Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs: Herausforderungen - Geschäftsmodelle - Steuerung [1. Aufl.] 978-3-658-26758-2;978-3-658-26759-9

Multinationale Automobilunternehmen stehen heute vor ihrem größten Umbruch mit tiefgreifenden und diskontinuierlichen Ve

947 97 17MB

German Pages XIV, 451 [450] Year 2019

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs: Herausforderungen - Geschäftsmodelle - Steuerung [1. Aufl.]
 978-3-658-26758-2;978-3-658-26759-9

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XIV
Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Eine Einführung (Heike Proff)....Pages 1-24
Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen seit Beginn des Jahrtausends (Heike Proff)....Pages 25-103
Herausforderungen für multinationale Automobilunternehmen durch globale Umfeldtrends (Heike Proff)....Pages 107-191
Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs (Heike Proff)....Pages 197-278
Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs (Heike Proff)....Pages 279-341
Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick (Heike Proff)....Pages 345-413
Back Matter ....Pages 417-451

Citation preview

Heike Proff

Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs Herausforderungen – Geschäftsmodelle – Steuerung

Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

Heike Proff

Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs Herausforderungen – Geschäftsmodelle – Steuerung

Prof. Dr. Heike Proff Lehrstuhl für ABWL & Internationales Automobilmanagement Universität Duisburg-Essen Duisburg, Deutschland

ISBN 978-3-658-26758-2 ISBN 978-3-658-26759-9  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-26759-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Meiner Familie

Vorwort

Nicht nur durch den Dieselskandal 2018 und den Protektionismus in wichtigen Absatzmärkten stehen multinationale Automobilunternehmen heute vor noch größeren Herausforderungen als zu Beginn des Jahrtausends. Dies liegt wesentlich an vier globalen Umfeldtrends: an der weltweiten Ausdifferenzierung der Mobili­ tätsnachfrage und der Fahrzeugantriebe, der Digitalisierung und am weltweiten Druck der Kapitalgeber, den Kapitaleinsatz zu verringern. Dadurch erhöht sich die Komplexität durch die zunehmende Variantenvielfalt und – zumindest mittelfristig – durch die zunehmende Unsicherheit im radikalen und diskontinuierlichen Über­ gang zu neuen Basistechnologien. Multinationale Automobilunternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle und die Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften neu ausrichten. Die Automobilindustrie steht deshalb vor einem gewaltigen Umbruch und wird sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren mehr verändern als in den letzten fünfzig Jahren, so die Einschätzung von Mary Barra, Chefin von General Motors auf dem World Economic Forum 2016. Auch wenn die Herausforderungen nicht so schnell Realität werden, wie einige Unternehmen vorausgesagt haben (Google z.B. 2012 bereits für 2017 das selbst­ fahrende Auto für normale Bürger), warnte Bill Gates schon 1996 vor Passivität angesichts der erst mittelfristig erwarteten Veränderungen, da unmittelbar be­ vorstehende Veränderungen leicht überschätzt, mittelfristig sich abzeichnende Veränderungen aber unterschätzt werden. Das Buch abstrahiert bewusst von aktuellen Diskussionen um den Diesel­ motor, vom Einbruch des chinesischen Marktes sowie von Protektionismus in der Handelspolitik. Ziel ist es vielmehr, die Herausforderungen für multinationale Automobilunternehmen zu systematisieren und notwendige Handlungen sowie den künftigen Weg der Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung in einer immer komplexeren Welt zu erklären. Dieses Buch ist entstanden durch viele Diskussionen mit Studierenden sowie mit Managern in den Muttergesellschaften und Tochtergesellschaften multinationaler VII

VIII

Vorwort

Automobilunternehmen und mit Unternehmensberatern, die alle die Frage umtreibt: wie kann und wird der Übergang in eine neue Mobilitätswelt weltweit erfolgen? Es gibt viele Vorstellungen von den voraussichtlichen Veränderungen und von den Zukunftsszenarien einer neuen vernetzten Mobilität, die Gestaltung des Übergangs, d.h. eine Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften wird in der Literatur jedoch kaum thematisiert. Auch wenn die Strategien der Automobilunternehmen von außen nur schwer einzuschätzen sind, ist das Buch ein Versuch, den Weg der Automobilindustrie in die Zukunft aus Sicht der Managementforschung zu durchdenken sowie Denk- und Handlungsanstöße zu geben. Das Buch wendet sich an Wissenschaftler, Lehrende und Studierende des Strategischen und Internationalen (Automobil)Managements und an Manager der Automobilindustrie, die die Entscheidungen im Umbruch treffen müssen. Es profitierte von Diskussionen am Lehrstuhl für „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre & Internationales Automobilmanagement“ der Universität Duisburg-Essen mit Timo Günthner, M.Sc., Josip Jovic, M.Sc., Florian Knobbe, M.Sc., Dr. Monika Söndgerath, Stefan Sommer, M.Sc. und Gregor Szybisty, M.Sc., aber auch mit Nicole Schleiffer, M.Sc., Dr. Thomas Martin Fojcik, Dr. Benjamin Jung und Dr. Karl Sommer. Von Marlies Grothe, M.A., Prof. Dr. Wolf Gaebe, P.D. Dr. Harald Proff und in Teilen von Dr. Jürgen Sandau wurde das Manuskript sehr engagiert durchgesehen. Die Karikaturen hat Pedro Ribeiro Ferreira nach meinen Ideen entworfen. Ihnen allen möchte ich herzlich danken! Mein Dank gilt schließlich auch dem Springer Gabler Verlag, insbesondere Frau Goehrisch-Radmacher, die das Entstehen des Buches unterstützt und für schnelle Drucklegung gesorgt hat, sowie Herrn Peters für die Formatierung. Ich hoffe, dass das Buch Anregungen bietet, und freue mich über Rückmeldungen. Duisburg im Februar 2019

Heike Proff

Inhalt

1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Eine Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Entwicklung von Strategien und Steuerung multinationaler Automobilunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.1.1 Phase der (atomistischen) Auslandsmarktbearbeitung in den 1960er und 70er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.1.2 Phase eines strategischen und (ganzheitlichen) internationalen Managements multinationaler Automobilunternehmen seit den 1980er Jahren . . . . . . . . . . . . . 10 1.1.3 Steigende Komplexität in Zeiten des Umbruchs . . . . . . . . . . . . . 14 1.2 Notwendigkeit einer Neuausrichtung von Strategien und Steuerung multinationaler Unternehmen in Zeiten des Umbruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen seit Beginn des Jahrtausends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Ausdifferenzierung der wachsenden Automobilmärkte . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Wachsende Automobilmärkte – ein heterogenes Bild . . . . . . . . 2.1.2 Erklärungen der unterschiedlichen Entwicklung wachsender Märkte – Konvergenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Chancen und Risiken für multinationale Automobilunternehmen in den heterogenen Wachstumsmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft in der Automobilindustrie – Neue Wettbewerber aus Niedriglohnländern und Anbieter neuer Leistungen . . . . . . . . . . . . . .

25 31 31 36 38 41 IX

X

Inhalt

2.2.1 Zunehmende Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft in der Automobilindustrie . . . . . . . . . . 42 2.2.2 Erklärungen der Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft – Erklärungen eines Entwicklungssprungs durch „asset seeking“ sowie neuer Leistungen in einem neuen Ecosystem . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.2.3 Chancen und Risiken für multinationale Automobilunternehmen durch neue Wettbewerber . . . . . . . . . 51 2.3 Ausdifferenzierung der strategischen Ausrichtung multinationaler Automobilunternehmen: Von Wettbewerbsstrategien zu Geschäftsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2.3.1 Von Wettbewerbsstrategien zu Geschäftsmodellen multinationaler Automobilunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2.3.2 Erklärungen der Komponenten (internationaler) Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2.3.3 Chancen und Risiken für multinationale Automobilunternehmen durch die Ausdifferenzierung von Wettbewerbsstrategien zu Geschäftsmodellen . . . . . . . . . . 75 2.4 Ausdifferenzierung der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften in multinationalen Automobilunternehmen: Von einer länderübergreifenden zu einer stärker länderspezifischen Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2.4.1 Von einer länderübergreifenden zu einer stärker länderspezifischen Steuerung multinationaler Automobilunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2.4.2 Erklärungen der Instrumente einer stärker länderspezifischen Steuerung – Agency Theorie, Ressourcenabhängigkeitstheorie und Kompetenzansatz . . . . . 87 2.4.3 Chancen und Risiken für multinationale Automobilunternehmen durch die Ausdifferenzierung der Steuerungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2.5 Steigende Komplexität für multinationale Automobilunternehmen seit Beginn des Jahrtausends – Eine Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . 103 3 Herausforderungen für multinationale Automobilunternehmen durch globale Umfeldtrends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3.1 Weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage (globaler Umfeldtrend 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Inhalt

3.1.1 Weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage durch weltweite Veränderungen im sozio-kulturellen Umfeld . . . . . . 3.1.2 Erklärung der Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage – Theorie des Haushalts und des intertemporalen Konsumverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Künftige Herausforderungen durch eine weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe (globaler Umfeldtrend 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe durch weltweite Veränderung im technologischen und politisch-rechtlichen Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Erklärung der Ausdifferenzierung von Fahrzeugantrieben – Marktschaffung und Marktentwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Künftige Herausforderungen durch die weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Weltweite Ausdifferenzierung von Prozessen, Leistungen und Geschäftsmodellen durch die Digitalisierung (globaler Umfeldtrend 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Weltweite Ausdifferenzierung von Prozessen, Leistungen und Geschäftsmodellen durch weltweite Veränderung im technologischen Umfeld durch die Digitalisierung . . . . . . . . . . 3.3.2 Erklärung der Ausdifferenzierung von Prozessen, Leistungen und Geschäftsmodellen durch die Digitalisierung – Erklärungen der ökonomischen Interdependenz und Koordination sowie Erklärungen der Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Künftige Herausforderungen durch die weltweite Ausdifferenzierung von Prozessen, Leistungen und Geschäftsmodellen durch die Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Weltweiter Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes der traditionellen Automobilunternehmen (globaler Umfeldtrend 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Weltweiter Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes der traditionellen Automobilunternehmen durch weltweite Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

114 127 129 135 137 146 149 155 156

164 172 179

181

XI

XII

Inhalt

3.4.2 Erklärungen des Drucks auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes der traditionellen Automobilunternehmen – Kapitalmarktmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3.4.3 Künftige Herausforderungen durch den weltweiten Druck auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes der traditionellen Automobilunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3.5 Weiterer Anstieg der Komplexität in Zeiten des Umbruchs – Eine Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs . . . . 4.1 Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Druck auf eine kontinuierliche Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle durch die globalen Umfeldtrends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Erklärungen der Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle – Dynamische Oligopoltheorie, Transaktionskostentheorie und Kompetenzansatz . . . . . . . . . 4.1.3 Zu starke Fokussierung vieler Automobilunternehmen auf die Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle in Zeiten des Umbruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Druck auf die Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle durch die globalen Umfeldtrends . . . . . . . . 4.2.2 Erklärungen der Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle – Theorie der Kompetenzentwicklung, Transaktionskostentheorie und „service-dominant logic“ . . 4.2.3 Zu zögerliche Investitionen vieler Automobilunternehmen in die Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle in Zeiten des Umbruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Beidhändiges Management traditioneller und neuer, innovativer Geschäftsmodelle multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Notwendigkeit eines beidhändigen Managements paradoxer Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

197 209 211 215 225 231 232 238 246 251 252

Inhalt

XIII

4.3.2 Erklärung eines beidhändigen Managements traditioneller und neuer, innovativer Geschäftsmodelle – Erklärungen der statischen und dynamischen Ambidextrie . . . . . . . . . . . . . 258 4.3.3 Erst zögerliches Bemühen um ein beidhändiges Management bisheriger und neuer, innovativer Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 4.4 Ansatzpunkte einer weitergehenden Neuausrichtung der Geschäftsmodelle multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Eine Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . 275 5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Verstärkung der länderspezifischen Steuerung multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Druck auf eine stärker länderspezifische Steuerung multinationaler Automobilunternehmen durch die globalen Umfeldtrends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Erklärungen einer stärker länderspezifischen Steuerung über die Konfliktlösungsmechanismen Verhandlung und Wettbewerb – Tausch- und Evolutionstheorie . . . . . . . . . . . . . 5.1.3 Zu geringe länderspezifische Auflösung der Interessenskonflikte über die Steuerung multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs . . . . . . . . . . 5.2 Verstärkung der länderübergreifenden Steuerung multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Druck auf eine stärker länderübergreifende Steuerung multinationaler Automobilunternehmen durch die globalen Umfeldtrends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Erklärung einer stärker länderübergreifenden Steuerung über den Konfliktlösungsmechanismus Hierarchie – Marktorientierte Erklärung weltweiter Größen- und Verbundvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Zu starke länderübergreifende Auflösung der Interessenkonflikte über die Steuerung multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs . . . . . . . . . . 5.3 Management von Zielkonflikten zwischen einer mehr oder weniger länderspezifischen Steuerung multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs . . . . . . . . . . . . . . . .

279 289 290 295 301 307 309

311 318 321 XIII

XIV

Inhalt

5.3.1 Notwendigkeit einer Mediation bei unüberwindbaren Differenzen über die Steuerung multinationaler Automobilunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Erklärung des Ausbalancierens von länderspezifischer und länderübergreifender Steuerung über den Konfliktlösungsmechanismus Mediation – Moderne Entscheidungstheorie mit Berücksichtigung von Gruppenentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Unzureichende Mediation unüberwindbarer Differenzen zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften . . . . . 5.4 Ansatzpunkte einer weitergehenden Neuausrichtung der Steuerung multinationaler Unternehmen in Zeiten des Umbruchs – Eine Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Ansatzpunkte einer weitergehenden Neuausrichtung sowohl der Geschäftsmodelle als auch der Steuerung multinationaler Automobilunternehmen zur Verringerung der Komplexität . . . . . . . 6.1.1 Veränderungsfähigkeiten (Dynamic Capabilities) . . . . . . . . . . 6.1.2 Agilität als Fähigkeit schnell verbindlich zu entscheiden . . . 6.1.3 Fähigkeit der Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Abstimmung von Veränderungsfähigkeiten, Agilität und Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen für die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung . . . . 6.2.1 Abstimmung von Veränderungsfähigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Abstimmung schneller verbindlicher Entscheidungen . . . . . 6.2.3 Abstimmung der Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Umfassende gemeinsame Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften durch hybride Agilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Multinationale Automobilunternehmen – The road ahead . . . . . . .

323

326 333 339 345 355 355 363 368 381 381 386 389 393 399

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 Die Autorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451

1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Eine Einführung 1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs 1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Proff, Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26759-9_1

1

2

1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs „Die Automobilindustrie steht vor dem größten Umbruch aller Zeiten.“ (Harald Krüger, CEO BMW 2017)1

Die traditionelle Automobilindustrie wird nicht nur seit Beginn dieses Jahrtau­ sends durch die immer stärker ausdifferenzierten Automobilmärkte weltweit und durch neue internationale und branchenfremde Wettbewerber wie Tesla, Geely, Google und Uber herausgefordert. Sie steht heute vor ihrem größten Umbruch mit tiefgreifenden und diskontinuierlichen Veränderungen, ausgelöst durch vier globale Umfeldtrends: die Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage und der Antriebstechnologien, die Digitalisierung sowie den Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes in traditionellen Automobilunternehmen. Dieser Umbruch wird allerdings nicht abrupt erfolgen, sondern langfristig. Damit erhöht er für multinationale Automobilunternehmen die Unsicherheit und die Komplexität. In diesem langfristigen Umbruch können Automobilunternehmen unterschiedlich und verschieden schnell reagieren, weshalb sich frühe und späte Innovatoren bzw. Vorreiter und Nachzügler unterscheiden lassen. Selbst Vorreitern erscheint – hinter vorgehaltener Hand – der Übergang in die neue Mobilitätswelt immer noch häufig als „black box“ und sie wissen oft nicht genau, was sie warum tun. Klar ist nur, dass sie ihre Strategien und die Steuerung ihrer ausländischen Tochtergesellschaften neu ausrichten müssen. Dieses Buch möchte multinationalen Automobilunternehmen, die vor diesem Umbruch stehen, eine Unterstützung im Umgang mit Unsicherheit und Komplexität bieten und be­ trachtet dazu Herausforderungen im Umfeld, die Geschäftsmodelle und Steuerung (vgl. Abb. 1–1). Damit geht es um das Management in engen Sinne, fokussiert auf die Analyse bisheriger und künft iger, oft diskontinuierlicher Veränderungen im Unternehmensumfeld (Kapitel 2 und 3), das strategische Management (Kapitel 4) und die (internationale) Organisation (Kapitel 5). Es wird eingebettet in eine Einleitung (Kapitel 1) und einen Ausblick auf das Zusammenspiel von Strategie und Steuerung und auf mögliche Wege multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs (Kapitel 6). Nach vielen Gesprächen mit hochrangigen Managern der Automobilindustrie und der Organisation von nunmehr zehn deutschsprachigen Konferenzen zur Mobilität (Wissenschaftsforum Mobilität an der Universität Duisburg­Essen2), mit Hilfe von theoriebezogenen Erklärungen im internationalen und strategischen Management sowie durch unterschiedliche empirische Untersuchungen deutscher Automobilunternehmen, soll hier eine Struktur entwickelt werden, an der sich der Weg in die Zukunft orientieren kann. Das Buch kann dabei selbstverständlich keine

1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

3

Weltmeisterstrategie anbieten, die es im strategischen Management und in der Organisationslehre auch gar nicht gibt, weil „the essence of strategy is choosing“3, d. h. die Entscheidung was zu tun ist und vor allem, was nicht zu tun ist. Entschei­ den müssen die Automobilunternehmen natürlich selber. Das Buch soll aber zum Denken und Handeln anregen.

2. Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen seit Beginn des Jahrtausends

4. Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

1. Multinationale Unternehmen in Zeiten des Umbruchs

6. The road ahead

3. Künftige Herausforderungen für multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs durch globale Umfeldtrends

5. Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

Abb. 1-1 Struktur des Buches Quelle: eigener Entwurf mit Cartoons von Pedro Ribeiro Ferreira

In Abschnitt 1.1 wird zunächst die bisherige Entwicklung von Strategie und Steuerung einschließlich der künft igen Herausforderungen durch die steigende Komplexität systematisch aus den veränderten Rahmenbedingungen seit der Öff nung der Märkte nach dem zweiten Weltkrieg abgeleitet, die nicht nur die Automobilunternehmen, sondern multinationale Unternehmen aller kapitalintensiven Branchen betreffen und eine Neuausrichtung von Strategie und Steuerung erfordern (Kapitel 1.2).

4

1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

Endnoten 1 2 3

In Süddeutsche Zeitung vom 17.11.2017. Vgl. Proff u. a. (2012a, 2013a); Proff (2014, 2015); Proff, Fojcik (2016, 2017, 2018a). Porter (1996a, S. 70).

1.1

Entwicklung von Strategien und Steuerung multinationaler Automobilunternehmen

1.1 Strategien und Steuerung multinationaler Automobilunternehmen

1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

Auf den Weltmärkten sind die Rahmenbedingungen seit der Öffnung der Märkte nach dem zweiten Weltkrieg immer komplexer geworden. Die Anzahl eventueller Gelegenheiten ist stark angestiegen1, d. h. Unternehmen haben immer mehr Hand­ lungsalternativen bzw. können immer mehr unterschiedliche Wege gehen. Das gilt insbesondere für Unternehmen in kaptalintensiven Branchen, die bei begrenztem Kapitalangebot nicht überall investieren können2. Bis in die 1970er Jahre galten Unternehmen als mikroökonomische Mengenan­ passer, die Güter bereitstellen und die Kosten durch Optimierung der Menge minimieren. Es ging noch nicht um Wettbewerbsstrategien, eher um Eintritts­ strategien in Auslandsmärkte, wobei eine getrennte Bearbeitung der einzelnen Auslandsmärkte bei effizienter Anpassung der Organisation an unterschiedliche nationale Umfeldbedingungen ausreichend schien. In den 1980er und 90er Jahren suchten die Unternehmen zunehmend Wettbe­ werbsstrategien als Allokationsentscheidungen zur Erzielung dauerhafter Wett­ bewerbsvorteile und damit überdurchschnittlicher Gewinne – zunächst markto­ rientierte Strategien der Kostenführerschaft oder/und der Differenzierung, später auch Produktinnovationsstrategien. Angesichts der zunehmenden Globalisierung der Märkte bei sinkenden Transportkosten wurde gleichzeitig eine Ausrichtung auf ganze Wachstums- und Integrationsräume, nicht nur auf die nordamerikani­ sche Freihandelszone (NAFTA bzw. künftig USA-Mexiko-Kanada-Abkommen, USMCA), sondern auch auf die südostasiatische Freihandelszone (AFTA) und den gemeinsamen Markt Südamerikas (MERCOSUR) möglich und nötig3. Nationale Unternehmen wurden zu multinationalen Unternehmen. Seit der Jahrtausendwende wurden die allgemeinen (generischen) Wettbewerbs­ strategien insbesondere durch die New Economy zu konkreteren Geschäftsmodel­ len, d. h. zu Allokationsentscheidungen zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen mit einem spezifischen Nutzenversprechen an die Kunden, einer Wertarchitektur und einem Gewinnmodell weiterentwickelt. Die Integrationsgeschwindigkeit blieb jedoch gerade in den neun Integrationsräumen AFTA und MERCOSUR bis heute gering, weshalb multinationale Unternehmen die regionale Marktbearbei­ tung nicht konsequent verfolgt haben. Stattdessen wurden diese Unternehmen durch die zunehmende globale Vernetzung durch Outsourcing4, verstärkt durch neue Informationstechnologien seit Beginn des neuen Jahrtausends zu einer Ausrichtung auf einzelne stark wachsende Märkte gezwungen, zunächst auf die 5

6

1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

BRIC-Länder (Brasilien, Russland, Indien und China), dann mehr und mehr auf neue Wachstumsmärkte wie z. B. Mexiko5. Weil sich diese Märkte immer mehr ausdifferenzieren, bauen gerade ausländische Tochtergesellschaften kapitalintensiver multinationaler Unternehmen nun viel stärker als zuvor Ressourcen und Kompe­ tenzen auf. Sie artikulieren und verfolgen Eigeninteressen einer (Entscheidungs-) Dezentralisierung bzw. Autonomie, die den Interessen der Muttergesellschaften an einer Zentralisierung von Entscheidungen entgegenstehen. Dies erschwert die Steuerung der multinationalen Unternehmen, d. h. die Abstimmung der Aktivitäten von Muttergesellschaft und ausländischen Tochtergesellschaften6. Ende der 2010er Jahre werden multinationale Unternehmen weltweit vor neue Herausforderungen durch vier globale Umfeldtrends gestellt: durch die Ausdiffe­ renzierung von Nachfrage und Technologien, die Digitalisierung sowie den Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes in traditionellen Un­ ternehmen. Sie lassen insbesondere in kapitalintensiven Branchen einen Umbruch mit langfristigen, tiefgreifenden und diskontinuierlichen Veränderungen erwarten. Zu diesen kapitalintensiven Branchen gehört die Automobilindustrie, die im weiten Sinne die gesamte Automobilwirtschaft mit dem Automobilbau (Perso­ nenkraftwagen, Nutzfahrzeuge und Zulieferer), Automobilhandel und Dienst­ leistungen bezogen auf Automobile und sonstige Mobilität umfasst7. Während Automobilhändler überwiegend lokal und regional tätig sind und kaum Standorte im Ausland haben, sind Hersteller von Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen, Zulieferer und Anbieter von Dienstleistungen meist multinational tätig. Solche multinationalen Automobilunternehmen werden in diesem Buch betrachtet, im Automobilbau fokussiert auf Pkw. Gerade in der Automobilindustrie sind die Rahmenbedingungen auf den Welt­ märkten seit dem zweiten Weltkrieg immer komplexer geworden und multinationale Automobilunternehmen stehen deshalb heute vor dem „größten Umbruch aller Zeiten“8. Die vier globalen Umfeldtrends zeigen sich auch in der Automobilindustrie: Die Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage und der Antriebstechnologien, die Digitalisierung als Treiber neuer datengetriebener Mobilitätskonzepte und des autonomen Fahrens sowie der Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes in traditionellen Automobilunternehmen und lösen dort langfris­ tige, tiefgreifende und diskontinuierliche Veränderungen aus. Viele Automobilun­ ternehmen wissen immer noch nicht wirklich umfassend darauf zu reagieren und blieben deshalb lange bei Prototypen und Ankündigungen. Beschleunigt durch den Dieselskandal und die drohende Sperrung von Innenstädten für ältere Fahrzeuge in Deutschland sowie die protektionistischen Tendenzen und Handelskonflikte in der Weltwirtschaft beginnen allerdings umfangreiche Produktoffensiven, insbesondere bei VW und Audi, aber auch bei Daimler.

1.1 Strategien und Steuerung multinationaler Automobilunternehmen

7

Diese globalen Umfeldtrends erfordern neue, innovative Geschäftsmodelle. Sie können sich entweder auf innovative Produkte beziehen (z. B. für Elektrofahr­ zeuge), Dienstleistungen neuartig ergänzen (z. B. für selbstfahrende Fahrzeuge), Netzwerke nutzen (z. B. für Mobilitätslösungen, die als Dienstleistung genutzt werden – „Mobility as a Service“9) oder auf Loyalität setzen (z. B. für die Nutzung von Fahrzeugdaten)10. Sie weisen in allen Branchen jeweils länderspezifische Be­ sonderheiten auf. Deshalb • entstehen Widersprüche zwischen bisherigen und neuen Geschäftsmodellen und • wachsen die Konflikte zwischen den Zielen der Muttergesellschaft und den Zielen vor allem wichtiger ausländischer Tochtergesellschaften. Dadurch steigt die Komplexität für multinationale (Automobil)Unternehmen in Zeiten des Umbruchs weiter an11 (Abb. 1.1-1) und sie werden sowohl Strategien bzw. Geschäftsmodelle als auch die Steuerung ihrer ausländischen Tochtergesellschaften neu ausrichten und stärker verknüpfen müssen. Die internationale Managementforschung, die sich bereits seit den 1960er Jah­ ren zunehmend mit der grenzüberschreitenden Tätigkeit in kapitalintensiven Branchen auseinandersetzt, untersucht den Übergang von einer (atomistischen) Auslandsmarktbearbeitung zu einem holistischen Management multinationaler Unternehmen. Die internationale Strategieforschung begleitet seit den 1970er Jahren die Entwicklung von Wettbewerbsstrategien und ihre Ausdifferenzierung zu Geschäftsmodellen, die internationale Organisationsforschung die Steuerung multinationaler Unternehmen im Spannungsfeld von Zentralisierung und De­ zentralisierung der Entscheidungen. Bis heute wird „ein Mangel an umfassenden und konsensfähigen theoretisch-konzeptionellen Ansätzen des internationalen Managements“ beklagt12. Es konnte noch keine einheitliche Definition von (in­ ternationalen) Geschäftsmodellen gefunden werden13, ebenso wenig Modelle der internationalen (transnationalen) Steuerung und Koordination14. Erst allmählich bilden sich eine eigenständige Disziplin des Internationalen Managements15 und ein Konsens in der Geschäftsmodellforschung heraus, die die Neuausrichtung multinationaler Unternehmen in Zeiten des Umbruchs begleiten. In diesem Kapitel soll gezeigt werden, dass multinationale Unternehmen vor einem Umbruch stehen: nach der (atomistischen) Auslandsmarktbearbeitung in den 1960er und 70er Jahre (Abschnitt 1.1.1) und bis heute dem strategischen und (ganzheitlichen) internationalen Management multinationaler Unternehmen (Abschnitt 1.1.2), wird künftig bei steigender Komplexität aufgrund der globalen

8

1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

Umfeldtrends (Abschnitt 1.1.3) eine Neuausrichtung und Abstimmung von Strategie und Steuerung notwendig, die Widersprüche zwischen Geschäftsmodellen und 1.1‐1 Zielkonflikte der Steuerung systematisch managt (vgl. Abschnitt 1.2 und Abb. 1.1-1). S. 8 Reduktion der  Transportkosten

Treiber der Umfeld‐ entwicklung

interna‐ tionales Umfeld (Rahmen‐ bedingungen auf den Weltmärkten) Schwerpunkt  der internat.  Unternehmens‐ tätigkeit

Öffnung Märkte nach dem 2. Weltkrieg getrennte  Ausrichtung auf  einzelne Wachstumsmärkte  going international

Globalisierung ganzheitliche Ausrichtung auf  Wachstums‐ und Integrationsräume

New  Economy IT als Treiber von  verstärktem  Outsourcing

Umbruch durch globale Umfeldtrends 1. weltweite Ausdifferenzierung der Kundenbedürfnisse und 2. der Technologien 3. weltw. Trend zur  Digitalisierung 4. weltweite Verknappung des Kapitalangebots

globale Vernetzung Fokussierung  Fokussierung  auf die damals auf  neue   wachsenden  Wachstums‐ BRIC‐Märkte      märkte  (z.B. Mexiko) 

being international

Umsatzanteil deutscher Unternehmen außerhalb Deutschlands internationale  Management‐ forschung

(atomistische)  Auslandsmarkt‐ bearbeitung

• internationale Strategie‐ forschung

mikroökonomische Mengenanpassung

• internationale Organisations‐ forschung

effiziente Anpassung   der Organisation an Umfeldbedingungen

Abb. 1.1-1

(ganzheitliches) Management multinationaler Unternehmen   Wettbewerbs‐ strategien

Geschäftsmodelle

Steuerung ausländischer Tochtergesell‐ schaften zwischen * (Entscheidungs‐)Zentralisierung und * (Entscheidungs‐)Dezentralisierung

Komplexität

managing strategic and global complexity

Neuausrichtung und  Abstimmung von Strategie  und Steuerung multinat.  Unternehmen  in Zeiten  des  Umbruchs Management widersprüch‐ licher Geschäftsmodelle (mit dualer Ausrichtung) Umgang mit verstärkten  Zielkonflikten der   Steuerung ausländischer  Tochtergesellschaften

Entwicklung von Unternehmensumfeld sowie strategischer und internationaler Unternehmenstätigkeit und Managementforschung seit dem zweiten Weltkrieg

Quelle: eigene Darstellung

1.1 Strategien und Steuerung multinationaler Automobilunternehmen

1.1.1

9

Phase der (atomistischen) Auslandsmarktbearbeitung in den 1960er und 70er Jahren

Nach dem zweiten Weltkrieg wurden viele Unternehmen erst in den 1960er und 70er Jahren stärker grenzüberschreitend tätig („going international“). Trotz der Probleme eines isolierten Auslandsmanagements in einzelnen Märkten, lag der Anteil des Umsatzes deutscher Unternehmen im Ausland 1980 mit etwa 57 Prozent deutlich höher als 1960 (etwa 45 Prozent, vgl. Abb. 1.1-1). Die internationale Managementforschung unterstützte international tätige Un­ ternehmen damals bei der optimalen Gestaltung der ersten Auslandstätigkeiten, d. h. bei einer atomistischen Perspektive auf einzelne Auslandsengagements16. In den 1960er und 70er Jahren wurden Instrumente zur Begrenzung der Unsicherheit bei der Analyse des internationalen Umfeldes entwickelt. Die Unsicherheit entstand infolge von Informationsdefiziten über die politisch-rechtlichen, ökonomischen, sozio-kulturellen und technologischen Rahmenbedingungen im weiten (Länder) Umfeld der Unternehmen. Die internationalen Managementforschung suchte auch nach Erklärungen der internationalen Unternehmenstätigkeit, in den 1960er Jahren zunächst volkswirtschaftlichen Erklärungen des internationalen Handels und dann unternehmens-, geschäftsfeld- und länderspezifische Erklärungen von Direktinvestitionen17. Es wurden mehrere Führungskonzeptionen unterschieden: heimatmarktorientiert (ethnozentrisch), gastlandorientiert (polyzentrisch), welto­ rientiert (geozentrisch) und regionenorientiert (regiozentrisch)18, die später (1) die internationale Strategieforschung und (2) die internationale Organisationsforschung beeinflussten (vgl. Abb. 1.1-1). Zu (1): Die internationale Strategieforschung betrachtet in den 1960er und 70er Jahren vor allem Markteintrittsstrategien im Rahmen von Direktinvestitionen, weniger Wettbewerbsstrategien, da Unternehmen zunächst als mikroökonomische Mengenanpasser gesehen wurden, die Güter bereitstellen und durch Optimierung der Menge ihre Kosten minimieren19. Zu (2): Die internationale Organisationsforschung untersuchte zu dieser Zeit vor allem die „effiziente Anpassung [der Organisation] an unterschiedliche nationale Umfeldbedingungen“20.

10

1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

1.1.2 Phase eines strategischen und (ganzheitlichen) internationalen Managements multinationaler Automobilunternehmen seit den 1980er Jahren Mit der Globalisierung der Wirtschaft, zunehmender internationaler Erfahrung und damit steigendem Grad der Internationalisierung wurde es seit den 1980er Jahren für Unternehmen immer wichtiger, länderübergreifende Größen- und Verbund­ vorteile zu nutzen. Es ging vor allem darum, die wachsenden Wirtschaftsräume außerhalb der alten Industrieländer Europas, Nordamerikas und Japan (Triade) und damit die neuen regionalen Integrationsräume AFTA und MERCOSUR 21 durch Produktionsstätten zu erschließen und zu koordinieren („being international“). Während im Jahr 2000 der Umsatzanteil deutscher Unternehmen im Ausland mit etwa 59 Prozent kaum höher war als 1980 (57 Prozent), wird für 2020 ein Anstieg auf mehr als 70 Prozent erwartet (vgl. Abb. 1.1-1). Die regionale Marktbearbeitung wird zunehmend durch die Bearbeitung einzelner besonders stark wachsender Märkte (zunächst der BRIC-Länder und später auch z. B. Mexiko) ergänzt und verliert an Bedeutung. Die internationale Managementforschung richtet sich in einer ganzheitlichen (holistischen) Perspektive seit den 1980er Jahren auf das Management der in- und ausländischen Aktivitäten multinationaler Unternehmen22. Seither versucht sie, die partiellen Direktinvestitionstheorien zu integrieren, zu dynamisieren23 und dabei unterschiedliche Wertschöpfungsstufen zu berücksichtigen (Produktions­ transfer und Offshore Outsourcing), um Markteintrittsstrategien zu verbessern und Direktinvestitionen von Unternehmen aus Niedriglohnländern zu erklären, die im Ausland weniger kostengünstige Standorte als vielmehr Vermögenswerte („assets“) suchen24. Die Herausforderungen für multinationale Unternehmen werden seither vor allem darin gesehen, mit zwei entgegengesetzten (widersprüchlichen) Anforderungen umzugehen25: • einerseits mit der Notwendigkeit, sich an unterschiedliche Rahmenbedingungen in einzelnen Ländermärkten anzupassen und • andererseits mit der Notwendigkeit einer weltweiten Standardisierung. Galt in diesem Spannungsfeld bis zu den 1980er Jahren noch das globale Füh­ rungskonzept als besonders effizient, ggf. mit Anpassungen an „global-blockierte“ Märkte26 (mit länderspezifischen Regularien), so empfiehlt die Forschung zum Internationalen Management multinationalen Unternehmen seither, die Vorteile einer lokalen Anpassung und die Vorteile der weltweiten Integration aller Aktivi­ täten zu verbinden27 und „auszubalancieren“ und den „beiden entgegengesetzten

1.1 Strategien und Steuerung multinationaler Automobilunternehmen

11

Anforderungen gleichzeitig gerecht“ zu werden28. Diese von Bartlett und Ghoshal (1989, 1990) als „transnational“ bezeichnete Führungskonzeption weist z. B. nach Holtbrügge, Welge (2015, S. 52) „potenziell die größte Effizienz auf […], stellt deshalb einen zentralen Schwerpunkt der internationalen Managementforschung dar“. Sie beeinflusst (1) die internationale Strategieforschung und (2) die internationale Organisationsforschung, insbesondere die Steuerung. Zu (1): Der (internationalen) Strategieforschung gelang in der Phase des holistischen Managements multinationaler Unternehmen zunächst • die Ausdifferenzierung der Wettbewerbsstrategie Kostenführerschaft um wei­ tere Wettbewerbsstrategien (Strategie der Differenzierung, hybride Strategie der kostenminimalen Differenzierung und Produktinnovationsstrategie, vgl. Kapitel 2.3.1) und • die weitere Ausdifferenzierung dieser abstrakten (generischen) Wettbewerbs­ strategien (als Allokationsentscheidungen zur Erzielung von Wettbewerbsvortei­ len)29 zu konkreten Geschäftsmodellen (d. h. zu Allokationsentscheidungen zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen mit einem spezifischen Nutzenversprechen, einer Wertarchitektur und einem Gewinnmodell, vgl. ebenfalls Kapitel 2.3.1)30. Die Strategieforschung zeigt, dass es bei paralleler Entwicklung von einerseits Strategien der Kostenführerschaft oder/und der Differenzierung und andererseits der Produktinnovation zu Konflikten kommt, die darin begründet liegen, dass die einen Strategien effizient sind, die andere Strategie flexibilitätsorientiert ist und dass die Strategien damit widersprüchlichen Managementlogiken folgen31. Effizienz und Flexibilität können nicht gleichzeitig maximiert werden, weil eine flexible Ausrichtung und Erneuerung Freiheitsgrade erfordert, die eine effizienzorientierte Ausrichtung und Verwertung des Bestehenden zu vermeiden versucht32. Gleichzeitig zeigt die Strategieforschung aber auch, dass sich effizienz- und flexibilitätsorientierte Strategien gegenseitig bedingen, weil effizienzorientierte Strategien der Kostenführerschaft oder/und der Differenzierung die Entwicklung innovativer Leistungen und damit auch von Produktinnovationsstrategien finanzieren müssen. Innovationskraft und Zukunftsgerichtetheit schaffen Managern mit Strategien, die primär Effizienz anstre­ ben, Freiräume gegenüber Kapitaleignern, die bei technologischen Veränderungen zur Absicherung ihres investierten Kapitels auf innovative Tätigkeiten drängen33. Bei einem solchen „Widerspruch zwischen zwei und mehr Variablen bzw. Größen, die sich […] auch wechselseitig erfordern“34 handelt es sich um ein Paradoxon35. Dieses Paradoxon wird „Ambidextrie“ bzw. Beidhändigkeit genannt36 und erfordert ein beidhändiges (ambidextäres) Management widersprüchlicher Aktivitätsmus­

12

1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

ter37, d. h. eine „paradoxe Verknüpfung von Aktivitäten, die sich auf der einen Seite gegenseitig bedingen und auf der anderen Seite aber auch ausschließen“38. Konflikte zwischen widersprüchlichen und der Umgang mit ambidextären Geschäftsmodellen, d. h. Geschäftsmodellen mit Widersprüchen nicht nur bei Wettbewerbsvorteilen, sondern auch beim Nutzenversprechen und bei der Ausgestaltung der Wertarchi­ tektur, werden bislang kaum thematisiert. Die internationale Strategieforschung unterscheidet sich hierbei kaum von der nationalen Strategieforschung, begründet jedoch zusätzliche Wettbewerbsvorteile durch internationale Tätigkeit, wie z. B. die „Nutzung komparativer Kostenvorteile“ und „internationale Rentenabschöpfung“39. Sie unterscheidet zusätzlich nach der internationalen Orientierung bzw. Ausrichtung von Strategien anknüpfend an die Führungskonzeptionen von Perlmutter (1969) sowie Bartlett und Ghoshal (1989, 1990) im „Spannungsfeld zwischen einer (globalen) Standardisierung und einer möglichst großen (nationalen) Differenzierung“40. Dabei wird in Anlehnung an Bartlett und Ghoshal (1989, 1990) neben der internationalen Ausrichtung meist kleiner und mittlerer Unternehmen, die für den Heimatmarkt entwickelte Produkte bzw. Leistungen nur wenig angepasst auch in benachbarten Ländern anbieten, unterschieden zwischen • einer multinationalen Ausrichtung, wenn heterogene Bedingungen eine An­ passung erfordern, ohne dass ein hoher Kostendruck besteht, • einer globalen Ausrichtung, wenn ein starker Preiswettbewerb Größenvorteile durch Standardisierung und Erfahrungs- und Lerneffekte auf allen Wertschöp­ fungsstufen erfordert, ohne dass eine Anpassung an nationale Bedingungen erforderlich ist und • einer transnationalen Ausrichtung, mit der „die gleichzeitige Ausnutzung von nationalen Unterschieden, Skalen und Verbundvorteilen“41 und damit die Verbin­ dung der Vorteile der multinationalen und der globalen Strategie angestrebt wird. In der Literatur wird dabei auch von Auslandsstrategien42 gesprochen. Die Bezeich­ nung „Strategie“ ist allerdings irreführend, weil die internationale Ausrichtung nicht unabhängig von äußeren Rahmenbedingungen wie der Branchenzugehörigkeit43 ist. So sind z. B. in kapitalintensiven Branchen wie der Automobilindustrie Skalen- und Verbundvorteile und damit eine gewisse Standardisierung unverzichtbar. Deshalb sind die meisten multinationalen Unternehmen in diesen Branchen transnational bzw. „dual“44 auf die Verbindung von Vorteilen der globalen Standardisierung und der länderspezifischen Anpassung ausgerichtet. Hier soll deshalb von internationaler Ausrichtung gesprochen werden, weil Wettbewerbsstrategien der Kostenführerschaft

1.1 Strategien und Steuerung multinationaler Automobilunternehmen

13

oder/und der Differenzierung sowie (Produkt) Innovationsstrategien multinational bzw. lokal, global oder dual ausgerichtet seien können45. Zu (2): Die internationale Organisationsforschung begründete in der Phase des holistischen Managements multinationaler Unternehmen seit den 1980er Jahren, in der verstärkt Organisationsarchitekturen (Strukturen und Prozesse) internationaler Unternehmen untersucht wurden, dass die transnationale Führungskonzeption von Bartlett und Ghoshal (1990) auch die Organisation multinationaler Unternehmen beeinflusst46. So werden „strategiekonforme Organisationsmodelle“47 unterschieden, die die Verteilung von Entscheidungskompetenzen in multinationalen Unternehmen im Spannungsfeld von (Entscheidungs-)Zentralisierung bei der Muttergesellschaft und (Entscheidungs-)Dezentralisierung bzw. Autonomie der Tochtergesellschaften sehen. Neben einem internationalen Organisationsmodell (Entscheidungszentra­ lisierung durch die Zentrale im Heimatmarkt)48 werden von Bartlett und Ghoshal (1990, S. 57, S. 60 und S. 102) vor allem drei Organisationsmodelle unterschieden: • ein multinationales Organisationsmodell (Entscheidungsdezentralisierung bzw. Autonomie der Tochtergesellschaften zur selbstständigen Bearbeitung der einzelnen Auslandsmärkte), • ein globales Organisationsmodell (Entscheidungszentralisierung für den Welt­ markt) und • ein transnationales Organisationsmodell (multilaterale Abstimmung zwischen den einzelnen Auslandsgesellschaften und der Zentrale bei Auflösung der hierarchischen Mutter-Tochter-Beziehungen zu einem selbstorganisierenden Netzwerk im Unternehmen). Es ist sehr schwer, die Anforderungen an eine transnationale Führungskonzeption zu operationalisieren und Handlungsempfehlung daraus abzuleiten49. Wirklich transnationale Unternehmen mit einer dualen strategischen Ausrichtung und einem entsprechenden transnationalen Organisationsmodell hat es deshalb bisher nicht gegeben, so dass in multinationalen Unternehmen weiterhin Zielkonflikte50 bestehen zwischen • einer (Entscheidungs-)Zentralisierung bei der Muttergesellschaft mit Begrenzung des Autonomiestrebens der Tochtergesellschaften51 und • einer (Entscheidungs-)Dezentralisierung und Autonomie lokal angepasster Tochtergesellschaften52.

14

1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

Die Spannungen in der Mutter-Tochterbeziehung haben sich nicht aufgelöst und die Steuerung der Tochtergesellschaften multinationaler Unternehmen bleibt weiterhin eine Herausforderung, die heute mit steigender Bedeutung der sich ausdifferenzierenden Auslandsmärkte stärker als noch in den 1990er Jahren aktiv und systematisch gemanagt werden muss.

1.1.3 Steigende Komplexität in Zeiten des Umbruchs Obwohl die Betriebs- und Managementlehre Probleme der Operationalisierung und der Umsetzung der transnationalen Führungskonzeption bislang nicht lösen konnte, steht das Management multinationaler (Automobil)Unternehmen bereits vor neuen Herausforderungen. Sie ergeben sich vor allem durch die angesproche­ nen globalen Umfeldtrends, die teilweise zu tiefgreifenden, diskontinuierlichen Veränderungen führen werden und länderspezifische Besonderheiten aufweisen: die Ausdifferenzierung von (Mobilitäts)Nachfrage, (Antriebs)Technologien und Digitalisierung und den Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Ka­ pitaleinsatzes insbesondere in den kapitalintensiven (Automobil)Unternehmen. Durch die Ausdifferenzierung der Nachfrage und der Prozesse, Leistungen und Geschäftsmodelle aufgrund neuer Technologien und Digitalisierung kommt es weltweit zu erheblichen Umbrüchen der Branchen und Arbeitsprozesse. Nach Malik (2015) handelt es sich dabei um den geschichtlich größten Transformations­ prozess „von der Alten Welt, wie wir sie kennen, in eine Neue Welt, die wir noch nicht kennen“ (S. 11–12). Als Systemtheoretiker und Kybernetiker sieht er ihn als „gesellschaftliche R Evolution einer neuen Art“53. Bisher weitgehend stabile kapita­ lintensive Branchen, wie die Automobilindustrie, werden sich zumindest teilweise radikal, d. h. tiefgreifend und diskontinuierlich verändern. Radikale Veränderungen54 durch den Übergang zu neuen Technologien und durch die Digitalisierung verursachen – anders als inkrementelle Veränderungen durch Ausdifferenzierung und Individualisierung der Kundenbedürfnisse – Unsicherheit, sowohl bezogen auf den Markt als auch auf die technologische Entwicklung55. Sind solche radikale Veränderungen kontinuierlich, d. h. gleichbleibend stark und häufig56, so herrscht eine hohe Marktdynamik, die über die Umbruchgeschwindigkeit57, d. h. als Stärke und Häufigkeit von Veränderungen im Markt bzw. in einem Geschäfts­ feld58 erfasst wird. Bezüglich der Marktdynamik wird unterschieden zwischen59 • einem stabilen Marktumfeld mit geringen und sehr seltenen Veränderungen wie in der Zementindustrie,

1.1 Strategien und Steuerung multinationaler Automobilunternehmen

15

• einem evolvierenden, d. h. sich schrittweise etwas stärker und häufiger ändernden Marktumfeld wie bisher in der Automobilindustrie sowie • einem dynamischen Marktumfeld mit starken und häufigen Veränderungen wie in der Computer- oder Pharmaindustrie60. Von Hyperwettbewerb wird gesprochen, wenn es in einem weitgehend stabilen Marktumfeld zu sehr häufigen Wettbewerberinteraktionen kommt61, wie z. B. zwischen Pepsi und Coca-Cola, die ohne wirkliche Innovationen immer neue Produktvariationen anbieten. Die Marktdynamik ist dann gering (Abb. 1.1-2a).

a)  Stabilität der Marktdynamik

hohe Marktdynamik (schwache und seltene Umfeldveränderungen) 

geringe Marktdynamik (starke und häufige Umfeldveränderungen)

Zeit b)  Instabilität der Marktdynamik Stabilität

Stabilität

Zeit Kurzfristiger Übergang Langfristiger Übergang

Abb. 1.1-2

Marktdynamik und Stabilität der Marktdynamik

Quelle: eigener Entwurf

16

1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

Diskontinuität wird oft irreführend mit Markt bzw. Umfeld-Dynamik und Wan­ del gleichgesetzt62. Dabei kann sowohl eine niedrige Marktdynamik (in einem weitgehend stabilen Markt ohne oder mit Hyperwettbewerb) als auch eine hohe Marktdynamik (in einem dynamischen Markt) im Zeitlablauf unverändert bzw. stabil bleiben (Kontinuität oder Stabilität der Marktdynamik 63). Sie kann aber auch durch tiefgreifende, meist technologische Veränderung unterbrochen werden (Diskontinuität oder Instabilität der Marktdynamik). Instabilität der Marktdynamik entsteht nicht nur durch einen kurzzeitigen, aber sehr tiefgreifenden technologischen Umbruch, wie in der Fotoindustrie durch die Digitalkamera64, sondern auch durch einen längerfristigen Übergang zu neuen Kern- oder Basistechnologien65 wie in der Schifffahrt der Übergang vom Segel­ boot zum Dampfschiff und in der Druckindustrie vom Bleisatz zu elektronischen Zeitungen oder in der Autoindustrie die Entwicklung zu elektrisch und autonom fahrenden Fahrzeugen66 (vgl. Abb. 1.1-2b). Eine instabile Marktdynamik ist nach Davis u. a. (2009) gekennzeichnet durch Mehrdeutigkeit und Unvorhersehbarkeit: • Mehrdeutigkeit67, wenn fehlende Klarheit es erschwert, Gelegenheiten zu unter­ scheiden und zu interpretieren und damit die Komplexität erhöht, • Unvorhersehbarkeit, wenn konsistente Muster der eventuellen Gelegenheiten fehlen. Sie führt damit zu langfristigen tiefgreifenden diskontinuierlichen Veränderungen mit steigender Komplexität68. Nach Malik (2015, S. 74) bedeutet Komplexität in der Kybernetik Diversität, die über die Varietät, d. h. die Anzahl unterscheidbarer Zu­ stände eines Systems gemessen werden kann69, nach Davis u. a. (2009) die Anzahl von eventuellen Gelegenheiten im Sinne der Entscheidungstheorie. Komplexität wird dabei als „dynamische Diversität“ verstanden, die sich im Lauf der Zeit verändert70. In der von Malik (2015) beschriebenen Transformation von einer alten zu einer neuen (unbekannten) Welt werden in einer Umbruchs- oder Übergangsphase die alte und neue Welt nebeneinander bestehen. Das Nebeneinander von alter und neuer Welt betrifft sowohl (1) realwirtschaftliche Phänomene wie den Technolo­ gieübergang als auch (2) finanzwirtschaftliche Phänomene. Zu (1): Gerade in kapitalintensiven Branchen folgen Unternehmen gleichzeitig alten und neuen Geschäftsmodellen. Unabhängig von der Entwicklung der Märkte in entwickelten Ländern wie in den sich entwickelnden Ländern, geben sie alte Geschäftsmodelle meist erst auf, wenn sich die neuen Geschäftsmodelle ganz durchgesetzt haben. Da das mit einiger zeitlicher Verzögerung geschieht, ergeben

1.1 Strategien und Steuerung multinationaler Automobilunternehmen

17

sich Widersprüche zwischen alten (effizienzorientierten) und neuen (flexibilitäts­ orientierten) Geschäftsmodellen. Die Automobilindustrie fokussiert sich trotz aller Bekundungen, neue Technologien und eine Vielzahl völlig neuer Fahrzeuge anzubieten, immer noch stark auf das Geschäftsmodell mit überkommenen Tech­ nologien und sucht Größen- und Verbundvorteile71. Daimler kündigt seit mehr als zwei Jahrzehnten Brennstoffzellenfahrzeuge an, hat aber im Unterschied zu den asiatischen Konkurrenten Toyota (Mirai) und Hyundai (Nexo) bisher nur Testfahrzeuge vorgestellt. Damit zeigen sich Parallelen zum Investitionsboom bei Segelschiffen im 19. Jahrhundert im ebenfalls langfristigen Übergang von Segelzu Motorschiffen, der als „Sailing-Ship-Effekt“ bezeichnet wird (vgl. dazu Kap. 4.1.3)72. Dieser Effekt begründet einen Zusammenhang zwischen dem Auftauchen neuer Technologien und dem davon ausgehenden Druck auf Anbieter etablierter Technologien, weiterhin in diese Technologie zu investieren. Vielfältige Innova­ tionsoffensiven bei Segelschiffen führen dazu, dass sich erst etwa 100 Jahre nach Erfindung des ersten Dampfschiffs Anfang des 19. Jahrhunderts die neue Technologie wirklich durchsetzte (in England Ende der 1880er Jahre, in anderen Ländern noch später)73. Auch der Übergang von der Gas- zur Glühlampe gilt als ein Beispiel für eine langfristige tiefgreifende technologische Innovation mit Pfadabhängigkeit, durch die sich Geschäftsmodelle und Technologien gleichzeitig verändern74. Die Zielkonflikte der Steuerung werden sich durch die globalen Umfeldtrends ebenfalls verstärken, da sich (auch länderspezifisch) Technologien, Nachfrage und Digitalisierung weiter ausdifferenzieren, aber zugleich die Ausdifferenzierungen als weltweite Trends länderübergreifende Konzepte und Strategien erfordern. Zu (2): Auch finanzwirtschaftliche Phänomene werden in kapitalintensiven Bran­ chen im langfristigen Umbruch durch die vier globalen Umfeldtrends bedeutsamer, angesichts des weltweiten Drucks der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes vor allem die Frage, wie lange das alte Geschäft das neue quer­ subventionieren muss und wie das alte und das neue Geschäft so geführt werden können, dass die Gewinne maximiert werden und der Kapitalmarkt zufrieden ist. Kapitalmarktinteressen bestimmten auch die Aufspaltung der Geschäfte der beiden großen deutschen Energieversorger Eon und RWE in Unternehmen alter Technologien und neuer Technologien: Bei Eon wurde das traditionelle Energie­ geschäft mit Gas-, Kohle und Wasserkraftwerken sowie dem Rohstoffhandel als Uniper abgespalten, um den Mutterkonzern auf erneuerbare Energien, Vertrieb und das Netzgeschäft zu konzentrieren. Bei RWE hat der Mutterkonzern das tradi­ tionelle Geschäft der Stromerzeugung aus Gas und Kohle und dem Energiehandel behalten und das neue Ökostromgeschäft, die Stromnetze und den Vertrieb als Innogy abgespalten.

18

1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

Alte und neue Geschäftsmodelle können sich realwirtschaftlich widersprechen, aber wie bei den Energieversorgern finanzwirtschaftlich auch stützen. Damit besteht ein Paradoxon, das Ambidextrie (Beidhändigkeit) genannt wird (Kapitel 4.3) und bei den Energiekonzernen nach der Aufspaltung weitgehend aufgelöst wurde (Kapitel 4.3). Weil sich die vier globalen Umfeldtrends in frühestens zwanzig Jahren vollständig durchgesetzt haben werden, geht dieses Buch von der unsicheren Managementsitu­ ation zu Beginn des Umbruchs aus. Es schaut damit nicht vom Ende her, d. h. vom Szenario einer Branchentransformation75 in eine digitale Welt mit neuen Fahrzeu­ gantrieben, verbunden mit stark veränderter (internationaler) Wertschöpfung und stärkerer Dezentralisierung, durch die Wettbewerbsvorteile und Nutzenverspre­ chen an Bedeutung verlieren. Damit geht es weniger um die Frage, wer 2035 die Mobilitätswelt dominieren wird – traditionelle Automobilunternehmen oder neue Wettbewerber, als vielmehr um den Weg nach vorne und um die Entscheidungen, die in den nächsten Jahren zu treffen sind.

Endnoten 1 2 3 4 5 6 7

Vgl. z. B. Malik (2015, S. 71). Vgl. Verbeke, Kenworthy (2008, S. 951); Rangan, Sengul (2009). Vgl. z. B. Holtbrügge, Welge (2015). Vgl. z. B. Grossman, Helpman (2002, 2003 und 2005). Vgl. z. B. Goldman Sachs Global Economics Group (2007), aber auch Ambos, Birkinshaw (2010); Prahalad, Battacharyya (2008). Vgl. Kutschker, Schmid (2011, S. 1017 bezogen auf Welge 1989, Sp. 1184) und ähnlich Macharzina, Wolf (2018, S. 937). Gemäß der Klassifikation der Wirtschaftszweige WZ, Ausgabe 2008 (Statistisches Bun­ desamt 2008 a) und b) sind dies die Abschnitte C (Verarbeitendes Gewerbe, Abteilung 29 Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen), G (Handel, Instandhaltung und Reparatur, Abteilung 45 Handel mit Kraftfahrzeugen, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen) sowie Abschnitt K ff. (Erbringung von Dienstleistungen (Finan­ zierung, Versicherungen, Leasing und sonstige Dienstleistungen rund um Auto und Mobilität). Dies entspricht der Unterscheidung der Märkte der Automobilindustrie (i.w.S.) des VDA (vgl. VDA 2016): Pkw-Markt, Märkte für Nutzfahrzeuge und Busse, Märkte der Zulieferindustrie, Aftermarkt # (Automobilhandel, -wartung und -reparatur) und Markt der „Autobanken“ (d. h. Märkte für Finanzdienstleistungen (Finanzierung, Leasing und Versicherung) und „darüber hinaus sonstige Mobilitätsdienstleistungen“

1.1 Strategien und Steuerung multinationaler Automobilunternehmen

19

(S. 39)). Diese Märkte werden im strategischen Management auch als Geschäftsfelder von Automobilunternehmen bezeichnet. 8 Harald Krüger in Süddeutsche Zeitung vom 17.11.2017. 9 Z. B. Hietanen (2014). 10 Vgl. z. B. Systematik bei Chatterjee (2013, S. 119). 11 Vgl. Hoenen, Kostova (2015). 12 Holtbrügge, Welge (2015, S. 39 bezogen auf Macharzina, Oesterle (2002). 13 Vgl. z. B. Baden-Fuller, Mangematin (2013); Schneckenberg, Spieth (2016). 14 Vgl. Meyer, Estrin (2014); Meyer, Su (2015); Verbeke, Kenworthy (2008). 15 Vgl. Holtbrügge, Welge (2015). 16 Vgl. ebd. (S. 44). 17 Vgl. z. B. Proff (2004a) oder Holtbrügge, Welge (2015, Kapitel 3). 18 Vgl. Perlmutter (1969). 19 Vgl. Proff u. a. (2014a, S. 56). 20 Holtbrügge, Welge (2015, S. 44). 21 Vgl. z. B. Proff, Proff (1996). 22 Vgl. ebd. 23 Vgl. z. B. Johanson und Vahlne (1977). 24 Vgl. z. B. Makino u. a. (2002). 25 Vgl. Holtbrügge, Welge (2015, S. 46). 26 Vgl. Porter (1990). 27 Vgl. z. B. Welge (1990). 28 Holtbrügge, Welge (2015, S. 47). 29 Vgl. Schreyögg (1984, S. 5); Aaker (2013, S. 5); Proff (2002a, S. 16). 30 Vgl. Proff u. a. (2014a und b) bezogen auf z. B. Chesbrough, Rosenbloom (2002, S. 532); Teece (2010) und Zott u. a. (2011). 31 Vgl. Konlechner, Güttel (2009). 32 Vgl. Proff u. a., (2014a, S. 9). 33 Vgl. Raisch und Tushman (2011; 2016). 34 Fojcik (2015, S. 19). 35 Vgl. Lewis, 2000; Smith, Lewis, 2011 36 Vgl. Raisch, Birkinshaw (2008); Simsek u.a (2009). 37 Vgl. Duncan (1976); Tushman, O’Reilly (1996). 38 Fojcik (2015, S. 20). 39 Proff (2002a, S. 319). 40 Ebd. 41 Holtbrügge, Welge (2015, S. 51). 42 Vgl. Wall u. a. (2010, S. 256) bzw. von „Typen von Strategien […], die den besonderen Herausforderungen des internationalen Geschäfts Rechnung tragen“ (Meckl 2014, S. 137).

20

1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

43 44 45 46

Vgl. z. B. Rall (1986) und darauf bezogen Meckl (2014, S. 141). Carl (1989). Vgl. z. B. Proff (2004a, v. a. S. 197 und 198). Vgl. Bartlett, Ghoshal (1990) und darauf bezogen z. B. Meckl (2014, S. 137 und S. 160–163 sowie Holtbrügge, Welge (2015, S. 51). Meckl (2014, S. 160). Vgl. Bartlett, Ghoshal (1998, S. 58). Vgl. Holtbrügge, Welge (2015, S. 49–50). Vgl. z. B. Uzzi (1996) bzw. Sargent, Matthews (2006), die von „contradictions“ sprechen. Vgl. Delany (2000); Sargent, Matthews (2006). Vgl. z. B. Jensen, Meckling (1992); Yu u. a. (2009); Gammelgaard u. a. (2012); Hoenen, Kostova (2015); Meyer, Estrin (2014); Meyer, Su (2015); Verbeke, Kenworthy (2008). Malik (2015, S. 15). Vgl. die Abgrenzung zwischen inkrementellen und radikalen Veränderungen z. B. Freeman (1994). Vgl. z. B. Proff u. a. (2014a, Schritt 1). Vgl. z. B. Fojcik (2015, S. 25–26). „Velocity“, z. B. Eisenhardt, Martin (2000); Davis u. a. (2009). Vgl. Basil, Cook (1974) und darauf bezogen z. B. Sanchez (1997) und Proff (2005b). Z. B. bezogen auf Basil, Cool (1974) oder Sanchez (1997). Vgl. auch Zott u. a. (2011). Dabei handelt es sich um einen Wettbewerb „in the Schum­ petarian world of innovation-based competition“ (Teece u. a., 1997, S. 509). Z. B. D’Aveni (1994); Bogner, Barr (2000); Teece (2014a, S. 328). Vgl. Güttel u. a. (2014, S. 8); Peteraf u. a. (2013). Vgl. Klein (1977, S. 9). „Punctuated equilibrium“ (Helfat, Raubitschek 2000; Winter, Szulanski 2001 and Rothaermel, Deeds 2004). Vgl. Taylor, Helfat (2009). Vgl. Liesenkötter, Schewe (2014) und Gilbert (2006). Vgl. auch March, Olsen (1976). Vgl. z. B. Hoenen, Kostova (2015) oder Malik (2015, Kapitel 5) Ähnlich messen Sargut und McGrath (2011) Komplexität über die Anzahl, den Zu­ sammenhang und die Diversität von Elementen (vgl. auch Schoenenberg, 2014a). Malik (2015). Vgl. Ford Motor Company (2019). Liesenkötter, Schewe (2013) und darauf bezogen Proff u. a. (2014a, S. 18–21). Vgl. Liesenkötter, Schewe (2013, S. 6–10). Vgl. Davila u. a. (2006, Kap. 2). Vgl. Jacobides, MacDuffie (2013).

47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75

1.2

Notwendigkeit einer Neuausrichtung von Strategien und Steuerung multinationaler Unternehmen in Zeiten des Umbruchs

1.2 Notwendigkeit einer Neuausrichtung von Strategien u. Steuerung

1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

In Zeiten eines großen Umbruchs gibt es auch Stimmen, die die bisherigen Vorstellun­ gen von Wirtschaften und Unternehmensführung und die Vorstellung eines immer komplexer werdenden Umfelds in Frage stellen. So bezeichnet der Soziologe und Ökonom Jeremy Rifkin in seinem Buch „Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft – Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus“1 die Sharing Economy als das erste neue Wirtschaftssystem nach Kapitalismus und Sozialismus, das Wirtschaft, Gesellschaft und die Art zu leben verändert: „Im freien Wettbewerb steigt die Produktion ständig, die Preise fallen, bis sie keine Gewinne mehr einbringen. Am Ende liegen die Grenzkosten, die Kosten für jede zusätz­ lich produzierte Einheit, fast bei null“2. Er belegt dies an den Beispielen Airbnb (Vermietung von Privatwohnungen) und Uber (Online-Vermittlungsdienste zur Personenbeförderung), denen durch ihre digitalen Plattformen zusätzliche Nutzer (fast) keine zusätzlichen Grenzkosten verursachen. Da die Null-Grenzkosten-Ge­ sellschaft Rifkins „mehr auf den Grundsatz des Teilens als den des Eigentums setzt“3 könnte nach zu Knyphausen-Aufseß u. a. die Digitalisierung „unser ökonomisches Strategieparadigma […] auf der Annahme von Knappheit und Eigentumsrechten“ verändern4. Ähnlich erwartet Glauner ein neues Wirtschaftssystem, das nicht mehr auf „Knappheit, Wettbewerb und Wachstum“ beruht, sondern auf „wertschaffender Vielfalt und Überfluss“ (S. 124) durch Teilen und Kooperation und damit „einen Paradigmenwechsel in der Unternehmensführung“5. Diese Erwartung scheint jedoch allenfalls für software-dominierte Branchen realistisch. Für die kapitalintensive Automobilindustrie bleiben Knappheit, Wett­ bewerb und Wachstum wichtige Handlungsparameter, weshalb dort auch Größenund Verbundvorteile weiterhin bedeutsam bleiben. Aus der Evolutionsbiologie kommt die Vorstellung, in Zeiten des Umbruchs sei Komplexität entscheidend und sogar der „neue Rohstoff“ bzw. „die neue Währung“, die aktiv gemanagt werden sollte, weil sie Unternehmen „produktiver, effektiver, schneller, flexibler und intelligenter“6 mache. Dabei ist unterstellt, Management und Ökonomie wären früher in der traditionellen „reduktionistischen“7, mikroökono­ misch fundierten, d. h. streng marktorientierten Sichtweise, auf wenige Strategien bzw. Geschäftsmodelle und Steuerungsansätze gerichtet. In einer idealen komplexen Welt mit völliger Flexibilität könnten sich dagegen die Unternehmen mit beliebig 21

22

1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

vielen Geschäftsmodellen und Steuerungsansätzen, die in interne und vor allem externe Netzwerke eingebunden sind, an die Markterfordernisse anpassen. Ein derart flexibles und dezentrales Komplexitätsmanagement folgt damit „Ashby’s Law of Requisite Variety“ aus der Kybernetik, nach dem das Management immer mindestens so komplex sein sollte, wie das Umfeld, das gemanagt werden muss8. Das ist allerdings eine zu vereinfachende Sicht auf das traditionelle strategische Management, das seit den 1970er Jahren eine starke Ausdifferenzierung in den theoretischen Ansätzen erlebt hat (vgl. Abschnitt 2.3.2). Da völlige Flexibilität und Dezentralisierung aufgrund von Größen- und Ver­ bundvorteilen in kapitalintensiven Branchen wie der Automobilindustrie nicht möglich sind, sondern allenfalls eine „mittlere Komplexität“9 erreicht werden kann, bleibt in Zeiten langfristiger, tiefgreifender technologischer Veränderungen zunächst weiterhin nur die traditionelle mikroökonomische Sichtweise. Unter­ nehmen schaffen zudem Märkte mit Marken- und High Interest-Produkten und passen sich nicht nur an die globalen Umfeldtrends an. Es bedarf vielmehr einer Neuausrichtung der Strategien und der Steuerung, um die weltweite Komplexität zu managen. Bei „mittlerer Komplexität“ gilt es für die Neuausrichtung wenige Wege zu identifizieren und keine Weltmeisterstrategie. Deshalb ist es Ziel des vorliegenden Buches, das gegenwärtige und künftige Um­ feld multinationaler Automobilunternehmen zu analysieren, um Ansatzpunkte für eine Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften abzuleiten und gemeinsam zu denken. Konkreter geht es um 1. die Einschätzung und Bewertung der vier globalen Umfeldtrends (Kapitel 3) auf Grundlage der Veränderungen seit Beginn des Jahrtausends (Kapitel 2), um Unsicherheit und technologische wie wirtschaftliche Risiken zu verrin­ gern und konkrete alternative Entwicklungsszenarien erarbeiten zu können. Vor Entscheidungen sollte eine „kollektive Sinngebung“10 gesucht werden, die die Veränderungen vor dem Hintergrund des unternehmerischen Zielsystems interpretiert und Ziele und Instrumente festlegt. 2. eine differenziertere Kundenansprache im traditionellen Geschäft, da die weltweiten Umfeldtrends den Kostendruck verstärken und traditionelle Wett­ bewerbsstrategien und bisherige Geschäftsmodelle nicht mehr ausreichen. Die weltweiten Umfeldtrends erhöhen gleichzeitig im innovativen Geschäft den Innovationsdruck, so dass eine strategische Neuausrichtung notwendig wird (Kapitel 4). Die (internationale) Strategieforschung sollte dabei den multina­ tionalen Unternehmen helfen, Geschäftsmodelle zu verbessern, schrittweise weiterzuentwickeln und mit ihren verschiedenen Komponenten (Wettbewerbs­

1.2 Notwendigkeit einer Neuausrichtung von Strategien u. Steuerung

23

vorteile, Nutzenversprechen, Wertarchitektur, Gewinnmodell) im traditionellen wie im neuen Geschäft beidhändig zu managen. 3. eine stärkere Konzentration auf Zielkonflikte der internationalen Steuerung im Spannungsfeld zwischen (Entscheidungs-)Zentralisierung bei der Mutter­ gesellschaft und Dezentralisierung in Tochtergesellschaften, die die globalen Umfeldtrends verschärfen. Es müssen Lösungsansätze entwickelt werden, die die Konflikte auf der Ebene der Subziele aufhellen und einengen11. Es gibt verschie­ dene Konfliktlösungsmechanismen: in der Hierarchie, im Wettbewerb, durch Verhandlungen bei schweren Interessenskonflikten oder durch Mediation bei unlösbaren Differenzen12. Gerade in kapitalintensiven Branchen erfordert die Ausdifferenzierung der Kundenwünsche und Technologien ◦◦ eine länderspezifische Anpassung und damit heterogenere Steuerung der ausländischen Tochtergesellschaften (zumindest in den wachsenden Län­ dermärkten außerhalb der Triade) und ◦◦ eine Kostenkontrolle durch globale Steuerung. Da es den Rahmen des Buches sprengen würde, werden weitergehende Heraus­ forderungen für die internationale Organisation, vor allem die Verankerung der widersprüchlichen Geschäftsmodelle nur im Rahmen der Überlegungen zur Steuerung (Kapitel 2.4 und vor allem Kapitel 5) thematisiert. 4. die Koordinierung der weitergehenden Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung. In Kapitel 6 werden Ansatzpunkte für eine umfassende gemein­ same Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung in multinationalen Automobilunternehmen begründet. Veränderungsfähigkeiten13, Agilität als Fähigkeit schnell verbindlich zu entscheiden14 und die Fähigkeit der Optimie­ rung von Größen- und Verbundvorteilen können helfen, alternative Wege in die Zukunft zu unterscheiden.

Endnoten 1 2

Rifkin (2016). Staun, H. (2014): Ökonom Jeremy Rifkin. Das Ende des Kapitalismus. In FAZ vom 13.9.2014. 3 Zu Knyphausen-Aufseß, Nippa, Pidun (2016): Unternehmen brauchen neue Strategien. In: FAZ vom 10.10.2016, S. 16. 4 Ebd. 5 Glaumer (2016, S. 123 und Kapitel 7). 6 Malik (2015, S. 74).

24 7 8 9 10 11 12 13

1 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

Ebd. (S. 75). Vgl. ebd. (S. 81). Beisswenger (2016, S. 4), aber z. B. auch Lindig (2004) und Hub (2014). Meier, Slembeck 1994, S. 39) und darauf bezogen Proff u. a. (2014a). Vgl. Mehler (1970, S. 293); Mudambi (2011); Proff (2002a, S. 82–83); Winter (1987). Vgl. z. B. Proff (2018). Vgl. z. B. Teece u. a. (1997), Teece (2007, 2014a und b, 2018a und b); Eisenhardt, Martin (2000) oder Peteraf u. a. (2013). 14 Vgl. z. B. Teece u. a. (2016) und Satell (2017).

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen seit Beginn des Jahrtausends 2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen 2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Proff, Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26759-9_2

25

.1, S. 2

26

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

Etwa seit der Jahrtausendwende, schon bevor neue globale Umfeldtrends deutlich wurden, hat sich das Unternehmensumfeld der Automobilindustrie stärker verän­ dert. Auf die dadurch erhöhte Komplexität1 reagierten die Unternehmen mit Ver­ änderungen der strategischen Ausrichtung und der Steuerung ihrer ausländischen Tochtergesellschaften, ohne jedoch den Komplexitätsanstieg ganz verhindern zu können. Das wird in diesem Kapitel gezeigt (vgl. Abb. 2–1).

sozio‐ kulturelle Rahmen‐ bedingungen

politisch‐ rechtl. Rahmen‐ bedingungen

weites  änderumfeld enges Wettbewerbsumfeld multi‐ nationales (Automobil) Unternehmen

Kapitel 3 gestiegene  Komplexität in der  Automobil‐ industrie

Ausdifferenzierung der strategischen Ausrichtung (Kap. 2. )  Ausdifferenzierung der Steuerung (Kap. 2. ) Ausdifferenzierung der wachsenden Automobilmärkte (Kap. 2. )

Kunden technologische Rahmen‐ bedingungen

Lieferanten Wettbewerber

Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft (Kap. 2.2)

konomische Rahmen‐ bedingungen

Zeit 2

Abb. 2-1

Steigende Komplexität für multinationale Automobilunternehmen seit Beginn des Jahrtausends

Quelle: eigener Entwurf nach Raffée (1979)

Die Veränderungen im Unternehmensumfeld seit der Jahrtausendwende betreffen zunächst das Wettbewerbsumfeld2 einzelner Geschäftsfelder wie Pkw, Transporter oder Finanzdienstleitungen der Automobilhersteller oder Getriebe und Lenksäulen bei Zulieferern wie z. B. ZF. Stark verändert haben sich dort die Absatzbedingun­ gen, die Beschaffungsbedingungen und Konkurrenzsituation bzw. nach Michael Porter (1980) die fünf Wettbewerbskräfte („five forces“): Rivalität der bisherigen Wettbewerber, Bedrohung durch neue Wettbewerber, Macht der Abnehmer, Macht der Lieferanten und Bedrohung durch Substitutionsprodukte. Veränderungen der

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

27

Absatzbedingungen und des Wettbewerbs erhöhen die Komplexität für multina­ tionale Automobilunternehmen am stärksten, • durch die sehr unterschiedliche Ausdifferenzierung von Marktpotential und Marktwachstum in den Automobilmärkten (Kapitel 2.1) und • durch neue Wettbewerber aus Niedriglohnländern und anderen Branchen (Kapitel 2.2). Auch die Beschaffungsbedingungen verändern sich sehr stark 3 durch Konzentration der Zulieferer und auch mit der Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft. Veränderungen im Länderumfeld der Automobilunternehmen, d. h. der poli­ tisch-rechtlichen, ökonomischen, technologischen und sozio-kulturellen Rah­ menbedingungen in den meisten Ländermärkten, treiben die Ausdifferenzierung der Absatzbedingungen und der Konkurrenzsituation. In Kapitel 2.1 wird die politisch-rechtliche, ökonomische, sozio-kulturelle und technologische Ausdiffe­ renzierung der Rahmenbedingungen in den wachsenden Automobilmärkten mit der (Club-) Konvergenztheorie4 erklärt. Danach werden die Rahmenbedingungen immer heterogener. Das ermöglicht multinationalen Automobilunternehmen eine differenzierte Marktansprache, erhöht aber auch die Variantenvielfalt und die Komplexitätskosten5. Die globalen Umfeldtrends, die die Automobilunternehmen künftig sehr stark beeinflussen und die Komplexität weiter stark erhöhen werden, setzen ebenfalls im Länderumfeld an. Dazu zählen die weltweite Ausdifferenzie­ rung der Mobilitätsnachfrage zwischen Jungen und Alten, Armen und Reichen, Stadt- und Landbevölkerung (Kapitel 3.1) im sozio-kulturellen Umfeld, daneben die Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe und der Prozesse, Leistungen und Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung mit der Entwicklung des autonomen Fahrens sowie neuer Mobilitätskonzepte (Kapitel 3.2 und 3.3) im politisch-rechtlichen und technologischen Umfeld und schließlich der weltweite Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes in der traditionellen Automobilindustrie (Kapitel 3.4) im ökonomischen Umfeld. Bei der Betrachtung des Wettbewerbsumfelds stehen weiterhin einzelne Ge­ schäftsfelder bzw. Branchen („industries“ im Sinne von Porter6) im Mittelpunkt. Zwar wird seit etwa 20 Jahren die Auflösung von Branchen in Ecosystemen disku­ tiert7, d. h. in weit über traditionelle Netzwerke hinausgehenden Unternehmens­ zusammenschlüssen, die Kundenlösungen durch eine verbindliche strukturelle Ausrichtung mehrerer Partner auf ein übergeordnetes Nutzenversprechen anbieten8. Die Automobilindustrie denkt jedoch weiterhin stark in den Geschäftsfeldern wie z. B. Pkw, Nutzfahrzeuge, Antriebsstrang oder Reifen. Dies liegt vor allem daran,

28

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

dass die bestehenden Wertschöpfungssysteme in der traditionellen Automobilin­ dustrie angesichts der hohen versunkenden und damit irreversiblen Kosten („sunk costs“) viel schwerer als z. B. die Systeme in der IT-Industrie neu ausgerichtet und verknüpft werden können und Ecosysteme deshalb erst langsam mit der Digita­ lisierung entstehen. Dennoch verändern Ecosysteme den Wettbewerb in der Au­ tomobilindustrie und müssen deshalb zur Erklärung der Ausdifferenzierung des Wettbewerbs9 durch branchenfremde Wettbewerber in Kapitel 2.2 herangezogen werden. Sie ergänzen Erklärungen der Suche nach Anlagemöglichkeiten („asset seeking“) als Erklärung ausländischer Direktinvestitionen insbesondere von Un­ ternehmen aus Niedriglohnländern10. Damit geht es in Kapitel 2.2 einerseits um die zunehmende internationale Konkurrenz und damit steigende Komplexität durch Automobilhersteller wie Geely aus China oder Tata aus Indien, die Volvo, Jaguar und Land Rover gekauft haben, und durch Zulieferer wie z. B. den chinesischen Anbieter von Innenraumausstattung Yangfeng Automotive, der Teile von JCI übernommen hat. Andererseits geht es um branchenfremde Wettbewerber wie z. B. das IT-Unternehmen Mobileye/Intel in der Sensortechnik für autonome Fahrzeuge oder den Stausauger-Hersteller Dyson in der Elektromobilität. Auf die steigende Komplexität durch die Veränderung der Märkte und der Wettbe­ werbslandschaft seit der Jahrtausendwende haben die Automobilunternehmen mit Veränderungen ihrer strategischen Ausrichtung (Kapitel 2.3) und der Steuerung ihrer ausländischen Tochtergesellschaften (Kapitel 2.4) reagiert. Mit der Ausdifferenzierung von Wettbewerbsstrategien zu Geschäftsmodel­ len erhöht sich die Zahl der strategischen Entscheidungsparameter. Bei Wett­ bewerbsstrategien wird nur über die Ressourcenallokation auf ein breites oder enges Wettbewerbsfeld und über Wettbewerbsvorteile (niedrige Kosten oder/ und Differenzierung oder Produktinnovationsfähigkeit) entschieden11, d. h. über zwei strategische Komponenten. Bei Geschäftsmodellen werden zusätzlich Ent­ scheidungen über die Wertarchitektur (über Eigenfertigung und Fremdbezug), über das Nutzenversprechen an Kunden (neben Produktnutzen z. B. auch Nutzen durch Integration von Einzelleistungen und durch Individualisierung) und über das Gewinnmodell getroffen12. Der gestiegenen Komplexität kann mit diesen fünf strategischen Entscheidungsparametern oder Komponenten besser als mit nur zwei Entscheidungsparametern oder Komponenten begegnet werden (vgl. Kapitel 2.3). Das lässt sich durch Aufgabe von Annahmen der marktorientierten Sichtweise im strategischen Management durch Erklärung der ressourcenorientierten Sichtweise, der Investitions- und Finanzierungstheorie, der Transaktionskostentheorie und der Konsumentenverhaltenstheorie begründen. Im Unterschied zu allgemeingültigen (generischen) Wettbewerbsstrategien werden Geschäftsmodelle für individuelle

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

29

und integrierte Kundenlösungen über den Kauf hinaus entwickelt. Das ermöglicht eine sehr differenzierte Kundenansprache. Durch Ausdifferenzierung der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften multinationaler Automobilunternehmen wird eine stärker länderspezifische Steu­ erung möglich. Sie wird der Ausdifferenzierung vor allem der wachsenden Auto­ mobilmärkte und der dadurch steigenden Komplexität des Umfeldes besser gerecht. Regulierungsstrukturen (gemäß der Agency Theorie), Allokation und Transfer von Ressourcen (gemäß der Ressourcenabhängigkeitstheorie) sowie Entwicklung und Transfer von Kompetenzen (gemäß dem Kompetenzansatz) begründen Instrumente zur Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften (Kapitel 2.4). Damit können län­ derspezifische Besonderheiten berücksichtigt und Potentiale besser genutzt werden. Insgesamt erhöhen die Veränderungen im Unternehmensumfeld die Komple­ xität des Managements, was durch die Ausdifferenzierung der Strategien und der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften zwar begrenzt, aber nicht ganz verhindert werden kann13. Dies wird in Kapitel 2.5 zusammengefasst.

Endnoten 1 2 3 4 5

6 7 8 9 10 11 12 13

Vgl. z. B. Kirchhoff (2003, S. 15–16). Vgl. z. B. Raffée (1979). Vgl. z. B. Söndgerath (2018). Vgl. zur Konvergenztheorie z. B. Baumol u. a. (1994), zur Club-Konvergenztheorie z. B. Ben-David (1994). Diese Rahmenbedingungen im Länderumfeld wichtiger Ländermärkte werden in diesem Kapitel allerdings nicht einzeln betrachtet, weil dies den Rahmen des Buches sprengen würde und bei veränderten Rahmenbedingungen das Buch auch sehr schnell veralten dürfte. Porter (1980 und 1985). Vgl. z. B. Adner (2017) oder Aarikka-Stenroos u. a. (2017). Weil die wörtliche Überset­ zung des englischen Begriffs „ecosystem“ mit Ökosystem sehr an einen ökologischen Lebensraum erinnert, soll hier von Ecosystemen gesprochen werden. Vgl. ebnfalls Adner (2017). Vgl. z. B. Moore (1993 und 1996). Makino u. a. (2002). Vgl. z. B. Proff (2002a). Vgl. z. B. Proff u. a. (2014a und b) sowie Proff, Fojcik (2015a). Vgl. Kirchhoff (2003).

2.1

Ausdifferenzierung der wachsenden Automobilmärkte

2.1 Ausdifferenzierung der wachsenden Automobilmärkte

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

Die sehr großen Unterschiede der politisch-rechtlichen, ökonomischen, techno­ logischen und sozio-kulturellen Rahmenbedingungen in den Ländermärkten der Automobilindustrie haben seit der Jahrtausendwende noch zugenommen, insbe­ sondere in den damals überdurchschnittlich wachsenden neuen Automobilmärkten außerhalb der Triade1 (Westeuropa, Nordamerika, Japan)2. Von den BRIC-Märkten (Brasilien, Russland, Indien, China) oder den BRICS-Märkten (mit Südafrika) kann nicht mehr gesprochen werden. Die Investmentbank Goldman Sachs hat 2015 seinen „BRICS investment fund“ aufgelöst, nachdem er seit 2010 fast 90 Prozent seines Volumens verloren hat. „Investors […] have realized that grouping together huge, politically dissimilar nations at different stages of development and industrialization isn’t a formula for fast, or even guaranteed, returns“3. Das gilt auch für eine etwas andere Gruppe von Ländern, von der die Financial Times 2016 vermutete, sie seien „the new darlings of the EM world“4: die technologisch führenden „Ticks“-Märkte (Taiwan, Indien, China und Südkorea). Die Ausdifferenzierung des Länderumfelds auf den Weltmärkten fördert auch die Ausdifferenzierung der weltweiten Absatzbedingungen, vor allem Markt­ potential und Marktdynamik. Bei steigender Heterogenität müssen vor allem die wenig entwickelten, aber stark wachsenden Automobilmärkte individueller angesprochen werden. Damit steigt die Umfeldkomplexität für multinationale Automobilunternehmen5. Die zunehmende Ausdifferenzierung der wachsenden Automobilmärkte wird in Abschnitt 2.1.1 zunächst belegt und in Abschnitt 2.1.2 mit der Club-Konvergenzthe­ orie6 begründet. Dann werden die Chancen und Risiken in den ausdifferenzierten Wachstumsmärkten aufgezeigt (Abschnitt 2.1.3), insbesondere die zunehmende Variantenvielfalt und die dadurch steigende Komplexität.

2.1.1 Wachsende Automobilmärkte – ein heterogenes Bild Um die Heterogenität der wachsenden Automobilmärkte zu verdeutlichen, soll gezeigt werden, dass sich die Marktpotentiale immer mehr weg von den bislang dominanten westlichen Automobilmärkten verschieben, die Wachstumsraten in den einzelnen Ländern aber sehr unterschiedlich sind. 31

32

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

Bis Mitte der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts waren multinationale Au­ tomobilunternehmen auf die wirtschaftsstarken und damals wachsenden Märkte der Triade gerichtet. Auf sie entfielen 1995 75 Prozent des Absatzes an Pkws und Transportern7. Mit etwa 480 Fahrzeugen pro 1.000 Einwohner in der EU (560 in Deutschland) und 490 Fahrzeugen in Japan (vgl. Abb. 2.1-1) sind sie heute weitge­ hend gesättigt und stagnieren seither. Auch wenn die konjunkturellen Ausschläge wesentlich stärker sind und die Fahrzeugdichte mit etwa 650 Fahrzeugen pro 1.000 Einwohnern sehr hoch ist, trifft das auch für die USA zu. Außerhalb der Triade entstanden neue Wachstumsmärkte vor allem in Asien und Lateinamerika. Da der Kapitalmarkt die bislang wenig dynamische Automobilindustrie nach wie vor mit Abschlägen auf den Marktwert straft8, brauchen Automobilhersteller wie Zulieferer Wachstumsgeschichten. Wachstumsgeschichten für die Kapitalmärkte bieten nur die Automobilmärkte in den „neuen Wachstumsmärkten“ außerhalb der Triade mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen. Das Marktpotential ist noch relativ gering, weil die Fahrzeugdichte (je 1.000 Einwohner) mit dem Pro-Kopf-Einkom­ men korreliert9. In China liegt die Fahrzeugdichte bei etwa 70, in Indien bei etwa 20 Fahrzeuge pro 1.000 Einwohner (vgl. Abb. 2.1-1). Besonders interessant für die Automobilindustrie sind wachsende Länder außerhalb der Triade, in deren das Pro-Kopf-Einkommen nahe der Kaufschwelle liegt, ab der die Fahrzeugdichte sprunghaft ansteigt, weil sich große Teile der Bevölkerung eines Landes ein Auto leisten können. 1990 lag die Kaufschwelle für Pkw bei einem Pro-Kopf Einkommen von etwa 7.000 US-Dollar10, heute liegt sie bei etwa 8.000 US-Dollar pro Kopf (Abb. 2.1-2). Unterhalb dieser Schwelle bleibt die Nachfrage gering, etwa 20 Pkw pro 1.000 Einwohner, danach steigt sie sprunghaft auf 50 bis 100 Fahrzeuge je 1.000 Einwohner an. Ein Pro-Kopf-Ein­ kommen von 8.000 US-Dollar ist ein Grenzwert für Automobile, der z. B. in Brasilien, Mexiko oder Russland zwar nicht von allen Bevölkerungsgruppen, aber doch im Durchschnitt der Bevölkerung erreicht wurde. Ab dieser Kauf­ schwelle setzte dort die Massenmotorisierung ein, auch wenn Pkw-Nachfrage und -Dichte deutlich hinter der in den OECD-Ländern mit mehr als 400 Pkw je 1.000 Einwohnern zurückbleiben. Hier hat fast jeder zweite Einwohner ein Auto. Der Übergang zur Massenmotorisierung wird auch mit einer Abbildung der Ent­ wicklungsstadien der Motorisierung in Abhängigkeit vom Pro-Kopf Einkommen veranschaulicht11 (vgl. ebenfalls Abb. 2.1-1). Danach dominieren bei einem sehr geringen pro-Kopf Einkommen vor allem öffentliche Verkehrsmittel (Busse) und Fahrräder, bei höherem Einkommen bis etwa 5.000 US-Dollar kommen mehr und mehr Motor- und Dreiräder hinzu, bei höherem Einkommen bis etwa 6.000 US Dollar Fahrzeuge mit einer offenen Ladefläche, sog. Pick-ups.

2.1 Ausdifferenzierung der wachsenden Automobilmärkte

33

Wird neben dem Marktpotential das Wachstum der Automobilmärkte berück­ sichtigt, dann lässt sich absehen, dass mit steigendem Durchschnittseinkommen ein immer höherer Anteil Haushalte die Kaufschwelle überschreiten wird und der Markt weiterwächst12.

      &%!$"#! 3,222 (! #

922



822

&%$ 

722

&#!)! 6:2

622 522 422 322 2

    

 % ##$%% .&$$/&  ###  

!%!#- &  #)& % ! # ###  .-&"$/

"

'!#

&$$  #$  

3,222 4,222 5,222 6,222 7,222 8,222 9,222 :,222 ;,222 48,222 5:,222 5;,222

79,222 7:,222

62,222

82,222

7;,222     .-!#/

Abb. 2.1-1 Fahrzeugdichte in Abhängigkeit vom Pro-Kopf-Einkommen in ausgewählten Ländern 2017 Quelle: nach Proff, Proff (1998, S. 89) und Proff (2004a, S. 37–38) bezogen auf Karmokolias (1990, S. 3), aktualisiert mit Statista (2018c) und IHS Markit (2018)

Aufgrund des zunächst anhaltend hohen Wachstums vor allem der Automobilmärkte der BRIC13-Länder (Brasilien, Russland, Indien, und China) bzw. BRICS-Länder (mit Südafrika) haben multinationale Automobilunternehmen seit der Jahrtau­ sendwende und verstärkt durch die Wirtschaftskrise 2008/09 diese Märkte stärker ins Zentrum von Investitionen und Marktbearbeitung gerückt. Andere wachsende Automobilmärkte wie Mexiko, Indonesien, Südkorea und Thailand (MIST-Märk­ te14) traten dahinter zurück. Auch wenn die Automobilmärkte in Russland wegen der Sanktionen nach der Krim-Annektion sowie in Brasilien und Indien nach Wirtschaftskrisen eingebrochen sind, haben alle BRIC(S)-Märkte, nicht nur der weltgrößte Automobilmarkt China, weiterhin hohes Wachstumspotential. Das zeigt die noch relativ geringe Pkw-Dichte je 1.000 Einwohner (Brasilien etwa 200, Russland 280, China 70 und Indien etwa 20, vgl. Abb. 2.1-1). Da diese Länder aber

34

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

sehr unterschiedlich sind und Risiken in der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung liegen, betrachteten multinationale Automobilunternehmen aufgrund des Wachstumsdrucks inzwischen auch wieder stärker die Automobilmärkte der MIST-Länder. Die großen Verschiebungen zwischen den Märkten für Pkw und leichte Nutzfahr­ zeuge mit unterschiedlicher Entwicklung und Dynamik zeigt Abb. 2.1-2: absolute und relative Abnahme in der Triade, die auch zukünftig erwartet wird und starkes anhaltendes Wachstum in den BRICS- Ländern. Diese Märkte werden voraussichtlich bereits 2025 deutlich größer sein als die Triade-Märkte. Weniger gewachsen sind die MIST-Märkte. Die Zusammenfassung zu Marktblöcken verdeckt allerdings die sehr unterschiedliche Wachstumsdynamik der einzelnen Automobilmärkte. Die Aufnahmefähigkeit der Märkte, günstige Produktionsbedingungen durch niedrige Löhne, qualifizierte Arbeitskräfte, gute Logistikmöglichkeiten und die Bereitschaft, Teil der internationalen Regulierungs- und Zollabsprachen zu sein, machen die neuen wachsenden Automobilmärkte attraktiv, auch für Produzenten von qualitativ hochwertigen und innovativen Gütern. Herausragend ist China als Absatzmarkt, Produktions- und Entwicklungsstandort.



   

 ""

  % % % %

% !% % %

!

% %

% "% %

%

 %

%

 % %

% %

  



%

  

%





%

%

%

%

%

%

%

%

"



"

 

 "

!

   

   

Abb. 2.1-2 Entwicklung der Märkte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge 2005 bis 2030 Quelle: eigene Berechnung bezogen auf Proff u. a. (2014a) und IHS Markit (2017)

2.1 Ausdifferenzierung der wachsenden Automobilmärkte

35

Aufgrund der Sättigung der Triade-Märkte und der unterschiedlichen Markt- und Wachstumspotentiale haben sich die Gravitationszentren der Automobilindustrie verschoben: von den USA nach Mexiko und Lateinamerika, von Nord-, West- und Südeuropa nach Osteuropa, Marokko und Südafrika, von Japan in die Nachbarländer Ostasiens und nach Süd- und Südostasien. Damit hat sich die frühere Dominanz der westlichen Automobilmärkte seit der Jahrtausendwende deutlich verringert und eine Vielzahl von Einzelmärkten rückt immer stärker ins Zentrum. Die He­ terogenität der Automobilmärkte ist größer geworden. Die gestiegene Heterogenität zeigt sich auch an den unterschiedlichen durchschnitt­ lichen jährlichen Wachstumsraten der Automobilmärkte innerhalb und außerhalb der Triade zwischen 2000 und 2030 (vgl. Abb. 2.1-3). Während Indien und China zwischen 2000 und 2018 stetig stark gewachsen sind und bis 2030 auch weiter wachsen werden (Indien zwischen 2000 und 2030 um jährlich durchschnittlich 9,2 Prozent, allerdings von einem mit 700.000 Fahrzeuge sehr niedrigen Ausgangsniveau 2000 auf voraussichtlich 10 Mio. Fahrzeuge 2030, China sogar um durchschnittlich 10,5 Prozent pro Jahr von 1,9 Mio. Fahrzeuge 2000 auf voraussichtlich 38 Mio. Fahrzeuge 2030), wird in Brasilien und Russland nach Einbrüchen nach 2010 zwischen 2000 und 2030 insgesamt ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 3,8 bzw. 3,7 Prozent erwartet. Die Triade-Märkte USA, Frankreich, Deutschland und Japan sind dagegen leicht rückläufig mit durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten von 0,1, -0,2, -0,5 bzw. -1,3 Prozent in diesem Zeitraum. Der starke Rückgang in Japan ist ein Zeichen der anhaltenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der zunehmenden Dematerialisierung in der japanischen Gesellschaft, die mehr und mehr auf Autos verzichtet15. Die Heterogenität der Automobilmärkte verlangt den Automobilunternehmen unterschiedliche strategische Reaktionen ab: in Märkten mit hohen Wachstumsraten sollten sie sich so positionieren, dass sie am Wachstum partizipieren, in Märkten mit geringen Wachstumsraten müssen sie sich dem Verdrängungswettbewerb stellen. Da nicht nur das wirtschaftliche Länderumfeld selbst in den wachsenden Au­ tomobilmärkten sehr unterschiedlich ist, sondern auch das politische und recht­ liche Umfeld, das technologische und das soziokulturelle Umfeld, wirken sich die globalen Umfeldtrends (Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage zwischen Alt und Jung, Arm und Reich, Stadt- und Landbevölkerung, Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe sowie von Prozessen, Produkten und Geschäftsmodellen durch die Digitalisierung, aber auch der Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitalangebots in der Automobilindustrie), die in Kapitel 3 skizziert werden, zwar weltweit sichtbar, aber länderspezifisch unterschiedlich aus.

36

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

  

   &

 





























  

 



 

 

 

 

 



























 







'!& 



































' &

'#& 



 

 





& 

'"& 



  









 







Abb. 2.1-3 Durchschnittliches, jährliches Wachstum wichtiger Automobilmärkte 2000 bis 2030 (in Mio. Fahrzeugen und in Prozent) Quelle: eigene Berechnung nach IHS Markit (2018)

2.1.2 Erklärungen der unterschiedlichen Entwicklung wachsender Märkte – Konvergenztheorie Der Zusammenhang zwischen Fahrzeugdichte und Pro-Kopf-Einkommen (Abb. 2.1-1) würde gemäß der volkswirtschaftlichen Konvergenztheorie16 bedeuten, dass alle Länder eine ähnliche wirtschaftliche Entwicklung durchlaufen und die Automobilmärkte auf eine Fahrzeugdichte von 700 Pkw pro 1.000 Einwohner hin konvergieren. Diese Entwicklung ist aber nur sehr langfristig zu erwarten. Kurz- und mittelfristig, und damit in einem betriebswirtschaftlich relevanten Zeitraum, zeigen sich jedoch länderspezifische Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung und in der Konvergenz. Die Konvergenztheorie unterscheidet deshalb „Konvergenzclubs“17, d. h. Ländergruppen, in denen das Pro-Kopf-Einkommen mehr oder weniger schnell konvergiert. Zunächst werden zwei Ländergruppen unterschieden: In einer Gruppe mit hoher wirtschaftlicher Entwicklung holen Länder mit geringerem Einkommen auf (Aufwärtskonvergenz), in einer Gruppe niedriger wirtschaftlicher Entwicklung nehmen die Pro-Kopf-Einkommen ab (Abwärtskonvergenz)18 (vgl. Abb. 2.1-4). Damit steigt zunächst die Ungleichheit zwischen den beiden Ländergruppen bzw. Konvergenzclubs, weil sie auseinanderdriften bzw. divergieren.

2.1 Ausdifferenzierung der wachsenden Automobilmärkte

37

ro‐Kopf‐Einkommen

Aufwärts‐ konvergenz

gleichgerichtete Entwicklungspfade

ivergenz Abwärts‐ konvergenz

entgegengesetzte  Entwicklungspfade

Einwohner Konvergenzclubs

Abb. 2.1-4 Konvergenzen und Divergenzen in der Weltwirtschaft Quelle: eigene Darstellung nach Quah (1996) Abb. 2.1‐4, S. 3

Die weltwirtschaftliche Entwicklung der letzten 20 Jahre zeigt weiterhin, dass sich die Länder mit geringem Pro-Kopf-Einkommen sehr unterschiedlich entwickeln (Abb. 2.1-4)19. Während Länder mit einem Pro-Kopf-Einkommen ab etwa etwa 7.000 Euro einem gleichgerichteten Entwicklungspfad folgen und konvergieren – wenn auch immer wieder gebremst durch ökonomische Krisen, finden sich unterhalb dieses Schwellenwertes viele Beispiele divergenter Entwicklungen. Die Länder folgen entgegengesetzten Wachstumspfaden: einzelne Ländermärkte konvergieren aufwärts, andere dagegen nach unten (vgl. ebenfalls Abb. 2.1-4). Im neoklassischen Wachstumsmodell entwickeln sich deshalb speziell wachsende Ländermärkte mit geringem Einkommen in entgegengesetzte Richtungen auf zwei stabile Zustände zu, zwischen denen eine Divergenz besteht20. Diese auch als „twin peaks“21 bezeichnete Verteilung der Wachstumsraten der wachsenden Märkte ist eine Erklärung für ihre unterschiedliche Entwicklung. Die Konvergenz findet damit innerhalb von mehr als nur zwei Konvergenzclubs statt22, zu denen nicht unbedingt räumlich benach­ barte Länder gehören, sondern strukturell vergleichbare Länder mit ähnlichem Pro-Kopf-Einkommen, ähnlicher Wirtschaftsstruktur oder Politik.

38

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

Weil ein einfaches Muster der Konvergenz bzw. ein naturgesetzlicher Auf­ holprozess zumindest mittelfristig nicht zu erwarten ist 23, wird es auch zukünftig konvergente und divergente Entwicklungen in der Weltwirtschaft geben24. Mit dieser Komplexität müssen global tätige Unternehmen auch weiterhin umgehen25. Übertragen auf die Automobilindustrie erklärt die Konvergenztheorie, dass die weiter entwickelten der wachsenden Automobilmärkte zu höheren Pro-Kopf-Einkommen konvergieren26, allerdings auch mit unterschiedlichen Wachstumsraten. Die Ent­ wicklung der weniger entwickelten wachsenden Automobilmärkte ist mittelfristig gar nicht absehbar. Vereinfachende Annahmen über die Marktentwicklung ein­ zelner Länder werden deshalb zunehmend schwieriger und eine länderspezifische Betrachtung immer notwendiger (vgl. dazu die Kapitel 2.4 und 4). Die Bildung von Ländergruppen wie BRIC(S) und MIST sind ein Ergebnis dieser Entwicklung, denn sie sind ein Versuch, die Komplexität des Umfeldes zu reduzieren. Weil diese Vereinfachung schwierig ist und selbst wachsende Automobilmärkte immer he­ terogener werden, steigt die Komplexität. Die Ausdifferenzierung der Nachfrage und die Veränderung von Basistechnolo­ gien (der Fahrzeugantriebe sowie der Prozesse, Leistungen und Geschäftsmodelle im Zuge der Digitalisierung in Kapitel 3) stellen die Annahme einer konvergenten Entwicklung mittelfristig zusätzlich in Frage. Carsharing und autonomes Fahren werden an Bedeutung gewinnen, Fahrzeugkäufe und Fahrzeugdichte dadurch möglicherweise längerfristig abnehmen – alles jedoch regional sehr unterschiedlich.

2.1.3 Chancen und Risiken für multinationale Automobilunternehmen in den heterogenen Wachstumsmärkten Die Ausdifferenzierung und zunehmende Heterogenität der insgesamt noch stark wachsenden Märkte bringen der Autoindustrie mehr Chancen als Risiken. Eine wesentliche Chance besteht in zusätzlichen Absatzpotentialen und da­ mit zusätzlichen Gewinnmöglichkeiten für wettbewerbsfähige multinationale Automobilunternehmen in wachsenden Automobilmärkten. Mit einer solchen Wachstumsstory können sie auch am Kapitalmarkt punkten27, der sie etwas träge, innovationsscheu und mehr bewahrend als wagend einschätzt (vgl. Kapitel 3.4). Die Ausdifferenzierung bzw. Heterogenität der wachsenden Märkte bietet zusätzlich die Möglichkeit, das systematische Risiko, d. h. das (Länder)Marktrisiko, zu senken28. Während konjunkturelle Risiken mit länderspezifischer Marktbearbeitung nicht abgefangen werden können, lassen sich Nachfrageveränderungen in einzelnen

2.1 Ausdifferenzierung der wachsenden Automobilmärkte

39

Ländern durch Angebotsvielfalt eher ausgleichen. Die Ausdifferenzierung der wachsenden Automobilmärkte bietet darüber hinaus die Chance, auf Präferenzen einzugehen und Gewinne durch ein ausdifferenziertes, individuell zugeschnittenes Angebot abzuschöpfen29. Individualisierungsnutzen entsteht erst, wenn Leistungen oder Leistungsbündel interaktiv mit Kunden erstellt werden30. Heterogene Automobilmärkte bergen aber auch Risiken. So wird die stark gestiegene Variantenvielfalt seit der großen Produkt- und Modelloffensive in den 1990er Jahren zunehmend kritisch gesehen und wieder etwas zurückgenommen. Es besteht die Gefahr, sich mit begrenzten Ressourcen zu verzetteln, weil eine länderspezifische Bearbeitung hohe Investitionen in Marktforschung, Produktion und Vertriebsstruktur erfordert und der Kapitalbedarf dafür sehr hoch ist31. Eine länderspezifische Marktbearbeitung erfordert zudem teurere Managementsysteme mit hohen Fixkosten bei immer mehr länderspezifischen Regularien32. Deshalb müssen die verschiedenen Ländermarktaktivitäten aufeinander abgestimmt wer­ den, um die gerade in einer kapitalintensiven Branche wie der Automobilindustrie erforderlichen Skalenvorteile zu erzielen. Darüber hinaus besteht für ausländische Anbieter insbesondere in sich entwickelnden Ländern das Risiko, dass die Märkte wieder stärker abgeschottet werden oder zumindest dass der Kauf von Leistungen einheimischer Anbieter propagiert oder gar gefördert wird (Tendenzen zu einem „buy local“).

Endnoten 1 2

Ohmae (1985). Ländermärkte wie Italien und Frankreich bleiben weiterhin wichtig, die Impulse für künftiges Wachstums kommen aber aus den Märkten außerhalb der Triade. 3 Timmons (2015). 4 Steve Johnson in „The Financial Times“ vom 28.1.2016. 5 Vgl. z. B. Nohria, Ghoshal (1994); Hoenen, Kostova (2015). 6 Vgl. z. B. Ben-David (1994). 7 Vgl. z. B. Proff, Proff (1998, S. 87). 8 Vgl. Proff, Proff (2013). 9 Vgl. Karmokolias (1990, S. 3). 10 Vgl. ebd. und darauf bezogen Proff (2004, S. 38). 11 Vgl. z. B. Proff (2004a, S. 29 bezogen auf DRI/McGraw-Hill (1996). Dabei wird das Pro-Kopf-Einkommen in Kaufkraftparitäten (Purchasing Power Parity, PPP) ausge­ drückt. Angesichts der großen Probleme der amtlichen Statistiken berechnen internatio­

40

12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen nale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds und die Weltbank, Einkom­ mens- und BIP-Werte anhand der Kaufkraftparitäten neu. Dabei werden vergleichbare Outputmengen gemessen. Kaufkraftparitäten geben multinationalen Unternehmen Aufschluss über das in einem bestimmten Land zu erwartende Umsatzvolumen (so verfügte z. B. 2004 ein Malaye im Durchschnitt über eine ähnlich hohe Kaufkraft wie ein Grieche, nach der damaligen BIP-Berechnung war das Durchschnittseinkommen der Malayen aber um etwa 60 Prozent niedriger, Proff 2004a, S. 38). Vgl. Proff (2004a, S. 39). Der Begriff wurde geprägt durch die Investment Bank Goldman Sachs. MIST steht für die vier größten Märkte im „Goldman Sachs N-11 Equity Fund“ mit stabilerem Wirtschaftswachstum. Vgl. z. B. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, cscp (2007). Vgl. Baumol u. a. (1994). „Convergence clubs“, Ben-David (1994). „Upwards“ und „downwards convergence“ (ebd). Vgl. Hirte, Neumann (2008). Vgl. Ben-David (1994). Vgl. Quah (1996). Vgl. Baumol u. a. (1994); Proff H.V. (2004). Vgl. Hirte, Neumann (2008). Vgl. Baumol u. a. (1994, S. 6). Vgl. Baumol u. a. (1994). Vgl. ebd. und Proff (2002a). Vgl. Proff, Proff (2013, z. B. S. 23 und Teil VI). Vgl. bereits Markowitz (1952), aber auch Coenenberg, Sauter (1988) und darauf bezogen Proff (2002a, S. 156–157). Vgl. z. B. Fehl, Oberender (2004). Vgl. Davies u. a. (2007); Tuli u. a. (2007). Vgl. Lazard, Roland Berger (2017). Vgl. Proff, Proff (2017).

2.2

Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft in der Automobilindustrie – Neue Wettbewerber aus Niedriglohnländern und Anbieter neuer Leistungen

2.2 Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

Eine weitere Veränderung im Unternehmensumfeld seit der Jahrtausendwende stellt die Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft dar, d. h. der Eintritt neuer Wettbewerber in den verschiedenen Geschäftsfeldern der Automobilindustrie1. Der Konzentrationsprozess in der Automobilindustrie hält zwar an: von 30 unabhän­ gigen multinationalen Automobilherstellern im Jahr 1960 sind 2018 nur noch 11 übriggeblieben (BMW, Daimler, Fiat, Ford, GM, Honda, Hyundai, PSA, Renault/ Nissan, Toyota, Volkswagen)2. Die übrigen wurden übernommen wie Land Rover und Jaguar 2008 von Tata, Volvo 2010 von Geely oder mussten aufgeben. Auch die Zahl der Zulieferer hat stark abgenommen, von etwa 5.600 im Jahr 2000 auf 2.800 2015 3. Gleichzeitig sind jedoch in allen Geschäftsfeldern der traditionellen Automobilindustrie neue Wettbewerber hinzugekommen. Neue Wettbewerber in der Automobilindustrie kommen entweder aus Ländern mit Wirtschaftswachstum und dem Standortvorteil niedrige Löhne wie z. B. die Automobilhersteller Tata aus Indien oder SAIC, Denfeng, FAW, BAIC und Geely aus China und Zulieferer wie der chinesische Innenraumausstatter Yangfeng oder bieten neue Leistungen an. Dazu gehören Tesla und Nio als Hersteller von Elektro­ fahrzeugen und Anbieter neuer Mobilitätsdienstleistungen, z. B. Carsharing-Anbieter wie Flinkster (Deutsche Bahn), Fahrdienste wie Blablacar, Didi, Lyft und Uber und im Automobilhandel Mobile.de und Autoscout 24 als Online-Marktplatz für den Kauf und Verkauf von Neuwagen, Gebrauchtwagen, Motorrädern und Nutz­ fahrzeugen. Hierzu kommen neue, oft branchenfremde Wettbewerber aufgrund der Ausdifferenzierung des engen Branchenumfelds in der Automobilindustrie und der Entstehung branchenübergreifender Ecosysteme (vgl. die Einleitung zu Kapitel 2). Technologieunternehmen wie Apple, Google, Baidu und Tencent, aber auch Mobileye/Intel drängen vor allem in den Markt der elektrisch und autonom fahrenden Fahrzeuge4. Diese neuen Wettbewerber sind zwar am Markt teilweise noch nicht wirklich zu sehen, bereiten aber den Markteintritt intensiv vor. Die Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft in der Automobilindustrie wird in Kapitel 2.2.1 belegt und in Kapitel 2.2.2 als Entwicklungssprung durch die Suche nach Anlagemöglichkeiten („asset seeking“) und die Entstehung eines neuen Ecosystems erklärt. Dann werden Chancen und Risiken neuer Wettbewerber aus 41

42

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

Niedriglohnländern und Anbieter neuer Mobilitätslösungen und -dienste ange­ sprochen (Abschnitt 2–2.3), die – wie die Ausdifferenzierung der Ländermärkte (Kapitel 2.1) – die Komplexität in der Automobilindustrie erhöhen.

2.2.1 Zunehmende Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft in der Automobilindustrie In der Automobilindustrie differenziert sich die Wettbewerbslandschaft der Her­ Abb. 2.2‐1  steller, Zulieferer und Händler immer mehr aus (vgl. Abb. 2.2-1).

2015

2030

traditionelle Wettbewerber

90%

Miet‐ fahrzeuge, Taxen

Kern‐ wettbewerb (OEMs, Zulieferer, Händler)

neue Wettbewerber

Miet‐ fahrzeuge, Taxen

Finanzen

IT Techno‐ logie

Kraftstoff

After‐ Sales Tuning

60%

10%

Versiche‐ rungen

Medien

traditionelle Wettbewerber

Staat1 Medizin/ Recht2

1) Steuern, Gebühren, Zulassungen, Strafen 2) Unfallkosten

Kern‐ wettbewerb (OEMs, Zulieferer, Händler)

neue Wettbewerber

40%

Finanzen

IT Techno‐ logie

Versiche‐ rungen

Medien After‐ Sales Tuning Telekom (verknüpfte Services)

Kraftstoff

elektrische Energie Medizin/ Recht2

Staat1

neu Abb. 2.2-1 Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft Quelle: eigener Entwurf nach McKinsey&Company (2016) und Deloitte (2018)

(1) Sie wird differenzierter durch neue Wettbewerber vor allem aus Niedriglohnlän­ dern. Hatten die traditionellen Wettbewerber am Automobilmarkt zur Jahrtau­ sendwende noch einen Anteil von nahezu 100 Prozent, lag er 2015 schon unter 90 Prozent und nimmt voraussichtlich bis 2030 auf 60 Prozent ab. Entsprechend

2.2 Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft

43

wird der Anteil neuer Wettbewerber vor allem aus Niedriglohnländern von fast null Prozent im Jahr 2000 auf etwa 40 Prozent 2030 steigen5. (2) Durch Anbieter neuer Leistungen verändern sich die Branchengrenzen und ent­ steht ein neues branchenübergreifendes Ecosystem, z. B. durch neue Anbieter von (IT)-Technologien, Telekommunikation, Infotainment oder elektrischer Energie6.

(1) Neue Wettbewerber aus Niedriglohnländern Die größten, global agierenden Automobilhersteller und die meisten wichtigen Zulieferer kommen zwar weiterhin aus der Triade (Westeuropa, USA, Japan)7, aber immer mehr neue Wettbewerber seit der Jahrtausendwende aus Niedriglohnländern, definiert von der Weltbank als Länder mit einem Bruttonationaleinkommen von weniger als 12.055 Dollar pro Kopf8. Es sind fast ausschließlich Wettbewerber aus Ländern mit steigendem Einkommen, wachsenden Märkten („rapidly growing economies“)9 und noch niedrigen Kosten, die den Binnenmarkt als Inkubations­ markt und Sprungbrett für den Weltmarkt sehen. Für Wettbewerber aus Niedriglohnländern galten lange die wachstums- und exportorientierten Strategien der japanischen Automobilunternehmen10 nach dem 2. Weltkrieg als Vorbild. Der Staat förderte und schützte die Automobilin­ dustrie zunächst vor allem durch Zölle, bis sie konkurrenzfähig war und förderte erst in einem zweiten Schritt Wachstum und Exportdiversifikation, zuerst in die Nachbarländer, dann in die USA und nach Europa (gemäß der Lerntheorie der Internationalisierung11, Kapitel 2.2.2). Südkoreanische Anbieter, allen voran Hyundai, folgten diesem Vorbild. Hyundai baute in den 70er Jahren ebenfalls zunächst eine dominante Stellung im koreanischen Markt auf und nutzte diese und eine Technologieverbindung mit Ford in den 70er Jahren und mit Mitsubishi seit den 80er Jahren zur Entwicklung eines Fahrzeugs (Pony), das auch nach Nordamerika exportiert wurde. Erst in den späten 80er Jahren entstand eine multilokale Struktur mit zunehmendem Fokus auf westeu­ ropäischen und sich entwickelnden Ländern. Um Handelsbarrieren zu umgehen und die Kosten niedrig zu halten, wurden zahlreiche Joint Ventures geschlossen. Seit den späten 90er Jahren verfolgt Hyundai eine multiregionale Strategie in Asien (hohe Investitionen 1998 in Indien und 2000 in China), in Nord- und Südamerika und in Europa und zunehmender regionaler Vernetzung der Produktionsstätten sowie globaler Beschaffung („global sourcing“). 1998 wurde der drittgrößte süd­ koreanische Hersteller Kia gekauft. Auch der indische Automobilhersteller Tata Motors wollte mit einem erfolgreichen Produkt auf den Weltmarkt und entwickelte ein Niedrigpreisfahrzeug, den Nano, das in Indien als „Volksauto“ für etwa 2.200 Euro angeboten wurde. In Unterschied zum preisgünstigen Dacia Logan, einem abgespeckten Renault Clio, produziert in

44

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

Rumänien, ist der Nano eher eine aufgewertete Rikscha. Trotz Verzögerungen in der Bauphase durch Aufstände und Unruhen am geplanten Standort, erwartete Tata eine weltweite Nachfrage von einer Million Fahrzeuge pro Jahr, konnte 2011 (Produktionsbeginn 2010) aber nur 70.000 Fahrzeuge verkaufen, auch zwei Jahre später nicht viel mehr. Die Kapazität war nur zu einem Fünftel ausgelastet12. Tata konnte das Imageproblem nicht lösen und gab die Produktion schließlich auf. Inder sparen lieber auf ein „richtiges“ Auto z. B. von Suzuki-Marutti (Marktführer in Indien), in Europa schaffte der Nano die Sicherheitsvorgaben nicht. In den letzten Jahren ändern neue Wettbewerber aus Niedriglohnländern ihre In­ ternationalisierungsstrategie. Hersteller wie Geely und Zulieferer von Komponenten wie Elektrogeräte-Hersteller Midea (beide aus China) erschließen die Auslands­ märkte nicht mehr schrittweise wie zuvor Japaner und Koreaner, sondern verfolgen Strategien des Auf- und Überholens. Sie arbeiten sich nicht erst über den Binnen­ markt und über Produkte mit konventioneller Technologie ab, sondern versuchen den Einstieg über einen Entwicklungs- oder Technologiesprung („­leap-frogging13) in neue Fahrzeugantriebe und durch Suche nach Anlagemöglichkeiten („asset seeking“14) auf Auslandsmärkten (vgl. Abschnitt 2.2.2). Diese Strategie, sich am Technologiewettlauf zu beteiligen, wird mit der Ausdifferenzierung der neuen Technologien noch zunehmen (Kapitel 3.2 und 3.3). Auch Geely, größter privater Automobilhersteller in China und nach VW und General Motors drittgrößter Anbieter, versucht mit Hilfe von Entwicklungssprüngen zu den weltweiten Konkurrenten aufzuschließen15. 2010 hat Geely den schwedischen Automobilhersteller Volvo von Ford übernommen, ein Unternehmen mit hohen Verlusten aber hochentwickelter Technologie, das bereits 2011 wieder Gewinne machte. Mit Volvo möchte Geely zu den Premiumanbietern aufschließen (Entwick­ lungssprung) und expandieren. Während Volvo zunächst die Dieseltechnologie aufgibt, aber weiterhin Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor baut und ein Elektro­ auto der Submarke Polestar auf einer mit Geely entwickelten Plattform anbieten will, ist Geely weiter und wechselt schneller und radikaler zur Elektromobilität16. Bereits 2020 sollen 90 Prozent der Fahrzeuge einen Elektroantrieb haben17 und auch in Europa gebaut werden. Dem Geely Eigentümer Li Shufu gehören auch Lotus, London Taxi (ein Elektroauto mit Range Extender, das in Großbritannien gebaut wird) und das größte Daimler-Aktienpaket (9,7 Prozent). Erhoffte Synergieeffekte durch eine Kooperation bleiben ihm bislang verwehrt. Der chinesische Elektrogeräte-Hersteller Midea hat den deutschen Ausrüstungs­ zulieferer Kuka zu knapp 95 Prozent übernommen, der als „Vorzeigeunternehmen der deutschen Wirtschaft bei der Digitalisierung und Vernetzung („Industrie 4.0“)“18 gilt. Deswegen hatten Berlin und Brüssel große Bedenken gegen die Über­

2.2 Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft

45

nahme. Es wurde befürchtet, dass hoch innovatives, technisches Know-how bei Zukunftstechnologien nach China abfließen könnte und sensible Kundendaten außer Kontrolle geraten. Es konnte aber kein deutscher oder europäischer Investor gefunden werden und Midea hat zugesichert, die 12.600 Arbeitsplätze bei Kuka mindestens bis zum Jahr 2023 zu erhalten. Als Reaktion auf die neuen Wettbewerber aus Niedriglohnländern erweitern die etablierten Automobilunternehmen aus der Triade ihr Angebot durch Niedrigprei­ sprodukte und verschärfen dadurch den Wettbewerb. So brachte Renault-Nissan 2004 den Dacia Logan als abgespeckte Variante des Renault Clio auf den Markt und 2015 in Indien den für die neuen Wachstumsmärkte zur Hälfte neu entwickelten Renault Kwid. Der Kwid beruht nicht auf Baukästen oder Plattformen, sondern folgt dem Konzept einer sparsamen technologischen Entwicklung („road of ‚frugal engineering‘„19). Damit folgt er nicht dem traditionellen Innovationspfad, zuerst Produkte für Käufer mit höherem Einkommen zu entwickeln, die danach in die sich entwickelnden Märkte „durchsickern“20 (umgekehrter Innovationspfad21). Der Kwid, der in Indien für 3.500 und 5.000 Euro angeboten wird, ist eine Initiative für Ländermärkte mit geringer Kaufkraft und kommt Anbietern aus diesen Ländern zuvor. Seit 2017 wird eine angepasste Version in Brasilien angeboten, die hier zwi­ schen 8.100 and 10.800 Euro kostet22. Auch wenn der Kwid die Erwartungen nicht ganz erfüllt und hinter dem Marktführer Suzuki-Maruti zurückbleibt, konnten doch im ersten Jahr in Indien etwa 100.000 Fahrzeuge verkauft werden. Volks­ wagen und Toyota haben vergleichbare Fahrzeuge für Indien entwickelt (Ameo bzw. Etios), jedoch zu 80 bzw. 90 Prozent mit Teilen aus vorhandenen Baukästen und Plattformen. Suzuki hat mit einem besser ausgestatteten Konkurrenzprodukt (Ignis) reagiert. Die Beispiele zeigen, wie neue Wettbewerber aus Niedriglohnländern im Nied­ rigpreissegment versuchen, Wachstumspotentiale zu erschließen und ihren Markt­ anteil von 10 auf 40 Prozent zu erhöhen (vgl. Abb. 2.2-1).

(2) Anbieter neuer Leistungen Zur Jahrtausendwende wurden in der Automobilindustrie fast ausschließlich Fahr­ zeuge mit Verbrennungstechnologie angeboten, über den Fachhandel verkauft und wenn nötig finanziert und versichert, gewartet und repariert. Seither werden vor allem in der Triade eine Vielzahl neuer Leistungen angeboten, durch neue Hersteller von Elektrofahrzeugen wie Tesla, neue Wettbewerber im Automobilhandel wie Autoscout 24 im Online-Handel (Kauf und Verkauf von Neuwagen, Gebraucht­ wagen, Motorrädern und Nutzfahrzeugen) und neue Mobilitätsdienstleister wie Anbieter von Carsharing und Fahrdienstleister. Sehr innovativ sind die Anbieter

46

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

neuer Technologien in der Elektromobilität, weniger die Anbieter von Carsharing, Fahrdiensten und Online-Handel. Tesla Motors z. B. wurde 2003 in Palo Alto im Silicon Valley als Anbieter von Elektrofahrzeugen gegründet und gilt als eines der innovativsten Unternehmen23. Es baut in einer „Gigafactory“ in Nevada zusammen mit Panasonic Fahrzeugbatterien und Akkupacks für Stromspeicher und sorgt mit einem Netz von „Superchargern“ für die Aufladung. Trotz Problemen der Produktion und lange Zeit hohen Verluste hat Tesla Schwächen der etablierten Unternehmen deutlich gemacht und den Über­ gang in die Elektromobilität beschleunigt. Durch die große Produktionsmenge der Gigafactory können Batterien dort etwa 25 Prozent günstiger gefertigt werden als die Batterien der Wettbewerber24. Autoscout 24 ist als Online-Marktplatz für den Kauf und Verkauf von Neuwa­ gen, Gebrauchtwagen, Motorrädern und Nutzfahrzeugen ein neuer Anbieter im Automobilhandel, der zur Scout24 AG-Gruppe gehört und in 17 Ländern vertreten ist. Das Unternehmen schafft keine technologische Innovation wie Tesla, aber eine neue Kundenlösung und bedroht den traditionellen Markt des Automobilvertriebs25. Stationsungebundene flexible (free floating) Sharing-Anbieter wie Car2go oder DriveNow, die im Februar 2019 fusionierten, gehören zwar zum BMW-Konzern (Drive Now zunächst als gemeinsames Angebot von BMW und dem Mietwagen­ unternehmen Sixt) bzw. zum Daimler Konzern (ca2go), sind aber rechtlich selbst­ ständig. Sie sind bereits in vielen europäischen Städten vertreten und bieten wie die Deutsche Bahn-Tochter Flinkster neue Kundenlösungen an, die einen neuen Markt schaffen und die Bedeutung des Privatfahrzeugs zumindest teilweise verringern, weil ein Carsharing-Fahrzeug bis zu neun Privatfahrzeuge ersetzen könnte. Uber wurde 2009 als Limousinenservice in San Francisco in den USA gegründet und ist ein Online-Vermittlungsdienst für Fahrdienstleistungen, der Fahrgäste an Mietwagen mit Fahrer und an private Fahrer mit eigenem Auto, aber auch an regu­ läre Taxis gegen eine Provision von bis zu 20 Prozent vermittelt. Die Vermittlung erfolgt über eine Smartphone-App oder eine Website. Ende 2018 ist Uber weltweit in 570 Städten vertreten, auch in Deutschland (Mitte 2014 waren es erst 200 Städte).

2.2 Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft

47

2.2.2 Erklärungen der Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft – Erklärungen eines Entwicklungssprungs durch „asset seeking“ sowie neuer Leistungen in einem neuen Ecosystem Es gibt mehrere Erklärungen für die Ausdifferenzierung der Wettbewerberlandschaft: (1) Wettbewerber aus Niedriglohnländern, die sich um einen Entwicklungssprung, insbesondere durch Suche nach neuen Anlagemöglichkeiten („asset seeking“) bemühen und (2) Wettbewerber mit neuen Leistungen in einem neuen Ecosystem.

Zu (1): Erklärung eines Entwicklungssprungs durch „asset seeking“ Unternehmen aus Ländern außerhalb der Triade werden zu neuen Wettbewerbern, wenn sie es schaffen, einen Entwicklungsrückstand aufzuholen und die Kompe­ tenzlücke26 zu den etablierten Unternehmen der Triade zu schließen. Wachstums- und exportorientierte Strategien, wie sie die japanischen und koreanischen Automobilunternehmen verfolgt haben, die zuerst Kompetenzen im abgeschotteten Heimatmarkt entwickelten, dann exportierten und später in den Märkten investierten (vgl. Kapitel 2.2.1), sind heute kaum noch möglich. Diese Strategien entsprechen der Modernisierungstheorie27 und der Theorie der inter­ nationalen Arbeitsteilung, die die Bedeutung der Integration von Ländern in die Weltwirtschaft und die Exportdiversifikation mit Spezialisierungsvorteilen und technischem Fortschritt erklären. Marktöffnung und Zeitdruck erfordern heute jedoch eine schnellere Marktbearbeitung und Investition. Oft ist die Kompetenzlücke so groß, dass sie nicht durch kontinuierliche Kompetenzentwicklung geschlossen werden kann, sondern nur durch einen Kompetenzsprung. Kontinuierliche Kompetenzentwicklung ist nur möglich, wenn bei integrierter Wertarchitektur und guter Kompetenzbasis vorhandene Kompetenzen im Zeitablauf allmählich erodieren. Gemäß der Theorie der Kompetenzentwicklung im strate­ gischen Management sollten Unternehmen dann ihre Kompetenzen abwechselnd verbessern und erneuern und sich dabei auf die Erneuerung der Kompetenzen konzentrieren28. Unternehmen aus Ländern außerhalb der Triade haben dagegen meist eine Kompetenzlücke gegenüber Unternehmen der Triade. Ihre Kompetenz­ basis ist so dünn, dass selbst eine Zerlegung der integrierten Wertarchitektur und Orchestrierung von Wertschöpfungsaktivitäten in einem Netzwerk von Zulieferern oder eine Spezialisierung der Wertschöpfung29 nicht reicht. Stattdessen müssen sie die Kompetenzlücke durch einen Entwicklungssprung, („leapfrogging“30) schließen. Diese Automobilunternehmen versuchen dabei mit integrierter Wertarchitektur

48

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

durch externen Kompetenzerwerb eine Stufe der Technologieentwicklung zu überspringen und auf eine nächste Stufe zu gelangen31. Ein Beispiel ist die Stra­ tegie der Chinesen, die Dieseltechnologie zu übergehen und bereits zu Beginn die Elektromobilität mit zu entwickeln32. Dazu müssen sie Wissen absorbieren, was eine hohe Absorptionskapazität und -fähigkeit von unternehmensexternem Wissen voraussetzt33, das verarbeitet und umgesetzt werden muss. Dabei wird angenommen, dass die Absorptionsfähigkeit von externen Informationen mit dem vorhandenen Wissen kumulativ zunimmt, weil sie die Qualifikation der Beschäftigten und den Anteil eigener Forschung und Entwicklung erhöht und damit auch wieder die Fähigkeit zur Verarbeitung von externem technologischen Wissen34. Externer Kompetenzerwerb ist durch Akquisition von externem Wissen durch neue Mitarbeiter mit dem erforderlichen Wissen oder durch Anwerbung von Mitarbeitern der Konkurrenten oder Zulieferern möglich. Weil Wissen in der Regel in komplexen Routinen und damit in Teams gebunden ist, ist der Kauf ganzer Unternehmen ein schneller Weg, um die Kompetenzlücke zu schließen. Er ist aber auch riskant, wie empirische Untersuchungen zeigen. Bis zu drei Viertel der Akquisitionen bringen nicht den erhofften Erfolg. Aufgekaufte Unternehmen sollten deshalb eine mittlere Fremdheit aufweisen und die Mitarbeiter dieser Un­ ternehmen eingebunden werden35. Eine Alternative zu einem Entwicklungssprung ist eine Kooperation mit technisch überlegenen Unternehmen, was aber auch nicht einfach ist und Vertrauen voraussetzt36. In vielen sich entwickelnden Ländern wird ein Entwicklungssprung einheimischer Unternehmen politisch dadurch gestützt, dass ausländische Unternehmen lokale Wertschöpfung erbringen müssen. „Local content“-Auflagen zwingen dann aus­ ländische Zulieferer mit hoher Kompetenz und Produkten neuester Technologie dort zu produzieren und lokale Zulieferer zu qualifizieren. Aufgrund der niedrigen Löhne in den neuen Wachstumsmärkten können Unternehmen von dort aber auch selbst zu einem Entwicklungssprung durch Internationalisierung und aus­ ländische Direktinvestitionen ansetzen. Zur Erklärung von Internationalisierung und ausländischen Direktinvestitionen wurden seit den 1960er Jahren zahlreiche Erklärungsansätze gefunden37. Die meisten sind Partialansätze und statisch, wie die branchenspezifischen Erklärungen der Übertragung monopolistischer Vorteile im Heimatmarkt auf Auslandsmärkte (monopolistische Vorteilstheorie38) oder Er­ klärungen des Verhaltens von Gruppen in Oligopolmärkten, die dem Marktführer folgen („follow-the-leader“) gemäß der Theorie des oligopolistischen Parallelver­ haltens39, aber auch unternehmensspezifische Erklärungen des Verhaltens von Entscheidungsträgern im Management (gemäß der behavioristischen Theorie40). Verbreiteter sind die statischen länderspezifischen Erklärungen von Vorteilen der

2.2 Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft

49

Überwindung von Handelsschranken und von Standortvorteilen wie z. B. niedrigen Lohnkosten (gemäß der Theorie der Überwindung von Handelsschranken41 und der Standorttheorie42). Daneben gibt es Integrationsversuche, wie die eklektische Theorie von Dunning43, die monopolistische Vorteile und Standortvorteile mit Erklärungen der Internalisierung (Transaktionskostentheorie als Erklärung der Entscheidung zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug) verbindet und begründet, wann Export, wann Lizenzvergabe und wann Direktinvestitionen vorteilhaft sind sowie dynamische Erklärungen ausländischer Direktinvestitionen im Zeitablauf mit dem Produktlebenszyklus44 oder mit Wissensaufbau und Lernen45. Diese traditionellen Erklärungen von Internationalisierung bzw. ausländische Direktinvestitionen unterstellen implizit oder explizit Unternehmen aus entwickel­ ten Ländern, die u. a. in Ländern mit geringer wirtschaftlicher Entwicklung und großen Märkten billige Ressourcen („resource seeking“), oft billige Arbeitskräfte suchen (vgl. Abb. 2.2-2). Ausländische Direktinvestitionen von Unternehmen aus Niedriglohnländern müssen anders erklärt werden. Diese Unternehmen suchen nicht nach niedrigen Lohnkosten, sondern nach Wissen über eine optimierte Wertschöpfung. Die Erklärung von ausländischen Direktinvestitionen von Unter­ nehmen aus gering entwickelten Ländern in hoch entwickelten Ländern vermutet deshalb, dass sie hier investieren, um strategische Ressourcen zu erwerben („asset seeking“46, vgl. Abb. 2.2-2), vor allem Technologien, Marketing und Managemen­ texpertise. Unternehmen aus kleineren Entwicklungsländern werden in der Regel zunächst in anderen Ländern neue Märkte suchen („market seeking“, vgl. ebenfalls Abb. 2.2-2). Dabei wird angenommen, dass sie dadurch die Voraussetzungen und Fähigkeiten besitzen, in einen neuen Markt einzutreten, zu lernen sowie Wissen und Technologien zu absorbieren.

50

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

!"   





 

 &  $

  

 

 



"  

  

 & $

& $

Abb. 2.2-2 „Asset seeking“ Quelle: nach Makino u. a. (2002, S. 408)

Zu (2): Erklärung des Angebots neuer Leistungen durch die Entwicklung eines neuen Ecosystems Anbieter neuer Leistungen, die es in einem Geschäftsfeld traditionell nicht gibt, lassen sich in stabilen Märkten47 in Anlehnung an volkswirtschaftliche Erklärungen der Marktschaffung und Marktentwertung begründen. Die Volkswirtschaftslehre versteht Märkte als Räume, in denen sich der Preis für ein Gut schnell angleicht48 und untersucht, wie die Preisbildung durch wirtschaftspolitische Instrumente beeinflusst werden kann. Sie begründet ein öffentliches Interesse daran, durch Förderung und Entwertung wirtschaftspolitischer Handlungen positive externe Effekte zu erreichen und negative externe Effekte zu vermeiden49. Das kann ei­ nerseits durch Anreize wie z. B. Subventionen für die Batterieforschung (Markt­ schaffung) erfolgen und andererseits durch Maßnahmen, die den existierenden Markt z. B. für Uber beschränken (Marktentwertung)50. Damit kann jedoch die Entwicklung in der Automobilindustrie (Abb. 2.2-1) nur am Rande erklärt werden. In der Automobilindustrie hat es nach dem E-Commerce-Boom um die Jahrtau­ sendwende eine Vielzahl neuer technologischer Ansätze z. B. hin zu ersten vernetzten und elektrischen Fahrzeugen gegeben. Das erklärt die Ausdifferenzierung der Wett­ bewerbslandschaft. Dabei wurde nicht nur innerhalb des Kernwettbewerbs zwischen

2.2 Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft

51

Automobilherstellern, Zulieferern und Händlern die Wettbewerbslandschaft verän­ dert. Es kamen (vgl. Abb. 2.2-1) neue Anbieter hinzu, was die Wettbewerbslandschaft ausdifferenzierte. Dabei entsteht ein neues Ecosystem von Wettbewerbern nicht mehr nur aus einer Branche51 und verschiebt die Grenzen der traditionellen Industrie. Entsprechend Abb. 2.2-1 treten Apple und Google oder Telekom und Vodafone sowie RWE und E.ON in das Ecosystem Mobilität ein. Aufgrund ihrer finanziellen und unternehmerischen Stärke haben sie das Potenzial, das stabile Zusammenspiel der traditionellen Automobilzulieferer, Hersteller und Handelsunternehmen deutlich zu verändern. Sie bieten die Kompetenzen, die zur weiteren Wettbewerbsentwick­ lung nötig sind52. Daher ist es notwendig, zusätzlich die Erklärung der Entwicklungen von Ecosystemen heranzuziehen. Ecosysteme schaffen und verteilen Wert an die Teilnehmer53 und die Art und Weise, wie dieser Wert geschaffen wird, hängt von der Art der Komplementaritäten der beteiligten Unternehmen ab54. Dabei kann man Komplementaritäten auf der Produktions- und auf der Nachfrageseite unter­ scheiden55. Als Kern der Entwicklung eines neuen Ecosystems werden dabei sog. „Führungsfirmen“ gesehen, die den Entwicklungsprozess stark beeinflussen56. Eine starke Anlehnung an einen dominierenden Spieler im Ecosystem ist in der Automobilindustrie allerdings nicht unbedingt zu erwarten57, weil die traditionellen Automobilunternehmen über eine treue Kundschaft mit hohem Vertrauen, viel Kapital, ein globales Netzwerk und Kompetenzen verfügen. Sie müssen diese ma­ teriellen und immateriellen Vermögenswerte und Fähigkeiten allerdings in Zeiten langanhaltender Veränderungen weiterentwickeln, weil sich dadurch Wertschaffung und Wertsicherung verändern können. Insgesamt wird die Wettbewerbslandschaft damit breiter und damit steigt auch die Komplexität des Umfeldes.

2.2.3 Chancen und Risiken für multinationale Automobilunternehmen durch neue Wettbewerber Wie die Ausdifferenzierung der Automobilmärkte bietet auch die Ausdifferenzierung der Wettbewerberlandschaft sowohl Chancen als auch Risiken. Neue Wettbewerber sind volkswirtschaftlich und für Konsumenten grundsätzlich positiv, weil sie den Wettbewerb und die Effizienz im Markt erhöhen. Etablierte Unternehmen sehen in ihnen aber eher eine Bedrohung. Haben etablierte Automobilunternehmen eine gute Kompetenzbasis, dann ergeben sich durchaus Chancen, da sie von neuen Wettbewerbern aus Niedriglohnländern

52

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

oder von Anbietern neuer Leistungen etwas lernen könnten. Sie werden nur dann in einen neuen Länder- oder Produktmarkt kommen, wenn sie gemäß der „mo­ nopolistischen Vorteilstheorie“58 (vgl. Abschnitt 2.2.2) einen Wettbewerbsvorteil mitbringen, um Wettbewerbsnachteile auszugleichen, die sie als markt- oder branchenfremdes Unternehmen haben. Dies können Kenntnisse über günstige Produktionsprozesse und Lohnkostenvorteile im Heimatmarkt sein, aber auch Innovationsstärke. Etablierte Unternehmen können dadurch neue Anregungen und Ideen erhalten und sie im Rahmen der Kompetenzentwicklung und insbe­ sondere bei der Suche nach neuen Anlagemöglichkeiten („asset seeking“59) durch Imitieren und Kooperieren aufnehmen oder die neuen Wettbewerber übernehmen, wenn sie flexibel und offen genug sind, um externes Wissen zu absorbieren60 (vgl. ebenfalls Abschnitt 2.2.2). Automobilhersteller wie Zulieferer suchen und kaufen Start-ups, bevorzugt hoch spezialisierte innovative Hightech Unternehmen, die eigene Kompetenzen ergänzen und verbessern. Etablierte Automobilunternehmen mit guter Kompetenzbasis können in oli­ gopolistischen Märkten mit wenigen Wettbewerbern zudem gemäß den „Erklä­ rungen des oligopolistischen Parallelverhaltens“61 (vgl. ebenfalls Abschnitt 2.2.2) mit Direktinvestitionen auf den Heimatmärkten bzw. in den Geschäftsfeldern der neuen Wettbewerber reagieren (Strategie der Überkreuzinvestition), d. h. ihrerseits verstärkt in Niedriglohnländern, aber auch in Technologiemärkten, auf Online-Marktplätzen oder in Mobilitätsdienste investieren. Auch für etablierte Automobilunternehmen mit weniger guter Kompetenzbasis können neue Wettbewerber vorteilhaft sein. Ähnlich wie die Zerlegung integrierter Wertarchitekturen und eine Veränderung der Wertarchitektur (von einem Integrator hin zu einem Orchestrator, Spezialist oder Pionier mit einer neuer Wertschöpfungs­ aktivität62, vgl. ebenfalls Abschnitt 2.2.2) helfen kann, einen Kompetenzrückstand aufzuholen, ist dies möglich, wenn sich die Spielregeln des Marktes durch neue Wettbewerber ändern und der Markt neu verteilt wird. Für etablierte Automobilunternehmen bedeuten neue Wettbewerber aber auch neue Risiken. Steigt die Zahl der Wettbewerber, kann der Gewinn sinken und der Markt sich der vollkommenen Konkurrenz annähern63. Etablierte Unternehmen mit guter Kompetenzbasis können bei der Neuordnung des Wettbewerbs durch aggressive neue Wettbewerber überholt werden und relativ zurückfallen, wenn denen ein Entwicklungssprung gelingt oder sie im Rahmen von wachstums- und exportorientierten Entwicklungsstrategien ihrer Heimatmarktländer stark geför­ dert werden (vgl. Abschnitt 2.2.2), z. B. durch hohe Kaufanreize oder Quoten wie derzeit im chinesischen Automobilmarkt.

2.2 Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft

53

Durch den „Mehrfrontenwettbewerb“ mit neuen Wettbewerbern aus Niedrig­ lohnländern und gleichzeitig Anbietern neuer Leistungen wird die Wettbewerbsland­ schaft unübersichtlicher. Scott64 leitete 1982 empirisch ab, dass der interdependente Wettbewerb von Unternehmen, die über mehrere Geschäftsfelder diversifizieren, schwächer ist, wenn nur wenige Unternehmen im Markt sind und damit die Kon­ zentration hoch ist („economies of multi (product) market operations“), weil sich die Anbieter der Interdependenzen bewusst sind und einen ruinösen Wettbewerb vermeiden werden65. Entsprechend dürfte es im Wettbewerb über mehrere Länder­ märkte vorteilhaft sein, wenn nur wenige Unternehmen konkurrieren („economies of multi country market operations“). Eine empirische Überprüfung der Annahme eines Kontaktes in mehreren Märkten („multi market contact“66) zwischen diversi­ fizierten Unternehmen ergab, dass der Wettbewerbsdruck umso höher ist, je größer Überschneidungen der Geschäftsfelder sind, d. h. je stärker die Geschäftsfelder der Wettbewerber übereinstimmen und je weniger Mehrpunktkontakte es gibt. Dann ist die wechselseitige Nachsicht gering („mutual forbearance“67), d. h. die Bereitschaft, einen ruinösen Wettbewerb zu vermeiden. Rentenverluste durch einen ruinösen Preiskampf von Unternehmen, die über Geschäftsfelder, aber auch über Ländermärkte hinweg diversifizieren, mit anderen diversifizierten Unternehmen werden vermieden, wenn die Überschneidung der Geschäftsfelder gering ist und Mehrpunktkontakte gesucht werden. Die Vorteile der Rentenumlenkung bei einer Mehrpunktreaktion sind umso größer, je höher die positiven bzw. je geringer die negativen „Mehrpunkt-Spillover-Effekte“ sind. Neue Wettbewerber in neuen Ecosystemen können etablierte Wege der Wert­ generierung zerstören und Anlagevermögen in ihrem Wert reduzieren. Das ist ein bedeutendes Risiko durch neue Wettbewerber. Insgesamt steigt durch die Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft seit Beginn des neuen Jahrtausends die Vielschichtigkeit und Komplexität des Wett­ bewerbs68 und damit des Unternehmensumfelds.

