittelbaren Gegenwart" bereitstellen.6

Konsequenterweise sah er in der qualifizierten Ausbildung und im zielgerichteten 'Wollen' der Organisatoren' 7 die entscheidende Voraussetzung für das Gelingen des gesellschaftlichen Formierungsprozesses: "Wer die besten Volkswirte hat, hat den besten Sozialismus!"8 Nicht zuletzt die Fähigkeit zu ideologisch-propagandistischer Motivation des jeweiligen Wirkungsbereiches sollte zur herausragenden Qualifikation des künftigen Volkswirts werden.9 Mit Anklängen an moderne Human-Relations-Konzepte formulierte er: "Organisation und Kunst der Menschenbehandlung gehören zusammen."10 Angesichts zunehmender Spannungen zwischen Kapital und Arbeit im Lauf des Krieges schrieb er den Volkswirten gar die Aufgabe zu, nach beiden Seiten die übergeordneten, gemeinsamen Interessen zu propagieren, also den Geist der 'Arbeitsgemeinschaft' zu verbreiten.11 Hinter der 'gesellschaftlichen Selbsterkenntnis' verbarg sich freilich Plenges neuhegelianisch gewandete Sicht des Organisierten Kapitalismus, welche die künftigen Organisatoren und Propagandisten gesellschaftlich umsetzen sollten. Gut hegelianisch sollte der 'Begriff des Sozialismus über die neue Generation der Volkswirte Eingang in die äußere Sphäre der Gesellschaft finden. Die Manager mußten sich nur noch ihrer Funktion bewußt werden und die 'Idee der Organisation' aktiv verwirklichen, damit diese selbst zur objektiven Gewalt werde. Den Bewußtseinsprozeß der Gesellschaft mitzubewirken und umzugestalten sah Plenge als seine Lebensaufgabe an. Insofern ist sein Plan einer 'Unterrichtsanstalt für die Ausbildung praktischer Volkswirte' keineswegs nur beiläufige Episode, sondern galt ihm, der sich direkten politischen Engagements immer enthielt, als entscheidender Vermittlungsschritt zwischen Theorie und Praxis. Schon in seiner Antrittsvorlesung, so Plenge später, sei das Lehrkonzept einer Unterrichtsanstalt für Volkswirte angelegt gewesen.12 Als jüngerer Extraordinarius in Leipzig war er schon von dem Gedanken an ein eigenes Institut beherrscht.13 Im Gefolge seiner Studien zum Kreditwesen entstand der Gedanke, über "eine Art Wirtschaftswarte die Veränderungen der Wirtschaftslage" zu verfolgen.14 Durch neuartige und anschauliche Zusammenfassung der statistischen Zahlen wollte er Konjunkturtrends analysieren und damit auch der wirtschaftlichen Praxis verwertbare wissenschaftliche Hilfen geben. Angesichts der in den 1920er Jahren eingerichteten Institute für Konjunkturforschung15 erscheint der Gedanke zukunftsträchtig; er war in Anbetracht der Stellung Plenges in der Universitätshierarchie 103 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

jedoch aussichtslos. Im Zuge seiner Berufung nach Münster verhandelte Plenge dann mit dem preußischen Kultusministerium über eine reformierte nationalökonomische Ausbildung, wurde aber auf private Geldgeber verwiesen.16 Im beschränkten Rahmen seines Ordinariates versuchte er, das Konzept der Verbindung von ideologischer Motivation und praxisnaher wirtschaftswissenschaftlicher Schulung zu verwirklichen. 17 Trotz guter Erfolge seines 'Seminars für Volkswirtschaft und Verwaltung'18 strebte er weiterhin ein eigenes Institut an. Im Frühjahr 1914 schien die Gelegenheit zu seiner Verwirklichung gekommen, denn ein Sohn des Ruhrindustriellen Springorum befand sich unter seinen Studenten. Im Gefolge einer ersten Unterredung mit Springorum19 formulierte Plenge seine Ansichten zur "Vorbildung der Volkswirte".20 Für die Großindustrie boten Plenges Pläne drei Vorteile: erstens kam seine uneingeschränkt positive Haltung zu den wirtschaftlichen Konzentrationsprozessen den eigenen Auffassungen entgegen; zweitens versprach sein neuer Stil eine praxisgerechte Ausbildung des wissenschaftlich geschulten Führungsnachwuchses; drittens aber ließ die Inanspruchnahme privater Gelder einigen Einfluß der Großindustrie und damit die Zurückdrängung des wenig geschätzten sozialpolitischen Einflusses auf das wirtschaftswissenschaftliche Studium erwarten. Nachdem die Aufregung der ersten Kriegsmonate abgeklungen war, beschäftigte sich die 'Nordwestliche Gruppe des Vereins der deutschen Eisen- und Stahlindustriellen' zunächst mit dem Erfahrungsbericht des bestehenden Seminars21 und erhielt bald darauf eine Denkschrift Plenges, 22 in der er seine Vorschläge zur Ausbildung des

"zweckmäßig vorgebildeten Nachwuchses an eigentlichen Leitern für die Großunternehmungen" konkretisierte.23 In maximal sieben mit bestehenden Hochschulen verbundenen Anstalten sollte der Volkswirt mit dem Abschluß "Dipl. prakt. Volkswirt" ausgebildet werden. Den Universitäten sollte die Vermittlung allgemeiner Grundkenntnisse und den Anstalten die Spezialausbildung zufallen.24 Plenge schlug vor, die erste Anstalt aus der 'Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät' der Universität Münster heraus zu entwickeln. Die allgemeine Volkswirtschaftslehre sollte zunächst bei dieser verbleiben.25 Den Fachunterricht sollten Spezialisten des jeweiligen Gebiets erteilen, allerdings im Gegensatz zur herkömmlichen Lehre wohlkoordiniert mit den Referenten der übrigen Gebiete. Plenge sah eine Gliederung in drei Sektionen vor: eine für "Wirtschaftszweige",26 für "Wirtschaftsgebiete" (England, Nordamerika u.a.) und schließlich eine dritte für Konjunkturbeobachtung. Neben einem Verwaltungsbüro, einer Bibliothek und einem Archiv war eine großzügige Sammlung graphischen und photographischen Unterrichtsmaterials vorgesehen, das Plenge in großem Stil einzusetzen 104 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

gedachte.27 Die Leitung der Anstalt sollte bei einem Direktorium liegen, das seine vom Kultusministerium zu bestätigenden Mitglieder kooptierte und an dessen Spitze ein geschäftsführender Direktor mit langen Amtsperioden stand. Ein Finanzausschuß sollte den privaten Geldgebern aus der Industrie - deren Beitrag Plenge auf 200 000 Mark veranschlagte - eine Kontrolle ermöglichen. Die Oberaufsicht sollte beim Kultusministerium und beim Landtag liegen.28 Das Interesse der Industrie vermochte Plenge mit seinen Vorschlägen zu wecken, aber die unentbehrliche Unterstützung des preußischen Kultusministeriums blieb aus. Geheimrat Elster rief Plenge zwar zum Vortrag nach Berlin, lehnte aber zusätzliche Mittel für die Anstalt schroff ab.29 Obwohl sich Plenge von den Organisationsproblemen der Kriegswirtschaft ein günstiges Klima für seine Pläne versprach, reagierte das Ministerium gerade entgegengesetzt. Hatte der Minister unmittelbar vor dem Kriege noch den Ausbau des bestehenden staatswissenschaftlichen Seminars unterstützt,30 konnte Plenge jetzt nur noch mit Mühe die Kürzung seines bisherigen Etats verhindern.31 Im Gegensatz dazu kündigte Anfang 1915 die Gruppe Nordwest Plenge die Einrichtung eines Ausschusses an, der mit ihm verhandeln sollte, darunter erste Namen der Ruhrindustrie wie Beukenberg ('Phönix'), Springorum ('Hösch'), Haumann ('Klöckner') und Hugenberg ('Krupp'); ein Termin wurde festgesetzt.32 Derart bestätigt, bat Plenge den Kultusminister Trott zu Solz erneut um Verhandlungen, die dieser erneut ablehnte.33 Dabei verstieg sich Plenge zu der Behauptung, die Finanzierung des Projekts durch die Industrie sei gesichert.34 Das war stark übertrieben. Bald begann die Gruppe Nordwest nämlich, sich von dem Vorhaben abzusetzen.35 Plenges Behauptung und seine voreilige Veröffentlichung der Denkschrift unter ausdrücklicher Nennung der Gruppe Nordwest brachte ihn ebenso in Mißkredit36 wie ein peinlicher Zwischenfall während einer Unterredung mit Beukenberg.37 Auf die Veröffentlichung der Denkschrift hin erschien im 'Vorwärts' eine scharfe Polemik, die in geschickter Kombination die Kriegsgewinne der Großindustrie und ihren anhaltenden Druck auf die Universitäten in Verbindung mit Plenges Projekt anprangerte.38 Nach dem Kriege schrieb Beukenberg: "Die vom Vorwärts gebrachte falsche Auslegung unserer gemeinschaftlichen Absichten haben den Plan in der Öffentlichkeit so in Mißkredit gebracht, dass er unsererseits nicht wieder aufgenommen werden kann." Überhaupt habe man den "Eindruck gewonnen ..., man müsse im Verkehr mit Ihnen [= Plenge] sehr vorsichtig sein."39 Plenges Versuch, mit dem Geschäftsführer der Gruppe Nordwest weiter im Gespräch zu bleiben, wurde abgelehnt.40 Die Industrie hatte sich nicht unter Zugzwang setzen lassen. Auch bei anderen Institutionen und Organisationen stieß Plenge auf Desinteresse.41 Publizistisch 105 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

wurde Plenge nur von Georg Bernhard im Plutus' und von der 'Volkswirtschaftlichen Correspondenz' Streckers unterstützt.42 Eher positiv würdigten auch die reformistischen 'Sozialistischen Monatshefte' Plenges Vorhaben.43 Der wirtschaftsliberale Strecker führte Plenges Scheitern auf die staatssozialistischen Neigungen der Bürokratie zurück.44 Weniger mit der Mißgunst der Berliner Geheimräte45 als mit der Unfähigkeit der Verwaltung erklärte sich Plenge seinen Mißerfolg.46 Neben dem Hallenser Gelehrten Wiedenfeld47 trug sich auch Adolf Weber mit ähnlichen Plänen wie Plenge.48 Ihm wurde vom Kultusministerium ebenfalls bedeutet, daß man vor Friedensschluß derartige Vorhaben nicht unterstützen wolle. Allerdings meinte Weber, daß er sein Projekt "auf einem anderen Wege anstrebe,"49 was man als Hinweis verstehen kann, daß der Plan, weitgehend auf Gelder der Großindustrie zurückzugreifen, dem Vorhaben eher abträglich war. Zudem hatte Plenge gegenüber Trott zu Solz ausdrücklich betont, "dass ich mich selbst niemals mit sozialpolitischen Fragen beschäftigt habe und die Sozialpolitik nur für ihren Teil im politischen Programm anerkenne."50 Die Furcht vor dem wachsenden Einfluß der Industrie auf die Staatswissenschaft mag mit dem allgemeinen Unwillen der Ziviladministration, während des Krieges überhaupt größere Reformprojekte zu unternehmen,51 zusammengegangen sein. Auch wenn er lautstark "jede Art von Ehrenbergerei" von sich wies,52 erweckte Plenge zwangsläufig den Eindruck, als sei er in das Lager der Pohle und Ehrenberg übergegangen. Es war ja auch keineswegs auszuschließen, daß scin Plan bald zu einer "rheinisch-westfälischen Nationalökonomie" degeneriert wäre. Immerhin legte Elster Plenges Vorschläge verschiedenen Nationalökonomen zur Begutachtung vor.53 Selbst die eher industriefreundlichen Schumacher (Bonn) und Pohle kamen zu einem ungünstigen Urteil.54 Plenge ist vor allem an seinem Mangel an taktischem Geschick und beharrlicher Geduld im Umgang mit der Großindustrie gescheitert. Sein Geltungsdrang stand der Verwirklichung seiner durchaus zukunftsträchtigen Pläne mehr im Wege als äußere Umstände. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß Bücher hinter besagtem 'Vorwärts'-Artikel stand, wie Plenge vermutete.55 1917 holte der mit am meisten von anti-kathedersozialistischem Druck betroffene Bücher zu einer Generalkritik aus.56 Erneut beschuldigte er Ehrenberg, immer dann im Spiel zu sein, wenn es um die Berufung eines industriefreundlichen Wissenschaftlers gehe. Er erinnerte an den Versuch des 'Centralverbandes deutscher Industrieller' im Jahre 1907, ein Institut für exakte Wirtschaftsforschung zu gründen.57 Erst mit dem Institut für Weltwirtschaft von Harms, dem "gelehrigen Schüler Ehrenbergs," sei jedoch der Wunsch der Industrie nach einem ihr genehmen natio106 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

nalökonomischen Institut in Erfüllung gegangen.58 Gegen die Bestrebungen Adolf Webers in Breslau und das 1916 gegründete Institut für ostdeutsche Wirtschaft unter der Leitung Hesses - der sich ebenfalls für privatfinanzierte Institute zur Modernisierung des nationalökonomischen Unterrichts ausgesprochen hatte -59 erhob Bücher ähnliche Bedenken.60 Mit Erleichterung nahm Bücher jedoch das Scheitern Plenges auf. Er erkannte in dessen Plan den Beginn einer Ära, in der Nationalökonomie nicht mehr im Sinne des Allgemeinwohls betrieben, sondern an 'Interesseninstitute' delegiert werde.61 Freilich ging es Bücher neben der Abwehr großindustrieller Ambitionen auch um den Erhalt traditioneller Formen und Inhalte des akademischen Studiums und der universitären Forschung.62 Der nur zu gut bekannte Widerstand des alten Ordinarius gegen notwendige Reformen des Universitätsbetriebes schwane auch in Büchers Kritik mit.63 Nicht zuletzt in der sozialdemokratischen Presse hatte Büchers Artikel großen Widerhall gefunden.64 In einer Philippika gegen die "Verquickung von Wissenschaft und Geschäft" nahm der sozialdemokratische Bildungspolitiker Konrad Hänisch im März 1917 im Preußischen Abgeordnetenhaus Büchers Kritik auf.65 Er griff neben Pohle, Harms, Ehrenberg, und Ludwig Bernhard vor allem auch Plenge an und mahnte den Staat, den industriellen Bestrebungen nicht nachzugeben. Wenn aber schon industrienahe Hochschullehrer angestellt würden, müßten sozialdemokratische Gelehrte gleichberechtigt lehren dürfen. In der Folge wandte sich Plenge an Hänisch,66 woraus sich bald ein freundschaftliches Verhältnis entwickelte. Im Juli 1917 nahm Hänisch seine Kritik an Plenge offiziell zurück. Nunmehr verkündete er ganz im Stile Plenges, daß "zum mindesten für Deutschland dieser Krieg" ein "Zeitalter umfassender Staatswirtschaft" eingeläutet habe, dem aber die deutsche Beamtenschaft nicht gewachsen sei, wie das Beispiel der Kriegswirtschaft zeige. Es sei unabweislich, die gesamte Ausbildung der Beamten "auf eine völlig neue Grundlage" zu stellen.67 Da die hierzu notwendigen Reformen mit privaten Mitteln in größtem Umfange finanziert würden, die oft nicht ohne Eigeninteressen bereitgestellt würden, habe er seinerzeit Plenges Vorhaben zurückgewiesen. Nunmehr sei er sich aber darüber klar geworden, daß die Schuld allein die Kultusbehörde unter Trott zu Solz treffe. Er forderte den neuen Kultusminister auf, Plenges Pläne zu unterstützen. Schließlich lobte Hänisch Plenge als den einzigen Hochschullehrer, der sich als Sozialist bekenne und weit über den Kathedersozialismus der Schmoller, Bücher, Sombart und Wagner hinausgehe.68 Über die parlamentarischen Beziehungen Hänischs betrieb Plenge sein Projekt weiter.69 Dabei kam ihm zugute, daß sich der bildungspolitische Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion innerhalb und außerhalb des Abgeordnetenhauses voll hinter Plenge stellte.70 In 107 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

einer Denkschrift an den Nachfolger Elsters, Geheimrat Becker, erläuterte Plenge dann erneut seine hochschuldidaktisch interessanten Vorschläge zur Reform der wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung.71 1918 kam ein Gespräch mit dem neuen Kultusminister Schmidt zustande, in dem dieser - nach Plenges Angaben -72 Plenge aufforderte, seinen Plan wieder aufzunehmen. Plenge plädierte stattdessen für den Ausbau seines Seminars zu einem Institut. Erst als Hänisch nach der Revolution selbst Kultusminister wurde, nahmen Plenges Pläne konkrete Gestalt an. Jetzt bot Hänisch Plenge gar den Posten eines Beraters für die Universitätsreform mit den Worten an, daß ihm "nichts erwünschter wäre, als gemeinsam mit Ihnen [= Plenge] nun auch praktisch an der Durchführung der Aufgaben arbeiten zu können, über die wir so viel gesprochen haben." Wenn "erst einmal Ordnung und Ruhe ... geschaffen" sei, "soll es ... mit Volldampf voraus in die Arbeit des aufbauenden Sozialismus hineingehen!"73

Allzu eng wollte sich Plenge jedoch nicht an den in Gelehrtenkreisen mit jovialer Herablassung aufgenommenen 'Revolutuionsminister' binden.74 Er wiederholte seine hochschuldidaktischen und -organisatorischen Vorschläge und forderte den Ausbau von Volkshochschulen nach dänischem Muster. Im übrigen lehnte er Hänischs Vorschlag mit der eleganten Formulierung ab, daß er ihm als Berater nur den "dringendsten Rat geben könne: fördern Sie Plenge ... ,"75 Durch enormen Druck auf den stark beanspruchten, aber ihm sehr gewogenen Minister erreichte er schließlich die praktische Unterstützung seiner Pläne durch das Ministerium.76 Die Episode wirft erneut ein Licht auf die Gegensätze, welche die Nationalökonomie bestimmten: der Gegensatz von Kathedersozialisten und ihren Gegnern in Industrie und Wissenschaft; die schwindende Bedeutung der Sozialpolitik unter den jüngsten Nationalökonomen; die Suche dieser Gruppe nach neuen Formen von Forschung und Lehre und der Widerstand von Bürokratie und akademischen Traditionalisten dagegen; schließlich die Interessengegensätze zwischen Bürokratie, Industrie und Arbeiterbewegung in ihrer Auswirkung auf die Universität. Daß ein ehedem linksradikaler Sozialdemokrat den Platz der Großindustrie als Mentor eines Hochschulreformprojektes übernahm, das eher auf Bedürfnisse des Organisierten Kapitalismus reagierte als genuin sozialistisch inspiriert war, ist auch ein Ergebnis des Wandels der sozialdemokratischen Politik während des Krieges. Wie diese Gegensätze der Nationalökonomie zu einer tiefen Krise der über vier Jahrzehnte vorherrschenden Gelehrtenpolitik führte, mag das folgende Kapitel zeigen.

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VI. Die Gelehrtenpolitik in der Krise am Vorabend des Ersten Weltkrieges

1. Binnenkonflikte im Verein für Socialpolitik Der Gegensatz von eher konservativer und eher liberaler Sozialpolitik prägte schon seit seiner Gründung die Vereinsarbeit. Erst durch die Verbindung mit dem Generationenkonflikt jedoch nahm er seit der Jahrhundertwende zunehmend existenzbedrohende Formen an. Im Gefolge der Kartelldebatte auf der Generalversammlung von 1905 brach der Konflikt offen aus. Naumann hatte herbe Kritik an den staatsinterventionistischen Vorschlägen Schmollers geübt und darauf großen Beifall der Versammlung erhalten. In seinem Schlußwort hatte Schmoller Naumann Demagogie vorgeworfen und seinen Rücktritt angedroht. Das provozierte heftigen Widerspruch Max Webers und Brentanos sowie öffentliche Erklärungen Schmollers und Naumanns. Der Verein war seinem Zusammenbruch nahe.1 Da letztlich jedoch auch der sozialliberale Flügel überzeugt war, daß der auf Integration bedachte Schmoller "z.Z. der einzig mögliche Vorsitzende" sei,2 ließ sich der Streit durch einige Verfahrenskorrekturen beilegen, bis er in der Bürokratie-Debatte von 1909 erneut aufflammte. Allerdings löste der Konflikt Überlegungen zur künftigen Arbeitsweise und Organisation des Vereins aus. Schmollers späterer Nachfolger Herkner - der im übrigen aus seinem "antiindustrialistischen oder antikapitalistischen Empfindungen kein Hehl" machte und insofern Schmollers Aversionen gegen Brentano und Naumann teilte - versuchte aus dem Konflikt die Konsequenzen zu ziehen. Eine große Zahl von Staatswissenschaftlern, so Herkner, hege den Wunsch nach einer rein gelehrten Vereinigung, obwohl über deren Formen Differenzen bestünden. Sombarts "Idee eines Debattierklubs für Marxismus unter Heranziehung selbst von Kautsky" freilich sei isoliert. Alle wollten jedoch die Wirksamkeit des Vereins nicht beeinträchtigen. Herkners Vorschläge gingen in Richtung der später von Plenge angestellten Überlegungen. Als Referenten 109

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sollten nur noch Akademiker unter Ausschluß von extremen Positionen bestimmt werden. Unter die zweite Klausel wäre Naumann also mit Sicherheit gefallen. Ferner sollte auf die Einladung von Sozialdemokraten verzichtet und der öffentliche Charakter der Generalversammlung eingeschränkt werden.3 Nicht nur der jüngere Fuchs bejahte diesen Vorschlag, sondern auch der ältere Knapp.4 Der Straßburger Gelehrte und Freund Schmollers hatte dessen Haltung gegen Naumann abgelehnt. Er nahm den Generationenkonflikt an sich nicht tragisch, bezweifelte aber, daß die Jüngeren ebenso mit den Jahren reifer würden wie die Alteren dies geworden seien.5 Bei Schmoller hinterließ die Krise tiefe Zweifel. Er dachte an Rücktritt 'aus gesundheitlichen Gründen' und an den eher konservativen Philippovich als Nachfolger. In seinen resignativen Überlegungen zur Zukunft des Vereins konstatierte Schmoller, daß der Binnenkonflikt und seine einst erfolgreiche Doppelfunktion als gelehrte Gesellschaft und Agitationsverein für Sozialreform die Wirksamkeit des Vereins nunmehr paralysiere.6 Knapp - sicherlich einer der bedächtigsten Nationalökonomen - teilte darauf Schmoller seine weniger resignativen Überlegungen mit. Er wollte nunmehr den Jüngeren Raum geben. Die freilich fürchteten, so Max Weber, nur als "Dekorationsstücke und Renommierradicale" behandelt zu werden.7 Wolle man den Verein beerdigen, so Knapp, solle man Philippovich mit der Geschäftsführung betrauen, andernfalls sei "der erforderliche Raketensatz nur bei den radicalen Mitgliedern zu finden." Er dachte an Gothein, Lotz, Herkner, Sombart - trotz dessen "ewiger Marxerei" -; auch SchulzeGävernitz gehöre zu den "papabili". Sofern man "ein ehrenvolles Begräbnis des alten Vereins" beschließe, würden die Radikalen eine eigene Gründung versuchen. Da ihm dies nicht wünschenswert erschien, empfahl er, den Jüngeren entgegenzukommen. Er sei "in Grenzen ... für Weiterführung mit einiger Schwenkung nach links."8 Einige Wochen später überlegte aber auch Knapp, ob man den Verein nicht zum "Debattier-Club" nach dem Konzept Herkners umbauen solle.9 Die Gedankenspiele blieben zunächst ohne wesentliche Resultate.10 Der Werturteilsstreit offenbarte dann endgültig die Paralyse des Vereins in seiner tradierten Form.11 Der Krieg zwang zur Einschränkung der Vereinsarbeit und wirkte gleichsam als Denkpause. Unter der Ägide Herkners nahm der wissenschaftliche Charakter des Vereins nach dem Krieg zu. Obwohl Sozialpolitik immer noch eine Rolle spielte, blieb seine Resonanz auf die Fachwelt beschränkt.12 Die von Knapp befürchtete Gründung der Sozialliberalen jedoch scheiterte im Ansatz.

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2. Das Scheitern einer liberalen akademischen Sozialpolitik Da die 1901 begründte und Schmoller inhaltlich wie durch ihre leitenden Persönlichkeiten nahestehende 'Gesellschaft für Soziale Reform' den praktischen Teil des sozialreformerischen Engagements weitgehend an sich gezogen hatte,13 nahm der Verein für Socialpolitik zunehmend den Charakter einer gelehrten Vereinigung der deutschen Gesellschaftswissenschaftler an. Der Verein hatte sich den Vorstellungen Herkners automatisch genähert, wie Schmoller 1911/12 konstatieren mußte.14 Seine einstige Funktion als "Stoßtrupp der Sozialreform"15 hatte er eingebüßt. Gleichzeitig setzte seit 1911 eine Phase sozialpolitischer Stagnation und eine massive Gegenoffensive der Unternehmerverbände ein. Der Wahlerfolg der Sozialdemokratie radikalisierte das Machterhaltungskartell von Schwerindustrie und Agrariern. Damit erhielt auch die Agitation gegen den Kathedersozialismus erneuten Auftrieb.16 Die Kampagne traf besonders Brentano - der sich seit seinem Bruch mit Naumann Zusehens isoliert sah -,17 aber: "Die Scharfmacher ... schreien nicht blos nach meinem [ = Brentanos] Blut; es gilt ihnen weit mehr: Beseitigung jedweden Gedankens an Gleichberechtigung der Arbeiter und Arbeitgeber."18 In seinem Umkreis tauchte daher der Gedanke auf, durch eine große öffentliche Kundgebung mit Nationalökonomen von Rang die Sozialpolitik, vor allem die Reform des Koalitionsrechtes, voranzutreiben. Eventuell sollte eine dauerhafte institutionelle Basis für eine Öffentlichkeitsarbeit geschaffen werden, zu der der Verein nicht mehr fähig war. Während Max Weber in eine derartige Demonstration möglichst viele Vertreter einer mittleren Linie einzubeziehen gedachte, forderte Brentano eine Aktion der 'Linken', die ein Plädoyer für den Freihandel beinhalten sollte.19 Max Weber hatte schon im Sommer 1912 Bedenken gegen eine Sonderdemonstration der 'Linken' geäußert. Im Grunde teilte er die Einschätzung Schmollers, daß eine Spaltung des Vereins und eine Vertiefung des Generationenkonflikts nur den Gegnern der Sozialpolitik nütze.20 Brentano hingegen betonte den engen Zusammenhang zwischen der wieder aufgeflammten Schutzzollagitation und der Kampagne gegen die Sozialpolitik. Nach seinem Ermessen konnte nur der "Ansturm gegen die Handelspolitik Rettung schaffen." Zu Recht bezweifelte er jedoch, ob außer Bücher eine Mehrheit des Vereins dafür zu gewinnen sei.21 Naumann hingegen wollte in Fortsetzung seiner Haltung von 1905 vorab geklärt wissen, ob man hinsichtlich der Großindustrie "für weitere Verstaatlichung oder für weitere Syndikalisierung eintritt."22 Schon 1905 hatte Brentano das Konzept der 'linken' Sozialpolitik - das auf gewerkschaftlicher Selbsthilfe der Arbeiter beruhte angesichts wachsender Machtfülle der Großindustrie durch den Vor111 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

schlag gesetzlicher Zwangsgewerkschaften und obligatorischer Einigungsämter modifiziert. Er kam damit den gemäßigt etatistischen Vorstellungen Schmollers entgegen, während Max Weber und Naumann 'amtlichen Gewerkschaften' ebenso ablehnend gegenüberstanden wie bürokratischen Einflüssen auf die Großindustrie.23 Die Verquickung von Sozial- und Handelspolitik aber entsprach der zutreffenden Einschätzung, daß der Integration der Arbeiterklasse die Hochschutzzollpolitik und die antisozialistische Sammlungspolitik gleichermaßen entgegenstanden. Beide waren zwei Momente derselben Machterhaltungsstrategie der konservativen Eliten. Die Schutzzölle, so meinte hingegen Max Weber, brächen nur im Kampf der Interessenten zusammen, nicht durch "Agitation von uns Leuten 'ohne Aar und Halm'. Dagegen ist für die Sozialpolitik eine ideologische Luft nötig."24 Daß die Sozialpolitik eher als die Handelspolitik durch das Engagement der Gelehrten verändert werden konnte, ist wenig einsichtig. Vielmehr war wohl die Tatsache maßgebend, daß selbst unter den Sozialliberalen die Mehrheit nicht prinzipiell gegen Schutzzölle war. Max Weber und der Münchner Privatdozent Vogelstein mahnten Brentano, auf die Freihandelsforderungen zu verzichten und dennoch die Kundgebung mitzutragen.25 Die Gegensätze innerhalb des sozialliberalen Flügels schlugen sich auch in zwei alternativen Einladungsentwürfen zur geplanten Kundgebung nieder. Der von Vogelstein verfaßte Entwurf skizzierte die anhaltende Verschlechterung des Koalitionsrechtes und die arbeiterfeindliche Stimmung des Bürgertums.26 Vogelstein wollte der anstehenden Tagung eine antibürokratische, antimonopolistische Note verleihen, was den Ansichten Max Webers entgegenkam. Dagegen arbeitete Brentano einen Entwurf aus, der die materielle Verschlechterung der Lage der Arbeiter bei gleichzeitiger Behinderung ihrer organisierten Selbsthilfe betonte. Brentano legte den Gedanken einer "lohnregulierenden Gesetzgebung" nahe.27 Auf dem Wege gesetzlichstaatlichen Eingriffs sollte die Parität von Kapital und Arbeit hergestellt und den Arbeitern die Mittel "zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen und sonstigen Unabhängigkeit" geschaffen werden.28 Beide Entwürfe wurden mit einem vermutlich von Vogelstein stammenden Schreiben Max Weber zugesandt. Der Verfasser betonte, daß er Brentanos Argumentation mit der (nicht zuletzt durch Zölle verursachten) Teuerung für inopportun halte, und zeigte sich verwundert über Brentanos zunehmend positive Haltung gegenüber Staatseingriffen.29 Zwar solle man "auf jeden Fall ein Minimum dieses Staatseingriffs in unser Programm aufnehmen," aber die "kulturelle und moralische Erziehung" des deutschen Arbeiters solle "als wesentliches Problem in den Vordergrund" gestellt werden. Im übrigen erkenne man die Sozialdemokratie zwar als Vertretung der Arbeiter an, halte sie aber 112 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

"in ökonomischer wie kultureller Beziehung für ziemlich töricht in ihren augenblicklichen Formen."30 Vor einer gemeinsamen Aktion der Sozialliberalen waren also drei Konfliktpunkte zu klären: das Ausmaß des Staatseingriffs, die Haltung zur Sozialdemokratie und die Zollfrage. Es waren mehr oder minder dieselben Punkte, die schon eher liberale und eher konservative Vereinsmitglieder entzweit hatten und an denen sich jetzt auch unter den Liberalen die Geister schieden. Ein aus Brentano, Dietzel, Schulze-Gävernitz, Naumann und Max Weber zu bildendes Komitee sollte die Einladung unterschreiben.31 Da außer Brentano, Bücher und Naumann jedoch keine der vorgesehenen Persönlichkeiten bereit war, angesichts der bestehenden Gegensätze die Einladung zu unterschreiben, wurde eine Vorbesprechung in Leipzig anberaumt.32 Auf dieser Besprechung33 einigte man sich zwar auf einen Katalog von Punkten, die man zu Weihnachten 1912 auf einer Tagung in Frankfurt öffentlich diskutieren wollte. Der Antrag, zu dieser Versammlung auch Sozialdemokraten einzuladen, wurde aber von allen Teilnehmern gegen die Stimmen Brentanos, Wilbrandts und Tönnies' abgelehnt (Bücher war abwesend). Für Brentano war dieser Beschluß unannehmbar, zumal Mitglieder des Zentrums sehr wohl eingeladen werden sollten. Ebenso mißbilligte er die in seinen Augen künstliche Ausklammerung der Zollfrage. Dabei spielte ein weiterer Gegensatz zwischen Brentano und Weber eine Rolle. Brentano verstand die geplante Konferenz als überparteiliche, rein wissenschaftliche Angelegenheit, während ihr Weber direkten politischen Charakter beimaß und insofern die Notwendigkeit taktischer Rücksichten in Rechnung stellte.34 Dies wiederum erschien Brentano als bloße Neuauflage der ungeklärten Situation im Verein, der er mit der geplanten Demonstration ja gerade entrinnen wollte.35 Demgegenüber wollte Weber, so der Redakteur Drill an Brentano, auf die Mitwirkung von Sozialdemokraten verzichten, damit "die bürgerliche Welt ... aus sich heraus ... eine Manifestation zugunsten des Fortschritts" fertig bringe.36 Brentano hielt diesen taktischen Erwägungen entgegen, daß "angesichts der z.Z. gesteigerten Tendenz der Regierenden, jedes Zusammenwirken mit der Sozialdemokratie zu verpönen, in der blossen Tatsache, dass eine Manifestation von Männern der bürgerlichen Welt gemeinsam mit Sozialdemokraten stattfindet, eine Manifestation zu erblicken wäre, der allein schon ... eine nicht zu unterschätzende Tragweite zukommen würde."37 Ferner seien "auch in den bürgerlichen Gesellschaftskreisen sehr viel geistig hervorragende Männer ..., die ohne eingeschriebene Sozialdemokraten zu sein, sich den Sozialdemokraten zuzählen."38

Wenn letzteres vielleicht weniger für ihn selbst galt, so doch für Männer wie den Tübinger Ökonom Wilbrandt,39 der nach dem Leipziger Beschluss nicht mehr bereit war, mitzuwirken. Darauf zog sich auch Brentano, der zunächst noch bereit schien, sich dem Mehrheits113 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

votum zu fügen, endgültig zurück. Da jetzt auch Max Weber mit Brentano brach, war das Projekt praktisch gescheitert.40 Weber versandte Mitte November eine Darlegung seiner sozialpolitischen Absichten und versuchte - "nach zweimaliger Rücksprache mit ... Naumann" -, die Frankfurter Versammlung, bei der es sich "sicherlich nicht um eine rein akademische Erörterung" handeln sollte, noch zu retten.41 Wie einem weiteren Rundschreiben Webers vom Februar 1913 zu entnehmen ist, scheiterte das Projekt endgültig. SchulzeGävernitz wollte vorab keine Thesen seines Referates einreichen; Plenge sagte ab; Dietzel befürchtete eine Gegenorganisation zum Verein und eine Beeinträchtigung seiner Wirksamkeit. Aus taktischen Gründen wollte Max Weber nun auch keine Gewerkschaftsvertreter mehr heranziehen.42 Brentano sah nur noch in einer von taktischen Bedenken freien Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie die Möglichkeit, die gesellschaftliche und politische Modernisierung des Reiches voranzutreiben. Dagegen hoffte Max Weber immer noch auf eine Bewußtseinsänderung des deutschen Bürgertums zugunsten seiner langfristigen Interessen. Man erinnere sich, daß Weber schon in ihrer Anfangszeit den Nationalsozialen empfohlen hatte, das aufgeklärte und imperialistische Bildungsbürgertum zu sammeln, während Göhre eine sozialliberale Arbeiterpartei schaffen wollte. Beides war ebenso gescheitert wie Brentano und Weber jetzt mit ihren konkurrierenden Konzepten einer liberalen Gelehrtenpolitik scheiterten. Der alte Brentano erkannte mit seinem freihändlerischen und sozialliberalen Kurs, der bewußt das Bündnis mit dem sozialdemokratischen Reformismus suchte, viel eher die künftigen Notwendigkeiten als Max Weber und viele jüngere Nationalökonomen. Brentanos Kurs zielte konsequent auf jenes Bündnis zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft, das allein die Modernisierung und damit die Fortexistenz der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft verbürgte.43 Angesichts der Rolle der Bürokratie waren seine Zwangsgewerkschaftspläne natürlich nicht der Weisheit letzter Schluß und auch die Chancen einer überparteilichen, rein akademischen Öffentlichkeitsarbeit überschätzte Brentano. Das Aufkommen mächtiger Interessen- und Propagandaverbände seit den 1890er Jahren44 signalisierte die wachsende Verschränkung der gesellschaftlichen Sphäre als Raum privater Zwecke mit der politischen Öffentlichkeit als Raum konkurrierender Staatszwecke. 45 Der mangelnde politische Einfluß der Parteien auf die Staatszwecke und ihre Umsetzung in Deutschland verlieh selbst den Parteien bisweilen den Charakter bloßer Dependancen der Interessenverbände. Diese bedeutende Rolle der Verbände mußte den Einfluß einer gelehrten Gesellschaft wie des Vereins für Sozialpolitik und die Wirksamkeit von mehr oder minder bildungsbürgerlichen Kundgebungen zwangs114 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

läufig einschränken. Die wachsende Bedeutung der Public Relations als tendenzielle Manipulation der öffentlichen Meinung und zumal der Übergang vom "kulturräsonnierenden zum kulturkonsumierenden Publikum"46 läuteten das Ende einer Zeit ein, in der renommierte Gelehrte auf Grund anerkannter wissenschaftlicher Autorität gleichsam als übergesellschaftliche Kulturinstanzen wirksam werden konnten. Wie der Verein hätte sich auch die geplante Kundgebung weniger an den 'Interessenten' als an den aufgeklärten Bürger gewandt. Die nur rudimentären Erklärungsversuche zum Komplex Öffentlichkeit, die zunehmenden Unsicherheiten hinsichtlich der eigenen Rolle und der mißglückte Versuch, mit dem 'Hochschullehrertag' doch noch eine Art Pressure-group zu schaffen, reflektierten die wachsenden Hemmnisse der Gelehrtenpolitik.47 Die Blütezeit des Vereins für Socialpolitik in den 1870er und 1880er Jahren fiel dagegen in die Zeit des Übergangs von der Honoratioren- zur Verbandsöffentlichkeit. Damals war der Verein noch Vereinigung kulturräsonierender Bürger und wies schon Züge eines Propagandaverbandes auf. Der Staat als vorrangiger Adressat kam den sozialpolitischen Vorstellungen des überwiegenden Teils der Mitglieder entgegen, die zum großen Teil aus Gelehrten und Verwaltungsbeamten bestanden.48 Nicht nur die Binnenkonflikte, die eher noch gestiegene Bedeutung der Professoren und die wachsende Verwissenschaftlichung der Vereinsarbeit,49 sondern vor allem der Wandel der Öffentlichkeit beschränkte die Wirksamkeit am Vorabend des Weltkrieges. Dies freilich mußte auch jeder Neugründung der sozialliberalen Nationalökonomen enge Grenzen setzen. Wollte man sich wie Max Weber taktisch an konservative Strömungen der Öffentlichkeit und der gelehrten Welt anpassen, drohte der alternative Charakter der eigenen Bestrebungen zu verblassen. Nahm man, wie Brentano, keine taktischen Rücksichten, ging die öffentliche Resonanz gegen Null. Zu Recht lobte Naumann Schulze-Gävernitz als einen der wenigen "politischen Professoren",50 die sich nicht scheuten, ihre Überzeugungen innerhalb der Parteipolitik zu vertreten. Dem sozialliberalen Professorentum wäre auf diesem Wege möglicherweise mehr Erfolg beschieden gewesen, auch wenn an eine Neuauflage des Professorenliberalismus der Jahrhundertmitte nicht mehr zu denken war. Tatsächlich war der Anteil der Gelehrten an der Parteipolitik gering, sieht man von diversen Engagements in Agitationsverbänden ab,51 die ja gerade zeigen, wie der Sozialwissenschaftler mehr und mehr Instrument der Public Relations wurde.

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3. Die Alternativen Plenges Plenge bekundete gegenüber Max Weber seine dezidierte Abneigung gegen Bücher und Naumann, die ja beide an der Vorbereitung der geplanten Frankfurter Kundgebung beteiligt waren.52 Im übrigen begrüße er zwar die Zusammenarbeit bürgerlicher Sozialpolitiker und rechter Sozialdemokraten, aber Sozialpolitik im sozialliberalen Sinne könne er mit seinem Organisatorischen Sozialismus' nicht verbinden. Er betonte seine Reserve gegen den Plan Webers, lehnte aber gleichzeitig die anti-sozialpolitischen Vorstellungen Pohles und Voigts ab.53 Darin deutete sich schon der Gegensatz zu den sozialliberalen Konzepten Max Webers, Brentanos und Schulz-Gävernitz' und die Hinwendung zu einem neuen Konservativismus an, der mit dem der Schmoller, Wagner und anderer nicht identisch war. Darüber hinaus aber erscheint Plenges Vorschlag, statt sozialpolitischer Öffentlichkeitsarbeit eine Reorganisation und Neustrukturierung des Vereins für Socialpolitik vorzunehmen, charakteristisch für die Überlegungen vieler jüngerer Nationalökonomen. Ermuntert wurde er zu seinen Vorschlägen von Delbrück, der wie Knapp bestrebt war, die neuen Ideen der Jüngeren in den Verein zu integrieren. Plenge meinte, daß man "von der mit dem Abgang Schmollers eintretenden Katastrophe als einer unvermeidlichen Tatsache" spreche. Er aber glaube nicht, daß er seine Vorstellungen unter der "Herrschaft Gustavs des ersten und einzigen" werde durchsetzen können - schon eher unter dessen designiertem Nachfolger Herkner. Tatsächlich kamen Herkners Vorstellungen über die Zukunft des Vereins denen Plenges ja entgegen. "Aber," so Plenge an Weber, "ich glaube so oder so ist die Reorganisation dieser Tagung unausbleiblich, wenn die Kraftvereinigung die einmal da ist, erhalten und benutzt werden soll."54 Gegenüber den bisherigen Arbeitsverfahren des Vereins - Enqueten als Grundlage der Generalversammlung mit ihren breiten Debatten -55 schwebte Plenge ein wohlkoordiniertes Gremium vor, in dem die gesamte gesellschaftswissenschaftliche Forschung zusammenlaufen sollte. Neben zwei Abteilungen für "grundsätzliche Fragen der Gesellschaftsentwicklung" und für "Gesellschaftsforschung theoretischer Art," erhoffte er sich die "Pflege aller volkswirtschaftlichen Specialgebiete" in eigenen Sektionen. Eine Abteilung für Sozialpolitik sollte die "engere Arbeitsgemeinschaft radikalerer Sozialpolitiker" mit "bedächtigen Specialinteressenten" ermöglichen.56 Die Verwirklichung dieser Vorschläge hätte die zu Recht kritisierte "unorganische Einheit eines Kongresses der Nationalökonomen und specieller Sozialpolitiker"56 zugunsten des Fachkongresses entschieden. Die Zusammenführung der diversen gesellschaftswissenschaftlichen Bestrebungen und ihre Vermittlung auf dem Fachkongreß sollte eine Gesamtkonzeption des 116 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

gegenwärtigen und zukünftigen gesellschaftlichen Zustands herstellen - und zwar zunächst jenseits aller taktisch-propagandistischen Realisierungserwägungen. Im neuhegelianischen Kontext Plenges war hier neben der Unterrichtsanstalt der Ort, wo die jeglicher sozialen Entwicklung zugrunde liegende Idee aus der Analyse ihrer gesellschaftlichen Verobjektivierung abgeleitet werden sollte. Die Erkenntnis der Idee wiederum war Voraussetzung vernunftgemäßen Umgestaltens entlang den in der Idee formulierten Notwendigkeiten. Im Grunde verzichtete dieses idealistische Konzept auf jeden Anspruch öffentlicher Wirksamkeit von Sozialwissenschaften, wie ihn sowohl die älteren als auch die jüngeren Kathedersozialisten vertraten. Aus dem Plan, mit Jaffé - der offenbar Plenges Marxismus-Kritik teilte -57 eine Zeitschrift zur Propagierung des "neuen Sozialismus" zu schaffen,58 wurde jedenfalls nichts. Nach Plenges Konzept begann Sozialwissenschaft, sich aus der öffentlichen Meinung zurückzuziehen und wurde Angelegenheit von Experten. Die Sozialwissenschaft drohte damit den trotz historischer Orientierung oft praktisch-reformerischen Realismus des Kathedersozialismus zugunsten empirisch wenig fundierter Abstraktionen einzubüßen, denen auf der anderen Seite pseudowissenschaftliche Publikationen zur Manipulation der öffentlichen Meinung entsprachen. Beide Tendenzen sollte Plenge immer mehr verkörpern. Der Krieg schien die Krise der Gelehrtenpolitik zunächst zu beenden. Zur ordnungspolitischen Einschätzung der Kriegswirtschaft im Zuge des gesellschaftlichen Formierungsprozesses war das Votum der Nationalökonomen ebenso gefragt wie bei den Überlegungen zur künftigen Übergangs- und Friedenswirtschaft. Wie fast alle Gelehrten leisteten auch die Gesellschaftswissenschaftler ihren Beitrag zur Kriegs- und Burgfriedensideologie. Zudem eröffnete die burgfriedliche Haltung der Sozialdemokratie neue Perspektiven in der theoretischen und praktischen Auseinandersetzung mit der Arbeiterbewegung. Die Antworten der Nationalökonomie auf die Probleme der Kriegszeit tradierten meist die vorher vertretenen Positionen, trotz mancher Modifikationen. Ohne die Bedeutung der Gesellschaftswissenschaftler für den Selbstverständigungsprozeß der Gesellschaft zu unterschätzen, kann von einem Ende der Krise der Gelehrtenpolitik jedoch kaum gesprochen werden. Das zeigt prototypisch das Scheitern der sozialliberalen und gemäßigt konservativen Professoren an der Machterhaltungsstrategie der Eliten. Auch die Kontroverse der Nationalökonomie über die Übergangswirtschaft blieb faktisch ohne praktischen Niederschlag. Die Verbände beherrschten das Feld.

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VII.Die Kriegswirtschaft als Ordnungsproblem Die Umstellung auf den Krieg gelang der deutschen Wirtschaft zunächst verhältnismäßig reibungslos, was angesichts mangelhafter Vorbereitung und der plötzlichen Abschnürung vom Weltmarkt keineswegs zu erwarten war. Nach Schulze-Gävernitz hatte die deutsche Volkswirtschaft ihr "Examen Rigorosum" bestanden.1 Tatsächlich vermag man die Veränderungen der deutschen Wirtschaftsverfassung während des Krieges vor allem als Weiterführung der Vorkriegsentwicklung zu begreifen.2 Die interventionsstaatlichen Tendenzen der Vorkriegszeit, der Übergang von der Ordnungs- zur Leistungsverwaltung und die Organisations- und Konzentrationsbewegung der Industrie erfuhren unter der katalysatorischen Wirkung des Krieges einen derartigen Aufschwung, daß die Ergebnisse der Kriegsjahre in dieser Hinsicht den vergleichbaren Folgen der Gründerkrise nicht nachstehen dürften. Scheinbar war nunmehr die Trennung von staatlich-öffentlicher und wirtschaftlich-privater Sphäre überwunden. Augenfällig wurde dies zunächst bei der kriegswirtschaftlichen Organisation der deutschen Rohstoffversorgung. Die Kriegsrohstoffgesellschaften hatten Anstaltscharakter, waren quasi öffentlich-rechtliche Veranstaltungen. Sie waren zwar als Kapitalgesellschaften verfaßt und wurden von den beteiligten Privatunternehmen betrieben, andererseits waren sie staatlich privilegiert und wurden von der Kriegsrohstoffabteilung beim preußischen Kriegsministerium beaufsichtigt. Die Verwandtschaft zu den Elektrizitäts- und Petroleummonopolplänen der Vorkriegszeit läßt sich nicht übersehen. Die Kriegsgesellschaften bereiteten aber auch die im Vergleich zur Vorkriegszeit umfassendere Organisation der Branchen und Gewerbe auf freiwilliger Grundlage während der Weimarer Zeit vor. Sie waren insofern, wie die Kriegswirtschaft insgesamt, Etappe in der Entwicklung moderner industrieller Organisationsformen. Es überrascht kaum, daß die bekannten Protagonisten eines 'dritten Weges' zwischen den Antagonismen der kapitalistischen Verkehrswirtschaft und den "Eisenbartrezepten"3 sozialistischer Planwirtschaft ihre Neuordnungsvorstellungen an den Erfahrungen der Kriegswirtschaft ausrichteten, an deren Aufbau sie maßgeblich beteiligt waren. Die Manager der deutschen Großindustrie, Kriegswirtschaftsbeamte 118 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

und bildungsbürgerlichen Kulturkritiker Walther Rathenau und Wichard v. Möllendorff entsprachen praktisch der Vision vom 'Industriebeamten', wie sie Plenge, Schulze-Gävernitz, ja Rathenau selbst formuliert hatten. Möllendorff und Rathenau waren in sich widersprüchliche Personifikationen der über die Verkehrswirtschaft hinausweisenden widersprüchlichen Vergesellschaftungstendenzen des Organisierten Kapitalismus. Sie trachteten, diese Tendenz nicht nur konkret bezogen auf den jeweiligen Verantwortungsbereich, sondern auch gesamtgesellschaftlich, nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch zu bewältigen. Daß beide im Dreieck von Romantik, Technokratie und Antisozialismus befangen blieben, war ihrer Herkunft, ihrer Funktion und den ideologischen Traditionen Deutschlands geschuldet.4 Ähnliches gilt für die gelehrten Protagonisten des 'Kriegssozialismus'. Sie verbanden den in den deutschen Gesellschaftswissenschaften traditionell stark verankerten Staatsidealismus mit wissenschaftlichen Erkenntnissen über die ökonomischen Funktionen des Staates, die der Krieg rapide ausweitete. Der Staat wurde wichtigster Nachfrager mit ständig steigendem Bedarf bei gleichzeitiger Güterverknappung. Das veranlaßte vor allem die Militärbürokratie, das Moment verkehrswirtschaftlicher Selbstvermittlung immer weiter zugunsten administrativer Regelung zurückzudrängen. Daß diese Regulierungsversuche die Interessen der Großindustrie zumindest berücksichtigen mußten, versteht sich angesichts ihres politischen Einflusses und ihrer dominierenden Stellung in der Kriegsproduktion fast von selbst. Wider Willen sah sich der Staat bald auch in die Rolle des Kontrolleurs und Organisators der Nahrungsmittelkversorgung gedrängt, wollte er angesichts steigender Lebensmittelknappheit - die marktwirtschaftlich nicht mehr zu bewältigen war - nicht die Massenloyalität aufs Spiel setzen. Nicht zuletzt dem Erhalt der Massenloyalität diente die wieder aufgenommene staatliche Sozialpolitik, die den Forderungen der Gewerkschaften entgegenkam. Der Staat sah sich zunehmend gezwungen, administrativ die kontroversesten Interessen zu vermitteln, da diese sich - angesichts des zusätzlich eingeschränkten parlamentarischen Interessenausgleichs und der dispensierten verkehrswirtschaftlichen Vermittlungsformen - weniger relativ autonom zu vereinbaren vermochten. Im wesentlichen konkurrierten folgende Interessen: zunächst das eigene Interesse des Staates an einer reibungslosen Kriegführung und Versorgung mit Kriegsmaterial; zweitens das Bedürfnis der Großindustrie, ihre kriegsbedingt hohen Profitchancen zu realisieren und damit verbunden zu Lasten der kleinen und mittleren Industrie ihre dominierende Stellung weiter auszubauen; drittens der anhaltende Widerstand von Kapital und Besitzbürgertum, durch steuerliche Abschöpfung proportional zur Einschränkung der Massenkaufkraft 119 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

an der Kriegsfinanzierung beteiligt zu werden und schließlich das Bestreben der organisierten Arbeiterschaft, der andauernden Verschlechterung der Lage der arbeitenden Bevölkerung entgegenzuwirken und die Prärogative des Großbürgertums im Sinne einer paritätischen Mitwirkung zurückzudrängen. Damit schien sich der Staat vom bloßen Garanten bürgerlicher Rechtsverhältnisse als Basis kapitalistischer Produktionsweise zum Movens der wirtschaftlichen Entwicklung selbst verändert zu haben. Der bloß "ideelle Gesamtkapitalist"5 trat vermeintlich selbst an die Stelle des Verwertungsstrebens des Kapitals. Realiter jedoch vermochte der Staat nicht, auf Dauer die skizzierten Interessen wirkungsvoll zu integrieren. Zwar wurden Elemente der kapitalistischen Produktionsweise modifiziert und dispensiert, aber Basis des Produktions- und Reproduktionsprozesses blieb nach wie vor das Verwertungsstreben des Kapitals. Damit setzte sich auch der Widerspruch zwischen den vom Staat repräsentierten langfristigen und gemeinsamen Interessen des Kapitals und den kurzfristigen Verwertungsinteressen der Einzelkapitale fort. Solange sich der Staat auf die Wahrung bürgerlicher Rechtsverhältnisse im wesentlichen beschränken konnte, war dieser Widerspruch kaum systemgefährdend. Sobald der Staat gezwungen war, stabilisierend in die ökonomische und soziale Sphäre einzugreifen, ja sogar Schlüsselfunktionen zu übernehmen, konnte dieser Widerspruch systemauflösende Potenz gewinnen. Das galt erst recht während des Krieges. Verschärfend trat die überkommene Insuffizienz des deutschen politischen Systems hinzu, das nunmehr durch eine weitere Variante bereichert

wurde: die relativ unabhängige und vielfältigen

InteresseneinfHissen

offene Militäradministration. Im Einzelfall mag die relativ große Unabhängigkeit des Staatsapparates den Durchgriff erleichtert und sogar die Berücksichtigung von Arbeiterinteressen gefördert haben. Im ganzen blieb der Staatsapparat ungenügend kontrolliert, vielfach verwaltungsmäßig ineffizient und auf eine Weise den konservativen Führungsschichten verpflichtet, die der systemimmanenten Rationalität widersprach. Das Ergebnis ist bekannt: der rapiden Verschlechterung der Lage der Bevölkerung entsprach das Aufkommen einer Schicht von Kriegsgewinnlern; dem gesunkenen Bestand an Warenwerten korrespondierte ein aufgeblähter Umlauf fiktiver Geldwerte; die Produktivkraftentwicklung stagnierte; die Großindustrie konnte dennoch ihre Dominanz ausbauen; der Fiskus hatte sich nach innen vollständig verschuldet; schließlich zeigte auch der Staat deutliche Auflösungserscheinungen.6 Der Krieg wurde somit auch in der Heimat verloren. Zunächst schien mit der Kriegswirtschaft die Hoffnung all jener in Erfüllung zu gehen, die in einer 'Durchstaatlichung' und/oder planmäßigeren Produktion den Ausweg aus den Widersprüchen des Kapi120 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

smus und der Gefahr sozialer Revolution sahen. Scheinbar war endlich jene Orientierung der Wirtschaft am Allgemeinwohl herteilt, die eine ganze Richtung von Staatsidealisten, Korporativisten Staatssozialisten während des vergangenen Jahrhunderts geforc hatte. Nicht zuletzt in der Berliner Beamtenschaft, die den thos von der preußischen Bürokratie in den Seminaren Wagners Schmollers aufgenommen hatte, griff die Überzeugung um sich, nunmehr das Ende des Kapitalismus gekommen sei und man den inn einer Epoche erlebe, in der die Wirtschaft unter Führung des ates wieder der 'Gesamtheit' diene.7 Oft entsprachen derartige .Stellungen eines 'preußischen Sozialismus' auch der traditionell [kapitalistischen und antiliberalen Stimmung der Offiziere. In ihrer leigung gegen profitorientierte Konkurrenzwirtschaft und den lamentarischen 'Kuhhandel' empfanden sie Sympathien für korpovistische und staatssozialistische Gedanken wie für sozialpatriotie Kreise der Arbeiterbewegung, die sich immer mehr den gleichen ianken öffneten und deren 'preußische' Disziplin die Militärs mit mlicher Bewunderung registrierten.8 Allenthalben sprach man nun der Öffentlichkeit "halb im Scherz, halb im Ernst von einem egssozialismus."9 Wie der Begriff Staatssozialismus wurde auch die Wortschöpfung bald mit den unterschiedlichsten Absichten auf verschiedenen Phänomene angewandt. Immer lag ihr jedoch die ffassung zugrunde, daß es sich bei der Kriegswirtschaft nicht mehr die herkömmliche verkehrswirtschaftlich-kapitalistische Ordnung idle. Noch vor Rathenau und Möllendorff traten jene Nationalölomen an die Öffentlichkeit, die in der Kriegswirtschaft die Bestämg ihrer Prophezeiungen und Forderungen aus der Vorkriegszeit tickten. Unter ihnen erscheint Jaffé als konsequentester Vertreter er 'neuen Wirtschaftsära'.10 Sein reges Echo in der Presse ist eichnend für den Stellenwert seiner Äußerungen im Prozeß der Option ordnungspolitischer Probleme durch die öffentliche Meiag.11

1. Von der 'Militarisierung' zur 'Sozialisierung' (Joffe) m Gegensatz zu England und Frankreich, so Jaffé, habe Deutschd wenigstens auf finanziellem Gebiet Kriegsvorbereitungen getrof. Allerdings hätten sich auch diese als ungenügend erwiesen. Nur ch das entschlossene Zusammenwirken der Regierung mit den ganisationen der Industrie, der Landwirtschaft, des Handels und Arbeiterschaft habe diese "gefährliche Lücke in unserer nationaBereitschaft" geschlossen werden können.12 So habe die Nation 121 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

durch Konzentration aller Kräfte wieder zu neuer Einheit und zu neuen Zielen gefunden; sie werde, wie einst Plato gefordert habe, "Mensch im großen."13 Die in den Kriegsheften des 'Archivs für Sozialwissenschaft' veröffentlichten Einzeluntersuchungen zur Veränderung der Wirtschaft durch den Krieg14 zeigten, so Jaffé, eine klare Tendenz zur Übernahme ehemals privatwirtschaftlicher Funktionen durch den Staat.15 Insbesondere die Kriegsmaßnahmen der Reichsbank (Darlehenskassen, Kriegskreditbanken u.ä.), die Errichtung der Rohstoffgesellschaften, die Anpassung der gewerblichen Produktion in Zusammenarbeit von Regierung und dem 'Kriegsausschuß der deutschen Industrie', die Organisation der Nahrungsmittelversorgung durch den Staat und die Höchstpreisverordnungen ließen erkennen, daß "der so ins Werk gesetzte Neuaufbau unseres Wirtschaftslebens auf weitgehender Ausschaltung des Prinzips der wirtschaftlichen Selbstbestimmung sich aufbaut und somit unverkennbar staatssozialistisches Gepräge trägt."16 Vielen mögen diese bedeutenden Veränderungen, so Jaffé, nur als vorübergehende Kriegsmaßregeln erscheinen, die man nach Kriegsende sofort wieder zugunsten privatwirtschaftlicher Formen aufgeben könne. In Wirklichkeit aber beschleunige der Krieg nur jene prinzipiellen Veränderungen des Wirtschaftslebens, die sich schon vor dem Krieg angekündigt hätten.17 Im Rückblick, so Jaffé, erkenne man, daß über ein Jahrtausend deutscher Geschichte "eine feste und planmäßige Ordnung des Wirtschaftslebens bestand," demgegenüber die Ära des freien Wettberwcrbs nur als Zwischenspiel, "als cin Mittel erscheine, um den Übergang von den alten zu den neuen Wirtschaftsformen zu ermöglichen." Der "Genius des deutschen Volkes" habe niemals ganz den englischen "Wirtschaftsegoismus" übernommen, sondern sich immer ein Gefühl für den sozialen Charakter der Wirtschaft bewahrt. Dies gelte nicht zuletzt für den deutschen Unternehmer, der sich immer auch als "Beauftragter der Gesamtheit" empfunden habe.18 Erst der Krieg habe jedoch das Bewußtsein geweckt, "daß wir auch wirtschaftlich eine Einheit bilden, die auf Gedeih und Verderb jeden einzelnen von uns mit der Gesamtheit verbindet," daß wir auf "unsere eigenen Hilfsmittel" verwiesen sind und daß "unser Hauptreichtum in unserer Organisations- und Arbeitsfähigkeit besteht."19 Damit kämen wieder jene genuinen Anlagen des deutschen Volkes zur Geltung, auf denen schon die Leistungsfähigkeit des deutschen Heeres und der Beamtenschaft beruhten: Organisationstalent und Sehnsucht nach dem Dienst für überindividuelle Ziele.20 Beidem könne das Prinzip des freien Wettbewerbs letztlich nicht gerecht werden. Erst der Krieg habe wieder gelehrt, "daß nicht das Geld, sondern das Gut, nicht der Tausch-, sondern der Gebrauchswert das wirklich lebenswichtige ist." Damit

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erhalte der Krieg sogar kulturelle Bedeutung, denn nur die "Zurückdrängung der rein atomistisch-egoistischen Triebe" könne die Kultur fördern, die "aus und für die Gemeinschaft geschaffen" werde und "die Triebe des einzelnen bändigt und sich dienstbar macht."21 Erst jetzt erhalte auch die Arbeit wieder ihre volle Würde und das Verhältnis zwischen Arbeiter und Unternehmer sei nicht mehr das von Herr und Knecht, sondern von Führer und Geführtem wie im Heer: "Wirtschaftsdienst als Staatsdienst und Volksdienst, das ist die moralische Grundlage der neuen Ordnung."22 Dies sei zwar "nicht Sozialismus im sonst gebräuchlichen Sinne," der "eigentlich im Manchestertum steckenbleibt," sondern die "Militarisierung unseres Wirtschaftslebens."23 Mit ihr kehre Deutschland wiederzur Devise jeder gesunden Staatlichkeit zurück: "Einer für alle, alle für einen!"24 Jaffés partiell kritische Auseinandersetzung mit dem sozialen System des Kaiserreichs mündete mit diesen Formulierungen in eine klare Rechtfertigung der Kriegspolitik. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Kritik der Gesellschaft und ihrer ideologischen Affirmation erscheint charakteristisch für die meisten sozialreformerischen Nationalökonomen. Die Überwindung des Kapitalismus mit seinen Antagonismen und seiner spezifischen Rationalität erkannte Jaffé in der Mobilisierung und Formierungvon Wirtschaft und Gesellschaft, wie sie der Krieg hervorgebracht hatte. Folgerichtig orientierten sich seine Forderungen für die künftige Friedenswirtschaft an der militärischen Organisation.25 Zum einen, so Jaffé, verlange die Abhängigkeit Deutschlands von bestimmten Importgütern eine Lagerhaltung und Bevorratung, die allein unter staatlicher Kontrollle und Preisregulierung zu leisten sei; man nähere sich damit wieder bestimmten Formen des Absolutismus.26 Zum zweiten erfordere die hohe Staatsverschuldung die "Schaffung völlig neuer Grundlagen" der Finanzpolitik.27 Selbst wenn man bei Kriegsende in der Lage sein sollte, den Gegnern eine "entsprechende Kriegsentschädigung" aufzubürden,28 bleibe ein beträchtlicher Schuldenberg übrig. Mit der folglich notwendigen "weitgehenden Beeinflussung des Wirtschaftslebens durch den Staat" sei auch in der künftigen Friedenswirtschaft das Prinzip der freien Konkurrenz nicht mehr vereinbar.29 Das private Unternehmertum dürfe nur noch dort bestehen bleiben, "wo es gilt, Pionierdienste zu leisten."30 Wo aber der Wettbewerb faktisch nicht mehr existiere, seien öffentliche und gemischtwirtschaftliche Betriebe einzurichten. Mit der so vollzogenen Beschlagnahmung des Unternehmergewinns sei der Kapitalismus überwunden und die Forderung aller Parteien von rechts bis links nach Beseitigung monopolistischer Übermacht erfüllt.31 Tatsächlich war dies eine etwas eilfertige Verbindung von konservativem und sozialistischem Antimonopolismus, deren unterschiedli123 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

cher Interessenhintergrund gerade die Kontroverse um das Leuchtölmonopol gezeigt hat. Andererseits ist sie charakteristisch für das 'burgfriedliche' Bestreben, linken und rechten Antikapitalismus zu integrieren. Zu Recht warf jedoch die 'Neue Zeit' Jaffé und Plenge vor, regulierenden Staatseingriff mit Bedarfsdeckungswirtschaft und Sozialismus gleichzusetzen und dem Staatseingriff per se gemeinwirtschaftlichen Charakter zu unterstellen.32 Positiv hingegen würdigten die reformistischen 'Sozialistischen Monatshefte' die Hoffnung Jaffés, mit der vermeintlichen Zurückdrängung des Kapitalismus den scheinbar erreichten Ausgleich der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Gegensätze, den Burgfrieden, in den künftigen Frieden hinüberzuretten.33 Auch Schulze-Gävernitz äußerte die Überzeugung, daß der Krieg "einen mächtigen Anstoß in der Richtung auf die Gemeinwirtschaft gegeben" habe.34 Seine praktischen Neuordnungsvorschläge beschränkten sich zunächst auf das Kreditwesen. Angesichts der schweren Gefährdung der deutschen Wirtschaft und einer Entwicklung, "welche Organisation an Stelle der Konkurrenz" setze, bedürfe die deutsche Wirtschaft einer "bewußten Überwachung und Leitung", die "keine rein privatwirtschaftliche" seindürfe. In Fortsetzung der Politik der Reichsbank aus der Vorkriegszeit empfahl er die Zusammenfassung der Kreditbanken unter Führung der Reichsbank - ein "gemischtes System", aber kein "Rückfall in den veralteten Merkantilismus des 18. Jahrhunderts." 35

2. Von der 'Organisation' zum Sozialismus (Plenge) Ähnlich bescheiden blieben auch die praktischen Vorschläge Plenges, obwohl er fast noch spektakulärer als Jaffé verkündete: "Vor dem Krieg war die Volkswirtschaft Kapitalismus, nach dem Kriege wird sie - erschrecken Sie nicht! - Sozialismus sein."36 Krieg und Wirtschaft befruchten sich, so Plenge, im Lauf der geschichtlichen Entwicklung gegenseitig: "Krieg erzeugt Wirtschaft, Wirtschaft Krieg."37 Der Weltkrieg erschien ihm als Konsequenz der weltwirtschaftlichen Entwicklung, als "Sohn der Weltwirtschaft," hervorgegangen aus dem Bestreben Englands, sich des deutschen Konkurrenten für immer zu entledigen. England führe einen "Geschäftskrieg" gegen Deutschland,38 das im Laufe der vergangenen Jahrzehnte zu seinem Haupthandelsrivalen geworden sei. In dieser Erklärung des Krieges vornehmlich aus ökonomischen Ursachen war sich Plenge mit der Mehrzahl der Universitätsökonomen einig, nur die Gebrüder Weber und Harms, aber auch Jaffé 39 sahen den Krieg vornehmlich 124 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

politisch verursacht.40 Darüber hinaus verlieh Plenge dem Krieg geschichtsphilosophische Bedeutung. Mit Notwendigkeit habe sich die Geschichte über die Kämpfe der Reformationszeit, die Sprengung staatlicher Enge durch die bürgerliche Revolution bis zur Explosion der Wirtschaftskräfte im 19. Jahrhundert entwickelt. Es sei dies der lange Weg der Herausbildung immer höherer Organisationsstufen, der nunmehr mit dem Kriege in eine neue Ära eintrete. War bisher Deutschland "im Reich der Idee" der "überzeugteste Träger aller sozialistischen Träume und im Reich der Wirklichkeit der kraftvolle Erbauer der höchstorganisierten Volkswirtschaft," so vollziehe es im "Geist der stärksten Zusammenfassung aller wirtschaftlichen und aller staatlichen Kräfte zu einem neuen Ganzen" den Übergang zum Sozialismus,41 denn "Organisation ist Sozialismus."42 Indem Deutschland somit die fortschrittlichsten Tendenzen des 20. Jahrhunderts verkörpere, liege sein vollständiger Sieg im Interesse der Weltgeschichte : "Wir müssen diesen Kreuzzug im Dienste des Weltgeistes bis zum Ende fechten. Gott will es."43 Obwohl sich die ökonomische Situation Englands durch seine intakt gebliebenen Verbindungen zum Weltmarkt günstiger darstelle als die deutsche, habe allein Deutschland den "ersten Stoß des Krieges volkswirtschaftlich ausgehalten" und könne auch in Zukunft den Krieg ökonomisch durchstehen.44 Durch den nach seinen Vorschlägen zugunsten des Goldbestandes verringerten Wechselkredit der Reichsbank sei es gelungen, die Kreditnachfrage zu Kriegsbeginn zu befriedigen, ohne die Deckung zu unterschreiten. Die Einrichtung der Lombarddarlehenskassen hätten ein übriges getan, ein Moratorium umgehen zu können, was England und Frankreich nicht gelungen sei. Obwohl der Kreditbedarf und somit der Wechselbestand der Reichsbank weiter angestiegen und das Gold zunächst in privaten Händen verschwunden sei, förderten die nationale Hilfsbereitschaft, die ersten Siege und die amtliche Propaganda die Entgoldung und damit die Ordnung des Geldwesens, was sich nicht zuletzt im Erfolg der ersten Kriegsanleihe niedergeschlagen habe.45 Abgesehen von der faktischen Irrelevanz des Goldbestandes nach Einführung der Kriegsdarlehenskassenscheine als Zahlungsmittel ist die Sorglosigkeit des Währungsexperten erstaunlich. Immerhin war es ja vornehmlich die Regierung selbst, die den Reichsbankkredit in Anspruch nahm. In geradezu dilettantischer Weise verharmloste Plenge die inflationären Gefahren, welche der "Rhythmus von Geldschöpfung und Abschöpfung"46 in sich barg, auch dann noch, als diese Gefahren sich schon abzeichneten.47 Sofern nur der Konsument tüchtig spare und die Finanzverwaltung eine geschickte Anleihepolitik betreibe, sei man die Sorge um das Geld bald los: "Wir müssen es nur wollen."48 Aber auch Jaffé, 125 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Schulze-Gävernitz49 und andere standen in ihrem Loblied auf die Reichsbank Plenge kaum nach.50 Wie Jaffé war auch Plenge überzeugt, daß Deutschland über die bloße Anpassung an die Kriegsverhältnisse hinaus einen Wandel vom "Welthandelsstaat" zum "geschlossenen Handelsstaat" vollzogen habe.51 Die Deutschen hätten sich "als ein Volk von Organisatoren bewährt."52 Obwohl etliche Branchen, vor allem Handel und Exportindustrie, aber auch die Gewerkschaften noch vor Anpassungsschwierigkeiten stünden, die der Staat kompensieren müsse,53 könne Deutschland künftig bei Mobilisierung aller menschlichen und materiellen Reserven54 als geschlossener Handelsstaat fortexistieren, auch wenn der Welthandel - was zu erwarten stehe - nach dem Krieg noch Jahre brachliegen sollte.55 Entscheidend aber sei die Herausbildung einer neuen Wirtschaftsverfassung im Zuge des Aufbaus der Kriegsverwaltung. Der dreigeteilte Mittelpunkt staatlicher Beschaffungspolitik (Kriegsministerium, Marine- und Schatzamt) und das Reichsamt des Innern als Zentrum staatlicher Wirtschaftsregulierung bildeten gleichsam die Hauptabteilungen des wirtschaftlichen Generalstabes. Um diese Hauptabteilungen gliederten sich die Interessenverbände als "Kriegsberufsstände" zur gemeinsamen Regelung der Verhältnisse in den von den Verbänden jeweils repräsentierten Bereichen, so wie sich die Kriegsgesellschaften um die Rohstoffabteilungen gruppierten. Sei das System auch noch mangelhaft, so habe es sich im ganzen doch bewährt. "Die aus der inneren Vernunft der Dinge geborene Organisation sei zu erhalten und zu verbessern,"56 dürfe aber nicht im Schema erstarren. Ohne daß es recht bemerkt worden sei, habe sich mit diesen Maßnahmen auch die Höherentwicklung der Gesellschaft vollzogen.58 Das 19. Jahrhundert sei das Zeitalter des Kapitalismus gewesen; es habe "mit dem Krieg sein Ende gefunden."58 Bezeichnenderweise sei gerade in den Bereichen, wo sich der Hochkapitalismus in Form von Kartellen, Trusts und Verbänden besonders ausgewirkt habe, die Umstellung auf den Krieg am reibungslosesten verlaufen.59 Wo diese Organisationen die Herrschaft über den Markt aus privaten Interessen anstrebten, müsse die Kriegsverwaltung dies "zum allgemeinen Nutzen tun"60 und sie tue das gemeinsam mit diesen Organisationen. Damit seien "Staat und Volkswirtschaft ... zu einer neuen Einheit zusammengeschlossen" und die wirtschaftlichen Organisationen "ein für allemal organische Teile unseres Staates geworden."61 Nur dieser "freie Zusammenschluß der Kräfte,"62 den die Vereinigung staatlicher "Verwaltungserfahrung" mit den "frei aus dem Wirtschaftsleben herausgewachsenen und zusammengeschlossenen Selbstverständnis" verkörpere,63 habe diese Umstellung auf den Krieg bewältigen können. Das "freie Spiel der Kräfte", bei dem jeder unbekümmert seinen Pri126 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

vatinteressen nachgehe und bei dem sich durch das Zusammenwirken der vielen auf Dauer die Gegensätze ausgleichen sollen, wäre dazu nicht in der Lage gewesen, obwohl auch die Verwaltung noch unter typisch bürokratischen Mängeln der "Langsamkeit, Übergenauigkeit, Förmlichkeit" leide.64 So sei die "Entstehung der Volksgenossenschaft eines sozialen Arbeitsstaates aus der nationalen Kriegswirtschaft" möglich geworden.65 Im Gegensatz zu Jaffe warnte Plenge jedoch vor dem Überhandnehmen des Staatseinflusses: "Die Volkswirtschaft ist kein Exerzierplatz." 66 Nicht alle Probleme der Kriegswirtschaft ließen sich verwaltungsmäßig bewältigen und die "alte Verwaltungsregel, daß man nur das Notwendige tun solle," bekomme neues Gewicht.67 Wichtiger als staatlicher Zwang sei das pflichtbewußte Zusammenwirken aller Gesellschaftsglieder. Entsprechend sollte die "neue deutsche Korporatiwerfassung" 68 weniger eine Veränderung der äußeren Formen als einen Wandel der Gesinnung ausdrücken.69 Mit Staatssozialismus haben diese Vorstellungen wenig gemeinsam. Machte sich Jaffé über die Deckung der Kriegskosten Gedanken, so meinte Plenge dazu lapidar, daß Mängel eben unvermeidlich seien; Ungerechtigkeiten werde man, nota bene, nach dem Kriege finanzpolitisch ausgleichen. Im übrigen dürfe man sich dadurch nicht über den Sieg der sozialen Gesinnung täuschen lassen. Ähnlich reagierte auch ein anderer geschworener Feind des 'freien Spiels der Kräfte' auf die Klagen über Kriegsgewinne: Rathenau.70 Letztlich kann man in den Ausführungen Plenges zur Kriegswirtschaft wenig mehr sehen als 'Begeisterungsschriften', den Beitrag des Nationalökonomen zur ideologischen Kriegsrüstung, in der er seiner Überzeugung Ausdruck verlieh, man habe nun die "Grundlage zu der höchsten Verwirklichung des Hegelschen Staatsgedankens" gefunden.71 Die wirtschaftliche und soziale Formierung war Plenge die Erfüllung der Hoffnungen, die schon seinem Rekurs auf Hegel zugrunde lag - die "Sehnsucht nach Synthese" (Dahrendorf) und die Erwartung eines Auswegs aus der "politischen Verworrenheit"72 der Vorkriegszeit, ohne das System der Kaiserzeit wirklich überwinden zu müssen: "Nicht die gesellschaftlichen Formen sollen zerstört werden, sondern vorhandene Formen sollen durch neue Ideen zu neuem Leben erweckt werden."73 Ähnliches ließe sich natürlich auch von Jaffé und Schulze-Gävernitz sagen, aber beide forderten auf der Grundlage und zum Erhalt der vermeintlichen Stabilisierung der wilhelminischen Gesellschaft durch den Krieg konkrete wirtschaftliche bzw. politische Reformen. Alle drei trugen freilich dazu bei, die in der Öffentlichkeit bestehenden, nicht nur unterschwelligen Bedenken gegen die bislang kaum gekannten staatlichen Eingriffe abzubauen. Gerade der zunächst eher zögernden Zivilbürokratie gaben die Thesen über das 'Ende des Kapitalismus' eine 127 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

gewisse Legitimation jener Maßnahmen, zu der sie sich eher gezwungen sah, als daß sie sie mit restloser Überzeugung vornahm. Gleichzeitig nährten diese Thesen die Hoffnungen der Sozialdemokratie und Gewerkschaften, ihren Zielen mit Kriegseintritt wieder ein Stück näher gerückt zu sein.74 Nach den Thesen Jaffés und Plenges war es ja kein rein kapitalistisches Deutschland mehr, das hier Krieg führte. Gerade Plenge war eigentlich der ideale Kriegspropagandist und wollte dies auch sein,75 wogen ihm doch praktische Vorschläge und Forderungen nichts gegenüber der Propaganda des 'neuen Geistes'. So fanden denn Plenges Ausführungen in der Kriegsrohstoffabteilung - wo es "damals eine Selbstverständlichkeit war, daß Handel und Industrie ein wohlerworbenes Recht auf Verdienen und möglichst freie Bewegung hatten" -76 eine günstige Aufnahme.77 Zu Recht wehrte sich Plenge dagegen, daß man seine "Auffassungen mit der im wesentlichen rein gefühlsmäßigen, die starke Kraft der selbsttätig schaffenden Wirtschaftsarbeit instinktiv verneinenden Meinung Jaffés zusammenwirft."78 Er sei zwar "erklärtermaßen Sozialist, aber im kurzsichtigen Staatssozialismus sehe ich die beginnende Altersstarre unserer Wirtschaftsgesellschaft, während der 'Sozialismus der freien Volkswirtschaft' die Beweglichkeit und die Elastizität des tatkräftigen Unternehmertums und der freien Arbeit in die neue Welt der ... Gesamtorganisation ... hinüberhalten soll."79

Ähnlich äußerte er sich gegenüber der 'Kölnischen Zeitung'80 und betonte seine vollständige Übereinstimmung mit einem dort abgedruckten 'Brief aus dem Felde'. Der Verfasser dieses Artikel gab seiner Überzeugung Ausdruck, daß der "vielverschrieene Militarismus" an der Front allgemein das neue Lebensgefühl des "Ich dicn'" hervor

gebracht habe, demgegenüber "Amt", "Stellung", "Profit" und "Vermögen" nichts mehr gelte. Man begreife sich nicht mehr als Subjekt, sondern als Objekt" und suche "seinen Wert nicht mehr im Individualismus, sondern im Überindividualismus, d.i. im (rechtverstandenen) Sozialismus."81 So berechtigt Schraders Kritik an der mangelnden Spezifik und der Beliebigkeit des Sozialismusbegriffes von Plenge ist,82 so spezifisch wird sein Sozialismusbegriff angesichts derartiger Auslassungen: Er beinhaltet die rückhaltlose gesellschaftliche Formierung und seine geringe praktische Ausgestaltung macht ihn jeder herrschenden sozialen Ordnungsmacht dienstbar. Es ist nur folgerichtig, wenn der Ruhrindustrielle Beukenberg diesem 'Sozialismus' seine Anerkennung nicht versagte: "Nicht nur Ihre trefflichen Ausführungen über die eigentliche Wirtschaftsführung und ihre Behandlung während des Krieges und nach seiner Beendigung waren mir aus der Seele geschrieben, sondern auch Ihre mehrfachen Feststellungen über die Bürgerpflichten jetzt und in Zukunft."83

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3. Die Kontroverse über den Kriegssozialismus Der Begriff 'Kriegssozialismus' reflektierte die Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung unter den besonderen Bedingungen der Kriegswirtschaft, die einerseits als Fortsetzung der Vorkriegstrends, andererseits als 'neue Ära' erschien. Seine Verfechter hofften, die durch den Krieg bewirkte, aber unfreiwillig oder bewußt übetrieben dargestellte Gleichschaltung der Gruppeninteressen als 'inneren Sieg' in die künftige Friedenswirtschaft hinüberretten zu können. Unter mehr oder weniger starkem staatlichen Einfluß sollte so eine neue Form der bewußten Kooperation der 'äußerlich' mehr oder minder frei bleibenden Wirtschaftskräfte erreicht werden. Je offensichtlicher der kritisierte Gruppenegoismus als wirklicher Ausdruck des notwendigen Strebens nach Realisierung der eigenen Profitchancen sich unter der Decke der Kriegsorganisation perpetuierte, je mehr im Dikkicht dieser Organisation die staatliche Bürokratie immer weiter in diese Interessenkonflikte involviert wurde, desto lauter wurde oft der Ruf nach gemeinwirtschaftlicher 'Gesinnung'. Daß man sich sozialistischen Vorstellungen - wenn auch meist nur terminologisch näherte, findet seine Erklärung in den staatssozialistischen Traditionen und in dem einzigen sozial verankerten, jedoch praktisch noch nie erprobten alternativen Ordnungsmodell, dem Sozialismus. Ihre wirtschaftspolitische Brisanz erlangten die Thesen Plenges, Jaffés, Möllendorffs und anderer durch den Widerspruch, daß auch die Industrie und der Handel die Notwendigkeit staatlicher Regulierungen nicht leugnen konnten, man aber andererseits die ökonomische Sphäre prinzipiell der verkehrswirtschaftlichen Selbstvermittlung überlassen wollte.84 Bei den Überlegungen zur Anpassung der Kriegswirtschaft an die künftigen Friedensbedingungen war man sich ebenso weithin einig, ohne starke staatliche Hilfe nicht auskommen zu können.85 Allerdings war sich die Industrie - sieht man vielleicht von der Ausnahme Rathenau ab - gleichfalls einig, daß der Staatseingriff nur subsidiäre Funktion haben dürfe, um das Prinzip der Verkehrswirtschaft nicht sukzessive auszuhöhlen und damit weite Bereiche der Wirtschaft unter staatlichen Einfluß geraten zu lassen. Nicht nur die Sorge vor bürokratisch-ineffizienter Reglementierung stand hinter dieser Ansicht, sondern auch die Furcht, daß sich dereinst der sozialistische Systemgegner demokratisch-parlamentarisch in den Besitz eines derartigen staatlichen Lenkungsinstrumentariums bringen und damit die Wirtschaftsordnung umgestalten könne. Sozialistische Transformationskonzepte von Lassalle bis Hilferding konnten derartige Befürchtungen nur bestätigen. Insofern trafen die Thesen von 129 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Jaffé, Plenge und anderen meist auf die scharfe Kritik der Industrie und ihrer Freunde in Wissenschaft und Publizistik. Skeptisch äußerten sich natürlich die Anti-Kathedersozialisten. So lobte Pohle zwar die Ideen von 1914 als nützliches Formierungsideologem,86 sah aber in der Kriegswirtschaft vor allem den Triumph des Organisationstalentes der Unternehmer.87 Auch Ehrenberg hielt es für "vollends ausgeschlossen," daß aus den Erfahrungen der Kriegswirtschaft die Überlegenheit des "gemeinwirtschaftlichen Prinzips" auch für die künftige Friedenswirtschaft resultiere.88 Vor allem Voigt wehrte sich gegen die Ansicht, daß mit dem Krieg die herrschende Wirtschaftsordnung zusammengebrochen sei. Im Gegenteil, die Kriegsfinanzierung ruhe ebenso auf der kapitalistischen Ordnung wie die künftige Regelung der Staatsverschuldung davon abhänge, daß der Kapitalismus sich "wieder zur Blüte erheben wird."89 Plenge und Jaffé erklärten, so Voigt, die Notmaßnahmen der Kriegswirtschaft zur "letzten Stufe der natürlichen Entwicklung," deren "absolutes Endziel" der Sozialismus sei.90 Schon in den 1870er und 1880er Jahren hätten die Vertreter des Kathedersozialismus das Zeitalter des Sozialismus heraufziehen sehen, während in Wirklichkeit diese Jahrzehnte die Epoche des Hochkapitalismus eingeläutet hätten. Dieser Widerspruch habe schließlich zum Widerstand gegen den "unwissenschaftlich-politischen Charakter des Kathedersozialismus," gegen "Vielregiererei und Gesetzgebungsfreudigkeit" geführt. Der Krieg habe nun gleichfalls nur die neue Zusammensetzung der ordnungspolitischen Grundelemente Verkehrsfreiheit und -reglementierung aus der Not des Augenblicks heraus bewirkt. Indem man den

"Belagerungskommunismus"91 zum Glied einer Entwicklungsreihe erkläre, vertrete man keine wissenschaftliche Anschauung, sondern "eine politische Forderung,"92 letztlich eine "Perversität". Die kontrastive Gegenüberstellung der Marktwirtschaft als "System des Egoismus" und der angeblichen neuen Ordnung "des Altruismus" offenbare nur die theoretische Schwäche der "Lobredner des Kriegssozialismus."93 Eine Korrektur bestehender Verzerrungen der Marktwirtschaft, etwa der Kriegsgewinne, sei auf dem Boden des Kapitalismus möglich, ohne diesen selbst überwinden zu müssen. Der politische Kampf konkurrierender ökonomischer Interessen wäre ungleich härter und egoistischer als die Selbstvermittlung im Rahmen der individualistischen Ordnung. Ein möglicher Erfolg der politischen Forderungen Plenges und Jaffés wäre ein "Rückfall in alte Irrtümer" des Staatssozialismus.94 Zu Recht kritisierte Voigt den voluntaristischen Charakter des Begriffs Kriegssozialismus. Vorschnell subsumierte er jedoch Plenge unter das Rubrum des Katheder- und Staatssozialismus, die ja durchaus nicht deckungsgleich waren mit dem Kriegssozialismus.

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Oberflächlich an den Objektivitätskriterien Max Webers anknüpfend, galt Voigt jeder wirtschaftspolitische Gedanke als 'unwissenschaftlich', wenn er sich nicht am Prinzip der Verkehrswirtschaft orientierte. Brentano jedenfalls drückte Plenge seine Genugtuung darüber aus, daß er die Notwendigkeit einer freiheitlichen Wirtschaftsorganisation nach dem Kriege betonte.95 Aber auch Strecker sah in Plenge, Jaffé und Harnack neue Vertreter des "abgetakelten Kathedersozialismus".96 Mit seiner Agitation gegen das "Ich verdien'" offenbare Plenge seine "sozialistischen Eierschalen."97 Plenge betonte demgegenüber erneut die Zweitrangigkeit seines Gegensatzes zum Privateigentum, da er Sozialismus vor allem "als praktische Betätigung wissenschaftlicher Erkenntnis des Gesellschaftslebens" verstehe.98 Da die Vorstellung Jaffés sozialdemokratischen und Wagnerschen Konzepten weiter entgegenkamen als die Plenges, stieß Jaffé als "Staatssozialist von reinstem Wasser"99 auf noch schärfere Kritik.100 Der Hamburger Bankier Kämmerer warf ihm sogar vor, er habe sein Endziel nur verschleiert und strebe in Wirklichkeit den Sozialismus an. Er mahnte, daß "unsere Sozialpolitik ... uns vor dem ... erstrebten sozialistischen Zukunftsstaat beschützen helfen, nicht aber ihn herbeiführen" solle.101 Dem hielt Jaffé entgegen, daß sich weder der reine Staatssozialismus also die Übernahme des gesamten Produktionsprozesses durch den Staat -, noch der Kommunismus durchsetzen werde, sondern, "daß wir lediglich einer ungeheuren Stärkung des Staates als solchem und einer weitgehenden Beeinflussung des gesamten Wirtschaftslebens im Sinne des öffentlichen Interesses, aber unter Aufrechterhaltung des bisherigen Verteilungsmodus entgegengehen."102 Jedenfalls richte sich die ihm zugeschriebene "kapitalfeindliche Gesinnung ... nicht gegen das Kapital als solches ..., sondern allerhöchstens gegen den kapitalistischen Geist" 103

Unter dem Druck der Kritik näherte sich Jaffé also schon beträchtlich dem 'Gesinnungssozialismus' Plenges. Anders als die industriefreundlichen Plenge und Schulze-Gävernitz warnte er jedoch die Anhänger des wirtschaftlichen Status Quo Ante, "daß Deutschland dann mit vollen Segeln in eine Zeit der unbeschränkten Herrschaft des Kartellfeudalismus hineinsteuert."104 Jedoch nicht nur aus industrienahen Kreisen erfuhren die Protagonisten des Kriegssozialismus negative Resonanz. Der Marburger Ökonom Köppe konzedierte zwar die Funktionsveränderung der gesamten Wirtschaft durch den Krieg wie den Übergang vom Individualitäts- zum Solidaritätsprinzip. Einen "schroffen Gegensatz"105 aber sah er zu den Vorstellungen Jaffés und Schulze-Gävernitz', daß der Krieg die Wirtschaft zum Sozialismus weiterentwickelt habe. Schon die Nahrungsmittelbewirtschaftung zeige eigentlich keinen sozialistischen Charakter, sondern sei nur "staatliche Notstandspolitik großen Stils."106 Trotz veränderter Organisation bleibe das Privatei131 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

gentum an Produktionsmitteln durchgängig gewahrt.107 Die gelungene Umstellung der Wirtschaft auf den Krieg sei vor allem der "Unternehmerinitiative und ihrer organisierten Selbsthilfe" zu verdanken.108 Die Hoffnung, auf Dauer mit staatsbürgerlicher Gesinnung als alleinigem treibendem Faktor auszukommen, falle "schon durch die Mängel ihrer psychologischen Fundamentierung in sich zusammen," da nur die "stählende Kraft" des Wettbewerbs auch den gesamtwirtschaftlichen Erfolg sichere.109 Aus fiskalischen Gründen nahm aber auch Köppe die Notwendigkeit einzelner Reichsmonopole an.110 Ähnlich wie Köppe lobte auch Fuchs die "private Initiative" bei der Umstellung.111 Der staatliche Eingriff habe dagegen eher in der "Einschränkung der rücksichtslosen Verfolgung des Erwerbsinteresses" bestanden, die vor allem bei den Kartellen zu beobachten gewesen sei.112 Dementsprechend könne die Kriegswirtschaft nicht als Sozialismus, wohl aber als "Staats- oder Kriegssozialismus" bezeichnet werden, da die privatwirtschaftliche Verfügungsfreiheit und Verteilung weitgehend staatlich reguliert sei, ohne daß das Privateigentum prinzipiell berührt werde.113 Obwohl Fuchs ebenfalls von der Notwendigkeit freier Verkehrswirtschaft nach dem Kriege überzeugt war und er Jaffés Vorschlag einer Vorratswirtschaft ablehnte, hielt er Staatsmonopole für wahrscheinlich.114 Zudem forderte er den "halbgemeinnützigen Charakter" der "Riesenunternehmungen" durch staatliche Beteiligungen. Damit werde keineswegs die Dominanz des "Erwerbsinteresses" beseitigt, was im übrigen "ebenso utopisch sei wie der Sozialismus."115 Neben Gothein, Biermann, Hesse und Rosenbaum" 6 kam auch der

Kartellexperte Liefmann zu keiner wesentlich anderen Einschätzung als Köppe und Fuchs. Immerhin hielt er die Ansichten von Jaffé und Schulze-Gävernitz "für sehr bedenklich." Er glaubte, "daß wenn jene Kriegsmaßregeln wirklich ein ungeheurer Ruck auf dem Weg zur Gemeinwirtschaft wären, dies ... einen großen und für unser Wirtschaftsleben nach dem Kriege verhängnisvollen Rückschritt bedeuten würde."117 Ein unterschwelliger Vorbehalt schwingt in dieser Formulierung mit: Liefmann und andere Wirtschaftsliberale waren von ihrer Position keinesfalls so restlos überzeugt, daß sie nicht auch die unerwünschte gemeinwirtschaftlich-staatssozialistische Entwicklung zumindest für denkmöglich hielten. Richtig ist die Kritik Liefmanns an der Übertragung militärischer Organisationsformen auf die Wirtschaft, wie sie bei Jaffé, Plenge und Rathenau durchscheint. Das Heerwesen sei aufgrund seiner spezifischen Zwecke am wenigsten wirtschaftlich organisiert. Derartige Vermengungen gesellschaftlicher Erscheinungen, wirtschaftlicher Ordnungsprobleme und politischer Ziele seien äußerst gefährlich. Zwar sei "auf gesellschaftlichem Gebiete der Sozialismus im weitesten Sinne, eine Verminderung der 132 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Klassengegensätze" wünschenswert, aber "auf wirtschaftlichem Gebiet" brauche man "den Individualismus."118 Die These, daß die modernen Organisationen die freie Preisbildung ausgehöhlt hätten, hielt Liefmann für abwegig, da sich die Preisbildung nur mehr in anderer Form vollziehe. Richtig war seine Kritik am "kindlichen Vertrauen in den Staat." Wie schon Voigt bemerkte, wäre der ökonomische Interessenkonflikt noch weiter in die staatlich-politische Sphäre hineinverlagert worden als dies ohnehin schon der Fall war. Bei ungerechtfertigter Ausnutzung einer Monopolstellung, so Liefmann, solle der Staat durchaus eingreifen, aber "immer im Anschluß an die Preisbildung des freien Verkehrs." 119 Daß auch dies öffentlich-politische Auseinandersetzungen um privatwirtschaftliche Interessen provoziert, hat das Beispiel Leuchtölmonopol gezeigt. Obwohl Liefmann prinzipiell eine verkehrswirtschaftliche Friedensordnung forderte, hielt auch er staatliche Finanzmonopole, ergänzt durch Kriegsgewinn- und erweiterte Erbschaftssteuern, für unabdinglich.120 Warnend resümierte er seine Ausführungen: "bringt uns der Krieg dem Sozialismus näher, so ist er für uns verloren, wie er auch ausgehen möge."121 Zutreffend war auch die Kritik Diehls an Plenge, Jaffé, Rathenau, Möllendorff und unzähligen meist weniger kompetenten Kriegsideologen,122 die in Fichtes "Geschlossenen Handelsstaat"123 den geistigen Vorläufer der Kriegswirtschaft und das Vorbild der künftigen Friedenswirtschaft sehen zu können glaubten. Der Handelsstaat Fichtes sei ein "streng folgerichtiges staatssozialistisches System,"124 dem weder die reinen "Notmaßregeln"125 des Staates noch die Kriegsgesellschaften entsprächen. Letzteren sei zwar satzungsgemäß gemeinnütziger Charakter verliehen, tatsächlich aber finde der privatwirtschaftlich-profitorientierte Interessenkampf in ihnen seine Fortsetzung.126 Etwas undifferenziert argumentierte hingegen Oppenheimer, wenn er meinte, der "proletarische Sozialist Scheidemann" begegne dem "christlichen Sozialisten Plenge", dem "Platoniker Möllendorff" und dem "St.Simonisten Rathenau" in der Zielvorstellung einer marktlosen Wirtschaft.127 Jaffé war nicht grundsätzlich gegen marktwirtschaftliche Vermittlungsformen, Plenge erst recht nicht. Kritik an der leichtfertigen Ubertragung der Utopie Fichtes übte auch Eulenburg,128 der sich - mit weniger ideologischem Ballast befrachtet als Plenge - um die Analyse der Unterschiede von Friedens- und Kriegswirtschaft bemühte.129 Ganz im Gegensatz zu Plenge und anderen, die zur Verharmlosung dieses Problems neigten, erkannte er, daß die Kriegsaufträge zur Bildung neuen, aber nur nominalen Einkommens führe, dem die Einschränkung der realen Produktion und die Beschränkung des Konsums entspreche.130 Neben Schumpeter und Bendixen gehörte Eulenburg zu der Minderheit von Wirtschaftswissenschaftlern, bei denen sich eine realistische Einschät133 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

zung der Inflationsgefahr durchsetzte.131 Er vermochte ebenfalls keine prinzipielle Strukturveränderung festzustellen, da trotz der spezifischen Erscheinungen der Kriegswirtschaft Wesensmomente der kapitalistischen Wirtschaftsordnung erhalten blieben: vorwiegend privater Kapitalbesitz, das charakteristische Vermögens- und Erbrecht, Arbeitsteilung und großbetriebliche Produktion, Erwerbsgesinnung sowie prinzipiell freie Preisbildung trotz kriegsbedingter Einschränkungen.132 1917 schließlich sah er den kapitalistischen Charakter der deutschen Wirtschaft durch den Krieg eher noch gesteigert: "Der Krieg wirkt höchst unsozial, so viele staatssozialistische Maßnahmen auch gerade in Deutschland gegeben sind. ... Es hat offenbar eine Vermögenskonzentration stärkster Art stattgefunden."133 Eulenburg bezweifelte also, daß der Krieg in eine "gemeinwirtschaftlich-volksgenossenschaftliche Epoche" führe, hielt aber ebenfalls eine kollektivistische Wirtschaft für möglich, obwohl er sie für die künftige Friedenswirtschaft strikt ablehnte.134 Angesichts der enormen Staatsverschuldung, des veränderten Preis- und Zinsgefüges und der veränderten Sozialschichtung schloß aber auch er Staatsmonopole und Zwangssyndikate unter pragmatischem Aspekt keineswegs aus, solange sich keine Prinzipienfrace damit verbinde.135 Realistisch wie Eulenburg argumentierte auch der Redaktionssekretär des 'Archivs für Sozialwissenschaft' und Heidelberger Privatdozent Emil Lederer - einer der geistreichsten Köpfe unter den jüngsten Nationalökonomen.136 Der Staatssozialismus der Kriegswirtschaft, so Lederer, werde von Regierungskreisen wie Sozialdemokraten als 'Sozialismus' mißverstanden, während er tatsächlich der Erhaltung

der militärischen Schlagkraft und damit indirekt auch der kapitalistischen Ordnung diene. Selbst wenn man nach Kriegsende derartige Maßnahmen beibehalte, ändere sich daran nichts, denn "die Übertragung irgendwelcher sozialistischen Elemente in den Kapitalismus oder die Staatswirtschaft macht diese nicht sozialistisch."137 Später stellte Lederer drei Phasen der Kriegswirtschaft fest. Die erste bis 1915 habe in einer Hochkonjunktur unter Kriegseinfluß bestanden, der noch alle wesentlichen Merkmale der Friedenswirtschaft zueigen gewesen seien. In der zweiten Etappe sei schon die Dekapitalisierung spürbar geworden, bei gleichzeitiger Verschiebung des Reichtums. Der zunehmenden Verarmung habe ein steigender Geldwert entsprochen, ausgelöst durch die kapitalistische Form der Rüstungsproduktion. Die dritte Phase, etwa seit dem Hilfsdienstgesetz, sei von der fast vollständigen staatlichen Drosselung der Produktion zugunsten der Rüstungsindustrie geprägt. Es sei die Phase der eigentlichen 'Militarisierung', die den Widerspruch von abnehmendem Konsumgüterangebot und wachsender Geldmenge durch die über Lohn- und Preissteigerungen finanzierte militärische Produktions- und Sozialpolitik noch verschärfe.138 134 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Obwohl jetzt "die zwangsweise Umorientierung aller Gütererzeugung in Munitionsindustrie" die Wirtschaft von der herkömmlichen Form kapitalistischer Warenproduktion löse,139 sei es gewagt, von einem neuen Wirtschaftstyp zu sprechen. Angesichts der "Machtsteigerung bestimmter kapitalistischer Gruppen," die "an ökonomischer Bedeutung und ausschlaggebender Entschlußkraft nichts eingebüßt" hätten, handle es sich eher um die "Durchkapitalisierung des Staates" als um die "Durchstaatlichung der Wirtschaft."140 Präzise hatte Lederer die beschleunigte gegenseitige Durchdringung der gesellschaftlich-wirtschaftlichen und der staatlich-politischen Sphären umschrieben, die den Charakter des Kapitalismus strukturell nicht tangiert. Ähnlich plastisch skizzierte auch der sozialistische Theoretiker Bucharin das gewandelte Verhältnis von Staat und Wirtschaft.141 Wie Plenge war er von der "vollständigen Vernichtung des alten bürgerlichen Individualismus" überzeugt. Er sah das Ende dieser Entwicklung aber nicht im "Staatssozialismus", sondern im "Staatskapitalismus",142 den Jaffé mit dem Begriff 'Kartellfeudalismus' charakterisiert hatte. Während diese Einschätzung die Instrumentalisierung des Staates durch das Großkapital betonte - es handelt sich um das Theorem des 'Staatsmonopolistischen Kapitalismus' in statu nascendi -, neigte Lederer zur Überschätzung des von gesellschaftlichen Zwecken freien, abstrakten staatlichen Machtinteresses, das verbunden mit den neuen Organisationsformen zunehmend Eigendynamik entwickelt habe.143 Die Mehrzahl der jüngeren Nationalökonomen war nicht bereit, in der Kriegswirtschaft eine neue Wirtschaftsordnung zu sehen. Gleichwohl erkannten alle die Notwendigkeit vermehrter staatlicher Regulierungsmaßnahmen im Kriege und mehr oder minder auch für die Übergangswirtschaft an. Der radikale Kritiker jeglicher Regulierungsmaßnahmen, Richard Calwer,144 blieb eine Ausnahme. Letztlich versahen Plenge, Jaffé und Schulze-Gävernitz eine grundsätzliche Erfahrung der Gesellschaftswissenschaften mit einer spezifischen Pointe, die selbst nur Ausfluß ihrer politischen Konzeptionen aus der Vorkriegszeit waren und vermeintlich durch den Krieg ihre letzte Fundierung erhielten. Aber auch die Stellungnahmen der älteren Staatswissenschaftler lagen auf der Linie ihrer Vorkriegskonzeptionen. Brentano enthielt sich zunächst irgendwelcher Äußerungen über den Kriegssozialismus, um gegen Ende des Krieges ein vernichtendes Urteil zu fällen.145 Auf die Kritik Delbrücks hin - der ihm die Staatsideale Schmollers und Wagners entgegengehalten hatte -146 bestätigte Brentano seine in der Zwischenzeit wohl auch wieder gewachsene Skepsis gegenüber dem konservativen Staatsideal.147 Schmoller sah sich hingegen durch den Krieg in seiner positiven Haltung zur Bürokratie bestätigt.148 Er glaubte aber, daß man mit dem Krieg die wirt135 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

schaftliche Freiheit nicht aufgebe; man verrücke "nur einige Grenzlinien zwischen Staatsraison und individueller Freiheit." Kartelle als "Brücken zum Sozialismus" zu betrachten, lehnte er ab.149 Um die Unterzeichnung eines von Brentano, Lederer, Jaffé, Südekum und anderen initiierten Aufrufs zur Getreidebewirtschaftung gebeten,150 formulierte Wagner, daß derartige Regulierungsmaßnahmen "überhaupt meinen Grundsätzen, vollends für Kriegszeiten" entsprächen.151 Bereits im August 1914 warnte Wagner auf einer Besprechung zwischen Unternehmern, Beamten und Nationalökonomen vor übertriebener Papiergeldwirtschaft. Gegen den Optimismus Oppenheimers und Helfferichs forderte er neben Zwangsanleihen "progressive Extrasteuern".152 Wie alle konservativen Sozialpolitiker hoffte auch Pesch, wenn auch nicht durch Zentralverwaltung, so doch durch Unterordnung der Wirtschaft unter die Autorität des Staates und der durch ihn repräsentierten 'sittlichen Zwecke' eine harmonische Gesellschaftsordnung zu erreichen; neben wenig mäßig Reichen sollte eine breite Mittelschicht und eine materiell gesicherte Unterschicht ihren Platz finden.153 Als Alternative zwischen Individualismus und Sozialismus erblicke der Solidarismus "in der Volkswirtschaft einen wichtigen Bestandteil des Gesellschaftslebens staatlich geeinter Volksgemeinschaft" und bringe "dieselbe folgerichtig in enge Beziehung zum Staate, zum Staatszweck, zur staatlichen Autorität;"154 "gerade die Kriegszeit hat diese Auffassung zur allgemeinen und hoffentlich dauernden allgemeinen Überzeugung gemacht."155

Ähnlich hegten wohl viele ältere Sozialpolitiker die Hoffnung, daß der Krieg die Verwirklichung jahrzehntealter sozialpolitischer Forderungen voran bringe.156 Berlepsch etwa erwartete vom Krieg ein "Morgenrot wirklicher Sozialreform."157 Auch der von Brentano offenbar wenig geschätzte konservative Münchner Kollege v. Mayr158 sah in der "strammen Konsolidierung" der letztlich durch den Staat fundierten Volkswirtschaften die Bestätigung seiner vor dem Kriege vertretenen Auffassungen.159 Habe man damals den Staatseingriff noch als 'Sozialismus' schmähen können, so sei damit im Krieg "ein wirklicher Gruselerfolg nicht erzielt" worden. Wie Plenge und Jaffé meinte er, daß "der alte, zeitweise hochgerühmte, abstrakte, frei vom Staatseinfluß waltende private Individualismus" mit dem Aufkommen "wirtschaftlicher Machtgebilde" seine Berechtigung verloren habe. Der Krieg hingegen habe den Staatseinfluß zur "unabweisbaren Pflicht"160 gemacht und es sei der Sozialdemokratie zuzugestehen, daß Wirtschafts- und Sozialpolitik "in kollektivistische Richtung geht."161 Freilich sei nicht abzusehen, welche kriegsbedingten Staatsmaßnahmen Bestand haben könnten. Wortgewaltig verkündete auch der Schmoller-Schüler162 und Berliner Ökonom Ballod das Ende der 136 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

wirtschaftsliberalen Ära. Angesichts der hohen Kriegskosten - von denen er realistischerweise annahm, daß jeder Staat sie selbst trage erschien ihm der Trend zur Staatswirtschaft zwangsläufig. Die neue Ordnung werde sich vornehmlich durch den "Kompromiß zwischen den bisher herrschenden Klassen und der Arbeiterschaft" vom "perhorreszierten Sozialismus" unterscheiden.163 Diese Auffassung hinderte Ballod jedoch nicht, scharfe Kritik an der preußischen Bürokratie zu üben.164 War Naumann vor dem Kriege noch als scharfer Antipode derartiger Auffassungen und als strikter Gegner von Finanzmonopolen aufgetreten,165 so vollzog er mit seiner Mitteleuropakonzeption einen Positionswechsel und befürwortete jetzt ebenfalls mehr Staatseinfluß, auch auf die künftige Friedenswirtschaft.166 Sein Intimus Heuß stellte fest, daß "der 'Kriegssozialismus' mit dem Marxistischen Sozialismus ganz und gar nichts zu tun hat" und sah in der Kriegswirtschaft eher die Widerlegung des Sozialismus: "Fichte gegen Marx!"167 Als ausgesprochene Protagonisten des sozialistischen Charakters der Kriegswirtschaft traten zwei junge Nationalökonomen auf, die später neben Lederer in der Sozialisierungsfrage eine gewisse Rolle spielen sollten: Otto Neurath (1882 - 1945) und Eduard Heimann (1889 - 1967).168 Ihnen trat der Wirtschaftsjournalist Georg Bernhard (1875 - 1944) im 'Plutus' zur Seite. Unter Bezugnahme auf Plenge sah Heimann schon vor dem Krieg im Gegensatz zur herrschenden Meinung einen grundlegenden Unterschied zwischen 'individualistischem' Trust und 'genossenschaftlichem' Kartell.169 Das Kartell, die Konsumgenossenschaft und die Gewerkschaften deuteten ihm zufolge einen Trend zur Genossenschaftlichkeit an: "Die Solidarität gilt wieder als rentabel."170 Da diese Entwicklung durch den Staatseingriff noch gefördert werde, müsse der Krieg sie zwangsläufig beschleunigen.171 Nunmehr scheine "der Kapitalismus überwunden zu sein; die neue Wirtschaft geht vom Ganzen der Gesellschaft aus und benutzt die solidarischen Interessengruppen als ihre Organe; sie ist Gemeinwirtschaft."172 Es gelte allerdings, diese äußeren Bedingungen planvoll weiterzuentwickeln, um "das Gesetz der Seele zu verwirklichen."173 Nicht nur diese Formulierung, sondern auch die praktischen wirtschaftspolitischen Konsequenzen - Zwangskartellierung, öffentlich-rechtlicher Status der Interessenverbände und ähnliches - erinnern an Rathenau. Wie Heimann glaubte auch der österreichische Nationalökonom Spann an die "vergemeinschaftende Wirkung des Krieges auf die Volkswirtschaft."174 Aber nur in Deutschland und Österreich, so Spann, sei ein "wohlgelungener Neubau eines 'Geschlossenen Handelsstaates'" möglich gewesen.175 137 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Einen ähnlichen Ausgangspunkt wie Heimann hatte auch Neurath.176 Im Auftrag der Carnegie-Stiftung hatte er sich mit den ökonomischen Implikationen der Balkan-Kriege beschäftigt177 und kritisierte schon Anfang 1914 Plenges und Rießers einseitig auf das Kreditwesen gerichteten Überlegungen zur Kriegswirtschaft; er prognostizierte für den Kriegsfall die Substitution der individualistischen Ordnung durch eine staatlich gelenkte "Großnaturalwirtschaft".178 1916 erklärte er, daß "bis zu einem gewissen Grade eine staatliche Naturalwirtschaftsverwaltung großen Stils geschaffen" und die "Geldordnung ... in mehr als einer Richtung ihrer Macht entkleidet" sei.179 Tatsächlich blieb das Geldwesen im Prinzip aufrechterhalten, wie Eulenburg und Lederer zeigten. Immerhin finden wir die Hoffnung auf die Verdrängung des Geldwesens auch in Jaffés Äußerungen über die vermeintliche Rekonstruktion des Gebrauchswertes. Neurath sah die Gegenwart vom "Kampf zwischen Verkehrswirtschaft und Verwaltungswirtschaft" geprägt.180 Er rechnet auch für die Zukunft mit dem Zurücktreten der Geldrechnung, da "insbesondere die Naturalrechnung des Wirtschaftsplanes, welcher wohl weiterhin von Bedeutung sein dürfte, ... in dieser Richtung wirksam ist."181 Bernhards Leitartikel vom 26. August 1914 ist charakteristisch für das, was Biermann später den "wahren Rausch der freiwilligen Unterwerfung unter den Staatswillen, auch auf wirtschaftlichem Gebiet" nannte.182 Er habe, so Bernhard, die deutsche Bürokratie immer mangels kaufmännischer Beweglichkeit angegriffen, nunmehr fühle er sich gerade deshalb verpflichtet, ihre "glänzenden Eigenschaften" anzuerkennen. Jetzt habe der Staatsgedanke auch wirtschaftlich gesiegt und der "nationale Sozialliberalismus", der die künftige Gestaltung bestimme, werde sich nicht mehr gegen Staatsmonopole wehren. Der Sieg Deutschlands bringe auch den Sieg jener Anschauungen, für die "der greise Adolph Wagner sein ganzes Leben lang gekämpft hat."183 Er jedenfalls lehne es ab, "auch nur ein Stück in die bourgeois-liberale Auffassung zurückzugehen." 184 Obwohl hier schwerpunktmäßig die Kontroverse der Wirtschaftswissenschaftler vorgestellt wurde, sollte nicht der Eindruck einer reinen Fachdebatte erweckt werden. Auch Vertreter anderer Disziplinen - etwa der Historiker Oncken und der konservative Theologe Seeberg _185 neigten staatssozialistischen Auffassungen zu. Der Verstaatlichungsgedanke, so die 'Volkswirtschaftliche Correspondenz', habe vor allem in "Laienkreisen einen volkstümlichen Klang erlangt."186 Wenn aber nicht nur in der Bürokratie, sondern auch in der öffentlichen Meinung der Staatssozialismus triumphiere, würden schließlich die Parlamentarier ebenfalls "vor der Enteignung der Privatindustrie nicht zurückschrecken."187 138 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Einen öffentlichen Höhepunkt erreichten die Auseinandersetzungen um Staats- und Kriegssozialismus mit der Ansprache des renommierten Theologen und Präsidenten der Kaiser-Wilhem-Gesellschaft, Adolf v. Harnack (1851 - 1930), anläßlich einer Kundgebung des eben gegründeten 'Nationalausschusses für einen ehrenvollen Frieden' am 1. August 1916. Der Ausschuß war als 'offiziöses' Propagandainstrument der Reichsleitung gegen die Agitation der extremen Annexionisten gedacht. Neben Politikern, Gewerkschaftern, sozialliberalen und gemäßigten Hochschullehrern waren zunächst auch industrielle Kreise bereit, das Ansinnen zu unterstützen. Offensichtlich beeindruckt von Möllendorffs eben publizierter "Deutschen Gemeinwirtschaft" prangerte Harnack das "rücksichtslose Verdienen auch im Kriege" an. Als wichtigstes innenpolitisches Kriegsziel galt ihm vermehrter staatlicher Einfluß auf die Wirtschaft und eine große Zahl gemischtwirtschaftlicher Betriebe. Die Industrie empfand Harnacks Plädoyer für die "Herstellung einer deutschen Gemeinwirtschaft"188 als "unzulässigen Angriff"189 auf ihre Kriegsprofite; sie zog sich aus dem Ausschuß zurück. Der Widerstand gegen den alldeutschen Annexionismus verlor damit einen wichtigen Bündnispartner. Harnack beklagte sich gegenüber Delbrück: "Ich habe jetzt viele Angriffe seitens der großen Privat-Industrie, die so unklug war, [!] sich getroffen zu fühlen. Dies schlägt seine Wellen auch in Verhältnissen, die ich für gesichert glaubte."190 Andererseits waren Harnacks Forderungen zu vage, als daß sie einen Protagonisten des Gemeinwirtschaftsgedanken wie Möllendorff überzeugt hätten; er betrachtete sie als 'Konjunkturprodukt'.191 Selbst Bernhard kritisierte die Rede und forderte eine "gesteigerte staats-sozialistische Tendenz" der Wirtschaft, nicht (wie Pesch, Mayr und Harnack) aus ethischer Überzeugung, sondern aus rein wirtschaftlichen Gründen.192 Das verdeutlicht das Bemühen der jüngeren Nationalökonomen um eine immanent ökonomische Begründung ihrer gemeinwirtschaftlichen Forderungen. Jaffés Warnung vor dem 'Kartellfeudalismus' verweist allerdings auf die Grenzen derartiger Differenzierungen. Symptomatisch jedenfalls war das Verhalten der beteiligten Industrie für den zunehmenden Anti-Etatismus, der bald zum einigenden Band der verschiedenen industriellen Gruppen, des Handels, Handwerks und der Landwirtschaft wurde. Vermeintliche und tatsächliche Vertreter gemeinwirtschaftlicher bzw. staatssozialistischer Anschauungen wurden ebenso zur Zielscheibe der Kritik wie die Bürokratie selbst.193 Obwohl die meisten Wirtschaftsverbände die Notwendigkeit staatlicher Intervention auch für die Zeit nach dem Kriege anerkannten,194 wollten sie vermeiden, was scheinbar in der Konsequenz der Vorstellungen Plenges, Jaffés, Schulze-Gävernitz', Rathenaus, Harnacks, Bernhards und anderer lag: die Beseitigung der freien Ver139 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

kehrswirtschaft. Überschaut man die Kontroverse um den Kriegssozialismus, kann man sich bisweilen dem Eindruck der Spiegelfechterei nicht entziehen. Die Gegensätze verringern sich mit der Konkretisierung der großen Parolen, wie der gemäßigte Staatsinterventionismus vieler Gegner des Kriegssozialismus zeigt. Bei der folgenden Behandlung der Vorstellungen zur Übergangswirtschaft wird dies noch deutlicher werden. Schulze-Gävernitz und Plenge kann man kaum, Jaffé nur bedingt als Anhänger einer alternativen Wirtschaftsordnung verstehen. Daß das Theorem des Kriegssozialismus nicht nur ein reines Kriegsprodukt ist, sondern die unterschiedliche Rezeption des Organisierten Kapitalismus aus der Vorkriegszeit fortsetzte, sei nochmals unterstrichen. Sieht man von der Notwendigkeit ab, die Ortung der Veränderungen der Wirtschaftsverfassung durch sehr kontroverse Diskussion ordnungspolitischer Grundprinzipien zu leisten - wobei Überzeichnungen unvermeidlich sind -, hatten die Thesen vom 'Ende des Kapitalismus' vor allem ideologische Funktion. Ähnlich wie die später zu behandelnden Kriesideologeme, waren sie auch Teil jener Burgfriedensideologie, welche die öffentliche Meinung für die Kriegspolitik mobilisierten.

