Muslimische Kultstätten im öffentlichen Baurecht: Der Bau von Moscheen im Spannungsfeld von Religionsfreiheit und einfachem Recht [1 ed.] 9783428534739, 9783428134731

In der praktisch und theoretisch ausgerichteten Arbeit untersucht Dorothea Gaudernack zunächst die tatsächlichen Rahmenb

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Muslimische Kultstätten im öffentlichen Baurecht: Der Bau von Moscheen im Spannungsfeld von Religionsfreiheit und einfachem Recht [1 ed.]
 9783428534739, 9783428134731

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1191

Muslimische Kultstätten im öffentlichen Baurecht Der Bau von Moscheen im Spannungsfeld von Religionsfreiheit und einfachem Recht

Von Dorothea Gaudernack

Duncker & Humblot · Berlin

DOROTHEA GAUDERNACK

Muslimische Kultstätten im öffentlichen Baurecht

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1191

Muslimische Kultstätten im öffentlichen Baurecht Der Bau von Moscheen im Spannungsfeld von Religionsfreiheit und einfachem Recht

Von Dorothea Gaudernack

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Regensburg hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Göttingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13473-1 (Print) ISBN 978-3-428-53473-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-83473-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Jakob und Kassian

„Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“ Psalm 18,30

Vorwort Die Arbeit wurde im Sommersemester 2010 von der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind auf dem Stand von Mai 2010. Zu besonderem Dank bin ich meinem Doktorvater, Richter des Bundesverfassungsgerichts a. D., Prof. Dr. Udo Steiner, verpflichtet. Seine grenzenlose Geduld mit mir und den Glauben an die Fertigstellung dieser Arbeit kann ich ihm nicht hoch genug anrechnen. Ich fühle mich geehrt, zu seinen Doktoranden zu zählen. Prof. Dr. Rainer Arnold danke ich für die äußerst zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Während der langen Dauer meines Dissertationsvorhabens haben viele Menschen auf ihre Weise zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Mein Dank gilt zunächst meinen muslimischen Gesprächspartnern, die mir stets offen und ohne Vorbehalte gegenübertraten und bereitwillig meinen interreligiösen Horizont erweiterten. Danken möchte ich auch allen Behördenvertretern bei Bund, Ländern und Gemeinden für ihre Gesprächsbereitschaft und den Einblick in die Praxis des Moscheebaus. Herrn Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Berlin a. D. Dr. Wolf Rüdiger von Hase gebührt Dank für seine anlässlich eines Mittagessens unter Kollegen geäußerten klugen Gedanken zum Thema Recht und Rechtswirklichkeit. Meinem Freund und Trauzeugen Dr. Martin Denecke danke ich für die erhellenden Gespräche über das gemeindliche Selbstgestaltungsrecht. Es gibt zwei Menschen, ohne die diese Arbeit mit Sicherheit niemals beendet worden wäre: meine Mutter, Rosemarie Schön, und mein Stiefvater, Ernst Schön. Ihnen gebührt von ganzem Herzen Dank! Sie haben nicht nur durch ihre ausgesprochene Großzügigkeit in finanzieller Hinsicht, durch ungezählte Stunden des Kinderhütens und unendlich viele Kinderwagenkilometer, durch die Bereitstellung eines Refugiums im elterlichen Haus und durch die Vollverpflegung in den Arbeitsphasen wesentlich zum Abschluss beigetragen. Ihrem liebevollen Rückhalt, der Begleitung durch Höhen und Tiefen und ihrem unerschütterlichen Glauben an mich ist die Fertigstellung der Dissertation geschuldet. Ernst Schön hat darüber hinaus in wahrhaft väterlicher Weise die mühsame Arbeit des Korrekturlesens übernommen. Meinem geliebten Mann Sven Gaudernack danke ich für das Zuhören, Mitdenken, Mitleiden und vor allem dafür, dass er mir in all den Jahren stets ein wunderbarer „Gesell“ war. Nördlingen, im März 2011

Dorothea Gaudernack

Inhaltsverzeichnis 1. Teil

Tatsächliche Rahmenbedingungen

�A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Definition von Kultstätten im Sinne dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 III. Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 B. Geschichte des Kirchen- und Moscheebaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Geschichte des Baus christlicher Kirchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. Der Kirchenbau in den deutschen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Die sog. Kirchenbaugenehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Der Bau muslimischer Kultstätten im historischen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Die Anfänge des Moscheebaus im 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Der Zeitraum von 1900 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs . . . . . . . . . . . . 35 3. Die 1950er und 1960er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4. 1970er und 1980er Jahre: „Hinterhofmoscheen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 5. Die 1990er Jahre: Konsolidierung der muslimischen Gemeinden und Bau erster repräsentativer Moscheen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 III. Exkurs: Muslime und Moscheebau in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 IV. Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 C. Die Architektur der Moschee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Architektur der Moscheen in islamischen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Die klassische Moschee in Medina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Die „Iwan-Moschee“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3. Die osmanische Kuppelmoschee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4. Architektonische Einflüsse des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 5. Die Architektur des Cem-Hauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Moscheen in Deutschland – Gestaltung in der Diaspora . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 III. Die Innenausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

12

Inhaltsverzeichnis 1. Der Innenraum von Moscheen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Die Ausstattung des alevitischen Cem-Hauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

D. Namen und Bezeichnungen der Moscheen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 E. Finanzierung der Moscheen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 I. Finanzierung durch Gemeindeglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 II. Unterstützung durch Mittel aus dem Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 III. Geld von islamistischen Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 IV. Unterstützung durch deutsche staatliche Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 F. Bauherr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Mangelnde Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 II. Verhältnis der Ortsgemeinden zu den Verbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

2. Teil

Rechtliche Rahmenbedingungen für den Bau muslimischer Kultstätten

A. Der einfachgesetzliche Rahmen für den Bau von Kultstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Abgrenzung Bauplanungsrecht/Bauordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Genehmigungsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 II. Bauplanungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Die Zulässigkeit muslimischer Kultstätten im Bebauungsplangebiet . . . . . . . . 59 a) Vorliegen eines (qualifizierten) Bebauungsplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Zulässigkeit nach der BauNVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 c) Ausnahmen und Befreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3. Die Zulässigkeit von muslimischen Kultstätten im unbeplanten Bereich . . . . 61 III. Bauordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden . . . . . . . . . . . . . . 63 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 II. Das Grundrecht der Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1. Der sachliche Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 a) Die einzelnen Gewährleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

Inhaltsverzeichnis

13

b) Die Religionsfreiheit als einheitliches Grundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 c) Geltung der Religionsfreiheit für nicht-christliche Religionen . . . . . . . . . . 66 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 bb) Beschränkung aus historischen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 cc) Berufung auf die Präambel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 dd) Die sog. Kulturadäquanzformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 ee) Das „Retorsionsargument“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 d) Der Bau von Kultstätten als Gegenstand des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . 77 aa) Die Bautätigkeit als religionsneutrale Verhaltensweise . . . . . . . . . . . . 77 bb) Extensive Bestimmung des Schutzbereiches in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 cc) Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . 80 dd) Beschränkungsbestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (2) Aufspaltung in die einzelnen Gewährleistungskomponenten . . . . 82 (3) Historischer Bestand als Grenze des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . 82 (4) Ordre-public-Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (5) Schutzbereichsdefinition aufgrund objektiver Kriterien . . . . . . . . 83 (6) Verfassungsimmanente Schutzbereichsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . 84 (7) Schutzbereichsimmanente Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (8) Beschränkung auf Kulthandlungen im engeren Sinn . . . . . . . . . . . 86 (9) Vorrang der Eigentumsfreiheit bei Grundrechtskonkurrenzen . . . . 87 ee) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 ff) Zwischenergebnis für den Kultstättenbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 e) Reichweite des Schutzes der Religionsfreiheit bezüglich des Kultstättenbaus 97 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 bb) Schutz eines klassisch islamischen Baustils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (1) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (2) Kultur/Tradition oder Religion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 cc) Beurteilung sonstiger baulicher Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 dd) Profane Nutzung einer muslimischen Gebetsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (1) Die Moschee als Zentrum des gesellschaftlichen Lebens . . . . . . . 105 (2) Gewerbliche Nutzungen in der Moschee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (3) Politische Betätigung in den Moscheen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (4) Islamische Zentren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

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Inhaltsverzeichnis 2. Persönlicher Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1, 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3. Eingriff durch die Geltung des einfachen Baurechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4. Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Die Schranken des Art. 4 Abs. 1, 2 GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 c) Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . 121 d) Schrankenleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 aa) Anwendung der Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . 122 bb) Analoge Anwendung der Schranke aus Art. 5 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . 124 e) Allgemeiner Rechtsordnungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 f) Übertragung der Schranke aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG . . . . . . . . . . . . . . 126 aa) Indirekte Schrankenübertragung durch Schutzbereichsverengung . . . . 126 bb) Schrankenübertragung durch Grundrechtskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . 127 (1) Grundrechtskonkurrenz als Schrankenproblem . . . . . . . . . . . . . . . 127 (2) Auflösung von Grundrechtskonkurrenzen im Allgemeinen . . . . . . 128 (3) Grundrechtskonkurrenz im Bereich von Baukunst und Sakralarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 g) Aufspaltung in die einzelnen Gewährleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 h) Anwendung der Schranken der Weimarer Reichsverfassung (WRV) . . . . . 132 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) Beschränkung der individuellen Religionsfreiheit durch Art. 140  GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 cc) Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV als Schranke der kollektiven Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 i) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 aa) Schrankenleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (1) Übertragung der Schrankentrias aus Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . 138 (2) Anwendung der Schranke aus Art. 5 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Allgemeiner Rechtsordnungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 cc) Schranken aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (1) Schrankenübertragung durch Schutzbereichsverengung . . . . . . . . 141 (2) Auflösung der Grundrechtskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 dd) Aufspaltung in die Einzelgewährleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 ee) Schranken aus der Weimarer Reichsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (1) Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (2) Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV . . . . . . . . . . . . . 149 �ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

Inhaltsverzeichnis

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5. Verfassungsgemäße Anwendung der Schranken (sog. Schrankenschranken) . . 152 a) Parlamentsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 b) Verhältnismäßigkeit/praktische Konkordanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 c) Wechselwirkungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 III. Konsequenzen der Geltung der Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Vorliegen eines echten Normkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Der Normkonflikt im rechtsdogmatischen Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Das Problem religionsunspezifischer Freiheitsausübung . . . . . . . . . . . . . . 158 c) Kein Normkonflikt bei lediglich „faktischer“ Beeinträchtigung? . . . . . . . . 158 d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 IV. Mögliche Kollisionsrechtsgüter und Auflösung des Normkonflikts . . . . . . . . . . . 164 1. Notwendigkeit der Identifizierung kollidierenden Verfassungsrechts . . . . . . . 164 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Methodik der Auflösung von Normkonflikten vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 c) Konkrete Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa) Identifizierung der entgegenstehenden Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . 165 bb) Verankerung des identifizierten Belangs in der Verfassung . . . . . . . . . 166 (1) Begrenzungstauglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (2) Grundrechtskollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (3) Unechte Grundrechtskollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 cc) Einfachgesetzliche Umsetzung des Belangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 dd) Güterabwägung/Auflösung des Normkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. Kollidierende Verfassungsrechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 a) Konflikte mit den Nachbarn einer Moschee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 aa) Kollisionslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 bb) Verfassungsrang der berührten gegenläufigen Belange . . . . . . . . . . . . 171 (1) Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (Eigentumsgarantie) . . . . . . . . . . . . . . . 171 (2) Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (3) Verankerung ästhetischer Belange in Art. 5  Abs.  3  Satz  1  GG (Kunstfreiheit) bzw. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 cc) Einfachgesetzliche Verkörperung der festgestellten Verfassungsbelange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

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Inhaltsverzeichnis (1) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (2) Bauordnungsrechtliche Vorschriften zum Schutz von Nachbar­ rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (3) Bauplanungsrechtliche Normen zur Verwirklichung der Nachbargrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 dd) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (1) Normkonflikte zwischen Art. 4 Abs.  1, 2 GG und Art.  2 Abs.  2 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (2) Widerspruch gegen die Art der Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (3) Rücksichtnahmegebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (4) Exkurs: Ruf des Muezzins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Konflikte mit anderen Religionsgemeinschaften, Gläubigen oder Atheisten 193 aa) Kollisionslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 bb) Verfassungsrang der kollidierenden Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (1) Beeinträchtigung der positiven Religionsfreiheit Dritter . . . . . . . . 194 (2) Negative Religionsfreiheit als Abwehrrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 c) Konfrontation mit Interessen der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 aa) Kollisionslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 bb) Verfassungsrang der identifizierten Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (1) Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (2) Art. 20 GG (Sozialstaatsprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (3) Art. 14 Abs. 2 GG (Sozialpflichtigkeit des Eigentums/Gemeinwohlprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (4) Art. 20a GG (Umweltschutz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (5) Kulturvorbehalt/nationale Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (6) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 cc) Baurechtliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 dd) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 d) Kollidierende staatliche/gemeindliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 aa) Kollisionslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Verfassungsrechtliche Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (1) Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG . . . . . . . . 208 (2) Pflege der Baukultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (3) Planungshoheit als Teil der Selbstverwaltungsgarantie . . . . . . . . . 210 (4) Gemeindliches Selbstgestaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (5) Unterschied zwischen Planungshoheit und Selbstgestaltungsrecht 213 (6) Betroffenheit der Planungshoheit und des Selbstgestaltungsrechts 215 cc) Baurechtliche Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

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(1) Umsetzung der Planungshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (2) Einfachgesetzliche Umsetzung des gemeindlichen Selbstgestaltungs­ rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 dd) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (1) Widerspruch gegen „nicht-gestalterische“ Festsetzungen eines Bebauungsplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (2) Verstoß des Vorhabens gegen gestalterische Anforderungen . . . . . 222 (3) Unbeplanter Innenbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (4) Berücksichtigung muslimischer Interessen in der Bauleitplanung 228 (5) Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 232 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

3. Teil Darstellung und Analyse der Rechtswirklichkeit des Moscheebaus A. Stand der Forschung und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 B. Moscheebaukonflikte vor den Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 I. Zum Umfang der Entscheidungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 II. Denkbare verwaltungsgerichtliche Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 1. Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Der Fall Bobingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 c) Doppelgarage als Gebetsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 d) Islamisches Kulturzentrum Stuttgart-Heslach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 e) Brucker Moschee-Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 f) VG Gelsenkirchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 g) Kulturzentrum Berlin-Neukölln, Stadtteil Buckow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 h) Moscheevorhaben in München-Sendling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 i) Kulturhaus „inssan e. V.“, Berlin-Neukölln, Pflügerstraße . . . . . . . . . . . . . 242 j) Minarettstreit Mönchengladbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 k) Umstrittener Moschee-Anbau in Achim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 l) VG Berlin, „Imam-Reeza“-Moschee, Reuterstraße/Berlin-Neukölln . . . . . 246 m) Moscheebau Neuwied-Heddesdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 2. Nachbarschaftsstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 b) Islamischer Gebetssaal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 c) Bebauungsplan Uhlenhorst, Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

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Inhaltsverzeichnis d) Islamisches Gemeindezentrum am Neuenfelder Fährdeich . . . . . . . . . . . . 250 e) Minarett in Wittlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 f) VG Düsseldorf, Urteil vom 8. Oktober 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 g) VG München, Beschluss vom 7. Juni 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 h) Moschee in Offenbach (Boschweg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 i) Vereinbarkeit von gewerblicher Nutzung mit Moschee? . . . . . . . . . . . . . . . 253 j) Islamisches Glaubenszentrum in Ludwigsburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 k) Die „causa Moers“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 l) Moschee im Gewerbegebiet Söflingen, Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . 257 m) Moschee im Gewerbegebiet Pforzheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 n) Minarett in Bielefeld-Brackwede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 3. Der Fall Schlüchtern-Niederzell: Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 4. Normenkontrollverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 a) Bobingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 b) Hannover, Stadtteil Stöcken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 c) Yunus-Emre-Moschee in Aachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 5. Bürgerinitiativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 b) Bürgerbegehren gegen Moscheebau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 c) Versammlungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

C. Der Moscheebau im Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I. Antrag auf Änderung der BayBO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 II. Geplante Änderung des Berliner Baurechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 III. Petitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 IV. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 2. Kärnten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 3. Vorarlberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 V. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 VI. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

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4. Teil Ergebnis und Thesen A. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 I. Ergebnisse des 1. Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 II. Ergebnisse des 2. Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 III. Ergebnisse des 3. Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 B. Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. Abs. a. F. AK Alt. AMGT Anm. AO AöR APuZ Art. Artt. Az. BAG BauGB BauO BauNVO BauR BayBO BayGTZeitung BayVBl BayVStättV BBauG bbl Bd. BDSG Beschl. BFH BGBl. BGH BGHZ BImSchG Bln BNatSchG BO BO 58 BR BRS BT

anderer Ansicht am angegebenen Ort Absatz alte Fassung Alternativkommentar Alternative Avrupa Milli Görüş Teşkilatı Anmerkung Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Aus Politik und Zeitgeschichte (Zeitschrift) Artikel Artikel (Plural) Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Baugesetzbuch Bauordnung Baunutzungsverordnung Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht Bayerische Bauordnung Bayerischer Gemeindetag (Zeitschrift) Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Bayerische Versammlungsstättenverordnung Bundesbaugesetz Baurechtliche Blätter (Zeitschrift/Österreich) Band Bundesdatenschutzgesetz Beschluss Bundesfinanzhof Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundesimmissionsschutzgesetz Berlin Bundesnaturschutzgesetz Bauordnung Fortgeltende städtebauliche Vorschriften der Bauordnung für Berlin Bundesrat Baurechtssammlung Bundestag

Abkürzungsverzeichnis BVerfG BVerfGE BVerfGK BVerwG BVerwGE B. Z. bzw. CIBEDO dass. ders. d. h. dies. Diss. DITIB DÖV Drs. DVBl Einl. EL EMRK EssGespr EuGMR f. ff. FG Fn. FS GewStG GG Glied. GW HdbStKirchR Hess. h. M. Hrsg. Hs. IGMG insbes. i. S. d. i. V. m. JA Jg. JöR Jura JuS JZ KirchE

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Bundesverfassungsgericht(s) Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht(s) Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Berlins größte Zeitung beziehungsweise Christlich-islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle dasselbe derselbe das heißt dieselbe(n) Dissertation Dachverband türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion e. V. Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Drucksache(n) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Einleitung Ergänzungslieferung Europäische Menschenrechtskonvention Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche (Schriftenreihe) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte folgende (Singular) folgende (Plural) Festgabe Fußnote Festschrift Gewerbesteuergesetz Grundgesetz Gliederung Grundwerk Handbuch des Staatskirchenrechts Hessischer herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz Islamische Gemeinschaft Millî Görüş insbesondere im Sinne des/der in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Jahrgang Jahrbuch des öffentlichen Rechts Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung Entscheidungen in Kirchensachen seit 1946 (Zeitschrift)

22 KJ KStG KuR LBauO Lit. LKV Losebl. Ls. m Mio. m. w. N. N. F. NJOZ NJW NRW Nr. Nrn. NVwZ NVwZ-RR NWVBl NZBau O. R. o. V. OVG PlanzV 90 rev. prVerfU RIAS Rn. Rspr. S. sog. StGB StGR st. Rspr. ThürVBl TierSchG u. a. unveröffentl. UPR URL Urt. usw. v. VereinsG veröffentl. Verw VG

Abkürzungsverzeichnis Kritische Justiz (Zeitschrift) Körperschaftssteuergesetz Kirche und Recht (Zeitschrift) Landesbauordnung Literatur Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift) Loseblatt Leitsatz Meter Millionen mit weiteren Nachweisen Neue Folge Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nordrhein-Westfalen, nordrhein-westfälisch Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht Osservatore Romano (Zeitung) ohne Verfasser Oberverwaltungsgericht(s) Planzeichenverordnung 1990 revidierte Verfassungsurkunde für den preußischen Staat Rundfunk im amerikanischen Sektor Randnummer Rechtsprechung Seite sogenannt(e) Strafgesetzbuch Staatsgerichtshof ständige Rechtsprechung Thüringer Verwaltungsblätter Tierschutzgesetz und andere unveröffentlicht Umwelt- und Planungsrecht (Zeitschrift) Uniform Rescource Locator („einheitlicher Quellenanzeiger“ für Internetadressen) Urteil und so weiter vom/von Vereinsgesetz veröffentlicht Die Verwaltung (Zeitschrift) Verwaltungsgericht

Abkürzungsverzeichnis VGH vgl. Vorb. VStättVO Bln VStG VVDStRL VwGO WRV ZaöRV ZAR z. B. ZevKR ZfBR ZRP

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Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vorbemerkung Versammlungsstättenverordnung Berlin Vermögenssteuergesetz Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Weimarer Reichsverfassung Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik zum Beispiel Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht Zeitschrift für Rechtspolitik

1. Teil

Tatsächliche Rahmenbedingungen A. Allgemeines I. Einleitung Mittlerweile leben ca. 3,2  Mio.1 Muslime in der Bundesrepublik. Damit ist der Islam nach dem Christentum zur zweitgrößten Religion im Lande geworden. Spätestens seit den terroristischen Anschlägen vom 11. September 2001 ist die Situation der in Deutschland lebenden Muslime ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt, und kaum ein Thema wird derzeit so emotionsgeladen diskutiert wie Fragen der islamischen Religion und Integration und des viel zitierten „Kultur­ kampfes“.2 Eines der im Vordergrund stehenden Probleme ist dabei der Bau von muslimischen Kultstätten, wie Schlagzeilen wie „Menschenkette gegen geplante Mo­ schee“3 oder „Kein Bock auf Moschee“4 zeigen. Wer regelmäßig Zeitung liest, wird schnell feststellen, dass es mittlerweile kaum noch deutsche Städte ohne Streit um die Errichtung eines islamischen Gotteshauses oder Gebetssaales gibt. Aus muslimischen Kreisen verlautet, der Bau einer Moschee sei in Deutschland „so schwierig wie der eines Atomkraftwerkes“.5 Auch ein aufmerksamer Spaziergang durch deutsche Großstädte würde bei Vorliegen der entsprechenden Sprachkenntnisse die Erkenntnis bringen, dass sich an vielen Ecken und in vielen Hinterhöfen Gotteshäuser befinden, wo keiner sie vermuten würde. Die selbstbewusste Demonstration muslimischen Glaubens durch den Bau eines häufig fremdartig an

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Bei dieser Zahl handelt es sich lediglich um eine Schätzung, da die Religionszugehörigkeit nicht statistisch erfasst wird. Die Schätzungen beruhen auf den Zahlen, die bezüglich der Einwanderer aus islamischen Ländern vorliegen, die aber nicht automatisch Muslime sind. Zum anderen sind die Konvertiten nicht erfasst. Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Rüttgers u. a., BT-Drs. 14/4530, S. 4. 2 Vgl. auch Rifkin,  Jeremy (2001): Glauben, Werten, Hoffen, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 268, 21. November 2001, S. 19. 3 Vgl. Hohmann, Deckblatt, S. 43, 73. 4 Motto eines Neonazi-Aufmarsches gegen den Bau der Moschee in Duisburg-Marxloh am 30.  Juli  2005; vgl. o.V. (2005): NRZ: Brauner Neo-Nazi-Umzug durch türkische Wohnviertel geplant. URL: http://dokmz.wordpress.com/2005/07/07/nrz-brauner-neo-nazi-umzugdurch-turkische-wohnviertel-geplant/. 5 Bölsche, Jochen (2001): Der verlogene Dialog, in: Der Spiegel 51/2001, 21. Dezember 2001, S. 44 ff.

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1. Teil: Tatsächliche Rahmenbedingungen

mutenden6 Sakralgebäudes erschüttert offenbar viele Nicht-Muslime zutiefst, wie man an der gelegentlich unsachlichen Medienberichterstattung, an der Gründung immer neuer Bürgerinitiativen gegen Moscheebau und leider auch daran erkennen kann, wie Befürworter von muslimischen Bauten beschimpft und gar bedroht werden.7 Die Sichtbarkeit des Islam8 im öffentlichen Raum westlicher Gesellschaften ist eines der zentralen Probleme der Integrationsdebatte. So viel in den Medien zum Thema Islam geschrieben und berichtet wird, so viele Volkshochschulen, christliche Kirchengemeinden und andere wohlmeinende gesellschaftliche Institutionen sich um eine Auseinandersetzung und den Dialog mit dem Islam bemühen: Zwar hat die Diskussion um muslimische Gottes- und Gebetshäuser mittlerweile die sozialgeographische9 und sozialwissenschaftliche10 und auch die architektonische Fragen betreffende11 Literatur erreicht; die juristische Aufarbeitung der Probleme, vor denen unser Land durch Zuwanderung und Integration und die Konfrontation mit der Weltreligion Islam steht, hat jedoch gerade erst begonnen. Das Thema Moscheebau hat auch die vom Bundesministerium des Inneren initiierte Deutsche Islam-Konferenz in ihrer ersten Phase beschäftigt. Bei der im September 2006 eingerichteten Deutschen Islam-Konferenz handelt es sich um den ersten institutionalisierten Dialog zwischen Vertretern des deutschen Staates auf der einen und Vertretern der in der Bundesrepublik lebenden Muslime auf der anderen Seite.12 Ziel der Konferenz ist eine verbesserte religions- und gesellschaftspolitische Integration der Muslime in Deutschland. Dabei ist die Konferenz als langfristiger Verhandlungs- und Kommunikationsprozess zwischen dem deutschen Staat und Vertretern der in Deutschland lebenden Muslime angelegt, wobei als Ergebnis ein breit angelegter Konsens über die Einhaltung gesellschafts- und religionspolitischer Grundsätze angestrebt wird. Mit dem Thema Moscheebau als Teil der Frage nach dem Umgang mit muslimischern religiösen Symbolen hatte sich die Arbeitsgruppe 2 unter dem Titel „Religionsfragen im deutschen Verfassungsverständnis“ beschäftigt. Zwischenzeitlich hat die Arbeitsgruppe 2 im Rahmen des „Zwischenresümées“ der Konferenz Empfehlungen zum Moscheebau in Deutschland ausgesprochen, die jedoch eher appellatorischen als inhaltlichen Charakter haben. So wird in dem Papier der DIK lediglich festgestellt, dass die

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Hillgruber, JZ 1999, 538, spricht gar von einem „bizarren“ Anblick. Dies beschreibt der ehemalige Bürgermeister der schwäbischen Gemeinde Lauingen, Georg Barfuß, sehr eindringlich in seinem Buch „In Gottes und in Allahs Namen“. 8 Vgl. dazu jüngst Bryde, in: FS Steiner, S. 110 ff. 9 Sehr ausführlich insoweit Schmitt. 10 Z. B. Sommerfeld. 11 Vgl. Kraft. 12 In der zweiten Phase, die am 17. Mai 2010 begonnen hat, boykottieren jedoch große muslimische Verbände, wie z. B. der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), die DIK unter Leitung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière, vgl. URL: http://www.tagesschau.de/ inland/islamkonferenz132.html.

A. Allgemeines

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Religions­freiheit selbstverständlich das Recht umfasse, Moscheen zu errichten, und dass es weder in bauplanungs-, noch in bauordnungs- oder immissionsschutzrechtlicher Hinsicht Besonderheiten gäbe.13 Es bleibt abzuwarten, ob in der zweiten Phase der DIK, die nach eigenen Angaben praxisorientierter sein und sich der Umsetzung der in der ersten Phase gewonnenen Erkenntnisse widmen will,14 konkretere Ergebnisse erreicht werden. Diese Arbeit hat es sich zum Ziel gesetzt, den (verfassungs)-rechtlichen Rahmen des Baus und der Nutzung muslimischer Kultstätten aufzuzeigen, die in der Praxis häufig auftretenden Konflikte auf ihre rechtlichen Aspekte hin zu untersuchen und ggf. einen kleinen Beitrag zur Lösung künftiger „Moscheebaukonflikte“, die angesichts der derzeitigen Stimmung im Land nicht ausbleiben dürften, zu leisten. Sie will sich jedoch bewusst, soweit dies bei einem solch brisanten Thema möglich ist, auf den juristischen Blickwinkel beschränken und politische oder weltanschauliche Bewertungen außen vor lassen. Allerdings verfolgt die Arbeit insoweit einen empirischen Ansatz, als sie zwar versuchen will, das in der Öffentlichkeit so heftig diskutierte Thema auf seine juristische Substanz zu reduzieren, dabei aber gleichzeitig die öffentlich ausgetauschten Argumente einem „juristischen Lackmustest“ unterziehen will. Nach Ansicht der Verfasserin wäre es – auch im Rahmen einer juristischen Auseinandersetzung mit dem Thema – verfehlt, die gesellschaftlichen Implikationen des muslimischen Kultstättenbaus zu ignorieren und die Problematik rein von einem juristischen Elfenbeinturm aus zu untersuchen. Freilich taucht in diesem Zusammenhang eine Vielzahl anderer spannender juristischer Fragen auf. So harrt beispielsweise die Auseinandersetzung mit dem Ruf des Muezzins ebenso noch der intensiven juristischen Aufarbeitung wie die Frage nach dem potentiellen Körperschaftsstatus islamischer Organisationen. Eine eingehende Beschäftigung mit diesen Fragestellungen würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Sie beschränkt sich daher in den Bereichen, in denen diese Themen Berührungspunkte zum Bau muslimischer Kultstätten aufweisen, auf einen kurzen Problemaufriss. Ebenfalls nicht im Detail geklärt ist die Problematik der Vereinbarkeit spezifisch islamischer Bestattungsriten mit den verschiedenen auf dieses Thema anwendbaren bundes- und landesrechtlichen Vorschriften sowie kommunalen Friedhofssatzungen.15

13 Empfehlungen der Arbeitsgruppe 2 der Deutschen Islam-Konferenz zu Moscheebau; URL: http://www.deutsche-islam-konferenz.de/cln_110/nn_1864666/SubSites/DIK/DE/Moscheen/ moscheen-organisationen-node.html?__nnn=true. 14 Aufgaben und Arbeitsprogramm der DIK abrufbar unter URL: www.deutsche-islamkonferenz.de. 15 Mit dieser Frage beschäftigt sich u. a. Spranger, dort insbesondere S. 103 ff.

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1. Teil: Tatsächliche Rahmenbedingungen

II. Definition von Kultstätten im Sinne dieser Arbeit Im Gegensatz zum Christentum kennt der Islam verschiedene Formen von Kultstätten und Gotteshäusern, die in der Glaubenspraxis eine unterschiedliche Rolle spielen und abhängig von ihrer jeweiligen Funktion verschieden wichtig für die Glaubensausübung sind. Eines der zentralen Elemente des muslimischen Glaubens ist das rituelle Gebet (arabisch salat, türkisch und persisch namaz), welches ein gläubiger Muslim fünfmal täglich gen Mekka zu verrichten hat. Die Bedeutung dieses Gebets liegt darin, dass es neben dem Glaubensbekenntnis, dem Fasten im Monat Ramadan, dem Almosen und der Pilgerfahrt nach Mekka eine der „fünf Säulen“ des muslimischen Glaubens darstellt.16 Für einen Muslim ist das Gebet also nicht, wie vielleicht für manchen Christen, die freiwillige Zwiesprache mit Gott „bei Bedarf“, sondern vielmehr eine tägliche Pflicht, der er nachzukommen hat.17 Zwar kann ein Muslim das tägliche Gebet nach dem Koran grundsätzlich an jedem Ort verrichten.18 Dafür eignen sich neben den eigenen Räumlichkeiten insbesondere kleinere Gebetsräume (arabisch masjid, türkisch mescit). Zumindest das für Männer obligatorische Freitagsgebet19, welches am Freitag statt des Mittagsgebets verrichtet und als besonders heilsbringend angesehen wird, sollte jedoch möglichst in einer sog. Freitagsmoschee (arabisch jami, türkisch cami) stattfinden.20 Dies ergibt sich auch daraus, dass laut Koran das gemeinsame Gebet einen höheren Stellenwert hat als das Gebet des Einzelnen und somit auch mehr Heil, nämlich entweder 27-mal so viel oder nach einer anderen Tradition gar ­55-mal so viel, verspricht.21 Umso wichtiger ist es für den einzelnen Muslim, in der Nähe seines Wohnortes oder Arbeitsplatzes eine Freitagsmoschee vorzufinden.22 Nach der ursprünglichen Bedeutung des Wortes ist eine „mescit“, also ein (meist kleinerer) Gebetsraum, ein „Ort, an dem man sich (zum Gebet) niederwirft“23. Von diesem Begriff her rührt die deutsche Bezeichnung „Moschee“. Eine „cami“, eine (in der Regel größere) Freitagsmoschee, ist dagegen ein „Ort, an dem man sich versammelt“, der wegen der größeren Bedeutung des gemeinsamen Gebets einen höheren Stellenwert besitzt. In der deutschen Sprache werden nahezu alle islamischen Gebetsstätten als Moschee bezeichnet, unabhängig davon, ob es sich um eine „cami“ oder nur um eine „mescit“ handelt, wobei festzustellen ist, dass das alltägliche Verständnis der meisten Deutschen von einer Moschee eher von der in der Regel architektonisch

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Spuler-Stegemann, S. 48. Schmitt, S. 38. 18 Rohe, S. 124. 19 Spuler-Stegemann, S. 147. 20 Koran, Sure 62,9. Sämtliche Koranzitate sind der Übersetzung von Henning entnommen. 21 Spuler-Stegemann, S. 148 (Fn. 245). 22 Vgl. Schmitt, S. 46. 23 Spuler-Stegemann, S. 147.

A. Allgemeines

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prachtvolleren „cami“ geprägt ist. Zwar benennt der Koran24 teilweise auch nichtislamische Gebetsstätten mit dem arabischen Wort „masjid“; heute wird der Begriff Moschee jedoch nur noch für muslimische Gebetsräume benutzt.25 Ob es sich bei den in Deutschland vorhandenen Moscheen stets auch um solche im islamisch-rechtlichen Sinne handelt, mag indes zweifelhaft sein. Einer Ansicht nach muss eine echte Moschee auch zur Anbetung Allahs gebaut worden bzw. mindestens adaptiert worden sein und außerdem in muslimischem Eigentum stehen.26 Weiterhin soll die Dimension einer Moschee vom Erdmittelpunkt bis in den Himmel reichen.27 Demnach dürften sämtliche bloß gemieteten Gebetsräume, v. a. wenn sie sich in einer höheren Etage eines Mehrfamilienhauses befinden, in deutschen Großstädten keine Moscheen im eigentlichen Sinn darstellen. Für die vorliegende Arbeit soll diese theologische Deutung außer Betracht bleiben, nicht zuletzt deshalb, weil viele muslimische Gemeinden selbst ihre Gebetsräume ohne nähere Differenzierung als Moscheen bezeichnen. Darüber hinaus werden auch die sog. Cem-Häuser als Kultstätten im Sinne dieser Arbeit angesehen. Cem-Häuser werden die Gebetshäuser der Aleviten genannt. Bei den Aleviten handelt es sich um eine spirituell und mystisch orientierte islamische Konfession, die wegen ihrer starken Abweichungen vom sunnitischen und schiitischen islamischen Glauben jedoch teilweise nicht als islamisch im eigent­ lichen Sinn angesehen wird.28 So befolgt die alevitische Lehre beispielsweise nicht die Gesetze der Scharia oder die islamische Pflichtenlehre der fünf Säulen, da sie – vereinfacht dargestellt  – davon ausgeht, dass der Glaube aus einer inneren und einer äußerlichen Sphäre bestehe und die Pflichten der äußeren Dimension an­ gehörten. Nach alevitischer Überzeugung ist diese äußere Dimension nur für diejenigen Gläubigen von Belang, die (noch) nicht zur inneren Glaubenswahrheit vorgedrungen sind.29 In diesem Zusammenhang soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass es bislang, soweit ersichtlich, keine Streitigkeiten im Zusammenhang mit alevitischen Bauvorhaben gegeben hat.30 Selbstverständlich gibt es auch andere Orte oder Räume, wo spezifisch islamische Traditionen oder Riten praktiziert werden oder die besonders von islamischen Regeln geprägt sind. So findet man beispielsweise in vielen deutschen Großstäd

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Z. B. Sure 22,40. Vöcking, S. 3. 26 Vgl. Brickner, Irene (2007): Moscheen nur auf eigenem Boden, in: Der Standard, Nr. 5638, 31. Juli 2007, S. 2. 27 O. V. (2006): Moschee für Bad Vöslau im Prüfungsverfahren; URL: http://gast.adaxas.net/ wordpress/2006/11/02/moschee-fuer-bad-voeslau-im-pruefungsverfahren/. 28 Sökefeld, in: Sökefeld, S. 195 ff. 29 Integrationsbeauftragter NRW, S. 15 ff. 30 Vgl. Facius,  Gernot (2007): „Die Aleviten zwischen allen Stühlen“, in: DIE WELT, 13. Juli 2007, wonach für den Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde Deutschland Toprak Moscheebau „kein alevitisches Thema“ sei; URL: http://www.welt.de/welt_print/article10231 69/Zwischen_allen_Stuehlen.html.

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1. Teil: Tatsächliche Rahmenbedingungen

ten „Hochzeitssäle“ oder „Hochzeitssalons“ (türkisch dügün salonu)31, in denen in großem Rahmen muslimische, vorwiegend türkische Hochzeitsfeiern stattfinden. Daneben gibt es muslimische Teesalons, Frauentreffs, Cafés etc.32 Da diese Gebäude oder Räume jedoch primär von gesellschaftlichen und nicht so sehr von religiösen Traditionen geprägt sind und zumindest baurechtlich wie alle anderen Gastoder Vergnügungsstätten zu beurteilen sind, sollen als „muslimische Kultstätten“ im Rahmen dieser Arbeit zunächst nur Kultstätten im engeren Sinn verstanden werden, also diejenigen Räume und Gebäude, die in erster Linie der Religionsausübung in Form kultischer Handlungen, wie zum Beispiel des rituellen Gebets, dienen, wobei kein Unterschied zwischen den kleinen Gebetssälen und den großen Freitagsmoscheen gemacht werden soll. Auf die Probleme, die sich aus dem Bau sog. islamischer Zentren oder Kulturzentren oder daraus ergeben, dass eine Moschee neben dem Gebetsraum häufig weitere, nicht unmittelbar für kultische Zwecke genutzte Räumlichkeiten beinhaltet, soll im 2. Teil unter B. II. 1. e) dd) eingegangen werden. Schließlich spielen im System des muslimischen Glaubens Schreine, wie bespielsweise die „kaaba“ in Mekka, und Tempel eine große Rolle.33 Da der Bau solcher Kultstätten in der westlichen Welt soweit ersichtlich weder durchgeführt noch geplant ist, sollen auch sie in die vorliegende Arbeit nicht mit einbezogen werden. Außer Betracht bleiben sollen weiterhin islamische Friedhöfe, da deren Entstehung nicht primär baurechtlich, sondern friedhofsrechtlich geprägt ist und die Befassung mit den einschlägigen bestattungsrechtlichen Regeln den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde. Da es sich demnach bei den meisten geplanten muslimischen Kultstätten letztlich um Moscheen handelt, werden die Begriffe „muslimische“ oder „islamische Kultstätte“, Moschee und „islamisches oder muslimisches Sakralgebäude/Sakralbau“ unterschiedslos gebraucht.

III. Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit Die Arbeit besteht aus vier Teilen. Der 1.  Teil beinhaltet den nach Meinung der Verfasserin wissenswerten „Vorspann“ zum Thema. Nach einem einführenden Kapitel, welches sich mit der Geschichte des Kirchen- und Moscheebaus beschäftigt (B), sollen in den folgenden Abschnitten der Arbeit (C, D, E und F) mit den Bereichen Architektur, Namensgebung, Finanzierung von Moscheen und der Frage nach dem Bauherrn einige praktische Aspekte des Moscheebaus beleuchtet werden.



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Spuler-Stegemann, S. 282. Zu einigen anderen muslimischen Gebäuden vgl. Grabar, S. 5. 33 Ebenda.

B. Geschichte des Kirchen- und Moscheebaus

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Der 2. Teil der Arbeit beschäftigt sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen für den Bau islamischer Kultstätten, wobei zunächst kurz allgemein die baurechtliche Lage in den verschiedenen Baugebieten skizziert werden soll (A). An diese rechtliche Bestandsaufnahme schließt sich als Kern der Arbeit ein umfangreicher verfassungsrechtlicher Teil  (B) an, der klären soll, inwieweit die sakrale muslimische Bautätigkeit von der grundrechtlich geschützten Religionsfreiheit erfasst wird und wie diese ggf. beschränkt werden kann. Der 3. Teil der Arbeit schließlich beschäftigt sich unter dem Stichwort „Rechtswirklichkeit“ primär mit dem Umgang der Praxis mit Moscheebaukonflikten. In diesem Zusammenhang sollen nach einer kurzen Einführung zum Stand der empirischen Forschung (A) im Teil B die bereits von Gerichten entschiedenen Moscheestreitigkeiten beleuchtet werden, während Teil C sich mit der Frage nach legislativen Bestrebungen im Bereich der Moscheebaukonflikte beschäftigt. Der 4. Teil beschließt die Arbeit mit einer Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse und einer Schlussbemerkung.

B. Geschichte des Kirchen- und Moscheebaus I. Geschichte des Baus christlicher Kirchen34 1. Der Kirchenbau in den deutschen Staaten Bis in das späte 16.  Jahrhundert, solange der Katholizismus in Deutschland die einzige anerkannte Religion war, stellte sich die Frage danach, ob und wo ein Gotteshaus errichtet werden durfte oder sollte nicht: Selbstverständlich durfte die katholische Kirche nach Belieben Kirchen errichten.35 Nach der Reformation konkurrierten verschiedene christliche Konfessionen um die öffentliche Religionsausübung und damit auch um den Bau von Kirchengebäuden als deren nach außen sichtbaren Sinnbildern. Erstmals findet sich im Augsburger Religionsfrieden von 1555 eine Regelung zum Recht der Konfessionen (freilich damals nur der Katholiken und Lutheraner), Kultusgebäude zu errichten. Ganz im Sinne der allgemeinen Regel „cuius regio, eius religio“ sah der Augsburger Religionsfriede 155536 vor, dass in den Reichsstädten Kirchenbauten derjenigen Konfessionen zulässig seien, die dort auch schon vorher Kirchengebäude besessen hatten. Da sich die Frage nach der Errichtung von Gotteshäusern für neue, bislang noch nicht dagewesene Religions-



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Vgl. zum Ganzen sehr ausführlich Brümmer, S. 40 ff. Brümmer, S. 39; Hoppe/Beckmann, DVBl 1992, 188 ff. 36 Dazu ausführlich Hillgruber, DVBl 1999, 1155 (1164).

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1. Teil: Tatsächliche Rahmenbedingungen

gemeinschaften nicht stellte, bot diese Regelung einen gerechten Ausgleich für die beiden großen Konfessionen. Eine präzisere Regelung traf der Osnabrücker Friede von 1648. Er unterschied bei den Befugnissen der Religionsgemeinschaften zum Bau von Kultusgebäuden danach, in welchem Umfang die Religion im Stichjahr 1624 im entsprechenden Ort ausgeübt worden war. Hatte zu diesem Zeitpunkt eine Konfession ihre Religion nicht öffentlich ausgeübt, so war ihr auch in Zukunft der Bau von Kultusgebäuden verwehrt und lediglich die einfache Hausandacht erlaubt. Viele Verfassungsgesetze der verschiedenen deutschen Staaten enthalten ähnlich „bestandschützende“ Regeln. Das Toleranzedikt des österreichischen Kaisers Josephs II. von 1781 erlaubte den nicht katholischen Religionsgemeinschaften zwar den Bau von Kultstätten; diese durften jedoch „kein Geläute, keine Glocken, Türme und keinen öffentlichen Eingang von der Gasse, so eine Kirche vorstellt“, haben.37 Ähnlich gestaltete das allgemeine preußische Landrecht, welches zwischen ausdrücklich zugelassenen und bloß geduldeten Religionsgemeinschaften (wie z. B. den Juden, den Mennoniten oder der Herrnhuter Brüdergemeinde) unterschied, das Recht des Kirchenbaus: Die geduldeten Vereinigungen durften zwar Kultusgebäude bauen; diese durften jedoch nicht durch Türme oder Glocken als solche erkennbar und damit mit den Kirchen der zugelassenen Religionsgemeinschaften nicht verwechselbar sein.38 Daraus wird deutlich, dass zumindest in Bayern und Preußen und letztlich auch in Österreich den nicht zugelassenen Reli­gionsgemeinschaften kein Kirchenbau im eigentlichen Sinne möglich war. Erst mit Art. 135 der Weimarer Reichsverfassung wurden die Unterschiede zwischen den Religionsgemeinschaften im gesamten Deutschen Reich beseitigt.39 Diese Vorschrift, die als Vorgänger von Art. 4 Abs. 2 GG angesehen werden kann, erlaubte allen Religionsgemeinschaften die freie Religionsausübung und damit auch das Recht, öffentlich als solche erkennbare Kultusgebäude zu errichten.40 2. Die sog. Kirchenbaugenehmigung Ursprünglich schrieb der Staat vor, dass die Kirchen und Religionsgemeinschaften vor der Errichtung eines Kultusgebäudes neben der ohnehin erforderlichen baupolizeilichen Genehmigung eine spezielle „Kirchenbaugenehmigung“ einzuholen hatten.41 Hintergrund dieses Erfordernisses dürfte gewesen sein, dass der Staat daran interessiert war, die Macht der Kirchen gerade in diesem so öffent

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Gross-Hofinger, S. 155. Brümmer, S. 42. 39 Vgl. Hillgruber, DVBl 1999, 1155, (1169). 40 Brümmer, S. 44 m. w. N. 41 Ebenda.

B. Geschichte des Kirchen- und Moscheebaus

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lichkeitswirksamen Bereich einzuschränken. Diese Praxis war auch in anderen ­Ländern sehr verbreitet: Im absolutistischen Frankreich untersagte ein Dekret Ludwig XIV. „ … jedweden Bau zu unternehmen, sei es zur Errichtung oder zur Vergrößerung ihrer Kirchen oder Gemeinden, ohne dafür von Uns (Anm. der Verfasserin: also des Königs selbst) die Erlaubnis durch wahrhaft bestätigtes Schriftstück erhalten zu haben …“. In Venedig wurde der Verstoß gegen das Erfordernis der Kirchenbaugenehmigung gar mit ewiger Verbannung geahndet. In Preußen schrieb § 176 II 11 des Allgemeinen Preußischen Landrechts für jeden Kirchenbau eine staatliche Genehmigung vor.42 Diese wiederum stand unter dem Vorbehalt der „erheblichen Gründe der Notwendigkeit und des Nutzens“ (§ 177). Ähnlich strenge Regelungen sahen die bayerischen und habsburgischen Vorschriften sowie die Regelungen in vielen kleineren deutschen Staaten vor. In den linksrheinischen, preußischen Provinzen erstreckte sich der Genehmigungsvorbehalt gar auf Privatkapellen.43 Der Genehmigungsvorbehalt ermöglichte es den staatlichen Behörden darauf hinzuwirken, dass die Kultusgebäude nach ihren Vorstellungen errichtet wurden. Faktisch führte er dazu, dass der Bau eines Gotteshauses in einem äußerst langwierigen Verfahren untersucht und genehmigt werden musste, bei dem die Gemeinden selbst kaum Mitspracherechte hatten. Dies mag ein Grund für die so großen äußerlichen Ähnlichkeiten vieler Gotteshäuser in verschiedenen deutschen Re­ gionen sein. Durch den Verfassungsentwurf von 1849 trat in manchen Ländern eine Änderung der Rechtsauffassung bzw. -lage ein. Der Entwurf sah in Art. V § 147 vor, dass jede Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten selbständig ordnet und verwaltet, dabei jedoch den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen ist. Wegen der ähnlichen Vorschrift in der Preußischen Verfassung44 entbrannte in der juristischen Literatur der Zeit und in der Verwaltungspraxis ein Streit darüber, inwieweit dieses Selbstverwaltungsrecht das Erfordernis der Kirchenbaugenehmigung einschränke. Zeitweilig setzte sich wohl in der Verwaltungspraxis die Auffassung durch, eine Kirchenbaugenehmigung sei nur bei Beanspruchung staatlicher Mittel für den Bau erforderlich.45 In den Folgejahren wurde die kirchliche Freiheit wieder eingeschränkt. Für den Bau eines Kultusgebäudes war weiterhin bzw. wiederum eine staatliche Genehmigung einzuholen, deren Erlangung in der Praxis jedoch wohl nicht mit größeren Schwierigkeiten verbunden war.46 Erst mit Erlass der Weimarer Reichsverfassung und insbesondere deren Art. 137, der durch Art. 140 GG auch in das Grundgesetz inkorporiert wurde, war für den Bau von Kultusgebäuden unstreitig keine besondere, über die baupolizeiliche Zulassung hinausgehende Genehmi

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Ebenda, S. 44 f. m. w. N. Ebenda, S. 45. 44 Art. 15 rev. prVerfU enthält jedoch keinen Gesetzesvorbehalt, vgl. ebenda, S. 47. 45 Ebenda, insbesondere Fn. 63 f. 46 Ebenda, S. 49.

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1. Teil: Tatsächliche Rahmenbedingungen

gung mehr erforderlich. Allerdings ließen es sich manche staatlichen Behörden nicht nehmen, im Rahmen der Körperschaftsaufsicht auch Einfluss auf die Gestaltung von Kirchenbauten zu nehmen.47

II. Der Bau muslimischer Kultstätten im historischen Kontext 1. Die Anfänge des Moscheebaus im 18. Jahrhundert Die Geschichte des Baus muslimischer Kultstätten in Deutschland ist selbstverständlich eng mit der des Islam insgesamt verbunden. Die erste „Moschee“ wurde in Deutschland schon im Jahre 1732 errichtet. Friedrich Wilhelm I., dem der Herzog von Kurland angeblich zwanzig muslimische Tartaren zum Geschenk für die „Langen Kerls“ der preußischen Armee gemacht hatte48, ließ für diese Muslime einen Saal in Potsdam (in der Nähe der Garnisonskirche) entsprechend umwandeln.49 Ob es sich bei diesen jungen Muslimen tatsächlich um türkische Soldaten oder in Wahrheit nicht doch eher um Kriegsgefangene50 handelte, spielt insoweit keine Rolle, als die Existenz dieses muslimischen Betsaals jedenfalls unumstritten ist. Erstmals im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert gab es, vielleicht auch im Zusammenhang mit der Strömung der Romantik und deren Schwärmerei für den Orient, vereinzelt eine eher spielerische Rezeption islamischer Bauformen. So fanden verschiedene orientalische Elemente Eingang in die Gestaltung von Profanbauten, die so zu sog. Pseudo-Moscheen51 wurden. Die berühmtesten Beispiele hierfür dürften die (allerdings erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts erbaute) Dresdener Tabakfabrik, aus deren 63 Meter hohem „Minarett“ der Schornstein qualmte,52 das Potsdamer Wasserwerk53 und die zwischen 1780 und 1785 erbaute „Rote Moschee“ im Schwetzinger Schlosspark sein. Einen ersten historischen Meilenstein im Zusammenhang mit der Verbreitung muslimischer Religion und Kultusstätten stellt die Einrichtung eines türkischen Friedhofs in Berlin-Tempelhof dar. Bereits seit 1745 gab es in der preußischen Armee das muslimische Bosniakenkorps, das sogar einen eigenen Heeres-Imam hatte.54 Friedrich Wilhelm III. schenkte damals dem osmanischen Reich ein Gelände im Bereich der heutigen Urbanstraße, damit der von ihm sehr geschätzte erste stän

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Ebenda, S. 51. So Yonan, S. 56. 49 Abdullah, S. 187. 50 So Lemmen, S. 15. 51 Kraft, S. 55 ff. 52 Leggewie/Jost/Rech, S. 27; Schmitt, S. 49. 53 Kraft, S. 5. 54 Yonan, S. 56.

B. Geschichte des Kirchen- und Moscheebaus

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dige osmanische Gesandte Ali Aziz Efendi dort beigesetzt werden konnte.55 Obwohl das Gelände wegen eines Kasernenbaus im Jahre 1866 an den nahegelegenen Standort in der Hasenheide verlegt wurde, steht das Gelände seit dieser Zeit im unmittelbaren Eigentum des türkischen Staates. Das Gräberfeld wurde bald um eine kleine Moschee ergänzt und 1963 auf dem benachbarten Garnisonsfriedhof erweitert.56 Auf diesem Gelände am Columbiadamm in Berlin-Neukölln wurde 2003 die bislang größte Berliner Moschee fertiggestellt.57 2. Der Zeitraum von 1900 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Während des ersten Weltkrieges entstand in Wünsdorf bei Zossen in Brandenburg eigens ein Gefangenenlager für muslimische Soldaten der britischen Armee. Der islamfreundliche Kaiser Wilhelm II. ließ 1915 für diese Gefangenen auf dem Gelände des Lagers eine Moschee mit einem 27 m58 hohen Minarett bauen.59 Dieses Bauwerk, das allerdings 1926 bereits wegen Baufälligkeit wieder abgerissen werden musste, diente nach dem Ersten Weltkrieg den Berliner Muslimen als Gotteshaus.60 Auch in Saarbrücken soll es ab 1919 kurzzeitig eine Moschee für muslimische Soldaten gegeben haben.61 Die erste repräsentative, also nach außen als solche erkennbare und heute noch genutzte Moschee wurde von 1924 an wiederum in Berlin, dem damaligen Zentrum islamischen Gemeindelebens im Deutschen Reich62, von der Ahmadiyya-Religionsgemeinschaft63 erbaut. Auch damals schon sorgte der exotische, dem indischen Tadj Mahal nachgeahmte Bau in Berlin-Wilmersdorf, dessen beide im Krieg zerstörte, jedoch zwischenzeitlich wiederaufgebaute Minarette jeweils 32  Meter hoch sind und dessen Gebetsraum bis zu 400 Gläubige aufnehmen kann, für Aufsehen. So schrieb nach der Einweihung im Jahr 1928 die Wilmersdorfer Lokalzeitung „Der Westen“: „Was man so alles in unserem Berlin erleben kann … ohne Traveller-Schecks und Cooks Reisebüro zu benötigen, konnte man heute ein echtes Orienterlebnis haben, wenn man hi 55 Heidecke, Kerstin (2002): Minarette der neuen Moschee ragen schon in den Himmel, in: Der Tagesspiegel, 7. August 2002; URL: http://www.tagesspiegel.de/berlin/art270,1902164. 56 Leggewie/Jost/Rech, S. 26. 57 Bakirdögen, Ayhan (2003): Größte Moschee Berlins wird Mitte Oktober eröffnet, in: DIE WELT, 12. August 2003; URL: http://www.welt.de/print-welt/article252610/Groesste_Moschee _Berlins_wird_Mitte_Oktober_eroeffnet.html. 58 Schmitt, S. 48, schreibt von 23 m. 59 Leggewie/Jost/Rech, S. 26; Yonan, S. 57. 60 Abdullah, S. 28. 61 Schmitt, S. 49. 62 Ebenda. 63 Genauer: die Ahmadiyya Andjuman Ischaat el-Islam Lahore, vgl. Schmitt, S. 50; Lemmen, S. 71.

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1. Teil: Tatsächliche Rahmenbedingungen nausfuhr auf die Gefilde des Fehrbelliner Platzes, wo unter strahlend blauen Orienthimmel die weißen Minarette der neuen islamischen Moschee emporragen.“64

Mit der Verwunderung der Berliner über den orientalischen Bau ging jedoch keine große öffentliche Entrüstung über das fremdländische Gotteshaus einher. Die Wilmersdorfer Moschee war in den zwanziger und dreißiger Jahren nicht nur ein Ort regen muslimischen Gemeindelebens, sondern auch der christlich-islamischen Begegnung und des Dialogs.65 Im Verlag der Moschee erschien bezeichnenderweise im Jahr 1938, inmitten der NS-Diktatur, die erste arabisch-deutsche Koranausgabe.66 3. Die 1950er und 1960er Jahre In der Nachkriegszeit errichtete die Ahmadiyya Muslim Jamaat, eine gemäßigte und missionarisch beflissene muslimische Sondergruppe, die damals primär den Islam in Deutschland repräsentierte,67 einige wenige Moscheen (zum Beispiel 1957 in Hamburg-Stellingen) im gemäßigt orientalischen Stil. Im Vergleich zu den in der gleichen Zeit, jedoch unabhängig von der Ahmadiyya-Bewegung und auch unabhängig voneinander gegründeten „Islamischen Zentren“ in Hamburg, Aachen und München68, hatte die Ahmadiyya-Gemeinde jedoch nur einen sehr geringen Einfluss. Das islamische Zentrum in Hamburg (Imam-Ali-Moschee), welches als Zentrum des schiitischen Islams in Deutschland gilt, wurde ab 1961 gebaut, nachdem iranische Kaufleute bereits 1957 das Grundstück zur Errichtung einer Moschee gekauft hatten.69 Das Zentrum in Aachen, das in hohem Maße von arabischen Muslimen geprägt ist, wurde 1958 auf Initiative muslimischer Studenten hin gegründet und begann 1964 mit dem Bau der dortigen Moschee.70 Das Islamische Zentrum in München-Freimann, dessen Moschee 1967 erbaut wurde, gründet auf einer Bewegung muslimischer Flüchtlinge und arabischer Studenten der Technischen Universität München.71 Obwohl wie gezeigt auch vorher vereinzelte Gruppen von Muslimen nach Westeuropa und auch Deutschland gekommen waren, beginnt die eigentliche und bedeutsame Geschichte des Islam in Deutschland mit den sog. Gastarbeitern, die zur Unterstützung der boomenden deutschen Nachkriegswirtschaft ab Mitte der Fünfzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts aus verschiedenen Ländern in die

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Zitiert nach Yonan, S. 65. Schmitt, S. 50. 66 Lemmen, S. 16. 67 Spuler-Stegemann, S. 35. 68 BT-Drs. 14/4530, S. 12. 69 Schmitt, S. 51. 70 Ebenda, S. 50. 71 Leggewie/Jost/Rech, S. 27.

B. Geschichte des Kirchen- und Moscheebaus

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Bundes­republik geholt wurden und den Arbeitskräftemangel, insbesondere in der industriellen Produktion, ausgleichen sollten. 1961 schloss die Bundesrepublik mit der Türkei das „Abkommen zur Anwerbung türkischer Arbeitskräfte für den deutschen Arbeitsmarkt“.72 1963 und 1965 folgten die Abkommen mit Marokko und Tunesien. Damals war ein sog. Rotationssystem73 geplant: Die vielfach aus ländlichen Gebieten der Türkei stammenden Arbeiter, die häufig zunächst ohne ihre Familien nach Deutschland gekommen waren, sollten nur wenige Jahre in der Bundesrepublik bleiben, anschließend (nach eigenen Hoffnungen als reiche Leute) in ihre Heimat zurückkehren und durch neue Gastarbeiter ersetzt werden.74 In dieser Anfangszeit, in der sich die muslimischen Arbeiter nicht auf einen längeren Aufenthalt in der Bundesrepublik einstellten, entstanden kaum neue öffent­ liche Gebetsräume. Ihre Religionsausübung fand nahezu ausschließlich im privaten Raum, nämlich in zu Gebetsräumen umgewandelten oder als solchen genutzten Laden­geschäften, Privatwohnungen und Arbeiterwohnheimen statt.75 4. 1970er und 1980er Jahre: „Hinterhofmoscheen“ Es zeigte sich schnell, dass das geplante Rotationssystem nicht funktionieren sollte. Die Arbeiter wollten (vielleicht zunächst nur etwas länger) bleiben, die Arbeitgeber nicht ständig neue Arbeitnehmer anlernen. Nachdem im Zuge der Öl- und allgemeinen Wirtschaftskrise im Jahre 1973 ein Anwerbestopp für ausländische Arbeitskräfte erfolgte und im Anschluss daran 197476 die Familienzusammenführung ermöglicht wurde, begann die auch durch den vermehrten Zuzug von Asylsuchenden77 stetig wachsende Zahl der Muslime (ebenso wie übrigens auch die Zahl der aus christlich geprägten Ländern stammenden Arbeiter), sich zumindest vorläufig auf ein Leben in der Bundesrepublik einzurichten. Viele träumten damals noch davon, sich von Deutschland aus in der Heimat eine Existenz aufzubauen und nach einigen Jahren dorthin zurückzukehren.78 Dies wäre wegen des Anwerbestopps nach einer Rückkehr in die Türkei später nicht mehr möglich gewesen.79 Mit der Aussicht auf einen längeren Aufenthalt wurden die vorhandenen, vorher teilweise nur wenig frequentierten Gebetsräume für die in Deutschland lebenden Muslime attraktiver. Es trat offenbar eine zunehmende Rückbesinnung auf religiöse

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Mattes, S. 44. Kapphan, in: Jonker/Kapphan, S. 9. 74 Mueller/Nauck/Diekmann, S. 940. 75 Schmitt, S. 52, mit dem Beispiel eines speziell für die Gastarbeiter eingerichteten Gebetsraumes im Wohnheim eines Mannesmann-Hüttenwerkes in Duisburg. 76 Ceylan, S. 39. 77 Josua, in: Pechmann/Reppenhagen, S. 4; Ende/Steinbach, S. 588. 78 Spuler-Stegemann, S. 37. 79 Barfuß, S. 62.

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1. Teil: Tatsächliche Rahmenbedingungen

Werte ein. Die Gastarbeiter erlebten erstmals in der Diaspora eine Islamisierung80, die unter anderem darauf zurückzuführen sein dürfte, dass die Religion in der Fremde einer der wenigen vertrauten, mit dem Begriff der Heimat verbundenen Aspekte war, und die Rückbesinnung auf die religiösen Wurzeln häufig eher eine „kulturelle Trotzreaktion“ darstellte. Aufgrund mangelnder finanzieller Ressourcen war die öffentliche Religionsausübung jedoch weiterhin nur sehr beschränkt möglich. Meist richtete man sich in heruntergekommenen Altbauwohnungen, Hinterhöfen, Dachböden, ehemaligen Lagerhallen, Schuppen, Garagen oder Gewerberäumen81 der zunehmend entstehenden rein ausländisch bewohnten Viertel ein.82 Die damaligen behelfsmäßigen Moscheen passten vielfach in das Bild der unterprivilegierten, am Rande der Gesellschaft stehenden Muslime.83 Ganz vereinzelt wurde den muslimischen „Gästen“ die Möglichkeit eingeräumt, in christlichen Gotteshäusern zu beten.84 So begab es sich, dass im Jahr 1965 während des Ramadan sogar einmal ein islamischer Gebetsgottesdienst im Ostflügel des Kölner Doms stattfand.85 Da jedoch auf muslimischer Seite das Missverständnis entstand, jeder Ort, an dem Muslime beten, gehöre diesen auch, und deshalb der Kölner Dom als muslimisches Eigentum angesehen wurde, wurde den Muslimen das Gebet im Dom nicht mehr gestattet.86 1992 wurde per päpstlichem Dekret die Vergabe gottesdienstlicher Räume an nichtchristliche Religionen verboten.87 Ende der 1970er-, Anfang der 1980er-Jahre begannen die in Deutschland lebenden Muslime, sich zu organisieren, und gründeten die ersten „Moscheevereine“.88 Später schlossen sich viele kleinere Moscheevereine den übergeordneten Dachverbänden an.89 Diese Netzwerke sind schon deshalb bedeutend, da sie heute in großem Maße den Bau und die Unterhaltung vieler Moscheen unterstützen.90

80 Leggewie/Jost/Rech, S.  27; zur Bedeutung der Medien in diesem Zusammenhang vgl. Steinbach, S. 17. 81 Leggewie/Jost/Rech, S. 28. 82 Schmitt, S. 55. 83 Vgl. dazu Ende/Steinbach, 3. Auflage, S. 453, die sich durch die frühen provisorischen Gebetsräume vieler europäischer Muslime gar an die Katakomben der frühchristlichen Gemeinde Roms erinnert fühlen. 84 In anderen Ländern (z. B. in England) wurden teilweise leerstehende Kirchen an muslimische Gemeinden verkauft und dienen seither als Moscheen. Vgl. Ende/Steinbach, 3. Auflage, S. 453. 85 Spuler-Stegemann, S. 37 unten; Vöcking, S. 3. 86 Hillgruber, JZ 1999, 538 (540). 87 Josua, in: Pechmann,/Reppenhagen, S. 4. 88 Leggewie/Jost/Rech, S. 28. 89 Eine Übersicht der in der Bundesrepublik tätigen Dachverbände findet sich in der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage „Islam in Deutschland“, BT-Drs. 14/4530, S. 9 ff. 90 Leggewie/Jost/Rech, S. 29.

B. Geschichte des Kirchen- und Moscheebaus

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5. Die 1990er Jahre: Konsolidierung der muslimischen Gemeinden und Bau erster repräsentativer Moscheen Zu Beginn der Neunzigerjahre trat eine Etablierung der Muslime in Deutschland ein.91 Sie begannen erstmals, sich nicht mehr als Gäste im Land anzu­sehen und sich, auch wegen ihrer vielfach in Deutschland aufgewachsenen Kinder, darauf einzustellen, dauerhaft in der Bundesrepublik zu bleiben.92 Zunehmend wurden damit auch die Verhältnisse, unter denen jahrzehntelang viele tausend Muslime in Deutschland ihre Religion ausüben mussten, (zu Recht) als völlig unzureichend angesehen. Auch die Organisierung in Moscheevereinen, die damit einhergehende Formalisierung des Glaubens und die besseren finanziellen Möglichkeiten der Dachorganisationen in Deutschland trugen dazu bei, dass in dieser Zeit verstärkt der Wunsch nach repräsentativeren Gebetshäusern aufkam.93 Der vielfach zitierte94 Weg heraus aus den Hinterhöfen nahm seinen Anfang. Während der Islam in den 1980er Jahren weder städtebaulich noch im sonstigen religiösen, ­kulturellen oder wissenschaftlichen Leben der Bundesrepublik repräsentativ in Erscheinung getreten war,95 markierten die frühen 1990er Jahre den Beginn des muslimischen Strebens nach öffentlicher „Sichtbarkeit“. Der Bau schöner, großer und neuer Moscheen stellt für viele ein Symbol des gewachsenen Selbstbewusstseins der Muslime96 und der langersehnten gesellschaftlichen Akzeptanz des Islam dar. Den Anfang einer bislang nicht abgerissenen Reihe repräsentativer Moscheebauten markiert der äußerst umstrittene und von der örtlichen Bevölkerung zum Teil vehement bekämpfte Bau der Fatih-Moschee in Pforzheim im Jahr 1992.97

III. Exkurs: Muslime und Moscheebau in Europa Die Situation der Muslime stellt sich in vielen europäischen Ländern ähnlich dar wie in Deutschland. Zwar weisen andere europäische Länder eine deutlich andere Herkunftsstruktur ihrer muslimischen Mitbürger auf. So stammen beispielweise historisch bedingt viele französische Muslime aus Nordafrika, während man in Großbritannien häufig auf Muslime aus Pakistan trifft. Die sich aus der Präsenz einer muslimischen Minderheit im Land ergebenden Konflikte sind jedoch, wie die beunruhigenden Vorfälle in den Niederlanden im Jahr 2004 und die Kra

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Schmitt, S. 55 f., spricht von einer Konsolidierung des Islam. Steinbach, S. 25. 93 Guntau, ZevKR 43 (1998), 369 (371). 94 Gothe,  Karin (2001): Im Hinterzimmer der Traditionen; Süddeutsche Zeitung, Nr.  16, 20./21. Januar 2001, S. 10. 95 Albrecht, in: EssGespr (20), S. 88. 96 Ende/Steinbach, 3. Auflage, S. 452. 97 Leggewie/Jost/Rech, S. 30.

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1. Teil: Tatsächliche Rahmenbedingungen

walle in Frankreich im November 2005 zeigen,98 offenbar sehr ähnlich. Dies gilt auch für die Moscheebaukonflikte in anderen europäischen Ländern. Mit besonderer Vehemenz werden diese u. a. in Österreich ausgetragen. In Italien wurde jüngst eine Studie der Handelskammern von Bologna, Rom, Neapel und Palermo veröffentlicht, wonach derzeit lediglich 28 % (2006: 48 %) der Italiener keine Bedenken gegen den Neubau einer Moschee hätten.99 In England hingegen scheint es im Bereich des Moscheebaus keine größeren Probleme zu geben.100 Dennoch kann konstatiert werden, dass mittlerweile die meisten europäischen Hauptstädte über eine große, repräsentative Moschee verfügen.101 Sogar in Rom wurde 1995 eine der größten Moscheen Europas eingeweiht, die 2000 Gläubigen Platz bietet.102

IV. Bestandsaufnahme Um das Ergebnis der Bestandsaufnahme vorwegzunehmen: Eine verlässliche Statistik über die Anzahl der muslimischen Gebetsstätten und Moscheen in der Bundesrepublik gibt es nicht.103 Schätzungen zufolge104 gibt es in Deutschland zur Zeit etwa 2.200–2.500 Moscheen im Sinne von muslimischen Gebetsstätten. Bislang dominiert noch die Zahl der „Hinterhofmoscheen“, also derjenigen „mesjids“ in Wohnhäusern und Lagerräumen, die nur von Eingeweihten als religiöse Stätten zu erkennen sind. Ca. 110105 der deutschen Moscheen sind mittlerweile von außen ohne Weiteres als solche erkennbar, weil sie beispielsweise über orientalisch anmutende Kuppeln oder Minarette verfügen. Noch vor wenigen Jahren wurde diese Zahl nur mit ca. 30–35 angegeben.106 Sie wird aller Voraussicht nach in den 98 Mord an dem niederländischen islamkritischen Filmemacher Theo van Gogh und die sich daran anschließenden Unruhen; Krawalle in Pariser Vorstädten anlässlich einer Verfolgungsjagd zweier muslimischer Jugendlicher mit der Polizei. 99 O. V. (2007): Italy: Integration with Arab immigrats declines, ANSAmed, 11. Juli 2007; URL: http://www.mail-archive.com/[email protected]/msg01762.html; o.V. (2007): Mamma gli arabi: gli italiani e la paura degli immigrati, Panorama, 12. Juli 2007; URL: http:// blog.panorama.it/italia/2007/07/12/mamma-gli-arabi-gli-italiani-e-la-paura-degli-immigrati/. 100 So Potz, S. 2.; dagegen spricht die Forderung des Synodalmitglieds der „Church of England“, Alison Ruoff, den Bau weiterer Moscheen in England zu verhindern, vgl. Gledhill, Ruth (2008): „No more mosques“ says synod member, Times Online, 1. April 2008; URL: http:// www.timesonline.co.uk/tol/comment/faith/article3662450.ece. 101 Vgl. Spuler-Stegemann, S. 148 f. 102 Dazu äußerte sich Papst Johannes Paul II. wie folgt: „Dieses Ereignis ist ein deutliches Zeichen der Religionsfreiheit, die hier jedem Gläubigen zuerkannt wird. Und es ist bezeichnend, dass in Rom, dem Zentrum der Christenheit und Sitz des Nachfolgers des Petrus, die Muslime eine eigene Kultstätte in voller Achtung ihrer Gewissensfreiheit haben“. Vgl. Osservatore Romano (O. R.), 22. Juni 1995. 103 Vgl. BT-Drs. 14/4530, S. 13. 104 Vgl. dazu Schmitt, S. 58. 105 Vgl. www.deutsche-islam-konferenz.de >Muslime in Deutschland >Moscheen; 2002 waren es nur ca. 70, vgl. Leggewie/Jost/Rech, S. 18. 106 Barfuß, S. 30; ebenso Spuler-Stegemann, S. 150.

C. Die Architektur der Moschee

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nächsten Jahren jedoch angesichts der vielen aktuellen Groß-Vorhaben deutlich ansteigen. Von den bundesweit 96 im Dachverband „Föderation der Aleviten-Gemeinden in Deutschland e. V.“ organisierten Aleviten-Gemeinden haben ca. 30–40 eigene Cem-Häuser, die jedoch fast ausschließlich bereits fertig gebaut erworben und dann als Gebetshaus umgebaut wurden.107 Die deutsche Stadt mit den meisten Moscheen dürfte Berlin sein. Dort gibt es (wiederum geschätzt) mittlerweile ca. 100  Moscheen, die sich abgesehen von der 2009 eröffneten Moschee in Berlin-Pankow, Ortsteil Heinersdorf, ausschließlich im Westteil der Stadt befinden. Mit rund 40 Moscheen folgt an zweiter Stelle Duisburg.108 Schmitt hat herausgefunden, dass statistisch auf jeweils ca. 15.000 bis 50.000 Einwohner einer Stadt eine Moschee zu erwarten ist.109 So erklärt es sich, dass in einer mittelgroßen großen deutschen Stadt wie dem bayerischen Ingolstadt mit seinen etwa 120.000 Einwohnern kürzlich bereits die vierte Moschee der Stadt, die derzeit wohl größte in Bayern, eröffnet wurde.110 Es wird nicht überraschen, dass die Zahl der Moscheen und deren Standorte mit den Wohnorten der ausländischen und damit häufig muslimischen Bevölkerung korrelieren.111 So ist bislang nur ein einziger Fall einer tatsächlich gebauten Moschee auf dem Gebiet der ehemaligen DDR bekannt, und deshalb häufen sich die Moscheebauprojekte und die damit verbundenen Konflikte in den westdeutschen Ballungszentren.

C. Die Architektur der Moschee112 I. Architektur der Moscheen in islamischen Ländern 1. Die klassische Moschee in Medina Obwohl beim Bau von Moscheen in der muslimisch geprägten Welt im Lauf der Jahrhunderte Bautechniken und Stilelemente aus anderen Kulturen, vor allem auch der eroberter Völker, übernommen wurden,113 orientierten sich die Bau 107 Die Ausnahme bildet die Augsburger Aleviten-Gemeinde, die ein Grundstück erworben und auf diesem ein Gemeindezentrum mit Cem-Raum, Seminar- und Verwaltungsräumen sowie einem Café gebaut hat, vgl. Integrationsbeauftragter NRW, S. 14. 108 Schmitt, S. 59. 109 Ebenda. 110 Linder, Volker (2008): Bayerns größte Moschee in Ingolstadt eröffnet, in: Augsburger Allgemeine Zeitung, Nr. 115, 19. Mai 2008, S. 4. 111 Spuler-Stegemann, S. 150. 112 Sehr instruktiv dazu insgesamt Kraft, S. 27 ff., Vogt-Göknil, und Zemke, S. 13 ff. 113 Zur Bautypologie einiger früher Moscheen vgl. Ende/Steinbach, S. 837 ff.

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1. Teil: Tatsächliche Rahmenbedingungen

meister und Architekten stets an der klassischen Moschee in Medina.114 Dort hatte sich im Jahr 622 der Prophet Mohammed niedergelassen.115 Sein Wohnhaus, die „erste“ Moschee, bestand aus einem durch eine Mauer abgegrenzten, zu drei Seiten von einem schattenspendenden Arkadengang umgebenen quadratischen (oder rechteckigen)116 Hof mit Brunnen, welcher zur rituellen Reinigung diente.117 Das Dach des Arkadengangs wurde von Säulen getragen. Wegen des Säulengangs („hypostolos“) nennt man den Typus der ersten Moschee auch HypostolonMoschee (auch Hof- oder Lagermoschee genannt). Er stellt das Grundmuster der Moscheen in Damaskus, Cordoba, Kairo, Fez, Delhi und vielen anderen Städten dar.118 Aus den wenigen formalen Vorgaben dieses Archetyps heraus entstanden die meisten späteren Moscheen. Ein Minarett kann beispielsweise in einer Hofecke eingefügt werden.119 Bei der Moschee in Medina rief der Muezzin noch vom Dach,120 wobei streitig ist, ob die Minarette in Anlehnung an christliche Glockentürme oder an Wachtürme arabischer Wüstenschlösser121 entstanden, ob sie ursprünglich dem Schutz der „umma“, also der muslimischen Gemeinde, oder nur als Plattform für den Vorbeter dienten.122 Aus dem Typus der Hofmoschee entwickelte sich früh die Gebetshalle („haram“), deren Dach wiederum von Säulen getragen oder von einer großen bzw. mehreren kleinen Kuppeln gebildet wurde.123 2. Die „Iwan-Moschee“ Ein weiterer Typus, der in der islamischen Architekturgeschichte unterschieden wird, ist die sog. Iwan-Moschee, die vor allem für den Iran (z. B. in Isfahan) charakteristisch ist,124 aber auch viele indische Moscheen beeinflusst hat.125 Von der Hofmoschee unterscheidet sie sich in erster Linie dadurch, dass ihr Hof auf allen vier Seiten von tonnengewölbten Hallen (genannt „iwan“) umgeben ist. Die Gebetsrichtung wird durch einen im Vergleich zu den anderen größeren „iwan“ angezeigt, der in der Regel eine Kuppel trägt.126

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Schmitt, S. 42; Vöcking, S. 4. Leggewie/Jost/Rech, S. 20. 116 Schmitt, S. 42. 117 Vöcking, S. 4. 118 Grabar, S. 3. 119 Schmitt, S. 42. 120 Ebenda, S. 44. 121 Ebenda. 122 Vöcking, S. 6. 123 Schmitt, S. 42. 124 Vgl. Zemke, S. 13. 125 Grabar, S. 3. 126 Ebenda.

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C. Die Architektur der Moschee

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3. Die osmanische Kuppelmoschee Ein letzter Moscheentyp stammt in erster Linie aus dem Reich der Osmanen, d. h. aus der Türkei des 15. Jahrhunderts, und dürfte derjenige sein, der den meisten unbedarften Nichtmuslimen bei dem Wort Moschee als erstes einfällt:127 die Kuppelmoschee. Sie entstand als Resultat vielfältiger architektonischer Experimente und wird durch die große, kuppelgekrönte, quadratische Halle in ihrem Mittelpunkt gekennzeichnet.128 An die große Kuppel können sich mehrere kleinere Kuppeln anschließen.129 Charakteristisch sind für diesen Typ schließlich die schlanken, bleistiftförmigen Minarette.130 4. Architektonische Einflüsse des 20. Jahrhunderts Im 20.  Jahrhundert sind zwei Erscheinungen beim Bau muslimischer Sakralbauten zu beobachten: Einerseits werden auch beim Bau von Moscheen in der islamischen Welt die Einflüsse von Moderne und Postmoderne sichtbar.131 So entstanden beispielsweise äußerst moderne, architektonisch interessante Moscheen in der Türkei und Bosnien,132 die einen Bruch mit der klassischen Moschee-Architektur und eine Orientierung an westlichen Bauformen erkennen lassen.133 Hochexperimentelle Moscheebauten blieben jedoch die Ausnahme.134 Vielmehr breitete sich der Typus der osmanischen Kuppelmoschee mit seiner Zentralkuppel und dem schmalen, runden Minarett weltweit aus und wird deshalb häufig als „panislamisch“ bezeichnet.135 5. Die Architektur des Cem-Hauses Die Gebetshäuser der Aleviten unterscheiden sich insofern deutlich von den übrigen islamischen Gebetsstätten, als sie von außen nur selten als Kultstätten erkennbar sind. Diese Unauffälligkeit ist dem Umstand zu schulden, dass nach alevitischem Verständnis das Cem-Haus weder durch bauliche Signale die Blicke als Gotteshaus auf sich ziehen noch die Gläubigen öffentlich zum Gebet auffordern 127

So auch Leggewie/Jost/Rech, S. 79. Grabar, S. 3. 129 Schmitt, S. 43. 130 Ebenda. 131 Zur „Verwestlichung“ islamischer Kunst und Architektur vgl. Ende/Steinbach, S. 840 ff. 132 Vgl. Thomas,  Christian (2008), Fatale Formen, in: Frankfurter Rundschau, Nr.  247, 22. Oktober 2008, S. 32. 133 Schmitt, S. 43. 134 Ebenda; Bernhard Schulz bedauert in seinem Artikel „Gottes neue Häuser“, Der Tagesspiegel, Nr. 18 927, 17. August 2005, S. 21, dass der Moscheebau in Deutschland sich „architektonisch unergiebig“ zeige; zur Thematik insgesamt vgl. Welzbacher. 135 Leggewie/Jost/Rech, S. 25; Schmitt, S. 43. 128

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1. Teil: Tatsächliche Rahmenbedingungen

soll, da diese von sich aus die innere Einkehr suchen.136 Idealerweise soll ein CemHaus zwar zwölfeckig sein; es verzichtet jedoch auf Minarett und Kuppel und braucht auch ansonsten keine äußeren unveränderlichen Merkmale.

II. Moscheen in Deutschland – Gestaltung in der Diaspora Die deutschen Moscheen unterscheiden sich zunächst sehr deutlich in ihrer architektonischen Ausgestaltung.137 Der Grund dafür ist in ihrer unterschiedlichen Entstehungsgeschichte zu sehen. Wie bereits geschildert entstanden viele mus­ limische Gebetsstätten zunächst in früher gewerblich genutzten Räumen wie Lagerhallen oder in Hinterhöfen und Mietwohnungen. Als Moschee sind sie nur durch die angebrachten Schilder oder „Vereinslogos“138 zu erkennen. Selbstverständlich weisen diese Orte im Vergleich zu sonstigen Wohnungen oder gewerblichen Anlagen keine architektonischen Besonderheiten auf. Genau das Gegenteil kann aber von den meisten neueren, großen und repräsentativen Moscheen gesagt werden: Sie fallen auf, stechen gar häufig, ob mit oder ohne Minarett,139 architektonisch gesehen aus dem sonstigen Bebauungszusammenhang heraus und stellen das am deutlichsten sichtbare Zeichen muslimischer Präsenz in der ­Diaspora dar.140 Einen spezifischen, unverwechselbaren Typ Moschee sucht man in Deutschland (im Gegensatz zu anderen Ländern)141 bisher vergeblich.142 Die meisten deutschen Moscheeneubauten orientieren sich am bereits beschriebenen, aus dem osmanischen Typus entstandenen panislamischen Baustil143 und weisen, soweit baurechtlich und politisch möglich, eine Kuppel und in der Regel auch ein Minarett auf.144 Dies dürfte neben der weiten internationalen Verbreitung dieses Stils auch daran liegen, dass die mit der Planung beauftragten Architekten häufig türkisch oder türkischstämmig sind.145 Ein weiterer Grund könnte die Symbolkraft dieser orientalischen Bauweise sein: Die Wahl des orientalisch-geprägten Stils unterstreicht das neue Selbstbewusstsein vieler Muslime in Deutschland. Statt einer Assimilation wird eine deutliche Abgrenzung zum „Gastgeberland“ be-

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Integrationsbeauftragter NRW, S. 13. So auch Vöcking, S. 9. 138 So Leggewie/Jost/Rech, S. 30. 139 Einen guten statistischen Überblick über „sichtbare“ Moscheen, ihre Bauweise und ihre Verteilung über die Bundesrepublik liefert Schmitt, S. 74 f. 140 Leggewie/Jost/Rech, S. 79. 141 Zemke, S. 14 f. 142 Integrationsbeauftragter NRW, S. 28. 143 Auch als „internationaler“ Stil bezeichnet, Integrationsbeauftragter NRW, S. 10. 144 Spuler-Stegemann, S. 157. 145 Schmitt, S. 43. 137

C. Die Architektur der Moschee

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zweckt. Das Motto könnte lauten: „Wir sind hier, und ihr habt uns lange genug übersehen!“146 Die Symbolkraft erschöpft sich jedoch nicht in ihrer Wirkung auf die muslimische Bevölkerung. Auch für viele weltoffene Nichtmuslime verkörpert eine Kuppelmoschee eine „exotische Bereicherung“147 und spricht in ihrer fremdländisch anmutenden Ästhetik viele Menschen an. Nur ganz selten wird versucht, den Baustil der geplanten Moschee an die örtliche Bauweise anzupassen. Ein gelungenes Beispiel soll die Moschee im baden-württembergischen Mosbach sein.148 Dass diese architektonische Assimilation häufig nicht erwünscht ist, zeigt das Beispiel aus dem schwäbischen Lauingen, dessen Bürgermeister den ursprünglichen, ein schwäbisches Satteldach vorsehenden Bauantrag ablehnte und darauf drängte, die Muslime mögen doch „etwas G’scheites“, d. h. eine repräsentative, orientalische Moschee bauen.149 Architektonisch eher unauffällig sind auch in der Bundesrepublik die Cem-Häuser der Aleviten. Dabei handelt es sich in der Regel um schlichte Ein- oder Mehrfamilienhäuser, welche für die religiöse Nutzung umgebaut wurden. Diese Unauffälligkeit ist dem Umstand zu schulden, dass, wie dargestellt, ein Cem-Haus keine Blicke als Gotteshaus auf sich ziehen soll.150 Wie und ob sich die Moscheebauarchitektur in Deutschland weiterentwickelt, bleibt abzuwarten. Aus der Sicht eines politisch neutralen, architektonisch interessierten Betrachters wäre es jedoch wünschenswert, wenn bei der Planung großer repräsentativer Moscheen mehr Elemente zeitgenössischer Architektur einflössen. Wie ansprechend ein solcher Bau sein kann, zeigt die 1995 eröffnete Mannheimer Moschee, die postmoderne Bauelemente aufgreift und häufig als „gläserne Moschee“151 bezeichnet wird.152 Als modern und architektonisch interessant gelten auch die in Schorndorf bei Stuttgart153 und im oberbayerischen Penzberg154 entstandenen Moscheen. Gegebenenfalls könnte auf diese Weise auch eine stärkere Akzeptanz seitens der örtlichen nicht-muslimischen Bevölkerung erreicht werden. 146 So meint auch Spuler-Stegemann, S. 148, dass die neuen, „gewaltigen“ Moscheen mus­ limische Stärke und Präsenz demonstrieren sollen. 147 Leggewie/Jost/Rech, S. 79. 148 Integrationsbeauftragter NRW, S. 10. 149 Barfuß, S. 90; ein Bild der Lauinger „Hicret Camii“ findet sich auf S. 117. 150 Integrationsbeauftragter NRW, S. 13. 151 Leggewie/Jost/Rech, S. 50. 152 Schmitt, S. 83. 153 Baumgarten, Juliane/Hanselmann, Ulrich, Immer mehr Moscheen, in: Stuttgarter Nachrichten, 8. Oktober 2009; URL: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/stn/page/2228647_0_33 85_-zahl-deutlich-gestiegen-immer-mehr-moscheen.html. 154 Die Penzberger Muslime wollten bewusst keinen „osmanischen Abklatsch“, vgl. Sebald, Christian (2005), Allahs blauer Edelstein, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 215, 17./18. Sep­ tember 2005, S. 64; dazu auch der Architekt Alen Jasarevic in: Beinhauer-Köhler/Leggewie, S. ­99–111.

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1. Teil: Tatsächliche Rahmenbedingungen

III. Die Innenausstattung 1. Der Innenraum von Moscheen Im Innenraum einer Moschee finden sich weder Altar noch Kultgegenstände.155 Gerade in der Diaspora ist er häufig eher schlicht und karg ausgestaltet.156 Die Kanzel, „minbar“ oder „mimbar“,157, von der aus die Freitagspredigt, die „hutba“, gehalten wird, ist häufig aus Holz angefertigt und hat die Form einer kurzen ­Treppe.158 Bezüglich der Nutzung der Kanzel gibt es regionale Unterschiede in den verschiedenen muslimischen Ländern. So ist es in vielen Ländern üblich, dass der Prediger („hatib“) die hutba von der vorletzten Stufe aus hält, da die letzte Stufe dem Propheten Mohammed vorbehalten ist.159 Die Kanzel befindet sich meist rechts neben dem „mihrab“, einer Gebetsnische, welche die Gebetsrichtung („qibla“) gen Mekka anzeigt.160 Die Gebetsnische ist der einzige Teil der Moschee, der als sakral im eigentlichen Sinn gilt. Gelegentlich finden sich in Moscheen sogar zwei Kanzeln, wovon eine im türkisch geprägten Islam für allgemeine Ansprachen, etwa bei Hochzeiten, dient.161 Sie sind meist fest installiert, können aber auch fahrbar sein.162 Eine Kanzel ist in den islamischen Ländern schon wegen ihrer Funktion nur in den großen Freitagsmoscheen zu finden. In Deutschland hingegen wird auch in den meisten kleineren Moscheen das Freitagsgebet abgehalten, weshalb sie in der Regel auch über eine „minbar“ verfügen.163 Der Boden der Moschee ist stets mit Teppichen oder Matten ausgelegt, in einfacheren Gebetsräumen kann es sich statt um kostbare Teppiche auch um einfache Auslegware handeln. Da die Reinheit des Gebets für einen gläubigen Muslim essentiell ist, dürfen Gebetsräume nie mit Schuhen betreten werden.164 Da es jedoch nicht nur auf die physische, sondern auch auf die spirituelle Reinheit des Betenden ankommt, unterziehen gläubige Muslime vor dem Gebet das Gesicht, die Ohren, Arme, Hände und Füße einer rituellen Waschung. Zu diesem Zwecke verfügen muslimische Gebetsstätten stets über eine Waschgelegenheit, die in Anlehnung an den Wohnsitz Mohammeds in Medina aus einem kunstvollen, reich verzierten Brunnen bestehen kann. Bei einem einfachen Gebetsraum genügt jedoch auch ein schlichtes Waschbecken oder ein Tonbehältnis mit Wasser am Eingang der Moschee.165 155

Spuler-Stegemann, S. 148. Leggewie/Jost/Rech, S. 20. 157 Vöcking, S. 5. 158 Schmitt, S. 40. 159 Ebenda. 160 Vgl. Grabar, S. 3, Schmitt, S. 39 f., Vöcking, S. 5 f. 161 Schmitt, S. 40. 162 Leggewie/Jost/Rech, S. 21. 163 Schmitt, S. 41. 164 Leggewie/Jost/Rech, S. 21; Schmitt, S. 41. 165 Leggewie/Jost/Rech, S. 21.

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C. Die Architektur der Moschee

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Wegen des im Islam geltenden Bilderverbots finden sich weder an den Innen-, noch an den Außenwänden von Moscheen Abbildungen von Menschen und gar von Gott oder dem Propheten Mohammed.166 Diese sind dafür häufig höchst kunstvoll mit kalligraphischen Kunstwerken, z. B. dem Namen Mohammeds, den Namen der ersten Kalifen167 oder verschiedenen Koranversen verziert.168 Ein weiteres häufig in muslimischen Gebetsräumen zu findendes Element stellen Lesepulte bzw. Ständer für die Aufbewahrung des Koranexemplars dar, die wiederum ganz schlicht oder sehr dekorativ verziert sein können. Zur Beleuchtung trifft man häufig Kron- und Wandleuchter oder Glasampeln an.169 Da Männer und Frauen nach muslimischer Tradition170 getrennt beten müssen, ist charakteristisch für Moscheen, dass ein Teil des Raumes, meist der hintere, den Frauen vorbehalten ist. Dieser Bereich ist häufig bereits baulich oder aber durch Wandschirme, Tücher oder Gitter etc. auch optisch abgetrennt.171 Gelegentlich beten Frauen auf einer Empore; manchmal, gerade bei kleineren „Hinterhof­ moscheen“, sind für sie eigene, meist schlichtere Räume vorgesehen, in welche die Predigt per Lautsprecher übertragen wird.172 2. Die Ausstattung des alevitischen Cem-Hauses Die Cem-Häuser unterscheiden sich auch in der Innenausstattung deutlich von Moscheen. Von elementarer Bedeutung ist der sog. Cem-Raum, in welchem die meist donnerstags stattfindende Cem-Zeremonie abgehalten wird. Dieser Raum muss Platz für alle Gemeindeglieder bieten, da die Zeremonie nicht nach Geschlechtern getrennt, sondern gemeinsam von Frauen, Männern und Kindern abgehalten wird. Der die Zeremonie leitende Geistliche sitzt auf einer leicht erhöhten Position (post); eine halbkreisförmige Fläche (meydan), auf der bestimmte Rituale abzuhalten sind, trennt ihn von den im Halbkreis sitzenden Gläubigen, so dass die Gemeinde mit dem Prediger von Angesicht zu Angesicht im Kreis sitzt.173 Neben dem eigentlichen Gebetsraum sind für die Aleviten weitere Räume von zentraler Bedeutung: Da das gemeinsame Mahl mit den vom Prediger am Ende der Zeremonie gesegneten Speisen einen wichtigen Bestandteil der Glaubensausübung darstellt, muss sich in einem Cem-Haus immer auch eine Küche befinden. Dar-

166

Ende/Steinbach, S. 839. Schmitt, S. 41. 168 Leggewie/Jost/Rech, S. 21. 169 Ebenda; Schmitt, S. 41; bei Barfuß, S. 117, findet sich ein Bild des großen Kronleuchters in der Lauinger Moschee. 170 Wohl nicht nach dem Koran, vgl. Kraft, S. 46 ff. 171 Leggewie/Jost/Rech, S. 22; Schmitt, S. 40;. 172 Schmitt, S. 40. 173 Integrationsbeauftragter NRW, S. 14. 167

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1. Teil: Tatsächliche Rahmenbedingungen

über hinaus sollte es zusätzliche Räume für gemeinschaftliche Zusammenkünfte und Aktivitäten, Seminare, Hochzeiten etc. geben.174

IV. Zwischenergebnis Zusammenfassend kann sowohl für die Innengestaltung als auch für die Architektur von muslimischen Gebetsräumen und Moscheen gesagt werden, dass sie keineswegs einheitlich oder streng religiös vorgegeben sind. Vielmehr kann ein muslimischer Gebetsraum in vielerlei Formen gebaut oder ausgestattet sein, sei es schlicht, sei es opulent, sei es mit Kuppel, sei es ohne. Viele sich heute findende Erscheinungsformen und Bauweisen sind zwar seit langer Zeit kulturell überliefert und haben sich in der muslimisch geprägten Welt bewährt; unabdingbar und für die Ausübung des Glaubens unverzichtbar erscheinen die beschriebenen Details für den unbefangenen Betrachter angesichts der Vielfalt und der Diversität muslimischer Gebetsstätten jedoch nicht. Der Wert des gemeinsamen Gebets ist in einer Hinterhofmoschee genauso hoch wie in einer glanzvollen Kuppelmoschee.

D. Namen und Bezeichnungen der Moscheen Nahezu alle Moscheen in Deutschland, selbst die kleinsten, unscheinbarsten Hinterhofgebetsstätten, tragen große, symbolische Namen.175 Viele erinnern an berühmte muslimische Persönlichkeiten wie Sufis176, Wegbegleiter des Propheten Mohammed, bedeutende Kalifen oder osmanische Sultane. Wiederum andere sind in Anlehnung an für die islamische Geschichte bedeutsame Ereignisse oder in Anlehnung an andere, berühmte Moscheen benannt.177 Es fällt jedoch auf, dass eine Vielzahl der deutschen Moscheen den Namen „Fatih Camii“, übersetzt „Eroberer-Moschee“ trägt.178 Dieser teilweise als anmaßend bezeichnete179 Name löst häufig Konflikte mit der ortsansässigen deutschen bzw. nicht-muslimischen Bevölkerung aus.180 Er mutet wegen seiner historischen Bedeutung181 wie eine Kampfansage182 an die „Ungläubigen“ an und erinnert an 174

Ebenda. Vgl. zum Ganzen Spuler-Stegemann, S. 153 ff. 176 So z. B. die Mevlana-Moscheen in Berlin und Bremen an den Sufi Mevlana Jalaluddin Rumi. 177 Spuler-Stegemann, S. 154. 178 Eine Aufstellung findet sich ebenda. 179 Hillgruber, JZ 1999, 538 (540). 180 Huber-Rudolf, S. 198. 181 Den Beinamen „Fatih“ erhielt der osmanische Eroberer von Konstaninopel Mehmed II., vgl. Rohe, S. 131. 182 So auch Leggewie/Jost/Rech, S. 80. 175

E. Finanzierung der Moscheen

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die Djihad-Bestrebungen vieler islamistischer Organisationen. Ob dies gewollt ist oder nicht:183 Aufgrund der in der christlichen Geschichte verwurzelten negativen Assoziationen mit dem Namen und den zahllosen lokalen Konflikten um den Bau von Moscheen mag es mancher islamischer Gemeinschaft anheim gestellt werden, in Zukunft ggf. einen etwas weniger provokanten Namen auszuwählen184 oder der örtlichen Moschee (ggf. in Übersetzung) einen deutschen (Bei-)Namen zu geben,185 um die Akzeptanz durch die nicht-muslimische Bevölkerung zu stärken bzw. vorhandene Konflikte nicht weiter zu emotionalisieren.

E. Finanzierung der Moscheen I. Finanzierung durch Gemeindeglieder Einen interessanten Aspekt am Rande der Arbeit stellt die Frage nach der Finanzierung der Moscheen in Deutschland dar. Dabei geht es einerseits um die Unterhaltung und Ausstattung vorhandener Gebetsstätten, andererseits um die zum Teil immensen Kosten für den Bau repräsentativer Moscheen.186 Während in früheren Zeiten in der islamischen Welt der Bau von Moscheen stets durch Stiftungen von Kalifen, Gouverneuren und anderen reichen und frommen Männern und Familien finanziert wurde, wird heute, sogar in laizistischen Ländern wie der Türkei, der Bau und die Verwaltung von Kultstätten meist vom Staat übernommen.187 Der Bau deutscher Moscheen wird zumeist von den jeweiligen Bauherrn finanziert, wobei wiederum der Großteil der aufgebrachten Mittel von den Gemeindegliedern stammt.188 Eine der fünf Säulen des Islam stellt die sog. Sozialabgabe (türkisch „zekat“, arabisch „zakat“) dar.189 Diesen Beitrag haben Muslime neben der freiwilligen Spende zugunsten von Armen und neben der Unterstützung der Gemeinde in der Erfüllung ihrer sozialen und karitativen Aufgaben zu leisten. Er dient der Finanzierung der Aufgaben, die der solidarischen Gemeinschaft 183 Dazu Spuler-Stegemann, S.  154, die dahinter bestenfalls „religionspolitische Instinkt­ losigkeit“, eher aber „Absicht“ vermutet; den Willen der Muslime, von Deutschland „religiös Besitz zu ergreifen“, vermutet auch Hillgruber, JZ 1999, 538 (540) hinter dem Namen „Eroberer-Moschee“. 184 So auch Rohe, S. 131. 185 Leggewie/Jost/Rech, S. 80. 186 So soll beispielsweise der Bau des „Maschari-Center“ in Berlin-Kreuzberg, welches unter anderem eine zweistöckige Moschee vorsieht, etwa 12 Mio. Euro kosten, vgl. Ochsen­reiter, Manuel (2004), Paläste der Parallelgesellschaft, in: Junge Freiheit, Nr. 25/04, 11. Juni 2004, S. 4; eine Übersicht über die Baukosten verschiedener Moscheen liefert Zemke, S. 141. 187 Vöcking, S. 7. 188 Leggewie/Jost/Rech, S. 30. 189 Spuler-Stegemann, S. 48.

50

1. Teil: Tatsächliche Rahmenbedingungen

der Muslime und dem islamischen Staat im Allgemeinen auferlegt sind.190 Die Höhe beträgt ca. 2,5 % des Einkommens; das in islamischen Gemeinden übliche enorm hohe Spendenaufkommen191 ist jedoch damit zu erklären, dass die Gläubiger häufig – ob freiwillig, aus einem gewissen Druck innerhalb der Gemeinde heraus192 oder in der Hoffnung auf den nach dem Koran zu erwartenden „Lohn der Gerechten“193 – die geforderten 2,5 % um ein Vielfaches übersteigende Spenden an ihre Gemeinde leisten. Mit diesen Spenden können zumeist auch die laufenden Kosten für bereits vorhandene Gebetsstätten abgedeckt werden. Schließlich verringern viele Moscheevereine die Baukosten ganz erheblich durch Eigenleistungen der Vereinsmitglieder.194 Da an viele Moscheen Teestuben, Friseure oder andere Einzelhandelsgeschäfte angeschlossen sind,195 wird vielfach auch deren Ertrag zumindest zum Teil zur Refinanzierung oder Deckung der laufenden Kosten verwendet.196

II. Unterstützung durch Mittel aus dem Ausland Nicht nur Einzelpersonen spenden für den Bau von Moscheen. Es existieren zwar keine statistischen Erhebungen darüber, woher genau die Mittel stammen, die für teure Moscheebauten verwendet werden. Es häufen sich jedoch Hinweise, dass in vielen Fällen ein Großteil der Baukosten über äußerst großzügige Spenden aus dem Ausland finanziert wird.197 So trägt beispielsweise das saudische Königshaus mit enormen Spenden zum Bau von Moscheen außerhalb der islamischen Welt bei.198 Genauere Informationen über den (nicht immer legalen)199 Fluss von Geldern aus dem muslimischen Ausland nach Deutschland und über sonstige finanzielle Transaktionen im Zusammenhang mit Moscheebauten sind schwer zu erlangen.200 Beim Bau derjenigen Moscheen, deren Trägervereine (später) dem türkischmuslimischen Dachverband DITIB angehören, wird meist erst die fertiggestellte 190

Barfuß, S. 75; Spuler-Stegemann, S. 277. Die Moschee am Columbiadamm in Berlin-Neukölln sollte zu 100 % aus Material- und Geldspenden finanziert werden, vgl. Aulich, Uwe (1997): Die Moschee ist dem Bezirksamt zu orientalisch, in: Berliner Zeitung, 26. Januar 1997; URL: http://www.berlinonline.de/berlinerzeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2001/0126/none/0012/index.html. 192 Diesen beschreibt Spuler-Stegemann, S. 276 f. 193 Koran, Sure 64,17. 194 Barfuß, S. 103; Leggewie/Jost/Rech, S. 81. 195 Dazu auch 2. Teil, D II. 1. dd) (2). 196 Leggewie/Jost/Rech, S. 30. 197 Ebenda, S. 25. 198 Leggewie/Jost/Rech verwenden den Ausdruck „Moscheenoffensive in der Diaspora“, vgl. S. 30 f.; Spuler-Stegemann, S. 150. 199 Spuler-Stegemann, S. 276. 200 Ebenda, S. 274. 191

E. Finanzierung der Moscheen

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Moschee an den Dachverband übereignet.201 Die in von der DITIB getragenen Moscheen tätigen Imame werden aber, zumindest indirekt, vom türkischen Staat besoldet.202

III. Geld von islamistischen Organisationen Im Zusammenhang mit der Finanzierung zeigt sich bereits eines der fundamentalen praktischen Probleme des Moscheebaus: Als Argument gegen den Bau einer Moschee wird häufig eingewandt, das Geld stamme von dubiosen fundamentalistischen islamischen Organisationen, zum Teil wiederum auch aus dem Ausland,203 welche entweder selbst islamistische Tendenzen aufwiesen oder aber über ein teils undurchsichtiges Netzwerk mit islamistischen Organisationen verwoben seien.204 Über die Finanzierung durch islamistische Organisationen würde deren bedenk­ liches Gedankengut in deutsche Moscheen getragen.205 Der Bau von Moscheen gehöre deshalb zu den bevorzugten Zielen der Operationen islamistischer Gruppen in Deutschland.206 Vorwürfe dieser Art häufen sich seit den islamistischen Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001 und der in diesem Zusammenhang erfolgten Aufdeckung islamistischer Strukturen in der Bundesrepublik. Der Nachweis solcher Verknüpfungen ist schwierig und dürfte nur selten gelingen. Er mag der Tätigkeit des dafür besser geeigneten Verfassungsschutzes vorbehalten bleiben. Dass das Baurecht kein geeignetes Mittel zur Verhinderung der Verbreitung des Terrors ist, dürfte für den Juristen auf der Hand liegen,207 dem Nicht-Juristen zum Teil jedoch nur sehr schwer begreiflich zu machen sein.208

IV. Unterstützung durch deutsche staatliche Einrichtungen Bisweilen bezuschussen die Kommunen den Bau von Moscheen bzw. den Erwerb der dafür erforderlichen Grundstücke.209 Öffentliche Mittel in größerem Maße oder Mittel des Bundes sind jedoch bisher für den Bau muslimischer Got 201

Wefing,  Heinrich (2004), Baut mehr Moscheen! Steine vom Staat: Ein Integrations­ programm für Berlin, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 285, 6. Dezember 2004, S. 33. 202 Spuler-Stegemann, S. 112; Leggewie/Jost/Rech, S. 31. 203 Vgl. Spuler-Stegemann, S. 276. 204 So auch Spekulationen bezüglich des in Berlin-Kreuzberg geplanten Maschari-­Zentrums, vgl. Wefing,  Heinrich (2004), Baut mehr Moscheen! Steine vom Staat: Ein Integrations­ programm für Berlin, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 285, 6. Dezember 2004, S. 33. 205 Vgl. Huber-Rudolf, S. 197; Spuler-Stegemann, S. 113. 206 Stoffels, Chris (2001): Bau der Moschee im Gewerbegebiet Top-West steht im Visier des Verfassungsschutzes, in: Neuß-Grevenbroicher Zeitung, Nr. 124, 30. Mai 2001, S. 36. 207 So auch der damalige Dormagener Bürgermeister Reinhard Hausschild, ebenda. 208 Vgl. Wefing, Heinrich (2004), Baut mehr Moscheen! Steine vom Staat: Ein Integrationsprogramm für Berlin, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 285, 6. Dezember 2004, S. 33. 209 Leggewie/Jost/Rech, S. 31.