Endnoten 1 2 3 4 5

Vgl. z. B. Statistisches Bundesamt (2008a und b). Vgl. Proff, Proff (2013, S. 29) und Diez u. a. (2016, S. 89). Vgl. Diez u. a. (2016, S. 355). Vgl. Deloitte (2015), Roland Berger (2018). Vgl. McKinsey&Company (2016) und Deloitte (2018).

54 6

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

Diese Bezeichnung der gesamten Wettbewerbslandschaft als Ecosystem ist nicht zu verwechseln mit „business ecosystems“ („ecosystem-as-affiliation“ und „ecosystems as-structure“) im Sinne von Adner (2017), die in Kapitel 3.3.2 betrachtet werden (vgl. auch Aarikka-Stenroos u. a. 2017). 7 Vgl. Deloitte (2018, S. 90). 8 Vgl. The World Bank Data Group (2018). 9 Vgl. The Boston Consulting Group (2006). 10 Vgl. Proff (2004a, S. 50). 11 Vgl. Johanson, Vahlne (z. B. 1977). 12 Vgl. z. B. Chacko u. a. (2010). 13 Z. B. Brezis u. a. (1991). 14 Makino u. a. (2002). 15 Vgl. Diez u.a (2016, S. 97–98). 16 Vgl. ebd. 17 Vgl. FAZ vom 28.2.2018. 18 FAZ vom 14.11.2016. 19 Ghosn (2017, S. xii). 20 Midler u. a. (2017, S. 1). 21 Vgl. Govindarajan, Trimble (2012). 22 Zu nominalen Wechselkursen. 23 Vgl. http://www.forbes.com/innovative-companies/list/#tab:rank (abgerufen am 10.11.216). 24 Vgl. Weddeling u. a. (2019). 25 Vgl. Proff, Szybisty (2018). 26 Vgl. z. B. Proff, Proff (2013, S. 221). 27 Z. B. Myrdal (1970); Wagner, Kaiser (1995) und darauf bezogen Proff (2004a). 28 Vgl. z. B. Proff, Proff (2013, Teil IV) bezogen auf Baden-Fuller, Volberda (1997) und Volberda, Baden-Fuller (1998). 29 Vgl. z. B. Heuskel (1999); Bresser u. a. (2000) oder Albach u. a. (2002). 30 Brezis u. a. (1991) und darauf bezogen Prof, Proff (2013; S. 257). 31 Vgl. Proff, Proff (2013, S. 221). 32 Vgl. ebd. 33 Vgl. Cohen, Leventhal (1990, S. 133) und darauf bezogen Proff, Proff (2013, S. 277). 34 Vgl. ebd. 35 Vgl. Ahuja, Katila (2001) und darauf bezogen Proff, Proff (2013, S. 277–278). 36 Vgl. z. B. Luchs, Meckl (2002, S. 10). 37 Vgl. den Überblick z. B. bei Proff (2004a, S. 153–166). 38 Vgl. Hymer (1977). 39 Vgl. Kindleberger (1969). 40 Vgl. z. B. Buckley, Casson (1976).

2.2 Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51

52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68

55

Vgl. Hirsch (1976) und Smith (1993). Vgl. z. B. Holtbrügge, Welge (2015). Vgl. Dunning (1979). Vgl. Vernon (1966). Vgl. Johanson, Vahlne (1977). Makino u. a. (2002). Vgl. Laffont, Tirole (1994). Vgl. Proff H.V. (2004, S. 72). Vgl. auch Laffont, Tirole (1991). Vgl. Laffont, Tirole (1994, S, 476). Wie schon erwähnt, ist diese Bezeichnung der gesamten Wettbewerbslandschaft als Ecosystem nicht zu verwechseln mit „business ecosystems“ („ecosystem-as-affiliation“ und „ecosystems as-structure“) im Sinne von Adner (2017), die in Kapitel 3.3.2 betrachtet werden (vgl. auch Aarikka-Stenroos u. a. 2017). Vgl. Teece u. a. (1997). Vgl. Gans, Ryall (2017). Vgl. Jacobides u. a. (2018). Vgl. ebd. Vgl. Moore (1996). Vgl. Jacobides, MacDuffie (2013). Vgl. Hymer (1977) und Kindleberger (1969) und darauf bezogen Proff (2004a, S. 158 – 159) oder z. B. Holtbrügge, Welge (2015). Makino u. a. (2002). Vgl. Cohen, Leventhal (1990, S. 133) und darauf bezogen Proff, Proff (2013, S. 277). Vgl. z. B. Knickerbocker (1973) und darauf bezogen z. B. Proff (2004a, S. 159–160). Vgl. Heuskel (1999); Bresser u. a. (2000) oder Albach u. a. (2002). Vgl. volkswirtschaftliche Oligopolmodelle mit Markteintritt. Vgl. Scott (1982, S. 372–374). Vgl. auch Proff (2002a, S. 174). Baum, Korn (1996). Ebd. (S. 255) und Proff (2002a, S. 175). Vgl. Kirchhoff (2003, S. 39).

2.3 Ausdifferenzierung der strategischen Ausrichtung multinationaler Automobilunternehmen: Von Wettbewerbsstrategien zu Geschäftsmodellen 2.3 Ausdifferenzierung der strategischen Ausrichtung

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

In den Kapiteln 2.1 und 2.2 wurde begründet, dass die Ausdifferenzierung der Automobilmärkte und der Wettbewerbslandschaft seit der Jahrtausendwende die Umfeldkomplexität für multinationale Automobilunternehmen erhöht. Angeregt durch die „New Economy“ verändern Hersteller und Zulieferer deshalb ihre strategische Ausrichtung: die traditionellen Wettbewerbsstrategien als Allokati­ onsentscheidungen über knappe Ressourcen zur Erzielung von Wettbewerbsvor­ teilen1 werden zu komplexeren Geschäftsmodellen weiterentwickelt 2. Zuvor hatten Automobilunternehmen eine relativ ähnliche Wertarchitektur mit einer weitge­ hend integrierten Wertschöpfungskette. Dabei wurde angenommen, dass sie bei konsequenter Ausrichtung auf ihre Wettbewerbsvorteile einen Nutzen am Markt erzielen, der an den Preis gekoppelt ist. Seither nutzen sie weitere Freiheitsgrade, • durch Zerlegung der integrierten Wertschöpfungsketten werden alternative Wertarchitekturen möglich, z. B. die Spezialisierung auf einzelne Wertschöp­ fungsaktivitäten wie FuE und Marketing, wenn die Produktion auf Zulieferer verlagert wird3, • durch Ausgestaltung des Nutzens können sie unterschiedliche Nutzenverspre­ chen geben, die für und zunehmend mit den Kunden geschaffen werden, z. B. Nutzen durch Integration und Individualisierung der Kundenlösungen4 und • durch Analyse der Gewinnerzielung sind verschiedene Gewinnmodelle5 denkbar. In diesem Kapitel wird zunächst gezeigt, dass heute Geschäftsmodelle Wettbe­ werbsstrategien um zusätzliche Komponenten ergänzen: um Wertarchitektur, Nutzenversprechen und Gewinnmodell (Abschnitt 2.3.1). Anschließend werden Erklärungen gesucht, um Wettbewerbsstrategien von Geschäftsmodellen abzu­ grenzen und Besonderheiten von Geschäftsmodellen multinationaler Unternehmen aufgezeigt (Abschnitt 2.3.2). In Abschnitt 2.3.3 werden schließlich die Chancen und Risiken einer Ausdifferenzierung von Wettbewerbsstrategien zu Geschäftsmodellen für multinationale Automobilunternehmen angesprochen (Abschnitt 2.3.3), vor allem die weiter steigende Komplexität.

57

58

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

2.3.1 Von Wettbewerbsstrategien zu Geschäftsmodellen multinationaler Automobilunternehmen Trotz der Flut an Literatur zu Geschäftsmodellen6 etwa seit Beginn des Jahrtausends, werden sie bis heute nicht eindeutig und übereinstimmend definiert7. Der Begriff kam mit der Entwicklung des Internet und des E-Business Mitte der 90er Jahre auf und wird sehr unterschiedlich gefasst und inflationär verwendet. Das liegt daran, dass zu Geschäftsmodellen in unterschiedlichen Disziplinen wie strategisches Ma­ nagement, Innovationsmanagement und Entrepreneurship gearbeitet wird und dass von Geschäftsmodellen auf der Mikro-Ebene (Geschäftsmodell des individuellen Akteurs), auf der Meso-Ebene (Geschäftsmodell eines Unternehmens) und auf der Makro-Ebene (Geschäftsmodelle einer Branche) gesprochen wird8. Bezogen auf ein Unternehmen können Geschäftsmodelle als Ausdifferenzierung von Wettbewerbs­ strategien verstanden werden und werden auf einzelne Geschäftsbereiche bezogen. In den 1950er Jahren galten Einproduktunternehmen bzw. einzelne Geschäftsbe­ reiche als mikroökonomische Mengenanpasser, die Güter herstellen und die Kosten durch Optimierung der Menge minimieren (Strategie der Kostenführerschaft). Andere Wettbewerbsvorteile wurden ausgeblendet (Abb. 2.3-1a)9. Seit den Arbeiten von Michael Porter10 in den 1970er und 1980er Jahren werden Wettbewerbsstrategien als Allokationsentscheidungen zur Erzielung von Wett­ bewerbsvorteilen definiert, da sie die Ressourcenallokation und die angestrebten Wettbewerbsvorteile als erste und zweite Wahlentscheidung bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen bzw. als Komponenten von Geschäftsmodellen einschlie­ ßen. Dabei werden zwei, später drei Strategien unterschieden: Kostenführerschaft, Differenzierung11 sowie (gemischte) Hybridstrategien der kostenminimalen Diffe­ renzierung12, von Porter als generische Wettbewerbsstrategien bezeichnet. Sie ver­ binden die Ressourcenallokation auf ein enges Wettbewerbsfeld (Konzentration der Ressourcen auf wenige Marktsegmente) oder ein breites Wettbewerbsfeld (Streuung der Ressourcen zur Bearbeitung des Gesamtmarkts) mit den Wettbewerbsvorteilen niedrige Kosten, Differenzierung oder kostenminimale Differenzierung. Die gene­ rischen Wettbewerbsstrategien wurden später durch Produktinnovationsstrategien ergänzt13, die auf den Wettbewerbsvorteil der Produktinnovationsfähigkeit im engen oder breiten Wettbewerbsfeld abzielen (Abb. 2.3-1a).

Abb. 2.3‐1, S.  2.3 Ausdifferenzierung der strategischen Ausrichtung

59

a) Wettbewerbsstrategien  (Ressourcenallokation und Wettbewerbsvorteile) Kostenführer mit integrierter Wertkette / Wertarchitektur

seit den  950er Jahren

980er und  990er Jahre 

2. Wahlentscheidung: Wettbewerbsvorteil

. Wahlentscheidung: Ressourcenallokation • enges Wettbewerbsfeld (Nische) • breites Wettbewerbsfeld (Gesamtmarkt)

• niedrige Kosten • Differenzierung

• kostenminimale Differenzierung • Produktinnovationsfähigkeit

(mit dahinter liegenden Einzelvorteilen wie z.B. Werbung, überlegene Produktqualität)

mit  • integrierter Wertarchitektur • auf den  reis bezogenem Nutzenversprechen • Gewinnspanne

Unternehmensinfrastruktur Personalwirtschaft

b) Geschäftsmodelle (mit drei weiteren Komponenten: Wertarchitektur, Nutzenversprechen und Gewinnmodell)

Technologieentwicklung (TE) Beschaffung (B) Ein‐ Aus‐ Marke‐ Kunden‐ Fer‐ gangs‐ tigung gangs‐ ting/ dienst logistik (F) logisitk Vertrieb (V)

seit dem Jahr 2000 . Wahlentscheidung: Wertarchitektur (Konfiguration der Wertschöpfungskette) Integration (integrierte Wert‐ schöpfungskette )  Orchestrierung  (Koordination der  Zulieferer in  einem Netzwerk) Spezialisierung  (Konzentration auf  ausgewählte  Wertschöpfungs‐ aktivitäten) Pioniertätigkeit  (Einführung einer  neuen Wertaktivität  in die traditionelle    Wertschöpfungskette)

B

B

TE

TE

F

V

. Wahlentscheidung: Nutzenversprechen (mit verschiedenen Teilnutzen) V

Produkt‐ versprechen

externe Anbieter

B

B

TE

TE

5. Wahlentscheidung: Gewinnmodell

V

V

Dienst‐ leistungs‐ versprechen

Versprechen eines  Gebrauchs‐ nutzens

Nutzen‐ versprechen

Marken‐ versprechen

Erlös‐ modell

Interaktions‐ versprechen

Gewinne

Integrations‐ versprechen

Individualisierungs‐ versprechen

Kosten‐ struktur

Erlösposition 1 /  Gesamterlöse Erlösposition 2 / Gesamterlöse . . .  Kostenposition 1 /  Gesamtkosten Kostenposition 2 /  Gesamtkosten . . . 

Abb. 2.3-1 Ausdifferenzierung von Wettbewerbsstrategien zu Geschäftsmodellen in einem Geschäftsbereich Quelle: eigener Entwurf in Erweiterung von Proff u. a. (2014a, S. 57)

Mit Ausnahme einiger hoch innovativer Zulieferer, verfolgen die meisten Au­ tomobilunternehmen in den traditionellen Geschäftsbereichen für die Verbren­ nungstechnologie Wettbewerbsstrategien der Kostenführerschaft oder/und der Differenzierung, die sich mit der steigenden Komplexität im Unternehmensumfeld durch Ausdifferenzierung der Märkte und Wettbewerbslandschaft (Kapitel 2.1 und 2.2) immer mehr angleichen. In der Automobilindustrie zeigt sich dies an der klaren Tendenz zu hybriden Wettbewerbsstrategien der kostenminimalen Differenzierung, z. B. durch Verwendung von Plattformen, Gleichteilen und Baukästen. Automo­

60

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

bilunternehmen fällt es deshalb immer schwerer, sich von den Wettbewerbern abzuheben und Wettbewerbsstrategien verfehlen oft das Ziel, überdurchschnittliche Gewinne zu erwirtschaften. In dieser Situation bieten Geschäftsmodelle den Unternehmen zusätzliche Frei­ heitsgrade, da sie implizit die Annahmen traditioneller Wettbewerbsstrategien infrage stellen (vgl. Abschnitt 2.3.2), dass sich Wettbewerbsstrategien immer auf Leistungen mit einer integrierten Wertschöpfungskette beziehen, die dem Kunden einen (an den Preis gekoppelten) Nutzen stiften und damit die Gewinnspanne be­ gründen. Geschäftsmodelle begründen stattdessen eigenständige Entscheidungen über die Wertarchitektur, das Nutzenversprechen sowie über die Ausgestaltung des Gewinnmodells (vgl. Abb. 2.3-1b und zur Begründung von Geschäftsmodellen vgl. Abschnitt 2.3.2). Die Wertarchitektur ist die dritte Wahlentscheidung bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen bzw. dritte Komponente von Geschäftsmodellen. Sie bezieht sich auf die Wertkette, die von McKinsey14 entwickelt und von Michael Porter15 aufgegriffen wurde und alle Aktivitäten eines Geschäftsbereichs umfasst, die zur Gewinnspanne beitragen (Produktion, Logistik, Marketing/Vertrieb, Beschaffung, FuE, Personal und Unternehmensinfrastruktur). Die Wertarchitektur bezeichnet die Konfiguration der Wertkette und wird „als Schlüssel zur Erlangung von Wett­ bewerbsvorteilen gesehen“16. Bei der Gestaltung der Wertkette haben Unternehmen die Wahl zwischen vier verschiedenen Wertarchitekturen17, zwischen 1. Optimie­ rung integrierter Wertketten („Integration“), 2. Zerlegung der Wertketten durch Auslagerung von Wertschöpfungsaktivitäten auf Zulieferer und Koordination von Zulieferern in einem Netzwerk, um andere Aktivitäten ans Unternehmen zu binden („Orchestrierung“), 3. Konzentration auf ausgewählte Wertschöpfungsaktivitäten, um Skalen- und Kompetenzvorteile zu erreichen („Spezialisierung“) und 4. Suche nach neuen Wertschöpfungsaktivitäten („Pioniertätigkeit“). Damit beschränkt sich die Wertarchitektur nicht nur auf die Wertkette eines einzelnen Unterneh­ mens, sondern ist verbunden mit den Wertketten der Lieferanten, Abnehmer und Kooperationspartner im Wertschöpfungssystem einer Branche18. Das Nutzenversprechen (vierte Wahlentscheidung bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen bzw. vierte Komponente von Geschäftsmodellen) wird erst seit der Begriffseinführung durch Bower und Garda (1985) thematisiert19. Es besteht jedoch noch kein einheitliches Verständnis von Nutzenversprechen. Mit Osterwalder (2004) wurde das Nutzenversprechen erstmals im Kontext von Ge­ schäftsmodellen ausdifferenziert, zunächst in Grund- und Zusatznutzen, den die von einem Unternehmen angebotene Leistung für Kunden stiftet. Dabei wurde zwischen 1. einem Produktversprechen oder/und 2. einem Dienstleistungsverspre­

2.3 Ausdifferenzierung der strategischen Ausrichtung

61

chen (z. B. durch Modelle zur Finanzierung der angebotenen Leistungen) sowie 3. einem Markenversprechen (z. B. Zuverlässigkeit) unterschieden20. Seit 2004 wird der Prozess der gemeinsamen Nutzenschaffung von Unternehmen und Kunden („value co-creation“) thematisiert und es werden weitere Teilnutzenversprechen unterschieden: 4. ein Integrationsversprechen durch mehrwertstiftende Integ­ ration einer Vielzahl miteinander verknüpfter Produkte und Dienstleistungen ggf. auch durch eine Anbietergemeinschaft, 5. ein Interaktionsversprechen durch interaktive Gestaltung der Wertschöpfung zusammen mit dem Kunden und 6. ein Individualisierungsversprechen durch effiziente Individualisierung von Leistungen entsprechend den Bedürfnissen der Kunden21. Da selbst damit das Nutzenverspre­ chen letztlich immer noch von den Anbietern getrieben ist, wird vorgeschlagen, dass Unternehmen den Kunden 7. einen Gebrauchsnutzen versprechen, der erst bei der Nutzung des Produktes durch den Kunden entsteht22. Das Gewinnmodell (fünfte Komponente von Geschäftsmodellen) zeigt die Ertragsmechanik 23, d. h. wie durch Minimierung der Kosten (Entscheidung über Ressourcenallokation und Wertarchitektur) und Maximierung der Erlöse (Festlegung des Nutzenversprechens und der Wettbewerbsvorteile) Geld verdient werden kann. Das Erlösmodell nennt auf der Geschäftsbereichsebene die einzelnen Erlösquel­ len, das Preismodell die Preisgestaltung24. Die Kostenstruktur ergibt sich aus den direkten und den indirekten Kosten, getrieben durch die für das Geschäftsmodell erforderlichen Schlüsselressourcen25. Das Gewinnmodell lässt erkennen, welchen Beitrag eine Aktion, z. B. der Übergang zu einer neuen Antriebstechnologie, zum Gewinn leistet. Eine fünfte Wahlentscheidung sind die Überlegungen zum Ge­ winnmodell vor allem bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle aus Sicht des Technologie- und Innovationsmanagements sowie des Gründungsmanagements (Entrepreneurship)26, wenn zuerst das Gewinnmodell bzw. die Ertragsmechanik bestimmt wird und sich daraus – in einem inkrementellen Strategieverständnis – erst die Entscheidungen zur Optimierung des Nutzenversprechens und der Wettbewerbsvorteile, der Wertarchitektur und der Ressourcenallokation durch Experimentieren ergeben („discovery driven approach“27). In kapitalintensiven Branchen mit hohen Investitionen in Marke und Produktionsanlagen sind Experi­ mente nur begrenzt möglich. Dort wird eher das Gewinnmodell als Ergebnis einer strategischen Entscheidung über Ressourcenallokation und Wettbewerbsvorteile gesehen, für die eine (kostenminimale) Wertarchitektur und ein ertragsmaximales Nutzenversprechen gesucht wird (Abb. 2.3-1b). Für Wettbewerbsstrategien wurde in Erweiterung von Porter (1980) eine Typo­ logie mit acht generischen Strategiealternativen auf der Geschäftsbereichsebene entwickelt (Abb. 2.3-2a)28. Eine solche Typologie generischer Handlungsoptionen

62

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

ist für Geschäftsmodelle mit fünf Komponenten nicht möglich. Bei zwei Varianten 4 Abb. 2.3‐2, S.  4 Abb. 2.3‐2, S.  der Ressourcenallokation, vier möglichen Wettbewerbsvorteilen, vier alternativen

Konfigurationen der Wertkette (Wertarchitekturen) und sieben Nutzenversprechen gibt es 224 Optionen, um Gewinne zu erzielen (vgl. Abb. 2.3-2b). Geschäftsmodelle können aber über eine Finanzachse (mit den Komponenten Ressourcenallokation und Gewinnmodell) und eine leistungsbezogene Achse (mit den Komponenten Wettbewerbsvorteil, Nutzenversprechen und Wertarchitektur, vgl. Abb. 2.3-2b) abgebildet werden.

Abb. sollte bitte heißen: Wettbewerbsstrategien  Abb. sollte bitte heißen: Wettbewerbsstrategien  und  Geschäftsmodelle und  Geschäftsmodelle

a) Wettbewerbsstrategien a) (Ressourcenallokation und Wettbewerbsvorteile) Wettbewerbsstrategien (Ressourcenallokation und Wettbewerbsvorteile) Ressourcenallokation Ressourcenallokation (Wettbewerbsfeld) (Wettbewerbsfeld)

eng eng (wenig Marktsegmente) (wenig Marktsegmente) niedrige Kosten niedrige Kosten Wett‐ Wett‐ bewerbs‐ bewerbs‐ vorteil vorteil

Differenzierung Differenzierung kostenminimale kostenminimale Differenzierung Differenzierung Produktinno‐ Produktinno‐ vations‐ähigkeit vations‐ähigkeit

Kostenführerschaft Kostenführerschaft in einem engen Wettbewerbsfeld in einem engen Wettbewerbsfeld Differenzierung Differenzierung in einem engen Wettbewerbsfeld in einem engen Wettbewerbsfeld

breit breit (viele Marktsegmente) (viele Marktsegmente)

Kostenführerschaft Kostenführerschaft in einem breiten Wettbewerbsfeld in einem breiten Wettbewerbsfeld Differenzierung Differenzierung in einem breiten Wettbewerbsfeld in einem breiten Wettbewerbsfeld

Hybridstrategie Hybridstrategie Hybridstrategie in einem engen Wettbewerbsfeld Hybridstrategie in einem breiten Wettbewerbsfeld in einem engen Wettbewerbsfeld in einem breiten Wettbewerbsfeld Produktinnovationsstrategie Produktinnovationsstrategie Produktinnovationsstrategie in einem engen Wettbewerbsfeld Produktinnovationsstrategie in einem breiten Wettbewerbsfeld in einem engen Wettbewerbsfeld in einem breiten Wettbewerbsfeld

8  8  alternative  alternative  Wettbewerbs‐ Wettbewerbs‐ strategien strategien

b) Geschäftsmodelle b) Geschäftsmodelle (mit drei weiteren Komponenten: Wertarchitektur, Nutzenversprechen und Gewinnmodell) (mit drei weiteren Komponenten: Wertarchitektur, Nutzenversprechen und Gewinnmodell)

leistungsbezogene Achse leistungsbezogene Achse • enges  Wettbewerbsfeld •• enges  Wettbewerbsfeld breites Wettbewerbsfeld • breites Wettbewerbsfeld

Wert‐ Wert‐ architektur architektur

Finanzachse Finanzachse

Ressourcen‐ Ressourcen‐ allokation allokation

• niedrige Kosten •• niedrige Kosten Differenzierung •• Differenzierung kostenminimale Differenzierung kostenminimale Differenzierung •• Produktinnovationsfähigkeit • Produktinnovationsfähigkeit

• Integrator •• Integrator Orchestrator •• Orchestrator Spezialist •• Spezialist Pionier • Pionier Gewinnmodell Gewinnmodell

Wett‐ Wett‐ bewerbs‐ bewerbs‐ vorteil vorteil

Nutzen‐ Nutzen‐ Ver‐ Ver‐ sprechen sprechen

22   22   Optionen der  Optionen der  Gewinn‐ Gewinn‐ erzielung erzielung

Produktversprechen Produktversprechen Dienstleistungsversprechen Dienstleistungsversprechen Markenversprechen Markenversprechen Integrationsversprechen Integrationsversprechen Individualisierungsversprechen Individualisierungsversprechen Interaktionsversprechen Interaktionsversprechen Versprechen eines Gebrauchsnutzens Versprechen eines Gebrauchsnutzens

Abb. 2.3-2 Wettbewerbsstrategien und Geschäftsmodelle Quelle: eigene Darstellung bezogen auf Proff (2002a, S. 390) und Proff u. a. (2014a, S. 50)

2.3 Ausdifferenzierung der strategischen Ausrichtung

63

2.3.2 Erklärungen der Komponenten (internationaler) Geschäftsmodelle In diesem Abschnitt sollen nun (1) Erklärungen für die Ausdifferenzierung tra­ ditioneller Wettbewerbsstrategien zu Geschäftsmodellen (auf der Ebene einzelner Geschäftsbereiche) gesucht werden. Anschließend werden kurz (2) die Besonderheiten von Geschäftsmodellen multinationaler Unternehmen betrachtet.

Zu (1): Erklärung von Geschäftsmodellen auf der Ebene einzelner Geschäftsbereiche Bereits zur Erklärung von Wettbewerbsstrategien gibt es keine umfassende The­ orie, weil Wettbewerbsvorteile aus unterschiedlichen Forschungsrichtungen (der markt- und der ressourcen- bzw. kompetenzorientierten Sichtweise) im strategischen Management begründet werden und die Ressourcenallokation daneben auf die In­ vestitions- und Finanzierungstheorie bezogen wird, daraus aber nicht systematisch begründet werden kann. Die acht alternativen Wettbewerbsstrategien in Erweiterung von Porter (Abb. 2.3-2a) gelten zudem nur begrenzt: die Ressourcenallokation in Abhängigkeit vom Engagement der Shareholder und vom Marktwachstum und die Wettbewerbsvorteile in Abhängigkeit von der Umfelddynamik 29. Noch weniger als Wettbewerbsstrategien können Geschäftsmodelle, die zusätzliche Entscheidungen berücksichtigen, umfassend begründet werden. Erklärungen der Ressourcenallokation auf der Finanzachse von Geschäftsmodellen (Abb. 2.3-2b und Abb. 2.3-5b) bietet die Investitions- und Finanzierungstheorie30, die die Verteilung knapper Ressourcen auf unternehmerische Aktivitäten (Konzen­ tration oder Streuung) betrachtet. Dabei gilt es nicht nur die kurzfristige finanzielle Leistungsfähigkeit („performance“) zu sichern, sondern auch die langfristige strate­ gische Gesundheit („strategic health“)31, d. h. die Existenzfähigkeit, um auch künftig lebensfähig bleiben zu können, z. B. durch Investitionen in Wissen und Kompeten­ zen. Da es keine allgemeingültige Erklärung der Ressourcenallokation gibt, kann die Allokationsentscheidung nur in Abhängigkeit vom Marktwachstum und vom Engagement der Shareholder getroffen werden: Vor allem in wachsenden Märkten, aber auch bei passiven Shareholdern ist eine Streuung der Ressourcen auf ein breites Wettbewerbsfeld mit vielen Marktsegmenten wahrscheinlich. In schrumpfenden Märkten bzw. bei aktiven Shareholdern ist dagegen meist nur eine Konzentration der Ressourcen auf ein enges Wettbewerbsfeld (Nische) möglich, weil das notwendige Kapital fehlt oder die Shareholder auf die Ausschüttung von Dividenden drängen32. Eine Erklärung von Wettbewerbsvorteilen bietet zunächst die marktorientierte Sichtweise im strategischen Management, die auf Michael Porter (1980, 1985)

64

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

zurückgeht. Sie stützt sich auf die volkswirtschaftliche Marktstrukturtheorie (Forschung zur „Industrial Organization“) und dabei auf ein Oligopolmodell, das Dyopolmodell von Dixit (1979), das einen etablierten und einen neuen Wettbe­ werber sowie Präferenzen für das etablierte Unternehmen unterstellt (Abb. 2.33). Damit wird begründet, dass ein etabliertes Unternehmen durch kurzfristige Überschreitung der gewinnoptimalen Angebotsmenge die (Stück)Kosten soweit senken kann, dass die abgesetzte Menge des neuen Wettbewerbers so weit sinkt, dass seine Fixkosten nicht mehr gedeckt werden. Niedrige Kosten sind damit ein 33 Abb. 2.3‐3, S.  4 Wettbewerbsvorteil . Entsprechend werden Differenzierungsvorteile trotz hoher Kosten z. B. für Werbung und überlegene Produktqualität durch Schaffung einer Einmaligkeit aus Sicht der Kunden begründet34.

x2 Q2 R1

R2

M2 N2

Ableitung der Wettbewerbsvorteile

S

0

• niedrige Kosten • Differenzierung

N

N1

M1

A1 B1 Z1

Q1

x1

Abb. 2.3-3 Grundmodell der traditionellen Industrial Organization Forschung mit komparativ-statischer Analyse des Markteintritts zwischen zwei Zeitpunkten Quelle: Proff (2007, S. 66 bezogen auf Dixit 1979)

Dem Modell von Dixit liegen stark vereinfachende Annahmen zugrunde, v. a. 1. Koppelung von Kosten- und Nutzenzuwachs entlang der Wertschöpfungskette, 2. gleiche Durchschnittskosten für alle Anbieter bei gleichem Ressourceneinsatz­ verhältnis, 3. vollkommene Rationalität des Strategieplaners (vollkommene Information) und ein weitgehend vorhersehbares Umfeld, an das sich ein Unternehmen anpassen muss,

2.3 Ausdifferenzierung der strategischen Ausrichtung

65

4. Betrachtung des bestehenden Marktes, 5. keine Transaktionskosten (integrierte Wertarchitektur), 6. Differenzierung nur über Preise und damit eine einfache (an den Preis gekop­ pelte) Nutzenfunktion und 7. Gewinn als Ergebnis, nicht aufgrund einer Entscheidung Die marktorientierte Sichtweise wurde später durch zusätzliche Erklärungen er­ weitert, die diese sieben Annahmen aufgeben35. Zunächst gab es empirische Hinweise, die der Annahme widersprachen, Kos­ ten- und Nutzenzuwachs entlang der Wertschöpfungskette seien gekoppelt, weil ein höherer Nutzen (Qualität bzw. Differenzierung) höhere Kosten verursacht, während bei niedrigen Kosten bzw. einem niedrigen Preis auch nur Standardqua­ lität angeboten werden kann. Bereits die PIMS-Studie36 vermutete in den 1970er Jahren eine Verbindung von Preis und überlegener Qualität. Andere empirische Untersuchungen konnten später die Annahme hybrider Wettbewerbsvorteile der kostenminimalen Differenzierung bestätigen und ihre höhere Leistungsfähigkeit (bezogen auf Rentabilität und Wachstumsdynamik) gegenüber „eindimensiona­ len“ Wettbewerbsvorteilen belegen. Hybride Strategien wurden auch theoretisch begründet: mikroökonomisch über Varietätsstrategien, die Verbundvorteile erzielen, Qualitätsstrategien, die die Fehlerhäufigkeit und Nachbesserungskosten senken und Innovationsstrategien, die Zeit- und Geschwindigkeitsvorteile bringen. Be­ triebswirtschaftlich lässt sich begründen, dass eine Entkoppelung von Kosten- und Nutzenzuwachs entlang der Wertschöpfungskette möglich ist, wenn z. B. durch Gleichteilstrategien bei kundenfernen Aktivitäten (z. B. in der Produktion) die Kosten gesenkt werden können, ohne dass der Nutzen für den Kunden abnimmt. Er nimmt nicht ab, wenn weiterhin durch kundennahe Aktivitäten (vor allem Marketing und Vertrieb) eine differenzierte Kundenansprache gelingt37. Die ressourcenorientierte Sichtweise im strategischen Management38 erklärt ebenfalls Wettbewerbsvorteile. Dabei gibt sie die zweite Annahme gleicher Durch­ schnittskosten für alle Anbieter im Dixit-Modell auf und begründet im Sinne der Markttheorie im engen Sinne die Möglichkeit, Durchschnittskosten durch bessere Ressourcenausstattung oder durch einen produktiveren Ressourceneinsatz zu senken. Ressourcenorientierte Wettbewerbsvorteile lassen sich damit durch Heterogenität vorteilschaffender Ressourcen begründen39: zunächst Wettbewerbsvorteile an den Absatzmärkten durch 1. Nutzenstiftung bei der Wahl und 2. bei der unternehmens­ dienlichen Verwendung von Inputressourcen, zudem Wettbewerbsvorteile auf den Beschaffungsmärkten durch 3. den Einsatz still gehaltener Ressourcen in Routinen, 4. den Einsatz komplexer organisatorischer Ressourcen sowie 5. die Verwendung unternehmensspezifischer Ressourcen. Mit Hilfe des Kompetenzansatzes lässt sich

66

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

begründen, dass vorteilschaffende Ressourcen zu Kompetenzen veredelt werden können, wenn sie mit der Umfelddynamik abgestimmt werden, d. h. wenn sie in einem stabilen Umfeld mit geringen und seltenen Veränderungen 6. ständig ver­ bessert oder in einem sich allmählich verändernden Umfeld 7. verändert werden. Diese ressourcen- und kompetenzorientierten Wettbewerbsvorteile können die marktorientierten Wettbewerbsvorteile (niedrige Kosten oder/und Differenzie­ rungsvorteile) im Geschäftsbereich stützen. Der Kompetenzansatz überwindet aber auch die dritte und vierte Annahme der markorientierten Sichtweise. Er lässt nicht nur unvollkommene Rationalität zu und ein unvorhersehbares Umfeld, sondern begründet zudem in einem dynamischen Umfeld mit starken und häufigen Veränderungen Zeitmonopole. Zeitmonopole können in einem neuen Markt durch Kompetenzaufbau und innovative Produkte und Dienstleistungen (bis die Patente auslaufen) gewonnen werden. Diese Erklärung entspricht Erklärungen der Österreichische Schule um Schumpeter (Erklärung von Pionierunternehmern40) und von Hayek und den verhaltenswissenschaftlichen Erklärungen von Fähigkeiten zur Änderung der Managementprozesse. Damit begründet der Kompetenzansatz einen weiteren Wettbewerbsvorteil: (Produkt) Innovationsfähigkeit41. Mit der Ausdifferenzierung von Wettbewerbsstrategien zu Geschäftsmodellen wurden auch noch die anderen drei Annahmen der marktorientierten Sichtweise aufgegeben (vgl. Abb. 2.3-5). So lassen sich Alternativen zu einer integrierten Wertarchitektur in Abhän­ gigkeit von den Transaktionskosten42 und von der Kompetenzbasis43 erklären. Mit Hilfe der Transaktionskostentheorie lässt sich begründen, dass Unternehmen Produktionskostenvorteile spezialisierter Zulieferer (∆C) nutzen können, wenn sie die Transaktionskostennachteile bei Anbahnung, Verhandlung, Abschluss und Durchsetzung der Verträge mit den Zulieferern (∆G) in den Griff bekommen und Nachverhandlungen44 der Lieferanten begrenzen können. Sie werden dann Wert­ schöpfung an spezialisierte Lieferanten auslagern45. Die wissensbasierte Theorie der Unternehmung46 wie auch die kompetenzbasierte Theorie der Unternehmung47 sehen ein Unternehmen dagegen als Quelle von spezifischem (technologischem und organisatorischem) Wissen. Wissen und Kompetenzen sind in wettbewerb­ sintensiven Branchen kritische Inputfaktoren für die Produktion, in der aktiven Verknüpfung und Weiterentwicklung von Wissen und Kompetenzen wird ein zentraler Wettbewerbsvorteil gesehen. Die wissens- und kompetenzbasierten Theorien erklären eine vertikale Integration durch Optimierung der integrierten Wertschöpfungskette als optimale Wertarchitektur48.

2.3 Ausdifferenzierung der strategischen Ausrichtung

67

Um Produktionskosten, Transaktionskosten und Kompetenzen gemeinsam zu betrachten, müssen Produktions- und Transaktionskosten (∆C + ∆G) in Abhän­ gigkeit von der Faktorspezifität betrachtet werden. Die Faktorspezifität bestimmt den Wertverlust, wenn das gemeinsam geschaffene Sach- und Humankapital nicht wie geplant, sondern in der nächstbesten Verwendung eingesetzt wird49. Die Fak­ torspezifität hängt an dem Wissen und den Kompetenzen, die ein Unternehmen in eine Transaktionsbeziehung mit dem Zulieferer einbringt. Grundsätzlich gilt, dass mit steigender Faktorspezifität der Produktionskostenvorteil (∆C) spezialisierter Zulieferer abnimmt, weil sie mit spezifischen Leistungen weniger Größen- und Erfahrungsvorteile erreichen können. Dennoch haben spezialisierte Zulieferer immer günstigere Produktionskosten als ihre Abnehmer, die die betrachteten Teile neben vielen anderen Teilen herstellen. Mit steigender Faktorspezifität steigen aber die Transaktionskosten der Abstimmung mit dem Zulieferer (∆G) und werden zu Nachteilen einer Auslagerung verglichen mit einer Produktion im Unternehmen (vgl. Abb. 2.3-4a). Der Schnittpunkt der spezifitätsabhängigen Produktions- und Trans­ aktionskostenkurven im Unternehmen bzw. in einem einzelnen Geschäftsbereich im Vergleich zum Zulieferer am Markt bestimmt die Grenze der Unternehmung (k*) zwischen Fremdbezug („buy“) und Eigenfertigung („make“).

Abb. 2.3‐4, S. 

a) Entscheidung über Eigenfertigung und Fremdbezug  Produktionskosten ( C)*  Transaktionskosten ( G) *

B

B

 C +  G

C

b) Gestaltung der Wertarchitektur 

G k*

Faktor‐ spezifität k B

Markt

FuE

P

V

FuE

P

FuE

V

FuE

P

V

V

B     = Beschaffung FuE = Forschung und Entwicklung P     = Produktion V     = Marketing/Vertrieb

Abb. 2.3-4 Produktions- und Transaktionskosten in Abhängigkeit von der Faktorspezifität Bitte zumindest die Achsen dünner – waren und sind im Original sogar besonders dünn 

Quelle: nach Williamson (1975)

Orchestrator

(Teil)Spezialist

Unternehmen

* im Unternehmen (Geschäftsbereich) im Vergleich zum Zulieferer (Markt)

Integrator

ionier

68

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

Mit Hilfe des Kompetenzansatzes und der Transaktionskostentheorie kann be­ gründet werden, dass sich Unternehmen nur bei guter Kompetenzbasis in einem weitgehend stabilen Umfeld mit geringen und relativ seltenen Veränderungen darum bemühen können, weitgehend integriert zu sein. Sobald sie in einen Kompetenz­ rückstand geraten, müssen sie sich auf die Wertschöpfungsaktivitäten konzentrieren, in denen sie herausragende Kompetenzen haben und kaum Transaktionskosten bestehen. Sie sollten dann andere Wertschöpfungsaktivitäten konsequent abgeben (Outsourcing). Dadurch streben sie bezogen auf das Kerngeschäft kompetenzbasiert nach alternativen Wertarchitekturen50: Orchestrator, (Teil)Spezialist oder Pionier (vgl. Abb. 2.3-4b): • als Orchestrator koordinieren Unternehmen Zulieferer in einem Netzwerk, selbst wenn sie wenig oder nichts selbst produzieren. Sie nutzen die Kosten­ vorteile spezialisierter Zulieferer, zumindest unter der Annahme, dass sie die Transaktionskosten der Verhandlung und Nachverhandlung mit den Lieferanten kontrollieren können51. • als (Teil)Spezialist konzentrieren sie sich auf wenige, im Extremfall auf eine Wertschöpfungsaktivität, um Größenvorteile zu erzielen und Kompetenzen auch über die Branche hinaus aufzubauen. • als Pionier führen sie eine ganz neue Wertschöpfungsaktivität in die bestehende Wertschöpfungskette ein, z. B. ein IT-Unternehmen, das sich auf die Abrech­ nungsleistung konzentriert. Weiterhin wird auch die Annahme der marktorientierten Sichtweise aufgegeben, eine Differenzierung erfolge gemäß einer einfachen (an den Preis gekoppelten) Nutzenfunktion nur über den Preis. Stattdessen wird nun angenommen, dass ein Nutzenversprechen52 entwickelt werden kann53. Das Nutzenversprechen wurde lange allein auf das Produkt bezogen („goods-dominant logic“54) und marktorientiert als Grund- und Zusatznutzen der angebotenen Leistung für den Kunden begründet. Dem Kunden wurde kommuniziert, dass der Nutzen im Produkt liegt und das Nutzenversprechen somit als Angebot eines potenziellen Nutzens durch den Her­ steller an den Kunden verstanden. Dabei kann zwischen einem Produktversprechen, einem Dienstleistungsversprechen, z. B. eine günstige Finanzierung und einem Markenversprechen (z. B. Zuverlässigkeit) unterschieden werden55. Forschungen zum Konsumentenverhalten vergleichen den vom Kunden wahrgenommener Nutzen mit dem Nutzenversprechen. Dabei wird zwischen einem funktionalen, ökonomischen, symbolischen, emotionalen und ökologischen Nutzen unterschieden56. Vargo und Lusch (2004) fassen Nutzenversprechen weiter und verbinden es mit dem Kundennutzen („service-dominant logic“). Das Nutzenversprechen bezieht sich

2.3 Ausdifferenzierung der strategischen Ausrichtung

69

nun nicht mehr nur auf das Produkt. Stattdessen wird der Prozess der gemeinsamen Nutzenschaffung von Unternehmen und Kunden („value co-creation“) von der Leis­ tungsentstehung bis zum Gebrauch betrachtet. Es fehlt aber noch eine konsistente Erklärung57. Weil Kunden als Ressource gesehen werden, wird in ressourcen- und kompetenzorientierter Sichtweise das Nutzenversprechen (als Mittel) mit dem (Ziel) Kundennutzen abgestimmt. Nach der Means End- (Mittel-Ziel) Theorie58 muss das Nutzenversprechen einer umfassenden Kundenlösung drei miteinander verbundene Teilnutzenversprechen enthalten59: 1. ein Integrationsversprechen durch mehrwertstiftende Integration einer Vielzahl miteinander verknüpfter Produkte und Dienstleistungen zu einer ganzheitlichen Kundenlösung, 2. ein Interaktions­ versprechen durch interaktive Gestaltung der Wertschöpfung zusammen mit dem Kunden und 3. ein Individualisierungsversprechen einer Leistung entsprechend den individuellen Kundenbedürfnissen60. Werden diese Teilnutzenversprechen gemeinsam mit dem Kunden entwickelt, schaffen sie einen „wahrgenommenen Wert“ für den Kunden61, bei dem ebenfalls zwischen einem wahrgenommenen Integrationswert, einem wahrgenommenen Interaktions- oder Beziehungswert und einem wahrgenommenen Individualisierungswert unterschieden werden kann. Da auch die service-dominante Logik letztlich von Anbietern getrieben ist, gibt es Versuche, sie zu einer „consumer-dominant logic“ weiterzuentwickeln62. Danach entsteht der wahrgenommene Kundenwert im kundenindividuellen Kontext aus den Erfahrungen mit der Nutzung des Produktes. Entspricht der wahrgenommene Gebrauchswert („value in use“63) nicht dem erwarteten Gebrauchswert, müssen die Anbieter einen höheren Gebrauchsnutzen zusichern. Die fünfte Komponente von Geschäftsmodellen, das Gewinnmodell, bildet mit der Ressourcenallokation die Finanzachse. Es beruht auf Erklärungen gewinnmaxi­ maler Optionen durch die Investitions- und Finanzierungstheorie und zeigt die Ertragsmechanik64. Die Kostenstruktur beschreibt die direkten und die indirekten Kosten, getrieben durch die für das Geschäftsmodell notwendigen Schlüsselressour­ cen65. Das Gewinnmodell zeigt den Beitrag einer Transaktion zum Gewinn. Die Finanzierungstheorie bietet Hinweise, wie die Rendite unter Beachtung der Risiken optimiert werden kann66 (Aufgabe der letzten Annahme der marktorientierten Sichtweise, Abb. 2.3-5b). Finanzierungsentscheidungen sind damit eigenständige Risiko-Ertrags-Überlegungen.

70

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

a) Erklärung der Komponenten entlang der leistungsbezogenen Achse Erklärung von Wett‐ bewerbs‐ vorteilen

Marktorientierte Sichtweise: Grundmodell mit komparativ‐statischer  Zweiperiodenbetrachtung des Markteintritts  Annahmen: 1. Koppelung von Kosten‐ und Nutzenzuwachs entlang der Wertschöpfungskette 1. gleiche Durchschnittskosten für alle Anbieter bei  gleichem Einsatzverhältnis  1. *   vollkommene Rationalität des Strategieplaners und * weitgehend vorhersehbares Umfeld (an das es sich anzupassen gilt) 3. Betrachtung des bestehenden Marktes 4. keine Transaktionskosten (integrierte Wertarchitektur) 5.     *  Differenzierung nur über Preise und * einfache  (an den Preis gekoppelte) Nutzenfunktion . Gewinn als Ergebnis, nicht als aufgrund einer Entscheidung erweiterte marktorientierte  Sichtweise:

1. niedrige Kosten 2. Differenzierung bei integrierter Wertarchitektur (Integration)

Begründung des hybriden Aufgabe der Annahme  : Entkoppelung von Kosten‐ und Nutzenzuwachs entlang  Wettbewerbsvorteils der Wertschöpfungskette 3. kostenminimale Differenzierung Unterstützung der marktorientierten  Aufgabe der Annahme 2: Verringerung der Durchschnittskosten durch bessere  Wettbewerbsvorteile durch  Ressourcenheterogenität Ressourcenausstattung oder produktiverer  Ressourceneinsatz

Ressourcen‐ orientierte  Sichtweise:

Kompetenz‐ ansatz:

Erklärung von Wertarchi‐ tektur und Nutzen‐ versprechen

Begründung (marktorientierter)  Wettbewerbsvorteile:

Begründung des   (kompetenzbasierten)  Aufgabe der Annahme   und  : unvollkommene Rationalität, unvorhersehbares Umfeld  Wettbewerbsvorteils: (Zeitmonopol in neuem Markt durch Kompetenzaufbau) 4. Produktinnovationsfähigkeit

Transaktions‐ kostenansatz:

Aufgabe der Annahme 5: Ausdifferenzierung der Wertarchitektur

Konsumenten‐ verhaltens‐ theorie

Aufgabe der Annahme 6: Nutzenversprechen in Abstimmung mit  dem Kundennutzen

b) Erklärung der Komponenten entlang der Finanzachse Investitions‐ und  Finanzierungs‐ theorie

optimierte Risiko‐Ertrags‐Konstellationen Aufgabe Annahme 7:  Finanzentscheidungen sind eigenständige  Risiko‐Ertrags‐Überlegungen

Begründung zerlegter Wertarchitekturen: 1. Orchestrierung 2. Spezialisierung 3. Pioniertätigkeit Begründung  alternativer  Nutzenversprechen: 1. Produktversprechen 2. Dienstleistungsversprechen 3. Markenversprechen 4. Integrationsversprechen 5. Individualisierungsversprechen . Interaktionsversprechen . Versprechen eines Gebrauchsnutzens

Fallunterscheidung der Ressourcenallokation • enges Wettbewerbsfeld • weites Wettbewerbsumfeld Begründung einer finanzwirtschaftlichen  Gewinnoptimierung im Gewinnmodells

Abb. 2.3-5 Erklärungen für die Entwicklung von Wettbewerbsstrategien zu Geschäftsmodellen im strategischen Management Quelle: eigener Entwurf nach Dixit (1979)

Die Erklärungen von Geschäftsmodellen und ihren Komponenten stehen oft als verschiedene Sichtweisen („lenses“) nebeneinander67. Die Erklärungen (zumindest der leistungsbezogenen Achse) folgen noch stärker als die von Wettbewerbsstrategien

Abb. 2.3‐5, S.  4

2.3 Ausdifferenzierung der strategischen Ausrichtung

71

einer widersprüchlichen Managementlogik: während die marktorientierte Sichtweise und der Transaktionskostenansatz auf Effizienz und Optimierung abzielen, setzen die Ressourcen- und vor allem Kompetenzperspektive Flexibilität voraus. Diese widersprüchliche Managementlogik begründen zwei unterschiedliche Typen von Geschäftsmodellen68, die weiter ausdifferenziert werden können (vgl. Kapitel 3.5): 1. effizienzorientierte Geschäftsmodelle in einem weitgehend stabilen Umfeld mit den marktorientierten Wettbewerbsvorteilen niedrige Kosten (volumenbasierte, effizienzorientierte Geschäftsmodelle) oder/und Differenzierung (wertbasierte, effizienzorientierte Geschäftmodelle), die durch ressourcen- und kompetenzori­ entierte Vorteile gestützt werden können, bei Optimierung, meist Zerlegung der Wertschöpfungskette (Wertarchitektur des Orchestrator, (Teil)Spezialisten oder Pionier) und einem Nutzenversprechen im Sinne der „goods-dominant logic“ (vgl. auch Kapitel 4.1.2), 2. und flexibilitätsorientierte innovative Geschäftsmodelle in einem dynamischen Umfeld mit dem kompetenzorientierten Wettbewerbsvorteil Produktinnovati­ onsfähigkeit, bei weitgehend integrierter Wertschöpfungskette (Wertarchitektur des Integrators) und einem Nutzenversprechen im Sinne der „service-“ und „consumer-dominant logic“ (Kapitel 4.2.2). Da sich beide Geschäftsmodelle nicht nur widersprechen, sondern gleichzeitig auch ergänzen bzw. bedingen (zur Quersubventionierung innovativer durch traditionelle Geschäftsmodelle und zur Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle durch ein Image als Innovator), besteht ein Paradoxon, das nur mit einem beidhändigen Management ausbalanciert werden kann (Kapitel 4.3.2). Diese Erklärung und Definition von Geschäftsmodellen, ihrer Komponenten und ihrer Abgrenzung von Strategien ist in der Literatur allerdings nicht unumstritten69.

Zu (2): Besonderheiten von Geschäftsmodellen multinationaler Unternehmen Es wurde schon gezeigt, dass bei internationaler Tätigkeit zusätzliche Einzelvorteile möglich sind, z. B. durch „Nutzung komparativer Kostenvorteile“ bei Produktion im Ausland, durch weltweite Beschaffung, „internationale Rentenabschöpfung“70 (Kapitel 1.1) oder die Suche nach neuen Anlagemöglichkeiten, neuem Wissen und neuer Wertschöpfung („asset seeking“, Kapitel 2.2). Selbst in Ländern mit sehr niedrigem Pro-Kopf-Einkommen „at the bottom of the pyramid“71 werden ange­ sichts des Marktpotentials profitable Wachstumsmöglichkeiten gesehen, Strategien und Geschäftsmodelle überdacht und neue Ressourcen und Kompetenzen aufge­ baut oder erworben72. Wettbewerbsvorteile ergeben sich auch durch effizientere

72

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

Nutzung von Produktionsanlagen, Logistik und Ausstellungsflächen sowie durch ein weltweites Angebot aus einer Hand (mit weniger Beschaffungsschnittstellen für international tätige Kunden). Diese zusätzlichen Einzelvorteile verstärken die Wettbewerbsvorteile niedrige Kosten, Differenzierung, kostenminimale Differen­ zierung oder Produktinnovationsfähigkeit. Auch bei den anderen Komponenten von Geschäftsmodellen ergeben sich zusätz­ liche Handlungsmöglichkeiten und -zwänge durch internationale Tätigkeit (vgl. Abb. 2.3-7). Die Ressourcenallokation bezieht sich bei internationaler Tätigkeit nicht nur auf Produktmärkte (auf die bearbeiteten Marktsegmente), sondern auch auf Ländermärkte und kann jeweils konzentriert erfolgen oder streuen. Bei Über­ konzentration auf wenige Produkt- und Ländermärkte besteht die Gefahr einer zu starken Ressourcenzuweisung („overspending“), wodurch Wettbewerbern Märkte überlassen werden. Meist werden jedoch knappe Ressourcen eher zu sehr über viele Produkt- und Ländermärkte gestreut, was die Gefahr eines Verzettelns von Ressourcen („underspending“) birgt und die Gefahr, „die Unternehmenskraft überzustrapazieren, was mit einer zu geringen Wettbewerbsstärke verbunden wäre“73. Gerade angesichts des weltweiten Drucks der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes als weltweitem Umfeldtrend (Kapitel 3.4) entstehen hier große Herausforderungen. Bei internationaler Tätigkeit werden neue Wertschöpfungsstrategien möglich, um die Wertschöpfung im Spannungsfeld von komparativen (Lohn)Kostenvorteilen und Spezialisierungsvorteilen (Erfahrungs- und Größenvorteilen spezialisierter Zulieferer) zu optimieren. Durch Verlagerung der Produktion (Produktionstransfer) in Niedriglohnländer können bei weiterhin integrierter Wertschöpfungskette kom­ parative Kostenvorteile erzielt werden. Daneben lassen sich durch Auslagerung von Wertschöpfung auf Zulieferer (Outsourcing) Spezialisierungsvorteile nutzen und durch Auslagerung auf Zulieferer in Niedriglohnländern (Offshore Outsourcing) gleichzeitig komparative und Spezialisierungsvorteile (vgl. Abb. 2.3-6). Outsour­ cing und Offshore Outsourcing erfordern eine verstärkte Zerlegung der vormals integrierten Wertschöpfungskette und eine Veränderung der Wertarchitektur entweder als Orchestrator, der ein Unternehmensnetzwerk um Kernaktivitäten aufbaut, um Zulieferer ans Unternehmen zu binden oder als Spezialist, der bei Konzentration auf einzelne Wertschöpfungsaktivitäten Größenvorteile anstrebt74. Bei internationaler Tätigkeit bestehen zudem mehr Möglichkeiten für Pioniere, die nach neuen Wertschöpfungsaktivitäten suchen.

2.3 Ausdifferenzierung der strategischen Ausrichtung

73

    



 



       

   

   

 

     

Abb. 2.3-6 Internationalisierung von Wertschöpfungsaktivitäten Quelle: nach Grossman, Helpman (2002), Hofmann (2011)

Bei heterogenen Absatzmärkten (Kapitel 2.1) und ausdifferenzierter Wettbewerbs­ landschaft (Kapitel 2.2) müssen multinationale Unternehmen zudem das Nutzen­ versprechen ausdifferenzieren, um sich in den einzelnen Ländermärkten von den Konkurrenten abzuheben, da der Kundennutzen bzw. der Wert, den eine spezifische Leistung für Kunden schaffen muss, länderspezifisch ist75. Bei Elektrofahrzeugen unterscheiden sich z. B. die Ländermärkte China und Deutschland vor allem durch den ökonomischen Nutzen: deutschen Kunden ist der Anschaffungspreis wichtiger als die Betriebskosten, in China ist es umgekehrt76. Deshalb müssen die Teilnut­ zenversprechen (Produkt- und Dienstleistungsversprechen, Markenversprechen, Integrations-, Interaktions- und Individualisierungsversprechen sowie Versprechen eines Gebrauchsnutzens, vgl. Abb. 2.3-1 und 2.3-2) auch die Besonderheiten in den einzelnen Ländermärkten beachten. Die internationale Ausdifferenzierung von Wettbewerbsvorteilen und Nutzenver­ sprechen beeinflusst auch die internationale Ausrichtung der Geschäftsmodelle, d. h. die Entscheidung sie • multinational bzw. lokal, d. h. marktspezifisch auszurichten, wenn heterogene Be­ dingungen eine Anpassung erfordern, ohne dass ein hoher Kostendruck besteht, • global auszurichten, wenn bei starkem Wettbewerb über den Preis Größenef­ fekte durch Standardisierung sowie Erfahrungs- und Lerneffekte auf allen

74

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

Wertschöpfungsstufen notwendig sind, jedoch keine nationale Anpassung erforderlich ist und • transnational bzw. dual auszurichten, wenn nationale Unterschiede genutzt werden sollen, aber auch Größen- und Verbundvorteile und somit sowohl multinationale als auch globale Vorteile gesucht werden. Bei internationaler Tätigkeit ändern sich auch die Gewinnerwartungen, ausgedrückt durch das Gewinnmodell, aufgrund veränderter Kosten und Erlösmöglichkeiten. Die Kosten werden beeinflusst u. a. durch Möglichkeiten der Ressourcenallokation z. B. in Niedriglohnländer und den verstärkten Zwang, die Wertarchitektur zu zerlegen, die Erlöse durch zusätzliche Möglichkeiten z. B. durch Ausnutzung von Steuervorteilen Wettbewerbsvorteile zu erzielen und durch die Notwendigkeit, das Nutzenversprechen auszudifferenzieren. Durch Transferpreise können die Gewinne bei Faktorkostenunterschieden optimal allokiert werden (vgl. auch Kap. 5.3.2). Bei internationaler Tätigkeit werden somit die Entscheidungen über die einzelnen Komponenten von Geschäftsmodellen komplexer (Abb. 2.3-7).

    

$#($& !#& !# !-$ ("!$"&!# .# (($!!$! !#" $"##/

    # #!$$%! !!#. (#! #!$$ %! !$#!#* !", !(##"+/

  

              ($"#((&!# . "#&!#/

     

($"#("#$ !""' !%"#$& !"! !"

!" ("$"!(!$ ! $#(&!" ! !" (" #!" $$#(

         

Abb. 2.3-7 Besonderheiten von Geschäftsmodellen multinationaler Unternehmen Quelle: eigene Zusammenstellung

2.3 Ausdifferenzierung der strategischen Ausrichtung

75

2.3.3 Chancen und Risiken für multinationale Automobilunternehmen durch die Ausdifferenzierung von Wettbewerbsstrategien zu Geschäftsmodellen Die Ausdifferenzierung von Wettbewerbsstrategien zu Geschäftsmodellen bedeutet Chancen und Risiken für multinationale Automobilunternehmen. Chancen, weil Unternehmen in einem breiteren Spektrum von Aktivitäten mit Geschäftsmodellen mehr Freiheitsgrade haben und Kunden differenzierter ansprechen können als mit Strategien. Selbst wenn hinter den generischen Wettbewerbsvorteilen (niedrige Kosten oder/und Differenzierung sowie Produktinnovationsfähigkeit), die mit Wettbewerbsstrategien angestrebt werden, immer unterschiedliche Einzelvorteile stehen, sind sie doch recht grob. Hinter dem Wettbewerbsvorteil Differenzierung kann z. B. überlegene Produktqualität, Werbung, Image, aber auch schnelle Pro­ duktentwicklung („time-to-market“) wie in der Modebranche stehen. Diese Ein­ zelvorteile unterstellen aber für alle Wettbewerber eine ähnliche Wertarchitektur und unterscheiden nicht, dass Kunden den Nutzen unterschiedlich wahrnehmen können. Geschäftsmodelle ermöglichen dagegen, wie in Abschnitt 2.3.1 erläutert, eine Ausdifferenzierung der Wettbewerbsstrategie77 mit Angaben, durch welche Leistung, Kunden und Wertaktivitäten und über welche Mechanismen Gewinne erzielt werden sollen. Insbesondere durch Angaben zum Individualisierungs-, Integrations-, Interaktions- und Gebrauchsnutzen ist eine sehr genaue Kunden­ ansprache möglich. Geschäftsmodelle erlauben, Erlöspotentiale zu heben. Die Verknüpfung der verschiedenen Aktivitäten begrenzt zudem die Imitierbarkeit und erhöht die Wettbewerbsvorteile. Die Risiken einer Ausdifferenzierung von Wettbewerbsstrategien zu Geschäfts­ modellen bestehen für Automobilunternehmen vor allem darin, kein klares Konzept zu verfolgen und sich angesichts der enorm steigenden Komplexität zu verzetteln78. Geschäftsmodelle sind nämlich nicht aus einer reduktionistischen ökonomischen Sichtweise abgeleitet, sondern ergeben sich durch Aufgabe der restriktiven Annahmen der marktorientierten Sichtweise (Kapitel 2.3.2) und durch Ausdifferenzierung von Wettbewerbsstrategien um drei weitere Komponenten. Dadurch hat sich die Zahl der Wahlentscheidungen stark erhöht, von bisher acht auf 224 (vgl. Abb. 2.3-2). Allein durch Ausdifferenzierung des Nutzenversprechens tritt das eigentliche Produkt zurück. Es wird zur „austauschbare[n] Hülle des relevanten Nutzenversprechens“ und entscheidend wird „die kundengerechte Konfiguration von Wertangebot und adäquater Bereitstellung, etwa in Form ergänzender Convenience-Eigenschaften oder ubiquitärer Verfügbarkeit“79. Damit besteht das Risiko, die Komplexität nicht mehr steuern zu können. Nach Markides (2015, S. 42) müssen Strategien detailliert und verbunden in Geschäftsmodellen ausdifferenziert werden, denn „unless the

76

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

managers take a holistic, big-picture approach in designing their company’s activities, their efforts will backfire: even if each individual activity is optimally crafted, the whole may still suffer, unless their interdependences are properly taken into consid­ eration“. Dabei ist es wichtig, das strategische Management nicht gemäß Ashby der Umfeldkomplexität anzupassen, sondern eine „mittlere Komplexität“80 anzustre­ ben (vgl. Kap. 1.1.3). Dies ist umso wichtiger, da durch die globalen Umfeldtrends (Veränderung der Nachfrage und der Technologien) die Komplexität weiter steigen wird. Deshalb werden in Kapitel 3.5 verschiedene Typen von Geschäftsmodellen in kapitalintensiven Branchen abgeleitet und für die Automobilindustrie konkretisiert. Bei Ausdifferenzierung von Wettbewerbsstrategien zu Geschäftsmodellen können die große Unsicherheit und die Wahlmöglichkeiten dazu führen, dass in multinationalen Unternehmen kein gemeinsames Verständnis der relevanten Handlungsalternativen erreicht wird und keine abgestimmte Entscheidung über die Geschäftsmodelle, die dann auch nicht konsequent umgesetzt werden. Deshalb ist es sehr wichtig, im Top-Management Entscheidungen gemeinsam zu treffen, zu kommunizieren und die Umsetzung durch das Top Management zu treiben.

Endnoten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Vgl. Schreyögg (1984, S. 5) und darauf bezogen Proff (2002a, S. 16), ähnlich Aaker (2013). Vgl. z. B. Proff u. a. (2014a). Vgl. Heuskel (1999), Bresser u. a. (2000) und Albach (2002). Das Nutzenversprechen folgt aus der Betrachtung der Nachfrageseite (z. B. Massa u. a., 2017) gemäß der „service-dominant logic“ (Vargo, Lusch, 2004; Schmitz, Lerch, 2017). Vgl. z. B. Osterwalder, Pigneur (2002, S. 8); Osterwalder (2004); Teece (2010). Vgl. Markides (2015); Martins u. a. (2015); Wirtz u. a. (2016); Massa u. a. (2017). Vgl. z. B. Baden-Fuller, Mangematin (2013); Schmidt (2015b) und Schneckenberg, Spieth (2016). Vgl. Magretta (2002) und Chesbrough, Rosenbloom (2002, S. 532), aber auch Zott u. a. (2011); Schneckenberg, Spieth (2016) und Massa u. a. (2017). Vgl. Proff u. a. (2014a, S. 56–60). Vgl. Caves, Porter (1977) und Porter (1980, 1985). Vgl. Porter (1980, 1985). Vgl. z. B. Fleck (1995). Z. B. bezogen auf Schumpeter (1912) und den „Prospector“ bei Miles, Snow (1978). Vgl. z. B. Gluck (1980). Vgl. Porter (1985, S. 37) und ähnlich zu Knyphausen-Aufseß, Meinhard (2002, S. 71).

2.3 Ausdifferenzierung der strategischen Ausrichtung

77

16 Z. B. zu Knyphausen-Aufseß, Meinhard (2002, S. 70). Dabei werden die Begriffe „Wert­ kette“ und „Wertschöpfungskette“ in der Regel synonym verwendet (ebd., S. 69). 17 Vgl. vor allem Heuskel (1999); aber auch Bresser u. a. (2000) oder Proff, Proff (2013). 18 Vgl. Porter (1985, S. 34–35). 19 Es wurde von der Unternehmensberatung McKinsey&Company 1988 aufgegriffen (vgl. Lanning, Michaels 1988, S. 53) und ist heute in der Unternehmenspraxis verbreitet (vgl. z. B. Frow und Payne 2008 und den Überblick bei Schleiffer 2019). 20 Vgl. Schleiffer (2019) bezogen auf Gebauer u. a. (2005), und Burmann u. a. (2006 und 2015). 21 Vgl. Vargo, Lusch (2004), aber auch Prahalad, Ramaswamy (2004); Sawhney (2006); Ballantyne, Varey (2006); Grönroos (2012) und Ranjan, Read (2016) und darauf bezogen Schleiffer (2019). 22 Vgl. ebenfalls Vargo, Lusch (2004) und Schleiffer (2019). 23 Vgl. auch Osterwalder, Pigneur (2002, S. 8), Osterwalder (2004) und Teece (2010), aber auch Johnson u. a. (2008); DaSilva, Trkman (2014, S. 385). 24 Vgl. z. B. Bieger, Reinhold (2011, S. 46–49) und zu Knyphausen-Aufseß u. a. (2011, insb. S. 165). 25 Vgl. Johnson et al. (2008). 26 Vgl. Proff u. a. (2014a, S. 59 bezogen auf Chesbrough (2010). 27 McGrath (2010). 28 Vgl. Proff (2002a). 29 Vgl. ebd. 30 Vgl. u. a. Schmidt, Terberger-Stoy (1997); Becker (2012). 31 Vgl. Proff, Proff (2013, S. 341) bezogen auf von Fournier (2005). 32 Vgl. Proff (2002a) und Proff u. a. (2014a, Schritt 2). 33 „Im Grundmodell bei Dixit ist U1 das etablierte Unternehmen und U2 der potenzielle Konkurrent. Die Produktmengen sind x1 (für U1) und x2 (für U2), die entsprechenden Preise p1 und p2. Dixit führt neben variablen auch fixe Kosten ein, die je nach Höhe das Gewinniveau Π1,2, nicht aber die Isogewinnkurven beeinflussen [Abb. 2.3-3]. Die Reaktionsfunktion R2 des potenziellen Konkurrenten U2 beginnt bei M2, dem Punkt wo der Gewinn dieses Unternehmens Π2 maximal und x1 = 0 ist, was einer Monopolmenge für U2 entspricht. Diese Funktion trifft die x1-Achse bei Q1, wo der Gewinn bei Verzicht auf ein Angebot im Markt Π2 = 0 ist, wenn die Fixkosten = 0 sind. Ansonsten gilt Π2 = 0 in Punkt A1, da eine Mindestmenge x2 zur Deckung der Fixkosten im „break-even“Punkt notwendig ist. Ähnlich hat U1 die Reaktionsfunktion R1 von M1 nach Q2. Der Schnittpunkt der beiden Reaktionsfunktionen ist das Cournot-Nash-Gleichgewicht N. Punkt S, wo eine Isogewinnkurve von U1 die Reaktionsfunktion von U2 tangiert, ist der von Stackelberg-Punkt, wobei U1 (das etablierte Unternehmen) Führer und U2 (der neue Wettbewerber) Folger ist. [Abb. 2.3-3] zeigt die konventionellen Isogewinnkurven und die Reaktionsfunktionen der beiden Unternehmen im (x1, x2)-Raum. Der Gewinn Π2 erreicht 0 bei Punkt A1 (mit B1 als dem Punkt auf der Abszisse vertikal unter A1). Wenn der etablierte Anbieter seine Menge x1 im Segment B1Q1 festsetzt, ist es für U2 besser, nicht in den Markt einzutreten. Deshalb ist die Reaktionsfunktion R2 von U2

78

34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53

54 55 56

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen diskontinuierlich, sie besteht aus den beiden Segmenten M2A1 und B1Q1 (einschließ­ lich der jeweiligen Endpunkte). Die Position der Diskontinuität hängt ab vom Niveau der fixen Kosten von U2. Ähnlich erhöhen die Fixkosten von U1 die Diskontinuität in der Reaktionsfunktion“ (Proff, 2002a, S. 124–125). Dixit begründet, dass es für ein etabliertes Unternehmen profitabel sein kann, einen Eintritt zu verhindern, dass das Unternehmen jedoch nicht unbeschränkt Monopolmacht ausüben kann. Letztlich leitet Dixit damit zwei von Bain (1956) nur empirisch begründete Wettbe­ werbsvorteile aus der Reaktionsfunktion und aus der Preis-Absatz-Funktion ab: 1. Skalenvorteile und 2. Vorteile der Produktdifferenzierung (vgl. Proff 2002a, S. 67–69) Vgl. auch Massa u. a. (2017). Vgl. Buzzell, Gale (1987, Kap. 8). Vgl. z. B. Proff, Proff (1997) und darauf bezogen Proff (2007). Vgl. z. B. Barney (1991) und Peteraf (1993). Vgl. Proff (2002a). Vgl. Schumpeter (1912) und Miles, Snow (1978). Vgl. Proff (2002a). Vgl. Williamson (1975). Riordan, Williamson (1985). Vgl. Proff, Proff (2013, Kap. 9). Vgl. Grossman, Hart (1986). Vgl. Grossman, Helpman (2002 und 2003) sowie Grossman u. a. (2006). Vgl. Grant (1996) oder Batchelor (2006). Vgl. z. B. Foss, Knudsen (1996); Sanchez, Heene (2004) oder Freiling u. a. (2008). Vgl. Heuskel (1999) oder Bresser u. a. (2000). Vgl. Bodensteiner (2006, S. 152). Vgl. Heuskel (1999); Bresser u. a. (2000) oder Proff, Proff (2013). Wenn die Kompetenz­ lücke allerdings zu groß ist, hilft nur noch ein Kompetenzsprung (vgl. Kapitel 4.2). Vgl. Brusoni u. a. (2001) sowie Grossman, Hart (1986) und darauf bezogen Proff u. a. (2014b). Vgl. z. B. Chesbrough, Rosenbloom (2002), Osterwalder (2004) Die marktorientierte Sichtweise, die auch dem Marketing zugrunde liegt, sieht die Nutzenstiftung für den Kunden als Voraussetzung für eine Positionierung im Markt (vgl. z. B. Caves, Porter 1977, Porter 1980 und 1985 und darauf bezogen Proff 2002a). Die ressourcen- und kompetenzorientierte Sichtweise sieht sie als eine Anforderung an vorteilschaffende Kompetenzen (vgl. Barney 1991, Peteraf 1993 sowie Proff 2002a). Vargo, Lusch (2004) und darauf bezogen Vargo (2018) und Schleiffer (2019). Vgl. Schleiffer (2019), u. a. bezogen auf Gebauer u. a. (2005); Burmann u. a. (2006 und 2015). Sheth u. a. (1991) unterscheiden fünf Dimensionen (funktionaler, konditionaler, emo­ tionaler, sozialer und epistemischer Nutzen), die Sweeney und Soutar (2001) zu vier Dimensionen zusammenfassen (funktionaler, ökonomischer, symbolischer und emo­ tionaler Nutzen) und Nopper u. a. (2014, 2015) um den ökologischen Nutzen erweitern.

2.3 Ausdifferenzierung der strategischen Ausrichtung

79

57 Auch wenn sie sich nach Vargo (2018, S. 733) dahin entwickelt hat: „SD logic has morphed into something much more; a holistic and integrated, metatheoretical framework that is, arguably, potentially generalizable across, not only market and marketing pheno­ mena, but also other social, value-cocreating activities. While Bob [Lusch] and I have never claimed full theory status, others have suggested that S-D logic has achieved, or is close to achieving, that position“. 58 Vgl. Gutman (1982) und darauf bezogen Schleiffer (2019). 59 Vgl. z. B. Skảlén u. a. (2015) sowie Prahalad, Ramaswamy (2004); Sawhney (2006); Ballantyne, Varey (2006); Grönroos (2012); Ranjan, Read (2016) und darauf bezogen Schleiffer (2019). 60 Vgl. z. B. Schleiffer (2019). 61 Vgl. Schmitz, Lerch (2017) bezogen auf Chen, Dubinsky (2003), aber auch Schmitz (2008 und 2014). 62 Vgl. Heinonen u. a. (2010). 63 Vgl. Skảlén u. a. (2015) und Schleiffer (2019). 64 Vgl. auch Osterwalder, Pigneur (2002, S. 8), Osterwalder (2004) und Teece (2010). 65 Vgl. Johnson et al. (2008). 66 Vgl. Schmidt, Terberger-Stoy (1997). 67 Vgl. Schneckenberg, Spieth (2016). 68 Vgl. z. B. Sommer (2016). 69 Vgl. z. B. Markides (2015, S. 137). 70 Vgl. Proff (2002a, S. 319). 71 Z. B. Prahalad (2012). 72 Vgl. Seelos, Mair (2007). 73 Segler (1986, S. 173). 74 Vgl. Grossman, Helpman (z. B. 2002, 2003, 2005); Hofmann (2011). 75 Vgl. z. B. Schleiffer (2019) für Elektrofahrzeuge in China und Deutschland. 76 Vgl. z. B. Wu u. a. (2013) und darauf bezogen Schleiffer (2019). 77 Vgl. Markides (2015). 78 Vgl. z. B. Schmidt (2015a, S. 3) und die Diskussion unterschiedlicher Abgrenzungs­ versuche bei Schmidt (2015b, S. 94–103, insb. S. 98). St. Gallener Wissenschaftler (z. B. Gassmann, Frankenberger 2016), aber auch Porter (2001) und Amit und Zott (2012) sehen weit definierte Strategien und Geschäftsmodelle als voneinander unabhängige, komplementäre Konzepte. Für sie umfassen Geschäftsmodelle nur die Wertgenerie­ rung (Nutzenversprechen, Wertarchitektur sowie Gewinnmodell), nicht aber Wettbe­ werbsvorteile (vgl. z. B. Teece 2010, S. 172; Foss, Saebi 2017, aber auch Schallmö 2013, S. 23 und S. 43). Danach stellt das Geschäftsmodell als „Strategieimplementierung ein Element der Taktik dar“ (Schmidt 2015b, S. 103), das sich klar von langfristig ausge­ richteten Strategien abgrenzt. Deshalb sind sehr viele unterschiedliche Typen von Geschäftsmodellen denkbar. Die St. Gallener Forscher identifizieren beispielsweise 55 „Muster von Geschäftsmodellen“ (vgl. z. B. Gassmann, Frankenberger 2016), wie z. B. Erweiterung des Basisangebots um Extras („add-on“) oder Erweiterung des Sor­ timents um vorher nicht angebotene branchenfremde Leistungen („cross selling“), die

80

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

sich vor allem in der Kundenansprache unterscheiden. Einer solchen Trennung von Strategien und Geschäftsmodellen wird vorgeworfen, sie leiste keinen eigenständigen theoretischen Beitrag gegenüber der Strategieforschung (vgl. z. B. Schmidt 2015a, S. 4). Markides (2015, S. 141) schlägt deshalb vor, Strategien und Geschäftsmodelle als ein­ ander überlappende Konzepte zu verstehen, v.a weil Strategien Wahlentscheidungen höherer Ordnung treffen („higher order choices“), die dann von Geschäftsmodellen in Handlungen übersetzt werden müssen und mit Geschäftsmodellen Zielkonflikte, vor allem zwischen Start-up-Aktivitäten und Aktivitäten etablierter Unternehmen, und damit auch der Widerspruch zwischen Effizienz und Flexibilität besser angegangen werden kann als mit Strategien (vgl. Schmidt (2015b, S. 104–105). Überschneidungen ergeben sich, wenn Strategien sehr weit definiert werden und neben Unternehmenskultur, Vision und Zielen auch Wettbewerbsstrategien (auf der Gesamtunternehmens- und Geschäftsbereichsebene), strategische Programmplanung und Budgetierung sowie strategische Kontrolle einschließen und damit Strategien aus einer umfassenden Prozesssicht (vgl. de Wit, Meyer 2010). Werden dagegen in einem engeren Sinne Wettbewerbsstrategien als Allokationsentscheidungen zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen betrachtet, so lassen sich Geschäftsmodelle daraus ableiten. In diesem Buch werden deshalb theoriegestützt Geschäftsmodelle als Ausdifferenzierung von Wettbewerbsstrategien verstanden (Abb. 2.3-5), d. h. Geschäftsmodelle schließen Wettbewerbsstrategien ein und umfassen auch Nutzenversprechen, Wertarchitektur und Gewinnmodell. Für diese Definition sprechen folgende Überlegungen: • Geschäftsmodelle müssen auch auf den Wettbewerb bezogen werden und Strategien würden als Wahlentscheidungen höherer Ordnung weitgehend zu inhaltsleeren Hülsen. • Geschäftsmodelle müssen alle fünf Komponenten einschließen, um sich angesichts der zunehmenden Hybridisierung der Wettbewerbsvorteile von der Konkurrenz abzuheben und überdurchschnittliche Gewinne zu erzielen. • Eine Trennung von Strategie und Geschäftsmodell und selbst die Unterscheidung unterschiedlicher Schwerpunkte (Überlappung) lässt sich theoretisch nicht begründen. Amit und Zott (2012) und Markides (2015) argumentieren nur aus marktorientierter Sichtweise. Sie sprechen von „Positionierungs“-Strategien der Kostenführerschaft und der Differenzierung und beziehen sich auf Porter. Dabei sollten Wettbewerbs­ vorteile, aber auch Nutzversprechen und Wertarchitektur auch durch Ressourcen und Kompetenzen bestimmt und zusammen entwickelt werden. • Konflikte infolge unterschiedlicher theoretischer Zugänge lassen sich durch die Un­ terscheidung zwischen Strategien und Geschäftsmodellen nicht aufheben, da beide zusammenhängen. Für Strategien wie für Geschäftsmodelle gilt, dass sie nur entweder effizient oder flexibel ausgerichtet sein können und damit konsistent sein müssen (vgl. Proff 2002a) und sonst beidhändig gemanagt werden müssen (vgl. Kapitel 4.3). 79 Schmidt (2015b, S. 3). 80 Beisswenger (2016, S. 4).

2.4

Ausdifferenzierung der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften in multinationalen Automobilunternehmen: Von einer länderübergreifenden zu einer stärker länderspezifischen Steuerung

2.4 Ausdifferenezierung der Steuerung

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

In Kapital 2.3 wurde gezeigt, dass das strategische Management angesichts der ge­ stiegenen Komplexität des Umfeldes Wettbewerbsstrategien zu Geschäftsmodellen ausdifferenziert hat. Es werden weltweit Spezialisierungsvorteile bei den Lieferanten gesucht und die Wünsche der Kunden berücksichtigt. Dafür werden Wertarchitek­ tur und Nutzenversprechen angepasst. In diesem Kapitel soll nun gezeigt werden, dass das internationale Management durch Ausdifferenzierung der Koordination und Steuerung der Tochtergesellschaften im Ausland auf die Besonderheiten vor allem der wachsenden Automobilmärkte (Kapitel 2.1) und auf den veränderten Wettbewerb (Kapitel 2.2) reagiert. Wie im strategischen Management gewinnen auch im internationalen Management Kompetenzen an Bedeutung. Koordination bedeutet die wechselseitige Abstimmung weltweit verteilter Einheiten1. Zu Beginn der Internationalisierung wurden Geschäftsmodelle und Leistungen von der Zentrale entwickelt und hierarchisch Tochtergesellschaften im Ausland vorgegeben – seit Anfang der 1980er Jahre entweder als globales Organisa­ tionsmodell (Entscheidungszentralisierung bei der Muttergesellschaft zur Nutzung von Skalenvorteilen) oder als multinationales Organisationsmodell (Entscheidungs­ dezentralisierung auf die Tochtergesellschaften zur selbstständigen Bearbeitung der einzelnen Ländermärkte, angepasst an die heterogenen Marktbedingungen). Seit Ende der 1980er Jahre entstanden netzwerkähnliche Modelle, die Wissen und Kompetenzen austauschen: transnationale Unternehmen und metanational genannte Unternehmen. Transnationale Unternehmen2 zielen auf Größen- und Verbundvor­ teile bei gleichzeitiger Nutzung nationaler Unterschiede. Abstimmungen zwischen der Zentrale und den einzelnen Tochtergesellschaften erfolgen multinational: selb­ storganisierende intra-organisatione Netzwerke lösen hierarchische Mutter-Toch­ ter-Beziehungen ab. Metanationale Unternehmen geben Mutter-Tochterstrukturen ganz auf und versuchen, weltweit Konzentrationen („pockets“) von ungenutzten Technologien, Marktwissen und Fähigkeiten3 zu mobilisieren und zu nutzen. Auch wenn transnationale und metanationale Unternehmen als idealtypisch gelten4, werden für multinational tätige Unternehmen Kompetenzen wegen des sich stark verändernden globalen Umfelds wichtiger5. Das gilt angesichts der 81

82

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

weltweiten Ausdifferenzierung der Märkte und des Wettbewerbs auch für die Automobilindustrie. Deshalb wird vorgeschlagen, Kompetenzen, Wissen und internationale Aktivitäten in einem Netzwerk „quasi-metanationaler“ bzw. „­metamultinationaler“ Unternehmen6 zu orchestrieren, statt Wettbewerbsvorteile aus einem Netz von Tochtergesellschaften abzuleiten. Wissens- und Kompetenznetzwerke sind branchenabhängig. Dem Idealtyp eines meta-multinationalen Unternehmens kommen Beratungsunternehmen mit sehr geringen Fixkosten sehr nahe, weil sie weltweit verteilte Kompetenzträger und -partner schnell mehrwertschaffend zusammenbringen können. Mit steigender Wertschöpfungstiefe und Kapitalintensität werden jedoch Größen- bzw. Skalen­ vorteile wichtiger, um die hohen Fixkosten zu verteilen. Dies gilt in besonderem Maße für die Automobilindustrie. Die alleinige Ausrichtung multinationaler Unternehmen auf Kompetenzen ist deshalb in der Regel zu einfach7. Deshalb gilt ein meta-multinationales Unternehmen als ein „hybrides Konzept“8, in dem die Muttergesellschaft die Aufgabe hat, Wissen und Kompetenzen zu orchestrieren, um Größenvorteile zu erzielen. Nach Teece (2014b, S. 25) ist es ein Unternehmen, das „accepts, adopts to, and capitalizes on institutional, cultural and market he­ terogeneity while simultaneously trying to capture economies associated with some kind of (scalable) advantage in certain assets or processes it owns or is currently developing“. Selbst wenn die Muttergesellschaft in solchen meta-multinationalen Unternehmen die Tochtergesellschaften nicht mehr kontrolliert und im Netzwerk auch Kooperationspartner orchestriert, hat sie weiterhin die Kontrolle z. B. über die finanziellen Ressourcen. Damit steht die vertikale Beziehung zwischen der Muttergesellschaft und den Tochtergesellschaften zumindest in kapitalintensiven Branchen wie der Automo­ bilindustrie zunächst noch im Vordergrund (vgl. Kapitel 1), weil nur die Zentrale die notwendigen weltweiten Größen- und Verbundvorteile durchsetzen kann9. Die Steuerung als Abstimmung der Aktivitäten von Muttergesellschaft und Tochter­ gesellschaften und damit „effiziente Aufteilung der Entscheidungskompetenzen“10 wird eine zentrale Herausforderung für multinationale Automobilunternehmen. Sie haben als komplexe, arbeitsteilige Systeme mit vielen Interdependenzen und Schnittstellen, großen sachlichen, zeitlichen, räumlichen und kulturellen Distanzen sowie teilweise widersprüchlichen Interessen von Muttergesellschaft und Tochter­ gesellschaften, z. B. bei der Verteilung von Entscheidungskompetenzen, einen hohen Steuerungsbedarf11. Weil nicht alle ausländischen Märkte und Tochtergesellschaften gleich wichtig sind, sondern z. B. in der Automobilindustrie über 80 Prozent des Absatzes auf die BRIC(S)- und MIST-Märkte und die Märkte der Triade entfallen (Kapitel 2.1), die einzeln anzusteuern sind12, wird zunächst die Steuerung einzelner ausländischer Tochtergesellschaften angesprochen:

2.4 Ausdifferenezierung der Steuerung

83

• in diesem Kapitel die Ausdifferenzierung hin zu einer stärker länderspezifischen Steuerung angesichts der Ausdifferenzierung der Automobilmärkte und der Wettbewerbslandschaft seit der Jahrtausendwende, • in Kapitel 5 die Neuausrichtung angesichts der globalen Umfeldtrends, vor allem neuer Antriebstechnologien und der Digitalisierung und • abschließend in Kapitel 6 eine umfassende gemeinsame Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften sowie Fähigkeiten (Veränderungsfähigkeiten, Agilität als Fähigkeit schnell verbindlich zu entscheiden und die Fähigkeit zur Optimierung von Größen- und Verbund­ vorteilen), die für die Ausdifferenzierung und vor allem die Neuausrichtung von Strategie und Steuerung erforderlich sind. Hier geht es zunächst darum, dass multinationale Unternehmen seit Beginn des Jahrtausends immer mehr von ihrer früher meist weitgehend zentralisierten und länderübergreifenden, d. h. homogenen Steuerung ausländischer Tochtergesell­ schaften abrücken13, weil insbesondere ihre Tochtergesellschaften in wichtigen Wachstumsmärkten auf eine lokale Ausrichtung14 und Dezentralisierung mit mehr Autonomie und damit auf eine stärker individuelle bzw. länderspezifische Steuerung drängen15. Eine stärker länderspezifische Steuerung wird vor allem dann möglich, wenn statt einzelner, oft isolierter Steuerungsinstrumente ein breiteres Spektrum an Steuerungsinstrumenten genutzt und kombiniert eingesetzt wird16. Deshalb wird nun die Ausdifferenzierung von einer länderübergreifenden zu einer individuelleren und länderspezifischeren Steuerung ausländischer Tochtergesell­ schaften in multinationalen Automobilunternehmen erläutert (Abschnitt 2.4.1). In Abschnitt 2.4.2 wird dann erklärt, wie und mit welchen Instrumenten eine stärker länderspezifische Steuerung möglich wird. Schließlich werden Chancen und Risiken einer länderspezifischeren Steuerung multinationaler Automobilunternehmen (Ab­ schnitt 2.4.3) genannt. Vor allem wird begründet, dass sich bei Ausdifferenzierung der Steuerungsinstrumente die Komplexität der Steuerungsaufgaben gegenüber national tätigen Unternehmen sehr stark erhöht.

2.4.1 Von einer länderübergreifenden zu einer stärker länderspezifischen Steuerung multinationaler Automobilunternehmen Die internationale Managementforschung sah ein globales Führungskonzept nur bis zu Beginn der 1980er Jahre als besonders effizient an (Kapitel 1.1)17. Danach rückte sie davon ab, weil sie zwei entgegengesetzte Anforderungen an multina­

84

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

tionale Unternehmen erkannte: einerseits die Notwendigkeit der Anpassung an unterschiedliche Bedingungen (Differenzierung), andererseits die Notwendigkeit der möglichst weltweiten Integration aller Aktivitäten (Standardisierung). Sie sah einen Konflikt zwischen einer (Entscheidungs)Zentralisierung bei der Mut­ tergesellschaft und einer (Entscheidungs)Dezentralisierung bzw. Autonomie der Tochtergesellschaften. „Die Kunst des Managements“ wurde nun stärker darin gesehen „für jedes einzelne Geschäft und jede einzelne betriebliche Funktion zu prüfen, welcher Grad der Globalisierung oder Lokalisierung angemessen ist“18. 1990 leiten Bartlett und Ghoshal aus der Idee eines transnationalen Führungskon­ zepts, das gleichzeitig länderspezifische Unterschiede, Größen- und Verbundvorteile ausnutzt und damit Vorteile der lokalen und der globalen Ausrichtung verbindet (vgl. Kapitel 1.1), ein transnationales Organisationmodell ab19. Es ist gekennzeich­ net durch multilaterale Abstimmung zwischen den Auslandsgesellschaften und der Zentrale bei Auflösung der hierarchischen Mutter-Tochter-Beziehungen zu einem selbstorganisierenden intra-organisationalen Netzwerk. Das transnationale Organisationsmodell sollte das globale Organisationsmodell (Entscheidungszent­ ralisierung für den Weltmarkt) ablösen, das neben einem internationalen Organi­ sationsmodell (Entscheidungszentralisierung durch die Zentrale im Heimatmarkt) und einem multinationalen Organisationsmodell (Entscheidungsdezentralisierung bzw. Autonomie der Tochtergesellschaften) steht. Weil oft betont wird, dass das transnationale Führungskonzept „potenziell die größte Effizienz aufweist, da es als einziges die gleichzeitige Ausnutzung“ von Vorteilen der globalen Standardi­ sierung und der länderspezifischen Anpassung erlaubt, empfiehlt die Forschung zum Internationalen Management multinationalen Unternehmen, beide Vorteile „auszubalancieren“ und den „beiden entgegengesetzten Anforderungen gleichzeitig gerecht“ zu werden20. Für multinationale Automobilunternehmen wurde es dagegen nicht nur in den 1970er und 80er Jahren, sondern angesichts der Globalisierung der Wirtschaft und der zunehmenden Internationalisierung auch in den 1990er Jahren immer wichtiger, länderübergreifende Größen- und Verbundeffekte zu nutzen und die wachsenden Märkte außerhalb der Triade durch Produktionsstätten zu erschließen. Automobil­ unternehmen waren weiter vom Idealtyp transnationaler Unternehmen entfernt als Unternehmen in anderen Branchen. Zielkonflikte zwischen einer (Entscheidungs-) Zentralisierung und Dezentralisierung in multinationalen Unternehmen blieben auch zu Beginn des neuen Jahrtausends bestehen21. Die Mutter-Tochterbeziehungen hatten sich nicht aufgelöst und die Steuerung von Tochtergesellschaft in multina­ tionalen Unternehmen blieb auch weiterhin wichtig. Seit Beginn des Jahrtausends richtete sich die internationale Management­ forschung verstärkt auf die einzelnen Tochtergesellschaften und vernachlässigte

2.4 Ausdifferenezierung der Steuerung

85

die Interessen der Muttergesellschaft 22, auch wenn z. B. Holtbrügge und Welge 2015 weiterhin betonen, dass transnationale Strategien und Strukturen „einen Schwerpunkt der internationalen Managementforschung“ darstellen (S. 52). Es wird bezweifelt, dass angesichts der „vielen divergierenden Faktoren, die inter­ nationale Unternehmen betreffen – eine gleiche ‚Behandlung‘ aller nationalen Märkte sinnvoll, unter Kostengesichtspunkten vielleicht sogar effizient, ist“23. Die Managementforschung empfiehlt deshalb eine stärkere Berücksichtigung der Interessen der Tochtergesellschaften in einer „multi-hub organization“24, d. h. in einem Netzwerk, das so individuell und damit heterogen wie möglich gesteuert werden sollte, was in Kapitel 2.4.2 begründet wird. Mit dem Konzept „meta-multinationaler“ Unternehmen25 wird im Spannungs­ feld von Zentralisierung und Dezentralisierung das idealtypische Konzept eines staatenlosen „metanationalen“ Unternehmens, das weltweit Konzentrationen („pockets“) von ungenutzten Technologien, Marktwissen und Fähigkeiten sucht und nutzt 26, relativiert. Stattdessen geht es um die Orchestrierung von Wissen und internationalen Aktivitäten in einem Netzwerk und damit um die komplexe Integration und Koordination der Aktivitäten über verschiedene Ländermärkte hinweg27. Automobilunternehmen verfolgen bis heute keine individuelle oder ausbalancierte Steuerung. Die etablierten Unternehmen mit einer sehr großen Zahl von Standorten sind so kapitalintensiv, dass eine globale Standardisierung erforderlich ist und das Autonomiestreben der Tochtergesellschaften begrenzt werden muss, um weltweite Synergien zu erzielen und Kosten zu minimieren28. Befragungen29 zeigen zudem, dass in großen multinationalen deutschen Automobilunternehmen selbst 2016/17 oft nicht klar geregelt war, wer die Tochtergesellschaften im Tagesgeschäft über die 1. Ebene (Muttergesellschaft) und die 2. Ebene (Tochtergesellschaft) steuert. Die Steuerung geht noch weitgehend von der Zentrale aus und ist damit noch immer stark länderübergreifend – entweder über globale Funktionen oder über globale Geschäftsbereiche – organisiert. In den letzten Jahren führte dies dazu, dass die einzelnen Funktionen bzw. Geschäftsbereiche die Tochtergesellschaften – insbeson­ dere in den bedeutenden Märkten – direkt zentral steuern, obwohl für die einzelnen Regionen und größten Märkte wie China inzwischen Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer zuständig sind. Sie konnten aber bislang erst wenig auf eine stärker heterogenere Steuerung oder auf eine Steuerung hinwirken, die die Interessen von Mutter- und Tochtergesellschaften ausbalanciert (vgl. Abb. 2.4-1).

86

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

    

           

              

 



  







Abb. 2.4-1 Unklare Organisationsstrukturen in großen deutschen multinationalen Automobilunternehmen Quelle: eigener Entwurf

In der Automobilindustrie sind dennoch „zunehmend […] ökonomische, unterneh­ merische und institutionellen Grenzen“ globaler Strategien zu erkennen. Es wird deutlich, dass die multinationalen Automobilunternehmen „die Notwendigkeit der lokalen Anpassung unterschätzen“30 und ausländische Tochtergesellschaften Marktchancen nicht ausreichend wahrnehmen konnten. Deshalb rückte auch die Automobilindustrie zunehmend von der Forderung nach einer weltweiten Standardisierung ab31. Zumindest wichtige Tochtergesellschaften der Hersteller wie Zulieferer im Ausland sehen seit Beginn des Jahrtausends verstärkt die Not­ wendigkeit einer länderspezifischen Anpassung. Dies liegt sicherlich daran, dass die Automobilindustrie zwar weltweit tätig ist und ihre Produkte ein relativ großes Globalisierungspotenzial aufweisen32, sich aber nicht global standardisieren lassen33. Automobilunternehmen sind gleichzeitig global und lokal und damit dual ausgerich­ tet (vgl. Kapitel 1.2), da sie bei allen Globalisierungspotenzialen länderspezifische Vorgaben z. B. bei Beleuchtung, Klimaanlagen und Staubfilter beachten müssen. Weitere Beispiele für Angebotsunterschiede sind Fahrwerksanpassungen in den neuen Märkten außerhalb der Triade an den oft schlechten Straßenzustand und abgespeckte Produkte und Dienstleistungen an sehr geringes Pro-Kopf-Einkom­ men34. Auch die Präferenzen der Kunden unterscheiden sich von Land zu Land. In Frankreich und Japan z. B. werden relativ mehr kleinere und einfacher ausge­ stattete Fahrzeuge nachgefragt als in Deutschland und China. In Frankreich ist

2.4 Ausdifferenezierung der Steuerung

87

der Kleinwagen Renault Clio das am meisten gefahrene Fahrzeug, in Deutschland der VW Golf in der Kompaktwagenklasse bei ähnlichem pro-Kopf-Einkommen. Ein anderes Beispiel für Nachfrageunterschiede sind SUVs. Sie werden in China stärker nachgefragt als in Deutschland und Frankreich (vgl. Abb. 2.4-2).

  

  

*$%++

  





 

  #("*/-!

  #("*/-!

  #("*/-!





(&)$,$%++

'*'+%0' .!')(*, "*/-!,













#'#+

 



#,,%$%++

%#'.!'







*#,,%$%++









!*12,+ !&',

Abb. 2.4-2 Segmentunterschiede im deutschen, französischen und chinesischen Automobilmarkt 2017 Quelle: eigener Entwurf nach Analystenreports, IHS Markit (2018)

Große ausländische Tochtergesellschaften multinationaler Unternehmen versuchen zudem, Ressourcen, Kompetenzen und Wissen lokal für das ganze Unternehmen aufzubauen35, soweit dies finanziell und personell möglich ist. Da Forderungen nach einer länderspezifischeren Steuerung stärker werden, werden im nächsten Abschnitt geeignete Instrumente dafür begründet.

2.4.2 Erklärungen der Instrumente einer stärker länderspezifischen Steuerung – Agency Theorie, Ressourcenabhängigkeitstheorie und Kompetenzansatz Es gibt es in der Literatur (1) unterschiedliche Erklärungen der Beziehung zwischen der Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften multinationaler Unternehmen36, die die zunehmende Forderung der Tochtergesellschaften nach individuellerer, d. h.

88

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

stärker länderspezifischer Steuerung begründen. Daraus lassen sich (2) Instrumente einer stärker länderspezifischen Steuerung ableiten.

(1) Erklärung der Forderung nach einer stärker länderspezifischen Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften Die Kontingenztheorie begründet die Forderung der Tochtergesellschaften nach lokaler Anpassung, Dezentralisierung, Flexibilität und Marktnähe auch mit den unterschiedlichen Umfeldsituationen von Muttergesellschaft und Tochtergesellschaf­ ten37. Die Forderung blendet jedoch – wie erwähnt – die Interessen der Mutterge­ sellschaft nach globaler Standardisierung durch zentrale Entscheidungsfindung zur Verbesserung von Prozesseffizienz und Verringerungen von Redundanzen weitge­ hend aus38. Der Realität multinationaler Unternehmen in einer so kapitalintensiven Branche wie der Automobilindustrie, wird sie nicht gerecht39. Deshalb wird schon seit langer Zeit ein „global-lokales“ Dilemma („GLOCAL–Dilemma“40) diskutiert. Die Kontingenzperspektive wurde später in die breitere Agency-Perspektive integriert. Sie erklärt kooperative und interaktive Strukturen wie die Beziehung zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften multinationaler Unter­ nehmen41. Dies gilt zumindest dann, wenn die strengen Annahmen der finanz­ wirtschaftlichen Modelle der traditionellen Principal-Agency-Theorie aufgegeben werden, die zwar analytisch eindeutig lösbar, aber zu restriktiv für reale Probleme multinationaler Unternehmen sind42. Die Agency Theorie untersucht die Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht in Unternehmen zwischen einem Prinzipal, in multinationalen Unternehmen z. B. das Management der Muttergesellschaft, und einem Agenten, das Management einer Tochtergesellschaft. Sie begründet, dass der Agent bei Informationsasymmetrien Freiräume nutzen und Interessen durchsetzen kann, wenn ihm eine Unsicherheit des Prinzipals Verhaltensspielräume eröffnet, die er zu dessen Schaden nutzt43. Die breitere Agency Perspektive berücksichtigt mehrere Prinzipale und Agenten und verbundene Beziehungen44 zwischen ihnen. Sie erklärt, dass mehrere Agen­ ten (Manager der Tochtergesellschaften) lokales Wissen und Geschäftsprozesse gegenüber unterschiedlichen Prinzipalen (Funktionen und Geschäftsbereiche der Zentrale) verteidigen und für eine länderspezifische Steuerung kämpfen45, gegen die Interessen der Manager der Muttergesellschaft. Die Prinzipale kontrollieren die institutionellen Mechanismen eines multinationalen Unternehmens, bemü­ hen sich um eine länderübergreifende Steuerung und verstärken kooperative und interaktive Strukturen46, weil

2.4 Ausdifferenezierung der Steuerung

89

• divergierende Interessen von Prinzipalen (Ebene der Muttergesellschaft) und Agenten (Ebene der Tochtergesellschaft) die Notwendigkeit von Verpflichtungen („commitment“) und Vertrauen begründen und • sie bei Berücksichtigung des jeweiligen kulturellen und institutionellen Umfeldes, in das die Prinzpale und Agenten eingebettet sind, durch Verhaltenskontrolle statt durch (formale) Ergebniskontrolle gemeinsame Normen und Werte schaffen können, die auch im Interesse der Tochtergesellschaften sind47. Damit wird die Agency-Beziehung komplexer und es stellt sich z. B. die Frage, ob die Manager der Tochtergesellschaften als zweite Prinzipale48 handeln, als Statthalter der Muttergesellschaft in den Ländermärkten oder ob sie nicht gerade in Tochter­ gesellschaften mit Produktion eher Interessenvertreter der Tochtergesellschaften in der Muttergesellschaft sind, da sie Länderverantwortung haben und in Perso­ nalfragen eingebunden sind. Besonders schwierig wird es, wenn Ländervorstände im zentralen Vorstand sitzen und damit eine Doppelfunktion innehaben, wie z. B. die China-Vorstände einiger deutscher Automobilunternehmen (vgl. Abb. 2.4-1). In dieser komplexen Prinzipal-Agent-Beziehung fordern die Tochtergesellschaften eine individuellere bzw. heterogenere Steuerung, weil das Umfeld, in das sie eingebettet sind, nicht nur für ihre eigenen Ziele, sondern auch für die der Muttergesellschaft wichtig ist. Sie werden versuchen, geteilte Normen und Werte in den Sozialisie­ rungsprozess einzubringen und Vertrauen zu schaffen. Angesichts der steigenden Komplexität der Beziehung zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften bedarf es einer Ergänzung der breiteren Agency Theorie durch weitere Erklärungen49 (vgl. Abb. 2.4-3), vor allem durch die Ressourcenab­ hängigkeitstheorie („resource dependency theory“) und den Kompetenzansatz50. Das ist auch möglich, weil die grundlegenden Annahmen dieser Erklärungen den Annahmen der breiten Agency Theorie nicht widersprechen51 – zumindest nicht in den traditionellen internationalen Geschäftsfeldern kapitalintensiver Branchen. Die Berücksichtigung der Ressoucenabhängigkeitstheorie ist notwendig, weil die breite Agency Theorie hierarchische Unternehmen unterstellt52, obwohl multinati­ onale Unternehmen heute eher Netzwerken mit Tochtergesellschaften in wichtigen Märkten53 ähneln. Tochtergesellschaften benötigen deshalb keine strikten Richtlinien der Zentrale, sondern differenzierte strukturelle und prozessuale Institutionen, die Managementverhalten erleichtern oder koordinieren54. Nach Mudambi und Pedersen (2007, S. 10) sollte zur Erklärung der zunehmenden Ausdifferenzierung der Rolle der Tochtergesellschaften in multinationalen Unternehmen, der Beziehungen im Unternehmen und der Forderung nach einer heterogeneren Steuerung aufgrund der Machtunterschiede, d. h. der unterschiedlichen Verfügung über kritische Res­

90

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

sourcen (Kapital, Vorprodukte und Personal), die breite Agency Theorie um die Theorie der Ressourcenabhängigkeit ergänzt werden. Auch der Kompetenzansatz, der die Ausrichtung des internen Wissensflusses zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften erklärt, durch den neues Wissen in den Tochtergesellschaften oder in der Muttergesellschaft entstehen kann, muss ergänzt werden (vgl. dazu die Diskussion in Abschnitt 2.4.1). Diese Wissensflüsse gehen über die Allokation von sachlichem Wissen als materielle Ressource im Sinne der Ressourcenabhängigkeitstheorie hinaus55, weil Wissen den Charakter eines quasi-öffentlichen Gutes besitzt56. Technologisches Wissen geht z. B. im Fertigungsprozess nicht unter, sondern wird durch unterschiedliche Produkte, Geschäftsbereiche oder Tochtergesellschaften genutzt. Wissen und Kompetenzen begründen die Forderung nach einer stärkeren Heterogenität der Steuerung: Tochtergesellschaften versuchen, Wissen (lokal und für das gesamte multinationale Unternehmen) aufzubauen57, obwohl in kapitalintensiven Branchen die Forschung und Entwicklung in der Muttergesellschaft zentralisiert werden sollte58. Sie haben oft wenig Interesse, Wissen in die Muttergesellschaft bzw. in das Gesamtunternehmen zu transferieren59, weil sich ihre in einem komplexen Interaktionsprozess im Ländermarkt geschaffenen Kompetenzen nur mit großem personellen und finanziellen Aufwand transferieren lassen und ihnen ein Allein­ stellungsmerkmal bieten, das sie nicht teilen möchten. Abb. 2.4-3 zeigt die drei Erklärungen einer stärker länderspezifischen Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften in multinationalen Unternehmen.

Abb. 2.4‐3 2.4 Ausdifferenezierung der Steuerung S. 9

91

Kontingenzansatz  Forderung nach lokaler Anpassung Dezentralisierung, Flexibilität  und Marktnähe rincipal‐Agent Theorie

Breite Agency Theorie     mehrere  rinzipale

Mutter‐ gesellschaft (Prinzipal)

Tochter‐ gesell‐ schaften (Agent)

schafft kooperative  und interaktive  (Zentrale mit   Strukturen: globalen  * Notwendigkeit  Funktionen und  von Verpflichtung  Geschäftsbereichen) und Vertrauen Ziel:  * Berücksichtigung  * Kosten‐ des jeweiligen  minimierung kulturellen und  * homogene  institutionellen  Steuerung Umfelds von  Prinzipalen und  mehrere Agenten Agenten * gemeinsame  (verschiedene  Nomen und ausländische  Werte /Vertrauen  Tochter‐ Gesellschaften)  erh ht die  Komplexität der  Ziel:  Agency‐ * stärkere  Beziehung   Autonomie * heterogene  Steuerung

Ressourcen‐ abhängigkeits‐ theorie

Kompetenz‐ ansatz

Beziehungen im  Unternehmen sind  abhängig  von  Machtunterschieden

Aufbau von  Wissen und  Kompetenzen in  den Tochter‐ gesellschaften für das gesamte  Unternehmen

=> unterschiedliche Verfügbarkeit  kritischer  Ressourcen  (Kapital,  Vorprodukte  und  ersonal)

erh ht die  änderspezifität / Heterogenität der  Steuerung der Tochtergesellschaften

Abb. 2.4-3 Erklärungen einer stärker länderspezifischen Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften in multinationalen Unternehmen Quelle: eigene Zusammenstellung nach z. B. O’Donnell (2000, S. 525); Gupta, Govindarajan (2000); Egelhoff (2010); Ambos, Mahnke (2010); Gammelgaard u. a. (2011, S. 371); Hoenen, Kostova (2015); Ambos u. a. (2016); Gavidia (2016)

(2) Erklärung der Instrumente einer stärker länderspezifischen Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften Aus allen drei Erklärungen einer stärker länderspezifischen Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften in multinationalen Unternehmen lassen sich Instrumente der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften ableiten60:

92

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

(1) Steuerungsinstrumente durch Regulierungsstrukturen61 aus der breiten Agency Theorie, (2) Steuerungsinstrumente durch Allokation und Transfer von Ressourcen62 aus der Ressourcenabhängigkeitstheorie und (3) Steuerungsinstrumente durch Entwicklung und Transfer von Kompetenzen63 aus dem Kompetenzansatz. Diese Forschungsansätze begründen eine Vielzahl von Steuerungsinstrumenten (SI), von denen dreizehn häufig genannt werden (vgl. Tab. 2.4-1). Die Instrumente zeigen die Bandbreite der Steuerungsstimuli durch die Mut­ tergesellschaften und könnten weiter ausdifferenziert werden, was hier aber nicht notwendig erscheint. Sie werden durch die Muttergesellschaften eingeführt, die über (1) eine enge Verknüpfung (d. h. über Regulierungsstrukturen), (2) Größenund Verbundvorteile (d. h. über Allokation und Transfer von Ressourcen) and (3) Innovationen (d. h. über den Aufbau und Transfer von Kompetenzen) Vorteile („parenting advantages“64) anstreben65. Tab. 2.4-1

Instrumente der Steuerung von Tochtergesellschaften in multinationalen Unternehmen

" #  



  

  " 

 ! "



$&3+($03-&11203*320$-

++.* 2(.-, 2$0($++$0 $11.30"$-

"' %%3-&3-#0 -1%$04.- .,/$2$-7$-

 !      

 /0.)$*2!$7.&$-$ $%%(7($-2$ 3273-&#$1  - &$,$-2. 0#1 &32$1$-2.0(-& (-2$0-$- /(2 +, 0*21 $%%(7($-2$(-!$7($'3-&  &$,$(-1 ,$ 31+8-#(1"'$0 *3+230$++$$02$  &32$1 ."'2$0&$1$++1"' %2$- (-#($0,(22+3-&#$0 .,/+( -"$ 0 -1%$0/0$(1$  - &$,$-2  31 ,,$-% 113-& "' %%3-&&32$0 .,,3-(* 2(.-(, *+$(-$08-#$0,80*2$ ,3+2(- 2(.- +$ #(0$*2$-1/0 "'$ &09;$0$0 -2$0-$',$."'2$0&$1$++1"' %2$- +1+.* +$2:27/3-*2$

Quelle: eigener Entwurf (vgl. auch Proff, 2018, S. 45)

00("'23-&4.57$++$-77$-20$(+#3-& 20 -1- 2(.- +$0$ ,1 -2$0 *2(.-3-#-%.0, 2(.- :!$0-2$0-$',$-1&0$-7$- 3-#8-#$0,80*2$ >!.3-# 061/ --(-&=  $0$(21"' %2(11$- (-$(-$, ,3+2(- 2(.- +$- -2$0-$',$-73 20 -1%$0($0$-

2.4 Ausdifferenezierung der Steuerung

93

Zu (1): Steuerungsinstrumente durch Regulierungsstrukturen (erklärt durch die breitere Agency Theorie) Der neue Institutionenansatz und der Informationskostenansatz begründen, dass angesichts der immer komplexeren Strukturen multinationaler Unternehmen, insbesondere mit großen Tochtergesellschaften in sich entwickelnden Ländern66, rigide hierarchische Vorgaben durch die Muttergesellschaft nicht mehr adäquat erscheinen. Deshalb werden differenziertere Ansätze gefordert67. Gemäß der Neu­ en Institutionenökonomie werden durch Regulierungsstrukturen Institutionen geschaffen, die entweder strukturelle Institutionen sind (wie z. B. Management Boards) oder prozessuale Institutionen (Normen, Verhaltensvorgaben, Unterneh­ menskultur), die das Managementhandeln erleichtern oder koordinieren. Aus den Erklärungen der neuen Institutionenökonomie werden in der Literatur vier wichtige Steuerungsinstrumente (SIs) abgeleitet68: SI 1: effiziente Management Boards, um Informationsasymmetrien zu verringern, SI 2: gutes Mentoring der Top Manager der Tochtergesellschaften durch das Ma­ nagement-Board, SI 3: gemeinsame (kulturelle) Werte von Mutter- und Tochtergesellschaften und SI 4: ein gutes Compliance Management, d. h. Selbstverpflichtung im Unterneh­ men, sich an bestimmte Regeln zu halten. Aus dem Informationskostenansatz werden zwei weitere Steuerungsinstrumente abgeleitet69: SI 5: sensible Zusammenfassung kleiner Ländermärkte, um Überwachungs- und Kommunikationskosten zu senken und SI 6: direkte Ansprache größerer Tochtergesellschaften als lokale Stützpunkte.

Zu (2): Steuerungsinstrumente durch Allokation materieller Ressourcen (erklärt durch die Ressourcenabhängigkeitstheorie) Gemäß dem ressourcenbasierten Ansatz ist eine überlegene finanzielle Leistung verbunden mit einer im Vergleich mit Wettbewerbern überlegenen Ressourcen­ ausstattung oder einem effizienteren Ressourceneinsatz70. Die Allokation knapper Ressourcen ist nach der traditionellen Investitions- und Finanzierungstheorie eine der Hauptaufgaben der Muttergesellschaft71. Die meisten multinationalen Unter­ nehmen agieren in einem Umfeld, in dem Kredite knapp sind, so dass nicht alle Investitionsvorschläge der Tochtergesellschaften, die einen positiven Kapitalwert versprechen, finanziert werden können. Die Muttergesellschaft kann dann Wert

94

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

schaffen, indem sie knappe Ressourcen nicht zentral verteilt, sondern bezogen auf Investitionsprojekte zuweist. Die Ressourcenallokation wird damit zum Ergebnis eines Verhandlungsprozesses72. Damit kann als Steuerungsinstrument aus den Erklärungen abgeleitet werden, dass die Wertschöpfung der Muttergesellschaft durch effiziente Allokation der finanziellen Ressourcen über einen internen Kapi­ talmarkt erhöht werden kann: SI 7: projektbezogene Nutzung des internen Kapitalmarkts multinationaler Un­ ternehmen statt zentraler Ressourceneinsatz. Ein weiteres Steuerungsinstrument kann aus den Erklärungen des Transfers von Halbfertigprodukten bzw. von Transferpreisen abgeleitet werden73, d. h. SI 8: effiziente Einbeziehung ausländischer Tochtergesellschaften in die Ermittlung der Transferpreise (Kontrolle, Wertschöpfung, Gewinntransfer). Noch ein weiteres Steuerungsinstrument wird aus Erklärungen des Personaltransfers in multinationalen Unternehmen abgeleitet74: SI 9: Schaffung von guter Kommunikation im multinationalen Unternehmen.

Zu (3): Steuerungsinstrumente durch Schaffung und Transfer von Kompetenzen (erklärt durch wissens- und kompetenzbasierte Ansätze) Wissens- und kompetenzbasierte Ansätze erklären internationale Unternehmen mit unternehmensspezifischen (monopolistischen) Vorteilen, die sie ausnutzen können, trotz Nachteilen auf ihnen wenig vertrauten Auslandsmärkten, weil unternehmensspezifische Vorteile sehr wahrscheinlich wissensbasiert sind75. Sie entstehen aus vielfältigen Wissensflüssen in einem multinationalen Unternehmen und zwischen Unternehmen, insbesondere internen Wissensflüssen76. Sie gehen über die Allokation von Wissen als materielle Ressource im Sinne des ressourcen­ basierten Ansatzes hinaus77, z. B. durch ausländische Fachkräfte und Experten, und schaffen neues Wissen in Tochtergesellschaften und/oder in der Muttergesellschaft. Die strategische Herausforderung für die Muttergesellschaft besteht deshalb darin, organisatorische Mechanismen zu schaffen, die den Wissensaustausch zwischen Tochtergesellschaften unterstützen und verstärken. Multinationale Unternehmen entstehen, weil sie in der Lage sind, spezifische Vorteile der regional verteilten Tochtergesellschaften global zu nutzen und räumlich unterschiedliches Wissen zu neuem Wissen zu verknüpfen78. Wissen wird durch Lernen erworben: Know-how

2.4 Ausdifferenezierung der Steuerung

95

durch Verbesserungslernen, Know-why durch Veränderungslernen und Knowwhat durch Prozesslernen79. Aus den Erklärungen von Schaffung und Transfer von Kompetenzen werden vier Steuerungsinstrumente abgeleitet80: SI 10: Errichtung von Exzellenzzentren, d. h. von Tochtergesellschaften mit spe­ ziellem Wissen, die verantwortlich sind für die Entwicklung von Wissen und den Transfer in andere Tochtergesellschaften, SI 11: Bildung transnationaler Teams, die den Wissensaustausch verstärken, SI 12: Verknüpfung unternehmensinterner Wissensquellen und Kompetenzen mit externem Wissen und externen Kompetenzen durch Interaktion und Infor­ mation über Unternehmensgrenzen und Ländermärkte („boundary-span­ ning“) und SI 13: Bereitschaft, Wissen in einem multinationalen Unternehmen zu transfe­ rieren. Wurden diese Steuerungsinstrumente früher nur einzeln eingesetzt, so werden sie mit zunehmender länderspezifischer Steuerung als Reaktion auf die steigende Komplexität des Unternehmensumfeldes immer mehr kombiniert.

2.4.3 Chancen und Risiken für multinationale Automobilunternehmen durch die Ausdifferenzierung der Steuerungsinstrumente Wie die Ausdifferenzierung der wachsenden Automobilmärkte, der Wettbewerbs­ landschaft (Kapitel 2.1 und 2.2) und der strategischen Ausrichtung multinationaler Automobilunternehmen (Kapitel 2.3), bietet auch die Ausdifferenzierung der Steue­ rung hin zu einer individuelleren und länderspezifischeren Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften seit der Jahrtausendwende sowohl Chancen als auch Risiken. Chancen ergeben sich, weil – wie betont wurde – Automobilunternehmen mit länderspezifischerer bzw. heterogenerer Steuerung, Dezentralisierung und Verteilung von Verantwortung über viele Standorte, mehr Autonomie und größere kreative Freiheit haben. Sie können durch länderspezifischere Produktdifferenzierung Kun­ den individuellere und damit bessere Angebote machen, neue Kunden ansprechen und damit Konsumentenrenten abschöpfen81. Gerade in den sich entwickelnden Ländern sind Kunden preissensibler, weshalb dort oft abgespeckte Produktvarian­ ten angeboten werden82. Durch Einbettung in die einzelnen Ländermärkte („local embeddedness“83) können Kompetenzen erworben („asset seeking“, vgl. Kapitel 2.2)

96

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

und Leistungen verbessert werden. Die Tochtergesellschaften können sich zudem in meta-multinationale Unternehmen84 einbringen. Risiken ergeben sich, weil hoch komplexe multinationale Automobilunterneh­ men mit Geschäftsbereichen, Standorten und Funktionen einer länderübergrei­ fenden Koordination bedürfen, um Größen- und Verbundvorteile zu nutzen, was zu Zielkonflikten zwischen Forderungen nach einer länderspezifischen und einer länderübergreifenden Steuerung führt. Multinationale Automobilunternehmen werden zudem oft noch zu wenig kompetenzbasiert gesteuert und nutzen damit die Chancen einer länderübergreifenden Steuerung noch zu wenig. Risiken liegen auch in hohen Kosten der Produktanpassung85. Wie bei der Ausdifferenzierung der Geschäftsmodelle (Kapitel 2.3.3) besteht die Gefahr, sich angesichts der enorm steigenden Komplexität zu verzetteln, auch durch Ausdiffe­ renzierung der Beziehungen zwischen Prinzipal und Agenten zu einem sehr dichten Geflecht zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften86. Bearbeiten alle Automobilhersteller jeden größeren Ländermarkt und versuchen dort Kompetenzen zu erwerben, steigt die Zahl der Standorte und damit die Komplexität. Die Marken verwässern87. Versuchen die Tochtergesellschaften Informationsvorteile aus der Bearbeitung ausländischer Märkte selbst zu nutzen, handeln sie gegen Interessen der Muttergesellschaft und des multinationalen Unternehmens88. Eine Befragung von Managern in 90 Tochtergesellschaften von 15 multinationalen Automobilherstellern und Zulieferern in sechs Ländern (BRIC-Länder, Mexiko, USA89) zwischen 2014 und 2017 gibt Hinweise auf den Einsatz der Steuerungsin­ strumente (vgl. Abb. 2.4-4). Es wurden ausschließlich Tochtergesellschaften mit Produktion befragt, zu 100 Prozent im Eigentum der multinationalen Automo­ bilunternehmen oder durch sie kontolliert mit einem Umsatz zwischen knapp einer Mrd. und 200 Mrd. Euro sowie zwischen 5.000 und 550.000 Beschäftigten (Angaben zur Untersuchung und zu weiteren Ergebnissen in Kapitel 5.1.3). Das Ausmaß des Einsatzes der Steuerungsinstrumente in den Tochtergesellschaften wurde auf einer metrischen Skala von 1 bis 7 gemessen. Dabei wurden gleiche Abstände auf der Skala angenommen und ein absoluter Mittelpunkt definiert90. Die Variable wurde operationalisiert als durchschnittliche Intensität mit der die sechs Tochtergesellschaften eines multinationalen Unternehmens die einzelnen Steuerungsinstrumente einsetzen. Die Ergebnisse zeigen, dass die genannten Instrumente in allen drei Steuerungsfel­ dern „Regulierungsstrukturen“, „Allokation materieller Ressourcen“ sowie „Schaffung und Transfer von Kompetenzen“ eingesetzt werden (Abb. 2–4.4a). Im Durchschnitt beträgt die Steuerung über alle 13 Steuerungsinstrumente 4,01 auf einer Skala von 1 bis 7. Unerwartet niedrig und mit einem Wert von 2,70 signifikant geringer als

2.4 Ausdifferenezierung der Steuerung

97

in den beiden anderen Steuerungsfeldern steuern die befragten Unternehmen „die Schaffung und den Transfer von Kompetenzen“. Danach ist diese Aufgabe in der sehr kapitalintensiven Automobilindustrie bislang eher weniger wichtig.

Abb. 2.4‐4, S. 1 4

b) Steuerungsintensität in verschiedenen  ändern

a) Einsatz der Steuerungsansätze Steuerungsintensität (Skala von 1 bis  ) 4.62

Steuerungsintensität (Skala von 1 bis  ) sig.  α =  , 1

4.48 2.70

Regulierungs‐ strukturen (SI 1 bis  )

Allokation materieller Ressourcen (SI   bis 9)

ᴓ 4,01 (n = 90)

Schaffung und  Transfer von  Kompetenzen  (SI 1  bis 13)

3,84

3,80

Russland

4,04

3,88

Mexiko Brasilien

Indien

4,07

USA

4,37

sig.  α =  , 1 ᴓ   4, 1 (n =  9 )

China n = jeweils 15

Steuerungsfelder

c) Steuerungsintensität von Herstellern und Zulieferern Steuerungsintensität (Skala von 1 bis  ) 4.26

3,94

ᴓ 4, 1 (n = 9 )

Hersteller n = 18

Zulieferer  n =  2

Abb. 2.4-4 Instrumente der Steuerung ausgewählter Tochtergesellschaften deutscher multinationaler Automobilunternehmen Quelle: eigene Untersuchung nach Proff (2018, S. 37)

Wie vermutet ist die Intensität der Steuerung länderabhängig (Abb. 2.4-4b): be­ zogen auf die sechs Länder am stärksten (4,37) auf dem größten Markt China, am geringsten (3,80) in Russland, einem Land mit politischen Konflikten und Embar­ gos. Die Steuerung durch Automobilhersteller (4,26) ist signifikant höher als durch Zulieferer (3,94, vgl. Abb. 2.4-4c). Das ist etwas überraschend, weil viele Zulieferer in verschiedenen Ländermärkten dieselben Kunden beliefern und deshalb Preisund Produktpolitik koordinieren müssen. Hier wäre eine stärkere Steuerung zu erwarten. Kontrollvariablen zeigen, dass Alter und Größe der Tochtergesellschaften keinen signifikanten Einfluss auf die Steuerung haben.

98

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

Obwohl die Steuerung der Kompetenzentwicklung in der Automobilindustrie noch nicht so stark ist, wie nach Untersuchungen zum internationalen Management angesichts der hohen und noch steigenden Bedeutung der Tochtergesellschaften in den wichtigen Wachstumsmärkten zu erwarten wäre91, sehen alle befragten Manager der Tochtergesellschaften die Notwendigkeit einer stärkeren lokalen Einbettung in ihren Markt als unabdingbare Voraussetzung, um Wachstumschancen nutzen zu können. Letztlich müssen bei der Steuerung multinationaler Unternehmen wie bei der Produktdifferenzierung Kosten und Nutzen abgewogen werden, wenn mit der Zahl der Produktvarianten Kosten und Komplexität steigen und zu Effizienzverlusten führen92. In Kapitel 5 wird gezeigt, dass die Interessen von Mutter- und Tochter­ gesellschaften angesichts der neuen globalen Umfeldtrends (Kapitel 3) noch weiter auseinandergehen und damit die Notwendigkeit steigt, widersprüchliche Interessen auszubalancieren. Wird keine transnationale Lösung gefunden, müssen Zielkonflikte über die vertikale Beziehung zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften im Ausland gesucht werden.

Endnoten 1

Vgl. Kutschker, Schmid (2011, S. 1015) und ähnlich Holtbrügge, Welge (2015, S. 252). Dabei sind nach Kutschker und Schmid mit Einheiten nicht nur Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften gemeint, sondern auch einzelne Betriebsstätten, Niederlassungen, Bereiche, Abteilungen und Kooperationspartner (z. B. Joint-Venture Partner). 2 Vgl Bartlett, Ghoshal (1989, 1990). 3 Vgl. Doz u. a. (2001, S. 5). 4 Vgl. z. B. Meyer, Estrin (2014); Meyer, Su (2015) oder Lessard u. a. (2016). 5 Vgl. Teece (2014b, S. 8). 6 Lessard u. a. (2016). 7 Vgl. Doz u. a. (2001, S. 25) zum transnationalen Unternehmen und Lessard u. a. (2016, S. 215) zum metanationalen Unternehmen. 8 Vgl. Lessard u. a. (2016, S. 212). 9 Vgl. z. B. Holtbrügge, Welge (2015, S. 51). Weil der Begriff Steuerung in der Praxis ge­ bräuchlich ist (ebd. S. 965) und Steuerung überlegt (und nicht ad hoc als Reaktion auf Störungen) erfolgt (vgl. Kenter 1985, S. 34 und Kutschker, Schmid 2011, S. 1017), wird auch in diesem Buch über die Automobilindustrie von Steuerung gesprochen. 10 Holtbrügge, Welge (2015, S. 231), vgl. auch Kutschker, Schmid (2011, S. 1017 bezogen auf Welge (1989, Sp. 1184). 11 Vgl. Kutschker, Schmid (2011, S. 1022) und Macharzina, Wolf (2018, S. 937).

2.4 Ausdifferenezierung der Steuerung 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48

99

Vgl. Proff (2018). Vgl. Holtbrügge, Welge (2015, S. 138). Vgl. Hoenen, Kostova (2015). Vgl. Young, Tavares (2004); Yu u. a. (2009); Gammelgaard u. a. (2012). Vgl. z. B. Gupta, Govindarajan (2000); Egelhoff (2010); Ambos, Mahnke (2010). Vgl. Holtbrügge, Welge (2015, S. 52). Welge (1990, S. VII und den gesamten Band zur Tagung der Kommission Internationales Management beim VHB im Jahre 1988). Vgl. Bartlett, Ghoshal (1990, S. 102) und darauf bezogen Holtbrügge, Welge (2015, S. 51). Holtbrügge, Welge (2015, S. 52 und S. 47). Vgl. Meyer, Estrin (2014); Meyer, Su (2015) und Verbeke, Kenworthy (2008). Vgl. Najafi-Tavani u. a. (2014). Meckl (2014, S. 104). Prahalad, Battacharyya (2008), vgl. auch Mudambi u. a. (2014, S. 102); Najafi-Tavani u. a. (2014, S. 122); Meyer, Su (2015, S. 150). Lessard u. a. (2016). Vgl. Doz u. a. (2001, S. 5). Vgl. Teece (2014b, S. 26) und Lessard u. a. (2016). Vgl. Delany, (2000); Sargent, Matthews, (2006) und Verbeke, Kenworthy (2008, S. 951). Z. B. Proff, Proff (2017). Holtbrügge, Welge (2015, S. 138). Vgl. ebd. Vgl. Bryan u. a. (2000; S. 73). Vgl. z. B. Meffert, Bolz (1998). Vgl. z. B. Scavarda u. a. (2010, S. 215). Vgl. Birkinshaw, Hood (1998); Frost (2001); Cantwell, Mudambi (2005). Vgl. Blazejewski, Becker-Ritterspach (2011); Gavidia (2016) Vgl. Lawrence, Lorsch (1967); Doz, Prahalad (1991); Bartlett, Ghoshal (1998); Gavidia (2016). Vgl. Najafi-Tavani u. a. (2014). Vgl. Nell, Ambos (2013, S. 1088). Laudien, Freiling (2011). Vgl. z. B. O’Donnell (2000); Hoenen, Kostova (2015); Ambos u. a. (2016). Vgl. O’Donnell (2000); Hoenen, Kostova (2015). Vgl. Berle, Means (1932); Schoppe u. a. (1995) und z. B. Picot u. a. (2015). „Nested relations“, Ambos u. a. (2016). Vgl. Gavidia (2016). Vgl. z. B. O’Donnell (2000); Meyer u. a. (2011); Hoenen, Kostova (2015). Vgl. z. B. Eisenhardt (1989); Björkman u. a. (2004); Ambos u. a. (2016). Vgl. Ambos u. a. (2016).

100

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

49 Vgl. Eisenhardt (1989, S. 71). 50 Vgl. z. B. O’Donnell (2000, S. 525); Gupta, Govindarajan (2000); Egelhoff (2010); Ambos, Mahnke (2010); Gammelgaard u. a. (2011, S. 371). 51 Vgl. Teece (1980); Milgrom, Roberts (1990); Proff (2002a). 52 Vgl. Mudambi, Pedersen (2007, S. 8) bezogen auf Birkinshaw, Hood (1998). 53 Vgl. Ambos, Birkinshaw (2010). 54 Vgl. Kasper, Streit (2005, S. 31); Prahalad, Battacharyya (2008); Mudambi (2011). 55 Vgl. Adenfelt, Lagerström (2008); Kogut, Zander (1993). 56 Vgl. Buchanan (1965, S. 2–3); Müller (1997, S. 151). 57 Vgl. Birkinshaw, Hood (1998); Frost (2001), Cantwell, Mudambi (2005). 58 Vgl. Verbeke, Kenworthy (2008, S. 951); Rangan, Sengul (2009). 59 Vgl. Eisenhardt (1989); Björkman u. a. (2004); Najafi-Tavani u. a. (2014); Ambos u. a. (2016). 60 Vgl. Gupta, Govindarajan (2000); Ambos, Mahnke (2010); Egelhoff (2010). 61 Vgl. Mudambi, Navarra (2004); D’Agostino, Santangelo (2012). 62 Vgl. z. B. Stein (1997). 63 Vgl. z. B. Gupta, Govindarajan (2000). 64 Z. B. Campbell u. a. (1995). 65 Vgl. Egelhoff (2010); Ambos, Mahnke (2010). 66 Vgl. Ambos, Birkinshaw (2010). 67 Vgl. Prahalad, Bhattacharyya (2008); Mudambi (2011). 68 Vgl. z. B. Mudambi, Navarra (2004); Kasper, Streit (2005); Ma, Delios (2010); Mudambi (2011). 69 Vgl. z. B. Laudien, Freiling (2011); Piekkari u. a. (2010). 70 Vgl. z. B. Wernerfelt (1984); Barney (1991); Teece et al. (1997). 71 Vgl. Mudambi (2011). 72 Vgl. Stein (1997); Mudambi (2011); Becker-Ritterspach, Dörrenbecher (2011); Ciabuschi u. a. (2012). 73 Vgl. Kutschker, Schmid (2011, S. 1052). 74 Vgl. Edström, Galbraith (1977); Collings u. a. (2008); Kutschker, Schmid (2011). 75 Vgl. Bartlett, Ghoshal (1989); Caves (1996); Gupta, Govindarajan (2000). 76 Vgl. Draft, Weick (1984); Gupta, Govindarajan (2000), Mudambi, Navarra (2004). 77 Vgl. Kogut, Zander (1993); Adenfelt, Lagerström (2008). 78 Vgl. z. B. Mudambi (2002); Keupp u. a. (2011, S. 214). 79 Vgl. Argyris, Schön (1978). 80 Vgl. z. B. Frost u. a. (2002); Adenfelt, Lagerström (2008) bezogen auf Gupta, Govinda­ rajan (2000) und Mudambi (2011). 81 Vgl. Meyer, Estrin (2014) und Hoenen, Kostava (2015). 82 Vgl. z. B. Scavarda u. a. (2010). 83 Z. B. Hoenen, Kostova (2015); Ambos u. a. (2016).

2.4 Ausdifferenezierung der Steuerung 84 85 86 87 88 89

101

Vgl. Lessard u. a. (2016). Vgl. Holtbrügge, Welge (2015, S. 143). Ambos u. a. (2016). Vgl. Proff, Proff (2013). Vgl. Hansch (2007, S. 82). In China und Russland sind einige Tochtergesellschaften Joint Ventures mit einem lokalen Partner, aber die Steuerung wurde in allen befragten Unternehmen vom deut­ schen Partner dominiert. 90 Vgl. Berry (1993, S. 44–49); Bleymüller u. a. (2008, S. 139). 91 Vgl. Proff (2018). 92 Vgl. Scavarda u. a. (2010, S. 208).

2.5

Steigende Komplexität für multinationale Automobilunternehmen seit Beginn des Jahrtausends – Eine Zusammenfassung

2.5 Steigende Komplexität für Automobilunternehmen

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

In den Kapiteln 2.1 bis 2.4 wurde gezeigt, dass die Ausdifferenzierungen der Aus­ landsmärkte und der Wettbewerbslandschaft im Unternehmensumfeld und dadurch der strategischen Ausrichtung multinationaler Automobilunternehmen sowie der Steuerung der ausländischen Tochtergesellschaften seit Beginn des Jahrtausends (1) Chancen bietet, aber auch Risiken birgt. Selbst eine systematische Ausdifferenzie­ rung von Strategie und Steuerung dürfte jedoch (2) in den meisten multinationalen Automobilunternehmen den Anstieg der Komplexität im Unternehmensumfeld nicht auffangen können.

(1) Chancen und Risiken der Veränderungen seit Beginn des Jahrtausends Chancen bieten wettbewerbsfähigen multinationalen Automobilunternehmen die zusätzlichen Absatzpotenziale der Wachstumsmärkte. Damit können sie am Kapitalmarkt punkten und die Risiken der internationalen Marktbearbeitung ausgleichen (Kapitel 2.1). Für weniger wettbewerbsfähige Automobilunternehmen mit schlechterer Kompetenzbasis besteht die Chance, dass sich die Spielregeln der Märkte durch neue Wettbewerber ändern und sich neue Gewinnpotentiale auftun, die sie z. B. durch Zerlegung der vormals integrierten Wertschöpfungskette nutzen können (Kapitel 2.2). Automobilunternehmen können die Chancen ergreifen, wenn sie generische Wettbewerbsstrategien zu Geschäftsmodellen mit Wahlent­ scheidungen über die Wertarchitektur und das Nutzenversprechen (Kapitel 2.3) ausdifferenzieren und die ausländischen Tochtergesellschaften länderspezifischer steuern (Kapitel 2.4). Multinationale Automobilunternehmen können durch die Einbettung der Tochtergesellschaften in ihren jeweiligen Ländermarkt („local embeddedness“) Kompetenzen erwerben und damit Prozesse und Leistungen des gesamten Unter­ nehmens verbessern (Kapitel 2.4). Durch Verknüpfung von strategischen Wah­ lentscheidungen und länderspezifischer Steuerung kann die Imitierbarkeit der Kompetenzbasis verringert werden, was die Wettbewerbsvorteile multinationaler Automobilunternehmen erhöht. Angesichts der Herausforderungen durch die globalen Umfeldtrends (Kapitel 3) muss diese Verknüpfung zu einer umfassenden

103

104

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

gemeinsamen Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften führen, was in Kapitel 6 betrachtet wird. Die Veränderungen seit Beginn des Jahrtausends bergen aber auch Risiken. So kann ein stärkerer Wettbewerb mit Konkurrenten aus neuen Wachstumsmärkten Gewinne der etablierten Unternehmen gefährden, umso mehr, wenn die wachsenden Heimatmärkte der neuen Konkurrenten stärker abgeschottet werden. Etablierte Automobilunternehmen mit guter Kompetenzbasis können durch aktive – neue und etablierte – Wettbewerber überholt werden und relativ zurückfallen. Hier besteht eine große Gefahr des „Verzettelns“. Das liegt zum einen daran, dass alte Wettbewerber im Markt bleiben, neue eintreten und die administrativen Kosten bei ohnehin knappen Ressourcen steigen (Kapitel 2.2). Zum anderen erfordert die Ausdifferenzierung von Wettbewerbsstrategien zu Geschäftsmodellen (Kapitel 2.3) und die immer länderspezifischere Steuerung (Kapitel 2.4) zusätzliche Wahlent­ scheidungen und Ressourcen.

(2) Anstieg der Komplexität für multinationale Automobilunternehmen Wie erläutert hat sich die Komplexität in den arbeitsteiligen, spezialisierten und interdependenten Systemen multinationaler Unternehmen durch die Umfeld­ komplexität in den letzten Jahren weiter erhöht (vgl. Abb. 2.5-1). Komplexität bedeutet – wie in Kapitel 1.1.3 erläutert – eine dynamische Diversität, die in der Systemtheorie über die Zahl unterscheidbarer Zustände eines Systems gemessen wird1, in der Entscheidungstheorie über die Anzahl eventueller Gelegenheiten („opportunity contingencies“)2 erfasst wird und sich im Laufe der Zeit verändert3. Durch die Ausdifferenzierung der wachsenden Automobilmärkte (Kapitel 2.1) wird eine Anpassung des Angebots an die unterschiedlichen Automobilmärkte er­ forderlich, wodurch Vielfalt und Zahl der Varianten steigen und die Wertschöpfung (Einkauf, Fertigung, Logistik und Vertrieb) komplexer wird. Die Komplexität der Organisation hat sich auch erhöht, weil angesichts länderspezifischer Regulierungen immer kompliziertere Managementsysteme entwickelt wurden und die Bearbeitung der verschiedenen Auslandsmärkte stärker aufeinander abgestimmt wurde. Durch die Ausdifferenzierung der Wettbewerbslandschaft (Kapitel 2.2) steigt seit der Jahrtausendwende auch die Vielschichtigkeit und Komplexität des Wettbewerbs. Kapitel 2.3 belegt, dass multinationale Automobilunternehmen auf die steigende Komplexität im Unternehmensumfeld mit Ausdifferenzierung ihrer Wettbewerbs­ strategien zu individuellen und differenzierten Geschäftsmodellen reagieren. Damit können sie zwar dem Anstieg der Komplexität entgegenwirken, ihn aber nicht aufheben, weil durch die Veränderung der strategischen Ausrichtung Fixkosten und Overheadkosten steigen und neue eventuelle Gelegenheiten geschaffen werden, was wiederum die Komplexität erhöht. Ähnlich kann auch eine länderspezifischere

5‐1, S. 1 5

2.5 Steigende Komplexität für Automobilunternehmen

105

Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften dem Anstieg der Umfeldkomplexität entgegenwirken, aber in der Regel nicht verhindern. Damit führen die Veränderungen im Unternehmensumfeld seit der Jahrtausendwende selbst bei Ausdifferenzierung von Strategie und Steuerung in den meisten Automobilunternehmen insgesamt zu einem Anstieg der Komplexität (vgl. Abb. 2.5-1).

Komplexität (Anzahl eventueller Gelegenheiten) Ausdifferen‐ zierung der  Wettbewerbs‐ landschaft

Ausdifferen‐ zierung der  Automobil‐ märkte

Ausdifferen‐ zierung der  strategischen  Ausrichtung  Ausdifferen‐ zierung der Steuerung  Anstieg der Komplexität  seit der Jahrtausend‐ wende

Abb. 2.5-1 Steigende Komplexität für multinationale Automobilunternehmen seit Beginn des Jahrtausends Quelle: eigener Entwurf

Angesichts der Veränderung der Nachfrage, der Fahrzeugantriebe und der Prozes­ se, Leistungen und Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung, wird schon sehr bald in der Automobilindustrie die Komplexität weiter steigen (Kapitel 3): und zwar anders als seit der Jahrtausendwende nicht nur durch Ausdifferenzierung des Leistungsspektrums in einem klar definierten Markt, sondern aufgrund der Diskontinuität der Veränderungen durch Anstieg der Unsicherheit in einem nicht mehr klar definierten Markt, in dem es mehrere mögliche Wege gibt, deren Erfolg zu Beginn nicht sicher ist. Deshalb wird eine Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung der Tochtergesellschaften notwendig, zunächst einzeln, was in den Kapiteln 4, 5 und 6.1 skizziert wird, aber auch gemeinsam (Kapitel 6.2 bis 6.4).

106

2 Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen

Es reicht nicht, wenn multinationale Automobilunternehmen nur die mit einer Lückenanalyse erkannten Risiken aufgrund der Veränderungen seit der Jahrhun­ dertwende angehen. Sie müssen im Sinne einer „dynamischen Lückenanalyse“ abschätzen, wie sich das Unternehmensumfeld künftig voraussichtlich weiter verändern wird und die Herausforderungen bei der Neuausrichtung von Strategie und Steuerung (in den Kapitel 4 bis 6) berücksichtigen.

Endnoten 1 2 3

Vgl. Malik (2015, S. 76). Davis u. a. (2009). Vgl. Schoenenberg (2014b, S. 14) oder Malik (2015).

3 Herausforderungen für multinationale Automobilunternehmen durch globale Umfeldtrends 3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends 3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Proff, Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26759-9_3

107

108

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

Multinationale Automobilunternehmen stehen vor vielfältigen neuen Heraus­ forderungen. Dies zeigen Studien1 und Prognosen2 und Diskussionen auf dem jährlich stattfindenden Duisburger „Wissenschaftsforum Mobilität“3. Sie zeigen sich aber auch in Berichten und Gesprächen in Muttergesellschaften und in 90 Tochtergesellschaften von 15 deutschen Automobilherstellern und -zulieferern in den vier BRIC-Ländern (Brasilien, Russland, Indien und China), in Mexiko und in den USA zwischen 2013 und 2017. Diese Herausforderungen lassen sich zu vier globalen, längerfristigen Trends zusammenfassen (vgl. Abb. 3–1), die das Umfeld in den einzelnen Ländermärkten der Automobilunternehmen beeinflussen: 1. die weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage als Veränderung im sozio-kulturellen Umfeld (Kapitel 3.1) 2. die weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe als Veränderung im technologischen und politisch-rechtlichen Umfeld (Kapitel 3.2), 3. die weltweite Ausdifferenzierung von Prozessen und Leistungen (u. a. Entwick­ lung zum autonomen Fahren und neue Mobilitätskonzepte) und der Geschäfts­ modelle durch die Digitalisierung (Kapitel 3.3), die auch durch Veränderungen im technologischen und politisch-rechtlichen Umfeld getrieben wird, sowie 4. der weltweite Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes der traditionellen Automobilunternehmen (Kapitel 3.4) als Veränderung im wirtschaftlichen Umfeld. Diese vier globalen Umfeldtrends bewirken das, was als zweite große industrielle Revolution in der Automobilindustrie bezeichnet wird: nach der ersten Revolution, die Autos für Industrieländer auf Basis von Öl brachte, nun eine zweite Revolution: Das Öl geht zu Ende und wachsende Ländermärkte müssen erschlossen werden4. Die Digitalisierung ermöglicht zudem über die gestiegene Rechnerleistung eine Anpassung von Technologien in einem breiteren individuellen, organisationalen und sozialen Kontext5. Durch die globalen Umfeldtrends wird die Komplexität für multinationale Automobilunternehmen zunächst stark zunehmen: vor allem durch die weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage und der Fahrzeugantriebe, aber auch – zumindest kurzfristig – durch die Ausdifferenzierung von Prozessen, Leistungen und Geschäftsmodellen durch die Digitalisierung. Erst mittel- und langfristig wird die Digitalisierung helfen, die Komplexität besser zu beherrschen und der weltweite Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes könnte zu einer stärkeren Fokussierung der Unternehmenstätigkeit und damit Verringerung der Komplexität beitragen.