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VIII.Die Kontroverse um die Übergangswirtschaft In den ersten Kriegsjahren hatte die nationalökonomische Literatur meist den Charakter von "Gesinnungs- und Erbauungsschriften".1 In der zweiten Hälfte des Krieges reflektierte sie die etwa 1916 einsetzenden Bemühungen von Staat und Wirtschaft, ein Konzept zur Überführung der Kriegs- in die künftige Friedenswirtschaft zu finden. Der Handel drängte auf die möglichst rasche Wiederherstellung der verkehrswirtschaftlichen Ordnung. Er lehnte gesetzliche Syndikate, Zwangskartelle, Staats- und gemischtwirtschaftliche Monopole ab. Ähnlich war die Haltung der Qualitäts- und Exportwarenindustrie. Die Schwerindustrie war hingegen Kartellen und Syndikaten bzw. der Weiterführung der Kriegsorganisation nicht grundsätzlich abgeneigt, solange dies auf freiwilliger Basis und ohne größeren Staatseinfluß möglich sein sollte.2 Die Ziviladministration kam dieser Haltung meist entgegen und war bestrebt, den Staatseinfluß auf das Unumgängliche zu beschränken. Demgegenüber wollten die Anhänger staatssozialistischer Gemeinwirtschaftspläne - besonders Möllendorff, Sichler und Rathenau -3 die Einrichtung der Übergangswirtschaft zu einer weitgehenden Umgestaltung der Wirtschaftsordnung nutzen. Die Militärs der Obersten Heeresleitung und des Kriegsamtes votierten aus strategischen Gründen ebenfalls für eine Beschränkung der privatwirtschaftlichen Bewegungsfreiheit. Insbesondere die Rohstoffversorgung sollte staatlich organisiert bleiben.4 Waren schon Zeitgenossen geneigt, in Rathenaus Plänen eher den ideologischen Reflex des Trustmagnaten als die Konzepte eines wirtschaftspolitischen 'Revolutionärs' zu erkennen,5 so liefen auch die Vorschläge Jaffés, Bernhards, ja sogar Wagners kaum auf die prinzipielle Überwindung des Kapitalismus hinaus.

1. Staatssozialismus oder Staatsinterventionismus? Jaffé konstatierte, daß die Rohstoffkontingentierung, der Arbeitskräftemangel und die Stillegung von Betrieben die Großunternehmen einseitig begünstigt habe. Nach dem Kriege sei an eine Wettbewerbs141 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

fähigkeit der früher selbständigen Unternehmen nicht zu denken: "Wir kommen also auch ohne jeden staatlichen Eingriff zu einem Zustande stärkster Konzentration und fast unbeschränkter Machtfülle und Gewinnmöglichkeit der Groß- und Riesenunternehmungen."6 Zudem erfordere der zu erwartende Rohstoffmangel die "straffe Zusammenfassung aller Berufszweige in Kartellform, die im Notfall (Kohlensyndikat)7 vom Staat erzwungen wird."8 Da somit an die Stelle des früheren freien Wettbewerbs ein staatlich garantiertes Monopol trete, sei es nur gerecht, wenn der Staat an diesen Vorteilen partizipiere. Verkaufspreise und Arbeitslöhne sollten unter staatlicher Mitwirkung zustande kommen. Beim Einfuhrhandel erwog Jaffé sogar die vollständige Verstaatlichung. Neben militärischen führte er dafür auch fiskal- und währunespolitische Argumente ins Feld.9 Jaffé forderte eine weitreichende Steigerung des Staatseinflusses. Sieht man von der Rohstoffeinfuhr und der Energiewirtschaft ab, so sollte sich der Staat jedoch auf regulierende und beaufsichtigende Funktionen beschränken. Er sollte überall dort die Verfügungsgewalt über das Privatkapital eingrenzen, wo die selbsttätige Kontrolle des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs weder möglich noch nützlich schien. Georg Bernhard sah die Wirtschaft durch den Krieg zur "wirklichen Volkswirtschaft zusammengefaßt,"10 warnte aber "Optimisten". Eine "Art sozialistischen Zukunftsstaat" könne man nach dem Kriege keinesfalls "einfach anbefehlen." Der Staat werde zwar seinen Einfluß auf dem Wege der "Überwachung und Direktion" erweitern, aber der

"Wirtschaftsimpuls kann nur ausgehen von der privatkapitalistischen Form des Geschäftsbetriebes."11 Wie Jaffé sah er aus fiskalpolitischen Gründen den Staat künftig bei allen Geschäften als "stillen Teilhaber".12 Verstaatlichungen im großem Umfang aber bedeuteten ihm, "daß überall in Deutschland der Geheimrat herrscht."13 Er empfahl eine "andere Form: Hier reguliert der Staat."14 Für Bernhard hieß dies ebenfalls staatliche Regulierung des Arbeitsmarktes, der Seeschiffahrt, der Rohstoffeinfuhr und -Verteilung sowie eine gemäßigte Devisenbewirtschaftung.15 Das System sollte an der Kriegswirtschaft anknüpfen.16 Obwohl nur für eine Übergangszeit von zehn bis fünfzehn Jahren geplant,17 dachte Bernhard auch langfristig nicht an die volle Wiederherstellung der Vorkriegsordnung. Insbesondere über die Fiskalpolitik werde der Staat künftig Wirtschaftspolitik treiben und dementsprechend die Übergangsorganisation umformen.18 Der Staat führe den früher freiwilligen Trend zur kollektiven Organisation planmäßig weiter; freilich würden die "bisherigen freiwilligen Organisationen zu Zwangsveranstaltungen,"19 in denen aber das Prinzip der Selbstverwaltung garantiert sein müsse.20 142 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Eine staatlich regulierte Wirtschaft lag auch in der Konsequenz einer Denkschrift, die Alfred Weber vermutlich für das Reichsschatzamt anfertigte.21 Besser als der amerikanischen und englischen Wirtschaft, so Weber, sei es der deutschen schon vor dem Kriege gelungen, eine "in allen Teilen elastisch ineinandergreifende Organisation" zu schaffen. Dieses System sei "durch den Krieg noch straffer und einheitlicher ausgestaltet worden und wird nach dem Krieg in den durchgebildeten Formen einer vom Staat mit beeinflußten zentralisierten Selbstverwaltung die Ausrichtung auf die dann vorliegenden neuen Verhältnisse zu vollziehen haben."22

Auch Weber nahm die Fortexistenz der staatlich organisierten Rohstoffeinfuhr, -bevorratung und -Verteilung im Frieden als sicher an. Wie Jaffé hoffte er, diese Organisation langfristig in den Dienst der Finanzpolitik stellen zu können.23 Schmoller schien "das freie Spiel der individuellen Kräfte ... von Segen, soweit die Konkurrenz nicht korrumpiert ist." Man werde nach dem Krieg in vielem wieder zum Vorkriegsstand zurückkehren und nur manche Einrichtungen der Kriegszeit beibehalten, "nicht weil es sozialistisch ist, sondern weil es eine Verbesserung ... unserer ... Institutionen darstellt." Insbesondere die Veränderung der Organisationen von Kapital und Arbeit gelte es zu erhalten, die dem "Fortschritte im Ausgleich der Interessen" diene, ohne die Freiheit von Kapital und Arbeit prinzipiell anzutasten. Damit vollziehe sich die Umgestaltung "auf der Linie sozialer Reformen, die wir schon seit Generationen eingeschlagen haben," ohne die bürgerliche Freiheit und das monarchische Beamtenregiment zu beseitigen, das eine einseitige Klassenherrschaft in Mitteleuropa verhindert habe.24 Dementsprechend nahm Schmoller Rathenaus Pläne mit Skepsis auf und warf ihm vor, bislang noch nichts von seinem Konzept verwirklicht zu haben, wo dies in seiner Hand liege.25 Eher kamen Schmoller die Vorschläge des preußischen Regierungsrates v. Schulz-Hausmann entgegen, die an seinen eigenen Plänen von 1905 anknüpften.26 Ähnlich vermittelnd wie die Schmollers war die Haltung Peschs. Er hielt die Verwaltungswirtschaft für undurchführbar und wollte die Verkehrswirtschaft in "regulierter Form" erhalten.27 Dagegen war Jastrow sicher, daß die Kriegswirtschaftsorganisationen in der Übergangswirtschaft weitergeführt würden. Zwangssyndikate, möglicherweise Zwangsgewerkschaften und Beschränkungen der Gewerbefreiheit hielt er ebenso für wahrscheinlich wie staatliche Regiebetriebe aus fiskalpolitischen Gründen für notwendig.28 In seiner Abschiedsvorlesung betonte Wagner 1916, daß der Sozialismus die Schwächen des Kapitalismus überschätze. Ein "partieller Sozialismus" aber erschien ihm trotz ethischer Berechtigung des Privateigetums zur 143 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Abwehr der negativen Folgen der Marktwirtschaft angezeigt. Verkehrswesen, Versicherungswirtschaft und Banken wollte er in den Händen des Staates wissen; Finanzmonopole auf Salz, Kohle und anderes galten ihm aus steuerlichen Gründen als erwägenswert.Das System der Preistaxen habe der Krieg als möglich und nützlich erwiesen.29 Auf die Kritik Streckers an seiner "Abschieds-Rakete" 30 erwiderte Wagner, daß der Begriff Verstaatlichung nur eine verkürzte Summendefinition seiner Vorschläge darstelle. Er denke auch an provinzial- und namentlich an kommunalstaatswirtschaftliche Unternehmen, an gemischtwirtschaftliche Einrichtungen sowie an staatliche Kontrollrechte und fiskalische Beteiligungen der öffentlichen Hände an reinen Privatunternehmen und Kapitalgesellschaften.31 Sehr viel weiter ging vergleichsweise Neurath. Er skizzierte eine direkt und indirekt staatlich gesteuerte Verbandswirtschaft unter weitgehender Ausschaltung des freien Handels und der Geldrechnung als Vorstufe einer naturalwirtschaftlichen Planwirtschaft.32 Die Übereinstimmungen von Jaffé und Wagner werden hier augenfällig. Sie unterschieden sich von den meisten ihrer Fachkollegen dadurch, daß sie dem Staat besonders viel direkten Einfluß einräumen wollten. Allerdings strebten sie nicht die restlose Beseitigung der Verkehrswirtschaft und ihre Substitution durch eine staatliche Verwaltungswirtschaft an, wie Neurath, sondern die etatistische Kompensation der immanenten Schwächen einer hochkonzentrierten Konkurrenzökonomie. Wesentliche Probleme blieben dabei unreflektiert: Wie sollte sich das vermeintlich zweckfreie staatliche Globalinteresse gegenüber unternehmerischen Einzclintcressen durchsetzen, solange

der Staat unmittelbar an der Realisierung von Profitchancen partizipierte?33 Wie sollte angesichts der freiwillig oder zwangsweise zusammengeschlossenen privaten Kapitalinteressen die Prädominanz des Staates gegenüber dieser Machtzusammenballung gesichert werden? War bei weitgehender Ausschaltung der Konkurrenz nicht eher zu erwarten, daß das Interesse der Großindustrie sich in den Mantel des öffentlichen Interesses hüllte? Nicht ganz abwegig erscheint in diesem Zusammenhang die Vermutung Grunenbergs, Syndikus der Handelskammer Düsseldorf und Mitglied des Reichstages, daß sich hinter dem Gedanken des Monopols "eine geschickt geleitete Agitation der Groünternehmung" verberge, "die den Staat in den Vordergrund rückt."34 Wie sollte schließlich die Preisbildung in einer syndizierten Wirtschaft vonstatten gehen? Wagners 'Preistaxen' jedenfalls wurden durch die Höchstpreisverordnungen der Kriegswirtschaft eher desavouiert als bestätigt. Angesichts dieser ungelösten Probleme befürchtete Max Weber, durch vermehrten Staatseinfluß und staatlich geförderte Konzentration in Verbindung mit einem etatistisch gewirkten Antikapitalismus 144 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

würden jene Rationalitätskriterien verdrängt, welche er aus der möglichst uneingeschränkten Selbstvermittlung konkurrierender Kapitalinteressen auf dem Boden der Verkehrswirtschaft herleitete. In Konzepten, die einer Amalgamierung von Staat und Wirtschaft das Wort redeten, erkannte er die unheilvolle Verdrängung verkehrswirtschaftlicher Effizienz bei gleichzeitiger Behinderung politischer Rationalität; zumal dann, wenn ein Staat ökonomisch Einfluß nehmen sollte, der nach wie vor ungenügend kontrolliert blieb. Daher hielt Weber eine Philippika gegen jene, die einer Beibehaltung und Weiterentwicklung der Kriegsorganisation über das Unumgängliche hinaus forderten und davon die Überwindung des Kapitalismus erhofften.35 Freilich leugnete auch er nicht die Notwendigkeit "rationaler Zweckverbandsbildungen größten Stils," welche die Kriegsorganisation ablösen würden.36 Pragmatisch wie im Grunde schon Schmoller argumentierte die Mehrzahl der Nationalökonomen. Pohle meinte zwar, die Kriegswirtschaft habe sowohl den Staatssozialismus wie den öffentlichen Betrieb diskreditiert. Er räumte dem öffentlichen Betrieb aber bestimmte Bereiche ein, in denen er vermöge seiner spezifischen Struktur sinnvoller sei als der private.37 Das "System des Taylorismus, angewendet auf sämtliche Gebiete des Wirtschaftslebens" erschien Eulenburg als vordringlichste Aufgabe.38 Obwohl gemischtwirtschaftliche Betriebe partiell nützlich sein könnten, werde man "stärkste Rationalisierung" und "kaufmännische Anpassungsfähigkeit ... nicht vom Zwange und der staatlichen Organisation der Produktivkräfte erwarten dürfen."39 Den Interessen der rheinischen Schwerindustrie kam der Marburger Nationalökonom Walter Troeltsch entgegen: Die "Überwachung der Kartelle" würde "wie ein Alpdruck auf der Industrie lasten,"40 freilich solle der Staat sich um den Erhalt und Ausbau der freiwilligen Kartelle bemühen. Der Bonner Nationalökonom Herbert v. Beckerath warnte davor, das Problem der Zwangskartellierung vornehmlich unter fiskalischen und sozialpolitischen Gesichtspunkten zu betrachten.41 Nur aus kriegswirtschaftlichen Gründen habe der Staat den Organisationsprozeß der Industrie gefördert und den "Staats- und Kriegswirtschaftsbeamten" an die Stelle des Kaufmanns gerückt. Diese Entscheidungsbefugnis weniger Beamter über ganze Industriezweige aber werde im Frieden unerträglich. Andererseits zeichne sich ein Trend zu Zwangssyndikaten unter lückenloser Kontrolle der Regierung ab, wie das Beispiel der Schuhindustrie zeige.42 "Staatssozialistische Ideengänge" und militärische Motive kämen dem Trend entgegen, wobei man sich vornehmlich an den Organisationsverhältnissen der Schwerindustrie orientiere und die andersgearteten Bedingungen anderer Branchen vernachlässige.43 Beckerath erkannte die Fronten in der Frage der 145 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Zwangssyndizierung richtig, wenn er die ambivalente Haltung der Industrie und eine relativ positive Einstellung der Arbeiterschaft konstatierte.44 Soweit aber organisiert werde, solle die Organisation nicht vom Staat, sondern von der beteiligten Industrie selbst ausgehen.45 Unter der Devise: "Keine generelle staatliche Organisationspolitik, sondern umfassende Monopolpolitik auf geeigneten Gebieten!"46 schlug aber auch Beckerath Finanzmonopole für Stickstoff, Kali und Kohle vor. Obwohl man die Grenzen der Wirksamkeit des Staates nicht mehr "einengend individualistisch" verstehe, so Gothein, bleibe die "privatwirtschaftliche Tätigkeit ... das Wesen der Volkswirtschaft."47 Dennoch empfahl auch Gothein die gemischtwirtschaftliche Organisationsform der Kohle- und Elektrizitätserzeugung und die Verstaatlichung des Kalibergbaus.48 Ausgehend von Schmollers Thesen zum Verhältnis von Kartellen und Staat forderte er die "Verallgemeinerung der Kartelle, ihre Überführung in obligatorische Verbände des öffentlichen Rechts, möglichst weite Ausdehnung der gemischten Betriebsform, Erweiterung des Staatsbesitzes durch sie" und die Abgabe einer festen Kartellsteuer.49 Selbst der staatssozialistischer Neigungen kaum zu verdächtigende Liefmann glaubte der inflationären Entwicklung nur durch Überwachung der Kartelle und Banken, durch Preiskontrollen und Verstaatlichung der Einfuhr Herr werden zu können.50 Skeptisch beurteilte Lederer hingegen auch den mäßigen Staatseingriff. Er schlug die Abgabe eines großen Teils der Kriegsanleihen an das Ausland, die steuerliche Beschränkung des Konsums und eine strikte Freihandelspolitik vor, die eine Exportoffensive ermöglichen sollte.51 Eher konjunkturpolitisch motiviert waren die ebenfalls antietatistischen Vorschläge Oppenheimers. Er sah in der Schaffung künstlicher Staatsnachfrage die wichtigste Aufgabe der Übergangswirtschaft.52 Bei ihrer Finanzierung folgte er der Knappschen Geldtheorie und behauptete die unerschöpfliche Möglichkeit staatlicher Geldschöpfung.53 Unfreiwillig antizipierte er damit die spätere Entwicklung. Bis auf starke Einkommens- und Wertzuwachssteuern54 und die vorgeschlagene 'Initialzündung' wollte er alles übrige der "Selbststeuerung der Wirtschaft"55 überlassen. Seiner These folgend, daß die gemeinwirtschaftliche Funktion der Verkehrswirtschaft durch rechtliche Monopole, besonders das Bodenmonopol, behindert werde, hielt er Möllendorff entgegen, die Frage laute nicht: "freie Verkehrswirtschaft oder Gemeinwirtschaft, sondern Gemeinwirtschaft durch freie Verkehrswirtschaft."56 Jaffés Plan, die Rohstoffbevorratung zum Ausgangspunkt eines Systems umfassender staatlicher Regulierung zu machen, lehnte Oppenheimer ab.57 Er folgte darin den Argumenten des Heidelberger Ökonomen Levy.58 146 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Überblickt man die Äußerungen der Nationalökonomen zur Friedenswirtschaft, bestätigt sich der Eindruck, den man schon aus der Debatte über den Kriegssozialismus gewinnen konnte: Die meisten Wirtschaftswissenschaftler waren ausgesprochen verkehrswirtschaftlich orientiert. Aus militärischen und finanzpolitischen Motiven, vielleicht auch noch, um die Macht der Schwerindustrie zu beschneiden, war man in unterschiedlichem Maße bereit, den staatlichen Einfluß zu erweitern. Nur eine Minderheit dachte an die Fortführung der Kriegsorganisation. Vielfach liefen die Konzepte dieser Minderheit ihrem objektiven Gehalt nach nur auf eine Beschleunigung des wirtschaftlichen Formierungsprozesses hinaus. Die Mehrheit der Wirtschaftswissenschaftler war ferner bereit, sich mit der Prädominanz der Großindustrie abzufinden, und wollte sie allenfalls etwas beschneiden. Die Kontroverse um Quantität und Qualität des Staatseingriffs spiegelte den Gegensatz zwischen eher langfristigem Staatsinteresse an der Stabilisierung des Gesamtsystems und den eher kurfristigen Profitinteressen von Handel und Industrie wider. Daß hierbei - gerade unter Vertretern der jüngsten Generation - auch extreme Positionen bezogen wurden, die sich an bestimmten etatistischenTraditionen des Wirtschaftsdenkens orientierten, ist dabei ebensowenig verwunderlich wie die überzogen wirtschaftsliberale Haltung vieler Interessenvertreter. Diese beeinflußten jedoch zunehmend die öffentliche Meinung, da die Kriegswirtschaft erkennbar schlecht funktionierte. So gehörte es in den ersten Kriegsjahren "zum guten Ton, von der deutschen Organisation zu schwärmen ... und heute [ = 1918] schwört man auf die Wirtschaftsfreiheit."59 1918 wurde denn auch die Opposition von Handel und Industrie gegen 'staatssozialistische Übergangspläne'[ immer heftiger.60 Von den vielen Stimmen sei der Geschäftsführer der Düsseldorfer Handelskammer, Otto Brandt, erwähnt. Brandt betonte schon 1915, daß es sich bei der Kriegswirtschaft um eine reine "Ausnahmewirtschaft" handle.61 Allerdings habe der Krieg dem Trend zum Staatsmonopol wieder mächtigen Auftrieb verschafft. Vor dem Krieg sei ihm "das gesamte deutsche Gewerbe in geschlossener Schlachtreihe" gegenübergestanden.62 Von diesem Widerstand könne jetzt nicht mehr gesprochen werden. Übersetzte Branchen und weniger leistungsfähige Betriebe erhofften sich von gesetzlichen Syndikaten bessere Überlebenschancen und gäben sich der Illusion hin, den Einfluß von Arbeitern, Staat und Konsumenten in diesen Verbänden auf Dauer abwehren zu können.63 Hatte die 'Volkswirtschaftliche Correspondenz' schon den Einfluß Wagners auf viele jüngere Beamte beklagt,64 so warnte Brandt nunmehr ebenfalls vor der Tatsache, daß die Ansichten Jaffes bei vielen Beamten auf fruchtbaren Boden fielen.65 Ähnlich wie Pohle und mit verblüffend einfacher Logik konzedierte Brandt dem 147 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Staat nur dort wirtschaftliche Eigentätigkeit, wo "sich kein leistungsfähiger Privatunternehmer findet, denn mit solchen Betrieben ist kein Geld zu verdienen."66 Öffentliche Wirkung und institutioneller Einfluß der Wirtschaft schlugen sich in der Struktur des Reichswirtschaftsamtes nieder, in dem die Interessen der Industrie gut berücksichtigt wurden und Vertreter der Wirtschaftsverbände dauernd präsent waren. Interessenegoismus und normale Interessenkonflikte zwischen dem neuen Amt und der Wirtschaft führten aber auch hier bald zu scharfer Opposition der Industrie.67 Als Ausdruck dieser Opposition ist eine aus Wirtschaftskreisen stammende Kampfschrift "Zum Kampf für die Freiheit der Wirtschaft" zu werten, die Jaffé, Schulze-Gävernitz, Ballod, Herkner, Möllendorff, Paul Lensch, und Rathenau undifferenziert als Protagonisten der Gemeinwirtschaft anklagte.68 Gerade SchulzeGävernitz hatte aber schon 1916, nachdem sich bereits große Ernüchterung hinsichtlich der Kriegswirtschaft bemerkbar machte, angedeutet, daß Calwer mit seiner Kritik übertreibe, aber wohl nicht ganz unrecht habe.69 Er befürwortete Eingriffe vor allem in der Grundstoffindustrie. In der verarbeitenden Industrie seien die Arbeiter wohlorganisiert, während sie in der Grundstoffindustrie der Übermacht der Kartelle ausgeliefert seien, was den "Verbandsverkehr" zwischen Kapital und Arbeit verhindere. Schulze-Gävernitz wollte das in der Schwerindustrie kaum funktionierende System institutionalisierten Interessenausgleichs durch staatlichen Eingriff herstellen bzw. kompensieren. Insgesamt, so Schulze-Gävernitz, werde der früher privatrechtliche

Organisationszwang

in der Übergangswirtschaft

ein

weitgehend öffentlich-rechtlicher werden.70 Kestner geschickt voranstellend, skizzierte Schulze-Gävernitz die Kartellpolitik einer parlamentarisch legitimierten Reichsregierung im Interesse der 'neuen' Industrien und des Mittelstandes.71 Einen Gegner der Verkehrswirtschaft wird man ihn deshalb kaum nennen können.

2. Die Finanzreform als Problem der Nationalökonomie Viele prinzipiell verkehrswirtschaftlich orientierte Nationalökonomen modifizierten ihre Haltung in einem Punkt: sie hielten die Einführung fiskalischer Staatsmonopole für nützlich oder gar unvermeidlich. Die Finanzpolitik spielte eine bedeutende Rolle in allen Übergangskonzepten und berührte eine damals wie heute aktuelle Problematik: die 'Krise des Steuerstaates'. Während des Ersten Weltkrieges stellte der Nominalwertüberhang und die Staatsverschuldung im Gefolge der Kriegsfinanzierung das akute Problem dar, das nur 148 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

auf dem Wege staatlicher Abschöpfung gelöst werden konnte. Hierbei galt es, eine Form zu finden, welche die private Akkumulationsfähigkeit nicht behinderte und den Staat finanziell wieder handlungsfähig machte. Das deutsche Steuersystem befand sich jedoch nach wie vor in einem desolaten Zustand; der Krieg hatte daran wenig geändert.72 Nach einer Schätzung Hallers wäre eine Steuerquote von 35% oder mehr zur Konsolidierung der Staatsfinanzen notwendig gewesen.73 Faktisch erledigte sich das Problem auf dem Wege der Hyperinflation und des folgenden Währungschnittes zu Lasten des Massenkonsums, der Nominalwertinhaber und ausländischer Geldgeber.74 Zunächst jedoch wurde die Suche nach einem effektiven System staatlicher Abschöpfung zu einem wesentlichen Problem der Übergangswirtschaft. Neben einem alle wirtschaftlichen und sozialen Gruppen belastenden Steuersystem waren staatliche Eigenwirtschaft und staatliche Beteiligung - eventuell gekoppelt mit einer einmaligen Vermögensabgabe - eine Option, welche die Akkumulationsfähigkeit des privaten Kapitals vielleicht weniger einschränkte als eine exzessive Steuerquote. Am weitesten gingen dabei Jaffé und vor allem Goldscheid, die den Staat über die Finanzpolitik langfristig in die Lage versetzen wollten, die Wirtschaft zu steuern. Auf eine Einwendung von Lotz, daß der Verein für Socialpolitik keine Generalversammlung zur Kriegs- und Übergangswirtschaft zustande gebracht habe,75 erwähnte Herkner den Plan, Gutachten der prominenten Vertreter der konkurrierenden Richtungen (Rathenaus, des Reeder Ballins u.a.) einzuholen.76 Aus dem Plan wurde nichts. Wie schon in der Frage der Zollannäherung beschränkte man sich auf eine Ausschußsitzung, auf der man zudem den engeren Bereich der Finanzpolitik diskutierte. Hier zeigt sich erneut der oben behandelte Rückzug des Vereins aus der Öffentlichkeit und seine Entwicklung zur reinen Fachtagung. Die Finanzreform, dabei vor allem das Für und Wider von Monopolen und einer Vermögensabgabe, standen also im Zentrum der Überlegungen der Nationalökonomie zur Übergangswirtschaft.77 Zu den ausgesprochenen Befürwortern von Staatsmonopolen zählten neben Jaffé Georg Bernhard und Ballod. Bernhard hoffte, durch Staatsmonopole in Schlüsselbereichen die "staatswirtschaftlichen Zwecke mit der privatwirtschaftlichen Initiative zusammmenkoppeln" zu können.78 Anders als Jaffé sprach er sich gegen eine einmalige Vermögensabgabe, aber nicht gegen Kriegsgewinnsteuern aus.79 Ähnlich argumentierte Ballod, der in Staatsmonopolen die einzige Möglichkeit sah, den Staatsbankrott zu vermeiden.80 Den Unternehmern hingegen sei die Abgabe lieber als Staatsmonopole, da sie das individualistische Prinzip nicht antasten und "ihr Recht auf Wiederbereicherung nicht geschmälert würde."81 149 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Genau deshalb setzte sich Felix Somary für die Vermögensabgabe ein. Er betonte die Notwendigkeit, die Inflation einzudämmen, eine Kapitalflucht als Folge langfristiger, hoher Besteuerung zu verhindern und gleichzeitig eine Produktivitätssteigerung zu bewirken.82 Eine besondere Kreditorganisation sollte die abzutretenden Effekten bzw. Hypotheken verwalten und so dem Staat große Mittel zuführen, ohne daß dieser selbst auf die Wirtschaft direkten Einfluß gewinne.83 Biermann trat ebenfalls für die Abgabe ein und empfahl größte Zurückhaltung bei Staatsmonopolen und Zwangskartellen.84 Zur Skepsis riet hier auch Eulenburg, der in der Einschränkung der staatlichen Bürokratie geradezu die Vorbedingung einer Produktivitätssteigerung sah. Am ehesten waren seiner Meinung nach die Elektrizitätswirtschaft, die Kohlevergasung und Stickstoffgewinnung der Monopolisierung zugänglich. Weder die Vermögensabgabe noch die Vorschläge Goldscheids erschienen ihm empfehlenswert.85 Auch Diehl kritisierte Goldscheid, erkannte aber die Notwendigkeit bestimmter Monopole an. Er betonte jedoch, daß "lediglich finanzielle Gründe maßgebend sein dürfen."86 Da man "fortwährend vom Pump gelebt und gar nicht daran gedacht haben, einmal die Steuerschraube anzuziehen," müsse man einen Teil der Kriegsschulden durch eine Abgabe rasch abbürden, um der langen steuerlichen Belastung der Wirtschaft zu entgehen.87 Gegen die Absichten, die Jaffé, Goldscheid und Rathenau mit der Vermögensabgabe verbanden, formulierte Diehl, daß "diese Vermögensabgabe ... nicht den Zweck haben" solle, "die privatwirtschaftliche Rentabilität in Frage zu stellen;" sie solle "nicht etwa ein Schrittmacher sein zu einer neuen sozialistischen oder gern ein wirtschaftlichen Gesellschaftsform." 88

Ähnlich argumentierte Schumpeter - der in einem historischen Exkurs die von Goldscheid behauptete wechselseitige Bedingtheit von Finanz- und Staatsverfassung darzustellen versuchte -89 obwohl er Goldscheids "Übertreibungen" nicht billigte.90 Im Gegensatz zu diesem erwartete Schumpeter keinen Zusammenbruch des Steuerstaates zumindest nicht als ökonomische Kriegsfolge. Wie Jaffé erkannte er die Grenze der direkten und indirekten Steuern in der Belastung der Produktivität. Allerdings war er hinsichtlich der Erträge der staatlichen Eigenwirtschaft eher skeptisch. Wenn sie überhaupt relevante Überschüsse bringen solle, müsse sie rein fiskalisch-privatwirtschaftlich betrieben werden.91 Da Schumpeter die Verringerung der Geldmenge als entscheidendes Problem erkannte, plädierte er ebenfalls für die einmalige Vermögensabgabe. Freilich sollten nur Geld- und Schuldtitel abgetreten werden und kein Produktivkapital, wie Goldscheid forderte. Mit gutem Grund zweifelte er jedoch an der politischen Durchsetzbarkeit der Maßnahme.92 Wie Diehl und Somary verstand er die Vermögensabgabe als 150 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

"nicht nur vereinbar mit freier Wirtschaft, sondern geradezu die dem Prinzip der Wirtschaftsfreiheit angemessene, es intakt haltende Methode, jener gerade entgegengesetzt, die die Maßregel für eine geeignete Handhabe zu einer Verstaatlichungsaktion hält." Denn "die Operation endet im Ofen, in welchem alle die Noten und Titres ... verbrannt werden müßten."93

Bis auf einige unvermeidliche Übergangsmaßnahmen wollte er die Rekonstruktion der möglichst ungehinderten Entfaltung der Konkurrenzökonomie überlassen. Ähnlich wie Kautsky meinte er, daß aus der "in ihrer Entwicklung zurückgeworfenen Volkswirtschaft" nicht "die soziale Gesellschaftsform der Zukunft" wachsen könne.94 Zwiedineck-Südenhorst und Liefmann verstanden die Abgabe gleichfalls als geeignetes Mittel, den Nominalwertüberhang schnell zu beseitigen und bald wieder ein niedriges Preisniveau zu erreichen.95 Selbst die Verstaatlichung des Kohle- und Kalibergbaus sei wegen der hohen Ablösungen unzweckmäßig, so Liefmann. Der Staat solle sich besser auf gesetzliche Preisregulierungen konzentrieren.96 Sofern aber Monopole eingeführt würden, sollten sie "ganz privatwirtschaftlich betrieben werden."97 In progressiven Einkommens- und Kriegsgewinnsteuern und in einer Vermögensabgabe sah er die bessere Dekkungsmöglichkeit.98 Gegen die Hoffnung Jaffés, durch Monopole die negative Wirkung hoher Verbrauchssteuern zu umgehen, argumentierte Goldstein, Monopole verhüllten nur die Steuer.99 Dies traf vornehmlich dann zu, wenn das Monopol fiskalisch betrieben wurde. Obwohl für Alfred Weber "nicht irgend welche staatssozialistischen Liebhabereien maßgebend" waren, sah er sich ähnlich wie Jaffé veranlaßt, "für möglichst große Teile des neuen Finanzbedarfs eine direkte Beteiligung am Produktionsprozeß selbst zu gewinnen."100 In der gesetzlichen Syndizierung und Besteuerung des Rohstoffhandels sah er den geeigneten Weg.101 Daneben machte er sich Gedanken über die konkrete Durchführung der Vermögensabgabe.102 Pragmatisch behandelte auch Mombert die Frage der Staatsmonopole.103 Im übrigen schlug er vor, das über einen gewissen Satz hinaus konsumierte Einkommen progressiv zu besteuern.104 Eine derartige Steuer war aber nur als ergänzende Personalsteuer sinnvoll. Der Göttinger Emeritus Cohn lehnte sowohl die Abgabe als auch Staatsmonopole ab. Statt dieser "Wunderkuren" empfahl er die "tapfere Fortbildung des gegebenen Steuerwesens."105 Neben vielfältigen wirtschaftlichen Störungen befürchtete Lotz im Falle der Parlamentarisierung die "demagogische Ausgestaltung der Progressionssätze" einer Vermögensabgabe.106 Auch Dietzel sah in der Abgabe eine "Torheit im Folioformat".107 Er setzte seine Haltung in der Frage der Kriegsfinanzierung fort, wenn er von langfristigen Steuern eine störungsfreiere und gerechtere Abbürdung erwartete.108 Herkner wollte dagegen die Vermögensabgabe, mit der alle natürlichen und juristi151 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

schen Personen belastet werden sollten, mit Monopolen auf Verbrauchsgüter (Strom, Kali Petroleum u.a.) kombinieren. Ergänzend sollten Reichseinkommens-, -Vermögens-, und -erbschaftssteuern eingeführt werden. Wie Jaffé warnte er, allzu große Hoffnungen in eine Kriegsentschädigung zu setzen.109 In den Überlegungen zur Neuordnung des Finanzwesens dominierte also gleichfalls der Gedanke, das verkehrswirtschaftliche System möglichst uneingeschränkt wiederherzustellen. Angesichts der inflationären Entwicklung und der gewaltigen Staatsschulden war es freilich mit den von Vertretern von Handel und Gewerbe geschätzten "volkswirtschaftlichen Argumenten ... aus der Rumpelkammer des seligen Manchestertums" nicht getan.110 Nur wenige Wirtschaftswissenschaftler glaubten wie Cohn und Dietzel, sich mit der Fortbildung der konventionellen Steuern begnügen zu können. Die Mehrheit war überzeugt, daß mehr Staatseinfluß und größere staatliche Abschöpfung zur Wiederherstellung der, prinzipiell staatsfrei verstandenen, Konkurrenzökonomie unvermeidlich seien. Selbst die Freunde von Staatsmonopolen und Zwangskartellen sahen sich unter erheblichen Legitimationsdruck gestellt. Sie begründeten ihre Forderungen vornehmlich mit der Notwendigkeit von Schuldentilgung und Produktivitätssteigerung, die ihnen zufolge eben nur durch Monopole und Kartelle zu erreichen waren. Besonders in den Vorschlägen und Begründungen Jaffés waren älteres etatistisches Wirtschaftsdenken, marxistische Vorstellungen und der sozialpolitische Impetus des Kathedersozialismus mit modernem Staatsinterventionismus eine originelle Verbindung cingegangen. Hingegen erscheinen die präziseren Vorschläge Goldscheids charakteristisch für die Annäherung mancher der jüngsten Gelehrten (so auch Wilbrandts, Neuraths und Heimanns) an sozialistische Ordnungsvorstellungen, was wiederum über den sozialpolitischen Horizont der ersten und zweiten Generation der Nationalökonomen weit hinausging.

3. Finanzrefarm und Sozialisierung: die Vorschläge Jaffés und Rudolf Goldscheids Jaffé kritisierte den Mangel einer zukunftsweisenden Perspektive in den Finanzreformplänen des Schatzamtes. Man stelle die gründliche Finanzreform ebenso zurück wie die politische 'Neuorientierung'.111 Insbesondere fehle der "Mut, an eine wirkliche Wegsteuerung von 3/ 4 oder 4/5 der Kriegsgewinne zu gehen. Wir haben eben keinen Lloyd George ... ."112 Selbst wenn man annehme, so Jaffé, daß England mit 50 bis 60 Milliarden Mark die Hälfte der Kriegskosten 152 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

trage,113 dürfe man nicht sicher damit rechnen. Ferner solle man sich nicht von dem Schein trügen lassen, daß Kosten im Krieg keine Rolle spielen. Nach dem Krieg werde die Finanzierungsfrage wieder an erste Stelle treten. An eine langfristige Tilgung sei nicht zu denken.114 Die vordringlichste Aufgabe sei die Beseitigung des Mißverhältnisses zwischen realer Gütermenge und fiktivem Reichtum in privater Hand. Gelinge dies nicht, müsse man mit einer beispiellosen "Preisrevolution" rechnen, die die Relation von Güter- und Geldmenge wieder herstelle. Durchaus realistisch antizipierte Jaffé also schon im Herbst 1917 die "ungeheure Katastrophe"115 der Hyperinflation für den Fall des Scheiterns. Nach Jaffé versagten konventionelle Steuermethoden angesichts dieser Aufgabe. Künftig seien Wege zu beschreiten, welche die Produktivkräfte nicht einschränkten, sondern nach Möglichkeiten förderten.116 Daneben habe das Finanzsystem die sozialen Kriegsfolgen zu kompensieren. Die Lage der Arbeiterschaft werde wesentlich von den Friedensbedingungen abhängen. Fielen sie ungünstig aus, so drohe vor allem ihr "Armut und Elend." In jedem Fall aber laufe die Mittelschicht Gefahr, "zerrieben zu werden zwischen der Masse der Handarbeiter ... und der dünnen, aber übermächtig gewordenen Schicht der Großunternehmer und Großrentner." Man dürfe nicht warten bis die "vorsichtigeren Geschäftsteilhaber der Frau Kupfer und Konsorten ... auf dem Wege der Fideikommißbildung und damit verbundener Nobilitierung ... sich selbst zu 'Führern der Nation' stempeln."117

In der Wirtschaft trügen vor allem Klein- und Mittelbetriebe die Last des Krieges, während Großindustrie und Landwirtschaft seine Vorteile genössen.118 Jaffé schlug daher eine einmalige Vermögensabgabe mit stark steigender Progression vor.119 Den Massenkonsum wollte Jaffé entlasten und dafür Massengenußmittel (Bier, Tabak) stärker belasten. Zu diesem Zweck hatte er schon 1915 neben einem staatlichen Petroleummonopol ein Zündholz-, Tabak- und Spiritusmonopol vorgeschlagen.120 Da Fleisch- und Getreidezölle aus militärischen Gründen aufrechterhalten werden müßten, plädierte Jaffé für ein staatliches Getreidemonopol zur Regulierung des Brotpreises. Die Arbeiterschaft sollte durch Erweiterung ihrer Mitspracherechte in Staat und Gemeinden für diese Opfer entschädigt werden. Durch staatlich festgelegte Mindestlöhne auf der Grundlage durchschnittlicher Lebenshaltungskosten sollte "die 'Ware' Arbeitskraft herausgehoben werden aus dem mechanischen Auf und Nieder von Angebot und Nachfrage, ... der Lohn muß so hoch sein, daß mit ihm zu den vom Staat gebilligten Preisen ein menschenwürdiges Dasein für den Arbeiter und seine Familie aufgebaut werden kann."121

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Eine 'Verbrauchseinkommenssteuer' nach dem Muster Momberts sei als Ergänzung sinnvoll, da sie den Konsum der wohlhabenden Schichten belaste.122 Die Kriegsgewinne wollte Jaffé nach englischem Vorbild wegsteuern und weitere Kriegsgewinne durch "energische Begrenzung der Preise" verhindern.123 Eine Reichserbschaftssteuer sollte ferner die soziale Wirkung der Vermögensabgabe und der Kriegsgewinnsteuern unterstützen.124 Für die danach verbleibende Schuld sah Jaffé nur zwei Deckungsmöglichkeiten: die Heranziehung privatwirtschaftlicher Reinerträge oder Überschüsse aus wirtschaftlicher Eigentätigkeit des Staates. Nun stehe Deutschland erstens ein geschulter Beamtenapparat zur Verfügung, zweitens sei seine Wirtschaft durch Organisation geprägt. Neben seinen Leistungen auf Staats- und gemischtwirtschaftlichem Gebiet könne Deutschland auf das Prinzip der Priorität des Gesamtinteresses zurückgreifen, wie es in Kartellen, Syndikaten und Gewerkschaften zum Ausdruck komme. Somit werde es Deutschland möglich, den zweiten Weg einzuschlagen und allmählich ein gemischtwirtschaftliches System herauszubilden.125 Die Steigerung der Produktion sei dabei nur möglich durch "Ausschaltung aller unwirtschaftlichen Konkurrenz und bei äußerster Ausnutzung aller Vorteile des großbetrieblichen Zusammenschlusses."126 Neben rein staatlichen Handels- und Energiemonopolen sollte die nötigenfalls durch staatlichen Zwang zu bewirkende Kartellierung der Industrie treten. Über eine entsprechende Abgabe sollte der Staat an der Produktivitätssteigerung partizipieren. Ferner könne der Staat durch Besteuerung der Rohmaterialien und/oder der Verkaufspreise Sparsamkeit und Verbil-

ligung der Endprodukte bewirken.127 Die steuerliche Begünstigung technisch fortschrittlicher Verfahren (Kohlevergasung, Gasfernleitungen, Nutzung der Wasserkräfte u.ä.) trage gleichermaßen zur Produktivitätssteigerung bei. Insgesamt verbinde dieses System der Produktionsbesteuerung die Konsolidierung der Staatsfinanzen ohne übermäßige Belastung des Konsums mit dem Erhalt und der Steigerune der volkswirtschaftlichen Produktivität.128 Mit seinen Vorschlägen unternahm Jaffé den Versuch, die bislang zwischen der Realität eines kurzatmigen Fiskalismus und der Notwendigkeit globaler Steuerung schwankende Finanzpolitik für letztere zu gewinnen. Seine Vorstellungen reflektierten den Trend von der "fiskalischen Finanz (Bedarfsdeckungsfinanz)" zur "ordnungspolitischen Finanz (Ordnungsfinanz)."129 Jaffé neigte dabei der problematischen Prämisse Wagners zu, die defizitäre Vergesellschaftungskapazität des Kapitalismus finanzpolitisch ausgleichen zu können. Daß der öffentliche und halböffentliche Betrieb zur Schuldentilgung beitragen werde, schien ihm kaum zweifelhaft; weniger optimistisch war er hingegen bei dem Problem, ob es gelinge, den öffentlichen Betrieb "vor 154 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

der Gefahr des Erstarrens im reinen Bureaukratismus zu bewahren."130 Die Gefahr der Bürokratisierung lag in der Tat auf der Hand und die oben skizzierten Argumente Max Webers wurden von Jaffé keineswegs widerlegt. Vor allem vernachlässigte Jaffé die Frage, wie er bei effektiver Abschöpfung im Rahmen von Zwangskartellen das Privatkapital daran hindern wollte, sich allmählich aus diesen Betrieben zurückzuziehen. Jeder Versuch, Gemeinwirtschaft auf dem Boden kapitalistischer Verkehrswirtschaft zu errichten, ist eine Fahrt zwischen Scylla und Charybdis: Übermäßige Beschränkung der privaten Verfügungsgewalt und der daraus resultierende Rückzug privaten Kapitals kann den Staat zwingen, immer mehr unternehmerische Funktionen direkt zu übernehmen, wobei meist die Vorteile der Konkurrenzökonomie verloren gehen. Eine zu geringe Einschränkung der privaten Verfügungsgewalt kann die Nachteile der Verkehrswirtschaft nur graduell kompensieren. Dem von Max Weber und Sombart wenig geschätzten Wiener Privatgelehrten und Mitbegründer der 'Deutschen Gesellschaft für Soziologie', Rudolf Goldscheid,131 blieb es vorbehalten, die bei Jaffé nur angedeutete Konzeption einer schrittweisen Transformation des Kapitalismus auf dem Wege der Finanzpolitik auszuformulieren. Seine Vorschläge waren zutiefst ,staatssozialistisch', wenn man darunter die Herbeiführung einer Vergesellschaftung der Produktionsmittel vermittels des bestehenden Staates versteht.132 Goldscheids Schrift, so ein zeitgenössischer Rezensent, habe "in allen Köpfen, auch in denen der massgebenden Regierungskreise dermassen revoltierend gewirkt," daß sich Vermögensabgabe und Monopole vermutlich leichter durchsetzen ließen als ohne seine Studie.133 Ein kleiner Hinweis läßt vermuten, daß zwischen Jaffé und Goldscheid gerade in finanzpolitischen Fragen ein Gedankenaustausch stattfand.134 Goldscheid modifizierte Plenges These von der gesellschaftsverändernden Potenz des Krieges; ihm galten Kriege als wesentliche Impulse für die Veränderung der Finanzverfassung. Über den Funktionszusammenhang von Staatsfinanzen und gesellschaftlicher Entwicklung wiederum gewannen Kriege auch für Goldscheid gesellschaftsverändernde Kraft.135 Der Erste Weltkrieg beschleunigte nach Goldscheid den schon vorher sich abzeichnenden Trend zur Konzentration von Reichtum in privater und Schulden in öffentlicher Hand. Da der Staat zur Schuldentilgung auf den privaten Reichtum angewiesen sei, stelle sich die Frage, ob der Staat infolge der immer engeren Verbindung von Staat und Wirtschaft in die Hand der Privatwirtschaft falle oder umgekehrt. Damit werde die Neuordnung der Finanzen zum zentralen Reformproblem.136 Die Beibehaltung des "Polizeisozialismus" der Kriegswirtschaft war für Golscheid gleichbe155 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

deutend mit der Konservierung bestehender Besitzverhältnisse, "verschärft durch die täuschende Maske des Sozialismus."137 Anders als Jaffé sah Goldscheid weder in der Erschließung neuer Finanzquellen durch Verstaatlichung einiger Produktionszweige, noch in der Einführung neuer Steuern einen Weg zur Minderung der Abhängigkeit des Staates vom privaten Kapital. Der Ankauf von Produktionszweigen erhöhe die Schulden und begünstige einen schwerfälligen Fiskalismus. Ein großer Teil der Steuern werde über die Staatskassen als "Durchzugskanal" in die Kasse der Kapitalmagnaten fließen und damit den Verteilungskampf zugunsten des Privatkapitals entscheiden.138 Nur auf dem Wege über den "Finanzsozialismus", also über die Aneignung von etwa einem Drittel des gesamten privaten Anlagekapitals könne der Staat vom größten Schuldner zum "mächtigsten Kapitalisten" werden. Erst jetzt werde es ihm möglich, seine Schulden zu decken und im Interesse einer Produktivitätssteigerung die "Intensifikation der Volkswirtschaft"139 durchzusetzen. Dabei habe der Staat die Ziele der "Warenökonomie" und der "Menschenökonomie"140 auszugleichen. Der Krieg habe den "Genius der Masse"141 offenbart und es gelte, in Zukunft mit dem menschlichen Kapital sparsam umzugehen. Weniger einem ethischen Postulat als der Erkenntnis folgend, daß die menschliche Arbeitskraft die wichtigste Produktivkraft ist, wollte Goldscheid ihre Qualifikation und ihre Reproduktionsbedingungen verbessern.142 Wie Jaffé war er bestrebt, der Arbeit ihren Warencharakter zu nehmen und sie dem wechselvollen Spiel der Konjunktur zu entziehen. Den Vorschlag einer einmaligen Vermögensabgabe baute er zum Angelpunkt seines "sozinl orientierten Staatskapitalismus" aus.143 Je länger der Krieg anhalte, so Goldscheid, desto größer werde der Teil des privaten Kapitals, den der Staat sich aneignen müsse. Er werde dann zum "Preisregulator" und "Leistungsregulator".144 Dabei bleibe die privatwirtschaftliche Funktionsweise zunächst unangetastet; allein der Staatsbesitz nehme auf Kosten des Privatbesitzes zu. Durch die relative Unabhängigkeit von Steuern könnten Produktion und Konsumtion von den vielfältigen Belastungen durch Abgaben, Zölle und die Fiskalbürokratie entlastet werden. Ferner würde es möglich, die Steuer zum Instrument sozialer Gerechtigkeit zu machen, während ein Sammelsurium von Steuern Mittelstand und Proletariat weiter bedrücke. Der Staat könne durch Ausbau der Infrastruktur, umfassende Sozialpolitik, Subventionen und Kredithilfen eine gezielte Wirtschaftspolitik finanzieren. Dadurch werde die Kokurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt sowie die Anpassungsfähigkeit bei Strukturund Konjunkturkrisen verbessert.145 Wie Schmoller, Jaffé, SchulzHausmann und andere wollte Goldscheid den Staat als Großaktionär bei Kapitalgesellschaften und als Kompagnon bei reinen Privatfirmen 156 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

einsetzen; kleinere Betriebe sollten den staatlichen Teilhaber geldlich ablösen dürfen.146 Dem Vorwurf der ökonomischen Inkompetenz des Staates hielt Goldscheid die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Regiebetriebe und Versicherungen entgegen. Tatsächlich sei die partielle staatliche Inkompetenz nur ein Symptom der ökonomischen Ohnmacht des Staates. Langfristig aber würden Staat und Wirtschaft durch beiderseitiges Interesse an hohen Gewinnen zu gedeihlicher Kooperation kommen.147 Dem Argument der "Demokratisierung des Besitzes" durch Verbreitung von Wertpapieren hielt Goldscheid zu Recht die Konzentration von Verfügungsgewalt entgegen.148 Insbesondere die großen Kartelle würden wie öffentliche Institute wirken, ohne jedoch öffentlicher Kontrolle zu unterliegen. Aus der faktischen Dominanz des Großkapitals resultierte nach Goldscheid das "Siechtum des Parlamentarismus," 149 dem nur die effektive Kontrolle des Staates über die Wirtschaft abhelfen könne. Erst wenn der Staat zum "Herrn der Wirtschaft" aufsteige,150 werde "zugleich das Volk zum mächtigsten Kontrollor der Privatwirtschaft ..., während heute im Gegenteil alle politische Demokratie daran scheitert, daß sie nicht in einer gleich weit fortgeschrittenen wirtschaftlichen Demokratie ihre notwendige Ergänzung findet."151 Da die herrschenden Klassen kaum an einem "finanziell konsolidierten, kraftvoll auf sich selbst gestellten Staat" interessiert seien,152 kam für Goldscheid nur die Sozialdemokratie als möglicher Träger seines Konzepts in Frage. Nur wenn die Arbeiterbewegung sich im Gegensatz von Kapital und Arbeit entschlossen auf die Seite des Staates stelle, könne sie diesen aus seiner "Hörigkeit" befreien und sich selbst "stetig mehr in seine Einflußsphäre ... drängen."153 Die Sozialdemokratie müsse den Staat jedoch grundsätzlich bejahen, auf eine Erweiterung der Staatsfunktionen hinarbeiten und im Zuge einer konkurrierender Haushaltspolitik eine "sukzessive Sozialisierung" bewirken.154 Die Vergesellschaftung der Produktionsmittel könne nur als allmähliche "Verstaatlichung der Produktionsmittel Wirklichkeit werden."155 Indem der Staat auch außen- und handelspolitisch dem Kapitalinteresse entzogen werde - unter anderem durch Außenhandelsmonopole und Naturallieferungsverträge - würden nunmehr auch friedliche Völkerbeziehungen möglich.156 Insgesamt verhelfe so der Krieg dem Sozialismus zum Durchbruch. Freilich liege die angedeutete Entwicklung nicht in der Konsequenz eines ökonomischen Automatismus, sondern müsse erkämpft werden: vom Volk gegen das Großkapital.157 Deutlicher als Jaffé versuchte Goldscheid, den bestehenden Staat zum Instrument einer Politik des schrittweisen Überganges zum Sozialismus zu machen. Wenn Goldscheid formulierte, daß sowohl der Staat zum Bewußtsein seiner Lage als auch das Volk den Einblick 157 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

in seine historische Situation gewinnen müsse,158 daß sich die Arbeiterklasse als "staatsbefreiende Klasse"159 fühlen solle und der Staat seinem Wesen nach keineswegs immer bestimmte Klasseninteressen vertrete,160 so kann man den lassalleanischen Charakter dieser Transformationskonzeption kaum verkennen.161 Der Linkssozialismus konnte sich dagegen auf Marx berufen, wenn er die Instrumentalisierung des bürgerlichen Staatsapparates ablehnte.162 Insgesamt blieben die Vorstellungen über die Funktionsweise einer vollsozialisierten Wirtschaft sowohl bei Marx und Engels wie bei den verschiedenen sozialdemokratischen Theoretikern vage.163 Goldscheid war sich immerhin der Gefahr bewußt, daß im Laufe eines langfristigen Prozesses der Erhalt der bestehenden Ordnung durch die Arbeiterbewegung zunehmend Priorität gewinnen kann gegenüber dem Ziel ihrer Überwindung. In diesem Fall führte die beabsichtigte Instrumentalisierung des existierenden Staates zur Identifikation mit diesem unter schrittweiser Aufgabe der eigenen wirtschaftspolitischen Ziele.164 Wie weit diese Identifikation mit dem vermeintlich gemeinwohlorientierten Staat schon im Kriege gediehen war, zeigt exemplarisch die mit Plenge zusammenarbeitende Lensch-Cunow-Hänisch-Gruppe. Goldscheid und Jaffé hatten aus den Erfahrungen der Kriegswirtschaft Ansätze einer parallelen Demokratisierung der Wirtschaft durch Ausdehnung des wirtschaftlichen Einflusses des parlamentarischen Staates formuliert; beide nahmen auch die Vorstellungen Wagners und Schmollers auf. Die Wissell-Möllendorffschen Gemeinwirtschaftspläne sowie das von Naphtali und Hilferding Ende der 1920er Jahre entworfene

Konzept

der

'Wirtschaftsdemokratie'

setzten

einige

Grundgedanken Goldscheids und Jaffés fort.165 Sozialdemokratische Rezensenten hielten Goldscheid den Schematismus seiner Vorschläge und die Verkennung des Herrschaftscharakters des Staates vor.166 Ein Blick auf einige wirtschaftspolitische Überlegungen der Sozialdemokratie zeigt jedoch, wie weit der Staatssozialismus hier schon an Boden gewonnen hatte.

4. Staatssozialismus und Sozialdemokratie einige Aspekte des Wandels sozialdemokratischer Übergangskonzeptionen Staatssozialistische Tendenzen wurden schon in der bürgerlichsozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft von 1915 sowie in der Argumentation des 'Glocke'-Kreises deutlich.167 Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Paul Lensch setzte sich 1915 mit der Kritik Kämmerers und der Polemik des Hamburger Bankiers Schinckel gegen Staatsmonopole auseinander.168 Er begrüßte 158 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

das Argument Jaffés, daß der Kapitalismus nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus politischen Gründen zum "Übergang der Privatmonopole in Verwaltung und Besitz des Staates" zwinge. Die inneren Spannungen würden dem "Wirtschaftsfeudalismus" zuwiderlaufen.169 Die Elektrizitätserzeugung sei schon jetzt monopolreif; die Verstaatlichung der Schwerindustrie sei durch Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Höchstpreise und Mindestlöhne vorzubereiten.170 Der Sozialdemokrat Heilmann forderte gar: "Der Staat muß über den gesamten Kapitalprofit herrschen und hat es heute schon teilweise erreicht."171 Nicht nur die 'Glocke',172 auch die 'Sozialistischen Monatshefte' plädierten für gezielte Verstaatlichungen hochkonzentrierter Branchen unter Berücksichtigung der politischen und sozialen Belange der Arbeiterklasse. Wie Lensch und Jaffé war man auch hier der Überzeugung, "daß die in der Kriegszeit geschaffenen Einrichtungen ein Stück Sozialismus im Kapitalismus ... geschaffen haben."173 Der Reichstagsabgeordnete Fischer forderte die bewußte Fortsetzung dieser Entwicklung, vor allem durch die Verstaatlichung der Elektrizitätserzeugung und des Bergbaus.174 Für ihn war "der Sozialismus im wesentlichen nichts anderes, als die Übertragung des Staatsgedankens auf die Volkswirtschaft und das soziale Leben."175 1917 kritisierte der Reichstagsabgeordnete Peus diese eilfertige Gleichsetzung von Kriegswirtschaft und Sozialismus.176 Realistisch stellte auch der 'Vorwärts' 1916 fest, daß die Verstaatlichung nur dann im Interesse der Arbeiterschaft läge, wenn ein demokratischer Staat sie vornehme, andernfalls könne sie gerade das Gegenteil einer Verbesserung der Lage der Arbeiter bewirken.177 Vorsichtiger als in den früheren Jahren äußerten sich nun auch Umbreit und Fischer.178 Immerhin erschien 1918 eine umfangreiche Abhandlung Fischers, die überraschende Parallelen zu Jaffé aufwies. Dessen Vorstellung, unter den Bedingungen des Industriestaates die Genossenschaftlichkeit vorkapitalistischer Epochen wieder aufzunehmen, galt auch Fischer als Ziel des praktischen Sozialismus.179 Ähnlich wie Jaffé sah er in der Kapitalkonzentration und dem Vordringen staatswirtschaftlicher Unternehmen die allmähliche Sozialisierung voranschreiten.180 In drei wesentlichen Tendenzen erkannte er die Vorbereitung des Sozialismus: erstens im faktisch öffentlichen Charakter des Großbetriebes, der schließlich dessen öffentlich-rechtliche Verwaltung erfordere; zweitens in der "Revolutionierung des Staatswesens in sozialistischer Richtung"181 und drittens in der Weiterentwicklung des Genossenschaftswesens und des 'Kommunalsozialismus'.182 Noch staatssozialistischer war die 1917 erschiene Gemeinschaftsarbeit von Jansson, Hue, Schippel und Cunow.183 Auch die Gewerkschaftsführer Hue und Jansson betonten den Zusammenhang von Staatsschuldentilgung und Monopolisierung wichtiger Branchen, die 159 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

die Arbeiterschaft unterstützen und beeinflussen solle. Cunow sah im Entstehen der Kartelle ebenso eine neue Wirtschaftsstufe wie im Übergang zur industriellen Großproduktion; beide Stufen mündeten seiner Überzeugung nach in die Dominanz von Privatmonopolen, die besonders unter fiskalischen Aspekten - er berief sich dabei auf Wagner - in Staatsmonopole umzugestalten seien.184 Schippel glaubte, daß die Arbeiterklasse nicht die Wahl habe zwischen Kapitalismus und Sozialismus, sondern zwischen Mischgebilden, die mehr im Interesse des Kapitals oder mehr in dem der Arbeiterschaft lägen.185 Jansson empfahl daher, das "Hauptgewicht auf die Forderung der Staatsmonopole" zu legen.186 Je stärker der Einfluß der Arbeiter in den Parlamenten werde, desto mehr wachse ihr Einfluß auf die Monopole. Er wich folgerichtig von den Vorstellungen Heilmanns ab, wenn er die vollständige Parlamentarisierung zur Voraussetzung des Konzepts machte.187 Eine interessante Variante stellten die Überlegungen Kautskys dar. Er rechnete mit einer kapitalistischen Übergangswirtschaft. Sozialdemokratische Politik dürfe daher nicht von der Interessenharmonie ausgehen, sondern müsse politischen Einfluß nehmen, damit künftige Produktivitätsfortschritte nicht dem Kapital allein zugute kommen.188 Diese Einschätzung zeichnete sich durch größeren Realismus aus als die Hoffnungen Fischers, Jaffés, Lenschs und anderer; andererseits vertrat der nunmehr den Unabhängigen Sozialdemokraten angehörige Kautsky keine prinzipiell andere Haltung. Er formulierte eine seit 1918 vermutlich zunehmend verbreitete Einstellung, wenn er glaubte, daß die Herbeiführung des Sozialismus unter den Bcdingungen der Übergangswirtschaft "nicht das Ziel unserer [= sozialdemokratischen] Sehnsucht zu sein brauche."189 Dennoch hoffte auch er, mit der Verstaatlichung des Bergbaus eine "Hochburg des Kapitalismus" schleifen zu können.190 Die Mehrheit der Sozialdemokratie hatte sich - wie Cunow vor dem Parteitag von 1917 resümierte -191 von der Vorstellung einer schlagartigen Eroberung der Staatsmacht mit nachfolgender expropriativer Vollsozialisierung zugunsten der allmählichen Demokratisierung der Wirtschaft auf dem Wege der Verstaatlichung gelöst. Damit hatte sie eine deutliche Annäherung an die Vorstellungen mancher bürgerlicher Gelehrter, Politiker und Beamten vollzogen. Die Referate und Verhandlungen des Kriegsparteitages belegen den staatssozialistisch-wirtschaftsdemokratischen Kurs.192 Das 'Büro für Sozialpolitik' seinerseits stellte im Frühjahr 1918 fest: "Immer deutlicher macht sich innerhalb der Sozialdemokratie die Befürchtung bemerkbar, dass mit dem Abbau des Kriegs-Sozialismus zugleich hoffnungsvolle staatssozialistische Ansätze vernichtet werden könnten. Damit vertieft sich zugleich der

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Gegensatz zwischen den liberalen Kreisen des Hansabundes einerseits und der Sozialdemokratie andererseits."193

Nicht nur die Haltung der Kriegswirtschaftsbeamten Sichler, Tiburtius und Möllendorff, sondern auch die Tagebuchnotizen des Bethmann-Hollweg-Vertrauten Kurt Riezler194 lassen den Schluß zu, daß eine Minderheit aufgeschlossener Beamter dem wirtschaftspolitischen Kurs der Sozialdemokraten etwas entgegenkommen wollte, um sie desto sicherer in den bestehenden Staat integrieren zu können.

5. 'Wirtschafisliberalismus versus Staatssozialismus' und die Reichstagsrede von Schulze-Gävernitz im Mai 1918 Wiese versuchte, die konkurrierenden Ordnungsmodelle idealtypisch gegeneinander abzugrenzen. Er unterschied den Wirtschaftsliberalismus basierend auf freier Verkehrswirtschaft und Privateigentum von der im Prinzip verkehrslosen Gemeinwirtschaft des Sozialismus auf der Grundlage öffentlichen Eigentums. Während der Staatssozialismus sich die Einführung des Sozialismus durch den bestehenden Staat erhoffe, erwarte der "Klassensozialismus" dies von der politischen Aktion der Klasse. Schließlich seien Staatssozialismus und Sozialreform zu unterscheiden, die- obwohl beide Begriffe häufig synonym gebraucht würden - keineswegs identisch seien.195 Daß in der Arbeiterbewegung "die Tendenz zum Staatssozialismus mehr als die zum Klassensozialismus zugenommen hat," konstatierte Wiese schon 1916196 und erklärte dies mit der Krise des Marxismus.197 Wiese differenzierte ferner zwischen absolutem und relativem Staatssozialismus; unter letzterem verstand er die staatlich regulierte Verkehrswirtschaft. Bestimmte Merkmale des Merkantilismus als Beispiel einer staatlich regulierten, aber nicht verkehrslosen Wirtschaft hätten sich in allen entwickelten Staaten nach der Jahrhundertwende wieder eingestellt. Obwohl die Bedürfnisse der Kriegswirtschaft diese Entwicklung verstärkt hätten und der nach dem Kriege zu erwartende Finanzbedarf des Staates sowie der Organisationsprozeß der Wirtschaft ihr weiter entgegenkämen, sei die konsequente Fortführung dieses Trends keineswegs so zwangsläufig wie manche meinten.198 Wiese selbst hielt die Prämisse, daß die Verkehrswirtschaft langfristig immer den optimalen Ausgleich privater und gesellschaftlicher Zwecke herstelle, auch unter den zeitgenössischen Bedingungen für richtig. Trotz der Konzentrations- und Organisationsprozesse finde eine restlose Eliminierung der Konkurrenz weder in den Unternehmensorganisationen noch innerhalb der Verbände statt. Im übrigen habe bereits der Libe161 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

ralismus anerkannt, daß es Kollektivbedürfnisse gäbe, welche in die Kompetenz öffentlicher Körperschaften fielen. Freilich sollten diese Eingriffe ihre Grenze dann finden, wenn sie auf eine staatssozialistische Ordnung zielten.199 Mit der Devise: "Nicht Gemeinwirtschaft oder privater Wettbewerb, sondern eine neue und vollkommene Einheit aus beiden Elementen!" umriß er sein eigenes Ordnungskonzeot.200 Zweifellos hatte Wiese damit die herrschende Meinung der Wirtschaftswissenschaft deutlich umrissen und von den konkurrierenden Konzepten des extremen Wirtschaftliberalismus à la Pohle und Voigt wie des Staatssozialismus unterschieden. Benutzt man die Definitionen Wieses, so kann man Wagner, Jaffé, Goldscheid, Cunow, Lensch, Möllendorff und Rathenau als Protagonisten eines relativen Staatssozialismus bezeichnen, während als absoluter Staatssozialist allenfalls Neurath in Frage kommt. Georg Bernhard, Fischer und Jastrow standen zwischen relativem Staatssozialismus und staatsinterventionistischem Wirtschaftsliberalismus. Freilich sind derartige Eingruppierungen immer nur unter Vorbehalt möglich. Die Mehrheit der Nationalökonomen jedenfalls lehnte selbst den relativen Staatssozialismus strikt ab und war allenfalls hinsichtlich der Dimensionen des subsidiären Staatseingriffs geteilter Meinung. Während die Sozialdemokratie dazu tendierte, in der Verstaatlichung den erfolversprechendsten Weg zur langfristigen Realisierung ihrer Ordnungsvorstellungen zu erkennen, plädierte die Nationalökonomie für den Staatseingriff um genau das zu verhindern. Plengc unterstellte Wiese in der ihm eigenen Art der Begriffsverwirrung eine "konservative Gesinnung" und warf ihm vor, nicht "umlernen" zu können. "Im Endeffekt sind die Gegensätze von Liberalismus und Sozialismus nicht so groß als Wiese sie darstellt," resümierte er seine Kritik.201 Ihrem objektiven Gehalt nach wiesen Plenges Vorstellungen wirtschaftspolitisch in die gleiche Richtung wie Wieses Plädoyer für einen gemäßigt-staatsinterventionistischen Wirtschaftsliberalismus. Die konservative Formierungsideologie verleitete dazu, Gegensätze zu sehen, wo realiter keine waren. Sein "Sozialismus ohne Sozialisierung"202 verband die herrschende Auffassung nur mit einem konservativen ideologischen Konzept. Charakteristisch für die Kontroverse um die zukünftige Wirtschaftsordnung erscheint die Reichstagsdebatte über die künftigen Aufgaben des Reichswirtschaftsamtes im Mai 1918. Der Sprecher des Zentrums begrüßte zwar das neue Amt, warnte aber, es zum Instrument staatssozialistischer oder gar "kommunistischer" Konzepte à la Rathenau und Möllendorff zu machen, deren Ideen bei einem Teil der Beamtenschaft Anklang gefunden hätten. Die Kriegswirtschaft habe "dem deutschen Volk über solche Experi162 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

mente die Augen geöffnet."203 Der Sozialdemokrat Südekum hielt seinem Zentrumskollegen entgegen, daß die Epoche der freien Wirtschaft endgültig vorüber sei. Insbesondere der Konzentrationsprozeß der Industrie gestatte nurmehr eine Alternative: "gebundene Wirtschaft unter der unbeschränkten Herrschaft der Kapitalmagnaten oder geleitet, gezähmt im Interesse der Allgemeinheit durch eine starke staatliche Hand. Das ist der Gegensatz!"204 Auch angesichts des zu erwartenden Wirtschaftskrieges sei die staatliche Übergangswirtschaft nur als langfristige Veranstaltung denkbar. Trotz mancher Differenzen mit Rathenau sei dessen Einschätzung der gesellschaftlichen Lage und der künftigen Aufgaben "unerschütterlich, und niemand hat das Recht, sich den Konsequenzen solcher Feststellungen zu entziehen."205 Wie oben gezeigt, entsprachen diese Ausführungen der mehrheitlichen Haltung der Sozialdemokratie und der bürgerlichen Freunde des Staatssozialismus. Schulze-Gävernitz kommentierte: "Wenn ich ... Herrn Kollegen Südekum ... richtig verstanden habe, so stand Südekum voll und ganz auf dem Boden dieses Staatssozialismus, den Gegenwartsstaat allmählich umzubilden zum Träger des Sozialismus." Beide Systeme, der Staatssozialismus wie die reine Verkehrswirtschaft, seien aber "versucht und zu leicht befunden worden." Der gegenwärtige Sozialismus trage "eine Art Januskopf. Mit der einen Seite blickt er gewiß in die Zukunft ..., aber mit der anderen Seite blickt er in die preußisch-deutsche Vergangenheit, zum Beispiel noch sehr deutlich bei Lassalle."206 Freilich sei eine rein manchesterliche Wirtschaft, wie das Beispiel Englands gezeigt habe, undurchführbar; sie führe "über unzählige Leichen zum Monopol weniger Großer." Bis in die Formulierung hinein stimmte Schulze-Gävernitz mit Wiese überein, wenn er die "Synthese der staatssozialistischen und freiwirtschaftlichen Ordnung" propagierte. Praktisch vorgeführt werde diese Synthese, so Schulze-Gävernitz, von der Reichsbank. Das deutsche Bankwesen sei prinzipiell privat geblieben, allerdings habe die Reichsbank auf dem Wege "freiwilligen Zwangs" eingegriffen und mittels der Großbanken eine gewisse Wirtschaftslenkung erreicht. In gleicher Weise solle das künftige Reichswirtschaftsamt "volkswirtschaftliche Gesichtspunkte" besonders gegenüber den "Riesenunternehmungen der Schwerindustrie" durchsetzen, währendKleingewerbe, verarbeitende Industrie und Landwirtschaft frei bleiben sollten. Angesichts der Tatsache, daß privates Gewinnstreben immer noch der stärkste Motor des Produktivitätsfortschrittes sei, gelte auch in Zukunft die Devise: "im Zweifel für das freie Unternehmen! Ich [ = Schulze-Gävernitz] glaube, daß ich damit den Standpunkt meiner gesamten Fraktion vertrete." Südekums von Rathenau übernommener Grundsatz 'Freie Bahn dem Tüchtigen!' jedenfalls passe eher zur freien als zur bürokratischen Wirtschaft, die 163 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

der Krieg hervorgebracht habe.207 Freilich solle der Staat private Monopole beaufsichtigen und die Interessen von Arbeitern und Konsumenten geltend machen. Die drückenden Verkehrssteuern sollten beseitigt und dafür direkte Einkommens-, Vermögens- und Erbschaftssteuern eingeführt werden, welche die Vermögen erst belasten, nachdem sie entstanden seien. Ferner sei eine Übergangswirtschaft ohne jegliche Staatsaufsicht nicht vorstellbar; andererseits, so hielt er Südekum entgegen, sei die Übergangswirtschaft nur "ein notwendiges Übel," das "verschwinden soll baldmöglichst, ..., lieber in Monaten als in Jahren."208 Erkannte Plenge seinerzeit in der Reichsbankpolitik die Möglichkeit zur indirekten Steuerung des Geldmarktes und darüber hinaus der Volkswirtschaft, so plädierte Schulze-Gävernitz gleichfalls für eine indirekte Steuerungsfunktion des Staates im Rahmen der Verkehrswirtschaft. Die indirekte Steuerung sollte den optimalen Ausgleich langfristiger System- und kurzfristiger Profitinteressen garantieren. Die auch von Schmoller, Gothein und anderen geforderte Verstaatlichung oder Staatsaufsicht im Bereich der hochkonzentrierten Grundstoffindustrie entsprach einerseits dem Bedürfnis der übrigen Wirtschaft nach günstigen Grundstoffpreisen, dem Finanzbedarf des Staates und andererseits der Notwendigkeit, ein Machtzentrum zumindest zu neutralisieren, gegen das Wirtschaftspolitik und - im Falle der Sozialliberalen - gesellschaftliche Reformpolitik nicht zu machen war. Insgesamt vertrat Schulze-Gävernitz im Reichstag durchaus die herrschende Meinung der Nationalökonomie. Der nationalliberale Abgeordnete Rießer - der neben dem Sprecher der Konservativen am prägnantesten die Interessen der Wirtschaft formulierte -209 warf Schulze-Gävernitz vor, den Gegenpol des von Südekum vertretenen Staatssozialismus allzu abstrakt manchesterlich konstruiert zu haben.210 Tatsächlich war diese Konstruktion eher ein rethorisches Produkt; es ermöglichte Schulze-Gävernitz, seine marktwirtschaftliche Position, wie schon in der Debatte über das Leuchtölmonopol, den Sozialdemokraten als mittlere Linie anzubieten, die diesen den Kompromiß erleichtern sollte. Der Leiter des neuen Amtes, Staatssekretär v. Stein, forderte in seiner Antwort an die Abgeordneten zwar ausgreifende Kompetenzen zur Gestaltung der Übergangswirtschaft, betonte aber ausdrücklich deren temporären Charakter. Im übrigen hoffte er, daß die Industrie sich angesichts möglicher gesetzlicher Maßnahmen freiwillig zusammenschließen werde.211 Er teilte also die Erwartungen, die SchulzeGävernitz hinsichtlich des 'freiwilligen Zwangs' hegte. Positive Resonanz erhielt Schulze-Gävernitz aus der Industrie - vom Direktor der Stuttgarter Daimler-Motorenwerke, Riebensahm.212 164 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Der Konflikt zwischen Reichswirtschaftsamt, Kriegsrohstoffabteilung und Industrie hielt das ganze Jahr 1918 hindurch an. Zusammenbruch und Revolution, vor allem die Arbeitsgemeinschaft zwischen Unternehmern und Gewerkschaftern verurteilten die Pläne des Reichswirtschaftsamtes, das sich zunächst hatte behaupten können, zum Scheitern.213

6. Der Kampf um die Wirtschaftspolitik nach der Novemberrevolution ein Ausblick Unter dem Eindruck der Novemberrevolution führten die vereinzelten Kontakte zwischen Gewerkschaftsführern und Großindustriellen zum 'Stinnes-Legien-Abkommen', mit dem die gegenseitige Anerkennung und Zusammenarbeit beschlossen wurde. Den Gewerkschaften erschien das Abkommen als erfolgreiche Fortsetzung ihres Bemühens um Parität. Man glaubte jetzt, daß sich die Übergangswirtschaft nicht für das 'Experiment' einer transformatorischen Sozialisierung eigne. Das Scheitern der Sozialpolitik des Reichswirtschaftsamtes im letzten Kriegsjahr förderte die Überzeugung, daß durch Vereinbarung mit den Unternehmern mehr zu erreichen sei als durch mögliche Maßnahmen des faktisch zusammengebrochenen Staates. Seit dem Hilfsdienstgesetz mußte auch die Großindustrie erkennen, daß gegen die Gewerkschaften das Problem der Demobilmachung nicht zu bewältigen war, zumal der traditionelle Bündnispartner, der Mittelstand, sehr geschwächt war. Die autonome Vereinbarung von Kapital und Arbeit wurde - obwohl sie in beiden Lagern auf Kritik stieß - zur wesentlichen Determinante der künftigen Wirtschaftspolitik.214 Es konkurrierten jetzt drei Ordnungskonzeptionen: Die traditionellen Sozialisierungsvorstellungen hatten durch die Revolution neuen Auftrieb erhalten. Verbunden mit dem Modell der Räteorganisation wurde sie vor allem von den Unabhängigen Sozialdemokraten und Kommunisten getragen. Die Mehrheitssozialdemokratie schwankte zwischen Sozialisierung und der Gemeinwirtschaftskonzeption des Reichswirtschaftsministeriums. Dagegen stand die Verkehrswirtschaft, deren Protagonisten sich im Grad des geforderten Staatseinflusses unterschieden. Faktisch hatten sich auch die Gewerkschaften für letztere entschieden.215 Unter dem Eindruck der Probleme der Übergangswirtschaft - für deren Lösung die konkurrierenden Ordnungsmodelle nur wenig konkrete Handlungsanweisungen aufzuweisen hatten -216 verfolgte der 'Rat der Volksbeauftragten' eine dilatorische Politik. Er sah sich 165 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

schließlich gezwungen, quasi als Palliativ eine Sozialisierungskommission einzuberufen, die entsprechende Vorschläge ausarbeiten sollte; im übrigen beschränkte er sich auf Sozialpolitik, die schon im Programm der letzten kaiserlichen Regierung gestanden hatte.217 Kautsky führte den Vorsitz und Heimann das Sekretariat der Sozialisierungskommission, der Ballod, Francke, Lederer, Wilbrandt, Vogelstein, Hilferding, Cunow, Hue und später noch Umbreit und Schumpeter angehörten. Das Programm der Kommission vom Dezember 1918 hatte moderat gemeinwirtschaftlichen Charakter; es zielte auf die Schaffung gemeinwirtschaftlicher Sektoren innerhalb der Verkehrswirtschaft.218 Vogelstein hatte die Möglichkeiten der Komission richtig eingeschätzt, wenn er von vornherein von ihrer Nutzlosigkeit überzeugt war. Die Sozialisierungsfreunde Ballod, Lederer und Wilbrandt waren für ihn "3 wildeewordene Professoren."219 In Konkurrenz zur Sozialisierungskommission und den übrigen mit der Wirtschaftspolitik befaßten Ressorts, die auf baldige Herstellung der Wirtschaftsfreiheit drängten, verfolgte das Reichswirtschaftsamt bzw. -ministerium unter Rudolf Wissell und Möllendorff (als Unterstaatssekretär) seine Gemeinwirtschaftskonzeption. Der Rat der Volksbeauftragten und die Regierung Scheidemann verhielten sich auch hier abwartend.220 Die Pläne Wissells und Möllendorffs waren ein Produkt des Kriegssozialismus. Sie waren von der Überzeugung getragen, daß die modifizierte Weiterführung der Kriegswirtschaft den Anforderungen der Übergangs- und Friedenswirtschaft am ehesten gerecht würde. Gesetzliche Syndikate, Kartelle und Berufsverbände sollten auf paritätischer Grundlage und öffentlich kontrolliert die planmäßige Produktion im Interesse des Gemeinwohls garantieren, ohne das Privateigentum zunächst anzutasten. Komplementär zur politischen sollte eine wirtschaftliche Demokratisierung erfolgen. Durch reibungslose Zusammenschaltung von Interessen und Produktionsstufen hoffte man eine Produktivitätssteigerung zu erreichen. Die Verstaatlichung trat dabei hinter die Selbstverwaltung zurück. Räteorganisation und Zentralarbeitsgemeinschaften sollten in die Selbstverwaltung integriert werden. Allerdings erwog man die Beteiligung des Staates am Produktivkapital auf dem Wege der Vermögensabgabe sowie konjunkturpolitische Maßnahmen, für die dem Staat ein 'Reichsfonds' bereitgestellt werden sollte. Insbesondere Möllendorff, aber auch der vom handwerklichen Milieu geprägte Wissell unterlegte dem Konzept eine Formierungsideologie konservativer Provenienz, die sich faktisch gegen die Anfang 1919 wieder aufkeimende Streikbewegung richtete.221 In den Worten Biecheles war die Gemeinwirtschaft "mehr eine Marktregulierungspolitik denn effektive Produktionspolitik"222 und entsprach insofern verwandten Ordnungsvorstellungen in anderen europäischen Ländern Anfang der 1920er Jahre.223 166 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Erst im Frühjahr 1919 gelang es dem Wirtschaftsministerium, die Regierung hinter sein Programm zu bringen. Ein Rahmengesetz zur gemeinwirtschaftlichen Organisation, das als 'Sozialisierungsgesetz' apostrophiert wurde, konnte ebenso in der Nationalversammlung verabschiedet werden wie ein entsprechendes Ausführungsgesetz für die Kohlenwirtschaft.224 Die Chance zur Verstaatlichung des Bergbaus wurde nicht genutzt. Die Weimarer Demokratie hatte sich damit der Möglichkeit begeben, ein traditionelles, außerstaatliches, aber dennoch hochpolitisches Machtzentrum der konservativen Eliten auszuschalten. Die gemeinwirtschaftliche Organisation der Kohlenwirtschaft wurde bald zur Fassade; das Privatkapital wurde in keiner Weise tangiert. In der Öffentlichkeit blieben die Anhänger der Gemeinwirtschaft begrenzt.225 Die Demokratische Partei schwankte zunächst zwischen extremem und gemäßigt-staatsinterventionischem Wirtschaftsliberalismus. Dem Gemeinwirtschaftsgedanken brachte sie kaum Sympathie entgegen.226 Positiver verhielt sich das Zentrum.227 Handel und Industrie setzten letztlich ihre Haltung aus der Kriegszeit fort. Handel und Gewerbe erwarteten von der Gemeinwirtschaft eine weitere Zernierung ihrer Existenzgrundlagen. Die Großindustrie verhielt sich unverbindlich positiv. Sie hatte ihre Position im Rahmen der zunächst weiterbestehenden Kriegsorganisation gegen alle Sozialisierungsbestrebungen halten können; ähnliches war von der Gemeinwirtschaft zu erwarten.228 Einer der schärfsten Kontrahenten Wissells war der Leiter des Finanzressorts, Schiffer. Er widersetzte sich allen Sozialisierungs- und Gemeinwirtschaftsbestrebungen. Allenfalls unter fiskalischem Gesichtspunkten galten ihm Versicherungswesen, Eisenbahnen, Wasserstraßen und Verkehrswesen für 'vergesellschaftungsfähig'. Neben höheren Einkommenssteuern und der Heranziehung der Kriegsgewinne stand auch eine einmalige Vermögensabgabe in seinem Programm. Faktisch geschah unter Schiffers Ägide jedoch nichts zur Konsolidierung der Finanzen.229 Für Erzberger kamen Finanzmonopole nicht mehr in Frage. Abgesehen von der Vermögensabgabe wollte er sich auf die Reform des Steuersystems beschränken.230 Die projektierte stark progressive Abgabe wurde schließlich in der Nationalversammlung zu einer auf Jahrzehnte sich erstreckende Ratenzahlung verwässert.231 Auch finanzpolitisch wurde demnach der Wirtschaftsliberalismus strenger gewahrt, als dies der Mehrheit der Nationalökonomen sinnvoll erschien.232 Erzbergers Finanzreform jedoch brachte endlich ein modernes Steuersystem, wie es Plenge, Schulze-Gävernitz und andere schon vor dem Kriege gefordert hatten.233 167 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Wisseil und Möllendorff scheiterten im Sommer 1919. Wirtschaftsliberalismus und das Mißtrauen gegen eine ,gemeinwirtschaftliche' Sanktionierung großindustrieller Macht hatten sich verbunden. Dazu kam das ungeschickte Taktieren des Wirtschaftsministeriums, das die Suche nach Bündnispartnern ebenso ablehnte wie Kompromisse.234 Die im Gefolge des Kapp-Putsches eingesetzte 'Zweite Sozialisierungskommission' blieb ebenso folgenlos wie die erste.235 Allerdings führte die Debatte über eine alternative Wirtschaftsordnung zu einer Flut von Literatur zur Sozialisierung mit teilweise sehr fruchtbaren und seriösen Erörterungen.236 Daß diese Debatte schon vor und während des Krieges im Zuge der Rezeption des Organisierten Kapitalismus begann, mag diese Studie gezeigt haben.237 Als 'spätes Kind' des Kriegssozialismus zielte die Gemeinwirt schaftskonzeption im Interesse hoher Produktivität auf möglichst umfassende und frühzeitige Harmonisierung aller Interessenegoismen, auch nach Wegfall des Kriegsmotivs. Im Gegensatz zur Kriegswirtschaft sah sie die paritätische Mitwirkung der Arbeiterschaft vor. Im Gegensatz zu etatistischen Neigungen der ersten Kriegsjahre betonten die Gemeinwirtschaftler die Selbstverwaltung und Beschränkung des Staates auf die Garantie des öffentlich-rechtlichen Charakters der Selbstverwaltungskörper. Die Probleme der Preisbildung, Investition und Kapitalakkumulation unter den Bedingungen nur eingeschränkten Privateigentums und planwirtschaftlicher Produktion wurden deshalb nicht geringer. Die letztlich schon im Kriege ad absurdum geführte Hoffnung, die Antagonismen zwischen Kapital und Arbeit wie zwischen konkurrierenden

Kapitalinteressen

planwirtschaftlich

harmonisieren, also den Markt durch Gremien ersetzen zu können, war wenig realistisch. Eine gebrauchswertorientierte Produktion - so wäre Jaffé, Wissell und anderen entgegenzuhalten - ist mit dem Kapitalismus unvereinbar, da dieser, wie Max Weber ja betonte, von Gebrauchswerten gerade abstrahieren muß. Allein der Krieg konnte den Anschein erwecken, daß sich der Gebrauchswert gegenüber dem Warenwert durchgesetzt habe. Der Versuch, mit der Gemeinwirtschaft zwischen Wirtschaftsliberalismus und Zentralverwaltungswirtschaft zu vermitteln, paralysierte seiner objektiven Wirkung nach die Sozialisierungsbestrebungen zugunsten der Wiederherstellung der Verkehrswirtschaft. Mit den wirtschafts- und sozialpolitischen Entscheidungen der Weimarer Nationalversammlung und mit dem Abkommen zwischen Kapital und Arbeit waren die institutionellen Grundlagen für ein System der Formulierung und Vermittlung gesellschaftlicher Interessen auf der Basis kapitalistischer Konkurrenzökonomie geschaffen. Der Klassenkonflikt nahm zumindest tendenziell die Gestalt des Tarifkonflikts und des parlamentarischen Bargainings um sozialpoliti168 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

sche Umverteilungsmaßnahmen des Staates an. Die für die Kriegszeit im folgenden noch zu behandelnden konservativen Formierungsideologien und sozialliberalen Integrationsbemühungen hatten ihren Beitrag geleistet, langfristig die 'Gemeinwohlorientierung' in der Sozialdemokratie zu verankern. Die Burgfriedensideologie hatte im sozialdemokratischen Funktionärskorps die Überzeugung wenn auch nicht eigentlich geweckt, so doch gefestigt, daß allein die Aufrechterhaltung der institutionellen Rahmenbedingungen der bürgerlichen Gesellschaft, nicht deren Zerschlagung den optimalen Weg zur Realisierung der eigenen Interessen sichere. Staatssozialistische und -interventionistische Vorstellungen bürgerlicher Nationalökonomen - die sich am gegebenen Rahmen orientierten, um diesen reformierend weiterzuentwickeln - haben diese Überzeugungen sozialdemokratischer Funktionäre ebenso bestärkt wie sie das bürgerliche Bewußtsein für die Notwendigkeit staatlicher Steuerungsfunktionen und korporativer Organisationselemente geschärft haben.

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IX.Handelspolitik und Kriegsziele Die Kriegszielvorstellungen der Hochschullehrer waren anfangs diffus. Gleichwohl mußte ihrer Haltung zu dieser Grundfrage der Kriegspolitik Gewicht zukommen, hatte ihr Einfluß auf die öffentliche Meinung mit dem Krieg doch zunächst zugenommen. Flottenund kolonialpolitische Gleichberechtigung mit England und eine kontinentale Vormachstellung Deutschlands waren gewissermaßen der kleinste gemeinsame Nenner, der alldeutsche, gemäßigte und gar pazifistische Positionen verband. Mit Max Weber, Schulze-Gävernitz, Schmoller, Hintze, den Historikern Delbrück und Meinecke, Harnack und anderen bildete sich jedoch bald eine 'gemäßigte' Richtung: Sie lehnte umfangreiche Annexionen auf dem Kontinent ebenso ab wie die Zerschlagung der englischen Seeherrschaft, was wiederum eine offensive Gruppe ausdrücklich forderte, der neben anderen Schäfer, Below, Martin Spahn, Scheler, Gierke, Plenge angehörten. Diese Gruppe ging mehr oder minder mit den Kriegszielplänen der konservativen Eliten konform.1 Mit der von Seeberg, Hugenberg und Claß, dem Vorsitzenden des 'Alldeutschen Verbandes', vorbereiteten und schließlich von 352 Hochschullehrern unterzeichneten 'Intellektuellen'-Eingabe bzw. -Petition von 1915 - die im wesentlichen die alldeutschen Kriegsziele paraphrasierte - profilierte sich diese Gruppe als eindeutig den Gemäßigten überlegen.2 Die Kriegszielvorstellungen von Schulze-Gävernitz sollen auf eine wesentliche Schwäche dieser Gemäßigten verweisen: die oft verblüffende Nähe zu einzelnen alldeutschen Positionen. Im August 1914 träumte Schulze-Gävernitz von Deutschlands kontinentaler Suprematie als Voraussetzung eines künftigen Kondominiums mit England über die ganze Welt.3 Diese Phantasien kennzeichnen den offensiven Charakter der Forderung nach Gleichberechtigung auch in der Version dieser der Reichsregierung unter Bethmann-Hollweg nahestehenden Gruppe mit ihren Kommunikationszentren 'Deutsche Gesellschaft von 1914' und 'Mittwochabend-Kreis'.4 Die Auffassungen von Schulze-Gävernitz und der ihm politisch nahestehenden Ernst Jäckh und Paul Rohrbach5 standen durchaus in der Kontinuität jenes liberalen Imperialismus, den Schulze-Gävernitz und Naumann schon vor der Jahrhundertwende vertreten hatten. 170

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Seit etwa 1916 verbanden sich die Forderungen nach Annexionen, nach der Wiederaufnahme des unbeschränkten U-Boot-Krieges und nach der Verhinderung der politischen Modernisierung im Innern zu einem relativ homogenen annexionistisch-alldeutsch-konservativen Konzept der Siegfriedenspropagandisten unter den Hochschulehrern, an der Spitze die Historiker Eduard Meyer, Below, Schäfer, Otto Hoetzsch und der Theologe Seeberg. Faktisch fungierte diese Gruppe als Sprachrohr bzw. Instrument der Öffentlichkeitsarbeit der seit 1916 zunehmend aktiveren Fronde der Schwerindustrie und Agrarier gegen 'mäßige' Kriegsziele.6 Unter den Nationalökonomen profilierte sich nicht zuletzt Plenge als Vertreter dieser Richtung. Ihr gegenüber bildete sich eine Gruppe der 'Gemäßigten', welche die Forderung nach einem 'Verständigungsfrieden' mit der Forderung nach politischen Reformen verbanden, vor allem Alfred und Max Weber, Delbrück, Troeltsch und Schulze-Gävernitz.7 Dieser Gegensatz überlagerte deutlich den sozialpolitischen Gegensatz und den Generationenkonflikt in der Nationalökonomie, ohne daß diese verschwanden. Fast alle ehemaligen Sozialreformer, ob konservativ oder liberal, ob alt oder jung, zählten zum Lager der Gemäßigten. Je ferner der anfangs erwartete rasche Sieg rückte, desto stärker mußte die Frage der künftigen Gestalt des Welthandels besonders die Haltung der Nationalökonomen beeinflussen. Wie schon in der oben behandelten Debatte über den Kriegssozialismus zu erkennen war, entstand auch hier ein Gegensatz - und zwar vornehmlich, aber nicht ausschließlich unter den Gemäßigten - zwischen den Anhängern eines deutsch beherrschten kontinentalen Wirtschaftsraumes und den Vertretern freihändlerischer bzw. maritim-überseeischer Expansion.8 Sieht man von den Kriegszielfragen ab, so hieß die entscheidende Alternative unter den Nationalökonomen: Welthandelsstaat oder kontinentaler Wirtschaftsraum. Wer wie Plenge und Jaffé durch die Blockade eine Epoche eingeläutet glaubte, in welcher der Welthandel auch nach Friedensschluß dauernd gefährdet sei und in der der 'geschlossene Handelsstaat' zu einer möglicherweise unumgänglichen Existenzform werde, der sah sich beinahe zwangsläufig auf den Weg territorialer Angliederung verwiesen. Wirtschaftliche Eroberungen, das "Prinzip der Beute",9 erschien Plenge als notwendige Konsequenz jener Symbiose, die Krieg und Wirtschaft eingegangen waren. Totalannexion Belgiens, Grenzkorrekturen im Westen und abhängige Satellitenstaaten im Osten waren der militärische Part jener Kriegsziele, die Plenge als "begrenzt" verstand. Entschädigung des entgangenen Wirtschaftswachstums, Erstattung aller Kriegskosten, "Festhalten" der Kohleund Eisenbezirke nahe der deutschen Grenze - also vor allem Longwy/Brieys, aber unter Umständen auch des nordfranzösischen 171 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Kohlereviers -, die Verdrängung der Gegner vom eigenen Markt durch befristete Handelsverträge mit einseitiger Meistbegünstigung sowie der Erwerb eines mittelafrikanischen Kolonialreiches sollten die wirtschaftlichen Voraussetzungen der künftigen Stellung Deutschlands als kontinentaleuropäische Hegemonialmacht schaffen.10 Es ist evident, daß ein derartiges Eroberungsprogramm - das im übrigen den Vorschlägen der Alldeutschen und der Industrie nahekam -11 jenes Siegfriedens bedurfte, den Plenge bis zum Ende forderte und in dessen Dienst er sein ganzes propagandistisches Wirken stellte. Autarkistischer, aber weniger annexionistisch waren die Vorstellungen Jaffés. Deutschland sollte ihm zufolge künftig seine wirtschaftliche Expansion auf jene Gebiete konzentrieren, die es notfalls militärisch erreichen könne. Es müsse seine "friedlichen Eroberungen weit intensiver ins Werk setzen" und eine Art von "geschlossenem Handelsgebiet" errichten. Vor allem Österreich-Ungarn, der Balkan, die Türkei und eventuell Rußland kämen dafür in Frage, ergänzt durch ein großes, geschlossenes Kolonialgebiet in Zentralafrika. Zwar bedeutete dies nicht die Absage an jeglichen Welthandel, aber man müsse jene Abhängigkeit vom Ausland vermeiden, die England nur aufgrund seiner Seeherrschaft habe eingehen können. Der künftige Außenhandel werde im Gegensatz zur Vorkriegszeit zum integrierten Bestandteil der Außenpolitik.12 Anders als Jaffé glaubte Schulze-Gävernitz weniger an die Gefahr der Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln.13 Eher aus der geopolitischen Erwägung, daß Deutschland sich gegen die Weltreiche Amerika, England und Rußland nur an der Spitze eines kontinentaleuropäischen Blockes behaupten könne, bekannte er sich zu jener Kriegszielkonzeption, die auch in der Konsequenz der Jafféschen Vorstellungen lag: Mitteleuropa.

1. Mitteleuropa Der Gedanke eines mitteleuropäisch-kontinentalen Staatenbundes ergänzt durch ein zentralafrikanisches Kolonialreich wurde anfangs von Walther Rathenau, v. Gwinner (Direktor der Deutschen Bank) und Franz v. Liszt14 propagiert und geriet schließlich zu einem wesentlichen Bestandteil der Kriegszielkonzeption der Reichsleitung. ,5 Dem schriftstellerischen Talent Naumann fiel es zu, den Miteleuropaplan so publicityträchtig zu formulieren,16 daß 'Mitteleuropa' bald ein ebenso abgegriffenes Schlagwort wurde wie die 'Ideen von 1914'.17 Im Rahmen des 1916 gegründeten 'Arbeitsausschusses für Mitteleuropa' betrieb Naumann zusammen mit Jäckh, den Nationalökonomen Rath172 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

gen, Herkner, Alfred Weber und anderen die öffentliche Propaganda für den 'Wirtschaftsraum Mitteleuropa'. Dessen Kern sollte das vereinigte Wirtschaftsgebiet des Reiches und der Donaumonarchie bilden. Mit beträchtlichen Beträgen unterstützte das Auswärtige Amt diese Arbeit, um Mitteleuropa als eine mehrerer Optionen deutscher Kriegszielpolitik zu erhalten.18 Ein Teil der Liberalen wandte sich damit vom Konzept des unabhängigen 'Welthandelsstaat' zugunsten einer kontinentaleuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft ab - ein später Kompromiß mit autarkistischen Argumenten, wie sie vornehmlich in der Industriestaatsdebatte um die Jahrhundertwende gegen liberalfreihändlerische Auffassungen geäußert wurden. Eine Wende allerdings, die in der These Schulze-Gävernitz' vom angeblichen Übergang Großbritanniens zum schutzzöllnerischen Imperialismus angelegt war. Folgerichtig entsprachen seine Mitteleuropa-Vorstellungen und seine nicht eben bescheidenen Kriegsziele ganz der Linie Bethmann-Hollwegs. In seiner Eigenschaft als Abgeordneter legte er diese in einer - von Below lebhaft begrüßten -19 Kriegszieldenkschrift nieder.20 Demgegenüber lehnte Plenge den Mitteleuropagedanken in der Version Naumanns strikt ab,21 obwohl auch er eine lockere zollpolitische Annäherung der Mittelmächte als Voraussetzung einer Neuordnung Europas begrüßte.22 Ähnlich wie Below und andere eher alldeutsche Professoren23 war Plenge gegen die supranationale Komponente des Naumannschen Gedankens.24 Die war allerdings unverzichtbar, wollte man wie Schulze-Gävernitz, Troeltsch, Naumann und andere dem deutschen Hegemoniestreben den Schein des Befreiungskampfes gegen die 'pax britannica' verleihen. Später befürwortete Plenge einen kontinentalen Zollbund unter zwangsweisem Anschluß der besiegten Gegner; er sollte sich gegen England und Amerika richten.25 Wenig realistisch hoffte Plenge, auf diese Weise "Not und Wirtschaftskrisis über Amerika" bringen zu können.26 Die einfache Wiederherstellung des handelspolitischen Status Quo schien Plenge gegenüber dem eher skeptischen Beukenberg ebenso unmöglich,27 wie eine Politik unrealistisch, die im Glauben daran um der "weltwirtschaftlichen Beziehungen willen im Kriege und beim Friedensschluß falsche Rücksichten auf die freundliche Gesinnung möglicher Abnehmer nimmt."28 Zusammengenommen zielten Plenges außen- bzw. handelspolitische Vorstellungen auf ein durch Annexionen und abhängige Wirtschaftsgebiete verstärktes Deutschland. Es sollte Welthandel betreiben und notfalls auch als geschlossenes Wirtschaftsgebiet bestehen können. Eindeutiger entschied sich Jaffé. Seiner Auffassung nach hatte die moderne Entwicklung, insbesondere der Krieg, List bestätigt, der Smith entgegengehalten habe, daß jenes Land das reichste sei, das alle Güter selbst produziere.29 Jaffé knüpfte damit an der früheren Argu173 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

mentation der Gegner einer Welthandelsorientierung an (Oldenberg, Ruhland und Wagner). Wie Schulze-Gävernitz konstatierte auch Jaffé den allmählichen Übergang Englands zum Schutzzoll. Deutschland habe sich dagegen nie zwischen den gegensätzlichen Zielen 'Schutzzoll mit Richtung auf Autarkie' oder 'Freihandel mit Richtung auf Weltmacht- und Flottenpolitik' entschieden. Das Schwanken zwischen beidem habe eine stärkere Flottenrüstung verhindert und zur Abschließung der Mittelmächte geführt. Trotzdem, so Jaffé, glaubten die "wirtschaftlich führenden Kreise, vor allem des Handels" immer noch an eine einfache Wiederherstellung des Welthandels und verrieten damit ihren "abgründigen Mangel an politischem Scharfblick."30 Für die Zukunft bestünde folgende Alternative: der Verzicht auf weltwirtschaftliche Durchdringung der Auslandsmärkte zugunsten einer engen mitteleuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die Deutschland "von der Stufe des Nationalstaates mit beschränkter Rohstoffgrundlage auf diejenige der imperialistischen Weltwirtschaft heben ..., die die anderen Großländer bereits besitzen;"31 oder aber die Gewährleistung freien Verkehrs für alle Staaten auch gegenüber der stärksten Macht mit der notwendig daraus folgenden Annäherung der deutschen Wirtschaft an den englischen Typ. Allerdings sei der mitteleuropäische Wirtschaftsverband schon im Entstehen begriffen. Obwohl Schulze-Gävernitz wie Jaffé die "Notwendigkeit staatlicher Rohstoffürsorge" anerkannte und sie nach dem Vorbild des Leuchtölmonopols organisiert wissen wollte, plädierte er für die Wiederherstellung des halbwegs freihändlerischen Systems der Vorkriegszeit auf der Basis langfristiger Handelsabkommen, allgemeiner Meistbegünstigung und des Prinzips der 'offenen Tür' in den Kolonien. Die allgemeine Meistbegünstigung verstand er später sogar als das "wichtigste Kriegsziel, da Deutschland auf die Weltwirtschaft nicht verzichten kann."32 Unterstützt von Herkner, Sering und anderen, aber kritisiert von Waldschmidt, dem Direktor der Berliner Firma Löwe & Co.,33 forderte Schulze-Gävernitz 1917 in der 'Weltwirtschaftlichen Gesellschaft' die mitteleuropäische Wirtschaftsgemeinschaft noch vor Friedensschluß. Nur auf dieser Grundlage könne Deutschland mit den Weltmächten und dem allgemeinen Trend zur "Kontinentalwirtschaft" Schritt halten.34 Vor dem Reichstag erklärte er, daß er ein mitteleuropäisches Deutschland "mit langsamer, mehr dem Orient zugewandter Entwicklung, ohne natürlich auf Weltwirtschaft und Seeverkehr verzichten zu können und zu wollen,"35 einem rein kapitalistisch-freihändlerischen, dem Meer zugewandten Kleindeutschland vorziehe. Es wäre "ein glänzendes, aber bald verglimmendes Meteor und in wenigen Jahrzehnten gegenüber der Weltentwicklung zum Kleinstaat herabgesunken."36 Daß die von Schulze-Gävernitz, Naumann und Liszt geforderte Wirtschaftsgemeinschaft allerdings nicht 174 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

die ungeteilte Zustimmung der fortschrittlichen Reichstagsfraktion genoß, zeigt die Intervention eines Fraktionskollegen gegen die Äußerungen Schulze-Gävernitz'.37 Tatsächlich stieß der Mitteleuropagedanke - selbst in seiner weniger autarkistischen oder gar anti-annexionistischen Fassung (Alfred Weber) -38 vor allem in der Exportindustrie und beim Handel auf Widerstand. In einer Unterredung mit dem AEG-Direktor Deutsch sah sich Schulze-Gävernitz dieser Skepsis der Industrie konfrontiert.39 Deutsch vertraute auf die Überlegenheit der deutschen Industrie auf den künftigen Weltmärkten.40 Der Mitteleuropaplan scheiterte schließlich am Konflikt zwischen Deutschland und Österreich über Polen.41 In letzter Konsequenz bezweckte er die Anbindung der Donaumonarchie samt der ihr möglicherweise zu überlassenden Kriegsbeute, eben Polen. Ganz deutlich wird dies in einer Denkschrift von Schulze-Gävernitz vom Oktober 1916. Sie hatte unverhohlen anti-österreichischen Tenor und empfahl, der widerstrebenden Hofburg noch vor Beginn der Friedensverhandlungen ein langfristiges Wirtschafts- und Militärbündnis aufzuzwingen.42

2. Die Kontroverse über die Zollannäherung Zunächst konzentrierte sich die Debatte der Nationalökonomen über den Mitteleuropaplan auf den wirtschaftlichen Zusammenschluß der Donaumonarchie mit dem Reich als Kern eines künftigen mitteleuropäischen Wirtschaftsraumes. Der Kontroverse kam insofern Bedeutung zu, als man sich vor die Entscheidung zwischen liberalfreihändlerischer oder kontinental-schutzzöllnerischer Handelspolitik gestellt glaubte. Den österreichischen Nationalökonomen insbesondere war das Wirtschaftsbündnis ein zentrales Anliegen. So forderte Stolper den Wirtschaftsbund vor allem aus politischen Motiven und wies den Hinweis Eulenburgs auf die wirtschaftliche Rückständigkeit Österreichs zurück.43 Ähnlich argumentierten Philippovich,44 Spiethoff und Spann, obwohl keiner so weit ging wie der österreichische Gutsbesitzer, Sozialreformer und spätere Präsident der Republik Österreich, Michael Hainisch, der klar formulierte: "Nicht dem Freihandel, sondern dem Streben nach Autarkie gehört die nächste Zukunft."45 Neben dem traditionell mitteleuropäisch gesonnenen Wolf46 standen in Deutschland vorwiegend ältere Nationalökonomen, etwa Schmoller,47 dem Gedanken der Zollannäherung nahe, der ihren schutzzöllnerischen Neigungen aus der Vorkriegszeit entgegenkam. Auch Mayr nahm die Fortexistenz der Staatenblöcke nach Kriegsende als sicher 175 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

an und forderte daher einen engeren Zollbund zwischen den europäischen Mittelmächten, dem assoziativ weitere Staaten angegliedert werden könnten. Er hoffte, so die deutsche Prädominanz gegenüber den anderen Mitgliedern wahren zu können.48 Pesch konstatierte die zunehmende "innere Geschlossenheit" der Nationalwirtschaften und wollte "dem irrigen Prinzip freier Weltwirtschaft ... die besonderen Interessen der eigenen Nationalwirtschaft nicht mehr zum Opfer bringen."49 Demgegenüber war sich Herkner sehr wohl über die existenzielle Bedeutung des Atlantikhandels im klaren, tendierte aber wie Schulze-Gävernitz aus politischen Erwägungen zum Zollbund mit Österreich.50 Eine ähnliche Haltung nahm Jastrow ein, der zwar das Prinzip der Meistbegünstigung vertrat, aber Ausnahmen forderte, die ein besonderes handelspolitisches Verhältnis der mitteleuropäischen Länder zu Deutschland erlauben sollten. Etwas resignativ hoffte er, so wenigstens das Prinzip der Meistbegünstigung in die erwartete Ära wirtschaftlicher Abschließung hinüberretten zu können.51 Selbst der liberale Wiese bezog eine ähnliche Position: für Welthandel, aber auf der Grundlage von Mitteleuropa.52 In der Minderheit blieb hingegen Ballod, der eine gemäßigte Autarkiepolitik empfahl.53 Harte Kritik an solchen "Verehrern der Selbstgenügsamkeit der Landesproduktion und des Staatssozialismus,"54 insbesondere an Jaffé, übte Sartorius v. Waltershausen. Die kriegsbedingte Zufahrtssperre sei kein Grund für das "Experiment" einer umfangreichen Vorratswirtschaft auf der Basis eines verstaatlichten Handels. Schließlich werde der Krieg für die Freiheit der Meere geführt, und nach Erlangung eines Hafens und Flottenstützpunktes am Kanal bzw. Atlantik sei nicht einzusehen,

"warum Deutschland nicht ein aktives Mitglied der Weltwirtschaft ebenso wie bisher bleiben soll."55 Obwohl Sartorius folglich Autarkiepläne nach Fichteschem Muster ablehnte,56 schloß er doch eine ganz allmähliche Annäherune Österreichs und Deutschlands nicht aus.57 Insgesamt war also die Stimmung für die Zollannäherung keineswegs einhellig negativ, obwohl autarkistische Konzepte Mindermeinung blieben und die reichsdeutschen Gelehrten auf einer Ausschußsitzung des Vereins für Socialpolitik sich mehrheitlich gegen den Wirtschaftsbund aussprachen.58 Gleichsam stellvertretend für seine österreichischen Kollegen forderte Spann auf dieser Tagung den Zollbund vornehmlich aus politischen Gründen -59 unterstützt von Jaffé, der Diehls Kritik an der pathetisch-nationalistischen Argumentation Spanns zurückwies.63 Diehl wollte politische Gründe nicht gelten lassen und hielt engere handelsvertragliche Beziehungen für völlig ausreichend.61 Der Zollbund, betonte dagegen Jaffé, sei "gar kein wirtschaftliches Problem, sondern eines der äußeren Politik."62 Den meist politischen Argumenten der Befürworter standen die realistischeren Bedenken der Skeptiker 176 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

gegenüber. So bezweifelte Eulenburg die Fähigkeit der österreichischen Industriellen, ihr Land "wirklich in den Sattel zu heben ... und nicht, wie es die Mitteleuropäer tun, alles von einer Organisation und von staatlichen Maßnahmen zu erwarten."63 Er hielt die weitverbreitete Auffassung, daß der Krieg monolithische Staatenblöcke und geschlossene Wirtschaftsräume auf Dauer konstituiere und Deutschland folglich auf die Zollunion und Mitteleuropa angewiesen sei, für eine "fixe Idee" und "Aberglauben".64 Der Hinweis auf den möglichen großen Binnenmarkt wies Eulenburg mit dem Argument zurück, daß die deutsche Industrie sich vor allem mit und durch den weltweiten Export entwickelt habe.65 Eine Arbeitsteilung zwischen den beiden Volkswirtschaften, wie sie Ballod vorschwebte,66 erschien Eulenburg unmöglich. Die deutsche Industrie werde die rückständige Klein- und Mittelindustrie der Donaumonarchie erdrücken.67 Dieses Argument überging Naumann mit dem Bonmot, daß schon "manches kranke Mädchen durch die Heirat gesund" geworden sei.68 Im wesentlichen ähnlich wie der AEG-Manager Deutsch mahnte Eulenburg: "Auf die privatwirtschaftliche Durchdringung, nicht auf das handelspolitische Bündnis kommt es in Zukunft vor allem an!"69 Max Weber hingegen begründete die Zollannäherung nur mit der Notwendigkeit, ein möglicherweise österreichisches Polen an Deutschland anzubinden.70 Unverblümt äußerte er gegenüber Eulenburg, daß ja die meisten 'Leute' dessen Bedenken teilten, aber die "wirklichen Absichten" seien doch: "pénétration pacifique Österreichs durch deutsches Kapital, um es vor der Bindung an englisch-französisches zu bewahren ... ."71 Es nimmt daher nicht Wunder, wenn Schulze-Gävernitz namentlich in österreichischen Regierungskreisen eher Ablehnung wähnte und von der österreichischen Industrie nur zu sagen wußte, daß ihr Widerstand "keineswegs allgemein" sei.72 Neben Eulenburg lehnten vor allem die konsequenten Freihändler unter den älteren Nationalökonomen - an ihrer Spitze Brentano - den Mitteleuropagedanken ab.