52

1. Teil: Tatsächliche Rahmenbedingungen

teshäuser nicht aufgebracht worden.210 Zwar unterstützte z. B. die Stadt Lauingen das dortige Moscheeprojekt mit 100.000  DM; angesichts der Gesamtbaukosten von rund 1,8 Mio. DM und der Gewährung wesentlich höherer Summen an christliche Gemeinden darf dies zu Recht als vernachlässigbar bezeichnet werden.211 Im niederbayerischen Dingolfing bezuschusste die Stadt den Bau der dortigen Moschee immerhin mit 20 % der förderfähigen Baukosten.212 Fraglich ist, ob sich nach geltendem Recht eine Verpflichtung des Staates zur finanziellen Förderung von Moscheebauten bzw. zu deren Unterhaltung ergibt. Auf diesen Gedanken könnte man wegen des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG im Hinblick auf die zum Teil erheblichen vom Staat zur Unterstützung der Restaurierung und Unterhaltung christlicher Kirchen gewährten Mittel kommen. Es könnte aber auch jemandem einfallen, in der durch Art. 4 Abs. 1 und  2  GG gewährleisteten Religionsfreiheit neben der abwehrrechtlichen Komponente auch einen Leistungsanspruch213 entdecken zu wollen, der den Staat verpflichtet, den Bau muslimischer Gotteshäuser zur Ermöglichung der Ausübung der Religionsfreiheit finanziell zu unterstützen. Ein solcher „Anspruch auf die Finanzierung des Baus von Moscheen“ ist aber aus dem geltenden Recht nicht herleitbar.214 Das Grundrecht der Religionsfreiheit aus Art.  4  GG enthält eine der­ artige Anspruchskomponente nicht. Es ist primär ein Abwehrrecht. Zwar erlegt es dem Staat auch gewisse Schutz- und Sicherungspflichten auf und ist insoweit ein Leistungsgrundrecht.215 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts soll das Grundrecht auf Religionsfreiheit den Staat verpflichten, Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung zu sichern.216 Diese positive Dimension darf in ihrer Reichweite jedoch nicht überbewertet werden.217 Sie vermittelt keine Ansprüche auf finanzielle staatliche Leistungen218 oder gar auf die Bereitstellung von Kirchengebäuden.219 Aus Art. 4 GG kann der Einzelne oder eine Glaubensgemeinschaft keinen Anspruch darauf herleiten, der eigenen Glaubensüberzeugung mit staatlicher Hilfe Ausdruck zu verleihen.220 Für die Geltendmachung von

210

BT-Drs. 14/4530, S. 14. Barfuß, S. 104. 212 Spuler-Stegemann, S. 153. 213 Pagels, S. 61, 201 ff. 214 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 4, Rn. 108; gegen originäre Leistungsansprüche aus Art. 4 auch Germann in: Epping-Hillgruber, Art. 4, Rn. 61 ff. 215 Wenckstern, in: Umbach/Clemens, Art.  4, Rn.  32; zur Leistungskomponente vgl. auch Steiner, JuS 1982, 157 (163 f.) 216 BVerfG, Beschl. v. 17. Dezember 1975, BVerfGE 41, 29 (49); dasselb., Beschl. v. 16. Oktober 1979, BVerfGE 52, 223 (240 f.). 217 So auch Hellermann, in: Heitmeyer/Dollase, S. 389. 218 Hillgruber, JZ 1999, 538 (542); Mager, in: v. Münch/Kunig, Art. 4, Rn. 62; Kokott, in: Sachs, Art. 4, Rn. 70; ablehnend bzgl. finanzieller Mittel zum Erhalt eines Kirchengebäudes BVerwG, Urt. v. 15. November 1990, BVerwGE 87, 115 (133). 219 BVerwG, Urt. v. 15. November 1990, BVerwGE 87, 115 (133). 220 BVerfG, Beschl. v. 16. Mai 1995, BVerfGE 93, 1 (16). 211

E. Finanzierung der Moscheen

53

finanziellen Hilfen des Staates zugunsten der Religionsgemeinschaften gilt der Grundsatz, dass die Zuerkennung eine nicht einklagbare Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers ist, dessen Freiheit in aller Regel nicht durch Grundrechte eingeschränkt werden kann.221 Auch aus dem in Art. 3 GG verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz kann eine Verpflichtung des Staates zur finanziellen Unterstützung von Bau und Unterhaltung muslimischer Kultstätten nicht abgeleitet werden. Die noch bestehenden Verpflichtungen des Staates zur Unterstützung von christlichen Kirchen im Bereich des Kirchenbaus stammen aus weit vorkonstitutionellen Zeiten, nämlich aus § 36 des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803, und sind eine Folge der in diesem Beschluss vorgenommenen Säkularisierungen.222 Zunehmend wurden sie durch Vereinbarungen mit den christlichen Kirchen zur Baulast abgelöst. In Frankreich hatte der Präsident Nicolas Sarkozy in seiner damaligen Funktion als Finanzminister vorgeschlagen, den Bau von Moscheen aktiv von staatlicher Seite mit Steuermitteln zu fördern. Zur Begründung führt der Politiker aus, es diene der Integration muslimischer Einwanderer, wenn der Staat, in dem sie leben, den Bau ihrer kultischen Gebäude unterstütze, und sei erstrebenswerter als die derzeit stattfindende, undurchsichtige Finanzierung durch ausländische Stiftungen.223 Im Übrigen setze eine staatliche Finanzspritze für die muslimischen Einwanderer das deutliche Zeichen, dass ihre Präsenz nicht nur geduldet, sondern gar erwünscht sei. Auf diese Weise könne der Bau von Moscheen und damit die Entwicklung des Islam wenigstens im Auge behalten werden. Dieser Ansatz mag zwar idealistisch sein; dass er jedoch offenbar in Deutschland schon Berücksichtigung gefunden hat, zeigen die Bemühungen zur finanziellen Unterstützung von Moscheebauvorhaben durch einige betroffene Gemeinden. Angesichts der äußerst angespannten Haushaltslage vieler Kommunen, des Mangels an kommunalen Einrichtungen vielerorts und des häufig großen gesellschaftlichen Konfliktpotentials von Moscheebauvorhaben dürfte eine weitergehende Förderung muslimischer Bauvorhaben nicht dem gesellschaftlichen Konsens entsprechen und deshalb politisch nicht realisierbar sein. Die Aufforderung des Europäischen Parlaments vom 16.  September 1998224, „die Möglichkeit zu prüfen, der muslimischen Bevölkerung geeignete Orte und Einrichtungen für ihre religiösen … Rituale zur Verfügung zu stellen“, dürfte sich insofern auch lediglich auf eine wohlwollende baurechtliche Prüfung bezogen haben und keine Aufforderung gewesen sein, kostenfrei oder besonders kostengünstig Grundstücke zur Verfügung für den Bau von Moscheen bereitzuhalten.

221

Steiner, JuS 1982, 157 (164). Brümmer, S. 60a. 223 Vgl. Wefing, Heinrich (2004), Baut mehr Moscheen! Steine vom Staat: Ein Integrationsprogramm für Berlin, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 285, 6. Dezember 2004, S. 33. 224 BR-Drs. 822/98, S. 5. 222

54

1. Teil: Tatsächliche Rahmenbedingungen

Eine durchaus relevante staatliche Begünstigung des Moscheebaus findet überdies indirekt über das Vereins- bzw. Steuerrecht statt. Die weit überwiegende Mehrzahl von Moscheebauprojekten wird zumindest primär von den jeweiligen örtlichen Moscheevereinen durchgeführt. Meist sind diese in der Form des gemeinnützigen Vereins organisiert und können deshalb gemäß §§ 51 ff. (v. a. § 52) der Abgabenordnung (AO) viele Steuerprivilegien in Anspruch nehmen.225 So sind sie u. a. von der Gewerbesteuer (§ 3 GewStG), von der Vermögenssteuer (§ 3 Abs. 1 Nr. 12 VStG) und von der Körperschaftssteuer (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG) befreit.

F. Bauherr I. Mangelnde Transparenz Zwar ergibt sich der offizielle Bauherr aus den der Genehmigungsbehörde vorgelegten Unterlagen (vgl. §§ 51 und 57 LBauO Bln). Dies dürfte meist die örtliche Moscheegemeinde oder ein speziell zum Zwecke des Baus gegründeter Moscheebauverein sein. Dass diese Gemeinschaft jedoch auch der tatsächliche Betreiber und Verantwortliche für die Moschee ist, ist damit nicht gesagt. In Deutschland gibt es mittlerweile nur noch sehr wenige kleine, unabhängige, d. h. nicht in großen Dachverbänden organisierte Moscheevereine.226 So sollen derzeit ca. drei Viertel der deutschen Moscheen den großen Dachverbänden zuzuordnen sein.227 Diese Dachverbände sind europa- oder gar weltweit vernetzt und maßgeblich beteiligt an der Auswahl, Ausbildung und Besoldung der vor Ort tätigen Imame. Darüber hinaus halten sie engen Kontakt zu den politischen bzw. religiös-ideologischen Mutterorganisationen im Herkunftsland.228 Der Name der Moschee, der, wenn überhaupt, häufig nur auf arabisch am Eingang zu finden ist, sagt nur sehr selten etwas über den Betreiber und die Zuordnung zu einem Dachverband aus. Diese Ver­ quickungen verstärken häufig die in der Bevölkerung ohnehin vorhandene Angst davor, nicht zu wissen, welche, ggf. aus Verfassungsschutzgründen bedenkliche, Organisation wohl wirklich hinter einem Moscheebau steckt. Diese Bedenken sind nachvollziehbar, wirken sich jedoch auf die Anwendung des Baurechts in keiner Weise aus. Vielmehr bleibt die Überwachung der Tätigkeit islamischer und ggf. islamistischer Organisationen Aufgabe des Vereinsrechts. Wünschenswert wäre jedoch allein zur Vermeidung der örtlichen Konflikte eine größere Transparenz von Seiten der Moscheevereine.

225

Spuler-Stegemann, S. 102. Ebenda, S. 156. 227 Leggewie, S. 29. 228 Ebenda.

226

F. Bauherr

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II. Verhältnis der Ortsgemeinden zu den Verbänden Ob der örtliche Moscheeverein selbst als Bauherr in Erscheinung tritt, hängt wesentlich davon ab, welchem Dachverband er angehört. So ist zum Beispiel der Verband der Islamischen Kulturzentren e. V. (VIKZ) zentralistisch strukturiert. Seine über 300 Niederlassungen im Bundesgebiet stellen alle nur Zweigstellen des Verbandes dar, der nur in Köln an seinem Hauptsitz als eingetragener Verein auftaucht. Bei den Bauvorhaben des VIKZ tritt deshalb nie die Ortsgemeinde, sondern der Verband als Bauherr auf.229 Im Gegensatz dazu weist die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. (DITIB) eine dezentralistische Verwaltungsstruktur auf. Ihre mehr als 770 Ortsvereine sind zwar Mitglieder des Verbandes, der seinen Sitz wiederum in Köln hat, sind aber jeweils rechtlich selbstständig und treten deshalb in der Regel als Bauherr der Moscheevorhaben auf. Da als Teil der Verbandssatzung der DITIB die Unterstützung der Ortsgemeinden bei der Schaffung religiöser Einrichtungen vorgesehen ist, wird der ­DITIB die Mitwirkung bei Bauvorhaben gewährleistet.230 Diesen Einfluss übt der Verband beispielsweise durch die Vorgabe bestimmter Rahmenbedingungen als Raum­programm aus.231 Weniger eindeutig ist die Struktur der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e. V. (IGMG). Sie wird teilweise als Kombination aus zentralistischen, dezentralistischen und föderativen Elementen beschrieben.232 Neben abhängigen Ortsvereinen gehören eigenständige Vereine und Föderationen zur IGMG, die ihren Sitz in Bonn hat. Seit der Neuorganisation des Verbandes 1994/1995 ist zudem die Europäische Moscheebau- und unterstützungs Gemeinschaft e. V. (EMUG), die ihren Sitz in Köln hat, für die Verwaltung der Immobilien des Verbandes zuständig. Wegen des schwer durchschaubaren Aufbaus der IGMG lassen sich keine verallgemeinerungsfähigen Aussagen über die Zuständigkeit bei Moscheebauvorhaben machen. Allerdings ist die Kölner Zentrale direkt für alle Vereine zuständig, welche die Bezeichnung AMGT/IGMG-Ortsverein führen.233

229

Lemmen/Miehl, S. 26; zur zentralistischen Struktur des VIKZ vgl. Lemmen, S. 48. Lemmen, S. 35 f.; vgl. dazu auch Stelkens in: Sommerfeld, S. 149 ff., der sich kritisch mit der Frage auseinandersetzt, wie sich der Einfluss des türkischen Staates auf die DITIB auf deren verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte auswirkt. 231 Integrationsbeauftragter NRW, S. 8. 232 Lemmen, S. 40. 233 Die AMGT war die Vorgängerorganisation der IGMG, vgl. ebenda, S. 39. 230

2. Teil

Rechtliche Rahmenbedingungen für den Bau muslimischer Kultstätten A. Der einfachgesetzliche Rahmen für den Bau von Kultstätten I. Allgemeines 1. Einleitung Eine Moschee kann, wie jedes andere Gebäude auch, grundsätzlich nur im Einklang mit dem geltenden Baurecht errichtet werden. Folglich richtet sich die Beurteilung jedes Vorhabens zunächst nach dem einfachen Baurecht, welches in erster Linie im BauGB, in der BauNVO und den jeweiligen Landesbauordnungen niedergelegt ist. Deshalb soll, bevor auf die sich aufdrängenden verfassungsrechtlichen Aspekte der Thematik eingegangen wird, vorab in einer Art Bestandsaufnahme kurz skizziert werden, wie sich die baurechtliche Situation für das Vorhaben einer muslimischen Kultstätte ohne Berücksichtigung etwaiger verfassungsrechtlicher Bezüge, quasi „mit Scheuklappen“, darstellt.1 Auf die Berücksichtigung muslimischer Interessen im Rahmen der Bauleitplanung und auf die etwaigen Auswirkungen der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Moscheebaus auf Auslegung und Anwendung des öffentlichen Baurechts soll erst unter B. eingegangen werden. 2. Abgrenzung Bauplanungsrecht/Bauordnungsrecht Das öffentliche Baurecht lässt sich im Wesentlichen2 in zwei Bereiche unterteilen: das auch als Städtebaurecht bezeichnete Bauplanungsrecht und das Bauordnungsrecht. Die Abgrenzung beider Bereiche erfolgt über den Gegenstand der Regelung. 1 Nach Eindruck der Verfasserin entspricht dies im Übrigen der Vorgehensweise der zuständigen Genehmigungsbehörden, vgl. Integrationsbeauftragter NRW. In dieser 30-seitigen Publikation findet der verfassungsrechtliche Bezug an keiner Stelle Erwähnung. 2 Sonstige baurechtsrelevante Vorschriften (sog. Baunebenrecht), wie z. B. das Straßenrecht, sollen bei der vorliegenden Untersuchung außer Betracht bleiben.

A. Der einfachgesetzliche Rahmen

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Das Bauplanungsrecht ist insoweit flächenbezogen, als ihm primär die Aufgabe zukommt, die rechtliche Qualität des Bodens und seiner Nutzbarkeit innerhalb einer Gemeinde zu bestimmen.3 Gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG ist das Bodenrecht Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung; der Bund hat von dieser Gesetzgebungskompetenz im Wesentlichen durch Erlass des Baugesetzbuches und der Baunutzungsverordnung Gebrauch gemacht. Die Normen des Bauplanungsrechts regeln u. a. die Vorbereitung und Leitung der baulichen (und sonstigen) Nutzung der Grundstücke. Hauptinstrumente zu diesem Zweck sind die Bauleitpläne (Flächennutzungspläne und die als Satzung ergehenden Bebauungspläne) gemäß § 1 Abs.  2  BauGB, die die Rechtsqualität des Bodens festlegen, sowie die sog. Planersatznormen.4 Daneben erfasst das Städtebaurecht auch Vorschriften über städtebauliche Verträge, Enteignung und Entschädigung und Erschließung, die im Folgenden mangels eines unmittelbaren Bezugs zum Kultstättenbau aber nicht Thema der Ausführungen sein werden. Im Gegensatz dazu ist das Bauordnungsrecht Landesrecht5 und objektbezogen. Traditionell war es als Baupolizeirecht Gefahrenabwehrrecht. Als materielles Bauordnungsrecht regelt es die baukonstruktiven, bauwirtschaftlichen und bau­gestalterischen Anforderungen an eine konkrete bauliche Anlage. Als formelles Bauordnungsrecht beinhaltet es die Vorschriften über das bauaufsichtliche Verfahren, in welchem neben dem materiellen Bauordnungsrecht und dem Baunebenrecht vor allem das Bauplanungsrecht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit von Vorhaben vollzogen wird. Diese Verfahrenskonzentration stellt im Einzelfall eines konkreten Vorhabens die Verbindung zwischen dem flächenbezogenen Bauplanungsrecht und dem objektbezogenen Bauordnungsrecht her. Trotz dieser eindeutig scheinenden Abgrenzung beider Regelungskomplexe kommt es in einzelnen Punkten zu Überschneidungen: So gehören baugestalterische Aspekte, wie etwa das Verunstaltungsverbot (Art. 3 Abs. 1 Satz 3 BayBO, § 9 Abs. 1 BauO Bln) oder die Gestaltungspflege durch örtliche Bauvorschriften (Art. 81 BayBO6) zwar grundsätzlich zum typischen Kern des Bauordnungsrechts; in einzelnen bauplanungsrechtlichen Vorschriften, wie etwa in § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB und § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB oder in baugestalterischen Festsetzungen in Bebauungsplänen gemäß § 9 Abs. 4 BauGB können jedoch auch baugestalterische Erwägungen eine Rolle spielen.7



3



4

BVerfG, Gutachten v. 16. Juni 1956, BVerfGE 3, 407 (423 f.). Oldiges, in: Steiner: S. 449, Rn. 171. 5 Das Bauordnungsrecht der einzelnen Länder ist sehr ähnlich. Im Folgenden sollen deshalb, soweit einzelne Normen aufgeführt werden, nur beispielhaft solche des bayerischen und/ oder des Berliner Landesrechts zitiert werden. 6 In Berlin gibt es keine Art. 81 BayBO entsprechende Vorschrift. 7 Zur Abgrenzung vgl. Kamp, S. 2, 115 ff.

58

2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

3. Genehmigungsbedürftigkeit Bei dem Bau einer muslimischen Kultstätte oder der Nutzungsänderung von Wohn- oder Gewerberäumen zu Gebetsräumen handelt es sich um bauliche Anlagen im Sinne der jeweiligen Landesbauordnungen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 ­BauOBln, Art.  2 Abs.  1  Satz  1  BayBO). In den meisten Fällen dürften Moscheevorhaben wegen ihrer Größe und ihres Charakters als Versammlungsstätte als Sonderbauten im Sinne der Landesbauordnungen gelten (vgl. § 2 Abs.  4, insbesondere Nr. 7a ­BauOBln, Art. 2 Abs. 4 Satz 2, insbesondere Nr. 6 BayBO). Aus diesem Grund unterliegen sie in aller Regel der uneingeschränkten Genehmigungspflicht (§§ 60 Abs. 1, 64 Satz 1, 65 BauOBln, Art. 62 Satz 1, 72 BayBO). Allerdings ist die sog. Versammlungsstättenverordnung nicht auf Moscheen anwendbar, da es sich dabei um Räume handelt, die primär zu gottesdienstlichen Zwecken bestimmt sind, vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 VStättVO Bln, § 1 Abs. 3 Nr. 1 BayVStättV.

II. Bauplanungsrecht 1. Allgemeines Die zuständige Behörde prüft im Rahmen des Genehmigungsverfahrens die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den „öffentlich-rechtlichen Vorschriften“. Dies sind insbesondere die §§ 29 ff. BauGB, welche die städtebauliche Zulässigkeit von Bauvorhaben betreffen. Beim Bau einer islamischen Kultstätte oder einer entsprechenden Nutzungsänderung handelt es sich stets um ein Vorhaben im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB: Es betrifft die Errichtung oder Änderung einer baulichen Anlage8 mit planungsrechtlicher Relevanz. Diesbezüglich ist danach zu differenzieren, wie das Grundstück, das bebaut werden soll, städtebaulich einzuordnen ist, d. h. ob für das betroffene Gebiet ein Bebauungsplan besteht, welche Art von Festsetzungen dieser enthält bzw. wie sich das Gebiet im Fall des Fehlens eines Bebauungsplans darstellt.



8 Nach der Rechtsprechung ist eine bauliche Anlage im Sinne von § 29  BauGB eine auf Dauer mit dem Erdboden verbundene künstliche Anlage mit bodenrechtlicher Relevanz, wobei sich die Dauer nach der Funktion bestimmt, die der Anlage von ihrem Eigentümer beigemessen wird. Planungsrechtliche Relevanz ist gegeben, wenn die in § 1 Abs. 5 BauGB genannten Belange in einer Weise berührt werden können, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer die Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen, st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v. 31. August 1973, BVerwGE 44, 59 (61 f.).

A. Der einfachgesetzliche Rahmen

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2. Die Zulässigkeit muslimischer Kultstätten im Bebauungsplangebiet a) Vorliegen eines (qualifizierten) Bebauungsplans Besteht für das Gebiet, in dem sich das zu bebauende Grundstück befindet, ein Bebauungsplan, so ist zunächst danach zu differenzieren, ob es sich um einen Bebauungsplan im Sinne von § 30 Abs.  1  BauGB handelt (sog. qualifizierter Bebauungsplan), oder ob lediglich ein sog. einfacher Bebauungsplan im Sinne von § 30 Abs.  3  BauGB vorliegt. Ein qualifizierter Bebauungsplan muss mindestens Festsetzungen über Art und Maß der baulichen Nutzung, über die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthalten. Enthält der Bebauungsplan solche Festsetzungen nicht, richtet sich die Zulässigkeit ergänzend nach §§ 34, 35 BauGB, den für nicht qualifiziert überplante Gebiete maßgeblichen Vorschriften. Im Gebiet eines qualifizierten Bebauungsplans ist ein Vorhaben gemäß § 30 Abs. 1 BauGB zulässig, wenn es den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Ohne Weiteres zulässig ist ein sakrales Vorhaben, wenn der Bebauungsplan –  seine Rechtmäßigkeit unterstellt  – ausdrücklich religiöse bzw. kirchliche Bauten zulässt. Wenn der Bebauungsplan hingegen keine ausdrücklichen Festsetzungen für religiöse Bauten trifft, richtet sich die Zulässigkeit nach den für das betreffende Baugebiet generell zulässigen Nutzungsarten. b) Zulässigkeit nach der BauNVO § 1 Abs. 2 BauNVO typisiert die Baugebiete, die gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauNVO in einem Bebauungsplan festgesetzt werden können. Durch die Festsetzung, die meistens lediglich in der Verwendung des von der BauNVO festgelegten „Kür­ zels“9 besteht, werden die §§ 2 bis 14 BauNVO Bestandteil des Bebauungsplans, wenn dieser nicht ausdrücklich Abweichungen vorsieht (§ 1 Abs. 4–10 BauNVO). Die §§ 2–14 BauNVO sind jeweils übereinstimmend aufgebaut: Zunächst wird in Abs. 1 der jeweiligen Vorschrift der Gebietstyp mit seinem Zweck kurz skizziert. In Abs. 2  werden die in diesem Gebietstyp zulässigen Nutzungen auf­gezählt, während in Abs. 3 der Vorschriften ausnahmsweise zulässige Nutzungen beschrieben werden. Der Bau einer muslimischen Kultstätte ist überall dort zulässig, wo der Gebietstyp „Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke“ vorsieht. Islamische Gemeinde- oder Kulturzentren sowie Koranschulen,

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Vgl. Anlage zur PlanzV 90 unter 1.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

islamische Kindergärten10 etc. fallen –  sofern man sie nicht sogar teilweise als kirchliche Anlagen einordnen will – zumindest unter den Begriff der Anlage für kulturelle bzw. soziale Zwecke.11 Danach sind islamische Kultstätten in nahezu jedem Baugebietstyp der BauNVO zulässig: Während sie in allgemeinen Wohngebieten (WA, § 4 BauNVO), besonderen Wohngebieten (WB, § 4a BauNVO), Dorfgebieten (MD, § 5 BauNVO), Mischgebieten (MI, § 6 BauNVO) und Kerngebieten (MK, § 7 BauNVO) zur regelmäßigen Bebauung zählen, können sie in Kleinsiedlungsgebieten (WS, § 2 BauNVO), reinen Wohngebieten (WR, § 3 BauNVO), Gewerbegebieten (GE, § 8 BauNVO) und Industriegebieten (GI, § 9 BauNVO) ausnahmsweise zugelassen werden. Eine Moschee oder sonstige Kultstätte kann jedoch, wie jede andere in den §§ 2–9  BauNVO genannten Anlage, gemäß § 15  Abs.  1  BauNVO (sog. Rücksichtnahmegebot) unzulässig sein, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widerspricht, von ihr unzumutbare Belästigungen oder Störungen ausgehen oder die betroffene Anlage solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt ist, wobei diese Beurteilung unter Zugrundelegung der städtebaulichen Ziele und Grundsätze des § 1 Abs. 5 BauGB zu erfolgen hat. In Sondergebieten (§ 10 BauNVO) sind Kultstätten ebenfalls möglich, wenn sie der (religiösen) Versorgung des Gebiets dienen, seiner Eigenart entsprechen und vom Bebauungsplan als allgemein oder zumindest ausnahmsweise zulässig festgesetzt werden (§ 10 Abs. 2 Satz 2 BauNVO). Da der Katalog der sonstigen Sondergebiete in § 11 Abs. 2 BauNVO nicht abschließend ist, wäre es theoretisch auch denkbar, dass ein Bebauungsplan ein Sondergebiet speziell für religiöse Zwecke ausweist.12 c) Ausnahmen und Befreiungen Ist das Vorhaben nach den vorhandenen Festsetzungen nicht zulässig, besteht die Möglichkeit, nach § 31 BauGB eine Ausnahme oder Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu erreichen. Eine Ausnahme im Sinne von § 31 Abs. 1 BauGB ermöglicht es dem Bauherrn, ein Bauvorhaben durchzuführen, welches zwar in dem betreffenden Gebietstyp in der Regel nicht vorgesehen ist, für das jedoch der Bebauungsplan selbst oder die gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO

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Hammer, KuR 2000, 179 (186). Dabei handelt es sich, wie später noch auszuführen sein wird, bei einer Moschee um eine Anlage für kirchliche Zwecke, da dieser Begriff nicht nur sakrale Nutzungen durch die christ­ lichen Kirchen erfasst, sondern als Ausfluss des staatlichen Neutralitätsgebots neutral ausgelegt werden muss, vgl. VG Frankfurt a. M., Urt. v. 29. August 2001, NVwZ-RR 2002, 175 ff.; Hammer, KuR 2000, 179 (187); Stock, in: König/Roeser/Stock, § 4, Rn. 47. 12 Hammer, KuR 2000, 179 (188).

A. Der einfachgesetzliche Rahmen

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zum Bestandteil des Bebauungsplans gewordenen, in den Absätzen 3 der §§ 2–14 BauNVO enthaltenen Ausnahmeregelungen der BauNVO ausdrücklich eine solche Ausnahme vorsehen. Das Paradebeispiel in diesem Zusammenhang dürfte die Erteilung einer Ausnahme für den Bau einer Moschee in einem Gewerbe­ gebiet darstellen (§ 31 Abs.  1  BauGB i. V. m. § 8 Abs.  3  Nr.  2  BauNVO). Eine Befreiung ist nur unter den erweiterten Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB zulässig. 3. Die Zulässigkeit von muslimischen Kultstätten im unbeplanten Bereich In Gebieten, für die kein Bebauungsplan vorliegt oder bei denen der für sie gültige Bebauungsplan nicht den Erfordernissen des § 30 Abs. 1 BauGB entspricht, richtet sich (bei einfachen Bebauungsplänen gemäß § 30 Abs. 3 BauGB) die Beurteilung der Zulässigkeit nach §§ 34, 35 BauGB. Eigens auf kirchliche oder religiöse Stätten zugeschnittene Regelungen sucht man in diesen Vorschriften vergeblich. Innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils (sog. Innenbereich) ist ein Vorhaben gemäß § 34 Abs. 1 BauGB zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, nach der Bauweise sowie der zu überbauenden Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, die Erschließung gesichert ist, die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben und das Ortsbild nicht beeinträchtigt wird. Entspricht dabei das betroffene Gebiet einem der Gebiete der BauNVO (sog. homogener Innenbereich), so dienen deren Regelungen über die Art der baulichen Nutzung als „Planersatz“, und die Zulässigkeit einer islamischen Kultstätte ist diesbezüglich wie unter A. II. 2 b) beschrieben zu beurteilen. Handelt es sich nicht um einen solchen homogenen Innenbereich, gilt es zunächst, den Bereich der Umgebung festzustellen, auf den sich die geplante Kultstätte auswirken kann. Sodann muss die vorhandene Bebauung beurteilt werden: Diese steckt den „Rahmen“ ab, in den sich die geplante Kultstätte einzufügen hat. Einfügen bedeutet dabei aber nicht zwangsläufig, dass in der Umgebung schon islamische Kultstätten oder andere religiöse Einrichtungen vorhanden sein müssen.13 Entscheidend ist, dass die Kultstätte als das hinzutretende Vorhaben keine wesentlichen bodenrechtlichen Spannungen begründet oder verstärkt und dem Rücksichtnahmegebot des § 15 BauNVO entsprechend die Nachbarn nicht unzumutbar beeinträchtigt. Überschreitet die geplante Kultstätte nach Art oder Maß der Bebauung oder der überbaubaren Grundstücksfläche den vorhandenen Rahmen, kann sie sich gleich

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Battis/Krautzberger/Löhr, § 34, Rn. 16.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

wohl ausnahmsweise einfügen, wenn durch den Bau keine bodenrechtlichen Spannungen begründet oder erhöht werden.14 Besteht für ein Gebiet kein qualifizierter Bebauungsplan und handelt es sich nicht um einen Innenbereich im Sinne von § 34 BauGB, richtet sich die Zulässigkeit nach § 35  BauGB, der für den sog. Außenbereich maßgeblichen Vorschrift, die wiederum keine Sonderregelung für kirchliche Einrichtungen vorsieht. Die Frage nach der Zulässigkeit muslimischer Kultstätten im Außenbereich dürfte allerdings eher theoretischer Natur sein. Soweit ersichtlich gab es bislang mit einer Ausnahme15 keine Bestrebungen von muslimischer Seite, eine neue Kultstätte im Außen­bereich zu errichten. Allerdings sind Fälle bekannt geworden, in denen vorhandene Gebäude im Außenbereich als Moscheen umgenutzt wurden.16 Der Außenbereich soll grundsätzlich von Bebauung freigehalten werden. Ausnahmen hiervon stellen sog. privilegierte Vorhaben dar, die in Abs. 1 enumerativ aufgezählt sind. Für den Bau einer islamischen Kultstätte könnte einzig § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB einschlägig sein. Danach sind Vorhaben zulässig, die wegen ihrer besonderen Anforderung an die Umgebung, wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder ihrer besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen, wenn die Erschließung gesichert ist und öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Eine islamische Kultstätte dient, wie auch christliche religiöse Einrichtungen, der Religionsausübung, die dem Bereich der persönlichen Lebensgestaltung zuzuordnen ist und deshalb eher in der Nähe der Wohnbebauung17 als weit entfernt davon im Außenbereich stattfinden sollte. Eine Moschee stellt auch grundsätzlich keine besonderen Anforderungen an ihre Umgebung, die nur im Außenbereich gegeben wären. Ebenso wenig gehen von ihr im städtebaulichen Sinn derart nachteilige Wirkungen aus, dass ein Bau im Außenbereich geradezu geboten wäre. Sonstige, nicht privilegierte Vorhaben können gemäß § 35 Abs.  2  BauGB im Einzelfall zugelassen werden, wenn die Erschließung gesichert ist und öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden.

III. Bauordnungsrecht Im Bauordnungsrecht finden sich keine Vorschriften, die Sonderregelungen für religiöse Bauten vorsehen. Wegen der Vielfalt der zu beachtenden Vorschriften muss die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit einer muslimischen Kultstätte jeweils im Einzelfall beurteilt werden.



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Siehe dazu 2. Teil, B. IV. 2. d) dd) (3). Die Moschee am Columbiadamm in Berlin-Neukölln. 16 Zemke, S. 143. 17 Hammer, KuR 2000, 179 (189).

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden I. Allgemeines Die aufgezeigten baurechtlichen Vorschriften sowie die Erfahrungen vieler Bauherrn aus der Praxis beweisen, dass der Bau einer islamischen Kultstätte aus baurechtlicher Sicht nicht immer ohne Weiteres zu verwirklichen ist bzw. den Gestaltungswünschen der Muslime durch das Baurecht Grenzen gesetzt sind. Im Gebiet eines qualifizierten Bebauungsplans kommt eine Kultstätte grundsätzlich nur dort in Betracht, wo die BauNVO die Nutzungsmöglichkeit als Anlage für kirchliche Zwecke vorsieht. Bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung und der überbaubaren Grundstücksfläche enthält der Bebauungsplan gegebenenfalls Festsetzungen, welche dem Bau einer (großen) Moschee entgegenstehen. Vielleicht sieht der Bebauungsplan auch lediglich Sattel- oder Scheddächer vor, wohingegen die geplante Moschee nach dem Willen des Bauherrn eine Kuppel erhalten soll.18 Im unbeplanten Innenbereich sprengt eine äußerlich als solche erkennbare Moschee vielleicht den von der vorhandenen Bebauung gebotenen Rahmen und ist aus diesem Grund prima facie unzulässig. Schließlich könnte man wegen der nicht von der Hand zu weisenden, häufig im Zusammenhang mit dem Bau von islamischen Kultstätten auftauchenden gesellschaftlichen Spannungen darauf schließen, dass durch den Bau einer Moschee oder eines sonstigen von Moslems zu kultischen Zwecken genutzten Gebäudes die Nachbarn unzumutbaren Beeinträchtigungen ausgesetzt werden und das Rücksichtnahmegebot verletzt wird. Gelegentlich wird propagiert, der Bau von Moscheen und sonstigen muslimischen Kultstätten könne schon deshalb nicht mit baurechtlichen Mitteln verhindert werden, da das Bauen von religiösen Gebäuden vom Grundrecht auf Religionsfreiheit geschützt sei.19 Andererseits scheint es so, als werde in der Praxis vielfach keinerlei Augenmerk auf etwaige verfassungsrechtliche Bezüge beim Bau islamischer Kultstätten gelegt. Teilweise wird ein Bezug zur Religionsfreiheit anerkannt, dieser jedoch bei der Anwendung des Baurechts schlicht ignoriert.20 Gemäß Art. 1 Abs. 3 GG unterliegt die Ausübung jeder Form staatlicher Gewalt der Bindung an die Grundrechte. Die Frage nach der verfassungsrechtlichen Relevanz des Kultstättenbaus darf demnach nicht unbeantwortet bleiben. Obwohl also

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Vgl. Integrationsbeauftragter NRW, S. 9. So auch teilweise die Argumentation der muslimischen Bauherrn in Verwaltungsstreitigkeiten. 20 Vgl. Bayer, S. 205, Fn. 364; vgl. letztlich auch Zemke, der zwar zu dem Ergebnis kommt, dass der Bau von Moscheen eindeutig unter die Religionsfreiheit falle (S.  4), daraus aber für das anzuwendende Baurecht (im Gegensatz zu seinen Ausführungen zum Muezzinruf, vgl. S. 49 ff.) letztlich keinerlei Schlussfolgerungen zieht (S. 102).

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

der Bau von muslimischen Kultstätten primär am einfachen Baurecht zu messen ist, kommt es für dessen Zulässigkeit und die Auslegung der einfachgesetzlichen baurechtlichen Regelungen entscheidend auf die Reichweite der grundrechtlichen Gewährleistung an.21 Dabei soll im Folgenden primär die Frage nach der Einschlägigkeit der in Art. 4 GG gewährleisteten Religionsfreiheit und deren Implikationen geklärt werden. Selbstredend können die betroffenen Bauherren ihren Bauwunsch (auch) auf den im einfachen Baurecht, insbesondere durch Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO, konkretisierten Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG oder, wenn sie auf fremdem Grund bauen oder ein bereits gebautes Gebäude nutzen wollen, auf Art. 2 Abs. 1 GG22 stützen. Da sich daraus jedoch keinerlei Besonderheiten gegenüber profan genutzten Gebäuden ergeben, unterbleibt eine eingehende Prüfung dieser Grundrechte, deren Einschlägigkeit als selbstverständlich unterstellt werden darf. Relevant wird diese Frage nur im Rahmen der Grundrechtskonkurrenzen.

II. Das Grundrecht der Religionsfreiheit 1. Der sachliche Schutzbereich a) Die einzelnen Gewährleistungen Bei unbefangener Lektüre des Wortlauts von Art.  4 Abs.  1 und 2  GG ergibt der textliche Befund vier verschiedene Gewährleistungen: die Glaubensfreiheit, die Gewissensfreiheit, die Bekenntnisfreiheit und die Freiheit der Religionsausübung.23 Die Glaubensfreiheit im engeren Sinn schützt zunächst das sog. forum internum, also das Recht, einen beliebigen Glauben oder eine weltanschau­liche Überzeugung zu haben oder nicht zu haben bzw. diese(n) zu wechseln.24 Die Bekenntnisfreiheit gewährleistet hingegen das Recht, religiöse und religiös motivierte Überzeugungen in der Öffentlichkeit zu vertreten und hat deshalb die Glaubensfreiheit bereits begrifflich und inhaltlich zum Ausgangspunkt.25 Wie weit dagegen der durch die Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 Abs. 2 GG) gewährleistete Grundrechtsschutz geht, ist umstritten. Während nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts Art. 4 Abs. 2 GG lediglich die deklaratorische Feststellung enthält, dass die Religion und Weltanschauung betreffenden Freiheiten des Abs. 1 21 Zu kurz greift deshalb auch die Auffassung von Stelkens, der meint, aus dem Grundrecht der Religionsfreiheit folge nichts zum konkreten Baugrundstück einer geplanten Moschee, zu deren Lage, Größe oder Architektur und zur Notwendigkeit eines Minaretts. Vgl. ders. in: Sommerfeld, S. 147. 22 Vgl. VGH München, Urt. v. 29. August 1996, NVwZ 1997, 1016 (1018). 23 Morlok, in: Dreier, Art. 4, Rn. 52; Pieroth/Schlink, Rn. 503. 24 Vgl. Listl, in: HdbStKirchR, § 14, S. 455. 25 Ebenda, S. 455 f.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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auch Gemeinschaften zustehen,26 schützt nach anderer Ansicht die Religions­ ausübungsfreiheit alle religiös oder weltanschaulich motivierten Verhaltensweisen, die über das Glauben und Reden hinausgehen.27 Eine restriktivere Ansicht, die sich in erster Linie an historischen Bezügen und der deutschen Übersetzung des lateinischen „exercitium religionis publicum“ orientiert, sieht als von der Religionsausübungsfreiheit im Sinne von Art. 4 Abs. 2 GG gedeckt nur Kultushandlungen im engeren Sinn an.28 Das Recht auf Gewissensfreiheit war historisch gesehen eine Form erster minimaler Toleranz gegenüber religiösen Minderheiten und schützte ursprünglich im Gegensatz zum exercitium religionis publicum, welches ausschließlich der jeweiligen Hauptkonfession einer Gegend zustand, nur die Religionsausübung im privaten Rahmen, die sog. devotio domestica simplex (Hausandacht).29 Die heutige Bedeutung der Gewährleistung der Gewissensfreiheit hat sich von dieser ursprünglichen weit entfernt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fällt unter den Begriff des Gewissens jede ernstliche, sittliche, d. h. an den Kriterien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte.30 Dabei beschränkt sich die Gewissensfreiheit nach h. M. nicht auf das ­forum internum, sondern erfasst auch die Freiheit, von der öffentlichen Gewalt nicht verpflichtet zu werden, gegen Gebote und Verbote des Gewissens zu handeln.31 b) Die Religionsfreiheit als einheitliches Grundrecht Das Verhältnis, in dem die einzelnen in Art.  4 Abs.  1  und 2  GG genannten Freiheiten zueinander stehen, ist in der Rechtswissenschaft seit langem umstritten.32 Wegen der inhaltlichen Überlagerungen und Überschneidungen der einzelnen Rechte sind diese kaum exakt voneinander abzugrenzen.33 Deshalb wird in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und von der wohl herrschenden Lehre meist nur die Gewissensfreiheit als eigenständiges Grundrecht ausgeklammert34, wohingegen die übrigen von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleisteten Freiheiten als einheitliches Grundrecht angesehen werden.35

26 BVerfG, Urt. v. 16. Oktober 1968, BVerfGE 24, 236 (245 f.); vgl. Mager, in: v. Münch/Kunig, Art. 4, Rn. 54. 27 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 4, Rn. 64. 28 Mager, in: v. Münch/Kunig, Art. 4, Rn. 54 f. m. w. N. 29 Listl, in: HdbStKirchR, § 14, S. 458. 30 BVerfG, Beschl.  v.  20.  Dezember 1962, BVerfGE  12, 45 (54 f.); dass., Urt.  v.  13. April 1978, BVerfGE 48, 127 (173). 31 Mager, in: v. Münch/Kunig, Art. 4, Rn. 23 m. w. N. 32 Vgl. Kokott, in: Sachs, Art. 4, Rn. 11. 33 So auch Listl, in: HdbStKirchR, § 14, S. 454. 34 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 4, Rn. 1; Wenckstern, in: Umbach/Clemens, Art. 4, Rn. 46. 35 Vgl. u. a. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 4, Rn. 1; a. A. Muckel, NWVBl 1998, 1 (3).

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Im Zusammenhang mit den vielfältigen Problemen, die sich vor allem daraus ergeben, dass sich zunehmend nicht-christliche Religionsgemeinschaften und Gruppierungen auf ein ihnen wirklich oder vermeintlich zustehendes Grundrecht aus Art. 4 GG berufen, werden wieder Stimmen lauter, die für eine Aufspaltung des Grundrechts in seine einzelnen Gewährleistungen plädieren.36 Da sich diese Unterscheidung in erster Linie im Rahmen der Debatte um die anwendbaren Grundrechtsschranken auswirkt, soll darauf erst an späterer Stelle eingegangen werden.37 Die Bezeichnung des jedoch gemeinhin (noch) als einheitlich angesehenen Grundrechts wird wenig einmütig gehandhabt: Während das Bundesverfassungsgericht von Glaubensfreiheit38 oder von Religionsfreiheit39 spricht, wird in der Wissenschaft häufig der Begriff der Religions- und Weltanschauungsfreiheit40 oder der Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit41 verwendet. Teilweise wird der Begriff der Religionsfreiheit als unzulänglich angesehen, da er areligiöse, rein weltanschauliche Bekenntnisse ausschließe und der Begriff der Glaubensfreiheit als umfassender bevorzugt.42 Im Folgenden wird hingegen primär der Begriff der Religionsfreiheit verwendet werden, da im Zusammenhang mit der Betätigung muslimischer Personen und Organisationen außer Frage stehen dürfte, dass es sich – im Gegensatz zu rein weltanschaulichen Bekenntnissen – um eine Religion handelt. c) Geltung der Religionsfreiheit für nicht-christliche Religionen aa) Allgemeines Die islamische Religion und Kultur erscheint vielen Deutschen und anderen Mitteleuropäern noch immer fremd.43 Immer wieder taucht deshalb im Zusammenhang mit der religiösen Betätigung muslimischer und anderer nicht-christ­ licher Glaubensgemeinschaften oder einzelner Gläubiger die Behauptung auf, von der Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG seien nur christliche Verhaltensweisen oder Gebräuche gedeckt bzw. zumindest bliebe der Schutz des Grundgesetzes im Hinblick auf nicht-christliche Religionsausübung hinter dem für die 36 Muckel, in: Friauf/Höfling, Art. 4, Rn. 6; Höfling, in: FS Rüfner, S. 333; Kästner, JZ 1998, 974 (979). 37 Vgl. 2. Teil B. II. 4. g). 38 BVerfG, Beschl. v. 19. Oktober 1971, BVerfGE 32, 98 (106 f.); dass., Beschl. v. 16. Mai 1995, BVerfGE 93, 1 (15 f.); dass., Urt. v. 24. September 2003, BVerfGE 108, 282 ff. 39 BVerfG, Beschl. v. 5. Februar 1991, BVerfGE 83, 341 (354). 40 So z. B. BVerwG, Urt. v. 27. März 1992, BVerwGE 90, 112 (122 f.). 41 So Alberts, NVwZ 1992, 1164 ff. 42 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 4, Rn. 2 m. w. N.; Steiner, JuS 1982, 157 (158). 43 Hillgruber, JZ 1999, 538; Loschelder, in: EssGespr 20 (1986), S. 149; vgl. auch Marré, KuR 1996, 197 (201), der vom „neuen und fremden Glauben“ spricht.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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christliche Betätigung zurück.44 So wurde sogar behauptet, der Bau „heidnischer Tempel, die als solche erkennbar seien und damit einen militanten Einbruch in jene geistigen Fundamente unserer Ordnung enthielten“, müsse verhindert werden.45 Im Gegensatz zu den meisten Bauvorhaben anderer Religionsgemeinschaften führt der Bau einer muslimischen Kultstätte in der Bundesrepublik immer wieder zu vehementer Ablehnung durch die ortsansässige Bevölkerung. Da sich in diesem Zusammenhang die gegen die muslimischen Bauvorhaben vorgebrachten Argumente nahezu gebetsmühlenartig wiederholen, erscheint zunächst eine eingehende Untersuchung der Geltung der Religionsfreiheit für den Islam geboten. bb) Beschränkung aus historischen Gründen Die Religionsfreiheit bezog sich im geschichtlichen Zusammenhang zunächst auf die christlichen Religionsgemeinschaften.46 Es dürfte kaum bestritten werden können, dass auch die Väter des Grundgesetzes im Zusammenhang mit der Gewährleistung der Religionsfreiheit primär an christliche Religionsgemeinschaften, vielleicht an das Judentum, nicht jedoch an den Islam gedacht haben dürften.47 Aus dieser Tatsache, die sich nicht mit spezifischen Absichten der Verfassungsgeber, sondern schlichtweg mit dem beschränkten Religionserfahrungen der Väter des Grundgesetzes erklären lässt, wird vereinzelt ein rein christlich geprägter bzw. europazentrierter Religionsbegriff vertreten.48 Auf diese Weise soll verhindert werden, dass „fremden“ Religionen der durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG vermittelte Schutz zuteil wird. So ist auch nicht gänzlich unumstritten, ob dem Islam der uneingeschränkte Grundrechtsschutz der Religionsfreiheit zukommt.49 Eine schon länger zurückliegende und zumindest in der Rechtswissenschaft vereinzelt gebliebene bzw. überholte Ansicht will aus historischen Gründen den Bau von Kultstätten nur denjenigen Religionsgemeinschaften gestatten, die dem christlich-abendländischen Kulturkreis entstammen.50 Eine vernünftige Begründung lassen diese Ansichten, die teils mehr, teils weniger bemüht, ihren – so darf man vermuten – xenophoben Ansatz hinter einer historisierenden Betrachtungsweise zu verstecken suchen, hingegen vermissen. Es dürfte auf der Hand liegen, dass eine solche Schutzbereichseinschränkung rein auf der Basis angeblich historischer Auslegung 44 Janz/Rademacher, NVwZ 1999, 706 (710) weisen in Fn. 48 zutreffend darauf hin, dass dies in der juristischen Literatur wenig verbreitet ist. 45 Hamel, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Art. 4, S. 81. 46 Vgl. dazu Brümmer, S. 57. 47 Vgl. Ennuschat, NJW 1998, 953 (954); Hillgruber, JZ 1999, 538 (540). 48 Hamel, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Art.  4, S.  79; Isensee, in: EssGespr  19 (1985), 144; ders., in: EssGespr 20 (1986), 186; Loschelder, in: EssGespr 20 (1986), S. 149, 152 ff., 158; ablehnend dagegen Diringer, BayVBl 2005, 97 (101), der im Übrigen zutreffend darauf hinweist, dass die Bezeichnung „europazentrisch und christlich geprägt“ angesichts der christlichen Ursprünge im Nahen Osten ein Paradoxon darstellt. 49 Hellermann, in: Heitmeyer/Dollase, S. 384. 50 So Hamel, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Art. 4, S. 79.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

mit den gesellschaftlichen Realitäten eines toleranten, pluralistischen Verfassungsstaats nicht vereinbar ist. Deshalb geht die herrschende Meinung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von einem weiten Religionsbegriff aus, der den Grundrechtsschutz nicht-christlichen bzw. nicht-abendländischen ebenso zugesteht wie den christlichen Kirchen und sonstigen Religionsgemeinschaften und auch Minderheitenreligionen erfasst.51 Zwar mag der Verfassungsgeber des Grundgesetzes mangels ständiger Konfrontation mit außereuropäischen Religionen diese nicht unmittelbar im Blick gehabt haben. Die religionsfeindlichen Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus sowie die Tatsache, dass eine Verfassung stets aus sich heraus so abstrakt und dynamisch sein muss, dass sie es auch mit neueren tatsächlichen gesellschaftlichen Entwicklungen aufnehmen kann, sprechen aber eindeutig dafür, dass jedenfalls nicht aus historischen Erwägungen bestimmte Religionen aus dem Schutzbereich der Religionsfreiheit fallen dürfen, sondern im Grundsatz nicht nur „bekannte und bewährte“ Glaubenshaltungen52, sondern alle religiösen Richtungen erfasst sein müssen.53 Soweit aus den teilweise in das Grundgesetz übernommenen staatskirchenrechtlichen Bestimmungen der Weimarer Republik eine dem Grundgesetz zugrundeliegende Bevorzugung christlicher Religionsgemeinschaften hergeleitet wird, steht dem entgegen, dass heute grundsätzlich Glaubensgemeinschaften jeder Provenienz und Ausrichtung die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts erlangen können, wenn sie nur die Mindestvoraussetzungen54 erfüllen.55 cc) Berufung auf die Präambel „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen,“ – so die Präambel des Grundgesetzes – „… hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“ Dieser Gottesbezug wird häufig als Beleg dafür herangezogen, dass es sich beim Grundgesetz um eine „christliche“ Verfassung handele, im Rahmen derer der Schutz nicht-christlicher Religionen hinter dem der christlichen Religion zurückbleiben müsse.56

51 Statt vieler: BVerfG, Beschl. v. 11. April 1972, BVerfGE 33, 23 (28 ff.); Franz, NVwZ 1985, 81; Müller-Volbehr, DÖV 1995, 301 (304); Kokott, in: Sachs, Art. 4, Rn. 19. 52 So auch Kästner, JZ 1998, 974 (978). 53 So im Ergebnis auch Morlok, in: Dreier, Art. 4, Rn. 67, 69, 80; ebenso Muckel, NWVBl 1998, 1 (3) m. w. N. 54 Dazu zuletzt BVerfG bezüglich der Anerkennung der Zeugen Jehovas, Urt. v. 19. Dezember 2000, BVerfGE 102, 370 ff. 55 Siehe dazu mehr unter 2. Teil B. IV 2. d) (4). 56 Behrendt, passim, insbes. S. 94 ff, S. 279; Reuter, R., Regionale Informationen Nr. 44, September/Oktober 1999, S. 18 ff., insbes. S. 32.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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Der Gottesbezug hat in den deutschen Verfassungen jedoch keine feste Tradition. Weder die Paulskirchenverfassung von 1848/49 noch die Bismarcksche Verfassung von 1871 und die Weimarer Reichsverfassung von 1919 enthielten ihn.57 Auch der dem Grundgesetz zugrundeliegende Herrenchiemseer Verfassungsentwurf sah keinen Gottesbezug vor.58 Heute nehmen die Präambeln der Verfassungen fast sämtlicher deutscher Länder (mit Ausnahme der Verfassungen der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen) Bezug auf Gott. Auf europäischer Ebene bestand vor einigen Jahren Streit über eine Inbezugnahme Gottes in einer gemeinsamen Europäischen Verfassung.59 Der Gottesbezug im Grundgesetz wird häufig als „invocatio dei“, also als Anrufung Gottes bezeichnet.60 Da das Grundgesetz im Gegensatz zu etlichen anderen Verfassungen61 jedoch auf eine direkte Anrufung Gottes gerade verzichtet, stellt der dort enthaltene Gottesbezug eher eine bloße „nominatio dei“62 (Benennung Gottes) oder eine „commemoratio dei“ (Erinnerung/Gedenken Gottes) dar.63 Die Bedeutung der Präambel und vor allem des Gottesbezuges für die Verfassungsauslegung ist umstritten. Da die Präambel das Grundgesetz erst einleitet und dem eigentlichen Verfassungstext insoweit vorangeht, könnte argumentiert werden, sie sei schon gar nicht Teil des Verfassungstextes und könne deshalb nicht zur verfassungsrechtlichen Interpretation herangezogen werden.64 Dagegen spricht jedoch bereits der Wortlaut der Präambel, die nicht von „folgendem“, sondern von „diesem“ Grundgesetz spricht und sich damit zum Teil  desselben macht.65 Darüber hinaus bestand schon im Parlamentarischen Rat Einigkeit darüber, dass die Präambel nicht nur dekoratives, pathetisches Beiwerk sein solle, sondern rechtserhebliche Feststellungen, Bewertungen und Ansprüche enthalte.66 Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb auch mehrfach ausgeführt, dass die Präambel einerseits Hinweise für die Auslegung anderer Verfassungsnormen enthalte, andererseits sogar Rechtspflichten erzeugen könne. Als solche konkrete Rechtspflicht hat das Bundesverfassungsgericht aus der ursprünglichen Fassung der Präambel auch das Wiedervereinigungsgebot abgeleitet.67

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Häberle, in: FS Zeidler, S. 3, 7. Bohusch, S. 222. 59 Vgl. dazu ausführlich statt vieler Naumann, passim. 60 Z. B. Ennuschat, NJW 1998, 953 (954) m.w.N; Häberle, in: FS Zeidler, S. 3; Janz/Rademacher, NVwZ 1999, 706 (707); Mager, in: v. Münch/Kunig, Präambel, Rn. 13. 61 Vgl. etwa die schweizerische Bundesverfassung von 1874 („Im Namen Gottes des Allmächtigen“) oder die griechische Verfassung von 1975 („Im Namen der Heiligen, Wesensgleichen und Unteilbaren Dreifaltigkeit“); Nachweise bei Ennuschat, NJW 1998, 953 (954) und Naumann, S. 74, 77. 62 Naumann, passim, v. a. S. 60 f. 63 Vgl. Ennuschat, NJW 1998, 953 (954). 64 Nachweise bei Naumann, S. 34 f. 65 Ennuschat, NJW 1998, 953 (954). 66 Ebenda. 67 BVerfG, Urt. v. 17. August 1956, BVerfGE 5, 85 (127).

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Streitig ist jedoch weiter, welche Auswirkungen die rechtliche Verbindlichkeit der Präambel für die normative Tragweite des Gottesbezuges hat. Eine in der Literatur vereinzelt gebliebene68, jedoch in der landläufigen Meinung und in populärwissenschaftlichen Publikationen häufig auftauchende Ansicht69 will im Gottesbezug der Präambel allein eine Berufung auf den christlichen Gott erkennen und daraus eine Festlegung der Bundesrepublik auf das Christentum sowie dessen zwingende verfassungsrechtlich gebotene Privilegierung ableiten.70 Der christ­liche Gott sei oberster Wert der Verfassung.71 Als Konsequenz dieser Auffassung sollen sich andere als christliche Religionen nicht oder nur teilweise auf die grundgesetzlich gewährleistete Religionsfreiheit berufen können.72 Eine andere Ansicht spricht dem Gottesbezug hingegen jede rechtliche Relevanz ab und billigt ihm nur symbolischen Charakter zu.73 Die Inbezugnahme Gottes taugt nach dieser Ansicht auch nicht als Auslegungsmaxime, da sie lediglich aus den Erfahrungen des Dritten Reiches herrühre und die persönliche Motiva­ tionslage der Verfassungsväter widerspiegele, die damit die Abkehr vom NS-Staat und die Existenz überstaatlicher Werte ausdrücken wollten. Der Begriff „Gott“ sei schlicht auf die christlich-abendländische Tradition Deutschlands zurückzuführen und habe keine weitere Bedeutung.74 Schließlich will eine letzte Ansicht dem Gottesbezug der Präambel ein „Mindestmaß an Rechtsrelevanz“ zukommen lassen.75 Die Verfassungsväter hätten sich bewusst und nach eingehender Diskussion für einen Gottesbezug entschieden. Auch nachfolgende Änderungen des Grundgesetzes, insbesondere auch der Präambel, hätten den Gottesbezug ausdrücklich unberührt gelassen, obwohl dies – wie einige der Verfassungen der ostdeutschen Länder zeigen – nicht zwingend erforderlich gewesen sei und die Abkehr vom Nationalsozialismus auch durch andere Formulierungen hätte ausgedrückt werden können.76 Vorzugswürdig ist die letztgenannte Ansicht. Die Ansicht, welche im Gottesbezug der Präambel eine Fixierung auf das Christentum erkennen will, verkennt zu

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Behrendt, S. 286; vgl. dazu kritisch Naumann, S. 61 f. Vgl. diverse Publikationen der Brüder Reuter, z. B. Reuter, R., Regionale Informationen  Nr.  44, September/Oktober 1999, S.  18 ff., insbes. S.  32; vgl. dazu insgesamt Wiedenmann, Erich (1997): „Ali, mach’ die Tröte aus“, in: Der Spiegel, Nr. 46/1997, 10. November 1997, S. 72. 70 Vgl. dazu Ennuschat, NJW 1998, 953 (954); Steiger, in: FS Kriele, S. 112 f., vertritt eine vermittelnde Auffassung. Er ist der Meinung, dass zwar bewusst nur der christlich-jüdische Gott in Bezug genommen wird, dass dies jedoch weder eine Festlegung auf den christlichen Glauben noch eine kulturelle Selbstbestimmung beinhalte. 71 Behrendt, S. 132. 72 Vgl. dazu das Interview mit Pfarrer Dietrich Reuter Quast, Gerhard (1997): „Auf eigene Grundlagen besinnen“, in: Junge Freiheit, Nr. 38/97, 12. September 1997, S. 3. 73 Ennuschat, NJW 1998, 953 (955) m. w. N. 74 Nachweise ebenda; zur historischen Bedeutung vgl. auch Naumann, S. 34 f. 75 Ennuschat, NJW 1998, 953 (955); vgl. auch Schwarz, in: FS Starck, S. 425 f. 76 Ebenda.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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nächst, dass in der Präambel weder der christliche Gott noch das Christentum als Religion explizit angesprochen werden. Zwar mag der Verfassungsgeber (wie bereits unter aa) ausgeführt) primär den christlichen oder jüdischen Gott vor Augen gehabt haben; sowohl die im Gegensatz zu anderen Präambeln bewusst eher säkular gehaltene Formulierung der Präambel des Grundgesetzes als auch das von Toleranzgebot und staatlicher Religionsneutralität geprägte Gesamtgefüge des Grundgesetzes sprechen jedoch gegen eine Ableitung des Christentums als „Staatsreligion“.77 Der Gottesbezug in der Präambel stellt primär eine Absage an totalitäre Staatsmodelle dar und rückt das Recht in überpositive Zusammenhänge.78 Die teleologische sowie die systematische Auslegung ergeben, dass die Bedeutung des Gottesbezuges über eine bloß symbolische hinausgeht. Dies wird durch die Tatsache verdeutlicht, dass sich der Gottesbezug der Präambel diversen Streichungsbestrebungen zum Trotz79 noch heute im Grundgesetz findet. Aus der Inbezugnahme Gottes durch die Präambel als Bestandteil der Verfassung kann gefolgert werden, dass der Verfassungsgeber Religionen als solchen aufgeschlossen und unbefangen gegenübersteht.80 Die Bundesrepublik ist weder ein laizistischer Staat noch strebt sie an, religionsfreier Raum zu werden.81 Diese in der Präambel (wie im Übrigen auch an anderen Stellen des Grundgesetzes) verankerte Erkenntnis kann als Auslegungshilfe herangezogen werden. Sie ist jedoch nicht auf die christlichen Konfessionen oder auf monotheistische Religionen beschränkt. Vielmehr handelt es sich beim Gottesbezug der Präambel um ein offenes Gottesverständnis: In dem Maße, in dem die Bundesrepublik beginnt, sich zu einer multikulturellen Gesellschaft zu entwickeln, wird sich auch das kulturell christlich geprägte Gottesverständnis des Grundgesetzes öffnen müssen.82 Das Grundgesetz steht also grundsätzlich auch nicht-christlichen Religionen, wie etwa dem Islam, unbefangen gegenüber. Eine Verengung der Religionsfreiheit gegenüber dem Islam kann aus der Präambel gerade nicht abgeleitet werden.83 77 Vgl. zur Ablehnung des Christentums als Staatsreligion auch BVerfG, Beschl. v. 16. Oktober 1979, BVerfGE 52, 223 (237); in Bezug auf die Präambel vgl. Bohusch, S. 223; Häberle, in: FS Zeidler, S. 10. 78 Häberle, in: FS Zeidler, S. 12; Naumann, S. 67 ff. 79 Vgl. zu den Bemühungen der Bündnisgrünen und der PDS im Rahmen der Verfassungsreformen der 1990er Jahre Bohusch, S.  254 f.; zum Streichungsvorschlag durch den evangelischen Pfarrer und Bundestagsabgeordneten Ullmann (BT-Drs.  12/6000) vgl. Steiger, in: FS Kriele, S. 105 (107). 80 Ennuschat, NJW 1998, 953 (955). 81 Vgl. dazu Böckenförde, Ernst-Wolfgang (2007): „Im Staat sind die Gedanken zollfrei“, in: Der Tagesspiegel, 16.  Juli  2007; URL: http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/ Integration-Migration-Migranten;art122,2340225. 82 Häberle, in: FS Zeidler, S. 14 f. 83 So aber immer wieder vehement Reuter, R., der in der hier vertretenen Auffassung vom offenen Gottesverständnis eine beliebige, zielorientierte und falsche Verfassungsinterpretation sieht, vgl. Regionale Informationen Nr. 44, September/Oktober 1999, S. 18, 34 f.; Rohe, S. 90, sieht eine „Ironie der Geschichte“ darin, dass gerade eine nicht-christliche Religion das Augenmerk wieder auf den Gottesbezug der Präambel lenkt.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

dd) Die sog. Kulturadäquanzformel Zunehmend wurde in den letzten Jahrzehnten der deutsche Rechtsstaat mit neuen, teils ungewohnten Formen religiös motivierten Handelns, wie beispielsweise dem Auftreten der sog. Jugendreligionen, konfrontiert. Zur Begrenzung des Schutzbereichs der Religionsfreiheit betonte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1960: „Das Grundgesetz hat nicht irgendeine, wie auch immer geartete freie Betätigung des Glaubens schützen wollen, sondern nur diejenige, die sich bei den heutigen Kulturvölkern auf dem Boden gewisser übereinstimmender Grundanschauungen im Laufe der geschichtlichen Entwicklung herausgebildet hat“.84 Diese sogenannte Kulturadäquanzformel85 fand sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur Zustimmung86. Gelegentlich wird der Versuch unternommen, unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung die religiöse Betätigung nichtchristlicher Religionsgemeinschaften aus dem Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG auszunehmen.87 Die Bedeutung und Reichweite der Kulturadäquanzformel wurde jedoch überschätzt. So zielte sie zunächst nicht darauf ab, bestimmte Religionsgemeinschaften oder Sekten von vornherein aus dem Schutzbereich des Art.  4  Abs.  1 und 2  GG auszuklammern. Vielmehr stellte die wohl eher zufällig entwickelte und lediglich obiter dictum ausgesprochene Kulturadäquanzformel den Versuch dar, dem deutschen Verfassungsstaat völlig fremde und missliebige religiös motivierte Verhaltensweisen dem weitreichenden Schutz des Grundgesetzes zu entziehen.88 Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass die Kulturadäquanzformel zu einer Zeit entwickelt wurde, als die gesellschaftliche Akzeptanz hinsichtlich fremder oder alternativer Lebensweisen deutlich geringer gewesen sein dürfte als heut­zutage. In den meisten der Fälle, in denen sie gemeinhin zitiert wird, wäre eine Schutzbereichseinschränkung im Sinne eines Kulturvorbehalts gar nicht nötig gewesen. Bei Witwenverbrennungen, Menschenopfern und sonstigen barbarischen Verhaltensweisen bzw. „unsittlichen“ Praktiken wie der Tempelprostitution ist ohne Weiteres eine legitime Einschränkung auf Schrankenebene, konkret durch das ent

84 BVerfG, Beschl. v. 8. November 1960, BVerfGE 12, 1 (4). Das Gericht wiederholte diese Formulierung in der „Lumpensammler“-Entscheidung, BVerfG, Beschl. v. 16. Oktober 1968, BVerfGE 24, 236 ff. 85 Gelegentlich findet sich auch der Begriff „Kulturvölkerformel“, vgl. Diringer, BayVBl 2005, 97 (101). 86 OVG Münster, Beschl. v. 8. August 1985, NVwZ 1986, 400 ff.; BGH, Urt. v. 24. Oktober 1962, BGHZ 38, 317 (320); Abel, in: Taudien, S. 41 f.; Listl, in: HdbStKirchR, § 14, S. 439, 461 m. w. N. 87 Zuletzt warf Bundesverfassungsrichter Bryde in einem Vortrag die Frage auf, ob das Grundrecht der Religionsfreiheit nicht unter einem „Abendlandsvorbehalt“ stehe. Vgl. Beinhauer-Köhler/Leggewie, S. 183. 88 Leibholz/Rinck, Art.  4, Rn.  92, die den Grund für die Beschränkung in der Menschenwürde sehen.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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gegenstehende Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art.  2 Abs. 2 Satz 1 GG bzw. der in Art. 1 Abs. 1 GG gewährten Menschenwürde, möglich. Es ist vielmehr anzunehmen, dass das Bundesverfassungsgericht mit dieser Rechtsprechung den Versuch unternommen hat, der „Bedrohung“ durch fremdartig anmutende religiöse Praktiken damit zu begegnen, dass man solchen „Kulthandlungen“ bereits auf Schutzbereichsebene jegliche Legitimation absprechen und damit in erster Linie eine gewisse Symbolwirkung erzielen wollte. Diese viel zitierten Extrembeispiele sind auch deshalb in der gerichtlichen Praxis soweit ersichtlich nie virulent geworden und sind wohl eher theoretischer Natur.89 Eine größere dogmatische Herausforderung sind aber auch praktisch bedeutsame Probleme, wie beispielsweise das der religiös motivierten Polygamie, bei der sich die entgegenstehenden verfassungsimmanenten Schranken nicht aufdrängen. Mit einem gewissen erhöhten Begründungsaufwand kann jedoch auch in diesem Fall eine Berufung auf die Religionsfreiheit abgewendet werden, ohne den Schutzbereich durch einen Kulturvorbehalt unnötig entgegen dem Verbot der inhaltlichen staatlichen Bewertung einer Religion einzuschränken. Ob die Kulturadäquanzformel zwischenzeitlich vom Bundesverfassungsgericht aufgegeben wurde, ist in der Literatur umstritten.90 Die Entscheidung zur christ­ lichen Gemeinschaftsschule91 spricht deutlich dafür.92 Vielfach wird die Kultur­ adäquanzformel in der Literatur (zu Recht) als „Fehlgriff“ bezeichnet.93 Letztlich kann dies jedoch für den Bereich des Islam, zumindest aber für den Bau von muslimischen Kultstätten, dahinstehen: Schließlich gehört zum einen der Islam selbstverständlich zu den „Kulturvölkern“ im Sinne der Kulturadäquanzformel, da sich diese nicht auf europäische Kulturvölker beschränkt.94 Zum anderen hat auch die religiös motivierte Bautätigkeit eine derart alte Tradition, dass sie zweifellos zu denjenigen religiösen Betätigungen zählt, welche sämtlichen Kulturvölkern zugeschrieben werden kann. Schließlich gilt es zu bedenken, dass der Begriff der „Kultur“ nicht statisch beurteilt werden kann, sondern dynamisch ist und sich den Lebenswirklichkeiten anpassen muss. Durch die allgemein angestrebte Integration der in der Bundesrepublik lebenden Muslime (die im Übrigen nicht alle auslän­ discher Herkunft sind) wird die von diesen mitgebrachte (Bau-)Kultur durch Akkulturation95 zum Bestandteil der hiesigen kulturellen Gegebenheiten.96

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So auch v. Campenhausen, KirchE 30, 135 (139). So Diringer, BayVBl 2005, 97 (101); Germann, in: Epping/Hillgruber, Art.  4, Rn.  16; Hellermann, S. 382 ff; Muckel, Letztentscheidung, S. 15; Schwarz, in: FS Starck, S. 427; ablehnend Fehlau, JuS 1993, 441 (443). 91 BVerfG, Beschl. v. 17. Dezember 1975, BVerfGE 41, 29 (50). 92 So auch Misera-Lang, S. 161. 93 Diringer, BayVBl 2005, 97 (101) mit vielen weiteren Nachweisen. 94 Vgl. dazu Müller-Volbehr, DÖV 1995, 301 (305), der zu Recht darauf hinweist, dass auch der „afrikanische Busch“ ein Kulturvolk im Sinne der Kulturadäquanzformel ist. 95 Rohe, S. 67 ff. 96 Vgl. zu diesem Thema Korff, in: FS Mikat, S. 129 ff.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

ee) Das „Retorsionsargument“ Vielfach wird, weniger auf juristischer97 als mehr auf Ebene der Medien98 und im Rahmen öffentlicher Debatten bei Moscheebaukonflikten99, das Recht muslimischer Glaubensgemeinschaften, in Deutschland Kultusgebäude zu errichten, deshalb in Abrede gestellt, weil der Bau von Kirchen christlicher Glaubens­ gemeinschaften in islamischen Ländern ebenfalls häufig verwehrt sei und auch sonst keine Religionsfreiheit dort herrsche.100 In die gleiche Richtung geht auch der –  beispielsweise im Hinblick auf die Kopftuchfrage häufig angeführte – Ansatz, dem Islam den umfassenden Grundrechtsschutz des Art.  4  Abs.  1 und  2  GG abzusprechen, da diese Religion bzw. Teile davon ihrerseits anderen Religionen gegenüber intolerant seien und die islamische Rechtsordnung, die sog. Scharia, keine Religionsfreiheit vor­ sehe.101 Diese in der Öffentlichkeit häufig vertretene Ansicht102 wirft das rechtsphilo­ sophische schwierige Problem der Toleranz gegenüber der Intoleranz auf. Toleranz kann nach einer Ansicht nur derjenige beanspruchen, der selbst auch tolerant sei.103 Dies gelte schon deshalb, weil die Toleranz gegenüber einer intoleranten Geisteshaltung auf die Tolerierung der eigenen Abschaffung hinauslaufe, da es im ­Extremfall dazu kommen könne, dass die intolerante Gruppe durch die ihr gegenüber gewährte Toleranz die Macht im Staat übernehme und dann nach ihren intoleranten Prinzipien verfahre.104

97 So jedoch im Ansatz Dütz, in: EssGespr  20 (1986), S.  145; in diese Richtung auch v. Campenhausen, in: HdbStKirchR, § 2, S. 63, der seine Meinung in KirchE 30, 135 (137) jedoch offenbar nicht aufrechterhält. 98 Huber-Rudolf, S. 196, Fn. 74. 99 So z. B. Broder, Henryk M., Eine Moschee für eine Kirche, Interview im Kölner Stadt­ anzeiger vom 22.6.2007; veröffentlicht in: Sommerfeld, S. 52 ff. 100 So z. B. der Kölner Erzbischof Meisner laut Frank, Joachim (2007), Meisner will Kirche in der Türkei, in: Kölner Stadtanzeiger, Nr. 291, 15. Dezember 2007, S. 1; ebenso Kardinal Lehmann, vgl. Bölsche, Jochen (2001): Der verlogene Dialog, in: Der Spiegel 51/2001, 21. Dezember 2001, S. 44; in diese Richtung auch der ehemalige Augsburger Bischof Mixa, der sich dahingehend äußerte, dass sich die Muslime in Deutschland mit einem schlichten Andachtsraum zufrieden geben sollten, solange in islamischen Ländern Christen keine Daseinsberechtigung hätten, vgl. o.V. (2008): Bischof Mixa gegen Bau der Groß-Moschee, in: WELT ONLINE, 27. Juli 2007; URL: http://www.welt.de/politik/article1059214/Bischof_Mixa_gegen_ Bau_der_Gross_Moschee.html. 101 Zur Schutzbereichsbeschränkung auf der Grundlage des Toleranzgedanken vgl. Bock, AöR 122 (1997), 444 (459 f.). 102 So z. B. auch der Publizist Henryk M. Broder in einem Interview mit dem Kölner Stadt­ anzeiger, vgl. Sommerfeld, S. 52 (54). 103 Radbruch, S. 467 ff. 104 Zur Frage der Toleranz als Reflex insgesamt Volkmann, Der Staat 39 (2000), 325 (328).

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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Ein solches Prinzip der Gegenseitigkeit105 (Retorsionsgrundsatz)106 oder ein „Grundsatz der (zwischenstaatlichen) Reziprozität“107 kann jedoch nicht zu einem Ausschluss des Grundrechtsschutzes des Art.  4 Abs.  1 und 2  GG für den Islam oder andere evtl. ihrerseits intolerante Religionen führen. Sie finden keinerlei Ansatzpunkt im Wortlaut des Grundgesetzes oder in dessen gewohnter Auslegung. Zwar gibt es im Völkerrecht den sog. Grundsatz der Gegenseitigkeit, der besagt, dass ein Staat, der einen bestimmten Anspruch erhebt, eben diesen Anspruch auch gegen sich selbst gelten lassen muss.108 Dieser Grundsatz ist auf die Religionsausübung durch Bautätigkeit jedoch aus verschiedenen Gründen nicht anwendbar. Zum einen handelt es sich schon nicht um eine völkerrechtliche Frage, da es um Individualsachverhalte einzelner oder gemeinschaftlich organisierter Bürger geht und kein Staat einen anderen in Anspruch nehmen will.109 Zum anderen ist es zwar zutreffend, dass die meisten in der Bundesrepublik lebenden Muslime auslän­ discher Herkunft sind. Es wird jedoch in diesem Zusammenhang häufig vergessen, dass es mittlerweile – etwa aufgrund von Konversion oder Einbürgerung – auch eine Vielzahl von Muslimen mit deutscher Staatsangehörigkeit gibt, so dass sämtliche Argumente zur Situation christlicher Minderheiten in islamischen „Heimatländern“ ins Leere gehen. Zum anderen ist bei einem Jedermannsgrundrecht wie der Religionsfreiheit allein die Tatsache entscheidend, dass es sich um einen sich im Geltungsbereich des Grundgesetzes abspielenden Sachverhalt handelt. Beriefe sich ein turkmenischer Journalist, der in einer deutschen Zeitung veröffentlichen will, auf sein Grundrecht auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, käme niemand auf den Gedanken, ihm eine Veröffentlichung mit Blick auf die mangelnden demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen und die fehlende Pressefreiheit in seinem Heimatstaat zu verwehren. Dem steht auch kein wie auch immer ge­ arteter Grundsatz der Gegenseitigkeit im Völkerrecht entgegen, der es geböte, Bürger anderer Staaten stets nur in den Genuss derjenigen Rechte kommen zu lassen, die ihr eigener Staat auch gewährt. Schließlich kann ein einzelner Bürger eines Landes ebensowenig für dessen politisches System verantwortlich gemacht werden wie ein einzelner Muslim für die Verhältnisse in den verschiedenen islamischen Ländern.110 Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass sich auch diese keineswegs einheitlich darstellen.111 An der 105

Marré, KuR 1996, 197 (198). Rohe, S. 126. 107 So Kaiser, in: EssGespr (20), S. 188; vgl. auch Oehring, S. 6; Stollmann, NVwZ 2005, 1394 (1395). 108 Stollmann, NVwZ 2005, 1394 (1395). 109 Vgl. jedoch zur Problematik der staatlichen Prägung der DITIB Stelkens in: Sommerfeld, S. 149 ff. 110 Vgl. eine Aussage des damaligen Präses der Synode der EKD, Dr. Schmude, in einem Interview am 4. September 1997, zitiert nach Guntau, ZevKR 43 (1998), S. 373. 111 Vgl. zur Situation christlicher Minderheiten im Ausland BT-Drs. 16/3608; Marré, in: FS Rüfner, S. 557 f.; Krönig, Jürgen (2007), Stille Unterdrückung, ZEIT ONLINE, Nr. 24/2007, 11. Juni 2007; URL: http://www.zeit.de/online/2007/24/christen. 106

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Vorstellung, beim Bau einer muslimischen Kultstätte entsprechend dieser Unterschiede jedes Mal danach zu differenzieren, aus welchem Land der Bauherr kommt und ob dort das Grundrecht der Religionsfreiheit gilt und beachtet wird,112 zeigt sich die Absurdität einer solchen Argumentation. Im Übrigen können Unrechtsstaaten und Diktaturen und deren Praktiken keinen Anhaltspunkt für die Auslegung der Verfassung eines demokratischen, vom Grundgedanken der Toleranz durchdrungenen Rechtsstaates bieten.113 Aus diesen Erwägungen heraus können sich ausländische Muslime bei ihrer religiösen Betätigung in der Bundesrepublik nicht nur de constitutione lata ohne Rücksicht auf die Existenz und Handhabung der Grundrechte in ihrem Heimatland auf die Religionsfreiheit berufen;114 sie stehen aus den oben angeführten praktischen und ideologischen Gründen auch der Einführung eines Gegenseitigkeitsvorbehaltes entgegen.115 Unabhängig davon wäre es selbstredend wünschenswert, wenn die in Deutschland in den Genuss der Religionsfreiheit kommenden ausländischen Muslime sich umgekehrt in ihren Heimatländern für die Religions­ freiheit zugunsten von Christen und anderen dortigen Minderheitsreligionen einsetzen würden. Auch im Hinblick auf die rechtsphilosophische Überlegung, dass Toleranz stets nur einen Reflex darstellt und der Grundrechtsschutz deshalb nur demjenigen zugutekommt, der seinerseits tolerant ist, kann ein Ausschluss der Geltung der Religionsfreiheit für den Islam nicht gerechtfertigt werden. Zum einen ist eine Unterscheidung nach toleranten und intoleranten Grundrechtsträgern schon nicht praktikabel: Würde dieses Prinzip gelten, so stellte sich zunächst die Frage, wie bestimmt werden sollte, ob der konkret betroffene Grundrechtsträger tolerant ist und ihm demnach der Grundrechtsschutz des Art.  4 Abs.  1 und 2  GG zusteht. Käme es auf seine individuelle, schwer zu überprüfende Einstellung an oder wäre auf die „offizielle“ Haltung der Glaubensgemeinschaft abzustellen, der er angehört? Müssten im letzteren Fall deren öffentliche (vermutlich meist tolerant wirkende) Bekundungen, die schriftlich fixierten Quellen ihrer Glaubensüberzeugung oder die tatsächlichen Erfahrungswerte zur Beurteilung der Toleranz herangezogen werden?116 Zur Beantwortung dieser Fragen dürfte der Verfassungsschutz besser geeignet sein als eine Bauaufsichtsbehörde. Im Übrigen müsste nach dieser 112 Dazu mit vielen Beispielen Bölsche, Jochen (2001): Der verlogene Dialog, in: Der Spiegel 51/2001, 21. Dezember 2001, S. 44 ff. 113 So auch Janz/Rademacher, NVwZ 1999, 706 (710) (Fn. 48); Rohe, S. 126; ebenso Fritz Rudolf Körper, damals Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Protokoll der 170.  Sitzung des Deutschen Bundestages am 17.  Mai  2001, Plenarprotokoll 14/170, 16652 B. 114 So auch v. Campenhausen, KirchE 30, 135 (137); Lemmen, S. 3; Rohe, S. 124 ff. 115 Anders wohl Hillgruber, JZ 1999, 538 (541), und Marré, in: FS Rüfner, S. 564, die der Ansicht zu sein scheinen, die Einführung eines Gegenseitigkeitsvorbehalts im Grundgesetz wäre angezeigt gewesen. 116 Zum Toleranzbegriff im Islam vgl. Schirrmacher, S. 9.

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Ansicht der Grundrechtsschutz auch etlichen anderen fundamentalistischen, „intoleranten“ Religionsgemeinschaften (z. B. christlichen Sekten) verwehrt bleiben. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, warum das Prinzip von der Toleranz als Reflex gerade im Bereich von Art. 4 Abs.1 und 2 GG gelten sollte, bei anderen Grundrechten hingegen nicht. So entspricht es der ständigen verwaltungs- und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung im Versammlungsrecht, dass rechtsextremen Gruppierungen das aus Art. 8 GG herrührende Recht auf Versammlungsfreiheit ohne Weiteres und ohne Rücksicht auf ihre eigene fehlende Toleranz zusteht. Das in der nicht juristischen Öffentlichkeit häufig auf Unverständnis stoßende117 „Paradox der Toleranz“118 ist immanenter Teil der grundgesetzlichen freiheitlichdemokratischen Wertordnung, die stark genug ist und sein sollte, intolerante und undemokratische Anfeindungen auszuhalten. Das Recht auf Religionsfreiheit ist kein „Gnadenrecht“ für gelungene Integration.119 ff) Zwischenergebnis Die religiöse Betätigung unter Berufung auf den Islam fällt ohne Einschränkung in den sachlichen Schutzbereich der Religionsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Der Grundrechtsschutz als effektiver Minderheitenschutz ist unabhängig von der zahlenmäßigen Stärke oder sozialen Relevanz einer bestimmten Glaubenshaltung und einer staatlichen Bewertung oder Beurteilung entzogen.120 Eine Beschränkung auf christliche oder abendländische Religionen ist verfassungsrechtlich nicht zulässig und ergibt sich weder aus historischen noch aus völkerrechtlichen oder rechtsphilosophischen Erwägungen. d) Der Bau von Kultstätten als Gegenstand des Schutzbereichs aa) Die Bautätigkeit als religionsneutrale Verhaltensweise Auf den ersten Blick legt der Begriff der Religionsausübung nahe, dass der Grundrechtsschutz nur spezifisch religiösen Handlungen gilt.121 Auch das Bundesverfassungsgericht hat in einem frühen Beschluss ausgesprochen, dass der Schutz des Art. 4 (Abs. 2) GG ausschließlich gegenüber staatlichen Vorschriften in Betracht komme, bei denen die Religionsausübung als solche Gegenstand der Rege 117 Vgl. Klingst, Martin (1994): Infames Urteil. Bayerische Richter: Die Moschee als Provokation, in: DIE ZEIT, Nr. 37, 9. September 1994, S. 9. 118 Volkmann, Der Staat 39 (2000), 325 (328). 119 Beinhauer-Köhler/Leggewie, S. 154. 120 BVerfG, Beschl. v. 11. April 1972, BVerfGE 33, 23 (28 ff.). 121 Mager, in: v. Münch-Kunig, Art. 4, Rn. 55.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

lung sei. Art. 4 GG betreffe hingegen nicht solche Regelungen, die an einen religiös neutralen Vorgang anknüpften.122 Die Bautätigkeit als solche ist freilich keine kultische Handlung und nicht wirklich „religiös“ im engeren Sinn. Vielmehr handelt es sich bei dem Bau eines Gebäudes um einen äußerlich religionsneutralen Vorgang. Ob solche religionsneutralen Aktivitäten in den Schutzbereich der von Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützten Religionsfreiheit fallen, ist umstritten. Auch bezüglich des Baus islamischer Sakralgebäude wird immer wieder argumentiert, er falle als äußerlich neutrale Verhaltensweise nicht in den Schutzbereich von Art.  4 Abs.  1,  2  GG.123 In diesem Fall wäre der Bau einer Kultstätte nicht von Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützt und in baurechtlicher Hinsicht zu behandeln wie jedes andere Gebäude. Diese Ansicht mag auch der Grund dafür sein, dass in den Bauakten vieler Moscheevorhaben die Frage nach einer etwaigen Einschlägigkeit des Grundrechts der Religionsfreiheit mit keinem Wort Erwähnung findet124 bzw. Art.  4  GG bei einem Konflikt zum ersten Mal im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auftaucht. bb) Extensive Bestimmung des Schutzbereiches in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Von der bislang herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung wird der Schutzbereich der Religionsfreiheit weit ausgelegt.125 Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Religionsfreiheit –  wahrscheinlich auch wegen der religionsfeindlichen Erfahrungen der NS-Zeit126 – als eine der für die freiheitlich-demokratische Grundordnung unverzichtbaren Gewährleistungen angesehen wird.127 Sie sei eine unmittelbare Ausprägung der in Art. 1 Abs. 1 GG für unantastbar erklärten Würde des Menschen, die als oberster Wert das gesamte Wertesystem der Grundrechte und des Grundgesetzes beherrsche.128 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der letzten Jahrzehnte umfasst der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1, 2 GG deshalb das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seiner religiösen (oder weltanschau 122

 BVerfG, Beschl. v. 4. Oktober 1965, BVerfGE 19, 129 (133). Zu religionsneutraler Betätigung insgesamt Fehlau, JuS 1993, 441 (443). 124 Diese Feststellung konnte die Verfasserin bei ihren empirischen Recherchen im Zu­ sammenhang mit diversen Berliner Moscheebauvorhaben treffen. 125 BVerfG, Urt. v. 16. Oktober 1968, BVerfGE 24, 236 (246). 126 v. Campenhausen in: HdbStKirchR, § 2, S. 59. 127 Jellinek formulierte gar die These, in der Religions- und Gewissensfreiheit sei der Ursprung aller Menschen- und Bürgerrechte zu finden, vgl. ders., S. 42 ff. 128 BVerfG, Beschl. v.  19. Oktober 1971, BVerfGE 32, 98 (108); dass., Beschl. v.  11.  Juli 1972, BVerfGE 33, 23 (31); dass., Beschl. v. 17. Juli 1973, BVerfGE 35, 366 (376); Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 4, Rn. 4 m. w. N.; Listl, in: HdbStKirchR, § 14, S. 446. 123

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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lichen) Überzeugung auszurichten und dieser Überzeugung gemäß zu handeln.129 Zur Religionsausübung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gehören nach dieser Ansicht nicht nur kultische Handlungen im engeren Sinn (wie z. B. der Gottesdienst, kirchliche Kollekten, Gebete, der Empfang der Sakramente, Prozessionen etc.130), sondern auch religiöse Erziehung, freireligiöse oder atheistische Feiern sowie andere Äußerungen des religiösen und weltanschaulichen Lebens. Da nach dieser Ansicht etliche nach außen hin nicht als religiös erkennbare Verhaltensweisen in den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1, 2 GG fallen, bedarf es eines weiteren Differenzierungskriteriums. Dabei besteht die Schwierigkeit, dass aufgrund der subjektiven Prägung von Religion und religiösen Vorstellungen Gestalt, Inhalt und gegenständliche Erstreckung derselben nicht objektiv bestimmt werden können.131 Zur Schutzbereichsbestimmung des Art. 4 Abs. 1, 2 GG wird von der Rechtsprechung aus diesem Grund maßgeblich das religiöse Selbstverständnis des Grundrechtsträgers herangezogen.132 Dem besonderen Schutz von Art. 4 Abs. 1, 2 GG unterstehen gerade die aus der individuellen Wahrheitsüberzeugung von der Sinn- und Wertordnung erwachsenen subjektiven verbindlichen Gewissheiten.133 Entscheidend ist demnach die subjektive Sicht des Betroffenen, der im Sinne der o.g. Rechtsprechung sein gesamtes Verhalten an den von ihm selbst für verbindlich gehaltenen Glaubenslehren ausrichten darf.134 Dabei muss es sich nicht einmal um ein für alle Gläubigen einer Religion oder Konfession zwingendes Glaubensgebot handeln; vielmehr genügt es nach der weitgehenden Schutzbereichsinterpretation des Bundesverfassungsgerichts, dass die gewünschte (religionsneutrale) Verhaltensweise Ausfluss individueller religiöser Überzeugung ist.135 Durch die staatlichen Organe darf lediglich eine Plausibilitätsprüfung dahin­ gehend erfolgen, dass derjenige, der sich auf das Grundrecht der Religionsfreiheit beruft, die in Frage stehende Glaubensüberzeugung konkret, substantiiert und objektiv nachvollziehbar darzulegen hat.136 Auch die Errichtung und Änderung sakraler, auch islamischer, Bauwerke fällt nach dieser herrschenden Ansicht in den Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG.137 Der Bauherr muss im Streitfall lediglich die Verbindung zwischen dem Wunsch 129 BVerfG, Beschl. v.  19. Oktober 1971, BVerfGE 32, 98 (106); dass., Beschl. v.  11.  Juli 1972, BVerfGE 33, 23 (28); dass., Beschl. v. 16. Mai 1995, BVerfGE 93, 1 (15). 130 Kokott, in: Sachs, Art. 4 GG, Rn. 55. 131 Morlok, in: Dreier, Art. 4, Rn. 55. 132 BVerfG, Beschl. v. 19. Oktober 1971, BVerfGE 32, 98 (106 f.); dass., Beschl. v. 11. Juli 1972, BVerfGE 33, 23 (28 ff.); vgl. dazu Sarcevic, DVBl 2000, 519. 133 Listl in: HdbStKR, § 14, S. 453 m. w. N. 134 Janz/Rademacher, NVwZ 1999, 707 (709). 135 BVerfG, Beschl.  v.  11.  Juli  1972, BVerfGE 33, 23 (28 ff.); Hellermann, in: Heitmeyer/ Dollase, S. 385. 136 Hellermann, in: Heitmeyer/Dollase, S. 385. 137 Brümmer, S.  56; Muckel, in: Friauf/Höfling, Art.  4, Rn.  33; Hoppe/Beckmann, DVBl 1992, 188 (190); Mager, in: v. Münch/Kunig, Art. 4, Rn. 56.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

auf Bau einer Kultstätte und seiner Glaubensüberzeugung plausibel darlegen. Dies dürfte beim Bau eines rein dem gemeinsamen Gebet und Gottesdienst dienenden Gebäudes nicht schwerfallen. cc) Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Die extensive Auslegung des Schutzbereichs von Art. 4 Abs. 1, 2 GG und die durch die Einbeziehung des Kriteriums des Selbstverständnisses entstandene starke Subjektivierung des Grundrechts der Religionsfreiheit hat in der juristischen Diskussion verstärkt zu Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverfas­ sungsgerichts geführt.138 Gerade im Zusammenhang mit den häufig als „Jugendreligionen“ bezeichneten Sekten, die sich seit Beginn der 1980er-Jahre in der Bundesrepublik ausgebreitet hatten, wurde in den letzten Jahren der Ruf nach einer Einschränkung der extensiven Schutzbereichsauslegung von Art. 4 Abs. 1, 2 GG immer lauter. Die vielfältigen, sich aus der verstärkten öffentlichen Präsenz des Islam in der Bundesrepublik ergebenden Probleme und der daraus entstehende „Kampf der Kulturen“ haben ein Übriges zum Entstehen eines entsprechenden Problembewusstseins beigetragen. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht besteht bei der derzeit praktizierten weiten Schutzbereichsauslegung die Gefahr, dass das Grundrecht der Religionsfreiheit in unzulässiger Weise zu einem Grundrecht allgemeiner Handlungsfreiheit ausgedehnt wird.139 Darüber hinaus bliebe kein Raum und Anwendungsbereich mehr für das in Art.  4 Abs.  1  GG gewährleistete, eigenständige Grundrecht der Gewissensfreiheit, wenn jede irgendwie religiös oder weltanschaulich motivierte Handlung bereits von Art.  4 Abs.  1,  2  GG geschützt sei.140 Die extensive, maßgeblich auf das Selbstverständnis des betroffenen Grundrechtsträgers abstellende Auslegung lade geradezu dazu ein, sich in rechtsmissbräuchlicher Weise durch die Berufung auf das Grundrecht der Religionsfreiheit einen verstärkten Grundrechtsschutz für Aktivitäten zu sichern, welche letztlich nicht religiös, sondern z. B. politisch oder wirtschaftlich motiviert seien.141 Art. 4 Abs. 1, 2 GG verwandele sich auf diese Weise in ein Auffanggrundrecht für alle Verhaltensweisen, die in irgendeinen Zusammenhang mit Religion gebracht werden könnten.142 Durch eine solche Überdehnung des Schutzbereichs häuften sich Konfliktfälle, die wiederum ab einem bestimmten Punkt zwingend staatliche Intervention nach sich ziehen müssten. Da diese Intervention bei vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten wie der Religionsfreiheit über die Konstruktion der verfassungsimmanenten Schranken 138

Vgl. dazu Janz/Rademacher, NVwZ 1999, 706 (709). Muckel, in: Friauf/Höfling, Art. 4, Rn. 6. 140 Kästner, JZ 1998, 974 (980). 141 Fehlau, JuS 1993, 441 (442). 142 Herzog, in: Maunz-Dürig, Art. 4, Rn. 15 ff.

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B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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erfolgen müsse, bestehe die Gefahr, dass diese begrifflich ohnehin unscharfen Schranken immer großzügiger gehandhabt würden und irgendwann Aspekte des Gemeinwohls zur Beschränkung der Religionsfreiheit ausreichten.143 In der Konsequenz bestehe dann die Gefahr, dass in der Zukunft auch Kultushandlungen im engeren Sinn bereits durch solche bloß kollidierenden Aspekte des Gemeinwohls ohne Verfassungsrang eingeschränkt werden könnten und dem hohen Stellenwert des Grundrechts der Religionsfreiheit nicht mehr Rechnung getragen werde.144 Durch die große Bedeutung, die dem Selbstverständnis des jeweiligen Grundrechtsträgers beigemessen werde, beraube sich der Staat darüber hinaus der ihm zustehenden Definitionsmacht über den Inhalt der grundrechtlichen Schutzbereiche. Dadurch, dass die staatliche Ordnung sich in religiösen Fragen grenzenlos der individuellen Perspektive öffne, komme es zu einer nicht hinzunehmenden Ver­ lagerung der Kompetenz-Kompetenz und im Extremfall zu einer „Enteignung“ des Staates zugunsten einzelner, nicht kontrollierbarer Gruppen.145 Darüber hinaus wird in der Literatur bemängelt, dass die weite Auslegung des Schutzbereiches der Religionsfreiheit letztlich zu einer Verlagerung der sich zwangsläufig ergebenden Konflikte auf die Schrankenebene führe. Dies wiederum ziehe nach sich, dass keinerlei abstrakt-generelle Schutzbereichsbestimmung möglich sei, sondern es stets auf eine Einzelfall- und Abwägungsentscheidung von Exekutive und Judikative hinauslaufe.146 Dem Gesetzgeber sei damit ein Bereich, der ihm wesensmäßig zustehe, entzogen, und es bestehe die Gefahr einer undurchschaubaren Kasuistik.147 Anstelle eines Gesetzesvorbehalts unterliege das Grundrecht der Religionsfreiheit einem Richtervorbehalt.148 dd) Beschränkungsbestrebungen (1) Allgemeines Aufgrund dieser als „Hypertrophie des Grundrechts auf Religionsfreiheit“149 angesehenen Entwicklung werden verschiedene Ansätze zur Einschränkung der grundrechtlichen Gewährleistung, insbesondere des Schutzbereichs der Religionsfreiheit, diskutiert.150 143

Fehlau, JuS 1993, 441 (443). Ebenda; Kästner, JZ 1998, 974 (975). 145 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 4, Rn. 104. 146 Hellermann, in: Heitmeyer/Dollase, S. 386, 388; Muckel, Letztentscheidung, S. 200 f. 147 Fehlau, JuS 1993, 441 (443). 148 Böckenförde, NJW 2001, 723 (724); Kästner, JZ 1998, 974 (981 f.); zur Kompetenzproblematik schon Bethge, S. 271 ff. 149 Kästner, JZ 1998, 974 ff. 150 Auf die bzgl. der Grundrechtsschranken vorgeschlagenen Ansätze soll erst unter 2. Teil B. II. 4. c) eingegangen werden. Für eine „Präzisierung“ des Grundrechts auf Religionsfrei 144

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

(2) Aufspaltung in die einzelnen Gewährleistungskomponenten Teilweise wird vorgeschlagen, die Religionsfreiheit nicht als einheitliches Grundrecht anzusehen, sondern in ihre einzelnen Gewährleistungen aufzuspalten und auf diese unterschiedliche Schranken anzuwenden.151 Uneingeschränkt gewährleistet soll im Rahmen von Art. 4 GG demnach nur das „forum internum“, also der Glaube selbst, sein. Da der Bau einer Kultstätte nicht dem forum internum, sondern allenfalls der Religionsausübung bzw. bei weiter Auslegung der Bekenntnisfreiheit zuzuordnen ist, unterfiele er nach dieser Auffassung nicht dem schrankenlosen Schutz des Art. 4 GG. Da diese Lösung allerdings letztlich nicht zu einer Schutzbereichseinschränkung, sondern zu einer veränderten Schrankenproblematik führt, soll darauf erst im Rahmen der Grundrechtsschranken152 eingegangen werden. (3) Historischer Bestand als Grenze des Schutzbereichs Teilweise wird versucht, den Schutzbereich der Religionsfreiheit im Hinblick auf neue oder fremde Religionen dahingehend zu beschränken, dass der hergebrachte Wirkungskreis der christlichen Kirchen zum Maßstab dafür genommen wird, was unter Religionsausübung zu verstehen sein soll. Die Vertreter dieser Ansicht gehen zwar davon aus, dass der Grundsatz der staatlichen Neutralität es gebiete, auch andere als die christlichen Religionen am Schutz des Art.  4 Abs.  1, 2 GG teilhaben zu lassen, dieser Schutz jedoch für alle Religionen auf die aus dem Christentum bekannten Ausdrucksformen beschränkt sei.153 Innerhalb der Grenzen dieser „kirchlichen Grundfunktionen“ könne sich jede Religion nach ihrer Weise bewegen.154 Nach dieser Ansicht fiele auch der islamische Kultstättenbau ohne Weiteres in den Schutzbereich der Religionsfreiheit, da der Bau von Gebäuden zu sakralen Zwecken von jeher zu den üblichen (christlichen) Ausdrucksformen gehört.

heit (durch Einführung eines Gesetzesvorbehalts bzw. eine Schutzbereichsverengung) sprach sich am 12. Dezember 2006 im Rahmen der 5. Berliner Reden zur Religionspolitik an der Ber­ liner Humboldt-Universität auch die damalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries aus, vgl. Wiese/Wrase, ZRP 2007, 171 f.; kritisch dazu statt vieler Rath, Christian (2006), Ein Symbol der Ausgrenzung, in: die tageszeitung, Nr. 8151, 14. Dezember 2006, S. 11. 151 Vgl. Hellermann, in: Heitmeyer/Dollase, S.  388; Kästner, JZ  1998, 974 (978); weitere Nachweise bei Germann, in: Epping/Hillgruber, Art. 4, Rn. 19.1. 152 2. Teil B. II. 4. 153 Loschelder, in: EssGespr 20 (1986), S. 149, 156 f. 154 Ebenda.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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(4) Ordre-public-Vorbehalt Teilweise wird eine Schutzbereichsbeschränkung auf der Grundlage der öffentlichen Ordnung angestrebt. Demnach sollen bestimmte Verhaltensweisen, die in offenkundiger Weise den herrschenden Wert- und Verhaltensmaßstäben widersprechen, gar nicht erst in den Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG fallen. Als dem „ordre public“ auf diese Weise widersprechend werden die auch im Rahmen der sog. Kulturadäquanzformel zitierten Beispiele der Menschenopfer, Witwenverbrennung, Polygamie und Tempelprostitution aufgeführt.155 Zur Begründung stützen sich die Vertreter dieser Ansicht auf das fundamentale Verfassungsgebot des Art. 1 GG, welches die Menschenwürde garantiert. Das Grundgesetz sei bewusst nicht als wertneutrales Gebilde konzipiert, sondern beruhe auf der christlich-humanistisch-abendländischen Vorstellung der selbstständig und eigenverantwortlich handelnden Einzelpersönlichkeit. Nach dieser Ansicht ist der Kultstättenbau als klassisches, „neutrales“ Instrument der Religionsausübung ohne Weiteres von Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützt, da er in keiner Weise mit der Menschenwürde konfligiert. (5) Schutzbereichsdefinition aufgrund objektiver Kriterien Zur Vermeidung einer vollständigen Verlagerung der Kompetenz-Kompetenz auf den Grundrechtsträger wird vorgeschlagen, die Schutzbereichsdefinition nicht primär auf der Grundlage des Selbstverständnisses des Grundrechtsträgers, sondern anhand objektiver Kriterien vorzunehmen.156 Die Vertreter dieser Auffassung verkennen zwar nicht, dass dem Staat die Definitionsbefugnis für die theologische und religionssoziologische Substanz entzogen sei und eine Bestimmung dessen, was Religionsausübung ist, nicht ganz ohne Berücksichtigung des Verständnisses des Gläubigen erfolgen kann,157 weshalb das Selbstverständnis weiterhin Ausgangspunkt der Bestimmung des Schutzbereiches von Art. 4 Abs. 1, 2 GG bleiben soll.158 Es müsse jedoch durch objektive Kriterien ergänzt werden.159 Nach dieser Auffassung fällt der Bau einer Moschee in den Schutzbereich der Religionsfreiheit, da die Errichtung eines zu kultischen Zwecken bestimmten Gebäudes nicht nur nach dem Selbstverständnis des Bauherrn, sondern auch objektiv betrachtet durchaus dem Kernbereich religiöser Betätigung zuzuordnen ist. Durch die Zweckbestimmung der Kultstätte ist der Zusammenhang zwischen religiöser Überzeugung und der Betätigung des Glaubens durch die Bautätigkeit offensichtlich. 155

Abel, in: Taudien, S. 41. Janz/Rademacher, NVwZ 1999, 706 (709); Kästner, JZ 1998, 974 (978 f.). 157 So schon Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 4, Rn. 103. 158 Janz/Rademacher, NVwZ 1999, 706 (709). 159 Fehlau, JuS 1993, 441 (443 f.).

