MOVE: Architektur in Bewegung - Dynamische Komponenten und Bauteile 9783034608565, 9783764399856

Movement in architecture Dynamic components and adaptive elements are becoming increasingly important in contemporary

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MOVE: Architektur in Bewegung - Dynamische Komponenten und Bauteile
 9783034608565, 9783764399856

Table of contents :
Vorwort
Einleitung: Die Poesie der Bewegung in der Architektur Michael Schumacher
A Theorie und Planung
1 Konzepte von Bewegung am Objekt und im Raum
1.1 Erkunden - Entwerfen - Vertanzen
1.2 Die Dynamik der Natur
1.3 Bewegung in Fotografie und Film
1.4 Über das Verhältnis von Roboter und Raum
A Theorie und Planung
2 Grundlagen von Bewegung und Konstruktion
2.1 Grundlagen der Gestaltung von Bewegung
2.2 Grundlagen aus der Mechanik
2.3 Systemgröße und -komplexität
2.4 Typologie der Bewegung
2.5 Aspekte zur Materialwahl
2.6 Hochfeste und flexible Werkstoffe
2.7 Bewegliche Tragwerke
2.8 Bewegliche Verbindungen
2.9 Aktoren
2.10 Messen, steuern, regeln
2.11 Planungsrichtlinien und rechtlicher Rahmen
A Theorie und Planung
3 Zukünftige Bewegungsstrategien
3.1 Nutzung wechselnder Aggregatzustände
3.2 Form-, Farb- und Eigenschaftsveränderungen
3.3 Smart Structures
3.4 Wachstum
B Anwendungen und Funktionen
1 Nutzungen ändern und erweitern
1.1 Wandelbare Wände
1.2 Wandelbare Raumelemente
1.3 Hülle öffnen
1.4 Bewegliche Raumhülle
B Anwendungen und Funktionen
2 Energie sparen und gewinnen
2.1 Architektur, Bewegung und Energie
2.2 Das Prinzip der Effizienz
2.3 Rahmenbedingungen solarer Nutzungen
2.4 Solare Gewinne – Faktor 1,4 durch Bewegung
2.5 Tageslichtführung durch bewegliche Bauteile
B Anwendungen und Funktionen
3 Interaktion: Bewegung aufnehmen, lenken und abbilden
3.1 Beförderungsanlagen
3.2 Bewegung erfassen und abbilden
C Gebäude und Bauteile
Drehen
Herz-Jesu-Kirche
BMW Trainingsakademie
Vertriebscenter Ernsting’s family
Seebühne
Haus F
Genzyme Hauptverwaltung
Wind Silos
C Gebäude und Bauteile
Rotieren
Drehbarer Wohnkubus
Council House 2
Lakefront Supportive Housing
Gebäude und Bauteile
Klappen
Quadracci Pavilion
Leaf Chapel
Pfalzkeller
BRAUN Hauptverwaltung
Kiosk m.poli
Ladeneingang
Haus No 19
BDA Wechselraum
C Gebäude und Bauteile
Schieben
EWE Arena
Meridian-Häuser des Astrophysikalischen Instituts
Sliding House
Wochenendhaus
Metrostation Saint-Lazare
Spielbudenplatz
Living Room
Servicezentrum Theresienwiese
C Gebäude und Bauteile
Falten
Haus am Milsertor
Horizon House
Rathaus St. Ingbert
Showroom Kiefer Technik
Restaurant Fabio’s
Erika-Mann-Grundschule
C Gebäude und Bauteile
Verketten
Hoberman Arch
Rolling Bridge
Wohnsiedlung Rebgässli
C Gebäude und Bauteile
Raffen und rollen
Außenbereiche der Riva 3LHD
Wohnbauten Hohenbühlstrasse
Haus 47°40'48"N/13°8'12"E
C Gebäude und Bauteile
Pneumatisch
South Campus des Art Center College of Design
Über die Autoren und Beiträger
Weiterführende Literatur
Bildnachweis
Sponsoren
Impressum

Citation preview

move

Architektur in Bewegung

Birkhäuser Basel • Boston • Berlin

move Architektur in Bewegung – Dynamische Komponenten und Bauteile

Michael Schumacher  Oliver Schaeffer  Michael-Marcus Vogt

Inhaltsverzeichnis

7

Vorwort

44 2.4 Typologie der Bewegung

B Anwendungen und Funktionen

8

Einleitung Die Poesie der Bewegung in der Architektur Michael Schumacher

48 2.5 Aspekte zur Materialwahl

1 Nutzungen ändern und erweitern

A Theorie und Planung



1 Konzepte von Bewegung am Objekt

und im Raum

14 1.1 Erkunden – Entwerfen – Vertanzen Isa Wortelkamp 18 1.2 Die Dynamik der Natur Stefan Bernard 22 1.3 Bewegung in Fotografie und Film Frank Möller 26 1.4 Über das Verhältnis von Roboter und Raum Jan Zappe



52 2.6 Hochfeste und flexible Werkstoffe

102 1.1 Wandelbare Wände

56 2.7 Bewegliche Tragwerke Zoran Novackí, Andreas Kretzer

106 1.2 Wandelbare Raumelemente

60 2.8 Bewegliche Verbindungen 66 2.9 Aktoren 72 2.10 Messen, steuern, regeln Martin Becker 76 2.11 Planungsrichtlinien und rechtlicher Rahmen Kurt-Patrik Beckmann A Theorie und Planung 3 Zukünftige Bewegungsstrategien

A Theorie und Planung

84 3.1 Nutzung wechselnder Aggregatzustände

2 Grundlagen von Bewegung und

88 3.2 Form-, Farb- und Eigenschafts verände­rungen

Konstruktion

32 2.1 Grundlagen der Gestaltung von Bewegung

92 3.3 Smart Structures Agnes Weilandt

36 2.2 Grundlagen aus der Mechanik 96 3.4 Wachstum 40 2.3 Systemgröße und -komplexität

112 1.3 Hülle öffnen Michael Lange 118 1.4 Bewegliche Raumhülle Michael Lange B Anwendungen und Funktionen 2 Energie sparen und gewinnen

124 2.1 Architektur, Bewegung und Energie Brian Cody 130 2.2 Das Prinzip der Effizienz York Ostermeyer 132 2.3 Rahmenbedingungen solarer Nutzungen York Ostermeyer 136 2.4 Solare Gewinne – Faktor 1,4 durch Bewegung York Ostermeyer 140 2.5 Tageslichtführung durch bewegliche Bauteile Roman Jakobiak, Andreas Schulz

5

B Anwendungen und Funktionen



3 Interaktion: Bewegung aufnehmen,

C Gebäude und Bauteile

Rotieren

190 Haus No 19 Korteknie Stuhlmacher Architecten mit Bik Van der Pol

lenken und abbilden

146 3.1 Beförderungsanlagen 152 3.2 Bewegung erfassen und abbilden

C Gebäude und Bauteile

Drehen 158 Herz-Jesu-Kirche Allmann Sattler Wappner Architekten 160 BMW Trainingsakademie Ackermann und Partner 162 Vertriebscenter Ernsting’s family Schilling Architekten 164 Seebühne Werkraum Wien mit Hans Kupelwieser 166 Haus F Meixner Schlüter Wendt Architekten

172 Drehbarer Wohnkubus Sturm und Wartzeck Architekten 174 Council House 2 DesignInc 176 Lakefront Supportive Housing Murphy/Jahn Architects C Gebäude und Bauteile

Klappen 178 Quadracci Pavilion Santiago Calatrava 180 Leaf Chapel Klein Dytham architecture 182 Pfalzkeller Santiago Calatrava 184 BRAUN Hauptverwaltung schneider+schumacher architekten

168 Genzyme Hauptverwaltung Behnisch, Behnisch und Partner

186 Kiosk m.poli Brut Deluxe

170 Wind Silos Ned Kahn Studios

188 Ladeneingang Nickel und Wachter Architekten

192 BDA Wechselraum Bottega + Ehrhardt Architekten C Gebäude und Bauteile

Schieben 194 EWE Arena asp Architekten Stuttgart, Arat – Siegel – Schust 196 Meridian-Häuser des Astrophysikalischen Instituts Joachim Kleine Allekotte Architekten 198 Sliding House dRMM Architects 200 Wochenendhaus Lacaton & Vassal Architectes 202 Metrostation Saint-Lazare Arte Charpentier Architectes 204 Spielbudenplatz ARGE Spielbude Fahrbetrieb Hamburg u. a. 206 Living Room Seifert.Stoeckmann@formalhaut

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Inhaltsverzeichnis

208 Servicezentrum Theresienwiese Staab Architekten C Gebäude und Bauteile

Falten 210 Haus am Milsertor Arch.Orgler

224 Rolling Bridge Heatherwick Studio 226 Wohnsiedlung Rebgässli Amrein Giger Architekten C Gebäude und Bauteile

212 Horizon House Shinichi Ogawa & Associates

Raffen und rollen 228 Außenbereiche der Riva 3LHD

214 Rathaus St. Ingbert schneider+schumacher architekten

230 Wohnbauten Hohenbühlstrasse agps.architecture

216 Showroom Kiefer Technik Ernst Giselbrecht + Partner

232 Haus 47°40‘48‘‘N/13°8‘12‘‘E Maria Flöckner und Hermann Schnöll

218 Restaurant Fabio’s BEHF Architekten 220 Erika-Mann-Grundschule Susanne Hofmann Architekten und die Baupiloten C Gebäude und Bauteile

Verketten 222 Hoberman Arch Hoberman Associates

C Gebäude und Bauteile

Pneumatisch 234 South Campus des Art Center College of Design Daly Genik Architects 236 Über die Autoren und Beiträger 237 Weiterführende Literatur 238 Bildnachweis 239 Sponsoren 240 Impressum

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Vorwort

Und sie bewegt sich doch – Eppur si muove! Galileo Galileis Worte meinen die Erde auf ihrer Laufbahn um die Sonne. Was im frühen 17. Jahrhundert wegen des revolutionären Weltbildes, das es impliziert, als geradezu teuflisches Gedankengut galt und der kirchlichen Verfolgung ausgesetzt war, ist längst Allgemeinwissen geworden. Heute ist uns die Vorstellung ganz selbstverständlich, dass wir Menschen uns auf einem Körper befinden, der sich rasant durch einen unvorstellbar großen, grenzenlos anmutenden Raum bewegt. Vielleicht resultiert daraus die Faszination für Bewegung im Allgemeinen. Auf diesem Körper, unserer Erde, stehend, erscheint uns die Wirklichkeit völlig anders, nämlich tendenziell unbeweglich und stabil. In einer so empfundenen Wirklichkeit errichten wir Menschen – und darin liegt das Wesen der Architektur – unsere Häuser, „immobile“ und hoffentlich stabile Bauwerke. Auf scheinbar festem Grund und Boden liegt die Aufgabe der Architekten darin, sowohl in Bezug auf Material und auf Konstruktion im Allgemeinen als auch in Bezug auf ästhetische Qualität langlebige Gebäude zu errichten, Gebäude, die in einem umfassenden Sinn materiell und kulturell nachhaltig sind. Doch so stabil und dauerhaft sie als Ganzes auch sind, beinhalten Gebäude schon aus funktionalen Gründen immer auch bewegliche Teile. Mehr noch: Vielfach sind diese beweglichen Teile sogar eine Voraussetzung ihrer Dauerhaftigkeit. Mit diesen beweglichen Teilen beschäftigt sich das vorliegende Buch. Es handelt von den Elementen an der Architektur, die beweglich sind, von ihrem Sinn, ihrer Beschaffenheit, ihrer Gestalt und ihrer Bedeutung. Wie wir das von Fenstern und Türen, von Rolltreppen und Aufzügen, Schlagläden und Schiebewänden und auch von Wind- oder Sonnenschutzlamellen verschiedener Art her kennen, unterliegen auch diese Elemente der Logik der Funktion und der Konstruktion – und auch der Ästhetik. Wie schon der Titel aussagt, geht es hier eben nicht um Beweglichkeit an sich, sondern immer um den Zusammenhang mit Fragen der Architektur und der Ästhetik, es geht um Bewegungen und

Konstruktionen, die unsere Häuser sowohl nützlicher und energieeffizienter machen, aber auch ästhetisch und haptisch bereichern. Im Film spielt diese Art der ästhetischen Bewegung seit jeher eine große Rolle. In James-Bond-Filmen öffnen sich riesige Krater nicht wie von einem sorgfältig auf Effizienz achtenden Bauingenieur konstruiert, sondern so, dass es dramatisch und überwältigend wirkt. Das vorliegende Buch will gelungene Beispiele zeigen, wie Bewegung praktisch, sinnvoll und eben auch „poetisch“ sein kann. Es will aber auch eine praktische Hilfe darstellen, dadurch, dass geometrische Grundprinzipien aufgezeigt und Anhaltspunkte gegeben werden, wie mit Materialien und Kräften und Dimensionen umzugehen ist. Grundsätzlich geht es dabei um Richtwerte, die das konzeptionelle Herangehen an das Thema unterstützen. Die Erarbeitung dieses Buches hat viele Menschen bewegt und sie haben viele Ressourcen und großes Engagement investiert. Allen voran bedanken wir uns bei den Verfassern, die essenzielle Kapitel beigetragen haben. Bei allen Mitarbeitern des Instituts für Entwerfen und Konstruieren, und das sind nicht wenige, bedanken wir uns für den Einsatz rund um die Uhr zur Herstellung präziser Zeichnungen und Formulierung präziser Aussagen. Das Team des Verlages hat uns nicht nur professionell, sondern auch sehr zugewandt unterstützt und selbstredend wäre die Realisierung des Projektes nicht möglich gewesen ohne die ideelle und finanzielle Zuwendung der uns unterstützenden Firmen. Gedankt sei auch den Architekten- und Ingenieurbüros, deren hervorragende Arbeiten hier beispielhaft gezeigt werden. Wir hoffen, dass dieses Buch einen Beitrag leistet, die drängenden Probleme, die unser „Raumschiff Erde“ bedrohen, zu lösen und dabei neben allem Ernst in der Sache die Schönheit und das dadurch hervorgerufene Glück durch gute Architektur zu fördern. Michael Schumacher, Oliver Schaeffer, Michael-Marcus Vogt Leibniz Universität Hannover, im November 2009

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Einleitung

Die Poesie der Bewegung in der Architektur Michael Schumacher

Der Finger fährt tastend über die kühle, glatte Oberfläche des iPhones und findet die vertiefte Kuhle des Schalters. Ein wohlkalkulierter Druck, ein Anschlagspunkt, und der Bildschirm leuchtet auf. Die Information „entriegeln“ erscheint. Die graphische Gestaltung der Benutzeroberfläche macht unmittelbar verständlich, dass es sich dabei um einen Schiebeschalter handelt. Der Finger berührt nur ganz zart die Glasoberfläche und ohne jeden Gegendruck, ohne jede Reibung folgt der virtuelle Schalter der Bewegung des Fingers und gleitet zur Seite; das Gerät wird freigegeben. Der Kalender erscheint und mit dem Daumen „scrollt“ man sich durch den Tag. Schiebt man zu energisch, schlägt die Liste der 24 Stunden des Tages oben oder unten an und federt leicht zurück. Eigentlich eine völlig unsinnige Funktion, bedenkt man, dass es sich nicht um eine mechanische Bewegung handelt. Ein schmaler schwarzer Balken auf der linken Seite bewegt sich in Gegenrichtung zur „scroll“-Bewegung, zu den Stunden des Tages, und erweckt den Eindruck eines Gegengewichtes. Bei der Suche im Internet, dieser wundervollen Maschine des 21. Jahrhunderts, ist alles winzig und um diesen Nachteil auszugleichen „zieht“ man mit Daumen und Zeigefinder das sogenannte „Fenster“ auf. Das Bild oder der Text werden immer größer, bis auch hier eine federnde Begrenzung einsetzt und die Hoffnung – in dem Film von Ray und Charles Eames The Powers of Ten so schön dargestellt –, durch kontinuierliche Vergrößerung in die Mole­ kularstruktur des Universums einzutauchen, enttäuscht wird. Man kann nicht alles haben, aber im-

merhin führt uns das perfekte Produkt des elektronischen Zeitalters eindringlich die Poesie der Bewegung vor – der Bewegung, deren „natürliches“ Umfeld doch eigentlich die physische Welt ist, in der sich tatsächlich etwas bewegt, das Volumen und Gewicht hat. Was macht diese Faszination aus, wann ist eine Bewegung schön, interessant, wann ist sie plump und langweilig? Bewegung und Geschwindigkeit Eine immanente Eigenschaft von Bewegung ist die Geschwindigkeit, in der sie abläuft. Ohne Geschwindigkeit, beziehungsweise den Wechsel zwischen unterschiedlichen Zuständen, gibt es keine Bewegung. Bewegung entsteht durch eine Lageveränderung aus dem Ruhezustand über Beschleunigungsoder Abbremsvorgänge zurück in den Ruhezustand. Die Veränderung der Geschwindigkeit gestaltet sich in der Regel, den Gesetzen der Physik folgend, in etwa linear, gleichmäßig schneller und dann gleichmäßig langsamer werden, bis zum Stillstand. So öffnen wir eine Tür, ziehen eine Schublade heraus oder schließen die Schlagläden am Haus. Diese vom Stillstand über einen mehr oder weniger kontinuierlichen Anstieg bis zum Wendepunkt wieder zum Stillstand verlaufende Bewegung lässt sich gestalten. Wenn sie scheinbar ansatzlos und völlig gleichmäßig verläuft, verblüfft sie uns. Die Vorrichtung zur Aufnahme einer CD oder DVD funktioniert so. Die Bewegung ist dabei extrem kontrolliert. Kineastisch dramatisiert wurde dieser Aspekt der Bewegung in Stanley Kubriks Science-Fiction-Film 2001 – Odys­

see im Weltraum und gelangte zu Weltruhm. Der letzte überlebende Astronaut der Mission schaltet den alles kontrollierenden Bordcomputer HAL aus. Das geschieht dadurch, dass glasklare Module (nicht solche mit integrierten Schaltkreisen, sondern ein faszinierendes Nichts), die das Gehirn von HAL bilden, sich lautlos und völlig gleichmäßig langsam aus ihren Schächten herausschieben. HAL verliert dabei allmählich sein Gedächtnis, seine Stimme wird tiefer, und am Ende kann er nur noch Kinderlieder singen, das einzige, woran er sich erinnert. Die Langsamkeit und Gleichmäßigkeit der Schiebebewegung ist der Grund für die Magie der Bewegung und vermittelt uns eindringlich, um welchen dramatischen Akt es an dieser Stelle des Filmes geht. Bewegung und Form Bewegliche Dinge sind wie alle Dinge durch spezi­ fische Formen charakterisiert. Aber die Definition der Form ist komplexer als bei statischen Gegenständen, da sich die Form durch die Bewegung verändert. Es geht in der Architektur häufig um die funktionale und gestalterische Kontrolle von drei Zuständen: geschlossen, geöffnet und der Zustand der Bewegung dazwischen. Eine Tür passt in geschlossenem Zustand perfekt in die Zarge. Beim Öffnen steht sie häufig irgendwie im Raum und findet in der Regel auch keine „schöne“ Öffnungsposition. In gewisser Weise wartet die Tür darauf, wieder geschlossen zu werden, um einen guten Ort zu finden. Türen in den dicken Mauern von alten Schlössern finden häufig eine Öffnungsposition, die ästhetisch mehr befriedigt.

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2001 – Odyssee im Weltraum, MGM, 1968

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Einleitung

Mercedes SLK-Klasse, 2004: Das weiterentwickelte Variodach öffnet und schließt sich innerhalb von 22 Sekunden.

Die wunderbaren Spielbälle von Chuck Hoberman gehen in Bezug auf die Form mit Bewegung ganz anders um. Im Zustand eins zeigt sich eine scheinbar kompliziert gegliederte Kugel in zwei Farben, deren eine dominant ist. Bewegt man die Kugel, etwa indem man sie in die Luft wirft, wechselt sie die Farbe. Durch eine komplexe inverse Bewegung tauschen sich die innenliegenden Farbflächen gegen die außenliegenden aus. Der Zwischenzustand zeigt keine Kugel, sondern eher eine Art Stern. Jetzt kann man in die Konstruktion hineinblicken. Die Form ist eine zwingende Funktion der Bewegung, sie könnte nicht anders sein. Obwohl die Form und auch die Bewegung am Ende einfach sind, erscheinen sie uns kompliziert und unbegreiflich. Darin liegt ihre Poesie. Die nach oben schwenkenden Türen eines Lambor­ ghini verfolgen dasselbe Ziel. Es überrascht und fasziniert uns, dass dieses kompliziert geformte

Switch Pitch, Hoberman Designs, 2004

Bauteil Tür sich nahtlos in die Karosserie einpasst, um in geschlossenem Zustand makellos elegant zu erscheinen. Es sind auch wieder die Science-FictionFilme, die exemplarisch den Zusammenhang von Form und Bewegung, vielmehr wie daraus mehr als nur der praktische Nutzen entsteht, zeigen. Gewaltige Türen, die ineinandergreifenden Fingern ähnlich sich verkeilend schließen, zeigen formal deutlich und unmissverständlich, dass es hier kein Durchkommen gibt. Die wunderbaren Aufzugstüren in der deutschen Zukunftsproduktion aus den 1970er Jahren Raumpa­ trouille, die nicht wie gewöhnliche Aufzugstüren senkrecht in der Mitte aufeinander treffen, sondern sich über die Diagonale teilen, mögen unpraktischer sein, sehen aber entschieden faszinierender aus. Die Möglichkeiten mit Computern zu planen und zu ­produzieren haben in der Autowelt in den letzten ­Jahren eine Menge Cabriolets mit festem Verdeck

­hervorgebracht. Hier ist der Zusammenhang von Form und Bewegung, sind die faszinierenden Möglichkeiten, aber auch der höhere Schwierigkeitsgrad deutlich erkennbar. Das Auto soll sowohl in offenem und in geschlossenem Zustand gut aussehen. Der Verlauf der Bewegung zwischen den beiden Zuständen soll so schnell und so einfach wie möglich ablaufen, um die Grenzen der Mechanik nicht zu überschreiten. Und wenn möglich soll auch noch ein wenig Kofferraum übrig bleiben. Bedingt durch die technischen Möglichkeiten und die serielle Herstellung von Autos sind die Konzepte technisch und formal weiter fortgeschritten als ähnliche Aufgabenstellungen, etwa Dachfenster oder auch großen Stadiondächer, in der Architektur. Bewegung und Masse Als Kind bin ich mit dem Bus zur Schule gefahren. Es handelte sich um Gelenkbusse. Der beste Platz

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beosound 3200, Bang & Olufsen, 2003

zum Stehen für uns Schüler war das Gelenk. Die wegung. Im Comic werden sie durch Hinweise wie runde Plattform verdrehte sich in Kurven (erstaun- „ächz“, „knarz“, „quietsch“ oder „schlitter“ verdeutlicherweise viel weniger, als man erwartet hatte), licht. Bei Autos stellt der Klang seit jeher einen aber viel spannender war das behäbige, kraftvolle wichtigen Aspekt dar – sogar oder vielleicht gerade Wippen, das aufgrund der Masse der beiden Bushälf- der Klang im unbewegten Zustand. Ein „bräsig ten beim Überfahren von Bodenwellen entstand. Die brummelnder Achtzylinder“ verursacht andere AssoArt, der Charakter einer Bewegung steht im direkten ziationen als der säuselnde, angriffslustige Klang Zusammenhang mit den zu bewegenden Massen. Das eines Sechszylinders. Dass die Tür mit einem satten, ist reine Physik, ein Elefant bewegt sich anders als soliden Klang ins Schloss fällt, ist ein ausschlaggeeine Fliege. Neben den Tatsachen, die sich aus der bendes Verkaufskriterium. Lange sind die Zeiten in Logik der naturwissenschaftlichen Gesetze ergeben, der Autoindustrie vorbei, in denen sich der Klang spielen in der Architektur viele andere Aspekte eine (oder wie man heute sagt, der Sound) nur aus der Rolle. Große Massen sind schwer zu beschleunigen Geometrie des Auspuffkrümmers und den dadurch und schwer zu stoppen, sind sie einmal in Bewe- hervorgerufenen Schwingungen ergibt. Am Klang gung. Es ist wie immer in der Architektur sowohl wird genauso lange gefeilt, wie an der Form. Soundeine konstruktive, als auch eine gestalterische Auf- designer untersuchen den Klang im Leerlauf, in den gabe, die Masse ins Kalkül zu ziehen. Zu schwere Beschleunigungsphasen und bei HöchstgeschwinTüren in Schulen oder Kindergärten können Gebäude digkeit. Darin liegt sicherlich eine gehörige Portion fast unbrauchbar, aber zumindest ausgesprochen Dekadenz, aber es zeigt, wie wichtig die Kombinatiärgerlich machen. Motorische Hilfen, die uns heute on von Bewegung und Klang ist, und dass man sich selbstverständlich zur Verfügung stehen, helfen des Zusammenhanges bewusst sein sollte. In der nicht überall und führen zu Irritation, wenn ge- Baubranche wird dem Klang, anders als bei den Auwöhnliche Drehtüren uns plötzlich entgegenschla- tobauern, bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt. gen. Für Architekten ist es ein neuer Aufgabenbe- Wie es klingt, wenn sich die Stellmotoren bewegen, reich, sich mit den gestalterischen Auswirkungen die das Fenster öffnen, ist purer Zufall, deshalb von Bewegung in ihrem Verhältnis zur Masse zu be- klingt es in der Regel eher unangenehm. Die dünnen schäftigen. Fassadenprofile schwingen gut und transportieren den Schall der kleinen Motoren unangenehmerweise Bewegung und Klang heftig verstärkt überall hin. Dazu kommen in der Bewegung verursacht Geräusche. Sie entstehen ein- Regel Warntöne: Damit sich niemand klemmt, sind fach durch Schwingungen, die durch die Bewegung Schließbewegungen in der Architektur häufig von erzeugt und durch die Luft übertragen werden. Das penetranten Tönen begleitet, die die Freude an der sind sozusagen die natürlichen Geräusche einer Be- Bewegung gründlich vergällen können. Der Klang ist

ein immanenter Begleiter der Bewegung, dessen dramaturgisches Potenzial es zu nutzen gilt, um die Schönheit der Bewegung hervorzuheben und nicht zu zerstören. In diesem Buch geht es um die Schönheit der Bewegung. Ihr Sinn ist fast immer praktischer Natur: Entweder handelt es sich um gewünschte Veränderungen der Nutzung oder um Adaption an Bedingungen wie Wetter, Licht etc. Bewegung wird poetisch, wenn sie über das rein Praktische hinausgeht, sich ihrer Möglichkeiten bewusst wird und das darin liegende Potenzial betont. Schöne Bewegung ist kein mechanisches Optimum einer Funktion, sondern eine bewusste Betonung, eine kleine Übertreibung. Das hat nichts mit höheren Baukosten zu tun, im Gegenteil geht es ja gerade darum, den Nutzwert von Häusern und dadurch ihre Nachhaltigkeit durch Bewegungen zu erhöhen oder die Energiebilanz zu verbessern. Die systematische Entwicklung von neuen Materialien in der Industrie wird das Potenzial für bewegliche Komponenten in der Architektur erhöhen. Die Poesie einer Bewegung ist kein automatisches Nebenprodukt ihrer funktionalen oder wirtschaftlichen Optimierung. Schöne Bewegungen erhöhen deutlich den Nutzwert von Gegenständen. Sie bilden einen Teil unserer kulturellen Identität. Tun wir Dinge auf eine interessante Art, die uns nachhaltig Freude bereitet, dann sprechen wir den Menschen als Ganzes an, der immer auch Poet ist.

A

Theorie und Planung

1

Konzepte von Bewegung am Objekt und im Raum

Theorie und Planung

14

1.1 Erkunden – Entwerfen – Vertanzen Eine choreographische Konzeption von Bewegung in Architektur Isa Wortelkamp

Die Begriffe Erkunden, Entwerfen und Vertanzen beschreiben Praktiken, die für die choreographische Konzeption von Bewegung in Architektur wesent­ lich sind. Sie kommen in der raumspezifischen Ar­ beit der Schweizer Tänzerin und Choreographin Anna Huber zum Tragen. Wie kaum eine andere zeit­ genössische Choreographin sucht Huber den Dialog zwischen dem gebauten und umbauten Raum einer Architektur und dem unmittelbaren Um-Raum ihres Körpers, die sie durch ihre Bewegungen in eine an­ dere, veränderte Verbindung bringt. Im direkten Kontakt mit architektonischen Elementen, deren Ma­terialien, Strukturen und Kompositionen, ent­ steht ein Vokabular an Bewegungen, das sie vor Ort und für den Ort der jeweiligen Architektur choreo­ graphiert. Der Dialog zwischen Tanz und Architektur, der die Choreographien Hubers prägt, wurde bereits inner­ halb der Bewegung des Postmodern Dance der 1960er Jahren geführt. Mit der Verlagerung des Tan­ zes von den Theaterbühnen hinaus in Kirchen, Sport­ hallen, Fabrikgebäude oder Galerien wurde die Aus­ einandersetzung mit dem gebauten Raum zur Grund­ lage choreographischer Arbeit. Exemplarisch für diese Entwicklung ist die Arbeit der amerikanischen Tänzerin und Choreographin Trisha Brown. In ihren „Equipment Pieces“ (1968 – 72) lässt sie die Perfor­ mer im aufrechten Gang die Wand eines Gebäudes von oben herab auf den Zuschauer zulaufen oder waagerecht zum Boden die Wände des Whitney Mu­ seums in New York begehen. In „Primary Accumula­ tion“ (1972) säumen Performer den Weg oder schwimmen an der Oberfläche des Sees im Loring

Park von Minneapolis. Die Choreographien von Brown (2003), dem Kunstmuseum Stuttgart (2006) und bewegen sich an Orten, die andere Blicke auf Archi­ den Parchi di Nervi in Genua (2007). tektur ermöglichen, vom alltäglichen Weg und vom Jedem choreographischen Entwurf geht die Erkun­ gewohnten Gang der Dinge ablenken. Wände, Dächer dung des architektonischen Raumes voraus. Die und Decken, Flüsse und Straßen werden zum Raum Choreographin spricht über jene Erkundung, die sich des Tanzes und verändern Wahrnehmungsweisen von mit allen Sinnen des Körpers vollzieht, von einem Architektur: „I have in the past felt sorry for ceilings „Ertasten und Erspüren der verschiedenen Materi­­ and walls. It’s perfectly good space, why doesn’t any alien, Oberflächen und Beschaffenheiten“ (Huber 2009). Die Fragen, die sie an einen Raum stellt, sind one use it?“ (Brown, zitiert in Stephano 1974) vielfältig: „Was gibt der Raum vor? Wie ist er selbst strukturiert? Gibt es überhaupt schon eine Struktur Erkunden In der Reihe „Umwege“ von Anna Huber werden die­ oder ist es eher ein beliebiger, unspezifischer Raum? se scheinbar vernachlässigten Räume zur Grundlage Hat oder hatte er eine bestimmte Funktion, die mei­ des choreographischen Entwurfs. Huber erkundet ne Recherche und die Wahrnehmung beeinflusst? Ecken und Nischen, Wände und Winkel von Räumen, Was hat er für eine Geschichte? Wie sind die Ener­ die teils ungenutzt, in jedem Fall jedoch anders zu gien, Dynamiken in diesem Raum?“ (Huber 2009) nutzen wären, als sie es in den verschlungenen und Durch die Befragung der Architektur geschieht eine gewandten Bewegungen ihres gelenkigen Körpers erste Annäherung, entsteht ein Verständnis und ein tut. Es entstehen Choreographien in Gebäuden von Gefühl für ihren Raum. Huber übt sich im Anwesend­ Architekten wie Peter Zumthor, Jean Nouvel oder sein, im Begehen und Bewohnen und nimmt damit Zaha Hadid, die in ihrer Gestaltung bereits dyna­ jenes Angebot an, das eine Architektur auf die eine misierend und mobilisierend wirken, oder aber auch oder andere Art stets formuliert, nämlich sich auf in nackten Rohbauten. In Zusammenarbeit mit ein Gebäude einzulassen, sei es in der Vorstellung, dem  Klangkomponisten Fritz Hauser entwickelt sei es im Vollzug. Anna Huber selbst beschreibt die­ Anna Huber Bewegungen, die auf die spezifischen ses Anliegen wie folgt: „Mich beschäftigt dabei das architektonischen Situationen antworten. Im Jahr menschliche Grundbedürfnis, sich niederzulassen, 2000 ent­stand in der Therme Vals in Graubünden seinen Raum, seinen Platz oder seinen Ort zu finden, das Konzept zu „Umwege“, dem Arbeiten folgten an sich einzunisten und es sich gemütlich zu machen. Orten wie dem U-Bahnhof Potsdamer Platz und der Dazu gehört auch das Thema, seinen eigenen Körper Akademie der Künste Berlin (2002), der Maison des als Raum wahrzunehmen und sich darin einzurich­ Arts in Créteil bei Paris (2003), dem Kultur- und ten.“ (Huber 2009) Dabei kommt sie jenen HaltungsKongresszentrum Luzern (2003), dem ehemaligen und Handlungsanweisungen, Weg- und Bewegungs­ Feuerwehrhaus der Vitra GmbH in Weil am Rhein führungen auf die Spur, die in den verschiedenen

Konzepte von Bewegung am Objekt und im Raum

15

A 1

„Umwege“, Anna Huber, Therme Vals, Schweiz, 2002

Theorie und Planung

16

„Eine Frage der Zeit“, Anna Huber, Uraufführung Bern, 2008

„Umwege“, Anna Huber, Potsdamer Platz, Berlin, 2002

Ordnungen des Raumes enthalten sind: als Entwurf des Architekten, der Bewegungen antizipiert, die der choreographische Entwurf im Tanz aktualisiert und transformiert.

spricht jener Theorie des Gehens Michel de Certeaus, wohnt. Die Wahrnehmung folgt Ab- und Umwegen nach der die Spiele der Schritte selbst als „Gestal­ und wird so mit ihren eigenen Stand- und Blick­ tungen von Räumen“ zu denken sind (De Certeau punkten in Bewegung versetzt. 1988). So wie jeder Entwurf immer den Entwerfenden ein­ Vertanzen bezieht, choreographiert Huber mit ihrem Verständ­ Anna Huber schafft Räume, in denen sich das Unten nis von Tanz und Architektur, ihrem Wissen von nach oben und das Oben nach unten verkehrt – sie Bewegung, Technik, Anatomie und Motorik ihres umgeht die Ordnungen und Anordnungen der Räume, Körpers. Ihre Tanzkunst arbeitet mit der Baukunst, liest sie von rechts nach links, stellt sie auf den indem sie deren Strukturen, Materialien, Elemente Kopf: „Ich spiele mit Kräfteverhältnissen, etwa ei­ und Kompositionen aufgreift. Blickachsen, Richtun­ ner Wand gegenüber. Dabei stütze ich mich an der gen und Wegstrecken können Ansatz für Bewegun­ Wand ab oder stemme mich ihr in einem Winkel gen sein, wobei Huber sich besonders für die Span­ entgegen. Ich versuche dabei, ein gedankliches Um­ nung zwischen Makro- und Mikrostrukturen interes­ kippen umzusetzen, indem ich mir Fragen stelle wie: siert. „In der Therme Vals zum Beispiel gibt es Lehne ich an der Wand oder muss ich die Wand stüt­ Schichtungen von Steinplatten sowohl im Innen- zen? Diese Erfahrung des Umkippens möchte ich wie im Außenbereich. In diese Linien und Zwischen­ auch dem Zuschauer ermöglichen, so daß er plötz­ räume konnte ich meinen Körper einfügen. Aber lich denkt: Sie muss die Wand stützen, die würde während des Arbeitens an einer dieser Wände habe sonst ja umkippen!“ ich plötzlich diese kleinen, fast verspielten Zeich­ Huber kippt die Wahrnehmung, vertanzt Architektur, nungen, die Maserungen im Stein entdeckt. So kam nicht indem sie deren Regeln folgt, sondern indem ich von strengen, klaren Strukturen zu organischen, sie diese vertanzt, ihre Entwürfe der Bewegung fast archaischen Formen und Figuren. Das fand ich „fehl-“ und „falsch“ liest. Auch dies lässt sich mit inspirierend: Einerseits gibt es das Theoretische, einem Gedanken de Certeaus reflektieren, der das Abstrakte, und dann tun sich plötzlich ganz andere Lesen als eine Tätigkeit begreift, die selbst ver­ Formen und Richtungen auf. [...] Die Erfahrung der ändert,­ vergisst und erfindet (De Certeau 1988). kleinen Zeichnungen im Stein war tatsächlich An­ Damit bricht die Choreographin mit einer Tradition lass für eine Recherche, in der ich versucht habe, von Lektüre, nach der diese einzig als konsumieren­ de und passive Praxis zu verstehen wäre. De Certeau diese in Bewegung umzusetzen.“ (Huber 2009) Diese Umsetzung schließt eine Veränderung und setzt diesem Verständnis eine aktive und produkti­ Verschiebung gegebener Verhältnisse von Körper ve Lektüre entgegen. „Er [der Leser] erfindet in den und Raum ein. Sieht man Huber tanzen, dann wird Texten etwas anderes als das, was ihre ‚Intention’ das Gewohnte ungewohnt und das Ungewohnte ge­ war. Er löst sie von ihrem (verlorenen oder zufälli­

Entwerfen Wie ließe sich jenes choreographische Entwerfen näher beschreiben und wie verhält es sich zum Ent­ wurf des Architekten? Die Choreographin be- und verarbeitet einen bestehenden Raum, der nicht nur auf einem Entwurf gründet bzw. aufbaut, sondern – so der Ansatz dieses Beitrags – selbst als ein Ent­ wurf für Bewegung zu lesen wäre. In ihm enthalten und angelegt sind Möglichkeiten Räume zu begehen, sich zu ihnen zu verhalten, sich aufzuhalten, sie zu besetzen oder zu durchschreiten. Wenn sich das ar­ chitektonische Entwerfen allgemein der Aufgabe widmet, dem menschlichen Wohnen und Bauen eine Form zu geben (Hahn 2008), dann setzt Tanz diese Formgebung in Bewegung um, die er seinerseits ge­ staltet, formt. In diesem Sinne arbeitet Tanz mit dem Entwurf des Architekten wie mit einer choreo­ graphischen Vorlage bzw. Vorschrift, die er jedoch anders, gegen den Strich liest. Diesem Gedanken folgend, ließe sich der Tanz Hu­ bers als eine – körperliche und bewegte – Lektüre begreifen, die den architektonischen Entwurf aufund ausliest und ihn in und durch ihre Bewegung überträgt. Dies nicht gemäß einer Um- und Überset­ zung eindeutiger und einheitlicher Bewegungsan­ weisungen, sondern die Aufforderung zum Tanz an­ nehmend. Dieser Tanz schafft in dem Raum, den er vorgefunden hat, etwas Neues. Dieser Gedanke ent­

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gen) Ursprung. Er kombiniert ihre Fragmente und schafft in dem Raum, der durch ihr Vermögen, eine unendliche Vielzahl von Bedeutungen zu ermög­li­ chen, gebildet wird, Un-Gewusstes“ (De Certeau 1988). Wenn Huber den “Text“ der Architektur ver­ tanzt, dann ordnet sie Gewusstes und Gewohntes um und (v)ertanzt auf diesem Weg und in diesen Bewe­ gungen anderes Wissen von Tanz und Architektur.

Durch die Umkehrung und Umwendung gängiger Wege und Muster, durch die Neu- und Umfunktiona­ lisierung von Alltagsräumen verweist Tanz auf ein Potenzial von architektonischen Räumen, das aus tanzwissenschaftlicher Perspektive als ein choreo­ graphisches Potenzial zu verstehen wäre. Tanz, der jenes Potenzial zum Motor seiner Bewegung werden lässt, vermag zu einer Sensibilisierung der Sinne

„Timetraces“, Anna Huber, ortspezifische Performance

„Die anderen und die Gleichen“, Anna Huber, Uraufführung Berlin, 1999

beizutragen: jener kinetischen Sinne, durch die ein Raum als Möglichkeitsraum von Bewegung wahr­ nehmbar wird. An dieser Schnittstelle wäre ein Dia­ log zwischen Architekturtheorie und Tanztheorie zu suchen, ein Dialog, der sich an den Praktiken des Erkundens, Entwerfens und Vertanzens von Choreo­ graph und Architekt orientiert.

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1.2 Die Dynamik der Natur Stefan Bernard

Wer kennt sie nicht, die Momente der Leichtigkeit, welche uns Menschen beim Durchstreifen frühlings­ hafter Wälder erfassen. Der Winter ist gedanklich weit weg, sanftes Licht dringt zaghaft durch das noch lichte Baumdach und leitet einen beeindru­ ckenden Prozess ein: Die noch dunkle Farbtönung des den Waldboden bedeckenden Laubstreus absor­ biert die ankommende Sonnenwärme, wodurch Stoffwechselvorgänge in Gang gesetzt werden und ein imposantes Naturschauspiel beginnt. Es ist die Hochzeit der Frühjahrsblüher, die sich nun ihre Ration­Sonnenenergie für die Photosynthese holen. Blütenteppiche von weißen Buschwindröschen gau­ keln uns übrig gebliebene Schneereste vor, die pur­ purnen Blüten des Lerchensporns, blaue Leberblüm­ chen oder das gelb blühende Scharbockskraut set­ zen farblich differenzierte Akzente. Die Leichtigkeit des Seins, die Kraft und Dynamik der Natur erscheint uns hier in ihrer angenehmsten

Form. Doch der Moment des Brennens ist kurz, der frühlingshafte Zustand nicht von Dauer, nicht auf Beständigkeit ausgelegt. Zügig werden die Blätter der Bäume größer, schließen sich die Kronen zuse­ hends zu einem Dach. Ein Raum entsteht, dicht und beinahe Architektur. Aus der gotischen Kathedrale wird eine mittelalterliche Gruft. Das wenige Son­ nenlicht, welches die Bäume noch bis zum Boden passieren lassen, reicht den wenigsten Pflanzen zum Überleben. Die verbleibende krautige Vegetati­ onsschicht ist im besten Fall unauffällig. Mit Ende des Sommers wandelt sich das Bild dann wieder. Die abnehmenden Sonnenmengen führen dazu, dass die Bäume ihren Stoffwechsel reduzieren. Die Produktion des für die Lichtabsorption und die Energiezufuhr verantwortlichen Chlorophylls wird eingestellt, womit auch das Ende der intensiv grü­ nen Färbung der Blätter eingeläutet ist. Die Abszis­ sion, also das Abwerfen von Blättern und Früchten

beginnt, gelbliche und rötliche Farbtöne beherr­ schen nun das Bild und verleihen dem herbstlichen Wald eine ganz eigene, melancholische Atmosphäre. Bis der erste Schnee fällt. Bis der nächste Frühling kommt. Natur als zyklisches System Die Wandelbarkeit ist dem menschlichen Dasein im­ manent. Und der Natur sowieso. Ebbe und Flut. Vollund Neumond. Knospe, Blüte, Frucht. Morgens und abends, Tag und Nacht. Die Jahreszeiten. Die Bei­ spiele ließen sich wohl beliebig fortführen. Bezeichnend scheint dabei der Umstand, dass die allermeisten der unser tägliches Leben bestimmen­ den natürlichen Prozesse dadurch gekennzeichnet sind, dass sie sich in regelmäßig wiederkehrenden Abständen wiederholen. Larve, Puppe, Schmetter­ ling. Und wieder Larve. Es sind regelhafte, zyklische und in sich geschlossene Phänomene innerhalb des

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A Außenanlage des Klosters Eberbach, Bernard und Sattler Landschaftsarchitekten, Rheingau, 2008

Großen und Ganzen. Gehen und vergehen. Großvater duftenden Blumen und der niedlichen Vögel, der werden. Gärten stehen somit für die „gute“, die an­ und Enkel. Das, was wir Menschen beobachten kön­ angenehmen Brise im Sommer und der wärmenden genehme Natur, jene, bei der die Gefahr außen vor nen, was wir in einem bestimmten Augenblick wahr­ Sonnenstrahlen im Herbst steht eben auch die häss­ bleibt: Gärten sind vom Menschen gezähmte, von nehmen, sind so gesehen Momentaufnahmen, Film- liche Fratze der Natur gegenüber. Der gute, bere­ ihm geordnete und kontrollierte Natur. In den Gär­ stills eines in ständigem Prozess seienden Vorgangs. chenbare, der versöhnliche Wandel wird begleitet ten ist die charakteristische Dialektik zwischen zy­ Dabei ist die Zeitstrecke, die Dauer, in der sich die­ von der bösen, der unberechenbaren, Unheil brin­ klischer Regelmäßigkeit (Sicherheit) und plötzlicher se einzelnen Prozesse abspielen, ebenfalls von be­ genden Dynamik der Natur. Mit Tod bringendem, Gefahr (Unsicherheit) im Wesentlichen aufgehoben. merkenswerter Gleichmäßigkeit. Ein Tag, eine Wo­ ja Existenz bedrohendem Potenzial. „Does the flap Nicht jedoch die Dynamik des Wandels! Sehr ein­ che, ein Jahr. Die Mondphasen. Die Wiederholung, of a butterfly's wings in Brazil set off a tornado drücklich drückt sich dieses Bewusstsein in der mit­ die regelhafte Wiederkehr dieser Prozesse ist für in Texas?“ Der von Edward N. Lorenz stammende telalterlichen Gartenform des Baumgartens, des Po­ deren Erhaltung überlebensnotwendig. Stillstand Satz  – ursprünglich zwar anders gemeint – passt ma­riums aus. Dieses fand sich innerhalb der Klöster würde Ende bedeuten. Durch die Wiederholung kön­ hier ganz gut. Die Bilder von der schönen, sonnigen und hatte eine Doppelfunktion als Obstgarten und nen auch „Fehler“ innerhalb der Systeme ausge­ Südseeromantik kurz vor dem Tsunami tragen wir in Friedhof. Im Pomarium wurden die Mönche bestat­ merzt werden, können sie sich neuen Gegebenhei­ uns. Das Überschaubare, das Geordnete und Sichere tet, die Bäume – zumeist Obstgehölze – galten mit ten anpassen. Sozusagen systemimmanentes Fine- hat in dem klaffenden Abgrund zum Ungewissen, ihrem Rhythmus von Werden und Vergehen, von Blü­ te, Frucht und Winterruhe als Sinnbild des Wandels zum Chaos, seinen ständigen Begleiter. tuning. So lehrte uns einst Charles Darwin. In dieser Regelmäßigkeit, in der Sicherheit ob des Unser Gegenüber zur Natur ist somit geprägt vom und der Auferstehung. Wiederkehrenden, im Wissen darüber, dass nach Bewusstsein über das Wiederkehrende, das Bekann­ Dem Garten als Ausdruck von Kultur fehlt somit wei­ dem Winter wieder der Frühling kommt, liegt ohne te und Sichere. Aber eben auch vom Restrisiko der testgehend die ästhetische Kategorie der Gefahr, der Zweifel auch ein versöhnlicher Moment im Gegen­ Unberechenbarkeit. Woraus sich vielleicht die Hass­ Unberechenbarkeit. Es fehlt ihm die umfassende über des Menschen mit der Natur. Die Natur als Phö­ liebe der Menschen zur Natur zumindest annähe­ Gleichzeitigkeit von Schönheit und Hässlichkeit, nix, als sich immer wieder neu regenerierendes Phä­ rungsweise erklären lässt. Ebenso wie das ewige von Entstehung und Zerstörung, von Ordnung und nomen. Denn genau auf dem Vertrauen auf diese Bestreben, die Natur zu zähmen, sie zu beherrschen, Chaos. Das ist sein wesentlicher Unterschied zur „richtigen“ Natur. Und das macht ihn für uns Men­ Regelmäßigkeiten, auf die Bestätigung unserer Ge­ sie zu kultivieren und zu ordnen. schen so angenehm und anziehend. wohnheiten und Vor-Urteile, auf der Erfüllung unse­ rer Hoffnungen ist unser menschliches Dasein im Der Garten – gezähmte Natur Grunde aufgebaut. Alles andere führt zu „Proble­ Das Wort Paradies stammt aus dem altiranischen Wandel als Entwurfsansatz men“, die wir – unter Anstrengung – lösen müssen, pairi daêza – was wörtlich „umgrenzter Bereich“ be­ Das Thema der Wandelbarkeit ist in der Garten- und deutet. Das Wort „Garten“ wiederum hat gotische Landschaftsarchitektur seit jeher präsent, der be­ wie es Karl Popper formulierte. Und genau hieraus speist sich wohl im Grunde auch Sprachwurzeln und meinte ein durch Zäune aus wusste und gezielte Umgang mit der „Dynamik der unsere Angst vor der Dynamik der Natur. Denn der „Gerten“ umfriedetes Land. Mittels Umfriedungen Natur“ notwendiger und integrativer Bestandteil der Regelmäßigkeit und Vorhersehbarkeit, der Sicher­ sollten das kultivierte Land sowie seine Bewohner entwurflichen Arbeit. Denn die Welt unter freiem heit ob der Wiederkehr der natürlichen Zyklen, der vor den Gefahren der umgebenden Natur geschützt Himmel ist bei weitem zu komplex, die eingesetzten

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vegetativen Baustoffe sind viel zu sehr bestimmt von störrischer Eigendynamik und unvorhersehba­ ren Faktoren, als dass es möglich erscheint diese auf Dauer und umfassend in Zaum zu halten. Gleiches gilt für die Dynamik der die Gärten und Parks nut­ zenden Menschen, deren Handeln – zumal in aufge­ klärten Zeiten – eben auch nur bis zu einem bestim­ men Punkt vorhersehbar und steuerbar ist. Vielleicht liegt genau in dieser selbstverständlichen (und einigermaßen entspannten) Haltung im Um­ gang mit dem Unvorhersehbaren das eigentliche Wesen einer landschaftsarchitektonischen Herange­ hensweise an Entwurfsaufgaben. Denn die Anlagen „vor der Tür“ und deren Wahrnehmung sind automa­ tisch einem permanenten Wandel unterworfen: ein sonniger Morgen oder der Nebel in der Dämmerung, die brütende Mittagshitze oder die kühlende Brise, die pöbelnden Jugendlichen oder die fröhlich spie­ lenden Kinder. Oder der Wandel in den Jahreszeiten, der einhergeht mit einem Wandel der strukturellen Hierarchien zwischen zum Beispiel blühenden Kirsch­bäumen im Frühjahr und massigen, raumgrei­ fenden Platanen im Sommer oder Herbst. Oder ver­ eisten Fußwegen im Winter. Oder die Veränderungen über längere Zeiträume, wenn sich der räumliche Eindruck eines zu Beginn offenen, heiteren Gartens mit kleinen, zierlichen Bäumchen zusehends hin­ entwickelt zu einem imposanten, schattigen Raum­ konstrukt z. B. einer 100-jährigen Buchengruppe. Der Entwurf von Gärten, von Landschaft geschieht somit immer im Bewusstsein, dass das endgültige Ergebnis, zumal dessen Wahrnehmung durch Dritte

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nur sehr bedingt steuerbar, nur mehr oder weniger, nur ungefähr vorhersehbar ist. Vieles kann zwar durch entsprechende gestalterische Maßnahmen in geordneten Bahnen verlaufen. Aber vieles andere passiert eben auch einfach. Im Kern landschaftsar­ chitektonischer Komposition steckt somit immer auch eine gehörige Portion Fatalismus. Gewisserma­ ßen eine Ästhetik der unvollständigen Kontrolle, welche jedoch nicht minder anregende Raumbilder generieren kann. Ob ein solcher zurückhaltender, auf Veränderbarkeit ausgerichteter, Wandel gleichsam integrierender (und inszenierender) Ansatz auch im Zusammen­ hang mit (Hochbau-) Architektur anwendbar ist, bleibt zu fragen. Ist doch architektonisches Entwer­ fen in der Regel darauf angelegt, über einen länge­ ren Zeitraum annähernd gleich aussehende Baulich­ keiten zu realisieren. Ein im Grunde Veränderung, Wandel eher ausschließender Ansatz. Will man den­ noch darüber nachdenken, die „Dynamik der Natur“ als Denkansatz für das (architektonische) Entwerfen und Bauen zu verwenden, wäre sicherlich vorweg die Frage zu beantworten: Welche Art von Dynamik, welcher Grad von Wandelbarkeit soll anstrebt wer­ den? Ist es die Idee der gezähmten, der ordentli­ chen (gebauten) Umwelt und einer damit einher­ gehenden kontrollierten, in geordneten Bahnen verlaufenden Dynamik? Die Idee einer Wandelbar­ keit also, welche sich die angenehmen, die gewoll­ ten Effekte zunutze macht, die jedoch die gefährli­ chen Nebenwirkungen zu minimieren sucht; eine Art Wandelbarkeit light? Oder hat man als Bild die Äs­

thetik der tatsächlichen, der „wahrhaftigen“ Natur vor Augen, der ungezügelten, in ihren Konsequen­ zen nur bedingt vorhersehbaren? Einer Natur also, die jederzeit zurückschlagen kann. Eine vielleicht rhetorische Frage. Und doch eine, die nach wie vor nichts von ihrem schauderhaften Reiz verloren hat.