3. Brentanos Plädoyer für Freihandel Nach siebenjährigem Schweigen unter den einstigen Freunden übte Brentano eine ebenso engagierte wie luzide Kritik an Naumanns "wunderschönem Buch"75 und damit indirekt auch an den Vorstellungen seines ehemaligen Schülers Schulze-Gävernitz. Der Gedanke, daß dieser Krieg die Auseinandersetzung des hochorganisierten deutschen Kapitalismus mit dem unorganisierten englischen Kapitalismus ausdrücke, schien Brentano zu Recht absurd. Der deutsche Kapitalismus 177 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

habe das in England Entstandene weiterentwickelt und teilweise amerikanische Organisationsformen nur nachgeahmt.74 Tatsächlich aber gäbe es einen prinzipiellen Widerspruch zwischen Deutschland und England, allerdings einen anderen als den von Naumann unterstellten: "Das ist der enge Zusammenhang zwischen Krieg und Merkantilsystem der von jeher bestanden hat. Er ist im innersten Wesen des letzten begründet; denn wie der Krieg das Interesse durch Vergewaltigung zu wahren sucht, so das Merkantilsystem durch List und Gewalt. Es ist die Übertragung des Gedankens, dass der Nachteil des Einen der Vorteil des Anderen ist, vom kriegerischen auf den friedlichen Verkehr der Nationen und stets hat es als ultima ratio zu kriegerischer Gewalt seine Zuflucht genommen, wo eine Nation der anderen nicht mehr geben oder abnehmen wollte, was diese von ihr verlangte oder ihr bot. Im Gegensatz dazu steht das Freihandelssystem, das davon ausgeht, dass kein internationaler Austausch auf die Dauer bestehen kann, bei dem nicht beide Beteiligte ihren Vorteil finden, und daher an die Stelle jeder Art von List und Nötigung, das Selbstinteresse der beiden Austauschenden als Triebfeder setzt, an die Stelle von Gewalt die friedliche Überzeugung."75

Diese Sätze werfen, aus der Retrospektive betrachtet, ihren warnenden Schatten auf den Niedergang des Welthandels Ende der 1920er/Anfang der 1930er Jahre, in denen schließlich geschah, was Schulze-Gävernitz 1906 für die nahe Zukunft prophezeit hatte: die Abkehr des Empires vom Freihandel. Obwohl auch England, so Brentano weiter, den Freihandel nicht konsequent durchgesetzt und Deutschland den Kampf um die Freiheit der Meere aufgezwungen habe,76 hätte die 'Schutzzöllnerei' Deutschlands die englische Einkreisungspolitik gefördert; sie sei somit zu einer Hauptursache des Krieges geworden.77 Bücher und Dietzel stimmten dieser These lebhaft zu. 7 8

Den Zusammenhang zwischen Schutzzoll und außenpolitischer Isolierung übersehen zu haben, war Brentanos Hauptkritik an Naumann. Tatsächlich brauche man Mitteleuropa "mit all den Abhängigkeiten von den ungewaschenen Völkern Österreichs ..., den Intriguen der Wiener Hofburg und der österreichischen Schranzen" nur, wenn man sich künftig nicht freihändlerisch orientiere. Naumann aber sei mit seinem Plädoyer für Mitteleuropa "ganz ins schutzzöllnerische Lager übergegangen," insbesondere mit der falschen Vorstellung, daß die Staaten im Welthandel quasi als "Gesamtgeschäfte" miteinander verkehrten. In Wirklichkeit seien es die Einzelunternehmen, nicht die Staaten, die austauschen. "Ja," so Brentano, "wir haben sogar Einzelunternehmen, welche über alle staatlichen Grenzen sich hinwegsetzen und untereinander Abmachungen zur schamlosen Ausbeutung der Konsumenten aller Länder abschließen." Mitteleuropa aber werde nur alle rückständigen Industrien, vor allem in Ungarn, - "rachitische Kinder, die von ungesunden Eltern erzeugt worden sind - durch handelspolitische Medikamente, Sanatorien und Ferienkolonien erhalten!" Ferner erschrecke ihn, daß Naumann künftig die Handelspolitik 178 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

den Parlamenten entziehen und sie den Regierungen im Einvernehmen mit den Interessentenüberlassen wollte: "also die Herren Agrarier und die Kirdorfs sollen in Zukunft allein bestimmen und die misera plebs nur zugelassen sein."79 Dieses Argument richtete sich nicht nur gegen Naumann, sondern auch gegen die Selbstverwaltungspläne Rathenaus und Möllendorffs sowie unter Umständen gegen SchulzeGävernitz' Faible, das Petroleummonopol. Eine Illusion sei es, so Brentano, innerhalb eines derartigen Systems noch an eine Zukunft selbständiger Arbeiterorganisationen zu denken. Naumanns "nie ganz erstorbenen alldeutschen Ideengänge," so Brentano nach dem Kriege, seien in seinem "glänzenden, aber unsinnigen Buch" wieder auferstanden und hätten jene Fortschritte der "Neudeutschen Wirtschaftspolitik" wieder zunichte gemacht, unter deren Auspizien er einst Schmoller entgegengetreten sei.80 Mitteleuropa sei schließlich im Ausland zum Beweis des deutschen Imperialismus geraten. Diese Tatsache bestätigte denn auch der Diplomat v.d. Heydt gegenüber SchulzeGävernitz.81 Naumann seinerseits warf Brentano vor, im Freihandel "nicht nur eine zeitweilige Tendenz in der Entwicklung," sondern die "wirtschaftliche Heilslehre selbst" zu sehen.82 Möge die deutsche Schutzzöllnerei den Niedergang des Freihandels noch so sehr gefördert haben, so sei dennoch nicht zu verkennen, daß "dieser Gedankengang zunächst vorbei ist." England sei schon lange nicht mehr freihändlerisch und nach dem Kriege sei endgültig ein "protektionistisches imperialistisches Großengland" zu erwarten. Eine realistische Politik müsse davon ausgehen. Zwar könne man die Wirtschaftsunion so gestalten, daß die von Brentano befürchtete künstliche Stützung rückständiger Industrien wegfalle. Allerdings bestehe dann die "Gefahr, daß der ganze Plan ins Wasser fällt, was wirtschaftlich ertragbar wäre, aber politisch ein Unglück."83 Die Donaumonarchie drifte dann nämlich zu den Gegnern ab. Brentanos Kritik an seinen staatssozialistischen Tendenzen wies Naumann mit dem Hinweis zurück, daß er die deutsche "Syndikatsentwicklung" bei aller Parallelität zu Amerika für ein "eigenes Gewächs" halte und das deutsche Volk "auch in dieser Sache das Organisationsvolk an sich" sei. Ihm "als altem Nationalsozialen" liege diese Entwicklung näher als Brentano, zumal er sie nicht nur als Folge "wirtschaftspolitischer Fehler" verstehe und sie "immer sichtbarer staatssozialistisch wird."84 Unterstützt von dem Privatdozenten Carl v. Tyska85 - aber kritisch kommentiert von dem Revisionisten Schippel -86 kämpfte Brentano gegen die verbreitete Handelsfeindlichkeit, da "das Streben einer Volkswirtschaft, sich selbst zu genügen, allzeit zu Kriegen geführt hat."87 Zwar erkenne auch der Handelsfeind die Vorteile der betrieblichen Arbeitsteilung, er verkenne aber, daß Handel im Rahmen inter179 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

nationaler Arbeitsteilung den Frieden sichere.88 Brentanos Versuch, eine "neue Freihandelsbewegung, die uns dem gleichstrebenden England näher bringen soll,"89 zu initiieren - neben Herkner, Lotz, Max Weber, Dietzel und Bücher wollte er vor allem Delbrück dafür gewinnen - blieb vergebens.90 Waren die Argumente der Freihändler denen ihrer Gegner sicher überlegen, vermag man angesichts der Entwicklung der 'Europäischen Gemeinschaft' auch den 'Mitteleuropäern' eine gewisse Rationalität nicht abzusprechen. Freilich handelte es sich, zumindest bislang, bei der Europäischen Gemeinschaft um den Verband von Industriestaaten, während Mitteleuropa letztlich nur in Deutschland einen industriellen Kern gehabt hätte. Die wichtigsten Handelspartner Deutschlands jedoch waren und sind die hochentwickelten Industriestaaten. Trotzdem war die Zollunion mit der Donaumonarchie - einem Zwittergebilde zwischen mittelalterlichem Universalismus und supranationaler Staatengemeinschaft - nicht gänzlich abwegig, solange man sich der von Brentano angeprangerten neomerkantilistischen Ambitionen und des Hintergedankens enthielt, den politischen Gegner handelspolitisch zu bekriegen. Schließlich betonte auch Brentano die Notwendigkeit eines europäischen Staatenbundes und einer deutschen Flotte zur Sicherung der Freiheit der Meere, freilich wollte er auf die deutsche Hegemonie verzichten, die er anfangs aus Opportunität gegenüber den Alldeutschen und unter dem Eindruck der raschen Siege ebenfalls gefordert hatte.91 Daß es zumindest einem großen Teil des Sozialliberalismus gerade um diese Hegemonie ging, mögen die Kricgsziclplänc von Schulze Gävernitz belegen, die die von Brentano

beklagte Nähe der 'Naumannianer' zum Alldeutschtum paradigmatisch offenbaren.

4. Sozialliberale Kriegszielpolitik - das Beispiel Schulze-Gävernitz Wie sein Freund Frank hatte sich der 50jährige Schulze-Gävernitz sofort kriegsfreiwillig gemeldet und wurde zur Luftschiffertruppe einberufen, wo er am Jahresende 1914 zum Leutnant der Landwehr avancierte. Die Front sah er jedoch kaum, da er schon bald für etliche offizielle und 'offiziöse' Missionen herangezogen wurde, die seinen Fähigkeiten eher angemessen waren.92 Sein wesentlichstes Aufgabengebiet aber sollte er in Belgien finden, das bald zum zentralen Objekt deutscher Kriegszielpolitik geriet. In der deutschen Professorenschaft war der industrienahe Schumacher, neben Schäfer, Hoetzsch und Meyer, ein Protagonist der mehr oder minder verschleierten Totalannexion Belgiens.93 Ihm stand 180 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

neben Max Weber, Naumann und anderen -94 vor allem Delbrück gegenüber, der schon 1915 eine offizielle Erklärung zugunsten der Wiederherstellung Belgiens forderte.95 Dazu war die Reichsleitung jedoch keinesfalls bereit. Sie entdeckte vielmehr in den Autonomiebestrebungen der Flamen, die sich von den französisch sprechenden Wallonen majorisiert fühlten, den Hebel, um zumindest einen Teil Belgiens unter deutschen Einfluß zu bringen. In der 'Politischen Abteilung beim Generalgouverneur' wurde die Flamenpolitik schließlich zentral koordiniert.96 Schulze-Gävernitz wurde im Sommer 1915 dieser Abteilung unterstellt und wirkte dort mit einigen Unterbrechungen bis 1917 an der Flamenpolitik mit.97 Zunächst erarbeitete er eine Denkschrift über die Umwandlung der Universität Gent in eine flämische Hochschule, die 1916 auch vollzogen wurde.98 In zahlreichen Vorträgen und Artikeln popularisierte er das Konzept der Förderung einer eigenständigen flämischen Kultur, der Verwaltungstrennung zwischen Flandern und Wallonien sowie der Unterstützung flämischer Aktivisten bei der Errichtung eines separaten Staates unter deutschem 'Schutz'.99 Beinahe selbstverständlich erscheint es, daß er auch der Deutschen Gesellschaft von 1914 über Flandern vortrug.100 In einer vermutlich gemeinsam mit Rohrbach verfaßten Denkschrift resümierte SchulzeGävernitz seine "Grundgedanken einer Verfassung für zukünftig Vlandern - nach dem Originaltext hervorragender vlamischer Führer". Er wollte den "erfreulichen Parallelismus zwischen viamischen u. gesamtdeutschen Interessen aufzeigen, der m. M. unendlich viel Zukunft in sich schließt."101 Praktisch versprach er sich großen Nutzen von den "reichen Kräften Vlanderns für Staatszwecke und Heeresersatz," wie er etwas euphemistisch an Sering schrieb.102 Die Richtlinien des Generalgouverneurs zur Flamenpolitik korrespondierten diesem Programm.103 Recht realistisch formulierte Schulze-Gävernitz dann 1917: "Ob wir im Frieden - der ein 'Compromissfrieden sein wird - viel mehr herausholen werden, wie unsere blosse Existenz, ist fraglich u. hängt von unserem Können, nicht unserem Wollen ab. So sind die weitergehenden 'belgischen Kriegsziele' - Anexionen usw. - sehr fraglich geworden." 104

Deshalb wollte er die flämische Sache fördern, solange noch Zeit war. Auf der Basis von Vorträgen, die er dem Kanzler und den Staatssekretären Zimmermann und Helfferich sowie dem Generalgouverneur gehalten hatte, verfaßte er eine weitere Denkschrift zur Flamenpolitik. In ihr werden noch einmal die wirtschaftlichen und militärischen Hintergründe dieser 'Förderung einer unterdrückten nationalen Minderheit' deutlich, die sich als deutsche Antwort auf die 181 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Forderung nach dem Selbstbestimmungsrecht der Völker ausgeben ließ.105 Aus militärischen Gründen sollte möglichst die Maas-Linie 'erreicht', mindestens aber Lüttich annektiert werden. Ein Kriegshafen sei am Kanal zu erwerben. Antwerpen sollte wirtschaftlich an Deutschland angegliedert und, neben Hamburg, zum zweiten Welthafen des mitteleuropäischen Wirtschaftsblockes werden.106 Da die Einverleibung Gesamtbelgiens weder erreichbar noch im Sinne nationaler Geschlossenheit des Reiches wünschenswert sei, andererseits aber Belgien bei voller Wiederherstellung zum 'Anhängsel' der Entente werde, biete sich die Trennung von Flandern und Wallonien als einzig erfolgversprechender Weg an. Man solle daher die flämischen Separatisten und Autonomisten fördern und sich ihre Forderungen zunutze machen. Im günstigsten Fall sei eine baldige, freiwillige Annäherung Flanderns an Deutschland, zumindest aber die allmähliche Orientierung eines selbständigen Flanderns nach Deutschland zu erwarten.107 Gegenüber dem bisherigen Zögern der deutschen Belgienpolitik solle nunmehr zügig die Verwaltungstrennung in Angriff genommen werden; Brüssel sollte dabei an Flandern fallen. Möglichst schon während des Krieges habe deutsches Kapital das ausländische in Flandern zu ersetzen. Die Zwangsdeportationen belgischer Arbeiter seien zu revidieren oder wenigstens auf Wallonen zu beschränken. Schließlich solle ein flämischer Volksrat berufen werden, der Deutschland bei den Friedensverhandlungen zu 'sekundieren' habe.108 Teilweise wurde nach diesem Rezept verfahren. Lancken sagte Schulze-Gävernitz cine baldige Verwaltungstrennung zu, 109 die im

März 1917 auch vollzogen wurde. Generalgouverneur Bissing jedoch teilte Schulze-Gävernitz mit, daß er im Gegensatz zu ihm nicht nur Flandern, sondern ganz Belgien unter deutsche Kontrolle bringen wollte.110 Dieser extremen Haltung war es zu verdanken, daß sich der von Schulze-Gävernitz konzipierte Flamenrat zwar konstituierte, aber mit seinen Autonomieforderungen bald in Konflikt geriet mit jener Prärogative, die sich die deutsche Besatzungsmacht über die Zukunft Belgiens erhalten wollte. Die Verwaltungstrennung erwies sich ebenfalls als, vor allem wirtschaftlicher, Bumerang und wurde folglich modifiziert.111 Nichtsdestoweniger hielt Schulze-Gävernitz noch im September 1918 - als sich viele Hochschullehrer schon für den Status Quo Ante entschieden hatten, um wenigstens Elsaß-Lothringen zu halten - an der "Aufrichtung eines dualistischen flamisch-wallonischen Staatswesens" fest, damit auch in Zukunft der Anschluß Antwerpens und Flanderns möglich bleibe.112 Schulze-Gävernitz hat die deutsche Belgienpolitik mitkonzipiert und an ihr mitgewirkt. Er lieferte ein Paradestück liberal-imperialistischer Kriegszielpolitik. Neben ihm waren noch die Nationalökono-

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men Jaffé, Wäntig, Rathgen, Schumacher und Herkner zeitweilig in jenem Brain-Trust beschäftigt, den sich der Generalgouverneur geschaffen hatte, um dem möglichst irreversiblen wirtschaftlichen Anschluß Belgiens voranzutreiben.113 Das abschließende Urteil, über die belgischen Aktivitäten Schulze-Gävernitz' wollen wir Below überlassen, der ihn fragte: "Warum bekämpfen Sie die Alldeutschen und die Vaterlandspartei? Ihre Denkschrift ist ja ganz 'alldeutsch'. Würde ein bekannter alldeutscher sie veröffentlichen, so würde Frankf. Z. [ = Frankfurter Zeitung] und Vorwärts einen furchtbaren Lärm erheben ... ." Gerade in seinen Vorschlägen hinsichtlich Belgiens sei SchulzeGävernitz ganz "Tirpitzianer". Eigentlich müßte er die Vaterlandspartei unterstützen, während sein Auftreten im Rahmen der Fortschrittlichen Volkspartei seinen Konzepten widerspreche. Siege der "Scheidemann-Haußmann-Erzberger-Flüger sei es doch mit seinen schönen Plänen vorbei.114 Aber Below verkannte, daß der weltgewandte Schulze-Gävernitz sich mehr versprach von einer Kriegszielpolitik, die sich als Kampf um Gleichberechtigung gerierte und die deutschen Interessen eher auf leisen Sohlen unter Anknüpfung an bestimmte Interessen in den besetzten Ländern verfolgte, als von polterndem Annexionismus à la Plenge, der dem "kommenden Deutschland" zutraute, "Belgien zu verdauen" und der "überhaupt keinen anderen Weg" sah, "diese Völkerwunde zu heilen, als die Eroberung."115 Auch hinsichtlich der östlichen Kriegsziele vertrat Schulze-Gävernitz im wesentlichen den Kurs der Reichsleitung. Da diese inzwischen von der austro-polnischen Lösung abgekommen war,116 plädierte auch er im Sommer 1916 für ein autonomes Kongreßpolen unter einem deutschen Fürsten. Das Land sollte freilich durch eine Zollunion, deutschen Einfluß auf die Eisenbahnen und eine Militärkonvention eng an Deutschland angebunden werden.117 Wieder ist die gemäßigte Linie der pénétration pacifique erkennbar, die auch Delbrück, die Gebrüder Weber, Sering, Schmoller und andere gegenüber jenen Polenkonzeptionen deutscher Professoren vertraten, die mehr oder minder auf Annexion und Germanisierung hinausliefen.118 SchulzeGävernitz hoffte hingegen: "In der Welt unserer Gegner, vor allem in der westeuropäischen liberalen Welt würde ein ansehnliches Stück Kriegsideologie in Trümmer sinken, wenn die erste grosse Befreiungstat, die dieser Weltkrieg brächte, die Errichtung des polnischen Staatswesens, von Deutschland vollzogen würde."119

In seinen Vorstellungen hinsichtlich des Baltikums war SchulzeGävernitz zunächst - wieder parallel zu den Plänen der Reichsleitung -120 eher annexionistischer121 als die übrigen gemäßigten Professoren.122 Kurland und Litauen sollten unter deutschem Einfluß bleiben und Volksdeutsche Rückwanderer und Kolonisten auf den ehemaligen

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russischen Staatsdomänen im Baltikum angesiedelt werden, während polnische Bewohner des Baltikums und Westpreußens nach Polen umgesiedelt werden sollten.123 Mit der Oktoberrevolution, dem Kriegseintritt der USA und der rapiden Verschlechterung der militärischen Lage änderten sich die Pläne der Reichsleitung. Sie entschloß sich zur Errichtung autonomer Pufferstaaten im Baltikum und zur Förderung der Baltendeutschen - übrigens gegen den Widerstand vieler annexionistischer Militärs. 124 Diesem Ziel diente auch die 'Deutsch-Litauische Gesellschaft', der neben Alfred Weber (im Vorstand) auch Naumann, Schulze-Gävernitz und Sering angehörten.125 Auch Schulze-Gävernitz forderte nach einer Reise durch das Baltikum und inzwischen zum Generalgouverneur in Polen kommandiert126 die schnellste Beendigung der "alldeutsch-militärischen" Kolonialisierungspolitik. Stattdessen empfahl er die "Herstellung nationaler Kleinstaaten auf breiter demokratischer Grundlage Hand in Hand mit den nationalen Parteien und Organisationen ... unter Mitwirkung der sozialdemokratischen Partei, welche dem Bolschewismus scharf gegnerisch ist, unter Sicherung der deutschen Minderheiten ... ."127

Im Reichstag rühmte Schulze-Gävernitz, daß es Deutschland nach dem Sturz des Zarismus nun auch gelungen sei, das "bolschewistische Chaos ... zurückzustauen;" damit sei die "Verselbständigung der russischen Randvölker vom Eismeer bis zum Schwarzen Meer" möglich geworden. Er mahnte aber, den jeweiligen Willen der Völker in einer Weise zum Ausdruck kommen zu lassen, "welche auch der gerecht denkende Neutrale anerkennen muß." Mit obrigkeitsstaatlichen Methoden, so formulierte er an die Adresse der Militärs, könne man "Pelze entlausen, aber - wir können keine Herzen gewinnen."128 In Verbindung mit seiner Kritik an den deutschen Behörden in Riga empfahl sich Schulze-Gävernitz im November 1918 selbst als Generalkommissar für das Baltikum.129 Die Sozialdemokratie entschied sich nach der Revolution aber für einen der ihren: August Winnig. Realiter stand auch hinter dieser wendigen Reaktion der Reichsleitung und der Sozialliberalen auf die veränderte Lage das Konzept der wirtschaftlichen Durchdringung des Ostens mithilfe und zugunsten der kontinentalen Hegemonialstellung Deutschlands.130 Ähnlichem Wandel wie seine Kriegszielkonzeption war auch Schulze-Gävernitz' Haltung zu Elsaß-Lothringen unterworfen. Vier Jahrzehnte hatte man die 'Reichslande' Elsaß-Lothringen auf dem deklassierten Status einer Quasi-Kolonie belassen und damit ebenso unfreiwillig wie wirkungsvoll die französische Irredenta unterstützt. Erst 1911 gelang es Bethmann-Hollweg, durch eine Verfassungsreform die Diskriminierung der Elsaß-Lothringer wenigstens zu mildern.131 Schulze-Gävernitz lobte die Verfassungsreform, stellte aber 184 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

richtig fest, daß die Gleichberechtigung noch nicht erreicht sei.132 Wie Max Weber, Naumann und Erzberger133 trat Schulze-Gävernitz aus diesem Grunde zunächst für die Aufteilung an deutsche Bundesstaaten ein, um nach der Friedensresolution des Reichstages 1917 auf die Haltung der Sozialdemokratie einzuschwenken, die seit 1895 die Autonomie innerhalb des Reichsverbandes forderte. Noch im Frühjahr 1917 war er sich mit dem Präsidenten der zweiten elsässischen Kammer, Ricklin, einig, daß mit der Aufteilung an Preußen und Bayern das Problem gelöst sei.134 Im August 1917 sah Schulze-Gävernitz gute Möglichkeiten, "den Friedensschluß durch Erhebung der Reichslande zum Bundesstaate zu erleichtern."135 Es überwog das außenpolitische Motiv, wenn er sich etwa gegenüber Brentano - der mit seinen "Elsässer Erinnerungen" die Bemühungen unterstützte -136 für die volle Autonomie im Rahmen des Reiches aussprach.137 Es gelang der Reichstagsmehrheit jedoch nicht, sich gegen die Hinhaltetaktik der Regierungen Michaelis und Hertling durchzusetzen; als die Regierung Max v. Baden schließlich die Autonomie anstrebte, war es zu spät.138 Seiner flexiblen Haltung in der Kriegszielfrage entsprach die Position Schulze-Gävernitz' in der Auseinandersetzung um die Wiederaufnahme des unbegrenzten U-Boot-Krieges, in dem er zu Recht eine Gefahr für einen möglichen Kompromißfrieden sah. Zusammen mit Max Weber, Delbrück, Meinecke und anderen stellte er sich gegen das "frevelhafte Gerede der Leute wie Dietrich Schäfer,"139 welche die erkennbare Verschlechterung der militärischen Lage mit der Verschärfung ihrer Siegfriedenspropaganda beantworteten. Sie plädierten in der seit 1915 umstrittenen U-Boot-Frage für Wiederaufnahme, wobei sie die verheerenden Folgen eines amerikanischen Kriegseintrittes ebenso unterschätzten wie verdrängten.140 Selbst Harms, dessen Institut wohl genügend diesbezügliche Informationen besaß, befürwortete den uneingeschränkten und verschärften Tauchbootkrieg.141 Zu diesen 'Leuten' zählte auch Plenge, der seit 1917 vornehmlich in der sozialdemokratischen 'Glocke' für den Siegfrieden warb. Für den Sozialismus, so formulierte er hier, sei ein "unbedingtes Selbstbestimmungsrecht der Völker" gleichbedeutend mit "individualistischer Völkeranarchie;" der "folgerichtige Sozialismus kann den Völkern nur ein Recht auf Eingliederung in die Völkergenossenschaft zugestehen, wie es der realen Gesamtlage der geschichtlichen Kräfte entspricht."142 Dies konnte nach Lage der Dinge, wie Plenge sie sah, nur die Unterordnung Europas unter das 'organisatorische' Deutschland bedeuten. Der alldeutsche 'Unabhängige Ausschuß für einen deutschen Frieden'143 lobte diesen "Versuch, in Anlehnung an die sozialdemokratischen Gedankengänge die Leser der 'Glocke' mit unseren Gedanken über Krieg und Frieden bekannt zu machen."144 Unabhängig von 185 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Plenges Zurückweisung,145 wirft die ungewollte Anerkennung ein ebenso bezeichnendes Licht auf die Funktion von Plenges Propaganda wie Belows Kommentar zur Kriegszieldenkschrift von SchulzeGävernitz. Im Gegensatz zu Schulze-Gävernitz gab der Kriegseintritt Amerikas Plenge nicht zu denken - im Gegenteil! Er erklärte die USA zu einer gänzlich 'mammonisierten', dem Untergang geweihten Gesellschaft, die sich "des Geldes und der Eitelkeit willen" gegen Deutschlands Sieg wehre. Die deutsche Entschlossenheit werde aber auch die Niederlage der USA besiegeln.146 Um den "Idealen der genossenschaftlich organisierten Freiheit" gegen die "Freiheit unserer Feinde" zum Durchbruch zu verhelfen, bekämpfte er das Friedensprogramm Wilsons wie die Friedensresolution des Reichstages. Der Friede auf der Grundlage des Status Quo erschien ihm als "neuer Friede zu Münster",147 obwohl die auch von Schulze-Gävernitz unterstützte Reichstagsresolution eher als taktisches Manöver denn als ehrliches Friedensbemühen gesehen werden kann.148 Der Tendenz dieser Resolution entsprach es, daß Schulze-Gävernitz sich in der U-Boot-Frage, angesichts der Bedeutung eines amerikanischen Kriegseintritts, schon im Frühjahr 1916 hinter die Reichsregierung stellte, ohne jedoch den U-Boot-Krieg prinzipiell abzulehnen.149 Im Oktober 1916 entwarf er seine Denkschrift "Videant Consules", die sich kritisch mit der deutschen Außenpolitik im allgemeinen und der U-Boot-Frage im besonderen auseinandersetzte. Neben Zimmermann (Staatssekretär im Auswärtigen Amt), verschiedenen Beamten des Außen- und Innenamtes, Max Weber, Jäckh und anderen ging sie auf Veranlassung Naumanns Payer zu, 150 dem die

Denkschrift möglicherweise als Unterlage für eine Besprechung mit dem Reichskanzler diente.151 Schulze-Gävernitz prangerte die Schwächen der deutschen Diplomatie vor und während des Krieges an und kritisierte die Unterschätzung der englischen Machtmittel. Die Verletzung der belgischen Neutralität hätte man besser zu vermeiden gesucht, zumindest aber hätte man sie geschickter "völkerrechtlich verbrämen können."152 Nicht zuletzt in der Ablösung des hochgeschätzten Bülow153 durch den diplomatisch unerfahrenen BethmannHollweg erkannte er jetzt einen Grund für die begangenen Fehler. Dessen größtes Verdienst sah er in der Vermeidung des Krieges mit den USA. Diese Einschätzung entsprach der zunehmenden Kritik vieler Sozialliberaler und auch der Reichtagsmehrheit an BethmannHollweg.154 Auch Max Weber wollte "die Sache mit Amerika um jeden Preis - um jeden!- aus der Welt" geschafft sehen155 und wandte sich mit stillschweigendem Einverständnis des Auswärtigen Amtes, ebenfalls in einer Denkschrift vom März 1916, gegen die Wiederaufnahme des unbegrenzten Tauchbootkrieges.156 Er bestärkte SchulzeGävernitz ausdrücklich in seiner kritischen Haltung.157 Dieser warnte

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denn auch vor der "Desperadopolitik"158 des uneingeschränkten UBoot-Krieges und hoffte gar auf eine gegen die englische Blockade zielende Stimmungswende in den USA.159 Er glaubte, daß die Demokratisierung des Reiches die neutralistischen Kräfte in den USA und die Friedenssehnsucht in den Entente-Ländern fördere.160 Im übrigen sei es auch aus innenpolitischen Gründen besser, "freiwillig und mit großer Gebärde zu schenken," was man langfristig doch nicht verweigern könne: "Die vielbesprochene Neuordnung im Innern, während des Krieges vorgenommen, wäre ein Mittel ersten Ranges, um den Krieg zu gutem Ende zu führen."161 Scharf kritisierte hingegen Max Weber - in weiser Voraussicht auf die Demagogie der Weimarer Rechten - eine derartige Verbindung von Innen- und Außenpolitik. Die Parlamentarisierung werde dann im Innern als Konzession an das Ausland und im Ausland als Zeichen deutscher Schwäche ausgelegt werden.162 Letztlich war auch Schulze-Gävernitz bis in den Herbst 1918 zu einem Frieden auf der Grundlage des Status Quo Ante - den Plenge in der 'Glocke' leidenschaftlich bekämpfte -163 nicht bereit. Seine ganze Hoffnung richtete sich auf die politische Modernisierung des Reiches. Durch sie sollte der Kriegswille der Gegner erlahmen und somit Deutschland wenigstens einen Teil seiner Kriegsziele realisieren können. Es ist nur bezeichnend, wenn die Anfangserfolge der Früjahrsoffensive von 1918 auch bei den Gemäßigten wieder neue Siegfriedenshoffnungen weckten.164 Schulze-Gävernitz beteuerte zwar im Oktober 1918 die Richtigkeit seiner Haltung in der U-Boot-Frage und versprach sich von der nunmehr parlamentarischen Regierung Max v. Baden ein Einlenken der Amerikaner.165 Freilich zeigt gerade sein Beispiel, daß die Mehrzahl der Gemäßigten und Sozialliberalen sieht man vielleicht von Brentano und Delbrück ab - keine prinzipiell, sondern eher taktisch andere Haltung einnahm als die Alldeutschen.166 Seit 1916 gelang es der Rechten mit beispiellosem propagandistischem Aufwand 167 und - nach dem Sturz Bethmann-Hollwegs und der Etablierung der Obersten Heeresleitung - besten Verbindungen zu den politischen Schaltstellen, jede tiefgreifende Wende der deutschen Politik zu verhindern. Die gemäßigten Gelehrten verloren dagegen zunehmend an Einfluß auf die Reichsleitung. Ihre Warnungen verhallten in der Agitation à la Plenge, Schäfer und Below. Der Versuch des Delbrück-Schülers Hobohm, mit einem Agitationsbüro die Methoden des Gegners zu kopieren, blieb erfolglos.168 Wenn Schulze-Gävernitz wirklich, wie er später behauptete, die Wiederaufnahme des U-Boot-Krieges als Besiegelung der deutschen Niederlage empfand,169 wäre es folgerichtig gewesen, spätestens dann konsequent für den Frieden ohne Annexionen und das Selbstbestimmungsrecht der Völker ohne expansionistische Hintergedanken einzu187 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

treten. Stattdessen propagierte er Mitteleuropa unter (wenn auch noch so verschleierter) deutscher Hegemonie und erkundete im Auftrag des Militärs und der Regierung Mittel und Wege, die deutschen Kriegsziele unter Anpassung an die politische Lage durchzusetzen. Nach dem Kriege freilich pochte er auf seine Verdienste um die "Völkerversöhnung" während des Krieges und geißelte die "alldeutschen Bildungsschichten," die "einseitiger Machtromantik verfallen" seien.170 Tatsächlich aber hatte der liberale Imperialismus auch außenpolitisch gegenüber den auf Machterhaltung um jeden Preis fixierten konservativen Eliten versagt - seine Gemeinsamkeiten mit diesen waren zu groß.

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X. Der Beitrag deutscher Nationalökonomen zur Kriegs- und Burgfriedensideologie Der Burgfrieden führte zur vorübergehenden Stabilisierung des von großen inneren Spannungen gezeichneten deutschen Systems. Mit der Bereitschaft der Arbeiterbewegung, die Kriegspolitik zu unterstützen, schien das hauptsächliche Desintegrationspotential der Vorkriegszeit im Sinne patriotischer Pflichterfüllung zu einer Stütze des kaiserlichen Deutschland verwandelt. Der Widerspruch zwischen dem Anspruch der Arbeiterbewegung, im Rahmen ihrer nationalen 'Pflichterfüllung' auch eigene Reformziele durchzusetzen, und der Überzeugung der konservativen Eliten , mit dem Burgfrieden eine Festigung ihrer Prädominanz erreicht zu haben, blieb zunächst verdeckt. Die parlamentarische und öffentliche politische Auseinandersetzung war durch freiwillige Selbstbeschränkung, Zensur und Belagerungszustand eingeschränkt, während die staatliche Exekutive eine beträchtliche Machtsteigerung verzeichnen konnte.1 Wie Feldman bemerkt, war der Burgfrieden in vielem gleichsam die Verwirklichung des autoritären Staatsideals Bismarcks.2 Plenge verlieh diesem Formierungsprozeß den Charakter eines strukturellen gesellschaftlichen Wandels, ohne aber die Veränderung des wirtschaftlichen und sozialen Status Quo zu fordern. In Fortschreibung seiner neuhegelianisch geprägten Sicht der gesellschaftlichen Entwicklung und vor dem aktuellen Hintergrund des Burgfriedens entwarf Plenge eine autoritäre politische Konzeption. Sie sollte, vermittelt über die öffentliche Meinung, die künftige Gestaltung Deutschlands beeinflussen. Die Gegenüberstellung der 'Ideen von 1914' und der 'Ideen von 1789' war der Eckpfeiler dieser Konzeption. Sie verband konservativen Antiliberalismus mit antibritischem Ressentiment und die Anknüpfung an konservativen geistesgeschichtlichen Traditionen mit der Rechtfertigung der deutschen Kriegspolitik.3 Schon 1915 hatte Plenge die deutsche "Erhebung von 1914" als geschichtlichen Gegensatz zur bürgerlichen Revolution propagiert: "Seit 1789 hat es in der Welt keine solche Revolution gegeben wie die deutsche Revolution von 1914. Die Revolution des Aufbaues und des Zusammenschlusses aller staatlichen Kräfte im 20. Jahrhundert gegenüber der Revolution der zerstörenden Befreiung im 18. Jahrhundert. ... Und man darf behaupten, daß die 'Ideen von 1914',

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die Ideen der deutschen Organisation zu einem so nachhaltigen Siegeszug über die ganze Welt bestimmt sind, wie die 'Ideen von 1789'. Aber die Ideen von 1789, die Idee der schrankenlosen Freiheit, gingen ins Grenzenlose. Die Ideen der gesunden Zusammenfassung aller Kräfte haben ihr Maß in sich."4

Damit gekoppelt war der antibritische Effekt: "Die Weltgeschichte erlebt gegenwärtig das ungeheure Schauspiel, daß bei uns ein neues großes Lebensideal zum endgültigen Sieg durchdringt, und daß gleichzeitig in England ein weltgeschichtliches Prinzip endgültig zusammenbricht. Die Seele der englischen Freiheit stirbt, weil dieser allzu individualistische Freiheitsgedanke den Staat nicht zu erhalten vermag. Wenn England gesund werden will, muß es an deutschem Geist und an deutscher Organisation gesund werden.**5

Zunächst geben diese Auslassungen der in der Öffentlichkeit und vor allem in der Hochschullehrerschaft verbreiteten Auffassung Ausdruck, daß man diesen Krieg vor allem gegen England führe,6 daß es sich um ein "Duell Deutschland-England" handle, demgegenüber "alles andre, insbes. Frankreich ... doch nur Coulisse" sei.7 Im wesentlichen bestand Einigkeit zwischen jüngeren und älteren Nationalökonomen, daß England den Krieg im "üblen Sinne des Krämerkrieges"8 aus Furcht vor der ökonomischen Vormachtstellung Deutschlands begonnen habe.9 Selbst der eher anglophile Brentano unterschrieb neben Schmoller und Mayr den bekannten chauvinistischen "Aufruf an die Kulturwelt".10 Angesichts heraufziehender wirtschaftlicher Schwierigkeiten hoffte auch Brentano, "dass wir bald zu einem siegreichen Frieden gelangen."11 Als einer der wenigen Nationalökonomen scheint Wiese eine besonnene Haltung auch in den ersten Kriegsmonaten bewahrt zu haben.17

Die Wissenschaft stellte sich auch in den Entente-Ländern in den Dienst der Legitimation der Kriegspolitik.13 Was hingegen der deutschen Kriegsideologie meist als Charakteristikum anhaftete, war die mit der Rechtfertigung der Kriegspolitik verbundene Absage an die bürgerlich-liberalen Traditionen. Die vorangegangenen Betrachtungen haben gezeigt, daß diese Tendenzen schon in der ideologischen Auseinandersetzung mit dem Marxismus vor dem Kriege angelegt waren. Der Neukantianer Schulze-Gävernitz verband seine Forderung nach Sozialreform mit ausgesprochen antiliberalen Ideologemen. Durch den Krieg mit den westlichen Demokratien gewann diese traditionelle Abneigung gegen den wirtschaftlichen und politischen Liberalismus westlicher Prägung nur schärfere Konturen. Auch der Neukantianismus ließ sich, wie das Beispiel Paul Natorp zeigt,14 zur Kriegsformierungsideologie operationalisieren. Allerdings entwickelte sich aus dem sozialliberalen Kantianismus auch eine Position des Widerstandes gegen den konservativen Antiliberalismus. Hingegen formulierten besonders jene 'Kriegsphilosophen' den unversöhnlichen Gegensatz zum westlichen Liberalismus, die sich auf Fichte und Hegel beriefen

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und/oder in lebensphilosophischem Kontext standen.15 Fichte hatte mit seinen "Reden an die deutsche Nation" und seiner Schrift über den "Geschlossenen Handelsstaat" jene Verbindung von antiwestlicher, völkischer Deutschtumsmetaphysik und organizistischem Korporativismus begründet,16 die sich über die Romantik und den Historismus bis in den Wilhelminismus fortpflanzte, um vor und während des Ersten Weltkrieges eine Fichte-Renaissance auszulösen, die vor allem die bürgerliche Jugend erfaßte. Zudem verband sich der FichteKult oft mit lebensphilosophisch-kulturpessimistischen Elementen aus der Tradition Bergsons, Lagardes und Nietzsches.17 Lebensphilosophisch inspirierte Kriegsphilosophen waren vor allem Rudolf Eucken, Max Scheler18 und Georg Simmel, der ähnlich wie Jaffé die Unterwerfung menschlicher Existenz unter die fremden Sachzwänge des Kapitalismus durch den Krieg zumindest perspektivisch aufgehoben glaubte.19 Hier wurden Traditionen des Irrationalismus weitergereicht und umgeformt, um später in der Weimarer Republik in freilich vulgarisierter Form politische Wirkung zu entfalten.20 Besonders in der Gemeinwirtschaftskonzeption Rathenaus und Möllendorffs wird die Verbindung fichteanischer Deutschtumsmetaphysik mit Lebensphilosophie und Korporativismus wieder wirksam. Bezeichnenderweise berief sich Möllendorff unter anderen auf Friedrich IL, Fichte und Lagarde als Ahnväter seiner "Deutschen Gemeinwirtschaft",21 die er als genuin deutsche Wirtschaftsordnung gegenüber dem englischen Wirtschaftsliberalismus verstand. Sowohl Rathenau wie Möllendorff wurden ihrer Herkunft aus der Großindustrie gerecht, wenn sie ihren Ordnungsvorstellungen die Rationalisierungslehren des Amerikaners Frederick W. Taylor integrierten.22 Taylor vertrat die Ansicht, daß sich durch die Rationalisierung der Arbeitsvorgänge eine Steigerung der Produktion erzielen lasse, die sowohl die Ansprüche der Unternehmer als auch der Arbeiter befriedigen könne. Diese Vorstellungen hielten vor dem Weltkrieg in Europa und Deutschland Einzug; sie fanden Eingang in die Ideologie des 'IndustrialismusV3 Dieser spiegelte sich nicht zuletzt in der Organisationsmythologie von Rathenau, Möllendorff, Plenge, Jaffé, Naumann und anderen, so unterschiedlich ihre politischen Vorstellungen sonst auch waren. Namentlich bei Rathenau und Plenge - zwischen beiden bestand im übrigen nur ein flüchtiger Briefkontakt -24 kann man sich oft des Eindrucks nicht erwehren, daß sie die Übertragung tayloristischer Lehren auf die Gesellschaft beabsichtigten, die maschinenmäßig gleichgeschaltet nach Art des rationalisierten Großbetriebes 'funktionieren' sollte.25 Ihre besondere deutsche Note erhielten diese Konzepte, indem sie an konservativ-antikapitalistischen Konzepten anknüpften und ihren Gegensatz zum westlichen Liberalismus hervorhoben.

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Den Gegensatz zwischen deutschen 'Helden' der Arbeit und des Krieges und englischen 'Händlern' formulierte am unversöhnlichsten Sombart, der sich ebenfalls wieder auf Nietzsche berief.26 Noch deutlicher als Plenge wertete er die einst als Gegensatz zwischen zwei alternativen Gesellschaftsordnungen verstandene Dichotomie zwischen Kapital und Arbeit zum Gegensatz zwischen einem 'kapitalistischen' England und einem 'heroischen' Deutschland um. Mit Sombarts Schrift entlarvte sich die völlige Selbstentfremdung großer Teile des deutschen Bürgertums, das die rationale Kalkulation von Einsatz und Nutzen durch irrationalen Gesinnungsmilitarismus ersetzt hatte. Der Krieg wurde plötzlich zur Antwort auf jene Zweifel, die besonders der bürgerlichen Jugend aus ihrer psychischen Entwurzelung infolge des raschen Übergangs zur industriellen Massengesellschaft in den Jahrzehnten vor dem Weltkrieg erwachsen waren. Suchte man vorher im lebensphilosophischen Ästhetizismus und in der Flucht aus den Städten auf das Land jene Kluft zwischen der Realität einer auf Gleichförmigkeit, Massenhaftigkeit und Routine beruhenden urbanen Industriegesellschaft und dem Anspruch auf eine individuelle, spontan-sinnliche und natürlich-ursprüngliche Existenz zu überwinden, so schien der Krieg plötzlich auch diesen Widerspruch aufzuheben.27 Der Krieg schien die eigene Existenz durch ihre dauernde Gefährdung im rückhaltlosem Einsatz wieder erfahrbar zu machen; der heroische Einsatz schien per se wieder jenen Sinn zu vermitteln, nach dem man vorher vergeblich gesucht hatte; der Kampf schuf auch jenes Kameradschaftsgefühl und Gemeinschaftserlebnis des Stoßtrupps, das aus gemeinsamer Gefährdung und gegenseitiger Abhängigkeit erwuchs. Und auch der früher zugleich mit Mitleid, heimlicher Sympathie und offener Ablehnung betrachtete Arbeiter schien im Geiste des gemeinsamen Patriotismus in die Kampfgemeinschaft integriert. Die Entfremdung der Fabrikgesellschaft schien endlich überwunden und jener Geist, aus dem die Heimat neu erbaut werden sollte, endlich gefunden, obwohl doch gerade die Materialschlacht die Fabrikgesellschaft in ihrer destruktivsten Variante reproduzierte. Zunächst fragte solcher Heroismus wenig nach der Angemessenheit von Zweck und Mittel, wäre dies doch gerade jener Rationalismus gewesen, den man überwinden wollte - das "Vivere pericolosamente" (Mussolini), dem Ernst Jünger einst das literarische Denkmal setzte,28 war Wert an sich. Seine letzte Rechtfertigung erhielt der Kampf, indem der Gegner zum Träger einer abgelebten Zivilisation und der eigene Staat zum Träger jenes neuen Lebensgefühls und der neuen 'Sozialgesinnung' deklariert wurde, die angeblich aus der 'Pflichterfüllung' an der Front und in der Heimat erwachsen war.29 Obwohl Plenge den Nietzsche-Kult30 und "das 'Leben' als raschgegebene Lösung der Welträtsel" ablehnte,31 machte dies seine enge Verwandt192 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

schaft zu Sombart aus. Bei aller eigenen Distanz zu Sombart und bei aller berechtigten Kritik an ihm, so Plenge, habe schließlich schon Marx den Begriff der 'Händlermoral' geprägt. Sombart verleihe mit seinen Schlagworten nur den Kerngedanken der 'Ideen von 1914' Ausdruck. Seine Schlagworte und die vieler anderer seien wie abgenützte Münzen im Umlauf, deren Prägestock die 'Ideen von 1914' seien.32 Der Hegelianer Plenge machte die Rechtfertigungsideologie nur komplett, als er schließlich die ganze Weltgeschichte teleologisch auf den Weltkrieg konzipierte, obwohl er letztlich nur die tönende Phrase des wilhelminischen Chauvinismus wiederholte: 'am deutschen Wesen soll die Welt genesen.' Man hüte sich jedoch, den Beitrag der Kriegsphilosophen zur Gesinnungsrüstung zu unterschätzen. Die Jugend an der Front wollte einen Glauben, für den zu kämpfen und den an die Kameraden zu vermitteln sich lohnte. Die deutschen Hochschulleher ließen sich gern in die Pflicht nehmen: "Es war damals ein unruhiges Hin- und Herreisen der Professoren durch das Reich und in alle Etappengebiete ..., um Vorträge zu halten und Seelenatzung ... den verlangenden Hörern zu geben."33 Sie propagierten die Parolen von 'Händlern und Helden', von Ί914 und 1789' und von der 'Katharsis' des Krieges, obwohl schon mancher die Nieder­ lage ahnte, ehe der Krieg erst richtig begonnen hatte: "Wie auch der Krieg ausgehen wird: eines bewirkt er jedenfalls. Die zunehmende weichliche Ästhetisiererei und politische Indifferenz, die manche besonnenen jungen Leute der höheren Stände so unglücklich machte, wird in diesem Stahlbad abgewaschen. Und wenn wir unterliegen, so bin ich wie Sie überzeugt, daß die unzerstörbaren Kräfte unseres Volkes eine Wiedergeburt herbeiführen werden. Aber um welchen Preis!" So Rathgen an Schmoller.34

Und die Parolen wurden dankbar aufgenommen; Jahrzehnte später - inzwischen war wieder ein Weltkrieg vergangen - schrieb ein ehemaliger Kriegsteilnehmer an Plenge: "Ihre Gedanken sind mir schon seit vielen Jahren vertraut, schon seit dem ersten Weltkrieg, als durch Ihre Schrift 1789 und 1914' die Augen geöffnet wurden über die weltweiten Zusammenhänge, die uns jungen Menschen in der Seele brannten und von uns in innerlich erregten Cirkeln an der Westfront immer wieder besprochen wurden unter dem Donner der Trommelfeuer und dem Gestöhn der Verwundeten."35

Es handelte sich hier um die ideologische Selbstverständigung des Bürgertums, der Arbeiter blieb weithin sprachlos und die Kriegseuphorie sozialdemokratischer Führer wie Frank36 läßt kaum Rückschlüsse zu, zählten sie doch von der Ausbildung her ebenfalls zum Bildungsbürgertum. Einzig die Schriftsteller Zweig und Remarque vermitteln einen Eindruck über die unheroische Wirklichkeit. 37 Freilich war es mit der burgfriedlichen Einigkeit unter den Auspizien der Ideen von 1914 bald vorbei. Etwa seit 1916 spaltete die Frage

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der politischen Modernisierung des Reiches die Professorenschaft ebenso wie die Kriegszieldebatte. Wie schon in der Diskussion der Kriegswirtschaft konkretisierten sich die Beiträge jetzt; die Ideen von 1914 verbanden sich mit entgegengesetzten politischen Konzepten, wie vor allem an den Vorstellungen Plenges und Schulze-Gävernitz' deutlich werden soll.

1. Plenges 'Ideen von 1914' Zuerst hatte der germanophile schwedische Staatsrechtler Kjellén die Parole Sombarts aufgenommen.38 Deutschland fechte, so Kjellén, den Kampf gegen die Ideen von 1789 aus: gegen "unorganischen Kosmopolitismus", überzogenen Individualismus und gegen ein Kulturideal "technischer Fertigkeiten", das "die Seele leer und das Herz bar" gelassen habe.39 Aus der Notwendigkeit, sich der Fesseln des Ancien Regime zu entledigen, sei die Forderung nach Freiheit und Gleichheit erwachsen, die dann, zum Dogma geworden, zu "Kommerzialisierung", "Eudämonisierung" und Vermassung geführt habe.40 Nunmehr würden die Ideen von 1789 im neuen Dreiklang der Ideen von 1914 aufgehen: "Pflicht, Ordnung, Gerechtigkeit!"41 Nicht nur der Sozialdemokrat Max Adler wehrte sich gegen dei realitätsfernen Popanz der Ideen von 1789.42 In einem Leitartikel de 'Frankfurter Zeitung' zu Heiligabend 1915 kritisierte Drill die Ideei von 1914 als weiteres "Klischee". Dem Gedanken der Volkssouveräni

tät, wie ihn Kant hinter der Französischen Revolution erkannt habe trete Organisation nicht als Gegensatz, sondern nur als Ergänzung gegenüber.43 Plenge sah sich darauf veranlaßt, in einer polemischen Schrift dem "Kantfanatiker" entgegenzutreten,44 da die 'Frankfurter Zeitung' "seit Jahren Kant zum Schutzheiligen des bürgerlichen Liberalismus" mache und "durch Besinnung auf ihn eine Bestätigung ihrer politischen Ziele" erfahre.45 Die von ihr vertretene Idee des bürgerlichen Liberalismus aber drohe, nicht allein in ihrer praktischen Form der Demokratie und des Parlamentarismus "unser ganzes Kulturleben in einem Wechsel von schrankenloser Willkür und innerer Haltlosigkeit entarten zu lassen."46 Die Freiheitsidee von 1789 sei die "abstrakte Freiheitsidee der leeren atomistischen Einzelwillen,"47 mit der auch Kant sich nicht habe begnügen können. Kants "individualistische Einzelvernunft" bleibe bei der "rein formalen Organisationsaufgabe der bürgerlichen Gesellschaft" stehen, während die wirkliche Herrschaft der Vernunft die "Durchorganisierung des Gesellschaftslebens, kurz Sozialismus" erfordere.48 Letztlich habe Kant "die Zukunft nicht über 194 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

den Traum der bürgerlich-kapitalistischen Freiheit hinaus erhellt."49 Erst Hegel habe den historischen Gegensatz zwischen den Prinzipien des Individualismus und der Eingliederung auf eine neue Stufe geführt. Allerdings vernachlässige Hegel, daß die Verwirklichung der Organisationsidee auch der gründlichen äußeren Umgestaltung bedürfe.50 Nicht mit der alten Bürokratie und den Ständen, sondern erst mit der Herausbildung der modernen Verwaltung und der großen Wirtschaftsorganisationen sowie mit ihrem einheitlichen Zusammenschluß sei die Gestaltungsidee zu verwirklichen.51 Tatsächlich führte die Verbindung des metaphysischen und des realen Vergesellschaftungsprozesses in ihrer idealistischen Gestalt zur faktischen Dominanz der Wirklichkeit, die für vernünftig erklärt wird. Nach diesem Muster verfuhr Plenge, wenn er den positivistisch gesammelten Realdaten eine spekulativ gewonnene Vernunftstruktur unterlegte, die es ihm ermöglichte, den Weltkrieg als historische Notwendigkeit im Sinne sozialen Fortschritts zu interpretieren.52 Auch Hegel hatte sich veranlaßt gesehen, in der Bestimmung des Verhältnisses zwischen dem Staat "als Wirklichkeit der sittlichen Idee" und dem einzelnen Bürger die "höchste Pflicht ..., Mitglieder des Staates zu sein" wieder einzuführen,53 um die Lücke zwischen Geist und Realität zu schließen. So zutreffend Elemente der Kant-Kritik Plenges für sich genommen sind, mußte sich dieser Widerspruch bei Hegel erst recht bei Plenge wiederholen, setzte er doch an die Stelle des vormärzlichen Preußen als Ausdruck eines angemessenen Verhältnisses zwischen Vernunft und Wirklichkeit die formierte Kriegsgesellschaft. Je weniger diese Kriegsgesellschaft der rationalen gesellschaftlichen Organisation entsprach, deren begriffliches Substrat die Ideen von 1914 ja sein sollten, desto lauter mußte die Propaganda für diese Ideen werden, um die tatsächliche, wachsende Desorganisation der Kriegsgesellschaft noch ignorieren zu können. Freilich ermöglicht die Hegeische Dialektik - die Plenge zudem nur oberflächlich anwandte ein Wechselspiel von Begriff und Wirklichkeit, das den unbotmäßigen Teil der Wirklichkeit der kontingenten Realisierung des Begriffs anlastet, dessen Adäquanz man dann mit dem botmäßigen Teil der Wirklichkeit belegt. Schließlich mußte auch Plenge konstatieren, "daß die Organisationsidee in Deutschland während des Weiterganges des Krieges durch äußeren [!] bürokratischen Unverstand und egoistische Interessenmacht heruntergewirtschaftet ist."54 Regierung und Parteien hätten eben noch nicht grundsätzlich umgelernt, "wenn man nicht den rechten Flügel der Sozialdemkratie ausnehmen will;" viele glaubten, man könne den Vorkriegszustand wieder herstellen, "wenn nur die extremen Parteien künftig burgfriedlich Ruhe geben wollen."55 Er folgerte daraus, "daß die Idee von 1914 darum noch manches ... zu leisten 195 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

hat,"56 und daß das Erziehungsideal der Ideen von 191457 erst noch verbreitet werden müsse, eher durch Pressepropaganda als durch Schulunterricht.58 Mit bloßer Propaganda für "Wirtschaftsdisziplin" und mit der Gründung von zwei Propagandaverbänden zur Einhaltung der Ernährungsvorschriften mit dem Kronprinzenpaar an der Spitze hoffte er, die Mängel der Kriegswirtschaft kurieren zu können.59 Der kuriose Gedanke, auf Dauer statt die hungrigen Mägen mit Brot, die Köpfe mit Propaganda füttern zu können, entsprang dem Voluntarismus eines weltfremden Gelehrten. Mit einer "vergleichenden Ideenlehre" versuchte Plenge, seinen Ausführungen die immanente Widersprüchlichkeit zu nehmen. Beeinflußt von den Vorstellungen des Leipziger Historikers Karl Lamprecht,60 sah Plenge, in eigenartiger Mischung des Hegeischen Volksgeistes mit dem Epochengeist des Historismus, den stufenförmigen Geschichtsprozeß von Grundideen von objektiver Wirkung auf die gesellschaftliche Entwicklung bestimmt. Seinem Lehrer Dietzel folgend, verstand er die jeweiligen Grundideen immer entweder vom Sozial- oder vom Individualprinzip dominiert.61 Er differenzierte weiter zwischen einem "Grundbewußtsein"62 und einem Ideenziel, die von einander abweichen können. Erst die bewußt herausgearbeiteten Ideen können nach Plenge dem vagen Grundbewußtsein Ziel, Richtung und Wirkungskraft verleihen.63 Dabei hielt er die unmittelbare Wechselwirkung ideeller und sozialer Umstrukturierung für möglich, aber nicht zwingend. Nur der konkrete Vergleich zwischen der Umwälzung von 1789 und der von 1914 erschließe den fundamentalen Charakter der Vorgänge von 1914. 1789 war demnach der Beginn der vollen Entfaltung des Kapitalismus, der mit dem Weltkrieg als Folge seiner vollständigen Auswirkung in die Phase gesellschaftlicher Organisation übergehe.64 Zunächst bildete sich mit Kriegsbeginn ein neues Grundbewußtsein heraus,65 das aber erst durch Herausarbeitung und Formulierung als Idee zum zukunftsweisenden, objektiv wirkenden geistigen Faktor werde. Erst dergestalt vermögen die Ideen von 1914 überhaupt, den Ideen von 1789 gegenüberzutreten und sich von den unmittelbaren Ereignissen des Jahres 1914 zu lösen.66 Geistes- und Gesellschaftswissenschaften seien daher sowohl zur Formulierung wie zur Durchsetzung der Ideen von 1914 unabdingbar.67 Korrespondierend mit dieser vergleichenden Ideenlehre versuchte Plenge, eine "vergleichende Wirtschaftstheorie" zu entwickeln,68 die er mit einer ungewöhnlich scharfen Polemik gegen Bücher einleitete.69 Aber nicht nur die Historische Schule, so Plenge, habe es nicht vermocht, eine adäquate Darstellung der Herausbildung der modernen Gesellschaft zu leisten, sondern auch Max Weber nicht, der eigentlich dafür Berufene.70 196 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Im Auf- und Niedergang der Kulturen und im Aufeinanderwirken der Gesellschaften bildeten sich immer neue Organisationsstufen mit immer mehr "durchgeistigter Produktionsweise"71 als Momente des welthistorischen Prozesses heraus. Dieser "Organisationsaufstieg der Menschheit" sei "wesentlich und durchgehend Zusammengliederung."72 Trotz unterschiedlicher "volksgeschichtlicher Organisationsstufen", entwickeln sich immmer auch "weltgeschichtliche Organisationsarten", wie die klassische mediterrane Kultur und der Kapitalismus des 19. Jahrhundert zeige.73 Gegenüber der starren Schematik der klassischen Nationalökonomie müsse man Phasen besonders labiler Organisationsstufen konstatieren; die Krise Roms zwischen Republik und Kaiserzeit stelle ebenso eine derartige Phase dar wie die Weltkatastrophe von 1914 als Abschluß des 19. Jahrhunderts. In diesen Phasen werde "der eigentliche Mutationszustand zum gesellschaftlich-organisatorischen Artzustand."74 So vollziehe sich die "organisatorische Metamorphose der Weltgesellschaft unter dem Schrecken des Weltkrieges."75 Mit der Reorganisation und Umbildung aller Nationen infolge der Isolierung in und nach dem Kriege werde die Grundlage geschaffen für den weltweiten Zusammenschluß auf neuer Stufe.76 Der Frühsozialismus und der Marxismus waren "reine Utopie und kein wirklicher Lebenszustand," nur unvollkommene Alternative zum Liberalismus.77 Ebenso gehörten "unermüdliche Apostel der Sozialpolitik und des Staatssozialismus wie A. Wagner" zu den Vorläufern der Ideen von 1914. Aber "das bloß äußere Organisationsziel des Staatssozialismus ist nicht der letzte Sinn der Ideen von 1914."78 All diese Bewegungen und Ideen seien nur als Vorläufer jenes Umbruchs zu werten, der mit der "straffen Zusammenfassung aller Kräfte des nationalen Produktionsorganismus" in der Kriegswirtschaft stattfinde.79 Obwohl man einen Teil der Kriegsverwaltung beibehalten werde und man so bestimmte Wirtschaftsformen der Volksgenossenschaft der Vergangenheit (Stadtwirtschaft) erneuere,80 sei der "übertriebene Staatssozialismus, der den Individuen alle Rechte verkümmern will, ... ein Zerrbild der modernen Organisationsidee." Letztlich sei der Gegensatz von 1789 und 1914 nur ein "Entwicklungsgegensatz". 81 Wie die Anschauung lehre, werde das Individualprinzip zwar in seiner Dominanz vom Sozialprinzip abgelöst, "aber beides zu vereinen, sei das beste."82 Selbst methodologisch vermag man Plenge kaum mehr von Schulze-Gävernitz zu unterscheiden, wenn er den historischen Prozeß als "schlechthin einzigartigen Vorgang der Geistesentwicklung" versteht,83 dessen Komplexität man sich durch gemeinsame "Kategorien historischen Wissens"84 längs- und querschnittartig bemächtigen könne. Auch Plenge verzichtete auf kategoriale Bestimmungen und blieb bei dem deskriptiv-kontrastiven Vergleich von Ideenkomplexen 197 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

und Gesellschaftsstufen stehen, ohne deren innere Bewegungsgesetzlichkeit aufzeigen zu können. Die vergleichende Ideenlehre und die vergleichende Organisationslehre vermochte er nicht hinreichend zu vermitteln. Hatte sich der dialektische Idealismus Hegels für die Wirklichkeit als notwendigen Ausdruck des Begriffs entschieden, dessen Kontingenz den Begriff selbst zu neuen Bestimmungen treibt, so bleibt das Verhältnis von Geist und Wirklichkeit bei Plenge ungeklärt. Gleichermaßen angezogen vom Marxschen Realismus wie vom Hegelschen Idealismus verblieb er irgendwo in der Mitte zwischen beiden. Seine Arbeitsmethode war "weder Dialektik noch Deduktion," wie er selbst formulierte, sondern fußte auf "scharf kontrastierender Gegenüberstellung" der als solche inhaltslosen Grundprinzipien von Individualismus und Eingliederung, angereichert durch jeweiliges Faktenmaterial, wobei er die "Gefahr einer gewissen Schematisierung" bewußt in Kauf nahm. Trotz gewisser Parallelen handelte "es sich gewiß nicht um eine einfache Wiederbelebung der hegelschen Methode."85 Am deutlichsten wird der Synkretismus aus Historismus, Hegelianismus und Positivismus in einem Schreiben an Ernst Troeltsch.86 Es verdeutlicht die Neigung Plenges, zur Darstellung realer sozioökonomischer Zusammenhänge das Verfahren positivistischer Beschreibung und historistischen 'Einfühlens' zu wählen, die Ideengeschichte andererseits auf dem Wege kryptodialektischer Gegenüberstellungen anzugehen, was allein die Konstruktion des Scheingegensatzes der Ideen von 1789 und 1914 erlaubte, der selbst nur Ausdruck konservativer Prätentionen war. Insgesamt erscheinen Plenges methodologische Überlegungen als gutes Beispiel für die Auswirkung aktueller politischer Konstellationen auf Versuche wissenschaftlicher Theoriebildung. Zu Recht kritisierte die 'Neue Zeit' die Ideen von 1914 als "modernisierte und preußisch übertünchte Nachgeburt" der Ideen von 1789, waren doch Plenges Ideen von 1914 nicht Sozialismus, sondern bürgerliche Kriegsideologie - "Begleiterscheinungen des Militarismus."87 Faktisch bestanden wenig Unterschiede zu Kjellén, Sombart und anderen; die 'Sozialistischen Monatshefte' freilich konzedierten Plenge, "von reaktionären Vorurteilen ... frei" zu sein,88 während ihnen Kjellen als Vertreter eines "neuen politischen Nazarenertums" galt.89 Die zum Sozialismus deklarierte Burgfriedensideologie Plenges stieß demnach in revisionistischen Kreisen der Sozialdemokratie auf unbefangene Aufnahme; der konservative Charakter seiner "Eingliederungsethik"90 wurde hier offenbar nicht wahrgenommen.

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2. Die Rezeption der 'Ideen von 1914' Zusammen mit dem ehemaligen bayrischen Eisenbahnminister v. Frauendorfer eröffnete Jaffé 1916 die 'Europäische Staats- und Wirtschaftszeitung'. In ihr sollte die Gesamtheit der auswärtigen Beziehungen unter besonderer Berücksichtigung des Mitteleuropagedankens, aber auch die "innere Neugestaltung" diskutiert werden.91 Im ersten Heft nannte Jaffé die Auspizien, unter denen die künftige Debatte stattfinden sollte: den "Geist von 1914". Ohne Plenge - den Jaffé 1916 in Münster besuchte -92 und Kjellén namentlich zu erwähnen,93 übernahm er wesentliche Elemente ihrer Ideologeme und verband sie mit Vorstellungen eher Rathenauscher Provenienz.94 Plenge jedenfalls sah in Jaffé einen der "ersten ..., die 'Marx und Hegel' richtig erkannt und darauf weitergebaut haben."95. Unter diesen Auspizien gelang es, einen bedeutenden Beamten als Mitarbeiter für die neue Zeitschrift zu gewinnen, wenn auch nur unter Pseudonym: Kurt Riezler, den Vertrauten Bethmann-Hollwegs, "in dessen Tagebuchnotizen sich die Mentalität des engeren Führungskreises der deutschen Politik spiegelt."96 Nicht nur sein Tagebuch weist Parallelen zu den Vorstellungen Jaffés auf; in seinen Artikeln für dessen Zeitschrift formulierte Riezler seinen Glauben an die deutsche Sendung, seine Hoffnung auf einen mitteleuropäischen Bund auf gemischtwirtschaftlicher Grundlage und seine Überzeugung vom staatssozialistischen Charakter der künftigen Wirtschaftsordnung.97 Riezler traf 1916 auch mit Plenge zusammen und versicherte ihm sein großes Interesse an den Ideen von 1914, glaubte aber, daß Plenges Begründung sich nicht halten lasse.98 Eindeutiger als Plenge oder gar Schulze-Gävernitz knüpfte Jaffé an den Traditionen des Korporativismus an. Seine Version der Ideen von 1914 beinhalteten wesentlich mehr konkreten Antikapitalismus als die Vorstellungen Plenges. Ebenso waren sowohl Jaffés als auch Riezlers Ideen von jenem pathologisch antienglischem Affekt frei, der besonders Sombarts Traktat auszeichnete. Mit seinem "dernier cri", so Max Weber,99 war Sombart auf durchaus geteiltes Echo gestoßen. So äußerte sich Sieveking sarkastisch und Knapp besorgt,100 aber Jaffé versuchte, Sombarts Agitation ebenso zu bekämpfen,101 wie er die distanzierende Erklärung der Berliner Akademie der Wissenschaften gegen Lassons hyperpatriotische Auslassungen mitbewirkt hatte.102 Sombart andererseits war sichtlich angetan von der positiven Würdigung durch Plenge sowie von dessen Veröffentlichungen in der 'Glocke'.103 Er erkannte deren Verwandtschaft mit seinen eigenen konservativen Anschauungen, zu denen er sich in der zweiten Auflage seines "Modernen Kapitalismus" endgültig bekannte.104 In diesem Sinne bat er Plenge um die Rezension seines neuen "Modernen Kapi199 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

talismus" und um künftige Zusammenarbeit.105 Beides kam nicht zustande. Sombarts Sinneswandel aber hatte ihm die Sympathien der konservativen Berliner Kathedersozialisten eingebracht. Nach Auffassung von Hintze, Sering und Troeltsch brachte die zweite Auflage seines Werkes "die guten Seiten Sombarts stark zur Geltung."106. Man betrieb Sombarts Berufung als Nachfolger auf den Lehrstuhl Wagners. Schmoller engagierte sich nicht zuletzt deshalb für Sombart, weil er ihn gegenüber den ebenfalls zur Debatte stehenden Dietzel, Schulze-Gävernitz und Schumacher als "das kleinere Übel" ansah. Man wollte etwas tun, um Sombart wieder auf "bessere Wege" zu bringen.107 In einem Schreiben an das Kultusministerium lobte der Dekan der Philosophischen Fakultät denn auch die zweite Auflage des "Modernen Kapitalismus" und betonte, daß Sombart nunmehr selbst zugebe, in früheren Jahren zu große Zugeständnisse an den Marxismus gemacht zu haben.108 Aber auch Plenge erfreute sich plötzlich der Sympathien des Mannes, den er neben Sombart öffentlich immer abgelehnt hatte. Schmoller hielt die Kontroverse zwischen Strecker und Plenge immerhin für so bedeutend, daß er sie in seinem 'Jahrbuch' abdruckte und mit einem Nachwort versah.109 Obwohl Schmoller - angesichts der praktischen politischen Implikationen der Plengeschen Ideologeme zu Recht - keinen dichotomischen Gegensatz zwischen Strecker und Plenge zu sehen vermochte, betonte er, daß "Plenges Gedanken vom inneren Sozialismus ... meinem [= Schmollers] Standpunkt doch wohl sehr nahe" stehen. Es bereite ihm "Genugtuung, zu sehen, wie ein Mann,

der in meiner Entwicklung vermutlich vielfach von meinen Ideen weit abliegende Wege

gegangen ist, in diesem Punkte zu ganz ähnlichen Ergebnissen gelangt. Es ist in meinen hohen Jahren trostreich zu beobachten, daß dem während der letzten Jahre in der deutschen Nationalökonomie sich unter merkwürdigen Verkleidungen immer unverhohlener auftauchenden Neumanchestertum ganz spontan sich neue Dämme entgegenstellen."110

Nichtsdestoweniger blieb Schmoller skeptisch; Plenge galt ihm zwar als "großes Talent und umfassend gebildeter Mann," aber auch als "Krakehler", der "noch nicht genug geleistet" habe.111 Auch Alfred Weber - der, zusammen mit seinem Bruder, Schmoller und Wagner oft entgegengetreten war - veröffentlichte 1915 seine "Gedanken zur deutschen Sendung". Er forderte zwar die Neuordnung in westlichparlamentarischer Richtung, wollte aber nicht zu "jenem entgeistigten und entseelten Beamtentum gelangen, das als Clerk oder Präfekt ... der bloße Handlanger einer ... parlamentarischen Maschinerie ist."112 A. Weber überreichte Schmoller - dem die Webers als "doch beide unmöglich" galten -113 die Schrift mit der Bemerkung, daß er ihm "am Ende einer jetzt wohl abgeschlossenen Entwicklung, die manche Wendung nahm, wohl näher stehe als ich [= Weber] lange Zeit glauben durfte." Man sei "heute ...

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in der Lage, altes Demokratisches und neues wirklich Soziales in einem einheitlichen Tiegel zusammen zu schmelzen und die Realitäten für das Neue verdanken wir der Periode seit 1880, Jeder der das jetzt wie ich als Ganzes sieht und fühlt, wird sich als geistiger Nachfolger eben dieser Periode betrachten. Und so darf ich zu Ihnen zurückkehren mit dem Bekenntnis, daß ich erst jetzt ganz bejahend den vollen Umfang der von Ihnen mitgeleisteten Arbeit ... anerkennen kann, ... ."114

Auch der Österreicher Spann schrieb Schmoller, er habe bei der Begründung seiner neuen Theorie des Universalismus auf den Historismus zurückgegriffen.115 Die Annäherung der jüngeren Nationalökonomen an die Vorstellungen der älteren unter dem Einfluß des Krieges erscheint frappierend. Vermeintlich handelt es sich um eine Synthese im Geist der Ideen von 1914. Andererseits waren die Differenzen auch in der Vorkriegszeit nicht so gravierend, wie es den Zeitgenossen selbst scheinen mochte. Die gelegentlichen antikapitalistischen Äußerungen Plenges und Schulze-Gävernitz' sind dafür bezeichnend. Freilich blieben auch Differenzen bestehen; dafür ist Plenges Abgrenzung gegenüber dem eher konservativen Philippovich charakteristisch.116 Zweifellos hat die Kriegszeit jedoch konservative Tendenzen unter den jüngeren Gesellschaftswissenschaftlern gefördert. Größere Resonanz fanden Plenges Ideen von 1914 in der Publizistik und bei Nicht-Ökonomen. So versuchte sich der Nestor der 'Wiener Moderne', Hermann Bahr, an einer österreichischen Version, um dem Zersetzungsprozeß der Donaumonarchie ideologisch gegenzusteuern. Anders als Plenge verstand er die Ideen von 1914 weniger als Triumph der Sozialgesinnung denn als Sieg des Staatsgedankens. Inspiriert von Naumanns Mitteleuropa-Konzeption sah er im Sieg des supranational verstandenen Staatsgedankens das wesentliche Resultat des Krieges, der ausschließlich um Ideen geführt werde. Dementsprechend warnte er Plenge vor einer allzu engen Verbindung des Organisationsgedankens mit der 'mechanischen' und von einseitigen Interessen beherrschten deutschen Kriegswirtschaft -117 wohl wissend, daß die Realität der Kriegswirtschaft die 'Ideen' eher diskreditierte als bestätigte. Ähnlich monierte auch Max Scheler die allzu enge Verbindung der Ideen von 1914 mit der Kriegswirtschaft.118 Scheler - der das lebensphilosophische Ideologem des Kampfes als Verunmittelbarung menschlicher Existenz auf die Ebene des Staates hob und im Krieg das Medium der Selbsterfahrung und organischen Weiterentwicklung der Nationen erblickte -119 kritisierte Plenges Bezugnahme auf Marx und Hegel, die den "Staats- und sozialfreien Kern" des Individums leugneten.120 Plenge betone zu stark das Sozial- gegenüber dem Individualprinzip und gerate damit in staatssozialistisches Fahrwasser. Gleichwohl treffe sein Gedanke zu, daß gerade der "Mangel unseres solidarischen Miteinanderlebens ... zum Staatssozialismus" 201 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

führe.121 Plenges Werk solle "besonders von jedem denkenden Sozialdemokraten gelesen werden. Der praktischen Arbeitseinheit des Bürgertums mit dem 4. Stand im nationalen Sozialismus von heute" müsse die Besinnung auf die gemeinsamen Wurzeln in der "Tiefe des deutschen Geistes" entsprechen. Obwohl Scheler aus seinem lebensphilosophischen Subjektivismus heraus den 'rationalistischen' Gesellschaftstheorien von Hegel und Marx mißtraute, erkannte er doch die ideologische Relevanz der Vorstellungen Plenges für die 'Arbeitsgemeinschaft' zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft: "dazu leistet Plenges Werk treffliche Dienste."122 Bedeutender war die Auseinandersetzung Troeltschs mit den Ideen von 1914. Hatte er einst Schulze-Gävernitz vor dem ambivalenten Charakter der deutschen Traditionen politischen Denkens gewarnt, so bekannte er sich nunmehr ebenfalls positiv zu diesen Traditionen. Nachdem Tönnies und Adolf Weber die erbetene Besprechung von "1789 und 1914" abgelehnt hatten,123 ließ sich Troeltsch zu einer ausführlichen Rezension überreden.124 Die eigentliche Leistung Plenges, so Troeltsch, sei die Erarbeitung der "Idee eines überindividuellen, nationalen Ganzen" aus den empirischen Grundlagen eines neuen Verhältnisses zwischen Staat und Wirtschaft und der neuen internationalen Gruppierung. In dieser Idee seien die "Teil-Iche" zu "freier und freudiger Tätigkeit" verbunden.125 Dabei verfalle Plenge nicht in die Überorganisation Rathenaus und Möllendorffs, sondern lasse den Individuen Raum. Obwohl Plenge vom absoluten Sieg der Mittelmächte ausgehe, bisweilen die Probleme der deutschen Kriegsorganisation verkenne und alles "in einem reichlich rosigen Lichte" sehe, 126

gelinge ihm der entscheidende Beweis der Ideen von 1914 gerade durch ihre Einordnung in eine geschichtsphilosophische Konstruktion. Dabei knüpfe der "soziologische Realismus" Plenges an marxistischen Fragestellungen an, allerdings "ohne alle die bekannten methodisch-dialektischen, metaphysisch-materialistischen Feuerbachischen und naturrechtlich-egalitären, französisch-demokratischen Voraussetzungen," was seine volle Zustimmung besitze.127 Auch Troeltsch blieb das Schwanken Plenges zwischen hegelianischer Geschichtsteleologie und positivistischem Voluntarismus nicht verborgen. Plenge habe "zwei Seelen, eine realistisch-produktionsgläubig-dualistische und eine rein logisch-dialektisch-monistische," deren Widersprüche sich in seiner "halb auf Glauben, halb auf logischer Notwendigkeit" beruhenden Geschichtskonstruktion äußerten.128 Seine "partielle und intermittierende Dialektik" verdeutliche,129 daß sich Plenges Zukunftsstaat letztlich nicht aus einer Geschichtsteleologie herleiten lasse, sondern "Glaubenscharakter" besitze.130 Dementsprechend empfahl Tröltsch die "volle und entschlossene Preisgebung des rationalistischen Monismus."131 Troeltsch forderte Plenge also auf, die inneren 202 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Widersprüche seiner Vorstellungen durch eine dezidierte Entscheidung zugunsten des Historismus zu klären und damit den Boden des ehedem so scharf kritisierten Schulze-Gävernitz zu betreten. Trotz mancher Differenzen bewirkte Troeltsch, was sich Plenge von ihm erhoffte: die weitere Popularisierung der Ideen von 1914. In der Gegenüberstellung von deutschem "individuellem Gemeinsinn" und "westeuropäischer demokratischer Zivilisation" kulminierte seine Rede vor der 'Deutschen Gesellschaft von 1914'.132 Eine Rede, die nicht zufällig "enthusiastischen Beifall" erhielt,133 sah es diese Gesellschaft - zu deren Mitgliedern hohe Beamte, bedeutende Politiker und Hochschullehrer zählten - doch als ihre vornehmste Aufgabe an, für den Erhalt jener sozialen und politischen Integration zu wirken, die mit dem Kriegseintritt und Burgfrieden erreicht schien.134 Troeltschs Rede hatte quasi-programmatischen Charakter für die Deutsche Gesellschaft. Und nur "die klugen Leute," so Max Weber, "waren enttäuscht."135 Aber noch in unzähligen weiteren Reden variierte Trtoeltsch das Ideologem Ideen von 1914: 'deutsche' versus 'westliche' Kultur, 'westeuropäischer' versus 'deutscher' Staatsgedanke, Trivatmoral' versus 'Staatsmoral' usw..136 Der 'westlichen Freiheit' der Engländer, Franzosen und Amerikaner, so Troeltschs Resümee, stehe ein deutscher Freiheitsgedanke gegenüber, der sich durch Organisationswillen und Pflichtbewußtsein auszeichne, während sich das Individuum vor allem in der Bildung verwirkliche: "Staatssozialismus und Bildungsindividualismus!"137 Diese Formulierung belegt geradezu klassisch die von Dahrendorf konstatierte traditionelle Geringschätzung der öffentlichen gegenüber den privaten Tugenden in Deutschland. Dem Ideal einer formierten Öffentlichkeit korrespondiert individuelle Freiheit in der Sphäre privater Kontemplation.138 Damit hatte sich Troeltsch weit von seiner 1907 gegen Schulze-Gävernitz vertretenen realistisch liberalen Position entfernt. Erst nach dem Weltkrieg bemühte er sich wieder um die Annäherung von 'westlichem' und 'deutschem' Geist.139 Sieht man von wenigen Ausnahmen ab, verband die positive Haltung zu den ambivalenten politischen Denk- und Verfassungstraditionen unter dem Signum 'deutsche Freiheit' und Ideen bzw. Geist von 1914 die meisten Kriegsideologen.,4° Plenge aber war einer der ersten und prononciertesten Propagandisten dieser Ideologeme. Auf ihn bezogen sich explizit oder implizit viele gleichgerichtete Kriegspublikationen und -reden: "So wurde Plenges Thema der 'Ideen von 1914' erst durch Kjellén, darauf durch Troeltsch, bald auch in den Zeitungen übernommen, gleich umgesetzt, fortgesetzt, ausgeführt, verflacht, vertieft, verstärkt, moderiert, und moduliert, abgewandelt aber auch abgegriffen und abgenützt, bis es halb verwischt und kaum mehr kenntlich, eines von den leidigen Schlagwörtern geworden ist ... ."141

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Da sich die Schlagwörter Plenges besonders gut für die seit 1917 zunehmend energischer betriebene Inlandspropaganda und Truppen'Aufklärung' eigneten, wollte man auch Plenge für Vorträge an der Front gewinnen.142

3. Wahlrechtsreform, Parlamentarismus und 'Deutsche Freiheit' Wie an der Polemik gegen den vom Marburger Neukantianismus beeinflußten Drill bereits ersichtlich,143 beinhalteten Plenges Ideen von 1914 nicht allein die Absage an die bürgerlichen Traditionen von 1789, sondern auch die dezidierte Ablehnung einer Parlamentarisierung des Reiches. Mit Befriedigung registrierte Plenge die anfängliche Beschränkung des Parlaments durch den Burgfrieden und die gewachsene Macht der Bürokratie.144 Auch in Zukunft, so Plenge, solle sich das Parlament mit der allgemeinen Zustimmung zur Arbeit der Verwaltung begnügen.145 Die im Gegensatz zu seinen Harmonieidealen bald wieder aufbrechenden politischen Interessenkonflikte vermochte sich Plenge denn auch nur mit der streitsüchtigen Psyche der "Giftnickel aller Parteien" zu erklären.146 Je mehr es dem Reichstag seit etwa 1916 gelang, seinen Einfluß gegenüber der Reichsleitung zu erweitern und den Belagerungszustand aufzuweichen,147 desto heftiger wurde Plenges Polemik gegen das "Ausbeutungssystem der Berufspolitiker",148 in dem die Interessenpolitik überwiege und die Qualität des Beamtentums abnehme. Besonders den Linksliberalen war es zunehmend gelungen, das allmähliche Zusammenwachsen der linksliberalen, der sozialdemokratischen und der Zentrums-Fraktion zu einer halbwegs stabilen Mehrheit zu bewirken. Die Friedensresolution von 1917 war ein erstes Ergebnis.149 Plenge sah in diesem Reichstag nur noch eine "Stümpermaschine"150 die - von minderwertigen Geschäftspolitikern wie Erzberger und Scheidemann beherrscht - die nationale Kraft lähme.151 Der linksliberale, aufgrund der gewachsenen Macht des Reichstages zum Vizekanzler berufene Friedrich v. Payer galt ihm als Gallionsfigur des "parlamentarischen Kuhhandels" und des "kleinkarierten Machtstrebens" der bürgerlichen Demokratie.152 Dem Tenor seiner früheren Studien zum britischen Imperialismus folgend, begründete Schulze-Gävernitz 1915 praktisch gleichlautend wie Plenge eines der offiziellen Kriegsziele: Freie Meere! Der deutsche Kampf sei zugleich der Kampf für die "Befreiung der Menschheit"153 wie für eine "höhere Stufe der Freiheit." Mit der äußeren Organisationsbewegung in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft wie mit der "Idee des Ganzen" als Resultat deutscher Denktraditionen seit Kant und Hegel sei Deutschland zum fortschrittlichen Vertreter einer 204 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

neuen Stufe der sozialen Entwicklung geworden. Wie Plenge verkündete Schulze-Gävernitz: "... der Weltgeist redet heute durch Deutschland."154 Der englische Individualismus stemme sich dem entgegen, da er seine ehedem so selbstverständliche Suprematie gegen das organisierte Deutschland verteidigen wolle. Gegenüber dem abgelebten Individualismus aber erstrebe der Deutsche "die vernunftgemäße Ordnung im Innern ... im Sinne materieller Gerechtigkeit" und zwar "über die formale Freiheit der Briten hinaus, die er als Vorstufe bejaht;" nach außen verlange der Deutsche die "vernunftgemäße Organisation der Welt auf dem Boden der Freiwilligkeit."155 Neben Troeltsch - der die Schrift Schulze-Gävernitz' begrüßte und ihre Argumente übernahm -156 befand sich Schulze-Gävernitz auch wieder im Einklang mit Naumann, der ebenfalls die neue, überlegene Qualität des deutschen Organisationsgedankens feierte.157 Insgesamt schien die burgfriedliche Übereinstimmung konservativer bis sozialliberaler Positionen ungetrübt. Tatsächlich hielt Schulze-Gävernitz jedoch an seiner Vorkriegsforderung nach Reform des preußischen Wahlrechts fest, nicht zuletzt aus außenpolitischen Motiven.158 Daneben gab es freilich ein starkes innenpolitisches Motiv: "Schon wegen höchst unliebsamer Reichstagsdebatten" im Falle des Sieges der sozialdemokratischen Linken über die reformistische Führung seien Konzessionen an die Sozialdemokratie unvermeidlich.159 SchulzeGävernitz versuchte möglicherweise schon kurz nach Kriegsbeginn, die Reichsleitung dahingehend zu beeinflussen.160 Schulze-Gävernitz steht hier stellvertretend für eine Gelehrtengruppe, die schon seit Kriegsbeginn der Wahlrechtsreform entscheidende innen- und außenpolitische Bedeutung zumaß: Gerhard Anschütz, Hugo Preuß, Hermann Oncken, Troeltsch, Tönnies, Meinecke und andere. Sie stießen auf die Kritik der bewußt Obrigkeitsstaatlichen' Below und Scheler.161 Etwa seit 1916 erweiterte sich diese Gruppe um Harnack, Delbrück, Schmoller und andere gemäßigt-konservative Gelehrte. Sie erklärten um der Aufrechterhaltung der Identität von Volk und Staat im Sinne des Burgfriedens willen die Wahlrechtsreform zum vordringlichsten Ziel der inneren 'Neuordnung'.162 Zum unversöhnlichsten Kritiker der Reichsverfassung wurde Max Weber, der in der Person des Kaisers und in der kaum kontrollierten Beamtenherrschaft eine unerträgliche Belastung der deutschen Kriegspolitik, ja geradezu die Verhinderung einer rationalen politischen Führung erkannte. In der Parlamentarisierung und Demokratisierung nicht nur Preußens, sondern auch des Reiches sah er die notwendige Voraussetzung, um jene parlamentarisch legitimierten und damit verantwortlichen wie kontrollierbaren Politiker und Staatsmänner hervorzubringen, von denen allein er künftig eine effiziente, rationale und von der Mehrheit der Bevölkerung getragene Staatsführung 205 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

erwartete.163 Bei Weber finden sich, anders als bei Schulze-Gävernitz, kaum Kompromisse mit den konservativen Ideentraditionen. Was Schulze-Gävernitz, Plenge, Troeltsch und andere so schätzten, lehnte Weber ab: den Rekurs auf philosophische Klassiker bei der Behandlung moderner politischer Probleme.164 Er erkannte den letztlich konservativen Charakter dieser Ideologeme.165 Obwohl auch er - bei aller Skepsis gegenüber den deutschen Siegeschancen - die Aufbruchsstimmung des Jahres 1914 geteilt hatte, enthielt er sich hypernationalistischer Manifestationen und distanzierte sich von den Ideen von 1914.166 Harte Kritik übte darauf Plenge an Weber: "Sie haben in dem Wahn, die Forderungen der heutigen Zeit noch zu vertreten, durch Ihre Aufsätze in der Frankfurter Zeitung zu dem verhängnisvollen Wirrsal der taktischen Politik kurzsichtiger und ehrgeiziger Berufspolitiker wesentlich beigetragen ... ." Webers "soziologischem Blick" müsse sich doch sofort erschließen, daß der Parlamentarismus den "organisatorischen Problemen der Gegenwart" nicht gewachsen sei. Er sei "unbesehen einem veralteten Jugendwert zum Opfer gefallen, und noch dazu einem wesentlich negativen Oppositionswert, der es mit den Mängeln der deutschen Einrichtungen kritisch nimmt, während die Vorzüge des dafür erwählten westländischen Ersatzes gar zu leicht geglaubt werden." Man könne eben nicht einfach "wertfreie Wissenschaft betreiben," sondern müsse "aus dem tiefen Miterleben der verschiedenen Werte Methode machen" und dadurch eine "objektive, nicht versteckterweise irgendwie an einem vergangenen Ideal haftende Haltung gewinnen."167

Die Nähe Plenges zur alldeutschen Propaganda wird evident, vor allem in dem impliziten Vorwurf, Weber und die 'Frankfurter Zeitung' seien quasi Gesinnungskollaborateure der Westmächte. Der Wahldcutschc Houston S. Chamberlain - mit dessen ebenso schlichten wie einprägsamen alldeutsch-antiparlamentarischen Demagogie sich Plenge identifizierte -168 hatte im gerichtlich bescheinigten Eifer des Renegaten 1917 sogar direkte Verbindungen der 'Frankfurter Zeitung' mit den Westmächten unterstellt.169 Im Grunde war dies nur die demagogische Zuspitzung der Polemik à la Plenge. Auch Max Weber verfocht den Parlamentarismus nicht, um der Volkssouveränität im radikalliberalen Sinne zum Durchbruch zu verhelfen, sondern um verantwortliche Staatsmänner hervorzubringen. Oberflächlich betrachtet, wollte er also dasselbe wie Plenge, mit dem Unterschied, daß dieser nicht das verantwortliche Parlament, sondern die Unterrichtsanstalt zum 'Pflanzboden' der neuen 'Volksführer' machen wollte. Gegenüber dem herkömmlichen Selektionsmechanismen und der Funktionsweise der preußisch-deutschen Bürokratie vertrat Weber das heute in allen westlichen, parlamentarischen Staaten etablierte System der repräsentativen Massenpartei- und Verbandsöffentlichkeit als Mittler zwischem fiktivem Einzelwillen und der Staatstätigkeit.170 Demgegenüber akzeptierte Plenge das Parlament gerade nicht als Sphäre konfligierender, Verbands- und parteimäßig 206 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

organisierter und durch verantwortliche Repräsentanten vertretener Gruppeninteressen; er wollte die in hohem Maße unkontrollierte und damit von ungeregelten und nicht öffentlich manifestierten gesellschaftlichen Interessen beeinflußte Bürokratie aufrechterhalten. Allein die Unterrichtsanstalt und der bewußt erfaßte Organisatorische Sozialismus' sollte die Allgemeinwohlorientierung der Staats- und Industriebürokratie garantieren. Und insofern setzte Plenge tatsächlich die Auffassungen der konservativen Kathedersozialisten fort. Gerade im Vergleich mit Plenge wird Max Webers fortschrittliche Rolle deutlich; ohne ihn namentlich zu erwähnen formulierte Weber an die Adresse Plenees: "Der typische Snobismus vieler Literaten freilich ... findet diese nüchternen Probleme der Parlaments- und Parteireform unendlich subaltern: 'technische Eintagsfragen"seien das im Verhältnis zu allerhand Spekulationen über die 'Ideen von 1914' oder über den 'wahren Sozialismus' und ähnliche Literateninteressen."171

Max Webers pointierte Haltung wurde von Brentano, Preuß und Anschütz weitgehend unterstützt, während die gemäßigt-konservativen Professoren (Delbrück, Harnack, Troeltsch, Tönnies, Schmoller u.a.) zwar die Wahlrechtsreform forderten, aber die Parlamentarisierung ablehnten.172 Da die Mehrheit der reformfreundlichen Hochschullehrer letztlich den konservativen Traditionen verpflichtet blieb, mußte der Widerstand gegen die offensive, kompromißlos alldeutsche Gruppe um Below relativ wirkungslos bleiben. Die Mehrheit der reformerischen Professoren betrachtete gerade nicht die von ihren Gegenspielern bewußt entfachte öffentliche Auseinandersetzung, sondern die informellen Kontakte zur Bürokratie - sei es über die 'Deutsche Gesellschaft', den 'Mittwochabend-Kreis' oder unmittelbare persönliche Beziehungen - als wichtigstes Medium politischer Einflußnahme. Mit der Etablierung der Obersten Heeresleitung' und dem immer deutlicheren Primat des Militärs wurden diese Kanäle aber immer unfruchtbarer.173 Während sich unter einer mit der Gründung der 'Vaterlandspartei' parallellaufenden Unterschriftensammlung gegen den Reichstag die Namen von Tönnies und Plenge fanden, versuchte Delbrück "in steter Fühlung mit der Regierung, doch unabhängig von ihr" den Kampf gegen die Alldeutschen zu organisieren.174 Die von Troeltsch und Delbrück initiierte Sammlungsbewegung von Intellektuellen und Gewerkschaftsführern unter dem Signum 'Volksbund für Freiheit und Vaterland' blieb jedoch relativ wirkungslos.175 Im Engagement Schulze-Gävernitz' für die Reichsreform werden zwei Hauptmotive der sozialliberalen Reformfreunde deutlich. Schon lange vor dem Kriege hatte man die Notwendigkeit erkannt, die Sozialdemokratie als systemstabilisierende Kraft zu integrieren und das System entsprechend zu modernisieren. Erst recht galt das im 207 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Kriege, der den Massen immer größere Opfer abverlangte und sie daher den Argumenten linkssozialistischer Gruppen zu öffnen schien.176 So mahnte Gustav Noske in einem Gespräch mit SchulzeGävernitz, dem Volk Rechte zu geben, wenn man ihm schon kein Brot geben könne, andernfalls würde es nach links abrutschen.177 Vor dem Hintergrund der April-Streiks von 1917 klang diese Mahnung gewiß eindringlich.178 Auf Dauer ließ sich die Proteststimmung der Massen nur wirkungsvoll kanalisieren, wenn man den Gewerkschaften und der Sozialdemokratie über die Konzessionen des Hilfsdienstgesetzes hinaus weitere Einflußmöglichkeiten auf die Staatstätigkeit einräumte, da sie allein massenhafte Proteststimmungen systemstabilisierend integrieren konnten.179 Schulze-Gävernitz schätzte die Macht der Arbeiterbewegung und die Notwendigkeit, ihr substantiell entgegenzukommen, möglicherweise höher ein als ihre Funktionäre selbst, wenn er glaubte, daß "die Leute neben Ludendorff heute in Deutschland die einzig reale Macht sind - sie können Hindenburg in 14 Tagen lahmlegen - ... ."18° Ferner blieb die westliche Kritik an der deutschen Verfassung nicht ohne Wirkung auf die Reformüberlegungen der Hochschullehrer, geriet diese Kritik doch immer mehr zur offiziellen Begründung der alliierten Kriegspolitik. Man hoffte, vor allem durch die Wahlrechtsreform dem Gegner 'den Wind aus den Segeln' nehmen zu können.181 Dieses Argument machte sich SchulzeGävernitz zunehmend zu eigen und wurde darin von dem ihm freundschaftlich verbundenen, in Holland akkreditierten Diplomaten Emil v.d. Heydt bestärkt. Dieser betonte wiederholt die Notwendigkeit innerer Reformen aus außenpolitischen Gründen.182 Aus dem gleichen Grund legte auch Naumann im Sommer 1917 dem Reichsamt des Innern eine vertrauliche Denkschrift über die "Freiheit in Deutschland" vor, in der er zur bewußten Ausarbeitung des spezifisch deutschen Freiheitsbegriffs aufforderte.183 Naumanns Vorschläge hatten aber eher kosmetischen Charakter, während Max Weber konkrete Schritte ohne derlei ideologisches Beiwerk forderte. Treffend schrieb Schulze-Gävernitz unter das ihm zugesandte Exemplar der Denkschrift, in der er verschiedene Passagen anerkennend hervorhob: "ist nur möglich durch Beteiligung der Socialdemocratie an der Regierung; bleibt sonst Phrase."184 Schulze-Gävernitz folgte der Anregung Naumanns und führte dessen Gedanken in einem größeren Manuskript aus, auf dessen Grundlage er 1918 in Verbindung mit dem 'Volksbund für Freiheit und Vaterland' einige öffentliche Vorträge hielt.185 Die deutsche Freiheit bleibe "eine schöne unverbindliche Redensart," so Schulze-Gävernitz, wenn sie nicht "ganz bestimmte greifbare Formen annimmt." In ihren praktischen Konsequenzen beinhalteten die Freiheits- und Gleichheitspostulate der französisch-englischen Aufklärung nur die Freiheit 208 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

des Unternehmers in der "bourgeoisen Gesellschaft" und die "rechtliche Voraussetzung für die tatsächlichen Ungleichheiten" im Rahmen einer Wirtschaftsordnung, "die uns heute als anarchisch und veraltet erscheint."186 Demgegenüber ergänze der deutsche Freiheitsgedanke den westlichen um die "Idee des sozialen Ganzen", wie sie sich von Kant über Fichte und Hegel herausgebildet habe; freilich dürfe diese Idee nicht zum "brutalen Machtkultus" degenerieren.187 Anders als der britische weise der deutsche Freiheitsgedanke der Wirtschaft nur dienende Funktion zu: "die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse mit gesellschaftlichen Mitteln." In der Vergangenheit habe der deutsche Freiheitsgedanke mit der allgemeinen Schulpflicht, der allgemeinen Wehrpflicht und dem allgemeinen Reichtagswahlrecht "oAne Revolution Freiheit und Ordnung" bewirkt.188 Daneben sei die fortschrittlichste kapitalistische Wirtschaftsordnung und zielbewußteste Gewerkschaftsbewegung geschaffen worden. Aber "trotz Kant und Fichte, trotz 1806 und 1848" werde das deutsche Freiheitsideal noch durch Obrigkeitsstaatlichkeit, patriarchalische Polizeigewalt und Reste von fürstlichem Absolutismus verdunkelt.189 Da die bürgerliche Revolution von 1848 gescheitert sei, beruhe die Reichsgründung auf einem "Vergleich zwischen preußischem Junker- und deutschem Bürgertum." Dieser Vergleich habe einer Klasse die politische Führung überlassen, deren wirtschaftliche und politische Grundlagen in der Leibeigenschaft des 18. Jahrhunderts wurzle und die diesen "Geist der Unfreiheit" allmählich über ganz Deutschland ausbreitete. Während jeder Liberale oder gar Sozialdemokrat vom Staat ausgeschlossen worden sei, habe der "verjunkerte Bürger" triumphiert. Die feudalisierte westdeutsche Schwerindustrie habe schließlich jenes "Bündnis zwischen Rittergut und Hochofen" geschlossen, das dem Junkertum jene Macht zum Schein belassen habe, die in Wirklichkeit längst beim Hochofen lag. Wenn diesem "freiheitsfeindlichen Bunde die Fehde" erklärt werde, so nur, um die "staatliche Eindisziplinierung des Junkertums" zu erreichen und das alte Bündnis durch ein neues der neuindustriellen "Kapitalmächte mit den gewerkschaftlich organisierten Arbeitern" zu ersetzen; schließlich habe sich der wirtschaftliche Schwerpunkt in das "Gebiet der verarbeitenden Industrien verlagert."190 Auch die sogenannte 'Realpolitik', der Sozialdarwinismus und Rassenbiologismus, die bald in "alldeutsches Fahrwasser" geflutet seien, hätten dem Ansehen der deutschen Freiheit geschadet. Die deutsche Geschichtswissenschaft sei in ihrem "Relativismus" unfähig gewesen, diesen Strömungen Widerstand entgegenzusetzen.191 Nicht allein durch "Erziehung der industriellen, gewerkschaftlichen und wissenschaftlichen Führer unseres Volkes in idealistischen Geist," sondern auch durch volle Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit sowie durch Beseitigung aller Privilegien sei diesen Gefahren ent209 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

gegenzuwirken.192 Neben gleichen Bildungschancen sollte den breiten Massen fortschreitend die Partizipation am gesellschaftlichen Reichtum gesichert werden. Die unheilvollen Vermögensverschiebungen der Kriegszeitund ihre fideikornmissarische 'Nobilitierung' müßten korrigiert werden -193 unter anderem durch eine groß angelegte Aufsiedelung Ostelbiens, die sich auch aus militärischen Gründen empfehle.194 Man müsse endlich "vom Staat der Klassen zum Staat der Massen" fortschreiten, der die "Teilnahme der Staatsbürger an der Bildung des Staatswillens" durch "Entwicklung der Verfassung" garantiere und damit die Tradition der bürgerlichen Revolution von 1848 wieder aufnehme.195 Da man "in den wunderbaren Augusttagen des Jahres 1914" versäumt habe, "dem Volke im gleichen Wahlrecht die Freiheit zu schenken" und sich "nur allzu früh ... junkerliche und alldeutsche Überhebungen wieder ans Tageslicht" wagten, kämpfe das deutsche Volk "den Weltkrieg nach außen zugleich als seinen Freiheitskrieg nach innen."196 Wie schon vor dem Kriege skizzierte auch diese Denkschrift das Konzept einer politischen Modernisierung und sozialpolitischer Reformen zur Verhinderung der sozialen Revolution, freilich trat der extreme Imperialismus der Vorkriegszeit jetzt in den Hintergrund. Wie vor der Jahrhundertwende gelang es Schulze-Gävernitz, die zentrale Problematik des Bismarckreiches bei allen zeitbedingten Irritationen zutreffend zu umreißen. Positiver als früher bewertete er nun auch radikalliberale Traditionen, die er mit dem Erbe des Bismarckreiches aussöhnen wollte. Obwohl er die politische Funktion irrationalistischcr Philosopheme jetzt durchaus erkannte, hielt er am ambivalenten deutschen Idealismus als ideeller Basis des angestrebten Bündnisses zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft fest. Das Bündnis von verarbeitender Industrie mit dem Reformismus sollte den solidarprotektionistischen Interessenpakt ablösen, der den ökonomischen Interessen von Arbeiterschaft und neuen Industrien gleichermaßen zuwiderlief. Klarer als mancher Vertreter der neuen Industrien hatte Schulze-Gävernitz die Notwendigkeit erfaßt, die reformistische Arbeiterbewegung durch Konzessionen zu stärken, um die Zernierung des Reiches zwischen dem ebenso wohlorganisierten wie unweigerlich in die Katastrophe führenden Kurs der Rechten und der revolutionären Politik der radikalen Linken zu verhindern.197 Auch außenpolitisch war nur von dem neuen Bündnis, das sich seit der Friedensresolution allmählich vorzubereiten begann, ein rationaler und effizienter Imperialismus zu erwarten, der die Vabanque-Politik der annexionistischen Schwerindustriellen, Junker und Militärs ablösen konnte. Die 'deutsche Freiheit' und die Ideen von 1914 in dieser Version antizipierten den faktisch immer auf dem Übereinkommen von Kapital und Arbeit beruhenden bürgerlich-parlamentarischen Verfassungsstaat. 210 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Vor allem aber legitimierten sie den von Schulze-Gävernitz mitbewirkten "Kryptoparlamentarismus",198 der mit der Regierung Hertling entstanden war.199 Der Mehrheit der liberalen und gemäßigt-konservativen Hochschullehrer gelang es letztlich nicht, sich von den konservativen politischen Traditionen soweit zu lösen, daß ein effektiver Widerstand gegen die 'alten Mächte' auch nur denkbar gewesen wäre - vom faktisch engen Spielraum einer oppositionellen Gelehrtenpolitik, vollends angesichts von Militärzensur und Belagerungszustand, ganz abgesehen. Solange man aber wie Delbrück und Schmoller200 immer wieder vom Ruhm und historischen Verdienst der preußischen Bürokratie kündete, mußte das jenen Kräften zugute kommen, deren Interessen die Bürokratie vorrangig beeinflußten: dem Junkertum und dem 'feudalisierten' Bürgertum. Die konservativen Eliten hatten vollends während des Krieges die Möglichkeiten der Manipulation der öffentlichen Meinung durch gezielte Massenpropaganda erkannt, die der 'unterirdischen' Beeinflussung der Bürokratie zur Seite trat. Gegenüber dem 'Cäsarismus' der Rechten, also dem Appell an die Massen zugunsten der eigenen, den Interessen der Massen objektiv widersprechenden Ziele, setzten die gemäßigt-konservativen Professoren zunächst auf die Militärzensur, um die Kriegszielagitation im Zaume zu halten,201 und auf ihren persönlichen Einfluß auf die Bürokratie, um die Verwirklichung ihrer 'Reform von oben' voranzutreiben. Als sie das Scheitern dieser Gelehrtenpolitik einsehen mußten, versuchten sie, die augenscheinlich erfolgreicheren Methoden des Gegners zu kopieren. Freilich besaßen sie nicht dessen Mittel, Apparate und sozialen Rückhalt; zudem war der vielleicht überschätzte Einfluß auf die angeblich gemeinwohlorientierte Bürokratie endgültig verlorengegangen. Angesichts dieser Tatsache hatte nunmehr auch Max Weber seine einstige taktische Zurückhaltung aufgegeben und war öffentlich in die Offensive gegangen, was ihm nicht nur die Kritik der Rechten à la Plenge eintrug, sondern ihn auch von seinen gleich oder ähnlich gesinnten Kollegen isolierte. Auch dieses Einzelgängertum reflektierte noch viel vom traditionellen professoralen Selbstverständnis und kennzeichnete das Ende der traditionellen Gelehrtenpolitik der Kaiserzeit, das sich ja schon vor 1914 abzeichnete. Demgegenüber erscheint, zunächst unabhängig von der oft zutiefst konservativen Rethorik, das Engagement von Schulze-Gävernitz im Rückblick auf die Vorkriegszeit konsistent und als konsequente Antwort auf die Krise der Gelehrtenpolitik, verband er doch die traditionelle Gelehrtenpolitik mit Parteipolitik, die auch vor propagandistisch vereinfachenden, aber eingängigen Formeln nicht zurückschreckte. Wie Naumann202 vertrat er sein Konzept im Reichstag.