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

. Umfeldtrend

Ausdifferen‐ zierung der  sozio‐ Mobilitäts‐ kukulturelle nachfrage Rahmen‐ bedingungen

weites  ( änder)Umfeld (ďĞŝƵƐĚŝĨĨĞƌĞŶnjŝĞƌƵŶŐĚĞƌǁĂĐŚƐĞŶĚĞŶ >ćŶĚĞƌŵćƌŬƚĞͿ enges (Wettbewerbs)Umfeld

Kunden Lieferanten

2. Umfeldtrend

Ausdifferen‐ zierung der  Fahrzeugantriebe

109

multinat. (Automobil) Unternehmen

Wettbewerber ;ďĞŝƵƐĚŝĨĨĞƌĞŶnjŝĞƌƵŶŐ ĚĞƌtĞƚƚďĞǁĞƌďƐůĂŶĚƐĐŚĂĨƚͿ

;ďĞŝƵƐĚŝĨĨĞƌĞŶnjŝĞƌƵŶŐ ǀŽŶΎ^ƚƌĂƚĞŐŝĞƵŶĚ Ύ ^ƚĞƵĞƌƵŶŐͿ

politisch‐rechtl. Rahmen‐ bedingungen technologische Rahmen‐ bedingungen

. Umfeldtrend

Ausdifferenzierung von  rozessen,  eistungen und  Geschäftsmodellen durch  igitalisierung

wirtschaftliche Rahmen‐ bedingungen

. Umfeldtrend

ruck der Kapitalgeber  auf eine Verringerung der Kapitaleinsatzes

Zeit

2

Abb. 3-1

weiterer  Anstieg der Komplexität

Herausforderungen für multinationale Automobilunternehmen

Quelle: eigener Entwurf

Mehr als die inkrementellen Veränderungen durch die weltweite Ausdifferenzie­ rung der Mobilitätsnachfrage werden die diskontinuierlichen technologischen Umfeldtrends (Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe und Digitalisierung), die zu neuen Basistechnologien für elektrisch und autonom fahrende Fahrzeuge führen und die Komplexität verändern. Multinationale Automobilunternehmen sind davon allerdings in sehr unterschiedlichem Maße betroffen. Automobilzulieferer sind von manchen Mobilitätstrends sogar gar nicht betroffen, wenn sie Teile für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor herstellen, die auch für Elektroautos unverändert benötigt werden. Es kann aber angenommen werden • dass multinationale Automobilunternehmen die globalen Mobilitätstrends selbst dann als diskontinuierlich empfinden, wenn sie bisher bereits Wettbewerbs­ vorteile der Produktinnovationsfähigkeit verfolgten, weil sich durch Elektro­ mobilität, autonomes Fahren und durch neue digitalisierte Mobilitätkonzepte die Basistechnologien ändern und eine neue Form der Innovationsfähigkeit erforderlich wird und

110

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

• dass multinationale Automobilunternehmen auf die starken diskontinuier­ lichen Veränderungen hin zu neuen digitalisierten Mobilitätsangeboten, zu neuen Fahrzeugantrieben und autonom fahrenden Fahrzeugen angesichts ihrer begrenzten Kapital- und Managementressourcen nur einmal und dann mit ihrer gesamten Organisation reagieren können und sich nicht jedem dieser Mobilitätstrends getrennt stellen. Daimler setzt z. B. auf die Strategie CASE („Connected, Autonomous, Shared, Electric“) und hat damit auf die globalen Mobilitätstrends gleichzeitig reagiert. In Kapitel 3.5 wird zusammenfassend zu untersuchen sein, wie sich die Komple­ xität insgesamt entwickelt und wie die Herausforderungen durch die vier globalen Umfeldtrends die Veränderungen für multinationale Automobilunternehmen seit Beginn des Jahrtausends (Kapitel 2) beeinflussen, um daraus Ansatzpunkte für die Neuausrichtung von Strategie und Steuerung multinationaler Automobilunterneh­ men in Zeiten des Umbruchs zu begründen. Die vier globalen Umfeldtrends werden in diesem Kapitel zunächst beschrie­ ben und dann erklärt, bevor die sich daraus ergebenden Chancen und Risiken begründet und in Kapitel 3.5 zusammengefasst werden. Damit bietet das Kapitel nicht nur einen Überblick über aktuelle Herausforderungen im Unternehmens­ umfeld 2018/19, sondern auch Ansatzpunkte zur Strukturierung und Erklärung der Herausforderungen für die Automobilunternehmen. Diese Herausforderungen bestehen, auch wenn sie nicht so schnell Realität geworden sind, wie einige Unternehmen vorausgesagt haben (Google hatte 2012 z. B. bereits für 2017 versprochen, das selbstfahrende Auto „auch für ‚Normalbür­ ger‘„ verfügbar sind6). Weil „we always overestimate the change that will occur in the next two years and underestimate the change that will occur in the next ten“7, warnte Bill Gates bereits 1996 vor Passivität: „don’t let yourself be lulled into in­ action“. Die Anforderungen an eine Neuausrichtung von Strategie und Steuerung multinationaler Automobilunternehmen werden in Kapitel 3.5 abgeleitet.

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

111

Endnoten 1 2 3 4 5 6 7

Vgl. z. B. Deloitte (2015) und McKinsey & Company (2016). Vgl. z. B. Proff, Kilian (2013), erweitert bei Proff u. a. (2014a) und Deloitte (2018) oder auch Shell Deutschland Oil GmbH (2014). Vgl. z. B. Proff u. a. (2012, 2013a); Proff (2014, 2015) sowie Proff, Fojcik (2016), (2017) und (2018a). Vgl. z. B. Freyssenet (2009). Vgl. Legner u. a. (2017, S. 301). In diesem Buch wird auf die „digitization“ nicht weiter eingegangen. Köhler, Wollschläger (2014, S. 90). Vgl. Gates (1996).

3.1

Weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage (globaler Umfeldtrend 1)

3.1 Weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

In Kapitel 2.1 wurde gezeigt, dass sich seit der Jahrtausendwende die wachsenden Automobilmärkte immer mehr ausdifferenzieren und dadurch die Heterogenität dieser Märkte stark zunimmt. Dabei wurden vor allem Unterschiede im Markt­ potential und Marktwachstum betrachtet, d. h. Unterschiede der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Ländermärkten. Auch die sozio-kulturellen Rah­ menbedingungen der Länder1 und damit die Kundennachfrage differenzieren sich weltweit immer mehr aus2. In der Marktforschung werden Kunden länderübergreifend zu Kundengruppen mit ähnlichen Lebensstilen zusammengefasst3, z. B. vom Sinus Institut in Heidelberg4 und der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg. Damit werden „Verhaltensmuster“ erfasst, die durch „persönliche und gesellschaftliche Werte“5, d. h. durch „dauerhafte Überzeugung, dass ein bestimmtes Verhalten wünschens­ wert oder gut ist“6 geprägt sind. Kaufentscheidungen und Konsummuster spiegeln den Lebensstil wider. Das Sinus-Institut z. B. hat für mehr als 40 Länder „Sinus-Meta-Milieus“ defi­ niert, indem sie Menschen ähnlicher Lebensauffassung und Lebensweise anhand der beiden Dimensionen „soziale Lage“ (Einkommen) und „Grundorientierung“ (Werte) klassifizieren7 und unterscheidet zwischen entwickelten und sich entwi­ ckelnden Ländern. Ein traditionelles Milieu, eine bürgerliche Mitte und leistungs­ orientierte Menschen sind typisch für entwickelte Länder, konservativ Etablierte, eine angepasste Mitte und moderne leistungsorientierte Menschen eher für sich entwickelnde Länder. In allen Ländern gibt es eine weltoffene Avantgarde („cos­ mopolitan avantgarde“). Diese grobe Klassifizierung verdeckt länderspezifische Unterschiede8. In vielen asiatischen Märkten dominieren z. B. konservative Milieus, in vielen südamerikanischen Märkten eher Kundengruppen mit avantgardistischer Grundorientierung9. Da diese Kundenmuster etwa für Marketingaktionen der Automobilindustrie zu grob sind, bietet z. B. die Gesellschaft für Konsumforschung für europäische Länder branchenspezifische Klassifizierungen von Kunden- bzw. Nachfragergruppen an (GfK Roper Consumer Styles)10. Zudem gibt es z. B. Nachfragertypologien speziell in Zeiten der Digitalisierung, die Internet-Nutzer gruppieren11 und Sinus-Mileus speziell für junge Menschen und in sich entwickelnden Ländern, wobei nach dem Wohnort 113

114

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

zwischen der traditionellen armen Landbevölkerung („traditional popular (rural)“) und der städtischen Arbeiterklasse („urban working class“) unterschieden wird. Kundenwünsche und Mobilitätsnachfrage werden sich weiter ausdifferenzieren. Sie unterscheiden sich von Land zu Land und in den Ländern, z. B. zwischen Lon­ don und Mumbai, aber auch in Großbritannien zwischen London und ländlichen Gebieten und in Indien zwischen Mumbai und agraischen Gebieten mit sehr schlechter Verkehrsinfrastruktur12. Länderübergreifende Bedarfsklassifizierungen und Kundensegmentierungen werden schwieriger. Automobilunternehmen müssen nicht nur unterschiedliche Einkommen und Präferenzen beachten, sondern auch alters- und wohnraumbedingte Ausdifferenzierungen der Mobilitätsnachfrage, d. h. demographische und räumliche Veränderungen durch eine alternde Gesellschaft in entwickelten Ländern, eine stark wachsende Bevölkerung in sich entwickelnden Ländern und durch die Urbanisierung. In Abschnitt 3.1.1 soll deshalb zunächst gezeigt werden, wie sich die Mobili­ tätsnachfrage durch die weltweiten Veränderungen im sozio-kulturellen Umfeld ausdifferenziert. In Abschnitt 3.1.2 wird dies mit der Theorie des intertemporalen Konsumverhaltens erklärt. Schließlich werden in Abschnitt 3.1.3 die künftigen He­ rausforderungen durch eine weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage aufgezeigt: einerseits Nutzung von Synergieeffekten durch ähnliche Ansprache von Kundengruppen und andererseits Anpassungskosten infolge länderspezifischer Unterschiede der Werte, der Einkommens- und Altersverteilung sowie der Urba­ nisierung und damit steigender Komplexität.

3.1.1

Weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage durch weltweite Veränderungen im sozio-kulturellen Umfeld

Die Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage (veränderte Nutzer- und Nut­ zungsansprüche13) beschreibt länderübergreifende und zugleich zunehmend länderspezifische Veränderungen im sozio-kulturellen Umfeld. Kundengruppen werden meist länderübergreifend durch die Dimensionen „soziale Lage“ (Ein­ kommen) und „Grundorientierung“ (Werte) klassifiziert, unterschieden nach dem Entwicklungsstand der Länder, getrennt für entwickelte und sich entwickelnde Länder. Unterschiede im Durchschnitts- bzw. Pro-Kopf-Einkommen und in der Grundorientierung, die die Konsummuster und die Mobilitätsnachfrage beein­ flussen, werden zudem mit der Größe der einzelnen Segmente erfasst14. Neben (1)

3.1 Weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage

115

Werten und Einkommen erhalten auch (2) Alter und (3) Wohnumfeld zunehmend Bedeutung, auch für die Automobilindustrie.

(1) Länderübergreifende und länderspezifische Milieus nach Werten und Einkommen Wie erläutert, werden Kunden in der Marktforschung bislang meist länderüber­ greifend nach den Dimensionen Werte und Einkommen zu Gruppen mit ähnli­ chen Lebensstilen zusammengefasst15. Dabei gibt es Unterscheidungen zwischen etablierten, d. h. entwickelten und sich entwickelnden Ländern (vgl. Abb. 3.1-1). Die Gruppen unterscheiden sich in ihren Kaufentscheidungen, d. h. für die Auto­ mobilindustrie in der Mobilitätsnachfrage. Abb. 3.1-1a zeigt, dass sich die Lebensstile seit den 1950er Jahren in entwickelten Län­ dern ausdifferenziert haben. Damals dominierten das traditionelle und das etablierte konservative Milieu, die bei jeder Einkommenserhöhung ein größeres Auto kauften. Heute gibt es in den entwickelten Ländern auch moderne und post-moderne Milieus, die teilweise trotz hohen Einkommens auf ein eigenes Fahrzeug verzichten. In den sich entwickelnden Ländern sind die Milieus heute ähnlich ausdifferenziert, aber konser­ vativer, da traditionelle und etablierte Milieus sehr viel größer sind (vgl. Abb. 3.1-1b).

116

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

( " '!'" !%!  !

! !

!! !

!!"

#!! !

"! !



%! $!  "   ' $  !    "  '  

! !



!

"!"

 "

!

    

   

( " '!'"  !%  ! 





 !$ $

 !

!! $"

Abb. 3.1-1



!!

 

 !!  !!!

!! !

"! !

!

%! $!

 ! !!  ! 

Sinus Meta-Milieus für entwickelte und sich entwickelnde Länder

Quelle: nach Sinus Institut (https://www.sinus-institut.de/sinus-loesungen, abgerufen am 28.4.2018) und Proff (2004a, S. 101)

3.1 Weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage

117

Unterschiedliche Grundhaltungen und Werte sind auch kulturell begründet. Un­ terschiede in der Landeskultur werden in der Regel über verschiedene Dimensionen gemessen16. Sehr verbreitet, wenn auch keinesfalls unumstritten17, sind die Arbeiten von Hofstede (1980, 2001), der fünf Kulturdimensionen definiert: Machtdistanz (ungleich verteilte Macht in der Gesellschaft), Individualismus, Maskulinität (hohe Bewertung von Leistung, Durchsetzungsfähigkeit und Erfolg im Gegensatz zu Fe­ minität mit hoher Bewertung von Kooperation, Bescheidenheit, sich um Schwächere kümmern, Lebensqualität), Unsicherheitsvermeidung (Gefühl der Bedrohung durch unsichere und unbekannte Situationen) und Langfristorientierung (Orientierung an der Zukunft, hohe Bedeutung von Ausdauer und Sparsamkeit im Gegensatz zur Kurzfristorientierung mit Orientierung an Werten der Vergangenheit wie Respekt und Tradition). Unterschiede bestehen z. B. zwischen einem großen Machtungleichgewicht in den asiatischen Ländern China und Indien und einer deutlich geringeren Machtdi­ stanz in den USA und Deutschland, zwischen hohem Individualismus in den USA und Deutschland und einem sehr hohen Kollektivismus in China sowie zwischen stärker maskulinen Gesellschaften wie Japan und eher femininen Gesellschaften wie Brasilien. Bei der Vermeidung von Unsicherheit bestehen starke Unterschiede zwischen Japan, wo die Angst vor Veränderungen und Situationen ohne Regeln hoch ist, und China, Indien und auch den USA, wo diese Sorge geringer und die Bereitschaft größer ist, mit Unsicherheit umzugehen. Langfristige Orientierungen sind in China und Japan deutlich stärker ausgeprägt als in den USA und Deutschland. Kulturelle Werte bleiben nicht, wie von Hofstede erwartet, relativ stabil18, sondern verändern sich wie Untersuchungen seit den 1980er Jahren zeigen. Machtdistanz und Individualismus gleichen sich z. B. in den USA und Südamerika etwas an. Die Veränderungen sind aber nicht einheitlich, es bleiben deutliche länderspezifische Unterschiede19.

118

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrend

118

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

  

  







 





 





 

 











     

 

























 





 

 













 





























 

 











     





















 







  

Abb. 3.1-2 Unterschiede der Kulturdimensionen ausgewählter Länder

Abb. 3.1-2

Unterschiede der Kulturdimensionen ausgewählter Länder

Quelle: Hofstede (2001, S. 55, 101–102, 158–159, 221–222 und 275)

Quelle: Hofstede (2001, S. 55, 101–102, 158–159, 221–222 und 275)

3.1 Weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage

119

Auch wenn Fahrzeuge aufgrund ihres hohen Technologiegrades „tendenziell […] als kulturungebunden“20 angesehen werden, hat sich dies in Untersuchungen allenfalls für Premiummarken bestätigt 21. Die Automobil- und vor allem die Mobi­ litätsnachfrage wird durchaus durch die kulturellen Werte beeinflusst 22. So werden z. B. in Gesellschaften mit geringer Machtdistanz Statussymbole eher abgelehnt, während in Ländern mit hoher Machtdistanz „demonstrativer Konsum“ oder „Geltungskonsum“ wichtig ist23, bei dem Wohlstand und sozialer Status u. a. mit teuren Autos zu Schau gestellt wird. In einer Gesellschaft mit höherer Individua­ lität ist Privatbesitz wichtig, während in einer kollektiven Gesellschaft wie China öffentliche Verkehrsmittel und Carsharing eher akzeptiert werden. In Ländern mit einer langfristigeren Orientierung sind Qualität und Wiederverkaufswert wichtiger als in Ländern mit kurzfristigerer Orientierung. Länderspezifische Unterschiede der Lebensstile begründen sich aber auch aus Unterschieden im Einkommen, im Durchschnitts- oder Pro-Kopf-Einkommen. Hier bestehen, wie Abb. 3.1-3 für ausgewählte Länder zeigt, große Unterschiede24. Für die Automobilindustrie sind Informationen über die Einkommensverteilung besonders wichtig, da sie in Verbindung mit den Pro-Kopf-Einkommen die Größe der Nachfrage in den einzelnen Fahrzeugsegmenten bestimmt. Die abgebildeten Gini-Koeffizienten messen die Ungleichverteilung der Einkommen und können einen Wert zwischen 0 (vollkommen gleichmäßige Verteilung) und 1 (vollkom­ mene Konzentration des Einkommens auf eine Person) aufweisen. Sie zeigen, dass in Brasilien das Einkommen sehr ungleich verteilt ist (Gini-Koeffizient 59,3), in Deutschland und Japan (Gini-Koeffizienten 29,5 bzw. 33,8) dagegen deutlich ausgeglichener. Abb. 3.1-1 zeigt zudem, dass die Gini-Koeffizienten nicht mit dem Pro-Kopf-Einkommen korreliert sind, weil z. B. in den USA und China – trotz deutlich unterschiedlicher Pro-Kopf-Einkommen (58.000 und 8.100 US-Dollar) – der Gini-Koeffizient sehr ähnlich ist (46,6 und 47,4).

120

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

 

  





      

$("

''



#&#

' 



#%%

$'

 

# 

  

"%'

 

      

"$& ""' !($

(  % !$$ "( $&

Abb. 3.1-3 Einkommensverteilung in ausgewählten Ländern 2015 Quelle: Statista GmbH (2018a)

Wie bei der Kultur zeigt sich auch ein Einfluss des Einkommens auf die Mobilitäts­ nachfrage. Wie in Kapitel 2.1 (v. a. Abb. 2.1-1) gezeigt, nutzen Menschen mit einem sehr geringen Pro-Kopf-Einkommen bis etwa 1.000 Dollar öffentliche Verkehrsmittel und Fahrräder. Mit einem etwas höheren Einkommen können vermehrt Motorräder und motorisierte Dreiräder gekauft werden, Rischkas als Taxi und Kleintranspor­ ter in Ost- und Südostasien und mit noch höherem Einkommen bis etwa 8.000 US-Dollar auch Pick-ups, Fahrzeuge mit offener Ladefläche. Die Kaufschwelle für Pkw liegt bei etwa 8.000 US-Dollar. Für diese Käufergruppen in wachsenden Märkten werden Kleinwagen entwickelt wie der Tata Nano und der Renault Kwid. Zudem gibt es Unterschiede in der Verteilung der Fahrzeugsegmente zwischen den Ländern (vgl. auch Abb. 2.2-4 in Kapitel 2.4). Brasilien hat z. B. einen hohen Anteil der Segmente A und B (Kleinst- und Kleinwagen) von etwa 70 Prozent. Das ist typisch für relativ gering entwickelte Länder und wird sich auch in den nächsten Jahren nicht wesentlich ändern. Die Segmente C und D (Kompaktwagen und Mit­ telklasse) wachsen kaum. Die Segmentverteilung in Deutschland mit einem Anteil der beiden Segmente von etwa zwei Drittel und etwa 15 Prozent der Segmente E und F (Ober- und Luxusklasse) ist dagegen typisch für hoch entwickelte Länder.

(2) Länderübergreifende und länderspezifische Milieus nach Alter Neben Werten und Einkommen beeinflusst auch das Alter zunehmend die Nach­ frage25. Nach einer Studie von Deloitte gab es 2015 etwa zwei Milliarden junge Menschen weltweit, die zur Gruppe der Generation Y (20 bis 37-Jährige bzw.

3.1 Weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage

121

Geburtsjahrgänge 1977 bis 1994) gehörten und deren Mobilitätsbedürfnisse län­ derübergreifend Besonderheiten aufweisen26. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht interessieren weniger Geburtsjahrgänge als vielmehr die „Generation young“, d. h. die zu einem Zeitpunkt 17 bis 25-Jährige. Die Deloitte „Gen Y automotive consumer study“ 2014 bezieht sich auf mehr als 23.000 Kunden in 19 Ländern. Sie vergleicht die Generation Y mit der Generation der Baby Boomer (Geburts­ jahrgänge 1946 – 1964) und der Generation X (Geburtsjahrgänge 1965–1976) und vermutet, dass die Generation Y zum größten und einflussreichsten Segment in der Automobilindustrie werden wird. Es ist eine Generation, die in einer vernetzten Welt aufwächst, in der sich zwischenmenschliche Beziehungen stark verändern. Diese Generation hat weniger als Ältere den Wunsch, ein Fahrzeug zu besitzen. Sie bleibt durch neue Technologien und Medien mobil und gewinnt durch Zugang zu intermodalen Angeboten neue Optionen. Länderübergreifend verliert das Auto bei jungen Leuten als Statussymbol an Bedeutung. Präferenzen verschieben sich von einem eigenen Fahrzeug zu einer Fahrzeugnutzung ohne Eigentum bzw. Besitz. 98 Prozent der von Deloitte in Deutschland befragten jungen Menschen wollten sich allerdings dennoch in den nächsten fünf Jahren ein Fahrzeug anschaffen. Sie verzichten nicht auf einen Füh­ rerschein und verschieben lediglich die Anschaffung eines Autos27. Diese Phase überbrücken sie mit Mobilitätsoptionen. Fahrten, die ein Fahrzeug benötigen, erfolgen durch öffentlichen Verkehr in Verbindung mit neuen Angeboten wie Carsharing und Fahrdiensten28. Ganz anders verändert sich die Mobilitätsnachfrage kaufkräftiger älterer Menschen, deren Lebenserwartung weltweit zunimmt. Nach einer Prognose der EU (2015)29 steigt z. B. in Deutschland der Altenquotient30 (Verhältnis der Menschen 65 Jahre und älter zu Menschen im Alter von 15 bis 64 Jahre von 0,31 2013 auf 0,47 2030). Da ältere Menschen mehr gesundheitliche Probleme haben als jüngere Menschen, wächst das Gefährdungspotenzial im Straßenverkehr, vor allem bei komplexen Verkehrssituationen, die zu rascher Informationsaufnahme und -verarbeitung sowie zu Entscheidungen und Handlungen zwingen. Ältere Fahrer haben auch Probleme in der Dämmerung und bei Dunkelheit sowie beim Einfädeln mit hoher Geschwindigkeit. Zudem werden kognitive Leistungen altersabhängig verringert31, insbesondere jene kognitiven Leistungen, die mit Teilen des Stirnhirns assoziiert werden, wie die sogenannten exekutiven Funktionen (u. a. Entscheidungen, kognitive Flexibilität, Erkennen und Verarbeitung von Rückmeldungen32), Gedächtnisleis­ tungen und die Aufnahme von Informationen33. Erste Symptome, z. B. eine abneh­ mende Gedächtnisleistung und deutliche Einschränkungen in der Verarbeitung parallel erhaltener Informationen, setzen häufig schon Jahre vor einer Diagnose

122

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

und einer Feststellung einer Fahruntüchtigkeit ein. Dies bedeutet, dass es in der Gruppe älterer Fahrer eine deutliche Varianz der kognitiven Leistungen gibt, die für sicheres Fahrverhalten hohe Relevanz haben. Neben der altersbedingten Ver­ schlechterung der kognitiven Fähigkeiten verringern sich visuelle Fähigkeiten, die am stärksten das Fahrvermögen beeinträchtigen können34. Dies betrifft weniger die reine Sehschärfe, die auch bei älteren Fahrern meist ausreicht und erst in sehr hohem Alter kritisch wird, als die dynamische Sehleistung, d. h. die Erfassung von Bewegungen, die Nachtsichtfähigkeit, die Weite des Sichtfeldes sowie die Blendund Kontrastempfindlichkeit. Auch die motorischen Fähigkeiten nehmen mit dem Alter ab. Eine schlechtere Beweglichkeit der Gelenke, z. B. eine geschwächte Beweglichkeit des Nackens führt dazu, dass ein eingeschränktes Sehfeld durch ältere Fahrer schlechter ausgeglichen werden kann35. Es bedarf daher einerseits geeigneter technischer Hilfen wie Fahrerassistenz­ systeme, die physiologische und ökonomische Anforderungen erfüllen, um die Sicherheit im Straßenverkehr für alle Verkehrsteilnehmer zu erhöhen36 und neue Technologien, die auch älteren Autofahrern helfen37, und die ständig verbessert werden, wie z. B. Abstandsregeltempomat, Spurhalteassistent, Aufmerksamkeit­ sassistent (Müdigkeitserkennung), Aus- und Einparkassistent, Kreuzungsassistent, Totwinkelassistent, (Not)Bremsassistent, Sichtverbesserungsassistent, Nacht­ sichtsysteme und Verkehrszeichenerkennung. Ältere Kunden sind angesichts begrenzterer Lebenserwartung eher bereit, für Lebensqualität bzw. Komfort und neue Assistenzsysteme zu zahlen38. Nicht nur das Alter, auch kritische Lebensereignisse („life events“) über den Lebens(ver)lauf („life course“) haben Einfluss auf die Mobilitätsnachfrage – al­ tersnormierte Ereignisse wie Studium, Berufseinstieg, Familiengründung und Ende der beruflichen Tätigkeit, aber auch nicht altersnormierte Ereignisse wie Arbeitslosigkeit, lebensbedrohliche Krankheiten oder der Tod von Angehörigen, die unabhängig vom Alter auftreten können, vgl. Abb. 3.1-4)39.

3.1 Weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage

Generation  young

Kinder

alters‐ normierte ebens‐ ereignisse

Generation mittleren Alters Geburt des Kindes

Auszug des Kindes

Geburt des Enkels Tod des Partners Rente

des Finanzstatus

Schule Kindergarten

Pflegebedürftigkeit  Jahre 5 5 Jahre

25 Jahre

• oft kein Fahrzeugbesitz • Bedeutung Statussymbol sinkt • neue Transportmöglich‐ keiten wie Carsharing, ÖPNV, multimodale Systeme

nicht  alters‐ normierte ebens‐ ereignisse

mobile, kaufkräftige ältere Menschen

gemeinsamer  Hochzeit Scheidung Haushalt Umzug Tod eines Elternteils erste Anstellung Ausbildung/Studium signifikante Verbesserung 

18 Jahre

123

Erfolge im Privatleben schwere Krankheiten



• Nachfrage nach Fahrerassistenzsystemen

zuvor aufgeschobene Fahrzeuganschaffung • oft nicht mehr in der Einstiegsklasse

Erfolge im Arbeitsleben

Alter

Tod eines Familienmitglieds

Krankheit eines Familienmitglieds  Jobwechsel

Arbeitslosigkeit

Abb. 3.1-4 Mobilitätsnachfrage in Abhängigkeit von kritischen Lebensereignissen Quelle: eigener Entwurf nach Elder (1994)

Auf das Nachfrageverhalten übertragen, kann vermutet werden, dass Lebenser­ eignisse Bedarf und Nutzen verändern. Die Automobilindustrie kann darauf z. B. mit speziellen Mobilitäts- und Finanzierungsangeboten reagieren, da Alter und kritische Lebensereignisse die Zahlungsbereitschaft beeinflussen. Die Ausdifferenzierung der altersspezifischen Mobilitätsnachfrage und die zunehmende Bedeutung spezieller Wünsche junger wie alter Kunden ist ein länderübergreifender Trend. Die Altersverteilung ist jedoch wie die Werte- und Einkommensverteilung länderspezifisch. Während z. B. Brasilien ein sehr junges Land mit einem Durchschnittsalter von 35 Jahren ist, weist Deutschland wie andere hochentwickelte Länder ein deutlich höheres Durchschnittsalter auf (52 Jahre). Altersstrukturen lassen sich zu vier Idealtypen zusammenfassen (vgl. Abb. 3.1-640): 1. sehr junge Gesellschaften mit einer „Alterspagode“ bei starkem Bevölkerungs­ wachstum, wie z. B. Kenia: Sehr viele junge Menschen unter 25 Jahren stehen einer vergleichsweise sehr kleinen Gruppe von 25–65-jährigen und einer noch kleineren Gruppe von alten Menschen über 65 Jahren gegenüber,

124

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

2. Gesellschaften mit einem hohen Kinderanteil, in denen die Beziehung aufei­ nander folgender Altersgruppen immer geringer wird, wie z. B. Indien. Diese Altersstruktur hat die Form einer Pyramide und wird „Altersdreieck“ genannt. 3. Gesellschaften mit einem etwa gleich großen Anteil junger Menschen und Menschen mittleren Alters, aber nur wenigen alten Menschen („Altersglocke“ bzw. „-bienenkorb“), wie z. B. die USA, und 4. überalterte Gesellschaften mit einer „Altersurne“ (bzw. „-zwiebel“ oder „-pilz“), in denen mehr alte Menschen als Menschen mit mittlerem Alter und relativ in Deutschland. durch globale Umfeldtrends 126 wenige junge Menschen leben,3wie Herausforderungen

! 

  

!   !             

  

 

 

 

 



   



                                                                       

    

Abb.3.1-5 3.1-5 Idealtypische Idealtypische Altersstrukturen in Abhängigkeit von Entwicklungsstand Abb. Entwicklungsstand Quelle: eigener Entwurf nach Proff (2005c) Quelle: eigener Entwurf nach (2005c)

(3) Länderübergreifende und länderspezifische Bedeutung des Wohnumfelds Auch Bevölkerungsverteilung und Bevölkerungsdichte beeinflussen die Nachfrage nach Mobilität. Urbanisierung, Zahl und Größe der Ballungsräume nehmen weltweit zu. Der Anteil der weltweit in Städten lebenden Bevölkerung lag 1950 weltweit bei 29 Prozent, 2010 bei 51 Prozent und wird 2050 voraussichtlich 70 Prozent erreichen41. Dies stellt immer höhere Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur, aber auch an den öffentlichen Personennahverkehr. Stadtforscher diskutieren unterschiedliche Entwicklungstrends42: • die klimagerechte Stadt mit CO2 freier Mobilität durch erneuerbare Energien, zunehmend multimodal und intermodal, d. h. Wahl und Wechsel der Verkehrs­ mittel individuell und abhängig vom Bedarf,

3.1 Weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage

125

• die gesunde Stadt, d. h. eine Stadt der kleinen Wege, fußgängerfreundlich („wal­ kable“) mit einem dichten Radwegenetz und • die gemeinschaftliche Stadt mit kollaborativem Konsum (gemeinsam nutzen statt besitzen) z. B. durch Carsharing, Fahr- und Mitfahrdienste. Die Mobilitätsnachfrage ist zudem unterschiedlich in den verschiedenen Stadt­ räumen Altstadt/Kernstadt, Gründerzeitquartiere, Stadterweiterungsgebiete und suburbane Räume43. McKinsey44 unterscheidet zwei Stadttypen, um Auswirkungen der Urbanisierung und der Veränderung der Mobilitätsnachfrage zu beschreiben: sehr dicht besiedelte Städte und suburbane Zersiedlung, die sich hinsichtlich der Verkehrsströme, Gebühren für Umweltnutzung und Parkmöglichkeiten unter­ scheiden. Sie erfordern unterschiedliche Mobilitätslösungen. Das zeigen die unter­ schiedliche Nachfrage nach Carsharing und unterschiedliche Einsatzbedingungen für autonomes Fahren45. Multimodale Mobilitätslösungen werden bisher vor allem in städtischen Gebieten angeboten und genutzt. Deshalb ist in ländlichen Gebieten mit deutlich schlechterem Angebot öffentlicher Verkehrsmittel die Pkw-Dichte in entwickelten Ländern auch höher46. Die Mobilitätswende durch Verkehrsmittel mit Elektromotor, Autos, Bikes, Pedelecs, wird aber auch hier kommen, da die Reichweite der Batterien zunimmt, durch multimodale Lösungen sowie mit der Entwicklung des autonomen Fahrens und kleiner flexibler Verkehrsmittel. Die Ausdifferenzierung der wohnumfeldspezifischen Mobilitätsnachfrage und der Wunsch nach Teilhabe an neuen digitalen Verkehrsangeboten ist ein allgemeiner, länderübergreifender Trend. Das Verhältnis zwischen Stadt- und Landbevölkerung ist jedoch länderspezifisch: Trotz großer Metropolen in Asien und Afrika, ist dort die Urbanisierung insgesamt noch geringer als in Nordamerika oder Europa mit einer Vielzahl mittelgroßer Städte (vgl. Abb. 3.1-6).

126

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

         * ' &

&

%&

%

%

%

$

#! "$

# "

"

!        

      

    

  

 

  

Abb. 3.1-6 Verteilung von Stadt- und Landbevölkerung in ausgewählten Regionen 2013 Quelle: Statista GmbH (2015)

In den hoch verdichteten Städten der entwickelten Länder wie New York, London, Singapur sind Verkehrsdichte und Umweltbelastung geringer als in den hoch ver­ dichteten Städten der sich entwickelnden Länder wie Sao Paulo, Lagos, Mumbai, da der öffentliche Personenverkehr weit besser ausgebaut ist, der Umweltschutz höher bewertet wird und schadstoffärmere Fahrzeuge und neue Mobilitätsangebote weiter verbreitet sind47. Bei Berücksichtigung des sozio-kulturellen Umfelds, d. h. von Wertesystem und Einkommen, aber auch von Alter und Wohnumfeld ist eine Klassifizierung der Nachfrage schwieriger. Konnten Unterschiede im Wertesystem und Einkommen zu Gruppen unterschiedlicher länderübergreifender Meta-Lebensstile aggregiert werden, so lassen sich Unterschiede entlang von vier Dimensionen kaum noch ag­ gregieren bzw. klassifizieren. Wurden durch die Klassifizierung entlang den beiden Achsen (Einkommen und Werte) neun Lebensstilgruppen gefunden, so ergeben sich bei einer Ausdifferenzierung entlang der vier Achsen (Werte, Einkommen, Alter und Wohnumgebung) mehr als 100 Nachfragegruppen. Damit wird ein globales Fahrzeug- und Mobilitätsangebot schwieriger48, Heterogenität und damit Komplexität für multinationale Automobilunternehmen steigen.

3.1 Ausdifferenzierungder derMobilitätsnachfrage Mobilitätsnachfrage 3.1 Weltweite Weltweite Ausdifferenzierung

127127

3.1.2 Erklärungder derAusdifferenzierung Ausdifferenzierungder der 3.1.2 Erklärung Mobilitätsnachfrage – Theorie des Haushalts und Mobilitätsnachfrage – Theorie des Haushalts und des intertemporalen Konsumverhaltens des intertemporalen Konsumverhaltens Bei Informationkann kannein einIndividuum Individuumoder oder Haushalt Bei vollkommener vollkommener Information einein Haushalt den heutigen heutigen und von seinem Ein­ den und zukünftigen zukünftigenKonsum KonsumininAbhängigkeit Abhängigkeit von seinem Ein­ kommen optimieren Information unrea­ kommen optimieren4949. .Da Dadie dieAnnahme Annahmevollkommener vollkommener Information unrea­ listisch ist, weil beschaffen muss, listisch weil ein ein Haushalt Haushalteine eineVielzahl Vielzahlvon vonGütern Gütern beschaffen muss, werden verschiedene Bedarfs, langlebi­ werden verschiedene Warenkörbe, Warenkörbe,z. B. z. B.Güter Güterdes destäglichen täglichen Bedarfs, langlebi­ ge Konsumgüter Konsumgüter und Warenkörbe ändern ge undLuxusgüter, Luxusgüter,unterschieden. unterschieden.Diese Diese Warenkörbe ändern sich mit mit dem als (vgl. Abb. 3.1-7). sich dem Alter Alter und unddem demWohnort Wohnort alsNiveauparameter Niveauparameter (vgl. Abb. 3.1­7). 130 3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends Warenkorb I

Warenkorb II

Warenkorb III

Ausgaben/Einnahmen

Kreditaufnahme Niveauparameter Einkommen

Niveauparameter Wohnumfeld in städtischen Gebieten

( )

Kreditrückzahlung/ Ersparnisbildung

Einkommen Konsum

(2)

ebensalter (1) Vereinfacht als Niveauparameter – Kurvenverlauf in Abhängigkeit vom Einkommen (2) Aufgrund der höheren Lebenshaltungskosten in urbanen Räumen

Abb. 3.1-7 Mobilitätsnachfrage (Konsum) in Abhängigkeit vom Einkommen, Alter in Abhängigkeit Abb. 3.1-7 und Mobilitätsnachfrage Abhängigkeit vom vom Einkommen, Einkommen, Alter Alter Wohnumfeld der (Konsum) Konsumenten und Wohnumfeld der Konsumenten Quelle: eigener Entwurf nach Blundell u. a. (1994, S. 63) Quelle: eigener Entwurf nach Blundell u. a. (1994, S. 63)

Wichtig für die Wahl der Verkehrsmittel und Mobilitätsdienste ist das verfügbare Wichtig für die der Verkehrsmittel undSteuern, Mobilitätsdienste istWohnkosten, das verfügbare Einkommen, dasWahl Einkommen nach Abzug von Abgaben und Einkommen, das Einkommen nach Abzug von Steuern, Abgaben und Wohnkosten, in der Regel der größte Ausgabeposten. Es steigt weltweit bei großen Unterschieden in der Regel der größte Ausgabeposten. Es steigt weltweit bei großen Unterschieden zwischen den Ländermärkten. zwischen den Ländermärkten. Beziehungen zwischen Nachfrage und Alter erklärt über Warenkörbe die Theorie des intertemporalen Konsumverhaltens50. Sie unterstellt, dass ein Haushalt seine

128

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

Beziehungen zwischen Nachfrage und Alter erklärt über Warenkörbe die Theorie des intertemporalen Konsumverhaltens50. Sie unterstellt, dass ein Haushalt seine Konsumausgaben so tätigt, dass der Grenznutzen des Einkommens im Lebens­ verlauf (Alter) gleichbleibt51. Dies bedeutet, dass z. B. junge Menschen zunächst den Grundbedarf befriedigen und im mittleren Alter bei gesättigtem Bedarf und realistischer Einschätzung des zukünftig zu erwartenden Einkommens, der Ein­ kommensrisiken und der Sparneigung den Zusatzbedarf und weniger rationale Bedürfnisse decken52. Abb. 3.1-7 zeigt, dass Einkommen und Konsumkurven über den Lebenszyklus ungleich verteilt sind. Damit sind auch die Kreditaufnahme und -zurückzahlung sowie die Ersparnisbildung über den Lebenszyklus ungleich verteilt. Aus dem intertemporalen Konsumverhalten der Haushalte mit einem jeweils unterschiedlichen Bedarf53, lassen sich drei Warenkörbe ableiten: der Warenkorb I ganz junger Haushalte, der Warenkorb II einer Durchschnittfamilie mit mittlerem Alter und kleineren Kindern, der bei der Berechnung der durchschnittlichen Prei­ sentwicklung zugrunde gelegt wird und der Warenkorb III von Rentnerhaushalten. Diese drei Bevölkerungskohorten entsprechen in etwa der Altersverteilung: der Altersgruppe der unter 25-Jährigen, der 25 bis 65-Jährigen und der über 65-Jährigen. Sie haben unterschiedliche Warenkörbe (Güter und Dienstleistungen): 1. Grundbedarf vor allem junger Menschen (Warenkorb I), 2. Grund- und Luxusbedarf vor allem der Menschen im mittleren Alter (Waren­ korb II) und 3. Güter des Ersatzbedarfs vor allem alter Menschen (Warenkorb III, vgl. Abb. 3.1-7). Konsum einschließlich Ausgaben für Mobilität überschreiten vor allem in Haushalten mit mittlerem Alter und hohem Bedarf das Einkommen. Erst später übersteigt das Einkommen wieder die Ausgaben, bevor es mit Ende der Berufstätigkeit sinkt. Auch dieser allgemeine Trend weist erhebliche länderspezifische Unterschiede auf. Wie die Optionen neuer Mobilität sind auch die Freiheitsgrade der Mobilitätsnachfrage sehr unterschiedlich. Im Rahmen des International Comparison Program (ICP), an dem Weltbank, IWF, WHO und die Vereinten Nationen beteiligt sind, wird schon seit langem versucht, die Zusammensetzung der Warenkörbe für die Durchschnittsfamilie mittleren Alters weltweit zu vereinheitlichen54, weil in einer jungen Gesellschaft mit Altersstruktur einer „Pagode“ oder eines „Dreieck“ (Abb. 3.1-5), als Güter und Dienstleistungen des Grundbedarfs (Warenkorb I) genauso Unterkunft und Grund­ nahrungsmittel und als Luxusgüter (Warenkorb II) genauso Luxusnahrungsmittel benötigt werden, wie in alternden Gesellschaften (Altersstruktur einer „Glocke“ oder „Urne“). Im jungen und noch wenig entwickelten Indien gehört jedoch zu

3.1 Weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage

129

den Luxusgütern für die meisten Inder bereits das relativ geringwertige Gut Sü­ ßigkeiten55. In alternden Gesellschaften mit höherem Entwicklungsstand gehören infolge des höheren pro-Kopf-Einkommens zu Luxusgütern eher Hummer als Eis und Schokolade. Zu den höherwertigen Gütern des Ersatzbedarfs gehören hier z. B. Designerkleidung für den Hund und Motorräder für alte Menschen. Dabei werden mehr Güter des Luxus- und Ersatzbedarfs und weniger Güter des Grundbedarfs nachgefragt als in Gesellschaften mit einer Altersverteilung in Form einer „Pagode“ oder eines „Dreiecks“. Die Warenkörbe nach Einkommen, Alter und Wohnumfeld können in Hinblick auf die Mobilitätsnachfrage weiter ausdifferenziert werden, u. a. nach öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln, Fahrzeugantrieben und Verkehrsdiensten. Aufgrund der höheren Lebenshaltungskosten in urbanen Räumen liegt hier in weiterer Ni­ veauparameter für die Gesamtnachfrage (Abb. 3.1-7). Das würde aber den Rahmen dieses Buches sprengen.

3.1.3 Künftige Herausforderungen durch eine weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage Die weltweit ähnliche Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage nach Wertsys­ tem, Einkommen, Alter und Wohnumfeld bietet multinationalen Automobilun­ ternehmen die Chance, länderübergreifend einheitliche Trends aufzunehmen, um selbst bei Produktvarianten Größen- und Verbundvorteile zu erzielen, aber auch Nachfragegruppen bzw. Absatzpotentiale gezielt anzusprechen. Länderspezifische Unterschiede von Einkommen, Altersverteilung und Urbanisierung ermöglichen eine Abschöpfung von Konsumentenrenten. Risiken liegen selbst bei weltweit ähnlicher Ausdifferenzierung der Mobilitäts­ nachfrage darin, mit dem Angebot länderspezifischen Unterschieden in Wertesystem und Einkommensverteilung, in der Altersverteilung und in der Urbanität nicht voll gerecht zu werden. Angebotskorrekturen verursachen Anpassungskosten und erhöhen die Komplexität. Das gleichzeitige Angebot • kleiner innovativer Fahrzeuge und Fahrzeuge für die immer rationaleren Käufer der Triade-Märkte, • großer Fahrzeuge für wohlhabende Käufer mit hohen Ansprüchen an Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit in den neuen Wachstumsmärkten und • kleiner, sehr billiger Fahrzeuge für die Klein- und Kleinstwagensegmente dieser Länder

130

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

ist zudem eine große Herausforderung für Automobilhersteller und -zulieferer. In den neuen Wachstumsmärkten werden leistungsstarke Premiumfahrzeuge, vor allem deutscher Hersteller als sehr prestigeträchtig wahrgenommen und mit sehr hohen Preisaufschlägen verkauft. Sie erreichen hier die höchsten Profitraten. Weil in den Triade-Märkten zunehmend schadstoffarme Fahrzeuge mit einem hohen Nutzwert nachgefragt werden, müssen Hersteller von Premienfahrzeugen sowohl den Anforderungen der Wachstumsmärkte entsprechen als auch denen der TriadeMärkte. Dabei Identität und Markenkern zu halten, ist eine große Herausforde­ rung. Ein ähnliches Problem kann sich auch bei niedriger positionierten Marken ergeben. Skoda, eine Marke im VW-Konzern soll z. B. in China einen bezahlbaren Status bieten, in Europa aber Fahrzeuge der höher positionierten Konzernmarken Audi, VW und Seat gegen Konkurrenten mit preiswerteren Angeboten wie Dacia und Hyundai schützen. Chancen und Risiken können mit der Unterscheidung zwischen beherrschbarer und schädlicher Komplexität zusammengefasst werden (vgl. Abb. 3.1-8). Dabei wird unterstellt, dass Komplexität nicht generell ein Problem und damit schädlich ist, sondern nur dann, wenn sie nicht beherrschbar ist. Komplexität kann einen Mehrwert für Unternehmen und Kunden schaffen („gute“ Komplexität). Schädlich wird Komplexität, wenn Unternehmen alle Kundenbedürfnisse befriedigen und alle Nischen abdecken möchten, die Individualisierung zu weit geht und dadurch die Kosten in die Höhe treiben56. Angebote für Kundengruppen mit Unterschieden in Einkommen, Werten, Alter und Wohnumfeld, unterschiedlichen Präferenzen und unterschiedlicher Aufgeschlossenheit für technologische Innovationen können Kundenwüsche er­ füllen, profitabel und sinnvoll sein. Häufig wird aber die positive, gewinnbringende Komplexität verlassen. Die Ausdifferenzierung der Mobilitätsbedürfnisse verlangt von multinatio­ nalen Unternehmen eine Ausdifferenzierung der Nutzenversprechen hybrider und innovativer Geschäftsmodelle und eine länderspezifische Anpassung an die Mobilitätsnachfrage und damit eine heterogenere Steuerung (zumindest wichtiger) Tochtergesellschaften im Ausland. Die Herausforderung liegt darin, das Portfolio unterschiedlicher Zielgruppen in den verschiedenen Wachstumsmärkten steuerbar zu halten, was eine gewisse globale Standardisierung und damit Homogenität der Steuerung erfordert.

Abb. 3.1‐8, S. 131

3.1 Weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage

131

rofitabilität TOP 80% der profitablen Konfigurationen

profitable Konfigurationen

negative Deckungsbeitrage

Anzahl roduktvarianten

Abb. 3.1-8 Beherrschbare und schädliche Komplexität Quelle: eigener Entwurf

Endnoten 1 2 3 4

Vgl. UNDP (2016). Vgl. Kröger (2015, S. 464) und Capgemini Consulting (2017a und b). Homburg (2014, S. 24), aber auch Homburg (2015, S. 763). Seit 2009 mit Anteilsmehrheit von Integral, Wien (https://www.sinus-institut.de/ ueber-uns/profil, abgerufen am 25.4.2018). 5 Homburg (2015, S. 50) und Homburg (2014, S. 24). 6 Homburg (2015, S. 47). 7 Vgl. https://www.sinus-institut.de/sinus-loesungen/sinus-meta-milieus-weltweit ab­ gerufen am 28.4.2018. 8 Vgl. z. B. Homburg (2015, S. 1093). 9 Vgl. auch Proff (2004a, S. 101). 10 Vgl. Homburg (2006, S. 1096) und http://www.gfk.com/de/branchen/ueberblick, auf­ gerufen am 29.4.2018.

132

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

11 Vgl. https://www.sinus-institut.de/sinus-loesungen/digitale-sinus-milieus, abgerufen am 28.4.2018. 12 Vgl. ähnlich McKinsey&Company (2016, S. 9). 13 Vgl. Schmidt, Hellali-Milani (2016a). 14 Vgl. Homburg (2015, S. 1093). 15 Homburg (2014, S. 24), aber auch Homburg (2015, S. 763). 16 Vgl. z. B. Hofstede (1980, 2011) oder Trompenaars (1996). 17 Vgl. z. B. die Meta-Analyse von Taras u. a. (2012). 18 Vgl. Hofstede (2001, S. 36). 19 Vgl. z. B. Taras u. a. (2012). 20 Z. B. von Massenbach (2009, S. 70). 21 Vgl. ebd., (S. 7 und S. 1). 22 Vgl. ebenfalls von Massenbach (2009). 23 Vgl Varian (2014, S. 96–99). 24 Vgl. UNDP (2016) und The World Bank Group (2017). 25 Vgl. Taras u. a. (2012). 26 Vgl. Deloitte (2015, S. 9). 27 Vgl. Proff u. a. (2017) und Schleiffer (2019). 28 Vgl. z. B. Noble (2005); Ruud, Nordbakke (2008) und Sivak, Schoettle (2012). 29 http://epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=de&pcode= tsdde511&plugin=1 (= abgerufen im November 2016). 30 Vgl. Statistisches Bundesamt (2006). 31 Vgl. z. B. Markowitsch u. a. (2005). 32 Vgl. Brand, Markowitsch (2010). 33 Vgl. ebd. (2004). 34 Vgl. Davidse (2007). 35 Vgl. z. B. MoPAct (2014). 36 Vgl. Rudinger (2013). 37 Vgl. Wild (2014). 38 Vgl. King u. a. (2005). 39 Vgl. zur Lebens(ver)lauf(s)theorie („life course theory“) z. B. Elder (1994). Solche lebens­ verändernden Ereignisse und der dadurch beschriebene Lebenslauf sind zwar für jede Person individuell, da sie nicht mit einem bestimmten Alter auftreten (der Renteneintritt kann z. B. bei Frührentnern schon mit 50 Jahren erfolgen und bei Selbstständigen mit weit über 70 Jahren). Doch wird in der sozialwissenschaftlichen Lebenslauf-Forschung (vgl. ebd.) versucht, Alterseffekte entlang verschiedener Dimensionen zu beschreiben, Gruppen zu bilden und dann die inter- und intra-Gruppenheterogenität zu untersuchen (vgl. Lachman 1985 und McLanahan, Sorensen 1985). 40 Vgl. z. B. Birg (2004). 41 Vgl. Statista GmbH (2018b). 42 Vgl. z. B. Schmidt, Hellali-Milani (2016b, S. 140 und das weitere Kapitel 9.1).

3.1 Weltweite Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56

133

Vgl. Schmidt, Hellali-Milani (2016b). Vgl. McKinsey&Company (2016, S. 9). Vgl. ebd. (S. 10). Vgl. McKinsey&Company (2016, S. 9). Vgl. ebd. Vgl. Kröger (2015, S. 464). Vgl. dazu Varian (2014, Kap. 10). Vgl. z. B. Blundell u. a. (1994). Vgl. ebd. (S. 5). Vgl. Miles (1997, S. 23). Vgl. auch Stobbe (1994, S. 162–167). Vgl. dazu The World Bank (2004). Vgl. ebd. Vgl. z. B. Anderson u. a. (2006) und darauf bezogen Buob (2010, S. 16), aber auch Wüp­ ping (2013, S. 133).

3.2

Weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe (globaler Umfeldtrend 2)

3.2 Weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

Fahrzeugantriebe werden immer mehr ausdifferenziert, weil sich zunehmend die Erkenntnis durchsetzt, dass der klassische Verbrennungsmotor, obwohl durch hohe Forschungsanstrengungen immer umweltfreundlicher und effizienter, keine Zukunft hat1: „Die Vorkommen fossiler Brennstoffe sind begrenzt“, so dass es bald „nicht mehr möglich sein wird, Autos mit Öl anzutreiben“2. Wegen zu hoher Emis­ sionswerte drohen Fahrverbote. Die für Binnenmarkt und Industrie zuständige EU-Kommissarin empfiehlt, den Verbrennungsmotor nicht weiter zu verbessern3. Der Übergang zu einer neuen Antriebstechnologie wird unabdingbar4. Nur so ist es der Automobilindustrie möglich, die CO2-Auflagen der EU zu erfüllen und hohe Strafzahlungen zu vermeiden. Elektrofahrzeuge, nach der EU-Abgrenzung rein batterieelektrische Fahrzeu­ ge einschließlich Range-Extender, Plug-in-Hybridfahrzeuge und Fahrzeuge mit Brennstoffzellen, werden sich weltweit durchsetzen5. Voraussetzung dafür sind aber gewaltige Investitionen in Batteriefabriken. Bis zu 40 Prozent der Wert­ schöpfung entfallen auf Batterien. Trotz neuer Fabriken wird die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Zellen, Bausteine der Batterien, die Produktion übersteigen. Nach einer Studie des Fraunhofer-Instituts steigt die weltweite Nachfrage von etwa 100 Gigawattstunden (GWh) Speicherkapazität 2018 auf etwa 700 GWh 2025, stärker als die Produktion, Zunahme auf etwa 550 GWh. Bisher kommen Fahrzeugbatte­ rien von asiatischen Zulieferern (Japan, Südkorea, China). Trotz der Gefahr einer Lieferabhängigkeit und auch einer technologischen Abhängigkeit, zögerten bisher deutsche Hersteller und Zulieferer in Batteriefabriken zu investieren. Zu den Grün­ den gehören sehr hohe Kosten, geringe Gewinnerwartungen und der erwartete Entwicklungssprung zu Festkörperbatterien. Eine weitere Herausforderung ist eine kohlefreie Produktion des Stroms für 40 Millionen Fahrzeuge in Deutschland. Dafür alleine sind „zusätzlich 20 neue Gaskraftwerke, oder 27 Millionen Solaranlagen auf Häusern, oder 35.000 Windkraftanlagen an Land“ erforderlich6. Die Energiewende im Verkehr, vor allem im Straßenverkehr steht noch aus. Auch wenn die Zahl der Elektrofahrzeuge zunimmt, entfallen 2018 weniger als drei Prozent der Energie im Straßenverkehr auf erneuerbare Energien (Windenergie, Sonnenenergie, Biomasse, Wasserkraft). Da auch die noch relativen wenigen Elek­ trofahrzeuge eine flächendeckende Ladeinfrastruktur benötigen, bedarf es hoher Investitionen. Nach Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirt­ schaft (BDEW) sind für eine Million Elektrofahrzeuge etwa 70.000 Ladepunkte 135

136

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

und 700 Schnellladepunkte erforderlich. Ende 2018 gab in Deutschland 16.000 öffentliche und halböffentliche Ladepunkte. In die Ladeinfrastruktur investieren in Deutschland u. a. die Automobilindustrie (Ionity, ein Gemeinschaftsunternehmen von BMW, Daimler, Ford und Volkswagen), Telekom (Aufrüstung von Schaltvertei­ lern zu Ladestationen) und Energieversorger wie EnBW, E.ON und Innogy (RWE). Die Ausdifferenzierung neuer Fahrzeugantriebe ist eine langfristige, diskonti­ nuierliche technologische Veränderung, weil noch mindestens 20 Jahre Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor und Elektrofahrzeuge parallel angeboten werden7. Anders als z. B. in der Pharma- und Computerindustrie oder in der Biotechnologie verän­ dert sich das Umfeld damit nicht kontinuierlich tiefgreifend, sondern es kommt einmalig zu einer langfristigen tiefgreifenden technologischen Veränderung durch eine völlig neue Antriebstechnologie als einer neuen Basistechnologie. Danach wird die Branche wieder zu einem weitgehend stabilen Zustand zurückkehren. Die Zunahme der Elektrofahrzeuge variiert von Land zu Land, abhängig von der Nachfrage, von politischen Rahmenbedingungen und von der Regulierung der Märkte: Während in Europa in einigen Ländern wie Norwegen (2025) und den Niederlanden (2030) schon recht bald keine Neuwagen mehr mit Verbrennungs­ motor verkauft werden dürfen, können sie in den weitaus meisten Ländern, vor allem in den neuen Wachstumsmärkten noch wesentlich länger angeboten werden. Da aber auch Indien schon 2030 Neuwagen mit Verbrennungsmotor verbieten will, müssen zumindest für diesen Markt kleine und sehr kleine preisgünstige Elektroautos entwickelt werden8. Die länderübergreifende Ausdifferenzierung der Antriebe verändert das tech­ nologische und auch das politisch-rechtliche Umfeld in der Automobilindustrie. Das wird in Abschnitt 3.2.1 belegt und in Abschnitt 3.2.2 wirtschaftspolitisch erklärt. Ziel ist dabei die Schaffung positiver externer Effekte (Erhöhung des Nutzens von unbeteiligten Personen bzw. der Gesellschaft durch das Handeln eines Marktteilnehmers, z. B. Beschleunigung des technischen Fortschritts durch Käufer von Elektrofahrzeugen) und die Vermeidung negativer externer Effekte (Verringerung der Kosten für unbeteiligte Personen bzw. die Gesellschaft durch das Handeln eines Marktteilnehmers, z. B. Verringerung der Emissionen durch Käufer von Elektrofahrzeugen). Danach werden in Abschnitt 3.2.3 die künftigen Herausforderungen durch die weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe aufgezeigt: einerseits Chancen durch neue Märkte für innovative Unternehmen, die es erlauben, einen Kompetenzrückstand in der alten Technologie aufzuholen und andererseits Risiken durch technologische Unsicherheit und Marktunsicherheit und dadurch steigende Komplexität – zumindest bis 2030, bevor es zu einer erneuten Konvergenz der Antriebsarten kommen dürfte.

3.2 Weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe

137

3.2.1 Weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe durch weltweite Veränderung im technologischen und politisch-rechtlichen Umfeld Die weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe verändert das technologische Umfeld der Automobilunternehmen. Das technologische Umfeld wird dabei stark vom politisch-rechtlichen Umfeld beeinflusst, da technologische Innovationen, die den Mobilitätssektor betreffen, aufgrund der positiven externen Effekte (z. B. technologischer Fortschritt) und der negativen externen Effekte (z. B. Staus und hohe Schadstoffkonzentrationen in Ballungsräumen) für die (Wirtschafts-) Politik sehr bedeutsam sind. Neben der Marktunsicherheit, ob Fahrzeuge mit neuen Antrieben die veränderte Mobilitätsnachfrage der Kunden (Kapitel 3.1) treffen, besteht technisch auch Un­ sicherheit9 darüber, welche Technologien sich langfristig durchsetzen werden (vgl. Abb. 3.2-1). Technologische Unsicherheit entsteht durch technologische Defizite, wie z. B. die geringe Energiedichte und geringe Reichweite von Batterien, lange Ladezeit und durch die hohen Anforderungen, weil mit den neuen Antrieben auch grundlegend neue Fahrzeugkonzepte erforderlich sind. Verglichen mit Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor müssen nicht nur Antriebssystem und Energieversorgung ersetzt werden, sondern auch Motornebenaggregate wie Heizung bzw. Klimaanlage, weil ein Elektromotor keine Wärme erzeugt. Unsicherheit wird als Informationsdefizit definiert, wenn Entscheidungsträger weniger Informationen haben, als aus ihrer Sicht erforderlich sind, um Entschei­ dungen zu treffen10. Neue Antriebssysteme bedeuten heute zwar keineswegs mehr völlige Unsicherheit („true ambiguity“), die keine Prognose ermöglicht (Abb. 3.2-1) und auch keine große Unsicherheit zwischen zwei „Randszenarien“ als Extremfälle („range of futures“) wie noch vor einigen Jahren, sondern Entscheidungen bei einer klar definierten Anzahl verschiedener Zukunftsszenarien („alternate futures“), auch wenn Hersteller und Zulieferer noch nicht ganz erkennen, welches Szenario für die einzelnen Ländermärkte wahrscheinlich ist. Die Unsicherheit ist aber auch noch nicht so gering, dass eine eindeutige Vorhersage der künftigen Entwicklung möglich ist („clear-enough future“)11. Dazu fehlen zudem Industriestandards, d. h. ein „dominantes design“12, z. B. für autonomes Fahren und Ladestecker. Das Innovationsmanagement der Hersteller wie Zulieferer kann jedoch schon mit statistischen Verfahren arbeiten, mit Kennzahlen, Methoden der mathemati­ schen Optimierung, Entscheidungsdiagrammen und Fokusgruppenanalysen13.

138

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

        

   

     





         





  

    

  

   

  

   



   

  

     

       

Abb. 3.2-1 Erkennen und Verarbeiten von Unsicherheit Quelle: nach Proff u. a. (2014a, S. 14)

Der Übergang zur Elektromobilität hat längst begonnen. Es gibt Fahrzeuge in allen Segmenten. 2017 wurden weltweit 1,2 Mio. batterieelektrische und Plug-in-Hybrid­ fahrzeuge hergestellt, davon knapp die Hälfte in China. Das sind allerdings noch zu wenig, um die Emissionsgrenzwerte zu erreichen. Die Batteriekosten werden aber weiter sinken, die Ladeinfrastruktur wird flächendeckend ausgebaut werden14. Die Elektromobilität ist politisch gewollt und gesellschaftlich gewünscht, sie wird von den Herstellern vorangetrieben, auch weil vor allem junge und umweltbewusste Kunden auf neue Fahrzeugkonzepte warten15. Die EU erzwingt durch klare Vorgaben zur Emissionsreduzierung den Über­ gang zur Elektromobilität. Die Emissionsgrenzwerte für Fahrzeugflotten (d. h. im Durchschnitt über alle Fahrzeuge eines Herstellers) sinken von 130 Gramm CO2 je km 2015 auf 95 Gramm CO2 je km 2020. Im April 2018 betrugen die Emissionen in der EU im Durchschnitt 119 Gramm, in Deutschland 12716. Im Dezember 2018 hat die EU beschlossen, den CO2-Ausstoß neuer Fahrzeuge in der EU bis 2030 um 37,5 Prozent zu senken. Der Grenzwert von 59 Gramm je km ist mit den heute

3.2 Weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe

139

angebotenen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor technisch nicht mehr machbar. Übertragen auf die Fahrzeugproduktion in der EU bedeutet das, dass ohne Sankti­ onen schon nach 2030 diese Fahrzeuge für EU-Märkte nicht mehr gebaut werden können. 95 Gramm CO2 je km entsprechen 3,6 Liter Diesel oder 4,1 Liter Benzin. Abb. 3.2-2 zeigt die Abnahme der Emissionsgrenzwerte in der EU seit 1990 und die voraussichtliche Entwicklung bis 2050. Überschreitungen werden mit hohen Strafzahlungen bestraft. Selbst wenn in den nächsten Jahren in Flotten mit großen und leistungsstarken Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor die Optimierung noch ausreicht, gilt das schon nach 2020 nicht mehr. Eine stärkere Reduzierung wäre möglich und aufgrund des Klimawandels mit immer stärkeren negativen Auswir­ kungen auch notwendig. Da fossile Brennstoffe knapp werden und hohe Emissio­ nen verursachen, wird eine Mobilitätswende mit völlig neuen Mobilitätslösungen dringender, die die knappen Ressourcen Energie, Raum und Zeit so nutzt, dass sich in den Städten eine neue, nachhaltige „postfossile Mobilitätskultur“ entwickeln kann, durch die die Städte lebenswert und funktionsfähig bleiben17. Das erfordert nicht nur innovative Antriebs- und Fahrzeugkonzepte, urbane Mobilität muss neu gedacht und überkommene Verhaltensmuster müssen aufgebrochen werden. Individuelle und energiesparende Mobilität ist zukünftig intermodale Mobilität: öffentliche Personenverkehrsmittel, private Verkehrsmittel, Carsharing, Leihwagen und Fahrdienste18, die durch die Digitalisierung erst ermöglicht wird (Kapitel 3.3).



 

 

!&

   



'

' &%

&

%&

!$

%!

!"

 $!

! ( &

&

!&$ !#

$%        "$

!!) )%

$

%

 #&

!$

%%

     

%)

" '

" !%

" !(

" "

" #

!"

!%

" $

" !

" %

     

Abb. 3.2-2 Entwicklung der Emissionsgrenzwerte in der EU für Fahrzeugflotten (1990 bis 2050) Quelle: eigene Weiterentwicklung nach Proff, Proff (2013, S. 56)

# "%

"(

!))

#%

  

 

%&

"

$

% 

140

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

Hier steht – auch regulationsbedingt – ein radikaler Wandel bevor. Die ab Mitte 2018 in Deutschland verstärkt diskutierten und bereits gerichtlich entschiedenen Fahrverbote für alte Dieselfahrzeuge für besonders belastete Innenstädte sind da erst der Anfang. Abb. 3.2-6 zeigt den voraussichtlichen Absatz von Fahrzeugen mit neuen An­ triebstechnologien (Brennstoffzelle, Plug-in Hybride, Range-Extender und rein batterieelektrische Fahrzeuge) bis 2030 auf den wichtigsten Weltmärkten, Abb. 3.2-7 den voraussichtlichen Absatz in Deutschland. Diese Prognosen basieren auf einem Marktmodell (Abb. 3.2-5), das zur Abschätzung der Marktentwicklung in der Elektromobilität entwickelt wurde19. Weil beim Kauf eines Automobils primär der Preis relevant ist, konzentriert sich das Modell auf monetär bewertbare Komponenten. Für das Modell wurde zum Vergleich der Fahrzeuge ein Referenzfahrzeug definiert mit Merkmalen wie Kraftstoffverbrauch und Jahresfahrleistung, ein Mittelklasse-Fahrzeug mit einem Verbrennungsmotor und einem Preis von 25.000 EUR. Auf diesen Preis wurden alle Fahrzeuge bezogen, wobei für Elektrofahrzeuge je nach Antriebsart durch fahrzeugspezifische Komponenten technisch bedingte Mehrkosten anfallen. Es wurde angenommen, dass alle neuen Fahrzeuge fünf Jahre gefahren werden, was der durchschnittlichen Nutzungsdauer durch Erstkäufer entspricht. Um die Nut­ zungskosten zu berechnen, die seit der Kaufentscheidung in fünf Jahren insgesamt anfallen würden, wurden sämtliche Komponenten über den Nutzungszeitraum bewertet. Ein Kosten-Nutzen-Index vergleicht Kosten und Nutzen von Elektrofahr­ zeugen mit Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Liegt dieser Index des Elektro­ fahrzeugs oberhalb des Index-Schwellenwertes in einem Marktsegment, der durch eine repräsentative Umfrage ermittelt wurde, werden Elektrofahrzeuge gekauft 20. Die Klassifizierung der Käufer von Elektrofahrzeugen (Abb. 3.2-3) wurde 2013 in einer großzahligen (Online-)Befragung mit 1.950 Datensätzen in Deutschland mit Hilfe einer Clusteranalyse ermittelt21. Dabei konnten sechs Kundengruppen von Elektrofahrzeugen unterschieden werden: 1. umweltbewusste frühe Käufer („umweltbewusste Early Adopter“), 2. innovationsorientierte/statusorientierte frühe Käufer „innovationsorientierte Early Adopter“, 3. Zögerer („Waverer“), 4. Folger („Follower“), 5. unpassende/indifferente Kunden („Unfit/Unconcerned Consumer“) und 6. Käufer von Niedrigpreisfahrzeugen („Low-end Consumer“)22.

3.2 Weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe

141

Privatkundengruppen

Umweltbewusste  Early Adopter     

umweltbewusst energiebewusst starke  Nutzenorientierung sehen Auto als  „Commodity“ hohe  Zahlungsbereitschaft

Innovations‐ orientierte Early  Adopter    

Offen für  Innovationen statusorientiert hohes Budget und  hohe  Zahlungsbereitschaft hohes Wissen über  Elektrofahrzeuge

Waverer

Abb.  3     

Clustergröße in %

Privatkundengruppen

22,4 %

Follower

  



Clustergröße in %

offen, aber nicht überzeugt großes Interesse an  Elektromobilität, noch nicht erfüllte  Anforderungen an  Reichweite/ abweichendes Mobilitätsverhalten überdurchschnitt‐ liche Zahlungs‐ bereitschaft

1 ,8 %

11,9 %

18 %

Unfit/Unconcerned Consumer 

   

noch nicht erfüllte  Anforderungen an  Reichweite/ abweichendes                Mobilitätsverhalten keine Lademöglichkeit wenig Wissen über Elektrofahrzeuge sehr geringes  Interesse an  Elektrofahrzeugen, geringe Zahlungsbereitschaft

19,5 %

offen, aber nicht überzeugt vermeiden riskante, unsichere Käufe durchschnittliches Wissen über  Elektrofahrzeuge Vorbehalte gegenüber Elektrofahrzeugen hohe  Zahlungsbereitschaft

ow‐End Consumer

      

konservativ    traditionell nicht offen für  Innovationen und Veränderungen kaum Interesse an der  Elektromobilität  geringes Budget sehr geringe  Zahlungsbereitschaft

11,4 %

n = 1.95

Abb. 3.2-3 Kundengruppen in der Elektromobilität Quelle: nach Proff (2014a, S. 40) und Proff u. a. (2016, S. 99) bezogen auf Fojcik u. a. (2014)

142

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

Die Kundengruppen in der Elektromobilität unterscheiden sich etwas von den Kundengruppen in der traditionellen Automobilindustrie, die z. B. das Sinus­Insti­ tut nach Einkommen und Orientierung an Werten für Deutschland entwickelt hat (Sinus­Milieus, vgl. auch Kapitel 3.1.123 und Abb. 3.2­4). Durch die Elektromobilität werden damit neue Kundengruppen gewonnen, die neue Freiheitsgrade bieten24. Abb. 3.2-4, S. 143

↓Einkommen

Fahrzeuge mit Verbrennungs motor

rein elektrisch betriebene Fahrzeuge

2.

Oberschicht/ obere Mittelschicht (1)

Sinus AB12 Konservativetabliertes Milieu 10%

mittlere Mittelschicht (2)

3.

untere Mittelschicht/ Unterschicht (3)

Werte →

Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, Voll- und Plug-in Hybridfahrzeuge

Sinus AB23 Traditionelles Milieu 15%

6.

Tradition (A)

Sinus B1 Liberal-intellektuelles Milieu 7%

1.

Sinus B12 Sozialökologisches Milieu 7%

4.

Sinus B23 Bürgerliche Mitte 14%

Sinus B3 Prekäres Milieu 9%

Modernisierung/Individualisierung (B)

Sinus C1 Milieu der Performer 7% Sinus C2 AdaptivAdaptiv pragmatisches Milieu 5. 9%

Sinus C12 Expeditives Milieu 6%

Sinus BC23 Hedonistisches Milieu 15%

Neuorientierung (C)

← primäre Antriebstechnologie positive Einstellung zur Elektromobilität

neutrale bzw. negative Einstellung zur Elektromobilität

↑ Einstellung zur Elektromobilität

1. umweltbewusste frühe Käufer („Early Adopter“), 2. innovationsorientierte/statusorientierte frühe Käufer „Early Adopter“, 3. Zögerer („Waverer“), 4. Folger („Follower“), 5. unpassende/indifferente Kunden („Unconcerned/Unfit Consumer“) und 6. Käufer von Niedrigpreisfahrzeugen („Low-end Consumer“)

Abb. 3.2-4

Näherungsweise Zuordnung der Kundengruppen in der Elektromobilität zu Sinus­Milieus in der traditionellen Automobilindustrie in Deutschland

Quelle: nach Proff u. a. (2014a, S. 41) und Proff u. a. (2016, S. 100) und bezogen auf Fojcik u. a. (2014)

In einem zweiten Schritt wurden Gruppeninterviews geführt mit zusammen 43 Personen der Kundengruppen, die bis 2030 über den Kauf von Elektrofahrzeugen entscheiden werden (Kundengruppen 1 bis 4). Die Interviews wurden handschrift­ lich und mit Videokamera aufgezeichnet, transkribiert und zusammengefasst in einem Steckbrief für jede Zielgruppe25. Weil die Diff usion nicht schlagartig erfolgen wird, sondern über einen längeren Zeitraum und gewerbliche Fahrzeuge anders genutzt werden als Privatwagen, bedarf es getrennter Prognosen für Privatwagen und gewerbliche Fahrzeuge, die

3.2 Weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe

143

zu einer Prognose der Entwicklung des Gesamtmarktes zusammengeführt werden (Abb. 3.2­5).

Ver alten der Privatkunden differenzierte Betra tung der (1. u eltbe usste und 2. inno ationsorientierte statusorientierte fr e K ufer arl Adopter , 2. Z gerer ( a erer ), 4. olger ( ollo er ), . unpassende indifferente Kunden ( n on erned nfit onsu er ) und 6. K ufer on Niedrigpreisfa rzeugen ( o end onsu er )) ut en Entwicklung Kosten Nutzen er

Prognose des esa tfa r eugarktes

Eigent erstruktur

Mar t odell

Pri at unden

esc windigkeit der Anpassung • nno ations ffe te •

ge erbli e Kunden

t ung

Anteil der Neuzulassungen bis 2020 und 2030

itations ffe te

•...

ut en-Kosten-Entwicklung Nutzen Kosten er

arktabsc

ltnis

Experteninterviews

ltnis

ersteller, Zulieferer, erb nde, Politi er, issens aftler Ver alten der gewerblic en Kunden

Differenzierte Betra tung der Kundenseg ente (1. lotten und 2. erlei fa rzeuge (inno ati e leets, inno ati e Rentals), 3. ertrieb der ersteller (O M Sales Organization), 4. briger a rzeugpar (Rest of leets), erlei fir en it traditionelle Angebot (Traditional Rental))

Abb. 3.2-5

Grundstruktur des Prognosemodells der Entwicklung der Automobilmärkte

Quelle: nach Proff u. a. (2014a, S. 43) bezogen auf Proff, Kilian (2013)

Kasten um Abb., wie bei allen anderen Abbs. auch 

144

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

Weltweit wird der Anteil der Elektrofahrzeuge bis 2020 etwas über sechs Pro­ zent erreichen, sich nach 2025 ausdifferenzieren und bis 2030 etwa den gleichen Marktanteil erreichen wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor bei großen Unter­ schieden zwischen den Ländern. Während in Brasilien Flex-Fuel-Fahrzeuge, die außer mit Benzin auch mit klimaneutralem Bioethanol gefahren werden können, und in Ländern zu Beginn der Motorisierung mit sehr schlechter Infrastruktur Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor vermutlich deutlich länger im Markt bleiben, wird in der Triade der Verbrennungsmotor deutlich früher abgelöst bzw. verdrängt.

      

    

      

   



   



 

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

   

 

 

 

 

 

 

 

 

Abb. 3.2-6 Voraussichtlicher Absatz von Fahrzeugen mit neuen Antriebstechnologien auf den wichtigsten Weltmärkten (NAFTA, EU, China, Japan) bis 2030 Quelle: nach Proff u. a. (2014a)

Die Prognosen gehen bislang davon aus, dass der Absatz von Fahrzeugen durch Carsharing und autonom fahrende Fahrzeuge kaum zurückgeht. Diese Annahme scheint bis etwa 2030 auch realistisch, danach wird sich die Absatzstruktur aber durch die sinkenden Kosten autonom fahrender Fahrzeuge und durch die Regula­ rien stark verändern. Diese Entwicklungen sind heute allerdings erst sehr schwer prognostizierbar.

3.2 Weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe

145

In Deutschland werden dann bereits etwa drei Viertel der neuen Fahrzeuge Elektrofahrzeuge sein, auch getrieben durch die Regularien (Abb. 3.2-7).

  

 

  



 

 

     

 



 

 



         

 

 

 

 

 

 

  

 



 

 

 

   



 

 

 

 

 

 

Abb. 3.2-7 Voraussichtlicher Absatz von Fahrzeugen mit neuen Antriebstechnologien in Deutschland bis 2030 Quelle: nach Proff u. a. (2014a)

In Abb. 3.2-8 sind die verschiedenen Antriebstechnologien für den deutschen Markt nochmals unterschieden. Da eine deutliche Kostensenkung für Batterien zu erwarten ist, dürfte der Anteil rein batterieelektrischer Fahrzeuge am Gesamtabsatz bis 2030 auf über 40 Prozent steigen. Ob die Brennstoffzelle tatsächlich fünf Prozent Marktanteil erreichen wird, hängt davon ab, ob diese Technologie schnell genug zur Marktreife kommt oder ob sich die Batterie als dominantes Design durchsetzt und die Brennstoffzelle – trotz ihrer Vorteile – ausbremst. Abb. 3.2-8 zeigt aber auch, dass 2030 54 Prozent der in Deutschland abgesetzten Fahrzeuge noch einen Verbrennungsmotor haben werden. Die weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe wird folglich noch eine lange Zeit andauern.

148 146

3 Herausforderungen durch globale globale Umfeldtrends Umfeldtrends

 # #

#

# #

# #

#

#

# #

# # #

# # #

#

#

 #

#

#

#

#

          

#

#

#

#

 

#



 

                  

Abb. 3.2-8 3.2-8 Voraussichtlicher Absatz von Fahrzeugen nach Antriebstechnologien Abb. Antriebstechnologien in in Deutschland bis 2030 Quelle: nach nach Proff u. u. a. Quelle: a. (2014a)

3.2.2 Erklärung der Ausdifferenzierung von Fahrzeugantrieben – Marktschaffung und Marktentwertung Mit der Ausdifferenzierung der Antriebstechnologie verändert sich auch das po­ litisch-rechtliche Umfeld, weil die Wirtschaftspolitik in allen Ländern eingreift, d. h. z. B. • die Entwicklung neuer Märkte (für neue Antriebstechnologien) durch Tech­ nologieförderung und Subventionen unterstützt (Marktschaffung), z. B. durch Kaufprämien für Elektrofahrzeuge oder/und • alte Märkte (für die traditionelle Verbrennungstechnologie) durch Auflagen wie Emissionsgrenzwerte einschränkt (Marktentwertung). Das aktive Eingreifen der Wirtschaftspolitik wird dabei durch externe Effekte begründet, d. h. durch positive oder negative Auswirkungen auf Unbeteiligte26. Die Förderung positiver externer Effekte beruht im industriellen Umfeld entweder auf Input-Output-Multiplikatoren oder auf der Technologiediffusion27.

3.2 Weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe

147

Das begründet sich aus dem Industrieentwicklungszyklus in Abb. 3.2-9, der das Verhältnis von Industrialisierungsgrad (gemessen durch den Anteil der Industrie am BIP) und Pro-Kopf-Einkommen (BIP pro Kopf) zeigt28. Die Abbildung zeigt eine umgekehrte Parabel: in der Industrialisierungsphase besteht zunächst eine starke Korrelation des Industrialisierungsgrades mit dem BIP pro Kopf, nach einem maximalen Industrialisierungsgrad von etwa 50 % steigt die Bedeutung von Dienst­ Abb.  3.2‐9, S. 14 leistungen in einer Volkswirtschaft deutlich an und der Industrialisierungsgrad sinkt kontinuierlich, z. B. in der hochentwickelten Volkswirtschaft USA auf 20 Prozent.

Industrie/BI  (%) 5

Südkorea Brasilien Russland

4

Deutschland

3 2 1

USA Ghana 1 .

2 .

3 .

4 .

Industrialisierungsphase =  Auf‐ und Ausbau bestehender Märkte • • • •

Aufbau von industriellen Kernen bei Standardgütern Erzielung von Größen‐ und Verbundvorteilen Markenbildung Sicherung der Beschaffung standardisierter  Vorprodukte

5 .

.

.

8 .

BI  pro Kopf (US‐Dollar)

e‐Industrialisierungsphase =  Schaffung neuer Märkte oder Veränderung der Wertarchitektur • Ansiedlung von Hochtechnologien • Aufbau und Transfer von Kompetenzen • Beschaffung von Spitzenprodukten

Abb. 3.2-9 Industrialisierungszyklus Quelle: eigener Entwurf nach Proff (2004a, S. 133)

In der Industrialisierungsphase werden Märkte auf- und ausgebaut 29 und es entste­ hen positive externe Effekte durch Input-Output-Verflechtungen der Zulieferer und Hersteller, z. B. von Automobilen über Angebots- und Nachfragemultiplikatoren. Nach dem Maximum des Industrialisierungsgrades30 ist in der anschließenden De-Industrialisierungsphase u. a. Technologiediffusion durch Innovationsförde­ rung wichtig. In den BRIC-Ländern und Mexiko wird die Autoindustrie schon lange als industrieller Kern gefördert31, um positive Sickereffekte („trickle down“-Effekte)

148

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

in vor- und nachgelagerte Branchen sowie Verflechtungen zwischen Zulieferern und Herstellern zu erreichen32. In der Industrialisierungsphase dieser Länder sind Größen- und Verbundvorteile, Markenbildung und Sicherung der Beschaffung vorrangig33, d. h. die Schaffung von Handlungsspielräumen gegenüber Wettbe­ werbern zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen durch niedrige Kosten und/ oder Differenzierung34. Wettbewerbsvorteile durch Produktinnovationsfähigkeit35 spielen dagegen zunächst keine Rolle. Mit zunehmender Industrialisierung und Entwicklung gewinnt die Innovations­ fähigkeit stärkere Bedeutung, höherentwickelte Technologien und Spitzentechno­ logien werden – zumindest in einzelnen Regionen bzw. Sonderzonen – gefördert. Dann tritt der Marktauf- und -ausbau hinter der Schaffung neuer Märkte und Veränderungen der Wertarchitekturen zurück, was möglich wird, weil auch die wirtschaftlichen Institutionen in den Ländern effizienter werden und eine Arbeits­ teilung ermöglichen36. Auch die Marktentwertung hat in den verschiedenen Ländern unterschiedlicher Entwicklung unterschiedliche Ausprägungen: Die Vermeidung negativer externer Effekte beruht auf der Reduktion von Kosten, die unbeteiligte Dritte tragen müssen, wenn Automobile in Ballungsräumen fahren und Schadstoffe produzieren. Weil der Anstieg der Schadstoffe, insbesondere der CO2-Emissionen das Klima und vor allem das Leben in Ballungsräumen, wo mehr als 80 Prozent der weltweiten Treib­ hausgase ausgestoßen werden, bedroht37, soll der CO2-Ausstoß in vielen Ländern begrenzt werden, insbesondere im Verkehr. Dort haben die Schadstoffemissionen in den letzten 25 Jahren weltweit um 28 Prozent zugenommen, im Gegensatz zur Industrie, zur Energieerzeugung und zu Emissionen der Haushalte, die um 32, 16 bzw. 24 Prozent gesunken sind38. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor werden zwar immer sauberer aufgrund effizienterer Motoren, Gewichtsreduzierung, Kraftstoff­ verbesserung und Steuerungsoptimierung. Der positive Trend wird aber durch die Zunahme der Fahrzeuge vor allem in den neuen Wachstumsmärkten, der Leistung und der durchschnittlichen Fahrleistung überkompensiert39. Die Stringenz der Marktentwertung hängt auch vom Entwicklungsstand eines Landes ab. Bei hohem pro-Kopf Einkommen und hoher Fahrzeugdichte werden die Märkte eher entwertet. Sind die Einkommen sehr gering, dann kann ein Ziel­ konflikt zwischen dem Verlust der individuellen Einstiegsmobilität und starken Umweltauflagen entstehen. Die Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe ist folglich einerseits durch die technologische Entwicklung, andererseits durch regulative und politische Rah­ menbedingungen bestimmt. Hier sind gleichzeitig eine Vielzahl von Regularien zu beachten, was die Umfeldkomplexität deutlich erhöht.

3.2 Weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe

149

3.2.3 Künftige Herausforderungen durch die weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe Die Ausdifferenzierung der Antriebstechnologien bietet insbesondere innovativen Automobilunternehmen Chancen, weil die Märkte neu zusammengesetzt werden. Von der Umstrukturierung der Märkte können auch Unternehmen profitieren, die bei der alten Technologie in einen Kompetenzrückstand geraten sind oder ein Kompetenzdefizit aufweisen. Die Ausdifferenzierung der Antriebstechnologien bedeutete auch Risiken aufgrund der hohen Unsicherheit bei langfristigen tiefgreifenden technologi­ schen Veränderungen und Marktunsicherheit über die künftigen Antriebs- und Fahrzeugkonzepte. Nachhaltige Technologien, wie die neuen Antriebstechnologien, erscheinen Kunden hinsichtlich wichtiger Produkteigenschaften noch ungünstig, wie z. B. der hohe Preis, die geringe Reichweite und lange Ladedauer. Das gilt umso mehr, weil die Elektrofahrzeuge als völlig neue Produkte („Really New Products“, RNP40) angesehen werden, die Marktstrukturen und Erfahrungen verändern und eine gewisse Lernbereitschaft41 erfordern, um neue, unbekannte Wissensstrukturen zu konstruieren42. Risiken liegen damit darin, dass die neuen Geschäftsmodelle für Fahrzeuge mit neuen Antrieben für viele Kunden keinen Mehrwert schaffen und ihnen kein einzigartiges, kundenspezifisches Nutzenversprechen bieten43. Von der Neuaufteilung der Märkte können zudem auch Unternehmen aus den neuen Wachstumsmärken wie z. B. aus China profitieren, die die Verbrennungs- und dabei vor allem die Dieseltechnologie überspringen und direkt in der Elektromobilität anbieten und dort zu Wettbewerbern werden. Insgesamt erhöht die Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe die Komplexität, gerade im Übergang zu neuen Technologien. Die Managementaufgabe besteht bei weltweiten tiefgreifenden technologischen Veränderungen wie dem Übergang in die Elektromobilität deshalb darin, sowohl die Marktunsicherheit als auch die technologische Unsicherheit zu verringern44 und im politisch-rechtlichen Rahmen die Veränderungen aktiv anzugehen. Es sind Entscheidungen unter Risiko zu tref­ fen, wobei sich die Wahrscheinlichkeit der möglichen Entscheidungsalternativen ermitteln lässt. Die Entscheidungstheorie sucht für subjektiv rationales Entscheiden unter Risiko die Handlungsoption, die den höchsten Erwartungsnutzen verspricht und somit die Handlungsoption mit dem maximalen Erwartungswert45. Die Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe erfordert globale Technologie­ plattformen mit

150

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

(1) einer strategischen Neuausrichtung auf ◦◦ Produktinnovationsstrategien in der neuen Technologie und ◦◦ gleichzeitiger Kostensenkung im Rahmen von Strategien der Kostenführer­ schaft und der kostenminimalen Differenzierung in den alten Technologien. Die Technologieplattformen verlangen damit ein beidhändiges Management paralleler Wettbewerbsstrategien und Geschäftsmodelle (Kapitel 4) und (2) eine stärkere globale Ausrichtung und damit Homogenität der Steuerung (Ka­ pitel 5). Zu (1): Die strategische Ausrichtung muss verändert werden, weil es mit Ausdiffe­ renzierung der Fahrzeugantriebe notwendig wird, nicht nur die Wettbewerbsvor­ teile der Produkte zu verändern und innnovationsfähiger zu werden. Es ist auch erforderlich, das Nutzenversprechen anzupassen, um den Risiken zu begegnen, dass Geschäftsmodelle für Fahrzeuge mit neuen Antrieben keinen Wert schaffen oder – wie nachhaltige Produkte – eher Nachteile für Kunden. und damit kein einzigartiges, kundenspezifisches Nutzenversprechen bieten. Alternative Antriebe erscheinen trotz ihrer Umweltverträglichkeit häufig nachteilig (bei Elektrofahrzeugen hoher Preis, geringe Reichweite der Batterie und lange Ladedauer), allenfalls gewerbliche Kunden sehen die geringen Gesamtkosten der Nutzung („Total Cost of Ownership“). Private Kunden kennen diese Fahrzeuge kaum. Ihnen fehlt auch ein Bewertungsmaßstab für „Really New Products“46. Obwohl bei innovativen und damit sehr spezifischen Produkten die Wertschöpfungskette gemäß der Transaktionskostentheorie (vgl. Kapitel 2.3.2(1)) weitgehend integriert bleiben sollte, kann es notwendig werden, aufgrund des starken Kostendrucks die Wertarchitektur zu zerlegen und damit zu verändern. Neue Wertschöpfungs- und Vermarktungsmodelle, z. B. durch die Ver­ bindung der Energiewende mit der Elektromobilität, können entwickelt werden. In jedem Fall wird die deutsche Automobilindustrie nicht umhinkommen, Geschäftsund Gewinnmodelle neu zu denken und zu verändern und neue Kompetenzen zu suchen und in der Unternehmensorganisation zu verankern. Zu (2): Die organisatorische Ausrichtung wird sich ebenfalls verändern, weil die Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe das Spannungsfeld zwischen globaler Standardisierung und lokaler Anpassung beeinflusst. Sehr technologieintensive Produkte wie Elektrofahrzeuge mit aufwendiger Zusatzausstattung müssen wegen der FuE-Spirale mit hohem Ressourceneinsatz zumindest in kapitalintensiven Branchen wie der Automobilindustrie weltweit vermarktet werden, um durch gemeinsame Plattformen oder Bausätze, gemeinsame Beschaffung und gemeinsamen Einkauf globale Synergien zu erreichen und Kosten zu minimieren47. Die Automobilun­ ternehmen müssen dabei nicht nur das bisherige Angebot und die Technologie

3.2 Weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe

151

überdenken, sondern auch Prozesse und Abläufe in allen Funktionsbereichen verändern. Dabei geht es nicht um geringfügige Anpassungen bzw. eine partielle Reorganisation, sondern um eine umfassende und tief in bestehende Strukturen greifende Neuausgestaltung der Handlungsspielräume der Automobilunternehmen48. Ein Festhalten an alten Fahrzeugantrieben bei gleichzeitiger Entwicklung neuer Antriebstechnologie stellt die Automobilunternehmen vor enorme finanzielle und personelle Herausforderungen. Vor allem gilt es Spannungen zwischen widersprüch­ lichen Managementlogiken49 im langfristigen Übergang in die Elektromobilität abzufedern, die Anpassungskosten verursacht50. Sie entstehen, wenn Ressourcen zugleich für die Verwertung der traditionellen Antriebstechnologien und für die Entwicklung neuer Antriebstechnologien verwendet werden. Die Optimierung der bisherigen Antriebe ist effizienzgetrieben, während Innovationen in FuE und Produktion der neuen Antriebstechnologien Flexibilität erfordern, wobei Flexibi­ lität und Effizienzorientierung widersprüchlichen Managementlogiken folgen51. Durch die Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe erhöht sich zumindest bis zur flächendeckenden Marktdurchdringung einer neuen Technologie die Zahl der Fahrzeug- und Teilevarianten und der Mobilitätsdienstleistungen. Die erhöht die ohnehin schon sehr hohe Komplexität in der Automobilindustrie (Kapitel 2.5), die durch die Ausdifferenzierung weiter steigen wird.

Endnoten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Vgl. Deloitte (2015). Bay (2016). Vgl. z. B. Wilkens (2017). Vgl. Bay (2016). Vgl. z. B. McKinsey&Company (2016). Bok (2017). Vgl. Proff, Kilian (2013). Vgl. Deloitte (2015, S. 4). Vgl. Veryzer (1998) und darauf bezogen Proff u. a. (2014a, Einleitung). Vgl. Spender (1993), Wittmann (1959, S. 23ff.), Miliken (1987) und Schrader u. a. (1993). Vgl. z. B. Courtney u. a. (1997, S. 70 ff.) und darauf bezogen Proff u. a. (2014a, S. 13). Utterback, Abernathy (1975), Henderson, Clark (1990, S. 14). Vgl. Sandau (2009, S. 118). Vgl. McKinsey&Company (2016).

152

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45

Vgl. Proff u. a. (2014a). Vgl. FAZ vom 26.4.2018. Vgl. Knie und Canzler (z. B. 2010). Vgl. Proff, Schmidt (2016). Vgl. Proff, Kilian (2013) und darauf bezogen z. B. Proff u. a. (2014a, S. 39–45). Vgl. Proff u. a. (2014a, S. 39). Vgl. ebd. (2014a und b). Vgl. Proff u. a. (2014a, S. 39 und S. 40). Vgl. www.sinus-institut.de Vgl. Proff u. a. (2016, S. 100). Vgl. ebd. (2014a, S. 42). Vgl. Varian (2014, S. 663–685) Vgl. Proff, H.V. (1998, S. 56–58). Vgl. Mitchell, Coles (2003), Proff (2004a, S. 133) und Kluge, Proff (2008). Vgl. Prahalad, Lieberthal (1998, S. 72). Vgl. Kluge, Proff (2008). Vgl. Proff (2004a). Vgl. Krugman, Venables (1995), aber auch Austin (1991, S. 134) und Proff (2004a, S. 134). Vgl. z. B. Prahalad, Lieberthal (1998) und wiederum Proff (2004a, S. 134). Gemäß der marktorientierten Sichtweise im strategischen Management. Begründet durch die kompetenzorientierte Sichtweise im strategischen Management. Vgl. Proff (2004a). Vgl. Schmidt u. a. (2013). Vgl. Proff, Schmidt (2016). Vgl. ebd. Vgl. Urban u. a. (1996); Moreau u. a. (2001); Hoeffler (2003). Vgl. Leifer u. a. (2007). Vgl. z. B. Moreau u. a. (2001). Vgl. z. B. Chesbrough, Rosenbloom (2002); Osterwalder (2004) und Teece (2010). Vgl. Sandau (2009): Vgl. z. B. Eisenführ u. a. (2010). Sie prüft beispielsweise, wann Werkstoffe in Batterien durch andere Materialien ersetzt werden sollten. Solche Entscheidungen unter Risiko sollten in fünf Schritten erfolgen (vgl. Proff, Proff 2013): 1. Erarbeitung von Entwicklungsszenarien des Umfeldes mit Hilfe der Szenariotechnik, 2. Berechnung von Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt dieser Szenarien auf der Grundlage von Befragungen erfahrener Mitarbeiter und externer Experten, 3. Erarbeitung eines Profils der Chancen und Risiken einer alternativen Entwicklung auf der Grundlage der Wahrscheinlichkeiten, z. B. mit einer Simulationstechnik. Aus dem Risikoprofil kann als arithmetisches Mittel bezogen auf Gewinn oder Marktanteil ein Erwartungswert für jede alternative Entwicklung berechnet werden.



3.2 Weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe

46 47 48

49 50 51

153

4. Bestimmung individueller Nutzenfunktionen durch Befragung, damit eine Ent­ scheidung möglich wird. 5. Aggregation der individuellen Nutzenfunktionen zu einer Gruppennutzenfunktion, weil komplexe Entscheidungen im Management in der Regel nicht von einer Person allein getroffen werden. Um bei unterschiedlichen Interessen in der Gruppe zu ratio­ nalen Entscheidungen zu kommen, bedarf es einer gemeinsamen Strukturierung des Entscheidungsproblems. Vgl. Urban u. a. (1996); Moreau u. a. (2001); Hoeffler (2003). Vgl. Verbeke, Kenworthy (2008, S. 951); Rangan, Sengul (2009). Vgl. Proff u. a. (2014a). Für Deutschland müssen diese Entwicklungen noch etwas dif­ ferenzierter betrachtet werden. Die genannten Effizienzgewinne wirken sich auf einem eher stagnierenden Markt wie Deutschland grundsätzlich günstig aus, obwohl schwere und leistungsstarke Fahrzeuge deutlich zugenommen haben. Die Zulassungszahl der SUV (Sport Utility Vehicles) hat sich von knapp 155.000 Fahrzeuge 2003 auf 461.000 Fahrzeuge zehn Jahre später (2013) verdreifacht (Kraftfahrbundesamt 2014). Das be­ deutet: Auch wenn die durchschnittlichen CO2-Emissionen neuzugelassener Fahrzeuge deutlich zurückgegangen sind (zwischen 2008 und 2013 von 165 g/km auf 136g/km, ebd. 2009), ist die Schadstoffbelastung vor allem in Ballungsräume doch immer noch viel zu hoch. Das gilt trotz der geringen Einwohner-Arbeitsplatzdichte verglichen mit Berlin und München auch für den Rhein-Ruhr Raum. Vgl. Konlechner, Güttel (2009). Vgl. Proff, Haberle (2010). Durch eine widersprüchliche Managementlogik entstehen Paradoxien, d. h. Situationen, in denen zwischen zwei Optionen zwar ein unüberwindbarer Widerspruch besteht, beide Optionen aber wechselseitig erforderlich sind. Diese „Paradoxien“ erfordern ein beidhändiges Management, sog. Ambidextrie (vgl. Raisch, Birkinshaw, 2008; Simsek u. a. 2009; Fojcik (2015) und Kapitel 5.3 in diesem Buch).

3.3

Weltweite Ausdifferenzierung von Prozessen, Leistungen und Geschäftsmodellen durch die Digitalisierung (globaler Umfeldtrend 3)

3.3 Weltweite Ausdifferenzierung durch die Digitalisierung

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

Digitalisierung ist eine technologische Veränderung, die eine „umfassende Ver­ netzung aller Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft“ ermöglicht1. Vorausset­ zung dafür ist der Umgang mit großen Datenmengen (Big Data in einem weiten Sinne), denn Digitalisierung ermöglicht die Erhebung, Speicherung, Analyse und den Transfer großer Datenmengen2. Digitalisierung wird in der Regel als gestiegene Rechnerleistung verstanden, kann aber auch als Tool, als Proxy oder als Mensch-Technik-Interaktion gesehen werden3. Sie beruht auf der Umwand­ lung analoger Signale in eine digitale Form und letztlich in Binär-Zahlen seit der Erfindung des ersten Computers („digitization“) und beschreibt darüber hinaus vielfältige soziotechnische Phänomene und Prozesse der Nutzung und Anpassung dieser Technologie in einem breiteren individuellen, organisationalen und sozialen Kontext („digitalization“4). Für Unternehmen bietet die Digitalisierung technologische Möglichkeiten und Kostensenkung über Algorithmen und Programme. Sie müssen die digitalen Tech­ nologien aufnehmen und verarbeiten und ihre Geschäftstätigkeit verändern (digitale Transformation), um wettbewerbsfähig zu bleiben und neue Wachstumspotentiale zu schaffen5. Digitalisierung ist damit der wichtigste und weitreichendste Trend der 2000er Jahre6 und vernetzt „unser […] Leben“7. Sie macht vor keiner Branche halt und hat bereits ganze Branchen wie die Verlags- und Musikbranche verändert8. Neue digitale Technologien durch gestiegene Rechnerleistung ergänzen und verbessern Produkte und Dienstleistungen und ermöglichen völlig neue Strate­ gien und Geschäftsmodelle. In Zeiten der Digitalisierung geht es damit weniger um die Technologien, als vielmehr um Strategien und neue Wege des Denkens9. Digitalisierung ermöglicht („enabler“) und treibt Veränderungen von Prozessen (z. B. durch die digitale Fabrik bzw. Industrie 4.0), Leistungen (Produkte oder/und Dienstleistungen, in der Automobilindustrie z. B. vernetzte Fahrzeuge, autonomes Fahren (einschließlich selbst fliegender Transportdrohnen und Robotaxen) und sowie neue Mobilitätskonzepte) und neue Geschäftsmodelle10 die digitale Trans­ formation in Unternehmen. Wie der Übergang zu neuen Fahrzeugantrieben verändert auch die Digitalisierung die technologischen Rahmenbedingungen für Automobilunternehmen. Abschnitt 155

156

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

3.3.1 betrachtet zunächst genauer, wie sich durch die veränderten technologischen Rahmenbedingungen im Zuge der Digitalisierung Prozesse, Leistungen und Geschäftsmodelle der Unternehmen weltweit immer weiter ausdifferenzieren. In Abschnitt 3.3.2 werden dann Erklärungen für diese Ausdifferenzierung gesucht: Zunächst lässt sich mit Hilfe von Erklärungen der ökonomischen Interdependenz und Koordination begründen, dass Digitalisierung eine Ausdifferenzierung der Geschäftstätigkeit ermöglicht. Dann kann mit Hilfe der Theorie zwei- und mehr­ seitiger Märkte („theory of two- (and multi-) sided markets“) und verhaltenswis­ senschaftlicher Erklärungen der gemeinsamen Ausrichtung („alignment“) der Organisationsstruktur begründet werden, dass die Digitalisierung die Interaktion mehrerer interner und externer Akteure auf Plattformen ermöglicht und damit die Voraussetzung für übergeordnete, innovative Kundenlösungen und Geschäfts­ modelle schafft. Mit Hilfe der Diffusionstheorie kann zudem gezeigt werden, dass die Verbreitung neuer digitaler Prozesse und vor allem Leistungen und Geschäfts­ modelle nur langsam möglich ist und deshalb viele Zwischenschritte erfordert. In Abschnitt 3.3.3 werden schließlich die künftigen Herausforderungen durch die Ausdifferenzierung von Prozessen, Leistungen und Geschäftsmodellen im Zuge der Digitalisierung aufgezeigt: vor allem eine mittelfristig steigende, danach aber wieder sinkende Komplexität.

3.3.1 Weltweite Ausdifferenzierung von Prozessen, Leistungen und Geschäftsmodellen durch weltweite Veränderung im technologischen Umfeld durch die Digitalisierung Die Automobilindustrie steht vor einer neuen Ära, weil die Digitalisierung die Mo­ bilität der Zukunft grundlegend beeinflusst11. Durch die Digitalisierung rücken „die beiden Jahrhunderterfindungen Auto und Computer […] noch enger zusammen“ und Automobilunternehmen „müssen die Mobilität der Zukunft noch intelligenter und noch vernetzter gestalten“, so der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Volks­ wagen, Winterkorn bereits 2014 in einer Pressemeldung zur Cebit12. Digitalisierung bedeutet eine sehr starke Veränderung im technologischen Umfeld von Unternehmen und ermöglicht neue Basistechnologien wie z. B. für das autonome Fahren. Angesichts der heftigen Diskussion um den Datenschutz und die Sicherheit autonom fahrender Fahrzeuge sind dadurch aber auch Veränderungen im politisch-rechtlichen Umfeld der Automobilunternehmen notwendig. Während es z. B. sinnvoll erscheint, dass bei einem Unfall europaweit automatisch Daten an Rettungszentralen gemeldet werden, kritisieren Datenschützer die automatische Aktivierung und eine mögliche Weitergabe anderer Daten an Dritte. Kritisiert

3.3 Weltweite Ausdifferenzierung durch die Digitalisierung

157

werden damit beispielsweise Telematikdienste, die neben Notfallkommunikation auch Navigation und Remote-Diagnostik-Funktionen erfassen und z. B. das Ab­ bremsen oder das Blockieren der Zündung eines gestohlenen Fahrzeugs ermög­ lichen. Die Digitalisierung erfordert gesetzliche Regelungen der Behandlung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Betroffen sind auch das Urheberrecht und mit dem Ausspähen und Abfangen von Daten auch das Strafrecht und der Schutz allgemeiner Persönlichkeitsrechte13. Die technologischen Veränderungen im Zuge der Digitalisierung ermögli­ chen und treiben weltweit damit nicht nur Verbesserungen oder Veränderungen einzelner Prozesse entlang der Wertschöpfungskette, wie z. B. in der Produktion durch die digitale Fabrik bzw. Industrie 4.0. Sie ermöglichen und treiben auch Verbesserungen und Veränderungen von Produkten oder/und Dienstleistungen hin zu individualisierten und integrierten Kundenlösungen14. Beispiele sind neben autonom fahrenden Fahrzeugen auch Carsharing, neue Mobilitätskonzepte und die Aggregation, Weiterverarbeitung und Aufbereitung von Kundendaten für externe Nutzer. Digitalisierung verschiebt damit die Branchengrenzen in der Automobil­ industrie, vor allem durch Technologieunternehmen, hin zu neuen Ecosystemen, verändert den Wettbewerb15 (vgl. auch Kapitel 2.2) und erhöht durch den hohen Softwareanteil an der Wertschöpfung die Agilität und Geschwindigkeit der un­ ternehmerischen Geschäftstätigkeit in ganz neuen Wertschöpfungssystemen16. Es kommt damit in der Automobilindustrie zu einer weltweiten Ausdifferenzierung von Prozessen und Leistungen, aber auch von Geschäftsmodellen (vgl. Abb. 3.3-1). Digitalisierung kann eine Verbesserung oder inkrementelle Veränderung von Prozessen und Leistungen17, auch von Geschäftsmodellen bewirken (vgl. ebenfalls Abb. 3.3-1). Bei Geschäftsmodellen wird zwischen einer Verbesserung („business model improvement“18) und einer inkrementellen Transformation bestehender Geschäftsmodelle („business model transformation“)19 unterschieden. Spätestens mittelfristig sind jedoch in der Regel diskontinuierliche Veränderungen durch die Digitalisierung zu erwarten20, die wie die neuen Fahrzeugantriebe (vgl. Kapitel 3.2) in ihrem Ergebnis, jedoch nicht immer in ihrem Verlauf vorhersehbar sind, auch weil sie sich über einen langen Zeitraum erstrecken können. Die Diskontinuität21 bzw. Instabilität22 der Umfeld- bzw. Marktdynamik 23 (vgl. Kapitel 1.1.3) erhöht für Unternehmen Informationsdefizite und damit die Unsicherheit 24. Sie erfordert radikale Veränderungen von Prozessen, Leistungen und damit auch (radikale) Geschäftsmodellinnnovationen25, die ineinandergreifen (vgl. ebenfalls Abb. 3.3-1).

158

Abb. . ‐ ,  S‐ 60

Geschäfts‐ tätigkeit

rozesse (Organi‐ sation der Wert‐ schöpfung)

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

tiefgreifende technologische Veränderungen  kontinuierliche technologische  Veränderungen (Stabilität der Marktdynamik) ( a) kontinuierliche Verbesserung oder inkrementelle Veränderung der  rozesse (entlang der bestehenden Wertschöpfungskette) Be‐ schaf‐ fung

FuE

Pro‐ duk‐ tion

Marke‐ ting/ Vertrieb

diskontinuierliche technologische  Veränderungen  ‐ neue Basistechnologie (Instabilität der Marktdynamik)   ( b) diskontinuierliche radikale  Veränderung  der Geschäftsmodelle (bezogen auf  (1b) radikal veränderte Prozesse  und (2b) radikal veränderte Leistungen) 

(I) Kostensenkung durch Verbesserung oder (II) zusätzliche Erlöse  durch Verbesserung  inkrementelle  des Kundenkontakts Veränderung der Prozesse

   



'









eistungen (Produkte und Dienst‐ leistungen)

(2a)  kontinuierliche Verbesserung oder inkrementelle Veränderung der eistungen (Produktverbesserung)

( a) Verbesserung oder Transformation der Geschäftsmodelle

Geschäfts‐ modelle





Wert‐ architektur Gewinn‐ modell

Ressourcen‐ allokation

Wettbe‐ werbsvorteil

Nutzen‐ versprechen

Veränderung von einer oder zwei  leistungsbezogenen Komponenten von  Geschäftsmodellen



Geschäftsmodelle Veränderung von allen drei  leistungsbezogenen Komponenten von  Geschäftsmodellen Prozesse entlang der Wertschöpfung: B     = Beschaffung FuE = Forschung und Entwicklung P     = Produktion MA = Marketing V     = Vertrieb Komponenten von Geschäftsmodellen: RA   = Ressourcenallokation Wvt = Wettbewerbsvorteil WA  = Wertarchitektur NV   = Nutzenversprechen GM  = Gewinnmodell

leistungsbezogene Komponenten

Abb. 3.3-1 Ansatzpunkte der Digitalisierung im Management Quelle: eigene Darstellung nach Proff, Fojcik (2018b) und Knobbe u. a. (2019)

Digitalisierung ermöglicht damit eine Ausdifferenzierung von (1) Prozessen, (2) Leistungen und (3) Geschäftsmodellen.

(1) Ausdifferenzierung von Prozessen durch Digitalisierung Digitalisierung kann zunächst eine Verbesserung oder Veränderung bestehender Prozesse und Abläufe in allen Funktionsbereichen ermöglichen. Dabei geht es nicht

3.3 Weltweite Ausdifferenzierung durch die Digitalisierung

159

nur a) um kontinuierliche, oft geringfügige Anpassungen bzw. um eine partielle Reorganisation, sondern auch b) um eine umfassende und tief in die bestehenden Strukturen greifende (diskontinuierliche) Neuausgestaltung der Handlungsspiel­ räume der Automobilunternehmen (vgl. Abb. 3.3-1). Zu a): Eine Verbesserung bzw. inkrementelle Veränderung von Prozessen ist im Zuge der Digitalisierung möglich durch beständige Kostensenkungen entlang der Wertschöpfungsketten, aber auch durch beständige Erlössteigerung durch verbesserte Kundeninteraktionen26. Durch beständige Prozessverbesserungen kann Digitalisie­ rung Kostensenkungen bewirken, z. B. durch eine Effizienzsteigerung in Beschaffung, FuE, Produktion und Marketing/Vertrieb (u. a. durch digitale Erfassung von Messda­ ten z. B. für eine intelligente Instandhaltung oder Teileanlieferung). Zu beständigen Erlössteigerungen kann die Digitalisierung durch verbesserte Kundeninteraktion führen, z. B. durch den Einsatz digitaler Medien in der Kundenbindung, wenn soziale Medien sowie Web- und Mobilplattformen genutzt werden. „Mit einem solchen Omni-Channel-Ansatz erhöht der Hersteller die Zahl der Nutzerinteraktionen und sammelt mehr Kundendaten. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen wiederum eine wesentlich gezieltere Ansprache der Kunden basierend auf ihren individuellen Präferenzen. Am Ende steht eine Win-Win-Situation: Der Kunde erhält für ihn wichtige Angebote, der Hersteller festigt die Markenbindung“27. Hat ein Hersteller alle Daten entlang der Wertschöpfungskette, kann er die Kundenreise („customer journey“) gezielt mit angepassten Angeboten wie Infotainment für eine ganzheitliche Kundenerfahrung bereichern28 (vgl. dazu auch Kapitel 5.1.1). Zu b): Sehr viel weitreichender können durch Digitalisierung Prozesse neu ausgerich­ tet werden, z. B. in einer smarten Fabrik durch industrielle Vernetzung29. Dabei wird auch von Industrie 4.0 (vierte industrielle Revolution durch Informatisierung der Fertigungstechnik durch Wandlungsfähigkeit, Ressourceneffizienz und Integration von Kunden und Geschäftspartnern in den Geschäfts- und Wertschöpfungsprozess) gesprochen. Sie folgt auf die Industrie 1.0 (die erste industrielle Revolution im 18. Jahrhundert durch die Mechanisierung), die Industrie 2.0 (die zweite industrielle Revolution durch arbeitsteilige Massenproduktion und Fließfertigung nach Ein­ führung des Fließbandes 1913 durch Henry Ford) und die Industrie 3.0 (die dritte industrielle Revolution durch Elektronik und IT zur Produktionsautomatisierung in den 1970er Jahren)30. Durch Industrie 4.0 können „digitale Technologien […] die Effizienz bestehender Prozesse [erhöhen], sei es durch Bedarfsplanung, eine optimierte Kundenansprache, oder ein genaueres Verständnis der Kundenwünsche. […] Gerade im Supply Chain Management lässt sich die Effizienz mit Hilfe von Big Data erheblich steigern. Damit lassen sich konkretere Vorhersagen darüber treffen,

160

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

wann ein bestimmtes Bauteil in einem Lager oder einer Produktionsstätte vorrätig sein muss. Das gilt nicht nur für die Produktionslogistik, auch die Nachfrage nach bestimmten […] Ersatzteilen durch Endkunden ist besser prognostizierbar“31.

(2) Ausdifferenzierung von Leistungen durch Digitalisierung Durch Digitalisierung ist auch eine Ausdifferenzierung von Leistungen (Produkten oder/und Dienstleistungen) möglich: a) eine Verbesserung oder inkrementelle Veränderung von Leistungen, wenn Daten innerhalb eines Systems oder zu ei­ nem anderen System transferiert werden und (b) eine radikale Veränderung von Leistungen, wenn eine Interaktion zwischen mindestens drei Systemen möglich wird (vgl. Abb. 3.3-2). Zu (a): Analoge Leistungen, wie z. B. Fahrzeuge, werden durch die Nutzung einer leistungsfähigen technischen Infrastruktur, die Daten z. B. über Sensoren in Echtzeit gewinnt und direkt oder über Clouds transferiert („smart spaces“32), zu intelligenten Leistungen („smart offerings“). Solche intelligenten Leistungen sind immer noch auf die traditionelle Leistung bezogen und folgen damit einer Produkt- (bzw. besser Leistungs-)dominierten Logik („goods-dominant logic“, vgl. Kapitel 2.3.2)33, die das Produkt, eine Dienstleistung oder die Marke ins Zentrum stellt. Die gewonnenen Daten, beispielsweise über die Tankfüllung, werden entweder in einem System wie dem Fahrzeug auf Armaturen angezeigt („systemimmanente intelligente Leis­ tung“) oder zu einem anderen System transferiert, z. B. auf ein Handy übermittelt („intelligente, vernetzte Leistungen“)34. So kann z. B. der „Mercedes me Adapter“ mit Hilfe einer Schnittstelle „Fahrzeugdaten auslesen und per Bluetooth® an [ein] Smartphone übermitteln“ und der Kunde hat „die Möglichkeit, mit der Mercedes me Adapter App auf diese Daten zuzugreifen und alle [Funktionen] zu nutzen“35. Damit ermöglicht der Datentransfer eine Ein-Weg-Kommunikation und schafft Vernetzung, was z. B. bedeuten kann, dass „rund um das Infotainment und die Smartphone-Erfahrungswelt des Kunden bestehende Anwendungen in das Auto transportiert [oder] neue ermöglicht werden36“. Denkbar sind z. B. • Informationen über Ladestationen, Parkhäuser, Straßenzustand, Gefahrenquel­ len, Sehenswürdigkeiten und Veranstaltungen, auch ein Notruf bei Unfällen, • Fahrerassistenzsysteme wie beispielsweise Einparkhilfen, Totwinkelassistenten oder Kreuzungsassistenten, die über Sensorik das Fahrzeugumfeld erfassen sowie • nicht direkt mit dem Fahren zusammenhängende Funktionen wie Versenden und Empfangen von E-Mails.

3.3 Weltweite Ausdifferenzierung durch die Digitalisierung

161

 

" $   $  !

     

  

  $    $ 

# %  



  

!#   "   

            

#    #   

    



Abb. 3.3-2 Klassifikation digitaler Leistungen Quelle: eigener Entwurf nach Knobbe u. a. (2019) bezogen auf Yoo u. a. (2012) und Porter, Heppelmann (2014)

Vernetzung ermöglicht eine Personalisierung von Produkten (Fahrzeug), etwa indem man Funktionen auch nach dem Kauf herunterlädt oder einfach freischalten kann – dauerhaft oder temporär für einen bestimmten Zeitraum oder auch nur für eine einzelne Fahrt“37. Zu (b): Noch weitreichender kann die Digitalisierung langfristig Leistungen zu neuen individualisierten und integrierten Kundenlösungen („smart services“38) veredeln, was einer sogn. Service-dominierten Logik („service-dominant logic“, vgl. ebenfalls Kapitel 2.3.2)39 folgt. Dafür ist die Interaktion zwischen mindestens drei Systemen erforderlich, da immer ein System zwischengeschaltet wird, das große Datenmengen (Big Data) nicht nur speichert, sondern auch analysiert und über geschlossene Plattformen (die nur im eigenen Unternehmen bzw. Netzwerk genutzt werden) und offene Plattformen (die allen Nutzern offenstehen) transferiert („smart data“). Über solche Plattformen können Informationen ausgetauscht oder Interaktionen ermöglicht werden, aber auch ganz neue Systeme entstehen40. Interaktionen auf Plattformen ermöglichen darüber hinaus intelligente inter­ aktions-basierte Kundenlösungen, bei dem mindestens zwei Systeme über eine

162

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

Plattform als einem dritten System kommunizieren. Ein Beispiel ist die intelligente Aufbereitung der „smart data“ für Dritte, ein anderes das autonome Fahren. Durch intelligente Analyse und Aufbereitung von Daten, die in Fahrzeugen, aber auch bei der Nutzung von Plattformen gewonnen werden, lassen sich z. B. Verkehrsprofile generieren, die Dritte wie z. B. Versicherungen nutzen. In diesen Fällen werden von einem System über das System einer Plattform Daten für Kundenlösungen intelligent aufbereitet und an ein drittes System vermittelt. Die Entwicklung des autonomen Fahrens beruht ebenfalls auf Plattformen, die nicht nur Daten zwischen Fahrzeugen und ihrer Umgebung (z. B. der Infrastruktur) tauschen, sondern auch über sehr komplizierte, intelligente Analytiken verarbeiten. Als wesentlicher Treiber dafür gilt die „Konvergenz von sensorbasierten Lösungen mit Lösungen, die auf Vehicle-to-Vehicle-Kommunikation setzen“41. Autonomes Fahren wird deshalb nicht nur als Perfektionierung von Fahrerassistenzsystemen gesehen, sondern als radikale veränderte Leistung mit neuer Basistechnologie. Denn „in letzter Konsequenz erfordert der vollständige Verzicht auf einen Fahrer eine an­ dere Herangehensweise als nur weitestgehende Automatisierung des Fahrens“42, bei dem die Kontrolle bei Störungen an den Fahrer übergeht. Als Endziel soll ein mit „umfangreicher Onboard-Sensorik“ ausgestattetes selbstfahrendes Fahrzeug „selbstständig am Straßenverkehr teilnehmen und Passagiere an einen bestimmten Ort bringen – gegebenenfalls auch gänzlich ohne Passagiere [oder Fracht] ein Ziel ansteuern [… und] quasi sich selbst auch dort abstellen“ können43. Diese Sensorik lässt sich auch auf Transportdrohnen und Flugtaxen anpassen. Die Entwicklung ganz neuer Systeme über Plattformen ermöglicht intelligente, systembasierte Kundenlösungen, die Unternehmen nur gemeinsam mit Partnern anbieten können. Gegenwärtig wird z. B. die Vermittlung von Mobilitätslösungen mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln wie Fahrzeuge, Car- und Bikesharing, öf­ fentlicher Nahverkehr, Bahn und Autovermietung über eine innovative Plattform für individuelle Mobilitätsbedarfe getestet44. Eine solche Plattform für multimodale Mobilitätslösungen („Mobility-as-a-Service“, MaaS)45 gilt als Schritt in Richtung eines Paradigmenwechsels in der Mobilität von einem eigentumsbasierten Trans­ portsystem zu einem zugangsbasierten Transportsystem und damit zu nachhalti­ gem Verkehr46. Über die Plattform werden auch Reiseplanungen, Reservierungen und Zahlungen möglich, wobei der MaaS-Anbieter in einem neuen Ecosystem Informationen über verschiedene Transportangebote sammelt, Kapazitäten kauft und weiterverkauft47. Damit wird ein fest definierter Kreis an Partnern in einer multilateralen Beziehung auf eine Linie ausgerichtet, um ein übergeordnetes Nut­ zenversprechen zu schaffen48.

3.3 Weltweite Ausdifferenzierung durch die Digitalisierung

163

(3) Ausdifferenzierung von Geschäftsmodellen durch die Digitalisierung Die Automobilindustrie muss Strategien und Geschäftsmodelle an, die durch die Digitalisierung verbesserten oder veränderten Prozesse oder/und Leistungen an­ passen49. Auch wenn Geschäftsmodelle unterschiedlich definiert werden50, so erfolgt dies doch in der Regel über einzelne Komponenten51. Wie in Kapitel 2.3 begründet, differenzieren dabei die Komponenten Wertarchitektur, Nutzenversprechen und Gewinnmodell52 die Ressourcenallokation und die Wettbewerbsvorteile als Kom­ ponenten von Wettbewerbsstrategien53 aus. Die Digitalisierung betrifft alle fünf Komponenten von Geschäftsmodellen. Sie verbessert (zumindest mittelfristig) den Ressourceneinsatz, erhöht die Agilität im Wettbewerb (Wettbewerbsvorteile) und ermöglicht eine flexiblere Ausrichtung der Wertarchitektur, eine bessere kun­ denspezifische Ansprache und damit eine Verbesserung der Profitabilität. Durch die Digitalisierung werden sich damit die fünf Komponenten der Ge­ schäftsmodelle weiter ausdifferenzieren: • Unternehmen werden entweder bei verbesserten oder inkrementell veränderten Prozessen oder Leistungen a) ihre bestehenden Geschäftsmodelle verbessern bzw. inkrementell verändern. Sie werden die Wertarchitektur zerlegen, um Kosten zu senken oder/und ein in Interaktion mit dem Kunden individualisiertes und integriertes Nutzenversprechen anstreben54, um Erlöse zu steigern und damit eine oder zwei der leistungsbezogenen Komponenten von Geschäftsmodellen und dadurch auch die Finanzkomponenten verändern. • Oder sie verändern b) bei radikal veränderten Prozessen oder Leistungen (neue Verkehrskonzepte oder autonome Fahrzeuge) radikal alle drei leistungsbezogenen Komponenten ihrer Geschäftsmodelle (Wertarchitektur, Nutzenversprechen und Wettbewerbsvorteil, dann Produktinnovationsfähigkeit) und darüber auch die Finanzkomponenten. Durch eine solche Geschäftsmodellinnnovati­ on55 entstehen in der Automobilindustrie neue, innovative Geschäftsmodelle56, wenn Fahrzeugdaten als „smart services“ kommerziell durch den Autohersteller oder Anbieter aus anderen Branchen genutzt werden. Dazu zählen z. B. mobili­ tätsbezogene Bezahldienste oder nutzungsabhängige Versicherungen57. Dabei gelten neue Spielregeln: „Der Anbieter, der den Zugriff auf die Nutzerdaten hat und diese mit einer Vielzahl anderer Daten verknüpfen kann, macht das große Geschäft. Das physische Produkt ist oft nur noch Mittel zum Zweck, da nicht Gegenstände, sondern Nutzer miteinander vernetzt werden“58.

164

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

Die Veränderung von Prozessen, Leistungen und Geschäftsmodellen im Zuge der Digitalisierung muss durch (digitale) Fähigkeiten unterstützt werden. Nötig sind • operationale Fähigkeiten, d. h. sowohl individuelle Fähigkeiten, d. h. Fähigkei­ ten einzelner Mitarbeiter in Automobilunternehmen als auch organisationale Fähigkeiten im komplexen und unternehmensspezifischen Zusammenwirken der Mitarbeiter, das nicht nach außen dringt und damit die Handel- und Imi­ tierbarkeit dieser Fähigkeiten begrenzt59 und • Veränderungsfähigkeiten (Dynamic Capabilities), die die operationalen Fä­ higkeiten verändern bzw. digitale Fähigkeiten entwickeln und agil sind60 (vgl. Kapitel 6.2). Durch die Digitalisierung veränderte Technologien und Prozesse („digital activities“) und dahinter liegende Fähigkeiten („digital capabilities“), aber auch veränderte Leistungen und Geschäftsmodelle („digital strategies“) und dafür erforderlich Veränderungsfähigkeiten („dynamic capabilites“) lassen sich im Rahmen eines „Digital Maturity Index“ (DMI) erfassen, den der Lehrstuhl für ABWL & Inter­ nationales Automobilmanagement der Universität Duisburg-Essen zusammen mit der Deloitte Digital Factory in Düsseldorf entwickelt hat.

3.3.2 Erklärung der Ausdifferenzierung von Prozessen, Leistungen und Geschäftsmodellen durch die Digitalisierung – Erklärungen der ökonomischen Interdependenz und Koordination sowie Erklärungen der Interaktion Die Ausdifferenzierung von Prozessen, Leistungen und Geschäftsmodellen durch die Digitalisierung wird erklärt (1) zunächst durch ökonomische Interdependenz und Koordination, wonach Di­ gitalisierung eine Ausdifferenzierung der Geschäftstätigkeit ermöglicht und (2) dann mit Hilfe der Theorie zwei- (und mehr-)seitiger Märkte („theory of two(and multi-) sided markets“) und mit verhaltenswissenschaftlichen Erklärungen der Abstimmung („alignment“) in der Organisationsstruktur, die begründen, dass die Digitalisierung die Interaktion mehrerer interner und externer Ak­ teure auf Plattformen als Voraussetzung für innovative Kundenlösungen und Geschäftsmodelle ermöglicht.

3.3 Weltweite Ausdifferenzierung durch die Digitalisierung

165

(1) Ausdifferenzierung der Geschäftstätigkeit durch Digitalisierung – Erklärungen durch ökonomische Interdependenz und Koordination Aus ökonomischer Sicht kann mit Hilfe von Erklärungen der ökonomischen Interdependenz und Koordination begründet werden, dass die Digitalisierung Veränderungen der Geschäftstätigkeit ermöglicht und treibt, indem sie technolo­ gisch die Basis dafür schafft. Digitalisierung setzt zunächst auf der Prozessebene an: Durch die Digitalisierung werden die technischen Voraussetzungen für eine Ausdifferenzierung, d. h. eine Verbesserung oder eine inkrementelle oder radikale Veränderung der Prozesse durch Standardisierung von Schnittstellen zwischen einzelnen wirtschaftlichen Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette geschaffen. Dadurch lassen sich (a) Interdependenzen zwischen den verschiedenen ökonomischen Aktivitäten ent­ lang der Wertschöpfungskette und damit (Transaktions)Kosten der (internen und externen) Koordination verringern61 und dadurch wiederum (b) Zielkonflikte zwischen Effizienz und Flexibilität verringern, die Handlungsspiel­ räume für innovative Leistungen, Geschäftsmodelle und für eine Neuausrichtung der Steuerung schaffen (vgl. Abb. 3.3-3). Zu (a): (Prozess)Interdependenzen betrachtet die entscheidungsorientierte Organi­ sationstheorie62. Diese Theorie begründet, dass solche Interdependenzen vorliegen, wenn „die Entscheidungen einer [Unternehmens]Einheit die interne Umwelt (An­ gebots- oder Nachfragesituation) einer anderen Einheit zielrelevant verändern“63. Interdependenzen begrenzen damit die Lösung komplexer Entscheidungen in einem „arbeitsteiligen Prozess, bei dem mehrere Entscheidungseinheiten selbstständig und bis zu einem gewissen Grad getrennt voneinander Teilentscheidungen treffen“64. Nach ihrer Stärke kann zwischen restriktiven, sequenziellen und „gepoolten“ In­ terdependenzen unterschieden werden, die Verknüpfungen zwischen primären, unterstützenden und Infrastruktur-Aktivitäten in der Wert(schöpfungs)kette von Porter (1980) entsprechen65 (Abb. 3.3-3a). Die Wertkette lässt sich aus der „Theorie der betrieblichen Wertschöpfung“66 begründen und wird von Porter als System interdependenter bzw. verknüpfter Aktivitäten verstanden, durch deren adäquate Koordination sich ökonomische Gewinne erzielen lassen. Restriktive Interdependenzbeziehungen zwischen zwei oder mehr Entscheidungs­ einheiten67 sind durch das Fehlen von Pufferzeiten und damit durch sehr geringe Freiheitsgrade gekennzeichnet68. Nach Porter (1985) stehen die primären wertschöp­ fenden Entscheidungseinheiten Fertigung, Logistik und Vertrieb in einer restriktiven Interdependenzbeziehung, weil bei den Fertigungs-, Logistik- und Vertriebsaktivitä­

166

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

ten eine starke serielle Prozessstruktur vorliegt, die jedem Arbeitsgang mindestens einen direkten Vorgänger und einen direkten Nachfolger zuordnet69. Die primären Wertschöpfungsaktivitäten müssen deshalb stark aufeinander abgestimmt werden. Werden z. B. die Entscheidungen der Fertigungseinheit über die Höhe und die zeitli­ che Verteilung des Produktionsprogramms optimiert, dann muss die Logistikeinheit Abb. genau für dieses Produktionsprogramm optimiert werden und die Vertriebseinheiten 3.3‐3 können auf veränderte Nachfragebedingungen kaum mehr flexibel reagieren70. S. 1 2

Digitalisierung ermöglicht Standardisierung von Schnittstellen Ausdifferenzierung der Prozesse

a) verringert restriktive und sequentielle Interdependenzen entlang der Wertschöpfung

Unternehmensinfrastruktur (UI) Personalwirtschaft (PW) Technologieentwicklung (TE) Beschaffung (B) KundenMarke- AusFertiEingangs- dienst gangs- gungs- ting/ logistik Opera- Vertrieb logistik tionen-

(Unternehmens-) Infrastrukturaktivitäten unterstützende (Wertschöpfungs-) Aktivitäten primäre (Wertschöpfungs-) Aktivitäten

a1) verringert (Transaktions-) Kosten der internen Koordination Sequen- gepoolte tielle InterInterdependepen- denzen denzen

restriktive Interdependenzen

b) verringert Zielkonflikte zwischen Effizienz und Flexibilität

= Entkopplung von Wertschöpfungsaktivitäten a2) verringert (Transaktions-) kosten der externen Koordination = Auslagerung

b1) erhöht Handlungsspielräume für

Ziel 1

Ausdifferenzierung von Leistungen und Geschäftsmodellen gegenwärtiger Handlungsraum

b2) erhöht Handlungsspielräume für

möglicher Handlungsraum

eine Neuausrichtung der Steuerung Ziel 2

Abb. 3.3-3 Ausdifferenzierung der Geschäftstätigkeit durch Digitalisierung Quelle: eigener Entwurf

3.3 Weltweite Ausdifferenzierung durch die Digitalisierung

167

Sequentielle Interdependenzbeziehungen bestehen, wenn eine Entscheidungsein­ heit in einer Handlungssequenz mit anderen Entscheidungseinheiten steht71. Nach Porter (1985) stehen die den ausführenden wertschöpfenden Betriebsprozessen zuliefernden Entscheidungseinheiten72, d. h. Beschaffung, Personalwirtschaft und Technologieentwicklung bzw. FuE, in einer solchen Beziehung. Diese unterstützen­ den Aktivitäten haben – wenn überhaupt – wenige direkte Vorgänger in der Pro­ zesskette, wodurch sich eine größere Unabhängigkeit von den primären Aktivitäten ergibt73. Die Beschaffungseinheit befindet sich z. B. mit ihren Entscheidungen in einer sequentiellen Beziehung zur Fertigungseinheit74, weil sich die Vorteile eines günstigen Zugangs zu Rohstoffen weitgehend unabhängig von Fertigungsopera­ tionen anstreben lassen. Verzögert sich jedoch die Auslieferung von Ressourcen durch die Beschaffungseinheit, so beeinflusst dies die Fertigungseinheit negativ. „Gepoolte“ Interdependenzbeziehungen bestehen, wenn eine Entscheidungseinheit unabhängig von den Entscheidungen der anderen Einheiten agieren kann75. Porter (1985) spricht von Einheiten der „Unternehmensinfrastruktur“ und fasst darunter typische Managementaufgaben wie Finanzwirtschaft, Rechnungswesen und Pub­ lic-Affairs-Aufgaben. Die (Unternehmens)-Infrastrukturaktivitäten unterstützen die gesamte Wertkette. Da keine Vorgänger in der Prozesskette vorhanden sind, sind die Infrastrukturaktivitäten von den primären Aktivitäten vollständig unabhängig76. Digitalisierung ermöglicht durch die Standardisierung von Schnittstellen zwischen einzelnen wirtschaftlichen Aktivitäten entlang der Wertkette eine Ver­ ringerung der restriktiven Interdependenzen zwischen den primären Aktivitäten Fertigung, Logistik und Vertrieb untereinander und der sequentiellen Interde­ pendenzen zu den unterstützenden Aktivitäten, vor allem Beschaffung und FuE77. Damit lassen sich diese Aktivitäten entkoppeln und die Entscheidungseinheiten können viel selbstständiger und „bis zu einem gewissen Grad getrennt voneinander Teilentscheidungen treffen“78 (Abb. 3.3-3a)). Dies bietet Zeitvorteile und verringert die (Transaktions)Kosten (a1) in Abb. 3.3-3) der internen Koordination79. Durch die Standardisierung der (digitalen) Schnittstellen zwischen einzelnen wirtschaftlichen Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette sinken zudem die (Transaktions)Kosten (a2 in Abb. 3.3-3) der externen Koordination80. Das erleichtert die Auslagerung (Outsoucing, vgl. Kapitel 2.3.2(3)) auf spezialisierte Lieferanten und eine Koordination der Lieferanten in einem Netzwerk, zumindest unter der Annahme, dass die Transaktionskosten der Steuerung und Nachverhandlungen (das „hold-up“ Problem) kontrolliert werden können und Wissen durch geschickte Vertragsgestaltung koordiniert werden kann81. Gleichzeitig entstehen Anreize für die Auslagerung auf spezialisierte Lieferanten, da Spezialisierungsvorteile relativ zu Transaktionskostenvorteilen deutlich an Bedeutung gewinnen.

168

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

Zu (b): Digitalisierung kann damit noch wesentlich stärker als bisher Produktplatt­ formen und Baukästen Zielkonflikte entschärfen (Abb. 3.3-3b). Über Produktplatt­ formen konnte zunächst der Zielkonflikt zwischen Kostenführerschaft (niedrige Kosten bei geringer Qualität) und Differenzierungsstrategien (hohe Qualität mit hohen Kosten) teilweise aufgehoben werden. Dies lässt sich damit begründen, dass solche Plattformen oder auch Gleichteile z. B. in (Modul)Baukästen wie bei VW Einsparpotentiale und gleichzeitig Differenzierungsmöglichkeiten in Marketing und Vertrieb ermöglichen und damit den Handlungsspielraum für hybride Strategien der kostenminimalen Differenzierung schaffen. Digitalisierung kann darüber hinaus den Zielkonflikt zwischen Effizienz und Flexibilität entschärfen, weil dieser Zielkonflikt vor allem bei den primären Akti­ vitäten der Wertkette besteht, die in einer restriktiven Interdependenzbeziehung stehen. Nur bei solchen restriktiven Interdependenzen kommt es zu Zielkonflikten, weil die durch Flexibilität verursachten Kosten, z. B. durch das Halten von Kapazi­ tätsreserven und Ereignispuffer bzw. „slack“-Potentialen Effizienzverluste mit sich bringen, da sie Aktivitäten entsprechend der Minimalkostenkombination (ohne jegliche „slack“-Potentiale) verhindern82. Durch Verringerung der restriktiven Interdependenzen schafft die Digitalisie­ rung neue Handlungsspielräume (Abb. 3.3-3b)). Digitalisierung bietet dadurch neue Freiheitsgrade für eine Ausdifferenzierung von Leistungen und Geschäftsmodellen (b1 in Abb. 3.3-3). Weil im internationalen Management ein Zielkonflikt zwischen einer länderübergreifenden, zentralen und damit effizienzorientierten Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften und einer flexibilitätsorientierten, dezentralen und damit länderspezifischen Steuerung (Abschnitt 2.4) besteht, den eine Digita­ lisierung verringern kann, bietet Digitalisierung auch Ansatzpunkte für eine Neu­ ausrichtung der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften (b2 in Abb. 3.3-3).

(2) Interaktion auf technischen Plattformen durch Digitalisierung als Voraussetzung für innovative Kundenlösungen und Geschäftsmodelle – Theorie zwei- oder mehrseitiger Märkte Digitalisierung schafft durch Standardisierung von Schnittstellen nicht nur entlang des Wertschöpfungsprozesses eines Unternehmens die technischen Voraussetzungen für verstärkte Arbeitsteilung mit sinkenden (Transaktions-)Kosten der internen und externen Koordination und damit Handlungsspielräume für eine Ausdifferenzie­ rung von Leistungen und Geschäftsmodellen. Durch stärkere Zusammenarbeit der IT mit dem traditionellen Geschäft schafft Digitalisierung gleichzeitig technische Plattformen als Schnittstellen zwischen Unternehmen, über die mehr als zwei Marktteilnehmer stabil interagieren können und erhöht ihre Interaktion83. Durch die Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen können intelligente Kundenlösungen

3.3 Weltweite Ausdifferenzierung durch die Digitalisierung

169

und innovative Geschäftsmodelle entstehen, die ein Marktteilnehmer alleine oft nicht erbringen kann. Über solche Plattformen schafft die Digitalisierung damit (intra-organisationale) Netzwerke84 als hybride Koordinationsform zwischen einer unternehmensinternen Wertschöpfung (Hierarchie) und einer Auslagerung auf Zulieferer (Markt) (vgl. Abb. 3.3-4).

Digitalisierung er

gli

t Standardisierung on S s

Abb.  3.3‐4  S. 1 9

nittstellen

afft nterdependenzen

traditionelles Netzwerk („ecosystem‐as‐affiliation“) ökonomische Theorie  zwei‐ oder mehrseitiger  Märkte Platt‐ form‐ betreiber

Markt ransaktionskosten

a rk t

verhaltenswissenschaftliche  Erklärungen des „alignment“ in der Organisationsstruktur

Zugehörig‐ keit

bilateraler  Informations‐ austausch

T ra n s a tio n s o s te n

Ecosystem i.e.S. („ecosystem‐as‐structure“)

bilaterale Interaktion

hybride Form/ Netzwerk

gering                           mittel                                hoch gering ittel o

b rid e

mulilaterales System

Hierarchie

ie ra rc ie

hybride Form (Netzwerk)

Spe ifit t strategisc e S p e z ifit Bedeutung

t

nsic er eit

Abb. 3.3-4 Intra-organisationale Netzwerke zwischen Markt und Hierarchie als alternative Koordinationsformen Quelle: in Anlehnung an Picot u. a. (2015, S. 70)

In solchen intra-organisationalen Netzwerken lassen sich die Transaktionskosten minimieren – zumindest bei Aktivitäten mit mittlerer Spezifität der Einsatzfaktoren (Wertverlust bei nächstbester Verwendung des eingesetzten Sach- und Humanka­

170

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

pitals, Kapitel 2.3.2) und damit mittlerer strategischer Bedeutung85. In diesem Fall bietet der Zusammenschluss von verschiedenen Unternehmen in einem Netzwerk die Möglichkeit, die strikte Grenze zwischen Markt und Hierarchie aufzuweichen und mit einzelnen Anbietern eine präferierte und interaktive Zusammenarbeit86 einzugehen. Das wird begründet durch die Theorie der zwei- oder mehrseitigen Märkte („two-(or multi-)sided markets“), die zwei Merkmale solche Märkte nennt: • eine dichte Interaktion zwischen den verschiedenen Marktteilnehmern, die jeweils eigene Interessen vertreten und • eine wechselseitige Interaktion der Marktteilnehmer auf einer gemeinsamen (technischen) Plattform87. Die ökonomischen Vorteile mehrseitiger Märkte bestehen in einem positiven Netzwerkeffekt, der sich dadurch ergibt, dass der Gesamtnutzen im Netzwerk größer ist als die Summe der Einzelnutzen88. Damit kann eine Plattform bzw. ein Netzwerk nur durch gemeinsamen Willen aller Marktteilnehmer entwickelt werden, weil der Nutzen für die einzelnen Teilnehmer auch vom Nutzen für die Netzwerkpartner abhängt. Diese ökonomischen Vorteile werden auch als Netz­ werksynergien89 oder Komplementarität90 bezeichnet, durch Wertschaffung bei Kooperation der Netzwerkpartner („value co-creation“)91 und Wertsicherung im Wettbewerb („value capture“92) beschrieben und mit der kooperativen und nicht kooperativen Spieltheorie erklärt. Komplementaritäten steigen mit steigender Anzahl Plattformnutzer („increasing return on scale“). Dabei wird unterschieden zwischen (einer einzigartigen oder auch supermodularen) Komplementarität in der Produktion und im Konsum. Supermodularität in der Produktion wird über eine Produktionsplattform geschaffen, z. B. wenn auf einem Betriebssystem meh­ rere Apps angeboten werden. Supermodularität im Konsum entsteht über eine Konsumentenplattform wie Facebook93. Solche Netzwerke sind Gemeinschaften verbundener Akteure, zwischen denen bi- oder multilaterale Beziehungen bestehen94. Dabei wird nach der Intensität der Beziehungen zwischen traditionellen Netzwerken und Ecosystemen (in einem engen Sinne) unterschieden (vgl. ebenfalls Abb. 3.3-4). Traditionelle Netzwerke werden über ihre Netzwerk- und Plattformzugehö­ rigkeit („affiliation“) definiert95. Solche Netzwerke lose verbundener Teilnehmer, die voneinander abhängen96, werden auch als Ecosysteme im weiten Sinne („eco­ systems-as-affiliations“)97 bezeichnet, weil die Netzwerkpartner in der Regel auch unabhängig vom Netzwerk Leistungen erstellen und damit neben dem Netzwerk auch die Koordinationsform der Hierarchie wählen. Sie haben Kompetenzen und

3.3 Weltweite Ausdifferenzierung durch die Digitalisierung

171

Fähigkeiten, um innerhalb und außerhalb des Netzes Wert zu schaffen, die sie in der Regel nicht Preis geben. Deshalb überwachen sie das Netzwerk sehr genau. So sind z. B. die großen „Netzwerker“ im Silicon Valley wie Facebook sehr stark darauf bedacht, ihre wesentlichen Algorithmen und ihre zentrale Software nicht zu teilen, an Applikationen auf großen Plattformen allerdings sehr interessiert. Eine noch stärkere Interaktion einer Gruppe wird durch Abstimmung bzw. „alignment“ in einem Netzwerk geschaffen, das Adner (2017) „ecosystem-as-struc­ ture“ (Ecosystem als Struktur und damit Ecosysteme in einem engen Sinne) nennt und das auf älteren verhaltenswissenschaftlichen Erklärungen des „alignment“ in der Organisationsstruktur bzw. in Netzwerken beruht, z. B. auf Erklärungen interorganisationaler Netze und auf dem Ansatz der Clanorganisation98. In einem solchen Ecosystem wird ein bestimmer Kreis an Partnern in einer multilateralen Beziehung an ein unternehmensübergreifendes Wertschöpfungsnetzwerk verbindlich ausgerichtet, um ein übergeordnetes Nutzenversprechen zu schaffen („alignment structure of the multi-lateral set of partners that need to interact in order for the focal value proposition to materialize“99). Es besteht aus vier Elementen: 1. einer Abstimmungsstruktur („alignment structure“), was bedeutet, dass sich die Partner im Ecosystem an einem Wertschöpfungsnetzwerk ausrichten und auf Positionen und Aktivitätsflüsse geeinigt haben, mit denen sie zufrieden sind, 2. eine multilaterale Interaktion, was bedeutet, dass die Interaktionen im Ecosystem sich nicht in einzelne bilaterale Beziehungen, wie sie in traditionellen Netzwer­ ken bestehen, herunterbrechen lassen, sondern dass kritische Verbindungen zwischen den bilateralen Beziehungen bestehen, 3. zugehörige Partner (ein „set of partners“), was bedeutet, dass das Ecosystem aus einem fest definierten Kreis an Partnern besteht, der nicht ausgeweitet werden kann, 4. ein zentrales Nutzenversprechen („a focal value proposition to materialize“), d. h., dass durch Kombination der Nutzenversprechen verschiedener Unterneh­ men gemeinsam eine übergeordnete Kundenlösung versprochen wird, die die einzelnen Partner alleine nicht versprechen und schaffen können. Anders als in traditionellen Netzwerken, die bei den Akteuren beginnen, rich­ ten sich Ecosysteme als Struktur auf Aktivitäten und geben ein übergeordnetes Nutzenversprechen ab. Solche Ecosysteme gelten als Weiterentwicklung eines Netzwerks zwischen Markt und Hierarchie100. Dabei ist zumindest für den Koor­ dinator eines solchen Ecosystems das Ecosystem die einzige Koordinationsform. Die Partnerunternehmen agieren gleichzeitig auch als eigenständige Unternehmen (Hierarchie) und geben in einem Netzwerk nicht alle eigenen Kompetenzen preis.