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

(6) Verfassungsimmanente Schutzbereichsgrenzen Weiterhin wird versucht, missliebige Formen der Religionsausübung oder die Religionsausübung durch „unerwünschte“ Gemeinschaften aus dem Schutzbereich von Art.  4  Abs.  1,  2  GG auszunehmen, indem zusätzliche „verfassungs­ immanente“160 Kriterien für die Beurteilung dessen aufgestellt wurden, was Religionsausübung im Sinne des Grundgesetzes darstelle. Da Art.  4  GG Teil des Gesamtgefüges des Grundgesetzes sei, liege eine Religion, welche des Schutzes von Art. 4 Abs. 1, 2 GG würdig sei, nur dann vor, wenn sich ihre Lehren und Praktiken im Einklang mit dem Grundgesetz befänden.161 Bedingung der Gewährung religiöser Freiheit sei es, dass sie nicht dazu missbraucht werde, die Grundlagen der Ordnung, auf denen sie beruht, zu beseitigen.162 Der Eröffnung des Schutzbereiches der Religionsfreiheit liege außerdem ein ungeschriebenes Gewaltverbot163 und Toleranzgebot164 zugrunde.165 Dies sei u. a. darauf zurückzuführen, dass der Bürger auf staatlichen Schutz angewiesen sei, dieser Schutz aber nur gewährleistet werden könne, wenn der Staat weiter bestehe.166 Nach dieser Ansicht unterfällt der Bau eines sakralen Gebäudes durch eine islamische Gemeinschaft nicht ohne Weiteres in jedem Fall dem Schutz von Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Vielmehr ist darauf abzustellen und danach zu differenzieren, ob die betreffende Vereinigung auf dem Boden der Verfassung steht oder sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung stellt. Da derzeit mehrere islamische Organisationen zumindest der Beobachtung durch den Verfassungsschutz unterliegen und nicht selten sogar als verfassungsfeindlich eingestuft werden,167 wäre die Bautätigkeit durch solche Vereinigungen nur eingeschränkt möglich. (7) Schutzbereichsimmanente Schranken168 Diskutiert wird auch, ob in bestimmten Sachverhaltskonstellationen zwar oberflächlich betrachtet der Schutzbereich eines vorbehaltlos gewährleisteten Grund 160

Wenckstern, in: Umbach/Clemens, Art. 4, Rn. 23a. Vgl. zu diesem „Loyalitätsgedanken“ Guntau, ZevKR 43 (1998), 369 (379); Loschelder, in: EssGespr 20, 149 (159); Müller-Volbehr, JZ 1981, 41 (44); Obermayer, ZevKR 27 (1982), 253 (261). 162 Guntau, ZevKR 43 (1998), 369 (379). 163 Muckel, Schutzbereiche, S. 353 ff.; ders., in: FS Listl, S. 245 f.; streitig ist weiterhin, ob ein enger (so Muckel) oder weiter Gewaltbegriff (so Stern, Bd. III/2, S. 525 ff.) zugrunde zu legen sei. 164 Vgl. dazu schon 2. Teil B. II. 1. c) bb). 165 Bock, AöR 122 (1997), 444 (459 f.). 166 Muckel, in: FS Schiedermair, S. 354. 167 Denso,  Christian (2009): Unter Bonner Brüdern, in: DIE ZEIT, Nr.  19/2009, 30. April 2009, S. 4. 168 Die Bezeichnung ist uneinheitlich: Muckel behandelt etwa auch die hier als schutzbereichs­ immanente Schranken bezeichneten Probleme unter dem Begriff der verfassungsimmanenten 161

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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rechts eröffnet zu sein scheint, die Handlung dann aber aus anderen (rechtlichen) Gründen nicht vom Schutzbereich erfasst ist.169 Eine in diesem Zusammenhang vertretene Ansicht sieht in kollidierenden Grundrechten Dritter eine Schutzbereichsbeschränkung.170 Sie geht davon aus, dass sich grundrechtlich gewährleistete Freiheitsräume bereits auf Tatbestandsebene durch ihre „sachliche Reichweite“171 gegenseitig begrenzen und die Grundrechte unter einem Gegenseitigkeitsvorbehalt stünden; die Freiheit des einen bestehe nur nach Maßgabe der Freiheit des anderen. Auch bei vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten sei bereits der Schutzbereich dort nicht mehr eröffnet, wo Grundrechte Dritter durch die Gebrauchmachung verletzt würden.172 Im Sinne dieser Ansicht kann nicht generell entschieden werden, ob der Bau einer islamischen Kultstätte in den Schutzbereich der Religionsfreiheit fällt oder nicht. Es bedarf zu dieser Entscheidung einer Abwägung in jedem Einzelfall, in der die betroffenen im Widerstreit stehenden Grundrechte zu einem möglichst schonenden Ausgleich gebracht werden müssen. Eine weitere in die Kategorie der schutzbereichsimmanenten Schranken fallende Ansicht geht davon aus, dass der Schutzbereich eines Grundrechts schon gar berührt sei, wenn es um Gesetze gehe, die bei jeder Grundrechtsausübung zu beachten seien. Die Berufung auf ein Grundrecht könne keine Privilegierung von der allgemeinen Rechtsordnung gewähren; es handele sich insoweit um „Scheinkollisionen“.173 Da das Baurecht unterschiedslos von jedem zu beachten ist, fiele nach dieser Auffassung der Kultstättenbau nicht in den Schutzbereich der Religionsfreiheit. Da diese Ansicht aber letztlich der Sache nach trotz ihrer anders lautenden Selbstbewertung nicht den Schutzbereich des Grundrechts der Religionsfreiheit, sondern vielmehr dessen Schranken betrifft, soll darauf auch erst unter II.  4.  f)  aa)  ein­ gegangen werden.

Schranken, ders., in: FS Schiedermair, S. 356 ff; teilweise wird diese Einschränkung als „Tatbestandslösung“ bezeichnet, vgl. Martins, S. 102 ff. 169 Vgl. zum ähnlich gelagerten Problem bei der Kunstfreiheit im Baurecht Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (618). 170 So ist wohl auch v. Campenhausen zu verstehen, KirchE 30, 135 (139). 171 Vgl. dazu Bayer, S. 162. 172 Bamberger, Der Staat 39 (2000), 355 (372 ff.); Müller, Positivität, S. 87. 173 Müller, Positivität, S.  25 f.; Rüfner, in: FG  BVerfG, S.  453, 455 ff., 459; so wohl auch Stern, Bd. III/2, S. 643.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

(8) Beschränkung auf Kulthandlungen im engeren Sinn Nach einer anderen Ansicht unterfallen nur kultische Handlungen im engeren Sinn dem Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG.174 Diese Auffassung beruht auf dem Verständnis, dass nur „typische“, strukturell notwendige Freiheitsbetätigungen vom Schutz eines Grundrechts erfasst seien, nicht hingegen Verhaltensweisen, die lediglich „bei Gelegenheit“ der Grundrechtsausübung erfolgten.175 Bezüglich des Grundrechts der Religionsfreiheit kann sich diese Auffassung unter anderem auf zwei frühe Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts stützen, in welchen das Gericht davon ausging, dass Verhaltensweisen, die lediglich bei Gelegenheit der Grundrechtsausübung erfolgten, religionsneutral seien und nur mittelbar religiösen Zwecken dienten, als nicht glaubensbedingt im engeren Sinn nicht in den Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG fielen.176 Unter der Religionsausübung in ihrer historischen Form sei in erster Linie die kollektive und öffent­liche Manifestation und Kommunikation der Glaubensinhalte, also beispielsweise durch Gebete oder Gottesdienste, zu verstehen.177 Aktivitäten, die zwar Ausdruck einer religiös bedingten Lebenshaltung sind, selbst aber weder bekenntnishaften Charakter haben noch als Ausübung von Religion in dem Sinne betrachtet werden können, als sie unmittelbar Glaubensinhalte kommunizieren, stünden nicht unter dem besonderen Grundrechtsschutz des Art. 4 GG.178 Für die Beurteilung solcher religionsneutralen Betätigungsformen müssten die jeweils einschlägigen Grundrechtsgewährleistungen herangezogen werden, da mit der Annahme einer aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG abzuleitenden allgemeinen religiösen Handlungsfreiheit das differenzierte Grundrechtssystem mit seinen unterschiedlichen Schranken­bestimmungen ausgehebelt werde.179 Der Bau einer Kultstätte stellt weder eine kultische Handlung im engeren Sinn dar noch hat er vordergründig bekenntnishaften Charakter. Vielmehr mag der Bauvorgang an sich zwar Ausdruck einer religiösen Lebensführung sein; religiös im engeren Sinn sind jedoch nur die in einer Kultstätte stattfindenden Gottesdienste, Gebete und Andachten. Nach der dargestellten Ansicht fällt die religiös motivierte Gebäudegestaltung nicht in den Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG, sondern ist –  im Fall des Bauens auf eigenem Grund180  – ohne Rücksicht auf die 174

Schoch, in: FS Hollerbach, S. 149, 159; so letztlich auch BVerwG, Urt. v. 15. Juni 1995, NVwZ 1996, 61 (63) bzgl. des religiös motivierten Schächtens. 175 Dargestellt bei Pecher, S.  104, insbes. S.  74 ff., der sich ausführlich mit dem Konzept Friedrich Müllers beschäftigt. 176 BVerfG, Beschl. v. 7. April 1964, BVerfGE 17, 302 (305); dass., Beschl. v. 4. Oktober 1965, BVerfGE 19, 129 (133); vgl. Fehlau, JuS 1993, 441 (443). 177 AK/Preuß, Art. 4, Rn. 24. 178 So Hillgruber, JZ 1999, 538 (542), der aber wohl den Bau einer Moschee wiederum doch als von Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützt ansehen will. 179 Kästner, JZ 1998, 974 (980); letztlich ist jedoch unklar, ob es dem Autor um eine echte Schutzbereichsverengung oder um eine Frage der Grundrechtskonkurrenz geht. 180 Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass die geplante Kultstätte auf eigenem Grund gebaut werden soll. Das Bauen auf fremdem Grund ist nur durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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geplante religiöse Nutzung des Gebäudes ausschließlich an der als Teil  der in Art.  14  Abs.  1  Satz  1  GG gewährleisteten Eigentumsfreiheit geschützten Bau­ freiheit zu messen, die jedoch gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt unterliegt.181 Bezüglich des Baus einer Kultstätte ergäben sich demnach keine Besonderheiten gegenüber sonstigen Bauvorhaben. (9) Vorrang der Eigentumsfreiheit bei Grundrechtskonkurrenzen Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Ansicht, die unabhängig von einer engen Auslegung des Art. 4 Abs. 1, 2 GG im baurechtlichen Bereich generell nur Art. 14 GG anwenden will und den Bau eines Gebäudes unabhängig von dessen Funktion oder der Motivation des Bauherrn stets nur als Bodennutzung behandeln und dem Schutzbereich der Eigentumsfreiheit unterstellen will. Zwar sind bezüglich des Kultstättenbaus in diese Richtung, soweit ersichtlich, bislang weder Gerichtsentscheidungen ergangen noch hat sich die juristische Fachliteratur entsprechend geäußert. Diese Auffassung scheint jedoch, vielleicht sogar unbewusst, der Rechtsauffassung eines Großteils der mit Moscheebauvorhaben befassten Baubehörden zugrunde zu liegen: Bei Durchsicht vieler Vorgänge fällt auf, dass die spezifisch religiöse Motivation der Bauherrn von Kultstätten für die bauaufsichtliche Entscheidung keine Rolle zu spielen scheint und weder in den Akten noch in ablehnenden Bescheiden Erwähnung findet.182 Zum Parallelproblem der künstlerisch motivierten Gebäudegestaltung finden sich jedoch diverse Entscheidungen und Publikationen. Dort wird mancherorts generell nur der Schutzbereich von Art. 14 GG für einschlägig gehalten, soweit die Kunstfreiheit als Eigentumsausübung geschieht, wobei auch diesbezüglich nicht klar ist, ob der Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 GG nicht für anwendbar gehalten wird oder ob es um eine Auflösung einer Grundrechtskonkurrenz zugunsten von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geht.183 Die neuere Rechtsprechung scheint sich dieser Position bezüglich der Grundrechtskonkurrenz im Bereich der Religionsfreiheit anzunähern. So wurde etwa beim religiös motivierten Schächten nicht der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1, 2 GG, sondern primär der Schutzbereich der in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsfreiheit (bzw. wegen der ausländischen Herkunft des Beschwerdeführers Art. 2 Abs. 1 GG) als einschlägig angesehen.184 Das Schächten selbst stelle kei 181 Vgl. zur Problematik der sich überlagernden Schutzbereiche von Art.  14  GG und Art. 4 Abs. 1, 2 GG bzw. Art. 5 Abs. 3 GG Manssen, Verw 24 (1991), 33, (44 f.). 182 Insoweit ist es bezeichnend, dass Manssen dies im Hinblick auf die Kunstfreiheit als die für die Baubehörden praktikabelste Lösung ansieht, vgl. ders., JuS 1992, L 60. 183 Vesting, NJW  1996, 1111 (1112); weiterführend, jedoch ablehnend dazu Manssen, Verw 24 (1991), 33 (44). 184 BVerfG, Urt. v. 15. Januar 2002, BVerfGE 104, 337 ff. = NJW 2002, 663 (664).

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nen Akt der Religionsausübung dar. Diese Einschätzung wird jedoch dadurch relativiert, dass das Gericht in der Entscheidung den Schutzbereich der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG (bzw. Art. 2 Abs. 1 GG) wegen der religiösen Komponente als durch den speziellen Freiheitsgehalt von Art. 4 Abs. 1, 2 GG verstärkt185 angesehen wissen wollte. Folgte man dieser Auffassung für den Kultstättenbau, müsste man primär Art. 14 GG als einschlägig ansehen. Die religiöse Motivation des Bauherrn könnte allenfalls im Rahmen der Güterabwägung bzw. Verhältnismäßigkeitsprüfung „verstärkend“ berücksichtigt werden. Konkret würde dies bedeuten, dass bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn das Gewicht von Art.  14 Abs.  1 Satz 1 GG durch Art. 4 Abs. 1, 2 GG erhöht wird. ee) Stellungnahme Die Frage nach der Einbeziehung religionsneutraler Verhaltensweisen in den Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG bzw. nach dessen Reichweite insgesamt stellt trotz des mittlerweile wohl rückläufigen Auftretens der sog. Jugendreligionen eines der aktuellsten Probleme im Bereich des Staatskirchenrechts dar. Dies gilt insbesondere, als der Islam, welcher tendenziell eine Unterscheidung zwischen religiöser und politisch-weltlicher Sphäre verneint,186 das Leben der Gläubigen in vielfältiger Weise zu regeln versucht und es bei strenger Beachtung der geltenden Glaubensregeln bzw. Gesetze der Scharia zwangsläufig vermehrt zu Konflikten mit der Wertordnung des Grundgesetzes kommen wird. Dabei entstehen die Konflikte eher seltener im Zusammenhang mit dem Wunsch der Muslime, klassisch religiöse Handlungen vorzunehmen, also z. B. zu beten oder Gottesdienste durchzuführen. Deshalb ist der Ansicht, welche nur kultische Handlungen im engeren Sinne dem Schutz von Art. 4 Abs. 1, 2 GG unterstellen will, zuzugeben, dass dies zu größerer Rechtsklarheit und deshalb zu einer Vermeidung vieler Streitigkeiten im Bereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG führen würde. Darüber hinaus haben die Kritiker der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die (dogmatische) Gefahr erkannt, die von einer Überbetonung des religiösen Selbstverständnisses ausgeht. Der Staat darf die Definitionskompetenz über den Inhalt der Grundrechte nicht dem Grundrechtsträger selbst überlassen, da in diesem Fall das Grundgesetz seiner Regelungsfunktion nicht genügen, der Staat sich seiner ureigensten Macht berauben und Gefahr laufen würde, ausgehebelt zu werden. Eine zu weite Fassung des Schutzbereichs der Religionsfreiheit führt im Übrigen letztlich nicht zu einer Auf-, sondern vielmehr zu einer Abwertung der Gewährleistungen von Art. 4 Abs. 1, 2 GG, da der extensiven Schutzbereichsaus 185 Zur Verstärkungslehre und der Entscheidung insgesamt kritisch Höfling, in: FS Rüfner, S. 335 f. 186 Adenau, NWVBl 2004, 289 (292); Hellermann, in: Heitmeyer/Dollase, S. 382.

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legung meist durch eine korrespondierende weitreichende Schrankenanwendung Rechnung getragen wird. So werden etwa immer öfter reine Kompetenznormen oder Staatszielbestimmungen des Grundgesetzes als ausreichende verfassungsimmanente Schranken der Religionsfreiheit angesehen.187 Eine streng subjektive Definition des Schutzbereiches, welche ausschließlich auf das religiöse Selbstverständnis des betroffenen Grundrechtsträgers abstellt, ist aus diesen Gründen abzulehnen.188 Ein handlungsfähiger Staat muss in der Lage sein, die äußeren Konturen der Grundrechte, auch der Religionsfreiheit, zu bestimmen.189 Zwar besteht dabei stets die Gefahr, den Inhalt der Religionsfreiheit durch die staatliche Definitionsmacht auszuhöhlen oder zu verfälschen;190 diesem Spannungsfeld muss der Staat sich jedoch stellen, um dem Missbrauchsrisiko, gerade auf dem Feld politischer und wirtschaftlicher Betätigung bestimmter Organisationen unter dem Deckmantel der Religionsausübung, auch im Interesse eines auf Dauer und allgemein starken Grundrechts der Religionsfreiheit, wirksam begegnen zu können. Aus diesem Grunde steht dem Staat zumindest eine formelle Definitionskompetenz zu.191 Zur Missbrauchskontrolle hat deshalb auch das Bundesverfassungsgericht, welches grundsätzlich wie dargestellt das Selbstverständnis des Grundrechtsträgers für die Schutzbereichsbestimmung zugrunde legt, Einschränkungen vorgenommen. So soll der Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG nur eröffnet sein, wenn es sich auch tatsächlich, nach dem geistigen Gehalt und äußeren Erscheinungsbild, um eine Religion oder Religionsgemeinschaft handelt,192 wobei unter einer Religion eine Lehre mit transzendentalen Bezügen zu verstehen ist, die eine mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens beinhaltet,193 was beim Islam jedoch unzweifelhaft der Fall ist.194 Ist diese Voraussetzung gegeben, muss die Bestimmung des Schutzbereichs von Art. 4 Abs. 1, 2 GG zunächst vom Selbstverständnis des betroffenen Grundrechtsträgers ausgehend überprüfen, ob das in Rede stehende Verhalten wirklich von einer religiösen Überzeugung getragen oder anderweitig, z. B. primär wirtschaftlich oder politisch, motiviert ist. Dies objektiv plausibel vorzutragen ist Aufgabe desjenigen, der die Religionsfreiheit für sein Handeln reklamiert, v. a. wenn äußer­ lich religionsneutrale Handlungsformen in Rede stehen.195 Die als religiös be 187 So soll z. B. der aus Art. 20a GG gebotene Tierschutz geeignet sein, das religiöse motivierte Schächten in verfassungsgemäßer Weise einzuschränken oder jedenfalls entsprechende gesetzliche Regelungen zu tragen. Ausführlicher dazu unter 2. Teil B. IV. 1. c) bb) (1); vgl. ­Goerlich, JZ 1995, 955. 188 So auch Diringer, BayVBl 2005, 97 (102 f.). 189 Loschelder, in: EssGespr 20, S. 157 f. 190 Kästner, JZ 1998, 974 (978 f.); Steiner, JuS 1982, 157 (160). 191 Diringer, BayVBl 2005, 97 (102 f.); Müller-Volbehr, DÖV 1995, 301 (302). 192 BVerfG,  Beschl. v. 5. Februar 1991, BVerfGE 83, 341 (353). 193 Diringer, BayVBl 2005, 97 (102) m. w. N. 194 Loschelder, in: EssGespr 20, S. 152. 195 Faller, KJ 2002, 227 (229).

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hauptete Handlungsform muss unter Anlegung säkularstaatlicher Kriterien196 eine nachvollziehbare, enge Konnexität zur Religion und zu kultischen Handlungen im engeren Sinn aufweisen. Diesen Nachweis kann der Grundrechtsträger z. B. mit religionswissenschaftlichen Belegen oder authentischen, objektivierten Quellen, also „Glaubensbekenntnissen“ oder „Programmen“, führen.197 Dabei ist es der beurteilenden staatlichen Stelle jedoch verwehrt, eine Glaubensüberzeugung als „richtig“ oder „falsch“, „gut“ oder „schlecht“ zu beurteilen und sich somit zum „theologischen Obergutachter“ aufzuschwingen.198 Ihr steht somit weder eine inhaltliche Bewertung einer Religion noch eine materielle Definitionskompetenz zu.199 Der Schlüssel zur Verhinderung einer vollständigen Verlagerung der Kompetenz-Kompetenz liegt in der schwierigen Aufgabe der Plausibilitätskontrolle durch die zuständigen staatlichen Stellen, die – zugegeben – häufig einen Balanceakt darstellen dürfte. Fraglich ist, ob darüber hinaus weitere objektive Kriterien zur Bestimmung des Schutzbereichs von Art. 4 Abs. 1, 2 GG herangezogen werden sollen. Eine Verengung des Schutzbereichs auf einen historisch gewährten Bestand an Verhaltensweisen widerspricht, wie bereits dargestellt, schon dem Grundsatz der staatlichen Neutralität. Eine Beschränkung auf diejenigen Verhaltensweisen, die aus dem christlichen Betätigungsfeld bekannt sind, stellt eine indirekte Bevorzugung dieser Religion dar. Darüber hinaus verkennt diese Ansicht den prinzipiell offenen Charakter der Freiheitsrechte200. Der grundrechtliche Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1, 2 GG darf nicht statisch bleiben, sondern muss sich den Bedürfnissen aller, auch neuer Religionen anpassen. Darüber hinaus ist nicht ausgeschlossen, dass auch die christlichen Kirchen neue Betätigungsformen als Ausdruck ihrer religiösen Überzeugung entdecken und für sich reklamieren. Abzulehnen ist auch ein ungeschriebener, dem Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG zugrundeliegender Ordre-public-Vorbehalt. Der Ansicht, die einen solchen Vorbehalt aus der Garantie der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG ableiten will, ist zunächst entgegenzuhalten, dass schon rein praktisch kein Bedürfnis für die von ihr vorgenommene Schutzbereichsbeschränkung bestehen dürfte. Die gerne zitierten Extrembeispiele sind größtenteils rein theoretischer Natur;201 ein Ordrepublic-Vorbehalt kann zur Lösung der in der Praxis durch die Konfrontation der Bundesrepublik mit dem Islam und anderen nicht abendländischen Religionen entstehenden Probleme wenig beitragen. Darüber hinaus besteht keine Notwendigkeit, den Schutzbereich des Art.  4 Abs.  1,  2  GG zu nivellieren, um den auf­ gezählten, als verwerflich empfundenen Verhaltensweisen den Schutz der Reli­ 196

Kästner, JZ 1998, 974 (979). Morlok, in: Dreier, Art. 4, Rn. 55, 80. 198 Hillgruber, JZ 1999, 538 (541). 199 Müller-Volbehr, DÖV 1995, 301 (303). 200 Bock, AöR 122 (1997), 444 (448). 201 Vgl. Belafi, Stimmen der Zeit 3/2008, 162 (166 f.).

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gionsfreiheit vorzuenthalten, da diese Fälle, wie bereits dargestellt, ohne Weiteres auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf der Schrankenebene gelöst werden können. So steht die Menschenwürde als entgegenstehende verfassungsimmanente Schranke selbstverständlich auch auf Schrankenebene menschenverachtenden religiösen Praktiken entgegen. Durch die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wird jedoch eine dem Einzelfall angemessene, auch die Reichweite der grundrechtlichen Gewährleistung berücksichtigende Lösung ermöglicht. Darüber hinaus ist gegen einen schutzbereichsimmanenten Ordre-public-Vorbehalt einzuwenden, dass die Definition der öffentlichen Ordnung stets mir größter Vorsicht vorzunehmen ist, da die Gefahr besteht, den jeweiligen Zeitgeist oder die eigenen moralischen Vorstellungen mit naturrechtlichen Gegebenheiten zu verwechseln. Teilweise wird die Relevanz dieses unbestimmten Rechtsbegriffs in heutiger Zeit völlig verneint.202 Die Problematik des Wertewandels zeigt sich an dem gern verwendeten Beispiel der Tempelprostitution, die nach der Legalisierung der Prostitution durch die Einführung des Prostitutionsgesetzes203 sicher nicht mehr ohne Weiteres als dem „ordre public“ widersprechend angesehen werden kann.204 Wenig überzeugend ist auch die Ansicht, welche den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1, 2 GG durch „verfassungsimmanente“ Elemente beschränkt sehen und den Schutz der Religionsfreiheit nur denjenigen Grundrechtsträgern zukommen lassen will, die ihrerseits auf dem Boden der Verfassung stehen und sich dieser gegenüber loyal verhalten.205 Bei dem Grundrecht der Religionsfreiheit handelt es sich wie bei allen Grundrechten primär um ein Abwehrrecht, welches Eingriffe des Staates in den Rechtskreis des Bürgers zu erschweren sucht. Im Gegensatz zu der Situation, in der ein Bürger eine Leistung vom Staat verlangt bzw. von staatlichen Teilhaberechten Gebrauch machen will, ist bezüglich des status negativus kein Raum für die Forderung nach besonderer Verfassungstreue.206 Der verfassungsrechtlich gebotene Minderheitenschutz beinhaltet zumindest bezüglich der Frage nach der Reichweite des grundrechtlichen Schutzbereiches auch den Schutz von Gruppierungen, die ihrerseits verfassungsfeindliche Positionen vertreten. Deshalb ist es 202

Leist, NVwZ 2005, 500 (501 f.). Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostituiertengesetz-ProstG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I, 3983). 204 Vgl. zur Sittenwidrigkeit von Prostitution ablehnend VG Berlin, Urt. v. 1. Dezember 2000, NJW 2001, 983 ff.; ebenso BVerwG, Beschl. v. 18. September 2001, DVBl 2002, 54 ff. 205 So aber wohl letztlich bezüglich der Rechtsstellung der Muslime in Deutschland insgesamt Alois Glück, der in einem Gespräch mit dem Vorsitzenden der Islamischen Gemeinschaft ein aktives Bekenntnis zum Grundgesetz fordert und darauf verweist, dass die Muslime „eine Bringschuld im Sinne einer vertrauensbildenden Maßnahme“ hätten. Vgl. o.V. (2001), Christ und Muslim  –  ein Streitgespräch, in: Süddeutsche Zeitung, Nr.  248, 27./28.  Oktober 2001, S. 63. 206 So auch Fehlau, JuS 1993, 441 (444), der darauf verweist, dass der Grundrechtsschutz keine Prämie für verfassungskonforme und staatsfromme Gesinnung sei; ebenso BeinhauerKöhler/Leggewie, S. 154. 203

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bezüglich anderer Grundrechte, wie etwa des Versammlungsrechts (Art.  8  GG) oder der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), in der Rechtsprechung anerkannt, dass es für die Eröffnung des Schutzbereiches nicht darauf ankommt, dass der Grundrechtsträger eine positive Einstellung zum Grundgesetz vertritt. So kommt es z. B. immer wieder vor, dass rechtsextremistische Vereinigungen ihr Recht auf Durchführung einer Versammlung vor deutschen Verwaltungs- und Verfassungsgerichten einklagen, oder Linksextremisten sich zur Veröffentlichung staatsfeindlicher Manifeste auf ihr Grundrecht auf Meinungsfreiheit berufen. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum dies bei der Religionsfreiheit anders gehandhabt werden sollte. Art. 4 GG ist als ein kommunikatives Grundrecht ein für die Demokratie besonders wichtiges Freiheitsrecht und stellt einen der Prüfsteine der freiheitlich-demokratischen Grundordnung dar. Darüber hinaus wird mittlerweile sogar im Teilhabebereich der Religionsfreiheit bzw. des Staatskirchenrechts das Erfordernis besonderer Verfassungstreue etwas aufgeweicht: Bezüglich der Glaubensgemeinschaft der „Zeugen Jehovas“ hat das Bundesverfassungsgericht (im Gegensatz zu den Vorinstanzen Oberverwaltungsgericht Berlin und Bundesverwaltungsgericht) entschieden, dass neben der allgemeinen Rechtstreue für die Anerkennung einer Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV keine besondere Loyalität zur Verfassung erforderlich ist, sondern die Religionsgemeinschaft lediglich die Gewähr dafür bieten muss, dass ihr künftiges Verhalten die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht gefährdet.207 Insoweit dürfen im Abwehrbereich, der klassischen Funktion der Grundrechte, keine strengeren Maßstäbe gelten. Schließlich gilt es in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die Beurteilung der Verfassungstreue einer Vereinigung letztlich nur dem Bundesministerium des Inneren zusteht, welches nach Abschaffung des sog. Religionsprivilegs (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 VereinsG a. F.208) im Rahmen seines vereinsrechtlichen Entscheidungsmonopols über das Verbot einer Organisation gemäß § 3 Abs.  1 VereinsG i. V. m. Art.  9 Abs.  2  GG zu entscheiden hat. Dass dieses dazu berufene Staatsorgan zur Beurteilung der Verfassungsgemäßheit einer Vereinigung besser in der Lage sein dürfte als eine Bauaufsichtsbehörde, liegt auf der Hand. Solange ein Zusammenschluss von Personen nicht explizit verboten ist, stehen ihm aus diesem Grund die gleichen staatsbürgerlichen Rechte zu wie allen anderen Vereinigungen 207 BVerfG  , Urt.  v.  19.  Dezember  2000, BVerfGE  102, 370 ff., wobei das Gericht betont, dass eine explizit verfassungsfeindliche Organisation sowie eine Vereinigung, die als privatrechtliche Vereinigung nach Art. 9 Abs. 2 GG verboten werden könnte, selbstverständlich nicht den Körperschaftsstatus erlangen kann; später ebenso BVerwG, Beschl.  v.  1.  Februar 2006, NJW 2006, 3156 ff. 208 Abgeschafft durch das Erste Gesetz zur Änderung des Vereinsgesetzes vom 4. Dezember 2001, BGBl. I, 3319.

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auch.209 Darüber hinaus mutet es merkwürdig an, wenn durch eine solche Schutzbereichseinschränkung ein juristischer Religionsbegriff entstünde, der von dem allgemeinsprachlichen und religionswissenschaftlichen abweicht.210 Bezüglich der Geltung eines Toleranzvorbehalts darf auf das oben unter B. II. 1. c) dd) Gesagte verwiesen werden. Abzulehnen ist auch die Ansicht, die kollidierende Grundrechte Dritter bereits zur Schutzbereichseinschränkung der vorbehaltlos gewährleisteten Religionsfreiheit genügen lassen will. Zwar dürfte diese Auffassung letztlich häufig zu den gleichen Ergebnissen kommen wie die hier vertretene Auffassung, da die gewährte „Netto-Freiheit“ häufig gleich groß sein dürfte. Die Berücksichtigung kollidierender Grundrechtsinteressen Dritter und die Vornahme einer Abwägung bereits auf Tatbestandsebene erscheint jedoch dogmatisch unscharf und führt zu einer Verwischung von grundrechtlichem Schutzbereich und Schranken.211 Es handelt sich dabei im Sinne der hergebrachten Grundrechtsdogmatik um die Frage nach der Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs, nicht um die Bestimmung des Schutzbereichs. Letztlich nimmt die Ansicht, die von schutzbereichsimmanenten Grundrechtsschranken ausgeht, eine antizipierte Güterabwägung vor.212 Es leuchtet nicht ein, warum bei den vorbehaltlos gewährten Grundrechten wie der Religionsfreiheit eine andere Grundrechtsprüfung vorgenommen werden sollte als bei den übrigen Grundrechten. Es erscheint vielmehr sinnvoll, zunächst die „Brutto-Freiheit“ anhand des Schutzbereichs zu bestimmen und erst in einem späteren Schritt zu überprüfen, ob das in den Schutzbereich fallende Verhalten auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Grundrechtsschranken schutzwürdig bleiben kann. Wo gegenüber der klassischen Grundrechtsprüfung bei der dargestellten Ansicht die Vorzüge liegen sollten, ist nicht erkennbar. Die Vertreter reklamieren zwar für sich lediglich die Behauptung, ein vorbehaltlos gewährtes Grundrecht zumindest technisch gesehen keiner „Grundrechtsschranke“ zu unterwerfen.213 Tatsächlich widerspricht diese Ansicht aber dem Schutzcharakter der Grundrechte: Diese sollen als Abwehrrechte gegen den Staat eine möglichst breite Wirkung entfalten; es ist deshalb gerechtfertigt, zunächst von einer möglichst umfassenden Brutto-Freiheit auszugehen, welche dann so wenig wie möglich auf Schrankenebene auf die verbleibende Netto-Freiheit eingegrenzt wird. Einen Beleg für die Annahme einer weiten Schutzbereichsauslegung bietet schließlich die Tatsache, dass nach dem Wortlaut des Grundgesetzes die wenigsten Grundrechte in ihrem Schutzbereich eingeschränkt sind. In diesem Kontext stellt Art. 8 Abs. 1 GG, der nur friedliche Versammlungen ohne Waffen schützt, die einzige, schon dem Wortlaut nach begrenzte Ausnahme dar. 209

Diringer, BayVBl 2005, 97 (102). Fehlau, JuS 1993, 441 (444). 211 Kritisch dazu auch Dolderer, BauR 1999, 691 (693 f.). 212 Müller-Volbehr, DÖV 1995, 301 (308). 213 Bamberger, Der Staat 39 (2000), 355 (373).

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Von dogmatischen Erwägungen abgesehen,214 führt diese Ansicht zu paradoxen (Zwischen-)Ergebnissen: So mag eine Karikatur grundsätzlich Kunst im Sinne von Art. 5 Abs. 3 GG darstellen; verletzt diese aber durch ihren Inhalt Grundrechte Dritter, z. B. deren Menschenwürde, stellt sie sich nicht mehr als grundrechtlich geschützte Kunst dar. Durch diese Ansicht werden neue verfassungsrechtliche Kategorien geschaffen, die z. B. auch von den allgemeinsprachlichen abweichen; eine abstrakt-generelle Schutzbereichsdefinition ist nicht mehr möglich. Die Verengung auf kultische Handlungen im engeren Sinn und der grundsätz­ liche Ausschluss sämtlicher religionsneutraler Verhaltensweisen aus dem Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG stellt hingegen eine unzulässige Beschränkung der grundrechtlichen Gewährleistung dar.215 Zum einen stellt sich bereits die Unterscheidung dessen, was als religiös im engeren Sinn angesehen wird, als kaum möglich dar. Eine Reduzierung des Grundrechtsschutzes auf Handlungsformen, die in der christlichen Religion und Tradition als kultisch angesehen werden, führt zwangsläufig zu einer unzulässigen Benachteiligung nicht-christlicher oder nicht-abendländischer Religionen, da in diesen möglicherweise ganz andere Formen religiöser Äußerung von zentraler Bedeutung sind.216 So hat z. B. nach christlichem Verständnis die Körperreinigung keine religiöse Bedeutung, während diese für einen gläubigen Moslem vor dem Gebet unerlässlich ist. Eine nach hergebrachtem christlichen Verständnis religionsneutrale Handlungsform gewinnt somit in einer anderen religiösen Tradition eine kultische Komponente. Darüber hinaus ist der Grundrechtskatalog nicht statisch, sondern dynamisch auszulegen: So schützt Art. 4 Abs. 1, 2 GG gerade auch die Entwicklung neuer religiöser Ausdrucksformen.217 Zum anderen widerspricht eine solche enge Schutzbereichsauslegung bereits dem Wortlaut des Art.  4 Abs.  2  GG, welcher ausdrücklich die freie Religionsausübung gewährt. Die Ausübung der Religion erfolgt jedoch nicht nur durch die Vornahme kultischer Handlungen oder religiöser Gebräuche.218 Vielmehr gehen Glaube und Religion, wenn sie ernst genommen werden, in allen Religionsgemeinschaften über den (sonntäglichen) Gottesdienstbesuch und das gelegentliche Gebet hinaus. So erfasst die Religionsausübung etwa nach christlichem Verständnis nicht nur den Glauben und den Gottesdienst, sondern auch das Wirken in der Welt.219 Die meisten Gläubigen streben deshalb an, ihre gesamte Lebensführung an ihrer Glaubensüberzeugung auszurichten. Ein solch weites Verständnis des Begriffs der Religionsausübung wird auch durch die Entstehungsgeschichte 214

Dazu ausführlich Höfling, in: FS Rüfner, S. 332 ff. Vgl. Müller-Volbehr, JuS 1997, 223 (224). 216 Britz, S. 123. 217 Kaup, BayVBl 1992, 161 (166); Schatzschneider, BayVBl 1985, 321 (322). 218 So auch Dolderer, BauR 1999, 691 (693). 219 BVerfG, Beschl.  v.  21.  September 1976, BVerfGE  42, 312 (331); dass., Beschl.  v. 25. März 1980, BVerfGE 53, 366, (392 f.); Kaup, BayVBl 1992, 161 (166). 215

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des Art. 4 GG gestützt. In den Beratungen des Parlamentarischen Rates wurde ausdrücklich ein weites, nicht auf kultische Handlungen beschränktes Verständnis der Religionsausübung vertreten.220 Anders als im Christentum gibt der Glaube anderer Konfessionen häufig relativ detaillierte, konkrete Anweisungen für das Alltagsverhalten der Gläubigen.221 Dies gilt nicht nur für den Islam, sondern etwa auch für das Judentum und den Buddhismus. Eine Beschränkung des Schutzbereiches von Art. 4 Abs. 1, 2 GG auf kultische Handlungen im engeren Sinn, wie sie unserer Kultur und Gesellschaft aus dem Christentum bekannt sind, stellte eine drastische Verkürzung des Grundrechtsschutzes dieser Religionen dar und basiert auf einem sehr eingeschränkten Verständnis dessen, was Religionsausübung, gerade auch für die Gläubigen selbst, bedeutet.222 Würden hingegen auch „alltägliche“ Handlungsformen dieser Konfessionen als kultisch im engeren Sinn angesehen, weil sie etwa in den überlieferten Schriften ausdrücklich vorgegeben werden (wie etwa die rituelle Waschung oder der Verzicht auf Schweinefleisch im Islam), führte dies zu einer Benachteiligung derjenigen Religionen, die, wie etwa das Christentum, dem einzelnen Gläubigen weniger konkrete Handlungsanweisungen für den Alltag geben. In der Konsequenz bedeutete dies nämlich eine Schwächung des Grundrechtsschutzes für liberalere Glaubensrichtungen.223 Zu Recht wurde auch darauf hingewiesen, dass häufig kultische Handlungen im engeren Sinn von den Gläubigen als weniger verpflichtend empfunden werden als nicht-kultische Verhaltensweisen, die sich aufgrund einer inneren, persönlichen Reflexion für den Einzelnen als religiös zwingend darstellen. Die Ansicht, die nur kultische Handlungen im engeren Sinn dem Grundrechtsschutz von Art. 4 Abs. 1, 2 GG unterstellen will, führt zu dem paradoxen Ergebnis, dass zwar die kultische, vielleicht als rein rituell empfundene Handlung von der Religionsfreiheit geschützt wird, eine andere, für den Gläubigen viel elementarere Verhaltensweise aber nicht.224 Schließlich wäre es verfehlt, Sachverhalte, in denen äußerlich religionsneutrale, jedoch eindeutig religiös motivierte Verhaltensweisen in Rede stehen, nur dem Grundrechtsschutz des jeweils sonst einschlägigen Freiheitsrechts –  im Bereich des Kultstättenbaus also Art. 14 GG – zu unterstellen.225 Unabhängig davon, dass eine solche Rechtsanwendung wegen der vorbehaltlosen Gewährleistung der Religionsfreiheit im Rahmen von Art. 4 Abs. 1, 2 GG stets zu einer Verkürzung des 220

Anger, S. 9. Vgl. Bryde, in: FS Steiner, S.  115; zum islamischen Alltagsleben ausführlich Lemmen/ Miehle, insbes. S. 64 f. 222 Grimm,  Dieter (2002): Kann der Turbanträger von der Helmpflicht befreit werden? in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 141, 21. Juni 2002, S. 49. 223 Zu den teils paradoxen Ergebnissen, die sich aus diesem engem Schutzbereichsverständnis ergeben, vgl. Anger, S. 10. 224 Vgl. dazu ders., der als Beispiel den Vergleich zwischen kultischer Opfergabe und nichtkultischen, als zwingend empfundenen Bekleidungsvorschriften anführt. 225 So auch Koch, S. 186. 221

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Grundrechtsschutzes führte und so gegen den Grundsatz „in dubio pro libertate“226 verstieße, läge ein Verstoß gegen die allgemein gültigen Regeln der Konkurrenz verschiedener Grundrechte vor: Es entspricht der wohl herrschenden Dogmatik, dass, wenn ein Sachverhalt die Schutzbereiche mehrerer Grundrechte berührt, nur die Schranken des „stärkeren“, d. h. für den Grundrechtsträger günstigeren Grundrechts, anzuwenden sind.227 Da Art. 4 Abs. 1, 2 GG durch die vorbehaltlose Gewährleistung der Religionsfreiheit den intensivsten möglichen Grundrechtsschutz bietet, bedeutet dies bei einer Kollision mit einem anderen Grundrecht stets, dass ein Eingriff nur im Rahmen der vorbehaltlosen Gewährleistung, also nur aufgrund verfassungsimmanenter Schranken, möglich ist. Die hier nur angeschnittene Problematik der schrankendivergierenden Grundrechtskonkurrenz soll im 2. Teil B. II. 4. f) ausführlich erörtert werden, da Fragen von Anwendungsraum und Konkurrenz erst behandelt werden können, wenn zuvor der Schutzbereich bestimmt worden ist.228 Schließlich stellen sich Schutzbereichseinschränkungen generell insoweit als problematisch dar, als sie zu einem völligen Ausschluss des Grundrechtsschutzes führen und im Gegensatz zu einer Lösung auf Schrankenebene nicht die im Einzelfall häufig unabdingbare Güterabwägung ermöglichen.229 Da solche Einschränkungen auf Tatbestandsebene nicht als Grundrechtseinschränkungen thematisiert werden, unterbleibt auch eine Anwendung des aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes,230 welche wegen ihres abwägenden und ausgleichenden Charakters gerade in der Praxis auch häufig als „gerecht“ empfundene Lösungen ermöglicht.231 ff) Zwischenergebnis für den Kultstättenbau Obwohl der Bau einer (islamischen) Kultstätte ein nach außen hin religions­ neutrales Verhalten darstellt, unterfällt er nach dem oben unter ee) Gesagten dem sachlichen Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Die Moschee als Gebäude ist so eng mit den dort zu vollziehenden kultischen Handlungen im engeren Sinne verknüpft, dass in der Regel kein Zweifel an der religiösen Motivation der Bau­ tätigkeit besteht. Sofern nicht offensichtlich ist, dass die Kultstätte nicht religiö 226

Zur Kritik an diesem Begriff eindrucksvoll Bethge, S. 257 f. Stern, Bd. III/2, S. 1391 f., 1405 ff. 228 So in dogmatischer Hinsicht auch Clemens, in: Umbach/Clemens, vor Art. 2 ff., Rn. 27. Im Kern geht es im Fall schrankendivergierender Grundrechte nämlich um die Frage nach der Beschränkung des vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts, wie auch Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (616) bzgl. der Kunstfreiheit betont. 229 Vgl. Pecher, S. 120, der von der „Eliminierung verfassungsrechtlicher Sicherungen“ spricht. 230 Starck, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, Art.  4, Rn.  14; Müller-Volbehr, DÖV  1995, 301 (308). 231 A. A. Loschelder, in: EssGespr 20 (1986), S. 158, der meint, die Substanz der Freiheit verflüchtige sich in einer endlosen Abwägung nach Verhältnismäßigkeit. 227

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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sen Zwecken dienen, sondern ausschließlich zu politischen, wirtschaftlichen oder gar terroristischen Zielen missbraucht werden soll, spielen Kriterien wie die Verfassungstreue oder Toleranz des Bauherrn keine Rolle. Die Religionsfreiheit verleiht darüber hinaus wie alle anderen Freiheitsrechte auch ein öffentliches Recht: Erst durch die Möglichkeit der Betätigung nach außen, die sich beim Bau sakraler Gebäude durch die Sichtbarkeit im öffentlichen Raum ergibt, erreicht sie ihre volle Entfaltung.232 Der Bau einer Kultstätte fällt nach der hier vertretenen Auffassung schon als Teil der Bekenntnisfreiheit in den Schutzbereich der durch Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleisteten Religionsfreiheit.233 Die Bedeutung des Kultstättenbaus für die freie Religionsausübung ergibt sich darüber hinaus aus deren Geschichte: Erst mit dem Recht auf freie Religionsausübung war es den Kirchen gestattet, eigene sakrale Gebäude zu errichten.234 Schließlich fallen gemeinsames Gebet und Gottesdienst sowie die Gemeindebildung zur gemeinsamen Religionsausübung235 nach einhelliger Meinung in den Schutzbereich der Religionsfreiheit. Ohne die Möglichkeit, zur Ausübung dieser geschützten Tätigkeiten eine angemessene Stätte zu schaffen, liefe der Schutz von Art. 4 Abs. 1, 2 GG gerade bezüglich nicht-christlicher Religionsgemeinschaften, die sich noch um Anerkennung und Akzeptanz bemühen müssen und wollen, in weiten Teilen leer.236 Der Bau einer Kultstätte, der das Praktizieren kultischer Handlungen im engeren Sinn häufig erst ermöglicht,237 muss demnach in den Schutzbereich der Religionsfreiheit fallen, um dem Grundrecht zur optimalen Entfaltung zu verhelfen. Dies gilt für den Islam umso mehr, als das gemeinsame Gebet in dieser Religion, wie bereits dargestellt, einen besonders hohen Stellenwert besitzt. e) Reichweite des Schutzes der Religionsfreiheit bezüglich des Kultstättenbaus aa) Allgemeines Freilich bedeutet die Tatsache, dass das religiös motivierte Bauen dem Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG unterliegt, nicht, dass jede einzelne konkrete bau­ liche Vorstellung des muslimischen Bauherrn zwangsläufig von Art.  4  Abs.  1, 232 Hammer, KuR 2000, 179 (181); Hoppe/Beckmann, DVBl 1992, 188 (190); Steiger, in: FS Kriele, S. 119 ff. 233 Zu diesem weiten Bekenntnisbegriff Hamel, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Art. 4, S.  61, der diesen Schutz jedoch „heidnischen Tempeln“ nicht zukommen lassen will (vgl. S. 81); Wenckstern, in: Umbach/Clemens, Art. 4, Rn. 96. 234 Brümmer, S. 56; Hoppe/Beckmann, DVBl 1992, 188 (190); vgl. zur historischen Entwicklung 1. Teil B. I. 1. 235 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 4, Rn. 34. 236 Vgl. auch Bundschuh-Rieseneder, bbl 2007, 75 (76); ebenso Wieshaider, in: Haratsch/ Janz u. a., S. 159. 237 So auch Brümmer, S. 61.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

2 GG geschützt wäre.238 Der Schutz der Religionsfreiheit bezieht sich in erster Linie auf das „Ob“ des Bauens eines Sakralgebäudes, also die Frage nach der generellen Zulässigkeit.239 Bezüglich des „Wie“, also der baulichen Ausführung im Einzelfall, gilt beim Bau islamischer Kultstätten wie auch beim Kirchenbau, dass zunächst zwischen kultischen, rein architektonischen und technischen Merkmalen zu unterscheiden ist. Unter technischen Merkmalen versteht man dabei z. B. Statik, Belüftung und Betriebstechnik.240 Dem Schutz der Religionsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1, 2 GG unterstehen zunächst nur die religiös-kultischen Merkmale, nicht jedoch diejenigen Spezifika des Gebäudes, welche nicht auf religiösen Überlegungen beruhen. Dabei ist die Abgrenzung zwischen den einzelnen oben angeführten Kategorien nicht immer einfach. Zwar erschließt es sich relativ eindeutig, dass Fragen der Belüftung und der Betriebstechnik keinen religiösen Bezug haben, so dass sich der muslimische Bauherr in diesem Bereich auch nicht auf die durch Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleistete Religionsfreiheit berufen kann. Gerade zwischen rein architektonischen und religiös bedingten Baumerkmalen fällt die Unterscheidung häufig schwer, da die architektonischen, aber auch manche technische Merkmale oft in enger Beziehung zu den Merkmalen der Religionsausübung stehen.241 bb) Schutz eines klassisch islamischen Baustils (1) Problemstellung Die in der Praxis auftretenden Probleme resultieren häufig weniger aus der Art der baulichen Nutzung als islamische Kultstätte; vielmehr stellt beim Bau von Moscheen242 oft der gewählte Baustil den Stein des Anstoßes dar.243 Der in Deutschland mittlerweile verbreitete und bei vielen Vorhaben angestrebte244 ­Typus der (­ursprünglich osmanischen) Kuppelmoschee mit Minarett245 mutet viele Deutsche „orientalisch“ an und scheint nicht ins typisch deutsche Stadtbild zu passen. Es stellt sich insoweit die Frage, inwieweit nicht nur der Bau einer Moschee als solcher, sondern auch spezifische Bauweisen ebenfalls unter den Schutz der Religions­freiheit fallen.246 238

Vgl. Stelkens in: Sommerfeld, S. 149 ff. So auch Stelkens,  Paul (2007): Schweigen auf rechtlichem Neuland“, in: Kölner Stadt­ anzeiger, Nr. 199, 28. August 2007, S. 21. 240 Brümmer, S. 62. 241 Ebenda. 242 Bezüglich der alevitischen Cem-Häuser sind solche Probleme aufgrund deren äußerlicher Unauffälligkeit nicht bekannt. 243 Integrationsbeauftragter NRW, S. 9. 244 Ebenda, wonach die Türkische Union (DITIB) sogar ein in diese Richtung lautendes „Raumprogramm“ aufgestellt hat. 245 Spuler-Stegemann, S. 157. 246 Verneint wird dies u. a. von Stelkens in: Sommerfeld, S. 147, der meint, aus dem Grundrecht der Religionsfreiheit folge nichts bezüglich der Architektur eines Gebetsraums. 239

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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Im Zusammenhang mit islamischen religiösen Praktiken taucht häufig die Behauptung auf, eine bestimmte Verhaltensweise sei nicht von der Religionsfreiheit geschützt, da diese vom Islam nicht als zwingend vorgegeben werde, was sich für den unbefangenen Betrachter zum Beispiel daraus ergibt, dass es immer noch etliche äußerlich völlig unauffällige Moscheen in verdeckter Form gibt, in denen scheinbar problemlos die islamische Religion ausgeübt werden kann. Als Paradebeispiel für die Frage nach der theologischen Notwendigkeit bestimmter islamischer Handlungsformen darf das Tragen des Kopftuches dienen, das von vielen Kritikern nicht als religiös motiviertes Kleidungsstück, sondern als rein kulturell bedingtes, von einer männlich dominierten Gesellschaft aufgezwungenes Symbol oder gar als politisches Statement angesehen wird.247 Beide Seiten duellieren sich mit Koransuren, die Argumente für oder gegen das Kopftuch liefern sollen.248 In gleichem Maße wird beim Bau einer neuen islamischen Kultstätte immer wieder die religiöse Notwendigkeit bestimmter Bauweisen, vor allem die des Minaretts oder der Kuppel, welche die „Fremdheit“ des Islam für viele geradezu symbolisieren, infrage gestellt.249 Die muslimischen Bauherrn versuchen zu belegen, dass etwa ein Minarett eine besonders gewichtige theologische Bedeutung habe;250 die Gegenseite stützt sich darauf, dass die äußere Form von Gebetshäusern lediglich zu den kulturhistorischen Aspekten des Baus zähle und keinerlei religiöse Inhalte vermittle.251 (2) Kultur/Tradition oder Religion? Nach einer Ansicht sollen theologisch unmittelbar verbindlich für den Bau einer Moschee nur die Gebetsrichtung gen Mekka sowie diejenigen baulichen Maßnahmen sein, die dem Sauberkeitsgebot Rechnung tragen.252 Alle anderen Elemente sind nach dieser Auffassung nur kulturell bedingt und religiös unverbindlich.253 Allenfalls sollen sie praktischen Aspekten dienen, wie beispielsweise die erhöhte Position des Gebetsrufes (von einem Minarett herab), welche lediglich eine physikalisch weitere Ausbreitung des Schalls ermöglichen soll.254 Solche architektonischen Merkmale unterfielen in konsequenter Anwendung dieser Ansicht nicht 247

Cziesche,  Dominik/Hipp,  Dietmar u. a. (2003), Das Kreuz mit dem Koran, in: DER ­ PIEGEL 40/2003, 29.  September  2003, S.  82 ff.; Mohr,  Mirjam (2003), Kopftuchstreit: S Kleidungsstück oder politisches Symbol? Spiegel online, 23.  September 2003, URL: http:// www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,266726,00.html; Muckel, NWVBl 1998, 1 (6; Fn.  88); ­Oebbecke, in: FS Rüfner, S. 595–606. 248 Vgl. dazu Pofalla, NJW 2004, 1218 (1219). 249 Leggewie S. 79; Schmitt, S. 44. 250 Vgl. die Antragsteller in dem Verfahren vor dem VGH München, Urt. v. 29. August 1996, NVwZ 1997, 1016 (1018). 251 So auch Rohe, S. 124. 252 Integrationsbeauftragter NRW, S. 8. 253 So auch Rohe, S. 124. 254 Integrationsbeauftragter NRW, S. 8.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

dem Grundrechtsschutz des Art. 4 Abs. 1, 2 GG, da sie nicht Bestandteil der Religionsausübung seien.255 Vom Schutzbereich der Religionsfreiheit gedeckt wäre nach dieser Ansicht lediglich das „Ob“ des Moscheebaus, nicht jedoch das „Wie“, also die konkrete Bauweise, bezüglich derer auch bei Kultstätten die allgemeingültigen einfachgesetzlichen Regeln Anwendung fänden.256 Sämtliche staatlichen Einschränkungen der gewünschten Bauweise (also z. B. die Ablehnung der Genehmigung eines Minaretts) müssten sich lediglich an Art. 14 Abs. 1 Satz 1, 2 GG messen lassen, nicht jedoch an Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Nach anderer Ansicht haben bauliche Merkmale wie Kuppel, Minarett oder Spitzbogenfenster durchaus religiösen Symbolwert. So soll der gläubige Moslem gerade in der Diaspora mit der Kuppel der Moschee den Himmel, den Kosmos und damit indirekt Allah und seine Präsenz und Macht assoziieren.257 Die runde Form symbolisiere die Unendlichkeit und damit das Göttliche.258 Diese Auffassung kommt zu dem Ergebnis, dass auch der konkrete geplante Baustil mit Kuppel und Minarett in den Schutzbereich der Religionsfreiheit fällt.259 Dies­ bezügliche Einschränkungen des konkreten Baustils, wie etwa Vorschriften bezüglich der Traufhöhe, welche den Bau eines Minaretts verhindern können, müssten nach dieser Ansicht den Anforderungen an die Schranken im Rahmen von Art. 4 Abs. 1, 2 GG genügen. (3) Stellungnahme Beim Bau islamischer Kultstätten fällt die Abgrenzung rein kultureller, traditioneller oder architektonischer baulicher Elemente von genuin religiösen jedoch aus verschiedenen Gründen schwer. Zum einen ist im Lauf der Jahrhunderte eine Vermischung beider Kategorien erfolgt, ein Phänomen, welches im Übrigen nicht auf den Bau islamischer Kultstätten beschränkt ist. Auch Kirchen- und Synagogengebäude haben im Lauf der Zeit typische Formen angenommen und spezifische bauliche Elemente integriert, deren theologische Bedeutung sich heute nicht mehr unmittelbar erschließt.260 Als Beispiel sollen nur Kirchtürme genannt werden, die früher als mahnender „Fingerzeig“ des Herrn galten bzw. die Orientierung ins Jenseits symbolisieren sollten,261 heute jedoch vielfach lediglich als 255 So wohl auch Muckel, NWVBl 1998, 1 (6); bzgl. der Unterscheidung kultischen, architektonischen und technischen Merkmalen beim Kirchenbau vgl. Brümmer, S. 62 ff. 256 So auch Stelkens, in: Sommerfeld, S. 147. 257 Kraft, S. 22 m. w. N., die auf Parallelen zum Kirchenbau hinweist. 258 Ebenda. 259 So bezüglich des Minaretts auch der VGH München, der dazu ein religionswissenschaft­ liches Gutachten einholen ließ, siehe Urt. v. 29. August 1996, NVwZ 1997, 1016 ff. 260 Brümmer, S. 65 f. 261 Genesis, 11,4; Frei, Walter (2007), Zeigfinger zum Himmel, in: Kirchenbote der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St. Gallen, 10/2007, S. 3 f.; URL: http://www.kirchen bote-sg.ch/index.asp?topic_id=1511&m=1511&g=1500.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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Zeichen christ­licher Präsenz wahrgenommen werden.262 Gleiches gilt für ursprüng­ lich christliche Feiertage wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten, deren Bedeutung heute nicht mehr allen Teilen der Bevölkerung bekannt ist und die trotz oder wegen ihrer religiösen Provenienz schlicht zum westlichen Kulturgut geworden sind. Zum anderen wird von Muslimen häufig die durch den orientalischen Baustil geförderte „Erkennbarkeit“ einer Moschee als islamisches Sakralgebäude als besonders wichtig empfunden.263 Diese Erkennbarkeit kann dazu dienen, das Zusammengehörigkeitsgefühl der in Deutschland lebenden Muslime zu stärken. Dieser Aspekt ist eher kulturell bedingt und würde aus diesem Grund nicht dem Schutz von Art. 4 Abs. 1, 2 GG unterfallen.264 Daneben beinhaltet das Motiv der Erkennbarkeit jedoch in gewisser Weise das Werben für den Glauben, welches wiederum anerkanntermaßen in den Schutzbereich der Religionsfreiheit fällt.265 Schließlich umfasst die Kultusfreiheit als wesentliches Element einen nach außen wirkenden Charakter der religiösen Betätigung,266 der durch eine spezifische Baugestaltung in besonderer Weise zum Ausdruck kommt. Dass gerade die „typischen“ Bauelemente, wie Kuppeln, Minarette und reich mit Ornamenten verzierte Fassaden oder Firste, eine Art muslimische Mission verkörpern, wird nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass gerade diese baulichen Merkmale von der nicht-muslimischen Bevölkerung sofort mit dem Islam in Verbindung gebracht werden und eine Moschee für alle als solche erkennbar machen.267 Darüber hinaus lässt sich gerade in Bezug auf den Islam die Trennung zwischen Tradition und Religion insgesamt besonders schwer vollziehen. Der Islam beansprucht für sich, beispielsweise im Gegensatz zum Christentum, weite Teile des Lebens des Gläubigen im Einzelnen umfassend zu regeln.268 Die Scharia, das Gesetzbuch des Islam, beinhaltet etliche Regeln für den Alltag, die der gläubige Muslim beachten muss. Diese Regeln reichen von Speisevorschriften über Sauberkeitsund Kleidungsnormen bis hin zu allgemeinen Verhaltensregeln.269 Weiterhin tendieren gerade die ursprünglich aus dem Ausland stammenden Muslime dazu, zur Identitätserhaltung viele Bräuche und Traditionen mit in die Diaspora zu bringen. Diese Traditionen mögen teilweise zunächst durchaus religiös motiviert gewesen sein; in heutiger Zeit sind sie jedoch vielfach nur noch

262

So bezüglich der Höhe des Kirchturms Brümmer, S. 66. Integrationsbeauftragter NRW, S. 9. 264 Guntau, ZevKR 43 (1998), 369 (383 f.); Muckel, NWVBl 1998, 1 (6). 265 BVerfG, Beschl. v. 8. November 1960, BVerfGE 12, 1 (3 f.); Guntau, ZevKR 43 (1998), 369 (378). 266 Bayer, S. 51, 54. 267 Integrationsbeauftragter NRW, S. 9. 268 Britz, S. 120, 122; Hellermann, in: Heitmeyer/Dollase, S. 383; Steinbach, S. 11 f. 269 Vgl. Bryde, in: FS Steiner, S. 115; Spuler-Stegemann, S. 161 ff. 263

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Ausfluss einer kulturellen Identität und werden zum Teil auch von wenig gläubigen Muslimen weitergeführt.270 Ein zusätzliches Problem stellt die große Zersplitterung des Islam dar; „der Islam“ als monokratische Instanz existiert nicht. Vielmehr ist diese Religion durch eine Vielzahl unterschiedlicher konfessionsartiger Ausprägungen sowie durch die Konkretisierung durch verschiedene Rechtsschulen gekennzeichnet.271 Insoweit können keine allgemeinen Aussagen darüber getroffen werden, welches bauliche Element „im Islam“ theologische Bedeutung hat. Abschließend darf nicht vergessen werden, dass es bezüglich der umstrittenen baulichen Elemente unter Umständen zu einer Grundrechtskonkurrenz kommen kann, da diese als Baukunst auch in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG fallen könnten.272 Auch bei der Kunstfreiheit handelt es sich um ein vorbehaltlos gewährtes Grundrecht, dessen Schranken in Bezug auf das Baurecht jedoch weitgehend juristisch aufgearbeitet sind.273 Sieht man Kuppel und Minarett als religiös verbindlich an, findet als spezielleres Grundrecht nur Art. 4 Abs. 1, 2 GG Anwendung.274 Geht man hingegen davon aus, dass die orientalischen äußeren Merkmale einer Moschee lediglich kulturhistorischen Charakter haben und nicht in den Schutzbereich der Religionsfreiheit fallen, muss geprüft werden, ob diese ggf. dem Schutz von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unterliegen und deshalb gebaut werden dürfen. Für die Beurteilung der Frage, ob ein spezifisches Bauelement dem Schutz­ bereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG unterfällt, ist nach dem unter B. II. 1. d) ee) Gesagten und der hier favorisierten Meinung ausschlaggebend, ob eine bestimmte Bauweise nach dem Selbstverständnis des betroffenen Grundrechtsträgers Ausfluss seiner religiösen Überzeugung ist275 und ob er dies objektiv plausibel und nachvollziehbar darzutun vermag. Richtigerweise bietet demnach nur die islamische Religion einen Maßstab zur Bewertung der Bedeutung der spezifischen Bauelemente.276 Macht ein Bauherr geltend, für die Verwirklichung der religiösen Vollständigkeit der von ihm geplanten Kultstätte auf bestimmte Baumerkmale nicht verzichten zu können oder zu wollen, so dürfte die geforderte Konnexität zwischen der religiösen Überzeugung und den streitigen Bauelementen, soweit es sich um klassisch islamische architektonische Merkmale, wie Kuppeln, Minarette oder Ornamentik, handelt, ohne Weiteres gegeben sein, da objektiv erkennbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass solchen Baumerkmalen religiöse Bedeutung zukommt und sie nicht rein technischen oder architektonischen Charakter 270

Zur Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen religiösen und kulturellen Verhaltens­ weisen vgl. Britz, S. 117 ff. 271 Janz/Rademacher, NVwZ 1999, 706 (710). 272 Zur Schwierigkeit der Trennung künstlerischer und religiöser Merkmale bei Kirchenbau Brümmer, S. 62 f. 273 Vgl. u. a. die ausführliche Darstellung von Schneider. 274 Anders Schneider, S. 145, der hier offenbar einen Fall der Idealkonkurrenz sieht. 275 So bzgl. des Kirchenbaus auch Brümmer, S. 67 f. 276 Sarcevic, DVBl 2000, 519 (522).

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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haben. In diesem Fall unterfällt auch der geplante Baustil dem Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Äußert sich der Bauherr einer Kultstätte, was in der Praxis selten sein dürfte, hingegen dezidiert dahingehend, dass er ein Minarett oder eine Kuppel nur aus ästhetischen oder „nationalistischen“277 Gründen für unerlässlich hält, genießt sein Ansinnen nur hinsichtlich der Art der Nutzung, nicht jedoch bezüglich des konkreten Baustils den Schutz der Religionsfreiheit und ist in dieser Hinsicht zu behandeln wie jedes andere Bauvorhaben. Im Rahmen dieses Selbstdefinitionsrechts kommt es nur darauf an, dass der jeweilige Bauherr die typisch muslimischen Bauelemente für unverzichtbar und religiös notwendig hält und dies plausibel darlegt. Da dem Staat diesbezüglich (bei Vorliegen der entsprechenden Konnexität zur Religion, die im Fall des klassisch islamischen Baustils gegeben ist) keine inhaltliche Bewertungskompetenz zukommt,278 hat er nicht das Recht, eine bestimmte theologische Auslegung zu bevorzugen und z. B. die theologische Notwendigkeit eines Minaretts in Frage zu stellen. Eine eingehende Koranexegese ist in diesem Fall nicht nur überflüssig, sondern den staatlichen Stellen sogar verwehrt.279 Ebenso wenig relevant ist es, ob das betreffende bauliche Element im Islam allgemein bzw. von der Glaubensrichtung, welcher der Bauherr angehört, als aus religiösen Gründen zwingend notwendig angesehen wird oder vielleicht lediglich eine religiöse Tradition oder einen religiösen Brauch darstellt, der sich – vielleicht auch nur regional – eingebürgert hat.280 Von Art.  4 Abs.  1,  2  GG wird auch die vereinzelt auftretende Glaubensüberzeugung geschützt, die von den offiziellen Lehren der Kirchen oder Religionsgemeinschaften abweicht.281 Aus diesem Grund sind zur Schutzbereichsbestimmung282 i. d. R. auch religionswissenschaftliche Gutachten zur Beurteilung der theologischen Notwendigkeit einer bestimmten Bauweise nicht generell erforderlich.283 Diese können allenfalls dazu dienen, die Konnexität eines Baumerkmals zur Religion darzulegen, was jedoch im Fall eines Minaretts oder einer Kuppel, deren Zugehörigkeit zum Islam hinlänglich bekannt sein dürfte, überflüssig ist. 277

Daran könnte bezüglich der Empfehlung der DITIB gedacht werden. Hillgruber, JZ 1999, 538 (541). 279 Vgl. zur Bibel- bzw. Koranexegese durch die Gerichte Kästner, JZ 1998, 974 (979). 280 Böckenförde, NJW  2001, 723 (724); anders wohl Mager, in: v.  Münch/Kunig, Art.  4, Rn. 36 zu Barttrachten, Bekleidung usw. 281 Steiner, JuS 1982, 157 (160). 282 Von Belang können solche Gutachten aber für die spätere Güterabwägung sein, weil sie ggf. Aufschluss über das Gewicht der religiösen Bedeutung eines Baustils geben können, vgl. Muckel, NWVBl 1998, 1 (5 f.); Otting, Städte- und Gemeinderat 3/1997, 65 (67). 283 Insoweit ist es irreführend, dass der VGH München (Urt. v. 29. August 1996) ein religionswissenschaftliches Gutachten in Auftrag gab. Anders hat dies bezüglich des Schächtgebots auch das BVerwG, Urt. v. 23. November 2000, BVerwGE 112, 227 (230) gesehen: Das Gericht ging in dieser Entscheidung davon aus, dass das Schächten nicht der Religionsfreiheit unterfalle, da es im Islam nicht zwingend sei, nur Fleisch von geschächteten Tieren zu essen. Dem ist das BVerfG, u. a. unter Berufung auf die Begründung des Gesetzgebers zu § 4a Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. TierschG (Ausnahmegenehmigung von der Betäubungspflicht bei Schlachtungen) entgegen getreten, siehe dass., Urt. v. 15. Januar 2002, NJW 2002, 663 (665 f.). 278

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Sinnvoll erscheinen solche Gutachten hingegen, wenn der Bauherr anderer, religiös neutral erscheinender Gebäudeteile seinen Bauwunsch für religiös bedingt erklärt. Im Streitfall hat der Bauherr darzulegen, inwieweit die spezifische bauliche Ausführung eines Kultstättengebäudes Ausdruck seiner Religionsausübung ist.284 Bei der Entscheidung durch die zuständigen staatlichen Stellen wird es darauf ankommen, ob der Bauherr seine Behauptung auf Glaubenssätze, überlieferte oder neue Kultformen und liturgische Vorstellungen stützen kann.285 (4) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass die typischen isla­mischen Baumerkmale wie Kuppel, Minarett oder eine ornamentenverzierte Fassade in der Regel dem Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1, 2 GG ebenso unterliegen wie der Bau einer muslimischen Kultstätte als solcher, da ihnen nach dem religiösen Selbstverständnis einer Vielzahl islamischer Schulen theologische Bedeutung als Glaubenssymbole zukommt und sie nicht lediglich kulturhistorischen Charakter besitzen. Letztlich muss dies von den zuständigen staatlichen Stellen und Gerichten jedoch im Einzelfall auf der Grundlage des Vortrags des Bauherrn entschieden werden. cc) Beurteilung sonstiger baulicher Merkmale Neben der Problematik der islamischen Baumerkmale kann sich die Frage nach der religiösen Motivation auch bezüglich weiterer technischer oder architektonischer Details einer muslimischen Kultstätte stellen.286 Oft stehen diese Merkmale in enger Beziehung zur Religionsausübung.287 So können etwa religiöse Über­ legungen bei der Anordnung der einzelnen Räume innerhalb einer Moschee288 oder zum Beispiel, wegen der vorgeschriebenen Gebetsrichtung nach Mekka, bei der Ausrichtung des Baukörpers auf dem Grundstück eine Rolle spielen. Andererseits leuchtet es ein, dass sich beim Bau eines Sakralgebäudes etliche Fragen der baulichen Ausführung stellen, denen im Einzelnen in der Regel keinerlei religiöse Überlegungen zugrunde liegen, wie etwa die bereits angesprochene Belüftungstechnik, Fragen der Statik, Aufgänge oder Baumaterialien. In diesem Fall ist der Moscheebau nicht anders zu behandeln als der Bau eines beliebigen profanen Gebäudes. Die Anwendung staatlicher Bauvorschriften betrifft insoweit schon nicht 284

Bei Brümmer findet sich das Beispiel einer grellen Fassadengestaltung (S. 66 f.). Ebenda, S. 69. 286 Zur Parallelfrage beim Bau christlicher Kirchen vgl. ebenda, S. 62 ff. 287 Ebenda. 288 Man denke nur an die unterschiedlichen Räume für Männer und Frauen, vgl. 1.  Teil C. III. 1. 285

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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den Schutzbereich der Religionsfreiheit des muslimischen Bauherrn. Eine Ausnahme gilt nur insoweit, als die Anwendung des Baurechts nicht nur zur Notwendigkeit der Abwandlung, sondern zum Verbot der Moschee insgesamt führt. Ist dies der Fall, liegt in der Regel ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in die Religionsfreiheit des Bauherrn vor. Eine allgemeine Aussage darüber, welche Teile des Baus einer Moschee in den Schutzbereich der Religionsfreiheit fallen und damit besonders geschützt sind, kann nicht getroffen werden. Vielmehr muss anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls untersucht werden, ob das geplante Sakralgebäude in seiner konkreten Gestalt auf religiösen Überlegungen beruht. Die Definitionsmacht darüber, welches bauliche Merkmal religiös motiviert ist, steht wiederum zunächst einmal den Religionsgemeinschaften zu.289 Allerdings muss auch hier durch die zuständigen staatlichen Stellen eine Plausibilitätskontrolle erfolgen, da es den Religionsgemeinschaften ansonsten freistünde, religiös völlig neutrale, rein technische oder architektonische Vorstellungen als religiös bedingt zu deklarieren und damit in den Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG einzubeziehen.290 In diesem Zusammenhang spielen die Entwürfe des Architekten eine entscheidende Rolle. Bei der Beantragung einer Baugenehmigung könnte bei baulichen Merkmalen, deren reli­giöser Bezug sich nicht ohne Weiteres erschließt, zum Beispiel eine Erklärung über die theologischen Hintergründe291 beigefügt werden und den zur Entscheidung über den Antrag berufenen staatlichen Stellen die Arbeit erleichtern. dd) Profane Nutzung einer muslimischen Gebetsstätte (1) Die Moschee als Zentrum des gesellschaftlichen Lebens In der Praxis entzündet sich der Streit um den Bau einer Moschee häufig daran, dass diese neben der Funktion als Kultstätte im engeren Sinn noch weitere Aufgaben erfüllt. Bei einer Moschee handelt es sich nicht um ein klassisches Sakralgebäude, wie es aus Christen- und Judentum bekannt ist. Zum einen umfasst jede Moschee schon aus religiösen Gründen verschiedene Räume. Man findet dort z. B. Waschräume sowie getrennte Aufenthaltsräume für Männer und Frauen. Darüber hinaus ist es durchaus üblich und bei den alevitischen Cem-Häusern nahezu un­ erlässlich, dass dem eigentlichen Gebetsraum diverse zusätzliche Räume zur sozialen oder wissenschaftlichen Nutzung angeschlossen sind. So befinden sich beispielsweise in Moscheen und Cem-Häusern häufig Bibliotheken, Koranschulen, 289

So auch Brümmer, S. 67. Ebenda. 291 Vgl. zum Entwurf der geplanten Kölner Zentralmoschee Kowa, Günther (2008), Zündstoff Architektur, in: Kölner Stadtanzeiger, Nr. 227, 27. September 2008, S. 27; Frangenberg, Helmut (2008), Der lange Weg zur Moschee, in: Kölner Stadtanzeiger, Nr. 201, 28. August 2008, S. 28. 290

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Sportanlagen, Friseure oder Aufenthaltsräume für Jugendliche.292 Gelegentlich ist wegen dieser zusätzlichen, nicht unmittelbar religiösen Nutzungen nicht von einer geplanten Moschee, sondern von einem islamischen Zentrum, einem Gemeindeoder Kulturzentrum, einem Gemeindehaus oder gar einem Kongresszentrum die Rede. Fraglich ist, ob solche zusätzlichen Nutzungen aufgrund ihres Zusammenhangs mit einer Kultstätte im engeren Sinn ebenfalls den Schutz der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG genießen, oder ob die Kultstätte deshalb aus dem Schutz­ bereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG ausgenommen werden muss und das gesamte Vorhaben baurechtlich ohne Rücksicht auf die Religionsfreiheit zu beurteilen ist. Gegen eine Einbeziehung solcher gemischt genutzter Gebäude in den Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG spricht, dass die damit verbundene baurechtliche Privilegierung in diesem Fall sozialen, kulturellen oder gar wirtschaftlichen oder politischen Nutzungsformen zugutekäme und diese somit gegenüber gleichartigen, nicht mit einem religiösen Gebäude verbundenen Einrichtungen bevorzugt würden. Zugespitzt könnte man die Frage dahingehend formulieren, warum der muslimische Friseur oder die an eine Moschee angegliederte Teestube (baurechtlich) besser gestellt werden sollten als der „normale“ Friseur oder ein beliebiges Straßencafé. Ferner fällt bei aufmerksamer Auswertung der Medien auf, dass sich neben der sozialen und wirtschaftlichen Betätigung in den Moscheen dort häufig politische Aktivitäten abzuspielen scheinen.293 Darüber hinaus ist die nötige Konnexität zur Religionsausübung im engeren Sinne bei den sozial genutzten Räumen einer Moschee bzw. eines islamischen Zentrums geringer als bei den kultisch genutzten Räumen, so dass es durchaus plausibel erscheint, diese Nutzungen aus dem Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG auszunehmen.294 Andererseits fällt die Differenzierung zwischen genuin religiöser und rein sozialer Nutzung schwer. Nach alevitischem Verständnis wird die Cem-Zeremonie durch den gemeinsamen Verzehr der in der Zeremonie gesegneten Speisen abgeschlossen; die nach Geschlechtern getrennten Waschräume in einer Moschee sind für die dem Gebet zwingend vorausgehende Reinigung unerlässlich. In den den Moscheen angegliederten Koranschulen erfolgt einerseits die religiöse Erziehung muslimischer Kinder; andererseits haben diese dort die Möglichkeit, mit anderen Kindern gleicher Glaubenszugehörigkeit zu spielen. In den in islamischen Zentren befindlichen Bibliotheken finden sich neben religiöser Literatur durchaus auch türkische oder arabische Romane; die in den Teestuben sitzenden Männer beten dort nicht, kommen aber wiederum auch nie „nur zum Teetrinken“ in die der Moschee angeschlossene Teestube, in der selbstverständlich kein Alkohol ausge-

292

Eine Aufstellung derjenigen Räume, welche die DITIB als beim Bau einer Moschee nötig erachtet, findet sich bei Integrationsbeauftragter NRW, S. 9. 293 Man denke nur an die Beobachtung von Moscheen durch den Verfassungsschutz. 294 So Stelkens, in: Sommerfeld, S. 148.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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schenkt wird, sondern verweilen dort nach dem gemeinsamen Gebet.295 Diese Verquickung zeigt, dass eine Unterscheidung der Nutzung einer Moschee in „­sakral“ und „profan“ schwerfällt. Dies ist dem Umstand zu schulden, dass in der islamischen Tradition den Gebetshäusern seit jeher eine Rolle zukommt, die sich von der im Christentum mittlerweile üblichen296 deutlich unterscheidet: Moscheen waren schon immer mehr als „nur“ Gebets- oder Gottesdiensthäuser. Vielmehr waren sie auch schon zu Zeiten Mohammeds offene Häuser bzw. Bürgerhäuser und erfüllten neben der genuin religiösen zugleich eine wichtige soziale Funktion.297 Diese soziale Funktion weist einen engen Zusammenhang zur eigentlichen Religionsausübung auf: Wie auch im Christentum298 spielt im Islam die Gemeindebildung eine wichtige Rolle. Dies lässt sich u. a. am Almosengebot und daran erkennen, dass das gemeinsame Gebet theologisch betrachtet mehr Gewicht hat als das Gebet des Einzelnen. Im Gegensatz zur häufig auf den sonntäglichen Gottesdienstbesuch beschränkten Religionsausübung, wie sie sich in den beiden großen etablierten christlichen Konfessionen manchmal darstellt, hat das Gemeindeleben im Islam auch in der Praxis der Gläubigen einen sehr hohen Stellenwert. Es findet auch außerhalb der vorgegebenen Gebetszeiten zu einem großen Teil innerhalb der Moschee statt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass sich ein ähnlich lebhaftes Gemeindeleben auch in den jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik sowie bei den immer stärker werdenden freikirchlichen christlichen Gemeinschaften beobachten lässt. Im Gegenzug versuchen auch einige evangelisch-lutherische Gemeinden, den Zusammenhalt zwischen den Gemeindegliedern dadurch zu stärken, dass z. B. nach dem sonntäglichen Gottesdienst, etwa im Vorraum der Kirche oder im angegliederten Gemeindehaus, nach dem Gottesdienst ein gemeinsames Mittagessen oder ein „Kirchenkaffee“ angeboten wird. Gelegentlich finden auch bewusst zusätzlich zu den Gottesdiensten Veranstaltungen, wie z. B. Orgelkonzerte mit weltlicher Musik, in der Kirche statt, um Gläubigen, die nicht regelmäßig den Gottesdienst besuchen, oder interessierten Nichtmitgliedern die Scheu vor dem sakralen Raum zu nehmen. Da nach der hier vertretenen Auffassung keine Beschränkung des grundrecht­ lichen Schutzbereiches von Art.  4  Abs.  1,  2  GG auf rein kultische Handlungen geboten ist, die in der Moschee stattfindenden sozialen Nutzungen als Teil der Gemeindebildung eine Nähe zur Religionsausübung aufweisen und nach dem Selbstverständnis der Muslime Teil  der Religionsausübung darstellen, fallen grundsätzlich auch die ausschließlich zu sozialen Zwecken genutzten Räume einer Moschee (ebenso wie beispielsweise ein christliches Gemeindehaus) in den 295 Bezeichnenderweise müssen in den dem eigentlichen Gebetsraum angegliederten Räumen größtenteils die Straßenschuhe ausgezogen werden. 296 Vielleicht ist die rein sakrale Funktion christlicher Gotteshäuser auf die „Tempelreinigung“ durch Jesus Christus zurückzuführen. vgl. Mt. 21, 12 ff., Mk. 11, 15 ff., Lk. 19, 45 ff., Jh. 2, 13–16. 297 Beinhauer-Köhler, in: Beinhauer-Köhler/Leggewie, S. 62 ff; Vöcking, S. 7. 298 Vgl. Apostelgeschichte 2, 37 ff.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Schutzbereich der Religionsfreiheit.299 Eine Verengung des Schutzbereichs von Art. 4 Abs. 1, 2 GG auf die rein sakrale Nutzung einer Moschee oder eines Gemeindezentrums verstieße im Übrigen gegen den Grundsatz staatlicher Neutra­ lität, da eine solche Auslegung von dem christlichen Verständnis einer Kirche als sakralem Ort ausginge, ohne die Besonderheiten des Islam zu berücksichtigen. (2) Gewerbliche Nutzungen in der Moschee Fraglich ist darüber hinaus, wie sich die wirtschaftliche Nutzung von Moscheen, wie sie etwa in den Teestuben, bei den dort angesiedelten Friseuren oder in den in der Moschee befindlichen islamischen Buchhandlungen stattfindet, auf den Gesamtcharakter des Gebetshauses als Kultstätte und den dieser zukommenden Schutz von Art. 4 Abs. 1, 2 GG auswirkt. Grundsätzlich schadet auch die erwerbswirtschaftliche Betätigung nicht der Einordnung als Religion, solange der religiöse Charakter nicht der Maskierung rein geschäftlicher Interessen dient.300 Jede Vereinigung bedarf zur Sicherung ihrer Existenz und zur legitimen Praktizierung und Verbreitung ihres Glaubens finanzieller Mittel.301 Von einem missbräuchlichen Verdecken rein wirtschaftlicher Interessen wird man bei einem in einem islamischen Gebetshaus befindlichen Friseurladen, einer Teestube oder einer muslimischen Buchhandlung nicht ausgehen können, so dass solche wirtschaftlichen, an einen Gebetsraum angegliederten Nebennutzungen für die Einordnung als in den Schutzbereich der Religionsfreiheit fallende Kultstätte in der Regel unschädlich sind.302 Dies gilt umso mehr, als die dort erzielten Einnahmen häufig gerade der Finanzierung der Kultstätte zu dienen bestimmt sind und deren Bau dadurch erst ermöglichen. In gleicher Weise ist der in einer christlichen Kirche befindliche „Eine-Welt-Stand“ oder ein in Kirche oder Gemeindehaus stattfindender „Basar“ von dem Schutz der Religionsfreiheit erfasst. (3) Politische Betätigung in den Moscheen Immer wieder ist, vor allem im Zusammenhang mit der Beobachtung verschiedener Moscheegemeinden durch den Verfassungsschutz und mit vereitelten Ter 299

Zu diesem Ergebnis müsste auch Hammer, KuR 2000, 179 (181), kommen, der die Geltung von Art. 4 Abs. 1, 2 GG auch für nicht zu gottesdienstlichen Zwecken genutzte Gebäude anerkennt. 300 Diringer, BayVBl 2005, 97 (103 f.); Morlok, in: Dreier, Art. 4, Rn. 70; a. A. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 4, Rn. 37, der die gewerbliche Tätigkeit von Religionsgemeinschaften als nicht von Art. 4 Abs. 1, 2 GG gedeckt ansehen will; ebenso Mager, in: v. Münch/ Kunig, Art. 4, Rn. 57. 301 Diringer, BayVBl 2005, 97 (103). 302 Vgl. VG Berlin, Urt. v. November 2005, Az. VG 19 A 331.02, unveröffentl.

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roranschlägen islamistischer Fundamentalisten, von muslimischer politischer Aktivität die Rede, welche sich im Wesentlichen innerhalb der Moscheen abzuspielen scheint. Gerade die Sorge, in der geplanten Moschee könnten sich islamistische Terroristen treffen und organisieren, bringt immer wieder viele Anwohner gegen das Bauvorhaben auf.303 In diesem Zusammenhang taucht die Frage auf, inwieweit die Nutzung eines Gebetshauses zu politischen Zwecken deren Schutzwürdigkeit gemäß Art. 4 Abs. 1, 2 GG aufhebt oder einschränkt. Da die Moschee bereits seit den Anfangszeiten des Islam nie lediglich ein sakrales Gebäude für Gottesdienst oder Gebet, sondern seit jeher in den muslimisch geprägten Ländern der Welt ein Zentrum des sozialen und politischen Lebens war, verwundert es nicht, dass auch heutzutage in den Moscheen der westlichen Welt Politik eine große Rolle spielt. Dies gilt umso mehr, als es im Islam keine Trennung zwischen weltlicher und religiöser Sphäre gibt.304 Aus diesem Grund können auch politische Äußerungen oder Betätigungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Religionsausübung erfolgen, nicht vom Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG separiert werden.305 So kann etwa die Predigt des Imam nicht in ihre rein religiösen und ihre gesellschaftlich-politischen Bestandteile unterteilt werden. Gleiches gilt im Übrigen für das politisch-gesellschaftliche Wirken der etablierten christlichen Großkirchen. Die meisten Religionen ziehen ihrem Selbstverständnis entsprechend aus ihren religiösen Lehren konkrete Folgerungen für das politisch-gesellschaftliche Leben und beteiligen sich aktiv an der Gestaltung von Staat und Gesellschaft.306 Diesen „Öffentlichkeitsanspruch“ haben die Gerichte den Kirchen auch ausdrücklich zugebilligt.307 Die erforderliche Konnexität mit der Religiosität im engeren Sinn ist deshalb gegeben. Insoweit unterfällt die religiös motivierte politische Betätigung und Äußerung dem Schutzbereich der Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Gerade aufgrund der Erfahrungen zu Zeiten des Nationalsozialismus, als sich im protestantischen Bereich lediglich die „Bekennende Kirche“ gegen das Regime wandte, und wegen der großen Bedeutung, die der politische Widerstand der Kirchen in der DDR für die „Wende“ hatte, ist eine politisch-gesellschaftliche Einmischung der Kirchen und Religionsgemeinschaften durchaus erwünscht. Anders ist es zu beurteilen, wenn die Religionsausübung nur missbräuchlich vorgetäuscht wird, um in Wahrheit politischen Aktivitäten nachzugehen. Gerade wegen der engen Verquickung von weltlicher und geistlicher Sphäre im Islam ist

303 Nienhaus, Lisa (2007): Die Angst vor dem Nachbarn, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 151, 3. Juli 2007, S. 37. 304 Adenau, NWVBl 2004, 289 (292); Anger, S. 5. 305 A. A. Muckel, in: FS Listl, S. 244. 306 Diringer, BayVBl 2005, 97 (105); Hillgruber, JZ 1999, 538 (542), stellt zu Recht fest, dass Religion nie areligiös ist. 307 BVerwG, Urt.  v.  23.  März  1971, BVerwGE  37, 344 (363); vgl. dazu auch Diringer, BayVBl 2005, 97 (105) m. w. N.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

ein solcher bewusster Missbrauch nur schwer vorstellbar.308 Im Bereich der islamischen Organisationen ist eine Trennung zwischen „echter“ religiöser Betätigung und solcher, die nur religiös verbrämt, insgesamt aber allgemeinpolitischer Natur ist, nur in den seltensten Fällen vollziehbar.309 Sogar die terroristischen „Gotteskrieger“ stützen sich auf eine missverstandene religiöse Vorstellung vom „Heiligen Krieg“ und üben deshalb letztlich ihre Religionsfreiheit aus, die selbstverständlich auf Schrankenebene entsprechend beschränkt werden muss.310 An diesem Extrembeispiel zeigt sich im Übrigen, wie weit der grundrechtlich gewährleistete Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG geht, der jedoch mit der gewährten „Netto-Freiheit“ nicht identisch sein muss. Die Unterscheidung zwischen „echten“ und „unechten“ Bekenntnisgemeinschaften311 dürfte sich mit der Abschaffung des Religionsprivilegs im Vereins­ gesetz (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 VereinsG a. F.) ohnehin weitestgehend erledigt haben. (4) Islamische Zentren Wie dargestellt, sind die üblichen Nebennutzungen für die Einordnung einer Moschee als verfassungsrechtlich geschützte Kultstätte unschädlich. Problema­ tischer ist die Situation bei den großen islamischen Kulturzentren, die zwar in aller Regel auch einen Gebetsraum beinhalten, zum Großteil jedoch wirtschaftlich oder für soziale Zwecke genutzt werden. Nach einer Ansicht spielt der Umfang der wirtschaftlichen oder sonstigen Betätigung für die Einordnung einer Tätigkeit als Religionsausübung keine Rolle, da sonst diejenigen Gemeinschaften benachteiligt würden, für die im Gegensatz zu den kirchensteuerbegünstigten Kirchen die Beschaffung finanzieller Mittel mit einem hohen Aufwand verbunden ist.312 Nach dieser Ansicht wären auch die sog. islamischen Zentren vom Schutzbereich der Religionsfreiheit gedeckt, selbst wenn die religiöse Nutzung dort nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die Gegenmeinung will eine Tätigkeit nur dann dem Schutzbereich von Art. 4 Abs.  1,  2  GG unterstellen, wenn sie sich nicht überwiegend wirtschaftlich darstellt.313 Dies gelte auch, wenn die wirtschaftliche Betätigung der Finanzierung re 308

Anderer Ansicht ist wohl Hillgruber, JZ 1999, 538 (542). Anders Hillgruber, der eine solche Unterscheidung nicht nur für nötig, sondern sogar für effektiv hält, JZ 1999, 538 (542). (Es bleibt zu vermuten, dass diese Ansicht dem Erscheinungsdatum des Aufsatzes vor dem 11. September 2001 und der Abschaffung des vereinsrechtlichen Religionsprivilegs geschuldet ist.) 310 Anders die Auffassung, die den Schutzbereich von Art.  4  GG durch ein Gewaltverbot begrenzt sehen will; vgl. Muckel, in: FS Listl, S.  245 f.; wie hier gegen eine solche Schutz­ bereichsbeschränkung Kokott, in: Sachs, Art. 4, Rn. 64. 311 Dazu Diringer, BayVBl 2005, 97 (104). 312 Diringer, BayVBl 2005, 97 (103 f.); Morlok, in: Dreier, Art. 4, Rn. 70, der betont, dass das Gewicht der wirtschaftlichen Aktivität keine Rolle spielt. 313 Hoffmann/Schlacke, DVBl 2001, 877 (878). 309

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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ligiöser Zwecke diene.314 Der Schwerpunkt der Betätigung müsse im religiösen Bereich liegen. Nach dieser Auffassung müsste bei den islamischen Zentren jeweils geprüft werden, ob die Religionsausübung noch im Vordergrund steht oder ob die wirtschaftliche Komponente überwiegt. Vorzugswürdig erscheint letztgenannte Ansicht, die nach dem Schwerpunkt der Betätigung differenziert. Es kann nicht angehen, dass ein groß angelegtes islamisches Zentrum den Schutz der Religionsfreiheit genießt, nur weil sich dort auch ein kleiner Gebetsraum befindet. Zum einen wäre bei einer solchen Betrachtung dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet; zum anderen führte diese Ansicht zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Benachteiligung anderer Gewerbebetriebe, die sich nicht auf die Religionsfreiheit berufen können. Die bloße Einordnung eines Gebäudes als „islamisch“ durch den Bauherrn ändert nichts an dieser Betrachtung, wenn zwischen der wirtschaftlichen Betätigung und der Religionsausübung kaum noch ein Zusammenhang erkennbar ist. Zur Abgrenzung der oben geschilderten Nebennutzungen einer Moschee von überwiegenden wirtschaftlichen oder kulturellen Belangen ist deshalb auf den Schwerpunkt der Nutzung abzustellen.315 Allein die Bezeichnung als „Moschee“ oder „Kulturzentrum“ kann für die Einordnung nicht ausschlaggebend sein.316 Eine praktikable Abgrenzungsmöglichkeit könnte der Vergleich der religiös genutzten Fläche zu der anderweitig verwendeten Fläche des geplanten Gebäudes sein. Sollte dieser Vergleich zuungunsten des muslimischen Bauherrn ausfallen, ist es auch denkbar, dass er eine überwiegend religiöse Nutzung durch plausibel erwartete Besucherzahlen und -statistiken darlegt. f) Zwischenergebnis Der Bau islamischer Kultstätten fällt grundsätzlich in den Schutzbereich der in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleisteten Religionsfreiheit. Wegen der weitgehenden Berücksichtigung des Selbstverständnisses bei der Definition können die Grundrechtsträger auch selbst entscheiden, welche Gebäude sie als für ihre Religionsausübung nötig erachten, in welcher Bauweise und mit welcher räumlichen 314 BVerfG, Beschl. v. 4. Oktober 1965, BVerfGE 19, 129 (133); Kokott, in: Sachs, Art. 4, Rn. 69. 315 So wohl auch VG München, Urt. v. 9. Juni 2005, Az. M 11 K 04.5113, (veröffentl. bei juris), welches bei einem türkisch-islamischen Kulturzentrum davon ausgeht, dass es sich um ein „überwiegend religiös genutztes Gebäude“ handelt und deshalb das Grundrecht der Religionsfreiheit zu beachten sei. 316 Danach dürfte auch der geplante Bau der Kölner Großmoschee in Ehrenfeld nicht primär an Art. 4 Abs. 1, 2 GG zu messen sein, da der Gebetsraum dort angeblich nur ca. 10 % der Gesamtfläche ausmachen soll, vgl. Stelkens, Paul (2007), Schweigen auf rechtlichem Neuland, in: Kölner Stadtanzeiger, Nr. 199, 28. August 2007, S. 21; vgl. dazu auch Taxacher, Gregor (2007), Nur kein Schwein und keinen Alkohol. DITIB stellt Pläne für Kölner Moschee  vor; URL: www.wdr.de/themen/politik/nrw02/integration/moscheebau/070822.jhtml.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Ausstattung diese Gebäude verwirklicht werden sollen. Durch die zuständigen Behörden und durch die im Streitfall angerufenen Gerichte erfolgt lediglich eine Plausibilitätsprüfung dahingehend, ob der Bau wirklich von religiösen Erwägungen getragen ist. Der Ausschluss der Bautätigkeit als vermeintlich neutraler Tätigkeit aus dem Schutzbereich der Religionsfreiheit stellt eine unzulässige und nicht zu rechtfertigende Verkürzung des religionsrechtlichen Grundrechtsschutzes dar. Gleiches gilt für den Ausschluss bestimmter (orientalischer) Bauweisen aus dem Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Erst im Rahmen einer gegebenenfalls notwendig werdenden Abwägung mit anderen Rechtsgütern kann berücksichtigt werden, welches Gewicht einer spezifischen Bauweise oder einem bestimmten architektonischen oder technischen Element, wie beispielsweise einem Minarett, im religiösen Selbstverständnis des betroffenen Grundrechtsträgers zukommt. Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Schutz der Religionsfreiheit für den Bau eines muslimischen Sakralgebäudes nur so weit reichen kann, wie dieser im Einzelnen religiös motiviert ist. An die Moschee angegliederte Räume zur wirtschaftlichen oder sozialen Nutzung ändern an der Einordnung als dem Schutz von Art. 4 Abs. 1, 2 GG unterliegender Kultstätte nichts, solange der Schwerpunkt der Nutzung im religiös-kultischen Bereich liegt. Dies zu unterscheiden und damit festzulegen, ob der Bau eines bestimmten Gebäudes in den (sachlichen) Schutzbereich der Religionsfreiheit fällt, obliegt der zuständigen Baugenehmigungsbehörde. 2. Persönlicher Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1, 2 GG a) Natürliche Personen Das Grundrecht der Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht. Träger des Grundrechts kann also unabhängig von der deutschen Staatsangehörigkeit jedermann sein; auch Ausländer fallen ohne Rücksicht auf die Gewährleistung der Religionsfreiheit in ihren Herkunftsländern in den persönlichen Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG, da das Grundrecht keinerlei völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsvorbehalt beinhaltet.317 Theoretisch kann also der einzelne Muslim sich auf das Grundrecht der Religionsfreiheit berufen, wenn er ein Gebäude zur religiösen Nutzung erbauen möchte. b) Juristische Personen Faktisch wird jedoch – auch aus finanziellen und organisatorischen Gründen – nur in den seltensten Fällen ein einzelner gläubiger Muslim eine Moschee oder 317

Vgl. dazu 2. Teil B. II. 1. c) dd).