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Vehement wehrte er sich in einer Reichstagsrede im Februar 1918 gegen den Anspruch der Westmächte, gegen die deutsche Barbarei zu kämpfen. In Wahrheit führe Deutschland den Krieg für "Weltgleichgewicht und Platz aller an der Sonne," auch wenn die ausländischen Theorien der Gobineau und Chamberlain diesen Kampf ebeso beeinträchtigten wie der ostelbische Geist der Unfreiheit. Unter großem Beifall der Linken forderte er die Ersetzung der militärischen durch eine zivile Zensur, da erstere nur denjenigen nütze, die die offizielle Politik bekämpften, aber ihren Unterstützern schade. Zudem gelte es, eine so scharfe Besteuerung der Kriegsgewinne vorzunehmen, "daß ein geschäftliches Interesse an der Kriegsfortsetzung überhaupt nicht mehr besteht." Das Menetekel der Revolution und des Zusammenbruchs an die Wand malend, verlangte Schulze-Gävernitz die volle Wahlrechtsreform in Preußen. Angesichts der bolschewistischen Gefahr, der Hoffnung der Entente auf die deutsche Revolution und "in Tagen, da breite Massen unseres Volkes den Führern der Sozialdemokratie nach links hin entgleiten,"203 sei es möglicherweise bald zu spät für eine stabilisierende Wirkung der Wahlrechtsreform. Ähnlich wie die Abgeordneten der Mehrheitssozialdemokratie benutzte Schulze-Gävernitz die Januar-Streiks,204 um eindringlich die Verwirklichung der versprochenen Wahlrechtsreform einzuklagen. Dem Hinweis Noskes folgend, beschwor er die Gegner der Reform: "... muß man in der Heimat die Brotrationen herabsetzen, so erhöhe man die Freiheitsration."205 Rethorisch geschickt erinnerte er an die 1848er Revolution als Folge der nicht eingelösten Freiheitsversprechen aus den Befreiungskriegen.

Es gelte, einen

"Volksparlamentarismus" 206

einzurichten, in dem die Monarchie, befreit von den Interessen des Junkertums, zur führenden Kraft einer 'Reform von oben' werden könne, wie in den Tagen Friedrich IL, Steins oder Bismarcks. Im Zuge seiner Kontroverse mit Delbrück beklagte Below, daß Schulze-Gävernitz in der Uniform eines Landwehrleutnants auf öffentlichen Versammlungen die Vaterlandspartei attackiere und unter dem Beifall der anwesenden Sozialdemokraten der Arbeiterbewegung attestiere, sie könne in zwei Wochen die strategischen Talente der Ludendorff und Hindenburg lahmlegen. Er zweifle nicht, so Below, daß auch Delbrück gegen diese "Flaumacherei" protestieren werde, wie seitens Freiburger Hochschullehrer bereits geschehen. Dieser leider nicht einzigartige Fall zeige aber, "wie systematisch die Siegesstimmung bei uns durch gewisse Kreise untergraben wird."207 Tatsächlich hoffte Schulze-Gävernitz, wie fast alle sozialliberalen Kräfte, die Monarchie erhalten und trotzdem das Reich parlamentarisieren zu können, wenn es nur gelänge, den preußischen 'Klassenparlamentarismus' zu brechen und eine solidere als die gegenwärtige Reichstagsmehrheit herzustellen.208 Angesichts des eisernen Machter212 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

haltungskartells von Krone, Oberster Heeresleitung, Vaterlandspartei, Konservativen und Interessenverbänden war die Maxime 'Demokratie und Kaisertum' unrealistischer denn je. Die Propaganda für die Monarchie und die Eloge auf die 'Reform von oben' zu Beginn des 19. Jahrhunderts - die wir heute als Markstein der konservativen Sonderentwicklung Deutschlands erkennen - kam nur konservativen Prätentionen zugute. Als mit der Regierung Max v. Baden die Parlamentarisierung als 'Ausflucht von oben' gewählt wurde, war es tatsächlich zu spät.209 Der Reichstag war nurmehr der "Konkursverwalter" des abgewirtschafteten Bismarckreiches.210 Mit der Novemberrevolution war auch der Sozialliberalismus und sein Partner, der sozialdemokratische Reformismus, gescheitert. Schulze-Gävernitz blieb freilich davon überzeugt, daß nur jene Schuld an diesem Scheitern trugen, "welche das preussische Wahlrecht ... fortbestehen ließen, unfähig auf ihre Privilegien selbst in der höchsten Not des Vaterlandes zu verzichten."211

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XL Arbeiterbewegung und Gesellschaftswissenschaft im Zeichen des Burgfriedens Das Bemühen bürgerlicher Gelehrter, reformistische und sozialimperialistische Tendenzen innerhalb der Arbeiterbewegung zu fördern, erhielt durch den Krieg neuen Auftrieb. Nachdem es gelungen war, die Arbeiterschaft für die Unterstützung der Kriegspolitik zu gewinnen, schien der Burgfriede zunächst zu bestätigen, was man immer phrophezeit und wofür man sich immer eingesetzt hatte.1 Wie sehr andererseits die Sozialdemokratie bürgerliche Theorie und Ideologie inkorporiert hatte, wie erfolgreich also das Bürgertum sich auf dem Felde der öffentlichen Meinung mit der Arbeiterbewegung auseinandergesetzt und somit seine kulturelle Hegemonie ihr gegenüber befestigt hatte, sollte gerade die Kriegszeit zeigen.

1. Bürgerliche Soziaircform und sozialdemokratischer Reformismus

Die Aktivitäten von Schulze-Gävernitz in den ersten Augusttagen 1914 stehen ganz in der Kontinuität der schon vor dem Kriege verfolgten Doppelstrategie der Auseinandersetzung mit dem Marxismus und der persönlichen Einflußnahme auf revisionistische Führer. Er unterstützte im Juli und August 1914 die innenpolitische Taktik der Regierung Bethmann-Hollweg.2 Wie Naumann - der vor allem in Gesprächen mit Südekum für den Standpunkt der Reichsleitung warb -3 wandte sich Schulze-Gävernitz am 1. August in einem Schreiben an Frank, Quessel, David, Göhre, Ledebour, Wurm, Scheidemann und Bernstein. Er mahnte die Sozialdemokraten zur Geschlossenheit angesichts der Gefahr für Deutschland. Es dürfe nunmehr "keinen Parteiunterschied" mehr geben. Die Sozialdemokratie solle vor allem den Kampf gegen den Zarismus betonen, den Verhinderer allen Fortschritts. Das deutsche Interesse sei heute "gleichbedeutend mit der russischen Revolution," formulierte Schulze-Gävernitz unter Berufung auf Marx.4 Seiner Frau schrieb er zwei Tage darauf über diesen Brief: Er "tat gute Wirkung; aber eine Veröffentlichung hätte ... nur gescha214

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det."5 Allzu publik sollten die guten Beziehungen offensichtlich nicht werden. Frank und einige ihm verbundene Fraktionskollegen waren bereits Ende Juli entschlossen, auch dann für die Kriegskredite zu stimmen, wenn darüber die Partei zerbrach.6 Aber auch auf der Linken bewirkten Russophobie und Kriegseuphorie die zunehmende Bereitschaft zur Annahme der Kredite. Schulze-Gävernitz berichtete vom Tage, an dem die sozialdemokratische Reichstagsfraktion mit 78 gegen 14 Stimmen ihr Votum für die Kredite beschloß: "Zunächst schrieb ich ein kurzes Schriftstück, das Zimmermann (dem leitenden Kopf im auswärtigen Amt) und Tirpitz unterbreitet wurde: Kräftesammlg. gegen Frankreich. Wenn Fr. erledigt würde, wäre auch Rußland besiegt. Sodann im Auto zu Jäckh. Dieser erzählte als best eingeweihter: Der Kaiser glaubte und bemühte sich bis zuletzt um den Frieden; er ist von Rußland (wie ich höre, dem Zaren persönlich) betrogen worden. ... Dann ging es im Auto weit hinaus zu Ledebour, temperamentvollem Führer der socialdemocratischen Linken. (Led.[edebour] Litterat, declassierter Adliger (Früh.er v.on Led.). Freund des ebenso radicalen Grafen Wilding unserem Freund von Schöneck) Da er noch im Bett lag - es war erst 9 Uhr - sprach ich zuerst mit Frau L., dann mit ihm - auch hier Empörung gegen den Zaren u. den Zarismus. Mitgefühl mit Frankreich. L. band sich nicht, aber der Eindruck war nicht ungünstig. Dann in den Reichstag. Hier traf ich Frank und andere Socialdemocraten. Fr.[ank] empfindet genau wie wir. Er und seine Freunde haben sich schriftlich verpflichtet, für die Kriegscredite zu stimmen u. so die Einstimmigkeit der Nation nach aussen festzustellen. Lieber wollen sie die Partei sprengen, als anders sich halten."7

Insbesondere bei Frank wird die Hoffnung des Reformismus deutlich, jenseits der bloßen Verteidigung gegen den Zarismus mit der vaterländischen Haltung der Arbeiterbewegung endlich die politische Gleichberechtigung innerhalb des bestehenden Systems zu erreichen: "Statt des Generalstreiks führen wir für das preußische Wahlrecht einen Krieg."8 In Wirklichkeit intendierte die Reichsleitung jedoch nicht das "Geschäft auf Gegenseitigkeit," auf das viele Sozialdemokraten hofften.9 Jedoch waren auch etliche Beamte und Gelehrte der Überzeugung, daß die einmal erreichte Einordnung der Arbeiterschaft zu festigen und fortzuführen sei, daß dies aber nur möglich war, wenn es gelang, erstens die Arbeiterbewegung für die eigenen Gesellschaftskonzeptionen zu gewinnen und andererseits eine Politik der sozialen und politischen Reform wieder aufzunehmen. Viele erhofften sich dies von der Regierung Bethmann-Hollweg. So glaubte etwa der Heidelberger Historiker Oncken, daß seine "Hoffunungen - wenn auch so ungeheure Ereignisse zur Realisierung nötig waren - sich bis jetzt erfüllte haben und bei einigermaßen Geduld auf beiden Seiten nicht wieder verloren gehen können. Ich glaube, daß B.H. [= Bethmann-Hollweg] dafür die ruhige und gerechte Hand hat."10 Angesichts der bald wieder aufbrechenden gruppenegoistischen Politik der Interessenverbände, denen das 'Gemeinwohl' allenfalls zur Legitimation ihrer Ziele diente, mag mancher sogar in den Gewerkschaften und

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Sozialdemokraten die eigentlichen, 'selbstlosen' Träger der Kriegspolitik der Reichsleitung gesehen haben.11 Letztlich war die Integration der Arbeiterbewegung gegen die Machterhaltungsstrategie der konservativen Führungseliten nicht durchführbar, solange die Mehrheit der Arbeiterbewegung sich fast bedingungslos auf den Burgfrieden einließ und auf die versprochene 'Neuorientierung' nur 'hoffte'. ,2 Freilich förderte die geschickte innenpolitische Strategie BethmannHollwegs13 ebenso wie das Engagement ihm nahestehender bürgerlicher Kreise für die Modernisierung des Reiches die Hoffnung der sozialdemokratischen Mehrheit auf die Unterstützung ihrer Reformziele durch die Reichsleitung. Die "innenpolitische Zentralfrage," so Schulze-Gävernitz 1915, sei die Reform des preußischen Wahlrechts, andernfalls würden Reformisten und Revisionisten von den Radikalen überrannt.14 Das waren reichlich hohle Drohungen an die Adresse der Konservativen. Obwohl sich die Linke seit 1915 zu formieren begann,15 bestand diese Gefahr bis ins letzte Kriegsjahr nicht. Die nicht zuletzt von den Sozialliberalen mitbewirkte 'Selbstlosigkeit' oder besser: Gemeinwohlorientierung der sozialdemokratischen Mehrheit verdammte die immer engere Zusammenarbeit von Sozialliberalen und Sozialdemokraten meist zur Erfolglosigkeit. Immerhin wirft das Zusammenwirken von Frank und Schulze-Gävernitz ein bezeichnendes Licht auf die eigenartige Kongenialität von sozialdemokratischem Reformismus und sozialem Liberalismus: der erste hoffte, durch Loyalität zur Kriegspolitik innere Reformen zu bewirken, der andere durch innere Reformen die Loyalität zur Kriegspolitik zu erhalten. Der eine fürchtete, mit dem Zusammenbrnch der bestehenden staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung selbst unterzugehen, der andere, diese ohne die Arbeiterschaft nicht erhalten zu können. Ein erstes spektakuläres Ergebnis des Bemühens sozialreformerischer Gelehrter, im Zeichen des Burgfriedens gegenüber Regierung und Bürgertum um Verständnis für die als berechtigt angesehenen Anliegen der Arbeiterschaft zu werben, war die 'geistige Arbeitsgemeinschaft' von 1915. Zehn führende Vertreter der Arbeiterbewegung, besonders der Gewerkschaften, sowie zehn bürgerliche Gelehrte (unter anderen Oncken, Natorp, Troeltsch, Tönnies und Jaffé) veröffentlichten unter der Herausgeberschaft Friedrich Thimmes (Direktor der Bibliothek des Preußischen Herrenhauses) und Carl Legiens (Vorsitzender der Generalkommission der Freien Gewerkschaften) den Sammelband "Die Arbeiterschaft im Neuen Deutschland". Das Werk folgte den Spuren eines verwandten Vorhabens, das Naumann vor dem Kriege betrieben hatte.16 Sozialistischer Reformismus und sozialliberales bzw. sozialreformerisches Bürgertum bekundeten darin ihren gemeinsamen Willen, die verbal auch von der 216 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Reichsleitung angestrebte 'Neuordnung' zu fördern.17 In der Öffentlichkeit fand das Buch ein starkes Echo. Während die liberale und Gewerkschaftspresse das Werk sehr positiv apostrophierte,18 beharrten die konservative Presse und die Organe der Industrie auf einem schroffen 'Herr-im-Hause'-Standpunkt, der die Einordnung der Arbeiterschaft zur praktischen, selbstverständlichen Pflicht deklarierte. Aber auch die linkssozialistische Opposition kritisierte aus prinzipiellen Erwägungen das Engagement der 'sozialpatriotischen Kreditbewilliger'.19 "Die aus Sympathie und vorsichtiger Unverbindlichkeit legierte Haltung der Reichsleitung"20 weist denn auch auf die praktisch geringe Bedeutung dieser Kundgebung. Tatsächlich war das Bürgertum ja nur durch Gelehrte vertreten, während die Arbeiterschaft von verantwortlichen Funktionären bedeutender Organisationen repräsentiert wurde. Damit sah sich das Projekt seitens des bürgerlichen Partners den bekannten Mängeln der Gelehrtenpolitik konfrontiert: Im Zeitalter der Verbandsöffentlichkeit hatte der Gelehrte nur dann Einfluß, wenn er willentlich oder faktisch als Sprecher einer machtvollen Interessengruppe auftrat. Da dies hier gerade nicht der Fall war, gilt auch hier, daß die Gelehrten einen Wandel im Bürgertum suggerierten, der so nicht stattgefunden hatte. In unterschiedlichem Maße gemeinsam war allen Autoren das Lob auf den Burgfrieden als neue Einheit der Nation und Beweis deutscher Disziplin und Organisationsfähigkeit, ferner die Überzeugung, daß der Krieg das 'Sozialprinzip' stärker zur Geltung bringe.21 Teilweise recht konkrete Erwartungen stellten die Arbeitervertreter an die 'Neuorientierung' - an der Spitze natürlich die Wahlrechtsreform und Weiterführung der Sozialpolitik. Man kann sie im wesentlichen mit der auf die Ziele der Gewerkschaften bezogenen Formulierung Legiens zusammenfassen: "Wir verlangen nichts weiter als das Recht, welches die Unternehmer haben."22 Gleichberechtigung im Sinne Brentanos und Schulze-Gävernitz' schien also das Gebot der Stunde; freilich verlangte man sie ausdrücklich nicht als Lohn für den Burgfrieden, da man die Vaterlandsverteidigung schon immer als nationale Pflicht aufgefaßt habe.23 Deutlich vom Kriegssozialismus geprägt waren die Neuordnungsvorstellungen der Nationalökonomen Jaffé,24 Tönnies, Zimmermann und des sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Lensch. Sie amalgamierten vor dem Hintergrund der deutschen Kriegswirtschaft die sozialdemokratischen Hauptforderungen nach Wahlrechts- und Sozialreform mit Elementen des Staatssozialismus à la Wagner, des Korporativismus und des Naumannschen Tabrikparlamentarismus'. Zwar bleibe, so Jaffé, die parlamentarisch vermittelte politische Partizipation weiterhin wichtig. Allerdings sei auch die Arbeiterbewegung vor dem Kriege "dem Einfluß des bürgerlichen Glaubens an die 217 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Suprematie des Politischen über das Wirtschaftliche" erlegen.25 Diese rein politische Orientierung aber erscheine besonders jenen Kräften untauglich, welche die klassenlose Gesellschaft als Utopie ablehnten und stattdessen "auf ein möglichst harmonisches Nebeneinander- und Zusammenarbeiten der verschiedenen Volks- und Berufsschichten hinwirken möchten."26 Zwar dürfe auf die Wahlrechtsreform nicht verzichtet werden, aber die Arbeiterbewegung solle sich vor allem auf jene Gebiete konzentrieren, auf denen direkter Einfluß auf die Wirtschaft möglich sei. Neben dem gewerkschaftlichen Kampf stehe daher vor allem die Förderung der genossenschaftlichen Eigenproduktion, deren rechtliche Absicherung möglicherweise oberstes Ziel der politisch-parlamentarischen Aktivität werde.27 Da die Kriegswirtschaft schon aus fiskalischen Gründen - in Form vermehrter öffentlicher und gemischtwirtschaftlicher Monopole den Krieg überdaure, müsse der Arbeiterschaft hier ein direkter Einfluß auf die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse eingeräumt werden. Schließlich sei das Interesse der Arbeiter an ihrem Betrieb mindestens ebenso groß wie das der Dirigenten oder gar der Aktionäre. Indem der Arbeiterschaft die ihrer Bedeutung gemäße Mitwirkung eingeräumt werde, könne "die auf den Schlachtfeldern bewährte ... Einhelligkeit" in den Frieden hinübergerettet und zugleich die Leistungsfähigkeit der Industrie gesteigert werden.28 Neben Arbeiterausschüssen bzw. Betriebsräten schlug Jaffé einen ganzen Instanzenzug von Schlichtungsausschüssen vor, der in ein "Berufsparlament" münden sollte. Arbeiter und Unternehmer, repräsentiert durch ihre Verbände, sollten die wirtschaftliche Sphäre gemeinsam regeln. Damit werde "der wirtschaftliche Kampf

aus der Diskussion des politischen Parlaments ausgeschaltet und ... dem Berufsparlamente, das sich auf die freien wirtschaftlichen Organisationen und dem staatlichen Wirtschaftsbeamtentum aufbaut, überlassen ... ,"29 Jaffé konstatierte zwar die Insuffizienz der politisch-parlamentarischen ohne komplementäre wirtschaftliche Demokratie. Er verkannte freilich die spezifische Bedingung des Reichstages, der ja nicht an der 'Überbetonung des Politischen' litt, sondern am mangelnden Einfluß auf die Regierungspolitik, die er zwar zugunsten von Gruppeninteressen modifizieren, aber nicht wirklich konstruktiv zu gestalten vermochte. Jaffés Vorstellungen zielten, wie die Goldscheids, auf eine wirtschaftsdemokratische Ordnung und wiesen andererseits einen stark korporativistischen Grundzug auf, wie er im Gedanken des Wirtschaftsparlaments zum Ausdruck kam. Oberflächlich wenig von Plenge abweichend sah Jaffé sein Ideal in einer Wirtschaftsverfassung, in der "alle Glieder des Volkes verwachsen sind zu einer organischen Einheit; jeder an seinem Platz eingeordnet als dienendes Glied einer Gemeinschaft."30 Freilich galt ihm die Gleichberechtigung der 218 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Arbeiterschaft auch als "notwendige Gegengabe des Staates ... für die ihm durch die Ereignisse zufallende Mehrung seiner wirtschaftlichen und politischen Machtfülle."31 Die so in der Arbeiterschaft bekannt gewordenen Vorstellungen Jaffés kamen dem oben behandelten Trend der Sozialdemokratie zu staatssozialistischen Ordnungsvorstellungen entgegen. Auch Zimmermann maß der Ausweitung der Staatstätigkeit in Verbindung mit direkter Beteiligung der Arbeiterschaft eine entscheidende Funktion zu bei der Herausbildung einer gebrauchswertorientierten Wirtschaftsordnung.32 Lensch - der Jaffés Auffassungen über die Entwicklung des Organisierten Kapitalismus im wesentlichen teilte -33 forderte die Verstaatlichung der monopolreifen Branchen, besonders der Kohle-, Eisen-, Stahl-, Elektrizitäts- und Chemieindustrie. Zwar trat bei Lensch die korporativistische Komponente etwas zurück, dafür aber die staatssozialistische umso mehr in den Vordergrund.34 Da diese Pläne Schmollers Ideal einer sozialstaatlich beaufsichtigten und gesteuerten Wirtschaft entgegenkamen, verwundert es nicht, daß er die "von Jaffé, Zimmermann und Lensch erörterten Zukunftsgedanken recht eigentlich im Zentrum der künftigen praktischen Sozialpolitik liegen" sah.35 Im Grunde waren mit dieser 'geistigen Arbeitsgemeinschaft' einige Gedanken der 1912 von Max Weber und Brentano geplanten Kundgebung verwirklicht worden. Trotz großer öffentlicher Resonanz war der unmittelbare Erfolg jedoch eher gering, viel entscheidender wurde die zunehmende Zusammenarbeit von Sozialliberalen und Sozialdemokraten im Reichstag, deren publizistische Begleitmusik die Arbeitsgemeinschaft freilich darstellte.

2. 'Neumarxismus' und 'Neukonservativismus': Plenge und die Lensch-Cunow-Hänisch-Gruppe Deutlicher noch als in der Arbeitsgemeinschaft von 1915 wird die Adaption bürgerlicher Ideologie und politischer Konzeptionen in jenem erstaunlichen Kurswechsel, den die ehedem zum linken Flügel zählenden Journalisten und Politiker Lensch, Hänisch, Cunow und Heilmann unter dem Eindruck des Zusammenbruchs der 'Sozialistischen Internationale5 vollzogen. Nach "Wochen schwerer innerer Kämpfe"36 und anfänglicher Ablehnung der Zustimmung zu den Kriegskrediten entwickelten sich die ehemaligen Radikalen zu den eifrigsten Verfechtern der Burgfriedenspolitik und eines deutschen Sieges.37 Dabei vollzogen sie nach eigenem Selbstverständnis nicht einen bloßen Positionswechsel ins reformistische Lager, sondern such-

219 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

ten nach einer neuen revolutionären Konzeption. Sie setzten sich insofern sogar von der Mehrheit der Kreditbewilliger ab.38 Hänisch sah folglich in der August-Entscheidung durchaus keine reine 'Selbstverständlichkeit', wie die Mehrheit in ihrem Bemühen um Kontinuität sozialdemokratischer Politik zu propagieren pflegte.39 Angesichts der Solidarisierung der westlichen Arbeiterklassen mit ihren herrschenden Klassen, so Lensch, sei die reale Grundlage des Internationalismus historisch nicht gegeben.40 Vor allem das 'AugustErlebnis'41 schien eine andere als die bisher postulierte Haltung der Arbeiterschaft zum Staat zu beweisen. Zum einen, so die Erklärung, sei es der Arbeiterschaft gelungen, in diesem Staat ihre Organisationen zu entfalten und sich insofern mit dessen Institutionen zu verbinden; zum anderen sei der Staat längst nicht mehr nur Klassenstaat, sondern zunehmend "Staat der Gemeinnützigkeit".42 Aufgrund seiner besonderen historischen Entwicklung sei gerade in Deutschland die Grundlage einer sozialisierten Gesellschaft geschaffen worden.43 Cunow, dem theoretisch profiliertesten Kopf der Gruppe, fiel es zu, das neue Staatsbewußtsein theoretisch abzusichern. Unter Betonung der hegelianischen Ursprünge der Marxschen Staatsauffassung sah er Staat und Gesellschaft als prinzipiell "verschiedene Komplexe nebeneinander" existieren.44 Der Staat bezwecke unabhängig von der Gesellschaft die Zusammenfassung aller Einzelinteressen unter Wahrung ihrer Besonderheit, während die antagonistische Gesellschaft ihm solange widerspreche bis sie sich autonom den Staatszwecken entgegenentwickelt hätte. Das Auseinanderfallen von kapitalistischer Gesellschaft und inreressenfreiem Staat, das Cunow behauptete, war jedoch eher der Reflex des integrationsunfähigen, wilheminischen Obrigkeitsstaates als marxistische Staatsauffassung. Indem Cunow den bestehenden Staat erhalten, stärken und in ihm mitarbeiten wollte, um den gesellschaftlichen 'Reifungsprozeß' durch den Eingriff des 'an sich' vernünftigen Staates zu fördern, verfiel auch er dem Trugbild der vermeintlich interessenneutralen Bürokratie. Dem entsprach die distanzierte Haltung Cunows und Heilmanns zum Parlamentarismus westlicher Prägung ebenso wie Lenschs Forderung nach dem 'starken Staat' auf der Basis einer 'organischen Selbstverwaltung'.45 Unschwer erkennt man den Einfluß des Neuhegelianismus, dessen Protagonisten Plenge Cunow kannte und, trotz mancher Differenzen, auch schätzte.46 In enger Beziehung zu dieser Staatsauffassung stand die von Lensch und Hänisch, weniger von Cunow, vertretene These vom Kriegssozialismus. Selbst "bürgerliche Nationalökonomen von Ruf" so Hänisch, hätten zugeben müssen, daß der Krieg eine Umgestaltung der Wirtschaftsordnung in Richtung Sozialismus bewirkt habe. Diese Entwicklung werde durch die Notwendigkeit "staatssozialistischer 220 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Unternehmungen allergrößten Umfanges" nach dem Kriege noch beschleunigt.47 Auch für Lensch erhielt die "Sozialisierung der Gesellschaft ... einen starken Anstoß."48 Noch prägnanter formulierte der österreichische Sozialdemokrat Karl Renner die These von der allmählichen Durchdringung der kapitalistischen Wirtschaft durch den als im Wesen klassenneutral begriffenen Staat.49 Mit der zwar vom 'Vorwärts' zurückgewiesenen, aber von Ebert als hilfreiche Legitimation der Burgfriedenspolitik der Mehrheit gebilligten Auffassung, daß die Kriegswirtschaft schon ein Stück Sozialismus im Kapitalismus verkörpere,50 entwickelte man Positionen, die sich denen Jaffés, Wagners, Goldscheids, Neuraths und anderer bürgerlicher Ökonomen annäherten. Tatsächlich formulierten Renner, Cunow und Hänisch einen "Staatsbegriff, an welchem die enragiertesten Vertreter der historischen Schule ihre Freude hätten."51 Der Angelpunkt der 'neuen' Theorie war ein vermeintlich auf dem Boden des Marxismus entwickelter Imperialismusbegriff. Danach hatte der Krieg als Konsequenz des Imperialismus eine Revolution entfacht, "mit der verglichen die 'große' französische Revolution ein Krakehl im Hühnerhofe war."52 England - dessen Wirtschaftsordnung noch auf der Stufe des unorganisierten, zunehmend zum Rentnertum degenerierenden Kapitalismus stehe - habe sich durch die wirtschaftliche Expansion des modernen deutschen Kapitalismus gezwungen gesehen, seine Weltherrschaft und damit den unorganisierten Kapitalismus durch die Niederwerfung Deutschlands zu sichern. Mit dem Sieg Deutschlands siege der 'organisatorische Kapitalismus' als Vorstufe zum Sozialismus.53 Eine glänzendere Rechtfertigung des 'Griffs nach der Weltmacht' - noch dazu in Anlehnung an die marxistische Terminologie -54 ließ sich kaum finden. Beinahe zwingend ergab sich aus dieser an Plenge gemahnenden Imperialismustheorie die Ablehnung des 'Friedens ohne Annexionen', des Selbstbestimmungsrechts der Völker und positiv die Forderung nach kolonialer Expansion und Annexionen.55 Mit der Erwartung eines Mitteleuropa auf der Grundlage einer gemischtwirtschaftlichen Ordnung betrat die Gruppe endgültig den Boden Naumanns und Schulze-Gävernitz'.56 Obwohl die ehemaligen Radikalen an der Forderung nach der Beseitigung des Dreiklassenwahlrechts festhielten,57 war durch die Charakterisierung Preußen-Deutschlands als 'Revolutionär' der Weg eingeschlagen zur "Identifikation von sozialistischem und konservativem Prinzip."58 Sei die bisherige sozialdemokratische Politik, so Hänisch, unter den "ideologischen Nachwirkungen der Jahre 1789 und 1848 gestanden, so werden uns künftig weit mehr die 'Ideen von 1914' ... beherrschen." 59 "Viele Partien," so Cunow zu Plenges "1789 und 1914", "sind mir geradezu aus der Seele herausgeschrieben, beson-

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ders Ihre Ausführungen über die individualistischen Freiheitsideen von 1789 im Gegensatz zum modernen Organisationsgedanken."

Obwohl er meine, daß der Organisationsgedanke "sich immermehr in ... staatssozialistischen Einrichtungen durchsetzen" werde, warne er vor zu optimistischen Erwartungen. Gleichfalls warne er davor, die Wandlung der Sozialdemokratie zu überschätzen: "Meist besteht das 'Umlernen' ... in einem rein gefühlsmäßigen Aufgeben, nicht in einer wissenschaftlichen, einer soziologischen Neuorientierung. Soweit aber letztere stattfindet, besteht sie in einer teilweisen Rückkehr zum ... liberal-individualistischen Aufkläricht."

Dagegen helfe nur eine "starke Dosis Marxismus," wenn auch nicht jener "Vulgärmarxismus", der sich mit den Namen Kautsky, Max Adler, Hilferdine und Plechanow verbinde.60 Die Frage nach der Wirksamkeit der Lensch-Cunow-HänischGruppe ist mit dem vorhandenen Quellenmaterial naturgemäß schwer zu beantworten. Sigel neigt unter Bezugnahme auf die 'Stimmungsberichte' des 'Büros für Sozialpolitik' dazu, den Einfluß insbesondere Lenschs relativ hoch einzuschätzen.61 Im Juni 1916 jedoch betonen die Berichte, Lensch und seine gesinnungsverwandten Parteifreunde neigten dazu, von sich reden zu machen, hätten aber die Massen keineswegs hinter sich.62 Weniger zweifelhaft ist der Einfluß der Gruppe auf den theoretisch-ideologischen Selbstverständigungsprozeß der sozialdemokratischen Funktionäre und Parteiintellektuellen, besonders seit es ihr mit der Übernahme der Schriftleitung der von Parvus gegründeten 'Glocke' durch Hänisch 1915 gelungen war, sich ein wirkungsvolles Propagandainstrument zu schaffen.63 Die Haltung der Linken und der Opposition gegenüber der Gruppe und ihr "Armesünderglöcklein"64 war einhellig ablehnend.65 Zwiespältig hingegen war die Haltung der Mehrheit. Einerseits begrüßte man die neuen Verbündeten, deren extreme Positionen es erlaubten, die eigene Politik als integrativ-gemäßigte Linie auszuweisen. Andererseits sah man sich veranlaßt, die extremsten Äußerungen als Gefährdung eben dieser Linie zurückzuweisen.66 Deutlich wird diese ambivalente Haltung in den Schreiben Kolbs, Heines und Cohen-Reuss' an Hänisch - alle drei traditionelle Vertreter des Reformismus.67 Scharfe Kritik äußerte jedoch mit partieller Billigung des Parteivorstandes Friedrich Stampfer.68 Derartige Theorien, so betonte er gegenüber Hänisch, kämen nur den Radikalen zugute und schwächten die Einheit der Partei.69 Einst hatte Luxemburg dem Revisionismus vorgeworfen, "von der materialistischen Geschichtsauffassung zu der der Frankfurter und Vossischen Zeitung" übergegangen zu sein;70 jetzt forderte Cunow unter anderen Vorzeichen ebenfalls die Abgrenzung von der "radikalliberalen Ideologie", wolle man nicht "in der Politik der Frankf. Ztg. 222 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

oder des Berl.[iner] Tagebl.[atts] nur so etwas wie eine schwächere Nuance unserer eigenen Zukunftspolitik ... sehen."71 Bürgerliche Freunde der Sozialdemokratie standen aber fast ausschließlich im Bannkreis des Sozialliberalismus. Dagegen war die Gruppe naturgemäß auf die seltenen konservativen Freunde des Sozialismus verwiesen, wollte man durch sie Gehör im bürgerlichen Lager finden.72 Angesichts weitgehender Übereinstimmungen bot sich Plenge an. Er vermochte zudem als Nicht-Sozialdemokrat gemeinsame Positionen so zu formulieren, wie man das selbst mit Rücksicht auf die Partei nicht wollte und nicht konnte. Insoweit hat Sigel recht, wenn er Plenge quasi als Sprachrohr der Gruppe versteht.73 Jedoch entfernte sich Plenge derart von jedem genuinen Marxismus, daß er bald zur schweren Belastung für Konsistenz und Wirksamkeit der Gruppe wurde. Trotz unzähliger Taktlosigkeiten hielt ihm Hänisch die Treue.74 Nach einem persönlichen Besuch in Münster75 begann Hänisch, eine ganze Artikelserie von Plenge in der 'Glocke' zu veröffentlichen.76 Wir dürfen sie als ideologische Unterstützung bei der "Bekämpfung der Massenstreikpropaganda" werten,77 für die Hänisch eine rege Versammlungs- und Agitationstätigkeit entfaltete. Im wesentlichen wiederholte Plenge sein aus früheren Schriften bekanntes Credo. Zusammengefaßt lautete sein Programm der "Revolutionierung der Revolutionäre": "Proletariat im schroffen, dauernden Gegensatz zum Kapitalismus; tatsächlicher Umschlag dieses Gegensatzes zunächst durch die organisatorische Neuordnung unter dem Einfluß des Weltkrieges; radikale Umbildung der sozialistischen Ideenwelt; Verarbeitung der Bildungselemente unseres klassischen Idealismus, der bürgerlichen Gesellschaftswissenschaft und der Organisationserfahrungen unserer Wirtschaftspraxis; Aufstieg einer Gesellschaft mit planmäßiger Zusammenfassung der gesellschaftlichen Kräfte zuerst als innere Konzentration der im Kampf geschiedenen Staaten, dann ... in einer einheitlich zusammengefaßten Staatengesellschaft der ganzen Welt."78 Vor allem durch den Krieg werde "alles Klassenbewußtsein zerschlagen ..., um die gleichmäßige Stellung aller in einem einzigen Arbeitskörper zu lernen."79

Emphatisch gefeiert von Hänisch und Lensch80 mündeten Plenges Ausführungen in die Parole: "Wer den Sozialismus will, muß den Weltkrieg wollen."81 Mit dem bekannten Rekurs auf Hegel, List und andere betrieb Plenge die Demontage des Marxismus unter der Devise seiner Weiterentwicklung.82 Nach seiner inhärenten Gesetzmäßigkeit, so Plenge, ziele der Sozialismus auf die "bewußte Herrschaft des vergesellschafteten Menschen über seine Lebensumstände" auf der Grundlage von Rasse, Nation und Staat.83 An die Stelle der Klassensolidarität setzte Plenge Nation und Staat in ihrer aktuellen kriegerischen Formierung als objektiven Bezugsrahmen der handelnden Subjekte, 223 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

die wiederum über die Einsicht in diesen Bezugsrahmen denselben verwirklichen sollten - ein durchaus hegelianischer 'Gesinnungssozialismus'. Dementsprechend hieß Vergesellschaftung der Produktionsmittel auch nicht "Alleinherrschaft ... großer stark zentralisierter Staatsbetriebe," sondern Initiative und Verantwortung eingegliederter Individuen, was sich durchaus mit einem starken Teil "Sondereigentum" vertrage.84 Der 'Organisationswert der freien Unternehmung für das Volksganze" war also nicht berührt.85 Wichtiger als wirtschaftspolitische Probleme war Plenge, die Idee des organisatorischen Sozialismus "in die Reihen der sozialen Funktionäre (Führersozialismus)" hineinzutragen, damit sie von diesen der Masse "mit unerbittlicher Wucht eingehämmert" werde.86 Genau das praktizierte Hänisch in seinen vielen Versammlungen - unter anderem in einer gemeinsamen Kundgebung mit Naumann, Posadowsky-Wehner und anderen im Berliner Zirkus Busch.87 Ferner müsse sich der Sozialismus, so Plenge, mit dem immer stärker in die Gesellschaft hineinwirkenden Staat verbinden.88 Habe sich die hochorganisierte Arbeiterschaft vor dem Kriege noch gleichsam im luftleeren Raum befunden, seien nunmehr die Grundlagen zu ihrer Integration und organisatorischen Wirksamkeit gegeben, sofern sie noch endgültiger und vollständiger mit dem alten Marxismus breche.89 Die Gründung der Unabhängigen Sozialdemokratie begrüßte Plenge. Jetzt würden alle "Irritationssozialisten"90 zugunsten der vornehmlich von den Gewerkschaften getragenen Organisationskraft des Sozialismus ausgeschieden. Letztlich habe aber weder der bloße Pragmatismus der Gewerkschaften noch die "im 19. Jahrhundert gebliebene Bürgerlichkeit der Revisionisten"91 die Kraft zur Weiterbildung des Sozialismus, sondern allein die Lensch-CunowHänisch-Gruppe.92 Cunows Unbehagen gegen Plenges Artikel führte zu ersten Dissonanzen,93 obwohl er Plenges Kritik an sozialliberalen, praktizistischen und pazifistischen Strömungen der Mehrheit ausdrücklich teilte.94 Zur ernsten Gefahr für den Zusammenhalt der Gruppe wurde der politische Schwenk des Herausgebers Parvus; 95 nur mit Mühe vermochten Hänisch und Cunow, ihm die Sistierung der Plengeschen Serie auszureden.96 Plenge sah sich dadurch jedoch keineswegs gehindert, gegenüber Hänisch die Zustimmung Lenschs zur Friedensresolution des Reichstages zu kritisieren. Er warf Lensch sogar vor, kein abweichendes Votum abgegeben zu haben.97 Auch Hänisch äußerte sich befremdet über Lenschs explizite Rechtfertigung der Resolution und entschuldigte ihn mit dem Hinweis auf die Stimmung im Inland; im übrigen sei Lenschs "Einfluß in der Fraktion ... leider ganz gering."98 "Ganz selig"99 war Plenge hingegen über einen Artikel Heilmanns in der 'Glocke', der "wie eine Bombe" einschlug, obwohl er in der Parteipresse totgeschwiegen wurde.100 Wie Plenge kritisierte Heilmann 224 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

sowohl den "Kastencharakter" des alten Autokratismus wie die Demokratie des "Börsenliberalismus".101 In polemischen Wendungen betonte er die "Minderwertigkeit des parlamentarischen Regierungssystems."102 Der "knechtsseeligen Ausländerei" der Sozialdemokratie lastete er es an, daß sie "alle vulgärliberalen Argumente der Brentanoschule" nachbete und die Parlamentarisierung des Reiches fordere.103 Angesichts der dauerhaften, ungeheuren Ausdehnung der staatlichen Wirtschaft in Form von Staatsmonopolen, gemischtwirtschaftlichen Betrieben und staatlicher Aufsicht über private Kapitalgesellschaften dürfe der Parteiegoismus des Parlamentarismus nicht zur Herrschaft über den Staat gelangen. Daher verzichte man entweder auf die Sozialisierung der Wirtschaft - die Heilmann mit staatlicher Eigenwirtschaft gleichsetzte - oder auf die Parlamentarisierung.104 Das Endziel sei schließlich der "reine Verwaltungsstaat".105 Schon die "bürokratische Obrigkeitsregierung" habe unendlich mehr für die Sozialreform geleistet als das "ganze Brimborium des parlamentarischen Regimes."106 Folgerichtig kritisierte er auch die Annäherung von Sozialdemokratie und Linksliberalismus: Der Gegner sei das Kapital, dessen Verkörperung das linksliberale 'Berliner Tageblatt' viel eher sei als der König von Preußen und desen Administration.107 Statt der Parlamentarisierung forderte Heilmann wie Plenge die Reform der Verwaltung, die durch die Wahlrechtsreform möglich werde. Wer in Gewerkschaften, Genossenschaften, Parteivereinen und Versicherungen sich bewährt habe, der müsse mit den Tüchtigsten in der Verwaltung aufsteigen und Zugang zu den zentralen Regierungsstellen finden.108 Nicht in der Parlamentarisierung, so Heilmann, liege das "wahre Problem der deutschen Verfassung," sondern darin, "wie wir für die sich sozialisierende staatliche Wirtschaft Deutschlands, ..., die fähigsten Männer, die Rathenau und Möllendorff ... an die Spitze bekommen."109 Damit war der Sozialismus endgültig bei den Formierungsideologemen Plenges, den Staatsidealen Rathenaus und Schmollers und dem Staatssozialismus Wagnerscher Provenienz angekommen.110 In gemäßigter Form setzte Cunow Heilmanns Antiparlamentarismus in der 'Neuen Zeit' fort, deren Schriftleitung er infolge der Parteispaltung von Kautsky übernommen hatte. Gemeinsam mit Tönnies kritisierte er hier den westlichen Parlamentarismus.111 Plenge feierte Heilmanns Beitrag zur Überwindung "unverdauter Naumannbeschwerden"112 an denen die Sozialdemokratie leide. Auch der reaktionäre Chef des 'Stellvertetenden Generalkommandos in Münster', der Kommandierende General Freiherr v. Gayl, sprach dem Aufsatz von Heilmann große Bedeutung zu und leitete ihn an den Reichskanzler Michaelis weiter, der persönlich von ihm Kenntnis nahm.113 Ähnlich würdigte Gayl auch den formierungsideologischen Charakter von Plenges "Revolutionierung".114 Der Ruhrindustrielle 225 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Springorum freilich ließ sich in seiner Haltung auch durch den von Plenge empfohlenen Artikel Heilmanns nicht beirren. Unter Hinweis auf die sozialdemokratische Kritik an einer Dividendenerhöhung der 'Hösch AG' schloß er eine Verständigung vor allem mit den Gewerkschaftern aus.115 Als Plenge ihm Verständnis für die Kritik an Kriegsgewinnen nahelegte und ihm als "grossem Organisator" empfahl, sich mehr um die "gesunde Disziplin" der Arbeitsverhältnisse als um den "blossen Besitz" zu kümmern,116 brach Springorum die Korrespondenz ab. Die Episode wirft ein bezeichnendes Licht auf die von Plenge, Jaffé und Schulze-Gävernitz mystifizierten 'Industriebeamten'. Während Heilmann in der bürgerlichen Öffentlichkeit also bisweilen ein positives Echo fand, war die Resonanz der sozialdemokratischen Mehrheit negativ.117 Da Heilmann eine Kernforderung der Sozialdemokratie unterminierte und faktisch den Rechtsparteien weit entgegengekommen war, sah sich Hänisch "fortgesetzt den schwersten Angriffen auch aus Gewerkschaftskreisen ausgesetzt," weil er den Artikel veröffentlicht hatte.118 David kritisierte Hänisch,119 und selbst Kolb wunderte sich über den "kuriosen Artikel Heilmanns."120 Hänisch konnte nach einer Unterhaltung mit Eben dessen reges Interesse an Plenges Schriften vermelden.121 Das deutet auf eine partielle Rezeption der Plenges in der Parteispitze. Freilich wurde der Gegensatz zwischen den Rechtssozialdemokraten um die 'Glocke' und den Reformisten um die 'Sozialistischen Monatshefte' immer deutlicher, nachdem sich die Unabhängigen separat konstituiert hatten.122 Bezeichnend ist der Vorwurf des Rezensenten der 'Monatshefte', Plengc vernachlässige über der Betonung des Organisationsgedankens die Realität des Klassenkampfes; die geforderte Neuorientierung der Sozialdemokratie finde "schon seit anderthalb Jahrzehnten statt - in Gestalt des Revisionismus."123

Energisch verfolgte Plenge sein Ziel, die Sozialdemokratie in konservative Bahnen zu lenken. Angesichts des bevorstehenden Würzburger Parteitages formulierte er gegenüber Krieck, "dass der Sozialismus jetzt mit allen Mitteln und mit rücksichtsloser Energie zum Bekenntnis gezwungen werden muss, um ... uns den Parlamentarismus zu ersparen. ... Vielleicht tappt Hänisch zu kurzsichtig in den Tag hinein, vielleicht ist Lensch zu sehr ... reiner Theoretiker, vielleicht ist Cunow zu vorsichtig. Man muss ja abwarten, was alle auf die Dauer leisten." Jedenfalls müsse die eigene Überzeugung "so laut gesagt werden, dass die Sozialdemokratie möglichst dazu getrieben wird, auf ihrem Parteitag Farbe zu bekennen, oder dass dieser Parteitag schlechterdings unter dem Zeichen steht, der Marxismus ist der Zeit nicht gewachsen ... ."124

Plenge mahnte Hänisch denn auch immer wieder, auf dem Parteitag ohne Rücksicht auf taktische Erwägungen die prinzipielle Linie des 'organisatorischen Sozialismus' zu vertreten und favorisierte nunmehr Heilmann als Protagonisten - eine Funktion, die er ursprünglich 226 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Lensch zugedacht hatte.125 Die organisatorische Krise der Partei, der Wunsch der Parteibasis nach Wiedervereinigung und die mehrheitliche Forderung der Delegierten nach entschieden parlamentarischem Einfluß auf die Staatspolitik126 ließ die von Plenge gewünschte Strategie von vornherein nicht zu. Die scharfe Kritik der Delegierten an Heilmann, Lensch und Hänisch127 zwang Lensch in die Defensive.128 Auch Cunow empfahl lediglich Vorüberlegungen zur Revision der wirtschaftspolitischen Aussagen des Erfurter Programms, während der der Gruppe nahestehende Winnig ausdrücklich die Zusammenarbeit mit den Liberalen und eine parlamentarische Taktik forderte.129 Plenge war folglich enttäuscht über das in seinen Augen zu moderate Verhalten der Gruppe;130 vor allem Lensch hänge noch zu sehr an "marxistischen Denkgewohnheiten."131 Der Parteimehrheit warf Plenge vor, reine 'Augenblickspolitik' zu betreiben, bei den Schlagworten der bürgerlichen Demokratie stehen zu bleiben und über Parlamentarismus und Mehrheitsbildung den Sozialismus zu vergessen.132 Obwohl auch Hänisch diese Kritik explizit begrüßte,133 sah er sich gegen den ständigen Druck Plenges genötigt, dessen Polemik gegen Payer und Scheidemann als Repräsentanten des Parlamentarismus und der Zusammenarbeit von Sozialdemokratie und Sozialliberalismus zu mäßigen.134 Schließlich widersprach sogar Hänisch der Feststellung Plenges, daß man "an Demokratie vorläufig genug" habe;135 er warnte ihn vor der Überschätzung des Organisationsgedankens. Angesichts der schlechten Erfahrungen der Bevölkerung mit dem Kriegssozialismus sei derzeit (also im Herbst 1917) der ungünstigste Zeitpunkt für derartige Parolen. Die Arbeit der 'Glocke' erschien Hänisch nun eher als "Aussaat auf Hoffnung für spätere Zeiten;" jetzt aber müsse der "lebendige Wille zur demokratischen Reform ... in breitem Strom abgelenkt werden auf die preussische Wahlrechtsfrage."136 Hänisch engagierte sich auch für die von Plenge wenig geschätzte Wahlrechtsreform und forderte wie Schulze-Gävernitz, Naumann, Troeltsch und andere eine den eigenen Traditionen entsprechende 'deutsche' Demokratie, wisse man doch, wie "kapitalistisch durchseucht" die westlichen Demokratien seien.137 Wichtiger als alle Wahlrechtsfragen erschien Plenge jedoch die Propaganda für den Siegfrieden. Er drängte Hänisch, seine Kritik an der Haltung der sozialdemokratischen Mehrheit und den gemäßigten bürgerlichen Kräften wie Meinecke und Delbrück zu veröffentlichen.138 Auf Lensch und Renner Bezug nehmend, forderte Plenge die Beratung der Außenpolitik gemeinsam durch Großunternehmer und Gewrkschaftsführer.139 Von letzteren versprach er sich, nicht ohne Grund,140 Verständnis für die Notwendigkeit neuer Erzlager und ausreichenden Kolonialbesitzes. Gerade der Marxismus müsse doch anerkennen, so Plenge, daß die Verteilung der Produktivkräfte über die 227 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Bedingungen der künftigen nationalen Entwicklung entscheide.141 Dies entsprach den gleichgerichteten Hoffnungen Hugo Stinnes', als er die ersten Kontakte zur Gewerkschaftsführung aufnahm.142 Schon 1916 hatte Plenge auf Anfrage des rheinisch-westfälischen Baugewerbes, wie auf Dauer eine "friedliche Arbeitsgemeinschaft mit den Arbeitnehmern" erreicht werden könne, geantwortet: "Beginnen Sie mit der paritätischen Behandlung einer großen Frage, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichmäßig angeht, suchen Sie die wahrscheinliche Lage in der Bauindustrie nach dem Kriege durch einen gemeinsamen Ausschuss zu klären, ... ."143 Das oben behandelte Stinnes-LegienAbkommen und die spätere 'Zentralarbeitsgemeinschaft' waren dem 'organisatorischen Sozialismus' als praktische Konsequenz durchaus inhärent. Es überrascht denn auch nicht, daß Plenge die im Sommer 1918 sich verdichtenden Kontakte zwischen Arbeiterführern und Unternehmern als Realisierung seiner Vorstellungen wertete.144 Diese Erwartungen wurden zunächst freilich mehr als konterkariert durch die zunehmende Mißstimmung der Bevölkerung, die der Streikbewegung mächtigen Aufschwung verlieh und die sozialdemokratische Politik in eine schwere Krise führte.145 Die "masslose Dummheit" der Streiks, so klagte Hänisch, sei die "schwerste Niederlage ... seit der Marneschlacht;" er sehe "die ganze so mühselig aufgebaute Politik des vierten August in einem Meer von lauter Unsinn untergehen."146 Tatsächlich war die "Ideologie des 'Vorwärts' innerhalb der Massen unendlich viel einflußreicher geworden ... als diejenige Lenschs."147 Plenge hingegen machte, wie üblich, das Fehlen klarer Ideen und die 'Wühlarbeit' von Entente und Bolschewiki für die Streiks verantwortlich.148 Seinen trotz der Umstände anhaltenden Druck auf Hänisch konterte dieser mit Hinweisen auf zunehmende Unstimmigkeiten mit Parvus, die ihn zusätzlich zu seiner Belastung durch parteipolitische Verpflichtungen bis an die Grenze erschöpften. Parvus sei nicht mehr länger bereit, die 'Glocke' als Organ der "äussersten Rechten", "weltfremder Professoren" und "politisch heimatloser Ideologen" weiterzuführen,149 für die er "das Aushängeschild abgeben müsse."150 Zudem verliere er, so Hänisch, zunehmend die Unterstützung Lenschs gegen Parvus.151 Mit Genugtuung konnte Plenge zwar die Zuschrift eines 'Glocke'-Lesers an den "Genossen Plenge" registrieren,152 aber mit wachsender Resignation schrieb Hänisch: "Wo ist die Wirkung Ihrer 'Revolutionierung ...' und der 'Geburt der Vernunft' auf die Öffentlichkeit geblieben? Alles verpufft!" Zwar habe ihm der preußische Minister des Innern, Drews, sein Interesse an der 'Glocke' versichert, aber in Partei-, Gewerkschafts- und Arbeiterkreisen werde sie ebenso abgelehnt wie ihr Hauptmitarbeiter Lensch zurückgewiesen.153 Angesichts immer größerer Not und der ständigen Verschlechterung der

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militärischen Lage hatten die Ideen von 1914 keine Konjunktur mehr; der Einfluß der Gruppe hatte seinen Zenit überschritten. Aber nicht nur die sozialdemokratische Mehrheit, auch die bürgerlich-liberale Presse verurteilte die Agitation der 'Glocke' als "Kapitulation vor der absoluten Machtpolitik."154 Unter Berufung auf die Reichstagsrede von Schulze-Gävernitz über die 'Befreierrolle' Deutschlands parierte Lensch diesen Angriff geschickt, stand jener doch im Lager der der 'Frankfurter Zeitung' nahestehenden Kräfte.155 Auch Plenge griff in die Kontroverse ein. Vorsichtig geworden, betonte er nun, daß der Krieg noch nicht die Grundlagen einer künftigen Gesellschaftsordnung geschaffen habe. Aber der 'Neumarxismus' der 'Glocke' gehe über die bisherige bloße Negation des Marxismus hinaus und kläre den "Baugrund unserer Zukunft."156 Der Neumarxismus habe eingesehen, daß der "Völkerkampf für das Geschichtsverständnis so wichtig ist wie der Klassenkampf."157 Die 'Frankfurter Zeitung' kritisierte Plenge als "Pamphletisten". Sie charakterisierte die objektive Funktion der 'Glocke' richtig, als sie bemerkte, "daß sich chauvinistische Blätter der 'Glocke' im allgemeinen freundlich annehmen, aus ihr wiederholt Stellen mit Beifall abdrucken oder Artikel einfach übernehmen."158 Tatsächlich hatte sich Hänisch bald gezwungen gesehen, sämtliche Erörterungen über den Parlamentarismus einzustellen, da sie nur der Rechten Argumente lieferten.159 Lensch betonte abschließend gegenüber der 'Frankfurter Zeitung' den marxistischen Charakter seiner Geschichtsauffassung und äußerte die Vermutung, daß die 'Frankfurter Zeitung' - wie Plenge schon formuliert habe - um die Zugkraft ihrer liberalen Schlagwörter fürchte.160 Sieht man diese Kontroverse im Zusammenhang mit der Polemik Plenges gegen Drill und den Prozeß Chamberlains gegen die 'Frankfurter Zeitung', wird die Annäherung der Gruppe an die Konservativen deutlich. Als Plenge jedoch erneut in der 'Glocke' gegen die 'Frankfurter Zeitung' polemisieren wollte, führte dies zum Konflikt zwischen Hänisch einerseits und den Redaktionsmitgliedern Jansson, Lensch und Winnig andererseits. Der Konflikt hielt den ganzen Sommer über an161 und war nur ein Symptom der allmählichen Auflösung der Gruppe.162 Es gelang Plenge jedoch noch einmal, in der 'Glocke' das Wort gegen die 'Frankfurter Zeitung' zu ergreifen. Der organisatorische Sozialismus, so Plenge hier, bedeute "schlechterdings durchaus Machtpolitik."163 Statt der "Grüppchenwirtschaft gerissener Geschäftspolitiker" propagierte er die nach dem Führerprinzip formierte Gesellschaft.164 Nichts demonstriert die objektive Wirkung Plenges besser als die Bitte der bayrischen Vaterlandspartei um tausend Abzüge des Artikels.165 Jetzt sah sich auch die von Noske redigierte 'Chemnitzer Volksstimme' veranlaßt, von Plenge abzurücken, dessen Beziehung zum Sozialismus sich 229 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

darauf beschränke, daß er sich in der 'Glocke' einmal habe "publizistisch ausschleimen" dürfen.166 "Gerade weil Sie keinen geborenen Theoretiker unter sich haben, war es ein Gewinn ..., dass ich mit Ihrer Gruppe zusammenarbeiten konnte."167 Diese Bemerkung Plenges gegenüber Hänisch verdeutlicht, wie sich die autoritäre Struktur seiner politischen Konzeption auch im Verhältnis zu den sozialdemokratischen Politikern durchsetzte. Plenge verstand sich als theoretischen Mentor; die sozialdemokratischen Politiker sollten seine Ideen in praktische Politik umsetzen. Abweichungen seiner 'Werkzeuge' beantwortete er mit Kritik. Vor allem Hänisch fügte sich - attackiert von links, mit Reserve behandelt von der Mehrheit und in zunehmender Distanz zu seinen Gesinnungsfreunden - in dieses Schema. Obwohl seine laufenden, vertraulichen Mitteilungen an Plenge eigentlich einen schweren Verstoß gegen die Parteisolidarität darstellten, so Häntsch, könne er sich "schlechterdings keinem anderen Mitarbeiter gegenüber ... so aussprechen, weil ich zu keinem in einem so nahen Vertrauensverhältnis stehe."168 Auch sein Referat über den Kultushaushalt, für das er als erster Sozialdemokrat vom Haushaltsausschuß des Abgeordnetenhauses bestimmt wurde, hatte Hänisch in Verbindung mit Plenge ausgearbeitet.169 Es erweckt denn auch passagenweise den Eindruck, als stamme es aus der Feder Plenges.170 Während Hänisch und Cunow nach dem Kriege der Mehrheitssozialdemokratie treu blieben, ging Lensch - nach einem Intermezzo als Verbindungsmann des Rates der Volksbeauftragten bei der Obersten Herresleitung - seinen Weg konsequent zu Ende. Er identifizierte sich

bald mit den Vorstellungen Oswald Spenglers171 und publizierte in Blättern schwerindustrieller Provenienz. Er verließ die Sozialdemokratie und wurde vor seinem Tode noch Chefredakteur der Stinnes nahestehenden 'Deutschen Allgemeinen Zeitung'.172 Winnig war als Oberpräsident von Ostpreußen in den Kapp-Putsch verwickelt, wurde darauf aus der Partei ausgeschlosen und näherte sich später dem Nationalsozialismus. 173 Heilmann, zuletzt Fraktionsvorsitzender der SPD im preußischen Landtag, nahm im Konzentrationslager Buchenwald ein tragisches Ende.174 Charakteristisch für den Einfluß der 'Glocke' auf einzelne sozialdemokratische Intellektuelle erscheint folgende Episode: Im Februar 1920 wandte sich ein jüngerer kriegsversehrter Sozialdemokrat an Plenge mit der Bitte, bei ihm promovieren zu dürfen. Er habe eine Arbeit unter der Feder, die ihm zu sehr "Herzenssache" sei, als daß er sich an einen "geistig und seelisch fremden Menschen" wenden wolle, bei dem er für seinen "Standpunkt um besondere Nachsicht flehen müßte."175 Kurt Schumacher lehnte es später ab, seine von Plenge mit magna cum laude bewertete Dissertation zu veröffentlichen.176 Sie war 230 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

stark von den Aufassungen der Lensch-Cunow-Hänisch-Gruppe und Plenges selbst geprägt, deren Nähe zu den im folgenden zu behandelnden konservativ-revolutionären Ideologemen bald nicht mehr zu übersehen war.177 Insgesamt war den konservativen und annexionistischen Kräften mit dem Wirken Plenges und der 'Glocken'-Gruppe auf dem Feld der ideologischen Auseinandersetzung ein beachtlicher Einbruch in die sozialistische Vorstellungswelt gelungen.

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XII.Kriegsideologie - Präfaschismus - Faschismus Die Ideen von 1914, die Ideologie der Jugendbewegung, der Mitteleuropagedanke, der Kriegssozialismus, die Gemeinwirtschaftspläne der Rathenau, Möllendorff und Jaffé, die von der 'Glocke' versuchte Synthese von Sozialismus und Nationalismus haben ebenso wie das immer wieder beschworene 'Fronterlebnis'1 dem breiten Spektrum des revolutionären oder 'jungen' Konservativismus der Weimarer Republik die ideologischen und konzeptionellen Grundlagen geliefert.2 In der verwirrenden Vielfalt jungkonservativer, nationalbolschewistischer, bündischer, völkischer Gruppen und Autoren3 finden sich modifiziert viele Topoi wieder, die schon die Kriegsschriften der Plenge, Lensch, Scheler, ja sogar sozialliberaler Autoren wie Naumann und Schulze-Gävernitz geprägt hatten.4 Möller van den Brück suchte nach einer neuen Synthese von Nationalismus und Sozialismus. Er verband die Absage an den Liberalismus mit vagen Vorstellungen eines an Renner gemahnenden 'deutschen Sozialismus'.5 Er versicherte Plenge, daß trotz mancher Divergenzen "das Erlebnis Ihrer Bucher nichtsdestoweniger stark bei mir gewesen ist. Sic bestä

tigten mir, daß es zwischen Konservativismus und Liberalismus, ebenso wie zwischen Liberalismus und Sozialismus, eine Versöhnung allerdings nie, zwischen Konservativismus und Sozialismus dagegen sehr wohl geben kann. Und in der Erkenntnis der Wichtigkeit, ja Notwendigkeit des Inhalts dieser Ihrer Bücher ... bin ich Ihnen verbunden."6

Obwohl Plenge mahnte, in "die endgültige Synthese auch ein Einschuss Liberalismus" einzubeziehen,7 zeigt Möllers Lob Plenges Einfluß auf die Jungkonservativen. Ähnlich wie Möller suchte auch Oswald Spengler nach einer Synthese von "Preußentum und Sozialismus".8 Er konstatierte die Erschöpfung der abendländischen Kultur und ersetzte sie durch einen technokratischen Imperialismus. Mit scharfer Kritik an der Novemberrevolution und an der Weimarer Ordnung setzte er seinen konservativen Sozialismus von Marxismus und Sozialliberalismus ab.9 Der Neuhegelianer Plenge kritisierte Spenglers lebensphilosophisch-kulturpessimistische Geschichtskonstruktion als "verschwommen und oberflächlich."10 Die Bemerkung des Plenge-Schülers König aber, daß kaum mehr als die "beißende Kritik" an der Revolution übrigbleibe, streiche man aus "Preußentum und Sozialismus" heraus, was sich auf Lensch, Plenge und Sombart 232

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zurückführen lasse, ist berechtigt.11 Neben Lensch, Winnig und Noske - die sich mit Spenglers Version des Sozialismus befreundeten - lobte vor allem Möllendorff seine Schrift als "wirklich ausgezeichnet."12 Spengler kam Möllendorffs konservativ-technokratischen Staatssozialismus so weit entgegen, daß er gar eine "Steigerung Bahr - Rathenau - Spengler" konstatierte.13 Diese Formulierung versinnbildlicht die Kontinuität des Kriegssozialismus. Im Geiste des 'Schützengrabensozialismus' vertrat dann auch ein Teil der Freikorpsoffiziere staatssozialistische Vorstellungen.14 Heimann erscheint neben dem sozialdemokratischen Staatsrechtler Hermann Heller und dem Nationalbolschewisten Ernst Niekisch als Mentor des 'Hofgeismarer Kreises' ehemaliger Jungsozialisten, die sich ebenfalls an einem nationalen Sozialismus versuchten.15 Im Zeichen der Wirtschaftskrise von 1929 erhielten Antiliberalismus und Antikapitalismus erneuten Auftrieb. Staatliche Planwirtschaft, Finanzmonopole, staatliches Kreditmonopol, Autarkiepolitik und ähnliches gehörten neben verschiedenen Spielarten des Korporativismus wieder zu den Forderungen konservativ-revolutionärer Kreise.16 Besonders einflußreich in der bürgerlichen "suchenden Jugend"17 wurde der Kreis um die Zeitschrift 'Die Tat'. Nach den Worten seines Hauptprotagonisten Hans Zehrer stand man "politisch rechts, wirtschaftlich links."18 Ferdinand Fried und Giselher Wirsing, die Wirtschaftsexperten' des Kreises, nahmen den Mitteleuropagedanken auf und propagierten ein Zeitalter staatlich regulierter Autarkiewirtschaft.19 Auch Möllendorffs erneute Verwendung in der Reichsregierung war zu dieser Zeit im Gespräch.20 Unter den Nationalökonomen tradierten besonders Sombart und Spann den konservativen Antikapitalismus.21 In ihnen personifizierte sich denn auch am deutlichsten die Kontinuität des Staatssozialismus und Korporativismus des 19. Jahrhunderts bis zu den vagen wirtschaftspolitischen Vorstellungen des Faschismus. Freilich riefen jetzt auch Vertreter des Wirtschaftsliberalismus - die der Krise relativ hilflos gegenüberstanden - nach dem autoritären Staat, von dem sie sich die Beseitigung des 'Gewerkschaftsstaates' und der Sozialpolitik versprachen.22 Der Faschismus setzte darüber hinaus ideologisch die "nationalistisch-etatistische Tradition des Wirtschaftsdenkens" in Deutschland fort, wie Barkais glänzender Exkurs verdeutlicht.23 Es gelang dem Faschismus aber kaum, eine eigene Wirtschaftstheorie über bloße Propagandaformeln hinaus zu entwickeln. Immerhin subsumierte das NSDAP-Programm unter der bekannten Devise "Gemeinnutz vor Eigennutz" einige staatssozialistische Forderungen: Orientierung der Wirtschaft an der Bedarfsdeckung, Trustverstaatlichung, Gewinnbeteiligung an Großbetrieben, Verstaatlichung der Notenbanken, Mittelstandsschutz und ähnliches.24 Die Wirtschafts233 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Wissenschaften im strengeren Sinne erfreuten sich keiner besonderen Beliebtheit. Ihre Beschäftigung mit wirtschaftlichen Steuerungsproblemen im Rahmen der Kreislauftheorie stellte eher die wissenschaftliche Begleitmusik zur praktischen Wirtschaftspolitik dar.25 Die "Eigenart deutschen Wirtschaftsdenkens" und die "wesentlichen Vorkämpfer gegen den wirtschaftlichen Liberalismus" versuchte eine von dem Berliner Volkswirtschaftsprofessor Wiskemann herausgegebene Aufsatzsammlung darzustellen.26 Vor allem Fichte, Adam Müller, Rodbertus, Wagner, Ruhland und die Historische Schule wurden, trotz mancher Differenzen, als Vorläufer des Nationalsozialismus genannt.27 Spann und Sombart wurde, trotz vieler anerkannter Gemeinsamkeiten, ihr mangelndes Verständnis für die 'rassisch-völkischen Grundlagen' jeder Gesellschaft vorgehalten.28 Die Repräsentanten der Konservativen Revolution hingegen blieben - sieht man vielleicht vom Strasser-Flügel der NSDAP ab -29 alle 'Führer ohne Heer'. Sie formulierten jene Ideologiekomplexe, an die der Nationalsozialismus anknüpfen konnte und deren er sich - nach ihrer Umformung in schiere Schlagwörter nach Art der Konsumgüterwerbung - propagandistisch bedienen konnte, ohne sich jedoch wirklich auf antikapitalistische Forderungen einzulassen.30 So gehörten ständische Ordnungsvorstellungen immer zum ideologischen Konzept des Nationalsozialismus, wurden aber nach 1933 prompt fallengelassen.31 Insofern kann man die Konservative Revolution als präfaschistisch bezeichnen. Die Wurzeln des Präfaschismus liegen - wie die an Plenge gemahnende Formulierung Feders "echter Sozialismus = Gemeinsinn" schlaglichtartig verdeutlichen mag -32 in den politischen

Strömungen des Ersten Weltkrieges.33 Die Lauensteiner Tagung, die Beziehungen zwischen Krieck und Plenge werfen ähnliche Schlaglichter auf das Entstehen des Präfaschismus im Weltkrieg.

1. Die Lauensteiner Tagung Schon 1914 versuchte der Verleger Eugen Diederichs gemeinsam mit Maurenbrecher die von ihm verlegte und herausgegebene Zeitschrift 'Die Tat' zum Organ eines fichteanisch und lebensphilosophisch inspirierten Kriegssozialismus auszugestalten.34 Später gründete er - wieder mit Maurenbrecher - die 'Vaterländische Gesellschaft 1914 für Thüringen'. Im Rahmen dieser Gesellschaft hielt Maurenbrecher laufend Vorträge und Kurse, um die Ideen von 1914 zu propagieren - zu einer Zeit, in der die Begeisterung für sie schon deutlich nachließ.35 Als Essenz dieser Bemühungen veröffentlichte Maurenbrecher 1916 seine am Lassalleschen Staatsbegriff anknüpfende Schrift 234 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

zur "Neuen Staatsgesinnung". Sie verlieh ein weiteres Mal dem ganzen Synkretismus der Ideen von 1914 Ausdruck.36 Zunächst gedachten Maurenbrecher und Diederichs, der 'neuen Staatsgesinnung5 durch eine große Kundgebung neuen Auftrieb zu verschaffen. Man beschränkte sich dann aber auf eine Art Brainstorming interessierter Persönlichkeiten, die zu Pfingsten 1917 auf die romantische Burg Lauenstein in Thüringen eingeladen wurden.37 In der Teilnehmerliste der Pfingsttagung finden sich bekannte Namen: neben Max Weber, Meinecke und Heuss - die das sozialliberale Lager repräsentierten - unter anderen Jaffé, J.F. Schmidt, Neurath, Lensch, Krieck, der neukantianisch inspirierte Genossenschaftssozialist Franz Staudinger38 und der Soziologe Vierkandt. Fast alle waren mehr oder minder an der Formulierung burgfriedlicher Formierungsideologeme beteiligt, vier ausgesprochen staatssozialistisch orientiert. Die Schriftsteller Dehmel, Toller und Ernst ergänzten die bunte Versammlung.39 Plenge mokierte sich über die Versammlung "mit Maurenbrecher ... als Bringer einer neuen Wahrheit und Rathenau als Gegenstand der Verhandlung."40 Hänisch billigte Diederichs dagegen "sehr viel ernstes Wollen" zu. Er sah in zahlreichen ähnlichen Versuchen - in denen Gruppen und Vereine sich einer genuinen 'deutschen Kultur', der 'Mission Deutschlands' und ähnlichem widmeten - "einen starken Gärungsprozeß im deutschen Bürgertum" angezeigt, "dessen mögliche Wirkung wir ... in unsere Rechnung einstellen müssen."41 Tatsächlich war die Herausbildung des 'Neumarxismus' dem 'Neukonservativismus' in statu nascendi durchaus kongenial. Die Tagung selbst wurde durch die scharfe Kontroverse zwischen Maurenbrecher und Max Weber beherrscht; beiden mag die Anwesenheit verschiedener Repräsentanten der Jugendbewegung Ansporn gewesen sein. Weber forderte die Demokratisierung und Parlamentarisierung des Reiches. Er entlud seinen ganzen Zorn über das bestehende politische System, als dessen neukonservativen Epigonen er Maurenbrecher erkennen mußte. Auf einer zweiten Versammlung im Herbst 1917, die noch reger besucht wurde als die erste,42 hielt Weber das Einführungsreferat. Maurenbrecher stieß nunmehr auch auf größeren Widerstand der übrigen Teilnehmer; er wurde als 'Romantiker' kritisiert. Insgesamt aber blieb es bei einer diffusen Meinungsvielfalt, bei einem "Warenhaus für Weltanschauungen", wie Max Weber dem Initiator Diederichs vorgeworfen hatte.43 Will man mit Nolte in Max Weber den repräsentativen "Theoretiker der bürgerlichen Gesellschaft vor dem Faschismus" sehen,44 so war die bürgerlich-liberale Theorie in der Person Webers mit einem bürgerlich-konservativen Irrationalismus, hier vertreten durch Maurenbrecher, konfrontiert, der nur noch die soziale Trägerschaft und 235 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

die Gunst der Stunde suchte. Obwohl Plenge die erbetene Zusammenarbeit mit Maurenbrecher ablehnte45 und er dessen schwelgerischen Duktus nicht teilte, stand er ihm und Diederichs faktisch näher als Weber. Charakteristisch erscheint Plenges Aufforderung an Krieck, die 'Tat' als nützliche Plattform zu benützen, von der aus man dem Einfluß Max Webers auf den Lauensteiner Kreis entgegenwirken könne.46 Der Anregung Kriecks, selbst nach Lauenstein zu gehen, um Max Weber persönlich entgegenzutreten,47 folgte Plenge wohlweislich nicht. Maurenbrecher fand später als "führender Deutschnationaler"48 zum eher wilheminischen Konservativismus zurück. Er beendete seine politische Odyssee - die ihn von den Nationalsozialen über die Sozialdemokratie zur DNVP geführt hatte - als Pfarrer in Thüringen.

2. Plenge und der Präfaschismus (Ernst Krieck, Eduard Stadtler) Nach einer 'neuen Staatsidee' suchte auch der badische Volksschullehrer und Publizist Ernst Krieck (1882 - 1947). Er kritisierte am Bismarckreich die fehlende Staatsidee, die er, wie so viele, für die Desintegrationserscheinungen des Reiches verantwortlich machte.49 In einem großen ideengeschichtlichen Exkurs versuchte er, aus den deutschen Traditionen politischen Denkens jene Synthese von Liberalismus und Konservativismus zu gewinnen, aus der er den Kern einer neuen Staatsidcc als Fundament einer einheitlichen Nation gewinnen

wollte.50 Der Weltkrieg hatte nach Krieck die Voraussetzung und Notwendigkeit geschaffen, Staatsgesinnung, Genossenschaftlichkeit und Organisation erzieherisch zu verankern.51 Praktisch forderte er eine auf Selbstverwaltung beruhende, ständische Gliederung von Staat und Wirtschaft.52 Den Parlamentarismus lehnte er ab. Max Weber gegen dessen Parlamentarisierungsforderungen Krieck in der 'Tat' Stellung bezog -53 warf Krieck wiederholt geistige Abhängigkeit von Plenge vor.54 Tatsächlich, so schrieb Krieck an Plenge, habe er die Übereinstimmung mit ihm erst nachträglich festgestellt; sie schien ihm bezeichnend für die "tatsächliche Macht" der neuen Ideen.55 Nach Lektüre der "Revolutionierung der Revolutionäre" war Krieck dann so restlos von Plenge überzeugt,56 daß dieser ihn vor dem allzu eifrigen Bestreben warnte, die gemeinsamen Vorstellungen in praktische Politik umzusetzen.57 Krieck - dessen Schrift trotz mangelnder öffentlicher Resonanz an die Front versandt wurde -58 erhielt vom zuständigen Generalkommando die Aufforderung, sich an der "offiziellen] Aufklärung in Arbeiterkreisen" zu beteiligen. Er versuchte hier, "den neuen Sozialismus in vorsichtiger Weise an den Mann zu bringen."59

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Ferner bat Krieck Plenge um dessen Mitarbeit bei der 'Europäischen Staats- und Wirtschaftszeitung', deren Schriftleitung er vorübergehend übernommen hatte. Es sei ihm daran gelegen, so Krieck, weil er seinen eigenen "Einfluß in paralleler Richtung geltend machen" wolle; Lensch habe er ebenfalls um seine Mitarbeit gebeten "u. Prof. Jaffé wäre auch dabei, wenn sich die 'Ideen von 1914' hier ein Organ schaffen."60 Eine interne Krise mit den Herausgebern, die sich offenbar an Kriecks schroff antiparlamentarischer Haltung entzündete, setzte diesen Plänen jedoch ein Ende.61 Wie seinem Schüler Teschemacher,62 verschaffte Plenge auch Krieck in der 'Glocke' eine Publikationsmöglichkeit.63 Schon zu Zeiten des Würzburger Parteitages hatte Krieck den Kreis um die 'Glocke' positiv gewürdigt.64 Durch seine Wirksamkeit sah er die Sozialdemokratie als einzige Partei auf dem Wege zur "Partei der Organisation".65 Der vor allem von Plenge, Lensch und Renner formulierte Sozialismus66 richte sich nun nicht mehr gegen den Kapitalismus schlechthin, sondern gegen den "Individualismus in allen seinen Abwandlungen."67 Neben zwei Artikeln zur Bildungspolitik68 erschien auch ein Artikel Kriecks zum Parlamentarismus in der 'Glocke', in dem er ausdrücklich auf Heilmann Bezug nahm. Gegen die "bürgerliche Doktrin"69 des Parlamentarismus setzte er sein an Rathenau erinnerndes Ständestaatsmodell. Alle alten und neuen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wollte er künftig auf die "grossen sozialen Körperschaften mit Selbstverwaltung auf öffentlich-rechtlicher Grundlage" übertragen wissen. Die "ständischen Korporationen" sollten die Wirtschaft regeln. Dies galt ihm als "die künftige Form des Staatssozialismus." Wie Heilmann und Plenge forderte Krieck die Umwandlung des "Mechanismus'" der alten Bürokratie in einen "Organismus", in dem Personen wie Ideen von unten nach oben aufsteigen können und nicht mehr, wie bisher, ein "einsilbiger Ablauf von oben nach unten" stattfinde.70 Er schlug die Umgestaltung des Preußischen Herrenhauses zu einer Ständekammer vor. Sie sollte die Vertreter der korporativ organisierten Berufe und der kommunalen Selbstverwaltungskörper umfassen.71 Es sei nochmals betont, daß derartige Vorstellungen nicht per se als präfaschistisch gelten können. Sie reflektierten die Probleme der Repräsentativdemokratie und der deutschen Verbandsöffentlichkeit. Relevanter erscheint die objektive Funktion der Konzeptionen Kriecks, Heilmanns, Jaffés und anderer zu einem Zeitpunkt, wo die konservativen Eliten unter Zuhilfenahme aller propagandistischen und institutionellen Möglichkeiten die notwendige Modernisierung des Reiches zu verhindern trachteten. Das auch von den Beamten Sichler, Gröner und dem Sozialdemokraten August Müller propagierte berufsständische Prinzip wurde nämlich von der Schwerindustrie und dem konservativen Mittelstand gegen 237 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

die Forderung nach dem gleichen Wahlrecht ins Spiel gebracht.72 Die Verbindung der Selbstverwaltungsidee mit Antiliberalismus und konservativem Antikapitalismus ließ sie zum Rüstzeug des Präfaschismus werden. Seit Erscheinen seiner 'Neuen Staatsidee' stand Krieck auch in Verbindung mit Möller v.d. Bruck, die sich bis zu dessen Tod erhielt und festigte.73 Nachdem Krieck zunächst viel von der Novemberrevolution erwartet hatte,74 wandte er sich bald enttäuscht von der Weimarer Republik ab75 und zunehmend der Konservativen Revolution zu. Die gewohnt scharfe Polemik, die Plenge gegen Hans Blüher und dessen Verleger Diederichs veröffentlichte,76 und Plenges Verhalten führten schließlich zum Bruch.77 Mit dem Eifer des persönlich wie politisch Enttäuschten sagte sich Krieck von seiner einstigen Mitarbeit bei der 'Glocke' los.78 1932 wurde Krieck Mitglied der NSDAP und bald zum führenden NS-Pädagogen.79 Eduard Stadtler hatte schon während des Krieges die Ideen von 1914 aufgenommen; ausdrücklich bezog er sich auf Plenge, Kjellén und Chamberlain.80 Mit anfänglicher Unterstützung Naumanns und der Schwerindustrie betrieb er nach der Novemberrevolution 'antibolschewistische Propaganda' in großem Stil; er bezeichnete sich selbst als intellektuellen Urheber des Luxemburg/Liebknecht-Attentats.81 Sein konservativ-koφorativistischer 'Sozialismus' und seine Verbin­ dung zu H einrich v. Gleichen, Möller v.d. Bruck und den 'Solidariern' entfremdete ihn jedoch seinenFinanziers.82 Plenge hatte Stadtlers Bestreben, das 'Augusterlebnis' noch nach der Revolution zu reaktivieren, kritisiert und eine Zusammenarbeit abgelehnt 83 Stadtler beklagte die Zurückweisung, erstrebe doch auch Plenge die "Vergemeinschaftung der zerrissenen Gesellschaft." Leider sei Plenge ein "Opfer der 'Vernunft' geworden."84 Plenge monierte darauf Stadtlers "verschwommenen Gefühlstorkel" und hielt ihm entgegen, daß Gemeinschaftsbewußtsein sich letztlich nur durch Bildung und Ausbildung verankern lasse.85 Tatsächlich hatte Plenge von dem Kultusminister Hänisch mehr zu erwarten als von dubiosen Persönlichkeiten à la Stadtler. Enttäuscht auch er, schrieb Stadtler: "Als ich 1915/16 Ihre Kriegsbücher las, als ich ... Ihre Revolutionsschriften in die Hände nahm, da standen Sie vor meinen Augen als der Erneuerer Deutschlands. Den Niederschlag ... können Sie noch in meinem Buch ... finden.86 Inzwischen wurde mir immer klarer, dass Ihre Organisationslehre doch viel rationalistischer und mechanischer war, als ich gerne glauben mochte ... ."87

Stadtler spielte die ganze Weimarer Republik hindurch eine gewisse Rolle in jungkonservativen Kreisen und fand über die DNVP schließlich ebenfalls zum Nationalsozialismus.88 Immerhin sah Stadtler, als einer der wenigen nach 1933, in Plenge einen der "'grossen Unbe-

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kannten', die man erst nach dem Tode als Vorkämpfer und Vorläufer anerkennen wird."89 In den beiden Männern, Stadtler und Krieck, personifizierte sich die Kontinuität von den Ideologemen der Kriegszeit über den Präfaschismus zum Faschismus. Plenges Rolle als Mittler zwischen Konservativismus und Präfaschismus wird deutlich. Daß auch Gottfried Feder seine Pläne zur "Brechung der Zinsknechtschaft" Plenge nahezubringen versuchte, rundet das Bild nur ab.90

3. Plenge und der Nationalsozialismus Nach 1933 schwenkte Plenge vollständig auf die neue Linie ein, als deren geistiger Vorläufer er sich nun gerierte. Verzweifelt bemühte er sich, als "geistiger Großvater des heutigen Nationalsozialismus"91 anerkannt zu werden und die Schließung seines Institutes zu verhindern. Dem diente die Veröffentlichung der "Anmeldung zum Bund Schlageter e.V.",92 die Teilveröffentlichung seines Briefwechsels mit Hänisch93 - diese einstige Verbindung setzte ihn jetzt natürlich ins Zwielicht -94 und eine ganze Flut von Briefen an die neuen Machthaber. Meist wurde er kühl zurückgewiesen. Dem Reichspressechef der NSDAP, Dietrich, galt Plenge als einer jener opportunistischen "Zeitgenossen, die ihr Herz für Adolf Hitler erst nach der Machtergreifung entdeckt haben. ... Wo waren Sie denn ... als Adolf Hitler die Unterstützung der wissenschaftlichen Welt brauchte? Etwa bei uns Nationalsozialisten?"95 Das hinderte Plenge jedoch keineswegs, gegenüber Harms - der ihm den guten Rat gegeben hatte, sich den Nationalsozialisten nicht allzu eilfertig anzudienen -96 seinen Anspruch als "praeceptor germaniae" und "Weltlehrer" aufrechtzuerhalten. Harms, so Plenge, möge sich "bitte klar machen, dass meine Erkenntnisse der Parteidoktrin in ihrem wesentlichen Sinn nicht widersprechen, sondern sie erfüllen."97 Unverhohlen drohte er Harms mit der Veröffentlichung des Briefwechsels. Die 'stramme Haltung' nutzte Plenge jedoch wenig. Allgemein paßte die Soziologie nur sehr bedingt in die Vorstellungswelt des Nationalsozialismus.98 Im besonderen waren die Ansichten Plenges - wie die einiger Neuhegelianer, die sich vergeblich um Anpassung bemühten -99 noch viel zu rationalistisch und 'mechanisch', um den Terminus5 Stadtlers zu gebrauchen, als daß sie sich letztlich in die verquaste NS-Ideologie eingefügt hätten. Abschließend sei ein Brief Sombarts an Plenge zitiert, der das gebrochene Verhältnis der ehemaligen Protagonisten der Ideen von 1914 zum Nationalsozialismus verdeutlicht: 239 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

"Was ... Ihren Anspruch auf die Vaterschaft des Nationalsozialismus betrifft, so geht es Ihnen nicht anders wie andern auch. So bin ich mir bewußt, ebefalls zahlreiche Ideen schon seit langem vertreten zu haben, die die heutige Politik bewegen. ... Auch ich bin 'versunken und vergessen'. Man will keine geistigen Väter haben. Alle Gedanken fangen mit dem Jahre I der 'nationalen Revolution' an. Ich finde mich mit diesem Geschick in Gelassenheit ab. Tun Sie das Gleiche u.sagen Sie sich, daß wir nicht für den Tag, sondern für das Jahrhundert geschrieben haben. Wenn jetzt der Grundsatz für geistige Kinder gilt: 'la recherche de la paternite est interdite,' so ist das längst nicht so schlimm wie in einem Alimentenprozeß. Wir wollen unsre Kindlein sich rührig entwickeln lassen u. allenfalls für ihre Erziehung uns ein wenig interessieren."100

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XIII.Epilog "Mit geballter Faust und Tränen in den Augen sahen Berliner Hochschullehrer das Kaiserreich in Trümmer gehen."1 Die Mehrzahl der Professoren dürfte den Untergang des wilhelminischen Systems ähnlich empfunden haben, dessen ideologische Stütze sie auch dann waren, wenn sie sich für seine Modernisierung eingesetzt hatten. Mit dem Untergang des Kaiserreichs war zunächst auch die Gelehrtenpolitik, gleich welcher Couleur, gescheitert. Zwar wurde die Loyalität zur letzten Regierung Max v. Baden zur verbreiteten Haltung, die sich auch unter dem Rat der Volksbeauftragten fortsetzte,2 aber grundsätzlich änderte keine der im Kriege herauskristallisierten Gruppen ihre politische Einstellung. Zunächst verdeckt, dann immer offener formulierten die rechten Professoren und ehemaligen Annexionisten wie Seeberg, Schäfer, Below und Spann ihre Kritik an der Republik; man sammelte sich im Bannkreis der Deutschnationalen Volkspartei.3 Die gemäßigt-konservativen und liberalen Gelehrten wandelten sich zu 'Vernunftrepublikanern' (Meinecke),4 mit aller inneren Distanz, die dieser Begriff beinhaltet. Ihr Engagement fiel denn auch bald wieder hinter dem publicityträchtigen Auftreten ihrer rechten Kontrahenten zurück.5 Freilich war man auch hier mit seiner Kritik nicht zimperlich, wenn sie sich gegen die radikale Linke richtete, wie Äußerungen Max Webers zeigen.6 Ohne Gedanken an eigene Fehler, erkannte Schulze-Gävernitz im deutschen Militarismus die Ursache von Revolution und sozialdemokratischer Republik. Seine konservativen Freiburger Kollegen protestierten gegen diese 'NestbeschmutzungV Die Reichsregierung, so Schulze-Gävernitz, sei gegenüber der "Militärdiktatur" Ludendorffs und ihren schweren Fehlern (U-Boot-Krieg, Belgien-Frage u.ä.) zunehmend handlungsunfähig geworden. Schließlich habe Ludendorff Waffenstillstand erzwungen, als mittels Mobilisierung der letzten Reserven - Rathenaus 'Levee-en-masse' - bessere Waffenstillstandsbedingungen hätten erreicht werden können. Aber die alldeutsche Propaganda habe das Gegenteil nationaler Begeisterung bewirkt; schließlich habe sich der Soldat nicht mehr "für Herrenrechte und Eroberungspläne totschlagen lassen" wollen.8 Ähnlich wie Troeltsch und Meinecke9 und in Fortsetzung seiner Argumentation aus der 241

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Kriegszeit, sah er über das "Verschulden des Militarismus hinaus" die Ursache des Zusammenbruchs nicht im deutschen Imperialismus selbst - zu dem man ja nicht gerade wenig beigetragen hatte. Vielmehr war der Fehler verantwortlich, daß "wir während des letzten Menschenalters Machtpolitik nach außen ohne Freiheitspolitik nach innen trieben, und damit dem westeuropäischen Kapitalismus und Imperialismus gestatteten, seinen Handels- und Rachekrieg zu einem Weltfreiheitskrieg gegen uns auszuweiten."10 Obwohl Schulze-Gävernitz anerkannte, daß der Wilhelminismus "morsch" war und "wie eine überreife Frucht bei der leisesten Berührung zu Boden" fiel, beklagte er das Scheitern der Regierung Max v. Baden, mit der der Volksstaat doch begründet worden sei. Mit deutlichen Anleihen bei der Dolchstoßlegende - die, bei Kriegsende vorbereitet, zur agitatorischen Waffe der Rechten wurde -11 warf Schulze-Gävernitz der Revolution vor, Deutschland den Gegnern ausgeliefert zu haben.12 Die Revolution war ihm typisches Produkt des junkerlichen Preußen, gegen das die unterdrückten Massen rebelliert hätten. Dagegen habe Süddeutschland, insbesondere Baden, nur einen Fortschritt des Liberalismus in alter Richtung unternommen. Noch immer bestehe daher die Aufgabe, "Berlin 'badisch' zu machen."13 Anschütz warf SchulzeGävernitz "partikularistische Selbstgefälligkeit" vor.14 Tatsächlich war es der etwas fragwürdige Versuch, politische Kontinuität auszudrükken: Sie reichte vom badischen Großblock, der Hoffnung auf die 'Koalition von Bassermann bis Bebel' über die Reichstagsmehrheit der Friedensresolution bis zur Weimarer Koalition, deren Politik er nun wieder als Abgeordneter der Nationalversammlung trug. Ebenso wie er einst die 'mittlere' Linie Bülows und Bethmann-Hollwegs gegen links und rechts verteidigte, sah er auch jetzt die Republik "gefährdet von links, gefährdet von rechts."15 Auch Plenge reagierte auf seine Weise typisch auf den Zusammenbruch. In einer "Rede an Deutschlands Jugend" stellte er sich - der wenige Wochen zuvor noch jegliche Demokratisierung scharf bekämpft hatte - oberflächlich auf den Boden der Tatsachen und formulierte: "Arbeit, Disziplin und Ordnung ... auf dem Boden einer sozialen Demokratie, das ist Sozialismus."16 Mit seiner Polemik gegen die "halbreifen Theoretiker vom Vorwärts" und gegen einen "Sozialismus der blinden Verstaatlichung" leistete er seinen Beitrag, sozialistische Ordnungsvorstellungen in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Für die Übergangswirtschaft gab er die Parole aus: "Nur Sachverständige dürfen eine Stimme haben."17 "Sozialistische Politik" war demnach "sachgemäße Wiederherstellung des Kapitalismus."18 Vor dem Hintergrund der Sozialisierungsforderungen argumentierte freilich auch Max Weber wie Plenge: "Sozialisierung könne heute nur Zusammenschluß bedeuten."19 Die Herstellung der Demokratie, wie 242 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Plenge sie verstand, sollte weder der Nationalversammlung noch den Räten anvertraut werden. Plenge forderte die "Gewalt der Diktatur",20 abgesichert durch einen Ausschuß des Reichstages.21 Seinem autoritären Credo entsprach es, wenn er auch künftig die Reichsregierung als relativ autonomes Fachleutegremium konstituiert wissen wollte. Sie sollte der Kontrolle eines wiederum delegierten Ausschusses des Parlaments unterliegen. Um der allgemeinen Auflösungs- und Niedergangsstimmung zu begegnen, arbeitete Plenge an einer Organisationslehre,22 die er später zusammen mit einer Propagandalehre veröffentlichte.23 Stolz berichtete Plenge 1935, der spätere nationalsozialistische Propagandaminister Göbbels habe ihn Anfang der 1920er Jahre aufgesucht, um sich über seine Propagandalehre zu unterrichten. Er habe Göbbels den Begriff 'Drittes Reich' als Propagandainstrument empfohlen.24 Tatsächlich kann man in seiner Propagandalehre die theoretische Weiterführung seiner Kriegs- und Burgfriedenspropaganda sowie seiner vergleichenden Ideenlehre erkennen. In den politisch instabilen Anfangsjahren der Weimarer Republik sah er eine wesentliche Aufgabe seines Staatswissenschaftlichen Instituts in der Verbreitung 'organisatorischer Gesinnung'. Der Widerstand gegen die Ruhrbesetzung ermöglichte Plenge, seine Propagandalehren in großem Stil in die Praxis umzusetzen. Man geht kaum fehl, wenn man in dieser Propaganda die spätere nationalsozialistische Propaganda vorgezeichnet sieht.25 An Plenge wird die ganze Ambivalenz eines rein akademischen Kopfes deutlich, der sich bei steigendem Realitätsverlust opportunistisch in den Dienst jeder herrschenden konservativen Strömung stellt. Wenn der Soziologe durch vergleichende Kontrastierung der Topoi zum Schluß kommt, Plenge sei weder Faschist, Dezisionist noch Konservativer,26 so kommt der Historiker unter Berücksichtigung der sozialen Funktion der von Plenge vertretenen Theoreme und Ideologeme zu einem anderen Urteil: Plenge repräsentierte einen neuen Konservativismus als Bindeglied zwischen dem Konservativismus des 19. Jahrhunderts und dem Präfaschismus der Weimarer Republik. Trotz vieler Unterschiede war er hierin den bekannteren Sombart und Spann verwandt. Eine interessante Wendung nahm Jaffé im Zuge der Münchner Revolution.27 Neben Förster, Muckle und zeitweilig Brentano gehörte er zu den Gelehrten, die sich in den Dienst Kurt Eisners stellten.28 Nicht ohne Süffisanz berichtet der Vorgesetzte Jaffés, der Leiter der Handelshochschule, Moritz J . Bonn, Jaffé sei noch im Sommersemester 1918 um Urlaub für das kommende Wintersemester eingekommen. Die Oberste Heeresleitung habe Jaffé zu einer Vortragsreise an die Front eingeladen, wo er sich über die günstigen wirtschaftlichen Aussichten Deutschlands äußern sollte, um die Stimmung der Solda243 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

ten zu heben.29 Anfang November 1918 jedoch registrierte der bayerische Kultusminister besorgt, wie Jaffé "mit Eisner in der Stadt umherzog und in Massenversammlungen die blutrünstigsten Reden" hielt. Am 7. November hatten" Eisner, Jaffé und einige andere ... in einer Massenversammlung gesprochen und die Stimmung mit ihren Reden zur Fieberhitze gesteigert. Der Mob war durch die Straßen marschiert ... ."30

So hatte der bürgerliche Professor zum Sturz des alten Regimes beigetragen. Bonn konnte sich das nur mit dem pathologischen Ehrgeiz Jaffés erklären. Tatsächlich schwankte Jaffé schon während des Krieges zwischen konservativem und sozialistischem Antikapitalismus; er warnte immer wieder vor der Prädominanz des Großkapitals. In der Regierung Eisner übernahm Jaffé als Vertreter der Unabhängigen Sozialdemokratie das Finanzministerium - eine der undankbarsten Aufgaben im neuen Kabinett, wie Eisner selbst bemerkte.31 Daß Jaffé damit aber noch lange nicht allem früherem abschwor, belegt ein Zeitungsartikel vom Februar 1919, in dem er eine zu dieser Zeit erstaunliche Ehrenrettung für Wilhelm II. versuchte.32 Die bürgerliche Presse freilich mokierte sich über den revolutionären Minister, der vor wenigen Jahren noch den U-Boot-Krieg gutgeheißen hatte und England Kontributionen hatte auferlegen wollen. Max Weber hingegen begrüßte Jaffés Engagement in der Regierung Eisner; er versprach sich einen mäßigenden Einfluß und hoffte, daß er "seine Sache schon gut machen, jedenfalls Torheiten hindern" werde.33 In einer Rede vor dem Landesarbeiterrat vertrat Jaffé ein wirtschaftsdemokratisches Konzept, das an die Gedanken anknüpfte, die er 1915 im Rahmen der 'geistigen Arbeitsgemeinschaft' entwickelt hatte. Er sprach sich grundsätzlich für die parlamentarische Demokratie aus und begrüßte insofern die Nationalversammlung. Allerdings müsse, so Jaffé, neben die politische die wirtschaftliche Gleichberechtigung treten. Neben der Nationalversammlung als gesetzgebender Körperschaft sollten die Räte als sachverständige Berufskammern eingerichtet werden, die entsprechende Gesetzentwürfe vorzubereiten und der Nationalversammlung vorzulegen hätten.34 Statt eines Bundesrates verlangte er eine Versammlung von Abgeordneten der Länderparlamente, die einen wirksamen Föderalismus garantieren sollte.35 Ferner schlug er die sofortige Sozialisierung der Elektrizitäts- und Wasserkräfte vor.36 An diesem Konzept hielt Jaffé auch nach dem für das Kabinett und besonders für die Unabhängigen katstrophalen Landtagswahlen vom 12. Januar 1919 fest - gegen die Auffassung Frauendorfers, der dem Kabinett als parteiloser Transportminister angehörte, und der mehrheitssozialdemokratischen Minister.37 Unmittelbar vor den Wahlen hielt Jaffé im überfüllten Löwenbräu-Keller eine Rede, in der er sich marxistischen Auffassungen offenbar stark annä244 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

herte. Er gab jetzt dem Kapitalismus die Schuld an dem "Trümmerhaufen", den der Krieg hinterlassen habe. Ferner kündigte er den Widerstand des Kabinetts gegen einen "schwarzen Landtag" an.38 Da er nach der Ermordung Eisners dem Kabinett nicht mehr angehörte,39 war Jaffés Wirken sehr begrenzt. Gegen mögliche Ansprüche des Reiches verteidigte Jaffé die Einkommenssteuer - die er im übrigen kräftig anheben wollte - als Domäne der Bundesstaaten.40 Im Januar 1919 konferierte Jaffé auch mit Neurath, der Sachsen und Bayern für seine Planwirtschaftskonzepte zu gewinnen versuchte.41 Zunächst hatte Eisner Brentano mit der Prüfung der Sozialisierungsfrage beauftragt. Angesichts der grundsätzlich verkehrswirtschaftlichen Orientierung Brentanos verlief das Bemühen, den renommierten Gelehrten zu gewinnen, im Sande.42 Erst die Räteregierung beauftragte Neurath der nunmehr auch mit Rathenau in Verbindung stand - mit der Durchführung seiner Projekte;43 Jaffé hatte auf diese Entwicklung keinen Einfluß mehr. Als Träger der Revolution war Jaffé eine Ausnahmeerscheinung in der gelehrten Welt. Seine Gestaltungschancen blieben aber ebenso gering wie die der übrigen Vertreter alternativer Ordnungsvorstellungen. Mit seinem Engagement für die Revolution trat Jaffé in einem scharfen Schritt aus der Unentschiedenheit seiner zwischen Sozialismus und Konservativismus schwankenden Konzeption heraus. Aber, wie gesagt, er blieb eine Ausnahme. Dagegen erscheint die Reaktion Plenges und Schulze-Gävernitz' charakteristisch für die kaum gebrochene Kontinuität der Argumentation, wie sie sich in den beiden Lagern der rechten und der gemäßigten bzw. liberalen Gelehrten herausgebildet hatte. Tatsächlich war jedoch eine Epoche deutscher Sozialwissenschaften und Gelehrtenpolitik zu Ende gegangen, deren wichtigstes Motiv und Ziel erst jetzt, mit der Erschütterung der Fundamente der konservativen Eliten in Staat und Wirtschaft, erreicht wurde: die Integration wesentlicher Teile der mit der Entwicklung des modernen Kapitalismus entstandenen Arbeiterbewegung in die bürgerliche Gesellschaft. Die wesentlichen Probleme der Nationalökonomie der wilhelminischen Ära waren die Integration der Arbeiterklasse, die Einschätzung des modernen Kapitalismus, die Entwicklung eines geeigneten theoretischen Instrumentariums sozialwissenschaftlicher Analyse und die Rückvermittlung gewonnener Erkenntnisse in soziale Praxis. Wenn Herkner 1922 in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vereins für Socialpolitik verkündete, daß die beste Sozialpolitik eine gute Produktionspolitik sei, und damit einen Slogan des Unternehmerlagers noch dazu angesichts drohender sozialer Demontagen - übernahm, so 245 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

erscheint dies symptomatisch für das Ende der sozialreformerischen Gelehrtenpolitik.44 Die vornehmlich von den älteren Kathedersozialisten getragene und unter Bismarck partiell erfolgreiche Konzeption des sozialreformerischen, gemeinwohlorientierten obrigkeitsstaatlichen Beamtenregiments war letztlich mit einer modernen kapitalistischen Gesellschaft unvereinbar. Es befestigte faktisch die Stellung der Eliten und büßte folglich nach der Jahrhundertwende seinen reformerischen Impuls ein. Die zweite Generation antwortete darauf mit dem hier vornehmlich am Beispiel von Schulze-Gävernitz dargestellten Konzept einer Reform der politischen und sozialen Verfassung. In letzter Konsequenz zielte dieses Konzept auf die Herstellung eines bürgerlich-parlamentarischen Verfassungsstaates unter Einschluß einer politisch gleichberechtigten Arbeiterbewegung. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern begrüßte diese Generation praktisch ausnahmslos die Entfaltung des Kapitalismus, trotz der gerade bei Schulze-Gävernitz häufigen antiliberalen Formierungsideologeme. Freilich begründeten die jüngeren Gelehrten ihre prokapitalistische Haltung mit dem in ihren Augen notwendigen Imperialismus, dessen Forcierung gleichzeitig aber immer mehr zum integralen Bestandteil der Machterhaltungsstrategie der konservativen Eliten wurde. Dieser Zusammenhang wurde nur selten erkannt. Folglich blieben schon aus diesen Gründen die Erfolge gegenüber den Junkern und Schwerindustriellen samt ihren öffentlichen Sprachrohren und ihnen nahestehenden Beamten und Militärs bescheiden. Im Zuge der Suche der zweiten Generation nach neuen theoretischen Prämissen, die der Erklärung und Einschätzung des

Organisierten Kapitalismus eher gerecht wurden als die Paradigmata der Historischen Schule, begann auch die ernsthafte Beschäftigung mit dem Marxismus. Dies wiederum eröffnete neue Perspektiven, die inneren Auseinandersetzungen der Sozialdemokratie im Sinne der eigenen Konzeptionen zu beeinflussen. Die dritte und jüngste Generation der Nationalökonomen führte die Beschäftigung mit dem modernen Kapitalismus fort und wandte sich dabei noch stärker praktischen Fragestellungen zu. Freilich nahm hier das Engagement für die Sozialreform, das die vorangegangenen zwei Generationen geprägt hatte, zugunsten des Interesses an neuen Formen der Forschung und Lehre eher ab. Ferner zeichnete sich diese Generation durch zunehmende Heterogenität aus, vor allem was die gesellschaftspolitischen Konzepte betraf. Obwohl die meisten verkehrswirtschaftlich orientiert blieben, wandte man sich im Gegensatz zum Liberalismus der zweiten Generation wieder verstärkt konservativen Vorstellungen zu, die manche Gedanken der älteren Kathedersozialisten weiterführten. Andere wiederum - nicht zuletzt Gelehrte wie Heimann und Neurath, die kurz vor dem Kriege am Anfang ihrer 246 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Karriere standen - näherten sich sozialistischen Ordnungsvorstellungen. Jaffé vereinigte die ganze Spannweite zwischen konservativen und sozialistischen Ideen in seiner Konzeption. Hingegen war Plenges Organisatorischer Sozialismus' ein Produkt der Auseinandersetzung mit dem Organisierten Kapitalismus und dem Marxismus. Besonders in seiner Frühzeit beinhalteten seine Vorstellungen originelle Gedanken zur Anpassung der Finanz- und Zentralbankpolitik an die moderne wirtschaftliche Entwicklung wie zur Weiterentwicklung von Forschung und Lehre. Seine Arbeiten zeigen wie die von SchulzeGävernitz - besser noch als das Werk des überdurchschnittlichen Theoretikers Max Weber - die Doppelfunktion der Sozialwissenschaften als Lieferant systemaffirmativer Wertnormen und konkreter Entwicklungsperspektiven. Das abnehmende Interesse an der Sozialreform am Vorabend des Weltkrieges ging einher mit einer Offensive ihrer Gegner in Wissenschaft und Gesellschaft. Angesichts der Herausbildung der Verbandsöffentlichkeit - deren sich die Konservativen wohl zu bedienen wußten - geriet die in sich gespaltene Gelehrtenpolitik in eine tiefe Krise. Der Krieg verdeckte sie zunächst und nahm praktisch alle Gelehrten als Produzenten von Kriegs- und Burgfriedensideologie in Pflicht. Daneben wurde vor allem von den Nationalökonomen eine Klärung der Konsequenzen der Kriegswirtschaft für die künftige Wirtschaftsordnung und besonders für das Verhältnis von Wirtschaft und Staat erwartet. Zunächst waren die hier besonders am Beispiel Jaffés und Plenges dargestellten Beiträge zum sogenannten Kriegssozialismus eher Begleitmusik und Reflex der Kriegswirtschaft sowie ideologisches Beiwerk des Burgfriedens. Die etwas breiter dargestellte Debatte über den Kriegssozialismus - die im übrigen die Überlegungen und Positionen der Vorkriegszeit weiterführte - zeigte jedoch die in praxi überwiegend verkehrswirtschaftliche Orientierung der Nationalökonomie. Noch deutlicher wurde dies an der etwa 1916 einsetzenden Debatte über die Übergangswirtschaft und das Staatsschuldenproblem. Zwar entwickelten Jaffé und vor allem Goldscheid wirtschaftsdemokratische Neuordnungsvorstellungen, manche Gelehrte plädierten gar für umfangreiche Verstaatlichungen und staatliche Regulierungen, aber meist ging man über einen angesichts der zu erwartenden Umstellungsprobleme als unvermeidlich erachteten Staatsinterventionismus nicht hinaus. Daß besonders die Sozialdemokratie die in der Kontroverse über die Kriegs- und Übergangswirtschaft formulierten staatsinterventionistischen Vorstellungen in beträchtlichem Umfang rezipierte, zeigt dreierlei: Erstens war der Fundus konzeptioneller Perspektiven der Arbeiterbewegung auch wirtschaftspolitisch nicht allzu reichhaltig bestückt. Zweitens war die 247 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Wirkung bürgerlicher Gelehrter und Autoren wie Möllendorff, Goldscheid, Jaffé und Rathenau nicht unerheblich. Drittens enthielt das Gemenge staatssozialistischer und gemeinwirtschaftlicher Ideen, das schon der Krieg - und nicht etwa erst die Sozialisierungsdebatte hervorbrachte, einige brauchbare wirtschaftsdemokratische Ansätze. Mit dem Scheitern der sozialistischen Perspektive der Novemberrevolution wurden alle Neuordnungskonzeptionen ebenso obsolet wie die Wissell-Möllendorffsche Gemeinwirtschaft, die ein Produkt der Erfahrungen mit der Kriegswirtschaft und des sozialdemokratischen 'Staatssozialismus' war. Freilich wurden auch die Vorschläge der Nationalökonomen zur Errichtung von Finanzmonopolen und zur Durchfürung einer Vermögensabgabe nicht verwirklicht. Eng mit der künftigen Gestalt der Wirtschaftsordnung war das Problem des künftigen Außenhandels verknüpft, das sich wiederum mit der seit 1915 zunehmend heftiger umstrittenen Kriegszielfrage verband. Selbst der gemäßigte Autarkismus blieb Mindermeinung und auch der Zollverbund mit Österreich-Ungarn bzw. der Mitteleuropaplan wurde eher politisch als ökonomisch begründet. Handelspolitische Einschränkungen wurden eher widerwillig der erwarteten Krise des Welthandels nach dem Kriege konzediert. Beachtlich ist die Abwendung einiger Liberaler vom Konzept des Welthandelsstaat, auf dem doch zum wesentlichen Teil der Erfolg der deutschen Industrie beruhte. Demgegenüber blieben die alten Freihändler wie Brentano prinzipientreu. Weniger überraschend erscheinen die schon im liberalen Vorkriegsimperialismus angelegten Kriegszielvorstellungen vieler soziallibcralcr Gelehrter, die sich nur quantitativ von den alldeutschen

Plänen unterschieden. Freilich wird die Frage nach dem Umfang der Kriegsziele und der Gegensatz von Verständigungs- oder Siegfriede zum alles beherrschenden Gegensatz in der Öffentlichkeit wie unter den Gelehrten. Die sozialliberalen und gemäßigt-konservativen Professoren vermochten sich nicht gegenüber ihren annexionistischen Kontrahenten durchzusetzen, die bewußt oder unfreiwillig zum Sprachrohr der alldeutsch gesinnten Eliten wurden. Die Kriegszielfrage stand ferner in einem für die reformerischen Gelehrten ungünstigen Zusammenhang mit der Reform des politischen Systems: Forderten die Gemäßigten die politische Reform meist im Namen einer Stärkung der Kriegspolitik, so forcierten die konservativen Eliten den Annexionismus, um die politische Reform zu verhindern. Daß den Gemäßigten der Erfolg versagt blieb, verweist erneut auf die Krise der traditionellen Gelehrtenpolitik. Auch bei der Produktion von Kriegs- und Burgfriedensideologie, die hier besonders anhand der Ideen von 1914 dargestellt wurde, herrschte zunächst derselbe Zungenschlag. Plenges vergleichende Ideenlehre ist ein gutes Beispiel, wie stark ein aktuelles gesellschaftli248 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

ches Bedürfnis Versuche wissenschaftlicher Theoriebildung beeinflussen kann. Insgesamt nahmen unter den Auspizien der Ideen von 1914 auch die konservativen Tendenzen unter den jüngeren Nationalökonomen zu. Der einstige Generationengegensatz und der sozialpolitische Gegensatz verblaßten angesichts der Herausbildung eines annexionistisch-konservativen und eines gemäßigt-reformerischen Lagers. Das Beispiel von Schulze-Gävernitz und Troeltsch zeigt, daß sich trotz des zutiefst antiliberalen - letztlich die kulturelle Hegemonie der Eliten befestigenden - Charakters ihrer Kriegsideologeme die sozialliberalen bzw. -reformerischen Gelehrten das Ziel der politischen Modernisierung nicht aus den Augen verloren. Das kam ihrem wachsenden Einfluß auf die reformistische Sozialdemokratie zugute, die sich immer mehr bürgerlichen gesellschaftspolitischen Konzeptionen öffnete. Eine weitere wichtige 'Spätfolge' der Kriegsideologie ist ihre Verarbeitung durch die Jungkonservativen und der hier an einigen Topoi und Personen dargestellte Weitertransport der Kriegsideologie in den Präfaschismus. Daß die Bemühungen der sozialliberalen Gelehrten um die Sozialdemokratie letztlich nicht ohne Erfolg geblieben sind, deutet das Zusammenwirken von Schulze-Gävernitz und Frank im August 1914 an. Allerdings zeigt die 'geistige Arbeitsgemeinschaft' von 1915 das Ungleichgewicht dieser Zusammenarbeit von Bürgertum und Arbeiterschaft. War letztere mit verantwortlichen Funktionären vertreten, so das Bürgertum nur durch reformerisch gesonnene Professoren ohne wirklichen sozialen Rückhalt. Mag der ideologische Einfluß der Gelehrten den Wandel der Sozialdemokratie sowohl angezeigt wie auch mitbewirkt haben, so kann man das in umgekehrter Richtung kaum behaupten. Die präponderanten Gruppen des Bürgertums dachten keineswegs an Konzessionen. Der von Plenge eher formulierte und unterstützte als aktiv bewirkte Wandel der Lensch, Hänisch, Heilmann und teilweise auch Cunows von Protagonisten des Linkssozialismus zu Proselyten des bürgerlichen Chauvinismus zeigt ein weiteres Mal, wie sehr die Sozialdemokratie den vermeintlichen historischen Automatismen vertraut hatte und wie gerade die Linke vom Triumph des Nationalismus überrascht wurde, dem sie dann teilweise selbst zum Opfer fiel. Mit seinem Ideal einer eher durch Ausbildung und Kompetenz als demokratisch legitimierten Verwaltungs- und Managerelite erteilte Plenge dem System konfligierender Interesen eine Absage und erneuerte das Beamtenideal der Schmoller und Wagner. Allerdings waren für Plenge die Ruhrmanager Beukenberg und Springorum eher aus dem Holz, aus dem er die künftige Elite schneiden wollte als die preußischen Geheimräte. Inhaltlich lag die spätere Zentralarbeitsgemeinschaft und die Politik des Rates der Volksbeauftragten ebenso in 249 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

der Konsequenz von Plenges 'Sozialismus' wie der sozialliberalen Versuche, mit Hilfe des Reformismus die Arbeiterschaft ins eigene Fahrwasser zu lenken, oder besser: sie auf den Weg von Tarifkonflikt und parlamentarischer Auseinandersetzung zu verweisen. Eine Modernisierung der deutschen Gesellschaft nach den Vorstellungen Max Webers, Schulze-Gävernitz', Naumanns und vor allem Brentanos hätte keine plötzliche Veränderung, aber doch eine allmähliche Anpassung der politischen und sozialen Verfassung an den wirtschaftlichen Wandel bewirkt. Dies hätte in der Folge auch die immanente Agressivität des Kaiserreichs reduziert. Wesentliche Forderungen des damaligen Sozialliberalismus sind heute Grundlagen unserer Gesellschaft. Der eher sozialliberale als sozialistische Charakter der heutigen Sozialdemokratie und die im Kern sozialstaatliche Orientierung vieler Liberaler sind Ergebnis einer Entwicklung, von der wir Teilaspekte ausgeleuchtet haben. Das System der Vermittlung konfligierender Interessen funktioniert heute einigermaßen. Der damals umstrittene Staatsinterventionismus und der Sozialstaatsgrundsatz haben heute Verfassungsrang, obwohl Inhalt und Grenzen jeweils Resultat des politischen Konflikts sind. Allerdings sind Grundprobleme der damaligen ordnungspolitischen Debatte - die Dimensionen regulativer Staatsfunktionen in einer hochkonzentrierten privatwirtschaftlichen Konkurrenzökonomie und die politischen Konsequenzen privatwirtschaftlicher Macht - auch heute ein Problempotential erster Ordnung. Es wird im wesentlichen immer noch zwischen den Polen Zentralverwaltungswirtschaft und Verkehrswirtschaft diskutiert. Konservativrevolutionäre Vorstellungen und konservativer Antikapitalismus spielen dabei kaum mehr eine Rolle. Aber auch die wirtschaftsdemokratische Strömung hat trotz der gegenwärtigen Krisenerscheinungen kaum Chancen, mehr als eine theoretische Alternative zu werden.