172

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

Grundsätzlich sind Spezifität und strategische Bedeutung des Ecosystems jedoch höher als in einem traditionellen Netzwerk. Netzwerkaktivitäten minimieren die Transaktionskosten nur bei mittlerer stra­ tegischer Bedeutung und Spezifität, aber auch Unsicherheit. Unternehmen werden Aktivitäten mit höherer strategischer Bedeutung und Spezifität zunächst intern durchführen (vgl. Abb. 3.3-4). Bei großer Unsicherheit über die Umfeldentwick­ lung und das Verhalten der Netzwerkpartner steigen die Transaktionskosten101. Dann wird eine interne Lösung bevorzugt. Deshalb schaffen die Netzwerkpartner die technischen Voraussetzungen (Plattform) bei Digitalisierung vor allem für den Austausch von Informationen (geringe Interaktion) oder für eine interaktive Leistungserstellung gemeinsam mit im Netzwerk verbundenen Zulieferern und Wettbewerbern (stärkere Interaktion, vgl. ebenfalls Abb. 3.3-4).

3.3.3 Künftige Herausforderungen durch die weltweite Ausdifferenzierung von Prozessen, Leistungen und Geschäftsmodellen durch die Digitalisierung Obwohl viele Manager erkennen, dass die Digitalisierung ihre Branche tiefgreifend verändert, sah 2016 nur etwa jeder Zweite sein Unternehmen gut auf die kom­ menden Veränderungen vorbereitet102. Das liegt an der hohen Unsicherheit über die Einsatzmöglichkeiten und Entwicklung der Digitalisierung, die zumindest kurz- bis mittelfristig das Risiko deutlich höherer Kosten durch die zunächst stei­ gende Komplexität birgt. Ein Anstieg an Komplexität bei einer Technologie, die es ermöglichen sollte, Komplexität zu verringern (vgl. Abschnitt 3.3.2(2)), liegt an den auch in der Übergangsphase weiter entwickelten traditionellen Arbeitsprozessen. So werden z. B. Produktionsprozesse weiter optimiert durch Substitution starrer Linien durch flexible Werkzeugmaschinen, einem wichtigen Instrument der In­ dustrie 4.0103, um Kosten und Komplexität dieser Prozesse zu reduzieren und die Fähigkeit zu verbessern, Produktvarianten zu bearbeiten. Für das Management nimmt die Komplexität jedoch zu. Eine weitere Herausforderung liegt darin, Innovationszyklen deutlich zu ver­ kürzen. „Beim Aufbau neuer datengetriebener Dienste ist der ingenieursgetriebene Ansatz der Automobilindustrie eher von Nachteil, die Digitalwirtschaft tritt hier wesentlich agiler auf104 (vgl. auch Kapitel 6.1.2). Es gilt auch die „extrem unter­ schiedlichen Lebenszyklen von Kraftfahrzeugen und Konsumgüterelektronik“ zu überbrücken und zu synchronisieren105 und die Konnektivität der Kundenendgeräte und der darauf verfügbaren Anwendungen sicherzustellen. Einerseits neue, kürzere, hybrid agile Prozesse der Entwicklung und Produktion, andererseits Effizienz der

3.3 Weltweite Ausdifferenzierung durch die Digitalisierung

173

weiterlaufenden traditionellen Prozesse, um Profile zu sichern, bedeuten für das Management einen enormen Anstieg der Komplexität. Die Kosten werden mittelfristig durch vereinfachte Prozesse und langfristig auch durch optimierte Leistungen und Geschäftsmodelle sinken. Die Chancen durch Digitalisierung werden offensichtlicher und greifbarer werden (vgl. Abb. 3.3-5). Zuvor müssen technische Herausforderungen und die Probleme der Datensicherheit gelöst werden, z. B. „Schutz der Systeme im vernetzten Auto vor Fremdzugriff“, da sensible Daten nicht an Dritte gelangen dürfen106. Darüber hinaus besteht das Risiko von Cyber-Kriminalität, vor allem mit der Entwicklung des autonomen Fahrens die Gefahr des Zugriffes auf Fahrzeugsysteme und Steuerung. Früher als bei Leistungen und Geschäftsmodellen wird die Komplexität der Prozesse durch Digitalisierung Abb.  3.3‐5, S. 1 3 zunehmen. Ähnlich wie bei der Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe (Kapitel 3.2) wird es auch hier eine Übergangsphase gestiegener Komplexität geben.

Komplexität der  igitalisierung

Prozesse

Leistungen

Geschäftsmodelle

Zeit

Abb. 3.3-5 Mittelfristige Senkung der Komplexitätskosten durch Digitalisierung Quelle: eigener Entwurf

Da die „digitale Veredelung von Fahrzeug-, Orts- und Nutzerdaten […] zum Milliar­ denmarkt“107 wird, besteht eine weitere Herausforderung darin, dass der Wettbewerb durch branchenfremde Konkurrenten, insbesondere durch IT-Unternehmen noch stärker wird, „die es verstehen, schnell in neue Geschäftsfelder vorzustoßen und digitale Angebote dank ihrer Marktmacht und ihrer Expertise mit Datenanalytik in kurzer Zeit zu etablieren“108. Selbst wenn diese neuen Konkurrenten Automo­

174

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

bilunternehmen nicht ganz verdrängen werden, so bleibt doch das Risiko, dass es Automobilunternehmen gehen könnte, wie einst den Handyherstellern. So warnte z. B. der ehemalige CEO von Ford, Mark Fields, vor einer „kompletten Abhängigkeit [der Automobilunternehmen] von den Geschäftsmodellen anderer“109. Die Automobilhersteller wappnen sich allerdings gegen die neue Konkurrenz und wandeln sich zu Mobilitätsdienstleistern. „Ein erster Schritt in diese Richtung war der Kauf des Kartendienstes Nokia Here durch eine Allianz von Audi, BMW und Daimler im August 2016. Statt wie bisher eigene Insellösungen am Markt zu etablieren, ziehen die Hersteller nun beim Aufbau eines offenen Ökosystems für die vernetzte Mobilität an einem Strang, um den Silicon-Valley-Größen die Stirn zu bieten“110. Sie bauen damit eine direkte Schnittstelle zum Kunden auf, die bisher vor allem über die Händler lief und öffnen die Plattform für nicht an der Akqui­ sition von Here beteiligte Automobilhersteller. Damit „zeigt die Branche, dass sie die wichtigste Grundregel für den Markterfolg digitaler Plattformen verinnerlicht hat: Je höher die Verbreitung, desto größer der Nutzwert, um so attraktiver für Verbraucher“111. Die deutschen Automobilhersteller haben zudem einen Vorteil durch die Bekanntheit ihrer Marke. Angesichts dieser Herausforderungen wächst durch die Digitalisierung der Druck auf eine strategische Neuausrichtung und auf eine Neuausrichtung der Steuerung der ausländischen Tochtergesellschaften in multinationalen Unternehmen (vgl. Kapitel 4 und 5).

Endnoten 1 2 3 4 5 6

BMWi (2015 S. 3). Vgl. Köhler, Wollschläger (2014, S. 79) und darauf bezogen Knobbe u. a. (2019). Vgl. die Diskussion bei Akhlaghpour u. a. (2013) bezogen auf Orlikowski, Iacono (2001). Legner u. a. (2017, S. 301). In diesem Buch wird auf die „digitization“ nicht weiter ein­ gegangen. Vgl. Stief u. a. (2016, S. 1833). Zur Entwicklung der Digitalisierung werden z. B. von der „Business und System En­ gineering Community“ drei Wellen genannt (vgl. Legner u. a. (2017, S. 301–302) • Technologien, die zu einer höheren Automatisierung von Arbeitsroutinen durch Computer führten • das Internet als globale Kommunikationsinfrastruktur, die zu Veränderungen in der Wertgenerierung der Unternehmen führte und neue Geschäftsmöglichkeiten wie z. B. elektronischen Handel (e-Commerce) schaffte sowie

3.3 Weltweite Ausdifferenzierung durch die Digitalisierung

175

• zunehmende Miniaturisierung und Verarbeitungsfähigkeit der neuen Technologien bei ständig verbesserter Speicherkapazität und Breite der Kommunikation, die der Vision einer Rechnerallgegenwart („ubiquitous computing“, ebd, S. 302) schon sehr nahekommt. Ähnlich sieht das Informationstechnologie-Unternehmen Gartner Inc. (2014) drei Entwicklungsphasen der Unternehmens-IT: 1. „IT craftsmanship“ mit Fokus auf der Technologie und Fähigkeiten bei Programmierung und Systemverwaltung, 2. „ITindustrialization“ mit Fokus auf Prozessen und Fähigkeiten des IT- und Dienstleistungsmanagements sowie 3. „Digitalisierung“ mit dem Fokus auf Geschäftsmodellen und Fähigkeiten der digitalen Führung. 7 Köhler, Wollschläger (2014, S. 66). 8 Vgl. Yoo u. a. (2012); Sedran, Gissler (2015) und Stief u. a. (2016, S. 1833). 9 Vgl. Rogers (2016, S. x). 10 Vgl. Hamidian, Kraijo (2013, S. 12); Stief u. a. (2016, z. B. S. 1835) oder Proff, Fojcik (2018b), Knobbe u. a. (2019). 11 Denn Digitalisierung umfasst die digitale Erhebung von analogen Informationen (Big Data in einem engen Sinne), die Speicherung in einem digitaltechnischen System (lokale Speicherung oder Cloud Computing durch die Weiterentwicklung des Internets), die Analyse und Interpretation sowie den Transfer in andere Systeme („Internet der Dinge“). Mit Big Data sind hier große Datenmengen gemeint, die es zu verarbeiten gilt, „insbesondere […] unstrukturierte Daten, die mit gängigen Datenbanken und Analysewerkzeugen nur unzureichend bearbeitet und ausgewertet werden können“ (Köhler, Wollschläger 2014, S. 79, vgl. z. B. auch O’Leary 2013). Durch Cloud Computing (Rechnerwolke) kann die Speicherung großer Datenmengen fern vom lokalen Rechner erfolgen. In der Automobilindustrie reichen die Anwendungen der Hersteller und Zulieferer „von Cloud-basierter Bereitstellung von Fertigungs-IT bis hin zu Cloud-basierten Services für Infotainment und Mehrwertdienstangebote“ (Köhler, Wollschläger 2014, S. 85, vgl. auch Hashem u. a. 2015, S. 101). Die Analyse und Interpretation (Analytics) großer, sehr unterschiedlich strukturierter Datenmengen erfordert neue Formen der Auswertung mit Methoden von Business Intelligence (wiederholte Auswertung strukturierter Daten) und Big Data (Auswertung unstrukturierter Daten. In der Automobilindustrie werden z. B. „Daten aus Reparaturen, Fehlercodes von Onboard-Diagnostik Systemen und Feedback aus dem Händlernetz gemeinsam [analysiert]“ (Köhler, Wollschläger 2014, S. 83). Weiterhin können Datenanalysetechniken im Automobilhandel eingesetzt werden, um „den Vorrat an Lagerfahrzeugen bedarfsgerecht auszugestalten oder […] den Bestand an Ersatzteilen zu optimieren“, aber auch die Lieferkette (Supply Chain) und im Marketing z. B. die Erfolgskontrolle von Werbeaktionen (ebd.) Das Internet der Dinge („internet of things“) erweitert das Internet am PC und das mobile Internet mit Smartphone oder Tablet (vgl. Ashton, 2011) und ermöglicht die elektronische Vernetzung von Gegenständen. Diese Entwicklung wird insbesondere durch minimale Kosten für Konnektivität getrieben, der Fähigkeit von Betriebssystemen, zwischen einem Rechner und dem Internet eine Verbindung herzustellen (vgl. Köhler Wollschläger 2014, S. 74).). Das Internet der Dinge verbindet z. B. die Automobilindustrie über Schnittstellen mit dem „Smart Home“, z. B. zur Steuerung von Beleuchtung und Raumtemperatur, und ermöglicht durch „Building Automatisation“, dass Fahrzeuge untereinander und mit ihrer Umwelt vernetzt sind (vgl. ebd.) und damit autonomes Fahren.

176

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

12 Brünglinghaus (2014). 13 Vgl. z. B. Köhler, Wollschläger (2014, S. 188–191). 14 Vgl. z. B. Hamidian, Kraijo (2013); Köhler, Wollschläger (2014); Sedran, Gissler (2015) und Kane u. a. (2016). 15 Vgl. Porter, Heppelmann (2014). 16 Vgl. Hamidian, Kraijo (2013, S. 12). 17 Vgl. z. B. die Unterscheidung zwischen inkrementellen und radikalen Innovationen bei Utterback, Abernathy (1975); Abernathy, Utterback (1978) oder Hill, Rothaermel (2003, S. 258). 18 Mitchell, Coles (2003, S. 16). 19 Stähler (2002). 20 Vgl. z. B. Kane u. a. (2016) und Benkenstein u. a. (2017). 21 Vgl. z. B. Nadler, Tushman (1989, S. 196). 22 Vgl. Klein (1977). 23 Vgl. Davis u. a. (2009). 24 Vgl. z. B. Miliken (1987); Schrader u. a. (1993). 25 Vgl. z. B. Anderson, Tushman (1990); Bucherer u. a. (2012); Abdelkafi u. a. (2013); Frankenberger u. a. (2013). 26 Vgl. z. B. Roland Berger (2015). 27 Sedran, Gissler (2015, S. 1 und S. 3). 28 Vgl. Stief u. a. (2016, S. 1836). 29 Vgl. Köhler, Wollschläger (2014, S. 76). 30 Vgl. ebd. 31 Sedran, Gissler (2015, S. 1 und S.3). 32 Acatech (2014). 33 Vgl. Vargo, Lusch (2008). 34 Vgl. z. B. auch die Unterscheidung zwischen intelligenten Produkten und intelligenten, vernetzen Produkten bei Porter, Heppelmann (2014, S. 12). 35 https://www.mercedes-benz.com/de/mercedes-me/konnektivitaet/adapter (aufgerufen am 11.4.2018). 36 Köhler, Wollschläger (2014, S. 71). 37 Ebd. 38 Acatech (2014). 39 Vgl. Vargo, Lusch (2008); Lusch, Nambisan (2015). 40 Vgl. z. B. die Unterscheidung zwischen Produktsystemen und „Systeme von Systemen“ bei Porter, Heppelmann (2014, S. 12). Der Austausch von Informationen über Plattformen ermöglicht zunächst „intelligente informationsbasierte“ Kundenlösungen wie z. B. „Peerto-Peer-Carsharing“ oder „Free-floating Carsharing“. Beim „Peer-to-Peer-Carsharing“ werden z. B. digitale Plattformen bereitgestellt, über die Privatpersonen fremde Fahrzeuge oder das eigene Auto mit anderen Nutzern teilen (vgl. Sedran, Gissler 2015, S. 3). Beim Free-floating Carsharing kann ein Auto meist überall in einem städtischen Gebiet

3.3 Weltweite Ausdifferenzierung durch die Digitalisierung

177

angemietet und abgestellt werden. Es muss nicht an bestimmten Stationen abgeholt und dorthin zurückgebracht werden. In beiden Fällen werden Verfügbarkeitsdaten in Echtzeit zwischen zwei Systemen über eine Plattform als drittes System vermittelt. 41 Köhler, Wollschläger (2014, S. 93). 42 Ebd. (S. 88). 43 Ebd. 44 Vgl. z. B. Kamargianni, Matyas (2017). 45 Vgl. Hietanen (2014). 46 Vgl. z. B. Gould u. a. (2015); König (2016); Giesecke u. a. (2016); Jittapirom u. a. (2017). 47 Vgl. auch Kamargianni, Matyas (2017). 48 Vgl. Adner (2017). 49 Vgl. z. B. Kane u. a. (2016). 50 Vgl. z. B. Baden-Fuller, Mangematin (2013); Schneckenberg, Spieth (2016). 51 Vgl. z. B. Johnson u. a. (2008 S. 60), Proff u. a. (2014b). 52 Vgl. z. B. Foss, Saebi (2017). 53 Vgl. Aaker (2013, S. 5). 54 Vgl. Vargo, Lusch (2008); Lusch, Nambisan (2015). 55 Vgl. z. B. Anderson, Tushman (1990); Bucherer u. a. (2012); Abdelkafi u. a. (2013); Frankenberger u. a. (2013). 56 Vgl. Bucherer (2012); Abdelkafi u. a. (2013); Frankenberger u. a. (2013). 57 Vgl. Sedran, Gissler (2015, S. 3). 58 Schmidt (2015a, S. 4). 59 Vgl. z. B. Proff (2002a und 2005a). 60 Vgl. z. B. Linz u. a. (2017). 61 Vgl. Hagiu, Wright (2015). 62 Vgl. z. B. Frese (2000, 2. Teil), aber auch Thompson (1967, Kap. 5) und darauf bezogen Proff (2002a, S. 93). 63 Frese (2000, S. 59) und darauf bezogen Proff (2002a, S. 93). 64 Frese (2000, S. 54). 65 Vgl. Proff (2002a). 66 Z. B. Dyckhoff (2006). 67 Vgl. z. B. Laux, Liermann (2005, S. 191) und darauf bezogen Proff (2002a, S. 94). 68 Vgl. ebenfalls Proff (2002a, S. 94). 69 Vgl. Schweitzer (2000, S. 189) und Macharzina, Wolf (2018). 70 Vgl. ebenfalls Proff (2002a). 71 Vgl. Thompson (1967, S. 54) oder Frese (2000, S. 54). 72 Vgl. Frese (2000, S. 60); Proff (2002a) und ähnlich Dyckerhoff (2006). 73 Vgl. Schweitzer (1989) und Betz (1999, S. 112). 74 Vgl. Frese (2000, S. 60).

178

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

75 Eine gepoolte Prozessinterdependenz zeigt sich z. B. daran, dass bei sehr großen Verlusten einer Einheit das ganze Unternehmen und damit auch die anderen Einheiten ihre Lebensfähigkeit verlieren können (vgl. Thompson 1967, S. 54-55 und darauf bezogen Proff 2002). 76 Vgl. Betz (1999, S. 112), aber auch Thompson (1967, S. 54) und Dyckhoff (2006). 77 Vgl. z. B. Cyert, March (1963, S. 117). 78 Frese (2000, S. 54). 79 Vgl. Hagiu, Wright (2015). 80 Vgl. ebd. 81 Vgl. Grossman, Hart (1986). 82 Vgl. z. B. Mette (1999, S. 144), aber auch Cyert, March (1963, S. 36-37). 83 Vgl. z. B. Gawer (2014). 84 Vgl. z. B. Huth (2015). 85 Vgl. Picot u. a. (2015, S. 70). 86 Vgl. Gawer (2014). 87 Vgl. z. B. Haigu, Wright (2015, S. 163). 88 Vgl. z. B. Gawer (2014). 89 Vgl. z. B. Huth (2015). 90 Vgl. Jacobides u. a. (2018) und Hannah, Eisenhardt (2018). 91 Z. B. Vargo, Lusch (2004, 2008). 92 Vgl. z. B. Gans, Ryall (2017). 93 Vgl. Jacobides u. a. (2018). 94 Vgl. Adner (2017). 95 Ebd. (S. 41). 96 Vgl. Iansiti, Levien (2004, S. 8). 97 Adner (2017). 98 Vgl. z. B. Schoppe u. a. (1995, S. 246–261) oder Schreyögg (2008, S. 318–329). 99 Adner (2017, S. 42). 100 Vgl. Möller, Halinen (2017, S. S. 7 und S. 12). 101 Vgl. Ebers, Gotsch (1995). 102 So das Ergebnis einer Untersuchung von Deloitte und MIT, Kane u. a. (2016). 103 Vgl. Deloitte (2017). 104 Vgl. Gissler, Seibert (2015, S. 7). 105 Köhler, Wollschläger (2014, S. 72). 106 Gissler, Seibert (2015, S. 7). 107 Schmidt (2015b, S. 4). 108 Ebd. 109 Ebd. 110 Schmidt (2015b, S. 5) 111 Ebd.

3.4

Weltweiter Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes der traditionellen Automobilunternehmen (globaler Umfeldtrend 4)

3.4 Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

Ein vierter bedeutender globaler Umfeldtrend in der Automobilindustrie wird we­ niger wahrgenommen: Der weltweite Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes in den traditionellen Automobilunternehmen1, der deutlich stärker ist, als in vielen anderen Branchen2. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Weltweit drängen Kapitalgeber • gerade die am Kapitalmarkt unterbewerteten traditionellen Automobilhersteller und -zulieferer3 zu einer Verringerung des Kapitaleinsatzes, um die Kapital­ rentabilität (Return on Investment) traditioneller Automobilunternehmen als Gewinn im Verhältnis zum eingesetzten Kapital zu erhöhen. BMW, Daimler und Volkswagen werden z. B. nur mit etwa dem Sechsfachen des erwarteten Jahresgewinns bewertet, Toyota und Ford mit etwa dem Siebenfachen, General Motors dem Fünffachen4. • traditionelle multinationale Automobilunternehmen zur Entschuldung, um die Risiken in Zeiten großer Unsicherheit zu verringern. Dadurch wird wieder mehr Innen- statt Fremdfinanzierung möglich und der Kapitaleinsatz weiter verringert5. Auch wenn die multinationalen Automobilunternehmen noch stark an den traditi­ onellen Geschäftsmodellen und Leistungen festhalten, müssen sie in hohem Maße in neue innovative Geschäftsmodelle investieren, um den Herausforderungen seit der Jahrtausendwende durch Ausdifferenzierung der wachsenden Ländermärkte und der Wettbewerbslandschaft sowie durch die globalen Umfeldtrends, d. h. die Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage, der Fahrzeugantriebe und der Prozesse, Leistungen und Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung (Kapitel 3.1 bis 3.3) zu begegnen. Sie müssen beispielsweise sehr viel Kapital aufbringen, um Fahrzeuge mit neuen Antriebstechnologien zu entwickeln, ohne dass mittelfristig ein Markterfolg sicher ist6. Da immer mehr Länder den Verkauf von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor verbieten wollen (Norwegen bereits 2025, Dänemark, Irland, Island und die Niederlande 2030), müssen sie Fahrzeuge mit neuen Antriebstech­ nologien anbieten. Dafür sind „Milliardeninvestitionen“ notwendig7. 179

180

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

Gleichzeitig müssen multinationale Automobilunternehmen aber auch viel Ka­ pital einsetzen, um das internationale Produktions- und Vertriebsnetz auszubauen und länderübergreifend zu steuern. Bisher können Automobilunternehmen Investitionen in neue Geschäftsmodelle und in die Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften durch das traditionelle Geschäft mit Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor querfinanzieren. Bei anhaltendem oder gar steigendem Druck der Kapitalgeber auf die Senkung des Kapitaleinsatzes würden aber „die Kalkulationen der Einnahmen und Entwicklungskosten über den Lebenszyklus für viele Baureihen nicht mehr aufgehen, deren Entwicklung bereits gestartet ist“8. Damit bestehen die Herausforderungen für die Automobilindustrie einerseits darin, den zusätzlichen Kapitalbedarf zur Finanzierung neuer Technologien und eines stärkeren Engagements in den Wachstumsmärkten aufzubringen, andererseits dem Drängen der Kapitalgeber auf Entschuldung, Risikominderung und Restruk­ turierung und damit auf Verringerung des Kapitaleinsatzes zu entsprechen. Diese Herausforderungen sind groß, trotz der gegenwärtig relativ günstigen Kapitalkosten. BMW z. B. brachte Ende 2013 den i3 auf den Markt, ein für die Elektromobilität entwickeltes Fahrzeug, sah aber noch drei Jahre später, Ende 2016, keine Möglich­ keit, mit Elektrofahrzeugen Gewinn zu erzielen, weil die Kosten der Batterie „noch auf absehbare Zeit die Technologie“ belasten werden. Die Branche steht vor einem Dilemma: „Das Portfolio muss schnell auf E-Antriebe umgerüstet werden, hohe Entwicklungskosten könnten aber wohl nicht wieder reingeholt werden“9. Trotz sehr hoher und weiterhin steigender Nachfrage, sehr hoher Wertschöpfung und Innovation und hoher Abhängigkeit der europäischen Hersteller von Batterieliefe­ ranten aus Japan und Südkorea hat sich Bosch bei dem wirtschaftlich wichtigsten Bauteil der Elektromobilität gegen eine Investition entschieden. Da das Oligopol mit Panasonic-Sanyo, Sony, LG Chem und Samsung SDI mehr als 90 Prozent der Batteriezellen weltweit produziert und neue Batteriefabriken gebaut werden, wird das Investitionsrisiko, gemessen am potenziellen Gewinn, als zu hoch eingeschätzt. Um eine führende Stellung in der Batteriezellenproduktion zu erreichen, d. h. einen Marktanteil von etwa 20 Prozent, hätte Bosch für 200 GWh etwa 20 Mrd. Euro investieren müssen10. Dies erklärt auch, warum viele Unternehmen den Übergang in die Elektromobilität so langsam angehen (vgl. dazu die Kapitel 4 und 6). Im Folgenden wird zunächst gezeigt, dass Kapitalgeber weltweit angesichts der nach wie vor schlechten Kapitalmarktbewertung die traditionellen Automobilun­ ternehmen zu einer Verringerung des Kapitaleinsatzes drängen11 (Abschnitt 3.4.1). In Abschnitt 3.4.2 wird dann dieser Druck mit Hilfe der Kapitalmarkttheorie und

3.4 Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes

181

durch Tobins Kurs-Substanzwert-Verhältnis (Tobin’s Q) erklärt. Schließlich werden in Abschnitt 3.4.3 die künftigen Herausforderungen durch den Druck des Kapi­ talmarkts aufgezeigt: einerseits die Chance, einen notwendigen Strategiewechsel anzustoßen, andererseits das Risiko, das neue vom alten Geschäft abzuspalten und alleine an die Börse zu bringen.

3.4.1 Weltweiter Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes der traditionellen Automobilunternehmen durch weltweite Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld Nicht nur wegen der steigenden Wettbewerbsintensität (Kapitel 2.2) strafen Analysten die traditionellen, multinationalen Automobilunternehmen immer noch mit einem Abschlag auf den Marktwert oder mit einem geringen Kurs-Gewinn-Verhältnis ab12. Aus Sicht der Kapitalmärkte ist noch entscheidender, dass die Automobilun­ ternehmen wenig dynamisch auf Veränderungen reagieren – sowohl auf Verän­ derungen im Unternehmensumfeld, wie z. B. die Ausdifferenzierung der Märkte und der Nachfrage nach Mobilität und auf Veränderungen im Wettbewerb, als auch auf den Rückstand im Wettlauf um Kompetenzen u. a. in der Batterie- und Brennstoffzellentechnologie und in der Digitalisierung13. Für die Veränderungen (Kapitel 2 und 3) haben die traditionellen multina­ tionalen Automobilunternehmen bisher noch keine überzeugenden Lösungen, Kapitalanleger trauen neuen Unternehmen wie Tesla und Uber trotz gravierender Fehler und anhaltender Probleme mehr zu. Sie scheinen zukunftsfähiger. Ford und General Motors z. B. wurden bereits vor der Krise 2008/09 als „Börsenzwerge“ bezeichnet14. 2017 überholte der Börsenwert von Tesla den Börsenwert von Ford. Mark Fields, CEO von Ford musste gehen. Im November 2018 war der Börsenwert von Tesla erstmals höher als der Börsenwert von BMW. Der Börsenwert aller Au­ tomobilunternehmen (Börsenkurs multipliziert mit Zahl der Aktien) liegt weit unter dem errechneten Marktwert15. Den niedrigen Wert der drei Dax-Konzerne BMW, Daimler und Volkswagen, im Juni 2018, das Sechs- bis Siebenfache des Jahres-Nettogewinns, erklären nicht nur Risiken durch den Dieselbetrug, sondern auch die zu geringe Bereitschaft, die alten Antriebstechnologien aufzugeben und die Skepsis, ob die Automobilindustrie bei der Softwareentwicklung mithalten kann. „Die deutsche Autobranche symbolisiert für immer mehr Anleger nicht mehr die Zukunft, sondern Vergangenheit“16. Auch wenn 2018 die durchschnittlichen EBITDA-Margen der Automobilunter­ nehmen zwischen fünf und acht Prozent wieder recht hoch sind, bleiben die Erwar­

182 182

33 Herausforderungen durch globale globale Umfeldtrends Umfeldtrends Herausforderungen durch

tungen Das zeigt zeigt der der EBITDA-Multi­ EBITDA­Multi­ tungendes desKapitalmarktes Kapitalmarktes weiterhin weiterhin pessimistisch. pessimistisch. Das plikator („multiple“ oder „multiplier“) als Kapitalmarktindikator (Verhältnis von von plikator („multiple“ oder „multiplier“) als Kapitalmarktindikator (Verhältnis 17 17), der grob den Unternehmenswert angibt. Dieser Economic Value und EBITDA Economic Value und EBITDA ), der grob den Unternehmenswert angibt. Dieser Multiplikator aufgrund pessimistischer pessimistischerErwar­ Erwar­ Multiplikatorbeträgt beträgt in in der der Automobilindustrie Automobilindustrie aufgrund tungen der Life Life Science-Branche Science­Branche(vgl. (vgl. tungendes desKapitalmarktes Kapitalmarktes gerade gerade einmal einmal ein ein Drittel Drittel der Abb. muss dreimal dreimal so so hohe hohe Gewinne Gewinne Abb. 3.4­1a). 3.4-1a). Das Das heißt, heißt, ein ein Automobilhersteller Automobilhersteller muss (EBITDA) zu erzielen erzielen wie wie in in den den Life LifeScien­ Scien­ (EBITDA)erzielen, erzielen, um um den den gleichen gleichen Kapitalwert Kapitalwert zu ces. dar als als die die Automobilhersteller, Automobilhersteller, ces.Die DieAutomobilzulieferer Automobilzulieferer stehen stehen etwas etwas besser besser dar sind Durch die die Verringerung Verringerung des des sindaber aberauch auch weit weit entfernt entfernt von von attraktiven attraktiven Werten. Werten. Durch Kapitaleinsatzes verbessern. Kapitaleinsatzes würde würde sich sich der Kapitalmarktindikator verbessern. Allerdings Kapiteln 22 und und 33 Allerdings befürchten befürchten gerade gerade Zulieferer wegen der in den Kapiteln angesprochenen Elektrifizierung des des Antriebs­ Antriebs­ angesprochenenUmfeldtrends, Umfeldtrends, vor allem wegen der Elektrifizierung strangs, von Abgasanlagen, Abgasanlagen, strangs,massive massiveVeränderungen Veränderungen der Wertschöpfung. Zulieferer von Getrieben Wertschöpfung verlieren, verlieren,was was Getriebenund und Achsen Achsen werden werden bis 2025 deutlich an Wertschöpfung die und Sensoren Sensorennimmt nimmt dieProfitabilität Profitabilitätdirekt direkt negativ negativ beeinflussen wird. Bei Batterien und die Wettbewerber und und dieWertschöpfung Wertschöpfung zu, zu, aber aber auch die Unsicherheit durch neue Wettbewerber Technologien. Investitionsrisiko in in der der Automo­ Automo­ Technologien.Da Daaus aus Sicht Sicht der der Kapitalgeber das Investitionsrisiko bilindustrie vor allem allem Zulieferer, Zulieferer, bilindustrie deutlich deutlich größer größer wird, drängen die Kapitalgeber vor die weil sie sie Komponenten Komponenten dievon vonden denUmfeldveränderungen Umfeldveränderungen besonders betroffen sind, weil für und damit damit zu zu einer einer fürden denVerbrennungsmotor Verbrennungsmotor anbieten, zu Restrukturierungen und weiterenVerringerung Verringerung des des Kapitaleinsatzes Kapitaleinsatzes (Abb. 3.4-1b) weiteren 3.4­1b)1818.

a) geringe Kapitalmarktattraktivität

b) problematisches Risikoprofil

EV/EBITDA (Multiplier) Life  Science

Kapitalmarkt hält  Automobilindustrie  nach wie vor für  unattraktiv

5 4

Zulieferer OEMs

2

2

9

2 18

 Erh hung der Rentabilität durch Verringerung des Kapitaleinsatzes

Batterien Unsicherheit

11

Sensoren Abgas Getriebe

Achsen

Elektronik

Veränderung der Wertschöpfung 2 1  ‐ 2 25  Verringerung des Risikos durch Restrukturierung  mit Verringerung des Kapitaleinsatzes

Abb.3.4-1 3.4-1 Geringe Geringe Kapitalmarktattraktivität Kapitalmarktattraktivität der Automobilindustrie Abb. Automobilindustrie Quelle:eigener eigenerEntwurf Entwurfmit mit Hilfe Hilfe von Analystenreports von Banken und Quelle: und Investmentbanken, Investmentbanken, Anfang2018; 2018;Lazard, Lazard, Roland Roland Berger Berger (2017); Deloitte (2017) Anfang

3.4 Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes

183

Die sehr hohe Verschuldung der Automobilunternehmen – pro Jahr muss etwa ein Drittel der mehr als 300 Mrd. Euro Schulden refinanziert werden19 – birgt zu­ sätzliche Risiken insbesondere bei steigenden Zinsen und erhöht nicht gerade die Attraktivität der Aktien. Eine schlechte Kapitalmarktbewertung (auch aufgrund der hohen Verschuldung) bedeutet für die Automobilunternehmen auch höhere Zinsen und eine restriktivere Kreditvergabe der Banken20. Insbesondere in der Krise 2008/2009 hatte fast die Hälfte der deutschen Automobilunternehmen mit einer restriktiven Kreditvergabe zu kämpfen. Es gab bedrohliche Liquiditätsengpässe. Da auch die Private-Equity-Finanzierung fast ganz ausfiel, mussten 75 Automo­ bilzulieferer in Deutschland Insolvenz anmelden. Aber auch ohne Insolvenzen darf der inzwischen wieder relativ stabile Absatzmarkt nicht über Probleme in den Bilanzen vieler Automobilunternehmen hinwegtäuschen. Kritisch sind bei 20 Prozent der deutschen Automobilzulieferer die Bilanzindikatoren wie das Verhältnis von Vermögenswerten zu Verbindlichkeiten („assets zu liabilities“, „EBITDA zu Zinszahlungen“ und „Nettoschulden zu Eigenkapital“). Da viele Unternehmen als strukturell gefährdet gelten, drängen die Kapitalgeber auf eine weitere Entschuldung und damit Verringerung des Kapitaleinsatzes. Die Digitalisierung, vor allem die Entwicklung des autonomen Fahrens, erfordert sehr viel Kapital, das bei anderen Investitionsvorhaben eingespart werden muss21. Deshalb drängen die Kapitalgeber insgesamt auch auf eine weitere Entschuldung und damit auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes. Auch wenn nicht alle multinationalen Automobilunternehmen für den Kapi­ talmarkt gleichermaßen unattraktiv sind, wird die Automobilindustrie insgesamt im Vergleich zu anderen Branchen deutlich schlechter bewertet.

3.4.2 Erklärungen des Drucks auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes der traditionellen Automobilunternehmen – Kapitalmarktmodelle Eine Erklärung des weltweiten Drucks auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes der traditionellen Automobilindustrie bietet die allgemeine Kapitalmarkttheorie und speziell das Kurs-Substanzwertverhältnis von Tobin (Tobin’s Q). Abb. 3.4-2a zeigt, dass Investoren entsprechend der klassischen Kapitalmarktthe­ orie22 umso eher bereit sind, ein höheres Risiko einzugehen, je höher die erwartete Rendite ist (Linie AB in Abb. 3.4-2a). Werden die Überlegungen in Abschnitt 3.4.1 in dieses Modell übersetzt, dann liegt die Automobilindustrie aufgrund der hohen Verschuldung, der technologischen Veränderungen und der Bedrohung der globalen Wertketten durch Veränderungen von Produktionsstrukturen für traditionelle Pro­

184

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

dukte auf einem Punkt C und damit deutlich unter der effizienten Kapitalmarktlinie AB. Dies resultiert einerseits aus der hohen Verschuldung und Bedrohung durch neue (auch branchenfremde) Wettbewerber mit hoher Kapital- und Innovationskraft und andererseits aus der angesichts des hohen Risikos vergleichsweise geringen Profitabilität. Das bedeutet, dass Automobilunternehmen Risikozuschläge (analog zur Strecke BC in Abb. 3.4-2a) bei der Aufnahme von neuen Krediten tragen müs­ sen (vgl. Abb. 3.4-2b), die z. T. deutlich höher sind als z. B. in der IT-Industrie. Bei höheren Risiken sind die Kapitalgeber auch in Niedrigzinsphasen vorsichtig, weil mit dem Anstieg der Zinsen Automobilunternehmen große Teile ihres Gewinns an externe Kreditgeber abgeben müssen, was Investitionen in Wachstumsfelder durch die Innenfinanzierung erschwert 23 und die Anlage unattraktiv werden lässt.

a) ungünstige Rendite‐Risiko‐ osition in der Automobilindustrie erwartete  Rendite

B

A

C

• • • • •

im Vergleich zu anderen  „Risiko“‐Branchen  geringere Profitabilität  => Profitdruck

hohe Verschuldung  technologische Umwälzung globale Wertketten, die brechen können Substitutionsgefahr des Geschäftsmodells niedriger Börsenwert Risiko

b) Risikozuschläge für Automobilunternehmen bei der Kreditaufnahme Zinsh he

+ 3% Risiko‐ faktor

+ 1% Risiko‐ faktor

risikofreie  Zinshöhe Automobil

risikofreie  Zinshöhe IT

Abb. 3.4-2 Erklärungen des Drucks auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes der Abb.  3.4‐2, S. 184 traditionellen Automobilunternehmen – Kapitalmarktmodelle Quelle: eigener Entwurf nach Betsch u. a. (1998); Blanchard, Illing (2017); Lazard, Roland Berger (2017); JP Morgan, Cazenove (2018)

3.4 Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes

185

Zur Erklärung des Drucks auf die Verringerung des Kapitaleinsatzes der traditio­ nellen Automobilunternehmen kann auch das Kurs-Substanzwert-Verhältnis von Tobin (Tobin’s Q) herangezogen werden24. Tobin’s Q bewertet den Marktwert eines Unternehmens (Kurs) im Verhältnis zu den Kosten des Einsatzes seiner Aktiva 25 (Substanzwert). Ein Verhältnis größer 1 zeigt, dass das eingesetzte Kapital im Un­ ternehmen mehr wert ist, als die Summe der einzelnen Vermögenswerte, was auf eine attraktive Investition hinweist26. Die Automobilindustrie ist sehr kapitalintensiv (hoher Substanzwert durch Anlageinvestitionen, Intellectual Property usw.), wird aber an der Börse relativ gering bewertet (geringer Marktwert). Neue Plattformen, Motorenwerke oder Vertriebsnetze kosten Milliarden. Diesen Vermögenswerten stehen aber, wie in Abb. 3.4-2 gezeigt, nur geringe Marktwerte gegenüber. Das Kurs-Substanzwert-Verhältnis ist damit häufig nahe 1 oder gar kleiner als 1, somit eine sehr unattraktive Investitionsoption für Anleger27. Ist Tobin’s Q unter 1, kann es sinnvoll sein, ein Unternehmen zu zerschlagen, da durch den Verkauf des An­ lagevermögens – der Substanz – Buchgewinne gemacht werden können, wenn die einzelnen Vermögenswerte am Markt mehr Wert bringen, als im Unternehmen. Dieser Effekt lässt sich für die Automobilindustrie belegen. 2017 hat der Automo­ bilzulieferer Delphi Antriebstechnologien für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor (Motorenbau, Softwarelösungen im Motorenbereich und Elektromobilität) in ein eigenständiges Unternehmen, Delphi Technologies, abgespalten und an die Börse gebracht, Fahrzeugelektronik, Vernetzung und autonomes Fahren in Aptiv gebün­ delt. Gerade von Zulieferern werden künftig angesichts des hohen Risikos sowie unterschiedlicher Rentabilität und Zukunftsfähigkeit der Geschäftsfelder (Abb. 3.4-2) ähnliche Strategien erwartet. Kapitalgeber können so eine Verringerung des Kapitaleinsatzes in der traditionellen Automobilindustrie durch Aufspaltung und Restrukturierung erzwingen. Da der in den Kapiteln 3.2 und 3.3 beschriebene Übergang in die Elektromobilität, zum autonomen Fahren und zu neuen Mobilitätskonzepten schon begonnen hat, verliert das traditionelle Anlagevermögen z. B. in der Motorenfertigung weiter an Wert und die Notwendigkeit der Restrukturierung und/oder der Abspaltung von Unternehmensteilen wird weiter steigen28. Die Automobilunternehmen wollen den Übergang von der alten Technologie zur neuen Technologie intern und nicht mit Aufspaltung erreichen. Deshalb gilt es, Tobin’s Q zu verbessern, d. h. den Börsenwert durch eine überzeugende Zukunftsperspektive zu steigern, durch Digitalisierung, Vernetzung und Entwicklung autonom fahrender Fahrzeuge bei geringerem Kapi­ taleinsatz zur Senkung des Substanzwertes in der traditionellen Automobilindustrie. Daraus folgt der Druck auf die Verringerung des Kapitaleinsatzes.

186

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

3.4.3 Künftige Herausforderungen durch den weltweiten Druck auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes der traditionellen Automobilunternehmen Die Verringerung des Kapitaleinsatzes für die Automobilindustrie birgt Chancen, aber auch Herausforderungen, die zu Risiken werden, wenn sie nicht angenommen werden. Die Chancen, in den Abschnitten 3.4.1 und 3.4.2 begründet, liegen in der Möglichkeit, das „alte“ Geschäftsmodell der Erwirtschaftung akzeptabler Rendi­ ten in einem relativ stabilen Geschäft durch das Modell „Tesla“ zu ersetzen, d. h. durch das Geschäftsmodell eines innovativen Unternehmens, das mit positiven Zukunftserwartungen trotz des sehr geringen Gewinns im 3. Quartal 2018 stark steigende Börsenkurse erreicht (der Kurs ist dreizehnmal höher als der Buchwert) und damit die Möglichkeit der Innenfinanzierung29. Innenfinanzierung hängt allerdings vom Zinsniveau ab, niedrige Zinsen beeinflussen die Börsenentwicklung positiv, steigende Zinsen weniger. Die Risiken liegen für die Unternehmen in der Gefahr von Abspaltungen. Bei­ spiele für Abspaltungen in der Automobilindustrie sind Delphi, ThyssenKrupp und Magneti Marelli. ThyssenKrupp will das technologiegetriebene Geschäft (Autoteile, Aufzüge, Anlagenbau) vom werkstoffnahen Geschäft (Stahlerzeugung und -handel, Schiffsbau) trennen. Magneti Marelli, zuvor Fiat Chrysler, und Calsonic Kansei, 2017 von Nissan an das Private Equity-Unternehmen Kohlberg Kravis Roberts & Co (KKR) verkauft, fusionieren. Fehlen Innovationen, bleiben die Unternehmen angreifbar und gefährdet. Ein zu langes Verharren in der alten Technologie birgt die Gefahr, die Zukunft zu verschlafen und Wert zu vernichten30. Abspaltungen bzw. Neuzusammenstellungen von abgespalteten Automobilunternehmen kosten Zeit, die für eine strategische Neuausrichtung fehlen kann. Insgesamt führt der Druck der Kapitalgeber auf die Verringerung des Kapitalein­ satzes zur Reduktion der Kapitalintensität aufgrund der erzwungenen Konzentra­ tion auf wichtige Investitionsobjekte und Ländermärkte. Damit wächst der Druck auf eine Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und auf eine Neuausrichtung der Steuerung der ausländischen Tochtergesellschaften in multinationalen Automobi­ lunternehmen, der von den anderen globalen Umfeldtrends ausgeht.

3.4 Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes

187

Endnoten 1

Vgl. Ford (2017) oder auch die Ankündigung von GM am 26.11.2018 durch das neue Restrukturierungsprogramm Investitionen in Höhe von 1,5 Mrd. Dollar zu sparen (vgl. FAZ vom 27.11.2018). 2 Vgl. z. B. Tichy (2016). 3 Vgl. Proff, Proff (2013). 4 Vgl. Handelsblatt vom 16.11.2018, S. 55. 5 Vgl. ebd. 6 Vgl. ebd. 7 Lukas Bay: Warum ein Verbrenner-Verbot überflüssig ist. In: Handelsblatt vom 08.04.2016 (http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/autoindustrie-warum-ein-ver­ brenner-verbot-ueberfluessig-ist/13421934.html, abgerufen am 10.12.2016). 8 Ebd. 9 Electric drive newsletter vom 8.12.2016 bezogen auf „Die Welt“ vom 5.12.2016. 10 Vgl. FAZ vom 21.3.2018. 11 Vgl. Blanchard, Illing (2017, S. 482). 12 Vgl. Deutsche Bank (2011) und City Group (2012), Lazard Roland Berger (2017); JP Morgan, Cazanove (2018). 13 Vgl. Proff, Proff (2013). 14 In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.12.2006. 15 Vgl. Proff, Proff (2013, S. 21–23). 16 Handelsblatt vom 19.6.2018 (S. 34) 17 Vgl. Lazard, Roland Berger (2017). 18 Vgl. Deloitte (2017). 19 Vgl. Lazard, Roland Berger (2017). 20 Vgl. Blanchard, Illing (2017, S. 487). 21 Vgl. Deloitte (2017). 22 Vgl. Betsch u. a. (1998). 23 Vgl. Brealey, Myers (1991, S. 677). 24 Vgl. Blanchard, Illing (2017). Die Modelle sind vereinfachend, komplexere Modelle würden aber den Rahmen dieses Buches sprengen, ohne zu einer anderen Aussage zu führen. 25 Vgl. Brealey, Myers (1991, S. 684). 26 Vgl. ebd. 27 Vgl. Blanchard, Illing (2017, S. 482). 28 Vgl. Deloitte (2017). 29 Vgl. Tichy (2016); Blanchard, Illing (2017, S. 486). 30 Vgl. Deloitte (2018).

3.5

Weiterer Anstieg der Komplexität in Zeiten des Umbruchs – Eine Zusammenfassung

3.5 Weiterer Anstieg der Komplexität in Zeiten des Umbruchs

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

In den Kapiteln 3.1 bis 3.4 wurde begründet, dass die weltweite Ausdifferenzie­ rung der Mobilitätsnachfrage, der Fahrzeugantriebe, der Prozesse, Leistungen und Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung sowie der weltweite Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes die multinationalen Auto­ mobilunternehmen herausfordern, indem sie (1) Chancen bieten, gleichzeitig aber auch Risiken für sie bergen. Im Unterschied zu der relativ kontinuierlichen und stabilen Entwicklung der Automobilindustrie seit der Jahrtausendwende (Kapitel 2)1 verändern die neuen Antriebstechnologien und die Digitalisierung, vor allem der schrittweise Übergang zu autonomem Fahren und neue Mobilitätskonzepte die Basistechnologien radikal und diskontinuierlich2. Die Umfeldtrends verstärken damit (2) die Veränderungen seit der Jahrtausendwende. Dadurch wird (3) die Komplexität zunächst weiter ansteigen, längerfristig aber abnehmen. Multinationale Automobilunternehmen müssen deshalb Strategie und Steuerung neu ausrichten.

(1) Chancen und Risiken der weltweiten Umfeldtrends Chancen bietet multinationalen Automobilunternehmen die weltweit ähnliche Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage nach Wertsystem, Einkommen, Al­ ter und Wohnumfeld. Damit können sie länderübergreifend einheitliche Trends aufnehmen, um selbst bei vielen Produktvarianten Größen- und Verbundvorteile zu erzielen, aber auch Nachfragegruppen bzw. Absatzpotentiale gezielt anzu­ sprechen und Konsumentenrenten abzuschöpfen (Kapitel 3.1). Für innovative Automobilunternehmen bietet die Ausdifferenzierung der Antriebstechnologien zudem Chancen, weil die Märkte neu zusammengesetzt werden. Davon können auch Unternehmen profitieren, denen bei der Verbrennungstechnologie Kompe­ tenzen fehlen (Kapitel 3.2). Mittel- und langfristig werden sich weitere Chancen durch die Digitalisierung eröffnen, wenn die Kosten durch vereinfachte Prozesse und durch optimierte Leistungen und Geschäftsmodelle sinken (Kapitel 3.3). Der weltweite Druck auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes (Kapitel 3.4) kann für multinationale Automobilunternehmen ebenfalls eine Chance sein. Sie können, insbesondere bei niedrigen Zinsen, das traditionelle Geschäftsmodell der Erwirtschaftung akzeptabler Renditen in einem relativ stabilen Geschäft durch das Geschäftsmodell eines innovativen Technologiespielers ersetzen, der mit positiver Zukunftserwartung die Börsenkurse erhöhen und zusätzliche Möglichkeiten der Innenfinanzierung schaffen kann. 189

190

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

Die Veränderungen durch die globalen Umfeldtrends bergen auch Risiken für multinationale Automobilunternehmen. Sie liegen z. B. selbst bei weltweit ähnlicher Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage darin, den länderspezifischen Unter­ schieden in Wertesystem und Einkommensverteilung, in der Altersverteilung und in der Urbanität mit dem Angebot nicht voll gerecht zu werden. Es ist zudem eine Herausforderung für die Unternehmen, gleichzeitig kleine innovative Fahrzeuge und Fahrzeuge für die immer rationaleren Käufer der Triade-Märkte, große, tra­ ditionelle Fahrzeuge für wohlhabende Käufer mit hohen Ansprüchen an Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit in den neuen Wachstumsmärkten und kleine, sehr billige Fahrzeuge für die Klein- und Kleinstwagensegmente dieser Länder anzu­ bieten und dabei Identität und Markenkern zu halten, obwohl Marken weltweit sehr unterschiedlich bewertet werden (Kapitel 3.1). Auch die Ausdifferenzierung der Antriebstechnologien birgt Risiken aufgrund der hohen Unsicherheit bei lang­ fristigen tiefgreifenden technologischen Veränderungen und Marktunsicherheit über die künftigen Antriebs- und Fahrzeugkonzepte. Deshalb ist es schwer, mit Elektrofahrzeugen ein einzigartiges, kundenspezifisches Nutzenversprechen zu schaffen. Zudem können von der Neuaufteilung der Märkte auch Unternehmen aus den neuen Wachstumsmärken wie z. B. aus China profitieren, die oft die Dieseltechnologie überspringen und direkt in der Elektromobilität anbieten und dort zu Wettbewerbern werden (Kapitel 3.2). Im Zuge der Digitalisierung müssen weiterhin technische Herausforderungen und Probleme der Datensicherheit gelöst werden, weil sonst das Risiko besteht, dass sensible Daten an Dritte gelangen, die dann z. B. auch Zugriff auf Fahrzeugsysteme und Steuerung haben. Eine weitere Herausforderung aufgrund der zunehmenden Digitalisierung (Kapitel 3.3) liegt darin, dass der Wettbewerb durch branchenfremde Konkurrenten, insbesondere durch IT-Unternehmen noch stärker wird, sofern sich die traditionellen Automo­ bilunternehmen nicht zu Mobilitätsdienstleistern wandeln. Vor allem aber besteht durch die Digitalisierung zumindest kurz- bis mittelfristig das Risiko deutlich höherer Kosten. Eine weitere Herausforderung liegt darin, dass sich Innovations­ zyklen durch die Verkürzung von Prozessketten durch digitale Prozesse deutlich verkürzen. Das ermöglicht und erfordert einen deutlich agileren Auftritt (vgl. Kapitel 6.1.2). Schließlich liegen die Risiken auch in der Gefahr von Auf- und Abspaltungen traditioneller Automobilunternehmen, wie z. B. des Zulieferers Delphi in Aptiv und Delphi Technologies. Dabei bleibt die alte Technologie oft schwach und durch alte oder neue Wettbewerber angreifbar (Kapitel 3.4).

3.5 Weiterer Anstieg der Komplexität in Zeiten des Umbruchs

191

(2) Verstärkung der Veränderungen seit der Jahrtausendwende durch die globalen Umfeldtrends Die globalen Umfeldtrends setzen bei den unterschiedlichen Rahmenbedingungen des weiten Länderumfelds und bei der Wettbewerbslandschaft als Teil des engen Wettbewerbsumfelds an (Abb. 3.5-1) und verstärken damit die Veränderungen seit der Jahrtausendwende (Kapitel 2): Im weiten Länderumfeld der Automobilmärkte mit unterschiedlicher Wachs­ tumsdynamik (Kapitel 2.1) verstärkt die weltweite Ausdifferenzierung der Mobi­ litätsnachfrage nach Einkommen, Wertesystem, Alter und Wohnumfeld (globaler Umfeldtrend 1, Kapitel 3.1) die Ausdifferenzierung der sozio-kulturellen Rahmen­ bedingungen. Diese Veränderungen sind inkrementell3 und kontinuierlich4, die Marktdynamik bleibt stabil5. Die weltweite Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe und der Prozesse, Leistungen und Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung (Kapitel 3.2 und 3.3) verstärken zudem die Ausdifferenzierung der technologi­ schen und politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen in den Ländermärkten. Neue Antriebstechnologien, autonomes Fahren und neue Mobilitätskonzepte wie Mobility-as-a-Service sind radikale und diskontinuierliche Veränderungen in der bislang weitgehend stabilen Automobilindustrie. Sie brechen die bislang stabile Marktdynamik auf. Der Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes (und damit die Verringerung der verfügbaren Ressourcen und Investitionsmittel, Kapitel 3.4) verstärkt schließlich die Ausdifferenzierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf den weltweiten Automobilmärkten, wiederum eher inkrementell und kontinuierlich. Die Wettbewerbslandschaft (Kapitel 2.2) wird sich durch die globalen Umfeldt­ rends (Kapitel 3.1 bis 3.4) weiter ausdifferenzieren, weil neue Wettbewerber aus Niedriglohnländern und Anbieter branchenfremder Leistungen angelockt werden (vgl. Abb. 3.5-1). Diese Veränderungen können sowohl inkrementell und damit kontinuierlich sein (in der Regel bei neuen Wettbewerbern aus Niedriglohnländern), aber auch tiefgehend und diskontinuierlich (bei neuen Konkurrenten im Wettlauf um technologische Kompetenzen in der Elektromobilität und Digitalisierung).

192

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

&      1-     &$#*#&       #)$    #& &%  #% /"%20         /"%30 1-)%)%&$#*#& # %%$#

(#$%#% / %&#0 &$#*#& #$ * .&%&# &

(#$%#% /$ %&#0 &$#*#& 3-)%)%&$#*#& #%  $ (  # *$$,$%&& &" %$. $%$ &# #% %$#& &

2-)%)%&$#*#& ##*&%#

4-#&& &# "%%$%%

2- &$#*#& #%%)##. $%

(#$%#% / %&#0 &$#*#&# !  $ &

(#$%# &$#*#& #%%)##. $% # &%  &$%# & & %%)##&$

# # &%#&# $%&

3- &$#*#& #$%#%$ &$#%& &%% # %#

4- &$#*#& # %&#& &$$#  %#. $$%

# ## $%#%$

&&$#%& %*%  #$$#& %#% # $%$  &  %)&  (%(# $%$ 

# ##

&&$#%& # %&#&, *%  #'#. #&  #. $"*$

 

  

Abb. 3.5-1 Verstärkung der Veränderungen seit der Jahrtausendwende durch die globalen Umfeldtrends Quelle: eigener Entwurf

Damit erfordern die globalen Umfeldtrends (Kapitel 3.1 bis 3.4) auch eine weiter­ gehende Veränderung der strategischen Ausrichtung multinationaler Unterneh­ men und der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften (Kapitel 2.3 und 2.4). Notwendig sind eine gleichzeitige Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle für die bisherigen Antriebstechnologien und die Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle für die Elektromobilität und neue Softwareangebote durch Digitalisierung. Notwendig sind aber auch eine länderübergreifende und zugleich länderspezifische Steuerung der Tochtergesellschaften. Deshalb werden in den Kapiteln 4 und 5 Ansatzpunkte einer Neuausrichtung von Strategie und Steuerung aufgezeigt.

(3) Anstieg der Komplexität im Unternehmensumfeld multinationaler Automobilunternehmen Durch die globalen Umfeldtrends steigt in den Unternehmen die Komplexität, die ohnehin seit der Jahrtausendwende angestiegen ist (Kapitel 2.5), weiter an (Abb. 3.5-2), d. h. es steigt gemäß der Entscheidungstheorie die Anzahl eventueller Ge­ legenheiten („opportunity contingencies“)6 (vgl. Kapitel 1.1.3 und darauf bezogen Kapitel 2.5).

b.  3.5‐2, S. 193

3.5 Weiterer Anstieg der Komplexität in Zeiten des Umbruchs

Komplexität

Ausdifferen‐ zierung durch die Digitalisierung Ausdifferen‐ zierung der Fahrzeug‐ antriebe Ausdifferen‐ zierung der Mobilitäts‐ nachfrage 

193

Dominanz des Elektro‐ antriebs Vereinfachung durch die Digitalisierung

Verringerung  des  Kapital‐ einsatzes Anstieg  der Komplexität  durch die globalen Umfeldtrends

Anstieg  der Komplexität  seit der Jahrtausend‐ wende

Kurz‐ und mittelfristige Veränderungen langfristige Veränderungen

Abb. 3.5-2 Steigende Komplexität für multinationale Automobilunternehmen seit der Jahrtausendwende durch globale Umfeldtrends Quelle: Eigener Entwurf

Durch die Ausdifferenzierung der Mobilitätsmärkte nach Einkommen, Wertesys­ tem, Alter und Wohnumfeld, differenziert sich zunächst das Leistungsangebot der multinationalen Automobilunternehmen selbst in klar erkennbaren Märkten immer mehr aus. Dabei wird dann eine positive und gewinnbringende, da beherrschbare Komplexität verlassen, wenn Unternehmen alle Kundenbedürfnisse befriedigen und alle Nischen abdecken möchten, so dass die Individualisierung zu weit geht und dadurch die Kosten in die Höhe treibt7 (Kapitel 3.1). Die Managementaufgabe besteht bei diesen weltweiten kontinuierlichen und inkrementellen Veränderungen darin, das Leistungsangebot zu begrenzen. Durch die Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe und die Digitalisierung (Kapitel 3.2 und 3.3) differenziert sich nicht nur das Leistungsangebot weiter aus und erhöht damit die Komplexität. Die Komplexität gewinnt zumindest kurzund mittelfristig auch eine ganz neue Dimension: die Unsicherheit steigt und der Markt ist nicht mehr klar erkennbar. Damit ergeben sich viele Gelegenheiten, von denen anfangs nicht sicher ist, welche erfolgreich sein werden. Deshalb laufen Un­ ternehmen oftmals in die falsche Richtung. Die Managementaufgabe besteht bei weltweiten tiefgreifenden technologischen Veränderungen wie dem Übergang in die

194

3 Herausforderungen durch globale Umfeldtrends

Elektromobilität darin, sowohl die Marktunsicherheit als auch die technologische Unsicherheit zu verringern8 und im politisch-rechtlichen Rahmen die Veränderun­ gen aktiv anzugehen. Es sind Entscheidungen unter Risiko zu treffen, wobei sich die Wahrscheinlichkeit der möglichen Entscheidungsalternativen ermitteln lässt. Die Entscheidungstheorie sucht für subjektiv rationales Entscheiden unter Risiko die Handlungsoption, die den höchsten Erwartungsnutzen verspricht und somit die Handlungsoption mit dem maximalen Erwartungswert9. Langfristig wird die Komplexität wieder sinken, weil sich der Elektro­ antrieb durchsetzen wird und die Produktivität steigt. Weniger Interde­ pendenzen bei verstärkter Interaktion in und zwischen Unternehmen durch die Digitalisierung bringen zudem Vereinfachungen und helfen, Widersprü­ che zwischen effizienzorientierten und flexibilitätsorientierten Geschäftsmo­ dellen und zwischen einer länderübergreifenden und einer länderspezifischen Steuerung zu verringern. Der Druck der Kapitalmärkte wird jedoch bleiben. Es kann somit erwartet werden, dass die Komplexität und der Steuerungsbedarf zunächst durch die globalen Umfeldtrends noch steigen, mittelfristig aber mit der Elektromobilität, durch die Digitalisierung und die Verringerung des Kapitalein­ satzes sinken werden (vgl. die Pfeile in Abb. 3.5-2). Da insgesamt jedoch ein weiterer Anstieg der Komplexität durch die globalen Umfeldtrends zu erwarten ist, müssen Strategien und Steuerung multinationaler Automobilunternehmen im Übergang zur Elektromobilität neu ausgerichtet werden. Eine Verbesserung der bisherigen Geschäftsmodelle und eine stärker länderspezifische Steuerung alleine reichen nicht. Sie müssen besser und innova­ tiver werden. Kapitel 4 und 5 zeigen Ansatzpunkte für eine Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung.

Endnoten 1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Basil, Cook (1974) und darauf bezogen z. B. Sanchez (1997) und Proff (2005b). Mit einer hohen Instabilität der Marktdynamik (vgl. Klein 1977) und Kapitel 1.1.3. Vgl. z. B. Abernathy, Utterback (1978). Vgl. z. B. Porter (1985, S. 197) und Fojcik (2015, S. 25–26). Vgl. Klein (1977). Davis u. a. (2015). Vgl. z. B. Anderson u. a. (2006) und darauf bezogen Buob (2010, S. 16), aber auch Wüp­ ping (2013, S. 33). Vgl. Sandau (2009):

3.5 Weiterer Anstieg der Komplexität in Zeiten des Umbruchs 9

195

Vgl. z. B. Eisenführ u. a. (2010). Sie prüft beispielsweise, wann Werkstoffe in Batterien durch andere Materialien ersetzt werden sollten. Solche Entscheidungen unter Risiko sollten in fünf Schritten erfolgen (vgl. Proff, Proff 2013): 1. Erarbeitung von Entwick­ lungsszenarien des Umfeldes mit Hilfe der Szenariotechnik, 2. Berechnung von Wahr­ scheinlichkeiten für den Eintritt dieser Szenarien auf der Grundlage von Befragungen erfahrener Mitarbeiter und externer Experten, 3. Erarbeitung eines Profils der Chancen und Risiken einer alternativen Entwicklung auf der Grundlage der Wahrscheinlichkei­ ten, z. B. mit einer Simulationstechnik. Aus dem Risikoprofil kann als arithmetisches Mittel bezogen auf Gewinn oder Marktanteil ein Erwartungswert für jede alternative Entwicklung berechnet werden. 4. Bestimmung individueller Nutzenfunktionen durch Befragung, damit eine Entscheidung möglich wird. 5. Aggregation der individuellen Nutzenfunktionen zu einer Gruppennutzenfunktion, weil komplexe Entscheidungen im Management in der Regel nicht von einer Person allein getroffen werden. Um bei unterschiedlichen Interessen in der Gruppe zu rationalen Entscheidungen zu kommen, bedarf es einer gemeinsamen Strukturierung des Entscheidungsproblems.

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs 4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Proff, Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26759-9_4

197

198

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

In den Kapitel 2 und 3 wurde begründet, dass sich für multinationale Automobilun­ ternehmen durch Veränderungen im Unternehmensumfeld die Komplexität stark erhöht hat. Mit der eher inkrementellen1 und kontinuierlichen2 Ausdifferenzierung der wachsenden Automobilmärkte und der Wettbewerbslandschaft seit Beginn des Jahrtausends erfolgte eine Ausdifferenzierung der Strategien zu Geschäftsmodellen. Auch durch den Übergang von einer länderübergreifenden zu einer länderspezifi­ schen Steuerung ist die Komplexität stark gestiegen, so dass etablierte Unternehmen Gefahr laufen, aus dem Markt gedrängt zu werden (vgl. Kapitel 2.5). Eine große Herausforderung bleiben die globalen Umfeldtrends (Kapitel 3), vor allem die radikalen und diskontinuierlichen Veränderungen der Antriebsarten und der Prozesse, Leistungen und Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung, die durch die Ausdifferenzierung der weltweiten Mobilitätsnachfrage und den Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes der multinationalen Automobilunternehmen verstärkt werden. Sie werden den Wettbewerb verändern und die Komplexität zusätzlich verstärken. Das gilt zumindest für Hersteller und die vielen Zulieferer, die von der diskon­ tinuierlichen Veränderung der Basistechnologie betroffen sind, weil von ihnen hergestellte Bauteile wegfallen oder stark verändert werden müssen. Elektroautos benötigen z. B. nur etwa die Hälfte der Bauteile eines Autos mit Verbrennungsmotor. Nicht mehr benötigt werden viele Bauteile, die meist mittelständische Unterneh­ men herstellen, wie Starterbatterien, Kolben, Ventile, Ölpumpen, Zündkerzen, Zylinderköpfe und Katalysatoren. Zulieferer, die weiterhin benötigte Teile anbie­ ten, bleiben dagegen in einem weitgehend stabilen Umfeld mit geringen und eher seltenen, kontinuierlichen Veränderungen3. Zulieferer, die mit Innovationen z. B. in der Elektronik bereits an der (kontinuierlichen) Weiterentwicklung der alten Basistechnologie (Verbrennungstechnologie) beteiligt waren, in Deutschland z. B. Bosch oder Continental, treiben andererseits in einem dynamischen Umfeld mit starken und häufigen Veränderungen4 den Übergang aktiv mit, erleben die neue Basistechnologie aber auch als Diskontinuität. Angesichts der Diskontinuität der Umfeldveränderungen im Umbruch zu neuen Basistechnologien reicht es für multinationale Automobilunternehmen nicht mehr aus, Strategien zu Geschäftsmodellen auszudifferenzieren (Kapitel 2.3) oder etwas zu verändern (vgl. Abb. 4–1): • Es reicht nicht, dass Automobilunternehmen einzelne Prozesse optimieren und dadurch die Leistungen verbessern, z. B. durch digitale (Produktions- und Verkaufs-)Prozesse oder Assistenzsysteme auf Level 1 der Entwicklung zum au­ tonomen Fahren. Denn selbst wenn sie dadurch das Geschäftsmodell verbessern

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

199

(„Business Model Improvement“)5, weil eine leistungsbezogene Komponente6, die Wertarchitektur, verändert wird, wirkt sich dies vor allem auf die Koste­ nelemente des Gewinnmodells aus. • Es reicht aber auch nicht, wenn Automobilunternehmen Leistungen inkrementell verändern und z. B. in Fahrzeugen, die für Verbrennungsmotoren entwickelt wurden, wie die VW Modelle Golf und Up, Elektromotoren einbauen, ohne das Design zu verändern („conversion design“) und damit deutlich zu machen, dass Fahrzeuge mit neuer Antriebstechnologie angeboten werden. Andere Beispiele sind die Digitalisierung der gesamten Wertschöpfung, neue Mobilitätsdienste z. B. Carsharing und Assistenzsysteme auf Stufe 2 und 3 der Entwicklung zum autonomen Fahren. Die Unternehmen können damit zwar bei schrittweiser (inkrementeller) Veränderung ihres Geschäftsmodells („Geschäftsmodelltrans­ formation“7) über zwei leistungsbezogene Komponenten – Wertarchitektur und Nutzenversprechen – Kosten senken und über eine individuellere Leistung und eine stärker individuelle, integrierte und interaktive Kundenansprache auch die Erlöse erhöhen und somit beide Elemente des Gewinnmodells verbessern (vgl. Abb. 4–1). Damit sind sie aber in den neuen Mobilitätsmärkten nicht ausreichend aufgestellt. Es bedarf hier völlig neu entwickelter Leistungen wie z. B. elektrisch und auf Level 4 und 5 autonom fahrende Fahrzeuge. Deshalb werden Automobilhersteller und die Zulieferer, die vom Übergang zu neuen Basistechnologien für die Elektromobilität und durch die Digitalisierung betroffen sind, angesichts der Diskontinuität ihre Geschäftsmodelle ganz neu ausrichten, um langfristig Wert zu schaffen und zu sichern8 und radikal und dis­ kontinuierlich veränderte, innovative Kundenlösungen anbieten. Beispiele sind die völlig neu konzipierten Elektrofahrzeuge von Tesla oder BMW, die auch neue Gestaltungsmöglichkeiten nutzen und intelligent aufbereitete Daten für die Mobi­ lität (z. B. für ein Angebot von „Mobility as a Service“ und für autonom fahrende Fahrzeuge auf Level 4 und 5). Zur Kommerzialisierung9 dieser innovativen Kundenlösungen bedarf es inno­ vativer Geschäftsmodelle („Business Model Innovation“10) mit Veränderung oder Erneuerung bei allen drei leistungsbezogenen Komponenten von Geschäftsmodel­ len – Wertarchitektur, Nutzenversprechen und auch Wettbewerbsvorteile, weil nur Innovationsfähigkeit Erlöse und damit Gewinne sichert und erhöht (vgl. Abb. 4–1). Abb. 4–1 zeigt eine zunehmende strategische Veränderung mit zunehmender Diskontinuität im Unternehmensumfeld: Mit steigender Umfeldveränderung sind verbesserte, inkrementell veränderte und schließlich radikal veränderte Leistungen erforderlich, die Veränderungen bei einer, zwei und schließlich drei der

200

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Abb. 4.1 leistungsbezogenen Komponenten von Geschäftsmodellen und damit verbesserte, S. 2 5 veränderte und innovative Geschäftsmodelle erfordern. Dabei verändern sich bereits bei Veränderung einer leistungsbezogenen Komponente (Wertarchitektur, Nutzenversprechen oder Gewinnmodell) auch die Finanzkomponenten (Ressour­ cenallokation und Gewinnmodell).

iskontinuität im  Unternehmens‐ umfeld

Gewinnpotential (Kosten und Erl se)

WA radikal veränderte/ ganz neue  eistung (Kundenl sung)

RA

WVT

WA

RA

WVT

WA verbesserte Leistung

RA

WVT

inkrementell veränderte Leistung

GM

NV NV

GM

NV

GM

NV

traditionelle Leistung

Ausmaß der strategischen Veränderung Komponenten von Geschäftsmodellen leistungsbezogene Komponenten: 

Finanzkomponenten:

RA     = Ressourcenallokation WVT = Wettbewerbsvorteil WA   = Wertarchitektur

NV     = Nutzenversprechen GM    = Gewinnmodell

Abb. 4-1

Komponenten traditioneller Geschäftsmodelle veränderte Komponenten

Verbesserung, Veränderung und Innovationen von Leistungen und Geschäftsmodellen bei unterschiedlichen Umfeldveränderungen

Quelle: eigene Zusammenstellung nach Abernathy, Utterback (1978); Porter (1985, S.197); Henderson, Clark (1990); Mitchell, Coles (2003); Bucherer u. a. (2012); Holzmann (2015)

Nur wenige Zulieferer müssen im Umbruch zu neuen Basistechnologien keine neuen oder radikal veränderten Kundenlösungen und dafür innovative Geschäftsmodelle entwickeln. Sie bieten Teile an, die weiterhin benötigt werden, wie z. B. Teile aus

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

201

Kunststoff und die – anders als z. B. Lacke, die an wechselnde Farbtrends und Farbvorstellungen unterschiedlicher Kunden angepasst werden können – nicht digital angesteuert werden. Weil noch zu wenig neue Produkte angeboten werden, ist auch die Profitrate noch gering und das ist wiederum ein Grund für den eher zögerlichen Übergang zu neuen Antriebstechnologien und zum autonomen Fahren. Dieses Henne-Ei-Problem kann nur Mut zum Risiko lösen. Die durch die globalen Umfeldtrends getriebenen Veränderungen, vor allem die Ausdifferenzierung der Antriebstechnologien und die Digitalisierung sind durch große Unsicherheit geprägt und werden noch lange an­ halten. Zwar ist die Marktunsicherheit über Kundenwünsche und die technologische Unsicherheit über elektrisch und autonom fahrende Fahrzeuge durch Forschung und Entwicklung, Studien und Forschungsprojekte schon soweit verringert, dass sich Szenarien begründen lassen11. Kunden können aber immer noch nicht richtig einschätzen, ob die neuen Angebote ihre Wünsche und Bedürfnisse decken12: Elekt­ rofahrzeuge sind immer noch sehr teuer und haben eine zu geringe Reichweite, auch die Ladeinfrastruktur erscheint unzureichend13. Dem autonomen Fahren misstraut die Mehrheit der Bevölkerung nicht nur in Deutschland14. Das liegt auch daran, dass sich selbst in entwickelten Ländern noch kein Industriestandard durchgesetzt hat. Dabei soll schon bald das Angebot an Elektrofahrzeugen deutlich größer werden. Audi (E-tron Quattro), BMW (iNext), Daimler (EQA), Volkswagen (I.D.) stellen erste Modelle für die Elektromobilität neu entwickelter Baureihen vor und auch sehr kapitalstarke Start-ups kündigen Elektrofahrzeuge an, wie in den USA Evolozcity, „eine Art Smartphone auf Rädern“15 und die Future Mobility Corporation, ein chinesisches Unternehmen mit der Marke Byton (Bytes on Wheels), das nicht als Autohersteller wahrgenommen werden möchte, sondern als Anbieter eines „Smart Device“, einer Mobilitätsplattform für Apps und Dienste verschiedener Anbieter. Es sind überwiegend größere, sehr teure Fahrzeuge mit größerer Reichweite und kürzerer Ladedauer, ihre Entwicklung erfolgt aber technologisch noch weitgehend unabgestimmt. Autonom fahrende Fahrzeuge wurden lange ebenfalls noch durch verschiedene Anbietergruppen z. B. um BMW und Intel oder um Daimler, ZF, Bosch und Invidia technologisch getrennt voneinander entwickelt. Anfang 2019 haben BMW und Daimler eine Entwicklungszusammenarbeit angekündigt16 und BMW ist Mitte 2018 Mitglied von Apollo geworden, einer offenen Plattform für automatisiertes Fahren des chinesischen Internetkonzerns Baidu17. Ob künftig ein Industriestandard auch in den sehr heterogenen und sich weiter ausdifferenzierenden Ländermärkten außerhalb der Triade (vgl. Kapitel 2.1) einheitlich übernommen wird, ist aber noch unsicher. Ein Industriestandard (ein „dominantes design“18) ist nach Henderson und Clark (1990, S. 14) charakterisiert „both by a set of core design concepts that correspond

202

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

to the major functions performed by the product [Leistung] and that are embodied in components and by a product architecture that defines the ways in which these components are integrated“. Er bildet sich nach Utterback und Abernathy (1975) in der zweiten der drei Phasen eines Innovationsprozesses: (Abb. 4–2a): 1. in der ersten „fließendem“ Phase konkurrieren verschiedene (Produkt)Tech­ nologien, 2. in der Übergangsphase setzt sich ein Industriestandard durch und 3. in der dritten, spezifischen Phase („specific phase“), etabliert sich dieser Indus­ triestandard19. Ähnlich hat sich z. B. zu Beginn des letzten Jahrhunderts der Verbrennungsmotor erst als Industriestandard durchgesetzt, nachdem zuvor dampfgetriebene, batte­ rieelektrische und benzinbetriebene Fahrzeuge parallel optimiert wurden. Mit der Herausbildung des Industriestandards verstärken sich Standardisierung und Skalenvorteile. In der dritten Phase wird wieder Wettbewerb wahrscheinlich20 aufgrund von Kosten- oder/und Differenzierungsvorteilen. Bis zur Durchsetzung des Industriestandards herrscht große Unsicherheit21 und die Märkte sind nicht attraktiv. Mit der Elektromobilität und autonomen Fahrzeugen macht gegenwärtig noch niemand Gewinn und es wir noch dauern, bis sie sich “kommerzialisieren“22 lassen. Während einige Start-Ups durch sehr kapitalstarke Investoren mit offensichtlich großem Vertrauen in Management und Geschäftsmodelle in der Anfangsphase, in der nichts verdient wird, hohe Verluste verkraften können, müssen Unternehmen, die bisher fast ausschließlich Produkte mit den überkommenen Technologien anbieten, den Übergang in die Elektromo­ bilität mit Gewinnen aus diesem Geschäft finanzieren. Sie können die Unsicherheit nicht an Investoren weitergeben. Anleger meiden die Automobilindustrie. Sie ist am Kapitalmarkt nicht populär, weil sie als eher unbeweglich gilt. Traditionelle Automobilunternehmen müssen deshalb im Kampf um den Industriestandard in den neuen Basistechnologien überlegen, ob sie früh oder spät versuchen, mit Leistungs- und Geschäftsmodellinnovationen den Industriestandard zu prägen (Abb. 4–2b). Damit kann zwischen frü­ hen Innovatoren bzw. „outridern“23 wie z. B. BMW mit völlig neu konzipier­ ten Fahrzeugen der Marke BMWi und späten Innovatoren bzw. „latecomern“24 (Daimler, VW mit bislang wenig veränderten Fahrzeugen) unterschieden werden.

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

a)  urch‐ setzung eines Industrie‐ standards

203

Veränderungs‐ rate

Abb. 4‐2, S. geändert 

Prozessinnovationen Produktinnovationen

fließende Phase (Konkurrenz verschiedener  Technologien)

b) frühe  und  späte  Innova‐ toren

Übergangs‐ phase

spezifische  Phase

Zeit

(Durchsetzung  (Etablierung  eines  des Industriestandards) Industriestandards)

Marktdurchdringung mit neuer Basistechnologie

Automobilhersteller Zulieferer, die von neuen Basistechnologien  betroffen sind

frühe Innovatoren

späte  Innovatoren

Zulieferer, die von neuen Basistechnologien nicht betroffen sind

Zeit

Abb. 4-2

Widerspruch und wechselseitige Notwendigkeit bisheriger und neuer Geschäftsmodelle angesichts der vier globalen Umfeldtrends in der Automobilindustrie

Quelle: eigener Entwurf

Wegen der großen Unsicherheit angesichts der vier globalen Umfeldtrends und vor allem im langfristigen Umbruch der Basistechnologien, in dem sich ein neuer Industriestandard nur langsam durchgesetzt, werden Automobilhersteller und Zulieferer, die vom Übergang in die Elektromobilität betroffen sind, nicht direkt alle Geschäftsmodelle ersetzen, sondern parallel zu den bisherigen, traditionellen

Hier sind di gar nicht so wie in der   Druckversio

204

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Geschäftsmodellen neue Geschäftsmodelle entwickeln („parallel business models“, vgl. Abb. 4.3)25. Frühe wie späte Innovatoren müssen also gleichzeitig • neue, innovative Geschäftsmodelle für ihre innovativen Leistungen entwickeln, indem sie neue Ressourcen, Fähigkeiten, Kompetenzen, Leistungen und Märkte aufbauen (Flexibilitätsorientierung und explorative Ausrichtung, Abschnitt 4.2) und • weiterhin die bisherigen Geschäftsmodelle für ihre traditionellen Leistungen verbessern und sich dabei auf die Verbesserung der bestehenden Ressourcen, Fähigkeiten, Kompetenzen, Leistungen und Märkte richten (Effizienzorientie­ rung und exploitative Ausrichtung, Abschnitt 4.1). Parallele Geschäftsmodelle sind wichtig, weil die Verbesserung bisheriger Geschäfts­ modelle die Entwicklung innovativer Leistungen und damit neuer, innovativer Geschäftsmodelle finanzieren muss26. Innovationskraft und Zukunftsorientierung schaffen dem Management dann auch Freiräume gegenüber den Kapitaleignern, die bei technologischen Veränderungen zur Absicherung ihres investierten Kapi­ tels auf innovative Tätigkeiten drängen27. Die kontinuierliche Verbesserung der bisherigen Geschäftsmodelle für traditionelle Leistungen und die Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle für innovative Leistungen erfordern sich somit wechselseitig (vgl. Abb. 4.3). Sie widersprechen sich gleichzeitig28, weil – wie schon erwähnt – die Effi­ zienz traditioneller Leistungen und bisheriger Geschäftsmodelle und die Fle­ xibilität neuer Leistungen und Geschäftsmodelle nicht gleichzeitig maximiert werden können29. Es besteht ein Konflikt30, weil Flexibilität aufgrund von Ka­ pazitätsreserven Kosten31 verursacht (Ereignispuffer bzw. „organizational slacks“32) und damit eine Produktion gemäß der Minimalkostenkombination verhindert33, die nach der mikroökonomischen Theorie der Punkt ist, in dem „slack is zero“34. Deshalb bedeutet Flexibilität zwangsläufig einen Effizienzverlust. Ein „Widerspruch zwischen zwei und mehr Variablen bzw. Größen, die sich […] auch wechselseitig erfordern“35, [… ] ist ein Paradoxon36, das auch als „Am­ bidextrie“ (Beidhändigkeit) bezeichnet wird (vgl. Kapitel 2.3, Abb. 4–3 und vor allem Kapitel 4.3).

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

# !  &" % "

$  ! !$! #! !(""! !!! !! " 

*&!! #      +&!! #  #   ,&!!#  %# # #    -& !      #    

)* $! !

%!! " !"!!

Abb. 4-3

205

&!

!"  "  )  ! 

!$" "(#!#  !     

  

&&!" '"    (

%!! !" '"  (

 "

%!

)*  !"%!

Managementherausforderung in der Automobilindustrie angesichts der globalen Umfeldtrends

Quelle: eigener Entwurf

Mit diesem Paradoxon der Ambidextrie sind vor allem Automobilhersteller und Zulieferer konfrontiert, die bisher mit effizienzorientierten Geschäftsmodellen in einem weitgehend stabilen Umfeld tätig waren und damit nun die neuen, inno­ vativen und flexibilitätsorientierten Geschäftsmodelle finanzieren müssen. Aber auch Automobilzulieferer, die wie Bosch und Continental schon bislang bereits innovative Leistungen in einem dynamischen Umfeld anbieten, z. B. in der Au­ tomobilelektronik – allerdings für die alte Basistechnologie (Verbrennungstech­ nologie) – sind herausgefordert. Auch sie müssen angesichts der tiefgreifenden und diskontinuierlichen Umfeldveränderungen durch die neue Basistechnologie (Elektromobilität) neue innovative Leistungen und Geschäftsmodelle entwickeln und brauchen dafür Geld. Da ihre traditionellen innovativen Leistungen angesichts des Technologiesprungs an Innovationskraft verlieren und entwertet werden, müs­ sen sie in effizienzorientierte Geschäftsmodelle überführt und so lange verbessert werden, wie eine Quersubventionierung der Entwicklung der neuen, innovativen Leistungen und Geschäftsmodelle erforderlich und die geforderte Mindestver­ zinsung des eingesetzten Kapitals erreicht ist37.

206

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Eine solche Ambidextrie erfordert ein beidhändiges Management, d. h. eine „paradoxe Verknüpfung von Aktivitäten, die sich auf der einen Seite gegenseitig bedingen und auf der anderen Seite aber auch ausschließen“38 (Abschnitt 4.3). Dabei reicht es nicht, nur auf die diskontinuierlichen Veränderungen durch die globalen Umfeldtrends der sich ausdifferenzierenden Fahrzeugantriebe und der digitalen Transformation hin zu autonomem Fahren zu reagieren, sondern es sind auch die Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage und die weltweite Verringerung der Kapitalintensität in der Automobilindustrie als weitere globale Umfeldtrends zu berücksichtigen, sowie die Umfeldveränderungen der letzten Jahre, die sie ver­ Abb. 4‐ , S‐ 212 stärken (vgl. Abb. 4–4).

globale Umfeldtrends => Umbruch

Wert architektur

gegenseitige  Verstärkung

Ansatzpunkte einer  strategischen Neuausrichtung  multinationaler  Automobilunternehmen Verbesserung  traditioneller Geschäftsmodelle Abschnitt  .

und Ressourcen‐ allokation

traditionelle Geschäfts‐ modelle

Wettbewerbs‐ vorteil

Gewinn‐ modell

Nutzen‐ versprechen

Widersprüche zwischen der  Verbesserung  traditioneller und der  Entwicklung  neuer, innovativer  Geschäftsmodelle

t

Abb. 4-4

beidhändiges  Management  Abschnitt  .

Entwicklung  neuer, innovativer  Geschäftsmodelle Abschnitt  .2

Zeit

Beidhändiges Management bisheriger und neuer innovativer Geschäftsmodelle multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

Quelle: eigener Entwurf (entspricht Abb. 1.3-3)

In diesem Kapitel werden in Erweiterung von Kapitel 2.3 Ansatzpunkte einer strategischen Neuausrichtung multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs durch die globalen Umfeldtrends aufgezeigt:

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

207

• die Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle (Abschnitt 4.1), • die Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle (Abschnitt 4.2) und • ein beidhändiges Management traditioneller und neuer Geschäftsmodelle (Abschnitt 4.3) und in Abschnitt 4.4 zusammengefasst.

Endnoten 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

Vgl. z. B. Abernathy, Utterback (1978). Vgl. z. B. Porter (1985, S.197). Vgl. z. B. Basil, Cook (1974, S. 206) und darauf bezogen Proff (2002a, Kap. IV, 2.2). Vgl. ebd. Mitchell, Coles (2003, S. 41). Vgl. Demil, Lecocq (2010); Bucherer u. a. (2012). Stähler (2002). Vgl. Frankenberger u. a. (2013, S. 4). Vgl. Achtenhagen u. a. (2013). Alternativ kann ein Geschäftsmodell selber „Innovati­ onsobjekt“ sein (Holzmann, 2015, S. 185) und z. B. durch veränderte Wertarchitektur und ein verändertes Nutzenversprechen neue Strukturen mit einem neuen Nutzen schaffen, der nicht von einer neuen technologischen Entwicklung ausgelöst wird. Vgl. z. B. Anderson, Tushman (1990), Bucherer u. a. (2012), Abdelkafi u. a. (2013) oder Frankenberger u. a. (2013). Vgl. Proff u. a. (2014a, S. 14). Vgl. Proff, Fojcik (2015b bezogen auf Urban u. a., 1996; Moreau u. a., 2001; Hoeffler, 2003). Vgl. z. B. Herrmann, Huber (2000), Herrmann, Schaffner (2005) oder Homburg (2014). Vgl. eine Studie von Bertelsmann von 2017 (https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/ themen/aktuelle-meldungen/2017/april/zwei-von-drei-deutschen-misstrauen-selbst­ fahrenden-autos). FAZ vom 29.5.2018. Vgl. z. B. Gelowicz (2019). Vgl. z. B. Roland Berger (2018). Utterback, Abernathy (1975), Henderson, Clark (1990, S. 14). Vgl. auch Abernathy, Utterback (1978). Vgl. ebd., S. 46. Vgl. z. B. Proff u. a. (2014a, Einführung). Holzmann (2015, S. 185).

208

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

23 Ross, Sharapov (2015). 24 Ebd. 25 Khanagha u. a. (2014, S. 324); vgl. auch Markides (2015) and Massa u. a., (2017, S. 80). 26 Vgl. z. B. Markides, Charitou, 2004); Chesbrough (2010); Raisch, Tushman (2011); Khanagha u. a. (2014) sowie Proff u. a. (2014a, S. 71). 27 Vgl. Raisch und Tushman (2016). 28 Vgl. Fojcik (2015, S. 8). 29 Vgl. z. B. Raisch, Birkinshaw (2008); Simsek u. a. (2009) und Proff, Haberle (2010). 30 Vgl. Proff (2002a, S. 82). 31 Vgl. Jacobs (1990, S. 17 und S. 59) oder Mette (1999, S. 144). 32 Vgl. z. B. Cyert, March (1963, S. 36). 33 Vgl. auch Mette (1999, S. 144). 34 Cyert, March (1963, S. 37). 35 Proff (2002a, S. 19). 36 Vgl. Lewis (2000); Smith und Lewis (2011); und die Literaturanalyse bei Schad u. a. (2016). 37 Vgl. Proff (2011). 38 Ebd. S. 20.

4.1

Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

4.1 Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Automobilhersteller und viele Zulieferer brauchen zwar angesichts der Diskontinu­ ität im Umbruch zu den neuen Basistechnologien durch die globalen Umfeldtrends früher oder später neue Leistungen und Geschäftsmodelle. Sie können aber nicht sofort nur noch neue, innovative Geschäftsmodelle entwickeln, weil die neuen Leistungen in einer Übergangsphase noch nicht profitabel sind1. Das liegt daran, dass die neuen Leistungen noch nicht den Wünschen und Anforderungen der Kunden entsprechen und dass sich noch kein Industriestandard durchgesetzt hat (vgl. die Einleitung zu Kapitel 4). Bis ein Industriestandard erreicht ist, brauchen Automobilunternehmen weiter­ hin traditionelle Geschäftsmodelle für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die ein Fahrer steuert, weil sie damit heute ihr Geld verdienen und die hohen Investitionen in neue Technologien, Materialien, Software und IT-Plattformen in der Regel nur durch die traditionellen Geschäftsmodelle quersubventionieren können2. Sie müs­ sen ihre traditionellen Leistungen und Geschäftsmodelle sogar weiter verbessern („Business Model Improvement“3), um möglichst lange Gewinne erzielen, mit denen sie neue, innovative Leistungen und Geschäftsmodelle entwickeln können. Dabei lassen sich in kapitalintensiven Branchen wie der Automobilindustrie zwei traditionelle Geschäftsmodelle unterscheiden (Kapitel 2.3.2): 1. effizienzorientierte volumenbasierte Geschäftsmodelle (z. B. Pkw der Marken Opel, Renault und Dacia) und 2. effizienzorientierte wertbasierte Geschäftsmodelle (Daimler Pkw, Car2go/ DriveNow) Der Übergang zu neuen Fahrzeugantrieben und die schrittweise Entwicklung selbstfahrender Fahrzeuge sind so tiefgreifend und diskontinuierlich (Kapitel 3 und die Einführung in Kapitel 4), dass selbst Automobilzulieferer wie z. B. Bosch und Continental, die bislang bereits für die Verbrennungstechnologie innovative Leis­ tungen im dynamischen Umfeld der Automobilelektronik angeboten haben, neue innovative Leistungen und Geschäftsmodelle entwickeln müssen. Damit verlieren auch ihre traditionellen innovativen Leistungen angesichts des Sprungs in die neuen Basistechnologien an Innovationskraft und werden langsam entwertet. Sie werden zu 209

210

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Leistungen für eine alte Technologie, die mit verbesserten Geschäftsmodellen die Ent­ wicklung neuer, innovativer Leistungen und ihre Geschäftsmodelle finanzieren muss. Einige Zulieferer, die trotz des Umbruchs zu neuen Basistechnologien auch ohne radikal veränderte oder ganz neue Kundenlösungen und darauf bezogen Geschäftsmodellinnovationen überleben können, brauchen ohnehin nur ihre traditionellen Geschäftsmodelle zu verbessern. Dazu gehören z. B. Hersteller von Plastikelementen oder Schrauben, die selbst in elektrisch und autonom fahrenden Fahrzeugen weitgehend unverändert gebraucht werden. Eine Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle ist in einem hart umkämpften, mittelfristig schrumpfenden Oligopolmarkt, wie dem für traditionelle Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor und Fahrer notwendig, weil einerseits angesichts der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle kein Geld mehr für Investitionen in Diffe­ renzierung und Preispremium, in ein Nutzenversprechen und in Kompetenzen für das traditionelle Geschäftsmodell übrigbleibt. Andererseits suchen die Kunden Differenzierung und Nutzenversprechen zunehmend bei den neuen Leistungen und sind immer weniger bereit, ein Preispremium in der traditionellen Technologie zu zahlen. Damit sind allerdings auch die Möglichkeiten zur Verbesserung von Geschäftsmodellen begrenzt. Den Automobilunternehmen sollte deshalb klar sein, dass die bisherigen Ge­ schäftsmodelle nur so lange wichtig bleiben und erfolgreich sein können, bis der Industriestandard der neuen Basistechnologie durchgebrochen ist. Automobilunter­ nehmen werden zum Auslaufmodell, wenn sie zu sehr auf auslaufende Kompetenzen setzen und zu wenig auf den Aufbau der notwendigen neuen Kompetenzen. Viele Automobilunternehmen richten sich jedoch seit dem Aufkommen potenziell leis­ tungsstärkerer neuer Technologien und Geschäftsmöglichkeiten, wie z. B. alternativ angetriebene, (teil)autonome Fahrzeuge, sogar besonders stark auf ihre bisherigen Geschäftsmodelle (z. B. Angebot von Fahrzeugen, Fahrzeugteilen und automobilen Dienstleistungen in der Verbrennungstechnologie) und übernehmen dafür sogar Innovationen aus anderen Bereichen4. Das verhindert, dass sich die etablierten Automobilunternehmen rechtzeitig strategisch neu ausrichten. In diesem Kapitel wird zunächst gezeigt, dass multinationale Automobilunternehmen angesichts der Veränderungen im Unternehmensumfeld seit Beginn des Jahrtausends und durch die globalen Umfeldtrends unter Druck stehen, die bisherigen Geschäfts­ modelle möglichst lange zu verbessern (Abschnitt 4.1.1). In Abschnitt 4.1.2 wird dann begründet, welche der marktorientierten Erklärungen einer Verbesserung von Geschäftsmodellen (vgl. Kapitel 2.3.2) auch in schrumpfenden Oligopolmärkten greifen und dass die Möglichkeiten zur Verbesserung traditioneller Geschäftsmo­

4.1 Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle

211

delle sehr begrenzt sind. In Abschnitt 4.1.3 soll schließlich gezeigt werden, dass viele Automobilunternehmen die Verbesserung ihrer bisherigen Geschäftsmodelle übertreiben, den Übergangscharakter ignorieren und damit den überaus wichtigen Aufbau neuer, innovativer Geschäftsmodelle behindern.

4.1.1

Druck auf eine kontinuierliche Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle durch die globalen Umfeldtrends

In der Literatur wird meist der Prozess der Entwicklung und Veränderung bzw. Innovation von Geschäftsmodellen aufgezeigt5 und es gibt nur vereinzelt Versuche, den Inhalt und damit Typen von Geschäftsmodellen zu unterscheiden. Das liegt auch daran, dass solche Klassifikationen stark davon abhängen, wie Geschäfts­ modelle definiert werden. Dennoch können in Anlehnung an die Unterscheidung zwischen effizienz- und flexibilitätsorientierten Geschäftsmodellen in Abschnitt 2.3.2 (1) sowie an eine Unterscheidung von Chatterjee (2013) zwischen u. a. „effi­ ciency based“ und „value based“ Geschäftsmodellen für kapitalintensive Branchen wie die Automobilindustrie zwei grundlegende Typen von traditionellen, effizi­ enzorientierten Geschäftsmodellen mit unterschiedlicher Wertschöpfungskette unterschieden werden (Abb. 4.1-1)6, die kontinuierlich verbessert werden müssen: das volumenbasierte Geschäftsmodell und das wertbasierte Geschäftsmodell.

( ) traditionelles volumenbasiertes Geschäftsmodell  (Volumenanbieter) geringe eigene  Wertsch pfung (optimierte Wertarchitektur) Konzentration  der  Ressourcen Vorteile niedriger Kosten  oder kostenminimaler ifferenzierung

Gewinnmodell  über Stückzahlen  und Aftersales

(2) traditionelles wertbasiertes Geschäftsmodell  (Premiumanbieter) relativ hohe eigene  Wertsch pfung (weitgehend integrierte  Wertarchitektur) Gewinnmodell  Konzentration  über Stückzahlen  der  und Aftersales Ressourcen

enge Abstimmung  mit spezifischen Kundenwünschen

ifferenzierungs‐ oder Technologie‐ vorteile

breites Nutzenversprechen

Abb. 4.1-1 Typen traditioneller, effizienzorientierter Geschäftsmodelle Quelle: eigener Entwurf nach Chatterjee (2013, S. 119)

Abb.  4.1‐1, S. 211 hier ist in der Druckversion die Außenlinie dicker => dabei ist sie Pt. 1 wie immer

212

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Volumenbasierte Geschäftsmodelle für traditionelle Leistungen verfolgen Volu­ menanbieter wie Ford, GM oder Volkswagen mit den Marken VW, Seat und Skoda. Sie streben mit einer konzentrierten Allokation ihrer knappen Ressourcen nach den Wettbewerbsvorteilen niedrige Kosten oder kostenminimale Differenzierung, bei geringer eigener Wertschöpfung und damit Wertarchitekturen eines Orchestrators oder Spezialisten in enger Abstimmung mit den in der Regel sehr spezifischen Kundenwünschen und nach einem Gewinnmodel über Stückzahlen und Aftersales. Wertbasierte Geschäftsmodelle für traditionelle Leistungen verfolgen Premiu­ manbieter wie BMW, Daimler oder die VW-Marke Audi, aber auch Zulieferer wie Bosch, Continental oder ZF. Sie zielen mit einer ebenfalls konzentrierten Allokation ihrer Ressourcen auf Differenzierungsvorteile, Zulieferer auf Technologievorteile in enger Abstimmung mit breit streuenden Kundenwünschen, denen sie ein breites Nutzenversprechen bieten. Dabei versuchen sie, ihre eigene Wertschöpfung möglichst hoch zu halten (Wertarchitektur des Integrators), um ihre Kompetenzen zu sichern und streben ebenfalls nach einem Gewinnmodell über Stückzahlen und Aftersales. Die meisten Automobilunternehmen verfolgen derzeit gleichzeitig mehrere Geschäftsmodelle in ihren unterschiedlichen Geschäftsbereichen und teilweise mit unterschiedlichen Marken d. h. • im Auto- bzw. Fahrzeugbau (bei Pkw, Transporter, Nutzfahrzeugen, Motor­ rädern…) • in der Teilefertigung (und dabei oft gleichzeitig in verschiedenen Branchen) und • bei Dienstleistungen bezogen auf Automobile und sonstige Mobilität (z. B. Finanzierung, Leasing, Autovermietung). Unternehmen aus dem Hochlohnland Deutschland verfolgen in der Regel durchweg wertbasierte Geschäftsmodelle (vgl. z. B. Abb. 4.1-2 für den Automobilhersteller BMW, den Automobilzulieferer ZF und den automobilen Dienstleister Sixt).

Abb. 4.1‐2 S. 218

4.1 Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle

Marke BMW Fahrzeug‐ kw bau Transporter

BMW

213

Marke Mini

Marke Rolls R.

Mini

Rolls Royce

Nutzfahrzeuge Motorräder

Teile

BMW

Geschäftsmodelle der  kw  Antriebstechnik (Getriebe….) Geschäftsmodelle der  kw  Fahrwerktechnik (z.B. Achssysteme …) Geschäftsmodelle der Nutzfahrzeugtechnik (z.B. Antriebstechnik, Lenksysteme…) Geschäftsmodelle der Industrietechnik  (z.B. Industriegetriebe, Windkraft‐Antriebe…) Geschäftsmodelle der aktiven/passiven  Sicherheitstechnik (z.B. Bremssysteme)

Vermietung Neufahrzeuge ienst‐ leistungen easing Neufahrzeuge

BMW Financial Services

Sixt

BMW Financial Services

Sixt Leasing

Versicherung

BMW Financial Services

Fuhrparkmanagement

Alphabet

Sixt Ventures

Chauffeurservice 

myDriver

Vermietung / easing von  Gebrauchtwagen

Carpark & buy Sixt

imousinenservice Komponentenverkauf

(2)

Limousine Service

(2)

Teileservice

Abb. 4.1-2 Effizienzorientierte, wertbasierte Geschäftsmodelle von BMW, ZF und Sixt Quelle: eigener Entwurf mit Hilfe von Geschäftsberichten

Mit dem Übergang zu neuen, innovativen Geschäftsmodellen für neue Fahr­ zeugantriebe, neue Assistenzsysteme und neue Mobilitätskonzepte werden die EBIT-Margen im traditionellen Geschäft zurückgehen. Dafür sind zwei Effekte verantwortlich (vgl. Abb. 4.1-3):

214

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Gewinne mit den  bisherigen  Geschäftsmodellen (1)  Rückgang  der konti‐ nuierlichen Kostensen‐ kungen

(2)  Rückgang  des Preis‐ premiums

Zeit

Abb. 4.1-3 Profitabilitätsrisiken bisheriger Geschäftsmodelle im Übergang zu neuen, innovativen Geschäftsmodellen Quelle: eigener Entwurf nach Proff, Proff (2013)

Abb.  4.1‐3, S. 214 hier ist in der Druckversion die Achse dicker 1. Bislang=> dabei war sie Pt. 1 wie immer können z. B. im Einkauf und in der Fertigung die Kosten kontinuierlich gesenkt und dadurch negative Effekte kompensiert werden7, da Lieferanten Verbesserungen vornehmen, wenn sie am Wachstum beteiligt werden. Gehen allerdings die Aufträge zurück, werden sich die Zulieferer nicht mehr um Kos­ tensenkungen bemühen. 2. Das Preispremium bei sehr begehrten und hochprofitablen Fahrzeugen mit traditionellen Antriebstechnologien wird sinken, wenn Kunden mit dem Über­ gang zu neuen Antriebstechnologien kein Preispremium mehr für auslaufende Technologien zahlen wollen, zu neuen Technologien wechseln und – wenn überhaupt – dort ein Preispremium bezahlen8.

Angesichts dieser Profitabilitätsrisiken bei den traditionellen Geschäftsmodellen, die zur Finanzierung des Übergangs zu neuen, innovativen Geschäftsmodellen Gewinne erzielen müssen, gilt es zu begründen, wie traditionelle Geschäftsmodelle speziell in schrumpfenden (Oligopol)Märkten verbessert werden können.

4.1 Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle

215

4.1.2 Erklärungen der Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle – Dynamische Oligopoltheorie, Transaktionskostentheorie und Kompetenzansatz Erklärungen der Verbesserung traditioneller, effizienzorientierter Geschäftsmodelle im Zeitablauf müssen bei den marktorientierten Erklärungen von Strategien und Geschäftsmodellen ansetzen, die sich auf einen bestehenden Markt beziehen (vgl. Kapitel 2.3.3) und diese dynamisieren. Im Umbruch zu neuen Basistechnologien müssen dabei Besonderheiten langfristiger diskontinuierlicher Veränderungen – in der alten Technologie der Sonderfall schrumpfender Oligopolmärkte – beachtet werden. Die statischen und dynamischen Erklärungen betreffen vor allem die leistungs­ bezogenen Komponenten von Geschäftsmodellen sowie die Verbesserung dieser Komponenten. Wettbewerbsvorteile, Wertarchitektur und Nutzenversprechen lassen sich bei langfristigen diskontinuierlichen Veränderungen vor allem marktorientiert und mit Hilfe der Transaktionskostentheorie erklären: 1. Weil bei diskontinuierlichen Veränderungen die traditionellen Oligopolmärkte schrumpfen, sind Differenzierungsvorteile kaum möglich. Wettbewerbsvorteile können nur durch niedrige Kosten oder kostenminimale Differenzierung erreicht und durch ein Mehrmarktmanagement gestützt werden. 2. Weil bei diskontinuierlichen Veränderungen Transaktions- und Produktions­ kosten bedeutsamer sind, als die Entwicklung von Kompetenzen, verlieren die traditionellen Leistungen in schrumpfenden Märkten ihre Spezifität. Wert­ schöpfungsaktivitäten werden verlagert und damit integrierte Wertarchitek­ turen zerlegt. 3. Weil Änderungen Geld kosten und Unternehmen eher im traditionellen Geschäft Geld verdienen wollen, als zu investieren, kann bei traditionellen Leistungen das Nutzenversprechen kaum mehr verbessert werden. Die leistungsbezogenen Komponenten von Geschäftsmodellen definieren die eingeschränkten Möglichkeiten der Gestaltung traditioneller Leistungsbündel. Welches Leistungsbündel ein Unternehmen anbietet, bestimmen angesichts der Verringerung der Kapitalintensität (Umfeldtrend 4) die Finanzkomponenten der Geschäftsmodelle. Die dynamischen Investitions- und Finanzierungstheorien erklären, dass (1) der bei der traditionellen Leistung verbleibende Anteil der knappen Ressourcen nur auf kurzfristige finanzielle Leistungsfähigkeit („performance“) gerichtet

216

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

ist9 („asset light“-Strategie). Die Re-Allokationsentscheidung kann dann nur in Abhängigkeit vom Marktwachstum und vom Engagement der Shareholder getroffen werden10 und sollte dazu führen, dass (2) im traditionellen Gewinnmodell die Kosten gesenkt werden. Da bei langfristigen diskontinuierlichen Veränderungen das Nutzenversprechen für auslaufende Technologien kaum verändert werden kann, wird nun auf (1) die möglichen Erklärungen der Verbesserung der Wettbewerbsvorteile und (2) die mögliche Optimierung der Wertarchitektur näher eingegangen.

Zu (1): Erklärung einer begrenzten Verbesserung von Wettbewerbsvorteilen Die Verbesserung traditioneller Wettbewerbsvorteile muss bei den Erklärungen der marktorientierten Sichtweise im strategischen Management aus dem Oligopol­ modell von Dixit (1979)11 ansetzen und diese dynamisieren. Das Modell erklärt, wie der Markteintritt von Wettbewerbern zu einem Zeitpunkt verhindert werden kann (vgl. Kapitel 2.3.2 und insbesondere Abb. 2.3-1 sowie Abb. 4.1-4a): durch die traditionellen Wettbewerbsvorteile niedrige Kosten und Differenzierung sowie in Erweiterung dieses Modells durch den Vorteil der kostenminimalen Differenzierung. Eine Dynamisierung marktorientierter Erklärungen bei Veränderungen der Wettbewerberinteraktion im Oligopol bietet die Spieltheorie12 (vgl. Abb. 4.1-4b). Sie begründet die Reaktion zweier Unternehmen im Spezialfall eines Dyopols mit einem sich im Markt befindlichen, etablierten und einem eintretenden Unternehmen. Das eintretende Unternehmen wird sich – anders als im statischen Wettbewerb – mit Abwehrreaktionen nicht abfinden und versuchen, in den Markt zu drängen. Die Reaktionsfunktionen zeigen Veränderungen (R1´ und R 2´, vgl. die Pfeile in Abb. 4–1-4). Die Spieltheorie macht Annahmen zur Veränderung der Reaktions­ funktionen und zu den daraus abgeleiteten wettbewerbsorientierten dynamischen Strategien. Das etablierte Unternehmen kann zwar den Markteintritt der Konkur­ renten nicht verhindern, wird aber versuchen, zumindest dessen Handlungsraum stark zu begrenzen. Diese Erklärungen des Markteintritts, die stagnierende oder leicht wachsende Märkte unterstellen, übertrugen Caves und Porter (1977) auf den Wettbewerbskampf zwischen etablierten Unternehmen („from entry barriers [Eintrittsbarrieren] to mobility barriers [Mobilitätsbarrieren]“.

4.1 Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle

a) statisc es Oligopolodell

217

b) Oligopolka pf in stagnierenden oder leic t wac senden eine Rea tion Pfad (1.1)

agierendes nter ne en Rea tion zu Rea tions osten Pfad (1) agierendes nterne en

x2

Pfad (1.2) ergeltung

reagierendes nterne en keine Reaktion Pfad (2)

R1´ R1

eine Rea tion Pfad (2.1)

agierendes nter ne en

R2 R2´

0

rkten

Pfad (2.2) eitere A tionen x1

„Signalling“ und „Commitment“ • durch Verwendung  von Gleichteilen (gestützt durch systematisches Preispremium‐ Management) • durch  internationale Marktbearbeitung (gestützt durch koordiniertes Mehrmarkt‐ management)

Zeit

Abb. 4.1-4 Dynamisierung des Grundmodells der Oligopoltheorie zur Erklärung einer Verbesserung effizienzorientierter Wettbewerbsvorteile in stagnierenden Abb.  4.1‐4, S. 21  hier ist in der Druckversion die Achse dicker oder leicht wachsenden Oligopolmärkten => dabei ist sie Pt. 1 wie immer Quelle: eigener Entwurf nach Proff (2007, S. 78) bezogen auf Abb. 2.3-3

Die Anzahl der spieltheoretischen Lösungen in Entscheidungssituationen ist sehr groß, da es viele Gleichgewichtspunkte der Reaktionsfunktionen gibt. Dynamische Mehrperiodenspiele können nur unter sehr restriktiven Annahmen analytisch gelöst werden13. Deshalb sucht die nicht-kooperative Spieltheorie nach Lösungen, die zu einem eindeutigen Ergebnis in interdependenten Entscheidungssituationen führen. In stagnierenden und leicht wachsenden Oligopolmärkten geht es dabei um die Erwartungen über die wechselseitig abhängigen Handlungen der Akteure bei unvollkommener Information. Hier reduzieren bindende Verpflichtungen z. B. durch „sunk costs“ (nicht mehr liquidierbare Investitionen14) die Unsicherheit, weil ihre Irreversibilität die Reaktionsmöglichkeiten der Wettbewerber einschränkt15.

218

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Untersuchungen von Ghemawat (1991) und Porter (1991a, S. 107) belegen zudem, dass Reaktionen der Wettbewerber umso wahrscheinlicher sind, je stärker sie bindende Verpflichtungen („commitments“) eingehen und je stärker sie den Ruf aufbauen, dass sie auf Aktionen mit Vergeltungsreaktionen („signalling“) antwor­ ten. „Signalling“ und „commitment“ demonstrieren Irreversibilität und können gemäß der nicht-kooperativen Spieltheorie im Wettbewerb um Produkte (durch Investitionen in große Produktionsanlagen, aber auch in Gleichteile, wie z. B. in die Modulbaukästen im VW-Konzern) und im Wettbewerb um Ländermärkte (durch Investitionen als Reaktion auf Investitionsanreize in vielen Ländermärkten) erreicht werden16. Bei der Umsetzung von Gleichteil- und Mehrmarktstrategien gibt es allerdings Fehlentwicklungen17: • wenn bei immer stärkerer Angleichung der Fahrzeuge aufgrund häufig recht undifferenzierter Verwendung von Gleichteilen wie z. B. für den VW Sharan, den Seat Alhambra und früher auch für den Ford Galaxy das Preispremium sinkt und • wenn infolge kollidierender Interessen bei der Marktbearbeitung (negative Mehrmarkt-Spillover-Effekte) durch Aufbau von immer mehr Produktionsstätten durch immer mehr Automobilhersteller in immer mehr Ländern, die Investi­ tionsanreize bieten, die sich aber nur bei isolierter (kurzfristiger) Betrachtung lohnen, die Konkurrenz auf Exportmärkten (Exportkonkurrenz) steigt. Deshalb sind dynamische Strategien eines systematischen Preispremium- und Mehrmarktmanagements erforderlich18, um das Preispremium zu stabilisieren und den Mehrmarktwettbewerb zu begrenzen. Ansatzpunkte zur Sicherung des Preispremiums lassen sich aus einem Modell der dynamischen Mehrperiodenbetrachtung von Heuss (1965)19 ableiten. Es unterstellt ein Dyopol mit festen Preisrelationen zwischen Preisführern und -folgern, was für stagnierende und leicht wachsende Oligopolmärkte typisch ist und begründet, dass das Preispremium, vom Angebotspreis, von der Absatzmenge und von der Preissensitivität der Kunden abhängt. Der Handlungsspielraum zur Steigerung des Preispremiums ist umso höher, je geringer die indirekten Kosten der kundenfernen Aktivitäten sind. Daraus lassen sich vier Ansatzpunkte für ein systematisches Prei­ spremiummanagement ableiten: 1. Sicherung hochpreisiger Marktsegmente z. B. durch Nutzung von Fahrzeugen in den oberen Marktsegmenten als Puffer gegenüber Fahrzeugen in Luxussegmenten 2. Begrenzung der Absatzmenge von Produkten mit einem Preispremium z. B. durch Substitution wenig gewinnträchtiger durch gewinnbringende Fahrzeuge, 3. Verringerung der Preissensitivität der Kunden z. B. durch Stärkung der Kundenbeziehung und 4. Verringerung der indirekten Kosten kundenferner Aktivitäten.

4.1 Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle

219

Ansätze zur Vermeidung von negativen Mehrmarkt-Spillover-Effekten bietet das Mehrmarktmodell von Bulow u. a. (1985), das ebenfalls ein Dyopol zweier Unter­ nehmen in einem Ländermarkt und ein Monopol eines der beiden Unternehmen in einem weiteren Markt unterstellt. Es wird eine Muttergesellschaft angenommen, die durch eine Tochtergesellschaft in einem Ländermarkt mit einem lokalen Wett­ bewerber konkurriert und nun zusätzlich auf Investitionsanreize in einem zweiten Ländermarkt mit der Gründung oder Erweiterung einer zweiten Tochtergesell­ schaft reagiert, die den Erfolg dieser Muttergesellschaft beeinträchtigt, wenn sie der ersten Tochtergesellschaft mit Exporten Konkurrenz macht. Aus dem Modell lassen sich Ansatzpunkte für eine dynamische Strategie eines effizienten Mehr­ marktmanagements ableiten: die Verringerung der Produktsubstituierbarkeit 1. in einem multinationalen (Automobil)Unternehmen und 2. zwischen multinationalen (Automobil)Unternehmen z. B. durch Konzentration eines Produktes auf einen Standort und die Verringerung von Größen- und Verbundnachteilen 3. innerhalb eines multinationalen (Automobil)Unternehmen und 4. zwischen multinationalen (Automobil)Unternehmens z. B. durch Aufbau weitgehend unabhängiger, modularer Produktionsstandorte20. Diese Argumentation ist nicht mehr haltbar, wenn durch den Umbruch zu neuen Basistechnologien, die die traditionellen Technologien ablösen werden und im schrumpfenden Markt für diese Technologien der Kampf der Wettbewerber im Oligopol (der Oligopolkampf) immer stärker wird (vgl. Abb. 4.1-5). Dadurch sind einerseits die statischen Wettbewerbsvorteile – zumindest Vorteile der Differen­ zierung und damit auch hybride Vorteile einer kostenminimalen Differenzierung – als Ausgangspunkt einer Verbesserung dieser Wettbewerbsvorteile gefährdet. Dies liegt daran, dass sich eine Differenzierung auf Einzelvorteile wie z. B. eine überlegene Produktqualität, auf eine etablierte Marke oder ein Image21 stützen muss. Dafür fehlt aber Geld, wenn in neue Technologien investiert wird. Damit dürften zumindest differenzierungsbedingte Wettbewerbsvorteile, die Automo­ bilunternehmen in einem Hochlohnland wie Deutschland anstreben werden, im Übergang zu neuen Technologien verloren gehen.

220

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Oligopolka pf in sc ru pfenden

x2

bei statischer Betrachtung:  =   Verlust von Vorteilen  der Differenzierung oder/ und der kostenminimalen  Differenzierung

R 1´ R1´´

bei dynamischer Betrachtung • keine Möglichkeit von „signalling“ und „commitment“ • Kaum Möglichkeit einer Sicherung des Preispremiums (Aufgabe der Annahme  fester Preisrelationen)  zumindest  mittelfristig  Optimierung der Auslastung weltweit  schrumpfender Kapazitäten 

(A)

x2‘ 

rkten

R 2´ (B)

x2‘‘

R2´´ x´´ total constant

0

x1‘´

x1‘ 

x´ total constant x

Abb. 4.1-5 Dynamisierung des Grundmodells der Oligopoltheorie zur Erklärung einer Verbesserung effizienzorientierter Wettbewerbsvorteile in schrumpfenden Oligopolmärkten Abb.  4.1‐5, S. 22  hier ist in der Druckversion die Achse dicker Quelle: eigene Erweiterung von Abb. 4.1-4 => dabei ist sie Pt. 1 wie immer

Es ist aber auch nur begrenzt möglich, einem Verlust von Wettbewerbsvorteilen entgegenzuwirken oder gar Wettbewerbsvorteile durch dynamische Strategien zu verbessern, die sich durch eine Dynamisierung der marktorientierten Erklärungen (durch die Spieltheorie) begründen lassen. Dies liegt daran, dass in schrumpfenden Oligopolmärkten jeder Wettbewerber ständig reagieren muss. „Signalling“ und „Commitment“ werden Wettbewerber kaum abschrecken (Pfad von (A) und (B) in Abb. 4.1-5 aufgrund der permanenten Veränderungen in den Reaktionsfunktionen R1´→R1´´ und R 2´→R 2´´ und einem Schrumpfen des Marktes von x´ auf x´´). „Signalling“, bekräftigt durch ein systematisches Preispremiummanagement hilft dann nicht mehr weiter, weil es aus dem Oligopolmodell von Heuss mit festen Preisrelationen abgeleitet wird, die bei zunehmendem Wettbewerb in einem sich auflösenden Markt nicht mehr angenommen werden können. Die Unternehmen wer­ den zwar versuchen, im Übergang zu neuen Technologien das in den traditionellen Technologien aufgebaute Preispremium noch möglichst lange aufrechtzuerhalten. Setzen sich die neuen Technologien aber für die Kunden erkennbar durch und fallen Nachteile weg, weil sie verbessert wurden und sinkt die Unsicherheit, dann

4.1 Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle

221

wird ein Preispremium nur noch im neuen Markt durchsetzbar sein (Kapitel 4.1.1). Der traditionelle Markt wird sich auflösen: zuerst dürften die Volumenanbieter den Markt verlassen, weil die Marge zu sehr sinkt und die Premiumanbieter werden zu Volumenanbietern, bevor auch sie den Markt verlassen müssen. Auch das „Signalling“ durch ein effizientes Mehrmarktmanagement wird nachlassen, wenn in die alten Technologien nicht mehr investiert wird, weil es keine Investitionsanreize mehr gibt. Mit zurückgehender Nachfrage nach alten Technologien werden die Kapazitäten immer weniger ausgelastet. Es entstehen Überkapazitäten. Dann wird es darum gehen, (zumindest mittelfristig) die weltweit schrumpfenden Kapazitäten zu optimieren, begleitet von massiven Restrukturie­ rungen, Fusionen und Akquisitionen.

Zu (2): Erklärung zur Verbesserung der Wertarchitektur Eine Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle kann durch Optimierung der Wertschöpfung und damit der Wertarchitektur unterstützt werden. Die Erklärung der Wertarchitektur und ihrer Entwicklung muss bei der Entscheidung zwischen Eigenfertigung („make“) und Fremdbezug („buy“) ansetzen. Sie bestimmt das Aus­ maß der Fremdfertigung über Spezialisierungsvorteile der Zulieferer (Kapitel 2.3.2 und 4.1.2), die zu einer Auslagerung (Outsourcing) und damit zu einer Zerlegung der Wertschöpfungskette führt (vgl. Abb. 2.3-4 in Kapitel 2.3.2). Mit Hilfe des Kompetenzansatzes22 und der Transaktionskostentheorie23 wurde in Abschnitt 2.3.2 begründet, dass sich Unternehmen nur bei guter Kompetenzbasis in einem weitgehend stabilen Umfeld mit geringen und relativ seltenen Veränderungen darum bemühen können, weitgehend integriert zu sein mit einem sehr hohen Anteil Eigenfertigung (vgl. zur Transaktionskostentheorie auch Kapitel 3.3.2). Wenn sie in einen Kompetenzrückstand geraten sind, müssen sie sich auf die Wertschöp­ fungsaktivitäten konzentrieren, in denen sie herausragende Kompetenzen haben und kaum Transaktionskosten bestehen. Die anderen Wertschöpfungsaktivitäten sollten sie konsequent abgeben (Outsourcing)24. Bei diskontinuierlichen technologischen Veränderungen kann davon ausge­ gangen werden, dass Wissen und Kompetenzen in der alten Basistechnologie an Bedeutung verlieren und dass für eine Weiterentwicklung von Wissen und Kompetenzen in den alten Technologien allenfalls kurzfristig noch Geld da ist. Damit sinkt die Faktorspezifität und es kann mehr Wertschöpfung auf die Zulie­ ferer verlagert werden (Outsourcing), deren Produktionskostenvorteile steigen, während die Transaktionskosten sinken (k+ → k** in Abb. 4.1-6). Wissensstand und Kompetenzen dürften jedoch reichen, um auch ohne eigene Produktion spe­ zifisches Wissen zu allen Wertschöpfungsaktivitäten zu behalten, vorausgesetzt

222

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Unternehmen arbeiten eng mit ihren Lieferanten zusammen, die Module mit klar definierten Schnittstellen liefern25. Mit Hilfe der Außenhandelstheorie lassen sich weitere Ansatzpunkte zur Verbes­ serung der Wertarchitektur begründen (vgl. auch Abb. 2.3-7), wenn im steigenden Oligopolkampf bei den alten Technologien eine Optimierung der integrierten Produktion im Heimatmarkt (Lean Transformation) oder eine Verlagerung auf Zulieferer in entwickelten Ländern (Outsoucing) im Übergang zu den neuen Tech­ nologien an Grenzen stößt, z. B. weil sich die traditionellen Zulieferer schneller auf die neue Basistechnologien umstellen. Dann besteht noch die Möglichkeit kompa­ rativer Kostenvorteile, wenn in einem (Niedriglohn)Land ein bestimmtes Gut zu geringeren Opportunitätskosten produziert werden kann als im Heimatmarkt26. Für Unternehmen bedeuteten komparative Kostenvorteile eine Verringerung der Durchschnittskosten.

 Produktionskosten ( C)*  Transaktionskosten ( G) *  C´

 C +  G  C´ +  G´

C  G´ G k*

Markt

k**

Faktor‐ spezifität k

Unternehmen

* im Unternehmen (Geschäftsbereich) im Vergleich zum Zulieferer (Markt)

Abb. 4.1-6 Veränderungen der Produktions- und Transaktionskosten sowie der Faktorspezifität bei diskontinuierlichen Umfeldveränderungen Quelle: eigene Erweiterung von Abb. 2.3-4 in Kapitel 2.3.2

Abb.  4.1‐ , S. 222 hier ist in der Druckversion die Achse dicker => dabei ist sie sogar Pt. 3/4

4.1 Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle

223

Eine Wertschöpfungsstrategie (Abb. 4.1-7a) kann es dann sein, an der traditi­ onell integrierten Wertarchitektur mit allen wesentlichen Wertaktivitäten wie Beschaffung, FuE, Produktion sowie Marketing/Vertrieb festzuhalten und durch Produktionstransfer in Niedriglohnländer dort komparative (Lohn)Kostenvorteile zu nutzen27. Als Zielmärkte eines solchen Produktionstransfers bieten sich insbe­ sondere große Ländermärkte an, in denen die traditionellen Leistungen noch lange nachgefragt werden28. Alternativ sind Kosteneinsparungen durch Auslagerung von Nicht-Kernaktivitäten an spezialisierte Zulieferer in Niedriglohnländern möglich (Offshore Outsourcing)29.

*  !(   

$ !" 

 

 

 

! ( " !' (  

 ! !

                   !   

  "  "   

 (  

 

*!      $ #!

*!  (    

! ( !

+*    !  







,* !  !   (  









(  









$ 

    

   ) * !    ! !&

Abb. 4.1-7 Erklärung von Wertschöpfungsstrategien und Kompetenzentwicklung zur Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle Quelle: eigene Zusammenstellung bezogen auf Abb. 2.3-4b und 2.3-6 in Kapitel 2.3

224

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Durch Verbesserung der eigenen Produktion im Inland (Lean Transformation) oder Verlagerung der eigenen Produktion in Niedriglohnländer können Unternehmen im Übergang zu neuen Basistechnologien eine Zeitlang eine integrierte Wertar­ chitektur bei der auslaufenden Technologie optimieren (Abb. 4.1-7b). Langfristig bleibt nur eine Zerlegung der Wertarchitektur durch Outsoucing und vor allem Offshore Outsourcing. (Automobil)Unternehmen können sich dann z. B. auf we­ sentliche Kompetenzen und Kernaktivitäten in den auslaufenden traditionellen Antriebstechnologien (Verbrennungsmotor) konzentrieren. Dabei werden in den auslaufenden Technologien vor allem Grundmuster zerlegter Wertarchitekturen angestrebt: • Spezialisierung durch Konzentration auf bestimmte Wertschöpfungsaktivitä­ ten, bei denen sie herausragende Kompetenzen und Kernaktivitäten sehen, um Skalenvorteile zu nutzen und • Orchestrierung als Koordination ihrer Zulieferer in einem Wertschöpfungs­ netzwerk mehrerer verbundener Unternehmen, um die Nicht-Kernaktivitäten ans Unternehmen zu binden30. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Kapitaleinsatz in der Automobilindustrie durch den Druck der Kapitalgeber immer weiter verringert werden muss und das „asset-light“-Erfordernis steigt, werden Wertschöpfungsstrategien, die mit weni­ ger Kapitaleinsatz auskommen, klar bevorzugt. Das gilt umso mehr, je stärker die Kompetenzen in der Wertschöpfung durch die Aufgabe traditioneller Technologien an Bedeutung verlieren. Verbreitet ist zunächst die Orchestrierung. Damit können sich Unternehmen auf die Produktarchitektur konzentrieren und zu Systemintegratoren werden, die mehr tun als nur montieren. Auch wenn Systemintegratoren nicht vertikal integriert sind, so produzieren sie doch wichtige Teile noch selbst, Automobilher­ steller z. B. die Verbrennungsmotoren. Sie verfügen insbesondere in komplexen Produktionssystemen über organisatorische und technologische Fähigkeiten, um Zulieferer in einem Netzwerk mit „visible hand“31 zu steuern. Dafür ist mehr Wis­ sen erforderlich, als durch die Produktion begründet ist. Es ist erreichbar, wenn ein unternehmerischer Mehrwert aus der Systemkonfiguration gezogen werden kann, in die sich die Zulieferer modular einbeziehen lassen. Brusoni u. a. (2001) bezeichnen die Systemintegration als lose Einbindung der Zulieferer, die dann sinnvoll ist, wenn entweder technologische Diskontinuitäten ausbalanciert werden (und damit fehlen) oder wenn die Interdependenzen in der Produktarchitektur vorhersehbar (und damit gering) erscheinen, so dass sich Veränderungen nur in

4.1 Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle

225

einzelnen Modulen niederschlagen. Dies entspricht modularen Innovationen32 in einer modularen Produktarchitektur33. Massenanbieter von Kleidung und Schuhen wie z. B. Adidas und Nike lagern nahezu die gesamte Wertschöpfung aus. Sie produzieren selbst fast nichts mehr, konfektionieren allenfalls im letzten Fertigungsschritt. Sie lassen durch Vertrags­ produzenten („contract manufacturer“) fertigen und konzentrieren sich (fast) ganz auf die Entwicklung und Vermarktung der Produkte, behalten jedoch die Gesamtproduktkompetenz. Reichen angesichts der diskontinuierlichen Umfeldveränderungen Verlage­ rungen oder Veränderungen der eigenen Wertschöpfung nicht mehr aus, dann sind alternativ oder zusätzlich Kooperationen nötig (Abb. 4.1-7c). So lassen sich Kapazitäten und Kompetenzen von Wettbewerber bündeln. Eine Erklärung für ein systematisches, mehrwertstiftendes Kooperationsmanagement bietet die kooperative Spieltheorie. Sie begründet, dass eine ökonomisch sinnvolle Kooperation durch Komplementarität der Wertschöpfung oder der Kompetenzen der Kooperations­ partner erleichtert wird34.

4.1.3 Zu starke Fokussierung vieler Automobilunternehmen auf die Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle in Zeiten des Umbruchs Viele etablierte Automobilunternehmen fokussieren sich noch zu stark auf die traditionellen Leistungen mit Verbrennungsmotoren, auf analoge Lösungen und auf bisherige Geschäftsmodelle. Sie suchen weiter Innovationen in den alten Tech­ nologien, statt die Herausforderung anzunehmen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Das gilt vor allem für die Hersteller und Zulieferer, die bislang in einem weitgehend stabilen Umfeld mit effizienzorientierten Geschäftsmodellen (Abb. 4.1-1) tätig waren, aber selbst für innovative Zulieferer wie z. B. Bosch und Continental mit flexibilitätsorientierten Geschäftsmodellen (Abb. 4.1-2) und elektronischen Innovationen im dynamischen Umfeld der alten Basistechnologien. Damit zeigen sich Parallelen zum langfristigen Übergang von Segel- zu Motor­ schiffen im 19. Jahrhundert, wo sich ein „Sailing-Ship-Effekt“ zeigt35. Dieser Effekt beschreibt einen Druck auf Anbieter traditioneller Technologien, bei Auftauchen neuer Technologien weiterhin in diese Technologie zu investieren und begründet, warum eine tiefgreifende Veränderung zu verstärkten Abwehrstrategien veranlasst: Es gibt zu wenig Anreize zur Aufgabe der überkommenen Technologie, weil an­ gesichts der Pfadabhängigkeit der Rückzug mit massivem Kapazitätsabbau einen Verzicht bedeutet36, und zwar

226

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

• auf statische und dynamische Skalenvorteile (z. B. durch Standardisierung in der Fertigung), • auf direkte Netzwerkexternalitäten (sinkende Kosten der Nutzung mit erhöhter Nutzungsfrequenz), • auf erhöhte Verfügbarkeit von Komplementärprodukten (z. B. die ausgebaute Infrastruktur) und • auf kollektive Lernprozesse (Gewöhnung der Kunden an das Produkt). Dadurch entstehen suboptimale Ergebnisse im Markt37 und werden Neuerungen behindert. Aufgrund vielfältiger Innovationsoffensiven bei Segelschiffen konnte sich erst etwa 100 Jahre nach Erfindung des ersten Dampfschiffs Anfang des 19. Jahrhunderts die neue Technologie wirklich durchsetzen (in England 1887, in anderen Ländern noch später)38. Beispiele für Innovationen in Segelschiffe sind „(1) Erhöhung der Frachtkapazitäten durch größere Schiffe mit Schiffsrümpfen aus Eisen statt aus Holz, (2) Erhöhung der Geschwindigkeit durch Konstrukti­ onsinnovationen, längere Schiffe sowie den Einsatz weiterer Segelmasten sowie (3) deutlich verringerte Besatzung durch den gezielten Einsatz von Maschinen, zum Beispiel zum Segelsetzen und Einholen“39 (vgl. Abb. 4.1-8). Auch der Übergang von Gas- zur Glühlampe gilt als ein Beispiel für eine langfristige tiefgreifende technologische Veränderung mit Pfadabhängigkeit, durch die sich Technologien und Geschäftsmodelle gleichzeitig verändern. Auch dabei konnte der Effekt beobachtet werden, dass „nach Auftauchen einer neuen, im Regelfall potenziell leistungsfähigeren Technologie Innovationen in der alten Technologie stattfinden“40. Langfristige diskontinuierliche Veränderungen in sich kontinuierlich (inkre­ mentell oder auch dynamisch) verändernden Branchen unterscheiden sich von kurzfristigen diskontinuierlichen Veränderungen in solchen Branchen. Sie werden als unterbrochenes Gleichgewicht („punctuated equilibrium“41) bezeichnet. Die Videotechnologie ist dafür ein Beispiel. Sony konnte nach nur kurzem Kampf um den besten Industriestandard sehr schnell einen neuen Standard (VHS) durch­ setzen. Kurzfristige diskontinuierliche Veränderungen unterliegen weniger einer Pfadabhängigkeit. Sie rufen deshalb nur kurz Abwehrreaktionen hervor und setzen sich sehr schnell durch. Wer den Industriestandard nicht sofort übernimmt, muss den Markt verlassen. Ein gutes Beispiel für ein „punctuated equilibrium“ ist auch die Ablösung der Analogfotografie durch die Digitalfotografie. Ende der 1980er Jahre fotografierten nur professionelle Fotografen mit Prototypen42, Mitte der 1990er Jahre wurden

4.1 Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle

227

Digitalkameras im Massenmarkt angeboten, waren aber viel teurer als analoge Modelle und die Qualität der Fotos war deutlich schlechter. In Deutschland wurden 1996 Digitalkameras erstmals statistisch erfasst, 35.000 verkaufte Geräte bedeuteten einen Marktanteil von 0,9 Prozent. Aufgrund fallender Preise wurden 2003 erstmals mehr Digital- als Analogkameras verkauft. Bereits 2004 betrug der Marktanteil analoger Kameras in Deutschland nur noch 17 %. Der „Sailing-Ship-Effekt“ blieb aus, weil neben Kostenvorteilen, einfacherer und komfortablerer Bedienung (Mehr­ wert bzw. Zusatznutzen) die Entwicklung des PCs (Netzwerkexternalität) und dessen Etablierung im privaten Bereich eine schnelle Gewöhnung und Vertrautheit mit elektronischen Geräten und neuen Technologien förderten, eine wesentliche Voraussetzung für die Durchsetzung der Digitalkameras und für die Ablösung der analogen Fotografie. Zudem waren die Innovationen in der Analogfotografie weitgehend ausgereizt und konnten den Durchbruch der Digitalfotografie nicht verzögern oder gar verhindern. Damit kam der Durchbruch sehr schnell. Es gab kein längeres „Aufbäumen“ der Analogfotografie, nur ein schwaches „Aufflackern“ durch Entwicklung der APS Fotografie (Advanced Photo System), eine durch Canon, Fujifilm, Kodak, Minolta und Nikon entwickelte Hybridtechnik (analoge Bilder mit digitalen Informationen, vgl. Abb. 4.1-8a). APS war jedoch teurer und nicht kompatibel mit älteren Kameras, so dass mit zunehmendem Absatz der Digital­ kameras sowohl die analoge Technik als auch Hybrid APS zurückgingen43. Der Übergang in die Elektromobilität und zum autonomen Fahren ist ähnlich, wenn­ gleich auch nicht ganz so langfristig wie der Übergang von Segel- zu Dampfschiffen. Investitionen in die überkommenen Antriebstechnologien und in den Hybridan­ trieb vor allem zur Reduzierung des Verbrauchs können als letztes „Aufbäumen“ vor dem Übergang in die Elektromobilität gesehen werden. Mit der Durchsetzung eines Industriestandards dürften sowohl Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren als auch die teuren Hybridantriebe schnell abnehmen, zumal mit Verbrennungsmo­ toren trotz immer höherer Investitionen die Emissionsgrenzwerte nicht erreicht werden können. Die neuen Antriebstechnologien werden die alten Technologien verdrängen (Abb. 4.1-8c). Darauf sollten die Automobilunternehmen schon heute die Geschäftsmodelle ausrichten und unterschiedliche Übergangszeiten in den einzelnen Ländermärkten berücksichtigen.

 

   

)!%!' 4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle 

228

 

 ! "   

 

 

     

   

 

)!%!'       !$ ! "  )!'       ! "                          )%'                 

    

  

  

 

)!%!'            ! "  !( !(('

     !

 !     !  ! $ !  

          )%' " ! $ 

 "       " 

  $ )!%!' !  ! "       #    !((' !(

    !(   

        !((' # 

          

          )%'   %         "    "   

    

!))& "

    

  !$   )!'    ! "     !))& "  

 

!$ )!'   ! "   





   

 

 

   !          

  !   )%'          

           ! $  "

!))& "

 $ )!%!' !  ! "   #  

 $ )!%!' ! !      ! "      #

# 

   

" )

  " #% # "

%$" )

" #% "

%$ )%'   %

 )%'   %

!  

!   " )

" #% "

%$ 

 

Abb. 4.1-8 Technologischer Durchbruch zur Elektromobilität im Vergleich zum Durchbruch der Digitalfotografie und der Dampfschiffe Quelle: eigener Entwurf

Die starke Fokussierung multinationaler Automobilunternehmen auf die Opti­ mierung der Geschäftsmodelle im traditionellen Geschäft seit Aufkommen der Elektromobilität zeigt die Probleme der Verbesserung traditioneller Geschäftsmo­

4.1 Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle

229

delle in Zeiten des Umbruchs. Sie gilt es durch eine strategische Neuausrichtung zu überwinden (Kapitel 4.3).

Endnoten 1 2 3

4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

Vgl. Holzmann (2015, S. 185). Vgl. z. B. Chesbrough (2010) und darauf bezogen Proff u. a. (2014a, S. 71). Vgl. z. B. Mitchell, Coles (2003, S. 41). Dabei wird „business model improvement“ als Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle von „business model innovation“ (z. B. Bucherer u. a. 2012, Abdelkafi u. a. 2013 oder Frankenberger u. a. 2013) unternehmeri­ scher (innovativer) Geschäftsmodelle (z. B. nach Demil, Lecocq 2010) abgegrenzt (vgl. Kapitel 4 und zu „business model innovations“ Kapitel 4.2). Vgl. z. B. Liesenkötter, Schewe (2014). Vgl. Aspara u. a. (2011); Bucherer u. a. (2012); Frankenberger u. a. (2013) und darauf bezogen Proff, Fojcik (2015a). Vgl. Sommer (2016). Vgl. Proff, Proff (2013 S. 362). Vgl. Cvitkovic (1993). Vgl. Proff, Proff (2013, S. 341) bezogen auf von Fournier (2005). Vgl. Proff (2002a) und Proff u. a. (2014a, Schritt 2). Vgl. z. B. die Zusammenfassung marktorientierter Erklärungen von Wettbewerbsvor­ teilen bei Proff (2002a). Vgl. z. B. Proff (2007, Kap. 8). Vgl. z. B. Weigelt, MacMillan (1988); Holler, Illing (2009). Vgl. Holler, Illing (2009) und darauf bezogen Proff (2007, S. 80). Vgl. Chen, MacMillan (1992). Vgl. Dixit (1979); Chen, MacMillan (1992); Chen, Miller (1994) oder Bullow u. a. (1985) und darauf bezogen Proff (2007). Vgl Proff, Proff (2013, Kap. 5 und 6). Vgl. ebd. Als Sonderfall des Oligopolmodells von Dixit (1979). Vgl. Proff (2007, Kapitel 10). Vgl. Proff (2002a, S. 319). Vgl. z. B. Baden-Fuller, Volberda (1997) sowie Volberda, Baden-Fuller (1998). Vgl. Williamson (1975). Riordan, Williamson (1985). Vgl. Grossman, Helpman (2002), Grossman u. a. (2006). Vgl. z. B. Sanchez, Mahoney (1996); Baldwin, Clark (1997); Mikkola (2003); Ethiray, Levinthal (2004).

230 26 27 28 29 30

31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle Vgl. Holtbrügge, Welge (2015, S. 55 bezogen auf David Ricardo 1817). Vgl. z. B. Grossman, Helpman (2002, 2003 und 2005). Vgl. Proff (2011). Vgl. z. B. Grossman, Helpman (2002, 2003 und 2005). Vgl. Bresser u. a. (2000) oder Albach u. a. (2002). Eine Pioniertätigkeit als Ergänzung ganz neuer Aktivitäten in die bestehenden Wertschöpfungsketten als drittes Grund­ muster zerlegter Wertarchitekturen dient dazu, Wissens- und Informationsvorteile in der Branche und über Branchengrenzen hinweg zu nutzen. Dies ist bei auslaufenden Technologien keine Option. Dosi u. a. (2008). Vgl. Henderson, Clark (1990). Vgl. Ulrich (1995). Vgl. z. B. Teece (1982); Collis, Montgomery (1998) und darauf bezogen Proff (2007; Kap. 8.2.2). Vgl. Liesenkötter, Schewe (2013) und darauf bezogen Proff u. a. (2014a, S. 18–21). Vgl. Proff u. a. (2014a, S. 18). Vgl. ebd. bezogen auf Ackermann (2001) und David (1985). Vgl. Liesenkötter, Schewe (2013, S. 6–10). Ebd. (S. 9). Liesenkötter, Schewe (2014, S. 13). Vgl. Helfat, Raubitschek (2000); Winter, Szulanski (2001), Rothaermel, Deeds (2004). Vgl. Tripsas, Gavetti (2000). Vgl. ebd. und Benner, Tripsas (2012) oder Liesenkötter, Schewe (2014, S. 14–18).