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1.3 Bewegung in Fotografie und Film Frank Möller

Wenn man etwas über Bewegung im Raum erfahren möchte, kann es hilfreich sein, sich in dem umfäng­ lichen Fundus umzusehen, den die Fotografie und der Film bieten, auch deswegen, weil diese Darstel­ lungsformen unserer visuellen Wahrnehmung am nächsten kommen. Stark vereinfachend gesagt, lässt sich das Thema aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Es gibt die Bewegung des Betrachters durch einen (architektonischen) Raum und die Darstellungen seiner subjektiven Eindrücke: Ein Raum wird durch­ messen, um anschließend aus den einzelnen Eindrü­ cken zu einem Raumerlebnis zusammengefügt zu werden oder wie es Sigfried Giedeon in seinem Buch Raum, Zeit, Architektur ausgedrückt hat: „Die Essenz des Raumes, wie er in seiner Vielfalt erfasst wird, besteht in den unendlichen Möglich­ keiten seiner inneren Beziehungen. Eine erschöp­ fende Beschreibung von einem Punkt aus ist un­ möglich. Sein Aussehen wechselt mit dem Punkt, von dem aus er gesehen wird. Um die wahre Natur des Raumes zu erfassen, muss der Beschauer sich selbst in ihm bewegen.“1 Und es gibt die ästhetischen Darstellungen von be­ weglichen Objekten, von dynamischen Abläufen oder Strukturen, die vor dem Auge des Betrachters ihre Wirkung auf den umgebenden Raum entfalten.

großen Panoramen bis zum Film lässt sich ein zu­ sich geht.“2 Die 360°-Kamerafahrten, die Michael nehmendes Bedürfnis ablesen, die Wirkung der zu­ Ballhaus für den Film Martha von Rainer Werner nehmend dynamischen Bildräume zu erleben. Fassbinder entwickelte und später noch viele Male Seit man im Jahre 1908 eine Filmkamera vom Stativ einsetzte, oder die verwandten Aufnahmen des genommen und auf einen Galgen geschraubt oder „Bullet Time“-Verfahrens im Film The Matrix der Wa­ auf eine Schiene gesetzt hat, wird es dem Betrach­ chowski-Brüder zeigen, wie stark der Einfluss der ter leicht gemacht, sich mit dem „Augpunkt“ der bewegten Perspektive auf eine Dramaturgie werden Kamera zu identifizieren und auf diese Weise eine kann. Verbindung mit den fotografierten Räumen einzuge­ Dabei wird der Bullet-Time-Effekt nicht mehr durch hen. Dieser dynamischen Verbindung müssen auch eine echte Kamerafahrt erreicht. Es handelt sich die Kulissen standhalten. Bei der Betrachtung der vielmehr um eine Aneinanderreihung von durch Skizzen von Ken Adam, dem Produktionsdesigner mehrere Kameras aufgenommenen Einzelbildauf­ von Filmen wie Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte die nahmen einer Szene, die anschließend zu einer ge­ Bombe zu lieben, Barry Lyndon oder Goldfinger, lässt staltbaren Kamerafahrt zusammengesetzt werden sich erkennen, wie der subjektive Blick zur Direktive­ können. der Raumgestaltung wurde. Auf seinen Skizzen, mit Generell spielt die kontinuierliche Weiterentwick­ grobem Faserstift angefertigt, ist klar abzulesen, wo lung der bildgebenden Technologien eine nicht un­ die Kamera stehen und welche Brennweite verwen­ erhebliche Rolle, unseren Begriff von Raum und Zeit det werden soll. In ihnen ist die Dynamik des be­ fortzuschreiben. wegten Bildes bereits angelegt. Diese Dynamik wird Von den Untersuchungen von Eadweard Muybridge, stärker, sobald die Kamera und somit der Augpunkt einem der Begründer der Serienfotografie, bis zum der Perspektive bewegt wird. modernen Filmeffekt wie der Bullet Time oder des Kamerafahrten nehmen den Betrachter auf eine Time Slice erweitern die bildgebenden Techniken meist nur Sekunden währende Reise mit und so­ unsere Wahrnehmung und unser Verständnis von gleich tritt in der Darstellung von Raum, Architektur Raum und Zeit. Ein zentrales Ziel dieser Entwicklung und Stadt zutage, welche Möglichkeiten der Wahr­ beschreibt John Gaeta, einer der Protagonisten der nehmung von Raum existieren und auf welche Weise neuen Filmtechniken, so: Räume aus der Bewegung inszeniert werden können. „Die Spannung liegt in der Neuinterpretation des Der Kameramann Michael Ballhaus beschreibt seine Moments: Wir wollen den Augenblick auf eine Art Das fliegende Auge zeigen, wie er in der realen Welt nicht zu sehen Der individuelle, subjektive Blick auf den Raum hat Vorliebe in seinem Buch Das fliegende Auge so: in der Kunst- und Mediengeschichte eine kontinu­ „Ich bewege sehr gerne die Kamera. Und erzähle mit ist.“3 ierliche Dynamisierung erfahren. Von der Etablie­ diesen Kamerabewegungen. Etwa über die Emotio­ rung der Perspektive in der Renaissance über die nen der Darsteller oder was in einer Geschichte vor

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Bullet Time bezeichnet einen filmischen Spezialeffekt, bei dem der Eindruck einer Kamerafahrt um ein „in der Zeit eingefrorenes“ Objekt herum entsteht. Der Bullet-Time-Effekt wird nicht durch eine echte Kamerafahrt erreicht. Es handelt sich um eine Reihung von durch mehrere Kameras aufgenommene Einzelbildaufnah­ men derselben Szene.

Dreharbeiten zu dem Film The Matrix, 1999

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24 Für seine Arbeiten verwendet der japanische Künstler Tokihiro Sato extrem lange Belichtungszeiten von ein bis zwei Stunden. Die Lichtpunkte auf den Bildern entstehen, indem er mit einem Spiegel Sonnenlicht in die Kamera lenkt.

Rechts: #385 Kokuritsu-Soko 3, Tokihiro Sato, 1999, Haines Gallery, San Francisco #87 Shibuya, Tokihiro Sato, 1991

Die Anmut der Drehung Die Filmgeschichte kennt viele Beispiele ästhetischer Darstellungen beweglicher Objekte. Ein besonders Bildgewaltiges ist die erste Weltraumsequenz in Stanley Kubricks 2001 – Odyssee im Weltraum, in der die Raumstation 5, ähnlich einem Riesenrad ihre Kreise zieht. Kubrick untermalte diese Szene mit ei­ nem bekannten Walzerthema und sagte dazu:  „Es ist schwer etwas Besseres als ‚An die blaue Do­ nau’ zu finden, um Anmut und Schönheit der Dre­ hung darzustellen.“4 Filmräume können ihren Ausdruck dramatisch ändern, wenn raumbildende Elemente in Bewegung versetzt werden. Besonders in der Filmarchitektur tut man sich naturgemäß vergleichsweise leicht, solche Raum­ experimente filmische Realität werden zu lassen. Kulissen müssen weder nach statischen noch nach materialgetreuen Gesichtspunkten entworfen wer­ den. Sie müssen keine jahrelange Belastung aushal­ ten, tragen oft kein weiteres Stockwerk und sind selten über einen langen Zeitraum der Witterung ausgesetzt. Das macht es dem Film möglich, Raumkonzepte zu realisieren, die nicht statisch, sondern beweglich und instabil wirken können. Es geht dabei selten um das Konstruieren eines sta­ bilen bewohnbaren Raumes, sondern meist um das Tarieren präziser, theatralischer Mechanismen. So ist der großmaßstäblich veränderliche Raum Ge­ genstand zahlreicher Science-Fiction- und JamesBond-Szenen. Die Sets der frühen Bond-Filme scheinen alle ein Un­ terthema zu haben, die sie bis heute wie eine düste­

Verhältnissen angepasste Form von Bewegung er­ zeugt. Mithilfe der Zentrifuge war es möglich, beide Pers­ pektiven – das Bewegen durch einen Raum sowie die Darstellung von Bewegung – in einem einzigen, genialen Kulissenkonstrukt zu vereinen. Für das Zusammenführen beider Phänomene in ei­ nem einzigen Bild dagegen gibt es kaum schönere Arbeiten als die Fotografien des japanischen Bild­ hauers und Fotografen Tokihiro Sato. Urbane Plätze, Innenräume sowie malerische Orte in der Natur: alles wird vom Künstler durchschritten, vermessen und mithilfe von Langzeitbelichtungen aufgenommen. Ohne dass der Fotografierte sichtbar wird, enthalten die Bilder eine genaue Aufnahme Eine Skulptur in der Zeit Über die genannten Beispiele hinaus gibt es eine seiner wechselnden Positionen und somit seiner unerschöpfliche Zahl an faszinierenden Werken in physischen Reichweite. Film und Fotografie, an denen man die Bewegung „Ich fotografiere nur Landschaften, bestimmte Ob­ jekte und Licht. Dennoch haben diese Fotografien im Raum studieren kann. Darunter finden sich auch solche, denen es gelingt, ein ausgeprägtes menschliches Element. Das Licht beide angesprochene Blickwinkel auf Bewegung im wird körperlich, während die Lichtspuren, die ich Raum in einer Filmsequenz oder einem einzigen Bild mache, wenn ich mich bewege, das Verfließen der Zeit verkörpern und eine Skulptur in der Zeit er­ zu verdichten. Die Innenraumaufnahmen in Stanley Kubricks Film schaffen.“ Tokihiro Sato 2001 – Odyssee im Weltraum aus der Raumstation 5, die als eine sehr große Zentrifuge gebaut wurde, um den Raum um sein Zentrum rotieren zu lassen und 1 Giedion, Sigfried: Raum, Zeit, Architektur, Ravensburg künstliche Schwerkraft zu erzeugen, gehören zu den 1965, S. 280. spektakulärsten und schönsten beweglichen Raum­ 2 Das fliegende Auge, Michael Ballhaus im Gespräch mit Tom Tykwer, Berlin 2002, Umschlagtext. erfindungen der Filmgeschichte. 3 „Kino wird sich grundlegend verändern“, Interview mit Die Aufnahmen verdeutlichen Stanley Kubricks akri­ John Gaeta, SPIEGEL Online, 8.5.2008. bische Erfindungsgabe, einen Raum zu konstruieren, 4 Castle, Alison (Hg.): Das Stanley Kubrick Archiv, Köln der eine andere Art von Gravitation und eine diesen 2008, S. 33. re Version von Alice im Wunderland erscheinen las­ sen: Die Dinge sind nicht so, wie sie auf den ersten Blick scheinen, und es wimmelt vor doppelten Böden und geheimen Mechanismen. Da gibt es Swimming­ pools, die sich in Haifischbecken verwandeln, und riesige künstliche Kraterseen, die sich verschieben, um einer Abschussrampe Platz zu machen. Wenn der zentrale Raum im Hause von Auric Gold­ finger sich auf Knopfdruck sukzessive von einem Frank-Lloyd-Wright-ähnlichen Wohnraum über ei­ nen Vortragssaal in ein tödliches Gefängnis entwi­ ckelt, ahnt man, dass es James Bond mit einem ebenbürtigen Gegner zu tun hat.

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1.4 Über das Verhältnis von Roboter und Raum Jan Zappe

Roboter sind bewegliche Architekturen. Ihr Verhält­ nis zur Architektur ist vielfältig und lässt sich aus den unterschiedlichsten Perspektiven betrachten. So kann man einen Roboter als kleines Architektur­ modell für ein gigantisches bewegliches Gebäude auffassen, das seine äußere Form zu wandeln ver­ mag. Oder man kann ihn als ein innenarchitektoni­

Arbeitsraum eines Industrieroboters

sches Element ansehen, das den Raum als integrier­ tes Gerät oder dynamisches Mobiliar mitgestaltet. Dies sind jedoch nicht die üblichen Blickweisen auf Roboter, die heutzutage überwiegend als Arbeits­ maschinen in Industriehallen stehen. Integriert in die Produktionsabläufe am Fließband ergänzen sie sich mit den restlichen technischen Einrichtungen

SSRMS – Space Station Remote Manipulator System, NASA/CSA, 2005

zu einer funktionalen Einheit, die nach bestem Nut­ zen und höchster Effizienz in der Hallenarchitektur untergebracht ist. Diese Verortung und das Mitein­ ander von Mensch und Roboter in der Industrie­halle bedingen zahlreiche räumliche und architektonische Phänomene. Geht man aber über diese Szenerie hin­ aus und stellt sich einen Roboter in anderen, öffent­

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AT-AT, All Terrain Armored Transport, Geher-Kampfmaschine aus den Star-Wars-Filmen: mobile Roboterarchitektur mit Besatzung, 1980

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Die Projekte der Künstlergruppe robotlab basieren auf der experimentellen Verwendung von standardisierten Industrierobotern für künstlerische Installationen und Performances. Die Maschinen, die üblicherweise serielle Tätigkeiten in Fabriken ausführen, werden zu autonomen Protagonisten in den Ausstellungen. Als Zeichner, Schreiber, Tänzer oder DJ dringen sie in künstlerische Bereiche ein, die traditionell der menschlichen Kreativität und Ausdruckweise vorbehalten sind. juke_bots, Roboter-DJ-Installation von robotlab, 2001

lichen oder privaten Räumen vor, so wird ein deut­ lich breiteres Feld der Bezüge zum Raum sichtbar. Eine solche Situation trifft man jedoch im Alltag nicht an. Der folgende Text bezieht sich stattdessen auf andere öffentliche Räume wie Museen oder The­ ater, Kontexte, in denen Roboter gelegentlich anzu­ treffen sind. Was passiert, wenn man einen Industrieroboter als Exponat in einen Ausstellungsraum hineinstellt? Zunächst nimmt die Maschine eine Menge Platz weg. Um bei Bewegungen sicher zu stehen, ist sie auf einem breiten, schwergewichtigen Fundament fixiert,­ das der beweglichen Masse des Roboter­ arms ein ausreichendes Gegengewicht bietet. Hinzu kommt die Absperrung, die die Besucher der Aus­ stellung vor Verletzungen durch den Roboter schüt­ zen soll, beispielsweise Seile oder Drähte, die zwi­ schen Pfosten gespannt sind, oder sogar trennende Wandelemente, etwa aus Plexiglas. Alleine diese Präsenz des Roboters und seiner Installation als statisches Objekt ist ein recht drastischer architek­ tonischer Eingriff in den Ausstellungsraum. Der Ro­ boter nimmt regelrecht diesen Platz ein und be­ hauptet ihn. Eine bedeutendere, anders geartete Wirkung auf den Raum erzielt der Roboter durch Bewegungen. Alle Orte, die ein Roboter bedingt durch seine Anatomie mit der Hand erreichen kann, definieren zusammen seinen sogenannten Arbeitsraum. Es ist der Raum seiner Möglichkeiten, sein physischer Wirkungsraum. Der Roboter führt die Bewegungen zwar im Arbeits­ raum aus, sie lassen ihn aber auch den darüber hi­ nausreichenden Raum erschließen, indem sie seine

Wirkung als Bild verstärken oder durch Geräusche auf den ganzen Raum ausgreifen. Bewegungen fan­ gen den Blick des Betrachters, binden seine Auf­ merksamkeit und aktivieren seine Phantasie. Die Dynamik der Bewegungen eines Knickarmroboters hat einen organischeren Charakter als die von ande­ ren, spezialisierten Industriemaschinen, was, ge­ meinsam mit seiner markanten Anatomie, dem Ro­ boterarm eine stärkere Wesenhaftigkeit verleiht. Diese sei als die Eigenschaft definiert einem ande­ ren Wesen als ein verwandtes Wesen zu erscheinen, so wenig Wesen von dieser Art auch in ihm steckt und so verschieden sein Wesen, das man kaum er­ fassen kann, davon auch ist. Mit Wesen ist hier je­ doch nicht Lebewesen gemeint. Aufgrund der Ver­ schiedenheit von Roboter und Lebewesen möchte ich eine Definition des sich bewegenden Roboters als neuartigem Lebewesen erst gar nicht versuchen, sondern stattdessen die dynamischen Wirkungen skizzieren, mit denen der Roboter den Raum trans­ formiert und damit seine Wesenhaftigkeit erst ent­ faltet. Mit der Erfindung des Roboters wurde also beiläufig ein für ihn eigener Begriff von Wesen ge­ schaffen, verschieden von jenem für Mensch und Tier. Jener Begriff bezeichnet den Roboter gleich­ zeitig als wesenhaft wie leblos, aber dennoch leb­ haft. Der Raum, den der Roboter in Anspruch nimmt, wird zum Ort seiner Handlungen. Er ist nicht nur ein archi­tektonisches Raumgebilde, bestehend aus der Geometrie des Gebäudes und der Geometrie des Robo­terkörpers, sondern er wird zu einem Platz, an dem Ereignisse stattfinden, die der Roboter

durch seine Handlungen mitbestimmt, einem Ort, an dem die Raumgeometrie mit der veränderlichen Robotergeometrie in Wechselwirkung steht. Durch diese Wechselwirkung wird die Maschine im Aus­ stellungsraum zum Knotenpunkt der musealen Kom­ munikation. Wie aber unterscheiden sich die Handlungen des Roboters im Ausstellungsraum von denjenigen in der Industrie, wo er gewöhnlich seine Tätigkeiten verrichtet? Jede Betrachtung des Roboters und sei­ ner Handlungen in der Werkhalle, etwa durch den Programmierer, einen Schichtarbeiter oder Werksbe­ sucher, findet aus jener vorgeprägten Perspektive statt, die aus dem Bewusstsein rührt, dass man sich in einer Produktionshalle zur Herstellung eines be­ stimmten Produktes befindet. Im Produktionspro­ zess hat der Roboter seine Arbeitsschritte möglichst präzise und schnell zu erfüllen. Die Produktionshal­ le wird nicht durch den Roboter oder seinen Be­ trachter bestimmt, sondern durch den Produktions­ prozess. In diesem ist die Bedeutung des Roboters durch seine Funktionalität geprägt. Ein Ausstellungsraum gibt dagegen keine feste Funktionalität vor. Stattdessen wird der Roboter in der Ausstellung zum Medium, das durch seine Bewe­ gungen mit dem Besucher kommunizieren kann. Die Kommunikation ist Teil der Wesenhaftigkeit des ­Roboters, der als Medium über eine einfache Ma­ schine mit medialer Funktion hinausgeht. Dieses Mehr gegenüber einem technischen Kommunikati­ onsapparat hat der Roboter durch seine universelle, signi­fikante Physis. Mit ihr setzt er durch seine Be­ wegungen und Konfigurationen Zeichen, die stets

bios [bible], Bibelschreiber von robotlab, 2007

bios [bible], Kalligraphie aus einer Roboterhand

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über die primären Bedeutungen hinaus gleichzei­tig ihn selbst und seine Wesenhaftigkeit vermitteln, und er ist daher nicht nur das, was er für sich ste­ hend ist und was er macht, sondern auch was er bedeutet und worauf er durch sich selbst und seine Produkte hindeutet. Im Roboter verschmelzen phy­ sische und symbolische Wirkung; er ist Zeichen und Gegenstand in einem. Der Roboter geht mit dem Ausstellungsraum, respektive dem diesen konstitu­ ierenden architektonischen Raum, eine Symbiose ein, in die die Maschine diese ihr spezifische kom­ munikative Eigenart einbringt. Eine Roboterinstallation hat demnach Ereignischa­ rakter und steht Kunstformen der Interaktion und Performance näher als Kunstwerken wie Bildern oder Skulpturen, die im physischen Sinn statisch sind. Ihre Aktionen sind ephemere Momente, die Ge­ schichten erzählen oder Handlungen darstellen, und in ihren eingenommenen Konfigurationen sind sie gleichsam tableaux vivants der medialen Gegen­ wartskunst. Daher sind Roboter seit jeher vielfach auf Bühnen im Theater- oder Tanzkontext zum Ein­ satz gekommen, wo ähnliche raumgreifende Effekte in Verbindung mit Bewegungen geschaffen werden. Zwar ist der Roboter in der Ausstellung oder auf der Bühne ebenso in funktionaler Tätigkeit wie in der Industriehalle, aber der symbolische Wert seiner Handlungen wird nicht wie im industriellen Kontext auf seine Leistung reduziert. Der Bezug zum Raum ist tiefgreifend, aber gerade zur umgebenden Archi­ tektur nicht oder nicht zwangsläufig funktionaler oder produktiver Art. Im Gegensatz dazu kann ein Roboter auch direkt in Architektur eingreifen, etwa

zum Abbruch oder Aufbau von Gebäuden, oder in diese integriert sein, wie zum Verschieben von Wän­ den oder zum Öffnen von Türen, und auf diese Wei­ se die Raumgeometrie unmittelbar manipulieren. Im letzteren Fall wird er zum Teil der Architektur, nicht funktional im Gebäude untergebracht, sondern eine Funktionalität des Gebäudes selbst. In den privaten und öffentlichen Räumen des alltäg­ lichen Lebens haben Roboter bisher trotz ihrer mil­ lionenfachen Existenz in keinem der beschriebenen Sinne nennenswerte Wirkung entfaltet, weshalb sich meine Betrachtung auf Industrie-, Ausstellungsund Theaterräume konzentriert hat. Als Haushalts­ hilfen oder im Dienstleistungsbereich sind Roboter ebenso die Ausnahme. Dem entsprechend ist das Verhältnis des Menschen zum Roboter ungeübt und von Faszination, Ehrfurcht und Vorsicht geprägt. Roboter sind zwar da und haben durch ihre Produk­ tivkraft prägenden Anteil an der Gesellschaft, sie sind jedoch unsichtbar und bleiben der Aufmerk­ samkeit verborgen. Auch darin zeigt sich eine Ver­ wandschaft zur Architektur, die zwar sichtbar ist und den menschlichen Lebensraum maßgeblich prägt, aber durch ihre stille Anwesenheit mit dem gewohnten Anblick aus dem Bewußtsein rückt. Die­ se Unscheinbarkeit der statischen Architektur ist eine Eigenschaft der Diskretion, die sich mit der Entwicklung einer beweglichen Roboterarchitektur und dem damit verbundenen Heraustreten der Ar­ chitektur aus dem Schatten der Unbeweglichkeit verwandelt. So ist heute die gesellschaftliche Wir­ kung der Roboter wie die der Architektur abstrakt, obwohl sie im Raum ihrer Anwesenheit eine starke

Präsenz ausüben. Die Roboter agieren nach wie vor in den Hinterhöfen der Gesellschaft, in den Indust­ riehallen und Forschungslaboren, wie in einem Un­ terbewusstsein unserer Kultur.

A

Theorie und Planung

2

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

Theorie und Planung

32

b

a

digital

schnell

a

analog

langsam

2.1 Grundlagen der Gestaltung von Bewegung

Die klassische Baukunst hat einen breit gefächerten Kanon von Gestaltungsprinzipien hervorgebracht, die sich auf allen Maßstabsebenen mit der guten Gestaltung der von Menschen gebauten Umwelt auseinandersetzen. Diese Prinzipien beschreiben das jeweilige kulturell geprägte Verständnis von gut gestalteter Architektur. Sie beziehen sich jedoch fast ausschließlich auf immobile Baukörper und unbewegliche Elemente. Die Möglichkeit der gestaltprägenden Veränderung einzelner Bauteile über den Verlauf der Zeit wird darin gedanklich wenig erfasst. Die folgende Systematik schlägt Aspekte und Parameter guter Gestaltung von beweglicher Architektur

Expanding Helicoid, Hoberman Associates, 1998

Der erstere Typus soll hier als digitale Bewegung bezeichnet werden. Hierbei sind der Ausgangs- und der Endzustand die wesentlichen gestaltprägenden Merkmale der Bewegung. Die Veränderung dazwischen vermittelt lediglich zwischen beiden Zuständen, ist aber an sich unbedeutend. In der Architektur ist dieser Typus der am häufigsten verwendete: Eine Tür ist entweder offen oder geschlossen. Der Digitale und analoge Bewegung Bewegungen lassen sich nach ihrer Erscheinungs- Vorgang des Öffnens dieser Tür ist gestalterisch form grundsätzlich in zwei verschiedene Typen un- nicht relevant, auch wenn gerade dieser Ablauf die terteilen, je nachdem ob die Bewegung als Vermitt- technisch höchsten Anforderungen an das Bauteil lung zwischen zwei Zuständen A und B fungiert oder stellt. Aus dieser konstruktiven Dimension heraus Maßstab 1: ? ob die Bewegung Sinn und Zweck ihrer selbst Maßstab ist. entwickelt 1: ? sich jedoch ein Gestaltungspotenzial, vor. An der Basis dieser Zusammenstellung steht eine morphologische Betrachtung von anderen Gestaltungsfeldern, auf denen im weitesten Sinne eine Auseinandersetzung mit Bewegung und Raum stattfindet,­ etwa die Choreographie oder der Filmschnitt.

1m 1m

2m 2m

3m 3m

4m 4m

5m 5m

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

33

A

2

Lager- und Versandhalle Ernsting, Santiago Calatrava, Coesfeld, Deutschland, 1985

wenn die mechanische Spezifik in den Vordergrund rückt. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Tür im geöffneten Zustand in einer ungewöhnlichen Position zum Stehen kommen soll. Oder wenn besondere Konstruktionsmerkmale der Tür eine spezifische Öffnungssequenz nach sich ziehen. Man denke hier an die schwer gepanzerte Tresortür, die durch die Langsamkeit ihrer Bewegung ein Gefühl von Schwere und Sicherheit immanent vermittelt. Wird die Sequenz der Veränderung selbst zum gestaltprägenden Merkmal, sei diese Bewegung hier als analog bezeichnet. Bei diesem zweiten Typus ist meist kein eindeutiger Anfangs- oder Endpunkt erkennbar. Oft folgen Bewegungen dieses Typs jedoch einem sich wiederholenden Muster, welches als Rhythmus bezeichnet wird. Ein Beispiel aus der Architektur findet sich in der dem Sonnenstand nach-

geführten Sonnenschutzlamelle. Die langsame, aber kontinuierliche Änderung des Lamellenwinkels ist charakteristisch für diesen Typus der Bewegung. Mit Ausnahme von Windrädern findet sich in der Architektur nur selten ein Bauteil, welches sich nach analogem Muster fortwährend in einer wahrnehmbaren Geschwindigkeit bewegt. Geschwindigkeit Die Geschwindigkeit einer Bewegung bestimmt wesentlich unsere Wahrnehmung derselben. Das menschliche Auge kann etwa 30 Lichtreize pro Sekunde zeitlich auflösen. Dieser Effekt wird in der Filmtechnik genutzt, um durch die schnelle serielle Schaltung von Einzelbildern bei mindestens 24 Hz den Eindruck einer kontinuierlichen Bewegung zu erzeugen. Auch sehr schnelle Bewegungen realer

Objekte können nicht mehr trennscharf erfasst werden. Der bewegte Gegenstand erscheint verschwommen oder wird, im oben beschriebenen digitalen Sinn, als Gegenüberstellung von vorher und nachher wahrgenommen. In einem Moment ist die Heuschrecke im Gras klar auszumachen, im nächsten Moment ist das Insekt verschwunden. Liegt die Bewegung in einem für das Auge klar erfassbaren Geschwindigkeitsbereich, bestimmen zahlreiche Einflussfaktoren die subjektive Einschätzung der Geschwindigkeit. Diese hängt unter anderem von der Reizgröße, der Reizentfernung, der Helligkeit, der Eigengeschwindigkeit, der Umgebung des bewegten Objektes und von der Art der Bewegung ab. Darüber hinaus kann durch optische Effekte die Illusion einer Bewegung erzeugt werden. Hierzu zählen der eingangs beschriebene strobosko-

Theorie und Planung

34

Stahlachterbahn Abismo, Madrid, 2006

pische Effekt, also die schnelle Folge von unbewegten Einzelreizen, oder die induzierte Bewegung durch Veränderung des Referenzrahmens. Für den Bahnreisenden ist bei einem Blick aus dem Fenster nicht immer klar erkennbar, ob er sich selbst bewegt oder nur der benachbarte Zug. Die Einstufung von Bewegungen als schnell oder langsam ist also stark subjektiv und kann nicht verallgemeinernd einer bestimmten Geschwindigkeit zugeordnet werden. Wird ein Gegenstand jedoch in Bezug auf den Betrachter mit einer Sehwinkelveränderung von weniger als 1/3° pro Sekunde bewegt, entzieht sich dies der unmittelbaren Wahrnehmung durch das Auge. Die Veränderung kann das menschliche Gehirn dann nur noch durch den mentalen Vergleich gespeicherter Zwischenstände erfassen. Eine Schnecke legt innerhalb einer Stunde eine Wegstrecke von 3 m zurück, ohne dass diese Fortbewegung unmittelbar ersichtlich ist. Beschleunigung Spielt eine Bewegung sich innerhalb der für den Menschen wahrnehmbaren Geschwindigkeit ab, ist die Veränderung dieser Geschwindigkeit durch po­si­

tive oder negative Beschleunigung ein elemen­tares Gestaltungsmittel. Während der Mensch Geschwindigkeit von anderen Körpern nur mittelbar durch die Sinneswahrnehmung erfasst, nimmt er die Beschleunigung des eigenen Körpers auch unmit­telbar durch den Gleichgewichtssinn war. Die Beschleunigung wird in m/sec² angegeben, also in Metern pro Sekunde,­die sich pro Sekunde verändern. 59 m/sec² entsprechen der sechsfachen Beschleunigung eines zu Boden fallenden Körpers, kurz 6 g. Hier liegt die Marke, oberhalb derer die Vertikal­beschleunigung für Ungeübte nicht mehr zu ertragen ist (während trainierte Piloten ihre Toleranzgrenze bis auf 10 g anheben können). Unterhalb dieses Extremwerts wird unsere Wahrnehmung der Bewegung wesentlich von der Beschleunigung bestimmt. Beispielsweise unterscheidet sich die eher lineare Beschleunigungskurve eines Elektroautos signifikant von der parabolisch abgeflachten Kurve eines Benzinfahrzeugs und der Elektrowagen vermittelt dadurch ein deutlich anderes, direkteres Fahrgefühl. Auch für die mittelbare Sinneswahrnehmung ist die Beschleu­nigung relevant. Allgemein wird eine sanfte Be- und Entschleunigung als harmonisch oder sogar elegant wahrge-

nommen. Der Türdämpfer einer Heckklappe hat also nicht nur schalldämmende und sicherheitstechnische Vorteile, er appelliert auch direkt an das Gefühl für gut gestaltete Bewegung. Serie In der Architektur sehr gebräuchlich ist die serielle Kopplung oder zumindest Vervielfältigung von beweglichen Bauteilen. Neben Vorteilen bei der wirtschaftlichen Fertigung komplexer Bauteile eröffnet dieses Vorgehen auch zahlreiche Gestaltungsoptionen. Die Art der seriellen Schaltung nimmt wesentlichen Einfluss auf die Gesamtgestalt. Die Bewegung eines einzelnen Fensterladens ist für sich genommen banal. In der Summe aller Läden kann jedoch ein vielfältiges, moduliertes Erscheinungsbild auf der Fassade entstehen, welches sich durch Öffnen und Schließen einzelner Läden über den Tagesverlauf fortlaufend verändert. Im einfachsten Fall ist die Serie determiniert, so dass die Bewegungen aller Einzelteile nach einem vorgegebenen Muster verknüpft sind. Diese Verbindung lässt sich entweder durch mechanische Zwangsläufigkeit oder durch die zentrale und synchrone Steuerung aller Elemente

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

35

A

2 Jocelyn Vollmar als Myrthe in „Giselle“, Aufführung des San Francisco Ballet, 1947

Skulptur 55A, Santiago Calatrava

herstellen. Ein größerer Variantenreichtum entsteht, wenn die einzelnen Teile unabhängig bewegt und gesteuert werden können. Die Koordination der Bewegungen erfolgt dann entweder zentral und damit nach einem für alle Elemente vorgegebenen Muster oder dezentral nach den lokalen Gegebenheiten am Einzelelement. Im Hinblick auf die äußere Erscheinung lassen sich dabei zwei unterschiedliche Gestal­ tungsstrategien unterscheiden: Bei der choreographierten Bewegung folgt die Veränderung einem zuvor festgelegten Plan. Dem steht die individuelle Bewegung der vollständig unabhängigen Einzelelemente gegenüber. Wenn sich die Aktivität eines singulären Elementes jeweils an den Bewegungen der Nachbarelemente orientiert, kann im Zusammen­ spiel eine schwarmartige Gesamtgestalt entstehen.

reographierte Addition entsteht ein gestalterisch faszinierender Bewegungsablauf. Gewicht Das wahrnehmbare Gewicht eines Körpers hat entscheidenden Einfluss auf dessen gestalterische Wirkung. Dies gilt umso mehr, wenn die Konstruktion oder Teile davon in Bewegung versetzt werden. So wirkt das linsenförmige Luftkissen, welches die runde­ Deckenöffnung der Stierkampfarena Palacio Vista Alegre in Madrid (Tragwerk: Schlaich Bergermann und Partner) abdeckt, in geöffnetem Zustand beinahe schwebend. Umgekehrt führt gerade die schwer­fällige Öffnungssequenz einer massiven Stahltür den großen Aufwand zur Bewegung dieser Masse anschaulich vor Augen.

Komplexität Hohe Komplexität in der zeitlichen und räumlichen Veränderung eines Objektes kann ebenfalls als Gestaltungsmittel eingesetzt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Reihung einfacher, aber verschiedenartiger Bewegungen zu einer Öffnungssequenz für die Türen des Konzeptautos Aero X. Durch die cho-

Balance Auch die sichtbare Disposition von Masse kann zum Gestaltungsthema für bewegliche Bauteile werden. So wirkt nicht nur die Auskragung einer Klappbrücke in Bewegung besonders kühn, auch die Balance der von den Londoner Architekten Wilkinson Eyre entworfenen Gateshead Millennium Bridge in Newcastle­

upon Tyne über dem klar definierten Drehpunkt der Auflager ist ausdrucksstark und einprägsam. Die Wirkung der Kräfte wird hier nachvollziehbar zur Schau gestellt. Geheimnis Manche Bewegungen sind aber auch interessant, gerade weil man ihren Ursprung und ihre Funktionsweise nicht durch bloße Beobachtung entschlüsseln kann. Viele elektronische Geräte der Firma Bang & Olufsen beziehen hieraus ihren Reiz. Wie von Geisterhand bewegt, öffnet sich z. B. ein CD-Player bei bloßer Annäherung der Hand zur Aufnahme der CD. Die Mechanik, der Sensor und die Steu­erung für diese Bewegung bleiben für den Benutzer verborgen. Interaktion Im vorgenannten Beispiel kommt ein weiteres Element der kinematischen Gestaltung zum Tragen: Durch die unmittelbare Reaktion des Gerätes auf den Menschen wird die Bewegung des CD-Spielers aktiv mit der des Menschen verknüpft. Die Wahrnehmung der Bewegung wird durch dieses interaktive Wechselspiel intensiviert.

Theorie und Planung

36

y

z

y

x

3 Freiheitsgrade der Translation

z

x

3 Freiheitsgrade der Rotation

2.2 Grundlagen aus der Mechanik

Gewebebahnen erzeugt werden, die als flächige und hoch flexible Bauteile in der Architektur vielfältig nutzbar sind.

In der Architektur werden bewegliche Bauteile meist eingesetzt, um auf sich ändernde funktionale Anforderungen zu reagieren. Die Aufgaben betreffen das Gebiet der technischen Mechanik und hier im speziellen die Mechanik der festen Körper, da es in der Regel feste Körper, nicht flüssige oder gasförmige sind, die den gebauten Raum und dessen Bauelemente bestimmen. Feste Körper werden in starre, elastische und plastische Körper unterteilt, je nachdem welches Verhalten in der jeweiligen Anwendungsform und Dimension des Körpers überwiegt. Typischerweise kommen in der Architektur starre Körper zum Einsatz, die durch gelenkige Fügung zu beweglichen Bauteilen addiert werden können. Auch elastische Körper finden in kleinem Maßstab,

beispielsweise in Form von Stahlfedern oder Gummidämpfern, als bewegliche Bauteile Verwendung. In großem Maßstab und damit auch in tragender Funktion werden elastische Materialien in der Architektur bisher nur selten verwendet, mit Ausnahme von biegbaren Zeltkonstruktionen. Einen Sonderfall innerhalb dieser Maßstab 1: ?Systematik bildet die Verwendung seilförmiger Körper. Diese 44sehr lan11 m m 55 m 33 m 22 m m m m m m gen und schlanken Körper verhalten sich je nach Belastungsrichtung sehr unterschiedlich. Aus einzelnen Fasern an sich starrer Körper lassen sich durch Spinnen oder Verdrillen Fäden und Seile fügen, die in Querrichtung sehr flexibel und in Längsrichtung auf Zug beanspruchbar sind. Durch additive Verfahren (z. B. Weben, Knüpfen) können hieraus

Kinematik und Kinetik Die Bewegung von starren Körpern kann auf zwei Ebenen beschrieben werden. Der ausschließlich zeitliche Ablauf der Bewegung wird in der Kinematik untersucht. Dies geschieht durch Notation der geometrischen Veränderung eines oder mehrerer Körper über die Zeit. Dadurch werden neben der ortsbe­ zogenen Veränderung wesentliche Kenngrößen der Bewegung wie die Dauer, die Geschwindigkeit oder die Beschleunigung ersichtlich. Da die Bewegung eines Festkörpers immer durch auf ihn wirkende

Ein Freiheitsgrad

Drei Freiheitsgrade

Sechs Freiheitsgrade

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

37

Verbindung von Translation und Rotation beim Korkenzieher

A

2

Kräfte hervorgerufen wird, werden diese Kräfte und die korrespondierenden Bewegungen mit den Metho­ den der Dynamik beschrieben. Ein Teilbereich der Dynamik ist die den Architekten vertraute Statik, die den Fall beschreibt, dass sich alle wirksamen Kräfte im Gleichgewicht befinden. Überwiegt eine der einwirkenden Kräfte, so entsteht Bewegung. Aus dem statischen System wird ein kinetisches System.­ Translation und Rotation Man unterscheidet grundsätzlich zwei verschiedene Arten der Bewegung: Bei der geradlinigen Bewegung, der Translation, verschiebt sich die Position des Objektes im Raum parallel zu den Koordinaten-

achsen, bei der Drehbewegung, der Rotation, ändert das Objekt seine Ausrichtung im Raum durch Drehung um die Koordinatenachsen. Für beide Bewegungsarten lassen sich jeweils drei Freiheitsgrade der Bewegung bestimmen, abhängig davon, ob sich das Objekt in Relation zu einer, zwei oder drei Koordinatenachsen im Raum bewegt. Der Bewegungsspielraum eines Objektes im Raum lässt sich also durch die Festlegung von maximal sechs Freiheitsgraden definieren. Der Freiheitsgrad lässt sich durch geometrische Bindungen einschränken. Ein Türblatt hat beispielsweise genau einen Freiheitsgrad der Rotation, d.h. die Position und Ausrichtung des Elementes kann durch die Angabe von genau einer Koordinate, dem Öffnungswinkel, eindeutig bestimmt

werden. Der Begriff der Freiheitsgrade lässt sich auch auf mehrere Objekte anwenden, die untereinander durch Bindungen konstanter Länge verknüpft sind. Auch die gelenkig verbundenen Stell­arme eines Türschließers zu vorgenanntem Türblatt haben genau einen Freiheitsgrad. Obwohl sie einem komplexeren Bewegungsmuster folgen als die Tür selbst, lässt sich die Position der beiden Arme in der Ebene aus dem Öffnungswinkels der Tür berechnen. Einfache Maschinen Mechanische Vorrichtungen, die geeignet sind den Betrag, den Angriffspunkt oder die Richtung einer Kraft zu verändern, werden als Maschinen bezeichnet. Die Grundprinzipien hierfür wurden schon in

F (Z) F (Z) F (1)

F (2)

F (2)

F (1)

α

F (D)

F (G) a

Seil und Stange

Einfache Maschinen

Seil und Rolle

Hebel

b

F (Z) = F (G) x sin α Schiefe Ebene

Theorie und Planung

38

Seilzüge Seilzüge Seilzüge Seilzüge

Seilzüge Seilzüge Seilzüge Seilzüge Seilzüge Seilzüge Seilzüge

Riemen und Bänder Riemen und Bänder Riemen Riemen und Bänder und Bänder

Riemen Riemen und und Bänder Bänder Riemen und Bänder Riemen und Bänder Riemen Bänder Riemen Riemen und und Bänder und Bänder

Seilzüge

Zahnräder Zahnräder Zahnräder Zahnräder

Zahnräder Zahnräder Zahnräder Zahnräder

Riemen und Bänder

Gestänge Gestänge Gestänge Gestänge

Zahnräder Zahnräder Zahnräder

der Antike gefunden und in Form von „einfachen Gestänge Gestänge Maschinen“ angewandt. Hier finden sich zunächst Gestänge Gestänge vier Grundtypen: Erstens lassen sich mittels Seil und Gestänge Gestänge Gestänge Stange starre Körper ziehen und schieben, d. h. bei gleichem Betrag und gleicher Richtung wirkt die Kraft hier an einem anderen Ort, als an dem sie aufgebracht Maßstab Maßstab 1: 1: ?wurde. ?1: Maßstab 1: ?? Wird das Seil über eine Rolle Maßstab geführt, lässt sich Richtung der Kraft 1 m1 m 11 m 4 m4 m 44 m 5die m5 m 3 m3 m 3zusätzlich 2 m2 m 22 m m m m 3m m m 55 m Maßstab ?1: ? stab Maßstab 1: ? 1:verändern. Eine dritte antike Maschine, der Hebel, der Kraft. Bei dieser Vorrich1m 1m 2m 5m 5m 3m 4m 4 mBetrag 5den m 3m 3 auch m 4m 2m 2 mändert tung werden zwei Kräfte über eine starre Verbindung mit genau einem Drehpunkt verknüpft. Die Strecke zwischen Angriffspunkt der Kraft und Drehpunkt wird als Hebelarm bezeichnet. Befindet sich der Hebel im Gleichgewicht, ist das rechtsdrehende Produkt aus Kraft und Hebelarm (das Moment) gleich dem linksdrehenden, und je länger der Hebelarm,

Maßstab Maßstab 1: ? 1:Maßstab ? 1: ? 1: ? Maßstab m 5 mne der angestrebten Funktion der Maschine wirkt. m 1 m geringer 1 m2 m 1 ist m m1 m 4 m5 m3um 4m 5 das m 4Gleich5m 3 m4 m2 m 3m 2 m3der 2Kraftaufwand, m desto gewichtsmoment zu erzeugen. Als Viertes lässt sich Beispielsweise wird bei der Kurbelwinde das Prinzip auch durch eine geneigte Ebene der Betrag einer des Hebels mit dem Prinzip von Seil und Rolle komKraft verändern. Der Zusammenhang wird hier über biniert. Die menschliche Muskelkraft wird durch den die Winkelfunktionen hergestellt: Je flacher die Hebelarm der Kurbel verstärkt und auf das Seil überEbene, desto weniger Zugkraft parallel zu ihr ist not- tragen. Dabei ändert sich auch der Angriffspunkt der wendig, um einen Körper anzuheben. Die dabei zu- Kraft: Aus der Rotationsbewegung an der Winde rückgelegte Wegstrecke auf der Ebene, um den Kör- wird ein kontinuierliche, längsgerichtete Translatiper auf eine bestimmte Höhe zu bringen, ist ent- onsbewegung am Seilende. Auch Maschinenelemente wie die Schraube lassen sich auf die Grundprinsprechend länger. zipien einfacher Maschinen zurückführen: Durch die Verbindung von Stange mit schiefer Ebene entsteht Zusammengesetzte Maschinen Durch die Verknüpfung und Erweiterung dieser ein- ein Verbindungsmittel, welches die durch den fachen Grundprinzipien können komplexere Ma­ Schraubendreher eingesetzte Kraft durch die Gewinschinen zusammengesetzt werden. Das Ziel ist da- deneigung verstärkt und in den gewünschten Anbei im­mer, die eingesetzte Arbeit so umzuwandeln, druck übersetzt. dass sie möglichst optimal und zielgerichtet im Sin-

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

39

Seilzüge Seilzüge Seilzüge üge ezüge Seilzüge üge ilzüge Seilzüge Seilzüge

A

ndRiemen Bänder Riemen und Bänder und Bänder Riemen und Bänder men und Bänder men und Bänder nund und Bänder Bänder Riemen und Bänder Bänder Bänder men emen Riemen und Riemen und Bänder und Bänder und Bänder Bänder

Zahnräder Zahnräder Zahnräder nräder hnräder der Zahnräder er ahnräder räder Zahnräder Zahnräder

Zahnräder und -stangen

Gestänge Gestänge Gestänge änge stänge ge Gestänge e estänge änge Gestänge Gestänge

ßstab ab b? 1:1:? stab 1:?1:?m? Gestänge 4ßstab m?1: ?51: 1: ab ? 2mm 2 m 3 3mm 3 m 4 4mm

4 m 5 5mm 5 m 3m 43 m 54 m 32 m m4 m m 5m m5 m 5 m m45 m 5 m 4 m 5 m 2mm 3 2mm43mm 4 3mm54mm 5 4mm 5 m 5 m

2

Übersetzung durch Zahnräder

Theorie und Planung

40

2.3 Systemgröße und -komplexität Photoblende

Stadiondach

Maßstab 1: ? 1m

2m

3m

4m

5m

Maßstab 1: ? 1m

Bewegung wurde und wird in der Architektur in allen Maßstäben und Größenordnungen gedacht. Peter Cook hat 1963 mit der Gruppe Archigram ganze Städte in Bewegung gesehen. Auch wenn der Gedanke ultimativer Mobilität in dieser Form Utopie geblieben ist, finden sich in der Architekturgeschichte unzählige Beispiele für transportable Solitärgebäude. Meist werden diese Gebäude in die Tradition flexibler Nomadenwohnstätten gestellt, die sich durch fortwährenden Standortwechsel dem Wandel der Umwelteinflüsse anpassen. Infolge der

Strandbeest, Theo Jansen

2m

3m

zunehmenden bautechnischen Entwicklung spielt Bewegung heute jedoch auch für stationäre Bauten eine große Rolle. Im Extremfall ist ein Gebäude in seiner Gesamtheit beweglich und kann, beispielsweise durch eine Drehung um die eigene Schwerachse, dem Sonnenstand nachgeführt werden. Aber auch die Bewegung einzelner Räume wurde umgesetzt, sei es innerhalb der Außenhülle oder zur Vergrößerung des Innenraumes nach draußen. Geläufiger ist die Bewegung einzelner, den Raum begrenzender Flächen und Bauteile,

Rhinoceros, Theo Jansen

4m

5m

wie sie Mies van der Rohe mit der versenkbaren Glasfassade der Villa Tugendhat meisterhaft in Szene gesetzt hat. Das weitaus häufigste Einsatzgebiet beweglicher Bauteile in der Architektur liegt in der Bewegung einzelner Bauelemente: Öffenbare Türen, Fenster und Tore gehören zum grundlegenden Repertoire der Architektur. Um die Anpassungsfähigkeit der Gebäude zu steigern, werden darüber hinaus innerhalb der Bauteile einzelne Komponenten bewegt. Lamellen und andere Manipulatoren können individuell auf lokale Klimaveränderungen reagieren.