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Abkürzungen (Aufsätze aus den hier aufgeführten Periodika und Sammelwerken sind in der Regel nicht mehr einzeln in der Literaturliste verzeichnet.) AfS = Archiv für Sozialgeschichte, Hg. v. d. Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn. AGS = Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung, Hg. v. C. Grünberg, Leipzig. AND = F. Thimme und C. Legten (Hg.), Die Arbeiterschaft im Neuen Deutschland, Leipzig 1915. ARW = Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie, Hg. v. J . Kohler u. F. Berolzheimer, Berlin. AS = Abschrift. ASPG = Annalen für soziale Politik und Gesetzgebung, Hg. ν. Η. Braun, Berlin. ASS = Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Hg. v. E. Jaffe u.a., Tübingen. AWF = Archiv für exakte Wirtschaftsforschung (Thünen-Archiv), Hg. v. R. Ehrenberg, Jena. BAr = Bankarchiv, Frankfurt. DDK = Der Deutsche Krieg, Flugschriften, Hg. ν. Ε. Jäckh, Stuttgart 1915ff.. DG = Die Glocke, Hg. v. P.-Helphand, Berlin. DH = Die Hilfe, Hg. v. Friedrich Naumann, Berlin. DNVP = Deutschnationale Volkspartei. DP = Deutsche Politik, Hg. ν. Ε. Jäckh, Weimar. DRR = Deutsche Reden in schwerer Zeit, Berlin 1915ff.. DT = Die Tat, Hg. ν. Ε. Diederichs, Jena. DtHist = Deutsche H istoriker, H g. v. H .-U. Wehler, Göttingen 1971-1981. DVC = Deutsche Volkswirtschaftliche Correspondenz, Hg. ν. Α. Strecker, Berlin. DWZ = Deutsche Wirtschaftszeitung, H g. ν. Μ. Apt, Leipzig. ESWZ = Europäische Staats- und Wirtschaftszeitung, Hg. ν. Ε. Jaffe u. H . Frauendorfer, München. FZ = Frankfurter Zeitung. Gb = Die Grenzboten, Hg. v. C. Cleinow, Berlin. GPSch = Max Weber, Hg. v. J . Winckelmann, Gesammelte Politische Schriften, 3. Aufl. Tübingen 1971. GWU = Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, Hg. ν. Κ. D. Erdmann u.a., Stuttgart. HBP = D. Fricke (H g.), Die Bürgerlichen Parteien in Deutschland, 2 Bde., Leipzig 1968/1970. HPDI = O. Büsch u. G. D. Feldman (Hg.), Historische Prozesse der deutschen Inflation 1914 - 1924 (Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 21), Berlin 1978.

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HSW

MS NSDAP NZ

= Handwörterbuch der Sozialwissenschaft, Hg. ν. E. v. Beckerath, 12 Bde., Stuttgart 1956ff.. = G. W. F. Hegel, H g. ν. Ε. Moldenhauer u. K. Michel, Werke, Frankfurt 1970. = H istorische Zeitschrift, H g. v. T, Schieder u. L. Gall, München. = D. Stegmann (Hg.), Industrielle Gesellschaft und Politisches System. Festschrift für F. Fischer, Bonn 1978. = Internationale Wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Hg. v. d. Historischen Kommission zu Berlin, Berlin, = Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, Hg. v. d. Akademie der Wissenschaften der DDR, Berlin (DDR). = Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik, Hg. v. L. Elster, Jena = M. Stürmer (Hg.), Das Kaiserliche Deutschland, Düsseldorf 1970. = I. Kant, Hg. v, W. Weischedel, Werke, Frankfurt 1968. = Kölnische Zeitung. = K. Holl u. G. List (Hg.), Liberalismus und imperialistischer Staat. Der Imperialismus und das Problem liberaler Parteien in Deutschland 1890 - 1914, Göttingen 1975. = Leipziger Volkszeitung. = W. I. Lenin, Hg. v. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU, Werke, Berlin (DDR) 196lff. = K. Marx u. F. Engels, Hg. v. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Werke, Berlin (DDR) 1958ff.. = Maschinenschrift. = Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei. = Die Neue Zeit, Hg. ν. Κ. Kautsky, Stuttgart

OK

— Η. Λ. VPmklcr (H g.), Organisierter Kapitalismus, Göttingen 1974

HW HZ IGPS IWK JbW JNS KD KW KZ LIST LVZ LW MEW

Ρ PHA/Ber.

= Plutus, H g. v. G. Bernhard, Berlin. — Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Hauses der Abgeordneten. PHH/Ber. = Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Herrenhauses. PJ = Preußische Jahrbücher, Hg. ν. Η. Delbrück, Berlin. RGSch = W. Rathenau, Gesammelte Schriften, 5 Bde., Berlin 1918. RT/Anl. = Anlagen zu den Stenographischen Berichten über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages. RT/Ber. = Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages. RuEG = N. Horn u. J . Kocka (Hg.), Recht und Entwicklung der Großunternehmen im 19. und 20. Jahrhundert (Law and the Formation of the Big Enterprises in the 19th and 20th Centuries), Göttingen 1979. RuW - Recht und Wirtschaft, Red. F. Rathenau, Berlin. Sch.Jb = Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich (Schmollers Jahrbuch), Hg. v. G. Schmoller, München. Sch.VfS = Schriften des Vereins für Socialpolitik, München (vgl. das Verzeichnis sämtlicher Schriften bei Böse). SM = Sozialistische Monatshefte, Hg. v.J. Bloch, Berlin.

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SPD/PT UF

V VfS VZ WA WWD ZfGS ZfS

= Protokoll der Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. = H. Michaelis u. E. Schräpler (Hg.), Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart. Eine Urkunden- und Dokumentensammlung, Berlin o j . . = Der Vorwärts, Berlin. = Verein für Socialpolitik. — Vossische Zeitung, Berlin. = Weltwirtschaftliches Archiv, Hg. v. B. Harms, Kiel. = Deutsche Bundesbank (Hg.), Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876 - 1975, Frankfurt 1976. = Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Hg. ν. Κ. Bücher, Tübingen. = Zeitschrift für Sozialwissenschaft, Hg. v. J . Wolf, Berlin.

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Anmerkungen

Kapitel I 1 Vgl. H. Döring, Deutsche Professoren zwischen Kaiserreich und Drittem Reich, in: Neue Politische Literatur, Jg. 19, 1974, S. 340-352; R. v. Bruch, Neuere sozial-, disziplin- und personengeschichtliche Beiträge zum deutschen Hochschulwesen vorwiegend im 19. und 20. Jahrhundert, in: AfS, Jg. 20, 1980, S. 526-544. 2 Zunächst behandelte Mommsen die Auseinandersetzung Max Webers mit der politischen und ökonomischen Entwicklung Deutschlands, (vgl, W. J . Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik, 1. Aufl. 1959) Ihm folgte Krause mit einer Studie über Sombart, die freilich nach Art der früheren DDR-Forschung etwas 'holzschnittartig' verfaßt ist. (vgl. W. Krause, Werner Sombarts Weg vom Kathedersozialismus zum Faschismus, Berlin 1962) Sheehan schloß sich mit einer Monographie über Brentano an. (vgl. J . J . Sheehan, The Career of Lujo Brentano. Α Study of Liberalism and Social Reform in Imperial Germany, Chicago 1966) Ins Zentrum unserer Fragestellung führt die Studie Lindenlaubs über den 'Verein für Socialpolitik' zwischen 1890 und 1914. Unter dem Aspekt der Haltung zur Sozialreform schrieb Lindenlaub eine Geschichte der Nationalökonomie des Kaiserreichs, die dank ihrer Stringenz und Materialfülle ein Fundament jeder Studie über die Gesellschaftswissenschaft der Zeit ist. Freilich ist seine Darstellung oft so summarisch, daß ein differenziertes Bild der einzelnen Gelehrten kaum entsteht. Dies ist jedoch keineswegs kritikabel, sondern muß als notwendige Folge seines Ansatzes hingenommen werden, (vgl. D. Lindenhub, Richtungskämpfe im Verein für Sozialpolitik. Wissenschaft und Sozialpolitik im Kaiserreich vornehmlich vom Beginn des 'Neuen Kurses' bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges (1890 1914), Wiesbaden 1967) Ein ähnliches Urteil gilt für die Arbeit Schwabes über die Haltung der Professorenschaft zu den politischen Grundproblemen des Ersten Weltkrieges. Seine materialreiche und dichte Darstellung lieferte ebenso wie die Abhandlung Lindenlaubs die Grundlage für die Fragestellung der vorliegenden Studie, (vgl. K. Schwabe, Wissenschaft und Kriegsmoral. Die deutschen Hochschullehrer und die politischen Grundfragen des Ersten Weltkrieges, Göttingen 1969) Ringer stellt die Entwicklung der deutschen Akademiker als Gruppe im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts dar. Trotz der etwas überspitzten These, die Akademiker mit den Professoren an der Spitze seien einst "functional ruling dass of the nation" gewesen und zwischen 1890 und 1920 durch die sozioökonomische Entwicklung entthront worden, bietet die Arbeit einen guten Überblick, (vgl. F. K. Ringer, The Decline of the German Mandarins, Cambridge/Mass. 1969) Die Arbeit von Gorges über die Sozialforschung des Vereins für Socialpolitik paraphrasiert auf weiten Strecken die Standardliteratur und bietet wenig Neues, (vgl. I. Gorges, Sozialforschung in Deutschland 1872-1914 (Schriften des Wissenschaftszentrums Berlin, Bd. 14), Königstein 198C). 3 Vgl. R. v. Bruch, Wissenschaft, Politik und Öffentliche Meinung. Gelehrtenpolitik im Wilhelminischen Deutschland (1890 - 1914) (Historische Studien, H. 435), Husum 1980,

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Vgl. T. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 6. Aufl. Neuwied 1974. Vgl. C. Gide u. C. Rist, Geschichte der volkswirtschaftlichen Lehrmeinungen, 3. Aufl. Jena 1923, S. 415ff., 643ff.; G. Stavenhagen, Geschichte der Wirtschaftstheorie, 4. Aufl. Göttingen 1969, S. 185ff., 197ff., 203ff., 274ff.; G.Jahn, Die Historische Schule der Nationalökonomie und ihr Ausklang. Von der Wirtschaftsgeschichte zur geschichtlichen Theorie, in: A. Montaner, Geschichte der Volkswirtschaftslehre (NWB), Köln 1967, S. 41-50; H. Winkel, Die deutsche Nationalökonomie im 19. Jahrhundert, Darmstadt 1977, S. 82ff., 122ff., 138ff.t 151ff., 18lff.; Lindenlaub, Richtungskämpfe, S. 434ff.. 6 Vgl. G. Lukacs, Die Zerstörung der Vernunft (1954), 3 Bde., Darmstadt 1973/74, Bd. 1, S. 37ff.; R. Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland 4. Aufl. München 1975, S. 39ff., 55ff.; H.-IL Wehler, Das deutsche Kaiserreich 1871 - 1918, 3. Aufl. Göttingen 1977; W. Alff, Materialien zum Kontinuitätsproblem der deutschen Geschichte Frankfurt 1976 bes. S. 14ff.; I. Geiss, Sozialstruktur und imperialistische Dispositionen im Zweiten Deutschen Kaiserreich in: LIST, S. 40-61; F. Fischer Bündnis der Eliten. Zur Kontinuität der Machtstrukturen in Deutschland 1871 - 1945, Düsseldorf 1979 - Zur Kritik der hier vertretenen Sicht des Kaiserreichs vgl. D. Blackbourn u. G. Eley, Mythen deutscher Geschichtsschreibung. Die gescheiterte bürgerliche Revolution von 1848, Berlin 1980. 7 Bezeichnend sind neben anderen die Äußerungen Schmollers in den Verhandlungen des Vereins von 1894. (vgl. Sch.VfS, Bd. 61, S. 133ff.). 8 Vgl. auch R. Dahrendorf, Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industrieller Gesellschaft Stuttgart 1957, bes. S. 70ff, 198ff.; ders. Gesellschaft, S. 36ff., 160ff.; C Offe, Politische Herrschaft und Klassenstrukturen. Zur Analyse spätkapitalistischei Gesellschaftssysteme in: G. Kress u. D. Senghaas (Hg.), Politikwissenschaft, Frankfun 1969, S. 155-189. 9 Vgl. A. Müßiggang, Die soziale Frage in der historischen Schule der deutschen Nationalökonomie, Tübingen 1968, S. 118ff.; M.-L. Plessen, Die Wirksamkeit des Vereins für Socialpolitik von 1872 - 1890 Berlin 1975; R. v. Bruch, Streiks und Konfliktregelung im Urteil bürgerlicher Sozialreformer, in: K. Tenfelde u. H. Voikmann (Hg.), Der Streik. Zur Geschichte des Arbeitskampfes in Deutschland während der Industrialisierung, München 1981, S. 253-270; Ringer, S. 143ff.; Winkel, Nationalökonomie, S. 159ff.. 10 Vgl. Lindenlaub, Richtungskämpfe, S. 12fL. 11 UB L, Nl 181, Fuchs an Bücher am 297.1897, 12 Vgl. Lindenlaub, Richtungskämpfe, S. 81 ff.. 13 Vgl. D. Lindenlaub, Firmengeschichte und Sozialpolitik, in: K.-H. Manegold (Hg.), Wissenschaft, Wirtschaft und Technik. Festschrift für W, Treue, München 1969, S. 273-285; D. Stegmann, Die Erben Bismarcks, Köln 1970, S. 274ff.; Lindenlaub, Richtungskämpfe, S. 349f.; Bruch, Wissenschaft, S. 312ff.. 14 Vgl. L. Brentano, Mein Leben im Kampf um die soziale Entwicklung Deutschlandsjena 1931, S. 246ff., 288ff., 292ff.; M. Bothe, Richard Ehrenbergs Wirken an der Universität Rostock (1899 - 1921) im Interesse des deutschen Monopolkapitals in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe, Jg. 21, 1972, S. 91-97; Lindenlaub, Richtungskämpfe, S. 80f.; Bruch, Wissenschaft, S. 298f., 438f - Das Verhältnis zwischen Ehrenberg und den Kathedersozialisten verschlechterte sich seit 1905. Schmoller versuchte, über Brentano Ehrenberg als Korreferenten für die Mannheimer Generalversammlung des VfS 1905 zu gewinnen, wo er den Unternehmerstandpunkt vertreten sollte. Ehrenberg lehnte ab; er sei "kein einseitiger Vertreter der Unternehmer," obwohl er die "relative Berechtigung" des Unternehmerstandpunktes anerkenne. Er bot Schmoller ein Forschungsprojekt über die Arbeitsverhältnisse in der Großindustrie unter seiner Federführung, aber im Auftrag des VfS an. Das war freilich unannehmbar, (vgl. BA, Nl 1/16, fol. 73ff., 78f., Ehren4

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berg an Brentano am 23.5.1905 mit AS Ehrenberg an Schmoller) Seit dieser Zeit verfolgte Ehrenberg auch den Plan eines mit Hilfe der Industrie zu finanzierenden 'Instituts für exakte Wirtschaftsforschung'. 1907 versuchte er Althoff - unter anderem mit dem Hinweis, Krupp habe eine Teilfinanzierung zugesagt - für ein derartiges Institut in Göttingen zu gewinnen, (vgl. ZStA II, Rep. 92/Althoff, Abt. 1, Nr. 303, BI. 1 ff., 4ff., 9f., Ehrenberg an Althoff am 5. 10., 22., u. 30.6.1907; R. Ehrenberg, Plan zur Errichtung eines Instituts für exakte Wirtschaftsforschung in: AfW, Bd. 2, 1907, S. 167-175) Nachdem Lexis in einem abgewogenen Gutachten zu einem eher negativen Urteil gelangt war, bot Althoff Ehrenberg zwar eine Professur in Göttingen an, weigerte sich ansonsten aber, "die Fraktion Ehrenberg, der ich die ganze akademische Freiheitsbewegung verdanke, noch zu verstärken." (ZStA II, Rep. 92/Althoff, Abt. 1, Nr. 303, Bl. 21, Althoff an Ehrenberg am 23.7.1907; vgl. ebd. Bl. 8, Gutachten Lexis über Ehrenberg v. 26.6.1907) Noch im selben Jahr hob Ehrenberg gemeinsam mit der Großindustrie seinen 'Verein für exakte Wirtschaftsforschung' aus der Taufe. Er versuchte sogar, Althoff zu gewinnen, was dieser dilatorisch behandelte, (vgl. ebd., Bl. 33, 35ff., Ehrenberg an Althoff am 15.11.1907 mit hs. Vermerk Althoffs; H. Kälble, Industrielle Interessenpolitik in der Wilhelminischen Gesellschaft, Berlin 1967, S. 188) Nach seinem Scheitern in Preußen versuchte Ehrenberg, seine Pläne mit Hilfe der Industrie in Sachsen zu verwirklichen. Bücher berichtete Delbrück von der Absicht Ehrenbergs, über industrielle Kreise Einfluß auf die sächsische Regierung zu nehmen, (vgl. ΒΑ, Ν1 17/30, Bücher an Delbrück am 19. u. 20.10.1909; K. Bücher, Zum Fall Ehrenberg, in: Leipziger Tageblatt und Handelszeitung v. 2.10.1909, zit. nach BA, Nl 17/30) Die liberale FZ, deren Redakteur Drill mit den Kathedersozialisten gegen Ehrenberg zusammenarbeitete, öffnete Bücher ihre Spalten gegen Ehrenberg. (vgl. FZ, Nr. 292 v. 21.10.1909; BA, Nl 1/ 14, fol. 112, Drill an Brentano am 17.6.) Ehrenberg versuchte 1912 noch einmal, in Leipzig ein 'Institut für Versicherungswirtschaft' einzurichten; Bücher leistete erneut Widerstand, (vgl. ÜB L, Nl 181, Ehrenberg an Bücher am 15.8.1912 u. ff.) Anläßlich einer Auseinandersetzung mit dem konservativen Grafen Mirbach um Ehrenberg und seinen Verein im Zusammenhang mit der Gründung der Universität Frankfurt - an der sich mit Pohle und Voigt eine antikathedersozialistische Hochburg hatte bilden können - beklagte Wagner 1911 im Preußischen Herrenhaus den anhaltenden Druck der Wirtschaftskreise auf die KultusbcliOidcn, um die Berufung ihnen genehmer Professoren zu erreichen, (vgl. PHH/Ber., Bd. 519, S. 162ff.) Ohne diese Vorgänge ist die spätere Kritik Büchers an Plenge u.a. nicht zu verstehen, (vgl. Kapitel V) - Zum 'Fall Bernhard' vgl. Marianne Weber, Max Weber. Ein Lebensbild, Tübingen 1926, S. 395f.; Brentano, Leben, S. 299f.; Bruch, Wissenschaft, S. 130ff.; DSB, Nl Delbrück, Bernhard an Delbrück am 10.5.1909ff, Bl. 12ff. u. ebd., Fasz. 20; ZStA II, Rep. 92/Althoff, Abt. 1, Nr. 119, Bl. 5ff., 14ff.; vgl. auch E.R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 4, Stuttgart 1969, S. 967ff... 15 Bücher hatte Schumpeter, Zwiedineck-Südenhorst und Liefmann vorgeschlagen, während sich sein Leipziger Kollege Stieda für die Berufung Pohles einsetzte, den Bücher als "mittelmäßig" und vor allem als "Agrarier" ablehnte. Bücher mahnte die Berufungskommission, man solle nicht "mit Rücksicht auf die Haltung in der Wirtschaftspolitik auswählen." Er bat Brentano um Unterstützung, (vgl. BA, Nl 1/5, fol. 36f., Bücher an Brentano am 13.7.1916) Stieda seinerseits beklagte sich bei Schmoller über Bücher, (vgl. ZStA II, Rep. 92/Schmoller, Nr. 206b, Bl. 57vf., Stieda an Schmoller am 30.12.1914; ebd., Nr. 208a, Bl. 121, Stieda an Schmoller am 5.8.1916) Bücher hatte Harms im Verdacht, die wissenschaftliche Reputation Zwiedinecks herabzusetzen, um dessen Berufung zu verhindern, (vgl. BA, Nl 1/5, fol. 38, Bücher an Brentano am 9.8.1916) Büchers Favorit Schumpeter war scheinbar auf ähnliche Weise bereits disqualifiziert worden, während Stieda erneut Pohle ins Spiel bringen konnte, (vgl. BA, Nl 1/ 5, fol. 39, Bücher an Brentano am 12.7.1917) Pohle setzte sich schließlich durch - eine verlorene Schlacht der Kathedersozialisten gegen ihre sozialpolitischen Gegner. Auch

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die sozialdemokratische LVZ ergriff in dem Streit Partei. Für sie war die Berufung Pohles "Klassenkampf von oben", wofür sie sich die Kritik der industrienahen DVC einhandelte. (vgl. Tendenzprofessoren, in: DVC, Jg. 43, 1918, Nr. 1). 16 Vgl. C.-D. Krohn, Wirtschaftstheorien als politische Interessen. Die akademische Nationalökonomie in Deutschland 1918 - 1933, Frankfurt 1981, S. 38ff.. 17 Vgl. Bruck Wissenschaft, S. 202, 249ff., 359f.. 18 Vgl. B, v. Brocke, Hochschul- und Wissenschaftspolitik in Preußen und im Deutschen Reich 1882 - 1907: das "System Althoff", in: P. Baumgart (Hg.), Bildungspolitik in Preußen zur Zeit des Kaiserreichs, Stuttgart 1980, S. 9-118, hier S. 80ff. - Gegen Brocke - der dazu neigt, Althoff als Garanten 'akademischer Freiheit' zu sehen - (vgl. Brockes Vortrag auf dem Historikertag 1982: Durchstaatlichung der Wissenschaft und akademische Freiheit im Deutschen Reich, unveröfftl. Manuskript) ist zumindest einzuwenden, daß Althoffs 'Wissenschaftsfreiheit' wenig mit dem heutigen pluralistischen Verständnis dieses Begriffs zu tun hat. 19 In der jüngeren Forschung konkurriert das an Hilferding anknüpfende Modell des Organisierten Kapitalismus' mit dem auf Lenin zurückgehenden Modell des 'Staatsmonopolistischen Kapitalismus' als Erklärungsansatz für die seit etwa 1890 entstandene Wirtschaftsordnung. Ohne seinen vorläufigen Charakter zu bezweifeln, habe ich mich für das erste Modell entschieden. (vgl. Η. Α. Winkler, Einleitende Bemerkungen zu Hilferdings Theorie des Organisierten Kapitalismus, in: OK, S. 9-18; J . Kocka, Organi­ sierter Kapitalismus oder Staatsmonopolistischer Kapitalismus? Begriffliche Vorbemer­ kungen ebd., S. 19-35, hier S. 24ff.; ders., Organisierter Kapitalismus im Kaiserreich?, in: H Z, Bd. 230, 1980, S. 613-631; D. Baudis u. H . Nussbaum, Wirtschaft und Staat in Deutschland vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 1918/19 (Wirtschaft und Staat in Deutschland, Bd. 1), Vaduz 1978, S. 9ff.) Gegen beide Ansätze argumentieren Hentschel und Spohn, letzterer von neo-marxistischer Warte. (vgl. V. Hentschel, Wirtschaft und Wirtschaftspolitik im wilhelminischen Deutschland. Organisierter Kapitalismus und Interventionsstaat?, Stuttgart 1978; W. Spohn, Weltmarktkonkurrenz und Industrialisierung Deutschlands 1870 - 1914, Berlin 1977, bes. S. 32ff.). 20 Zur Bestimmung der beiden Ordnungs(ideal)typen vgl. Ρ. Κ. Hensel, Grundformen der Wirtschaftsordnung, 2.Aufl. München 1974. 21 Vgl. dazu R. H. Bowen, German Theories of the Corporative State, o.O. (USA) 1947; E. Thier, Rodbertus, Lassalle, Adolph Wagner. Ein Beitrag zur Theorie und Geschichte des deutschen Staatssozialismus, Jena 1930; Winkel, Nationalökonomie. 22 Über Jaffé gibt es meines Wissens keine zusammenhängende Abhandlung. Plenge wurde ein Sammelwerk gewidmet, dessen Schwerpunkt auf der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg liegt.(vgl. B. Schäfers (Hg.), Soziologie und Sozialismus, Organisation und Propaganda. Abhandlungen zum Lebenswerk Johann Plenges, Stuttgart 1967) Eine jüngere Dissertation disqualifiziert sich durch ihren rein apologetischen Duktus und die entsprechende Vernachlässigung von Plenges Kriegsschriften. (vgl. G. Kroner, Plenge und Marx. Eine vergleichende gesellschaftswissenschaftliche Studie unter Berücksichtigung der erziehungswissenschaftlichen Elemente, Diss. Köln 1974) Mit Schulze-Gävernitz beschäftigten sich vor allem Lindenlaub, Richtungskämpfe, S. 304ff. und Bruch, Wissenschaft, S. 290ff.. 23 Vgl. K. Zielenziger, Gerhart v. Schulze-Gävernitz (Bio-bibliographische Beiträge zur Geschichte der Rechts- und Staatswissenschaften, H. 4), Berlin 1926, S. 9; ZStA II, Rep. 92/Althoff, Abt. B, Nr. 173, Bd. 1, Bl. 161f., Schulze-Gävernitz an Althoff am 31.6.1890. 24 ZStA II, Rep. 76, Va, Sekt. 2, Tit. IV, Nr. 61, Bd. 24, Bl. 260, Dekan der Philosophischen Fakultät Berlin an den preußischen Kultusminister am 22.6.1916. 25 Vgl. GLA 235/9028, Auswärtiges Amt an das badische Kultusministerium am 16.10.1923.

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26 Vgl. F. Wilken, Gerhart v. Schulze-Gävernitz. Ein geistesgeschichtlicher Rückblick, in: WA, Bd. 59, 1944, T. 1 (Schrifttum), S. 49*-63*, hier S. 58f.. 27 Vgl. DSB, Nl Harnack, Schulze-Gävernitz an Harnack am 9.12.1925, BI. 3. 28 Vgl. Wilken, S. 59f„ 29 Vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Zur Wiedergeburt des Abendlandes, Berlin 1934, bes. S. 35ff., 40ff.. 30 SBPK, Nl Hauptmann, Pastor Kieser an Hauptmann am 17.7.1943. 31 Vgl. J . Plenge, Westerwälder Hausierer und Landgänger, in: Sch.VfS, Bd. 78 - vgl. dazu ÜB L, Nl 181, Plenge an Bücher am 8.11.1897ff.. 32 Vgl. ÜB L, Nl 181, Plenge an Bücher am 12.2.1897. 33 Vgl. ÜB BI, Nl Plenge, Plenge an Delbrück am 17.10.1912 u. an Braun am 14.12.1915. 34 Vgl. BA, Nl 1/28, fol. 237, Herkner an Brentano am 23.9.1912 - Bezeichnend für das vorsichtige Taktieren angesichts der anhaltenden Kritik der Industrie erscheint der Vorschlag Schmollers, den Kölner Ökonomen Wiedenfeld zu berufen, da dieser bei den Unternehmern beliebt sei, ihm aber persönlich zu nahe stünde, um als Anti-Sozialpolitiker auftreten zu können, (vgl. ebd., fol. 238f., Herkner an Brentano am 1.12.1913). 35 Vgl. ÜB BI, Nl Plenge, Plenge an Delbrück am 17. u. 22.3.1913 u. an M. Weber am 16.1.1913; DSB, Nl Delbrück, Plenge an Delbrück am 19.3.1913 mit AS eines Schreibens an Weber, BI. 3ff.. 36 ÜB BI, Nl Plenge, Delbrück an Plenge am 18.3.1913 - Delbrück bat Plenge, den Streit abzubrechen; für seine künftige Stellung in der gelehrten Welt sei es unabdingbar, den "Ruf der Unverträglichkeit", der ihm anhafte, wieder los zu werden, (vgl. ebd., Delbrück an Plenge am 26.4.1913). 37 UB L, Nl 181, M. Weber an Bücher am 16.5.1910. 38 "Ihr Urteil über Büchers Verhalten geht viel zu weit. ... Man müßte das endlich einmal beenden." und: "... suchen Sie doch Ihren Zorn gegen Bücher zu mildern. Sie gehen zu weit." (ÜB BI, Nl PLenge, M. Weber an Plenge am 18.3. u. 4.11.1913). 39 Vgl. K. Bücher, Die Entstehung der Volkswirtschaft, H.u.15. Aufl. Tübingen 1920 - Zu Bücher vgl. J . Kuczynskj, Zur Geschichte der Winschafiigcschiclusschrcibung (Studien zur Geschichte der Gesellschaftswissenschaft, Bd. 8), Berlin (DDR) 1978, S. 162ff. - Zu Dietzel vgl. E. Beckerath, Heinrich Dietzel als Nationalökonom und Soziologe, Bonn 1944 - Schulze-Gävernitz bemühte sich 1908, den "ausgezeichneten Gelehrten" Dietzel nach Freiburg zu bekommen, (vgl. GLA, 503, Schulze-Gävernitz an Böhme am 19.3.1908). 40 Vgl. J . Plenge, Das System der freien Verkehrswirtschaft (1903), in: ders, u. H. Linhardt, Das System der freien Verkehrswirtschaft, Tübingen 1964, S. 1-36, hier S. 6ff.. 41 Vgl· J . Plenge, Von der Diskontpolitik zur Herrschaft über den Geldmarkt, Berlin 1913, S. 36f.. 42 UB BI, Nl Plenge, M. Weber an Plenge am 1.2.1913. 43 Vgl. Delbrück an Plenge am 18.3.1913, a.a.O.. 44 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Plenge an M. Weber am 14.3.1913 u. an Delbrück am 14.3.1913, Delbrück an Plenge am 28.2., 8.3. u. 18.3.1913. 45 Vgl. M. R. Lepsius, Die Soziologie der Zwischenkriegszeit: Entwicklungstendenzen und Beurteilungskriterien, in: ders. (Hg.), Soziologie in Deutschland und Österreich 1918 - 1945, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 23, 1981, Opladen 1981, S. 7-23, hier bes. S. 10ff.; Krohn, Wirtschaftstheorien, S. 16. 46 Vgl. N. Reichling, Johann Plenge und die 'Akademischen Gewerkschaftskurse' in Münster, in: L. Kurz (Hg.), 200 Jahre zwischen Dom und Schloß, Münster 1980, S. 64ff.; Schäfers, Soziologie, S. 6ff..

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47 Vgl. T. Neumann, Zum Verhältnis von Kunst und Wissenschaft im Werk Johann Plenges, in: Schäfers, Soziologie, S. 123-148. 48 Vgl. B. Schäfers, Soziologie und Wirklichkeitsbild. Plenges Beitrag zur deutschen Soziologie um 1930, in: ders., Soziologie, S. 61-122, hier S. 93ff. - Ein 'trauriger' Rest findet sich noch in UB BI, Nl Plenge. Kroner hat einige Tafeln abgedruckt. 49 Vgl. z.B. UB BI, Nl Plenge, Plenge an Wilms am 22.6.1943. 50 Vgl. J . Plenge, Die Altersreife des Abendlandes, Düsseldorf 1948. 51 UB BI, Nl Plenge, Plenge an Holzapfel am 7.7.1951. 52 Vgl. GLA 235/2129, Eigenhändiger Lebenslauf Jaffés von 1904. 53 L. Gall, in: LIST, S. 153. 54 Vgl. W. Huhn, Etatismus - "Kriegssozialismus" - "Nationalsozialismus" in der Literatur der deutschen Sozialdemokratie, in: Neue Kritik, Jg. 10, 1970, H. 55f., S. 67111.

Kapitel II 1 Vgl. L. Brentano, Die Arbeitergilden der Gegenwart, 2 Bde., Leipzig 1871/72; ders., Leben, S. 45ff. - vgl. dazu O. Tiefelsdorf, Die sozialpolitischen Vorstellungen Lujo Brentanos. Diss. Köln 1973. bes. S. 26ff.. 2 Vgl. BA, Nl 1/56, fol. 37f., 58, Schulze-Gävernitz an Brentano am 16.3.1890 u. 29.7.1891. 3 Vgl. ebd., fol. 39f., Schulze-Gävernitz an Brentano am 23.6.1890. 4 Vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Zum Socialen Frieden, 2 Bde., Leipzig 1890, Bd. 2, S. 126ff., 136ff.. 5 G. v. Schulze-Gävernitz, Die Arbeitseinstellung auf den Kohlegruben von Durham, in: Die Zukunft, Je. 1, 1892, S. 112-120, hier S. 119. 6 Vgl. Schulze-Gävernitz, Frieden, Bd. 2, S. 131ff.. 7 Vgl. ebd., Bd. 1,S. 77ff,. 8 Vgl. ebd., Bd. 2, S. 189ff.. 9 G. v. Schulze-Gävernitz, Die Beilegung von Arbeitsstreitigkeiten in England, in: Seh.Jb., Bd. 13, 1889, S. 1075-1103, 1363-1419, hier S. 1078. 10 Vgl. ebd., S. 1077ff., 1363ff.. 11 Schulze-Gävernitz, Frieden, Bd. 2, S. 257. 12 Vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Der Großbetrieb, ein wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt, Leipzig 1892, S. 221, 224f.. 13 Vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Der wirtschaftliche Fortschritt, die Voraussetzung der sozialen Reform, in: Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik, Bd. 5, 1892, S. 1-26, hier S. 13ff.. 14 Vgl. ebd., S. 23f.. 15 Vgl. Schulze-Gävernitz, Großbetrieb, S. 189ff.. 16 Marx hatte nach Schulze-Gävernitz sein "ehernes Lohngesetz" - das ja in Wirklichkeit auf Lassalle zurückgeht - aus den Verhältnissen der englischen Industrie vor und während des Übergangs zur großindustriellen Produktionsweise abgeleitet. Er reflektiere daher einen überholten Zustand. (vgl. Schulze-Gävernitz, Fortschritt, S. 16) Tatsächlich erkannte Marx die von Schulze-Gävernitz angesprochene Entwicklung zur höheren organischen Zusammensetzung des Kapitals durchaus. (vgl. K. Marx, in: MEW,Bd. 16, S. 147ff.). 17 Vgl. bes. den Vergleich von Lancashire und Baden in: Schulze-Gävernitz, Großbetrieb, S. 226ff., 244ff.. 18 BA, Nl 1/56, fol. 62f., Schulze-Gävernitz an Brentano am 26.12.1891. 19 Vgl. Schulze-Gävernitz, Großbetrieb, S. 153ff., 171.

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20 Vgl. H. Herkner, Die sociale Reform, ein Gebot des wirtschaftlichen Fortschritts, Leipzig 1891 - vgl. auch Lindenhub, Richtungskämpfe, S. 162ff.. 21 Vgl. Schulze-Gävernitz, Fortschritt, S. 1 ff.. 22 Vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Die gegenwärtigen Mittel zur Hebung der Arbeiterklasse in Deutschland, in: Ethische Kultur, Jg. 3, 1895, S. 137-139, 149-152, hier S. 149 - vgl. dazu Η. Α. Winkler, Liberalismus und Antiliberalismus, Göttingen 1979, S. 83ff.; Wehler, Kaiserreich, S. 91 f., 102, 139. 23 G. v. Schulze-Gävernitz, Münchner volkswirtschaftliche Studien, in: Nationalzeitung, Jg. 1893, Nr. 659 v. 28.11.1893. 24 Vgl. dazu Κ. Ε. Born, Staat und Sozialpolitik seit Bismarcks Sturz, Wiesbaden 1957, S. 66ff.. 25 Schulze-Gävernitz, Mittel, S. 139. 26 Schulze-Gävernitz. Beileeune, S. 1418. 27 Ebd., S. 1417. 28 Ebd., S. 1418; Schulze-Gävernitz, Mittel, S. 149. 29 Schulze-Gävernitz, Beilegung, S. 1418. 30 Vgl. G. v. Schulze-GävernitZy Der moderne Sozialismus in den Vereinigten Staaten von Amerika, in: Deutsches Wochenblatt, Nr. 16 v. 16.4.1891, S. 189-192, hier S. 189. 31 Vgl. Schulze-Gävernitz, Mittel, S. 149ff.. 32 G. v. Schulze-Gävernitz, Die Genossenschaftsbewegung der englischen Arbeiter (Göttinger Arbeiterbibliothek, Hg. v. F. Naumann, Bd. 1, H, 7), Göttingen 1895, S. 112. 33 "Im übrigen bemühe ich mich in Freiburg Zersetzungsbacillen in die badische Socialdemocratie zu spritzen und freute mich, dass Bebel das Gedeihen dieser Kulturen anerkannte." (BA, Nl 1/56, Schulze-Gävernitz an Brentano am 16.8.1891) - Seinen eigenen Angaben zufolge lehnte die Sozialdemokratie den "Socialen Frieden" zwar als "Harmonie-Duselei" ab, bewunderte aber doch den Mut des damals im Verwaltungsdienst stehenden Autors. (vgl, ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.17, Ansprache an die liberalen Wähler in Bückeburg) - vgl. auch E. Bernstein, Carlyle und die sozialpolitische Entwicklung in England, in: N2, Jg. 9, 1890, Bd. 1, S. 665-673, 693-701, 729-736, hier S. 736. 34

Der guioigaiuMcitc Buchdruckcrgclulfcnvcrband versuchte im Herbst 1891, den

bestehenden Tarifvertrag mit den Unternehmern zugunsten einer Arbeitszeitverkürzung zu revidieren, um der Arbeitslosigkeit im Gewerbe entgegenzuwirken. Als die Arbeitgeber den Forderungen nicht entsprachen, traten die Drucker in den Ausstand. Er zerbrach im Winter 1892 an der geschlossenen Abwehr der Unternehmer. (vgl. F. Elsner, Die Entwicklung der tarifvertraglichen Regelung des Arbeitsverhältnisses im deutschen Buchdruckgewerbe, Diss. Köln 1926, S. 44f.) Mitte Dezember 1891 sondierte SchulzeGävernitz unter Einschaltung des Handelsministers v. Berlepsch im Unternehmerlager. (vgl. BA, Nl 1/ 56, fol. 60f., Schulze-Gävernitz an Brentano am 21.12.1891) Er hoffte, die seinen Vorstellungen entsprechende Tarifgemeinschaft retten zu können, nachdem ihm die Gehilfen ihre Bereitschaft signalisiert hatten, die Arbeit zu den alten Konditionen wieder aufzunehmen. Schulze-Gävernitz schrieb dies nicht zuletzt der "günstigen, paedagogischen Wirkung" des für die Drucker ungünstigen Streikverlaufs zu. Der Vorstand um Döblin habe eingesehen, "dass die Verknüpfung 'politischer' Principienreiterei mit Gewerkvereinsbestrebungen verkehrt ist." (ebd., fol. 62, Schulze-Gävernitz an Brentano am 26.12.1891) Nachdem Schulze-Gävernitz beiden Seiten die Bereitschaft zur Inanspruchnahme der Vermittlung abgerungen hatte, rückten die Gehilfen von ihrer Position wieder ab. Er konnte sich das nur so erklären, "dass Döblin die Herrschaft über die Massen verlor und diese weiterstreiken wollen, bis zur gänzlichen Niederlage." (ebd., fol. 64, Schulze-Gävernitz an Brentano am 1.1.1892) Nachdem auch noch das preußische Innenministerium interveniert hatte, brach der Streik bald zusammen. (vgl. ebd., fol. 65, Schulze-Gävernitz an Brentano am 19.1.1892; Elsner, S. 45) Es erschien Schulze-Gävernitz heilsam, daß die Arbeiter "am eigenen Leibe das Elend

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eines unvernünftigen Ausstandes erfahren; das hat in England oft erzogen." (ΒΑ, Nl 1/ 56, fol. 55f., Schulze-Gävernitz an Brentano am 9.1.1892). 35 Schulze-Gävernitz, Mittel, S. 149 - Es sei "noch unendlich viel zu tun bis es endlich in Deutschland Licht wird. Aber doch zweifle ich nicht, dass die Auffassung der Arbeiterfrage, die Sie zuerst vertraten, früher oder später durchdringen wird." (BA, Nl 1/56, fol. 47, Schulze-Gävernitz an Brentano am 29.7.1890). 36 Vgl. Lindenlaub, Richtungskämpfe, S. 123ff.. 37 Vgl. ZStA I, 90 Ma 1, Nr. 21, Bl. 413v., Schulze-Gävernitz an Marquardsen am 15.9.1889. 38 Vgl. Born, Sozialpolitik, S. 7ff., 90ff., 106f., 112ff.; Lindenlaub, Richtungskämpfe, S. 44ff. - Zu Berlepsch vgl. O. Neuloh, Hans Hermann v. Berlepsch. 1843 - 1926, in: Männer der deutschen Verwaltung, Köln 1963, S. 195-210. 39 Vgl. Sch.VfS, Bd. 47, S. 119ff.. 40 Vgl. ebd., S. 131ff., bes. 141, 143, 149f.. 41 Vgl. ebd., S. 205, 207. 42 Vgl. Born, Sozialpolitik, S. 28ff.; Stegmann, S. 63ff.; Lindenlaub, Richtungskämpfe, S. 53ff.. 43 ZStA II, Rep. 92/Berlepsch, Nr. 21, Bl. 25v., Bethmann-Hollweg an Berlepsch am 5.5.1911. 44 Vgl. Born, Sozialpolitik, S. 226ff.. 45 Mit der Forderung nach einem germanisch-genossenschaftlichen Recht gegenüber dem Individualismus der römischen und westlichen Rechtstradition stand Gierke in der Kontinuität korporativistischen Denkens. (vgl. K. See, Die Ideen von 1789 und die Ideen von 1914, Frankfurt 1975, S, 96f.). 46 BA. Nl 1/56. fol. 50. Schulze-Gävernitz an Brentano am 29.7.1890. 47 Ebd., fol. 42, Schulze-Gävernitz an Brentano am 27.6.1890. 48 Vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Thomas Carlyles Welt- und Gesellschaftsanschauung (2. Aufl. der Sammlung Geisteshelden, Bd. 7), Berlin 1897, bes. S. 93f.. 49 Bernstein rechnete Carlyle zu den "reaktionären Sozialisten", wie Marx und Engels sie im "Kommunistischen Manifest" skizziert hatten, (vgl. MEW, Bd. 4, S. 459-493, hier S. 482ff.) Er sei damit Stöcker und Treitschke verwandt. (vgl. Bernstein, Carlyle, S. 693ff.). 50 Vgl. Schulze-Gävernitz, Carlyle, S. 167. 51 Schulze-Gävernitz, Frieden, Bd. 1, S. 66 - vgl. ebd., Bd. 2, S. 84ff. und die Kritik Bernsteins, Carlyle, S. 698ff.. 52 Vgl. Brentano, Leben, S. 98, 101f.. 53 Schulze-Gävernitz, Frieden, Bd. 2, S. 505f.. 54 Vgl. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 2. Aufl. Berlin (DDR), 1974, S. 74. 55 Vgl. K. D. Barkin, The Controversy Over German Industrialization 1890 - 1902, Chicago 1970, S. 135ff.. 56 Vgl. ebd., S. 186ff. - vgl. bes. die glänzende Argumentation von H. Dietzel, Welt Wirtschaft und Volkswirtschaft, Dresden 1900. 57 Zutreffend nannte er als Charakteristika die Leitfunktion des sekundären Sektors, die Stagnation des Großgrundbesitzes und die Umkehrung der Außenhandelsstruktur. (vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Handelspolitik und Flotte. Vortrag auf Einladung des Kaufmännischen Vereins, der Handelskammer und des Börsenvorstandes zu Mannheim am 24.1.1898, in: Die Nation, Jg. 15, 1897/98, Nr. 22,23 u. 24, hier Nr. 22, S. 31 lf.). 58 Ebd., Nr. 23, S. 329. 59 Ebd., Nr. 22, S. 312f. - Schulze-Gävernitz war sich darin mit Marx einig. (vgl. K, Marx, in: MEW, Bd. 23, S. 12f.) 60 Vgl. Schulze-Gävernitz, Handelspolitik, Nr. 22, S. 310. 61 Ebd., Nr. 23, S. 332.

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Vgl. ebd., S. 330ff.. In einem Brief an Schmoller resümierte Brentano die sozialliberale Haltung zur Flottenpolitik: "Jede Politik, welche die Hebung unseres Exports wirksam betreibt ist meiner Unterstützung sicher. Denn ... jedenfalls ist es eine Tasache, daß Deutschland nunmehr ein Industriestaat ist. Da dies so ist, ist die wichtigste Fürsorge die für den Absatz seiner Produkte und zwar für den Export seiner industriellen Produkte. Von diesem wird nunmehr auch der Absatz, und zwar selbst der Absatz unserer landwirtschaftlichen Produkte im Innern bedingt. ... Das Geschäft der Landwirtschaft liegt nunmehr in der Kaufkraft unserer industriellen Arbeitsbevölkerung, ... . Die Zahlungsfähigkeit unserer Arbeitsbevölkerung hat aber zur Voraussetzung die Entwicklung unseres Exports. Die Zukunft unseres Exports aber ist z.Z. sehr bedroht. ... Unter solchen Umständen sieht man sich naturgemäß nach einem Ersatz um. Diesen in unseren Colonien zu erwarten wäre kindlich. Aber in Asien und Südamerika ist vielleicht noch sehr viel zu holen. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint auch eine Vermehrung der deutschen Flotte gerechtfertigt. Wenn es sich bei dieser darum handelt, mit England zu rivalisieren, so daß man zum Angriff auf dieses schreiten könnte, würde ich sie nicht billigen. ... Nun ist es ζ. Ζ. aber äußerst schwierig ... für irgendwelche Maßnahmen zur Sicherung des Exports aufzutreten. ... In liberalen Kreisen allerdings wäre an sich etwas zu machen. Allein da sagt man sich, daß es dringendere Maßnahmen zur Förderung unseres Exports gibt ... . Man empfindet es als Widerspruch, wenn die Regierung einerseits die Handelsverträge und damit das was deutsche Arbeit während eines Jahrhunderts zur Förderung des Exports geleistet hat, in Frage stellen läßt und andererseits die Flottenvermehrung zur Hebung des Exports fordert." (ZStA II, Rep. 92/Schmoller, Nr. 144, Bl. 275vf., Brentano an Schmoller am 27.7.1897). 64 Wie aus dem oben zitierten Brief Brentanos hervorgeht, griff in Handel und Exportindustrie die Überzeugung um sich, daß die weltwirtschaftliche Orientierung des Schutzes durch eine Flotte bedürfe. Die Marineleitung überlegte ihrerseits, ob sie die Flottenpropaganda, in deren Dienst sich viele Professoren kathedersozialistischer Provenienz stellten, nicht mit einer dezidiert weltwirtschaftlichen Argumentation verknüpfen sollte. Namentlich die exportorientierten Kreise und sogar die vom Fortschritt der Industrie abhängige Arbeiterschaft hoffte man so für die Flotte zu gewinnen. Da diese Argumentation auf den Widerstand des Junkertums stieß, entschloß man sich, auf die wirtschaftliche Begründung zu verzichten. Das Interesse der Exportindustrie und auch vieler Professoren an der Flotte nahm darauf ab. Der von Schulze-Gävernitz prognostizierte Kompromiß vollzog sich tatsächlich nach der Jahrhundertwende und die Flotte wurde zum Instrument des Chauvinismus. (vgl. W. Deist, Flottenpolitik und Flottenpropaganda, Stutgart 1976, S. 26ff., l00ff., 117f.; W. Marienfeld, Wissenschaft und Schlachtflottenbau in Deutschland 1897 - 1906, o.O. 1957; Bruch, Wissenschaft, S. 71 ff.) - Durch den Kampf gegen die Zuchthaus- und die Umsturzvorlage (s.u.) hatten Brentano, Schmoller u.a. soviel Respekt in der Arbeiterschaft erworben, daß diese sich teilweise auch ihren Flotten'-Argumenten öffnete. (vgl. Bruch, Wissenschaft, S. 153ff.). 65 Vgl. Sch.VfS, Bd. 88, bes. S. 324ff.. 66 Schulze-Gävernitz, Handelspolitik, Nr. 24, S. 347. 67 "Als die ältere Generation den Vergleich mit den Ostelbiern schloß, auf dem die Grundlage des Reiches beruhte, da ward ihr ... der Verzicht auf die liberalen Traditionen nicht leicht. Ihre Söhne blicken heute vielfach verächtlich auf den Liberalismus der Väter herab und haben sich dem herrschenden Junkertum in der sittlichen und politischen Weltanschauung angepaßt, angepaßt bis auf den Tonfall der Sprache und die eckige Art des Händedrucks. 'Realpolitiker' nennen sich nunmehr diese Fabrikfeudalen am Rhein, welche sich für eine Imponderabilie, die gesellschaftliche Aufnahme in die herrschende Klasse, die ihnen anvertrauten bürgerlichen Interessen verleugnen." (ebd.). 68 Vgl. ebd., Nr. 22, S. 311. 69 Ebd.. 62

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70 G. v. Schulze-Gävernitz, Großindustrie und Sozialpolitik. Offener Brief an Herrn Kommerzienrat Vorster, in: Die Nation, Jg. 13, 1895/96, S. 496f., hier S. 497. 71 Ebd., S. 496 (Hervorhebung v. mir!). 72 Vgl. H. Rosenbergy Die Pseudodemokratisierung der Rittergutsbesitzerklasse, in: ders., Machteliten und Wirtschaftskonjunkturen, Göttingen 1978, S. 83-101; ders., Zur sozialen Funktion der Agrarpolitik im Zweiten Reich, ebd., S. 102-117. 73 ZStA IL Ren. 92/Schmoller. Nr. 130b. Bl. 42. KnaDD an Schmoller am 4.4.1910. 74 Vgl. Stegmann, S. 75ff. - Zu den Gegensätzen zwischen 'neuer' und Schwerindustrie vgl. auch H. Pogge v. Strandmann, Widersprüche im Modernisierungsprozeß Deutschlands. Der Kampf der verarbeitenden Industrie gegen die Schwerindustrie, in: IGPS, S. 225-240, hier S. 225ff.. 75 Vgl. Wehler, Kaiserreich, S. 165ff.; E. Kehr, Imperialismus und deutscher Schlachtflottenbau, in: H.-U. Wehler (Hg.), Imperialismus (NWB), 3. u. 4. Aufl. Königstein 1979, S. 289-308. 76 Vgl. auch E. Kehr, Zur Genesis des Königlich-Preußischen Reserveoffiziers, in: ders., Hg. v. H.-U. Wehler, Der Primat der Innenpolitik, 2. Aufl. Berlin 1970, S. 53-63. 77 Vgl. Bruch, Wissenschaft, S. 140ff.; Huber, S. 268ff.. 78 Förster war dann auch aktiv beteiligt. (vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/v. 19, Förster an Schulze-Gävernitz am 3.6.1918). 79 SBPK Berlin, Slg. Darmstaedter, 2g 1890/7, Schulze-Gävernitz an Mangoldt am 27.1.1895 - Er drängte vier Tage später, auch Delbrück, Adolf Harnack und die Evangelisch-Sozialen zu gewinnen. (vgl. ebd., Schulze-Gävernitz an Mangoldt am 31.1.1895). 80 Ebd., Schulze-Gävernitz an Mangoldt am 31.1.1895 (Hervorhebung v. mir!). 81 Vgl. ebd., Schulze-Gävernitz an Mangoldt am 2.2.1895 mit Anlage. 82 Vgl. Gb, Jg. 54, 1895, Nr. 6, S. 289f., Nr. 11, S. 545ff.. 83 Vgl. SBPK, Slg. Darmstaedter, 2g 1890/7, Schulze-Gävernitz an Mangold am 6.2.1895. 84 Vgl. W. J . Mommsen, Wandlungen der liberalen Idee im Zeitalter des Imperialismus, in: LIST, S. 109-147, hier S. 122f.. 85 Vgl. Weber, GPSch, S. 1ff. 86 Vgl. E. Troehsch, Die Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der modernen Welt, München 1911; M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. 1, 5. Aufl. Tübingen 1963, S. 17-206 - vgl. dazu auch W. J . Mommsen, Max Weber. Gesellschaft, Politik und Geschichte, Frankfurt 1974 (Künftig "Weber ΙI" zitiert!), S. 75ff., 115ff.. 87 G. v. Schulze-Gävernitz, Britischer Imperialismus und englischer Freihandel, Leipzig 1906, S. 1. 88 Vgl. ebd., S. 1 1ff., 26ff., 46ff.. 89 Ebd., S. 325. 90 Vgl. ebd., S. 307ff., 344ff., 360ff.. 91 Vgl. ebd., S. 69ff., 78ff„ 123ff., 162ff., 170ff., 270f.. 92 Ebd. S. 401. 93 Ebd., S. 12lf.. 94 Vgl. ebd., S. 396. 95 Vgl. Stegmann, S. 13lff., 148ff. 96 Vgl. H. Medick, Organisierter Kapitalismus in Großbritannien 1873 - 1914, in: OK, S. 58-83, hier S.68f. 97 Vgl. Stegmann, S. 55f.. 98 G. v. Schulze-Gävernitz, England und Deutschland. Zweite erw. Auflage der Festschrift zum Geburtstag des Großherzogs Friedrich v. Baden, Berlin 1908, S. 56. 99 Vgl. ebd., S. 47ff..

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ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 4, Bl. 74v, Max an Alfred Weber am 30.1.1907. Während die deutschen Freunde des Schutzzolls, wie Roscher, Schmoller, Wagner u.a., in England rezipiert würden, so Schulze-Gävernitz, täte man Dietzel und Brentano als selbst in Deutschland völlig einflußlos ab. (vgl. Schulze-Gävernitz, Imperialismus, S. 265). 102 "Die Ausführlichkeit, mit welcher Sie Ihre Einwendungen darlegen, begrüsse ich als ein Zeichen ganz besonderer Freundschaft ... . Wenn in gewisser Hinsicht unsere Wege auseinandergegangen sind ... ." (ΒΑ, Ν1 1/56, fol. 90f., Schulze-Gävernitz an Brentano am 21.9.1906). 103 Vgl. Bruch, Wissenschaft, S. 180ff. 104 Vgl. ZStA II, Rep. 92/Schmoller, Nr. 116, Bl. lf., Bülow an Schmoller am 18.8.1903. 105 Vgl. B. v. Bülow, Denkwürdigkeiten, 4 Bde., Berlin 1931, Bd. 3, S. 349f.. 106 Ebd., Bd. 2, S. 351. 107 Vgl. dazu M. Broszat, 200 Jahre deutsche Polenpolitik, 2. Aufl. Frankfurt 1978, S. 157ff.. 108 Vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Ein Wort zur Ansiedlungsnovelle, in: DH, Jg. 14, 1908, S. 20-22, hier S. 21. 109 BA, Nl 16/18, fol. 19ff., Bülow an Schulze-Gävernitz am 7.8.1909. 110 G. v. Schulze-Gävernitz, Kultur und Wirtschaft. Die neudeutsche Wirtschaftspolitik im Dienste der neudeutschen Kultur, in: Verhandlungen des 18. Evangelisch-Sozialen Kongresses in Straßburg, Göttingen 1907, S. 12-32, hier S. 14. 111 Ebd., S. 21, 26ff. - Schon 1900 hatte Schulze-Gävernitz gegenüber dem Sozialisten Parvus-Helphand betont, daß die englische Arbeiterklase imperialistisch gesinnt sei und möglicherweise eine Kriegspolitik gegenüber Deutschland unterstützen könnte. (vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Schulze-Gävernitz gegen Parvus, in: Der Volksfreund, Jg. 20, 1900, Nr. 31 ν. 6.2.1900) - vgl. auch Bruch, Wissenschaft, S. 86/Anmerkune 111. 112 Schulze-Gävernitz, Kultur, S. 29. 113 F. Stern, Die politischen Folgen des unpolitischen Deutschen, in: KD, S. 168-186, hier S. 178. 114 Vgl. H.-U. Wehler, Sozialimperialismus, in: ders., Imperialismus. S. 83-96. 115 E. Troehsch, in: Verhandlungen des 18. Ev.-Soz. Kongreses, S. 36f. - Zu Troeltsch vgl. G. Schmidt, Ernst Troeltsch, in: DtHist, Bd. 3, S. 91-108. 116 Vgl. A. Wagner, in: Verhandlungen des 18. Ev.-Soz. Kongresses, S. 44ff.. 117 Vgl. H. Dierkes, Die evangelisch-soziale Bewegung und der sozialdemokratische Arbeiter 1896 - 1914, Diss. (MS) Freiburg 1949, S. 32ff.; J . Herz (Hg.), Evangelisches Ringen um soziale Gemeinschaft. Fünfzig Jahre Evangelisch-Sozialer Kongreß, Leipzig 1940. 118 Wagner, in: Verhandlungen des 18. Ev.-Soz. Kongresses, S. 47. 119 Schulze-Gävernitz, ebd., S. 58. 120 Ebd., S. 58f.. 121 P. Menke-Glückert, in: LIST, S. 37. 122 Vgl. BA, Nl 1/56, Schulze-Gävernitz an Brentano am 16.8.1895. 123 ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/4, Bl. 28, Max an Alfred Weber am 2.1.1895 (AS). 124 Vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Max Weber als Nationalökonom und Politiker, in: M. Palyi (Hg.), Hauptprobleme der Soziologie. Erinnerungsgabe für Max Weber, 2 Bde., München 1923, Bd. 1, S. XI-XXII, hier bes. S. XIII, XVIIIf., XXII. 125 Vgl. W. J . Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik 1890 - 1920, 2. Aufl. Tübingen 1974 (Künftig "Weber I" zitiert!), S. 42ff.; ders., Weber II, S. 137. 126 Vgl. Mommsen, Weber I, S. 97ff.. 127 Vgl. ebd., S. 85ff.; ders., Weber II, S. 139, 167ff.; M. Weber, Hg. v. J . Winckelmann, Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Aufl. Tübingen 1976, S. 521 ff. - Vor allem seine 100

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antiliberale Ideologie lassen das politische Konzept von Schulze-Gävernitz weniger "antinomisch" erscheinen als dasjenige Max Webers, (vgl. W. J . Mommsen, Die antinomische Struktur des politischen Denkens Max Webers, in: HZ, Bd. 233, 1981, S. 35-64, hier S. 35ff.). 128 Vgl. als immer noch brauchbarster Überblick über Naumanns Leben T. Heuss, Friedrich Naumann, Der Mann, das Werk, die Zeit, 2. Aufl. Stuttgart 1949; zu Naumanns Position unter den Sozialreformern und Kathedersozialisten vgl. Lindenlaub, Richtungskämpfe, S. 373ff.; konkurrierend dazu G. Theodor, Friedrich Naumann. Prophet des Profits, Berlin (DDR) 1957. 129 Vgl. Heuss, Naumann, S. 69, 74, 115; Mommsen, Weber I, S. 132ff.. 130 Vgl. ZStA I, 90 Na 3, Nr. 130, Bl. 8, 10v, 21, 23, Schulze-Gävernitz an Naumann am 8.9.1905, 20.6.1906, 10.3.1908, 14.8.1910. 131 Heuss, Naumann, S. 174. 132 Die Sozialpolitiker und Nationalökonomen waren in eine auf Erhalt des Großgrundbesitzes und eine dessen Umstrukturierung fordernde, bauernfreundliche Richtung gespalten. (vgl. Brentano, Leben, S. 171ff., 180ff.) Dabei vertrat eine Gruppe die Forderung nach Aufteilung des Großgrundbesitzes an ehedem proletarische Siedler; daraus entwickelte sich die bodenreformerische Richtung um Hertzka, Damaschke und Oppenheimer. (vgl. F. Oppenheimer, Erlebtes, Erstrebtes, Erreichtes. Lebenserinnerungen, Düsseldorf 1964, S. 138ff.) Mit Damaschke gelangte diese Gruppe in Naumanns 'Nationalsozialem Verein' zu einigem Einfluß. (vgl. D. Düding, Der Nationalsoziale Verein 1896 - 1903, München 1972, S. 170ff.) Schulze-Gävernitz - der selbst Arbeiter auf seinem Gut angesiedelt haben soll - (vgl, Zielenziger, S. 11) unterstützte den Ansiedlungsgedanken, um der 'polnischen Sturmflut' Einhalt zu gebieten, das Junkertum zu schwächen und das sozialdemokratische Agrarprogramm zu unterlaufen. Auf der Ausschußsitzung des Evangelisch-Sozialen Kongresses forderte er: "Zerspaltung und Auftheilung an die Massen!" Der entsetzte Stöcker meinte darauf, Schulze-Gävernitz sei ja schlimmer als die Sozialdemokraten. Naumann versuchte ihn zu beschwichtigen; Schulze-Gävernitz suche einen "pädagogischen Weg, der vom Erfurter Programm zu seiner (englisch bestimmten) sozialpolitischen Auffassung führt." (vgl. den Briefwechsel Naumann - Stöcker 1896, in: Heuss, Naumann, S. 530ff.) Max Weber argumentierte ähnlich wie Schulze-Gävernitz. (vgl. Mommsen, Weber I, S. 20ff.) Allerdings meinte Schulze-Gävernitz, Weber glaube zu sehr an die "Macht des grünen Tischs;" (Schulze-Gävernitz an Brentano am 16.8.1895, a.a.O.) er brachte daher die Forderung nach der Besiedelung Ostelbiens in agitatorische Form. 133 Vgl. K. Kupisch, Friedrich Naumann und die evangelisch-soziale Bewegung, Diss. Berlin 1938, S. 58ff., 72. 134 Vgl. Heuss, Naumann, S. 90ff.. 135 ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/4, Bl. 5, M. Weber an Hausrath am 15.10.1896 (AS). 136 Vgl. ZStA I, 90 Na 3, Nr. 130, Bl 29, Naumann an Schulze-Gävernitz zu Neujahr 1896 (AS). 137 Vgl. Düding, S, 53ff., 197f.. 138 Vgl. z.B. F. Naumann, Nationalsozialer Katechismus (1897), in: NW, Bd. 5, S. 199-233. 139 Vgl. DSB, Nl Delbrück, Naumann an Delbrück am 18.2.1896, Bl. 6. 140 Vgl. Weber, GPSch, S. 26ff.. 141 ZStA I, 90 Na 3, Nr. 130, Bl. 1, Schulze-Gävernitz an Naumann am 12.8.1896. 142 Vgl. F. Naumann, Demokratie und Kaisertum (1900), in: NW, Bd. 2, S. 1-351, bes. S. 183ff.. 143 Heuss, Naumann, S. 121. 144 Vgl. ebd., S. 149f.; F. Sponsel, Friedrich Naumann und die deutsche Sozialdemokratie, Diss. (MS) Erlangen 1952, S. 90ff..

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145 G. v. Schulze-Gävernitz, in: Protokoll über die Verhandlungen des Nationalsozialen Vereins zu Darmstadt v. 25. - 28.9.1898, Berlin o.J., S. 113. 146 Vgl. ebd., S. 106f.. 147 Sch.VfS, Bd. 61, S. 361. 148 Vgl. Düding, S. 157f.. 149 ZStA I, 90 Na 3, Nr. 108, Bl. 4, Naumann an Brentano am 227.1899. 150 Vgl. Sponsel, S. 55ff.; Düding, S. 104ff. 151 K. Kautsky, Dresdner Parteitag, in: NZ, Jg. 21, 1903, Bd. 2, S. 809-815, hier S. 815. 152 ZStA I, 90 Na 3, Nr. 130, Bl. 29, Naumann an Schulze-Gävernitz am 18.9.1900 (AS) - vgl. auch ebd., Bl. 5, Schulze-Gävernitz an Naumann am 7.12.1901. 153 Vgl. Düding, S. 85ff., 98ff.. 154 Vgl. ebd., S. 124ff., 175ff.. 155 Vgl. ΒΑ, Ν1 1/56, fol. 49, Schulze-Gävernitz an Brentano am 29.7.1890. 156 Schulze-Gävernitz, Ansprache, a.a.O. - Die Ziele der 'Freisinnigen Vereinigung' entsprachen im wesentlichen denen von Schulze-Gävernitz. (vgl. K. Wegner, Theodor Barth und die Freisinnige Vereinigung, Tübingen 1968, bes. S. 16ff., 22ff., 28ff., 67ff.). 157 Weber an Sieveking am 20.7.1898, zit. nach H. Sieveking, Hg. v. G. Ahrens, Werdegang eines Hamburger Gelehrten. Erinnerungen 1871 - 1914, Hamburg 1977, S. 67. 158 Vgl. Düding, S. 127f./Anmerkung 19. 159 Bezeichnend für das Fingerspitzengefühl von Schulze-Gävernitz und für die Vorbehalte Brentanos gegenüber Naumanns Imperialismus erscheint folgende Bemerkung an Brentano: "Wenn Sie nach Berlin kommen, suchen Sie doch Barth u. Naumann zu verheiraten. Letzterer will, obgleich er mehr zu geben hat: es liegt also an ersterem u. ich hielte es nicht im Interesse der Ehestiftung, die Bereitwilligkeit der anderen Seite der zaudernden Partei voll zu enthüllen, da ein offenes Angebot leicht den Wert der Offerte herabsetzt. ... Das was Sie an Naumann aussetzen, würde durch die Verwässerung mit Barth am ehesten erreicht werden." (BA, Nl 1/56, fol. 83, Schulze-Gävernitz an Brentano am 17.10.1900) - Schon bei Erscheinen von "Demokratie und Kaisertum" äußerte Brentano Mißfallen über Naumanns imperialistische Emphase, die schließlich auch zum Bruch mit Brentano und Barth führte. (vel. Sheehan, Career, S. 148ff.). 160 Vgl. ZStA I, 90 Na 3, Nr. 130, Bl. 30, Naumann an Schulze-Gävernitz am 3.7.1903 (AS). 161 Vgl. Brentano, Leben, S. 227ff., Heuss, Naumann, S. 164, Düding, S. 180ff. Schulze-Gävernitz soll gemeinsam mit Naumann das offizielle Vereinigungsangebot an Barth redigiert haben. (vel. Zielenzieer, S. 36). 162 Vgl. F. Naumann, Die Zukunft unseres Vereins. Rede auf dem VIII. Vertretertag des National-sozialen Vereins (1903), in: NW, Bd. 5, S. 306-320. Vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Brief an Friedrich Naumann über die Krise der Nationalsozialen, in: DH, Jg. 9, 1903, S. 3f.. 164 1901 hatte Schulze-Gävernitz dreitausend Mark für Naumann zusammengebracht. (vgl. ZStA I, 90 Na 3, Nr. 130, Bl. 3, Schulze-Gävernitz an Naumann am 25.10.1901) 1904 verpflichtete er sich gegenüber Brentano, Naumann mit jährlich fünfhundert Mark zu unterstützen. (vgl. BA, Nl 1/56, fol. 84f., Schulze-Gävernitz an Brentano am 3.4.1904) - vgl. auch ZStA I, Nr. 106, Bl. 21ff., M. Weber an Naumann 1907. 165 Vgl. Heuss, Naumann, S. 294, 568. iw Vgl β. H ecAarr, From Bebel to Bassermann: the Grand Bloc's quest for Reform in the Kaiserreich 1900 - 1914, New H aven 1974, S. 16ff. - Zu Vollmar vgl. H .-J. Steinhers, Sozialismus und deutsche Sozialdemokratie, H annover 1967, S. 109ff.. 167 Vgl. F. Naumann, Neudeutsche Wirtschaftspolitik (1906), in: NW, Bd. 3, S. 71563, S. 445, 493ff., 525ff.. 168 Schulze-Gävernitz, Ansprache, a.a.O.. 169 ZStA I, 90 Na 3, Nr. 130, Bl. 4, Schulze-Gävernitz an Naumann am 29.10.1904.

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Vgl. Heckart, S. 44ff.; Wegner, S. 127ff.. Ein Jahr nach dessen Sturz schrieb Schulze-Gävernitz an Bülow: "Möge - trotz aller Sirenengesänge von England her - die Baukraft unserer Werften voll ausgenutzt und zu diesem Ziele noch einmal die Blockmajorität Eurer Durchlaucht im gegenwärtigen Reichstag dienstbar gemacht werden! Möge - trotz des Bundes der Landwirte - das ... schwer eingebrachte Expropriationsgesetz endlich zur Anwendung gebracht werden ... ." (BA, Nl 16/81, fol. 29ff., Schulze-Gävernitz an Bülow am 25.12.1910) Unter 'Sirenengesängen' sind wohl englische Bemühungen um ein Flottenabkommen zu verstehen, die Schulze-Gävernitz offensichtlich ablehnte. Schon seit 1904 sprach sich SchulzeGävernitz für die "Freihaltung von Grossbetriebsland für künftige deutsche Colonisation aus, denn wo der kleine Pole sitzt ist das Land für alle Ewigkeit verloren." Er wisse zwar, daß selbst "die nächststehenden Leute" nicht für Expropriationsgesetze zu gewinnen seien, "aber wir sollten Sauerstoff sein. Die Regierung macht es uns freilich sehr schwer, deren unsinnige Maßnahmen auf dem Gebiete der polnischen Schulpolitik u.s.w. ich natürlich verurteile." (ZStA I, 90 Na 3, Nr. 130, Bl. 6vf., Schulze-Gävernitz an Naumann am 3.7.1904) Knapp hielt dagegen "den Expropriationsgedanken für ein unverantwortliches Abenteuer." (ZStA II, Rep. 92/Schmoller, Nr. 130b, Bl. 35v., Knapp an Schmoller am 16.2.1908) - vgl. auch Huber, S. 500ff.. 172 Er formulierte 1905: "Es ist eine falsche Idee, bloß die Heimat verteidigen zu wollen. ... Man kann sich in Afrika verteidigen müssen oder am Gelben Meere, wenn es die Lage so mit sich bringt." (F. Naumann, in: NW, Bd. 4, S. 265). 173 Brentano. Leben. S. 276. 174 Vgl. die Briefe Naumann an Brentano von 1907, in: Heuss, Naumann, S. 537ff. vgl. auch ZStA I, 90 Na 3, Nr. 133, Bl. 55ff., Brentano an Naumann am 7.8.1907. 175 Der Sprachenparagraph verbot den Gewerkschaften, entsprechend der großen Zahl polnischer Arbeiter im Ruhrgebiet, ihre Verhandlungen auch in polnischer Sprache zu führen; mit Recht kritisierte Brentano diesen Versuch, die Gewerkschaften zu behindern. (vgl. Brentano, Leben, S. 276ff.) Brentano brach darüber mit Naumann. (vgl. ZStA I, 90 Na 3, Nr. 133, Bl. 64, Brentano an Naumann am 24.4.1908) Auch Vermittlungsversuche des Brentano-Schülers Lotz erwiesen sich als zwecklos. (vgl. ebd., Bl. 13f., Lotz an Naumann am 4.7.1908) Selbst Max Webers Mahnung: "'fertig' kann man mit N. nicht sein, sonst ist man mit dem Liberalismus fertig" und seine Einwendung, daß Naumann hinsichtlich des Vereinsgesetzes das Mögliche versucht habe, "von 'Verrat' jedenfalls nicht die Rede sein" könne, blieben fruchtlos. (ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/4, Bl. 76f., M. Weber an Brentano am 3. u. 5.6.1908 (AS)) - Über sein Verhältnis zu Naumann berichtete Brentano später in einem Brief an Heuss. Demzufolge hatte Naumann Brentano auch auf öffentlichen Versammlungen kritisiert. (vgl. BA, Nl 221/ 74, fol. 1 ff., Brentano an Heuss am 30.6.1921, bes. fol. 5ff.). 176 "Ihr Brief war mir eine wirkliche Stärkung, weil Sie der einzige von all meint politischen Freunden sind, der in der gegenwärtigen schwierigen Lage ungefähr dii selbe Auffassung ausspricht, die ich selber habe." (ZStA I, 90 Na 3, Nr. 130, Bl. 3 Naumann an Schulze-Gävernitz am 28.3.1908). 177 Vgl. Weber an Naumann am 26.4.1908, zit. nach M. Weber, Hg. v. Marianne Weber, Politische Schriften, 1. Aufl. München 1921, S. 453f.; ZStA I, 90 Na 3, Nr. 106, Bl. 89f., Naumann an Weber am 28.4.1908. 178 Vgl. dazu Huber, S. 376ff.. 17V Vgl. Heuss, Naumann, S. 253ff.; Wegner, S. 134ff.. 180 ZStA I, 90 Na 3, Nr. 130, Bl. 31, Naumann an Schulze-Gävernitz am 2.9.1909 (AS). 181 Ebd., Bl. 23, Schulze-Gävernitz an Naumann am 2.9.1909. 182 Vgl. F. Naumann, Die neue deutsche Linke (1912), in: NW, Bd. 5, S. 465-469; Sponsel, S. 159ff. - vgl. auch ZStA I, 90 Na 3, Nr. 142, Bl. 8f., Theodor Wolff an Naumann am 19.5.1912. 170 171

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183 Vgl. J . J . Sheehan, Deutscher Liberalismus im postliberalen Zeitalter, in: Geschichte und Gesellschaft, Jg. 4, 1978, S. 36-48, hier S. 43ff.; Heckart, S. 122ff., 186ff., 198ff.; Stegmann, S. 219ff.. 184 Schulze-Gävernitz an Bülow am 25.12.1910, a.a.O.. 185 Vgl. F. Meinecke, Werke, Bd. 8 (Autobiographische Schriften), Stuttgart 1969, S. 215ff.; Freiburger Bote v. 19.12.1911, zit. nach GLA 235/9028. 186 G. v. Schulze-Gävernitz, Die Ziele des Liberalismus, in: Freiburger Volkszeitung v. 15.5.1911, zit. nach ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.17. 187 "Mögen endlich alle Ausnahmegesetze gegen die Socialdemocratie ... uns erspart bleiben - trotz aller Scharfmacher, welche nichts mehr fürchten als die revisionistische Entwicklung. Dass die Hoffnung auf letzten nicht aussichtslos ist, zeigt das badische 'Musterländle', wo die Socialdemocratie erhebliche Opfer gebracht hat, um das - gewiss nicht radicale - Ministerium Bodmann zu erhalten." (Schulze-Gävernitz an Bülow am 25.12.1910, a.a.O.). 188 A, Rosenberg, Die Entstehung der Weimarer Republik, Frankfurt 1973, S. 49. 189 Vgl. J . Theil, Die Großblockpolitik der Nationalliberalen Partei Badens 1905 1914, Stuttgart 1976; Heckart, S. 9lff., 257ff.. 190 Zu den Moabiter Unruhen vgl. K. Saul, Staat, Industrie und Arbeiterbewegung im Kaiserreich, Düsseldorf 1974, S. 306ff. - Schulze-Gävernitz meinte: "Ich bin überzeugt, wenn wir in Moabit gewesen wären und den Rücken versalzen bekommen hätten, wir wären auch Sozialdemokraten geworden und wahrscheinlich keine Revisionisten, sondern Radikale." Die Konservativen erkannten in diesem Engagement des "liberalisierenden ideologischen Professorentums" eine "sehr gefährliche Entwicklung." (Universitätsprofessor v. Schulze-Gävernitz, in: Die Post, Jg. 46, 1911, Nr. 159 v. 4.4.1911). 191 Vgl, PHH/Ber., Bd. 515, S. 91 f.. 192 Vgl. Zielenziger, S. 13. - Bei der Sozialdemokratie revanchierte sich SchulzeGävernitz durch seine Unterstützung des sozialdemokratischen Kandidaten in der Stichwahl bei den badischen Wahlen von 1913. (vgl. Freiburger Bote v. 6.11.1913, zit. nach GLA 235/9028). 193 Vgl. RT/Ber., Bd. 284, S. 819ff., Bd. 289, S. 5132f.. 174

G. v. Schulze-Gavernitz, Weltlage - Wehnrvorlage -Deckungsfragc. Rede v.

6.5.1913, S. 7, zit. nach ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.17. 195 Er betonte besonders die Interessen in der Türkei. (vgl. ebd., S. 2). 196 Vgl. ebd., S. 2f.. 197 Ebd., S. 6. Kapitel III

Vgl. Lindenlaub, Richtungskämpfe, S. 272ff. Vgl. A. Wagner, Die akademische Nationalökonomie und der Socialismus. Rektoratsrede v. 15.10.1895, Berlin 1895, S. 23ff.. 3 Vgl. A. v. Wencksten, Marx, Leipzig 1896. 4 DSB, Nl Delbrück, Sombart an Delbrück am 30.10.1896, Bl. 3v, 4v. 5 Vgl. W. Sombart, Der moderne Kapitalismus, Leipzig 1902, S. 7. 6 Vgl. auch Lindenlaub, Richtungskämpfe, S. 316ff.. 7 Mommsen, Weber II, S. 151. 8 Vgl. auch J . Kocka, Karl Marx und Max Weber im Vergleich. Sozialwissenschaft zwischen Dogmatismus und Dezisionismus, in: H.-U. Wehler (Hg.), Geschichte und Ökonomie (NWB), Köln 1973, S. 54-84. 9 K. Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte, in: MEW, Erg.-Bd. 1, S. 465588, hierS. 552. 1

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10 Vgl. H. Marcuse, Industrialisierung und Kapitalismus im Werk Max Webers, in: ders., Kultur und Gesellschaft, 2 Bde., Frankfurt 1965, Bd. 2, S. 107-129 - vgl. dazu auch Mommsen, Weber II, S. 30f., 41 f., 174f. und kritisch zur hier vertretenen Sichtweise J , Kocka, Kontroversen über Max Weber, in: Neue Politische Literatur, Jg. 21, 1976, S. 281-301, bes. S. 284ff. mit weiteren Verweisen. 11 Vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Marx oder Kant? Rede zur Übergabe des Prorektorats, 2. Aufl. Freibure 1909, S. 29f.. 12 G. v. Schulze-Gävernitz, Was fällt von Marx - was bleibt von Marx?, in: DH, Jg. 16, 1910, S. 571-573, 586-588, 699-701, 716-718, hier S. 586f.. 13 G. v. Schulze-GävernitZj Wirtschaftswissenschaft?, in: Festschrift für Lujo Brentano zum 70. Geburtstag, Leipzig 1916, S. 401-427, hier S. 409. 14 Schulze-Gävernitz. Marx, S. 32f.. 15 Ebd., S. 34. 16 G. v. Schulze-Gävernitz, Nochmals Marx oder Kant, in: ASS, Bd. 30, 1910, S. 514531, 825-847, hier S. 521. 17 Schulze-Gävernitz, Marx, S. 35. 18 Ebd., S. 36. 19 Vgl. ebd., S. 33; ders., Nochmals Marx, S. 523 - Zu Webers Geschichtsmethodologie vgl. M. Weber, Kritische Studien auf dem Gebiet der kulturwissenschaftlichen Logik (1906), in: ders., Hg. v. J . Winckelmann, Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, 4. Aufl. Tübingen 1973, S. 215-290; ders., Die Objektivität sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis (1904), ebd., S. 146-214, S. 16lff.. 20 Schulze-Gävernitz, Marx, S. 37. 21 Vgl. Mommsen, Weber II, S. l0lff.. 22 Zu M. Weber vgl. Objektivität, S. 146ff.. 23 Schulze-Gävernitz, Wirtschaftswissenschaft, S. 401. 24 Vgl. ebd., S. 403ff.. 25 Ebd., S. 411. 26 Vgl. Mommsen, Weber II, S. 217ff.. 27 Schulze-Gävernitz, Wirtschaftswissenschaft, S. 412f.. 28 Ebd., S. 407. 29 Ebd., S. 418. 30 Vgl. ebd., S. 421. 31 In einem Sammelwerk zur Begründung der 'Privatwirtschaftslehre' (heute: Betriebswirtschaftslehre) forderte Schulze-Gävernitz diese Teildisziplin, um "die im Innern der Unternehmung obwaltenden Beweggründe festzustellen." "Um die Befürchtungen Brentanos zu zerstreuen," betonte er, daß die neue Disziplin nicht dem "Unternehmerinteresse", sondern "lediglich dem Zweck der Erkenntnis" zu dienen habe. (G. v. Schulze-Gävernitz, Privatwirtschaftslehre?, in: P. Mombert u.a., Die Private Unternehmung und ihre Betätigungsform, FL 1 (Der privatwirtschaftliche Gesichtspunkt in der Sozialökonomie und Jurisprudenz) Mannheim 1914, S. 73-88, hier S. 84, 87) Diese Ausführungen erscheinen charakteristisch für die Reaktion der Nationalökonomen auf die Kritik Ehrenbergs u.a. an der Praxisferne der historischen Wirtschaftswissenschaft wie für den Versuch, die Betriebswirtschaft aus den Universitäten fernzuhalten und an den Handelshochschulen unterzubringen. - vgl. auch Kapitel V. 32 "Was es für eine Bewandtnis mit den Gegenständen an sich und abgesondert von aller Rezeptivität unserer Sinnlichkeit haben möge, bleibt uns gänzlich unbekannt." (I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, Erster Teil, in: KW, Bd. 3, S. 87) - vgl. auch ebd., S. 30, 274f.. 33 "Der Verstand schöpft seine Gesetze (a priori) nicht aus der Natur, sondern schreibt sie dieser vor." (L Kant, Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, in: KW, Bd. 5, S. 189) 34 I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, Zweiter Teil, in: KW, Bd. 4, S. 499.

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35 Vgl. H. Schnädelbach, Geschichtsphilosophie nach Hegel, Freiburg 1974, S. 137ff. - Zur Südwestdeutschen Schule vgl. auch T. E. Willey, Back to Kant. The Revival of Kantianism in German Social and Historical Thought 1860 - 1914, Detroit 1978, S. 131ff., Ringer, S. 310ff., 324ff.. 36 ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/4, Bl. 118, M. Weber an Eulenburg am 16.4.1905 (AS). 37 H. Ricken, Kulturwissenschaft und Naturwisenschaft (1899), 4.-5. Aufl. Tübingen 1921, S. 12ff., 20ff. - Schulze-Gävernitz bezog sich auf M. Weber, Rickert u.a. in: Nochmals Marx, S. 523. 38 Vgl. Rickert, S. 58ff. - vgl. auch L. Kofler, Geschichte und Dialektik, 3. Aufl. Darmstadt 1972, S. 229f.. 39 Schulze-Gävernitz, Was fällt von Marx, S. 573. 40 Vgl. Schnädelbach, S. 144ff.; Willey, S. 148ff.. 41 Vgl. ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 25, Bl. 11, M. Weber an Rickert am 14.6.1904. 42 Vgl. Mommsen, Weber II, S. 57, 106ff., 223ff. - Die Übereinstimmung von M. Weber und Schulze-Gävernitz geht aus einem Brief Webers an Brentano hervor: "Die Zusammenarbeit von von Schulze-Gävernitz und mir hat, glaube ich, uns beiden das Anregende und Nützliche einer gewissen Reibungsfläche doch in einem günstigen Licht erscheinen lassen und so unwissenschaftlich es auch wäre, bei der Analyse und kausalen Erklärung ökonomischer Entscheidungen subjektive und durch Parteimeinungen gefärbte und daher verschiedene Ergebnisse als etwas auch prinzipiell Mögliches anzusehen, so selbstverständlich schien uns andererseits der Umstand, dass bei der 'Bewertung* dieser Erscheinungen in letzter Instanz die 'Ideale', von denen bewusst oder unbewusst der Urteilende ausgeht, entscheiden, mithin subjektive und auch Parteifärbungen geradezu unumgänglich, auch keineswegs ungesund sind und also nur die Forderung, dass der angelegte Urteilsmassstab klargestellt werde, erhoben werden kann." (ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/4, Bl. 9f., M. Weber an Brentano am 1.1.1897 (AS)). 43 Mommsen, Weber II, S, 29. 44 Schulze-Gävernitz, Was fällt von Marx, S. 573. 45 Ebd., S. 572. 46 Vgl. dazu H. Schleien Zu den Theorien über die Entwicklung der Gesellschaft im spätbürgerlichen deutschen Geschichtsdenken, in: H. Engelberg u. W. Küttler (Hg.), Formationstheorie und Geschichte, Vaduz 1978, S. 596-718, hier S. 596ff.. 47 Schulze-Gävernitz, Was fällt von Marx, S. 586. 48 Vgl. ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/7, Bl. 110, M. Weber an Tönnies am 19.2.1909 (AS). 49 K. Marx, Zur Judenfrage, in: MEW, Bd. 1, S. 355. 50 ZStA I, 90 Na 3, Nr. 130, Bl. 22, Schulze-Gävernitz an Naumann am 20.6.1910. 51 Schulze-Gävernitz, Marx, S. 6. 52 Vgl. ebd., S. 10 - vgl. dagegen K. Marx, Das Kapital, Bd. 1, in: MEW, Bd. 23, S. 249, 266f., 315ff., 768f.. 53 Vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Marxismus und Evangelisch-Sozialer Kongreß, in: Evangelisch-Sozial, Folge 19, 1910, S. 194-198, hier S. 196. 54 Schulze-Gävernitz, Marx, S. 24. 55 Schulze-Gävernitz, Nochmals Marx, S. 518. 56 Schulze-Gävernitz, Marx, S. 39. 57 Ebd., S. 40f.. 58 Vgl. Schulze-Gävernitz, Was fällt von Marx, S. 586f.. 59 Vgl. Marx/Engels, in: MEW, Bd. 3, S. 394ff.; F. Engels, Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, in: MEW, Bd. 19, S. 181-228, S. 189ff.. 60 Schulze-Gävernitz, Marx, S. 47. 61 G. v. Schulze-Gävernitz, Die Nachfolge Bebels. Antwort an Graf Mirbach, in: Berliner Tageblatt, Nr. 190 v. 13.4.1911.

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Ebd.. Schulze-Gävernitz, Was fällt von Marx, S. 700. 64 Schulze-Gävernitz, Nachfolge. 65 Schulze-Gävernitz, Was fällt von Marx, S. 716 - vgl. ders., Nochmals Marx, S. 840ff.. 66 Schulze-Gävernitz, Was fällt von Marx, S. 717. 67 Schulze-Gävernitz, Nochmals Marx, S. 833. 68 Schulze-Gävernitz, Kultur, S. 19. 69 Vgl. Schulze-Gävernitz, Marx, S. 44. 70 Schulze-Gävernitz, Nachfolge. 71 Schulze-Gävernitz, Marx, S. 43. 72 Schulze-Gävernitz, Imperialismus, S. 375. 73 Schulze-Gävernitz, Marx, S. 16. 74 Schulze-Gävernitz, Nochmals Marx, S. 837. 75 Ebd., S. 835. 76 J . Plenge, Marx oder Kant?, in: ZfGS, Jg. 66, 1910, S. 213-239, hier S. 214. 77 Ebd., S. 220. 78 Ebd., S. 223. 79 Ebd., S. 228. 80 Ebd., S. 233. 81 Vgl. ebd., S. 232ff.. 82 Ebd., S. 237. 83 Ebd., S. 238. 84 Vgl. ebd., S. 236ff.. 85 Vgl. G. W. F. Hegel, Philosophie der Geschichte, in: HW, Bd. 12, S. 73ff.; J . Plenge, Marx und Hegel, Tübingen 1911, S. 4; ders., Marx oder Kant, S. 219. 86 W. Windelband, Die Erneuerung des Hegelianismus. Akademische Festrede v. 25.4.1910, in: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, 10. Abhandlung, 1910, S. 3-15, hier S. 7. 87 Vgl. H. Kiesewetter, Von Hegel zu Hitler, Hamburg 1974, S. 190ff.. 88 Vgl. Plenge, Marx, S. 21 ff. 89 Ebd., S. 28. 90 Ebd., S. 34f.. 91 Ebd., S. 32f.. 92 Vgl. auch ebd., S. 7ff.. 93 Vgl. ebd., S. 151ff.. 94 Vgl. J . Habermas, Erkenntnis und Interesse, Frankfurt 1973, S. 14ff., 36ff.. 95 In diesem Sinne nämlich definiert Hegel Wahrheit: "Wenn die Wahrheit im subjektiven Sinne die Übereinstimmung der Vorstellung mit dem Gegenstand ist, so heißt das Wahre im objektiven Sinn die Übereinstimmung des Objekts, der Sache mit sich selbst, daß ihre Realität ihrem Begriffe angemessen ist." (G. Hegel, Enzyklopädie, in: HW, Bd. 9, S. 23) - vgl. auch HW, Bd. 4, S. 29. 96 Vgl. E. Bloch, Subjekt - Objekt. Erläuterungen zu Hegel, Frankfun 1971, S. 135ff.. 97 Vgl. Lukacs, Zerstörung, Bd. 3, S. 12ff.; Schnädelbach, S. 129. 98 K. Löwith, Von Hegel zu Nietzsche, 7. Aufl. Hamburg 1978, S. 130. 99 Lukacs, Zerstörung, Bd. 3, S. 10. I0C Windelband, S. 15. 101 Plenge, Marx, S. 24. 102 Vgl. ebd., S. 38ff.. 103 J . Plenge, Rez.: F. Muckle, Die Geschichte der sozialistischen Ideen im 19. Jahrhunden, Leipzig 1909, in: ZfGS, Jg. 67, 1911, S. 153-156, hier S, 155. 104 Vgl. Löwith, S. 136ff.. 62

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Plenge, Marx, S, 46. Ebd., S. 53. 107 Ebd., S. 57, 63. 108 Vgl. ebd., S. 55ff., 148. 109 Vgl. Marx/Engels, in: MEW, Bd. 3, S. 37f.. 110 Plenge, Marx, S. 82. 1,1 Ebd., S. 88ff.. 112 Ebd., S. 94. 113 Ebd., S. 104 (Hervorhebung von mir!). 105

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114 1,5 116 117 118 119 120

Ebd., S. 120. Ebd., S. 126. Vgl. ebd., S. 128ff.. Ebd., S. 111. Ebd., S. 115. Ebd., S. 134. Ebd., S. 150.

121 Vgl. dazu Hegels Ausführungen zur Philosophie als Kreis, in welchem der Anfang stets schon das Resultat und das Resultat immer den Anfang in sich trägt, wodurch der Anfang der Philosophie "unmittelbar relativ" ist und keine Setzung, aus der kausal geschlossen werden kann. (vgl. G. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, in: HW, Bd. 7, S. 30ff.). 122 Vgl. dazu die von Jaeck, Engelberg, Pasemann u. Küttler bearbeiteten Kapitel in: Eneelberg/Küttler, Formationstheorie. 123 G. Lukacs, Geschichte und Klassenbewußtsein (1923), Neuwied 1968, S. 196. 124 Vgl. Engels, in: MEW, Bd. 39, S. 96ff„ 125 Vgl. bes. J . Plenge, Rez.: G. Plechanow, Die Grundprobleme des Marxismus, Stuttgart 1910, in: ZfGS, Jg. 67, 1911, S. 145-151, hier S. 146. 126 Zutreffend kritisierte Otto Bauer, daß Plenge Marx ausschließlich an der Elle der Hegeischen Geschichtsphilosophie messe und nicht Hegels Dialektik in ihrer Anwendung durch Marx betrachte. Statt Hegels 'Logik' mit dem 'Kapital' in Beziehung zu setzen, orientiere sich Plenge ausschließlich an der Kritik der Ilcgclschcn Rcchtsphilo Sophie. (vgl. O. Bauer, Rez.: J . Plenge, Marx und Hegel, in: AfGS, Bd. 3, 1913, S. 528530, hier S. 529f.). 127 K. Marx u. F. Engels, Die heilige Familie, in: MEW, Bd. 2, S. 3-223, hier S. 83. 128 Vgl. J . Plenge, Realistische Glossen zu einer Geschichte des deutschen Idealismus, in: ASS, Bd. 32, 1911, S. 1-35, hier S. 3lff.. 129 Ebd., S. 10. 130 Plenge, Marx, S. 112. 131 F. Mehring, Rez.: Plenge, Marx und Hegel, in: NZ, Jg. 29, 1911, Bd. 2, S. 143f., hier S. 143. 132 UB BI, Nl Plenge, Plenge an Krieck am 29.11.1917. 133 Vgl. Plenge, Marx, S. 18. 134 Ebd, S. 139. 135 Ebd., S. 110f.. 136 Vgl. ebd., S. 178. 137 J . Plenge, Die Zukunft in Amerika, in: ASPG, Bd. 1, 1912, S. 431-500, hier S. 443, 459. 138 Plenge, Marx, S. 130. 139 Vgl. I. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, in: KW, Bd. 7, S. 101-302, hier S. 140. 140 Vgl. I. Kant, Über den Gemeinspruch, ebd., Bd. 11, S. 125-172, hier S. 144ff. 141 Vgl. Hegel, in: HW, Bd. 7, S. 24..

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142 Α. ν. Martin, Macht als Problem. H egel und seine politische Wirkung, in: Abhandlungen der Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur, Geistes- und sozialwissenschaftliche Klasse, Jg. 1976, Nr. 7, Mainz 1976, S. 19. 143 Vgl. H egel, in: HW, Bd. 7, S. 87f.. 144 Vgl. ebd., S. 399ff.. 145 Block S. 267. 146 Vgl. Martin, S. 67ff.. 147 Vgl. ebd., S. 34ff.. 148 Vgl. M. Riedel, Die Rezeption der Nationalökonomie, in: ders., Studien zu Hegels Rechtsphilosophie, Frankfurt 1969, S. 75ff.. 149 Vgl. Hegel, in: HW, Bd. 7, S. 382ff. - vgl. auch M. Riedel, Bürgerliche Gesellschaft und Staat bei Hegel, Neuwied 1970, S, 54ff., 74ff., 150 Vgl. Plenge, Diskontpolitik, S. 27. 151 H. Heller, Hegel und der nationale Machtstaatsgedanke in Deutschland (1921), Aalen 1963, S. 209. 152 "Mein Projekt hat ein merkwürdiges Doppelgesicht, indem es in gewisser Hinsicht ebenso konservativ ist, als es revolutionär klingt, ... . Ich bin ... der Überzeugung, dass wir so etwas wie eine moralische Wiedergeburt nur dann erleben können, wenn wir den Sozialismus zu einem anerkannten Kulturfaktor machen. ..., es kommt darauf an, dass die Revisionisten nicht einfach in die bürgerliche Linke hineinlaufen. ... Aber was ... eine zur Aktion erzogene Sozialdemokratie bedeuten könnte, hängt wesentlich davon ab, ob sie auch konservative Gedankengänge, ob sie die Weltanschauung der Bureaukratie [!] wird verarbeiten und assimilieren können. Demokratische Überlieferung hat sie für alle Zeiten genug. Also 'Marx und Hegel' als praktisches Programm, ... ." (UB BI, Nl Plenge, Plenge an Delbrück am 7.10.1912). 153 Vgl. E. Hammacher, Das philosophisch-ökonomische System des Marxismus, Leipzig 1909. 154 Lukacs, Zerstörung, Bd. 3, S. 16. 155 Vgl. F. Ϊ. Schmidt, H egel und Marx, in: PJ Bd. 151, 1913, S. 415-436. 156 Vgl. BA, Nl 17/74, L. Delbrück, Hans Delbrücks Leben (MS), S. 160. 157 "Besonders wertvoll ist die Ergänzung meiner Gegenüberstellung von Marx und Hegel durch die Feststellung, dass die nationale Staatsidee von Marx nicht begriffen und ausgeschaltet ist." (DSB, Nl Delbrück, Plenge an Delbrück am 28.2.1913, Bl. 28). 158 Vgl. D. Groh, Zwischen negativer Integration und revolutionärem Attentismus. Die Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Frankfurt 1973, S. 36ff., 57ff.; G. A. Ritter, Die sozialdemokratische Arbeiterbewegung Deutschlands bis zum Ersten Weltkrieg, in: ders., Arbeiterbewegung, Parteien und Parlamentarismus. Aufsätze zur deutschen Sozial- und Verfassungsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttineen 1976, S. 21-54, hier S. 3lff.. 159 Herr v. Schulze-Gävernitz und Kant, in: V, Jg. 28, 1911, Nr. 89 v. 14.4.1911 - Mit Kritik qittierte auch die konservative Presse "Marx oder Kant". (vgl. ZStA I, 61 Re 1, PA, Nr. 79, Bl. 428). 160 Vgl. E. Bernstein, Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie, Stuttgart 1899, bes. S. 42f., 47, 87ff., 121, 142ff. - vgl. auch Ritter, Sozialdemokratische Arbeiterbewegung, S. 37ff.. 161 Durch den Mitbegründer der russischen Sozialdemokratie und Übersetzer einiger Schriften von Schulze-Gävernitz, Peter Struve, hatten dessen Ansichten offenbar einigen Widerhall in Rußland gefunden; daher Plechanows Hinweis.(vgl. Surce-Gevernic, in: V. V. Kujbysev u. N. J . Bucharin (Hg.), BoPsaja Sovetskaja Enciklopedija, Bd. 62, Moskau 1933, S. 747). 162 Vgl. Bernstein, Voraussetzungen, S. 170f.; ders., Carlyle, S. 734. 163 Vgl. F. Engels, Herrn Eugen Dürings Umwälzung der Wissenschaft, in: MEW, Bd. 20, S. 1-303, hier S. 5ff. - vgl. dagegen ebd., S. 470ff

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Vgl. Steinberg, S. 43ff., 56ff.. Ebd., S. 43. 166 Vgl. ebd., S. 98ff.; H. Lübbe, Politische Philosophie in Deutschland (1963), München 1974, S. 11 lff.; Willey, S. 110ff.; C. Schmidt, Socialismus und Ethik, in: SM, Jg. 4, 1900, S. 522-531. 167 Vgl. Bernstein, Voraussetzungen, S. lff., 20ff. - vgl. auch Kofler, S. 218ff.. 168 Vgl. Bernstein, Voraussetzungen, S. 187f, - Lange, der Begründer der Marburger Schule, vertrat einen ethisch motivierten Sozialreformismus, der in die Sozialdemokratie Eingang fand. (vgl. Lübbe, S. 90ff.; Willey, S. 91ff.; Steinberg, S. 20f.). 169 Vgl. Lukacs, Geschichte, S. 9lff.. 170 Bernstein, Voraussetzungen, 5. 165. 171 Zur Auseinandersetzung um Kant in der Sozialdemokratie vgl. K. Vorländer, Kant und Marx, Ein Beitrag zur Philosophie des Sozialismus, Tübingen 1911, S. 155ff., 223ff.. 172 Vgl. RT/Ber., Bd. 197, S. 743. 173 Vgl. K. Vorländer, Die Stellung des modernen Sozialismus zur philosophischen Ethik, in: ASS, Bd. 22, 1906, S. 727-764, hier S. 737ff. 174 W. I. Lenin, in: LW, Bd. 15, S. 21. 175 Vgl. K. Vorländer, Marx oder Kant?, in: ASS, Bd. 28, 1909, S. 693-705, hier S. 700. 176 Vorländer, Kant, S. 24. 177 Vgl. Vorländer, Marx, S. 697ff.. 178 Vgl. ebd., S. 705. 179 Vgl. Schulze-Gävernitz, Nochmals Marx, S. 518f. - Zutreffend formulierte der Rezensent der NZ: "Der brave Kant ... erscheint immer nur auf der Bildfläche, um dem bösen Marx als Musterknabe entgegengestellt zu werden." (NZ, Jg. 27, 1908, Bd. 1, S. 444f., hier S. 445). 180 Maurenbrecher hatte 1899 fünfundzwanzigjährig die Schriftleitung der 'Hilfe' übernommen, war seit 1901 Generalsekretär des Nationalsozialen Vereins bis er 1903 zu den Sozialdemokraten übertrat, von denen er sich 1913 wieder trennte. (vgl. M. Jansen, Max Maurenbrechor. Der weltanschaulich-politische Weg eines deutschen Nationalisten 1900-1930, Diss. München 1964, S. 35ff., 42ff., 99ff.). 181 M. Maurenbrecher, Marx oder Kant?, in: DH, Jg. 14, 1908, S. 577-579, 593f., 608f.. 182 Vgl. ebd., S. 593. 183 Vgl. ebd., S. 608f. - vgl. auch Jansen, S. 170ff.. 184 Vgl. L. Braun, Memoiren einer Sozialistin, Bd. 2, Berlin 1911, S. 652ff; E. Gystrow, Etwas über Nietzsche und uns Socialisten, in: SM, Jg. 4, 1900, S. 630-640. 185 Vgl. Groh, S. 123/Anmerkung 143. 186 Gegen die scharfe Kritik der Linken (Luxemburg, Mehring, Hänisch) und der Parteiführung (Bebel, Kautsky) vertraten Frank und Kolb auf den Parteitagen von 1908 und 1910 die Politik der Budgetbewilligung und der Unterstützung des badischen Staatsministers v. Bodmann im Rahmen des Großblocks. Man hoffte auf die Ausweitung des Großblocks und kam insofern den Bestrebungen Naumanns entgegen. (vgl. L. Frank, Hg. v. H. Wachenheim, Reden, Aufsätze und Briefe, Berlin 1924, S. 112ff., 136ff., 174ff., 187ff., 280ff.; Groh, S. 163ff., 474ff. - vgl. auch Kapitel IL3) Mit der auch Schulze-Gävernitz eigenen antipreußischen Note (vgl. Frank, S. 126) trat Frank auf dem Parteitag von 1909 für den Massenstreik als Mittel zur Durchsetzung des Reichstagswahlrechtes in Preußen ein, um auch dort die Großblockpolitik zu ermöglichen, (vgl. ebd., S. 286ff.) Nach dem Scheitern des Großblocks nach den für Sozialdemokraten und Linksliberale vernichtenden badischen Wahlen von 1913 bemühte sich Frank, die Radikalisierung der badischen Sozialdemokratie zu dämpfen, um die parlamentarische Strategie weiterverfoleen zu können. (vgl. Groh, S. 543ff.) Schulze-Gäver164

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nitz konnte also, ohne prinzipielle Differenzen zu verdecken, in Frank die Personifikation der erstrebten 'Neuorientierung' der Sozialdemokratie sehen; er war für ihn "der Führer der deutschen Arbeiterschaft vom ohnmächtigen Protest zur machtvollen Mitarbeit an den Geschicken des Vaterlands." (G. v. Schulze-Gävernitz, Ludwig Frank, in: FZ, Nr. 261 v. 20.9.1914). 187 Vgl. Frank, S. 344; SBPK, Nl Hauptmann, Johanna v. Schulze-Gävernitz an Frau G. Hauptmann am 7.9.1914. 188 Schulze-Gävernitz, Frank. 189 Hildebrand vertrat einen den Auffassungen Webers und Schulze-Gävernitz' verwandten Imperialismus. (vgl. G. Hildebrand, Sozialistische Auslandspolitik, Jena 1911). 190 Der Ausschluß Hildebrands wurde vor allem mit seinem Imperialismus, seinem mittelbäuerlich orientierten Antiindustrialismus und seiner Befürwortung von Schutzzöllen begründet, (vgl. SPD/PT, 1912, S. 45lf., 454ff., 458f., 488ff.) wie dies aus seiner Hauptschrift hervorging. (vgl. G. Hildebrand, Die Erschütterung der Industrieherrschaft und des Industriesozialismus, Jena 1910) Darin sozialliberalen Konzepten verwandt, sah er den Unterschied zwischen liberaler und sozialistischer Politik nurmehr als "Unterschied in der Tendenz." (SPD/PT, 1912, S. 463) Wie Plenge verstand er den Kampf der Arbeiterbewegung eingebettet in den "großen, weltgeschichtlichen Streit der Auffassungen zwischen Individualismus und Sozialismus." (ebd., S. 475) Daß sich Hildebrands Auffassungen zumindest der Sympathie einer Minderheit der Parteitagsdelegierten erfreute, zeigt einerseits die rege Zustimmung zu seiner Verteidigungsrede wie das Minderheitenvotum der Beschwerdekommission, (vgl. ebd., S. 468ff., 472ff.) Auch der Revisionist Wolfgang Heine plädierte gegen den Ausschluß, wenn auch vor allem unter Hinweis auf die innerparteiliche Demokratie. (vgl. ebd., S. 494ff. - vgl. auch die Kritik Heines am Ausschlußbeschluß und das Lob auf Hildebrand in: ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 134, Bl. 42f., Heine an Hänisch am 9.2.1915) Der Ausschluß erfolgte schließlich gegen die Ablehnung einer Minderheit. (vgl. SPD/PT, 1912, S. 507) - vgl, A. Äscher, Imperialists Within German Social Democracy Prior to 1914, in: Journal of Central European Affairs, Bd. 20, 1961, S. 397-422. 191 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Hildebrand an Plenge am 14. u. 27.9.1912. 192 Ebd., Plenge an Hildebrand am 4.10.1912 - vgl. auch ebd., Plenge an Braun am 15.1.1913. 193 UB BI, Nl Plenge, Plenge an M. Weber am 15.12.1912, S. 2. 194 Vgl. Plenge an Delbrück am 11.10.1912, a.a.O.. 195 Plenge an M. Weber am 15.12.1912, a.a.O., S. 2. 196 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Hildebrand an Plenge am 7.10.1912. 197 Ebd., Plenee an Hildebrand am 9.10.1912. 198 Vgl. J . Braun-Vogelstein, Ein Menschenleben. Heinrich Braun und sein Schicksal, Tübingen 1932, S. l0lff., 192ff., 205ff., 231. 199 Vgl. ebd., S. 205f., 216, 218f., 261 f.; D. Fricke, Bürgerliche Sozialreformer und deutsche Sozialdemokratie, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Jg. 23, 1975, S. 929-945. 200 Vgl. L. Braun, S. 204ff., 302f., 391, 465ff, 518; Bruch, Wissenschaft, S. 186ff.; Lindenlaub, Richtungskämpfe, S. 328ff.. 201 Vgl. A. Mitzman, Tönnies And German Society 1887 - 1914, in: Journal of the History of Ideas, Jg. 32, 1971, S. 507-524; Lukacs, Zerstörung, Bd. 3, S. 45ff.. 202 ZStA II, Rep. 92/Sombart, Nr. 9f., Bl. 91ff., Tönnies an Sombart am 6.12.1893. 203 Ebd., Bl. 85ff., Tönnies an Sombart am 13,1.1894 (Hervorhebung von mir!) Tönnies' Äußerungen korrespondierten den Befürchtungen Lenins. (vgl. Lenin, in: LW, Bd. 9,S. 110). 204 A. Wagner, Hg. ν. Η. Rubner, Briefe, Dokumente, Augenzeugenberichte 1851 1917, Berlin 1978, S. 120 - vgl. auch ebd., S. 118ff., 128. 205 Vgl. Braun-Vogelstein, S. 233ff., 270; Marianne Weber, S. 289f..