4.2 Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs 4.2 Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Automobilhersteller und viele Zulieferer brauchen angesichts der globalen Umfeld­ trends, vor allem der Diskontinuität im Umbruch zu den neuen Basistechnologien für elektrische und selbstfahrende Fahrzeuge bei gleichzeitiger Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage trotz des Drucks auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes früher oder später radikale Leistungsinnovationen und neue, innovative Geschäfts­ modelle („business model innovations“1, vgl. Kapitel 2.3.2). Dafür müssen sie alle Komponenten ihrer bisherigen Geschäftsmodelle verändern: Wettbewerbsvorteile, Wertarchitektur, Nutzenversprechen und damit auch Ressourcenallokation und Gewinnmodell oder ganz neue Geschäftsmodelle entwickeln (vgl. auch Abb. 4–1 in der Einführung zu Kapitel 4). Die Umfeldveränderungen durch neue Fahrzeugantriebe, die digitale Trans­ formation zum autonomen Fahren und neue digitale Mobilitätslösungen sind so tiefgehend und diskontinuierlich (Kapitel 3.5 und die Einleitung zu 4), dass nahezu alle Automobilzulieferer neue innovative Kundenlösungen und Geschäftsmodelle entwickeln müssen. Auch Zulieferer wie z. B. Bosch und Continental, die schon bisher sehr innovative elektronische Bauteile angeboten haben, müssen völlig neue Leistungen und Geschäftsmodelle entwickeln. Nur einige wenige Zulieferer brauchen für die Elektromobilität keine neuen Produkte, Kundenlösungen und Geschäftsmodelle entwickeln, z. B. Hersteller von Kunststoffteilen (vgl. Kapitel 4.1). Hersteller wie Zulieferer, die von der Ablösung der Basistechnologien betroffen sind, werden durch politische Vorgaben zur Entwicklung neuer Angebote und neuer, innovativer Geschäftsmodelle gedrängt, weil z. B. Vorgaben für CO2 und NOx den Markt verändern und weil hochqualifizierte Mitarbeiter und der Kapitalmarkt das erwarten und sich sonst vom Unternehmen abwenden würden. Die Möglichkeiten der Entwicklung neuer innovativer Geschäftsmodelle sind allerdings begrenzt, vor allem, weil den meisten Unternehmen dafür zunächst Kompetenzen fehlen und selbst sehr große Automobilunternehmen nicht alle Entwicklungsaufgaben alleine schaffen. Angesichts der langfristigen diskontinuierlichen Veränderungen durch die neuen Basistechnologien besteht nach wie vor eine hohe Unsicherheit darüber, wie der Übergang z. B. zu elektrischen und autonom fahrenden Fahrzeugen gestaltet werden sollte. Hier sind Innovationen und Entwicklungspfade schwer abschätzbar. 231

232

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Solche Unsicherheiten sind als Informationsdefizite2 zu verstehen, die die Entschei­ dungsfindung erschweren3. Herstellern wie Zulieferern wird trotzdem klar sein, dass sie mit der Unsicherheit umgehen und die Entscheidungsfindung verbessern müssen4. Dabei sind bei langfristigen diskontinuierlichen Veränderungen zwei Innovationspfade möglich5: frühe Innovatoren („outrider“6), die das Problem er­ kennen, die Herausforderungen annehmen und völlig neue Möglichkeiten sehen und ergreifen7 sowie späte Innovatoren („latecomer“), die das Problem ebenfalls erkennen und zulassen, aber mit strategischen und operativen Entscheidungen abwarten, bis das Umfeld besser vorhersehbar und eindeutiger8 geworden ist, dann aber innovativ werden, um nach Durchbruch eines Industriestandards im Markt mitspielen zu können. Unternehmen, die von der neuen Basistechnologie betroffen sind, aber (noch) gar nicht reagieren, laufen in Gefahr, den Anschluss zu verpassen. Die meisten Automobilunternehmen müssen angesichts der tiefgreifenden und teilweise diskontinuierlichen Veränderungen, ausgelöst durch die globalen Umfeldtrends, neue Leistungen und neue, innovative Geschäftsmodelle entwickeln (Abschnitt 4.2.1). In Abschnitt 4.2.2 wird dann begründet, dass längst nicht alle Erklärungen einer Entwicklung von Geschäftsmodellen, die vor allem auf eigene Kompetenzen setzen, bei diskontinuierlichen Veränderungen greifen. Viele Auto­ mobilunternehmen warten deshalb angesichts der andauernden hohen Unsicher­ heit erst einmal ab, statt schnelle Entscheidungen zum Aufbau neuer, innovativer Geschäftsmodelle zu treffen (Abschnitt 4.2.3).

4.2.1 Druck auf die Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle durch die globalen Umfeldtrends Bei ohnehin steigender Komplexität von Umfeld, Strategie und Steuerung (Kapitel 2), geraten multinationale Automobilunternehmen durch die globalen Umfeldtrends (Kapitel 3) immer mehr unter Druck, neue, innovative Geschäftsmodelle zu entwi­ ckeln, die schnell die Gewinnschwelle erreichen (Abb. 4.2-1). Selbst eine Verbesserung der traditionellen Geschäftsmodelle (Kapitel 4.1) kann angesichts des Drucks der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes die notwendigen hohen Investitionen vor allem in die neuen Basistechnologien nicht lange quersubventio­ nieren, da der Übergang so kurz wie möglich sein soll. Es besteht dann die Gefahr, den Übergang in die „neue Welt“ zu verpassen, Unternehmenswert zu verlieren und letztlich den Markt verlassen zu müssen oder die Selbstständigkeit zu verlieren. Um die anfänglich hohen Verluste durch hohe Investitionen in die neuen, innova­ tiven Geschäftsmodelle auffangen zu können, machen deshalb die Shareholder Druck, die neuen Geschäftsmodelle schnell in die Gewinnzone zu bringen (vgl. Abb. 4.2-1).

4.2 Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle

langfristige Gewinne  mit neuen, innovativen  Geschäftsmodellen (1) staatliche  Vorgaben und  Regelungen  (Entwertung  traditioneller Kompetenzen)

233

(3) Kapital‐ märkte

Zeit

(2)  Wettbewerb um  qualifizierte Mitarbeiter (Entwicklung neuer  Kompetenzen) und um Kooperationspartner

Abb. 4.2-1 Druck auf innovative Geschäftsmodelle Quelle:Abb.  4.2‐1, S. 233 hier ist in der Druckversion die Achse dicker eigener Entwurf => dabei war sie Pt 1 wie immer, jetzt Pt. 3/4

Der Druck steigt weiterhin (1) durch staatliche Vorgaben und Regelungen, (2) durch den Mangel an hoch qualifizierten Arbeitskräften und Kooperationspartnern sowie (3) durch externe Kapitalgeber und den Kapitalmarkt. Zu (1): Staatliche Vorgaben und Regelungen9, u. a. Emissionsgrenzwerte, Fahrverbote in Innenstädten sowie Zulassungsverbote, z. B. von Fahrzeugen mit Verbrennungs­ motor in Norwegen bereits 2025, erzwingen neue Basistechnologien und schaffen neue Märkte. Gleichzeitig entwerten sie alte Technologien und Märkte (Kapitel 3.2 und 4.1.2). Nicht nur in Europa und Nordamerika, auch in den Schwellenländern vor allem in China und Indien werden die alten Antriebstechnologien zwar noch eine Zeit lang produziert, aber letztlich aufgegeben.

234

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Zu (2): Unternehmen werden aber auch zu (frühen) Innovationen gezwungen, weil sie nur dann hoch qualifizierte Mitarbeiter finden werden, die die neuen Basistech­ nologien entwickeln und treiben, z. B. Spezialisten für Embedded Software u. a. zur Digitalisierung der Produktionsprozesse oder Elektrochemiker zur Verbesserung der Batterien. Gleiches gilt für Kooperationspartner, die die Technologieentwick­ lung unterstützten, weil fast kein Unternehmen alleine über alle notwendigen Kompetenzen verfügt oder sie schnell aufbauen kann. Alle Unternehmen arbeiten mit Zulieferern zusammen, Daimler z. B. mit Bosch und Google, in China mit den Technologiekonzernen Alibaba und Baidu. Kooperationspartner lassen sich leich­ ter gewinnen, wenn ein Unternehmen Anstrengungen in der neuen Technologie erkennen lässt. Zu (3): Auch die Kapitalmärkte erwarten Innovationen. Gerade Automobilunter­ nehmen, die als etwas unbeweglich und zögerlich gelten und am Kapitalmarkt oft mit Abschlägen bestraft werden10 (vgl. Kapitel 3.4), werden zu neuen innovativen Aktivitäten und Geschäftsmodellen gedrängt, um ihre Kapitalmarktbewertung zu verbessern und dem Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapi­ taleinsatzes zu entsprechen. In Anlehnung an die Unterscheidung zwischen effizienz- und flexibilitätsorientierten Geschäftsmodellen in Abschnitt 2.3.2 (1) und 4.1.1 und der in Kapitel 3.3 gezeigten Ausdifferenzierung von innovativen Prozessen, Leistungen und Geschäftsmodellen bedarf es hier ebenfalls einer Klassifizierung von Geschäftsmodellen. Dabei können innovative Geschäftsmodelle einerseits weiterhin produktbasiert und andererseits (IT)Plattform-basiert sein11. Produktbasierte Geschäftsmodelle lassen sich weiter in rein produktbasierte sowie produkt- und softwarebasierte Geschäftsmodelle unter­ scheiden (vgl. Abb. 4.2-2). (IT)Plattform-basierte Geschäftsmodelle lassen sich für kapitalintensive Branchen wie die Automobilindustrie in Anlehnung an die Unter­ scheidung zwischen „loyality based“ und „network efficiency“ Geschäftsmodellen12 weiter in netzwerk-basierte und loyalitäts-basierte Geschäftsmodelle unterscheiden, je nachdem, was der Treiber für die Netzwerkeffekte ist (vgl. ebenfalls Abb. 4.2-2).

4.2 Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle

235

Geschäftsmodelle mit innovativer produkt-basierter Wertschöpfungskette (1) hoch innovatives produkt-basiertes Geschäftsmodell (technologieintensive Unternehmen)

neue Wertarchitektur (produktbasiert) Streuung der Ressourcen

Produktinnovationsfähigkeit

Ausdifferenzierung des Gewinnmodells über Stückzahlen und Aftersales z.B. um zusätzliche Dienstleistungen

neues, breites Nutzenversprechen

(2) hoch innovatives produkt- und software-basiertes Geschäftsmodell (technologie- und softwareintensive Unternehmen) neue Wertarchitektur (Hard- und Softwarekoppelung) Streuung der Ressourcen

Produktinnovationsfähigkeit

Ausdifferenzierung des Gewinnmodells über Vernetzung

neues, breites Nutzenversprechen

Geschäftsmodelle mit innovativer (IT)Plattform-basierter Wertschöpfungskette (3) hoch innovatives, netzwerk-basiertes Geschäftsmodell optimierte, digital vernetzte Wertschöpfungskette Streuung der Ressourcen Produktinnovationsfähigkeit

innovatives Gewinnmodell (z.B. Nutzung per Zeiteinheit)

neues enges Nutzenversprechen

(4) hoch innovatives, loyalitäts-basiertes Geschäftsmodell neue, digital vernetzte Wertarchitektur innovatives Gewinnmodell (z.B. Datenverkauf)

Streuung der Ressourcen Produktinnovationsfähigkeit

neues breites Nutzenversprechen

Abb.Abb. 4.2-2, S. 235, bitte Kastenneuer um Abb., wie bei allenGeschäftsmodelle anderen Abbs. auch und Striche ergänzen 4.2-2 Typen innovativer

Quelle: eigener Entwurf nach Chatterjee (2013, S. 119) und Otto (2016)

In kapitalintensiven Branchen wie der Automobilindustrie lassen sich damit vier innovative Geschäftsmodelle unterscheiden: 1. hoch innovative produkt-basierte Geschäftsmodelle (z. B. für Elektrofahrzeuge), 2. hoch innovative produkt- und service-basierte Geschäftsmodelle (z. B. für selbstfahrende Fahrzeuge), 3. hoch innovative netzwerk-basierte Geschäftsmodelle (z. B. für hoch innovative Mobilitätsdienstleistungen wie „Mobility as a Service) und 4. hoch innovative, loyalitäts-basierte Geschäftsmodelle (z. B. für die Nutzung von Fahrzeugdaten, für die Vertrauen und Loyalität entscheidend ist).

236

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Hoch innovative produkt-basierte Geschäftsmodelle für eine produktbasierte, innovative Leistung verfolgen technologieintensive Automobilhersteller und Zulieferer. Sie streben mit stärkerer Streuung ihrer Ressourcen bei hoher Unsi­ cherheit nach Wettbewerbsvorteilen durch Produktinnovationsfähigkeit, bauen bei hoher eigener Wertschöpfung eine neue produktbasierte Wertarchitektur auf und entwickeln zusammen mit den Kunden ein Nutzenversprechen für eine in­ novative Kundenlösung, um so das traditionelle Gewinnmodell über Stückzahlen und Aftersales auszudifferenzieren, z. B. um zusätzliche Dienstleistungen wie bei Elektrofahrzeugen um Stromspeicherung. Hoch innovative produkt- und software-basierte Geschäftsmodelle für innovative, produkt- und software-basierte Leistungen wie z. B. „smart connected products“13, bei denen der Softwareanteil sehr hoch ist, die mit einer neuen Wertarchitektur über Hard- und Softwarekoppelung bei mittlerer Wertschöpfung das Nutzenver­ sprechen an die Kunden prüfen und mit ihnen abstimmen, differenzieren das tra­ ditionelle Gewinnmodell über Vernetzung aus. Solche Geschäftsmodelle entstehen in der Automobilindustrie gerade erst für smarte und vernetzte Produkte z. B. im Zusammenhang mit autonomem Fahren bei neuer Wertarchitektur durch Hardund Sortwarekoppelung und Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen über Vernetzung. Nicht nur die Fahrzeughersteller arbeiten daran. Auf der Consumer Electronic Show (CES) in Las Vegas nimmt von Jahr zu Jahr auch die Zahl inno­ vativer Automobilzulieferer zu, die den Wettbewerb verändern (vgl. Abb. 4.2-3). Netzwerk-basierte Geschäftsmodelle für innovative, auf Netzwerkeffizienz be­ zogene Leistungen verfolgen Unternehmen, die ebenfalls bei hoher Unsicherheit ihre Ressourcen tendenziell streuen und Wettbewerbsvorteile durch Produktinno­ vationsfähigkeit anstreben, dafür das Nutzenversprechen bei den Kunden prüfen und mit ihnen abstimmen und die Wertschöpfungskette bei geringer eigener Wertschöpfung digital vernetzen und dadurch optimieren. Sie streben damit ein innovatives Gewinnmodell (z. B. durch Nutzung per Zeiteinheit) an. Beispiele sind Mobilitätsangebote von Automobilherstellern, die einen Fahrzeugkauf ersetzen, so z. B. das Mietkonzept „Mu“ von Peugeot, bei dem Pkws, Lieferwagen und Elek­ trofahrräder sowie Zubehör online buchbar und mittels Prepaid-Karte bezahlbar sind oder die fusionierten Carsharing Konzepte „car2go“ und „DriveNow“ durch Daimler und BMW (in den USA BMW ReachNow), die es erlauben, nach Regis­ trierung verfügbare Fahrzeuge zu nutzen, innerorts beliebig wieder abzustellen und minutenweise abzurechnen (vgl. Abb. 4.2-3)14. Dabei gilt, je mehr Menschen eine Plattform nutzen, desto größer ist der Nutzen für alle. Zum loyalitätsbasierten Geschäftsmodelltyp gehört Carsharing nur, wenn die Fahrzeuge nicht stationär abgestellt werden müssen, sondern überall gefunden und reserviert werden können.

4.2 Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle

237

Zu loyalitätsbasierten Geschäftsmodelltypen gehören aber z. B. auch auch Park­ sharing-, Charging- und Energiemanagementlösungen von BMW. Loyalitäts-basierte Geschäftsmodelle sind für loyalitäts-basierte, innovative Leistungen von Unternehmen geeignet, die ihre Ressourcen eher streuen und auch Wettbewerbsvorteile durch Produktinnovationsfähigkeit anstreben, dabei das Nutzenversprechen bei den Kunden prüfen und mit ihnen abstimmen, die eigene Wertschöpfung der digital vernetzten Wertschöpfungskette gering halten und ebenfalls ein innovatives Gewinnmodell z. B. über Datenverkauf anstreben. Beispiele sind Geschäftsmodelle mit vernetzten Fahrzeugen, die Daten der Kunden sammeln, auswerten und darauf bezogene Angebote machen, z. B. Kartendienste. Die meisten Automobilunternehmen verfolgen derzeit gleichzeitig mehrere innova­ tive Geschäftsmodelle in ihren unterschiedlichen Geschäftsbereichen und teilweise mit unterschiedlichen Marken d. h. • im Auto- bzw. Fahrzeugbau (bei Pkw, Nutzfahrzeugen, Transportern, Motor­ rädern…) • im Teilebau (teilweise gleichzeitig in verschiedenen Branchen) und • bei Dienstleistungen bezogen auf Automobile und sonstige Mobilität (z. B. Carsharing, Fuhrparkmanagement und Mobilitätsdienstleistungen), die in Abb. 4.2-3 für den Automobilhersteller BMW, den Automobilzulieferer ZF und den automobilen Dienstleister Sixt dargestellt werden. Diese Geschäftsmodelltypen können noch weiter ausdifferenziert werden, was hier aber zu weit führen würde15. Angesichts des Drucks, mit der Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle schnell Gewinne erzielen zu müssen, gilt es Erklärungen zu suchen, wie neue innovative Geschäftsmodelle speziell bei diskontinuierlichen Veränderungen verbessert werden können.

238

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

!  !($$

& !" !#!

031 

! 

! " *

0314237  

$#(!($ $#!($

041   &!

#!!! + 

- #' 0#!"

)"#,#!"/ #!"#, )"#$"1

031

+ "#!"! "#$ !"!% "!% !# !#%!#$

061!& '1,   '

061!& '

061 ! '

031$#$" 46-

061! '

031 (##$!"

061#!) $#" .0/"'!"

"#, "!#! !

.1/! !#"# + 031&#& !$#/"!#"#"0*--%!#!!*$1, 041&#& !$#/ $"!&/"!#"#"0*--%!""#!!*$1, 051&#&#*'!/"!#"#"0*--%!&#& ##""#"#$'. #)"  !&1 061&#&,)##"/"!#"#"0*--$! $#*$&!*$#1-

Abb. 4.2-3 Typen neuer innovativer Geschäftsmodelle von BMW, ZF und Sixt Quelle: eigener Entwurf

4.2.2 Erklärungen der Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle – Theorie der Kompetenzentwicklung, Transaktionskostentheorie und „service-dominant logic“ Erklärungen der Entwicklung hoch innovativer Geschäftsmodelle, in der Auto­ mobilindustrie rein produktbasierte, produkt- und servicebasierte, ausschließlich servicebasierte und datengetriebene Geschäftsmodelle (vgl. Kapitel 3.5 und die Einleitung zu diesem Kapitel), im Zeitablauf, müssen bei den statischen Erklärungen von Geschäftsmodellen (Kapitel 2.3.2) ansetzen und diese dynamisieren. Im Über­ gang zu neuen Basistechnologien müssen dabei die Besonderheiten langfristiger

4.2 Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle

239

diskontinuierlicher Veränderungen und die Notwendigkeit einer sehr schnellen, auch externen Kompetenzentwicklung in der neuen Technologie beachtet werden. Die statischen und dynamischen Erklärungen betreffen zunächst vor allem die leistungsbezogenen Komponenten von Geschäftsmodellen sowie Innovationen dieser Komponenten. Wettbewerbsvorteile, Wertarchitektur und Nutzenverspre­ chen lassen sich bei langfristigen diskontinuierlichen Veränderungen vor allem kompetenzbasiert erklären: (1) Weil bei diskontinuierlichen Veränderungen oft Kompetenzen fehlen, können Wettbewerbsvorteile einer (frühen und späten) Innovationsfähigkeit nicht ohne Entwicklungs- bzw. Kompetenzsprünge („leapfrogging“16 durch Akquisitionen und Kooperationen) erreicht werden. (2) Weil neue innovative Leistungen oft sehr spezifisch sind, ist – trotz der notwen­ digen Kooperationen beim Kompetenzaufbau – die Schaffung einer integrierten Wertarchitektur durch interne Kompetenzentwicklung bedeutsamer als Trans­ aktions- und Produktionskostenvorteile17. (3) Weil neue innovative Leistungen nur als ganzheitliche Kundenlösungen einen Kundenwert schaffen, muss ein service- und kundendominiertes Nutzenver­ sprechen18, d. h. ein Individualisierungs-, Integrations-, Interaktions- und Ge­ brauchsnutzen geboten werden, ebenfalls eine wichtige Kompetenz angesichts von diskontinuierlichen Veränderungen der Markt- und Kundenstrukturen. Die leistungsbezogenen Komponenten von Geschäftsmodellen definieren neue Leistungsbündel. Welche Leistungsbündel ein Unternehmen ergreift, hängt gerade angesichts des Drucks der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes (Umfeldtrend 4) von den Finanzkomponenten der Geschäftsmodelle ab, d. h. davon, wie schnell Ressourcen in die neue Tätigkeit umverteilt werden können und wann Gewinne erwartet werden. Es lässt sich mit Hilfe der dynamischen Investitionsund Finanzierungstheorien erklären, dass (4) die Re-Allokation der knappen Ressourcen auf neue, innovative Leistungen nicht auf kurzfristige finanzielle Leistungsfähigkeit („performance“) abzielen sollte, sondern auch auf strategische Gesundheit („strategic health“)19, um die Existenz der Unternehmen zu sichern20. Die Re-Allokationsentscheidung kann aber nur in Abhängigkeit vom Marktwachstum und vom Engagement der Shareholder getroffen werden21 und sollte dazu führen, dass (5) die Gewinne durch eine optimale Risiko-Rendite Strategie22 maximiert werden können.

240

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Es soll nun auf kompetenzbasierte Erklärungen der Veränderung der leistungsbe­ zogenen Komponenten von Geschäftsmodellen etwas näher eingegangen werden.

Zu (1): Erklärung der Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen einer frühen und späten Innovationsfähigkeit durch Entwicklungssprünge Die Erklärung der Entwicklung des Wettbewerbsvorteils der (Produkt)Innno­ vationsfähigkeit muss bei den statischen Erklärungen der dahinterliegenden Einzelvorteile ansetzen (sehr hohe Flexibilität mit sehr schneller Reaktion auf Um­ feldveränderungen, sehr hohe Absorptionsfähigkeit von externen Entwicklungen, ausgeprägtes Teamwork, sehr hohe Mitarbeitermotivation und sehr stark dezentrale Führungsstrukturen23). In der Tradition der österreichischen Schule24 und durch Erklärungen von Wissen und Lernen entsprechend der volkswirtschaftlichen ­Theorie der Unternehmung25 erklärt die statische Theorie des Kompetenzaufbaus den Wettbewerbsvorteil (Produkt)Innovationsfähigkeit (Abb. 4.2-4a). Danach ist die Ausstattung eines Unternehmens mit nutzenstiftenden und begrenzt handel- und imitierbaren Ressourcen eine wandlungsfähige Wissensbasis. Sie kann nicht nur durch Lernprozesse und die Fähigkeit zur radikalen Veränderung der Unterneh­ mensstruktur (Prozesslernen26) so stark verändert werden, dass Monopolrenten durch Zeitmonopole geschaffen werden27, sondern auch marktorientierte Wettbe­ werbsvorteile der Kostenführerschaft oder/und der Differenzierung unterstützen. Eine Dynamisierung kompetenzbasierter Erklärungen im Zeitablauf bietet die Theorie der Kompetenzentwicklung (vgl. Abb. 4.2-4b). Sie geht davon aus, dass Kompetenzen im Zeitablauf an Wert verlieren28. Kompetenzentwicklung wird nötig, wenn Kompetenzen allmählich erodieren, weil die Ressourcenbasis brö­ ckelt, der Nutzen abnimmt, den die Ressourcen den Kunden stiften oder Wissen ungewollt abfließt. Wird die vormals stabile Umfeld- bzw. Marktdynamik durch Diskontinuitäten destabilisiert, geraten Unternehmen im Kompetenzwettlauf oft in einen Kompetenzrückstand, der eine Kompetenzlücke reißt.29. Die Möglichkeiten der Kompetenzentwicklung hängen von der Kontinuität der Veränderungen, aber auch von der Kompetenzbasis ab (vgl. ebenfalls Abb. 4.2-4b): • bei einer guten Kompetenzbasis können kontinuierlich erodierende Kompetenzen intern weiterentwickelt oder neu aufgebaut werden – durch überdurchschnittliche Kompetenzerneuerung im bestehenden Markt (vgl. Abb. 4.2-4b). • bei einer Kompetenzlücke müssen Unternehmen dagegen extern durch Koope­ ration oder Akquisition zu einem Kompetenzsprung („leapfrogging“30) ansetzen (vgl. Abb. 4.2-4b).

4.2 Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle

 ! "'##!

)3&),& ) !)&!%,& ) ,+1&*+"+,& -'&'%(+&1& ,)!"& )

,+1&*+"+,& % )#+

*+"%%,& %"+ )%$0&%"#  "&"&%*+"$& %$  "&"&% -'$-")&&%$   "&"&%0&%"*!& %$ 2&),& ) & %&+()'1** ,)!)'1**$)&&

"'

   "'"%# )3&),& ) ,&+)&!%&* *(1""*!& '%(+&1*"*

!!#  #"

 )&1+&$ ,&%"+"))#"+

241

" !")"'#  ""% !$ "   !"  #  ' #

 )#! ""% !$ "! #"$"! ("  *!)!'!$/""$"+3+  *!)*!&$$#+"'&  *!)!'!/+)& *')(+"'&*3!" #"+  ,* ()3 +*%.')#  *!)!'!"+)"+) %'+"-+"'&  *!)*+)#1&+)$ 4!),& **+),#+,)&

"'  ! -)!"&)&

" #  ) #  !""

"'  # #

,& .'$$+

",*"'&-'& "**&

)3&),& ) %$0&%"#  "*#'&+"&,"+3+ &*+"$"+3+

"' )!" ,!'$&

"' ) *!$"5&

&" #  

"' # "% #!! # - +

Abb. 4.2-4 Kompetenzentwicklung in Abhängigkeit von der Kompetenzbasis Quelle: eigener Entwurf nach Proff (2007, S. 160) und Proff, Proff (2013, S. 212)

Der Umbruch zu neuen Basistechnologien bedeutet so starke diskontinuierliche Veränderungen (Instabilität der Umfeld- bzw. Marktdynamik 31, vgl. Kapitel 1.1.3), dass Unternehmen kaum in der Lage sind, kontinuierlich erodierende Kompetenzen intern weiterzuentwickeln oder neue Kompetenzen aufzubauen. Sie müssten dazu ihre Kompetenzen abwechselnd verbessern (bis sie zu rigide geworden sind) und erneuern (bis sie zu chaotisch erscheinen) und dabei der Kompetenzerneuerung den Vorrang geben („competence cycling“ 32, vgl. Abb. 4.2-5a). Bei diskontinuierlichen Veränderungen fehlt meist schon eine (gute) Kompetenzbasis für die neue Basistech­ nologie, zudem würde ein interner Aufbau zu lange dauern. Deshalb müssen selbst die meisten der Unternehmen, die schon in der alten Basistechnologie innovativ waren, zu einem Kompetenz- und Entwicklungssprung („leapfrogging“33) auf eine neue (Technologie) S-Kurve ansetzen (vgl. Abb. 4.2-5b). Dafür ist zumindest im Übergang externe Hilfe durch Kooperationen mit hoch kompetenten Unternehmen oder durch Akquisition nötig.

242

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

a) Entwicklung des Wettbewerbsvorteils der ( rodukt)Innovationsfähigkeit bei einer guten Kompetenzbasis in einem kontinuierlichen Umfeld durch „competence cycling“

b) Entwicklung des Wettbewerbsvorteils der ( rodukt)Innovationsfähigkeit bei einer Kompetenz‐ lücke in einem diskontinuierlichen Umfeld durch Entwicklungssprünge („leapfrogging“) Technologie‐ niveau

Kompetenz‐ entwicklung Kompetenz‐ erneuerung (KE)

Trendlinie KE > KV

Zeit

= Entwicklungssprünge Kompetenz‐ entwicklung Kompetenz‐ verbesserung (KV) Zeit

∆  t ∆ t

Kompetenz‐ erneuerung (KE)

Trendlinie KE > KV

Kompetenz‐ verbesserung (KV) Zeit

Ansatzpunkte:

Ansatzpunkte:



„leapfrogging“ (Entwicklungssprung) durch  Akquisition von externem Wissen  Kooperation von nicht vorhandenem Wissen



andauernde Abfolge von Verbesserung und Erneuerung von Kompetenzen Vorrang der Kompetenzerneuerung

Abb. 4.2-5 Kompetenzentwicklung bei diskontinuierlichen Veränderungen Quelle: nach Proff (2007, S. 168 und S. 197) bezogen auf Volberda, Baden-Fuller (1998, S. 381) und Brezis u. a. (1991)

Es wurde bereits betont, dass es bei langfristigen diskontinuierlichen Veränderungen zwei Innovationspfade gibt34: frühe Innovatoren („outrider“35), die das Problem er­ kennen, die Herausforderungen annehmen und völlig neue Möglichkeiten erkennen und ergreifen36 sowie späte Innovatoren („latecomer“37), die das Problem ebenfalls erkennen und zulassen, aber mit strategischen und operativen Entscheidungen abwarten, bis das Umfeld besser vorhersehbar und eindeutiger38 geworden ist, dann aber innovativ werden, um nach Durchbruch eines Industriestandards im Markt mitspielen zu können. Unternehmen, die von der neuen Basistechnologie betroffen sind, aber (noch) gar nicht reagieren, laufen in Gefahr, den Anschluss zu verpassen.

4.2 Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle

243

Zu (2): Erklärung der Entwicklung einer weitgehend integrierten Wertarchitektur durch eine höhere Bedeutung interner Kompetenzentwicklung gegenüber Transaktions- und Produktionskostenvorteilen Die Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle kann durch eine weitgehend integrierte Wertschöpfung und damit Wertarchitektur unterstützt werden. Die Erklärung der Wertarchitektur und ihrer Entwicklung muss wiederum bei der Entscheidung zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug als der Grundfrage der BWL über die Grenze von Unternehmen ansetzen (vgl. Kapitel 2.3.2 und 4.1.2). Wie in Kapitel 4.1.2 erläutert, ergeben sich Spezialisierungsvorteile der Zulieferer als Differenz von Produktions- und Transaktionskostenvorteilen gegenüber einem Unternehmen in Abhängigkeit von der Faktorspezifität als dem Wertverlust bei nächstbester Verwendung des von den Transaktionspartnern geschaffenen Sach- und Humankapitals39. Die Spezialisierungsvorteile sind damit abhängig vom Wissen und von den Kompetenzen des Unternehmens (Abb. 4.1-5). Die Erklärungen der Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen für neue innova­ tive Geschäftsmodelle zeigten bereits, dass bei diskontinuierlichen Veränderungen Kompetenzen sehr wichtig sind, um eine frühe oder späte Innovationsfähigkeit zu erreichen und dass sie extern durch Entwicklungssprünge entwickelt werden müssen. Insbesondere bei komplexen Produkten wie z. B. Automobilen – reicht es nicht, Wissen (Dritter) zu verstehen und zu managen40 (Wertarchitektur eines Orchestrator, vgl. Abb. 4.1-7a in Kapitel 4.1). Wissen und Kompetenzen müssen selbst erarbeitet und weiterentwickelt werden, um Anschluss an die Verbesserung und Erneuerung des Wissens zu halten. Sonst besteht die Gefahr, dass es z. B. Automobilzulieferern gelingt, das auf sie übergegangene Wissen mit so hoher Ent­ wicklungsgeschwindigkeit zu verändern, dass die Automobilhersteller nicht mehr mitkommen41. Dies gilt insbesondere für komplexe und integrierte Endprodukte (mit hoher Interdependenz zwischen den Modulen). Hier erfordert eine effiziente Wissensnutzung eine hohe Kongruenz von Wissen und Produktion42. Kostenunterschiede treten dagegen im Übergang zu innovativen Leistun­ gen mit neuen Basistechnologien zurück, weil selbst spezialisierte Zulieferer am Markt bei innovativen Leistungen gegenüber den Herstellern kaum Produkti­ onskostenvorteile durch Größen- und Erfahrungsvorteile (∆C) haben und die Abstimmung mit Lieferanten sehr schwierig und die Transaktionskosten (∆G) deshalb sehr hoch sind. Dies führt zu einer Verschiebung der Kurven ∆P auf ∆P´ und ∆G auf ∆G´ und damit k* auf k** (vgl. Abb. 4.2-6 bezogen auf Abb. 4.1-6). Der Anteil der Eigenfertigung wird bedeutsamer43. Deshalb sollte die Wertschöpfung weitgehend integriert sein (Wertarchitektur eines Integrators).

244

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

 Produktionskosten ( C)*  Transaktionskosten ( G) *  C´´ +  G´´  C +  G

C

 C´´

Wertarchitektur: Integrator

G

Faktor‐ spezifität k

 G´´

Markt k***

B

V

P

k* Unternehmen

* im Unternehmen (Geschäftsbereich) im Vergleich mit Zulieferern (Markt)

Abb. 4.2-6 Erklärung von Wertschöpfungsstrategien und Kompetenzentwicklung zur Entwicklung neuer innovativer Geschäftsmodelle Quelle: eigener Entwurf in Erweiterung von Abb. 4.1-6 in Kapitel 4.1

Das Bemühen um eine integrierte Wertarchitektur widerspricht nicht der Notwen­

digkeit, Kompetenzen, die den Wettbewerbsvorteil der Produktinnovationsfähigkeit Abb.  4.2‐ , S. 244 hier ist in der Druckversion die Achse dicker => dabei war sie schon Pt. 3/4 stützen, extern durch Akquisition, aber auch durch Kooperationen zu suchen.

Unternehmen suchen solche Partnerschaften, um die Entwicklung eines neuen Industriestandards mittreiben zu können, versuchen aber gleichzeitig, die extern erworbenen Kompetenzen mit einer Wissenssicherung durch Eigenfertigung zu verbinden. Dies entspricht der Realoptionstheorie, mit der sich begründen lässt, dass es in Zeiten tiefgreifenden Wandels mit hoher Unsicherheit44 wichtig ist, möglichst viel eigene Wertschöpfung in der neuen Technologie zu haben, um nicht zu abhängig von externen Lieferanten zu sein. Bei dynamischer Betrachtung scheint dann Eigen­ fertigung mit Zukauf sinnvoll45, von Harrigan als „Taper-Integration“46 bezeichnet. Sie beschreibt eine reduzierte vertikale Integration, die auch bei Auslagerung eine Eigenfertigung aufrecht hält und so im Zeitablauf eine geschickte Balance zwischen vertikaler Integration und Outsourcing versucht. Taper-Integration ist gerade in Zeiten technologischer Unsicherheit und der Erwartung von Technologiesprüngen

4.2 Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle

245

und bei starken Marktschwankungen attraktiv, gibt allerdings keine klaren Signale an das Management und birgt die Gefahr hoher administrativer Kosten. Oft zweckgebunden bis zur Durchsetzung eines Industriestandards gegründet, können Kooperationen mit Lieferanten zu neuen Technologien führen, aber auch den Kern ganz neuer (struktureller) Ecosysteme47 mit Lieferanten und Kunden bilden (vgl. Kapitel 3.3.2).

Zu (3): Erklärung der Entwicklung eines service- und kundendominierten Nutzenversprechens über eine „servicedominant logic“ Die Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle kann weiterhin durch ein service- und kundendominiertes Nutzenversprechen unterstützt werden, das Kunden ganzheitliche Lösungen anbietet, in der Mobilität ganzheitliche Mobilitätslösungen („service“)48, vgl. Kapitel 2.3.2). Die Erklärung des Nutzenversprechens und seiner Entwicklung muss bei den Erklärungen des strategischen Managements und bei Theorien der Kaufentscheidung ansetzen49 und der „service-dominant logic“ 50, die in den 1990er Jahren aufkam und inzwischen als Theorie gesehen wird51. Die marktorientierte Sichtweise im strategischen Management begründet, dass erklärungsbedürftige innovative Leistungen bzw. Kundenlösungen von einem Imageanker im bisherigen Geschäftsmodell profitieren52. Das gilt, obwohl die An­ nahme der marktorientierten Sichtweise aufgegeben wird, dass die Nutzenfunktion an den Preis gekoppelt ist, weil bei tiefgreifenden Veränderungen im Sinne der kompetenzorientierten Sichtweise im strategischen Management ganzheitliche Kundenlösungen begründet werden. Die „service-dominant logic“ „nimmt von der Differenzierung zwischen Gut und Dienstleistung Abstand und betrachtet sie nicht als Gegenstand von Austausch­ prozessen auf Märkten. Kennzeichnend für Austauschprozesse ist […] vielmehr, dass die Marktteilnehmer ihre Kompetenzen […] anwenden, um anderen Markt­ teilnehmern einen ‚Service‘ anzubieten und sie damit im Rahmen ihrer eigenen Wertschöpfung zu unterstützen“53. Der Anbieter eines Autos macht so verstanden Kunden nur ein Wertangebot54. Der Wert dieser ganzheitlichen Kundenlösung („service“) entsteht bei seiner Nutzung (Gebrauchswert, „value in use“55). Daneben enthält der wahrgenommene Wert einer Mobilitätslösung auch einem Integrations-, einen Interaktions- und einen Individualisierungswert56. Diese vier Teilwerte einer Mobilitätslösung können Unternehmen adressieren, durch • ein Integrationsversprechen, d. h. durch eine mehrwertstiftende Integration einer Vielzahl miteinander verknüpfter Produkte und Dienstleistungen57,

246

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

• ein Interaktionsversprechen durch interaktive Gestaltung der Wertschöpfung zusammen mit dem Kunden58 („value co-creation“)59, • ein Individualisierungsversprechen durch effiziente Individualisierung von Leistungen entsprechend den Bedürfnissen der Kunden60 und • das Versprechen eines Gebrauchsnutzens61 (vgl. Kapitel 2.3.2). Bei disruptiven Veränderungen ist es besonders wichtig, auf den Markt zu schauen und zu untersuchen, was wertschaffend für die Kunden ist und dafür Nutzenverspre­ chen zu entwickeln. Ziel dabei ist, die Kunden im langen Zeitraum von Unsicherheit im Durchbruch zu neuen Technologien nicht an neue Wettbewerber zu verlieren. Außerdem ist es wichtig, im Austausch mit den Kunden die Nutzenversprechen schnell anzupassen, weil viele innovative Produkte, die vom Kunden hoch geschätzt und bewertet werden, wie z. B. das Smartphone, sehr häufig Entwicklungssprünge machen und Kunden das bei allen neuen Produkten erwarten.

4.2.3 Zu zögerliche Investitionen vieler Automobilunternehmen in die Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle in Zeiten des Umbruchs In der Einleitung zu Kapitel 4 wurde betont, dass die Veränderungen durch die vier globalen Umfeldtrends und vor allem der Umbruch zu neuen Basistechnologien, in der Automobilindustrie zu elektrisch und autonom fahrenden Fahrzeugen, noch länger andauern werden und dass sie bei hoher Komplexität in der Übergangszeit bis zur Durchsetzung eines Industriestandards62 eine hohe Unsicherheit aufweisen. Wird Unsicherheit als Informationsdefizit definiert63, dann entsteht sie dadurch, dass Informationen fehlen, die notwendig sind, um Entscheidungen zu treffen64. Das gilt gegenwärtig immer noch, obwohl die technologische Unsicherheit über elektrisch und autonom fahrende Fahrzeuge und die Möglichkeiten der Digitalisierung als Voraussetzung für innovative Mobilitätsleistungen durch For­ schung und Entwicklung, (Pilot)Studien und Forschungsprojekte schon sehr weit verringert werden konnten. Auch die Marktunsicherheit sinkt, da elektrisch und autonom fahrende Fahrzeuge von den Kunden nicht mehr als völlig neue Produkte wahrgenommen werden65, auch wenn fast niemand die Fahreigenschaften kennt. Aussagen zu Nutzen, Akzeptanz und Zahlungsbereitschaft werden konkreter66. Für Automobilunternehmen, Hersteller wie Zulieferer, ist heute die Entwick­ lungsrichtung zu den neuen Basistechnologien relativ klar erkennbar, auch wenn sie z. B. im Übergang in die Elektromobilität die zukünftige Energieversorgung durch Batterien oder Brennstoffzelle noch nicht klar erkennen. Sie können heute

4.2 Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle

247

„eine klar definierte Anzahl verschiedener Zukunftsszenarien“ (ein „range of futures“) ausmachen, „unbekannt ist lediglich, welches Szenario eintreten wird“67 (vgl. Abb. 3.2-1 in Kapitel 3.2). Bei neuen, innovativen Leistungen, die für die Unternehmensgewinne besonders wichtig sind, bleibt die Unsicherheit bis zur Durchsetzung eines Industriestan­ dards (eines „dominant design“68) dennoch sehr hoch69. Auch wenn langfristige technologische Veränderungen vorhersehbar sind, sind für die Konsequenzen von Investitionsentscheidungen in diese neuen Technologien in der Regel keine Wahrscheinlichkeiten bekannt70, weil nicht ausreichend empirische Daten zur Verfügung stehen, um geeignete Schätzverfahren anwenden und subjektive Wahr­ scheinlichkeitsverteilungen über die Umweltentwicklung angeben zu können71. Entscheidungen über den Zeitpunkt der Investition sind damit schwierig72, weil die klassischen Entscheidungsmodelle unter Unsicherheit nicht verwendet werden können73 und eine Entscheidungsgrundlage fehlt. Deshalb halten multinationale Automobilunternehmen oftmals Entscheidungen zurück, anstatt Entscheidungspro­ zesse zumindest anzustoßen. Es besteht dann die Gefahr, Investitionen zu spät oder falsch zu treffen und den Anschluss an die Entwicklung der neuen Technologien zu verpassen gemäß einem Zitat, das Steve Jobs zugeschrieben wird: „If a trend becomes obvious, you are too late“. Deshalb investieren die meisten Automobilunternehmen bislang noch zu zögerlich in die Entwicklung neuer, innovativer Leistungen und Geschäftsmodelle im Umbruch zu elektrisch und autonom fahrenden Fahrzeugen. Eine Szenario-gestützte Befragung von 52 deutschen Automobilunternehmen zu ihren geplanten Entscheidungen im Übergang in die Elektromobilität 2012 und 201374, als noch nicht allgemein erkennbar war, dass die bisherige Antriebstechno­ logie ersetzt werden würde, zeigte, dass sie wenig auf ihre Innovationskraft setzen. Wegen der hohen Unsicherheit im Übergang zu neuen Geschäftsmodellen, wurden Entscheidungen nur schrittweise getroffen (gestufte Entscheidungsfindung): Sehr früh wurden Entscheidungen über die Stärke und Geschwindigkeit der Re-Allokation der knappen Ressourcen in die Elektromobilität getroffen und über den Zeitpunkt des Angebots von Elektrofahrzeugen, aber auch über den Wettbewerbsvorteil (Ausrichtung auf den Wettbewerbsvorteil (Produkt)Innovationsfähigkeit oder ein Abwarten mit den traditionellen Wettbewerbsvorteilen niedriger Kosten oder/und Differenzierung). Entscheidungen über die Veränderung der Wertarchitektur und des Nutzenversprechens wurden damals noch nicht konsequent geplant: nur die Hälfte der frühen und späten Innovatoren bemühte sich um eine integrierte Wertar­ chitektur und ein service-dominiertes Nutzenversprechen in der Elektromobilität. Allmählich kommt in der Automobilindustrie zumindest im Übergang zu neuen Fahrzeugantrieben Fahrt auf: Immer mehr Unternehmen reagieren auf die

248

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

diskontinuierlichen Veränderungen auch nach außen sichtbar. In der Elektromo­ bilität setzten viele traditionelle Zulieferer mit Kernkompetenzen in der Verbren­ nungstechnologie wie z. B. Delphi (Aptiv), Mahle, Webasto und ZF inzwischen konsequent auf die neuen Antriebstechnologien und Daimler und Volkswagen entwickeln (rein) elektrische Fahrzeuge der neuen Marken EQ und I.D. Damit treiben sie den Durchbruch eines Industriestandards. Die Entwicklung autonom fahrender Fahrzeuge geschieht stärker in Kooperation mit Zulieferern und Tech­ nologieunternehmen, z. B. um BMW und Intel oder um Daimler, ZF, Bosch und Nividia. Eine Untersuchung bei 98 Automobilzulieferern75 2017 zeigte, dass sie die digitale Transformation als sehr relevante Veränderung zulassen. Defizite bestehen teilweise auf der strategischen und vor allem auf der operativen Ebene (vgl. auch Kapitel 6.1.1). Um mit neuen Technologien schnell die Gewinnzone zu erreichen, müssen multinationale Automobilunternehmen neue, innovative Geschäftsmodelle für elektrisch und autonom fahrende Fahrzeuge konsequenter entwickeln. Auch wenn die Produktion von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zunächst noch weiter steigt, ist der Umkehrpunkt absehbar. Eine konsequente Umsteuerung erleichtert es, im Übergang traditionelle und innovative Geschäftsmodelle mit widersprüchlicher Managementlogik beidhändig zu managen (Kapitel 4.3).

Endnoten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Vgl. z. B. Anderson, Tushman (1990); Bucherer u. a. (2012); Abdelkafi u. a. (2013) oder Frankenberger (2013). Vgl. z. B. Wittmann (1959); Duncan (1976); Miliken (1987); Schrader u. a. (1993) und Spender (1993). Vgl. Galbraith (1973). Vgl. z. B. Proff, Fojcik (2015b). Vgl. Glake u. a. (1981), Stacey (1996) und Bogner u. a. (1996). Ross, Sharapov (2015). Im Sinne von Schumpeter (1912). Vgl. Davis u. a. (2009). Vgl. Galbraith (1973). Vgl. Proff, Proff (2013, S. 19–25). Vgl. auch Sommer (2016). Chatterjee (2013). Porter, Heppelmann (2014).

4.2 Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle

249

14 Vgl. Bernhart, Zollenkop (2011, S. 279). 15 Selbst wenn für Produktvarianten, die sich durch ihr Nutzenversprechen unterscheiden, wie z. B. die Fahrzeuge der Automobilhersteller (z. B. der 1er, 2er, 3er usw. von BMW) keine eigenen Geschäftsmodelle unterschieden werden, werden aufgrund von Internet und Digitalisierung verschiedenste Geschäftsmodelle diskutiert, z. B. von Michael Rappa die Geschäftsmodelle Brokerage, Advertising, Infomediary, Merchant, Manufacturer (Direct) Affiliate, Community, Subscription, Utility (vgl. http://digitalenterprise.org/ models/models.html, abgerufen am 14.1.2017). 16 Brezis u. a. (1991). 17 Vgl. z. B. Hofmann (2011). 18 Vgl. Vargo, Lusch (2004); Heinonen u. a. (2010). 19 Vgl. Proff, Proff (2013, S. 341) bezogen auf von Fournier (2005). 20 Vgl. Levinthal, March (1993, S. 105). 21 Vgl. Proff (2002a) und Proff u. a. (2014a, Schritt 2). 22 Vgl. Schmidt, Terberger-Stoy (1997). 23 Vgl. Proff (2002a, S. 319). 24 Vgl. z. B. Schumpeter (1912). 25 Vgl. Proff (2002a, S. 24). 26 Vgl. Argyris, Schön (1978). 27 Vgl. Proff (2002a, S. 31). 28 Vgl. McGrath u. a. (1995). 29 Vgl. Proff (2007, Kap. 13). 30 Brezis u. a. (1991). 31 Klein (1977). 32 Vgl. z. B. Baden-Fuller, Vollberda (1997), Volberda, Baden-Fuller (1998), Proff (2005b und 2006). 33 Brezis u. a. (1991). 34 Vgl. Glake u. a. (1981), Stacey (1996) und Bogner u. a. (1996). 35 Ross, Sharapov (2015). 36 Im Sinne von Schumpeter (1912). 37 Ross, Sharapov (2015). 38 Vgl. Davis u. a. (2009). 39 Vgl. Bodensteiner (2006, S. 152). 40 Vgl. Batchelor (2006, S. 277). 41 Vgl. Fourcade, Midler (2005). 42 Vgl. Grant (1996, S. 120) oder Leiblein, Miller (2003, S. 854). 43 Vgl. Jung (2015). 44 Vgl. Leiblein, Miller (2003, S. 845) und Foss, Roemer (2010). 45 Vgl. z. B. Rothaermel u. a. (2006), Parmigiani (2007). 46 Harrigan (1984, S. 643).

250 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Vgl. z. B. Adner (2017). Vgl. Vargo, Lusch (2004). Vgl. Homburg (2014, Kapitel 2.3.4). Vargo, Lusch (2004); Heinonen u. a. (2010). Vgl. Vargo (2018). Vgl. Heinemann (1993). Schmitz, Hendricks (2018, S. 85). Vgl. ebd. (S. 86). Vgl. Schmitz, Hendricks (2018, S. 86). Vgl. Schmitz, Lerch (2017). Vgl. z. B. Sawhney u. a. (2006) und darauf bezogen Schleiffer (2019). Vgl. z. B. Prahalad, Ramaswamy (2004); Ballentiyne, Varey (2006); Grönroos (2012) und Ranjan, Read (2016). 59 Vgl. Skảlén u. a. (2015) und Schleiffer (2019). 60 Vgl. Schleiffer (2019). 61 Vgl. Vargo, Lusch (2004) und darauf bezogen Schmitz, Lech (2017). 62 Vgl. z. B. Utterback, Abernathy (1975). 63 Vgl. z. B. Wittmann (1959); Miliken (1987); Schrader u. a. (1993) oder Spender (1993). 64 Vgl. Galbraith (1973). 65 Vgl. z. B. Urban u. a. (1996); Veryzer (1998); Moreau u. a. (2001); Hoeffler (2003). 66 Die Kunden haben in den letzten Jahren einen marktbezogenen und technologischen Lernprozess (Leifer u. a.2007) durchgemacht. Dadurch entstanden neue, unbekannte Wissensstrukturen (vgl. Moreau u. a. 2001). 67 Ebd. 68 Utterback, Abernathy (1975), Henderson, Clark (1990, S. 14). 69 Vgl. z. B. Proff u. a. (2014a). 70 Vgl. Cavagnaro u. a. (2013); Posen, Levinthal (2012); Farias u. a. (2013). 71 Vgl. Farias u. a. (2013); Bamberg u. a. (2008). 72 Vgl. Meyer (2000). 73 Vgl. Farias (2013). 74 Vgl. Proff u. a. (2013b, 2014a und 2014b). 75 Vgl. Proff, Knobbe (2019).

4.3 Beidhändiges Management traditioneller und neuer, innovativer Geschäftsmodelle multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs 4.3 Beidhändiges Management traditioneller und neuer Geschäftsmodelle

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

In Kapitel 4 wurde bisher gezeigt, dass multinationale Automobilunternehmen angesichts der Verstärkung der Veränderungen in Umfeld, Strategie und Steuerung seit Beginn des Jahrtausends durch die vier globalen Umfeldtrends herausgefor­ dert werden, ihre Geschäftsmodelle (vgl. Kapitel 2.3) zu verändern. Der Übergang zu neuen Fahrzeugantrieben und zum autonomen Fahren und die Entwicklung neuer digitaler Mobilitätsdienstleistungen erfolgen langfristig, weil sich die neuen Fahrzeug- und Mobilitätskonzepte selbst in Europa, Nordamerika und China erst in 10 bis 15 Jahren durchsetzen werden. Die Veränderungen sind deshalb nicht eindeutig, komplex, unvorhersehbar und damit diskontinuierlich1 (vgl. Kapitel 1.1.3). Traditionelle und neue, innovative Geschäftsmodelle müssen daher parallel entwickelt werden2, d. h. Automobilunternehmen müssen • einerseits die traditionellen Geschäftsmodelle für ihre bisherigen Leistungen verbessern (Geschäftsmodellverbesserung3) und effizienter werden, indem sie sich auf die Verwertung („exploitation“) der bestehenden Ressourcen, Fähigkeiten, Kompetenzen, Leistungen und Märkte richten (Kapitel 4.1) und • andererseits neue, innovative Geschäftsmodelle für innovative Leistungen entwickeln (Geschäftsmodellinnovation4) und flexibler werden, indem sie sich dabei auf die Erforschung („exploration“) neuer Ressourcen, Fähigkeiten, Kompetenzen, Leistungen und Märkte richten5 (Kapitel 4.2). Traditionelle und neue, innovative Geschäftsmodelle stehen aber nicht unverbunden nebeneinander, sie bedingen sich wechselseitig (vgl. Abb. 4–3 in der Einleitung zu Kapitel 4), • weil die Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle die Entwicklung inno­ vativer Leistungen und damit neuer, innovativer Geschäftsmodelle finanzieren muss6, aber auch • weil Innovationskraft und Zukunftsgerichtetheit im neuen Geschäft und damit ein Angebot von innovativen Leistungen dem Management gegenüber den

251

252

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Kapitaleignern Freiräume schafft, die bei technologischen Veränderungen zur Absicherung ihres investierten Kapitals auf innovative Tätigkeiten drängen7. Geschäftsmodellverbesserungen und Geschäftsmodellinnovationen stehen gleichzeitig im Widerspruch zueinander, weil die Effizienz traditioneller Leistungen und Ge­ schäftsmodelle und die Flexibilität innovativer Leistungen und Geschäftsmodelle nicht gleichzeitig maximiert werden können8 (vgl. Abb. 4–3 in der Einleitung zu Kapitel 4). Wie bereits in der Einleitung zu Kapitel 4 erwähnt, handelt es sich bei einem solchen „Widerspruch zwischen zwei und mehr Variablen bzw. Größen, die sich […] auch wechselseitig erfordern“9 um ein Paradoxon. Dieses Paradoxon wird „Ambidextrie“ bzw. Beidhändigkeit genannt10 und erfordert ein beidhändiges Management widersprüchlicher Aktivitätsmuster, d. h. eine „paradoxe Verknüp­ fung von Aktivitäten, die sich auf der einen Seite gegenseitig bedingen und auf der anderen Seite aber auch ausschließen“11. In diesem Kapitel wird nun zunächst die Notwendigkeit eines beidhändigen Managements paradoxer Aktivitäten in multinationalen Automobilunternehmen genauer betrachtet (Abschnitt 4.3.1), bevor (statische und dynamische) Erklärungen eines beidhändigen Managements gesucht werden (Abschnitt 4.3.2). In Abschnitt 4.3.3 wird dann gezeigt, dass sich multinationale Automobilunternehmen bislang erst zögerlich um ein beidhändiges Management traditioneller und neuer, inno­ vativer Geschäftsmodelle bemühen.

4.3.1 Notwendigkeit eines beidhändigen Managements paradoxer Aktivitäten Vor dem starken Anstieg der Komplexität im Unternehmensumfeld und der Aus­ differenzierung von Strategien zu Geschäftsmodellen (Kapitel 2.1 bis 2.3), wurde lange Zeit die Hauptaufgabe des strategischen Managements darin gesehen, „to provide coherence to organizational action“12. Dies wurde damit begründet, dass „a clear and explicit concept in strategy can foster a climate of tacit coordination that is more efficient than most administrative mechanisms“13. Unternehmen wurde deshalb empfohlen, einer „dominant logic“14 im gesamten Unternehmen und in den einzelnen Geschäftsbereichen zu folgen. In der Strategieforschung, aber auch im Wissensmanagement, im Technologieund im Innovationsmanagement und in der Organisationswissenschaft galten deshalb die Verwertung bzw. Verbesserung des Vorhandenen (Exploitation) und die Entwicklung von Neuem (Exploration) als unvereinbare strategische Ausrich­

4.3 Beidhändiges Management traditioneller und neuer Geschäftsmodelle

253

tungen mit unvereinbaren Lernmodi, Innovations- und Wandlungsprozessen15 („antagonistische Sichtweise“ von Exploitation und Exploration16, vgl. Abb. 4.3-1a). Dies wurde begründet mit Inkonsistenzen, d. h. Widersprüchen bzw. Konflikten. Sie können z. B. im strategischen Management zwischen den angestrebten Wett­ bewerbsvorteilen entstehen, d. h. zwischen Vorteilen niedrige Kosten oder/und Differenzierungsvorteilen zur Verbesserung des Vorhandenen und dem Wett­ bewerbsvorteil Produktinnovationsfähigkeit zur Entwicklung von etwas Neuem (interne Inkonsistenz17). Zielkonflikte bestehen auch zwischen diesen Vorteilen und der Dynamik des Umfeldes (externe Inkonsistenz18).

a)  antagonistische Sichtweise (entweder Exploitation oder  Exploration)

b)  synthetische Sichtweise (Balance von Exploitation oder  Exploration)

Wirkungsgrad der  Exploitation

1

Wirkungsgrad der  Exploitation

einseitige Ausrichtung auf Exploitation

%

1

einseitige Ausrichtung auf Exploitation

%

Balance von Exploration  und Exploitation einseitige Ausrichtung auf Exploration

%

1

Wirkungsgrad Exploitation  1

%

Wirkungsgrad der  Exploration

%

einseitige Ausrichtung auf Exploration

Wirkungsgrad Exploration  1

1

%

Wirkungsgrad der  Exploration

c)  synergetische Sichtweise (maximale Kombination von Exploitation oder  Exploration) Wirkungsgrad der  Exploitation einseitige Ausrichtung auf Exploitation 1

maximale Kombination von Exploration und Exploitation

%

Wirkungsgrad Exploitation  1

einseitige Ausrichtung auf Exploration %

Wirkungsgrad 1 Exploration  1

%

Wirkungsgrad der  Exploration

Abb. 4.3-1 Unterschiedliche Sichtweisen der Verbindung von Exploitation und Exploration Quelle: eigene Zusammenstellung von Fojcik (2015, S. 60, 61 und 62)

254

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Interne Inkonsistenzen können bei den primären Wertschöpfungsaktivitäten Fer­ tigung, Logistik und Vertrieb entstehen. Diese Wertschöpfungsaktivitäten stehen in einer restriktiven Interdependenzbeziehung (vgl. auch Kap. 3.3.2) und sind durch das Fehlen von Pufferzeiten und damit durch sehr geringe Freiheitsgrade gekennzeichnet19- Sie müssen deshalb gleichgerichtet sein, d. h. entweder effizi­ enz- oder flexibilitätsorientiert20. Inkonsistenzen ergeben sich, wenn die primären Wertschöpfungsaktivitäten nicht gleichgerichtet sind, d. h. • nicht alle effizienzorientiert auf die Ressourcenverwertung gerichtet oder • nicht alle flexibilitätsorientiert auf die Ressourcenentwicklung gerichtet sind weil – wie bereits erläutert – zwischen Effizienz- und Flexibilitätsorientierung ein Zielkonflikt besteht. Dieser Konflikt lässt sich durch Opportunitätskosten begründen: Flexibilität verursacht Kosten z. B. durch quantitative und qualitative Kapazitätsreserven oder durch die Planung und Überwachung von Anpassungs­ prozessen. Solche Ereignispuffer verhindern eine Produktion entsprechend der Minimalkostenkombination und ergeben zwangsläufig einen Effizienzverlust21. Externe Inkonsistenzen sind Konflikte zwischen den in einem Geschäftsbereich angestrebten Unternehmensvorteilen und den Steuerungsprinzipien (Zentralisie­ rung oder Dezentralisierung), die angesichts der Dynamik des Umfeldes, d. h. der Häufigkeit und Stärke von Umfeldveränderungen22, erforderlich sind. Zu externen Inkonsistenzen kommt es, wenn das Streben nach einem Unternehmensvorteil den Erfolg der erforderlichen Steuerungsprinzipien vermindert23, wenn also bei den primären Wertschöpfungsaktivitäten Fertigung, Logistik und Vertrieb • in weitgehend stabilen Branchen wie der Automobilindustrie und der chemi­ schen Industrie dezentral zu stark flexibilitätsorientierte Unternehmensvorteile angestrebt werden und • in dynamischen Branchen wie der Pharma- und Computerindustrie zentral zu stark effizienzorientierte Unternehmensvorteile. Um die Kosten der externen Abstimmung zu minimieren, erfordert eine hohe Umfelddynamik eine dezentrale Steuerung. In einem stabilen Umfeld ist zur Minimierung der externen Abstimmungskosten dagegen eine zentrale Steuerung notwendig24. Lange Zeit wurde deshalb angenommen, dass Inkonsistenzen möglichst ver­ mieden werden sollten. Dies ist jedoch nicht immer möglich. So

4.3 Beidhändiges Management traditioneller und neuer Geschäftsmodelle

255

• können effizienzorientierte Unternehmen auch in weitgehend stabilen Branchen (ohne starke und häufige Veränderungen) in eine Krise geraten, in der sie sich sehr flexibel und stark an Umfeldveränderungen anpassen müssen und • müssen flexibilitätsorientierte Unternehmen in einem dynamischen Umfeld zwar ständig kompetenzbasiert auf Produktinnovationsfähigkeit bei starker Flexibilitätsorientierung ausgerichtet sein, gleichzeitig jedoch die Innovationen mit den marktorientierten Wettbewerbsvorteilen niedrige Kosten oder/und Differenzierung höchst effizient vermarkten. Bei langfristigen, tiefgreifenden diskontinuierlichem Veränderungen wie im Umbruch zu neuen Basistechnologien für elektrisch und autonom fahrende Fahr­ zeuge, müssen sogar längere Zeit gleichzeitig traditionelle Leistungen mit effizien­ zorientierten Strategien bzw. Geschäftsmodellen (mit den Wettbewerbsvorteilen niedrige Kosten oder/und Differenzierung) und neue, innovative Leistungen mit flexibilitätsorientierten Strategien bzw. Geschäftsmodellen (Wettbewerbsvorteil Produktinnovationsfähigkeit) angeboten werden. Bei nicht vermeidbaren Inkonsistenzen wurde deshalb bereits in den 1990er Jah­ ren eine Balance zwischen der gleichzeitigen Verwertung vorhandener Ressourcen (Effizienzorientierung) und der Entwicklung neuer Ressourcen (Flexibilitätsorien­ tierung) als notwendig angesehen, d. h. die gleichzeitige Bearbeitung weitgehend stabiler und dynamischer Märkte („synthetische Sichtweise“ von Exploration und Exploitation)25, Abb. 4–3-1b). Ein beidhändiges Management galt allerdings damals eher als notwendiges Übel, da angenommen wurde, dass Ambidextrie bei Veränderung allenfalls zu relativen Optima führen kann, weil Ambidextrie Steu­ erungskosten verursacht, die besser vermieden würden (absolutes Optimum)26. Seit Beginn des Jahrtausends hat die Ambidextrie mit der steigenden Komplexität durch die Ausdifferenzierung der Wettbewerbsstrategien zu Geschäftsmodellen zugenommen27. In der Literatur wird deshalb die Markt- und Wettbewerbsdyna­ mik als Treiber der Beidhändigkeit identifiziert 28. Der ständige Anpassungs- und Erneuerungszwang macht es immer notwendiger, über widersprüchliche Aktivi­ tätsmuster zu verfügen, d. h. sowohl über ressourcenerneuernde Prozesse als auch über ressourcenverwertende Prozesse, die immer mehr als komplementär angesehen werden29. Seither wird nicht nur im Wissens-, Innovations- und Technologiema­ nagement und in der Organisationswissenschaft verstärkt über eine simultane Umsetzung von Exploration und Exploitation diskutiert30, sondern auch in der Strategieforschung: In Arbeiten zur Lerntheorie wird die simultane Weiterent­ wicklung von vorhandenem Wissen und Aufbau neuen Wissens untersucht, in den Arbeiten zum Innovationsmanagement gleichzeitig inkrementelle Innovationen und

256

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Innovationssprünge in Unternehmen31. Die Organisationsforschung betrachtet das gleichzeitige Management von inkrementalem und radikalem Wandel von Konti­ nuität und Wandel, um Chaos und Trägheit zu vermeiden32. Die Strategieforschung untersucht dagegen ein beidhändiges Management von traditionellen Strategien bzw. Geschäftsmodellen auf der Basis niedriger Kosten oder/und Differenzierung durch Kompetenzverbesserung und neuen Strategien bzw. Geschäftsmodellen auf der Basis von Produktinnovationsfähigkeit durch Kompetenzerneuerung33. Inzwischen wird angenommen, dass sich Exploitation und Exploration wech­ selseitig beeinflussen und auch den Unternehmenserfolg positiv beeinflussen und sich synergetisch verbinden lassen („synergetische Sichtweise“ von Exploitation und Exploration34, vgl. Abb. 4–3-1c). Empirische Untersuchungen belegen einen signifikant positiven Effekt zwischen Ambidextrie und einzelnen Erfolgsgrößen wie z. B. Umsatzwachstum, Innovations- oder Überlebensfähigkeit der Unterneh­ men. Branchenzugehörigkeit und das Ausmaß der Umfelddynamik beeinflussen die Ergebnisse35. Bislang ging es in der Literatur im strategischen Management vor allem um eine beidhändige Ausrichtung der Wettbewerbsstrategien (Kostenführerschaft oder/und Differenzierung) in einem Geschäftsbereich und um die davon be­ troffenen Ressourcen, Fähigkeiten, Kompetenzen, Leistungen und Märkte. Zum beidhändigen Umgang mit Geschäftsmodellen, die auch die Wertarchitektur und das Nutzenversprechen umfassen36, gibt es erst wenige Arbeiten. Dabei verstärken Entscheidungen über Wertarchitektur und Nutzenversprechen • sowohl die Effizienzorientierung bzw. exploitative Ausrichtung der bisherigen Geschäftsmodelle, • als auch die Flexibilitätsorientierung und explorative Ausrichtung der neuen, innovativen Geschäftsmodelle und • damit das Paradoxon, da sowohl die gegenseitige Unterstützung beider Ge­ schäftsmodelle verstärkt wird, als auch der Widerspruch zwischen den Ge­ schäftsmodellen. Die exploitative Ausrichtung wird verstärkt, weil das traditionelle Geschäftsmodell eine Zerlegung der Wertschöpfungskette erfordert, wenn die Wertarchitektur möglichst optimiert werden soll (als Orchestrator oder (Teil)Spezialist) und ein produkt-dominiertes, vom Anbieter effizienz-getriebenes Nutzenversprechen bietet (mit einem Produkt-, Dienstleistungs- und Markenversprechen) (vgl. Kapitel 4.1.2). Die Flexibilitätsorientierung und explorative Ausrichtung im neuen, innovativen Geschäftsmodell wird verstärkt, weil in diesem Geschäftsmodell nur eine möglichst integrierte Wertschöpfungskette Flexibilität sichert, wenn die Wertarchitektur

4.3 Beidhändiges Management traditioneller und neuer Geschäftsmodelle

257

des Integrators verfolgt wird. Dabei wird ein service- und kundendominiertes Nutzenversprechen gegeben (mit einem Integrations-, Individualisierungs- und Interaktionsversprechen sowie dem Versprechen eines Gebrauchsnutzens), das eher flexibel gemeinsam mit Kunden erreicht wird. Ein solches Nutzenversprechen ist notwendig, um die Flexibilität für ein „Experimentieren“37 bei der Geschäftsmo­ dellinnovation zu ermöglichen (vgl. Kapitel 4.2.2). Angesichts der zunehmenden Ambidextrie seit Beginn des Jahrtausends und verstärkt mit den vier globalen Umfeldtrends, müssen Automobilhersteller wie Zulieferer sehr konsequent ein beidhändiges Management widersprüchlicher Aktivitäten verfolgen. BMW hat z. B. lange Zeit traditionelle wertbasierte Geschäftsmodelle konsistent verbessert und inkrementell weiterentwickelt (Abb. 4.1-2): Geschäftsmodelle für Pkw der Marken BMW, Rolls Royce und Mini, für Motorräder, sowie für Dienst­ leistungen wie z. B. Finanzdienstleitungen (z. B. Vermietung und Leasing von Neu- und Gebrauchtfahrzeugen, Versicherung) und ein Fuhrparkmanagement (Alphabet). Seit wenigen Jahren entwickelt BMW parallel dazu neue, innovative flexibilitätsorientierte Geschäftsmodelle. Dazu gehören hochinnovative produkt­ basierte Geschäftsmodelle für Elektrofahrzeuge der Marke BMW (BMWi seit 2013, iX3 ab 2020) und künftig der Marke Mini sowie für den Ladeservice ChargeNow. Völlig neue hochinnovative Geschäftsmodelle entstehen mit Zulieferern, Techno­ logieunternehmen, Dienstleistern und Wettbewerbern, u. a. Continental, Daimler, Delphi, Here und Intel/Mobileye (vgl. Abb. 4.2-3 in Kapitel 4.3): • hochinnovative produkt- und service-basierte Geschäftsmodelle (für autonom fahrende Fahrzeuge, voraussichtlich 2021 iNext als automatisiertes Fahrzeug der Stufe 3/4), • hochinnovative rein service- und damit netzwerk-basierte Geschäftsmodelle (für innovative, integrierte Mobilitätskonzepte wie „Mobility as a Service“, die verschiedene Verkehrsmittel über eine Plattform multimodal zu ganzheitlichen, individuell zugeschnittenen Kundenlösungen verbinden38 (vgl. auch Kapitel 3.3) und • hochinnovative datengetriebene und damit loyalitäts-basierte Geschäftsmodelle wie die geplanten Karten- und Datendienste in Zusammenarbeit mit Here, die einen Geodatendienst entwickeln und vermarkten oder den Verkauf von Kun­ dendaten an Versicherungen (vgl. ebenfalls auch Kapitel 3.3). Dabei sieht sich BMW zunehmend dem Paradoxon der Ambidextrie gegenüber: Einerseits unterstützen die neuen, innovativen Geschäftsmodelle die Verbes­ serung bzw. inkrementelle Veränderung der traditionellen Geschäftsmodelle,

258

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

andererseits müssen die traditionellen Geschäftsmodelle die neuen, innovativen Geschäftsmodelle finanzieren. Gleichzeitig muss BMW die widersprüchlichen Managementlogiken zwischen den traditionellen (effizienzgetriebenen) und den neuen (flexibilitätsorientierten) Geschäftsmodellen aushalten. Um dabei die Kom­ plexität des Managements auf das geforderte mittlere Maß zu senken (vgl. bereits Kapitel 1.1.3), bedarf es eines konsequenten beidhändigen Managements. Wie das aussehen könnte, wird nun begründet.

4.3.2 Erklärung eines beidhändigen Managements traditioneller und neuer, innovativer Geschäftsmodelle – Erklärungen der statischen und dynamischen Ambidextrie Weil Ambidextrie in verschiedenen Disziplinen verwurzelt ist, fällt eine gemeinsame Theoriebildung schwer39. Trotzdem muss die Frage beantwortet werden, wie Un­ ternehmen mit fundamental verschiedenen Geschäftsmodellen umgehen sollten40. Zunächst wurde die Frage in der Strategieliteratur aufgegriffen. Dort wurde vor allem die Trennung widersprüchlicher Strategien in verschiedene Geschäftsbereiche eines Unternehmens empfohlen41. Mit der Ausdifferenzierung von Wettbewerbs­ strategien zu Geschäftsmodellen wurde dann die Frage gestellt, wie durch beid­ händiges Management die Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle bei gleichzeitiger Verbesserung traditioneller Geschäftsmodelle möglich ist42. Es gibt sowohl (1) statische Erklärungen eines beidhändigen Managements traditioneller und neuer Geschäftsmodelle zu einem Zeitpunkt, als auch (2) dynamische Erklä­ rungen der Veränderungen im Zeitablauf, die später durch eine (3) gemeinsame statische und dynamische Betrachtung von Übergangsbedingungen in einem Prozessmodell erweitert wurden.

Zu (1): Beidhändiges Management von Geschäftsmodellen bei statischer Betrachtung zu einem Zeitpunkt Bei statischer Betrachtung der Ambidextrie wird häufig zwischen struktureller Ambidextrie, d. h. Trennung widersprüchlicher Aktivitätsmuster in verschiedenen organisatorischen Entscheidungseinheiten und kontextbezogener Ambidextrie un­ terschieden, d. h. Integration widersprüchlicher Aktivitätsmuster durch Aufteilung der Arbeitszeit der Mitarbeiter auf effizienzorientierte und auf flexibilitätsorientierte Aktivitäten43. Diese Unterscheidung wurde weiter ausdifferenziert, so dass heute in der Regel zwischen separativen und integrativen Ansätzen zum Umgang mit Ambidextrie differenziert wird.

4.3 Beidhändiges Management traditioneller und neuer Geschäftsmodelle

259

Ein separativer Ansatz der räumlichen Trennung der widersprüchlichen Aktivi­ tätsmuster Exploitation (hier Verbesserung bisheriger traditioneller Geschäftsmo­ delle44) und Exploration (hier Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle45) ist nicht nur in einem Unternehmen möglich (durch „strukturelle Ambidextrie“, z. B. bei BMW in die Geschäftsbereiche für bisherige Produkte der Marke BMW und neue Produkte der Marke BMWi, sondern auch unternehmensübergreifend (durch organisationsübergreifende Ambidextrie), z. B. Kooperation von BMW mit Baidu oder Intel zur Entwicklung des autonomen Fahrens46. Gemeinsame Aktivitä­ ten mehrerer Unternehmen können dabei entweder durch „sektorenübergreifende Separation“ oder durch ein Spin-off erfolgen47. Beiden separativen Ansätzen liegt eine „synthetische Sichtweise“ von Exploitation und Exploration zugrunde (vgl. Abb. 4.3-1b)48. Dabei ist nach wie vor ungeklärt, inwieweit die Unternehmenseinheiten durch das Top- und Seniormanagement integriert werden sollen. Mit der Ausdifferenzierung von Strategien zu Geschäftsmodellen reichen struk­ turelle Lösungen nicht mehr aus, weil die Trennung zu weit gehen könnte. Es wird eine Balance zwischen Trennung und Integration empfohlen, weil Marken und Wertarchitekturen nicht zu sehr getrennt werden sollten49. Insbesondere bei Risiken im Unternehmensumfeld, wie gegenwärtig durch die globalen Umfeldtrends, werden integrative Ansätze von Exploitation und Exploration als notwendig erachtet. Die Managementfähigkeit, widersprüchliche Aktivitätsmuster beidhändig zu managen (kontextuelle Ambidextrie50) kann helfen, den Stress in der Organisation zu ver­ ringern, der entsteht, wenn das interne Ressourcen- und Fähigkeitsportfolio den externen Anforderungen nicht mehr gerecht wird. Das Konzept der kontextuellen Ambidextrie folgt dabei der Überlegung, „die Simultanität von Exploitation und Exploration trotz divergierenden und konfliktären Managementlogiken durch einen ganzheitlichen Kontext zu fördern, der beide strategischen Ausrichtungen und Aktivitätsmuster in einem Unternehmen gleichzeitig ermöglicht“51.

Zu (2): Beidhändiges Management von Geschäftsmodellen bei dynamischer Betrachtung im Zeitablauf Ambidextrie wurde lange Zeit statisch, bezogen auf einen Zeitpunkt betrachtet52. Dadurch können jedoch Veränderungen durch Verbesserung traditioneller und Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle im Zeitablauf und der Übergang zwischen diesen widersprüchlichen Aktivitätsmustern nicht erklärt werden53. Da dies aber gerade in einer Umbruchphase wie im Übergang zu neuen Fahrzeugantrieben und durch die Digitalisierung wichtig ist, gewinnt die dynamische Betrachtung von Ambidextrie in der betriebswirtschaftlichen Forschung zunehmend an Bedeutung. In Erweiterung von Fojcik (2015, S. 83) lassen sich die bisher entwickelten dynami­ schen Ansätze drei unterschiedlichen Gruppen zugordnen:

260

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

1. dynamischen Ansätzen, die die „Transitivität“ von Exploitation und Explorati­ on, d. h. den Übergang zwischen den widersprüchlichen Aktivitätsmustern im Zeitablauf beschreiben und erklären, 2. dynamischen Ansätzen, die das „Proportionsverhältnis, d. h. die quantitative Relation zwischen den beiden Ambidextrie-Dimensionen“ im Zeitablauf be­ schreiben und erklären und 3. Prozessmodelle, die die statische und dynamische Perspektive der Ambidextrie verbinden und dazu den Prozess der Entwicklung und Eingliederung innova­ tiver Organisationseinheiten in etablierte Unternehmen als Problem des FuEManagements betrachten. Zu 1.: Der Übergang zwischen Exploitation und Exploration im Zeitablauf kann auf einer horizontalen und auf einer vertikalen Analyseebene betrachtet werden. Auf der horizontalen Ebene wird generell das wechselseitige Zusammenspiel zwischen Verbesserung traditioneller und Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle im Spannungsfeld von Differenzierung und Integration beschrieben. Dabei wird zwischen einem durchbrochenen Gleichgewicht („punctuated equilibrium“) und einem Zyklus der Entdeckung („cycle of discovery“) unterschieden. Die Annahme der Evolutionstheorie, dass Unternehmen Phasen des relativen Gleichgewichts und kurze Phasen der Neuentwicklung durchlaufen, wird als durchbrochenes Gleich­ gewicht bezeichnet, die Annahme, ein Unternehmen weist zu einem bestimmten Zeitpunkt entweder eine stabilere exploitative Ausrichtung auf oder eine stärker explorative Ausrichtung dagegen als Zyklus der Entwicklung54. Auf einer vertikalen Ebene werden Übergänge von explorativen und exploitativen Aktivitäten zwischen verschiedenen Hierarchieebenen bzw. Unternehmensbereichen betrachtet55. Zu 2.: Dynamische Ansätze zum (Proportions)Verhältnis von Aktivitäten der Verbesserung traditioneller und der Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmo­ delle versuchen daneben, die quantitative Ausprägung der beiden AmbidextrieDimensionen im Zeitablauf zu beschreiben und zu erklären. Dabei wird zwischen traditionellen, modernen und postmodernen Ansätzen unterschieden. Traditionelle Ansätze nehmen ein konstantes Verhältnis (eine Balance) zwischen Exploitation und Exploration an. Moderne Ansätze betonen die Möglichkeit und Notwendigkeit, dass eine der beiden Ausrichtungen in einem Unternehmen dominiert. Post­moderne Ansätze gehen davon aus, dass Unternehmen „zwischen unterschiedlichen Aus­ prägungen von Ambidextrie wechseln können“56. Zu 3.: Der Prozessansatz von Raisch und Tushman (2011) knüpft an die statischen Überlegungen an und zeigt den Übergang von strukturellen und kontextuellen

4.3 Beidhändiges Management traditioneller und neuer Geschäftsmodelle

261

Lösungen des Ambidextrieproblems im Zeitablauf (vgl. Abb. 4.3-2). Danach beginnt der Übergang von einer Exploitation zu einer Exploration mit einer sogn. „Kick-off-Phase“, in der die Reorganisation diskutiert und vorbereitet wird. Anschließend werden in einer „Initiierungsphase“ die (noch vorherrschenden) exploitativen und die (noch wenigen) explorativen Strukturen, Prozesse und Abläufe simultan implementiert, aber strukturell – in der Regel in verschiedenen Geschäftsbereichen – getrennt durchgeführt. Sie werden dabei jedoch ambidextär durch das Top-Management gesteuert und vermittelt. In einer „Übergangsphase“ werden diese Geschäftsbereiche dann auf der Geschäftsbereichsebene integriert. Dafür ist es nötig, dass einerseits das Ergebnis des explorativen Geschäftsbereichs auf der Gesamtunternehmensebene als rentabel und nachhaltig angesehen wird („ökonomische Legitimation“) und dass andererseits die Entscheidungsträger in den exploitativen Geschäftsbereichen „Synergien einer gegenseitigen Unterstützung der strukturell getrennten Geschäftsbereiche erkennen“ (kognitive Legitimation)57. Wird dies erreicht, folgt schließlich die Integration der beiden Ambidextrie-Dimensionen in der sogn. „Skalierungsphase“, in der sich die exploitativen und explorativen Geschäftsbereiche öffnen und ihren Output wechselseitig transferieren und in ihrem jeweiligen Kontext nutzen. Beide Organisationseinheiten erreichen dann eine beidhändige Ausrichtung, auch wenn in der explorativen Einheit weiterhin eine stark explorative und in der ursprünglich exploitativen Einheit weiterhin eine stark exploitative Ausrichtung vorherrscht. Sie können allerdings im Zeitablauf weiter zusammenwachsen, wenn der explorative Output weiter in die Subebenen des Unternehmens hineingetragen wird.

Kick‐off‐ hase

Top‐ Management exploitative Organisations‐ Geschäfts‐ einheit bereich: explorative Organisations‐ einheit

strukturelle  Trennung

Initiierungsphase

Übergangsphase

Skalierungsphase

Exploitation Exploration

ökonomische Legitimation

Exploration kognitive Legitimation

Exploitation Exploration Exploitation

Exploitation

Exploration Zeit

Abb. 4.3-2 Prozessmodell der Ambidextrie Quelle: Raisch, Tushman (2011) und darauf bezogen Fojcik (2015, S. 92) Abb.  4.3‐2, S. 2 2 hier ist in der Druckversion die Achse dicker => dabei war sie Pt. 1, ist jetzt Pt. 3/4

262

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Das Prozessmodell der Ambidextrie nimmt mit Rückgriff auf die Realoptionstheorie in der Strategieforschung an, dass der Übergang zwischen diesen Phasen durch die Bewältigung von Unsicherheit getrieben wird58. Zur Ablösung traditioneller Geschäftsmodelle (reine Exploitation des traditionellen Geschäfts) nach Übergangs­ phasen mit mehr oder weniger Ambidextrie durch ein neues Geschäftsmodell mit neuer Basistechnologie (reine Exploitation des neuen Geschäfts) als letzte Phase des Prozesses (Abb. 4.3-3) wird dabei nichts gesagt, obwohl sie im diskontinuier­ lichen Umbruch zu neuen Basistechnologien bereits begonnen hat. Es fehlen auch Annahmen zu den Übergangsbedingungen zwischen den Phasen, obwohl sie z. B. nach Stacey (1996) im Zentrum einer dynamischen Betrachtung des Übergangs zwischen einem Anfangsstadium (Zeitpunkt t0) und einem Endstadium (Zeitpunkt t1) stehen59.

langfristige, diskontinuierliche  Veränderungen  nitiierung des neuen Ges fts

P ase der xploration des neuen Ges fts

Übergangs p ase

P ase der xploitation des neuen Ges fts

S alierung des neuen Ges fts Integration (Digitalisierung)

Ablösung ( le tro obilit t) Split off ( nergie onzerne)

Zeit Übergangsbedingungen

Abb. 4.3-3 Verschiedene Übergangspfade zu neuen Geschäftsmodellen Quelle: eigener 3Entwurf Abb.  4.3‐3, S. 2

Das komparativ-statische Prozessmodell der Organisation von Raisch und Tus­ hman (2016) muss deshalb erweitert werden, damit Übergangsbedingungen im strategischen Prozess der Skalierung neuer Geschäftsmodelle bei langfristigen diskontinuierlichen Veränderungen betrachtet werden können. In einem dynami­

4.3 Beidhändiges Management traditioneller und neuer Geschäftsmodelle

263

schen Modell60 soll nicht nur die Integration neuer Geschäftsmodelle in etablierte Unternehmen wie bei Raisch und Tushman (2016) berücksichtigt werden. Es soll auch die Ablösung von Geschäftsmodellen, z. B. im Übergang zur Elektromobilität erfasst werden. Die neuen Geschäftsmodelle für Elektromobilität werden die tradi­ tionellen Geschäftsmodelle für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren vollständig ersetzen oder werden abgespalten, wie z. B. Innogy (nach einer Übergangsphase) von E.ON und Aptiv (Technologien für autonomes Fahren) von Delphi (vgl. Abb. 4.3-3). Statt eines unbestimmten Übergangszeitraums wird zudem ein langfristiger Übergangszeitraum angenommen, was eine Unterscheidung zwischen frühen und späten Innovatoren61 ermöglicht.

Zu (3): Erweiterung der dynamischen Betrachtung des beidhändigen Managements durch Berücksichtigung von Übergangsbedingungen zu neuen Geschäftsmodellen Hinweise auf Übergangsbedingungen speziell bei Ablösung traditioneller Geschäfts­ modelle durch neue innovative Geschäftsmodelle, in der Automobilindustrie im Übergang von der Verbrennungs- zur Elektrotechnologie, gibt die erwähnte quali­ tativ-explorative Untersuchung bei 52 deutschen Automobilunternehmen 2012 und 2013 in Deutschland, zu einem Zeitpunkt, als die Elektromobilität als Umfeldtrend noch kaum sichtbar wurde. Die Unternehmen wurden zu ihren Geschäftsmodellen und – bei unterschiedlichen Szenarien – zu voraussichtlichen Entscheidungen über die Entwicklung der Geschäftsmodelle in den Zeiträumen 2012 bis 2014, 2015 bis 2017 und 2018 bis 2020 im Übergang zur Elektromobilität befragt. Solche induktiven Studien sind hilfreich bei der Entwicklung von Erklärungen komplexer Prozesse wie der Ablösung von Geschäftsmodellen62, insbesondere bei der Entwicklung von Übergangsbedingungen zwischen den Prozessphasen. Speziell für solche ex ante durchgeführten Szenario-basierten Experimente63 spricht, dass sich selbst frühe Innovatoren in der Elektromobilität 2018 erst in der Exploitationsphase befinden, d. h. noch vor einer endgültigen Ablösung ihrer alten Geschäftsmodelle durch neue Geschäftsmodelle stehen. Der Prozess ist noch nicht ganz durchlaufen und kann deshalb noch nicht ex post analysiert werden. Die Szenario-basierten Experimente geben Hinweise auf Entscheidungen über die Veränderung der einzelnen Komponenten von Geschäftsmodellen in den drei Phasen des Übergangs in die Elektromobilität (Exploration, Übergang und Exploitation), die zumindest frühe Innovatoren für die verschiedenen Zeiträume geplant hatten. Im jedem Zeitraum wurde ein realistisches Szenario unterstellt, mit Annahme über den Anteil der Elektromobilität z. B. auf Basis der Entwicklung der Ölpreise64.

264

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Die Befragung wurde persönlich am Arbeitsplatz durchgeführt, da die Be­ fragten in ihrem strategischen Umfeld bleiben und dadurch weniger stark beein­ flusst werden65. Die Grundgesamtheit der empirischen Untersuchung bestand aus Automobil- und Energieunternehmen mit starken Aktivitäten in Deutschland, deren Geschäftmodelle im Übergang in die Elektromoblität herausgefordert sind. Es wurden in Deutschland 75 szenario-basierte Experimente durchgeführt, 52 komplette Datensätze konnten ausgewertet werden. Die Stichprobe besteht aus vier Automobilherstellern, 29 (Tier 1, Tier 2 und Tier 3) Zulieferern, 12 Dienstleistern und sieben Energieversorgern. Die Untersuchung der 52 Unternehmen 1. bestätigt frühere Untersuchungen, wonach Prozesse der Veränderung durch Eingliederung und auch Ablösung neuer Geschäftsmodelle in drei Phasen ab­ laufen, mit einer Entscheidung über die Sinnhaftigkeit (kollektive Sinngebung) beginnen und durch Skalierung zu einer Ablösung führen (vgl. Abb. 4.3-4a), 2. gibt Hinweise auf den Übergang zwischen den Phasen, der vor allem über die Ressourcenallokation als finanzielle Komponente von Geschäftsmodellen getrieben wird und die leistungsbezogenen Komponenten von Geschäftsmo­ dellen nachzieht (Abb. 4.3-4b) und 3. in einem beidhändigen Management verankert sein muss (Abb. 4.3-4c).

4.3 Beidhändiges Management traditionellerAbb. 4.3‐4,  und neuer Geschäftsmodelle

265

S. 2

a) hasen hasen der Abl sung  Tätigkeit eines  alten durch ein neues,  innovatives  Geschäfts‐ modell b)  Über‐ gangs‐ bedin‐ gungen für  Innova‐ toren

finanzielle Kompo‐ nenten von  Geschäfts‐ modellen

leistungs‐ mäßige Kompo‐ nenten von  Geschäfts‐ modellen

Initiierung kollektive Sinngebung

Explorations‐ phase Aufbau des  neuen,  Innovativen Ge‐ schäftsmodells

erste Investitionen  (ca. 1  bis 15 %) und FuE‐Ausgaben (ca. 1  bis 35%)  im neuen Geschäft

Übergang‐ sphase Bemühen um  einen Nettowert  des neuen  Geschäfts

mind. Verdoppe‐ lung der Investitio‐ nen (auf 3  bis 35%)  und der FuE‐Ausgaben (auf 35 bis > %)  im neuen Geschäft

Ausbau des Neuen Geschäfts 

Skalierung (Abl sung) Ablösung des Zeit alten durch  das neue Ge‐ schäftsmodell

Erhöhung der  Investitionen (auf 5 %) im  neuen Geschäft

Entscheidung über  Wettbewerbsvorteile: * Innovatoren: frühe Innovationsfähigkeit * späte Innovatoren:  späte Innovations‐ fähigkeit

c)  organisa‐ torische Verankerung

Exploitations‐ phase

Entscheidung über Wertarchitektur und Nutzen‐ versprechen

Umgang mit  Ambidextrie:

Umgang mit  Ambidextrie:

Umgang mit  Ambidextrie:

• frühe  Innovatoren: strukturelle  Ambidextrie („peer diffe‐ rentiation“) • späte  Innovatoren: kontextuelle  Ambidextrie

• frühe  Innovatoren: kontextuelle  Ambidextrie („peer graduation“) * späte  Innovatoren: strukturelle  Ambidextrie

• frühe  Innovatoren: unterneh‐ mensüber‐ greifende  Ambidextrie („peer domi‐ nantion“) • späte  Innovatoren: kontextuelle  Ambidextrie

Abb. 4.3-4 Prozessmodell mit Übergangsbedingungen in der Ablösung von Geschäftsmodellen Quelle: eigener Entwurf

Zu 1.: Alle 2012/13 befragten Unternehmen erwarteten zumindest das pessimis­ tische Szenario mit einem Marktanteil der Elektromobilität von drei Prozent im Zeitraum 2018 bis 2020, was aus heutiger Sicht realistisch war. In 39 der 52 Un­ ternehmen nahmen (Top)-Manager die erwarteten Umfeldveränderungen durch

266

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

die Elektromobilität bis zum Ende des Betrachtungszeitraums 2020 stark wahr und planten 10 bis 15 Prozent der Investitionsmittel und sogar bis zu 35 Prozent der FuE-Ausgaben in die Elektromobilität zu stecken. Damit versuchten sie neue Geschäfte der Elektromobilität aufzubauen, die sich von anderen Geschäften bzw. Geschäftseinheiten und von der Muttergesellschaft abgrenzten und die damit nach Raisch und Tushman (2016) die „Explorationsphase“ des Prozesses der Ablösung von traditionellen durch neue Geschäftsmodelle erreichten. All diese 39 Unternehmen planten spätestens bis zum Ende des Betrachtungszeit­ raums (2020) mindestens 30 Prozent ihrer Investitionsmittel und FuE-Ausgaben in die Elektromobilität zu stecken und so das neue, innovative Geschäft im Vergleich zu anderen Geschäften und gegenüber der Muttergesellschaft in ihrer Bedeutung zu stärken, um damit Mehrwert zu erwirtschaften. Das sind nach Raisch und Tushman (2016) Kennzeichen für die „Übergangsphase“ im Prozess der Ablösung traditioneller durch neue, innovative Geschäftsmodelle. Diese Unternehmen sind „späte Innovatoren“, weil andere Unternehmen noch schneller und stärker auf die neuen Basistechnologien setzen: Ein Drittel der Unternehmen plante 2012/13 noch weiter, wollten die Übergangsphase hinter sich lassen und bis 2020 einen Investi­ tionsanteil in der Elektromobilität von bis zu 50 Prozent erreichen. Diese „frühen Innovatoren“ planten das neue Geschäft auszubauen und sich gegenüber anderen Geschäften und der Muttergesellschaft durchzusetzen. Dies sind nach Raisch und Tushman (2016) Kennzeichen einer „Exploitationsphase“, bevor schließlich das alte, traditionelle Geschäft und Geschäftsmodell durch ein neues, innovatives Ge­ schäftsmodell abgelöst wird, in der Automobilindustrie neue Antriebstechnologien Verbrennungsmotoren verdrängen. Zu 2.: Die Szenario-basieren Experimente geben zudem Hinweise auf die Über­ gangsbedingungen zwischen den Phasen der Ablösung von Geschäftsmodellen (Abb. 4.3-4b): Sie zeigen, dass der Übergang in die Explorationsphase durch erste Investitionsentscheidungen, in der Automobilindustrie durch Investitionen und FuE-Ausgaben für die Elektromobilität getrieben wird. Frühe Innovatoren geben dafür etwa 15 Prozent ihrer Investitionsmittel und 35 Prozent ihrer FuE-Ausgaben aus, mehr als späte Innovatoren (jeweils 10 Prozent). Daneben werden im Übergang zur Explorationsphase Entscheidungen über den Wettbewerbsvorteil getroffen. Die frühen Innovatoren sehen sich als frühe Produktinnovatoren für neue Leistungen (völlig neu konzipierte Elektrofahrzeuge mit eigenem Design („purpose design“) der Fahrzeuge mit Elektromotor), während die späten Innovatoren zunächst die bisherigen Kosten- und vor allem Differenzierungsvorteile beibehalten wollen und erst später einen Wettbewerbsvorteil durch Produktinnovationsfähigkeit suchen (gemäß den Erklärungen in Kapitel 4.2.2).

4.3 Beidhändiges Management traditioneller und neuer Geschäftsmodelle

267

Der Übergang in die Übergangphase auf dem Weg zur Elektromobilität, in der im neuen Geschäft ein Nettowert geschaffen werden soll, wird durch die Res­ sourcenallokation getrieben: durch eine Verdoppelung der ersten Investitionen in die neue Technologie auf zumindest 30 Prozent der Investitionsmittel und 35 Prozent der FuE-Ausgaben (späte Innovatoren) bzw. gar auf 35 Prozent der Investitionsmittel und über 60 Prozent der FuE Ausgaben (frühe Innovatoren). Operative Entscheidungen bilden für die untersuchten Unternehmen dagegen keine Übergangsbedingungen in die Übergangsphase, weil die operativen Kompetenzen noch nicht verändert werden. Auch der Übergang in die Exploitationsphase der Elektromobilität, in der sich das neue, innovative Geschäft etabliert, wird wiederum durch die Ressourcenallokation getrieben: durch eine Erhöhung der Investitionen in die neue Technologie auf etwa 50 Prozent der Investitionsmittel bei weiterhin über 60 Prozent FuE-Ausgaben für die Elektromobilität. Diese Phase erreichen im dritten aus der Perspektive 2012/13 betrachten Zeitraum (2018 bis 2020) nur die frühen Innovatoren. Klare operative Entscheidungen bilden damit bei den untersuchten Unternehmen noch keine Übergangsbedingungen in die „Exploitationsphase“, weil sie ihre operativen Kompetenzen noch immer nicht verändern. Frühe wie späte Innovatoren setzen in dieser Phase ihre Allokationsstrategien und Wettbewerbsvorteile noch nicht konsistent fort – weder in der Wertarchitektur (die Hälfte der frühen wie späten Innovatoren zerlegt entgegen den Erklärungen im strategischen Management66 ihre Wertkette in der neuen Technologie, statt zu integrieren), noch im Nutzenver­ sprechen (nur die Hälfte der frühen wie späten Innovatoren bietet Produktbündel mit einem Integrationsversprechen an, wie es durch das strategische Management begründet wird (vgl. Kapitel 4.2.2)67. Zu 3.: Bei diskontinuierlichen Veränderungen im Übergang in die Elektromobilität, bei denen ein hohes Risiko der Kannibalisierung und des internen Wettbewerbs mit etablierten Geschäftsbereichen besteht, ist es z. B. nach Raisch und Tushman (2016, S. 1253) besonders wichtig, dass die innovativen Geschäftsbereiche unabhängig sind. Abb. 4.3-4b zeigt für die 52 untersuchten Unternehmen in Abhängigkeit von der Technologie- bzw. Innovationsstrategie der Unternehmen die Notwendigkeit eines beidhändigen Managements von traditionellen und neuen, innovativen Geschäftsmodellen. Frühe Innovatoren scheinen sich nach Initiierung einer innovativen Leistung bzw. einer Geschäftsmodellinnovation zunächst so zu verhalten, wie es Raisch und Tushman (2016) in ihrem Prozessmodell annehmen:

268

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

• In der „Explorationsphase“ trennen sie neue, innovative Geschäftsmodelle mit explorativen Strukturen, Prozessen und Abläufen für innovative Leistungen strukturell von ihren bisherigen Geschäftsmodellen mit exploitativen Strukturen, Prozessen und Abläufen für die traditionelle Leistungen („peer differentiati­ on“68). Diese strukturelle Separation erfordert eine „strukturelle Ambidextrie69. • In der „Übergangsphase“ verstärken frühe Innovatoren durch Leistungsüber­ tragung („peer graduation“) das neue Geschäft. Integration erfordert dann „kontextuelle Ambidextrie70. • Um anders als von Raisch und Tushman (2016) angedacht, die bisherigen Ge­ schäftsmodelle in der „Exploitationsphase“ ganz abzulösen, scheinen sie sich dann allerdings eher wieder strukturell zu trennen: in eine eigene Organisationseinheit, die ggf. die traditionellen Leistungen in Niedriglohnländern produziert71, da sie noch eine Zeit lang nachgefragt werden (strukturelle Ambidextrie) oder in ein eigenes Unternehmen abgeben (sektoren- oder unternehmensübergreifen­ de Ambidextrie72), das ggf. noch kapitalmäßig verflochten bleibt, wie z. B. die Powertrainsparte nach der Abspaltung von Delphi. Bei den späten Innovatoren wird eine umgekehrte Abfolge von struktureller und kontextueller Ambidextrie angenommen: • Hier erfolgen Initiierung und Übergang zu einer neuen Leistung und einem neuen Geschäftsmodell so zögerlich, dass zunächst keine eigene Organisationseinheit für die neuen Aktivitäten gebraucht wird und ein kontextuelles Management von Exploration und Exploitation ausreicht. • Die strukturelle Trennung erfolgt erst später, wenn sich die neue Technologie bzw. Leistung bereits am Markt etabliert hat und Erfahrungen der Technolo­ gieführer übernommen werden können. • Mit dem Durchbruch der neuen Geschäftsmodelle in der „Exploitationsphase“ erfolgt wieder eine kontextuelle Steuerung, bis das alte Geschäft aufgegeben wird (vgl. Abb. 4.3-4b).

4.3.3 Erst zögerliches Bemühen um ein beidhändiges Management bisheriger und neuer, innovativer Geschäftsmodelle In den Kapitel 4.1.3 und 4.2.3 wurde gezeigt, dass multinationale Automobilunter­ nehmen, Hersteller wie Zulieferer, bislang nicht ausreichend auf die langfristigen diskontinuierlichen Veränderungen durch die vier globalen Umfeldtrends, vor allem

4.3 Beidhändiges Management traditioneller und neuer Geschäftsmodelle

269

auf den Umbruch zu neuen Fahrzeugantrieben und die Digitalisierung reagieren: Sie verbessern noch zu stark traditionelle Geschäftsmodelle für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, weil sie nur hier Gewinne machen bzw. höhere Profita­ bilität erreichen und investierten – zumindest bis zur Dieselkrise – mit wenigen Ausnahmen nur zögerlich, fast widerstrebend in neue, Geschäftsmodelle für neue Leistungen wie elektrische und autonom fahrende Fahrzeuge, obwohl ihnen klar ist, dass das so nicht bleiben kann und wird. Umstrukturieren und Umsteuerung sind aber sehr teuer, zudem viele Arbeitsplätze gefährdet. Deshalb kann nicht verwundern, dass multinationale Automobilunternehmen ein beidhändiges Management traditioneller und neuer, innovativer Geschäftsmo­ delle bislang nur im Ansatz verfolgen. Die Untersuchung der 52 Unternehmen zu Beginn des Übergangs in der Elektromobilität zu geplanten Investitionen in die neuen Technologien (Kapitel 4.3.2) ergab, dass damals die meisten Unternehmen zwar die finanzielle Komponente der Ressourcenallokation im Sinn hatten und sie Produktinnovationsfähigkeit anstrebten, Wertarchitektur und Nutzenversprechen aber noch nicht konsistent planten. Seit 2018 lassen Hersteller wie Zulieferer, z. B. Volkswagen, Webasto, ZF und Mahle auf dem 18. Car Symposium 2018 in Bochum oder beim 10. Wissenschaftsforum Mobilität 2018 in Duisburg erkennen, dass ein beidhändiges Management notwendig ist. Sie investieren zwar noch in Produkte für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, Mahle z. B. in Kolben, ZF in Getriebe jedoch zunehmend in Fahrzeuge mit Elek­ tromotor, Mahle in Kühlsysteme sowie Steuergeräte und Leistungsinstrumente für Nebenaggregate73, Webasto in Standheizungen und Batteriesysteme und ZF in einen autonom fahrenden „People Mover“. Volkswagen will 2025 30 völlig neu konzipierte, rein elektrische Fahrzeuge auf den Markt bringen und damit zum späten Innovator werden. Ein Vorstand von Mahle betonte, dass die seit 2016 verfolgte „duale […] Strategie zur parallelen Entwicklung von Produkten rund um den Verbrennungsmotor und von Erzeugnissen für die Elektromobilität“74 konsequent fortgesetzt werde. Mahle stellte zudem MEET vor, ein hocheffizientes 48-Volt-Fahrzeugkonzept für urbane Mobilität. Der CEO von Webasto, berichtete was auch auf der Hompage75 zu lesen ist: dass das Unternehmen „in den Kernge­ schäftsfeldern Schiebe- und Panoramadächer, Cabrioverdecke und Standheizungen […] seit Jahrzehnten immer wieder Trends – in Technologie und Design“ setzt und gleichzeitig mit „elektrischen Heizsystemen, Ladelösungen und Batteriesystemen“ in „den Wachstumsmarkt der Elektromobilität“ geht. Diese Beispiele stehen für viele Unternehmen, die neben dem traditionellen Geschäft, konsequent neue innovative Geschäftsmodelle entwickeln, Audi z. B. unter dem Kürzel DNU (Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Urbanisierung), Daimler unter CASE (Connected, Autonomous,

270

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Shared and Electric), d. h. Vernetzung, autonomes Fahren, flexible Nutzung und elektrischer Antrieb, ähnlich wie BMW unter ACES: Automated, Connected, Electrified und Shared“. Auch wenn noch kaum Elektrofahrzeuge zu sehen sind und die Ladeinfrastruktur noch unzureichend ist, nimmt der Übergang zur Elektromobilität und die Digitalisie­ rung Fahrt auf. Ankündigungen neuer Fahrzeug-, Nutzungs- und Vertriebskonzepte, neuer Wettbewerber und politischer Vorgaben, u. a. Emissionsgrenzwerte und in China Produktionsquoten für Elektrofahrzeuge, zwingen die „alte“ Automobilin­ dustrie zur Aufgabe ihrer zögerlichen Entscheidungen für Innovationen in neue Technologien und Mobilitätslösungen. Die Automobilunternehmen richten sich deshalb allerdings zu sehr auf eine Dualität von traditionellen und neuen, inno­ vativen Geschäftsmodellen ein und treiben damit noch zu wenig eine dynamische Ablösung traditioneller Fahrzeuge mit Fahrer und Verbrennungstechnologie durch elektrische und selbstfahrende Fahrzeuge und neue digitale Mobilitätskonzepte. Für ein dynamisches beidhändiges Management sind Veränderungsfähigkeiten (Dynamic Capabilities)76 wichtig, die es ermöglichen Fähigkeiten bzw. Kompetenzen im Zeitablauf weiterzuentwickeln, wenn der Aufbau von Kompetenzen z. B. durch Umfeldveränderungen gestört wird77 und den Übergang zu neuen Basistechnolo­ gien in der Breite der Organisation zu verankern. Weil es in Zeiten zunehmender Unsicherheit bei der Umsetzung von Veränderungsfähigkeiten in Unternehmen häufig zu Verzögerungen kommt78, ist zudem eine schnelle Reaktionsfähigkeit und eine schnelle verbindliche Entscheidungsfindung wichtig, eine Fähigkeit, die Agilität79 genannt wird. Weiterhin muss im Übergang zu neuen Geschäftsmodel­ len Wertschöpfung im traditionellen Geschäft abgebaut und im neuen Geschäft aufgebaut werden, was in kapitalintensiven Branchen mit hohen Fixkosten wie der Automobilindustrie nur gelingen kann, wenn Unternehmen die Fähigkeit besitzen, Größen- und Verbundvorteile zu optimieren, um die Fixkosten optimal zu verteilen (vgl. dazu auch Kapitel 6). Multinationale Automobilunternehmen sind dabei, ihre frühen Entscheidungen zu hinterfragen und treffen, gestufte Entscheidungen80: Nachdem sie früh über eine Ressourcenallokation und eine frühe oder späte (Produkt)Innovationsfähigkeit entschieden haben, treffen sie nun Entscheidungen über Wertarchitektur (d. h. über eine frühe oder spätere Integration der Wertarchitektur bei Kooperatio­ nen („leapfrogging“) zum Kompetenzerwerb) und über das Nutzenversprechen. Derart gestufte Managemententscheidungen verringern die Komplexität und die Unsicherheit in der Übergangszeit bis zur Durchsetzung eines Industriestandards.

4.3 Beidhändiges Management traditioneller und neuer Geschäftsmodelle

271

Endnoten 1 2

Vgl. Davis u. a. (2009). „Parallel business models“ (Khanagha u. a., 2014, S. 324, aber auch Markides, 2015 und Massa u. a. 2017, S. 80). 3 Vgl. Mitchell, Coles (2003, S. 41). 4 Vgl. z. B. Anderson, Tushman (1990), Bucherer u. a. (2012), Abdelkafi u. a. (2013) oder Frankenberger (2013). 5 Vgl. z. B. auch Fojcik (2015, S. 22). 6 Vgl. z. B. Markides, Charitou (2014), Chesbrough (2010) und Raisch, Tushman (2011, 2016). 7 Vgl. Raisch, Tushman (2016). 8 Vgl. z. B. Raisch, Birkinshaw (2008); Simsek u. a. (2009); Proff, Haberle (2010); Fojcik (2015, S. 19). 9 Fojcik (2015, S. 19). 10 Vgl. auch Raisch, Birkinshaw (2008); Simsek u. a. (2009) und Proff, Haberle (2010). 11 Fojcik (2015, S. 20), vgl. auch Proff, Haberle (2010) bezogen auf Duncan (1976) und Tushman, O’Reilly (1996). 12 Rumelt (1980, S. 360). 13 Ebd. 14 Prahalad, Bettis (1986). 15 Vgl. z. B. Tushman, Romanelli (1985), Volberda (1996), Brown, Eisenhardt (1997), aber auch Jansen u. a. (2006) und Fojcik (2015, S. 37–42). 16 Fojcik (2015, S. 59–60). 17 Interne Inkonsistenz ist gegeben, wenn das Streben nach einem Unternehmensvorteil den Erfolg mindestens eines anderen Unternehmensvorteils vermindert (vgl. Milgrom Roberts 1990, S 513 u.- 515, vgl. auch Proff 2002a, S. 74 und Proff, Haberle (2010). 18 Vgl. Rumelt (1979 und 1980). 19 Vgl. z. B. Gaitanides (1983, S. 165) und darauf bezogen Proff, Haberle (2010). 20 Vgl. Thompson (1967) sowie Laux, Liermann (1997). 21 Vgl. Cyert, March (1963, S. 63); Mette (1999, S. 144) und darauf bezogen Proff (2002a, S. 82). 22 Vgl. Basil, Cook (1974), Sanchez (1997) und Proff (2002a). 23 Vgl. Rumelt (1980) zur externen Konsistenz („consonance“). 24 Vgl. z. B. Lawrence, Lorsch (1967) und darauf bezogen Proff (2002a, S. 82). 25 Fojcik (2015, S. 60–61). 26 Vgl. Milgrom, Roberts (1990, 1992). 27 Vgl. z. B. Chesbrough (2010, S. 358), Smith u. a. (2010). 28 Vgl. z. B. March (1991), aber auch Proff, Haberle (2010). 29 Vgl. z. B. Cao u. a. (2009) und Proff, Haberle (2010). 30 Vgl. Fojcik (2015, S. 38).

272

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

31 Vgl. z. B. Gupta u. a. (2006); Henderson, Clark (1990). 32 Vgl. Levinthal, March (1993); Tushman, O’Reilly (1996); Brown, Eisenhardt (1997). 33 Vgl. Proff, Haberle (2010, S. 86) bezogen auf Sanchez u. a. (1996) und Volberda u. a. (2001). 34 Fojcik (2015, S. 76–77) bezogen auf z. B. Lavie u. a. (2010). 35 Vgl. Fojcik (2015, S. 77 und die dort genannten Studien, vor allem Gibson, Birkinshaw 2004). Er weist darauf hin, dass die empirischen Untersuchungen „aufgrund unterschied­ licher Messgrößen, Methoden, Taxonomien und zugrunde gelegter Analyseeinheiten sowie -ebenen in den seltensten Fällen unmittelbar verglichen werden können“ (S. 75). 36 Vgl. z. B. Markides (2015). 37 Vgl. z. B. McGrath (2010). 38 Vgl. z. B. Hietanen (2014). 39 Vgl. z. B. Simsek (2009), Proff, Haberle (2010), Markides (2015) und Fojcik (2015). 40 Vgl. z. B. Khanagha u. a. (2014, S. 323). 41 Vgl. z. B. Porter (1996). 42 Vgl. Markides (2015). 43 Vgl. Gibson, Birkinshaw (2004). 44 Bei struktureller Trennung widersprüchlicher Aktivitätsmuster innerhalb einer Or­ ganisation sollte ein auf Verbesserung des bisherigen Geschäftsmodells gerichteter Geschäftsbereich „formalisierte und mechanistische Strukturen, effiziente Prozesse, eine risikoaverse, kunden- und beziehungsorientierte Kultur, autoritäre und transaktionale Führung sowie marken- und produktivitätsfördernde Anreizstrukturen“ (Fojcik 2015, S. 66 und 70) aufweisen, um die Kosten der kontinuierlichen Verbesserung zu minimieren. 45 Ein auf die Entwicklung eines innovativen Geschäftsmodells gerichteter Geschäftsbe­ reich, sollte dagegen „lose, dezentralisierte Strukturen, flexible Prozesse, eine risiko- und experimentierfreudige Kultur sowie visionäre und transformationale Führungsstile aufweisen“ (ebd., S. 66–67 u. a. bezogen auf Tushman, O’Reilly 2004). 46 Vgl. Fojcik (2015, S. 65–73). Er unterscheidet die zeitliche Trennung von Exploitation und Exploration, d. h. eine Abfolge, die aber nur durch sehr kurze Phasen der simultanen Umsetzung von Exploration und Exploitation unterbrochen wird. Sie ist deshalb eher der antagonistischen Sichtweise zuzurechnen (ebd. S. 72) und wird deshalb hier nicht weiter betrachtet. 47 Vgl. z. B. Fojcik (2015, S. 70), auch Proff u. a. (2013b und 2014b, S. 110–111), zu Spinnoffs auch Tushman u. a. (2010). Ein solches Vorgehen wurde durch Untersuchungen zu Kooperationen, Allianzen und Unternehmensnetzwerken begründet und auf die Ambidextrieforschung übertragen. Unternehmen sollten danach „innerhalb ihrer Unter­ nehmensgrenzen nur eine strategische Ausrichtung und damit nur ein Aktivitätsmuster verfolgen. Die andere strategische Ausrichtung […] sollte dagegen ein komplementäres Partnerunternehmen umsetzen“. Die Gleichzeitigkeit beider Ausrichtungen sollte durch „aktive Austauschbeziehungen“ sichergestellt werden (Fojcik 2015, S. 69). 48 Fojcik (2015, S. 66 und S. 70). 49 Vgl. Markides (2015). 50 Vgl. Gibson, Birkinshaw (2004), aber auch Tushman, O’Reilly (1996).

4.3 Beidhändiges Management traditioneller und neuer Geschäftsmodelle

273

51 Fojcik (2015, S. 73). Dies wird einerseits durch aktive Förderung der Mitarbeiter möglich, z. B. durch weitgehende Autonomie und Schaffung von Vertrauen mit Beteiligung an Entscheidungen und andererseits durch „Disziplin und Selbstverantwortung durch klare Standards, definierte Zielsetzungen, regelmäßige Feedbacks und umfangreiche Anreizsysteme“ (ebd. S. 74 -75), aber auch bereits Birkinshaw, Gibson 2004, S. 50 und darauf bezogen Proff, Haberle (2010). 52 Vgl. z. B. Gibson, Birkinshaw (2004), Schad u. a. (2016, S. 2). 53 Vgl. z. B. Raisch u. a. (2009), Fojcik (2015, S. 79) oder Raisch, Tushman (2016, S. 1238). 54 Vgl. Fojcik (2015, S. 88). 55 Vgl. ebd. (S. 84). 56 Fojcik (2015, S. 85). 57 Ebd. (S. 93). 58 Vgl. z. B. Folta (1998); McGrath (1997) und Raisch, Tushman (2016, S. 1240, 1249 und 1254). 59 Vgl. Caves, Porter (1977), Bogner u. a. (1996). 60 Vgl. Glake u. a. (1981); aber auch Caves, Porter (1977), Bogner u. a. (1996). 61 Vgl. Ross und Sharapov (2015). 62 Vgl. z. B. Langley (1999); Miller, Tsang (2010). 63 Vgl. z. B. Mantel u. a. (2006), Rugtusanatham u. a. (2011) oder Sommer (2016). 64 Vgl. z. B. Sandau (2009), aber auch Lynn, Akgün (1998) bezogen auf Ansoff (1965). Um der Unsicherheit im strategischen Management für den letzten Zeitraum 2018 bis 2020 zu entsprechen, wurde für diesen Zeitraum zusätzlich ein optimistisches und ein pessimistisches Szenario über die Entwicklung der Elektromobilität entwickelt. Die Szenarien basieren auf Studien über die Entwicklung der Elektromoblität von Forschungseinrichtungen und Beratungsunternehmen. Aus heutiger Sicht ist in den ersten beiden Zeiträumen das realistische Szenario eingetreten (vgl. z. B. Book u. a. 2009, Valentine-Urbschat, Bernhart 2009). 65 Vgl. z. B. Miller, Tsang (2010). 66 Vgl. z. B. Proff u. a. (2014a). 67 Vgl. ebenfalls Proff u. a. (2014b). 68 Raisch, Tushman (2016). 69 Vgl. z. B. Benner, Tushman (2003, S. 247), Raisch, Birkinshaw (2008) und Fojcik (2015, S. 68). 70 Vgl. z. B. Tushman, O’Reilly (1996), Gibson, Birkinshaw (2004) und Fojcik (2015, S. 72). 71 Z. B. Proff (2011). 72 Vgl. Fojcik (2015, S. 69) bezogen auf Lawrence und Lorsch (1967); Duncan (1976); Raisch, Birkinshaw (2008). 73 Mahle Pressemeldung vom 26.April 2017 (https://www.mahle.com/de/news-and-press/ press-releases-mahle-positioniert-sich-fur-die-zukunft-49728). 74 Mahle Pressemeldung vom 26.April 2017 (https://www.mahle.com/de/news-and-press/ press-releases/mahle-positioniert-sich-fur-die-zukunft-49728). 75 https://www.webasto-group.com/de/das-unternehmen (abgerufen am 14.2.2018).

274

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

76 Vgl. z. B. Teece u. a. (1997), Teece (2007, 2014b und 2018b); Eisenhardt, Martin (2000) oder Peteraf u. a. (2013). 77 Vgl. McGrath u. a. (1995). 78 Vgl. Proff, Knobbe (2019). 79 Vgl. z. B. Doz, Kosonen (2008, S. 65). 80 Vgl. z. B. Hoch (2001).

4.4

Ansatzpunkte einer weitergehenden Neuausrichtung der Geschäftsmodelle multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Eine Zusammenfassung

4.4 Ansatzpunkte einer weitergehenden Neuausrichtung

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Die Kapitel 4.1 bis 4.3 sollten zeigen, dass multinationale Automobilunternehmen, Hersteller wie Zulieferer, angesichts der globalen Umfeldtrends, d. h. langfristiger Nachfrageveränderungen und insbesondere langfristiger diskontinuierlicher Veränderungen von Fahrzeugantrieben und durch die Digitalisierung bei gleich­ zeitigem Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes, ihre Geschäftsmodelle schnell neu ausrichten müssen. Sie • konzentrieren sich noch zu sehr auf die traditionellen Geschäftsmodelle, mit denen sie zwar bisher noch allein Geld verdienen, die sie aber längerfristig aufgeben müssen (Kapitel 4.1.3), • verfolgen neue, innovative Geschäftsmodelle, die die traditionellen Geschäfts­ modelle ersetzen werden und zunächst noch kaum Gewinn versprechen, bislang eher zögerlich und widerstrebend (Kapitel 4.2.3) und • entscheiden sich auch nur langsam für ein konsequentes dynamisches, beidhändi­ ges Management von traditionellen und neuen Geschäftsmodellen (Kapitel 4.3.3). Innovative Leistungen wie Carsharing, vor allem aber Leistungen für die Elektromo­ bilität und für autonomes Fahren sind gegenwärtig für alle Anbieter Verlustbringer. Die Automobilunternehmen haben im Übergang aber auch nichts anderes erwartet, wie die Szenario-gestützte Befragung der 52 Automobilunternehmen im Übergang in die Elektromobilität1 2012 und 2013 in Deutschland (Kapitel 4.3.2) zeigen. Der erwartete Markthochlauf der Elektromobilität führt zunächst zu insgesamt negati­ ven Auswirkungen auf die Gesamtprofitabilität der Automobilunternehmen, wenn immer mehr hoch profitable Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor durch unprofitable Elektrofahrzeuge ersetzt werden (Abb. 4.4-1). Die Profilitabiltätsrisiken im neuen, innovativen Geschäft steigen zusätzlich mit dem Druck des Kapitalmarkts auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes (Kapitel 3.4) und der Ausdifferenzierung der Mo­ bilitätsnachfrage (Kapitel 3.1) bei gleichzeitig immer stärkerer Ausdifferenzierung der wachsenden Automobilmärkte (Kapitel 2.1) und der Wettbewerbslandschaft (Kapitel 2.2). Sie steigen zudem durch neue Wettbewerber wie z. B. Tesla (vgl. die Einführung zu diesem Kapitel). Tesla z. B. hat keine Aktivitäten in der Verbrennungstechnologie 275

276

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

und damit ein Gewinnmodell, in dem operative Verluste in der Elektromoblität durch massiv steigende Aktienkurse ausgeglichen werden. Dadurch werden etab­ lierte Unternehmen mit geringer Profitabilität im traditionellen Geschäft bedroht, die in der Übergangsphase zum neuen, innovativen Geschäft sehr anfällig sind. Dennoch bleibt multinationalen Automobilunternehmen keine Alternative zu einem konsequenten Übergang in das neue, innovative Geschäft mit elektrischen und autonom fahrenden Fahrzeugen. Denn es steigen auch Profitabilitätsrisiken im traditionellen Geschäft, wenn Automobilzulieferer in schrumpfenden Märkten keine Kostensenkungen mehr bringen und Automobilhersteller das Preispremium nicht mehr halten können (Kapitel 4.1.1). Das von den Kapitalgebern geforderte, mindestens stabile Gewinnniveau ist in Gefahr, wenn die Automobilunternehmen zu lange an der Verbesserung traditioneller Leistungen und Geschäftsmodelle fest­ halten, weil sich damit der Gewinnrückgang nicht aufhalten lässt. Außerdem steigt der Druck auf die Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle durch staatliche Regularien wie z. B. CO2-Vorgaben im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter und Kooperationspartner sowie durch externe Kapitalgeber (vgl. Kapitel 4.2.1). Steigen Marktvolumen und Größenvorteile im neuen Geschäft, wird sich die Ablösung der alten durch die neuen Geschäftsmodelle verstärken. Wird der Nutzen der Investitionen in neue Antriebstechnologien und die Digitalisierung größer, entsteht ein Sog der Investitionsmittel in die neuen Geschäftsmodelle, um die Profitabilität schnell zu verbessern. Gleichzeitig wird das bisherige Geschäftsmodell durch den Abzug von Finanzmitteln unattraktiver („Beschleunigungseffekt“ der Ablösung alter durch neue Geschäftmodelle, vgl. Abb. 4.4-1). Angesichts der Profitabilitätsrisiken im Übergang zu neuen, innovativen Ge­ schäftsmodellen in der Automobilindustrie lassen sich Empfehlungen für eine weitergehende Neuausrichtung der Geschäftsmodelle aufgrund der vier weltweiten Umfeldtrends und vor allem des Umbruchs zu neuen Basistechnologien ableiten: 1. Im Übergang zu neuen Basistechnologien wird es nicht reichen, in einer Phase der Exploration neuer Geschäftsmöglichkeiten mit elektrischen und autonom fahrenden Fahrzeugen die Ressourcenallokation und die Wettbewerbsvorteile zu überdenken (d. h. die Ressourcen zu bündeln und Produktinnovationsfähigkeit anzustreben), ohne die übrigen leistungebezogenen Komponenten Wertarchi­ tektur und Nutzenversprechen anzupassen. 2. Stattdessen müssen Automobilunternehmen in den Phasen des Übergangs zu und der Exploitation von neuen Geschäftsmöglichkeiten in gestuften Entscheidungen auch die Wertarchitektur und das Nutzenversprechen der neuen, innovativen Leistungen und damit die gesamten Geschäftsmodelle anpassen (d. h. versuchen,

4.4 Ansatzpunkte einer weitergehenden Neuausrichtung

277

die Wertschöpfung zu integrieren und ein service- und kundendominiertes Nutzenversprechen anzustreben).

Gewinne 5

angestrebte Gesamtgewinne

Gewinne mit neuen, innovativen Geschäftsmodellen

3 2

Beschleunigungseffekt Gewinne mit traditionellen Geschäftsmodellen

1

2 18

Zeit

Abb. 4.4-1 Gewinne im Prozess der Ablösung traditioneller durch innovative Geschäftmodelle Quelle: eigener Entwurf

3. Das gilt bisher vor allem für frühe Innovatoren, aber auch späte Innovatoren müssen spätestens dann, wenn sich ein neuer Industriestandard bzw. ein neues Abb.  4.4‐1, S. 2 9 hier ist in der Druckversion die Achse dicker dominantes Design2 in der Automobilindustrie ankündigt, den Sprung wagen => dabei war sie Pt. 1, ist jetzt Pt. 3/4 und neue Ressourcen, Fähigkeiten, Kompetenzen und Leistungen schaffen, => auch die Schrift von Beschleunigungseffekt, Gewinne und Zeit war zu auch wenn dies mit einer Verbesserung traditioneller Ressourcen, Fähigkeiten, Kompetenzen, Leistungen und Märkte im Widerspruch steht. 4. Es ist notwendig, mit einem konsequenten dynamischen beidhändigen Ma­ nagement3 traditionelle Leistungen und Geschäftsmodelle durch neue, inno­ vative Leistungen und Geschäftmodelle in mehreren Phasen abzulösen und den Übergang zu managen.

278

4 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

5. Um die durch die globalen Umfeltrends weiter steigende Komplexität zu begren­ zen und die Profitabilität zu erhöhen, sind Veränderungsfähigkeiten (Dynamic Capabilities) erforderlich und agile Entscheidungsstrukturen zu schaffen. Solche Fähigkeiten ermöglichen es, diskontinuierliche Umfeldveränderungen wahrzunehmen, neue strategische Möglichkeiten zu ergreifen und die unter­ nehmerischen Kompetenzen neu zusammenzustellen4, um die Veränderungen von Geschäftsmodellen beidhändig zu managen. 6. Für multinationale Automobilunternehmen ist es in der Umbruchsphase wich­ tig, Manager zu haben, die schnell entscheiden, damit der Übergang zu neuen Leistungen und Geschäftsmodellen gelingt. 7. Dabei besteht die Herausforderung darin, dass die Anpassung der Gewinne (Abb. 4.4-1) in der kapitalintensiven Automobilindustrie lange dauert, weil der Auf- und Abbau von Volumen nicht reibungslos erfolgt, da Größen- und Verbundvorteile zu berücksichtigen sind.

Endnoten 1 2 3 4

Vgl. Proff u. a. (2014a, b). Vgl. Utterback, Abernathy (1975); Henderson, Clark (1990, S. 14). In Erweiterung von Raisch, Tushman (2016). Vgl. z. B. Teece (z. B. 2007, 2014a und 2018a).

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs 5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung 5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Proff, Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26759-9_5

279

280

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

In den Kapiteln 2 und 3 wurde begründet, dass Veränderungen im Unterneh­ mensumfeld die Komplexität für multinationale Automobilunternehmen deutlich erhöht haben. Dies gilt bereits für die Ausdifferenzierung der wachsenden Auto­ mobilmärkte und der Wettbewerbslandschaft seit Beginn des Jahrtausends, auf die die Automobilunternehmen mit einer Ausdifferenzierung der Strategien zu Geschäftsmodellen und mit dem Übergang von einer eher länderübergreifenden zu einer stärker länderspezifischen Steuerung reagiert haben (vgl. Kapitel 2.5). Stärker noch erhöht sich die Komplexität für multinationale Automobilun­ ternehmen durch die gegenwärtigen Veränderungen im Unternehmensumfeld durch die globalen Umfeldtrends in der Automobilindustrie (Kapitel 3), 1. durch die Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage, 2. durch die Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe, 3. durch die Digitalisierung der Prozesse, Leistungen und Geschäftsmodelle sowie 4. durch den Druck der Kapitalgeber auf die Verringerung des Kapitaleinsatzes. Die Komplexität steigt dabei auch, weil die Veränderungen weltweit erfolgen, wenn auch räumlich sehr unterschiedlich. Das zeigt z. B. die sehr unterschiedliche Nachfrage nach Elektrofahrzeugen in China, Indien oder Brasilien, erklärbar u. a. durch Unterschiede der politischen Förderung, der Infrastruktur und der Energieversorgung. Angesichts der starken Zunahme der Komplexität müssen sich die multinationalen Automobilunternehmen nicht nur strategisch neu aufstellen (Kapitel 4), sondern auch die Steuerung ihrer ausländischen Toch­ tergesellschaften neu ausrichten. Dabei bedeutet Steuerung die Abstimmung der Aktivitäten von Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften1 bzw. die „effiziente Aufteilung der Entscheidungskompetenzen zwischen der Muttergesellschaft und den ausländischen Tochtergesellschaften“2. Die multinationalen Automobilunternehmen rücken bereits etwa seit der Jahr­ tausendwende von ihrer weitgehend zentralisierten und länderübergreifenden Steuerung ab und bemühen sich um eine stärker länderspezifische Steuerung (vgl. Kapitel 2.4) – gemäß der Aussage des ehemaligen VW Vorstandsvorsitzenden Müller über Volkswagen im Mai 2016: „Ein Unternehmen dieser Größe, dieser Internationalität und Komplexität kann man nicht mit den Prinzipien und Struk­ turen von gestern steuern“3. Angesichts der Länderspezifität der globalen Umfeldtrends wächst der Druck auf ausländische Tochtergesellschaften, insbesondere ausländische Montage- und Pro­ duktionsbetriebe, vor allem in wachsenden Märkten4 außerhalb der EU und Japans, sich lokal, autonom und dezentral zu organisieren5, um ihre Märkte zu entwickeln und Wissen und Kompetenzen für das gesamte Unternehmen aufzubauen. Dafür müssen die Tochtergesellschaften individuell und spezifisch gesteuert werden6.

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

281

Gleichzeitig wächst aber auch der Druck auf multinationale Automobilunter­ nehmen, angesichts der hohen Kosten der Entwicklung neuer Fahrzeugantriebe sowie der Digitalisierung der Prozesse, Leistungen und Geschäftsmodelle, die Autonomie der Tochtergesellschaften zu begrenzen, um die Kosten zu mindern und Synergien durch globale Standardisierung zu erreichen7. Deshalb müssen sich multinationale Unternehmen um eine möglichst homogene, länderübergreifende Steuerung der ausländischen Tochtergesellschaften8 bemühen. Zwischen einer länderspezifischen und einer länderübergreifenden Steuerung be­ stehen Zielkonflikte, die durch widersprüchliche Zwänge der weltweit sichtbaren und doch länderspezifisch unterschiedlichen Umfeldtrends verstärkt werden (Ka­ pitel 2.5 und Abb. 5–1). Sie betreffen die gegensätzlichen Organisationsprinzipien (Effizienz- und Flexibilitätsorientierung). Der Gegensatz zwischen Effizienz- und Flexibilitätsorientierung besteht auch zwischen einer Verbesserung traditioneller und der Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle und ist im Management sehr häufig9. Er verstärkt aber auch die Debatte im internationalen Management um die Steuerung multinationaler Unternehmen zwischen Hierarchie10 und Autonomie der Tochtergesellschaften11 bzw. zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung12. Wie in Kapitel 2.4.2 bereits betont, lassen sich Zielkonflikte in multinationalen Unternehmen mit komplexen Matrix- oder Netzwerkstrukturen von Funktionsund Geschäftsbereichen sowie Tochtergesellschaften, die jeweils ihre eigenen Interessen verfolgen13, durch die Agency Theorie (in einer breiten Perspektive), die Ressourcenabhängigkeitstheorie und den Kompetenzansatz erklären (vgl. Abb. 5.1). Hier gilt es einen Ausgleich bzw. eine Balance zu finden14, um den „entgegen­ gesetzten Anforderungen gleichzeitig gerecht“ zu werden15. Dazu wurden bereits um 1990 netzwerkähnliche Organisationsmodelle vorgeschlagen (Kapitel 2.4), die wie z. B. das Konzept des „transnationalen Unternehmens“16 versuchen, gleichzeitig nationale Unterschiede, Größen- und Verbundvorteile17 zu nutzen. Diese Modelle konnten sich aber weder als Führungskonzeption durchsetzen noch als Konzept der strategischen Ausrichtung. Das trifft auch zu für das Konzept eines „metanationalen Unternehmens“, das weltweit ungenutzte Technologien sowie Marktwissen und Fähigkeiten mobilisiert und nutzt18. Solche Netzwerkkonzepte sind idealtypisch19, und zudem einseitig, weil sie die Notwendigkeit einer Integration und länderüber­ greifenden Steuerung vernachlässigen. Einer Balance näher kommt das Konzept eines „meta-multinationalen“ Unter­ nehmens20, das Wissen und internationale Aktivitäten strukturiert und in einem Netzwerk – unternehmensintern und mit Kooperationspartnern – koordiniert. Es ist ein „hybrides Konzept“21, in dem die Muttergesellschaft nicht nur Wissen und Kompetenzen orchestriert, sondern insbesondere in einem dynamischen globalen

282

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

Umfeld22 auch GrößenvorteileAbb. 5.1,  erzielt23, indem sie vor allem die Kontrolle über Wissen und finanzielle Ressourcen behält24. S. 292

breite Agency‐ erspektive

globale  Umfeldtrends

Muttergesellschaft

‐ weltweite  Ausdifferenzierung  der Mobilitäts‐ nachfrage ‐ weltweite Ausdifferenzierung  der Fahrzeugantriebe ‐ weltweite Ausdifferenzierung  von Prozessen,  Leistungen und  Geschäftsmodellen  durch die  Digitalisierung ‐ weltweiter Druck der Kapaitalgeber auf eine Verringerung  des Kapitaleinsatzes

Abb. 5-1

internationale  Ausrichtung globale  Standardisierung

rinzipale

Vor‐ stand

Steuerung

Geschäftbereiche,/Funktionen Streben nach  länderübergreifender Steuerung der  Tochtergesellschaften

Nutzung weltweiter Synergien und  minimaler Kosten 

Zielkonflikt

broader agency theory Management von  Zielkonflikten der Steuerung

lokale Anpassung

Ressourcen‐ Abhängigkeitstheorie Kompetenzansatz

Streben nach  länderspezifischer Steuerung  der Tochtergesellschaften

Dezentralisierung Autonomiestreben

Agenten Tochtergesellschaften

Zielkonflikte in multinationalen Unternehmen

Quelle: Birkinshaw, Hood (1998), Eisenhardt (1989), Mudambi, Pedersen (2007), Adenfelt, Lagerström (2008), Verbecke, Kenworthy (2008), Meyer, Estrin (2014), Najafi-Tavani u. a. (2014), Meyer, Su (2015), Hoenen, Kostova (2015), Ambos u. a. (2016), Gavidia (2016)

Da aber auch dieses Konzept sehr stark auf den weltweiten Austausch von Ressour­ cen, Wissen und Kompetenzen abzielt und die Bedeutung von Größenvorteilen zur Verteilung von Fixkosten in Branchen mit hoher Wertschöpfungstiefe und Kapitalintensität, wie der Automobilindustrie vernachlässigt (vgl. Kapitel 2.4), müssen Erklärungen zur Lösung oder zumindest Verringerung von Zielkonflik­ ten der Steuerung gesucht werden. Die Steuerung einzelner Tochtergesellschaften steht damit gegenüber der Koordination verschiedener Tochtergesellschaften im Vordergrund, weil neben der Kontrolle finanzieller Ressourcen das Ausbalancieren von notwendigen Größenvorteilen und Vorteilen einer spezifischen Ansprache zumindest der wachsenden Märkte außerhalb der Triade (Kapitel 2.1) zunächst wichtiger ist, als die Koordination der Tochtergesellschaften. Dabei werden auch Veränderungsfähigkeiten (Dynamic Capabilities) betrachtet, die für die Aus­

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

283

differenzierung und vor allem die Neuausrichtung von Strategie und Steuerung erforderlich sind. Eine Möglichkeit des Umgangs mit Zielkonflikten wäre, sich für ein Ziel zu entscheiden (Spezialisierung). Das würde aber – auch bei zeitlicher Trennung25 – bedeuten, auf Effizienz zu verzichten. Da aber eine vollständige gemeinsame Zielerreichung nicht möglich ist, wird empfohlen, die Zielkonflikte aufzuhellen und einzuengen26, um die Informationsbasis von Handlungen zu verbessern27. Bessere Informationen durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien könnten helfen, Konflikte zwischen Subzielen zu lösen oder zu verringern28, auch wenn Konflikte zwischen übergeordneten Zielen bestehen (vgl. Abb. 5–2). Indivi­ duelle Lösungen sollten deshalb genauer geprüft werden29. Die Empfehlung, Zielkonflikte im Management aufzuhellen und auf Teil- bzw. Subziele auf einer nachgelagerten Subebene einzuengen, bedeutet für die Steue­ rung ausländischer Tochtergesellschaften, Zielkonflikte auf einzelne Instrumente der Steuerung herunterzubrechen. In Kapitel 2.4.2(2) wurden 13 Instrumente zur Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften begründet, z. B. gemeinsame (kul­ turelle) Werte oder die Beteiligung der Tochtergesellschaften an der Festlegung von Transferpreisen. Die Steuerungsinstrumente werden von multinationalen Automobilunternehmen zwar eingesetzt, aber nicht systematisch im Umgang mit Zielkonflikten der Steuerung, Dabei konkretisieren sich die Zielkonflikte der Steuerung bei den Entscheidungen über die einzelnen Steuerungsinstrumente, weil sie aus Sicht der Muttergesellschaft länderübergreifend, aus Sicht der einzelnen Tochtergesellschaften stärker länderspezifisch zu treffen sind. Zum systematischen Umgang mit Zielkonflikten bei Entscheidungen über Steu­ erungsinstrumente in multinationalen Unternehmen werden intern lösbare Inter­ essenkonflikte von unüberwindbaren Differenzen zwischen der Muttergesellschaft und den ausländischen Tochtergesellschaften unterschieden30. Sie können mit den vier unterschiedlichen Konfliktlösungsmechanismen Verhandlung, Wettbewerb, Hierarchie und Mediation angegangen werden31, die zu einer mehr oder weniger länderspezifischen Steuerung führen (vgl. Abb. 5–2):

284

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

%,!'&)#  #  !! 

*$!!'(-# "#'" !&&)#

 )!!)#)###)#&$#! (

"



$

⇒ (&()#*$# $#! (!.')#' "#'"#



 #(&''#' $#! (#

 )#/&+#&#

&#,#

$#! (!.')#' "#'")' &#!)#

$#! (!.')#' "#'")' ($#

⇒ )#& )#  !  ! 

!      



$#! (!.')#' "#'")' ((+&



Abb. 5-2

$#! (!.')#' "#'")' &&

Möglichkeiten des Umgangs mit Zielkonflikten

Quelle: eigener Entwurf nach Knips (1970) und Gavidia (2016)

• Interessenskonflikte über Steuerungsinstrumente können stärker länderspezi­ fisch entschieden bzw. aufgelöst werden, z. B. wenn sie sich entweder zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften aushandeln lassen, wie z. B. die Festlegung der Transferpreise (Konfliktlösungsmechanismus Verhandlung) oder im Wettbewerb zwischen den ausländischen Tochtergesellschaften lösen lassen, wie die Einrichtung von Exzellenzzentren (Konfliktlösungsmechanismus Wettbewerb). • Interessenskonflikte über Steuerungsinstrumente können eher länderübergreifend entschieden bzw. aufgelöst werden, wenn sie in der Hierarchie, d. h. „top down“ von der Muttergesellschaft vorgegeben werden bzw. aufgrund von Regularien oder rechtlichen Vorgaben vorgegeben werden müssen, wie z. B. das Compliance Management (Konfliktlösungsmechanismus Hierarchie). • Unüberwindbare Differenzen über Steuerungsinstrumente können dagegen nur ausbalanciert werden, wie z. B. die Verständigung auf gemeinsame kulturelle Werte (Konfliktlösungsmechanismus Mediation).

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

285

Bei der Neuausrichtung der Steuerung multinationaler Unternehmen in Zeiten des Umbruchs, z. B. im Übergang zur Elektromobilität und zum autonomen Fahren, geht es zunächst um die Entscheidung über die Steuerung, die mit Zielkonflikten verbunden ist, und dann auf der nachgelagerten Ebene um Einzelentscheidun­ gen über die einzelnen Steuerungsinstrumente. Dabei geht es nicht – wie bei der Neuausrichtung im strategischen Management – um das parallele (beidhändige) Management von widersprüchlichen Entscheidungen (Verbesserung traditioneller und gleichzeitig Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle), sondern um die Verringerung von Zielkonflikten. Weil es keine einfache Lösung des Zielkonfliktes der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften in multinationalen (Automobil)Unternehmen gibt, soll in diesem Kapitel gezeigt werden, wie die Zielkonflikte auf der Ebene einzelner Sub­ ziele (Einsatz von Steuerungsinstrumenten) gelöst oder verringert werden können (vgl. Abb. 5–3). Dazu soll nun begründet werden, dass • die globalen Umfeldtrends die Notwendigkeit einer länderspezifischen Steuerung der ausländischen Tochtergesellschaften da verstärken, wo die zunehmenden Konflikte bei Entscheidungen über Steuerungsinstrumenten in Verhandlungen zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften oder im Wettbewerb der Tochtergesellschaften untereinander gelöst werden können (Kapitel 5.1). • die globalen Umfeldtrends die Notwendigkeit einer länderübergreifenden Steuerung von ausländischen Tochtergesellschaften da verstärken, wo die zu­ nehmenden Konflikte bei Entscheidungen über Steuerungsinstrumente in der Hierarchie, d. h. bei der Muttergesellschaft gelöst werden können (Kapitel 5.2). • die globalen Umfeldtrends einen Mittelweg zwischen einer länderspezifischen und einer länderübergreifenden Steuerung von Tochtergesellschaften erfordern, wenn unüberwindbare Differenzen bei Entscheidungen über Steuerungsinst­ rumente einer Mediation bedürfen (Kapitel 5.3).

286

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

         

     

 

   

      

      

     

   

            

         



                         



                         

       



Abb. 5-3

 

Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung der multinationalen Automobilunternehmen als Reaktion auf die globalen Umfeldtrends

Quelle: eigener Entwurf

Kapitel 5.4 fasst die Ansatzpunkte einer weitergehenden Neuausrichtung der Steuerung multinationaler Unternehmen in Zeiten des Umbruchs (vgl. Abb. 5–3) zusammen: soviel länderspezifische Steuerung wie möglich, soviel länderübergrei­ fende Steuerung wie nötig und Mediation, wo sich der Konflikt nicht lösen lässt.

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

287

Endnoten 1 2 3 4 5 6

Vgl. Kutschker, Schmid (2911, S. 1017 bezogen auf Welge (1889, Sp. 1184). Holtbrügge, Welge (2015, S. 231). Wirtschaftswoche vom 17.5.2016, S. 106. Vgl. z. B. Hoenen, Kostova (2015). Vgl. ebd., aber auch Gammelgaard u. a. (2012), Yu u. a. (2009). Vgl. z. B. Mudambi u. a. (2014, S. 102); Najafi-Tavani u. a. (2014, S. 122) und Meyer, Su (2015, S. 150). 7 Vgl. Delany (2000); Sargent, Matthews (2006). 8 Vgl. Verbeke, Kenworthy (2008, S. 951); Rangan, Sengul (2009). 9 Vgl. z. B. Schedler, Rüegg-Stürm (2013). 10 Vgl. Tallman, Chacar (2011). 11 Vgl. z. B. Young, Tavares (2004); Gammelgaard u. a. (2012). 12 Vgl. z. B. Lessard u. a. (2016, S. 217). 13 Vgl. z. B. Gavidia (2016). 14 Vgl. ebd. und Holtbrügge, Welge (2015, S. 47). 15 Ebd. 16 Vgl. Bartlett, Ghoshal (1989, 1990). 17 Vgl. Holtbrügge, Welge (2015, S. 51). 18 Vgl. Doz u. a. (2001, S. 5). 19 Vgl. z. B. Meyer, Estrin (2014); Meyer, Su (2015) oder Lessard u. a. (2016, S. 222). 20 Lessard u. a. (2016). 21 Ebd. (S. 212). 22 Lessard u. a. (2016, S. 222). 23 Vgl. Teece (2014b, S. 25). 24 Vgl. Lessard u. a. (2016, S. 217). 25 Vgl. Daniels u. a. (2015). 26 Vgl. Knips (1970). 27 Vgl. Mehler (1970, S. 293); Mudambi (2011); Proff (2002a, S. 82–83); Winter (1987). 28 Vgl. Rangan, Sengul (2009). 29 Vgl. Thompson (1967) und Laudien, Freiling (2011). 30 Vgl. Knips (1970); Gavidia (2016). 31 Vgl. Proff (2018).