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

41

A Olympisches Tennis-Zentrum, Dominique Perrault, Madrid, 2009

Schiffsluke an Deck

2

Im einfachsten Fall, am anderen Extrem der Größenordnung von Bewegung, sind es Veränderungen und Bewegungen der Werkstoffe selbst, die diese Funktion übernehmen. Systemgröße und Umsetzung Der Maßstab des beweglichen Bauteils, also seine Größenordnung in Relation zur menschlichen Dimension, hat entscheidenden Einfluss auf die Komplexität bei der technischen Umsetzung von Bewegung. Der Bauprozess ist nach wie vor über weite

Maßstab der Bewegung

Strecken an die manuelle, händische Fertigung gebunden. In Abhängigkeit von diesen Fertigungsmethoden haben sich auf der Baustelle handhabbare Größenordnungen etabliert. Konstruktionen, die den gewohnten Maßstab verlassen, sind daher in Bezug auf Kosten und Qualität schwerer umzusetzen. Dies gilt ebenso für besonders kleinmaßstäbliche Konstruktionen, bei denen erhöhte Anforderungen an die Präzision gestellt werden, wie auch für besonders großmaßstäbliche Konstruktionen mit prägendem Einfluss auf das statische Grundgerüst

der starren Gebäudeteile, die zudem erhöhte Anforderungen an die Baustellenlogistik stellen. In der Baubranche haben sich aus diesen Gründen zwei wesentliche Strategien im Umgang mit beweglichen Bauteilen etabliert: Zum einen werden kleinere Bauteile, vom Scharnier bis zum Fensterbeschlag, fast ausschließlich in Serie gefertigt und kommen als industrielles Zulieferprodukt auf den Markt. Die Möglichkeiten zur individuellen Einflussnahme sind hier deutlich geringer als bei unbeweglichen Bauprodukten. Zum anderen werden größere Bauteile

Theorie und Planung

42

Expanding Helicoid, Hoberman Associates, Milwaukee, Wisconsin, 2006

meist konzeptionell auf einen einfachen, klar definierbaren Bewegungstyp festgelegt, in der Planungs­ phase optimiert und kommen entweder als singuläre Großform oder als repetitive Addition gleicher Bauteile zum Einsatz. Insbesondere dieser letztere Weg eröffnet vielfältige Gestaltungsoptionen, da in der Gesamtwirkung komplexere Bewegungsabläufe aus für sich genommen einfachen beweglichen Bauteilen erzeugt werden können. Systemtiefe Als Systemtiefe bezeichnet man die Summe und Komplexität der voneinander abhängigen Einzelbewegungen, die zur Umsetzung einer Hauptbewegung erforderlich sind. Je nach Anwendungsfall kann die erforderliche Systemtiefe zur baupraktischen Umsetzung einer Bauteilbewegung sehr unterschiedlich sein. Es lassen sich im Wesentlichen drei funktionale Einflussfaktoren benennen: die Größe des beweglichen Bauteils, seine Lage in Relation zur Außenhülle (innen, in der Hüllebene, außen) und die Sicherheitsanforderungen für den Fall einer Gefährdung von Menschen durch das bewegliche Bauteil. Ein Tor für einen Flugzeughangar muss in jeder Hinsicht höheren funktionalen Anforderungen genügen als eine Küchenschiebetür. Die Sicherheitsanforderungen werden in der Regel durch dem Hauptbauteil dienende Bewegungseinrichtungen erfüllt; so wird beispielsweise eine Tür durch ein Motorschloss verriegelt oder eine Torbewegung durch eine Trittplatte gestoppt. Um die gewünschte Systemtiefe zu erzeugen, können Einzelbewegungen mechanisch (kinematische

Kette) oder elektronisch (Steuerung, Regelung) verknüpft werden. Geometrische Komplexität Die Kinematik beschreibt die zeitliche Veränderung der geometrischen Disposition beweglicher Bauteile. Meist geschieht dies im dreidimensionalen Raum; eine ausschließlich zweidimensionale Bewegung, wie sie beispielsweise bei einer Papierschere zum Einsatz kommt, ist in der Architektur selten. In der Regel kommen Systeme zum Einsatz, die über die Tiefe der Bauteile eine dreidimensionale Wirkung entfalten, deren Bewegungsablauf sich aber in einer zweidimensionalen Schnittdarstellung vollständig erfassen lässt. In Analogie zu entsprechenden Bezeichnungen bei CAD-Systemen werden diese Systeme als 2,5-dimensional bezeichnet. Die geometrische Komplexität erhöht sich deutlich, wenn es die Bewegung selbst ist, die dreidimensional verläuft. Während die Kollisionskontrolle bei 2,5-dimensionalen Systemen relativ einfach in einer Zeichenebene durchgeführt werden kann, erfordern dreidimensionale Systeme aufwändige computergestützte Rechenmodelle. Auch der Zusammenschluss einzelner Bewegungen zu kinematischen Ketten erhöht die geometrische Komplexität von Bewegungen. Die Ketten sind hierarchisch aufgebaut, so dass die Bewegung des untergeordneten Elementes (Child) geometrisch unmittelbar durch das übergeordnete Element (Parent) bestimmt wird. Schon bei der Addition von zwei oder mehr Einzelbewegungen in einer kinematischen Kette erhöht sich die Komplexität der Ge-

samtbewegung erheblich. Bereits kleine Änderungen der Anfangskonfiguration können sehr große Änderungen im Endergebnis nach sich ziehen. Dieses Prinzip der linearen kinematischen Kette kann erweitert werden, indem gleichartige Ketten zu wandelbaren zwei- oder dreidimensionalen Strukturen addiert werden. Als übergeordnete Großform bieten sich einfache Figuren wie Ringe oder rechteckige Flächen an, aber auch dreidimensionale Gitter und komplexe geometrische Figuren sind auf diese Weise als bewegliche Mechanismen umsetzbar. So entwickelten beispielsweise Hoberman Associates für die Discovery World in Milwaukee eine sich ausdehnende Schraubenfläche, die aus unzähligen über Kreuz verknüpften Scherenarmen zusammengesetzt ist. Der limitierende Faktor bei Strukturen dieser Art, und damit ausschlaggebend für die geometrische Konfiguration und die Detailausbildung der Gelenke, ist die Paketierung der Elemente im eingefahrenen Zustand. Dies gilt umso mehr, wenn statt der im vorgenannten Beispiel gezeigten stabförmigen Bauteile geschlossene, flächige Bauelemente zum Einsatz kommen.

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

43

A Bewegungssequenz laufschienenloses Garagentor

2

Entwurf für ein laufschienenloses Garagentor: Im Gegensatz zu handelsüblichen Systemen wird die Bewegung des Torflügels ausschließlich über Drehgelenke geführt.

Theorie und Planung

44

2.4 Typologie der Bewegung Storefront for Art and Architecture, Steven Holl, New York, 1993

Bewegung aus starren Bauteilen Mechanische Bewegungen lassen sich immer auf die beiden Grundtypen Drehen (Rotation) und Schieben (Translation) oder eine Kombination aus beiden zurückführen. Diese Einteilung gilt zunächst unabhängig von der Lage der Gelenke und ohne Berücksichtigung der Schwerkraft. Beides beeinflusst jedoch wesentlich den Entwurf, den konstruktiven Aufbau und den zu wählenden Antrieb beweglicher Bauteile. Für die Anwendung in der Architektur ist es daher sinnvoll, eine weitere Systematisierung nach Bewegungstypen vorzunehmen. Oft unterscheidet sich die großmaßstäbliche Bewegung eines Bauteils in seiner Gesamtheit von dem sequentiellen und geometrischen Bewegungsablauf im Detail. Die auf der Makroebene einfache Drehbewegung einer Küchentür wird auf der Mikroebene durch ein komplexes Scharnier ermöglicht. Dieses Gelenk führt durch die kinetische Verkettung mehrerer Drehachsen das Türblatt erst nach vorne aus der Ebene und dann über eine Drehung zur Seite. Da es sich bei der folgenden Betrachtung um architektonische Typen handelt, bezieht sich die gewählte Typenbezeichnung immer auf die für die Nutzung maßgebliche Makroebene. Betrachtet wird entsprechend der funktionsgemäße, nicht der mechanisch oder theoretisch denkbare Ablauf der Bewegung. Drehen Bei der Drehung ändert der Körper seine Ausrichtung bei gleich bleibender Position im Raum. In der Architektur finden vorwiegend Drehungen um eine Achse, also mit einem Freiheitsgrad, der Rotation,

Verwendung. Man unterscheidet drei architektonische Typen der Drehung: Wird ein Element, beispielsweise eine Lamelle, um seine Schwerachse hin- und herbewegt, bezeichnen wir dies als einfaches Drehen. Typischerweise verhindert dabei ein Anschlag, der als Ruheposition dienen kann, ein Runddrehen der Elemente. Demgegenüber bezeichnen wir eine kontinuierliche Drehbewegung von über 360° als Rotieren. So rotiert eine Drehtür zum Beispiel fortwährend in die immer gleiche Richtung, während eine Drehung in die Gegenrichtung ausgeschlossen ist. Liegt die Drehachse außerhalb der Schwerachse des drehbaren Bauteils, bezeichnen wir diese Bewegung als Klappen. Meist sind die Gelenke eines klapp­ baren Bauteils an einer der Kanten positioniert. ­Elemente zum Klappen finden in der Architektur in Form von Türen und Fenstern zahlreiche Verwendung. Aufgrund der höheren exzentrischen Lasten sind klappbare Bauteile fast immer in ihrem Drehwinkel begrenzt, deshalb werden rotierende Klapp­ elemente typologisch hier nicht gesondert erfasst. Schieben Bei Bewegungen dieses Typs ändert der Körper seine Position im Raum bei gleich bleibender Ausrichtung. Auch hier sind in der Architektur Bewegungen mit nur einem Freiheitsgrad, der Translation, die Regel. Bei gerichteten Körpern unterscheidet man das Schieben parallel zur Richtung des Körpers von einer Bewegung senkrecht zum Objekt. Letzere ist in der baukonstruktiven Umsetzung deutlich aufwändiger, da das Objekt durch mindestens zwei Schienen oder Scheren geführt werden muss.

Drehen und Schieben Komplexere Bewegungen lassen sich durch die Kombination von Drehen und Schieben erzeugen: Durch die gelenkige Verbindung von mindestens zwei Bauteilen entlang der Bauteilkanten entstehen faltbare Elemente. Werden diese durch je ein drehbares und ein verschiebliches Auflager gehalten, eröffnen sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Faltbare Elemente zeichnen sich durch besonders starke räumliche Veränderungen aus. So kann aus einer großen Fläche durch Faltung ein relativ kompaktes Volumen erzeugt werden. Das Prinzip der einfachen Faltung lässt sich durch die biegesteife Verlängerung der Bauteile über deren gelenkige Verbindung hinaus zur Schere erweitern. Bei gleicher Grundbewegung des verschieblichen Auflagers verdoppelt sich dann die raumgreifende Wirkung des Systems. Wirksame Richtung der Bewegung Die Bewegungsrichtung, in Relation zur Richtung der Schwerkraft gesehen, hat entscheidenden Einfluss auf die konstruktiv wirksamen Kräfte und damit auch auf das kinetische Konzept. Wesentlich ist hierbei, welches Eigengewicht über welche Höhe und mit welchem Hebelarm bewegt wird. Ein flächiges Bauteil lässt sich bei entsprechender Lagerung mit geringem technischen Aufwand und niedrigem Energieeinsatz horizontal verschieben. Die vertikale Verschiebung des gleichen Bauteils erfordert entweder ein über Rollen gegenläufig gelagertes Ausgleichsgewicht oder einen vergleichsweise hohen Energieeinsatz. Beides erhöht den Aufwand zur Umsetzung dieser Bewegung erheblich.

Bewegungen aus harten Bauteilen Bewegungen Bewegungen aus aus harten harten Bauteilen Bauteilen Bewegungen aus harten Bauteilen Bewegungen Bewegungen Bewegungenaus aus aus harten harten hartenBauteilen Bauteilen Bauteilen Bewegungen aus harten Bauteilen Bewegungen aus starren Bauteilen Bewegungen Bewegungen Bewegungen Bewegungen aus aus aus harten harten harten harten Bauteilen Bauteilen Bauteilen Bauteilen Bewegungenaus aus harten Bauteilen Bewegungen aus harten Bauteilen Bewegungen Bewegungen Bewegungen Bewegungen Bewegungen Bewegungen aus aus aus aus aus harten aus harten harten harten harten harten Bauteilen Bauteilen Bauteilen Bauteilen Bauteilen Bauteilen Mechanischer Überbegriff Mechanischer Überbegriff Rotation Rotation Rotation Rotation Rotation Rotation Rotation Rotation Rotation Rotation Rotation Rotation Architektonischer Architektonischer Typus Typus Architektonischer Typus Rotation Rotation Rotation Rotation Rotation Rotation Rotation Architektonischer Typus Architektonischer Architektonischer Architektonischer Architektonischer Typus Typus Typus Typus Architektonischer Typus Architektonischer Typus Architektonischer Typus Architektonischer Architektonischer Architektonischer Architektonischer Architektonischer Typus Typus Typus Typus Typus

Mechanischer Überbegriff Architektonischer Typus Architektonischer Architektonischer Architektonischer Typus Typus Typus

Rotation

Wechselndes Rotieren Wechselndes Wechselndes Rotieren Rotieren Wechselndes Rotieren Wechselndes Wechselndes Wechselndes Wechselndes Rotieren Rotieren Rotieren Drehen Drehen Drehen Drehen Drehen Drehen Drehen Wechselndes Wechselndes Wechselndes Wechselndes Rotieren Rotieren Rotieren Rotieren Wechselndes Drehen Rotieren Wechselndes Drehen Drehen Drehen Drehen Drehen WechselndesDrehen Rotieren Wechselndes Wechselndes Wechselndes Wechselndes Wechselndes Wechselndes Rotieren Rotieren Rotieren Rotieren Rotieren Rotieren Drehen Drehen Drehen Drehen Drehen Drehen Drehen

Architektonischer Typus

Einfache Bewegung von Flächen Einfache Einfache Bewegung Bewegung von von Flächen Flächen Einfache Bewegung von Flächen Einfache Einfache EinfacheBewegung Bewegung Bewegung von von vonBewegung Flächen Flächen Flächen von Flächen Einfache Einfache Einfache Einfache Einfache Bewegung Bewegung Bewegung von von von von Flächen Flächen Flächen Flächen EinfacheBewegung Bewegung von Flächen von Flächen Einfache Bewegung Einfache Bewegungen von Flächen Einfache Einfache Einfache Einfache Einfache Einfache Bewegung Bewegung Bewegung Bewegung Bewegung Bewegung von von von von von Flächen Flächen Flächen Flächen Flächen Flächen Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal

Horizontal

Horizontal

Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal

Horizontal

Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal

Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal

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Einfache Einfache Bewegung Bewegung von von Volumina Volumina Einfache Bewegung von Volumina Einfache Bewegung von Volumina Einfache Einfache Einfache Einfache Bewegung Bewegung Bewegung von von von von Volumina Volumina Volumina Volumina EinfacheBewegung Bewegung von Voluminavon Volumina Einfache Bewegung Einfache Einfache Einfache Einfache Einfache Einfache Bewegung Bewegung Bewegung Bewegung Bewegung Bewegung von von von von von von Volumina Volumina Volumina Volumina Volumina Volumina

Einfache Bewegungen vonvon Volumina Einfache Bewegung von Volumina Einfache Einfache Einfache Bewegung Bewegung Bewegung von vonVolumina Volumina Volumina

HorizontalHorizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal

Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal Horizontal

Horizontal

Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal Vertikal

Eben Eben Eben Eben Eben Eben Eben Eben Eben Eben Eben Eben Eben Eben Eben Eben Eben Eben

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Rotation

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Klappen Klappen Klappen Klappen Klappen Klappen Klappen Rotieren Klappen Klappen Klappen Klappen Klappen Rotieren Klappen Klappen Klappen Klappen Klappen Klappen Klappen

Falten Falten Falten Falten Falten Falten Falten Klappen Falten Falten Falten Falten KlappenFalten Falten Falten Falten Falten Falten Falten Falten

Parallels Parallels Parallels Doppeltes Doppeltes Doppeltes Parallels Parallels Parallels Parallels Doppeltes Doppeltes Doppeltes Doppeltes Falten Doppeltes Schieben Schieben Schieben Falten Falten Falten Schieben Schieben Schieben Falten Falten Falten Falten Parallels Parallels Parallels Parallels Doppeltes Doppeltes Doppeltes Doppeltes Falten Schieben Parallels Falten Doppeltes Doppeltes Schieben Schieben Schieben Schieben Falten Falten Falten Falten Schieben Falten Doppeltes Falten Paralleles Parallels Parallels Parallels Parallels Parallels Doppeltes Doppeltes Doppeltes Doppeltes Doppeltes Doppeltes Falten Schieben Schieben Schieben Schieben Schieben Schieben Falten Falten Falten Falten Falten Falten

Senkrechtes Senkrechtes Senkrechtes Senkrechtes Senkrechtes Senkrechtes Senkrechtes Parallels Schieben Schieben Schieben Schieben Schieben Schieben Schieben Senkrechtes Senkrechtes Senkrechtes Senkrechtes Schieben Senkrechtes Parallels Schieben Schieben Schieben Schieben Schieben Senkrechtes Senkrechtes Senkrechtes Senkrechtes Senkrechtes Senkrechtes Schieben Schieben Schieben Schieben Schieben Schieben Schieben

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

45

Senkrechtes Schieben Senkrechtes Schieben A

2

Softwall + Softblock Modulsysteme, Molo Design, Vancouver, 2005

47

Bewegung 1-D Objekt

Strecken

Rollen

Biegen

Scheren

Flattern

Frei

Raffen (vertikal)

Raffen (horiz.)

Bewegung 2-D Objekt

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

Bewegungen aus weichen Bauteilen

A Ausdehnen

Bewegung 3-D Objekt

Stauchen

2

Richtungsabhängigkeit der Materialeigenschaften Ausschlaggebend für das Bewegungsspektrum ist die räumliche Disposition der Elemente. Ein lineares Element lässt sich in der Regel anders verformen als ein flächiges oder räumliches Bauteil aus dem gleichen Material. Hieraus ergibt sich eine Typologie möglicher Bewegungsmuster für die Anwendung deformierbarer Bauteile in der Architektur. Der obenstehend dargestellte Überblick zeigt auszugsweise die wichtigsten Typen. In aller Regel werden deformierbare Bauteile mit extremen Proportionen, beispielsweise lange und schlanke oder sehr flache Elemente, verwendet. Die eingesetzten Materialien reagieren daher meist unterschiedlich auf Krafteinwirkungen, je nachdem ob sie parallel oder aber lotrecht zu ihrer Ausdehnung belastet werden. Dieser Umstand kann durch die Verwendung einer gerichteten Materialstruktur, beispielsweise einer faserförmigen, und durch entsprechende Fügung der Materialien unterstützt werden. Bewegungen deformierbarer Bauteile Insbesondere bei kleinmaßstäblichen Bewegungen oder bei flexiblen Veränderungen größerer Flächen spielen deformierbare Bauteile eine große Rolle. Die Veränderbarkeit von Form und Raum erfolgt hier nicht, wie bisher betrachtet, durch unterschiedliche räumliche und zeitliche Konstellationen von an sich unveränderlichen, starren Bauteilen, sondern durch die Bewegung des Bauteils bzw. Materials selbst. Je nach spezifischer Materialeigenschaft und Fügung

der verwendeten Baustoffe werden formlabile (oder biegeschlaffe) und elastische Körper unterschieden. Die Stoffgruppe der plastischen Materialien, welche sich unter Krafteinfluss irreversibel deformieren, findet in der Architektur praktisch keine Verwendung. Einen Sonderbereich nehmen die Formgedächtnislegierungen ein, die eine Formwandlung zwischen zwei verschiedenen Zuständen zulassen. Bewegungen formlabiler Materialien Formlabile oder biegeschlaffe Materialien ändern unter Einwirkung äußerer Kräfte permanent ihre Form, ohne dabei ihren übergeordneten Formzusammenhang zu verlieren. Bei den linearen Bauteilen sind dies beispielsweise Fäden, Schnüre oder Seile, bei den flächigen Bauteilen unter anderem Gewebe, Gewirke oder Gestricke. Das Verhalten formlabiler Materialien kann auch durch gelenkige Addition sehr kleiner, starrer Bauteile imitiert werden. So verhält sich (auf der Makroebene der Betrachtung) ein Kettenhemd ähnlich wie ein sehr schwerer Stoff, auch wenn dieses Kleidungsstück auf der Mikroebene aus vielen hundert starren Stahlteilen gefertigt wurde. In der Architektur finden biegeschlaffe Bauteile vor allem in Form von Textilien zahlreiche Anwendungen. Textile Flächen sind in Relation zu ihrer flächigen Ausdehnung sehr leicht und flexibel. Sie eignen sich daher besonders, um starke visuelle und räumliche Veränderungen mit geringem Energieeinsatz zu bewerkstelligen. Dabei wird auf ein erprobtes Vokabular zum Hängen, Rollen und Raffen der Stoffe zurückgegriffen.

Bewegungen elastischer Materialien Im Gegensatz zu formlabilen Materialien kehren elastische Materialien nach erfolgter Deformation ohne äußere Krafteinwirkung wieder in ihren Ausgangszustand zurück. Theoretisch wäre auch hier eine Vielzahl von architektonischen Anwendungsfällen denkbar. Die meisten elastischen Materialien sind jedoch nicht in der erforderlichen Größe, Dauerhaftigkeit oder optischen Qualität auf dem Markt erhältlich. Die Verwendung dieser Materialgruppe ist daher auf kleinmaßstäbliche Formen und gestalterisch untergeordnete Funktionen, beispielsweise Stahlfedern oder Gummidämpfer, begrenzt. Pneumatische Formen Durch eingeblasenen Luftdruck lassen sich aus ebenen, deformierbaren Materialien dreidimensionale Objekte herstellen. Dabei können sowohl biegeschlaffe als auch elastische Hüllen nach dem Prinzip des Luftballons zum Einsatz kommen. Aus den vorgenannten Gründen stehen jedoch für den dauerhaften Einsatz bisher nur biegeschlaffe Materialien mit großer flächiger Ausdehnung zur Verfügung. Pneumatische Konstruktionen können daher gegenwärtig meist nicht elastisch zwischen verschiedenen Formen der Ausdehnung oszillieren, sondern nur zwischen zwei definierten Zuständen wechseln: In der erschlafften Form ist das Volumen und damit das Packmaß der pneumatischen Elemente sehr gering, im (luft-)gefüllten Zustand entsteht durch ausreichend hohen Innendruck die gewünschte räumliche Figuration.

Theorie und Planung

48

2.5 Aspekte zur Materialwahl

JuCad CARBON Travel, Elektro Caddy

Bewegliche Konstruktionen werden auf verschiedene­ Weisen besonders beansprucht. Die Auswahl geeigneter Materialien für bewegliche Bauteile unterliegt entsprechend besonderen Anforderungen. Beanspruchungen der Festigkeit führen zu Verformungen und inneren Spannungen, tribologische Beanspruchungen erzeugen Reibungen, führen zu Verschleiß und ergeben Werkstoff- und Energieverluste, Reaktionen mit umgebenden Stoffen führen zu Korrosionen, Temperaturunterschiede bewirken Längenänderungen und thermische Spitzen erzeugen ein Erweichen bei Wärme und Versprödung bei Kälte. Aus all diesen Bedingungen ergibt sich ein Anforderungsprofil, dem das Bauteil entsprechen muss. Des Weiteren zwingen die Endlichkeit der Rohstoffvorräte und die steigenden Werkstoff- und Energiekosten zu einer Optimierung des Werkstoff- und

Energieverbrauchs und bedingen eine Entwicklung in Richtung leichter Materialien und Strukturen. Immer stellt sich die Frage nach hoher Stabilität einerseits und einer Gewichtseinsparung andererseits, um mit wenig Energieaufwand den Antrieb der Elemente auszuführen. Ein über Jahrhunderte bewährtes Beispiel für derart funktions- und situationsgerechte Materialentscheidungen und das sinnfällige Zusammenwirken von Konstruktion und Material sind die Flügel historischer Windmühlen. Sie müssen den teilweise sehr starken Antriebskräften des Windes standhalten, aber auch so leicht gebaut und gelagert sein, dass sie von möglichst geringen Windgeschwindigkeiten in Bewegung versetzt werden können. Die textile Bespannung der Flügel ist eine sinnfällige Lösung sowohl für die Gewichtsreduktion als auch in Bezug

auf flexible Reaktionsmöglichkeiten auf sich dynamisch verändernde Umgebungsbedingungen. Die Möglichkeit, die Stoffbahnen zusammenzuraffen und so die Windangriffsfläche zu reduzieren, erlaubt eine weitere kontrollierte Anpassung des Bewegungsapparates an die jeweilige Situation. Die Poesie des Gewichts Die Wahl des „richtigen“ Materials beeinflusst den Erfolg des beweglichen Architekturelementes aber auch in anderer Hinsicht. Die Kraft des Materials entscheidet mittels seiner Verarbeitung und seiner Veredelung mit über die ästhetische Erscheinung des Bauteils. Neben der ökonomisch und ökologisch effizienten Gewichtseinsparung kann eine Entwurfsstrategie in der Bewusstmachung, der optischen und haptischen Vergegenwärtigung und Betonung

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

49

A

Blown Chair, Stephen Newby

des Gewichtes liegen. In der James-Bond-Verfilmung Goldfinger wird der Goldschatz von „Fortnox“ von einer schweren, stählernen, chromglänzenden Tresortür gesichert. Die offensichtlich meterdicke, tonnenschwere Tür öffnet sich nur sehr langsam, die Öffnungsmimik wird untermalt von Klängen einer schwer bewegten Masse. Unterstützt durch filmische Mittel wird dem Zuschauer der Eindruck einer extremen Sicherheitsanforderung an diesen Panzerverschluss vermittelt. Die funktionale Leistungsfähigkeit wird in der Überhöhung des Materialeinsatzes, der Detaillierung, der Haptik und des Klangs überzeugend dargeboten und gewinnt gerade durch diese Überzeichnung ihren eigenen poetischen Charme. Auch in der realen Welt lassen sich diese Gedanken und Möglichkeiten einsetzen, um die Wirkung beweglicher Bauteile zu verbessern. In der Autoindus-

trie werden in den Design- und Konstruktionsstudios beispielsweise Autotüren nicht nur auf ihre Funktionalität hin entwickelt. Die Wertigkeit, die sich vermittelt, wenn die Tür geöffnet und geschlossen wird, das Material, die Verbindungen, die Fügungen und der satte Klang, mit dem sie ins Schloss fällt, sind wichtige Entwurfsziele im Lastenheft. Viele Architekturbauteile würden sich in dieser Hinsicht optimieren lassen und in der täglichen Nutzung zu einem bewussteren, auch angenehmeren Umgang führen. In neuem Kontext Im Idealfall sind Funktion, Form und Material der gefundenen Lösung nahtlos miteinander verbunden. Grundsätzlich lassen sich aber zwei Vorgehensweisen bei der Auswahl von Materialien unterscheiden:

2

Entweder bestimmen Funktionsbedarf und Formanspruch darüber, welches Material verwendet wird, oder das Material selbst inspiriert mit seinen ästhetischen und technischen Eigenschaften zu neuen Produkten. Zwischen diesen beiden Polen findet im Gestaltungsprozess eine Art permanentes Zwiegespräch statt. Neuartige Produktions- und Fügetechniken und das Angebot neuer Materialien eröffnen die Möglichkeit durch Kontextverschiebungen und ästhetische Verfremdungen neue Wege zu beschreiten. Eine österreichische Firma beispielsweise entwickelte aus dem schwerem Werkstoff Beton ein leicht wirkendes, vorhangartiges Element. Als Licht-, Lärm- und Sichtschutz, vor allem aber als dekorativer Raumteiler und Fassadenschmuck ist das „Beton-Textil” gedacht. Hergestellt wird es mittels einer Art Waffeleisentechnik, bei der Beton um eine

Theorie und Planung

50

Vorhang aus Beton, memux

Betonvorhang im Gegenlicht

Vorhang mit Edelstahl beschichtet, Creation Baumann

Metallgitterstruktur in Form gepresst wird, so dass eine gewebeähnliche Fläche mit kleinen, kissenartigen Quaderformen entsteht. Geschmeidig und weich ist das Betongewebe natürlich nicht, entwickelt aber doch eine gewisse Flexibilität und neuartige Ästhetik.

durch veränderte Stoffeigenschaften und Fertigungstechniken wird sich aber zukünftig auch auf den Baubereich auswirken. Als Beispiel sei die thermomechanische Behandlung von Stahl genannt. Das Vollmaterial wird bei hohen Temperaturen zweimal gewalzt, erhält dadurch ein sehr feinkörniges Gefüge und erreicht wesentlich höhere Zugfestig­ keiten.

weglicher Konstruktionen lassen sich im Wesentlichen in zwei Gruppen klassifizieren: 1. Leicht und stabil: Flächen aus starren, plattenartig gefügten Elementen, die sich verschieben, klappen, falten lassen (Dachsegmente, Faltläden, Sonnenschutzlamellen usw.). 2. Weich und flexibel: Gewebe und Folien die sich in Falten werfen oder aufrollen lassen. Bewegliche Bauteile folgen aber nicht zwangsläufig der oben beschriebenen Fügung aus Mechanik, Tragwerk und Füllung, zumindest müssen sie eine Komponenten- und Materialdifferenzierung nicht unbedingt ablesbar machen. So können zum Beispiel Faltwerke aus Kompositwerkstoffen durch ihre eigene Stabilität sowohl Tragfunktion als auch Füllfunktion in ein und derselben Komponente erfüllen. Sandwichelemente wie die Produkte „3F-board“ oder „foldtex“ sind sogar in allen drei Kategorien leistungsfähig. Es handelt sich dabei um mehrlagig aufgebaute Plattenwerkstoffe, bestehend aus zwei Lagen herkömmlicher Holzwerkstoffe und einer flexiblen Mittellage. Bei der Bearbeitung kann die flexible Schicht freigelegt und als Drehachse genutzt werden. Mittels dieser so erzeugten „Faltlinie“ entstehen auf einfache Weise räumliche Strukturen nur durch Falten des Werkstoffes und ohne den Einsatz zusätzlicher Beschlag- und Montagetechnik. Beispiele für Multifunktionsfähigkeit aus der zweiten genannten Gruppe sind Polymerbahnen und Gewebestrukturen. Sie raffen oder rollen sich zusammen, lassen sich verspannen, nehmen Zugspannungen auf und schließen flächig ab.

Komponentenspefizische Materialwahl Komplexere Bauteile lassen sich in drei Gruppen von Komponenten unterteilen: 1. die Bewegungsmechanik (Gelenke, Lager, Antriebe usw.) 2. die statischen Tragelemente (Kragträger, Rahmen usw.) 3. die flächigen Füllelemente (Platten, Lamellen, Membranen usw.) Bewegungsmechanik In klassisch gegliederten Konstruktionen wird für die mechanischen Elemente meistens auf fertige Produkte zurückgegriffen. Die Industrie bietet für viele Bereiche entsprechende Schienen, Bänder, Rollen und ähnliches an. Für individuelle schwere Konstruktionen werden Sonderanfertigungen – und entsprechende Fachkenntnisse im Maschinenbau – benötigt. In der Regel sind diese Teile gegossene oder gezogene Beschläge aus Aluminium, Stahl oder Stahllegierungen. Der Anteil ihres Gewichts am Gesamtbauteil ist eher gering. Dies ist (neben den Kosten) der Grund dafür, dass Hochleistungswerkstoffe wie Magnesiumlegierungen sich in der Architekturanwendung bisher nicht durchsetzen konnten. Die Entwicklungsrichtung zu höheren Festigkeiten

Tragelemente Die tragenden Bauteile sind dagegen oft der entscheidende Gewichtsfaktor in Bauelementen. Zur Aufnahme der statischen und dynamischen Lasten werden Systeme und Materialien hoher Tragfähigkeit und durabler Verformung benötigt. Aluminium und Stahl, teilweise auch Holz sind in diesem Bereich immer noch die bewährten Materialien. Gerade hier lohnt sich aber der erweiterte Blick auf die Leistungsfähigkeit sogenannter „High-Tech-Materialien“. Glasfaserverstärkte Kunststoffe, Carbon und ähnliche bieten bei geringerem Gewicht ein größeres Leistungspotenzial. Sie werden bisher in der Regel nicht von der Bauindustrie angeboten, sondern müssen aus anderen Branchen zugeliefert und angepasst werden. Füllungen Die Füllung sind die Funktionsschichten der beweglichen Bauteile. Sie schützen vor Witterungseinflüssen, Sonneneinstrahlung, Schall, Feuer usw. Sie sind transparent, transluzent oder opak, materialhomogen oder aus einzelnen Segmenten zu einer Einheit gefügt. Die flächig erscheinenden Füllelemente be-

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

51

A

2 Prinzip der Freitag-Tasche: Material in neuem Kontext

Das BMW GINA Light Visionsmodell verfügt über eine flexible Außenhaut. Basis dafür ist eine Lycra-Weiterentwicklung. Die Außenhaut besteht bei diesem Fahrzeug aus nur vier Bauteilen.

Theorie und Planung

52

Kantung

Aufkantung

Faltung

Prismen faltung

Wellboa rd

Wabe

Gitterstruktu ren

Prismenpaneele

Rauten

Röhrchen

Hohlkörper

Holstegplatten

Hohl körper

Waben kern

Stabholzplatte

Schaumplatten

Schaum keramik

Dämm kernplatten

2.6 Hochfeste und flexible Werkstoffe Schaum Faserverstärkte Platten

Leicht und stabil

Die Eingliederung eines Materials in die Kategorien „leicht und hochfest“ oder „weich und flexibel“ lässt sich nicht allein auf der Basis der grundlegenden chemischen Zusammensetzung vornehmen. Viele Materialien treten nicht mehr in „Reinform“ auf, sondern sind aus verschiedenen Werkstoffen zusammengesetzt. Von größerer Bedeutung für diese Zuschreibung sind inzwischen die Produktionsverfahren und Verbindungstechniken. Beispielsweise sind Metalle durch ihre Rohdichte schwerer und stabiler als Naturstoffe wie Holz, erreichen aber als gefaltete Bleche ein geringeres Gewicht bei gleichzeitig höherer Tragfähigkeit als Holzwerkstoffplatten. Metalle lassen sich als Gewebe aufrollen, während textile Stoffe sich umgekehrt durch Kunstharze zu sehr steifen Elementen formen lassen. Anhand ausgewählter Material- und Produktgruppen wird im Folgenden ein Ausblick auf die technologi-

Polycarbonat Wabenkernplatte clear-PEP

schen Möglichkeiten der Werkstoffentwicklung ge- teilen wie Kunststoff oder Keramik kommen in geben und werden die Wahlmöglichkeiten bei Mate- starren tragenden Platten und Profilen zur Anwenaufgeschäumt rialentscheidungen mit Relevanz für leichte oder(GFK) dung. Aluminium kann zu Platten Schaumglasplatten werden. Lochen und Perforieren verschafft Blechen biegbare Anwendungen dargestellt. Leichtigkeit und Transparenz. Metallfäden und Hochleistungsgarne (Zylon) werden zu feinen, biegWerkstoff samen Geweben und Netzen verwoben. Metall Metalle sind in ihren Grundeigenschaften wie Ge- Metalldrähte lassen sich zu steifen Gittern fügen. wicht, Festigkeit und Formbarkeit lange bekannt. Beim Lasersintern wird pulverförmiges Metall erDie heutige genaue Steuerung des Herstellungspro- hitzt, um CAD-Daten direkt aus dem Rechner in zesses und die Kombination zu Verbund- und Hyb- komplexe Objekte umzusetzen. Ebenso wird Metallridwerkstoffen sind aber der Schlüssel zu komplexen pulver in Strangpressverfahren unter hohem Druck metallischen Strukturen und neuen Hochleistungs- zu Profilen komplexer Querschnitte verpresst. Die Dehnbarkeit von Metall erlaubt umgekehrt das „Aufstoffen. Legierungen auf Magnesiumbasis ermöglichen dün- blasen“ zu kissenartigen Objekten. Durch Prägungen ne und hochstabile Formteile, wie sie im Fahrzeug- und Verformungen („Hydroforming“: Wasser mit exbau für Motorenbauteile eingesetzt werden. Metall- trem hohen Druck verformt Bleche) werden Metallverbundwerkstoffe mit nichtmetallischen Bestand- bleche steifer.

Aluminiumschaumplatte ALPORAS

Sandwichpaneel DIBOND

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

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A

M.A.C. modular aluminium concept, Bengtsson design

Polymere Kunststoffe sind vielseitig einsetzbar, leichter, weicher, haltbarer, bunter, günstiger als andere Materialien. Physikalisch werden Polymere in drei Gruppen unterteilt: 1. Thermoplaste, die sich in einem bestimmten Temperaturbereich einfach verformen lassen. Dieser Vorgang ist reversibel, d.h. er kann durch Abkühlung und Wiedererwärmung bis in den schmelzflüssigen Zustand beliebig oft wiederholt werden. 2. Elastomere sind formfeste, aber elastisch verformbare Kunststoffe. Sie können sich bei Zug- und Druckbelastung elastisch verformen, finden aber danach wieder in ihre ursprüngliche, unverformte Gestalt zurück. Elastomere finden Verwendung als Material für Reifen, Gummibänder, Dichtungsringe usw. 3. Duroplaste können nach ihrer Aushärtung nicht mehr verformt werden. Duroplaste sind harte, glasartige Polymerwerkstoffe. Die meisten Kunststoffe, die wir im täglichen Leben benutzen, sind Thermoplaste (ABS, PE, PET, PS, PVC usw.). Ein Thermoplast lässt sich durch Ziehen recht schwer verformen und bleibt, wenn man aufhört zu ziehen, im verformten Zustand. Ob ein Thermoplast bei Raumtemperatur hart oder weich ist, hängt von seiner Glasübergangstemperatur ab. Oberhalb dieser Temperatur ist es weich und verformbar, unterhalb fest und unformbar. Abgesehen davon fügt man manchen Kunststoffen Weichmacher zu, die sie weich und formbar machen.

Aufgeblasenes Metall, suspended screen, Stephen Newby

Das besondere an Elastomeren (Synthetikkautschuk) ist, dass ihre gummiartige Elastizität ein statischdynamisches Gleichgewicht zwischen Ordnung und Entropie darstellt. Das Elastomer speichert Spannenergie nicht in sich selbst, sondern strahlt die beim­ Dehnen zugeführte Energie als Wärme aus und erhöht seine innere Ordnung. Wie ein Muskel benötigt es deshalb für erneutes Zusammenziehen die Zufuhr von Energie, welche das Elastomer der Umgebungswärme entnimmt. Bei großer Kälte verlieren Elas­ tomere ihre Kraft und können glashart gefrieren. Ein maßvolles Erhöhen der Temperatur erhöht die Spann­ kraft des Elastomers, da ihm dies Energie zuführt. Duroplaste (Polyester, Epoxidharze, Polyurethane usw.) sind deutlich härter und spröder als Thermoplaste. Sie verformen sich nicht, wenn man Zug auf sie ausübt, eher brechen sie. Wollte man sie bearbeiten, so müsste dies mechanisch geschehen, das wird in der Praxis jedoch dadurch vermieden, dass man sie gleich in der gewünschten Form herstellt. Das Spektrum an Formgebungs- und Endbearbeitungstechniken für Kunststoffe ist riesig. Einlagen und Zusätze aus den unterschiedlichsten Materialien sind denkbar und ermöglichen neue Produkteigenschaften. Pigmente lassen ihn leuchten, Metallfäden machen Kunststoffgewebe elektrisch leitend. Polymere lassen sich individuell in unterschiedlichen Dichten, Härte- und Weichheitsgraden aufschäumen. Mit Elastomeren können andere Materialien überzogen und so widerstandsfähiger gemacht werden. Hochfeste, wetterfeste und halbtransparente Gewebe und Vliesstoffe, Verbundstoffe aus Fasern und Laminierungsbahnen eignen sich für flexible,

rollbare, raffbare, witterungsbeständige Bauteile und werden für Segel und Membrankonstruktionen eingesetzt. Carbon Kohlenstoff ist als Diamant oder als Lonsdaleite (durch Meteoriteneinschlag entstandenes Gestein) der härteste bekannte natürlich vorkommende Stoff. Für Kohlefasern, kurz Carbon genannt, gilt das entsprechend. Sie lassen sich zu hochfesten textilähnlichen Matten weben, flechten oder stricken. Häufig tritt dieser Industriewerkstoff im Verbund auf. Durch die Versteifung mit Kunstharzen (Epoxid, Polyester, Polyurethan) können Ziegel, Zylinder, Seile bis hin  zu komplexeren Formen gefertigt werden, die ­extrem leicht und stabil sind. Im Produktdesign steht Carbon trotz seiner Leistungsfähigkeit erst noch am Anfang. Das Material ist für größere Stückzahlen im Grunde noch zu teuer und seine nachhaltige Entsorgung ist nicht ganz geklärt. Naturstoffe Streifen aus Naturstoffen wie Bambus, Baumwolle, Papier oder Leder können zu Geweben mit unterschiedlicher Lichtdurchlässigkeit verarbeitet werden und eignen sich insbesondere für die Innenanwendung. Altpapiere und Kartone werden mit Polyesterharz oder Phenolharz getränkt, um haltbare, stabile Platten zu erhalten. Holzspäne, Papier und andere Faserstoffe können mit einem Harzbindemittel zu räumlichen Strukturen verpresst werden. Durch eine Druckimprägnierung mit Polymer behandelte Weichhölzer verhalten sich wie Harthölzer.

2

Theorie und Planung

54 Stecken Stecken Stecken Stecken Stecken Stecken

Gespinst Gespinst Gespinst Gespinst Gespinst Gespinst

rahtstabgew ebe ebe ebe D rahtgew D rahtgew D rahtstabgew ebe D rahtstabgew D rahtgew ebe Debe rahtgew Vlies D rahtstabgew Vlies DD rahtstabgew ebe Debe rahtgew ebe Vlies D rahtstabgew D rahtgew ebe ebe ebe

Kunststoffbahnen Kunststoffbahnen Kunststoffbahnen Kunststoffbahnen

Kautschuk, Gummi Gummi Kautschuk, Kautschuk, GummiKautschuk, Gummi

Vlies

Stecken Stecken Stecken Stecken

GespinstGespinst Gespinst Gespinst

Foldtex Foldtex Kettenfügung Foldtex Foldtex Kettenfügung Kettenfügung Kettenfügung Kettenfügung Kettenfügung

rahtgew ebe Debe rahtgew ebe D rahtgewDDebe rahtgew

ewebe ebe G ew ebe G ew ebe GGew

Foldtex Foldtex Foldtex Foldtex Foldtex Foldtex

G ew G ew ebe G ew ebe G ew ebe Gebe ew ebe G ew ebe

Kette undKette Schuss Bandgewebe und Schuss und Schuss Bandgewebe Bandgewebe Bandgewebe und Schuss Bandgewebe Kette und Schuss Bandgewebe KetteKette und Kette Schuss

Weich und flexibel

rahtstabgew ebe ebe D rahtstabgew DDrahtstabgew ebeD rahtstabgew ebe

dass der Aufbau sichtbar wird: Der eigentlich „minFügungen derwertige“ Kern und die verschiedenen Schichten Sandwich Von besonderer Bedeutung für leichte und stabile werden zum gestalterischen Motiv. Kettenfügung Kette und Schuss Bandgewebe Kettenfügung Kette und Schuss Da-Bandgewebe Bandgewebe Kettenfügung Kettenfügung Kette Sandwichmaterialien. undKette Schuss und Schuss Bandgewebe Bauteile sind sogenannte runter versteht man Schichtverbundwerkstoffe, d. h. Schäume Materialien aus mehreren aufeinanderliegenden und Schaumstoffe weisen zellartige Strukturen mit niedmiteinander verbundenen Schichten. Zumeist han- riger Dichte und geringem Gewicht auf. Geläufig delt sich um Dreischichtverbünde, bei denen zwi- sind chemisch (durch Treibmittel), physikalisch schen zwei identischen Decklagen ein Kernmaterial (durch Unterdruck) oder mechanisch (durch Luft) eingebettet ist. Ziel aller Verbundwerkstoffe ist, die aufgeschäumte Kunststoffe. Dabei entstehen Schäubesten Eigenschaften verschiedener Werkstoffe zu me unterschiedlicher Zellstrukturen: Bei geschlosverbinden. Neue Kunststoffe und Fertigungstechno- senzelligen sind die Wände zwischen den einzelnen logien haben eine wachsende Zahl von Verbund- Zellen geschlossen, so dass keine Wasseraufnahme werkstoffen mit unterschiedlichen Verarbeitungs- stattfindet. Bei den offenzelligen werden Flüssigkeitechniken möglich werden lassen. Die Bandbreite ten schwammartig aufgenommen. Bei gemischtzelder Herstellungsarten reicht dabei von einfach ver- ligen sind beide Zellarten vorhanden. Bei Inte­ klebten oder laminierten Verbundwerkstoffen bis gralschäumen ist die Außenhaut geschlossen und hin zu solchen mit Wabenkernen oder Metall-, Poly- nach innen nimmt die Dichte ab. mer- und Keramikschäumen. Die Sandwichbauweise Kunststoffschäume zeichnen sich durch geringe dient zumeist der Verbesserung der Statik, der Ge- Wärmeleitfähigkeit und gute Schallreduktion aus, wichts- und Preisreduktion, aber auch der Wärme- weisen aber nur eine geringe Festigkeit auf. Sie werdämmung oder Schallisolierung. Ferner ermöglichen den deshalb als leichter Kern für formstabile Sandweiche Einlagen in den Plattenwerkstoffen gelenki- wichplatten eingesetzt. Aufgeschäumtes Glas und ge Verbindungen. Werden die äußeren, starren Aluminium dagegen sind zusätzlich hoch belastbar. Schichten bis auf den weichen Kern eingefräst, ent- Keramikschäume sind nicht brennbar und können stehen einzelne leichte Platten, die mittels ihrer überall eingesetzt werden, wo ein wirksamer Brandinneren weichen Schicht flexibel miteinander ver- schutz notwendig ist. bunden sind und somit ein bewegliches Bauteil aus einem Stück ergeben. In der Gestaltung spielt seit Faserverbundwerkstoffe, Composites einigen Jahren die Ästhetik des Sandwichaufbaus Ein Faserverbundwerkstoff (FVW) entsteht durch Zueine Rolle: Entgegen der ursprünglichen Intention sammenfügen hochfester Fasern in Form von Glas, werden Sandwichmaterialien immer öfter auch im Carbon, Aramid (Kevlar) oder Naturfasern mit einer Sinne einer „ehrlichen“ Gestaltung so verarbeitet, Matrix in Form von Kunstharzen, Elastomeren oder

Thermoplasten, in die die Fasern eingebettet werden. Daraus ergibt sich der Vorteil einer hohen gewichtsbezogenen Festigkeit und Steifigkeit. Die Fasern werden in der Regel als Gewebe unterschiedlicher Webart eingebracht. Die Gewebeart, die sogenannte Bindung, beeinflusst stark die Eigenschaften des Composites. Die Matrix hat die Aufgabe, die Fasern in Form zu halten. Über die Grenzschicht zwischen Faser und Matrix leiten die Fasern die Zugkräfte untereinander ab. Textile Gewebe Eine Textilie ist ein flexibles Material, das aus einem Verbund von Fasern besteht. Fasern, Garne, textile Flächen wie Gewebe, Gewirke oder Gestricke und auch fertige Produkte werden unter dem Oberbegriff Textilien zusammengefasst. Es werden Naturfasern (tierisch, pflanzlich oder mineralisch) sowie Kunstbzw. Chemiefasern (synthetisch) verwendet. Das Weben beruht auf einer rechtwinkligen Verkreuzung zweier Fadensysteme, so dass verschiedene Arten von Bindungen entstehen. Die wichtigsten sind Leinwand-, Köper- und Atlasbindung. Samtartige Gewebe entstehen dadurch, dass Kett- oder Schussfäden kleine Schlaufen (Noppen) bilden, die aufgeschnitten den Flor ergeben. Das Stricken zählt mit dem Wirken zu den maschenstoffbildenden Verfahren: Zur Bildung einer Masche wird ein Faden zu Schleifen verformt, die miteinander verschlungen werden. Mit dem Begriff „Technische Textilien“ werden textile Vor- oder Halbfertigprodukte bezeichnet, die nicht für normale Bekleidung, Haus- oder Heimtextilien verwendet, sondern in erster Linie für

Kupfer-Drahtgewebe, Weisse & Eschrich

Schuppengeflecht, proMesh

Aero, Forms + Surfaces

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

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A

2

Flake, Vorhang oder Raumteiler aus Tyvek-Steckelementen, Woodnotes

technische Zwecke hinsichtlich besonderer thermischer, mechanischer oder chemischer Eigenschaften dienen. Dazu werden die Eigenschaften des zugrunde liegenden Textils optimiert oder untypische Eigenschaften hinzugefügt. Drahtgewebe Um Drahtgewebe herzustellen, werden Drähte in Form von Kette und Schuss mit Spezialmaschinen zu Maschengeweben verwoben. Die gebräuchlichsten Werkstoffe hierfür sind Stahl und Edelstahl. Es sind aber auch Ausführungen aus Messing, Kupfer und Bronze, Aluminium, Nickel, Titan oder Silber erhältlich. Aus den unterschiedlichen Anordnungen der Drähte ergeben sich unterschiedliche Bindungen wie bei textilen Geweben. Daneben existieren Sonderbindungen, die zum Teil patentiert und für spezielle Anwendungen vorgesehen sind oder für eine besondere Ästhetik des Gewebes sorgen. Neben der Bindungsart sind für die Eigenschaften eines Gewebes die Maschenweite, -form und -anzahl, der Drahtdurchmesser und die daraus resultierenden Feinheiten entscheidend. Vliesstoffe/Filz Vliese sind textile Flächengebilde, die nicht gewebt, gestrickt oder gewirkt sind, sondern deren Fasern lose und ungeordnet zueinanderliegen und nur aufgrund der fasereigenen Haftung zusammenhalten.