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206 Ygl. D. frjcke, Die Gründung der revisionistischen Zeitschrift 'Die neue Gesellschaft' 1900 - 1909, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Jg. 16, 1974, S. 1052-1065; ders,, Zur Rolle der revisionistischen Zeitschrift 'Die neue Gesellschaft'in der deutschen Arbeiterbewegung, ebd., Jg. 17, 1975, S. 696-709; Braun-Vogelstein, S. 221 ff.. 207 Vgl. L. Braun, S. 553f., 610; ZStA II, Rep. 92/Sombart, Nr. 9f., Bl. 23f., Tönnis an Sombart am 18.3.1906. 208 Ebd., Bl. 25, Tönnis an Sombart am 20.3.1906. 209 Vgl. ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/7, Bl. 124, M. Weber an Tönnies am 9.5.1909 (AS). 210 Die Frau des späteren Protagonisten der Münchner Räterepublik, Eugen Leviné, berichtet, wie sich ihr Mann als russischer Emigrant um die Aufnahme in die deutsche Sozialdemokratie bemühte. Nachdem die Empfehlungen russischer und deutscher Sozialdemokraten nicht fruchteten, bat Leviné die Nationalökonomen Eberhard Gothein und Alfred Weber um Hilfe; ihre Empfehlungsschreiben öffneten ihm "die Tore zum Allerheiligsten der Partei." (R. Meyer-Leviné, Leviné. Leben und Tod eines Revolutionärs, München 1972, S. 27). 211 Vgl. J . Kuczynski, Autobiographien - vornehmlich philosophische Probleme (Studien zur Geschichte der Gesellschaftswissenschaft, Bd. 5), Berlin (DDR), S. 143ff.. 212 Ein Gedanke, der in der treffenden Zusammenschau der Geschichte des deutschen Liberalismus durch Mommsen kaum beachtet wird. (vgl. W. J . Mommsen, Die liberale Idee in einer sich wandelnden Gesellschaft. Der deutsche Liberalismus von seinen Anfängen bis zur Gegenwart, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (Beilage zu 'Das Parlament'), H. 23, 1979, S. 3-14, hier S. 9ff.). Kapitel IV 1 Vgl. Kocka, in: OK, S. 19ff.; H.-U. Wehler, Der Aufstieg des Organisierten Kapitalismus und Inrervenrionsstaates in Deutschland, ebd., S. 36-57; ders., Kaiserreich, S. 41 ff.; Baudis/Nussbaum, S. 52ff.; H. Mottek u.a., Wirtschaftsgeschichte Deutschlands, Bd. 3, Berlin (DDR) 1974; R. Hilferding, Das Finanzkapital (1910), Frankfurt 1968, S. 275ff., 306ff., 389ff., 406ff., E. Maschke, Grundzüge der deutschen Kartellgeschichte bis 1914, Dortmund 1964; J . Kocka u. H, Siegrist, Die hundert größten deutschen Industrieunternehmen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Expansion, Diversifikation und Integration im internationalen Vergleich, in: RuEG, S. 55-122, hier S. 79ff.; H. Hermann, Verbandskonzentration und Großunternehmen, ebd., S. 647-676 - vgl. auch Kapitel I, Anmerkung 19. 2 Vgl. H.-J. Scheler, Kathedersozialismus und wirtschaftliche Macht, Diss. Berlin 1973. 3 Vgl. F. Kleinwächter, Die Kartelle. Ein Beitrag zur Frage der Organisation der Volkswirtschaft, Innsbruck 1883. 4 Sch.VfS,Bd. 61, S. 141. 5 W. Sombart, Die deutsche Volkswirtschaft im 19. Jahrhundert, Berlin 1903, S. 371, 529. 6 Vgl. Sch.VfS, Bd. 61, S. 176ff.. 7 Vgl. ebd., S. 237f.. 8 Vgl. G. Schmoller, Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre, 2 Bde., 4.-6. Aufl. Leipzig 1901/04, Bd. 1, S. 448ff., Bd. 2, 494ff.. 9 Vgl. A. Wagner, Grundlegung der Politischen Ökonomie, Zweiter Teil, 3. Aufl. Leipzig 1894, S. 328, 330.

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10 Vgl. F. Blaich, Kartell- und Monopolpolitik im kaiserlichen Deutschland, Düsseldorf 1973, S. 27ff.; M. Keller, Public Policy And Large Enterprise. Comparatitive Historical Perspectives, in: RuEG, S. 515-534, hier S. 523ff.. 11 ZStA I, 90 Na 3, Nr. 108, Bl. 3, Naumann an Brentano am 3.4.1900 (AS). 12 Vgl. Naumann, in: NW, Bd. 3, S. 369ff., 382ff., 403ff.. 13 Ebd., S. 487. 14 Vgl. Sch.VfS, Bd. 116, S. 264ff.. 15 Vgl. ebd., S, 356ff. 16 Ebd., S. 367. 17 Vgl. ebd., S. 382ff., 397ff.. 18 Vgl. ebd., S. 418. - vgl. auch Blaich, S. 29ff.. 19 Vgl. R. Wilbrandt, Volkswirtschaftliche Vorlesungen, Tübingen 1910, S. 71 ff.. 20 Sch.VfS, Bd. 116, S. 334. 21 Naumann, in: NW, Bd. 3, S. 440. 22 Vgl. Hilferding, S. 503ff.. 23 Zum Presseecho Kestners vgl. ZStA I, 61 Re 1, PA, Nr. 6400, Bl. 8ff.. 24 Vgl. F. Kestner, Der Organisationszwang, Berlin 1912, S. 384ff.. 25 DSB, Nl Harnack, Kestner an Harnack am 13.12.1913, Bl 6. 26 G. v. Schulze-Gävernitz, Fritz Kestner als Kartellpolitiker, in: Sch.Jb, Bd. 42, 1918, S. 651-668, hier S. 655. 27 Vgl. ebd., S. 653ff. - Das stimmte deutlich mit den Interessen der neuen Industrie überein. (vgl. Strandmann, in: IGPS, S. 232ff.). 28 Vgl. Blaich, S. 269ff.. 29 Vgl. Bruch, Wissenschaft, S. 194f.. 30 Vgl. Lindenlaub, Richtungskämpfe, S. 239ff., 260ff.. 31 ZStA II, Rep. 92/Schmoller, Nr. 130b, Bl. 87vf., Schmoller an Knapp am 14.2.1910. 32 Vgl. Marianne Weber, S. 408ff.. 33 Vgl. Weber, Wirtschaft, S. 124ff., 551 ff., 830ff.. 34 ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/4, Bl. 85, M. Weber an Gnauck-Kühne am 15.7.1902 (AS). 35 Weben Wirtschaft, S. 574. 36 Vgl. dazu W. R. Krabbe, Munizipalsozialismus und Interventionsstaat, in: GWU, Jg. 30, 1979, S. 265-283. 37 Sch.VfS, Bd. 132, S. 242f.. 38 Zu Delbrück vgl. A. Hillgruber, Hans Delbrück, in: DtHist, Bd. 4, S. 40-52; Bruch, Wissenschaft, S. 271 ff.. 39 E. Kehr, Die Diktatur der Bürokratie, in: ders., Primat, S. 244-253, hier S. 244. 40 Sch.VfS, Bd. 132, S. 258. 41 Vgl. ebd., S. 259ff.. 42 Vgl. bes. ebd., S. 260. 43 Ebd., S. 286f. - vgl. dazu auch den Vergleich von J . Kocka, Otto Hintze, Max Weber und das Problem der Bürokratie, in: HZ, Bd. 233, 1981, S. 65-105. 44 Ebd., S. 295ff.. 45 Lindenlaub, Richtungskämpfe, S. 313; F. Zunkel, Industrie und Staatssozialismus. Der Kampf um die Wirtschaftsordnung in Deutschland 1914/18, Düsseldorf 1974, S. 52. 46 1898 beklagte Schulze-Gävernitz "das Übermaß an Staatseinmischung und die ... Gewohnheit bei jedem Mißstande nach Staatshilfe zu schreien." (Schulze-Gävernitz, Handelspolitik, Nr. 22, S. 314). 47 Vgl. Κ. Ε. Born, Arthur Graf Posadowsky-Wehner (1845-1932), in: Männer der deutschen Verwaltung, Köln 1963, S. 211-228; ders., Sozialpolitik, S. 166ff., 177ff..

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48 Vgl. J . C. G. Röhl, Beamtenpolitik im Wilhelminischen Deutschland, in: KD, S. 287-311; Wehler, Kaiserreich, S. 72ff., 126ff; Bruch, Wissenschaft, S. 436ff.. 49 G. v. Schulze-Gävernitz, Rez.: W. Rathenau, Zur Kritik der Zeit, in: FZ, Nr. 108 v. 19.4.1912. 50 Er sah in der theoretisch anspruchslosen, eher feuilletonistischen Arbeit Rathenaus (vgl. W. Rathenau, Zur Kritik der Zeit, in: RGSch, Bd. 1) eine gute Ergänzung Sombarts. Besondere Zustimmung fand die Ansicht Rathenaus, der deutsche Kapitalismus stelle gegenüber dem englischen eine höhere Stufe dar, was wiederum die Flottenrüstung erfordere. (vgl. Schulze-Gävernitz, Kritik.). 51 "R.[athenau], der Capitalist und Nationalökonom [!] ist - überwirtschaftlich eingestellt; Vertreter des deutschen Neuidealismus; Führer unserer Jugend in das Land der Kommenden Dinge. Er hebt ab auf Gesinnung u. wurzelt in religiöser Grundstimmung." (Und, als Ergänzung: "die Ziele Kants und Fichtes die Mittel des Großbetriebes u. des Finanzkapitals" ("Finanzkapital" gestrichen und dafür "Weltwirtschaft"). (BA/MA, Ν 523/ν.20, Vortragsdispositionen vom 24., 28. u. 30.6.1922). 52 Vgl. Sch.VfS, Bd. 132, S. 261. 53 Vgl. F. Böse, Geschichte des Vereins für Sozialpolitik 1872 - 1932 (Sch.VfS, Bd. 188), Berlin 1939, S. 135ff.. 54 ZStA II, Rep. 92/Schmoller, Nr. 130b, Bl. 87vf, Knapp an Schmoller am 14.2.1910. 55 Vgl. Kapitel VI.l. 56 Vgl. Böse, S. l00ff., W. A. Jöhr, Konjunktur, in: HSW, Bd. 6, S. 97-114 - Für die Nachkriegszeit vgl. Krohn, Wirtschaftstheorien, S. 98ff.. 57 Vgl. Pienge, Marx, S. 151ff.. 58 Vgl. Pienge, System, S. 11 ff. und Plenges Graphik ebd., S. 40 - vgl. auch die kritische Würdigung durch Linhardt ebd., S. 37ff.. 59 Vgl. H. Reinhardt u. H. Peter, Ökonomischer Kreislauf, in: HSW, Bd. 6, S. 348357, hier S. 349. 60 Pienge, System, S. 15. 61 Vgl, ebd., S. 30f.. 62 Vgl. J. Pienge, Rez.: O. Karmin, Zur Lehre von den Wirtschaftskrisen, Heidelberg 1905, in: ZfGS, Jg. 62, 1906, S. 155-159, hier S. 157f.. 63 Vgl. Pienge, System, S. 22L 64 vgl. A. Spiethoff, Vorbemerkungen zu einer Theorie der Überproduktion, in: Sch.Jb, Bd. 26, 1902, S. 721-759; ders., Die Krisentheorien von M. Tugan-Baranowsky und L. Pohle, ebd., Bd. 27, 1903, S. 679-708; ders., Krisen, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4. Aufl. Jena 1925, Bd. 6, S. 8-91 mit weiteren Verweisen auf die zeitgenössische Literatur. Pienge selbst nannte neben Spiethoff noch Eulenburg. (vgl. Pienge, System, S. 8) - vgl. auch G. Clausing, A. Spiethoffs wissenschaftliches Lebenswerk, in: Montaner, S. 247-276, der zu Recht auf Spiethoffs vermittelnde Stellung zwischen Historischer Schule und theoretischer Wirtschaftswisenschaft abhebt. 65 Vgl. J . A. Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung (1911), 6. Aufl. Berlin 1964, S. 318ff.; ders., Konjunkturzyklen. Eine theoretische, historische und statistische Analyse des kapitalistischen Prozesses, 2 Bde., Göttingen 1961 - vgl. auch H. Linhardt, Zur gegenwärtigen Problematik und literarischen Bearbeitung der Organisation und Propaganda, in: ders. (Hg.), Johann Plenges Organisations- und Propagandalehre, Berlin 1965, S. 5-59, hier S. 24f. - Zu Schumpeter vgl. J . Werner, Das Verhältnis von Theorie und Geschichte bei Joseph A. Schumpeter, in: Montaner, S. 277-295; G. Hardach,]. A. Schumpeter, in: DtHist, Bd. 6, S. 55-68. 66 J . Pienge, System, S. 32. 67 ebd., S. 34. 68 ebd., S. 33. 69 Pienge, Diskontpolitik, S. 47.

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70 Vgl. Bücher, Entstehung; Schulze-Gävernitz, Wirtschaftswissenschaften, S. 416 vgl. auch H. Kellenbenz, Wirtschaftsstufen, in: HSW, Bd. 12, S. 260-269, hier S. 266. 71 Schulze-Gävernitz, Wirtschaftswissenschaften, S. 413. 72 Eine Erwartung, die ja auch Naumann, Max Weber, sein Bruder Alfred u.a. teilten, obwohl sie das vermeintliche Fatum perhorreszierten. 73 E. Jaffé, Die Militarisierung unseres Wirtschaftslebens. Prinzipielle Änderungen der Wirtschaft durch den Krieg, in: ASS, Bd. 40, 1915, S. 511-547, hier S. 537f.. 74 E. Jaffé, Das theoretische System der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, in: ASS, Bd. 44, 1917, S. 1-18, hier S. 17. 75 E. Jaffé, Weltmarktswirtschaft oder geschlossene Nationalwirtschaft, in: ESWZ, Jg. 1, 1916, S. 146. 76 E. Jaffé, Militarisierung, S. 535. 77 E. Jaffé, Der treibende Faktor in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, in: ASS, Bd. 40, 1915, S. 3-29, S. 9. 78 Ebd., S. 12. 79 Ebd., S. 10. 80 Vgl. ebd., S, 12ff.. 81 Ebd., S. 24. 82 Zur Unterscheidung von Kartell und Trust vgl. T. Wessels, Unternehmungszusammenschlüsse, in: HSW, Bd. 10, S. 552-565, hier S. 562. 83 Vgl. E. Jaffé, Entwicklungstendenzen der deutschen Volkswirtschaft. Festrede zum 25jährigen Regierungsjubiläum Wilhelm IL, in: Bericht der Handelshochschule München über das Studienjahr 1912/13, München 1913, S. 90-105, hier S. 93ff.. 84 E. Jaffé, Volkswirtschaft und Krieg, Tübingen 1915, S. 20. 85 Jaffé, Militarisierung, S. 538f.. 86 Bei Schulze-Gävernitz entstehe der Eindruck, so Jaffé, "als ob die protestantische Ethik aus sich heraus das ganze System des Kapitalismus geschaffen ... habe." (Jaffé, Faktor, S. 4). 87 Vgl. Marx, Das Kapital, Bd. 3, in: MEW, Bd. 25, S. 221ff.. 88 Vgl. Ρ. Μ. Sweezy, Theorie der kapitalistischen Entwicklung, 4. Aufl. Frankfurt 1974, S. 129ff., 320ff.; G. H ardach u. D. Karras, Sozialistische Wirtschaftstheorie, Darmstadt 1975, S. 5lff.. 89 Vgl. Krohn, Wirtschaftstheorien, S. 87ff.. 90 Jaffé, Entwicklungstendenzen, S. 100. 91 Jaffé, Faktor, S. 25. 92 Jaffé, Entwicklungstendenzen, S. 102. 93 Vgl. Medick, in: OK, S. 72ff.; H.-J. Puhle, Der Übergang zum Organisierten Kapitalismus in den USA, ebd., S. 172-194, hier S. 174ff.; Kocka/Siegrist, in: RuEG, S. 90ff.. 94 J . Plenge, Aus dem Leben einer Idee. Begleitwort zur Denkschrift über den Ausbau einer Unterrichtsanstalt zur Ausbildung praktischer Volkswirte, Münster 1915, S. 103f.. 95 Plenge, Zukunft, S. 435. 96 Vgl. ebd., S. 431ff.. 97 Vgl. ebd., S. 481 ff.. 98 Ebd., S. 439. 99 Ebd., S. 472. 100 Vgl. ebd., S. 491ff. 101 Im Gegenteil, gerade für die "Praxis des Versuchs" sei der "gründlichste Pessimismus zu empfehlen." (ebd., S. 485). 102 1891 hatte er auf die Frage des Engländers Tom Mann geantwortet: "Berechtigung partieller Munic.[ipalisierung] bes. von Monopolbetrieben, Wahnsinn an die großen Stapelindustrien Englands zu rühren." (ΒΑ, Ν1 1/56, fol. 58, Schulze-Gävernitz an Brentano am 29.7.1891).

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Schulze-Gävernitz. Marx, S. 47. Vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Der Kalibergbau, in: Breisgauer Zeitung, Nr. 99 v. 29.4.1913 - vel. auch Blaich, S. 159. 105 Jaffé, Entwicklungstendenzen, S. 101. 106 Vgl. E. Jaffé, Die Reformbestrebungen im englischen Bankwesen, in: BAr, Jg. 12, 1913, S. 377-385; ders., Die endgültige Regelung der amerikanischen Bankgesetzgebung, ebd., Jg. 13, 1914, S. 177-181, hier bes. S. 181. 107 Jaffé, Entwicklungstendenzen, S. 101. 108 Vgl. ebd., S. 102. 109 ebd., S. 104. 1,0 Wehler, in: OK, S. 44. 111 Jaffé hatte über das englische Bankwesen promoviert. (vgl, E. Jaffé, Das englische Bankwesen, Leipzig 1904) Schulze-Gävernitz absolvierte, schon berufen, noch ein Bankpraktikum. (vgl. UB BN, Nl Beckerath, S 2772, Schulze-Gävernitz an Beckerath am 15.12.1896) - Zum deutschen Bankwesen vor 1914 vgl. J . Riesser, Die deutschen Großbanken und ihre Konzentration, 3. Aufl. Jena 1910; Κ. Ε. Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1977, S. 321ff.. 112 Vgl. UB L, Nl 181, Plenge an Bücher am 28.7.1898 - vgl. dazu R. Liefmann, Beteiligungs- und Finanzierungsgesellschaften, 1. Aufl. Jena 1909, bes. S. 290ff.; Riesser, Großbanken, S. 541. 113 Vgl. dazu Born, Geld, S. 135ff., 151ff.. 114 J . Plenge, Gründung und Geschichte des Credit Mobilier, Tübingen 1903, S. 34. 115 K. Borchardt, Währung und Wirtschaft, in: WWD, S. 3-55, hier S. 52. 116 Vgl. ebd., S. 46ff.. 117 Plenge, Diskontpolitik, S. 3. 118 Vgl. ebd., S. 36ff., 49. 119 Vgl. ebd., S, 57ff.. 120 Ebd., S. 13. 121 Vgl. ebd., S. 74ff.. 122 Vgl. ebd., S. 14ff. 103

104

123

Vgl. ebd., 104, 115f..

Ebd., S. 33f.. J . Plenge, Rez.: O. Schwarz, Diskontpolitik, Leipzig 1911, in: ZfGS, Jg. 68, 1912, S. 548-555, S. 549. 126 Vgl. Plenge, Diskontpolitik, S. 50ff.. 127 Ebd., S. 184. 128 Ebd., S. 187 129 Vgl. Plenge, Rez.: Schwarz, S. 550. 130 Ebd. S. 548. 131 M. Weber, Wirtschaft, S. 107. 132 Plenge gehörte mit J . Riesser, Finanzielle Kriegsbereitschaft und Kriegsführung, 2. Aufl. Jena 1913, zu den wenigen Autoren, die sich mit ökonomischen Kriegsvorbereitungen beschäftigten. In Erwartung eines kurzen Krieges wurde das Problem nachlässig behandelt. (vgl. L. Burchardt, Friedenswirtschaft und Kriegsvorsorge. Deutschlands wirtschaftliche Rüstungsbestrebungen vor 1914, Boppard 1968, S. 78ff., 174ff., 245ff.) Nach Plenge sollte die zu schaffende Zentralbankliquidität die Ausgabe von 4,2 Mrd Mark Papiergeld erlauben, ein nach damaligen Vorstellungen ungeheurer Betrag. Daneben sah Plenge die Devisenbewirtschaftung durch die Reichsbank, Moratorien, zirkulationsfähige Kriegsanleihen u.a. vor. (vgl. Plenge, Diskontpolitik, S. 315ff.) - vgl. auch H. Haller, Die Rolle der Staatsfinanzen für den Inflationsprozeß, in: WWD, S. 115-155, hier S. 115ff.. 133 Vgl. Haller, in: WWD, S. 121ff„ 134 UB BI, Nl Plenge, Plenge an Hänisch am 6.12.1917. 124

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135 Mit Recht verweist Linhardt auf die "Diskontpolitik" als Beispiel der grundsätzlich verkehrswirtschaftlichen Orientierung Plenges. (vgl. Linhardt, Organisationslehre, S. 14f.) Gerade die "Diskontpolitik" galt nämlich auch Plenge als "durchgeführtes Beispiel meiner Methode." (UB BI, Nl Plenge, Plenge an Buff am 25.5.1916) - vgl. ebenso auch R. Stucken, Von der Diskontpolitik zur Herrschaft über den Geldmarkt. Zu J . Plenges gleichnamigen Werk, in: FA, NF, Bd. 15, 1954, S. 17-20; W. Koch, Prognose eines werdenden Wirtschaftssystems. Zum 75. Geburtstag von J . Plenge, ebd., Bd. 11, 1948/49, S. 601-619, hier bes. S. 602f. - Dagegen erscheinen Bemerkungen Hayeks über den "marxistischen Gelehrten" Plenge und den "echt sozialistischen Charakter der Überzeugungen, von denen er ausging," recht fragwürdig. (vgl. F. A. Hayek, Der Weg zur Knechtschaft (engl. 1944), München 1976, S. 176f.). 136 G. v. Schulze-Gävernitz, Die deutsche Kreditbank, in: M. Weber (Hg.), Grundriß der Sozialökonomik, 5. Abt., T. 2 (Kreditwesen), Tübingen 1915, S. 12. 137 Soweit sie sich "von den Schulfesseln lösen konnten," stimmten die "Jüngeren" der Bejahung der Großbanken als machtpolitische Instrumente zu. (Adolf Weber, Rez.: Grundriß der Sozialökonomik, Bankwesen, in: ASS, Bd. 42, 1916/17, S. 230-236, hier S. 230.). 138 A. Wagner, Der Kredit und das Bankwesen, in: G. Schönberg (Hg.), Handbuch der politischen Ökonomie, 4. Aufl. Tübingen 1896, Bd. 1, S. 413-550, hier S. 462, 500. 139 Vgl. Borchardt S. 16, 50f.; P.-C. Witt, Die Finanzpolitik des deutschen Reiches 1903 - 1913, Lübeck 1970, S. 194ff.. 140 Vgl. Schulze-Gävernitz, Handelspolitik, Nr. 24, S. 348. 141 Plenge warnte vor der Instrumentalisierung der Notenbank zugunsten bestimmter Gruppeninteressen. (vgl. Plenge, Rez.: Schwarz, S. 550) Der auch vom Bankiersgewerbe als Fachmann geschätzte Jaffé (vgl. GLA, 235/2129, Philosophische Fakultät Heidelberg an das Badische Kultusministerium am 23.11.1908) mahnte: Hätten früher die Agrarier die Reichsbank zu vereinnahmen versucht, so erstrebten dies jetzt die Kreise der Rechten und Mittelständler, um die "fortschreitende Entwicklung Deutschlands ... zum Industriestaat ... möglichst einzuschränken;" Vertreter dieser konservativen Richtung sei u.a. Wagner, der die Trennung des Bankwesens nach englischen Muster und die Errichtung einer Reichsdepositenbank anstrebe. (vgl. E. Jaffé, Die Novelle zum Bankgesetz, in: BAr, Jg. 8, 1909, S. 177-181) 142 Vgl. Schulze-Gävernitz, Kreditbank, S. 146; Plenge, Credit, S. 79f.; ders., Leben, S. 102f.. 143 Schulze-Gävernitz, Kreditbank, S. 145f. - vel. auch Lenin, in: LW, Bd. 22, S. 309. 144 A. Weber, Rez.: Bankwesen, S. 234f.. 145 Schulze-Gävernitz, Kreditbank, S. 81, 177 - Wie Plenge betonte er die gesamtwirtschaftliche Steuerungsfunktion der Zentralbank. (vgl. ebd., S. 146ff.). 146 S. Heiander, Theorie der Zentralisation im Notenbankwesen, Jena 1916, S. 135; Schulze-Gävernitz, Wirtschaftswissenschaft, S. 413f.. 147 Vgl. E. Jaffé, Die Ursachen der letzten Geldteuerung und die Bankenenquete, in: DWZ, Jg. 4, 1908, S. 582-590, 625-639, hier S. 585ff., 625ff.. 148 Vgl. Schulze-Gävernitz, Kreditbank, S. 179ff.. 149 Vgl. RT/Ber., Bd. 285, S. 2200f.. 150 Vgl. Schulze-Gävernitz, Kreditbank, S. 15lff.. 151 "Der homo oeconomicus britischen Gepräges zieht sich auf das Altenteil zurück, der Beamte preußisch-deutscher Vergangenheit ergreift an seiner Stelle die Zügel ... . Die Männer an der Spitze unserer Riesenbetriebe stehen nicht viel anders zu ihrem Institut als der Minister zum Staate ... ." (ebd., S. 143). 152

Ebd.. S. 144

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Vgl. Hegel, in: HW, Bd. 7, S. 461ff.. Schulze-Gävernitz, Kreditbank, S. 149.

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155 Vgl. J . Kockay Industrielles Management. Konzeptionen und Modelle in Deutschland vor 1914, in: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Jg. 56, 1969, S. 332-372. 156 Vgl. J . Kocka, Vorindustrielle Faktoren in der deutschen Industrialisierung. Industriebürokratie und 'neuer' Mittelstand, in: KD, S. 265-286; ders., Die Angestellten in der deutschen Geschichte 1850-1980, Göttingen 1981, S. 70ff., 77ff.. 157 Vgl. J . Kocka, Unternehmer in der deutschen Industrialisierung, Göttingen 1975, S. 89ff, 115ff. 158 W. Rathenau, Von kommenden Dingen (1916), in: RGSch, Bd. 3, S. 153, 155. 159 Vgl. auch J . Plenge, Altersreife, S. 97. 160 "Der aufbauende Sozialismus aber ist der Sozialismus der sozialen Funktionäre, jenes neuen Beamtentums, das wir mit der Organisation des Wirtschaftslebens entstehen sehen. Dieses neue Beamtentum ist die aufsteigende Schicht. Im Großbetrieb und in den Interessenvertretungen, in den Vereinen der organisierten Arbeiter, sogar im Staate selbst bildet sich dieser neue Typ der Organisatoren mit weitem gesellschaftlichem Blickfeld ... . Schwankend zwischen den Herrengewohnheiten des kapitalistischen Unternehmers und dem Klassenstandpunkt eines auf den Löhnerstandpunkt heruntergedrückten geistigen Proletariates, sehr viel Unteroffizierston, ... und die ständige Gefahr, in die genügsame Schwerfälligkeit der autoritativen Bureaukratie zu verfallen, das ist ... das gegenwärtige Bild dieser Schicht, auf der unsere soziale Zukunft beruht." (Plenge, Marx, S. 180f.). 161 Vgl. J . Burnham, Das Regime der Manager (am. 1941), Stuttgart 1951, bes. S. 9lff., 136ff.. 162 Marx, in: MEW, Bd. 25, S. 400 - vgl. UB HB, MS.b.258: Nr. 3a, Plenge an Freudenthal am 8.9.1950. 163 Vgl. J . Plenge, Ein tödlicher Widerspruch im Marxismus, in: FA, NF, Bd. 12, 1950/51, S. 389-392. 164 Vgl. Burnham, S. 219. 165 UB HB, MS.b.258: Nr 3a, Plenge an Gross am 23.5.1950 (Hervorhebung von mir!). 166 Vgl. Lenin, in: LW, Bd. 22, S. 222, ^3üL. 167 Vgl. F. Neumark, Die Finanzpolitik in der Zeit vor dem I. Weltkrieg, in: WWD, S. 57-111, hierS. 81f.. 168 Die einseitige Begünstigung der Großagrarier, der Schwerindustrie und des Besitzbürgertums (vgl. Neumark, S. 59, 84) sowie der zähe Widerstand der Konservativen gegen direkte Reichssteuern brachte die durch ehrgeizige Rüstungsprojekte strapazierten Reichsfinanzen in eine desolate Lage. Eine Konsolidierung konnte letztlich nur durch direkte Steuern erreicht werden, wie Sozialdemokraten und Liberale sie forderten. Bülows Plan, im Rahmen der Blockpolitik die Anhebung der Verbrauchssteuern mit neuen direkten Steuern zu verbinden und damit eine mittlere Linie einzuschlagen, hatte zunächst wenig Aussicht. (vgl. Witt, Finanzpolitik, S. 94ff.) 1908 trat er die Flucht in die Öffentlichkeit an. 169 Vgl. Witt, Finanzpolitik, S. 217ff., 258f.. 170 Vgl. die Zusammenstellung der 'inspirierten' und 'nicht-inspirierten' Schriften ebd., S. 399ff.. 171 Vgl. ebd., S. 209, 233, 279; H. Teschemacher, Reichsfinanzreform und Innere Reichspolitik 1906 - 1913. Ein geschichtliches Vorspiel zu den Ideen von 1914, Berlin 1915, S. 58ff.. 172 G. v. Schulze-Gävernitz, Die englisch-deutschen Beziehungen und die Reichsfinanzreform, in: Evangelisch-Sozial, Folge 18, 1909, S. 180-183, hier S. 183. 173 Witt subsumierte diese Rede und seine Schrift "England und Deutschland" unter die 'inspirierten' Schriften.

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174 Vgl. Witt, Finanzpolitik, S. 227ff. - Das Projekt scheiterte zwar, trotzdem war die Belastung der Kapitalgesellschaften in Preußen auch so schon relativ hoch. (vgl. Neumark, in: WTO, S. 95). 175 G. v. Schulze-Gävernitz, Gesellschaftssteuern?, Berlin 1909, S. 6f.. 176 Vgl. Witt, Finanzpolitik, S. 299ff.. 177 Vgl. Schulze-Gävernitz, Weltlage. 178 Vgl. Witt, Finanzpolitik, S. 356ff.; Neumark, in: WWD, S. 91 f.. 179 Jaffé, Ursachen, S. 632. 180 Ebd., S. 633. 181 Vgl. J . Plenge, Die Finanzen der Großmächte, in: ZfGS, Jg. 64, 1908, S. 713-775; ders., Rez.: P. Laband, Direkte Reichssteuern, Berlin 1908, ebd., S. 569-573; ders., Rez.: R. v. Borght, Die Entwicklung der Reichsfinanzen, ebd., S. 180ff. - Mit dem Geheimen Oberfinanzrat Schwarz lieferte sich Plenge ein Presseduell in: Preußisches Verwaltungsblatt, Jg. 30, 1908, S. 89-91, 126f.; mit Ballod in: JNS, 3.F., Bd. 36, 1908, S. 811-825, Bd. 37, 1909, S. 233-247, 248-255; mit dem Leiter des Statistischen Landesamtes Braunschweig, Zahn - den Plenge einen "neudeutschen Karrierepatrioten" nannte (vgl. Plenge, Finanzen, S. 773) in: Annalen des Deutschen Reiches für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft, Bd. 42, 1909, S. 272-295, 619-634, 634-641 - vgl. auch Witt, Finanzpolitik, S. 223f.. 182 Vgl. J . Plenge, Zur Diagnose der Reichsfinanzreform, in: ZfGS, Jg. 65, 1909, S. 288-337. 183 Vgl. ebd. S. 322; K. Rösler, Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg, Berlin 1967, S. 29ff.. 184 Vgl. H. Dietzel, Kriegssteuern oder Kriegsanleihe?, Tübingen 1912 - vgl. dazu Hailer, in: W D , S. 117ff.. 185 Vgl. Neumark, in: WWD, S. 109. 186 Plenge, Finanzen, S. 755. 187 Plenge betonte die "nahen persönlichen Beziehungen" zu Teschemacher und seine "Übereinstimmung in der Grundauffassung." (UB BI, Nl Plenge, Habilitationsreferat Teschemacher). 188 Über dem aristokratischen Staatsverständnis der Rechten und die "blinde Bewunderung für idealisierte westeuropäische Verfassungsformen" auf der Linken sei die Reform gescheitert. Man habe den "neuen Staatstypus" nicht erkannt, der sich in Deutschland herausgebildet habe: das "System einer selbständigen, objektiven und wissenschaftlich gebildeten Beamtenregierung ... neben dem im wesentlichen kontrollierenden und beratenden demokratischen Parlament." (Teschemacher, Finanzreform, S. 88f.). 189 "Im übrigen brauch ich Ihnen kaum zu sagen, wie sehr ich in allem Wesentlichen mit dem Inhalt Ihrer verschiedenen Aufsätze übereinstimme." (UB BI, Nl Plenge, M. Weber an Plenge am 5.6.1909) Auch später blieb Plenge für Max Weber einer "der besten konstruktiven Analytiker der hochkapitalistischen Wirtschaft" und "konstruktiven Sozialhistoriker von ungewöhnlicher Begabung," wie er in einem Schreiben an die Wiener Fakultät formulierte, in dem er Plenge nach dem euphorisch gefeierten Schumpeter zur Berufung empfahl. ( ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/13, BI. 27ff., M. Weber an die Wiener Fakultät o.D.). 190 Blaich, S. 74ff., 185ff.; L Baumgart u. H. Benneckenstein, Der Kampf des deutschen Finanzkapitals in den Jahren 1897 bis 1914 für ein Reichspetroleummonopol, in: JbW, Jg. 1980, T. 2, S. 95-120 - Zum Gesamtkomplex Erdölpolitik vgl. U. Brack, Deutsche Erdölpolitik vor 1914, Diss. Hamburg 1977, bes. S. 297ff.; die zeitgenössische Literatur zum Monopolprojekt kommentiert T. Vogelstein in: ASS, Bd. 36, 1913, S. 577-584. 191 Vgl. RT/AnL, Bd. 278, S. 4081; RT/Ber. Bd. 265, S. 5494. 192 Vgl. RT/Anl, Bd. 300, Nr. 544 m. Anl. - vgl. auch Blaich, S. 196ff..

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Petroleum-Monopol, in: ASS, Bd. 36, 1913, S. 488-505, hier S. 491. RT/Ber., Bd. 286, S. 2673. 195 Vgl. Brack, S. 351 ff.. 196 Vgl. RT/Ber., Bd. 286, S. 2633. 197 Vgl. ebd., S. 2639 - So einfach 'staatssozialistisch' war die Haltung der Sozialdemokratie letztlich nicht. Im allgemeinen begrüßte sie die Kapitalkonzentration als Symptom des Strukturwandels zum Sozialismus. Im konkreten Fall prangerte die Reichstagsfraktion den Marktmißbrauch auf Kosten der breiten Massen an, (vgl. Blaich, S. 209ff). 198 RT/Ber., Bd. 286, S. 2639. 199 Ebd., S. 2644. 200 Vgl. ebd., S. 2640. 201 Ebd., S. 2647 - Wurm setzte die Argumentation Barths und Schippeis aus der Petroleum-Debatte von 1897/98 fort. (vgl. Blaich, S. 83ff.). 202 Vgl. RT/Ber., Bd. 286, 2646f.. 203 Vgl. ebd., S. 2640. 204 Vgl. ebd., S. 2645. 205 Ebd., S. 2650 - vgl. auch Erzberger und Trendel ebd., S. 2678ff., 2685ff.. 206 Blaich, S. 231 - Zur Haltung der Nationalliberalen vgl. RT/Ber., Bd. 286, S. 2652ff.. 207 ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.21, Schulze-Gävernitz an seine Mutter am Donnerstag. 208 Vgl. dazu Brack, S. 370ff.. 209 RT/Ber., Bd. 286, S. 2655ff.. 210 Vgl. Brack, S. 418ff. 211 RT/Ber., Bd. 286, S. 2660. 212 Vgl. ebd., S. 2660ff., 2665ff.. 213 Vgl. RT/Anl. Bd. 302, Nr. 1058, S. 1868. 214 Schulze-Gävernitz an seine Mutter, a.a.O.. 215 Vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Rückblick und Ausblick in der Leuchtölfrage, in: Petroleum, Jg. 9, 1913, S. 17-19, hier S. 18; ders., Das Leuchtölmonopol, in: Breisgauer 193

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Zeitung ν 1.3 1913

Vgl. Kestner, S. 388. RT/Ber., Bd. 286, S. 2674. 218 Vgl. Blaich, S. 203f.. 219 Vgl. RT/Anl., Bd. 302, S. 1889. - Die Sozialdemokratie votierte seit der Jahr­ hundertwende nicht mehr für die Verstaatlichung der Reichsbank, da sie, wie die Liberalen und das Zentrum, in diesem Fall ihre Instrumentalisierung durch die Agrarier zu Lasten von Industrie und Bevölkerung befürchtete. (vgl. Borchardt, in: W D , S. 16). 220 Vgl. RT/Anl., Bd. 302, S. 1912ff, - Zu den Kommissionsverhandlungen vgl. auch Brack, S. 466ff.. 221 Vgl. ZStA I, 01.01., Nr. 383, Bl. 86, 89v - Zur Haltung des Mittelstandes vgl. Brack, S. 397ff.. 222 Vgl. ZStA I, 01.01., Nr. 383, Bl. 108ff.. 223 Vgl. Schulze-Gävernitz, Rückblick, S. 19; Baumgart/Benneckenstein, S. 117ff.. 224 Vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Der Neubau der Weltwirtschaft (Vereinsschriften der Deutschen Weltwirtschaftlichen Gesellschaft, H. 7), Berlin 1918, S. 11. 225 Vgl. RT/Ber., Bd. 294, S. 8001 ff.; Blaich, S. 205f. 226" In dem Kampf gegen Pnvatmonopole müssen wir Sozialdemokraten in der vordersten Reihe stehen. Wir haben das schon bewiesen bei der Mitarbeit an dem Versuch der Reichsregierung, das Monopol des Erdölkönigs Rockefeiler ... in Deutschland zu brechen. ... Während wir dem Reich gewaltige wirtschaftliche Kräfte zuweisen, fordern wir gleichzeitig Anteil des Volkes an der Verwaltung. Um überhaupt demokratische Ausgestaltung der neuen Institutionen, denn wir wollen nicht aus dem Regen der Kapi216 217

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talisten in die Traufe der Bürokraten kommen." (Frank, S, 343) - Ähnlich auch E. Bernstein, Von der Sekte zur Partei, Jena 1911, S. 46ff.. Vgl. H. Nußbaum, Versuche zur reichsgesetzlichen Regelung der deutschen Elektrizitätswirtschaft und zu ihrer Überführung in Reichseigentum 1909 - 1914, in: JbW, Jg. 1968, T, 2, S. 117-203; Blaich, S. 175ff.. Kapitel V Vgl. Sch.VfS, Bd. 125. Vgl. Plenge, Leben, S. 83ff.. 3 Vgl. H. Kellenbenz, Handelshochschulen, Betriebswirtschaft, Wirtschaftsarchive, in: Tradition, Jg. 10, 1965, S. 301-309. 4 Plenge, Diskontpolitik, S. 358 5 J . Plenge, Eine Kriegsvorlesung über Volkswirtschaft. Das Zeitalter der Volksgenossenschaft, Berlin 1915, S. 9f. 6 Plenge, Leben, S. 13f., 15. 7 Vgl. Plenge, Kriegsvorlesung, S. 12. 8 Plenge, Leben, S, 15. 9 Vgl. Plenge, Kriegsvorlesung, S. 20. 10 Ebd., S. 22. 11 "..., daß der deutsche akademische Nationalökonom seinen Weg so völlig unabhängig gehen soll, daß er bei der Arbeiterschaft innerlich ebenso zu Hause ist, wie beim Unternehmertum, daß er nach beiden Seiten frei und offen sprechen kann und nach beiden Seiten gemeinsame Ziele findet und gemeinsame Aufgaben nachweist." (J. Plenge, Die Revolutionierung der Revolutionäre, Leipzig 1918, S. X). 12 Vgl. Plenge, Leben, S. 100f.. 13 Vgl. ebd., S. 107ff.. 14 Vgl. ebd., S. 113; ders., Diskontpolitik, S. XV. 15 Vgl. Krohn, Wirtschaftstheorien, S. 99. 16 Vgl. Plenge, Leben, S. 42; UB BI, Nl Plenge, Plenge an Elster am 21.12.1913. 17 Die in Plenges Nachlaß (UB BI) noch vorhandenen Protokollbücher vermitteln ein anschauliches Bild des neuen Unterrichtsstils: Zeitungsstudium, Betriebsbesichtigungen, Vorträge von Kaufleuten und industriellen Praktikern stehen neben Spekulationen über die historische Bedeutung der Kriegsorganisation und der Ideen von 1914. 18 Vgl. Plenge, Leben, S. 49f.. 19 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Korrespondenz Plenge - Springorum vom Frühjahr 1914, Plenge an Beumer am 23.5,1914 u. an Elster am 24. 5.1914. 20 J . Plenge, Die Vorbildung der Volkswirte, in: Die Konjunktur, H. 30 v. 4.6,1914. 21 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Gruppe Nordwest an Plenge am 26.5.1915. 22 Vgl. ebd., Plenge an Gruppe Nordwest am 27.5.1915. 23 Plenge, Leben, S. 3. 24 Vgl. J , Plenge, Über den Ausbau einer Unterrichtsanstalt für die Ausbildung praktischer Volkswirte. Denkschrift für die Nordwestliche Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller, Münster 1915, S. 4f.. 25 Vgl. ebd., S, 6f. - Die Fakultät scheint den Plänen unverbindlich zugestimmt zu haben, wünschte aber eine stärkere Anbindung der Anstalt an die Universität, (vgl. UB BI, Nl Plenge, AS einer Stellungnahme der Staats- und Rechtswissenschaftlichen Fakul tät Münster). 26 Sie sollte in acht Unterabteilungen gegliedert werden: 1. Technologie und Industrielehre, 2. Agrarwesen, 3. Privatwirtschaftslehre, 4. Kartelle und Verbandswesen, 5. Industrierecht, 6. Arbeiterfragen und Sozialpolitik, 7. Kredit und Bankwesen, 8. Verkehrswesen. (vgl. Plenge, Ausbau, S. 8). 1

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Vgl. Plenge, Ausbau, S. 7ff. Vgl. ebd., S. 11 ff.. 29 Vgl. Plenge, Leben, S. 116f.; UB BI, Nl Plenge, Plenge an Strecker am 6.9.1915. 30 Vgl. ZStA II, Rep. 76, Va, Sekt. 13, Tit. X, Nr. 19, Bd. 1, BL 93ff., lllff., Kultusminister an Finanzminister am 25.6.1914 u. an Universitätskurator am 26.6.1914. 31 Als das Kultusministerium im April 1915 Etatskürzungen in Aussicht stellte, sagte Plenge Lehrveranstaltungen ab und beschwerte sich bei der Gruppe Nordwest über den Minister. (vgl. Plenge, Leben, S. 118f.; UB BI, Nl Plenge, Plenge an Gruppe Nordwest am 9. u. 29.5.1915) Die Absage der Lehrveranstaltungen, die öffentliches Aufsehen erregte, trug Plenge eine Vernehmung durch den Universitätsrichter ein. (vgl. UB BI, Nl Plenge, Vorladung vom 4.5.1915) Ferner wurden ihm zusätzliche Mittel endgültig verweigert, die Finanzierung seines Assistenten storniert und seine Einberufung angekündigt. (vgl. ebd., Trott zu Solz an Plenge am 24.5.1915; ZStA II, Rep. 76, Va, Sekt. 13, Tit. X, Nr. 19, Bd. 1, Bl 205ff.). 32 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Korrespondenz Plenge - Gruppe Nordwest vom L, 2., 4. u. 10.6.1915. 33 Vgl. ebd., Trott zu Solz an Plenge am 3. u. 5.6.1915. 34 Vgl. ebd., Plenge an Trott zu Solz am 4.6.1915. 35 Gegenüber dem Kultusministerium bekundete die Gruppe Nordwest ihr Interesse an den Plänen Plenges, bestritt aber konkrete Zusagen, vorwiegend über die Höhe ihrer Unterstützung. (vgl. ZStA II, Rep. 76, Va Sekt. 13, Tit. X, Nr. 19, Bd. 1, BI. 335ff., Gruppe Nordwest an Kultusminister am 29.5.1915) Immer wieder verschob die Industrie die Verhandlungen, (vgl, UB BI, Nl Plenge, Korrespondenz Plenge - Gruppe Nordwest vom 9., 10. u. 27.7,1915) um Plenge schließlich nur noch eine Unterredung mit Beukenberg anzubieten. (vgl. ebd., Gruppe Nordwest an Plenge am 4.8.1915) Da das Kultusministerium seine Reklamation ablehnte, beklagte Plenge seine mögliche Einberufung. Die Gruppe Nordwest sollte unter Hinweis auf das gemeinsame Projekt seine Freistellung beantragen und Druck auf den Minister ausüben. (vgl. ebd., Plenge an Gruppe Nordwest am 26.7. u. 12.8.1915) Die Gruppe ihrerseits erwähnte Schwierigkeiten bei der Bereitstellung finanzieller Mittel und fragte Plenge, "in welchem Umfange der Staat, den die Sache doch eigentlich angeht, bereit ist, Mittel ... herzugeben." (ebd., Gruppe Norwest an Plenge am 11.8.1915) Seine Reklamation durch die Gruppe wurde ebefalls abgelehnt, da man sich nicht offiziell hinter das Projekt stellen wollte, (vgl. ebd., Gruppe Nordwest an Plenge am 14.8.1915). 36 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Beumer an Plenge am 17.8.1915. 37 Beukenberg hatte der Gruppe Nordwest seine Verwunderung darüber mitgeteilt, daß Plenge während einer Unterredung mit ihm beinahe einen Nervenzusammenbruch erlitten habe, als man ihm telefonisch seine baldige Einberufung avisierte. (Vgl. UB BI, Nl Plenge, Beukenberg an Plenge am 6.3.1919) Zweifellos ein sinistrer Schachzug der von Plenge desavouierten Bürokratie. 38 "Es ist nicht ausgeschlossen, daß wenn Herr Professor Plenge den Unternehmern alle Garantien schafft, wenn er die wertvollen Beziehungen zur Großeisenindustrie, die er schon bisher in seinem Seminar gepflegt hat, weiter entfaltet, daß dann die rheinisch-westfälische Industrie aus den in diesem Jahre so reichlich geflossenen Kriegsgewinnen die paar lumpigen Millionen nach Münster hinwirft, um sich das zu schaffen, was sie bisher durch mühsame Prüfung bei der Bewährung junger Nationalökonomen zu erreichen suchte: eine rheinisch-westfälische Nationalökonomie." (Rheinisch-westfälische Nationalökonomie, in: V, Jg. 32, 1915, Nr. 230 v. 21.8.1915) - Auch die linkssozialistische LVZ polemisierte gegen Plenges Projekt und gegen seine Kritik an Bücher. Während Plenge als Agent des Großkapitals erscheint, wird Bücher als aufrechter Demokrat gefeiert. (vgl, LVZ v. 20.5.1916) 39 Beukenberg an Plenge am 6.3.1919, a.a.O.. 27

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40 Einzig eine Erklärung, daß man Plenges Lehrtätigkeit höher einschätze als seine militärische Verwendung, wurde gewährt, freilich ohne die gewünschte Bezugnahme auf das Projekt. (vgl. UB BI, Nl Plenge, Korrespondenz Plenge - Gruppe Nordwest vom 16., 17., 18.8. u. 14.9.1915) Offensichtlich blieb ihm der Kriegsdienst dann auch erspart. Die Korrespondenz mit der Gruppe Nordwest endet mit der Zusendung des "Begleitwortes", (vgl. ebd., Plenge an die Gruppe Nordwest am 6. u. 7.12.1915) mit dem Plenge sich offiziell von seinem Vorhaben verabschiedete. 41 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Handelsvertragsverein an Plenge am 16.8.1915, Generalkommission der Gewerkschaften an Plenge am 30.8.1915, Paul Rohrbach an Plenge am 12.6.1915, Staatssekretär des Reichsschatzamtes an Plenge am 4.6.1915, Plenge an Bethmann-Hollweg am 26.11.1915, Vizepräsident des Staatsministeriums an Plenge am 6.6.1915, Geheime Kanzlei des Staatsministeriums an Plenge am 17.6.1915. 42 Vgl. Die Mobilmachung der Volkswirtschaftslehre, in: P, Jg. 12, 1915, S. 197f.; Über den Ausbau unserer volkswirtschaftlichen Universitätsseminare, in: DVC, Jg. 40, 1915, Nr. 68; Universität und Volkswirtschaft, ebd., Nr. 71.. 43 Vgl. C. Schmidt, Aktualisierung des ökonomischen Unterrichts, in: SM, Jg. 22, 1916, S. 404f.. 44 "Warum man Ihre Pläne in Berlin abgelehnt hat, ist mir vollständig klar. 'Wir' sind in Berlin Staatssozialisten, und ich vermute, Sie sind es nicht. Als ich zum letzten Male Herrn Unterstaatssekretär Wahnschaffe in der Reichskanzlei besuchte, hing über seinem Schreibtischstuhl noch immer das Bild meines frühren Lehrers Adolf Wagner, ... . 'Wir' halten es heute in Berlin für einen ungesunden Zustand, dass die Volkswirtschaft darauf besteht, Geld zu verdienen." (UB BI, Nl Plenge, Strecker an Plenge am 8.9.1915). 45 Vgl. Plenge, Leben, S. 127. 46 Vgl. ebd., S. 52ff.. 47 Vgl. BA, Nl 210/149, Denkschrift Kurt Wiedenfeld: "Die Ausgestaltung des Staatswissenschaftlichen Seminars der Universität Halle"v. April 1916. 48 Vgl. Adolf Weber, Unser Wirtschaftsleben als Gegenstand des Wirtschaftsunterrichts, Tübingen 1916; ders., Die Breslauer Fachkurse für Wirtschaft und Verwaltung in Anlehnung an die Universität, in: RuW, Jg. 5, 1916, S. 220-222. 49 UB BI, Nl Plenge, Adolf Weber an Plenge am 19.8.1915. 50 Ebd., Plenge an Trott zu Solz am 4.6.1915. 51 Vgl. G. D. Feldman, Army, Industry and Labor in Germany 1914 - 1918, Princeton 1966, S. 123, 127. 52 UB BI, Nl Plenge, Plenge an M. Weber am 11.8.1915. 53 Vgl. ZStA II, Rep. 76, Va, Sekt. 13, Tit. X, Nr. 19, Bd. 1, BI. 405, Elster an Schumacher, Sering u.a.. 54 Schumacher warf Plenge vor, seine Pläne zu sehr am Ruhrgebiet ausgerichtet zu haben. Im übrigen werde ein Großteil seiner Vorschläge an der Handelshochschule Köln bereits praktiziert. Die Art der Finanzierung garantiere darüber hinaus nicht die gebotene Unabhängigkeit von der Schwerindustrie. (vgl. ebd., Bd. 2, BI. 225ff., Gutachten Schumacher vom 19.9.1915) Pohle konzedierte Plenge zwar, die Mängel der bisherigen Ausbildung erkannt zu haben, eine derart weitreichende Reform schien ihm aber nicht geboten. Auch er meinte, die Handelshochschulen könnten einen Teil der geforderten Aufgaben übernehmen. (vgl. ebd., Gutachten Pohle vom 27.9.1915) - vgl. auch UB BI, Nl Plenge, Pohle an Plenge am 1.10.1915. 55 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Plenge an Jastrow am 9.10.1915. 56 Vgl. auch Kapitel I.2. 57 Vgl. K. Bücher, Eine Schicksalsstunde der akademischen Nationalökonomie, in: ZfGS, Bd. 73, 1917, S. 255-293, hier S. 258ff.. 58 Vgl. ebd., S. 264ff..

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59 Vgl. A. Hesse, Der Krieg und die Arbeit der Wirtschaftswissenschaft, in: JNS, 3.F., Bd. 53, 1917, S. 145-162. 60 Vgl. Bücher, Schicksalsstunde, S. 272ff.. 61 Ebd., S. 281f.. 62 Vgl. auch die Anti-Kritik von Harms in: WA, Bd. 12, 1918, T. 1, S. 337-341 und von Adolf Weber und Ehrenberg in: Berliner Tageblatt, Nr. 16 v. 15.1.1918, zit. nach ZStA I, 61 Re 1, PA, Nr. 8550, Bl. 37. 63 Max Weber sah in Büchers Vorstoß den "aussichtslosen Versuch ..., sich einer unvermeidlichen Entwicklung in den Weg zu stellen." (ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/10, BI. 14, M. Weber an die FZ am 4.4.1918 (AS)). 64 Vgl. ZStA II, Rep. 92/Berlepsch, Nr. 30b, Bl. 331, Stimmungsbencht des 'Büros für Sozialpolitik' vom 31.12.1917 - In Zusammenarbeit mit dem Kriegsministerium fertigte das von der 'Gesellschaft für Soziale Reform' eingerichtete Büro während des Krieges laufend Berichte über die Stimmung vor allem in der Arbeiterschaft. (Diese Berichte werden künftig 'Stimmungsberichte' zitiert!) - Zum Büro für Sozialpolitik vgl. auch U. Ratz, Sozialreform und Arbeiterschaft. Die 'Gesellschaft für Soziale Reform' und die sozialdemokratische Arbeiterbewegung von der Jahrhundertwende bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, Berlin 1980, S.71ff., 217ff.. 65 Vgl. PHA/Ber., Bd. 4, 1917, Sp. 4406ff.. 66 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Plenge an Hänisch am 8.3.1917. 67 K. Hänisch, Drängende Aufgaben, in: Hamburger Echo, Jg. 31, 1917, 3 Tle., Nr. 173, 174 u. 175, zit. nach UB BI, Nl Plenge, hier T. 1. 68 Vgl. ebd., T. 2f. 69 UB BI, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 12.8.1917, 2.3. u. 18.3.1918ff., Geheimrat Becker an Plenge am 28.2.1918ff.; ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 292, Bl. 100ff., Plenge an Hänisch am 28.2.1918ff.. 70 Vgl. auch K. Hänisch, Mehr Politik - mehr Volkswirtschaft, in: RuW, Jg. 7, 1918, S. 97-100. 71 Vgl. ZStA II, Rep. 76, Va, Sekt. 13, Tit. X, Nr. 19, Bd. 2, Bl. 98ff., Denkschrift Plenge: "Grundziele und nächste Aufgaben bei der Ausbildung praktischer Volkswirte"

vom 8.4.1918.

Vgl. UB BI, Nl Plenge, Plenge an Krieck am 8.6.1918. Ebd., Hänisch an Plenge am 15.11.1918. 74 Deutlich klingt diese Haltung in der Biographie Reinhold Seebergs nach, des damaligen Prorektors der Berliner Universität. (vgl. BA, Nl 52/199, Amanda Seeberg, Lebensbild von Reinhold Seeberg, S. 290). 75 UB BI, Nl Plenge, Plenge an Hänisch am 18.11.1918. 76 Vgl. ebd., Korrespondenz Plenge - Hänisch vom Dezember 1918; ZStA II, Rep. 76, Va, Sekt. 13, Tit. X, Nr. 19, Bd. 2, Bl. 165ff.. 72

73

Kapitel VI 1 Vgl. Böse, S. 109ff.; Brentano, Leben, S. 254ff. und vor allem Lindenlaub, Richtungskämpfe, S. 409ff. - Komplementär belegen die Briefe Brentanos und Max Webers an Fuchs die Sorge vor dem Verlust der Meinungsfreiheit im Verein, (vgl. UB TU, Md 875/391, St. XV, M. Weber an Fuchs am 29.10.1905) Brentano meinte gar, eine Unterdrückung abweichender Meinungen könne den "Glauben an seine [= des Vereins] parteipolitische Ungebundenheit zerstören." (ebd., Md 875/40, St. XV, Brentano an Fuchs am 25.10.1905) Offensichtlich hatte Max Weber Naumann aufgefordert, gegen Schmoller in der 'Hilfe' einen offenen Brief zu publizieren, und damit den Konflikt ausgeweitet. (ZStA I, 90 Na 1, Nr. 212, Bl. 2f., M. Weber an Naumann am 30.9.1905) Alfred Weber versuchte, Schmoller zum Einlenken zu überreden. (vgl. ZStA II, Rep.

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92/Schmoller, Nr. 157, Bl. 14f., A. Weber an Schmoller am 16. u. 19.10.1905) Der Sozialpolitiker Ernst Francke hingegen äußerte den nicht unbegründeten Verdacht, Max Weber, Brentano und Naumann wollten die Prinzipien des Vereins ändern und die Person Schmollers als Deckung gegenüber der Öffentlichkeit benutzen. (vgl. ebd., Bl. 27v, Francke an Schmoller am 26.10.1905) Seltsam mutet hingegen die Äußerung Conrads an. Er zählte zum rechten Flügel, mit dessen Existenz Schmoller sein Schlußwort legitimierte. Conrad kritisierte die fortlaufenden Attacken gegen das Unternehmertum und wäre aus dem Verein ausgeschieden, wenn der Beifall der Generalversammlung nicht mehr der Person Naumanns als seinen Ansichten gegolten hätte. (vgl. ebd., Bl. 39f., Conrad an Schmoiler am 21.10.1905) Tatsächlich hatte Naumann eher eine Eloge auf die ungehinderte Kapitalkonzentration gehalten. 2 ZStA II, Rep. 92/Schmoller, Nr. 157, Bl. 33, Brentano an Schmoller am 26.10.1905 - Lotz konnte seinen Ärger über Schmoller "nur schwer beherrschen;" auch er hielt jedoch Schmoller für unersetzlich und glaubte, ein kollektiver Austritt stärke nur die Konservativen. (ZStA I, 90 Na 3, Nr. 212, Bl. 4f., Lotz an Naumann am 3.10.1905). 3 Vgl. ZStA II, Rep. 92/Schmoller, Nr. 157, Bl. 42ff., Herkner an Schmoller am 21.10.1905. 4 Fuchs sprach sich grundsätzlich für staatlichen Eingriff und einen Teil der Schmollerschen Vorschläge aus. (vgl. ebd., Bl. 55f., Fuchs an Schmoller am 21.10.1905). 5 Vgl. ZStA II, Rep. 92/Schmoller, Nr. 157, Bl. 60f. u. Nr. 130b, Bl 70f., Knapp an Schmoller am 5.10.1905 u. 24.1.1906. 6 "Es kommt hinzu, daß jeder Wechsel in der Leitung leicht zu einer Scheidung des rechten und linken Flügels führen kann. Lange schon ist Pohle, And.[reas] Voigt ... ausgetreten. Andere habe ich abgehalten, ... . Den Webers erscheint Sering schon als unerträglich konservativ. Aber eine ähnliche Färbung haben viele andere Kollegen. Conrad ist längst verstimmt. Selbst unter den Schülern von Brentano herrscht Rebellion. Herkner ist fast konservativer, von Brentano weiter entfernt als ich. ... Bleibt nur der linke Flügel, Brentano, die Webers, Gotheim, Sombart zusammen, so verliert der Verein einen erheblichen Teil seines politischen Einflusses. Außerdem sind das keine Leute, die gute allseitige Publikationen zu Stande bringen. A. [ = Alfred] Weber schrieb mir, er wolle beantragen, die Generalversammlung aufzuheben. Brentano will das Resumee des Vorsitzenden beseitigen. Der erste Vorschlag würde unsere Mitgliederzahl von 600 auf 100 reduzieren; ... . Sollen wir denn den ganzen Verein zum Auffliegen bringen, weil wir alte Leute geworden sind? Dafür spräche Manches. Aber andererseits würde doch ein wichtiges Organ der Publikation, der Sammlung, des Zusammenwirkens zerstört." (ebd., Nr. 131b, Bl. 32f., Schmoller an Knapp am 30.1.1906). 7 ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 4, Bl. 68v, Max an Alfred Weber 1905. 8 ZStA II, Rep. 92/Schmoller, Nr. 130b, Bl 68f., Knapp an Schmoller am 1.2.1906. 9 Ebd., Nr. 130a, Bl. 247f., Knapp an Schmoiler am 16.3.1906. 10 Max Weber versuchte offenbar, die zu den Jüngeren zählenden Wilbrandt und Fuchs in den Ausschuß des VfS zu bringen, um den linken Flügel zu stärken. (vgl. UB TÜ, Md 875/391, St. XIV, M. Weber an Fuchs am 11.6.1909). 11 Zum Werturteilsstreit vgl. auch Bruch, Wissenschaft, S. 316ff.. 12 Vgl. L. Preller, Sozialpolitik in der Weimarer Republik (1949), Kronberg 1978, S. 207ff; Krohn, Wirtschaftstheorien, S. 48ff.. 13 Vgl. Bruch, Wissenschaft, S. 338ff.; Ratz, Sozialreform. 14 Vgl. Bruch, Wissenschaft, S. 343. 15 Lindenhub, Richtungskämpfe, S. 44. 16 Vgl. Born, Sozialpolitik, S. 242ff.; Stegmann, S. 267ff., 335ff., 409ff.; Saul, S. 314ff., 370ff.. 17 Vgl. Brentano, Leben, S. 299ff.; Sheehan, Career, S. 170ff.. 18 UB L, Nl 181, Brentano an Bücher am 2.9.1912. 19 Vgl. Mommsen, Weber I, S. 126ff..

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20 Zu wenige Kollegen, so Max Weber, würden bei einer Sonderorganisation mitziehen; auch Schulze-Gävernitz nicht. Es gelte daher, den Verein zu erhalten, "denn geht er auseinander, so gehen neun Zehntel der Kollegen nach rechts." "Nichts Peinlicheres" könne "den Harms, Pohle, Adolf Weber, aber auch den Herren Elster und Konsorten passieren, als eine Cooperation, die unter Schmollers, Cohns, Lexis und Ihrer Aegide vor sich geht, ... sei es auch auf dem Boden eines noch so lauen Programms! Auf den Eindruck nach außen kommt es an." (ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/6, Bl. 151f., M. Weber an Brentano am 3.7.1912 (AS)) - Trotzdem hatte er sich im Mai 1912 bereit erklärt, auf einer Kundgebung, für die die Jüngeren wie Sombart, Schulze-Gävernitz u.a. gewonnen werden sollten, die Programmrede zu halten. (vgl. ΒΑ, Ν1 1/36, fol. 29, Vogelstein an Brentano am 29.5.1912) So "konsequent", wie Mommsen meint, war also Webers Bestreben nicht, einen "Linksschwenk" im VfS herbeizuführen. (Mommsen, Weber IL S. 32). 21 Vgl. ZStA II, Rep. 92/Schmoller, Nr. 131b, Bl. 4, Brentano an Schmoller am 30.4.1910. 22 Vgl. ebd., Rep. 92/Weber, Nr. 30/6, Bl. 136f., Naumann an Vogelstein am 20.6.1912 (AS). 23 Vgl. Lindenlaub, Richtungskämpfe, S. 202ff., bes. S. 210/Anmerkung 43; Mommsen, Weber I, S. 123ff.. 24 ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/6, M. Weber an Brentano am 16.9.1912 (AS). 25 Vgl. ebd., Bl. 156f., M. Weber an Brentano 1912 (AS); BA, Nl 1/63, fol. 30f., Vogelstein an Brentano am 8.9.1912. 26 Vgl. BA, Nl 1/67, fol. 4f., Einladungsentwurf mit hs. Vermerk: "Prof. Weber"; ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/6, Bl. 172ff. 27 BA, Nl 1/67, fol. 9, Brentanos Entwurf. 28 Ebd., hs. Zusatz. 29 "Ich bin bei meiner letzten Unterhaltung mit Brentano ganz erstaunt gewesen, in welch hohem Maße er heute für Staatseingriffe eintritt. Ich gebe offen zu, daß er mir ... in Rücksicht auf mein unbegrenztes Mißtrauen gegen das soziale Verständnis der deutschen Bureaukratie zu weit geht." (ebd., fol. 25, Vogelstein an M. Weber am

26.8.1912 (AS)). 30 31 32

131.

Ebd., fol. 29 Vgl. Brentano an Bücher am 2.9.1912, a.a.O.. Zum vorgesehenen Teilnehmerkreis vgl. Mommsen, Weber I, S. 131/Anmerkung

33 Brentano, Bücher, die Gebrüder Weber, Zwiedineck-Südenhorst, Kessler, Drill, Tönnies, Wilbrandt, Vogelstein und Jaffé nahmen teil; Naumann und Schulze-Gävernitz hatten sich entschuldigt. (vgl. BA, Nl 1/67, fol. 31, Brentano an die Teilnehmer am 22.10.1912) Tatsächlich war Schulze-Gävernitz verhindert, interessierte sich aber ausdrücklich für die Ergebnisse des Treffens. (vgl. BA, Nl 1/56, fol. 96, Schulze-Gävernitz an Brentano am 15.10.1912). 34 M. Weber fragte Brentano, ob er eine "freihändlerisch-sozialpolitische Sekte" gründen wolle. (ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/6, Bl. 186 (AS)). 35 Vgl. Brentano an die Teilnehmer am 22.10.1912, a.a.O.. 36 BA, Nl 1/14, fol. 135, Drill an Brentano am 25.10.1912 - vgl. auch ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/6, Bl. 177f., M. Weber an Brentano am 25.10.1912 (AS). 37 BA, Nl 1/67, fol. 35, Brentano an die Teilnehmer am 27.10.1912. 38 Brentano an die Teilnehmer am 22.10.1912, a.a.O. - Max Weber warf Brentano "lächerlichen Eigensinn in einer rein taktischen Frage" vor und kritisierte sein "etwas billiges Bedürfnis, auf Kosten anderer (insbesondere meiner) als der Vorurteilslosere zu erscheinen." (ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 28, Bl. 6v, M. Weber an N.N. am 21.11.1912).

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39 Vgl. ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/6, Bl. 188, M. Weber an Wilbrandt am 21.11.1912 (AS). 40 Vgl. Brentano an Teilnehmer am 27.10.1912, a.a.O.. 41 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Max Weber an die Teilnehmer der Leipziger Besprechung, mit hs. Vermerk: "vom 14. Oktober auf Brentanos Anregung zusammengetreten: ... " (es folgen die bekannten Namen) - Das Schreiben ist veröffentlicht von B. Schäfers, Ein Rundschreiben Max Webers zur Sozialpolitik, in: Soziale Welt, Jg. 18, 1967, S. 261-271, womit sich die Darstellung erübrigt. - vgl. auch ZStA I, 90 Na 3, Nr. 106, Bl. 77f., Naumann an Vogelstein am 21.11.1912. 42 Vgl. ZStA II, Rep. 92/Weber Nr. 30/11, Bl. 15ff., M. Weber an die Teilnehmer der Leipziger Versammlung am 21.2.1913. 43 Durchaus zutreffend vermutet Tiefelsdorf, daß Brentanos Lehren in Vergessenheit geraten sind, da "die Kernforderungen in bezug auf Gewerkschaften, wachsende Löhne und Versicherungen erfüllt sind." (Tiefelsdorf, S. 192). 44 Vgl. HJ. Puhle, Parlament, Parteien und Interessenverbände 1890 - 1914, in: KD, S. 340-377; Η. Α. Winkler, Pluralismus oder Protektionismus? Verfassungspolitische Probleme des Verbandswesens im Deutschen Kaiserreich, Wiesbaden 1972; W. Fischer, Staatsverwaltung und Interessenverbände im Deutschen Reich 1871 - 1914, in: H. J . Varain (Hg.), Interessenverbände in Deutschland, Köln 1973, S. 139-161; G. EJey, Reshaping the German Right. Radical Nationalism and Political Change after Bismarck, NewHaven 1980, S. l0lff.. 45 Habermas, Strukturwandel, S. 172ff., 263ff.. 46 Vgl. ebd., S. 193ff„217ff.. 47 Vgl. Bruch, Wissenschaft, S. 114ff., 205f., 209ff., 286ff., 396ff.. 48 Zur Berufsstruktur der Vereinsmitgliedschaft vgl. Gorges, S. 67ff., 155ff., 216ff., 276ff., 335ff.. 49 Vgl. ebd, S, 413ff„ 442, 467ff.. 50 Vgl. F. Naumann, Politische Professoren, in: DH, Jg. 20, 1914, S. 474f.. 51 Vgl. Bruch, Wissenschaft, S. 58ff., 67ff.. 52 "Bücher ist zu alt und zu schwerfällig, er hat immer nur der Nase entlang seine Steckenpferde geritten. Ich wundre mich eigentlich was er bei Ihnen will. Auch Naumann ... hat viel genützt, aber er ist politisch wohl zu abgebraucht, ... ." (UB BI, Nl Plenge, Plenge an M. Weber am 15. 12.1912). 53 "Der rechte Flügel der demokratischen Sozialisten und der linke Flügel der bürgerlichen Sozialpolitiker haben im Grunde dasselbe Bedürfnis, Grundfragen unserer kommenden Gesellschaftsorganisation so zu besprechen, dass eine großzügige innerlich kräftige Reformarbeit dadurch belebt wird. Da es das Kernproblem alles organisatorischen Sozialismus sein muss, dem Individuum die Einordnung in neue riesenhafte Organisationsformen erträglich zu machen, wollen beide Gruppen im Grunde dasselbe: Demokratie im Sozialismus oder ... innerlich freie Persönlichkeiten in der Welt gesellschaftlicher Zusammenfassung. Merkwürdig genug, dass Sozialpolitik zum Schlagwort wesentlich individualistischer Gruppen geworden ist, ... . Man muss sich nur darüber klar sein, dass die Gesellschaftsform die einmal der wirkliche geschichtliche Sozialismus sein ... wird, nur eine Umbildung des Hochkapitalismus sein kann. ... Gerade dies ... wird den Sozialismus von wirren Träumen befreien, ohne dass seine Ideen verraten oder zu einer Art SoziaUiberalismus herabgezogen wird. Was Sie nun machen, ist natürlich Ihre Sache. Denn dass meine Mitwirkung sich nur auf den Austausch grundsätzlicher Überlegungen beschränken muss, gilt Ihrer Gruppe gegenüber um so mehr, wie gegenüber der Gruppe Hildebrand [vgl. dazu Kapitel III.3!], schon deswegen, weil ich als Sozialpolitiker ... kein Fachmann bin. Schon als Jaffé mir von der wesentlich für den inzwischen desertierten Brentano geplanten Kundgebung zuerst sprach, habe ich das hervorgehoben. ... Ich habe auch betont, dass man nur die Geschäfte einer bekannten Gruppe besorgt, die mit ihrer politischen Stubenreinheit und vollkommenen 'Wert-

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losigkeit' zwischen Sozialpolitik und Arbeitgeberinteressen Karriere machen will. Sie sind bei Ihrer Frankfurter Tagung dem Hauptquartier dieser Gruppe nicht fern." (ebd., S. 2f.) (Hervorhebungen von mir!). 54 Ebd.. S. 4f.. 55 Zur Entwicklung der Arbeitsverfahren im VfS vgl. auch Gorges. 56 Plenge an M. Weber am 15.12.1912, a.a.O., S. 4f.. 57 Jaffé habe seinerzeit über "Marx und Hegel" geurteilt: "Diese Position ist gestürzt und nichts ist unerledigt zurückgeblieben." (UB HB, MS.b.258: Nr, 3a, 13, Plenge an Freudenthal am 26.6.1950). 58 Vgl. Plenge an M. Weber am 15.12.1912, a.a.O., S. 6. Kapitel VII Schulze-Gävernitz, Kreditbank, S. 177. Vgl. G. Stolper u.a., Deutsche Wirtschaft seit 1870, 2. Aufl. Tübingen 1966, S. 50. 3 Rathenau, in: RGSch, Bd. 3, S. 125. 4 Zu Möllendorff vgl. vor allem K. Braun, Konservativismus und Gemeinwirtschaft, Duisburg 1978, der besonders gut die Verwurzelung Möllendorffs in der Kontinuität konservativ-antikapitalistischer Ordnungsvorstellungen zeigt; ferner D. Schmid, Wichard v. Möllendorff. Ein Beitrag zur Idee wirtschaftlicher Selbstverwaltung, Diss. Berlin 1970; Zunkel, S. 56ff.. 5 F. Engels, in: MEW, Bd. 20, S. 260. 6 Eine Darstellung der kriegswirtschaftlichen Maßnahmen findet sich bei F. Klein (Hg.), Deutschland im Ersten Weltkrieg, 3 Bde., 2. Aufl. Berlin (DDR) 1970, Bd. 1, S. 393ff., Bd. 2, S. 113ff., Bd. 3, S. 30lff.; W. Hubatsch, Entstehung und Entwicklung des Reichswirtschaftsministeriums 1880 - 1933, Berlin 1978, S. 16ff. - Vom Theorem des 'Staatsmonopolistischen Kapitalismus' ausgehend behandeln die Kriegswirtschaft A. Schröter, Krieg - Staat - Monopol. 1914 - 1918, Berlin (DDR) 1965 und Baudis/Nußbaum, S. 253ff.; konkurrierend dazu vgl. J . Kocka, Klassengesellschaft im Krieg, 2. 1

2

Aufl. Göttingen 1978 und die Unrprsurhung der komplexen Beziehungen

zwischen

Verwaltung, Militär, Arbeiterklasse und Industrie von Feldman, Army. Zur Entwicklung der Gewerkschaften im Kriege vgl. neuerdings H.-J. Bieber, Gewerkschaften in Krieg und Revolution. Arbeiterbewegung, Industrie, Staat und Militär in Deutschland 1914 - 1920, 2 Bde., Hamburg 1981. Die Kriegswirtschaft der Mittelmächte im Vergleich mit jener der Entente und der Neutralen zeigt G. Hardach, Der Erste Weltkrieg, München 1973. Zum Aufbau und System der deutschen Rohstoffbewirtschaftung als Kern der gesamten Kriegswirtschaft vgl, O. Goebel, Deutsche Rohstoffwirtschaft im Weltkrieg, Berlin 1930. Zum spezifischen Charakter der Kriegswirtschaftsgesellschaft als Mittler zwischen älteren und modernen industriellen Organisationstypen vgl. W. F. Bruck, Die Kriegsunternehmung, in: ASS, Bd. 48, 1920/21, S. 547-595, der u.a. an den Kriegsschriften Jaffés anknüpft; den Kontinuitätsaspekt betont auch G. D. Feldman, Der deutsche Organisierte Kapitalismus während der Kriegs- und Inflationsjahre 1914 - 1923, in: OK, S. 150-171. Zur Finanzpolitik und zur Entwicklung der Währung vgl. Rösler, Haller, in: WWD; C-L. Hohfrerieb, Die deutsche Inflation 1914 - 1923, Berlin 1980, bes. S. 97ff.. 7 Vgl. F. Glum, Zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, Bonn 1964, S. 156f. 8 Vgl. Feldman, Army, S. 38. 9 Stolper u.a., Wirtschaft, S. 72. 10 "Mit und in diesem Krieg beginnt eine neue Aera der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands ... ." (Jaffé, Volkswirtschaft, S. 18). 11 Vgl. ZStA I, 61 Re 1, PA, Nr. 217, Bl. 85ff.. 12 Jaffé, Militarisierung, S. 514.

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Jaffé, Volkswirtschaft, S. 4. Vel. ASS, Bd. 39 u. 40, 1915. 15 Vgl. Jaffé, Militarisierung, S. 511. 16Jaffé, Volkswirtschaft, S. 1 lf. 17 Vgl. Jaffé, Militarisierung, S. 521. 18 Ebd., S. 540f.. 19 Ebd., S. 536f.. 20 Ebd., S. 542. 21 Jaffé, System, S. 17f.. 22 Jaffé, Volkswirtschaft, S. 25. 23 Jaffé, Militarisierung, S. 523. 24 Ebd., S. 547. 25 Ebd., S. 545. 26 "Damit kommen wir zu Maßnahmen, für die sich in der Getreidepolitik Friedrichs des Großen Vorbilder finden, ... ." (Ebd., S. 524) - ähnlich auch in: Die Neugestaltung unseres Ein- und Ausfuhrhandels nach dem Kriege, in: Leipziger Tageblatt, Jg. 109, 1915, Nr. 39 v. 22.1.1915. 27 Jaffé, Militarisierung, S. 529. 28 Ebd., S. 528. 29 Jaffé, Volkswirtschaft, S. 17. 30 Jaffé, Militarisierung, S. 546. 31 "Die konservative Idee des sozialen Königtums und der Obmacht des Staates auch auf wirtschaftlichem Gebiet, die mittelständlerischen Zunftideen und die in diesen Kreisen lebendige Abneigung gegen private monopolistische Übermacht, die auf christlichkatholischer Basis ruhende Wirtschaftsanschauung des Zentrums, der Kampf der Sozialisten gegen die Ausbeutung der Arbeiter ..., überall finden wir Kräfte am Werk, die sich - heute noch einander bekämpfend - zusammenschließen müssen gegenüber der Gefahr eines Feudalismus auf privatwirtschaftlicher-monopolistischer Grundlage." (Jaffé, Faktor, S. 27). 32 Vgl. G. Eckstein, Der Krieg und der Sozialismus, in: NZ, Jg. 34, 1915/16, Bd. 1, S. 229-236, 296-304, 334-346, hier S. 299, 340f.. 33 Vgl. H. Lindenmann, Krieg und Kommunalsozialismus, in: SM, Jg. 21, 1915, S. 145-148, hier S. 145f.; C. Schmidt, Brentanofestschrift, ebd., Jg. 22, 1916, S. 996-999, hier S. 998f.. 34 G. v. Schuize-Gävernitz, Freie Meere!, in: DDK, H. 32, 1915, S. 24. 35 Schuize-Gävernitz, Kreditbank, S. 181, 185. 36 Plenge, Kriegsvorlesung, S. 23. 37 J . Plenge, Der Krieg und die Volkswirtschaft, 2. Aufl. Münster 1915, S. 13. 38 Ebd., S. 16, 19. 39 Vgl.Jaffé, Faktor, S. 28. 40 Vgl. Schwabe, S. 198/Anmerkung 70, 290. 41 Plenge, Krieg, S. 189f.. 42 Ebd., S. 99. 43 Ebd., S. 202. 44 Ebd., S. 62. 45 Vgl. ebd., S. 63ff.. 46 Hardach, Weltkrieg, S. 167. 47 Man habe, so Plenge, "wieder begreifen gelernt, ..., daß von dem umlaufenden Geld in einer ihrem Bedarf mit der Produktion genügenden Volkswirtschaft nur eine hinreichende Menge als Ersparnis zur Seite gelegt zu werden braucht, ...: dann können Milliarden auf Milliarden [!] aus der eigenen Volkswirtschaft genommen und vom Staat als Käufer für die Versorgung des Krieges aus den Produkten der eigenen Volkswirtschaft wieder in den Geldumlauf hineingegeben werden. Freilich läßt sich nicht verken13 14

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nen, daß wir dazu gekommen sind, auch unseren Papiergeldumlauf über unseren Geldumlauf im Frieden so zu verstärken, daß jetzt wohl ein Teil der allgemeinen Preissteigerung damit in Verbindung gebracht werden muß. Aber wenn das etwas mehr zur Vorsicht mahnt, so ist doch auch dafür eine sichere Abhilfe vorhanden. Sie heißt für alle, die es können: weniger verbrauchen und mehr sparen ... um das Kapitalangebot für die Kriegsanleihe noch zu vergrößern." (Plenge, Krieg, S. 208f.) - Plenge ignorierte, daß dem Abfluß realer Warenwerte (vgl. ebd., S. 42ff., 105f.) die Zunahme fiktiven Geldwertes entsprach. Der Staat schöpfte Geld, um die Kriegsproduktion zu bezahlen, auf der Basis von Kriegsanleihen, wobei der Geldumlauf selbst immer mehr von neugeschöpftem Geld bestimmt wurde. Die langfristigen Folgen wurden aber bestenfalls verharmlost, meist nicht erkannt! 48 Ebd., S. 107. 49 Vgl, E. Jaffé, Die Kriegsrüstung der Reichsbank, in: RuW, Jg. 4, 1915, S. 10-16; Schulze-Gävernitz, Meere, S. 25. 50 Der Glaube an die Allmacht staatlicher Geldschöpfung als Folge der Knappschen Geldtheorie - die selbst vom etatistischen Wirtschaftsdenken beeinflußt war - mag dabei eine Rolle gespielt haben. (vgl. Winkel, Nationalökonomie, S. 110f.; C.-D. Krohn, in: HPDI, S. 99). 51 Plenge, Krieg, S. 84. 52 Ebd., S. 94. 53 Vgl. ebd., S. l00ff., 108ff.. 54 Vgl. ebd., S. 88ff.. 55 Vgl. ebd., S. 40f.. 56 Ebd., S. 157. 57 Vgl. ebd., S. 152ff.. 58 Plenge, Kriegsvorlesung, S. 24f.. 59 Vgl. Plenge, Krieg, S. 114, 160f 60 Ebd., S. 159. 61 Ebd., S. 97. 62 Ebd., S. 135. 63

Ebd., S. 98.

Ebd., S. 138. 65 J . Plenge, Grundlegung der vergleichenden Wirtschaftstheorie, in: ASPG, Bd. 5, 1917, S. 39-100, 492-552, hier S. 70. 66 Plenge, Krieg, S. 218. 67 Ebd., S. 222. 68 Ebd., S. 98. 69 Vgl. bes. Plenge, Kriegsvorlesung, S. 25f.. 70 Vgl. ebd., S. 55f.; W. Rathenau, Briefe, 2 Bde., Dresden 1926, Bd. 1, S. 337, 350 Plenge hoffte, daß "der Gegner die Rechnung dafür bezahlt." (Plenge, Krieg, S. 21). 71 Plenge, Krieg, S. 98. 72 Plenge, Kriegsvorlesung, S. 27. 73 E. Schrader, Theorie und Praxis. Johann Plenges Programm eines Organisatorischen Sozialismus, in: Schäfers, Soziologie, S. 17-44, hier S. 22. 74 Vgl. Kapitel VIII.4 u. XI. 75 So klagte Plenge über das Versagen der Presse bei der Erzeugung nationaler Kooperationsgesinnung. (vgl. Plenge, Krieg, S. 136). 76 Goebel S. 23. 77 Vgl. UB BI, Nl Plenge, H. Braun an Plenge am 26.3.1913. 78 J . Plenge u. A. Strecker, Individualismus und Sozialismus. Ein Streitfall, in: DVC, Jg. 41, 1916, Nr. 65, 68, 69, 74, 83, mit einem Nachwort von Schmoller abgedruckt in: J . Plenge, Zur Vertiefung des Sozialismus, Leipzig 1919, S. 3-37, hier S. 8. 79 UB BI, Nl Plenge, Plenge an Strecker am 9.9.1915. 64

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80 Es sei ein "grosses Missverständnis, wenn meine Ausführungen ... neuerdings vielfach so gedeutet werden, als ob ich ein Vertreter eines starken staatlichen Organisationszwanges sei." (UB BI, Nl Plenge, Plenge an die KZ am 14.8.1916). 81 Ich dien', in: KZ, Nr. 800 v. 8.8.1916. 82 Vgl. Schrader, S. 28f.. 83 UB BI, Nl Plenge, Beukenberg an Plenge am 22.12.1915. 84 Die Kontroverse um den 'Ökonomischen Generalstab' - zu dessen Befürwortern auch Plenge zählte - zeigte bei der Wirtschaft ein facettenreiches Spektrum von unverhohlener Ablehnung bis deutlicher Zustimmung mit der Absicht, das Gremien im Sinne eigener Profitinteressen zu instrumentalisieren. (vgl. Zunkel, S. 32ff). 85 Vgl. ebd., S. 42ff. 86 Vgl. L. Pohle, Rez.: R. Kjellén, Die Ideen von 1914, in: ZfS, NF., Bd. 7, 1916, S. 136-138. 87 Vgl. L. Pohle, Die deutsche Volkswirtschaft im Kriegszustand, ebd., Bd. 6, 1915, S.

69-86. hier S. 79ff

R. Ehrenberg, Krieg und Volkskraft, in: AWF, Bd. 6, 1915, 431-462, hier S. 461. A. Voigt, Kriegssozialismus und Friedenssozialismus, in: ZfS, NF., Bd. 7, 1916, S. 1-10, 88-99, hier S. 2. 90 Ebd., S. 7f.. 91 Ebd., S. 93. 92 Ebd., S. 91. 93 Ebd., S. 94f.. 94 Ebd., S. 97. 95 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Brentano an Plenge am 3.4.1915. 96 Plenge/Strecker, S. 4. 97 Ebd., S. 12. 98 Ebd., S. 14. 99 Ein akademischer Pfadfinder, in: DVC, Jg. 40, 1915, Nr. 3. 100 Vgl. Staatssozialismus und Industrie, ebd., Jg. 41, 1916, Nr. 61; Die Rüstung zur Übergangswirtschaft, ebd., Jg. 42, 1917, Nr. 34. 101 H. G. Kämmerer, Offener Brief an den Herausgeber, in: ASS, Bd. 40, 1915, S. 548-554, S. 550. 102 E. Jaffé, Entgegnung an H. G. Kämmerer, ebd., S. 555-560, hier S. 556. 103 Ebd., S. 560 (Hervorhebung von mir!). 104 E. Jaffé, Rez.: H. Köppe, Kriegswirtschaft und Sozialismus, in: WA, Bd. 8, 1916, T. 2, S. 489-491, hier S. 490; ders., Militarisierung, S. 546f.. 105 H. Köppe, Kriegswirtschaft und Sozialismus. Rede zur Übergabe des Rektorats, Marburg 1915, S. 4. 106 Ebd.. S. 23. 107 Vgl. ebd., S. 16ff.. 108 Ebd., S. 29. 109 Ebd., S. 13 - ähnlich auch L. v. Wiese, Gemeinwirtschaft, in: Berliner Tageblatt, Jg. 44, 1915, Nr. 371, 380 u. 397 v. 23.7., 28.7. u. 6.8.1915, hier Nr. 371, 397. 110 Vgl. Köppe, S. 34f.. 111 C. J . Fuchs, Die deutsche Volkswirtschaft im Kriege. Akademische Rede am Geburtstag des Königs von Württemberg, Tübingen 1915, S. 13. 112 Ebd. S. 15. 113 Vgl. ebd., S. 22f. - ähnlich auch M. Sering, Die deutsche Volkswirtschaft während des Krieges von 1914/15, in: Sitzungsbericht der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Mitteilung v. 6.5.1915, Berlin 1915. 114 Vgl. Fuchs, S. 70f.. 115 Ebd., S. 24f. - Zur Kritik an Jaffé vgl. S. 68ff./Anmerkung 110. 88

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116 Vgl. E. Gothein, Krieg und Wirtschaft. Akademische Rede zur Erinnerung an Großherzog K. F. von Baden, Heidelberg 1914, bes. S. 6, 23f., 25, 43; ders., Die Veränderung des Wirtschaftslebens im Kriege und nach dem Kriege, in: K. Hönn (Hg.), Der Kampf des deutschen Geistes im Weltkrieg, Gotha 1915, S, 26-55; W. E. Biermann, Volkswirtschaftliche Lehren des Weltkrieges, in: ARW, Bd. 9, 1915, S. 49-82, bes. S. 74f.; A. Hesse, Freie Wirtschaft und Zwangswirtschaft im Kriege (Beiträge zur Kriegswirtschaft, H. 39), Berlin 1918; E. Rosenbaum, Rez.: Jaffé, Volkswirtschaft und Krieg, in: WA, Bd. 5, 1915, T. 1, S. 423-425, bes. S. 424. 117 R. Liefmann, Bringt uns der Krieg dem Sozialismus näher?, in: DDK, H. 56, S. 14. 118 Ebd., S. 20. 1,9 Ebd., S. 27f.. 120 Vgl. ebd., S. 33ff.. 121 Ebd., S. 38 - Freilich plädierte er, nicht zuletzt aus außenpolitischen Motiven, für demokratische Reformen, was durch den Sieg des Revisionismus in der Sozialdemokratie nur gefördert werden könne. (vgl. ebd., S. 40ff.). 122 Prototypisch erscheint der Artikel des reaktionären Kulturkritikers H. Driesmanns, Deutschlands wirtschaftsgeistiges Hochziel, in: ESW2, Jg. 1, 1916, S. 414-419. 123 Vgl. J . G. Fichte, Der Geschlossene Handelsstaat (1800), in: ders., Hg. v. 2. Batscha u. R. Saage, Ausgewählte Politische Schriften, Frankfurt 1977, S. 59-167. 124 K. Diehl, Deutschland als geschlossener Handelsstaat im Weltkrieg. Rede zum Geburtstag Wilhelm II., Stuttgart 1916, S. 14. 125 Ebd., S. 15. 126 Vgl, ebd., S. 18f. - vgl. auch DVC,Jg. 41, 1916, Nr. 29. 127 F. Oppenheimer, Gemeinwirtschaft, in: ders., Wege zur Gemeinschaft. Gesammelte Aufsätze und Reden, Bd. 1, München 1924, S. 288-297, hier S. 295. - Er berief sich dagegen auf die Tradition des 'liberalen Sozialismus', (St. Simon, Proudhon, Düring, Henry George) der in der Beseitigung aller Monopole die Voraussetzung einer gesellschaftlichen Marktwirtschaft erkenne. (vgl. ebd., S. 288ff.). 128 "Fichtes Schrift ist schon seinerzeit wirklich ein sehr schwaches Produkt gewesen, das ganz in der mittelalterlichen Stadtwirtschaft befangen, deren Ideale auf den modernen Staatanwenden wollte ... ." (F. Eulenburg, Literatur über Kriegs- und Volkswirtschaft, in: ASS, Bd. 43, 1916/17, S. 1041-1095, hier S. 1059). 129 Eulenburg konstatierte hauptsächlich folgende Unterschiede, die er als Störungen der normalen Wirtschaft verstand: die Isolierung der Volkswirtschaften und die daraus resultierende Umstrukturierung der Märkte mit entsprechender Verteuerung aller unentbehrlichen Konsumgüter; die monopolartige Stellung der Anbieter; die allgemeine Hebung des Preisniveaus trotz eingeschränkter Nachfrage mit der Folge der Geldentwertung bei sinkender Kaufkraft; die begrenzte Wirkung der als Mittel zur Gegensteuerung gedachten Höchstpreise, welche die Preissteigerungen allenfalls bremsen könnten, wolle man nicht die weitere Güterverknappung riskieren. (vgl. F. Eulenburg, Zur Theorie der Kriegswirtschaft, in: ASS, Bd. 43, 1916/17, S. 349-396, hier S. 377f.) Trotz dieser recht realistischen Analyse vertrat Eulenburg zumindest noch 1915 die optimistische Ansicht, daß das "Fortbestehen der ganzen Volkswirtschaft" gesichert sei, und daß "sie die Fähigkeit zur Anpassung an veränderte Verhältnisse entwickelt." (F. Eulenburg, Die deutsche Volkswirtschaft im Krieg, in: Sch.Jb, Bd. 39, 1915, S. 589-658, hierS. 649,658). 130 Vgl. Eulenburg, Theorie, S. 395. 131 Vgl. Rösler,S. 18lff.. 132 Vgl. Eulenburg, Theorie, S. 369ff.. 133 F. Eulenburg, Vorfragen der künftigen Finanzwirtschaft, in: H. Herkner (Hg.), Die Neuordnung der deutschen Finanzwirtschaft, 3 Tle., in: Sch.VfS, Bd. 156, T. 2, S. 11-82, hier S. 73.

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134 "Ich behaupte nicht, dass nicht unter anderen Verhältnissen auch das kollektivistische organisatorische Prinzip zur Geltung kommen muss - vielleicht gehört ihm die Zukunft. Aber für die Zeit nach dem Kriege brauchen wir neue Ideen, Anpassungsfähigkeit und Initiative, die von den Einzelnen ausgehen muss und nicht von der Organisation." (ΒΑ, Ν1 186/1, Eulenbure an Stolper am 29.5.1916). 135 Vgl. F. Eulenburg, Weltwirtschaftliche Möglichkeiten, Berlin 1916, S. 13 - ähnlich auch Wiese, Gemeinwirtschaft, Nr. 380. 136 Zu Lederer vgl. H. Speier, Emil Lederer. Leben und Werk, in: E. Lederer, Hg. v. J . Kocka, Klassenstruktur und Probleme der Demokratie in Deutschland 1910 - 1940, Göttingen 1979, S. 253-272. 137 E. Lederer, Die Regelung der Lebensmittelversorgung während des Krieges in Deutschland, in: ASS, Bd. 40, 1915, S. 757-783, hier S. 779. 138 Vgl. E. Lederer, Die ökonomische Umschichtung im Kriege, ebd., Bd. 45, 1918/ 19, S. 1-39, 430-463, hier S. lff.. 139 Ebd., S. 10. 140 Ebd., S. 18. 141"Der Staat wird immer riesiger ... Die Volkswirtschaft wird mehr und mehr eine Staatswirtschaft, ein staatskapitalistischer Trust ... Der Staat, welcher zuerst die einzige Organisation der Herrscherklasse war, verwandelt sich in eine Organisation neben anderen, um sich wieder in eine einzige zu verwandeln, durch die Aufsaugung aller anderen." (N. Bucharin, zit. nach A. G. Löwy, Die Weltgeschichte ist das Weltgericht, Wien 1969, S. 62). 142 N. Bucharm, Imperialismus und Weltwirtschaft (1917), Wien 1929, S. 174, 176 vgl. dazu Hardach/Karras, S. 86ff.. 143 Nach Lederer hatte der Staat eine Doppelnatur angenommen. Nach innen sei er Ausdruck der Klassenverhältnisse einer Gesellschaft, während er nach außen mit dem Volksheer souverän über die ganze Gesellschaft und ihre Resourcen gebiete. Im Kriege falle die ganze Gesellschaft mit dem Staat zusammen; es gebe "nichts neben diesem Staat und außerhalb des Krieges." (E. Lederer, Zur Soziologie des Weltkrieges, in: ASS, Bd. 39, 1915, S. 347-384, hier S. 363) Die Machtverteilung zwischen den Klassen sei dem Staat relativ gleichgültig, solange die ökonomische Entwicklung nicht stagniere die eigentliche Gefahr des Machtstaates. Um dies zu verhindern, würde er sich jeweils jener gesellschaftlichen Interessen annehmen, welche die ungestörte wirtschaftliche Entwicklung garantierten. (vgl. ebd., S. 369ff.) Während der Antagonismus von Kapital und Arbeit realiter bestehen bleibe, "entsteht im Bewußtsein aller Klassen ein Begriff vom Staat über der Gesellschaft." (ebd., S. 371) Nicht nur über die materiellen, auch über die geistigen Kräfte verfüge der Staat, wie die "völlige Umbiegung und sozusagen Einexerzierung der Argumentation auf den Krieg in allen Staaten" gezeigt habe. (ebd., S. 372) Vor diesem omnipotenten Staatsinteresse verblaßten die Rechtssphäre des Individuums, ökonomische Motive und selbst der Nationalismus. (vgl. ebd., S. 373ff.). 144 Vgl. R. Calwer, Die Kriegswirtschaft im Jahre 1916, Berlin 1916; ders., Die Kriegswirtschaft im Jahre 1917, Berlin 1917. 145 Herkner - der sich selbst als Autor kriegsideologischer Dutzendware profilierte (vgl. H. Herkner, Krieg und Volkswirtschaft, in: DRR, H. 19) warf Brentano unterschwellig eine gewisse Weltfluclu vor. (vgl. ΒΑ, Ν1 1/28, fol. 28, H erkner an Brentano am 28.8.1916) Bücher lehnte es überhaupt ab, sich in seinem Seminar mit der Kriegswirtschaft zu beschäftigen. (vgl. UB BI, Nl Plenge, Eulenburg an Plenge am 28.12.1915) - Brentano urteilte über die Kriegswirtschaft: "Es ist gar kein Sozialismus, sondern die Karikatur desselben, der nur den Kriegsgewinnlern dient, genauso wie alle Karikaturen genau das Gegenteil dessen erreichen, was sie zu sein vorgeben." (BA, Nl 1/33, fol. 164, Brentano an Seneer am 9.9.1918). 146 Vgl. H. Delbrück, Rez.: L. Brentano, Ist das System Brentano zusammengebrochen?, in: PJ, Bd. 173, 1918, S. 396f..

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147 Delbrück habe recht, so Brentano, wenn er seine Auffassung vom Staat, wie er wirklich ist, von der Auffassung des Staates bei Schmoller und Wagner" absetze. "Beide sehen den Staat wie er sein soll. In Wirklichkeit finde ich aber nirgends den über den Parteien stehenden Staat." (DSB, Nl Delbrück, Brentano an Delbrück am 2.9.1918, Bl. 25). 148 Vgl. BA, Nl 1/58, fol. 41, Schmoller an Brentano am 13.12.1914. 149 G. Schmoller, Freie oder sozialistische Volkswirtschaft?, in: Schjb, Bd. 41, 1917, S. 1-11, hier S. 9. 150 Vgl. Brentano, Leben, S. 319. 151 Vgl. Wagner, Briefe, S. 404. 152 Vgl. BA, Nl 210/111, Protokoll einer "Beratung über volkswirtschaftliche Maßnahmen während des Krieees am 11.8.1914". 153 Vgl. H. Peschy Produktivität der Volkswirtschaft und volkswirtschaftliche Produktivität, in: ARW, Bd. 9, 1915, S. 225-234, 321-332, hier S. 225ff.. 154 Ebd., S. 226. 155 Ebd., S. 232. 156 Der reale Hintergrund dieser Erwartungen war die sogenannte Kriegssozialpolitik, (vgl. G. Mai, Burgfrieden und Sozialpolitik in Deutschland in der Anfangsphase des Ersten Weltkrieges (1914/15), in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, Jg. 1976, Bd. 2, S. 21-50). 157 BA, Nl 1/5, fol. 97, Berlepsch an Brentano am 21.1.1915. 158 Vgl. T. Heuss, Erinnerungen 1905 - 1933, Tübingen 1963, S. 23f.. 159 G. v. Mayr, Volkswirtschaft, Weltwirtschaft, Kriegswirtschaft, Berlin 1915, S. 13. 160 G. v. Mayr, Staatssozialismus in Krieg und Frieden, in: RuW, Jg. 4, 1915, S. 219224, hier S. 220f.. 161 Ebd., S. 223 (Hervorhebung von mir!). 162 Vgl. UB TÜ, Md 875/313, St. XII, Schmoller an Fuchs am 5.11.1897. 163 C. Ballod, Einiges aus der Utopienliteratur der letzten Jahre, in: AGS, Jg. 6, 1916, S. 114-128, hier S. 117. 164 "Ich bin offen gestanden verblüfft über das von Ihnen vorgestellte Bild eines

preußischen Bürokraten, der mit höchster Einsicht begabt in der Lage wäre ... eine

richtige Entscheidung zu treffen. Das ist ein schönes Idealbild - in der heutigen Wirklichkeit gibt es solche Genies ... unter preuß. Bürokraten nicht. ... Die ganze Tendenz ist: ja keine Verantwortung für entscheidende Maßnahmen." (DSB, Nl Delbrück, Bailod an Delbrück am 12.2.1915, Bl. 7). 165 Vgl. Naumann an Rein am 7.12.1908, zit. nach Heuss, Naumann, S, 541. 166 Vgl. ebd., S. 338f; Naumann, in: NW, Bd. 4, S. 639ff. - Auch der DVC galt Naumann nunmehr als Protagonist des Staatssozialismus. (vgl. Die Grenzen des Staatssozialismus, in: DVC, Jg. 41, 1916, Nr. 93). 167 T. Heuss, Kriegssozialismus, in: DDK, H. 58, S. 13 - Einleuchtend formulierte er den wesentlichsten Aspekt des Kriegssozialismus: "Die Arbeiter kämpfen ..., mit Gewehr und Handgranate für die Profitrate des Unternehmers, und dieser kann nur wünschen, daß sie recht ausdauernde Soldaten seien." (ebd., S. 8). 168 Vel. Kapitel VIII.6. !69 Vgl. E. Heimann, Über Individualismus und Solidarismus in der kapitalistischen Konzentration, in: ASS, Bd. 39, 1915, S. 741-766 - Die Unterscheidung geht auf Schmoller zurück. (vgl. Sch.VfS, Bd. 116, S. 267f.) 170 E. Heimann, Vom neuen Wirtschaftsgeist, in: ASS, Bd. 41, 1916, S. 758-768, S. 763. 171 Vgl. Heimann, Individualismus (Nachwort von 1915), S. 763ff.. 172 Heimann, Wirtschaftseeist, S. 765. 173 Ebd., S. 767 - vgl. auch die Kritik Lederers, Bemerkungen zur Abhandlung 'Der neue Wirtschaftseeist', ebd., S. 769ff..

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174 Ο. Spann, Ein Beitrag zur volkswirtschaftlichen Theorie des Krieges und der Kriegskosten, in: JNS, 3.F., Bd. 50, 1915, T. 2, S. 608-624, hier S. 610. 175 Vgl. ebd., S. 612ff.. 176 Vgl. 0. Neurath, Staatskartell und Staatstrust als Organisationsformen der Zukunft (1910), in: ders., Durch die Kriegswirtschaft zur Naturalwirtschaft, München 1919, S. 152-155. 177 Vgl. BA, Nl 1/43, fol. 125ff. - Zu Neurath vgl. auch R. Grüner, Otto Neurath, in: HSW, Bd. 7, S. 559f.. 178 O. Neurath, Literatur - Kriegswirtschaft, in: ASS, Bd. 39, 1915, S. 197-215, hier S. 200. 179 O. Neurath, Die Naturalwirtschaftslehre und der Naturalkalkul in ihren Beziehungen zur Kriegswirtschaftslehre, in: WA, Bd. 8, 1916, T. 1, S. 245-258, hier S. 251f.. 180 O. Neurath, Das Begriffsgebäude der Wirtschaftslehre und seine Grundlagen, in: ZfGS, Jg. 73, 1917, S. 484-520, hier S. 484 - Zu Neuraths ordnungstheoretischen Grundüberlegungen vgl. auch Kriegswirtschaft, Verwaltungswirtschaft, Naturalwirtschaft, in: ESWZ, Jg. 2, 1917, S. 966-969. 181 Neurath, Beeriffseebäude, S. 516. 182 W. E. Biermann, Die künftige Reichsfinanzreform, in: ZfS, NF., Bd. 9, 1918, S. 395-416, 550-562, hier S. 551. 183 Felix Germania, in: P, Jg. 11, 1914, S. 626-628. 184 G.B., Als Entgegnung, ebd., Jg. 14, 1917, S. 76-80, hier S. 79 - Die Mängel der Kriegswirtschaft galten ihm als Folge privatwirtschaftlichen Egoismus'.(vgl. G.B., Zu neuen Ufern ..., ebd., Je. 11, 1914, S. 646-653). 185 Vgl. H. Oncken, Politische Ideale der deutschen Zukunft, in: RuW, Jg. 3, 1914, S. 255-260, hier bes. S. 258; R. Seeberg, Staatssozialismus, in: Bayrischer Volksfreund, Nr. 275 v. 23.11.1915. 186 Die Verstaatlichung des Steinkohlebergbaus, in: DVC, Jg. 42, 1917, Nr. 19. 187 Staatssozialismus?, ebd., Jg. 40, 1915, Nr. 34. 188 A. v. Harnack, An der Schwelle des dritten Kriegsjahres. Rede, gehalten am 1.8.1916 in der Berliner Philharmonie, Berlin 1916, S. 12f. - Zu Harnack vgl. auch K. Κ Neufeld, Adolf v. H arnack, in: DtH ist, Bd. 7, S. 24-38. 189 Harnack gegen H andelsegoismus, in: DVC, Jg. 41, 1916, Nr. 63. 190 DSB, Nl Delbrück, Harnack an Delbrück am 21.8.1916, Bl. 25v. 191 "Meine kleine Broschüre ... [= W. v. Möllendorff, Deutsche Gemeinwirtschaft, Berlin 1916] hat auffallend eindringlich Anhängerschaft und Feindseligkeit erzeugt jene bei Akademikern ausserhalb Ihrer engeren Zunft und bei Frauen, diese bei achselzuckenden 'Nationalökonomen', ..., und bei Kommerzienräten in Stadt und Land christlicher und jüdischer Provenienz, und bei allen die es werden wollen. Ein reizendes Intermezzo fand statt, als Harnack am 1. August, frisch und wie er sagte stark beeindruckt von der 'Deutschen Gemeinwirtschaft' das Katheder der nationalliberalen Volksredner bestieg und wirtschaftlich-ethische Sätze einflocht. Die Männer des gottgewollten ... [unleserlich, aber vermutlich: Profits] hätten ihn beinahe gesteinigt und drohten mit Austritt aus der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft u. s. w. sauersüss und pflaumenweich schloss er Frieden. Später wird er auf diesen Tag mit dem Anspruch eines Vaterlandsretters zurückkommen." (BA, Nl 158/24, Möllendorff an Bruck am 22.11.1916) - Das Schreiben Möllendorffs gibt die Fronten in der KriegssozialismusDebatte und die Abneigung von Industrie und Nationalökonomie gegen dessen Protagonisten gut wieder. 192 Staatssozialismus, in: P, Jg. 13, 1916, S. 367-370. 193 Vgl. Kocka, Klassengesellschaft, S. 91ff., 115ff.; Zunkel, S. 105ff.. 194 Vgl. Zunkel, S. 49.