5.1

Verstärkung der länderspezifischen Steuerung multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

5.1 Verstärkung der länderspezifischen Steuerung

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

Angesichts der Länderspezifität der globalen Umfeldtrends wächst der Druck auf ausländische Tochtergesellschaften, insbesondere auf Montage- und Produktions­ betriebe im Ausland und vor allem in den wachsenden Märkten außerhalb der EU und Japans1, sich lokal auszurichten und nach Autonomie2 und Dezentralisierung3 zu streben. Sie haben die Aufgabe, ihren Markt zu entwickeln und vor allem Wissen und Kompetenzen für das gesamte Unternehmen aufzubauen. Deshalb müssen sich multinationale (Automobil)Unternehmen in Zeiten des Umbruchs um eine Verstärkung der individuellen bzw. länderspezifischen Steuerung ihrer ausländi­ schen Tochtergesellschaften4 bemühen. In Kapitel 2.4.2(1) wurde die Forderung nach einer länderspezifischeren Steue­ rung ausländischer Tochtergesellschaften als Reaktion auf die Ausdifferenzierung der wachsenden Automobilmärkte und der Wettbewerbslandschaft seit Beginn des Jahrtausends unterschiedlich begründet: 1. Die zunehmende Forderung wichtiger ausländischer Tochtergesellschaften nach lokaler Anpassung, Dezentralisierung, Flexibilität und Marktnähe begründet die Kontingenztheorie5 mit dem unterschiedlichen Umfeld von Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften6. Da das Interesse der Muttergesellschaft an globaler Standardisierung ausgeblendet wird7, wird sie der Realität in multinationalen Unternehmen, gerade in der kapitalintensiven Automobilindustrie, nicht gerecht8, 2. Die Nutzung von Freiräumen durch Tochtergesellschaften als Agenten bei Infor­ mationsasymmetrien begründet die Agency Theorie, genauer die breitere AgencyPerspektive („broader agency perspective“9). Die in komplexe Beziehungen in multinationalen Unternehmen mit Funktions- und Geschäftsbereichen sowie Regionen eingebundenen Tochtergesellschaften fordern eine individuellere bzw. länderspezifischere Steuerung, weil ihr Umfeld nicht nur für sie, sondern auch für die Muttergesellschaft wichtig ist. Zudem versuchen sie geteilte Normen und Werte in den Sozialisierungsprozess einzubringen und Vertrauen zu schaffen. 3. Eine heterogenere Steuerung aufgrund von Machtunterschieden10 im Unterneh­ men durch unterschiedliche Verfügbarkeit über kritische Ressourcen (Kapital, Vorprodukte und Personal) begründet die Ressourcenabhängigkeitstheorie („resource dependency theory“). 289

290

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

4. Auch der Kompetenzansatz11 begründet die Forderung nach einer stärkeren He­ terogenität der Steuerung, nicht durch Ressourcen, sondern durch Wissen und Kompetenzen, das die Tochtergesellschaften lokal aufzubauen versuchen12 und in die Muttergesellschaft bzw. in das Gesamtunternehmen transferieren möchten13. In diesem Kapitel soll nun zunächst gezeigt werden, dass der Druck auf eine länderspezifische Steuerung durch die globalen Umfeldtrends, vor allem durch die Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage, der Fahrzeugantriebe und die Digitalisierung weiter ansteigt (Kapitel 5.1.1). In Kapitel 5.1.2 wird dann mit Hilfe der Tauschtheorie und der Evolutionstheorie erklärt, dass zumindest einige der in Kapitel 2.4.2(2) begründeten Steuerungsinstrumente stärker länderspezifisch eingesetzt werden können. Dies ist dann möglich, wenn die Interessenskonflikte bei der Wahl der Steuerungsinstrumente lösbar sind und zwischen Muttergesellschaft und zumindest wichtigen Tochtergesellschaften verhandelt oder im Wettbewerb der Tochtergesellschaften entschieden werden (vgl. Abb. 5–2 in der Einleitung zu Kapitel 5). Kapitel 5.1.3 zeigt schließlich, dass diese Möglichkeiten einer stärker länderspezifischen Steuerung in deutschen multinationalen Automobilunternehmen bisher noch nicht ausreichend genutzt werden.

5.1.1

Druck auf eine stärker länderspezifische Steuerung multinationaler Automobilunternehmen durch die globalen Umfeldtrends

Traditionell sieht die Steuerung durch die Muttergesellschaft ausländische Toch­ tergesellschaften meist als verlängerte globale Werkbänke oder als regionale Unternehmer, selten als Wissensspieler. Entsprechend ihrer Rolle werden sie auch gesteuert. In Kapitel 2.4 wurden 13 Steuerungsinstrumente im internationalen Management abgeleitet. Eine Untersuchung der Intensität, mit der diese Steuerungsinstrumente einge­ setzt werden, kann helfen, die Steuerungsstrukturen in der Automobilindustrie zu verstehen. Dazu wurden 2014 und 201514 75 Tochtergesellschaften von 15 deutschen Automobilherstellern und -zuliefern in den BRIC Ländern Brasilien, Russland, Indien und China sowie in Mexiko befragt und die Ergebnisse geclustert. Eine Drei-Cluster-Lösung mit den beiden Diskriminanzachsen „Integration in regionale Märkte“ (Ordinate) und „Entwicklung eigener Kompetenzen“ (Abszisse) zeigt sich als besonders stabil (Abb. 5.1-1):

5.1 Verstärkung der länderspezifischen Steuerung

291

• 38 Tochtergesellschaften bilden Cluster 1 der regionalen Unternehmer („regional entrepreneurs“15). Sie sind regionale Hauptverwaltungen für kleine Länder in ihrer Region, haben einen klaren Marktfokus, aber entwickeln kaum eigene Kompetenzen, allenfalls lokale Anpassungen (Tochtergesellschaften mit ange­ passter Innovation16). • 33 Tochtergesellschaften gehören zum Cluster 2 der globalen Werkbänke („global workbenches“17). Sie operieren überwiegend unabhängig von Tochter­ gesellschaften in anderen Ländern in ihrer Region, d. h. teilweise oder ganz für den globalen Wertschöpfungsverbund („footprint“) und entwickeln auch nur sehr wenige eigene Kompetenzen (Tochtergesellschaften mit Ressourcen- und Kompetenzverwertung18). • Nur vier Tochtergesellschaften bilden Cluster 3 der Wissensspieler („knowledge player“19). Sie sind stark in die Entwicklung von Kompetenzen für die neuen Märkte und das gesamte Unternehmen eingebunden, dagegen nur mäßig in ihre Region. Alle vier Tochtergesellschaften sind in China angesiedelt, dem strategisch wichtigsten neuen Wachstumsmarkt. Sie werden sehr intensiv durch die Mutter­ gesellschaften gesteuert (Tochtergesellschaften, die Kompetenzen entwickeln20).

  

       

 

   

 

Abb. 5.1-1

 

     



Traditionelle Steuerung in 75 Tochtergesellschaften deutscher Automobilunternehmen

Quelle: Proff, Proff (2017, S. 285)

292

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

Abb. 5.1-1 zeigt, dass die ausländischen Tochtergesellschaften der betrachteten deutschen Automobilunternehmen immer noch relativ stark eine Rolle als regio­ nale Hauptverwaltung oder globale Werkbank vorgegeben bekommen (71 von 75 Unternehmen gehören zu den Clustern 1 und 2). Von einer stärkeren länderspezifi­ schen Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften kann bislang keine Rede sein, womit ein Konflikt angesichts der länderspezifischen Auswirkungen der globalen Umfeldtrends vorgezeichnet ist. Dies liegt daran, dass • die weltweiten sozio-kulturellen Veränderungen (Ausdifferenzierung der Mobi­ litätsnachfrage nach Einkommen, Werten, Alter und Wohnumfeld, Kapitel 3.1), • die weltweiten politischen und technologischen Veränderungen (Ausdifferen­ zierung der Fahrzeugantriebe und Digitalisierung, Kapitel 3.2 und 3.3) sowie • die weltweiten wirtschaftlichen Veränderungen (Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes, Kapitel 3.4) auf unterschiedliche sozio-kulturelle, technologische, wirtschaftliche und poli­ tisch-rechtliche Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländermärkten treffen. Sie werden dadurch immer vielfältiger und komplexer (Kapitel 3.5). So ist z. B. ein junger Stadtbewohner mit höherem Einkommen in Indien wegen der instabilen Stromver­ sorgung und der fast völlig fehlenden Ladeinfrastruktur an einem Elektro­fahrzeug kaum interessiert, wohl aber an Internetangeboten von Fahrzeugen mit Verbren­ nungsmotor, in China wegen Zulassungsbeschränkungen und Fahrverboten an Elektrofahrzeugen, in Brasilien an Fuel-Flex Fahrzeugen, die mit Benzin, Methanol oder Ethanol gefahren werden können. Anders und ebenfalls unterschiedlich sind die Mobilitätsbedürfnisse ärmerer und armer Bewohner ländlicher Räume dieser Länder. Die vielen Veränderungen durch die globalen Umfeldtrends, die sich in den einzelnen Ländermärkten unterschiedlich auswirken, zwingen multinationale Automobilunter­ nehmen dazu, die veränderten Rahmenbedingungen noch stärker zu beachten und die Tochtergesellschaften noch konsequenter länderspezifisch zu steuern. Dabei wird die länderspezifische Ausdifferenzierung der Nachfrage durch die anderen Umfeldtrends verstärkt, z. B. durch neue Antriebstechnologien und neue Softwareangebote. Die Anbieter vor allem in Ländern mit stagnierenden Märkten stehen vor der immer komplexeren Aufgabe, Kauferlebnisse und „Kauf-Reise“ des Kunden („customer purchase journey“21), einen Prozess mit verschiedenen Phasen und Berührungs­ punkten, anzustoßen, zu managen und bestmöglich zu kontrollieren22. Kauferlebnis und „Kauf-Reise“ der Kunden stehen heute im Zentrum der Managementaufgabe, Kundenerfahrungen und Kundenerlebnisse zu nutzen und zu beeinflussen („customer experience management“ ), das frühere Konzepte im

5.1 Verstärkung der länderspezifischen Steuerung

293

Marketing verbindet23, weil kundenorientierte Konzepte in Ländern mit höherem und hohem Einkommen, hohen Ansprüchen und Erwartungen wichtiger werden. Vor allem die Prozessmodelle des Kaufverhaltens erklärten bereits in den 1960er Jahren die Kundenreise zum Kauf einer Leistung, z. B. das Modell von Howard und Sheth (1969) oder das AIDA-Modell und seine Anpassungen24, das vier Phasen im Kaufprozess unterscheidet: Wahrnehmung („Awareness“), Interesse („Interest“), Wunsch („Desire“) und Handlung („Action“). Sie können als Trichter bzw. „marke­ ting“- oder „purchase funnel“25 visualisiert werden und wurden vielfach erweitert, von Court u. a. (2009) z. B. zu den fünf Phasen Wahrnehmung („awareness“), Ver­ trautheit („familiarity“), Berücksichtigung („consideration“), Kauf („purchase“), Loyalität („loyality“), vgl. Abb. 5.1-2a. Diese Modelle waren eindimensional, d. h. ohne Rückkopplung und unterschieden sich in den meisten Ländern kaum. Heute stehen im Zentrum des „customer experience management“ „der Kunde und dessen Emotionen beim Konsum eines Produktes oder einer Dienstleistung“26. Da der Kunde nicht mehr nur als rationaler Entscheidungsträger angesehen wird, richtet sich die Ansprache nicht mehr ausschließlich auf Funktionalität und Qualität von Leistungen, sondern darauf, die Kunden zu begeistern. Dadurch erhoffen sich Hersteller und Händler einen einzigartigen Wettbewerbsvorteil27.

%         $"   !%

%       $"    !%        2$#!%#"%$  %#$"3   &  / $ "' #"'.

"&#$%

  "#$$%  +% # "'

"

"'

#%0 %$+%

 "$ "'

%

 "'"

 

#  # 

"$"%$$

  "$ #"

 ($" $"#$&$+%



 # 

#  

"%

 "1 %"$ 

"

"%

$"$%



 % + !$ 0  $

%

 #$"$

%#( #$%

 %

"'

 "(

+%0+"%

*$$  %#"%

 $#%#1 %$"#$&$+%

 #

 "$"#%$"+%

4#$+#"#$"#0" "-#$+# #$+# % "# +0)$"

  $#"$

!"$ #!"$"#

Abb. 5.1-2 Frühere und heutige Modelle des Kaufprozesses Quelle: eigner Entwurf nach Court u. a. (2009) und Lemon, Verhoef (2016, insb. S. 77)

294

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

Dabei wird das Kundenerlebnis als ein multidimensionales Konstrukt gesehen, das kognitive und emotionale Erlebnisse, verhaltensbezogene Erlebnisse, senso­ rische sowie soziale Erlebnisse der Kunden einschließt, die die Angebote auf der Kundenreise ansprechen sollten28. Das Kundenerlebnis als Kauf-Reise des Kunden wird dabei konzipiert als ein Prozess, mit Kontakten über verschiedene Phasen, Berührungspunkte, Kanäle und Medien. Beim Autokauf wird eine Vor-KaufPhase mit Informationsabfrage, Markenvergleich und Testfahrt, eine Kauf-Phase mit Entscheidungsunterstützung, Angebotserhalt und Auslieferung sowie eine Nach-Kauf-Phase u. a. mit Serviceabwicklung unterschieden (vgl. Abb. 5.1-2b). Die Berührungspunkte können im Besitz des Unternehmens oder des Kunden sein, aber auch bei Kooperationspartnern und im Umfeld (z. B. bei Meinungsführern oder unabhängigen Informationsquellen). Kanäle sind nicht nur Anzeigen, Werbespots, Kataloge und Anschreiben, sondern auch online-Kanäle wie Bewertungsportale, Userforen und Blogs, mobile Kanäle und Showroom/Webroom29. Neben Probefahren wird damit die digitale Präsentation wichtig. BMW testet z. B. die 3D-Augmented Reality Technologie, die vor allem jüngere Personen ansprechen soll. Unternehmen müssen angesichts der Veränderungen nicht nur immer stärker ihre verschiedenen Geschäftsfunktionen (wie z. B. IT, Service Operations, Logistik, Marketing und Personalwesen) integrieren, sondern auch externe Partner, um dem Kunden ein positives Kundenerlebnis zu schaffen30 (vgl. z. B. auch die Diskussion um das Management von Business Ecosystemen in Kapitel 3.3.2)31. Im Gegensatz zu dem früher weitgehend standardisierten linearen Kaufprozess („purchase funnel“), sind heute die Marketingkonzepte der Hersteller und Dienstleister vielfältiger und in den verschiedenen Ländermärkten unterschiedlicher (vgl. Abb. 5.11). Die ohnehin komplexe Kunden-Kauf-Reise32 ist angesichts der unterschiedlichen Automobilmärkte, Kunden und Wettbewerber in jedem Land sehr unterschiedlich und durch Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage nach Einkommen, Wertesys­ tem, Alter und Wohnumfeld (Kapitel 3.1) und unterschiedlicher Geschwindigkeit des Durchbruchs neuer Fahrzeugantriebe und der digitalen Transformation (Kapitel 3.2 und 3.3.1) noch länderspezifischer, was die Steuerung berücksichtigen muss. Die Digitalisierung und die Verbesserung von Big-Data Fähigkeiten ermöglichen es, die Kunden besser zu verstehen, die Kundenansprache immer mehr zu indivi­ dualisieren und Kunden jederzeit und überall zu treffen33. Dazu sind flexible Orga­ nisationsmodelle wichtig34. Manche Unternehmen wie Google und Amazon, aber auch Banken lösen durch Digitalisierung bereits bestehende „Silos“ wie Marken, Segmente und Vertriebskanäle auf35. Die kapitalintensive Automobilindustrie mit nicht nur komplexeren Kunden-Kauf-Prozessen, sondern auch höherer Komplexität in Beschaffung, FuE und Produktion, ist hier noch nicht so weit.

5.1 Verstärkung der länderspezifischen Steuerung

295

5.1.2 Erklärungen einer stärker länderspezifischen Steuerung über die Konfliktlösungsmechanismen Verhandlung und Wettbewerb – Tausch- und Evolutionstheorie In der Einführung zu Kapitel 5 wurde gezeigt, dass lösbare Interessenskonflikte über einzelne Steuerungsinstrumente dann länderspezifisch entschieden bzw. aufgelöst werden können, wenn sie entweder (1) zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften ausgehandelt werden (Konfliktlösungsmechanismus Verhand­ lung36) oder (2) im Wettbewerb zwischen den ausländischen Tochtergesellschaften entschieden werden (Konfliktlösungsmechanismus Wettbewerb)37.

(1) Auflösung von Zielkonflikten in Verhandlungen zwischen der Muttergesellschaft und den Tochtergesellschaften gemäß der Tauschtheorie Konflikte lassen sich immer dann auflösen, wenn durch gemeinsame Absprachen beide Seiten besser gestellt werden können. Das behandelt die (ökonomische) Tauschtheorie. Gemäß der Tauschtheorie38 ist in multinationalen Unternehmen eine länderspezifische Auflösung des Zielkonfliktes zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften durch Verhandlungen über den Autonomiegrad der Tochtergesellschaften möglich39. Das Ergebnis der Verhandlungen („bargaining“) hängt dabei von der Machtperspektive im Unternehmen („organizational power perspective“40) ab, d. h. davon, wie stark eine Tochtergesellschaft die Ziele der Muttergesellschaft beeinflussen kann41. Die Tauschtheorie verwendet die Edgeworth-Box, die zwar auf Pareto zurück­ geht, aber nach dem Philosophen und Wirtschaftswissenschaftler Francis Ysidro Edgeworth benannt wurde (vgl. Abb. 5.1-3). Die Edgeworth-Box ist ein grafisches Konstrukt, das aus der Kombination von Indifferenzkurvensystemen zweier Tauschpartner A und B besteht42. Innerhalb der Edgeworth-Box schneiden sich einige Indifferenzkurven, während andere sich tangieren. Die Punkte, die sich tangieren, bilden die Kontraktkurve k – k, vgl. Abb. 5.1-3).

296

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

      

       

     

Abb. 5.1-3 Edgeworth-Box in der Tauschtheorie Quelle: eigene Darstellung nach Franke (1985, S. 82)

Die Edgeworth-Box eignet sich zur Analyse der Allokation von zwei verschiedenen Gütern zwischen zwei Individuen in einer (Tausch-)Wirtschaft (Haushaltstheorie) oder auch der Aufteilung zweier Inputfaktoren auf zwei Unternehmen (Produkti­ onstheorie). Die Annahmen sind dabei sehr restriktiv.: Nichtsättigung, Vollstän­ digkeit der Präferenzen, Transitivität, keine Transaktionskosten, Homogenität und beliebige Teilbarkeit der Güter43. Ein Tausch findet nur statt, wenn sich keiner der beiden Teilnehmer durch den Tausch schlechter stellt und sich mindestens einer besser stellt. Durch Tausch wird folglich der Optionsraum vergrößert, was Raum für Konfliktlösungen bietet und den Kern des Konfliktlösungsmechanismus „Verhandlung“ bildet44. Damit kann sich selbst eine dominante Muttergesellschaft durch Verhandlungen besserstellen. Die Edgeworth Box gibt einen graphischen Hinweis, wann sich ein Tausch lohnt und wann Handeln vorteilhaft ist (innerhalb der schraffierten Linse in Abb. 5.1-3). Die Tangentialpunkte aller Indifferenzkurven in der Edgeworth-Box auf der Kontraktkurve k – k sind Pareto-optimal, es besteht ein Gleichgewicht. Die Tauschtheorie wurde kritisiert wegen der sehr vereinfachenden Annahmen (zwei Tauschpartner, zwei Güter). Deshalb eignet sich die Edgeworth-Box auch nur zur Analyse relativ einfacher Verhandlungssituationen, bei denen hohe Rationalität

5.1 Verstärkung der länderspezifischen Steuerung

297

und Informationsverfügbarkeit unterstellt werden kann. Dabei wird angenommen, dass die Konfliktlösung durch die Machtverhältnisse beeinflusst wird45. Zudem werden interkulturelle Unterschiede vernachlässigt, die die Verhandlungs­ ergebnisse aber beeinflussen können46. Verhandlungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften sind interkulturelle Verhandlungen. Ihr Ziel besteht in der Regel im handlungsgeleiteten Austausch unterschiedlicher Wissensbestände oder im „Aushandeln“ von Meinungen, Ansichten und Standpunkten. Konstitutiv für den Verhandlungsprozess sind • in erster Linie die Verhandlungspartner, ihre Erwartungen und (interkulturellen) Erfahrungen, ihre Strategien und Regeln. • der Beziehungsaspekt in Bezug auf die Verhandlungspartner. Er konstituiert sich aufgrund mehr oder minder diffuser Erwartungshaltungen, Stereotype oder auch vorangegangener Verhandlungserfahrungen als interdependentes Zusammenspiel von Selbst-, Fremd- und Metabild bereits vor der eigentlichen Verhandlungssituation. • außersprachliche Codes wie Verhandlungsort und dessen „Ambiente“, Ver­ handlungszeit und Verhandlungsdauer. Die Edgeworth-Box ist die Basis des Harvard-Konzepts als dem Klassiker der Verhandlungsführung47. Das Konzept trennt zwischen Inhalt und „Mensch“ zur lösungsorientierten Verhandlung mit dem Ziel, eine Win-Win-Situation als lang­ fristige „harmonische“ Geschäftsbeziehung zu erreichen. Dabei geht es um einen Vergleich mit BATNA („Best Alternative To Negotiated Agreement“48), so dass für jede Verhandlung ein Ziel und eine Alternative zu definieren ist, weil besser eine gute Alternative als eine schlechte Übereinkunft gewählt wird. Das HarvardKonzept hat vier Grundprinzipien: 1. Menschen und Probleme sind zu trennen, 2. Interessen zählen und nicht Probleme, 3. es sind Optionen zu entwickeln, die beiden Partnern Vorteile bringen und 4. die Einigung sollte aufgrund neutraler Beurteilungskriterien erfolgen49. In der Edgewoth-Box in Abb. 5.1-3 bedeutet dies eine mittlere Position im Verhandlungsraum, der für beide Seiten gleiche Gewinne aus der Verhandlung bringt. Auch das Harvard-Konzept wird kritisiert, weil nicht vollkommen von persönli­ chen Befindlichkeiten abstrahiert werden kann, weil die Trennung zwischen Person und Position nur begrenzt möglich ist und gemeinsame Ziele eher in intra-kultu­ rellen, denn in interkulturellen Verhandlungen erreicht werden können50. So ist es z. B. in Japan das Ziel von Verhandlungen bezogen auf die Kontraktkurve kk, eine für beide Seiten gute (gesichtswahrende) und langfristig verlässliche Lösung

298

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

zu finden. In den USA werden Verhandlungen eher als Wettbewerb verstanden, der Gewinner und Verlierer trennt und damit die Suche nach den Eckpunkten auf der Kontraktkurve kk aus der Edgeworth-Box, wo ein Verhandlungspartner nahezu den gesamten Verhandlungsgewinn erhält. In China ist die Unterzeichnung eines Vertrages dagegen der Beginn der Verhandlung51. Außerdem zeigen empirische Studien, dass trotz aller Bemühungen bei interkulturellen Verhandlungen die In­ formationen des Verhandlungspartners oft nicht vollständig verstanden oder vor dem eigenen kulturellen Hintergrund fehlinterpretiert werden. Unterschiedliche hierarchische Verhandlungsstrukturen führen zudem zu eingeschränkten Kon­ fliktmechanismen. Grundsätzlich gilt, dass Lösungen schwieriger zu erreichen sind, wenn Verhandlungsführer ein persönliches Interesse an einem Verhand­ lungsergebnis haben. Verhandlungen zur Auflösung von Zielkonflikten zwischen der Muttergesellschaft und den Tochtergesellschaften (Konfliktlösungsmechanismus Verhandlung) eignen sich für vier Subziele bzw. Steuerungsinstrumente52. Zunächst können die Steuerungsinstrumente (SI) • effiziente Management Boards, die die Handlungen der einzelnen Tochterge­ sellschaften kontrollieren und managen53 (SI 1) und • gutes Mentoring für die Top-Manager der Tochtergesellschaften (SI 2) in Verhandlungen zwischen der Muttergesellschaft und einzelnen wichtigen Toch­ tergesellschaften gelöst werden. Der Einfluss der Tochtergesellschaften kann jedoch begrenzt oder verringert werden durch die Wahl der Board-Mitglieder und der Mentoren. Leiter der globalen Funktionen oder Managing Direktoren großer Toch­ tergesellschaften werden z. B. oft sehr stark von der Muttergesellschaft beeinflusst. Verhandlungen sollten zudem in multinationalen Unternehmen mit jeder ein­ zelnen Tochtergesellschaft stattfinden über • effiziente Einbeziehung ausländischer Tochtergesellschaften in die Ermittlung der Transferpreise (Kontrolle, Berechnung, Gewinntransfer) (SI 8) und über • Bildung von transnationalen Teams, die den Austausch von Wissen erhöhen (SI 11), so dass auch hier ein Handlungsspielraum für die Tochtergesellschaften besteht. Die Einbeziehung wichtiger Tochtergesellschaften in Verhandlungen über Transferpreise wird begrenzt durch Steuergesetze, auch wenn meist eine Steueroptimierung möglich ist54. Zudem treiben transnationale Teams eine länderspezifische Anpassung nur,

5.1 Verstärkung der länderspezifischen Steuerung

299

wenn sie Vorteile der lokalen Anpassung aus Sicht der Tochtergesellschaften sehen. Würden sie eingesetzt, um ein Verständnis für das Bemühen der Muttergesellschaft um Synergien zu schaffen55, würden sie die lokale Anpassung reduzieren. Prinzipiell kann eine stärkere lokale Anpassung in den neuen Wachstumsmärk­ ten erreicht werden, wenn die Top-Manager dahinter stehen und die Widerstände in der Organisation kontinuierlich abbauen56. Anderenfalls ist eine starke lokale Anpassung nicht möglich.

(2) Auflösung von Zielkonflikten im Wetttbewerb zwischen Tochtergesellschaften gemäß der Evolutionstheorie Gemäß der Evolutionstheorie57 ist in multinationalen Unternehmen eine stärker länderspezifische Auflösung des Zielkonfliktes zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften auch im Wettbewerb zwischen den Tochtergesellschaf­ ten möglich (Einsatz von Konfliktlösungsmechanismus Wettbewerb). Bei einer Entscheidungsfindung durch Wettbewerbsmechanismen setzen sich die besten Tochtergesellschaften durch („survival of the fittest“), der Konflikt wird länder­ spezifisch gelöst. Der evolutionstheoretische Ansatz58 der Organisationstheorie schließt an die Systemtheorie an. Er ist der Beschreibung der Artengeschichten von Tieren und Pflanzen in der Biologie entlehnt (Darvin: „Origin of Species“, Erstausgabe 1859) und evolutionstheoretischen Ansätzen in den Gesellschaftswissenschaften59. Betrachtet wird der evolutionäre Ausleseprozess und es wird untersucht, weshalb einzelne Systeme wie z. B. Branchen überleben können und andere nicht60. Dies wird damit begründet, dass die Umwelt wie die Natur, die Systeme aussondert, die sich an die äußeren Gegebenheiten nicht (hinreichend) angepasst haben. Im evolutionären Prozess werden unangepasste Systeme ausgelesen und es entsehen neue Systeme61. In der Organisationstheorie wird vor allem der populationsökologische Ansatz von Hannan und Freeman (1977) herangezogen, der die Entwicklung, Adaption und Selektion ganzer Gruppen (Populationen) von Unternehmen im Wettbewerb untereinander untersucht62 (vgl. Abb. 5.1-4) und auf den Wettbewerb zwischen Tochtergesellschaften übertragen werden kann. Gemäß dem populationsökologischen Ansatz steigt im Laufe der Zeit die Reife von Organisationen, die nach der Gründung erfolgreich im Markt sind und nicht scheitern. Aufgrund von Umfeldveränderungen – seien es Wettbewerbsverände­ rungen oder Veränderungen im weiteren Unternehmensumfeld – ist nach einiger Zeit eine Anpassung (Adaption) in der Regel durch Transformationsprogramme nötig. Organisationen, die eine erfolgreiche Transformation schaffen, steigern ihren Reifegrad weiter, unbeweglichere Organisationen degenerieren (sinkender

300

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

Reifegrad) und können bei weiteren erfolglosen Adaptionsversuchen zum Markt­ austritt gezwungen werden (Selektion).

Reifegrad

Exzellenzzentrum Exzellenzniveau  Adaption Adaption Selektion/Marktaustritt Adaption

Scheitern

Selektion/Marktaustritt

Selektion/Marktaustritt Zeit

Abb. 5.1-4 Grundprinzip des Wettbewerbs im populationsökologischen Ansatz der Evolutionstheorie Quelle: eigener Entwurf nach Miebach (2012, S. 193)

Abb.  5.1‐4, S. 3 2 hier ist in der Druckversion die Achse dicker Diesen Wettbewerbsmechanismus kann auch die Muttergesellschaft eines multi­ => dabei war sie Pt. 1, ist jetzt Pt. 3/4

nationalen Unternehmens einsetzen, indem sie die Tochtergesellschaften in einen Wettbewerb untereinander schickt, in dem die Tochtergesellschaften mit den bes­ ten Adaptionsfähigkeiten sich durchsetzen, Besonderheiten ihrer Ländermärkte einbringen und Zielkonflikte länderspezifisch auflösen. Von den in Kapitel 2.4.2(2) begründeten Subzielen bzw. Instrumenten der Steu­ erung ausländischer Tochtergesellschaften eignen sich für den Konfliktlösungsme­ chanismus Wettbewerb als einziges Steuerungsinstrument (SI): • die Einrichtung von Exzellenzzentren (SI 10) in einem bestimmten Bereich63 (vgl. ebenfalls Abb. 5.1-4). Dabei wählt die Muttergesellschaft die Tochtergesellschaften aus, die über aus­ geprägtes Wissen und Kompetenzen in einem bestimmten Bereich verfügen und temporäre Verantwortung für die Entwicklung und die Verteilung von Wissen an andere Tochtergesellschaften bekommen. Grundsätzlich bietet dieses Steuerungs­ instrument Handlungsräume für sehr wettbewerbsfähige Tochtergesellschaften. Sie

5.1 Verstärkung der länderspezifischen Steuerung

301

werden jedoch langfristig dadurch begrenzt, dass eine Lösung durch Wettbewerb die Tochtergesellschaften unterstützen, die ohnehin schon stark sind64 und zwar so lange, bis die stärkste Tochtergesellschaft im internen Wettlauf um Exzellenz (in fast allen multinationalen Automobilunternehmen heute die chinesische Tochtergesellschaft) gewinnt. Die anderen Tochtergesellschaften verlieren den internen Wettbewerbskampf, weil sie weniger Ressourcen besitzen. Dies entspricht der Hypothese der langfristigen Konvergenz in der Evolutionstheorie (eine Spe­ zie überlebt)65. Die Muttergesellschaft muss deshalb den Wettbewerb analog zur Wettbewerbsordnung der Wirtschaftspolitik schützen und Monopole verhindern, um den internen Wettbewerb aufrechtzuhalten.

5.1.3 Zu geringe länderspezifische Auflösung der Interessenskonflikte über die Steuerung multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs Eine Untersuchung bei 90 Tochtergesellschaften von 15 multinationalen Auto­ mobilherstellern und Zulieferern in sechs wachsenden Ländern – BRIC-Länder, Mexiko und USA66 (vgl. auch Kapitel 2.4.3) – gibt Hinweise auf die Bedeutung der Konfliktlösungsmechanismen zur Steuerung der Tochtergesellschaften im Ausland (die in Kapitel 5.1.1 genannte Untersuchung von 75 Tochteregesellschaften wurde dafür erweitert). Um in Kapitel 5.3 auch die Frage prüfen zu können, ob diese Unternehmen ihre Tochtergesellschaften eher länderübergreifend oder länderspezifisch steuern, wurden Tochtergesellschaften weniger multinationaler Unternehmen in verschie­ denen Ländern verglichen. Nicht möglich waren Fallstudien zur Steuerung der Tochtergesellschaften multinationaler Unternehmen67, auch nicht Befragungen sehr vieler Tochtergesellschaften in einem oder zwei Ländern68 oder verschiedener Branchen69. Weil eine schriftliche Befragung zu diesem sensiblen Thema schwierig ist, wurden zwischen 2014 und 2016 Tiefeninterviews mit Top Managern (mit Prä­ sidenten oder Vizepräsidenten) der Landesgesellschaften durchgeführt. Es konnten 15 Unternehmen mit insgesamt 90 Tochtergesellschaften in sechs Ländern befragt werden, die den Unternehmen zu 100 Prozent gehörten oder durch sie kontolliert werden, eine statistisch ausreichende Zahl70. Es wurden die Manager der Tochtergesellschaften befragt, weil sie Einschätzu­ ngen zum Ausmaß der Umsetzung der Steuerungsinstrumente geben können71 und weil sich das Ausmaß der Steuerung durch die Muttergesellschaften genauer erfassen lässt, als wenn die Muttergesellschaften befragt worden wären72. Tochter­ gesellschaften sind in die lokalen Märkte eingebunden und eher in der Lage, den

302

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

lokalen Bedarf anzugeben. Die Manager haben besseren Zugang zu Informationen über die Konsumenten und besitzen spezifische Kompetenzen73. Das Ausmaß des Einsatzes der Konfliktlösungsmechanisen in den sechs Toch­ tergesellschaften der multinationalen Unternehmen wurden auf einer metrischen Skala von 1 (gar nicht) bis 7 (sehr stark) gemessen. Dabei wurden gleiche Abstände zwischen Stufen auf der Skala angenommen und es wurde ein absoluter Mittelpunkt definiert74. Die Daten wurden aus dem Fragebogen gezogen75. Die Variable wurde operationalisiert als durchschnittliche Intensität mit der die sechs Tochtergesellschaf­ ten eines multinationalen Unternehmens die Steuerungsinstrumente einsetzen, die die einzelnen Konfliktlösungsmechanismen erfordern, um die Konflikte zwischen der Muttergesellschaft und den Tochtergesellschaften zu lösen. Die Intensität des Einsatzes des Konfliktlösungsmechanismus Verhandlung bzw. Wettbewerb in den sechs Tochtergesellschaften eines Unternehmens wurde also gemessen als Durchschnitt der Intensität, mit der die Steuerungsinstrumente SI 1, SI 2, SI 8 und SI 11 bzw. Steuerungsinstrument SI 10 in den sechs Tochtergesellschaften dieses Unternehmens eingesetzt wurden. Die Ergebnisse einer einfachen quantitativen Analyse76 (Abb. 5.1-5) zeigen, dass der Konfliktlösungsmechanismus Verhandlung (Wert 3,61 auf der Skala von 1 bis 7) deutlich stärker gewählt wird, als der Konfliktlösungsmechanismus Wettbe­ werb (2,22). Beide Konfliktlösungsmechanismen sind aber noch weit von einem vollständigen Einsatz (Bewertung von 7,0) entfernt. Alle Werte sind signifikant von Null verschieden. Abb. 5.1-5 zeigt, dass entgegen der Empfehlung in der Literatur77, in der Unter­ nehmenspraxis die länderspezifische Auflösung der Interessenskonflikte zwischen der Muttergesellschaft und den Tochtergesellschaften bislang noch zu gering ist.

5.1 Verstärkung der länderspezifischen Steuerung

303

 "     







  #    

! 

Abb. 5.1-5 Durchschnittlicher Einsatz der Konfliktlösungsmechanismen Verhandlung und Wettbewerb in 90 Tochtergesellschaften von 15 multinationalen deutschen Automobilunternehmen Quelle: eigene Befragung

Endnoten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Vgl. Prahalad, Battacharyya, 2008); Ambos, Birkinshaw (2010); Hoenen, Kostova (2015). Vgl. z. B. Young, Tavares (2004); Gammegaard u. a. (2012). Vgl. z. B. Hoenen, Kostava (2015), aber auch Gammelgaard u. a. (2012), Yu u. a. (2009) und Jensen, Meckling (1992). Vgl. z. B. Mudambi u. a. (2014, S. 102); Najafi-Tavani u. a. (2014, S. 122) und Meyer, Su (2015, S. 150). Vgl. Najafi-Tavani u. a. (2014). Vgl. Doz, Prahalad (1991); Bartlett, Ghoshal (1989); Gavidia (2016). Vgl. Najafi-Tavani u. a. (2014). Vgl. Nell, Ambos (2013, S. 1088). Vgl. Hoenen, Kostova (2015); Ambos u. a. (2016). Vgl. Mudambi, Navarra (2004); Mudambi, Pederson (2007). Vgl. z. B. O’Donnell (2000, S. 525); Gupta, Govindarajan (2000); Egelhoff (2010); Ambos, Mahnke (2010); Gammelgaard u. a. (2011, S. 371). Vgl. Birkinshaw, Hood (1998); Frost (2001); Cantwell, Mudambi (2005). Vgl. Eisenhardt (1989); Björkman u. a. (2004); Najafi-Tavani u. a. (2014); Ambos u. a. (2016).

304

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

14 Vgl. Proff, Proff (2017). 15 Ebd. 16 Balcet, Evangelista (2015). 17 Proff, Proff (2017). 18 Balcet, Evangelista (2015). 19 Proff, Proff (2017). 20 Vgl. Balcet, Evangelista (2015). 21 Lemon, Verhoef (2016, S. 71). 22 Vgl. Edelman, Singer (2015). 23 Vgl. Meffert u. a. (2015, S. 206). Das Konzept des Kundenerlebnismanagements ist nicht völlig neu, sondern verbindet frühere Konzepte im Marketing, z. B. • Prozessmodelle des Kaufverhaltens, • die Forschung zur Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität, • die Forschung zur Servicequalität, die auf den Kontext der Kundenerfahrung abstellt, • das „Relationship Marketing“, das die Bedeutung von Vertrauen, Verpflichtung („commitment“) und Emotionen betont, • das „Customer Relationship Management“, das die Wertschaffung für Unternehmen aus der Kundenbeziehung in den Vordergrund stellt und • Forschungen zu „customer centricity“ bzw. „customer focus“ und „customer en­ gagement“ (vgl. den Überblick bei Lemon, Verhoef (2016) 24 Vgl. ebd. (S. 71). 25 Lemon, Verhoef (2016, S. 71) bezogen auf Court u. a. (2009). 26 Meffert u. a. (2015, S. 206). 27 Vgl. Schmitt, Mangold (2005). 28 Vgl. Lemon, Verhoef (2016, S. 71). 29 Vgl. ebd (S. 79). 30 Vgl Lemon, Verhoef (2016, S. 69). 31 Vgl. z. B. Adner (2017). 32 Vgl. ebd. 33 Vgl. z. B. auch van Bommel u. a. (2014). 34 Vgl. Lemon, Verhoef (2016, S. 89). 35 Ebd. 36 Vgl. Knips (1970). 37 Vgl. ebd. 38 Vgl. Bazerman u. a. (1985); Thompson (2006). 39 Vgl. Gammelgaard u. a. (2012, S. 162). 40 Taggart (1997, S. 55). 41 Vgl. Ambos u. a. (2016).

5.1 Verstärkung der länderspezifischen Steuerung 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77

305

Vgl. Franke (1985, S. 59). Vgl. ebd. und Fehl, Oberender (1994). Vgl. Franke (1985, S. 59); Fisher u. a. (2009, S. 90). Vgl. Franke (1985, S. 60); Fisher u. a. (2009; S. 141). Vgl. Fisher u. a. (2009, S. 225). Vgl. ebd. (2009). Ebd. (S. 141). Vgl. Fisher u. a. (2009). Vgl. Brett, Okumura (1998). Vgl. ebd. Vgl. Proff u. a. (2018). Vgl. Reuer u. a. (2014, S. 1628). Vgl. Frenkel u. a. (1991). Vgl. Plourde u. a. (2013), Riaz u. a. (2014). Vgl. Keller, Price (2011). Vgl. Hannan, Freeman (1977). Vgl. neben Hannan, Freeman (1977) auch z. B. Kieser, Woywode (2006). Vgl. Kieser, Woywode (2006, S. 309). Vgl. Schreyögg (2008, S. 73). Vgl. ebd. Vgl. Miebach (2012, S. 19). Vgl. z. B. Adenfelt, Lagerström (2008); Frost u. a. (2002). Vgl. Hannan, Freeman (1977). Vgl. Proff H.V. (2004). Vgl. auch Proff (2018). In China und Russland sind einige Tochtergesellschaften Joint Ventures mit einem lokalen Partner, aber die Fragen der Steuerung wurden in allen befragten Unternehmen vom deutschen Partner dominiert. Vgl. z. B. Nell u. a. (2011). Vgl z. B. Dörrenbächer, Gammelgaard (2006). Vgl. z. B. O’Donnell (2000). Vgl. Backhaus u. a. (2016, S. 97.111); Field (1999). Vgl. ähnlich Delany (2000); Björkman u. a. (2004, S. 446). Vgl. Mudambi u. a. (2014). Vgl. Nohria, Ghoshal (1994); Björkman u. a. (2004); Ambos u. a. (2016). Vgl. Field (1999); Berry (1993, S. 44–49); Bleymüller u. a. (2008, S. 139). Vgl. Berry (2003); Berry, Feldman (1985). Vgl. Bortz, Lienert (2008). Vgl. z. B. Mudambi u. a. (2014, S. 102); Najafi-Tavani u. a. (2014, S. 122); Meyer, Su (2015, S.150).

5.2

Verstärkung der länderübergreifenden Steuerung multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

5.2 Verstärkung der länderübergreifenden Steuerung

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

Die starken Umfeldveränderungen durch die vier globalen Umfeldtrends (Ausdif­ ferenzierung der Mobilitätsnachfrage und der Fahrzeugantriebe, Digitalisierung und Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes) zwingen multinationale Automobilunternehmen, weltweit Synergien durch Standardisierung zu suchen, um Kosten zu senken. Gerade für die kapitalintensiven Automobilunter­ nehmen ist es wichtig, bei allen Leistungen optimale Betriebsgrößen zu erreichen, in der Automobilindustrie unabhängig von der Antriebstechnologie und der Stufe der Automatisierung. Standardisierung und optimale Betriebsgrößen erfordern eine weitgehend homogene, länderübergreifende Steuerung aller Standorte und ausländischer Tochtergesellschaften1. Denn liegt z. B. die optimale Produktionsmenge, bei der die Stückkosten für eine Modellfamilie minimal sind, bei etwa 300.000 Stück im Jahr, dann braucht ein Hersteller mit einem Absatz von 1,2 Mio. Fahrzeugen der Modellfamilie weltweit im Jahr nur vier große Werke in maximal vier Ländern, die länderübergreifend ein weitgehend einheitliches Produktprogramm mit gleichen Teilen, Plattformen oder Baukästen fertigen, um Skalenvorteile zu erzielen. Eine länderspezifische Anpassung ist nur zusätzlich und in begrenztem Maße in kleinen Montagewerken und mit ckd-Produktionen möglich, was das Autonomiestreben der Tochtergesellschaften begrenzt2. In Kapitel 2.4.3 wird das Interesse der Muttergesellschaften multinationaler Au­ tomobilunternehmen an Standardisierung und damit an einer homogenen3, län­ derübergreifenden Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften angesichts der Ausdifferenzierung der wachsenden Automobilmärkte und der Wettbewerbsland­ schaft seit Beginn des Jahrtausends mit den Risiken einer stärker länderspezifischen Steuerung begründet: • Multinationale Unternehmen bedürfen als komplexe, arbeitsteilige Systeme mit vielen Interdependenzen und Schnittstellen sowie großen sachlichen, zeitlichen, räumlichen und kulturellen Distanzen einer starken Steuerung4.

307

308

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

• Die Forderung nach einer stärker länderspezifischen Steuerung übersieht Risi­ ken (Kapitel 2.4.2 und 5.1.1). Sie argumentiert über Informationsasymmetrien, Machtunterschiede (infolge unterschiedlicher Verfügbarkeit kritischer Res­ sourcen) sowie über Wissen und Kompetenzen, die die Tochtergesellschaften auch im Interesse der Muttergesellschaft aufbauen und transferieren können. Tochtergesellschaften können aber Freiräume, Macht und Wissen auch zu sehr für Ziele nutzen, die den Interessen der Muttergesellschaften und des Gesamtunternehmens entgegenstehen5. Durch die Integration der Theorie der Sozialisierung6 in die breitere Agency Theory7 wird zudem begründet, dass es ohne Sozialisierung durch Verhaltenskontrolle, die sich auf gemeinsame Werte und Normen stützt, zu Zielkonflikten infolge von Eigeninteressen der Tochtergesellschaften kommt8, die mit steigender Komplexität größer werden. Die Beziehungen zwischen den Agenten („multi-agency“-Beziehungen) werden dann unklarer9. • Risiken liegen auch in hohen Kosten einer Produktanpassung10. Wie bei der Ausdifferenzierung von Geschäftsmodellen (Kapitel 2.3.3) besteht die Gefahr, sich zu verzetteln angesichts der enorm steigenden Komplexität durch die Ausdifferenzierung der Beziehung zwischen Prinzipal und Agenten zu einem dichten Geflecht von Managementebenen in der Muttergesellschaft wie in den Tochtergesellschaften11. • Richten sich, wie in der Automobilindustrie, alle Hersteller auf jeden wichtigen Ländermarkt gesondert und bauen in allen wichtigen Märkten Kompetenzen auf, besteht die Gefahr, dass letztlich alle Hersteller zu breit aufgestellt sind, die Komplexität steigt und die Marken verwässern12. • Die Steuerung multinationaler Unternehmen und die Produktdifferenzierung führen schließlich zu einem Konflikt zwischen Kosten und Nutzen („costbenefit trade-off“), wenn durch die steigende Zahl Produktvarianten für einzelne Ländermärkte bzw. Regionen Kosten und Komplexität steigen und die Effizienz sinkt13. Die Digitalisierung hilft zwar, Komplexität zu verarbeiten. Dennoch bleiben auch zukünftig in der kapitalintensiven Wertschöpfungskette (unab­ hängig vom Fahrzeugantrieb) Effizienzpotentiale, die es durch Größeneffekte auszunutzen gilt. In diesem Kapital wird zunächst gezeigt, dass durch die globalen Umfeldtrends der Druck auf eine länderübergreifende Steuerung weiter ansteigt (Kapitel 5.2.1). Marktbezogene Erklärungen von Größen- und Verbundvorteilen begründen dann in Kapitel 5.2.2, dass zumindest einige der in Kapitel 2.4.2(2) begründeten Steuerungsinstrumente auch länderübergreifend gewählt werden können, wenn die Interessenskonflikte lösbar sind. Sie werden gelöst, indem sie hierarchisch von

5.2 Verstärkung der länderübergreifenden Steuerung

309

der Muttergesellschaft entschieden werden oder aufgrund von Regelungen zentral entschieden werden müssen (vgl. Abb. 5–2 in der Einleitung zu Kapitel 5). Kapitel 5.2.3 zeigt schließlich, dass die Zielkonflikte der Steuerung zwischen Mutterge­ sellschaft und Tochtergesellschaften bislang sehr einseitig länderübergreifend in der Hierarchie aufgelöst werden.

5.2.1 Druck auf eine stärker länderübergreifende Steuerung multinationaler Automobilunternehmen durch die globalen Umfeldtrends Der Druck auf eine stärkere länderübergreifende Steuerung entsteht in der Auto­ mobilindustrie vor allem durch den weltweiten Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes (Umfeldtrend 4, Kapitel 3.4). und damit auf die Automobilunternehmen zur Reduzierung ihrer weltweiten Fixkosten. Länderüber­ greifend müssen sie vor allem die Fixkosten in der Forschung und Entwicklung sowie in der Produktion verringern, Händlernetze sind eher länderspezifisch. Der Druck auf eine länderübergreifendere Steuerung wird verstärkt durch die anderen globalen Umfeldtrends, die Ausdifferenzierung der Leistungen und Ge­ schäftsmodelle aufgrund der Digitalisierung, neue Fahrzeugantriebe und die sich nach Einkommen, Wertesystem, Alter und Wohnumfeld ausdifferenzierende Nach­ frage. Da die hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung neuer Antriebstech­ nologien und der Digitalisierung der Prozesse und Leistungen (autonomes Fahren, neue Mobilitätskonzepte) noch nicht über hohe Stückzahlen amortisiert werden können, erfordern die hohen Fixkosten eine länderübergreifende Vermarktung. Auch wenn Fahrzeuge mit neuen Antriebstechnologien, neue Mobilitätsdienste und Softwareangebote gerade erst auf den Markt kommen, entstehen hohe Kosten durch Mindestgrößen infolge von Unteilbarkeiten, die Kapital binden und die Rendite drücken. Deshalb müssen noch intensiver weltweit Verbundvorteile und Synergiepotentiale durch Zusammenfassung von Aufgaben gesucht werden. Wichtiger wird die Optimierung des traditionellen Geschäftes, das die Zukunftsin­ vestitionen, den Übergang in die Elektromobilität und die Digitalisierung finanzieren muss. Automobilunternehmen müssen dort die Anlagenproduktivität und die Ka­ pazitätsauslastung erhöhen, indem sie die weltweite Produktion länderübergreifend optimieren. Die Anlagenproduktivität ist das Verhältnis der Gesamtleistung bzw. Wertschöpfung zum betriebsnotwendigen Anlagevermögen14 und lässt sich z. B. nur durch maximale Auslastung der Sachanlagen, vor allem der Maschinen, erhöhen, wenn Produktionsverluste wie z. B. technische Störungen vermieden werden15. Die

310

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

Kapazitätsauslastung ist eine Kennziffer, die die tatsächliche Produktionsmenge durch die bei maximaler Auslastung erreichbare Produktionsmenge dividiert16. Die optimale Kapazität ist erreicht bei der „Ausbringungsmenge pro Zeiteinheit […], bei der die Stückkosten ihr Minimum aufweisen“17. Um das zu erreichen, optimieren sowohl Automobilhersteller als auch Zulieferer ihr globales Produktionsnetzwerk. Durch die Fokussierung auf weltweit möglichst wenige Fabriken, die im Idealfall bei optimaler Betriebsgröße produzieren, nah an den Kernmärkten sind und Hauptlieferanten um sich scharen (vgl. Abb. 5.2-1), Abb. 5.2‐1,  sollen der Kapitaleinsatz reduziert und die Produktions-, Einkaufs- und Logistik­ S. 32 kosten minimiert werden.

Zulieferer 2 Zulieferer 

Fabrik 2

Zulieferer  Zulieferer 

Zulieferer 2

Zulieferer 2

Fabrik  Fabrik 

Zulieferer n Zulieferer n Zulieferer 2

Zulieferer n

Zulieferer 

Fabrik  Zulieferer n

Abb. 5.2-1 Globale Produktionsnetzwerke in der Automobilindustrie Quelle: eigener Entwurf

Zudem gilt es FuE-Investitionen über große Stückzahlen zu amortisieren. Die Entwicklung von neuen, verbrauchsarmen Verbrennungsmotoren, die den zuneh­ mend strengeren Abgasnormen entsprechen, aber auch von digitalen Prozessen und Leistungen kostet Milliarden von Euro (vgl. Kapitel 3.4). Angesichts der Umfeld­ veränderungen werden deshalb immer wieder neue Kooperationen in der Auto­ mobilindustrie angedacht. So kündigen VW und Ford im Januar 2019 gemeinsame

5.2 Verstärkung der länderübergreifenden Steuerung

311

Aktivitäten in der Elektromobilität an18, weil auf einer globalen Fahrzeugplattform auch in Zukunft mindestens ein bis zwei Millionen Fahrzeuge produziert werden müssen, damit sie wirtschaftlich ist. Diese Fahrzeuge gilt es über alle wichtigen Ländermärkte zu verteilen. Globale Produktionsnetze in der Automobilindustrie (Abb. 5.2-1) erfordern eine sehr zentralisierte Steuerung des globalen Produktionsverbunds mit wechselseitiger Zulieferung von Komponenten, um unter Abwägung von Investitions-, Lohn- und Transportkosten weitere Optimierungen zu erreichen, indem z. B. aufwendige Pressteile nur an einem Standort gefertigt werden. Aufgrund des in Kapitel 3.4 begründeten Drucks der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes und die Notwendigkeit, den Gewinn zu erhöhen, besteht deshalb die Tendenz einer verstärkten länderübergreifenden Steuerung der Automobilunternehmen, auch wenn bei Fertigung eines Produkts an einem Standort die Flexibilität ver­ loren geht und Produktionsausfälle an diesem Standort hohe Anpassungskosten verursachen können19.

5.2.2 Erklärung einer stärker länderübergreifenden Steuerung über den Konfliktlösungsmechanismus Hierarchie – Marktorientierte Erklärung weltweiter Größen- und Verbundvorteile In der Einführung zu Kapitel 5 wurde gesagt, Interessenskonflikte über den Einsatz einzelner Steuerungsinstrumente könnten länderübergreifend gelöst werden, wenn sie in der Hierarchie top-down durch die Muttergesellschaft entschieden werden, d. h. wenn der Konfliktlösungsmechanismus Hierarchie eingesetzt wird20. In der Hierarchie können Entscheidungen nach quasi-monopolistische Ent­ scheidungsregeln getroffen werden (Entscheidungsfindung durch den Entschei­ dungsführer, hier die Muttergesellschaft). Der Entscheidungsführer bestimmt den Punkt der optimalen Zielerreichung, an den sich die Entscheidungsfolger anpassen müssen21. Dadurch kann in multinationalen Unternehmen eine (struk­ turelle) Lösung erreicht werden. Die meisten Aktivitäten erfolgen zentral durch die Muttergesellschaft, einige Aktivitäten aber auch dezentral durch die einzelnen Tochtergesellschaften22. Die Autonomie der Entscheidungsfindung bleibt formal immer bei der Hauptverwaltung des multinationalen Unternehmens23. Hierarchische Lösungen können auch erzwungen werden, z. B. durch die Börsen­ aufsicht oder Regeln einer „good corporate governance“, die die Muttergesellschaft im multinationalen Unternehmen einheitlich und länderübergreifend umsetzen muss.

312

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

Dass der Konfliktlösungsmechanismus Hierarchie eine stärker länderübergreifende Steuerung ermöglicht, kann aus marktorientierten Erklärungen weltweiter Größenund Verbundvorteile und ihrer Dynamisierung abgeleitet werden. Gemäß diesen Erklärungen kann der Markteintritt von Wettbewerbern zu einem Zeitpunkt durch traditionelle Wettbewerbsvorteile, vor allem durch den Vorteil niedrige Kosten, verhindert werden (vgl. Kapitel 2.3.2 und insbesondere Abb. 2.3-3). Der Wettbe­ werbsvorteil niedrige Kosten beruht auf Größenvorteilen („economies of scale“), die aus dem marktorientierten Dyopolmodell von Dixit (1979) abgeleitet wurden. Für die Ermittlung zusätzlicher Marktvorteile bei Aktivitäten in mehreren Geschäftsbereichen oder – wie hier – in mehreren Ländermärkten sind Verbund­ vorteile („economies of scope“) wichtig24. Formal entstehen Verbundvorteile, wenn die gesamten Produktionskosten der Ausbringungenmengen x1 und x 2 zweier Güter 1 und 2 bei gemeinsamer Produktion für verschiedene Ländermärkte geringer sind, als bei getrennter Produktion stärker länderspezifischer Produkte für einzelne Ländermärkte25: K (x1, x 2) < K (x1, 0) + (0, x 2). Bei Umkehrung der Ungleichung liegen „diseconomies of scope“ (Verbundnachteile) vor. Abb. 5.2-2 zeigt ein Beispiel der gesamten Produktionskosten bei Verbundpro­ duktion. Dabei werden Betriebsgrößenvorteile vernachlässigt (aus Gründen der Dar­ stellung) und es wird angenommen, dass es trotz aller technologischen Entwicklung auch in Zukunft aufgrund des nach wie vor notwendigen Kapitaleinsatzes in der Automobilindustrie26 (vgl. Kapitel 1.2) noch signifikante Größen- und Verbundvor­ teile geben wird und die gesamten Produktionskosten bei getrennter Produktion linear verlaufen. In Abb. 5.2-2a sind diese für S (S = ½ R + ½ T) mit 2.500 geringer als bei getrennter Produktion für verschiedene Ländermärkte in Höhe von 4.000 ((½ R = 1000) + (½ T = 3000)). Es liegen Verbundvorteile vor. In Abb. 5.2-2b indes betragen die gesamten Produktionskosten aufgrund von Verbundnachteilen 4.500.

5.2 Verstärkung der länderübergreifenden Steuerung

 

  "      " 

313

      "      " 

      

      

6000 6000 K (0, x 2 )x 2 ) K (0, 1/21/2 T T

 

TT

RR

               

K (0, x *)x *) K (0, 2 2

S S 2000 2000

RR K K (x 1(x *,1 0) *,1/2 0)1/2  

 

TT

4500 4500

1/21/2 T T

2500 2500 S S 2000 2000

1/21/2 RR K K (x 1(x , 0) 1, 0)

6000 6000

RR

 

               

Abb. 5.2-2 Gesamte Produktionskosten der Verbundproduktion Quelle: Proff (2002a, S. 162 in Anlehnung an Baumol u. a. 1988, S. 79 und S. 80)

Teece (1982) suchte nach Ursachen von Verbundvorteilen durch Sachkapital in kapitalintensiven Unternehmen, um sie nicht nur zu beschreiben, sondern auch marktorientiert zu erklären. Dabei unterscheidet er zwei Typen solcher Verbund­ vorteile27: 1. unteilbares, nicht spezialisiertes Sachkapital als gemeinsamer Inputfaktor für die Produktion von zwei und mehr Gütern. Ein Beispiel sind große Pressstraßen mit Standardpressen für Karosserieteile, die durch die Produktion für nur ein Modell nicht ausgelastet sind. Nicht beliebig teilbare Produktionsfaktoren kön­ nen bei getrennter Produktion zu Überschusskapazitäten führen. Die Nutzung dieser Überschusskapazitäten für die Produktion anderer Güter verbessert die Kapazitätsauslastung und die Kosten sinken im Vergleich zu einer getrennten Produktion. 2. unteilbares, spezialisiertes Sachkapital als gemeinsamer Inputfaktor für die Produktion von zwei und mehr Gütern. Ein Beispiel sind Rohbaustraßen zur Karosseriefertigung, bei denen Schweißroboter spezifisch konfiguriert werden, aber verschiedene Modelle fertigen können, um die Rohbaustraßen auszulasten. Die Möglichkeit, freie Kapazitäten im Markt anzubieten, ist gering. Die Trans­

314

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

aktionskosten sind meist so hoch, dass es sich eher lohnt, die Kapazitäten durch die Produktion neuer Güter auszulasten. Statt von unteilbarem, nicht spezifischem oder spezifischem Sachkapital als gemein­ samen Input für die Produktion von zwei und mehr Gütern spricht das strategische Management meist von Synergien. Synergie bedeutet wörtlich „Zusammenwirken“ und wird durch gemeinsame Nutzung wirtschaftlicher Potentiale in mindestens zwei Geschäftsbereichen definiert28. Zwischen einem markt- und einem ressour­ cenorientierten „Zusammenwirken“ wird in der Regel nicht unterschieden29. Al­ lerdings nennt Porter (1996b, S. 413-460) zwei Verflechtungstypen von Wertketten, die Synergien auslösen: materielle und immaterielle Verflechtungen30. Materielle Verflechtungen beruhen auf unteilbarem, nicht spezialisiertem und selbst speziali­ siertem Sachkapital und bilden in der marktorientierten Sichtweise die Grundlage für Verbundvorteile. In der traditionellen marktorientierten Mikroökonomik (Industrial Organization) ist der dauerhafte Schutz ökonomischer Renten bzw. Gewinne durch Verbundvor­ teile möglich, da Unternehmen bestrebt sein werden, Überschusskapazitäten für Wachstum zu nutzen. Produktionsanlagen, d. h. spezialisiertes oder nicht speziali­ siertes Sachkapital im Produktionsprozess, weisen unterschiedliche Mindestgrößen auf. Eine Minimierung der Produktionskosten ist nur bei kleinster gemeinsamer Anlagengröße möglich, weil sonst partiell Überschusskapazitäten auftreten. Diese Bedingung ist bei vielen Anlagen und stark schwankender Auslastung unrealistisch. Aufgrund von Unteilbarkeiten entstehen Überkapazitäten31. In der Automobilindustrie ist es zudem nach wie vor unabhängig von der Antriebs­ technologie (Verbrennungs- oder Elektromotor) wichtig, bindende Verpflichtungen („commitments“) einzugehen und den Ruf aufzubauen, auf Aktionen der Wettbe­ werber mit Vergeltungsreaktionen („signalling“) zu antworten (vgl. Abschnitt 4.1.1), um den Wettbewerbern die Ernsthaftigkeit der Marktaktivitäten zu demonstrieren. Bindende Verflechtungen und der Ruf, mit Vergeltungsreaktionen zu antworten, begründet die Spieltheorie als Dynamisierung marktorientierter Erklärungen der Veränderungen von Wettbewerberinteraktion im Oligopol32 (vgl. dazu auch Kapitel 4.1.2). Als Spezialfall eines Oligopols wird für ein Dyopol mit einem etablierten Unternehmen im Markt und einem neu eintretenden Unternehmen erklärt, dass sich das eintretende Unternehmen durch Abwehrreaktionen nicht abhalten lässt und versuchen wird, in den Markt zu kommen. Die Spieltheorie macht Annahmen zu wettbewerbsorientierten dynamischen Strategien: das etablierte Unternehmen, das den Markteintritt des Konkurrenten schon nicht verhindern kann, wird ver­

5.2 Verstärkung der länderübergreifenden Steuerung

315

suchen, zumindest dessen Handlungsraum stark zu begrenzen (vgl. Abb. 5.2-3 in Erweiterung von Abb. 4.1-2).

eine Rea tion Pfad (1.1) Angebots enge

agierendes nter ne en Rea tion zu Rea tions osten Pfad (1)

agierendes nterne en

Pfad (1.2) ergeltung

reagierendes nterne en keine Reaktion Pfad (2)

eine Rea tion Pfad (2.1)

agierendes nter ne en Pfad (2.2) eitere A tionen

„signalling“ und „commitment“ Verstärkung von Größen‐ und  Verbundvorteilen bei Verwendung von Gleichteilen (gestützt durch ein systematisches Preispremium‐Management  (Kapitel 4.2.2) durch ein Management der  internationalen Marktbearbeitung  mit Produktionsstandorten in  Wachstumsmärkten (gestützt durch ein koordiniertes Mehrmarktmanagement)  erfordert eine Konfliktl sung in der Hierarchie (länderübergreifende Steuerung) Zeit

Abb. 5.2-3 Dynamisierung des Grundmodells der Oligopoltheorie zur Erklärung einer Abb.  5.2‐3, S. 31  hier ist in der Druckversion die Achse dicker Verbesserung effizienzorientierter Wettbewerbsvorteile in stagnierenden => dabei war und ist sie Pt. 1 oder leicht wachsenden Oligopolmärkten Quelle: nach Proff (2007, S. 78), ähnlich Abb. 4.1-4

In Kapitel 4.1.2 wurde bereits betont, dass die Anzahl der spieltheoretischen Lösun­ gen in Entscheidungssituationen sehr groß ist und dynamische Mehrperiodenspiele deshalb nur unter sehr restriktiven Annahmen analytisch gelöst werden können33. Die nicht-kooperative Spieltheorie erklärt Entscheidungen in stagnierenden und leicht wachsenden Oligopolmärkten mit Erwartungen über wechselseitig abhängige Handlungen der Akteure bei unvollkommener Information. Hier redu­ zieren bindende Verpflichtungen, z. B. Investitionen mit „sunk costs“ (nicht mehr liquidierbare Investitionen34) beim Aufbau von Größen- und Verbundvorteilen, die Unsicherheit, weil die Irreversibilität der Investitionen die Reaktionsmöglichkeiten der Wettbewerber einschränkt35. Reaktionen der Wettbewerber sind zudem umso unwahrscheinlicher, je stärker die etablierten Unternehmen bindende Verpflich­

316

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

tungen („commitment“) eingehen und je stärker angenommen wird, dass sie auf Aktionen mit Vergeltungsreaktionen („signalling“) antworten. „Signalling“ und „commitment“ demonstrieren also Irreversibilität und können gemäß der nicht-kooperativen Spieltheorie im Wettbewerb um Produkte (durch Investitionen in große Produktionsanlagen, aber auch in Gleichteile, wie z. B. die Baukästen im VW-Konzern) durch Größen- und Verbundvorteile erreicht werden36. Eine weitere Erklärung einer stärker länderübergreifenden Steuerung ergibt sich aus dem Vorliegen von positiven und vor allem negativen Mehrmarkteffekten der internationalen Marktbearbeitung37. In Kapitel 4.1.2 wurde bereits betont, dass es zu Fehlentwicklungen durch negative Mehrmarkteffekte aufgrund kollidierender Interessen bei der Marktbearbeitung durch Aufbau von immer mehr Produktionsstätten durch immer mehr Automo­ bilhersteller in immer mehr Ländern kommt, wenn die Märkte, die Investitions­ anreize bieten, interdependent sind. Die Optimierung von Produktionsabläufen auf einem Markt mit teilweise dem Zwang zum Export kann in der Gesamtschau aufgrund von Exportkonkurrenz der Produkte auf Drittmärkten (z. B. jenseits der Produktionsländer in Abb. 5.2-1) zu negativen Effekten führen38, die es durch länderübergreifende Steuerung zu reduzieren gilt. Diese negativen Mehrmarkteffekte gilt es durch eine länderübergreifende Steu­ erung zu reduzieren, die auf ein koordiniertes Mehrmarktmanagement hinwirkt39, um den Mehrmarktwettbewerb zu begrenzen. Ansätze zur Vermeidung von negativen Mehrmarkt-Spillover-Effekten durch ein solches Mehrmarktmanage­ ment bietet das in Kapitel 4.1.2 erwähnte Oligopol- bzw. genauer Dyopolmodell von Bulow u. a. (1985). Aus dem Modell wurden Ansatzpunkte für ein effizientes Mehrmarktmanagement abgeleitet: die Verringerung der Produktsubstituierbarkeit 1. in einem multinationalen (Automobil)unternehmen und 2. zwischen multinati­ onalen (Automobil)Unternehmen z. B. durch Konzentration eines Produktes auf einen Standort und die Verringerung von Größen- und Verbundnachteilen 3. in einem multinationalen (Automobil)Unternehmen und 4. zwischen multinationalen (Automobil)Unternehmen z. B. durch Aufbau weitgehend unabhängiger, modularer Produktionsstandorte40, wofür eine länderübergreifende Steuerung notwendig ist. In Kapitel 4.1.2 wurde begründet, dass durch den Umbruch zu neuen Basistechno­ logien, die die traditionellen Technologien ablösen, in einem schrumpfenden Markt des auslaufenden Geschäfts der Kampf der Wettbewerber im Oligopol schärfer wird. Da die neuen Technologien elektrischer und selbstfahrender Fahrzeuge an Bedeutung gewinnen, werden in dem auslaufenden Geschäft mit Verbrennungsmo­ toren das Androhen von Vergeltungsmaßnahmen („signalling“) und das Eingehen

5.2 Verstärkung der länderübergreifenden Steuerung

317

bindender Verpflichtungen („commitment“) immer wichtiger. Der Oligopolkampf erfordert deshalb eine stärkere länderübergreifende Steuerung. Durch eine hierarchische, alleine von der Muttergesellschaft festgelegte Vor­ gehensweise bei der Steuerung der Tochtergesellschaften können Größen- und Verbundvorteile erreicht werden. Aufgabe des Konfliktlösungsmechanismus Hi­ erarchie ist damit die effiziente Nutzung von Überschusskapazitäten aufgrund von unteilbarem Sachkapital und der Aufbau von bindenden Verpflichtungen sowie des Rufes, mit Vergeltung zu antworten. Der daraus resultierende ökonomische Nutzen in kapitalintensiven Branchen wie der Automobilindustrie kann von Unternehmen realisiert werden, um erfolgreich eigenständig am Markt zu bleiben. Dazu ist eine länderübergreifende Steuerung unabdingbar. Um dies zu erreichen, werden drei der 13 in Kapitel 2.4.2(2) genannten Instrumente der Steuerung (SI) von Tochtergesellschaften im Ausland im Rahmen des Konflik­ tlösungsmechanismus Hierarchie eingesetzt: • gutes Compliance Management in den Tochtergesellschaften (SI 4), • direkte Ansprache größerer Tochtergesellschaften als lokale Stützpunkte (SI 6) und • projektbezogene Nutzung des internen Kapitalmarkts (SI 7). Damit wird eine optimale Lösung nur durch die Muttergesellschaft als Entschei­ dungsführer erreicht41. Ein gutes Compliance Management (SI 4) und eine projektbezogene Nutzung des internen Kapitalmarkts (SI 7) geben der Muttergesellschaft Handlungsspielraum, der jedoch durch Regularien und die Bedeutung der Ländermärkte begrenzt wird. Kapitalmarktgesetze enthalten Regeln für das Compliance Managementsystem (CMS) und für den internen Kapitalmarkt. Für Compliance Managementsysteme gibt es zudem ein allgemein akzeptiertes Rahmenkonzept42 des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V.43, für die Zertifizierung seit 2014 einen internationalen Standard (ISO 19600). Da an den internationalen Handelszentren die Börsenaufsicht zentrale Finanzkontrollen fordert, um vollständige Transparenz über die gesamte Situation des multinationalen Unternehmens jederzeit zu haben, muss der interne Kapitalmarkt durch die Muttergesellschaft multinationaler Un­ ternehmen kontrolliert werden. Das galt zunächst nur für an der Börse gelistete Unternehmen, ist inzwischen aber auch eine Richtlinie für Eigentümerunternehmen in Privatbesitz44. Unteilbarkeit ergibt sich aus den gesetzlichen Vorgaben und aus dem hohen Finanzierungsbedarf von Forschung, Entwicklung und Produktionsan­

318

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

lagen. Das länderübergreifende Gesamtoptimum kann nur die Muttergesellschaft definieren und durchsetzen. Die direkte Ansprache großer Tochtergesellschaften wie z. B. China als lokale Stützpunkte (SI 6), muss ebenfalls über die Hierarchie entschieden werden und das Corporate Management hat in „wichtigen Märkten“ auch einen gewissen Hand­ lungsspielraum. Welche Märkte wichtig sind, bestimmt die Muttergesellschaft, allerdings in Abhängigkeit von Markttrends. Die Entscheidung wird deshalb von außen mitbestimmt45.

5.2.3 Zu starke länderübergreifende Auflösung der Interessenkonflikte über die Steuerung multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs Die Befragung von 90 Tochtergesellschaften von 15 multinationalen Automobil­ herstellern und Zulieferern 2014 bis 2016 in den BRIC-Ländern, in Mexiko und in den USA (vgl. Kapitel 5.1.3), gibt Hinweise auf die Bedeutung des Konfliktlösungs­ mechanismus Hierarchie bei der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften und damit auf die Bedeutung einer länderübergreifenden Steuerung. Dabei wurde die Bedeutung des Einsatzes des Konfliktlösungsmechanismus Hierarchie in den sechs Tochtergesellschaften eines jeden Unternehmens gemessen als Durchschnitt der Intensität, mit der die Steuerungsinstrumente SI 4, SI 6 und SI 7 in den sechs Tochtergesellschaften dieses Unternehmens eingesetzt wurden.

   







        

Abb. 5.2-4 Durchschnittlicher Einsatz des Konfliktlösungsmechanismus Hierarchie in 90 Tochtergesellschaften von 15 multinationalen deutschen Automobilunternehmen Quelle: eigene Befragung

5.2 Verstärkung der länderübergreifenden Steuerung

319

Die Ergebnisse (Abb. 5.2-4) zeigen, dass die Hierarchie zur Konfliktlösung mit einem Wert von (5,97) auf der Skala von 1 (gar nicht) bis 7 (stark) bereits recht stark eingesetzt wird, viel stärker als die Konfliktlösungsmechanismen Verhand­ lung (3,61) und Wettbewerb (2,22), vgl. Kapitel 5.1.3. Alle Werte sind signifikant von Null verschieden. Der Vergleich von Abb. 5.2-4 mit 5.1-5 in Kapitel 5.1.3 zeigt die relativ hohe Bedeutung der länderübergreifenden Auflösung von Interessenskonflikten bei deutschen Automobilunternehmen, was der Realität der Automobilindustrie in der Vergangenheit entspricht.

Endnoten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

Vgl. Verbeke, Kenworthy (2008, S. 951); Rangan, Sengul (2009). Vgl. Delany (2000); Sargent, Matthews (2006). Vgl. z. B. Gammelgaard u. a. (2012); Mudambi u. a. (2014, S. 102); Hoenen, Kostova (2015). Najafi-Tavani u. a. (2014, S. 122); Meyer, Su (2015, S. 150). Vgl. Kutschker, Schmid (2011, S. 1022) und Macharzina, Wolf (2018, S. 937). Vgl. Hansch (2007, S. 82). Vgl. van Maanen (1979). Vgl. Eisenhardt (1989). Vgl. Eisenhardt (1989); Björkman u. a. (2004); Ambos u. a. (2016). Vgl. Ambos u. a. (2016). Vgl. Holtbrügge, Welge (2015, S. 143). Vgl. Ambos u. a. (2016). Vgl. Proff (2007, Teil III, Kap. 10) Proff, Proff (2013, Kapitel 6). Vgl. Scarvada u. a. (2010, S. 208). Vgl. Wildemann (2002). Vgl. ebd. Vgl. z. B. Thonemann (2015, S. 158–165). Corsten, Gössinger (2016, S. 13). Vgl. Ford Motor Company (2019). Vgl. Proff, Proff (2013, Kapitel 2). Vgl. Knips (1970). Vgl. Dixit (1979). Vgl. Hill (2011). Vgl. Mudambi (1999). Vgl. zu den folgenden Ausführungen Proff (2002a, S. 161–166).

320

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

25 Vgl. z. B. Clarke (1991, S. 112) und darauf bezogen Proff (2002a, S. 162). 26 Vgl. Rifkin (2016). 27 Teece (1982) unterscheidet neben den beiden marktorientierten Erklärungen von Synergien durch gemeinsame Aufgabenverrichtung noch zwei weitere Typen von „economies of scope“: Humankapital als gemeinsamer Inputfaktor für zwei und mehr Produkte bzw. Know-how als quasi-öffentliches Gut als kompetenzbasierte Erklärung des Kompetenztransfers und positive externe Effekte, die im diversifizierten Unterneh­ men internalisiert werden können (vgl. auch Proff, 2002a, S. 163–164). 28 Ehrensberger (1993, S. 23). 29 Vgl. z. B. die Kritik von Steidl (1999, S. 5). 30 Materielle Verflechtungen entstehen „aus der Möglichkeit, Aktivitäten in der Wertkette mit verwandten Unternehmenseinheiten gemeinsam durchzuführen, was aufgrund gemeinsamer Abnehmer, Vertriebskanäle, Technologien und anderer Faktoren zu erreichen ist“ (Porter 1996b, S. 413). Zu den immateriellen Verflechtungen gehört die Übertragung von Kompetenzen zwi­ schen Wertketten. Sie findet statt, wenn Geschäftsbereiche, die zwar keine primären Aktivitäten gemeinsam durchführen können, trotzdem Gemeinsamkeiten aufweisen, wie z. B. ähnliche Kundentypen. 31 Unternehmen sind stets bestrebt, die Marktnachfrage bedienen zu können, so dass Unterkapazitäten bzw. eine Kapazitätslücke weitgehend vermieden wird. Bei Mehr­ punktproduktion führt eine Kapazitätslücke zu „diseconomies of scope“ (vgl. Teece 1982, S. 487). 32 Vgl. z. B. Proff (2007, Kap. 8). 33 Vgl. z. B. Weigelt, MacMillan (1988); Holler, Illing (2005). 34 Vgl. Holler, Illing (2009) und darauf bezogen Proff (2007, S. 80). 35 Vgl. Chen, MacMillan (1992). 36 Vgl. Dixit (1979); Chen, MacMillan (1992); oder Bulow u. a. (1985) und darauf bezogen Proff (2007). 37 Vgl. Proff (2004a), Proff (2007, Teil III, Kap. 10) und Proff, Proff (2013, Kap. 6). 38 Vgl. Bulow u. a. (1985). 39 Vgl. ebd. 40 Vgl. Proff (2007, Kapitel 10). 41 Vgl. Dixit (1979). 42 Vgl. Ernst & Young (2014). 43 Vgl. IDW (2011). 44 Vgl. Betsch u. a. (1999). 45 Vgl. Ambos, Birkinshaw (2010).

5.3

Management von Zielkonflikten zwischen einer mehr oder weniger länderspezifischen Steuerung multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

5.3 Management von Zielkonflikten

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

Wie beschrieben, gibt es in multinationalen Automobilunternehmen schon seit Beginn einer verstärkten Bearbeitung der Auslandsmärkte Zielkonflikte bzw. Widersprüche1 in der Beziehung zwischen der Muttergesellschaft und den Tochter­ gesellschaften2, insbesondere Zielkonflikte zwischen einer länderspezifischen und einer länderübergreifenden Steuerung. Eine länderspezifische Steuerung zielt auf den Erwerb von Wissen3 und Kompetenzen4 in wichtigen Ländermärkten sowie ihren Transfer in das multinationale Unternehmen und damit auf Flexibilität, eine länderübergreifende Steuerung dagegen auf weltweite Synergien sowie Kostenmi­ nimierung durch Produktplattformen und gemeinsame Produktion und Beschaf­ fung und damit auf Effizienz. Beides lässt sich nicht gleichzeitig maximieren, weil Flexibilität Anpassungskosten verursacht, Ereignispuffer („organisational slacks“5) benötigt und eine effiziente Produktion mit minimalen Kosten verhindert6. Bei komplexen Matrix- oder Netzwerkstrukturen in vielen multinationalen Automobilunternehmen mit vielen Funktionsbereichen, Geschäftsbereichen und Standorten oder Regionen, die eigene Ziele oder Interessen verfolgen und den Zielen anderer Einheiten entgegenstehen (vgl. auch Kapitel 1.1 und 2.4)7, sind die Konflikte noch stärker. Sie haben sich seit Anfang des neuen Jahrtausends mit der Ausdifferenzierung der Auslandsmärkte (Kapitel 2.1) und der Wettbewerbslandschaft in diesen Märkten (Kapitel 2.2) herausgebildet. Durch die globalen Umfeldtrends, die Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage nach Einkommen, Wertesystem, Alter und Wohnumfeld, die Entwicklung neuer Fahrzeugantriebe sowie neuer Prozesse, Leistungen und Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung und den Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes (Kapitel 3.1 bis 3.4) nehmen die Zielkonflikte weiter zu, weil sich die Trends weltweit zeigen und doch in einzelnen Ländern unterschiedlich auswirken. Wie in der Einführung zu Kapitel 5 betont, wächst mit den Zielkonflikten zwischen der Muttergesellschaft und den ausländischen Tochtergesellschaften die Forderung, die Koordination und Steuerung in multinationalen Automobilunternehmen zu verändern8 und nach Mechanismen zu suchen, die Konflikte zu verringern9. Eine 321

322

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

Entscheidung zugunsten nur eines der konfligierenden Ziele (Spezialisierung) bedeutet Effizienzverlust und steht einer gemeinsamen Zielerreichung entgegen. Der Konflikt über die Ausrichtung der Steuerung von ausländischen Tochtergesell­ schaften kann deshalb in den meisten multinationalen Unternehmen, auch Auto­ mobilunternehmen, nicht umfassend gelöst werden. Deshalb wird vorgeschlagen, Zielkonflikte auf die Ebene von Subzielen, in multinationalen Unternehmen auf der Ebene der einzelnen Steuerungsinstrumente (Tab. 2.4-1 in Kapitel 2.4.2), zu verlagern und dort aufzuhellen und einzuengen10, um die Informationsbasis von Entscheidungen zu verbessern11. So ist es möglich, Konflikte zwischen Subzielen zu lösen oder zumindest zu verringern12, obwohl Konflikte zwischen den überge­ ordneten Zielen bestehen bleiben. Wie bereits erläutert, können einfache Interessenskonflikte über einzelne Steu­ erungsinstrumente in Verhandlungen zwischen der Muttergesellschaft und den ausländischen Tochtergesellschaften und im Wettbewerb der Tochtergesellschaften untereinander entschieden werden. Dadurch können die Interessen der auslän­ dischen Tochtergesellschaften stärker berücksichtigt werden und die Steuerung wird länderspezifischer (Kapitel 5.1). Über andere Steuerungsinstrumente kann bei einfachen Interessenkonflikten in der Hierarchie durch die Muttergesellschaft entschieden werden, die an Größen- und Verbundvorteilen und damit an einer länderübergreifenden Steuerung interessiert ist (Kapitel 5.2). Es gibt bei einzelnen Steuerungsinstrumenten aber auch Zielkonflikte, die mit einfachen Mechanismen (in Verhandlungen, im Wettbewerb und in der Hierarchie) nicht mehr umfassend länderübergreifend oder länderspezifisch lösbar sind. So sind z. B. Entscheidungen über eine Steuerung durch gemeinsame kulturelle Werte, die Gruppierung kleiner Ländermärkte, aber auch der Transfer von Wissen innerhalb eines multinationalen Unternehmens sehr komplex. Das liegt daran, dass die Ziele mehrdimensional sind und deshalb auch nicht nur unterschiedliche Interessen einerseits der Muttergesellschaft und andererseits der Tochtergesellschaften aufein­ andertreffen, sondern auf beiden Seiten mehrere Interessensgruppen beteiligt sind. Bei komplexen Zielkonflikten bestehen aufgrund unterschiedlicher Zieldi­ mensionen und deshalb komplexer Interessenslagen unüberwindbare Differenzen darüber, ob sie länderspezifisch oder länderübergreifend festzulegen sind, was eine alle Dimensionen umfassende Lösung verhindert. Deshalb wird vorgeschlagen, diese Zielkonflikte weiter einzuengen und auf einer nachgeordneten Ebene, z. B. auf der zweiten Ebene wichtiger Dimensionen der (Sub)Ziele Lösungen zu suchen, um die Informationsbasis von Entscheidungen weiter zu verbessern13. Das ist möglich, weil das Vorgehen, Ziele einzuengen und auf einer nachgelagerten Ebene zu lösen, mehrstufig erfolgen kann und bei komplexen Verhandlungen auch praktiziert wird14. Deshalb gilt es den Konflikt zunächst auf der zweiten Ebene auf wichtige

5.3 Management von Zielkonflikten

323

und zugleich lösbar erscheinende Dimensionen der Subziele einzuengen und dann diese auszubalancieren, d. h. Mediationslösungen zu suchen15. So ist z. B. der Konflikt über das Subziel „gemeinsame kulturelle Werte“ auf wenige zentrale Dimensionen einzuengen, für die Kernwerte als Mediationslösung zu suchen sind. Darüber kön­ nen die unterschiedlichen Interessengruppen dann weiter zusammenwachsen und mit der Zeit auch die anderen wichtigen Konfliktdimensionen weitgehend aufgelöst werden (Konfliktlösungsmechanismus Mediation)16. Im Weiteren wird nun zunächst die Notwendigkeit einer Mediation unüberwind­ barer Differenzen über die Steuerung multinationaler Automobilunternehmen gezeigt, die angesichts der technologischen, wirtschaftlichen und sozio-kulturellen Herausforderungen durch die beschriebenen globalen Umfeldtrends besonders wichtig ist (Abschnitt 5.3.1). Dann werden Erklärungen für den Umgang mit unüberwindbaren Differenzen durch Mediation wesentlicher Dimensionen von Subzielen gesucht (Abschnitt 5.3.2) und schließlich in Abschnitt 5.3.3 Belege für die bisher unzureichende Betrachtung der Lösung von Zielkonflikten über Steue­ rungsinstrumente durch Mediation angeführt.

5.3.1 Notwendigkeit einer Mediation bei unüberwindbaren Differenzen über die Steuerung multinationaler Automobilunternehmen Die in Kapitel 5.1 und 5.2 begründeten Konfliktlösungsmechanismen Verhandlung, Wettbewerb und Hierarchie eigenen sich für klar umrissene Fragestellungen, die gut für die Entscheidungsfindung aufbereitet werden können und lösbar sind. Die Befragung der 90 Tochtergesellschaften von 15 multinationalen Automo­ bilunternehmen 2014 bis 2016 in den BRIC-Ländern, Mexiko und den USA17 (vgl. Kapitel 2.4.1) zeigt, dass selbst 2016 in großen deutschen Automobilunternehmen nicht immer klar geregelt war, wer die Entscheidungen über die Steuerung ausländi­ scher Tochtergesellschaften im Tagesgeschäft trifft (vgl. Abb. 2.4-1 in Kapitel 2.4.1). Durch die globalen Umfeldtrends nimmt in diesen Unternehmen mit weltweit agierenden Funktions- und Geschäftsbereichen sowie Standorten die Komplexität durch formelle und informelle Strukturen18 und globale Arbeitskreise weiter zu. Konflikte über Subziele, wie den Einsatz der Steuerungsinstrumente gemeinsame kulturelle Werte und Transfer von Wissen innerhalb multinationaler Unternehmen, werden dadurch vielschichtiger, d. h. stärker mehrdimensional. Deshalb sind in der Muttergesellschaft und in den einzelnen Tochtergesellschaften, aber auch übergrei­ fend, immer mehr Gruppen bzw. Koalitionen mit unterschiedlichen Interessen an

324

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

Entscheidungen, z. B. über den Einsatz dieser Steuerungsinstrumente, beteiligt (vgl. Abb. 5.3-1). Konflikte nehmen z. B. zu, wenn unterschiedliche Funktionsbereiche zur Entscheidungsfindung beitragen. So werden z. B. im Einkauf länderübergrei­ fend ähnliche Ziele verfolgt, während in Produktion und Absatz länderspezifische Besonderheiten im Vordergrund stehen.

Muttergesells

aft

Zielkonflikt

To

Entscheider

tergesells

aften

Netzwerk

Koalition/Gruppe

Abb. 5.3-1 Koalitionen bei Entscheidungen über Konflikte der Steuerung zwischen der Muttergesellschaft und ausländischen Tochtergesellschaften in multinationalen Unternehmen Quelle: eigener Entwurf nach Kolb, Faure (1994, S. 115), Spector (1994), Dupont (1994, S. 157)

Das zeigt auch die Multiple-Principal-Agent-Theorie bzw. die breitere Agency ­Theorie (vgl. Kapitel 2.4.2), die die Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht in Unternehmen mit mehreren Prinzipalen (Funktionen und Geschäftsbereiche der

5.3 Management von Zielkonflikten

325

Zentrale) und mehreren Agenten (Manager der Tochtergesellschaften) und verbun­ dene Beziehungen zwischen beiden19 betrachtet. Die Agency Theorie begründet, dass ein Agent bei Informationsasymmetrien Freiräume nutzen und Interessen durchsetzen kann, wenn ihm eine Unsicherheit des Prinzipals Verhaltensspielräu­ me eröffnet, die er zu dessen Schaden nutzen kann20. Die breitere Agency Theorie erklärt, dass mehrere Agenten lokales Wissen und Geschäftsprozesse gegenüber unterschiedlichen Prinzipalen verteidigen und für eine länderspezifische Steuerung kämpfen21, gegen Interessen der Manager der Muttergesellschaft. Die Prinzipale kontrollieren deshalb die institutionellen Mechanismen eines multinationalen Unternehmens, bemühen sich um eine länderübergreifende Steuerung und ver­ stärken kooperative und interaktive Strukturen22, weil divergierende Interessen von Prinzipalen die Notwendigkeit von Verpflichtungen („commitment“) und Vertrauen begründen und sie bei Berücksichtigung des jeweiligen kulturellen und institutionellen Umfeldes, in das die Prinzipale und Agenten eingebettet sind, durch Verhaltenskontrolle statt durch (formale) Ergebniskontrolle gemeinsame Normen und Werte schaffen können, die auch im Interesse der Tochtergesellschaften sind 23. Entscheidungen über Steuerungsinstrumente wie z. B. gemeinsame kulturelle Werte, aber auch die Schaffung guter Kommunikation in multinationalen Unter­ nehmen und der Transfer von Wissen in einem multinationalen Unternehmen (SI 3, 9 und 13 in Tab. 2.4-1, Kapitel 2.4.2) sind weder klar umrissen, noch klar formuliert und keinem Entscheidungsträger zugeordnet. Hier ist in der Regel weder eine Entscheidung in der Hierarchie, noch im Wettbewerb zwischen den Tochtergesellschaften oder Verhandlungen möglich, weil es bei komplexer Inter­ essenlage keine einfachen Lösungen gibt, die sich hierarchisch verordnen lassen oder dem Wettbewerb überlassen werden können und weil die Annahmen zur Verhandlungslösung in der Edgeworth-Box (Kapitel 5.1.2) zu sehr vereinfachen. Zielkonflikte zwischen der Forderung der Tochtergesellschaften nach einem stär­ ker dezentralen, flexibilitätsorientierten und damit länderspezifischen Einsatz dieser Steuerungsinstrumente (länderspezifische Werte, starker Wissenstransfer auf Initiative wichtiger Tochtergesellschaften in die Muttergesellschaft) und der Forderung der Muttergesellschaft nach einem zentraleren, effizienzorientierten und damit länderübergreifenden Einsatz dieser Instrumente (länderübergreifende, zentrale Werte und zentral gesteuerter Wissenstransfer) lassen sich deshalb nicht einfach und umfassend auflösen. Sie können jedoch auf wesentliche Dimensionen eingeengt werden, um in Koalitions- oder Mehrheitsentscheidungen kompetenter Entscheider als Vertreter der einzelnen Interessensgruppen (Abb. 5.3-1) die Konflikte auszubalancieren bzw. Mediationslösungen zu finden.

326

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

In komplexen Entscheidungssituationen können unüberwindbare Differenzen über die Steuerung multinationaler Automobilunternehmen damit nur durch Ausbalancieren bzw. Mediation der unterschiedlichen Interessen gelöst werden. Einfache Entscheidungsmodelle reichen nicht aus, um Handlungen zu leiten24. Im nächsten Abschnitt soll deshalb das Einengen und Ausbalancieren des Konfliktes zwischen der Forderung nach einer länderspezifischen Steuerung und der Forderung nach einer länderübergreifenden Steuerung durch den Konfliktlösungsmechanis­ mus Mediation mit der modernen Entscheidungstheorie bei Berücksichtigung von Gruppenentscheidungen erklärt werden.

5.3.2 Erklärung des Ausbalancierens von länderspezifischer und länderübergreifender Steuerung über den Konfliktlösungsmechanismus Mediation – Moderne Entscheidungstheorie mit Berücksichtigung von Gruppenentscheidungen Unüberwindbare Differenzen zwischen Interessengruppen, wie z. B. zwischen verschiedenen Gruppen oder Koalitionen in der Muttergesellschaft und in den Tochtergesellschaften über die Ausgestaltung einzelner Instrumente der Steuerung in multinationalen Unternehmen, können nicht umfassend gelöst, sondern nur möglichst effektiv gemanagt werden25. Es ist dabei nicht möglich, Transforma­ tionskurven zu definieren und den Handlungsspielraum einer möglichen Konf­ liktlösung zu bestimmen26, weil anders als bei einfachen bilateralen Konflikten die Präferenzstrukturen nicht bekannt sind27 (vgl. Kap. 5.1.2, insbesondere Abb. 5.1-3). Die Wirklichkeit ist angesichts der großen Anzahl eventueller Gelegenheiten28 zu komplex und infolge von Informationsdefiziten29 zu unsicher, um die subjektive Wahrscheinlichkeit von Entscheidungsalternativen angeben zu können30. Um bei Entscheidungen unter Unsicherheit Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten von Ereignissen zu bestimmen, müssen deshalb traditionelle Entscheidungsmo­ delle31 erweitert werden. Zur Erklärung der Mediation als einem strukturierten Vermittlungsverfahren bei unüberwindbaren Differenzen bedarf es dabei eines Rückgriffs auf die moderne Entscheidungstheorie mit Berücksichtigung von Gruppenentscheidungen. Sie betrachtet gemeinsame Entscheidungen über einzelne (Sub)Zieldimensionen von mehreren kompetenten Entscheidungsträgern32, die die Unternehmensleitung als Vertreter der unterschiedlichen Interessengrupppen bzw. Koalitionen (Abb. 5.3-1) einsetzt. Dabei bringen die einzelnen Gruppenmitglieder unterschiedliches Wissen ein und suchen – wenn nötig – zusätzliche Informationen,

5.3 Management von Zielkonflikten

327

um Unsicherheit durch Informationsdefizite33 zu reduzieren und Entscheidungen besser zu treffen34. So erweitern z. B. Csaszar and Eggers (2013) traditionelle Entscheidungsmodelle durch Berücksichtigung der Breite des entscheidungsrelevanten Wissensstandes im Unternehmen und der Unsicherheit. Csaszar und Eggers (2013) belegen die große Bedeutung von zusätzlichen In­ formationen zur Erhöhung der Breite des entscheidungsrelevanten Wissensstandes der Entscheidungsträger. Ihr erweitertes Entscheidungsmodell untersucht die Qualität einer Gruppenentscheidung (p), z. B. über die Steuerung in multinatio­ nalen Unternehmen in Abhängigkeit von der Breite des entscheidungsrelevanten Wissensstandes der Entscheidungsträger (β) und von Regeln zur Entscheidung in Gruppen, z. B. Aushandeln oder Delegation auf Gruppen kompetenter Entschei­ dungsträger35. Die Varianz des Wissens in der Gruppe zeigt das unterschiedliche Wissen der Entscheider36. Haben alle Entscheider ein ähnliches Wissen, ist der Wissensstand eng, unterscheidet sich das Wissen der wichtigsten Entscheider, deckt es eine gewisse Bandbreite ab37. Csaszar and Eggers (2013) zeigen, dass die Qualität der Entscheidung mit stei­ gender Breite des entscheidungsrelevanten Wissensstandes der Entscheider nur dann steigt, wenn auf die Entscheidungsregel der Delegation auf eine Subgruppe von Entscheidern gesetzt wird, die das Problem besonders gut einschätzen und schnell zusätzliche Informationen beschaffen kann (vgl. Abb. 5.3-2). Ab einer ausreichenden Breite des entscheidungsrelevanten Wissens in der Subgruppe (> ß*, vgl. Abb. 5.3-2) ist die Qualität der Gruppenentscheidung durch Delegation höher als die mittlere Entscheidungsqualität über alle Entscheidungen.

328

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

Qualität der Gruppenentscheidung  zwischen der Muttergesellschaft und den Tochtergesellschaften (p) Entscheidungsregel:  Delegation auf kompetente Subgruppe

mittlere Entscheidungsqualität

ß*

Breite des entscheidungsrelevanten Wissens der  Entscheidungsträger( β) 

Abb. 5.3-2 Anstieg der Qualität einer Gruppenentscheidung bei hoher Umfelddynamik mit der Breite des Wissensstandes durch Delegation – Mediation durch Gruppenentscheidungen Quelle: eigener Entwurf nach Csaszar, Eggers (2013, S. 2267)

5.3‐2, S. 33  hier ist in der die Achse dicker In ErweiterungDruckversion des Entscheidungsmodells von Csaszar und Eggers (2013) kann => dabei war sie Pt. 1, ist jetzt Pt. eine negative Beziehung angenommen3/4 werden zwischen der Qualität einer Gruppe­ nentscheidung – hier zwischen der Muttergesellschaft und den Tochtergesellschaf­ ten – und der Unsicherheit, die bei komplexen Entscheidungsproblemen, an denen unterschiedliche Interessensgruppen beteiligt sind, über das mögliche Ergebnis der Entscheidung besteht. In einer unsicheren und komplexen Entscheidungssituation ist die Entscheidungsqualität besonders schlecht (vgl. Abb. 5.3-3). Selbst wenn die Entscheidungsträger (Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften) einen gewissen Rückgang der Entscheidungsqualität bei hoher Unsicherheit akzeptieren müssen, so gibt es doch zwei Ansätze zur Verbesserung der Entscheidungsqualität (vgl. ebenfalls Abb. 5.3-3):

1. Delegation auf eine kompetente Gruppe von Entscheidungsträgern, um schnell die Breite des entscheidungsrelevanten Wissens zu erhöhen38 oder 2. Zuwarten, bis die Breite des entscheidungsrelevanten Wissenstandes z. B. durch Absprachen und Koalitionsbildung in einem lang andauernden Abstimmungsund Verhandlungsprozess zunimmt.

5.3 Management von Zielkonflikten

329

Bei Zuwarten kann es sehr lange dauern, bis die Entscheidungsqualität so stark zunimmt, dass sich für zunächst unüberwindbare Differenzen zwischen verschie­ denen Interessensgruppen über ein übergeordnetes Ziel Lösungen eröffnen. Weil in dieser Zeit die Gefahr besteht, keine Entscheidung oder falsche Entscheidungen zu treffen, ist diese Möglichkeit suboptimal.

Qualität der Gruppenentscheidung zwischen der Muttergesellschaft  und den Tochtergesellschaften (p) zu akzeptierender Rückgang der Entscheidungsqualität bei steigender  Unsicherheit Breite des Wissensstandes der  Entscheidungsträger  (β2 > β ) ( )   elegation (2) Zuwarten

Breite des Wissensstandes der Entscheidungsträger β Unsicherheit

Abb. 5.3-3 Verbesserung der mit steigender Umfelddynamik sinkenden Entscheidungsqualität – Mediation durch Delegation auf eine Gruppe kompetenter Entscheider Quelle: eigene Erweiterung von Csaszar and Eggers (2013, S. 2267) und Abb. 5.3-2, vgl. auch Proff, Fojcik (2015b)

Um bei unüberwindbaren Differenzen schnell ein ausreichendes Entscheidungs­

b.  5.3‐3, S. 331 hier ist in der Druckversion Achse dicker niveau zu erreichen, bietet sich diedie Delegation der Entscheidung auf Gruppen von=> dabei kompetenten warEntscheidungsträgern sie Pt. 1, ist jetzt Pt.bzw. 3/4Vermittlern an, die Wissen für die

Konfliktparteien aufbereiten und das entscheidungsrelevante Wissen erhöhen39. Sie können Mediationslösungen erreichen, indem sie die unterschiedlichen In­ teressen für jeweils eine der (Sub)Zieldimensionen bzw. „dritten Variablen“ im Zielkonflikt40 ausbalancieren bzw. mediieren, auf die das übergeordnete Ziel von der Unternehmensleitung einzuengen ist. Bei unüberwindbaren Differenzen über eine – stärker länderspezifische oder länderübergreifende – Ausrichtung einzelner Instrumente der Steuerung auslän­

330

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

discher Tochtergesellschaften, wie z. B. gemeinsame kulturelle Werte oder Transfer von Wissen im Unternehmen, sind deshalb von der Unternehmensführung zentrale Dimensionen zu bestimmen und durch Delegation Mediationslösungen zu suchen. Voraussetzung dazu ist die Bereitschaft der Entscheidungsträger zu lernen und sich auszutauschen41 und hybride Entscheidungsstrukturen mit hierarchischen und flachen Prozessen in den Entscheidungsgremien42. Die Mitglieder des Gremiums sollten aus unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens kommen, um Kompe­ tenzstarrheit zu vermeiden43. Möglichkeiten der Mediation im Verhältnis zwischen der Muttergesellschaft und den Tochtergesellschaften durch schnelle Gruppenentscheidungen soll nun am Beispiel der Festlegung von Kernwerten als Mediationslösung im Konflikt über die Ausgestaltung gemeinsamer (kultureller) Werte im Unternehmen44 genauer erläutert werden. Die Steuerung über gemeinsame kulturelle Werte von Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften (SI 3) hängt z. B. davon ab, wie stark die einzelnen Tochterge­ sellschaften Subkulturen ausbilden und in ihr Umfeld eingebunden sind45 (externe Einbettung („embeddedness“) der Tochtergesellschaften in ihr Umfeld46) und wie stark die kulturellen Unterschiede zwischen Ländermärkten sind, die z. B. nach Hofstede durch kulturelle Distanz gemessen werden können47 (vgl. auch Kapitel 3.1). Eine externe Einbettung ins Umfeld und damit eine stärker länderspezifische Ausrichtung der gemeinsamen kulturellen Werte steht der internen Einbettung in die Unternehmenskultur und damit einer länderübergreifenden Ausrichtung dieser Werte entgegen (Problem der „multiple embeddedness“)48. Teil dieser Unternehmenskultur sind gemeinsame Werte49, die auch Normen, Einstellungen und Überzeugungen eines Unternehmens beinhalten, sich in Symbolen, sozialen Praktiken, Sprache und Kleidung manifestieren und in vielfältigen Verhaltensweisen ausdrücken. Häufig wird der Unternehmenskultur eine Integrations-, Orientie­ rungs- und Motivationsfunktion zugeschrieben50, wenn z. B. Koordination und Kooperation erforderlich sind51. Gemeinsame kulturelle Werte und ihre Ausrichtung (SI 3), die wichtig für das Verständnis darüber sind, was ein Unternehmen repräsentieren und erreichen will52, sind nicht verhandelbar. Sie sind aber auch nicht im Wettbewerb oder hierarchisch festzulegen, weil sie die Ziele und Interessen unterschiedlicher Interessensgruppen zusammenführen. Deshalb muss eine Balance zwischen einer externen Einbettung ins Umfeld und einer Einbettung in die Unternehmenskultur gesucht werden. Wird die Gestaltung der Unternehmenskultur als „geplanter Wandel durch Or­ ganisationsentwicklung“ verstanden, müssen die „zwischen den widerstreitenden Subkulturen bestehenden Konflikte positiv nutzbar“ gemacht werden53. Werden

5.3 Management von Zielkonflikten

331

die unterschiedlichen Auffassungen klar beschrieben54, kann z. B. ein Konflikt über gemeinsame kulturelle Werte (SI 3, vgl. Kapitel 2.4.2) auf zentrale Werte eingeengt und für diese gelöst werden. Deshalb sind wenige gemeinsam geteilte Kernwerte Mediationslösungen55 bzw. dritte Variablen 56 bei unüberwindbaren Differenzen über gemeinsame kulturelle Werte. Sie können das Fundament einer geteilten Unternehmenskultur bilden. Nach Müller-Stewens, Brauer (2009, S.166) sind diese zentralen Kern-Werte nicht kulturell gewachsen, sondern Normen für soziales Verhalten, die ein Unternehmen seinen Mitarbeitern zur Orientierung vorgibt. Sie gilt es durch Mediation zu finden. Es ist zwar umstritten, ob und in wieweit die Unternehmenskultur gestaltet werden kann und sollte57. Aber selbst wenn Unternehmenskultur und kulturelle Werte als Aktionsparameter des Managements begriffen werden, sind sie „kein flexibles Managementwerkzeug, das die Geschäftsleitung mal eben nutzen kann, um zweckgerichtete Verhaltensweisen zu produzieren“58. Unternehmenskulturen und Werte bilden sich in einem lang andauernden Prozess heraus59 und lassen sich aufgrund der „tief verwurzelten Werte und Einstellungen“ auch nicht kurzfristig und einfach ändern“60. Dennoch können sie grundsätzlich von Menschen beeinflusst und geschaffen werden61 und müssen sich verändern lassen, „weil Veränderungen der Unternehmensumwelt dazu führen können, dass eine ehemals im Sinn der Unternehmensziele und -entwicklung sehr effektive Unternehmenskultur relativ rasch kontraproduktive Züge annehmen kann“62. Ähnlich wie „gemeinsame kulturelle Werte“ können auch unlösbare Differenzen zwischen der Muttergesellschaft und den Tochtergesellschaften über die „Zusam­ menfassung kleiner Ländermärkte“ (SI 5), über die „Schaffung guter Kommuni­ kation in multinationalen Unternehmen durch Personaltransfer und persönliche Netzwerke“ (SI 9), die „Interaktion und Information über Unternehmens- und Ländergrenzen“ („boundary spanning“, SI 12) und die „Bereitschaft, Wissen in einem mutinationalen Unternehmen zu transferieren“ (SI 13) durch mittel- bis langfristige Mediationslösungen bzw. dritte Variablen63 auf eine zweite Ebene zentraler (Sub)Zieldimensionen eingeengt und dort weitgehend gelöst werden. Mediationslösungen sind dann neben Kernwerten regionale Hauptquartiere (be­ zogen auf SI 5), informelle persönliche Netzwerke (bezogen auf SI 9), Einsatz und Ausbildung qualifizierter Mitarbeiter (bezogen auf SI 12) und ein globales Netzwerk an FuE-Zentren (bezogen auf SI 13). Letztlich bedeutet Mediation damit eine beidhändige Steuerung von Tochterge­ sellschaften ähnlich dem beidhändigen Management von Geschäftsmodellen (Kapitel 4.3). Das Streben der Muttergesellschaft nach Zentralisierung durch Effizienzorien­ tierung (länderbergreifende Steuerung) steht dem Streben der Tochtergesellschaften

332

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

nach Dezentralisierung durch Flexibilitätsorientierung (länderspezifische Steuerung) entgegen und doch ist beides erforderlich und deshalb beidhändig zu managen. Wie im Übergang von traditionellen zu neuen, innovativen Geschäftsmodellen ist eine beidhändige Lösung nur in einem Übergangsprozess im Zeitablauf möglich: Auch die Mediation braucht eine Initiierung: die Wahrnehmung, dass die unüberwindbaren Differenzen angesichts der gegenwärtigen und künftigen Umfeldveränderungen zunehmen und gelöst werden müssen. Anders als beim Übergang zu neuen Geschäftsmodellen handelt es sich bei der Mediation aber nicht um einen post-modernen Ansatz der Ambidextrie mit einem Wechsel zwischen unterschiedlichen Ausprägungen von Exploration und Exploitation im Zeitablauf (Abb. 4.3-2), sondern um eine Auflösung der Ambidex­ trie im Zeitablauf (vgl. Abb. 5.3-4 und Kapitel 4.3). Dabei können in Anlehnung an Raisch, Tushman (2011, S. 35) ebenfalls drei Phasen des Übergangs zwischen einer Initiierung und einer Skalierung (Mediationslösung) unterschieden werden: • In der Initiierungsphase wird wahrgenommen, dass die zunehmenden unüber­ windbaren Differenzen zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften gelöst werden müssen. • In der Explorationsphase sind Entscheidungen über Mediationslösungen wie z. B. zentrale Kernwerte zu treffen64, die die Konflikte z. B. über gemeinsame kulturelle Werte ausbalancieren bzw. mediieren. Zudem muss entschieden werden, die bisherigen Lösungen zurückzufahren. • In der Übergangsphase gilt es dann die Mediationslösungen und das Zurück­ fahren bisheriger Lösungen in der Organisation zu verankern, d. h. Budgets bereitzustellen und Verantwortliche zu benennen. • In der Exploitationsphase müssen die Mediationslösungen dann beschleunigt umgesetzt und die bisherigen Lösungen verstärkt zurückgefahren werden, um die zunächst unüberwindbaren Differenzen in der Skalierungsphase schließlich doch noch weitgehend auflösen zu können.

5.3 Management von Zielkonflikten

a)

Initiierung

Mediation b) Aufgaben

Wahrnehmung, dass die zunehmenden Zielkonflikte bei (diskontinuierlichen) UmfeldVeränderungen gelöst werden müssen

Explorationsphase

Entscheidung über „dritte Variablen“ • wenige Kernwerte • regionale Hauptquartiere • Informelle persönliche Netzwerke, • Einsatz und Ausbildung qualifizierter Mitarbeiter • globales Netzwerk an FuE-Zentren und über das Zurückfahren bisheriger Lösungen

333

Übergangsphase

Exploitationsphase

Verankerung der „dritten Variablen“ und Zurückfahren bisheriger Lösungen

Beschleunigte Umsetzung „dritter Variablen“ und verstärktes Zurückfahren traditioneller Lösungen

Skalierung (Mediations-

Auflösung des Konfliktes durch Zusammenwachsen von Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften

Abb. 5.3-4 Übergangspfad: Abnehmende Ambidextrie durch Mediation im Zeitablauf Quelle: eigener Entwurf in Anlehnung an Abb. 4.3-3 in Kapitel 4.3

Wie für die Ablösung traditioneller durch neue Geschäftmodelle müssen auch für den Übergangspfad der Mediation im Zeitablauf Übergangsbedingungen gefunden werden. Anders als im strategischen Management gibt es hierzu aber noch keine empirischen Untersuchungen.

5.3.3 Unzureichende Mediation unüberwindbarer Differenzen zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften Die Befragung in den 90 Tochtergesellschaften von 15 multinationalen Automobil­ herstellern und Zulieferern 2014 bis 2016 in den BRIC-Ländern, Mexiko und den USA (vgl. Kapitel 5.1.3) gibt auch Hinweise auf die Bedeutung des Konfliktlösungs­ mechanismus Mediation bei der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften. Die Bedeutung der Mediation wurde dabei in den sechs Tochtergesellschaften eines jeden Unternehmens als Durchschnitt der Intensität gemessen, mit der die Steuer­ ungsinstrumente SI 3, SI 5, SI 9, SI 12 und SI 13 in den sechs Tochtergesellschaften dieses Unternehmens eingesetzt wurden.

334

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

Die Ergebnisse der Untersuchung65 (Abb. 5.3-5) zeigen, dass Mediation zur Konfliktlösung mit einem Wert von (3,38) auf der Skala von 1 (schwach) bis 7 (sehr stark) noch relativ wenig eingesetzt wird, allerdings etwas stärker als der Konfliktlösungsmechanismus Wettbewerb (2,22), vgl. Kapitel 5.1.3. Alle Werte sind signifikant von Null verschieden. Mediation ist ein sehr wirkungsvoller Mechanismus zur Verringerung von Zielkonflikten zwischen einer mehr oder weniger länderspezifischen Steuerung multinationaler Unternehmen in Zeiten des Umbruchs, der geräuschlos und schnell wirkt, wenn einmal Ansatzpunkte geschaffen wurden, z. B. erste gemeinsame Kernwerte im Konflikt über gemeinsame kulturelle Werte gefunden worden sind. (vgl. Abschnitt 5.3.2). Allerdings braucht es eine gewisse Zeit, diese Ansatzpunkte zu schaffen. Sie können nicht „angeordnet“ werden, sondern müssen im Unter­ nehmen wachsen. Dabei muss das Top-Management dahinterstehen und hier zeigt die Befragung der 90 ausländischen Tochtergesellschaften von 15 deutschen Automobilunternehmen, dass die Mediation von Zielkonflikten der Steuerung beim Top-Management angesichts des großen Drucks, Gewinne und Wert trotz Verringerung des Kapitaleinsatzes zu steigern, häufig zu wenig im Zentrum steht.

Mediation 3,48

Skala*  1

5

* dur s nittli er insatz der Steuerungsinstru ente S ala on 1 (gar ni t) bis 7 (se r star )

Abb. 5.3-5 Durchschnittlicher Einsatz des Konfliktlösungsmechanismus Mediation in 90 Tochtergesellschaften von 15 multinationalen deutschen Automobilunternehmen Quelle: hier ist in der Druckversion die Achse dicker eigene Befragung Abb.  5.3‐5, S. 33 => dabei war und ist Pt. 3/4

Mediationslösungen der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften in multina­ tionalen Automobilunternehmen, die durch die globalen Umfeldtrends bedeutender werden (Kapitel 5.3.1) helfen aber auch beim Umgang mit eben diesen globalen

5.3 Management von Zielkonflikten

335

Umfeldtrends. Wenige Kernwerte, regionale Hauptquartiere, informelle, persön­ liche Netzwerke, der Einsatz und die Ausbildung qualifizierter Mitarbeiter (die das Ausmaß der Interaktion und Information über Unternehmens- und Ländergrenzen („boundary spanning“) steuern können) und ein globales Netzwerk an FuE-Zentren helfen, die globalen Umfeldtrends anzunehmen und Chancen zu nutzen. Deshalb sind – wie für ein dynamisches beidhändiges Management (Kapitel 4.3) – für die Einengung und Auflösung von unüberwindbaren Differenzen Ver­ änderungsfähigkeiten („Dynamic Capabilities“)66 wichtig, die es ermöglichen, Fähigkeiten bzw. Kompetenzen im Zeitablauf weiterzuentwickeln, wenn der Aufbau von Kompetenzen z. B. durch Umfeldveränderungen gestört wird67 und Ansatz­ punkte für Mediationslösungen in der Organisation zu verankern. Weil es in Zeiten zunehmender Unsicherheit bei der Umsetzung von Veränderungsfähigkeiten in Unternehmen häufig zu Verzögerungen kommt68, ist wiederum auch eine schnelle Reaktionsfähigkeit und eine schnelle verbindliche Entscheidungsfindung wichtig, d. h. die Fähigkeit, die Agilität69 genannt wird. Zudem erfordern auch die Mediati­ onslösungen bei unüberwindbaren Differenzen, wie z. B. regionale Hauptquartiere und ein globales Netzwerk an FuE-Zentren Veränderungen der Wertschöpfung, was in kapitalintensiven Branchen mit hohen Fixkosten wie der Automobilindustrie nur gelingen kann, wenn Unternehmen die Fähigkeit besitzen, Größen- und Verbundvor­ teile zu optimieren, um die Fixkosten optimal zu verteilen (vgl. dazu auch Kapitel 6).

Endnoten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Vgl. Uzzi (1996) und Sargent, Matthews (2006). Vgl. Birkinshaw, Hood (1998). Vgl. z. B. Frost (2001). Vgl. Sanchez (2001); Freiling u. a. (2008). Cyert, March (1963, S. 36). Vgl. auch Proff u. a. (2014a, S. 9). Vgl. Gavidia (2016). Vgl. Gammelgaard u. a. (2012); Miozzo, Yamin (2012); Daniels u. a. (2015). Vgl. Tasoluk u. a. (2006); Gavidia (2016). Vgl. Knips (1970) und Spector (1994). Vgl. Mehler (1970, S. 293); Mudambi (2011); Proff (2002a, S. 82–83); Winter (1987). Vgl. Rangan, Sengul (2009). Vgl. Mehler (1970, S. 293); Mudambi (2011); Proff (2002a, S. 82–83); Winter (1987).

336

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

14 15 16 17 18 19 20 21 22

Vgl. z. B. Zartman (1994a). Vgl. Kolb, Faure (1994). Vgl. Knips (1970); Gavidia (2016). Vgl. Proff, Proff (2017). Vgl. Martinez, Jarillo (1989); Kolb, Faure (1994). „Nested relations“, Ambos u. a. (2016). Vgl. Berle, Means (1932); Schoppe u. a. (1995) und z. B. Picot u. a. (2015). Vgl. Gavidia (2016). Vgl. O’Donnell (2000); Dörrenbächer, Geppert (2009); Meyer u. a. (2011); Hoenen, Kostova ( 2015). Vgl. Eisenhardt (1989); Björkman u. a. (2004); Brenner, Ambos (2013); Ambos u. a. (2016). Damit wird die Agency-Beziehung komplexer. In Kapitel 2.4.2(1) wurde die Frage diskutiert, ob die Manager der Tochtergesellschaften als zweite Prinzipale (Ambos u. a., 2016) handeln, als Statthalter der Muttergesellschaft in den Ländermärkten, oder ob sie nicht gerade in Tochtergesellschaften mit Produktion eher Interessenvertreter der Tochtergesellschaften in der Muttergesellschaft sind, da sie Länderverantwortung haben und in Personalfragen eingebunden sind. Vgl. z. B. Hoch, Kunreuther (2004) oder Zartman (1994b, S. 7). Vgl. Mudambi (2011). Vgl. Knips (1970); Schedler, Rüegg-Stürm (2013). Vgl. Zartman (1994b). Vgl. z. B. Malik (2015, S. 71). Vgl. Spender (1993); Schrader u. a. (1993). Vgl. z. B. Meyer (2000). Vgl. Farias u. a. (2013); Csaszar, Eggers (2013). Mezias, Starbuck (2003); Talluri, van Ryzin (2004); Csaszar, Eggers (2013). Vgl. Spender (1993); Schrader u. a. (1993). Vgl. Galbraith (1973), der Unsicherheit als Differenz zwischen der Menge an benötigten Informationen zur Ausführung einer bestimmten Aufgabe und bereits in der Organi­ sation vorhandenen Informationen definiert. Vgl. Hastie, Kameda (2005). Vgl. Csaszar, Eggers (2013). Vgl. Mezias, Starbuck 2003). Vgl. ähnlich Talluri, van Ryzin (2004). Vgl. Kolb, Faure (1994, S. 128); Zartman (1994c, S. 219). Scharmer (1995, S. 634). Vgl. Mezias, Starbuck (2003). Vgl. Christensen, Knudsen (2010). Vgl. Tripsas, Gavetti (2000); Eggers, Kaplan (2009). Vgl. Kolb, Faure (1994, S. 128). Vgl. Macharzina, Wolf (2018, S. 249); Welge u. a. (2017).

23

24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45

5.3 Management von Zielkonflikten 46 47 48 49 50

51 52 53 54 55 56 57

58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69

337

Vgl. z. B. Ambos u. a. (2011); Andersson u. a. (2002). Vgl. Hofstede (1980), Hofstede, Hofstede (2011) oder Yamin, Andersson (2011). Meyer u. a. (2011). Vgl. Macharzina, Wolf (2018, S. 248): Vgl. Macharzina, Wolf (2018, S. 243–245). Andere Autoren (z. B. Kutschker, Schmid, 2011, S. 676–678) unterscheiden zudem eine Sinnstiftungsfunktion, eine Identitätsfunktion, eine Koordinationsfunktion, eine Ordnungsfunktion, eine Komplexitätshandhabungs­ funktion und eine Legitimationsfunktion. Vgl. Grant, Nappa (2006, S. 280). Vgl. z. B. Grant, Nippa (2006, S. 88): Macharzina, Wolf (2018, S. 249 bezogen auf Schein, 2010). Vgl. Jacob (2003, S. 9). Vgl. Ambos u. a. (2016). Vgl. z. B. Arregle u. a. (2013); Laudien, Freiling (2011). Vgl. z. B. Macharzina, Wolf (2012, S. 246–247), nach denen es drei Sichtweisen gibt: • Die Unternehmenskultur kann nicht gestaltet werden, weil sie historisch-gesell­ schaftlich gewachsen und Ergebnis eines Prozesses der spontanen Ordnung ist. • Die Unternehmenskultur kann, sollte aber nicht gestaltet werden, weil sie unzurei­ chend kalkulierbar ist und möglicherweise dysfunktionale Wirkungen hat. • Die Unternehmenskultur kann und sollte durch das Management beeinflusst werden, um den Zusammenhalt im Unternehmen zu stärken und die Unternehmensziele wie z. B. Profitabilität und Gewinn zu stützen. Grant, Nippa (2006, S. 280). Vgl. z. B. Rotlauf (1999, S. 36) oder Kutschker, Schmid (2011 S. 674). Grant, Nippa (2006, S. 280). Vgl. Kutschker, Schmid (2011, S. 676). Grant, Nippa (2006, S. 280). Vgl. z. B. Arregle u. a. (2013); Laudien, Freiling (2011). Vgl. Kolb, Faure (1994). Vgl. Bortz, Lienert (2008). Vgl. z. B. Teece u. a. (1997), Teece (2007, 2014b und 2018b); Eisenhardt, Martin (2000) oder Peteraf u. a. (2013). Vgl. McGrath u. a. (1995). Vgl. Proff, Knobbe (2019). Vgl. z. B. Doz, Kosonen (2008, S. 65).

5.4 Ansatzpunkte einer weitergehenden Neuausrichtung der Steuerung multinationaler Unternehmen in Zeiten des Umbruchs – Eine Zusammenfassung 5.4 Ansatzpunkte einer weitergehenden Neuausrichtung der Steuerung

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

Die Kapitel 5.1 bis 5.3 zeigen, dass die langfristigen, tiefgreifenden Veränderungen durch die vier globalen Umfeldtrends und insbesondere den diskontinuierlichen Umbruch zu neuen Basistechnologien für elektrische und selbstfahrende Fahrzeuge den Zielkonflikt in multinationalen Automobilunternehmen zwischen einer län­ derspezifischen und einer länderübergreifenden Steuerung verstärken. Einerseits sind die Trends weltweit spürbar und insbesondere der Druck der Kapitalmärkte auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes im traditionellen Geschäft fordert eine länderübergreifende Steuerung (Kapitel 5.1.2), andererseits nehmen die Unterschie­ de zwischen den einzelnen Ländern zu. Das Kauferlebnis und die Kaufreise der Kunden werden immer länderspezifischer (Kapitel 5.1.1). Automobilunternehmen können den übergeordneten Zielkonflikt zwischen einer länderspezifischen und einer länderübergreifenden Steuerung auf die Subebene einzelner Subziele (Steuerungsinstrumente) einengen. Dabei können sie, wie in den Kapiteln 5.1 bis 5.3 vorgeschlagen, einzelne Interessenkonflikte durch Verhandlung und Wettbewerb eher länderspezifisch lösen, andere in der Hierarchie eher lände­ rübergreifend. Verbleibende unüberwindbare Differenzen können sie schließlich weiter einengen und auf einer zweiten Subebene über Mediationslösungen („dritte Variablen“) ausbalancieren (vgl. Abb. 5.4-1 in Erweiterung von Abb. 5–2).

339

340

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

( ) Spezialisierung (2) Vollständige  (Entscheidung  gemeinsame  für eines der  Zielerreichung Ziele) => nicht möglich

( ) Aufhellung und Einengung der Konflikte 

Wie?

=> Effizienzverlust

Wo?  auf einer  . Subebene (bei Subzielen)

 Betrachtung von  Konfliktl sungs‐ mechanismen

bei  Interessens‐ konflikten

stärker länderspezifische Aufl sung . Konfliktl sungsmechanismus Verhandlung SI 1: Einrichtung effizienter Management Boards  SI 2: gutes Mentoring  SI 8: effiziente Einbeziehung von ausländischen  Tochtergesellschaften in die Bestimmung der  Ziele von Transferpreisen SI 11: Einrichtung von “transnationalen Teams“ 2. Konfliktl sungsmechanismus Wettbewerb SI 1 : Errichtung von Exzellenzzentren

stärker länderübergreifende Aufl sung . Konfliktl sungsmechanismus Hierarchie SI 4:  gutes Compliance Management SI  :  direkte Ansprache der größeren  Tochtergesellschaften  als lokale Stützpunkte SI  :  projektbezogene Verwendung des internen  Kapitalmarkts 

bei  unüberwindbaren  ifferenzen

(bei den Konflikten  zwischen den Subzielen   der Muttergesellschaft und den Tochter‐ gesellschaften)

Ausbalancieren auf einer 2. Subebene

(durch „dritte Variablen“ bzw. Mediationslösungen) 

. Konfliktl sungsmechanismus Mediation SI 3:   gemeinsame (kulturelle) Werte => über wenige Kernwerte  SI 5:   Gruppierung kleiner Ländermärkte => über regionale Hauptquartiere SI 9:   Schaffung von guter Kommunikation  innerhalb multinationaler Unternehmen  => über  Personaltransfer und informelle,  persönliche Netzwerke SI 12: Interaktion und Information über Unterneh‐ mensgrenzen und Ländermärkte  („boundary‐spanning“) => über den Einsatz und die Ausbildung  qualifizierter Mitarbeiter SI 13: Bereitschaft, Wissen innerhalb eines  multinationalen Unternehmens zu   transferieren => globales Netzwerk an FuE‐Zentren

Abb. 5.4-1 Möglichkeiten zum Umgang mit Zielkonflikten bei den Steuerungsinstrumenten als den Subzielen der Steuerung Quelle: eigener Entwurf nach Knips (1970), Gavidia (2016) und Proff (2018)

Die erwähnte Befragung von 90 Tochtergesellschaften von 15 Automobilherstellern und -zulieferern in den BRIC-Ländern, Mexiko und den USA (Kapitel 5.1.3, 5.2.3 und 5.3.3) zeigt, dass diese Unternehmen zwischen 2014 und 2016 angesichts des immer komplexeren und heterogeneren Umfelds zur Lösung von Zielkonflikten zwischen globaler Standardisierung und lokaler Ausrichtung alle vier Konfliktlö­ sungsmechanismen einsetzen: Hierarchie, Wettbewerb, Verhandlung und Medi­ ation1 (Abb. 5.4-2). Diese Mechanismen werden allerdings noch nicht ausreichend angewendet, da Unternehmen Interessenskonflikte

5.4 Ansatzpunkte einer weitergehenden Neuausrichtung der Steuerung

341

• noch wenig länderspezifisch durch Verhandlung und Wettbewerb lösen (Kapitel 5.1.3), • allerdings stark länderübergreifend durch Hierarchie (Kapitel 5.2.3). Bei unüberwindbaren Differenzen • hat Mediation erst eine eher geringe Bedeutung (Kapitel 5.3.3).

stärker  länderspezifische  Aufl sung von Interessenskonflikten Wett‐ bewerb 2,22

Ausbalancieren unüberwindbarer  ifferenzen auf einer 2. Subebene

Verhandlung 3, 1 1

(bei dritten Variablen) 

5

Skala* 

Hierarchie 5,,9

1

Mediation 3,48 1

5

5

Skala* 

Skala* 

stärker  länderübergreifende Aufl sung von  Interessens‐ konflikten * durchschnittlicher Einsatz der Steuerungsinstrumente  Skala von 1 (gar nicht) bis   (sehr stark)

Abb. 5.4-2 Durchschnittlicher Einsatz von Konfliktlösungsmechanismen in 90 Tochtergesellschaften von 15 multinationalen deutschen Automobilunternehmen Quelle: eigene Befragung als Kombination der Abb. 5.1-5, 5.2-4, 5.3-5

Das Steuerungsproblem wird künftig eher größer, weil durch die globalen Umfeldt­ rends, die Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage und der Fahrzeugantriebe, aber auch durch die Veränderung von Prozessen, Produkten und Geschäftsmo­ dellen durch die Digitalisierung (Umfeldtrends 1 bis 3) die Zielkonflikte zwischen

342

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

einer länderspezifischen und einer länderübergreifenden Steuerung der Tochter­ gesellschaften im Ausland stärker werden. Zwar können Komplexität und damit Komplexitätskosten durch die Digitalisierung begrenzt werden (vgl. Kapitel 3.3), die Steuerungskosten lassen sich dadurch aber allenfalls kurzfristig etwas verrin­ gern. Denn die stärkere Umsetzung der Konfliktlösungsmechanismen verursacht Kosten, die spätestens mittelfristig durchschlagen werden: zunächst die stärkere Verankerung von Verhandlungs-, Wettbewerbs- und hierarchischen Lösungen bei Interessenkonflikten, vor allem aber die Suche nach Mediationslösungen bei unüberwindbaren Differenzen. Dadurch werden mittelfristig die Steuerungskosten wieder ansteigen. Zunächst einmal sollten multinationale Automobilunternehmen sich verstärkt darum bemühen, über Management Boards, Mentoring, Transferpreise, und die Zusammensetzung transnationaler Teams zu verhandeln. Dafür ist es wichtig, dass die Top-Manager die Verhandlungslösung treiben und beständig Widerstände in den Unternehmen abbauen2. Gleichzeitig ist es wichtig, dass in der Muttergesellschaft den Managern auf der zweiten und dritten Ebene, die oft in die Verhandlungen eingebunden sind, die steigende Bedeutung der ausländischen Tochtergesellschaften in den neuen Wachstumsmärkten bewusst wird. Während das Top-Management in diesen Märkten meist eher die Interessen der Tochtergesellschaften stützt, fürchtet das mittlere Managmenet Unsicherheit und einen Kompetenzverlust. Sie müssen überzeugt werden, dass das gesamte multinationale Unternehmen von den Fähigkeiten und Kompetenzen dieser Märkte profitieren kann. Zudem sollten multinationale Automobilunternehmen verstärkt einen Wettbe­ werb um Exzellenzzentren anstrengen und sich auch dadurch länderspezifischer aufstellen. Sie sollten dabei allerdings Kompetenzen nicht nur in den Exzellenzzent­ ren suchen, sondern alle weltweit verstreuten Kompetenzen nutzen3, auch wenn das Konzept eines reinen „metanationalen Unternehmens“4, das weltweit ungenutzte Technologien, Marktwissen und Fähigkeiten mobilisiert und nutzt (vgl. die Ein­ führung zu Kapitel 5) als idealtypisch kritisiert wird und in der kapitalintensiven Automobilindustrie noch weniger realistisch ist. Aber selbst dann bleiben angesichts des Drucks der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitalangebots Profitabilitätsrisiken in multinationalen Au­ tomobilunternehmen bestehen – nicht nur im Übergang zu neuen, innovativen Geschäftsmodellen (Kapitel 4.4), sondern auch durch Konflikte im Unternehmen aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen über die Steuerung ausländischer Toch­ tergesellschaften. Deshalb ist eine Neuausrichtung der Steuerung multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten der vier globalen Umfeldtrends und vor allem

5.4 Ansatzpunkte einer weitergehenden Neuausrichtung der Steuerung

343

des Umbruchs zu neuen Basistechnologien notwendig, für die sich erste Empfeh­ lungen ableiten lassen: 1. Es kann für multinationale Automobilunternehmen nicht ausreichen, die Zielkonflikte der Steuerung zwischen der Muttergesellschaft und den Toch­ tergesellschaften auf der Subebene einzelner Steuerungsinstrumente nur dort aufzulösen, wo das einfach möglich ist. Konfliktlösungen würden dann nur gesucht für Interessenskonflikte ◦◦ über Management Boards, Mentoring, Transferpreise oder die Zusammenset­ zung transnationaler Teams, die durch Verhandlungen gelöst werden können, ◦◦ über Exzellenzzentren, die sich im Wettbewerb dieser Exzellenzzentren lösen lassen und ◦◦ über das Compliance Management, die Ansprache großer Tochtergesell­ schaften und die Nutzung des internen Kapitalmarkts, die hierarchisch entschieden werden können. 2. Stattdessen müssen auch unüberwindbare Differenzen zwischen der Muttergesell­ schaft und den Tochtergesellschaften in multinationalen Automobilunternehmen über gemeisame kulturelle Werte, über die Gruppierung kleiner Ländermärkte, über die Schaffung guter Kommunikation innerhalb multinationaler Unterneh­ men und über die Interaktion und Information über Unternehmensgrenzen und Ländermärkte („boundary spanning“) angegangen werden, die weder durch Verhandlung und Wettbewerb noch in der Hierarchie gelöst werden können. 3. Es ist eine Annäherung über Mediationslösungen bzw. „dritte Variablen“ wie wenige Kernwerte, regionale Hauptquartiere, informelle persönliche Netzwerke, den Einsatz und die Ausbildung qualifizierter Mitarbeiter und ein globales Netz­ werk an FuE-Zentren notwendig, um unüberwindbare Differenzen einzuengen und auszubalancieren (Mediation). 4. Um die durch die globalen Umfeldtrends weiter steigende Komplexität zu be­ grenzen, sind Veränderungsfähigkeiten (Dynamic Capabilities) erforderlich, die es ermöglichen, diskontinuierliche Umfeldveränderungen wahrzunehmen, neue strategische Möglichkeiten zu ergreifen und die unternehmerischen Kompetenzen neu zusammenzustellen5, um Mediationslösungen zu finden. 5. Für multinationale Automobilunternehmen ist es dabei in Zeiten des Wandels wichtig, Manager einzusetzen, die schnell agil entscheiden, damit die Mediation von Konflikten über die Steuerung in möglichst kurzer Zeit gelingt. 6. So können nach Lessard u. a. (2016) Fähigkeiten zur Mediation ins weltweite Wertschöpfungsnetzwerk der Unternehmen getragen werden, um weltweit Kompetenzen zu nutzen und in kapitelintensiven Branchen wie der Automo­ bilindustrie Größen- und Verbundvorteile nutzen.

344

5 Ansatzpunkte zur Neuausrichtung der Steuerung

Endnoten 1 2 3 4 5

Vgl. z. B. auch Gupta, Govindarajan (2000); Ambos, Mahnke (2010); Egelhoff (2010). Vgl. Keller, Price (2011). Vgl. z. B. Lessard u. a. (2016). Vgl. Doz u. a. (2001). Vgl. z. B. ebd.

6 Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick 6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Proff, Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26759-9_6

345

346

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

In diesem Buch wurde begründet, dass die Komplexität in multinationalen Au­ tomobilunternehmen immer mehr ansteigt. Seit Beginn des Jahrtausends haben sich zunächst die wachsenden Automobilmärkte und die Wettbewerbslandschaft im Unternehmensumfeld so stark ausdifferenziert, dass immer mehr Varianten entwickelt werden mussten und der Wettbewerbsdruck stieg (Komplexität durch Ausdifferenzierung des Leistungsspektrums, vgl. Kapitel 2.5). Auf diese zumeist inkrementellen Veränderungen im Umfeld haben multinationale Automobilunter­ nehmen reagiert: mit Ausdifferenzierung ihrer Strategien zu Geschäftsmodellen, um spezifischere Kundenlösungen anbieten zu können, und mit einer stärker länderspezifischen Steuerung ihrer ausländischen Tochtergesellschaften, um mehr Gewinnpotenziale in den einzelnen Ländermärkten zu erschließen und dort den Aufbau von Wissen und Kompetenzen zu erleichtern. Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass sich die Unternehmen in der Anpassung an sehr unterschiedliche Ländermärkte, im Mehrfrontenkampf mit sehr unterschiedlichen Wettbewerbern und angesichts der zusätzlichen strategischen Entscheidungsparameter und Steue­ rungsentscheidungen verzetteln. Damit können sie dem Anstieg der Umfeldkom­ plexität zwar entgegenwirken, werden ihn letztlich aber kaum verhindern können (vgl. Kapitel 2, insb. Kapitel 2.5 und Abb. 6–1a). Die Komplexität steigt vor allem durch die sehr unterschiedlichen globalen Um­ feldtrends weiter an (vgl. Kapitel 3 und Abb. 6–1b): durch die Ausdifferenzierung der Nachfrage nach Mobilität, der Fahrzeugantriebe und der unternehmerischen Prozesse, Leistungen und Geschäftsmodelle aufgrund der Digitalisierung. Weil die Ausdifferenzierung der Fahrzeugantriebe und die Digitalisierung diskontinuierliche Veränderungen der Basistechnologien bedeuten, die sich derzeit noch nicht ganz abschätzen lassen, steigt die Anzahl von eventuellen Gelegenheiten1, deren Erfolg sich noch kaum abschätzen lässt (Komplexität durch Unsicherheit, vgl. Kapitel 3.5). In der Automobilindustrie wird zwar durch Elektrofahrzeuge und Digitalisierung mittel- und langfristig vieles einfacher, die Komplexität wird wieder sinken bzw. besser verarbeitet werden können und auch der Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes der traditionellen Automobilunternehmen begrenzt Variantenvielfalt und damit Komplexität. Weil die Komplexität im rea­ listischen Planungszeitraum der multinationalen Automobilunternehmen, in dem der Umbruch der Branche zu neuen Basistechnologien für elektrisch und autonom fahrende Fahrzeuge sowie neue Mobilitätsdienstleistungen stattfindet und in dem neue Kooperationen zwischen Herstellern und Zulieferern, Automobilunterneh­ men und Technologieunternehmen gesucht werden, aber erst einmal steigen wird, müssen multinationale Automobilunternehmen ihre Geschäftsmodelle (Kapitel 4)

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

347

sowie die Steuerung ihrer ausländischen Tochtergesellschaften und damit das internationale Wertschöpfungsnetzwerk (Kapitel 5) systematisch neu ausrichten.

a) Veränderungen der Komplexität seit der Jahrtausendwende Komplexität Ausdifferen‐ zierung der  Wettbewerbs‐ landschaft

Ausdifferen‐ zierung der strategischen  Ausrichtung  Ausdifferen‐ zierung der Steuerung Anstieg der Komplexität  seit der Jahrtausend‐ wende

Ausdifferen‐ zierung der  Automobil‐ märkte

b) Künftige Veränderungen der Komplexität durch die globalen Umfeldtrends Komplexität

Ausdifferen‐ zierung durch die Digitali‐ sierung Ausdifferen‐ zierung der Fahrzeug‐ antriebe

Dominanz des Elektro‐ antriebs Verein‐ fachung durch die Digitali‐ sierung

Ausdifferen‐ zierung der Mobilitäts‐ nachfrage  Anstieg der Komplexität  seit der Jahrtausend‐ wende

Abb. 6-1

Verringe‐ rung des Kapital‐ einsatzes Anstieg der Komplexität  durch die globalen Umfeldtrends

langfristige  Verände‐ rungen

Entwicklung der Komplexität für multinationale Automobilunternehmen seit der Jahrtausendwende und durch die globalen Umfeldtrends

Quelle: eigener Entwurf basierend auf Abb. 2.5-1 und 3.5-2

Ziel wird es dabei sein, durch ein beidhändiges Management von traditionellen und innovativen Leistungen und Geschäftsmodellen2 sowie durch Auflösung bzw. Einengung von Zielkonflikten der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften

348

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

durch Mediation3 die Komplexität zu reduzieren, indem der Nutzen des internati­ onalen Wertschöpfungsnetzwerks maximiert wird (Abb. 6–2).

Komplexität

Anstieg  der Komplexität  durch die globalen Umfeldtrends Anstieg  der Komplexität  seit der Jahrtausend‐ wende

Abb. 6-2

Neu‐ ausrichtung der Geschäfts‐ modelle Neu‐ ausrichtung der Steuerung künftiger Anstieg der Komplexität

konsequente  und gemein‐ same, weiter‐ gehende  Neuausrichtung  von Geschäfts‐ modellen und  Steuerung ausländischer  Tochter‐ gesellschaften

Notwendigkeit einer konsequenten und gemeinsamen weitergehenden Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung zur Verringerung der Komplexität

in der Druckversion die Achse dicker Quelle: eigener Entwurf basierend auf Abb. 6–1 bei war sie Pt. 1, ist jetzt Pt. 3/4

Die meisten Automobilunternehmen konzentrieren allerdings das strategische Management noch stark auf die Verbesserung der traditionellen Geschäftsmodelle (Kapitel 4.1.3) und haben erst im Jahr 2018 stärker begonnen, in die Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle (Kapitel 4.2.3) zu investieren. Sie bemühen sich damit bislang noch eher wenig um ein beidhändiges Management traditioneller und neuer, innovativer Geschäftsmodelle (Kapitel 4.3.3). Auch das internationale Management bemüht sich meist zu wenig konsequent um eine Auflösung und Einengung von Zielkonflikten der Steuerung zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften, um einen möglichst hohen Nutzen aus dem internationalen Wertschöpfungsnetzwerk zu ziehen. Bei überwindbaren Interessenskonflikten suchen sie nur wenig nach länderspezifischen (Wettbewerbsund Verhandlungs-)Lösungen, obwohl sie möglich wären (Kapitel 5.1) und noch zu sehr nach länderübergreifenden (hierarchischen) Lösungen, obwohl sie zu einseitig sind (Kapitel 5.2). Bei unüberwindbaren Differenzen suchen sie zudem zu wenig nach Lösungen durch Mediation zur Ausgestaltung der Steuerung (Kapitel 5.3).