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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andere Kultstätte bauen wollen oder können.318 In der Praxis sind die Bauherrn oder Träger der muslimischen Kultstätten meist islamische Organisationen. Diese bezeichnen sich häufig selbst als „Moscheeverein“ und sind in der Rechtsform des eingetragenen Vereins organisiert.319 Fraglich ist, inwieweit sich auch die Moscheevereine als Bauherrn einer Kultstätte auf Art.  4 Abs.  1,  2  GG berufen können. Die Reichweite des Grundrechts der Religionsfreiheit erschöpft sich nicht in der Gewährleistung des individuellen Freiheitsrechts.320 Vielmehr erfasst Art.  4 Abs.  1,  2  GG auch die kollektive religiöse Betätigung sowie die religiöse Vereinigungsfreiheit, also das Recht, sich aus einem gemeinsamen Glauben heraus zu einer Religionsgemeinschaft zusammenzuschließen. Glaubensgemeinschaften sind deshalb nicht darauf angewiesen, gemeinschaftswirksame staatliche Beschränkungen durch ihre einzelnen Mitglieder als individuelle Grundrechtseinschränkungen zu rügen.321 Der kollektiven Komponente der Religionsfreiheit und der religiösen Vereinigungsfreiheit kommt besonderes Gewicht zu.322 Streitig ist indes, woraus sich die Grundrechtsträgerschaft von Personenmehrheiten im Bereich der Religionsfreiheit im Einzelnen, insbesondere in Bezug auf die religiöse Vereinigungsfreiheit, ergibt. Nach einer Ansicht resultiert die kollektive Komponente unmittelbar aus Art. 4 Abs. 2 GG.323 Die Begründung für diese Ansicht ist in der Einordnung des Grundrechts der Religionsfreiheit durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu suchen: Danach handelt es sich bei den aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG abgeleiteten Gewährleistungen um ein einheitliches Grundrecht.324 Die Bedeutung von Art. 4 Abs. 2 GG erschöpft sich hingegen in der Klarstellung, dass Träger des Grundrechts auch eine Gemeinschaft sein kann.325 Die (wohl herrschende)  Gegenansicht will die Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen im Bereich der Religionsfreiheit ebenso wie bei allen anderen Grundrechten aus Art. 19 Abs. 3 GG ableiten.326 Diese Ansicht ist aus verschiedenen Gründen vorzugswürdig. Zunächst bewegt sie sich näher am Wortlaut des Grundgesetzes. Aus Art. 4 Abs. 2 GG lässt sich in keiner Weise direkt ableiten, dass diese Vorschrift sich mit der Geltung des Grundrechts der Religionsfreiheit 318

So auch Bayer, S. 55. Lemmen, S. 40 f.; zu den Bauherrn siehe 1. Teil F. 320 v. Campenhausen, in: HdbStKirchR, § 2, S. 60. 321 Steiner, JuS 1982, 157 (160). 322 BVerfG, Beschl. v. 2. Oktober 2003, BVerfGK 2, 22 ff. = NJW 2004, 47 (48). 323 Morlok, in: Dreier, Art. 4, Rn. 76; ders., Art. 137 WRV, Rn. 45; so offenbar auch Hill­ gruber, JZ 1999, 538 (542), der bzgl. der religiösen Vereinigungsfreiheit nur auf Art. 4 GG abstellt; sog. These vom Doppelgrundrecht; Listl in: HdbStKirchR, § 14, S. 461; vgl. dazu auch Pieroth/Schlink, Rn. 517. 324 Vgl. 2. Teil B. II. 1. b). 325 BVerfG, Urt. v. 16. Oktober 1968, BVerfGE 24, 236 ff. = NJW 1969, 31 (32). 326 BVerfG, Urt. v. 26. Juni 2002, BVerfGE 105, 279 (293). 319

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

für Personenvereinigungen beschäftigt. Dies mag sich aus einer historischen Betrachtungsweise ergeben, nicht hingegen aus dem Wortlaut der Norm. Insoweit ist es gerechtfertigt, bezüglich der Geltung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG auf die allgemeine Bestimmung des Art. 19 Abs. 3 GG zurückzugreifen. Darüber hinaus erscheint es auch sinnvoll, die für alle anderen Grundrechte geltende und vielfach angewandte Norm des Art. 19 Abs. 3 GG heranzuziehen, die eine bessere Differenzierung ermöglicht. Es ist – trotz der großen Bedeutung des spezifischen Grundrechts – kein Grund dafür ersichtlich, warum Personenmehrheiten bezüglich der Religionsfreiheit besser (bzw. anders) stehen sollten als im Hinblick auf alle anderen Grundrechte. Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte auch für inländische327 juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Ihrem Wesen nach unanwendbar auf juristische Personen ist die Religionsfreiheit in der Ausprägung der Glaubensfreiheit, da es sich dabei um eine denknotwendig individuelle Betätigung handelt.328 Da eine Religion aber ohne Weiteres von einer Personenmehrheit ausgeübt werden kann und in vielen Religionen der gemeinsamen Glaubensausübung besondere Bedeutung zukommt, ist die in der Religionsfreiheit enthaltene Religionsausübungs- bzw. Kultusfreiheit ihrem Wesen nach auch auf juristische Personen anwendbar. Entscheidend für die Geltung des Grundrechts auf Religionsfreiheit ist zunächst, dass es sich bei dem Personenzusammenschluss überhaupt um eine Religionsgemeinschaft handelt. Dafür müssen folgende Voraussetzungen vorliegen: Zunächst muss es sich um eine Vereinigung handeln. Darunter versteht man den freiwilligen, dauerhaften Zusammenschluss von mindestens zwei Personen mit einem Minimum an organisatorischer Struktur.329 Die für den Zusammenschluss gewählte Rechtsform oder die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit ist für die Geltung des Grundrechts ebenso unerheblich330 wie das Vorliegen des Körperschaftsstatus gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV.331 Die Voraussetzung der Personenvereinigung ist bei den Moscheegemeinden und -vereinen ebenso gegeben wie bei den sonstigen islamischen Vereinigungen. Die in Rede stehende Personenvereinigung muss sich zum Zweck der gemeinsamen Religionsausübung zusammengeschlossen haben. Dass es sich beim Islam um eine Religion im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt, wurde bereits unter B.  II.  1.  c)  erörtert. Grundsätzlich kommen demnach islamische Vereinigungen als Grundrechtsträger der Religionsfreiheit in Betracht. 327

So bzgl. Art. 4 GG auch Guntau, ZevKR 43 (1998), 369 (375 f.). Wenckstern, in: Umbach/Clemens, Art. 4, Rn. 27. 329 Diringer, BayVBl 2005, 97 (99); Weber, ZEvKR 41 (1996), 172 (194). 330 Wenckstern, in: Umbach/Clemens, Art. 4, Rn. 27. 331 BVerfG, Beschl.  v.  25.  März  1980, BVerfGE  53, 366 ff. = NJW  1980, 1895; Guntau, ZevKR 43 (1998), 369 (375). 328

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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Wie bereits dargestellt, treten als Bauherr einer geplanten muslimischen Kultstätte jedoch nicht immer die bekannten, großen islamischen Vereinigungen oder ihre Ortsverbände auf. Es kommt immer wieder vor, dass sich speziell für den Bau und die Finanzierung einer Moschee ein sog. Moscheeverein gründet. Streitig ist in diesem Zusammenhang, wie es zu beurteilen ist, wenn Ziel des Personenzusammenschlusses nicht die umfassende Religionsausübung, sondern nur ein Teilbereich ist. Nach einer Ansicht fallen nur solche Vereinigungen in den personalen Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG, welche darauf gerichtet sind, die aus dem Bekenntnis folgenden Aufgaben und Verpflichtungen umfassend zu erfüllen.332 Diese Voraussetzung ist bei den Moschee(bau)vereinen gerade nicht gegeben. Sie fallen nach dieser Ansicht im Gegensatz zu anderen etablierten islamischen Vereinigungen nicht in den personalen Schutzbereich der Religionsfreiheit.333 Nach der Gegenansicht sind auch solche Personenzusammenschlüsse von der kollektiven Komponente des Art. 4 Abs. 1, 2 GG erfasst, die sich nicht der umfassenden Pflege oder Förderung des religiösen Bekenntnisses, sondern nur Teilaspekten desselben widmen, solange der Zweck der Vereinigung gerade die Pflege oder Förderung des religiösen Bekenntnisses oder die Verkündigung des Glaubens ihrer Mitglieder ist.334 Maßstab für das Vorliegen dieser Voraussetzung kann das Ausmaß der institutionellen Verbindung mit einer Religionsgemeinschaft oder die Art der mit der Vereinigung verfolgten Ziele sein, wobei der Schwerpunkt der Arbeit im religiösen Bereich liegen muss.335 Vereinigungen, die rein wirtschaftliche Zwecke verfolgen, fallen hingegen nicht in den Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG.336 Nach dieser Ansicht fallen auch die eigens für den Bau und die Finanzierung einer Moschee gegründeten Moscheebauvereine in den persönlichen Schutzbereich der Religionsfreiheit. Die nötige „Verwirklichungsbeziehung“ zwischen Lehre und Betätigung337 ist bei ihnen gegeben: Der Bau einer Kultstätte ist, wie oben dargestellt, Teil der Religionsausübung. Schließen sich Personen zusammen, um durch ihren Einsatz und ggf. die Aufbringung finanzieller Mittel diese Religionsausübung erst zu ermöglichen, dient dies der partiellen Pflege des islamischen Bekenntnisses. Insoweit ist es unschädlich, wenn die Moscheebauvereine sich vielleicht auch wirtschaftlich betätigen (z. B. durch Fundraising), da das verfolgte Ziel genuin reli­ giöser Natur ist. 332

Pieroth/Görisch, JuS 2002, 937 (939) m. w. N. Das Problem der eigens gegründeten Moscheebauvereine dürfte Guntau, ZevKR  43 (1998), 369 (375), nicht bekannt gewesen sein, der ohne Weiteres davon ausgeht, dass „Moscheevereine“ dem Kultus allgemein dienen und damit die umfassende Erfüllung der religiösen Verpflichtungen bezwecken. 334 BVerfG, Beschl. v. 4. Oktober 1965, BVerfGE 19, 129 (132); dass., Beschl. v. 16. Oktober 1968, BVerfGE 24, 236 (246 f.); dass., Beschl. v. 13. Oktober 1998, BVerfGE 99, 100 (118); Hillgruber, JZ 1999, 538 (542); Leibholz/Rinck, Art. 4, Rn. 26. 335 Wenckstern, in: Umbach/Clemens, Art. 4, Rn. 27 m. w. N. 336 Kokott, in: Sachs, Art. 4, Rn. 9; Wenckstern, in: Umbach/Clemens, Art. 4, Rn. 27; a. A. Diringer, BayVBl 2005, 97 (103 f.). 337 Vgl. zu diesem Begriff Diringer, BayVBl 2005, 97 (102). 333

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Zuzustimmen ist der zuletzt genannten Ansicht. Es ist nicht ersichtlich, warum Religionsgemeinschaften dadurch definiert sein sollten, dass sie sich stets der umfassenden Pflege des Bekenntnisses widmen. Häufig ist eine Aufspaltung in verschiedene Teilbereiche religiöser Betätigung für Religionsgemeinschaften aus wirtschaftlichen (z. B. steuerrechtlichen) Gründen zweckmäßiger oder aus organisatorischen Gründen effizienter. Darüber hinaus steht auch im Hintergrund der lediglich partiellen Pflege der Religion stets das umfassende religiöse Bekenntnis, so dass eine Abgrenzung schwerfallen dürfte. Im Übrigen besteht bei einer solchen Beurteilung stets die Gefahr, den grundrechtlichen Schutz durch staatliche Definition auszuhöhlen. Für eine solche Einschränkung besteht kein Bedürfnis. Auch die sog. Moscheebauvereine fallen demnach in den personalen Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Außerdem muss es sich um inländische Religionsgemeinschaften handeln. Ausschlaggebend ist nicht die Nationalität der Mitglieder oder Organe der juristischen Person, sondern der rechtliche Sitz, der im Bundesgebiet liegen muss.338 Ausländische Vereinigungen können sich hingegen –  im Gegensatz zu einzelnen Ausländern – nicht auf den Schutz der Religionsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1, 2 GG (i. V. m. Art.  19 Abs.  3  GG) berufen, selbst wenn sich ihre Angehörigen dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten.339 Die meisten islamischen Vereinigungen, die als potentielle Bauherrn in Betracht kommen, nämlich Moscheegemeinden oder -vereine, sind in der Form des eingetragenen Vereins organisiert340 und deshalb als inländische juristische Personen anzusehen. Da der Grundrechtsschutz unabhängig von zahlenmäßiger Stärke oder sozialer Relevanz einer religiösen Gruppierung ist, kann auch jeder kleine Moscheeverein sich auf die Religionsfreiheit berufen.341 Träger des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG können grundsätzlich auch islamische Vereinigungen sein, die im Verdacht stehen, islamistisch-fundamentalistisch zu sein. Dies ist dem besonderen Gewicht der religiösen Vereinigungsfreiheit zu schulden, welches selbst dann zu beachten ist, wenn die in Rede stehende Gemeinschaft sich dem Staat sowie seiner Verfassungs- und Rechtsordnung gegenüber kritisch verhält.342 Es besteht zum einen kein Bedürfnis, Anti-Terror-Schutz über eine Einschränkung des grundrechtlichen Schutzbereiches, sei es sachlich oder personal, zu erreichen. Die besondere Bedeutung der Religionsfreiheit wird zusätzlich dadurch verdeutlicht, dass das Grundrecht aus Art.  4  Abs.  1,  2  GG 338

Sachs, in: Sachs, Art. 19, Rn. 54. Ebenda, Rn. 56. 340 Vgl. 1. Teil F. 341 Eine Darstellung der vereinzelt gebliebenen Gegenansicht, welche kleinere Personenzusammenschlüsse nicht als Religionsgemeinschaften ansehen wollte, bietet Diringer, BayVBl 2005, 97 (99). 342 BVerfG, Beschl. v. 2. Oktober 2003, BVerfGK 2, 22–27; dass., Beschl. v. 26. Juni 2002, BVerfGE 105, 279 (293 ff.); a. A. Muckel, in: FS Listl, S. 245. 339

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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nicht nach Art. 18 GG verwirkbar ist und damit folglich auch (verurteilten) Straftätern und Terroristen zusteht. Seit der Abschaffung des Religionsprivilegs im Vereinsrecht ist das Vereinsverbot gemäß Art.  9  Abs.  2  GG, § 3  VereinsG das Mittel der Wahl für die Bekämpfung islamistischen Terrors.343 Eine verbotene Vereinigung kann sich selbstredend nicht auf das Grundrecht auf Religionsfreiheit berufen. 3. Eingriff durch die Geltung des einfachen Baurechts Wie eingehend erörtert, können sich sowohl einzelne Muslime als auch inländische islamische Vereinigungen auf das Grundrecht der Religionsfreiheit berufen, wenn sie eine Kultstätte bauen möchten. Aus der Tatsache, dass das religiös motivierte Bauen in den Schutzbereich der Religionsfreiheit fällt, folgt jedoch kein außerhalb der einfachen Rechtsordnung stehender Anspruch im Sinne eines „Freibriefs“ auf den Bau jeder Moschee an jedem Ort in jeder beliebigen Bauweise. Dies ergibt sich schon daraus, dass es der klassischen Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte entspricht, dass sie in erster Linie dem Bürger eine Sphäre gewährleisten wollen, in welcher er von staatlicher Einflussnahme und Beeinträchtigung frei ist. Aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG lässt sich demnach in Bezug auf den Bau kultischer Gebäude in erster Linie ableiten, dass eine Verhinderung des Baus religiös genutzter Gebäude einen Eingriff in die Religionsfreiheit darstellt.344 Eine Grundrechtsbeeinträchtigung im Sinne eines rechtfertigungsbedürftigen Eingriffs liegt immer dann vor, wenn der Staat die geschützte Tätigkeit regelt oder faktisch in erheblicher Weise behindert.345 Unter A. wurde kurz dargestellt, welche einfachgesetzlichen baurechtlichen Regeln für den Kultstättenbau einschlägig sind; im Teil B. I. wurde angesprochen, dass die baurechtlichen Vorschriften häufig mit den Bauwünschen der betroffenen Muslime kollidieren. Durch die konkreten Bestimmungen des Baurechts und die auf deren Grundlage ergangenen Festsetzungen in Bebauungsplänen, welche die Nutzungsmöglichkeiten auf den im Eigentum der Muslime stehenden Grundstücken einschränken, und die auf diesen Vorschriften fußenden Verwaltungsentscheidungen im Einzelfall wird das Recht der betroffenen muslimischen Eigentümer auf freie Religionsausübung im Sinne von Art. 4 Abs. 1, 2 GG eingeschränkt. Insoweit liegt bei Moscheebauvorhaben in der Praxis, deren Verwirklichung am einfachen Baurecht scheitern soll, ein Grundrechtseingriff vor, dessen Rechtfertigung es im Folgenden zu klären gilt. Bei der Regelung der religiös motivierten Bautätigkeit durch die einfachgesetzlichen Vor-

343

So bzgl. destruktiver Jugendreligionen Diringer, BayVBl 2005, 97 (106). Vgl. zur Rechtslage in der Schweiz Kiener/Kuhn; anders wohl Rüfner, in: FG BVerfG, S. 455 ff, 459, demzufolge die Berufung auf ein Grundrecht keine Privilegierung von der allgemeinen Rechtsordnung gewährt. 345 Morlok, in: Dreier, Art. 4, Rn. 104. 344

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

schriften und die auf dieser Grundlage ergehenden Verwaltungsakte handelt es sich auch nicht nur um rein akzidentiell-faktische Beeinträchtigungen.346 Unzutreffend ist es insoweit auch, wenn teilweise behauptet wird, ein Eingriff in die Religionsfreiheit läge im Bereich des religiös motivierten Bauens schon deshalb nicht vor, weil die Religionsausübung nicht zwingend mit der Nutzung bestimmter Grundstücke verbunden sei.347 Einen Eingriff in den Schutzbereich aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG stellt im Übrigen bereits das Erfordernis einer Baugenehmigung dar.348 Dieser Eingriff ergibt sich aus den zahlreichen formellen Vorschriften über das Baugenehmigungsverfahren sowie insbesondere den materiellen Baurechtsvorschriften, deren Einhaltung zwingende Voraussetzung für die Erteilung einer Baugenehmigung ist. Das Erfordernis einer förmlichen Genehmigung für den Bau einer Kultstätte stellt – nicht nur im Bereich des Kultstättenbaus  – ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt dar. Die grundsätzlich bestehende Baufreiheit wird dadurch beschränkt, dass der geschützten Betätigung zunächst ein behördliches Kontrollverfahren vorangestellt wird.349 Hält das Bauvorhaben einer muslimischen Kultstätte die Vorschriften des materiellen Baurechts nicht ein, kann dies im Einzelfall dazu führen, dass die Kultstätte gar nicht, nicht so wie geplant oder nicht an dem beabsichtigten Ort errichtet werden darf. Die durch Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleistete Religionsfreiheit, die wie gezeigt auch den Bau von Kultstätten erfasst, wird folglich bereits dadurch eingeschränkt, dass der Bau eines Gebäudes zu religiösen Zwecken nicht ohne Weiteres von seinem gläubigen Bauherrn durchgeführt werden kann, sondern zu seiner (formellen) Legalität des Zwischenschritts einer staatlichen Erlaubnis bedarf. Insoweit stellt bereits das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt einen Grundrechtseingriff dar, nicht erst die Versagung der Erlaubnis.350 Dies gilt nicht nur für den Bereich des Baurechts, sondern ebenso im Straßenrecht bezüglich der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen sowie im Gewerberecht. Auch in diesen Fällen besteht ein Grundrechtseingriff schon in dem Erfordernis der Erlaubniserteilung.351 346

Anders wohl AK/Preuß, Art. 4, Rn. 29, der davon ausgeht, dass baupolizeiliche Vorschriften keinen Eingriff in das Grundrecht der Religionsfreiheit bewirken können. 347 So bzgl. eines von einer Religionsgemeinschaft geplanten Tierheims VGH  Mannheim, Beschl.  v.  16.  Dezember 1994, BauR  1995, 215 ff.; im Ergebnis ebenso Stelkens, in: Sommerfeld, S. 147; letztlich ebenso Stern, Bd. IV/1, S. 2333, der davon ausgeht, dass allgemeine Eigen­tumsbindungen angesichts der Freiwilligkeit des Eigentumserwerbs auch dann nicht als Staatseingriff gewertet werden können, wenn diese Eigentumsbindungen zu Glaubenskonflikten in der Person des Eigentümers führen. 348 Vgl. Sachs, in: Sachs, Vor Art. 1, Rn. 98. 349 Eingehend zum Erlaubnisvorbehalt insgesamt Cheng. 350 Vgl. Cheng, S. 80 ff., 94 ff. m. w. N.; Cremer, S. 141 ff; Löwer, in: Thiele, S. 34. 351 Vgl. zum Datenschutzrecht Kühling/Seidel/Sivridis, S.  130; ebenso Tschentscher, JuS 2003, 345 (347); so im Ergebnis auch BVerwG, Beschl. v. 4. Juli 1996, NJW 1997, 406 (407), wenn es ausführt, das Erfordernis des behördlichen Kontrollverfahrens stelle nur eine geringe Belastung, aber immerhin eine solche, dar; zum Erlaubnisvorbehalt des Rechtsberatungsgesetzes vgl. BGH, Urt. v. 3. Juli 2008, NJW 2008, 3069 (3070 f.).

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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Zwar wird teilweise versucht, im Bereich der vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechte die Eingriffsschwelle anzuheben.352 Im Zuge dessen könnte man einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt die Eingriffsqualität absprechen, da alleine durch die Genehmigungsbedürftigkeit noch keine Aussage über die Zulässigkeit des grundrechtlich geschützten Verhaltens getroffen und es auf diese Weise (noch) nicht erschwert oder verhindert wird. Eine solche Erhöhung der Anforderungen an das, was als Grundrechtseingriff anzusehen ist, wird hingegen dem besonderen Schutzbedürfnis der vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechte nicht gerecht. Bereits das Erfordernis der Durchführung eines Genehmigungsverfahrens stellt eine nicht zu vernachlässigende Hürde für die Grundrechtsausübung dar, selbst wenn es dieser materiell nicht entgegensteht und das begehrte grundrechtlich geschützte Verhalten letztlich ermöglicht wird. Mit Blick auf die häufig lange Verfahrensdauer und die mit der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens nicht selten verbundenen Schwierigkeiten ergibt die erforderliche lebens- und praxisnahe Betrachtungsweise, dass schon die Untervorbehaltstellung eines grundrechtlich geschützten Verhaltens dieses deutlich erschwert und damit einen Eingriff in den Schutzbereich darstellt. Sieht man zwar den grundrechtlichen Schutzbereich als eröffnet an, verneint dann aber bereits die Eingriffsqualität staatlicher Handlungen, welche zumindest eine Reglementierung, wenn nicht sogar eine Be­ einträchtigung des grundrechtlich geschützten Verhaltens bewirken, wird letztlich die Schutzeffektivität der grundrechtlichen Gewährleistung verringert. Dies widerspricht nicht nur dem Gebot möglichst weitreichender Freiheitsgewährleistung durch die Grundrechte, sondern verhindert außerdem eine Überprüfung der Verfassungsgemäßheit staatlichen Handelns anhand der Grundsätze verfassungsrechtlicher Rechtfertigung, insbesondere des Verhältnismäßigkeitsprinzips. 4. Schranken a) Allgemeines Bislang wurde festgestellt, dass der Bau muslimischer Kultstätten in den Schutzbereich der in Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleisteten Religionsfreiheit fällt und durch die geltenden baurechtlichen Vorschriften beschränkt wird. Ob ein solcher Eingriff verfassungsrechtlich zulässig ist, hängt davon ab, welchen Schranken die Reli­gionsfreiheit unterliegt. Die Entscheidung darüber, welche „Netto-Freiheit“ einem Grundrechtsträger tatsächlich zukommt, fällt erst im Bereich der Grundrechtsschranken.353 352 Vgl. Schneider, S.104, der zutreffend auf den Fall verweist, in dem das BVerfG annahm, dass die Genehmigungspflichtigkeit von Tierversuchen keinen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG darstelle. Vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 20. Juni 1994, NVwZ 1994, 894 (895). 353 Morlok, in: Dreier, Art. 4, Rn. 62.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Im Gegensatz zu vielen anderen Grundrechten enthält Art. 4 GG (bis auf die hier nicht einschlägige Norm des Abs. 3, Satz 2354) seinem Wortlaut nach keine Eingriffsermächtigung. Die Freiheit des Glaubens und der religiösen und weltanschaulichen Überzeugung sind schlicht „unverletzlich“; die ungestörte Religionsausübung „wird gewährleistet“. Trotzdem besteht Einigkeit darüber, dass im Gesamtzusammenhang der Verfassung auch das Grundrecht auf Religionsfreiheit nicht schrankenlos gewährleistet sein kann.355 Da jedes extravertierte menschliche Handeln die Rechtssphäre anderer verletzen und somit einen Sozialkonflikt356 heraufbeschwören kann, ist eine solche Beschränkungsmöglichkeit schon zum Schutz konkurrierender Rechte Dritter erforderlich.357 Die Schutzbereichseröffnung führt nicht zwangsläufig zu einem religiösen Sonderrecht mit der Folge einer Suspendierung von der allgemeinen Rechtsordnung.358 b) Die Schranken des Art. 4 Abs. 1, 2 GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat die Heranziehung der Schranken anderer Grundrechte bislang stets abgelehnt und beurteilt die Beschränkbarkeit der in Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleisteten Religionsfreiheit wie bei anderen vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten, wie etwa der Kunstfreiheit. Es geht von einer in sich zusammenhängenden verfassungsrechtlichen Ordnung aus, deren Einheit nicht davon gestört werden darf, dass einzelne Rechtssubjekte ihre Grundrechte ohne Rücksicht auf andere Verfassungsgüter durchsetzen können.359 Vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte unterliegen folglich nur denjenigen Grenzen, die sich direkt aus der Verfassung ergeben.360 Eingriffe in die Religionsfreiheit lässt das Bundesverfassungsgericht nur zu, wenn sie zum Schutz kollidierender Grundrechte Dritter oder anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang notwendig sind.361 Dabei soll die staatliche Eingriffshandlung die verfassungsimmanente Schranke konkretisieren. Im Einzelfall ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Eingriffs in die Religionsfreiheit eine sorgfältige Abwägung zwischen derselben und dem kollidierenden Rechtsgut erforderlich, wobei die sich im Rahmen dieser Abwägung als „schwächer“ herauskristallisierende Norm im Sinne des schonendsten

354 Ob es sich dabei um einen Gesetzesvorbehalt handelt, ist streitig; ablehnend Kokott, in: Sachs, Art. 4, Rn. 118. 355 Listl, in: HdbStKirchR, § 14, S. 465. 356 Bethge, S. 262. 357 Pecher, S. 6 ff.; Wenckstern, in: Umbach/Clemens, Art. 4, Rn. 76. 358 Müller-Volbehr, DÖV 1995, 301 (306). 359 Fehlau, JuS 1993, 441 (442). 360 Zur Kunstfreiheit BVerfG, Urt. v. 24. Februar 1971, BVerfGE 30, 173 (193). 361 Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 26. Mai 1970, BVerfGE 28, 243 (260 f.); dass., Beschl. v. 16. Oktober 1979, BVerfGE 52, 223 (246 f.).

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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Ausgleichs362 nur soweit zurückgedrängt werden darf, wie dies zwingend geboten ist.363 Ziel der Abwägung ist es, die Grenzziehung dergestalt vorzunehmen, dass beide betroffenen Rechtsgüter möglichst optimal zur Wirksamkeit gelangen können (sog. praktische Konkordanz364).365 Auf den Bau muslimischer Kultstätten angewandt bedeutet dies, dass eine Beschränkung des religiös motivierten Bauwunsches als Ausprägung des Grundrechts der Religionsfreiheit nicht ohne Weiteres auf der Grundlage des Baurechts möglich ist. Vielmehr setzt eine verfassungsrechtlich zulässige Beschränkung voraus, dass die einfachgesetzliche, die Religionsfreiheit begrenzende Norm ein in der Verfassung verankertes Rechtsgut, also z. B. das Grundrecht eines Dritten, konkretisiert, welches in der Abwägung den Vorrang vor der Religionsfreiheit verdient. c) Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Nach der extensiven Schutzbereichsbestimmung der Religionsfreiheit durch das Bundesverfassungsgericht ist letztlich jede nach dem Selbstverständnis des Gläubigen religiös motivierte Handlung von Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützt. Eingriffe in diesen weitreichenden Schutz sind wiederum nur auf der Grundlage verfassungsimmanenter Schranken möglich. Dass der verfassungsrechtliche Schutz religiöser Betätigung so weitreichend ist, stellte kein Problem dar, solange die Religionsausübung im wesentlichen durch die etablierten (christlichen) Großkirchen erfolgte, da sich deren Anhänger weitgehend rechtskonform verhielten und somit kaum Anlass zu der Befürchtung gaben, die weitreichende Gewährleistung der Reli­gionsfreiheit könne zu gesellschaftlichen und politischen Konflikten führen.366 Probleme durch die Inanspruchnahme der Religionsfreiheit von Seiten christlicher Fundamentalisten oder Sekten blieben die Ausnahme.367 Durch das verstärkte Aufkommen der sog. Jugendreligionen in den 1980erJahren368 wurde neben potentiellen Schutzbereichseinschränkungen, die vielfach als unbefriedigend empfunden wurden,369 erstmals die Notwendigkeit einer weiter gehenden Beschränkungsmöglichkeit auf der Ebene der Grundrechtsschranken 362

BVerfG, Urt. v. 25. Februar 1975, BVerfGE 39, 1 (43); dass., Beschl. v. 16. Oktober 1979, BVerfGE 52, 223 (246); Steiner, JuS 1982, 157 (162). 363 Fehlau, JuS 1993, 441 (442). 364 Hesse, § 10, Rn. 317 ff. 365 Bayer, S. 156. 366 Fehlau, JuS 1993, 441 (442). 367 Ebenda. 368 Siehe dazu Endbericht der in diesem Zusammenhang eingesetzten Enquete-Kommission, BT-Drs. 13/10950. 369 Fehlau, JuS 1993, 441 (445).

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

diskutiert. Diese Diskussion ist zwischenzeitlich trotz der verminderten Bedeutung der Sektenproblematik nicht abgerissen; vielmehr hat sie durch die veränderte demographische Entwicklung und die damit verbundene Zunahme des Konflikt­potentials zwischen Islam und nicht-muslimischer Gesellschaft370 an Aktualität und Brisanz gewonnen. Vorgeschlagen werden dabei verschiedene Schrankenlösungen.371 d) Schrankenleihe Teilweise wird erwogen, das vorbehaltlos gewährleistete Grundrecht auf Religionsfreiheit durch die Anwendung der (weiter gehenden) Schranken anderer Grundrechte zu begrenzen. aa) Anwendung der Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 GG Gemäß Art. 2 Abs. 1 GG hat jeder das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt oder gegen die ver­ fassungsgemäße Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. In der Vergangenheit, besonders in den 1950er-Jahren, wurde erwogen, diese sog. Schrankentrias des Art.  2 Abs.  1  GG für die Religionsfreiheit fruchtbar zu machen.372 Nach dieser Ansicht gilt die Schrankentrias als objektive Wertentscheidung für alle Grundrechte, da diese letztlich nichts anderes seien als Konkretisierungen der allgemeinen Handlungsfreiheit.373 Dass Art. 4 GG ebenfalls davon begrenzt werde, ergebe sich u. a. aus der Entstehungsgeschichte der Norm: So sei auch der Parlamentarische Rat davon ausgegangen, dass Art. 4 GG seine Schranken in der verfassungsmäßigen Ordnung, in den Rechten anderer und im Sittengesetz finde.374 Dabei dürften die Vertreter dieser Ansicht allerdings ein eingeschränktes Verständnis der verfassungsmäßigen Ordnung zugrunde gelegt haben. Darunter wurde früher nicht die gesamte Rechtsordnung, sondern nur elementare Verfassungsgrundsätze und Grundentscheidungen des Verfassungsgebers375 bzw. die „Minimalvoraussetzungen der staatlichen Ordnung“ verstanden. Maßstab sei die Frage, ob in dem einschränkenden Gesetz eine Gemeinwohlforderung schlechthin verkörpert sei, die von der Allgemeinheit als schlechthin richtig und verbindlich angesehen werde. Teilweise wurde argumentiert, unter der verfassungsgemäßen Ordnung werde zwar 370

Vgl. zu einzelnen Problemfeldern Janz/Rademacher, NVwZ 1999, 706 (707). Ausführlich zur Problematik verfassungsimmanenter Schranken allgemein Pecher. 372 Mit ausführlichem Nachweis Brümmer, S. 77; Fehlau, JuS 1993, 441 (445) m. w. N.; ablehnend auch Dolderer, BauR 1999, 691 (694). 373 Zu dieser Überlegung Dolderer, BauR 1999, 691 (694). 374 Vgl. zur Entstehungsgeschichte von Art. 4 GG v. Doehming/Füsslein/Matz, JöR (Bd. 1 n. F.), 1951, 73 ff.; Wenckstern, in: Umbach/Clemens, Art. 4, Rn. 6 ff. 375 Fehlau, JuS 1993, 441 (445) m. w. N. 371

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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jedes Gesetz verstanden, das formell und materiell verfassungsgemäß sei. Die materielle Verfassungsgemäßheit sei jedoch im Fall eines die Religionsfreiheit einschränkenden Gesetzes nur gewährleistet, wenn es der besonderen Bedeutung von Art. 4 GG gerecht werde.376 Soweit heute noch die Anwendung der Schrankentrias auf Art. 4 GG vertreten wird,377 gehen die Autoren nach wie vor nicht von der verfassungsgemäßen Ordnung im Sinne der Elfes-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts378 aus, welche die gesamte Rechtsordnung als Schranke von Art. 2 Abs. 1 GG ansieht, da dies einem uneingeschränkten Gesetzesvorbehalt gleichkomme.379 Vielmehr gehe es darum, die Schrankentrias mittelbar als Verfassungsvorbehalt zur Interpretation immanenter Grundrechtsschranken heranzuziehen.380 Die „verfassungsgemäße Ordnung“ sei als Gemeinwohlklausel zur Realisierung der in der Verfassung verankerten Forderungen zu verstehen. Auch die Zugrundelegung der Schranke des Sittengesetzes, welche ethische Grundwerte beinhalte, sei sinnvoll und unentbehrlich, da alleine sie geeignet sei, Phänomenen wie der Tempelprostitution381 oder der Bildung von „Nacktsekten“382 wirksam zu begegnen. Für die Anwendung des Baurechts auf den Kultstättenbau bedeutet dies folgendes: Die Vorschriften des Bauplanungsrechts beruhten auf der Erkenntnis, dass ein menschenwürdiges Zusammenleben nur im Rahmen einer gezielten städtebau­ lichen Planung möglich sei. Das Städtebaurecht verwirkliche deshalb elementare Aufgaben des Gemeinwohls, gehöre somit zu den Minimalvoraussetzungen der staatlichen Ordnung und sei als Schranke des Kultstättenbaus geeignet.383 Auch das Baugestaltungsrecht könne eine taugliche Schranke für die Religionsfreiheit darstellen. Zwar gebe es kein einheitliches Stilgefühl mehr; man könne jedoch von einem Bestand an grundlegenden bauästhetischen Ordnungsvorstellungen ausgehen, dessen Beachtung beim Bauen in der Gemeinschaft von der Allgemeinheit als unverzichtbar angesehen werde.384 Die Ausstrahlung jedes Bauvorhabens in den öffentlichen Raum hinein zwinge zur Rücksicht auf grundlegende Ordnungsvorstellungen der Gemeinschaft.385 Zur Wahrung des besonderen Rangs der Religionsfreiheit müsse aber gewährleistet sein, dass die Vorschriften des Bau-

376

So noch Brümmer, S. 87. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 4, Rn. 114 ff. 378 BVerfG, Urt. v. 16. Januar 1957, BVerfGE 6, 32 (40 f.). 379 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 4, Rn. 116. 380 So früher noch Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1, Rn. 69, 72 (Lfg. 38); ablehnend zur Schrankenübertragung heute Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1, Rn. 47 (Lfg. 39, Juli 2001). 381 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 4, Rn. 117. 382 So früher Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1, Rn. 16, 74 (Lfg. 38); ablehnend heute Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Rn. 17. 383 Brümmer, S. 88 f. 384 Erbel, S. 171. 385 Brümmer, S. 90. 377

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

gestaltungsrechts nur schonend angewandt und die religiösen Erfordernisse der bauenden Religionsgemeinschaft beachtet würden.386 bb) Analoge Anwendung der Schranke aus Art. 5 Abs. 2 GG Gelegentlich wird vorgeschlagen, die Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 2 GG auf die in Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleistete Religionsfreiheit zu übertragen.387 Nach dieser Vorschrift finden die in Art. 5 Abs. 1 GG aufgezählten Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Analog solle auch die Religionsfreiheit durch die allgemeinen Gesetze beschränkt werden.388 Unter allgemeinen Gesetzen solle man entsprechend der im Bereich der Meinungsfreiheit ergangenen Rechtsprechung all jene Gesetze verstehen, die sich nicht gegen eine Religion als solche richten. Teilweise wird auch vertreten, unter den allgemeinen Gesetzen seien alle im Interesse der All­ gemeinheit erlassenen Gesetze zu verstehen.389 Als Grundlage der Übertragung der Schranke der allgemeinen Gesetze auf die Religionsfreiheit dienen zwei Ansätze. Zum einen gehen manche Autoren davon aus, dass durch die weite Schutzbereichsfassung von Art. 4 Abs. 1, 2 GG durch das Bundesverfassungsgericht viele Verhaltensweisen in den Schutzbereich der Religionsfreiheit bzw. in deren Unterkategorie der Bekenntnisfreiheit fielen, die der Sache nach der Meinungsfreiheit zuzuordnen seien.390 Es sei deshalb angebracht, die Schranke dieses Grundrechts auch auf gemäß Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützte Tätigkeiten anzuwenden. Diese Ansicht käme im Bereich des Kultstättenbaus nicht zu einer Beschränkung der Religionsfreiheit auf der Grundlage der Schranke von Art. 5 Abs. 2 GG, da es sich bei der Religionsausübung durch den Bau einer Kultstätte nicht um eine Verhaltensweise handelt, die in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fällt. Zum anderen wird die Geltung der allgemeinen Gesetze auch im Rahmen von Art. 4 Abs. 1, 2 GG mit einer umfassenden, letztlich bereits den Schutzbereich ver 386 Vgl.  ders., S.  91 f., der sich auch mit der Frage beschäftigt, ob das „Sittengesetz“ als Schranke geeignet sei, den von Hamel (in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Art. 4, S. 81) propagierten Ausschluss des Baus „heidnischer Tempel“ zu rechtfertigen. Er kommt zu dem Ergebnis, es gehöre nicht zu dem „Allgemeingut unserer Kultur“, dass nur christliche Kirchen­ gebäude errichtet werden dürften, vgl. Brümmer, S. 81 ff., 84. 387 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art.  4, Rn.  90 ff., der unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung der Meinungsfreiheit bei der Schrankenanwendung zwischen dem „Reden“ und dem „Handeln“ unterscheiden will. 388 Vorgeschlagen wurde diese Lösung vor allem in Bezug auf die Gewährleistungen aus Art. 4 Abs. 1 GG; vgl. Fehlau, JuS 1993, 441 (445). 389 Häberle, S. 32, 51. 390 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 4, Rn. 91.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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neinenden Konstruktion begründet. So wird vertreten, dass die Berufung auf ein Grundrecht, auch wenn dieses vorbehaltlos gewährleistet ist, keine Privilegierung von der allgemeinen Rechtsordnung gewähre. Die allgemeinen Gesetze, die bei jeder Grundrechtsausübung zu beachten seien, berührten schon den Schutzbereich des jeweils einschlägigen Grundrechts nicht und stellten immanente Grundrechtsgrenzen dar.391 Im Ergebnis entspricht dies einer Übertragung der Schranke aus Art. 5 Abs. 2 GG auf die in Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleistete Religionsfreiheit.392 Nach dieser Auffassung kann der Bau einer muslimischen Kultstätte sowohl hinsichtlich des „Ob“ als auch hinsichtlich des „Wie“ des Bauens durch das Bauplanungs- und Bauordnungsrecht eingeschränkt werden, da sich diese Gesetze nicht gegen den Islam oder eine andere Religion richten, sondern religionsneutral und bei jeder Grundrechtsausübung zu beachten sind. e) Allgemeiner Rechtsordnungsvorbehalt Vereinzelt wird in der Literatur angenommen, dass auch die Religionsfreiheit, ohne dass es dafür des Rückgriffs auf die Schranken von Art. 2 Abs. 1 GG bedürfe, einem immanenten Vorbehalt im Sinne eines allgemeinen Polizeivorbehalts393, eines allgemeinen Friedlichkeitsvorbehalts oder eines Gemeinschaftsvorbehalts394 unterliege.395 Vertreter dieser Auffassung bemängeln in erster Linie die von der herrschenden Rechtsprechung vorgenommene Güterabwägung. Diese habe zur Folge, dass die Rechtsgüter des einfachen Rechts auf die Verfassungsebene gehoben werden müssten, damit sie überhaupt in der Lage seien, die Einschränkung der Religionsfreiheit zu rechtfertigen. In der Konsequenz bedeutete dies aber, dass die die Verfassungsgüter konkretisierenden Gesetze nicht ohne Weiteres vom Parlament geändert werden könnten. Da nach der Wertordnung des Grundgesetzes jeder Bürger gleichen Anspruch auf Freiheit und Würde habe, dürfe sich niemand – auch nicht unter Berufung auf die Religionsfreiheit – über die vom Grundgesetzgeber gewährleisteten Rechte Dritter hinwegsetzen oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden. Die Freiheitsrechte begründeten eine soziale Gemeinschaftsordnung, woraus ein grundsätzlicher Vorbehalt öffentlicher Ordnungs­ gesetze resultiere.396

391

Bettermann, S. 26 f.; Häberle, S. 51; zum Häberles Ansatz vgl. auch Pecher, S. 91 ff. Teilweise wird jedoch nicht erwähnt, welcher Bestimmung die Vertreter dieser Ansicht die Schranke der allgemeinen Gesetze entnehmen wollen; vgl. Rüfner, Der Staat 7 (1968), S. 41, 56 ff.; zu weiteren Nachweisen vgl. Bayer, S. 157 (Fn. 108). 393 Bettermann, S. 16, 20; Maurer, JuS 1972, 330 (333). 394 Bzgl. der Berufsfreiheit vgl. BVerwG, Urt. v. 10. März 1954, BVerwGE 1, 92 (94); zur Religionsfreiheit BFH, Urt. v. 6. Dezember 1991, NJW 1992, 1407 f. 395 Vgl. dazu Bamberger, Der Staat  39 (2000), 355 (364); Bayer, S.  157; Müller-Volbehr, DÖV 1995, 301 (308, insbes. Fn. 68). 396 Kriele, JA 1984, 629 (636). 392

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Nach dieser Auffassung berechtigt die Berufung auf das Grundrecht der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG die Bauherrn eines Sakralgebäudes nicht dazu, sich über die allgemein geltenden baurechtlichen Regelungen hinwegzusetzen. Der Bau muslimischer Kultstätten könnte demnach durch das Baurecht in zulässiger Weise beschränkt werden. Insbesondere das Bauordnungsrecht, das als „Baupolizeirecht“ Teil der Ordnungsgesetze ist, stellte eine geeignete Schranke dar. f) Übertragung der Schranke aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet das Eigentum. Auf Grund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt werden, unterliegt die Eigentumsgarantie einem einfachen Gesetzesvorbehalt und kann deshalb grundsätzlich auch durch das Bauplanungs- und Bauordnungsrecht eingeschränkt werden. Über verschiedene Begründungsmodelle wird versucht, die Schranke aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auf Fälle zu übertragen, in denen –  wie beim Kultstättenbau  – ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht wie Kunst- oder Religionsfreiheit in Rede steht, welches nicht ohne Weiteres beschränkt werden kann, bei dem aber im konkreten Fall eine Begrenzung aus Gemeinwohlüberlegungen opportun scheint.397 aa) Indirekte Schrankenübertragung durch Schutzbereichsverengung Da die religiös motivierte Bautätigkeit keine kultische Handlung im engeren Sinn darstellt, wird, wie bereits ausgeführt, teilweise vertreten, solche äußerlich religionsneutralen Verhaltensweisen ausschließlich dem sonst jeweils einschlägigen Grundrecht bzw. dessen Schranken zu unterstellen und aus dem Schutz­bereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG auszunehmen.398 Die Suche nach etwaigen Schranken vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte erübrige sich schon deshalb, weil es sich letztlich gar nicht um ein Grundrechtsproblem, zumindest keines im Rahmen des vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts handele; dieses sei nur scheinbar berührt.399 Da die Nutzung von Grund und Boden von der in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährten Eigentumsfreiheit (in Form der Baufreiheit400) erfasst ist, handelt es sich 397

Vgl. zum Parallelfall der Baukunst Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (616). Kästner, JZ 1998, 974 (980); letztlich ist jedoch nicht klar, ob die Vertreter der dargestellten Ansicht von einer zugunsten von Art. 14 GG aufzulösenden Grundrechtskonkurrenz oder davon ausgehen, dass der Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG gar nicht erst eröffnet ist. Die Formulierung spricht aber für eine Schutzbereichseinschränkung. 399 Müller, Freiheit der Kunst, S. 48 (54 f.); Pecher, S. 104 m. w. N. 400 Zu der Ansicht, welche angesichts der starken Normierung dieses Bereichs die Gewährleistung von Baufreiheit in Frage stellt, Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (615). 398

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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bei diesem Grundrecht im Fall des Kultstättenbaus um die im Übrigen einschlägige Norm. In der Konsequenz müssten Vertreter der geschilderten Ansicht den in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen einfachen Gesetzesvorbehalt auch auf den Bau muslimischer Kultstätten anwenden. Damit geht es letztlich um eine indirekte Schrankenübertragung über den „Umweg“ der Schutzbereichseinschränkung.401 bb) Schrankenübertragung durch Grundrechtskonkurrenz (1) Grundrechtskonkurrenz als Schrankenproblem Der Bau einer Kultstätte berührt unterschiedliche Grundrechtssphären. Einerseits ist er, wie oben erörtert, eine Form der Religionsausübung, andererseits stellt der Bau jeden Gebäudes auf eigenem Grund402 eine Betätigung der in Art.  14 Abs. 1 Satz 1 GG verbürgten Eigentumsfreiheit in Form der Baufreiheit dar. Im Gegensatz zu Art. 14 Abs. 1 GG unterliegt Art. 4 Abs. 1, 2 GG aber, wie gezeigt, gerade keinem ausdrücklichen Vorbehalt, weshalb eine Einschränkung der Religionsfreiheit nicht ohne Weiteres auf der Grundlage des einfachen Rechts möglich ist. Eine direkte Form der Schrankenübertragung findet über die Auflösung der Grundrechtskonkurrenzen zugunsten der Eigentumsgarantie statt. So wird die Bautätigkeit ohne Rücksicht auf ihre religiöse Motivation zunächst nur bzw. primär als Ausübung der Eigentumsgarantie angesehen und deshalb zwangsläufig der Gesetzesvorbehalt aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zur Anwendung gebracht. Bezüglich des Kultstättenbaus kann zwar weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung bislang explizit eine solche direkte Übertragung der Schranke aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG festgestellt werden. Jedoch wird gerade im Bereich der Baukunst bzw. der Kunst am Bau, bei dem sich parallel die Frage der Grundrechtskonkurrenzen zwischen schrankendivergierenden Grundrechten stellt, nicht selten eine Anwendung der Schranke von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG trotz der Einschlägigkeit des vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG ver­treten. In der Rechtsprechung zu Art. 4 Abs. 1, 2 GG zeigen sich ähnliche Tendenzen. So wurde in den wenigen bislang zum Thema islamischer Kultstättenbau ergangenen Gerichtsentscheidungen403 nie problematisiert, inwieweit das Baurecht geeignet ist, das Grundrecht der Religionsfreiheit zu beschränken. In den Fällen, in denen Art.  4  GG überhaupt ins Feld geführt wird, stellt die Religionsfreiheit der muslimischen Bauherrn einen nicht näher spezifizierten Belang im Rahmen der üblichen baurechtlichen Abwägungs- und Ermessensvorgänge dar. Diese dog 401

Kritisch dazu Schneider, S. 99 f. Das Bauen oder die Nutzung eines Gebäudes auf fremdem Grund ist hingegen nur durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. 403 Vgl. dazu 3. Teil B. II. 402

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

matischen Unschärfen mögen dem Streben der Fachgerichte nach einer pragmatischen Lösung konkreter Konflikte geschuldet sein; im Rahmen der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themas müssen die von den Gerichten stillschweigend vorgenommenen Beschränkungen jedoch in die verfassungsrechtliche Dogmatik eingeordnet werden. Bei der Frage der Einschlägigkeit verschiedener grundrechtlicher Gewährleistungsbereiche handelt es sich nur dem ersten Anschein nach um ein Tatbestandsproblem. Letztlich geht es in der Sache um die Begrenzung eines vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts, mithin um ein Schrankenproblem.404 (2) Auflösung von Grundrechtskonkurrenzen im Allgemeinen Für das Problem der Konkurrenz schrankendivergierender Grundrechte ist bislang keine allgemein akzeptierte Lösung gefunden worden.405 Folgende allgemeine Regeln gelten aber nach der herrschenden Meinung im Bereich der Grundrechtskonkurrenzen: Soweit ein Grundrecht alle Merkmale des anderen enthält, das andere darüber hinaus aber noch weitere, tritt das erste, allgemeinere hinter dem zweiten, spezielleren zurück (sog. unechte Grundrechtskonkurrenz)406. Diese (echte) Spezialität besteht etwa zwischen allen sonstigen Freiheitsrechten und dem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Im Fall der sog. Einzelfallspezialität verdrängt ein Grundrecht mit dem stärkeren sachlichen Bezug ein anderes Grundrecht. Welches Grundrecht im konkreten Fall sachnäher ist, muss durch Auslegung der in Rede stehenden Grundrechte ermittelt werden. Das Bundesverfassungsgericht stellt bei Sachverhalten, die den Schutzbereich zweier Grundrechte berühren, in der Regel darauf ab, welche Norm nach ihrem spezifischen Sinngehalt die stärkere sachliche Beziehung zu dem zu prüfenden Geschehen hat.407 Kann eine größere Sachnähe eines Grundrechts zu dem in Rede stehenden Sachverhalt nicht festgestellt werden, stehen beide Grundrechte in Idealkon­kurrenz zueinander und werden nebeneinander geprüft. Streitig ist jedoch in diesem Fall, wie die anzuwendende Schranke zu ermitteln ist. Nach einer Auffassung werden die Grundrechtsschranken addiert bzw. kumuliert, mit der Folge, dass die engere Schranke auf den gesamten Lebenssachverhalt einschließlich des ursprünglich vorbehaltlos geschützten Verhaltens anwendbar wäre. Die in der Literatur herrschende Meinung bestimmt hingegen das Maß der zulässigen Beschränkung nach 404

So zu Recht Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (616). Manssen, Verw 24 (1991), 33 (44). 406 Vgl. Bleckmann/Wiethoff, DÖV 1991, 722 (728 ff.); Faller, KJ 2002, 227 (231). 407 BVerfG, Beschl. v. 24. Januar 1962, BVerfGE 13, 290 (296); dass., Beschl. v. 15. Juni 1983, BVerfGE 64, 229 (238 f.); dass., Beschl. v. 4. Oktober 1983, BVerfGE 65, 104 (112). 405

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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der Schranke des jeweils „stärkeren“, in der Regel also des vorbehaltlos gewährten Grundrechts.408 Die Rechtsprechung ist beim Thema der schrankendivergierenden Grundrechte ebenfalls uneinheitlich.409 Während in früheren Entscheidungen die auch in der Literatur herrschende Ansicht vertreten wurde, dass im Fall der Idealkonkurrenz schrankendivergierender Grundrechte die Schranke des jeweils „stärkeren“ Grundrechts anzuwenden sei, hat sich das Bundesverfassungsgericht in jüngeren Entscheidungen410 der Frage nach der Auflösung von Grundrechtskonkurrenz im Fall schrankendivergierender Grundrechte immer wieder entzogen, indem es bei der Überprüfung einer staatlichen Maßnahme am Maßstab des einen Grundrechts die von dem anderen Grundrecht getroffene Wertentscheidung mit berücksichtigte.411 Dabei wurde das meistbetroffene Grundrecht, das maßgeblich für die Bestimmung von Schutzbereich und Schrankenregime ist, als durch das zweite Grundrecht „verstärkt“ angesehen (sog. Verstärkungslehre).412 Das zweite Grundrecht dient im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung als zusätzliches Abwägungskriterium. So sah das Bundesverfassungsgericht zwar einerseits das religiös motivierte islamische Schächten nicht als Religionsausübung an, befand aber andererseits die Berufsfreiheit des muslimischen Metzgers413 als durch den Wertgehalt von Art. 4 GG verstärkt. (3) Grundrechtskonkurrenz im Bereich von Baukunst und Sakralarchitektur Unstreitig besteht zwischen Art. 4 Abs. 1, 2 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG kein Verhältnis der echten Spezialität. Da durch den Kultstättenbau der Schutzbereich beider Grundrechte eröffnet ist, ist folglich fraglich, ob im Fall des Baus sakraler Gebäude die Eigentumsgarantie oder die Religionsfreiheit sachnäher ist oder, wenn dies nicht der Fall ist und beide Grundrechte in Idealkonkurrenz stehen, ob die Schranken aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG oder der einfache Gesetzesvorbehalt aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zur Anwendung kommen. Teilweise wird für den wesentlich umfangreicher juristisch aufgearbeiteten Bereich der Baukunst eine Einzelfallspezialität von Art.  14 Abs.  1  Satz  1  GG ge 408 Pieroth/Schlink, Rn.  343; Rüfner, in: FG  BVerfG, S.  477; Stern, Bd.  III/2, S.  1391 f., 1405 ff; Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (616) m. w. N. 409 Vgl. Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (616) der meint, dem lägen v. a. pragmatisch-strate­ gische Erwägungen zugrunde. 410 BVerfG, Urt. v. 15. Januar 2002, NJW 2002, 663 (664). 411 Anders wohl noch 1991, als Manssen davon ausging, die Verstärkungslehre werde auf schrankendivergierende Grundrechte (noch) nicht angewandt, vgl. Verw 24 (1991), 33 (44). 412 Vgl. dazu Manssen, Verw 24 (1991), 33 (44); Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (617). 413 Das Gericht hielt allerdings wegen der türkischen Staatsangehörigkeit des Metzgers nicht Art. 12 Abs. 1 GG, sondern Art. 2 Abs. 1 GG für einschlägig.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

genüber Art. 5 Abs. 1 GG angenommen (sog. Vorrangslehre414). So wird vertreten, die verfassungsrechtlichen Grenzen des Rechts, ein Grundstück zu bebauen, seien alleine Art.  14  GG zu entnehmen, da dieses Recht zum Inhalt des Eigentums gehöre.415 Aus der Kunstfreiheit erwachse nicht die Befugnis, sich über die dem Eigentum zulässigerweise gezogenen Schranken hinwegzusetzen.416 Auch für den Kultstättenbau könnte argumentiert werden, er verwirkliche in erster Linie das Recht, ein Grundstück zu bebauen, wohingegen die religiöse Motivation im Hintergrund stehe, und sei deshalb alleine an der Schranke des im konkreten Fall spezielleren Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen. Diese Überzeugung lag wohl auch einer Entscheidung des VGH  Mannheim zugrunde, der meinte, ein islamischer Betsaal genieße hinsichtlich der baurechtlichen Genehmigungsfähigkeit keine privilegierte Stellung.417 Dieser Ansicht scheint in Bezug auf den Moscheebau auch Stelkens zu sein, der davon ausgeht, dass die Frage nach der Zulässigkeit einer Moschee allein durch das Baurecht zu beantworten sei und die Religionsfreiheit in­ soweit keine Rolle spiele.418 Im Bereich der Kunstfreiheit wird darüber hinaus eine modifizierte Form der Vorrangslehre vertreten: So soll die Eigentumsgarantie die Kunstfreiheit im Bereich der Baukunst zwar nicht als lex specialis verdrängen; der individualistische Grundbezug der Kunstfreiheit werde jedoch von dem der Baukunst immanenten gesellschaftlich-sozialen Bezug überlagert.419 Das Wesen der Baukunst werde maßgebend durch die Sozialbindung des Eigentums mitgeprägt. Deshalb sei eine Einschränkung in Form negativer Verunstaltungsabwehr zur Erreichung der Einheitlichkeit in der Verwendung elementarer Gestaltungsformen sowie zur Harmonieerhaltung innerhalb der landschaftlichen Eigenart zulässig.420 Im Ergebnis führt die modifizierte Vorrangslösung zu einer schutzbereichsimmanenten Begrenzung der Kunstfreiheit.421 Auf den Kultstättenbau übertragen bedeutet dies, dass der Bau eines Sakralgebäudes mit Blick auf die Religionsfreiheit nur innerhalb der Grenzen des Verunstaltungsverbots möglich ist, da auch in diesem Fall durch die – wegen der Fremdheit einer Moschee häufig ungleich größere – Außenwirkung ein gesellschaftlich-sozialer Bezug gegeben ist. Die als verunstaltend emp 414

Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (616). BVerwG, Urt. v. 28. Juni 1955, BVerwGE 2, 172 (179); in späteren Entscheidungen vertrat das Gericht die Auffassung, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gelte zwar neben dem Eigentumsschutz, vermittele jedoch keinen weiter gehenden Schutz. 416 BVerwG, Beschl. v. 10. Dezember 1979, BRS 35, Nr. 133, S. 254 f.; offengelassen dass., Beschl. v. 27. Juni 1991, NVwZ 1991, 983 (984). 417 VGH Mannheim, Urt. v. 20. Juni 1989, Az: 3 S 873/89, veröffentl. bei juris; die Entscheidung wurde später vom BVerwG aufgehoben (Urt. v. 27. Februar 1992, NJW 1992, 2170 ff). 418 Stelkens,  Paul (2007), Schweigen auf rechtlichem Neuland, in: Kölner Stadtanzeiger, Nr. 199, 28. August 2007, S. 28. 419 Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 5 Abs. 3, Rn. 72 (Lfg. 20); Mick, S. 78 f.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5, Rn. 319. 420 Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 5 Abs. 3, Rn. 72. 421 Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (616). 415

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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fundenen baulichen Merkmale dürften nicht dem Schutz der Religionsfreiheit unterliegen. Insoweit wird unterschiedslos die Schranke aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auf den Bau eines islamischen Sakralgebäudes angewendet. Soweit im Verunstaltungsbereich der Maßstab optische Einheitlichkeit und Harmonie ist, dürfte der Bau einer islamischen Kultstätte mit typisch muslimischen Baumerkmalen häufig schwerfallen. Soweit ersichtlich hat das Bundesverfassungsgericht die Verstärkungslehre bislang im Bereich der Baukunst nicht zur Anwendung gebracht; im Zusammenhang mit Art. 4 Abs. 1, 2 GG sind jedoch mehrere Entscheidungen in diese Richtung ergangen, so dass vermutet werden darf, dass diese dogmatische Konstruktion auch bei einer Konkurrenz von Art. 4 Abs. 1, 2 GG oder Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG Berücksichtigung fände. Im Fall des Zusammentreffens der Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG beim Kultstättenbau könnte demgemäß im Sinne der Verstärkungslehre eine Prüfung nach dem Maßstab des „verstärkten“ Grundrechts aus Art.  14  GG erfolgen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung müsste das „verstärkende“ Grundrecht aus Art.  4 Abs.  1,  2 GG bezüglich seines objektiven Wertgehalts als Abwägungsbelang berücksichtigt werden. g) Aufspaltung in die einzelnen Gewährleistungen Wie bereits unter B. II. 1. d) dd) (2) angesprochen, wird teilweise versucht, der als zu groß empfundenen, durch das Bundesverfassungsgericht gewährten NettoFreiheit dadurch zu begegnen, dass Art.  4 Abs.  1,  2  GG nicht als einheitliches Grundrecht angesehen, sondern in seine einzelnen Gewährleistungen aufgespalten wird.422 Die Auslegung als einheitliches Grundrecht ergibt sich nach dieser Auffassung im Übrigen weder zwingend aus der Entstehungsgeschichte von Art. 4 GG noch aus der diesbezüglichen Beratung im Parlamentarischen Rat.423 Eine Aufspaltung des Grundrechts sei weiterhin sinnvoll, da sich sowohl bezüglich der Grundrechtsträgerschaft als auch hinsichtlich des Schutzgegenstandes und des Bedürfnisses nach effizienter Beschränkung Unterschiede ergäben. Nach dieser Ansicht soll lediglich die das „forum internum“ schützende Glaubensfreiheit schrankenlos gewährt werden. Die Komponente der Religionsausübung, also das „forum externum“, sei durchaus beschränkbar. Außerdem solle sich Art. 4 Abs. 2 GG nur auf die Ausübung von Religion, nicht aber auf die Verwirklichung rein weltanschau­ 422 Muckel, in: Friauf/Höfling, Art. 4, Rn. 6 Kästner, JZ 1998, 974 (979); Hellermann, S. 386; Hillgruber, JZ 1999, 538 (541); Höfling, in: FS Rüfner, S. 331 (Fn. 22); bezeichnend ist, dass die meisten Autoren sich zwar gegen ein einheitliches Grundrecht aussprechen, sich aber nicht dazu äußern, welche Konsequenz eine Aufspaltung in die einzelnen Gewährleistungen haben sollte; anders Kokott, in: Sachs, die sich zwar für eine Differenzierung im Schutzbereich, nicht aber im Rahmen der Schranken ausspricht, dies., Art. 4, Rn. 14, 124 ff. 423 Kästner, JZ 1998, 974 (979).

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

licher Positionen beziehen.424 Zum Teil wird davon ausgegangen, dass zwar derzeit de constitutione lata keine Einschränkung der Religionsausübungsfreiheit durch Gesetz möglich ist, die Einführung eines Gesetzesvorbehalts de constitutione ferenda für Art. 4 Abs. 2 GG jedoch sinnvoll erscheine.425 Andere Autoren plädieren dafür, den Schrankenvorbehalt von Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1 WRV auf die Religionsausübungsfreiheit des Art. 4 Abs. 2 GG anzuwenden. Dem wird im Folgenden nachzugehen sein. h) Anwendung der Schranken der Weimarer Reichsverfassung (WRV) aa) Allgemeines Während die übrigen bislang dargestellten Überlegungen zur Übertragung verschiedener Schrankenregelungen auf von Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützte Verhaltensweisen nur vereinzelt vertreten werden, wächst wohl die Anhängerschaft derer stetig, die aus den durch Art. 140 GG in das Grundgesetz aufgenommenen Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung weitergehende Beschränkungsmöglichkeiten ableiten wollen. Gemäß Art. 136 Abs. 1 WRV werden die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt. Nach Art.  137 Abs.  3  Satz  1 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Aus diesen Vorschriften wird sowohl für die individuelle (Art.  136 Abs.  1 WRV), als auch für die kollektive Religionsfreiheit (Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV) ein Gesetzesvorbehalt abgeleitet. bb) Beschränkung der individuellen Religionsfreiheit durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1 WRV Zur Begründung eines für die individuelle Religionsfreiheit geltenden Vor­ behalts wird von den Vertretern einer vor allem in der Literatur vielfach vertretenen Auffassung426 zunächst auf den Wortlaut von Art.  136 Abs.  1 WRV abgestellt. Diese Vorschrift belege schon dem textlichen Befund nach eindeutig, dass die Religionsfreiheit nicht uneingeschränkt gewährleistet sei, sondern einem aus-

424

Bayer, S. 52 f. Fehlau, JuS 1993, 441 (446). 426 Zuletzt eingehend Muckel, Letztentscheidung, ders., Religionsfreiheit, S. 253 ff.; auf ihn berufen sich u. a. Kästner, JZ 1998, 974 (982), Lemmen sowie Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 4, Rn. 46, 78; in jüngerer Zeit auch zustimmend Lenz, S. 28 ff.; Pecher, S. 2, 192. 425

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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drücklichen Vorbehalt unterliege.427 Zu Zeiten der Weimarer Reichsverfassung sei die Pflicht zur Befolgung der allgemeinen Gesetze als eine staatsbürgerliche Pflicht angesehen worden, weshalb Art. 136 Abs. 1 WRV als Gesetzesvorbehalt zu der in Art. 135 WRV428 verbürgten Religionsfreiheit verstanden wurde.429 Die inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung seien durch die in Art. 140 GG erfolgte Aufnahme in das Grundgesetz –  auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts  –430 zu vollgültigem Verfassungsrecht geworden und bildeten mit Art. 4 GG ein organisches Ganzes. Insoweit müsse auch der in Art. 136 Abs. 1 WRV niedergelegte, ausdrücklich in das Grundgesetz übernommene Vorbehalt beachtet werden. Eine solche Auslegung entspreche auch dem Willen des Vefassungsgebers, wie sich anhand der Entstehungsgeschichte von Art.  4  GG belegen lasse.431 Dass in Art. 4 Abs. 1, 2 GG kein ausdrücklicher Gesetzesvorbehalt aufgenommen wurde, sei nur dem Umstand zu schulden, dass der Verfassungsgeber bei der Schaffung der Vorschrift von einem wesentlich engeren Schutzbereich ausgegangen sei.432 Man sei sich aber einig gewesen, dass die Religionsausübung in die allgemeine öffentliche Ordnung eingebunden sei. Diejenigen Mitglieder des Parlamentarischen Rates, die sich als Fürsprecher der Kirchen gegen den ursprünglich geplanten, an Art. 135 WRV angelehnten Gesetzesvorbehalt ausgesprochen hätten, seien davon ausgegangen, dass auch die Religionsausübung sich „in den Rahmen der allgemeinen Ordnung einfügen“ müsse und dass nach Art. 2 GG die Freiheit der Religionsausübung „nur im Rahmen der verfassungsgemäßen Ordnung des Gemeinwesens“ gewährleistet sei.433 So sei z. B. unstreitig gewesen, dass die Anwendung von bau- und seuchenpolizeilichen Vorschriften gegenüber der Religionsfreiheit nicht ausgeschlossen sei.434 Dies entspreche auch der verfassungsgeschichtlichen Tradition, denn bereits die Frankfurter Reichsverfassung von 1849 und die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat von 1850 hätten wie die Weimarer Reichsverfassung von 1919 ausdrücklich den Vorbehalt artikuliert, dass die

427

Kästner, JZ 1998, 974 (982). Art. 135 WRV lautete: „Alle Bewohner des Reichs genießen volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die ungestörte Religionsausübung wird durch die Verfassung gewährleistet und steht unter staatlichem Schutz. Die allgemeinen Staatsgesetze bleiben hiervon unberührt.“ 429 Janz/Rademacher, NVwZ  1999, 706 (709), die allerdings auch darauf hinweisen, dass Art.  136 Abs.  1 WRV damals wegen des in Art.  135  Satz  3 WRV enthaltenen Gesetzesvor­ behalts rein deklaratorische Bedeutung hatte. 430 St. Rspr., BVerfG, Urt. v. 14. Dezember 1965, BVerfGE 19, 206 (219); dass., Beschl. v. 25. März 1980, BVerfGE 53, 366 (400 ff.); dass., Beschl. v. 13. Dezember 1983, BVerfGE 66, 1 (22). 431 Hillgruber, JZ 1999, 538 (543). 432 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 4, Rn. 28. 433 Hillgruber, JZ 1999, 538 (543); vgl. zur Entstehungsgeschichte von Art. 4 GG im Parlamentarischen Rat ausführlich Wenckstern, in: Umbach/Clemens, Art. 4, Rn. 6 ff., insbesondere 11 f. 434 Mager, in: v. Münch/Kunig, Art. 4, Rn. 46 m. w. N. 428

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Religionsfreiheit von der Beachtung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten nicht entbinde.435 Darüber hinaus könne es nicht angehen, dass angesichts des subjektiv geprägten und extensiv ausgelegten Schutzbereiches des Grundrechts der Religions­ freiheit alle aus einer Glaubensüberzeugung gespeisten Verhaltensweisen von der Beachtung der allgemeinen Gesetze entbunden würden, soweit nicht ein anderes Rechtsgut mit Verfassungsrang davon geschützt sei.436 Das einfache Recht und die damit geschützten Belange des Gemeinwohls würden in ihrem Geltungsanspruch unangemessen verkürzt.437 Im Übrigen enthalte auch die Art. 4 GG auf europäischer Ebene entsprechende Norm des Art. 9 EMRK in ihrem Abs. 2 eine ausdrückliche Schrankenregelung.438 Angesichts der ständigen weltanschaulichreligiösen Pluralisierung sprächen gewichtige rechtspolitische Gründe für die Annahme eines so verstandenen Gesetzesvorbehalts der Religionsfreiheit. Durch die Zurückdrängung der Gemeinwohlbelange durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hätten die religionsrechtlichen Regelungen in der Öffentlichkeit an Akzeptanz verloren. Die Ergebnisse, die mittels eines Gesetzesvorbehalts erreicht würden, könnten für größere Plausibilität der Entscheidungen sorgen und damit ein Mittel zur Befriedung potentieller gesellschaftlicher Konflikte darstellen.439 Soweit das Bundesverfassungsgericht eine Anwendung der Schranke aus Art. 136 Abs. 1 WRV auf Art. 4 Abs. 1, 2 GG mit der Begründung ablehne, dass Art. 136 Abs. 1 WRV nach Bedeutung und innerem Gewicht im Zusammenhang der grundgesetzlichen Ordnung von Art. 4 Abs. 1 GG überlagert werde, so sei darauf hinzuweisen, dass das Gericht440 sich dazu in Widerspruch gesetzt habe, indem es andererseits die in Art. 4 Abs. 1 GG verankerte negative Bekenntnisfreiheit durchaus als gemäß Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV einschränkbar angesehen und auch sonst immer wieder die grundsätzliche Anwendbarkeit der allgemeinen Gesetze im Rahmen der Religionsausübung angenommen habe.441

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Kästner, JZ 1998, 974 (981). BVerwG, Urt. v. 23. November 2000, BVerwGE 112, 227 ff. = NJW 2001, 1225 (1226). 437 Muckel, in: FS Listl, S. 242. 438 Aufgrund des Gesetzes vom 7. August  1952 (BGBl  II, 665, 689, 953) gilt die EMRK mit einfachgesetzlichem Rang auch in der Bundesrepublik. Art. 9 Abs. 2 EMRK lautet: „Die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu bekennen, darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die öffentliche Sicherheit, zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.“; vgl. auch Fehlau, JuS 1993, 441 (446), der darin wohl ein rechtspolitisches Signal für die Einführung einer Schrankenregelung in Art. 4 GG sieht. 439 Muckel, in: FS Listl, S. 256. 440 BVerfG, Urt. v. 15. Dezember 1983, BVerfGE 65, 1 (39). 441 BVerwG, Urt.  v.  23.  November 2001, BVerwGE 112, 227 (232 f.) = NJW  2001, 1225 (1227); Kästner, JZ 1999, 974 (982); Mager, in: v. Münch/Kunig, Art. 4, Rn. 47. 436

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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Schließlich geht die Ansicht, die für eine Anwendung von Art. 136 Abs. 1 WRV auf die in Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleistete Religionsfreiheit plädiert, davon aus, dass die Einschränkung des Grundrechts auf diese Art von einer höheren demokratischen Legitimation getragen werde als die Begrenzung durch verfassungsimmanente Schranken. Bei denjenigen Schranken, die durch ein Gesetz abgedeckt sind, stehe hinter der abstrakt-generellen Begrenzung immerhin das demokratisch gewählte Parlament, während bei der vom Bundesverfassungsgericht vertretenen Auffassung letztlich nur die Rechtsprechung im Einzelfall den vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten Grenzen setzen könne.442 Durch diese Verlagerung der Grenzenbestimmungskompetenz443 unterstünden solche Grundrechte statt einem Gesetzesvorbehalt letztlich einem schwer einschätzbaren Richtervorbehalt.444 In der Rechtsprechung der Vergangenheit habe sich gezeigt, wie leicht von Seiten der Exekutive und Judikative in dogmatisch fragwürdiger Weise Einschränkungen der Religions- und Weltanschauungsfreiheit unter „Hervorzaubern“ von Verfassungswerten vorgenommen wurden.445 Insoweit führe die Annahme eines Gesetzes­vorbehaltes zu größerer Rechtsklarheit und sei schon deshalb rechtspolitisch wünschenswert.446 Während teilweise Art. 136 Abs. 1 WRV im Rahmen der von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vertretenen verfassungsimmanenten Schranken als „kollidierendes Verfassungsrecht“ Berücksichtigung finden soll,447 leitet die wohl häufiger vertretene Ansicht daraus einen direkten Gesetzesvorbehalt ab. Allerdings soll nicht jedes Gesetz eine zulässige Schranke der Religionsfreiheit darstellen können. Vielmehr soll sich der aus Art. 136 Abs. 1 WRV zu entnehmende Gesetzesvorbehalt auf die allgemeinen Gesetze erstrecken. Darunter seien, parallel zu Art. 5 Abs. 2 GG, alle staatlichen Normen verstehen, die sich nicht gegen Glauben, Bekenntnis und Religionsausübung als solche wenden, also kein Sonderrecht gegen die Religionsfreiheit enthalten und insoweit „allgemein“ sind.448 Um der Bedeutung der Religionsfreiheit gerecht zu werden und der Bindung aller staatlichen Stellen an die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 GG zu entsprechen, sollen diese diskriminierungsfreien, religionsneutralen Gesetze449 ihrerseits gemäß der Wechselwirkungslehre im Lichte der Religionsfreiheit ausgelegt werden.450 442

Alberts, NVwZ 1992, 1164 (1166). Wenckstern, in: Umbach/Clemens, Art. 4, Rn. 81a. 444 Böckenförde, NJW 2001, 723 (724, Fn. 10); Kästner, JZ 1998, 974 (981). 445 Alberts, NVwZ 1992, 1164 (1166, Fn. 26); Fehlau, JuS 1993, 441 (446); Kästner, JZ 1998, 974 (981). 446 So Fehlau, JuS 1993, 441 (446), der sich allerdings auf einen Gesetzesvorbehalt de lege ferenda bezieht. 447 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 4, Rn. 28; so auch VG Berlin, Beschl. v. 22. Februar 2005, Az. VG 25 A 6.05, veröffentl. bei juris (Rn. 72). 448 Muckel, Letztentscheidung, S. 254; ders., NWVBl 1998, 1 (3 f). 449 Hillgruber, JZ 1999, 538 (543). 450 Dazu ausführlich Muckel, Letztentscheidung, S. 235 ff., der sich aber kritisch zur Wechselwirkungslehre äußert. 443

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Auf den Kultstättenbau angewandt, käme diese Ansicht zu folgendem Ergebnis: Da das einfache Baurecht die Ausübung der Religionsfreiheit weder zum Gegenstand hat, noch besondere Rechte oder Pflichten daran knüpft und für alle Bürger gleichermaßen gilt, stellen sowohl das Bauplanungs- als auch das Bauordnungsrecht allgemeine Gesetze im Sinne dieser Ansicht dar und sind deshalb grundsätzlich geeignet, die Religionsfreiheit einzuschränken. Nach der dargestellten Ansicht müsste jedoch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Bedeutung der Religionsfreiheit bei der Anwendung des Baurechts berücksichtigt werden. cc) Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV als Schranke der kollektiven Religionsfreiheit Für den Bereich der kollektiven Religionsausübung stellt Art. 140 GG i. V. m. Art.  137 Abs.  3  Satz  1  WRV eine ausdrückliche Schranke dar. Da die meisten (nicht nur muslimischen) Kultstätten nicht von Einzelpersonen, sondern vielmehr von Personenmehrheiten gebaut werden, könnte diese Vorschrift als Schranke für den Kultstättenbau herangezogen werden. Es verwundert deshalb nicht, dass eine früher weitverbreitete Auffassung davon ausging, das Verhältnis des Kirchenbaus zum Baurecht werde durch Art.  137 Abs.  3  Satz  1  WRV geregelt.451 Das Baurecht wurde sogar als „klassisches Beispiel“ für die Schranken der Kirche bezeichnet.452 Anwendungsbereich und Reichweite des Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV sowie dessen Verhältnis zu Art.  4  GG sind jedoch in ihren Einzelheiten äußerst umstritten. So ist zunächst schon unklar, für welche Vereinigungen Art.  137 Abs.  3  S.  1 WRV überhaupt gelten soll. Nach einer Ansicht gilt Art. 137 WRV nur für Ver­ einigungen, welche den Status einer „Religionsgemeinschaft“ besitzen, nicht hingegen für sonstige religiöse Gruppen und Vereinigungen.453 Nach anderer Ansicht sollen auch Personenmehrheiten erfasst sein, die sich nicht der umfassenden, sondern nur der partiellen Pflege des religiösen Lebens widmen.454 Überzeugend erscheint letztere Ansicht: Da es im Rahmen der Gewährleistung der Religionsfreiheit von Art. 4 Abs. 1, 2 GG genügen soll, wenn sich eine Personenmehrheit nur Teilaspekten der Religionsausübung widmet, ist es konsequent, im Rahmen von Art. 137 WRV die gleiche Auslegung zu wählen. Fraglich ist weiterhin, was unter „ihre Angelegenheiten“ im Sinne der Norm zu verstehen ist. Nach einer Ansicht muss zwischen innerkirchlichen Angelegen­ heiten einerseits und solchen Angelegenheiten, die in den staatlichen Bereich hineinwirken, unterschieden werden. Dabei soll unter anderem das Selbstverständnis 451

Detailliert dazu Brümmer, S. 93 ff. Ebenda, S. 96. 453 Bayer, S. 166. 454 Vgl. 2. Teil B. II. 2. b).

452

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

137

der betroffenen Religionsgemeinschaft berücksichtigt werden.455 Im innerkirchlichen Bereich ist keine Einschränkung auf der Grundlage von Art.  137 Abs.  3 Satz 1 WRV zulässig; insoweit die Religionsgemeinschaften den öffentlichen Bereich bzw. das Gemeinwohl tangieren oder in Rechte Dritter eingreifen, sollen sie den für alle geltenden Gesetzen unterliegen.456 Eine andere Ansicht will von Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV alle Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften erfasst sehen, die kirchlichen Zwecken dienen.457 Der Bau eines sakralen Gebäudes fällt nach beiden Auslegungen des Begriffs der „eigenen Angelegenheiten“ in den Anwendungsbereich von Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV: Er wirkt regelmäßig über den Bereich der Religionsgemeinschaft in den staatlichen Raum hinaus, weshalb es sich nicht um eine rein innerkirchliche Angelegenheit handelt, und dient darüber hinaus kirchlichen Zwecken. Als Teil der Vermögensverwaltung soll die Errichtung und Unterhaltung der für den Gottesdienst erforderlichen Gebäude ohnehin zu den eigenen Angelegenheiten im Sinne von Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV zählen. Nach den dargestellten Ansichten kommt es deshalb im Bereich des Kultstättenbaus durch Religionsgemeinschaften zur Anwendung der Schranke aus Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV.458 Dabei ist weiterhin umstritten, welche Vorschriften als für alle geltende Gesetze im Sinne von Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV anzusehen sind.459 Eine verbreitete Ansicht will darunter analog Art.  5 Abs.  2  GG allgemeine Gesetze verstehen.460 Das Bundesverfassungsgericht hingegen legt den Gesetzesvorbehalt des Art. 137 Abs. 3 Satz 1 GG restriktiv aus und will nur solche Gesetze als „für alle geltend“ im Sinne der Vorschrift ansehen, die für die Religionsgemeinschaften die gleiche Bedeutung haben wie für jedermann (sog. Jedermannformel).461 Treffe ein Gesetz eine Religionsgemeinschaft in ihrer Besonderheit härter, indem es ihren geistig-religiösen Auftrag beschränke, so stelle es keine zulässige Schranke der kollektiven Religionsausübung dar.462 Im Einzelfall sei darüber hinaus hinsichtlich der Anwendbarkeit eines solchen Gesetzes eine Güterabwägung zwischen der Kirchenfreiheit und dem staatlichen Schutz der durch das Gesetz verkörperten Allgemeinwohlbelange erforderlich.463 Dabei sei dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft, soweit es in dem von Art. 4 GG geschützten Bereich wurzele und sich in der Religionsausübung verwirkliche, besonderes Gewicht beizumessen.464 Beschränkungen in Form von Gesetzen könnten im Rahmen von 455

Bayer, S. 78 m. w. N. Ebenda, S. 153. 457 Brümmer, S. 100. 458 So Bayer, S. 79, 153; Hoppe/Beckmann, DVBl 1992, 188 (190). 459 Eine ausführliche Darstellung findet sich bei Brümmer, S. 105 ff. 460 Bock, S.  272–284; ders., AöR  122 (1997), 444 (472); Hillgruber, DVBl  1999, 1155 (1172); Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 4, Rn. 28. 461 BVerfG, Beschl. v. 21. September 1976, BVerfGE 42, 312 (334). 462 Mager, in: v. Münch/Kunig, Art. 4, Rn. 64. 463 BVerfG, Beschl. v. 25. März 1980, BVerfGE 53, 366 (399 ff.). 464 Ebenda; Listl, in: HdbStKirchR, § 14, S. 445. 456

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Art.  137 Abs.  3  Satz  1 WRV nur insoweit zum Zuge kommen, als dies für die Rechte Dritter und die Allgemeinheit unabdingbar sei.465 Nach dieser Ansicht, die in Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV eine zulässige Schranke der kollektiven Religonsfreiheit erblickt,466 müssten die jeweils im Einzelfall relevanten, die Religionsausübung beschränkenden Bestimmungen des Baurechts daraufhin überprüft werden, ob sie für alle geltende Gesetze im Sinne der Vorschrift darstellen und, wenn dies der Fall ist, in einer Einzelfallabwägung im Lichte der Religionsfreiheit ausgelegt werden.467 Im Fall des islamischen Kultstättenbaus durch eine Religionsgemeinschaft müsste also stets die den Bauwunsch be- oder verhindernde baurechtliche Norm in eine Abwägung mit der den Gemeinschaften in Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleisteten Religionsfreiheit gebracht werden. Überwiegt im Rahmen dieser Abwägung im Einzelfall das Gewicht der Religionsfreiheit, handelt es sich bei der baurechtlichen Vorschrift nicht um ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV, da es die Religionsgemeinschaft härter trifft als jedermann; eine Anwendung der Vorschrift muss demnach unterbleiben. i) Stellungnahme aa) Schrankenleihe Der Versuch, über das Instrument der Schrankenleihe die weiter gehenden Schranken anderer Grundrechte auf die in Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleistete Religionsfreiheit zu übertragen, ist vom Bundesverfassungsgericht zu Recht stets abgelehnt worden.468 (1) Übertragung der Schrankentrias aus Art. 2 Abs. 1 GG Aus der Schrankentrias der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG kann keine Grenze für das Grundrecht der Religionsfreiheit hergeleitet werden. Zum einen bringt eine Anwendung der Schranken der verfassungsgemäßen Ordnung, der Rechte Dritter und des Sittengesetzes keine Vereinfachung gegenüber dem Instrument der verfassungsimmanenten Schranken aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Sowohl der Begriff der verfassungsgemäßen Ordnung als auch der des Sittengesetzes sind in ihrer Auslegung höchst unklar und umstritten. Der Terminus des Sittengesetzes birgt ähnliche Probleme wie der des 465

Bayer, S. 153. Ebenda, S. 152 f.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 4, Rn. 29. 467 Hoppe/Beckmann, DVBl 1992, 188 (190 f.). 468 BVerfG, Urt.  v.  16.  Januar  1957, BVerfGE  6, 32 ff.; dass., Beschl.  v.  23.  Januar 1968, BVerfGE 23, 50 (55 f.); dass., Beschl. v. 19. Oktober 1971, BVerfGE 32, 98 (107 f.). 466

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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„ordre public“;469 seine Anwendung sollte deshalb nicht über den Bereich von Art. 2 Abs. 1 GG hinaus ausgedehnt werden. In diesem Zusammenhang ist auch zu bemerken, dass es im Sinne eines effektiven Minderheitenschutzes nicht angehen kann, den Grundrechtsschutz einer gesellschaftlichen Minderheit zur Disposition der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft und ihrer Moralvorstellungen zu machen.470 Darüber hinaus versteht die herrschende Meinung471 unter der verfassungsmäßi­ gen Ordnung im Rahmen von Art. 2 Abs. 1 GG mittlerweile die Gesamtheit der formell und materiell verfassungsgemäßen Normen,472 weshalb Art. 2 Abs. 1 GG nach zutreffender herrschender Auffassung letztlich –  vorbehaltlich der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips – unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt steht. Es wäre insoweit widersinnig, den Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung durch eine entsprechende Anwendung als Schranke von Art. 4 Abs. 1, 2 GG anders auszulegen als in seinem eigentlichen Textzusammenhang.473 Würde man den Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enger auslegen und auch im Rahmen von Art. 2 Abs. 1 GG nur elementare Verfassungsgrundsätze darunter verstehen, führte dies zu dem paradoxen Ergebnis, dass die allgemeine Handlungsfreiheit schwerer zu beschränken wäre als die klassischen Freiheitsrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit), Art. 8 Abs. 1 GG (Versammlungsfreiheit) und Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung), die allesamt unter einem Gesetzesvorbehalt stehen.474 Die Vertreter einer Übertragung der Schrankentrias reklamieren zwar für sich, Art.  4  Abs.  1,  2  GG nicht unter einen einfachen Gesetzesvorbehalt stellen zu wollen;475 im Ergebnis führt die Konstruktion jedoch genau zu dieser Verbindung zwischen Verfassungsrecht und einfachem Gesetzesrecht.476 Soweit diejenigen, welche die Schrankentrias quasi als mittelbare Schranke jedes vorbehaltlosen Grundrechts anwenden wollen, darauf abstellen, dass auch die vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechte nicht isoliert von der objektiven Wertordnung der Verfassung gesehen werden dürften, ist dem zwar inhaltlich zuzustimmen, jedoch gleichzeitig entgegenzuhalten, dass die Einhaltung der grundgesetz­ lichen Wertordnung gerade durch die Figur der verfassungsimmanenten Schranken gewährleistet wird. Eine analoge Anwendung der Schrankentrias des Art.  2  Abs.  1  GG auf das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG verbietet sich im Übrigen schon deshalb, weil 469

Vgl. 2. Teil B. II. 1. c) dd) (4). Bayer, S. 160 (Fn. 123). 471 Vgl. nur BVerfG, Urt. v. 16. Januar 1957, BVerfGE 6, 32 ff. 472 Kritisch dazu früher Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1, Rn. 18 (Lfg. 38); Nachweise zum früheren Meinungsstand bei Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1, Rn. 39 (Lfg. 39). 473 Fehlau, JuS 1993, 441 (445). 474 Seybold, S. 113. 475 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 4, Rn. 116. 476 Bayer, S. 162. 470

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

keine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Bereits bei den Beratungen im Parlamentarischen Rat war umstritten, ob die Schranke des Art. 2 Abs. 1 GG als allgemeine Schranke für die vorbehaltlosen Spezialfreiheitsrechte herangezogen werden könne.477 Letztlich hat sich der Verfassungsgeber aber im Bewusstsein der Problematik gegen einen Gesetzesvorbehalt entschieden. Schließlich verkennt eine Anwendung der Schrankentrias auf das Grundrecht aus Art.  4 Abs.  1,  2  GG dessen spezifischen Freiheitsgehalt, der durch die Absage an einen ausdrücklichen Vorbehalt besonders hervorgehoben wird, und sich von dem der allgemeinen Handlungsfreiheit als speziellere Freiheitsgewährleistung deutlich unterscheidet. Das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit ist auch kein Muttergrundrecht, sondern ein Auffanggrundrecht.478 Darüber hinaus birgt eine solche Übertragung der Schrankentrias die Gefahr einer Nivellierung der differenzierten Schrankensystematik des Grundgesetzes479 sowie einer Aushöhlung des Spezialitätsverhältnisses von Art. 4 Abs. 1, 2 GG zu Art. 2 Abs. 1 GG und ist deshalb mit der herrschenden Rechtsprechung und Literatur abzulehnen.480 (2) Anwendung der Schranke aus Art. 5 Abs. 2 GG Auch die allgemeinen Gesetze aus Art. 5 Abs. 2 GG können das Grundrecht der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG nicht in zulässiger Weise einschränken. Soweit unmittelbar aus Art.  5  Abs.  2  GG für Art.  4  Abs.  1,  2  GG im Bereich religiös motivierter Äußerungen eine Schranke abgeleitet werden soll, verkennt diese – heutzutage wohl kaum noch vertretene – Ansicht das zugunsten von Art. 4 Abs. 1, 2 GG bestehende Spezialitätsverhältnis der beiden Grundrechte.481 Art. 5 GG betrifft ein Grundrechtsthema eigener, von dem des Art. 4 GG verschiedener Art. Die Ansicht, die den Vorbehalt der allgemeinen Gesetze nicht direkt aus Art. 5 Abs. 2 GG, sondern vielmehr aus der Überlegung ableiten will, dass auch durch die Berufung auf die Grundrechte keine Suspendierung von der Geltung der allgemeinen Rechtsordnung erfolgen dürfe, wird der Bedeutung der vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechte nicht gerecht. Insoweit kann auf die unter B. II. 1. d) ee) gemachten Ausführungen verwiesen werden.

477 v.  Doehming/Füsslein/Matz, JöR (Bd.  1 n. F.), 1951, 73 (75) (dafür: der Abgeordnete Süster­henn, dagegen: v. Mangoldt); zur Entstehungsgeschichte vgl. auch Bock, AöR 122 (1997), 444 (462 f.). 478 Seybold, S. 113. 479 Kokott, in: Sachs, Art. 4, Rn. 123; Listl, in: HdbStKirchR, § 14, S. 466. 480 Bayer, S. 162; Steiner, JuS 1982, 157 (162). 481 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 4, Rn. 18, 90 ff.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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bb) Allgemeiner Rechtsordnungsvorbehalt Aus denselben Gründen, aus denen eine Übertragung der Schrankentrias aus Art. 2 Abs. 1 GG und der Schranke der allgemeinen Gesetze (aus Art. 5 Abs. 2 GG) abzulehnen ist, überzeugt auch die Annahme eines allgemeinen Rechtsordnungsvorbehalts nicht. Zwar ist den Vertretern dieser Ansicht insoweit zuzustimmen, als die Berufung auf ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht nicht automatisch von der Beachtung der allgemeinen Rechtsordnung befreit. Ist jedoch der Schutzbereich eines solchen vom Verfassungsgeber bewusst nicht unter einen Gesetzesvorbehalt gestellten und damit als besonders wichtig angesehenen482 Freiheitsrechts eröffnet, darf nicht ohne Weiteres jedes allgemeine Gesetz zur Beschränkung der grundrechtlichen Gewährleistung dienen. Die Vertreter eines allgemeinen Rechtsordnungsvorbehalts negieren das für das deutsche Grundrechtssystem typische differenzierte Schrankensystem des Grundrechtskatalogs und damit letztlich die den Grundrechten vom Verfassungsgeber beigemessene Bedeutung.483 cc) Schranken aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (1) Schrankenübertragung durch Schutzbereichsverengung Soweit für den Kultstättenbau ausschließlich die Schranke aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG herangezogen wird, weil Art. 4 Abs. 1, 2 GG wegen des nicht unmittelbar kultischen Charakters des religiös motivierten Bauens als nicht einschlägig angesehen wird, stellt dies keine verfassungsrechtlich zulässige Beschränkung der sakralen Bautätigkeit dar. Der Bau einer islamischen Kultstätte ist, wie bereits unter B. II. 1. d) ausführlich dargestellt, vom Schutzbereich der Religionsfreiheit erfasst und unterfällt nicht lediglich der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Die indirekte Schrankenübertragung durch Verengung des Schutzbereiches von Art.  4 Abs.  1,  2  GG auf rein kultische Handlungen ist aus den dargelegten Gründen abzulehnen. (2) Auflösung der Grundrechtskonkurrenz Schwieriger zu beantworten ist hingegen die Frage, ob die Schranke des Art.  14 Abs.  1  Satz  1  GG unter Umständen über die Auflösung der zwischen 482

Zur Rechtsprechung des BVerfG Steiner, JuS  1982, 157 (158); a. A. Bamberger, Der Staat 39 (2000), 355 (375), der davon ausgeht, dass den vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten nicht alleine wegen ihrer schrankenlosen Gewährleistung per se ein besonderes Gewicht zukomme; gleicher Ansicht ist auch Muckel, Letztentscheidung, S. 238. 483 Kritisch insbesondere zur Gemeinschaftsklausel in der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Seybold, S. 115 f.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Art.  4 Abs.  1,  2  GG und Art.  14 Abs.  1  Satz  1  GG bestehenden Grundrechts­ konkurrenz zur Anwendung kommt. Von einer bereichsspezifischen Spezialität des Art.  14 Abs.  1  Satz  1  GG gegenüber Art. 4 Abs. 1, 2 GG kann im Bereich des Kultstättenbaus entgegen einer zum Parallelproblem der Baukunst verbreiteten Ansicht nicht ausgegangen werden. Nach dem spezifischen Sinngehalt der Normen zu urteilen, hat weder das eine noch das andere Grundrecht eine stärkere sachliche Beziehung zu dem zu beurteilenden Sachverhalt des Baus eines Sakralgebäudes. Obwohl Religionsfreiheit und Baufreiheit in diesem Zusammenhang vom Substrat der Freiheitsbetätigung aus betrachtet besonders eng verschmolzen sind, steht ein sich wechselseitig ergänzender Freiheitsgebrauch in Rede.484 Die Ansicht, die den Schutzbereich der Eigentumsgarantie als sachnäher betrachtet, wird der spezifischen Bedeutung des Grundrechts der Religionsfreiheit nicht gerecht. Der Bau einer Kultstätte ist, wie dargestellt, als „bauliches Substrat“485 wichtiger Bestandteil der Religionsausübung. Letztlich führen sowohl die sog. Vorrangslösung als auch die modifizierte Vorrangslösung, die den Schutzbereich der vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechte486 auf das Maß des Verunstaltungsschutzes „zurückstutzen“487 will, zu einer verdeckten Einschränkung des Schutzbereichs dieser Freiheitsrechte. Der besondere verfassungsrechtliche Schutz, den diese Grundrechte genießen, muss aber auch dann beachtet werden, wenn er sich in dem Bau oder der konkreten äußeren Gestaltung eines Gebäudes manifestiert.488 Insoweit ist auch die (mittlerweile überholte)489 Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abzulehnen, die im Bereich der Baukunst Art. 14 GG als lex specialis zu Art. 5 Abs. 3 GG angesehen hatte. Im Fall von Baukunst und Sakralarchitektur geht es um Freiheitsbetätigungen, die sich von dem nicht-religiösen bzw. nicht-künstlerischen Bauen deutlich unterscheiden und durch die Eröffnung des Schutzbereiches der Grundrechte aus Art.  4 Abs.  1,  2  GG bzw. Art.  5 Abs.  3  GG zusätzlichen Schutz genießen. Umgekehrt ist auch die Religionsfreiheit insoweit nicht das sachnähere Grundrecht, als der Bau einer Kultstätte zwingend das Gebrauchmachen der als Teil der Eigentumsfreiheit gewährleisteten Baufreiheit voraussetzt. Die Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG bzw. Art. 5 Abs. 3 GG treten neben Art. 14 GG in ein Komplementärverhältnis490 der Idealkonkurrenz.491

484

Dolderer, BauR 1999, 691 (694). Ebenda. 486 So zumindest für die Kunstfreiheit; wie die Vertreter dieser Ansicht das Zusammentreffen von Art. 4 Abs. 1, 2 GG und Art. 14 GG beurteilen würden, läßt sich nur durch Übertragung der zur Kunstfreiheit entwickelten Regeln beurteilen. 487 Manssen, Verw 24 (1991), 33 (45). 488 Ebenda, S. 44. 489 Weber, in: FG BVerwG, S. 1015. 490 Dolderer, BauR 1999, 691 (693, Fn. 13). 491 So wohl auch Manssen, Verw 24 (1991), 33 (44). 485

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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Dieses Verhältnis der Idealkonkurrenz ist nach den allgemeinen Regeln der Grundrechtskonkurrenz aufzulösen.492 Nach der überzeugenden herrschenden Meinung sind im hier vorliegenden Fall der Schrankendivergenz nur die Schranken des stärkeren Grundrechts, also die von Art. 4 Abs. 1, 2 GG anzuwenden. Die Ansicht, welche die Schranken addieren und damit die engere Schranke auf den zu prüfenden Sachverhalt anwenden will, verkennt die Bedeutung vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte und führt zu paradoxen Ergebnissen: Ein Verhalten, welches in den Schutzbereich zweier Grundrechte fällt und demnach besonderen („doppelten“) Schutz erfahren müsste, ist nach dieser Ansicht leichter einschränkbar als ein Verhalten, welches „nur“ in den Schutzbereich des vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts fällt. Diese Auffassung läuft der Intention des Grundrechtskataloges zuwider, der einen möglichst umfassenden Freiheitsschutz gewährleisten soll.493 Wenig überzeugend ist auch die sog. Verstärkungslehre. Zum einen bewegt sie sich abseits der üblichen Grundrechtsdogmatik und ist insoweit unscharf, als verschiedene Grundrechte „durcheinandergeworfen“ werden, ohne dass erkennbar wäre, welchem davon die Kriterien für die Lösung des Falles entnommen werden sollen.494 Es ist nicht klar, nach welchen Grundsätzen das meist betroffene, verstärkte Grundrecht ausgewählt wird. Insbesondere bei dem Zusammentreffen schrankendivergierender Grundrechte kann die Entscheidung, welches Grundrecht verstärkt wird und welches verstärkend wirkt, das Ergebnis verändern. Darüber hinaus steht eine Vermischung oder Kombination495 zweier Grundrechte im Widerspruch zu dem grundlegenden Konstruktionsprinzip der deutschen Grundrechtsordnung, der Schrankenspezifität der Grundrechte. Danach hat jedes Grundrecht seine eigene, spezifische Schranke, die ihm der Verfassungsgeber nach einer typisierenden abstrakten Vorabwägung mit anderen Grundrechten und Werten von Verfassungsrang in einer verfassungspolitischen Grundentscheidung gegeben hat. Schließlich darf ein Grundrecht nur dann bei der Abwägung berücksichtigt werden, wenn es im konkreten Fall tatsächlich einschlägig ist. Wenn aber etwa Art. 4 GG als „verstärkendes“ Grundrecht einschlägig ist, muss um dem Grundrecht zur optimalen Entfaltung zu verhelfen auch die Schranke dieses vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts gelten. dd) Aufspaltung in die Einzelgewährleistungen Abzulehnen ist auch die Ansicht, die Art. 4 Abs. 1, 2 GG entgegen dem Bundesverfassungsgericht nicht als einheitliches Grundrecht ansieht, sondern vielmehr in seine einzelnen Gewährleistungen aufspalten und diese unterschiedlichen Schran 492

So bzgl. der Kunstfreiheit auch Heß, S. 245 f. Seybold, S. 125 m. w. N. 494 Höfling, in: FS Rüfner, S. 330; Volkmann, DVBl 2002, 332 ff. 495 Kritisch in Bezug auf eine „Kombinationslösung“ auch Manssen, JuS-Lernbogen 8/92, L 60 ff. 493

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

ken unterstellen will. Zu Recht ist das Bundesverfassungsgericht wegen der Überschneidung der einzelnen Gewährleistungen von der Einheitlichkeit des Grundrechts der Religionsfreiheit ausgegangen. So sind insbesondere die Komponenten der Bekenntnis- und der Religionsausübungsfreiheit schwer zu trennen. Eine Differenzierung, die dann etwa im Bereich der Religionsausübungsfreiheit die Anwendung eines Gesetzesvorbehalts zur Folge hätte,496 verkennt die Reichweite der grundrechtlichen Gewährleistung und führt unausweichlich zu Abgrenzungsschwierigkeiten. So ist z. B. unklar, wie etwa ein christlicher Gottesdienst einzuordnen wäre: Die Besucher verleihen ihrer Glaubensfreiheit dadurch Ausdruck, dass sie bekennen, zu einer christlichen Kirche zu gehören. Gleichzeitig üben sie durch das gemeinsame Gebet und den Gesang neben dem damit verbundenen (Glaubens-)Bekenntnis ihre Religion praktisch aus.497 Die Ansicht, die unter Bekenntnis nur solche Äußerungen und Handlungen verstehen will, die intentional darauf gerichtet sind, die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Glauben anderen gegenüber äußerlich zum Ausdruck zu bringen,498 greift zu kurz: Sie beschränkt den Anwendungsbereich der grundrechtlichen Gewährleistung der Bekenntnisfreiheit in unzulässiger Weise. Forum internum und forum externum sind im Bereich der Religionsfreiheit so eng miteinander verknüpft, dass nur ein einheitliches Verständnis von Art. 4 Abs. 1, 2 GG, welches zu einer einheitlichen Schrankenanwendung kommt, den nicht aufzulösenden Abgrenzungsschwierigkeiten Rechnung trägt. Darüber hinaus wahrt es auch das besondere Gewicht des Grundrechts der Religionsfreiheit im Gesamtgefüge der Verfassung und berücksichtigt die Bedeutung des Selbstverständnisses des Grundrechtsträgers, der nur in den seltensten Fällen zwischen Glaube, Bekenntnis und Religionsausübung differenzieren dürfte, da sich für einen Gläubigen im Idealfall die gesamte Lebensführung als Bekenntnis darstellt. ee) Schranken aus der Weimarer Reichsverfassung (1) Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1 WRV Die vielfach vertretene Ansicht, die in Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleistete Religionsfreiheit unterliege über Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1 WRV einem Vor­ behalt der allgemeinen Gesetze, überzeugt aus verschiedenen Gründen nicht. Zunächst ergibt sich nicht bereits, wie einige Vertreter dieser Auffassung meinen, aus der Entstehungsgeschichte von Art.  4 Abs.  1,  2  GG, dass das Grundrecht auf Religionsfreiheit unter einem Vorbehalt stehen sollte. Vielmehr hat sich 496

So wohl Kästner, JZ 1998, 974 (979). Bayer, S.  54, will demgegenüber den Gottesdienst offenbar als Teil  der Religionsausübungsfreiheit ansehen, im Rahmen derer die individuelle Bekenntnisfreiheit institutionalisiert werde. 498 So Anger, S. 8. 497

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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der Verfassungsgeber in Kenntnis der Problematik der vorbehaltlosen Gewährleistung für diese entschieden und ausdrücklich auf den in Art. 135 Abs. 3 WRV enthaltenen Gesetzesvorbehalt verzichtet.499 Damit sollte, gerade vor dem Hintergrund der religionsfeindlichen Einstellung des Nationalsozialismus, eine ausdrückliche Stärkung des Grundrechts auf Religionsfreiheit – auch im Gegensatz zur Paulskirchenverfassung von 1848/49, zur preußischen Verfassung von 1850 und zur Weimarer Reichsverfassung – erreicht werden. Richtig ist zwar, dass im Parlamentarischen Rat Einigkeit darüber bestand, dass auch das Grundrecht der Religionsfreiheit nicht schrankenlos gewährleistet sein könne; falsch ist aber die Annahme, es habe auch Einigkeit dahingehend bestanden, dass die Religionsfreiheit ihre Schranke in den allgemeinen Gesetzen oder der allgemeinen Rechtsordnung finden solle.500 Vielmehr gingen die Meinungsführer, die sich bei der Streichung des für Art.  4  GG vorgesehenen Gesetzesvorbehalts durchsetzten, davon aus, dass die Schranke der verfassungsgemäßen Ordnung aus Art. 2 Abs. 1  GG auf die Religionsausübung anwendbar sei.501 Dabei ist zu berücksichtigen, dass darunter im Zeitpunkt der Verfassungsberatungen gerade nicht die verfassungsgemäße Ordnung im Sinne der Elfes-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstanden wurde, sondern vielmehr nur elementare Verfassungsgrundsätze bzw. Grundentscheidungen des Verfassungsgebers. Ausdrücklich wurde gefordert, dass das Grundrecht auf Religionsfreiheit nicht durch einen Vorbehalt der allgemeinen Gesetze aufgeweicht werden dürfe; einem Missbrauch des Grundrechts könne durch die Schranke der (eng verstandenen) verfassungsmäßigen Ordnung begegnet werden.502 Dieser Auffassung, die im Grundsatzausschuss des Parlamentarischen Rats eine Mehrheit fand, entspricht es letztlich, die Grenzen der Religionsfreiheit ausschließlich in der Verfassung selbst zu suchen. Ein Vorbehalt der allgemeinen Gesetze, wie er neuerdings vermehrt vertreten wird, kommt nicht etwa dem Willen des Verfassungsgebers nach, sondern widerspricht diesem ausdrücklich. Den Vertretern der Auffassung, Art.  136  Abs.  1  WRV sei als Schranke des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG anzusehen, ist zwar zuzugeben, dass die Väter der Verfassung mit einiger Wahrscheinlichkeit von einem engeren Schutzbereichsverständnis ausgegangen sein dürften, als dies in der heutigen herrschenden Lehre und Rechtsprechung der Fall ist.503 Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass bei einer extensiveren Schutzbereichsauslegung zwangsläufig eine Schranke in Form eines Gesetzesvorbehalts auf das eigentlich vorbehaltlos gewährleistete Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG Anwendung finden müsse. Insoweit darf nicht von einer gleichbleibenden „Netto-Freiheit“ ausgegangen werden, zur Erreichung 499

Bayer, S. 66. So Bock, AöR 122 (1997), 444 (464). 501 v. Doehming/Füsslein/Matz, JöR NF 1 (1951), 73 (74 f.). 502 So der Abgeordnete Süsterhenn, vgl. v. Doehming/Füsslein/Matz, JöR NF 1 (1951), 73 (75). 503 So Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 4, Rn. 28. 500

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

derer je nach Schutzbereichsweite die Schranken entsprechend gestrafft werden müssten:504 Die bewusst weite, der Bedeutung des Grundrechts der Religionsfreiheit Rechnung tragende Auslegung des Schutzbereichs von Art. 4 Abs. 1, 2 GG würde unterlaufen, wenn der weitreichenden Freiheitsgewährleistung auf Tatbestandsebene stets eine weitreichende Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen gegenüberstünde. Überhaupt spricht die Tatsache, dass in den letzten beiden Jahrzehnten505 vermehrt in der Literatur und in der Konsequenz auch teilweise in der Rechtsprechung aus Art. 136 Abs. 1 WRV ein Gesetzesvorbehalt für die Religionsfreiheit abgeleitet wurde, eine eigene Sprache: Angesichts des als Bedrohung empfundenen Auftretens der sog. Jugendreligionen in den 1980er-Jahren und noch verstärkt seit der Zunahme der Konflikte im Zusammenhang mit muslimischer Religionsausübung wird sehr intensiv nach einer Möglichkeit gesucht, unliebsamen religiösen Praktiken Einhalt zu gebieten. In der Einführung eines Gesetzesvorbehalts scheint das begehrte Heilmittel gefunden zu sein. Dass der dogmatisch zum Teil sehr fundiert begründeten Ansicht506 eine starke rechtspolitische Motivation zugrunde liegt,507 ist unschwer zu übersehen und wird teilweise durchaus auch zugegeben.508 Die Religionsfreiheit ist als Ausprägung der in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Menschenwürde aber kein Schönwettergrundrecht, welches je nach Stand des demographischen und politischen Barometers in geradezu absolutistischer Weise mal gewährt, mal verkürzt wird. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass es dem verfassungsändernden Gesetzgeber möglich ist, sich auf die Auslegung einer Norm in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie auf dessen extensive Schutzbereichsbestimmung einzustellen.509 Sollte es seinem Willen entsprechen, auf eine solch weitreichende Freiheitsgewährleistung mit der Einführung eines Gesetzesvorbehalts zu reagieren, so stünde ihm dies jederzeit frei. Inwieweit sich das Bundesverfassungsgericht dem in der Literatur immer stärker werdenden Trend zur engeren Fassung des „Netto-Inhalts“ der Religionsfreiheit anschließen wird, bleibt abzuwarten.510 Ein expliziter Gesetzesvorbehalt de constitutione ferenda wäre zur Einschränkung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG auch erforderlich, da er sich nicht bereits aus Art.  136 Abs.  1  WRV ergibt. Die über Art.  140  GG in das Grundgesetz inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung sind zwar dadurch zu vollgültigem Verfassungsrecht geworden. Gleichwohl ist Art. 136 Abs. 1 WRV 504

So aber offenbar Faller, KJ 2002, 227 (233). Bock hingegen geht davon aus, dass der Schrankenvorbehalt von Art. 136 Abs. 1 WRV seit den Beratungen über das Grundgesetz im Raume steht, AöR 122 (1997), 444 (462). 506 Vor allem Muckel, Letztentscheidung, passim. 507 Zur rechtspolitischen Motiviation der Begrenzung von Art. 4 GG vgl. auch Zypries in ihrer „5. Berliner Rede zur Religionspolitik“ am 12. Dezember 2006. 508 Vgl. z. B. Bock, AöR 122 (1997), 444 (475); Kästner, JZ 1998, 974 (982). 509 Schneider, S. 103. 510 Wenckstern, in: Umbach/Clemens, Art. 4, Rn. 23a. 505

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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nicht zwingend ein Vorbehalt der allgemeinen Gesetze im Rahmen von Art.  4 Abs.  1,  2  GG zu entnehmen. Zum einen unterscheidet sich schon der Wortlaut der Vorschrift von dem der sonstigen Gesetzesvorbehalte des Grundrechtskatalogs. Ihm ist in erster Linie zu entnehmen, dass die Religion hinsichtlich der staats­bürgerlichen Rechte und Pflichten zum unzulässigen Differenzierungskriterium erklärt wird.511 Zum anderen hat die Norm keinen Grundrechtscharakter.512 Dies wird durch die Position der Vorschriften der Weimarer Reichsverfassung außerhalb des Grundrechtskatalogs der Artt. 1 bis 19 GG verdeutlicht. Das dort verkörperte sog. Staatskirchen- oder Religionsverfassungsrecht regelt eine von der grundrechtlichen Gewährleistung des Art. 4 Abs. 1, 2 GG deutlich zu unterscheidende Materie, nämlich primär das Verhältnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften zu den staatlichen Einrichtungen.513 Die Stellung der Artikel der Weimarer Reichsverfassung im Grundgesetz hat auch noch eine weitere Konnotation: So wurde das Grundrecht der Religionsfreiheit bewusst aus dem Zusammenhang der staatskirchenrechtlichen Bestimmungen gelöst und dem Grundrechtskatalog zu­geführt. Durch diese Umsetzung wurde das größere Gewicht, das dem Grundrecht in der neuen Verfassung zukommen sollte, zum Ausdruck gebracht.514 Dieser Bedeutungszuwachs würde zunichtegemacht, unterstellte man die Religionsfreiheit wiederum dem Vorbehalt der einfachen Gesetze. Im Ergebnis zutreffend ist das Bundesverfassungsgericht deshalb davon ausgegangen, Art.  136 Abs. 1 WRV werde nach Bedeutung und innerem Gewicht durch Art. 4 GG überlagert.515 Soweit darauf hingewiesen wird, dass die inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung mit Art. 4 GG eine Interpretationseinheit bildeten,516 muss diese Wirkung auch in die Richtung gehen, dass die Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung im Lichte der weitgehenden Tragweite des Grundrechts der Religionsfreiheit unter der Geltung des Grundgesetzes ausgelegt werden müssen.517 Zu dieser Auffassung hat sich das Gericht auch nicht dadurch in Widerspruch gesetzt, dass es in Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV eine zulässige Schranke für die Religionsfreiheit erblickt hat. Der Unterschied zwischen beiden Bestimmungen liegt zunächst schon darin, dass Art. 136 Abs. 1 WRV eine umfassende, sämtliche allgemeinen Gesetze erfassende Schranke beinhalten soll, wohingegen Art.  136 Abs. 3 Satz 2 WRV eine ausdrückliche Beschränkung der negativen Bekenntnisfreiheit für einen sehr kleinen, spezifischen Teilbereich anordnet. Darüber hinaus muss auch Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV im Lichte von Art. 4 GG ausgelegt 511

Kokott, in: Sachs, Art. 4, Rn. 121. Morlok, in: Dreier, Art. 140, Rn. 31. 513 Vgl. Wenckstern, in: Umbach/Clemens, Art. 4, Rn. 17. 514 Steiner, JuS 1982, 157 (159). 515 BVerfG, Beschl. v. 11. April 1972, BVerfGE 33, 23 (30 f.); kritisch zum Begriff der Überlagerung Winkler, S. 249 ff. 516 Mager, in: v. Münch/Kunig, Art. 4, Rn. 4. 517 So auch BVerfG, Beschl. v. 11. April 1972, BVerfGE 33, 23 (30 f.). 512

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

werden. Eine Einschränkung der in Art. 136 Abs. 2 Satz 1 WRV bestärkten, bereits durch Art.  4 Abs.  1,  2  GG geschützten negativen Bekenntnisfreiheit durch behördliche Nachfragen ist wiederum nur auf der Grundlage von Gesetzen zulässig, die ihrerseits Verfassungsgüter verkörpern. Die besondere Bedeutung von Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV liegt demnach nicht darin, dass die Vorschrift eine spezifische Schranke für die (negative) Religionsfreiheit beinhaltet, sondern vielmehr in der Anerkennung gewisser statistischer Zwecke als Verfassungswert in diesem Zusammenhang.518 Darüber hinaus ist Art. 136 Abs. 1 WRV schon seinem Wortlaut nach nur auf die Religionsausübungsfreiheit beschränkt. Angesichts der Einheitlichkeit des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG und dem engen Zusammenhang der einzelnen Gewährleistungen käme es zu einer schwierigen Abgrenzungsproblematik zwischen der Bekenntnisfreiheit und der Religionsausübungsfreiheit. Weiterhin ist auch die Gewissensfreiheit nicht von Art.  136  Abs.  1  WRV erfasst. Es leuchtet jedoch – abgesehen von den auch in diesem Zusammenhang bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten – nicht ein, warum die Gewissensfreiheit stärker geschützt werden sollte als die Religionsfreiheit.519 Darüber hinaus stellt die Untervorbehaltstellung eines ausdrücklich vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts auch einen Bruch des grundrechtlichen Systems dar.520 Insoweit darf nicht vergessen werden, dass die Figur des vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts sich nicht auf Art.  4  GG beschränkt. Auch für Art. 5 Abs. 3 GG hat der Verfassungsgeber auf einen Gesetzesvorbehalt verzichtet, obwohl es beispielsweise im Bereich der Kunstfreiheit durchaus nicht selten zu Konflikten des grundrechtlichen Schutzbereiches mit der allgemeinen Rechtsordnung kommt.521 Die Vorbehaltlosstellung eines Grundrechts schließt die Notwendigkeit und Legitimität eines Eingriffs nicht schlechthin aus; ihr ist jedoch zu entnehmen, dass gerechtfertigte Eingriffe in ein solches Grundrecht die Ausnahme bleiben sollen.522 In diesem Zusammenhang ist auch die Behauptung zu betrachten, der Schrankenanwendung im Rahmen von Art. 4 Abs. 1, 2 GG käme ein höheres demokratisches Gewicht zu, wenn sie sich als Eingriffsermächtigung auf ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 136 Abs. 1 WRV stützen könne. Vertreter dieser Auffassung verkennen zunächst, dass in diesem Zusammenhang nicht die – durchaus manchmal kritikwürdige523  – Rechtspraxis der Handhabung der verfassungsimmanenten Schranken in Rede steht, sondern vielmehr die dogmatische Relevanz dieser Konstruktion. Es wird sich wohl kaum vertreten lassen, dass der Schranke 518

So auch Morlok, in: Dreier, Art. 136 WRV, Rn. 20. So auch ders., Art. 4, Rn. 115. 520 Fehlau, JuS 1993, 441 (446); ebenso Germann, in: Epping/Hillgruber, Art. 4, Rn. 47.3. 521 Einige Beispiele finden sich bei Bamberger, Der Staat 39 (2000), 355 f. 522 Florax, JuS 1997, 1149 (1150). 523 Insoweit ist Kästner, JZ 1998, 974 (982), zuzustimmen.