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Kapitel VIII Eulenbure, Literatur, S. 1041. Vgl. Zunkel, S. 90ff., 99ff.; G. D. Feldman, German Business Between War and Revolution. The Origins of the Stinnes-Legien-Agreement, in: G. A. Ritter (Hg.), Enstehung und Wandel der modernen Gesellschaft. Festschrift für H. Rosenberg, Berlin 1970, S. 312-341, hier S. 314ff.; G. D. Feldman u. H. Homburg, Industrie und Inflation, Hamburg 1977, S. 48ff.. 3 Vgl. Zunkel, S. 76fL. 4 Vgl. bes. W. Rathenau, Probleme der Friedenswirtschaft, in: RGSch, Bd. 5, S. 6093. 5 "Seine 'neue Wirtschaft' ist in Wirklichkeit die unbewußte Ideologie seiner eigenen Daseinsform!" (A. Feilen Vor der Übergangswirtschaft, Frankfun 1918, S. 55). 6 E. Jaffé, Kriegskostendeckung und Reichsfinanzreform, in: ASS, Bd. 43, 1916/17, S. 711-741. hier S. 732. 7 Bei der 1915 anstehenden Verlängerung des 'Rheinisch-Westfälischen Kohlesyndikats' konnten sich die beteiligten Firmen zunächst nicht einigen. Erst die Drohung mit einem gesetzlichen Zwangssyndikat veranlaßte die Beteiligten zur Erneuerung des kriegswirtschaftlich wichtigen Syndikats. Ähnlich verhielt es sich in der Stahlindustrie, (vgl. Zunkel, S. 102ff.). 8 E. Jaffé, Kriegskostendeckung, in: ESWZ, Jg. 2, 1917, S. 425-431, hier S. 428. 9 Vgl. E. Jaffé, Grundsätzliches zur Reichsfinanzreform, ebd., Jg. 1, 1916, S. 203-207, hier S. 206L. 10 G. Bernhard. Übergangswirtschaft, Berlin 1918, S. 114. 11 Kriegsentschädigung, in: P, Jg. 14, 1917, S. 26-29, hier S. 27f.. 12 G. Bernhard, Land oder Geld, in: DDK, H. 48, S. 19. 13 Bernhard. Übergangswirtschaft, S. 131. 14 Der Staat "beaufsichtigt und beauftragt, aber er führt nicht selbst durch, er tritt nicht selbst als Unternehmer hervor. Die Form der Unternehmung bleibt weiter privatwirtschaftlich. Nur ihre Profitgrenzen werden eingeengt." (ebd.). 15 Vgl. ebd., S. 9ff., 23ff., 33f, 79ff.. 16 Vgl. ebd., S. 102ff.. 17 Vgl. ebd., S. 122. 18 Vgl. ebd., S. 126ff 19 Ebd., S. 135. 20 Vgl. ebd., S. 141f.. 21 Alfred Weber war zeitweilig als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im Schatzamt tätig.(vgl. ΒΑ, Ν1 197/51, hs. Manuskript: Else Jaffé-v. Richthofen, Biographie Alfred Webers, S. 12). 22 BA, Nl 197/14, Denkschrift: "Die Wirtschaft Deutschlands", S. 13 (Hervorhebung von mir!). 23 Vgl. BA, Nl 197/14, Denkschrift für das Schatzamt: "Vorratswirtschaft und Rohstoffbelastung", S. iL. 24 Schmoller, Volkswirtschaft, S. 8ff. - Kommentiert wurde Schmollers Artikel von einem der üblichen Monita der DVC. (vgl. Wirtschaftsfreiheit und Staatszwang, in: DVC,Jg. 42, 1917, Nr. 50) 25 G. Schmoller, Rez.: W. Rathenau, Von kommenden Dingen, in: Sch.Jb, Bd. 41, 1917, S. 1577-1582, hier S. 1582. 26 Vgl. H. v. Schulz-Hausmann, Die Mitbestimmung des Staates in privaten Unternehmungen. Ein Vorschlag, in: Sch.Jb, Bd. 38, 1914, S. 2029-2037. 27 H. Pesch, Freie Wirtschaft, aber keine Freiwirtschaft, in: Stimmen der Zeit, Bd. 195, 1918, S. 116-131, hier S. 125f.. 1

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: 8 Vgl. I. Jastrow, Die Organisationsarbeit nach dem Kriege und die Aufgaben der Wissenschaft, in: Schjb, Bd. 40, 1916, S. 617-648, hier S. 637ff., 652ff.. : 9 Vgl. Wzgner, Briefe, S. 407. 30 Vgl. Der Staatssozialismus und Professor Adolf Wagner, in: DVC, Jg. 41, 1916, Nr. 8. 31 Vgl. ebd., Nr. 9. 32 Vgl. O. Neurath, Die Wirtschaftsordnung der Zukunft und die Wirtschaftswissenschaft (1917), in: ders., Kriegswirtschaft, S. 159-173. 33 Sobald der Staat sich gezwungen sah, im Kohlebergbau wieder einzugreifen, so Gothein, habe er konzeptionslos zwischen fiskalischem Profitinteresse und gemeinwirtschaftlicher Regulierung geschwankt, (vgl. E. Gothein, Die Wirtschaft der Licht- und Kraftversorgung. Petroleum, Bergbau, Elektrizität, in: Sch.VfS, Bd. 156, T, 1, S. 207345, hier S. 230ff.). 34 Grunenberg bezog sich auf das von der AEG ventilierte Elektrizitätsmonopol. (Grunenberg, Verstaatlichung der Elektrizitätsversorgung und Besteuerung des elektrischen Stroms, Berlin 1917) - Der ständige Mitarbeiter der DWZ, Fitger, kritisierte sogar den Konzentrationsprozeß selbst, da er den Staatseingriff unweigerlich nach sich ziehe, (vgl. E. Fitger, Fortschreitender Zusammenschluß des Großunternehmertums, in: DWZ, Jg. 12, 1916, S. 387-393). 35 Vgl. Weber, in: GPSch, S. 250ff., 330ff.. 36 Ebd., S. 255. 37 Vgl. L. Pohle, Die Ursachen des neuerlichen Vordringens des öffentlichen Betriebes, in: ZfS, NF., Bd. 9, 1918, S. 133-150. 38 Eulenburg, in: Sch.VfS, Bd. 156, T. 2, S. 32f.. 39 Ebd., S. 68f.. 40 W. Tröltsch, Die deutschen Industriekartelle vor und seit dem Kriege (Kriegshefte aus dem Industriebezirk), Essen 1916, S. 71. 41 Vgl. H. v. Beckerath, Zwangskartellierung oder freie Organisation der Industrie? (Finanz- und volkswirtschaftliche Zeitfragen, H. 49), Stuttgart 1918, S. 12. 42 Vgl, dazu Zunkel, S. 96f.. 43 Vgl. Beckerath, S. 32ff., 38ff.. 44 Vgl. ebd., S. 45ff.. 45 Vgl. ebd., S. 72ff.. 46 Ebd., S. 79. 47 E. Gothein, Die zukünftige Licht- und Kraftversorgung Deutschlands, in: ESWZ, Jg. 2, 1917, S. 229. 48 Vgl. E. Gothein, Die zukünftige Licht- und Kraftversorgung, ebd., S. 251-258, hier S. 25lff.. 49 Gothein. in: Sch.VfS, Bd. 156, T. L S. 322. 50 Vgl. R. Liefmann, Die Geldvermehrung im Weltkriege und die Beseitigung ihrer Folgen, Stuttgart 1918, S. 152ff., 162f.; ders., Die Kartelle in und nach dem Kriege (Veröffentlichungen des Deutschen Wirtschaftsverbandes für Süd- und Mittelamerika. H. 2), Berlin 1918, S. llf., 2lf.. 51 Vgl. E. Lederer, Die Überleitung der Wirtschaft in den Friedenszustand, in: ASS, Bd. 43, 1916/17, S. 1-41. 52 Fast klassisch formulierte er: "Die staatliche Nachfrage schafft private Nachfrage im vielfachen Ausmaß ihrer selbst." (F. Oppenheimer, Weltwirtschaft und Nationalwirtschaft, Berlin 1915, S. 52). 53 Vgl. ebd., S. 37ff.. 54 Vgl. ebd.,S. 81ff.. 55 Ebd., S. 57. 56 F. Oppenheimer, Gemeinwirtschaft, in: DH, Jg. 22, 1916, S. 751-753, hier S. 753.

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57 Vgl. F. Oppenheimer, Vorratswirtschaft, in: VZ, Nr. 414 v. 15.8.1915, Sonntagsbeilage, Nr. 33. 58 Vgl. H. Levy, Vorratswirtschaft und Volkswirtschaft, Heidelberg 1915, bes. S. 1 ff-, 53ff.. 59 Feiler, S. 83. 60 Gut dokumentiert ist die zunehmende Öffentlichkeitsarbeit der Industrie und vor allem des Handels gegen die Fortführung der Kriegswirtschaftsorganisation in den Akten des Reichswirtschaftsamtes (vgl. ZStA I, 31.01., Nr. 7278) und im Pressearchiv des Reichslandbundes. (vgl. ZStA I, 61 Re 1, PA, Nr. 8550, Bl. lff.) Nicht zuletzt die Monopolpläne stießen seit Ende 1917 verstärkt auf Kritik der Tagespresse. (vgl. ebd., Nr. 6400, Bl. 152ff.) Besonders die DVC profilierte sich als unermüdlicher Streiter gegen Staatssozialismus im allgemeinen und Staatsmonopole im besonderen. (vgl. DVC, Jahrgänge 41 - 43, 1915 - 1918). 61 O. Brandt, Die deutsche Industrie im Kriege 1914/15, Berlin 1915, S. 86. 62 O. Brandt, Zwangssyndikate und Staatsmonopole, Berlin 1918, S. 7. 63Vgl. ebd., S. 11 ff.. 64 Vgl. DVC, Jg. 41, 1916, Nr. 8. 65 Vgl. Brandt, Zwangssyndikate, S. 26ff.. 66 Ebd., S. 31. 67 Vgl. Zunkel, S. 135ff.. 68 Zit. nach BA Nl 158/77 - Kaum differenzierter argumentierten freilich Beamte des Schatzamtes, die in einem Schreiben Plenge, Jaffé, Harnack mit Rathenau und Möllendorff zu den Gegnern der freien Wirtschaft zählten. (vgl. Braun, Konservativismus, S. 92). 69 Vgl. UB BN, Nl Beckerath, S 2639, Schulze-Gävernitz an Beckerath am 4.10.1916. 70 Vgl. Schulze-Gävernitz, Kestner, S. 231 ff., 243. 71 Vgl. ebd., S. 246. 72 Vgl. Rösler, S. 103ff.; Halier, in: WWD, S. 131 ff.. 73 Vgl. Halier, S. 139. 74 Vgl. Holtfrerich; W. Abelshauser, Inflation und Stabilisierung. Zum Problem ihrer makroökonomischen Auswirkungen auf die Rekonstruktion der deutschen Wirtschaft nach dem Ersten Weltkrieg, in: HPDI, S. 161-174; J . Fleming u.a., Sozialverhalten und politische Reaktionen von Gruppen und Institutionen im Inflationsprozeß, ebd., S. 239263; Haller, in: WWD, S. 142ff.. 75 Vgl. UB TÜ, Md 875/213, Bl. 92f., Lotz an Fuchs am 3.6.1918. 76 Vgl. UB TÜ, Md 875/143, St. VII, Herkner an Fuchs am 37.1918. 77 Vgl. auch G. Struntz, Finanzreformvorschläge. Ein Überblick, in: DWZ, Jg. 14, 1918, S. 217-240. 78 G. Bernhard, Noten, Schulden, Steuern, in: P, Jg. 13, 1916, S. 165-168, hier S. 168. 79 Vgl. G. Bernhard, Kriegsentschädigung, ebd., Jg. 14, 1917, S. 1-4, 26-29; ders., Wie finanzieren wir den Krieg? (Um Deutschlands Zukunft, H. 5), Berlin 1918. 80 Vgl. C. Ballod, Die Finanzen nach dem Kriege, in: ESWZ, Jg. 2, 1917, S. 826-834, 885-894, hier S. 885ff. - ähnlich auch I. Jastrow, Gut und Blut fürs Vaterland, Berlin 1917, bes. S. 82ff., 205. 81 Ballod, Finanzen, S. 828. 82 Vgl. F. Somary, in: Sch.VfS, Bd. 156, T. 3, S. 29ff., T. 1, S. 89ff.. 83 Vgl. ebd., T. 1,S. 94ff.. 84 Vgl. Biermann, Reichsfinanzreform, S. 415f., 555, 561 f.. 85 Vgl. Eulenburg, in: Sch.VfS, Bd. 156, T. 2, S. 44ff., 57ff.. 86 Diehl, in: Sch.VfS, Bd. 156, T. 1, S. 82f. 87 Vgl. ebd., S. 24f., T. 3, S. 26ff. - Die Abgabe sollte stark progressiv sein und produktives wie unproduktives Vermögen erfassen, wobei ersterem längere Zahlungsfristen eingeräumt werden sollten. Dem Grundbesitz sollte die Umwandlung in Renten und

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der Industrie der Rückgriff auf die eventuell weiterzuführenden Kriegsdarlehenskassen gestattet werden. Letzteres wäre freilich auf eine Quasi-Steuer hinausgelaufen. (vgl. ebd., T. L S . 29ff.). 88 Ebd., T. 1,S. 23. 89 Vgl- J· Schumpeter, Die Krise des Steuerstaates (1918), in: R. Hickel (Hg.), Rudolf Goldscheid/Joseph Schumpeter, Die Finanzkrise des Steuerstaates. Beiträge zur politischen Ökonomie der Staatsfinanzen, Frankfurt 1976, S. 329-379, hier S. 329ff.. 90 Vgl. auch R, Hickel, in: ders., Finanzkrise, S. 28ff.. 91 Vgl. Schumpeter, Krise, S. 346ff.. 92 Vgl. ebd., S. 357ff.. 93 Ebd., S. 361,364. 94 Ebd., S. 370 - Zu Kautsky vgl. Kapitel VIII.4. 95 Vgl. Zwiedineck-Südenhorst, Liefmann, in: Sch.VfS, Bd. 156, T. 3, S. 37ff., 80ff.. 96 Vgl. R. Liefmann, Kartelle und Trusts, 3. Aufl. Stuttgart 1918, S. 302ff.. 97 Liefmann, Krieg, S. 34. 98 Vgl. Liefmann, Geldvermehrung, S. 144f., 148f., 152. 99 Vgl. E. Goldstein, Monopole und Monopolsteuern, Leipzig 1916, S. 7f. - ähnlich auch der Sozialdemokrat F. Gottlieb, Kriegskosten und Staatsmonopole, in: N2, Jg. 35, 1917, Bd. 2, S. 399-402. 100 A. Weber, Vorratswirtschaft und Rohstoffbelastung, a.a.O., S. 2. 101 Vgl. ebd., S. 3ff.. 102 Vgl. ΒΑ, Ν1 197/14, unvollständiges Manuskript: "Prinzip der Abstufung der einmaligen Vermögensabgabe". 103 Vgl. P. Mombert, Zementmonopol oder Monopolsteuer, in: ESWZ, Jg. 1, 1916, S. 1229-1231; ders., Der Finanzbedarf des Reiches und seine Deckung nach dem Kriege, Karlsruhe 1916, S. 13ff., 34f.. 104 Vgl. P. Mombert, Eine Verbrauchseinkommenssteuer für das Reich als Ergänzung zur Vermögenszuwachssteuer, Tübingen 1916. 105 G. Cohn, in: Sch.VfS, T. 2, S. 5. 106 W. Lotz, ebd., T. 3, S. 9. 107 H. Dietzel, ebd., T. 1, S. 121. 108 Vgl. ebd., S. 123f.. 109 Vgl. H. Herkner, Das Finanzwesen, in: W. Götz (Hg.), Deutschland und der Friede, Leipzig 1918, S. 573-591, S. 575ff., 589ff.. 110 Biermann, Reichsfinanzreform, S. 552. 111 Vgl. Jaffé, Grundsätzliches, S. 203; ders., Kriegskostendeckung u. Reichsfinanzreform, S. 711ff., 736f.. 112 E. Jaffé, Steuerreform und Kriegskostendeckung, in: Der Stoßtrupp, Feldzeitung der Armee-Abt. A, Jg. 1, 1917, Nr. 66, S. 3. 113 1917 war Jaffé noch vom Erfolg des U-Boot-Krieges überzeugt. (vgl. E. Jaffé, Kriegsentschädigung oder Vermögensabgabe, in: ESWZ, Jg. 2, 1917, S. 382-386) Frankreich kam seiner Meinung nach mangels Leistungsfähigkeit, Belgien aus Gründen politischer Opportunität nicht für Kontributionen in Frage. 114 Vgl. Jaffé, Kriegskostendeckung u. Reichsfinanzreform, S. 713ff.; ders., Grundsätzliches zur Frage: Kriegskostendeckung und Steuerreform, in: Sch.VfS, Bd. 156, T. 2, S. 83-118, hier S. 85. 115 Sch.VfS, Bd. 156, T. 2, S. 92 - Auch Brentano hoffte, daß die Theorie, nach der "das Geld den Wert der Dinge bestimme aber nicht umgekehrt, ... nicht soviel Anklang findet, dass wir schließlich Erfahrungen machen wie die Amerikaner zur Zeit des Unabhängigkeitskrieges ..., wo man einen ganzen Wagen von Papierzetteln anfahren musste, um auch nur eine geringfügige Sache bezahlen zu können, ... ." (ΒΑ, Ν1 1/9, fol. 44. Brentano an Borchardt am 5.9.1918). 116 Vgl Jaffé, Grundsätzliches, S. 204f..

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117 Jaffé, Kriegskostendeckung u. Reichsfinanzreform, S. 735f. - Das betrügerische Kriegsgewinnlertum der Berliner Geschäftsfrau Meta Kupfer, in deren Dunstkreis auch mancher 'ehrsame' Kaufmann mitverdiente, machte damals Schlagzeilen. - Auch Max Weber erwartete von der Aufrechterhaltung oder gar Ausweitung des Fideikommiß die "Nobilitierung der Kriegsgewinne." (vgl. M. Weber, GPSch, S. 183ff.; F. Lütge, Fideikommiß, in: HSW, Bd. 3, S. 522f). 1,8 Vgl.Jaffé, Kriegskostendeckung, S. 429. 1,9 Die Abgabe sollte vornehmlich in Staatsschuldtiteln (vor allem in Kriegsanleihen), aber auch in Titeln auf Realwerte (Hypotheken u.ä.) geleistet werden. Nur in Ausnahmefällen sollte der Staat Realwerte selbst (Haus-, Grund- und Bergwerksbesitz) entgegennehmen, die von einer "Reichsvermögensverwaltungsstelle" verwaltet werden sollten. (vgl. Jaffé, Kriegskostenentschädigung, S. 382ff.; ders., Kriegskostendeckung u. Reichsfinanzreform, S. 711ff.; ders., in: Sch.VfS, Bd. 156, T. 2, S. 99f.) Rathenau hingegen wollte den Staat zum Eigner eines Sammelsuriums von Realwerten, Aktien u.ä. machen und ihm so eine praktische Grundlage seiner Politik schaffen. (vgl. Rathenau, in: RGSch, Bd. 5, S. 86f.). 120 Vgl. E. Jaffé, Das Problem der Neuordnung der Reichsfinanzen, in: Dresdner Anzeiger v. 17.2.1915; ders., Militarisierung, S. 529ff.. 121 Jaffé, in: Sch.VfS, Bd. 156, T. 2, S. 117. 122 Vgl. ebd., S. 103f.; Jaffe, Kriegskostendeckung u. Reichsfinanzreform, S. 728f.. 123 Jaffé, in: Sch.VfS, Bd. 156, T. 2, S. 94. 124 Vgl. ebd., S. 94ff.; Jaffé, Kriegskostendeckung, S. 430. 125 Vgl. Jaffé, Kriegskostendeckung u. Reichsfinanzreform, S. 726f.; ders., Kriegskostendeckung, S. 426. 126 Jaffé, Kriegskostendeckung u. Reichsfinanzreform, S. 731. 127 Dieser Gedanke geht auf das Leuchtölmonopolprojekt zurück. (vgl. Kapitel IV.6). 128 Vgl. J a f f é Kriegskostendeckung, S. 428f.; ders., Kriegskostendeckung u. Reichsfinanzreform, S. 731ff.; ders., in: Sch.VfS, Bd. 156, T. 2, S. 106ff. 129 Vgl. W. Gerloff, Grundlegung der Finanzwissenschaft, in: ders. u. F. Neumark, Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 1, 2. Aufl. Tübingen 1952, S. 1-65, hier S. 13f., l 3 0 E.

Jaffé, in: AND, S. 110f.. Vgl. ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/11, Bl. 50ff., M. Weber an Sombart am 20.1.1914 u. an Jaffé am 22.1.1914 (AS). 132 Vgl. dazu auch M. Plum, Die staatssozialistische Idee in der neueren Sozialdemokratie, Diss. Freibure o. J . , S. 6ff., 16ff.. 133 R. Lazarsfeld, Rez.: R. Goldscheid, Staatssozialismus oder Staatskapitalismus, in: ARW, Bd. 11, 1917/18, S. 255-259, hier S. 259. 134 Als Obmann der Wiener Soziologischen Gesellschaft lud Goldscheid 1917 zu einem Vortrag von Jaffé über "Aufgaben der zukünftigen Finanzpolitik" ein. (vgl. BA, Nl 186/2). 135 Vgl. R. Goldscheid, Staatssozialismus oder Staatskapitalismus, Wien 1917 (wiederabgedruckt in: Hickel, Finanzkrise, S. 40-252), S. 1 ff.; ders., Finanzwissenschaft und Soziologie (1917), in: Hickel, Finanzkrise, S. 317-328 - vgl. auch F. K. Mann, Finanzsoziologie, in: HSW, Bd. 3, S. 642-648, S. 643. 136 Vgl. Goldscheid, Staatssozialismus, S. 5ff.. 131

137 138 139 140 141

Ebd., S. 21f.. Vgl. ebd., S. 21f., 103f.. Ebd., S. 23. Ebd., S. 16. Ebd., S. X.

142 Vgl. auch R. Goldscheid, Menschenökonomie als Zweig der Wirtschaftswissenschaft, in: Allgemeines Statistisches Archiv, Jg. 8, 1914, S. 516-535.

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Goldscheid, Staatssozialismus, S. 22. Ebd., S. 36. 145 Vgl. ebd., S. 34ff., 39, 47, 53ff., 64ff., 153. 146 Vgl. ebd., S. 44ff. 147 Vgl. ebd., S. 62f., 67ff.. 148 Vgl. ebd., S. 86ff.. 149 Ebd., S. 83. 150 Ebd., S. 36. 151 Ebd., S. 46. 152 Ebd., S. 6. 153 Ebd., S. 44. 154 Ebd., S. 129. 155 Ebd., S. 131. 156 Vgl. ebd., S. 147ff., 161ff.. 157 Vgl. ebd., S. 134ff, 171ff., 185. 158 Vgl. ebd., S. 32f.. 159 Vgl. ebd., S. 42. 160 Vgl. ebd., S. 143. 161 Vgl. dazu F. Lassalle, Hg. v. F. Jenaczek, Reden und Schriften, München 1970, S. 22ff., 121ff., 170ff. - vgl. auch Hardach/Karras, S. 60ff.; W. Greiling, Marxismus und Sozialisierunestheorie, Berlin 1923, S. 78ff.. 162 Vgl. K. Marx, Zweiter Entwurf zum 'Bürgerkrieg in Frankreich', in: MEW, Bd. 17, S. 572-610, hier S. 592. 163 Zu den sozialistischen Sozialisierungsvorstellungen bis zum Ersten Weltkrieg vgl. A. Wernitz, Sozialdemokratische und kommunistische Sozialisierungskonzeptionen. Eine Untersuchung zur Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Diss. Erlangen 1966, S. 62ff,, 81ff.; W. Brus, Funktionsprobleme der sozialistischen Wirtschaft, Frankfurt 1971, S. 29ff.. 164 Vgl. Goldscheid, Staatssozialismus, S. 138. 165 Vgl. F. Naphtali, Wirtschaftsdemokratie. Ihr Wesen, Weg und Ziel (1928), Frankfurt 1966, bes. S. 26ff., 61 ff., 154ff., 182ff. - Zu neueren Überlegungen in dieser Tradition vgl. J . Huber u. J . Kosta, Wirtschaftsdemokratie in der Diskusion, Frankfurt 1978, bes. S. 139ff.. 166 Vgl. C. Schmidt, Staatskapitalismus, in: SM, Jg. 23, 1917, S. 439-442; O. Jenssen, Staatssozialismus oder Staatskapitalismus?, in: NZ, Jg. 35, 1917, Bd. 2, S. 419-426, 442448. 167 Vgl. Kapitel XL; Bieber, S. 146f... 168 Typisch erscheint der Vorschlag Schinckels, die Staatsschuld besser über höhere Verbrauchssteuern als durch Monopole aufzubringen. (vgl. M. Schinckel, Staatsmonopole während und nach Beendigung des Krieges, in: RuW, Jg. 4, 1915, S. 192-195, hier S. 193f.) - Zur Kritik Kämmerers vgl. Kapitel VII.3. 169 P. Lensch, Kann alles beim alten bleiben?, in: RuW, Jg. 4, 1915, S. 258-261, hier S. 259. 170 Vgl. auch die scharfe Antikritik Schinckels, Zur Frage der Staatsmonopole, ebd., S. 293f.. 171 E. Heilmann, Seid Sozialisten!, in: DG, Je. 3, 1917/18, Bd. 2, S. 47-57, hier S. 54. 172 Vgl. auch P. Umbreit, Zur Monopolfrage, ebd., Bd. 1, S. 899-910; ders., Zur Steuerpolitik nach dem Kriege, ebd., Bd. 2, S. 143-151, hier bes. S. 150f.; A. Bredenbeck, Sollen wir die Verstaatlichung der Bergwerke fordern?, ebd., Jg. 2, 1916/17, Bd. 2, S. 266-271; E. Heilmann, Doch Staatswirtschaft und Wirtschaftsstaat nach Kriegsschluß, ebd., Jg. 4, 1918, Bd. 1, S. 720-728. 173 E. Fischer, Geist und Form des Sozialismus, in: SM, Jg. 22, 1916, S. 846-851, hier S. 851. 143 144

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174 Vgl. E. Fischer, Das Werden des Elektrizitätsmonopols, ebd., Jg. 21, 1915, S. 443450; ders., Krieg und Staatssozialismus, ebd., S. 140f.; ders., Bergbauverstaatlichung, ebd., S. 909f.; ders., Kriegswirtschaft, ebd., S. 709f.. 175 E. Fischer, Der Krieg und das sozialistische Werden, in: ASPG, Bd. 4, 1916, S. 74132, hier S. 75. 176 Vgl. H. Peus, Der Sozialismus und der sogenannte Kriegssozialismus, in: SM, Jg. 23, 1917, S. 190-194. 177 Verstaatlichung und Arbeiterinteressen, in: V, Nr. 10 v. 10.1.1916. 178 Vgl, P. Umbreit, Die Gewerkschaften nach dem Kriege, in: SM, Jg. 24, S. 771778; ders., Übergangswirtschaft und Arbeiterinteressen, Berlin 1917, S. 2lff., 34ff., 46ff. - Fischer begrüßte Möllendorffs Kapitalismuskritik, lehnte seine Neuordnungsvorschläge aber als oberflächlich ab. Ohne sie direkt zu nennen, hielt er der 'Glocken'Gruppe deren Geringschätzung von parlamentarischer Demokratie und Sozialpolitik vor. Wie im Grunde auch Umbreit, betonte er die Priorität der Parlamentarisierung und der Fortführung der Sozialpolitik vor der Forderung nach Verstaatlichung. (vgl E. Fischer, Gemeinwirtschaft, in: SM, Jg. 24, 1918, S. 906-908). 179 Vgl. E. Fischer, Das sozialistische Werden, Leipzig 1918, S. 14ff.. - Jaffé wird S. 17f. zitiert - vgl. auch E. Fischer, Der Reformismus und die Krise in der Sozialdemokratie, in: NZ, Jg. 34, 1915/16, Bd. 204-210. 180 Vgl. Fischer, Werden, S. 32ff.. 181 Ebd., S. 361. 182 Vgl. ebd., S. 359ff. - vgl. auch S. 106, 124ff., 196ff., 230ff., 285ff., 347ff.. 183 Vgl. W. Jansson (Hg.), Monopolfrage und Arbeiterklasse, Berlin 1917 - vgl. auch D. Petzina, Gewerkschaften und Monopolfrage, in: ASG, Jg. 20, 1980, S. 195-217, hier bes. S. 206ff.. 184 Vgljansson, Monopolfrage, S. 3ff., 80ff., 87ff.. 185 Vgl. ebd., S. 215ff.. 186 Ebd., S. 238. 187 Vgl. ebd., S. 243ff. - Zu Heilmann vgl. Kapitel XI.2. 188 Vgl. K. Kautsky, Sozialdemokratische Bemerkungen zur Übergangswirtschaft,

Lcipzig 1918, S. 27ff., 157ff - Aus diesen Gründen harte Kautsky schon früher für eine

distanzierte Haltung gegenüber Fiskalmonopolen plädiert, wenngleich auch er sie Privatmonopolen vorzog.(vgl. K. Kautsky, Zur Frage der Steuern und Monopole, in: NZ, Jg. 33, 1914/15, Bd. 1, S. 673-683, hier S. 677ff.) Ähnlich wie Kautsky argumentierte auch Eckstein in seiner Kritik an Jaffés und Ballods "himmelblauen Illusionen". (vgl. Eckstein, Krieg, S. 341 ff.). 189 Kautsky, Bemerkungen, S. 166. 190 Vgl. ebd., S. 79ff.. 191 Vgl. SPD/PT, 1917, S. 160. 192 Vgl. ebd., S. 149ff., 155f., 169, 173, 176, 179ff., 184f., 194ff., 426f., 433f., 440f. vgl. auch E. Lederer, Sozialpolitische Chronik: Die Gewerkschaftsbewegung 1916/18, in: ASS. Bd. 46, 1918/19, S. 839-870. hier S. 862ff.; Zunkel. S. 73. 193 ZStA II, Rep. 92/Berlepsch, Nr. 31a, Bl. 113, Stimmungsbericht v. 11.3.1918. 194 Riezler notierte 1915 in seinem Tagebuch: "Der Weg in den sozialistischen Staat. Er kommt desto schneller, je mäßiger der Ausgang des Krieges ist. Die enormen Aufgaben nach dem Krieg sind nur durch Staatssozialismus zu bewältigen." (K. Riezler, Hg. v. K. D. Erdmann, Tagebücher, Dokumente, Aufsätze, Göttingen 1972, S. 261) Bezugnehmend auf Thimme, Frauendorfer, Jansson, Robert Schmidt und Gustav Bauer - die letzten drei Gewerkschaftsfühhrer - meinte er, "dass es eine Sünde wäre, so viel Kraft und Tüchtigkeit wieder zurückzustossen. Es müssen Monopole mit den Leuten gemacht werden - sie müssen im Staat gehalten werden." (ebd., S. 366) Ähnlich argumentierte auch das 'Büro für Sozialpolitik' in seinem Stimmungsbericht v. 1.3.1916 (vgl. ZStA II, Rep. 92/Berlepsch, Nr. 29, Bl. 495f.).

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195 Vgl. L. ν. Wiese, Staatssozialismus (Schriften zur Zeitgeschichte, H . 17), Berlin 1916, S. 27ff.. 196 Ebd., S. 9. 197 Vgl. ebd., S. 44ff.. 198 Vgl. ebd., S. 62ff.. 199 Vgl. ebd., S. 106ff.. 200 Ebd., S. 105. 201 UB BI, Nl Plenge, Protokollbuch des Proseminars Praktische Abteilung, Sitzung v. 8.6.1917 u. 18.5.1918. 202 Koch, S. 609. 203 RT/Ber., Bd. 312, S. 4888. 204 Ebd., S. 4895. 205 Ebd., S. 4897. 206 Ebd., S. 4902. 207 "In der gebundenen Wirtschaft waltet der Beamte, und der Beamte rückt vor nach Anciennität, wenn's gut geht, wenn nicht, ..., er vorrückt durch Protektion, Vetternwirtschaft, Geburtsvorrecht, Couleursbruderschaft usw. (Zuruf von den Sozialdemokraten.) - Ja , Ihr Einspruch ist Zukunftsmusik; aber wir wollen uns doch zunächst mal an die Gegenwart halten. Es ist kein Zweifel, als Wirkung der Kriegswirtschaft besteht in weiten Kreisen unseres Volkes, besteht, ..., auch in Kreisen, die der Sozialdemokratischen Partei nahestehen, ein Protest gegen Zuvielregiererei, Beamtenallmacht und Beamtenwillkür. (Sehr richtig! links) ... Und welche Mühe erforden es nicht, in dem Labyrinth unserer Krieesämter sich zurecht zu finden!" (Schulze-Gävernitz, ebd., S. 4903f.). 208 Ebd., S. 4905. 209 Vgl. ebd., S. 4912ff.. 210 Vgl. ebd., S. 4908. 211 Vgl. ebd., S. 4916ff.. 212 "Mit ... großem Interesse," so Riebensahm, "habe ich ... Ihre Äußerungen im Reichstag zur Übergangswirtschaft gelesen. Wie in unseren Gesprächen kann ich Ihnen nur zustimmen." Bei den Daimler-Werken werde "auch politisch, sozial ... zu wirken sein. Gerade dafür erhoffe ich mir von Ihnen ... noch manche Anregung." Er wolle auch in Stuttgart den persönlichen "Konnex" mit den Arbeitern finden, der ihm in Eisenach "noch in allerletzter Zeit die Beruhigung der durch lässige Behörden und agitatorische Machenschaften von Entente- und Unabhängigen-Agenten [= Unabhängige Sozialdemokraten] aufgerührte Arbeiter ... ermöglichte." (ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/v.20, Rieben­ sahm an Schulze-Gävernitz am 18.9.1918). 213 Vgl. Zunkel, S. 142ff., 158ff.. 214 Vgl. G. D. Feldman, The Origins of the Stinnes-Legien-Agreement, in: IWK, H. 19f-, Jg. 1973, S. 45-103; ders., Die Freien Gewerkschaften und die Zentralarbeitsgemeinschaft 1918 - 1924, in: H, O. Vetter (Hg.), Vom Sozialistengesetz zur Mitbestimmung. Zum 100. Geburtstag von H. Böckler, Köln 1975, S. 229-252; ders., Army, S. 521 ff.; ders., Business, S. 323ff.; Kocka, Klassengesellschaft, S. 131 ff.; Zunkel, S. S. 172ff., 188ff.; Bieber, S. 595ff.. 215 Vgl. H. Schieck, Der Kampf um die Wirtschaftspolitik nach der Novemberrevolution 1918, Diss. (MS) Heidelberg 1958, S. 14ff., 46f.; H. Habedank, Um Mitbestimmung und Nationalisierung während der Novemberrevolution und im Frühjahr 1919, Berlin (DDR) 1967, S. 76ff.; K. Trüschler, Die Sozialisierungspolitik in der Weimarer Republik 1918 - 1920, Diss. Marburg 1968, S. 233ff.; Wernitz, S. 113ff.; Bieber, S. 619ff.. 216 Vgl. P._C. Witt, Bemerkungen zur Wirtschaftspolitik in der Übergangswirtschaft, in: IGPS, S. 79-96, hier S. 84ff.. 217 Vgl. Schieck, S. s. 47ff.; Bieber, S. 625ff..

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218 Vgl das Programm der Kommission in: UF, S. 34 - vgl. auch Trüschler, S. 36ff.; Schieck, S. 96f.; Habedank, S. 120ff, 133ff, 171ff., 232ff., 219 ΒΑ, Ν1 1/63, fol. 62, Voeelstein an Brentano am 10-12.1918. 220 Vgl. E. Biechele, Der Kampf um die Gemeinwirtschaftskonzeption des Reichswirt­ schaftsministeriums im Jahre 1919, Diss. Berlin 1972, S. 80ff.; Schieck, S. 78ff., l00ff., 110ff., 209ff.; Trüschler, S. 23ff.; Habedank, S. 223ff., Braun, Konservativismus, S. 99ff., 116ff.. 221 Vgl. D. E. Barclay, Rudolf Wissell. 3Some Tentative Observations, in: HPDI, S. 295-309, hier S. 297ff.; ders., Α Prussian Socialism? Wichard v. Möllendorff and the Dilemmas of Economic Planning in Germany 1918 - 1919, in: Central European History, Bd. 11, 1978, S. 50-82; Biechele, S. 47ff., 105ff., 117ff., 133ff.; Schieck, S. 168ff., 190ff; Braun, Konservativismus, S. 125ff.; Witt, in: IGPS, S. 93ff.. 222 Biechele, S. 116 - ähnlich auch Schieck, S. 194. 223 Vgl. C. S. Maier, Recasting Bourgeois Europe, Princeton 1975. 224 Vgl. die Gesetze in: UF, S. 267ff. - vgl. auch Schieck, S. S. 146ff., 153ff.; Trüschler, S. S. 132ff.; Habedank, S. 265ff., 276ff.; Braun, Konservativismus, S. 11 Off.. 225 Der komplizierte bürokratische Schematismus, dessen Verwandtschaft mit der Kriegswirtschaft kaum zu übersehen war, stieß nicht zuletzt bei vielen Partei- und Gewerkschaftsfunktionären auf Unbehagen. (vgl. Schieck, S. 178ff.; Biechele, S. 147ff., 154ff., 164ff; Barclay, Wissell, S. 303f.; Trüschler, S. 219ff., 273ff.). 226 Vgl. Biechele, S. 157f. - Der Wahlaufruf der DDP vom 14.12.1918 setzte wirtschaftspolitisch die von Schulze-Gävernitz her bekannten Forderungen fort: Tarifvertragssystem, Mittelstandsschutz, Beschränkung, des Großgrundbesitzes und fallweise Sozialisierung unter dem leitenden Aspekt der Produktivitätssteigerung. (vgl. UF, S. 175ff.) Nach scharfen Kontroversen einigten sich die Anhänger des extremen und des gemäßigten Wirtschaftsliberalismus auf die gemeinwirtschaftliche Regelung des Kohleund Kalibergbaus sowie der Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung. Im Sommer 1919 gehörte die demokratische Fraktion der Nationalversammlung jedoch zu den schärfsten Kontrahenten Wissells, obwohl auch nationalsoziale Vorstellungen einer Minderheit noch virulent waren. (vgl. Trüschler, S. 252ff.; Schieck, S. 196ff.) Das Programm der Demokraten vom 15.12.1919 sah denn auch nur noch öffentliche Kontrollen hochkonzentrierter Branchen vor. (vel. UF, S. 182). 227 Vgl. Trüschler, S. 245ff.. 228 Vgl. Schieck. S. 122ff.; Biechele, S. 167ff.; Trüschler, S. 304ff.. 229 Vgl. Schick. S. 103ff., 219ff.. 230 Vgl. vor der Nationalversammlung, in: UF, S. 270ff.. 231 Vgl. F. Menties, Reichsreform und Finanzpolitik, Berlin 1971, S. 189. 232 Vgl. auch das 1921 erschiene Sammelwerk zum wirtschaftlichen Wiederaufbau von G. Anschütz (Hg.), Handbuch der Politik, Bd. 4 (Der wirtschaftliche Wiederaufbau), Berlin 1921. 233 Vgl. dazu Menees, S. 184ff.. 234 Vgl. Schieck, S. 250ff; Biechele, S. 196ff.; Schmid, S. 128ff.. 235 Vgl. dazu Trüschler, S. 67ff. - Jetzt nahm auch Alfred Weber teil. 236 Unter dem Aspekt ihrer Fruchtbarkeit für gegenwärtige wirtschaftspolitische Überlegungen hat sie K. Novy, Sozialisierungsstrategien in der Weimarer Republik, Frankfurt 1978 aufgearbeitet. - Als zeitgenössischer Überblick vgl. E. Heimann, Die Sozialisierung, in: ASS, Bd. 45, 1918/19, S. 527-590; Greiling. 237 Heimann forderte nach dem Scheitern der Ersten Sozialisierungskommission Ballod, Cunow, Hilferding, Hue, Kautsky, Lederer, Möllendorff, Neurath, Rathenau, Schumpeter, Umbreit, Wilbrandt und Wissell als "freie Vertreter des sozialistischen Gedankens" auf, eine freie Sozialisierungskommission zu bilden.(vgl. ΒΑ, Ν1 158/38, Heimann an Möllendorff u.a.) Angesichts dieser Liste wird die Kontinuität des Kriegssozialismus deutlich.

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Kapitel IX Vgl. Schwabe, S. 46ff.. Vgl. ebd., S. 70ff.; H. Döring, Der Weimarer Kreis. Studien zum politischen Bewußtsein verfassungstreuer Hochschullehrer in der Weimarer Republik, Meisenheim 1975,5. 24ff. 3 "Dem gänzlich niedergeschlagenen Frankreich" sei "ein ehrenvoller versöhnlicher Friede anzubieten ... - nach dem Vorbild von Bismarcks Frieden mit Osterreich 1866," der freilich "gegen unsere Militärpartei" durchzusetzen sei. Ferner sei ein Wirtschaftsraum "von Rotterdam nach Basra, von der Rhein- zur Euphratmündung, von Daressalam zur Congomündung" zu schaffen, eine "riesige coloniale Welt zur Bearbeitung und Organisierung" durch die künftigen Generationen Deutschlands. Als gleichberechtigte und von England anerkannte "Welt- und Colonialmacht" könne Deutschland dann zum endgültigen Ausgleich mit England und vielleicht zu "germanischer Gesamtbürgschaft" für die ganze Welt gelangen. (ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.21, Schulze-Gävernitz an seine Frau Johanna am 25.8.1914). 4 Vgl. F. Fischer, Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18, Kronberg 1977 (Neuaufl. der Sonderausgabe von 1967), S. 136f.; ZStA II, Rep. 92/Schmoller, Nr. 208a, BI. 72f., Harnack an Schmoller am 16.4.1916 vgl. auch Kapitel X.3. 5 Vgl. zu diesen R. Opitz, Der deutsche Sozialliberalismus, Köln 1973, S. 21ff.; BA/ ΜΑ, Ν 523/v.l9, Korrespondenz Schulze-Gävernitz - Jäckh - Zu Rohrbach vgl. auch W. Moek, Paul Rohrbach und das 'Größere Deutschland', München 1972. 6 Vgl. Stegmann, S. 458ff.. 7 Vgl. Schwabe, S. 88ff., 95ff.. 8 Vgl. ebd., S. 55ff.. 9 Plenge, Krieg, S. 51. 10 Vgl. ebd., S. 174ff.. 11 Vgl. dazu R. Opitz (Hg.), Europastrategien des deutschen Kapitals 1900 - 1945, Köln 1977, S. 226ff., 302ff; Fischer, Griff, S. 95ff., 140ff.. 12 Vgl. Jaffé, Militarisierung, S. 532f.; ders., Volkswirtschaft, S. 12ff„ 13 Vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Vom Wirtschaftskrieg, in: VZ v. 16.12.1917; ders., Neubau, S. 4ff.. 14 Wie Schulze-Gävernitz war Liszt Gelehrter (Strafrechtler) und Mitglied der Reichstagsfraktion der Fortschrittspartei. 15 Vgl. W. Gutsche, Mitteleuropa. Planungen in der Außenpolitik des deutschen Imperialismus vor 1918, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Jg. 20, 1972, S. 533549; Fischer, Griff, S. 89ff., 164f., 169ff., 375ff.; Schwabe, S. 63ff. - Eine charakteristische Formulierung des Mitteleuropagedankens findet sich im Tagebuch Riezlers: "Gestern [= 17.4.1915] lange mit dem Kanzler zusammengesessen, um ihm mein neues Europa, d.h. die europäische Verbrämung unseres Machtwillens, auseinanderzusetzen. Das mitteleuropäische Reich deutscher Nation. Das bei Aktiengesellschaften übliche Schachtelsystem, das deutsche Reich eine AG mit preussischer Aktienmajorität ... . Daher um das deutsche Reich herum ein Staatenbund, in dem das Reich ebenso die Majorität hat wie Preussen im Reich ... ." (Riezler, Tagebücher, S. 168). 16 Vgl. F. Naumann, Mitteleuropa, in: NW, Bd. 4, S. 485-842 - vgl. auch die publizistische Vorbereitung ebd., S. 442ff.. 17 Vgl. Schwabe, S. 68. 18 Vgl. ZStA I, 09.01., Nr. 2504; Heuss, Naumann, S. 379f.. 19 Vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.19, Below an Schulze-Gävernitz am 4.11.1915. 1

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20 Zwar lehnte Schulze-Gävernitz "uferlose Annexionen" als "Schwächung der deutschen Position" ab und erstrebte Landerwerb nur, soweit er zur Sicherung der deutschen Position unabdingbar war. In diesem Sinne für unabdinglich hielt er den Besitz des flämischen Belgien als Garantie 'freier Meere', während vom französischen Sprachgebiet so wenig wie möglich annektiert werden sollte. Lüttich hielt er für unentbehrlich, während er sich in Longwy/Briey eventuell mit der Übertragung von Eigenmtumsrechten zufrieden geben wollte. Wallonien sollte Frankreich zugeschlagen werden. Im Osten forderte er zur "Erweiterung unserer landwirtschaftlichen Gundlage," insbesondere zur Ansiedlung deutscher Kolonisten die Gouvernements Kurland, Kowno und Suwalki sowie die allmähliche Eindeutschung der Letten, Esten und Littauer. Polen sollte als Kronland der Donaumonarchie wiederhergestellt werden, allerdings vermindert um einen Grenzstreifen, durch den die polnisch-schlesische Grenze verkürzt werden sollte. Die polnische Bevölkerung dieses Gebietes sollte umgesiedelt werden. Als letzten Programmpunkt sah Schulze-Gävernitz die "bundesmäßigeAnnäherung Deutschlands und Österreich-Ungarns in der Richtung auf die 'Vereinigten Staaten von Mitteleuropa'" vor. (ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.5, Streng vertrauliche, gedruckte Denkschrift: "Friedensziele", vermutlich von 1915) - Seine Vorschläge hinsichtlich des Ostens entsprachen denen Serings, die dieser nach einer Reise in amtlichem Auftrag vorlegte, (vgl. Fischer, Griff, S. 105) - Zur Politik Bethmann-Hollwegs vgl. Opitz, Europastrategien, S. 215ff.; Fischer, Griff, S. 98ff., 230ff., 208ff. 21 Das einheitliche Zollgebiet in Mitteleuropa sei ein "geschichtswidriger Traum" des "unverbesserlichen Irrläufers Naumann," dessen "Neudeutsche Wirtschaftspolitik" "für den Weltkrieg unser größtes Unglück gewesen wäre." (J. Plenge, Die Geburt der Vernunft, Berlin 1918, S. 56). 22 Vgl. ebd., S. 59ff. 23 Gegen den Greifswalder Nationalökonomen Mitscherlich (vgl. W. Mitscherlich, Nationalstaat und Nationalwinschaft und ihre Zukunft, Leipzig 1916) führte Below aus, daß die relativ geschlossene, autonome Nationalwirtschaft ein durchaus fortschrittliches System sei, das sich im Krieg bewähre. Wie die Nationalwirtschaft sei auch der Nationalstaat zu erhalten; die Staatenunion à la Mitscherlich oder Naumann sei keine

Alternative, schon gar nicht die beabsichtigte Verschmelzung des Deutschtum« mir

anderen Kulturen zu einem "mitteleuropäischen Brei". (G. v. Below, Kriegs- und Friedensfragen, Leipzig 1917, S. lff.) Die Konsequenz dieser Auffassung waren 'uferlose Annexionen' zur 'Verstärkung' der Grundlage der geschlossenen Nationalwirtschaft. vgl. auch Schwabe, S. 68. 24 Während Plenge, so der Österreicher Bahr, die praktische Auswirkung der Ideen von 1914 vor allem in der Eingliederung der Individuen in den Nationalstaat sehe, scheine sie ihm eher in der Eingliederung der Staaten in supranationale Verbände zu liegen (vgl. UB BI, Nl Plenge, Bahr an Plenge am 5.3.1917). 25 Vgl. Plenge, Vernunft, S. 64ff.. 26 Ebd., S. 68. 27 Beukenberg lehnte die allzu enge Verbindung von Handels- und Außenpolitik sowie den Mitteleuropa-Plan ab, da man ohne die Österreicher auf dem Balkan weiter komme, was man freilich "in der Öffentlichkeit heute nicht aussprechen" dürfe. (vgl. UB BI, Nl Plenge, Beukenberg an Plenge am 11.1.1916) Demgegenüber betonte Plenge, daß die einfache, schnelle Wiedergewinnung der früheren Welthandelsstellung bei völliger Aktionsfreiheit unmöglich sei, daß man vielmehr ein "erweiterungsfähiges Marktgebiet, auf das wir einen stark bestimmenden Einfluß ausüben, ohne unsererseits in die Gewalt anderer zu geraten," anstreben solle. (ebd., Plenge an Beukenberg am 14.6.1916). 28 UB BI, Nl Plenge, Plenge an Harms am 22.3.1916. 29 Vgl.Jaffé, Rez.: Koppe, S. 490f.. 310 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

30 Ε. Jaffé, Die wirtschaftliche Zukunft der Mittelmächte, in: ESWZ, Jg, 3, 1918, S. 28-3Lhier S. 29. 31 Ebd., S. 30. 32 G. v. Schulze-Gävernitz, Zum Wirtschaftsfrieden, in: VZ v. 27.12.1917. 33 V g l ebd., S. 23ff., 26ff.. 34 Vgl. ebd., S. 18ff.. 35 RT/Ber., Bd. 312, S. 4908. 36 G. v. Schulze-Gävernitz, Mitteleuropa jetzt!, in: Mitteleuropa, Jg. 2, 1918, S. 245247, hier S. 247 - Eine gleichlautende Denkschrift sandte Schulze-Gävernitz auch an Vizekanzler v. Payer, in der er die Vorteile der wirtschaftlichen Annäherung von Deutschland und Österreich-Ungarn vor allem für Deutschland hervorhob. (vgl. ZStA I, 07.03., Nr. 4, Bl. lff.). 37 Vgl. RT/Ber., Bd. 312, S. 4922. 38 Noch 1915 vertrat Alfred Weber das Konzept eines gegen England gerichteten, unter deutschem Einfluß stehenden Kontinentalblocks. (vgl. Alfred Weber, Gedanken zur deutschen Sendung, Berlin 1915, S. 6lf., 95ff.) Das Baltikum hielt er wie Sering u.a. für eine deutsche "Lebensfrage". (vgl. BA, Nl 210/98, A. Weber an Sering am 13.11.1915) 1917 erschien ihm die "Aufstellung eines Friedensprogramms mit unseren Bundesgenossen" wichtiger als die Annexion von Longwy/Briey, Kurland etc.. (vgl. BA, Nl 197/14, gleichlautendes Manuskript vom 25.6.1917, bes. S. 7ff.) 1918 befürwortete er die Integration Frankreichs und Rußlands in den mitteleuropäischen Wirtschaftsblock als Gegengewicht zum anglo-amerikanischen Wirtschaftsraum; dies erforderte seiner Meinung nach den Verzicht auf Longwy/Briey, während Elsaß-Lothringen als Bundesstaat beim Reich bleiben sollte. (vgl. ebd., Manuskript mit hs. Vermerk: "Denkschrift Alfred Weber, Anfang 1918"). 39 Annexionen lehnte Deutsch mehr oder weniger offen ab; es sei wichtiger, Geldentschädigungen und günstige Handelsverträge zu erlangen als Land zu erwerben. "Mitteleuropa im Sinne Naumanns wird schlechterdings abgelehnt als unpraktisch, undurchführbar, die Idee eines Träumers usw. ... Auch vermindere ein solches Mitteleuropa die Energie der verarbeitenden Industrie durch Verbreiterung der Agrar- und kleingewerblichen Basis [mit deren antiindustriell-schutzzöllnerischen Interessenvertretungen man in Deutschland schon genug zu schaffen hatte]. Die deutsche Schwerindustrie sei dafür in der Absicht, die oesterreichische aufzufressen." (ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.7, Gedächtnisprotokoll einer Unterredung mit Deutsch am 26.5.1916). 40 Ein Standpunkt, den offensichtlich auch Stinnes teilte. (vgl. ebd.). 41 Vgl. Fischer, Griff, S. 464ff.. 42 Vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/v.8, Denkschrift "Videant Consules" v. Oktober 1916, S. 9ff.. 43 Vgl. G. Stolper, Deutsch-österreichisch-ungarischer Wirtschaftsbund, in: ASS, Bd. 43, 1916/17, S. 171-217, 908-953 - Später meinte er freilich: "Die zwingenden Motive sind rein wirtschaftlich." (ders., Das mitteleuropäische Wirtschaftsproblem, 2. u. 3. Aufl. Wien 1918, S. 92). 44 Vgl. E. v. Philippovich, Die Größe der Produktion von Rohstoffen als Grundlage einer wirtschaftlichen Vereinigung zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn, in: RuW, Jg· 4, 1915, S. 114-117; ders., Ein Wirtschafts- und Zollverband zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn, Leipzig 1915. 45 M. Hainisch, Das Getreidemonopol, in: H. Herkner (Hg.), Die wirtschaftliche Annäherung zwischen dem Deutschen Reich und seinen Verbündeten, in: Sch.VfS, Bd. 155, 3 Tle., T. 1, S, 353-403, hier S. 356. 46 Vgl. J . Wolf, An der Wiege Mitteleuropas, 3. Aufl. Leipzig 1917. 47 Vgl. G. Schmoller, Die Handels- und Zollannäherung Mitteleuropas, in: Sch.Jb, Bd. 40„ 1916, S. 529-550.

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48 Vgl. G. ν. Mayr, Zur wirtschaftlichen Gestaltung des mitteleuropäischen Großblockes, in: ESWZ, Jg. 1, 1916, S. 90-93; BA, NI 52/110, fol. 7lff., Mayr an Seeberg am 22.6.1915. 49 H. Pesch, Volkswirtschaftliche Aufgaben und Weltwirtschaft, in: WA, Bd. 6, 1915, T. 2, S. 21-40, S. 37. 50 Vgl. H. Herkner, Die Zukunft des deutschen Außenhandels, in: Sch.Jb, Bd. 40, 1916, S. 551-569; ZStA II, Rep. 92/Schmoller, Nr. 208a, Bl. 11lf., Herkner an Schmoller am 9.7.1916. 51 Vgl. I. Jastrow, Die mitteleuropäische Zollannäherung und die Meistbegünstigung, Leipzig 1915. 52 Vgl. L. v. Wiese, Deutschlands Interessen am Weltmarkte nach dem Kriege, in: Deutscher Dienst, Nr. 2 v. 1.2.1916. 53 Vgl. C. Ballod, Autarkie oder Weltwirtschaft?, in: ESWZ, Jg. 1, 1916, S. 10671074. 54 A, Sartorius v. Waltershausen, Weltwirtschaft und Weltkrieg, in: WA, Bd. 5, 1915, T. 1, S. 292-316, hier S. 299. 55 Ebd., S. 300. 56 "In dem Weltverkehr geht es zu wie in einem großen, lebhaften Fremdenrestaurant: Immer andere Gäste und andere Bestellungen, Eile und Drängen. Hier muß der Wirt ein anderer sein als sein Kollege in dem engen Lokale in der Seitenstraße, wo sich der Stammtisch zu bestimmter Stunde versammelt und jedes Stammgastes Wünsche von vornherein der Kellnerin bekannt sind. Der Fichtesche Geschlossene Handelsstaat ist ein solches Stammlokal, in dem sich ganz gemütlich leben läßt, in dem der Philister gedeiht." (ebd., S. 302). 57 Vgl. ebd., S. 308ff.. 58 Stolper meinte sogar, in Schumacher - der eine ähnlich annexionistische, anti-mitteleuropäische Position vertrat wie Plenge - sowie in Eulenburg "die einzig ernst zu nehmenden Gegner des mitteleuropäischen Wirtschaftsbundes" sehen zu können. (BA, Nl 186/1, Stolper an Herkner am 4.2.1916) - vgl. auch ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.7, Gedächtnisprotokoll über die Aussprache des Ausschusses des VfS im April 1916; Böse, S. 151. 59 Sch.VfS, Bd. 155, T. 3, S. 2ff. - Für Spann war die Zollunion "oberstes nationales und politisches Kriegsziel." (UB TÜ, Md 875/351, Spann an Fuchs am 28.3.1916). 60 Vgl. Sch.VfS, Bd. 155, T. 3, S. 15ff.; Diehl, Handelsstaat, S. 24ff.. 61 Vgl. K. Diehl, Zur Frage eines Zollbündnisses zwischen Deutschland und Ost reich-Ungarn, Jena 1915, S. 46ff. - vgl. dagegen G. Stolper, Ein Zollunionsgegner, Der Österreichische Volkswirt, Ig. 7, 1915, S. 425-429. 62 Sch.VfS, Bd. 155, T. 3, S. 20. 63 Eulenburg an Stolper am 25.5.1916, a.a.O.. 64 Vgl. F. Eulenburg, Literatur über die wirtschaftliche Annäherung von Mitteleuropa, in: WA, Bd. 7, 1916, T. 1, S. 379-416, hier S. 413; ders., Möglichkeiten, S. 102. 65 Vgl. Sch.VfS, Bd. 155, T. 3, S. 50f.. 66 Vgl. ebd., S. 38ff.. 67 Vgl. ebd., S. 48ff.. 68 Vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.7, Gedächtnisprotokoll von Gesprächen von SchulzeGävernitz mit Erzberger, Naumann, Rechenberg und Solf in der 'Deutschen Gesellschaft' im September 1917. 69 Eulenburg, Literatur über Annäherung, S. 415. 70 Vgl. Sch.VfS, Bd. 155, T. 3, S. 28ff.; Mommsen, Weber I, S. 229ff; Marianne Weber, S. 568ff.; ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/9, Bl. 31 ff., M. Weber an Eulenburg am 28.12.1915 (AS) - Max Weber lobte zwar den propagandistischen Effekt des Mitteleuropabuches von Naumann, war aber ansonsten hinsichtlich einer Zollunion eher skeptisch; wichtiger sei, daß man überhaupt Frieden schließen könne. (vgl. ebd., Nr. 30/8, Bl. 97f., M.Weber an Naumann am 2.11.1915 (AS)).

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71 ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/9, Bl. 37, M. Weber an Eulenburg am 14.7.1916 (AS). 72 Vgl. Gedächtnisprotokoll von Schulze-Gävernitz über Gespräche mit Naumann u.a. sowie über die Aussprache des VfS, a.a.O.. 73 BA, Nl 1/45, fol. 1, Brentano an Naumann am 20.10.1915. 74 Vgl. ebd., fol. 3ff.. 75 Ebd., fol. 7 - In einem längeren historischen Exkurs führte Brentano diese These aus. (vgl. L. Brentano, Handel und Krieg, in: ESWZ, Jg. 2, 1917, S. 1101-1105; ders., Die ersten Ansätze zur freien Gestaltung der internationalen Handelsbeziehungen, ebd., S. 1129-1131; ders., Handel und Friede, ebd., S. 1145-1147) - vgl. M. J . Bonn, Die Idee der Selbstgenügsamkeit, in: Festschrift für Lujo Brentano, S. 47-72. 76 Vgl. auch L. Brentano) Der Krieg und die Verhütung seiner Wiederkehr. Offene Antwort an den belgischen Industriellen Henri Lambert v. 21.10.1914, in: ASS, Bd. 40, 1915, S. 30-42; ders., Über den Wahnsinn der Handelsfeindlichkeit. Vortrag, gehalten am 13.6.1916 in Zürich, München o.J., S. 15ff. - vgl. zu diesem Vortrag auch ders., Leben, S. 327ff.. 77 Vgl. ders., Wahnsinn, S.21ff.. 78 Bücher schrieb: "Wie gut ists, daß den Leuten endlich einmal gesagt worden ist, was unsere Schutzzöllnerei zur Vorbereitung des Krieges beigetragen hat. Da sucht die Presse fortwährend mit der Stange im Nebel umher, um Gründe für unsere Unbeliebtheit in aller Welt herauszutüfteln und weiß nicht, daß dem Mann mit den zugeknöpften Taschen keiner was zu Liebe tut." (Bücher an Brentano am 13.7.1916, fol. 36, a.a.O.) Noch realistischer formulierte Dietzel: "Ich bin zwar geneigt, der deutschen F/ottenpolitik grössere Bedeutung als Kriegsursache zuzuschreiben, als Sie es zu tun scheinen; (ich will durchaus nicht sagen, daß wir die Flotte nicht hätten bauen sollen!). Aber ich verstehe nicht, wie jemand leugnen kann, daß unsere Handelspolitik 'wesentlich dazu beigetragen hat', uns England, wenigstens einer vielleicht nicht allzu zahlreichen, aber einflußreichen Gruppe der englischen Industrie, zu verfeinden, wenn ich auch, im Einklang mit Ihnen, meine, daß unsere Handelspolitik, und besonders deren Folgen, das 'dumping' nicht England geschädigt hat, sondern uns." (BA, Nl 1/14, fol. 77, Dietzel an Brentano am 20.8.1916) In einer Artikelserie räumte Dietzel mit dem ebenso alten wie unsinnigen Argument auf, Deutschland brauche Land und Kolonien für seine Überschußbevölkerung, was England ihm verweigere. Er trat der Ansicht entgegen, England Schotte sein Empire wirtschaftlich gegen den deutschen Konkurrenten ab. Deutschland habe schon vor dem Kriege eine steigende Menschenzahl zu ernähren vermocht und habe teilweise sogar unter Arbeitskräftemangel gelitten. Deutschland verdanke diesen wirtschaftlichen Erfolg vornehmlich der Exportwirtschaft, die England kaum behindert habe. Auch in Zukunft sei Deutschland auf den Export, nicht auf Kolonien angewiesen. Folglich führe Deutschland keinen Wirtschaftskrieg, (vgl. H. Dietzel, Führt Deutschland einen Wirtschaftskrieg?, in: KZ, Jg. 1915, Nr. 757, 759 u. 761 v. 28. u. 29.7.1915).

Brentano an Naumann am 20.10.1915, fol. 11, 13, 15, a.a.O.. Vgl. Brentano, Leben, S. 325. 81 Vgl ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.19, H eydt an Schulze-Gävernitz am 6.2.1918. 82 Er habe sich einst, so Naumann, unter dem Einfluß von Brentano, Barth u.a. in der Freihandelslehre "heimisch" gefühlt, aber es seien nicht seine "eigenen selbsterworbenen Gedanken gewesen," die sich zudem angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung Englands und Deutschlands "immer nur in Verteidigungsstellung" hätten halten können. (BA, Nl 1/45, fol. 49f., Naumann an Brentano am 22.10.1915) - vgl. dagegen Naumann, in: NW, Bd. 3, S. 272ff., 503ff.. 83 Naumann an Brentano am 22.10.1915, a.a.O., fol. 51. 84 Ebd., fol. 51 f. 79

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85 Naumanns "alte, große Ideale von Weltwirtschaft und Freihandel" seien "mit dem Krieg zusammengebrochen;" er greife nun "mit der Kraft der Verzweiflung" nach dem "Strohhalm Mitteleuropa." (C. v. Tyska, Weltwirtschaft oder Mitteleuropa, in: ESWZ, Jg. 1, 1916, S. 320-325, hier S. 321) Angesichts der Handelsstatistik von 1913 werde jedoch offensichtlich, daß die mitteleuropäischen Länder den Weltmarkt "nicht im entferntesten ersetzen" könnten. (ebd., S. 323) Boykottiere Deutschland künftig seine vormals besten Kunden und versuche es sich stattdessen in mitteleuropäischer Autarkie, so schädige es sich nur selbst; Naumann aber habe den "allbritischen Schutzzöllnern" wertvolle Dienste geleistet. (vgl. ders., Deutschlands Weltwirtschaft nach dem Kriege, ebd., S. 1221-1224). 86 Vgl. M. Schippel, Brentano über Freihandel und Frieden, in: SM, Jg. 24, 1918, S. 819-826. 87 Brentano, Wahnsinn, S. 25. 88 Vgl. ebd., S. 25ff.. 89 Brentano an Senger am 9.9.1918, a.a.O. 90 Vgl. DSB, Nl Delbrück, Brentano an Delbrück am 9.8.1918ff„ Bl. 21 ff. - Harms habe sich, so Brentano, durch eine "strebernde Rede" für den U-Boot-Krieg diskreditiert. (vgl. ebd., Brentano an Delbrück am 11.9.1918, Bl. 27). 91 Vgl. ebd., Brentano an Delbrück am 7.7.1915, Bl. 17f.. 92 Im September reiste er im Auftrag des Auswärtigen Amtes nach den Niederlanden, um bei der deutschen Gesandtschaft im Haag eine 'Hilfsstelle' einzurichten und sich über die Versorgungsfragen sowie die wirtschaftspolitische Lage Belgiens und Hollands zu informieren. Aus dieser Zeit datiert vermutlich seine Freundschaft zum Diplomaten v. d. Heydt. (Zu dem Kreis um den deutschen Botschafter in Holland, Richard v. Kühlmann, vgl. Meinecke, Werke, Bd. 8, S. 266ff.) Zurück bei der Truppe entwarf Schulze-Gävernitz ein zum Abwurf hinter den französischen Linien bestimmtes Propagandaflugblatt, in dem er die anti-englischen Animositäten der französischen Bevölkerung zu schüren und ihr die vorgeblichen deutschen Kriegsziele - "la mer libre" und die "Cooperation pacifique des peuples" - nahezubringen versuchte. (vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/v.8, Flugblatt für deutsche Flieger) Dem gleichen Zweck diente die in Verbindung mit dem Auswärtigen Amt verfalite Schrift "Freie Meere", die u]bersetzt auch in neutralen Ländern verbreitet wurde, und Artikel in der neutralen Presse. (vgl. G. v. SchulzeGävernitz, How England Looks To Germany, in: Evening Mail, New York, v. 14.7.1915, zit. nach ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.8) Anschließend wirkte Schulze-Gävernitz bei der Errichtung des Ernährungswerkes zur Versorgung der belgischen und nordfranzösischen Zivilbevölkerung mit. (vgl. dazu O. v. d. Lancken, Meine dreissig Dienstjahre, Berlin 1931, S. 192ff.) Ferner half er bei der Neugestaltung der 'Gazette des Ardennes', einer französischen Zeitung, die im Auftrage der deutschenRegierung arbeitete und deren teilweise von Schulze-Gävernitz verfaßte Artikel ebenfalls als Flugblätter abgeworfen wurden. (vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.21, Rückblick am 25.7.1915; ebd., v.8, Übersicht über eigene Kriegserlebnisse für die Kriegschronik der Universität Freiburg v. Mai 1918). 93 Vgl. BA, Nl 17/38, H. Schumacher, Unsere Kriegsziele, insbesondere im Westen vom 20.6.1915. 94 Vgl. Weber, in: GPSch, S. 131 - Naumann vertrat die Aufteilung Belgiens an Hol land und Frankreich entsprechend der Sprachgrenze, (vgl. DSB, Nl Delbrück, Nau mann an Delbrück am 31.7.1915, Bl. 23f; Heuss, Naumann, S. 363f.) freilich glaubte er beide Länder allmählich an Mitteleuropa heranführen zu können. 95 Vgl. Schwabe, S. 83ff. 96 Vgl. Fischer, Griff, S. 100f.; Lancken, S. 211 ff. - Lancken war Leiter der 'Politischen Abteilung'. 97 Vgl. Schulze-Gävernitz, Übersicht, a.a.O., S. 2f..

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98 Vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.8, Anregung betr. die Vervlamschung der Genter H och­ schule, überreicht dem Herrn Generalgouverneur sowie der polit. Abteilung d. 10. Okt. 1915. 99 Zunächst hielt er einen nicht-öffentlichen Vonrag über "Belgien-Vlandern" im Hause des AEG-Managers Deutsch, (vgl. ZStA I, 90 Na 3, Nr. 130, Bl. 26, Einladung vom Dezember 1915) später einen öffentlichen Vortrag im Plenarsaal (!) des Reichstages. (vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.8, Vlandern. Vortrag, gehalten im Plenarsaal des dt. Reichstages den 29.5.1916) - vgl. auch G, v. Schulze-Gävernitz, Frei Vlandern, nach einem Vonrag in Freiburg am 9.1.1916, in: Oberbadische Volkszeitung v. 10.1.1916; ders., Stimmen Walloniens, in: DP, Jg. 1, 1916, S. 81-87; ders., Die viamische Bewegung, ebd., Jg. 2, 1917, S. 147ff.; ders., Die Vlamen, in: VZ, Nr. 102 v. 25.2.1917; ders., Der Notschrei Flanderns, in: DH, Jg. 23, 1917, S. 243-245 u.a.a.0. - Der Generalgouverneur begrüßte diese Bemühungen ausdrücklich. (vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.19, Bissing an Schulze-Gävernitz im April 1916). 100 Vgl. ΒΑ, Ν1 210/151, Schulze-Gävernitz an Sering, Sering an Schulze-Gävernitz u. an Solf am 28.3.1916. 101 BA, Nl 17/38, Manuskript mit hs. Zusatz - Die flämischen Ziele, so heißt es hier, seien ein eigener einsprachig flämischer Staat unter völliger Loslösung von Wallonien, aber "engstem politischen Anschluß an das deutsche Reich," Für eine Übergangszeit sollte der deutsche Generalgouverneur, unterstützt von einem "Verwaltungsrat aus überzeugten Vlamen" u.a. folgende Ziele verwirklichen: Einführung des deutschen Rechts, Abschluß einer Militärkonvention mit Preußen und Ausgestaltung Antwerpens zu einem eng mit Deutschland verbundenen Welthafen. Nach der zehn bis fünfzehnjährigen Übergangszeit sollte Flandern als gleichberechtigter Bundesstaat in den Reichsverband aufgenommen werden. 102 BA, Nl 210/120, Schulze-Gävernitz an Serine am 2.1.1916. 103 Vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.19, Abschrift der 'Richtlinien des Generalgouverneurs zur Flamenpolitik'. 104 ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.21, Schulze-Gävernitz an Sohn Gero am 19.1.1917. 105 Vgl auch Fischer, Griff, S. 219ff.. 106 Vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/v.8, Deutsche Vlamenpolitik des Jahres 1917, S. 1. 107 Vgl. ebd., S. 2ff.. 108 Vgl. ebd., S. 4ff.. 109 Vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.19, Lancken an Schulze-Gävernitz am 12.2.1917. 1,0 Vgl. ebd., Bissing an Schulze-Gävernitz am 31.1.1917. 111 Vgl. Fischer, Griff, S. 227, 384ff.. 112 Vgl. ZStA I, o7.03., Nr. 9, Bl. 14ff., Schulze-Gävernitz an Payer am 23.9.1918. 113 Vgl. ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/2, Bl. 40, M. Weber an seine Frau Marianne (AS); Mommsen, Weber I, S. 216f. - Der Bankenexperte Jaffé versuchte nachzuweisen, daß Belgien eine wirtschaftliche Zukunft nur an der Seite Deutschlands habe. (vgl. E. Jaffé, Die Zahlungsbilanz und die internationalen Beziehungen Belgiens, in: Der Beifried, Jg. 2, 1917/18, S. 145-151). 114 ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.19, Below an Schulze-Gävernitz am 15.1.1918. 115 DSB, Nl Delbrück, Bl. 44f., Plenge an Delbrück am 19.8.1915. 116 Vgl. Fischer, Griff, S. 199ff., 390ff.. 117 Vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.7, Gedächtnisprotokoll von Schulze-Gävernitz von einer Unterredung mit Staatsseketär Zimmermann (Auswärtiges Amt) am 18.7.1916; ebd., v.2, Schulze-Gävernitz an Major Nicolai (Großer Generalstab) am 26.8.1916. 118 Vgl. Schwabe, S. 76ff.. 119 Schulze-Gävernitz, Consules, a.a.O., S. llf.. 120 Vgl. Fischer, Griff, S. 233ff.. 121 Vgl. Gedächtnisprotokoll der Unterredung mit Zimmermann am 18.7.1916 u. Schulze-Gävernitz an Nicolai am 26.8.1916, a.a.O..

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Vgl. Schwabe, 81 ff.. Vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/v.8 u. BA, Nl 210/17, Schulze-Gävernitz an Sering u.a. am 19.12.1917 - Derartige Projekte waren auch in der Mittwochabend-Gesellschaft en vogue. (vgl. Meinecke, Werke, Bd. 8, S. 277f.). 124 Vgl. Fischen Griff, S. 316ff., 396ff., 526ff.. 125 Vgl. BA, Nl 210/150, Protokoll der ersten Mitgliederversammlung vom 30.11.1917. 126 Vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.23, Kriegsdienst - Nachweisung. 127 ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.8, Neuordnung des Baltikums (vermutlich ein Bericht an den Reichskanzler). 128 RT/Ber., Bd. 311, S. 4272f. - Dieser Auffassung entsprach die Empfehlung, nun nicht mehr im Westen, sondern im Osten Richtung Asien vorzugehen. (vgl. SchulzeGävernitz an Payer am 23.9.1918, a.a.O.). 129 Vgl. HStA S, Q 1/2, Bü 15 u. 23, Schulze-Gävernitz an Haussmann im November 1918 sowie am 8. u. 9.11.1918. 130 Vgl. Fischer, Griff, S. 474ff., 496ff.. 131 Vgl. H.-U. Wehler, Elsaß-Lothringen von 1870 bis 1918, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Bd. 109, 1961, S. 133-199, hier S. 168ff.; M. Rauh, Die Parlamentarisierung des deutschen Reiches, Düsseldorf 1977, S. 203ff.. 132 Vgl. RT/Ber., Bd. 311, S. 4271f.. 133 Vgl. Mommsen, Weber I, S. 270ff.; Heuss, Naumann, S. 392; Wehler, Elsaß, S. 193. 134 Vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.7, Gedächtnisprotokoll einer Unterredung mit Ricklin im April oder Mai 1917. 135 UB FR, Nl Kantorowicz, II E, Schulze-Gävernitz an Kantorowicz am 14.8.1917. 136 Vgl. L. Brentano, Elsässer Erinnerungen, Berlin 1917. 137 Vgl. BA, Nl 1/56, fol. 104, Schulze-Gävernitz an Brentano am 20.8.1917. 138 Vgl. Wehler, Elsaß, S. 193ff.. 139 ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/10, Bl. 1, M. Weber an seine Mutter am 8.9.1916 (AS). 122

123

140

Vgl. zur U Boot Frage auch Fischer, Griff, S. 240ff..

Vgl. BA, Nl 52/68, fol. 13ff., Harms an Seeberg am 4.7.1917. 142 J . Plenge, Vertiefung, S. 151. 143 Vgl. zu diesem Stegmann, S. 465ff.. 144 UB BI, Nl Plenge, Unabhängiger Ausschuß an Plenge am 28.12.1917. 145 Er betonte, daß seine Siegfriedenskonzeption "dem eigensten Gedanken des organisatorischen Sozialismus" folge, der über den "'orthodoxen' hinauswachsen möchte und überall für die leitenden Köpfe alles Verständnis hat," aber dennoch "Sozialismus" bleibe, (ebd., Plenge an den Unabhängigen Ausschuß am 2.1.1918). 146 Vgl. J . Plenge, Des Geldes und der Eitelkeit willen, in: München-Augsburger Zeitung v. 15.2.1917; UB BI, Nl Plenge, Plenge an Hänisch am 7.2.1918. I47 J . Plenge, Ein neuer Friede zu Münster?, in: KZ, Nr. 851 v. 5.9.1917. - Lebhaften Zuspruch erhielt Plenge von der Front. (vgl. UB BI, Nl Plenge, Bataillons-Arzt Grote an Plenee am 8.9.1917) 148 Vgl. Fischer, Griff, S. 341ff.. 149 Schulze-Gävernitz bezweifelte die von der Marine geschürten Erwartungen auf die kriegsentscheidende Wirkung der U-Boote, aber betonte: "Die Zeiten können sich wenden und ... die Reichsregierung darf sich in keiner Weise hinsichtlich der Unterseeboote binden." (UB BN, S 2639, Nl Beckerath, Schulze-Gävernitz an Beckerath am 141

28.3.1916).

150 "Das Schriftstück ist sehr gut aber zugleich sehr vertraulich, deshalb für Fraktion schriftlich nicht geeignet, nur für Payer." (ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.20, Naumann an SchulzeGävernitz am 22.10.1916).

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151 Vgl. Schulze-Gävernitz, Consules, a.a.O., S. 1, hs. Vermerk - Die Schrift wurde später im Einvernehmen mit Bethmann-Hollweg (vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/v.l9, BetmannHollweg an Schulze-Gävernitz am 2.9.1919) teilveröffentlicht, (vgl. in: DH, Jg. 25, 1919, S. 612-614). 152 Schulze-Gävernitz, Consules, S. 3. 153 Er tauschte sich während des Krieges weiter mit Bülow über außenpolitische Fragen aus. (vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/v.l9, Schreiben Bülows an Schulze-Gävernitz 1914 1918). 154 Freilich ging Schulze-Gävernitz nicht so weit wie Max Weber, der Schmoller gegenüber formulierte: "Bethmann ist für uns ein schlimmes Schicksal ... . Nur gegen diese U-Boot-Hysterie stehe ich auf seiner Seite, notgedrungen." (ZStA II, Rep. 92/ Schmoller, Nr. 157, Bl. 5, M. Weber an Schmoller am 27.10.1916). 155 ZStA I, 90 Na 3, Nr. 106, Bl. 59vf., M. Weber an Naumann am 7.2.1916. 156 Vgl. Weber, in: GPSch, S. 146ff; Mommsen, Weber I, S. 246ff.; ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/2, Bl. 73, M. Weber an seine Frau Marianne am 11.3.1916 (AS). 157 Vgl. M. Weber an Schulze-Gävernitz am 2.10.1916, zit. nach Marianne Weber, S. 587f.. 158 Schulze-Gävernitz, Consules, S. 8 159 Vgl. ebd., S. 8f.. 160 Vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Deutschland und Amerika in amerikanischer Beleuchtung, in: DP, Ig. 3, 1918, S. 12-17. 161 Schulze-Gävernitz, Consules, S, 13. 162 Vgl. Mommsen, Weber I, S. 279f.. 163 Vgl. Plenee, Geburt, S. 30ff.; DG, Ig. 3, 1917/18, Bd. 2, S. 413ff. 164 Vgl. Schwabe, S. 169f.. 165 Vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Wilsons Friedensvermittlung, in: VZ v. 8.10.1918; ders., Nochmals Wilsons Friedensvermittlung, ebd., v. 15.10.1918. 166 Vgl. auch Fischer, Griff, S. 317. 167 Vgl. Stegmann, S. 489ff., 497ff. - Während der alldeutschen Agitation keine Grenzen gesetzt waren, wurde dem 'Nationalausschuß für einen ehrenhaften Frieden' von der Berliner Oberzensurstelle ein enger Rahmen gesetzt: jeder Anklang an die Friedenssehnsucht war zu vermeiden und der Schwerpunkt sollte auf der Durchhaltepropaganda, nicht auf der Polemik gegen die Annexionisten liegen. (vgl. HStA S, Q 1/2, Bü 185, Nationalausschuß an Haussmann am 30.7.1916) Dementsprechend sprach SchulzeGävernitz am 1.8.1916 in einer Veranstaltung des Nationalausschusses sehr viel von Mitteleuropa und übte kaum Kritik an den Ultras. (vgl. ebd., Bü 52). 168 Vgl. Döring, Kreis, S. 36ff.. 169 Er habe seinerzeit, so Schulze-Gävernitz 1919, seiner Frau geschrieben: "Dies ist der Wendepunkt, ..., der Krieg ist verloren, sage den Kindern noch nichts davon." (BA/ ΜΑ, Ν 523/V.9, Wahlrede in Weinheim 1919, S. III). I70 G. v. Schulze-Gävernitz, Der Friede und die Zukunft der Weltwirtschaft. Offener Brief an die gerecht denkenden Minderheiten in den alliierten und neutralen Ländern, Zürich 1919, S. 3f..

Kapitel X 1 Vgl. W. Deist, Militär und Innenpolitik im Weltkrieg 1914 - 1918 (Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Hg. ν. Ε. Matthias u. H. Meier-Welcker, Zweite Reihe, Bde. 1/I u. II), Düsseldorf 1970, bes. Bd. 1/1, S. XHIff.; Rauh, S. 292ff.; Kocka, Klassengesellschaft, S. 35f., 57f.. 2 Vgl. Feldman, Army, S. 30ff..

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3 In der neueren Forschung setzte sich neben Lübbe vor allem Becker in einem glänzenden Exkurs mit den 'Ideen von 1914' auseinander: J . J . Becker, Der deutsche Sozialismus und der Krieg 1914 - 1918. Ein Beitrag zum politischen Denken in Deutschland während des Ersten Weltkrieges, Diss. (MS) Heidelberg 1957, S. 235ff.. 4 Plenge, Krieg, S. 173f.. 5 Ebd, S. 190f.. 6 Vgl. Schwabe, S. 21 ff. 7 BA, Nl 1/56, fol. 99f., Schulze-Gävernitz an Brentano am 25.9.1914. 8 Plenge, Krieg, S. 17. 9 Vgl. auch A. Wagner, Warum uns England bekriegt, in: DWZ, Jg. 10, 1914, S. 881885. 10 Vgl. H. Kellermann, Der Krieg der Geister, Weimar 1915, S. 64ff. - Brentano distanzierte sich später wieder von seiner Unterschrift und nahm eine gewisse Unbedachtheit für sich in Anspruch. (vgl. Brentano, Leben, S. 316ff.) Kurt Eisner warf ihm darauf hin vor, daß es einem Manne vom Format Brentanos nicht erlaubt sei, ein derartiges Manifest zu unterschreiben, "wie ein naives Lehrmädchen, das sich einem Buchhandlungsreisenden auf hundert Lieferungen eines Kolportageromans durch Unterschrift verpflichtet, ohne die Tragweite ihrer Verbindlichkeiten zu kennen." (BA, Nl 1/ 16, fol. 85, Eisner an Brentano am 28.10.1918). 11 UB TÜ, Md 875/40, St. XVIII, Brentano an Fuchs am 21.12.1915. 12 Vgl. L. v. Wiese, in: F. Meiner (Hg.), Die Volkswirtschaftslehre der Gegenwart in Selbstdarstellungen, 2 Bde., Leipzig 1929, Bd. 2, S. 187-239, hier S. 222ff.. 13 Vgl, G. T. Blakey, Historians on the Homefront. American Propagandists for the Great War, Kentucky University Press 1970; A. G. Marquis, Words As Weapons. Propaganda in Britain and Germany during the First World War, in: Journal of Contemporary History, Bd. 13, 1978, S. 467-498; Lübbe, S. 171ff.. 14 Vgl. Lübbe, S. 186ff.. 15 Im Gegensatz zur Ansicht Lübbes, es habe keine Hegelrenaissance im Weltkrieg gegeben, (vgl. Lübbe, S. 202) kann man zunächst auf Plenge selbst verweisen, darüber hinaus auf Hammacher, der Deutschland für die "neue allgemeine Weltidee der Einordnung des Einzelnen unter das übergeordnete Ganze" fechten iah. (E. Ilammachct, Weltanschauung und Weltkrieg, in: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik, Bd. 10, 1916, S. 1413-1444, hier S. 1444) Schließlich sei noch an A. Lasson, Deutsche Art und deutsche Bildung, in: DRR, H. 4, und seinen Sohn G. Lasson, Was ist Hegelianismus?, in: Philosophische Vorträge der Kant-Gesellschaft, Nr. 11, Berlin 1916, bes. S. 5f. erinnert. - vgl. auch Martin, S. 124f.; Kieswetter, S. 195ff.. 16 Vgl. J . G. Fichte, Reden an die Deutsche Nation (1908), Hamburg 1978, bes. S. 58ff., 9lff., 106ff., 124ff.. 17 Vgl. W. Emmerich, Zur Kritik der Volkstumsideologie, Frankfurt 1971; F. d u m , Philosophen im Zerrspiegel, München 1954; F. Stern, Kulturpessimismus als politische Gefahr, Stuttgart 1963; See; Lübbe, S. 194ff.. 18 Vgl. Lübbe,S. 176ff, 219ff.. 19 Vgl. ebd., S. 218f. - Zu Jaffé vgl. Kapitel VII. 1. 20 Vgl. K. Sontheimer, Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, 4. Aufl. München 1962, S. 61ff.. 21 Vgl. W. v. Möllendorff, Von Einst zu Einst, in: Deutsche Gemeinwirtschaft, H. 1, Jena 1917. 22 Vgl. W. v. Möllendorff, Konservativer Sozialismus, Hamburg 1932, S. 31 ff. - vgl. dazu Braun, Konservativismus, S. 42ff., 143ff., 155ff.; Schmid, S. 24ff.. 23 Vgl. dazu C. S. Maier, Between Taylorism And Technocracy. European ideologies and the vision of industrial productivity in the 1920s, in: Journal of Contemporary History, Bd. 5, 1970, H. 2, S. 27-61.

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24 Der von Η. Braun vermittelte Kontakt umfaßte keine inhaltlichen Erörterungen; (vgl. UB BI, Nl Plenge, , Korrespondenz Plenge - Rathenau) auch zu Möllendorff ist ein brieflicher Kontakt erst ab Mitte der 1920er Jahre nachweisbar. (vgl. ebd., Korrespondenz Plenge - Möllendorff). 25 Vgl. Rathenau, Briefe, Bd. 1, S. 348. 26 Vgl. W. Sombart, Händler und Helden. Patriotische Besinnungen, München 1915 vgl. dazu auch Lübbe, S. 21 Off., Ringer, S. 183ff.. 27 Vgl. dazu H. Pross, Jugend, Eros, Politik, Bern 1964, S. 176ff.; W. Karl, Jugend, Gesellschaft und Politik im Zeitraum des Ersten Weltkrieges, München 1973, bes. S. 127ff.; G. L. Mosse, Ein Volk, ein Reich, ein Führer, Königstein 1979, S. 185ff.; R. Wohl, The Generation of 1914, London 1980, S. 42ff.; K. Vondung (Hg.), Kriegserlebnis. Der Erste Weltkrieg in der literarischen und symbolischen Deutung der Nationen, Göttingen 1980. 28 Vgl. E. Jünger, In Stahlgewittern. Aus dem Tagebuch eines Stoßtruppführers, 9. Aufl. Berlin 1929; ders., Der Kampf als inneres Erlebnis, 2. Aufl. Berlin 1926 - vgl. dazu Wohl S. 55ff.. 29 Vgl. auch Wehler, Kaiserreich, S. 21 lf. 30 Vgl, J . Plenge, 1789 und 1914. Die symbolischen Jahre in der Geschichte des politischen Geistes. Berlin 1916, S. 144f.. 31 Plenge, Geburt, S. 4. 32 Plenge, 1789, S.30ff.. 33 Meinecke, Werke, Bd. 8, S. 287. 34 UB TÜ, Md 1067/K 34, Μ 3, Rathgen an Schmoller am 6.8.1914 - Zum 'Katharsis'-Topos vgl. auch Schwabe, S. 38ff.. 35 ÜB BI, Nl Plenge, AS eines Briefes von N.N., Pädagogium Bad S. an Plenge am Ostermontag 1947 (Das schwer leserliche Original ist ebenfalls vorhanden). 36 Vgl. Frank, S. 354ff. - vgl. auch Bieber, S. 79ff.. 37 Vgl. A. Zweig, Erziehung vor Verdun (1935), Frankfurt 1974; Ε. Μ. Remarque, Im Westen nichts Neues, Berlin 1929. 38 Vel. R. Kiellen. Die Ideen von 1914, Leipzig 1915, S. 5ff.. 39 Ebd., S. 15. 40 Ebd., S. 39. 41 Ebd., S. 46. 42 Vgl. M. Adler, Die Ideen von 1914, in: NZ, Jg. 35, 1917, Bd. 2, S. 537-546, 586593. 43 Vgl. FZ, Ig. 60, 1915, Nr. 356 v. 24.12.1915. 44 Plenge, 1789, S. 28. 45 Plenge, Geburt, S. 8. 46 Plenge, S. 1789, S. 6 - vgl. ebd., S. 21 ff.. 47 Plenge, 1789, S. 9. 48 Plenge, Geburt, S. 7. 49 Ebd.. S. 26 50 Vgl. Plenge, 1789, S. 93ff.. 51 Vgl. ebd., S. 103. 52 Zutreffend kritisierte die NZ: "Das Denken besorgt die Rechtfertigung ... des Seins mit einer Bereitwilligkeit, die sogar von dem furchtbaren Odium der Lächerlichkeit nicht zurückschrecken läßt." (O. Blum, 1789 - 1914, in: NZ, Jg. 34, 1916, Bd. 2, S. 441-445, hier S. 441). 53 Hegel, in: HW, Bd. 7, S. 398f.. 54 J . Plenge u. H. Bahr, Um die Ideen von 1914. Eine Erörterung ohne Unparteiischen, in: Plenge, Vertiefung, S. 38-89, hier S. 84. 55 Plenge, 1789, S. 162f.. 56 Ebd., S. 118.

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57 "... sei so, daß du mit deinem Denken und Wollen in das starke Ganze deines Volkes paßt, so wie es durch seine ganze Geschichte und durch diesen Krieg geworden ist. .,, Sei deutscher Mensch von 1914!" (ebd., S. 135). 58 Vgl. ebd., S. 131ff.. 59 Vgl. J . Plenge, Die Radikalkur gegen alle Mängel unserer Kriegsorganisation, in: Germania, Nr. 424 u. 425 v. 12. u. 13.9.1916; UB BI, Nl Plenge, Plenge an Gayl am 28.8.1916, Korrespondenz Plenge - Stellvertretendes Generalkommando VII vom August u. September 1916, Plenge an Batocki am 20.9.1916. 60 Zu Lamprecht vgl. H.-J. Steinberg, Karl Lamprecht, in: DtHist, Bd. 1, S. 58-68, hier bes. S. 63ff.. 61 Dietzel sah jedes soziale System von einer geistig-ideellen 'Grundnorm' bestimmt, die es durch Klassifikation und Vergleich'sozialer Ideensysteme' herauszuisolieren gelte. Dabei begriff er das Individual- und das Sozialprinzip als die antinomistischen Pole, zwischen denen ein soziales System sich letztlich entscheide und auf das jedes soziale Ideensystem sich letztlich reduzieren lasse. (vgl. H. Dietzel, Individualismus, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4. Aufl., Bd. 5, a.a.O., S. 408-424) - vgl. auch Beckerath, Dietzel, S. 10ff.. 62 Plenge, 1789, S. 57. 63 Vgl. ebd., S. 47ff.. 64 VgLebd., S. 61ff.. 65 "Alle haben es sofort gewußt: schaffe mit, gliedre Dich ein, lebe im Ganzen. Wohl noch nie war ein Wort so schnell und so selbstverständlich ... in aller Munde, wie 1914: Organisation'." (ebd., S. 87). " V g l . ebd.,S. 85ff.. 67 Vgl. ebd., S. 107, 157. 68 Vgl. auch UB BI, Nl Plenge, Plenge an Braun am 23.2.1917. 69 Er bestritt das Verdienst Büchers, als erster die Lehre von den Wirtschaftsstufen entwickelt zu haben, und versuchte, Schönberg als ursprünglichen Schöpfer herauszuheben. Diesem sei zum erstenmal die "theoretische Durchdringung der verschiedenen Wirtschaftsstufen" gelungen, während Bücher nie über die "morphologische Beschreibung der Stufen" hinausgekommen sei. (J Plenge, Wirtschaftsstufen und Wirtschaftsentwicklung, in: ASPG, Bd. 4, 1916, S. 495-529, hier S. 526f. - vgl. ders., Grundlegung, S. 42, 46f., 97f.) Intern sprach Plenge gar von einem "glatten Plagiat".(vgl. UB BI, Nl Plenge, Plenge an G. Bernhard am 23.8.1915) Selbst bei den Gegnern der Historischen Schule stieß diese Attacke auf Widerstand. (vgl. ebd., Harms an Plenge am 2.2.1916) Schmoller warnte vor der "Verherrlichung" Schönbergs. (vgl. ebd., Schmoller an Plenge am 14.3.1917) Below hingegen registrierte die Bücher-Kritik eher positiv. (vgl. ebd., Below an Plenge am 8.2.1916) Braun hatte schon die persönliche Polemik gegen Drill gerügt, (vgl. ebd., Braun an Plenge am 5.2.1916) er war nun mit der Fortsetzung der Angriffe auf Bücher in den ASPG nicht mehr einverstanden. (vgl. ebd., Braun an Plenge am 17.2.1917) Plenges Intransigenz führte denn auch zum Bruch. (vgl. ebd., Korrespondenz Plenge - Braun). 70 Vgl. Plenge, Grundlegung, S. 46ff.. 71 Ebd., S. 59. 72 Ebd., S. 65f.. 73 Ebd., S. 68. 74 Ebd., S. 78. 75 Ebd.. S. 81. 76 Vgl. Plenge, 1789, S. 127. 77 Ebd., S. 81. 78 Ebd., S. 111. 79 Ebd., S. 82. 80 Vgl. ebd., S. 125.

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Ebd., S. 140. UB BI, Nl Plenge, Protokollbuch des Proseminars Theoretische Abteilung, Sitzung v. 27.11.1914. 83 Plenge, 1789, S. 151f.. 84 Ebd., S. 73. 85 UB BI, Nl Plenge, Plenge an Krüger am 20.8.1917. 86 "Ich bin zwar zu Hegel zurückgekommen, bin aber alles andere als ein Hegelianer und habe niemals eine dialektische Konstruktion versucht so wie die Hegeische Methode die Dialektik lehrt. Ich möchte meine Weltanschauung als einen naturalistischen Idealismus bezeichnen, ... . Die Anschauung meiner jüngeren Jahre ... war ein kritischer Empirismus, ... . Noch heute ist es mein ganzes Interesse, die Gestalt des geschichtlichen Lebenszusammenhanges als die tatsächliche Form menschlich-geschichtlicher Vorgänge als solche möglichst genau zu überblicken, und bei der Ordnung dieser bewegten Masse zu versuchen, ob etwa ihr Ablauf ähnliche Zusammenfassungen, Ausbreitungen, Entgegensetzungen und Steigerungen hat, wie z.B. eine grosse Symphonie. Aber ich konstruiere nirgends nach einem Schema. Ich suche die Form in den Ereignissen selbst, ...: Zusammenordnung vieler Einzelbeobachtungen zu einem Gesamtbild, das den ganzen Ablauf zusammenfasst. ... Nicht viel anders wird es, wenn es sich ... um die Geschichte von Prinzipien handelt. ... Nur handelt es sich nicht mehr um tatsächliche Verschiedenheiten von Staat und Wirtschaft, die in der Weise der Erfahrungswissenschaft beschreibend aufzunehmen sind, sondern um innere Beziehungen von Vernunftgebilden, die zu analysieren sind. Dabei können Verschiedenheiten vorliegen, ..., es kommen aber auch Gegensätze vor, ..., Gegensätze die Veränderungen und Steigerungen sind. Solche Entwicklungsgegensätze lassen sich in ihrer logischen Struktur am besten dialektisch fassen. ... 1789 und 1914 scheint mir einer zu sein. Aber er ist nicht konstruiert, sondern nur in seiner logischen Struktur dialektisch durchleuchtet. Die Dialektik wird also wie die Einfühlung als Kausalitätsverfahren verwendet. ... Ich halte dialektische Prozesse, rückläufig aufbauende Bewegungen, für einen unzweifelhaften Teil unseres letzten geistigen Tuns, ohne mich darauf festzulegen, dass es das einzige Bauverfahren der freischaffenden Vernunft ist, ... ." (UB BI, Nl Plenge, Plenge an Troeltsch am 28.3.1916, S. lf., 4f.). 81

82

Blum, S. 443, 445. C. Schmidt, 1914 und 1789, in: SM, Je. 22, 1916, S. 874-878, hier S. 875. 89 W. Hausenstein, 1914 und 1789, in: SM, Jg. 21, 1915, S. 1316f, hier S. 1317. 90 Koch, S. 617. 91 Vgl. StB M, Handschriftenabt., Jaffé und Frauendorfer an Conrad an 26.2.1916 Möglicherweise entstand das Projekt in einem Debattierzirkel, der sich in München um Jaffe und Frauendorfer gebildet hatte. (vgl. Κ. Α. v. Müller, Mars und Venus. Erinnerungen 1914 - 1919, Stuttgart 1954, S. 66ff.). 92 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Jaffé an Plenge am 3. u. 5.8.1916. 93 Jaffé hatte Plenge um Artikel zur Finanzpolitik gebeten, worauf dieser sich über die fehlende Würdigung von sich und Kjellen beklagte. (vgl. UB BI, Nl Plenge, Jaffé an Plenge am 14.3.1916, Plenge an Jaffé am 17.3.1916). 94 Vgl. E. Jaffé, Der Geist von 1914, in: ES WZ, Jg. 1, 1916, S. 9f.. 95 Plenge an Jaffé am 17.3.1916, a.a.O.. 96 W. J . Mommsen, Kurt Riezler. Ein Intellektueller im Dienste der Wilhelminischen Machtpolitik, in: GWU, Jg. 25, 1974, S. 193-209, hier S. 197. 97 Vgl. Riezler, S. 511ff., 539ff., 547ff., 563ff. und unter Pseudonym in: ES WZ, Jg. 1; 1916 - vgl. auch K. D. Erdmann, Kurt Riezler. Ein politisches Profil, in: Riezler, S. 17159, bes. S. 65ff.. 98 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Plenge an Krieck am 27.2.1918 u. an das Stellvertretende Generalkommando VII am 7.10.1916. 87 88

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99 ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/14, Bl. 14, M. Weber an Michels am 20.6.1915 (AS). 100 Sieveking kommentierte: "Jetzt also wissen wir! Der Deutsche raucht Heldencigarren, der Engländer Händlercigarren, das ist der Unterschied!" (ZStA I, 90 Na 3, Nr. 115, Bl. 7, Sieveking an Naumann am 22.4.1915) Knapp fand Sombarts Schrift "geistreich, ..., aber polternd wie noch nie. Überhaupt ist die aufgeregte Stimmung der Gelehrten ganz unverständlich; wer soll denn den Kopf oben behalten, wenn nicht wir?" (ZStA II, Rep. 92/Schmoller, Nr. 130b, Bl. 110v, Knapp an Schmoller am 12.3.1915). 101 "... wird Sombart am 26. Dez. einen Vortrag über 'Unser Hass gegen die Engländer' halten. ... und nach dem was die Wiener Arbeiterzeitung schreibt muss es ein ziemlich starkes Stück sein. In gewöhnlichen Zeiten steht es ja jedermann frei sich zu kompromittieren wie und wo er will. In diesem Fall liegt doch aber ein grosses nationales Interesse vor, dass England gegenüber mit dem wir doch einmal wieder zu einem irgendwie gearteten Verhältnis kommen müssen nicht immer noch Ol ins Feuer gegossen wird und noch dazu von einer Seite, die auf wissenschaftliche Wertung der vorgetragenen Anschauung macht und dem Publikum und Presse diese Anschauung zubilligte. Ich habe sofort an Sombart geschrieben und ihn gebeten vorsichtiger zu sein. Das wird allerdings nichts nützen und so erhebt sich doch die Frage, ob nicht etwas geschehen soll, durch das wenigstens einem solchen Vortrag der Nimbus der Wissenschaftlichkeit genommen und er als das aufgezeigt wird, was er ist - nämlich ein rein geschäftliches Unternehmen. Wenn Sie sich in ein paar Worten ... äussern wollten, so würde doch schon viel gewonnen sein. Aber wäre es nicht möglich, daß das Generalkommando den Vortrag als aufreizend einfach verbietet? Das wäre jedenfalls das allerbeste.'' (BA, Nl 1/29, Fol. 22f., Jaffé an Brentano am 20.11.1914) In der Folge bemühte sich Jaffé, für eine Presseerklärung gegen Sombart Unterschriften zu sammeln. (vgl. ebd., fol. 23f„ Jaffé an Brentano am 23.11.1914). 102 Vgl. DSB, Nl Delbrück, Jaffé an Delbrück am 6.11.1914; Schwabe, S. 32, 202/ Anmerkung 144. 103 Vgl. Kapitel XI.2. 104

Vgl. W. Sombart, Der moderne Kapitalismus, 2 Bde., 2. Anfl I eipzig 1916/17 -

vgl. dazu B. v. Brocke, Werner Sombart, in: DtHist, Bd. 5, S. S. 130-148, hier S. 138ff.. 105 Vgl. UB Bl, Nl Plenge, Sombart an Plenge o. D.. 106 Herkner an Brentano am 28.8.1916, a.a.O.. 107 BA, Nl 1/28, fol. 25f., Herkner an Brentano am 5.9.1916 - Nur der konservative Gierke blieb weiterhin mißtrauisch. Er habe zwar mit Sombart länger gesprochen, so Gierke, und dieser habe ihm erklärt, seine Ansichten völlig geändert zu haben; immerhin sei es doch fraglich, ob ein derart wandlungsfähiger Mann geeignet sei. (vgl. BA, Nl 1/22, fol. 36f,, Gierke an Brentano am 24.8.1916) Delbrück meinte, man habe sich für Sombart entschieden, weil man keinen besseren gefunden habe. (DSB, Nl Harnack, Delbrück an Harnack am 5.7.1916, Bl. 8v, 9). 108 Dekan der Phil.-Fak. Berlin an den Preußischen Kultusminister am 22.6.1916, a.a.O., Bl. 257vf. - Zu der früheren Kontroverse zwischen Sombart und Delbrück um den Stellenwert von Marx vgl. Bruch, Wissenschaft, S. 198f./Anmerkung 651. 109 Vgl. Sch.Jb, Bd. 41, 1917, S.13-34. 110 G. Schmoller, in: Plenge, Vertiefung, S. 36f. - Nunmehr war auch Plenge des Lobes voll für Schmoller. (vgl. UB Bl, Nl Plenge, Plenge an Böse am 28.9.1916). 111 BA, Nl 1/58, fol. 59, Schmoller an Brentano am 4.10.1915. 112 A. Weber, Gedanken, S. 106 - vgl. auch ebd., S. 24f., 104ff.. 113 Schmoller an Brentano am 4.10.1915, a.a.O.. 114 ZStA II, Rep. 92/Schmoller, Nr. 208a, Bl. 33, A. Weber an Schmoller am 28.2.1916.

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115 ZStA II, Rep. 92/Schmoller, Nr. 208a, Bl. 43ff., Spann an Schmoller am 10.3.1916 - Spann berichtete Schmoller, er habe im Zuge von Verhandlungen mit dem preußischen Kultusministerium ein Loblied auf Sombart gesungen, während er "Harms und Consorten als Dilettanten ... in das richtige Licht" gesetzt habe, (ebd., Nr. 209, Bl. 5, Spann an Schmoller am 12.2.1917) 1918 meinte Spann, "es wäre ... ausserordentlich verlockend Sombarts Lehre von der Wirtschaftsgesinnung gegenüber dem flachen Marxischen Geschichtsmaterialismus, der heute im Schwange ist, zu vertreten." (vgl. ZStA II, Rep. 92/Sombart, Nr. 4m, Spann an Elster am 9.9,1918 als AS bei einem Schreiben von Spann an Sombart am 20.9.1918) - Zu Spann vgl. auch H. Winkel, Die Volkswirtschaftslehre der neueren Zeit, Darmstadt 1973, S. 63ff. 116 Philippovich begrüßte Plenges Forderung nach einer Gesellschaftslehre, die er schon 1910 (vgl. E. v. Philippovich, Die Entwicklung der wirtschaftspolitischen Ideen im 19. Jahrhundert, Tübingen 1910, S. 29ff.) aufgestellt habe. (vgl. ÜB BI, Nl Plenge, Philippovich an Plenge am 4.4.1917) Darauf entgegnete Plenge: "Die praktischen Ziele der 'Sozialpolitik' und 'Organisation' sind mehrdeutig und mir scheint, dass Ihnen mehr die ausgleichende Sozialpolitik und die korporative Organisation vorschwebt, mir darüber hinaus die allseitige bewusste Durchdringung des Gesellschaftslebens mit gestaltendem Willen und die konzentrierte Organisation." (vgl. ebd., Plenge an Philippovich am 12.4,1917). 117 Vgl. Plenge/Bahr, in: Plenge, Vertiefung, S. 45ff.; H. Bahr, Schwarzgelb, Berlin 1916, bes. S. 131ff,. 118 Vgl. M. Scheler, 1789 und 1914, in: ASS, Bd. 42, 1916/17, S. 586-605, hier S. 596f.. 119 Vgl. M. Scheler, Der Genius des Krieges und der deutsche Krieg, Leipzig 1915, bes. S. 30ff., 119ff.. 120 Scheler, 1789, S. 596. 121 Ebd., S. 597. 122 Ebd., S. 603. 123 Das Buch erweckte in Tönnies nur "schwache Sympathie" und das "überflüssige Selbstzitieren" berührte ihn unangenehm. (UB Bl, Nl Plenge, Tönnies an Braun am 14.4,1916 (AS)) Adolf Weber charakterisierte Plenges Ideen als "extremen Staatssozialismus". (vgl. ebd., Braun an Plenge am 3.6.1916). 124 Er "habe gewisse Aussichten," so Plenge an Troeltsch, "'Märtyrer der Idee'" zu werden; er möge daher weitere Kreise auf sein Werk aufmerksam machen, denn: "Ihr Wort eilt viel." (Plenge an Troeltsch am 28.3.1916, a.a.O., S. 7f.). 125 E. Troeltsch, Plenges Ideen von 1914, in: ASPG, Bd. 5, 1917, S, 308-343, hier S. 313. 126 Ebd. S. 320, 127 Ebd., S. 340. 128 Ebd., S. 335. 129 Ebd., S. 341f.. 130 Ebd., S. 331. 131 Ebd., S. 335. 132 E. Troeltsch, Die Ideen von 1914, Rede, gehalten in der Deutschen Gesellschaft von 1914 (1916), in: ders., Hg. ν. Η. Baron, Deutscher Geist und Westeuropa, Tübingen 1925, S. 31-58, hier S. 48. 133 UB Bl, Nl Plenge, Braun an Plenge am 21.3.1916 - vgl. Meinecke, Werke, Bd. 8, S. 234f.. 134 Vgl, HBP, Bd. 1, S. 378-380 - Zur ähnlich orientierten 'Mittwochabendgesellschaft' vgl. ebd., S. 330ff.; Döring, Kreis, S. 30ff. - Plenge hatte es abgelehnt, der Deutschen Gesellschaft beizutreten, da er ihr "ruhmloses Ende" befürchtete. (vgl. ÜB Bl, Nl Plenge, Plenge an Braun am 6.11.1915) In Wahrheit dürfte seine Abneigung

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gegen Rathenau, Naumann, Erzberger und den gemäßigten Kurs der Gesellschaft ausschlaggebend gewesen sein. 135 ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 30/2, Bl. 75, M. Weber an seine Frau Marianne am 22.3.1916 (AS). 136 Vgl. Troehsch, Geist, S. 59ff., 108ff., 134ff., 167ff.; ders., Idealstaat oder Notstaat, in: VZ, Nr. 190 v. 15.4.1917, wo er seine eigenen Auffassungen stark mit denen Rathenaus und Plenges verband. 137 E. Troehsch, Die deutsche Idee der Freiheit, in: ders., Geist, S. 80-107, hier S. 103. 138 Vgl. Dahrendorf, Gesellschaft, S. 325ff., 395ff.; M. Naumann, Bildung und Gehorsam. Zur ästhetischen Ideologie des Bildungsbürgertums, in: K. Vondung (Hg.), Das wilhelminische Bildunesbürgertum, Göttingen 1976, S. 34-52. 139 Vgl. B. Faulenbach, Ideologie des deutschen Weges. Die deutsche Historiographie zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, München 1980, S. 132ff., 168ff. - vgl. auch Kapitel II.2. 140 Vgl. Schwabe, S. 43ff, - vgl. besonders die Vorträge von Harnack, Sering, Troeltsch und Hintze vor dem Preußischen Abgeordnetenhaus, die als Antwort auf die Kriegserklärung der USA und deren Begründung mit dem autokratischen System Deutschlands gehalten wurden. (Bund deutscher Künstler und Gelehrter (Hg.), Die deutsche Freiheit, Fünf Vorträge, Gotha 1917). 141 H. Bahr, Nationalismus, in: Hochland, Jg. 14, 1917, Bd. 2, S. 257-269, hier S. 257f.. 142 Zur 'Aufklärungsarbeit'vgl. R. Höhn, Sozialismus und Heer, Bd. 3 (Der Kampf des Heeres gegen die Sozialdemokratie), Bad Harzburg 1969, S. 768; G. Mai, 'Aufklärung der Bevölkerung' und 'Vaterländischer Unterricht' in Württemberg 1914 - 1918, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte, Jg, 36, 1977, S. 199-235 - Im Einverständnis mit dem Kriegsministerium versuchte Professor Felix Krüger, Gelehrte und Redner "zu einer vertieften und einheitlichen Bildungsarbeit an der Front" zu gewinnen. Plenge und Bücher - ausgerechnet! - hatte er für Vorträge über wirtschaftliche Fragen ausersehen. Offensichtlich sollte die Propaganda kriegssozialistisch gefärbt sein: "Besprechungen der Kriegsämter mit den Aufklärungsoffizieren, woran ich kürzlich in Berlin teilnahm, bestärken mich in dem Glauben, daß die während des Krieges bei uns geschaffenen Wirtschaftsstrukturen großenteils lebens- und entwicklungsfähig bleiben werden." (UB BI, Nl Plenge, Krüger an Plenge am 18.7.1917) Plenge lehnte jedoch ab. Ähnlichen Zwecken dürften nationalökonomische 'Kurse' gedient haben, an denen Sombart 1918 in Warschau und Rathgen 1916 in Frankreich neben anderen Ökonomen mitwirkten. (vgl. ZStA II, Rep. 92/Sombart, Nr. 29; UB TÜ, Md 1067/K 35, Μ 3, Rathgen an Schmoller am 31.12.1916). 143 Vgl. auch R. Drill, Kant und der Parlamentarismus, in: FZ, Jg. 62, 1918, Nr. 95 v. 6.4.1918. 144 "Das Können gilt. Das Meinen verstummt." (Plenge, Krieg, S. 97). 145 Vgl. ebd., S. 134. 146 Ebd., S. 249. 147 Vel. Rauh. S. 333ff.. 148 Plenge, Revolutionierung, S. XIII. 149 Vgl. Rauh, S. 384ff., 394ff.. 150 Plenge, Geburt, S. 49. 151 Man brauche zwar andere "Volksführer" als die "alte Bürokratie", so Plenge, aber nicht die "parlamentarischen Mehrheitskünstler", deren Wissen sich darauf beschränke, das "Zeremoniell" zu verstehen, "wie man in Frankreich oder in Spanien einem Ministerium sein Mißtrauen erklärt, oder wie man herum verhandelt, um ein neues Ministerium zu bilden! Selbstgefällige Tanzmeister in der Tragödie der Weltgeschichte." (ebd., S. 11) - vgl. auch UB BI, Nl Plenge, Plenge an Hänisch am 1.2.1918.