Sie werden unter anderem nach der Feinheit und Art ihrer Fasern, nach dem Festigungsverfahren und der Faserorientierung unterschieden. So existieren Vliesstoffe aus Glasfasern oder Mineralwolle, aus Seide, Wolle, Baumwolle oder aus chemischen Fasern. Die Verfestigung von Vliesstoffen erfolgt durch Vernadelung oder Wasserstrahlverfestigung, durch Bindemittel oder durch thermische Behandlung. Auf diesem Wege entsteht auch Filz. Obwohl dieser stärker verdichtet ist als die meisten Vliesstoffe, kann er als eine Unterkategorie der Vliesstoffe gelten, innerhalb derer noch einmal nach Nadel- und Wollfilzen unterschieden wird. Gelege Gelege sind zarte, extrem leichte Fadengebilde, die unter anderem Produkte verstärken, armieren, verbinden oder in Form halten. Anders als Gewebe zeichnen sich Fadengelege durch diagonal kreuzende Querfäden aus. Sie sind an den Kreuzungspunkten nicht gewebt und nicht geknotet, sondern gelegt und durch Bindemittel miteinander fixiert. Fadengelege sind 6- bis 10-direktional und damit höchst belastbar. So fängt diese Struktur Festigkeitsbeanspruchungen und Kräfte sternförmig auf – ein einzigartiger Vorteil gegenüber rechtwinkligen Konstruktionen. Ihr Einsatzgebiet finden Gelege dort, wo Gewebe überdimensioniert und Gewirke aufgrund ihrer Maschenstruktur zu formbar wären.

Ypsilon CS, Raumteiler aus Trevira, nya nordiska

Bänderungen Streifen aus textilen Stoffen, Kunststoffen, Naturstoffen, aber auch aus Metallblechen lassen sich zu Bahnenwaren verweben. Dabei können sich Längsund Querbänderungen in der Dimensionierung und Stabilität deutlich unterscheiden und so eine einachsig gerichtete Flexibilität erzeugen. Eine Unterkategorie zu dieser Fügetechnik sind Gliederbänderungen, wie man sie von Armbändern für Uhren kennt: Metallglieder umgreifen lose ein Stabelement und erzeugen so ein Miniatur-Gelenk. In der Fläche weiterentwickelt, entstehen Gliedergewebe. Verkettungen Kettenstrukturen setzen sich aus Reihen beweglicher, lose ineinandergefügter oder mit Gelenken verbundenen Glieder zusammen. Häufig werden sie aus Metallen gefügt – man denke an „Kettenhemden“. Das Interessante an dieser Fügetechnik ist jedoch, dass sich alle erdenklichen Werkstoffe auf diese Weise zu flexiblen, mehr oder weniger weich verformbaren Flächenstrukturen fügen lassen. Entweder sind die Werkstoffe in sich selbst gelenkig verbunden, wie beispielsweise ein Ringgeflecht oder Schuppengeflecht, oder ein als Verbindungsmittel eingesetztes Material, etwa Lederriemen, vernetzt mehr oder weniger starre Materialien wie Metallplättchen zu einem beweglichen Flächenwerkstoff.

Theorie und Planung

56

2.7 Bewegliche Tragwerke Zoran Novackí, Andreas Kretzer

Ausgefahren

Kompakt

Flexibel

Wandelbare Kragträgerkonstruktion, Zoran Novackí

Wandelbare Tragwerke Wandelbare Tragwerke können ihre Funktionsweise und Form verändern. Als statisches System dienen sie der Lastabtragung einer Konstruktion, als bewegliches System ermöglichen sie eine reversible Veränderung der Form. Nach Abschluss der Formgebung erfolgt durch die Versteifung der beweglichen Elemente die Fixierung des Systems und somit der Übergang vom Mechanismus zum Tragwerk. Die typische Formensprache von Tragwerken wird besonders dann sichtbar, wenn große Spannweiten überbrückt oder große Höhen erreicht werden müssen. Die Dimension von Tragwerken kann dabei nicht beliebig skaliert werden, ohne gleichzeitig die Proportion zu ändern. Der Einfluss der Spannweite auf die Biegeschlankheit eines Trägers ist

Teleskopprinzip, Mobilkran

dabei nicht linear, sondern ändert sich exponentiell. Dieser sehr materialintensive Effekt kann umgangen werden, indem Tragwerke – wie im Fachwerkträger – in Zug- und Druckstäbe aufgelöst werden und Biegung generell vermieden wird. Eine methodische Reduktion auf die statischen Grundsysteme wie beispielsweise den Kragarm als Turmkonstruktion, den Einfeldträger als Brücke oder die zweiachsig gespannte Platte als Flächentragwerk verdeutlicht, dass zwischen diesen Grundsystemen fließende Zwischenformen existieren. Insbesondere der Kragarm dient bei wandelbaren Tragwerken häufig als Übergangszustand, bevor etwa eine Klappbrücke heruntergeklappt oder ein Dach geschlossen wird.

Kompakte wandelbare Kragträger Steht der Wunsch nach Transportierbarkeit und Mobilität im Vordergrund, ist eine möglichst kompakte Ausführung von Konstruktionen vorteilhaft. Anders als bei rein mobilen Bauten, die vor Ort aus Einzelteilen neu montiert werden, muss ein wandelbares Tragwerk für jeden Bauzustand als Einheit statisch funktionieren. Die Wandelbarkeit eines Trägers vom kompakten zum ausgefahrenen Zustand ist dabei als Kragarm aufzufassen. Deutlich wird diese Eigenschaft bei Teleskopsystemen wie etwa dem Mobilkran. Das Teleskopprinzip, mit dem größten Rohrdurchmesser an der Einspannstelle, ist für Belastung durch Biegung als Kragarmsystem ideal ausgeformt und statisch optimiert. Dimensionsbedingt können die einzelnen

Scherenmechanismus, Hubschere

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

57

A

Flexibel beweglicher Kran, Frei Otto, 1963

Kompakt und flexibel bewegliche Konstruktion, Zoran Novackí, 2009

Teleskopelemente jedoch nicht beliebig oft ineinandergesteckt werden. Das System ist nicht modular. Auch bei Scherensystemen handelt es sich um wandelbare Kragträgerkonstruktionen. Sie kommen unter anderem bei Hebe- und Arbeitsbühnen zur Anwendung. Der Scherenmechanismus ist anders als der Teleskopmechanismus theoretisch beliebig oft modular erweiterbar. Das Tragwerk ist jedoch nicht optimal und erfährt im Pivotgelenkbereich Biegemomente, was zwangsläufig zu massiveren Bauteilen führt. Um die Biegemomente eines Scherensystems zu eliminieren, müsste zwischen jeder Kopplung der einzelnen Scherenelemente ein Kurzschluss der Kräfte erfolgen. Auch wäre eine räumliche Stabilisierung, etwa senkrecht zur Scherenebene, notwendig.

Flexibel wandelbare Kragträger Ist die Mobilität eines Systems nicht entscheidend und darüber hinaus die direkte Zugänglichkeit beeinträchtigt, kann es notwendig werden, die Kragkonstruktion in sich flexibel auszuführen. Der Ingenieur und Architekt Frei Otto experimentierte in den 1960er und 1970er Jahren mit beweglichen Kons­ truktionen, in denen jeder einzelne Wirbel durch ein raffiniertes Seilsystem nach dem Auslegerprinzip wie eine Marionette S-förmig bewegt werden konnte.

a

b c b

Flexible und kompakte Kragträger Eine kompakte und zugleich flexible Ausführung wird möglich, indem das Scherenprinzip mit teleskopierbaren Elementen kombiniert und das Tragverhalten mittels einer fachwerkartigen Geometrie für

2

räumliche Stabilität optimiert wird. Die modulare Erweiterbarkeit bleibt dabei erhalten. Ausgestattet mit Steuerungseinheiten und Sensoren, bilden solche Konstruktionen adaptive Systeme und können beispielsweise als mobile Brückenkonstruktionen eingesetzt werden. Bewegliche Brückentragwerke Bewegliche Brückentragwerke lassen erkennen, dass das Prinzip Kragarm bei vielen Konstruktionen eingesetzt wird. Dies ist beispielsweise bei Klapp- und Drehbrücken der Fall. Bei ihnen lässt sich ein Kragarmsystem um den Einspannpunkt rotieren. Dabei muss die Einspannung, die beim Bewegungsvorgang als Gelenk fungiert, an anderer Stelle wieder hergestellt werden, damit sich das Gesamtsystem wieder

a

a

a

a

a

a

a

a

a

a

a

a

a

Teleskopstange, horizontale Belastung, Biegemomentenverlauf

Hubschere, vertikale Belastung, Biegemomente im Pivotgelenk ohne horizontalen Kurzschluss

Horizontaler Kurzschluss der Kräfte, keine Biegemomente

Theorie und Planung

58

a

Puente de la mujer, Santiago Calatrava, Buenos Aires, 2001

im Gleichgewicht befindet. Ähnlich einer Wippe geschieht dies meist durch Gegengewichte. Je weiter das Gegengewicht vom Drehpunkt entfernt ist, desto geringer kann es werden, um die Balance wieder herzustellen. Diese Gegengewichte sind oft sichtbar, wie beispielsweise bei der Klappbrücke im nord­ deutschen Lindaunis. Das Spiel der Balance ist auch bei der Gateshead Millennium Bridge in Newcastle upon Tyne, von den Architekten Wilkinson Eyre, das Thema der Konstruktion. Dort kann das Gegenge­ wicht – in Form des Tragbogens – jedoch erst in seiner Endposition, bei geöffneter Stellung, effektiv

b

Prinzip Puente de la mujer

wirken. Der Bogen kippt nach hinten weg, wobei sich sein Schwerpunkt immer weiter vom Drehpunkt der Gesamtkonstruktion entfernt und damit das Kippmoment vergrößert. Der Energieaufwand für den Klappvorgang dieser Brücke ist folglich nicht konstant: Zu Beginn muss deutlich mehr Energie aufgewendet werden als gegen Ende des Klappvorgangs. Der Einsatz hydraulischer Pressen zum Start der Bewegung führt bei dieser Konstruktion zu einer vergleichsweise energieintensiven Lösung. Die resultierenden hohen Bau- und Betriebskosten müssen natürlich in Relation zu der hohen gestalteri-

a

Convertible Umbrellas im Innenhof der Prophetenmoschee in Medina, Frei Otto mit Bodo Rasch, Saudi-Arabien, 1971

schen und städtebaulichen Qualität beurteilt werden. Drehbrücken hingegen zeichnen sich durch hohe Energieeffizienz aus. Befreit vom Energieaufwand für Hubarbeit, genügt die Überwindung der Reibung bzw. der Trägheit der Konstruktion für den Schwenkvorgang. Im Idealfall werden Drehbrücken symmetrisch ausgebildet, damit die Gewichte der Kragarme einander ausgleichen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn Zwischenstützungen im Flussbereich realisiert werden können. Zudem muss ausreichend Platz für die Schwenkbewegung vorhanden sein. Die Al-Ferdan-Brücke über den Suezkanal in Ägypten ist

b

Funktionsprinzip Convertible Umbrellas

a+b

59

a

c

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

Oben: geschlossen. Momentbelastung in den Angelpunkten Unten: geöffnet. Balance ist ausgeglichen

b

A

c

Statisches Prinzip, Gateshead Millennium Bridge

Gateshead Millennium Bridge, Wilkinson Eyre Architects, Newcastle upon Tyne, 2001

2

derzeit mit einer Spannweite von 340 m die größte symmetrische Drehbrücke. Bewegliche Dachtragwerke Auch bei Dachtragwerken kommen Kragsysteme zum Einsatz. Seit der Antike sind Segel – sogenannte Vela – bekannt, die als wandelbare und schattenspendende Tribünenüberdachungen realisiert wurden: Entlang fixer Kragkonstruktionen wurden Tuchsegel aufgespannt und bei Bedarf wieder zur Seite geschoben. Bis heute erweisen sich Membrankons­ truktionen als Wind- und Regenschutz als besonders

a

b

b

Funktionsprinzip Schiebedach, Stadion, University of Phoenix

vorteilhaft: Ihr geringes Eigengewicht und die Raffbarkeit ermöglichen einen hohen Komprimierungsfaktor. Ist die erforderliche Unterkonstruktion wandelbar, wird das Kragprinzip entsprechend den Markisen- oder Schirmkonstruktionen erkennbar. Mit einer modernen Variante, großen solarbetriebenen Schirmen im saudi-arabischen Medina, erweckten Frei Otto und Bodo Rasch die Aufmerksamkeit der Fachwelt. Auch falls der Einsatz von Membranen aus bauklimatischen Gründen nicht angebracht ist und steife Systeme verwendet werden müssen, können größere Teilelemente durch seitliche Bewegung ver-

schoben werden. Die Segmente des wandelbaren Daches einer Tennisarena in Shanghai öffnen sich wie eine Irisblende. Hier wird der Zentralbereich durch gleichzeitiges und gleichsinniges Drehen geöffnet und wieder geschlossen. Weitaus konservativer erscheinen dagegen Konstruktionen, bei denen einachsig als Einfeldträger spannende Dachhälften zur Seite verschoben werden. Die Sportarena des Architekten Peter Eisenman in Phoenix funktioniert nach diesem Prinzip.

a

Stadion, Peter Eisenman, University of Phoenix, Arizona, 2006

Qi Zhong Tennis Centre, Mitsuru Senda and Environment Design Institute, Shanghai, 2006

Theorie und Planung

60

Axialkugellager

Radialkugellager

2.8 Bewegliche Verbindungen

In der klassischen Tragwerkslehre bezeichnet der Begriff des Auflagers die kraftschlüssige Verbindung zweier in der Hierarchie der Lastabtragung aufeinander folgender Bauteile. Das stützende Element dient dem tragenden Bauteil als Auflager. Es wird idealtypisch zwischen eingespannten, festen und losen Auflagern unterschieden. Während erstere keinerlei Bewegungen zulassen, erlauben feste Auflager Rotationsbewegungen um den Auflagerpunkt und können Horizontal- und Vertikalkräfte aufnehmen. Letztere sind darüber hinaus verschieblich und können daher nur Kräfte im rechten Winkel zur Translationsrichtung, meist in Richtung der Schwerkraft, aufnehmen. Mit diesem Gedankenmodell lassen sich die meisten immobilen Konstruktionen in

Rastbeschlag für Nackenlehnen

statisch bestimmte, eindeutig berechenbare Systeme zerlegen. In der konkreten baulichen Umsetzung wird diese idealisierte Auflagersituation näherungsweise abgebildet. Ein festes Auflager ist dann nicht notwendigerweise gelenkig konstruiert, sondern lediglich relativ flexibel in Bezug auf mögliche Rotationsbewegungen aus der Belastung der Konstruktion. Es liegt auf der Hand, dass Auflager in der kinetischen Architektur deutlich anders aufgebaut werden müssen, um die Kraftübertragung auch bei der Bewegung der Bauteile zu gewährleisten. Zur beweglichen Verbindung zweier Tragelemente sind eigenständige Bauteile, sogenannte Lager oder Gelenke erforderlich. Es werden Gelenke für Rotations- und Translationsbewegungen sowie für Kom-

binationen aus beiden Bewegungsarten unterschieden, die insgesamt bis zu fünf Freiheitsgrade der Bewegung zulassen. Je nach Bauart der Gelenke kann der maximale Bewegungsraum durch Zwangsbedingungen (Anschläge) eingeschränkt werden. Gleit- und Wälzlager Bei der beweglichen Verbindung zweier Bauteile entsteht durch die eingeleiteten Kräfte Reibung an den Berührungsflächen. Um diesen unerwünschten Effekt auf ein Minimum zu reduzieren, werden Gleitoder Wälzlager eingesetzt. Bei geschmierten Gleitlagern werden die beiden Berührungsflächen durch ein Fluid möglichst vollständig voneinander getrennt. Die Materialeigenschaf-

Bündig eingelassener Tankdeckel

Drehen um die Achse

Verschieben entlang der Achse

Knicken der Achse

Schrauben um die Achse

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

61

A

2

ten der aneinander vorbeigleitenden Oberflächen und des Schmierfilms müssen genau aufeinander abgestimmt werden. Als Schmiermittel eignen sich Fette oder Öle, die entweder durch entsprechende Anordnung eines Reservoirs oder durch Druckschmierung kontinuierlich zugeführt werden. Gleitlager sind daher besonders wartungsintensiv, dafür aber auch bei hohen Drehzahlen stark belastbar, stoßunempfindlich, geräuschdämpfend und sehr langlebig. Aufgrund der aufwändigen Bauart finden fortlaufend geschmierte Gleitlager in der Architektur nur selten Verwendung. Besser eignen sich schmierungs- und wartungsfreie Gleitlager, die aufgrund der Materialeigenschaften einer der beiden Reibungsflächen eine verlustarme Bewegung ermög-

Komplexe Bewegung im Detail: Topfband

lichen. Dafür eignen sich beispielsweise Kunststoffe wie PTFE (unter anderem als Teflon bekannt), die in Verbindung mit Stahlflächen einen geringen Reibungskoeffizienten erzeugen. Demgegenüber werden bei Wälzlagern kugel- oder zylinderförmige Wälzkörper eingesetzt, um die Kraft zwischen den Berührungsflächen reibungsarm zu übertragen. Lager dieser Bauart sind aufgrund des geringen Schmierstoffverbrauchs wartungsarm, jedoch empfindlich gegen Stoßbelastung. Sie sind unter den Begriffen Kugel- oder Rollenlager als industriell gefertigtes, einbaufertiges Massenprodukt in vielen Varianten auf dem Markt erhältlich. Beide Prinzipien zur Minimierung von Reibungsverlusten, das Gleiten und das Rollen, finden in der

Architektur oft in vereinfachter Form Anwendung, da in der Regel Objekte mit hohem Eigengewicht und vergleichsweise geringer Geschwindigkeit bewegt werden. Mit Ausnahme von Rotoren zur Gewinnung von Windenergie und hochfrequentierten Türanlagen sind die hier stattfindenden Bewegungen entweder zeitlich begrenzt oder zumindest sehr langsam, sie sollen aber über die gesamte Lebensdauer des Gebäudes zuverlässig funktionieren. Das Augenmerk bei der Auswahl geeigneter Lager für bewegliche Bauteile liegt daher auf der optimalen Lastabtragung auch im ruhenden Betrieb sowie auf einem wartungsarmen und langlebigen Funktionsprinzip. Für besondere Anwendungen werden darüber hinaus technische Sonderlösungen zur reibungsarmen Be-

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Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

Links: Traditioneller Beschlag für ein Holztor, Sommerhaus, Hanne Dalsgaard und Henrik Jeppesen, Ordrup Næs, Dänemark, 2005

Schienensysteme zur linearen Verschiebung von flächigen Bauteilen

A

2

wegung großer Objekte entwickelt. Schwimmende Lagerungen im Wasserbad sind ebenso denkbar wie schwebende Lagerungen durch elektromagnetische Kräfte oder durch Luftkissen- und Luftfilmsysteme. So wird beispielsweise die gesamte Rasenfläche der Fußballarena Sapporo Dome in Japan durch Luftkissen angehoben, um sie aus der Arena heraus auf einen gut besonnten Vorplatz zu bewegen. Typische Verbindungen für klappbare Bauteile Im einfachsten Fall werden Drehgelenke in der Ausprägung als Gleitlager mit einem Freiheitsgrad der Rotation verwendet, um flächige Bauteile entlang einer Bauteilkante beweglich zu verbinden. Diese Gelenke werden im Möbelbau oder für Türen, Fenster und Tore eingesetzt und müssen starken Belastungen aus dem Eigengewicht der auskragenden Klappelemente sowie aus der dauerhaften, regelmäßigen Benutzung standhalten.

Metallgelenke erfordern meist eine regelmäßige, offene Schmierung, um eine geräuscharme und leichtgängige Bewegung zu ermöglichen, es sind aber auch wartungsfreie Lager, beispielsweise aus teflonhaltigem Kunststoff, im Handel erhältlich. Man unterscheidet zwei Bauarten: Scharniere, die entlang der Drehachse untrennbar miteinander verknüpft sind, und Bänder, die sich an der Drehachse entkoppeln lassen, um beispielsweise eine Tür auszuhängen. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden diese Begriffe manchmal vertauscht. So wird das aus dem Klavierbau bekannte Stangenscharnier umgangssprachlich als Klavierband bezeichnet, obwohl die beiden gebogenen Metallteile des Scharniers über einen Stift dauerhaft verbunden sind. Klappelemente werden meist eingesetzt, um Öffnungen vollflächig zu verschließen. Dabei spielt die Tiefe des drehbaren Bauteils eine maßgebliche Rolle, denn oft übersteigt diese aus konstruktiven oder

Exemplarische Zusammenstellung von Gelenken für den Innenausbau

statischen Gründen deutlich den Durchmesser bzw. die Bautiefe der eingesetzten Gelenke. Dies führt bei Verwendung einfacher Scharniere oder Bänder mit nur einer Drehachse zwingend zu einer Positionierung dieser Achse an einer der Außenkanten des klappbaren Bauteils. In der Folge lässt sich das Element zwar in Richtung der den Gelenken zugewanden Seite mit einer maximalen Bewegungsfreiheit von 180° drehen, ein Öffnen der Klappe in entgegengesetzter Richtung bleibt jedoch geometrisch ausgeschlossen. Um ein Klappelement beidseitig zu öffnen, werden aufwändigere Gelenke benötigt. So kann beispielsweise durch eine Verschiebung der Drehachse in Richtung der Elementmitte der notwendige geometrische Spielraum geschaffen werden. Das Beispiel einer handelsüblichen Glaspendeltür mit Zapfenbändern zeigt die Einschränkungen dieser Lösung: Die Tür kann nur am Kopf- und Fußpunkt der Drehachse

Theorie und Planung

64

Bauarten verschiedener Rad-Schiene-Systeme

gehalten werden, wobei das Eigengewicht ausschließlich über das konische Drehgelenk am Fußpunkt aufgenommen wird; eine Abdichtung (Wasser, Wärme, Schall) durch Anpressdruck der geschlossenen Tür ist nicht umsetzbar; der Öffnungsspalt zwischen der Drehachse und dem Türrahmen birgt Verletzungsrisiken. Alternativ kommen Gelenke mit zwei Drehachsen auf beiden Seiten des Klappelements zum Einsatz. Oft ist es gestalterisch wünschenswert, Türbänder von außen unsichtbar in den Türrahmen und das Türblatt zu integrieren. Verdeckt liegende Bänder sind sowohl für Rohrrahmentüren als auch für Tischlertüren erhältlich. Darüber hinaus steht eine breite Produktpalette hochentwickelter Möbel- und Baubeschläge für spezialisierte Anwendungen zur Verfügung. So gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher

Topfscharniere für den bündigen Einbau von Möbeltüren, die von außen nicht sichtbar montiert werden und je nach Einbausituation unterschiedliche geometrische Konfigurationen zwischen Schranktür und Korpus erlauben. Auch komplexere Bewegungsmuster wie das Auffalten von Türelementen lassen sich im Möbelbau mit standardisierten Gelenken realisieren. Auch zusätzliche Funktionen wie Raststellungen oder Rückholfedern können direkt in das Gelenk integriert werden.

Schallgedämpfte Kombirolle

Kombirolle aus Einsatzstahl

Typische Wälzlager für Drehbewegungen Bei größeren Bauteilen und entsprechend höherem Eigengewicht kommen vormontierte Wälzlager zum Einsatz, um die Lasten im Drehgelenk reibungsarm abzutragen. Dabei wird in der Bauart zwischen Radial- und Axiallagern unterschieden, je nachdem ob

die Lasten senkrecht oder parallel zur Drehachse eingeleitet werden. Für die verschiedenen Lastfälle gib es zahlreiche Lagertypen, die marktüblich in Durchmessern von ca. 10 mm (Nadellager) bis ca. 4 m (Industrielager für Krananlagen) erhältlich sind. Großmaßstäbliche Drehbewegungen, wie etwa die Rotation eines Drehrestaurants, erfordern Drehlager mit einem ausreichend groß dimensionierten Radius. Aufgrund der in Relation zur Größe der mechanischen Bauteile geringen Biegung der umlaufenden Lagerschale erfolgt die technische Umsetzung analog zu den geradlinigen Translationslagern. Typische verschiebliche Verbindungen Mit Ausnahme einfacher, leichter Schubladen werden Translationslager fast ausschließlich als Wälz­ lager ausgeführt. Das Grundprinzip entspricht dem

Rollwerk einer Achterbahn

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

65

A Schienenanlage für das Eingangstor der CargoLifter Werft, SIAT Architektur + Technik, Brand, Deutschland, 2000

Drehgelenke am Kopfpunkt des Tores

2

Konzept von Rad und Schiene. Je nach Richtung der einwirkenden Kräfte sind pro Lagerpunkt ein, zwei oder drei Rollen in unterschiedlicher Ausrichtung erforderlich, um die Lasten in das Schienenprofil einzuleiten. Kunststoff- oder Gummirollen arbeiten geräuscharm, sind jedoch weniger dauerhaft als Stahl- oder Messingrollen. Die horizontale Lagesicherung der Rolle auf der Schiene erfolgt entweder durch entsprechende Profilierung beider Bauteile oder durch flankierende Wälzlager, die rechtwinklig zur Richtung des Last­ eintrags angeordnet sind. Zur vertikalen Lagersicherung bei stehenden und hängenden Systemen reicht in vielen Fällen das Eigengewicht des beweglichen Objektes, um ein Abheben („Entgleisen“) zu verhindern. Eine besonders elegante Lösung bietet sich für hängende Systeme an: Durch die Führung einer pa-

Komplexe Gelenke Die vorgenannten Funktionsprinzipien lassen sich kombinieren, um Gelenke mit zwei bis fünf Freiheitsgraden der Rotation und Translation zu kons­ truieren. Diese werden beispielsweise zum Aufspannen eines Schirms benötigt: Eine Hülse wird entlang einer Stange verschoben, wobei sich die mit der Hülse verbundenen Stützstreben radial nach außen klappen. Durch die Verkettung mehrerer Gelenke lassen sich Systeme aufbauen, die insgesamt nur mehr über einen Freiheitsgrad verfügen. Die Lage aller Bauteile des Schirms im Raum lässt sich dann

anhand einer Variablen – der Stellung der verschieblichen Hülse – eindeutig bestimmen. Darüber hinaus gibt es spezialisierte Gelenke, deren Bauart für eine bestimmte Kombination aus Freiheitsgraden und Zwangsbedingungen ausgelegt wurde. So ermöglicht ein Kugelgelenk nicht nur die Drehung in der Achse, sondern auch ein Knicken der Achse in alle Richtung bis zu einem Knickwinkel von ca. 90°. Auch ein Kreuzgelenk erlaubt Winkelveränderungen in der Achse, überträgt jedoch im Gegensatz dazu Rotationskräfte um die Achse über den Gelenkpunkt hinweg. Einen Sonderfall stellt das Bandgelenk dar. Hier erfolgt die Rotationsbewegung nicht um eine Achse, sondern wird durch Abrollen zweier halbkreisförmiger Körper erreicht. Die Lagesicherung erfolgt durch die kreuzweise Verknüpfung der Körper durch Bänder.

Drehtisch mit fixierten Rollen

Drehtisch mit rund laufenden Rollen

Drehbare Einspannung

rallel gedoppelten Lagerrolle in einer U-för­ migen Schiene wird ein Aushebeln ausgeschlossen und zugleich die Gewichtskraft optimal in der Symmetrieachse der Schiene eingeleitet.

Theorie und Planung

66

2.9 Aktoren

Azimutgetriebe

Die Gesamtheit der mechanischen Bauteile, die benötigt werden um einen Körper in Bewegung zu versetzen, wird hier als Aktorik bezeichnet. Das Kernstück dieses Systems bildet eine Kraft- oder Antriebsmaschine, die Energie in mechanische Arbeit umwandelt. Für mobile Einsatzzwecke finden meist Verbrennungsmotoren Verwendung, die eine hohe Leistung bereitstellen, allerdings beständig mit flüssigem oder gasförmigem Brennstoff versorgt werden müssen und unmittelbar am Einsatzort Abgase und Lärm erzeugen. Beides ist für den stationären Betrieb von Nachteil, weshalb in Bauwerken in der Regel elektrisch betriebene Kraftmaschinen zum Einsatz kommen. Des Weiteren finden Windoder Wasserkraftmaschinen Anwendung, die ihre Energie unmittelbar aus dem regenerativen Angebot der Natur beziehen.

Zahnstange

Zahnriemen

Wirkprinzipien Zahlreiche Wirkprinzipien eignen sich für den technischen Aufbau von Kraftmaschinen. Relevant für den Bereich der Architektur sind vor allem jene, die eine vergleichsweise hohe Stellkraft über einen ausreichend langen Stellweg erzeugen, wobei in der Regel eine geringe Stellgeschwindigkeit ausreicht und oft aus Sicherheitsgründen ohnehin erwünscht ist. Bevorzugt werden Systeme, die dieses Leistungsangebot unmittelbar, also ohne platzraubende Anpassung des Leistungsniveaus durch ein Getriebe, bereitstellen können. Aufgrund der im Allgemeinen eher geringen technischen Innovationstiefe in der Architektur kommen zudem vor allem handelsübliche Produkte in Frage. Dies reduziert die Auswahl geeigneter Kraftmaschinen gegenwärtig auf Elektromotoren und elektrische Pumpen in Verbindung mit

Winde

hydraulischen bzw. pneumatischen Systemen. Diese werden im Folgenden detailliert beschrieben und durch einen Ausblick auf zukunftsträchtige, jedoch bisher im Bausektor wenig etablierte Wirkprinzipien ergänzt. Kenngrößen Die Leistungsfähigkeit von Kraftmaschinen wird anhand von typischen Kenngrößen charakterisiert. Dabei beschreibt der Wirkungsgrad durch das Verhältnis von Leistungsabgabe zu Leistungsaufnahme, welcher Prozentsatz der eingesetzten Energie tatsächlich in Bewegung umgesetzt wird. Die maximalen Ausgangsgrößen einer Kraftmaschine werden dann dem grundsätzlichen Bewegungsmuster entsprechend weiter aufgeschlüsselt. Translations­ antriebe werden durch ihre Stellkraft (in Newton)

Schubspindel

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

67

A Lamellenantrieb durch Rotationsmotor

Lamellenantrieb durch Schubspindelmotor

2

und die Stellgeschwindigkeit (in Metern pro Sekunde) beschrieben. Für Linearantriebe mit begrenztem Hub ist darüber hinaus der Stellweg (in Metern) rele­vant. Rotationsantriebe werden anhand der Kenngrößen Drehmoment (Kraft mal Hebelarm in Newtonmetern) und Drehzahl (in Umdrehungen pro Minute) eingeordnet. Zur differenzierten Betrachtung werden diese Kenngrößen zueinander in Bezug gesetzt und in Kennlinien aufgetragen. In dieser Darstellung wird beispielsweise ersichtlich, in welchem Drehzahlbereich ein Motor sein maximales Drehmoment entfaltet. Das Produkt aus Drehzahl und Drehmoment ergibt die mechanische Leistung des Antriebs, die bei Elektromotoren in der Regel als Nennleistung, also als tatsächlich nutzbare Leistung des Motors unter Last und über einen größeren Drehzahlbereich hinweg angegeben wird.

Getriebe Kraftmaschinen stellen mechanische Arbeit in Form von Translations- oder Rotationsbewegungen zur Verfügung.­ Diese wird genutzt, um die funktionalen Komponenten – die sogenannten Arbeitsmaschinen – zu bewegen. Zwischen Antriebs- und Arbeitsmaschine können Getriebe eingesetzt werden, um die Kraft zu übertragen und das Leistungsangebot der Kraftmaschine an den Leistungsbedarf der Arbeitsmaschine anzupassen. Auf diese Weise kann beispielsweise die schnelle Drehung eines vergleichsweise klein gebauten Elektromotors in die langsame, aber kraftvolle Drehung einer Seilwinde übersetzt werden. Neben dem Betrag der Kraft kann durch ein Getriebe auch die wirksame Richtung der Kraft an den Bedarf angepasst werden. Rotationsbewegungen können in Translationsbewegungen um-

Winkelgetriebe für Fassadenantriebe

Winkelgetriebe zum Antrieb von Horizontallamellen

gewandelt werden, auch der umgekehrte Fall ist durch ein Schwungrad möglich, und ebenso können der Drehsinn oder die Drehachse einer Rotations­ bewegung verändert werden. Auch die Verteilung von mechanischer Arbeit ist durch Getriebe möglich. So kann beispielsweise ein einzelner Motor über eine Gewindestange zahlreiche Sonnenschutzrollos gleichzeitig antreiben, dies allerdings auf Kosten der individuellen Steuerbarkeit. Einen besonderen Fall stellt das Schaltgetriebe dar: Durch den Wechsel der Übersetzung können mit ein und derselben Kraftmaschine verschiedene Leistungskurven bereitgestellt werden. Während dieses Prinzip bei der heimischen Bohrmaschine geläufig ist, findet es aufgrund der eher aufwändigen manuellen Handhabung des Schaltvorgangs in der Architektur in der Regel keine Verwendung. Die Geschwindigkeitssteuerung

Schubkettenantrieb

Drehtürantrieb

Rohrantrieb

Schubspindelantrieb

Zahnstangenantrieb

Schiebetürantrieb

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

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A

Gewinde Gewindestab Planetengetriebe Motor

2

Links und oben: Schubspindelantrieb für den Außeneinsatz

der Elektromotoren durch unterschiedliche elektrische Spannungen ist hier meist ausreichend. Dabei muss der Drehzahl-, Kraft- und Temperaturbereich des Elektromotors dem gewünschten Geschwindigkeitsprofil entsprechend dimensioniert werden. Elektromechanische Aktoren Ein Elektromotor besteht mindestens aus einem beweglichen und einem festen elektromechanischen Element. Es gibt zahlreiche Bauarten, die alle nach dem Prinzip der Ablenkung stromdurchflossener Leiter in einem Magnetfeld funktionieren. Sie unterscheiden sich in der Anordnung und Ausbildung des festen Bauteils (Stator) und des beweglichen Bauteils (Läufer oder Rotor), so dass je nach Bauart Translations- oder Rotationsbewegungen erzeugt werden können. Die Eingangsgrößen sind meist normiert und auf das Angebot der Stromversorger und Energiespeicher abgestimmt. Sie bewegen sich marktüblich zwischen 12 V – 24 V (Starterbatterie), 230 V (Haushaltsstrom) und 400 V (Dreiphasenwechselstrom) bis 690 V (zulässige Höchstspannung für Steckerverbindungen nach DIN EN 60309). Elektrische Linearmotoren erzeugen Translationsbewegungen durch Verschieben des Läufers gegenüber dem stationären Stator. Aufgrund der hohen Beschleunigung und Präzision werden Motoren dieses Typs häufig im industriellen Maschinenbau verwendet und für einen bestimmten Einsatzzweck opti-

miert. Die maximale Schubkraft dieser sehr dynamischen Motoren liegt marktüblich im unteren zweistelligen kN-Bereich und damit deutlich unter dem Niveau hydraulischer Linearantriebe. Da das stationäre Element des Linearmotors sich theoretisch beliebig verlängern lässt, eignet sich diese Bauart auch als Antriebssystem für schienengebundene Verkehrsmittel. So wird beispielsweise die Magnetschwebebahn Transrapid nach diesem Prinzip bewegt: Ein entlang des Schienenkörpers wanderndes Magnetfeld zieht den Zug, wobei das Fahrzeug über zusätzliche Elektromagneten reibungsfrei auf der Trasse geführt wird. Der Gleiskörper fungiert hier als Stator, der den Läufer in Form des Zuges in Bewegung versetzt. Weit verbreitet, kostengünstig und universell einsetzbar sind elektrische Rotationsmotoren, die eine kreisförmige Bewegung um die Drehachse des Rotors erzeugen. Die Baugrößen variieren von Mikromotoren im Millimeterbereich bis zu Schwerlastmotoren für den Betrieb von Aufzugs- und Krananlagen. Im Zusammenspiel mit Zahnriemen, Zahnstangen, Schubspindeln oder Schubketten lässt sich die Drehung des Rotors unkompliziert in eine lineare Bewegung übersetzen. In der Baubranche üblich sind spezialisierte Antriebseinheiten, die als Kombination von Elektromotor und Getriebe für bestimmte Anwendungsfälle wie das Öffnen von Türen oder das Aufrollen von Behängen ausgelegt sind.

Linke Seite: Glasdach der Börse Stuttgart, ZSP Architekten, 2002

Hydraulische und pneumatische Aktoren Fluidbasierte Aktoren zeichnen sich durch eine sehr hohe Kraftabgabe im Verhältnis zur Baugröße aus, die jedoch aufgrund der Strömungswiderstände im System mit einem geringen Wirkungsgrad und damit einem hohen Energiebedarf einhergeht. Die Grundlage bildet eine motorisch betriebene Pumpe als Kraftmaschine, die durch Flügel, Zahnräder, Schrauben oder Kolben den erforderlichen Druck in einem Fluid aufbaut. Dadurch entsteht ein Volumenstrom, der durch Druckleitungen auf einen Druckzylinder (Translationsbewegung) oder einen Hydraulik- bzw. Pneumatikmotor (Rotationsbewegung) als Arbeitsmaschine übertragen wird. Dieses Bauteil zur unmittelbaren Leistungsabgabe kann dabei im Verhältnis zur Stellkraft relativ kompakt gebaut werden (hohe Leistungsdichte). Alle weiteren raumintensiven Bauteile der Anlage, wie die Pumpe und je nach System der Druckspeicher oder das Flüssigkeitsreservoir, können dezentral angeordnet und über flexible Druckschläuche mit der Arbeitsmaschine verbunden werden. Für Anwendungen in der Architektur ist dies allein schon aus Gründen des Lärmschutzes empfehlenswert. Die maximale Übertragungsreichweite liegt in der Pneumatik bei 1.000 m und in der Hy­ draulik bei 100 m. Hydraulische Systeme verwenden schwer kompri­ mier­bare Öle als Druckmedium. Sie sind daher mit ei­nem Systemdruck von bis zu 600 bar und maximalen­

Theorie und Planung

Druckleitungen eines ölbasierten Hydrauliksystems

­ usgangskräften von 3.000 kN wesentlich leistungsA fähiger als die luftbasierten pneumatischen Systeme, die zudem aufgrund der hohen Energiespeicherfähigkeit von komprimierter Luft aus Sicherheitsgründen auf einen dauerhaften Betriebsdruck von 6 bar ausgelegt werden und daher maximal 30 kN Ausgangskraft entwickeln. Andererseits sind pneumatische Aktoren in der technischen Umsetzung unkomplizierter und damit kostengünstiger: Sie benötigen keinen Rücklauf, da die Luft als Druckmedium­ beim Entspannungsvorgang an die Umgebung abgegeben wird (offener Kreislauf), und auch die Spei­ cherung von Druckluft zur zeitversetzten Nutzung ist relativ einfach. Demgegenüber wird Hydrau­lik­ flüssigkeit in der Regel in geschlossenen Kreisläu­fen geführt, so dass zusätzliche Bauteile wie Leitungen, Reservoirs und Filteranlagen erforderlich sind. Darüber hinaus gelten erhöhte Umweltschutzauflagen. Bei Bauwerken kommen in der Regel Linearzylinder zum Einsatz, wenn es gilt besonders schwere Lasten zu bewegen. Es werden zwei Bauarten unterschieden: Einfach wirkende Kolbenantriebe werden nur in eine Richtung durch den Strömungsdruck bewegt, wobei die Entspannung durch Feder- oder Schwerkraft erfolgt. Zweifach wirkende Zylinder können in beide Richtungen aktiv bewegt werden. Fluidgetriebene Rotationsmotoren können ihre Vorteile (Überlastsicherheit, Staubunempfindlichkeit,

70

Hydraulikstempel eines Kranauslegers

kompakte Bauweise) gegenüber Elektromotoren bei Gebäuden in der Regel nicht ausspielen. Meist würden zahlreiche Rotationsantriebe in unterschiedlichen Einbausituationen benötigt, hydraulische oder pneumatische Anschlüsse müssten extra vorgehalten­ werden, so dass das System relativ aufwändig und unflexibel würde. Elektromotoren sind hier die wirtschaftlichere Bauform. Sonderfälle der pneumatischen Aktorik stellen Kissen zum Aufbau von Druckkräften und Muskeln zum Erzeugen von Zugkräften dar. Erstere werden beispielsweise als transportable Hebekissen in der Rettungstechnik verwendet, letztere sind aufgrund der reibungsfreien Bauweise besonders für präzise Positionierungsaufgaben im Maschinenbau geeignet. Im Gegensatz zu pneumatisch vorgespannten Folienkissen, die durch Luftdruck einen stationären Betriebszustand aufbauen, machen sich beide Systeme Volumenänderungen innerhalb einer weichen Hülle zunutze. Sie kommen daher ohne zwangsgeführte Kolben aus, wirken jedoch nur einfach. Pneumatische Muskeln sind schlauchförmig aufgebaut. Durch Erhöhen des Innendrucks verbreitert sich der Durchmesser der Membran, so dass sich der Muskel verkürzt. Auf dem Markt erhältliche Systeme arbeiten wirtschaftlich bei einer Verkürzung von 15 % der Nennlänge bei einer maximalen Kontraktion von 25 % und einem Hubvermögen von 6.000 kN.

Mikroantriebe Aus der industriellen Anwendung sind zahlreiche weitere Wirkprinzipen für Aktoren auf thermischer, chemischer oder elektrischer Basis bekannt. Bei teilweise sehr hoher Stellkraft ist der Stellweg dieser Systeme meist auf wenige Milimeter begrenzt. Unter Verwendung geeigneter Übersetzungen zur Stellwegvergrößerung lassen sich die Einsatzfelder jedoch erweitern. Etwas längere Stellwege erreichen elektromagnetische Aktoren wie die aus dem Lautsprecherbau bekannten Tauchspulen, die beispielsweise für Schließzylinder zum Einsatz kommen. Der Vorteil dieser Wirkprinzipien liegt in der Reduktion der Bauteile, die mit einem vergleichsweise einfachen Aufbau der Aktoren einhergeht. Die Aktorik kann dadurch unmittelbar in das zu bewegende Bauteil integriert werden und mittels Addition zahlreicher Mikroantriebe komplexe Bewegungsmuster erzeugen. So finden sich zukunftsweisende Anwendungsfälle im Bereich der Schwingungsdämpfung ebenso wie in der Steuerung kleinmaßstäblicher Fassadenelemente, beispielsweise zur klimatischen Adaption der Gebäudehülle.

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

71

Öltank Unterölmotor

Hydraulikzylinder

Zahnradmotor Belüftungsfilter

Eingespannter Hydraulikstempel als Hebebühne

A

Hydraulische Kraftmaschine

2

G = 0,75 kN

20 mm

50 mm

100 mm

150 mm

160 mm

200 mm

300 mm

D (Stange)

80 mm

10 mm

30 mm

50 mm

45 – 125 mm

90 mm

120 mm

200 mm

Druck

690 bar

120 bar

150 bar

160 bar

180 bar

160 bar

200 bar

300 bar

Schubkraft

1.450 kN

4 kN

30 kN

125 kN

100 kN

320 kN

630 kN

2.120 kN

3 kN

19 kN

85 kN

220 kN

400 kN

1.180 kN

D (Kolben)

Zugkraft

Exemplarische Gegenüberstellung verschiedener Hydraulikkolben M 1:50

Theorie und Planung

72

2.10 Messen, steuern, regeln Mechatronisches Gesamtsystem

Martin Becker

Der Begriff Automation oder Automatisierung geht auf das griechische Wort automatos zurück; der erste Bestandteil autos bedeutet „selbst“, der zweite Bestandteil matos heißt soviel wie „sich selbst ­bewegend“. In der heutigen Zeit bedeutet Automatisierung, dass dynamische Prozesse in ihrem aktuellen Verlauf erfasst (gemessen) und gezielt be­ einflusst (gesteuert) werden, damit sie eine vorgegebene Aufgabe oder Funktion selbsttätig erfüllen. Automation bezeichnet den heute erreichten Zustand der modernen technischen Entwicklung, der durch den Einsatz weitgehend bedienungsfreier Arbeitssysteme gekennzeichnet ist. In welchem Umfang dies selbsttätig abläuft, wird durch den Begriff Automatisierungsgrad (z. B. manuell, teilautomatisiert, vollautomatisiert) wiedergegeben. Automatisierung ist heutzutage untrennbar mit der modernen Informations- und Kommunikationstechnik verbunden, da nicht nur die Regelgeräte selbst, sondern zunehmend auch Sensoren und Aktoren als elektronische Systeme mit integrierten Mikrorechnern und Datenschnittstellen ausgeführt sind. Dies führt dazu, dass Sensoren, Aktoren und Regelgeräte über entsprechende Bus- und Kommunikationssysteme per Draht oder Funk miteinander vernetzt sind und einen Informationsaustausch zur verbesserten Steuerung und Regelung, aber auch für Überwachungs- und Diagnosezwecke ermöglichen. Damit erweitern sich die primären Aufgaben des Messens, Steuerns und Regelns (MSR-Technik) hin zu übergreifenden und übergeordneten Automatisierungsfunktionen.