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B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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eines einfachen Gesetzes eine größere demokratische Rechtfertigung innewohnt als einem kollidierenden, in der Verfassung selbst verankerten Rechtsgut. Darüber hinaus findet auch im Rahmen einer Beschränkung der Religionsfreiheit durch kollidierendes Verfassungsrecht keine Güterabwägung im luftleeren Raum statt: Ein Eingriff in ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht kann nur gerechtfertigt sein, wenn das kollidierende Verfassungsgut in einem (demokratisch legitimierten) einfachen Gesetz verkörpert wird. Aus dem Wesentlichkeitsvorbehalt folgt, dass eine Eingriffsermächtigung allein auf der Grundlage vermeintlicher verfassungsimmanenter Schranken unzulässig ist.524 Soweit die Vertreter der Ansicht, aus Art. 136 Abs. 1 WRV lasse sich ein Vorbehalt der allgemeinen Gesetze für Art. 4 Abs. 1, 2 GG ableiten, die im Zusammenhang mit der Geltung verfassungsimmanenter Schranken stattfindende Güter­ abwägung insgesamt wegen deren angeblicher Subjektivität kritisieren, so ist dem entgegenzuhalten, dass ein Ausgleich widerstreitender Interessen nur durch eine Abwägung zu einem gerechten und schonenden Ausgleich gebracht werden kann. Im Bereich grundrechtlicher Kollisionen darf es, will man den einzelnen Freiheitsrechten und ihrer Bedeutung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerecht werden, keine einfachen Lösungen in Schwarz-Weiß geben. Es ist der Situation der Grundrechtskollision immanent, dass abwägende, ausgleichende Lösungen im Einzelfall gefunden werden müssen. Eine abstrakt-generelle Auflösung solcher Konflikte, wie sie manchen erstrebenswert erscheint, könnte gegenüber einer Güterabwägung im Einzelfall hinsichtlich des gewährten Grundrechtsschutzes nur zurückstehen. Dies widerspricht aber schon dem Charakter der Grundrechte als Freiheitsrechte, die in einem gerechten Ausgleich zueinander jeweils möglichst umfassend zur Entfaltung kommen sollen. Dies scheint auch den Vertretern der dargestellten Ansicht bewusst zu sein, welche die erforderliche Güterabwägung durch die Annahme der Schranke der allgemeinen Gesetze letztlich nur auf einen andere Ebene verschieben: Im Sinne der Wechselwirkungslehre müssen die allgemeinen Gesetze im Lichte der Religionsfreiheit ausgelegt werden, um der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG Rechnung zu tragen. Größere Rechtsklarheit, einen einfacheren Umgang mit dem Grundrecht der Religionsfreiheit oder die so häufig herbeigesehnte abstrakt-generelle Lösung von Konflikten im Bereich der Religionsausübung ist von der Annahme eines Gesetzesvorbehalts insoweit nicht zu erwarten.525 (2) Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV Soweit Bauherr der in Rede stehenden Kultstätte eine islamische Religionsgemeinschaft ist, kommt auch eine Beschränkung nach Art.  140  GG i. V. m. 524

Mager, in: v. Münch/Kunig, Art. 4, Rn. 52; Morlok, in: Dreier, Art. 4, Rn. 116. Müller-Volbehr, DÖV 1995, 301 (309); so auch Muckel, der für ein anderes Verständnis der allgemeinen Gesetze plädiert; ders., Letztentscheidung, S. 236 ff. 525

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Art.  137 Abs.  3  Satz  2  WRV nicht in Betracht. Die Bestimmung des Art.  137 Abs.  3 Satz  1 WRV enthält keine allgemeine Schranke für die kollektive Reli­ gionsausübung.526 Soweit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV gelegentlich allgemein als Schranke jeder Religionsausübung durch eine Personenmehrheit angesehen wird, ist dies schon systematisch verfehlt.527 Zwar gibt es hinsichtlich des Anwendungsbereichs von Art. 4 Abs. 1, 2 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV Überschneidungen; die Autonomiegewährleistung des Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV ist jedoch nicht deckungsgleich mit dem in Art. 4 Abs. 1, 2 GG verbürgten Freiheitsrecht in dessen kollektiver Ausprägung.528 Vielmehr beinhaltet Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV eine rechtlich selbständige Gewährleistung,529 die den Kirchen und Religionsgemeinschaften über die in Art. 4 Abs. 1, 2 GG verbürgten Rechte hinaus eine zusätzliche Gewährleistungskomponente verleiht. Demnach hat Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV einen von Art. 4 Abs. 1, 2 GG verschiedenen Anwendungsbereich und beinhaltet gar nicht erst den Kultstättenbau als Religionsausübung. Da es sich aber dadurch nicht um eine Angelegenheit einer Religionsgesellschaft im Sinne von Art.  137 Abs.  3  Satz  1 WRV handelt, kann auch die dort normierte Schranke des für alle geltenden Gesetzes in diesem Zusammenhang nicht greifen. Die kollektive Religionsausübung ist, wie dargestellt, bereits durch Art.  4 Abs. 1, 2 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG geschützt. Die sog. Selbstbestimmungs­garantie oder Autonomiegewährung des Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV gewährleistet demgegenüber die Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung der Religionsgemeinschaften.530 Als Komplement zu Art. 137 Abs. 1 WRV schützt die Selbstbestimmungsgarantie im organisatorischen Bereich, z. B. im Personalwesen, die Freiheit der Religionsgesellschaften vor staatlicher Bevormundung, Aufsicht und Einflussnahme.531 Die systematische und inhaltliche Trennung der Vorschriften aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG und Art.  137  Abs.  3  Satz  1  WRV erklärt sich aus dem unterschiedlichen Ursprung beider Normen und der abweichenden Zielrichtung: Während Art.  4 Abs.  1,  2  GG, ebenso wie die Vorgängervorschrift des Art.  135 WRV, ein Individualgrundrecht verkörpert und den Sinn hat, den Bürger vor staatlicher Einflussnahme auf seine Religionsausübung zu schützen, spiegelt die Autonomie­

526

Brümmer, S. 127. So auch Kästner, JZ 1998, 974 (981, Fn. 75). 528 Mager, in: v. Münch/Kunig, Art. 4, Rn. 59. 529 BVerfG, Beschl. v. 25. März 1980, BVerfGE 53, 366 (401); Spriewald, S. 205. 530 BVerfG, Beschl.  v.  14.  Mai  1986, BVerfGE  72, 278 (289); dass., Beschl.  v.  21.  September  1976, BVerfGE 42, 312 (332); dass., Beschl.  v.  25.  März  1980, BVerfGE 53, 366 (401). 531 Morlok, in: Dreier, Art. 137 WRV, Rn. 17. 527

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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gewährung des Art. 137 Abs. 3 WRV die erfolgreiche Emanzipation der Kirchen von staatlicher Bevormundung wider.532 Soweit vertreten wird, die Bewahrung der Schranke des allgemeinen Gesetzes für den kollektiven Bereich der Religionsausübung sei angemessen, weil sie im Gegensatz zu der individuellen Glaubensbetätigung, die eine besondere Persönlichkeitsnähe aufweise, keinen Persönlichkeitsbezug besitze und somit stärker eingeschränkt werden könne,533 so ist dem entgegenzuhalten, dass der Schutz einer Personenmehrheit nicht hinter dem Individualschutz zurückbleiben darf. Zwar ist über Art. 19 Abs. 3 GG auch die Religionsausübung einer Personenmehrheit geschützt; letztlich stellt diese jedoch nichts anderes dar als die gebündelte Ausübung der Individualfreiheit. Da eine juristische Person denknotwendig nicht in der Lage ist, zu glauben oder Religion auszuüben, ist immer auf das personale Substrat, also die hinter der juristischen Person stehenden Individuen abzustellen. Dass deren Religionsausübung weniger schutzwürdig sein sollte als die eines Einzelnen, verkennt die im Rahmen von Art. 4 Abs. 1, 2 GG als besonders wichtig ange­sehene Komponente der Religionsfreiheit.534 Gerade die Gemeindebildung und die gemeinsame Religionsausübung haben für die meisten Religionen ein besonderes Gewicht.535 Würde man diesen Bereich schlicht einem Gesetzesvorbehalt unterstellen, widerspräche das der besonderen Bedeutung, die der Verfassungsgeber diesem vorbehaltlos gewährleisteten Grundrecht zugeschrieben hat. Im Fall des Kultstättenbaus geht es, wie dargestellt, um eine klassische Form der Religionsausübung. Dass diese meist durch Personenmehrheiten ausgeübt wird, dürfte in erster Linie logistischen und finanziellen Erwägungen geschuldet sein. Der Charakter des Kultstättenbaus als individuelle Freiheitsbetätigung wird dadurch jedoch nicht in Frage gestellt. Art.  137 Abs.  3  Satz  1 WRV kann in diesem Bereich schon deshalb nicht als Schranke dienen, weil der Anwendungsbereich der Norm gar nicht eröffnet ist. Der Bau sakraler Gebäude ist alleine anhand von Art. 4 Abs. 1, 2 GG zu beurteilen; für dieses Grundrecht stellt Art. 137 Abs. 3 WRV keine zulässige Schranke dar.536 ff) Zwischenergebnis Die Versuche, auf das vorbehaltlos gewährleistete Grundrecht der Religions­ freiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG eine Schrankenregelung in Form eines Gesetzesvorbehalts zu übertragen, können allesamt nicht überzeugen. Sie scheinen, wie 532 Vgl. Brümmer, S. 125, mit entsprechender Einordnung des allgemeinen und besonderen Kirchenbaurechts. 533 Morlok, in: Dreier, Art. 4, Rn. 98. 534 Steiner, JuS 1982, 157 (159). 535 Vgl. 1.  Teil A.  II., wonach das gemeinsame Gebet im Islam wertvoller ist als das des Einzelnen. 536 So auch Brümmer, S. 127 f.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

bereits dargestellt, von dem Wunsch getragen zu sein, angesichts der extensiven Schutzbereichsauslegung durch das Bundesverfassungsgericht eine vermeintliche Ausuferung der grundrechtlichen Gewährleistung zu verhindern. Letztlich entspricht allein die Figur der verfassungsimmanenten Schranken dem Grundgesetz. Sie wird der großen Bedeutung des Grundrechts auf Religionsfreiheit gerecht, vermag aber im Einzelfall einen Ausgleich zwischen dem grundrechtlich geschützten Verhalten und kollidierenden Grundrechten Dritter oder anderen mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtsgütern zu schaffen, im Rahmen dessen die kollidierenden Positionen in ein möglichst schonendes Verhältnis zueinander gebracht werden. Den Kritikern der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zuzugeben, dass die Figur der verfassungsimmanenten Schranken eine diffizil zu hand­ habende Eingriffsgrundlage darstellt, die jede schematische Anwendung verbietet.537 Dabei ist jedoch auffällig, dass die Kritik sich in der Regel nicht gegen die Dogmatik als solche, sondern vor allem gegen die Anwendung und Auffindung verfassungsimmanenter Schranken in der Praxis richtet.538 Insoweit muss in Verwaltung und Rechtsprechung besonderes Augenmerk auf die Frage gerichtet werden, welche das Grundrecht aus Art.  4 Abs.  1,  2  GG einschränkenden Gesetze überhaupt eine verfassungsrechtlich zulässige Schranke für die Religionsfreiheit bilden können. 5. Verfassungsgemäße Anwendung der Schranken (sog. Schrankenschranken539) a) Parlamentsvorbehalt Zwar unterliegt Art.  4 Abs.  1,  2  GG wie gezeigt keinem Gesetzesvorbehalt. Wie bereits erwähnt, darf die Eingriffsrechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht jedoch nur durch Gesetz erfolgen.540 Die aus Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot abzuleitende Wesentlichkeitslehre verpflichtet den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen.541 Dies gilt vor allem dann, wenn die betroffenen 537

Fehlau, JuS 1993, 441 (442). Zutreffend Seybold, S. 118. 539 Zu diesem Begriff vgl. Clemens, in: Umbach/Clemens, vor Art. 2 ff., Rn. 71, der ihn zu Recht als „sprachlich missglückt, aber sehr plastisch“ bezeichnet. 540 Koenig/Zeiss, Jura 1997, 225 (226); Mager, in: v. Münch/Kunig, Art. 4, Rn. 52; Sachs, in: Sachs, vor Art. 1, Rn. 125; Sarcevic, DVBl 2000, 519 (523); Schneider, S. 104 f. 541 BVerfG, Beschl.  v.  9.  Mai  1972, BVerfGE 33, 125 (158); dass., Beschl.  v.  10.  Oktober 1972, BVerfGE 34, 52 (60); dass., Urt. v. 6. Dezember 1972, BVerfGE 34, 165 (192 f.); dass., Beschl. v. 22. Juni 1977, BVerfGE 45, 400 (417); dass., Beschl. v. 21. Dezember 1977, BVerfGE 47, 46 (78 f.); dass., Beschl. v. 8. August 1978, BVerfGE 49, 89 (127). 538

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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Grundrechte wie das Grundrecht aus Art.  4  Abs.  1,  2  GG nach dem Wortlaut der Verfassung vorbehaltlos gewährleistet sind und eine Regelung, welche diesen Lebensbereich ordnen will, damit notwendigerweise ihre verfassungsimmanenten Schranken bestimmen und konkretisieren muss. Hier ist der Gesetzgeber verpflichtet, die Schranken der widerstreitenden Freiheitsgarantien jedenfalls so weit selbst zu bestimmen, wie sie für die Ausübung dieser Freiheitsrechte wesentlich sind.542 Ließe man die Einschränkung vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte durch kollidierendes Verfassungsrecht zu, welches nicht in einem einfachen Gesetz konkre­tisiert ist, führte dies zu dem paradoxen Ergebnis, dass ein besonders geschütztes Grundrecht wie Art.  4  Abs.  1,  2  GG letztlich unter geringeren demokratischen Voraussetzungen eingeschränkt werden könnte als die Grundrechte, die unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt stehen. Der verfahrens­ sichernde Aspekt der Wesentlichkeitstheorie bliebe damit vollständig unberücksichtigt.543 b) Verhältnismäßigkeit/praktische Konkordanz Kann in einem die Religionsfreiheit beschränkenden Gesetz die Konkretisierung eines kollidierenden Verfassungsguts erfolgen, so bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass das in Rede stehende Gesetz die Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG in verfassungsrechtlich zulässiger Weise begrenzt. Vielmehr muss die Einschränkung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG durch das Gesetz als solches sowie durch dessen Anwendung durch die zuständigen Behörden im Einzelfall verhältnismäßig sein. Legitimer Zweck von beschränkendem Gesetz und dessen Anwendung ist die Durchsetzung des im Einzelfall in dem Gesetz verkörperten, Art. 4 Abs. 1, 2 GG entgegenstehenden Verfassungsguts. Zur Erreichung des durch das mit der Religionsfreiheit kollidierende Verfassungsgut bestimmten Ziels müssen das Gesetz und die darauf gestützten Verwaltungsmaßnahmen im Einzelfall geeignet, erforderlich und im Verhältnis zur Einschränkung der Religionsfreiheit angemessen, d. h. verhältnismäßig im engeren Sinn sein. Grundsätzlich ist die gegenseitige Abgrenzung widerstreitender und insbesondere grundrechtsgeschützter Belange Aufgabe des Gesetzgebers.544 Da allerdings angesichts der Vielgestaltigkeit denkbarer Lebens- und Konfliktsituationen häufig normative Grenzziehungen fehlen, obliegt die Grenzziehung zwischen den kollidierenden Belangen nicht selten der Exekutive bzw. in letzter Konsequenz der wertenden Abwägung des Richters.545

542

BVerfG, Urt.  v.  16.  Januar  1957, BVerfGE  6, 32  (42); dass., Urt.  v.  5. August  1966, BVerfGE 20, 150 (157 f.); dass., Beschl. v. 6. Juni 1989, BVerfGE 80, 137 (161). 543 Alberts, NVwZ 1992, 1164 (1166). 544 Clemens, in: Umbach/Clemens, vor Art. 2 ff, Rn. 68. 545 Ebenda.

154

2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn bezüglich der konkreten Verwaltungsmaßnahme stellt meist den Lackmustest der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Eingriffs in die Religionsfreiheit dar. Nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz wird dabei im Einzelfall zur Bestimmung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn eine Güterabwägung zwischen der Religions­ freiheit und dem kollidierenden, in dem beschränkenden Gesetz verkörperten Verfassungsgut vorgenommen, die zu einem möglichst schonenden Ausgleich beider Güter führt und wenn möglich nicht eine der widerstreitenden Positionen bevorzugt.546 Welches der Verfassungsrechtsgüter sich am Ende durchzusetzen vermag, kann erst nach gründlicher Abwägung und Berücksichtigung sämtlicher ab­ wägungserheblichen Belange des konkreten Falls547 geklärt werden.548 Dabei kommt der Religionsfreiheit als vorbehaltlos gewährleistetem Grundrecht zwar in der Regel besonderes Gewicht zu.549 Im Rahmen der Güterabwägung muss jedoch auch die Intensität des konkreten Eingriffs berücksichtigt werden.550 In diesem Zusammenhang ist es zum Beispiel von Bedeutung, ob es sich nur um „modale“, d. h. nicht den Inhalt des Bekenntnisses und der Religionsausübung, sondern nur deren örtliche und zeitliche Umstände regelnde Beschränkungen handelt.551 Dieser Randbereich der Religionsfreiheit ist weniger schutzwürdig als der (inhaltliche) Kernbereich der Freiheitsgewährleistung und kann in der Konsequenz leichter beschränkt werden.552 In der Praxis des Moscheebaus spitzt sich diese Problematik häufig in der Standortfrage zu: Einerseits gehört das Recht, sakrale Gebäude zu errichten, zum Kernbereich der Religionsfreiheit, da gerade der gemeinsamen Religionsausübung besonderes Gewicht zukommt und die Gläubigen die Möglichkeit haben müssen, über geeignete Räume für die kollektive Glaubensausübung zu verfügen. Andererseits ist im Rahmen einer durchzuführenden Abwägung hinsichtlich der Intensität des Eingriffs in die durch Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleistete Religionsfreiheit auch zu berücksichtigen, ob auch ohne den Bau des geplanten muslimischen Kultgebäudes eine Religionsausübung der betroffe-

546

BVerfG, Kammerbeschl. v. 2. Oktober 2003, BVerfGK 2, 22 ff. Streitig ist insoweit, ob eine konkret-individualisierende oder abstrakt-generalisierende Abwägung durchzuführen ist; Muckel, Letztentscheidung, S.  237 ff., der sich für eine möglichst abstrakt-generelle Verhältnismäßigkeitsprüfung ausspricht; vgl. Wenckstern, in: Umbach/ Clemens, Art. 4, Rn. 23a. 548 BVerfG, Beschl. v. 26. Mai 1970, BVerfGE 28, 243 (260 f.); Müller-Volbehr, DÖV 1995, 301 (307); unklar insoweit Bergmann, ZAR 2004, 135 (141), der davon auszugehen scheint, dass die Religionsfreiheit sich in der Regel durchsetzt, soweit es nicht um terroristische Ausprägungen des Islam geht. 549 Müller-Volbehr, DÖV 1995, 301 (307); a. A. Bamberger, Der Staat 39 (2000), 355 (375), und Muckel, Letztentscheidung, S. 238, die davon ausgehen, dass den vorbehaltlosen Grundrechten nicht prima facie besondere Bedeutung beigemessen werden muss. 550 Grimm,  Dieter (2002): Kann der Turbanträger von der Helmpflicht befreit werden? in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 141, 21. Juni 2002, S. 49. 551 Listl, in: HdbStKirchR, § 14, S. 468. 552 Müller-Volbehr, DÖV 1995, 301 (307).  547

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

155

nen Muslime möglich wäre, oder ob diese durch eine Verwehrung staatlicherseits verhindert oder deutlich erschwert würde. In diesem Zusammenhang kann es u. a. eine Rolle spielen, ob für die betroffenen Muslime bereits eine ausreichende Zahl an Sakralgebäuden zur Verfügung steht.553 Der Rang der sich aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG konkret ergebenden Rechts­position bemisst sich darüber hinaus maßgeblich nach dem Grad der Nähe der jeweiligen in Rede stehenden Betätigung zum üblichen religiösen Leben der Gemeinschaft.554 In diesem Zusammenhang kann es etwa eine Rolle spielen, welche religiös-theologische Bedeutung einzelnen äußerlich sichtbaren Baumerkmalen im Islam zukommt,555 z. B. welche Funktion ein Minarett erfüllt. Im Rahmen der Einschätzung, welches Gewicht das grundrechtlich geschützte Interesse der Muslime im konkreten Fall im Verhältnis zu dem kollidierenden Verfassungsgut besitzt, hat jedoch wiederum das Selbstverständnis des Grundrechtsträgers maßgebliche Bedeutung. Nur dieser selbst kann das Gewicht seiner grundrechtlich geschützten Interessen einschätzen. Gleichwohl darf sich die zuständige staatliche Instanz nicht ohne jede weitere Prüfung die Gewichtung seiner Interessen durch den Grundrechtsträger zueigen machen und diese dem kollidierenden Verfassungsgut vorziehen.556 Vielmehr muss auch insoweit, wie bereits im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung, eine Plausibilitätskontrolle vollzogen werden, im Rahmen derer wiederum im Streitfall zum Beispiel religionswissenschaftliche Gutachten eingeholt werden können. c) Wechselwirkungslehre Damit ein den Wertvorstellungen des Grundgesetzes entsprechender Ausgleich der im Einzelnen widerstreitenden, verfassungsrechtlich geschützten Belange gefunden werden kann, müssen die gefundenen Schranken ihrerseits wiederum im Lichte desjenigen Grundrechts ausgelegt werden, welches sie zu beschränken suchen.557 Da im Rahmen einer umfassenden Güterabwägung und Verhältnismäßigkeitsprüfung ohnehin sämtliche Umstände mit in die Betrachtung einzufließen haben, darf bezweifelt werden, ob dieser, ursprünglich im Hinblick auf die „allgemeinen Gesetze“ des Art. 5 Abs. 2 GG entwickelten sog. Wechselwirkungslehre im Rahmen der Schrankenschranken bei vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten überhaupt eine eigenständige Bedeutung zukommt.

553

So auch VG Berlin, Urt. v. 25. November 2005, Az. VG 19 A 331/03, unveröffentl. Fehlau, JuS 1993, 441 (442). 555 Otting, Städte- und Gemeinderat 3/1997, 65 (67); Muckel, NWVBl 1998, 1 (5). 556 Muckel, NWVBl 1998, 1 (5); Sarcevic, DVBl 2000, 519 (527). 557 BVerfG, Urt. v. 24. Februar 1971, BVerfGE 30, 173 (191 ff.); Zöbeley, in: Umbach/Clemens, Art. 5, Rn. 257. 554

156

2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

6. Ergebnis Der Bau islamischer Kultstätten fällt in den Schutzbereich der in Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleisteten Religionsfreiheit. Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang, ob der Bauherr ausnahmsweise ein einzelner Muslim oder, wie in der Regel, eine muslimische Glaubensgemeinschaft ist. Eine Beschränkung des Grundrechts der Religionsfreiheit – und damit auch des Rechts, eine Kultstätte zu bauen – kann in verfassungsrechtlich zulässiger Weise nur durch solche Gesetze erfolgen, die ihrerseits die bereits durch die Verfassung verkörperten Grenzen nachzeichnen. Im Einzelfall ist im Rahmen einer Güterabwägung zu ermitteln, ob die kollidierenden Verfassungsrechtsgüter zu einem schonenden Ausgleich gebracht werden können, oder welches der Rechtsgüter Vorrang gegenüber dem anderen genießt.

III. Konsequenzen der Geltung der Religionsfreiheit 1. Allgemeines Das Grundrecht der Religionsfreiheit ist gemäß Art.  1  Abs.  3  GG unmittelbar geltendes Recht, an das alle staatlichen Entscheidungsträger gebunden sind. Dass der Bau islamischer Kultstätten wie gezeigt von der Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1, 2 GG gedeckt ist, hat weitreichende Konsequenzen für das jeweils anwendbare, unter A  I. dargestellte Baurecht. Zunächst sind im Sinne der Verfassungskonformität die Religionsfreiheit und deren besonderes Gewicht bei der Auslegung des einfachen Rechts zu beachten.558 Insbesondere müssen Interpretationsmöglichkeiten im Rahmen von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen sowie Ermessensspielräume genutzt werden, um der Bedeutung des Grundrechts gerecht zu werden und die relevanten baurechtlichen Bestimmungen der Verfassung entsprechend anzuwenden. Allerdings ergibt sich, wie bereits dargestellt, aus der Geltung der Religions­ freiheit kein Anspruch darauf, in beliebiger Weise an beliebigem Ort eine muslimische Kultstätte zu errichten.559 Soweit jedoch das einfache (Bau-)Recht bzw. dessen Anwendung durch die zuständige Bauaufsichtsbehörde den Bau einer geplanten muslimischen Kultstätte verhindern und damit die Religionsfreiheit des Bauherrn begrenzen, ist stets zu prüfen, ob hinter der einschränkenden Vorschrift ein Wert von Verfassungsrang steht, da einzig solche gegenläufigen hochrangigen Rechtsgüter geeignet sind, die vorbehaltlos gewährleistete Religionsfreiheit einzuschränken. Ist dies nicht der Fall und schützt die in Rede stehende Norm etwa „nur“ öffentliche Interessen, die keinen Verfassungsrang besitzen, tritt das Grundrecht der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG nicht zurück. Die entsprechende 558

So für das Bauordnungsrecht Kokott, in: Sachs, Art. 4, Rn. 55. Vgl. dazu Kapitel A II, B I und insbesondere B II 3.

559

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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Norm bzw. ihre Anwendung im konkreten Fall ist insoweit verfassungswidrig560 und darf nicht zur Einschränkung der Religionsfreiheit im baurechtlichen Bereich herangezogen werden.561 Realisiert das einschränkende Gesetz dagegen einen der Religionsfreiheit entgegenstehenden Wert, der selbst in der Verfassung wurzelt, muss im Einzelfall eine Abwägung zwischen der Religionsfreiheit und dem betroffenen Verfassungsgut erfolgen, die zur Erreichung praktischer Konkordanz möglichst beide Werte zu einem Ausgleich bringen kann. Dem religiösen Selbstverständnis des muslimischen Bauherrn ist dabei in besonderer Weise Rechnung zu tragen. Im Zweifel gilt zu seinen Gunsten der Grundsatz „in dubio pro libertate“ – im Zweifel für die (grundrechtlich geschützte) Freiheit. 2. Vorliegen eines echten Normkonflikts a) Der Normkonflikt im rechtsdogmatischen Sinn Vor einer Güterabwägung muss jedoch zunächst festgestellt werden, ob der tatsächliche Konflikt auch einen Normkonflikt im rechtsdogmatischen Sinn darstellt, d. h. ob das, was aus baurechtlicher Sicht dem Bau der Kultstätte entgegensteht, auch in die Religionsfreiheit eingreift und es so zu einer Kollision eines ggf. dort verankerten Verfassungswertes und der Religionsfreiheit kommen kann. Wenn schon gar kein Eingriff in die Religionsfreiheit vorliegt, kann offen bleiben, ob die einschlägige, die Kultstätte verhindernde Baurechtsnorm einen Verfassungs­ wert realisiert oder nicht. Ein Normkonflikt im rechtsdogmatischen Sinn liegt nämlich nur dann vor, wenn die durch die jeweiligen Verfassungsnormen angeordneten Rechtsfolgen zuein­ ander zwingend in Widerspruch stehen.562 Für den Kultstättenbau bedeutet dies konkret, dass die Durchsetzung bzw. Beachtung des mit Art. 4 Abs. 1, 2 GG „kollidierenden“ Grundrechts oder sonstigen Verfassungswerts zwingend einen Eingriff in die Religionsfreiheit bedeuten muss. In der baurechtlichen Praxis wird sich die Situation häufig so darstellen, dass eine bestimmte baurechtliche Norm einem Moscheebauvorhaben insgesamt oder zumindest in der geplanten Ausführung entgegensteht und somit das Vorhaben nicht genehmigungsfähig ist. Insoweit ist zu untersuchen, ob die entsprechende, die Religionsfreiheit (vermeintlich) beschränkende einfachgesetzliche Regelung überhaupt in einen echten Normkonflikt zur Religionsfreiheit tritt. In diesem Zusammenhang muss geprüft werden, ob das, was durch die einfachgesetzliche Vorschrift verhindert wird oder womit diese kollidiert, im Einzelnen von Art.  4 560

So bzgl. der Kunstfreiheit Moench/Schmidt, S. 56. In diesem Zusammenhang muss jedoch stets zunächst geklärt werden, ob wirklich ein Normkonflikt vorliegt oder es sich um eine Scheinkollision handelt. 562 Lenz, S. 224 ff., insbes. 226 m. w. N. 561

158

2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Abs. 1, 2 GG geschützt ist. Wenn dies nicht der Fall ist, besteht schon gar kein Normkonflikt, sondern lediglich eine Scheinkollision, und das Baurecht setzt sich ohne Weiteres durch. Steht die einfachgesetzliche Norm dem Bau in der Weise entgegen, dass dadurch das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG tangiert wird, besteht ein echter Normkonflikt, der im Wege der Abwägung einer verfassungskonformen Lösung zugeführt werden muss. Die Abgrenzung zwischen Normkonflikten im rechtsdogmatischen Sinn und bloßen sog. Scheinkollisionen bildet die Schnittstelle zwischen den in der Theorie gewonnenen Erkenntnissen und deren praktischer Anwendung. Es wurde bereits eingehend erörtert, dass der Bau einer Kultstätte grundsätzlich insgesamt in den Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG fällt und das Grundrecht der Religionsfreiheit nur durch verfassungsimmanente Schranken beschränkt werden kann. b) Das Problem religionsunspezifischer Freiheitsausübung Die empirisch gewonnenen Erkenntnisse zeigen, dass Bauvorhaben muslimischer Kultstätten häufig, wenn nicht meistens, (zumindest vordergründig) aus Gründen abgelehnt werden, die keinen unmittelbaren Bezug zur Religionsausübung haben. Meist scheitern Moscheebauvorhaben eher am Stellplatzbedarf oder an Brandschutzvorschriften, als etwa an der Baugebietstypik. Insoweit ist problematisch, ob es sich um einen rechtfertigungsbedürftigen Grundrechtseingriff handelt und die Religionsfreiheit mit dem durch das einfache Baurecht verkörperten Rechtsgut in einen echten Normkonflikt tritt. c) Kein Normkonflikt bei lediglich „faktischer“ Beeinträchtigung? Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass in den Fällen, in denen das Grundrecht der Religionsfreiheit nur „zufällig“ berührt wird, kein Eingriff in das Grundrecht der Religionsfreiheit des Bauherrn vorliegt, der einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürfte, da es sich um bloß akzidentielle Beeinträchtigungen handelt. Die Beeinträchtigung erfolge lediglich „bei Gelegenheit der Grundrechtsausübung“563, da das untersagte Verhalten564 nicht religionsspezifisch sei. Es liege insoweit schon gar kein Normkonflikt im eigentlichen Sinn vor. In diesem Zusammenhang wird von einigen Autoren gefordert, durch Zurückhaltung bei der Schutzbereichsinterpretation vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte bzw. bei der Annahme eines Grundrechtseingriffs Normkonflikte zu vermeiden. So ist etwa Lenz der Ansicht, das Fehlen eines Gesetzesvorbehalts impliziere, 563

Vgl. zu dieser Problematik auch Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (618). Etwa die Verwendung eines bestimmten Baumaterials oder andere bautechnische Aspekte.

564

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

159

dass der Grundgesetzgeber entweder in diesem Bereich keine Konflikte erwartet habe, oder aber sie generell zugunsten des vorbehaltlos geschützten Grundrechts entschieden habe.565 Bei der vorschnellen Annahme eines Normkonflikts ver­lören die Grundrechte ihren Regelcharakter und würden zu bloßen Abwägungsgesichtspunkten. Die Abwägung mache letztlich den gesunden Menschenverstand des Richters zum Maßstab der Entscheidung. Zustimmung verdiene deshalb die Ansicht Müllers, den Schutzbereich der Grundrechte auf das Sachspezifische zu reduzieren.566 Geschützt sein sollen demnach nur Modalitäten der Grundrechtsausübung, die einen zwingenden Bezug zur inhaltlichen Aussage des betreffenden Grundrechts haben.567 Für den Bereich der Baukunst kommt Lenz zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass ein Verbot, welches nicht an den Inhalt des Kunstwerks, sondern an dessen Ortswahl anknüpft, keinen Eingriff in Art. 5 Abs. 3 GG darstellen soll; auch tangiere ein staatliches Verbot der Straßenmissionierung aus Gründen der Verkehrssicherheit das Grundrecht der Religionsfreiheit nicht.568 Sofern staat­ liches Verhalten rechtlich und tatsächlich inhaltsneutral auftrete, sei der grundrechtliche Schutzbereich nicht betroffen. Eine Verkürzung des Grundrechtsschutzes sei im Ergebnis nicht zu befürchten, da sich sowohl der Künstler als auch der Gläubige auf ihre in Art. 2 Abs. 1 GG normierte allgemeine Handlungsfreiheit berufen könnten und jeder staatliche Eingriff in dieses Recht ebenfalls begründet und gerechtfertigt werden müsse.569 Nach dieser Auffassung läge ein Normkonflikt im Bereich des Kultstättenbaus nur dann vor, wenn eine Baugenehmigung für eine Moschee explizit aus Gründen abgelehnt würde, die sich auf den Islam als Religion oder auf die spezifische Nutzung zu kirchlichen Zwecken, mithin die Art der Nutzung, beziehen. Die in der Praxis häufigen Fälle der Ablehnung der Genehmigung aus Gründen, die in keinem unmittelbaren inneren Zusammenhang zur Religion stehen, also etwa Fragen des Maßes der baulichen Nutzung, bautechnische Fragen und die häufige Frage der Standortwahl begründeten nach dieser Auffassung keinen Normkonflikt zwischen der Religionsfreiheit und anderen Rechten mit Verfassungsrang, so dass sich das einfache Baurecht stets durchsetzte. d) Stellungnahme Der dargestellten Ansicht ist vom Ansatz her insoweit zuzustimmen, als der Grundgesetzgeber angesichts fehlender Erfahrung wohl weder die extensive Schutzbereichsinterpretation von Art. 4 Abs. 1, 2 GG im Blick gehabt haben, noch von einer derartigen Häufung von Kollisionen im Bereich der vorbehaltlosen Grund 565

Lenz, S. 227. Ebenda, S. 238. 567 Ebenda, S. 244. 568 Ebenda. 569 Ebenda, S. 238.

566

160

2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

rechte ausgegangen sein dürfte. Darüber hinaus war der Grundgesetzgeber etwa für die Religionsfreiheit konkret davon ausgegangen, dass baupolizeiliche Vorschriften ohne Weiteres Anwendung finden sollten,570 es also in diesem Bereich gar nicht zu einem Normkonflikt kommt. Der Ansicht ist weiterhin zuzugeben, dass die weite Schutzbereichsinterpretation der vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechte durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung in der Praxis dazu führen kann, dass auch manches gesellschaftlich „unerwünschte“ Verhalten einen starken Grundrechtsschutz für sich beanspruchen kann, der im Einzelfall nur durch die Abwägung mit einem kollidierenden Verfassungsrechtsgut aufgehoben oder abgeschwächt werden kann. Zuzustimmen ist Lenz’ Ansicht ebenfalls insoweit, als sowohl das Auffinden kollidierender Verfassungsgüter als auch die eigentliche Abwägungsentscheidung von der Rechtsprechung in der Vergangenheit häufig eher lapidar und ergebnisorientiert gehandhabt worden sind. Dennoch ist die geschilderte Ansicht aus verschiedenen Gründen abzulehnen. Neben den bereits unter B. II. 1. d) ee) angeführten Argumenten, die einer Schutzbereichsbeschränkung auf religionsspezifische Verhaltensweisen entgegenstehen, sprechen im Bereich der Annahme eines Normkonfliktes wie bereits erwähnt unter anderem die praktischen Erfahrungen dagegen, lediglich bei zielgerichteten Eingriffen in die Religionsfreiheit im Bereich des Kultstättenbaus von einem Normkonflikt auszugehen. Es dürfte weitestgehende Einigkeit darüber bestehen, dass Art. 4 Abs. 1, 2 GG jedenfalls vor jedem nicht-neutralen, d. h. jedem gegen eine bestimmte Religion oder gegen die Religion als solche gerichteten Eingriff schützt.571 In der Praxis wird die Ablehnung einer islamischen Kultstätte jedoch in den seltensten Fällen so offen bekundet werden; aus der im Rahmen dieser Arbeit erfolgten empirischen Untersuchung der Moscheebauthematik resultiert die Erkenntnis, dass vielmehr häufig baurechtliche Belange vorgeschoben werden, um gerade die Kultstätte an einem bestimmten Standort zu verhindern. Das „religionsneutrale“ Baurecht, insbesondere Bauordnungsrecht, wird instrumentalisiert, um den Bau einer „unerwünschten“ islamischen Kultstätte zu verhindern.572 Manche Politiker haben schon zugegeben, sich mit allen „legalen“ Mitteln des Baurechts gegen eine unerwünschte Moschee –  etwa eines als verfassungsfeindlich eingestuften Trägers  – wenden zu wollen.573 Ginge man davon aus, dass in solchen Fällen stets kein Eingriff in die Religionsfreiheit des Bauherrn vorliegt und es deshalb zu keinem Normkonflikt kommen kann, liefe die dargestellte Unterschutzstellung des Kultstättenbaus unter das Grundrecht der Religionsfreiheit ins Leere. Faktisch 570

v. Doehming/Füsslein/Matz, JöR NF 1 (1951), 73 (75). Huster, S. 140, m. w. N. 572 Vgl. zu den üblichen „Nebenkriegsschauplätzen“ auch Leggewie/Jost/Rech, S. 53 ff.; Kress, S. 126; Wieshaider, in: Haratsch/Janz u. a., S. 169. 573 Vgl. Wefing, Heinrich (2006): Ein Gespräch mit der Baustadträtin von Berlin-Neukölln über die Errichtung von Moscheen in Berlin: „Wir müssen die gemäßigten Muslime schützen“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 179, 4. August 2006, S. 38. 571

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

161

führt die Anwendung der dargestellten Ansicht zu einer Aushöhlung des Grundrechtsschutzes aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Dies gilt insbesondere für die häufig besonders umstrittene Standortwahl: Ein Verbot einer muslimischen Kultstätte an einem bestimmten Ort wird nur in den seltensten Fällen explizit am Inhalt des ­Islam anknüpfen, sondern sich häufig auf die generelle Art der Nutzung für kirchliche Zwecke oder das fehlende Einfügen beziehen. Würde man die Standortwahl für eine Kultstätte nicht dem Schutz des Art. 4 Abs. 1, 2 GG574 unterstellen, stünden gläubige Bauherrn vor der Situation, Eigentümer eines Grundstücks zu sein, sich aber bezüglich dessen Bebauung als Kultstätte nicht auf Art. 4 Abs. 1, 2 GG berufen zu können. In der Konsequenz würde dies dazu führen, dass Moscheen in Zukunft noch stärker in Gebieten, wie etwa Industrie- und Gewerbegebieten, gebaut werden, wo sie für die Öffentlichkeit am wenigsten sichtbar sind und somit nicht „stören“. Zwar geht Lenz selbst davon aus, dass auch dann der grundrechtliche Schutz­ bereich betroffen ist, wenn das staatliche Handeln faktisch nicht inhaltsneutral ist; da jedoch die Instrumentalisierung des Baurechts im Regelfall nicht offengelegt wird und sich meist auch nicht aus den Verwaltungsvorgängen ergibt, dürfte in der Praxis die Unterscheidung bzw. der Nachweis, dass eine scheinbar religionsneu­ trale staatliche Maßnahme sich insgeheim doch gegen die Religion als solche richtet, nahezu unmöglich sein. Abzulehnen ist die Ansicht weiterhin, weil sie ohne Not die hergebrachten Kategorien Schutzbereich und Eingriff vermengt. Nach der hier vertretenen weiten Schutzbereichserstreckung verkennt die dargestellte Ansicht im Übrigen, dass sie letztlich im Ergebnis doch eine Rückkehr zum finalen Eingriffsbegriff propagiert.575 Es ist nicht recht ersichtlich, inwieweit sich der dort vertretene Eingriffsbegriff von einem solch finalen unterscheiden soll: In beiden Fällen sollen inhaltlich-neutrale, akzidentielle Beeinträchtigungen nicht vom Grundrechtsschutz des spezifischen Freiheitsrechts erfasst sein. Bezüglich ihrer Wirkung können akzidentiell-faktische Beeinträchtigungen jedoch genauso wie gezielte Grundrechtseingriffe ein grundrechtlich geschütztes Verhalten erschweren oder gar verhindern. Aus diesem Grund ist der „moderne“ Eingriffsbegriff zu bevorzugen, wonach ein Grundrechtseingriff – unabhängig von der Zielrichtung des staatlichen Handelns – stets dann vorliegt, wenn eine staatliche Handlung ein in den Schutzbereich eines Grundrechts fallendes Verhalten unmöglich macht oder deutlich erschwert. Richtigerweise ist die Abgrenzung also nicht nach der (rechtlichen oder faktischen) Zielrichtung des staatlichen Handelns vorzunehmen, sondern nach dessen Auswirkung auf das in den Schutzbereich fallende Verhalten sowie die Intensität dieser Wirkung. Insoweit kann auch die Durchsetzung religionsneutralen 574

Sowie im Parallelfall der Baukunst Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. A. A. Lenz, S. 245, der zwischen einer sich gezielt gegen den Inhalt richtenden staatlichen Maßnahme und einer Maßnahme, die von Stoßrichtung oder Wirkung her einen besonderen Bezug zum Inhalt aufweist, unterscheiden will.

575

162

2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Baurechts zu einem Eingriff in die Religionsfreiheit des muslimischen Bauherrn führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn durch die Anwendung der einfachgesetzlichen Vorschriften der Bau der geplanten Kultstätte insgesamt bzw. am beabsichtigten Standort ausscheidet. Verallgemeinernd kann festgehalten werden, dass durch die Anwendung der meisten gestaltungsunabhängigen bauordnungsrechtlichen Vorschriften, insbesondere derjenigen, die Teil des genuinen Bausicherheitsrechts sind, in der Regel zunächst kein unmittelbarer Eingriff in die Religionsfreiheit erfolgen dürfte. Führt die Durchsetzung dieser Vorschriften jedoch dazu, dass der Bau der Kultstätte insgesamt nicht genehmigungsfähig ist, d. h. wird nicht eine Baugenehmigung mit Auflagen erteilt, sondern diese gänzlich abgelehnt, verhindert die Anwendung des geltenden Baurechts den Bau der Kultstätte und greift somit in den Schutzbereich der Religionsfreiheit ein. Darüber hinaus zeigt sich, dass die Abgrenzung zwingender „religiöser“ Baumerkmale von lediglich technischen Merkmalen ebenfalls mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Darauf wurde bereits im Zusammenhang mit dem Grundrechtsschutz für besondere islamische Bauweisen hingewiesen.576 Stützt ein Bauherr eine bestimmte Bauweise auf religiöse Argumente, so ist es den Verwaltungsbehörden zwar gestattet, diese Begründung auf ihre Plausibilität hin, nicht aber auf ihre Logik oder Richtigkeit hin zu überprüfen, da wie bereits ausgeführt dem Selbstverständnis des Grundrechtsträgers große Bedeutung beizumessen ist. Wie schwer die Abgrenzung im Einzelnen sein kann, zeigt auch die Tatsache, dass es etwa im Bereich der Baukunst z. B. ohne Weiteres vorstellbar ist, dass einem nichtzugelassenen Baumaterial, dessen Verbot von seiner Zielrichtung her alle Gebäude betrifft und somit kunst- und religionsneutral ist, besondere inhaltliche kunst­ relevante Bedeutung zukommen kann.577 Abschließend muss festgestellt werden, dass die unter c)  dargestellte Ansicht bei dem Versuch einer Auflösung der vielfältigen Normkonflikte zu einer unzulässigen Verkürzung des durch die vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechte verliehenen Schutzes führt. Bei allen Bedenken, die gegen das Instrument der Abwägung ins Feld geführt werden können,578 stellt diese doch ein geeignetes und effizientes Mittel zur Auflösung von konkreten Normkonflikten unter Berücksichtigung der Spezifika des jeweiligen Einzelfalls dar. Die gelegentlich herauszulesende Sorge mancher Autoren, man werde bestimmten gesellschaftlich unerwünschten Verhaltensweisen, die bei der hier vertretenen weiten Auslegung in den 576

Vgl. 2. Teil B. II. 1. e) bb). Anders bzgl. der parallelen Problematik im Bereich der Baukunst Manssen, Stadtgestaltung, S. 175. 578 Eine Auseinandersetzung mit der Abwägungskritik, etwa von Böckenförde, würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen; vgl. dazu auch Ladeur, insbesondere S.  58 ff., m. w. N.; Muckel, in: FS Schiedermair, S. 350 ff.; Uerpmann, S. 269 ff.; Vesting, Der Staat 41 (2002), S. 73 ff.; Lenz, S. 235 ff. 577

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

163

Schutzbereich eines vorbehaltlos geschützten Grundrechts fallen, mangels hinreichender verfassungsimmanenter Schranken nicht mehr Herr,579 dürfte in aller Regel unbegründet sein, ohne dass es hierzu – wie in der Vergangenheit gelegentlich geschehen – der Abwägung mit undefinierten allgemeinen Verfassungsprinzipien bedürfte. Selbst in den gelegentlich konstruierten Extremfällen existiert in der Regel ein entgegenstehender Belang von Verfassungswert, der sich in den entsprechenden einfachgesetzlichen Regelungen niedergeschlagen hat und mit dem vorbehaltlos geschützten Grundrecht in ein Abwägungsverhältnis gebracht werden kann. Sollte dem nicht so sein, besteht meist auch kein gesamtgesellschaftlicher Konsens dahingehend, dass bestimmte – nach der vorliegend vertretenen Auffassung grundrechtlich geschützte – Verhaltensweisen unbedingt zu verhindern sind, und es kann hingenommen werden, dass ein Grundrechtsträger von seiner Freiheit Gebrauch macht. e) Zwischenergebnis Ein Normkonflikt mit der Religionsfreiheit liegt zum einen stets dann vor, wenn ein muslimisches Bauvorhaben wegen der Art der Nutzung als Kultstätte oder wegen spezifisch muslimischer ästhetischer Bezüge („orientalische“ Bauweise) nicht genehmigt wird. Zum anderen handelt es sich jedoch auch dann um einen Eingriff in die Religionsfreiheit und es besteht ein Normkonflikt, wenn ein islamisches Kultstättenvorhaben wegen des Maßes der baulichen Nutzung nicht genehmigungsfähig erscheint oder gegen andere Vorschriften verstößt, die dem Bau der Kultstätte insgesamt entgegenstehen und diesen verhindern, da durch das Verbot das grundrechtlich geschützte Verhalten im konkreten Fall unmöglich gemacht wird. Inwieweit die Möglichkeit besteht, das Vorhaben abgewandelt oder an einem anderen Ort zu verwirklichen, ist eine Frage der Abwägung im Einzelfall. Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, dass stets ein rechtfertigungs­ bedürftiger Grundrechtseingriff und damit in der Regel ein Normkonflikt vorliegt, wenn es um das „Ob“ des Kultstättenbaus geht. Ist durch eine staatliche Maßnahme nicht der Kultstättenbau als Ganzes, sondern lediglich ein einzelnes Baudetail oder eine bestimmte Modalität, mithin das „Wie“ des Bauvorhabens betroffen, so ist, wenn dieses Detail nicht zur Verweigerung der Genehmigung für die Kultstätte insgesamt führt, stets zu prüfen, ob gerade für dieses Detail auf der Grundlage des Selbstverständnisses des Grundrechtsträgers eine religiöse Notwendigkeit besteht. Ist dies nicht der Fall, ist in der Regel bereits der sachliche Schutzbereich der Religionsfreiheit nicht betroffen bzw. es liegt kein Eingriff in denselben vor, so dass es insoweit nicht zu einem Normkonflikt kommt.

579

Lenz, S. 237.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

IV. Mögliche Kollisionsrechtsgüter und Auflösung des Normkonflikts 1. Notwendigkeit der Identifizierung kollidierenden Verfassungsrechts a) Allgemeines Da wie gezeigt eine Übertragung anderer Grundrechtsschranken auf das Grundrecht der Religionsfreiheit ausscheidet, kann dieses nur durch verfassungsimmanente Schranken, also durch kollidierende Grundrechte Dritter oder andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter beschränkt werden. (Einfach-)Gesetzliche Beschränkungen sind nur zulässig, wenn sie als deklaratorische Ausgestaltung von bereits in der Verfassung angelegten Schranken anzusehen sind.580 Deshalb sollen im Folgenden diejenigen Grundrechte Dritter und sonstige Rechtsgüter mit Verfassungsrang benannt und spezifiziert werden581, die mit der in Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleisteten Religionsfreiheit im Fall des Kultstättenbaus im Bereich des Bauplanungs- und des Bauordnungsrechts theoretisch kollidieren können und typischerweise kollidieren. Darüber hinaus will die Arbeit versuchen aufzuzeigen, wie die so entstandenen Normkonflikte im Bereich des muslimischen Kultstättenbaus aufgelöst werden können. b) Methodik der Auflösung von Normkonflikten vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte Die Begrenzung vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte durch die sog. verfassungsimmanenten Schranken findet zwar weithin Zustimmung in Rechtsprechung und Literatur. Der Rechtsprechung ist jedoch im Regelfall nicht zu entnehmen, wie die erforderliche Beschränkung der vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechte im Einzelfall vorzunehmen und die erforderliche Abwägung zu gestalten ist. Gerade das Bundesverfassungsgericht begnügt sich gemeinhin damit, im Hinblick auf eine bestimmte Thematik eine konkrete Vorrangentscheidung zu treffen,582 ohne dass erkennbar wäre, welche Vorgehensweise der Entscheidung methodisch zugrunde liegt. Häufig verlieren sich Entscheidungen dogmatisch unpräzise in unbegrenzten Abwägungspflichtigkeiten und verstärken dadurch die Gefahr einer Auflösung der Grundrechtsgeltung.583 In der Literatur wurden hingegen, vor allem in den letzten

580

Wenckstern, in: Umbach/Clemens, Art. 4, Rn. 81. Zu dieser Vorgehensweise vgl. Morlok, in: Dreier, Art.  4, Rn.  115; Kokott, in: Sachs, Art. 4, Rn. 127. 582 So auch Sachs, JuS 1995, 984 (988); Sachs, in: Sachs, vor Art. 1, Rn. 123, 126. 583 So auch Sachs, in: Sachs, vor Art. 1, Rn. 121. 581

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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Jahren,584 zunehmend Konzepte entwickelt, wie mit der Problematik vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte und deren Kollisionen mit anderen Verfassungsnormen umgegangen werden kann.585 Allerdings lassen die abstrakt entwickelten Methoden in der Regel eine Anwendung auf den konkreten Fall bzw. einen spezifischen Normkonflikt vermissen.586 c) Konkrete Vorgehensweise aa) Identifizierung der entgegenstehenden Interessen Da weder der Rechtsprechung noch der Literatur ein gangbarer Weg für die konkrete Auflösung von Normkonflikten mit vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechte entnommen werden kann, soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit im Einzelnen wie folgt vorgegangen werden587: Anstelle einer rein abstrakten Aufzählung derjenigen Verfassungsgüter, die im Fall des Baus einer islamischen Kultstätte theoretisch mit der Religionsfreiheit kollidieren können, sollen in einem ersten Schritt vielmehr in empirischer Weise – vor allem auch unter Beachtung der in den öffentlich gewordenen Moscheekonflikten ausgetauschten Argumente – jeweils zunächst der tatsächliche Belang bzw. die Interessen Dritter identifiziert werden, die dem Bau einer muslimischen Kultstätte in der Praxis in aller Regel entgegen­ stehen. Dieser Schritt ist erforderlich, da für die Einschränkung eines vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts ein rein hypothetischer (Norm-)Konflikt nicht genügt. Vielmehr muss bei einer realistischen Einschätzung der Umstände auch ein faktischer Konflikt bestehen,588 der sich am besten anhand typischer, empirischer Vorkommnisse belegen lässt. Alternativ wäre eine Aufzählung der typischerweise dem Bau einer muslimischen Kultstätte entgegenstehenden einzelnen Regelungen des einfachen Baurechts und deren Untersuchung auf etwaige dahinter stehende Verfassungsrechtsgüter in Betracht gekommen. Allerdings fehlen insoweit einerseits repräsentative Erkenntnisse aus der Praxis, auf welche Baurechtsnormen die Ablehnung eines Moscheebauvorhabens im Einzelnen gestützt wird. Andererseits erscheint es sinnvoll, die in der täglichen Praxis auftauchenden und den Medien zu entnehmenden faktischen Konflikte auf ihre juristische Validität hin zu überprüfen. 584 Eine Aufzählung der bereits in den 1960er und -70er-Jahren zu diesem Thema veröffentlichten Literatur findet sich bei Stern, Bd. III/2, S. 605. 585 Vgl. Lenz; Martins; Misera-Lang; Pecher; Winkler. 586 Eine Ausnahme stellt insoweit lediglich Martins dar, der die von ihm entwickelte Methode zur Auflösung von Grundrechtskollisionen am Beispiel des § 41 BDSG durchspielt und den Konflikt zwischen Pressefreiheit und Recht auf informationelle Selbstbestimmung aufzulösen versucht. 587 Eine darüber hinausgehende Entwicklung eines eigenen Konzepts zur Auflösung von Normkonflikten mit vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten würde den Rahmen der vor­ liegenden Untersuchung sprengen. 588 Vgl. Stern, Bd. III/2, S. 560.

166

2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

bb) Verankerung des identifizierten Belangs in der Verfassung (1) Begrenzungstauglichkeit Nach der Auffindung des entgegenstehenden tatsächlichen Belangs ist zu prüfen, ob das mögliche Kollisionsgut, welches faktisch mit dem muslimischen Kultstättenbau zusammentrifft, eine Verankerung in der Verfassung erfahren hat bzw. in welchem Verfassungsgut die dem Bau einer muslimischen Kultstätte entgegenstehenden Interessen verkörpert sein könnten. In der Vergangenheit wurde vielfach kritisiert, dass gerade in der Rechtsprechung die einem vorbehaltlos gewährleisteten Grundrecht entgegenstehenden Verfassungsbelange nicht hinreichend konkretisiert werden, sondern aufgrund pauschaler Betrachtungen auf den Verfassungsrang von allgemeinen Ideen oder Leitprinzipien des Grundgesetzes abgestellt589 oder der Versuch unternommen wurde, legitime einfachgesetzliche Belange auf Verfassungsrang hochzustufen.590 Auf diese Weise wurde in manchen Fällen der durch eine extensive Schutzbereichsauslegung angestrebte weitgehende Grundrechtsschutz zunichte gemacht, indem vorschnell in einem ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht einschränkenden Gesetz die Verankerung irgendeines Verfassungswertes angenommen wurde.591 Nur in seltenen Einzelfällen592 gestanden Gerichte zu, dass ein als legitim angesehenes öffentliches Interesse keine Verankerung im Grundgesetz findet und deshalb nicht zur Beschränkung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG geeignet sei. Im Folgenden soll deshalb zur Gewährleistung eines effektiven Schutzes der muslimischen Religionsfreiheit eine sorgfältige Analyse einzelner grundgesetzlicher Bestimmungen erfolgen und untersucht werden, ob sich daraus ein entgegenstehender Verfassungsbelang ableiten lässt, der eine Einschränkung von Art. 4 Abs. 1, 2 GG überhaupt ermöglicht.593 In diesem Zusammenhang wird vielfach auch die Begrenzungstauglichkeit einzelner Verfassungsbestimmungen in Frage gestellt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich insoweit nicht festgelegt, als es ausdrücklich Verfassungsbestimmungen aller Art eine potentiell grundrechtsbeschränkende Qualität zuspricht.594

589

Sachs, JuS 1995, 984 (986). Misera-Lang, S. 315 f. 591 Mit Beispielen Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (615). 592 VGH München, Urt. v. 3. Juni 1992, NJW 1993, 346 (Vornamensänderung aus Glaubensgründen). 593 So auch Stern, Bd. III/2, S. 557, 575  ff. 594 BVerfG, Beschl. v. 7. März 1990, BVerfGE 81, 278 (292). 590

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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(2) Grundrechtskollisionen Im Rahmen der Begrenzungswirkung spielen zunächst die Grundrechte Dritter eine herausgehobene Rolle.595 Die Kollision der Grundrechte zweier Grundrechtsträger ist zwar plastisch vorstellbar, erfordert jedoch aus grundrechtsdogmatischer Sicht einen gewissen Begründungsaufwand.596 Nach herkömmlicher Auffassung gelten nämlich die Grundrechte nicht unmittelbar zwischen Privaten, sondern haben primär eine abwehrrechtliche Dimension gegenüber Beeinträchtigungen des Grundrechtsträgers durch die staatliche Gewalt (Art.  1  Abs.  3  GG).597 Dieser Aspekt bleibt häufig gänzlich unbeachtet, wenn es darum geht, mit einem vorbehaltlos gewährleisteten Grundrecht kollidierende Rechtsgüter zu identifizieren.598 Nicht jede faktische Kollision von Interessen verschiedener Bürger stellt auch eine Kollision ihrer Grundrechte dar.599 Damit das Grundrecht des muslimischen Bauherrn auf Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG in ein Verhältnis (echter) Grundrechtskollision600 zu den Grundrechten eines anderen treten kann, muss den Grundrechten des Dritten über ihre abwehrrechtliche Dimension hinaus ein normativer Gehalt zukommen.601 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung kann zwar weder auf die Probleme der Grundrechtskollision allgemein noch auf die Frage nach der Drittwirkung der Grundrechte eingegangen werden; insoweit sei u. a. auf die Arbeiten von Bethge, Blaesing602, Preu603 und Schmidt-Preuß verwiesen. Jedoch soll die Problematik nicht unerwähnt bleiben. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Grundrechte neben ihrer primären Zielsetzung als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat auch eine objektiv-rechtliche Komponente604 beinhalten, indem sie auf das Verhältnis zwischen Privaten ausstrahlen und dadurch auch im Verhältnis der Bürger zueinander mittelbare Wirkung erlangen. Aus der Schutzpflicht des Staates für die Durchsetzung der Grundrechte Dritter kann sich im Einzelfall durchaus die Legitimation für einen Eingriff in ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht wie der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG ergeben.605

595

Sachs, in: Sachs, vor Art. 1, Rn. 129. So zutreffend Misera-Lang, S. 146; kritisch hierzu Poscher, S. 198 ff. 597 Dazu ausführlich Blaesing, S. 54 ff.; Sachs, in: Sachs, vor Art. 1, Rn. 31 ff. 598 Das stellt auch Blaesing, S. 32 ff., fest; vgl. Clemens, in: Umbach/Clemens, Vor Art. 2 ff., Rn.  68.; Hammer, KuR  2000, 179 (182), zählt schlicht die im Baurecht realisierten Verfassungswerte auf; ebenso Kamp, S. 87 ff. 599 Hierzu ausführlich Poscher, S. 198. 600 Vgl. dazu Stern, Bd. III/2, S. 615. 601 Sachs, in: Sachs, vor Art. 1, Rn. 129. 602 Blaesing, insbes. S. 57 ff. 603 Preu, passim, insbesondere S. 68 ff. 604 Mit Kritik an dieser Bezeichnung Sachs, in: Sachs, vor Art. 1, Rn. 28 f., 31. 605 Misera-Lang, S. 322. 596

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

(3) Unechte Grundrechtskollisionen Treffen andere Verfassungsbestimmungen als Grundrechte mit einem (vorbehaltlos gewährleisteten) Grundrecht zusammen, spricht man von einer sog. unechten Grundrechtskollision.606 Dabei kann schon die generelle Eignung der sonstigen Verfassungsbestimmungen zur Grundrechtsbegrenzung zweifelhaft sein.607 Dies gilt insbesondere für bundesstaatliche Kompetenzbestimmungen sowie die Verfassungsstrukturprinzipien des Art. 20 GG und anderer Staatsziele.608 Ob diese Verfassungsbestimmungen geeignet sind, das Grundrecht auf Religionsfreiheit einzuschränken, soll jedoch nicht im Voraus abstrakt, sondern wiederum im Rahmen der Prüfung der verfassungsrechtlichen Verankerung des jeweils identifizierten Belangs beantwortet werden. cc) Einfachgesetzliche Umsetzung des Belangs Da auch die verfassungsimmanenten Grundrechtsschranken, wie dargestellt, in einem Gesetz konkretisiert sein müssen,609 sollen in einem weiteren Schritt die­ jenigen Normen gefunden werden, in denen das entgegenstehende Rechtsgut im einfachen Recht verkörpert ist und somit der Genehmigung eines Bauvorhabens entgegensteht oder entgegengehalten wird. dd) Güterabwägung/Auflösung des Normkonflikts Sollte die Prüfung ergeben, dass der identifizierte Belang eine zulässige verfassungsimmanente Schranke darstellen kann und es durch die Anwendung der diesen Belang verkörpernden baurechtlichen Vorschriften wirklich zu einem Normkonflikt kommt, ist im konkreten Einzelfall eine umfassende Güterabwägung zwischen dem Grundrecht der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG des muslimischen Bauherrn und dem kollidierenden Verfassungsrechtsgut vorzunehmen.610 Diese Abwägung, die alle abwägungserheblichen Umstände der individuellen Konfliktsituation berücksichtigen muss, kann zwar grundsätzlich nicht abstrakt und losgelöst von einem konkreten Einzelfall vorgenommen werden.611 Bei Beobachtung der Moscheebaukonflikte der letzten Jahre fällt jedoch auf, dass in den meisten Fällen 606

Blaesing, S. 4 ff.; Stern, Bd. III/2, S. 617. Sachs, in: Sachs, vor Art. 1, Rn. 130. 608 Dazu sehr ausführlich Stern, Bd. III/2, S. 552. 609 Clemens, in: Umbach/Clemens, vor Art. 2 ff., Rn. 70. 610 Vgl. Voßkuhle, der von dem „schwierigen Lösungsweg einer verfassungsunmittelbaren Verfassungsgüterabwägung“ spricht, BayVBl 1995, 613 (618). 611 Anders Muckel, Letztentscheidung, S. 237 ff., 242 f., der sich gegen konkret-individuelle Interessenabwägungen und für abstrakt-generalisierende Güterabwägungen ausspricht; ebenso Bethge, S. 272 ff. 607

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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in den verschiedenen Städten und Gemeinden jeweils dieselben Argumente gegen die muslimische Kultstätte vorgebracht und durch deren Bau dieselben gegenläufigen Interessen als berührt angesehen wurden. Dennoch hat sich bislang keines der mit einem Moscheebaukonflikt befassten Gerichte letztlich um eine abstrakte Vorrangentscheidung bemüht oder wenigstens Maßstäbe zur Be­urteilung von Konflikten zwischen der Religionsfreiheit und anderen Verfassungsrechtsgütern gesetzt. Damit liegen die Gerichte zwar auf einer Linie mit dem Bundesverfassungsgericht, welches in der Regel ebenfalls keine abstrakten Vorrangentscheidungen aufstellt, sondern sich auf die jeweils zu entscheidende Problematik beschränkt.612 Allerdings sind in anderen ähnlich gelagerten Konfliktbereichen, wie etwa der Bau- oder Straßenkunst, durchaus Leitlinien entwickelt worden, welche die Entscheidung von Einzelfällen erleichtern können. Deshalb soll in einem vierten Schritt eine abstrakt-generalisierende Güterabwägung zwischen der Religionsfreiheit des muslimischen Bauherrn und dem identifizierten kollidierenden Verfassungsrechtsgut versucht werden. Diese kann selbstverständlich den mit dem einzelnen Moscheebaukonflikt befassten staatlichen Entscheider nicht davon entbinden, die konkreten Umstände des zu entscheidenden Falls zu ermitteln und angemessen zu gewichten, vermag aber hoffentlich Leitlinien für das Spannungsverhältnis zwischen vorbehaltlos gewährleisteter Religionsfreiheit und dem einfachen Baurecht aufzuzeigen und Kriterien aufzustellen, welche die Konfliktlösung im Einzelfall erleichtern können und vielleicht durch Bildung von Fallgruppen613 zu einer einheitlicheren Lösung der Moscheebaukonflikte beitragen. In diesem Zusammenhang muss schließlich im Rahmen einer Güterabwägung auch danach differenziert werden, ob der kollidierende Verfassungswert dem Bau der muslimischen Kultstätte insgesamt oder nur deren konkret geplanter Größe oder Bauweise entgegensteht. 2. Kollidierende Verfassungsrechtsgüter a) Konflikte mit den Nachbarn einer Moschee aa) Kollisionslage Am meisten vom Bau einer muslimischen Kultstätte betroffen sind in der Regel die Nachbarn des Vorhabens. Aus deren Reihen kommt häufig zuerst Kritik an dem geplanten Bau; gelegentlich schließen sich Anwohner sogar zu Bürgerinitiativen gegen den Bau einer muslimischen Kultstätte zusammen, um ihrem Widerstand gegen das geplante Vorhaben Ausdruck zu verleihen.614 Die von den An­ 612 Sachs, in: Sachs, vor Art. 1, Rn. 123 f.; so auch Blaesing, der schon 1974 einen allgemeinen Abwägungsmaßstab forderte, S. 35. 613 Vgl. dazu Muckel, Letztentscheidung, S. 246 f. 614 Vgl. etwa die Moscheekonflikte im bayerisch-schwäbischen Wertingen und in Berlin-Pankow. Mittlerweile existiert sogar ein Bundesverband solcher Bürgeriniativen gegen Moscheebauten; URL: www.buergerbewegung-pax-europa.de (Stand: 17. Mai 2010).

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

wohnern der geplanten Kultstätte geäußerten Bedenken gegen das Bauvorhaben lassen sich im Wesentlichen in zwei Gruppen unterteilen: Die erste Gruppe bilden konkrete, praktische Befürchtungen der Nachbarn zur Verschlechterung der Wohnqualität.615 In diesem Zusammenhang befürchten die Nachbarn beispielsweise, sie würden durch den Bau einer muslimischen Kultstätte wegen der dort verkehrenden Besucher und einem gegebenenfalls zu erwartenden Muezzinruf zusätzlichen Lärmimmissionen ausgesetzt oder müssten wegen des mit einer Moschee verbundenen Verkehrsaufkommens mit einer verschlechterten Parkplatzsituation in ihrem Wohnumfeld rechnen.616 Die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Argumente und Bedenken weisen keine wesentlichen Unterschiede zu Einwänden auf, die bei ggf. lärm- oder verkehrsintensiven nicht-sakralen Bauvorhaben üblicherweise aus der Nachbarschaft laut werden.617 Die zweite Gruppe der Argumente der Anwohner eines Moscheevorhabens gegen die geplante Kultstätte kann als im weitesten Sinne kulturell-religiös eingestuft werden. Häufig ist aus den Reihen der Nachbarn zu hören, der geplante islamische Sakralbau passe weder nach der Art der Nutzung als muslimische Kultstätte noch im Hinblick auf Baustil und Größe in das Umfeld, etwa weil im Baugebiet keine oder nicht viele Muslime wohnten618 oder weil die geplante Bauweise als „fremd“ und daher unpassend oder überdimensioniert empfunden wird.619 Immer wieder stellt die Größe der geplanten islamischen Kultstätte insgesamt oder die Höhe eines Minaretts den Stein des Anstoßes dar, da eine besonders große oder repräsentative Moschee als „islamische Provokation“ oder Machtdemonstration empfunden wird.620 In diese zweite Kategorie der Bedenken gegen den Bau einer muslimischen Kultstätte fällt auch die häufig geäußerte Sorge, der Bau einer Moschee bilde den Anfang einer Islamisierung oder Ghettoisierung des Wohnumfelds oder gar der ganzen Stadt oder Republik, mit der ein massiver Wertverlust des eigenen Grundstücks verbunden sei und die eigene christlich-westliche Identität gefährdet werde621. Zudem befürchten viele Anwohner, der Bau einer Moschee könnte ein radikal-islamistisches Umfeld oder im Gegenzug gewalttätige 615

Vgl. auch Oebbecke, in: Robert/Konegen, S. 275. Vgl. zur Stellplatzproblematik etwa VGH Mannheim, Beschl. v. 10. Januar 2008, Az. 3 S 2773/07 sowie VG Gelsenkirchen, Urt. v. 7.9.2005, Az. 10 K 5015/02; beide veröffentl. bei juris. 617 Leggewie, in: Sommerfeld, S. 227. 618 So die Argumentation der Moscheegegner in Pankow-Heinersdorf, vgl. Mielke, Michael (2008): Allahs Architektin und ihre Moschee für Pankow, in: Berliner Morgenpost online, 10.  August  2008; URL: http://www.morgenpost.de/printarchiv/berlin/article205470/Allahs_ Architektin_und_ihre_Moschee_fuer_Pankow.html. 619 Frigelj,  Kristian (2008): Kölner Moschee wird kleiner als geplant, in: Berliner Morgenpost Online, 20.  Dezember 2008; URL: http://www.morgenpost.de/politik/article704654/­ Koelner_Moschee_wird_kleiner_als_geplant.html?print=yes. 620 Reimann, Anna (2007), Umstrittener Moscheebau. Die zwei Welten von Köln, Spiegel online, 16. Juni 2007; URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,488987,00.html. 621 Vgl. die Protesterklärung der Bürgerbewegung in Pankow-Heinersdorf (IPAHB), URL: http://ipahb.de/index-Dateien/Page598.htm, Stand: 2. November 2010. 616

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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(rechtsradikale)  Moscheegegner anziehen und damit die Gefahr von Brandanschlägen oder sonstigen Ausschreitungen erhöhen.622 Im Zusammenhang mit türkischen Einrichtungen, wie etwa der DITIB, wird gelegentlich die Sorge geäußert, diese könnten künftig, vor allem wegen des Näherrückens der Türkei an die Europäische Union, verstärkt ins Visier islamistischer Attentäter geraten.623 Dabei zeigt die Praxis, dass die dargestellten Bedenken der zweiten Gruppe in der Regel nicht nur bei den unmittelbaren Nachbarn einer geplanten muslimischen Kultstätte, sondern auch bei der übrigen Bevölkerung bestehen. Soweit die gegen eine geplante islamische Kultstätte angeführten Sorgen und Argumente der Anwohner sich nicht als Individualinteressen darstellen und in unmittelbarem Zusammenhang mit der räumlichen Nähe zu dem Bauvorhaben stehen, sondern sich vielmehr allgemein gegen den Islam oder den Bau muslimischer Kultstätten richten, sollen diese erst unter IV. 2. c) als kollidierende Interessen der Allgemeinheit behandelt werden. Insoweit sind die Nachbarn einer geplanten Moschee nicht anders gestellt als sonstige Bürger des Ortes, in dem die islamische Kultstätte gebaut werden soll und die dadurch mit ihr in Berührung kommen. bb) Verfassungsrang der berührten gegenläufigen Belange (1) Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (Eigentumsgarantie) Im Rahmen des Nachbarschutzes drängt sich bei der Suche nach einer verfassungsrechtliche Verankerung der nachbarlichen Belange Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geradezu auf. Als Grundrecht eines Dritten wäre die Eigentumsgarantie in jedem Fall eine zulässige verfassungsimmanente Schranke der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG, da die Begrenzungstauglichkeit von Grundrechten unbestritten sein dürfte.624 Der Bau eines sakralen Gebäudes stellt auf den Bauherrn bezogen, wie bereits erläutert, nicht nur eine Ausübung des Grundrechts auf Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG, sondern gleichzeitig auch das Gebrauchmachen von der in Art.  14 Abs.  1  Satz  1  GG gewährleisteten Eigentumsfreiheit in Form der Bau­ freiheit625 dar. Die Eigentumsgarantie unterliegt jedoch gemäß Art. 14 Abs. 2 GG der Sozialbindung. Jedes Baugeschehen findet nicht isoliert von der Umwelt statt, 622

Ebenda. Dass diese Sorge durchaus ihre Berechtigung hat, zeigt der Brandanschlag auf das Privathaus des Pankower CDU-Kreisvorsitzenden Rene Stadtkewitz, der sich mehrfach öffentlich gegen den Bau der Moschee in Pankow-Heinersdorf ausgesprochen hatte; vgl. Lee, ­Felix (2006): Anschlag auf das Haus von Politiker, in: die tageszeitung, Nr. 8045, 11. August 2006, S. 23; vgl. zu den Befürchtungen der Nachbarn auch Hüttermann, S. 61. 623 Zu dieser Befürchtung bzgl. türkischer diplomatischer Einrichtungen vgl. Wittinger, DVBl 2005, 17 (18). 624 Statt vieler Sachs, in: Sachs, vor Art. 1, Rn. 129. 625 Zur Baufreiheit vgl. Cheng, S. 94 ff.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

sondern ist eingebunden in die nähere oder weitere Umgebung des Baugrundstücks. Aus dieser sog. Situationsgebundenheit folgt, dass bei keiner baulichen Nutzung eines Grundstücks die Verhältnisse der Umgebung unberücksichtigt bleiben dürfen.626 Dies gilt umso mehr, als im Rahmen der Grundrechtsausübung durch Bodennutzung für die anliegenden Grundstücke keinerlei Ausweichmöglichkeit besteht,627 sie sich also nicht der Grundrechtsausübung durch den muslimischen Bauherrn entziehen können. Da der Kultstättenbau nahezu zwangsläufig die Rechtssphäre der Nachbarn berührt, ihm also mindestens im gleichen Maße wie jedem anderen Bauwerk ein gewisser gesellschaftlich-sozialer Bezug immanent ist, finden die grundstücksbezogenen Nachbarbelange unabhängig von ihrer (gerichtlichen) Geltendmachung im Einzelfall auch bezüglich des muslimischen Kultstättenbaus ihre verfassungsrechtliche Verankerung grundsätzlich in Art.  14 Abs. 1 Satz 1 GG.628 Freilich gilt Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht unmittelbar im Verhältnis des Moscheebauherrn zu dessen Nachbarn. Durch den Bau einer muslimischen Kultstätte auf einem Nachbargrundstück erfolgt auch kein Grundrechtseingriff in das Eigentumsrecht der Nachbarn. Wie oben dargestellt, beinhalten die Grundrechte aber neben einer abwehrrechtlichen Komponente auch einen objektiv-rechtlichen Gehalt im Sinne einer Schutzpflicht des Staates zugunsten des Nachbarn als Eigentümer. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG kann in bestimmten Fällen Schutz vor indirekten staatlichen Beeinträchtigungen, wie etwa die Erteilung einer Baugenehmigung an einen Dritten, bieten, wenn diese für den Nachbarn als Drittbetroffenen nachteilige Wirkungen hat.629 Insoweit ist zunächst zu klären, inwieweit der Bau einer muslimischen Kultstätte den Nachbarn in seinem Grundrecht auf Eigentumsfreiheit überhaupt konkret treffen kann. Dazu müssen personaler und sachlicher Schutz­ bereich der Eigentumsfreiheit definiert werden. Fraglich ist zunächst, wer sich ggf. als Nachbar in diesem Sinne auf Art.  14 Abs. 1 Satz 1 GG berufen kann. Da es der Sache nach letztlich um baurechtlichen Nachbarschutz geht, soll in diesem Zusammenhang auf die baurechtliche Rechtsprechung und Literatur zum Nachbarbegriff zurückgegriffen werden. Nachbar in diesem Sinne ist nicht nur der unmittelbar angrenzende Grundstückseigentümer. Diesem sog. Angrenzer kommen zwar in den Bauordnungen einzelner Länder teilweise besondere (Verfahrens-)Rechte zu;630 für die Gewährung des Schutzes aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1GG ist jedoch ein materieller Nachbarbegriff maßgeb 626

Finkelnburg/Ortloff, S. 249. Preu, S. 159. 628 Dies gilt unabhängig davon, dass nach herrschender Meinung die Grundlage des gericht­ lichen Nachbarschutzes nicht in Art. 14 GG, sondern vielmehr im einfachen Recht zu suchen ist, vgl. Bethge, S. 22; Berkemann, in: Umbach/Clemens, Art. 14, Rn. 214, 404 m. w. N.; vorliegend geht es gerade um die verfassungsrechtliche Verankerung der entgegenstehenden Belange. 629 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 14, Rn. 32. 630 Vgl. etwa Art. 66 BayBO. 627

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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lich.631 Entscheidend ist vielmehr der jeweilige Einwirkungsbereich des Vorhabens, der sich im Einzelfall nach der Art und Intensität der zu erwartenden Beeinträchtigung durch das geplante Vorhaben richtet.632 Ob jemand Nachbar einer muslimischen Kultstätte ist, hängt demnach unabhängig von dem Kriterium räumlicher Nähe davon ab, inwieweit er konkret von der geplanten Moschee in seiner Grundstückssituation betroffen ist. Insoweit kann durchaus auch der Eigentümer eines im Gebiet des geplanten islamischen Sakralgebäudes befindlichen Grundstücks Nachbar im baurechtlichen Sinne sein, wenn das Bauvorhaben etwa den Charakter des gesamten Gebiets zu verändern in der Lage ist. Angesichts des großen Kreises derer, die sich erfahrungsgemäß durch eine geplante Moschee „betroffen“ fühlen, ist jedoch Vorsicht bei der Bestimmung des Kreises der im Baurecht privilegierten und verfassungsrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG abgesicherten Nachbarn geboten. Die politisch-sozialen Implikationen einer geplanten muslimischen Kultstätte mögen häufig weit über die angrenzenden Grundstücke hinaus reichen; das alleine macht jedoch nicht jeden irgendwie betroffenen Bürger zum Nachbarn. Entscheidend ist die grundstücksbezogene, nicht die persönliche Be­ einträchtigung durch die geplante Moschee. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass sich im Bereich des baurechtlichen Nachbarschutzes nur der jeweilige zivilrechtliche Eigentümer oder ein in eigentumsähnlicher Weise dinglich Berechtigter eines benachbarten Grundstücks überhaupt auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berufen kann.633 Lediglich obligatorisch Berechtigte, wie insbesondere Mieter und Pächter, können ihre Interessen im Bereich des baurechtlichen Nachbarschutzes nicht auf Art. 14 Abs. 1, 2 GG stützen.634 Allerdings schützt Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht jede Art nachbarschaftlicher Interessen, so dass nicht jeder Einwand eines im Einflussbereich einer geplanten Moschee wohnenden Grundstückseigentümers eine klärungsbedürftige Kollision zwischen Art. 4 Abs. 1, 2 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG auszulösen vermag. In erster Linie garantiert Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG in Bezug auf das Grundeigentum den Bestand des Grundstücks in dessen Substanz. In diese greift ein Bauwerk in der Nachbarschaft nicht ein, da durch die Errichtung eines Bauwerks auf einem benachbarten Grundstück kein unmittelbarer Eingriff in die Eigentumsrechte des Nachbarn erfolgt. Art.  14 Abs.  1  Satz 1  GG schützt jedoch auch vor mittel­baren Eingriffen durch die Nutzung benachbarter Grundstücke,635 garantiert 631

Finkelnburg/Ortloff, S. 266. Hahn/Schulte, S. 19 f.; Rn. 49 ff. 633 Hahn/Schulte, S. 9, Rn. 22; Battis/Krautzberger/Löhr, § 31, Rn. 94 f. 634 BVerwG, Urt. v. 11. Mai 1989, BVerwGE 82, 61 ff. = NJW 1989, 1163 (1167); Finkelnburg/Ortloff, S. 267; i.E. zustimmend Preu, S. 172 ff.. Dies gilt unabhängig davon, dass das Bundesverfassungsgericht dem Mieter gegenüber dem Vermieter ein durch Art.  14  GG geschütztes Recht zugestanden hat, vgl. BVerfG, Beschl.  v.  28.  März  2000, NJW  2000, 2658 (2659).; a. A. wohl Berkemann, in: Umbach/Clemens, Art. 14, Rn. 215; ausführlich zum Meinungsstreit Hahn/Schulte, S. 12, Rn. 32 ff. 635 Kapell, S. 218. 632

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

aber wegen der situationsgebundenen Sozialgebundenheit des Grundeigentums nicht ohne Weiteres, von der Nachbarschaft ungeliebter oder gar störender Anlagen verschont zu bleiben.636 Die Zulassung einer Änderung der Nutzung eines benachbarten Grundstücks führt in aller Regel nicht zu einer unzulässigen Beeinträchtigung des durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentums.637 Voraussetzung einer solchen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG relevanten mittelbaren Eigen­ tumsbeeinträchtigung638 des Grundstücksnachbarn einer geplanten Bebauung ist, dass durch das geplante Vorhaben die eigene Grundstückssituation nachhaltig verändert und er dadurch schwer und unerträglich getroffen wird.639 Ein Indiz für eine schwere und unerträgliche Betroffenheit kann z. B. eine erhebliche Wertminderung darstellen.640 Insoweit sind die unter aa) identifizierten nachbarlichen Interessen grundsätzlich von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt.641 Soweit allerdings daraus, dass durch den Bau eines benachbarten Gebäudes keine schwere und unerträgliche Betroffenheit des Nachbarn in seiner Eigentumsgarantie entsteht, geschlossen wird, Art. 14 Abs. 1 GG könne insoweit kein kollidierendes Verfassungsrecht für die Religions- oder Kunstfreiheit642 des Bauherrn darstellen, greift diese Auffassung zu kurz. Die aus Art.  14  Abs.  1  GG resultierende Eigentumsgarantie der Nachbarn bildet letztlich die Grundlage für die nachbarschützenden Bestimmungen des einfachen Baurechts.643 Insoweit kann die Eigentumsgarantie der betroffenen Nachbarn aus Art. 14 Abs. 1 GG als kollidierendes Verfassungsrecht im Fall des Kultstättenbaus die Religionsfreiheit des Bauherrn aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG theoretisch einschränken, wenn sie jeweils in der einzelnen, den Kultstättenbau verhindernden oder auch erschwerenden Norm verkörpert ist. Die Kategorie der schweren und unerträglichen Betroffenheit wurde von den Gerichten als Ausnahmefall angesehen, in welchem sich der Nachbar unmittelbar auf Art. 14 Abs. 1 GG stützen kann und seine Rechte nicht auf eine Norm des einfachen Baurechts gründen muss. Es stellte einen unzulässigen Zirkelschluss dar, ginge man davon aus, dass nur im Fall schwerer und unerträglicher Betroffen-

636

BVerfG, Beschl. v. 30. November 1988, BVerfGE 79, 174 (198); Berkemann, in: Umbach/ Clemens, Art. 14, Rn. 405. 637 H. M., vgl. BVerwG, Urt. v. 14. April 1978, NJW 1979, 995 (996); BGH, Urt. v. 20. März 1975, BGHZ  64, 220 (230); ders., Urt.  v.  28.  Juni  1984, BGHZ  92, 34 = NJW  1984, 2516 (2517); Wendt, in: Sachs, Art. 14, Rn. 46. 638 Diese erfolgt i. d. R. durch die staatliche Genehmigung der Kultstätte in der Nachbarschaft. 639 BVerwG, Urt.  v.  13.  Juni  1969, BVerwGE  32, 173 = NJW  1969, 1787 (1789); dass., Urt. v. 25. Februar 1977, BVerwGE 52, 122 ff. = NJW 1978, 62. 640 BVerwG, Urt. v. 25. Februar 1977, BVerwGE 52, 122 ff = NJW 1978, 62. 641 So auch Hammer, KuR 2000, 179 (182). 642 Diesen Eindruck erweckt Kapell, S. 217 ff., die allerdings von der Frage ausgeht, inwieweit in baugestalterischen Vorschriften kollidierendes Verfassungsrecht zu Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verkörpert ist. 643 Wenngleich mittlerweile die Ansätze für den Nachbarschutz im Baurecht weitestgehend direkt aus dem einfachen Recht abgeleitet werden. Vgl. IV 2. a) cc) (1).

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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heit überhaupt verfassungsrechtliche Werte des Nachbarn betroffen und damit im einfachen Recht verkörpert sein könnten.644 Inwieweit im Einzelnen das Eigentumsgrundrecht des Nachbarn aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gegenüber der Reli­ gionsfreiheit des muslimischen Bauherrn aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG zu berücksichtigen ist oder sich gar gegenüber dem Vorhaben durchzusetzen vermag, ist vom Ergebnis der durchzuführenden Güterabwägung zwischen den betroffenen Grundrechten abhängig. Festzuhalten ist, dass jedenfalls diejenigen Nachbarbelange, die sich auf die Grundstückssituation als solche beziehen, verfassungsrechtlich letztlich in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verankert sind.645 Jeder Betrachter einer Moschee wird mit deren baulicher Ausführung und Ästhe­tik konfrontiert. Handelt es sich um eine von außen als solche erkennbare Moschee, die über die klassisch islamischen Elemente wie Kuppel und Minarett(e) verfügt, wird der Betrachter einer ihm zumeist fremden Optik ausgesetzt. Im Gegensatz zu einem Passanten, der sich im Regelfall ohne Weiteres jederzeit von der Moschee entfernen kann, muss ein Anwohner, sei er Eigentümer oder Mieter, den Anblick des ihm fremdländisch anmutenden Gebäudes ständig zwangsläufig „ertragen“.646 Man könnte aus diesem Grunde daran denken, einem Moscheegegner verfassungsrechtlich verankerten Verunstaltungsschutz gegen den Bau eines Gebäudes zuzugestehen, das er subjektiv als hässlich oder unerträglich empfindet.647 Fraglich ist in diesem Zusammenhang, inwieweit neben wirtschaftlichen auch ästhetische Interessen des Nachbarn von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt sind. Unstreitig dürfte sein, dass die ästhetische Gestaltung einer baulichen Anlage den optischen Eindruck benachbarter Gebäude beeinflussen kann.648 Allerdings ist die daraus entstehende Beeinträchtigung nicht objektivier- und messbar, da sie in erster Linie vom subjektiven Empfinden des jeweiligen Betrachters oder Nachbarn abhängt. Darüber hinaus ist der Geschmackswandel auf dem Grundstücksmarkt von nicht zu unterschätzender Bedeutung: Infolge veränderter ästhetischer (oder auch politischer) Ansichten kann die Nähe zu einer Moschee im orientalischen Stil, welche den Grundstückswert derzeit vielleicht negativ beeinflusst, in der Zukunft vielleicht wertsteigernd wirken. Über Art. 14 GG kann eine ästhetische Beeinträchtigung des Nachbarn allenfalls dann geltend gemacht werden, wenn sich diese messbar in einer erheblichen Wertminderung des Nachbargrundstücks realisiert.649 Es ist jedoch praktisch kaum vorstellbar, dass eine benachbarte muslimische Kultstätte aus ästhetischen Gründen eine derartige wirtschaftliche Auswirkung auf die Nachbargrundstücke haben kann. Die ästhetischen Belange 644

So aber offenbar auch Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (620). Bethge, S. 22.; Hammer, KuR 2000, 179 (182); a. A. wohl Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (620). 646 Kapell, S. 208 f. 647 Betont sei ausdrücklich, dass die Einordnung einer typisch osmanischen Moschee als „hässlich“ nicht der persönlichen Meinung der Verfasserin entspricht. 648 Kapell, S. 218. 649 Kamp, S. 90; Kapell, S. 218. 645

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

des Nachbarn einer Moschee finden deshalb keine verfassungsrechtliche Verankerung in Art. 14 GG.650 (2) Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) Soweit die Nachbarn einer geplanten muslimischen Kultstätte befürchten, durch deren Bau und Betrieb Belästigungen durch zusätzlichen Straßenverkehr oder Lärmimmissionen ausgesetzt zu sein, handelt es sich dabei um Bedenken, welche die körperliche Unversehrtheit der Anwohner betreffen. Durch etwaigen An- und Abfahrtsverkehr zu einer Moschee entstehen, wie auch sonst im Straßenverkehr, Emissionen, z. B. durch Kohlendioxid und Feinstaub. Darüber hinaus ist sowohl mit dem An- und Abfahrtsverkehr zu einem sakralen Gebäude als auch mit dessen Betrieb stets Lärm verbunden, unabhängig davon, ob im Einzelfall für das konkrete muslimische Bauvorhaben ein Muezzinruf geplant ist. Mittlerweile dürfte unbestritten sein, dass Lärm konkrete körperliche Auswirkungen auf den menschlichen Körper hat und deshalb eine unmittelbare Beeinträchtigung von Gesundheit (und in Extremfällen Leben) mit sich bringt. Da Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG das Recht jedes Menschen auf Leben und körperliche Unversehrtheit gewährleistet, erfahren die darauf gerichteten Interessen der Nachbarn – wiederum über die Konstruktion der Schutzpflicht – verfassungsrechtlichen Schutz. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG kann folglich als Grundrecht der betroffenen Nachbarn eine zulässige Schranke der in Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleisteten Religionsfreiheit darstellen.651 Fraglich ist, inwieweit diejenigen Belange der Nachbarn in Art.  2  Abs.  2 Satz 1 GG verankert sind, die sich auf eine Furcht vor terroristischen oder rechtsradikalen Anschlägen im Umfeld der geplanten muslimischen Kultstätte gründen. Soweit die Nachbarn fürchten, in der Moschee träfen sich potentielle islamistische Attentäter, handelt es sich dabei um unspezifische Befürchtungen bezüglich der politischen Ausrichtung des muslimischen Bauherrn oder der sich in der Moschee versammelnden Gläubigen, die, wie dargestellt, nicht mit den Mitteln des Baurechts gelöst werden können. Insoweit liegt schon gar keine greifbare Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit der Nachbarn vor. Problematischer ist die Frage danach, ob sich die Nachbarn mit baurechtlichen Mitteln gegen potentielle Gewalttaten Dritter gegen ein muslimisches Sakral­ gebäude schützen können. Sollte es tatsächlich zu Übergriffen oder gar Anschlägen in unmittelbarer Nähe einer Moschee kommen,652 sind körperliche Unversehrtheit 650

A. A. Kamp, S. 90, die zwar die ästhetischen Interessen der Nachbarn als durch Art. 14 GG geschützt ansieht, jedoch zu Vorsicht bei der Einschränkung der Baukunstfreiheit mahnt. 651 Brümmer, S. 85. 652 Wie etwa bei den Brandanschlägen auf die Moscheen in Sinsheim/Baden-Württemberg im Jahre 2004 und in Sittensen/Niedersachsen im März 2008 sowie auf die Moschee-Baustelle in Berlin-Pankow im März 2007.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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und Leben der Nachbarn durchaus in Gefahr. Allerdings gehen in diesem Zusammenhang die Beeinträchtigungen der Nachbarschaft nicht von dem Betrieb der muslimischen Kultstätte, sondern vielmehr von Dritten aus. Zwar setzt die Moschee die causa für die Gefahrenlage insoweit, als sie etwaige Täter durch ihre bloße Existenz anlockt oder „provoziert“; ob solche Übergriffe den Grundrechtsträgern der Religionsfreiheit hingegen zugerechnet werden können und zur Einschränkung des Grundrechts aus Art.  4 Abs.  1,  2  GG taugen, erscheint höchst zweifelhaft. Da jedoch zunächst die verfassungsrechtliche Verankerung der nachbarlichen Belange zu prüfen ist und die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierende staatliche Schutzpflicht auch abstrakte Gefahren erfasst, soll die Frage der Wahrscheinlichkeit terroristischer Anschläge und die Begrenzungstauglichkeit dieses Belangs erst im Rahmen der Güterabwägung geklärt werden. Darüber hinaus ist versucht worden, in Art.  2  Abs.  2  Satz  1  GG eine verfassungsrechtliche Grundlage für nachbarschaftlichen Verunstaltungsschutz zu finden.653 Im Zusammenhang mit baulichen Verunstaltungen wird argumentiert, diese seien so unerträglich, dass das psychische Wohlbefinden und damit die Gesundheit des Betrachters beeinträchtigt seien. Folgte man dieser Ansicht, könnte Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht nur in Bezug auf Sicherheitsvorschriften oder Immissionen, sondern auch im Hinblick auf die ästhetische Gestaltung der muslimischen Kultstätte eine zulässige Schranke der in Art. 4 Abs. 1, 2 GG verkörperten Religionsfreiheit darstellen. So hat etwa das Bundesverwaltungsgericht die ebenfalls vorbehaltlos gewährleistete Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG in einer früheren Entscheidung unter Berufung auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG mit dem Hinweis eingeschränkt, es gehöre zu den staatlichen Aufgaben, einen Beitrag zum allgemeinen psychischen Wohlbefinden der Bürger zu leisten.654 Der Entscheidung ist zwar insoweit zuzustimmen, als die Erstreckung von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auf psychische Beeinträchtigungen dem Stand von Medizin und Sozialwissenschaft entspricht, die mittlerweile davon ausgehen, dass auch psychische Beeinträchtigungen sich stark auf den menschlichen Körper auswirken können655 und dass die Gestalt der baulichen Umgebung unmittelbare Folgen für das psychische Wohlbefinden hat.656 Im konkreten Fall der ästhetischen Beeinträchtigung durch ein Bauwerk ist das Gericht jedoch über das Ziel hinausgeschossen: Voraussetzung einer körperlichen Beeinträchtigung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist im Fall psychischer Eingriffe zumindest eine psychosomatische Reaktion, die mit körperlichen Schmerzen vergleichbar ist.657 Das bloße Wohlbefinden ist nicht durch Art.  2  Abs.  2  Satz  1  GG geschützt.658 Abgesehen von der Schwierigkeit, eine 653

Vgl. Namgalies, passim, insbes. S. 100 ff., 144 ff. BVerwG, Beschl. v. 13. April 1995, NJW 1995, 2648 (2649). 655 So auch Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (619). 656 Vgl. dazu Manssen, JuS 1992, L 62. 657 BVerfG, Beschl. v. 14. Januar 1981, BVerfGE 56, 54 = NJW 1981, 1655 (1656); Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2, Rn. 83. 658 Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (619). 654

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Verletzung des ästhetischen Empfindens objektivierbar zu machen, können die „Unlustgefühle“, die vielleicht beim Anblick einer als unästhetisch empfundenen Moschee beim Betrachter auftauchen, wohl kaum die Intensität körperlicher Beeinträchtigung erreichen, die für eine Gleichstellung mit echten körperlichen Eingriffen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG erforderlich sind.659 Vielmehr gehört die Konfrontation des Betrachters, auch des Nachbarn, mit unschönen oder gar abstoßenden Gebäuden zu den unvermeidbaren Alltagserfahrungen des modernen Menschen.660 Aus einer aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herrührenden Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit der Nachbarn kann demnach keine Beschränkung der Religionsfreiheit des muslimischen Bauherrn, etwa durch baugestalte­ rische Vorschriften, hergeleitet werden.661 Soweit die Bedenken der Nachbarn einer muslimischen Kultstätte den mit dieser zusammenhängenden zu erwartenden Lärm, Straßenverkehr oder die Gefahr terroristischer Anschläge auf die Moschee betreffen, finden sie ihre verfassungsrechtliche Verankerung in Art.  2 Abs.  2  Satz  1  GG. Aus dieser Vorschrift rührt die Pflicht des Staates, Leben und Gesundheit der Bürger zu schützen, Gefahren von diesen Rechtsgütern abzuwenden und präventiv zu minimieren.662 Im Gegensatz zu den aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG resultierenden Schutzinteressen können sich auf Art.  2 Abs.  2  Satz  1  GG sämtliche Nachbarn, mithin auch die nur obligatorisch berechtigten Mieter und Pächter, stützen. Im Rahmen der Auffindung verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter, welche der Religionsfreiheit im Baurecht ent­gegenstehen können, spielt zunächst die Intensität der körper­ lichen Beeinträchtigung durch Lärm oder Luftverschmutzung ebenso wenig eine Rolle wie die Wahrscheinlichkeit eines terroristischen Anschlags. Entgegen der Auffassung, die geringfügige, als unerheblich zu qualifizierende Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit nicht als Eingriffe in den Schutzbereich von Art.  2 Abs.  2  Satz  1  GG werten will663, trifft den Staat auch diesbezüglich eine Schutzpflicht, da gerade im Bereich der Umweltbeeinträchtigungen häufig gerade kaum merkliche Immissionen zu langfristigen Erkrankungen führen können.664 Der Grad der Beeinträchtigung gesundheitlicher Belange durch den Bau eines muslimischen Sakralgebäudes spielt erst im Rahmen der Güterabwägung eine Rolle.665

659

So auch Kapell, S. 207 m. w. N.; Koenig/Zeiss, Jura 1997, 225 (229); ebenso Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (619), der den zutreffenden Vergleich mit dem strafrechtlichen Maßstab für Körperverletzungen bringt. 660 Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (619). 661 So bezüglich der Kunstfreiheit auch Denecke, S. 74 f.; Kapell, S. 205 ff. m. w. N.; Schneider, S. 32 ff. 662 Wittinger, DVBl 2005, 17 (23). 663 Nachweise bei Murswiek, in: Sachs, Art. 2, Rn. 163; Sendler, UPR 1981, 1 (2). 664 In diesem Zusammenhang sei an die Feinstaub-Problematik erinnert. 665 So allgemein Murswiek, in: Sachs, Art. 2, Rn. 163.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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(3) Verankerung ästhetischer Belange in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG (Kunstfreiheit) bzw. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht) Zwar dürfte sich der Nachbar einer muslimischen Kultstätte, wie oben dargestellt, in der Regel nicht unter Berufung auf sein Eigentumsgrundrecht aus Art.  14  Abs.  1  Satz  1  GG oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gegen die konkrete bauliche Gestaltung der benachbarten Moschee wenden können; zu untersuchen ist aber weiterhin, ob sich der Schutz der ästhetischen Belange des Nachbarn aus anderen Verfassungsbestimmungen ergibt. Eine besondere Form des nachbarschaftlichen Verunstaltungsschutzes hatte das VG Berlin in einem Fall aus der Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 GG abgeleitet.666 Diese Entscheidung ist mit Blick auf die üblichen Moscheebau­konflikte jedoch insoweit nicht verallgemeinerungsfähig, als sie sich auf den Fall eines Kunstwerks auf Zeit, nämlich der sog. Reichstagsverhüllung durch die Künstler Christo und Jeanne-Claude bezog, welches mit einem geplanten weiteren, vom Magazin Stern gesponserten Kunstwerk, den sog. Rotunden, des Künstlers ­Yadegar Azizi kollidierte. Letztlich hat das Gericht eine Abwägung der Bedeutung beider künstlerischen Vorhaben vorgenommen und in deren Rahmen dem „benachbarten“ Kunstwerk, der Reichstagsverhüllung, gegenüber dem noch zu errichtenden Bauwerk, der Rotunde, den Vorzug eingeräumt. In aller Regel wird sich der Nachbar eines geplanten muslimischen Sakralgebäudes wohl nicht auf die Kunstfreiheit stützen können, um die Ästhetik seines eigenen Gebäudes zu schützen, da es sich dabei nur in den seltensten Fällen um Kunst im Sinne von Art. 5 Abs. 3 GG handeln dürfte. In Einzelfällen,667 etwa wenn eine osmanische Kuppelmoschee neben einem architektonisch und künstlerisch besonders bedeutsamen Gebäude errichtet werden soll, erscheint eine Beeinträchtigung des Wirkbereiches der in diesem benachbarten Bauwerk verkörperten Kunst theoretisch denkbar. Da sich insoweit sowohl der Architekt des Gebäudes als auch der Bauherr bzw. Eigen­ tümer auf Art. 5 Abs. 3 GG berufen können,668 kann sich aus der Kunstfreiheit im Einzelfall eine zulässige verfassungsimmanente Schranke der Religionsfreiheit ergeben, deren praktische Relevanz jedoch eher gering sein dürfte. Teilweise wird ein „Grundrecht auf Ästhetik“, auf das sich die Nachbarn einer ungewollten Moschee ggf. stützen könnten, auch aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1  GG abgeleitet.669 So will etwa Namgalies dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein subjektiv-öffentliches Recht des Einzelnen auf Stadtgestal 666

VG Berlin, Beschl. v. 26. Mai 1995, NJW 1995, 2650 (2651). Solche Fälle sind aus der Praxis, soweit ersichtlich, bislang nicht bekannt. 668 Moench/Schmidt, S. 55. 669 Nachweise zu dieser Ansicht finden sich bei Kapell, S. 210.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

tung entnehmen.670 Er entnimmt dies u. a. der Erkenntnis, dass die ästhetisch-sinnliche Gestalt der räumlichen baulichen Umgebung einen bedeutsamen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung habe.671 Durch ein als negativ empfundenes Stadtbild werde dem Bürger ein Teil seiner Selbstbestimmung genommen; er gerate in eine Objektsituation, in der seine Kommunikationsfähigkeit sowie letztlich seine gesamte kulturelle und soziale Existenz bedroht sei.672 Zuzustimmen ist dieser Ansicht insoweit, als im Bereich von Stadtplanung und Quartiersmanagement durchaus über die psychischen Auswirkungen des Stadtbilds auf den Menschen nachgedacht und mit Blick darauf versucht wird, städtebauliche Fehlentwicklungen in der Vergangenheit673 wiedergutzumachen und für die Zukunft zu verhindern. Die Gestaltung einer „menschenwürdigen Umwelt“674 ist ein wichtiges stadtplanerisches Ziel; ein subjektiv-öffentliches Recht des Nachbarn kann aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG jedoch nicht abgeleitet werden. Zum einen ist ein solches Recht angesichts der unterschiedlichen in der Gesellschaft vorhandenen ästhetischen Vorstellungen in keiner Weise konkretisierbar.675 Während Namgalies etwa Straßenschluchten, monotone Bauten, graue Farben und Monotonie als verunstaltend empfindet,676 scheinen die Planer bestimmter Viertel, für die Einheitlichkeit und Harmonie offenbar die höchste ästhetische Kategorie darstellen, diese Attribute nicht als negativ anzusehen. Ein absoluter ästhetischer Geltungsanspruch ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Zum anderen beinhaltet die Prämisse, der Mensch werde zum Objekt des als negativ empfundenen städtebaulichen Erscheinungsbilds, die Fehlvorstellung, der Betrachter werde durch die bauliche Umgebung jedes freien Willens beraubt.677 Namgalies Vorstellung verneint gänzlich die Möglichkeit des „Wegschauens“ und ist damit mit dem Bild eines modernen, selbstbestimmten Menschen unvereinbar. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Nachbar eines als unästhetisch empfundenen Gebäudes seine Interessen auf keine verfassungsrechtliche Grundlage zu stützen vermag. Weder Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG noch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 noch Art. 5 Abs. 3 GG oder Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG garantieren ein Recht auf persönliche Ästhetik oder Stadtgestaltung, welches mit dem Grundrecht des muslimischen Bauherrn auf Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG kollidieren könnte.