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

349

Um den Komplexitätsanstieg seit der Jahrtausendwende und durch die globalen Umfeldtrends in den Griff zu bekommen, bedarf es eines sehr konsequenten beid­ händigen Managements der Geschäftsmodelle und einer stärkeren Mediation zur Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften. Da die Automobilunternehmen bislang dem Komplexitätsanstieg im Umfeld noch wenig entgegenzusetzen haben, wurden in den Kapiteln 4.4 und 5.4 Ansatzpunkte einer weitergehenden Neuausrich­ tung der Geschäftsmodelle und der Steuerung in Zeiten des Umbruchs begründet. Weil die Automobilunternehmen selbst bei konsequenter Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und der Steuerung den Anstieg der Komplexität durch Um­ feldveränderungen nicht ganz vermeiden können (vgl. ebenfalls Abb. 6–2)4, gilt es nach weiteren Möglichkeiten der Komplexitätsreduktion zu suchen. Dazu sind die Empfehlungen einer weitergehenden Neuausrichtung, die in Kapitel 4.4 für Geschäftsmodelle und in Kapitel 5.4 für die Steuerung der ausländischen Tochter­ gesellschaften gegeben wurden, nicht nur konsequent zu verfolgen. Außerdem gilt es, Geschäftsmodelle und Steuerung auch gemeinsam zu denken. Das ist wichtig, weil sich in multinationalen Unternehmen die Ausrichtung der Geschäftsmodelle, insbesondere der Wertarchitektur und die Ausrichtung der Steuerung und damit des internationalen Wertschöpfungsnetzwerks beeinflussen (vgl. Kapitel 2.3.2). Nur durch gemeinsame Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften kann bei begrenzten Kapital- und Manage­ mentressourcen der Handlungsraum auf wenige Wege in die Zukunft („the road ahead“ in Kapitel 6.4) eingegrenzt und dadurch die Komplexität begrenzt werden. Die Empfehlungen einer weitergehenden Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und auch der Steuerung werden deshalb nochmals aufgegriffen und auf Gemein­ samkeiten untersucht. Für eine weitergehende Neuausrichtung der Geschäftsmodelle multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs wurden in Kapitel 4.4 sieben Empfehlungen genannt: 1. Im Übergang zu neuen Basistechnologien wird es nicht reichen, in einer Phase der Exploration neuer Gechäftsmöglichkeiten mit elektrischen und autonom fahrenden Fahrzeugen die Ressourcenallokation und die Wettbewerbsvorteile zu überdenken (d. h. die Ressourcen zu bündeln und Produktinnovationsfähigkeit anzustreben), ohne die übrigen leistungebezogenen Komponenten Wertarchi­ tektur und Nutzenversprechen anzupassen. 2. Stattdessen müssen Automobilunternehmen in den Phasen des Übergangs zu und der Exploitation von neuen Geschäftsmöglichkeiten in gestuften Entscheidungen auch die Wertarchitektur und das Nutzenversprechen der neuen, innovativen

350

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

Leistungen und damit die gesamten Geschäftsmodelle anpassen (d. h. versuchen, die Wertschöpfung zu integrieren und ein service- und kundendominiertes Nutzenversprechen anzustreben). 3. Das gilt bisher vor allem für frühe Innovatoren, aber auch späte Innovatoren müssen spätestens dann, wenn sich ein neuer Industriestandard bzw. ein neues dominantes Design5 in der Automobilindustrie ankündigt, den Sprung wagen und neue Ressourcen, Fähigkeiten, Kompetenzen und Leistungen schaffen, auch wenn dies mit einer Verbesserung traditioneller Ressourcen, Fähigkeiten, Kompetenzen, Leistungen und Märkte im Widerspruch steht. 4. Es ist notwendig, mit einem konsequenten dynamischen beidhändigen Ma­ nagement6 traditionelle Leistungen und Geschäftsmodelle durch neue, inno­ vative Leistungen und Geschäftsmodelle in meheren Phasen abzulösen und den Übergang zu managen. 5. Um die durch die globalen Umfeldtrends weiter steigende Komplexität zu be­ grenzen und die Profitabilität zu erhöhen, sind Veränderungsfähigkeiten (Dy­ namic Capabilities) erforderlich und agile Entscheidungsstrukturen zu schaffen. Solche Fähigkeiten ermöglichen es, diskontinuierliche Umfeldveränderungen wahrzunehmen, neue strategische Möglichkeiten zu ergreifen und die unter­ nehmerischen Kompetenzen neu zusammenzustellen7, um die Veränderungen von Geschäftsmodellen beidhändig zu managen. 6. Für multinationale Automobilunternehmen ist es in der Umbruchphase wich­ tig, Manager zu haben, die schnell entscheiden, damit der Übergang zu neuen Leistungen und Geschäftsmodellen gelingt. 7. Dabei besteht die Herausforderung darin, dass die Anpassung der Gewinne in der kapitalintensiven Automobilindustrie lange dauert, weil der Auf- und Abbau von Volumen nicht reibungslos erfolgt, da Größen und Verbundvorteile zu berücksichtigen sind. Für eine weitergehende Neuausrichtung der Steuerung ausländischer Tochterge­ sellschaften wurden sechs Empfehlungen genannt (in Kapitel 5.4): 1. Es kann für multinationale Automobilunternehmen nicht ausreichen, die Zielkonflikte der Steuerung zwischen der Muttergesellschaft und den Toch­ tergesellschaften auf der Subebene einzelner Steuerungsinstrumente nur dort aufzulösen, wo das einfach möglich ist. Konfliktlösungen würden dann nur gesucht für Interessenskonflikte ◦◦ über Management Boards, Mentoring, Transferpreise oder die Zusammenset­ zung transnationaler Teams, die durch Verhandlungen gelöst werden könnnen,

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

351

◦◦ über Exzellenzzentren, die sich im Wettbewerb dieser Exzellenzzentren lösen lassen und ◦◦ über das Compliance Managment, die Ansprache großer Tochtergesellschaften und die Nutzung des internen Kapitalmarkts, die hierarchisch entschieden werden können 2. Stattdessen müssen auch unüberwindbare Differenzen zwischen der Muttergesell­ schaft und den Tochtergesellschaften in multinationalen Automobilunternehmen über gemeinsame kulturelle Werte, über die Gruppierung kleiner Ländermärkte, über die Schaffung guter Kommunikation innerhalb multinationaler Unterneh­ men und über die Interaktion und Information über Unternehmensgrenzen und Ländermärkte („boundary spanning“) angegangen werden, die weder durch Verhandlung und Wettbewerb noch in der Hierarchie gelöst werden können. 3. Es ist eine Annäherung über Mediationslösungen bzw. „dritte Variablen“ wie wenige Kernwerte, regionale Hauptquartiere, informelle persönliche Netzwerke, den Einsatz und die Ausbildung qualifizierter Mitarbeiter und ein globales Netz­ werk an FuE-Zentren notwendig, um unüberwindbare Differenzen einzuengen und auszubalancieren (Mediation). 4. Um der durch die globalen Umfeldtrends weiter steigenden Komplexität zu begegenen, sind Veränderungsfähigkeiten (Dynamic Capabilities) erforderlich, die es ermöglichen, diskontinuierliche Umfeldveränderungen wahrzunehmen, neue strategische Möglichkeiten zu ergreifen und die unternehmerischen Kom­ petenzen neu zusammenzustellen8, um Mediationslösungen zu finden. 5. Für multinationale Automobilunternehmen ist es dabei in Zeiten des Wandels wichtig, Manager einzusetzen, die schnell agil entscheiden, damit die Mediation von Konflikten über die Steuerung in möglichst kurzer Zeit gelingt. 6. So können nach Lessard u. a. (2016) Fähigkeiten zur Mediation ins weltweite Wertschöpfungsnetzwerk der Unternehmen getragen werden, um weltweit Kompetenzen und in kapitelintensiven Branchen wie der Automobilindustrie Größen- und Verbundvorteile zu nutzen. Die Kapitel 4 und 5 konnten zeigen, dass sowohl für eine weitergehende Neuaus­ richtung der Geschäftsmodelle mit einem beidhändigen Management als auch für eine weitergehende Neuausrichtung der Steuerung durch Auflösung von Interessenskonflikten und Mediation drei Fähigkeiten empfohlen werden: 1. Ver­ änderungsfähigkeiten, 2. Agilität als Fähigkeit, schnell verbindlich zu entscheiden sowie 3. die Fähigkeit, Größen- und Verbundvorteile zu optimieren (vgl. Abb. 6–3). Diese Fähigkeiten sind Voraussetzungen bzw. Ansatzpunkte einer Neuausrich­ tung der Geschäftsmodelle und der Steuerung (vgl. Abb. 6–3b) und werden deshalb in diesem Kapitel betrachtet:

352

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

Neuausrichtung a) weitergehende Neuausrichtung 

Steuerung  ausländischer Tochtergesellschaften

Geschäftsmodelle Empfehlungen für eine weitergehende Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Empfehlungen für eine weitergehende  Neuausrichtung der Steuerung der  ausländischen Tochtergesellschaften:

Kapitel  . 1. 2.

3. 4.

b) Ansatzpunkte einer weitergehenden  Neuausrichtung  sowohl der Geschäftsmodelle als auch der Steuerung

5. . .

Veränderungsfähigkeiten Agilität als Fähigkeit schnell verbindlich zu  entscheiden Fähigkeit der Optimierung von Größen‐ und  Verbundvorteilen

Kapitel 5. 1. 2. 3.

1. 2. 3.

Auflösung von „lösbaren“ Interessenskonflikten  in Verhandlungen, im Wettbewerb und in der  Hierarchie ist nicht ausreichend  auch Angehen unüberwindbarer Differenzen nötig Mediationslösungen, um unüberwindbare Differenzen einzuengen und auszubalancieren

Veränderungsfähigkeiten Agilität als Fähigkeit schnell verbindlich zu  entscheiden Fähigkeit der Optimierung von Größen‐ und  Verbundvorteilen

Kapitel 6.

c) Abstimmung der Ver‐ änderungsfähigkeiten,  der Agilität und der Fähigkeiten zur  Optimierung von  Kapitel 6.2 Gr ßen‐ und  Verbundvorteilen d) umfassende  Kapitel 6. gemeinsame  Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung

Abb. 6-3

einmaliges Überdenken von  Ressourcenallokation und  Wettbewerbsvorteilen ist nicht ausreichend, auch Anpassung von Wertarchitektur und  Nutzenversprechen und damit der gesamten Geschäftmodelle in gestuften Entscheidungen nötig nicht nur für frühe, sondern mit Durchbruch  eines neuen Industriestandards auch für späte  Innovatoren konsequentes dynamisches beidhändiges  Management, um traditionelle durch neue,  innovative Leistungen und Geschäftsmodelle  abzulösen

Abstimmung von Veränderungsfähigkeiten Abstimmung schneller verbindlicher Entscheidungen Abstimmung der Optimierung  von Größen‐ und Verbundvorteilen

Abb.   ‐3,  S. 354

Veränderungsfähigkeiten

Agilität

hybride  Agilität

Größen‐ und Verbundvorteile

Ansatzpunkte einer Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung

Quelle: eigener Entwurf

1. Veränderungsfähigkeiten (Dynamic Capabilities, Kapitel 6.1.1) ermöglichen es, diskontinuierliche Umfeldveränderungen wahrzunehmen, neue strategische Möglichkeiten zu ergreifen und die unternehmerischen Kompetenzen neu zusammenzustellen. Dadurch kann die Anzahl der potentiellen Gelegenheiten einer Neuausrichtung und damit die Komplexität verringert werden. 2. Durch Agilität (Kapitel 6.1.2) als der Fähigkeit, schnell verbindlich zu entscheiden, können Umsetzungsbarrieren überwunden und Optionen der Neuausrichtung schneller gefunden werden. Da dann andere Optionen verworfen werden können, lässt sich die Komplexität weiter verringern.

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

353

3. Die Fähigkeit zur Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen (Kapitel 6.1.3) im Übergang von traditionellen zu neuen Geschäftsmodellen und einem globalen Standort- und Wertschöpfungsnetzwerk kapitalintensiver Branchen wie der Automobilindustrie relativiert die Bedeutung von Agilität, da Märkte bedient werden müssen, aber zugleich effiziente Mindestgrößen in der Leistungs­ erstellung angestrebt werden. Damit wird die Prioritätensetzung verstärkt, der Handlungsraum weiter eingeengt und die Komplexität noch weiter verringert. Fähigkeiten zu verändern, schnell und verbindlich zu entscheiden und Größen- und Verbundvorteile zu optimieren, sind nicht nur Voraussetzungen einerseits einer Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und andererseits einer Neuausrichtung der Steuerung der Tochtergesellschaften im Ausland (Kapitel 6.1). Sie müssen auch jeweils für eine Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung in multi­ nationalen Unternehmen abgestimmt werden, um die Komplexität zu senken (vgl. Abb. 6–3c und Kapitel 6.2), da sie sich gegenseitig beeinflussen. Weil Größen- und Verbundvorteile eher die Effizienz als die Agilität erhö­ hen, wird in Kapitel 6.3 begründet, dass Veränderungsfähigkeiten auch dabei helfen können, den Widerspruch zwischen Größen- und Verbundvorteilen und Agilität aufzulösen und schnelle Entscheidungen zu treffen sowie durch Re-Allokation von Ressourcen, Größen- und Verbundvorteile zu optimieren. Veränderungsfähigkeiten schaffen dadurch eine „hybride Agilität“ (vgl. Abb. 6–3d). „Hybride Agilität“ ermöglicht gerade bei diskontinuierlichen Verände­ rungen schnelle und verbindliche Entscheidungen und damit eine umfassende gemeinsame Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung (Kapitel 6.3). Das Buch schließt in Kapitel 6.4 mit einem Ausblick auf mögliche Wege mul­ tinationaler Automobilunternehmen in die Zukunft („the road ahead“, vgl. Abb. 6–4). Sie werden entsprechend der Annahmen in den Kapiteln 4 und 5 für die Automobilindustrie allgemeingültig entwickelt.

354

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

globale Umfeldtrends 1.  Ausdifferen‐ zierung der  Mobilitäts‐ nachfrage

2.  Ausdifferen‐ zierung der Fahrzeug‐ antriebe

3. Digitali‐ sierung

4. Druck auf eine  Verringerung  des Kapital‐ einsatzes

beidhändiges Management tradtionelle Geschäfts‐ modelle Zielkonflikte  der Steuerung

Mediation

neue innovative Geschäfts‐ modelle Aufhellung  und Einengung  von Zielkonflikten

multi‐ nationale Automobil‐ unternehmen ‐ „the road ahead“ (Kapitel .4) Zeit

Ansatzpunkte einer weitergehenden  Neuausrichtung sowohl der   Geschäftsmodelle als auch der  Steuerung (Kapitel  .1) • Veränderungsfähigkeiten  • Agilität als Fähigkeit schnell und  verbindlich zu entscheiden • Fähigkeit zur Optimierung von    Größen‐ und Verbundvorteilen

Abb. 6-4

Abstimmung von  Veränderungsfähigkeiten,  der Fähigkeit, schnell und  verbindlich zu entscheiden  und der Fähigkeit, Gr ßen‐ und Verbundvorteile  zu  optimieren (Kapitel  .2)      

umfassende  gemeinsame  Neuausrichtung von  Geschäftsmodellen  und Steuerung  durch hybride Agilität (Kapitel  .3)

Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – „The road ahead“

Quelle: eigener Entwurf, entspricht Abb. 1.3-1

Endnoten 1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Davis u. a. (2009). Vgl. z. B. Raisch, Birkinshaw (2008); Simsek u. a. (2009); Proff, Haberle (2010) und Fojcik (2015). Vgl. Knips (1970) und Gavidia (2016). Dies liegt vor allem daran, dass die technologischen Veränderungen bislang weitgehend parallel zu den Veränderungen auf den internationalen Märkten z. B. der BRIC- und MIST-Länder (Kapitel 3.1) erfolgen. Vgl. Utterback, Abernathy (1975); Henderson, Clark (1990, S. 14). In Erweiterung von Raisch, Tushman (2016). Vgl. z. B. Teece (z. B. 2007, 2014a und 2018a). Vgl. z. B. ebd.

Abb.   ‐4 S. 35

6.1

Ansatzpunkte einer weitergehenden Neuausrichtung sowohl der Geschäftsmodelle als auch der Steuerung multinationaler Automobilunternehmen zur Verringerung der Komplexität

6.1 Weitergehende Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und Steuerung

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

Wie in der Einführung zu Kapitel 6 bereits betont wurde, müssen angesichts der globalen Umfeldtrends einerseits traditionelle und innovative Geschäftsmodelle beidhändig gemanagt werden (dynamische Ambidextrie), andererseits Zielkonflikte der Steuerung in multinationalen Automobilunternehmen aufgehellt und einge­ engt werden (Mediation). Deshalb sollten die erforderlichen Fähigkeiten genauer betrachtet werden: die Fähigkeit, zu verändern (Veränderungsfähigkeiten, Abschnitt 6.1.1), die Fähigkeit, schnell verbindlich zu entscheiden (Agilität, Abschnitt 6.1.2) und die Fähigkeit, Größen- und Verbundvorteile zu optimieren (Abschnitt 6.1.3). Diese Fähigkeiten bilden die Ansatzpunkte einer weitergehenden Neuausrichtung von Geschäftsmodellen (Kapitel 4.4) und Steuerung (Kapitel 5.4), da sich nur damit die durch die globalen Umfeldtrends weiter steigende Komplexität für multina­ tionale Automobilunternehmen verringern lässt. Mit Veränderungsfähigkeiten, Agilität und Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen können die durch die Ausdifferenzierung von Nachfrage und Technologien stark zunehmenden Möglichkeiten bzw. eventuellen Gelegenheiten beschränkt werden.

6.1.1

Veränderungsfähigkeiten (Dynamic Capabilities)

Die steigende Komplexität durch die Ausdifferenzierung des Produktspektrums und vor allem durch diskontinuierliche Veränderungen im Umbruch zu neuen Basistechnologien für elektrisch und selbstfahrende Fahrzeuge, erfordert Verän­ derungen in multinationalen Automobilunternehmen. Eine gemeinsame Basis für Veränderungen bieten Veränderungsfähigkeiten (Dynamic Capabilities1). Sie werden (1) zunächst kurz erklärt, dann wird ihre Bedeutung aufgezeigt und schließlich erläutert, wie (2) Veränderungsfähigkeiten die Neuausrichtung von Geschäftsmo­ dellen und die Neuausrichtung der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften in multinationalen Automobilunternehmen unterstützen können.

355

356

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

(1) Erklärung von Veränderungsfähigkeiten Veränderungsfähigkeiten ermöglichen die Weiterentwicklung von gewöhnlichen („ordinary“) Fähigkeiten bzw. Kompetenzen im Zeitablauf2. Sie sind erforderlich, wenn der Aufbau von Kompetenzen z. B. durch eine veränderte unternehmerische Ressourcenbasis oder eine ungewollte Diffusion von Wissen, aber auch durch eine veränderte Wahrnehmung der Nutzenstiftung bei den Kunden und durch Umfeldveränderungen gestört wird3 (Kapitel 4.2.2(1)), die zu einer Wissens- und Kompetenzerosion führen und Wettbewerbsvorteile gefährden4. In der Regel werden drei Veränderungsfähigkeiten unterschieden (vgl. Abb. 6.1-1)5:

       

# "

#  "

# "

           

Abb. 6.1-1

               

     $   %    !    

   $   %   !        

Veränderungsfähigkeiten

Quelle: eigene Darstellung nach Teece (2007), Proff, Knobbe (2019)

• die Fähigkeit, Umfeldveränderungen wahrzunehmen und dann eine „kol­ lektive Sinngebung“6 zu beginnen („sensing and shaping of opportunities“)7, d. h. Veränderung vor dem Hintergrund des unternehmerischen Zielsystems zu interpretieren und strategische Ziele sowie Instrumente festzulegen, um strategische Möglichkeiten zu erreichen. • die Fähigkeit, diese strategischen Möglichkeiten zu ergreifen („seizing of oppor­ tunities“). Dafür sind Entscheidungsstrukturen und -prozesse sowie Anreize zu schaffen. Kundenlösungen und Geschäftsmodelle müssen skizziert, Entschei­ dungsfindung und Unternehmensgrenzen bestimmt werden. Schließlich müssen Plattformen definiert, Loyalität und bindende Verpflichtungen („commitment“) aufgebaut werden. • die Fähigkeit, wettbewerbsfähig zu bleiben („reconfiguring“), indem materielle und immaterielle Kompetenzen erweitert, kombiniert, geschützt, und – wenn nötig – neu zusammengestellt werden, um neue innovative Wettbewerbsvorteile

6.1 Weitergehende Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und Steuerung

357

zu erzielen. Dies erfordert eine ständige Anpassung und Neuausrichtung der Ressourcenbasis, Dezentralisierung und Zerlegbarkeit (Schnittstellen), eine gute Steuerung („governance“) und ein Wissensmanagement. Gemäß dem Dynamic Capability-Ansatz sind bei Umfeldveränderungen bzw. bei Marktdynamik Veränderungsfähigkeiten notwendig, um gewöhnliche Fähig­ keiten bzw. Kompetenzen zu verändern. Dabei werden direkte Veränderungen unterstellt (Annahme von „Modellzeit“8, in der die Zeit keine eigenständige Rolle spielt). Werden Veränderungen wahrgenommen („sensing“), dann werden stra­ tegische Gelegenheiten oder Möglichkeiten ergriffen („seizing“) und Ressourcen neu zusammengestellt („reconfiguring“) und zwar umso schneller, je stärker die Veränderungen bzw. die Marktdynamik wahrgenommen werden und je bes­ ser die Veränderungsfähigkeiten sind9. Die einzelnen Veränderungsfähigkeiten (Wahrnehmen, Ergreifen, neu Zusammenstellen) dürfen aber nicht gleichzeitig erfolgen, sondern müssen aufeinanderfolgen, da es sonst zu Chaos kommt und die Effektivtät abnehmen wird10. Die Veränderungen werden in der Regel durch die Top-Manager (allein oder in Teams) wahrgenommen („sensing“). Die erforderlichen Managementfähigkeiten11 werden im Unternehmen aus vergangenen Erfahrungen und durch kontext-spezifi­ sches Lernen erworben und sind schwer imitierbar. Das Ergreifen von Möglichkeiten und die Veränderung der Kompetenzen („seizing“ und „reconfiguring“) beruhen dagegen eher auf Routinen und sind eine Aufgabe des ganzen Unternehmens12. Dabei sind Veränderungsfähigkeiten nicht permanent aktiviert, sondern können auch durchaus inaktiviert bleiben13. Einige Unternehmen haben sie aufgegeben, weil sie ungenutzt sehr hohe Kosten verursachen würden14. Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Veränderungsfähigkeiten kann in weitgehend stabilen wie dynamischen Umfeldern dauerhafte Wettbewerbsvorteile schaffen15. Dabei wurden sie zunächst nur in sich stark und häufig verändernden, d. h. dynamischen Branchen wie z. B. der Pharma- und Computerindustrie untersucht. Hier müssen Veränderungsfähigkeiten Sinnzusammenhänge ändern können, z. B. für die Entwicklung neuer Wirkstoffe, für die weitreichende Lernprozesse16 notwen­ dig sind. Veränderungsfähigkeiten sind aber auch bei geringerer Marktdynamik wichtig17, wenn z. B. der Aufsichtsrat einer Zementfabrik in einem grundsätzlich stabilen Umfeld Potenziale zur Effizienzsteigerung durch Verbesserungs- und Veränderungslernen sucht. In Abhängigkeit von der (Dis)Kontinuität bzw. der (In)Stabilität der Marktdy­ namik (Kapitel 1.1.3) werden inzwischen zudem unterschiedlich weitreichende Veränderungsfähigkeiten unterschieden.

358

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

Bei kontinuierlichen Umfeldveränderungen – ob schwach und selten in einem weitgehend stabilen Umfeld mit geringer Marktdynamik oder stark und häufig in einem dynamischen Umfeld mit hoher Marktdynamik (vgl. Kapitel 1.1.3) – ist die Kompetenzbasis gefährdet. Die unternehmerische Ressourcenbasis kann sich ver­ ändern, aber auch die Wahrnehmung der Nutzenstiftung der Ressourcen am Markt durch die Manager, das Wissen durch ungewollte Diffusion und die Umfelddynamik. Erhöht sich dadurch die Handel- und Imitierbarkeit der Kompetenzen, werden zunächst einfache Veränderungsfähigkeiten („first order dynamic capabilities“18) gebraucht. Sie stoßen gemäß den Erklärungen der Kompetenzentwicklung19 eine Weiterentwicklung der gewöhnlichen Fähigkeiten bzw. Kompetenzen durch eine abwechselnde Verbesserung und Erneuerung von Kompetenzen in Abhängigkeit von der Marktdynamik als Stärke und Häufigkeit von Veränderungen20 an21. Die Abfolge von Kompetenzverbesserung und -erneuerung wird in einem dynamischen Umfeld schneller und stärker erfolgen (mit höherer Frequenz, Amplitude und Stei­ gung) als in einem weitgehend stabilen Umfeld und muss sich auf unterschiedlich starke Lernprozesse stützen22. Diskontinuierliche Veränderungen im Umfeld destabilisieren die Marktdynamik 23 (vgl. ebenfalls Kapitel 1.1.3), z. B. neue Basistechnologien in der Automobilindustrie für elektrisch und selbst fahrende Fahrzeuge durch neue Fahrzeugantriebe und die Digitalisierung (globale Umfeldtrends 2 und 3 in den Kapiteln 3.2 und 3.3). Bei solchen Veränderungen können die gewöhnlichen Fähigkeiten bzw. Kompeten­ zen nicht mehr einfach nur angepasst werden. Deshalb werden sehr viel weitrei­ chendere Veränderungsfähigkeiten gefordert24, die es erlauben, die vorhandenen Veränderungsfähigkeiten ihrerseits zu verändern („learning to learn“25). Diese weiterreichenden Veränderungsfähigkeiten werden auch als Veränderungsfähig­ keiten höherer oder zweiter Ordnung („higher order“26 oder „second order dynamic capabilities27) bezeichnet. In Sinne der „Theorie der Kompetenzentwicklung“ zur Anpassung an Um­ feldveränderungen stellt eine wahrgenommene Instabilität der Marktdynamik durch diskontinuierliche technologische Veränderungen eine weitere, besonders starke externe Störung beim Aufbau gewöhnlicher Kompetenzen dar (neben der Veränderung der Ressourcenbasis, der wahrgenommenen Nutzenstiftung und der ungewollten Diffusion von Wissen). Sie stört die Abstimmung der Ressour­ cenposition mit der Marktdynamik als dritte Anforderung an den Aufbau solcher Kompetenzen. Bei solchen Störungen sind die Umfeldveränderungen eher stark, kommen unerwartet und geschehen in einem vor der diskontinuierlichen Verän­ derung weitgehend stabilen Marktumfeld wie dem der Automobilindustrie selten oder meist sogar einmalig. Deshalb fehlt den Automobilunternehmen die Erfahrung im Umgang mit ihnen28. Eine einfache Anpassung der gewöhnlichen Fähigkeiten

6.1 Weitergehende Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und Steuerung

359

bzw. gewöhnlichen Kompetenzen durch (Weiter)Entwicklung im Zeitablauf29 durch „first order dynamic capabilities“ reicht deshalb nicht aus. Stattdessen sind weitreichendere „second order dynamic capabilities“ erforderlich, die es erlauben, die vorhandenen Veränderungsfähigkeiten zu verändern.

(2) Unterstützung einer weitergehenden Neuausrichtung sowohl der Geschäftsmodelle als auch der Steuerung durch Veränderungsfähigkeiten Veränderungsfähigkeiten unterstützen die Veränderung bzw. Neuausrichtung sowohl (1) von Geschäftsmodellen als auch (2) der Steuerung ausländischer Toch­ tergesellschaften – zunächst unabhängig voneinander (vgl. Abb. 6.1-2). Weil beide Veränderungen langfristig sind, sind sowohl die Entscheidungen über die Verän­ derung der Geschäftsmodelle als auch über die Mediation der Steuerung immer wieder zu überprüfen. Deshalb müssen Veränderungsfähigkeiten zumindest latent in Bereitschaft gehalten werden. Beide Veränderungsprozesse beginnen mit der Wahrnehmung von Umfeldveränderungen („sensing“), worauf dann Gelegenheiten bzw. Möglichkeiten ergriffen werden („seizing“) und die Kompetenzen neu zusam­ mengestellt werden („reconfiguring“). Ziel muss es dabei sein, die Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und der Steuerung möglichst früh zu beginnen. Im strategischen Management müssen Veränderungsfähigkeiten die Verände­ rung von Geschäftsmodellen stützen30, d. h. sowohl die Integration eines neuen Geschäfts in ein traditionelles Geschäft, als auch die Abspaltung oder Ablösung eines traditionellen Geschäfts durch ein neues Geschäft (vgl. Abb. 4.3-3). In Kapitel 4.3 wurden mit Hilfe einer Szenario-basierten Befragung geplante Entscheidungen im Übergang in die Elektromobilität untersucht. Die Ergebnisse wurden in einem Prozessmodell der Ablösung von Geschäftsmodellen im Über­ gang zu Elektromobilität oder zum autonomen Fahren mit drei Phasen zwischen Initiierung der Veränderung und Skalierung bzw. Ablösung des traditionellen Geschäftsmodells zusammengefasst. Sie zeigen, dass Veränderungsfähigkeiten Voraussetzungen für die Initiierung des Ablösungsprozesses und für den Übergang zwischen den Phasen sind (vgl. auch Abb. 6.1-2): • Strategische Aktivitäten und die Entwicklung (Exploration) eines neuen Ge­ schäftes werden ausgelöst (Initiierung) durch Wahrnehmung diskontinuierlicher Umfeldveränderungen. Damit beginnt eine Phase der „kollektiven Sinngebung“ („sensing and shaping of opportunities“). Veränderung werden vor dem Hin­ tergrund des unternehmerischen Zielsystems interpretiert. • Im Übergang zur Explorationsphase werden Entscheidungen über den Wett­ bewerbsvorteil getroffen und weitreichende Veränderungsfähigkeiten aktiviert

360

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

(„seizing of opportunities“). Solche dynamischen Fähigkeiten sind Voraussetzung, um die strategische Möglichkeit einer Ablösung des traditionellen Geschäfts­ modells zu ergreifen. Sie schaffen Entscheidungsstrukturen und -prozesse, aber auch Anreize zur Ergreifung der strategischen Möglichkeit. Dabei gilt es auch Vermögenswerte zu bestimmen, die keinen Mehrwert schaffen und abgestoßen werden müssen. • Bereits ab der Übergangsphase, spätestens bei der Ausweitung (Skalierung) des neuen, innovativen Geschäfts und der Ablösung vom traditionellen Ge­ schäft brauchen Unternehmen, um am Markt wettbewerbsfähig zu bleiben, die Veränderungsfähigkeit des „reconfiguring“, d. h. die Fähigkeit materielle und immaterielle gewöhnliche Fähigkeiten bzw. Kompetenzen zu erweitern, zu kombinieren, zu schützen, und – wenn nötig – zu rekonfigurieren („recon­ figuring“). Dies erfordert eine ständige Anpassung und Neuausrichtung der Ressourcenbasis, Dezentralisierung und Zerlegbarkeit (Schnittstellen), eine Abb.  .1‐2 gute Steuerung („governance“) und Wissensmanagement.

S. 3 2

Initiierung kollektive Sinngebung

Explorations‐ phase Aufbau des neuen,  innovativen Geschäftsmodells

* Wahrnehmung  * Ergreifen der strategi‐ schen Möglichkeit einer  diskontinuier‐ Ablösung des traditio‐ licher Umfeld‐ nellen Geschäftsmodells veränderungen.  * durch Schaffung von  * Interpretation  von Veränderung  Entscheidungsstrukturen  und ‐prozessen, aber  vor dem Hinter‐ grund des unter‐ auch von Anreizen zur  Ergreifung der strate‐ nehmerischen gischen Möglichkeiten Zielsystems

„sensing“

„seizing“

Übergangs‐ phase Bemühen um einen  Nettowert des neuen,  innovativen Geschäfts

Exploitations‐ phase

Skalierung (Abl sung)

Ausbau des neuen, innovativen Geschäfts 

Ablösung des alten durch  das neue, innovative Geschäftsmodell

* Erweiterung, Kombination, Schutz und Rekonfigu‐ rierung materieller und immaterieller gewöhnlicher  Fähigkeiten bzw. Kompetenzen * durch eine ständige Anpassung und Neuausrichtung der Ressourcenbasis, Dezentralisierung und Zerleg‐ barkeit, gute Steuerung (governance) und Wissens‐ management

„reconfiguring“

Abb. 6.1-2 Veränderungsfähigkeiten im Prozessmodell der Ablösung von Geschäftsmodellen Quelle: eigener Entwurf in Erweiterung von Abb. 4.3-4 in Kapitel 4.3.2

Zeit

6.1 Weitergehende Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und Steuerung

361

Auch in der Literatur zum internationalen Management wurden Veränderungsfä­ higkeiten aufgegriffen. Doz u. a. betonten schon 2001 Vorteile der Weiterentwicklung von multinationalen zu „metanationalen“ Unternehmen, die nicht nur Wettbe­ werbsvorteile aus der Muttergesellschaft oder aus ausländischen Tochtergesell­ schaften weltweit verteilen. Sie sollen Wert schaffen, indem sie weltweit ungenutzte Technologien, Marktwissen und Fähigkeiten suchen, verbinden und leveragen, um daraus Gewinn zu ziehen31. Dafür sind ebenfalls die drei Veränderungsfähigkeiten erforderlich. Nach Doz u. a. (2001, S. 6–9) können metanationle Unternehmen • durch Wahrnehmung („sensing“) weltweit neue Quellen relevanter technischer Kompetenzen sowie ein Verständnis der wichtigsten Kunden erschließen und so umwandeln, dass sie sie effektiv verarbeiten können, • durch Mobilisierung („mobilizing“) das neue, weltweit verstreute Wissen in innovative Leistungen und spezifische Marktgelegenheiten übersetzen und • durch Operationalisierung („operationalizing“), insbesondere durch Hochs­ kalieren der Wertschöpfungskette das Gewinnpotential der neuen Leistungen und Marktgelegenheiten ausschöpfen. Das Konzept metanationaler Unternehmen ist allerdings idealtypisch und wird deshalb auch kritisiert32. Es wird vernachlässigt, dass Wissen bzw. Humankapital ein quasi-öffentliches Gut ist33, das zwar in (multinationalen) Unternehmen transfe­ riert34, aber nicht beliebig oft genutzt werden kann, weil z. B. durch Reibungsverluste und Wissenstransfer die Nutzenstiftung abnimmt35. Veränderungsfähigkeiten sind nicht nur für Lernen und Technologieentwicklung wichtig36. Zudem werden Zielkonflikte in Unternehmen vernachlässigt, weil vorausgesetzt wird, dass das unternehmerische Wissen weltweit transferiert und optimal eingesetzt werden kann, auch wenn es angesichts der Komplexität auf eine begrenzte Anzahl sorgfältig ausgewählter Verbindungen und Kommunikationskanäle beschränkt werden sollte37. Gerade beim „Transfer von technologischem Wissen im multinationalen Unter­ nehmen“ als einem Instrument der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften (Steuerungsinstrument SI 13 in Kapitel 2.4.2) bestehen jedoch oft unüberwindbare Differenzen zwischen der Muttergesellschaft und den Tochtergesellschaften. Sie müssen gemäß den Überlegungen in Kapitel 5.3.2 durch Mediationslösungen eingeengt und aufgelöst werden. Da es beim Wissenstransfer notwendig ist, tech­ nologisch wettbewerbsfähig zu bleiben, wird als Mediationslösung vorgeschlagen, FuE-Aktivitäten dort zu errichten, wo Expertise konzentriert ist38 und ein „globales Netzwerk an FuE-Zentren“ als Innovationsmotor zu errichten, um die weit verteilten (FuE)-Aktivitäten zu verknüpfen39.

362

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

Veränderungsfähigkeiten sind in multinationalen Unternehmen sehr wichtig, weil diese Unternehmen mehr Umfeldveränderungen wahrnehmen, mehr Entscheidun­ gen treffen und mehr Ressourcen umverteilen. Sie haben deshalb einen größeren Bedarf an Veränderungsfähigkeiten40: nicht nur für die Initiierung einer Mediation bei unüberwindbaren Differenzen über den „Transfer von technologischem Wissen in multinationalen Unternehmen“, sondern insgesamt im Übergang zwischen den Abb.  .1‐3 einzelnen Phasen im Mediationsprozess (vgl. Abb. 6.1-3):

S. 3 5

Initiierung

kollektive Sinngebung

Explorations‐ phase Entscheiden über die Mediationslösung

* Entscheidungen über * Wahrnehmung Mediationslösungen der zunehmenden ‐ wenige Kernwerte unüberwindbaren ‐ regionale Haupt‐ Differenzen  quartiere zwischen Mutter‐ ‐ informelle persönliche  gesellschaft und Netzwerke Tochtergesell‐ ‐ Einsatz und Ausbildung schaften qualifizierter Mitarbeiter * Interpretation  ‐ globales Netzwerk an von Veränderung  FuE‐Zentren vor dem Hinter‐ * durch Schaffung von  grund des unter‐ Entscheidungsstrukturen, nehmerischen die strategische  Zielsystems Möglichkeit der Mediationslösung zu  ergreifen

„sensing“

„seizing“ („mobilizing“)

Übergangs‐ phase Verankerung der Mediationslösung

Exploitations‐ phase Stabilisierung der  Mediations‐ lösung

Skalierung (Mediations‐ l sung) Auflösung des Zeit Konflikts durch Zusammenwachsen  von Muttergesell‐ schaft und Tochter‐ gesellschaften

* Erweiterung, Kombination, Schutz  und neu‐Zusammenstellung der Ressourcenbasis * durch eine ständige Anpassung und Neuausrichtung der Ressourcenbasis, Dezentralisierung und Zerleg‐ barkeit, gute Steuerung („governance“) und Wissens‐ management

„reconfiguring“ („operationalizing“)

Abb. 6.1-3 Veränderungsfähigkeiten im Prozessmodell der Mediation Quelle: eigener Entwurf in Erweiterung von Abb. 5.3-4 in Kapitel 5.3.2

6.1 Weitergehende Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und Steuerung

363

• Die Suche nach Mediationslösungen wird initiiert, wenn zunehmend unüber­ windbare Differenzen zwischen der Muttergesellschaft und den Tochtergesell­ schaften in einem veränderten Umfeld wahrgenommen werden. Dann wird eine Phase der „kollektiven Sinngebung“ ausgelöst („sensing (and shaping) of opportunities“) und Veränderung vor dem Hintergrund des unternehmerischen Zielsystems interpretiert. • Im Übergang in die Explorationsphase werden Entscheidungen über Media­ tionslösungen getroffen, d. h. über ◦◦ wenige Kernwerte im Konflikt über gemeinsame kulturelle Werte (SI 3) ◦◦ regionale Hauptquartiere im Konflikt über die Gruppierung kleiner Län­ dermärkte (SI 5) ◦◦ informelle persönliche Netzwerke im Konflikt über die Schaffung von guter Kommunikation innerhalb multinationaler Unternehmen (SI 9), ◦◦ den Einsatz und die Ausbildung qualifizierter Mitarbeiter im Konflikt über die Information und Interaktion über Unternehmensgrenzen und Länder­ märkte („boundary spanning“, SI 12) sowie ◦◦ ein globales Netzwerk an FuE-Zentren im Konflikt über die Bereitschaft, Wissen innerhalb eines multinationalen Unternehmens zu transferieren (SI 13). Diese Entscheidung erfordert Veränderungsfähigkeiten des „seizing of opportuni­ ties“, die Entscheidungsstrukturen zu schaffen, um die strategische Möglichkeit einer Mediationslösung zu ergreifen, und damit zu mobilisieren („mobilizing“ bei Doz u. a. (2001). • Bereits ab der Übergangsphase, spätestens mit der Skalierung der Mediationslö­ sung, brauchen multinationale Unternehmen zudem Veränderungsfähigkeiten des „reconfiguring“, d. h. die Fähigkeit, die Mediationslösungen zu stabilisieren, indem materielle und immaterielle gewöhnliche Fähigkeiten bzw. Kompetenzen erweitert, kombiniert, geschützt, und – wenn nötig – neu zusammengesetzt werden. Hier ist wiederum eine ständige Anpassung und Neuausrichtung der Ressourcenbasis, Dezentralisierung und Zerlegbarkeit, eine gute Steuerung und ein Wissensmanagement gefragt. Diese Fähigkeit entspricht dem „operationa­ lizing“ bei Doz u. a. (2001), da durch Hochskalierung der Mediationslösung Gewinnpotentiale genutzt werden müssen.

6.1.2 Agilität als Fähigkeit schnell verbindlich zu entscheiden Weil Entscheidungen in Zeiten zunehmender Unsicherheit getroffen werden müssen, kommt es bei der Umsetzung von Veränderungsfähigkeiten in Unternehmen in der Regel zu Verzögerungen41. Anders als beim Dynamic Capability-Ansatz unterstellt,

364

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

erfolgen Veränderungen dadurch nicht in „Modellzeit“42 (vgl. Kapitel 6.1.1 (1)). Deshalb gilt nicht, dass die Wahrnehmung von Veränderungen („sensing“), das Ergreifen strategischer Möglichkeiten („seizing“) und die Neuzusammenstellung von gewöhnlichen Kompetenzen („reconfiguring“) umso schneller aufeinander folgen, je besser die Veränderungsfähigkeiten sind43. Die Verzögerungen können auf Umsetzungsbarrieren zurückgeführt werden, d. h. auf Effekte in der „realen Zeit“44, weil z. B. ein zu visionäres Top Management-Team Probleme mit strategischen Entscheidungen haben kann45 und organisatorische Reaktionen oft zu langsam erfolgen46. Umsetzungsbarrieren können zudem bei den Mitarbeitern liegen, die z. B. zu wenig auf die Digitalisierung vorbereitet sind und sich in IT und Software nicht auskennen. Deshalb sind in Zeiten von Unsicherheit eine schnelle Reaktionsfähigkeit und damit schnelle verbindliche Entscheidungen wichtig, eine Fähigkeit, die Agilität47 genannt wird. Agilität wird nun (1) als Fähigkeit, schnell verbindlich zu entscheiden, kurz erklärt. Dann wird gezeigt, wie (2) Agilität die Veränderung sowohl der Geschäfts­ modelle als auch der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften in multinati­ onalen Automobilunternehmen unterstützen kann.

(1) Erklärung von Agilität als Fähigkeit schnell verbindlich zu entscheiden Agilität wird zunächst sehr allgemein als die Fähigkeit verstanden, die strategische Ausrichtung wichtiger Geschäfte kontinuierlich anzupassen, um Wert zu schaffen48. Sie hat aber auch eine große Bedeutung für multinationale Unternehmen49. Es geht dabei nicht alleine um Anpassungsfähigkeit an Markttrends, Agilität muss etwas Neues schaffen50 und ist damit mehr als Flexibilität in unsicheren Märkten51. Agilität ermöglicht schnellere Entscheidungen dadurch, dass im Sinne eines „build-mea­ sure-learn“-Zyklus erst einmal mit lebensfähigen Minimallösungen („minimal viable products“) begonnen wird52. Wären schnelle Entscheidungen bessere Entscheidungen, dann würde das bedeuten, dass frühe Innovatoren besser aufgestellt sind als späte Innovatoren. Das gilt aber nur bei kurzfristigen diskontinuierlichen Veränderungen wie z. B. dem Durchbruch der Videotechnologie in nur wenigen Jahren. Bei langfristigen diskontinuierlichen Veränderungen wie z. B. im Übergang in die Elektromobilität und durch Digitalisierung können Unternehmen auch später entscheiden und Veränderungsfähigkeiten später aktivieren. Dennoch brauchen aber auch die späten Innovatoren aufgrund der Unsicherheit schnelle Entscheidungsprozesse und damit Agilität.

6.1 Weitergehende Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und Steuerung

365

Agilität erfordert kurze verbindliche Entscheidungsprozesse, um unter Unsicher­ heit schrittweise den optimalen Weg zu finden. In der Managementliteratur gibt es dafür unterschiedliche Begriffe. McGrath und MacMillan (2009, S. 7) sprechen z. B. von einem „entdeckungsorientierten Wachstum“ („discovery-driven growth“), Bradley u. a. (2018, S. 175) von Strategie als Reise („strategy as a journey“). Hier soll von Agilität gesprochen werden, weil nicht nur die Entscheidung unter Unsicherheit, sondern auch die Entwicklung von lebensfähigen Minimallösungen auf dem Weg zu neuen Lösungen unter Unsicherheit wichtig ist. Eine Erklärung der Agilität bieten Ansätze zur Verringerung von Unsicherheit in den traditionellen Entscheidungsmodellen durch schrittweise Entscheidungen im Zeitablauf. Sie begründen, warum schnelle mehrstufige und damit agile Entschei­ dungen es ermöglichen, auf die im Zeitablauf abnehmende Unsicherheit zu reagie­ ren und sie dadurch aktiv zu verringern. Bei diskontinuierlichen technologischen Veränderungen lässt sich die Unsicherheit durch zwei Dimensionen beschreiben (vgl. Abb. 6.1-4 bezogen auf Abb. 3.2-1 in Kapitel 3.2)53: 1. Marktunsicherheit, d. h. fehlende Klarheit über zukünftige Kunden und Kundenpräferenzen und 2. techni­ sche Unsicherheit, d. h. Unklarheit über den notwendigen technischen Aufwand, eine Innovation zu realisieren. Schrittweise Entscheidungen sind nötig, wenn die Entscheider nicht über ausrei­ chend Informationen über die zukünftige Entwicklung verfügen und Entscheidungen deshalb nicht unter Sicherheit („clear enough future“)54 treffen können. Sie sollten aber zumindest die Eintrittswahrscheinlichkeiten alternativer Szenarien kennen und Entscheidungen deshalb unter Risiko bei Kenntnis einer klar definierten Anzahl verschiedener Zukunftsszenarien („alternate futures“) treffen. Können nur Randszenarien bestimmt werden, die den Entscheidungsraum begrenzen („a range of future“), ist es dagegen nicht möglich, mit Methoden der dynamischen Programmierung oder der flexiblen Planung unterstützt durch Modelle der Ent­ scheidungstheorie, eine Lösung zu finden55 und schrittweise zu entscheiden (vgl. Kapitel 3.2).

366

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

        

   

     





  



    

   

  

    

   

    

       

           

       

 

 

            

   

       

Abb. 6.1-4 Umgang mit Unsicherheit durch schnelle verbindliche Entscheidungen (Agilität) durch gestufte Entscheidungsprozesse Quelle: eigene Erweiterung von Abb. 3.2-1 in Kapitel 3.2

Bei langfristigen diskontinuierlichen Veränderungen werden mehrstufige Ent­ scheidungsprozesse empfohlen. Das sind Phasenkonzepte56, die Lernphasen der Entscheider vorsehen, die dann enden, wenn modellgestützt über die Freigabe von Investitionsmitteln entschieden wird. An diesen Entscheidungspunkten sollte so viel Wissen vorhanden sein, dass schrittweise strategische Entscheidungen getroffen werden können57. Um schnell (agil) entscheiden zu können, werden häufig Methoden verwendet, die die Aufmerksamkeit auf die wesentlichen Aufgaben zwischen den Entscheidungspunkten lenken und damit sicherstellen, dass diese Aufgaben früh fertig werden58. Darauf wird in Abschnitt 6.2.2 eingegangen. Agilität beginnt beim Führungshandeln, wird von den Managern bislang aber noch zu wenig umgesetzt. So zeigen Untersuchungen59, dass nur etwa zehn Prozent der deutschen Manager, sogn. Katalysatoren, Teams durch Agilität motivieren. Die übrigen Manager sind eher Archivare oder Experten und stehen damit noch kaum für Agilität.

6.1 Weitergehende Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und Steuerung

367

(2) Unterstützung der Neuausrichtung sowohl der Geschäftsmodelle als auch der Steuerung durch schnelle verbindliche Entscheidungen Die Fähigkeit, schnell verbindlich zu entscheiden ist für die Veränderung von Geschäftsmodellen ebenso wichtig, wie für die Neuausrichtung der Steuerung durch Mediation. Bezogen auf die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen besteht anfangs hohe technologische Unsicherheit und Marktunsicherheit („true ambiguity“) bei dis­ kontinuierlichen Veränderungen z. B. durch neue Fahrzeugantriebe und die Di­ gitalisierung. Sie wird durch eine weitgehende Unkenntnis möglicher Szenarien und Randbedingungen, aber auch Strukturen und kausaler Zusammenhänge im Umfeld bestimmt und lässt Prognosen nicht zu60. Bei derart hoher Unsicherheit können keine langfristig gültigen Entscheidungen getroffen werden, da sie schnell von der Realität überholt werden, Diese Unsicherheit fördert ein Denken in alten Mustern, was die Prozesse verlangsamt61. Trotz Unsicherheit müssen aber schnell verbindliche Entscheidungen von begrenztem Umfang getroffen werden, die als lebensfähige Minimallösungen ständig auf ihre Passung zum Umfeld überprüft werden, d. h. es ist Agilität erforderlich. Dies gilt zunächst für Entscheidungen über eine erste Reallokation der Ressourcen und über den angestrebten Wettbe­ werbsvorteil bei der Neuausrichtung von Geschäftsmodellen. Die Unsicherheit sinkt durch diese Entscheidungen, aber auch durch technologischen Fortschritt und Marktforschung. Randszenarien können definiert werden, die den Entschei­ dungsraum („range of future“) begrenzen oder auf Zukunftsszenarien („alternate futures“) eingrenzen. Sind Szenarien bekannt, können die nächsten schwierigeren und weitreichenderen Entscheidungen z. B. über die Wertarchitektur als eine Kom­ ponente von Geschäftsmodellen getroffen werden. Diese Entscheidungen müssen ebenfalls schnell (agil) daraufhin überprüft werden, ob sie zu dem veränderten Umfeld passen, so lange keine eindeutige Vorhersage über die Zukunft möglich ist („clear enough future“). Damit gibt es im Übergang zu neuen Geschäftsmodellen eine Vielzahl von Entscheidungspunkten quasi als Abfolge einer Vielzahl von le­ bensfähigen Minimallösungen für alle fünf Komponenten von Geschäftsmodellen, die kontinuierlich abzugleichen sind. Untersuchungen62 zur Veränderung von Geschäftsmodellen im Übergang in die Elektromobilität zeigen (vgl. Kapitel 4.3), dass Automobilunternehmen über neue Geschäftsmodelle tatsächlich sequentiell entscheiden: zunächst über die Ressourcenallokation und die angestrebten Wettbewerbsvorteile, dann über die Wertschöpfungstiefe und die Wertarchitektur sowie über das Nutzenversprechen an die Kunden und schließlich über das Gewinnmodell.

368

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

Über die Neuausrichtung der Steuerung durch Mediation muss angesichts der diskontinuierlichen Veränderungen und der hohen Unsicherheit durch die glo­ balen Umfeldtrends ebenfalls schrittweise entschieden werden. Die notwendigen Mediationslösungen bei Zielkonflikten können nur im Laufe der Zeit gefunden werden. Beispielsweise gilt es über gemeinsame kulturelle Werte die Werte der Zentrale, die meist stark in der Tradition des Unternehmens begründet sind, mit Werten abzugleichen, die den Fortschritt angesichts der Umfeldveränderungen erfassen und oft in den Tochtergesellschaften entstehen. Die Entwicklung solcher Mediationslösungen erfordert ebenfalls eine kontinuierliche Anpassung und Ab­ stimmung bei langfristigen diskontinuierlichen Veränderungen und damit eine hohe Agilität der Unternehmen. So war auch bei den aktuellen Umfeldveränderun­ gen die Unsicherheit bezüglich der Märkte und Technologien anfangs sehr hoch („true ambiguity“). Deshalb mussten schnell erste verbindliche Entscheidungen in begrenztem Umfang getroffen werden. Diese lebensfähigen Minimallösungen können ständig auf ihre Passung zum unsicheren Umfeld überprüft werden und erfordern damit Agilität, z. B. bei einfachen Interessenskonflikten. Durch solche Entscheidungen, aber auch durch technologischen Fortschritt und Marktforschung sinkt die Unsicherheit. Es lassen sich inzwischen alternative Zukunftsszenarien („alternate futures“) definieren, für die die nächsten schwierigeren und weitreichen­ deren Entscheidungen z. B. über eine weitere Auflösung von Interessenkonflikten und erste Lösungen durch Mediation getroffen werden. Dabei sind auch weiterhin schrittweise Entscheidungen erforderlich. Untersuchungen63 zeigen (vgl. Kapitel 5.3), dass multinationale Automobilunter­ nehmen auch bei der Suche nach Mediationslösungen sequentiell entscheiden: Inter­ essenskonflikte werden in der Hierarchie oder durch Wettbewerb und Verhandlungen aufgelöst, bei unüberwindbaren Differenzen werden Mediationslösungen gesucht.

6.1.3 Fähigkeit der Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen Im Übergang zu neuen Geschäftsmodellen und bei der Mediation von Zielkonflikten der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften muss Wertschöpfung im tradi­ tionellen Geschäft abgebaut und im neuen Geschäft aufgebaut werden. Dabei kann es nicht alleine um einen schnellen Kompetenzaufbau und um schnelle Entschei­ dungsfindung gehen, da Agilität als Fähigkeit, schnell verbindlich zu entscheiden, Grenzen findet, wenn Kapital im internationalen Wertschöpfungsnetzwerk, z. B. für den Aufbau von Produktionsanlagen und Vertriebsnetzen festgelegt werden muss. Denn dann entstehen hohe Fixkosten, die zu einem großen Teil irreversibel

6.1 Weitergehende Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und Steuerung

369

sind („sunk costs“), da sie z. B. durch einen Verkauf der Produktionsanlagen und Vertriebsnetze nicht rückgängig gemacht werden können. Diese Fixkosten gilt es durch Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen im Übergang zu neuen Geschäftsmodellen und zu veränderten internationalen Produktionsnetzwerken optimal zu verteilen, d. h. es gilt Wertschöpfung mit irreversiblen Fixkosten („sunk costs“) möglichst lange zu nutzen und geeignete Strategien für den Auf- und Abbau der Wertschöpfung mit reversiblen Fixkosten ins neue Geschäft zu entwickeln. Gerade in kapitalintensiven Branchen wie der Automobilindustrie ist daher die Fähigkeit bedeutsam, Größen- und Verbundvorteile zu optimieren. Deshalb gilt es hier (1) Erklärungen für die Fähigkeit der Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen zu suchen und zu zeigen, wie (2) eine Optimierung von Größenund Verbundvorteilen die Neuausrichtung sowohl der Geschäftsmodelle als auch der Steuerung in multinationalen Automobilunternehmen unterstützen kann.

(1) Erklärung der Fähigkeit der Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen Wie in Abschnitt 5.1.2 erläutert, bezeichnen Größen- bzw. Verbundvorteile in der Volkswirtschaftslehre und in der Produktionstheorie Kostenvorteile, die sich aus der Betriebsgröße eines Unternehmens ergeben. Größenvorteile („economies of scale“) entstehen, wenn durch die Produktion von mehr Einheiten eines Gutes die Stückkosten abnehmen, weil z. B. die Fixkosten auf eine größere Menge verteilt werden können oder Lerneffekte auftreten64. Verbundvorteile („economies of scope“) sind Synergien durch gemeinsame Nutzung wirtschaftlicher Potentiale in mindestens zwei Unternehmenseinheiten. Gemeint sind materielle Synergien der gemeinsamen Durchführung von Wertschöpfungsaktivitäten wie Beschaffung, Produktion oder Vertrieb durch mehrere Unternehmenseinheiten (vgl. Abb. 5.2-2). In Zeiten tiefgreifender technologischer Veränderungen gilt es nach Malik den Übergang von der gegenwärtigen zur zukünftigen Existenz zu managen, indem die Grundlagen der gegenwärtigen Existenz so lange wie möglich gesichert werden und gleichzeitig die zukünftige Existenz rechtzeitig geschaffen wird65 (vgl. auch Kapitel 1.2). Dafür ist in kapitalintensiven Branchen die Fähigkeit erforderlich, Größen- und Verbundvorteile zu optimieren, d. h. simultan die Wertschöpfung im traditionellen Geschäft abzubauen und die Wertschöpfung im neuen Geschäft aufzubauen (simul­ tane „ramp-down“- und „ramp-up“-Prozesse), um den maximalen Nutzen aus den Geschäftsmodellen und dem (internationalen) Wertschöpfungsnetzwerk zu ziehen. Bislang wird meist das Ergebnis der Optimierung der Wertschöpfung mit Hilfe der Transaktionskostentheorie66 erklärt:

370

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

• Im strategischen Management werden alternative Wertarchitekturen als ein Element von Geschäftsmodellen unterschieden: 1. Integration der Wertschöpfung im Unternehmen oder Zerlegung und teilweise Auslagerung durch 2. Orchestrierung eines Netzwerkes von Zulieferern, 3. Spezialisierung auf ausgewählte Wertschöpfungsaktivitäten, oder 4. Pioniertätigkeit mit einer neuen Wertschöpfungsaktivität67. Dabei wird neben der Transaktionskostentheorie auch der Kompetenzansatz herangezogen (vgl. Kapitel 2.3.2). • Im internationalen Management werden alternative Wertschöpfungsstrategien im Spannungsfeld von komparativen (Lohn)Kostenvorteilen und Spezialisie­ rungsvorteilen (Erfahrungs- und Größenvorteilen spezialisierter Zulieferer gemäß der Transaktionskostentheorie) begründet68 1. Lean Transformation als Verbesserung der integrierten Wertschöpfung im Heimatland, wenn komparative Kostenvorteile und Spezialisierungsvorteile fehlen, 2. Verlagerung der Produktion (Produktionstransfer) in Niedriglohnländer bei weiterhin integrierter Wertschöpfungskette, um komparative Kostenvorteile zu erzielen, 3. Auslagerung von Wertschöpfung auf Zulieferer (Outsourcing), um Spezia­ lisierungsvorteile der Zulieferer zu nutzen, 4. Auslagerung speziell auf Zulieferer in Niedriglohnländern, um gleichzeitig komparative und Spezialisierungsvorteile zu nutzen (Offshore Outsourcing). Da statische Erklärungen den Weg zu einer neuen Wertarchitektur bzw. Wert­ schöpfungsstrategie durch Ab- und Aufbau von Wertschöpfung nicht einschlie­ ßen, gibt es Versuche, die Veränderungen über einen Kompetenzeffekt in der Transaktionskostentheorie zu modellieren69. Dabei geht es um die Kompetenz, die Wertschöpfung zu optimieren. Allerdings erfasst dieser kompetenzbasierte Effekt lediglich, wie gut die Koordination von Kompetenzen und Ressourcen über Länder- und Unternehmensgrenzen bei den verschiedenen Wertschöpfungsaktivi­ täten in Abb. 6.1-5 gelingt oder wie hochwertig die Ressourcen und Kompetenzen der Wertschöpfungspartner70 sind. Somit kann ein solcher Kompetenzeffekt die notwendigen Fähigkeiten auf dem Weg hin zu einer neuen Wertschöpfungsaktivität ebenfalls nicht erklären.

6.1 Weitergehende Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und Steuerung

  



371

                       

               

  

    

  

      

 

 



           

Abb. 6.1-5 Internationalisierung von Wertschöpfungsaktivitäten Quelle: nach Heuskel (1999); Bresser u. a. (2000); Grossman, Helpman (2002); Hofmann (2011) in Erweiterung von Abb. 2.3-6

In der betriebswirtschaftlichen Forschung werden diese Fähigkeiten über zwei Teilfähigkeiten erfasst, die es abzustimmen gilt, um Größen- und Verbundvorteile zu optimieren: a. die Fähigkeit zum Abbau der Wertschöpfung im traditionellen Geschäft („rampdown“), b. die Fähigkeit zum Aufbau der Wertschöpfung im neuen Geschäft („ramp-up“). Zu a): Beim Abbau von Wertschöpfung („ramp-down“) werden vier Wege in Ab­ hängigkeit von der eignen Marktposition (den Stärken und Schwächen) und dem Wettbewerbsdruck durch Technologieveränderungen (der Position am Markt) unterschieden71 (vgl. Abb. 6.1-6):

372

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

1. Direkter Marktaustritt („exit“) durch den Verkauf der Wertschöpfung an andere Unternehmen, wenn die Marktposition schlecht und der Wettbewerbsdruck besonders hoch ist. 2. Konsolidierung („consolidate“) bei guter Marktposition trotz des hohen Wettbe­ werbsdrucks, indem von den Wettbewerbern die alten Technologien aufgekauft und zusätzliche Größenvorteile (temporär) ausgenutzt werden. 3. Ertrag einholen („harvest“) bei zwar nicht guter Marktposition, aber geringem Wettbewerbsdruck, indem die traditionellen Größen- und Verbundvorteile so lange genutzt werden, bis ein Ausstieg notwendig wird. 4. Sicherung („safeguard market position“) einer guten Markt- und Wettbewerbspo­ sition, bei der das Kerngeschäft trotz der starken Veränderungen erhalten bleibt.

  

 

  



   

      



  

     

                

Abb. 6.1-6 Strategien des Abbaus der traditionellen Wertschöpfung („ramp-down“) Quelle: eigener Entwurf nach Deloitte (2018, S. 17) bezogen auf Harrigan, Porter (1983, S. 118)

Der Abbau der Wertschöpfung im traditionellen Geschäft hängt davon ab, wie schnell Wissen und Patente, aber auch Vermögenswerte wie Produktionsanlagen an Wert verlieren, d. h. von den Abschreibungen auf die vorhandenen Vermögenswerte und auf das geistige Eigentum („intellectual property“). Diese Abschreibungen sind damit ein Niveauparameter für jeden „ramp-down“-Prozess (vgl. ebenfalls Abb. 6.1-6).

6.1 Weitergehende Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und Steuerung

373

Zu b): Beim Aufbau der Wertschöpfung im neuen Geschäft wird betont, dass Grö­ ßen- und Verbundvorteile schnell zu nutzen sind, um einen maximalen Nutzen aus dem (internationalen) Wertschöpfungsnetzwerk zu ziehen. Wichtig dabei sind stabile Prozesse bei der Entwicklung der angebotenen Leistungen, eine geringe Produkt­ komplexität, eine einfache Lieferkette und die Beachtung der rechtlichen Rahmen­ bedingungen. Ein zu langer Aufbaupozess verhindert nicht nur die Nutzung von Größen- und Verbundvorteilen, sondern führt auch zu Anpassungen der Leistungen und Lieferketten, was dann den Aufbau von Wertschöpfung erschweren würde72.

(2) Unterstützung der Neuausrichtung sowohl der Geschäftsmodelle als auch der Steuerung durch Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen Die Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen kann die weitergehende Neuausrichtung der kapitalintensiven multinationalen Automobilunternehmen unterstützen, sowohl die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen, als auch die Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften. Die Ablösung von Geschäftsmodellen z. B. im Übergang von der Verbrennungs­ technologie zur Elektromobilität oder mit der Digitalisierung lässt sich als ein Abbau der bisherigen Wertschöpfung in der traditionellen Technologie mit hohen Größen- und Verbundvorteilen und Aufbau neuer Wertschöpfung mit anfangs ge­ ringeren Größen- und Verbundvorteilen in neuen Technologien verstehen. Auch im Entwicklungsprozess werden die Investitionen von der Entwicklung traditioneller Produkte, Plattformen oder Module der alten Technologie zur Entwicklung neuer Kundenlösungen mit neuen Technologien umgelenkt, die weiterhin Größen- und Verbundvorteile erzielen müssen. Dabei verlieren Größen- und Verbundvorteile allerdings im Zeitablauf etwas an Bedeutung, z. B. weil Elektrofahrzeuge und di­ gitalisierte Kundenlösungen einfacher und modularer werden. Damit sinken die Fixkosten und damit der Kapitaleinsatz (vgl. Abb. 6.1-7 und vgl. Kap. 3.4). Bei der Ablösung und damit Neuausrichtung von Geschäftsmodellen muss zwischen dem Aufbau und dem Abbau von Wertschöpfung Kapital fließen – ein Effekt, der sich trotz des insgesamt abnehmenden Kapitaleinsatzes künftig noch beschleunigen wird (vgl. Kapitel 4.4). Die Größen- und Verbundvorteile müssen deshalb optimiert werden. Es gilt in einem schrittweisen Prozess die jeweils richtigen Zeitpunkte für Entscheidungen zu finden, an denen multinationale Automobilunternehmen in der neuen Technologie bereits so große potentielle Größen- und Verbundvorteile erken­ nen, dass sie nicht den Übergang zu den neuen Technologien mit zunächst deutlich geringerer Rentabilität verzögern, an traditionellen Gewinnquellen festhalten oder

374

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

gar weiter in die alte Technologie investieren („sailing ship“-Effekt, vgl. Kapitel 4.1). Dabei werden sie, wie Abb. 6.1-7 zeigt – zunächst die traditionelle Wertschöpfung aufgeben, bei der sich ein Marktaustritt bei hohem Wettbewerbsdruck und schlechter Marktposition gemäß Abb. 6.1-6 lohnt. Die übrigen Wertschöpfungsaktivitäten werden sie sichern, konsolidieren oder so lange ernten, bis der Wettbewerbsdruck oder der Kapitalbedarf in der neuen Technologie sie zum Marktaustritt zwingt. Eine solche Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen ist ein äußerst komplexer und langfristiger Prozess. Auf- und Abbauprozesse brauchen Zeit, weil z. B. Vereinbarungen wie Standortgarantien und Genehmigungen wie z. B. bei einer Produktion mit Emissionen zu beachten sind. Diese Prozesse zu beherrschen und Größen- und Verbundvorteile zu optimieren, indem das investierte Kapital zu jedem Zeitpunkt wertschöpfend eingesetzt wird, sind eine große Herausforderung für multinationale Unternehmen.

Kapitaleinsatz im traditionellen Geschäftsmodell

Kapitaleinsatz im neuen Geschäftsmodell

1

8 1

3

t1

t2

t3

11 Kapitaleinsatz gesamt

t1

t4

Zeit

1

3

t1

t2

9

t2

t3

Zeit

t3

8

t4

Zeit

Abb. 6.1-7 Bedeutung der Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen beim simultanen Auf- und Abbau von Wertschöpfung im Zuge der Neuausrichtung von Geschäftsmodellen Quelle: eigener Entwurf

Die Neuausrichtung der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften multina­ Abb.   .1‐ , S. 3  hier ist in der Druckversion die Achse dicker => dabei war sie Pt. 1 bzw. schon 3 /4, ist jetzt Pt. 3/4 tionaler Automobilunternehmer wird ebenfalls einen Aufbau wie den Abbau von

6.1 Weitergehende Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und Steuerung

375

Wertschöpfung an weltweit verteilten Standorten bewirken und verändert das internationale Wertschöpfungsnetzwerk. Es gibt bereits seit Beginn des Jahrtausends den Trend zu einer stärker länder­ spezifischen Ausrichtung der Steuerung (Kapitel 2.4). Durch die Auflösung von Interessenskonflikten über Verhandlung und Wettbewerb zwischen Tochtergesell­ schaften aufgrund der globalen Umfeldtrends (Kapitel 5) wird er noch verstärkt. Dies führt tendenziell zum Abbau von Wertschöpfung in den traditionell großen Automobilmärkten der Triade (Westeuropa, Nordamerika und Japan) und zum Aufbau von Wertschöpfung in den wachsenden Ländermärkten in Osteuropa, in Südostasien und China und zunehmend in Afrika73. In der kapitalintensiven Automobilindustrie bleiben Größen- und Verbundvor­ teile weiterhin bedeutsam74, da einige Interessenkonflikte über zentrale Vorgaben der Muttergesellschaft, d. h. in der Hierarchie gelöst werden (Kapitel 5.1) und es auch künftig kleine Ländermärkte geben wird, die länderübergreifend bei Nutzung von Standardisierung und optimalen Betriebsgrößen bearbeitet werden. Abb. 6.1-8 zeigt, dass bislang nur die Automobilmärkte in der Triade (Westeuropa, Nordamerika und Japan) und in den BRICS-Ländern (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) die kritischen Mindestmengen der Produktion und selbst der Montage erreichen. Daran wird sich auch in absehbarer Zukunft nur wenig ändern. Außer­ dem wird es auch weiterhin länderspezifische staatliche Regulierungen geben. Dies liegt auch daran, dass die Regionalisierung nur langsam vorankommt und durch die Nationalisierungs- und Abschottungstendenzen, z. B. durch den Brexit und die Politik der Trump-Regierung in den USA, behindert wird. Von einem Grenzkos­ ten-freien Wirtschaften im Sinne Rifkins (2014, Kapitel 1.2) sind die regulierten Automobilmärkte sehr weit entfernt. Viele Ländermärkte sind für lokale Produk­ tion zu klein, selbst wenn das Regulierungsumfeld dafür günstig wäre, oder von Absatzmärkten ausgeschlossen. Damit wird es weiterhin nötig sein, Aktivitäten an Zentren (Häfen, Montage- und Produktionsstandorten, Hauptverwaltung) länderübergreifend zu bündeln, um Größen- und Verbundvorteile zu optimieren. Es werden jedoch vermehrt Standorte außerhalb der Triade-Märkte aufgebaut, so dass auch die Notwendigkeit einer weiterhin länderübergreifenden Steuerung zu einem Abbau von Wertschöpfung in den großen Automobilmärkten der Triade und zu einem Aufbau neuer Wertschöpfung außerhalb der Triade führt.

376

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

Stückzahlen

Triade BRIC(S) MIST nationale Abschottung Regularien

RoW

kritische  Mindestgröße  der Produktion  bzw. Montage

viele kleine Märke Zeit Verteilung der Absatzmengen  Triade: Westeuropa, Nordamerika, Japan BRICS:    Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika MIST:   Mexiko, Indonesien, Südkorea, Türkei RoW:    übrige Welt („Rest of World“)

Abb. 6.1-8 Unterstützung von Mediationslösungen der Steuerung ausländischer Tochtergesellschafen durch Nutzung von Größen- und Verbundvorteilen

Abb.   .1‐8, S. 3 8 hier ist in der Druckversion die Achse dicker Quelle: eigener Entwurf => dabei war sie Pt. 1, ist jetzt Pt. 3/4

Die Suche nach Mediationslösungen bei unlösbaren Zielkonflikten der Steuerung unterstützt diesen Auf- und Abbau von internationaler Wertschöpfung über: • wenige Kernwerte (SI 3), die den Auf- und Abbau der Wertschöpfung leiten können, • regionale Hauptquartiere, die Größen- und Verbundvorteile über mehrere kleine Ländermärkte hinweg sichern können, • Personaltransfer und informelle, persönliche Netzwerke (SI 9), die die gute Kom­ munikation innerhalb der multinationalen Unternehmen verbessern können, • qualifizierten Mitarbeiter, die helfen können, die Grenzen zwischen Unternehmen und Ländermarkt zu überwinden („boundary spanning“, SI 12) und • ein globales Netzwerk an FuE-Zentren (SI 13), das den Transfer von Wissen innerhalb eines multinationalen Unternehmens erleichtern kann.

6.1 Weitergehende Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und Steuerung

377

Eine solche Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen im internationalen Wertschöpfungsnetzwerk ist wie die Ablösung von Geschäftsmodellen ein äußerst komplexer Prozess, der Zeit braucht. Auch hierbei werden multinationale Auto­ mobilunternehmen (vgl. Abb. 6.1-6) zunächst dort Wertschöpfung aufgeben, wo sich ein Marktaustritt bei hohem Wettbewerbsdruck und schlechter Marktposition lohnt. Die übrigen Wertschöpfungsaktivitäten werden sie sichern, konsolidieren oder so lange ernten, bis der Wettbewerbsdruck oder der Kapitalbedarf in der neuen Technologie sie zum Marktaustritt zwingt.

Endnoten 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Vgl. z. B. Teece u. a. (1997), Teece (2007, 2014a,b und 2018a,b); Eisenhardt, Martin (2000) oder Peteraf u. a. (2013). Vgl. Teece (2014a, S. 332) zur Unterscheidung zwischen Veränderungsfähigkeiten und gewöhnlichen Fähigkeiten. Vgl. McGrath u. a. (1995). Vgl. Rumelt (1984, S. 558). Vgl. vor allem Teece (z. B. 2007, 2014a und 2018a). Meier, Slembeck (1994, S. 39). Teece (2007). Helmstädter (1995). Vgl. Teece (2014a, S. 335 und ähnlich 2018a, S. 43): „The strength of a firm’s dynamic capabilities determines the speed and degree [and associated costs] to which the firm’s resources can be aligned consistent with the firm’s strategy [business model] and with changes in the […] business environment“. Vgl. Teece (2007, S. 1341). „Managerial cognition“ (Tripsas, Gavetti 2006; Eggers, Kaplan 2013). bzw. „managerial dynamic capabilities (Adner, Helfat 2003 bzw. Helfat, Martin 2015). Vgl. Zahra u. a. (2006). Vgl. Ambrosini, Bowman (2009) oder Helfat, Peteraf (2009). Vgl. Zollo, Winter (2002); Winter (2003). Vgl. Peteraf u. a. (2013). Prozesslernen als Veränderung des Lernens (vgl. Argyris, Schön, 1978). d. h. in „moderately dynamic markets“ (Eisenhardt, Martin, 2000, S. 1105). Vgl. z. B. Schilke (2014). Vgl. Baden-Fuller, Volberda (1997); Volberda, Baden-Fuller (1998). Vgl. Basil, Cook (1974), Sanchez (1997).

378 21 22 23 24

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs

„Cycling“, Baden-Fuller/Volberda (1997); Volberda, Baden-Fuller (1998); Proff (2005b). Vgl. Pentland u. a. (2012). Vgl. Klein (1977). Vgl. Collis (1994); Zollo, Winter (2002); Ambrosini u. a. (2009) oder Easterby-Smith u. a. (2009). 25 Collis (1994, S. 143). 26 Ebd. 27 Zollo, Winter (2002, S. 340), Danneels (2002). 28 Vgl. ebd. (2009, S. 10). 29 Vgl. z. B. Rumelt (1984, S. 558). 30 Vgl. z. B. Teece (2018a, S. 45–46) und ähnlich bereits Teece (2014a, S. 341). 31 Vgl. Doz u. a. (2001, S. 5). 32 Vgl. z. B. Meyer, Estrin (2014); Meyer, Su (2015) oder Lessard u. a. (2016, S. 222). 33 Vgl. z. B. Buchanan (1965, S. 2-3) oder Mueller (1997, S. 151). 34 Vgl. Teece (1982, S. 47–58) bezogen auf Penrose (1959). 35 Vgl. Proff (2002a, Kapitel 1.2.1.3.1). 36 Vgl. Augier, Teece (2007, S. 187). 37 Vgl. Doz u. a. (2001, S. 24). 38 Vgl. Hill (2011, S. 591). 39 Ebd., (S. 594). 40 Vgl. z. B. Lessard u. a. (2016, S. 2256). 41 Vgl. Proff, Knobbe (2019). 42 Helmstädter (1995). 43 Vgl. Teece (2014a, S. 335 und ähnlich 2018a, S. 43). 44 Helmstädter (1995). 45 Vgl. Helfat u. a. (2007). 46 Vgl. Saebi u. a. (2017). 47 Vgl. z. B. Doz, Kosonen (2008, S. 65). 48 Vgl. ebd. und den Überblick bei Prange (2017). 49 Teece (2014a, S. 348). 50 Vgl. Satell (2017). 51 Die Gleichsetzung von Agilität und Flexibilität erfolgte durch Teece u. a. (2016, S. 13), wurde aber von den Autoren selber wieder eingeschränkt, da es bei externen und internen Veränderungen um die Fähigkeit geht, effizient und effektiv Ressourcen neu zu verteilen auf wertschaffende und wertsichernde Aktivitäten (vgl. ebd., S. 17). 52 Ebd. (S. 25). 53 Vgl. Courtney u. a. (1997); Sandau (2009). 54 Vgl. z. B. Proff u. a. (2014a, S. 13). 55 Vgl. Schmidt, Terberger-Stoy (1997, S 304); Day, Reibstein (1998); Bamberg u. a. (2008, S. 253); Laux u. a. (2012).

6.1 Weitergehende Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und Steuerung 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71

379

Vgl. Hoch (2001). Vgl. Proff, H.V. (2004, S. 54–55). Vgl. Dräther u. a. (2013, S. 13–25). Vgl. Seidl (2017). Vgl. Proff u. a. (2014a, S. 13). Vgl. Bradley u. a. (2018, S. 139). Vgl. z. B. Proff u. a. (2014b). Vgl. z. B. Proff (2018). Vgl. Fehl, Oberender (1994, S. 108); Dixit (1979, S. 30–31); Proff (2002a, S. 143). Vgl. Malik (2015, S. 76). Vgl. z. B. Williamson (1975) und Riordan, Williamson (1985). Vgl. vor allem Heuskel (1999); aber auch Bresser u. a. (2000) oder Proff, Proff (2013). Vgl. Grossman, Helpman (2002 und 2003) sowie Grossman u. a. (2006). Vgl. z. B. Hofmann (2011, S. 103). Vgl. ebd., S. 71. Vgl. Deloitte (2018, S. 17) bezogen auf Harrigan, Porter (1983, S. 118), die ähnliche „strategies in declining businesses“ als „end game strategies“ unterscheiden. 72 Vgl. Simon u. a. (2008). 73 Vgl. z. B. Proff (2011). 74 Vgl. z. B. Gammelgaard u. a. (2012); Hoenen, Kostova (2015), aber auch Mudambi u. a. (2014, S. 102); Najafi-Tavani u. a. (2014, S. 122); Meyer, Su (2015, S. 150).

6.2

Abstimmung von Veränderungsfähigkeiten, Agilität und Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen für die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung

6.2 Abstimmung von Veränderungsfähigkeiten, Agilität und Optimierung

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

Die Fähigkeit zu verändern, die Fähigkeit schnell und verbindlich zu entscheiden (Agilität) und die Fähigkeit, Größen- und Verbundvorteile zu optimieren, bieten multinationalen Automobilunternehmen nicht nur Ansatzpunkte, einerseits die Ge­ schäftsmodelle und andererseits der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften neu auszurichten. Diese Fähigkeiten können die Neuausrichtung von Geschäfts­ modellen und Steuerung noch besser unterstützen, wenn sie jeweils abgestimmt werden. Denn mit Fähigkeiten zu verändern, schnell verbindlich zu entscheiden sowie Größen- und Verbundvorteile zu optimieren, kann das strategische und das internationale Management stärker gemeinsam gedacht und verknüpft werden. Auch wenn in Automobilunternehmen Strategien und Geschäftsmodelle immer weltweit gedacht werden müssen und das internationale Management Marktein­ tritts- und internationale Marktbearbeitungsstrategien einschließt, lässt sich durch die Abstimmung dieser Fähigkeiten die Komplexität weiter verringern, weil der Entscheidungsraum begrenzt wird. Deshalb wird hier die Abstimmung der Veränderungsfähigkeiten Wahrneh­ mung von Veränderungen („sensing“), Ergreifen von strategischen Möglichkeiten („seizing“) und neu Zusammenstellung von gewöhnlichen Kompetenzen („re­ configuring“, Abschnitt 6.2.1), die Abstimmung schneller verbindlicher Entschei­ dungen (Abschnitt 6.2.2) sowie eine abgestimmte Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen (Abschnitt 6.2.3) für die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung betrachtet.

6.2.1 Abstimmung von Veränderungsfähigkeiten Um die steigende Komplexität durch diskontinuierliche Veränderungen im ge­ genwärtigen und künftigen Unternehmensumfeld zu bewältigen, ist es für mul­ tinationale Automobilunternehmen notwendig, Veränderungsfähigkeiten für die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung gemeinsam zu nutzen. Eine Abstimmung von Veränderungsfähigkeiten für die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung ist möglich, weil die Ablösung von Geschäftsmo­ 381

382

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

dellen und die Entwicklung von Mediationslösungen zur Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften ähnlich ablaufen. Die Ablösung von Geschäftsmodellen wie die Mediation durchlaufen einen Übergangsprozess mit drei Phasen (Exploration, Übergang und Exploitation) zwischen Initiierung und Skalierung (Abb. 6.2-1) und werden dabei jeweils durch die Fähigkeiten unterstützt, Umfeldveränderungen wahrzunehmen („sensing“), strategische Möglichkeiten zu ergreifen („seizing“) und gewöhnliche Fähigkeiten bzw. Kompetenzen neu zusammenzustellen („re­ configuring“, vgl.von Abschnitt 6.1.1). 6.2 Abstimmung Veränderungsfähigkeiten, Agilität und Optimierung 393

 % 

 !

,.- !!+  !   + 

+ 

 %  

!

! # #  + 

   + 

,/-!! ! !"$  !! & ! &"

 + !!  

 

 !  " &  !

!+  

$ $  *) $ $ *&) $ $ *!)

Abb. 6.2-1 6.2-1 Unterstützung der gemeinsamen Neuausrichtung von Strategie und Abb. Steuerung durch Veränderungsfähigkeiten Quelle: eigener Entwurf nach Abb. 6.1-2 und 6.1-3 Quelle:

Eine Abstimmung von Veränderungsfähigkeiten für die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung ist nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll, weil die Fähigkeiten Umfeldveränderungen wahrzunehmen, strategische Möglich­ keiten zu ergreifen und dafür Kompetenzen neu zusammenzustellen das gesamte multinationale Unternehmen betreffen1: • Breite und umfassende Veränderungsfähigkeiten können nur durch Koordi­ nation in einem globalen Unternehmensnetzwerk entwickelt werden, in dem auf alle Fähigkeiten weltweit zurückgegriffen werden kann, die frei verfügbar

6.2 Abstimmung von Veränderungsfähigkeiten, Agilität und Optimierung

383

sind und die damit über die Fähigkeiten in der Strategieabteilung hinausgehen2. Auch Fähigkeiten zur Veränderung der Geschäftsmodelle sind im globalen Wertschöpfungsnetzwerk der Unternehmen zu verankern, weil multinationale Unternehmen ihr Geld durch erfolgreiche Auslandstätigkeit verdienen3. • Breite und umfassende Veränderungsfähigkeiten ermöglichen es Unternehmen, sich nicht nur anzupassen, sondern Umfeldveränderungen aufzugreifen, unter­ nehmensspezifisch zu verarbeiten und daraus überlegene neue Kundenlösungen mit überdurchschnittlichen ökonomischen Renten zu schaffen4. • Die einzelnen Veränderungsfähigkeiten können in multinationalen Unternehmen gebündelt und dann länderübergreifend genutzt werden, was Synergien schafft und Ressourcen einspart5. Werden durch umfassende Wahrnehmungsfähigkeiten („sensing“) mehr Umfeld­ veränderungen erkannt, die die Geschäftsmodelle oder/und die Steuerung von Tochtergesellschaften weltweit betreffen, nehmen die Möglichkeiten und Optionen zu. Da dadurch zunächst die Komplexität in multinationalen Automobilunterneh­ men steigt, steigen auch die Anforderungen an umfassende Fähigkeiten, die neuen strategischen Möglichkeiten zueinander in Beziehung zu setzen, um letztlich wenige auszuwählen („seizing“). Werden dabei Auswirkungen auf Geschäftsmodelle und Steuerung gemeinsam berücksichtigt, werden allerdings viele Möglichkeiten sofort wegfallen. Angesichts begrenzter Kapital- und Managementressourcen und des weltweiten Drucks der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitaleinsatzes der traditionellen Automobilunternehmen dürfte eine Priorisierung der strategischen Möglichkeiten letztlich sogar einfacher werden. Auch die Abstimmung einer neuen Zusammenstellung der gewöhnlichen Fähigkeiten bzw. Kompetenzen, die sowohl die Ablösung traditioneller Geschäftsmodelle als auch die Entwicklung von Medi­ ationslösung zur Steuerung unterstützt, steigert zwar die Anforderungen an das „reconfiguring“. Die Möglichkeiten einer solchen umfassenden neuen Zusammen­ stellung der Kompetenzen sind jedoch ebenfalls sehr begrenzt. Bei Begrenzung der strategischen und operativen Handlungsoptionen bei gemeinsamer Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung nimmt damit insgesamt die Komplexität ab6. Um die Komplexität in den Griff zu bekommen, müssen multinationale Auto­ mobilunternehmen allerdings bei langfristigen tiefgreifenden diskontinuierlichen Veränderungen und noch stärker, wenn sich die Veränderungen überlappen, wie z. B. neue Fahrzeugantriebe und Digitalisierung, die sowohl die Geschäftsmodelle als auch die Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften betreffen, Veränderungs­ fähigkeiten dauerhaft und abgestimmt aktivieren. Latente Wahrnehmungsfähig­ keiten und wie bislang eine eher grobe Umfeldbeobachtung reichen dann ebenso wenig, wie Aktionen zu einem bestimmten Zeitpunkt t0 – egal ob bei langfristigen

384

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

Veränderungen früh als Vorreiter oder später als zunächst abwartender Nachzügler – oder in regelmäßig festgelegten, großen Abständen, z. B. einmal jährlich, • das Umfeld genauer zu betrachten und die als relevant wahrgenommenen Ver­ änderungen („sensing“) als Probleme zuzulassen7, • strategische Möglichkeiten zu ergreifen („seizing“) und • die Ressourcen neu zusammenzustellen („reconfiguring“), um den Entschei­ dungsraum und damit auch die Komplexität zu begrenzen (Abb. 6.2-2a).

a) einmalig aktivierte Veränderungsfähigkeiten*

b) dauerhaft aktivierte Veränderungsfähigkeiten*

latentes „sensing“  Kom‐ plexität

aktiviertes „sensing“ Kom‐ plexität

aktiviertes  „sensing“

aktiviertes „seizing“ und „reconfiguring“

latentes „seizing“ und „reconfiguring“

aktiviertes „seizing“ und „reconfiguring“

K1 K2 t

t1

Zeit

t

t1

Zeit

* abgestimmt für die Neuausrichtung der Geschäftsmodelle und der Steuerung

Abb. 6.2-2 Bedeutung von Veränderungsfähigkeiten zur Abstimmung von Geschäftsmodellen und Steuerung Quelle: eigener Entwurf Abb.   .2‐2, S. 38  hier ist in der Druckversion die Achse dicker => dabei war sie Pt. 1, ist jetzt Pt. 3/4

Notwendig ist vielmehr, ständig nach Umfeldveränderungen Ausschau zu halten – nicht nur nach den großen Umfeldtrends, sondern nach allen für die Geschäfts­ modelle und die Steuerung relevanten Veränderungen, auch nach einer Entschei­ dung in einem Zeitpunkt t0, um neue Probleme sofort zuzulassen („sensing“) sowie um Fähigkeiten des „seizing“ und „reconfiguring“ erneut zu aktivieren. Das ist insbesondere bei langfristigen tiefgreifenden diskontinuierlichen Veränderungen nötig, weil nach einem „seizing“ und „reconfiguring“ aufgrund von Veränderun­ gen im Umfeld, im Kampf der Wettbewerber untereinander und im Wettlauf um Kompetenzen8 gegenüber der Entscheidungssituation in t0 die Komplexität in der Regel schrittweise wieder ansteigt. Auch wenn die Komplexität infolge der bereits

6.2 Abstimmung von Veränderungsfähigkeiten, Agilität und Optimierung

385

ergriffenen strategischen Möglichkeiten und der getroffenen Entscheidungen über die Zusammensetzung der Kompetenzen nicht mehr die Komplexität in t0 erreichen wird, werden doch Veränderungen und Komplexität als so hoch wahrgenommen werden, dass in einer neuen Entscheidungssituation in t1 Unternehmen erneut ihre „seizing“- und „reconfiguring“-Fähigkeiten für Geschäftsmodelle und Steuerung abgestimmt aktivieren. Können Unternehmen dann die latenten Veränderungsfä­ higkeiten sofort nutzen und die sich aus der veränderten Entscheidungssituation ergebenden strategischen Möglichkeiten für Geschäftsmodelle und Steuerung ergreifen und gewöhnliche Fähigkeiten bzw. Kompetenzen dafür neu zusammen­ setzen, dann wird die Komplexität wieder sinken ( auf K 2 < K1 in Abb. 6.2-2b). So nimmt die Komplexität langfristig schneller ab, als bei einmaliger Aktivierung der Veränderungsfähigkeiten (Abb. 6.2-2a). Die Veränderungsfähigkeiten des „seizing“ und „reconfiguring“ verlieren an Wert9, wenn sie zu lange ungenutzt bleiben bzw. schlafen. Deshalb sollten sie dauerhaft aktiviert und latent in Bereitschaft gehalten werden, um bei Bedarf die strategische Ausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung und die dafür nötige Ressour­ cenallokation abgestimmt anpassen zu können. Es geht also nicht darum, einmal einen neuen Unternehmensbereich z. B. für Elektromobilität, Vernetzung und neue Mobilitätskonzepte zu gründen und dann unabhängig davon Autonomie und Kompetenzen der ausländischen Tochtergesell­ schaften festzulegen. Die Aktivitäten von Muttergesellschaft und Tochtergesellschaf­ ten sollten vielmehr abgestimmt werden, damit bei Wahrnehmung weiterer, zunächst nicht absehbarer Veränderungen zeitnah abgestimmt korrigiert werden kann. Wie zu Beginn von Abschnitt 6.1.2 als Begründung für die Notwendigkeit von Agilität angesprochen, kommt es in multinationalen Automobilunternehmen immer wieder zu Verzögerungen, die eine schnelle Abfolge von Veränderungsfähigkeiten des „sensing“, „seizing“ und „reconfiguring“ behindern10. So zeigt die genannte Befragung von 96 deutschen Automobilzulieferern 2017 zur Digitalisierung, dass multinationale Automobilunternehmen Veränderungsfähigkeiten selbst für die Veränderung von Geschäftsmodellen noch wenig aktivieren11. Bei diskontinuierli­ chen technologischen Veränderungen unterliegen sie oft der gefährlichen Illusion, sie hätten „alles im Griff“. Deshalb aktivieren sie Veränderungsfähigkeiten oft nur kurzfristig zu einem Zeitpunkt. 88 der befragten Unternehmen nahmen zwar die Diskontinuität der Umfeldveränderungen durch Digitalisierung wahr, unter­ schätzten allerdings vielfach das Ausmaß der Veränderung. Sie ergreifen kaum die strategischen Möglichkeiten („seizing“) und entsprechend wenig werden die gewöhnlichen Fähigkeiten bzw. Kompetenzen neu zusammengestellt („reconfigu­

386

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

ring“). Damit wird sehr viel Anpassungszeit vertan, die fehlen könnte, wenn neue Wettbewerber in den Markt drängen. Zu Verzögerungen bei der Umsetzung von Veränderungsfähigkeiten in Automo­ bilunternehmen kommt es nicht nur bei Umfeldveränderungen durch Digitalisierung und nicht nur bei der Veränderung von Geschäftsmodellen, sondern noch stärker bei breiteren Veränderungsfähigkeiten, die für Geschäftsmodelle und Steuerung abgestimmt wurden und bei umfassenderen diskontinuierlichen Veränderungen durch die globalen Umfeldtrends.

6.2.2 Abstimmung schneller verbindlicher Entscheidungen Die abgestimmten Fähigkeiten der Veränderung von Geschäftsmodellen und Steue­ rung ausländischer Tochtergesellschaften in multinationalen Automobilunternehmen (Kapitel 6.2.1) betreffen die Wahrnehmung von Umfeldveränderungen, das Ergreifen strategischer Möglichkeiten und die neue Zusammenstellung von gewöhnlichen Fähigkeiten bzw. Kompetenzen auf einer übergeordneten strategischen Ebene. Auf der operativen Ebene12 verzögert sich die Nutzung bzw. Umsetzung dieser Fähig­ keiten, z. B. wenn das Top Management-Team Probleme mit der Anpassung der gewöhnlichen Kompetenzen hat oder Mitarbeiter z. B. zu wenig auf Veränderungen durch die Digitalisierung vorbereitet sind und sich in IT und Software zu wenig auskennen (vgl. Kapitel 6.1.2). Deshalb ist es wichtig, dass multinationale Automo­ bilunternehmen operative Entscheidungen schnell treffen und schnelle verbindliche (operative) Entscheidungen über die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen mit schnellen verbindlichen (operativen) Entscheidungen über die Neuausrichtung der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften abstimmen. Abwarten, aber auch fehlende Abstimmung erhöht nur künftige Anpassungserfordernisse. In Kapitel 6.1.2 wurde erläutert, dass Entscheidungen bei hoher Unsicherheit durch diskontinuierliche Veränderungen sowie bei Interdependenz zwischen heutigen und zukünftigen Entscheidungen13 sehr komplex sind und deshalb schnell, ver­ bindlich und nur schrittweise14 getroffen werden können. Dies gilt noch mehr für noch komplexere Entscheidungen, die nicht nur schnell und verbindlich erfolgen, sondern für die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung abgestimmt werden müssen. Damit steigt die Anforderung an die Agilität, die nun zur Fähigkeit abgestimmter, schneller, verbindlicher Entscheidungen wird. Abgestimmte schnelle und verbindliche Entscheidungen erfordern eine gemein­ same Vision bzw. ein gemeinsames Ziel für Geschäftsmodelle und Ländermärkte als Ergebnis der Aktivierung von Veränderungsfähigkeiten und als Schritte auf

6.2 Abstimmung von Veränderungsfähigkeiten, Agilität und Optimierung

387

dem Weg dorthin kurze, verbindliche und abgestimmte (operative) Entscheidungs­ prozesse. Multinationale Automobilunternehmen können diese Schritte im Ent­ scheidungsprozess bei der Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften verknüpfen, wenn sie die Fähigkeit besitzen, vor jedem Entscheidungsschritt die Informationssuche über Geschäftsmodelle und Standorte hinweg zu verstärken und die Informationen zusammenzubringen. Das verringert die Unsicherheit und verbessert die Entscheidungsqualität. So können kurzfristig zumindest lebensfähige Minimallösungen („minimal viable products“) geschaffen werden, mit denen die Neuausrichtung erst einmal begonnen wird (vgl. Abb. 6.2-3). Bei der Abstimmung von kurzen und verbindlichen Entscheidungsprozessen zur Neuausrichtung sowohl der Geschäftsmodelle als auch der Steuerung multinationaler Automobilunternehmen ist zu prüfen, inwieweit Projektmanagement-Methoden z. B. aus dem Bereich der Softwareentwicklung verwendet werden können, obwohl die Entscheidungszeiträume dort sehr viel kürzer als in der Automobilindustrie sind. Bei der Entwicklung von Software, aber auch im Eventmanagement wird z. B. „Scrum“ verwendet. Mit „Scrum“ kann ein größeres Projekt, z. B. die Entwicklung eines Produktes, in einem abgesteckten Rahmen über Zwischenlösungen iterativ und inkrementell erfolgen15: mit jeder Iteration, in Scrum „Sprint“ genannt, wird ein Teil des Produktes entwickelt, der direkt verwendet werden kann. Durch kurze Feedback-Zyklen lassen sich so selbst komplexe Produkte entwickeln (vgl. Abb. 6.23). Dabei werden mehrere Rollen definiert, der sogn. „Product Owner“ bestimmt, was entwickelt werden soll, der „Scrum Master“ managt den Entwickungsprozess und das Entwicklungsteam16. Übertragen auf schnelle verbindliche und abgestimmte Entscheidungen auf dem Weg zu einer Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung multinatio­ naler Unternehmen bedeutet das, Teilziele zu definieren und zu ihrer Erreichung kurzfristig alle weltweit verfügbaren Ressourcen zu mobilisieren, um nach einer kurzen Zeit eine lebensfähige Minimallösung, z. B. ein Zwischenprodukt, zu schaffen. Obwohl es möglich sein muss, Entscheidungen zu revidieren, werden Optionen nicht latent vorgehalten, sondern verworfen. Nach jedem Zyklus („Sprint“) wird der Entscheidungsraum kleiner und die Unsicherheit geringer. Durch Abstimmung schneller verbindlicher Entscheidungen über die Neuausrichtung von Geschäfts­ modellen und Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften verringert sich auch die Komplexität, weil viele Optionen verworfen werden, die sonst beachtet worden wären und viel Zeit und Geld gekostet hätten.

388

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

& 

!#"!    !#

!    ! ! ! " '  !  !!

    ! 

  !   #! ! '  !     !!

Abb. 6.2-3 Abstimmung der Agilität zur Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung Quelle: eigene Darstellung nach Dräther u. a. (2013, S. 45)

Mit den verschiedenen Zyklen („Sprints“) und der Weiterentwicklung von le­ bensfähigen Minimallösungen bzw. Zwischenprodukten nimmt die Unsicherheit weiter ab. Geschäftsmodelle bzw. Produkte werden klarer und genauer. Dadurch sinkt die Komplexität. So wäre es z. B. wichtig, die Entwicklung von Plattformen für Fahrzeuge oder Komponenten mit neuen, innovativen Geschäftsmodellen direkt weltweit zu den­ ken und Leistungen und Geschäftmodelle nicht erst z. B. für die Märkte in hoch entwickelten Ländern zu optimieren und dann für geringer entwickelte Länder anzupassen, wie das in der Automobilindustrie üblich ist. Volkswagen optimiert z. B. schrittweise Modulbaukästen für Anforderungen in den Industrieländern. Selbst wenn sie für Länder wie Mexiko oder Indien abgespeckt werden, indem dort nicht alle Teile verbaut werden, sind die verbauten Teile in diesen Ländern nicht immer technisch notwendig und verteuern die Produkte unnötig. Nach Aussagen von VW-Managern in Mexiko und Indien sollte gleich eine zweite Plattform für geringer entwickelte Länder eingeplant werden. Ein Beispiel ist der preislich sehr günstige Renault Kwid, von Renault-Nissan nur für Wachstumsmärkte mit niedrigem Einkommen entwickelt, ohne bestehende Baukästen oder Plattfor­ men zu verwenden. Wie in Abschnitt 2.2 erläutert, zeigt das Kwid-Projekt, dass Innovationen überdacht werden („rethinking innovations“)17 und oft nicht dem traditionellen Innovationspfad folgen, der sich zuerst an Kunden mit höherem Einkommen in entwickelten Ländern richtet und dann in die sich entwickelnden Länder „durchsickert“18 („reverse innovations“19). Derart abgestimmte Entschei­

6.2 Abstimmung von Veränderungsfähigkeiten, Agilität und Optimierung

389

dungen müssten nicht nur bei einzelnen Nischenprodukten, sondern über die gesamte Produktpalette in allen Ländermärkten erfolgen, um die Komplexität zu senken. Mit dem neuen globalen modularen Elektrifizierungsbaukasten wird VW vermutlich in diese Richtung gehen.

6.2.3 Abstimmung der Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen Die steigende Komplexität durch diskontinuierliche Veränderungen im gegen­ wärtigen und im künftigen Unternehmensumfeld können multinationale Au­ tomobilunternehmen nur bewältigen, wenn die Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen über Technologien und Märkte bei der Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung abgestimmt wird. Da Produktionsanlagen und digitale Netzwerke zur weltweiten Leistungserstellung einen signifikanten Kapitaleinsatz fordern, der als verlorene Kosten („sunk costs“) anzusehen ist, ist es in kapitalintensiven Branchen wie der Automobilindustrie wichtig, Fixkosten auf möglichst viele Produkte und Märkte zu verteilen und Synergien zu nutzen. Multinationale Automobilunternehmen planen zwar im Rahmen ihrer Finanzpla­ nung immer auch den Kapitalbedarf. Befragungen deutscher Automobilunternehmen in den letzten Jahren zeigen jedoch, dass dabei meist die Ländermärkte hinter den Produkten bzw. Technologien zurücktreten, weil die globalen Geschäftseinheiten meist gegenüber den Ländergesellschaften dominieren20. Deshalb müssten die Pro­ dukte bzw. Technologien und Ländermärkte in der Kapitalbedarfsplanung stärker ausgeglichen werden, um eine gemeinsame Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften zu unterstützen. Kapitalbedarfsplanungen reichen zur Optimierung von Größen- und Verbundvor­ teilen beim Abbau der Wertschöpfung („ramp-down“-Prozess) im traditionellen Geschäft und an traditionellen Standorten und beim Aufbau von Wertschöpfung („ramp-up“-Prozess) allerdings nicht aus, weil sie voraussetzen, dass sich Unter­ nehmen in einem stabilen Gleichgewicht befinden und etwa neunzig Prozent der Umsätze und der Gewinne mittelfristig vorhersehbar sind, so dass nur kleine Anpassungen möglich sind. Die gleichzeitige Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung durch Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen über den Ab- und Aufbau der Wertschöpfung erfordert jedoch große Anpassungen unter der Nebenbedingung, dass für die Eigentümer die Gewinne zumindest stabil bleiben. Dazu müssen selbst vormals erfolgreiche Unternehmen ihre Kernfähigkeiten stark verändern, ähnlich

390

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

wie bei einer Sanierung21 im Krisenfall. So wie bei einer solchen Sanierung die Liquidität im Zeitablauf die Richtschnur für alles strategische Handeln ist, muss bei einer abgestimmten Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung die Profitabilität durch abgestimmte Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen gesichert werden. Auch hierbei werden multinationale Automobilunternehmen, wie in Abb. 6.1-6 in Kapitel 6.1.3 gezeigt, zunächst bei den Geschäftsmodellen oder/und an den Standorten Wertschöpfung aufgeben, wo sich ein Marktaustritt bei hohem Wettbewerbsdruck und schlechter Marktposition lohnt. Die übrigen Wertschöp­ fungsaktivitäten werden sie sichern, konsolidieren oder so lange nutzen (d. h. den Ertrag einfahren), bis der Wettbewerbsdruck oder der Kapitalbedarf in der neuen Technologie sie zum Marktaustritt zwingt. Mit den Erlösen bei Marktaustritt, Nutzung, Konsolidierung und Sicherung der traditionellen Wertschöpfung kann dann die Wertschöpfung im neuen Geschäft so aufgebaut werden, dass schnell Größen- und Verbundvorteile entstehen. In diesem Abschnitt wurde gezeigt, wie eine Abstimmung von Veränderungsfähig­ keiten, aber auch von Agilität sowie der Optimierung von Größen- und Verbund­ vorteilen die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung unterstützen kann. Diese Abstimmungen helfen Entscheidungen in kleinen Schritten schnell zu treffen und engen damit schrittweise den Entscheidungsraum ein, was die Unsicherheit und die Komplexität reduziert. Mit den Worten von Michael Porter (1996a, S. 70) heißt das: „The essence of strategy is choosing what not to do“ – nicht gerade eine Kernkompetenz in der Automobilindustrie. Um die Komplexität einer solchen Neuausrichtung in multinationalen Auto­ mobilunternehmen noch weiter zu senken, wird im nächsten Abschnitt gezeigt, dass die drei Ansatzpunkte für eine umfassende gemeinsame Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung auch untereinander abgestimmt werden und sich wechselseitig verstärken können.

6.2 Abstimmung von Veränderungsfähigkeiten, Agilität und Optimierung

391

Endnoten 1 2 3 4 5

6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

Vgl. z. B. Augier, Teece (2007, S. 184). Vgl. Teece (2014b, S. 25). Vgl. ebd. (S. 248). Vgl. z. B. Teece (2014a, S. 336) und Lessard u. a. (2016). Vgl. auch Teece (2014b), der darauf hinweist, dass im Sinne der Systemtheorie dadurch das Ganze zu mehr als der Summe seiner Teile wird. Auch wenn diese Theorie eine überlegene Unternehmensleistung nicht erklären und damit Handlungsempfehlungen für Manager nicht ableiten kann (vgl. ebenfalls Teece 2018b), bietet sie doch eine Be­ gründung der Vorteile einer Abstimmung von Veränderungsfähigkeiten für Strategie und Steuerung. Vgl. McGrath, MacMillan (2009, S. 31). Vgl. Proff, Fojcik (2015a). Vgl. Proff (2007); Proff, Proff (2013). Vgl. z. B. Ambrosini, Bowman (2009). Vgl. ebd. Vgl. Knobbe u. a. (2019). Vgl. Proff, Knobbe (2019). Vgl. French (1986, S. 261); Kleindorfer (2001); Bamberg u. a. (2008, S. 239) und Hering (2008, S. 342); Dixit, Pindyck (1994, Kap. 10). Vgl. Hoch (2001). Vgl. Dräther u. a. (2013, S. 14). Vgl. ebd. Midler u. a. (2017, S. 93) bezogen auf Radjou u. a. (2012). Midler u. a. (2017, S. 1). Govindarajan, Trimble (2005). Vgl. auch Proff (2018). Vgl. Schwarz (2016).

6.3

Umfassende gemeinsame Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften durch hybride Agilität

6.3 Umfassende gemeinsame Neuausrichtung durch hybride Agilität

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

Veränderungsfähigkeiten ermöglichen es multinationalen Automobilunternehmen, mit Geschäftsmodellen und Steuerung auf Umfeldveränderungen zu reagieren. Da sie gerade bei hoher Unsicherheit durch diskontinuierliche Veränderungen oft verzögert reagieren, ist es für sie wichtig, zunächst durch eine Abfolge kurzer, verbindlicher und abgestimmter Entscheidungsprozesse agil lebensfähige Mi­ nimallösungen zu suchen. Bei Entscheidungen gerade in den kapitalintensiven multinationalen Automobilunternehmen ist es aber auch wichtig, Größen- und Verbundvorteile beim Ab- und Aufbau der Wertschöpfung zu optimieren. In Zeiten des Umbruchs aufgrund der globalen Umfeldtrends reicht es deshalb nicht, Veränderungsfähigkeiten, schnelle verbindliche Entscheidungen sowie die Opti­ mierung von Größen- und Verbundvorteilen jeweils einzeln zur Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung abzustimmen (Kapitel 6.2). Es gilt vielmehr, sie umfassend gemeinsam zu nutzen, um Geschäftsmodelle und die Steuerung der ausländischen Tochtergesellschaften auch gemeinsam neu auszurichten. So begründen z. B. Teece u. a. (2016), dass • ein effizienter Kapitaleinsatz und damit in kapitalintensiven Branchen die Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen beim Ab- und Aufbau von Wertschöpfung einerseits und • eine flexible und schnelle Umsetzung bzw. Anpassung (Agilität) bei Umfeld­ veränderungen andererseits paradox sind1: Beides ist notwendig, widerspricht sich jedoch, da ein Unternehmen durch die Festlegung des Kapitaleinsatzes (Effizienz) Agilität (Flexibilität) verliert, weil Effizienz- und Flexibilitätsorientierung einer unterschiedlichen Manage­ mentlogik folgen2. Dieses Paradoxom lässt sich nach Teece u. a. (2016, S. 28) durch Veränderungsfähigkeiten verringern, weil eine schnelle Wahrnehmung der Um­ feldveränderung („sensing“), ein schnelles Ergreifen strategischer Möglichkeiten („seizing“) und eine schnelle neue Zusammenstellung gewöhnlicher Kompetenzen („reconfiguring“) die Agilität erhöhen (Abb. 6.3-1).

393

Kapitel 6.

394

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

effizienter Kapitaleinsatz (Fähigkeit der Optimierung von  Größen‐ und Verbundvorteilen)

Veränderlichkeit (Veränderungsfähigkeiten)

Agilität  (Fähigkeit schnell verbindlich  zu entscheiden)

Abb. 6.3-1 Zusammenhang von Veränderungsfähigkeit, Agilität und Fähigkeit Größen- und Verbundvorteile zu optimieren Quelle: nach Teece u. a. (2016, S. 29)

Abb. 6.3-1 zeigt, wie Veränderungsfähigkeiten, Agilität und die Fähigkeit, Größenund Verbundvorteile zu optimieren zusammenhängen: Veränderungsfähigkeiten reduzieren – wie hier ist in der Druckversion die Achse dicker Mediationslösungen – den Zielkonflikt zwischen Kapitaleinsatz Abb.   .3‐1, S. 39 und Agilität, auch=> dabei war sie Pt. 1, ist jetzt Pt. 3/4 wenn eine Lösung dieses Konflikts auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist. Für eine rasche Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steu­ erung bei gleichzeitiger Reduzierung der Komplexität ist es deshalb wichtig, alle drei Fähigkeiten in eine weitergehende Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung einzubringen (vgl. Abb. 6.3-1). Veränderungsfähigkeiten, Agilität und die Fähigkeit, Größen- und Verbund­ vorteile zu optimieren können umfassend gemeinsam als hybrid agile Strukturen in multinationalen Automobilunternehmen verankert werden (vgl. Abb. 6–3-2). Solche hybrid agilen Strukturen ermöglichen – trotz der Grenzen, die Abb. 6.3-1 andeutet – gleichzeitig • die für traditionelle Geschäftsmodelle und für eine Berücksichtigung länderüber­ greifender Aspekte bei der Mediation von Steuerungskonflikten notwendige Effizienz und • die für neue, innovative Geschäftsmodelle und für die Berücksichtigung länder­ spezifischer Aspekte bei der Mediation von Steuerungskonflikten notwendige Flexibilität.

6.3 Umfassende gemeinsame Neuausrichtung durch hybride Agilität

395

       

    

       

 

          

Abb. 6.3-2 Hybride Agilität zur Unterstützung der Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften Quelle: eigener Entwurf

Es gibt bereits wissenschaftliche Ansätze, die alle drei Ansatzpunkte einer ge­ meinsamen Neuausrichtung von Strategie und Steuerung verbinden. Sie kommen von Autoren aus dem strategischen Management und versuchen, den Dynamic Capability-Ansatz auf multinationale Unternehmen zu übertragen. Lessard u. a. (2016) argumentieren, multinationale Unternehmen seien zwar staatenlos und müssten sich in einer Zeit großer Unsicherheit schnell verändern, könnten aber nicht ohne länderübergreifende Steuerung durch die Muttergesellschaft auskom­ men. Sie betonen, diese Unternehmen benötigten eine übergeordnete Stelle, die die Ressourcenallokation unterstützt und sicherstellt, dass Initiativen strategisch übereinstimmen. Routinen des „sensing“, „seizing“ und „reconfiguring“ können so lange fast unendlich aufgeteilt werden, wie multinationale Unternehmen starke Veränderungsfähigkeiten behalten, um Wissen zu integrieren, wo und wann es notwendig ist. Lessard u. a. nehmen an, dass Spannungen zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung immer bleiben, sich aber die Balance im Unternehmen im Zeitablauf verändern wird3. Deshalb schlagen sie vor, statt von“ metanationalen Unternehmen“, die weltweit verstreutes Wissen mehrwertschaffend zusammenbrin­

396

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

gen (Doz u. a. 2001), von „meta-multinationalen“ Unternehmen zu sprechen, die Größen- und Verbundvorteile der Zentrale nutzen. Solche „meta-multinationalen“ Unternehmen seien hybrid agil. Hybride Agilität wird allgemein empfohlen. So wird z. B. für die Forschung und Entwicklung ein „hybrides Projektmanagement“ vorgeschlagen4, die Verknüpfung von klassischem Projektmanagement und Agilität. Ein Beispiel ist die schnelle Suche nach lebensfähigen Minimallösungen mit „Scrum“ in der Softwareentwicklung5 (Kapitel 6.2.2). Dieses Vorgehen ist sehr viel schneller als der klassische Entwick­ lungsprozess mit Meilensteinen („stage gates“), bei dem ein Produkt erst kurz vor dem Produktionsstart erstmals fertig entwickelt ist. In der Automobilindustrie sind solch agile Methoden des Projektmanagements z. B. in der Forschung und Entwicklung erst wenig verbreitet. Eine Untersuchung von Automobilherstellern und -zulieferern zeigt, dass die Mehrzahl der Anwen­ dungsfälle in der Softwareentwicklung gefunden wird, nicht in der Hardware-/ Produkt-Entwicklung im engeren Sinne. Die Produktentstehungsprozesse in der Automobilindustrie „lassen noch nicht viel Spielraum für hybride Strukturen in der Entwicklung“6. Gerade in den kapitalintensiven multinationalen Automobilunternehmen ist unter der Nebenbedingung der Verringerung des Kapitaleinsatzes der traditionellen Automobilunternehmen durch den weltweiten Druck der Kapitalgeber (Kapitel 3.4) eine Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung nur dann möglich, wenn es gelingt, hybrid agil, d. h. flexibel, aber doch effizient zu sein. Dann können Entscheidungen schnell getroffen und dadurch die Informationsbasis verbessert sowie Unsicherheit und Komplexität verringert werden. Dies ist möglich, wenn Veränderungsfähigkeiten den Widerspruch auflösen zwischen Agilität als Fähig­ keit, schnell, verbindlich zu entscheiden, und der langfristigen Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen im Rahmen von kurzen schrittweisen Entschei­ dungsprozessen (vgl. Abb. 6.3-3).

6.3 Umfassende gemeinsame Neuausrichtung durch hybride Agilität

397

 

  

  



 





    

  "    



    

   

Abb. 6.3-3 Verringerung der Unsicherheit durch hybride Agilität Quelle: eigener Entwurf in Erweiterung von Abb. 6.1-4 in Kapitel 6.1 und Abb. 6.3-1

Die Auflösung des Widerspruchs zwischen Agilität und Optimierung von Größenund Verbundvorteilen ist durch die Verringerung der Unsicherheit, der Markt- und der technischen Unsicherheit, durch Aufeinanderfolge vieler kleiner Entwick­ lungsschritte zu jeweils lebensfähigen Minimallösungen möglich. Aus der Sicht der Unternehmen bedeutet das, bewusst mit der Unsicherheit umzugehen und damit konsequent die derzeit noch vorherrschende Planungslogik aufzugeben, nach der auf die Planfestlegung die Planimplementierung folgt. Die Fähigkeit zur strategischen Anpassung über Veränderungsfähigkeiten, agile Entscheidungsproz­ esse und die Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen ist Voraussetzung dafür, dass die heutigen Automobilunternehmen auch in Zukunft die dominanten Mobilitätsanbeiter bleiben. Die Ausführungen dieses Buches bieten vielfältige Ansatzpunkte für eine um­ fassende gemeinsame komplexitätssenkende Neuausrichtung von Geschäftsmo­

398

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

dellen und Steuerung multinationaler Automobilunternehmen. Das abschließende Kapitel dieses Buches bietet nun einen Ausblick auf mögliche Wege in die Zukunft multinationaler Automobilunternehmen, d. h. auf die „road ahead“.

Endnoten 1 2

3 4 5 6

Vgl. auch das Paradoxom der Ambidextrie in Kapitel 4.3. Vgl. Mette (1999, S. 47). Dieser Konflikt zwischen Effizienz- und Flexibilitätsorientierung lässt sich anhand von Opportunitätskosten begründen. Flexibilität verursacht Kosten z. B. durch quantitative und qualitative Kapazitätsreserven oder durch die Planung und Überwachung von Anpassungsprozessen. Solche Ereignispuffer verhindern eine Produktion entsprechend der Minimalkostenkombination, bei der kein Ereignispuffer existiert. Daraus ergibt sich zwangsläufig ein Effizienzverlust (vgl. Proff (2002a, S. 82 und Kapitel 4.3). Vgl. Lessard u. a. (2016, S. 217). Vgl. z. B. Habermann (2013) oder Brandl u. a. (2018). Vgl. Dräther u. a. (2013). Vgl. Nuhn u. a. (2016, S. 29).

6.4

Multinationale Automobilunternehmen – The road ahead

6.4 Multinationale Automobilunternehmen – The road ahead

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

In diesem Buch wird begründet, dass sich für multinationale Automobilunterneh­ men die seit Beginn des Jahrtausends zunehmende Komplexität (Kapitel 2) vor allem durch die diskontinuierlichen Veränderungen durch globale Umfeldtrends (Ausdifferenzierung der Mobilitätsnachfrage und vor allem der Fahrzeugantriebe, Digitalisierung und Druck der Kapitalgeber auf eine Verringerung des Kapitalein­ satzes, Kapitel 3) verstärkt. Deshalb müssen sie Geschäftsmodelle und die Steuerung der ausländischen Tochtergesellschaften neu ausrichten. Dazu gilt es traditionelle Geschäftsmodelle durch neue Geschäftsmodelle mit einem konsequenten beid­ händigen Management abzulösen (Kapitel 4). Gleichzeitig sind Zielkonflikte über die Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften, d. h. zwischen dem Bemühen der Muttergesellschaft um eine stärker länderübergreifende Steuerung und dem Streben der Tochtergesellschaften nach stärker länderspezifischer Steuerung auf­ zulösen und für verbleibende unüberwindbare Differenzen Mediationslösungen zu suchen (Kapitel 5). Dabei ist die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung abzustimmen, weil Öl als Energiebasis zu Ende geht, die Digitalisierung neue Möglichkeiten eröffnet und gleichzeitig wachsende Ländermärkte erschlossen werden müssen1. Außerdem zeigen Erlösprognosen der Automobilindustrie, dass bis 2030 der Umsatz im traditionellen Geschäft (Verkauf von Pkw und After­ markt-Geschäft) – vor allem in neuen Wachstumsmärkten – absolut etwa gleich stark zunehmen wird, wie der Umsatz im neuen, innovativen Geschäft, vor allem durch elektrisch und autonom fahrende Fahrzeuge, neue Mobilitätslösungen und Software (vgl. Abb. 6.4-1). Damit werden bis dahin sowohl traditionelle, als auch neue Geschäftsmodelle bedeutsam bleiben. Angesichts des Beschleunigungsef­ fektes bei der Ablösung traditioneller durch innovative Geschäftsmodelle (Abb. 4.4-1 in Kapitel 4.4) erscheint die Erlösentwicklung in Abb. 6.4-1 allerdings eine obere Abschätzung.

399

400

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

+ ,2

6,7

(in Mrd. US‐Dollar)

+  , 7 ,5

,5 neues  innovatives  Geschäft Aftermarkt

,2

0,0 +  ,7

0,72 ,0

Pkw‐Verkauf

2,75

20 5

20 0

Veränderungen  zwischen 20 5 und 20 0

Abb. 6.4-1 Entwicklung der Erlöse im Automobilgeschäft bis 2030 Quelle: eigener Entwurf nach McKinsey&Company (2016)

Abb.   .3‐1, S. 39  hier ist in der Druckversion die Achse dicker => dabei war sie Pt. 1, ist jetzt Pt. 3/4

In den Kapiteln 4.4 und 5.4, zusammengefasst in Kapitel 6, wurden für die gemein­ same Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung vor allem angesichts der diskontinuierlichen Veränderungen verschiedene Empfehlungen gegeben, die multinationale Automobilunternehmen bislang allerdings noch nicht konsequent aufnehmen. Es reicht nicht, • für die Ablösung von Geschäftsmodellen nur Ressourcenallokation und Wett­ bewerbsvorteile neu zu überdenken. Stattdessen sind auch Wertarchitektur und Nutzenversprechen und damit alle Komponenten traditioneller Geschäfts­ modelle zu verändern, um durch ein konsequentes dynamisches beidhändiges Management letztlich traditionelle Leistungen und Geschäftsmodelle durch neue, innovative Leistungen und Geschäftsmodelle abzulösen (Kapitel 4.4), um die Kundenlösungen zu verbessern. • nur Interessenskonflikte in der Hierarchie, im Wettbewerb der Tochtergesell­ schaften und in Verhandlungen zwischen Muttergesellschaft und ausländischen Tochtergesellschaften aufzulösen. Stattdessen sind auch unüberwindbare Dif­ ferenzen durch Mediationslösungen einzuengen (Kapitel 5.4), um in Zukunft das internationale Wertschöpfungsnetzwerk besser auszurichten.

6.4 Multinationale Automobilunternehmen – The road ahead

401

Deshalb wurde in den Kapiteln 4.4 und 5.4 weitergehend empfohlen, dass multina­ tionale Automobilunternehmen für eine umfassende gemeinsame Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften eine hybride Agilität brauchen. Dazu gilt es drei Fähigkeiten zu verbinden: die Fähigkei­ ten, zu verändern, schnell verbindlich zu entscheiden (Agilität) sowie Größen- und Verbundvorteilen zu optimieren (Kapitel 6.1 bis 6.3). Mit einer solchen hybriden Agilität können multinationale Automobilunter­ nehmen angesichts der globalen Umfeldtrends den Übergangsprozess managen (Prozessbetrachtung, vgl. Abb. 6.4-2). Hybride Agilität kann jedoch keine Hilfe bei inhaltlicher Betrachtung bieten, d. h. bei der Entscheidung, 1. durch welches der neuen, innovativen Geschäftsmodelle (z. B. hoch innovative produkt-basierte Geschäftsmodelle oder netzwerk-basierte Geschäftsmodelle, vgl. Kapitel 4.2, vor allem Abb. 4.2-2) die bei deutschen Automobilunternehmen in der Regel traditionellen effizienzorientierten (volumen- oder wert-basierten) Geschäftsmodelle (vgl. Kapitel 4.1, vor allem Abb. 4.1-1) mittel- bis langfristig abgelöst werden sollten und 2. wie konkret die Interessenskonflikte (länderspezifisch oder länderübergreifend) zu lösen sind (Kapitel 5.1 und 5.2) und mit welchen konkreten Mediationslö­ sungen die unüberwindbaren Konflikte angegangen werden sollten. Das liegt daran, dass multinationale Automobilunternehmen, z. B. Automobilher­ steller und Automobilzulieferer verschiedener Branchen und Ebenen, die teilweise auch nur einen geringen Teil ihres Umsatzes in der Automobilindustrie erzielen und neue branchenfremde Wettbewerber hinsichtlich der Geschäftsmodelle und Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften sehr unterschiedlich sind. Außer­ dem gibt es unter den künftigen Geschäftsmodellen kein überlegenes bzw. „Welt­ meister“-Geschäftsmodell. Selbst wenn die Steuerung auf ein Ziel hinwirkt, auf eine Balance aus (länder­ übergreifender) Integration regionaler Märkte und (länderspezifischer) Entwicklung eigener Kompetenzen der ausländischen Tochtergesellschaften (Kapitel 5.1), gibt es damit auch keinen Königsweg einer konsequenten gemeinsamen Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung für multinationale Automobilunternehmen. Angesichts des weiteren Anstiegs der Komplexität durch Ausdifferenzierung von Märkten, Wettbewerbern und Nachfrage sowie durch die hohe Markt- und tech­ nische Unsicherheit bei diskontinuierlichen Veränderungen der Fahrzeugantriebe und aufgrund der Digitalisierung ist eine „mittlere Komplexität“2 (Kapitel 1.2) nötig. Deshalb kann es nicht viele Entscheidungsmöglichkeiten bzw. Wege der Anpassung geben (vgl. Abb. 6.4-2). Hier besteht ein Unterschied zu kontinuierlichen

402

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

Veränderungen, bei denen sich in Abhängigkeit von der Ressourcenheterogenität3, aber auch von der Wahrnehmung der Umfelddynamik und der Risikoneigung der Entscheider4 viele unterschiedliche Entscheidungswege auftun. Dies kommt den Automobilunternehmen entgegen, da bei langfristigen diskon­ tinuierlichen Veränderungen alle Unternehmen einen ähnlich geringen Informa­ tionsstand haben und sich an ihren direkten Konkurrenten im Wettlauf um eine Neuausrichtung orientieren. Die Leitlinien für die wenigen Wege nach vorne (auf der „road ahead“) sind die Ablösung von Geschäftsmodellen sowie die Auflösung von Interessenskonflikten der Steuerung und die Suche nach Mediationslösungen bei unüberwindbaren Differenzen zwischen Muttergesellschaft und Tochterge­ sellschaften (Abb. 6.4-2).

globale Umfeldtrends Umsetzung der  Neuausrichtung von Strategie und Steuerung

neue, innovative Geschäftsmodelle

eitlinie  : Abl sung von  Geschäfts‐ modellen

traditionelle Geschäftsmodelle

a) Inhalte: Auswahl der Wege in die  Zukunft

eitlinie 2: Aufl sung von  Zielkonflikten  und  Mediation der  Steuerung Integration regionaler Märkte Integration regionaler Märkte

Abb.   .4‐2,  S. 4 4  hier ist in der Druckversion die Achse dic

Entwicklung  eigener Kompetenzen

Entwicklung  eigener Kompetenzen

b)  rozess: Unterstützung durch hybride Agilität

• • •

Zeit „road ahead“

Veränderungsfähigkeiten Agilität Fähigkeit, Größen‐ und Verbundvorteile zu optimieren

Abb. 6.4-2 Wenige Wege multinationaler Automobilunternehmen auf dem Weg nach vorne Quelle: eigener Entwurf

 dabei wa ist sie Pt.

6.4 Multinationale Automobilunternehmen – The road ahead

403

Unternehmen mit ähnlichen Strategien der Neuausrichtung auf dem Weg nach vorne („road ahead“) können als „dynamische Gruppen“ mit ähnlichem Anpassungsver­ halten in einer Zeit des Umbruchs verstanden werden. Dynamische Gruppen sind nicht zu verwechseln mit (statischen) strategischen Gruppen von Unternehmen mit ähnlichen statischen Wettbewerbsvorteilen wie z. B. niedrige Kosten oder/und Differenzierung5 und auch nicht mit der Evolution dieser Gruppen im Zeitablauf (dynamische strategische Gruppen6), da diskontinuierliche Veränderungen gerade solche Gruppen auflösen. Sowohl im Übergang zu neuen Geschäftsmodellen als auch auf dem Weg zu einer Mediation bei unüberwindbaren Differenzen über die Steuerung auslän­ discher Tochtergesellschaften wurden zwei dynamische Gruppen von Unter­ nehmen unterschieden (Kapitel 4, Kapitel 4.2, 4.3 und 5.3): frühe Innovatoren („outrider“) und späte Innovatoren („latecomer“)7. Sie aktivieren unterschiedlich schnell Veränderungsfähigkeiten, treffen unterschiedlich schnell und verbindlich Entscheidungen und verlagern unterschiedlich schnell Wertschöpfung ins neue Geschäft, um Größen- und Verbundvorteile zu optimieren. Damit durchlaufen sie auch unterschiedlich schnell die Phasen des Übergangs zu neuen, innovativen Geschäftsmodellen bzw. zu Mediationslösungen der Steuerung (Initiierung, Ex­ ploration, Übergang, Exploitation und Skalierung). Frühe Innovatoren mit einem hohen und frühen Investitionsbedarf hoffen auf kurzfristige Monopol-, Erfah­ rungs- und Imagevorteile, sind aber auch erheblichen Risiken und einem hohen und frühen Investitionsbedarf ausgesetzt8. Späte Innovatoren verfolgen dagegen zunächst noch ihre bisherigen Geschäftsmodelle, während sie die innovativen Leistungen und neuen Geschäftsmodelle langsam übernehmen, wenn der Markt eine gewisse Reife erlangt hat9. Da in der Automobilindustrie „die Zeit der allei­ nigen Marktbeherrschung durch einen Produktinnovator bis zum Markteintritt des ersten Konkurrenten [die Dauer des Zeitmonopols …] von durchschnittlich 32,75 Jahren zur Jahrhundertwende (1900) auf 0,47 Jahre im Jahr 2004“10 gesunken ist, entscheiden sich immer mehr Unternehmen für späte Innovationen. Szenariobasierte Befragungen bei 52 deutschen Automobilunternehmen 2012 und 2013 zu voraussichtlichen Entscheidungen über die Entwicklung der Ge­ schäftsmodelle in den Zeiträumen 2012 bis 2014, 2015 bis 2017 und 2018 bis 2020 im Übergang zur Elektromobilität zeigten beide Innovationspfade der frühen wie der späten Innovatoren (Kapitel 4.3). Daneben gab es eine Gruppe von Unternehmen, die von der neuen Basistechnologie nicht betroffen waren. Weil Veränderungsfähigkeit den Übergang zu neuen Geschäftsmodellen und die Suche nach Mediationslösungen unterstützen (Kapitel 6.2-1, vor allem Abb. 6.2-1), konnte durch die Befragung von 96 deutschen Automobilzulieferern 2017 speziell zu Veränderungsfähigkeiten in Zeiten der Digitalisierung11 (ebenfalls Kap. 6.2.1)

404

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

die Unterscheidung zwischen frühen und späten Innovatoren für den Übergang zu neuen (digitalen) Geschäftsmodellen ausdifferenziert werden. Danach gibt es nicht nur die Wege der frühen Innovatoren (Vorreiter) und der späten Innovatoren (Nachzügler), sondern vier Pfade der Aktivierung von Veränderungsfähigkeiten. Sie unterscheiden sich dadurch, ob die Fähigkeiten, Umfeldveränderungen wahr­ zunehmen („sensing“), strategische Möglichkeiten zu ergreifen („seizing“) und gewöhnliche Fähigkeiten bzw. Kompetenzen neu zusammenzustellen („reconfigu­ ring“) nach den bisherigen Regeln erfolgen (kontinuierliches „sensing“, „seizing“ und „reconfiguring“) oder völlig anders als bisher (diskontinuierliches „sensing“, „seizing“ und „reconfiguring“): 1. der Pfad strategischer und operativer Vorreiter, die die Marktdynamik als instabil wahrnehmen (diskontinuierliches „sensing“) und damit die Herausforderung der Umfeldveränderung (in der Untersuchung der Digitalisierung) zulassen. Sie gehen frühzeitig Risiken ein und reagieren frühzeitig auf diskontinuierliche Umfeldveränderungen, d. h. sie entwickeln strategische Möglichkeit und ergreifen Chancen (diskontinuierliches „seizing“). Sie können die gewöhnlichen Fähig­ keiten bzw. Kompetenzen deutlich entlang der gesamten Wertschöpfungskette verändern (diskontinuierliches „reconfiguring“), angestoßen durch Wissen, Erfahrung und Geschick der Eigentümer oder weniger Top-Manager12. 2. der Pfad strategischer Vorreiter, aber operativer Nachzügler, die auch die Markt­ dynamik als instabil wahrnehmen (diskontinuierliches „sensing“) und damit die Herausforderung durch Digitalisierung zulassen, Risiken eingehen sowie auf diskontinuierliche Umfeldveränderungen reagieren und ganz neue strategische Möglichkeiten entwickeln (diskontinuierliches „seizing“). Sie sehen zwar die Chancen, warten aber mit Veränderungen der gewöhnlichen Fähigkeiten bzw. Kompetenzen, bis die Unsicherheit etwas abgenommen hat, versuchen jedoch einzelne Prozesse, Leistungen und Geschäftsmodelle zu verbessern (kontinu­ ierliches „reconfiguring“). 3. der Pfad der strategischen und operativen Nachzügler, die zwar diskontinuierli­ che Veränderungen wahrnehmen (diskontinuierliches „sensing“), aber solange warten wollen, bis sie die Marktentwicklung besser verstehen. Sie treffen zunächst noch keine grundlegend neuen strategischen Entscheidungen (kontinuierliches „seizing“) und verbessern nur allmählich ihre gewöhnlichen Fähigkeiten bzw. Kompetenzen. Einzelne Leistungen und Prozesse können jedoch verändert, Geschäftsmodelle angepasst werden (kontinuierliches „reconfiguring“). 4. der Pfad der immobilen Unternehmen, die auf die Umfeldveränderungen nicht reagieren, weil sie sie nicht als instabil wahrnehmen und damit als nicht relevant ansehen (kontinuierliches „sensing“). Sie verändern weder Strategie und Ge­

6.4 Multinationale Automobilunternehmen – The road ahead

405

schäftsmodelle, noch die Basis der gewöhnlichen Fähigkeiten bzw. Kompetenzen (kontinuierliches „seizing“ und „reconfiguring“). Diese vier Pfade der Neuausrichtung von Geschäftsmodellen wurden in vielen Gesprächen in der Automobilindustrie in den letzten Jahren bestätigt. Bei der Neuausrichtung der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften wurden in den Gesprächen in der Automobilindustrie daneben vor allem zwei Wege gesehen: 1. die Nutzung des globalen Netzwerks durch Auflösung von Zielkonflikten durch Hierarchie, Verhandlung und Wettbewerb, 2. zusätzlich die Stärkung des globalen Netzwerks durch Mediation bei unüber­ windbaren Konflikten. Die Kombination der Pfade der Neuausrichtung im Übergang zu neuen Geschäfts­ modellen und der Wege zu einer Neuausrichtung der Steuerung spannt eine Matrix auf. Bei multinationalen Automobilunternehmen zeigen sich in den Gesprächen in der Automobilindustrie – in Mutter- und Tochtergesellschaften – Beispiele für vier Wege einer gemeinsamen Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung, die durch hybride Agilität gestützt werden müssen (Abb. 6.4-3): 1. technologische Vorreiter, 2. technologische Nachzügler in Lauerstellung, 3. technologische Nachzügler mit internationaler Transformation und 4. internationale Transformierer (vgl. Abb. 6.4-3).

406

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

       "!&" !&%  "" "$ ! " "" !!% !! "!$ #$!

 $     $ 



(

!

!! #"!$ !$!

!" !&%  &" !&"! "#%!





 )

 !! "!$ !$!

*

"

    " !!



+



(

!  !

*

! &#!!!  !"

)

! &#" !"

+

!!  

Abb. 6.4-3 Wege einer umfassenden gemeinsamen Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung in multinationalen Automobilunternehmen (dynamische Gruppen) Quelle: eigene Zusammenstellung mit Hilfe von Unternehmensinformationen, Presse, Analystenreports sowie Gesprächen in der Automobilindustrie (Stand Ende 2018)

Tab. 6.4-1 nennt für jeden der vier Wege bzw. für jede dynamische Gruppe ein Bei­ spiel, wie es sich Ende 2018 zeigte. Diese Beispiele können angesichts der vielfältigen Aktivitäten dieser Unternehmen, z. B. neuer Investitionen und Kooperationen nur eine Momentaufnahme sein. Die Beispielunternehmen folgen zudem nicht genau dem idealtypischen Weg, der Unterschied zwischen den vier Wegen wird aber deutlich.

6.4 Multinationale Automobilunternehmen – The road ahead Tab. 6.4-1

407

Beispiele für die Wege einer umfassenden gemeinsamen Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung

Wege in die Neuausrichtung (1) techno­ logischer Vorreiter

Beispielunternehmen Aptiv

(2) techno­ logischer Nach­ zügler in Lauer­ stellung

Daimler

(3) techno­ logischer Nachzüg­ ler mit interna­ tionaler Transfor­ mation

Volks­ wagen

(4) interna­ tionale Transfor­ mierer

Adient

Neuausrichtung der Geschäftsmodelle

Neuausrichtung der Steuerung

entstanden durch Börsengang des tra­ ditionellen globalen Powertraingeschäfts von Delphi Automo­ tive, Vorreiter bei in­ novativen Geschäfts­ modellen im Bereich Vernetzung und autonomes Fahren

nachgeordnete Rolle des globalen Produk­ tions- und Vertriebs­ netzes, Reallokation der Ressourcen z.B. in das autonome Fahren

hybride Agilität

agile Arbeitsweise (Softwareentwicklung, z.B. für das autonome Fahren), Aktivierung oder zumindest Abrufbarkeit von Veränderungsfähig­ keiten, Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen eher im Übergang zu neuen Geschäftsmodellen erst spät Aufbau Nutzung des globalen Transformation der Marke EQ für Produktions- und zu einem agilen Elektrofahrzeuge und Vertriebsnetzes u. a. Unternehmen bei Entwicklung neuer in China, um eine intensiver Nutzung Mobilitätslösungen finanzielle Basis für von Größen- und Ver­ parallel zum Angebot den Übergang zu bundvorteilen, eher von Premiummobili­ neuen, innovativen zyklische Aktivierung tät im traditionellen Geschäftsmodellen zu von Veränderungs­ Geschäft, geplanter schaffen, keine konse­ fähigkeiten Börsengang der Nutz­ quente Mediation von fahrzeug-Sparte Zielkonflikten erst allmählich Entwicklung neuer Elektro-Modulbau­ kästen zur Ablösung der traditionellen Modulbaukästen für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, geplanter Börsen­ gang der Nutzfahr­ zeug-Sparte

Stärkung des globalen Wertschöp­ fungsnetzwerks, um die traditionellen Fahrzeuge mit Ver­ brennungsmotoren dort zu produzieren und um Profite für den Übergang zu neuen innovativen Geschäftsmodellen zu sichern. Herstellung von Nutzung und Weiter­ Sitzen durch Zer­ entwicklung des schlagung von JCI , internationalen WertVerbesserung des tra­ schöpfungsnetzwerks ditionellen Geschäfts, das sich kontinuier­ lich verändert

Optimierung von Grö­ ßen- und Verbundvor­ teilen mit traditionel­ len Geschäftsmodellen an internationalen Standorten, zu geringe Agilität sowie zykli­ sche Aktivierung von Veränderungsfähig­ keiten bemüht um Agilität durch kontinuierliche Veränderungsfähig­ keiten und Optimie­ rung von Größen- und Verbundvorteilen in den traditionellen Geschäftsmodellen an den traditionellen Standorten

Quelle: eigene Zusammenstellung mit Hilfe von Pressemitteilungen, Geschäftsberichten und Analystenreports (Stand Ende 2018)

408

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

Zu (1): Technologische Vorreiter Wie in Kapitel 4.4 gezeigt, konzentrieren sich einige der traditionellen multinati­ onalen Automobilunternehmen auf die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und beschränken sich bei der Veränderung der Steuerung auf die Auflösung von Konflikten durch Hierarchie, Wettbewerb und Verhandlungen. Solche technolo­ gischen Vorreiter gehen bei der Ablösung von Geschäftsmodellen bereits früh in die Explorations- und auch in die Übergangsphase, haben mit der Mediation von Konflikten der Steuerung aber noch nicht begonnen. Auch wenn diese Unternehmen noch nicht am Ende ihrer strategischen Neu­ ausrichtung angekommen sind, haben sie doch schon früh in neue Technologien investiert und entwickeln für ihre Kommerzialisierung schnell innovative Geschäfts­ modelle (strategisch und operativ frühe Innovatoren mit früher Ressourcenalloka­ tion). Dabei streben sie einen Wettbewerbsvorteil der Produktinnovationsfähigkeit an, der mit einer weitgehend integrierten Wertarchitektur einhergeht und bieten ganzheitliche Kundenlösungen mit einem service-dominierten Nutzenversprechen. Für eine radikal neue Leistung ändern sie auch das Gewinnmodell. Sie richten damit sowohl die leistungsbezogenen Komponenten als auch die Finanzkomponenten gegenüber den traditionellen Geschäftsmodellen strategisch neu aus, die in der Regel durch Wettbewerbsvorteile niedrige Kosten oder/und der Differenzierung, eine zerlegte Wertarchitektur des Orchestrators oder (Teil)Spezialisten und ein weitgehend produkt-dominiertes Nutzenversprechen gekennzeichnet sind und knappe Ressourcen anders aufteilen und Gewinne anders erwirtschaften. Weil es sich bei neuen Fahrzeugantrieben sowie autonomem Fahren und neuen Mobilitätskonzepten aufgrund der Digitalisierung, aber auch bei der Ausdifferen­ zierung der Mobilitätsnachfrage um globale Mobilitätstrends handelt, versuchen technologische Vorreiter, neue Geschäfte direkt weltweit zu entwickeln und dabei ihre weltweit verteilten Kompetenzen zu nutzen. Angesichts begrenzter Kapital- und Managementressourcen und des sinkenden Kapitaleinsatzes durch den Druck der Kapitalgeber können sie dann aber bei der Steuerung des traditionellen (Haupt) Geschäfts nur Freiräume durch die kurzfristig wirksamen Konfliktlösungsmecha­ nismen Hierarchie, Wettbewerb und Verhandlung nutzen. Eine verstärkte und langfristig angelegte Mediation der Konflikte der Steuerung des traditionellen wie des neuen Geschäfts, die zu einer Veränderung des Wertschöpfungsnetzwerkes führen dürfte, kann erst mit nachgeordneter Priorität verfolgt werden. Technologische Vorreiter erkennen die Umfeldveränderungen als diskontinu­ ierlich und aktivieren Veränderungsfähigkeiten des diskontinuierlichen Ergreifens strategischer Möglichkeiten und der neuen Zusammenstellung von gewöhnlichen Kompetenzen (diskontinuierliches „sensing“, „seizing“ und „reconfiguring“). Sie entscheiden schnell und verbindlich (mit hoher Agilität), allerdings nur über die

6.4 Multinationale Automobilunternehmen – The road ahead

409

Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen im Übergang zu neuen Geschäfts­ modellen, die Steuerung ist nachgelagert. Ein Beispiel für ein Unternehmen, das in diese Richtung geht, ist 2018 der Zulieferer Aptiv (Tab. 6.4-1). Aptiv ist nach Abspaltung der Sparte Powertrain und einem Börsengang als eigenständiges Unternehmen aus der früheren Delphi Automotive hervorgegangen. Das Unternehmen hat sich sehr schnell von seinem alten Geschäftsmodell (differenzierter Automobilzulieferer einer Vielzahl ebenso wichtiger wie traditioneller Komponenten für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor) entfernt und nutzt das durch die Abspaltung erzielte Kapital zur Finanzierung von Zukunftstechnologien. Das globale Produktions- und Vertriebsnetz spielt dabei im Vergleich zur Entwicklung neuer Technologien eine nachgeordnete Rolle. Das Unternehmen setzt auf eine agile Arbeitsweise, da die Softwareentwicklung z. B. für Komponenten des autonomen Fahrens entscheidend ist. Ebenso bemüht sich Aptiv um Veränderungsfähigkeiten, da das autonome Fahren noch sehr große Un­ sicherheiten aufweist, die eine ständige Aktivierung bzw. zumindest Abrufbarkeit von Veränderungsfähigkeiten erfordern. Größen- und Verbundvorteile werden bislang nur bei der Ablösung von Geschäftsmodellen beachtet (Finanzierung des neuen durch Abspaltung des traditionellen Geschäfts) und sind angesichts des hohen Softwareanteils eher gering.

Zu (2): Technologische Nachzügler in Lauerstellung Einige traditionelle Automobilunternehmen belauern als technologische Nachzügler die technologischen Vorreiter und warten auf ihre Chance im Rahmen der Wert­ generierung durch neue Technologien. Für sie wird das Bild einer Segelregatta13 gebraucht, bei dem die technologischen Nachzügler nicht nur als frühe Folger in die Technologie einsteigen, wenn der Weg schon etwas bereitet und die (Markt- und technologische) Unsicherheit schon etwas verringert ist, sondern versuchen, aus dem „Windschatten heraus“ die technologischen Vorreiter zu überholen. Solche technologischen Nachzügler in Lauerstellung befinden sich lange in der Explorati­ onsphase neuer Entwicklungen und verzögern den Eintritt in die Übergangsphase. Technologische Nachzügler in Lauerstellung entwickeln zunächst keine innova­ tiven Geschäftsmodelle, d. h. sie richten Wettbewerbsvorteile, Wertarchitektur und Nutzenversprechen nicht strategisch ganz neu aus (strategisch frühe, aber operative späte Innovatoren). Sie übernehmen ihre traditionellen Wettbewerbsvorteile – in der Regel niedrige Kosten oder/und Differenzierungsvorteile, ihre meist nicht mehr ganz integrierte Wertarchitektur (als Orchestrator oder Teilspezialist) und ihr noch weitgehend produkt-dominiertes Nutzenversprechen. Diese leistungsbezogenen Komponenten gestalten sie jedoch inhaltlich ganz anders aus und verändern damit auch Ressourcenallokation und das Gewinnmodell.