Richtig eingesetzt vermag Automatisierung die Energie- und Informationsflüsse gezielt zu führen. Dazu bedarf es einer für die Aufgabenstellung passenden Informationsbeschaffung, indem über Sensoren (Messfühler) Informationen aus der realen Welt erfasst werden und umgekehrt zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle im richtigen Maß über passende Aktoren (auch Aktuatorik oder Stellein­richtungen genannt) in den Prozess (z. B. Bewegung bei Fassadenelement, Brandschutzklappe, Toranlage, Rolltreppe, Aufzug etc.) eingegriffen wird. Die über Sensoren erfassten Informationen werden also verarbeitet und anschließend zu gezielten Stelleingriffen umgesetzt. Dies ist Aufgabe der Steuerung bzw. Regelung. Sensorik In Räumen, Gebäudehüllen, Fassadensystemen sowie in der Anlagen- und Fördertechnik werden eine Vielzahl von Sensoren (Messfühler) zur Erfassung einer Vielzahl von direkten physikalischen Größen (z. B. Temperatur) oder indirekten Messgrößen (z.B. Behaglichkeit) benötigt. Dies betrifft unter anderem die Temperatur, relative Luftfeuchtigkeit, Luftqualität, Lichtstärke, Fenster- und Türkontakte, Bewegungsmelder, Brandmelder, Einbruchsmelder, Taster und Schalter für manuelle Eingaben des Bedieners, End- und Lastkontakte von motorisch betriebenen Antrieben, Wind- und Regenmessung, solare Einstrahlung, Druck, Kraft, Drehzahl, Drehmoment, Luftgeschwindigkeit, Massen- oder Volumenstrom, Stromaufnahme, Energieverbrauch, Wirkungsgrade (mechanisch, elektrisch) und vieles mehr.

Bei der Auswahl der Sensoren sollten die folgenden Kriterien beachtet werden:  – Art der Energieversorgung (z. B. separat über 24 V DC oder über Bussystem mit versorgt)  – Direkt verdrahtet oder kommunikativ über Bussystem übertragen  – Art der Montage und richtige Fühlerplatzierung  – Platzbedarf und Einbaugröße  – Art der Leitungsführung und Verkabelung (z. B. Steckerbelegung)  – Eigenerwärmung  – Statisches und dynamisches Übertragungsverhalten  – Messtoleranz und Messunsicherheit für Sensorelement bzw. gesamte Messeinrichtung  – Messfehler durch Alterung, EMV-Einflüsse, Umgebungsbedingungen  – Erforderliche Wartung und Kalibrierung  – Kosten für verschiedene Messverfahren Mit der zur Aufgabenstellung passenden Mess- und Sensortechnik steht und fällt die Umsetzung einer Steuerungs- bzw. Regelungsaufgabe. Hierbei ist die Messgenauigkeit über die gesamte Messkette vom Sensorelement über die Messwertverarbeitung bis zur Messwertauswertung von entscheidender Bedeutung. Hierbei gilt der wirtschaftliche Leitsatz: so ungenau wie möglich, so genau wie nötig. Neben den direkten technischen Eigenschaften ist der richtige Messort für den Sensor zu beachten. Immer wieder lässt sich in der Praxis feststellen, dass entgegen den Herstellerangaben Sensoren

73

St

R ( K e ge ur lab sa w bw ei e i c hu ch n un g g)

Regelgröße (Istkurs)

el lg rö ße

N W

O S

Steuerrad

Steuermann

Sollwert (Sollkurs)

Kompass

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

Schiff

A

Kybernetik: Die Kunst des Steuerns

2

falsch oder ungünstig platziert werden, wenn etwa der Außentemperaturfühler nicht auf der Nordseite eines Gebäude installiert oder aber an einer Stelle installiert wird, in der er teilweise der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist. Dies führt in der Folge zu nicht funktionierenden bzw. ineffizienten Steuerungen und Regelungen. Solche Fehlinstal­ lationen führen nicht unbedingt zum Ausfall des Systems, wohl aber häufig zu unnötig hohen Energieverbräuchen oder Einbußen in der Nutzung, die vielfach nicht oder erst sehr verzögert im laufenden Gebäudebetrieb festgestellt werden.

Facettenauge eines Insekts

Eine weitere häufige Ursache von verfälschten ­Messungen entsteht dadurch, dass z. B. Sensoren ­zur  Messung der Raumtemperatur in optisch vielleicht ansprechenden, aber thermisch geschlossenen ­Gehäusen oder unmittelbar direkt in der ­Wand-  ­oder  Deckenkonstruktion „versteckt“ werden. Dies führt dazu, dass primär die Temperatur der Bau­ konstruktion selbst (z. B. Wandoberflächentem­ peratur, ­Gehäusetemperatur) anstatt einer  re­prä­ senta­ti­ven  Temperatur des Raumes als Basis für eine  funk­tionierende Raumtemperaturregelung erfasst wird.

Neben den verschiedenen Sensoren zur Erfassung direkter und indirekter physikalischer Größen zählen auch die Raumbediengeräte, mit denen der Nutzer auf gebäudetechnische Systeme und Anlagen zugreifen kann, zu den Sensoren. Im einfachsten Fall handelt es sich um den klassischen Taster oder Schalter, mit dem das Licht manuell ein- und ausgeschaltet bzw. gedimmt, die Jalousie vom Nutzer in die gewünschte Position gefahren oder ein motorisch betriebenes Dachfenster auf- oder zugefahren werden kann.

Technische Umsetzung eines Insektenauges zur Messung optischer Reize

Theorie und Planung

74

Regelgerät

Regeleinrichtung

Sollwert

Istwert

Aktorik

Stelleinrichtung

zu regelnder Prozess

Regelstrecke

Sensorik, Bedienung

Steuergerät

Steuereinrichtung

Mess­ einrichtung

Sensoren

Aktorik

Stell­ einrichtung

zu steuernder Prozess

Steuerstrecke

Messeinrichtung

Regeln

Steuern

Zunehmend werden diese Bedienelemente nicht nur zum Eingriff, sondern auch gleichzeitig zur Anzeige oder Visualisierung direkt im Raum verwendet. Auch werden die modernen Kommunikationsgeräte wie Handy, PDA, iPhone usw. zunehmend als Bedienund Anzeigegeräte mit genutzt. Steuerung und Regelung Art und Umfang der Umsetzung einer Steuerungsund Regelungsaufgabe hängen sehr stark von den

konkreten Anforderungen des zu automatisierenden Prozesses ab. Aus diesem Grund wird das Thema Steuerung und Regelung im Folgenden exemplarisch am Beispiel der Raumautomation näher erläutert. In einem Raum finden sich vielfältige Steuerungs- und Regelungsaufgaben, die teilweise miteinander gekoppelt sind, wie z. B. Konstantlichtregelung mit Jalousiesteuerung und Tageslichtnutzung sowie motorisch angetriebenen Fensterelementen für Lüftungszwecke.

Je nach Art der Automatisierungskonzepte bzw.  -struktur (zentral über eine Automationsstation, über Bussysteme mit dezentralen Steuer- und Regeleinheiten, hybrid) lassen sich sehr unterschiedliche Umsetzungskonzepte realisieren. Steuer- und Regelgeräte (zentral oder dezentral) haben jedenfalls immer die Aufgabe, einen Prozess bzw. ein System eigenständig ablaufen zu lassen. In der Automatisierungstechnik wird dabei zwischen Steuerung und Regelung unterschieden.

Luftdruck und Temperatur

Messwertgeber

Regensensor Infrarot

Windrichtung

Regensensor kapazitiv

Windgeschwindigkeit

Lichtsensor

75

Tageslicht nutzen Beleuchten

Lüften Sonnen-/Blendschutz Luftqualität Bedienen/Beobachten Komfort/Behaglichkeit Visualisieren Energieeffizienz Verbräuche messen Gefahrmeldung

Zutritt schützen Sicherheit

Raumautomationsfunktionen

Steuerung der Raumautomatisierungsfunktionen über ein zentrales System, Touch Screen

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

Kühlen Heizen

A

2

Beispielweise spricht man von einer Lichtsteuerung, wenn das Licht bei einem bestimmten Schwellwert ein- oder ausgeschaltet wird. Dagegen ist eine Lichtregelung dadurch gekennzeichnet, dass die Lichtstärke ständig auf eine bestimmte vorgegebene Lichtstärke (Sollwert) nachgeregelt (gedimmt) wird. Dazu muss an einer repräsentativen Stelle ständig die aktuelle Lichtstärke als Istwert gemessen und mit dem vorgegebenen Sollwert verglichen werden. Typisches Kennzeichen der Steuerung ist es, dass aus vielen Eingangsgrößen durch das im Steuergerät (z. B. speicherprogrammierbare Steuerung, SPS) hinterlegte Programm Werte für die Ansteuerung der entsprechende Aktoren vorgegeben werden, die dann auf den zu steuernden Prozess (z. B. Leuchtmittel an/aus) einwirken. Neben der Erfassung von Eingangsgrößen über Sensoren ist hierbei auch der manuelle Eingriff eine typische Eingangsgröße, indem der Nutzer über einen Taster, Schalter oder eine sonstige Bedieneinheit auf die Steuerung einwirkt. Typische Beispiele für Steuerungsaufgaben sind die Steuerung von Aufzügen, Rolltreppen, Toren, Jalousien oder Rollläden. Eine Regelung oder ein Regelkreis ist dagegen dadurch gekennzeichnet, dass durch ständigen Vergleich des gewünschten Wertes (Sollwert) und des aktuellen Wertes (Istwert) ein entsprechender Eingriff über die Aktorik vorgenommen wird. Ziel jeder Regelung ist es, die Differenz zwischen Soll- und Istwert zu minimieren bzw. auf den Wert Null auszuregeln. Hierbei wird in der Regelungstechnik der zu regelnde Prozess (z. B. der Raum oder ein Lüftungskanal) als Regelstrecke bezeichnet. Mit einer

Regelung ist es – im Gegensatz zu einer Steue­ rung – dadurch möglich, dass Regelstrecken ständig an die sich ändernden Nutzungsrandbedingungen, wie z. B. interne Lasten und Umgebungsbedingungen, angepasst werden. Regelgeräte sorgen somit auch dafür, dass die Auswirkungen von Störgrößen, etwa Schwankungen der Außentemperatur, solare Einstrahlung oder interne Wärmelasten, möglichst schnell kompensiert werden. Typische Beispiele für Regelungen sind: Raumtemperatur-, Konstantlichtoder Luftvolumenstromregelung. Hierbei lassen sich generell zwei Regelungstypen unterscheiden: unstetige Regelungen, bei denen lediglich ein- oder ausgeschaltet werden kann (z. B. RWA-Klappe auf/zu), oder stetige Regler, welche einem Aktor (z. B. Stellweg bei einem Hubspindelmotor) einen bestimmten Wert zwischen 0 und 100 % des möglichen Stellweges vorgeben können. Die regelungstechnischen Anforderungen, z. B. hinsichtlich der erforderlichen Stellgeschwindigkeit oder der Regelgenauigkeit, entscheiden zusammen mit der Art des zu regelnden Prozesses und der Auswahl der Sensorik und Aktorik über das passende Regelungskonzept. Integrierte Gebäudesysteme – Mechatronische Systeme Zeitgemäßer Einsatz von Automatisierungstechnik umfasst neben den primären Aufgaben des Messens, Steuerns, Regelns und Überwachens auch die Nutzung der vielfältigen Optimierungspotenziale für das Zusammenspiel aller Systeme in einem übergeordneten Energie- und Gebäudemanagement.

Ein starker Trend hierbei geht hin zu steckerfertigen, integrierten Bauteilsystemen mit aufeinander ab­­ gestimmten Teilkomponenten. Ein Beispiel sind steckerfertige Wärmepumpen mit integrierter Hy­ drau­likbaugruppe und Mess-, Steuer- und Regeltech­ nik (MSR-Technik). Dieser Trend wird sich zukünftig auch auf die Gebäudehülle und Fassadentechnik ausdehnen. Erste integrierte Fassadensysteme sind am Markt verfügbar, bei denen in der Fassade dezentrale Lüftungsgeräte, Sonnenschutzsysteme, Beleuchtungssysteme, ja sogar die Energieerzeugung über Fotovoltaik-Module integriert sind sowie ­kontrollierte natürliche Lüftungsstrategien über motorisch betriebene Fenster- und Fassadenelemente ermöglicht werden. Die Einzelsysteme sind über eine ebenfalls in die Fassade integrierte MSR-Technik (Fassadencontroller) optimal aufeinander abgestimmt. Der Fassadencontroller ist wiederum über standardisierte Bussysteme informationstechnisch an die Raum- und Gebäudeautomation angebunden, so dass eine auf die Nutzung und Energieeffizienz abgestimmte Betriebsführung ermöglicht wird. Das Fenster bzw. die Fassade wandelt sich auf diese Weise zunehmend von einem passiven zu einem aktiven gebäudetechnischen Bauelement. Man kann in diesem Zusammenhang auch von einem mechatronischen Fassadensystem sprechen, das mechanische, elektromechanische/elektronische und informationstechnische Komponenten zu einem neuen, höherwertigen Gesamtsystem verknüpft.

Theorie und Planung

76

20

Ein detailliertes Verzeichnis relevanter Normen und Richtlinien findet sich unter: www.iek.uni-hannover.de/move.html

10

0

0

10

20

27

37

Die Darstellung des CE-Kennzeichens als Nachweis der Konformität des Bauteils ist nach genauen graphischen Regeln zu erstellen.

2.11 Planungsrichtlinien und rechtlicher Rahmen Kurt-Patrik Beckmann

Planerische Grundlagen Gebäude sind in der Regel immobil. Die Planungsund Bauordnungsvorschriften beziehen sich daher in ihrem Regelwerk auf statische Bauteile, außerdem auf die beweglichen Öffnungen wie Fenster und Türen/Tore sowie Förderanlagen für Personen und Güter am und im Gebäude. Die Regelung von beweglichen Strukturen und Bauteilen anderer Art ist in den allgemeinen Bauvorschriften und Regelwerken kaum dokumentiert. Bei beweglichen Strukturen und Bauteilen entstammen die Vorschriften und Regelwerke aus dem Maschinenbau, diese sind in der weiteren Planung und Ausführung etwas anders gegliedert als im Baurecht, dies schon deshalb, weil im Maschinenbau die Herstellung und der Einsatz eher seriell und ortsunabhängig erfolgen als standortbezogen wie in der Architektur. Hintergrund Zum allgemeinen Verständnis der nachfolgend aufgeführten Planungsschritte dient eine kurze Abhandlung der baurechtlichen Situation in Deutschland. Das Baurecht ergibt sich aus den Anforderungen des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und dem innerhalb der Europäischen Union verabschiedeten europäischen Recht. Das EU-Recht ist dabei als unabhängiges Rechtssystem zu sehen, das Vorrang vor den einzelstaatlichen Rechtssystemen hat. Grundsätzlich zielen beide Rechtssysteme darauf ab, den Einzelnen und die Gemeinschaft zu schützen. Heute ist das Bauordnungsrecht im Zusammenhang

mit dem praktizierten Föderalismusgedanken in Deutschland Ländersache. Die in der Bauministerkonferenz vom November 2002 beschlossene Musterbauordnung (Fassung von 08.11.2002) stellt nur den Standard bzw. die Mindestanforderung auf, die Länder können von diesen Standards abweichen. Die eingeführten EU-Richtlinien haben zum Ziel, dass ein Produkt innerhalb der Europäischen Union überall verwendet werden darf. Die Art der Umsetzung der Richtlinie bleibt jedem EU-Mitgliedsstaat überlassen. Die europäische Richtlinie dazu ist die „RICHTLINIE 98/37/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 22. Juni 1998 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungs-Vorschriften der Mitgliedstaaten für Maschinen“. Sie gilt europaweit noch bis zum 28.12.2009. Ab dem 29.12.2009 ist übergangslos die neue „RICHTLINIE 2006/42/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 17. Mai 2006 über Maschinen und zur Änderung der Richtlinie 95/16/EG (Neufassung)“ anzuwenden. In Deutschland wurde die Umsetzung der vorgenann­ ten EU-Maschinenrichtline im Gesetz über technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (Geräteund Produktsicherheitsgesetz – GPSG) sowie in der „Neunten Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (Maschinenverordnung – 9. GPSGV) vom 12.05.1993, letztmalig geändert am 06.01.2004“ durchgeführt. Diese Verordnung zum GPSG betrifft das In-den-Verkehr-Bringen (Verkauf und Nutzen) von Maschinen, Geräten oder Bauteilen, bei denen mindestens ein Bauteil beweglich ist. Mit dem ­Geräte- und Produktsicherheitsgesetz soll einerseits

das angestrebte Ziel des Schutzes des Einzelnen und der Gemeinschaft erreicht werden. Andererseits bietet es dem Planer und dem Ersteller die erforderliche Rechtssicherheit, dass bei einem Unfall bereits im Vorhinein in der Planung und beim Bau alles im gesetzlichen Rahmen Mögliche getan wurde, damit das in den Verkehr gebrachte Produkt bzw. Bauteil nicht die Ursache für einen Schadensfall darstellt. Die Konformität des gebauten Produktes mit den technischen Vorschriften und Richtlinien wird nach EU-Recht über das am Gerät montierte CE-Kennzeichen dokumentiert. Das CE-Kennzeichen ist von dem Hersteller bzw. Errichter anzubringen und zeigt an, dass erstens das Produkt in den Anwendungsbereich der entsprechenden Richtlinien fällt und zweitens die in den Vorschriften genannten Sicherheitsanforderungen eingehalten wurden. Da das CEKennzeichen vom Ersteller selbst angebracht wird, fällt auch die Überprüfung der Planung und des fertigen Produktes auf die Sicherheitsanforderungen in seinen Bereich. Diese Überprüfung wird über eine schriftliche Konformitätserklärung festgehalten, nur diese hat rechtsverbindliche Wirkung. Generell verpflichten nicht alle Richtlinien den Hersteller zur Übergabe einer aussagekräftigen schriftlichen Erklärung. Grundsätzlich ist gegenüber Behörden und bei Produkten, die der EU-Maschinenrichtlinie unterliegen, eine Konformitätserklärung zu übergeben. Bei erstmaligem Einsatz von beweglichen Bauteilen an Gebäuden wird im Regelfall die bauaufsichtliche Genehmigungsbehörde vor dem Einbau bzw. der Nutzung eine Prüfung des Bauteils verlangen. Dies kann vorab durch zertifizierte Akkreditierungsstel-

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

77

A

Standard Not-Aus-Schalter

Sicherheitseinrichtungen in einer Produktionshalle

len erfolgen. Diese Stellen bescheinigen dem Planer bzw. Hersteller nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen, dass diese den Vorschriften im Einzelfall entsprechen. Ebenfalls können die Unterlagen dort auch hinsichtlich der technischen Dokumentation für die EG-Baumusterprüfung geprüft werden. Eine kurze Liste der Zertifizierungsstellen in Deutschland ist am Ende dieses Abschnittes aufgeführt.

8. Wird für diesen Entwurf auf bereits vorhandene bekannte Bauteile zurückgegriffen? 9. Oder sind für die Konstruktion noch Bauteile zu entwickeln?

Planungsschritte Für die Einordnung in die relevanten Richtlinien und Normen kann die folgende Reihenfolge der planerischen Umsetzung des Entwurfs sinnvoll sein: Da die planerischen und baurechtlichen Schritte vom Entwurf selbst abhängig sind, hängen auch die Kriterien für die Entscheidungen innerhalb des Planungsprozesses von der jeweiligen Aufgabenstellung bzw. Intention ab. Bei der Entscheidungsfindung sollten folgende Punkte geklärt werden. 1. Welche Nutzung ist vorgesehen? 2. Wer ist der Nutzerkreis? 3. Was ist der Einsatzzweck? 4. Zu welcher Kategorie gehört die bauliche Anlage, bei der die Konstruktion als Bauteil implementiert werden soll? 5. Ist die Bewegung eine rein optische Wahrnehmung oder wird die Konstruktion bzw. das Bauteil in Bewegung gesetzt? 6. Auf welche Art und Weise wird die Bewegung realisiert, per Antrieb oder Handbetätigung? 7. Erfolgt die Auslösung der Bewegung von Hand oder automatisiert?

Aus den genannten Kriterien und deren Varianten ergeben sich unterschiedliche planerische Durchführungsszenarien. Die einzelnen Richtlinien geben eine Definition der behandelten Geräte an, lassen ebenso jedoch auch Ausnahmen zu. Im Zweifel sind zuerst die Akkreditierungsstellen dazu zu Rate zu ziehen. 1. Zweck und Nutzen: Als Erstes ist zu klären, was das bewegliche Bauteil/ Produkt macht, besser ausgedrückt, welche Funktion, Zweck, Bestimmung oder Verwendung vorliegt. 2. Relevante Richtlinien: Daraus ergibt sich dann im Zusammenhang mit den verwendeten Baugruppen, welche der Richtlinien anzuwenden sind. Als vereinfachte Hilfestellung dient dazu folgende Einteilung: 2.1. Allgemeine EU-Richtlinien: Die EU-Maschinenrichtlinie zusammen mit der EULärmschutzrichtlinie 2003/10, dazu gehören weiter auch die beiden Richtlinien über:  – Aufzüge, Aufzugsrichtlinie 95/16/EG und  – Seilbahnen, EU-Richtlinie 2000/9/EG über Seilbahnen zur Personenbeförderung.

2

2.2. Druckbehälter:  – Druckgeräterichtlinie, z. B. bei pneumatisch-hydraulischen Antrieben  – Richtlinie über einfache Druckbehälter (deckt einen­etwas anderen Bereich als die Druckgeräterichtlinie ab). 2.3. Explosionsschutz: Wird das Produkt/Gerät in explosionsgefährdeten Bereichen betrieben (Explosionsschutz): EU-Richtlinie 94/9/EG (siehe dazu auch den VDMA-Leitfaden zum Explosionsschutz an Maschinen, Kurzform ATEX 95). 2.5. Elektrische Geräte: Elektrische Geräte, z.B. zur Steuerung, unterliegen folgenden Richtlinien:  – Elektromagnetische Verträglichkeit, hier die EMVRichtlinie:  – Niederspannungsrichtlinie  – RTTE für Anlagen wie Telekommunikations-Endeinrichtungen/Funkanlagen  – ElektroGesetz, das ist das Gesetz über das InVerkehr-Bringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten vom 16.03.2005. Hiermit wurde die RoHS (Restriction of certain Hazardous Substances), d. h. die Richtlinie für Stoffverbote (EURichtlinie 2002/95/EG) umgesetzt. Die RoHSRichtlinie gehört nicht zur CE, ist aber seit dem 1.06.2006 in Kraft getreten. Hier werden die Grenzwerte und Restriktionen zur Verwendung von problematischen Stoffen (z. B. Blei, Quecksil-

Theorie und Planung

Fingerschutztür nach DIN 18650, Klemmschutz durch 8 mm breite Fuge zwischen Türrahmen und Türflügel

78

Kontaktleiste: leitende Schaltflächen mit Kupferlitze

Reflexions-Lichtschranke

Mehrweg-Lichtschranke

Einweg-Lichtschranke

Planerische Prinzipien zur Sicherung von Bauteilen: Konstruktive Lösung: z. B. Fingerklemmschutz zwischen Türrahmen und Türflügel auf der Bandseite

Sicherheitskontakte im Bauteil: z. B. Sicherheitsabschaltung einer vertikal verfahrbaren Toranlage durch Integration eines Druckabschalters im Bodenprofil

Raumüberwachung: z. B. Sicherheitsabschaltung einer Toranlage durch Laserüberwachung der Vorzone

ber, Cadmium, Chrom und bromierte organische Flammschutzmittel), welche insbesondere bei elektrischen und elektronischen Bauteilen zur Anwendung kommen, geregelt. Weiter ist im ElektroGesetz die WEEE-Richtlinie zur Elektroaltgeräteentsorgung implementiert (Waste Electrical and Electronic Equipment). Die WEEE-Richtlinie gehört ebenfalls nicht zur CE, diese Vorschrift regelt die Rücknahme von Altstoffen bei Elektrogeräten und ist daher mittlerweile bei Einsatz von elektrischen- wie elektronischen Steuergeräten zu beachten.

dem Energiebetriebene-Produkte-Gesetz (EBPG) am 7.03.2008.

5. Überprüfen und Anpassen des Bauteils/ Produktes hinsichtlich der geforderten Sicherheitsstandards: Die genannten Punkte der vorherigen Risikoanalyse sind am Bauteil/Produkt zu überprüfen. Wenn alle Punkte abgearbeitet und hinsichtlich der dort genannten Forderungen als gelöst bezeichnet werden können, gilt das Produkt als sicher hinsichtlich den Anforderungen und kann mit dem CE-Kennzeichen gekennzeichnet werden. Im Zusammenhang mit dem Einbau des Bauteils/ Produktes in Fluchtwege- und Rettungsbereiche oder wenn zusätzliche Brandlasten von dem Produkt ausgehen können, ist die genehmigende Behörde und der vorbeugende Brandschutz für die Zustimmung zu beteiligen. Dazu wird seitens der Behörden in der Regel ein brandschutztechnisches Gutachten für den vorgesehenen Gebrauch gefordert.

2.6. Bauprodukte: Nach der EU-Bauproduktrichtlinie 89/106/EWG umgesetzt im deutschen Bauproduktegesetz. 2.7. Energie- bzw. Ressourcenverbrauch: Die EuP-Richtlinie 2005/32/EG (Energy using Products) hat bisher nur Rahmencharakter, ist also noch nicht verbind­lich. Hier werden Anforderungen an die umweltge­rechte Gestaltung energiebetriebener Produkte­ ge­­nannt, die Umsetzung erfolgte mit

2.8. Weitere Richtlinien: Persönliche Schutzausrüstungen: In Deutschland umgesetzt in der 8.  Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz – GSPG.  – Sicherung von Spielzeug  – medizinisches Gerät (für die vollständige Liste siehe im Anhang) 3. Zur Anwendung heranzuziehende Normen: In den Texten der unter 2. genannten übergeordneten Grundsatzrichtlinien werden die jeweils anzuwendenden Normen inhaltlich aufgeführt. 4. Risikoanalyse: In den Normen und Richtlinien sind die erforderlichen Schritte zur Risikoanalyse genannt (teilweise noch als Gefahrenanalyse bezeichnet). Diese Punkte der genannten Risikoanalyse sind dem Produkt entsprechend durchzuarbeiten und aufzulisten.

6. Technische Dokumentation: Für die technische Dokumentation sind entsprechend den anzuwendenden Richtlinien die Benutzer­ informationen zusammenzustellen und hinsichtlich

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Fertiges Komplettsystem Systemhersteller, Produkt bereits mehrfach eingesetzt

Vorhandene Bauteile oder Bauteilgruppen neu kombiniert oder genutzt Hersteller bieten fertige Bauteilgruppen an (neue Zusammenstellung vorh. Komponenten)

Neues System oder in Teilen vorhandene Bauteil­gruppen Hersteller bieten fertige Bauteilgruppen an (neue Zusammenstellung vorh. Komponenten)

Geometrische Änderungen innerhalb der geprüften Grenzen zur Anpassung an die Verhältnisse vor Ort möglich

Geometrie außerhalb der bisher geprüften Grenzen

Einbau innerhalb der geprüften Nutzungsart

Nutzungsänderung

Neuartige Nutzung

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

Basis des Entwurfs

A Bereits geprüfte Kombination der Baugruppen/Bauteile

Neue ungeprüfte Kombination vorhandener Baugruppen

2 Neue Baugruppen

der vorherigen Risikoanalyse zu optimieren. Dazu ge­hören neben der Betriebs- und Wartungsanweisung sowie Ersatzteillisten auch Hinweise für den Gefahrenfall und eine technische Dokumentation (Pläne, Schaltpläne etc.). 7. Übersetzung: Sofern in den Verordnungen genannt („Stichwort: Übersetzung der Originalbetriebsanleitung“) oder durch die Nutzung gefordert (z. B. Verkehrsbauten wie Flughafen) sind noch Übersetzungen der Betriebs- und Wartungsanleitungen anzufertigen. 8. Zusammenstellen der Unterlagen: Die vorgenannten Unterlagen sind mit Nennung der infrage kommenden Normen, Richtlinien und Verordnungen zusammenzustellen und durch einen Zeichnungsbefugten des Planers/Erstellers mit Datum und Ort zu unterzeichnen. 9. Haftung und Prüfung der Unterlagen durch eine offizielle Akkreditierungsstelle: Der Unterzeichner ist damit verantwortlich für die Einhaltung der in der Konformitätserklärung enthaltenen Vorgaben. Aus haftungstechnischer Sicht ist eine Prüfung der Unterlagen durch eine offizielle Akkreditierungsstelle ratsam und im Zusammenhang mit der Übergabe bzw. Abnahme durch die bauaufsichtlichen Genehmigungsbehörden in der Regel

erforderlich, da die Bewertung der Anlage in ihrer Konstruktion mit den erforderlichen sicherheitstechnischen Anforderungen ein hohes Maß an technischem Wissen in übergreifenden Fachdisziplinen des Ingenieurbaus voraussetzt. Der angeführte Planungs- und Genehmigungsverlauf zeigt, dass die Einbindung des ausführenden Unternehmers bzw. Herstellers für den Planer bereits in einem sehr frühen Stadium erfolgen sollte, um hier von vornherein Kosten- und Ausführungssicherheit zu erzielen. Sollte aus Gründen des Vergaberechts dies nicht möglich sein, wäre noch im frühen Planungsstadium ein Ingenieurbüro für den Maschinenbzw. Anlagenbau mit einzuschalten oder ein Hersteller, der ähnlich geartete Konstruktionen bzw. Anlagen bereits erstellt hat, mit der Planungsleitung im Vorwege zu beauftragen. Der bewegliche Entwurf im Zusammenhang mit einer baulichen Anlage: Die bisher genannten Planungsschritte zielen auf die Einhaltung der vorhandenen Vorschriften und die Genehmigung des beweglichen Entwurfes ab. Sie ersetzen nicht die allgemeine bauliche Genehmigung nach der Bauordnung der Länder, sondern sind Vorbedingung für die übergeordnete Baugenehmigung. Die jeweilige genehmigende Baubehörde wird in der Regel für die Erteilung der Baugenehmigung den

Nachweis der Einhaltung nach CE-Maschinenrichtlinie entweder zur Bedingung machen oder ihn spätestens mit der Bauabnahme einfordern. Die Baubehörde prüft nicht die Maschine als solche, sondern ihre Funktion am Gebäude im Zusammenhang mit der Nutzung. Wenn die Maschine im Zusammenhang mit der Rettung oder dem Schutz von Menschenleben oder Sachwerten steht (Fluchtweg, vorbeugender Brandschutz etc.), werden von den genehmigenden Behörden situationsbezogen weitere Sachverständige zur Bewertung hinzugezogen. Für die spätere bauaufsichtliche Abnahme wird in der Regel die Überprüfung der Anlage vor Ort durch einen externen sachkundigen Gutachter verlangt. Grundsätzliche Regel:  – Je bekannter und bewährter das am Bauvorhaben eingesetzte System, desto einfacher ist es, die bauaufsichtliche Zulassung bzw. Genehmigung zu erhalten.  – Je neuer und bisher unbekannter das eingesetzte System, desto höher ist der Planungs- und Genehmigungsaufwand.

81 Planungsabfolge für ein fertiges Komplettsystem

Planungsabfolge für ein System aus verschiedenen fertigen Komponenten

Klassischer Weg:

Alle Hauptkomponenten von einem Hersteller:

Hauptkomponenten von mehreren Herstellern:

Hauptkomponenten sind noch zu entwickeln, Teilkomponen­ ten in der Regel von mehreren Herstellern:

– Abstimmung mit Fachplanung zur Leistungsgrenze für die allgemeine TGA

– Abstimmung mit Fachplanung zur Leistungsgrenze für die allgemeine TGA

– Abstimmung mit Fachplanung zur Leistungsgrenze für die allgemeine TGA

– Abstimmung mit Fachplanung zur Leistungsgrenze für die allgemeine TGA

– Abstimmen der Ausführung mit Systemhersteller

– Ausführungsvorschlag mit Systemhersteller

– Ausführungsvorschlag mit Sonderfachplaner oder mit einem mit der Planung beauftragten Hersteller

– Ausführungsvorschlag zusammen mit SonderfachÂ�planer oder mit einem mit der Planung beauftragten Hersteller

– Abstimmung des Ausführungs­ vorschlages mit BOA, BG, GUV, Gewerbeaufsicht etc. nach Erfordernis

– Abstimmung des Ausführungs­ vorschlages mit BOA, BG, GUV, Gewerbeaufsicht etc. nach Erfordernis

– Einarbeiten von ggf. zusätzlichen Anforderungen der Behörden/Nutzer mit dem Systemhersteller

– Einarbeiten von ggf. zusätzlichen Anforderungen der Behörden/Nutzer mit Sonderplanung oder Systemhersteller

– Risikoanalyse, Zusammenstellen der einzuhaltenden Normen und Vorschriften – Anpassen der Konstruktion

A – Abstimmung des Ausführungsvorschlages mit BOA, BG, GUV, Gewerbeaufsicht etc. nach Erfordernis

2 – Einarbeiten von ggf. zusätzlichen Anforderungen der Behörden/Nutzer mit Sonderplanung oder Systemher­ steller

– Prüfung der Unterlagen und der Konstruktion auf Konformität gemäß Maschinenrichtlinie etc. durch eine offizielle Akkreditierungsstelle

– Ausschreibung und – Vergabe – Werkplanung des AN

– Herstellen, Liefern und – Einbauen – Funktions- und Sicherheitsprüfung durch den AN

– Dokumentation und Einweisung erfolgt durch den AN bei Abnahme – Abnahme Planer, BOA und Nutzer

– Ausschreibung und – Vergabe – Werkplanung des AN

– Herstellen, Liefern und – Einbauen – Funktions- und Sicherheitsprüfung durch den AN

– Dokumentation und Einweisung erfolgt durch den AN bei Abnahme – Abnahme Planer, BOA und Nutzer

– Ausschreibung und – Vergabe – Werkplanung des AN

– Ausschreibung und – Vergabe – Werkplanung des AN

– Ggf. Zulassung im Einzelfall AN mit Planer (die verwendeten Bauteilkomponenten sind geprüft und einsetzbar, Konformitätsnach­ weise beifügen!)

– In der Regel Zulassung im Einzelfall AN mit Planer – Die Oberste Bauaufsichtsbehörde verlangt im Regelfall zur Prüfung bereits die Vorlage des Nachweises der Konformität

– Herstellen, Liefern und – Einbauen – Funktions- und SicherheitsÂ�prüfung durch den AN

– Herstellen, Liefern und – Einbauen – Funktions- und Sicherheitsprüfung durch den AN

– Überprüfung der gesetzten Standards durch externen Prüfer mit Rückmeldung an BOA und ggf. oberste Bauaufsicht – Bescheinigung der Funktionsfähig­ keit und Sicherheit

– Überprüfung der gesetzten Standards durch externen Prüfer mit Rückmeldung an BOA und an die Oberste Bauaufsicht – Bescheinigung der Funktionsfähigkeit und Sicherheit

– Dokumentation und Einweisung erfolgt durch den AN bei Abnahme – Abnahme Planer, BOA und Nutzer

– Dokumentation und Einweisung erfolgt durch den AN bei Abnahme – Abnahme Planer, BOA und Nutzer

Links: Zeche Zollverein Schacht XII, ARGE Office for Metropolitan Architecture, Heinrich Böll, Hans Krabel, Essen, 2006

Grundlagen von Bewegung und Konstruktion

Planungsabfolge für ein neues System oder in Teilen vorhandene Bauteilgruppen

A

Theorie und Planung

3

Zukünftige Bewegungsstrategien

Theorie und Planung

84

Mit zunehmender Temperatur stärkere Bewegung der Teilchen

Fest

Flüssig Gasförmig

Fest

Flüssig

Gasförmig

Legierung, Konglomerat

Suspension, Schwebstoffe, Schlamm, Kolloid

Rauch, Aerosol

Gel, nasser Schwamm

Emulsion, Dispersion

Nebel, Aerosol

Hartschaum

Schaum

Gasgemisch

Mischung von Aggregatzuständen

3.1 Nutzung wechselnder Aggregatzustände

Jeder Stoff kann, in Abhängigkeit von den äußeren Bedingungen, entweder als Feststoff, Flüssigkeit oder Gas auftreten. Diese drei Zustandsformen werden als Aggregatzustände oder Phasen der Materie bezeichnet. Fest Feststoffe zeigen die Eigenschaft der Kohäsion, d.h. molekulare Anziehungskräfte und Abstoßungskräfte sind im Gleichgewicht und halten Atome oder Moleküle zusammen. Die Moleküle sind gitterartig angeordnet. Die Teilchen schwingen nur um ihre Ruhelage. Der Stoff behält seine klar umrissene Form und sein Volumen. Flüssig Flüssigkeiten stellen den Übergang vom Feststoff zum Gas dar. Ihre Moleküle sind zwar noch durch Kohäsionskräfte aneinander gebunden, diese Kräfte erweisen sich jedoch als so schwach, dass sich einzelne Teilchen frei bewegen können. Die Teilchen haben eine höhere kinetische Energie, so dass sie nicht mehr an die Gitterplätze gebunden, sondern relativ frei beweglich sind. Die Teilchen zwängen sich durch die Lücken zwischen den benachbarten Teilchen. Der Stoff behält sein Volumen, ist aber unbeständig und passt sich dem Umgebungsraum an. Gasförmig Bei Gasen dagegen treten fast keine Kohäsionskräfte mehr auf, man kann die Teilchen als voneinander unabhängig betrachten. Ihre Bewegungsenergie ist so groß, dass die noch vorhandenen Anziehungs-

kräfte wirkungslos bleiben. Die Teilchen bewegen sich frei und stoßen mit anderen zusammen. Der Stoff ist weder volumen- noch formbeständig und der Rauminhalt veränderlich. Plasma Als vierter Aggregatzustand wird gelegentlich der sogenannte Plasmazustand bezeichnet. Plasma sind hochgradig ionisierte Gase, ein gasförmiger Zustand, in dem freie Elektronen und ionisierte Atome vorkommen. Die Plasmaphase wird bei sehr hohen Temperaturen (thermischer Zerfall) erreicht, aber zum Beispiel auch durch starke elektrische Felder (Blitz, Gasentladungslampe). Bei hohen Temperaturen (≈ 5.000 K) zerfallen Gase nahezu komplett in ein Plasma. Freie Elektronen und ionisierte Atome kommen auch bei niederen Temperaturen, auch in Festkörpern oder Flüssigkeiten vor, aber grundsätzlich verhält sich ein Plasma wie ein Gas, nur mit Elektronen und Kationen oder Atomkernen als kleinsten Teilchen. Dadurch ist das Plasma ein guter elektrischer Leiter. Charakteristisch für Plasmen ist ihr typisches Leuchten, das durch Strahlungsemission angeregter Gasatome, Ionen oder Moleküle verursacht wird. Mischungen von Aggregatzuständen Manche Stoffe treten in Zustandsformen auf, die sich nicht eindeutig einer Phase zuordnen lassen. Gele beispielsweise sind weder reine Flüssigkeiten noch Feststoffe. Sie bestehen aus gelösten, großen Feststoffteilchen (dispergierte Phase) und einem Lösungsmittel (Dispersionsmittel). Da sie aufgrund

ihrer zu großen Teilchen nicht wie echte Lösungen, etwa Salzwasser, durch eine Membran diffundieren, da ihre Teilchen zu groß sind, werden sie als kolloida­le Lösungen oder kurz Kolloide bezeichnet. Auch Schäume gehören zu den Kolloiden. Physikalisch gesehen bestehen sie aus einem flüssigen Dis­ persionsmittel und einem Gas als dispergierter Phase. Phasenübergänge Der Aggregatzustand eines Stoffes ist von Druck und Temperatur abhängig. Ein Stoff kann bei niedrigen Temperaturen fest sein, bei steigender Temperatur geht er zunächst in den flüssigen, später in den gasförmigen Zustand über. Der Übergang von einem in den anderen Aggregatzustand wird als Phasenübergang bezeichnet. Für jeden Phasenübergang ist eine bestimmte Wärmemenge notwendig bzw. wird beim Phasenübergang Energie als Wärme freigesetzt. Die Temperatur ist dabei Kennzeichen für die kinetische Energie der Teilchen. Je höher die Temperatur, desto größer ist die Bewegung der Teilchen. Die Übergangstemperaturen von einem Aggregatzustand in einen anderen (bei Normaldruck) werden jeweils als Kondensations-, Siede-, Gefrier- bzw. Schmelzpunkt bezeichnet. Erwärmt man einen Stoff, führt man seinen Teilchen also kinetische Energie zu, schwingen sie beim Feststoff immer stärker um seine Gitterstruktur und bei Flüssigkeiten und Gasen steigen ihre Geschwindigkeiten. Ab einer bestimmten Temperatur wird die Schwingungsenergie so groß, dass sie die Anziehungskräfte übersteigt: Der Feststoff schmilzt und wird flüssig. Kühlt man um-

Zukünftige Bewegungsstrategien

85

A

3 Eishotel, Jukkasjärvi, Schwedischlappland

gekehrt eine Flüssigkeit ab, werden die Anziehungskräfte stärker als die Bewegung; die Flüssigkeit erstarrt, und die überschüssige Energie wird als Wärme abgegeben. Der Schmelzpunkt vieler Stoffe lässt sich durch Druckerhöhung herabsetzen; so wird Eis bei 0 °C unter erhöhtem Druck flüssig. Erniedrigt man den Druck, bildet sich erneut Eis – ein Vorgang, den man als Regulation bezeichnet und der z. B. das Fließen von Gletschern verursacht. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart haben beobachtet, dass Gletschereis an der Grenzfläche zu einem Mineral wie Siliziumdioxid schon bei –17 °C zu schmelzen beginnt, also weit unterhalb des Gefrierpunktes. Diese nur wenige Nanometer dünne Schicht aus hochdichtem Wasser (ca. 1,2 g/cm³) ist 20 % kompakter als normales Wasser. Diese damit erstmals festgestellte Eigenschaft könnte eine wichtige Entdeckung für das weitere Verständnis von Vereisungsphänomenen sein.

Entfernen der Hilfskonstruktionen entsteht eine gering lichtdurchlässige Hülle. Eine weitere eingesetzte Konstruktionsart ist mit dem Iglubau vergleichbar, indem aus Flüssen Eisblöcke herausgesägt werden. Klares Wasser ergibt zusammen mit einer starken Strömung besonders klares Eis, durch das Licht besonders intensiv hereinfällt und das somit an Stelle von Glas eingesetzt werden kann. Das Hotel umfasst insgesamt eine Fläche von ca. 4.000 m² und verfügt über 60 Räume und Suiten. Die Temperatur der Innenräume liegt niemals über 5 °C und ermöglicht somit eine Möblierung nahezu komplett aus Eis und eine dauerhafte Ornamentik der Eiswände. Die Transluzenz des Materials wird genutzt, um durch Hinterleuchtungen mit Kunstlicht besondere Lichtstimmungen zu erzeugen. Im Sommer wechselt diese Architektur ihren Aggregatzustand – und zerschmilzt: ein vergängliches Bauwerk, geschaffen aus den Materialien des Ortes, angepasst an die Rhythmen der Natur.

Bauen mit Eis Ein Haus aus Schnee und Eis wurde im Dezember 2008 in dem kleinen Dorf Jukkasjärvi, 200 km nördlich des Polarkreises, zum 18. Mal als Eishotel errichtet. Im nordischen Winter wird Schnee auf eine Schalung aufgetragen oder Wasser durch Schneekanonen aufgesprüht. Nach der Vereisung und dem

Haus aus Nebel Ein Beispiel für das Potenzial und die neuen atmosphärischen Möglichkeiten, die das Thema der Aggregatzustände und insbesondere das Medium Wasser mit sich bringen, zeigt das Beispiel des Blur Building für die Schweizer Expo’02 in Yverdon, das von dem New Yorker Architekturstudio von Elizabeth

Diller und Ricardo Scofidio entwickelt wurde. Es besteht aus einer künstlichen Wolke. Wasser wird durch ein mit Mikrodüsen versehenes Rohrgestänge fein vernebelt und erzeugt eine eigene weiße Welt. Diller und Scofidio gelingt es Tragwerk, Fassade und Raum visuell, akustisch und haptisch in völlig neuen Dimensionen darzustellen. Es gibt keine klare Form- und Hüllbegrenzung, Ausblicke verändern sich permanent, Dimensionen sind nicht erfassbar. Die Hülle aus Nebel wird auf Brücken durchschritten und erschließt einen Raum aus diffusem blauen Licht. Die Grenzen zwischen innen und außen, zwischen Natur und Architektur verschwimmen. Eine fein abgestimmte Sensorik misst die klimatischen Rahmenbedingungen wie Temperatur, Wind und Luftfeuchtigkeit und lässt den Wassernebel individuell darauf reagieren. Je nach Wetterlage verändert die Wolke ihre Gestalt und damit das Mikroklima des Bauwerks. Nutzung energieaustauschender Effekte Das Aufnehmen oder Abgeben von Energie während des Phasenwechsels macht man sich in einigen Anwendungsfällen zu Nutze: Latentwärmespeicher werden als Kühlakkus, Wärmekissen oder als Speichertanks von Solaranlagen eingesetzt. Sie nutzen die kinetische Zustandsänderung eines Speichermediums während des Phasenübergangs. Solche Pha-

Theorie und Planung

86

Blur Building, Pavillon für die Schweizer Expo, Diller Scofidio + Renfro, Yverdon, 2002

senübergangsmaterialien werden als „Phase-ChangeMaterials”, abgekürzt PCM bezeichnet. Die Ausnutzung des Phasenübergangs von fest zu flüssig ist dabei das am häufigsten genutzte Prinzip. Geeignet sind Stoffe, deren Phasenwechsel in einem für die Anwendung günstigen Temperaturbereich liegt. In der Regel werden spezielle Salze oder Paraffine als Speichermedium geschmolzen, die währenddessen sehr viel Wärmeenergie, die Schmelzwärme, aufnehmen. Da dieser Vorgang reversibel ist, gibt das Speichermedium genau diese Wärmemenge beim Erstarren wieder ab. In Wärmekissen verflüssigt sich eine Natriumacetat-Trihydrat-Füllung bei Erhitzung auf 58 °C. Beim Abkühlen aber unterkühlt diese Schmelze und bleibt flüssig. Wird nun Druck auf das Kissen ausgeübt, kristallisiert die Lösung und erwärmt sich auf 58 °C. Latentwärmespeicherung kann auch in anderen Temperaturbereichen eingesetzt werden; je nach Anwendungsfall muss dazu ein Material mit geeigneter Temperatur des Phasenwechsels ausgewählt werden. Die Bekleidungsindustrie nutzt PCMs, um im selben Kleidungsstück vor extremer Kälte und Hitze zu schützen. In die Kleidung werden beschichtete Gewebe oder Viskosefasern integriert, in denen Millionen mikroskopisch kleiner PCM-Kapseln gefüllt mit Paraffinwachs stecken, die sich in einem Temperaturbereich zwischen 26 °C und 34 °C verflüssigen. Sobald überschüssige Körperwärme entsteht, nehmen sie die Energie auf und speichern diese Wärme. Sobald es kälter wird, kristallisieren die Kapseln und geben die dadurch entstehende Energie als Wärme wieder ab. Mikroverkapselte Paraffine können als

PCM auch in Baustoffe (Putze, Spachtelmassen, Trockenbauplatten etc.) eingebracht und zur passiven Kühlung von Gebäuden genutzt werden. Beim Phasenwechsel wird Wärmeenergie latent gespeichert – die Temperatur des PCM bleibt dabei nahezu konstant. PCMs erhöhen so die thermische Speicherfähigkeit von Gebäuden, ohne die Vorteile der Leichtbauweise zu verlieren. Tagsüber speichert das PCM überschüssige Wärmeenergie, die dann nachts durch die Lüftungsanlage oder Fensterlüftung abgeführt wird. Die PCM-haltigen Baustoffe sind dabei nicht als Ersatz konventioneller Wärmeschutzmaßnahmen wie der Verschattung gedacht, sondern als letztes Glied in der Kette von Schutzmaßnahmen gegen Überhitzung. Bei ausreichender Nachtlüftung schafft PCM-Gips durch Temperatursenkung um 4 K ein deutlich komfortableres Raumklima ohne jegliche aktive Klimatisierung. Mit anderen PCM-Baustoffen werden vergleichbare Ergebnisse erzielt. Passive Systeme und somit auch die passive Kühlung mit PCM sind abhängig von der kühlen Nachtluft. Fällt im Sommer die Temperatur in einem mehrtägigen Zeitraum nicht weit genug ab, kann der Speicher nicht mehr entladen werden. Am nächsten Tag steht folglich nicht die gesamte Speicherkapazität zur Verfügung, wodurch das Gebäude schneller überhitzen kann. Des Weiteren werden im Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme Phasenwechselflüssigkeiten (Suspensionen und Emulsionen) erforscht, die im Schmelzbereich deutlich höhere Wärmespeicherkapazitäten bieten als Wasser und dennoch genauso einfach zu handhaben sind. Die Materialien sollen

mit möglichst geringem zusätzlichen Aufwand in herkömmlichen Anlagen eingesetzt werden können. Phasenwechselflüssigkeiten speichern große Mengen thermischer Energie in verhältnismäßig kleinen Temperaturintervallen. Ein Vergleich zwischen Wasser und einer 30%igen Phasenwechselsuspension zeigt das Potenzial auf: Um 60 kJ/kg thermische Energie zu speichern, muss Wasser um 14,3 K erwärmt werden. Die Phasenwechselsuspension speichert die gleiche Energiemenge schon bei einer Erwärmung um nur 6,5 K. Plasmaemissionen Das für Plasmen typische Leuchten wird in der Beleuchtungstechnik ausgenutzt. Im Plasma führen Stoßprozesse schneller Elektronen mit Gasatomen oder Molekülen dazu, dass Elektronen aus der Hülle der getroffenen Partikel Energie zugeführt wird. Diese Energie wird dann zu einem späteren Zeitpunkt als abgestrahltes Licht freigesetzt. Das entstehende Spektrum hängt stark von den vorhandenen Gasen, dem Druck und der mittleren Energie der Elektronen ab. In einigen Fällen kann das emittierte Licht direkt genutzt werden, so z. B. in Metalldampf-Hochdrucklampen (beispielsweise Quecksilber und Natrium), die in der Straßenbeleuchtung verbreitet zum Einsatz kommen, oder bei bestimmten EdelgasHochdruckentladungen (z. B. Xenon). In anderen Fällen, wenn die Emission eher im UV-Bereich erfolgt, muss die elektromagnetische Strahlung für die Nutzung zuerst in den für Menschen sichtbaren Spektralbereich (sichtbares Licht) umgewandelt werden. Dies erreicht man unter anderem mit

87

30°C

20°C

15°C

Tag 1 00:00 Uhr

Tag 5 00:00 Uhr

Tag 3 00:00 Uhr

Referenz Wand

PCM Wand

Temperaturunterschied in Raum mit PCM (schwarz) und mit herkömmlichen Materialien (grau)

Mikroskopaufnahme von Polyacrylfasern mit eingebetteten PCM-Mikrokapseln

Zukünftige Bewegungsstrategien

25°C

A

3

Leuchtstoffen, die meist auf der Wand der Entladungsgefäße aufgebracht werden. Dabei wird die ultraviolette Strahlung im Leuchtstoff absorbiert und als Strahlung im sichtbaren Bereich wieder abgegeben. Beispiele hierfür sind die bei der Innenraumbeleuchtung eingesetzten Leuchtstoff- und Energiesparlampen. Adiabate Kühlung Das Prinzip dieser Kühlungsmethode ist denkbar einfach: Wasser verdunstet, nimmt dabei Energie auf, welche dadurch der Luft entzogen wird, die sich dadurch abkühlt. Dieses physikalische Prinzip ist aus dem Alltag bekannt: Im Sommer fängt der Körper an zu schwitzen, dabei kommt die Feuchtigkeit mit Luft in Verbindung und kühlt den Menschen. Das am häufigsten eingesetzte Modell der adiabaten Kühlung oder auch Verdunstungskühlung ist ein Ver-

Produktbez.