670

Namgalies, vgl. v. a. S. 142 ff. Namgalies, S. 144; dazu Schneider, S. 105. 672 Namgalies, v. a. S. 147, 153, 232 (These Nr. 3). 673 Wie etwa die teilweise trostlosen Plattenbausiedlungen in der früheren DDR. 674 Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (619); Manssen, Stadtgestaltung, S. 197. 675 Ablehnend auch Manssen, Stadtgestaltung, S. 195 f.; Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (619); Kapell, S. 210 ff. 676 Namgalies, S. 174 ff. 677 So zu Recht Kapell, S. 212 f. 671

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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cc) Einfachgesetzliche Verkörperung der festgestellten Verfassungsbelange (1) Vorbemerkung Zwar wurde bereits unter B.  II.  5.  a)  und B.  IV.  1.  c)  cc)  festgestellt, dass der dem Grundrecht aus Art.  4 Abs.  1,  2  GG entgegenstehende Verfassungsbelang grundsätzlich im einfachen Recht Verkörperung finden muss, um eine zulässige Schranke der Religionsfreiheit im konkreten Fall darzustellen. Im Bereich von Art.  14 Abs.  1  Satz  1  GG gilt dies umso mehr, als die herrschende Rechtsprechung der Verwaltungs- und Verfassungsgerichte davon ausgeht, dass ein von einem Bauvorhaben betroffener Nachbar nur ganz ausnahmsweise unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ein Abwehrrecht gegen das geplante Bauwerk ableiten kann, nämlich dann, wenn er durch das geplante Bauwerk in seiner Grundstückssituation schwer und unerträglich betroffen wird.678 Allerdings muss, wie dargestellt, das Eigentumsrecht des Nachbarn nicht schwer und unerträglich betroffen sein, um im einfachen Baurecht seine gesetzliche Verkörperung zu finden. Diejenigen baurechtlichen Vorschriften, in welchen das Eigentumsrecht des Nachbarn aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG seine einfachgesetzliche Umsetzung erfahren hat,679 sind insbesondere die drittschützenden Normen des Baurechts, auf die sich betroffene Nachbarn im Konfliktfall mit einer muslimischen Kultstätte berufen können. (2) Bauordnungsrechtliche Vorschriften zum Schutz von Nachbarrechten Eine Vielzahl von Vorschriften des Bauordnungsrechts stellt die einfachgesetz­ liche Verkörperung von Grundrechten der Nachbarn eines Bauvorhabens dar. Da das Bauordnungsrecht in erster Linie Bausicherheitsrecht ist, setzen die meisten Normen des Bauordnungsrechts insbesondere das Grundrecht des Nachbarn (sowie ggf. auch der Passanten oder Besucher eines Gebäudes) aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auf Leben und körperliche Unversehrtheit um.680 So beschäftigt sich etwa der gesamte dritte Teil der Bayerischen Bauordnung (Artt. 9 ff. BayBO) mit den technischen Anforderungen (z. B. in Bezug auf Statik, Wärme-, Schall- und Erschütterungsschutz, zulässige Bauprodukte sowie Brandsicherheit und Rettungswege), die aus Sicherheitsgründen an bauliche Anlagen zu stellen sind. Die sog. Stellplatzpflicht, d. h. diejenigen bauordnungsrechtlichen Vorschriften681, die vorgeben, dass bei Anlagen, bei denen Zufahrtsverkehr zu erwarten 678 BVerwG, Urt.  v.  13.  Juni  1969, BVerwGE  32, 173 = NJW  1969, 1787 (1788); dass., Urt. v. 26. März 1976, BVerwGE 50, 282 = NJW 1976, 1987 (1988); Petersen, S. 76. 679 A. A. Kapell, S. 220.; wie hier Brümmer, S. 86. 680 Brümmer, S. 85; Hammer, KuR 2000, 179 (182). 681 In Bayern Art. 47 BayBO.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

ist, PKW-Stellplätze in ausreichender Zahl, Größe und Beschaffenheit bereitzustellen sind, dient letztlich auch den durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Gesundheits- und Eigentumsinteressen der Nachbarn der Anlage, da damit insbesondere verhindert werden soll, dass diese einem erhöhten Lärm- und Immissionsaufkommen durch Parkplatzsuchverkehr ausgesetzt sind. Die Eigentumsinteressen werden insoweit geschützt, als für die Anwohner und ihre Besucher ausreichend Parkmöglichkeiten vorhanden sein sollen.682 Die in den Bauordnungen der Länder vorgegebenen Abstandsflächen dienen neben der Sicherheit der Nachbarn in erster Linie deren Interessen in Bezug auf Belichtung, Belüftung, Besonnung, Wohnfrieden und Aussicht. Insoweit handelt es sich bei Art.  6  BayBO um eine einfachgesetzliche Verkörperung nachbarlicher, durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützter Belange. Da, wie bereits erwähnt, die rein ästhetischen Belange der Nachbarn keine verfassungsrechtliche Grundlage haben, ist es nur folgerichtig, dass dem einfachgesetzlichen Verunstaltungsverbot683 keine drittschützende Wirkung zuerkannt wird. (3) Bauplanungsrechtliche Normen zur Verwirklichung der Nachbargrundrechte Im Gegensatz zum Bauordnungsrecht ist das Bauplanungsrecht nicht Teil des öffentlichen Sicherheitsrechts und verkörpert nicht auf den ersten Blick Nachbargrundrechte. Jedoch gibt es auch Vorschriften des Bauplanungsrechts, die auf einfachgesetzlicher Ebene das Eigentumsgrundrecht der Nachbarn eines geplanten Vorhabens verwirklichen. Dies gilt insbesondere für die drittschützenden Normen des Bauplanungsrechts.684 Nach der sog. Schutznormtheorie verleihen all diejenigen einfachgesetzlichen Vorschriften Nachbarrechte, die nicht nur öffentlichen, sondern zumindest auch den Interessen des Nachbarn zu dienen bestimmt sind.685 Insoweit ist jeweils im Konfliktfall spezifisch zu untersuchen, welchen Zweck die relevante, den Bau einer Moschee ggf. verhindernde Norm verfolgt, ob darin Nachbargrundrechte verwirklicht werden und es somit zu einem Normkonflikt zwischen dem Grundrecht der Religionsfreiheit und dem Eigentumsgrundrecht kommt. In diesem Zusammenhang ist auch das von der Rechtsprechung entwickelte sog. Rücksichtnahmegebot von entscheidender Bedeutung. Zwar handelt es sich 682 A. A. u. a. VGH Mannheim; Beschl. v. 10. Januar 2008, Az. 3 S 2773/07; veröffentl. bei ­juris, wobei offen bleiben kann, ob die Stellplatzpflicht als solche drittschützend ist. 683 Z. B. Art. 3 Abs. 1 Satz 3 BayBO. 684 Brümmer, S. 86. 685 Vgl. zur Schutznormtheorie allgemein Schmidt-Aßmann, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, Einl., Rn.  20; Wahl, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. zu § 42  Abs.  2, Rn. 94–97.

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dabei zunächst um ein objektiv-rechtliches Gebot. Dennoch können danach baurechtliche Bestimmungen ausnahmsweise drittschützend sein, wenn sich aus der betreffenden Norm ergibt, dass „in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen Dritter Rücksicht zu nehmen ist.“686 Ist das Rücksichtnahmegebot in der einzelnen Norm verankert, so hat im Einzelfall eine Abwägung zwischen den Interessen des Rücksichtnahmepflichtigen und des Rücksichtnahmebegünstigten zu erfolgen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vor­ haben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen.687 Im Gebiet eines qualifizierten Bebauungsplans sind v. a., ohne dass es des Rückgriffs auf das Rücksichtnahmegebots bedürfte, die Vorschriften über die Art der Nutzung drittschützend. Hinsichtlich von Festsetzungen über Maß der baulichen Nutzung oder Bauweise gilt eine differenzierte Betrachtungsweise. Teilweise wird solchen Festsetzungen kein Drittschutz zugebilligt. Gelegentlich wird darauf abgestellt, ob die Überschreitung des festgesetzten Baumaßes einen auch dem Nachbarn garantierten Gebietscharakter in Frage stellt.688 Wird einem Bauherrn eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans gemäß § 31 Abs. 2 BauGB zugebilligt, finden die Interessen des Nachbarn aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ihre einfachgesetzliche Verankerung in der „Würdigung nachbarlicher Interessen“ gemäß § 31 Abs. 2 BauGB. Dies gilt nach neuerer Rechtsprechung unabhängig davon, ob von einer nachbarschützenden Norm befreit werden soll.689 Bei Gewährung einer Ausnahme hingegen kommt eine Ver­ letzung von Nachbarrechten nur in Betracht, soweit von unmittelbar nachbar­ schützenden Vorschriften abgewichen werden soll.690 Im nicht qualifiziert überbeplanten, heterogenen Innenbereich finden die Nachbarrechte unter Einbeziehung des Rücksichtnahmegebots Berücksichtigung über den Begriff des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB. Der Nachbarschutz im Außenbereich erfolgt ebenfalls über das Rücksichtnahmegebot, welches nach allgemeiner Auffassung einen unbenannten öffentlichen Belang im Rahmen von § 35 Abs. 3 BauGB darstellt. Im Begriff der „schädlichen Umwelteinwirkungen“ gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB sind die nachbar­ lichen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verwirklicht. Schließlich verleihen die grundsätzlich für jedes Bauvorhaben anwendbaren Bestimmungen des Immissionsschutzrechts teilweise Nachbarschutz. So finden in § 3 BImSchG die Rechte des Nachbarn auf Gesundheit und körperliche Unversehrt­ heit ihre Verankerung in dem Begriff der „schädlichen Umwelteinwirkungen“. 686

BVerwG, Urt. v. 5. August 1983, BVerwGE 67, 339 (344). BVerwG, Urt. v. 25. Februar 1977, BVerwGE 52, 122 (126). 688 Oldiges in: Steiner, S. 558, Rn. 365 m. w. N. 689 Ebenda, S. 558, Rn. 377. 690 Manssen, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, 4. Teil, Rn. 529 f.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

dd) Abwägung (1) Normkonflikte zwischen Art. 4 Abs. 1, 2 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG In der Praxis wird bei Moscheebaukonflikten immer wieder über Sicherheitsvorschriften, wie z. B. Brandschutzvorschriften, gestritten. Soweit es hier zu einem Normkonflikt zwischen den Gesundheitsinteressen von Nachbarn, Besuchern oder Passanten und der Religionsfreiheit des Bauherrn kommt, ist dieser Konflikt in aller Regel zugunsten des Gesundheitsschutzes aufzulösen. Es ist nicht vorstellbar, inwieweit etwa die Nichteinhaltung von Sicherheitsvorschriften einen religiösen Bezug haben könnte, so dass eine Beeinträchtigung durch die Verweigerung einer Baugenehmigung allenfalls im Randbereich des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG stattfindet. Vorsicht ist jedoch insoweit geboten, als tatsächlich entgegenstehende Vor­ schriften, insbesondere des Bauordnungsrechts, nur vorgeschoben werden, um ein unerwünschtes muslimisches Sakralgebäude zu verhindern. Besonders häufig scheint dies mit Blick auf die Stellplatzpflicht vorzukommen, die vielen Moscheebauvorhaben im Weg zu stehen scheint.691 Im Sinne praktischer Konkordanz sollte in der Praxis stets nach Lösungen gesucht werden, die eine Errichtung der Moschee unter Einhaltung von Sicherheitsvorschriften ermöglichen. Dafür bieten sich entsprechende Auflagen in Baugenehmigungen an. Diese ermöglichen dem muslimischen Bauherrn die Grundrechtsausübung, sorgen jedoch gleichzeitig dafür, dass die sicherheitsrechtlichen Anforderungen an das Gebäude gewahrt werden. Gerade bei Kultstätten sollte großzügig vom Instrument der Auflage Gebrauch gemacht und eine vorschnelle Ablehnung des Vorhabens verhindert werden. Dies entspricht dem ohnehin anzuwendenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da eine Baugenehmigung mit Auflagen das mildere Mittel gegenüber einer Ablehnung darstellt. (2) Widerspruch gegen die Art der Nutzung Wie bereits dargestellt, kann sich der Nachbar einer geplanten Moschee im Gebiet eines qualifizierten Bebauungsplans sowie im unbeplanten homogenen Innenbereich auf den durch die Art der Nutzung vermittelten Drittschutz berufen. Der Nachbar hat einen Anspruch auf Bewahrung der Gebietsart vor artfremder, konfliktbegründender Bebauung.692 Insoweit übernehmen die typisierten Baugebiete der §§ 2 ff.  BauNVO die Funktion eines normativen Konfliktschlichtungs 691

Vgl. u. a. VG München, Urt. v. 12. Februar 2007, Az. M 8 K 06.3625; VG Düsseldorf, Urt. v. 23.8.2007, Az. 9 K 1672/05; beide veröffentl. bei juris; so auch Rösgen, Heribert (2006), Diffuse Angst und Parkplatzsorge, in: Kölner Stadtanzeiger, Nr. 58, 9. März 2006, S. 28. 692 BVerwG, Urt. v. 16. September 1993, BVerwGE 94, 151 = NJW 1994, 1546.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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programms.693 Zu einem Konflikt mit der Religionsfreiheit könnte es kommen, wenn eine Moschee in einem Gebietstyp errichtet werden soll, für den sie nicht vor­gesehen ist. Da Anlagen für kirchliche Zwecke jedoch in nahezu allen Gebietstypen der §§ 2 ff. BauNVO zulässig sind, dürfte dies in der Praxis selten sein. Praktische Relevanz könnte allenfalls die Ausnahme des § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO entfalten. Danach können in reinen Wohngebieten den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche Zwecke zugelassen werden. Immer wieder wird Moscheebauvorhaben vorgeworfen, die Moschee sei überdimensio­ niert und habe einen über das Gebiet hinausgehenden Einzugsbereich.694 Gelegentlich wird auch geltend gemacht, es lebten keine Muslime im betroffenen Gebiet.695 In diesen Fällen muss zwischen der Religionsfreiheit des Bauherrn und den geschützten Nachbarinteressen abgewogen werden. Abstrakt-generalisierend kann festgestellt werden, dass zwar einerseits der Eingriff in das Grundrecht der Religionsfreiheit eines muslimischen Bauherrn bei einem Bauverbot gewichtig ist; andererseits steht dem Grundstückseigentümer in einem reinen Wohngebiet das durch Art.  14 Abs.  1  Satz  1  GG geschützte Recht auf Bewahrung des Gebietscharakters zu. Reine Wohngebiete sollen dem ruhigen Wohnen vorbehalten sein; größere Anlagen, die Besucher aus anderen Gebieten anziehen und dadurch Verkehr und Lärm verursachen, sind gerade nicht zulässig. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass angesichts der bislang noch verhältnismäßig geringen Ausstattung mit Moscheen diese regelmäßig einen größeren Einzugsbereich aufweisen dürften als christliche Kirchen.696 Soweit eine Gesamtschau der Sachlage, insbesondere die geplante Größenordnung sowie die demographische Struktur des Gebiets ergeben, dass eine geplante Moschee keine „der Bevölkerung des Gebiets dienende Anlage“ im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO darstellt, ist eine Moschee im reinen Wohngebiet unzulässig. Die Religionsfreiheit des Bauherrn wird zulässigerweise beschränkt. Trotz ihrer generellen Zulässigkeit in den meisten Baugebietstypen der BauNVO kann eine Moschee im Einzelfall gemäß § 15 Abs.  1  BauNVO unzulässig sein, wenn sie im Einzelfall der Eigenart des Baugebiets widerspricht oder von ihr unzumutbare Belästigungen oder Störungen ausgehen. Bei der Frage nach dem Widerspruch gegen die Eigenart des Baugebiets ist neben der rechtlich zulässigen vor allem die bereits vorhandene Bebauung zu berücksichtigen. Die geplante Nutzung darf in ihrem Umfang nicht über das hinausgehen, was nach der Verkehrs­ anschauung im jeweiligen Baugebiet üblich ist.697 Ein Vorhaben kann insbeson 693

Koenig/Zeiss, Jura 1997, 225 (229). Vgl. Schmitt, S. 264. 695 Mielke,  Michael (2008): Allahs Architektin und ihre Moschee für Pankow, in: Berliner Morgenpost online, 10. August  2008; URL: http://www.morgenpost.de/printarchiv/berlin/article205470/Allahs_Architektin_und_ihre_Moschee_fuer_Pankow.html. 696 VG München, Beschl. v. 7. Juni 2005, Az. M 8 SN 05.1628, veröffentl. bei juris. 697 Zur Zulässigkeit eines Taubenhauses im reinen Wohngebiet VGH  Mannheim, Urt.  v. 17. November 1998, Az. 5 S 989/96, BRS 60 Nr. 65 (1998). 694

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

dere dann gebietsunverträglich sein, wenn es wegen seines räumlichen Umfangs und der Größe seines Einzugsbereiches, der Art der Betriebsvorgänge und der Intensität des Zu- und Abgangsverkehrs typischerweise geeignet ist, den Gebiets­ charakter zu stören.698 Vorstellbar ist der Fall, dass eine geplante Moschee wegen ihrer Dimension und ihres Einzugsgebiets als etwa einem Wohngebiet widersprechend angesehen wird. Dabei ist nicht jede Abweichung von der Gebietsart als Widerspruch im Sinne von § 15 Abs. 1 BauNVO anzusehen; vielmehr muss sich das Vorhaben als regelrechter Missgriff darstellen.699 Der aus Art.  14 Abs.  1  Satz  1  GG resultierende Anspruch der Nachbarn auf Gebietserhaltung muss mit dem Grundrecht auf Religions­freiheit des Bauherrn abgewogen werden. Bei den von einer Moschee ausgehenden Belästigungen oder Störungen handelt es sich in erster Linie um Lärmemissionen und erhöhtes Verkehrsaufkommen. Insoweit muss im jeweiligen Einzelfall eine Abwägung zwischen den schutzwürdigen Belangen der Nachbarn und der Religionsfreiheit des Bauherrn stattfinden. Einerseits sind im Fall von Lärm (z. B. durch An- und Abfahrtsverkehr) neben den Eigentumsrechten der Nachbarn auch deren Gesundheitsinteressen betroffen; andererseits ist der Bau einer Moschee ebenso wie deren Betrieb von Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützt, so dass Lärm oder andere Beeinträchtigungen, die von einer Kultstätte ausgehen, eher in Kauf genommen werden müssen als bei profanen Gebäuden. Darüber hinaus ist die (Geräusch-)Vorbelastung des Gebiets in die Abwägung einzustellen, die etwa in einem Mischgebiet deutlich höher ist als in einem reinen Wohngebiet.700 Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass die Betriebsemissionen einer Moschee vergleichsweise gering sind, der An- und Abfahrtsverkehr der Gläubigen jedoch, gerade bei Großmoscheen und wegen der zum Teil zu ruheschutzbedürftigen Tages- und Nachtzeiten stattfindenden Gebete, häufig von den Nachbarn als störend empfunden wird. Bei der anzustellenden Lärmprognose muss auch der Umstand berücksichtigt werden, dass nach der Lebenserfahrung nicht täglich und zu jeder Uhrzeit die maximale Besucherzahl erreicht wird und auch nicht jeder Moscheebesucher einen eigenen PKW benutzen wird.701 Insbesondere gilt dies für das zwischen Morgendämmerung und Sonnenaufgang zu verrichtende Morgengebet, welches von vielen, vor allem berufstätigen Muslimen, in der Regel nicht in der Moschee, sondern zu Hause verrichtet wird.702 Darüber hinaus muss in die Abwägung einfließen, dass der Normgeber der Baunutzungsverordnung sich bewusst für eine wechselseitige Nähebeziehung zwischen Wohnen und Einrichtungen für 698

VG Sigmaringen, Urt. v. 11. Juni 2008, NJOZ 2009, 647 (652). König/Roeser/Stock, § 15, Rn. 15. 700 VG München, Urt. v. 9. Juni 2005, Az. M 11 K 04.5113, veröffentl. bei juris. 701 BVerwG, Urt. v. 27. Februar 1992, NJW 1992, 2170 (2171); OVG Koblenz, Urt. v. 2. September 2009, Az. 8 A 10291/09.OVG, S. 12 der amtlichen Fassung (veröffentl. bei juris). 702 OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30. März 2007, Az. 2 N 249/05. 699

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kirchliche Zwecke entschieden hat. Daraus folgt, dass die typischerweise mit dem Betrieb einer Kirche oder Moschee verbundenen Beeinträchtigungen von der umliegenden Wohnbevölkerung hinzunehmen sind. Dies gilt auch für ein ggf. erhöhtes Besucheraufkommen an hohen Feiertagen.703 Anders als in der gerichtlichen Praxis häufig geübt, muss bei der Prüfung der Zumutbarkeit die Relevanz des Grundrechts aus Art.  4  Abs.  1,  2  GG erkannt und berücksichtigt werden. Ob es sich im Einzelfall durchzusetzen vermag, kann nicht abstrakt-generalisierend entschieden werden. Auf der Suche nach praktischer Konkordanz sind jedoch (z. B. über Auflagen zu Betriebszeiten, Einbau von Lüftungsanlagen und Schallschutzfenstern)704 gerade bei der Beurteilung von Immissionen Kompromisslösungen erstrebenswert. (3) Rücksichtnahmegebot Im unbeplanten Bereich ist der Nachbar gegenüber Beeinträchtigungen insgesamt weniger geschützt als im Plangebiet. Hier findet der Konflikt zwischen den Interessen und Rechten der Nachbarn einer muslimischen Kultstätte und denen des muslimischen Bauherrn in aller Regel im Rahmen der Prüfung des Rücksichtnahmegebots statt. Bei der (auch im Zusammenhang mit anderen, unmittelbar drittschützenden Vorschriften) vorzunehmenden Abwägung sind die Belange der betroffenen Nachbarn und die des Bauherrn gegenüberzustellen und zu gewichten. Der Vorwurf der Rücksichtslosigkeit einer geplanten Moschee kann in verschiedenen Erwägungen begründet sein. Zum einen ist in der Praxis bereits häufig vorgebracht worden, eine islamische Kultstätte sei wegen ihres „fremdländischen Aussehens“ rücksichtslos bzw. füge sich deshalb nicht ein.705 Darüber hinaus wird angeführt, eine Moschee sei rücksichtslos, weil sie der spezifischen Gebietsart widerspreche und eine negative Vorbildwirkung insoweit habe, als sie den Zuzug weiterer Muslime fördere.706 In diesem Zusammenhang steht auch die Befürchtung, durch eine geplante Moschee verschlechtere sich die Wohnqualität und es komme zu einer Wertminderung der benachbarten Grundstücke. Wie bereits dargestellt, wird schließlich gelegentlich von Nachbarn eines geplanten muslimischen 703

VG München, Beschl. v. 7. Juni 2005, Az. M 8 SN 05.1628, veröffentl. bei juris. Beispiele hierzu bei Zemke, S. 148; vgl. VG Berlin, Urt. v. 18. Februar 2009, Az. VG 19 A 355/04; VG München, Beschl.  v. 7. Juni 2005, Az. M 8 SN 05.1628, zitiert nach juris; vgl. auch den Fall VG Berlin, Urt. v. 7. November 2005, Az. VG 19 A 331/03 (unveröffentl.), in dem der Vorsitzende der betreffenden islamischen Gemeinde angeboten hatte, den Parkplatz der Moschee zur Nachtzeit zu sperren, um Lärmemissionen durch An- und Abfahrtsverkehr zu minimieren. 705 Wieshaider, in: Haratsch/Janz  u. a., S.  160; VG  Trier, Urt.  v.  9. August  2000, Az.  5  K 1432/99.TR unveröffentl., S. 6 der amtl. Fassung. 706 Vgl. Frigelj,  Kristian (2007): Angst vor einem kompletten Moscheeviertel, in: WELT ­ONLINE, 11. Juli 2007; URL: http://www.welt.de/politik/deutschland/article1019117/Angst_ vor_einem_kompletten_Moscheeviertel.html. 704

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Bauvorhabens eingewandt, dass (terroristische oder rechtsradikale) Anschläge auf die Moschee befürchtet würden und ein Moscheebauvorhaben insoweit rücksichtslos sei. Schließlich wird zur Begründung der Rücksichtslosigkeit häufig das erwartete Lärm- und Verkehrsaufkommen ins Feld geführt. Die Prüfung des Rücksichtnahmegebots und die zu erfolgende Abwägung haben sich im Wesentlichen an den konkreten Umständen des Einzelfalls zu orientieren. Es ist danach zu fragen, wie empfindlich und schutzwürdig jeweils die Stellung der Nachbarn einer geplanten Moschee ist, wie verständlich und unabweisbar die Interessen der muslimischen Bauherren sind und wie intensiv sich die Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange darstellt. Je mehr Gewicht den Interessen des Bauherrn zukommt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen. Erst wenn sich eine dem Nachbarn unzumutbare Situation ergibt, ist ein Vorhaben rücksichtslos. Im Fall eines geplanten Moscheebaus ist das Bauinteresse, wie gezeigt, mit Art. 4 Abs. 1, 2 GG von einem vorbehaltlos gewährleisteten Grundrecht geschützt. Die Interessen des Bauherrn sind umso schutzwürdiger, je näher sie am Kern­ bereich des Grundrechts sind. In der Praxis bedeutet dies, dass die Belange des Bauherrn von großem Gewicht sind, wenn es um die Art der Nutzung als Kultstätte insgesamt geht. Sind hingegen lediglich einzelne Modalitäten des Baus oder dessen Dimension betroffen, sind die Rechte des Bauherrn leichter überwindbar. Dem gegenüber stehen die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Interessen des Nachbarn. Das Grundrecht der Eigentumsfreiheit schützt in erster Linie die Substanz des Eigentums und dessen Benutzbarkeit. Maßstab der Beurteilung im Rahmen der Abwägung ist folglich stets, ob durch das Vorhaben die Nutzungsmöglichkeiten der nachbarlichen Grundstücke unzumutbar beeinträchtigt werden. In keiner Weise schutzwürdig sind in diesem Zusammenhang die Interessen der Nachbarn, die sich gegen die „Fremdheit“ einer Moschee oder deren Frequentierung durch ausländische Gläubige wenden. Dabei handelt es sich nicht um Interessen, die in einem bodenrechtlich relevanten, von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erfassten Zusammenhang stehen. Insoweit wird durch das Baurecht kein „Milieuschutz“ gewährt.707 Fraglich ist, ob über das Rücksichtnahmegebot die Befürchtungen der Nachbarn einer geplanten Moschee, es werde zu terroristischen oder neonazistischen Anschlägen kommen, baurechtliche Berücksichtigung finden können. Nach einer Ansicht können bei der Bewertung von Gefahren und Beeinträchtigungen durch ein Vorhaben nur solche Störungen berücksichtigt werden, die typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung des Gebäudes entstehen.708 Solche Gefahren 707 Vgl. zu Asylbewerberheimen BVerwG, Urt. v. 23. August 1996, NVwZ 1997, 384 (388); VG Gera, Beschl. v. 20. Oktober 1999, Az. 4 E 1413/99 GE, ThürVBl 2000, 64 ff., veröffentl. bei juris (Rn. 31). 708 VGH  Mannheim, Urt.  v.  17.  Februar 2006, BauR  2006, 1865 ff., veröffentl. bei juris (Rn. 29).

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sind nicht regelmäßig mit der Nutzung einer Anlage für kirchliche Zwecke verbunden, so dass nach dieser Ansicht die Befürchtungen der Bevölkerung keine Berücksichtigung finden können. Die Gegenansicht meint, die Anwendung dieser auf die typische Gefahrenlage abstellenden, aus dem Polizeirecht stammenden Grundsätze werde dem Städtebaurecht nicht gerecht. Bodenrechtliche Bedeutung könne jeder Gesichtspunkt erlangen, der die Bodennutzung betreffe und sich auf diese auswirke. Dass in diesem Zusammenhang auch die Sicherheitsbedürfnisse der Bevölkerung berücksichtigt werden müssen, ergebe sich bereits daraus, dass diese einen abwägungserheblichen Belang gemäß § 1 Abs.  6  Nr.  1  BauGB bildeten. Zwar könne die Gefährdung durch Zuordnung und Trennung von Nutzungen nicht gänzlich ausgeschlossen, jedoch deutlich verringert werden.709 Zuzustimmen ist der letztgenannten Ansicht. § 15 Abs. 1 BauNVO dient ebenso wie die Abwägungsgebote im Planaufstellungsverfahren der städetbaulichen Konflikt­ bewältigung. Verschiedene Nutzungen sollen so konfliktarm wie möglich im Raum angeordnet werden. Insoweit müssen auch Sicherheitsbedenken bei der Frage der Zumutbarkeit einer baulichen Anlage berücksichtigt werden. Dies stellt keinen Widerspruch zu der Nicht-Berücksichtigung politisch-weltanschaulicher Belange dar, da diese im Gegensatz zur Sicherheit der Bevölkerung keine Verkörperung im Baurecht finden und ihnen letztlich in bodenrechtlicher Hinsicht keine Beachtung geschenkt werden kann. Grundsätzlich sind demnach auch befürchtete Gefährdungen durch terroris­ tische oder rechtsradikale Anschläge auf muslimische Einrichtungen im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zu berücksichtigen. Bei der Abwägung mit der Reli­ gionsfreiheit muss jedoch berücksichtigt werden, dass trotz einiger Zwischenfälle in der Vergangenheit die Wahrscheinlichkeit eines Anschlags auf eine Moschee und einer enstprechenden Gefahr für die Nachbarn als eher gering einzuschätzen ist. In aller Regel dürfte keine über eine unspezifizierte Besorgnis hinausgehende Gefährdungslage vorliegen.710 Daher kommt den Sicherheitsinteressen der Anwohner ein eher geringes Gewicht zu. Darüber hinaus darf bei der Prüfung der Zumutbarkeit ein weiterer Aspekt nicht vergessen werden. Die als Gefährdung der Anwohner angesehenen Anschläge gehen von kriminellen Dritten, mithin nicht von der Moschee selbst aus. Führten nun die Sicherheitsbedenken dazu, dass eine Moschee nicht gebaut werden kann, so wäre das Ziel der Terroristen, nämlich die Verhinderung der Ausübung islamischer Religionsfreiheit, erreicht. Ein solches Ergebnis wäre zum Schutz der Anwohner nur im Ausnahmefall bei konkreter, nicht beherrschbarer Gefährdungslage hinnehmbar. Sofern von Moscheegegnern darüber hinaus geltend gemacht wird, ihre Grundstücke erlebten durch die benachbarte Moschee eine Wertminderung, so ist dies, unabhängig davon, ob und inwieweit eine solche Wertminderung überhaupt objektivier- und messbar wäre, vom Nachbarn hinzunehmen. Jede Bebauung kann 709

BVerwG, Urt. v. 25. Januar 2007, NVwZ 2007, 587 (588). Ebenda.

710

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

sich theoretisch wertmindernd auf die umliegenden Grundstücke auswirken. Bodenrechtlich beachtenswert ist dies jedoch nur, wenn die Wertminderung gerade die finanzielle Folge einer aus anderen Gründen bestehenden Unzumutbarkeit der angegriffenen Nutzung ist.711 Die bloß ästhetische oder emotionale Beeinträchtigung ist vom Nachbarn ohne Weiteres hinzunehmen.712 Darüber hinaus ist der reine Wert des Grundstücks als Vermögen ohnehin nicht vom Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst.713 Die Rücksichtslosigkeit eines Vorhabens kann sich ausnahmsweise auch aus dem Maß der baulichen Nutzung ergeben. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn von dem geplanten Vorhaben eine sog. erdrückende Wirkung ausgeht. Vorstellbar ist dies etwa bei einer sehr großen Moschee mit Kuppel und Minarett in einem sonst eher von weniger voluminösen Gebäuden geprägten Gebiet. Ob eine solche erdrückende Wirkung vorliegt, ist danach zu beurteilen, welche optischen Auswirkungen das geplante Vorhaben auf das Nachbargrundstück in dessen schützenswerten Bereichen hat.714 Von einer erdrückenden Wirkung, welche das Vorhaben rücksichtslos erscheinen lässt, wird gesprochen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Höhe oder Länge die angrenzenden Anlagen abriegelt und so angesichts ihres Ausmaßes das Gefühl des Eingesperrtseins vermittelt.715 Aus dieser Definition ist erkennbar, dass alleine die bauliche Dominanz eines Gebäudes nicht genügt, um dieses als rücksichtslos einzuordnen. Zu berücksichtigen sind die Höhe und Länge des Baukörpers, die Baumasse, die optische Wirkung und die Gebietsart. Wenn nach diesen Maßstäben eine Moschee ausnahmsweise als erdrückend zu bezeichnen wäre, müsste das Grundrecht auf Religionsfreiheit des Bauherrn hinter dem Eigentumsrecht des in „optische Bedrängnis“716 gebrachten Nachbarn zurücktreten. Die Beeinträchtigung des Nachbarn durch das Gefühl des Eingesperrtseins wiegt schwerer als der Eingriff in die Religionsfreiheit des Bauherrn, dem lediglich bestimmte Bauweisen verwehrt werden. Die Unzumutbarkeit und damit Rücksichtlosigkeit einer Moschee kann sich demnach primär aus den mit ihrem Betrieb verbundenen Emissionen ergeben. Dabei hängt das Ergebnis der Güterabwägung stark von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab. Insoweit kann auf das unter (2) Gesagte verwiesen werden. Entscheidend ist, dass in der praktischen Prüfung des Rücksichtnahmegebots berücksichtigt werden muss, dass die sakrale Bautätigkeit von Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützt wird und die entgegenstehenden Nachbarinteressen deshalb von einigem Gewicht sein müssen, um den Bau einer Moschee zu verhindern oder ihre bau­liche Ausführung einzuschränken. 711 BVerwG, Urt. v. 23. August 1996, NVwZ 1997, 384 (389); OVG Lüneburg, Beschl. v. 12. März 2009, NVwZ-RR 2009, 630 (631) mwN. 712 Vgl. Kapell, S. 218. 713 Darauf weist zutreffend Schneider hin, ders., S. 106. 714 OVG Münster, Beschl. v. 13. September 1999, BauR 2001, 917. 715 OVG Schleswig, Urt. v. 28. September 1994, Az. 1 L 174/93; veröffentl. bei juris (Rn. 49). 716 OVG Lüneburg, Beschl. v. 12. März 2009, NVwZ-RR 2009, 630 (631).

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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(4) Exkurs: Ruf des Muezzins Ein in der Praxis häufig vorkommendes Problem sind Geräuschemissionen durch den sog. Muezzinruf. Die Frage nach der Zulässigkeit dieses meist vom Minarett erfolgenden, in der Regel zwischen 2 und 4 Minuten dauernden Gebetsrufs war in der Vergangenheit immer wieder Gegenstand juristischer Diskussion und beschäftigte bereits mehrfach die Gerichte.717 Eine umfassende Aufarbeitung würde den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen; insoweit sei auf die Ausführungen von Guntau718, Otting719, Muckel720, Sarcevic721, Schmehl722 und ­Voelpel verwiesen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es in der Praxis, soweit ersichtlich, meist dann zum Streit kommt, wenn der Muezzinruf durch Lautsprecher verstärkt werden soll, um dem Gebetsruf im allgemeinen Alltagslärm größeres Gehör zu verschaffen.723 Immer wieder war die Vergleichbarkeit von kirchlichem Glockengeläut und islamischem Muezzinruf Gegenstand juristischer Eröerterung. Diese Debatte geht jedoch insoweit fehl, als es zunächst gilt zu untersuchen, ob der Ruf des ­Muezzins vom Grundrecht auf Religionsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützt ist. Insoweit ist es nicht erforderlich, dass der Muezzinruf für den Islam unabdingbar ist.724 Es ist ausreichend, dass der Gebetsruf, der die Muslime an ihr fünfmal am Tag gebotenes Gebet erinnern soll, genuin religiösem Interesse entspringt.725 Da der Muezzinruf folglich Teil  der Religionsausübung ist, genießt er, wie der Moscheebau, den Schutz des vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Beschränkt werden kann er demnach nur durch kollidierendes Verfassungsrecht. Als kollidierende Rechtsgüter kommen insbesondere die Nachbarrechte aus Art.  14  Abs.  1  Satz  1  GG, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art.  2  Abs.  2  Satz  1  GG), die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) sowie ggf. die in den Regeln des Straßenverkehrsrechts (insbesondere § 33 Abs.  1  Nr.  1  StVO) verkörperten Grundrechte der Allgemeinheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Betracht. Kein kollidierendes Verfassungsrecht stellen hingegen „christliche Prägung“ und negative Religionsfreiheit der Nachbarn und Passanten dar. 717 Vgl. VG  Giessen, Urt. v. 27.  November 2000, Az.  6  E  1080/96; VG  Aachen, Urt. v. 7. Juli 1989, Az. 3 K 1499/88; jeweils unveröffentl. 718 Guntau, ZevKR 43 (1998), 369–386. 719 Otting, Städte- und Gemeinderat 3/1997, 65–69. 720 Muckel, NWVBl 1998, 1–6; ders. in: FS Listl, S. 251. 721 Sarvecic, DVBl 2000, 519–528. 722 Schmehl, KJ 1998, 539–542. 723 Hummel, Katrin (1997): Glaubensfreiheit oder ein Fall für das Emissionsschutzgesetz? In Siegen darf der Muezzin über Lautsprecher zum Gebet rufen, in Duisburg nicht, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 72, 26. März 1997, S. 3. 724 Guntau, ZevKR 43 (1998), 376. 725 So Muckel, NWVBl 1998, 1 (3), der jedoch darauf hinweist, dass der Muezzinruf häufig auch dem „Heimatgefühl“ der Muslime zu dienen bestimmt ist.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Ihre einfachgesetzliche Verkörperung finden diese verfassungsimmanenten Schranken v. a. in den Bestimmungen des Immissionsschutzrechts sowie ggf. in den anwendbaren Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung. Wie auch beim Kultstättenbau hat insoweit im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter im Einzelfall stattzufinden. Solange sich seine Intensität innerhalb der von der TA Lärm gezogenen Schallgrenzen bewegt und keine Gefährdung des Straßenverkehrs zu befürchten ist, ist der Muezzinruf aber auf jeden Fall zulässig. Dennoch stellen die Richtwerte der TA Lärm gerade bei religiös motiviertem Lärm keine absolute Grenze dar. Dies gilt schon deshalb, weil sie auf dauerhafte Emissionen gewerblicher Quellen abstellen und die vorliegend relevante kurze Zeitdauer der Geräuschemissionen nicht berücksichtigen.726 Bei Richtwertüberschreitungen ist eine Güterabwägung vorzunehmen, im Rahmen derer die Religions­freiheit in Beziehung zu den betroffenen Rechtsgütern der Nachbarn und der sonstigen Bürger gesetzt werden muss. Generell kann konstatiert werden, dass „religiöser Lärm“ eher hinzunehmen ist als andere Lärmimmissionen. In diesem Zusammenhang kann auf die Rechtsprechung zum sakralen Glockengeläut Bezug genommen werden, So hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die durch sakrales Glockengeläut verursachten Geräuschimmissionen hinzunehmen sind, solange diese nicht „den üblichen Rahmen einer sozialadäquaten Einrichtung übersteigen oder ein Missbrauch des Läuterechts vorliegt oder gar von dem Läuterecht ein derart exzessiver Gebrauch gemacht wird, dass … die Gefahr eines gesundheitlichen Schadens herbeigeführt und damit das Grundrecht auf körper­liche Unversehrtheit beeinträchtigt würde.“727 In diesem Zusammenhang wird gelegentlich argumentiert, diese Rechtsprechung zur Zumutbarkeit sei auf den Muezzinruf nicht anwendbar, da dieser in der Bundesrepublik neuartig und damit nicht sozialadäquat sei. Deshalb sei der islamische Gebetsruf wegen seiner Fremd­artigkeit in nicht-muslimisch geprägten Gebieten weniger hinzunehmen als in muslimisch besiedelten.728 Die Fremdartigkeit des islamischen Gebetsrufs und das dadurch ggf. beeinträchtigte Identitätsgefühl der ansässigen Bevölkerung ist jedoch kein verfassungsrechtlicher geschützter Belang, welcher der Religionsfreiheit entgegengehalten werden kann.729 Darüber hinaus stellte es eine Verkennung des minderheitenschützenden Charakters der Grundrechte dar, wenn bezüglich der Zumutbarkeit auf die mehrheitliche Religionszugehörigkeit der Bevölkerung abgestellt würde.730 Sofern nicht im Einzelfall die Grundrechte Dritter den Muezzinruf unzumutbar erscheinen lassen, ist dieser als von der Religionsfreiheit geschützte Betätigung 726

VG Aachen, Urt. v. 7. Juni 1989, Az. 3 K 1499/98; unveröffentl. BVerwG, Urt. v. 7. Oktober 1983, BVerwGE 68, 62 (68 f.). 728 So Guntau, ZevKR 43 (1998), 369 (385), und Marré, in: FS Rüfner, S. 568. 729 Muckel, NWVBl 1998, 1 (6). 730 Schmehl, KJ 1998, 539 (541).

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B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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hinzunehmen. Dennoch sollte von muslimischer Seite aus nicht verkannt werden, dass die Frage des Muezzinrufes gelegentlich den Verhandlungsspielraum bestimmt. In der Praxis ist zu beobachten, dass Moscheen, bei denen kein Muezzinruf geplant ist und dies von Seiten des Bauherrn zugesichert wird,731 häufig schneller und leichter genehmigt werden und sich in der nicht-muslimischen Bevölkerung eher eine Akzeptanz des Vorhabens einstellt. Da gerade bei Groß­moscheen eine Vielzahl von Gläubigen ohnehin nicht vom Gebetsruf erreicht würde, erscheint der Verzicht auf den Muezzinruf als ein durchaus gangbarer Weg.732 b) Konflikte mit anderen Religionsgemeinschaften, Gläubigen oder Atheisten aa) Kollisionslage Obwohl die Zahl der Kirchenaustritte stetig ansteigt bzw. nicht wesentlich zurückgeht, sind weite Teile Deutschlands, vor allem im Süden und Westen der Bundesrepublik, nach wie vor christlich geprägt. In der Regel trifft eine geplante muslimische Kultstätte auf in der Bebauung bereits vorhandene, meist christ­liche Sakralgebäude. In diesem Zusammenhang stellt sich immer wieder das Problem, dass die geplante Moschee größer bzw. deren Minarett höher als die bereits vorhandene christliche Kirche und ihr Turm werden soll, weshalb sich die christ­lichen Bewohner des betroffenen Ortes oder die örtliche christliche Gemeinde gegen den Bau aussprechen.733 Dabei soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass in aller Regel gerade die christlichen Kirchen dem Bau muslimischer Kultstätten positiv begegnen und diesen in der öffentlichen Diskussion unterstützen.734 Andererseits kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass unter dem Deckmantel des Christlichen von manchen Moscheegegnern die eigene, häufig nur auf dem Papier bestehende Religion vorgeschoben wird, um ein weiteres Argument gegen die geplante Kultstätte zu haben. Viele Bürger befürchten allerdings tatsächlich, der Bau einer Moschee berge die Gefahr einer Islamisierung des Ortes mittels Missionierung durch die muslimische Gemeinde.735 731 So war in München sogar die Eintragung einer Dienstbarkeit „Beschallungsverbot“ geplant, vgl. Landeshauptstadt München, Rathaus Umschau, Nr. 140, 26. Juli 2006, S. 4. 732 So in dem Fall, der der Entscheidung des OVG Lüneburg zugrunde lag, vgl. Beschl. v. 8. Juli 2003, Az. 1 MN 120/03, veröffentl. bei juris. 733 So Pfarrer Dietrich Reuter, vgl. Quast, Gerhard (1997): „Auf eigene Grundlagen besinnen“, in: Junge Freiheit, Nr. 38/97, 12. September 1997, S. 3; zur Höhe von Kirchtürmen und Minaretten vgl. Steinberger, Karin (2010): Mach dir ein Bild, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 40, 18. Februar 2010, S. 3. 734 Vgl. statt vieler Schneider, in: Sommerfeld, S. 182 ff.; vgl. auch Beinhauer-Köhler/Leggewie, S. 165, 176. 735 Vgl. die Dokumente der Bürgerinitiative „Pro Schlüchtern“, die Brunn gesammelt hat: dies., S. 186 ff.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

bb) Verfassungsrang der kollidierenden Interessen (1) Beeinträchtigung der positiven Religionsfreiheit Dritter Die Religionsfreiheit der sonstigen Religionsgemeinschaften und Gläubigen ist selbstverständlich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützt. Allerdings ist ein Konflikt zwischen der positiven Religionsfreiheit verschiedener Gläubiger oder Konfessionen im Baurecht praktisch kaum vorstellbar. In Betracht käme ein solcher allenfalls in der Situation, in der Gläubige unterschiedlicher Religionen jeweils das gleiche Grundstück für ein Sakralgebäude beanspruchen. Diese Konstellation, die wegen der eher seltenen Kirchen- und Synagogenneubauten regelmäßig nicht vorkommen dürfte,736 löst sich in aller Regel im Privatrecht über die Gesetze des Marktes. Durch den Bau einer muslimischen Kultstätte wird die Religionsfreiheit Dritter in ihrer positiven Dimension nicht beeinträchtigt, da diese uneingeschränkt ihrer Religionsausübung nachkommen können. Insbesondere die Tatsache, dass eine Moschee genehmigt wird, die größer werden soll als die vorhandenen christlichen Kirchen oder die Minarette den Kirchturm überragen sollen, stellt keinen Eingriff in die Religionsfreiheit der anderen und insbesondere benachbarten Religionsgemeinschaften dar. Diese werden dadurch in keiner Weise daran gehindert, ihrer Religionsausübung nachzukommen. Die bloße Konkurrenz des „Alternativangebotes“ Islam beeinträchtigt die etablierten Kirchen oder einzelne Gläubige nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG. (2) Negative Religionsfreiheit als Abwehrrecht In der Regel stützt sich die religiös motivierte Argumentation gegen den Bau einer muslimischen Kultstätte darauf, man wolle von der Moschee verschont bleiben, diese nicht sehen müssen und dem Islam insgesamt nicht ausgesetzt sein. Diese Situation wird üblicherweise als Konflikt zwischen der positiven Religionsfreiheit des muslimischen Bauherrn auf der einen, und der negativen Religionsfreiheit der ortsansässigen christlichen Gemeinde bzw. den christlichen Anwohnern angesehen. Gelegentlich melden sich auch Atheisten zu Wort, welche sowohl vom Glockengeläut christlicher Kirchen als auch von dem Anblick einer Moschee oder dem dort erklingenden Muezzinruf verschont bleiben wollen. Es dürfte unbestritten sein, dass das aus Art.  4  Abs.  1,  2  GG resultierende Grundrecht auf Religionsfreiheit ebenso wie alle anderen Grundrechte auch eine

736 Vielmehr wird immer häufiger darüber diskutiert, ob nicht mehr genutzte christliche Kirchen an muslimische Träger veräußert und zu muslimischen Kultstätten umgenutzt werden sollen, was jedoch von kirchlicher Seite überwiegend ausgeschlossen wird; vgl. o.V. (2007): Aus Kirchen werden Moscheen, in: Der Tagesspiegel, 5.  Oktober  2007; URL: http://www.tages spiegel.de/berlin/Kirchen-Moscheen-Kirche-Islam;art270,2394175.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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negative Komponente beinhaltet.737 Äußerst streitig ist jedoch nach wie vor, welchen Schutzumfang diese negative Komponente gewährleistet. Einigkeit herrscht insoweit, als gemeinhin angenommen wird, die negative Religionsfreiheit schütze die Freiheit, einen bestimmten Glauben nicht zu haben, nichts zu bekennen sowie kultischen oder sonstigen Äußerungen einer religiösen Überzeugung fernzubleiben.738 Teilweise wird jedoch angenommen, die negative Religionsfreiheit gewähre dem Einzelnen darüber hinaus das Recht, von der Religionsausübung anderer verschont zu bleiben.739 Diese Ansicht dürfte in weiten Teilen auf der Rechtsprechung zu Schulgebet und Kruzifix in Klassenräumen beruhen. In einer vielfach angegriffenen740 Entscheidung aus dem Jahr 1965 hatte der Hessische Staatsgerichtshof angenommen, durch das Schulgebet in öffentlichen Schulen werde die negative Bekenntnisfreiheit nicht- bzw. andersgläubiger Schüler verletzt.741 Das Bundesverfassungsgericht, welches im Übrigen keine Bedenken gegen ein freiwilliges Schulgebet äußerte,742 unterstellte in seiner ebenfalls vielfach kritisierten743 Kruzifix-Entscheidung, bereits die Konfrontation mit einem religiösen Symbol stelle einen erheblichen Eingriff in die Religionsfreiheit der nicht-christlichen Schüler dar.744 Auf der Grundlage dieser – zuletzt zum Kopftuch einer muslimischen Lehrerin wiederholten – 745 Rechtsprechung könnte man auf die Idee kommen, die Konfrontation mit einer als solcher erkennbaren mus­limischen Kultstätte stelle einen Eingriff in die negative Religionsfreiheit des nicht-muslimischen Betrachters dar.746 Allerdings erfolgt die optische Konfrontation mit einer muslimischen Kultstätte wie mit jedem anderen Gebäude auch letztlich freiwillig. Kein Betrachter, auch nicht der Nachbar, wird gezwungen, seinen Blick auf die Moschee zu lenken und sich deshalb sogleich mit den Inhalten des Islams zu beschäftigen oder gar zu identifizieren. Bei der Konfrontation mit dem Anblick einer islamischen Kultstätte geht es letztlich um die bloße Begegnung mit der Religionsausübung anderer.747 In dieser Konstellation ist nicht die negative Religionsfreiheit, sondern allenfalls die allgemeine Handlungsfreiheit des Betrachters oder Nachbarn betroffen.748 Art. 4 Abs. 1, 2 GG verleiht dem Einzelnen kein Recht darauf, in 737

Vgl. Morlok, in: Dreier, Art. 4, Rn. 64; Kokott, in: Sachs, Art. 4, Rn. 28, 34; ausführlich dazu Zacharias, in: FS Rüfner, S. 987–1007. 738 Morlok, in: Dreier, Art. 4, Rn. 64. 739 Dazu Zacharias, in: FS Rüfner, S. 1005. 740 Vgl. statt vieler Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 4, Rn. 60. 741 HessStGH, NJW 1966, 31 (34). 742 BVerfG, Beschl. v. 16. Oktober 1979, BVerfGE 52, 223 ff. 743 Zacharias, in: FS Rüfner, S. 1005 ff. 744 BVerfG, Beschl. v. 16. Mai 1995, BVerfGE 93, 1 ff. 745 BVerfG, Urt. v. 24. September 2003, BVerfGE 108, 282 ff. = NJW 2003, 3111 (3113). 746 Beinhauer-Köhler/Leggewie, S. 184; diese Argumentation ist häufig gegenüber einem geplanten Muezzinruf anzutreffen. 747 So für das Glockengeläut Kaup, BayVBl 1992, 161 (166). 748 Ebenda.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, von fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen verschont zu bleiben.749 Anders ist dies auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur zu beurteilen, wenn der Einzelne durch eine vom Staat geschaffene Lage, in der er ohne Ausweichmöglichkeiten dem Einfluss eines bestimmten Glaubens, den Handlungen, in denen dieser sich manifestiert, und den Symbolen, in denen er sich darstellt, ausgesetzt ist.750 Eine solche Situation wird durch den (staatlich gebilligten, weil genehmigten) Bau einer Moschee oder eines Minaretts nicht geschaffen. Die Bundesrepublik ist im Übrigen keine religionsfreie Zone: Ihre prinzipielle Religionsfreundlichkeit ergibt sich bereits aus der Präambel des Grundgesetzes.751 Eine andere Auslegung der negativen Komponente der Religionsfreiheit würde dazu führen, dieses Recht zu einem „Wolf im Schafspelz“752 werden zu lassen: Unter Berufung auf Art. 4 Abs. 1, 2 GG in seiner negativen Komponente könnte die Religionsfreiheit zu einer reinen Religionsverhinderungsfreiheit geraten und dazu dienen, alles Religiöse aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Der Staat darf jedoch der Religionsausübung im öffentlichen Bereich nicht nur Raum geben. Er ist vielmehr wegen Art. 4 Abs. 1, 2 GG und der Präambel des Grundgesetzes sogar dazu verpflichtet. Ein Normkonflikt zwischen der positiven Religionsfreiheit des muslimischen Bauherrn und der negativen Religionsfreiheit eines Moscheegegners ist danach nicht denkbar. Gleiches gilt für etwaige mit einer Moschee verbundene, vielfach befürchtete islamische Missionierungsversuche im Umfeld der Moschee.753 Unabhängig davon, dass diese in der Praxis angesichts der Zurückhaltung der meisten Muslime eher selten vorkommen dürften, schützt Art. 4 Abs. 1, 2 GG auch die Werbung für den eigenen Glauben, nicht hingegen das Recht, einer Missionierung, etwa durch das Verteilen von Handzetteln754 oder durch den Ruf des Muezzins, nicht aus­gesetzt zu sein.

749

BVerfG, Beschl. v. 16. Mai 1995, BVerfGE 93, 1 (15 f.). Ebenda; vor diesem Hintergrund ist wohl auch die Entscheidung des EuGMR in Sachen Lautsi ./. Italien, Beschwerdenummer 30814/06 vom 3. November 2009, zu verstehen: hier befand das Gericht, dass die Religionsfreiheit der Schüler durch die obligatorische Anbringung eines Kruzifixes in den Klassenzimmern staatlicher Schulen verletzt sei. 751 Ennuschat, NJW 1998, 953 (956); siehe 2. Teil B. II. c) bb). 752 Zacharias, in: FS Rüfner, S. 1005. 753 Ein Parallelproblem stellt insoweit die Missionierungsarbeit von Scientology im unmittelbaren räumlichen Umfeld ihrer Zentren, vgl. Mönch, Regina (2007): Rausch des Glücks. Ortstermin: Haben Scientologen Freunde in Berlin?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 12, 15. Januar 2007, S. 33. 754 Diese Verhaltensweise wäre im Übrigen ggf. straßenrechtlich zu beurteilen. 750

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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(3) Zwischenergebnis Da ein Normkonflikt zwischen der Religionsfreiheit der Bauherrn einer muslimischen Kultstätte und der der anwohnenden Anders- oder Nichtgläubigen oder benachbarter Religionsgemeinschaften nicht denkbar ist, die unter aa) festgestellten faktischen Belange insoweit keine verfassungsrechtliche Verankerung gefunden haben, erübrigt sich die Suche nach deren einfachgesetzlicher Umsetzung. Der vielfach beschworene Konflikt, den ein Minarett, das höher ist oder höher werden soll als der örtliche Kirchturm, auslöst, zumindest soweit es um den dahinter stehenden interreligiösen Konflikt geht, hat keine rechtliche und damit justitiable Komponente. c) Konfrontation mit Interessen der Allgemeinheit aa) Kollisionslage Bauliche Vorgänge, die zur Inanspruchnahme von Boden führen, berühren zwar insbesondere die Belange derer, die diesen durch ihre unmittelbare räumliche Nähe verstärkt ausgesetzt sind. Darüber hinaus hat jedes bauliche Geschehen aber auch eine mehrpolige Wirkung dergestalt, dass neben Interessen des Bauherrn und der Nachbarn auch solche der Allgemeinheit tangiert werden.755 Auch der Bau einer muslimischen Kultstätte hat demnach nicht nur auf die unmittelbaren Anwohner, sondern zudem auf die Allgemeinheit Auswirkungen. In der Praxis werden die Interessen und Bedenken der Allgemeinheit auf zweierlei Art verkörpert: Zum einen organisieren sich in den bereits angesprochenen Bürgerinitiativen längst nicht nur Nachbarn der geplanten muslimischen Kultstätte, sondern meist besorgte Bürger aus dem gesamten Ort. Spätestens durch den Zusammenschluss unterschiedlicher Bürgerbewegungen zum Dachverband „Bundesverband der Bürgerbewegungen zur Bewahrung von Demokratie, Heimat und Menschenrechten e. V.“ (BDB) und dessen späterem Zusammenschluss mit der Bürgerbewegung „Pax Europa“756 gibt es auch überregionales Engagement gegen den Bau von Moscheen. Zum anderen werden die Belange der Allgemeinheit durch die gewählten Vertreter der politischen Parteien zum Ausdruck gebracht. Auf kommunaler Ebene kommt es bei einem geplanten Moscheebau fast immer zu einer Auseinandersetzung innerhalb der Stadt- und Gemeinderäte, im Rahmen derer zumindest eine Fraktion sich meist –  als Vertreter der sich betroffen fühlenden Bürger der Stadt oder Gemeinde  – gegen den Bau der geplanten muslimischen Kultstätte ausspricht. Von der Allgemeinheit im Sinne der sonstigen, also nicht in der Nachbarschaft des Vorhabens wohnenden Bevölkerung werden in der Regel primär religiös-kul 755

Hahn/Schulte, Rn. 1. Vgl. URL: http://www.buergerbewegung-pax-europa.de/; Stand: 2. November 2010.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

turelle Argumente gegen den Bau der muslimischen Kultstätte ins Feld geführt. Neben einer eher allgemeinen und diffusen Angst vor islamistischem Terror beruft man sich häufig auf eine Art national-kulturelle Identität der Bundesrepublik, die einer weiteren Ausbreitung des Islam oder zumindest doch der repräsentativen Darstellung desselben durch den Bau großer, als solcher erkennbarer Moscheen an leicht zugänglichen innerstädtischen Orten entgegenstehen soll. bb) Verfassungsrang der identifizierten Interessen (1) Art. 2 Abs. 1 GG Art.  2  Abs.  1  GG schützt die allgemeine Handlungsfreiheit. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit der Elfes-Entscheidung757 ist dieses Grundrecht weit auszulegen.758 In den Schutzbereich fällt deshalb jedes menschliche Verhalten. Man könnte daran denken, dass auch die Ablehnung einer muslimischen Kultstätte ein solches geschütztes menschliches Verhalten darstellt und die allgemeine Handlungsfreiheit der Moscheegegner insoweit mit der Religionsfreiheit des Bauherrn kollidieren könnte. Die ältere Rechtsprechung zum kirchlichen Glockengeläut führte immerhin die aus Art. 2 Abs. 1 GG herzuleitenden Rechte anderer als mit der Religionsfreiheit kollidierendes Rechtsgut an.759 Allerdings handelt es sich zum einen bei der Ablehnung einer Moschee, ebenso wie im Übrigen bei der Ablehnung von kirchlichem Glockengeläut, nicht um ein Verhalten im eigentlichen Sinn, sondern um eine Geisteshaltung. Sähe man bereits darin eine kollidierende verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition, führte man das Konzept der verfassungsimmanenten Schranken ad absurdum. Schließlich wird sich zu jedem vorbehaltlos geschützten Verhalten eine Gegenposition finden lassen, so dass, leitete man diese stets aus Art. 2 Abs. 1 GG ab, sich in nahezu jeder Konstellation ein Grundrechtskonflikt erblicken ließe. Sicher ließen sich theoretisch Normkonflikte zwischen Art.  2 Abs.  1  GG und Art.  4 Abs.  1, 2 GG im Bereich des Moscheebaus konstruieren; in der Regel taugt die allgemeine Handlungsfreiheit jedoch nicht zur Beschränkung der Religionsfreiheit. Dies gilt umso mehr, als es sich, wie bereits dargestellt, bei den Konflikten zwischen zwei Grundrechten letztlich stets um ein Dreiecksverhältnis handelt, bei dem den Staat eine Schutzpflicht für das grundrechtlich geschützte Verhalten trifft.760 Eine solche Schutzpflicht für die allgemeine Handlungsfreiheit der Bürger kann jedoch aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht abgeleitet werden.

757

BVerfG, Urt. v. 16. Januar 1957, BVerfGE 6, 32 ff. Murswiek, in: Sachs, Art. 2, Rn. 42. 759 VGH München, Beschl. v. 14. März 1980, NJW 1980, 1973 f.; Misera-Lang, S. 187. 760 Sachs, in: Sachs, vor Art. 1, Rn. 129.

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B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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(2) Art. 20 GG (Sozialstaatsprinzip) Es dürfte unbestritten und durch die zahlreichen, teils eskalierenden Moscheebaustreitigkeiten hinreichend belegt sein, dass der Bau einer muslimischen Kultstätte häufig großes Konfliktpotential birgt und Auswirkungen auf die Stimmungslage in der näheren räumlichen Umgebung des Vorhabens hat. Aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG folgt die auf Ausgleich und Integration gerichtete Staatsaufgabe der gerechten Gestaltung pluraler Interessen. Darauf beruhend sah das Bundesverwaltungsgericht den sozialen Frieden in der Gemeinschaft als (im konkreten Fall mit der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG) kollidierendes Rechtsgut an.761 Fraglich ist zunächst, inwieweit Art. 20 Abs. 1 GG überhaupt geeignet ist, das Grundrecht aus Art.  4  Abs.  1,  2  GG zu beschränken. Bei dem dort formulierten Sozialstaatsprinzip handelt es sich um eine sog. Staatszielbestimmung bzw. ein Verfassungsstrukturprinzip.762 Die unmittelbare Begrenzungstauglichkeit dieser Verfassungsnormen ist äußerst umstritten.763 Wegen des hohen Abstraktionsgrades der in Art. 20 und 20a GG niedergelegten Verfassungsgrundsätze will eine Auffassung diese nur im Ausnahmefall zur Beschränkung vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte genügen lassen.764 Die Rechtsprechung hat hingegen bereits mehrfach auch den Staatszielbestimmungen Werte von Verfassungsrang entnommen, welche auch vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte auf der Grundlage entsprechender gesetzlicher Bestimmungen einzuschränken in der Lage sein sollen.765 Die Lektüre der einschlägigen Entscheidungen legt, um es vorsichtig zu formulieren, die Annahme einer ergebnisorientierten Rechtsanwendung durch die Gerichte nahe. Da grundsätzlich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Verfassungsbestimmungen jeder Art geeignet sind, vorbehaltlose Grundrechte einzuschränken, sollte auch den Staatszielbestimmungen der Artt. 20 und 20a  GG nicht ohne Weiteres diese Beschränkungstauglichkeit abgesprochen werden. Insoweit ist kein Rangverhältnis der Grundgesetzbestimmungen er­ kennbar. Wenn man demnach davon ausgeht, dass auch Staatszielbestimmungen grundsätzlich geeignet sind, vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte zu beschränken, muss jedoch, wie bereits dargestellt, im Rahmen der Suche nach mit vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten kollidierenden Verfassungsgütern jeweils im Einzelfall eine genaue Analyse der Verfassungsbestimmungen erfolgen, in wel 761

BVerwG, Beschl.  v.  27.  Juni  1991, NVwZ  1991, 983 (984); dass., Beschl. v.  13. April 1995, NJW 1995, 2648 (2649); zustimmend insoweit Hammer, KuR 2000, 179 (182). 762 So Sachs, in: Sachs, vor Art. 1, Rn. 130. 763 Vgl. dazu im Einzelnen Stern, Bd. III/2, S. 574 ff. 764 Sachs, in: Sachs, vor Art. 1, Rn. 129 f. 765 Vgl. z. B. BVerfG, Beschl. v. 27. April 1999, BVerfGE 100, 271 (283 f.).

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

chen der kollidierende Wert enthalten sein soll. Insbesondere muss sich das identifizierte Rechtsgut aus einer konkreten normativen Aussage des Grundgesetzes ergeben.766 Das Sozialstaatsprinzip bleibt hingegen, wie auch die übrigen Staatszielbestimmungen, sehr allgemein und wenig konkret. Sein Gehalt lässt sich naturgemäß kaum zu definitiven Einzelkonsequenzen verdichten.767 Deshalb vermag auch der vom Bundesverwaltungsgericht angenommene, aus dem Sozialstaatsprinzip abzuleitende Auftrag an den Staat und insbesondere den Gesetzgeber, plurale Interessen gerecht zu gestalten, keine Einschränkung eines vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts wie der Religionsfreiheit zu bewirken. Zum einen lässt sich ein solcher Auftrag schon nicht aus dem Wortlaut der Verfassungsbestimmung des Art. 20 Abs. 1 GG oder dessen Auslegung entnehmen und genügt damit nicht den an verfassungsimmanente Schranken zu stellenden Anforderungen.768 Zum anderen stellt er in seiner Allgemeinheit ein derart grundlegendes Prinzip auf, dass die Annahme, es sei zur Begrenzung vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte geeignet, letztlich zu deren völliger Aushöhlung führte. Die überwiegende Mehrzahl staatlicher Regelungen dient im weiteren Sinn der Notwendigkeit, unterschiedliche gesellschaftliche Interessen auszugleichen.769 Würde man einem solch allgemeinen, durchaus legitimen Regelungsauftrag zur Vermeidung sozialer Spannungen eine Eingriffslegitimation in „vorbehaltlose“ Grundrechte zugestehen, käme dies letztlich einem ungeschriebenen allgemeinen Gesetzesvorbehalt für alle Grundrechte gleich.770 Aus diesem Grunde lehnt auch die herrschende Meinung die Ableitung einer solch generellen verfassungsimmanenten Schranke aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ab.771

766

Vgl. das Sondervotum von Mahrenholz und Böckenförde, BVerfG, Urt. v. 24. April 1984, BVerfGE 69, 1 (57, insbes. 60 ff.); Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (620). 767 Sachs, in: Sachs, Art. 20, Rn. 47 m. w. N. 768 Wobei zu Recht darauf hingewiesen wurde, dass auch das Bundesverfassungsgericht selbst sich bei der Auffindung verfassungsimmanenter Schranken nicht immer an diesen Grundsatz gehalten hat, vgl. Sachs, in: Sachs, vor Art. 1, Rn. 121 unter Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 7. März 1990, BVerfGE 81, 278 (293). 769 Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (620). 770 Deshalb auch ablehnend Vesting, NJW 1996, 1111 (1113). Gleichwohl ist nicht ausgeschlossen, dass aus dem Sozialstaatsprinzip sonstige Rechtswerte mit Verfassungsrang zur Beschränkung vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte abgeleitet werden. Vgl. dazu MiseraLang, S. 196. 771 Vgl. Kamp, S. 88; Sachs, JuS 1995, 984 (987); Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (620) m. w. N.; a. A. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art.  20, VIII, Rn.  45, der das Sozialstaatsprinzip in „extremen Ausnahmefällen“ als verfassungsimmanente Schranke ansehen will; so auch BVerfG, Beschl. v. 8. April 1981, BVerfGE 57, 70 (99 f.); a. A. auch Looks, S. 142.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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(3) Art. 14 Abs. 2 GG (Sozialpflichtigkeit des Eigentums/Gemeinwohlprinzip) Wie bereits dargestellt, zog das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung zur Baukunst aus der ausgeprägten sozialen Bindung des Eigentums im Baugeschehen den Schluss, bei einer als Eigentumsausübung erfolgenden künstlerischen Betätigung aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erwachse nicht die Befugnis, sich über die dem Eigentum zulässigerweise gesetzten Schranken hinwegzusetzen.772 In der Literatur wird gelegentlich geäußert, die sozialen Bezüge und Bindungen des Eigentums könnten nicht ignoriert werden, auch wenn tatbestandlich darüber hinaus vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte verwirklicht seien.773 Während daraus teilweise geschlossen wurde, die Schranken aus Art. 14 Abs. 2 GG seien auch bei Baukunst und Sakralbau anzuwenden, wurde gelegentlich eine Schranke im Sinne kollidierenden Verfassungsrechts abgeleitet.774 So blieb die Berufung auf das Grundrecht der Religionsfreiheit in einem Fall vor dem VG Karlsruhe, in dem es um die Umnutzung einer Doppelgarage in einen islamischen Gebetsraum innerhalb eines allgemeinen Wohngebiets ging, erfolglos, weil das Gericht davon ausging, die Religionsfreiheit der Muslime werde durch das Gebot der Rücksichtnahme in zulässiger Weise eingeschränkt. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sei Ausfluss des in Art. 14 Abs. 2 GG enthaltenen Grundsatzes der Sozialbindung des Eigentums. Die Annahme einer solchen verfassungsimmanenten Schranke im Sinne eines Gemeinwohlvorbehalts verstößt wiederum gegen die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen, die an die Auffindung verfassungsimmanenter Schranken zu stellen sind. Zum einen legt der textliche Befund von Art.  14 Abs. 2 GG nicht nahe, dass es sich dabei um ein verfassungsübergreifendes Schutzgut handelt. Vielmehr beschränkt sich der Wortlaut ausdrücklich auf die Geltung für das Eigentum.775 Im Übrigen bedarf die Sozialbindung des Art. 14 Abs. 3 GG ohnehin der Ausformung und Konkretisierung durch Gesetz. Die Norm besitzt gerade nicht die Qualität eines allgemeinen verfassungsrechtlichen Sozialgebots mit grundrechtsbegrenzenden Pflichten, welches auch vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte einzuschränken in der Lage wäre. Diese Annahme nivellierte die ausdifferenzierte Schrankensystematik des Grundrechtskataloges in gleicher Weise wie eine direkte Übertragung der Schranken aus Art. 14 Abs. 2 GG auf die Reli­ gionsfreiheit im Fall des Sakralbaus.776

772

BVerwG, Beschl. v. 10. Dezember 1979, BRS 35, Nr. 133. Manssen, Verw 24 (1991), 33 (44). 774 So wohl auch Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 5 Abs. 3, Rn. 57 ff; vgl. dazu Kapell, S. 225 ff. 775 Moench/Schmidt, S. 56. 776 Kapell, S. 227.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

(4) Art. 20a GG (Umweltschutz) Die erst 1994 eingeführte Staatszielbestimmung des Art. 20 a GG erlegt dem Staat als Aufgabe den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (und seit 2002 auch der Tiere) auf.777 Die Norm wurde schon mehrfach zur Beschränkung vorbehaltloser Grundrechte herangezogen.778 Im Bereich des Baurechts wird die Heranziehung des Art. 20a GG als Schranke in zwei Konstellationen diskutiert: So soll im Bauplanungsrecht der aus Art. 20a GG abgeleitete Umweltschutzgedanke durch das Gebot der Bewahrung des Außenbereichs (§ 35 BauGB) vor wesensfremder Bebauung verkörpert sein. Auf den Bau muslimischer Kultstätten übertragen bedeutete dies, dass im Fall einer im Außen­ bereich geplanten Moschee das Grundrecht des Bauherrn aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG mit dem Staatsziel des Art. 20a GG kollidierte und, sofern man von einer einfachgesetzlichen Verankerung, wie etwa in § 35 BauGB, ausgeht, im Rahmen einer Güterabwägung zu einem schonenden Ausgleich gebracht werden müsste. Da bislang jedoch kaum ein Fall einer im Außenbereich geplanten muslimischen Kultstätte bekannt geworden ist, dürfte es sich bei dieser Konstellation um eine eher theoretische Frage handeln. Andererseits wird Art. 20a GG jedoch auch gelegentlich als Grundlage für Baugestaltungsanforderungen sowohl im Bauordnungsrecht als auch im Bauplanungs­ recht,779 angesehen. So sollen daraus Erfordernisse des ästhetischen Einfügens von Anlagen in das Orts- und Landschaftsbild abzuleiten sein.780 Ob Art. 20a GG eine zulässige verfassungsimmanente Schranke der Religionsfreiheit im baurechtlichen Bereich darstellen kann, hängt wesentlich von der Reichweite dieser Grundgesetznorm ab. Sie gibt dem Staat auf, auch in Verantwortung für künftige Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere zu schützen. Die Entstehungsgeschichte des Art. 20a GG vor dem Hintergrund der Umweltbewegung der ­1970erund 1980er-Jahre781 macht, ebenso wie der Wortlaut der Vorschrift deutlich, dass es primär um den Schutz der Umwelt im Sinne von Natur, nicht im Sinne von Umgebung geht. Nicht die psycho-soziale, sondern die natürliche Umwelt soll geschützt werden.782 Unter Natur versteht man dabei alles, was nicht auf mensch­ licher Hervorbringung beruht.783 Insoweit scheidet Art. 20a GG zum Schutz durch Menschenhand geschaffener Ortschaften von vornherein aus. Aber auch ein Schutz der Ästhetik des Landschaftsbildes kann – unabhängig davon, dass dies für den Moscheebau wiederum von untergeordneter Bedeutung sein dürfte – aus dem Staatsziel Umweltschutz nicht abgeleitet werden. Die einer Landschaft zuerkannte 777

Zur Entstehungsgeschichte Murswiek, in: Sachs, Art. 20a, Rn. 1 ff. Z. B. BVerwG, Beschl. v. 13. April 1995, NJW 1995, 2648 (2649). 779 Dazu ausführlich Kapell, S. 232 ff. 780 Ebenda. 781 Vgl. dazu Murswiek, in: Sachs, Art. 20a, Rn. 2 ff. 782 Ebenda, Rn. 27. 783 Ebenda, Rn. 28.

778

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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Ästhetik beruht auf der subjektiven menschlichen Einschätzung. Art. 20a GG dient damit nur dem funktionalen, nicht dem ästhetischen Landschaftsschutz.784 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Art. 20a GG theoretisch im Bereich des Baus muslimischer Kultstätten mit der Religionsfreiheit kollidieren kann, wenn es um ein Vorhaben im Außenbereich geht. Zur Rechtfertigung bau­ ästhetischer Belange kann der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen hingegen nicht herangezogen werden. (5) Kulturvorbehalt/nationale Identität Mit dem Argument vieler Moscheegegner, eine islamische Kultstätte passe nicht in ein deutsches Stadt- oder Ortsbild, wird der wohl bedeutendste, einer Moschee entgegengebrachte Belang der Bevölkerung zusammengefasst: Muslimische Kultstätten werden immer noch als fremd, unpassend und bedrohlich empfunden. Dies gilt umso mehr, wenn sie in einem „offensiv“ islamischen Stil gebaut und zunehmend größer dimensioniert werden. Moscheen werden gemeinhin, mehr als die meisten anderen Zeichen muslimischer Präsenz in der westlichen Welt, als im wahrsten Sinne des Wortes herausragende Symbole einer Präsenz und Verfestigung des Islams verstanden. Vielfach wird mit ihnen ein Herrschaftsanspruch des Islam assoziiert,785 was dazu führt, dass Moscheen weithin als Bedrohung für die christlich-westliche Prägung der Bundesrepublik angesehen werden. Fraglich ist, ob diese in der Allgemeinheit äußerst verbreiteten Bedenken und Befürchtungen eine Verankerung in der Verfassung und in der Folge im einfachen Recht finden und somit geeignet sind, die Religionsfreiheit der muslimischen Bauherrn zu beschränken. Mit dem Protest gegen eine geplante Moschee wehren sich letztlich die Angehörigen der Mehrheitskultur gegen die Konfrontation mit einer fremden, durch den islamischen Baustil verkörperten Kultur und begehren Milieu­schutz.786 Immer wieder ist in diesem Zusammenhang von einer „allgemeinen verfassungsrechtlichen Kulturverantwortung“787 oder von einer Schranke des christlich-abendländischen Kulturstaates788 die Rede. Vielfach wurde, gerade im Zusammenhang mit der Baugestaltung, in der „Kulturstaatlichkeit“ ein Verfassungswert gesehen.789 So wird u. a. aus der Kompetenznorm des Art. 73 Nr. 5a GG 784

So auch Denecke, S. 77. Müller-Münch, Ingrid (2007): Unerwünschte Pracht, in: Frankfurter Rundschau, Nr. 145, 26. Juni 2007, S. 14. 786 Vgl. Britz, S. 35, 60. 787 Beckstein, Ausländerintegration, Politische Studien, Sonderheft 1/98, 6 (8). 788 So z. B. Adenau, NWVBl 2004, 289 (290 f.), der meint, der Maßstab für die Zulässigkeit nichtchristlicher Religionen müsse die Verträglichkeit mit den kultur-christlichen Werten sein; ebenso Hamel, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, S. 91; in diese Richtung wohl auch Abel, in: Taudien, S. 42, und Hillgruber, JZ 1999, 538 (547). 789 Mick, S. 78, 87 ff. ; Seybold, S. 62 ff., 133 ff. 785

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

(Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung ins Ausland) eine im Einzelnen nicht näher definierte staatliche Kulturverantwortung abgeleitet.790 Da die Religionsfreiheit aus Art.  4 Abs. 1, 2  GG wie dargestellt allein durch kollidierendes Verfassungsrecht beschränkt werden kann, müsste das Rechtsgut der christlichen Prägung bzw. der Kulturverantwortung im Grundgesetz verankert sein. Wie bereits ausgeführt, lässt sich aber weder aus dem Gottesbezug der Präambel noch aus den in das Grundgesetz eingefügten religionsverfassungsrecht­ lichen Vorschriften der Weimarer Reichsverfassung eine staatliche Verantwortung für die Bewahrung einer christlichen oder abendländischen Prägung ableiten. Die Lektüre des Grundgesetzes ergibt insoweit keine Verankerung eines staatlichen Kulturauftrages.791 Jedoch verwendete das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen den Begriff des „Kulturstaates“ bzw. gestand dem Staat kulturpolitische Verantwortung zu.792 Darüber hinaus beinhalten zwar auch einige Länderverfassungen kulturelle Schutz- und Förderpflichten, wie etwa den Schutz kultureller Überlieferungen;793 solche landesverfassungsrechtlichen Normen können jedoch nicht zur Beschränkung eines grundgesetzlich gewährleisteten Grundrechts herangezogen werden. Da der Kulturstaat auf Bundesebene gerade nicht explizit im Grundgesetz verankert ist, wird immer wieder die Einführung eines darauf lautenden Staatsziels gefordert,794 wobei in diesem Zusammenhang eher die Sicherung der staatlichen Kulturförderung, insbesondere durch den Bund, als die Bewahrung eines christlich-abendländischen Erbes im Vordergrund steht.795 Nach verbreiteter, durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestützter Auffassung beinhaltet das Grundgesetz jedoch einen ungeschriebenen Verfassungsauftrag, Kulturstaat zu sein, der sich in erster Linie aus der historischen Entwicklung des Grundgesetzes und dem traditionellen kulturstaatlichen Selbstverständnis der Bundesrepublik sowie aus Art. 5 Abs. 3 GG796 ableiten soll.797

790

Mick, S. 104. Steiner, in: FS Starck, S. 459. 792 Vgl. BVerfG, Urt. v. 29. Mai 1973, BVerfGE 35, 79 (114); dass., Urt. v. 5. März 1974, BVerfGE 36, 321 (331); dass., Beschl. v. 26. Oktober 2004, BVerfGE 111, 333 (353). 793 Vgl. etwa Art. 141 Abs. 2 BV. 794 Vgl. zum Ganzen Steiner, Staatsziel Kultur, S. 29 ff.; ablehnend z. B. Karpen, Das Parlament, Nr. 34/35, 22. August 2005, S. 4; zustimmend mit der Einschränkung, dass das Schutzziel lediglich das „kulturelle Erbe“ sein solle, Sommermann, VVDStRL Bd. 65 (2005), S. 40 ff.; einen dem Vorschlag der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ folgender Antrag der FDP-Bundestagsfraktion (BT-Drs. 16/387) zur Einführung eines „Artikel 20b GG“ lehnte der 16. Bundestag in seiner 228. Sitzung am 19. Juni 2009 mit den Stimmen der damaligen Regierungsfraktionen ab, vgl. Plenarprotokoll 16/228, 25469 ff. 795 Vgl. zur Problematik der Einführung einer Kulturstaatsklausel insgesamt, Steiner, in: FS Starck, S. 459 ff.; ders., in: HdbStR, § 86, Rn. 28 ff.; ebenso Klein, in: FS Steiner, S. 462 f. 796 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 26. Oktober 2004, BVerfGE 111, 333 (252). 797 Vgl. dazu Kapell, S. 248 f. 791

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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Allerdings taugt dieser Verfassungsauftrag nicht zur Beschränkung vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte, wenn man die vom Bundesverfassungsgericht an verfassungsimmanente Schranken gestellten Anforderungen ernst nimmt. Grundrechtsbeschränkend können nur solche Güter sein, deren Verfassungsrang sich dem Text des Grundgesetzes entnehmen lässt. Zumindest muss sich aus dem Verfassungstext unter Anwendung der traditionellen Auslegungsgrundsätze ein Anhaltspunkt für das Rechtsgut ergeben.798 Dem Grundgesetz lässt sich jedoch gerade keine Aussage des Inhalts entnehmen, der (christliche) Kulturstaat sei in dem Sinne bewahrenswert, dass er vor fremden Einflüssen mit staatlichen Mitteln geschützt werden müsste.799 Die über das Grundgesetz verstreuten Bestimmungen, die sich auf einzelne Kulturbereiche beziehen, zeigen zwar, dass das Grundgesetz vom Staat keine kulturelle Abstinenz erwartet, begründen jedoch keinen verfassungsrechtlichen Kulturauftrag.800 Nicht zu überzeugen vermag auch die Ansicht, der Grundgesetzgeber habe (im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung) nur mit Blick auf die zahlreichen landesverfassungsrechtlichen Regelungen zu kulturellen Schutz- und Förderpflichten bewusst auf die Erwähnung des Kulturauftrages verzichtet.801 Zudem ist bereits fraglich, wie stark das „christliche Fundament“ der Gesellschaft heutzutage noch ist. Die zahlreichen Kirchenaustritte, welche die christ­ lichen Kirchen zu verzeichnen haben, sprechen, sofern der Trend anhält, insoweit eine deutliche Sprache. Vor allem in den östlichen Bundesländern ist die christliche Prägung nicht mehr stark entwickelt. Darüber hinaus müsste eine solche christliche Prägung der Gesellschaft viele andere gesellschaftliche Phänomene, die einer Bewahrung der genuin christlichen Haltung viel eher entgegenstehen als der Bau eines muslimischen Sakralgebäudes, ebenfalls verhindern. Bezeichnend ist jedoch, dass etwa im Zusammenhang mit dem Verbot von Peepshows nicht die christliche Prägung der Gesellschaft, sondern vielmehr die in Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verkörperte Menschenwürde zur Grundrechtsbeschränkung herangezogen wurde.802 Auch in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum islamischen Schächten oder zum religiös motivierten Kopftuch findet sich keinerlei Hinweis darauf, dass die Religionsfreiheit der muslimischen Grundrechtsträger etwa durch einen christlich-abendländischen Kulturstaatsvorbehalt begrenzbar sein sollte.803 Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass Kultur kein statischer Begriff ist und sein darf. Vielmehr ist Kultur dynamisch, entwickelt sich ständig fort, verändert

798

Ebenda, S. 189 m. w. N.; Sachs, in: Sachs, vor Art. 1, Rn. 121. So im Ergebnis auch Huster, VVDStRL Bd. 65 (2005), S. 69 f. 800 Grimm, VVDStRL Bd. 42 (1983), S. 63. 801 So Mick, S. 103. 802 BVerwG, Urt. v. 15. Dezember 1981, NJW 1982, 664 f. 803 Huster, VVDStRL Bd. 65 (2005), S. 70.

799

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

sich und ist somit nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt festlegbar.804 Würde ein rein historischer, überkommener „Kulturbestand“ als Grundlage einer Grundrechtsbeschränkung anerkannt, wäre keinerlei Fortentwicklung in kultureller Hinsicht, keine Avantgarde möglich. Weiterhin wäre es geradezu unmöglich, einen Zeitpunkt in der Vergangenheit zu bestimmen, zu dem die maßgeblichen Standards des (christlich geprägten) Kulturstaats festzuhalten sind und die fortan als normativer Maßstab für neue kulturelle und gesellschaftliche Entwicklungen dienen sollen. Schließlich zeigt ein Blick in die europäische Geschichte, dass diese nicht stets christlich-abendländisch geprägt war, sondern etwa durch die Invasion der Türken 1683 oder die Mauren in Spanien bereits frühzeitig islamischen bzw. orientalischen Einflüssen ausgesetzt war. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass bei einer Rückbesinnung auf rein abendländische Werte, Lehren und Verhaltensweisen etliche Errungenschaften der modernen Welt als aus dem Orient stammend abgelehnt werden müssten. Eine „Rosinentheorie“ dahingehend, dass sich eine christlich-abendländisch definierte Bundesrepublik nur diejenigen außereuropäischen Einflüsse gefallen lassen muss, die ihr gerade zupasskommen, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Darüber hinaus würde die Ableitung eines christlichen Kulturstaates aus der Verfassung als die Religionsfreiheit beschränkendes Verfassungsgut zu einer Bevorzugung der christlichen (und evtl. noch jüdischen) gegenüber anderen Religionen und damit letztlich zu einem verdeckten Verstoß gegen das Gebot staatlicher Neutralität sowie gegen den Gleichheitsgrundsatz führen.805 Schließlich stellt sich eine Einschränkung des muslimischen Kultstättenbaus durch ein vermeintliches Verfassungsgut „christlicher Kulturstaat“ schon deshalb als problematisch dar, weil die Ausdrucksform Kultstättenbau nicht spezifisch muslimisch, sondern in allen Religionen verbreitet und somit Teil des hergebrachten Kulturbestandes ist. Wollte man hingegen eine Einschränkung der Religionsfreiheit allein auf islamische Bauweisen beziehen, so käme man schon mit Blick auf die „Moscheen“ in Schwetzingen oder Potsdam sowie andere orientalisch verzierte Bauwerke in Erklärungsnöte. Als Zwischenergebnis kann festgestellt werden, dass es keine im Grundgesetz verankerte nationale, kulturelle oder christliche Identität gibt, die als normativer Wert geeignet wäre, das Grundrecht der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG in zulässiger Weise zu beschränken. Soweit demnach in der Vergangenheit eine „Beeinträchtigung der kulturellen Identität weiter Teile der Bevölkerung“ in ein Abwägungsverhältnis mit der Religionsfreiheit gebracht wurde806, stellt diese keine 804

So auch Geis, (Aussprache) VVDStRL Bd. 65 (2005), S. 85. So auch Brümmer, S. 84; ebenso Huster, VVDStRL Bd. 65 (2005), S. 69 f., der darüber hinaus darauf hinweist, dass die Beurteilung der „Kulturverträglichkeit“ zu einer politischen Angelegenheit mit ungewissem Ausgang würde. 806 VGH Kassel, vgl. Bergmann, ZAR 2004, 135 (138). 805

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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verfassungsimmanente Schranke dar, die geeignet wäre, ein gemäß Art. 4 Abs. 1, 2 GG grundrechtlich geschütztes Verhalten zu verhindern. (6) Zwischenergebnis In Bezug auf die Interessen der Allgemeinheit, die sich gegen den Bau einer muslimischen Kultstätte wendet, ist festzuhalten, dass diese einzig in Art. 20a GG bezüglich des Umweltschutzes eine verfassungsrechtliche Verankerung finden. Weder aus dem Sozialstaatsprinzip noch aus Art. 14 Abs. 2 GG oder einem ungeschriebenen Kulturstaatsprinzip, aus einer christlichen Prägung der Bundesrepublik oder deren nationaler Identität lassen sich Rechtsgüter ableiten, welche geeignet wären, die in Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleistete Religionsfreiheit zu beschränken und den Bau einer muslimischen Kultstätte zu verhindern. cc) Baurechtliche Normen Die einfachgesetzliche Verankerung des Umweltschutzgebotes des Art. 20a GG wurde bereits angesprochen: Der Außenbereich ist nach der gesetzgeberischen Intention grundsätzlich von Bebauung freizuhalten. Bei einer muslimischen Kultstätte im Außenbereich handelt es sich in aller Regel um ein nicht-privilegiertes Vorhaben im Sinne von § 35 Abs.  2  BauGB. Ein solches kann gemäß § 35 Abs. 3 BauGB dennoch zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht berührt werden. Der Umweltschutz stellt einen solchen öffentlichen Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB dar. Darüber hinaus ist er in den Vorschriften der Naturschutzgesetze verkörpert, die auf das Bauvorhaben ggf. anwendbar sind.807 dd) Abwägung Sollte es, was in der Praxis eher selten sein dürfte, zu einem Moscheebauvorhaben im Außenbereich und damit zum Konflikt zwischen der Religionsfreiheit und den Umweltbelangen kommen, muss eine Abwägung zwischen Art. 4 Abs. 1, 2 GG und Art. 20a GG vorgenommen werden. Diese kann aufgrund fehlender Präzendenzfälle hier schwerlich vorgenommen werden. Im Rahmen der Abwägung müsste jedoch danach gefragt werden, warum die Kultstätte ausgerechnet im Außen­bereich errichtet werden soll. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang vor allem die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers, den Außenbereich zum Schutz von Umwelt und Natur von Bebauung freizuhalten. Dieses Bauverbot gilt –  abgesehen von den Privilegierungen des § 35 Abs.  1  BauGB  – auch nicht lediglich für Sakralgebäude, sondern für jede Art von Bauvorhaben. 807

Vgl. § 8a BNatSchG; Koenig/Zeiss, Jura 1997, 225 (230).

208

2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Da schwerlich spezifisch religiöse Gründe dafür vorstellbar sind, warum eine Moschee ausgerechnet im Außenbereich gebaut werden sollte,808 dürfte im Regelfall der Umweltschutz überwiegen und den Bau einer muslimischen Kultstätte im Außenbereich verhindern. Bei der Abwägung müssen im Übrigen auch die mit dem Betrieb der Kultstätte verbundenen zusätzlichen Belastungen für die Umwelt, etwa durch An- und Abfahrtsverkehr, einbezogen werden. In der Regel dürfte sich nach alledem der im Außenbereichsschutz konkretisierte Umweltschutz gegenüber der Reli­gionsfreiheit durchsetzen. d) Kollidierende staatliche/gemeindliche Interessen aa) Kollisionslage Wird der Bau eines muslimischen Sakralgebäudes geplant, entstehen nicht nur Konflikte mit der ortsansässigen Bevölkerung. Nicht selten kommt es vor, dass die betroffenen Kommunen vor der Frage stehen, wie sie ihre städtebaulichen Konzepte gegenüber einer durch das vorbehaltlos gewährleistete Grundrecht der Religionsfreiheit geschützten, jedoch im Einzelfall ggf. unerwünschten Moschee durchsetzen sollen. Immer wieder werden Baugenehmigungen für muslimische Kultstätten mit der Begründung verweigert, das Gebäude passe nicht in bestimmte Gebietstypen, sei überdimensioniert, verschandele das Ortsbild usw. Die vorgebrachten Argumente lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Einerseits geht es dabei um ästhetische/gestalterische Einwände, die sich meist gegen eine klassische, osmanische Moscheearchitektur oder einzelne Elemente (wie etwa das Minarett oder dessen Höhe) wenden. Andererseits wird häufig angeführt, ein muslimisches Sakralgebäude passe im Hinblick auf Art und Maß der baulichen Nutzung nicht in die vorhandene Bebauung. Gelegentlich wird auch versucht, von dem den Gemeinden in §§ 24 ff.  BauGB gewährten Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen, um den Bau einer Moschee auf einem bestimmten Grundstück zu verhindern. bb) Verfassungsrechtliche Verankerung (1) Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG In Art. 74 Abs.1 Nr. 18 GG wird die Bodenordnung, in Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG werden der Naturschutz und die Landschaftspflege als Bestandteile der konkurrierenden Gesetzgebung erwähnt. Mitunter wurden in der Vergangenheit in der 808 �

Eine Ausnahme stellt insoweit die in einer sog. Außenbereichsinsel gebaute Moschee am Columbiadamm in Berlin-Neukölln dar, die an den dem türkischen Staat gehörenden Friedhof angrenzt. Vgl. auch VGH Mannheim, Beschl. v. 30. Juli 1991, NVwZ 1992, 1216 f., wo es um ein Bibelzentrum in einem Waldgebiet ging.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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Rechtsprechung die Kompetenztitel der Artt.  73 ff.  GG zur Beschränkung von (nicht nur vorbehaltlos gewährleisteten) Grundrechten herangezogen,809 jedoch nicht allen ein über die formal-abgrenzende Wirkung hinausgehender Gehalt zugestanden.810 Von den Vertretern dieser Ansicht wird angenommen, Kompetenzvorschriften besäßen nicht lediglich formalen Charakter, sondern ermächtigten denjenigen Träger staatlicher Gewalt, dem bestimmte Aufgaben durch die Kompetenznorm zugewiesen würden, auch zur Wahrnehmung dieser Aufgaben und hätten deshalb einen materiellen Gehalt.811 Aus der Erwähnung eines bestimmten Regelungsgegenstandes und dessen Zuweisung an einen Träger staatlicher Gewalt folge insoweit die grundsätzliche Anerkennung und Billigung des behandelten Gegenstandes durch die Verfassung selbst.812 Die Heranziehung der grundgesetzlichen Kompetenzkataloge zur Begrenzung vorbehaltloser Grundrechte stößt jedoch in der Literatur weithin auf große Kritik.813 Die Kompetenzzuweisungen hätten die ausschließliche Funktion, Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern abzugrenzen, besäßen darüber hinaus jedoch keinen eigenen materiellen Gehalt.814 Wirft man einen Blick auf die durchaus ausführlichen Kompetenzkataloge, findet sich dort für derart viele Regelungskomplexe eine Gesetzgebungszuständigkeit, dass es geradezu einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt gleichkäme, wenn die Erwähnung einer Materie in einem Kompetenztitel für sich genommen genügen würde, um ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht einzuschränken. Diese Annahme liefe der differenzierten Schrankensystematik des Grundrechtskatalogs zuwider und würde letztlich zu einer Aushöhlung derselben führen. Insoweit ist die Ansicht, die in jedem Kompetenztitel einen zur Einschränkung vorbehaltlos gewährter Grundrechte geeigneten Verfassungswert sieht, abzulehnen. (2) Pflege der Baukultur Teilweise ist versucht worden, die „Pflege der Baukultur“815 als Wert von Verfassungsrang anzusehen, der in den gestalterischen Vorschriften einfachgesetzlich verkörpert ist und somit in ein Abwägungsverhältnis zur Religionsfreiheit 809

BVerfG, Urt.  v.  24. April  1984, BVerfGE  69, 1 (21), wobei das Gericht in dieser Entscheidung den Verfassungsrang der „Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr“ aus einer Gesamtschau mehrerer Verfassungsbestimmungen ableitet; weitere Nachweise bei ­Kapell, S. 227 (Fn. 1035); sehr ausführlich insoweit auch Misera-Lang, S. 193 ff. und S. 347 ff. 810 Beispiele finden sich bei Selk, JuS 1990, 895 f. 811 Bleckmann, DÖV 1983, 129 ff.; nur teilweise zustimmend Menzel, DÖV 1983, 805; Misera-Lang, S. 325. 812 BVerfG, Beschl. v. 20. Dezember 1979, BVerfGE 53, 30 (56) (zu Art. 74 Nr. 11a GG); zustimmend Misera-Lang, S. 325. 813 Dreier, in: Dreier: Vorb., Rn. 140; Selk, JuS 1990, 895 ff. 814 Kapell, S. 227 ff.; Schneider, S. 108 f.; Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (620). 815 Dazu auch Beckstein, Ausländerintegration, Politische Studien, Sonderheft 1/98, 6, (8).

210

2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

tritt, wenn ein geplantes Sakralgebäude nicht den sonst geltenden gestalterischen Vorschriften entspricht. Die Pflege der Baukultur soll insoweit Teil des allgemeinen staatlichen Kulturauftrags sein.816 Unter IV. 2. c) (6) wurde bereits eine Einschränkung des Grundrechts auf Religionsfreiheit durch ein Prinzip der „Kulturverantwortung“ abgelehnt, da dieses keine Verankerung in der Verfassung findet. Gleiches gilt für ein Rechtsgut „Pflege der Baukultur“, das keinen verfassungsrechtlichen Rang besitzt.817 (3) Planungshoheit als Teil der Selbstverwaltungsgarantie Gemäß Art.  28 Abs.  2  Satz  1  GG sind die Gemeinden berechtigt, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Teil  dieser sog. gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie ist nach allgemeiner Ansicht die Planungshoheit.818 Darunter wird gemeinhin die Entwicklung von Konzepten für die Aufgabenerledigung im Sinne der zukunftsbezogenen Entwicklung von Zielsetzungen und Vorstellungen über den Einsatz von Mitteln verstanden.819 Wichtigstes Beispiel für die Planungshoheit dürfte neben der Haushaltsplanung die Bauplanung einer Kommune sein, d. h. das den Gemeinden gemäß §§ 1, 2 Abs.  1  BauGB zustehende Recht, die bauliche Entwicklung im eigenen Gemeindegebiet durch städtebauliche Pläne zu fördern.820 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird, wie in der Literatur allgemein üblich, der Begriff der Planungshoheit ausschließlich bezogen auf die Nutzung der (Gemeinde-)Räume und damit v. a. in Bezug auf die Bauleitplanung verwendet. Fraglich ist, ob die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie und die so verstandene Planungshoheit geeignet sind, das vorbehaltlos gewährleistete Grundrecht der Religionsfreiheit zu beschränken. Nach einer Auffassung handele es sich bei Art.  28 Abs.  2  Satz  1  GG, ähnlich wie bei den Kompetenznormen der Artt.  73 ff.  GG, um eine reine Aufgabenzuweisungsnorm; diese enthalte jedoch keinen materiellen Verfassungswert, der geeignet wäre, ein vorbehaltlos gewährtes Grundrecht wie die Religions- oder Kunstfreiheit zu begrenzen.821 Wenn Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG überhaupt einen inhaltlichen, über die bloße Aufgabenzuweisung hinausgehenden Gehalt habe, dann erschöpfe sich dieser im Verhältnis zu anderen staatlichen Ebenen.822 816 So bezüglich als unästethisch empfundener Baukunst Mick, S. 78, 87 ff.; Seybold, S. 62 ff., 133 ff. 817 So auch Moench/Schmidt, S. 56. 818 Dolderer, BauR 1999, 691 (695). 819 Vgl. Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, 2. Teil, Rn. 78. 820 Manssen, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, 4. Teil, Rn. 14 ff. 821 So z. B. Hammer, KuR 2000, 179 (182); Kapell, S. 112 ff., 276; Schneider, S. 112 ff. 822 Schneider, S. 114.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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Die wohl herrschende Gegenansicht gesteht der Planungshoheit als Ausprägung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG einen materiellen Gehalt zu und hält sie für grundsätzlich geeignet, vorbehaltlos gewährleistete Grundrecht einzuschränken.823 Der Ansicht, die Art.  28  Abs.  2  Satz  1  GG nicht als verfassungsimmanente Schranke gelten lassen will, ist zuzugeben, dass die Vorschrift sich im staatsorganisatorischen Teil  des Grundgesetzes befindet und insoweit der Schluss nahe liegt, dass es sich auch bei der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie lediglich um eine Kompetenznorm handelt. Darüber hinaus gilt die Garantie gemeindlicher Selbstverwaltung bezüglich ihres Inhalts gemeinhin als „substanzschwach und elastisch“.824 Im Übrigen ist es positiv zu bewerten, dass, im Gegensatz zu der insoweit als ausufernd zu bezeichnenden Rechtsprechung, die Frage nach der Begrenzungstauglichkeit einer ggf. vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte einschränkenden Verfassungsbestimmung eingehend geprüft wird. Dennoch sprechen einige, nicht lediglich ergebnisorientierte,825 Gründe dafür, der Selbstverwaltungsgarantie materiell-rechtlichen Charakter und damit Begrenzungstauglichkeit zuzugestehen. Zum einen kann allein aus der systematischen Stellung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie wenig geschlossen werden. Zwar ist sie nicht im Grundrechtsteil zu finden, dessen Gewährleistungen ohne Weiteres zugestanden wird, verfassungsimmanente Schranke vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte zu sein. Allerdings steht Art. 28 Abs. 2 GG eben auch nicht im Zusammenhang der allgemeinen Kompetenznormen, bei denen davon auszugehen ist, dass sie in aller Regel keine verfassungsimmanente Schranke bilden können. Darüber hinaus finden sich auch außerhalb der Artt. 1–20 GG Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte, wie etwa die Justizgrundrechte der Artt. 101 ff. GG. Im Übrigen spricht auch der Wortlaut des Art. 28 Abs. 2 GG dafür, dass dieser mehr als eine reine Aufgabenzuweisungsnorm ist. Die Vorschrift unterscheidet sich insoweit von anderen, reinen Kompetenznormen, als dort der Gemeinde das „Recht“ zur Regelung der örtlichen Angelegenheiten gewährt wird. Die Formulierung der Übertragung eines Rechts verwendet der Grundgesetzgeber auch bei der Gewährung der Grundrechte, nicht hingegen bei den reinen Kompetenznormen der Artt. 73 ff. GG, in deren Rahmen üblicherweise nur davon die Rede ist, dass eine Gebietskörperschaft „zuständig“ ist.826 Weiterhin hat sich bezüglich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie mit Begriffen wie „Schutzbereich“, „Eingriff“ und „Kernbereich“ eine Dogmatik her-

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Dolderer, BauR 1999, 691 (696). Maunz/Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 28, Rn. 42 (Lfg. 32, Oktober 1996). 825 So jedoch der Vorwurf von Schneider, S. 112. 826 Dolderer, BauR 1999, 691 (697).

824

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

ausgebildet, die große Ähnlichkeit zur Grundrechtsdogmatik besitzt.827 Dies wird auch durch die Möglichkeit der Kommunalverfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG) bestätigt. Damit wird deutlich, dass der gemeindichen Selbstverwaltungsgarantie durchaus inhaltlicher Charakter zukommt und sich die Bedeutung nicht in der bloßen Aufgabenzuweisung erschöpft. Soweit gerügt wird, die kommunale Selbstverwaltungsgarantie sei zu substanzschwach, vermag dies nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen. Auch wenn nach der Rechtsprechung des Bundsverfassungsgerichts828 klar ist, dass die Selbstverwaltungsgarantie zwar einen Schutz der örtlichen Angelegenheiten gegenüber einer „Hochzonung“, jedoch keinen nach feststehenden Merkmalen bestimmbaren Aufgabenkatalog gewährleistet, ist der Inhalt der Selbstverwaltungsgarantie nicht so nebulös, wie teilweise angenommen wird. Der Begriff der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ist hinreichend konkret und sein Inhalt in der Vergangenheit durch die Rechtsprechung spezifiert worden. Darüber hinaus wäre es jedoch verfehlt, primär auf die Nähe oder Vergleichbarkeit der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie zu den Grundrechten abzustellen.829 Ausweislich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind, wie dargestellt, grundsätzlich Verfassungswerte aller Art potentiell geeignet, eine verfassungsimmanente Schranke vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte zu bilden. Insoweit kommt es einzig darauf an, ob dem konkurrierenden Verfassungswert hinreichend konkret inhaltlich-materieller, nicht bloß formaler Gehalt zukommt. Insbesondere unter Berücksichtigung der Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an verfassungsimmanente Schranken stellt, ist nach alledem die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht auf den intrapersonalen, organisatorischen Bereich beschränkt; vielmehr kommt ihr insoweit materieller Gehalt zu, als sie einen Wert von Verfassungsrang bildet, der grundsätzlich potentiell geeignet ist, vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte einzuschränken.830 Als Teil  der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie kommt insoweit auch der Planungshoheit dieser Charakter zu, wobei an dieser Stelle noch offen bleiben kann, inwieweit konkret eine Beschränkung der Religionsfreiheit durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG möglich ist.831

827 Dazu ausführlich Dolderer, BauR 1999, 691 (697); vgl. auch Denecke, S.  102 ff.; ­ öwer, in: v. Münch/Kunig, Art. 28, Rn. 48 ff; kritisch dazu Rennert, in: Umbach/Clemens, L Art. 28 Abs. 2, Rn. 77, 122. 828 BVerfG, Beschl. v. 23.11.1988, BVerfGE 79, 127 (147). 829 So aber wohl Schneider, S. 113. 830 So auch VGH München, Beschl. v. 13. Oktober 1994, NVwZ 1995, 502 (503), ohne allerdings auf die Frage nach der Beschränkungstauglichkeit näher einzugehen. 831 Unklar insoweit etwa Koenig/Zeiss, Jura 1997, 225 (229 f.), da dort die allgemeine, potentielle Begrenzungstauglichkeit von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und die konkrete Zulässigkeit der Beschränkung der Kunstfreiheit vermengt werden.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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(4) Gemeindliches Selbstgestaltungsrecht Wie soeben dargestellt, werden die städtebaulichen Interessen der Gemeinde in der Planungshoheit als Teil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie verfassungsrechtlich verwirklicht. Fraglich ist jedoch weiterhin, ob über die die Bodennutzung betreffenden Aspekte hinaus auch baugestalterische Belange der Kommunen als Teil der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie geschützt und insoweit geeignet sind, die Religionsfreiheit zu beschränken. In diesem Zusammenhang ist streitig, ob Art.  28 Abs.  2  Satz  1  GG auch ein „gemeindliches Selbstgestaltungsrecht“ beinhaltet. Unter dem gemeindlichen Selbstgestaltungsrecht versteht man das Recht der Gemeinde, das Gepräge und die Struktur ihres Ortes zu bestimmen,832 mithin die Möglichkeit der Gemeinde, ihre „ureigene Identität“, ihr „unverwechselbares sozio-ökonomisches Profil“ zu entwickeln und zu bewahren.833 Während das Selbstgestaltungsrecht ursprünglich primär als Abwehrrecht der Gemeinden gegen überörtliche Planungen entwickelt und später gegen die bau- bzw. immissionsschutzrechtliche Genehmigung einzelner Vorhaben herangezogen wurde, hat sich mittlerweile in der Literatur zur Baukunst die Ansicht herauskristallisiert, dass das gemeindliche Selbstgestaltungsrecht einen Wert von Verfassungsrang darstellt, der grundsätzlich geeignet sein soll, auch vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte einzuschränken.834 Die Herleitung und Entwicklung dieser Komponente der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie835 würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen und wurde jüngst von Denecke sehr eingehend unternommen. Insoweit wird vorliegend davon ausgegangen, dass Art. 28 Abs. 2 GG neben der Planungshoheit auch das Selbstgestaltungsrecht beinhaltet.836 (5) Unterschied zwischen Planungshoheit und Selbstgestaltungsrecht In der einschlägigen Literatur wird in aller Regel ausgeführt, das Selbstgestaltungsrecht sei Teil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, ohne dass im Einzelnen Stellung dazu genommen wird, wie sich Planungshoheit und Selbstgestaltungsrecht in ihrem Anwendungsbereich unterscheiden.837 Legt man die unter 832 VGH  München, Beschl.  v.  19.  November 1985, NVwZ 1986, 679 (680); BVerwG, Urt. v. 6. März 1986, BVerwGE 74, 84 (89). 833 Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (621) m. w. N. 834 Kamp, S. 91; Koenig/Zeiss, Jura 1997, 225 (229 f.); Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (621). 835 Grundlegend: Blümel, in: FS Ule, S. 19 ff. 836 Das Verhältnis von Planungshoheit und Selbstgestaltungsrecht ist im Einzelnen streitig, vgl. dazu Manssen, Stadtgestaltung, S. 141 f. 837 Eine Ausnahme stellt insoweit Denecke dar, der jedoch ausdrücklich offenlässt, inwieweit die Planungshoheit eine verfassungsimmanente Grundrechtsschranke darstellen kann, vgl. ders., S. 149.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

IV.  2.  d)  bb)  (4) angeführte Definition des Selbstgestaltungsrechts zugrunde, so kann es zu Überschneidungen der Anwendungsbereiche kommen. So ist z. B. allgemein anerkannt, dass die Bauleitplanung Ausfluss der kommunalen Planungshoheit ist. Jedoch kann z. B. durch bauleitplanerische Entscheidungen, wie die Ausweisung bestimmter Gebietstypen, auch das sozio-ökonomische Gepräge einer Gemeinde beeinflusst werden, so dass insoweit auch das Selbstgestaltungsrecht betroffen ist, da dessen Anwendungsbereich über rein ästhetische, baugestalterische Inhalte hinausgehen soll.838 Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, über die Bauleitplanung Einfluss auf die Gestaltung des Ortsbildes zu nehmen, z. B. durch bestimmte Festsetzungen gemäß § 9  BauGB oder durch Erhaltungs­ satzungen gemäß § 172 BauGB.839 In der Literatur wurde ausgeführt, dass der Unterschied zwischen beiden Teilgewährleistungen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie primär darin bestehe, dass das Selbstgestaltungsrecht unabhängig von besonderen Planungen bestehe und somit auch dann beeinträchtigt sein könne, wenn die Gemeinde, wie etwa im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 BauGB oder im Außenbereich gemäß § 35 BauGB, keinen Gebrauch von ihrer Planungshoheit gemacht habe. Vom Schutz des Selbstgestaltungsrechts hingegen seien auch diese Gebiete bzw. deren tatsächliches Ortsbild erfasst.840 Teilweise wurde auch ausgeführt, das Selbstgestaltungsrecht stehe nicht neben, sondern vielmehr hinter den allgemein anerkannten „Hoheiten“ wie Planungs- und Finanzhoheit. So verkörpere das Selbstgestaltungsrecht das eigentliche Substrat der gemeindlichen Identität, wohingegen die Planungshoheit nur eines der Mittel zur Erreichung der gemeindlichen Identität darstelle.841 Da nach der hier vertretenen Auffassung sowohl die Planungshoheit als auch das gemeindliche Selbstgestaltungsrecht als unterschiedliche Ausprägungen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zumindest potentiell geeignet sind, das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG zu beschränken und durchaus auch Konstellationen vorstellbar sind, in denen beide Rechte betroffen sind, kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung auf eine weitergehende Differenzierung verzichtet werden.