410

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

Technologische Nachzügler in Lauerstellung beginnen noch nicht konsequent eine langfristige Neuausrichtung der Steuerung durch Mediation von Zielkon­ flikten (wie z. B. über gemeinsame kulturelle Werte oder die Bereitschaft, Wissen innerhalb eines multinationalen Unternehmens sehr stark zu transferieren). Sie verfolgen eher einfache Lösungen, d. h. die Auflösung von Interessenkonflikten durch Hierarchie, Wettbewerb und Verhandlungen. Dabei gibt es Unternehmen, die ihr internationales Wertschöpfungsnetzwerk abbauen und andere, die es sichern. Für eine verstärkte und langfristig angelegte Mediation der Konflikte der Steuerung des dominierenden traditionellen Geschäfts fehlen die Mittel. Eine solche Mediation würde viele Kapital- und Managementressourcen, z. B. für Training und Workshops, erfordern, um gemeinsame Kernwerte zu entwickeln oder ein globales Netzwerk an FuE-Zentren aufzubauen, die aber in der neuen Technologie fehlen. Sie müssen vorgehalten werden, um bei einer günstigen Gelegenheit aus der Lauerstellung vorzuspringen und durch starke Investitionen in eigene Aktivitäten oder Aufkauf von Start-ups und High Tech-Unternehmen die frühen Innovatoren zu überholen. Technologische Nachzügler in Lauerstellung erkennen als strategisch frühe aber operativ späte Innovatoren die Umfeldveränderungen als diskontinuierlich (diskontinuierliches „sensing“), aktivieren aber keine diskontinuierlichen Verän­ derungsfähigkeiten, so dass zunächst ein kontinuierliches Ergreifen strategischer Möglichkeiten und eine kontinuierliche neue Zusammenstellung von gewöhnlichen Kompetenzen (kontinuierliches „seizing“ und „reconfiguring“) ausreicht. Sie ent­ scheiden weniger schnell und verbindlich als die technologischen Vorreiter (gerin­ gere Agilität) und bemühen sich verzögert um eine Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen und dann auch nur im Übergang zu neuen Geschäftsmodellen, nicht in der Steuerung. Ein Beispiel für einen technologischen Nachzügler in Lauerstellung ist 2018 die Daimler AG. Daimler hat lange die neuen Antriebstechnologien nur halbherzig vorangetrieben. Das Unternehmen hat sich zwar an Tesla beteiligt, diese Beteiligung aber wieder aufgegeben und investiert seit Mitte der 1990er Jahre in Fahrversuche mit der Brennstoffzelle, ohne bisher ein serienreifes Fahrzeug entwickelt zu haben. Daimler beginnt erst damit, eine Elektromobilitätsmarke (EQ) aufzubauen und arbeitet an Mobilitätslösungen (Konzernstrategie CASE = „connected, autono­ mous, shared and electric“). So soll parallel zur Weiterentwicklung der traditi­ onellen Produkte (Premiumfahrzuge mit Verbrennungsmotor) der Übergang in die Elektromobilität und die Digitalisierung vorangetrieben werden. Um Kapital zu bekommen, soll die Nutzfahrzeug-Sparte an die Börse gebracht werden. Durch das globale Produktions- und Vertriebsnetz wird der Übergang finanziert, eine konsequente Mediation der Zielkonflikte der Steuerung erfolgt bislang aber kaum. Daimler verfolgt eine Transformation zu einem agileren Unternehmen, um mit

6.4 Multinationale Automobilunternehmen – The road ahead

411

den Herausforderungen besser umgehen zu können und versucht, Größen- und Verbundvorteile im Übergang in die Elektromobilität (und nicht nur in der Verbren­ nungstechnologie) zu optimieren – u. a. durch den Verkauf der Nutzfahrzeug-Sparte und die internationale Tätigkeit. Veränderungsfähigkeiten scheinen dagegen noch eher zyklisch, statt kontinuierlich aktiviert zu werden.

Zu (3): Technologische Nachzügler mit internationaler Transformation Auch andere Automobilunternehmen erkennen die Bedeutung diskontinuierlicher Veränderungen durch globale Umfeldtrends, beobachten aber sowohl die techno­ logischen Vorreiter, als auch die technologischen Nachzügler in Lauerstellung. Sie lauern nicht auf einen Angriff und wollen sie auch nicht überholen, weil sie noch keine neuen Geschäftsmodelle entwickeln. Stattdessen setzen sie im langfristigen Prozess des Übergangs zu neuen Technologien und Geschäftsmodellen erst einmal auf die Verlagerung der traditionellen Technologie in sich entwickelnde Länder mit niedrigen Kosten und damit auf traditionelle Geschäftsmodelle (bis zu ihrer Ablösung durch die neuen Technologien in ferner Zukunft). Sie verfolgen in der Regel die Wettbewerbsvorteile niedrige Kosten oder/und Differenzierung und haben keine vollständig integrierte Wertarchitektur mehr. Diese technologischen Nachzügler mit internationaler Transformation verbessern die traditionellen Ge­ schäftsmodelle durch ein stärker service-dominiertes Nutzenversprechen sowie durch Produktvariationen als Reaktion auf die Ausdifferenzierung der Märkte und der Mobilitätsnachfrage nach Einkommen, Wertesystem, Alter und Wohnumfeld. Damit verändern diese Unternehmen ihre Geschäftsmodelle zunächst nur wenig und investieren verhalten in neue Technologien. Dafür richten diese Automobilunternehmen jedoch ihre Steuerung ganz neu aus und rüsten sich als „Global Player“. Technologische Nachzügler mit interna­ tionaler Transformation nutzen nicht nur kurzfristig Freiräume im Management von Zielkonflikten in der Hierarchie, durch Wettbewerb und Verhandlungen, sondern leiten ihre Ressourcen konsequent um, um Mediationslösungen für Kon­ flikte mit den Tochtergesellschaften weltweit anzustoßen und das internationale Wertschöpfungsnetzwerk zu optimieren. Sie investieren in Workshops und Trai­ ning, um Kernwerte, persönliche, informelle Netzwerke, regionale Hauptquartiere und ein globales Netzwerk an FuE-Zentren zu entwickeln. Damit bereiten sie die Verlagerung traditioneller produktbezogener Leistungen, d. h. der Fahrzeuge mit Verbrennungstechnologie und Selbststeuerung in Niedriglohnländer vor und versuchen, die Kompetenzen ihrer unterschiedlichen Auslandstöchter bestmöglich zu nutzen. Mit dem Gewinn aus der internationalen Transformation wollen diese Automobilunternehmen auch in die neuen Technologien einsteigen und neue

412

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

Geschäftsmodelle entwickeln, allerdings als strategisch und operativ späte Folger, die warten, bis die Unsicherheit abgenommen hat. Diese Unternehmen erkennen die Umfeldveränderungen als diskontinuierlich (diskontinuierliches „sensing“). Sie aktivieren aber Veränderungsfähigkeiten des kontinuierlichen Ergreifens strategischer Möglichkeiten und der neuen Zusam­ menstellung von gewöhnlichen Kompetenzen (kontinuierliches „seinzing“ und „reconfiguring“), entscheiden sehr traditionell mit noch eher geringerer Agilität und optimieren Größen- und Verbundvorteile, allerdings zunächst im Zuge der Neuausrichtung der Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften und der Ver­ besserung des internationalen Wertschöpfungsnetzwerkes. Volkswagen ist ein Beispiel für einen technologischen Nachzügler mit interna­ tionaler Transformation (vgl. Tab. 6.4-1). Das Unternehmen versuchte sehr lang, traditionelle Verbrennungstechnologie zu optimieren und richtet sich erst allmäh­ lich (inzwischen durch die Dieselkrise deutlich beschleunigt) auf Elektromobilität (Marke I.D.), Digitalisierung und das autonome Fahren, u. a. durch Kooperation mit Ford14. Um den Übergang zu neuen, innovativen Geschäftsmodellen zu finan­ zieren, ist ein Börsengang der Nutzfahrzeug-Sparte geplant. Volkswagen setzt auf die Optimierung des globalen Wertschöpfungsnetzwerks mit über 120 globalen Produktionsstandorten und denkt über eine Übernahme von weiteren Standorten der Wettbewerber nach, um traditionelle Geschäftsmodelle noch möglichst lange zu sichern, zu konsolidieren und zu nutzen (bevor sie mit dem vollständigen Übergang in die Elektromobilität aufgegeben werden). Vor allem die neuen Wachstumsmärkte, nicht nur der mit Abstand größte Markt, China, finanzieren die neuen Technologien und die Digitalisierung. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, müssten für die Wachstumsmärkte Niedrigpreisfahrzeuge, Beispiel Renault Kwid, entwickelt werden. Das Unternehmen setzt weiterhin auf die Optimierung von Größen- und Vorbundvorteilen mit traditionellen Geschäftsmodellen an internationalen Stand­ orten. Die Agilität hat zwar deutlich zugenommen, müsste aber noch gesteigert werden, die Aktivierung der Veränderungsfähigkeiten erscheint noch zu zyklisch.

Zu (4): Internationale Transformierer Von neuen Fahrzeugantrieben und durch die Digitalisierung wenig betroffen, sind Automobilzulieferer, die Teile herstellen, die weiterhin benötigt werden, wie z. B. Kunststoffteile oder Sitze. Sie benötigen deshalb keine radikal neuen Geschäfts­ modelle, da sie die traditionellen Geschäftsmodelle konsequent im internationalen Wertschöpfungsnetzwerk optimieren können. Diese internationalen Transformierer folgen deshalb nicht den technologischen Innovationen, sondern verbessern traditionelle Technologien (vgl. Tab. 6.4-1) und damit traditionelle Wettbewerbsvorteile (Vorteile niedrige Kosten oder/ und Diffe­

6.4 Multinationale Automobilunternehmen – The road ahead

413

renzierung), durch eine Wertarchitektur als Orchestrator von Zulieferern oder als (Teil)Spezialist und durch ein weitgehend produkt-basiertes Nutzenversprechen. Auch sie richten sich auf eine Auslagerung in wachsende Niedriglohnländer und eine Optimierung von Kapitaleinsatz und Gewinnmodell durch Mediation von Zielkonflikten der Steuerung, Investition in die Entwicklung von Kernwerten, regionale Hauptverwaltungen, gute Kommunikation in multinationalen Unter­ nehmen, Information und Interaktion über Unternehmens- und Ländergrenzen sowie die Bereitschaft, Wissen innerhalb des multinationalen Unternehmens zu transferieren. Diese Unternehmen nehmen die Umfeldveränderungen als nicht bedrohlich wahr und aktivieren deshalb keine diskontinuierlichen Veränderungsfähigkeiten der Wahrnehmung strategischer Möglichkeiten und auch nicht des Ergreifens dieser Möglichkeiten (kontinuierliches „sensing“, „seizing“ und „reconfiguring“). Dennoch bemühen sie sich um Agilität bei kontinuierlichen Veränderungsfähig­ keiten und Optimierung von Größen- und Verbundvorteilen in den traditionellen Geschäftsmodellen an den traditionellen Standorten. Zu den internationalen Transformierern zählt Adient (ehemals Teil von JCI), Hersteller von Innenraumteilen und Autositzen (Tab. 6.4-1). Da sich die Innen­ raumgestaltung eher kontinuierlich verändert und die Anforderungen an hybride Agilität geringer sind als im neuen, innovativen Geschäft, setzt Adient auf Verbesse­ rungen des traditionellen Geschäfts und entwickelt die traditionelle internationale Wertschöpfung weiter. Das irisch-chinesische Joint-Venture betont jedoch, von den „globalen Megatrends“ wie Elektromobilität und autonomes Fahren durchaus betroffen zu sein, weil „Fahraufgaben abnehmen“ und deshalb einen „neuen Ansatz“ der Innenraumgestaltung erfordern15. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Auch wenn multinationale (Automobil) Unternehmen langfristig versuchen müssen, beidhändig parallel Geschäftsmodelle und Zielkonflikte der Steuerung zu managen, ist das gegenwärtig und kurzfristig angesichts der begrenzten Management- und vor allem Kapitalressourcen und des weltweiten Drucks der Kapitalgeber auf eine weitere Verringerung der Ka­ pitalintensität kaum möglich. Sie setzen deshalb zunächst entweder stärker auf neue Technologien und räumen der Neuausrichtung der Geschäftsmodelle die erste Priorität ein (dynamische Gruppe 1 und 2) oder auf eine langfristige Verrin­ gerung der Zielkonflikte der Steuerung der ausländischen Tochtergesellschaften durch Mediation zur Verbesserung des internationalen Wertschöpfungsnetzwerks und priorisieren die Neuausrichtung der Steuerung (dynamische Gruppe 3 und 4). Die Verdichtung zu diesen wenigen Wegen einer gemeinsamen (sequentiellen) Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung bietet eine Begrenzung

414

6 Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs – Ein Ausblick

der Zahl eventueller Gelegenheiten und damit eine signifikante Komplexitätsre­ duktion gemäß Abb. 6–1. Von einer umfassenden gemeinsamen Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Steuerung der ausländischen Tochtergesellschaften sind die traditionellen multinationalen Automobilunternehmen deshalb noch relativ weit entfernt. Damit zeigen sich Parallelen zur Herausbildung hybrider Wettbewerbsstrategien der kostenminimalen Differenzierung in den 1980er und 90er Jahren, die viele deutsche Automobilhersteller und viele Zulieferer heute in ihrem traditionellen Geschäft ver­ folgen. Auch diese Strategie konnten die meisten Automobilunternehmen angesichts begrenzter Kapitel- und Managementressourcen nicht sofort umsetzen, sondern mussten zunächst entweder Kostensenkung oder Erhöhung der Differenzierung, d. h. der Schaffung einer Einmaligkeit aus Sicht der Kunden, Priorität einräumen. Die gegenwärtige Ausrichtung der Strategien bzw. Geschäftsmodelle sowie der Steuerung bzw. des internationalen Wertschöpfungsnetzwerkes in Abb. 6.4-2 ist Ausgangspunkt für die Neuausrichtung multinationaler Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs (Pfeile in Abb. 6.4-3) und damit auf dem Weg nach vorne (der „road ahead“). Abhängig von der gegenwärtigen Ausrichtung, gilt es künftig für die meisten dieser Unternehmen, gestützt durch hybride Agilität, entweder die Geschäftsmodelle oder/und die Steuerung neu auszurichten. Dabei ist davon auszugehen, dass sich die meisten Automobilunternehmen (dynamische Gruppen 1 bis 3) gemäß den Überlegungen in den Kapiteln 4, 5 und 6.3 um eine Stärkung des Netzwerks bemühen werden (Pfeil nach rechts oben in Abb. 6.4-3). Für einige Automobilzulieferer reicht es aber auch, weiterhin die traditionellen Technologien zu verbessern und dabei das internationale Wertschöpfungsnetzwerk zu optimieren (dynamische Gruppe 4). Unternehmen werden zunächst in den „dynamischen Gruppen“ voranschreiten, bevor diese sich bei sinkender Unsicherheit wieder auflösen werden. Dieses Buch zeigt Herausforderungen der globalen Umfeldtrends für Geschäftsmo­ delle und Steuerung und skizziert Wege der Neuausrichtung für die Zukunft. Es bietet Ansatzpunkte, an denen jedes Automobilunternehmen spezifisch schrittweise Entscheidungen ansetzen kann. Agilität fordert, mit lebensfähigen Minimallö­ sungen überhaupt erst einmal anzufangen, was gerade für kleine Zulieferer in Deutschland eine große Herausforderung darstellt. Die Neuausrichtung kommt bei vielen großen OEMs und Zulieferern aufgrund massiver Umsetzungsbarrieren nicht schnell genug voran.

6.4 Multinationale Automobilunternehmen – The road ahead

415

Hier ist mehr Tempo nötig, um der steigenden Komplexität des Umfeldes begeg­ nen zu können, auch um selber zu agieren, statt auf Vorgaben des Kapitalmarktes reagieren zu müssen (vgl. Kapitel 3.4.3). Es bleibt wichtig, vorhersehbare Umfeldveränderungen und unerwartete externe Schocks, eine Verschlechterung der Position im Wettbewerbskampf um Marktanteile und einen Rückstand im Wettlauf um Kompetenzen zu begrenzen oder zu vermeiden16. Denn die traditionellen multinationalen Automobilunternehmen müssen sich in den kommenden Jahren den Herausforderungen tiefgreifender und diskontinuierlicher Veränderungen im größten Umbruch stellen, vor dem die Branche jemals stand.

Endnoten 1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. z. B. Freyssenet (2009). Vgl. Beisswenger (2016, S. 4), aber z. B. auch Lindig (2004); Hub (2004). Vgl. Barney (1991). Vgl. Teece u. a. (1997). Vgl. Porter (1980) und Caves, Porter (1984). Vgl. DeSarbo u. a. (2009). Vgl. Ross, Sharapov (2015). Zur Unterscheidung zwischen Technologieführer und -folger vgl. z. B. Gerpott (2005) und darauf bezogen Sommer (2016, S. 113). 9 Vgl. ebenfalls Sommer (2016, S. 113). 10 Sommer (2016, S. 114 bezogen auf Agarwal, Gort (2001) und Poletti u. a. (2011). 11 Vgl. Knobbe u. a. (2019). 12 Vgl. z. B. Teece (2012, S. 1395) oder Ambrosini, Bowman (2009). 13 Ibid. 14 Vgl. Ford Motor Company (2019). 15 Vgl. https://www.yfai.com/de/unser-geschaeft, abgerufen am 14.10.2018. 16 d. h. dynamische Strategien zu verfolgen (Proff 2007 und Proff, Proff 2013).

Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis

Aaker, D.A. (2013): Strategic Market-Management. 10. Aufl., New York, NY: John Wiley & Son. Aarikka-Stenroos, L., Ritala, P. (2008): Network management in the era of ecosystems: Systematic review and management framework. In: Industrial Marketing Management, Vol. 67, S. 23–36. Aarikka-Stenroos, L., Jaakkola, E., Harrison, D., Mäkitalo-Keinonen, T. (2017): How to manage innovation processes in extensive networks: A longitudinal study. In: Industrial Marketing Management, Vol. 67, S. 88–105. Abdelkafi, N., Makhotin, S, Posselt, T. (2013): Business model innovations for electric mo­ bility – What can be learned from existing business model patterns? In: International Journal of Innovation Management, Vol. 17 (1), S. 1–41. Abernathy, W.J., Utterback, J.M. (1978): Patterns of industrial innovation. In: Technology Review, Vol. 80 (7), S. 40–47. Acatech (2014): Smart Service Welt: Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt internetbasierte Dienste für die Wirtschaft. Berlin. Achtenhagen, L., Melin, L., Naldi, L. (2013): Dynamic of business models – Strategizing, critical capabilities and activites for sustained value creation. In: Long Range Planning, Vol. 46 (6), S. 427–442. Ackermann, R. (2001): Pfadabhängigkeit, Institutionen und Regelreform. Tübingen: Mohr Siebeck. Adenfelt, M., Lagerström, K. (2008): The development and sharing of knowledge by centers of excellence and transnational teams: A conceptual framework. In: management inter­ national review, Vol. 48 (3), S. 319–338. Adner, R. (2017): Ecosystem as a structure: An actionable construct von strategy. In: Journal of Management, Vol. 43 (1), S. 39–58. Adner, R., Helfat, C.E. (2003): Corporate effects and dynamic managerial capabilities. In: Strategic Management Journal, Vol. 24 (10), S. 1011–1025. Agarwal, R., Gort, M. (2001): First mover advantage and the speed of competitive entry. 1887–1986. In: Journal of Law and Economics, Vol 44 (1): S. 161–177. Ahuja, G., Katila, R. (2001): Technological acquisition and the innovation performance of acquiring firms: A longitudinal study. In: Strategic Management Journal, Vol. 22 (3), S. 197–220. Akhlaghpour, S., Wu, J., Lapointe, L., Pinsonneault, A. (2013): The ongoing quest for the IT artifact: Looking back, moving forward, In: Journal of Information Technology, Vol. 28 (2), S. 150–166. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Proff, Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26759-9

417

418

Literaturverzeichnis

Albach, H., Kaluza, B., Kersten, W. (Hrsg.) (2002): Wertschöpfungsmanagement als Kern­ kompetenz. Wiesbaden: Gabler. Ambos, B., Asakawa, K., Ambos, T.C. (2011): A dynamic perspective on subsidiary autonomy. In: Global Strategy Journal, Vol. 1 (3-4), S. 301–316. Ambos, T.C., Birkinshaw, J. (2010): Headquarters attention and its effects on subsidiary performance. In: Management international review, Vol. 50 (4), S. 449–469. Ambos, B., Mahnke, V. (2010): How do MNC headquarters add value? In: management international review, Vol. 50 (4), S. 403–412. Ambos, B., Kunisch, S., Schulte Steinberg, A., Leicht-Deobald, U. (2016): Agency relations in the MNC: The role of socialisation in the context of agent multiplicity and nested relations. Manuscript for LL’ORG seminar, Lausanne, March 7, 2016. Ambrosini, V., Bowman, C. (2009): What are dynamic capabilities and are they a useful construct in strategic management? In: International Journal of Management Reviews, Vol. 11 (1), S. 29–49. Ambrosini, V., Bowman, C., Collier, N. (2009): Dynamic capabilities: An exploration of how firms renew their resource base. In: British Journal of Management, Vol. 20 (S1), S. 9–24. Amit, R., Zott, C. (2012): Creating value through business model innovation. In: MIT Sloan Management Review, Vol. 43 (3), S. 41–49. Andersson, U., Forsgren, M., Holm, U. (2002): The strategic impact of external networks: Subsidiary performance and competence development in the multinational corporation. In: Strategic Management Journal, Vol. 23 (11), S. 979–996. Anderson, B., Hagen, C., Reifel, J., Stettler, E. (2006): Complexity: Customization’s evil twin. In: Strategy & Leadership, 34 (5), S. 19–27. Anderson, P., Tushman, M.L. (1990): Technological discontinuities and dominant designs: A cyclical model of technological change. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 35 (1), S. 604–633. Ansoff, H.I. (1965): Corporate strategy. An analytic approach to business policy for growth expansion. New York: McGraw-Hill. Argyris C., Schön, D.A. (1978): Organizational learning. A theory of action perspective. Reading/Mass: Addison-Wesley Pub. Co. Arregle, J.L., Miller, T.L., Hitt, M.A., Beamish, P.W. (2013): Do regions matter? An integrated institutional and semi-globalization perspective on the internationalization of MNEs. In: Strategic Management Journal, Vol. 34 (8), S. 910 – 934. Ashton, K. (2009): That ‘Internet of Things’ thing. In the real world things matter more than ideas. RFID (radio frequency identification) Journal. Online abrufbar unter http://www. rfidjournal. com/articles/view?4986 (abgerufen am 28.3.2017). Aspara, J., Lamberg, J.-A., Laukia, A., Tikkanen, H. (2011): Strategic management of bu­ siness model transformation: Lessons from Nokia. In: Management Decision, Vol. 49 (4), S. 622–647. Augier, M., Teece, D.J. (2007): Dynamic capabilities and multinational enterprise: Penrosean insights and omissions. In: Management International Review, Vol. 47 (2), S. 175–192. Austin, J. (1991): The boundaries of business: The developing country difference. In: Harvard Business Review, Vol. 69, S. 134–137. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (2016): Multivariate Analysemethoden: Eine anwendungsorientierte Einführung. 14. Aufl., Berlin, Heidelberg: Springer. Baden-Fuller, C., Mangematin, V. (2013): Business models: A challenging agenda. In: Strategic Organization, Vol. 11 (4), S. 418–427.

Literaturverzeichnis

419

Baden-Fuller, C., Volberda, H.W. (1997): Strategic renewal in large complex organization. A competence-based view. In: Heene, A., Sanchez, R. (Hrsg.): Competence-based strategic management. Chichester: John Wiley & Sons, S. 89–110. Bain, J.S. (1956): Barriers to new competition: Their character and consequences in manu­ facturing industries. Cambridge/Mass.: Harvard University Press. Balcet, G., Evangelista, R. (2005): Gobal technology: Innovation strategies of foreign affiliates in Italy. In: Transnational Corporations, Vol. 14 (2), S. 53–71. Balderjahn, I., Scholderer, J. (2007): Konsumentenverhalten und Marketing. Grundlagen für Strategien und Maßnahmen. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Baldwin, C.Y., Clark, K.B. (1997): Managing in an age of modularity. In: Harvard Business Review, Vol. 75 (5), S. 84–93. Ballantyne, D., Varey, R.J. (2006): Creating value-in-use through marketing interaction. The exchange logic of relating, communicating and knowing. In: Marketing Theory, Vol. 6 (3), S. 335–348. Bamberg, G., Coenenberg, A.G., Krapp, M. (2008), Betriebswirtschaftliche Entscheidungs­ lehre, 14. Auf., München: Vahlen. Barney, J.B. (1991): Firm resources and sustained competitive advantage. In: Journal of Management Vol. 17 (1), S. 99–120. Bartlett, C.A., Ghoshal, S. (1989): Managing across borders. The transnational solution. Boston: Harvard Business School Press. Bartlett, C.A., Ghoshal, S. (1990): Internationale Unternehmensführung. Innovation, globale Effizienz, differenziertes Marketing. Frankfurt/M., New York: Campus. Bartlett, C.A., Ghoshal, S. (1998): Managing across borders. The transnational solution. 2. Aufl., London: Harvard Business Review Press. Basil, D.C., Cook, C.W. (1974): The management of change. London u. a.: McGraw-Hill. Batchelor, J. (2006): Modularisation and the changing nature of automotive design capa­ bilities. In: International Journal of Automotive Technology and Management, Vol. 6 (3), S. 276–297. Baum, J.A.C., Korn, H.J. (1996): Competitive dynamics of interfirm rivalry. In: Academy of Management Journal, Vol. 39 (2), S. 255–291. Baumol, W.J., Panzar, J.C., Willig, R.D. (1988): Contestable markets and the theory of industry structure. New York: Harcourt Brace Jovanovich. Bay, L. (2016): Warum ein Verbrenner-Verbot überflüssig ist. In Handelsblatt vom 08.04.2016. (= http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/autoindustrie-warum-ein-ver­ brenner-verbot-ueberfluessig-ist/13421934.html, abgerufen am 10.12.2016). Bazerman, M.H., Magliozzi, T., Neale, M.A. (1985): Integrative bargaining in a competitive market. In: Organizational Behavior and Human Decision Process, Vol. 35 (3), S. 294–313. Becker, H.P. (2012): Investition und Finanzierung: Grundlagen der betrieblichen Finanz­ wirtschaft. 5. überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden: SpringerGabler. Beisswenger, A. (2016): Anatomie strategischer Entscheidungen. Komplexität im Unterneh­ men verstehen, analysieren und meistern. Wiesbaden: SpringerGabler. Ben-David, D. (1994): Convergence clubs and diverging economies. CEPR Discussion Papers 922, C.E.P.R. Discussion Papers. Handle: RePEc:cpr:ceprdp:922 . Benkenstein, M., Bruhn, M., Büttgen, M., Hipp,C., Matzner, M., Friedmann, W.N. (2017): Topics for service management research – A European perspective. In: Journal of Service Management Research, Vol. 1 (1), S. 4–21.

420

Literaturverzeichnis

Benner, M.J., Tripsas, (2012): The influence of prior industry affiliation on framing in na­ scent industries: The evolution of digital cameras. In: Strategic Management Journal, Vol. 33 (3), S. 277–302. Berle, A.A., Means, G.C. (1932): The modern corporation and private property. New York u. a.: Mac Millan. Bernhart, W., Zollenkop, M. (2011): Geschäftsmodellwandel in der Automobilindustrie – Determinanten, zukünftige Optionen, Implikationen. In: Bieger, T., zu Knyphausen-Auf­ seß, D., Krys, C. (Hrsg): Innovative Geschäftsmodelle. Konzeptionelle Grundlagen, Gestaltungsfelder und unternehmerische Praxis. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 277–298. Berry, W.D. (1993): Understanding regression assumptions. Thousand Oaks: Sage. Berry, W.D., Feldman, S. (1985): Multiple regression in practice. Thousands Oaks: Sage. Betsch, O., Groh, A.P., Lohmann, L. (1998): Corporate finance. M&A und innovative Kap­ italmarktfinanzierung. München: Vahlen. Betz, S. (1999): Kostenminimale Anpassung von Beschaffung und Produktion an saisonale Absatzschwankungen. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 67. Jg., Ergänzungsheft 4, S. 111–129. Bieger, T., Reinhold, S. (2011): Das wertbasierte Geschäftsmodell – Ein aktualisierter Struk­ turierungsansatz. In: Bieger, T., zu Knyphausen-Aufseß, D., Krys, C. (Hrsg): Innovative Geschäftsmodelle. Konzeptionelle Grundlagen, Gestaltungsfelder und unternehmerische Praxis. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 13–70. Birg, H. (2004): Die Weltbevölkerung: Dynamik und Gefahren. 2. aktual. Aufl., München: C.H. Beck. Birkinshaw, J., Gibson, C. (2004): Building ambidexterity into an organization. In: MIT Sloan Management Review, Vol. 45 (4), 47–55. Birkinshaw, J.M., Hood, N. (1998): Multinational subsidiary evolution: Capability and charter change in foreign subsidiary companies. In: Academy of Management Review, Vol. 23 (4), S. 773–795. Björkman, I., Barner-Rasmussen, W., Li, L. (2004): Managing knowledge transfer in MNCs: The impact of headquarters control mechanisms. In: Journal of International Business Studies, Vol. 35 (5), S. 433–355. Blanchard, O., Illing, G. (2017): Makroökonomie, 7., aktual. u. erw. Aufl. Augsburg: Pearson. Blazejewski, S., Becker-Ritterspach, F. (2011): Conflict in headquarters-subsidiary relations: A critical literature review and new directions. In: Dörrenbächer, C., Geppert, M. (Hrsg.): Politics and power in the multinational corporation: The role of institutions, interests and identities. Cambridge: Cambridge University Press, S. 339–390. Bleymüller, J., Gehlert, G., Gülicher, H. (2008): Statistik für Wirtschaftswissenschaftler, 15. Aufl., München: Vahlen. Blundell, R., Browning, M., Meghir, C. (1994): Consumer demand and the life-cycle alloca­ tion of household expenditures. In: Review of Economic Studies, Vol. 61 (1), S. 57–80. BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Hrsg.) (2015): Industrie 4.0 und Digitale Wirtschaft – Impulse für Wachstum, Beschäftigung und Innovation. Berlin. Bodensteiner, K. (2006): Kundenbindung in vertikalen Kontraktmarketingsystemen. Wiesbaden: Gabler. Bogner, W.C., Barr, P.S. (2000): Making sense in hypercompetitive environments: A cognitive explanation of the persistence of high velocity competition. In: Organization Science, Vol. 11 (2), S. 212–226.

Literaturverzeichnis

421

Bogner, W. C., Thomas, H., McGee, J. (1996): A longitudinal study of the competitive position and the entry paths of European firms in the U.S. pharmaceutical market. In: Strategic Management Journal, Vol. 17 (2), S. 85–107. Bok, W. (2017): Warum die Zukunft nicht in den Elektroautos liegt. In: Cicero: Magazin für politische Kultur. In Cicero. Magazin für politische Kultur vom 27. 4. 2017. Bommel, E. van, Edelman, D., Ungerman, K. (2014): Digitizing the customer decision jour­ nal. McKinsey&Company, June 2014. (https://www.mckinsey.com/business-functions/ marketing-and-sales/our-insights/digitizing-the-consumer-decision-journey, abgerufen am 28.2.2018). Book, M., Groll, M., Mosquet, X., Rizoulis, D., Sticher, G. (2009): The comeback of the elec­ tric car? How real, how soon, what must happen next. New York, London: The Boston Consulting Group. Bortz, J., Lienert, G.A. (2008): Kurzgefasste Statistik für die klinische Forschung. Leitfaden für die verteilungsfreie Analyse kleiner Stichproben. 3., aktual. und bearb. Aufl., Berlin u. a.: Springer. Bower, M., Garda, R. A. (1985): The role of marketing in management. In: The McKinsey Quarterly, 3, S. 34–46. Bradley, C., Hirt, M., Smit, S. (2018): Strategy bejond the hockey stick: People, probabilities, and big moves to beat the odds. Hobocken/N.J.: McKinsey&Company: Brand, M., Markowitsch, H.J. (2010): Aging and decision-making: A neurocognitive per­ spective. In: Gerontology, Vol. 56 (3), S. 319–324. Brandl, F.J., Kagerer, M., Reinhart, G. (2018): A hybrid innovation management framework for manufacturing – Enablers for more agility in plants. In: Procedia CIRP, Vol. 72, S. 1154-1159. Brealey, R.A., Myers, S.C. (1991): Principles of corporate finance. 4. Aufl., New York: McGrwa-Hill. Brenner, B., Ambos, B. 2013: A question of legitimacy? A dynamic perspective on multina­ tional firm control. In: Organization Science, Vol. 24 (3), S. 773–795. Bresser, R.K.F., Hitt, M.A., Nixon, R.D., Heuskel, D. (2000) (Hrsg.): Winning strategies in a deconstructing world. Chichester: Wiley. Brett, J.M., Okumura, T. (1998): Inter- and intracultural negotiations: U.S. and Japanese negotiations. In: Academy of Management Journal, Vol. 43 (5), S. 495–510. Brezis, E., Krugman, P., Tsiddon, D. (1991): Leapfrogging: A theory of cycles in national technological leadership. Boston. (= National Bureau of Economic Research NBER Working Paper No. 3886). Brown, S.L., Eisenhardt, K. (1997): The art of continuous change – Linking complexity the­ ory and time-paced evolution in relentlessly shifting organizations. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 42 (1), S. 1–34. Brünglinghaus, C, (2014): Winterkorn: ‚Das Auto darf nicht zur Datenkrake werden‘. In: Automobilelektronik + Software, Onlineartikel vom 10.03.2014. Brusoni, S., Prencipe, A., Pavitt, K. (2001): Knowledge specialization, organizational coupling, and boundaries of the firm: Why do firms know more than they make? In: Administrative Science Quarterly, Vol. 46 (4), S. 597–621. Bryan, F., Fraser, J., Oppenheim, J., Rall, W. (2000): Die neue Weltliga. Wie Unternehmen von grenzenlosen Märkten profitieren. Frankfurt/M.: Campus. Buchanan, J.M. (1965): An economic theory of clubs. In: Economica New Series, Vol. 32 (125), S. 1–14 .

422

Literaturverzeichnis

Bucherer, E., Eisert, U., Gassmann, O. (2012): Towards systematic business model inno­ vation: Lessons from product innovation management. In: Creativity and Innovation Management, Vol. 21 (2), S. 183–198. Buckley, P.J., Casson, M. (1976): The future of the multinational enterprise. London: Homes and Meier Press. Bulow, J.I., Geanakoplos, J.D., Klemperer, P.D. (1985): Multimarket oligopoly: Strategic substitutes and complements. In: Journal of Political Economy, Vol. 93 (3), S. 488–511. Buob, M. (2010): Verkaufskomplexität im Außendienst: Konzeption – Erfolgswirkungen – Möglichkeiten im Umgang. Wiesbaden: Gabler. Burmann, C., Blinda, L.E., Lensker. P. (2006): Markenführungskompetenzen und Mar­ kenerfolg. In: Burmann, C., Freiling, J., Hülsmann, M. (Hrsg.) Neue Perspektiven des strategischen Kompetenzmanagements. Wiesbaden: Gabler, S. 475–504. Burmann, C., Halaszovich, T., Schade, M., Hemmann, F. (2015): Identitätsbasierte Marken­ führung. Grundlagen – Strategie – Umsetzung – Controlling. 2. vollst. überarb. u. erw. Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler. Buzzell, D.R., Gale, B.T. (1987): The PIMS principles. Linking strategy to performance. New York: Free Press. Campbell, A., Goold, M., Alexander, M. (1995): Corporate strategy: The quest for parenting advantage. In: Harvard Business Review, Vol. 73 (2), S. 120–132. Cantwell, J., Mudambi, R. (2005): MNE competence-creating subsidiaries mandates. In. Strategic Management Journal, Vol. 26 (12), S. 1109-1128. Cao, Q., Gedajlovic, E., Zhang, H. (2009): Unpacking organizational ambidexterity: Dimensi­ ons, contingencies, and synergistic effects, in: Organization Science, Vol. 20 (4), S. 781–796. Capgemini Consulting (2017a): Cars online: Beyond the car. O. O.. Köln. Capgemini Consulting (2017b): Driving digital transformation in automotive: Leader in digital transformation. Köln. Carl, V. (1989): Problemfelder des internationalen Managements. Herrsching: Kirsch. Carter, T., Ejara, D. D. (2008): Value innovation management and discounted cash flow. In: Management Decision, Vol. 46 (1), S. 58–76. Cavagnaro, D.R., Gonzalez, R., Myung, J.I. and Pitt, M.A. (2013): Optimal decision stimuli for risky choice experiments: An adaptive approach. In: Management Decision, Vol. 59 (2), S. 358–375. Caves, R.E. (1996): Multinational enterprise and economic analysis. 2. Ed., Cambridge U.K.: Cambridge University Press. Caves, R.E., Porter, M.E. (1977): From entry barriers to mobility barriers. Conjectural deci­ sion and contrived deterrence to new competition. In: Quarterly Journal of Economics, Vol. 91 (2), S. 241–261. Chacko, P., Noronha, C., Agrawal, S. (2010): Small wonder: The making of the nano. Chennai u. a.: Westland. Chatterjee, S. (2013): Simple rules for designing business models. In: California Management Review, Vol. 55 (2), S. 97–124. Chen, Z., Dubinsky, A.J. (2003): A conceptual model of perceived customer value in E-com­ merce. A preliminary investigation. In: Psychology & Marketing, Vol. 20 (4), S. 323–347. Chen, M.J., MacMillan, I.C. (1992): Nonresponse and delayed reponse to competitive moves: The roles of competitor dependence and action irreversibility. In: Academy of Manage­ ment Journal, Vol. 35 (3), S. 539–570.

Literaturverzeichnis

423

Chen, M.J., Miller, D. (1994): Competitive attack, retaliation and performance: An expectancy valence framework. In: Strategic Management Journal, Vol. 15 (2), S. 85–102. Chesbrough, H.W. (2010): Business model innovation: Opportunities and barriers. In: Long Range Planning, Vol. 43 (2-3), S.354-363. Chesbrough, H.W., Rosenbloom, R.S. (2002): The role of the business model in capturing value from innovation: Evidence from Xerox Corporation’s technology spin-off compa­ nies. In: Industrial and Corporate Change, Vol. 11 (3), S. 529–555. Christensen, M., Knudsen, T. (2010): Design of decision-making organizations In: Manage­ ment Science, Vol. 65 (1), S. 71–89. Ciabuschi, F., Dellestrand, H., Kappen, P. (2012): The good, the bad, and the ugly: Technology transfer competence, rent-seeking, and bargaining power. In: Journal of World Business, Vol. 47 (4), S. 664–674. City Group (Hrsg.): Auto industry overview – Has the penny dropped? 25.5.2012. New York. Clarke, R. (1991): Conglomerate firms. In: Clarke, R., McGuinness, T. (Hrsg.): The economics of he firm. Oxford, Cambridge/Mass., S. 107–132. Coenenberg, A.G., Sauter, M.T. (1988): Strategische und finanzielle Bewertung von Unter­ nehmensakquisitionen. In: Die Betriebswirtschaft, 48. Jg., S. 691–710. Cohen, W.M., Levinthal, D.A. (1990): Absorptive capacity: A new perspective on learning and innovation. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 35 (1), S. 128–152. Collings, D.G., Morley, M.J., Gunnigle, P. (2008): Composing the top management team in the international subsidiary: Qualitative evidence on international staffing in the U.S. MNCs in the Republic of Ireland. In: Journal of World Business, Vol. 43 (2), S. 197–212. Collis, D.J. (1994): How valuable are organizational capabilities? In: Strategic Management Journal, Vol. 15 (1), S. 143–152. Collis, D.J., Montgomery, C.A. (1998): Creating corporate advantage. In: Harvard Business Review, Vol. 76 (3), S. 70–83. Corsten, H., Gössinger, R. (2016): Produktionswirtschaft: Einführung in das industrielle Produktionsmanagement. 14. Aufl., Berlin/Boston: de Gruyter. Court, D., Elzinga, D., Mulder, S., Vetvik, O.J. (2009): The Consumer decision journey. In: McKinsey Quarterly, H. 3, S. 96–107. Courtney, H., Kirkland, J., Viguerie, P. (1997): Strategy under uncertainty. In: Harvard Business Review, Vol. 75 (6), S. 67–79. Csaszar, F.A., Eggers, J.P. (2013): Organizational decision making: An information aggre­ gation view. In: Management Science, Vol. 59 (10), S. 2257-2277. Cvitkovic, E. (1993): Competition. Forms, facts and fiction. London: MacMillan. Cyert, R.M., March, J.G. (1963): A behavioral theory of the firm. Englewood Cliffs/NJ: Prentice Hall. D’Agostino, L.M., Santangelo, G.D. (2012): Do overseas R&D laboratories in emerging markets contribute to home knowledge creation? An extension of the double diamond model. In: management international review, Vol. 52 (2), S. 251–273. Daniels, J.D., Radebaugh, L.H., Sullivan, D.P. (2015): International business. Environments and operations. 15. Aufl., Harlow: Pearson. Danneels, E. (2002): The dynamics of product innovation and firm competences. In: Strategic Management Journal, Vol. 23 (12), S. 1095-1121. D’Aveni, R.A. (1995): Hyperwettbewerb. Strategien für die neue Dynamik der Märkte. Wiesbaden: Campus (= hypercompetition 1994).

424

Literaturverzeichnis

DaSilva, C., Trkman, P. (2014): Business model: What it is and what it is not. In: Long Range Planning Vol. 47 (6): 379–389. David, P.A. (1985): Clio and the economics of QUERTY. In: The American Economic Review, Vol. 74 (2), S. 332–337. Davidse, R. (2007): Assisting the older driver. Intersection design and in-car devices to improve the safety of the older driver. Leidschendam, NL: SWOV‐Dissertatiereeks Davies, A., Brady, T., Hobday, M. (2007): Organizing for solutions – Systems seller vs. systems integrator. In: Industrial Marketing Management, Vol. 36 (2), S. 183–193. Davila, T., Epstein, M.J., Shelton, R. (2006): Making innovation work. How to manage it, measure it, and profit from it. Wharton School Publishing, Philadelphia. Davis, J.P., Eisenhardt, K.M., Bingham, C.B. (2009): Optimal structure, market dynamism, and the strategy of simple rules. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 54 (3), S. 413–452. Day, C.S., Reibstein, D.J. (Hrsg. mit R. Gunther) (1998): Wharton zur dynamischen Wett­ bewerbsstrategie. Düsseldorf: Econ. Delany, E. (2000): Strategic development of the multinational subsidiary through subsidiary initiative- taking. In: Long Range Planning, Vol. 33 (2), S. 220–244. Deloitte (2015): On the leading edge. Thought leaders on themes impacting the global automotive industry. O. O. Deloitte (2018): Future of the automotive value chain: The supplier financial transformation model – Mastering the transformation 2025+. Düsseldorf. Demil, B., Lecocq, X. (2010): Business model evolution: In search of dynamic consistency. In: Long Range Planning, Vol. 43 (2), S. 227–246. DeSarbo, W.S., Grewal, R., Wang, R. (2009): Dynamic strategic groups: Deriving spatial evolutionary paths. In: Strategic Management Journal, Vol. 30 (13), S. 1420-1439 . Deutsche Bank (2011): Twilight for the European auto industry? Frankfurt/M. Diez, W., Reindl, S., Brachat, H. (2016): Grundlagen der Automobilwirtschaft: Das Stan­ dardwerk der Automobilbranche. München: Springer Automotive Media. Dixit, A.K. (1979): A model of duopoly suggesting a theory of entry barriers. In: The Bell Journal of Economics, Vol. 10 (1), S. 20–32. Dixit, A.K., Pindyck, R.S. (1994): Investment under uncertainty, University Press, Princeton. Dörrenbecher, C., Gammelgaard, J. (2006): Subsidiary role development: The effect of micro-political headquarters: Subsidiary negotiation on the product, market and value-ad­ ded scope of foreign- owned subsidiaries. In: Journal of International Management, Vol. 12 (3), S. 266–283. Dörrenbächer, C., Geppert, M. (2009): A micro-political perspective on subsidiary initiative taking: Evidence from German-owned subsidiaries in France. In: European Management Journal, Vol. 27 (2), S. 110–112. Dosi, G., Gambardella, A., Grazzi, M., Orsenigo, L. (2008): Technological revolutions and the evolution of industrial structures: Assessing the impact of new technologies upon the size and boundaries of firms. In: Capitalism and Society, Vol. 3 (1), S. 1–47. Doz, Y.L., Kosonen, M. (2008): Fast strategy: How strategic agility will help you to stay ahead of the game. Harlow, UK: Pearson/Longman. Doz, Y.L., Prahalad, C.K. (1991): Managing MNCs: A search for a new paradigm. In: Strategic Management Journal, Vol. 12 (1), S. 145–164. Doz, Y.L., Santos, J., Williamson, P.J. (2001): From global to metanational. How companies win in the knowledge economy. Boston/Mass.: Harvard Business School Press. Dräther, R., Koschek, H., Sahling, C. (2013): Scrum. Kurz & gut. Heidelberg: O’Reilly.

Literaturverzeichnis

425

Draft, R.L., Weick, K.E., (1984): Toward a model of organizations as interpretation system. In: Academy of Management Review, Vol. 9 (2), S. 284–295. DRI, McGraw-Hill (Hrsg.) (1996). World car industry forecast report. Frankfurt/M. Duncan, R.B. (1976): The ambidextrous organization: Designing dual structures for innovati­ on. In: Killmann, R.H., Pondy, L.R., Slevin, D. (Hrsg.): The management of organization. North-Holland, New York: Sage, S. 167–188. Dunning, J.H. (1979): Explaining changing patterns in defence of the eclectic theory. In Oxford Bulletin of Economics and Statistics, Vol. 41, S. 269–295. Dupont, C. (1994): Using power to build cooperation. In: Zartman, I.W. (Hrsg.): International multilateral negotiation: Approaches to the management of complexity. San Francisco: Jossey-Bass, S. 148–177 Dyckhoff, H. (2006): Grundzüge der Produktionswirtschaft. Einführung in die Theorie der betrieblichen Wertschöpfung. 5. überarb. Aufl., Berlin, Heidelberg: Springer. Easterby-Smith, M., Lyles, M., Peteraf, M. (2009): Dynamic capabilities: Current debates and future directions. In: British Journal of Management, Vol. 20 (s1), S. S1-S8. Ebers, M., Gotsch, W. (1995): Institutionenökonomische Theorien der Organisation. In: Kieser, A. (Hrsg.): Organisationstheorien. 2. überarb. Aufl. – Stuttgart u. a. : Kohlhammer, Edelman, D.C., Singer, M. (2015): Competing on customer journeys. In: Harveard Business Review, Vol. 93 (Nov.), S. 89–100. Edström, A., Galbraith, J.R. (1977): Transfer of managers as a coordination and control strategy in multinational organizations. In: Adminstrative Science Quarterly, Vol. 22 (2), S. 248–263. Egelhoff, W.G. (2010): How the parent headquarters add value to an MNC. In: management international review, Vol. 50 (4), S. 413–431. Eggers, J.P., Kaplan, S. (2013): Cognition and capabilities: A multilevel perspective. In: Academy of Management Annals, Vol. 7 (1), S. 293–338. Ehrensberger, S. (1993): Synergieorientierte Unternehmensintegration: Grundlagen und Auswirkungen. Wiesbaden: Gabler. Eisenführ, F., Weber, M., Langer, T. (2010): Rationales Entscheiden. 5. überarb. u. erw. Aufl. Berlin: Springer. Eisenhardt, K.M. (1989): Agency theory: An assessment and review. In: Academy of Ma­ nagement Review, Vol. 14 (1), S. 57–74. Eisenhardt, K.M., Martin, J.A. (2000): Dynamic capabilities: What are they? In: Strategic Management Journal, Vol. 21 (19-11), S. 1105-1122. Elder, G.H. (1994): Time, human agency and social change: Perspectives on the life course. In: Social Psychology Quarterly, Vol. 57 (1), S. 4–15. Ernst & Young (2014): Der IDW PS 980. Standard zur Prüfung von Management-Compli­ ance- Systemen. Düsseldorf u. a. Ethiray, S.K., Levinthal, D. (2004): Modularity and innovation in complex systems. In: Management Science, Vol. 50 (2), S. 159–173. Farias, V.F., Jagabathula, S., Shah, D. (2013): A nonparametric approach to modeling choice with limited data. In: Management Decision, Vol. 59 (2), S. 305–322. Fehl, U., Oberender, P. (2004): Grundlagen der Mikroökonomie. Eine Einführung in die Produktions-, Nachfrage- und Markttheorie. 9. überarb. u. erw. Aufl., München: Vahlen. Field, A. (1999):. Discovering statistics using IBM SPSS. London: Sage..

426

Literaturverzeichnis

Fisher, R., Ury, W., Patton, B. (2009): Das Harvard-Konzept. Der Klassiker der Verhandlungs­ technik. 23. durchgesehene Aufl., Frankfurt/M.: Campus (= Getting to yes: Negotiating agreement without giving in. Boston/Mass: Houghton Mifflin). Fleck, A. (1995): Hybride Wettbewerbsstrategien. Zur Synthese von Kosten- und Differen­ zierungsvorteilen. Wiesbaden: Gabler. Fojcik, T. M. (2015): Ambidextrie und Unternehmenserfolg bei einem diskontinuierlichen Wandel ‐ Eine empirische Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Anpassung und Veränderung von Organisationsarchitekturen im Zeitablauf, Wiesbaden: SpringerGabler. Fojcik, T.M., Jung, B., Proff, H., Schleiffer, N., Sommer, K. (2014): Veränderte Kundenwünsche und angepasste Geschäftsmodelle in der Elektromobilität. In: Proff, H. (Hrsg.): Radikale Innovationen in der Mobilität: Technische und betriebswirtschaftliche Ansätze. Wies­ baden: SpringerGabler, S. 49–61. Folta, T.B. (1998): Governance and uncertainty: The trade-off between administrative control and commitment. In: Strategic Management Journal, Vol. 19 (11), S. 1007-1028. Ford Motor Company (2019): Volkswagen AG and Ford Motor Company launch global alliance. Ford Press Release, Detroit, Januar 15. (= http://www.campaign.ford.com/ content/fordmedia/fma/ me/en/news/2019/01/16/volkswagen-ag-and-ford-motor-com­ pany-launch-global-alliance-html). Foss N.J., Knudson, C. (1996): Towards a competence theory of the firm. London: Ruthledge. Foss, N.J.; Roemer, E. (2010): Real Options, Resources and Transaction Costs: Advancing the strategic theory of the firm. International Journal of Strategic Change Management, Vol. 2 (1), S. 73–92. Foss, N.J., Saebi., T. (2017): Fifteen years of research on business model innovation: How far have we come, and where should we go? In: Journal of Management, Vol. 43 (1), S. 200–227. Fourcade, F., Midler, C. (2005): The role of 1st tier suppliers in automobile product modu­ larisation: The search for a coherent strategy. In: International Journal of Automotive Technology and Management, Vol. 5 (2), S. 146–165. Fournier, C. von (2005): Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen. Wie sie langfristigen Erfolg schaffen. Frankfurt/M: Campus. Franke, J. (1985): Grundzüge der Mikroökonomie. 2. Aufl., München: Oldenbourg. Frankenberger, K., Weiblein, T., Csik, M., Gassmann, O. (2013): The 4l-framework of business model innovation: An analysis of the process phases and challenges. Working paper, Institute of Technology Management, University of St. Gallen. Freeman, C. (1994): The economics of technical change. In: Cambridge Journal of Econo­ mics, Vol. 18 (5), S. 463–514. Freiling, J., Gersch, M., Goeke, C. (2008): On the path towards a competence-based theory of the firm. In: Organization Studies, Vol. 29 (8-9), S. 1143-1164. French, S. (1986): Decision theory: An introduction to the mathematics of rationality, Ellis Horward Limited, Chichester. Frenkel, J.A., Razin, T., Sadko, E. (1991): International taxation in an integrated world. Boston/Mass.: MIT Press. Frese, E. (2000): Grundlagen der Organisation. Konzepte – Prinzipien – Strukturen. 8. überarb. Aufl., Wiesbaden: SpringerGabler. Freyssenet, M. (Hrsg.) (2009): The second automobile revolution: Trajectories of the world carmakers in the 21st century. London: Palgrave, Macmillan UK. Frost, T.S. (2001): The geographic sources of foreign subsidiaries’ innovations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22 (2), S. 101–123.

Literaturverzeichnis

427

Frost, T.S., Birkinshaw, J.M., Ensign, P.C. (2002): Centers of excellence in multinational corporations. In: Strategic Management Journal, Vol. 23 (11), S. 997–1018. Frow, P., Payne, A. (2008): The value proposition concept: Evolution, development and applica­ tion in marketing. Proceedings of the Academy of Marketing Conference, Aberdeen, July. Gaitanides, M. (1983): Prozessorganisation: Entwicklung, Ansätze und Programme prozes­ sorientierter Organisationsgestaltung. München: Vahlen. Galbraith, J. (1973): Designing complex organizations. Reading/Mass: Addison-Wesley Pub. Co. Gammelgaard, J., McDonald, F., Dörrenbächer, C., Stephan, A., Tüselmann, H. (2011): Effective autonomy, organizational relationships and skilled jobs in subsidiaries. In: Management Research Review, Vol. 34 (4), S. 366–385. Gammelgaard, J., McDonald, F., Stephan, A., Tüselmann, H., Dörrenbächer, C. (2012): The Impact of increases in subsidiary autonomy and network relationship on performance. In: International Business Review, Vol. 21 (6), S. 1158-1172. Gans, J., Ryall, M.D. (2017): Value capture theory: A strategic management review. In: Strategic Management Journal, Vol. 28 (1), S. 17.14. Gartner Inc. (Hrsg.) (2014): Taming the digital dragon: The 2014 CIO Agenda. Insights form the Gartner 2014 CIO Agenda Report. Stamfort/Connecticut: Gartner. Gassmann, O., Frankenberger, K. (2016): Geschäftsmodelle entwickeln: Von der Kunst zum Handwerk. In: Granig, P., Hartlieb, E., Lingenhel, D. (Hrsg.): Geschäftsmodellinnovati­ onen: Vom Trend zum Geschäftsmodell. Wiesbaden: SpringerGabler, S. 17–33. Gates, B. (1996): The road ahead. New York: Viking Penguin. Gavidia, J.V. (2016): Impact of parent-subsidiary conf lict on ERP implementation. In: Journal of Enterprise Information Management, Vol. 29 (1), S. 97–117. Gawer, A. (2014): Bridging different perspectives on technological platforms: Towards an integrative framework. In: Research Policy, Vol. 43 (7), S. 1239-1249. Gebauer, H., Fleisch, E., Friedli, T. (2005): Overcoming the service paradox in manufacturing companies. In: European Management Journal, Vol. 23 (1), S. 14–26. Gelowicz, S. (2019): Deutsche Autoindustrie schmiedet Entwicklungsallianz. In: Auto­ mobil-Industrie vom 21.1.2019. (= https://www.automobil-industrie.vogel.de/medi­ en-bmw-und-daimler-schmieden-entwicklungsallianz). Gerpott, T.J. (2005): Strategisches Technologie- und Innovationsmanagement. 2. Aufl. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Ghemawat, P. (1991): Commitment: Dynamic of strategy. Toronto: Free Press. Ghosn, C. (2017): Foreword. In: Midler, C., Jullien, B., Lung, Y.: Rethinking innovation and design for emerging markets: Inside the KWID Project. Boca Raton FL: CRC Press, S. xi–xiii. Gibson, C.B., Birkinshaw, J. (2004): The antecedents, consequences, and mediating role of organizational ambidexterity. In: Academy of Management Journal, Vol. 47 (2), S. 209–226. Gilbert, C.G. (2006): Change in the presence of residual fit: Can competing frameworks coexist? In: Organization Science, Vol. 17 (1), S. 150–167. Gissler, A., Seibert, G. (2015): Vernetztes Fahren: Zwischen Goldgräberstimmung und Innovationsdruck. (= Sonderbeilage der Automobilwoche der Accenture GmbH, S. 6–7). Glake, C., Fred, R., Lec, R, Dwight, R. (1981): Microeconomics. New York. Glauner, H. (2016): Zukunftsfähige Geschäftsmodelle und Werte. Berlin, Heidelberg: Springer. Gluck, F.W. (1980): Strategic choice and resource allocation, In: The McKinsey Quarterly, Vol. 17 (Winter), S. 22–23.

428

Literaturverzeichnis

Goldman Sachs Global Economics Group (Hrsg.) (2007): BRICS and beyond. London u. a. Govindarajan, V., Trimble, C. (2005): Building breakthrough businesses within established organizations. In: Harvard Business Review, Vol. 8 (5), S. 58–68. Grant, R.M. (1996): Toward a knowledge-based theory of the firm. In: Strategic Management Journal. Vol. 17 (Winter Special Issue), S. 109–122. Grant, R.M., Nippa, M. (2006): Strategisches Management. Analyse, Entwicklung und Implementierung von Unternehmensstrategien. München: Pearson. Grönross, C. (2012): Conceptualising value co-creation. A journey to the 1970er and back to the future. In: Journal of Marketing Management, Vol. 28 (13-14), S. 1520-1534. Grossman, S., Hart, O. (1986): The costs and benefits of ownership: A theory of vertical and lateral integration. In: Journal of Political Economy, Vol. 94 (4), S. 691–719. Grossman, G.M., Helpman, E. (2002): Integration versus outsourcing in industry equilibrium. In: Quarterly Journal of Economics, Vol. 117 (1), S. 85–120. Grossman, G.M., Helpman, E. (2003): Outsourcing versus FDI in industry equilibrium. In: Journal of the European Economic Association, Vol. 1 (1-2), S. 317–327. Grossman, G.M., Helpman, E. (2005): Outsourcing in a global economy. In: Review of Economic Studies, Vol. 72 (1), S. 135–159. Grossman, G.M., Helpman, E., Szeidl, A. (2006): Optimal integration strategies for the multinational firm. In: Journal of International Economics, Vol. 70 (1) S. 216–238. Güttel, W.H., Konlechner, B., Müller, B. (2014): Dynamic capabilities and the paradoxical struggle between stability and change: From decision making to implementation. Paper presented at the Competence-Based Strategic Management Mini Conference. Wien. Gupta, A.K., Govindarajan, V. (2000): Knowledge flows within multinational corporations. In: Strategic Management Journal, Vol. 21 (4), S. 473–496. Gupta, A.K., Smith, K.G., Shalley, C.E. (2006): The interplay between exploration and ex­ ploitation. In: Academy of Management Journal, Vol. 49 (4), S. 693–706. Gutman, J. (1982): A means-end chain model based on consumer categorization processes. In: Journal of Marketing, Vol. 46 (2), S. 60–72. Habermann, F. (2013): Hybrides Projektmanagement – Agile und klassische Vorgehensmodelle im Zusammenspiel. In HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, Vol. 50 (5), S. 92–102. Hagiu, A., Wright, J. (2015): Multi-sided platforms. In: International Journal of Industrial Organization, Vol. 43 (C), S. 162–174. Hamidian, K., Kraijo, C. (2013): Digitalisierung: Status Quo. In: Keuper, F., Hamidian, K., Verwaayen, E., Kalinowski, T., Kraijo, C. (Hrsg.): Digitalisierung und Innovation. Pla­ nung – Entstehung – Entwicklungsperspektiven. Wiesbaden: SpringerGabler. Hannah, D.P., Eisenhardt, K.M. (2018): How firms navigate cooperation and competition in nascent ecosystems. In: Strategic Management Journal, Volume39, (12, special issue), S. 3163-3192. Hannan, M., Freeman, J. (1977): The population ecology of organizations. In: American Journal of Sociology, Vol. 82 (5), S. 929–964. Hansch, M. (2007): Erfolgreiche Strategien zur Kontrolle ausländischer Tochtergesellschaf­ ten in multinationalen Unternehmen. Eine agency-theoretisch fundierte empirische Analyse. Wiesbaden: Gabler. Harrigan K.R. (1984): Formulating vertical integration strategies. In: Academy of Manage­ ment Review Vol. 9 (4), S. 638–652. Harrigan, K.R., Porter, M.E. (1983): End-game strategies for declining industries. In: Harvard Business Review, Vol. 61 (4), S. 111–119.

Literaturverzeichnis

429

Hashem, I.A.T., Yacoob, I., Anuar, N.B., Mokhtar, S., Gani, A., Ullah Khan, S. (2015): The rise of „big data“ on cloud computing. Review and open research issues. In: Information Systems, Vol. 47, S. 98–115. Hastie, R., Kameda, T. (2005): The robust beauty of majority rules in group decisions. In: Psychological Review, Vol. 112 (2), S. 494–508. Heinemann, C. (1993): Imagetransfer als Diversifikationsstrategie unter reduziertem Risiko. In: Texis, Vol. 10, S.32-37. Heinonen, K., Strandvik, T., Mickelsson, K.J., Edvardsson, B., Sundström, E., Andersson, P. (2010): A customer-dominant logic of service. In: Journal of Service Management, Vol. 21 (4), S. 531–548. Helfat, C.E., Martin, J.A. (2015): Dynamic managerial capabilities: Review and assessment of managerial impact on strategic change. In: Journal of Management, Vol. 41 (5): S. 1281-1312. Helfat, C.E., Peteraf M. (2009): Understandig dynamic capabilities: Progress along a de­ velopmental path. In: Strategic Organization, Vol. 7 (1), S. 91–102. Helfat, C.E., Raubitschek, R.S. (2000): Product sequencing: Co-evolution of knowledge, capabilities and products. In: Strategic Management Journal, Vol. 21 (10/11), S. 961–979. Helfat, C., Finkelstein, S, Mitchell, W., Peteraf, M.A., Singh, H., Teece, D.J., Winter, S. (2007): Dynamic capabilities: Understanding strategic change in organizations. Oxford u. a.: Blackwell Publishing. Helmstädter, E. (1995): Zeit in der Ökonomie und wie geht die Ökonomie damit um? In: Biervert, B., Held, M. (Hrsg.): Zeit in der Ökonomik. Perspektiven für die Theoriebildung. Frankfurt/M: Campus, S. 33–47. Henderson, R.M., Clark, K.B. (1990): Architectual innovation: The reconfiguration of existing product technologies and the failure of established firms. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 35 (1), S. 9–30. Hering, T. (2008): Investitionstheorie, 3. Aufl., Oldenbourg Verlag: München. Herrmann, A., Huber, F. (2000): Value-oriented brand positioning. In: International Review of Retail. Distribution and Consumer Research, Vol. 10 (1), S. 95–112. Herrmann, A., Schaffner, D. (2005): Planung der Produkteigenschaften: Neuproduktent­ wicklung auf Basis der Means-End Analyse. In: Albers, S., Gassmann, O. (Hrsg..): Hand­ buch Technologie- und Innovationsmanagement: Strategie – Umsetzung – Controlling, Wiesbaden: Gabler, S. 379–396. Heuskel, D. (1999): Wettbewerb jenseits der Industriegrenzen: Aufbruch zu neuen Wachs­ tumsstrategien. Frankfurt am Main: Campus. Heuss, E. (1965): Allgemeine Markttheorie, Tübingen, Zürich: Mohr. Hietanen, S. (2014): „Mobility as a Service“ – The new transport model? In: Eurotransport, Vol. 12 (2), S. 2–4. Hill, C.W. (2011): International business: Competing in the global marketplace. New York: McGraw-Hill. Hill, C.W., Rothaermel, F.T. (2003): The performance of incumbent firms in the face of radical technological innovation. In: The Academy of Management Review, Vol. 28 (2), S. 257–274. Hirsch, S. (1976): An international trade and investment theory of the firm. In: Oxford Economic Papers, Vol. 28, S. 258–270. Hirte, G., Neumann, A. (2008): Konvergenz in Regionen. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden, Vol. 57 (3-4), S. 97–103.

430

Literaturverzeichnis

Hoch, S.J.. (2001): Combining models with intuition to improve decisions. In: Hoch, J.S., Kunreuther, H.C. (Hrsg. mit R.E. Gunther): Wharton on decision making, New York: John Wiley & Sons, S. 81–101. Hoch, S.J., Kunreuther, H.C. (mit R.E. Gunther) (2004): Wharton on making decisions. Hoboken/New Jersey: John Wiley & Sons. Hoeffler, S. (2003): Measuring preferences for really new products. In: Journal of Marketing Research, Vol. 40 (4), S. 406–420. Hoenen, A.K., Kostova, T. (2015): Utilizing the broader agency perspective for studying headquarters subsidiary relations in multinational companies. In: Journal of International Business Studies, 46 (1): 104–113. Hofmann, B. (2011): Offshore-outsourcing-Strategien unter besonderer Berücksichtigung von Marktkontext und Kompetenzen. Hamburg: Dr. Kovac. Hofstede, G. (1980): Culture’s consequences: International differences in work-related values. Beverly Hills: Sage. Hofstede, G. (2001): Culture’s consequences: Comparing values, behaviors, institutions, and organizations across nations. 2. Aufl., Thousand Oaks, CA: Sage. Hofstede, G., Hofstede, J.G. (2011): Lokales Denken, globales Handeln: Interkulturelle Zu­ sammenarbeit und globales Management. 5. Aufl., München: C.H. Beck Holler, M.J., Illing, G. (2009): Einführung in die Spieltheorie. 7. verb. u. erw. Aufl., Heidel­ berg: Springer. Holtbrügge, D., Welge, M.K. (2015): Internationales Management: Theorien, Funktionen, Fallstudien. 6. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Holzmann, P. (2015): Geschäftsmodellinnovationen. In: Zeitschrift für KMU und Entre­ preneurship, Vol. 63 (2), S. 183–189. Homburg, C. (2014): Grundlagen des Marketing-Managements: Einführung in Strategie, Instrumente, Umsetzung und Unternehmensführung. 4. Aufl., Wiesbaden, SpringerGabler. Homburg, C. (2015): Marketingmanagement. Strategie – Instrumente – Umsetzung – Un­ ternehmensführung. 5. Aufl., Wiesbaden: Gabler. Hub, H. (2004): GAMMA als Methode und Werkzeug zur Bearbeitung komplexer Aufgaben­ stellungen. In: Fisch, R., Beck, D. (Hrsg.) Komplexitätsmanagement. Methoden zum Umgang mit komplexen Aufgabenstellungen in Wirtschaft, Regierung und Verwaltung. 1. Aufl., Wiesbaden: Springer, S. 171–184. Hymer, S.H. (1977): The international operations of national firms. 2. Aufl., Cambridge/ Mass., London. (= Veröffentlichung der 1960 abgeschlossenen Dissertation). Iansiti, M., R. Levien (2004): Strategy as ecology. In: Harvard Business Review, Vol. 82 (3), S. 68–78. IDW (Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland) (2011): Prüfungsstandard 980 Grund­ sätze ordnungsmäßiger Prüfung von Compliance Management Systemen. (= WPg Supplement 2/2011, S. 78 ff., FN-IDW 4/2011, S. 203 ff.). IHS Markit (Hrsg.) (2017): Global Insight Datenbank. London. IHS Markit (Hrsg.) (2018): Global Insight Datenbank. London. Jacob, N. (2003): Interkulturelles Management. London und Sterlin, VA: Kogan Page. Jacobides, M.G., MacDuffie, J.P. (2013): How to drive value your way. In: Harvard Business Review, Vol. 91 (7), S. 92–100. Jacobides, M.G., Cennamo, C., Gawer, A. (2018): Towards a theory of ecosystems. In: Strategic Management Journal, Vol. 39 (8), S. 2255-2267.

Literaturverzeichnis

431

Jacobs, H. (1990): Flexibilität und ihre Bedeutung für die Betriebspolitik. In: Adam, D., Backhaus, K., Meffert, H., Wagner, H. (Hrsg.): Integration und Flexibilität: Eine Her­ ausforderung für die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Wiesbaden: Gabler, S. 15–60. Jansen, J.J.P., Tempelaar, M.P., van den Bosch, F.A.J., Volberda, H.W. (2009): Structural differentiation and ambidexterity: The mediating role integration mechanisms. In: Organizational Science, Vol. 20 (4), S. 797–811. Jensen, M.C., Meckling, W.H. (1976): Theory of the firm: Managerial behavior, agency costs and ownership structure. In: Journal of Financial Economics, Vol. 3 (4), S. 305–360. Jensen, M.C., Meckling, W.H. (1992): Specific and general knowledge, and organizational structure. In: Werin, L, Wijkander, H. (Hrsg.): Contract economics. Oxford: Blackware, S. 251–274. Johanson, J., Vahlne, J.-E. (1977): The internationalization process of the firm: A model of knowledge development and increasing foreign market commitments. In: Journal of International Business Studies, Vol. 8 (1), S. 23–32. Johnson, M., Cristensen, C., Kargermann, H. (2008): Reinventing your business model. In: Harvard Business Review, Vol. 86 (12), S. 50–59. JP Morgan Cazenove (2018): Volkswagen Prefs.: Making VW great again. London. Jung, B. (2015): Die Entscheidung über die Unternehmensgrenze bei radikaler technologischer Veränderung: Das Beispiel der Automobilindustrie im Übergang in die Elektromolbität. Wiesbaden: Gabler. Kamargianni, M., Matyas, M. (2017): The business ecosystem of mobility as a service. 96th Transportation Research Board (TRB) Annual Meeting, Washington DC, 8–12 January 2017. Kane, G.C., Palmer, D., Phillips, A.N., Kiron, D., Buckley, N. (2016): Aligning the Organization for its digital future. Findings from the 2016 Digital Business Global Executive Study and Research Project (= MIT Sloan Management Review Research Report in collaboration with Deloitte University Press). MIT: Boston. Karmokolias, Y. (1990): Automotive industry trends and prospects for investment in devel­ oping countries. Washington D.C. (= International Finance Corporation). Kasper, W., Streit, M.E. (2005): Institutional economics: Social order and public policy. Cheltenham, Northampton/MA.: Eward Elgar. (= Reprinted, first published in 1999). Keller, S., Price, C. (2011): Beyond performance: How great organizations build ultimate competitive advantage. New York: Wiley. Kemper, F.-J., Kuls, W. (2000): Bevölkerungsgeographie. Eine Einführung. Stuttgart: Borntraeger. Kenter, M.E. (1985): Die Steuerung ausländischer Tochtergesellschaften. Instrumente und Effizienz. Frankfurt/M: Peter Lang. Keupp, M. M., Palmié, M., Gassmann, O. (2011): Achieving subsidiary integration in in­ ternational innovation by managerial ‘tool’. In: management international review, Vol. 51 (2), S. 213–239. Khanagha, S., Volberda, H., Oshri, I. (2014): Business model renewal and ambidexterity: Structural aliteration and strategy formulation process during transition to a cloud business model. In: R&D Management, Vol. 44 (3), S. 322–340. Kieser, A., Woywode (2006): Evolutionstheoretische Ansätze In: Kieser A., Ebers, M. (Hrsg.): Organisationstheorien. 6. neubearb. Aufl., Stuttgart: Kohlhammer, S. 309–352. Kindleberger, C.P. (1969): American business abroad. New Haven, London: Yale University Press.

432

Literaturverzeichnis

King, J.T. Jr., Tsevat, J., Lave, J.R., Roberts, M.S. (2005): Willingness to pay for a quality-ad­ justed life year: Implications for societal health care resource allocation. In: Medical Decision Making, Vol. 25 (6), S. 667–677. Kirchhoff, R. (2003): Ganzheitliches Komplexitätsmanagement. Grundlagen und Methodik des Umgangs mit Komplexität in Unternehmen. Wiesbaden: Gabler. Klein, B.H. (1977) Dynamic economics. Cambridge/Mass.: Cambridge University Press. Kleindorfer, P.R. (2001): Decision making in complex environments: New tools for a new age. In: Hoch, J.S., Kunreuther, H.C. (mit R.E. Gunther (Hrsg..): Wharton on decision making. New York: John Wiley & Sons, S. 115–129. Kluge, J., Proff, H.V. (2008): Macroeconomic implications: Accelerating growth. In: Abele, E., Meyer, T., Näher, T., Strube, G., Sykes, R. (Hrsg.): Global production: A handbook for strategy and implementation. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 372–379. Knickerbocker, F.T. (1973): Oligopolistic reaction and multinational enterprise. Bosten/ Mass.: Wiley. Knie, A., Canzler, W. (2010): Wir brauchen völlig neue Mobilitätskonzepte. Die Kritik an Elektroautos wirkt kleinteilig – es geht nicht nur um neue Antriebe oder die Optimie­ rung der Motoren. Eine Replik. In: Zeit online. (= https://www.zeit.de/auto/2010-09/ mobilitaet-elektroauto). Knips, W. (1970): Die Problematik wirtschaftspolitischer Zielkonflikte. Tübingen: West­ deutscher Verlag. Knobbe, F., Proff, H., Szybisty, G., Sommer, S. (2019): Transformationspfade in der Auto­ mobilindustrie im Zuge der Digitalisierung. In: Proff, H. (2019): Mobilität in Zeiten der Veränderung – Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft: Technische und betriebswirt­ schaftliche Herausforderungen. Wiesbaden: SpringerGabler. (= in Druckvorbereitung). Knyphausen-Aufseß, D. zu, Meinhardt, Y. (2002): Revisiting strategy: Ein Ansatz zur Sys­ tematisierung von Geschäftsmodellen. In: Bieger, T., Bickhoff, N., Caspers, R., Knyp­ hausen-Aufseß, D. zu, Reding, K. (Hrsg.): Zukünftige Geschäftsmodelle. Konzepte und Anwendung in der Netzwerkökonomie. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 63–89. Knyphausen-Aufseß, D. zu, Hettinga, E. van, Harren, H., Franke, T. (2011): Das Erlösmodell als Teilkomponente des Geschäftsmodells. In: Bieger, T., Knyphausen-Aufseß, D. zu, Krys, C. (Hrsg): Innovative Geschäftsmodelle. Konzeptionelle Grundlagen, Gestaltungsfelder und unternehmerische Praxis. Berlin, Heidelberg: Springer S. 163–184. Köhler, T.R., Wollschläger, D. (2014): Die digitale Transformation des Automobils: 5 MegaTrends verändern die Branche. Pattensen: Media-Manufaktur GmbH. Kogut, B., Zander, U. (1993): Knowledge of the firm and the evolutionary theory of the multi­ national corporation. In: Journal of International Business Studies, Vol. 24 (4), S. 625–645. Kolb, D.M., Faure, G.-O. (1994): Organization theory. The interface of structure, culture, procedures and negotiation processes. In: Zartman, I.W. (Hrsg.): International multilateral negotiaton: Approaches to the management of complexity. San Francisco: Jossey-Bass Publishers, S. 113–131. Konlechner, S.W., Güttel, W.H. (2009): Kontinuierlicher Wandel mit Ambidexterity. Vor­ handenes Wissen nutzen und gleichzeitig neues entwickeln. In: Zeitschrift Führung + Organisation, Vol. 78 (1), S. 45–53. Kröger, T. (2015): Ausblick: Automobilmarketing im digitalen Zeitalter. In: Dietz, W.: Automobilmarketing: Erfolgreiche Strategien, praxisorientierte Konzepte, effektive Instrumente, München: Vahlen, S. 462–466.

Literaturverzeichnis

433

Krugman, P., Venables, A.J. (1995): Globalization and the inequality of nations. In: The Quarterly Journal of Economics, Vol. 110, 857–880. Kutschker, M., Schmid, S. (2011): Internationales Management. 7. überarb. u. akt. Aufl., München: Oldenbourg. Lachman, M.E. (1985): Personal efficiency in middle age and old age: Differential and nor­ mative patterns of change. In: Elder, G.H. (Hrsg.): Life course dynamics: Trajectories and transitions, 1968–1980. Itaca: Cornell, S. 188–216. Laffont, J.-J., Tirole, J. (1991): Privatization and incentives. In: Journal of Law, Economics, and Organization. Vol. 7 (1), S. 84–105. Langley, A. (1999): Strategies of theorizing from process data. In: Academy of Management Review, Vol. 24 (4), S. 691–710. Lanning, M., Michaels, E. (1988): A business is a value delivery system. McKinsey Staff Paper, July. Laudien, S., Freiling, J. (2011): Overcoming liabilities of foreignness by modes of structural coordination: Regional headquarters and their role in TNCs. In: Advances in International Manage- Management, Vol. 24, S. 107–125. Laux, H., Gillenkirch, R.M., Schenk-Mathes, H.Y. (2012): Entscheidungstheorie, 8. erw. u. vollst. überarb. Aufl., Wiesbaden: SpringerGabler. Laux, H., Liermann, F. (1997): Grundlagen der Organisation. 4. vollst. überarb. Aufl., Berlin, Heidelberg: Springer. Lavie, D., Steiner, U. and Tushman, M.L. (2010): Exploration and exploitation within and across organizations. In: Academy of Management Annals, Vol. 4 (1), S. 109–155. Lawrence, P.R., Lorsch, J.W. (1967): Differentiation and integration in complex organizations. In: Administration Science Quarterly, Vol. 12 (1), S. 1–47. Lazard, Roland Berger (Hrsg.) (2017): Global automotive supplier study 2018: Transformation in light of automotive disruption. Legner, C., Eymann, T., Hess, T., Matt, C., Böhmann, T., Draws, P., Mädche, A., Urbach, N., Ahlermann, F. (2017): Digitalization: Opportunity and challenge for the business and information system engineering community. In: Business Information System Engineering, Vol. 59 (4), S. 301–308. Leiblein, M.J., Miller, D. (2003): An empirical examination of transaction- and firm-level influences on the vertical boundaries of the firm. In: Strategic Management Journal, Vol. 24 (9), S. 839–859. Leifer, R., Corarelli O’Conner, D., Rice, M. (2001): Implementing radical innovations in mature firms: The role of hubs. In: Academy of Management Executive, Vol. 15 (3), S. 102–113. Lemon, K.N., Verhoef, P.C. (2016): Understanding customer experience throughout the custo­ mer journey. In: Journal of Marketing, Vol. 80 (AMA/MSI Special Issue, Nov), S. 69–96. Lessard, D., Teece, D.J., Leih, S. (2016): The dynamic capabilities of meta-multinationals. In: Global Strategy Journal, Vol. 6 (3), S. 211–224 Levinthal, D., March, J. (1993): Myopia of learning. In: Strategic Management Journal, Vol. 14 (special issue winter), S. 95–112. Lewis, W.M. (2000) Exploring paradox: Towards a more comprehensive guide. In: Academy of Management Review, Vol. 25 (4), S. 760–777. Liesenkötter, B., Schewe, G. (2013): Der Sailing-Ship-Effect in der Automobilwirtschaft. In: Proff, H., Pascha, W., Schönharting, J., Schramm, D. (Hrsg.): Schritte in die künftige Mobilität: Technische und betriebswirtschaftliche Herausforderungen. Wiesbaden: SpringerGabler, S. 273–286.

434

Literaturverzeichnis

Liesenkötter, B., Schewe, G. (2014): E-Mobility. Zum Sailing-Ship-Effect in der Automobil­ industrie. Wiesbaden: SpringerGabler. Lindig, R. (2004): Vernetzt Denken und Handeln bei komplexen Aufgabenstellungen. In: Fisch, R., Beck, D. (Hrsg.): Komplexitätsmanagement. Methoden zum Umgang mit komplexen Aufgabenstellungen in Wirtschaft, Regierung und Verwaltung. 1. Aufl., Wiesbaden: Springer, S. 153–170. Linz, C., Müller-Stewens, G., Zimmermann, A. (2017): Radical business model transformation: Gaining the competitive edge in a disruptive world. London: Kogan Page Publishers. Luchs, K., Meckl, R. (2002): Internationale Merger und Acquisitions. Der prozessorientierte Ansatz. Berlin: SpringerGabler. Lusch, R., Nambisan, R. (2015): Service innovation: A service-dominant logic perspective. In: MIS Quarterly, Vol. 39 (1), S. 155‐175. Lynn, G.S., Akgün, A.E. (1998): Innovation strategies under uncertainty: A contingency approach for the product development. In: Engineering Management Journal, Vol. 10 (3), S. 11–17. Ma, X., Delios, A. (2010): Host country headquarters and an MNE’s subsequent within-coun­ try diversifications. In: Journal of International Business Studies, Vol. 41 (3), S. 517–525. Maanen, J. van (1979): The fact of fiction in organizational ethnography. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 24 (4), S. 539–550. Macharzina, K., Oesterle, J.-M. (2002): Das Konzept der Internationalisierung im Span­ nungsfeld zwischen praktischer Relevanz und theoretischer Unschärfe. In: Macharzina, K., Oesterle, J.- M. (Hrsg.): Handbuch Internationales Management. Grundlagen – In­ strumente – Perspektiven. 2. Aufl., Wiesbaden: Gabler. Macharzina, K., Wolf, J. (2018): Unternehmensführung: Das internationale Management­ wissen: Konzepte – Methoden – Praxis. 10 Aufl., Wiesbaden: SpringerGabler. Magretta, J. (2002): Why business models matter? In: Harvard Business Review, Vol. 80 (5), S. 86–92. Makino, S., Lau, C.-M., Yeh, R.-S. (2002): Asset-exploitation versus asset-seeking: Implications for location choice of foreign direct investment from newly industrialized countries. In: Journal of International Business Studies, 33 (3), S. 403–421. Malik, F. (2015): Navigieren in Zeiten des Umbruchs: Die Welt neu denken und gestalten. Frankfurt/ M.: Campus. Mantel, S.P., Tatikonda, M.V., Liao, Y. (2006): A behavioral study of supply manager decisionmaking: Factors influencing make versus buy evaluation. In: Journal of Operations Management, Vol. 24 (6), S. 822–838. March, J. G. (1991): Exploration and exploitation in organizational learning. In: Organization Science, Vol. 2 (1), S. 71–87. March, J.G., Olsen, J.P. (1976): Ambiguity and choice in organizations. Bergen: Universi­ tetsforlaget. Markides, C.C. (2015): Research on business models: Challenges and opportunities. In: Advances in Strategic Management, Vol. 33, S. 133–147. Markides, C.C., Charitou, C.D. (2004): Competing with dual business models: A contingency approach. In: Academy of Management Executive, Vol. 16 (3), S. 22–36. Markowitsch, H.J., Brand, M., Reinkemeier, M. (2005): Neuropsychologische Aspekte des Alterns. In: Filipp, S.-H., Staudinger, U.M. (Hrsg.): Enzyklopädie der Psychologie: Themenbereich C/V/6, Entwicklungspsychologie des mittleren und höheren Erwachse­ nenalters. Göttingen: Hogrefe: S. 79–122.

Literaturverzeichnis

435

Markowitz, H. (1952): Portfolio selection. In: Journal of Finance, Vol. 7 (1), S. 77–91. Martinez, J.I., Jarillo, J.C. (1989): The evolution of research on coordination mechanisms in multinational corporations. In: Journal of International Business Studies, Vol. 20 (3), S. 489–514. Martins, L.L., Rindova, V.P., Greenbaum, B.E. (2015): Unlocking the hidden value of con­ cepts: A cognitive approach to business model innovation. In: Strategic Entrepreneurship Journal, Vol. 9 (1), S. 99–117. Massa, L., Tucci, C.L. and Afuah, A. (2017): A critical assessment of business model research. In: Academy of Management Annals, Vol. 11(1), S. 73–104. Massenbach, von F. (2009): Automobile Erlebniswelten als Kommunikationsmittel: Eine verhaltswissenschaftliche Analyse anhand des Premiummarktes in Deutschland und Singapur. Wiesbaden: VS Verlag. McGrath, R.G. (1997): A real options logic for initiating technology positioning investments. In: Academy of Management Review, Vol. 22, No. 4, 974–996. McGrath, R.G. (2010): Business models: A discovery driven approach. In: Long Range Planning, Vol. 43 (2-3), S. 247–261. McGrath, R.G., MacMillan, I.C. (2009): Discovery-driven growth. Boston/Mass.: Harvard Business School Press. McGrath, R.G., MacMillan, I.C., Venkatraman, S. (1995): Defining and developing competence – A strategic process paradigm. In: Strategic Management Journal, Vol. 16 (4), S. 251–275. McKinsey&Company (Hrsg.) (2016): Automotive revolution – perspectives towards 2030. O. O. McLanahan, S.S., Sorensen, A.B. (1985): Life events and psychological well-being over the life course. In: Elder, G.H. (Hrsg.): Life course dynamics: Trajectories and transitions, 1968–1980. Itaca: Cornell, S. 217–238. Meckl, R. (2014): Internationales Management. 3. Aufl., München: Vahlen. Meffert, H., Bolz, J. (1998): Internationales Marketing-Management. Stuttgart: Kohlhammer. Meffert, H. Bruhn, M., Hadwich, K. (2015): Dienstleistungsmarketing: Grundlagen – Kon­ zepte – Methoden. 8. Aufl., Wiesbaden: SpringerGabler. Mehler, F. (1970): Ziel-Mittel-Konflikte als Problem der Wirtschaftspolitik. Ein Beitrag zur Theorie der Wirtschaftspolitik exemplifiziert an der praktischen Agrarpolitik. Berlin: Duncker und Humblot. Meier, A., Slembeck, T. (1994): Wirtschaftspolitik. Ein kognitiv-evolutionärer Ansatz. München: Oldenbourg. Mette, M. (1999): Strategisches Management im Konjunkturzyklus. Wiesbaden: Gabler. Meyer, K.E., Estrin, S. (2014): Local context and global strategy: Extending the integration responsiveness framework to subsidiary strategy. In: Global Strategy Journal, Vol. 4 (1), S. 1–19. Meyer, K.E., Su, Y.-S. (2015): Integration and responsiveness in subsidiaries in emerging economies. In: Journal of World Business, Vol. 50 (1), S. 149–158. Meyer, K.E., Mudambi, R., Narula, R. (2011): Multinational enterprises and local contexts: The opportunities and challenges of multiple embeddedness. In: Journal of Management Studies, Vol. 48 (2), S. 235–252. Meyer, R. (2000): Entscheidungstheorie. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. 2. Aufl., Wiesbaden: Gabler. Mezias, J.M., Starbuck, W.H. (2003): Studying the accuracy of managers’ perceptions: A research Odyssey. In: British Journal for Management, Vol. 14 (1), S. 3–17.

436

Literaturverzeichnis

Midler, C., Jullien, B., Lung, Y. (2017): Rethinking innovation and design for emerging markets: Inside the KWID Project. Boca Raton FL: CRC Press. Mikkola J.H. (2003): Modularity, component outsourcing, and inter-firm earning. In: R&D Management, Vol. 33 (4), S. 439–454. Miles, D. (1997): A household level study of the determinants of income and consumption. In: The Economic Journal, Vol. 107 (Jan.), S. 1–25. Miles, R.E., Snow, C.C. (1978): Organizational strategy, structure and process. New York: McGraw-Hill. Milgrom, P., Roberts, J. (1990): The economics of modern manufacturing: Technology, strategy and organization. In: The American Economic Review, Vol. 80 (3), 511–528. Milgrom, P., Roberts, J. (1992): Economics, organization and management. Englewood Cliffs, New Jersey: Prentice-Hall, 1992. Miliken, J.F. (1987): Three types of perceived uncertainty. About environment: State, effect, and response uncertainty. In: Academy of Management Review, Vol. 12 (1), S. 133–143. Miller, K.D., Tsang, E.W.K. (2010): Testing management theories: Critical realist philosophy and research methods. In: Strategic Management Journal, Vol. 32 (2), S. 139–158. Miozzo, M., Yamin, M. (2012): Institutional and sectoral determinants of headquarters-sub­ sidiary relationships: A study of UK service multinationals in China, Korea, Brazil and Argentina. In: Long Range Planning, Vol. 45 (1), S. 16–40. Mitchell, D., Coles, C. (2003): The ultimate competitive advantage of continuing business model innovation. In: Journal of Business Strategy, Vol. 24 (5), S. 15–22. Möller, K., Halinen, A. (2017): Managing business an innovation networks: From strategic nets to business fields and ecosystems. In: Industrial Marketing Management, Vol. 67, S. 5–27. Moore, J.F. (1993): Predators and prey: A new ecology of competition. In: Harvard Business Review, Vol. 71 (3), S. 75–86. Moore, J.F. (1996): The death of competition: Leadership and strategy in the age of business ecosystems. New York: HarperBusiness. MoPAct (2014): homepage Projekt MoPAct: Mobilising the potential of active ageing in Europe. (= http://mopact.group.shef.ac.uk.). Moreau, P.C., Markman, A.B., Lehmann, D.R. (2001): ‘Why is it?’ Categorization flexibility and consumers’ responses to really new products. Journal of Consumer Research, Vol. 27 (3), S. 489–498. Mudambi, R. (1999): MNE internal capital markets and subsidiary strategic independence. In: International Business Review, Vol. 8 (2), S. 197–211. Mudambi, R. (2002): Knowledge management in multinational firms. In: Journal of Inter­ national Management, Vol. 8 (1), S. 1–9. Mudambi, R. (2011): Hierarchy, coordination, and innovation in the multinational enterprise. In: Global Strategy Journal, Vol. 1 (3-4), S. 317–323. Mudambi, R., Navarra, P. (2004): Is knowledge power? Knowledge flows, subsidiary power, and rentseeking within the MNCs. In: Journal of International Business Studies, Vol. 35 (5), S. 385–406. Mudambi, R., Pedersen, T. (2007): Agency theory and resource dependency theory: Comple­ mentary explanations for subsidiary power in multinational corporations. Frederiksberg: Center for Strategic Management and Globalization, Copenhagen Business School, working paper SMG WP 5/2007. Mudambi, R., Pedersen, T., Andersson, U. (2014): How subsidiaries gain power in multina­ tional corporations. In: Journal of World Business, Vol. 49 (1), S. 101–113.

Literaturverzeichnis

437

Mueller, D.C. (1997): Public choice II. Cambridge: Cambridge University Press. Müller-Stewens, G., Brauer, M. (2009): Corporate Strategy & Governance: Wege zur nach­ haltigen Wertsteigerung im diversifizierten Unternehmen. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Myrdal, G. (1970): Politisches Manifest über die Armut in der Welt. Frankfurt/M.: Suhrkamp (= The challenge of world poverty). Nadler, D.A., Tushman, M.L. (1989): Organizational frame bending: Principles for managing reorientation. In: Academy of Management Executive, Vol. 3 (3), S. 194–204. Najafi-Tavani, Z., Giroud, A., Andersson, U. (2014): The interplay of networking activities and internal knowledge actions for subsidiary influence within MNCs. In: Journal of World Business, Vol. 49 (1), S. 101–131. Nell, P.C., Ambos, B. (2013): Parenting advantages in the MNC: An embeddedness per­ spective on the value added by headquarters. In: Strategic Management Journal, Vol. 34 (9), S. 1086-1103. Nell, P.C., Ambos, B., Schlegelmilch, B.B. (2011): The benefits of hierarchy? Exploring the effects of regional headquarters in multinational corporations. In: Asmussen, C.G., Peder­ sen, T., Devinney, T.M., Tihanyi, L. (Hrsg.): Dynamics of globlization: Location-specific advantages or liabilites of foreignness? Bingley: Emerald Group, S. 85–106. Noble, B. (Hrsg.) (2005): Why are some young people choosing not to drive? (= Henley-inArden, UK: Association for European Transport and contributors). Nohria, N., Ghoshal, S. (1994): Differentiated fit and shared values: Alternatives for mana­ ging headquarters-subsidiary relations. In: Strategic Management Journal, Vol. 15 (6), S. 491–503. Noppers, E.H., Keizer, K., Bockarjova, M., Steg, L. (2015): The adoption of sustainable inno­ vations: The role of instrumental, environmental, and symbolic attributes for earlier and later adopters. In: Journal of Environmental Psychology, Vol. 44 (12), S. 74–84. Noppers, E.H., Keizer, K., Bolderdijk, J.W.; Steg, L. (2014): The adoption of sustainable in­ novations: Driven by symbolic and environmental motives. In: Global Environmental Change, Vol. 25, S. 1–10. Nuhn, H.F.R., Martini, J.-P., Kostron, A. (2016): Hybride Strukturen in der Automobilindustrie – Studie zu agilen Praktiken in Forschungs- und Entwicklungsprozessen. In: Engstler, M., Fazal-Baqaie, M., Hanser, E. (Hrsg.): Projektmanagement und Vorgehensmodelle 2016. Bonn: Lecture Notes in Informatics (LNI), Gesellschaft für Informatik, S. 29–36. O’Donnell, S. (2000): Managing foreign subsidiaries: Agents of headquarters, or an inde­ pendent net work? In: Strategic Management Journal, Vol. 21 (5), S. 525–548. Ohmae, K. (1985): Macht der Triade. Die neue Form des weltweiten Wettbewerbs. Wiesba­ den: Gabler (= Triad Power). O’Leary, D.E. (2013): Big Datas, the internet of things and the internet of signs. In: Intelligent Systems in Accounting, Finance and Management, Vol. 20 (1), S. 53–65. Orlikowski, W. J., Iacono, C.S. (2001): Research commentary: Desperately seeking the „IT“ in IT Research – A call to theorizing the IT artifact. In: Information Systems Research, Vol. 12 (2), S. 121–134. Osterwalder, A. (2004): The business model ontology. A proposition in a design science approach. Lausanne: THESE présentée à l’Ecole des Hautes Etudes Commerciales de l’Université de Lausanne. Osterwalder, A., Pigneur, Y. (2002): An e-buiness model ontology for modeling e-business. Lausanne: Paper presented at the 15th Electronic Commerce Conference, Bled, Slovenia, June 17 -19, 2002.

438

Literaturverzeichnis

Otto, C. (2016): Ausprobieren, um gerüstet zu sein. In: Automobil Industrie, 10/2016, S. 28–35. Parmigiani, A. (2007): Why do firms both make and buy? An investigation of concurrent sourcing. In: Strategic Management Journal, Vol. 28 (3), S. 285–311. Penrose, E. (1959): The theory of the growth of the firm. Oxford: Oxford University Press. Pentland, B.T., Feldman, M.S., Becker, M.C., Liu, P. (2012): Dynamics of organizational rou­ tines: A generative model. In: Journal of Management Studies, Vol. 49 (8), S. 1484-1508. Perlmutter, H. (1969): The torturous evolution of the multinational corporation. In Columbia Journal of World Business, Jg. 4 (1), S. 9–18. Peteraf, M.A. (1993): The cornerstones of competitive advantage. A resource-based view. In: Strategic Management Journal, Vol. 14 (3), S. 179–191. Peteraf, M.A., Di Stefano, G., Verona, G. (2013) The elephant in the room of dynamic capabilities: Bringing two diverging conversations together. In: Strategic Management Journal, Vol. 34 (12), S. 1389-1410. Picot, A., Dietl, H., Franck, E., Fiedler, M., Royer, S. (2015): Organisation: Theorie und Praxis aus ökonomischer Sicht. 7. Aufl., Stuttgart: SchäfferPoeschel. Piekkari, R., Nell, P.C., Ghauri, P.N. (2010): Regional management as a system: A longitudinal case study. In: management international review, Vol. 50, S. 513–532. Plourde, Y., Parker, S.C., Schaan, J.-L. (2013): Expatriation and its effect on headquarters’ attention in the multinational enterprise. In: Strategic Management Journal, Vol. 35 (6), S. 938–947. Poletti, M.J., Engelland, B.T., Ling, H.G. (2011): An empirical study of declining lead times: Potential ramifications on the performance of early market entrants. In: Journal of Marketing Theory and Practice, Vol. 19 (1): 27–38. Porter, M.E. (1980): Competitive strategy. Techniques for analyzing industries and compe­ titors. New York: Free Press. Porter, M.E. (1985): Competitive advantage. Creating and sustaining superior performance. New York: Free Press. Porter, M.E. (1990): The Competitive Advantage of Nations. New York: Free Press. Porter, M.E. (1991): Towards a dynamic theory of strategy. In: Strategic Management Journal, Vol. 12 (special issue), S. 95–117. Porter, M.E. (1996a): What is strategy? In: Harvard Business Review, Vol. 74 (6), S. 61–78. Porter, M.E. (1996b): Wettbewerbsvorteile. Spitzenleistungen erreichen und behaupten. 4. Aufl., Frankfurt: campus. (= Competitive advantage, 1985). Porter, M.E. (2001): Strategy and the internet. In Harvard Business Review, 79 (3), S. 63–78. Porter, M.E., Heppelmann, J.E. (2014): How smart, connected products are transforming competition. In: Harvard Business Review, Vol. 92 (11), S. 64–88. Posen, H.E., Levinthal, D.A. (2012): Chasing a moving target: Exploitation and exploration in dynamic environments. In: Management Science, Vol. 58 (3), S. 587–601. Prahalad, C.K. (2012): Bottom of the pyramid as a source of breakthrough innovations. In: Journal of Product Innovation Management, Vol. 29 (1), S. 6–12. Prahalad, C.K., Battacharyya, H. (2008): Twenty hubs and no HQ. In: Strategy + Business. Vol. 50 (spring), S. 24–29. Prahalad, C.K., Bettis, R-A. (1986): The dominant logic. A new linkage between diversity and performance. In: Strategic Management Journal, Vol. 7 (6), S. 485–501. Prahalad, C.K., Lieberthal, K. (1998): The end of corporate imperialism. In: Harvard Business Review, Vol. 76 (4), S. 68–79.

Literaturverzeichnis

439

Prahalad, C.K., Ramaswamy, V. (2004): Co-creation experiences: The next practice in value creation. In: Journal of Interactive Marketing. Vol. 18 (3), S. 5–14. Prange, C. (2017): Agilität im Management: Den Handlungsspielraum erweitern. In: Zeitschrift für Organisation, Vol. 86 (3), S. 184–189. Proff, H. (2002a): Konsistente Gesamtunternehmensstrategien. Wiesbaden: Gabler. Proff, H. (2002b): Business unit strategies between regionalisation and globalisation. In: International Business Review, Vol. 11 (2), S. 231–250. Proff, H. (2004a): Internationales Management in Ostasien, Lateinamerika und Schwarzaf­ rika. München: Oldenbourg. Proff, H. (2004b): Negative multi-market spillover effects of foreign direct investments in response to investment incentives: The challenge for MNCs. In: management international review, Vol. 44 (4), S. 397–416. Proff, H. (2005a): A “model of resources refinement” for deriving competence-based competitive advantages and strategies. In: Sanchez, R., Heene, A. (Hrsg.): Resources, stakeholders, and renewal. München, S. 55–80. Proff, H. (2005b): Outline of a theory of competence development. In: Sanchez, R., Heene, A. (Hrsg.): Competence perspectives on managing internal processes. Oxford, S. 229–255. (= Advances in Applied Business Studies. Vol. 7). Proff, H. (2005c): Unterschiedliche Altersstrukturen in den Ländern der Erde als Herausfor­ derung für das Internationale Management. In: Jansen, S. A. J., Priddat, B. P., Stehr, N. (Hrsg.): Demographie. Bewegungen einer Gesellschaft im Ruhestand. Multidisziplinäre Perspektiven zur Demographieforschung. Wiesbaden, S. 207–226. Proff, H. (2006): Beitrag der Theorie der Kompetenzentwicklung zur Erklärung des kompe­ tenzgestützten Wettbewerbskampfs in der Automobilindustrie. In: Burmann, C., Freiling, J., Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen Kompetenz-Managements. Wiesbaden: Gabler, S. 67–95. Proff, H. (2007): Dynamische Strategien: Unterstützung der Erreichung der angestrebten Wettbewerbsvorteile im internationalen Wettbewerbsprozess. Wiesbaden: Gabler. Proff, H. (2011): What will happen to Brazilian automotive subsidiaries after their parent companies make the transition to electric mobility? In: International Journal of Auto­ motive Technology and Management, Vol. 11, S. 356–375. Proff, H. (Hrsg.) (2014): Radikale Innovationen in der Mobilität: Technische und betriebs­ wirtschaftliche Herausforderungen. Wiesbaden: SpringerGabler. Proff, H. (Hrsg.) (2015): Entscheidungen im Übergang in die Elektromobilität: Technische und betriebswirtschaftliche Aspekte. Wiesbaden: SpringerGabler. Proff, H. (2018): Heterogeneity of the steering of foreign subsidiaries in multinational automotive companies. In: International Journal of Automotive Technology and Man­ agement, Vol. 18 (1), S. 29–45. Proff, H., Fojcik, T.M. (2015a): Business model innovations in times of log-term discontin­ uous technological change. In: International Journal of Automotive Technology and Management, Vol. 15 (4), S. 418–442. Proff, H., Fojcik, T.M. (2015b): Information acceleration to improve strategic management decisions – The case of really new products. In: Management Decision, Vol 53 (7), S. 1560-1580. Proff, H., Fojcik, T.M. (Hrsg.) (2016): Nationale und internationale Trends in der Mobilität – Technische und betriebswirtschaftliche Aspekte. Wiesbaden: SpringerGabler.

440

Literaturverzeichnis

Proff, H., Fojcik, T.M. (Hrsg.) (2017): Innovative Produkte und Dienstleistungen in der Mobilität: Technische und betriebswirtschaftliche Aspekte. Wiesbaden: SpringerGabler. Proff, H., Fojcik, T.M. (Hrsg.) (2018a): Mobilität und digitale Transformation: Technische und betriebswirtschaftliche Herausforderungen. Wiesbaden: SpringerGabler. Proff, H., Fojcik, T.M. (2018b): Ansatzpunkte der Digitalisierung im Management. In: Proff, H., Fojcik, T.M. (Hrsg.): Mobilität und digitale Transformation: Technische und betriebswirtschaftliche Herausforderungen. Wiesbaden: SpringerGabler, S. 11–29. Proff, H., Haberle, K. (2010): Begrenzung von Ambidextrie durch konsistentes dynamisches Management. In: Stephan, M., Kerber, W. (Hrsg.): Jahrbuch Strategisches Kompe­ tenz-Management. Bd. 4: „Ambidextrie“: Der unternehmerische Drahtseilakt zwischen Ressourcenexploration und -exploitation. München und Mering: Haupt, S. 81–118. Proff, H., Kilian, D. (2013): Competitiveness of the EU automotive industry in electric vehicles. Duisburg, 19.12.2012. (= Final Report eines Projektes im Framework Contract ENTR/2009/ 030 (Lot 3) für die EU). Proff, H., Knobbe, F (2019): Strategies of activating dynamic capabilites under digitalization. (= In Vorbereitung für International Journal of Automotive Technology and Management). Proff, H., Proff, H.V. (1996): Bedeutung der zunehmenden Regionalisierung der Weltwirt­ schaft für die Wettbewerbsstrategien international tätiger Unternehmen. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Vol. 66 (4), S. 437–457. Proff, H., Proff, H.V. (1997): Möglichkeiten und Grenzen hybrider Strategien. Dargestellt am Beispiel der deutschen Automobilindustrie. In: Die Betriebswirtschaft, Vol. 57 (6), S. 797–809. Proff, H., Proff, H.V. (Hrsg.) (1998): Strategien für die Automobilindustrie – Ansatzpunkte im strategischen Management und in der Industriepolitik. Wiesbaden: Gabler. Proff, H., Proff, H.V. (2013): Dynamisches Automobilmanagement. Strategien für international tätige Automobilunternehmen im Übergang in die Elektromobilität. 2. Aufl., Wiesbaden. Proff, H., Proff, H.V. (2017): The importance of competence-based instruments for steering foreign manufacturing subsidiaries of multinational automotive companies in the new growth markets. In: International Journal of Automotive Technology and Management, Vol. 17 (3), S. 70–93. Proff, H., Schmidt, J.A. (2016): Ausgangssituation: Gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen erfordern auch neue Mobilitätskonzepte. Proff, H., Brand, M., Mehnert, K., Schmidt, J.A., Schramm, D. (Hrsg.): Elektrofahrzeuge für die Städte von morgen – Entwurf und Test im Designstudio NRW. Wiesbaden: SpringerGabler, S. 1–9. Proff, H., Szybisty, G. (2018): Herausforderungen für den Automobilhandel durch die Elek­ tromobilität. Wiesbaden: SpringerGabler. Proff, H., Schönharting, J., Schramm, D., Ziegler, J. (Hrsg.) (2012): Zukünftige Entwick­ lungen in der Mobilität. Betriebswirtschaftliche und technische Aspekte. Wiesbaden: SpringerGabler. Proff, H., Pascha, W., Schönharting, J., Schramm, D. (Hrsg.) (2013a): Schritte in die künftige Mobilität. Technische und betriebswirtschaftliche Aspekte. Wiesbaden: SpringerGabler. Proff, H., Jung, B., Sommer, K.C. (2013b): Veränderte Geschäftsmodelle in der Elektromo­ bilität. Abschlussbericht zum Ziel.2.NRW-Projekt. Duisburg. Proff, H., Proff, H.V., Fojcik, T.M., Sandau, J. (2014a): Management des Übergangs in die Elektromobilität. Radikales Umdenken bei tiefgreifenden technologischen Veränderun­ gen. Wiesbaden: SpringerGabler.

Literaturverzeichnis

441

Proff, H., Jung, B., Sommer, K.C., Fojcik, T.M. (2014b): Developing business models in times of long- term far-reaching technological change: A competence-based perspective. In: Freiling, J., Güttel, W., Konlechner, S. (Hrsg.): Journal of Competence-based Strategic Management, Vol. 7, S. 35–73. Proff, H., Fojcik, T.M., Kestner, K., Schleiffer, N., Schwarz S. (2016): Zielkunden eines Elek­ trofahrzeugs für die Stadt 2030. In: Proff, H., Brand, M., Mehnert, K., Schmidt, J.A., Schramm, D. (Hrsg.): Elektrofahrzeuge für die Städte von morgen – Entwurf und Test im Designstudio NRW. Wiesbaden: SpringerGabler, S. 94–105. Proff, H., Schleiffer, N., Fojcik, T.M., Kurowicki, L. (2017): Mobilitätsverhalten der Gene­ ration Y. In: Proff, H., Fojcik, T.M. (Hrsg.): Innovative Produkte und Dienstleistungen in der Mobilität: Technische und betriebswirtschaftliche Aspekte. Wiesbaden: Sprin­ gerGabler, S. 1–27. Proff, H.V. (2004): Neue Ansätze der Wirtschaftspolitik in offenen, dezentral strukturierten Volkswirtschaften. Berlin: Duncker & Humblot. Quah, D. (1996): Twin peaks: Growth and convergence in models of distribution dynamics. In: The Economic Journal, Vol. 106 (437), S. 1045-1055. Radjou, N., Prabhu, J.C., Ahuja, S. (2012): Jugaad innovation: Think frugal, be flexible, generate breakthrough growth. San Francisco: Jossey-Bass. Raffée, H. (1979): Marketing und Umwelt. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Raisch, S., Birkinshaw, J. (2008): Organizational ambidexterity: Antecedents, outcomes, and moderators. In: Journal of Management, Vol. 34 (3), S. 375–409. Raisch, S., Tushman, M.L. (2011): A dynamic perspective on ambidexterity: Structural dif­ ferentiation and boundary activities. Working Paper 11–111, Harvard Business School. Raisch, S., Tushman, M.L. (2016): Growing new corporate businesses: From initiation to graduation. In: Organizational Science, Vol. 27 (5), S. 1237-1257. Raisch, S., Birkinshaw, J., Probst, G., Tushman, M.L. (2009): Organizational ambidexterity: Balancing exploitation and exploration for sustained performance. In: Organisation Science, Vol. 20 (4), S. 685–695. Rall, W. (1986): Globalisierung von Industrien und ihre Konsequenzen für die Wirtschafts­ politik. In: Kuhn, H. (Hrsg.): Probleme der Stabilitätspolitik. Festgabe zum 60. Geburtstag von Norbert Klein, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 152–174. Rangan, S., Sengul, M. (2009): The influence of macro structure on the foreign market per­ formance of transnational firms: The value of IGO connections, export dependence, and immigration links. In: Administrative Science Quarterly, 54 (2), S. 229–267. Ranjan, K.R., Read, S. (2016): Value co-creation. Concept and measurement. In: Journal of the Academy of Marketing Sciences, Vol. 44 (3), S. 290–315. Reuer, J.J., Klijn, E., Liqukas, C.S. (2014): Board involvement in international joint ventures. In: Strategic Management Journal, Vol. 35 (11), S. 1626-1644. Riaz, S., Rowe, W.G., Beamish, P.W. (2014): Expatriate-deployment levels and subsidiary growth: A temporal analysis. In: Journal of World Business, Vol. 49 (1), S. 1–11. Rifkin, J. (2016): Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft: Das Internet der Dinge, kollaborati­ ves Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus. Frankfurt/M.: Campus (The zero marginal cost society, 2014). Riordan, M., Williamson, O. (1985): Asset specifity and economic organization. In: Inter­ national Journal of Industrial Organization, Vol. 3 (3), S. 365–378. Rogers, D.L. (2016): The digital transformation playbook. Rethink your business for the digital age. New York: Columbia University Press.

442

Literaturverzeichnis

Roland Berger (Hrsg.) (2015): Die digitale Transformation der Industrie: Was sie bedeutet. Wer gewinnt. Was jetzt zu tun ist. München. Roland Berger (2018): China speeds ahead. München. (= Automotive disruptive radar, Nr. 4). Ross, J.-M., Sharapov, D (2015): When the leader follows: Avoiding dethronement through imitation. In: Academy of Management Journal, Vol. 58 (3), S. 658–679. Rothaermel, F.T., Deeds, D.L. (2004): Exploration and exploitation alliances in biotechno­ logy: A system of new product development. In: Strategic Management Journal, Vol. 25 (3), S. 201–221. Rothaermel F.T., Hitt M.A., Jobe L.A. (2006): Balancing vertical integration and strategic outsourcing: Effects on product portfolio, product success, and firm performance. In: Strategic Management Journal, Vol. 27 (11), S. 1033-1056. Rotlauf, J. (1999): Interkulturelles Management. München, Wien: Oldenbourg. Rudinger, G. (2013): Ältere Verkehrsteilnehmer: Gefährdet oder gefährlich? Defizite, Kompensationsmechanismen und Präventionsmöglichkeiten. Präsentation 18.4. 2013, Wissenschaftszentrum Bonn. Rumelt, R.P. (1979): Evaluation of strategy: Theory and models. In: Schendel, D., Hofer, C. (Hrsg.): Strategic management: A new view of business policy and planning. Boston: Little, Brown & Company, S. 196–212. Rumelt, R.P. (1980): The evaluation of business strategy. In: Glueck, W. (Hrsg): Business policy and strategic management. New York: McGraw Hill, S. 359–367. Rumelt, R.P. (1984): Towards a strategic theory of the firm. In: Lamb (Hrsg.): Competitive strategic management. Englewood Cliffs/NJ.: Prentice-Hall: S. 556–570. Rungtusanatham, M., Wallin, C., Eckerd, S. (2011): The vignette in a scenario-based ­role-playing experiment. In: Journal of Supply Chain Management, Vol. 47 (3), S. 9–16. Ruud, A., Nordbakke, S. (2008): Decreasing driving licence rates among young people. Con­ sequences for local public transport. Proceedings of European Transport Conference, Strasbourg, France, 18–20 September 2005. Saebi, T., Lin, B.L., Foss, N.J. (2017): What drives business model adaptation? The impact of opportunities, threats and strategic orientation. In: Long Range Planning, Vol. 50 (5), S. 567–581. Sanchez, R. (1997): Managing articulated knowledge in competence-based competition. In: Sanchez, R., Heene, A. (Hrsg.): Strategic learning and knowledge management. Chichester: Wiley, S. 163–187. Sanchez, R. (2001): Building blocks for strategy theory: Resources, dynamic capabilities and competences. In: Volberda, H.W., Elfring, T. (Hrsg.): Rethinking strategy. London: Sage Publications: S. 143–157. Sanchez, R., Heene, A. (2004): A new strategic management: Organization, competence, and competition. New York und Chichester: Wiley. Sanchez, R., Mahoney, J. (1996): Modularity, flexibility, and knowledge management in product and organization design. In: Strategic Management Journal, Vol. 17 (special issue winter), S. 63–76. Sanchez, R., Heene, A., Thomas, H. (1996): Dynamics of competence-based competition: Theory and practice in the new strategic management. Oxford: Elsevier. Sandau, J. (2009): Methodische Unterstützung bei der Bewertung und Auswahl von Pro­ duktinnovationen unter hoher Marktunsicherheit. Norderstedt: Books on demand. Sargent, J., Matthews, L. (2006): The drivers of evolution/upgrading Mexico’s maquiladoras: How important is subsidiary initiative? In: Journal of World Business, Vol. 41 (3), S. 233–246.

Literaturverzeichnis

443

Sargut, G., McGrath, R.G. (2011): Learning to live with complexity. In: Harvard Business Review, Vol. 89 (9), S. 68–76. Satell, G. (2017): Agilität wird überschätzt. In: Harvard Business Manager, H. 1, S. 94–95. Sawhney, M., Wolcott, R.C., Arroniz I. (2006): The 12 different ways for companies to in­ novate. In: Sloan Management Review. Vol. 47 (3), S. 75–81. Scavarda, L.F., Reichhart, A., Hamacher, S., Holweg, M. (2010): Managing product variety in emerging markets. In: International Journal of Operations & Production Management, Vol. 30 (2), S. 205–224. Schad, J., Lewis, M.W. Raisch, S. and Smith, W.K. (2016): Paradox research in management science: Looking back to move forward. In: The Academy of Management Annals, Vol. 10 (1), S. 5–64. Schallmö, D. (2013): Geschäftsmodell-Innovation: Grundlagen, bestehende Ansätze, me­ thodisches Vorgehen und B2B Geschäftsmodelle. Wiesbaden: SpringerGabler. Scharmer, C.O. (1995): Strategische Führung im Kräftedreieck: Wachstum-Beschäfti­ gung-Ökologie. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Vol. 65 (6), S. 633–661. Schedler, K., Rüegg-Stürm, J. (2013): Multirationales Management: Der erfolgreiche Umgang mit widersprüchlichen Anforderungen an die Organisation. Bern: Haupt. Schein, E.H. (2010): Organizational culture and leadership: A dynamic view. 4. Aufl., San Francisco u. a.: Jossey-Bass. Schilling, L.F., Proff, H. (2016): DEAL Abschlussbricht Phase 1. Duisburg. Schilke, O. (2014): Second-order dynamic capabilites: How do they matter? In: Academy of Management Perspectives, Vol. 28 (4), S. 368–380. Schleiffer, N. (2019): Ausgestaltung des Nutzenversprechens innovativer Produkte der Auto­ mobilindustrie zur Verbesserung des wahrgenommenen Nutzens der Zielkunden weltweit: Eine empirische Untersuchung zum Übergang in die Elektromobilität in Deutschland und China. Wiesbaden: SpringerGabler (= in Druckvorbereitung). Schmidt, A. (2015a): Stets zu Diensten: Der Kampf um das Fahrzeugcockpit hat begonnen. Die Wertschöpfung verlagert sich vom Produkt zum Service. (= Sonderbeilage der Au­ tomobilwoche der Accenture GmbH, S. 4–5). Schmidt, A. (2015b): Überlegene Geschäftsmodelle. Wertgenese und Wertabschöpfung in turbulenten Umwelten. Wiesbaden: SpringerGabler. Schmidt, J.A., Helalli-Milani, S. (2016a): Nutzungs- und Nutzeransprüche. In: Proff, H., Brand, M., Mehnert, K., Schmidt, J.A. Schramm, D. (Hrsg.): Elektrofahrzeuge für die Städte von morgen: Interdisziplinärer Entwurf und Test im Designstudio NRW. Wies­ baden: SpringerGabler, S. 206–212. Schmidt, J.A., Helalli-Milani, S. (2016b): Projektionen für die Stadt. In: Proff, H., Brand, M., Mehnert, K., Schmidt, J.A. Schramm, D. (Hrsg.): Elektrofahrzeuge für die Städte von morgen: Interdisziplinärer Entwurf und Test im Designstudio NRW. Wiesbaden: SpringerGabler, S. 139–171. Schmidt, J.A., Jansen, H., Wehmeyer, H., Garde, J. (2013): Neue Mobilität für die Stadt der Zukunft. Institut für Stadtplanung und Städtebau, Essen. (= Interdisziplinäre Stadtfor­ schung: Stadt – Verkehr – Lebensstile // Ergebnisbericht). Schmidt, R.H., Terberger-Stoy, E. (1997): Grundzüge der Investitions- und Finanzierungs­ theorie. 4. aktual. Aufl., Wiesbaden: Gabler. (= Nachdruck 2003). Schmitt, B., Mangold, M. (2005): Customer experience management als zentrale Erfolgs­ größe der Markenführung. In: Esch, F. (Hrsg.): Moderne Markenführung: Grundlagen – innovative Ansätze – praktische Umsetzung. 4. Aufl., Wiesbaden: Gabler, S. 287–327.

444

Literaturverzeichnis

Schmitz, G. (2008): Der wahrgenommene Wert hybrider Produkte: Konzeptionelle Grund­ lagen und Komponenten. In: Bichler, M., Hess, T., Krcmar, H., Lechner, U., Matthes, F., Picot, A.; Speitkamp, B., Wolf, P. (Hrsg.): Multikonferenz Wirtschaftsinformatik 2008. Berlin, S. 665–683. Schmitz, G. (2014): Der kundenseitig wahrgenommene Beziehungswert: Eine empirische Analyse im Kontext von Privatkundenlösungen, In: Bruhn, M., Hadwich, K. (Hrsg.): Service Value als Werttreiber, Wiesbaden: Springer, S. 137–160. Schmitz, G., Hendricks, J. (2018): Effektive interaktive Wertschöpfung bei Elektromobi­ litätslösungen des Automobilhandels. In: Proff, H., Borchert, M., Schmitz, G. (Hrsg.): Dienstleistungsinnovationen & Elektromobilität: Der Automobilhandel als ganzheitlicher Lösungsanbieter. Wiesbaden, SpringerGabler, S. 81–135. Schmitz, G., Lerch, J. (2017): Der kundenseitig wahrgenommene Wert von Elektromo­ bilitätslösungen des Automobilhandels: Konzeptionelle Grundlagen und explorative Befunde. In Proff, H., Fojcik, T.M. (Hrsg): Innovative Produkte und Dienstleistungen in der Mobilität. Technische und betriebswirtschaftliche Aspekte, Wiesbaden: Springer Gabler, S. 499–519. Schneckenberg, D., Spieth, P. (2016): Theorising business model innovation: Mapping research dimensions and positions in an integrative framework. Paris: Paper auf der EURAM 2016 Conference. Schoenenberg, K.-P. (Hrsg.) (2014a): Komplexitätsmanagement in Unternehmen: Her­ ausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern. Wiesbaden: SpringerGabler. Schoenenberg, K.-P. (2014b): Komplexität – Einführung in die Komplexitätsforschung und Herausforderungen für die Praxis. In: Schoenenberg, K.-P. (Hrsg.): Komplexitätsma­ nagement in Unternehmen. Wiesbaden: SpringerGabler, S. 13–27. Schoppe, S.G., Graf Wass von Czege, A., Münchow, M.-M., Zimmer, K. (1995): Moderne Theorie der Unternehmung. München: Oldenbourg. Schrader, S., Riggs, W.M., Smith, R.P. (1993): Choice over uncertainty and ambiguity in technical problem solving. In: Journal of Engineering and Technology Management, Vol. 10 (1), S. 73–99. Schreyögg, G. (1984): Unternehmensstrategie: Grundfragen einer Theorie der strategischen Unternehmensführung. Berlin: De Gruyter. Schreyögg, G. (2008): Organization: Grundlagen moderner Organisationsgestaltung. 5. Aufl., Wiesbaden: Gabler. Schumpeter, J.A. (1912): Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine Untersuchung über Unter-nehmensgewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus. Leipzig. (= Nachdruck der 1. Auflage von 1912 2006. Hrsg. u. erg. um eine Einführung von J. Röpke und O. Stiller. Berlin). Schwarz, S. (2016): Konsistente Maßnahmen zur Bewältigung extern verursachter Unter­ nehmenskrisen. Das Beispiel kleiner und mittlerer deutscher Zulieferer der Automo­ bilindustrie in der Absatzkrise 2008/2009. Hamburg: Dr. Kovač. Schweitzer, M. (2000): Zur Planung kostenminimaler Durchlaufzeiten. In Zeitschaft für Betriebswirtschaft, 70. Jg., S. 187–209. Scott, J.T. (1982): Multimarket contact and economic performance. In: Review of Economics and Statistics. Vol. 64 (3), S. 368–375.

Literaturverzeichnis

445

Sedran, T., Gissler, A. (2015): Wie die Autoindustrie die Chancen der Digitalisierung richtig nutzt: Wertschöpfungspotenzial in Milliardenhöhe wird die Branche verändern. (= Sonderbeilage der Automobilwoche der Accenture GmbH, S. 1 + 3). Seelos, C., Mair, J. (2007): Profitable business models and market creation in the context of deep poverty: A strategic view. In: Academy of Management Perspectives, Vol. 21 (4), S. 49–63. Segler, K. (1986): Basisstrategien im internationalen Marketing. Frankfurt/M.: Campus. Seidl, R. (2017): Agilität im Führungshandeln. Leadership agility: Vom Trendbegriff zum wirksamen Tun. In: Hollmann, J., Daniels, K. (Hrsg.): Anders wirtschaften: Integrale Impulse für eine plurale Ökonomie. 2. Aufl., Wiesbaden: SpringerGabler, S. 35–57. Shell Deutschland Oil GmbH (2014): Shell Pkw-Szenarien bis 2040. Fakten, Trends und Per­ spektiven für die Auto-Mobilität. Hamburg. (= in Zusammenarbeit mit der Prognos AG). Sheth, J.N., Newman, B.I., Gross, B.L. (1991): Consumption values and market choices. Theory and applications. Cincinnati: South Western. Simon, H. (2004): Strategien absoluter Spitzenreiter. In: Unternehmermagazin, Vol. 52, S. 16–17. Simon, H., Fassnacht, M. (2016): Preismanagement: Strategie – Analyse – Entscheidung – Umsetzung. 4. vollst. neu bearb. und erw. Aufl., Wiesbaden: SpringerGabler. Simon, S., Dervisopoulos, M., Jacob, F., Näher, U. (2008): Implementation: Ramping up facilities for top performance. In: Abele, E., Meyer, T., Näher, U., Strube, G., Sykes, R. (Hrsg.): Gobal production: A handbook for strategy and implementation. Wiesbaden, Springer: S. 236–269. Simsek, Z., Heavey, C., Veiga, J.F. (2009): A typology for aligning organizational ambi­ dexterity’s conceptualizations, antecedents and outcomes. In: Journal of Management Studies, Vol. 46 (5), S. 864–894. Sivak, M., Schoettle, B. (2012): Recent changes in the age composition of drivers in 15 coun­ tries. In: Traffic Injury Prevention, Vol. 13(2), S. 126–132. Skảlén, P., Gummers, J., Koskull, C., Magnusson, P.R. (2015): Exploring value propositions and service innovation: A service-dominant logic study. In: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 43 (2), S. 137–158. Smith, A. (1993): Strategic investment, multinational corporations and trade policy. In: Robson, P. (Hrsg.): Transnational corporations and regional economic integration. London. New York (= United Nations, United Nations Library on Transnational Corporations, Vol. 9). Smith, W.K., Binns, A., Tushman, M.L. (2010): Complex business models: Managing strategic paradoxes simultaneously. In: Long Range Planning, Vol. 43 (2-3), S. 383–407. Smith, W.K., Lewis, M.W. (2011): Towards a theory of paradox: A dynamic equilibrium model of organizing. In: Academy of Management Review, Vol. 36 (2), S. 381–403. Söndgerath, M. (2018): Strategien mittelständischer deutscher Automobilzulieferer im Konzentratrationsprozess der Automobilindustrie. Hamburg: Dr. Kovač. Sommer, K. (2016): Länderspezifische Unterschiede bei der Veränderung von Geschäftsmo­ dellen bei tiefgreifender technologischer Veränderung: Eine Untersuchung am Beispiel der deutschen und der US-amerikanischen Automobilindustrie im Übergang zur Elektromobilität. Hamburg: Dr. Kovač. Spector, B.I. (1994): Decision theory: Diagnosing strategic alternatives and outcome tradeoffs. In: Zartman, I.W. (Hrsg.): International multilateral negotiation: Approaches tot he management of complexity. San Francisco: Jossey-Bass, S. 73–94. Spender, J.-C. (1993): Some frontier activities around strategy theorizing. In: Journal of Management Studies, Vol. 30 (1), S. 11–30.

446

Literaturverzeichnis

Stacey, R. D. (1996): Strategic Management and organizational dynamics. 2. Aufl., London: Pitman. Stähler, P. (2002): Geschäftsmodelle in der digitalen Ökonomie. 2. Aufl., Köln: Josef EUL. Statista GmbH (2015): Grad der Urbanisierung (Anteil der städtischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung nach Kontinenten im Jahr 2014). Hamburg: Foliensatz zur Demographie. Statista GmbH (2018a): verschiedene Länderberichte Brasilien, China, Deutschland, Indi­ en, Japan, Russland, Südkorea, USA. (= www.statista.com, Netzzugriff am 21.11.2018). Statista GmbH (2018b): Anteil der in Städten lebenden Bevölkerung weltweit im Zeitraum von 1950 bis 2050. Hamburg: Foliensatz zu Geographie & Infrastruktur. Statista GmbH (2018c): Pkw-Dichte, Kfz-Märkte. (www.statista.com, Netzzugriff am 24.10.2018). Statistisches Bundesamt (2006): Bevölkerung Deutschlands bis 2050 – 11. koordinierte Bevölkerungs-Vorausberechnung. Wiesbaden. Statistisches Bundesamt (2008a): Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen. Wiesbaden. Statistisches Bundesamt (2008b): Hinweise zur Benutzung der Klassifikation der Wirt­ schaftszweige, Ausgabe 2008. Wiesbaden. Steidl, B. (1999): Synergiemanagement im Konzern: Organisatorische Grundlagen und Gestaltungsoptionen. Wiesbaden: Gabler. Stein, J.C. (1997): Internal capital markets and the competition for corporate resources. In: Journal of Finance, Vol. 52 (2), S. 111–133. Stief, S.E., Eidhoff, A.T., Voeth, M. (2016): Transform to succeed: An empirical analysis of digital transformation of firms. In: International Journal of Economics and Management Engineering, Vol. 10 (6), S. 1833–1842. Stobbe, A. (1984): Volkswirtschaftslehre. 1. Volkswirtschaftliches Rechnungswesen. Berlin u. a.: Springer. Sweeney, J.C., Soutar, G.N. (2001): Consumer perceived value: The development of a multiple item scale. In: Journal of Retailing, Vol. 77 (2): S. 203–220. Taggart, J.H. (1997): An evaluation of the integration-responsiveness framework: MNC manufacturing subsidiary in the UK. In: management international review, Vol. 37 (4), S. 295–318. Tallman, S.B., Chacar, A. (2011): Communities, alliances, networks and knowledge in mul­ tinational firms: A micro-analytic framework. In: Journal of International Management, Vol. 17 (3), S. 201–210. Talluri, K., Ryzin van, G. (2004): Revenue management under a general discrete choice model of consumer behavior. In: Management Science, Vol. 50 (1), S. 15–33. Taras, V., Steel, P., Kirkman, B. (2012): Improving national cultural indices using a meta-ana­ lysis of Hofstede’s dimensions. In: Journal of World Business, Vol. 47 (3), S. 329–341. Tasoluk, B., Yaprak, A., Cantalone, R.J. (2006): Conflict and collaboration in headquar­ ters-subsidiary relationships: An agency theory perspective on product rollouts in an emerging market. In: International Journal of Conflict Management, Vol. 17 (4), S. 332–351. Taylor, A., Helfat, C.E. (2009): Organizational linkages for surviving technological chan­ ge: Complementary assets, middle management, and ambidexterity. In: Organization Science, Vol. 20 (4), S. 718–739. Teece, D.J. (1980): Economies of scope and the scope of the enterprise. In: Journal of Eco­ nomic Behavior & Organization, Vol. 1 (3), S. 223–247.

Literaturverzeichnis

447

Teece, D.J. (1982): Towards an economic theory of the multiproduct firm. In: Journal of Economic Behavior & Organization, Vol. 3 (1), S. 39–63. Teece, D.J. (2007): Explicating dynamic capabilities: The nature and microfoundations of (sustainable) enterprise performance. In: Strategic Management Journal, Vol. 28 (13), S. 1319-1350. Teece, D.J. (2010): Business models, business strategy and innovation. In: Long Range Planning, Vol. 43 (2/3), S. 172–194. Teece, D. J. (2012): Dynamic capabilities: Routines versus entrepreneurial action. In: Journal of Management Studies, Vol. 49 (8), S. 1395–1401. Teece, D.J. (2014a): The foundation of enterprise performance. Dynamic and ordinary capa­ bilities in an (economic) theory of the firm. In: Academy of Management Perspectives, Vol. 28 (4), S. 328–352. Teece, D.J. (2014b): A dynamic capability-based entrepreneurial theory of the multinational enterprise. In: Journal of International Business Studies, Vol. 45 (1), S. 8–37. Teece, D.J. (2018a): Business models and dynamic capabilites. In: Long Range Planning, Vol. 51 (1), S. 40–49. Teece, D.J. (2018b): Dynamic capabilities as (workable) management system theory. In: Journal of Management & Organization, Vol. 24 (3), S. 359–368. Teece, D.J., Pisano, G., Shuen, A. (1997): Dynamic capabilities and strategic management. In: Strategic Management Journal, Vol. 18 (7): 509–533. Teece, D.J., Peteraf, M., Leih, S. (2016): Dynamic capabilities and organizational agility: Risk, uncertainty, and strategy in the innovation economy. In: California Management Review, Vol. 58 (4), S. 13–35. The Boston Consulting Group (Hrsg.) (2006): The new global challenge. How 100 top companies from rapidly developing economies are changing the world. Boston: BCG. The World Bank (Hrsg.) (2004): International comparison program. Washington D.C. The World Bank Group (2017): World development report 2017. Governance and the law. Washington DC. The World Bank Data Group (Hrsg.) (2018): New country classifications by income level: 2018–2019. (= https://blogs.worldbank.org/opendata/new-country-classifications-inco­ me-level-2018-2010, abgerufen am 28.10.2018). Thompson, D.J. (1967): Organizations in action: Social science bases of administrative theory. New York u. a.: McGraw Hill. Thompson, L.L. (Hrsg.) (2006): Negotiation theory and research. New York: Tayler, Francis. Thonemann, U. (2015): Operations Management – Konzepte, Methode, Anwendungen. 3. Aufl., München: Pearson. Timmons, H. (2015): CRIBS. The BRICs era is over, even at Goldman Sachs. In: Financial Times vom 9.11.2015. (= https://qz.com/544410/the-brics-era-is-over-even-at-goldman-sachs). Tripsas, M., Gavetti, G. (2000): Capabilities, cognition, and inertia: Evidence from digital imaging. In: Strategic Management Journal, 21 (10/11), S. 1147-1161. Trompenaars, F. (1996): Riding the waves of culture: Understanding cultural diversity in business. London: Nicholas Brealey. Tuli, K.R., Kohli, A.K., Bharadwaj, S.G. (2007): Rethinking customer solutions: From product bundles to relational processes. In: Journal of Marketing, Vol. 71 (3), S. 1–17. Tushman, M.L., O’Reilly, C.A. (1996): Ambidextrous organizations: Managing evolutionary and revolutionary change. In: California Management Review, Vol. 38 (4), S. 8–30.

448

Literaturverzeichnis

Tushman, M.L., O’Reilly, C.A. (2004): The ambidextrous organization. In: Harvard Business Review, Vol. 82 (4), S. 74–81. Tushman, M.L., Romanelli, E. (1985): Organizational evolution: A metamorphosis model of convergence and reorientation. In: Cummings, L.L., Star, B.M. (Hrsg.): Research in Organizational Behaviour, Vol. 7, S. 171–222. Tushman, M.L., Smith, W., Woody, R.C., Westerman, G. and O’Reilly, C.A. (2010): Orga­ nizational designs and innovation streams. In: Industrial and Corporate Change, Vol. 19 (5), S. 1331-1366. Ulrich, K. (1995): The role of product architecture in the manufacturing firm. In: Research Policy, Vol. 24 (3), S. 419–440. UNDP (2016): Overview: Human development report 2016: Human development for ever­ yone. New York. Urban, G.L., Weinberg, B., Hauser, J.R. (1996): Premarket forecasting of really new products. In: Journal of Marketing, Vol. 60 (1), S. 47–60. Utterback, J.M., Abernathy, W.J. (1975): A dynamic model of process and product innovation. In: Omega, Vol. 3 (6), S. 639–656. Uzzi, B. (1996): The sources and consequences of embeddedness for economic performance of organizations: The network effect. In: American Sociological Review, Vol. 61 (4), S. 674–698. Valentine-Urbschat, M., Bernhart, W. (2009): Powertrain 2020: The future drives electric. Roland Berger Strategy Consultants. Vargo, S.L. (2018): Marketing relevance through market theory. In: Brazilian Journal of Marketing, Vol. 17 (5), S. 730–746. Vargo S.L., Lusch, R.F. (2004): Evolving for a new dominant logic for markting. In: Journal of Marketing, Vol. 68 (1), S. 1–17. Varian, H.R. (2014): Grundzüge der Mikroökonomik. 8. überarb. u. verb. Aufl., München: Oldenbourg. Verbeke, A.C., Kenworthy, T.P. (2008): Multidivisional vs metanational governance of the multinational enterprise. In: Journal of International Business Studies, Vol. 39 (9), S. 940–956. Vernon, R. (1966): International investment and international trade in product cycle. In: Quarterly Journal of Economics, Vol. 80, S. 190–207. Veryzer, R.W. jr. (1998): Key factors affecting customer evaluation or discontinuous new products. In: Journal of Product Innovation Management, Vol. 15 (2), S. 136–150. Volberda, H.W. (1996): Toward the flexible form: How to remain vital in hypercompetitive environments. In: Organization Science, Vol. 7 (4), S. 359–374. Volberda, H.W., Baden-Fuller, C. (1998): Strategic renewal and competence building. Four dynamic mechanisms. In: Hamel, G., Prahalad, C.K., O’Neil, D. (Hrsg.): Strategic flexi­ bility. Managing in a turbulent world. Chichester: Wiley, 371–389. Volberda, H. W., Baden-Fuller, C., van den Bosch, F.A.J. (2001): Mastering strategic renew­ al: Mobilizing renewal journeys in multiunit firms. In: Long Range Planning, Vol. 34, S. 159–178. Wagner, N., Kaiser, M. (1995): Ökonomie der Entwicklungsländer: Eine Einführung, 3. Aufl., Stuttgart, Jena: Fischer UTB. Wall, S., Minocha, S., Rees, B. (2010): International business, 3. Aufl., Harlow u. a.: Prentice Hall. Weddeling, B., Jahn, T., Hua,. S. (2019): Im Herzen Teslas. In: Handelsblatt Nr. 8 vom 11.13. 1. 2019, S. 44–50.

Literaturverzeichnis

449

Weigelt, K., MacMillan, I. C. (1988): An interactive strategic analysis framework. In: Strategic Management Journal, Vol. 9 (special issue), S. 27–40. Welge, M.K. (1989): Koordinations- und Steuerungsinstrumente. In: Macharzina, K., Welge, M.K. (Hrsg.): Handwörterbuch Export und internationale Unternehmung, Stuttgart: Schäffer-Poeschel, Sp. 1182–1191. Welge, M.K. (Hrsg.) (1990): Globales Management. Erfolgreiche Strategien für den Welt­ markt. Stuttgart: C.E. Poeschel. Welge, M.K., Al-Laham, A., Eulerich, M. (2017): Strategisches Management. Grundlagen – Prozess – Implementierung.7. Aufl., Berlin, Heidelberg: SpringerGabler. Wernerfelt, B. (1984): The resource-based view of the firm. In: Strategic Management Journal, Vol. 5 (2), S. 795–815. Wild, A. (2014): Zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Fahrerassistenzsysteme für ältere Autofahrer. In: Zeitschrift für die gesamte Wertschöpfungskette Automobil, Vol. 17 (1), S. 58–63. Wildemann, H. (2002): Anlagenproduktivität – Leitfaden zur Steigerung der Anlageneffizienz und Verlustminimierung, 9. Aufl., München: TCW Transfer-Centrum GmbH & Co. KG. Wilkens, A. (2017): Ende des Verbrennungsmotors: EU-Kommissarin sieht Revolution der Automobilindustrie. In: heise online news vom 21.11. 2017. Williamson, O. E. (1975): Markets and hierarchies. New York: Free Press. Winter, S.G. (1987): Knowledge and competence as strategic assets. In: Teece, D.J. (Hrsg.): The competitive challenge. Strategies for industrial innovation and renewal. Cambridge Mass.: Harper & Row, S. 159–184. Winter, S.G. (2003): Understanding dynamic capabilities. In: Strategic Management Journal, Vol. 24 (10): 991–995. Winter, S.Y., Szulanski, G. (2001): Replication as strategy. In: Organization Science, Vol. 12 (6), S. 730–743. Wirtz, B.W., Pistoia, A., Ullrich, S. and Göttel, V. (2016): Business models: Origin, develop­ ment and future research perspectives. In: Long Range Planning, Vol. 49 (1), S. 36–54. Wit de, B., Meyer, R. (2010): Strategy: process, content, context. An international perspective. 4. Aufl., Hamshire: Engage Learning EMEA. Wittmann, W. (1959): Unternehmung und unvollkommene Information. Unternehmerische Voraussicht – Ungewissheit und Planung. Köln/Opladen: Westdteutscher Verlag. Wu, L; Li, C; Qian, H; Zhang, Z. X. (2013): Understanding the consumption behaviors on electric vehicle in China – A stated preference analysis. (= Nota di Lavoro 79.2013, Milan, Italy: Fondazione Eni Enrico Mattei). Wüpping, J. (2013) Warum einfach? Es geht auch kompliziert! – Der kontrollierte Umgang mit Komplexität. In: Gleich, R. (Hrsg.): Komplexitätscontrolling. Komplexität verstehen, reduzieren und beherrschen. München: Haufe-Lexware, S. 129–146. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, cscp (2007): Dematerialisierung und Ressourceneffizienz in Japan – Profilpapier. Wuppertal (= Im Auftrag des Umweltbundes­ amtes, Förderkennzeichen 206 93 100/06 Geschäftszeichen Z6 – 30 741–1/6 Arbeitspaket). Yamin, M., Andersson, U. (2011): Subsidiary importance in the MNC: What role does internal embeddedness play? In: International Business Review, Vol. 20 (2), S. 151–162. Yoo, Y., Boland, R.J., Lyytinen, Jr. K., Majchrzak (2012): Organizing for innovation in the digitized world. In: Organizational Science, Vol. 23 (5), S. 1398-1408. Young, S., Tavares, A.T. (2004): Centralization and autonomy: Back to the future. In: Inter­ national Business Review, Vol. 13 (2), S. 215–237.

450

Literaturverzeichnis

Yu, T.Y., Subramaniam, M., Cannella, A.A. (2009): Rivalery deterrence in international markets: Contingencies governing the mutual forbearance hypothesis. In: Academy of Management Journal, Vol. 52 (1), S. 127–147. Zahra, S.A., Sapienza, H.J., Davidsson, P. (2006): Entrepreneurship and dynamic capabi­ lities: A review, model and research agenda. In: Journal of Management Studies, Vol. 43 (4), S. 917–955. Zartman, I.W. (1994a): Preface. In: Zartman, I.W. (Hrsg.): International multilateral negotia­ tion: Approaches to the management of complexity. San Francisco: Jossey-Bass, S. xi–xii. Zartman, I.W. (1994b): Introduction: Two’s company and more’s a crowd: The complexity of multilateral negotiation. In: Zartman, I.W. (Hrsg.): International multilateral negotiati­ on: Approaches to the management of complexity. San Francisco: Jossey-Bass, S. 1–10. Zartman, I.W. (1994c): The elephant and the holograph: Towards a theoretical synthesis and a paradigm. In: Zartman, I.W. (Hrsg.): International multilateral negotiation: Approaches to the management of complexity. San Francisco: Jossey-Bass, S. 213–222. Zollo, M., Winter, S.G. (2002): Deliberate learning and the evolution of dynamic capabilities. In: Organization Science, Vol. 13 (3), S. 339–351. Zott, C., Amit, R., Massa, L. (2011): The business model: Recent developments and future research. In: Journal of Management, Vol. 37 (4), S. 1019-1042.

Die Autorin Prof. Dr. Heike Proff

Studium der BWL in Frankfurt und Mannheim, Pro­ motion in Frankfurt, Habilitation in Mannheim, For­ schungsaufenthalte in Japan, Ghana, Südkorea, den USA und Brasilien. 2004 bis 2009 Zeppelin­Lehrstuhl für Internationales Management an der Zeppelin Uni­ versität in Friedrichshafen, seit 2009 Lehrstuhl für ABWL & Internationales Automobilmanagement an der Universität Duisburg­Essen. Koordinatorin des Masterstudiengangs „Automotive Engineering & Management“, Mit­Initiatorin des Exe­ cutive­Master „Automotive Engineering & Management Executive“, Organisatorin des jährlich stattfindenden „Wissenschaftsforums Mobilität“ und Mitglied im Herausgeberbeirat u. a. des „International Journal of Automotive Technology and Management“ (IJATM). Forschungsschwerpunkte sind Strategisches und Internationales Management, insbesondere in der Automobilindustrie, empirische Untersuchungen vor allem zur Automobilindustrie, Mitglied im „Program on Vehicle and Mobility Innovations“ (PVMI, früher IMVP) und „The International Network of the Automobile“ (Gerpisa) sowie Leiterin des „Centers für Automobil­Management“ (CAMA) in Duisburg.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Proff, Multinationale Automobilunternehmen in Zeiten des Umbruchs, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26759-9

451