Produkttyp

Schmelztemp. ca.

fahren, bei dem die Luft, die aus dem Gebäude abgeführt wird, befeuchtet wird. Durch die Verdunstung von Wasser wird der Abluft Energie entzogen, folglich sinkt die Ablufttemperatur. Über einen Wärmetauscher, ein sogenanntes Wärmerückgewinnungssystem (WRG), wird die erzeugte Kälte von der Abluft auf die Zuluft, die in das Gebäude geführt wird, übertragen. Mit dieser Art der Kühlung kann die Zulufttemperatur um 10 °C abgesenkt werden, ohne dass sich die Luftströme vermischen oder die Zuluft befeuchtet wird. Da bei der Verdunstungskälte nur Wasser und Luft als Quellen genutzt werden und lediglich Hilfsenergie für den Betrieb des Wärmerückgewinnungssystems und den Befeuchter gebraucht wird, ist eine gut ausgelegte adiabate Kühlung in der Regel energetisch sinnvoll. Mit 1 m³ Wasser lassen sich am Tag ca. 1.000 m² Bürofläche kühlen.

Anwendung

Speicherkapazität ca.

Solare Kühlung Bei dieser Kühlungsmethode wird der warmen Raumluft durch Anlagerung an die Oberfläche geeigneter Materialien – etwa Silicatgel – Wasser entzogen (Adsorption). Die Verdunstungskälte kühlt. Damit die Adsorptionsmaterialien später wieder Feuchtigkeit aufnehmen können, werden sie durch Wärme, die ein Sonnenkollektor liefert, getrocknet. Der Clou dabei: Weil der Verursacher der hohen Temperaturen, die Sonne, als Antrieb für eine solche Kältemaschine genutzt wird, steht bei hohem Kältebedarf auch immer genug Energie zum Kühlen zur Verfügung. Die solare Kühlung hat dadurch kein Speicherproblem.

Feststoffgehalt

Dichte

Viskosität

DS 5000

Dispersion

26 °C

Sommerl. Überhitzungsschutz

59 kJ/kg

ca. 42 %

ca. 0,98

ca. 200 – 600 mPas

DS 5007

Dispersion

23 °C

Stabilisierung d. Raumtemperatur

55 kJ/kg

ca. 42 %

ca. 0,98

ca. 200 – 600 mPas ca. 200 – 600 mPas

DS 5030

Dispersion

21 °C

Flächenkühlsysteme

51 kJ/kg

ca. 42 %

ca. 0,98

DS 5001

Pulver

26 °C

Sommerl. Überhitzungsschutz

145 kJ/kg

pulverförmig

ca. 250 – 350 kg/m³

DS 5008

Pulver

23 °C

Stabilisierung d. Raumtemperatur

135 kJ/kg

pulverförmig

ca. 250 – 350 kg/m³

DS 5029

Pulver

21 °C

Flächenkühlsysteme

125 kJ/kg

pulverförmig

ca. 250 – 350 kg/m³

Phase Change Materials (PCM), Produktportfolio BASF Micronal®

Theorie und Planung

88

3.2 Form-, Farb- und Eigenschaftsveränderungen

Stahl, Glas, Beton und seit kurzer Zeit Kunst- und Verbundwerkstoffe haben der Architektur bedeutende Impulse gegeben. Diese Materialien sind aber in der Regel monofunktional, sie werden in den Eigenschaften genutzt, die sie mitbringen und ergeben erst in der Fügung mit anderen Komponenten anpassbare Systeme. Die heutige Werkstoffforschung geht andere Wege. Unmittelbar auf atomarer Ebene werden maßgeschneiderte Materialien mit klar definierten neuen Eigenschaften entwickelt und so manipuliert, dass sie sich den jeweiligen Umgebungsbedingungen selbstständig anpassen können. In der Folge müssen Produkte nicht mehr nach den Eigenschaften des am besten geeigneten Werkstoffs entwickelt werden, sondern das Material wird umge-

kehrt mit Eigenschaften versehen, die eine optimale Voraussetzung für die Nutzung des Produktes ergeben. Kunststoffe, die sich selbst verformen, Metalle, die im richtigen Moment ihre Festigkeit verändern oder hauchdünne Beschichtungen, die ihrem Träger bestimmte Funktionen verleihen – solche Werkstoffe nennt man „Smart Materials“. Während sogenannte schaltbare Werkstoffe aktiv von außen mittels Sensorik und Steuerung angepasst werden, übernehmen sogenannte intelligente Materialien diesen Vorgang selbst, sie regeln ohne Regler. Diese adaptiven Materialien werden in Zukunft neue Anwendungsbereiche erschließen und andere Formen und technische Konstruktionen ermöglichen. Ein großer Vorteil wird darin liegen, Konstruktionen

leichter, sparsamer und komfortabler zu machen. Zudem wird sich die Anzahl der mechanisch bewegten Bauteile reduzieren lassen, so dass potenzielle Fehlerquellen reduziert werden. Der die Anwendungsgebiete bestimmende Maßstab wird zu einem bedeutenden Teil auf der Mikro- oder sogar Nano­ ebene liegen. Die Bewegungsabläufe werden daher nicht unbedingt direkt ablesbar sein. Aber sie werden das Aussehen und die Anmutung von Gebäuden verändern und die Funktionalität steigern. Andere Industriezweige sind in der Entwicklung einen Schritt weiter als die Baubranche. Ein Blick auf diese ist lohnenswert, um die Visionen für zukünftige Bewegungselemente an Gebäuden entwickeln zu können.

Reaktive Flächenstruktur: Schwankungen der Luftfeuchtigkeit verändern die Geometrie des Bauteils; Lehrbereich Formgenerierung und Materialisierung, Achim Menges, Steffen Reichert, HFG Offenbach, 2005 – 2007

Zukünftige Bewegungsstrategien

89

A

Stufenlos verformbare Tragfläche aus einer Formgedächtnislegierung, Continuum Dynamics Inc./ Lockheed Martin

3

Semi Smart Materials und Smart Materials Adaptive Funktionswerkstoffe lassen sich nach ihren Eigenschaften in zwei Gruppen unterteilen: „Semi Smart Materials“, die ihre Eigenschaften einmalig oder wenige Male verändern können, und „Smart Materials“, die über permanent reversible Wechseleigen­ schaften verfügen. Der Auslöser für diese Veränderun­ gen sind physikalische Einflüsse wie Temperatur, Licht, Druck, elektrische, magnetische Impulse oder chemische Stimuli. Dabei ergeben sich Veränderungen in unterschiedlichen Katego­rien. Formveränderung Piezoelektrische Keramiken besitzen die Fähigkeit, mechanische Impulse in elektrische Impulse und umgekehrt umzuwandeln. Die Piezotechnologie funktioniert in die eine Richtung wie ein Muskel: Elektrische Impulse lassen den Werkstoff sich zusammenziehen und wieder expandieren. Ein bereits in Erprobung befindliches Einsatzgebiet in der Architektur sind Schallschutzfenster. Doppel- und Dreifachverglasungen schlucken zwar hohe Töne, doch müssten für tiefe Frequenzen, Flugzeuglärm oder Musikbässe die Scheiben sehr dick und schwer sein, was im Leichtbau und bei großen Fassaden problematisch ist. Ein Beschleunigungssensor misst nun die Schwingungen, die der Schall auf der Scheibe bewirkt. Piezoelektrische Fasern, die in Polymerfilme oder -plättchen eingebracht und auf das Glas oder in andere Bauteile laminiert werden, erzeugen sodann eine Schwingung, die der Frequenz genau entgegengesetzt wirkt, und versteifen so das Bauteil. Bei dieser Anwendung werden die Piezos noch

sensorisch geschaltet, weshalb sie nur teilweise als smart eingestuft werden können. Beim umgekehrten Prinzip lässt sich der Druck auf  ein Piezoplättchen in einen elektrischen Im­­ puls umwandeln. So aus­gerüstete Lichtschalter entwickeln beim Tastendruck genügend Leistung, um ein Funksignal an einen Empfänger (z. B. Leuchten) zu senden. Die Autarkie vom Stromnetz wird ­mög­lich  und Schalter sind ohne Verkabelung frei plazierbar. Des Weiteren sind elektro­aktive Polymere in Entwicklung: Kunststoff­fasern und -folien, die bei elektrischer Spannung kontrahieren und unter anderem als Aktor eingesetzt werden können. Schichtverbundstoffe wie Thermobimetalle bestehen aus unterschiedlichen Werkstoffen mit unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten. Der Werkstoff mit der größeren Wärmeausdehnung wird als aktive, der mit der kleineren als passive Schicht bezeichnet. Es können z. B. Metalle wie Zink und Stahl oder auch Messing und Stahl zu einem Blech oder Band aufeinandergewalzt werden. Es gibt Versuche, ein Sonnenschutzsystem auf Basis von Bimetallen zu entwickeln, das selbsttätig die Lamellenstellung aufgrund der Temperaturveränderung der Sonneneinstrahlung anpassen kann. Neben Metallen sind weitere Werkstoffe als selbststeuernde Komposits vorstellbar. An der Architectural Association School of Architecture in London wurde unter Leitung von Achim Menges eine Trennwand aus Holzplättchen entwickelt, die auf den Feuchtegehalt der Luft reagiert und sich einem Federkleid gleich öffnet und schließt.

Volumenveränderung Bei der Thermalexpansion werden beispielsweise für Druckstellmedien und Linearaktoren flüssige Dehnstoffe eingesetzt, bei denen eine kontinuierliche Temperaturveränderung zu einer kontinuierlichen Volumenänderung führt. Ein bekanntes Anwendungsgebiet für Dehnstoffarbeitselemente sind Thermometer, Heizungsventile, Thermostate in Mischbatterien und Sprinkleranlagen. Als Dehnstoffe werden Paraffinöle, Paraffinwachse und Alkohole eingesetzt. Diese erfahren durch Erwärmung eine Volumenvergrößerung und treiben einen Arbeitskolben an. Kühlt der Dehnstoff ab, wird der Arbeitskolben, meist unterstützt durch einen Federmechanismus, in das Gehäuse zurückgedrückt. Formgedächtnis Kunststoffen und Metalllegierungen mit sogenannten Formgedächtniseigenschaften werden durch thermo-mechanische Behandlungen Ausgangsformen­ eingeprägt, zu denen sie nach geringer Beanspruchung immer wieder zurückfinden. Bei Metallen findet eine Phasenumwandlung zwischen zwei Kristallstrukturen statt. Oberhalb einer kritischen Tempera­ tur liegt eine hochfeste Gitterstruktur vor, unterhalb dieser Temperatur eine leicht verformbare. Bekannte Metallzusammensetzungen sind Gold-CadmiumLegierungen, Kupfer-Zink-Legierungen und NickelTitan-Legierungen (Nitinol). Durch Zulegierung wei­ terer Elemente lassen sich Umwandlungstemperatur, Effektgröße und andere Eigenschaften weiter be­ einflussen. Das heutige Angebot der Halbzeuge aus Formgedächtnislegierungen reicht von Drähten,

Theorie und Planung

90

Welle aus „Gedächtnis-Schaum“ im „Mute Room“, Thom Faulders, San Francisco, 2001

Stäben­und Federn bis zu Blechen, die gegenwärtig in Stell- und Positioniergetrieben, Federelementen und textilen Geweben eingesetzt werden. In der Medizin werden kleine Metall- und Kunststoff-Stents in die Herzkranzgefäße implantiert, um diese zu stützen und Verstopfungen und Verschluss zu verhindern. In einem minimalen Eingriff werden sie direkt in die Ader injiziert. Ausgelöst durch die Körper­temperatur nehmen die Stents ihre gewünsch-

te Form ein. Auch werden in der Chirurgie faden­ förmige Polymere beim Nähen von Wunden eingesetzt. Durch die Körpertemperatur kreuselt sich der Stoff, wie es ihm zuvor mitgegeben wurde, so dass aufwändiges Vernähen entfällt. Zudem baut der Körper den Faden selbsttätig wieder ab. Die Autoindustrie setzt Kunststoffe für Stoßfänger und Dachantennen ein, die bei leichter Beschädigung in ihre Ausgangsform zurückspringen. Des Weiteren werden

Lüftungsgitter erforscht, die je nach Luftdruck aufgrund der Geschwindigkeit des Fahrzeugs die Form verändern. Viskositätsvariierend D30 ist ein Kunststoff aus frei beweglichen Mole­ külen, die sich bei Druck zusammenschließen, verhärten und so schlagabsorbierend wirken können. Motor­radhelme und andere Sportartikel werden bald

Simulation links: Thermochromer Beton reagiert auf die Wärmeabgabe von Personen. Simulation rechts: Drähte im Beton erwärmen thermochrome Pigmente. Afshin Mehin, Tomas Rosen, Christopher Glaister, Royal College of Art, London, 2003

Zukünftige Bewegungsstrategien

91

A

Die Wärme der Glühbirne lässt die formgedächtnis-legierte Lampe „hanabi“ aufblühen, nendo, Tokio, 2006

3

mit dieser Technik ausgerüstet. Anwendungen in der Architektur werden noch gesucht. Farb- und Optik-Veränderung In den letzten Jahren ist das Interesse an funktionalen Polymeren, die ihre sichtbaren optischen Eigenschaften in Abhängigkeit von einem äußeren Stimulus ändern, stetig gewachsen. Chromogene Materialien ändern Farbe und Transparenz in Abhängigkeit von der Temperatur, der elektrischen Spannung, dem Druck oder durch Licht. Sie lassen sich durch solche äußeren Reize zielgerichtet steuern. Entsprechend dem Stimulus, der die optischen Eigenschaften steuert, werden diese chromogenen Polymere als thermochrom (Stimulus: Temperatur), photochrom (Stimulus: Licht), elektrochrom (Stimulus: elektrisches Feld), piezochrom (Stimulus: Druck), ionochrom (Stimulus: Ionenkonzentration) und biochrom (Stimulus: biochemische Reaktion) klassifiziert. Im Fokus stehen thermochrome Kunststoffe: Hydrogele, Thermoplaste (Folien), Duromere, nicht verformbare Kunststoffe und Zusatzstoffe, die bei Temperaturwechsel ihre Farbe und/oder Transparenz ändern. Das Anwendungspotenzial dieser Materialien liegt u. a. im Sonnenschutz zur Reduzierung des Klimatisierungsenergieverbrauchs in Gebäuden mit großen Glasflächen. Elektrochrome Materialien lassen sich aktiv verdunkeln, photochrome Materialien verändern selbstständig bei Sonneneinfall ihre Tönung, wie eine selbsttönende Sonnenbrille. Thermotrope Polymere schalten bei Temperaturerhöhung selbsttätig von einem klaren in einen stark streuenden Zustand.

Zur Herstellung thermotroper Verbundgläser werden transparente Gießharze mit Zusätzen von speziell entwickelten Pigmenten verwendet. Die Verbundfenster weisen hohe Langzeitstabilität und Wartungsfreiheit auf. Thermochrome Produkte sind uns von Trinkgefäßen oder Trinkhalmen bekannt, die durch die Temperatur der Hand oder des Getränks ihre Farbe verändern. Thermochrome Wandfarben können auf Raumtemperaturen reagieren oder die Farbigkeit von Fassaden den Jahreszeiten anpassen. Werden diese Farbpigmente mit elektrischen Wärmedrähten angeregt, können z. B. Betonoberflächen mit eingebetteten Pigmenten und Drähten zu Anzeigetafeln werden. Lichtemittierend Bestimmte Moleküle können durch äußere Stimulanz temporär einen höheren energetischen Zustand einnehmen und beim Verlassen desselben einen Teil der aufgenommenen Energie als sichtbare elektrische Strahlung abgeben. Geschieht dies annähernd zeitgleich, so spricht man von Fluoreszenz (ein von der Leuchtstoffröhre bekannter Effekt). Die zeitlich verzögerte Lichtemittierung wird als Phosphoreszenz bezeichnet. Fluoreszierende Tagesleuchtfarben können nahezu überall appliziert werden und Objekte zum Leuchten bringen. Nachleuchtende Farben und Folien werden insbesondere für die Dunkel- und Nachtsituationen als Orientierungshilfen und zur Sicherheit eingesetzt. Die Elektrolumineszenz ist uns von der LED-Technik vertraut. Neben der mehr oder weniger dichten Pixelstruktur ergeben sich interessante Anwendungen in der Kombination mit

Lichtleitern wie Glasfasern, Glasscheiben oder transparenten Kunststoffen. An deren Schmalseiten angebracht, illuminieren sie diese flächig. Leuchtende Flächen lassen sich ebenso durch die DickschichtElektrolumineszenz erreichen. Pigmente in Folien oder Kabeln werden durch Strom zum Leuchten gebracht. Stromgenerierend Die Leistungsfähigkeit von Siliziumsolarzellen ist seit langem bekannt. Bei Farbstoffsolarzellen handelt es sich um eine Anwendung aus der Bionik, bei der organische und anorganische Farbstoffe dem Blattchlorophyll gleich zu einer Art Photosynthese führen. Dabei kann auf ein Halbleitermaterial wie Silizium verzichtet werden. Solche Solarzellen sind farbig und vor allem transparent und können daher als Fenster eingesetzt werden. Lackhersteller entwickeln auf dieser Basis Lacke für die Autoindustrie, die Strom erzeugen und vollflächig als Solarzelle fungieren.

Theorie und Planung

92

Mögliche Reduktion der Spannungskonzentrationen am Rand einer Bohrung einer biaxial beanspruchten Scheibe mittels induzierter Dehnungen, Agnes Weilandt

3.3 Smart Structures Agnes Weilandt

Wandelbare Strukturen werden heute mit immer weiteren Funktionalitäten ausgestattet. So werden zum Beispiel Sonnenschutzsysteme entwickelt, die sich in ihrer Geometrie dem Sonnenstand anpassen, so dass eine ausreichende Verschattung der Fassaden automatisch erreicht wird. Diese neu entwickelten Strukturen sind nicht nur technisch eindrucksvoll, sondern weisen auch mit ihrer stetigen Veränderung eine einzigartige Ästhetik auf. Hierbei ergibt sich aufgrund zunehmender Funktionalität und zunehmender Autonomie der Strukturen ein fließender Übergang von den wandelbaren Strukturen (zum Beispiel einem verschiebbaren Sonnensegel) zu den Smart Structures/ adaptiven Systemen, die aktiv auf ihre äußere Umgebung reagieren können.

Adaptive Systeme verfügen, im Vergleich zu wandelbaren Strukturen, über einen geschlossenen Regelkreislauf, der zumindest die Komponenten Sensoren, Controller und Aktuatoren enthält. Die Sensoren erfassen die äußeren Einwirkungen aus der Umwelt und geben die entsprechenden Informationen an den Controller weiter, der sie identifiziert und auswertet, um die erforderlichen Anpassungen des Systems zu bestimmen und weiterzugeben. Schlussendlich bewirken die Aktuatoren die Effizienzsteigerung des Systems durch Änderung ihrer Eigenschaften. Die Auswirkungen des Systems auf die sich verändernden Eigenschaften der Aktuatoren werden wiederum von den Sensoren erfasst und überwacht, so dass ein geschlossener Kreislauf entsteht.

Stuttgarter Träger, Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren, Universität Stuttgart, 2001

Es gibt eine unendliche Vielfalt möglicher Varianten von adaptiven Systemen. Neben der Änderung der physikalischen Eigenschaften von Gebäudehüllen spielen insbesondere adaptive Tragwerke eine wichtige Rolle. Tragwerke werden heute so geplant, dass sie für eine maximal mögliche Beanspruchung, die innerhalb des Lebenszyklus auftreten kann, ausgelegt sind. Meist treten die maximalen Beanspruchungen innerhalb eines Tragwerkes jedoch nicht zur gleichen Zeit auf, so dass die Tragwerke bzw. ihre einzelnen Bauteile für die meisten Beanspruchungen überdimensioniert sind. Fährt zum Beispiel ein Zug über eine Brücke, so ist jeweils nur derjenige Bereich der Brücke maximal beansprucht, in dem sich der Zug im gegebenen Augenblick befindet, wo-

Stuttgarter Träger in aktiviertem Zustand

112

Title: School: Team:

WhoWhatWhenAir Contact: Axel Kilian Massachusetts Institute of Technology Philippe Block, Axel Kilian, Peter Schmitt, John Snavely

93 WhoWhatWhenAir Precedents of actuated towers: Frei Otto,

Hyperbody group TU Delft muscle tower I + II,

Pilgrim actuated robotic arm

WhoWhatWhenAIR, Philippe Block, Axel Kilian, Peter Schmitt, John Snavely: Der 2006 realisierte kinetische Turm ist über eine pneu­ma­tische Konstruktion (auch Muskeln genannt) steuerbar. Der Entwurf hatte einen Wettbewerb für einen ca. 12 m hohen Miniatur-Skyscraper gewonnen, der vom Department of Architecture am Massachusetts Institute of Technology ausgeschrieben worden war. Ziel war es, auf das Potenzial beweglicher Konstruktionen für zukünftige intelligente Bauten hinzuweisen.

Zukünftige Bewegungsstrategien

The first prototype of the WHOWHATWHEAIR project - A 6 foot actuated mockup of the mechanism was built for the competition, controlled with a remote using meshed sleaving and bike hoses as the pneumatic muscles.

A series of mockups and design studies were made for the spine unit in order to scale it up to 35 feet height and make it capable of resisting dynamic forces and wind loads.

Detail studies of the full scale tower - a rammed earth foundation was used to anker the tower. On the right details of the cable safety system that limits the range of movement of the joints and also acts as tie back between the arms. Each joint is held together by a cable loop which is fixed to the arms at the bottom and can slide up to the hardstops on top.

A parametric model of the mold geometry was modeled. Different settings allowed the generation of new cutting geometry for the plywood molds used to lay up the fiberglas bodies of the arms.

A The different molds were lasercut on a 32x18 in lasercutter in 3mm plywood and reused as the formwork for the arms. Initially custom built muscles were built but in the end FESTO sponsored the actuation hardware

WhoWhatWhenAIR, kinetischer Turm, Computerrendering

Funktionsfähiger Prototyp

3

hingegen die anderen Brückenbauteile im selben Moment nur wenig beansprucht sind. Werden in solche Tragwerke aktive Elemente integriert, die auf veränderte äußere Beanspruchungen reagieren, so können Spitzenbeanspruchungen einzelner Bauteile durch eine Umverteilung der Kräfte innerhalb des Tragwerkes reduziert werden. Bei einer Ausdimensionierung der Bauteile ist in diesem Fall nicht mehr die einzelne Spitzenbeanspruchung maßgebend, sondern die deutlich geringere Beanspruchung, die infolge Kräfteumverteilung auftritt. Somit kann Material eingespart werden. Letztendlich werden in adaptiven Systemen Materialien bzw. Materialeigenschaften, die nicht in allen Beanspruchungssituationen erforderlich sind, durch

induzierte Energie ersetzt. In der Konsequenz kann noch weiter gedacht werden: Adaptive Systeme können im Prinzip so ausgelegt werden, dass Verformungen bestimmter Tragwerkselemente auf Null reduziert werden, so dass mittels der eingesetzten Energie eine (in einem passiven System nicht realisierbare) unendliche Steifigkeit des Systems simuliert werden kann. Das Modell einer adaptiven Brücke, das 2001 am Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Universität Stuttgart entstand, soll dieses Potenzial hier beispielhaft aufzeigen. Die Aktivierung des „Stuttgarter Trägers“ ist so ausgelegt, dass die Verformung des Trägers im Lastangriffspunkt einer fahrenden Last immer gleich Null ist.

Last passiv

d v, aktiv

Weiterhin konnte das Gewicht, bezogen auf die Tragfähigkeit, um 50 % im Vergleich zu einem passiven System reduziert und somit ein extremes Bauhöhen- zu Spannweitenverhältnis von l/500 realisiert werden. Gerade bei Leichtbaustrukturen, die keinen bestimmenden Lastfall zeitlich invarianter Form mehr aufweisen bzw. bei denen die Verformungsbegrenzungen maßgebend für die Dimensionierung werden, ist der Einsatz aktiver Elemente sinnvoll. Auf diese Weise können Leichtbaustrukturen noch effizienter und entsprechend leichter gestaltet werden und die heutigen Grenzen des Machbaren hinsichtlich Bauhöhen, Spannweiten usw. verlieren ihre Gültigkeit. Dementsprechend ist die Entwicklung der adaptiven

Einwirkung

Struktur

Reaktion

Sensoren erfassen externe Einwirkung

Aktoren verändern ihre Eigenschaften

Sensoren erfassen interne Reaktionen

g aktiv

aktiviert

Entscheidung d h, aktiv

a

Auswertung

Aktulator

Sensor Last

Identifikation

adaptiv d v, aktiv=0

d h, aktiv

Controller

a

Stuttgarter Träger: Funktionsprinzip

Regelkreislauf eines adaptiven Systems nach J. T. P. Yao

Tragwerke im Rahmen der Forschung zur Luft- und Raumfahrttechnik, bei der das Gewicht eine herausragende Rolle spielt, heute bereits deutlich weiter vorangeschritten als im Bauwesen. Hier werden adaptive Systeme unter anderem zur Schwingungsreduktion von Rotorblättern von Helikoptern eingesetzt. Im Vergleich dazu weisen Strukturen im Bauwesen als Besonderheit große Stellkräfte und lange Stellwege bei gleichzeitig geringeren Anforderungen an die Genauigkeit auf. Dies gilt es bei der Wahl der Aktuatoren zu berücksichtigen. Adaptive Tragwerke werden in passive, semi-aktive und aktive Systeme klassifiziert: Abhängig vom erforderlichen Energiebedarf für die Anpassung der Aktuatoreigenschaften wird nach Systemen ohne erforderliche externe Energie (passiv) und mit erfor-

derlicher externer Energie (aktiv, semi-aktiv) unterschieden. Die Reaktionen passiver Systeme werden durch die Verformung der Tragwerke selbst hervorgerufen. Unter diese Gruppe fallen zum Beispiel passive Schwingungsdämpfer, die zur Reduktion von Schwingungen infolge Wind, Verkehr oder Erdbeben eingesetzt werden, oder sich im Wind ausrichtende Bauwerke, die sich auf diese Weise den Spitzenbeanspruchungen entziehen. Bei semi-aktiven Systemen wird die Adaption durch Änderung von Systemeigenschaften wie zum Beispiel der Steifigkeit oder der Dämpfung erreicht. So werden elektrorheologische oder magnetorheologische Fluide als Steifigkeitsaktuatoren in Schwingungsdämpfern eingesetzt. Infolge einer Anpassung

des elektrischen bzw. magnetischen Feldes ändern diese Fluide ihre Viskosität und ermöglichen dadurch eine Adaption der Schwingungsdämpfer auf verschiedene Erregerfrequenzen. Bereits seit den 1990er Jahren werden solche semi-aktiven Schwingungsdämpfer für das Bauwesen entwickelt und erforscht. 2007 stattete Felix Weber von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) eine erste Brücke, die Franjo-Tudjman-Brücke in Kroatien, mit magnetorheologischen Schwingungsdämpfern in den Schrägseilkabeln aus. Weitere sollen folgen. Die semi-aktiven Systeme gehören damit zur Gruppe der Steifigkeitsaktuatoren und benötigen weniger Energie als die aktiven Systeme, bei denen die Adaption durch Erzeugung von Gegenkräften (Deh-

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Zukünftige Bewegungsstrategien

Tristan d’Estrée Sterk – The Office for Robotic Architectural Media & Bureau for Responsive Architecture: Prototyp in Originalgröße einer beweglichen TensegrityKonstruktion, die für eine responsive Gebäudehülle verwendet werden kann. Die Konstruktion ist darauf ausgelegt, mit einer geringen Zahl von Komponenten eine maximale Formveränderung zu ermöglichen. Zwei ver­schiedene Typen von Aluminiumteilen sind hier mit Aktuatoren (pneumatischen Muskeln) und Kabeln kombiniert.

A

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nungsaktuatoren) erzielt wird. Die für aktive Systeme in Frage kommenden Aktuatoren werden in unkonventionelle und konventionelle eingeteilt. Die unkonventionellen Aktuatoren stammen aus dem Bereich der Smart Materials, sie verfügen derzeit nur über geringe Stellweglängen bzw. Stellkräfte, so dass sie als Dehnungsaktuatoren für adaptive Tragwerke heute noch ungeeignet erscheinen. Die anderen Aktuatoren, die auf elektromechanischen (Elektro-, Schrittmotoren usw.) oder fluidtechnischen Systemen (hydraulische und pneumatische Aktuatoren) basieren, bieten jedoch durchaus die für das Bauwesen erforderlichen Stellweglängen bei ausreichend hohen Festigkeiten. Meist sind es in der Natur übliche Anpassungsprozesse, die in adaptiven Systemen auf die Technik

übertragen werden. Natürliche Adaptionsvorgänge lassen sich abhängig von der Reaktionszeit in drei verschiedene Gruppen aufteilen: Kurzzeitadaption, die nahezu in Echtzeit erfolgt, wie zum Beispiel die Farbanpassung eines Chamäleons; Langzeitadaption, die sich über einen Lebenszyklus erstreckt, wie zum Beispiel das schräge Wachstum eines Baumes an der windigen Küste; und evolutionäre Adaption, die sich über mehrere Generationen erstreckt. Technische adaptive Systeme, wie das oben genannte Beispiel der adaptiven Brücke, zeichnen sich meist durch kurzzeitige Adaption aus. Ob adaptive Systeme sich im Bauwesen durchsetzen werden, hängt letztendlich von der Nutzerakzeptanz ab. Bei den adaptiven Gebäudehüllen muss der Nutzer entscheiden, ob er die Freiheit der individuellen

Regelung für den Einzelnutzer zugunsten eines integralen autonomen Gesamtkonzeptes, das objektiv einen höheren Komfort gewährt, aufgeben möchte. Die adaptiven Tragwerke erfordern sogar einen grundsätzlich neuen Ansatz bezüglich der Sicherheitskonzepte. Statt wie heute üblich die Ausfallwahrscheinlichkeit einer jeden Einzelkomponente auf ein extremes Minimum zu reduzieren, wird es sinnvoller sein, das Gesamtversagen der Struktur infolge des Versagens einer einzelnen Komponente zu verhindern oder entsprechende Redundanzen zu schaffen. Dieses als „fail-safe“ bezeichnete Sicherheitskonzept, das heute bereits unter anderem im Flugzeugbau üblich ist, wird nun auch vermehrt im Bauwesen diskutiert und angewendet.

Theorie und Planung

96

3.4 Wachstum

Der Begriff des Wachstums wird in der Biologie als Differenz zwischen anabolem Ansatz und katabolem Abbau definiert. Er bezeichnet die positive oder negative Größenänderung eines Organismus über die Zeit. Auf der zellulären Ebene erfolgt dies durch Änderung der Zellenanzahl mittels Teilung oder durch Änderung der Zellgröße aufgrund von innerem oder äußerem Druck. Durch unterschiedliches Wachstum an einzelnen Stellen (differentielles Wachstum) verändern sich neben der Größe auch die Gestalt und die Proportionen eines Organismus. In der Natur laufen Wachstumsprozesse nach verschiedenen Mustern ab. Während das menschliche Gehirn ein Sättigungswachstum aufweist, d. h. zuerst sehr schnell

Spider 2, R&Sie(n), Nîmes, 2007

und dann immer langsamer wächst, entwickeln sich die Körpermaße des Menschen mit sigmoidförmigem Wachstum, d. h. zunächst mit steigender und dann, ab dem 13. bis 14. Lebensjahr, mit fallender Wachstumsgeschwindigkeit. Demgegenüber folgen einige Organe dem glockenförmigen Wachstum: Nach einer Phase des (positiven) Wachstums folgt eine Verkleinerung der Organe durch negatives Wachstum. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Wachstum dage­ gen­oft mit exponentiellem Wachstum gleichgesetzt. Zellkulturen unter Laborbedingungen beispielsweise folgen diesem Muster: Durch Zellteilungen in regelmäßigen Intervallen verdoppelt sich mit jeder Wachs­tumsstufe die Anzahl der Zellen. Die resultie-

rende explosive Größenänderung erzeugt trotz einer gleichförmigen, scheinbar adynamischen Taktung der einzelnen Veränderungsprozesse überraschend schnelle und extreme Effekte. Wachstumsprozesse erfüllen zwei wesentliche Funktionen: Sie ermöglichen die Reproduktion eines Organismus und seine langsame, stetige Anpassung an wechselnde Umweltbedingungen. Übertragen auf die Architektur sind entsprechend zwei verschiedene Konzepte zur Anwendung von Wachstumsprozessen denkbar: Wachstum im Sinn einer Größenänderung zum Aufbau der Gestalt selbst und Wachstum als Proportions- oder Eigenschaftsveränderung zur kontinuierlichen Adaption. Sowohl die traditionelle als

Zukünftige Bewegungsstrategien

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A

Vertical Farm: Tour Solargreen, Soa Architects

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auch die experimentelle Architektur bieten einige konkrete Beispiele, aus denen deutlich wird, welches Potenzial sich in Zukunft nutzbar machen lässt. Von der begrünten zur wachsenden Wand Die Begrünung von Fassaden durch Rankgewächse ist seit langem bekannt und erfüllt vornehmlich dekorative Zwecke, auch wenn der flächige Bewuchs, beispielsweise durch Efeu oder Wein, die Dämmeigenschaften einer Außenwand positiv beeinflusst. Auch bei der Begrünung flacher Dachflächen werden sowohl die ästhetischen Qualitäten als auch die Funktionalität (Modulation des Wohnklimas, Ausgleich des Regenwasserhaushaltes) von lebenden

VertiCrop, High Density Vertical Growth System, Valcent Products

Organismen in direkter Verknüpfung mit dem Gebäude ausgenutzt. In beiden Fällen spielt das Wachstum der Pflanzen eine gestalterische Rolle: Wenn der wilde Wein eine Stadtvilla im Laufe der Jahre überwuchert, wird die langsame Aneignung des Gebäudes durch die Natur zum sinnlichen Erlebnis. Auch die wechselnde Blüte einer Dachbegrünung macht durch den zyklischen Wandel abstrakte zeitliche Abläufe erlebbar. Der Wissenschaftler Patrick Blanc hat dieses Prinzip zur Kunst erhoben. Seine „Vertical Gardens“ sind Ausdruck einer scheinbar ungezügelt wachsenden Vegetation, der eine in hohem Maße gestaltete, florale Ornamentik zugrunde liegt. In diesen Gärten wie auch in den vorgenannten

Vertical Algae Technology, Valcent Products

Beispie­len wird das Thema Wachstum in erster Linie bildhaft umgesetzt. Pflanzen besiedeln die Ober­ flächen von Architektur und verändern diese kontinuierlich. Doch auch auf anderen Ebenen können Wachstumsprozesse architektonisch wirksam eingesetzt werden. Vertical Farm In urban verdichteten Gebieten gibt es wenig Raum für den Anbau von Nutzpflanzen. Natürlich gewachsene Nahrungsmittel müssen daher über weite Strecken und unter hohem energetischen Einsatz aus dem Umland in die Stadt transportiert werden. Das Konzept der vertikalen Farm setzt dem eine verdich-

Fassade des Musée du Quai Branly, Jean Nouvel/ Patrick Blanc, Paris, 2006

Theorie und Planung

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„Der Steg“, Entwicklungsgesellschaft für Baubotanik, Wald-Ruhestetten, Deutschland, Pflanzung und Konstruktion, März 2005

tete Form der Bewirtschaftung natürlicher Nutzpflanzen im Stadtzentrum entgegen. Pflanzliches Wachstum ist photoautotroph, der Körperaufbau wird also ausschließlich unter Zuhilfenahme von Sonnenlicht aus leicht zu transportierenden anorganischen Stoffen, beispielsweise Wasser und Salzen, geleistet. Durch das Arrangement von Pflanzen in vertikalen Registern und hinter einer schützenden Fassade könnte der Ertrag pro Quadratmeter Grundfläche darüber hinaus um ein Vielfaches gesteigert werden. Dickson Despommier, der diese Idee 1999 als Professor an der Environmental Health Science Faculty der Columbia University lanciert hat und seit­dem intensive Forschungen auf dem Gebiet leitet, errechnete eine Verbesserung um den Faktor vier bis sechs gegenüber dem konventionellen Acker­bau auf dem offenen Feld. Erste Firmen arbeiten bereits an der gartenbaulichen und technischen Umsetzung eines vertikalen Gewächshauses. Stapelt man vertikale Farmanlagen auf der Grundfläche eines New Yorker Häuserblocks über eine Höhe von 30

Stockwerken, dann könnte man nach Berechnungen von Despommiers Team damit Nährstoffe für den täglichen Bedarf von 50.000 Menschen generieren. Wachsende Raumhüllen Der Bewuchs traditionell gebauter Massivbauwände gehört seit jeher zum architektonischen Repertoire. Wenn jedoch die Außenwand substanziell aus lebendem, wachsendem Material besteht, ergeben sich grundlegend neue konzeptionelle Optionen. Zum einen ist ein in diesem Sinn wachsendes Gebäude niemals fertig gebaut, es verändert sich fortwährend. Zum anderen folgt die natürliche Vegetation ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten und bildet von sich aus bewohnbaren Raum bestenfalls zufällig. Nach welchen Regeln soll sich also der wachsende Raum entwickeln und welche Rolle spielt der Gestalter in diesem Prozess? Im einfachsten Fall verschmelzen die Disziplinen von Architektur und Landschaftsarchitektur. Der Gestalter wird zum Gärtner, der den Materialaufbau der

Wachstum von Kohlenstoffnanoröhren in mikroskopischen Vergrößerungen, John Hart, University of Michigan, 2007

Wände initiiert und mit den Mitteln des Gartenbaus steuert. So entstehen die grünen Katakomben der Spidernethewood der Pariser Architekten R&Sie(n). Pflanzliches Wachstum wird hier zur kontinuierlichen Transformation der Außenhülle genutzt: Das schützende Geflecht aus Blättern und Ästen wird immer dichter, die Raumkanten werden zunehmend klarer, gleichzeitig verringert sich der Lichtdurchgang und damit der Bezug nach draußen. Der Raum nimmt Form an. Das adaptive Potenzial natürlicher Wachstumsprozesse wird dabei noch nicht genutzt. Architekten wie die Kalifornier Tom Wiscombe und Peter Testa versuchen daher, die selbstorganisierenden Aspekte wachsender Systeme bereits in den Entwurf zu integrieren. Testa modelliert das Wachstum von Flächen im Raum auf einer experimentellen Softwareplattform. Der Entwerfer legt die grundlegenden Regeln zur Formgenerierung, sozusagen die DNA der Räume, und die äußeren Rahmenbedingungen fest. Die spezifische lokale Lösung für räumliche Fragestellungen

Zukünftige Bewegungsstrategien

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A „Der Steg“: Verwachsung im Knotenpunkt – statische Optimierung durch biologisches Wachstum

entsteht dann mit der schrittweisen, wachsenden, programmgesteuerten Konkretisierung der Räume. Wachstum wird hier als Entwurfsmethode aufgefasst und eingesetzt, die eine Optimierung in der Organisation komplexer Entwurfszusammenhänge erlaubt. Nach dem Vorbild der Natur sollen Lösungen emergieren, die zugleich elegant und effizient sind. Wachsende Tragwerke Im Gegensatz zu der vorgenannten Entwurfsmethodik vollziehen natürliche Systeme diesen Prozess der Optimierung fortwährend über ihre gesamte Lebensdauer. Dies machen sich die Begründer der Stuttgarter Entwicklungsgesellschaft für Baubotanik zunutze, um wachsende Tragwerke zu entwickeln. Lebende Bäume werden beispielsweise so in die Tragstruktur eines Steges eingebunden, dass die von ihnen eingenommenen Knotenpunkte aufgrund der wiederkehrenden, starken Belastungen durch adaptives

Wachstum immer stabiler werden. Auf diese Weise verbessert das System kontinuierlich seine statische Performance. Auch Juan Azulay und David Fletcher nutzten das Optimierungspotenzial von Wachstumsprozessen für Ihren Entwurf MAK t6 VACANT. Das Team entwickelte­ ein hybrides System aus nicht-organischem Tragwerk­ und organischen Kletterfeigen. Über einen Zeitraum von 30 Jahren wachsen die von einer Spannkabelkonstruktion herabhängenden Kletterpflanzen in Richtung Boden und verdichten sich zu einer pflanzlichen Struktur, die das ursprüngliche Tragwerk symbiotisch ergänzt und verstärkt. Wachsendes Material Auch die Materialforschung setzt auf immanente Optimierungsprozesse im Sinn einer Materialgenese durch Wachstum. Beispielsweise sollen sich im Labor produzierte Baustoffe bereits während der

Wachstumsphase an die spätere Lastsituation ­adaptieren. Analog der Knochengenese forscht die Arbeitsgruppe um Timo Schmidt mit mechanosen­ sitiven Zellen, welche ihre extrazelluläre Matrix ­vermehrt entlang der Hauptspannungslinien (Trajek­ torien) anlegen. Ein so generiertes Tragelement könnte dann bei konstanter Geometrie unterschiedliche Steifigkeiten aufweisen. John Hart von der University of Michigan untersucht mit seinem Kollegen Ryan Wartena das kontrollierte Wachstum von Kohlenstoffnanoröhren. In Zusammenarbeit mit der Architektin Elizabeth Marley entwickelt­ das Team Anwendungskonzepte für die Archi­tektur, beispielsweise um Werkstoffe für Fas­ saden zu generieren, die eine Verdichtung von Material­ nach statischen Gesichtspunkten erlauben und auf diese Weise zugleich als leichtes Hüll­material wie auch als hochfeste Tragstruktur fungieren.

Versuchsaufbauten des Zentrums für Regenerationsbiologie und Regenerative Medizin (ZRM) in Tübingen zur Kultivierung mechanisch belasteter, dreidimensionaler Zellkulturen mit mechanischer Simulationseinheit, Medienreservoir und Sensorik.

3D Bioreaktor. Kultivierung des ILEK-Zeltes auf kollagener Trägermatrix

3D Bioreaktor. Aufbau für die Biennale in Venedig 2008

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B

Anwendungen und Funktionen

1

Nutzungen ändern und erweitern

Anwendungen und Funktionen

102

1.1 Wandelbare Wände Trennwandpositionen im Raum

„Architektur ist die Kunst, Raum zu organisieren“, schrieb der französische Architekt Auguste Perret. Bewegliche Wände tragen dazu bei, Raum flexibler und funktionaler zu gestalten. Je „dynamischer“ Räume konzipiert werden, desto intensiver lassen sie sich nutzen. Organisation des Raumes Die Bandbreite von Raumkonzepten reicht von kleinen abgeschlossenen Raumeinheiten bis zu weitläufigen Raumlandschaften. Das Zellenbüro steht dem Großraumbüro gegenüber, die 3-Zimmer-Wohnung der Loftetage. Zwischen diesen gegensätzlichen Entwurfsansätzen liegen vielfältige Variationsmöglichkeiten zur Differenzierung und Optimierung der Nutzungsmöglichkeiten. Die Fähigkeit zur Anpassung von Gebäuden an wech­ selnde soziologische, psychologische sowie wirtschaftliche Situationen ist für die Nutzungsdauer von Immobilien ein wesentlicher Faktor geworden. Je vielfältiger sich ein Gebäude über viele Nutzer­ generationen hinweg nutzen lässt, desto besser fällt die Gesamtbilanzierung in ökonomischer wie ökologischer Hinsicht aus. Es gibt visionäre Ansätze, in denen versucht wird Gebäude zu entwickeln, die ihre Strukturen durch umfangreiche mobile Einheiten diesen langfristigen Veränderungen anpassen können. In der Regel entsteht aber bei diesen Lösungen ein unverhältnismäßiges Kosten-Nutzen-Verhältnis und die Ansätze bleiben Utopie. Meist ist es effektiver langfristige Veränderungen durch Umbauten umzusetzen, beispielsweise durch Versetzen leichter, starrer Trenn-

wände ohne aufwändige, teure und nur selten genutzte Bewegungsmechanik. Der eigentliche Anwendungsfall für mobile Wände sind kurzfristige Veränderungsintervalle. In vielen Fällen bedürfen Raumflächen der Möglichkeit, sich schnell an unterschiedliche Situationen und Nutzungen anzupassen. Hierbei können bewegliche Trennwände mehr Raum, mehr Licht, mehr Ruhe erzeugen, sie können mehr leisten als bloße rationale Funktionserfüllung. Atmosphärische Raumveränderung Immer wieder neue Konfigurationen von Trennwänden erzeugen unterschiedliche Raumeindrücke. Räume verändern ihre Proportion, ihre Lichtstimmung, ihren Klang, ihre Intimität. Diese Veränderungen selbsttätig auszulösen und den Veränderungsprozess zu erleben verbindet den Nutzer unmittelbar mit dem Gebauten und die Variabilität kann zum Erlebnis werden. Allein das ästhetische Moment der Veränderung kann schon bereichernd inszeniert werden. Theaterbühnen nutzen diese Möglichkeiten für unterschiedlichste Wirkungen ihrer Szenenbilder. Optimierte Raumausnutzung und wandelbare Raumgrößen Bewegliche Bauteile lassen Räume wachsen oder schrumpfen. Das Schalten immer anderer Raumerlebnisse kann die Illusion eines größeren Raumangebots als tatsächlich vorhanden unterstützen. Auf kleinstem Raum lassen sich durch wohl überlegte und intensiv durchgearbeitete Detaillösungen komplex nutzbare Nutzungs- und Wohneinheiten gestal-

ten. Die Appartementhäuser in Fukuoka, Japan, von Steven Holl bieten auf kompakter Fläche verschiedene Raumoptionen an: Wandelbare Wände erlauben, dass sich tagsüber der Wohnraum ausdehnen kann. Nachts trennen klappbare Wandflächen einen Schlafraum ab. In einem anderen Appartement lassen sich die Kinderzimmer wieder den anderen Wohnbereichen zuschalten, wenn die Kinder ausziehen. Ein weiteres Beispiel wurde von den österreichischen Architekten Franz Sam und Irene Ott-Reinisch umgesetzt. Die Architekten beschreiben es so: „In ein kleines Stadtappartement wurde auf 23,70 m² ein kompletter Lebensinhalt hineinprojiziert. Das ging nur, weil sich fast alles bewegen und verändern lässt. Mit der Schiebetür des Kleiderschranks lässt sich zugleich die Küche wegschalten. Wenn die Glaswand der Duschzelle nachrückt, werden damit die Kleider verdeckt. Schiebt man sie in die andere Richtung, trennt sie den Vorraum ab. Bleiben die Schiebewände zu, ist der Wohnraum zugänglich.“ Funktionale Mehrfachbelegung Häuser und Räume müssen sich wechselnden Gebrauchsgewohnheiten anpassen können. Das Schalten der Raumgrößen korrespondiert mit flexiblen Raumnutzungen, Doppel- oder Mehrfachnutzungen. Die temporären Teilungsmöglichkeiten reagieren auf die Nutzungsarten der Raumzonen: Der Essplatz lässt sich der Küche zuschalten, die Kinderzimmer werden zur Spielwiese, im Restaurant entsteht Raum für Großveranstaltungen, die Dreifeld-Sporthalle wird zum Fitnessraum. Wichtig dabei ist, dass die

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Zweiflügelig

Parkpositionen von Trennwänden

Segmentiert

Nutzungen ändern und erweitern

Einflügelig

B 1

Studio 8, Gruppe OMP, Rastede, Deutschland, 2001

Anwendungen und Funktionen

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Hinged Space Housing, Steven Holl, Fukuoka, Japan, 1991

Adaption einfach und effizient umsetzbar sein muss. So wird gewährleistet, dass diese Steuerungsmöglichkeiten auch genutzt werden. Das Membran-Prinzip Wandelbare Wände eignen sich für die Abschirmung gegen Schall, Geruch, Blicke, Licht. Arbeit und Privatleben gehen zunehmend ineinander über. Die angestrebte Work-Life-Balance stellt die Architektur vor die Herausforderung, variable Durchgänge und Trennungen zu ermöglichen, die in manchen Situationen Privatheit, in anderen wieder Öffnung und Verbindung ermöglichen. Betrachtet man Trennwände nicht nur als Raumbegrenzer, können sie als innenliegende Paneele, Vorhänge oder Paravents zur Lenkung und Steuerung des Lichteinfalls und der Akustik herangezogen werden. Problematisch ist dabei die akustische und geruchliche Abgrenzung unterschiedlicher Nutzungsbereiche (z. B. Schlaf- und Kochbereich). Bewegliche Trennwände lassen sich als Schallab­ sorber einsetzen und können Schallübertragung in Raumzonen reduzieren. Je nach Anforderung müssen sie dabei Werte von Rw 44 dB (34 kg/m²) bis Rw 50 dB (49 kg/m²) erreichen. Die Fugen der beweglichen Bauteile bilden dabei den limitierenden Faktor. Rw 39 dB werden problemlos erreicht. Ein höherer Wert wird nur durch einen elektrisch erzeugten Anpressdruck auf die Dichtungen erreicht. Die Empfehlung der DIN 4109 für erhöhten Schallschutz – größer 47 dB bei Wänden von Wohnräumen, größer 52 dB bei Wänden von Konferenzräumen – werden nicht erreicht.