838

Ebenda, S. 116 f. Anders insoweit Denecke, der bei gestalterischen Anforderungen in Bebauungsplänen nur die Planungshoheit berührt sieht, vgl. ders., S. 149. 840 Ebenda, S. 115 f. 841 Manssen, Stadtgestaltung, S. 141 f. 839

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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(6) Betroffenheit der Planungshoheit und des Selbstgestaltungsrechts In der einschlägigen Literatur ist immer wieder zu lesen, Planungshoheit und Selbstgestaltungsrecht seien erst berührt oder betroffen, wenn es um eine grundlegende Veränderung des örtlichen Gepräges oder der örtlichen Struktur gehe, so dass beide Rechtsgüter nur im Ausnahmefall als verfassungsimmanente Schranke des durch ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht motivierten Bauens dienen könnten.842 Dies ist insoweit nicht korrekt, als damit die einzelnen Stufen der Grundrechtsprüfung vermengt werden. Nach der hier vertretenen Auffassung sind sowohl die Planungshoheit als auch das gemeindliche Selbstgestaltungsrecht potentielle verfassungsimmanente Schranken, unabhängig davon, wie stark sie im Einzelfall durch ein geplantes muslimisches Vorhaben betroffen werden. Inwieweit sie geeignet sind, sich gegenüber der durch Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützten Bautätigkeit im Einzelnen durchzusetzen, ist eine Frage der Abwägung. Erst in diesem Zusammenhang spielt es eine Rolle, wie stark das örtliche Gepräge durch das Bauvorhaben verändert würde. cc) Baurechtliche Umsetzung (1) Umsetzung der Planungshoheit Die gemeindliche Planungshoheit findet ihren einfachgesetzlichen Niederschlag in denjenigen Vorschriften des Baugesetzbuches, die der Gemeinde die Möglichkeit einräumen, die Bodennutzung in ihrem Gebiet durch Aufstellung von Bauleitplänen zu ordnen und zu gestalten. Die verbindliche Bauleitplanung gehört wegen ihrer Bedeutung für die eigenverantwortliche Fortentwicklung der Gemeinde zu den von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Bereichen.843 Unzulässig wäre allerdings der Schluss, sämtliche Regelungen des Baugesetz­ buches als Ausfluss der verfassungsrechtlich geschützten Planungshoheit der Gemeinden und somit als einfachgesetzliche Verkörperung einer verfassungsimmanenten Schranke anzusehen. Vielmehr ist die Gemeinde insoweit nicht Handlungssubjekt.844 Deshalb stellen z. B. die §§ 34 ff. BauGB gerade keine auf der Planungshoheit beruhende Schranke dar. Zu einem Normkonflikt zwischen dem Grundrecht eines muslimischen Bauherrn auf Religionsfreiheit und der gemeindlichen Planungshoheit kommt es folglich primär, wenn eine geplante mus­limische Kultstätte den Festsetzungen eines Bebauungsplans widerspricht.

842

Vgl. statt vieler Kapell, S. 267 m. w. N. So auch Dolderer, BauR  1999, 691 (695); im Ergebnis zustimmend Schneider, S.  112 m. w. N. 844 Zutreffend insoweit Schneider, S. 114. 843

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Darüber hinaus kann es zu einem Normkonflikt beider Rechtsgüter kommen, wenn die Gemeinde ihre städtebaulichen Vorstellungen noch nicht durch verbindliche Bauleitpläne verwirklicht hat, das Aufstellungverfahren jedoch bereits eingeleitet und eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB beschlossen hat, welche die Errichtung eines muslimischen Sakralgebäudes zumindest vorläufig verhindert. Ausfluss der gemeindlichen Planungshoheit ist auch das Vorkaufsrecht, welches die §§ 24 ff. BauGB den Gemeinden zugestehen. So kann es auch zu einer Kollision zwischen Religionsfreiheit und Planungshoheit kommen, wenn eine Gemeinde von ihrem Vorkaufsrecht bezüglich eines Grundstücks Gebrauch macht, welches ein muslimischer Bauherr zum Zweck der Errichtung einer Moschee gekauft hat. Schließlich ist ein Normkonflikt auch insoweit vorstellbar, als die Kommune im Aufstellungsverfahren die Interessen der muslimischen Gläubigen unberücksichtigt lässt. (2) Einfachgesetzliche Umsetzung des gemeindlichen Selbstgestaltungsrechts Soweit das Selbstgestaltungsrecht primär als Recht der Gemeinde auf ästhetische Gestaltung ihres Ortsbildes verstanden wird, findet es seinen einfachgesetzlichen Niederschlag zunächst in denjenigen Festsetzungen eines Bebauungsplans, welche die äußere Gestalt der Bebauung betreffen.845 Von besonderer Bedeutung in diesem Zusammenhang sind gestalterische Vorgaben in örtlichen Bauvorschriften.846 Ein Normkonflikt zwischen der Religionsfreiheit und dem gemeindlichen Selbstgestaltungsrecht entsteht, wenn eine geplante Moschee im Widerspruch zu den örtlichen Bauvorschriften der Kommune steht. In der Praxis bestehen z. B. häufig örtliche Bauvorschriften über die First- oder Traufhöhe von Gebäuden, zu denen ein geplantes Minarett in Widerspruch gerät.847 In baugestalterischen Festsetzungen der Bebauungspläne sowie in örtlichen Bauvorschriften verwirklicht die Gemeinde ihre eigenen, konkreten Gestaltungsvorstellungen in der Form positiver Gestaltungspflege. Praktisch bedeutsam sind jedoch auch die Fälle, in denen die Gemeinde eine geplante Bebauung als Beeinträchtigung des Ortsbildes empfindet und verhindern möchte, jedoch keine entgegenstehenden konkreten Gestaltungsvorschriften, sei es bauplanungs- oder bau 845 Anders Denecke, der hier insoweit nur die Planungshoheit als berührt ansieht, vgl. ders., S. 149. 846 In Bayern Art. 81 BayBO. 847 Vgl. den VGH München, Urt. v. 29. August 1996, NVwZ 1997, 1016 ff. zugrunde liegenden Fall.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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ordnungsrechtlicher Art, existieren. In der Literatur ist umstritten, ob auch die bauordnungsrechtlichen Verunstaltungsverbote848, die Abwehr von Beeinträchtigungen des Ortsbildes im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 Abs.  1 Satz  2 BauGB sowie die Abwehr der Beeinträchtigung öffentlicher Belange durch die Verunstaltung des Ortsbildes im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB einfachgesetzliche Ausprägungen des gemeindlichen Selbstgestaltungsrechts sind. Nach einer Ansicht enthalten diese Vorschriften der abwehrenden, sog. negativen Gestaltungspflege keinerlei Äußerung des gemeindlichen Planungswillens und seien deshalb keine einfachgesetzliche Verkörperung des Selbstgestaltungsrechts. Dies gelte insbesondere für die umgebungsunabhängigen Verunstaltungsverbote der Landesbauordnungen, da diese lediglich das ästhetische Empfinden des Durchschnittsbürgers voraussetzten, nicht aber der Durchsetzung gemeind­ licher Gestaltungsinteressen dienten.849 Nach anderer Ansicht können sowohl die umgebungsunabhägigen Verunstaltungsverbote der Landesbauordnungen als auch die „Verunstaltungsverbote“ der §§ 34 Abs. 1 Satz 2, 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB mit dem verfassungsrechtlich geschützten Selbstgestaltungsrecht rückgekoppelt werden.850 Der letztgenannten Ansicht ist weitestgehend zuzustimmen. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass zunächst nur die Frage zu beantworten ist, in welchen Normen des einfachen Baurechts das gemeindliche Selbstgestaltungsrecht seine Verankerung findet. Soweit umgebungsunabhängige Verunstaltungsverbote betroffen sind und es nur um die Ästhetik des Bauwerks selbst geht,851 ist das gemeindliche Selbstgestaltungsrecht nicht betroffen. Enthalten die betreffenden Normen jedoch den Bezug zum Ortsbild,852 ist darin die Verkörperung des gemeindlichen Selbstgestaltungsrechts zu sehen: Das insoweit geschützte Ortsbild stellt gerade die ästhetische Identität, das bedeutendste Merkmal des örtlichen Gepräges der Gemeinde dar, das durch das Selbstgestaltungsrecht geschützt wird. Danach ist das Selbstgestaltungsrecht sowohl in den das Ortsbild schützenden allgemeinen Verunstaltungsverboten, als auch in § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB und § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB einfachgesetzlich verkörpert. Schließlich schließt auch der Begriff des Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB das gemeindliche Selbstgestaltungsrecht ein.853 Dies ergibt sich bereits aus der Überlegung, dass § 34  BauGB im unbeplanten Innenbereich einen sog. Planersatz854 darstellt und somit eine der Bauleitplanung vergleichbare Funktion einnimmt.855 848

Z. B. Art. 3 Abs. 1 Satz 3, Art. 8 BayBO. Kapell, S. 268; Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (621). 850 Denecke, S. 149 ff. 851 Vgl. etwa Art. 8 Satz 1 BayBO. 852 Wie Art. 8 Satz 2 BayBO. 853 So auch Denecke, S. 151 f.; Dolderer, BauR 1999, 691 (695). 854 BVerwG, Urt. v. 3. April 1981, BVerwGE 62, 151 = NJW 1981, 2770 (2771). 855 So auch Dolderer, BauR 1999, 691 (695).

849

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

Darüber hinaus ist Ziel des Einfügungsgebots des § 34 Abs.  1  BauGB die Aufrechterhaltung der vorgegebenen baulichen Ordnung.856 Die bauliche Ordnung ist jedoch maßgeblich vom Ortsbild, mithin vom vorhandenen ästhetischen Gepräge der Gemeinde bestimmt. Soweit der status quo der baulichen Nutzung historisch gewachsen ist, mithin also nicht originär auf gemeindlichen Gestaltungsvorstellungen beruht, wirkt sich das Selbstgestaltungsrecht insoweit eher indirekt auf den Begriff des Einfügens aus. Zu einem Normkonflikt zwischen dem Selbstgestaltungsrecht und der Religionsfreiheit kommt es beim Bau einer muslimischen Kultstätte folglich auch dann, wenn sich das Vorhaben im unbeplanten Bereich nicht einfügt oder als das Ortsbild beeinträchtigend angesehen wird. Praktisch weniger relevant dürfte der Fall sein, dass es angesichts einer Beeinträchtigung des Ortsbildes gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB zu einem Normkonflikt zwischen Selbstgestaltungsrecht und Religionsfreiheit im Außenbereich kommt. dd) Abwägung (1) Widerspruch gegen „nicht-gestalterische“ Festsetzungen eines Bebauungsplans Wie bereits dargestellt, sind im Fall eines Normkonflikts die kollidierenden Verfassungsrechtsgüter nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz zu einem möglichst schonenden Ausgleich zu bringen. Bezogen auf den Fall, dass gemeindliche Festsetzungen in einem Bebauungsplan die Errichtung eines (muslimischen) Sakralgebäudes verhindern, weil die Art der Nutzung als Anlage für kirchliche Zwecke unzulässig ist, gilt es zwischen der Religionsfreiheit der betroffenen Bauherrn und der Planungshoheit der Gemeinde abzuwägen. Grundsätzlich stehen sich die Verfassungsrechtsgüter der Religionsfreiheit und der Planungshoheit bzw. des Selbstgestaltungsrechts gleichberechtigt gegenüber.857 In der Praxis erfolgt diese Abwägung über die Prüfung, ob eine Ausnahme oder Befreiung gemäß § 31  BauGB in Betracht kommt. Eine Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB ist nur dann möglich, wenn der Bebauungsplan selbst diese bereits vorsieht (sog. Planimmanenz). Übernimmt der Bebauungsplan ohne Änderung die Gebietstypen der BauNVO, sind neben ausdrücklich im Plan ent­haltenen auch die jeweils nach Abs. 3 der §§ 2–14 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Nutzungen planimmanent. In diesem Fall ist bei der Ausübung des Ermessens gemäß § 31 Abs. 1 BauGB maßgeblich die Religionsfreiheit des Bauherrn zu berücksich 856

Zu § 34 Abs. 1 BBauG vgl. Boeddinghaus, BauR 1986, 506 (507). Manssen, Verw 24 (1991), 33 (46).

857

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

219

tigen. In aller Regel ist demnach die Ausnahme zu gewähren und der Bau einer Moschee zuzulassen. Anders als bei der Erteilung einer Ausnahme wird bei einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB der planerische Wille der Gemeinde im Einzelfall durchbrochen.858 Eine Befreiung kann gemäß § 31 Abs. 2 BauGB erteilt werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, Gründe des Allgemeinwohls dies erfordern oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer nicht vertretbaren Härte führen würde und die Abweichung auch unter Berücksichtigung nachbarlicher Interessen mit den öffent­ lichen Belangen vereinbar ist. Das Grundrecht der Religionsfreiheit des Bauherrn ist im Rahmen der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe sowie bei der Ausübung des in § 31 Abs. 2 BauGB eingeräumten Ermessens zu berücksichtigen. Fraglich ist insoweit, ob das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG über § 31 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 oder Nr. 3 GG Eingang in das einfache Recht finden kann. Teilweise wird angenommen, es sei über den Begriff der „Gründe des Wohls der Allgemeinheit“ zu berücksichtigen.859 Richtigerweise ist die Grundrechtsverwirklichung durch Einzelne allerdings vom Wohl der Allgemeinheit abzugrenzen.860 Einschlägig sind jedoch § 31 Abs. 2 Nr. 2 und 3  BauGB, da es ggf. städtebaulich vertretbar ist bzw. eine unbeabsichtigte Härte darstellt, wenn die Grundrechtsverwirklichung durch die Bauleitplanung unmöglich gemacht wird. Die unbestimmten Rechtsbegriffe der städtebaulichen Vertretbarkeit und der unbeabsichtigten Härte dienen in diesem Zusammenhang als „Einfallstore des Verfassungsrechts“. Beide Merkmale sind nach Maßgabe der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte, vorliegend insbesondere der Religionsfreiheit, auszulegen.861 Das generelle Verbot der Art der Nutzung als kirchliche Anlage stellt einen gewichtigen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG dar, da insoweit das „Ob“ des Kultstättenbaus betroffen ist. Darüber hinaus sind Anlagen für kirchliche Zwecke grundsätzlich in fast allen Baugebietstypen Teil  der Regelbebauung bzw. zumindest ausnahmsweise zulässig.862 Insoweit bedarf es bedeutender Gründe, um mit dem Mittel einer entsprechende Bauleitplanung863 von dieser die Religionsfreiheit berücksichtigenden Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers abzuweichen. Da jedoch insoweit die Gemeinde ihren städtebaulichen Willen explizit anderweitig ausgeübt hat, kommt der Planungshoheit in den Fällen, in denen eine Ausnahme für Anlagen für kirchliche Zwecke nicht im Plan vorgesehen 858

Ders., in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, 4. Teil, Rn. 86. Hammer, KuR 2000, 179 (181). 860 Koenig/Zeiss, Jura 1997, 225 (227). 861 Ebenda, S. 228. 862 Vgl. 2. Teil A. II. 863 Z. B. durch Festsetzungen gemäß § 1 Abs. 5, 6 oder 9 BauNVO, die Anlagen für kirchliche Zwecke sogar als Ausnahmen ausschließen. 859

220

2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

ist, ungleich höheres Gewicht bei der Abwägung zu. Je konkreter die Gemeinde ihre städtebauliche Planung ausgeübt hat, umso mehr Gewicht hat die Planungshoheit im Rahmen der Abwägung. Im Übrigen gehört die Verwirklichung der Planungshoheit durch verbindliche Bauleitplanung nach herrschender, aber bislang noch nicht vom BVerfG bestätigter Meinung zum Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG.864 In der Regel stellt die Bauleitplanung ein komplexes, ausdifferenziertes Gefüge von Kompromissentscheidungen dar, welches nicht ohne Weiteres ausgehebelt werden sollte. Dies gilt umso mehr, wenn die Gemeinde mit ihrer Bauleitplanung ausdrücklich von den Vorgaben der BauNVO abweicht, da sie insoweit ihren eigenen planerischen Willen dezidiert äußert. Nicht ausreichend in diesem Zusammenhang ist jedoch eine reine Negativplanung, d. h. eine Bauleitplanung, deren einziges oder primäres Ziel die Verhinderung einer geplanten Moschee ist. Eine solche Planung verstößt gegen § 1 Abs. 3 BauGB, wonach Bauleitpläne nur zulässig sind, wenn sie für die städtebauliche Ordnung erforderlich sind. Zwar kann nach der Rechtsprechung865 Hauptzweck eines Bebauungsplans die Verhinderung einer spezifischen Nutzung sein. Allerdings muss die Gemeinde gleichzeitig mit der Planung konkrete städtebauliche Ziele verfolgen. Im Fall einer „lex contra Moschee“ steht die Gemeinde in aller Regel nur dem muslimischen Bauherrn bzw. seiner Religion kritisch gegenüber.866 Damit verfolgt sie keine inhaltlichen, von der Planungshoheit geschützten städtebaulichen, sondern allenfalls politische Interessen, die jedoch nicht von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützt sind. Stellt die eine Moschee verhindernde Bauleitplanung keine reine Verhinderungsplanung dar, so ist bei der vorzunehmenden Abwägung u. a. zu berücksichtigen, inwieweit bereits weitere Moscheen im näheren Umfeld vorhanden sind bzw. ob andere Flächen für die Errichtung in Betracht kommen. In diesem Zusammenhang stellt teilweise die große Zersplitterung des Islam ein Problem dar, da Gläubige der verschiedenen Richtungen des Islam in aller Regel in verschiedenen Moscheen beten. So kann etwa eine sunnitische Gemeinde nicht darauf verwiesen werden, es gäbe in der Umgebung bereits eine Moschee, wenn diese schiitisch geprägt ist. Im Rahmen der Abwägung ist weiterhin zu berücksichtigen, dass das Grundrecht der Religionsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet und ihm damit vom Grundgesetzgeber ein besonderer Rang zugedacht ist.867

864

So auch Dolderer, BauR 1999, 691 (695). BVerwG, Beschl. v. 18. Dezember 1990, NVwZ 1991, 875 (876); dass., Beschl. v. 27. Januar 1999, BayVBl 1999, 410 (411). 866 Vgl. Hammer, KuR 2000, 179 (187); ein ähnlich gelagertes Beispiel liefert Manssen, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, 4. Teil, Rn. 208. 867 A. A. Manssen, JuS-Lernbogen 8/92, L 60 (L 61); ebenso Misera-Lang, S. 217. 865

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

221

Das Ergebnis der Abwägung hängt von den Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls ab. Im Sinne einer „Leitlinie“ kann jedoch festgestellt werden, dass in aller Regel unter Berücksichtigung der Religionsfreiheit und der Bedeutung des Kultstättenbaus für die Religionsausübung eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB zu gewähren sein dürfte, da das Ermessen der zuständigen Behörde insoweit reduziert ist. In diesem Zusammenhang muss auch beachtet werden, dass die gemeindliche Planungshoheit kein Selbstzweck ist und die Vorschriften der Bauleit­planung primär der Vermeidung von bodenrechtlichen Konflikten dienen. Bei einer im Einzelfall konkret gebietsunverträglichen Moschee überwiegen im Zweifel ohnehin Nachbarbelange. Die gemeindliche Identität und ihr Gepräge werden durch die Art der Nutzung als Moschee regelmäßig nicht berührt. Insoweit muss die Planungshoheit der betroffenen Gemeinde hinter dem Grundrecht auf Religionsfreiheit zurücktreten. Der planerische Ausschluss von Anlagen für kirchliche Zwecke kommt in der Praxis selten vor.868 Typischerweise wird eine geplante Moschee als unzulässig angesehen, weil sie etwa gegen das erlaubte Maß der baulichen Nutzung oder andere nach § 9 BauGB zulässige Festsetzungen des Bebauungsplans verstößt. Soweit Widersprüche gegen gestalterische Festsetzungen des Bebauungsplans betroffen sind, soll dies unter (2) behandelt werden. In den Fällen der beabsichtigten Überschreitung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung hat die Abwägung zwischen der Religionsfreiheit und der Planungshoheit über die Frage nach der Gewährung einer Befreiung gemäß § 31 Abs.  2 BauGB zu erfolgen. Wiederum ist die Religionsfreiheit des Bauherrn bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen. Allerdings ist davon auszugehen, dass sie sich in vielen Fällen nicht durchzusetzen vermag: Mit den Festsetzungen im Bebauungsplan nach § 9 BauGB hat die Gemeinde ihren städtebaulichen Willen dezidiert geäußert. Dagegen stellt sich der Eingriff in die Religionsfreiheit des Bauherrn als eher gering dar, wenn ihm die Art der Nutzung als Moschee ermöglicht wird, ihm jedoch bestimmte, für alle Bauherrn gleichermaßen geltende Vor­gaben bezüglich des Umfangs der baulichen Ausnutzung des Grundstücks, der Bauweise oder Ähnliches gemacht werden. Soweit keinerlei Bezug zum Inhalt der Religion vorhanden ist, ist zwar bei der Ermessensausübung das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG zu berücksichtigen; Besonderheiten gegenüber profan genutzten Gebäuden werden sich jedoch kaum ergeben. Insoweit werden sich diese Festsetzungen des Bebauungsplans als Manifestation der gemeindlichen Planungs­ hoheit in aller Regel durchsetzen. Beruht der Widerspruch gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans hin­gegen auf der spezifisch religiösen Nutzung bzw. den Besonderheiten einer Moschee (z. B. die Kuppel), ist der Religionsfreiheit im Rahmen der Ermessensausübung größeres Gewicht zu verleihen und ggf. eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zu 868

Zemke, S. 150.

222

2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

erteilen. In der Praxis besteht der Widerspruch zum zulässigen Maß der baulichen Nutzung häufig in der Höhe der geplanten Moschee, da sich in Bebauungsplänen Begrenzungen der Firsthöhen finden. Höhenbegrenzungen stellen zwar grundsätzlich gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i. V. m. §§ 16 ff. BauNVO zulässige Festsetzungen dar; der Bebauungsplan muss in diesem Fall jedoch auch Festsetzungen über die Grundflächenzahl oder die Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen regeln, da er sonst nicht den Anforderungen des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO genügt.869 (2) Verstoß des Vorhabens gegen gestalterische Anforderungen Gelegentlich verhindern per Satzung erlassene örtliche Bauvorschriften, die ggf. über § 9 Abs.  4  BauGB Teil  des Bebauungsplans geworden sind, den Bau der Moschee insgesamt oder bestimmter Teile davon. Mit örtlichen Bauvorschriften kann die Gemeinde die Baugestaltung umfassend oder nur Einzelfragen, wie etwa die Gebäudehöhe, die Fassadengestaltung oder die Dachform, regeln. Besondere praktische Relevanz erlangen in diesem Zusammenhang örtliche Bauvorschriften bezüglich zulässiger First- oder Traufhöhen, die im Ergebnis häufig zu einer Verhinderung einer Moschee oder insbesondere des geplanten Minaretts führen.870 Zulässig sind Anforderungen an die äußere Gestaltung von baulichen Anlagen zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern.871 Unter einem Ortsbild ist dabei die Ansicht eines Ortes von außen oder von innen (Straßen- oder Platzbild, Fassadenbild) oder die Ansicht von Ortsteilen zu verstehen. Auch der Fernblick, z. B. Stadtsilhouetten, Türmeblick und das Luftbild, gehören zum Ortsbild. Es umfasst das, was für den Betrachter – und zwar nicht nur aus einem Blickwinkel – sichtbar ist und das Umgebungsbild prägt oder doch mitprägt.872 Örtliche Bauvorschriften sind als Eingriff in die Eigentumsfreiheit nur aus spezifisch baugestalterischen Erwägungen heraus gerechtfertigt.873 Die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Ortsgestaltungssatzung oder der Erteilung einer Befreiung von örtlichen Bauvorschriften muss einerseits berücksichtigen, dass örtliche Bauvorschriften unmittelbarer Ausdruck des gemeindlichen Selbstgestaltungsrechts sind und, wenn sie Teil  eines Bebauungsplans sind, zusätzlich die gemeindliche Planungshoheit verwirklichen. Die Gemeinde hat durch 869

VGH München, Urt. v. 29. August 1996, NVwZ 1997, 1016 (1017). Zur Abgrenzung von Höhenbegrenzungen als Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung und örtlicher Bauvorschriften vgl. VGH München, Urt. v. 29. August 1996, NVwZ 1997, 1016 (1017). 871 Vgl. Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO. 872 Decker, in: Simon/Busse, Art. 81, Rn. 95. 873 Vgl. VGH München, Urt. v. 25. Juni 1990, BRS 50, Nr. 133. 870

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

223

den Erlass örtlicher Bauvorschriften ihren eigenen Gestaltungswillen geäußert und ihr bau- und ortsgestalterisches Konzept hinreichend konkretisiert.874 Andererseits muss die (nach dem Selbstverständnis des Bauherrn zu ermittelnde)  Bedeutung eines Baumerkmals wie etwa des Minaretts für die Ausübung der Religion in die Abwägung eingestellt werden.875 Ob sich insoweit die Religionsfreiheit gegenüber dem Selbstgestaltungsrecht durchzusetzen vermag oder ob die Anwendung der bestehenden örtlichen Bauvorschrift auf ein Moscheebauvorhaben verhältnismäßig ist, bleibt der Einzelfallabwägung vorbehalten. Grundsätzlich müssen in die Abwägung jedoch folgende Aspekte einfließen: Das Gewicht der Religionsfreiheit ist ungleich größer, je größer der Bezug des streitigen baulichen Merkmals zum Inhalt der Religion ist, wobei, wie bereits ausgeführt, insoweit primär auf das Selbstverständnis abzustellen ist. So hat z. B. ein Minarett einen engen inhaltlichen Bezug zum Islam, ebenso wie die Ausrichtung des Baukörpers gen Mekka,876 so dass es einen schweren Eingriff in das Grundrecht des Bauherrn aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG darstellte, wenn diese Spezifika untersagt würden. Soweit ersichtlich hat hingegen die Verwendung bestimmter Baustoffe einer Moschee in der Regel keinen besonderen inhaltlichen Bezug, so dass diese bei einem Widerspruch gegen örtliche Bauvorschriften wohl untersagt werden könnte.877 Im Gegenzug gilt, dass das Gewicht des Selbstgestaltungsrechts umso größer ist, je einheitlicher und typischer das vorhandene örtliche Gepräge ist. Auch wenn nach neuerer Auffassung das gemeindliche Selbstgestaltungsrecht unabhän­ gig von konkreten Planungen der Gemeinde ist, schützt es keine abstrakten Gestaltungsvorstellungen,878 so dass etwa eine örtliche Bauvorschrift, deren Inhalt gerade die Verhinderung einer Moschee bezweckt, unzulässig ist.879 Schützenswert ist jeweils nur ein bereits bestehendes Orts-, Straßen- oder Landschaftsbild, in welchem sich die gemeindlichen Gestaltungsvorstellungen bereits konkretisiert haben. Ob eine Beeinträchtigung des Ortsbildes durch die spezifischen gestalterischen Komponenten einer Moschee erfolgt, ist letztlich eine Frage des Einzelfalls. Das mit einer Gestaltungsvorschrift verfolgte Konzept muss seine Entsprechung in einer charakteristischen Prägung des betroffenen Baugebiets haben.880 Angesichts 874

Denecke, S. 149. Vgl. VGH München, Urt. v. 29. August 1996, NVwZ 1997, 1016 (1018). 876 Vgl. dazu VG Frankfurt a. M., Urt. v. 3. August 2001, NVwZ-RR 2002, 175 (176). 877 So zur Parallele bei der Baukunst Manssen, Stadtgestaltung, S. 175. 878 Voßkuhle, BayVBl 1995, 613 (621). 879 Unzulässig war insoweit auch die Gestaltungssatzung der fränkischen Gemeinde Hettstadt, welche versuchte, durch eine für das gesamte Gemeindegebiet gültige örtliche Gestaltungssatzung, die nur rechteckige Baukörper vorsah, die Ansiedelung der religiösen Vereinigung Universelles Leben zu verhindern, die aus spirituellen Gründen nur runde Baukörper bauen will. Vgl. VGH München, Urt. v. 25. Juni 1990, BRS 50, Nr. 133. 880 VGH München, Urt. v. 25. Juni 1990, BRS 50, Nr. 133. 875

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

der Bedeutung des vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts der Religionsfreiheit kann eine Einschränkung durch das gemeindliche Selbstgestaltungsrecht nur dort erfolgen, wo der Bau einer Moschee nachweislich Struktur und Gepräge des Ortes nachhaltig verändern würde und insoweit der Kern der gemeindlichen Selbstgestaltung betroffen ist.881 Dies ist immer dort der Fall, wo ein besonders einheitliches und als schützenswert empfundenes Ortsbild vorhanden ist, welches durch den Bau einer sich äußerlich abhebenden Moschee (etwa im osmanischen Stil) empfindlich gestört würde. Praktisch relevant könnte dies etwa in einem mittel­ alterlichen Fachwerkensemble oder einem typischen Dorfgebiet werden. Daraus ergibt sich jedoch im Gegenzug, dass örtliche Gestaltungssatzungen der Gestaltung einer Moschee nicht entgegengehalten werden können, wenn ein solch besonders schützenswertes Ortsbild nicht vorliegt. Allein die Tatsache, dass ein Minarett eine ähnliche Höhe wie ein vorhandener Kirchturm erreichen soll, rechtfertigt nicht den Eingriff in die Religionsfreiheit des Bauherrn.882 Ist im Einzelfall von einer Beeinträchtigung des Ortsbildes durch die geplante Moschee auszugehen, können die dieser entgegenstehenden gestalterischen Vorschriften zur Anwendung gebracht und die Moschee in der geplanten Form verhindert werden. Um allerdings dem Erfordernis praktischer Konkordanz Rechnung zu tragen, sollte in solchen Fällen überlegt werden, ob nicht eine Möglichkeit gefunden werden kann, das Ortsbild zu bewahren und dennoch die Nutzung des Gebäudes zu religiösen Zwecken zu ermöglichen. Verschiedene Beispiele aus der Praxis zeigen, dass mit einer etwas „einfallsreicheren“, weniger traditionellen Moscheearchitektur eine Moschee nicht immer einen baulichen Fremdkörper darstellen muss, sondern sich durchaus in vorhandene Ensembles einfügen kann.883 Kommt man zu dem Ergebnis, dass eine örtliche Bauvorschrift nicht geeignet ist, die Religionsfreiheit zulässigerweise einzuschränken, so bedeutet dies zwar deren Nicht-Anwendbarkeit, jedoch nicht zwangsläufig ihre Nichtigkeit. Vielmehr kann der Bedeutung des Grundrechts der Religionsfreiheit dadurch Rechnung getragen werden, dass die Gestaltungssatzung im Einzelfall keine Anwendung auf das muslimische Sakralgebäude findet. Die Landesbauordnungen sehen insoweit das Instrument der Abweichung vor.884 Sind die gestalterischen Anforderungen über § 9 Abs. 4 BauGB in Verbindung mit den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen Teil des Bebauungsplans geworden, so muss dem Bauherrn eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB zugebilligt werden. In beiden Fällen ist das der Behörde zustehende Ermessen wegen der Geltung der Religionsfreiheit auf Null reduziert.

881

Denecke, S. 152. VGH München, Urt. v. 29. August 1996, NVwZ 1997, 1016 (1017). 883 Vgl. die Moschee im bayerischen Penzberg. 884 Vgl. Art. 63 Abs. 1 BayBO; vgl. zur Baukunst Klein, S. 282; Moench/Schmidt, S. 57.

882

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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(3) Unbeplanter Innenbereich Besonders häufig stellt sich die Standortfrage einer Moschee im unbeplanten Innenbereich. Im homogenen Innenbereich gilt über § 34 Abs. 2 BauGB dieselbe Situation wie in den verschiedenen Gebietstypen der BauNVO; ggf. können auch Ausnahmen und Befreiungen erteilt werden. Im heterogenen Innenbereich muss sich eine Moschee als Anlage für kirch­liche Zwecke nach Art und Maß der Nutzung sowie der Bauweise und der überbauten Grundstücksfläche in den durch die nähere Umgebung vorgegebenen „Rahmen“885 einfügen. Wie bereits geschildert, ist das Selbstgestaltungsrecht im Gebot des Einfügens einfachgesetzlich verkörpert. Bei der Standortfrage im unbeplanten Innenbereich kann es insoweit zum Normkonflikt zwischen Religionsfreiheit und Selbstgestaltungsrecht kommen, als die Gemeinde einerseits eine Veränderung des sozio-kulturellen Umfelds durch den Bau einer Moschee befürchtet, etwa durch den Zuzug einer Vielzahl von Muslimen oder der Ansiedelung muslimischer Geschäfte bzw. andererseits um den Charakter eines Gebiets oder ihr Ortsbild fürchtet. Die Tatbestandsvoraussetzung des Einfügens stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, über den das Grundrecht der Religionsfreiheit ins einfache Recht einfließen kann. Ausschlaggebend für die Frage des Einfügens ist zunächst, welche Arten von Nutzungen im Baugebiet bereits vorhanden sind, da diese Bebauung die „Bezugsgröße“886 für geplante Vorhaben darstellt. Gibt es dort bereits Anlagen für kirchliche, kulturelle oder soziale Zwecke, wobei für das Baurecht keine Rolle spielt, welcher Religion oder Konfession diese dienen, kann davon ausgegangen werden, dass sich auch eine Moschee nach der Art der Nutzung in die nähere Umgebung einfügt. Das durch das Selbstgestaltungsrecht geschützte sozio-ökonomische Umfeld würde durch eine zusätzliche Anlage für kirchliche Zwecke nicht nachteilig verändert. Die Befürchtung der Veränderung der Bevölkerungsstruktur durch den Zuzug von Andersgläubigen ist nicht durch das Selbstgestaltungsrecht geschützt. Der Grundsatz staatlicher Neutralität gilt auch für die Gemeinden als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften. Sind keine solchen Anlagen vorhanden, bedeutet dies jedoch nicht zwangs­ läufig, dass eine Moschee unzulässig wäre. Das Gebot des Einfügens dient nicht der Herstellung von Einheitlichkeit, sondern vielmehr von Harmonie.887 Eine Moschee ist im unbeplanten Innenbereich zuzulassen, wenn dadurch keine städtebaulichen Spannungen hervorgerufen werden. Insoweit hat sich das Augenmerk ausschließlich darauf zu richten, ob durch die geplante Kultstätte bodenrechtliche Spannungen ausgelöst oder verstärkt werden. Bodenrechtliche Spannungen liegen 885

Zur Kritik an diesem gemeinhin verwendeten Begriff vgl. Dirnberger, BayGTzeitung 7/2007, 283 (284). 886 Ebenda, S. 284. 887 Battis/Krautzberger/Löhr, § 34, Rn. 16.

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

vor, wenn sich die Umgebung durch das Vorhaben nachteilig verändern würde, so dass zur Bewältigung der entstehenden Konflikte eine Bauleitplanung erforderlich würde. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn die Gefahr bestünde, dass eine Anlage Vorbildwirkung hat und der Gebietscharakter zu kippen droht, oder wenn durch ein Vorhaben schutzwürdige Belange Dritter mehr als geringfügig beeinträchtigt werden und insoweit ein Planungsbedürfnis entsteht.888 Allerdings genügt die bloß abstrakte oder entfernte Möglichkeit der Auslösung bodenrecht­licher Konflikte nicht.889 Die befürchtete Veränderung der sozio-ökonomischen oder -kulturellen Struktur stellt in diesem Sinne keinen legitimen Einwand dar, da sie keinen bodenrecht­ lichen Bezug hat. Rein kulturelle Aspekte bzw. befürchtete soziale Konflikte finden im Rahmen des gemeindlichen Selbstgestaltungsrechts keine Berücksichtigung. Bodenrechtliche Spannungen können nicht nur durch die Art der Nutzung, sondern beispielsweise auch durch das Maß der Nutzung und die Bauweise eines Vorhabens begründet werden. So stellt insbesondere die Höhe eines geplanten Minaretts in der Praxis ein Problem dar, da häufig im Baugebiet keine ähnlich hohen Gebäude vorhanden sein werden und insoweit eine Überschreitung des „Rahmens“ vorliegen wird. Maßgebend für das Einfügen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung ist die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung. Vorrangig ist auf die Maßkriterien abzustellen, in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt, nämlich die flächenmäßige Ausdehnung, die Geschosszahl und die Höhe der in der näheren Umgebung vorhandenen baulichen Anlagen.890 Wie bereits ausgeführt, kann sich ein Vorhaben jedoch bei einer Überschreitung des vorhandenen Bebauungsrahmens einfügen. Entscheidend ist, ob die Bebauung städtebauliche Spannungen hervorruft und damit die Gemeinde zum Tätigwerden in Form von Bauleitplanung zwingt. Soweit die baulichen Besonderheiten, wie etwa Kuppel und Minarett, Ausdruck der spezifischen religiösen Nutzung der Moschee sind, kommt ihnen im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung besonderes Gewicht zu. Insoweit fügt sich eine Moschee (mit Minarett) auch bei einer Rahmenüberschreitung ein, wenn sie keine erdrückende Wirkung auf die Nachbarschaft hat. Teilweise wurde bei Windenergieanlagen, die ihrer Höhe nach auch häufig einen Solitär darstellen, von einer erdrückenden Wirkung ausgegangen.891 Diese sind jedoch mit muslimischen Kultstätten kaum vergleichbar. Zum einen gilt es dort nicht ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht zu berücksichtigen, zum anderen stellt sich die Situation bei einer Windenergieanlage mit Mast und Rotor schon deshalb anders dar, weil 888

Vgl. BVerwG, Beschl. v. 21. Juni 2007, ZfBR 2007, 687 f. BVerwG, Beschl. v. 25. März 1999, ZfBR 2000, 68. 890 VG Düsseldorf, Urt. v. 23. August 2007, Az. 9 K 1672/05, veröffentl. bei juris. 891 Vgl. VG Regensburg, Urt. v. 25. März 1993, Az. RO 8 K 92.1094, unveröffentl.

889

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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die sich drehenden Rotorblätter eine deutlich stärkere optische Wirkung haben als ein statischer Turm. Soweit davon ausgegangen wird, dass der Zulassung eines Minaretts eine Vorbildwirkung für andere, den bisherigen Rahmen des Nutzungsmaßes überschreitende Bauvorhaben zukäme,892 vernachlässigt diese Auffassung die spezifisch religiöse Nutzung des Minaretts. Bei der zukünftigen Entscheidung der Frage nach der Höhe eines Bauvorhabens könnte das Minarett insoweit als Fremdkörper außer Betracht bleiben. Fraglich ist, ob durch eine Moschee bzw. ihre spezifische Gestaltung eine Beeinträchtigung des Ortsbilds im Sinne von § 34 Abs.  1  Satz  2  BauGB erfolgen kann. Die Reichweite dieser Vorschrift ist sehr eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung sind davon nur solche Beeinträchtigungen des Ortsbilds erfasst, die bodenrechtliche Relevanz haben. Diese ergeben sich in der Regel primär aus der Lage und Stellung der baulichen Anlage. Rein bauordnungsrechtlich zu beurteilende Gestaltungsfragen sind insoweit, schon aus kompetenzrechtlichen Gründen, irrelevant. Die beeinträchtigenden Merkmale müssen somit solche sein, die einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 BauGB zugänglich wären, da das Ortsbild über § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB nur in dem Umfang geschützt ist, wie dies im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans der Fall ist.893 Die Bedeutung von § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB ergibt sich daraus, dass mit dem Ortsbild ein größerer Rahmen als durch das Einfügungsgebot geschützt ist: Während beim Begriff des Einfügens nur die nähere Umgebung eines Vorhabens einbezogen wird, soll bei der Frage nach einer Beeinträchtigung des Ortsbildes tatsächlich der gesamte Ort einbezogen werden.894 Darüber hinaus liegt eine Beeinträchtigung des Ortsbilds nur vor, wenn dieses besonders schützenswert ist, mithin eine spezifische Prägung oder einen besonderen Charakter aufweist. Maßgeblich ist die Frage, ob eine bauliche Anlage das ästhetische Empfinden eines für Fragen der Ortsbildgestaltung aufgeschlossenen Betrachters verletzt. Allein die optische Gewöhnungs­ bedürftigkeit einer Anlage stellt keine Beeinträchtigung des Ortsbildes im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB dar.895 Eine Störung des Ortsbildes ist v. a. dann anzunehmen, wenn dieses eine in sich geschlossene Struktur aufweist, die durch einen Fremdkörper durchbrochen und verändert würde. Für den Moscheebau bedeutet dies, dass nur in absoluten Ausnahmefällen von einer Ortsbildbeeinträchtigung auszugehen sein wird. Die bloße Fremdheit einer Moschee bzw. eines Minaretts spielt im „emotionsfreien“ Baurecht keine Rolle. Sollte ausnahmsweise eine solch geschlossene charakteristische Struktur vorliegen, die ästhetisch durch die rein bauplanungsrechtlichen Aspekte einer Moschee gestört würde, ist schon kaum vorstellbar, dass sich ein solches Vorhaben einfü 892

So VG Düsseldorf, Urt. v. 23. August 2007, Az. 9 K 1672/05. Dirnberger, BayGTzeitung 7/2007, 283 (285 f.). 894 BVerwG, Urt. v. 11. Mai 2000, NVwZ 2000, 1169 (1170). 895 BVerwG, Urt. v. 18. Februar 1983, NJW 1983, 2713 (2716).

893

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

gen könnte. In aller Regel dürfte die Höhe einer Moschee bzw. des Minaretts eine städte­bauliche Dominante darstellen. Zumeist sind jedoch bereits christliche Kirchen mit Türmen von ähnlicher Höhe vorhanden, so dass eine Moschee keine solch beeinträchtigende Wirkung haben dürfte. Damit tendiert der Anwendungsbereich der Ortsbildbeeinträchtigung gegen Null.896 (4) Berücksichtigung muslimischer Interessen in der Bauleitplanung Wie bereits dargestellt, kann es auch zum Normkonflikt zwischen gemeindlicher Planungshoheit und muslimischer Religionsfreiheit kommen, wenn die muslimischen Interessen keine Berücksichtigung in der Bauleitplanung finden. Angesichts der mit der Erlangung einer Ausnahme oder Befreiung verbundenen Schwierigkeiten ist den Religionsgemeinschaften daran gelegen, entsprechende Ausweisungen in Bebauungsplänen zu erreichen bzw. Festsetzungen, die den Bau einer Moschee erschweren, zu verhindern. Zunächst ist zwischen der Beteiligung von Muslimen am Planaufstellungsverfahren und der inhaltlichen Berücksichtigung ihrer Belange zu unterscheiden. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 BauGB sind am Planaufstellungsverfahren Behörden und sonstige Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden kann, zu beteiligen. Der Begriff der Träger öffentlicher Belange wird gemeinhin weit gefasst.897 Kirchen und Religionsgemeinschaften, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben, sind der Staatsverwaltung gleichgestellt und somit frühzeitig am Planaufstellungsverfahren zu beteiligen.898 Die Stellungnahmen von privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften sind hingegen nur im Rahmen der allgemeinen Bürgerbeteiligung gemäß § 3 BauGB zu berücksichtigen. Darüber hinaus hat die Bauleitplanung nach § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 6 BauGB bei der Aufstellung der Bebauungspläne u. a. die von den Kirchen und Religions­ gemeinschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge zu berücksichtigen. Dieses autonome Eigenbedarfsfeststellungsrecht dient dem Ausgleich staatlicher und kirchlicher Interessen und trägt dem aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV abgeleiteten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen Rechnung. Es bewirkt, dass ausnahmsweise nicht die planauf­ stellende Gemeinde selbst, sondern die Kirchen und Religionsgemeinschaf­ten des öffentlichen Rechts eigenverantwortlich und verbindlich die Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge als abwägungserheblichen Belang feststellen.899 Der so 896

So Dirnberger, BayGTzeitung 7/2007, 283 (285). Battis/Krautzberger/Löhr, § 4, Rn. 3. 898 Ebenda, Rn. 3 f. 899 Hoppe/Beckmann, DVBl 1992, 188 (191).

897

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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von den Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts ermittelte Bedarf darf von den Kommunen nicht hinterfragt werden und ist im Rahmen der planerischen Abwägung unverändert zu übernehmen.900 Das Bedarfsfeststellungsrecht richtet sich jedoch nur auf den abstrakten Bedarf für entsprechende kirch­ liche Anlagen; die Festlegung der konkreten Standorte für diese Anlagen obliegt der Gemeinde im Rahmen ihrer Planungshoheit, die jedoch wiederum bei der Ausübung ihres Planungsermessens die kirchlichen Belange berücksichtigen muss.901 Insoweit kann von dem Vorschlag einer Kirche oder Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts nur abgewichen werden, wenn gewichtige öffentliche oder private Belange, die ebenfalls im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sind, entgegenstehen.902 Je gewichtiger die von der Kirche oder Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts vorgetragenen Gründe für einen bestimmten Standort sind, desto höher sind die Anforderungen an die Rechtfertigung einer Abweichung. Durch das Eigenbedarfsfeststellungsrecht kommt den Kirchen und Religionsgemeinschaften öffentlichen Rechts eine bedeutsame Rolle bei der Planaufstellung zu. Derzeit sind jedoch sämtliche islamischen Religionsgemeinschaften nur privatrechtlich organisiert. Die Frage nach der Verleihung des Körperschafts­status gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV an islamische Gemeinschaften hat in der Literatur durchaus schon Beachtung gefunden.903 Ohne diesen umfassenden Komplex eingehend aufzuarbeiten, kann festgestellt werden, dass zwar seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Zeugen Jehovas904 keine „besondere Verfassungstreue“ von der sich für den Körperschaftsstatus interessierenden Gemeinschaft verlangt werden kann.905 Derzeit scheitern jedoch viele islamische Vereinigungen an der Zersplitterung des Islam,906 da die Verleihung der Körperschaftsrechte im Hinblick auf Mitgliederzahl und Verfassung der Gemeinschaft die Gewähr der Dauer bieten muss. Insoweit steht ihnen ebenso wenig wie die zahlreichen mit dem Körperschaftsstatus verbundenen Privilegien907 das Eigen­bedarfsfeststellungsrecht zu. Eine analoge Anwendung kommt schon wegen des Ausnahmecharakters von § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 6 BauGB und des Fehlens einer Regelungslücke nicht in Betracht. Die dadurch bewirkte Ungleichbehandlung von privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften und Körperschaften des öffentlichen Rechts stellt keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz von Art. 3 Abs. 1 und 3 GG dar, da mit dem Eigenbedarfsfeststellungsrecht dem

900

Ebenda, S. 192. Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 63. 902 Hammer, KuR 2000, 179 (185); Hoppe/Beckmann, DVBl 1992, 188 (193). 903 Vgl. nur Albrecht, KuR 1995, 25 ff; Isensee, in: EssGespr 19 (1985), 144; Marré, in: FS Rüfner, S. 557 ff.; Muckel, Islam unter dem Grundgesetz, S. 3, 12 ff.; ders., DÖV 1995, 311 ff. 904 BVerfG, Urt. v. 19. Dezember 2000, BVerfGE 102, 370 ff. 905 So jedoch noch BVerwG, Urt. v. 26. Juni 1997, BVerwGE 105, 117 (126). 906 Vgl. Steinbach, S. 16 f. 907 Eine Aufzählung findet sich bei Kloepfer, DÖV 2006, 45 (47); zum sog. Privilegienbündel auch BVerfG, Urt. v. 19. Dezember 2000, BVerfGE 102, 370 ff. 901

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

durch die Verfassung selbst garantierten besonderen Status der Körperschaften öffentlichen Rechts Rechnung getragen wird.908 Wegen der Bedeutung des Kultstättenbaus für die gemeinschaftliche Religionsausübung müssen die muslimischen Interessen auch im Rahmen der Bauleitplanung Berücksichtigung finden und Einfluss auf das einfache Baurecht bekommen. Teilweise wird angenommen, die Belange privatrechtlich organisierter Religionsgemeinschaften seien über § 1  Abs.  5  Satz  2  Nr.  3  BauGB als „kulturelle Bedürfnisse der Bevölkerung“ bei der Aufstellung der Bauleitpläne zu berücksichtigen.909 Wegen der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte in das einfache Recht und der entsprechenden Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe erscheint auch die Berücksichtigung als ungeschriebener Belang in dem nicht abschließenden Katalog des § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB denkbar. Diese Lösung ist insoweit zu bevorzugen, als die Berücksichtigung als bloße „kulturelle“ Bedürfnisse einerseits dem Wortlaut von § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB widerspricht. Der Wunsch, Kultstätten zu bauen, ist kein kulturelles, sondern ein religiös-kirchliches Bedürfnis, was auch der Vergleich mit dem Wortlaut der BauNVO („Anlagen für kirchliche, kulturelle und soziale Zwecke“) zeigt. Darüber hinaus wird die Abstufung zum bloß kulturellen Belang der Bedeutung des Grundrechts der Religionsfreiheit nicht gerecht. Folglich sind die Bedürfnisse der muslimischen Gläubigen als ungeschriebener Belang bei der Aufstellung der Bauleitpläne zu berücksichtigen. Dem stehen die Planungshoheit der Gemeinde sowie ggf. ebenfalls verfassungsrechtlich abge­sicherte, ebenfalls abwägungserhebliche Belange Dritter entgegen. Ziel der Bauleitplanung ist es, eine möglichst konfliktarme und geordnete Nutzung des gemeindlichen Raumes zu erreichen und einen Ausgleich zwischen den berührten Interessen und Belangen zu schaffen. Dieser Ausgleich erfolgt über eine gerechte Abwägung sämtlicher berührten privaten und öffentlichen Belange gem. § 1 Abs. 6 BauGB. Dieses Abwägungsgebot ist der gemeindlichen Planungshoheit immanent, so dass der Religionsfreiheit der muslimischen Religionsgemeinschaften, die ihre Interessen bei der Bauleitplanung berücksichtigt wissen wollen, ein anderes Rechtsgut von Verfassungsrang gegenübersteht. Die Berücksichtigung der Religionsfreiheit hat im Rahmen des Planungsvorgangs auf zweierlei Weise zu erfolgen. Zum einen sind die muslimischen Belange, soweit sie der planaufstellenden Gemeinde, z. B. über die Bürgerbeteiligung, bekannt sind, zwingend in die Abwägung einzustellen. Zum anderen verleiht der Grundrechtsschutz des Art. 4 Abs. 1, 2 GG den Belangen der privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften bei der Abwägung besonderes Gewicht. Stellt die Gemeinde die Belange der muslimischen Religionsgemeinschaften gar nicht in die Abwägung ein, so handelt es sich um einen Fall des sog. Abwägungsdefizits. Verkennt sie die besondere grundrechtlich geschützte Bedeutung oder werden 908

Hammer, KuR 2000, 179 (185); Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 63. VGH München, Urt. v. 29. August 1997, NVwZ 1997, 1016 (1017 f.).

909

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

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einzelne Belange in unzutreffender Weise gewichtet, was in der Praxis häufig vorkommen dürfte, spricht man von Abwägungsfehleinschätzung910 oder Abwägungsdisproportionalität.911 Fraglich ist in diesem Zusammenhang, inwieweit es sich bei der „Fremdheit“ einer Moschee um einen Belang handelt, welcher den Interessen der muslimischen Religionsgemeinschaften im Rahmen der Abwägung entgegengehalten werden kann. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat dies in einer Entscheidung offen gelassen und nur festgestellt, dass ein solcher Belang jedenfalls nicht geeignet wäre, die Zurückstellung des muslimischen Vorhabens zu rechtfertigen.912 Die Ablehnung einer bestimmten Glaubensrichtung bzw. deren Bauvorhaben vermag weder einen kulturellen Belang im Sinne von § 1 Abs. 5 Nr. 3 BauGB noch einen sonstigen ungeschriebenen Belang zu begründen. Zwar soll die Bauleitplanung mit ihren Prinzipien, wie etwa dem Trennungsgrundsatz, eine möglichst konfliktarme Nutzung ermöglichen und soziale Spannungen durch unverträgliche Bauvorhaben vermeiden; dies gilt jedoch nur, soweit die Konflikte aus mit der spezifischen Bodennutzung verbundenen Gründen entstehen. Rein politisch-ideologische Spannungen vermag das Baurecht so wenig zu verhindern wie es Milieuschutz bieten kann.913 Würden solche Erwägungen in die planerische Entscheidung eingestellt, wäre diese fehlerhaft. Im Gegenzug stellt es einen zulässigerweise in die Abwägung einzustellenden Belang dar, wenn eine Gemeinde durch die Ermöglichung einer Moschee zu einem „pluralistischen“ Stadtbild beitragen will,914 solange dieses Interesse nicht nur kulturell, sondern auch städtebaulich motiviert ist.915 Dies gilt auch, wenn sie zuvor mit einer muslimischen Religionsgemeinschaft einen Vertrag über die Ansiedelung geschlossen hat, da die Gemeinde durchaus Privaten die „planende Hand“ zur Verwirklichung bestimmter Projekte reichen darf.916 Ob letztlich ein Fall der Abwägungsdisproportionalität vorliegt, mithin ob die Belange der muslimischen Religionsgemeinschaften und Bevölkerung richtig gewichtet wurden und damit deren Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG hin­reichend beachtet wurde, kann nur von Fall zu Fall entschieden werden. Entscheidend für die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Abwägung und damit danach, ob die gemeindliche Planungshoheit im Rahmen der Bauleitplanung als Schranke von Art. 4 Abs. 1, 2 GG dienen kann, ist zunächst, ob die planende Gemeinde die Be 910

So u. a. Sarnighausen, NJW 1993, 3229 (3231). Vgl. zur Abwägungsfehlerlehre allgemein Manssen, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, 4. Teil, Rn.  255 ff.; zur Beachtlichkeit von Abwägungsfehlern insgesamt Battis/Krautz­ berger/Löhr, § 214, Rn. 19 ff.). 912 VGH München, Urt. v. 29. August 1996, NVwZ 1997, 1016 (1018). 913 Vgl. OVG  Koblenz, Urt.  v.  20.  November 2000, NVwZ  2001, 933 (934); so auch OVG Weimar, Urt. v. 20. November 2002, UPR 2003, 451 ff. 914  OVG Lüneburg, Beschl. v. 18. Juli 2003, Az. 1 MN 120/03, veröffentl. bei juris. 915  OVG Lüneburg, Urt. v. 28. Oktober 2004, NJOZ 2005, 2005, 448 (452). 916  OVG Lüneburg, Beschl. v. 18. Juli 2003, Az. 1 MN 120/03, veröffentl. bei juris, m. w. N. 911

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2. Teil: Rechtliche Rahmenbedingungen

lange der Muslime überhaupt als grundrechtlich geschützt und damit wichtig erkannt hat. Ist dies der Fall, steht ihr geschützt durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ein breites Planungsermessen zu. Kriterien für die Berücksichtigung muslimischer Belange können etwa die Anzahl bereits vorhandener muslimischer Sakralgebäude und die demographische Struktur der Gemeinde sein. In jedem Fall kommt den durch das vorbehaltlos gewährleistete Grundrecht aus Art.  4 Abs.  1,  2  GG geschützten Belangen der Muslime hohes Gewicht zu. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Religionsgemeinschaft den Körperschaftsstatus verliehen bekommen hat oder nicht. Inwieweit ein Abwägungsfehler beachtlich ist, richtet sich nach § 214 Abs.  1 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Danach ist ein Mangel beachtlich, wenn entgegen § 2 Abs. 3 BauGB die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist. Das Abwägungsdefizit bezüglich muslimischer Belange und die Abwägungsfehleinschätzung dürften demnach immer beachtlich sein. Ob eine Abwägungsdisproportionalität beachtlich ist, bleibt der Einzelfallentscheidung vorbehalten. (5) Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts Zu einem Normkonflikt zwischen gemeindlicher Planungshoheit und der Religionsfreiheit kann es schließlich auch dann kommen, wenn eine Gemeinde von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch macht, um den Kauf eines bestimmten Grundstücks für den Bau einer Moschee zu verhindern.917 Gemäß §§ 24 und 25 BauGB stehen der Gemeinde weitreichende Vorkaufsrechte zu. Gemäß § 26  Nr.  2b  BauGB ist das Vorkaufsrecht jedoch ausgeschlossen, wenn ein Grundstück von einer Kirche oder Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts für Zwecke des Gottesdienstes oder der Seelsorge gekauft wird. Das Vorkaufsrecht ermöglicht den Gemeinden die Verhinderung unerwünschter Nutzungen. Da bislang, wie bereits ausgeführt, keiner islamischen Religionsgemeinschaft der Körperschaftsstatus verliehen wurde, ist fraglich, wie es sich mit dem gemeindlichen Vorkaufsrecht beim Grundstückserwerb für den Moscheebau verhält. Eine analoge Anwendung von § 26  Nr.  2b  BauGB auf privatrechtlich organisierte Religionsgemeinschaften kommt schon mangels Regelungslücke und wegen des Ausnahmecharakters der Vorschrift nicht in Betracht. Gemäß § 24 Abs. 3 BauGB und § 25 Abs. 2 i. V. m. § 24 Abs. 3 BauGB darf das Vorkaufsrecht jedoch nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies 917

Zu einem solchen Fall vgl. BVerwG, Beschl. v. 26. April 1993, NVwZ 1994, 282 ff.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Bau von Kultusgebäuden

233

rechtfertigt. Über den unbestimmten Rechtsbegriff des Wohles der Allgemeinheit findet das Grundrecht der Religionsfreiheit des muslimischen Bauherrn bei der Entscheidung über die Ausübung eines Vorkaufsrechts Beachtung. Darüber hinaus müssen die muslimischen Interessen im Rahmen der Ermessensausübung nach § 24 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 25 Abs. 1 Satz 2 BauGB Berücksichtigung finden. Insoweit muss zwischen der Planungshoheit der Gemeinde und der Religions­freiheit des Bauherrn abgewogen werden. In aller Regel wird sich die Religionsfreiheit durchsetzen. Zumindest diejenigen Befürchtungen der Bevölkerung, die sich gegen den Islam als Religion richten, dürfen im Rahmen einer baurechtlichen Zulassungsentscheidung nicht als „Wohl der Allgemeinheit“ berücksichtigt werden. Dies verstieße schon gegen den Grundsatz staatlicher Neutralität. e) Zwischenergebnis Nur wenige der aufgezeigten, empirisch zu beobachtenden Konflikte, die im Zusammenhang mit Moscheebauten entstehen, stellen auch echte Normkonflikte mit anderen Verfassungsrechtsgütern dar. Grundsätzlich sind Verfassungswerte aller Art geeignet, vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte als verfassungsimmanente Schranken zu begrenzen. Bei Moscheebaukonflikten stellen das Eigentumsgrundrecht des Nachbarn aus Art.  14  GG, das aus Art.  20a  GG abgeleitete Umweltschutzprinzip und die in Art.  28 Abs.  2  Satz  1  GG verkörperten gemeindlichen Rechte der Planungshoheit und der Selbstgestaltung die bedeutendsten Schranken der Religionsfreiheit dar. Diese sind in den einfachgesetzlichen Regeln des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts verkörpert. Auf der Suche nach praktischer Konkordanz muss im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung das Gewicht der Religionsfreiheit und des konkurrierenden Verfassungsguts im Einzelfall erkannt und gegeneinander abgewogen werden.

3. Teil

Darstellung und Analyse der Rechtswirklichkeit des Moscheebaus A. Stand der Forschung und Zielsetzung Ursprünglich war eines der Ziele der vorliegenden Arbeit die empirische Aufbereitung vorhandener Moscheebaukonflikte und die Sammlung und rechtliche Aufarbeitung derjenigen Fragen, die im Rahmen dieser Auseinandersetzungen aufgetreten sind. Die Fülle des Materials und die Zahl der meist sehr umstrittenen Bauvorhaben hat jedoch gezeigt, dass eine umfassende empirische Untersuchung den Rahmen der Arbeit sprengen und angesichts der meist eher politisch-emotional gelagerten Probleme den juristischen Blickwinkel verlassen würde. Die Analyse von Moscheebaukonflikten ist in der sozialwissenschaftlichen Literatur beinahe zum „Trendthema“ geworden. Nicht zuletzt deshalb sei auf die in dieser Hinsicht äußerst detaillierten Arbeiten von Schmitt, Leggewie, Hohmann, Kraft, Hüttermann, Lauterbach und Lottermoser und zuletzt Brunn und Ender hingewiesen, die mit einem sozialwissenschaftlichen Ansatz viele deutsche Moscheebaukonflikte untersucht haben. Einen sehr persönlichen Beitrag leistet in diesem Zusammenhang Barfuß, der den Moscheebaukonflikt in der schwäbischen Stadt Lauingen aus der Sicht des örtlichen Bürgermeisters beschreibt. Zuletzt hat sich Zemke aus der Sicht eines Stadtplaners sehr intensiv mit Moscheebaukonflikten beschäftigt und durch seine umfassende Befragung von ca. 800 deutschen Städten und Gemeinden einen wertvollen Beitrag zur empirischen Aufarbeitung der Problematik geleistet. Darüber hinaus erschien eine Aufarbeitung vergangener, mittlerweile geklärter Konflikte müßig, da keine längst vergessenen Probleme aufgerollt werden sollten. Insoweit beschränkt sich der 3. Teil dieser Arbeit darauf zu überprüfen, inwieweit die im 2.  Teil gewonnenen Erkenntnisse der Rechtswirklichkeit in der Bundes­ republik entsprechen. In diesem Zusammenhang sollen in Kapitel B. zunächst die häufigsten Konstellationen, in denen Moscheebaukonflikte vor Gericht gelangen oder potentiell gelangen können, aufgezeigt und darüber hinaus versucht werden, die im Zusammenhang mit Moscheebauvorhaben bislang1 ergangenen und veröffentlichten gerichtlichen Entscheidungen in diese Konstellationen „einzusortieren“, sie kurz zu skizzieren und zu analysieren, inwieweit die Entscheidungs 1 Eingearbeitet wurden sämtliche bis einschließlich Mai 2010 veröffentlichte sowie einige der Verfasserin bekannt gewordene, nicht veröffentlichte Entscheidungen.

B. Moscheebaukonflikte vor den Gerichten

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grundlagen der Gerichte im Einklang mit den im 2. Teil gewonnenen Ergebnissen stehen. Im Anschluss soll in Teil C. anhand neuerer Verfassungs- und Gesetzesinitiativen, vor allem in Österreich und der Schweiz, die Rechtslage des Moscheebaus de lege ferenda betrachtet werden.

B. Moscheebaukonflikte vor den Gerichten I. Zum Umfang der Entscheidungspraxis Zwar sind zwischenzeitlich, wie dargestellt, einige Moscheebaukonflikte von Gerichten entschieden worden; angesichts der großen Zahl der aktuell diskutierten und bereits abgeschlossenen Bauvorhaben fällt jedoch auf, dass nur verhältnismäßig wenige Moscheebaukonflikte vor Gericht enden.2 Über die Gründe dafür kann nur gemutmaßt werden. Das mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht verbundene Kostenrisiko und die zum Teil außerordentlich lange Dauer der Gerichtsverfahren dürften in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen.3 Darüber hinaus ist zu beobachten, dass sich bei Moscheebaukonflikten in der Zwischenzeit eine Art Konfliktkultur herausgebildet hat, die dazu führt, dass viele Streitigkeiten letztlich außergerichtlich gelöst werden. Immer wieder werden auch gerichtliche Konflikte durch den Abschluss eines Vergleichs gütlich beigelegt.4 In aller Regel kann eine Moschee im Ergebnis gebaut werden, wenngleich zu beobachten ist, dass die muslimischen Bauherrn immer wieder berechtigte Positionen, die sie vor den Verwaltungsgerichten nach den Ausführungen im 2. Teil im Zweifel durchsetzen könnten, aufgeben und auf Standorte oder Baumerkmale verzichten, um den Konflikt nicht eskalieren zu lassen.5 So begrüßenswert diese Haltung im Hinblick auf den sozialen Frieden sein mag, führt sie in der Praxis doch dazu, dass dem Grundrecht auf Religionsfreiheit häufig nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen wird und insbesondere immer mehr Moscheen in Gewerbegebieten gebaut werden, obwohl dies nicht dem grundsätzlichen Konzept der Baunutzungsverordnung entspricht, die dort Anlagen für kirchliche Zwecke nur ausnahmsweise zulässt.



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So auch Rohe, S. 128, und Zemke, S. 56 und 72, wobei letzterer sich offenbar nur auf die bekanntesten, in den Fachzeitschriften veröffentlichten Entscheidungen bezieht; vgl. ­Oebbecke, in: Robert/Konegen S. 279, der davon ausgeht, dass die Klagequote allenfalls bei einem Bruchteil der Ablehnungsfälle liegen dürfte. 3 Vgl. zu den Gründen für die Klageabstinenz vieler Muslime eingehend Oebbecke, in: Robert/Konegen, S. 279 ff. 4 Vgl. zum Fall Lünen, in welchem die Parteien einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag folgten, Schmitt, S. 247 und 254. 5 Beispiele finden sich bei Zemke, S. 55.

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3. Teil: Rechtswirklichkeit des Moscheebaus

II. Denkbare verwaltungsgerichtliche Konstellationen 1. Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung a) Allgemeines Wird der Antrag eines muslimischen Bauherrn auf Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheides abgelehnt, muss er (sofern das durch Landesrecht noch nicht abgeschaffte Widerspruchsverfahren erfolglos war) beim Verwaltungsgericht Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, Alt. 2 VwGO auf Erteilung des begehrten Verwaltungsakts erheben. In diesem Zusammenhang prüft das Gericht, ob der Kläger einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung bzw. des Vorbescheids hat bzw. ob diese ihm ermessensfehlerhaft verweigert wurde, was zu einem Teilsieg in Form der Neubescheidung führen würde. Neben der klassischen zweipoligen Konstellation zwischen Antragsteller und Behörde können gelegentlich bei Klagen auf Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheides auch Nachbarn eines Vorhabens beteiligt sein. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Behörde die begehrte Genehmigung aufgrund von Anwohnerbeschwerden nicht erteilt oder eine bereits erteilte Genehmigung zurücknimmt. b) Der Fall Bobingen Über einen der ersten öffentlich gewordenen gerichtlichen Moscheekonflikte hatte das Verwaltungsgericht Augsburg zu entscheiden. Der dortige Kläger, ein in der Kleinstadt Bobingen ansässiger Moscheeverein, hatte die Erweiterung der bestehenden Moschee und, als „Stein des Anstoßes“, die Genehmigung für ein 25 m hohes Minarett beantragt.6 Die Stadt Bobingen hatte die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens gegenüber dem Landratsamt mit der Begründung abgelehnt, das Minarett füge sich nicht in die vorhandene Bebauung ein und stärke darüber hinaus die Attraktivität der Moschee, was wiederum zu Lärm- und Verkehrsproblemen führen würde. In der Folge hatte das Landratsamt die Erteilung der Baugenehmigung mangels gemeindlichen Einvernehmens und darüber hinaus aus bauordnungsrechtlichen Gründen abgelehnt. Das Verwaltungsgericht Augsburg verpflichtete mit sehr ausführlichem Urteil vom 14. Juli 1994 den Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt Augsburg, dem Kläger die begehrte Anbaugenehmigung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu



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Zu den Einzelheiten der Konfliktbiographie vgl. Schmitt, S. 186 ff.

B. Moscheebaukonflikte vor den Gerichten

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erteilen. Das Gericht ging davon aus, dass es sich bei der Umgebung der Moschee um ein allgemeines Wohngebiet handele und somit die Art der Nutzung des Minaretts als Teil einer kirchlichen Anlage ohne Weiteres zulässig sei. Ohne auf die spezifisch religiöse Bedeutung des Minaretts einzugehen, führt das Gericht näher aus, dass dieses das Ortsbild nicht beeinträchtige. Das Minarett sei als kirchliche Anlage schon nicht geeignet, bodenrechtliche Spannungen in einem allgemeinen Wohngebiet entstehen zu lassen. Im Übrigen seien die Bedürfnisse der muslimischen Bevölkerung gemäß § 1 Abs.  5  Nr.  3  BauGB zu berücksichtigen. Wegen der Schlichtheit des geplanten Minaretts, die dem Baustil bereits vorhandener Kirchen gleiche, und dem teils industriell geprägten Ortsbild, habe das Minarett auch ästhetisch keine negative Wirkung. Überlegungen zur theologischen Erforderlichkeit des Minaretts seien ausschließlich Sache des Klägers. Die bauordnungsrechtlichen Bedenken bezüglich der einzuhaltenden Abstandsflächen seien, wie auch bei Kirchtürmen üblich, zu Gunsten des Klägers mit einer Abweichung nach Art. 77 Abs. 1 BayBO zu lösen. Soweit das Minarett von der Genehmigungsbehörde als verunstaltend empfunden werde, habe sich das Geschmacksempfinden des Durchschnittsbetrachters nicht durch religiös oder national motivierte Ängste leiten zu lassen, sondern müsse von Liberalität und Toleranz geprägt sein. Zwar ging der unterlegene Freistaat gegen das Urteil in Berufung; tatsächlich ging der Streit um das Minarett jedoch im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens gemäß § 47 VwGO vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof weiter. Nach dem für den Bauherrn positiven Ausgang des Normenkontrollverfahrens7 wurde die Berufung zurückgenommen. c) Doppelgarage als Gebetsraum Über die Hintergründe des vom Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 9. September 1997 entschiedenen Falles ist nichts bekannt.8 Kläger in dem Verfahren war der Eigentümer eines Grundstückes in einem homogenen unbeplanten Innenbereich, der eine Doppelgarage als Gebetsraum für etwa 50  Personen nutzen wollte.9 Das Verwaltungsgericht folgte der ablehnenden Begründung des Landratsamts und wies seine Klage ab. Es ging davon aus, dass die Nutzungsänderung trotz der grundsätzlichen Zulässigkeit des Vorhabens im allgemeinen Wohngebiet wegen § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig sei, da das klägerische Vorhaben nach Lage und Nutzungsumfang in keinem Verhältnis zu der vorhandenen Wohnbebauung stehe, Disharmonie in das bislang ruhige Baugebiet hineintrage und eine negative Vorbildwirkung entfalten könne. Die Berufung der Kläger auf Art.  4 Abs.  2  GG rechtfertige keine andere Beurteilung. Die Religionsfrei

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Vgl. zum Normenkontrollverfahren 3. Teil II. 4. a). VG Karlsruhe, Urt. v. 9. September 1997, Az. 1 K 68/96, veröffentl. bei juris. 9 Es ist aus der anonymisierten Veröffentlichung des Urteils nicht zu entnehmen, ob es sich überhaupt um einen muslimischen Gebetsraum handelt.

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3. Teil: Rechtswirklichkeit des Moscheebaus

heit sei nicht uneingeschränkt gewährleistet und werde durch den Grundsatz der Sozialbindung des Eigentums aus Art. 14 Abs. 2 GG, der seine Verkörperung in § 15 BauNVO finde, zulässigerweise beschränkt. Lägen die Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO vor, sei die Religionsausübung im Einzelfall unzu­ lässig. Darüber hinaus sei es dem Kläger zumutbar, die bereits vorhandenen kirchlichen Einrichtungen zu nutzen.10 d) Islamisches Kulturzentrum Stuttgart-Heslach Dem Urteil des VG Stuttgart vom 17. Juli 2002 und der Entscheidung des Baden-Württembergischen VGH vom 25. September 200211, mit welcher die Zulassung der Berufung abgelehnt wurde, lag der Fall „Stuttgart-Heslach“ zugrunde. Der dortige Kläger und Berufungskläger begehrte die Erteilung einer Baugenehmigung für die geplante Errichtung eines islamischen „Kulturzentrums“ in einem bereits bestehenden, gewerblich genutzten Gebäude. Unmittelbar nach Beantragung des Bauvorbescheides durch den Kläger hatte die Gemeinde die Aufstellung eines Bebauungsplans für das betreffende Gebiet und, zur Sicherung ihrer Planung, den Erlass einer Veränderungssperre für das Grundstück des Klägers beschlossen. Streitig war neben der Rechtmäßigkeit der Veränderungssperre als solcher die Frage, ob dem Kläger gemäß § 14 Abs. 2 BauGB eine Ausnahme von der Veränderungssperre zu bewilligen sei. Beide Gerichte verneinten dies unter Verweis darauf, dass die geplante Nutzung als großflächiges Kulturzentrum der gemeindlichen Planung der Ausweisung als allgemeines Wohngebiet entgegenstehe. Dies gelte insbesondere deshalb, weil es sich bei dem geplanten Zentrum nach seiner Dimension und dem eigenen Vortrag des Klägers um ein dreigeschossiges Gebäude mit einer Fläche von fast 2000 m2 handele, dessen Einzugsbereich angesichts der vor Ort lebenden muslimischen Bevölkerung weit über den Stadtteil hinausgehe. Zur Sicherung der Planung, die nur durch das Vorhaben des Klägers gefährdet sei, sei es auch ausreichend, den Geltungsbereich der Veränderungssperre auf das Grundstück des Klägers zu beschränken. Weder im Urteil des VG Stuttgart noch im Beschluss des VGH Baden-Württemberg spielt die geplante spezifisch religiöse Nutzung eine Rolle. e) Brucker Moschee-Projekt Das Verwaltungsgericht München war in den Jahren 2004 und 2005 erstmals mit einem Moscheebaukonflikt beschäftigt. Der Kläger des dortigen Verfahrens hatte einen Vorbescheid zum Neubau eines türkisch-islamischen Kulturzentrums

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Insoweit dürfte es sich eher um einen christlichen Gebetsraum gehandelt haben. VGH Mannheim, Beschl. v. 25. September 2002, NVwZ-RR 2003, 546 ff.

B. Moscheebaukonflikte vor den Gerichten

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in Fürstenfeldbruck beantragt.12 Das Landratsamt lehnte den Antrag mit der Begründung ab, das Vorhaben füge sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Darüber hinaus sei wegen des zu erwartenden Lärms aufgrund der angegebenen Gebetszeiten eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots gegeben. Insoweit müsse von einer ständigen vollen Auslastung des Kulturzentrums ausgegangen werden. Schließlich seien die Stellplätze nicht ausreichend, und ihre konkrete Lage verstoße gegen das Rücksichtnahmegebot. Das Verwaltungsgericht München gab dem Kläger mit Urteil vom 9.  Juni  200513 Recht und ging von der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens aus. Es handele sich bei dem fraglichen Baugebiet tatsächlich um ein Mischgebiet, in dem eine Moschee ohne Weiteres zulässig sei. Das Vorhaben füge sich darüber hinaus auch nach dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Selbst wenn ggf. eine Überschreitung des durch die vorhandene Bebauung gegebenen Rahmens vorliege, füge sich das Vorhaben ein, da es keine bodenrechtlichen Spannungen begründe. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass es sich um ein überwiegend religiös genutztes Gebäude handele, so dass auch die durch das Grundrecht der Religionsfreiheit begründeten Besonderheiten hinzunehmen seien. Auch sei das Vorhaben nicht rücksichtslos. Tagsüber seien nach den eingeholten Lärmgutachten die Richtwerte sicher unterschritten. Problematisch seien allenfalls die sehr frühen oder sehr späten Gebetszeiten in den Sommermonaten. Bei der insoweit vorzunehmenden Abwägung überwögen jedoch die Interessen des muslimischen Bauherrn. Insbesondere müsse eine realistische Prognose angestellt werden; es dürfe nicht von einer rein fiktiven vollen Auslastung der Gebetsstätte zu jeder Tageszeit ausgegangen werden. Auch müsse berücksichtigt werden, dass der Verordnungsgeber kirchliche Anlagen sogar ausnahmsweise in reinen Wohngebieten zulasse und damit zum Ausdruck bringe, dass die mit kirchlichen Anlagen üblicherweise verbundenen Belästigungen in der Regel hinzunehmen seien. Weiterhin bestehe bei dem in Rede stehenden Mischgebiet bereits eine gravierende Vorbelastung durch die viel befahrenen Straßen. Schließlich sei bei der vorzunehmenden Abwägung die Wertentscheidung des Grundgesetzgebers hinsichtlich der Gewährung der freien Religionsausübung sowie die Tatsache zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Morgengebet um einen unverzichtbaren Bestandteil der islamischen Religon handele. Die Stellplatzfrage bleibe der bauordnungsrechtlichen Feinabstimmung vorbehalten.



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Zum Konflikt vgl. o.V. (2005): Brucker Moschee genehmigt, in: Münchner Merkur online, 11. Juni 2005; URL: http://www.merkur-online.de/lokales/nachrichten/brucker-moscheegenehmigt-189818.html. 13 VG München, Urt. v. 9. Juni 2005, Az. M 11 K 04.5113, veröffentl. bei juris.

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3. Teil: Rechtswirklichkeit des Moscheebaus

f) VG Gelsenkirchen Im Bezirk des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen kam es zu verschiedenen Moscheekonflikten. Welcher der in der Öffentlichkeit diskutierten Fälle dem Urteil vom 7. September 2005 zugrunde liegt, lässt sich der anonymisierten Fassung nicht entnehmen. Der Kläger beantragte eine Baugenehmigung für die Änderung der Nutzung eines Wohn- und Geschäftshauses in ein muslimisches Gebetshaus für etwa 40  Personen. Die Baugenehmigungsbehörde lehnte den Antrag mit der Begründung ab, es handele sich um ein Gebetshaus mit überörtlichem Charakter, welches zu einem erhöhten Kraftfahrzeugverkehrsaufkommen führe; die Vorhabenplanung sehe jedoch nicht genügend Stellplätze vor. Mit Urteil vom 7. September 200514 verpflichtete das Gericht die Behörde zur Erteilung der beantragten Baugenehmigung. Das Vorhaben sei sowohl bauplanungs- als auch bauordnungsrechtlich genehmigungsfähig. Insbesondere dürften keine überhöhten Anforderungen an den Stellplatzbedarf gestellt werden. Da es sich um eine Anlage für kirchliche Zwecke handele, sei die Versammlungsstättenverordnung nicht anwendbar. Bei der zugunsten des Klägers ausfallenden Abwägung mit den nachbarlichen Belangen bei der Frage nach einer Abweichung von den Abstandsflächen stellte das Gericht nur auf das Eigentumsgrundrecht des Klägers auf Art. 14 GG ab und gab seinen Belangen auf dieser Grundlage Vorrang gegenüber den Nachbarinteressen. Das Urteil erlangte Rechtskraft. g) Kulturzentrum Berlin-Neukölln, Stadtteil Buckow Überraschenderweise war das Verwaltungsgericht Berlin soweit ersichtlich erstmals in den Jahren 2003 bis 2005 mit einem Moscheebaukonflikt befasst. Der Kläger in dem Verfahren VG 19 A 331/03, ein muslimischer Verein, wollte einen ehemaligen Einkaufsmarkt in dem stark muslimisch geprägten Stadtteil Neukölln zu einem Kulturhaus umbauen und begehrte die entsprechende Nutzungsänderung. Diese wurde ihm vom Bezirksamt Neukölln mit der Begründung versagt, die vorgesehene Einrichtung ziele auf einen überörtlichen Einzugsbereich ab, so dass durch den zu erwartenden Verkehr unzumutbare Nachteile und Belästigungen für das fast ausschließlich dem Wohnen dienende Gebiet entstünden. Dies gelte insbesondere angesichts der teils vor Sonnenaufgang stattfindenden Morgengebete. Das Gericht verpflichtete das Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Neukölln, mit Urteil vom 7. November 200515 zur Neubescheidung und ging davon

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VG Gelsenkirchen, Urt. v. 7. September 2005, Az. 10 K 5015/02, veröffentl. bei juris. VG Berlin, Urt. v. 7. November 2005, Az. VG 19 A 331/03, veröffentl. bei juris.

B. Moscheebaukonflikte vor den Gerichten

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aus, dass das Vorhaben den zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspreche. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass durch die Nutzung als Gebetsstätte unzumutbare Beeinträchtigungen im Sinne von § 7  Nr.  5  BO  58 von dem Vorhaben ausgingen. Der zu erwartende Verkehr sei in jedem Fall geringer als der mit der früheren Nutzung als Einkaufsmarkt verbundene und sei als mit der Nutzung als Anlage für kirchliche bzw. kulturelle Zwecke üblicherweise verbundene Beeinträchtigung hinzunehmen. Auch bei christlichen Kirchen häuften sich die Aktivitäten an Wochenenden. Weiterhin stehe der überörtliche Einzugsbereich der Erteilung einer Ausnahme im allgemeinen Wohngebiet nicht entgegen. Schließlich sei das Ermessen der Behörde auf Null reduziert gewesen, da sich auch die gemäß § 173 Abs. 2 BBauG übergeleiteten Vorschriften an der Wertung der BauNVO ausrichten müssten, in der Anlagen für kulturelle Zwecke nicht nur ausnahmsweise, sondern allgemein in allgemeinen Wohngebieten zulässig seien. Die Verweigerung der Erteilung einer Ausnahme nach § 7  Nr.  8  Satz  2  BO 58 bedürfe deshalb einer besonderen Rechtfertigung, für die im vorliegenden Fall nichts ersichtlich sei. Schließlich habe es die Behörde ermessensfehlerhaft unterlassen, die Bedeutung des Grundrechts der Religionsfreiheit in die Ermessensabwägung einzustellen. Den Antrag auf Zulassung der Berufung des beklagten Landes Berlin wies das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 30. März 200716 zurück. In seiner Entscheidung betonte es die weltanschaulich-religiöse Neutra­ lität des Staates und die Berücksichtigung des Grundrechts der Religionsfreiheit bei der Anwendung des einfachen Baurechts. Weiterhin führte das Gericht aus, dass Anlagen für kirchliche Zwecke, die in der Berliner Bauordnung von 1958 nicht explizit erwähnt würden, zumindest zu den Anlagen für kulturelle Zwecke zählten. Soweit die Berufungskläger ausführten, bei der Ermessensentscheidung sei auch die negative Religionsfreiheit der Anwohner zu berücksichtigen, denen keine von ihnen nicht geteilte Kultur oder Religion aufgedrängt werden dürfe, sei dies unzutreffend: Das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG verleihe nicht das Recht, von fremden Glaubensbekundungen verschont zu bleiben. h) Moscheevorhaben in München-Sendling Einer der in der Öffentlichkeit am heftigsten ausgetragen Moscheekonflikte der letzten Zeit war der Streit um die Moschee am Gotzinger Platz in München-Sendling. Dieser erlangte insbesondere deshalb besondere politische Brisanz, da sich die Rot-Grün-regierte Stadt München und die der CSU-Landesregierung nachgeordnete Regierung von Oberbayern nicht über die Zulässigkeit des Vorhabens ­einig waren. Die Stadt München hatte dem muslimischen Bauherrn den begehr 16 OVG  Berlin-Brandenburg, Beschl.  v.  30.  März  2007, LKV  2007, 471 ff.; vgl. Urteils­ besprechung von Rosenkötter, NZBau 2007, 502 f.

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3. Teil: Rechtswirklichkeit des Moscheebaus

ten Vorbescheid für den Neubau des geplanten Türkisch-Islamischen Kulturzen­ trums in der Nähe der Münchner Großmarkthalle erteilt und Abweichungen, z. B. von Abstandsflächen, in Aussicht gestellt. Aufgrund zweier Nachbarwidersprüche hob die Regierung von Oberbayern den positiven Vorbescheid auf und begründete dies primär damit, das Vorhaben füge sich nicht ein, beeinträchtige das Ortsbild und verstoße gegen das Rücksichtnahmegebot. Der Bauherr erstrebte mit seiner Klage vor dem Münchner Verwaltungsgericht die Aufhebung des Widerspruchsbescheides und unterlag. Das Verwaltungsgericht führte in seinem Urteil vom 12.  Februar 200717 aus, das Vorhaben füge sich hinsichtlich der Art der Nutzung nicht in die als Misch­ gebiet zu qualifizierende nähere Umgebung ein. Zwar seien in einem solchen Mischgebiet Anlagen für kirchliche Zwecke, auch wenn sie einen überörtlichen Einzugsbereich haben, allgemein zulässig; das geplante Vorhaben sei jedoch insbesondere wegen seiner Größe und wegen des Nutzungsumfangs nicht gebietsverträglich und verletze, v. a. wegen des zu erwartenden An- und Abfahrts- sowie des Parkplatzsuchverkehrs die Rechte der Nachbarn. Dies gelte insbesondere aufgrund der fünfmal am Tag stattfindenden Gebete, die zu einem hohen Verkehrsaufkommen führten. Diese Situation würde durch das früh am Morgen stattfindende Morgengebet verschärft. Die Immissionsbelastung könne im Rahmen des Rücksichtnahme­gebots auch nicht durch das Grundrecht der Religionsfreiheit relativiert werden, da es bei der Einhaltung von nachbarschützenden Vorschriften einzig um die Standortwahl, nicht aber um die Religionsausübung an sich gehe. Die vorgesehene Stellplatzanzahl entspreche nicht einmal im Ansatz dem tatsächlichen Bedarf. Für das geplante Kulturzentrum sei ein Standort in einem Kernoder Sondergebiet nötig. Der Bau des geplanten Kulturzentrums sei ohne entsprechende Bauleitplanung nicht möglich. Der Bebauungsplan wurde vom Münchener Stadtrat gegen die Stimmen von CSU und Bayernpartei im April 2009 beschlossen. Nachdem die ursprünglich vorgesehene Finanzierung des 15-Millionen-Euro-Projektes durch den Dachverband DITIB scheiterte, nahm der örtliche Münchner Moscheeverein Ditim im Februar 2010 von dem Bauvorhaben Abstand.18 i) Kulturhaus „inssan e. V.“, Berlin-Neukölln, Pflügerstraße Der Bau eines Kulturhauses in der Pflügerstraße in Berlin-Neukölln gehört zu den in der Öffentlichkeit besonders umstrittenen muslimischen Bauvorhaben, nicht zuletzt deshalb, weil der Trägerverein „inssan e. V.“ zeitweise als extremis-



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VG München, Urt. v. 12. Februar 2007, Az. M 8 K 06.3625, veröffentl. bei juris. Bielicki, Jan/Neshitov, Timofey/Maier-Albang, Monika (2010): Aus für die Moschee am Gotzinger Platz, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 44, 23. Februar 2010, S. 41.

B. Moscheebaukonflikte vor den Gerichten

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tisch angesehen wurde und sich die damalige Baustadträtin Stefanie Vogelsang mehrfach öffentlich dezidiert gegen den Bau ausgesprochen hatte.19 Der klagende Verein beabsichtigte, auf einem Grundstück in der Pflügerstraße ein Kulturhaus mit Moschee, Konferenz- und Seminarräumen sowie einer Bibliothek, Frauen- und Jugendräumen, einer Schule, Sporträumen, einem Schwimmbad, Geschäftsräumen und Wohnungen mit einer Gesamtgrundfläche von über 8000 m2 zu errichten. Allein zum Freitagsgebet wären bis zu 1000 Gläubige erwartet worden. Den Bauvorbescheidsantrag hatte das Bezirksamt Neukölln mit der Begründung abgelehnt, der Baukörper sprenge in seiner Komplexität den Rahmen des allgemeinen Wohngebiets nach Art und Maß der baulichen Nutzung. Dem Widerspruch des Klägers half die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ab, die davon ausging, dass die Voraussetzungen für die Erteilung von Befreiungen vorlägen. Gegen die Aufhebung des ablehnenden Bescheides durch die Widerspruchsbehörde erhoben zwei unmittelbare Nachbarn des Grundstücks Klage. Daraufhin hob die Senatsverwaltung den ursprünglich für den Kläger positiven Widerspruchsbescheid unter Verweis auf die Verletzung nachbarlicher Belange durch das Bauvorhaben auf, wogegen sich der Verein mit seiner Klage in dem Verfahren VG 19 A 358/04 wandte. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 6.  Juni  2007 ab und hielt damit den den Bauvorbescheid aufhebenden Bescheid aufrecht. Das Gericht führte aus, dass die Rechte der Nachbarn, insbesondere das Rücksichtnahmegebot, durch den für den Kläger positiven Widerspruchsbescheid verletzt worden seien. Zwar sei grundsätzlich ein Kulturhaus bezüglich der Art der Nutzung, auch unter Berücksichtigung des Grundrechts der Religionsfreiheit, in einem allgemeinen Wohngebiet planungsrechtlich zulässig. In dem vorliegenden Fall habe das Vor­haben jedoch Auswirkungen, die über das üblicherweise mit der Nutzung als kirchliche oder kulturelle Einrichtung verbundene Maß hinausgingen und deshalb unzumutbar seien. Das Vorhaben sei angesichts der hohen Besucherzahlen mit dem einem Wohngebiet eigenen Ruhebedürfnis nicht vereinbar, widerspreche dem Gebietscharakter und sei eher misch- oder kerngebietstypisch. Insbesondere der mit der Nutzung verbundene Verkehrslärm sowie die Stellplatzproblematik führten zur Unzumutbarkeit des Vorhabens. Darüber hinaus stelle auch die Nichteinhaltung von Abstandsflächen einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot dar, da eine nicht nur geringfügige Beeinträchtigung der ausreichenden Licht- und Luftzufuhr des Grundstücks einer der Nachbarn zu befürchten sei.

19 Vgl. Keller, Claudia (2007), Baustadtrat für Moschee, in: Der Tagesspiegel, 18. Juli 2007; URL: http://www.tagesspiegel.de/berlin/Moscheebau-Moschee;art270,2342040; Emmerich, Marlies (2006), Mit dem Baurecht gegen eine Moschee, in: Berliner Zeitung, 2. August 2006; URL: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2006/0802/berlin/0025/ index.html.

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3. Teil: Rechtswirklichkeit des Moscheebaus

Der Kläger hat gegen das Urteil kein Rechtsmittel eingelegt, sondern einen modifizierten Bauantrag gestellt. Dieser wurde jedoch wiederum vom Bezirksamt abgelehnt.20 Zwischenzeitlich hatte inssan einen neuen Standort in einem Industriegebiet in Berlin-Charlottenburg ins Auge gefasst. Der Baustadtrat stand dem Projekt am neuen Standort anfänglich positiv gegenüber,21 änderte aber offenbar seine Meinung22 und lehnte den Bauvorbescheidsantrag ab. Nachdem zunächst ein Bebauungsplanverfahren mit dem Ziel der Herstellung eines Baurechts für das Kulturhaus geplant war, kaufte kurzfristig ein Ingenieurbüro das Areal.23 j) Minarettstreit Mönchengladbach Über die Hintergründe des dem Urteil des VG Düsseldorf vom 23. August 200724 zugrunde liegenden Minarettstreits ist wenig bekannt. Der Kläger erstrebte eine Bebauungsgenehmigung für die Errichtung eines 25 m hohen Minaretts an eine von ihm als Bet- und Kulturzentrum genutzte ehemalige Lebensmittelhalle in einem durch einen Bebauungsplan ausgewiesenen Gewerbegebiet in Mönchengladbach. Der Plan sah für den Bau einer Moschee eine Ausnahme von § 8 Abs. 3 BauNVO vor. Die Genehmigungsbehörde lehnte den Antrag ab, da das geplante Minarett im Hinblick auf die Bauweise und die maximal zulässige Gebäudehöhe den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspreche. Für die geplante Höhe könne keine Befreiung erteilt werden, da Grundzüge der Planung berührt seien und die städtebauliche Vertretbarkeit fehle. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hielt die Errichtung des beantragten Minaretts für bauplanungsrechtlich unzulässig und wies die Klage als unbegründet ab. Dabei ließ es die Wirksamkeit des betroffenen Bebauungsplans offen. Das Minarett widerspreche entweder dessen Festsetzungen zur Gebäudehöhe, da es entgegen der Auffassung des Klägers als Gebäude zu beurteilen sei, sowie zur Bauweise und der gestalterischen Vorgaben (Flachdächer) oder füge sich nach § 34 BauGB nicht ein. Eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans könne nicht erteilt werden, da mit der abweichenden Gebäudehöhe Grundzüge der Planung be-

20 O. V. (2006): Islamischer Verein plant kleinere Moschee in Neukölln, in: DIE WELT, 2. August 2006; URL: http://www.welt.de/print-welt/article233039/Islamischer_Verein_plant_ kleinere_Moschee_in_Neukoelln.html. 21 Keller,  Claudia (2007): Baustadtrat für Moschee, in: Der Tagesspiegel, 18.  Juli  2007; URL: http://www.tagesspiegel.de/berlin/Moscheebau-Moschee;art270,2342040. 22 Wierth, Alke (2008): Moscheebau in Charlottenburg auf der Kippe, in: die tageszeitung, Nr. 8556, 16. April 2008, S. 22. 23 O. V. (2009): Moscheestreit: Rüge für Stadtrat, in: Der Tagesspiegel, 19. Juni 2009; URL: http://www.tagesspiegel.de/berlin/Landespolitik-Inssan-Moschee-Charlottenburg-Wilmers dorf;art124,2826796. 24 VG Düsseldorf, Urt. v. 23. August 2007, NWVBl 2008, 157 ff.

B. Moscheebaukonflikte vor den Gerichten

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rührt seien: Die Höhenbegrenzung sei für den Satzungsgeber von zentraler Bedeutung; die Erteilung einer Befreiung hätte negative Vorbildwirkung. Sei von der Unwirksamkeit des Bebauungsplans auszugehen, füge sich das geplante Minarett jedenfalls nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht im Sinne von § 34 BauGB ein. In der maßgeblichen Umgebung gebe es keine sonstige bauliche Anlage mit ähnlicher Höhe; das Minarett sei deshalb geeignet, städtebauliche Spannungen zu begründen. Ein Einfügen sei auch mit Blick auf die spezifisch religiöse Nutzung der geplanten Anlage nicht ausnahmsweise gegeben, da sich auch Bauvorhaben für religiöse Zwecke wie andere Vorhaben an die baurechtlichen Vorgaben zu halten hätten. Die Frage nach einer Ortsbildbeeinträchtigung oder der Verletzung des Rücksichtnahmegebots könne offen bleiben. Das Urteil wurde rechtskräftig. Inzwischen wurde das Minarett in einer „abgespeckten“ Version gebaut und in Benutzung genommen: es misst nunmehr nur 20 m und ist nicht begehbar.25 k) Umstrittener Moschee-Anbau in Achim Der Moscheekonflikt im niedersächsischen Achim schwelt bereits seit 1995. In diesem Jahr stellte der örtliche Moscheebauverein erstmals einen Antrag auf Genehmigung der Erweiterung des vorhandenen Kultur- und Gebetshauses. Nachdem bereits mehreren Anträgen durch die Baugenehmigungsbehörde stattgegeben worden war, ordnete das Verwaltungsgericht Stade mit Beschlüssen vom 21. Juni 2001 und vom 22. April 2005 jeweils die aufschiebende Wirkung von Nachbarwidersprüchen an und verhängte somit faktisch einen Baustopp.26 2006 stellte der Moscheeverein erneut einen Antrag auf Erweiterung der Anlage. Diesen Antrag lehnte das Landratsamt Verden mit der Begründung ab, das Vorhaben sei, insbesondere wegen des zu erwartenden Verkehrslärms, rücksichtslos. Die Klage auf Erteilung der Baugenehmigung wies das VG  Stade mit Urteil vom 10. September 200827 ab. Das Vorhaben erweise sich als planungsrechtlich unzulässig, da es in der Umgebung, die als faktisches allgemeines Wohngebiet mit einer Tendenz zum reinen Wohngebiet einzustufen sei, als Anlage für kirchliche Zwecke zwar allgemein zulässig, jedoch im Einzelfall wegen des beabsichtigten Nutzungsumfangs, der Nutzungsdichte und der damit verbundenen Auswirkungen auf die Umgebung schon nicht gebietsverträglich sei. Die Gebietsverträglichkeit hänge insbesondere von der Immissionsverträglichkeit ab. Diese sei bei dem geplanten Vorhaben vor allem wegen dessen Umfang und der Größe des Einzugs 25 Gruhn, Andreas (2009): Minarett eröffnet: Streit überwunden, in: Rheinische Post, Nr. 125 (MOEN), 2. Juni 2009, S. 25. 26 Weth, Christian (2008), Beweisaufnahme im Spazierschritt, in: Achimer Kurier, Nr. 214, 11. September 2008, S. 1. 27 VG Stade, Urt. v. 10. September 2008, Az. 2 A 1093/07, unveröffentl.

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3. Teil: Rechtswirklichkeit des Moscheebaus

bereiches nicht gegeben. Es sei als sichere Folge der knappen Stellplätze und des überörtlichen Einzugsbereiches in den umliegenden Straßenzügen mit Parksuchund Rangierverkehr, Türenklappen und anderem Lärm sowie mit den mit Menschenansammlungen typischerweise verbundenen Beeinträchtigungen zu rechnen. In Übereinstimmung mit einer in einem der Eilverfahren ergangenen Beschwerdeentscheidungen28 führt das Verwaltungsgericht aus, der Bauherr könne auch mit Blick auf die Glaubensfreiheit keinen grundsätzlichen Vorrang seines Vorhabens geltend machen. Dies gelte schon deshalb, weil nur ein Teil der begehrten Nutzungserweiterung einem Gebetsraum im eigentlichen Sinn diene. Darüber hinaus gebe das Grundrecht keinen Freibrief für bauliche Aktivitäten ohne Rücksicht auf die Umgebung; vielmehr unterlägen auch Anlagen für kirchliche Zwecke dem baurechtlichen Vorbehalt der Gebietsverträglichkeit. Die Religionsfreiheit als solche werde nicht tangiert, da nur die baurechtliche Seite der Nutzung in Frage gestellt würde. Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das OVG Lüneburg ab.29 Es hielt das Vorhaben, v. a. wegen der typischerweise zu erwartenden Verkehrsimmissionen, die zu einem erheblichen Teil  in die Nachtzeit fielen, nicht für gebietsverträglich in einem allgemeinen Wohngebiet. Die vom Verwaltungsgericht hinsichtlich der voraussichtlichen Besucherzahlen angestellte Prognose sei zutreffend. Es sei davon auszugehen, dass eine gleichmäßige Nutzung des Gebetsraums zur Tagund Nachtzeit stattfinden und es somit an mehr als 200 Tagen im Jahr zu einer intensiven Nutzung in der besonders schützenswerten Nachtzeit kommen werde.30 Auch unter Berücksichtigung des Grundrechts der Religionsfreiheit31 sei keine andere Beurteilung gerechtfertigt. Eine Auseinandersetzung mit dem Grundrecht der Religionsfreiheit habe sich für das Verwaltungsgericht zu Recht erübrigt, weil die Frage einer Verletzung des Rücksichtnahmegebotes sich wegen der Gebiets­ unverträglichkeit des Vorhabens nicht mehr gestellt habe. l) VG Berlin, „Imam-Reeza“-Moschee, Reuterstraße/Berlin-Neukölln Für viel Aufsehen sorgte das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. Februar 2009.32 Der Kläger, der islamische Verein Imam Reeza, hatte die Erteilung eines Bauvorbescheids für die Errichtung eines islamischen Kulturhauses mit Moschee,

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OVG Lüneburg, Beschl. v. 3. August 2005, Az. 1 ME 97/05; unveröffentl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 7. Dezember 2009, NVwZ-RR 2010, 219 ff. 30 OVG Lüneburg, Beschl. v. 7. Dezember 2009, NVwZ-RR 2010, 219 (221). 31 Das Gericht benutzt hier den veralteten Begriff „Muselmanen“, der heutzutage meist abwertend verwendet wird und deshalb vermieden werden sollte. 32 Vgl. Schupelius,  Gunnar (2009): Gericht segnet Neubau ab, in: B. Z., 11.  März 2009; URL: http://www.bz-berlin.de/aktuell/berlin/gericht-segnet-neubau-ab-article393527.html.