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Vgl, Plenge, Geburt, S. 8ff.. Schulze-Gävernitz, Meere, S. 24. 154 Ebd., S. 30. 155 Ebd., S. 28. 156 Vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.20, Troeltsch an Schulze-Gävernitz am 24.11.1915 (AS); E. Troehsch. Der Kulturkriee, in: DRR, H. 27, 1915. 157 Vgl. Naumann, in: NW, Bd. 4, S. 600ff.; ders., Deutsche Organisation, in: DH, Jg. 20, 1914, S. 631f.. 158 Habe schon die Verletzung der belgischen Neutralität die Stimmung in Holland verschlechtert, so mache das autokratische System in Deutschland immer mehr 'böses Blut'. Auch in der öffentlichen Meinung der USA sei eine breite antideutsche Stimmung unbedingt zu verhindern. Daher gelte es, das Wahlrecht zu reformieren. (vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/v.8, Schulze-Gävernitz an Jäckh am 9.10.1914) - Allgemein zur Frage der Reform des preußischen Wahlrechts vgl. R. Patemann, Der Kampf um die preußische Wahlrechtsreform im Ersten Weltkrieg (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 26), Düsseldorf o.J.. 159 ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/v.7, Gedächtnisprotokoll einer Unterredung mit Jäckh am 1.7.1915. 160 Schulze-Gävernitz soll, wie später auch Meinecke, der Reichsregierung die Staats streichartige Einführung des Reichstagswahlrechts in Preußen vorgeschlagen haber (vgl. L. Bergsträsser, Die preußische Wahlrechtsfrage im Kriege, Tübingen 1929, S. 124). 161 Vgl. Schwabe, S. 130ff.. 162 Typisch erscheint die Denkschriften Harnacks an den Reichskanzler 1916 und 1917, wo er aus dem 'Geist von 1914' die Verpflichtung zur durchgreifenden politischen und sozialen Reform herleitet. (vgl. A. v. Harnack, Erforschtes und Elebtes, Giessen 1923, S. 279ff., 298ff.) - vgl. auch Schwabe, S. 41, 151ff.; Bruch, Wissenschaft, S. 206ff.. 163 Vgl, Mommsen, Weber I, S. 158ff., 176ff., 198ff.; Schwabe, S, 134ff. - Komprimiert finden sich Max Webers Argumente in: Aristokratie und Demokratisierung Deutschlands. Rede vom 16.1.1918, in: Mommsen, Weber I, S. 524-526. 164 Vgl. Weber, in: GPSch, S. 286. 165 "Wer aus letzten Gründen des Glaubens jede Form autoritativer Herrschaft um ihrer selbst willen über alle politischen Interessen der Nation stellt, der mag sich dazu bekennen. ... Aber man komme uns stattdessen nicht mit dem eitlen Gerede von dem Gegensatz der 'westeuropäischen' und der 'deutschen' Staatsidee." (ebd., S. 308). 166 Vel. Mommsen. Weber I, S. 206ff., 488. 167 UB BI, Nl Plenge, Plenge an M. Weber am 30.8.1917. 168 Mit deutlichen Anleihen beim Rassismus unterschied Chamberlain das eine Deutschland der Ludendorff, Tirpitz, Schäfer u.a. und das andere Deutschland der Regierung und der Reichstagsmehrheit. (vgl. H. S. Chamberlain, Der Wille zum Sieg, München 1918, S. 26ff.) Gegenüber dem "Revolutionsideal" , d.h. dem Parlamentarismus des 'anderen' Deutschland forderte er die "wissenschaftliche Organisation" im Sinne einer reaktionären Formierungskonzeption. (vgl. ders., Politische Ideale, 3. Aufl. München 1916, bes. S. 76ff.) Nach der Lektüre der "Politischen Ideale" stellte Plenge "mit Freude und Verwunderung eine ausserordentlich weitgehende Übereinstimmung unserer Überzeugungen" fest und sandte Chamberlain eine "ganze kleine Bibliothek" seiner Kriegsschriften zu. Insbesondere freue ihn die Kongenialität, da ihm vor zwanzig Jahren die "Grundlagen" (vgl. H. S. Chamberlain, Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts, 5. Aufl. München 1904) geholfen hätten, "bewusst nach der Eigenart des 19. Jahrhunderts zu fragen, und, in die Zukunft ausgreifend, nach der Eigenart des 20. Jahrhunderts." (UB BI, Nl Plenge, Plenge an Chamberlain am 9.4.1918). 152

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169 Die Vaterlandspartei verbreitete die Behauptung Chamberlains, "daß England, sobald es etwas gegen Deutschland im Schilde führe, sich der Frankfurter Zeitung bediene." Die FZ verklagte Chamberlain wegen Beleidigung und bekam in vollem Umfang Recht. Der Anwalt Chamberlains, Justizrat Claß, wies darauf hin, sein Mandant habe die FZ als Organ der Hochfinanz charakterisieren wollen. Diese sei ja sui generis kosmopolitisch und international, sehe man von der deutschen Schwerindustrie ab, die man ja eigentlich nicht als Hochfinanz bezeichnen könne. (vgl. FZ, Jg. 63, 1918, Nr. 219-222 u. 227 v. 9.-12. u. 17.8.1917) Das spätere Ideologem des 'internationalen Finanzjudentums' befand sich hier in statu nascendi. 170 Vgl. dazu bes. W. J . Mommsen, Zum Begriff der 'plebiszitären Führerdemokratie', in: ders., Weber II, S. 44-71 - vgl. auch Kocka, Kontroversen, S. 292ff.. 171 Weben in: GPSch, S. 443. 172 Vgl. Schwabe, S. 142ff.; Döring, Kreis, S. 43ff. - Schmoller betonte, assistiert von Georg Jäger, den überlegenen Charakter der bürokratischen Verfassung gegenüber dem englischen Parlamentarismus. (vgl. G. Schmoller, Obrigkeitsstaat und Volksstaat, ein mißverständlicher Gegensatz, in: Sch.Jb, Bd. 40, 1916, S. 2031-2042; ders., Der englische und der deutsche Staat, ebd., Bd. 41, 1917, S. 985-993; ders., Wäre der Parlamentarismus für Deutschland und für Preußen richtig?, ebd., S. 1123-1130; G.Jäger, Der preußisch-deutsche Staat und seine Machtorganisation, ebd., Bd. 40, 1916, S. 21-53; ders., Das Verhältnis Englands und Deutschlands zu der internationalen Rechts- und Gemeinschaftsbildung, ebd., S. 571-616) Tönnies befürchtete die Gefährdung der "Volksgemeinschaft" durch den Parlamentarismus. (vgl. F. Tönnies, Der englische und der deutsche Staat, Berlin 1917) Er bezog sich im übrigen auf Plenge, Lensch und Maurenbrecher, die gleich ihm das Enstehen der Volksgemeinschaft im Kriege konstatiert hätten. (vgl. ebd., S. 192). 173 Vgl. Schwabe, S. 157ff.. 174 ZStA II, Rep. 92/Schmoller, Nr. 209, Bl. 15, Delbrück an Schmoller am 26.2.1917. 175 Vgl. Schwabe, S. 162ff.; Döring, Kreis, S. 49ff.; Bieber, S. 533ff.; HBP, Bd. 2, S. 794ff.. 176 Tatsächlich blieb die massenhafte Proteststimmung relativ diffus und wechselte

oft analug der militärischen Lage. (vgl. Kocka, Klassengesellschaft, S. 33ff.)

177 Vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.7, Gedächtnisprotokoll einer Unterredung mit Noske im Mai 1917. 178 Vgl. Feldman, Army, S. 333ff.; Patemann, S. 63ff.. 179 Vgl. Kocka, Klassengesellschaft, S. 55ff.; Feldman, Army, S. 128ff.; Bieber, S. 445ff.. 180 ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.21, Schulze-Gävernitz an seine Frau Johanna am 29.10.1917. 181 Vgl. Schwabe, S. 149 - Schon 1915 führte die Fortschrittspartei gegenüber der preußischen Regierung diese doppelte Begründung für ihre Wahlrechtsreformforderung ins Feld. (vgl. Patemann, S. 36f.). 182 Vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.7, Gedächtnisprotokoll einer Unterredung mit v. d. Heydt am 6.6.1916; ebd., v.19, Heydt an Schulze-Gävernitz am 7., 12. u. 17. 7. u. am 20.11.1917. 183 Vgl. F. Naumann, Die Freiheit in Deutschland, in: NW, Bd. 2, 445-461. 184 ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.20, Denkschrift Naumann, hs. Vermerk. 185 ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/v.l7, Manuskript "Der deutsche Freiheitsgedanke" mit hs. Ver­ merk: "Vortrag Anfang 1918, 5 u. 13 Mai 1918 (Berlin und Brüssel) blieb ungedruckt, enthält die, wie mir scheint, beste Zusammenfassung meiner Lehre an der Univ. Freiburg Br.". 186 Ebd., S. 1ff.. 187 Ebd., S. 7. 188 Ebd.. S. 13f..

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189 "Zwar ernennt der Monarch einen Michaelis zum Kanzler 'wie der Kalif von Bagdad seinen Gärtner zum Vezier' - aber er ernennt ihn nicht gegen jene Mächte, gegen die auch sein Vorfahr im 18. Jahrhundert machtlos war - das Junkertum und seinen militärischen und bürokratischen Anhang." (ebd., S. 16). 1 9 0 Ebd.,S. 17ff.. 191 Ebd., S. 19ff.. 192 Vgl. ebd., S. 22. 193 Vgl. dazu auch Patemann, S. 44ff.. 194 Vgl. Schulze-Gävernitz, Freiheitsgedanke, S. 24ff.. 195 Ebd., S. 27f. - Die Erben der 1848er Tradition, die süd- und westdeutschen Provinzen, seien gegen Berlin zu mobilisieren. (vgl. StB M, Handschriftenabt., SchulzeGävernitz an Kerschensteiner am 1.3.1917). 196 Schulze-Gävernitz, Freiheitsgedanke, a.a.O., S. 26f., 28ff.. 197 Vgl jedoch das Schreiben Riebensahms an Schulze-Gävernitz am 18.9.1918 oben Kapitel VIII.5, Anmerkung 212. 198 Zit. nach Rauh, S. 397. 199 Zur Regierung Herthng vgl. ebd., S. 411ff.. 200 Vgl. noch G. Schmolier, Herkunft und Wesen der deutschen Institutionen, in: O. Hintze u.a. (Hg.), Deutschland und der Weltkrieg, 2 Bde., 2. Aufl. Leipzig 1916, Bd. 1, S. 199-231. 201 Bezeichnend erscheint Jaffés Wunsch nach dem Verbot eines Vortrags von Sombart durch das zuständige Stellvertretende Generalkommando. (vgl. oben, Anmerkung 101). 202 Vgl. F. Naumann, Auf dem Wege zum Volksstaat. Reichstagsrede vom 15.5.1917, in: NW, Bd. 5, S. 567-584. 203 RT/Ber., Bd. 311, S. 4267ff.. 204 Vgl. dazu Feldman, Army, S. 447ff.; Bieber, S. 499ff.; Patemann, S. 134ff.. 205 RT/Ber., Bd. 311, S. 4270. 206 Ebd., S. 4273. 207 G. v. Below, Das gute Recht der Vaterlandspartei (Schriften der Vaterlandspartei, Nr. 1), Berlin 1918, S. 14. 208 Vgl. G. v. Schulze-Gävernitz, Parlamentarismus und Krone, in: DP, Jg. 3, 1918, S. 658-661. 2°9 Vgl. Wehler, Kaiserreich, S. 212ff.. 210 Rauh. S. 435. 211 UB FR, Nl Scheman, IV B, Schulze-Gävernitz an Scheman am 25.12.1924.

Kapitel XI 1 Vgl. prototypisch Brentano, Leben, S. 312f.; Berlepsch an Brentano am 21.1.1915, a.a.O.. 2 Vgl. dazu Groh, S. 625ff., 660ff.; Bieben S. 73ff.. 3 Vgl. Theodor, S. 109. 4 Vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.8, Schreiben v. 1.8.1914. 5 Vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.23, Schulze-Gävernitz an seine Frau Johanna am 3.8.1914. 6 Vgl. auch S. Miller, Burgfrieden und Klassenkampf, Düsseldorf 1974, S. 46ff.. 7 Schulze-Gävernitz an seine Frau Johanna am 3.8.1914, a.a.O.. 8 Frank, S. 133 - vgl. auch Miller, S. 71f.. 9 Groh, S. 581 - vgl. auch Patemann, 20ff., 33ff.. 10 BA/Nl 58/33, fol. 9, Oncken an Thimme am 2.12.1914 - Zu Oncken vgl. auch Bruch, Wissenschaft, S. 215ff..

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Vgl. Riezler, S. 247f., 253f., 288, 345, 358f., 365f., 378, 416f., 425. Vgl. Feldman, Army, 119ff.; Miller, S. 240ff.. 13 Vgl. Miller, S. 254ff.. 14 Vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.23, Schulze-Gävernitz an seine Frau Johanna am 6.7.1915. 15 Vgl. Miller, S. 104ff.; Bieber, S. 270ff., 283ff.. 16 Im Zuge seiner Großblock-Strategie betrieb Naumann das Projekt eines 'Deutschen Staatslexikons', an dem Nationalliberale, wie Bassermann, Reformisten wie Frank, Südekum und Legien, aber auch Sozialpolitiker und Gelehrte wie Harnack, Max Weber u.a. mitarbeiten sollten. (vgl. Heuss, Naumann, S. 294f). 17 Vgl. U. Ratz, 'Die Arbeiterschaft im Neuen Deutschland'. Eine bürgerlich-sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft aus dem Jahre 1915, in: IWK, Jg. 1971, H. 13, S. 125. 18 Vgl. auch ZStA II, Rep. 92/Berlepsch, Nr. 28, Bl. 19f., Stimmungsbericht v. 1.11.1915. 19 Vgl. Ratz, Arbeiterschaft, S. 12f., 16f. - Thimmme berichtete Schmoller 1916, daß bereits zwanzigtausend Exemplare des Bandes abgesetzt werden konnten und über dreihundert Rezensionen erschienen seien. Er bat ihn um Unterstützung gegen den Versuch der konservativen Herrenhausfraktion, Maßregelungen gegen ihn durchzusetzen. (vgl. ZStA II, Rep. 92/Schmoller, Nr. 208a, Bl. 35f., Thimme an Schmoller am 2.3.1916). 20 Ratz. Arbeiterschaft. S. 13. 21 Vgl. Oncken, in: AND, S. lff.; Noske, ebd., S. 16ff.; Heinemann, ebd., S. 123ff.; Natorp, ebd., S. 196; Thimme, ebd., S. 227. 22 K. Legien, ebd., S. 97. 23 Vgl. Noske, ebd., S. 18f.; Scheidemann, ebd., S. 58f.; Hirsch, ebd., S. 77f.. 24 Jaffé wurde von Oncken zur Mitarbeit gewonnen. (vgl. ΒΑ, Ν1 58/34, fol. 6, Oncken an Thimme am 2.3.1915) Das Vorhaben war ganz im Sinne Jaffés: "Ihr Plan gefällt mir sehr und ich freue mich mithelfen zu können ... ." (ebd., fol. 70, Jaffé an Thimme am 15.5.1915). 25 E. Jaffé, Die Vertretung der Arbeiterinteressen im neuen Deutschland, in: AND, S. 98-114, hier S. 100. 26 Ebd., S. 101. 27 Ähnlich sah auch Tönnies die "Freiheit der Assoziation und Koalition", verkörpert in Gewerk- und Genossenschaften, mit dem Kapitalismus auf dessen Boden in Konkurrenz treten und den Individualismus allmählich überwinden. (vgl. Tönnies, ebd., S. 149f.). 28 Korrespondierend mit den Erwartungen Rathenaus formulierte Jaffé: "Interesse der Arbeiter am Betrieb und an dessen Ergebnissen, Vermeidung von Reibungen, Arbeitsstreitigkeiten und Streiks, geringer Wechsel der Arbeiterschaft ..., Verbesserung der Technik ... unter Aufnahme des Taylorsystems durch die Arbeiter selbst." (Jaffé, ebd., S. 112). 29 Ebd., S. 113. 30 E. Jaffé, Deutschlands Wirtschaftsleben in der Zukunft, in: DT, Jg. 7, 1915, S. 433443, hier S. 44lf.. 31 ΒΑ, Ν1 58/34, fol. 80f., Jaffé an Thimme am 25.5.1915. 32 Vgl. Zimmermann, in: AND, S. 134f.. 33 Vgl. P. Lensch, ebd., S. 139ff.. 34 Vgl. ebd., S. 144. 35 G. Schmoller, Rez.: Die Arbeiterschaft im Neuen Deutschland, in: Sch.Jb, Bd. 40, 1916, S. 434-437, hier S. 437. 36 UB Bl, Nl Plenge, Hänisch an Plenee am 3.7.1917. 37 Vgl. W. B. Scharlau u. Z. A. Zeman, Freibeuter der Revolution. Parvus-Helphand, 11 12

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Köln 1964, S. 110; R. Sigel Die Lensch-Cunow-Hänisch-Gruppe, Berlin 1977, S. 21ff. - vel. bes. Hänisch an Radek im Herbst 1914, in: Sigel, S. 34ff.. 38 Hänisch betonte 1917, daß "gerade die marxistischen Sozialisten ... früher viel zu sehr vor allem, was außerhalb ihres engen Kreises vorging, die Augen verschlossen" hätten; "daher das grausame Erwachen im August 1914. Jetzt wollen wir Augen und Ohren für Alles, was um uns herum vorgeht, desto weiter aufmachen." Sicherlich gäbe es neben Lensch, Cunow, ihm selbst und den ihnen nahestehenden August Winnig und Heinrich Schulz "noch andere literarische Wortführer der Politik des 4. August. Besonders die in ihrer Art sehr tüchtigen David u. Wolfgang Heine und Ernst Heilmann, ... . Aber für die ist die Politik des 4. August durchaus keine 'Revolutionierung', sondern in der Tat im Wesentlichen die Wahrmachung dessen, 'was sie immer gesagt haben'." (ÜB BI, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 21.5. u. 77.1917). 39 Vgl. K. Hänischy Die deutsche Sozialdemokratie in und nach dem Weltkrieg (1916), Berlin 1919, S. 56ff., 70f.t 93f.; P. Lensch, Die Sozialdemokratie, ihr Ende und ihr Glück, Leipzig 1916, S. 56ff.; ders., Das Starenlied des 4. August, in: DG, Jg. 2, 1916/17, Bd. 1, S. 2-6 - Kolb, der badische Reformist, lobte zwar Hänischs Buch, ihm erschien jedoch der Streit um die Kreditbewilligung nur als "Streit um die alten Gegensätze." (ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 194, B). 15, Kolb an Hänisch am 5.4.1916). 40 Vgl. Lensch, Sozialdemokratie, S. 113ff.; ders., Drei Jahre Weltrevolution, 4.-5. Aufl. Berlin 1918, S. 106ff.. 41 Das besonders Hänisch in gefühlvollen Wendungen der linken Opposition entgegenhielt. (vgl. Hänisch) Sozialdemokratie, S. 107ff.). 42 Ebd., S. 106. 43 Vgl. ebd., S. 103ff.; Lensch) Sozialdemokratie, S. IIIff,, 24ff,, 138ff., 182ff; ders., Jahre, S. 209ff.; A. Winnig, Die deutschen Gewerkschaften im Krieg, in: DDK, H. 87 (nach einem Vortrag in der Deutschen Gesellschaft im November 1916) - vgl. auch Sigel) S. 90ff.; Becker, S. 106f., 116ff.. 44 H. Cunow, Die deutsche Sozialdemokratie und die Marxsche Staatstheorie, in: DG, Jg. 2, 1916/17, Bd. 2, S. 610-620, 661-671, 703-713, hier S. 665. 45 Vgl. ebd., S. 66lff., 703ff.; Lensch, Jahre, S. 214ff.; H. Cunow, Die Marxsche Geschichts-, Gesellschafts- und Staatstheorie, 2 Bde., Berlin 1920/21, bes. Bd. 1, S, 280ff., 307ff. - vgl. auch Becker S. HOff.. 46 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 21.4.1917 - Trotz seiner ähnlichen Abneigung gegen den "kantisch-marxistisch-synthetischen Eklektizismus" war Cunows Auseinandersetzung mit Marx und Hegel seriöser als Plenges Arbeit. (vgl. H. Cunow, Grundlagen der Hegel-Marxschen Geschichtsauffassung, in: NZ, Jg. 36, 1917/18, Bd. 1, S. 416-423, 462-470). 47 Hänisch, Sozialdemokratie, S. 122f. (Hervorhebung von mir!). 48 P. Lensch, Die Sozialdemokratie und der Weltkrieg, Berlin 1915, S. 63 - vgl. auch ders., Sozialdemokratie, S. 188ff.; ders., Jahre, S. 206ff.; ders., Der Zwingherr zum Kriegssozialismus, in: DG, Jg. 2, 1916, Bd. 1, S. 361-366. 49 Vgl. K. Renner, Marxismus, Krieg und Internationale, Stuttgart 1918 - vgl. dazu H. Cunow, Über Marx hinaus!, in: DG, Jg. 3, 1917, Bd. 1, S. 816-823. 50 Vgl. Sigel, S. 46ff. 51 E. Lederer, Zeitgemäße Wandlungen der sozialistischen Idee und Theorie, in: ASS, Bd. 45, 1918/19, S. 261-293, hier S. 271f.. 52 P. Lensch, Die deutsche Revolution, in: DG, Je. 3, 1917, Bd. 1, S. 601-609. 53 Vgl. Lensch, Sozialdemokratie, S. 15ff., 45ff., 62ff.; ders., Jahre, S. 17ff., 86ff., lOlff.; ders., Im englischen Krähwinkel, in: DG, Jg. 1, 1915/16, S. 182-193; ders., Weltrevolutionierung, ebd., Jg. 3, 1917/18, Bd. 2, S. 161-193; H. Cunow, Parteizusammenbruch?, Berlin 1915, S. 33ff.; ders., Weltrevolution, in: DG, Jg. 2, 1916/17, Bd. 2, S. 361-368 - vgl. auch A. Ascher, 'RadicaP Imperialists within German Social Democracy

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1912 - 1918, in: Political Science Quarterly, Bd. 76, 1961, S. 555-575, hier S. 559ff.; ders., Imperialists, S. 568ff; Sigel, S. 66ff.; Becker, S. 124ff.. 54 Am Marxismus wollte man ja im Gegensatz zum Revisionismus ausdrücklich festhalten. (vgl. P. Lensch, Karl Marx, in: DG, Jg. 4, 1918, Bd. 1, S. 133-137). 55 Vgl. P. Lensch, Die Selbstbestimmungsflause, in: DG, Jg. 1, 1915/16, S. 465-470; CunoWy Parteizusammenbruch, S. 83ff.; E. Heilmann, Ideale und Praxis bei Friedensverhandlungen, in: DG, Jg. 3, 1917/18, Bd. 2, S. 553-559; ders., Der Annexionskomplex, ebd., S. 845-852 - vgl. auch Sigel, S. 143ff. - Nur mit Mühe vermochte Otto Braun zu verhindern, daß die Niederbarnimer Parteiorganisation Hänisch wegen dessen Annexionismus die Niederlegung seines Abgeordnetenmandats antrug. (vgl. ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 43, Bl. 8f., O. Braun an Hänisch am 6.8.1915) Nach einer Reise durch Belgien stellte sich Winnig voll hinter das Belgien-Programm der Reichsregierung. (vgl. ebd., Nr. 425, Bl. 25f., Winnig an Hänisch am 20.2.1918). 56 Vgl. Hänisch, Sozialdemokratie, S. 40f.; Lensch, Jahre, S. 185; ders., Sozialdemokratie u. Weltkrieg, S. 61 ff.; ders., Preußen und Miteleuropa, in: DG, Jg. 4, 1918, Bd. 1, S. 229-233 - Zur ambivalenten Haltung der Sozialdemokratie zu Kriegszielfragen vgl. E. Lederer, Von der Wissenschaft zur Utopie, in: AGS, Jg. 7, 1916, S. 364-411; M/7/er, S. 190ff.; Bieber, S. 229ff.. 57 Vgl. Hänisch, Sozialdemokratie, S. 142ff..; Lensch, Jahre, S. 219; ders., Sozialdemokratie u. Weltkrieg, S. 54ff.. 58 Becker, S. 134. 59 Hänisch, Sozialdemokratie, S. 151 - Nur einer zeitbedingten Kürzung, so Hänisch an Plenge, sei eine ausführliche Würdigung der Ideen von 1914 im Rahmen seiner Rede zum Kultusetat zum Opfer gefallen. (vgl. UB Bl, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 24.1.1918). 60 UB Bl, Nl Plenge, Cunow an Plenge am 5.6.1917 - Ähnlich auch E. Heilmann, Vom Bolschewismus zum aufbauenden Sozialismus, in: DG, Jg. 4, 1918, Bd. 1, S. 581590, hier S. 584f.. 61 Vgl. Sigel, S, l00ff. - Die Autoren der Stimmungsberichte glaubten, in den Äußerungen Lenschs den Beweis sehen zu können, daß "massvolle Grenzveränderungen ... nicht zum Gegenstand härtesten Zusammenstosses zwischen Reichsleitung und Sozialdemokratie ... werden" müßten, (ZStA II, Rep. 92/Berlepsch, Nr. 28, Bl. 33f., Stimmungsbericht v. 30.12.1915) denn selbst bei "festesten Mehrheitsanhängern" hätten die antienglischen Vorstellungen Lenschs unerwarteten Anklang gefunden. (vgl. ebd., Nr. 29, Bl. 199, 255ff., 285ff., Stimmungsberichte v. 18.9., 22.8. u. 19.9.1916 u. a.a.O.) Der Annexionismus in der Arbeiterschaft hingegen scheint sich vor allem nach Osten gerichtet zu haben. (vgl. ebd., Bl. 118ff., 146f., Stimmungsberichte v. 11.11. u. 21.11.1916) 1915 meldeten die Berichte, daß Lensch besonders in der sozialdemokratischen Provinzpresse "sehr viel Zustimmung gefunden" habe. (ebd., Nr. 28, Bl. 6, Stimmungsbericht v. 11.12.1915) Hänisch andererseits stoße in der Arbeiterklasse kaum auf Resonanz und selbst Lenschs Schrift über das 'Ende und Glück der Sozialdemokratie' finde zwar "achtungsvolle Aufnahme", aber nirgendwo ungeteilte Zustimmung, besonders bei den Massen dringe sie nicht wirklich in die Tiefe. (vgl. ebd., Nr. 29, Bl. 320, 401, Stimmunesberichte v. 20.5. u. 21.7.1916.). 62 Vgl. ebd., Nr. 29, Bl. 578, Stimmungsbericht v. 21.6.1916 - Der Streit zwischen Lensch und seinem früheren Mentor, Franz Mehring, habe zur Ablehnung der Parteiintellektuellen überhaupt geführt; der Arbeiter habe mehr Achtung vor dem gebildeten Arbeiterfreund aus dem Bürgertum als vor den "radikalen Doktoren". (vgl. ebd., Bl. 299f., Stimmungsbericht v. 1.8.1916). 63 Vgl. Sigel, S. 56ff. - Parvus teilte mit Hänisch den Übergang vom linken zum rechten Flügel. Seit 1914 trat er für den Sieg der Zentralmächte als Vorbedingung der Zerschlagung des Zarismus und Etappe der Weltrevolution ein. Er teilte die Revolutio-

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nierungs- und Randstaaten-Konzeption der Reichsleitung. (vgl. Scharlau/Zeman, S. 140ff., 208ff, 244ff., 282; Fischer, Griff, S. 126ff. - vgl. auch die Kritik der Linken an der "Parvusiade" in: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hg.), Spartakusbriefe, Berlin (DDR) 1958, S. 68ff.) Im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Generalstab gründete er 1915 die 'Glocke' mit dem Ziel, in der deutschen und europäischen Sozialdemokratie den Haß gegen den Zarismus zu schüren. Hänisch wurde mit der Bemerkung "An Mammon - Überfluß" die Mitarbeit, später Schriftleitung der finanziell wohlausgestatteten 'Glocke' angetragen. (vgl. ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 137, Bl. 23f., Parvus an Hänisch am 6.9.1915; Scharlau/Zeman, S. 173, 191ff., 226f.) Zum Verhältnis Parvus - Hänisch vgl. auch K. Hänisch, Parvus. Ein Blatt der Erinnerung, Berlin 1925. 64 F. Mehring, Kritische Anmerkungen, in: NZ, Jg. 34, 1916, Bd. 2, S. 700-705, 721726, hier S. 700. 65 Vgl. Sigel, S. 126ff. 66 Vgl. ebd., S. 63f.. 67 "Wenn auch unsere Auffassungen in entscheidenden Punkten voneinander abweichen," so Kolb, hätte ihn der Artikel Hänischs im 'Vorwärts' (vgl. V, Nr. 244, Beilage, v. 5.9.1916) doch "herzlich gefreut." Hänisch erschien Kolb als ein so wertvoller Bundesgenosse gegen "Kautskys Salbaderei", daß er ihn zu Vorträgen nach Baden einlud. (ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 194, Bl. 16, 17f., 21, Kolb an Hänisch am 8.9.1916 u. am 16.2. u. 11.3.1917) Heine konzedierte Hänisch, vieles richtig zu sehen, jedoch "manches noch etwas zu schematisch" zu konstruieren, "geleitet durch das Bestreben, die Erscheinungen auf eine wissenschaftliche Formel zu bringen. ... Diese starke Betonung des Theoretischen ist nun ein Grundfehler unserer deutschen Sozialdemokratie." (Heine an Hänisch am 9.2.1915 a.a.O., Bl. 39) Obwohl auch er "über die laue und flache Mitte ... ganz wie Sie" denke und "sie immer für gefährlicher gehalten" habe "als den Liebknecht," (ebd., Nr. 134, Bl. 60, Heine an Hänisch am 7.1.1916) forderte er Hänisch implizit auf, sich auf den Boden des theoriefeindlichen Praktizismus zu begeben, denn: "In Wahrheit hat sich das, was man seit 30 Jahren als Opportunismus, Possibilismus und später Revisionismus in Acht und Bann getan hat, Schritt für Schritt im praktischen Leben der Partei durchgekämpft. Die Kluft zwischen Dogma und Praxis der Partei ist umso größer geworden ... ." (Heine an Hänisch am 9.2.1915, a.a.O., Bl. 41) Heine hatte es zunächst abgelehnt, in der 'Glocke' zu veröffentlichen, empfahl aber nach dem Scheitern der Vorüberlegungen zu einer rechtssozialdemokratischen Abendzeitung, die 'Glocke' ähnlich zu orientieren wie seinerzeit die 'Neue Gesellschaft' Heinrich Brauns. (vgl. ZStA I, 90 Ha 4, Nr, 134, Bl. 57, 66v, Heine an Hänisch am 22.10.1915 u. am 30.8.1916 - vgl. auch Kapitel III.3) Cohen-Reuss schließlich mahnte, das 'Umlernen' nicht zu weit zu treiben. (vgl. ebd., Nr. 52, Bl. 13, Cohen-Reuss an Hänisch am 9.9.1916). 68 Vgl. Sigel, S. 65, 96. 69 Vgl. ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 371, Bl. 13f., Stampfer an Hänisch am 25.4.1916 Stampfer, der "Anglomane" und "jüdische Kaffeehausjournalist", so Hänisch, denke "rein tagespolitisch, ihm fehlt jede grosse prinzipielle Linie." (UB Bl, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 31.8.1917). 70 R. Luxemburg, Sozialreform oder Revolution?, in: dies., Werke, 4 Bde., Berlin (DDR) 1970, Bd. 1/1, S. 367-466, S. 437. 71 ZStA L 90 Ha 4, Nr. 57, Bl. 6v, Cunow an Hänisch am 20.4.1916. 72 Es sollte "Hauptaufgabe der Glocke sein, der sozialistischen Gedankenwelt in solchen uns bisher fern stehenden Kreisen Eingang zu verschaffen, in denen der Krieg geistig den Boden für uns gelockert hat." (ZStA I, 9o Ha 4, Nr. 425, Bl. 80v, Hänisch an Winnig o.D.). 73 Vgl. Sigel, S. 116ff. - vgl. bes. auch IWK, Jg. 11, 1975, S. 421- 436, S. 431. 74 Aus der Legion von Taktlosigkeiten sei nur folgendes Beispiel angeführt: Hänisch

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hatte sich für Lebensmittel bedankt, die ihm Plenge in Münster besorgt hatte, da es diese in Berlin nicht mehr gab; Plenge antwortete darauf: "Ich denke an Sie mit der liebevollen Aufmerksamkeit eines Trainers, der möchte, dass seine Mannschaft mehrere Bootslängen voraus den Preis gewinnt." (ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 292, BL 130, Plenge an Hänisch am 25.4.1918). 75 Vgl. ebd., Bl. 15, Plenge an Hänisch am 18.4.1917. 76 Vgl. DG, Jg. 3, 1917/18, Bd. 1 (Ich zitiere allerdings aus den Sonderdrucken "Revolutionierung der Revolutionäre", "Geburt der Vernunft" und "Zur Vertiefung des Sozialismus"!). 77 UB Bl, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 29.4.1917 - Auf einer Redaktionssitzung von Hänisch, Cunow, Lensch und Baumeister herrschte allgemeine Übereinstimung über die Verurteilung der Streikbewegung. (vgl. ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 446, Bl. 152v, Protokoll v. 23.4.1917) Hier arbeitete die Gruppe wie fast alle rechten Sozialdemokraten und Gewerkschafter faktisch den gleichgerichteten Bemühungen staatlicher Stellen in die Hand, die in verstärkter Propaganda das einzige Gegenmittel sahen. (vgl. Bieber, S. 471 ff.). 78 Plenge, Revolutionierung, S. 19. 79 Ebd., S. 45. 80 Der Artikel gehöre zum "Besten, was überhaupt über den Gegenstand gesagt ist." (UB Bl, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 23.5.1917) Ähnlich äußerte sich Lensch. (vgl. ebd., Lensch an Plenge am 21.5.1917). 81 Pienge, Revolutionierung, S. 44. 82 Vgl. ebd., S. 53ff.. 83 Ebd., S. 118. 84 Ebd., S. 110f.. 85 Plenge, Vertiefung, S. 118. 86 Plenge, Revolutionierung, S, 132. 87 Vgl. Deutschlands Einheit im Verteidigungskampf gegen seine Feinde, Berlin 1917, bes. S. 26ff. - Ähnlichen Zwecken dienten vermutlich auch die 1917 eingerichteten 'Glocken-Abende'. (vgl. ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 446, Bl. 150v, Redaktionsprotokoll v. 22.1.1917).

Vgl. Plenge, Revolutionierung. S. 121f.. Vgl. ebd., S. 149ff. - Zu diesem Zweck hatte Plenge in der 'Glocke' das "Geschwür des alten Marxismus noch einmal mit sicherer Hand nachgeschnitten." (ebd., S. III). 90 Ebd., S. 156. 91 Ebd., S. 169. 92 Vgl. ebd., S. 170ff. - In seinem Seminar besprach Plenge die drei als Beispiele der Neuorientierung des Sozialismus. (vgl. UB Bl, Nl Plenge, Protokollbuch des Proseminars Praktische Abteilung, Sitzungen vom 15. u. 22.6.1917). 93 Cunow beklagte sich über die Fülle Plengescher Artikel und monierte dessen Bestreben, "den Schritt, den Marx über Hegel hinaus gemacht hat, wieder zurück zu machen und den reinen Hegelianismus zu restaurieren;" er lehnte "alle Verantwortung ab." (ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 57, Bl. 9v, Cunow an Hänisch am 19.6.1917) Auf einer von Cunow, Lensch, Jansson, Hänisch und Heilmann besuchten Redaktionskonferenz war man "allgemein der Meinung, daß die Arbeit Plenges viel Wertvolles und Anregendes enthält, daß sie sich aber zu sehr in die Länge gezogen hat." (ebd., Nr. 446, Bl. 154, Protokoll v, 16.7.1917) Vertraulich teilte Hänisch Plenge mit, daß Cunow die distanzierende redaktionelle Anmerkung zum ersten Aufsatz Plenges veranlaßt habe. (vgl. DG, Jg. 3, 1917/18, Bd. 1, S. 214; UB Bl, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 14.5.1917). 94 Vgl. UB Bl, Nl Plenge, Cunow an Plenge am 28.6.1917. 95 Im Gegensatz zu Hänisch und Lensch betrachtete Parvus sein Bündnis mit dem Reich als reines Zweckbündnis, das ihm mit der russischen Märzrevolution entbehrlich 88

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geworden war. Jetzt setzte er voll auf den Sieg der Bolschewisten, wobei die 'Glocke' eher lästig war. (vgl. Scharlau/Zeman, S. 166, 279) Mit der Bitte um Diskretion beklagte sich Hänisch über das nachlassende Interese von Parvus. (vgl. UB BI, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 15.5., 29.5. u. 12.8.1917). 96 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 20.7.1917 - Die Korrespondenz zwischen Plenge und Parvus blieb belanglos. (vgl. ebd.). 97 Vgl. ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 292, Bl. 33v, Plenge an Hänisch am 24.7.1917. 98 UB BI, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 27.7.1917 - vgl. auch ebd., Hänisch an Plenge am 30.7.1917. 99 ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 292, Bl. 39, Plenge an Hänisch am 28.8.1917. 100 Vgl. ZStA II, Rep. 92/Berlepsch, Nr. 30b, Bl. 107f., Stimmungsbencht v. 1.9.1917. 101 E. Heilmann, Proletarisches Klasseninteresse und parlamentarische Advokatenwirtschaft, in: DG, Jg. 3, 1917, Bd. 1, S. 801-816 - vgl. auch Plenge, Revolutionierung, 5. Xllf.; K. Hänisch, Zwei offene Briefe an Hendrik de Man, in: Hamburger Echo, Jg. 31, 1917, Nr. 196 u. 197 v. 23. u. 24.8.1917. 102 Heilmann, Klasseninteresse, S. 803. 103 Ebd., S. 804f. (Hervorhebung von mir!). 104 Vgl. ebd., S. 807f. 105 Ebd., S. 805. 106 Ebd., S. 814. 107 Vgl. ebd., S. 813. 108 Vgl. ebd., S. 815; Plenge, Revolutionierung, S. Xff.. 109 Heilmann, Sozialisten, S. 55. 110 Durchaus zu Recht monierte die LVZ die "Kameraderie" Plenges und Heilmanns in der "Bekämpfung der Grundsätze der Sozialdemokratie." (Politik und Wissenschaft, in: LVZ, Jg. 1917, v. 22.12.1917) Plenge schrieb darauf eine Gegenerklärung, in der er auch nochmal den Bücher-Fall aufrollte. (vgl. "Wer geht auf verbotenen Wegen? An die Redaktion der LVZ", zit. nach ZStA L 90 Ha 4, Nr. 292, Bl. 77ff.). 111 Vgl. H. Cunow, Volksherrschaft und parlamentarisches System, in: NZ, Jg. 36, 1917/18, Bd. 1, S. 169-175, 344-346; ders., Rez.: Tönnies, Der englische und der deutsche Staat, ebd., S. 310-312; F. Tönnies, Demokratie und Plutokratie, ebd., S. 433-441. 112 UB BI, Nl Plenge, Plenge an Heilmann am 8.9.1917 (Hervorhebung von mir!). 113 Vgl. ebd., Gayl an Plenge am 4. u. 14.9.1917. 114 Vgl. ebd., Gayl an Plenge am 20.10.1917 u. am 24.2.1918. 115 Vgl. ebd., Plenge an Springorum am 30.8.1917 u. Springorum an Plenge am 2.9.1917. 116 Ebd., Plenge an Springorum am 5.9.1917 - Zur Haltung der Schwerindustrie gegenüber den Gewerkschaften nach den April-Streiks 1917 vgl. Bieber, S. 455ff.. 117 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 1.10.1917. 118 Ebd., Hänisch an Plenge am 12.10.1917 - Auch in der 'Glocken'-Gruppe hatten sich seit Frühjahr 1917 "Meinungsverschiedenheiten über die Zweckmäßigkeit u. Möglichkeit politischer Reformen während des Krieges" ergeben. (ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 446, Bl. 152, Redaktionsprotokoll v. 19.4.1917). 119 Vgl. UB BL Nl Plenge, Hänisch an Plenee am 2.9.1917. 120 ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 194, Bl, 28, Kolb an Hänisch am 21.8.1917. ,2i Vgl. UB BI, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 3. u. 4.12.1917. 122 Vgl. ZStA II, Rep. 92/Berlepsch, Nr. 30b, Bl. 96f., Stimmungsbericht v. 1.9.1917. 123 Vgl. C. Schmidt, Sozialismus, in: SM, Te. 24, 1918, S. 307. 124 UB BI, Nl Plenge, Plenge an Krieck am 13.9.1917. 125 Vgl. ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 292, Bl. 40, 42, 45f., 47, Plenge an Hänisch am 31.8., 5.9., 6.9. u. 12.9.1917. 126 Vgl. Miller, S. 33lff.

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Vgl. SPD/PT, 1917, S. 270, 276, 287. Vgl. ebd., S. 312. 129 Vgl. ebd., S. 453, 367ff.. 130 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Plenge an Krieck am 18.10.1917. 131 Vgl. ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 292, Bl. 48f., Plenge an Hänisch am 29.9.1917 - Leider, so Hänisch, habe Plenge mit seinen Bemerkungen über Lensch recht. (vgl. Hänisch an Plenge am 12.10.1917, a.a.O.) - vgl. auch Plenge, Vertiefung, S. 176. 132 Vgl. Plenge, Vertiefung, S. 94ff., 108f.; DG, Jg. 3, 1917/18, Bd. 2, S. 201-213. 133 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 10.9.1917. 134 Vgl. Kapitel X.3; UB BI, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 26,11. u. 15.12.1917 Lensch hatte schon im Oktober 1917 gebeten, mit der manchmal berechtigten Kritik an der Reichstagsmehrheit vorsichtig zu sein. (vgl. ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 446, Bl. 156, Redaktionsprotokoll v. 29.10.1917). 135 UB BL Nl Plenge, Hänisch an Plenee am 10.9.1917. 136 Ebd., Hänisch an Plenge am 17.9.1917. 137 PHA/Ber., Bd. 9, 1918, Sp. 9652. 138 Vgl. Plenge, Vernunft, S. 30ff., 57f.; ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 292, Bl. 64, 66f., 74, Plenge an Hänisch am 4.6. u. 21.12.1917. 139 Vgl. Plenge, Vernunft, S. 51 ff. 140 Vgl. bes. W. Jansson (Hg.), Arbeiterinteressen und Kriegsergebnis. Ein gewerkschaftliches Kriegsbuch, Berlin 1915, bes. S. 150ff. - vgl. auch Bieber, S. 223ff., 487ff.. 141 Vgl. Plenge, Vernunft, S. 37, 49, 54ff.. 142 Vgl. Feldman, Business, S. 324f.. 143 UB BI, Nl Plenge, Plenge an Braun am 23.2.1916. 144 "Von anderer Seite hörte ich übrigens, wie die jüngere Großindustrie ihre konservativen Neigungen verliert ... und dass Herr Stinnes junior lange Abendsitzungen zusammen mit Ihrem Herrn Noske hat. Das ist die Vereinigung der verschiedenen Vertreter des Organisationsgedankens in der Praxis und vielleicht eine Ankündigung von den mancherlei Überraschungen, die uns die Zukunft noch bringt." (ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 292, Bl. 194, Plenge an Hänisch am 18.7.1918). 145 Vgl. auch ZStA II, Rep. 92/Rerlepsrh. Nr. 31a, Bl. 3ff., 41 ff, Stimmungsbericht v. 11.1. u. 1.2.1918; Bieber, S. 512ff. 146 UB BL Nl Plenee, Hänisch an Plenee am 31.1.1918. 147 Stimmungsbericht v. 1.2.1918, a.a.O., BI. 52. 148 Vgl. Plenge, Vertiefung, S. 106ff, U l f . 149 UB BI, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 9.2.1918 - Im Oktober 1917 hatte Parvus auf den "möglichst engen Konnex der Zeitschrift mit den Massen u. eine schärfer oppositionelle Haltung" gedrungen. (ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 446, BI. 155, Redaktionsprotokoll v. 3.10.1917). 150 ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 425, Bl. 31, Winnig an Hänisch am 24.4.1918. 151 UB BI, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 22.2.1918. 152 Vgl. ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 292, Bl. 102v, Plenge an Hänisch am 28.2.1918. 153 UB BI, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 6.5.1918 - Drews hingegen verfolgte die 'Glocke' "mit grossem Interesse und besonderer Freude an Ihrem warmherzigen, überzeugten und überzeugenden Eintreten für den deutschen Sieg und die Sicherung der deutschen Zukunft." (ebd., Anlage: Drews an Hänisch). 154 Neumarxismus, in: FZ, Jg. 62, 1918, Nr. 141 v. 23.5.1918. 155 Vgl. P, Lensch, Zur Abwehr, in: DG, Jg. 4, 1918, Bd. 1, S. 261-266, hier bes. S. 264. 156 Vgl. Plenge, Vertiefung, S. 133f, 140. 157 Ebd., S. 136. 127

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158 Neumarxismus, in: FZ, Jg. 62, 1918, Nr. 158 v. 9.6.1918 - vgl. auch die fortgesetzte Kritik an Plenge ebd., Nr. 183 v. 4.7.1918 u. Nr. 188 v. 9.7.1918. 159 "Ihre Bemerkungen gegen Payer ... sind immer und immer wieder von der Rechten gegen meine Partei ausgebeutet worden." (UB BI, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 16.6.1918) Allerdings hatte Hänisch nach der scharfen Kritik, die allgemein an Heilmann geübt wurde, Plenge ausdrücklich aufgefordert, in die Debatte einzugreifen. (vgl. ebd., Hänisch an Plenge am 3.9.1917). 160 Vgl. P. Lensch, Noch einmal Frankfurter Zeitung, in: DG, Jg. 4, 1918, Bd. 1, S. 379-381, hierS. 379. 161 Vgl. UB BI, Hänisch an Plenge am 8., 23. u. 29.7. u. am 1.9.1918; ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 292, BI. 175, 190, 192f., Plenge an Hänisch am 20.6., 13.7., 18.7. u. 25.7.1918; ebd., Nr. 446, BI. 1, Redaktionsprotokoll vom 28.8.1918. 162 Vgl. Sigel, S. 156ff.. 163 Plenge, Vertiefung, S. 148. 164 Ebd., S. 152. 165 Vgl. ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 292, BI. 185, Landesverein Bayern der Deutschen Vaterlandspartei an Plenge am 29.6.1918 (AS). 166 Vgl. Chemnitzer Volksstimme, Nr. 203 v. 2.9.1918. 167 ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 292, BI. 177f., Plenge an Hänisch am 25.6.1918. 168 UB BI, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 2.7.1918. 169 Vgl. ebd., Hänisch an Plenge am 15.7.1918 - Der Abdruck der Rede stieß auf harte Kritik Lenschs. (vgl. ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 446, BI. 159vb, Redaktionsprotokoll v. 17.6.1918). 170 Vgl. PHA/Ber., Bd. 9, 1918, bes. Sp. 10209, 10213ff., 10220f. - vgl. auch UB BI, Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 23.3.1918. 171 Vgl. DSB, Nl Delbrück, Lensch an Delbrück am 20.3.1919, BI. 3f.. 172 H. König, Das neue Deutschland und der borussische Sozialismus, Münster 1924, S. 18, 28, 75f.; Plengn Altersreife, S. XXXVII; Sigel, S. 160. 173 Zu Winnig vgl. auch W. Ribhegge, August Winnig. Eine historische Persönlichkeitsanalyse, Hannover 1973. 174 Vgl. E. Kogon, Der SS-Staat, München 1974, S. 206. 175 UB BI, Nl Plenge, Schumacher an Plenge am 9.2.1920 176 Vgl. K. Schumacher, Der Kampf um den Staatsgedanken in der deutschen Sozialdemokratie (Diss. Münster 1920), Stuttgart 1973; UB BI, Nl Plenge, SPD-Parteivorstand an Plenge am 9.5.1953, Ollenhauer an Plenge am 25.6.1953. 177 Für plenge freilich war die Dissertation Schumachers der Beweis, daß die notwendige "Synthese von Staat und Klasse" auch nach dem Ersten Weltkrieg verpaßt worden sei; dadurch "wurde der Weg für das Nazitum frei." (Plenge, Akersreife, S. 92).

Kapitel XII 1 Vgl. A. Mohler, Die Konservative Revolution in Deutschland, 2. Aufl. Darmstadt 1972, S. 32ff.; M. Greiffenhagen, Das Dilemma des Konservativismus in Deutschland, München 1971, S. 257ff.; Wohl, S. 54f., 60ff.; Sontheimer, S. 115ff. 2 Vgl. auch K. v. KJemperer, Konservative Bewegungen zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, München o.J., S. 51 ff.. 3 Vgl. zum Versuch, diese Strömungen nach Leitmotiven und Personen zu ordnen Mohler, S. 58ff., 130ff.; Sontheimer, S. 143ff.. 4 Zu den negativen und positiven Leitbildern vgl. W. Hock, Deutscher Antikapitalismus, Frankfurt 1960, S. 20ff.; Sontheimer, S. 180ff., 240ff., 280ff.; Greiffenhagen, S. 241 ff. - Schulze-Gävernitz selbst sah die Kontinuität; zu Rathenau notierte er: "Ermordet ..., obgleich er von allen Vorläufern einem Α. Η. [ = Adolf H itler] am nächsten stand:

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nationaler Sozialist wie Friedrich Naumann." (ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/v.20, hs. Vermerk auf einem Rathenau-Exzerpt). 5 Vgl. O.-E. Schüddekopf, Nationalbolschewismus in Deutschland, Frankfurt 1972, S. 34ff.; J . Petzold, Wegbereiter des deutschen Faschismus. Die Jungkonservativen in der Weimarer Republik, Köln 1978, S. 92ff., 194ff.; Sontheimer, S. 300ff.; Klemperer, S. 60, 167ff. - Problematisch erscheint die Ansicht Otto Bauers, der eine "innere Verwandtschaft" zwischen dem Bolschewismus und dem preußischen Sozialismus der Spengler, Lensch und Plenge feststellte. Allein am "Aberglauben an die Gewalt und an die Allgewalt des Staates" läßt sich die Verwandtschaft kaum festmachen. (O. Bauer, Bolschewismus oder Sozialdemokratie (1920), in: ders., Werke, Bd. 2, Wien 1976, S. 223-357. hierS. 356V 6 UB BI, Nl Plenge, Möller v. d. Brück an Plenge am 15.9.1918 - Plenge publizierte diesen Brief zusammen mit seiner Antwort und mit einigen Zitaten aus seinen Schriften nach 1933, um seinen Anteil am Entstehen der nationalsozialistischen Ideologie zu belegen. (vgl. J . Plenge, Möller v. d. Brucks Bekehrung zur Idee. Unser Briefwechsel vom September 1918, Münster 1935) Nach dem Faschismus distanzierte sich Plenge dann wieder von der 'Verfälschung' seiner Idee durch Möller und den Nationalsozialismus. (vgl. Plenge, Altersreife, S. 144). 7 UB BI, Nl Plenge, Plenge an Möller v. d. Brück am 27.9.1918. 8 Vgl. O. Spengler, Preußentum und Sozialismus, München 1920. 9 Vgl. Sontheimer, S. 201f., 246ff.; Klemperer, S. 190ff.; Petzold, Wegbereiter, S. 44ff., 73ff, 260ff.. 10 UB BI, Nl Plenge, hs. Manuskript: "Der Untergang des Abendlandes" 11Vgl. König, S. 76. 12 BA, Nl 158/34, Möllendorff an Großmann am 10.1.1920 - vgl. auch Braun, Konservativismus, S. S. 158ff.. 13 BA, Nl 158/34, Möllendorff an Großmann am 12.2.1920. 14 Vgl. Schüddekopf, S. 65. 15 Vgl. E. Niekisch, Erinnerungen eines deutschen Revolutionärs, Bd. 1, Köln 1974, S. 138ff.; Schüddekopf, S. 146f.; Klemperer, S. 111/Anmerkung 34. 16 Vgl. Hock, S. 50ff.; Schüddekopf, S. 218 17 So Hugo v. Hofmannsthal in seinem konservativ-revolutionären Manifest: Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation, München 1927. 18 Zit. nach Klemperer, S. 131. 19 Vgl. F. Fried, Das Ende des Kapitalismus, Jena 1931; G. Wirsing, Zwischeneuropa und die deutsche Zukunft, Jena 1932, S. 8f., 230ff., 244ff., 305ff. - vgl. auch H. Lebovics, Social Conservatism and the Middle Classes in Germany 1914 - 1933, Princeton 1969, S. 49ff., 109ff.; bes. K. Fritzsche, Politische Romantik und Gegenrevolution. Fluchtwege in der Krise der bürgerlichen Gesellschaft: Das Beispiel des 'Tat'-Kreises, Frankfurt 1976 - Zu den wirtschaftlichen Vorstellungen vgl. ebd., S. 76ff., 167ff.. 20 Vgl. Braun, Konservativismus, S. 175f.. 21 Vgl. A. Barkai, Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus, Köln 1977, S. 77; Krause, Sombart, S. 137ff.; Hock, S. 28f., 36f., 44f., 68f.; Lebovics, S. 49ff., 109ff.; Krohn, Wirtschaftstheorien, S. 178ff. - Zu Spann vgl. auch K.-J. Siegfried, Universalismus und Faschismus. Das Gesellschaftsbild Othmar Spanns, Wien 1974. 22 Vgl. C.-D. Krohn, Autoritärer Kapitalismus. Wirtschaftskonzeptionen im Übergang von der Weimarer Republik zum Nationalsozialismus, in: IGPS, S. 114ff., 129ff.; ders., Wirtschaftstheorien, S. 167ff.. 25 Vgl. Barkai, S. 59ff.. 24 Vgl. G. Feder, Das Programm der NSDAP und seine weltanschaulichen Grundlagen, 111.-115. Aufl. München 1933, S. 20f., 33, 45ff.. 25 Vgl. W. Krause, Faschismus und bürgerliche Ökonomie, in: D. Eichholtz u. K.

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Gossweiler (Hg.), Faschismusforschung, Köln 1980, S. 303-320; W. Krause, Wirtschaftstheorie unter dem Hakenkreuz, Berlin (DDR) 1969, bes. S. 75ff., 105ff., 139ff.. 26 E. Wiskemann u. H. Lüche (Hg.), Der Weg der deutschen Volkswirtschaft im 19. Jahrhundert, Berlin 1937, S. 5. 27 Ebd., S. 10. 28 Vgl. ebd., S. 178f., 186ff.. 29 In der nationalsozialistischen Linken um Strasser u.a. wurde der antikapitalistische Affekt besonders deutlich. (vgl. R. Kühnl, Die nationalsozialistische Linke, Meisenheim 1966, S. 64ff., 81ff.). 30 Vgl. auch J . Petzold, Die Entstehung der Naziideologie, in: Eichhohz/Gossweiler, S. 261-278, hier S. 268ff.; Sontheimer, S. 357ff.; Klemperer, S. 209ff,; Lebovics, S. 205ff.. 31 Vgl. Krohn, Wirtschaftstheorien, S. 185ff.. 32 Feder, Programm, S. 29. 33 Bei Plenge erkannte auch Heuss die Kontinuität. (vgl. .Heuss, Erinnerungen, S. 254f). 34 L. v. Strauß und Torney-Dtedenchs (Hg.), Eugen Diedenchs Leben und Werk. Ausgewählte Briefe und Aufzeichnungen, Jena 1936, S. 242ff.; K. Dietze, Eugen Diederichs als Zeitungsverleger, Würzburg 1940, S. 11 0ff.. 35 Vgl. Strauß und Torney-Diederichs, S. 270; M. Maurenbrecher, Neue Staatsgesinnung (Tat-Flugschriften, H. 17), Jena 1916, S. 3 - Eucken verzeichnete seit 1916 sinkende Teilnehmerzahlen bei den früher stark besuchten Propagandavorträgen. (vgl. R. Eucken. Lebenserinnerungen, 2. Aufl. Leipzig 1922, S. 100). 36 Vgl. Maurenbrecher, Staatsgesinnung. - vgl. auch Jansen, S. 189ff., 198ff, 239ff.. 37 Vgl. auch M. Maurenbrecher, Der Krieg als Ausgangspunkt einer deutschen Kultur, in: DT, Jg. 9, 1917, Bd. 1, S. 97-107. 38 Zu Staudinger vgl. P. Vranicki, Geschichte des Marxismus, Bd. 1, Frankfurt 1972, S. 296ff.. 39Vgl. ZStA II, Rep. 92/Weber, Nr. 29, Bl. 13f., Diedenchs an M. Weber m. Anlage vom 24.5.1917 - Sombart und Troeltsch hatten abgelehnt. (vgl. Strauß und TorneyDiederichs, S. 291). 40 ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 292, Bl. 20, Plenge an Hänisch am 15.5.1917 - ähnlich auch ebd., Bl. 2lf., Plenge an Hänisch am 19.5.1917. 41 UB Bl Nl Plenge, Hänisch an Plenge am 21.5.1917. 42 Jetzt nahm auch Tönnies teil. (vgl. ZStA II, Rep. 92/Sombart, Nr. 9f., Bl, 5, Tönnies an Sombart am 21.8.1917). 43 Vgl. Marianne Weber, S. 608ff.; Heuss, Erinnerungen, S. 214f.; Strauß und Torney-Diederichs, S. 27lf.; Lauenstein, in: ES WZ, Jg. 2, 1917, S. 994-996. 44 Vgl. E. Nolte, Der Faschismus in seiner Epoche, München 1963, S. 535ff.. 45 Vgl. UB Bl, Nl Plenge, Vaterländische Gesellschaft von 1914 in Thüringen an Plenge am 21.7.1917. 46 Vgl. ebd., Plenge an Krieck am 18.9.1917 - Zu Kriecks Beziehungen zu Diederichs vgl. Strauß und Torney-Diederichs, S. 319, 330, 346 u.a.a.O.. 47 Vgl. UB Bl, Nl Plenge, Krieck an Plenge am 17.9.1917. 48 Strauß und Torney-Diederichs, S. 368. 49 Vgl. E. Krieck, Die neue Staatsidee, Jena 1917 (Neuaufl. 1934!), S. 176ff. - vgl. dazu G. Müller, Ernst Krieck und die nationalsozialistische Wissenschaftsreform, Weinheim 1978, S. 160ff.. 50 Vgl. Krieck Staatsidee, bes. S. 77ff., l0lff.. 51 Vgl. E. Krieck, Die Aufgaben der Erziehungswissenschaft, in: DT, Jg. 9, 1917, Bd. 1, S. 120-130.; ders., Staatsidee, S. 205ff. - vgl. auch Müller, Krieck, S. 170ff.. 52 Vgl. E. Krieck, Organisation und Führertum, in: DT, Jg. 9, 1917, Bd. 1, S. 528538; ders., Staatsidee, S. 163f., 167f., 194ff. - vgl. auch Müller, Krieck, S. 213ff..

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382.

Vgl. E. Krieck, Der deutsche Volksstaat, in: DT, Jg. 10, 1918/19, Bd. 1, S. 380-

54 Das ist ein Hinweis, daß Max Weber Plenge durchaus als Kontrahenten realisiert hat, obwohl er scheinbar nie direkt auf Plenges Vorwürfe geantwortet hat. (vgl. Kapitel X.3). 55 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Krieck an Plenge am 26.6. u. 12.11.1917. 56 Er könne, so Krieck, nun "doch ganz auf den Boden Ihrer [= Plenges] Lehren treten & bin meinerseits bereit, Ihre & der Männer um die 'Glocke' Arbeit zu unterstützen in weiterem Masse als ich bisher schon beabsichtigte." (ebd., Krieck an Plenge am 12.9.1917). 57 "... wir Ideologen und Erzieher sind für die eigentliche Politik nicht geboren und sollten uns darauf beschränken, auf bildungsfähige Menschen zu wirken." (ebd., Plenge an Krieck am 18.10.1917). 58 Vel. Müller, Krieck, S. 32. 59 UB BI, Nl Plenge, Krieck an Plenge am 1.12.1917. 60 Ebd., Krieck an Plenge am 2.9.1917 - ähnlich auch ebd., Krieck an Plenge am 10.9.1917. 61 Krieck konnte nur hoffen, daß sein Nachfolger A. Jaffé die projektierte Richtung einigermaßen einhielt, die er "der Zeitung nun mit aller Entschiedenheit aufgedrückt hätte." (ebd., Krieck an Plenge am 17.9.1917) - vgl. auch ebd., Krieck an Plenge am 3.9.1917. 62 In der 'Glocke' setzte Teschemacher Plenges Polemik gegen den Parlamentarismus und dessen Protagonisten Hugo Preuß und Wiese fort. (vgl. H. Teschemacher, Ein Leichensänger des Liberalismus, in: DG, Jg. 4, 1918, Bd. 1, S. 21-27; ders., Der Schulmeister des parlamentarischen Parteienstaats, ebd., S. 41-46). 63 Krieck versicherte Hänisch, Plenge habe ihm nach Lektüre seiner "Neuen Staatsidee" weitgehende Übereinstimmung bekundet; schließlich habe er auch seinen früheren ästhetischen Individualismus zu organischer Soziologie und zum Sozialismus weiterentwickelt. (vgl. ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 191, BI. 1f., Krieck an Hänisch am 19.1. u. am 19.2.1918) Plenge seinerseits betonte, Krieck werde "in seinen Anschauungen ... immer klarer, gesunder und lebensmäßiger." (UB BI, Nl Plenge, Plenge an Hänisch am 23.2.1918) Darauf lud Hänisch Krieck zur Mitarbeit in der 'Glocke'ein. (vgl. ebd., Krieck an Plenge am 25.2.1918). 64 E. Krieck, Neue Entwicklungen in der Sozialdemokratie, in: ESWZ, Jg. 2, 1917, S. 883-885. 65 E. Krieck, Der neue Sozialismus, in: DT, Jg. 10, 1918, Bd. 1, S. 23-30, hier S. 24. 66 Vgl. ebd., S. 25ff.. 67 Krieck, Entwicklungen, S. 883 68 Vgl. E. Krieck, Zum Aufstieg der Begabten, in: DG, Jg. 4, 1918, Bd. 1, S. 312-317; ders., Zur Debatte über den Aufstieg der Begabten, ebd., S. 701-704. 69 E. Krieck, Der soziale Verwaltungsstaat, in: DG, Jg. 3, 1917/18, Bd. 2, S, 780-789, hier S. 780, 782. 70 Ebd., S. 788f. - vgl. auch ders., Die Kehrseite des Parlamentarismus, in: ESWZ, Jg. 2, 1917, S. 712-715. 71 Vgl. E. Krieck, Zur Reform des Herrenhauses, in: ESWZ, Jg. 2, 1917, S. 923-925 Plenge scheint sich diesen Vorstellungen genähert zu haben, wie sein Vorschlag zeigt, statt des Herrenhauses eine "Berufskammer" neben dem Parlament zu konstituieren, (vgl. ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 292, BI. 142, Plenge an Hänisch am 18.5.1918). 72 Vgl. Zunkel, S. 110ff.; Steemann, S. 284ff., 37lff., 512f.. 73 Vgl. Müller, Krieck, S. 45, 56ff., 84ff., 190. 74 Vgl. UB BI., Nl Plenge, Krieck an Plenge am 22.10.1918; ZStA I, 90 Ha 4, Nr. 199, BI. 6f., Krieck an die Redaktion der 'Glocke' am 21.4.1919.

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Vgl. Müller, Krieck, S. 215ff.. Vgl. H. Blüher, Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft, 2 Bde., Jena 1919; J . Plenge, Antiblüher. Affenbund oder Männerbund? Ein Brief, 1. Aufl. 1920 Zu Blüher vgl. Mohler, S. 158f.. 77 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Korrespondenz Plenge - Krieck 1920/21. 78 "Haben Sie einst, da wir dort bei der Glocke mitarbeiteten, nicht gewusst, aus welchem stinkenden Pfuhl - Parvus & Genossen - sie ihre Existenzgrundlage bezog? Haben Sie jemals diese Sorte Sozialismus als ein fressendes Krebsübel bekämpft? Jedenfalls wünsche ich nicht, dass das deutsche Volk nach Ihren Rezepten 'organisiert* werde. ... Heute haben wir ja diesen Sozialismus in der Staatsherrschaft & sonst an allen Strassenecken; aber er entpuppt sich als der potenzierte, wildgewordene Bürokratismus ... ." (UB BI, Nl Plenge, Krieck an Plenge am 14.2.1921). 79 Vgl. Müller, Krieck, S. 95ff., 228ff.; Lukacs, Zerstörung, Bd. 3, S. 207ff.. 80 Vgl. E. Stadtler, Das deutsche Nationalbewußtsein und der Krieg (Der Weltkrieg, H. 10), Düseidorf 1915; ders., Deutsche Gedanken über das französische Revolutionsideal, in: Hochland, Jg. 13, 1916, Bd. 2, S. 53-66; ders., Kriegsliteratur zur politischen Neuorientierung, ebd., S. 615-619, 738-745; ders., Als politischer Soldat 1914 - 1918, Düsseldorf 1935, S. 28f., 38ff.. 81 Vgl. E. Stadtler, Als Antibolschewist 1918 - 1919, Düsseldorf 1935, bes. S. 12ff., 46ff., 51f., 56f.. 82 Vgl. ebd., S. 8ff., 115ff., 125ff, 134ff, 83 Die damals in einem "grossen Gefühlsrausch" geborene "enthusiastische Notgemeinschaft" habe "keine dauernde Einheit" bewirken können, so Plenges späte Einsicht. (UB BI, Nl Plenge, Plenge an Stadtier am 23.12.1920). 84 Ebd., Stadtler an Plenge am 29.12.1920. 85 Vgl. ebd., Plenge an Stadtier am 4.1.1921. 86 Neben Lensch, Rathenau, Scheler, Spengler, dem Historiker Martin Spahn und Chamberlain zählte Stadtler Plenge zu den 'geistigen Erneuerern', (vgl. E. Stadtler, Die Diktatur der sozialen Revolution, Leipzig 1920, S. 122). 8 7 UB BI, Nl Plenge, Stadtler an Plenge am 24.1.1921. 88 Vgl. Petzold, Wegbereiter, S. 323ff.. 89 UB BI, Nl Plenge, Stadtler an Plenge am 29.9.1936. 90 Vgl. ebd., Korrespondenz Plenge - Feder vom Juni/Juli 1919 - Feders Vorschläge liefen faktisch auf ein staatliches Kreditmonopol in Verbindung mit einer Vermögensabgabe hinaus. (vgl. G. Feder, Das Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes (1919), München 1931, bes. S. 7f.). 91 UB BI, Nl Plenge, Plenge an das Amt für Wissenschaft der Studentenschaft Münster am 14.7.1933. Vgl. J . Plenge, Als Handschrift für Gesinnungsgenossen: Meine Anmeldung zum Bund Schlageter e.V., Münster 1935. 95 Vgl. J . Plenge, Aus den Umsturztagen 1918/19. Aus meinem Briefwechsel mit Konrad Hänisch. Münster 1935. 94 Vgl. Nationalzeitung, Münster, Jg. 4, 1933, Nr. 269 u. 351 v. 30.9. u. 21.12.1933, zit. nach UB BI, Nl Plenge. 95 UB BI, Nl Plenge, Dietrich an Plenge am 7.11.1934. 96 Vgl. ebd., Harms an Plenge am 15.3.1935. 97 Ebd., Plenge an Harms am 21.3.1935. 98 Vgl. R. Dahrendorf, Soziologie und Nationalsozialismus, in: A. Flitner (Hg.), Deutsches Geistesleben und Nationalsozialismus, Tübingen 1965, S. 108-124. 99 Vgl. H. Marcuse, Vernunft und Revolution, 3. Aufl. Berlin 1970, S. 360ff.; Lukacs, Zerstörung, Bd. 3, S. 34ff.. 100 UB BI, Nl Plenge, Sombart an Plenge am 24.9.1933. 75

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Kapitel XIII 1 Κ. Töpner, Gelehrte Politiker und politische Gelehrte, Die Revolution von 1918 im Urteil deutscher Hochschullehrer, Göttingen 1970, S. 63. 2 Vgl. Döring. Kreis. S. 58ff.. 3 Vgl. ebd., S. 67ff.: Töpner, S. 68ff., 166ff., 184ff., 197ff., 216ff.. 4 Vgl. F. Meinecke, Werke, Bd. 2 (Politische Schriften und Reden), Darmstadt 1958, S. 377. 5 Vgl. Ringer, S. 200ff., 214ff.; Döring, Kreis, S. 73ff.; Faulenbach, S. 248ff.. 6 Vgl, Mommsen, Weber I, S. 326ff.. 7 Acht Professoren warfen Schulze-Gävernitz vor, durch seine anhaltende Polemik gegen die Militärpartei Deutschland in einer Zeit großer Gefahr zusätzlich zu schwächen. (vgl. ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/ν.19, Knies, Oltmanns, H effter u.a. an Schulze-Gävernitz am 20.11.1918). 8 G. v. Schulze-Gävernitz, Wie es kam - Oktober 1918?, in: DP, Jg. 4, 1919, S. 233238, hier S. 237. 9 Vgl. Τöpner, S. 66f., U6ff. 10 G. v. Schulze-Gävernitz, Wie es kam - November 1918?, in: DP, Jg. 4, 1919, S. 329-334, hier S. 333. 11 Vgl. Feldman, Army, S. 501 ff.. 12 Vgl. Schulze-Gävernitz, November, S. 329f., 13 Ebd., S. 334. 14 ΒΑ/ΜΑ, Ν 523/V.19, Anschütz an Schulze-Gävernitz am 24.3.1919. 15 NV/Ber., Bd. 327, S. 1326. 16 J . Plenge, Durch Umsturz zum Aufbau. Eine Rede an Deutschlands Jugend, Münster 1918, S. 56. 17 Ebd., S. 57ff.. 18 Ebd., S. 61 - In der Praxis beschränkte sich sein Vorschlag auf eine Währungsreform, verbunden mit einer Devalvation. (vgl. ebd., S. 60ff.). 19 So das Resümee von Max Webers erster Münchner Vorlesung. (ZStA II, Rep, 92/ Weber. Nr. 30/5, Bl. 10). 20 Plenge, Umsturz, S. 63. 21 Vgl. ebd., S, 66ff.. 22 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Plenge an Krieck am 2.11.1918. 23 Vgl. J . Plenge, Drei Vorlesungen über die allgemeine Organisationslehre, in: Linhardt, Organisationslehre, S. 59-117; ders., Deutsche Propaganda, ebd., S. 119-173. 24 Vgl. UB BI, Nl Plenge, Plenge an Harms am 1.4.1935. 25 Vgl. L. Kerssen, Johann Plenges Ruhrkampfpropaganda, in: Schäfers, Soziologie, S. 45-60; ZStA II, Rep. 76, Va, Sekt. 13, Tit. X, Nr. 19, Beiheft - Einige praktische Beispiele finden sich in UB BI, Nl Plenge. 26 Vgl. Schäfers, Soziologie u. Wirklichkeitsbild, S. 115ff.. 27 Zur Revolutionierung der Münchner Universität vgl, Töpner, S. 30ff. - Zur Münchner Revolution vgl. A. Mitchell, Revolution in Bavaria 1918 - 1919, Princeton 1965. 28 Vgl. Töpner, S. 38ff.. 29 Vgl. M. J . Bonn, So macht man Geschichte. Bilanz eines Lebens. München 1953, S. 182. 30 Ebd., S. 190f.. 31 Vgl. F. Purlitz (Hg.), Deutscher Geschichtskalender, Erg.-Bd. 1, Leipzig 1919, S. 70. 32 Jaffé sah in dem Ex-Kaiser immer noch den "modernen Menschen", der auf die "großen Ideale der Pflichterfüllung und der Arbeit für das Ganze" hingewiesen habe.

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(vgl. München-Augsburger Zeitung v. 9.2.1919, zit. nach ZStA I, 61 Re 1, PA, Nr. 217, Bl. 80v). 33 M. Weber an Else Jaffé-v. Richthofen im November 1918; zit. nach E. Baumgarten, Max Weber. Werk und Person, Tübingen 1964. 34 Vgl. Purlitt, S. 285. 35 Vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Nr. 608 v. 2.12.1918, zit. nach ZStA I, 61 Re 1, PA, Nr. 217, Bl. 85; V, Nr. 341 v. 10.12.1918. 36 Vgl. Bayrische Staats-Zeitung, Nr. 17 v. 18.1.1919, zit. nach ZStA I, 61 Re 1, PA, Nr. 217. Bl. 82v. 37 Vgl. Mitchell, S. 172f., 225f.. 38 Vgl, Bayrische Staats-Zeitung v. 10.1.1919, zit. nach ZStA I, 61 Re 1, Nr. 217, Bl. 82v. 39 Vgl. Mitchell, S. 288f./Anmerkung 27. 40 Vgl. Menges, S. 137, 139ff; Rheinisch-Westfälische Zeitung v. 7.2.1919, zit. nach ZStA I, 61 Re 1, PA, Nr. 217, Bl. 80. 41 Vgl. Mitchell, S. 293; O. Neurath, Wesen und Weg der Sozialisierung. Gesellschaftstechnisches Gutachten, vorgetragen in der 8. Vollsitzung des Münchner Arbeiterrates am 25.1.1919, in: ders., Kriegswirtschaft, S. 209ff.. 42 Vgl. Brentano, Leben, S, 355ff.. 43 Vgl. Niekisch, S. 52ff.; E. Ay, Zur Rolle Otto Neuraths in der Novemberrevolution, in: Wisenschaftliche Zeitschrift der Universität Greifswald, Gesellschafts- und sprachwisenschaftliche Reihe, Jg. 18, 1969, T. 2, S. 259-264, hier S. 261ff.; Brentano, Leben, S. 364 - Max Weber - der Neurath zugab, daß die Verkehrswirtschaft "aus valutarischen und Finanzgründen, nicht: aus anderen" allenfalls in stark modifizierter Form weitergeführt werden könne - warf Neurath vor, zur Diskreditierung des Sozialismus beizutragen. (vgl. M. Weber an Neurath am 4.10.1919, zit. nach Baumgarten, S. 532f). 44 Vgl. Krohn, Wirtschaftstheorien, S. 49, 51 ff..

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ΒΑ/ΜΑ, Ν 523 = Nachlaß Gcrhait v. SchuUc-Gävcrnitz

Zentrales Staatsarchiv der DDR Potsdam ZStA I, 01.01., Nr. 383 = Deutscher Reichstag ZStA I, 07.03., Nr. 4 u. 9 = Stellvertreter des Reichskanzlers ZStA I, 09.01., Nr. 2504 = Auswärtiges Amt ZStA I, 31.01., Nr. 7278 — Reichswirtschaftsministerium ZStA I, 61 Re 1, PA = Reichslandbund/Pressearchiv ZStA I, 90 Ha 4 = Nachlaß Konrad Hänisch ZStA I, 90 Ma 3 = Nachlaß Heinrich v. Marquardsen ZStA I, 90 Na 3 = Nachlaß Friedrich Naumann Zentrales Staatsarchiv der DDR Merseburg ZStA II, Rep, 76, divers. Nr. = Preußisches Ministerium der geistlichen, Unterrichcund Medizinalangelegenheiten ZStA II, Rep. 92/Althoff = Nachlaß Friedrich Althoff ZStA II, Rep. 92/Berlepsch = Nachlaß Hans v. Berlepsch ZStA II, Rep. 92/Schmoller = Nachlaß Gustav Schmoller (stand nur teilweise zar Verfügung) ZStA II, Rep. 92/Sombart = Nachlaß Werner Sombart (stand nur teilweise zur Verf igung) ZStA II, Rep. 92/Weber - Nachlaß Max Weber

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Generallandesarchiv Karlsruhe GLA 235/9028 u. 2129 = Badisches Kultusministerium GLA 503 = Nachlaß Franz Böhm Hauptstaatsarchiv Stuttgart HStA S, Q I/2 = Nachlaß Konrad Haussmann Deutsche Staatsbibliothek Berlin (DDR) DSB, Nl Delbrück = Nachlaß Hans Delbrück DSB, Nl Harnack = Nachlaß Adolf v. Harnack Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin (West) SBPK, Slg. Darmstaedter = Sammlung Darmstaedter SBPK, Nl Hauptmann = Nachlaß Gerhard Hauptmann Universitätsbibliothek Bielefeld UB BI, Nl Plenge = Nachlaß Johann Plenge Universitätsbibliothek Bonn UB BN, Nl Beckerath = Nachlaß Herben v. Beckerath Universitätsbibliothek Bremen UB HB, MS.258: Nr. 3a = Nachlaß Johann Plenge Universitätsbibliothek Freiburg UB FR, Nl Kantorowicz = Nachlaß Hermann Kantorowicz UB FR, Nl Scheman = Nachlaß Ludwig Scheman Universitätsbibliothek Leipzig UB L, Nl 181 = Nachlaß Karl Bücher Stadtbibliothek München StB M, Handschriftenabt. = Nachlässe Michael Conrad u. Georg Kerschensteiner Universitätsbibliothek Tübingen UB TÜ, Md 875 = Nachlaß Carl J . Fuchs UB TÜ, Md 1067 = Nachlaß Gustav Schmoller

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Personenregister (Ε. Jaffé, J . Plenge und G. v. Schulze-Gävernitz sind nicht aufgenommen) Adler, M. 194, 222 Althoff, F. 19, 71, 256 f. Anschütz, G. 205, 207, 242 Aschoff, L. 47 Baden, M. v. 185, 187, 241 f. Bahr, H. 201,233, 310 Ballin, A. 149 Ballod, C. 13, 136f., 148f., 166, 176f., 306, 308 Barkai, A. 233 Barth, T. 45-47, 266, 284, 313 Bassermann, R. 46, 242, 328 Bauer, G. 306 Bauer, O. 272, 336 Becker, C. 108 Beckerath, H. v. 145 Below, G. v. 20, 48, 170f., 173, 183, 186f., 205, 207, 212, 241, 310, 320 Bendixen, F. 133 Bentham, J . 55 Bergson, H. 191 Berlepsch, H. v. 32, 136, 260 Bernhard, G. 106, 137-139, 141 f., 149, 162 Bernhard, L. 18, 107 Bernstein, E. 67 f., 73,214, 261 Bethmann-Hollweg, T. v. 27, 32, 161, 170, 173, 184, 186f., 199, 214-216, 242, 287, 310,317 Beukenberg, W. 105, 128, 173, 249, 286, 310 Biechele, E. 166 Biermann, W. E. 132, 138, 150 Bismarck, O. v. 32, 67, 189, 212, 246, 309 Bissing, F. W. v. 182 Blüher, H. 238 Bonn, M . J . 243 f. Brandt, O. 147 Braun, H. 70-72, 319f., 331 Braun, O. 330 Breitscheid, R. 47 Brentano, L. 13 f., 18 f., 21, 29-35, 37, 40,

45-47, 67, 72, 75, 81, 93, 109, 111-114, 116, 131, 135f., 177-180, 187, 189, 207, 217, 219, 225, 243, 245, 248, 250, 255, 262, 264, 266f., 269f., 288-291, 297f., 303, 313f., 318 Brocke, B. vom 257 Bruch, R. vom 11 Bucharin, N. 135 Bücher,K. 13,18f,,22f.,75,81,102,106f., 111, 113, 116, 178, 180, 196, 256, 258, 286, 288, 290f., 297, 313, 320, 324, 333 Büchner, L. 67 Bück, Η. Α. 32 Bülow, B. v. 39f., 47f., 78, 81, 93, 186, 242, 267, 282, 317 Burnham, J . 92 Calwer, R. 135, 148 Caprivi, L. v. 32, 34f., 78 Carlyle, T. 29, 33 f., 38 Chamberlain, H. S. 206, 212, 229, 238, 325.f., 339 Claß, H. 170, 326 Cohen-Reuss, E. 222, 331 Cohn, G. 14, 151 f., 290 Conrad, J . E. 15, 289 Croce, B. 61 Cunow, H. 158-160, 162, 166, 219-227, 230, 249, 308, 329, 332 Dahrendorf, R. 127, 203 Damaschke, A. 265 David, E. 67-69, 214, 226, 329 Dehmel, R. 235 Delbrück, C. 100 Delbrück, H. 23, 35, 44, 66, 70, 78 f., 93, 116, 135, 139, 170f., 180f, 183, 185, 187, 205, 207, 211 f., 227, 256, 258, 263, 298, 322 Deutsch, L. 175, 177, 311, 315 Diederichs, E. 234-236, 238, 337 Diehl, K. 14, 76, 150, 176 Dietrich, O. 239

359 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Dietzel, Η. 13, 22f., 40, 50, 83, 95, 113f., 151 f., 178, 180, 196,200,258,264,313, 320 Dilthey, W. 59 f. Döblin, E. 260 Drews, W. 228, 334 Drill, R. 113, 194, 204, 229, 256, 290, 320 Düring, E. 296 Eben, F. 221, 226 Eckstein, G. 306 Ehrenberg, R. 18, 94, 106f., 130, 255f., 269 Eisner, K. 25, 243-245, 318 Elster, L. 105 f., 108, 290 Engels, F. 55, 61, 63, 67, 85, 158, 261 Ernst, M. 235 Erzberger, M. 167, 183, 185, 204, 284, 324 Eulenburg, F. 13, 23, 133f., 138, 145, 150, 175, 177, 296, 312 Eucken, R. 191, 337 Feder, G. 234, 239, 339 Feldman, G. D. 189 Feuerbach, L. 61 Fichte, J . G. 19, 42, 55, 57, 133, 137, 176, 190 f., 209, 234, 296 Fischer, E. 159f., 162, 306 Fitger, E. 301 Förster, F. W. 243 Förster, W. 37, 263 Francke, E. 166, 289 Frank, L. 69, 77, 97, 99 f., 180, 193, 214-216, 249, 274f., 328 Frauendorfer, H. v. 199, 244, 306, 321 Fricke, D. 71 Fried, F. 233 Friedrich II. (v. Preußen) 191, 212, 293 Fuchs, C. J . 13, 15, 110, 132, 288f. Gayl, Frhr. v. 225 George, H. 296 Gerlach, H. v. 47 Gierke, O. v. 33, 38, 170, 261, 322 Gleichen, H. v. 238 Gobineau, J . A. 212 Göbbels,J. 243 Göhre, P. 44, 114, 214 Goethe, J . W. v. 39 Goldscheid, R. 14, 25, 149 f., 152, 155-158, 162, 218, 221, 248, 304 Goldstein, E. 151

Gothein, E. 13, 110, 132, 146, 276, 289, 301 Gothein, G. 46, 164 Gröner, W. 237 Grunenberg, Syndikus 144, 301 Gwinner, A. v. 172 Häckel, E. 67 Hänisch, K. 24, 28, 107 f., 158, 219-230, 235, 238 f., 274, 329-335, 338 Hainisch, M. 175 Haller, H. 65, 149 Hammacher, E. 66, 318 Harms, B. 18, 102, 106f., 124, 185, 239, 256, 288, 290, 314, 323 Harnack, A. v. 131, 139, 170, 205, 207, 263, 299, 302, 324f., 328 Haussmann, K. 183 Hayek, F. A. 281 Hegel, G.W. F. 26, 39, 51 f., 56 f., 59-63, 65, 67, 90, 92 f., 127, 190, 195f., 198 f., 201 f., 204, 209, 223, 271-273, 321, 329, 332 Heilmann, E. 159f., 219f., 224-227, 230, 237, 249, 306, 329, 332 f. Heimann, E. 137f., 152, 233, 246 Heine, W. 69, 222, 275, 329, 331 Heiander, S. 91 Helfferich, K. 136, 181 Heller, H. 66, 233 Herkner, H. 13f., 30, 37, 70, 109-111, 116, 148 f., 151, 17M., 1/6, 180, 183, 245, 289, 297 Hermann, F. 13 Hertling, G. v. 185, 211 Hertzka, T. 265 Hesse, A. 107, 132 Heuss, T. 137, 235, 267, 337 Heydt, E. v. d. 179, 208, 314 Hildebrand, G. 70, 275 Hilferding, R. 77, 98, 129, 158, 166, 221, 257, 308 Hindenburg, P. v. 208, 212 Hintze, O. 170, 200, 324 Hitler, A. 22, 239, 335 Hobbes, T. 55 Hobohm, M. 187 Hoetzsch, O. 171, 180 Hofmannsthal, H. v. 346 Hohenlohe-Schillingsfürst, C. v. 37, 78 Holbach, P. v. 55 Hue, O. 159, 166, 308 Hugenberg, A. 105, 170

360 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Jäckh, E. 170, 172, 186, 215 Jäger, G. 326 Jaffé, A. 338 Jansson, W. 159f., 229, 306, 332 Jastrow, I. 13, 15, 143, 162, 176 Jünger, E. 192 Kämmerer, H. G. 131, 158, 305 Kant, I. 26, 39, 50, 52 f., 56-40, 65-69, 194 f., 204, 209, 274 Kautsky, K. 45, 109, 151, 160, 166, 222, 225, 274, 306, 308, 331 Kestner, F. 77, 99, 148, 277 Kjellén, R. 194, 198f., 203, 238, 321 Kleinwächter, F. 75 Knapp, G. F. 13-15,36,82, 110, 116, 146, 199, 294, 322 Knies, K. 13 Köller, Ε. Μ. v. 21, 36, 81 König, H. 232 Köppe, H. 131 f. Kolb, W. 69, 222, 226, 274, 329, 331 Krieck, E. 63, 226, 234-239, 337f. Krüger, F. 324 Kuczynski, J . 72 Kühlmann, R. v. 314 Kupfer, M. 153, 304 Lagarde, P. de 191 LaMettrie, J . de 55 Lamprecht, K. 196 Lancken, O. v. d. 182 Lange, F. A. 68 Lassalle, F. 129, 158, 163, 234, 259 Lasson, A. 199, 318 Lasson, G. 318 Ledebour, G. 214 f. Lederer, E. 134-136, 138, 166, 297, 308 Legien, C 216f., 328 Lenin, W. I. 68, 93, 257, 275 Lensch, P. 28, 148, 158-160, 162, 217, 219-224, 226-230, 232 f., 235, 237, 249, 326, 329f., 332, 334f., 339 Levine, E. 276 Levy, H. 146 Lexis, W. 276 Liebknecht, K. 238, 331 Liefmann, R. 14, 76, 132f., 146, 151, 256 Lindenlaub, D. 80, 254 Linhardt, H. 281 List, F. 173, 223 Liszt, F. v. 172, 174, 309 Lloyd George, D. 152

Lotz, W. 13, 35, 37, 76, 110, 149, 151, 180, 267, 289 Ludendorff, E. 208, 212, 241, 325 Lukacs, G. 63, 68 Luxemburg, R. 222, 238, 274 Mangoldt, K. v. 37 f. Mann, T. 279 Marx, K. 30, 49, 51 f., 55-59, 61-63, 66-69, 85, 90, 93, 98, 137, 158, 193, 198 f., 201 f., 214, 220, 259, 261, 272-274, 322, 329, 332 Maurenbrecher, M. 68-70, 234-236, 274, 326 Mayr, G. v. 15, 93, 136, 139, 175, 190 Medick, H. 86 Mehring, F. 274, 330 Meinecke, F. 47, 170, 185, 205, 227, 235, 241, 325 Menger, C. 13 Meyer, E. 171, 180 Meyer-Levine, R. 72 Michaelis, G. 185, 225, 327 Miquel, J . v. 36 Mirbach-Sorquitten, J . Graf v. 48, 256 Mitscherlich, W. 310 Möllendorff, W. v. 119, 121, 129, 133, 139, 141, 146, 148, 158, 161 f., 166, 168, 179, 191, 202, 225, 232f., 248, 299, 302, 306, 308, 319 Möller van den Bruck, A. 22, 232, 238, 336 Mombert, P. 14, 154 Mommsen, J . W. 38, 276, 290 Muckle, F. 243 Müller, Adam 19, 34, 65, 234 Müller, August 237 Mussolini, B. 192 Naphtali, E. 158 Natorp, P. 190, 216 Naumann, F. 18, 21 f., 25-28, 37, 40f., 43-48, 55, 57, 64, 68, 71 f., 75f., 80, 85, 100f, 109-113, 115f., 137, 170, 172-174, 177-179, 181, 184-186, 191, 201, 205, 208, 211, 214, 217, 221, 224f„ 227, 232, 238, 250, 265-267, 274, 279, 288-291, 298, 310-314, 324, 328, 336 Neurath, O. 137f., 144, 152, 162, 221, 235, 245f., 299, 308, 341 Niekisch, E. 233 Nietzsche, F. 69, 191 f. Noke, E. 235

361 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Noske, G. 208, 212, 229, 233, 334 Oldenberg, K. 34 f., 37, 174 Oncken, H . 138, 205, 215f., 327 Oppenheimer, F. 133, 136, 146, 265 Parvus-Helphand, A. 222, 224, 228, 264, 330, 332-334, 339 Payer, F. v. 186, 204, 227, 311, 316 Pesch, H . 14, 136, 139, 143, 176 Peters, C. 47 Peus, H . 159 Philippovich, E. v. 13, 110, 175, 201, 323 Plechanow, G. 67, 222 Pohle, L. 18, 35, 106f., 116, 130, 145, 147, 162, 256, 287, 289f Posadowsky-Wehner, A. v. 81,224 Preuss, H . 205, 207, 338 Proudhon, P. 296 Puhle, H .-J. 86 Puttkammer, R. v. 36 Quessel, L. 214 Ranke, L. v. 51 Rathenau, W. 59, 81, 92, 100, 119, 121, 127, 129, 132f., 137, 139, 141, 143, 148-150, 162f., 172, 179, 191, 199, 202, 225, 232f., 241, 245, 248, 278, 302, 304, 308, 324, 328, 335, 339 Rathgen, K. 13, 39, 44, 172f., 183, 193, 324 Rau, Κ. Η. 13 Remarque, Ε. Μ. 193 Renner, K. 221, 227, 232, 237 Rheinbaben, G. v. 94 Rhodes, C. 38 Rickert, H . 51-53, 58 Ricklin, Kammerpräsident 185 Riebensahm, Direktor 164, 307, 327 Rießer,J. 161, 199, 306 Rodbertus v. Jagetzow, A. 19, 42, 55, 83, 234 Rohrbach, P. 170, 181, 309 Roscher, W. 13,264 Rosenbaum, E. 132 Ruhland, G. 34, 174,234 Sartorius v. Waltershausen, A. 13, 176 Say, J . B. 82 Schäfer, D. 20, 170f., 180, 185, 187, 241, 325 Schäffle, A. 19

Scheidemann, P. 133, 166, 183, 204, 214, 227 Scheler, M. 59, 170, 191, 201 f., 205, 232, 339 Schiffer, E. 167 Schinckel, M. 158, 305 Schippel, M. 159f., 179, 284 Schmalenbach, E. 85 Schmidt, J . F. 66, 235 Schmidt, R. 306 Schmidt-Ott, F. 108 Schmoller, G. 13-15, 21, 23, 26, 32, 35, 39 f., 70, 75 f., 78-81, 88, 93, 107, 109-112, 116, 135 f., 143, 145f., 156, 164, 170, 175, 179, 183, 190, 193, 200f., 205, 207, 211,219, 225, 249, 255f., 258, 262, 264, 288-290, 298, 317, 320, 323, 326, 328 Schönberg, G. 320 Schrader, E. 128 Schulz, H. 329 Schulz-Hausmann, FL v. 143, 156 Schulze-Gävernitz, H. v. 21 Schumacher, H, 13, 106, 180, 183, 200, 287, 312 Schumacher, K. 230, 335 Schumpeter, J . A. 14, 83, 133, 150, 166, 256, 278, 283, 308 Schwarz, O. 283 Seeberg, R. 138, 170f., 241, 288 Sering, M. 13, 34, 38f., 174, 181, 183f., 200, 295, 310f., 324 Sichler, R. 141, 161, 237 Sieveking, H. 199, 322 Sigel, R. 222 f. Simmel, G. 191 Smith, A. 84, 173 Sohm, R. 44 Somary, F. 150 Sombart, W. 13-15, 19f., 23, 25, 49, 64, 71 f., 75, 107, 109f., 155, 192-194, 198-200, 232-234, 239, 243, 278, 289f., 322-324, 327, 337 Spahn, M. 170, 339 Spann, O. 14, 137, 175f., 201, 233f., 241, 243, 312, 323, 336 Spengler, O. 230, 232f., 336, 339 Spiethoff, A. 14, 83, 175, 226, 278 Springorum, F. 104 f., 249 Stadtler, E. 238 f. Stampfer, F. 222, 331 Staudinger, F. 235, 337 Stein, Η. Κ. v. 164

362 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Stein, K. v.u.Z. 212 Stein, L. ν, 61 Stieda, W. 256 Stinnes, H . 228, 230, 311 Stinnes, jr., H . 334 Stöcker, A. 44, 261, 265 Stolper, G. 175, 311 f. Strasser, G. 234, 337 Strecker, A. 106, 131, 144, 200 Struve, P. 273 St. Simon, C. 91, 133, 296 Stumm, K. v. 18, 31, 37, 42, 75 Südekum, A. 69, 136, 163f., 214, 328 Taylor, F. W. 191 Teschemacher, H. 95, 237, 283, 338 Thimme, F. 216, 306, 328 Thünen, J . H. v. 13 Tiburtius, J . 161 Tiefelsdorf, O. 291 Tirpitz, A. v. 45, 215, 325 Tönnies, F. 13, 67, 71 f., 113, 202, 205, 207, 216f., 225, 275, 323, 326, 328 Toller, E. 235 Treitschke, H. v. 80, 261 Troeltsch, E. 38, 42, 171, 173, 198, 200, 202f., 205-207, 216, 227, 241, 249, 323f., 337 Troeltsch, W. 145 Trott zu Solz, A. 105-107 Tyska, C. v. 179 Umbreit, P. 159, 166, 308 Vierkandt, A. 235 Vogelstein, T. 112, 166, 290 Voigt, A. 18, 116, 130f., 162, 256, 289 Vollmar, G. v. 46, 69 Vorländer, K. 68 Vorster, Kommerzienrat 36 Wäntig, H. 183 Wagener, H. 19, 34 Wagner, A. 13-16, 19, 25 f., 34, 37, 40, 42, 49, 71, 75f., 78-81, 87f., 91, 93-95, 107, 116, 131, 135f., 138, 141, 143f.,

147, 154, 160, 162, 174, 197, 200, 217, 221, 225, 234, 249, 256, 264, 281, 287, 298 Wahnschaffe, A. 287 Waldschmidt, Direktor 174 Weber, Adolf 18, 91, 106f., 202, 290, 323 Weber, Alfred 13-15, 19, 26, 34f., 67, 76, 78-82, 88, 124, 143, 151, 171, 173, 175, 183f., 200, 276,279,288, 300, 311 Weber, Max 13-15, 19-21, 23, 25-27, 34, 36-39, 43 f., 46 f., 49-54, 57, 64, 67, 70-72, 76, 78-82, 86, 88, 90, 93, 96, 102, 109-116, 124, 131, 144, 155, 168, 170f., 177, 180f., 183, 185-187, 196, 199f., 203, 205-208, 211, 219, 235f., 241 f., 244, 247, 250, 265, 267, 269f., 279, 283, 288-290, 304, 312, 317, 325, 328, 338, 340f. Wenckstern, A. v. 49 Wiedenfeld, K. 106, 258 Wiese, L. v. 14, 161-163, 176, 190, 338 Wilbrandt, R. 14, 18, 76, 113, 152, 166, 289f., 308 Wilding, Graf 215 Wilhelm IL (auch: Kaiser) 32, 46, 48, 87, 205, 215, 244, 340 Wilson, T . W . 186 Windelband, W. 51 f., 59f. Winnig, A. 184, 227, 229f., 233, 329f., 335 Wirsing, G. 233 Wiskemann, E. 234 Wisseil, R. 158, 166-168, 248, 308 Witt, P.-C. 282 Wolf,J. 18, 39, 95, 175 Wurm, E. 97, 99, 214 Zahn, F. 283 Zehrer, H. 233 Zimmermann, A. 181,186,215 Zimmermann, Prof. 217, 219 Zweig, A. 193 Zwiedineck-Südenhorst, O. v. 14, 151, 256, 290 Zunkel, F. 80

363 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Sachregister Alideutschtum, alldeutsch 27 f., 46f., 80, 170-172, 180, 183, 185, 187f., 206f., 209f., 241,248, 317 - Alldeutscher Verband 170 Allgemeine Elektnzitätsgesellschaft (AEG) 77,92, 175, 177,301,315 Amenka, amerikanisch (auch: USA) 22, 31, 34, 81, 86f, 104, 143, 172f., 179, 184-187,203, 324 Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik (a.: Arch f. soziale Gesetzgeb. u. Statistik) 25, 70 f., 122, 134,320 Baden, badisch 48, 69, 100, 242, 259f., 268, 274 Bayern, baynsch 25, 185, 199, 229, 244f. Belgien, belgisch 171, 180-183, 186, 241, 303, 314, 325, 330 Berliner Tagebktt 223, 225 Bülow-Block 40, 46f., 94, 267, 282 Bürokratie 15f., 19, 32, 39, 75f, 78-82, 86, 88f., 92, 106, 108, 127, 129, 135, 138f., 195, 204, 207, 211, 220, 237, 282, 285 f., 290, 324, 326

- preußisch-deutsche B. 15, 79, 121, 137, 206, 211, 298 - Bürokratiedebatte 1909 26, 77, 109 - Bürokratisierung 43, 78-80, 155 Bund der Landwirte 94, 267 Centralverband deutscher Industrieller 32, 106 Daimler-Motorenwerke 164, 307 Deutsche Demokratische Partei (DDP) 21, 167, 308 Deutsche Gesellschaft für Soziale Reform 111, 288 Deutsche Gesellschaft für Soziologie 70, 155 Deutsche Gesellschaft von 1914 170, 181, 203, 207, 323 Deutsche Volkswirtschaftliche Correspondenz (DVC) 106, 138, 147, 257, 298, 302 Deutschnationale Volkspartei (DNVP) 236, 238, 241

EngUnd, englisch (a.: Großbritannien, britisch) 21 f., 29-32, 34f., 38-40, 55, 67, 79f., 86, 95, 104, 121 f., 124f., 143, 152, 154, 170, 172-174, 177-180, 186f., 190-192, 203, 205, 208, 244, 261 f., 264f., 267, 278-281, 309, 311, 313, 322, 326 Europäische Staats- und Wirtschaftszeitung (ESWZ) 199, 237 Evangelisch-Sozialer Kongreß 40, 42, 44, 94, 263, 265 Finanzpolitik (a.: Finanzreform) 93-95, 123, 142f., 147-149, 154f., 247, 304 Fortschrittliche Volkspartei 21, 47, 97, 175, 183, 309, 326 Frankfurter Zeitung (FZ) 183, 194, 206, 222, 229, 256, 326 Frankreich, französisch 24, 55, 61, 88, 95, 121, 125, 171, 177, 181, 190, 202f., 208, 215, 303, 309-311, 314, 324 Freisinnige Vereinigung 45-47, 266 Gelehrtenpolitik 12, 18, 21, 27, 71 f., 108, 114f., 117, 211, 217, 240-248

Gewerkschaften 21, 31, 42, 67, 76, 85, 114, 119, 159, 165, 208f, 215-218, 224-228, 260, 267, 292, 306, 308, 328, 332 f. - englische G. 29, 55 Die Glocke (DG) 158f., 185, 187, 199, 222f., 226-230, 237f., 331-334, 338 Die Hilfe (DH) 37, 40, 68, 274 Histonsche Schule 13-15, 21, 52, 59, 82 f, 196, 234, 246, 278, 320 Hösch- Werke 105, 226 Imperialismus 38 f., 41, 43-45, 94, 114, 173, 179, 204, 210, 221, 232, 242, 246, 266, 275 - liberaler I. 21, 23, 28, 38 f., 43, 57, 170, 182, 188, 248 - Sozialimperialismus 42, 214 Institut für ostdeutsche Wirtschaft 102, 107 Institut für Weltwirtschaft und Seeverkehr 102, 185

364 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Junkertum, junkerlich 15f., 35f., 39f., 43, 209, 211, 242, 246, 262, 265, 327 Kathedersozialisten, kathedersozialistisch 14, 17-19, 22f., 32, 49, 70, 75, 77, 81, 87, 91, 108, 111, 117, 130, 152, 200, 207, 246, 255 f., 262, 265 Klöckner-Werke 105 Kreditwesen (a.: Bankwesen) 63, 82, 88, 103, 124, 163, 280, 281, 285 - Deutsche Bank 96-100, 172 - Discontogesellschaft 96 f. - Großbanken 82, 84, 88-91, 98, 163 Knegssozialismus, kriegssozialistisch 20, 25, 79, 119, 121, 129-132, 135, 139f., 147, 160, 166, 168, 171, 217, 220, 227, 232-234, 247, 298, 308, 324 Krupp-Werke 75, 105,256 Leipziger Volkszeitung 257, 286, 333 Lowe & Co. 174 Manager (a.: Angestellte) 16, 75f., 85, 92f., 103,249 Meinung, öffentliche 11 f., 30, 72, 98, 115, 117, 211, 214, 217 - Verbandsöffentlichkeit 115, 237, 247 Mittwochabend-Gesellschaft 170, 207, 316, 323 Modernisierung 20, 34, 43, 47, 59, 95, 171, 187, 194, 210, 216, 237, 241, 249 Nationalausschuß für einen ehrenhaften Frieden 139, 317 Nationalliberale (Partei) 47 f., 96, 164, 284 Nationalversammlung 22, 167f., 242-244, 308 Nationalsozialer Verein, Nationalsoziale 44-47, 70, 114, 236, 265, 274 Nationalsozialismus, nationalsozialistisch (a.: NSDAP) 24, 230, 233f., 238 f., 243, 336 f. Neue Zeit (NZ) 198, 225, 274, 319 Neuhegelianismus, neuhegelianisch 59, 117, 189, 220, 232, 239 Neukantianismus, neukantianisch 21, 23, 26, 50, 52f., 60, 68, 190, 204 Österreich- Ungarn (a.: Donaumonarchie) 13, 79, 137, 172f., 175-180, 201, 221, 248, 309-311 Oberste Heeresleitung 141, 187, 207, 213, 230, 243

Organisierter Kapitalismus 19, 23, 25 f., 59, 64, 78, 81, 88, 90, 103, 108, 140, 168, 219, 246f., 257 Phönix-Werke 105 Plutus 106, 137 Polen, polnisch 40, 175, 177, 183f., 267, 310 Präfaschismus, präfaschistisch 24, 28, 234, 237-239, 243, 249 Preußen, preußisch 16, 33, 40, 48, 55, 65, 79, 99, 118, 185, 195, 198, 205, 209, 212, 225, 228, 230, 242, 249, 256, 260, 274, 281, 283, 309, 315, 323, 325 f., 336 - preuß. Abgeordnetenhaus 107,230,324 - preuß. Herrenhaus 48, 216, 237, 256, 328, 338 - preuß. Wahlrecht 48, 80, 205, 213, 215f., 227, 325 Rat der Volksbeauftragten 165f., 230, 241, 249 Reichsbank 88-91, 98, 100, 122, 124-126, 163f., 280f., 284 Reichspartei 48, 98 Reichsregierung (a.: Reichsleitung) 27, 32, 37, 94, 96, 100, 121, 139, 148, 166f., 170, 172, 181, 183f., 186, 188, 205, 214-217, 233, 241, 243, 262, 287, 314, 316, 325, 330 - Auswärtiges Amt 22, 173, 186, 215, 314, 330f. - Reichsamt des Innern 100, 126, 186, 208 - Reichsschatzamt 77, 126, 143, 152, 302 - Reichswirtschaftsamt (bzw. -ministerium) 148, 162-168, 302 Reichstag 27, 48, 68, 91, 96f., 100, 144, 162, 164, 174, 185f., 204, 207, 211-213, 218f., 242f., 267, 315 Rußknd, russisch 21, 34, 67, 172, 214 f., 276, 311 Schwerindustrie, schwerindustriell 32, 39, 75, 85, 98, 111, 141, 145, 147f., 159, 163, 171, 210, 230, 237f., 246, 282, 311, 326, 333 Siemens-Werke 77 Sozialdemokratie, sozialdemokratisch 20f., 25 f., 28, 31 f., 35, 37, 44-49, 55-57, 66-73, 77, 97-101, 107f., 110-114, 117, 128, 131, 134, 136, 157-164, 169, 184f., 193-195, 198, 202, 204f., 207-209,

365 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

212-214, 216, 219-223, 225-227, 230, 233, 236f, 246-250, 257, 260, 265, 268, 273-276, 282, 284, 296, 307, 330-332 - Rechtssozialdemokraten 28, 116, 226, 331 - Unabhängige S. 160, 165, 224, 226, 244, 307 Sozialistische Monatshefte (SM) 124, 159, 198, 226 Staatssozialismus, staatssozialistisch 16, 20, 66, 77, 79-81, 87, 90f., 98, 101, 121, 123, 127, 129f, 131 f., 134 f., 138f., 145-147, 151, 155, 158-164, 169, 179, 197, 199, 201, 203, 217, 219f., 222, 225, 233, 235, 237, 248, 284, 287, 298, 306, 323 Standard Oil Co. 84, 96-99 Steaua Romana 96, 98 Die Tat(DT) 233 f., 236

Unabhängiger Ausschuß für einen deutschen Fneden 185 Vaterlandspartei 183, 207, 212 f., 229, 326 Verein deutscher Eisen- und Stahlindustnellert Nordwestliche Gruppe (a.: Gruppe Nordwest) 104f., 286 f. Verein für Socialpolitik (VfS) 15, 17, 27, 32, 43, 70, 72, 76, 79, 102, 109-111, 113-116, 149, 176, 245, 255, 288-290, 313 Volksbundfiir Freiheit und Vaterland 207 f. Vorwärts (V) 68, 105f., 159, 183, 221, 228, 242, 331 Weltwirtschaftliche Gesellschaft 174 Zentrumspartei 37f., 48, 78, 94, 99, 113, 162f., 167, 204

366 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35717-1

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 5. Hans Medick . Naturzustand und Naturgeschichte der bürgerlichen Gesellschaft Die Ursprünge der bürgerlichen Sozialtheorie als Geschichtsphilosophie und Sozialwissenschaft bei Samuel Pufendorf, John Locke und Adam Smith. 2. Auflage 1981. 330 Seiten 8. Jürgen Kocka - Klassengesellschaft im Krieg Deutsche Sozialgeschichte 1914-1918. 2., durchges. und ergänzte Auflage 1978. 239 Seiten 9. Heinrich August Winkler (Hg.) · Organisierter Kapitalismus Voraussetzungen und Anfänge. 10 Beiträge. 1974. 223 Seiten 11. Hans-Ulrich Wehler (Hg.) · Sozialgeschichte Heute Festschrift für Hans Rosenberg zum 70. Geburtstag. 33 Beiträge. 1974. 669 Seiten 15. Reinhard Rürup .Emanzipation und Antisemitismus Studien zur »Judenfrage« der bürgerlichen Gesellschaft. 1975. 208 Seiten 16. Hans-Jürgen Puhle Politische Agrarbewegungen in kapitalistischen Industriegesellschaften Deutschland, USA und Frankreich im 20. Jahrhundert. 1975. 496 Seiten 17. Siegfried Mielke Der Hansa-Bund für Gewerbe, Handel und Industrie 1909-1914 Der gescheiterte Versuch einer antifeudalen Sammlungspolitik. 1976. 359 Seiten 21. Hans-Peter Ulimann - Der Bund der Industriellen Organisation, Einfluß und Politik klein- und mittelbetrieblicher Industrieller im Deutschen Kaiserreich 1895-1914. 1976. 464 Seiten 25. Jürgen Kocka - Angestellte zwischen Faschismus und Demokratie Zur politischen Sozialgeschichte der Angestellten: USA 1890-1940 im internationalen Vergleich. 1977. 556 Seiten 26. Hans Speier . Die Angestellten vor dem Nationalsozialismus Ein Beitrag zum Verständnis der deutschen Sozialstruktur 1918-1933. 1977. 202 Seiten 36. Toni Pierenkemper Die westfälischen Schwerindustriellen 1852-1913 Soziale Struktur und unternehmerischer Erfolg. 1979. XI, 268 Seiten 39. Emil Lederer · Kapitalismus, Klassenstruktur und Probleme der Demokratie in Deutschland 1910-1940 Ausgewählte Aufsätze. Mit einem Beitrag von Hans Speier und einer Bibliographie von Bernd Uhlmannsiek. Herausgegeben von Jürgen Kocka. 1979. 310 Seiten 40. Norbert Horn / Jürgen Kocka (Hg.) · Recht und Entwicklung der Großunternehmen im 19. und frühen 20. Jahrhundert / Law and the Formation of the Big Enterprises in the 19th and Early 20th Centuries Wirtschafts-, sozial- und rechtshistorische Untersuchungen zur Industrialisierung in Deutschland, Frankreich, England und den USA / Studies in the History of Industrialization in Germany, France, Great Britain and the United States. 25 Beiträge. 1979. 685 Seiten

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