In der Wahrnehmung von Schallquellen spielt die visuelle Komponente eine wichtige Rolle. Schritte, Stimmen oder andere Geräusche hinter geschlossenen Wänden und Türen verursachen instinktiv Unruhe. Wer ist das? Was reden die? Was ist los? Transparenz schafft hier Abhilfe, denn sichtbare, gewohnte Schallquellen erzeugen weniger Unbehagen als unsichtbare. Keine Lösung ist transparenter als die bewegliche Trennwand an sich. In der Parkposition öffnet sie den Raum vollständig. Je nach Wahl des Materials der Wandsegmente ist im geschlossenen Zustand ein abgestufter Verlauf von gläsern bis transluzent und ein wirksamer akustischer Schutz erzielbar, während die optischen Raumzusammenhänge erhalten bleiben. Hell-Dunkel und Lichtlenkung Bewegliche Trennwände eignen sich nicht nur zur Veränderung der Raumzonierung und Verbesserung der Akustik, sondern können ebenso die Belichtung von Räumen steuern. Schaltbare Raumzonen ermöglichen Belichtungen von unterschiedlichen Seiten. Die gegebene Himmelsausrichtung kann dadurch weniger relevant werden, da die Raumzusammenhänge auf sie reagieren können. Beispielsweise öffnet sich morgens das Bad im Osten zum Schlafraum im Norden. Die Morgensonne kann so auch in Räumen erlebt werden, die sonst von ihr abgewandt wären. Wand mit Auflagen: Sicherheit und Brandschutz Planer stehen vor der Aufgabe, offene Raumkonzepte baugesetzlich und normenkonform umzusetzen.

Die Auflagen können sich auf temporäre Ereignisse beziehen, wie sie in der Sicherung von Gebäuden bei Nacht oder im Brandfall auftreten. Brandschutztor und Schutzgitter sichern kleinere Übergänge. Große Raumzusammenhänge werden durch bewegliche Brandschutzwände in Brandabschnitte unterteilt. Mit dem Einbau von Feuerschutzschiebetoren ist der brandtechnisch einwandfreie Abschluss auch sehr großer Öffnungen möglich. Das Feuerschutztor wird durch einen Elektrohaltema­ gnet im Normalfall offen gehalten. Der Magnet ist an die Brandmeldeanlage angeschlossen. Bei Brand­ alarm wird der Haltemagnet stromlos, das Schiebetor läuft durch das Schließgewicht zu. Der Schließvorgang wird durch einen hydraulischen Laufregler gedämpft. Die Vorgaben sind in der DIN 18230 erfasst. Zum Erreichen des hohen Schutzzieles von mindestens 30- bzw. 90-minütigem Feuerwiderstand innerhalb des Gebäudeverbundes muss besonderer Wert auf die Fugen und Stöße, insbesondere auf die Schwelle gelegt werden. Brandschutztore können in ein- oder zweiflügeliger oder Teleskop­-Bauweise geplant und standardmäßig bis zu einer Breite von 8,50 m und einer Höhe von 6 m geliefert werden. Bauweisen/Ausführungen von Trennwänden Gegenüber massiven, starren Trennwänden bietet die Ausführung beweglicher Trennwände den Vorteil, dass sie ein geringeres Gewicht haben können und flexibel auf ihre Umfeldbedingungen reagieren. Dabei können sie den gleichen gestalterischen und technischen Anforderungen wie massive Wände genügen. In der Wahl von Beschlägen, Zubehör und

Nine-Square Grid House, Shigeru Ban Architects, Kanagawa, Japan, 1997

Nine-Square Grid House, Shigeru Ban Architects, Kanagawa, Japan, 1997

deren Dimensionierungen sind Funktion, Torgröße, Die Bewegung soll möglichst geräuscharm verlauFlügelgewicht, Öffnungsfrequenz und vor allem die fen; hier haben sich kunststoffbeschichtete Kugelindividuellen Gewohnheiten der Nutzer zu berück- lagerrollen oder Kunststoffrollen mit Gleitlagern in sichtigen. Für die Führung der beweglichen Wände Verbindung mit Aluminiumlaufschienen bewährt. gibt es zwei Prinzipien: Hängende Führungen in Die Lebensdauer des Rollenbeschlages sollte dem Laufschienen ermöglichen in Standardausführungen Bauteil und der Wartungsfreundlichkeit angemessen für Innenräume ein maximales Gewicht von bis zu sein, da beispielsweise Rollen an hängenden Hallentoren nur mit großem Aufwand auszuwechseln sind. 250 kg pro Element/Flügel. Systeme, wie sie für Tore von Hallenbauwerken an- Lästig ist der sogenannte „Slip-Stick-Effekt“ durch geboten werden, erreichen in Stahlausführung mit „Flächenbildung“ am Umfang einer Rolle. Er tritt imkugelgelagerten Laufrollen ein zulässiges Torkörper- mer dann auf, wenn die Abmessungen und der Werkstoff zu knapp bemessen sind. Bei hohen Gewichten gewicht von ca. 3.500 kg. Die Abmessungen der Flügel bewegen sich im Be- über 250 kg müssen Stahlsysteme verwendet werden, reich 4,00 x 1,50 m und sind abhängig vom Gewicht deren Laufruhe jedoch geringer ist. des Flügels und der Tragfähigkeit der Laufrollen und Segmentierung Laufschienen. Stehende Führungen sind bodengeführt. Rollbe- Werden größere Wandflächen verschoben, wären Einschläge leiten das Gewicht vollständig in den Boden zelelemente dabei aber zu schwer oder im Raum aus ab. Wand und Decke sind vollkommen zugentlastet. Platzgründen nicht handhabbar oder muss die Wand Diese Lösung eignet sich für schwere Wandelemente differenziert versetzt werden, ergibt sich die Mög(z. B. aus Natursteintafeln oder Betonplatten, ins- lichkeit einer Segmentierung zu einzelnen Wand­ besondere dort, wo statische Voraussetzungen für tafeln. hängende Beschläge fehlen, beispielsweise für ab- Die Führung kann für jedes Element mehrläufig in gehängte Decken oder Trockenbauwände). Die Be- separaten Führungsebenen, in Doppel- oder Mehrlastbarkeit ist abhängig von den Laufrollen. Kugel- fachschienen erfolgen. Alternativ werden Teleskop­ gelagerte Standard-Laufrollen aus dem Bereich der lösungen angeboten, bei denen ein Element das Möbelbeschläge sind bis ca. 400 kg belastbar. Son- nächste mit zieht – z. B. mittels Verbindungsriemen. derlösungen mit Baukomponenten aus der Kran- Mit einem symmetrischen System lassen sich zwei bahn- und Schienentechnik sind um ein Vielfaches Elemente mit einem Handgriff gleichzeitig öffnen. Voraus­setzung hierfür ist der entsprechende Platz höher tragfähig. Die Tragfähigkeit der Rollen muss dem Bauteil und links und rechts der Öffnung. Eine weitere Möglichder Aufgabe angepasst sein; dabei ist zu beachten, keit bieten Faltschiebewände. Mehrere durch Schardass statische und dynamische Lasten auftreten. niere verbundene Elemente lassen sich zusammen-

schieben und im Winkel von 90° zur Schiebeebene parken. Parkposition Ob große Öffnung, Raumteiler oder Brandschutztor: Ein wichtiges Entwurfsparameter beim Bewegen der Trennwände ist das Verschieben zur Parkposition. Es mag sein, dass die Trennwand einfach frei im Raum verschoben wird und in ihrer Alternativposition eine gute Platzierung oder sogar Funktion einnehmen kann. Oft aber soll sie im Zustand B nicht mehr als Wand in Erscheinung treten. Der Entwurf muss dafür Parkpositionen anbieten: vor anderen Wänden, in Wandtaschen oder als Paket in Wandnischen. Bei einer Vielzahl an Segmenten wird man sich eher für eine einläufige Führung entscheiden und die Elemente zu einem Paket in der Parkposition zusammenschieben. Diese sogenannten Stapelwände werden häufig automatisiert eingesetzt und lassen nicht nur eine lineare Anordnung zu, sondern sind auch in gebogener Ausführung oder mit Richtungsänderungen möglich.

Nutzungen ändern und erweitern

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B 1

Anwendungen und Funktionen

106

1.2 Wandelbare Raumelemente

Der architektonische Raum des Menschen wird von Grundelementen wie Wänden, Decken und Fußböden, Stützen und Treppen gebildet. Diese Elemente markieren in der Regel einen Raum in einem Gebäude und grenzen ihn gegenüber anderen ab. Die Kombination mehrerer Räume bildet die nächsthöhere Einheit. Bleibt die Beziehung dieser architektonischen Körper aufeinander statisch, wird der Raum als Folge partieller Wahrnehmungen erfahren. Er bildet dann die „Summe der nacheinander erfahrenen Beziehungen zwischen den Orten“ (Jürgen Joedicke), deren Erscheinung in der Praxis von drei wesentlichen Faktoren bestimmt wird: 1. von der Art der Ausbildung, 2. von der Art der Oberflächengestaltung (Baustoff, Farbe, Struktur) und 3. von der

Rotoliving, Joe Colombo, 1969

Art der Belichtung und Beleuchtung. Ist der Raum nicht statisch, sind die zeitlichen Veränderungen ein weiterer wesentlicher Faktor, der die Beziehung zum Raum beeinflusst. Der Raum erlaubt durch sein Nutzungsangebot den Aufbau einer funktionalen Beziehung, die durch zusätzliche Einbauten erweitert werden kann. Je nach Anspruch und Funktion können hierbei Elemente unterschiedlicher Flexibilität verwendet werden. Dies kann durch traditionelle Mittel, also statisch umgesetzt werden, als immobiles Gegengewicht zur Beweglichkeit des Nutzers, oder aber durch wandelbare Raumelemente, die mit flexiblen oder mobilen Möglichkeiten den Raum von Festsetzungen und Zwängen befreien.

wohnen

Wohnungsumbau "Schwarzer Laubfrosch", Splitterwerk, Bad Waltersdorf, Österreich, 2004

kochen

Neuere Raumkonzepte bieten nicht mehr nur „gefrorene“ Sets, sondern verstehen sich als adaptive Organismen, die ein differenziertes Angebot an Nutzungsmöglichkeiten und Atmosphären bieten. Diese prozessuale Raumauffassung, die einerseits den Nutzer als einen möglichen Akteur in die Gestaltung einbezieht und andererseits ihr eigene ökonomischökologische Effizienz als Reaktion auf sich zunehmend beschleunigende Bedürfnisveränder­ungen versteht, benötigt ein Instrumentarium zur entsprechenden Bereitstellung unterschiedlicher Raum­ konstellationen. Gute Lösungen mobiler Raumkon­ fig­ura­tionen lassen kompakte Nutzungseinheiten­ entstehen­und kommen mit weniger Fläche als herkömmliche Ansätze aus.

baden

waschen

Nutzungen ändern und erweitern

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Total Furnishiung Unit, Joe Colombo, 1971/72

Wandelbare Raumelemente lassen sich in drei Kategorieebenen unterteilen: 1. raumhaltige Wände 2. bewegliche Plattformen (Boden, Decke, Treppe) 3. mobile Raumzellen Raumhaltige Wände Im Gegensatz zu wandelbaren Trennwänden, deren Primäreigenschaft das Abtrennen oder Zuschalten von Raumeinheiten durch zweidimensionale Flächen ist, arbeiten wandelbare Wände mit der dritten Dimension, der Wandtiefe. Einerseits ermöglicht die raumhaltige Wand den Einbau flexibler Elemente. Funktionsmöbel können aus Parkpositionen in den

K-Space, 6a Architects, London, 2008

Wänden bei Bedarf zur Verfügung gestellt werden. Andererseits lassen sich durch komplette Mobilität der „dicken Wände“ wechselnde Raumsequenzen modellieren. „So wie jeder Computer alle Programme bietet, muss jeder Raum alles können“, fordern die Grazer Architekten vom Büro Splitterwerk. In einem umgebauten Altbau im steirischen Bad Waltersdorf realisierte Splitterwerk einen neuen Wohnungstyp, der dem Geist dieser Forderung entspricht. Ein langgestreckter leerer Raum dient als Wohnraum. In den Längswänden, hinter Schranktüren, sind Bad, Küchenzeile, Bett und Tisch verborgen. Je nach Bedarf können diese geöffnet und die Möbel herausgeklappt oder -geschoben werden. Es gibt keine aneinandergereihten Räume mehr, sondern das Zentrum

kann Schlafzimmer, Esszimmer, Bad oder alles gleichzeitig sein. Einer der Wegbereiter wandelbarer Wohneinheiten war der Designer Joe Colombo. Er ging davon aus, dass der Mensch künftig weniger Wohnfläche zur Verfügung habe und alle Funktionen des Wohnens verdichtet werden müssten. So entwickelte er 1969 multifunktionale Objekte wie das Rotoliving oder das Cabriolet-Bed. Diese beiden wandartigen Möbel sollen sich als Tages- beziehungsweise Nachtzellen ergänzen: Während das Rotoliving mit Esstisch, Fernseher, Stereoanlage und Hausbar alle Elemente des traditionellen Wohnzimmers zusammenfasst, soll das Cabriolet-Bed mit seinem aufklappbaren Verdeck und jeder Menge Elektronik an die Stelle des

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Anwendungen und Funktionen

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Multifunktionswohnung, Gary Chang, Hongkong

klassischen Schlafzimmers treten. Beide Elemente no, Arbeitszimmer, Musik- und Filmbibliothek, Bar, stellen ihre vielfältigen Funktionen durch Dreh-, Riesenbadewanne und Profiküche werden kann. Klapp- und Faltmechanismen zur Verfügung. Colom- Nach Aussage des Gestalters lässt sich das Apartbos letzte Arbeit war das Wohnobjekt Total Fur- ment in 24 verschiedene Räume verwandeln. Basis nishing Unit, ein mehrteiliger kompakter Block, der, dieser Wandelbarkeit ist ein System von Schienen frei im Raum platziert, aus einzelnen Wandelemen- an der Zimmerdecke, an denen Kleiderschränke, Küten und Raumzellen beststeht, in die Küche, Schlaf- chenblöcke, CD-Regale usw. befestigt sind, die sich koje und Bad integriert sind: eine komplette, auf die entlang der Schienen auf verschiedenste Art und wichtigsten Funktionen reduzierte Wohneinheit, die Weise kombinieren lassen. Zieht man an einem Griff, mit Schläuchen zur Decke hin an Versorgungsleitun- bewegt sich die ganze Wand in die Mitte des Raumes. Eine Arbeitsplatte entfaltet sich und eine Migen angeschlossen werden kann. In Hongkong zeigte der Architekt Gary Chang, wie nibar wird sichtbar. Viele weitere Schichten solcher mit variablen Umbauten aus einem Miniapartment „Wandkuben“ lassen sich bewegen und geben immer von 32 m² eine komplexe Bleibe mit Sauna, Heimki- neue Funktionen und Nutzungen frei. Je nach Be-

Wohnhaus in Bordeaux, Rem Koolhaas, 1998

darf ist die Wohnung ein großer, offener Raum oder eine differenzierte Sequenz verschiedener Räume, Ebenen und Wände. Bewegliche Plattformen Die zweite Kategorie der wandelbaren Raumelemente umfasst die Variabilität horizontaler Plattformen, wie sie durch Decken und Böden und im Weiteren auch von schrägen Ebenen wie Rampen und Treppen gebildet werden. Die Veränderbarkeit dieser Bauteile beeinflusst das Gebäudegefüge in der Vertikalen: Die Geschossigkeit wird durchbrochen, Raumhöhen sind nicht fixiert, ungewöhnliche Raumerschließ­ ungen entstehen.

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Tokios Nest, Stéphane Orsolini, Hiroshi Yamasaki, 2004

Rem Koolhaas implantierte in seinen Entwurf für ein Wohnhaus in Bordeaux eine hydraulisch angetriebene­ Plattform in den Wohnbereich. Anlass dieser Lösung war die Gehbehinderung des Bewohners. Für ihn stellt diese bewegliche Decke die notwendige Hife zur Überwindung der Geschosse dar und ist Ersatz für einen Aufzug. Die fahrbare Platte leistet aber wesentlich mehr: Sie vermittelt in ihrer offen gelegten Bewegung durch den Raum ein völlig anderes Raumgefühl. Der Raum wird wahrnehmbar durchfahren, dem Auf- und Abtritt einer Bühneninszenierung gleich. Die möblierte Plattform legt Nutzungen, z. B als Arbeitsplatz, nicht auf Geschosse fest, sondern transportiert sie auf unterschiedliche Ebenen.

Ein Beispiel aus Tokio der Architekten Stéphane Orso­lini und Hiroshi Yamasaki zeigt, welche extremen Rahmenbedingungen sich durch bewegliche Ebenen lösen lassen. Grundstücke in Tokio sind knapp und teuer, jede kleinste Lücke wird genutzt. In einer 0,60 m breiten Baulücke sollte eine komplett funktionsfähige Wohneinheit auf zwei Geschossebenen untergebracht werden. Die Lösung liegt in einer beweglichen Treppe als gleichzeitig verbindendes und trennendes Bauteil. Durch Klappen und Schwenken der Treppe werden Räume zusammengeschaltet, Funktionen erschlossen und trotz Verzicht auf starre Trennungen ergeben sich vier separierbare Raumzonen.

Das Suitcase House des Hongkonger EDGE Design Institute, einer Gruppe junger asiatischer Architekten, entstand im Rahmen des Projekts „Commune of the Great Wall“ nahe Beijing. In unmittelbarer Nähe zur Chinesischen Mauer entstand hier eine Ansammlung von Luxushotels und Wohnhäusern. Das Suitcase House ist ein containerartiges Wohnhaus mit einem einzigen großzügigen Innenraum. Alle Innenwände sind verschiebbar, der Raum kann vielfältig unterteilt werden. Das eigentlich Neue aber ist, dass die Funktionen der Räume unter der Fußbodenebene angeordnet sind. Es sind gewissermaßen begehbare Koffer in die Bodenplatte integriert: Durch Klappdeckel im Boden werden abgesenkte Hohlräu-

Suitcase House, Gary Chang, EDGE Design Institute, Hongkong, 2001

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Anwendungen und Funktionen

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LaboShop, Mathieu Lehanneur, Paris, 2008

me aufgedeckt, in die man über wenige Stufen in Küchenzeile, Duschtasse oder Bett hinabsteigt. Mobile Raumzellen Die Beweglichkeit ganzer Raumzellen offeriert scheinbar die weitestreichenden Möglichkeiten der Flexibilität. Bei näherer Betrachtung wird aber klar, dass die wesentlich größeren konstruktiven Herausforderungen bei solchen Lösungen der mühelosen Wandelbarkeit entgegenwirken. Ganze Räume auf drei Achsen wie in einem Hoch­ regallager zu verschieben, wie es das japanische Forschungsprojekt WABOT-HOUSE Laboratory der Waseda University zeigt, stellt maximale Anforde-

rungen an die Geometrie der Führungssysteme, die Antriebe sowie die Steifigkeit und technische Versorgung der Raumzellen. Werden die Raumzellen in einem abgegrenzten Bereich bewegt, kann für die Leitungsführung auf Lösungen der Anlagentechnik zurückgegriffen werden. Energieketten, die für Produktionsanlagen oder Roboterantriebe angeboten werden, sichern die Flexibilität der Leitungen zur Stromversorgung. Flexible Zu- und Abwasserleitungen sind über Flexschläuche und ausreichend Bewegungsspielraum herstellbar. Die Installationen in den Räumen stellen daher einen limitierenden Faktor für den Aktionsradius der mobilen Zellen dar. Für größere Aktionsradien technisch versorgter Räume

Naked House, Shigeru Ban Architects, Saitama, Japan, 2000

bietet sich die Lösung von Andockstationen an. Allerdings bleibt die Flexibilität durch das Vorhalten von Andockpunkten an festgelegten Parkpositionen begrenzt. Mittlerweile ein Klassiker unter den Konzepten beweglicher Raumzellen ist das Naked House von Shigeru Ban Architects in Japan. In einem hallenartigen Hauskörper sind mobile Boxen eingestellt, die Individualräume als Rückzugsmöglichkeiten der Familie aufnehmen. Sie können auf Rollen an beliebige Positionen innerhalb der Hülle verschoben werden und sogar durch große Toröffnungen vor das Haus gestellt werden. Zwischen den Boxen konfigurieren sich immer wieder neue Raumzusammenhän-

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Verschiedene TurnOn-Module können miteinander kombiniert werden

ge. Diese Raumzellen beinhalten allerdings keine technisch hoch installierten Räume wie Küche oder Bad und sind auch nicht an die Stromversorgung angeschlossen. Der Verzicht auf komplexe bewegliche Leitungsführungen und der simple manuelle Antrieb auf Lagerrollen ermöglichen eine autarke Beweglichkeit. Im Hanse-Rotorhaus, einem multifunktionalen Wohnmodell auf kleinstem Raum mit drehbaren Wohnbereichen von Luigi Colani, findet sich ein Anwendungsbeispiel für bewegliche Räume mit Leitungsführungen. Ein kreisrunder, 800 kg schwerer Rotor steuert die Module Küche, Schlafen und Bad bedarfsgerecht dem übrigen, feststehenden Wohn-

TurnOn, AllesWirdGut Architekten, 2000

raum zu. Ein Elektromotor bewegt den Rotor, der mit sanftem An- und Auslauf angetrieben und in der jeweiligen Position gehalten wird. Die Visionen von wandelbaren Räumen gehen noch weiter. Wenn man auf kleinem Raum maximales Platzangebot schaffen will, dann muss man den Raum auf die jeweilige Tätigkeit beschränken. TurnOn heißt das Wohnrad-Konzept vom Architekturbüro AllesWirdGut. In einem 90 cm breiten und 3,60 m hohen Ring kann jeder Millimeter zum Wohnen genutzt werden. Es gibt keine Unterscheidung zwischen Boden, Wand und Decke. Wie ein Hamsterrad rotiert das TurnOn um die eigene Achse. Wird das Bett benötigt, wird

der Wohnraum solange gedreht, bis der Schlafplatz auf dem Boden steht. Der Schreibtisch ist dann an der Decke. Wenn die Fläche von einem Ring zu klein ist, wird das TurnOn um weitere Ringe erweitert. Im Angebot sind der Relaxring, die Fitnesslandschaft, der Küchenblock. Das Modell „Nasszelle“ enthält Toilette, Dusche und Badewanne. Auch an die Fortbewegung ist beim TurnOn gedacht: Entweder auf kleinen Rädern oder mit dem Luftkissen kann der Bewohner über Land und Wasser gleiten.

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Anwendungen und Funktionen

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Öffnungssequenz, Spezial-Wendebeschlag

1.3 Hülle öffnen Michael Lange

Die Funktion „Hülle öffnen“ bezieht sich auf (Bau-) Körper, deren Hülle sich insgesamt oder in Teilflächen öffnen lässt. Sie beinhaltet auch die Funktion „Hülle schließen“. In keinem Fall geht es um Umhüllungen im Sinne künstlerischer Arbeiten wie etwa von Christo und Jeanne-Claude, die im Kontext der Begrifflichkeit „Hülle öffnen“ etwas freilegen, ähnlich einem Verpackungspapier bei einem Geschenk. Die gesamte Hülle zu öffnen, wie es beim Push Button House in New York des amerikanischen Archi­ tekten Adam Kalkin zu erleben ist, stellt sicherlich eine Ausnahme dar. Üblicherweise bezieht sich der Begriff „Hülle öffnen“ auf mehr oder weniger große Teilflächen, meist nur über eine Gebäudeseite, seltener über Eck. Als Teilflächen sind dabei nicht nur die vertikalen Außenflächen eines Gebäudes an­ zusehen, sondern ebenso die geneigten bzw. hori-

zontal angeordneten Flächen von Baukörpern, die Dächer.­ Typologien der Öffnungsarten Eine erste Differenzierung von Öffnungsarten ist sicherlich die der Größe. Die Bandbreite reicht von dem kleinen Glasbausteinfenster, das in einem Stahlrahmen gefasst als Wendeflügel über eine Kette zur Lüftung eines Abstellraumes betätigt wird, bis hin zum Hangar-Tor in einer Inspektionshalle für Großraumflugzeuge, welches eine gesamte Gebäudefront öffnet. Eine Systematik zur Größenbezeichnung lässt sich nicht abbilden, jedoch lassen sich Öffnungsarten systematisieren. Aus der Funktion des Öffnens und Schließens eines Bauteils und den Anfängen der bautechnischen Möglichkeiten ist das manuell per Hand zu betäti-

Multifunktionaler Kubus, GucklHupf, Hans Peter Wörndl, Mondsee, Österreich, 1993

gende Fenster bekannt und aus dem familiären Wohnbereich vertraut. Bei den ersten Holzfenstern handelte es sich im Wesentlichen um Drehfenster: auf der einen Seite zwei Bänder, um die sich der Flügel dreht, und auf der anderen Seite der Griff mit der Verriegelungsmechanik. In der weiteren Folge der Entwicklung dieser einfachen Fenster entstanden dann die Funktionen des Dreh-Kipp-Fensters, des Klapp- und des Kipp-Fensters. Es handelte sich um das gleiche Flügelelement, nur mit unterschiedlichem Anschlag. Neben der technischen Weiterentwicklung für diese Fensterbauteile hat man im Zuge der Definition dieser Begriffe auch in entsprechenden Normen (DIN 18059) die zeichnerische Darstellung dieser diversen Öffnungsarten vereinbart. Sucht man nun weiter eine Unterteilung der Öffnungsarten, d. h. der Bewegungsarten, vorzuneh-

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Bar Nestlé, 40th Montreux Jazz Festival, Montreux, Schweiz, 2006.

men, so stößt man in der physikalischen Begriffs- Andere Möglichkeiten der Bezeichnung der Bewefindung auf die Translation und die Rotation, bezo- gungsart – wobei die Differenzierung gegenüber der gen auf ein kartesisches Koordinatensystem. Beide Bewegungsrichtung grenzwertig ist – sind die folsind prinzipiell bei den Öffnungsarten von Bauteilen­ genden Begrifflichkeiten, die in Kombination mit anzutreffen. Andere Bewegungsarten in physikali- „Fenster“ Definitionen darstellen, so wie die Beweschem Sinne wie die beschleunigte Bewegung, die gungsrichtung „schieben“ zu dem festen Begriff sicherlich auch bei elektromechanisch betriebenen „Schiebetür“ geworden ist. Die einfachste und wohl Fenstern oder Toren eine Rolle spielt, spielen in den auch älteste Art ist das oben erwähnte „Drehen“, Typologien keine Rolle, da sie überwiegend in den mit dem daraus sich ergebenden feststehenden Begriff des Drehfensters. „Klappen“ oder „Kippen“ Bereich der Antriebstechnologie gehören. Des Weiteren trifft auf bestimmte Bewegungs­ sind beschlagtechnisch ähnlich gelagerte Konstrukrichtungen die Bezeichnung „parallel“ zum Baukör- tionen mit unterschiedlichem Anschlagsort. Ebenso per zu, sei es vertikal wie beim Nicolas G. Hayek verhält es sich bei den Begrifflichkeiten „SchwinCenter in Tokio, horizontal wie beim Paper Dome in gen“ und „Wenden“, auch zwischen ihnen liegt der Taiwan – beide von Shigeru Ban Architects ­– oder wesentliche Unterschied in dem Lagerungsort des radial wie bei der Herz-Jesu-Kirche in München von Beschlages. Kombinationen der diversen Bewegungsarten sind hier ebenfalls zu finden, etwa das Allmann Sattler Wappner Architekten.

Das Push Button House, ein Werk des New Yorker Künstlers Adam Kalkin, wurde auf der Biennale in Venedig 2007 präsentiert und zeigt einen Übersee­container, der sich auf Knopfdruck wie eine Blüte entfaltet und sich in einen komplett möblierten Wohnraum verwandelt.

Senk-Klapp-Fenster. Eine etwas neuere Art im Bereich der Fenstertechnologie ist das parallele Ausstellen der Fenster. Im Fensterbau etwas weniger präsent ist das Falten, wie es beispielsweise im Projekt Shelter im österreichischen Arlsdorf von BEHF Architekten zu finden ist und häufiger bei Toranlagen eingesetzt wird. Funktion und Nutzen Die beweglichen Elemente einer Hülle stehen bezogen auf Ausrichtung, Lage, Art und Größe immer in unmittelbarem Zusammenhang mit Funktion und Nutzen des Innenraumes. Mit der Funktionsqualität des Öffnungselementes steigt als unmittelbare Folge auch die Nutzungsqualität des Raumes. Durch die Öffnungsart in Kombination mit der Größe sollte sich eine Erweiterung oder Veränderung der

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Anwendungen und Funktionen

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Drehen

Drehen/Stulp

Klappen

Kippen

Schwingen

Wenden

Vertikal verschieben

Horizontal verschieben

Axial drehen/Lamellen

Falten

Senkklapp

Parallel ausstellen

Öffnungsarten für Fenster, in Anlehnung an DIN 18059

Nutzungsmöglichkeiten des Innenraumes ergeben. Hinsichtlich der Wahl des Materials und der Transparenz des zu öffnenden Bauteiles spielt neben Raumklima und Wohnhygiene die Bewertung der Belichtungsmöglichkeit eine wesentliche Rolle, auch in Kombination mit einem inneren und/oder äußeren Blend- und Sichtschutz. Ebenso kann solchen Bauteilen eine Schutzfunktion zugeordnet werden, auch als Schutz gegen unbefugtes Eindringen oder sogar als direkter Personenschutz (z. B. gegen Beschuss). Das meistbetätigte Öffnungselement bei Häusern ist sicherlich das Eingangselement. Die Bewertung der Qualität des Öffnungssystems lehnt sich nicht ausschließlich an den Wohnbereich an. Bei großen fahrbaren Elementen, wie sie in zunehmendem Maße

Gamma Issa House, Marcio Kogan, São Paulo, 2002

bei Fußballstadien als Tribünenüberdachung zu sehen sind, spielt das Bekleidungsmaterial eine zen­ trale Rolle, da das Eigengewicht die Unterkonstruktion und die Dimensionierung der beweglichen Teile stark beeinflusst. Für Wohn- und Verwaltungsgebäude ist in energietechnischer Hinsicht die Positionierung der beweglichen Öffnungselemente innenliegend an der Hülle, außenliegend vor der Hülle oder aber bündig in der Hülle wichtig. Anforderungsprofile und Lösungen In den mitteleuropäischen Ländern und ähnlichen Klimaregionen muss das Element „Hülle öffnen“ als temporäres Trennelement zwischen den unterschied-

lichen Klimata „Innen“ und „Außen“ die Anforderungen des Dichtens gegenüber Regen und Wind, des Dämmens hinsichtlich Lärm- und Wärmeschutz und des Schützens unter Berücksichtigung verschiedener Sicher­heitsaspekte (Person-, Sachwertschutz) erfüllen. Bei der technischen Umsetzung muss die ästhetische Bewertung der Konstruktionsteile wie Profile, aber auch der Beschlagsteile wie Laufschienen, die bei großen verschiebbaren Elementen statisch notwendig sind, berücksichtigt werden. Schwellenbereiche sind dichtungstechnisch zu bewerten, die optische Qualität durch Zusatzmaßnahmen (z. B. Rinne) zu erreichen. Anschlussfugen im Bereich von Laufschienen, die letztlich Lasten übernehmen,

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2

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1: Türbänder

2: Türschließer

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3: Türschlösser

4: Türdrücker

5: Senkdichtungen

Bewegliche Bauteile einer Tür

können bei einer hängenden Positionierung des Öffnungselementes vereinfacht werden. Für Höhenunterschiede in diesen bautechnisch kritischen Bereichen gelten diverse technische Vorschriften, die sich in baurechtlich eingeführten Normen niederschlagen (z. B. DIN 18024 „Barrierefreies Bauen“). Auch das „Aufbewahren“ oder die „Parkposition“ von Fassadenelementen hat neben der konstruktiven auch eine visuelle Dimension. So sind die Außenscheiben der Casa Ponte von Marc Barani an der französischen Côte d’Azur durch eine Gegenzuganlage vollständig im Boden versenkbar. Bei den Konstruktionssystemen werden im Wesentlichen hängende und stehende Systeme unterschieden. Einfache Beispiele sind das Kipp- und das

Die Fassade des Glass Shutter House von Shigeru Ban Architekten in Tokio lässt sich über die gesamte Gebäudehöhe öffnen. Wie bei einen Garagentor fahren die Glaselemente senkrecht nach oben und werden als Paket im Dachaufbau des Hauses geparkt. Gebäudehohe Vorhänge filtern dann den Bezug zwischen innen und aussen.

Klappfenster: Bei ersterem erfolgt die vertikale Last­einleitung im unteren Bereich über die Beschläge in den Rahmen, bei letzterem im oberen Rahmenteil, was statisch den Rahmen und die Verankerung beeinflusst (wobei es unwichtig ist, ob sich das Bauteil nach außen oder innen bewegt). Bei Schiebesystemen leiten „stehende“ Systeme die Lasten über Laufwerke (Rollen) und Laufschienen direkt am Boden ab, wohingegen hängende Systeme, bei denen die Laufschienen und Rollenanlagen oberhalb angeordnet sind, eine Ableitung der Lasten über Sekundärkonstruktionen erfordern. Die Entscheidung über das Führungssystem wird nach der architektonischen Bewertung im Wesentlichen durch die statischen Erfordernisse und daraus resultierenden

Kosten getroffen. So werden z. B. bei großen Schiebetüranlagen, wie sie oftmals im Hallenbau Verwendung finden, bodengebundene Führungen gewählt, weil die große Last der Öffnungsanlage direkt in ein einfach zu erstellendes Fundament geleitet werden kann. Bei einer hängenden Konstruktion werden die gesamten Vertikallasten oberhalb der Schiebetüranlage über Dachkonstruktionen weitergeleitet, bis sie mittels weiterer Stützenkonstruktionen in einem Fundament enden. Dies hat zur Folge, dass Kons­ truktionen oberhalb des Öffnungselementes – je nach dessen Breite und Gewicht – in den Dimen­ sionen höher und massiver und letztlich durch die aufwändige Umleitung von Kräfteeinflüssen teurer ­werden. Eine solche Schiebetüranlage, die natürlich

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Olympisches Tennis-Zentrum, Dominique Perrault, Madrid, 2009

Linke Seite: CargoLifter Werft, SIAT Architektur + Technik, Brand, Deutschland, 2000

auch mehrteilig in verschiedenen Ebenen angebracht­ Dauerhaftigkeit des Elementes, seiner Beschläge werden kann, ist aus Witterungsgründen sicherlich und der Antriebe und in der logischen Folge auch die Bewertung der Betriebskostenfaktoren Reinigünstiger auf der Raumseite anzuordnen. Die gleiche Problematik ergibt sich letztlich auch für gung und Wartung. ein Faltsystem. Auch hier besteht prinzipiell die Möglichkeit der Lasteinleitung im oberen oder un- Technik der Bauteile: exemplarisch dargestellt teren Bereich der Anlagen mit denselben Vor- und an Fenster und Tür Auf die Betrachtung der Funktion und des AnfordeNachteilen. Reinigungs- und wartungstechnisch gibt es einen rungsprofils folgt die Zuordnung der Bauteilgruppen, gewissen Vorteil für die hängenden Systeme, da die um die Funktion dauerhaft sicherzustellen. Führungsprofile im unteren Bereich kleiner dimen­ Als Beispiel dient hier der übergeordnete Begriff sioniert und anfälliger für Verschmutzungen sind als „Beschlag“, insbesondere der „Dreh“-Beschlag eines Laufschienen. Bei Laufschienen kommt es auch auf Fensters. Beschläge sind Bauteile, die in ihrer Verdie richtige Materialwahl an, da im Fußbodenbe- bindungstechnik und mechanischen Kopplung zueireich mit erhöhter Feuchtigkeit zu rechnen ist; die nander erst die angestrebte Funktion ermöglichen. Funktionsfähigkeit hängt von einem dauerhaften Das ist auch für den Nichtfachmann in einzelnen Korrosionsschutz ab. Dabei müssen die Investitions- Bauteilen logisch nachvollziehbar, wie z. B. bei eikosten im Verhältnis zu den Reinigungs- und War- ner Drehtür, die auf der einen Seite mehrere Drehtungskosten bewertet werden. Eine Laufschiene aus bänder aufweist. Hier erklärt es sich von selbst, Edelstahl mag hinsichtlich des dauerhaften Korrosi- dass eine Hülse, die am Flügel angebracht ist über onsschutzes eine positive Bewertung finden, bei einen Dorn, der am Blendrahmen befestigt ist, ein den Investitionskosten allerdings schlägt sich das Auflager bildet, um die Drehfunktion zu ermöglichen, und dass dazwischen ein Messingring liegt, um die Material kostensteigernd zu Buche. Ein weiterer wesentlicher Aspekt für die Funktions- metal­lische Reibung auf ein Minimum zu reduzieren. fähigkeit ist der Antrieb. Die Antriebsarten elek­ Der Beschlag für ein Dreh-Kipp-Fenster sieht schon trisch, mechanisch, hydraulisch und pneumatisch komplizierter aus. Hinzu kommen je nach Größe des erfordern eine übergeordnete, insbesondere sicher- Fensters weitere Verriegelungsteile, um die Dichheitstechnische Steuerung einschließlich der inte­ tungsfunktion dauerhaft zu gewährleisten. grierten Bauteile, die diese Sicherheitsfunktion Darüber hinaus ermöglicht ein solches einfaches Fenster durch entsprechend unterschiedliche instalauslösen. Ein wesentliches Kriterium bei der Auswahl der Sys- lierte Beschlagteile unterschiedliche Öffnungsarten. teme ist die Nutzungshäufigkeit des Öffnungsele- Bei der Entscheidung geht es darum, wieweit die mentes, denn davon abhängig ist die geforderte Beschlagteile sichtbar sind, ob sie optisch verdeckt

angeordnet werden können, wieweit sie aus gestalterischer Sicht akzeptiert werden oder ob man eine alternative Öffnungs- und Beschlagsart bevorzugt. Tendenzen Im Bereich der Typologie der Öffnungsarten wird es wahrscheinlich keine nennenswerten Weiterentwicklungen geben, im Bereich der Betätigung und der Materialien hingegen schon. Auch im Wohnungsbau allgemein ist außer bei den sicherheitsund wärmedämmtechnischen Möglichkeiten kaum mit gravierenden Veränderungen zu rechnen. Im Zuge der Effizienzsteigerung bei Gebäudehüllen ist eine elektromotorische Betätigung von Öffnungselementen immer mehr gefordert, um im Zuge der energetischen Optimierung planbare Größen zu erhalten (Luftwechselrate, kontrollierte Be- und Entlüftung). Auch bei Bürogebäuden nimmt das manuelle Betätigen des Öffnungselementes immer mehr ab, auch hier im Sinn der energetischen Bilanz und letztlich der objektiven wie subjektiv empfundenen Qualität des Arbeitsplatzes. Ein wesentlicher Faktor ist dabei die Steuerungstechnik mit den Begrifflichkeiten aus der Mechatronik und Aktorik. Im Bereich des Gewerbebaus, bei der meist großflächige und damit schwer manuell zu betätigende Bauteile vorherrschen, wird sich ebenfalls die Betätigung durch Hand auf kleine Bauteile wie Zugangstüren innerhalb großer Schiebeelemente reduzieren.

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Anwendungen und Funktionen

1.4 Bewegliche Raumhülle

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Cocobello, mobiles Atelier, Peter Haimerl, Wien, München, Rotterdam, 2003

Michael Lange

Das Thema „Hülle öffnen“ erweitert sich, wenn eine gruppen die Chance, die Bewegung insgesamt als und zwar durchaus unabhängig im räumlichen Koordinatensystem, jedoch in der Kombination der Ebe„bewegliche Raumhülle“ betrachtet wird. Bei dem Gestaltungselement der Architektur darzustellen. nen zueinander wieder einen eigenständigen Raum bereits erwähnten Beispiel des Push Button House bildend. in New York lassen sich alle vier Seitenteile öffnen, Typologien der Öffnungsarten nur die Dachfläche verbleibt starr, weil sie im stati- Bislang gibt es keine normierte Typologie der Öff- Der Begriff der Beweglichkeit lässt sich auch auf die schen System auf den vier Stützen des Quaders das nungsarten und Volumenänderungen oder auch Mobilität eines bestehenden Raumes beziehen, der aussteifende Element bildet. In jedem Fall ist die sonstige Definitionen für „bewegliche Raumhüllen“. mit seinen Hüllflächen hinsichtlich Größe und GeGesamtstabilität der Raumhülle ein wesentliches Über die Beschreibung der Bedeutungselemente des wicht so ausgelegt ist, dass er schnell von einem Ort Konstruktionskriterium. Adjektivs „beweglich“ und des Substantiv „Raum- zum anderen transportiert werden kann und somit So wie der Begriff „Hülle öffnen“ die Funktion „Hül- hülle“ lässt sich jedoch eine Differenzierung im Sin- eine weitestgehend uneingeschränkte Mobilität als „Raum“ aufweist. Mit Bezug auf den Transport ist le schließen“ beinhaltet, ist bei den beweglichen ne einer Typologie vornehmen. Raumhüllen mit „beweglich“ nicht die einmalige „Beweglichkeit“ bezeichnet in diesem Zusammen- zwischen einer manuell und einer maschinell untertemporäre Veränderung gemeint, sondern eine tem- hang vorrangig eine Volumenveränderung. Sie ent- stützten Lösung zu unterscheiden. poräre reversible Volumenänderung. Die bewegliche steht, weil die den Raum umhüllende Fläche sich Eine weitere Interpretation des Begriffes „FlexibiliRaumhülle bietet mehr als einzelne bewegliche Bau- aus ihrer ursprünglichen Position heraus verändert, tät“ liegt darin, im Zuge von Nutzungsänderung und

„Fahrt ins Grüne“, mobile Erweiterung eines bergischen Fachwerkhauses, Kalhöfer-Korschildgen, Remscheid, 2007

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Grüner Floh, Büro 213, Potsdamer Platz, Berlin, 1999

Volumenerweiterung auch die Oberflächen und deren Erscheinungsbild zu variieren. Schließlich ist die Typologisierung nach den Arten der Volumenänderung denkbar: Ohne Wertung und ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind hier Begriffe wie Aufspannen, Aufklappen, Aufhalten, Aufblasen, Aufdrehen, Aufschieben, Addieren oder Summieren zu nennen.

voltaik-Elementen bestückt sind, die sich in einer dem Sonnenstand angepassten bzw. nachgeführten Position bewegen und besondere Funktionen als Energieerzeuger übernehmen. Positives Merkmal der Konstruktion einer solchen beweglichen Raumhülle ist die schnelle Anpassungsfähigkeit sowohl an die Umgebung, den Aufstellungsort als auch an die zu öffnenden Bauteile selbst.