B. Moscheebaukonflikte vor den Gerichten

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wiederum in Neukölln, beantragt. Das Bezirksamt lehnte dies offiziell mit folgender Begründung ab: In einem allgemeinen Wohngebiet könnten Anlagen für kulturelle Zwecke gemäß § 7  Nr.  8  BO  58 ausnahmsweise zugelassen werden. Da die Einrichtung auf einen überörtlichen Einzugsbereich abziele, seien nicht hinzunehmende Beeinträchtigungen, v. a. durch den zusätzlichen Straßenverkehr, zu befürchten. Trotz einer Verkleinerung des Vorhabens erhielt das Bezirksamt seine ablehnende Haltung aufrecht. Im Hintergrund der baurechtlichen Beurteilung standen Befürchtungen der ehemaligen Baustadträtin Vogelsang bezüglich eines extremistischen Hintergrunds des Vereins.33 Der auf Erteilung eines Vorbescheides zur Art der baulichen Nutzung gerichteten Klage gab das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 18. Februar 200934 statt. Es ging davon aus, dass das behördliche Ermessen zur Erteilung einer Ausnahme auf Null reduziert sei. Das Vorhaben sei unter Berücksichtigung der BauNVO als Anlage für kirchliche Zwecke nicht nur ausnahmsweise, sondern allgemein zulässig. Darüber hinaus sei das Grundrecht der Religionsfreiheit zu berücksichtigen. Unzumutbare Beeinträchtigungen gingen von dem Vorhaben nicht aus. Seltene Ereignisse, wie etwa große Besucherzahlen an besonderen Feiertagen, seien für die Beurteilung grundsätzlich unbeachtlich. Das Urteil wurde rechtskräftig m) Moscheebau Neuwied-Heddesdorf Im rheinland-pfälzischen Neuwied stand hinter der Verpflichtungsklage des muslimischen Bauherrn wiederum eine Nachbarschaftsstreitigkeit. Die Stadt Neuwied hatte der Ahmadiyya-Gemeinde zunächst einen Bauvorbescheid für die Errichtung einer Moschee in einem Gewerbegebiet erteilt. Da der Bebauungsplan zum Schutz der auf der gegenüberliegenden Seite der trennenden Straße gelegenen Wohnhäuser ein Zu- und Abfahrtsverbot vorsieht, stellte die Stadt dem Bauherrn neben der Erteilung einer Ausnahme bezüglich der Art der Nutzung eine Befreiung von dem Zu- und Abfahrtsverbot in Aussicht. Aufgrund eines Nachbarwiderspruchs hob die Stadt den Vorbescheid auf. Gegen diesen Bescheid erhob die Ahmadiyya Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Koblenz. Das Gericht gab dem Bauherrn Recht und befand die Nachbarin nicht durch den Vorbescheid in eigenen Rechten verletzt.35 Ein Anspruch auf Gebietsbewahrung entfalle schon deshalb, weil die Nachbarin außerhalb des Plangebiets wohne. Das im Bebauungsplan festgesetzte Zu- und Abfahrtsverbot entfalte zwar drittschützende 33 O. V. (2009): Neukölln muss Moscheebau erlauben, Berliner Morgenpost online, 10. März 2009; URL: http://www.morgenpost.de/berlin/article1051705/Neukoelln_muss_Moschee_Bau _erlauben.html. 34 VG Berlin, Urt. v. 18. Februar 2009, Az. VG 19 A 355.04; veröffentl. bei juris. 35 VG Koblenz, Urt. v. 15. Juli 2008, Az. 1 K 23/08.KO, unveröffentl.

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3. Teil: Rechtswirklichkeit des Moscheebaus

Wirkung, beziehe sich jedoch nur auf den Verkehr zu Einrichtungen mit gewerblicher bzw. industrieller Nutzung, nicht hingegen zu religiösen Einrichtungen wie der geplanten Moschee. Darüber hinaus sei das Vorhaben nicht rücksichtslos. Anlagen für religiöse Zwecke seien nach der Konzeption der Baunutzungsverordnung auch in der Nähe von Wohnbebauung zu ermöglichen. Schließlich sei mit der von der Nachbarin befürchteten starken Frequentierung nur an einer begrenzten Zahl von Tagen im Jahr zu rechnen. Die gegen das erstinstanzliche Urteil von der beigeladenen Nachbarin eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg.36 Das Oberverwaltungsgericht schloss sich weitgehend der Begründung des Verwaltungsgerichts an. Es ließ jedoch offen, ob das Zu- und Abfahrsverbot überhaupt dem Schutz der Wohnbebauung diene und ob es nur für den gewerblichen Verkehr gelte. Wegen Funktionslosigkeit dieser Festsetzung komme es darauf nicht mehr an. Das Vorhaben sei auch nicht rücksichtslos. In die vorzunehmende Abwägung sei auch die Wertentscheidung des Grundgesetzgebers für die Religionsfreiheit einzustellen. Eine realistische Prognose hinsichtlich der Lärmerwartung, welche das Gericht v. a. in Bezug auf die zu erwartenden Besucherzahlen ausführlich vornimmt, führe nicht zur Unzumutbarkeit des Vorhabens. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung der Bedeutung des Morgengebets für die Religionsausübung und mit Blick auf die Vorbe­lastung des Gebiets. 2. Nachbarschaftsstreitigkeiten a) Allgemeines Die zunehmende Störanfälligkeit baulicher Nutzung in Verdichtungsräumen führt immer wieder zu bodenrechtlichen Nutzungskonflikten. Viele Verwaltungsstreitverfahren sind in Wirklichkeit Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn.37 Im Baurecht gilt dies in besonderer Weise: Da die Nachbarn einer geplanten Moschee sich, wie gezeigt, besonders häufig gegen diese zur Wehr setzen, stellen Nachbarschaftsstreitigkeiten zahlenmäßig die größte Gruppe der gerichtlichen Konstellationen bei Moscheebaukonflikten dar. Wie an den bereits unter 1.  geschilderten Beispielen deutlich geworden, können sich auch hinter scheinbar zweipoligen Verwaltungsstreitigkeiten in Wirklichkeit Nachbarschaftskonflikte verbergen. Die typische gerichtliche Konstellation im Bereich des Baunachbarrechts, die im Folgenden behandelt werden soll, ist jedoch die Drittanfechtungsklage. In der Regel wendet sich der betroffene Nachbar mit der Anfechtungsklage gegen eine dem Bauherrn erteilte Genehmigung oder einen Vorbescheid. Erfolgversprechend ist die Klage jedoch nur dann, wenn der Nachbar die Verletzung drittschützender Vorschriften geltend machen kann.

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OVG Koblenz, Urt. v. 2. September 2009, Az. 8 A 10291/09.OVG, veröffentl. bei juris. Schmidt-Preuß, S. 252 ff., 268 ff.

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Durch die ständig steigende Zahl repräsentativer Moscheeneubauten sind die „Hinterhofmoscheen“ in der öffentlichen Wahrnehmung etwas in Vergessenheit geraten. Dennoch übersteigt ihre Zahl die der repräsentativen Moscheen immer noch bei Weitem. Nicht alle diese Moscheen sind mit der ausgeübten Nutzung genehmigt. Insoweit ist auch der Fall vorstellbar, dass Nachbarn sich gegen eine solch illegale Einrichtung wenden und bauaufsichtsbehördliches Einschreiten verlangen. Soweit ersichtlich liegen zu solchen Fällen jedoch bislang keine gerichtlichen Entscheidungen vor. In Italien wurde im Mai 2008 eine illegale Moschee abgerissen.38 Gelegentlich ist es hingegen in der Bundesrepublik zu beobachten, dass in Moscheen nicht genehmigte Wohn- und Schuleinrichtungen für Minderjährige betrieben wurden, gegen die die zuständigen Behörden vorgingen.39 b) Islamischer Gebetssaal Der erste in der Rechtsprechung bekannt gewordene Moscheekonflikt spielte sich im Bezirk des VG Freiburg ab. Ein Nachbar wandte sich gegen die einem muslimischen Verein erteilte Genehmigung zum Umbau eines Wohngebäudes in einen Betsaal mit Nebenanlagen. Das Verwaltungsgericht Freiburg hatte die Klage des Nachbarn, der Belästigungen und Störungen für sein Wohngebäude befürchtete, abgewiesen.40 Der Verwaltungsgerichtshof hielt die Berufung des Klägers hingegen für begründet und ging wie bereits in seinem Beschluss im Eilverfahren41 von einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots durch das Vorhaben des beigeladenen Vereins aus. Diese ergebe sich insbesondere aus den Gebetszeiten, die vor Sonnenaufgang begännen und erst nach Sonnenuntergang endeten, und dem zu erwartenden Umfang der Emissionen, v. a. durch den Kraftfahrzeugverkehr. Nicht schutzwürdig sei hingegen das Interesse des Klägers, soweit sich dieser durch die Anwesenheit von Ausländern gestört fühle. Die Interessen des Beigeladenen müssten jedoch trotz Art. 4 Abs. 2 GG zurücktreten, da in dem betreffenden Gebäude bislang keine Religionsausübung stattgefunden habe und die Anlage keine privilegierte Stellung genieße. Die Religion könne und müsse in einer Weise ausgeübt werden, die Dritte in ihrem berechtigten Schlaf- und Ruhebedürfnis nicht erheblich störe. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs bewirkte, dass sich das Bundesverwaltungsgericht das erste und bislang einzige Mal mit einer muslimischen Kultstätte 38 Mellenthin, Knut (2008): „Heiße Kartoffel“ in Oppeano, in: junge welt, Nr. 119, 23. Mai 2008, S. 7. 39 Vgl. den Fall Schwaighofen bei Neu-Ulm, Ströbele, Roland (2009), Moschee in Schwaighofen im Visier, Illertisser Zeitung, Nr. 125, 3. Juni 2009, S. 27; zum illegalen Mädcheninternat in Waltrop vgl. Am Orde, Sabine (2008), Das große Misstrauen, in: die tageszeitung, Nr. 8601, 10. Juni 2008, S. 11. 40 VG Freiburg, Urt. v. 1. Februar 1989, Az. 2 K 53/88, unveröffentl. 41 VGH Mannheim, Beschl. v. 20. Juni 1989, Az. 3 S 873/89, KirchE 27, 184 ff.

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3. Teil: Rechtswirklichkeit des Moscheebaus

beschäftigen musste. Mit Urteil vom 27. Februar 199242 führte die Revision zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen klageabweisenden Urteils. Das Gericht führte aus, die Nachbarn einer in einem Baugebiet allgemein zulässigen Anlage, wie sie der Betsaal in einem allgemeinen Wohngebiet oder Mischgebiet darstelle, hätten die mit dieser Anlage verbundenen üblichen Belästigungen hinzunehmen. Zwar sei grundsätzlich nicht von dem tatsächlichen Nutzungsumfang, sondern von dem zu genehmigenden auszugehen; eine realistische Prognose müsse jedoch berücksichtigen, dass das islamischen Morgengebet nur während einer relativ kurzen Zeit im Jahr vor 6 Uhr falle und im Übrigen das Gebet einen unverzichtbaren Bestandteil der islamischen Religionsausübung darstelle. Die dadurch geschützten Belange des muslimischen Bauherrn erlangten im Rahmen der Abwägung ungemein höheres Gewicht. Insgesamt müsse im konkreten Fall die Wertentscheidung des Grundgesetzgebers für die Gewährleistung der freien Religionsausübung überwiegen. c) Bebauungsplan Uhlenhorst, Hamburg In einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Hamburg wehrte sich ein Nachbar gegen die Erweiterung einer bestehenden Moschee um ein Verwaltungsgebäude mit Bibliothek und einer Tiefgarage. Der betreffende Bebauungsplan weist das Grundstück des beigeladenen muslimischen Vereins als Gemeinbedarf mit dem Zusatz „Moschee (iranisch-islamische Gemeinde)“ aus. Mit Beschluss im Eilverfahren43 verwehrte das Verwaltungsgericht Hamburg dem Nachbarn, der das Vorhaben für rücksichtslos hielt, den begehrten Rechtsschutz. Es führte aus, dass durch das Vorhaben keine Nachbarrechte verletzt, sondern vielmehr die Lärmbelastung durch den Bau einer Tiefgarage reduziert würde. Die Befürchtung des Nachbarn, es entstehe ein norddeutsches islamistisches Zentrum, sei nicht nachvollziehbar. d) Islamisches Gemeindezentrum am Neuenfelder Fährdeich In einem weiteren vorläufigen Rechtsschutzverfahren beschäftigten sich das Verwaltungsgericht Hamburg und das Hanseatische Oberverwaltungsgericht mit dem geplanten Umbau eines Wohn- und Gewerbegebäudes in ein islamisches Gemeindezentrum. Vor dem Verwaltungsgericht hatte der Nachbar die Wieder­ herstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Baugenehmigung erreicht.44 Das Oberverwaltungsgericht hielt die dagegen gerichtete Beschwerde

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BVerwG, Urt. v. 27. Februar 1992, NJW 1992, 2170 f. VG Hamburg, Beschl. v. 5. März 1997, Az. 6 VG 6563/96, veröffentl. bei juris. 44 VG Hamburg, Beschl. v. 27. Juni 1997, Az. 2 VG 3186/97, unveröffentl.

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des Bauherrn für begründet und befand, dass seine Interessen die des Nachbarn überwögen, da diesem keine Abwehrrechte gegen die Baugenehmigung zustünden.45 Handele es sich bei dem betreffenden Gebiet um ein Dorfgebiet, sei das Vorhaben als Anlage für kulturelle Zwecke mit dem Gebietscharakter vereinbar; sei das Gebiet als sog. Außengebiet zu qualifizieren, verleihe diese Ausweisung jedenfalls keinen Drittschutz. Darüber hinaus sei das Vorhaben auch nicht rücksichtslos, da nicht zu erwarten sei, dass die Nutzung für religiöse Zwecke zu unzumutbaren Beeinträchtigungen führen werde. e) Minarett in Wittlich Mit seiner Klage vor dem Verwaltungsgericht Trier wandte sich ein Kläger gegen die seinem Nachbarn erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines 18 m hohen Minaretts, von dem aus freitags mit verminderten Lautstärke lautsprecherverstärkt zum Gebet gerufen werden sollte. Der Kläger war der Ansicht, das Minarett füge sich nicht ein und verursache unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen. Im Übrigen erfahre sein Grundstück durch die fremdländische Beschallung eine Wertminderung, da es dadurch praktisch unverkäuflich sei. Das Verwaltungsgericht hielt die Klage mangels rechtzeitiger Widerspruchseinlegung schon für unzulässig und führte ergänzend aus, die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung sei rechtmäßig, da es sich bei dem betreffenden Gebiet um ein Mischgebiet handele, in welchem das Minarett nach Art und Maß der baulichen Nutzung zulässig sei.46 Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegbeot liege insbesondere wegen der als Nutzungsbeschreibung zu verstehenden Zusicherung zur beschränkten Nutzung der Lautsprecher nicht vor, da dadurch, wie sich aus dem eingeholten Gutachten ergebe, keine unzumutbare Lärmbelästigung zu befürchten sei. Eine Wertminderung sei unbeachtlich, da sich jede legale Bebauung eines Nachbargrundstücks ggf. negativ auf die Nachbarschaft auswirken könne. Das Oberverwaltungsgericht lehnte den Antrag des Nachbarn auf Zulassung der Berufung ab.47 Es wiederholte die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den zu erwartenden Lärmbelästigungen und führte ergänzend aus, dass auch aufgrund der ggf. von Teilen der Bevölkerung als fremdländisch empfundenen Gestalt des Minaretts keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots ausginge. Es sei insoweit allein auf städtebauliche Gesichtspunkte abzustellen; das Baurecht gewährleiste keinen Milieuschutz. Im Übrigen seien bei der Anwendung des Städtebaurechts die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der gesamten, mithin auch der islamischen Bevölkerung zu berücksichtigen. Dem Minarett komme ein mit christlichen Kirchtürmen vergleichbarer Stellenwert zu, so dass das Interesse an dessen

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OVG Hamburg, Beschl. v. 2. September 1997, Az. Bs II 27/97, veröffentl. bei juris. VG Trier, Urt. v. 9. August 2000, Az. 5 K 1432/99.TR, unveröffentl. 47 OVG  Koblenz, Beschl.  v.  20.  November  2000, Az.  8 A  11739/00.OVG, NVwZ  2001, 933 ff.

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Errichtung vom Grundrecht auf Religionsfreiheit geschützt sei. Das Gericht betonte, dass eine Wertminderung des Nachbargrundstücks für sich genommen keine Rücksichtslosigkeit begründen könne, sondern nur als Folge ohnehin unzumut­ barer Beeinträchtigungen relevant sei. f) VG Düsseldorf, Urteil vom 8. Oktober 2002 In dem der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 8.  Oktober 2002 zugrunde liegenden Fall wandte sich ein Nachbar gegen eine einem alevitischen Verein zur Nutzungsänderung einer Industriehalle in eine Versammlungsstätte mit Gebetsraum erteilte Baugenehmigung. Das Gericht konnte keinen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot feststellen.48 Auch auf einen Gebietsbewahrungsanspruch könne der Kläger sich nicht berufen, da es sich um einen heterogenen Innenbereich handele, der keinem der Gebietstypen der Baunutzungsverordnung entspreche. Das Vorhaben füge sich in die Eigenart der näheren Umgebung ein; insoweit seien auch die prägende Wirkung der Nutzung durch den Beigeladenen in der Vergangenheit sowie die vorhandenen Gebetshäuser anderer Konfessionen zu berücksichtigen. Die Frage, ob die geplanten Stellplätze ausreichten, könne unentschieden bleiben, da sich der Kläger auf die Stellplatzpflicht nicht berufen könne. Das Urteil ist rechtskräftig. g) VG München, Beschluss vom 7. Juni 2005 In München plante ein muslimischer Verein die Aufstockung seines Kulturzen­ trums mit Gebetsraum. Die Nachbarn wandten sich mit Widerspruch und vorläufigem Rechtsschutzantrag gegen diese Erweiterung, da nach ihrer Ansicht von dem Vorhaben unzumutbare Lärmbelästigungen ausgingen und keine ausreichende Zahl an Stellplätzen vorhanden sei. Insoweit dürfe wegen der geplanten Nebennutzungen nicht der Stellplatzschlüssel für Kirchen herangezogen werden. Das Verwaltungsgericht München lehnte den Antrag ab und hielt die dem bei­ geladenen Verein erteilte Baugenehmigung nach summarischer Prüfung für rechtmäßig.49 Das Gericht ging davon aus, dass das Baugebiet ein faktisches allgemeines Wohngebiet sei, in dem das Vorhaben als Anlage für kirchliche Zwecke allgemein zulässig sei. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit sich das Vorhaben im Übrigen nicht einfügen solle. Weiterhin sei das Vorhaben auch nicht rücksichtslos. Zwar unterlägen auch Anlagen mit religiöser Nutzung keinem Sonderregime. Wegen der wechselseitigen Sonderbeziehung von Wohnen und Einrichtungen für

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VG Düsseldorf, Urt. v. 8. Oktober 2002, Az. 25 K 3778/99, veröffentl. bei juris. VG München, Beschl. v. 7. Juni 2005, Az. M 8 SN 05.1628, veröffentl. bei juris.

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kirchliche Zwecke sei eine in einem Gebietstyp allgemein zulässige Anlage jedoch auch dann zuzulassen, wenn sie von den im Gebiet wohnenden Personen nicht oder nur untergeordnet genutzt werde, solange sie der Zweckbestimmung des Gebietstyps nicht widerspreche. Somit gehörten auch Moscheen zur infrastrukturellen Versorgung eines Baugebiets. Die Befürchtungen der Nachbarn wegen der kulturellen oder religiösen Andersartigkeit der Moscheebesucher rechtfertigten keine andere Beurteilung. Soweit befürchtet werde, die Moschee habe einen überört­ lichen Einzugsbereich, sei dies insoweit hinzunehmen, als die Ausstattung mit islamischen Gebetshäusern verhältnismäßig gering sei. Von dem Vorhaben seien auch bei den zur Nachtzeit stattfindenden Gebeten keine unzumutbaren Lärmbelästigungen zu erwarten, wie sich aus dem in Auftrag gegebenen Immissionsgutachten ergebe. Die Stellplatzfrage könne unentschieden bleiben, da die entsprechenden Vorschriften der Bauordnung jedenfalls keinen Drittschutz entfalteten. Das Urteil ist rechtskräftig. h) Moschee in Offenbach (Boschweg) In Offenbach war wiederum die Ahmadiyya-Gemeinde Bauherrin eines umstrittenen Moscheeprojekts. Ein Nachbar hatte sich mit einem Antrag nach § 80a Abs. 3 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO gegen die der Gemeinde erteilte Baugenehmigung zur Errichtung einer Moschee mit Kuppel und Minarett gewandt. Das Verwaltungsgericht Darmstadt lehnte den Antrag ab und hielt das Vorhaben nach summarischer Prüfung für zulässig.50 Das Gericht ging dabei mit der Genehmigungsbehörde davon aus, dass es sich um ein faktisches Mischgebiet handele, so dass sich die Moschee nach der Art der Nutzung als kirchliche Anlage ohne Weiteres einfüge. Das Maß der baulichen Nutzung sei nicht zu beanstanden, da es auf den spezifisch religiösen Besonderheiten des Gebäudes beruhe und das Bauwerk keine erdrückende Wirkung haben werde. Weder der zu erwartende Kfz-Verkehr noch das Minarett, von dem aus kein Gebetsruf erfolgen solle, führten zu unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen. Auf eine angebliche Wertminderung seines Grundstücks könne sich der Nachbar nicht berufen. Der Antragsteller legte keine Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. i) Vereinbarkeit von gewerblicher Nutzung mit Moschee? Bereits kurz darauf war das Verwaltungsgericht Darmstadt wiederum mit einer Nachbarschaftsstreitigkeit und der Ahmadiyya-Gemeinde befasst. Der Nachbar, der sich in diesem Fall gegen die geplante Moschee mit einem Antrag nach § 80a Abs.  3 i. V. m. § 80 Abs.  5 VwGO zur Wehr setzte, betrieb eine Kfz-Werkstätte,

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VG Darmstadt, Beschl. v. 12. Juli 2005, Az. 2 G 1000/05, unveröffentl.

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in der v. a. sog. Sondersignalfahrzeuge gewartet wurden. Er hielt die Baugenehmigung für rücksichtlos, da er befürchtete, seinerseits auf das Ruhebedürfnis der Moschee und die Gebetszeiten Rücksicht nehmen zu müssen, was in seinem lärmintensiven Betrieb, in dem die jederzeitige Überprüfung von Martinshörnern möglich sein müsse, den ordnungsgemäßen Betrieb und seinen Umsatz gefährde. Das Verwaltungsgericht Darmstadt hielt die Errichtung der Moschee nicht für rücksichtslos und lehnte den Antrag ab.51 Die ausnahmsweise Zulassung der Moschee in einem Gewerbegebiet führe dazu, dass diese bezüglich der hinzunehmenden Immissionen ein deutlich geringeres Schutzniveau genieße als eine vergleichbare Anlage in einem Wohn- oder Mischgebiet. Solange sich die vom Betrieb des Antragstellers ausgehenden Immissionen im Bereich des im Gewerbegebiet Üb­ lichen verhielten, müsse er nicht auf die zu errichtende Moschee Rücksicht nehmen. Darüber hinaus könne der Antragsteller ein Einschreiten insoweit verhindern, als er die besonders lärmintensiven Martinshorntests nicht gerade während der wenigen Gebetsstunden vornehme. Der mit der Beschwerde befasste Hessische Verwaltungsgerichtshof bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz mit im Wesentlichen gleichen Argumenten.52 Weitergehend führte er jedoch aus, das Verwaltungsgericht überspanne die Anforderungen an das Rücksichtnahmegebot, wenn es dem Antragsteller nahe lege, die Prüfung der Martinshörner nicht während der Gebetszeiten durchzuführen. Im Übrigen befinde sich in unmittelbarer Nähe der Werkstatt mit einem Wohnhaus bereits eine störanfällige Nutzung. j) Islamisches Glaubenszentrum in Ludwigsburg Gegen den Umbau eines als Tapeten- und Textilmarkt genutzten Gebäudes in ein islamisches Glaubenszentrum in Ludwigsburg wandte sich eine Nachbarin. Diese führte neben der drohenden Verkehrsbelastung und der zu erwartenden Wertminderung ihres Grundstücks vor allem ins Feld, es handele sich nicht um eine kirchliche, sondern eine politische Einrichtung, da die eigentlichen Gebetsräume nur etwa ein Viertel der Gesamtfläche ausmachten und die Bauherrin, die Islamische Gemeinschaft Ludwigsburg e. V., Mitglied bei der unter Beobachtung des Verfassungsschutz stehenden Vereinigung Milli Görüs sei. Das Gericht lehnte den vorläufigen Rechtsschutzantrag ab.53 Das Bauvorhaben überschreite weder nach der Art noch nach dem Maß der baulichen Nutzung die in einem Mischgebiet zulässige Bebauung. Da sowohl Anlagen für kirchliche als auch für kulturelle Zwecke allgemein zulässig seien, müsse nicht entschieden werden, welchen Raum die religiöse Nutzung des Gebäudes einnehme. Dies gelte

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VG Darmstadt, Beschl. v. 23. September 2005, Az. 2 G 1527/05, unveröffentl. VGH Kassel, Beschl. v. 24. November 2005, Az. 9 TG 2695/05, unveröffentl. 53 VG Stuttgart, Beschl. v. 2. November 2007, NVwZ-RR 2008, 522 ff.

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insbesondere deshalb, weil es sich nicht um eine überörtliche Einrichtung handele. Den Befürchtungen der Antragstellerin wegen der zu erwartenden Lärmbelästigung sei durch die der Baugenehmigung beigefügten Auflagen ausreichend Rechnung getragen. Bezüglich der notwendigen Stellplätze liege keine erhebliche Störung vor. Auf die reklamierte Wertminderung könne sich die Anwohnerin bei einem im Übrigen nicht rücksichtslosen Vorhaben nicht berufen. Die Frage, ob hinsichtlich des Trägervereins ein Vereinsverbot in Betracht komme, sei im baurechtlichen Genehmigungsverfahren nicht relevant. Die gegen die erstinstanzliche Entscheidung erhobene Beschwerde wies der Baden-Württembergische Verwaltungsgerichtshof zurück.54 Das Gericht bezog sich auf die Begründung der angegriffenen Entscheidung und führte ergänzend aus, dass im konkreten Fall angesichts des Nutzungsumfangs gerade keine Zentraleinrichtung geplant sei und somit keine Gebietsunverträglichkeit vorliege. Das Vorhaben sei schon deshalb nicht rücksichtslos, weil die Antragstellerin das in einem Mischgebiet mit Anlagen für kirchliche und kulturelle Zwecke übliche Maß an Beeinträchtigungen hinnehmen müsse. Zu prüfen seien nur die erteilte Baugenehmigung, nicht hingegen etwaige Überschreitungen des genehmigten Nutzungsumfangs, gegen die ordnungsbehördlich vorgegangen werden müsse. Die bauordnungsrechtliche Stellplatzpflicht sei grundsätzlich nicht nachbarschützend; eine Baugenehmigung ohne ausreichende Stellplätze könne jedoch ausnahmsweise rücksichtslos sein, wenn der Mangel an Stellplätzen zu Beeinträchtigungen des Nachbarn führe, die auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Vorbelastung nicht hinnehmbar seien. Dies sei der Fall, wenn der Nachbar sein Grundstück nicht mehr bestimmungsgemäß nutzen könne, nicht jedoch schon dann, wenn die angrenzenden Straßen von den Benutzern der streitigen Anlage benutzt würden. Das Eigentumsrecht begründe keinen Anspruch auf bevorrechtigte Nutzung des angrenzenden öffentlichen Straßenraums. Die konkrete Lage der Stellplätze sei zwar drittschützend, bewirke im vorliegenden Fall jedoch nicht die für einen Verstoß erforderlichen erheblichen Störungen. k) Die „causa Moers“ In Moers schwelt bereits seit einigen Jahren ein Moscheebaukonflikt, der seinen vorläufigen Höhepunkt in einem Verwaltungsstreitverfahren vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf fand. Einer der in Moers ansässigen DITIB-Vereine plante am Standort der seit 20 Jahren bestehenden Moschee den Neubau eines islamischen Gemeindezentrums mit einem 19  m hohen Minarett.55 Nachdem die erste Bau­genehmigung erteilt worden war, errang ein Nachbar in der zweiten In

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VGH Mannheim, Beschl. v. 10. Januar 2008, Az. 3 S 2773/07; veröffentl. bei juris. Zu den Hintergründen vgl. Janssen, Sabine/Schwerdtfeger, Christian (2008): Dauerstreit um Moschee in Moers, in: Rheinische Post, Nr. 38 (GES), 14. Februar 2008, S. 3.

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3. Teil: Rechtswirklichkeit des Moscheebaus

stanz die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.56 Der gleiche Ablauf – Baugenehmigung, Unterliegen vor dem Verwaltungsgericht, Sieg vor dem Oberverwaltungsgericht – ereignete sich nach Erteilung einer zweiten, abgeänderten Baugenehmigung.57 Gegen die dritte, mit etlichen Auflagen versehene Baugenehmigung wandten sich die Nachbarn mit einer Drittanfechtungsklage. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf wies die Klage ab.58 Es ließ dabei offen, ob es sich bei dem Baugebiet um ein faktisches allgemeines Wohngebiet oder ein faktisches Mischgebiet handele. Jedenfalls liege kein reines Wohngebiet vor, so dass das Vorhaben als Anlage für kirchliche, kulturelle und soziale Zwecke grundsätzlich zulässig sei und nicht gegen den Gebietscharakter verstoße. Das Rücksichtnahmegebot sei nicht verletzt, da von dem Vorhaben keine unzumutbaren Belästigungen ausgingen. Insoweit müsse die Vorbelastung durch die bestehende Begegnungsstätte berücksichtigt werden. Das Vorhaben bringe keine unzumutbare Verschärfung der Verkehrssituation mit sich. Die zu befürchtenden Beeinträchtigungen, auch durch die teils in der Nachtzeit stattfindenden Gebete, müssten hingenommen werden, da sie typisch für den Betrieb einer solchen Anlage seien und die Kläger darüber hinaus an ein Gewerbegebiet angrenzten. Zu prüfen sei allein die Baugenehmigung, nicht hingegen denkbare formell illegale Nutzungsänderungen wie etwa Überschreitungen der Benutzerzahl der Moschee. Die Versammlungsstättenverordnung finde keine Anwendung, da das streitbefangene Vorhaben im Wesentlichen Räume zu gottesdienstlichen Zwecken erfasse. Von dem Vorhaben gehe auch keine erdrückende Wirkung aus, da die Moschee selbst niedriger sei als das Wohngebäude der Kläger und die Minarette wegen ihrer schlanken Ausführung keine massive optische Wirkung hätten. Darüber hinaus liege die Moschee auf der dem Grundstück der Kläger abgewandten Seite des Beigeladenengrundstücks. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Vor dem Oberverwaltungsgericht Münster wurde Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt.59 Die Moschee wurde unbeschadet des noch nicht abgeschlossenen Rechtsschutzverfahrens im März 2009 feierlich eröffnet.60



56 OVG  Münster, Beschl.  v.  13.  Mai  2005, Az.  21  B  459/05, unveröffentl.; vorausgehend VG Düsseldorf, Beschl. v. 17. Februar 2005, Az. 4 L 3436/04, ebenfalls unveröffentl. 57 VG  Düsseldorf, Beschl.  v.  6.  März  2006, Az.  4  L  2415/05; OVG  Münster, Beschl.  v. 30. Juni 2006, Az. 10 B 471/06; jeweils nicht veröffentl. 58 VG Düsseldorf, Urt. v. 28. Februar 2008, Az. 4 K 945/07; veröffentl. bei juris. 59 Az. OVG 10 A 1192/08. 60 Pake, Simon (2009): DITIB weiht neue Moschee ein, in: Rheinische Post, Nr. 69 (MO), 23. März 2009, S. 9.

B. Moscheebaukonflikte vor den Gerichten

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l) Moschee im Gewerbegebiet Söflingen, Baden-Württemberg Mit dem Bau einer Moschee in einem als Gewerbegebiet ausgewiesenen Baugebiet nahe Ulm beschäftigte sich das Verwaltungsgericht Sigmaringen. Ein türkisch-islamischer Verein wollte ein bislang gewerblich genutztes Gebäude zu einer Moschee für ca. 430 Personen mit Kuppel und Minarett sowie einigen Nebenanlagen, wie Versammlungs- und Jugendräumen, umbauen. Die Kläger, Eigentümer mehrerer angrenzender Gewerbebetriebe, hatten sich gegen die Erteilung der Baugenehmigung gewandt, weil sie befürchteten, der Wert ihrer Grundstücke werde wegen der Nachbarschaft zu einer Moschee sinken und die Moschee werde wegen der zu gering angesetzten Stellplätze zu einem Verkehrschaos führen. Darüber hinaus seien die Kuppel und das Minarett zu hoch und der Standort für ein Kulturzentrum insgesamt nicht geeignet, da dadurch der Gebietscharakter des bislang durch Autohäuser und ähnliche Betriebe geprägten Gewerbegebiets verändert werde. Aufgrund der Einwendungen änderte der türkisch-islamische Verein die Baupläne, sah 118 Stellplätze vor, verkleinerte Kuppel und Minarett und gab diesen ein schlichteres Aussehen. Gegen die dem Verein erteilte Baugenehmigung wandten sich die Kläger mit einer Drittanfechtungsklage. Das Verwaltungsgericht gab den Klägern Recht.61 Das Gericht hielt das Vorhaben für nicht gebietsverträglich, da die durch den Bau ausgelöste Parkplatzproblematik durch die Baugenehmigung nicht bewältigt werde. Das Vorhaben könne als Anlage für kulturelle Zwecke zwar ausnahmsweise in einem Gewerbegebiet zugelassen werden, sei jedoch im konkreten Fall gebietsunverträglich, da es wegen seines räumlichen Umfangs, der Größe seines Einzugsbereichs, der Art der Betriebsvorgänge und der Intensität des Zu- und Abfahrtsverkehrs typischerweise geeignet sei, den Gebietscharakter zu stören. Das Gewerbegebiet diene der Produktion von Wirtschaftsgütern, dem Handel und der Verwaltung; es sei in seiner Funktionsfähigkeit darauf angewiesen, jederzeit, auch von größeren Fahrzeugen, angefahren zu werden. Diese Funktionsfähigkeit werde durch das Moscheevorhaben beeinträchtigt, da es einen erheblichen Besucherverkehr, v. a. auch durch den geplanten Versammlungsraum für 600 Personen, auslöse und dieses Problem mit den nachgewiesenen Stellplätzen nicht bewältigt werde. Durch die zu gering angesetzten Stellplätze sei auch das Rücksichtnahmegebot verletzt, da der Stellplatzmangel die bestimmungsgemäße Nutzung der Nachbargrundstücke unzumutbar beeinträchtige. Der erhebliche Fehlbedarf von ca. 120 Stellplätzen könne nicht durch den öffentlich zugänglichen Parkraum gedeckt werden, so dass zu befürchten sei, dass die Kundenparkplätze auf den Grundstücken der Kläger benutzt würden. Aufgrund des mittlerweile rechtskräftigen Urteils wurden die Bauarbeiten auf dem Grundstück vorläufig eingestellt. Der Bauherr kündigte an, auf dem Areal zusätzlich ein Parkhaus bauen zu wollen.

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VG Sigmaringen, Urt. v. 11. Juni 2008, NJOZ 2009, 647 ff.

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3. Teil: Rechtswirklichkeit des Moscheebaus

m) Moschee im Gewerbegebiet Pforzheim Nachdem die Stadt Pforzheim schon in den frühen 1990er-Jahren Schauplatz eines der ersten großen deutschen Moscheekonflikte war, kam es jüngst wieder zu einer Streitigkeit um den Bau einer Moschee. Vergleichbar mit dem Fall Söflingen wollte der Träger auch in Pforzheim in einem Gewerbegebiet eine Moschee mit Minarett bauen und stieß auf den Widerstand der anliegenden Gewerbe­ treibenden, die um den Gebietscharakter fürchteten und eine Wertminderung ihrer Grund­stücke für möglich hielten. Die Klage gegen den Bauvorbescheid wies das Verwaltungsgericht Karlsruhe ab.62 Das Gericht ließ offen, ob es sich bei der geplanten Moschee um eine kirchliche Anlage im Sinne der Baunutzungsverordnung handele, da sie als Anlage für kulturelle Zwecke trotz ihrer generellen Ungeeignetheit für Gewerbegebiete in solchen ausnahmsweise zulässig sei. Das Vorhaben sei auch konkret gebietsverträglich. Zum einen seien in einem Gewerbe­ gebiet ohnehin keine erheblich belästigenden Gewerbebetriebe erlaubt, zum anderen müsse sich der beigeladene Bauherr in einem Gewerbegebiet auf ein geringeres Immissionsschutzniveau einstellen als in einem Misch- oder Wohngebiet. Die von den Klägern angegriffene Größe der Moschee vermöge angesichts der vorhandenen, deutlich größeren Betriebe keine Veränderung des Gebietscharakters herbeizuführen. Ein „Kippen“ des Gebiets sei nicht zu befürchten, da es sich um die bislang einzige Anlage für kirchliche bzw. kulturelle Zwecke handele. Auch sei das Vorhaben nicht rücksichtslos. Insgesamt habe die Genehmigungsbehörde das ihr nach § 31 Abs.  1  BauGB zustehende Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt. Das Urteil ist rechtskräftig. n) Minarett in Bielefeld-Brackwede Bereits im Jahr 2004 errichtete der türkisch-islamische Kulturverein Bielefeld im Stadtteil Brackwede im unbeplanten Innenbereich eine Moschee für ca. 150 Besucher mit Kulturzentrum und Tiefgarage. Anfang 2009 erteilte die Stadt Bielefeld dem Verein zusätzlich die begehrte Baugenehmigung für ein Minarett neben der Moschee mit der Auflage, dass die Nutzung des Minaretts zum Gebetsaufruf und der Einbau einer Lautsprecheranlage nicht zulässig seien. Darüber hinaus solle die Beleuchtung des Minaretts so gestaltet werden, dass das direkte Anstrahlen der umliegenden Wohnbebauung und eine damit einhergehende Blendung der Nachbarschaft unterblieben. Gegen diese Baugenehmigung für das Minarett wandte sich ein Nachbar der Moschee, der Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Er war der Ansicht, das Minarett füge sich, insbesondere nach seiner Höhe, nicht in die vorhandene Bebauung ein, die primär durch

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VG Karlsruhe, Urt. v. 12. Mai 2009, Az. 2 K 4011/08, veröffentl. bei juris.

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Ein- und Zweifamilienhäuser geprägt sei. Darüber hinaus wirke es störend und beeinträchtige die Nutzung der Gärten der umliegenden Wohnbebauung. Schließlich sei zu befürchten, dass das Minarett künftig für einen islamischen Gebetsruf genutzt werde. Das Verwaltungsgericht Minden wies die Nachbarklage ab.63 Das Vorhaben sei nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen und füge sich insoweit nach Art und Maß der baulichen Nutzung ohne Weiteres in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Das Gericht ging davon aus, dass das Minarett einen dem Kirchturm christlicher Kirchen vergleichbaren Symbolwert habe und als Teil der Moschee wie diese bezüglich der Art der Nutzung als Anlage für kirchliche Zwecke zu beurteilen sei. Wegen der in dem von Wohn- und Gewerbenutzung geprägten Gebiet bereits vorhandenen Schornsteine stelle auch die Höhe des geplanten Minaretts kein Problem dar. Angesichts der schlanken Bauausführung könne von einer erdrückenden Wirkung keine Rede sein. Das Minarett sei auch nicht rücksichtslos. Eine Steigerung des Verkehrsaufkommens sei durch das Minarett nicht zu erwarten. Etwaigen Belästigungen durch Licht- oder Geräuschimmissionen sei durch die Auflagen zur Baugenehmigung ausreichend Rechnung getragen worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 3. Der Fall Schlüchtern-Niederzell: Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens In einem der umstrittensten Moscheebaukonflikte der vergangenen Jahre kam es vor Gericht zu einer eher seltenen Konstellation: In dem ca. 1000 Einwohner umfassenden hessischen Ortsteil Niederzell der Kleinstadt Schlüchtern wollte die Ahmadiyya-Gemeinde ein Gebetshaus bauen, stieß jedoch auf heftigen Protest der einheimischen Bevölkerung.64 Die Stadt verweigerte ihr gemäß § 36 BauGB erforderliches Einvernehmen mit der Begründung, das Vorhaben füge sich nicht ein, beeinträchtige das Ortsbild nachhaltig und lasse es an der gebotenen Rücksichtnahme gegenüber der Nachbarbebauung fehlen. Daraufhin lehnte das Landratsamt als Baugenehmigungsbehörde die Erteilung der Genehmigung ab. Im nachfolgenden Widerspruchsverfahren änderte der Kreis Main-Kinzig seine Auffassung und ersetzte das nach seiner geänderten Ansicht zu Unrecht verweigerte gemeindliche Einvernehmen. Dagegen wandte sich die Stadt Schlüchtern mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt. Mit Urteil vom 29. August 200165 wies das Gericht die Klage ab und gab damit dem Landkreis Recht. Die Stadt werde durch den Ersetzungsbescheid weder in ihrer Planungshoheit noch in sonstigen

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VG Minden, Urt. v. 22. April 2010, Az. 9 K 981/09; veröffentl. bei juris. Vgl. nur Bittner, Jochen (2004): Wer hat Angst vorm Muselman? in: DIE ZEIT, Nr. 25/ 2004, 9. Juni 2004, S. 12. 65 VG Frankfurt a. M., Urt. v. 29. August 2001, NVwZ-RR 2002, 175 ff.

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3. Teil: Rechtswirklichkeit des Moscheebaus

Rechten verletzt, da sie das Einvernehmen rechtswidrig versagt habe. Das nach § 34 BauGB zu beurteilende Vorhaben sei planungsrechtlich zulässig und füge sich insbesondere nach Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und überbaubarer Grundstücksfläche ein. Die Ausrichtung des Baukörpers nach Mekka, die zu einer Schrägstellung führe, sei grundsätzlich hinzunehmen. Besonderheiten bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung, die auf die spezifisch religiöse Nutzung zurückzuführen seien, müssten akzeptiert werden. Das Rücksicht­nahmegebot sei nicht tangiert; aufgrund der geplanten Größe sei schon ausgeschlossen, dass es zu größeren Menschenansammlungen komme. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass Anlagen für kirchliche Zwecke zwangsläufig einen größeren Platzbedarf hätten als Wohngebäude. Der zu erwartende Straßenverkehr rufe keine nur durch einen Bebauungsplan zu bewältigenden Spannungen hervor, zumal durch die geplante Ortsrandlage ohnehin nur ein kleiner Teil des Stadtgebiets betroffen sei. Noch geringere Beeinträchtigungen seien nur in einem Gewerbegebiet zu erwarten, wohin auch christliche Kirchen üblicherweise nicht „ausgelagert“ würden. Darüber hinaus habe das Vorhaben weder eine erdrückende Wirkung noch könne aus den für die Gegend unüblichen baulichen Merkmalen Kuppel und Minarett eine ästhetische Störung des Gesamtbilds abgeleitet werden. Dies gelte umso mehr, als die Bebauung in dem betroffenen Bereich ohnehin keine einheit­ lichen Gestaltungsprinzipien aufweise. 4. Normenkontrollverfahren a) Bobingen Wie bereits dargestellt, stehen in der Praxis immer wieder Festsetzungen in Bebauungsplänen dem Bau einer Moschee entgegen. So ging auch der Streit um das Minarett in Bobingen insoweit in die zweite Runde, als die Stadt Bobingen nach der Niederlage vor dem Verwaltungsgericht Augsburg beschloss, das Gebiet „Südspange“ zu überplanen und das Moscheegrundstück in den Bebauungsplan einzubeziehen. Sie setzte „zur Sicherung des Bestandes“66 u. a. eine Baugrenze um die bestehende Bebauung und eine Firsthöhe von maximal 12 m über Gelände fest. Der Moscheeverein stellte beim Verwaltungsgerichtshof in München Normenkontrollantrag gegen die das Minarett verhindernden Festsetzungen im Bebauungsplan. Mit Urteil vom 29. August  199667 gab der Verwaltungsgerichtshof dem mus­ limischen Antragsteller Recht und führte aus, dass die Regelungen des Bebauungsplanes zur Gebäudehöhe und zur überbaubaren Grundstücksfläche höherrangigem Recht widersprächen und nichtig seien. Zwar sei die städtebauliche Erforderlich

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Vgl. zum Bebauungsplanverfahren Schmitt, S. 200 ff. VGH München, Urt. v. 29. August 1996, NVwZ 1997, 1016 ff.

B. Moscheebaukonflikte vor den Gerichten

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keit ggf. auch bei einer „lex contra Minarett“ gegeben. Die Höhenbegrenzungen entsprächen jedoch nicht der Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i. V. m. §§ 16 ff.  BauNVO. Auch stellten sie keine zulässigen örtlichen Bauvorschriften dar. Zulässige Vorschriften über das Maß der baulichen Nutzung dürften nicht nur eine Höhenbegrenzung im Sinne von § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO enthalten, sondern müssten darüber hinaus zumindest auch Festsetzungen zur Grundflächenzahl oder die Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen regeln. Mittels örtlicher Bauvorschriften könnten zwar Firsthöhen festgesetzt werden; dies sei jedoch nur zulässig, soweit dies zur Durchführung städtebaulicher Absichten erforderlich sei.68 Die Erforderlichkeit in diesem Sinne sei nur gegeben, wenn die Regelung aus den bestehenden baulichen Verhältnissen heraus entwickelt worden sei oder ihr ein bestimmtes nachvollziehbares planerischen Konzept zugrunde liege. Der einzig vorstellbare Schutz der örtlichen Wallfahrtskirche habe jedoch über ­Art. 98 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 1 BayBO zu erfolgen. Die Baugrenzenfestsetzung sei wegen offensichtlicher Abwägungsmängel nichtig. Die Gemeinde habe die Belange des Antragstellers als privatrechtlich organisierte Religionsgemeinschaft in ihrer Bedeutung falsch eingeschätzt, zumal das Bauinteresse nicht nur von Art. 2 Abs. 1 GG, sondern auch von Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützt sei. Dies ergebe sich insbesondere aus dem religionswissenschaftichen Gutachten, welches über die Bedeutung des Minaretts eingeholt worden sei. Plausible Gründe für die restriktive Regelung der überbaubaren Grundstücksfläche seien nicht ersichtlich; insbesondere sei schon fraglich, ob die Tatsache, dass ein Minarett von der nicht-muslimischen Bevölkerung zunächst als fremd empfunden werde, einen berücksichtigungsfähigen Belang darstelle. Jedenfalls aber hätten diese Erwägungen nicht genügend Gewicht, um das Zurückstellen der für das Vorhaben sprechenden Belange zu rechtfertigen. Der Mangel im Abwägungsvorgang sei nach dem Maßstab von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB erheblich, da die Gemeinde das Vorhaben im Rahmen der Planaufstellung wie ein „normales“ Vorhaben behandelt und dem Grundrecht der Religionsfreiheit keinerlei Bedeutung beigemessen habe. b) Hannover, Stadtteil Stöcken Die Stadt Hannover hatte im Jahr 1996 einen Bebauungsplan erlassen, dessen Ziel einerseits die Schaffung von Gewerbeflächen, andererseits ein durch ein Mischgebiet als „Puffer“ vom Gewerbegebiet getrenntes allgemeines Wohngebiet war. Das Mischgebiet hatte zugunsten des allgemeinen Wohngebiets erhebliche Einschränkungen aufgewiesen, die, nachdem sich die Gewerbeflächen nicht im vorgesehenen Umfang hatten vermarkten lassen, durch eine Änderung des Bebauungsplans im Jahr 2002 zurückgenommen wurden. Im Zusammenhang mit

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Vgl. Wortlaut des Art. 98 Abs. 1 BayBO in der damals gültigen Fassung.

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3. Teil: Rechtswirklichkeit des Moscheebaus

der Planänderung ließ die Stadt Hannover u. a. die Ansiedelung von Anlagen für kirchliche und soziale Zwecke zu. Die Ahmadiyya-Gemeinde plante in der Folge die Errichtung einer Moschee. Dagegen wehrten sich mehrere Anwohner, die sich während der Bürgerbeteiligung nicht geäußert hatten, mit einem Normenkontrollantrag und einem parallelen Eilantrag, dessen Ziel die Außervollzugsetzung der Planänderung war. Zur Begründung führten sie an, ihre Wohnruhe werde durch die Änderung nicht mehr ausreichend geschützt, was im Rahmen der Abwägungsentscheidung nicht richtig erkannt und planerisch bewältigt worden sei. Es handele sich um eine reine Gefälligkeitsplanung zugunsten der AhmadiyyaGemeinde. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht lehnte zunächst die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 18.  Juli  2003 ab und hielt die getroffene Abwägungsentscheidung nicht für fehlerhaft.69 Die geplante Moschee werde aller Voraussicht nach keine unzumutbaren Belästigungen zur Folge haben. Dies gelte insbesondere, weil die muslimische Gemeinde keinen Muezzinruf beabsichtige. Soweit die Nachbarn die städtebauliche Erforderlichkeit der Plan­ änderung gerügt hätten, sei diese auch gegeben, wenn die Gemeinde die Voraussetzungen für den Bau eines Gebetshauses und ein pluralistisches Stadtbild schaffen wolle, da die Gemeinde Privaten die „planende Hand“ zur Verwirklichung bestimmter Projekte reichen dürfe. Den Normenkontrollantrag lehnte das Gericht mit Beschluss vom 28. Oktober 2004 mit im Wesentlichen gleicher Begründung ebenfalls ab.70 c) Yunus-Emre-Moschee in Aachen Seit fast 20 Jahren war die zur DITIB gehörende türkisch-islamische Gemeinde Aachen provisorisch in einem ehemaligen Tankstellengebäude in einem Mischgebiet untergebracht. Im Oktober 2008 beschloss der Stadtrat einen Bebauungsplan, der den Bau des Neubaus der Moschee auf dem bisherigen Gelände ermöglichen sollte. Dagegen wandte sich eine unmittelbar an das Moscheegelände angrenzende Nachbarin mit der Begründung, der Bebauungsplan sei abwägungsfehlerhaft. Insbesondere sei der geplante Neubau zu hoch und rücke zu nah an ihr Grundstück heran. Darüber hinaus sei die durch den mit dem Neubau der Moschee verbundenen zusätzlichen Verkehr ausgelöste Stellplatzproblematik nicht hinreichend gelöst. Nach Antragstellung wurde ein Verfahren zur Änderung des Bebauungsplans eingeleitet mit dem Ziel, den dem geplanten Moscheegebäude vorgelagerten Platz als Parkfläche auszuweisen.

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OVG Lüneburg, Beschl. v. 18. Juli 2003, Az. 1 MN 120/03, veröffentl. bei juris. OVG Lüneburg, Urt. v. 28. Oktober 2004, KirchE 46 (2004), 233 ff.

B. Moscheebaukonflikte vor den Gerichten

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Mit Urteil vom 20. November 2009 wies das OVG Münster den Normenkon­ trollantrag zurück und hielt den Bebauungsplan in den entscheidenden Teilen für rechtmäßig.71 Es sei unschädlich, dass die Stellplatzfrage in dem Bebauungsplan nicht abschließend gelöst sei. Eine Deckung des im Einzelnen nicht vom Gericht zu ermittelnden Stellplatzbedarfes sei nicht von vorneherein ausgeschlossen, so dass sich der Plan nicht als vollzugsunfähig erweise. Ob der Bedarf tatsächlich gedeckt werden könne, sei vielmehr erst im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden. 5. Bürgerinitiativen a) Allgemeines Vielerorts begegnen die Bürger einem Moscheevorhaben mit Skepsis. Auf den Internetseiten eines bundesweiten Zusammenschlusses von Islamkritikern finden sich regelrechte Anleitungen zur Verhinderung von islamischen Vorhaben.72 Immer häufiger bilden sich Bürgerinitiativen/Bürgerbewegungen zur Verhinderung eines geplanten Moscheebaus. Auch in diesem Zusammenhang kommt es gelegentlich zu verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten, die im Folgenden kurz skizziert werden sollen. b) Bürgerbegehren gegen Moscheebau Mehrfach haben in der Vergangenheit Moscheegegner versucht, Bürgerbegehren bzw. Bürgerentscheide gegen eine geplante Moschee durchzusetzen. Dabei handelt es sich um Elemente der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene, für die bestimmte formelle und inhaltliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen.73 Im bayerisch-schwäbischen Wertingen hatten Einwohner der Kleinstadt einen Antrag auf Durchführung eines Bürgerbegehrens mit folgender Fragestellung eingereicht: „Sind Sie dafür, dass bei Aufstellung eines Bebauungsplans für das Gebiet östlich der T.-Straße (…) die Nutzung für kirchliche Zwecke ausgeschlossen wird und dass der Beschluss des Bauausschusses des Stadtrats von Wertingen vom 11.  Dezember 2000, der den Bau einer Moschee mit Minarett befürwortet, aufgehoben wird?“ Der Stadtrat wies den Antrag als unzulässig zu-

71 OVG Münster, Urt. v. 22. November 2009, Az. 7 D 124/08, veröffentl. bei juris; das Gericht beanstandete jedoch einzelne, nicht moschee-spezifische textliche Festsetzungen. 72 Vgl. Blog der Bürgerbewegung Pax Europa e. V.; URL: http://bpeinfo.wordpress.com/moschee-nein-danke/; Stand: 2. November 2010. 73 Zur Rechtslage in Bayern vgl. Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, 2. Teil, Rn. 292 ff.

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3. Teil: Rechtswirklichkeit des Moscheebaus

rück.74 Diese Entscheidung bestätigte das Verwaltungsgericht Augsburg nur teilweise.75 Das Gericht gab den Klägern insoweit Recht, als es den Teil des Bürgerbegehrens, mit dem eine Aufhebung des Beschlusses des Bauausschusses erreicht werden sollte, für zulässig hielt. Das Bürgerbegehren sei jedoch insoweit unzulässig, als es nach seinem Wortlaut eine abschließende Entscheidung im Bauleitplanaufstellungsverfahren vorsehe. Dies stelle keinen einem Bürgerbegehren zugänglichen Gegenstand dar, da es sich bei der Bauleitplanung um einen komplexen Abwägungsvorgang handele. Eine aufgrund eines Bürgerentscheids erfolgende Planungsentscheidung widerspreche der Rechtsordnung; ein auf diese Weise erlassener Bebauungsplan sei fehlerhaft. Weitere Bürgerbegehren in anderen Städten scheiterten aus demselben Grund.76 c) Versammlungsrecht Immer wieder planen Moscheegegner Versammlungen oder Demonstrationen gegen den Bau einer Moschee. Da diese Veranstaltungen häufig (auch) von Rechtsradikalen besucht bzw. sogar veranstaltet werden, kommt es gelegentlich zu Versammlungsverboten, gegen die die Verantwortlichen vor Gericht ziehen. Eine Auflistung der zahlreichen hierzu ergangenen gerichtlichen Entscheidungen würde den Rahmen der Arbeit sprengen. Soweit ersichtlich sind bislang jedoch die Versammlungsverbote im Wege vorläufigen Rechtsschutzes außer Kraft gesetzt worden.77 Ein Versammlungsverbot erscheint unter besonderer Berücksichtigung der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 8 GG nur dann möglich, wenn bei der Versammlung die Verwirklichung von Straftatbeständen, v. a. von § 130 StGB, droht.78



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O. V. (2001): Bürgerbegehren gegen Moschee abgelehnt, DIE WELT, 6. Oktober 2001; URL: http://www.welt.de/print-welt/article479876/Buergerbegehren_gegen_Moschee_abgelehnt. html; zum Konflikt insgesamt, vgl. Gertz, Holger (2001): Nicht jeder sagt Grüß Gott, Allah, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 242, 20./21. Oktober 2001, S. 3. 75 VG Augsburg, Urt. v. 21. März 2002, NVwZ-RR 2002, 597 (598). 76 Vgl. das Bürgerbegehren von „Pro Köln“ gegen den Bau der Moschee in Köln-Ehrenfeld, vgl. Schilder, Peter (2007): Moscheebau ein falsches Zeichen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 119, 24. Mai 2007, S. 4, sowie das Bürgerbegehren gegen den Bau der Ahma­ diyya-Moschee in Pankow-Heinersdorf, Berlin, vgl. o.V. (2006), Moschee: Bürgerbegehren abgewiesen, Berliner Morgenpost online, 23. August 2006; URL: http://www.morgenpost.de/ printarchiv/bezirke/article250235/Moschee_Buergerbegehren_abgewiesen.html. 77 Vgl. statt vieler VG Darmstadt, Beschl. v. 16. Oktober 2007, Az. 3 G 1695/07, veröffentl. bei juris; VG Frankfurt a. M., Beschl. v. 15. Oktober 2007, Az. 5 G 3109/07(3), veröffentl. bei juris. 78 Vgl. zur Zulässigkeit eines Versammlungsverbots gegen einen Synagogenbau BVerfG, Beschl. v. 12. März 2004, BVerfGK 3, 97 ff.

B. Moscheebaukonflikte vor den Gerichten

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III. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass die meisten der zahl­ reichen zur Zulässigkeit von Moscheebauvorhaben ergangenen Entscheidungen den im zweiten Teil  gefundenen Ergebnissen zur Relevanz und Wertigkeit der ­Moschee im Ergebnis, wenngleich nicht in der Herleitung, entsprechen.79 Fast in allen angeführten Gerichtsentscheidungen findet das Grundrecht der Religionsfreiheit zumindest insoweit Erwähnung, als ausgeführt wird, dass das Baurecht religionsneutral auszulegen sei und islamische Kultstätten im Rahmen der Baunutzungsverordnung christlichen Anlagen gleichzustellen seien. Soweit die Vorhaben neben dem eigentlichen Gebetsraum auch Räume zu anderen Zwecken beinhalten, thematisierte keines der Gerichte die Tatsache, dass die Bedeutung von Moscheen im Islam über den rein sakralen (Gebets-)Raum hinausgeht.80 Nur das Verwaltungsgericht Düsseldorf und das Verwaltungsgericht Stade gingen davon aus, dass für ein zu religiösen Zwecken genutztes Vorhaben keinerlei Besonderheiten gelten. Diejenigen Gerichte, welche die Bedeutung des Grundrechts der Religionsfreiheit für den Kultstättenbau erkannten, berücksichtigten dies richtigerweise bei der Auslegung des einfachen Rechts, insbesondere bei der Abwägung im Rahmen des Rücksichtnahmegebots. Fast alle Gerichte betonten, dass die mit einer in einem Baugebiet nach der Baunutzungsverordnung zulässigen Anlage üblicherweise verbundenen Beeinträchtigungen grundsätzlich hinzunehmen seien. Einige Entscheidungen positionierten sich sehr deutlich dazu, dass in aller Regel keine ästhetisch beeinträchtigende Wirkung von einer Moschee oder einem Minarett ausgehe und die Fremdartigkeit des Gebäudes keine im Baurecht beachtenswerte Kategorie darstelle. Das Verwaltungsgericht Stuttgart stellt klar, dass die Probleme des islamischen Fundamentalismus nicht mit dem Baurecht in den Griff zu bekommen sind. Auffällig ist, dass keines der Gerichte sich explizit mit der Beschränkbarkeit der Religionsfreiheit und den im Baurecht verkörperten verfassungsimmanenten Schranken beschäftigt. Lediglich das Verwaltungsgericht Karlsruhe meint in seinem Urteil vom 9. September 1997, die Religionsfreiheit werde durch den Grundsatz der Sozialbindung des Eigentums beschränkt. Die Gesamtschau zeigt, dass sich sämtliche in der Praxis gegen eine Moschee angeführten Argumente letztlich im Verwaltungsstreitverfahren auf die Bereiche Lärm und Verkehr bzw. gelegentlich das Ortsbild verdichten. Meist stellt § 15 BauNVO bzw. das ungeschriebene Rücksichtnahmegebot die streitentscheidende Stelle der Zulassungsprüfung dar. Eine Entscheidung, die bei der vorzunehmenden Abwägung verkennt, dass die vom muslimischen Bauherr verfolgten In

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Insoweit ist es zutreffend, wenn Oebbecke davon ausgeht, die Rechtsprechung habe mittlerweile eine klare Linie für die rechtliche Beurteilung von Moscheebauvorhaben entwickelt, vgl. ders., in: Robert/Konegen, S. 274. 80 Vgl. 2. Teil, B. II. 1. e) dd) (1).

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3. Teil: Rechtswirklichkeit des Moscheebaus

teressen durch Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützt sind und ein Moscheebauvorhaben wie jedes andere Gebäude behandelt, ist fehlerhaft. Die grundrechtliche Verankerung der Interessen des Bauherrn verhinderte in den meisten Fällen, dass das Vorhaben als rücksichtslos oder gebietsunverträglich angesehen wurde. In allen anderen Fällen lag die festgestellte baurechtliche Unzulässigkeit an der geplanten Dimension der Nutzung, die im Einzelfall als rücksichtslos angesehen wurde. Die Beschränkung der Religionsfreiheit durch die Geltung des Baurechts wurde letztlich durch die kollidierenden Nachbargrundrechte aus Artt. 2 Abs. 1 und 14 Abs. 2 GG gerechtfertigt.

C. Der Moscheebau im Gesetzgebungsverfahren I. Antrag auf Änderung der BayBO Im Zusammenhang mit dem Verwaltungsstreit um das Bobinger Minarett stellte der stellvertretende Landrat des Landkreises Augsburg Strehle, der zugleich Landtagsabgeordneter der CSU und von Beruf Architekt war, einen Antrag auf Änderung der Bauordnung.81 Er wollte damit erreichen, dass „im Rahmen der grundgesetzlich verbrieften Freiheit der Religionsausübung“ alle Möglichkeiten genutzt bzw. geeignete Gesetzinitiativen ergriffen würden, damit die christlich-abendländische Prägung Bayerns durch die Errichtung von Moscheen und Minaretten und durch islamische Gebetsrufe nicht in unzumutbarer Weise gestört werde.82 Gegen die Stimmen von SPD und Grünen fasste der Landtag am 24. März 1998 den begehrten Beschluss.83 Soweit ersichtlich hatte der Beschluss allenfalls politische, nicht aber rechtliche Konsequenzen.

II. Geplante Änderung des Berliner Baurechts Wie oben ausgeführt, wurde das Land Berlin bereits mehrfach dazu verurteilt, von der Bezirksverwaltung unerwünschte Moscheebauvorhaben zu genehmigen. Motiviert u. a. durch das Bestreben, gewisse muslimische Einrichtungen zu verhindern, sollte unter dem damaligen Bausenator Strieder ein Eingriffsrecht der Senatsverwaltung gegenüber den Bezirken bei Bauprojekten von gesamtstädtischem Interesse im Konfliktfall gestärkt werden.84 Es ist jedoch nicht ersicht

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Vgl. Schmitt, S. 206. Bayerischer Landtag Drs. 13/9432. 83 Bayerischer Landtag Drs. 13/10620, 13/10067. 84 O. V. (2004): Neues Baurecht gegen zweifelhafte Moscheen, DIE WELT, 11.  Februar 2004; URL: http://www.welt.de/print-welt/article292535/Neues_Baurecht_gegen_zweifelhafte _Moscheen.html; Nercessian, Marie-Th./Schulz, Stefan: CDU: Senat soll Bau von Moscheen

C. Der Moscheebau

267

lich, dass irgendwelche entsprechenden Gesetzesänderungen erfolgt wären. So sieht zwar § 86  BauO  Bln (früher § 74  BauO  Bln) vor, dass die Senatsverwaltung bei Bauvorhaben im Bereich eines Bebauungsplans von außergewöhnlicher stadtpoli­tischer Bedeutung zuständige Widerspruchsbehörde ist; diese Regelung ist jedoch nicht neu und wird auch in der Praxis nicht spezifisch auf Moscheebauvorhaben angewandt. Gleiches gilt für § 7 AGBauGB Bln: Diese bereits seit längerem existierende Vorschrift sieht ein Eingriffsrecht der Senatsverwaltung bei der Bauleitplanung vor und regelt, dass die Senatsverwaltung ein Bebauungsplanverfahren einleiten oder unter bestimmten Voraussetzungen ein im Bezirk eingeleitetes laufendes Verfahren an sich ziehen kann, wenn dringende Gesamtinteressen Berlins betroffen sind. Soweit bekannt geworden, hat die Senatsverwaltung von diesem Eingriffsrecht im Bereich des Kultstättenbaus aber noch nie Gebrauch gemacht.

III. Petitionen Der mittlerweile in Pax Europa aufgegangene Bundesverband der Bürger­ bewegungen zur Bewahrung von Demokratie, Heimat und Menschenrechten e. V. forderte eine Änderung des Baugesetzes, wobei nicht ganz klar war, ob diese Änderung das BauGB oder die Landesbauordnungen betreffen sollte. Eine entsprechende Petition wurde im Deutschen Bundestag und sämtlichen Landtagen eingereicht. Die Petenten wollten damit erreichen, dass vor Genehmigung eines (islamischen) Sakralbaus sämtliche Anwohner in geeigneter Weise informiert werden sollten und eine Genehmigung nur zulässig sein sollte, wenn zuvor mindestens 70 % der ortsansässigen deutschen Bevölkerung dem Bau oder der Nutzungsänderung zugestimmt hätten. Ausgenommen im Sinne eines „kulturellen Bestandsschutzes“ sollten nur Sakralbauten in Gebieten sein, in denen bereits seit 200 Jahren Kultusgebäude der betreffenden Religion vorhanden seien. Es ist wenig verwunderlich, dass die Petition in allen zuständigen Gremien scheiterte.85 Abgesehen von der Missachtung des Grundrechts der Religionsfreiheit und dem Minderheitenschutz liegt der Petition schon die Fehlvorstellung zugrunde, dass Muslime stets Ausländer sind. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung führte beispielsweise aus, dass für das Baugenehmigungsverfahren keine bundesrechtliche Kompetenz vorliege und für das Baugesetzbuch angesichts der vorhandenen umfangreichen Beteiligungsrechte kein Änderungsbedarf gesehen werde und die vor-

beaufsichtigen, DIE WELT, 2. April 2000; URL: http://www.welt.de/print-welt/article317529/ CDU_Senat_soll_Bau_von_Moscheen_beaufsichtigen.html. 85 Einzelheiten dazu URL: http://www.bdb.buergerbewegungen.de/petitionbaugauswertung. html; Stand: 2. November 2010.

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3. Teil: Rechtswirklichkeit des Moscheebaus

gesehene Einschränkung des Kultstättenbaus einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1, 2 GG darstelle.86 Der Bayerische Landtag holte eine Stellungnahme des zuständigen Innenministeriums ein, welches ausführte, dass es einen nicht gerechtfertigten grundlegenden Bruch mit der Systematik des Genehmigungsverfahrens darstelle, neben den Nachbarn die gesamte ortsansässige Bevölkerung zu beteiligen. Darüber hinaus sei wegen Art. 14 GG eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn kein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften vorliege, so dass der Petition verfassungsrecht­ liche Gründe entgegenstünden. Auch der Landtag von Baden-Württemberg lehnte die Petition ab.87 Der Berichterstatter führte aus, die begehrte Gesetzesänderung führe dazu, dass faktisch keine muslimischen Gebetshäuser mehr gebaut werden könnten, was einen Verstoß gegen die durch Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleistete Religionsfreiheit darstelle. Darüber hinaus sei über die im BauGB vorgesehenen Beteiligungsrechte hinaus außerhalb des Bebauungsplanverfahrens der Gemeinderat gemäß der Gemeindeordnung verpflichtet, die Bürger über allgemein bedeutsame Angelegenheiten der Gemeinde zu informieren.

IV. Österreich 1. Allgemeines In Österreich sind Moscheebauvorhaben meist mindestens genauso umstritten wie in Deutschland.88 Schon vor einigen Jahren, als die ersten Moscheebaukonflikte öffentlich wurden, forderten die beiden Rechtsparteien, die FPÖ und das BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich) die Einführung eines Bauverbots für Minarette in der österreichischen Verfassung.89 Zu einer Änderung der Verfassung ist es bislang nicht gekommen; jedoch forderten die Rechtsparteien in mehreren Bundesländern eine Verschärfung der Bauordnung, so dass muslimische Gebetsbauten wegen „Störung des Ortsbildes“ verhindert werden könnten. Begründet wurde die Forderung jeweils damit, dass „im christlichen Europa die sichtbaren Zeichen der Macht des Islam“ nicht zugelassen werden dürften.90



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Ebenda; die Petentin hat alle Antwortschreiben eingescannt und veröffentlicht. Landtag-Drs. 14/2009, S. 25 f. 88 Zur Rechtmäßigkeit von Minarettverboten in Österreich und auf europäischer Ebene vgl. Greimel, juridikum 2007, 123 (126). 89 Vgl. Schelbert, Joe (2009): Österreichs Rechte auf Kreuzzug gegen Minarette; URL: http:// www.swissinfo.ch/ger/politik_schweiz/abstimmungen/Oesterreichs_Rechte_auf_Kreuzzug_ gegen_Minarette.html?siteSect=301&sid=11320267&cKey=1254996466000&ty=st. 90 Ebenda.

C. Der Moscheebau

269

2. Kärnten Das erste Bundesland, in dem die Minarettgegner erfolgreich waren, ist das Heimatbundesland des 2008 verstorbenen Landeshauptmanns Jörg Haider, der sich maßgeblich für ein Bauverbot von Moscheen und Minaretten eingesetzt hatte.91 Mit am 12. Februar 2008 beschlossenem Gesetz wurden die Kärntener Bauordnung und das Landesortsbildpflegegesetz geändert. Ein explizites Verbot von Minaretten findet sich im neuen Gesetzestext nicht. Nach nunmehr geltendem Recht hat die Baubehörde bei Bauvorhaben, die wegen ihrer außergewöhnlichen Architektur oder Größe (Höhe) von der örtlichen Bautradition wesentlich abweichen, im Rahmen einer Vorprüfung ein Gutachten der sog. Ortsbildpflege-Sonderkommission einzuholen. Kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben öffentlichen Interessen im Sinne des Ortsbildpflegegesetzes zuwiderläuft, hat der Gemeindevorstand zu entscheiden, ob er sich dieser Meinung anschließt und den Bauantrag ablehnt oder nicht. Im Fall des Abweichens vom Votum der Ortsbildpflegekommission muss der Gemeindevorstand dies mit Bescheid feststellen, gegen den die Landesregierung Beschwerde zum Landesverwaltungsgerichtshof erheben kann.92 3. Vorarlberg In Vorarlberg hat die Landesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bau- und Raumplanungsgesetzes eingebracht und durchgesetzt. Ein festgelegtes Bauverbot für Minarette gibt es jedoch auch dort nicht. Dem neuen Recht zufolge können die Gemeindevertretungen unter anderem künftig aber über Verordnung festlegen, dass „publikumswirksame Veranstaltungsstätten“ nur bei Vorliegen einer speziellen Sonderwidmung gebaut werden dürfen. Das Land seinerseits kann verfügen, dass bei bestimmten Vorhaben ein Amtssachverständiger die Verträglichkeit im Hinblick auf das Ortsbild überprüft.93

V. Schweiz In der Schweiz gibt es seit einiger Zeit eine breite öffentliche Diskussion um die Moscheebauproblematik. Diese entstand im Zusammenhang mit Minarettbauten, insbesondere in Wangen bei Olten im Kanton Solothurn. Mehrere Anti-MinarettKampagnen, z. B. zur Aufnahme eines Minarettverbots in die kantonalen Bauge-



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O. V. (2007): Leitkultur schützen; URL: www.kaernten.orf.at/stories/217207. Vgl. bbl 2009, 122. 93 O. V. (2008): Minarettgesetz: Muslime schwer enttäuscht; URL: http://vorarlberg.orf.at/ stories/259560.

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3. Teil: Rechtswirklichkeit des Moscheebaus

setze, scheiterten.94 Unter der Führung von Politikern der Schweizer Volkspartei sowie der Eidgenössischen Demokratischen Union wurde eine Initiative lanciert, deren Ziel das explizite Verbot des Baus von Minaretten in Art. 72 der Schweizer Bundesverfassung war.95 Mit knapp 115.000 Unterschriften wurde die Volksinitia­ tive am 8.  Juli  2008 eingereicht. Den Bedenken des Parlaments und der Regierung, die Initiative verstoße nicht nur gegen die verfassungsrechtlich garantierte Religionsfreiheit, sondern darüber hinaus gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und das Diskriminierungsverbot, begegneten die Initiatoren der Volksabstimmung mit dem Argument, dass nicht Moscheen als Versammlungsorte, sondern nur Minarette als Machtsymbole verboten werden sollten.96 Vor der Volksabstimmung am 29. November 2009 rankte sich großer Streit um die zur Abstimmung aufrufenden Plakate: Einige zeigen eine verschleierte Frau, die vor etlichen, wie Speerspitzen bzw. Raketen in die Höhe ragenden, auf einer Schweizer Fahne stehenden Minaretten stand.97 Bei der Volksabstimmung stimmten – für die meisten Journalisten und Experten eher überraschend – 57,5 % der Abstimmenden und 22 der 26 Kantone für die Einführung eines Minarettverbotes in der Schweizerischen Verfassung.98 Nun beschäftigt sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit der Volksabstimmung: am 15. Dezember 2009 wurde eine entsprechende Individualbeschwerde eingereicht.99

VI. Stellungnahme Die Vielzahl von Versuchen, v. a. in Österreich und der Schweiz, den Moscheebzw. Minarettbau de lege ferenda zu verhindern, betonen die Aktualität der Problematik. Aufgrund der Ausführungen im 2. Teil wäre ein explizites Verbot von Moscheen oder Minaretten, die nach den obigen Ausführungen unter Beachtung des Selbstverständnisses des Grundrechtsträgers zur Religionsausübung gehören, in der Bundesrepublik verfassungswidrig und dürfte auch Art.  9  EMRK wider

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Eingehend zur Historie vgl. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Kontroverse_um_den_ Bau_von_Minaretten_in_der_Schweiz#cite_note-14; Stand: 2. November 2010. 95 Greimel, juridikum 2007, 123 ff.; zur Schweizer Initiative insgesamt vgl. Zimmermann, ZaöRV 2009, 829 ff. 96 Keiser,  Andreas (2009): Minarett-Initiative: Ein Satz bewegt die Gemüter, 1.  Oktober 2009; URL http://www.swissinfo.ch/ger/politik_schweiz/abstimmungen/Minarett_Initiative_ Ein_Satz_bewegt_die_Gemueter.html?siteSect=301&sid=11284720&cKey=1255531264000 &ty=st&rs=yes. 97 Gut, Philipp (2009): Rot-grüner Wächterrat, in: Weltwoche, Nr. 41/09, 7. Oktober 2009, S. 12 ff. 98 Vgl. zu den einzelnen Ergebnissen URL: http://www.bernerzeitung.ch/schweiz/standard/ Volk-nimmt-MinarettVerbot-klar-an/story/31785289. 99 O. V. (2010): Minarett-Verbot beschäftigt europäisches Gericht, 16. Dezember 2009; URL: http://www.welt.de/politik/ausland/article5545378/Minarett-Verbot-beschaeftigt-europaeischesGericht.html; zur völkerrechtlichen Beurteilung vgl. Zimmermann, ZaöRV 2009, 829 (835 ff.), der davon ausgeht, dass ein Minarettverbot gegen Artt. 9 und 14 EMRK verstößt.

C. Der Moscheebau

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sprechen. Die in Österreich vorgenommenen Gesetzesänderungen, die zumindest vordergründig der Ortsbildpflege dienen, sind zunächst rechtlich nicht zu beanstanden, wären jedoch nach der Rechtslage in der Bundesrepublik nicht geeignet, den Bau einer Moschee oder eines Minaretts zu verhindern, da das Ortsbild nur über die engen Voraussetzungen des gemeindlichen Selbstgestaltungsrechts einen Art. 4 Abs. 1, 2 GG entgegenzusetzenden Wert von Verfassungsrang darstellt, nicht hingegen als abstrakte ästhetische Vorstellung des Staates. Die christlich-abendländische Kultur stellt, wie ausgeführt, keine verfassungsimmanente Schranke dar. Aus diesem Grund fallen die in Deutschland zur Verhinderung des muslimischen Kultstättenbaus ergriffenen Maßnahmen in die Kategorie Aktionismus. Der Beschluss des bayerischen Landtags von 1998 beinhaltet schon insoweit ein Paradoxon, als dort letztlich ausgeführt wird, dass Moscheen und Minarette unter Wahrung der Religionsfreiheit verhindert werden sollten. Die Ankündigung des ehemaligen Berliner Senators Strieder dürfte sich mit dessen Ausscheiden aus dem Amt erledigt haben.

4. Teil

Ergebnis und Thesen A. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen I. Ergebnisse des 1. Teils 1. In der Bundesrepublik werden immer mehr repräsentative Moscheen gebaut, deren Architektur sich meist als osmanisch und häufig wenig innovativ darstellt. Gelegentlich sind die Finanzierung des Baus und der Hintergrund der Trägerorganisation undurchsichtig. 2.  Bei fast allen Moscheebauvorhaben kommt es zu Konflikten mit der orts­ ansässigen Bevölkerung.

II. Ergebnisse des 2. Teils 1. Der einfachgesetzliche Rahmen für den muslimischen Kultstättenbau ergibt sich in erster Linie aus den Vorschriften des BauGB i. V. m. der BauNVO. Da das Baurecht religionsneutral auszulegen ist, stellen auch muslimische Kultstätten Anlagen für kirchliche Zwecke im Sinne der BauNVO dar und sind in nahezu allen Gebietstypen allgemein oder ausnahmsweise zulässig. Bauordnungsrechtlich sind Moscheen in der Regel Sonderbauten nach dem Landesrecht und unterliegen der vollen Genehmigungspflicht. 2. Das einheitliche Grundrecht der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG gilt auch für den Islam als nicht-christliche Religion. Sämtliche Versuche, den Schutzbereich auf hergebrachte christlich-abendländische Religionen zu beschränken, sind verfassungsrechtlich nicht überzeugend. 3. Der Bau von Sakralgebäuden fällt in den Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Dieser ist mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts extensiv auszulegen und erfasst auch sog. religionsneutrale, d. h. nach außen hin nicht als religiös erkennbare Verhaltensweisen. Maßgeblich ist das nur auf seine Plausibilität hin überprüfbare Selbstverständnis des Grundrechtsträgers. Die v. a. in der Literatur anzutreffenden Bestrebungen zur Beschränkung des Schutzbereiches sind abzulehnen. 4.  Geschützt ist auch ein spezifisch islamischer Baustil, soweit dieser nach dem Selbstverständnis des muslimischen Bauherrn religiös motiviert ist. Die Ab-

A. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

273

grenzung zwischen religiös und traditionell begründeten Stilelementen ist häufig schwierig. 5. Auch die üblichen Nebennutzungen einer Moschee unterfallen wegen des Charakters von Moscheen als soziale Zentren der Religionsfreiheit. Gleiches gilt für die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Moschee stehende gewerbliche Nutzung des Gebäudes. 6. Den Schutz der Religionsfreiheit genießt eine Moschee auch dann, wenn dort politische Aktivitäten stattfinden, selbst wenn diese extremistischer Art sind, es sei denn, die Religionsausübung wird insoweit nur vorgetäuscht. 7. Sog. islamische Kulturzentren fallen nur dann in den Schutzbereich der Religionsfreiheit, wenn der Schwerpunkt der Nutzung im genuin religiösen Bereich liegt. Taugliches Abgrenzungskriterium ist in erster Linie die auf die einzelnen Nutzungen entfallende Fläche. 8. Der Schutzbereich der Religionsfreiheit gilt außer für natürliche Personen gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch für juristische Personen und sonstige Personenver­ einigungen, auch wenn sie sich nur zur partiellen Religionsausübung, wie etwa zum Bau einer Moschee, zusammengeschlossen haben. 9. Bereits das Erfordernis eines formellen Genehmigungsverfahrens stellt einen Eingriff in das Grundrecht der Religionsfreiheit eines muslimischen Bauherrn dar. Gleiches gilt für diejenigen baurechtlichen Normen, die im konkreten Fall dem Bau einer Kultstätte entgegenstehen. 10.  Die Religionsfreiheit unterliegt keinem Gesetzesvorbehalt. Die Übertragung der Schranken anderer Grundrechte sowie die Anwendung der „allgemeinen Gesetze“ aus Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV und die alleinige Anwendung von Art.  14  GG als grundrechtlichem Schutz der Bautätigkeit sind aus grundrechts­ dogmatischen Gründen abzulehnen. 11. Beschränkbar sind gemäß Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützte Verhaltensweisen allein auf der Grundlage sog. verfassungsimmanenter Schranken. 12. Als verfassungsimmanente Schranken kommen grundsätzlich Verfassungsbestimmungen aller Art in Betracht; diese müssen jedoch im einfachen Recht konkretisiert sein. Kommt es zu einem echten Normkonflikt zwischen der Religionsfreiheit des Bauherrn und einem anderen Wert von Verfassungsrang, ist dieser im Wege der Güterabwägung im Einzelfall so aufzulösen, dass beide miteinander konfligierenden Werte zu einem möglichst schonenden Ausgleich gebracht werden. 13. Als Konsequenz der Geltung der Religionsfreiheit für den Kultstättenbau ist diese bei der Auslegung des einfachen Baurechts zu beachten; insbesondere sind unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln als „Einfallstore des Verfassungsrechts“ zu nutzen.

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4. Teil: Ergebnis und Thesen

14. In der Praxis bestehen in der Regel beim muslimischen Kultstättenbau Interessenkonflikte mit den Nachbarn des Vorhabens, der Allgemeinheit, anderen Religionsgemeinschaften sowie gemeindlichen Belangen. 15. Verfassungsrechtlich in Art. 14 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verankert sind v. a. diejenigen Interessen der Nachbarn, die sich gegen das mit dem Bau und Betrieb einer Moschee verbundene Lärm- und Verkehrsaufkommen wenden. Ins Feld geführte ästhetische Beeinträchtigungen finden hingegen keine verfassungsrechtliche Grundlage. 16. Normkonflikte mit der positiven oder negativen Religionsfreiheit von Anwohnern oder anderen Religionsgemeinschaften sind nicht vorstellbar, da Art. 4 Abs. 1, 2 GG nicht das Recht verleiht, von fremden Glaubensbekundungen verschont zu bleiben. 17. Zugunsten der Belange der Allgemeinheit stellt lediglich Art. 20a GG eine theoretisch denkbare verfassungsimmanente Schranke dar. Weder das Sozialstaatsprinzip noch ein christlich-abendländischer Kulturvorbehalt können den musli­ mischen Kultstättenbau beschränken. 18. Praktisch bedeutsame verfassungsimmanente Schranken stellen v. a. die gemeindliche Planungshoheit sowie das ebenfalls aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitende gemeindliche Selbstgestaltungsrecht dar. Beide Rechtsgüter sind in einer Vielzahl von Normen des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts verkörpert. Im Rahmen der vorzunehmenden Güterabwägung sind sie jedoch nur dann konkret geeignet, den durch Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützten Kultstättenbau zu begrenzen, wenn die Planung bereits ein gewisses verfestigtes Stadium erreicht hat bzw. bereits eine zu schützende Gestalt des Ortes vorhanden ist.

III. Ergebnisse des 3. Teils 1.  In der Zwischenzeit ist eine beachtliche Anzahl an Moscheebaukonflikten vor die deutschen Verwaltungsgerichte gelangt. Die häufigsten prozessualen Konstellationen sind Verpflichtungsklagen auf Erteilung einer Baugenehmigung bzw. eines Bauvorbescheides sowie Drittanfechtungsklagen von Nachbarn des geplanten Vorhabens. 2. Die meisten gerichtlichen Entscheidungen legen das Baurecht religionsneutral aus und erkennen die Bedeutung der Religionsfreiheit für den Kultstättenbau. Meist erfolgt die Berücksichtigung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG im Rahmen der Prüfung des Rücksichtnahmegebots und sorgt für eine Verstärkung des Gewichts der Interessen des Bauherrn. 3. Häufig setzen sich die muslimischen Bauherren durch. In den anderen Fällen sorgt in der Regel die mit unzumutbaren Lärm- und Verkehrsbeeinträchtigungen für die Nachbarn verbundene Dimension des Vorhabens für dessen Scheitern.

B. Schlussbemerkung

275

4. Bestrebungen, den Moschee- oder Minarettbau durch Aktivitäten de lege ferenda zu erschweren oder verhindern, wären in der Bunderespublik nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

B. Schlussbemerkung Die vorangehende Untersuchung hat gezeigt, dass der muslimische Kultstätten­ bau durch die Geltung des Grundrechts der Religionsfreiheit starken Schutz genießt und in verfassungsgemäßer Weise letztlich v. a. durch die im Baurecht verkörperten Rechte der Nachbarn aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG beschränkt bzw. verhindert werden kann. Wenn man die heftigen und teilweise sogar hitzigen Debatten um nahezu alle zurückliegenden und aktuellen Moscheebauprojekte betrachtet und berücksichtigt, dass nach aktuellen Umfragen 30 Prozent aller Deutschen sogar für ein generelles Verbot von Moscheebauten sind,1 kommt man nicht umhin zu fragen, ob das rechtliche Instrumentarium und die „Großzügigkeit“, mit der in der Vergangenheit Grundrechte – v. a. das Grundrecht der Religionsfreiheit – behandelt wurden, den Herausforderungen der pluralistischen Gesellschaft noch gerecht wird. Das Recht kann zwar vordergründig Moscheebaukonflikte in den Griff bekommen, vermag jedoch nur in den seltensten Fällen die dahinter stehenden gesellschaftlichen Konflikte zu lösen. So mag die Frage auftauchen, ob es sich gelohnt hat, die christlich-abendländische Prägung der Bundesrepublik aufgrund eines verhältnismäßig kurzzeitigen Arbeitskräftemangels vielleicht für immer aufs Spiel zu setzen. Max Frisch meinte zutreffend: „Wir haben Arbeitskräfte gerufen, aber es sind Menschen gekommen.“2 Die Globalisierung und die damit verbundenen Migrationsbewegungen lassen sich weder rückgängig machen noch aufhalten. Zudem besteht die christlich-abendländische Prägung unseres Landes gerade auch aus dem von Liberalität gekennzeichneten Geist der Aufklärung, zu dessen Maximen auch die Wahrung von Menschen- und Bürgerrechten und in der Konsequenz der Minderheitenschutz in einer Demokratie gehört. Gerade vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit darf nicht in Vergessenheit geraten, dass verfassungsrechtliche Gewährleistungen nicht nur für „Schönwetterperioden“ bestimmt sind, sondern sich ihre Kraft v. a. in Krisenzeiten zeigt.3 Die Religionsfreiheit ist das „Testgrundrecht“4 par excellence. Insoweit müssen sich die mit dem Islam konfrontierten Staaten Westeuropas an größere Pluralität in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens gewöhnen. Zur Entschärfung aktueller und Vermeidung künftiger Moscheebaukonflikte besteht in zweierlei Hinsicht Handlungsbedarf. Zum einen ist zu beobachten, dass in

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Vorländer, APuZ 18–19/2009, S. 16 (Umfrage vom 27. April 2009, Tabelle 2). Zitiert nach Guntau, ZevKR 43 (1998), 369 (370). 3 So auch Diringer, BayVBl 1995, 97 (98). 4 Steiner, JuS 1980, 157.

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4. Teil: Ergebnis und Thesen

den bisherigen Konflikten das Grundrecht der Religionsfreiheit im Verwaltungsverfahren nahezu ausgeblendet wurde. Dies gilt umso mehr, als gerade auf der kommunalen Ebene vor dem Hintergrund drohender Wählerverluste häufig ein in gewisser Weise vorurteilsgeprägter Umgang mit muslimischen Interessen zu beobachten ist und erst vor dem Verwaltungsgericht dem Grundrecht auf Religionsfreiheit zur Geltung verholfen wird. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das wachsende muslimische Selbstbewusstsein auch zu einem vermehrten Beharren der muslimischen Bauherren auf den bislang um des lieben Friedens willen geopferten Positionen führen wird. Zur Vermeidung weiterer Verwaltungsrechtsstreitigkeiten kann den Baugenehmigungsbehörden nur geraten werden, künftig beim Umgang mit muslimischen Kultstätten die Bedeutung des Grundrechts der Religionsfreiheit zu beachten und diese im Rahmen erforderlicher Ermessensentscheidungen und Abwägungen mit den ggf. kollidierenden Rechtsgütern, insbesondere der Nachbarn des Vorhabens, zu einem möglichst schonenden Ausgleich zu bringen. Die kommunale Ebene sollte der öffentlichen Meinung widerstehen und sich davor hüten, außerbaurechtliche Aspekte in die Beurteilung eines Vorhabens einfließen zu lassen. Insbesondere ist das Baurecht nicht geeignet, extremistische Aktivitäten islamistischer Vereinigungen zu unterbinden. Zum anderen dürfte für die Vermeidung künftiger Moscheebaukonflikte schließlich der Verlauf der Integration der Muslime in der Bundesrepublik insgesamt entscheidend sein, da der Streit um Moschee und Minarett häufig nur ein Nebenkriegsschauplatz ist. Mit der Deutschen Islam-Konferenz ist insoweit auf staatlicher Ebene zumindest einen Anfang gemacht. Auch im Bereich des Kultstättenbaus sollte verstärkt auf einen Dialog der Konfliktparteien und auf alternative Konfliktlösungsmechanismen wie etwa Mediation, wie in der einschlägigen sozialwissenschaftlichen Literatur vorgeschlagen, gesetzt werden. Insbesondere kann die Akzeptanz der ortsansässigen nicht-muslimischen Bevölkerung durch eine frühzeitige Information und Beteiligung erhöht werden. Eine Auseinandersetzung mit den Ängsten und konkreten Anliegen der Bürger und Nachbarn vermag vielleicht auch zu verhindern, dass Moscheekritiker vom rechten politischen Spektrum vereinnahmt weden. In diesem Zusammenhang sollten die Muslime ermutigt werden, von allzu festgefahrenen Pfaden abzuweichen und etwa im Bereich der Architektur und der Namensgebung von Moscheen mehr Offenheit und „Westlichkeit“ zu signalisieren. Soweit dies im Rahmen eines Interessen ausgleichenden Verfahrens geschieht, ist auch nichts dagegen einzuwenden, dass Muslime ggf. auf bestimmte bauliche Facetten verzichten oder die Dimension geplanter Vorhaben an die ört­ liche Umgebung anpassen. Die christlichen Kirchen sollten die Präsenz des Islam nicht als Bedrohung, sondern vielmehr als Chance der Schärfung des eigenen Profils in Zeiten der Beliebigkeit ansehen. Die verbreitete Befürchtung, repräsentative Zentralmoscheen führten zu einer Islamisierung und gäben islamistischen Terroristen Aufwind, dürfte unbegründet sein. Die Gefahr droht nach Meinung von Experten eher aus den Hinterhöfen als aus offenen Moscheen in der Mitte der Gesellschaft.

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Sachregister Abendlandsvorbehalt  72 Abwägung  85, 93, 96, 112, 120, 121, 138, 143, 149, 153, 154, 157, 158, 159, 160, 162, 163, 164, 168, 179, 183, 184, 186, 187, 188, 189, 192, 207, 215, 218, 220, 221, 223, 226, 229, 230, 231, 233, 239, 240, 248, 250, 265, 276 Ahmadiyya 35, 36, 247, 253, 259, 262, 264 Aleviten  29, 41, 43, 45, 47 Anfechtungsklage  247, 248 Architektur  30, 41, 43, 45, 48, 64, 98, 105, 269, 272, 276 ästhetisch  103, 163, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 182, 190, 202, 203, 208, 214, 216, 217, 218, 227, 260, 271, 274 Aufspaltung  66, 82, 116, 131, 143 Ausnahme  41, 43, 60, 62, 69, 93, 105, 121, 148, 165, 183, 185, 208, 213, 218, 219, 225, 228, 238, 241, 244, 247 Außenbereich  62, 183, 202, 203, 207, 214, 217, 218 Baugenehmigungsverfahren  118, 263, 267 Baugestaltung  101, 203, 222 Bauherr  30, 49, 54, 55, 60, 63, 64, 76, 79, 83, 87, 88, 97, 98, 99, 102, 103, 104, 105, 111, 113, 115, 116, 118, 126, 127, 149, 156, 157, 158, 160, 161, 162, 167, 168, 169, 171, 172, 174, 175, 176, 178, 179, 180, 183, 184, 185, 186, 187, 188, 190, 193, 194, 196, 197, 198, 202, 203, 215, 216, 218, 219, 220, 221, 223, 224, 233, 235, 236, 237, 239, 241, 242, 246, 247, 248, 250, 251, 257, 258, 265, 266, 272, 273, 274, 276 Baukunst  102, 126, 127, 129, 130, 131, 142, 159, 161, 162, 201, 210, 213, 223, 224 Bauleitplanung  56, 58, 210, 214, 215, 217, 219, 220, 221, 226, 228, 230, 231, 242, 264, 267

Bauordnungsrecht  56, 57, 62, 125, 126, 136, 156, 160, 164, 181, 182, 184, 202, 233, 274 Baustil  44, 45, 98, 100, 101, 103, 170, 203, 237, 272 Bauvorschrift  57, 104, 216, 222, 223, 224, 261 Bebauungsplan  58, 59, 60, 61, 62, 63, 183, 184, 215, 216, 218, 220, 221, 222, 224, 227, 228, 238, 242, 244, 247, 250, 260, 261, 262, 263, 264 Befreiung  60, 183, 218, 219, 221, 222, 224, 225, 228, 243, 244, 247 Bobingen  236, 260 Bundesverfassungsgericht  52, 64, 65, 66, 68, 69, 72, 73, 77, 78, 79, 80, 86, 88, 89, 91, 92, 113, 114, 120, 121, 123, 124, 128, 129, 131, 133, 134, 135, 137, 138, 139, 143, 145, 146, 147, 152, 164, 166, 169, 173, 195, 196, 198, 199, 200, 201, 204, 205, 212, 229, 272 Bürgerbeteiligung  228, 230, 262 Bürgerinitiative  193 cami  28 Cem-Haus  29, 41, 43, 45, 47, 98, 105 Columbiadamm  35, 50, 62, 208 Definitionskompetenz  88, 90 DIK s. Islam-Konferenz, Deutsche DITIB  50, 55, 75, 98, 103, 106, 111, 171, 242, 255, 256, 262 Drittanfechtungsklage  248, 256, 257, 274 Drittschutz  183, 184, 251, 253 Eigenbedarfsfeststellungsrecht  228, 229 Eigentumsgarantie  126, 127, 129, 130, 141, 142, 171, 174 einfachgesetzlich  56, 64, 100, 117, 121, 157, 158, 162, 163, 166, 181, 182, 183, 192, 197, 202, 207, 215, 216, 217, 233, 272

296

Sachregister

einfügen  61, 62, 133, 161, 183, 202, 217, 218, 224, 225, 226, 227, 228, 245, 252 Einvernehmen  236, 259 Einzelgewährleistung  143 EMUG  55 erdrückend  190, 226, 253, 256, 259, 260 Eroberer  48, 49 s. a. Fatih extensiv  78, 80, 145, 146, 159, 166 Fatih  39, 48 Finanzierung  30, 49, 51, 52, 53, 108, 110, 115, 242, 272 Freitagsmoschee  28, 30, 46 Friedhof  30, 208 Gastarbeiter  36, 37, 38 Gebetsraum  28, 29, 30, 35, 37, 38, 46, 47, 48, 58, 98, 105, 107, 108, 110, 111, 201, 237, 238, 246, 252, 254, 265 Gebetsruf 99, 191, 192, 193, 253, 259, 266 Gebietscharakter  183, 185, 186, 226, 243, 251, 256, 257, 258 Gebietstyp  59, 60, 185, 253 Gegenseitigkeit  75, 76, 85, 112 Gemeinde  26, 29, 33, 36, 38, 39, 41, 42, 47, 49, 50, 52, 53, 57, 59, 106, 107, 169, 187, 193, 194, 197, 208, 210, 211, 213, 214, 215, 216, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 223, 225, 226, 228, 230, 231, 232, 233, 234, 238, 247, 250, 253, 259, 261, 262, 268 gemeindlich  208, 210, 211, 213, 214, 215, 216, 217, 218, 220, 221, 222, 223, 224, 226, 228, 230, 231, 232, 233, 236, 238, 259, 271, 274 Genehmigung  105, 118, 159, 172, 184 Genehmigungsverfahren  58, 119, 192, 255, 268, 273 s.a. Baugenehmigungsverfahren Gesetzgebung  57, 208 Gestaltungspflege  57, 216, 217 gewerblich  44, 108, 192, 238, 248, 253, 257, 273 Gottesbezug  68, 69, 70, 71, 204 Grundrechtseingriff  93, 117, 118, 119, 146, 158, 161, 163, 172 Grundrechtskollision  149, 165, 167 Grundrechtskollision, unechte  168

Grundrechtskonkurrenz  64, 86, 87, 96, 102, 126, 127, 128, 129, 141, 142, 143 Güterabwägung  88, 93, 96, 103, 125, 137, 149, 154, 155, 156, 157, 168, 175, 177, 178, 190, 192, 202, 273, 274 Höhenbegrenzung  245, 261 IGMG  55 Innenausstattung  46, 47 Innenbereich  61, 62, 63, 183, 184, 214, 217, 225, 237, 252, 258 islamistisch  49, 51, 54, 109, 116, 117, 170, 171, 176, 198, 250, 276 Islam-Konferenz, Deutsche  26, 27, 40, 276 Iwan-Moschee  42 Kirchenbau  31, 32, 33, 53, 98, 100, 102, 136 Kirchenbaugenehmigung  32, 33 kollektiv  86, 113, 115, 132, 136, 137, 138, 150, 151, 154 Kollisionsrechtsgüter  164 Köln  55, 170, 264 Konkordanz, praktische  121, 153, 154, 157, 184, 187, 218, 224, 233 Kopftuch  74, 99, 195, 205 Koran  28, 29, 47, 50, 99 Körperschaft  68, 92, 228, 229, 230 Körperschaftsstatus  27, 92, 114, 229, 232 Kulturadäquanzformel  72, 73, 83 Kulturstaatsklausel  204 Kulturstaatsprinzip  207 Kulturvölkerformel  72 Kulturzentrum  30, 55, 59, 106, 110, 111, 238, 239, 240, 242, 244, 252, 257, 258, 273 Kunstfreiheit  85, 87, 96, 102, 120, 130, 142, 143, 148, 157, 174, 177, 178, 179, 199, 210, 212 Kuppel  40, 42, 43, 44, 48, 63, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 175, 190, 221, 226, 253, 257, 260 Lärm  176, 178, 182, 185, 186, 188, 192, 236, 246, 265, 274 Lautsprecher  47, 191, 251 Leistungsanspruch  52 Loyalität  92

Sachregister Mediation  276 Menschenwürde  72, 73, 83, 90, 94, 146, 205 mescit  28 Minarett  34, 35, 36, 40, 42, 43, 44, 64, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 112, 155, 170, 175, 190, 191, 193, 194, 196, 197, 208, 216, 222, 223, 224, 226, 227, 228, 236, 237, 244, 245, 251, 253, 255, 256, 257, 258, 259, 260, 261, 263, 265, 266, 268, 269, 270, 271, 276 Minarettstreit  244 Morgengebet  186, 239, 240, 242, 248, 250 Moscheebaukonflikt  27, 31, 40, 74, 168, 169, 179, 184, 233, 234, 235, 238, 240, 248, 255, 259, 268, 274, 275, 276 Moscheebauverein  54, 115, 116, 245 Moscheeverein  38, 39, 50, 54, 55, 113, 115, 116, 236, 242, 245, 260 Muezzin  27, 42, 191, 196 Muezzinruf  63, 170, 176, 191, 192, 193, 194, 195, 262 München  36, 64, 99, 100, 103, 111, 166, 184, 185, 186, 187, 193, 198, 212, 213, 216, 222, 223, 224, 230, 231, 238, 239, 241, 242, 252, 260 Nachbar  61, 63, 109, 169, 170, 171, 173, 174, 175, 176, 177, 178, 179, 181, 182, 183, 184, 186, 187, 188, 190, 191, 192, 195, 197, 233, 236, 243, 248, 249, 250, 251, 252, 253, 256, 258, 262, 268, 274, 275, 276 Normenkontrollverfahren  237, 260 Normkonflikt  157, 158, 159, 160, 162, 164, 165, 168, 182, 184, 196, 197, 215, 216, 218, 225, 228, 232, 233, 274 Nutzung, Art der  103, 159, 161, 163, 183, 184, 188, 218, 219, 221, 225, 237, 242, 243, 247, 253, 259

172, 180, 189, 242, 255,

163, 198, 273, 170, 226,

ordre public  83, 91, 139 Ortsbild  61, 203, 208, 214, 216, 217, 218, 222, 223, 224, 225, 227, 237, 242, 259, 265, 268, 269, 271 osmanisch  34, 35, 43, 44, 45, 48, 98, 175, 179, 208, 224, 272 Österreich  32, 40, 235, 268, 270

297

Pankow  41, 169, 170, 171, 176, 185, 264 Parlamentsvorbehalt  152 Person, juristische  112, 113, 114, 116, 151, 273 Personenmehrheit  113, 114, 136, 150, 151 Petition  267, 268 Planungshoheit  210, 211, 212, 213, 214, 215, 216, 218, 219, 220, 221, 222, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 259, 274 Plausibilitätskontrolle  90, 105, 155 politisch  26, 27, 44, 45, 49, 53, 54, 75, 80, 88, 89, 97, 99, 106, 109, 110, 121, 134, 143, 146, 173, 175, 176, 189, 197, 204, 206, 220, 231, 234, 241, 254, 266, 267, 273, 276 Präambel  68, 69, 70, 71, 196, 204 Rechtsordnungsvorbehalt  125, 141 Religionsfreiheit, negative  148, 191, 194, 195, 196, 241, 274 Religionsgemeinschaft  32, 33, 35, 53, 66, 67, 68, 72, 77, 89, 92, 94, 97, 103, 105, 108, 109, 113, 114, 115, 116, 118, 124, 136, 137, 138, 147, 149, 150, 193, 194, 197, 228, 229, 230, 231, 232, 261, 274 religionsneutral  86, 125, 162, 265, 272, 274 repräsentativ  35, 39, 40, 44, 45, 49, 165, 170, 198, 249, 272, 276 Reziprozität  75 Rücksichtnahmegebot  60, 61, 63, 182, 183, 187, 188, 189, 190, 239, 242, 243, 245, 246, 249, 251, 252, 254, 256, 257, 260, 265, 274 Sakralarchitektur  129, 142 Schächten  87, 89, 103, 129, 205 Schlüchtern  193, 259 Schranke  73, 80, 81, 82, 84, 85, 89, 91, 93, 96, 100, 102, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 134, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 155, 158, 163, 164, 168, 171, 176, 177, 179, 181, 192, 198, 200, 201, 202, 203, 205, 207, 211, 212, 215, 231, 233, 265, 271, 273, 274 Schrankenleihe  122, 138 Schrankenschranken  152, 155

298

Sachregister

Schrankentrias 122, 123, 138, 139, 140, 141 Schrankenübertragung  123, 126, 127, 141 Schutzbereich  64, 68, 72, 73, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 100, 101, 102, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 115, 116, 117, 118, 119, 124, 126, 128, 129, 131, 133, 134, 141, 142, 143, 146, 148, 156, 158, 159, 161, 162, 163, 172, 178, 198, 211, 272, 273 schutzbereichsimmanent  84, 85, 91, 93, 130 Schutzbereichsverengung  82, 86, 126, 141 Schutznormtheorie  182 Schweiz  117, 235, 269, 270 Selbstgestaltungsrecht  213, 214, 215, 216, 217, 218, 222, 223, 224, 225, 226, 271, 274 Selbstverständnis  79, 80, 81, 83, 88, 89, 102, 104, 107, 109, 111, 112, 121, 136, 137, 144, 155, 157, 162, 163, 204, 223, 270, 272 Selbstverwaltungsgarantie 210, 211, 212, 213, 214, 220 Selbstverwaltungsrecht  33 Solitär  226 Sozialbindung  130, 171, 201, 238, 265 Sozialstaatsprinzip  199, 200, 207, 274 Staatszielbestimmung  89, 199, 200, 202 Stellplätze  182, 239, 240, 246, 252, 255, 257 Toleranzgebot  71, 84

verfassungsimmanent 73, 80, 84, 89, 91, 120, 135, 138, 139, 148, 152, 153, 158, 164, 168, 171, 179, 192, 198, 200, 201, 202, 205, 207, 211, 212, 213, 215, 233, 265, 271, 273, 274 Verhältnismäßigkeit  88, 96, 153, 154, 184 Verpflichtungsklage  236, 247 Versammlungsrecht  77, 92, 264 Verstärkungslehre  88, 129, 131, 143 Verunstaltungsverbot  57, 130, 182, 217 Verwaltungsgericht  235, 236, 237, 238, 240, 242, 243, 244, 245, 246, 247, 249, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 260, 264, 265, 274, 276 VIKZ  55 Volksabstimmung  270 vorbehaltlos  80, 84, 85, 93, 95, 96, 102, 119, 120, 122, 125, 126, 127, 128, 135, 139, 140, 141, 142, 143, 145, 148, 149, 151, 153, 154, 155, 156, 158, 159, 160, 162, 164, 165, 166, 167, 168, 169, 177, 188, 191, 198, 199, 200, 201, 202, 205, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 215, 220, 224, 226, 232, 233 Vorkaufsrecht  208, 216, 232, 233 Wechselwirkungslehre  135, 149, 155 Weimarer Reichsverfassung  32, 33, 69, 132, 133, 144, 145, 146, 204, 205 Wittlich  251 Wohngebiet  60, 185, 186, 201, 237, 238, 239, 241, 243, 245, 246, 247, 250, 252, 256, 258, 261