Funktion und Nutzen Ein wesentlicher Faktor bei der Ausbildung beweglicher Raumhüllen ist die statische Funktionalität. Der Raum muss mit seinen Hüllen in den Positionsarten „geschlossen“ und „geöffnet“ stabil sein, um die Raumnutzung gewährleisten zu können. In der Konsequenz ergeben sich für flexible Raumhüllen eher kleine und temporär beschränkte Einheiten. Je nach Einsatz bestimmter Materialien kann daraus durchaus eine langfristige Nutzung folgen, wie beispielsweise bei Container-„Dörfern“, die als Proviso­ rium temporär gebaut, dann aber einer längerfristigen Nutzung zugeordnet werden. Die Beweglichkeit in der Nutzung drückt sich in der Formgebung der Einzelbauteile ebenso wie des Gesamtsystems aus. Die Konstruktionstechnik kann dabei so eingesetzt werden, dass bestimmte Elemente in einzelnen Bereichen die Beweglichkeit der Raumhülle unterstreichen und vielleicht sogar das eigentliche Gestaltungselement darstellen. Die „bewegliche Raumhülle“ beinhaltet gezielt zuge­wiesene Funktionen, beispielsweise die Steigerung der energetischen Effektivität, wenn etwa ein­ zelne Elemente flexibler Umhüllungen mit Photo­

Anforderungsprofile und Lösungen Der Begriff „Bewegliche Raumhülle“ beinhaltet den Begriff „Raum“, mit dem ein Aspekt von Qualität verbunden ist. Unter Berücksichtigung der Faktoren Transport und Mobilität ist das Anspruchsniveau entsprechend zu bewerten. Als oberstes Bewertungskriterium in der Prioritätenskala gilt die dauer­ hafte Funktionsfähigkeit der Beweglichkeit der Raum­hülle – zumindest in der geschlossenen Posi­ tion.­ Die Transporttauglichkeit als eine besondere Ausprägung der Flexibilität zeigt eine große Abhängigkeit vom Material im Sinne von Gewicht und Größe der Elemente. Die Haltbarkeit einer solchen beweglichen Raumhülle wird im Wesentlichen durch die Wetterbeständigkeit der Einzelbauteile und ihrer Verbindungstechnik bestimmt. Eine absolute Dichtigkeit gegenüber Regen und Wind ist zur funktionsgerechten Nutzung des Raumes notwendig. Weitergehende Anforderungen hinsichtlich Schallschutz und Wärmedämmung erfordern letztlich zusätzliche Maßnahmen, die sowohl das einzelne sich bewegende Bauteil als auch die Ausbildung der Fugen- und Fügetechnik betrifft. Dies konstruktiv kontrolliert und betriebssicher

durchzuführen, erfordert maschinelle Betätigung. Eine manuelle Betätigung wird in den meisten Fällen infolge der Größen und Masse der Einzelelemen­ te sowie möglicher Lastfälle durch Wind während des Öffnens und Schließens der Raumhülle aus sicherheitstechnischen Gründen nicht möglich sein. Prädestiniert für die maschinelle Betätigung sind pneumatische oder elektrische Systeme. Dies beinhaltet, dass die dafür notwendige Energie als autarkes System innerhalb oder zumindest nahe der beweglichen Raumhülle zur Verfügung stehen muss. Um die Funktionsfähigkeit gerade bei maschinellen Antriebstechniken auf Dauer sicherzustellen, ist die Wartung dieser Systeme ein mit zu planender und zu realisierender Faktor. Besondere Anforderungen z. B. zum Einbruchschutz mit bestimmten Widerstandsklassen sind integrierbar. Diese führen allerdings zu voluminöseren Verbindungen. Ein gelungenes Beispiel zum Thema „bewegliche Raumhülle“ ist das Cocobello-Container-Modul von Peter Haimerl. Cocobello ist ein mobiles Atelier mit diversen Nutzungsmöglichkeiten, bestehend aus mehrfach ineinander verschränkten Bauteilen, die sich horizontal und vertikal auseinanderfahren lassen und dann eine zweigeschossige Ateliereinheit bilden. Im Obergeschoss befinden sich danach ein großer Atelierraum und im Erdgeschoss die Funktionsflächen für Sanitär-, Koch- und Lagerbereiche. Die Abmessungen des mobilen Ateliers im eingefahrenen Zustand betragen 2,50 x 6,50 x 2,80 m, so dass kein Sondertransport erforderlich ist. Das Gewicht von 13,5 t für eine solch flexible Raumhülle bietet keinen besonderen Schwierigkeitsgrad. Sobald ein

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Küchenmonument, Raumlabor Berlin, Duisburg, 2006

Drehstrom-Elektroanschluss mit 380 V/16 A vorhanden ist, lässt sich dieser Atelier-Korpus in seine Nutzungsform ausfahren, dann in den Maßen von ca. 2,50 x 5,50 x 5,60 x 5,20 m. Ein weiteres gelungenes Beispiel ist der Pavillon Grüner Floh am Potsdamer Platz/Berlin der Berliner­ Architekten Büro 213 – Ute Ziegler, Markus Schell. Es handelt sich um einen Informationspavillon mit einer dreiteiligen flexiblen Konstruktion, die je nach den verschiedenen Nutzungsanforderungen durch Verschieben der beiden Baukörper gegeneinander über Kettenzugelemente am mittleren Stahltraggerüst veränderte Positionen in der Hüllenlage ermöglicht. Solarzellen decken den Energiebedarf weitestgehend autark. Ein Beispiel für eine Folienkonstruktion ist die Glow Lounge des Raumlabors Plastique Fantastique im Design-Haus Eindhoven für das Festival Forum of

Light in Art and Architecture, ein tem­porärer Baukörper, der bei der Nutzung als Forum auch Lichtinszenierungen ermöglicht. Es handelt sich hierbei um eine pneumatisch stabilisierte Raumhülle. Technik der Bauteile Leichte Materialien wie Aluminium sind prädestiniert als metallische Hüllelemente, insbesondere als Paneel-Konstruktion mit einer Kerndämmung und besseren wärmeschutz- und schallschutztechnischen Eigenschaften. Der Werkstoff Stahl ist sicherlich in den statisch notwendigen und tragenden Bereichen sinnvoll, in der Werkstoffklasse Edelstahl dann, wenn es um feuchte Bereiche geht. Textile Materialien können eine statisch wirksame Funktion ausüben, wenn sie über Rahmenwerke gespannt werden. Mehr oder weniger transparente Folien können – ebenso in einschaliger Bauweise wie die tex-

tilen Materialien – über Rahmenkonstruktionen verstärkt eingesetzt werden. Als doppel- oder dreischalige Foliensysteme, in einzelne aufzublasende Kissen aufgeteilt, sind sie in der Lage, als Gesamtsystem eine statisch wirksame Funktion zu erreichen. Für die transparenten Bereiche bieten sich neben den klassischen Verglasungen hochwertige, durablere Kunststoffe an. In den Abdichtungsebenen sind klassische Materialien wie EPDM-Dichtungen in mehreren Ebenen mit kaskadenartigen Überlappungen einzusetzen, ebenso Schlauchsysteme, die ebenfalls aufgeblasen werden. Tendenzen Projekte wie die hier beispielhaft vorgestellten bedürfen eines planerischen Freiraums, einerseits wegen der Volumenveränderung, andererseits im Sinn ihrer Wahrnehmbarkeit. Sie haben durchweg auch

Das Projekt Muscle Body interagiert mit seinen Nutzern, die durch das Betreten des Innenraumes und damit durch ihre Bewegungen den Körper stetig verändern und verformen. Studentenprojekt TU Delft, Prof. Kas Oosterhuis, 2005

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London Eye, Riesenrad, marks barfield architects, 2000

experimentellen Charakter und sind vielfach individuelle Planungen. Sicherlich wird in der Zukunft über bewegliche Raumhüllen weiter geforscht werden, weil sie bei entsprechender Kombination der Materialien und nutzungsbezogener Auswahl der Größe eine Ersatzfunktion bieten für fest installierte Unterkünfte. Gerade in Katastrophenregionen werden kleine, leichte und schnell zu transportierende Einheiten benötigt, die möglicherweise auch über einen eigenen selbstaufbauenden Mechanismus verfügen, ähnlich den Rettungsbooten in der Schifffahrt. Der-

artige Einheiten müssten nicht nur in der Mechanik der Öffnung der Raumhülle, sondern auch hinsichtlich der technischen Vorkehrungen zur Nutzung autark­ sein. Entsprechend den Anforderungen in unter­schiedlichen Klimaregionen werden sie im Sinn energetischer Effektivität oder sicherheitstech­ nischer Belange ergänzt werden. Weltweit ist sicherlich ein Bedarf für solche kleinen autarken Einheiten vorhanden, Projekte mit diesem Anforderungsprofil lassen sich kommerziell nutzen, insofern sind Forschungsaktivitäten zur Entwicklung von breit gefächerten kostengünstigen Ausführungsva-

rianten mit möglichst hohem allgemeinen Nutzen sinnvoll. Bewegliche Raumhüllen mit projektbezogenem, individuellem Anforderungsprofil und entsprechendem Design wird es aus heutiger Sicht nur vereinzelt geben, als Unikat, nicht als Serienprodukt und damit nicht als Forschungsplattform. Ein Beispiel sind die Visionen von David Fischer, bei dem sich ganze Geschossebenen eines Hochhauses aus ihrer Basisposition herausdrehen, so dass sich die Raumhülle zwar in ihrer Position bewegt, aber nicht in ihrer Funk­tion verändert.

Rotating Tower, Entwurf eines Hochhauses mit beweglichen Geschossebenen, David Fisher, Dynamic Architecture, Dubai, 2007

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Anwendungen und Funktionen

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Energie sparen und gewinnen

Anwendungen und Funktionen

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2.1 Architektur, Bewegung und Energie

Luft in Bewegung, Windturbine, quietrevolution

Brian Cody

Bewegung ist der natürliche Zustand aller Dinge. Die Welt besteht aus sich bewegenden und miteinander kollidierenden Atomen. Wirken keine Kräfte von außen auf ein in Bewegung befindliches Objekt ein, setzt sich dessen Bewegung für immer fort. Photonen liefern das zum Lesen dieses Buches notwendige Licht in Lichtgeschwindigkeit und den Leser umgibt ein Fluid, dessen Teilchen in ständiger Bewegung sind. Ebenso ist auf molekularer Ebene die Gesamtheit der Inhalte des Raumes in Bewegung. Je höher die Temperatur eines Objektes, desto schneller die Bewegung der Atome, desto höher der Energieinhalt. Das Fachgebiet der Thermodynamik beschäftigt sich in erster Linie mit der Bewegung von Wärmeenergie, ist jedoch im Endeffekt nichts weniger als die Wissenschaft der Veränderung. Denn jede Veränderung in unserem Universum führt zu einer Zunahme von Entropie, so der zweite Hauptsatz der Thermodynamik. Entropie wiederum ist die einzige Größe in der Naturwissenschaft, welche nicht nur die Zeit, sondern die Richtung der Zeit berücksichtigt. Ohne Bewegung aber gibt es keine Veränderung, Veränderung ist notwendig und impliziert Bewegung und somit Energie. Das Verhältnis zwischen dem Nutzen eines Prozesses und der Quantität (und Qualität) der dadurch induzierten Energieströme wird als Energieeffizienz bezeichnet. Es gibt mindestens vier Gründe, weshalb wir die Energieeffizienz in unserer Gesellschaft dringend und in beträchtlichem Maß erhöhen müssen: die sich abzeichnende Erschöpfung der fossilen Energieressourcen, die Notwendigkeit der drasti-

schen Reduzierung der durch die Verbrennung von fossilen Stoffen verursachten ökologischen Probleme, die Notwendigkeit der massiven Eindämmung des Klimawandels und die immer häufiger auftretenden geopolitischen Probleme, die sich aus der Unsicherheit der zukünftigen Energieversorgung ergeben. Der Weltenergiebedarf kann dabei in drei übergeordnete Kategorien eingeteilt werden: Gebäude, Verkehr und Industrie. Die ersten beiden Kategorien sind für schätzungsweise 75 % des weltweiten Gesamtenergiebedarfs verantwortlich und werden durch Architektur und Städtebau direkt beeinflusst. Neben dem Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energiequellen ist das zentrale Thema zur Lösung der genannten Probleme die Maximierung der Energieeffizienz. Was aber ist Energieeffizienz im Gebäudekontext? Dieser Begriff ist heute in aller Munde, wird jedoch häufig fundamental missverstanden, missbraucht und mit Begriffen wie „Energiebedarf“ und „Energieverbrauch“ verwechselt. Die Maximierung der Energieeffizienz ist mehr als die Minimierung des Energieverbrauchs. Energieeffizienz impliziert Leistung, sie ist das Verhältnis zwischen Output (Nutzen) und Input (Ressourcen). Derzeit gültige Instrumente zur Regulierung der Energieeffizienz von Gebäuden behandeln jedoch nur den Energiebedarf und nicht die tatsächliche Energieeffizienz. Am Institut für Gebäude und Energie der Technischen Universität Graz haben wir die BEEPMethode entwickelt, mit der die tatsächliche Energieeffizienz eines Gebäudes festgestellt werden kann, so dass verschiedene Entwurfsoptionen in

dieser Hinsicht miteinander verglichen werden können. Der berechnete BEEP-Wert, ein Indikator für die gesamte Building Energy and Environmental Performance eines Gebäudes, berücksichtigt den wechselseitigen Zusammenhang zwischen Energiebedarf und Raumklima. Ergebnisse von Fallbeispielen, die mit dieser Methode untersucht wurden, zeigen eindeutig, dass niedriger Energieverbrauch nicht mit einer hohen Energieeffizienz gleichgesetzt werden kann. Auch über dieses grundlegende Missverständnis hinaus wird die Frage der Energieeffizienz im Gebäudesektor meist von einem sehr engen Blickwinkel betrachtet. Es ist wichtig zu erkennen, dass es bei der Betrachtung der Energieeffizienz eines Gebäudes um mehr als die Senkung des Heizenergieverbrauchs geht! Es geht um die Gesamtperformance einschließlich Kühlung, Beleuchtung und Lüftung, und dies geht auch über die Betriebsphase eines Gebäudes hinaus. Der energetische Aufwand der Herstellung und Entsorgung muss berücksichtigt werden und ebenso muss die Betrachtung von Energieeffizienz über die Gebäudeebene hinaus in die Stadtplanung eingehen. Die Betrachtung des Gesamtsystems („Whole Systems Thinking“) ist erforderlich, wenn wir weitere Fehlentwicklungen vermeiden wollen. Geht man durch eine Stadt wie Hongkong mit offenen Augen, erlebt man eine Visualisierung der im Gebäude- und Verkehrssektor vorhandenen Energieströme und deren Bewegung. Während die gebäudetechnischen Leitungen in den meisten europäischen Gebäuden über abgehängten Decken oder in Instal-

Herleitung der Gebäudeform aus der Bewegung der Sonne, Sunbelt Management Bürogebäude, Brian Cody und schneider+schumacher architekten, San Diego, Kalifornien, 2001 – 2002

lationsböden versteckt werden, liegen sie in Hongkong häufig vor den Fassaden und frei unter den Geschossdecken, so dass die Bewegung der Fluide in den Rohrsystemen zur Wasserversorgung und vor allem Kühlung von Gebäuden leicht nachvollzogen werden kann: neben den Gehwegen auf Straßenniveau Trafostationen, die Mittelspannung in Niederspannung umwandeln, eine Ebene höher Lüftungszentralen hinter Außenluftansauggittern versteckt, auf den Dächern aufgereiht eine Vielzahl von Technikzentralen, die vor allem der Lüftung und Kühlung der Gebäude dienen. Entsprechend sind auch Verkehrsströme von Autos, Straßenbahnen, U-Bahnen, Bussen und Personen auf mehreren Ebenen gleichzeitig wahrnehmbar. Welche Beziehungen bestehen zwischen Architektur, Bewegung und Energie? Bewegung hat mit Zeit zu tun, sie heißt im physikalischen Sinne eine Ortsveränderung mit der Zeit. Das Bewusstsein für den Faktor „Zeit“ ist auch bei der Planung eines Gebäudes äußerst wichtig. Plant man ein Gebäude an einem Ort, plant man ebenfalls, ob bewusst oder nicht, die vielen eingehenden und auskommenden Stoff- und Energieströme über die gesamte Lebensdauer des Gebäudes in nicht unerheblichem Maße mit ein. Die Zeit kann man insofern als die vierte Dimension eines Gebäudes sehen. Die Beziehungen zwischen Architektur, Bewegung und Energie lassen sich auf den folgenden vier Ebenen betrachten: Auf der ersten Ebene gibt es in Gebäude integrierte Energieversorgungssysteme, die allesamt mit Bewegung zu tun haben. Wahrscheinlich stellen gebäude-

integrierte Windturbinen das offensichtlichste Beispiel hierfür dar. Gerade die Bewegung und die damit einhergehenden Lärmemissionen und Vibrationen sind allerdings einer der wesentlichen Gründe, warum die Integration solcher Anlagen in Gebäude bisher wenig gelungen ist. Auf einer zweiten Ebene liegen die gebäudetechnischen Systeme, in welchen der Energieverbrauch von Gebäuden letztendlich erfolgt: Heizung, Kühlung, Lüftung, Beleuchtung usw. Bei manchen von ihnen wird die Bewegung stärker als bei anderen wahrgenommen, und meistens in unangenehmer Weise, beispielsweise als die zu starke Luftbewegung durch eine Klimatisierungsanlage. Bewegungen, die die Energieeffizienz eines Gebäudes erhöhen, stellen die dritte Ebene dar und bergen interessante architektonische Möglichkeiten. Die Bewegung der Erde um die Sonne kann man sich zunutze machen, um die Energieeffizienz eines Gebäudes zu maximieren. Für ein NiedrigenergieWohngebäude in Berlin-Marzahn haben wir im Vorfeld des eigentlichen Architekturentwurfsprozesses eine Studie zur optimalen Gebäudeform aus energetischer Sicht durchgeführt, welche die Generierung der Form wesentlich beeinflusste. Beim späteren Entwurf für das Sunbelt Management Bürogebäude in San Diego, Kalifornien, wurde die Form des Gebäudes direkt aus der Interaktion solarer Strahlung mit der Gebäudehülle abgeleitet. Ein ähnlicher Ansatz wurde für das Atriumdach des Gebäudes des Infineon Asia Pacific Headquarters in Singapur verwendet. Dient die Oberfläche eines Gebäudes zur

Energieproduktion, kann dieser Aspekt auch zum Ausdrucksmittel seiner gesamten Architektur werden. Bei dem Entwurf für das neue Opernhaus in Guangzhou wurde die Interaktion der auftreffenden solaren Strahlung mit der Gebäudehülle analysiert, um den Grad der Durchlässigkeit der Hülle je nach Ausrichtung und Anstellwinkel zu optimieren. Die Hülle wird aus photovoltaischen Modulen zusammengesetzt, die mehr oder weniger transparent sind. In Abhängigkeit von der Intensität der jährlichen solaren Strahlung wurde die Dichte der Photovoltaik-Zellen optimiert, mit der Folge, dass die Transparenz der einzelnen Module unterschiedlich ausfällt. Dadurch entsteht eine Art Textur in der Gebäudehülle. Nicht zuletzt können sich bewegende Teile eines Gebäudes dessen Energieeffizienz erhöhen. Das Klimakonzept für den Cyclebowl auf der EXPO 2000 in Hannover, mit leicht transportabler thermischer Speichermasse in Form von Wassertanks, welche in die Ausstellungsrampen integriert wurden, sowie Regenerierung ihrer Speicherfähigkeit durch ein in die Fassade integriertes Verdunstungskühlungssystem, war nicht nur die treibende Kraft im Entwurfsprozess, sondern wurde auch zu einem wesentlichen Teil des Ausstellungskonzeptes und brachte die Firmenphilosophie des geschlossenen ökologischen Kreislaufs zum Ausdruck. Ein Gebäude, und speziell die Gebäudehülle, fungiert als Filter zwischen außen und innen. Die Hülle kann als starres (ohne Bewegung) oder dynamisches Filtersystem (mit Bewegung) konzipiert wer-

Energie sparen und gewinnen

125

B

2

Anwendungen und Funktionen

BRAUN Hauptverwaltung, schneider+schumacher architekten, Kronberg im Taunus, 2000

126

Energie sparen und gewinnen

127

BRAUN Hauptverwaltung, bewegliche Dachoberlichter des Atriums

den, wobei das letzere in den meisten Fällen energetisch vorzuziehen ist. Das Gebäude der BRAUN-Hauptverwaltung in Kronberg im Taunus war das erste Bürogebäude mit einer doppelschaligen Fassade, bei dem die Fassade in ihrer energetischen Performance so effizient konzipiert wurde, dass ganze Gebäudetechniksysteme eingespart werden konnten. Es stellt somit eines der wenigen doppelschaligen Gebäude dar, die sich sowohl ökonomisch als auch energetisch innerhalb eines akzeptablen Zeitraums amortisiert haben. Mit der automatischen Öffnung der äußeren Hülle bei einer bestimmten Außenluftkondition erlebt man eine Metamorphose des äußeren Erscheinungsbildes von einer glatten Glasoptik in eine expressive architektonische Form-

BRAUN Hauptverwaltung, Konzeptskizzen

sprache. Fast zehn Jahre später haben wir dieses Konzept mit den gleichen Architekten beim Neubau eines Büro- und Laborgebäudes im österreichischen Wels, das sich bei Redaktionsschluss dieses Buches im Bau befand, weiterentwickelt. Hier ermöglicht ein einfaches Trommelelement in der Fassade durch dessen Drehung die Einstellung von verschiedenen Lüftungsszenarien; beispielsweise findet eine Vorerwärmung der Außenluft im Winter im Fassadenzwischenraum statt, während im Sommer die Luft ohne diesen Aufheizeffekt in die Büroräume nachströmt. Das größte Potenzial für Energieeffizienzsteigerung bei vielen Gebäudetypen liegt in den Bereichen der mechanischen Lüftung und der Belichtung; nicht zuletzt deshalb, weil hierfür hochwertige Energie in

der Form von Strom verwendet wird, bei der Lüftung auch deshalb, weil hier das größte Potenzial zur Einsparung von Herstellungsenergie besteht. Bei dem Entwurf für die neue Hauptverwaltung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main wurde die Gebäudeform durch Überlegungen zur Maximierung der Energieperformance und optimalen natürlichen Lüftung der Gebäude stark beeinflusst. Zwei optimal orientierte Türme wurden auf dem Standort platziert, wobei der erste Turm die Südfassade des zweiten vor der Sonne schützt. Dann wurde eine zweite Haut um die beiden Türme gewickelt, so dass ein zentrales Atrium zwischen den Türmen sowie doppelschalige Fassaden an den äußeren Seiten der Türme entstanden. Form und Konstruktion der Gebäude wurden

B

2

Anwendungen und Funktionen

128

National Assembly for Wales, Rogers Stirk Harbour + Partner mit BDSP, Cardiff, 2005

dann so optimiert, dass sowohl Wind- als auch Son- Für ein Museumsprojekt auf der Insel La Réunion nenenergie als direkte Antriebskräfte für eine kon­ haben wir eine Form entwickelt, die sich an tradititrollierte, wirksame natürliche Lüftung der Büroräu- onelle Hofstrukturen anlehnt und diese mit einer me genutzt werden. Die Fassaden des Atriums fun- „Big Roof“-Konstruktion überdacht. Sie spendet gieren als Windfänger, um den Wind in das Atrium Schatten für die darunterliegenden Pavillons und hinein zu lenken. Die Form der sogenannten „suc- erzeugt Warmwasser durch integrierte Warmwassertion gaps“ in der doppelschaligen Außenfassade der kollektoren, welche die Wärme für den Betrieb einer Bürotürme wurde so konzipiert, dass die verbrauch- Absorptionskältemaschine liefert. Durch die Geomete Luft – unabhängig von der vorherrschenden trie der Konstruktion wird sichergestellt, dass ledigWindrichtung – aus den Büroräumen herausgesaugt lich diffuses Tageslicht durchgelassen, direktes wird. Nutzungen wie Brücken und Aufzüge, aber Licht aber abgehalten wird. Kühlelemente im Dachauch Meetingräume und Pausenzonen konnten aus bereich der Pavillons kühlen die Luft, die anschlieden Büroetagen in das Atrium hinein verlagert wer- ßend aufgrund der Schwerkraft in Schläuchen, die den, so dass auf diese Weise das Verhältnis zwi- in regelmäßigen Abständen in den Ausstellungspaschen Brutto- und Nettoflächen auf den Büroebenen villons vertikal abgehängt sind, herunterfällt und in verbessert werden konnte. Bodennähe in die Räume einströmt. Die im oberen Im Rahmen eines Forschungsprojektes haben wir Bereich der Räume aufgewärmte Luft wird von dieser diese Ideen in jüngster Zeit weiterentwickelt und von unten nachströmenden kühleren Luft verdrängt, die technische Machbarkeit solcher Konzepte für so dass eine natürliche Luftzirkulation ohne VentiHochhäuser nachgewiesen. Folgende Vorteile kön- latoren entsteht. nen sich dadurch ergeben: höhere Energieeffizienz Im Rahmen des Forschungsprojekts „Sporthalle der im Betrieb, Senkung des Verbrauchs grauer Energie Zukunft“ für den Ort Puconci in Slowenien haben wir (Lüftungsanlagen, Technikräume, Schächte), gerin- im Vorfeld des nachgeschalteten Architektenwettgere Gefahr von Sick Building Syndrome, Einsparun- bewerbs eine Studie für eine Dreifach-Sporthalle gen sowohl bei den Betriebskosten (Energie-, In- entwickelt. Das Forschungsprojekt beschäftigte sich standhaltungs- und Betriebskosten) als auch bei mit der energetischen Konzeption eines Pilotprojekden Kapitalkosten (System, Technikräume, Schäch- tes, welches durch seinen richtungweisenden Chate). Diese Konzepte erfordern, wie die Skizzen zei- rakter neue Möglichkeiten für einen energieeffiziengen, neue Konfigurationen der Gebäudegrundrissfi- ten Sportstättenbau aufzeigen soll. Die Entwicklung guren und Schnitte. erfolgte mittels eines analytischen Prozesses der

Optimierung eines virtuellen Modells. Aus Untersuchungen des Modells durch dynamisch-thermische Simulationen, Tageslichtsimulationen und CFD-Simulationen entstanden neue Systeme der natürlichen Lüftung und Belichtung, so dass nicht nur eine hohe energetische Performance erreicht, sondern auch neuartige Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt wurden. Gebäude verursachen auch noch eine andere Art der Bewegung, nämlich Verkehrsströme zwischen ihnen. Auf dieser Metaebene spielen sich subtilere Beziehungen zwischen Bewegung und Energie auf der einen und Architektur und Städtebau auf der anderen Seite ab. Die Konfiguration und Gestaltung urbaner Agglomerationen legt zu einem nicht unbeträchtlichen Anteil die Art und Menge dieser Ströme fest. Wir arbeiten in der Forschung an Konzepten einer räumlichen, dreidimensional begriffenen Stadtplanung, welche durch erhöhte urbane Dichte und Mischung von Nutzungstypen die Reduzierung oder Vermeidung von Verkehr als ein Ziel von vielen verfolgt. Zirkulations- und Bewegungsflächen bleiben dabei nicht auf die Erdgeschossebene beschränkt, und auch öffentliche Räume und Gärten auf verschiedenen Höhenebenen führen zu neuen Qualitäten von Urbanität und Freizeit. Bei künftigen Stadtplanungen gilt es mögliche Synergien durch die Vernetzung von Gebäude- und Verkehrssystemen auszuloten. In einem Projekt an der Adriaküste haben wir ein umfassendes Energiekon-

129

Energie

Integrierte Stromerzeugung

Wohngebäude

BüroGebäude

IT

Zentrales Heizkraftwerk

Autos speichern Strom

Energy Grid

Autos und Gebäude beziehen und liefern Strom

Gebäude

Energetische Struktur Dienstleistungsunternehmen - Gebäude - Verkehr - IT

Energetische Struktur eines Dienstleistungsunternehmens

Energieverbund aus Gebäuden und Fahrzeugen

Energie sparen und gewinnen

Zentrale Stromversorgung

Energie

B

zept für ein CO2-neutrales Entwicklungsgebiet auf einer Halbinsel mit einer ca. 100 ha großen Fläche entwickelt. Wir schlagen ein integriertes Netzwerk, ein Energy Grid, aus Gebäuden und Fahrzeugen vor. Das Verkehrssystem besteht aus Elektroautos, die mit durch erneuerbare Energie aufladbaren Batterien betrieben werden. Eine Kombination aus zentralen Anlagen und dezentralen, gebäudeintegrierten Systemen beliefert den Energieverbund mit erneuerbarer Energie. Sowohl die Gebäude als auch die Fahrzeuge beziehen Energie aus dem Netz und können Energie in das Netz einspeisen. Das Potenzial zur Erhöhung der Energieeffizienz mittels Konzepten für nutzungsoffene Raumstrukturen, die an verschiedene Nutzungen während der Lebenszeit eines Gebäudes angepasst werden können, ist enorm. Die Entwicklung nutzungsoffener Architekturkonzepte und anpassungsfähiger Gebäudekonzepte wird eine wichtige Aufgabe der Zukunft sein. In der Konsequenz führen diese Überlegungen über Architektur und Städtebau hinaus. In einem Forschungsprojekt über den Zusammenhang zwischen verschiedenen Teleworking-Formen und der Gesamt­ energieeffizienz der Gesellschaft untersuchen wir eine Neustrukturierung der physischen und virtuellen Infrastruktur der Gesellschaft (Gebäude, Verkehrs- und IT-Systeme), um das Potenzial zur gesellschaftlichen Gesamtenergieeffizienzsteigerung auszuloten. Nicht die energetischen Strukturen von Gebäuden oder Städten, sondern diejenigen von ty-

pischen Dienstleistungsunternehmen werden abgebildet, welche dann wiederum aus Gebäuden, Verkehrswegen und IT-Netzen bestehen. Die Analyse der energetischen Strukturen unserer Gesellschaft zeigt, dass Architektur und Städtebau in der Tat eine dominierende Rolle hierin spielen und daher ein enormes Potenzial zur Veränderung enthalten, dass jedoch alle bisher konzipierten und realisierten Maßnahmen keinen wirklich bedeuteten Beitrag zur Gesamtlösung der anstehenden Probleme ausmachen. Wir müssen im Grunde ganz anders vorgehen, grundlegende strukturelle Änderungen vornehmen, die physischen und virtuellen Strukturen unserer Gesellschaft neu bzw. umstrukturieren. Das energetische Potenzial, das sich durch die neuen Möglichkeiten der Kommunikation und des Arbeitens auftut, muss in der physischen Infrastruktur unserer Gesellschaft konsequent berücksichtigt werden. Utopisch erscheinende Strukturen sind denkbar: eine Stadt als dreidimensionale Gitterstruktur mit Räumen, die kurzfristig gemietet und genutzt werden. Treffen und die dafür genutzten Verkehrswege werden über GPS-ähnliche Systeme koordiniert. Ein digitales Steuerungssystem stellt sicher, dass alle Gebäude zu einem Höchstgrad ausgenutzt werden. Gebäude sind höchst adaptive Strukturen, die sich in Echtzeit den notwendigen Anforderungen anpassen. Man lebt für einen bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Punkt, bevor man sich zum nächsten fortbewegt. Man besitzt nur das Minimum, nutzt jedoch so viel

wie man will. Die Existenz des Menschen als Sammler (wohl aber nicht als Jäger) ist endlich vorbei. Auch solche Überlegungen resultieren aus den Beziehungen zwischen Architektur, Bewegung und Energie.

Alle im Text genannten Forschungsprojekte wurden vom Autor und seinem Team am Institut für Gebäude und Energie an der Technischen Universität Graz durchgeführt. Die Energiekonzepte für die im Text beschriebenen Projekte in der Praxis wurden vom Autor und seinem Team bei Arup in Zusammenarbeit mit den folgenden Architekten entwickelt: Coop Himmelblau (Guangzhou, La Réunion, Giza, Frankfurt am Main, Shenzen), schneider+schumacher architekten (Kronberg, San Diego, Wels), Ortner & Ortner (Duisburg, Montenegro), Carsten Roth (Wien), Assmann Salomon und Scheidt (Berlin), Atelier Brückner (Hannover), TEC PMC (Singapur).

2

Anwendungen und Funktionen

minimal

Dämmstärke

Optimale Kombination aus Initialaufwand und laufendem Verbrauch

U-Wert

Indikator (Energie)

130

maximal

Summe von Initialaufwendungen und laufendem Verbrauch

Initialaufwendungen

Mindest-Initialaufwand

minimal

Summe laufender Verbrauch über Lebenszyklus

Maßnahmen zur Effizienzverbesserung/hier Dämmstärke

maximal

2.2 Das Prinzip der Effizienz York Ostermeyer

Für die belastbare Beurteilung eines jeden Systems ist die Wahl von Betrachtungsgrößen und Systemgrenzen der entscheidende Faktor. Alle Aussagen bezüglich einer Maßnahme innerhalb des Systems sind immer vor dem Hintergrund der definierten Betrachtungsgrenzen zu sehen und haben außerhalb dieser Grenzen verminderte oder gar keine Gültigkeit. Die Energieeffizienz ist ein gutes Beispiel für diese in ihrer Bedeutung für Architekten wachsende Problematik. Die im Rahmen etablierter Modelle zur Beurteilung der Energieeffizienz eines Gebäudes aktuell berechneten Größen betrachten im Kern den laufenden Verbrauch. Für das Beispiel einer opaken Außenwand bedeutet dies einen Fokus auf den realisierbaren U-Wert. Dieser lässt sich in Abhängigkeit von der Dämmstärke abbilden (Grafik oben links). Wird die Betrachtung der Effizienz einer opaken Wand auf die aus Wärmeverlusten resultierenden laufenden Verluste reduziert, muss eine unendlich dicke Wand als optimal gelten. Der Begriff einer energieeffizienten Konstruktion jedoch wäre hier falsch, denn Effizienz bildet die Relation von Aufwand und Effekt ab. Die stark gedämmte opake Wand ist zwar sehr effektiv in der Minimierung der Wärmeverluste, effizient ist sie in dieser Hinsicht jedoch nicht. Es ist offensichtlich, dass eine solche Betrachtung nur eine begrenzte Aussagekraft bezüglich des Gesamtsystems Haus oder auch nur des Systems Wand hat. Ein zentraler Punkt bei der Entwicklung der Energieeinsparverordnung (EnEV) in Deutschland war aus diesem Grund die Erweiterung des Betrachtungsrahmens. Entsprechend wurde die Systemgren-

ze durch Einführung der Anlagenaufwandszahl und Primärenergiefaktoren bis zur Gewinnung der Energieträger erweitert. Man sollte meinen, dass nun im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung von einem umweltgerechten und energieeffizienten Gebäude gesprochen werden könnte. Doch trotz einer Gewichtung der haustechnischen Anlagen und der Energieträger wäre im Fall der oben beschriebenen opaken Wand immer noch die unendlich starke Dämmung die optimale Lösung. Aus welchem Grund opake Wände real nur in einer begrenzten Dämmstärke realisiert werden, ist leicht beantwortet: Extreme Dämmstärken sind teuer. In der Betrachtung fehlt bisher dieser in der Konstruktion enthaltene Initialaufwand. Wiederum wurde eine ungeeignete und folglich wenig aussagekräftige Systemgrenze gezogen. Allein der notwendige ökonomische Aufwand und der Platzmangel, sowie konstruktive Gründe verhindern extreme Resultate. Nur unter Einbeziehung des für die Erstellung der opaken Wand notwendigen Aufwands und der resultierenden Dämmstärke kann jedoch ein rechnerisches­ Optimum abgeleitet werden (Grafik oben rechts). Dieses Wechselspiel von Aufwand und Effekt findet bei realen Bauvorhaben fast ausschließlich auf ökonomischer Basis Beachtung. Die anhand der Bezugsgröße Geld optimierte Wand ist jedoch nicht unbedingt eine energieeffiziente Wand. Es handelt sich um eine kostenoptimierte Wand, deren Parameter je nach ökonomischen Rahmenbedingungen durch Subventionen, Preisänderungen und Kreditkonditionen modifiziert werden können. Im besten Fall wird die Energiebilanz/ökologische Bilanz durch die ökonomische Bilanz annähernd genau abgebildet.

Dies ist jedoch selten der Fall. Trotzdem wird häufig der ökologische Aspekt in den Vordergrund gestellt, der zwar gegenüber konventionellen Altbauten haltbar ist, aber nicht im Zentrum der getroffenen Entscheidungen stand. Neben der Wahl eines geeigneten Betrachtungsrahmens ist die Wahl der Bilanzierungsgröße deshalb die zweite entscheidende Größe. Hier sind in der aktuellen Diskussion Defizite auszumachen. Gesagt wird Energie und gemeint sind Emissionen. Der Bauherr fordert von seinem Planer ein Energiesparhaus. Eigentlich hat er jedoch Angst vor steigenden Energiepreisen und will ein Geldsparhaus. Die Konsequenz dieser Problematik wird klar, wenn man sich vor Augen führt, dass der Energiepreis in Zukunft steigen wird, Energie aber gleichzeitig umweltverträglicher produziert werden wird. Bezieht man diese Zusammenhänge in die Überlegungen mit ein, ist der laufende Verbrauch relativ zum Initialaufwand zu gewichten. Eine kostenbasierte Bilanzierung tendiert so zu mehr Initialaufwand, während eine energiebasierte Bilanzierung zu mehr laufendem Verbrauch tendiert. Die exakte Bezeichnung des Bilanzierungsziels ist entscheidend für ein richtiges Ergebnis. Vor dem Hintergrund der aktuellen Klimadiskussion gewinnt die Effizienz in allen Bereichen an Bedeutung. Gesucht werden in vielen Fällen Lösungen, wie ein erreichter Standard möglichst effizient beibehalten werden kann. Hierfür gilt es geeignete Bilanzierungsgrößen zu finden. Hier liegt auch die Chance für anpassungsfähige, bewegliche Elemente in der Architektur, die mit weniger Ressourcenaufwand mehr können.

131

16000

Neubaustandard

14000 12000 10000

kfw 60 Standard

4000 2000 0 0

10

20

30

40

kfw 40 Standard Passivhaus

6000

Niedrigenergiehaus

8000

Optimierter Neubau

Mindeststandard Neubau

Bei Ansetzen einer maximalen Emissionsbilanz treten Effizienzstandard des Hauses und seine Lage (ggf. vor der Stadt) über die zusätzlich zurückzulegende Strecke in direkten Zusammenhang. Abgelegene Lagen bedingen einen enormen Effizienzstandard, um in der Gesamtbilanz mit einer Stadtwohnung mitzuhalten.

50

Primärenergieverbrauch Haus (150 m2) in kWh/a

60

fast nur durch aktive Komponenten (Photovoltaik) erreichbar

70

80

90

100

Entfernung zum Arbeitsplatz in km

Energieverbrauch PKW in kWh/a

Diese Forderung ist nicht neu. Sie wurde bereits in den 1980er Jahren im Zusammenhang mit dem Thema persönlicher Emissionsbilanzen diskutiert. Damals konnte jedoch die Datenlage bezüglich der für die Herstellung vieler Produkte notwendigen Energie und der resultierenden Umweltschäden noch nicht belastbar abgebildet werden. Dies hat sich in den letzten Jahren durch computergestütze Berechnungsmodelle deutlich verbessert. Die Relation von Aufwand und Effekt, die Effizienz, kann heute auch auf der Basis von Größen ermittelt werden, die in Bezug auf Umweltbelastungen deutlich aussagekräftiger sind als Geld. Zu nennen wäre hier neben dem kumulierten Energieaufwand (Graue Energie) als Ergänzung zum laufenden Verbrauch das Modell der Umweltbelastungspunkte (UWP). Subventionen könnten auf dieser Basis so eingesetzt werden, dass die ökonomische Bilanz am Ende die ökologische Bilanz abbildet. Diversen problematischen Ansätzen könnte über einen erweiterten Betrachtungsrahmen die vermeintliche Grundlage entzogen werden: Passivhäuser (Einsparung gegenüber EnEV Mindeststandard: etwa 50 kWh/m²a Primärenergie) in Vororten werden gefördert, obwohl durch den Umzug vor die Tore der Stadt eventuell ein weiterer Familienwagen angeschafft werden muss und der Benzinverbrauch um 500 Liter (immerhin etwa 5.000 kWh) im Jahr steigt. Die Grafik oben zeigt die Anforderungen eines Gebäudestandards in Abhängigkeit von der Entfernung zum Arbeitsplatz unter der Annahme, dass die entstehende Strecke 300 Mal im Jahr mit einem 5-Liter-PKW zurückgelegt wird. Für die Wohnung direkt neben dem Arbeitsplatz und somit ohne

PKW-Nutzung wird dabei ein EnEV-Mindeststandard und eine Wohnungsgröße von 150 m² angenommen. Ab einer Wegstrecke von 18.000 km pro Jahr, die mit dem sparsamen PKW gefahren wird, müsste der Gebäudestandard schon einem Passivhaus entsprechen, um mit einer Wohnung am Arbeitsplatz in der ­energiebasierten Verbrauchsbilanz konkurrieren zu ­können. Addiert man den zur Erreichung des Passiv­ hausstandards (ca. 10.000 kWh) und zur Produk­ tion  des Zweitwagens erforderlichen Mehraufwand (ca. 50.000 kWh etwa alle 5 bis 10 Jahre/VW Golf) ist­der Umzug in den Vorort unter Gesichtspunkten der Energiebilanz kaum noch zu rechtfertigen. Im Rahmen von Dämmmaßnahmen an Gebäuden mit bereits sehr niedrigem laufenden Wärmebedarf finden häufig Polysterolhartschäume, die preisgünstiger sind, statt nachhaltig gewonnene Dämmstoffe Verwendung, die eine deutlich bessere Ökobilanz aufweisen. Da ökologische Produkte häufig geringe Marktanteile halten, sind sie trotz notwendiger Herstellungsaufwendungen wie etablierte Produkte häufig teurer als diese, bei auf den ersten Blick gleicher Leistung. Bilanzierungen mit einer erweiterten Systemgrenze können hier helfen, die Leistungsunterschiede über den Lebenszyklus zu verdeutlichen und sie so ggf. durch staatliche Förderung langfristig konkurrenzfähig zu machen. Neben diesen eklatanten Fällen fallen aber auch Konzepte, die allgemein als sinnvoll gelten, dieser Erkenntnis zum Opfer. Viele dezentrale Regenwassernutzungen leiden in der Gesamtbilanz an den enormen Aufwendungen für die notwendigen Rohrleitungen. Die Subvention von durch Photovoltaik erzeugtem Strom verfälscht die Bilanz zugunsten

Energie sparen und gewinnen

Relation Verkehrswege und Hausstandard

der Stromgewinnung, so dass Zelltypen zur Realisierung empfohlen werden, die im Rahmen einer reinen Energiebilanz nur für südlichere Regionen als sinnvoll erscheinen. Eine reine Energiebetrachtung andererseits begünstigt unter Umständen Zelltypen, die hochgiftige Bestandteile enthalten. Aus diesem Grund ist eine Bilanzierung mit möglichst vielfältigen und geeigneten Bilanzierungsgrößen immer die beste Wahl. Der Grund für solche problematischen Ansätze ist klar in der falschen Bezugsgröße (Geld), in einer Vermischung von Bezugsgrößen (Geld und Energie) oder in einer ungeeigneten Systemgrenze (Reduzierung der Betrachtung auf den laufenden Verbrauch) zu sehen. Es wäre zu wünschen, dass es die Architekten als Vertreter und Berater des Bauherren sind, die diesen Aspekt in den Planungen vertreten und im öffentlichen Bewusstsein besetzen. Mit der Möglichkeit, aus dieser Position heraus funktionierende und sinnvolle Gesamtkonzepte zu entwickeln, könnte der Architekt heute seine Relevanz für die Gebäudeplanung wieder festigen und die Baukultur um neue Leitbilder erweitern. Möglichkeiten, durch Bewegung solche Konzepte nicht nur zu optimieren, sondern Synergien zwischen Ästhetik und Funktion zu schaffen, sollen in den folgenden Kapiteln beispielhaft betrachtet werden. Grundlage ist der Versuch, eine möglichst ganzheitliche Betrachtung durch einen geeigneten Betrachtungsrahmen und belastbare Berechnungsgrößen zu erreichen.

B

2

Anwendungen und Funktionen

132

W

SSW

Atmosphäre

AM=1.5

WSW AM=2.5

WNW NNW

AM=1 Erdoberfläche

S

N NNO

SSO OSO

O

ONO

Sonnendeklination, Zusammenhang von Winkel und Air Mass

2.3 Rahmenbedingungen solarer Nutzungen York Ostermeyer

Die Veränderung des Klimas im Tages- und Jahreslauf ist jedem Menschen intuitiv bewusst. Diverse Lebensgewohnheiten haben ihren Ursprung in einer Abhängigkeit von Tages- und Jahreszeit: dem Wetter angepasste Kleidung, der Sommerurlaub, Frühjahrsmüdigkeit – die Liste lässt sich fast beliebig fortsetzen. Viele Aspekte des täglichen Lebens werden ständig an den aktuellen Klimabedingungen ausgerichtet. Das Haus aber gehört im Allgemeinen Verständnis nur bedingt dazu. Im Bereich gegenwärtiger Architektur legen viele Konzepte den Schwerpunkt auf einen bewussten Umgang mit der auftretenden solaren Einstrahlung. Häufig wird sie genutzt um solare Gewinne zu ge­ nerieren und den Heizbedarf von Gebäuden erheblich zu senken. Über die aus dem Sonnenverlauf resultie­renden Abhängigkeiten von Strahlungsintensität existieren zahlreiche Veröffentlichungen. Die drei zen­tralen Parameter für die Strahlungsintensität sind der Winkel der betrachteten Fläche zur solaren Strahlung, die Intensität der Bewölkung und die zwischen Sonne und Fläche befindliche Atmosphäre. Kaum thematisiert wird in diesem Zusammenhang die Außentemperatur. In Relation zu der gewünschten Temperatur im Innenraum ergibt sich aus ihr die Temperaturdifferenz. Sie ist in erster Näherung proportional zu den auftretenden Transmissions- und Lüftungswärmeverlusten, die zusammen den gesamten Heizwärmebedarf eines Gebäudes ergeben. Die Vernachlässigung dieser Randbedingung erklärt sich aus mangelnden Möglichkeiten zu ihrer Beeinflussung. Die Strahlungsmengen sind auf den vorhande-

nen Gebäudeseiten unterschiedlich, die Außentemperatur aber ist jeweils fast identisch. Ein statisches Gebäude kann folglich in seinem Verhalten durch gezielte Fensterpositionierung und eine an den spezifischen Sonnenverlauf angepasste Verschattung (und entsprechend generierte solare Gewinne) beeinflusst werden. Für die opaken Bauteile bietet sich auf allen Seiten eine einheitliche Ausführung an, da die Anforderung an allen Seiten des Gebäudes durch die identische Temperaturdifferenz nahezu identisch ist. Ausnahmen ergeben sich durch die Erwärmung der Oberflächen (wiederum durch solare Einstrahlung). Da aber ein Großteil der Wärmeverluste über Nacht erfolgt und die mittlerweile eta­ blierten Dämmstärken solare Gewinne über opake Bauteile stark minimieren, gelten die oben aufgeführten Argumente in erster Näherung. Für Architekturkonzepte in gemäßigten und kalten Klimazonen stellt der unmittelbare Zusammenhang von solarer Einstrahlung und Außentemperatur ein Problem dar. Auch wenn Luft und Oberflächen sich bei solarer Einstrahlung (leicht verzögert) erwärmen, gilt leider: Wenn der Bedarf an solarer Einstrahlung zur Deckung des Wärmebedarfs von Gebäuden am größten ist, ist häufig die Einstrahlung am geringsten. Ozeanisches Klima und Windströmungen mögen diesen Zusammenhang im Einzelfall günstig beeinflussen. Angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der Menschen in vielen Lebensbereichen ihre Gewohnheiten dem Klima anpassen, überrascht der statische und unflexible Aufbau von Gebäuden. Anpassung bleibt hier häufig auf einen Blend- und Sonnenschutz

redu­ziert. Gerade moderne Materialien und Systeme bieten jedoch deutlich weiter gehende Möglich­ keiten. Mögliche Gewinne Die über eine Gebäudehülle zu erzeugenden Gewinne entstehen in erster Linie aus der Nutzung des solaren Angebots. Zwar bieten die thermodynamischen Zusammenhänge auch die Möglichkeit aus der Außenluft Wärme zu ziehen, dies erfordert jedoch mechanische Arbeit in Form einer Wärmepumpe. Auch dieser Ansatz kann im weitesten Sinn als eine bewegliche Lösung bezeichnet werden, die Bewegung ist jedoch weder für Nutzer noch Außenstehende erfassbar. Ihr fehlt also in weiten Teilen die architektonische Komponente einer gestalt- und nutzungsprägenden Bewegung Die folgenden Überlegungen sollen sich deshalb auf passive Nutzungen, die architektonische Schnittstellen aufweisen, beschränken. Allgemein kann für diese formuliert werden: Wärmegewinne = Solare Einstrahlung x g-Wert

Der Energiedurchlassgrad (g-Wert) ist als wichtige Bauteileigenschaft von Verglasungen bekannt. Für die allgemeine Betrachtung wird hier angenommen, dass der g-Wert neben den Verglasungseigenschaften auch weitere Rahmenbedingungen wie Verschmutzung, Rahmenanteile und Verschattung beinhaltet. Der g-Wert repräsentiert insofern den Gesamtenergiedurchlassgrad des betrachteten Bauteils in Bezug auf das solare Spektrum unserer Sonne.

133

Angebotsquotient in Watt/Kelvin

300 250 200 150 100 50

r

r

be

be

ze De

No

ve

m

m

r be

pt

to Ok

Süden

horizontal

Angebotsquotienten für zentraldeutsches Referenzklima

Verluste Die Verluste eines Gebäudes unterteilen sich in Lüftungswärmeverluste und Transmissionswärmeverluste. Sie werden im Folgenden zur Vereinfachung auf die Transmissionsverluste reduziert: zum einen, weil dichte Bauweisen den ungewollten Lüftungswärmeverlust auf nahezu Null reduzieren können, und zum anderen, weil bei Einsatz einer kontrollierten Lüftung und einer Wärmerückgewinnung der Restlüftungswärmebedarf fast unter allen Bedingungen über interne Wärmequellen gedeckt werden kann (die umgekehrt an dieser Stelle aus diesem Grund auch nicht unter den betrachteten Gewinnen geführt werden). Für die Transmissionswärmeverluste gilt vereinfacht: Transmissionswärmeverluste = U-Wert x Temperaturdifferenz

Die Möglichkeiten einer flexiblen Fassade Werden Transmissionswärmeverluste und solare Gewinne gleichgesetzt, ergibt sich: Solare Einstrahlung x g-Wert = U-Wert x Temperaturdifferenz

In diesem Zustand hat das Bauteil eine ausgeglichene Bilanz. Die Gleichung lässt sich so umstellen, dass die materialspezifischen Kennwerte auf der einen und die klimaspezifischen Kennwerte auf der anderen Seite stehen. Es gilt also: Solare Einstrahlung/Temperaturdifferenz =

U-Wert g-Wert

In direkter Abhängigkeit von den Klimabedingungen kann so eine Materialanforderung für einen

Bewegliche Fassadenkonzepte, Studentenarbeiten im Seminar „MOVE“, Leibniz Universität Hannover

Zustand mit ausgeglichener Wärmebilanz beschrieben werden. Der klimaspezifische Quotient wird im Folgenden der Einfachheit halber als Angebotsquotient, der materialspezifische Quotient als Ausnutzungsquotient bezeichnet. Als Beispiel oben die typischen Angebotsquotienten des deutschen Referenzklimas für die vier Himmelsrichtungen bei einem angestrebten Innenraumklima von 20° C. Es wird deutlich, dass der oben formulierte Anspruch an Flexibilität in Abhängigkeit von der Himmelsrichtung angelegt werden muss. Aus diesem Grund ist bei kleineren Gebäuden in den auf solare Gewinne ausgerichteten Konzepten eine Spezialisierung zu beobachten: Solare Gewinne werden durch Südfassaden generiert, um die auch durch Nordfassaden entstehenden Verluste auszugleichen. Dies setzt jedoch voraus, dass der erforderliche Ausgleich inner-

Blossom Hotel, schneider+schumacher architekten, Kish Island, Iran, 2004

Energie sparen und gewinnen

Westen

Se

gu Au

Ju

Osten

em

be

Norden

li

ni Ju

i Ma

Ap

rz Mä

ril

st

r ua br Fe

Ja

nu

ar

r

0

B

2

Anwendungen und Funktionen

134

TWD (20cm) TWD (10cm) Gasgefüllte... 2-fach Sonnenschutzvergl. 2-fach Vakuumverglasung 4-fach WSV 3-fach WSV 2-fach WSV 2-fach Verglasung 1-fach Verglasung

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

Ausnutzungsfaktor in Watt/m2K

Ausnutzungsquotienten nach Materialtypen

halb des Hauses wirklich funktioniert. Je größer ein Gebäude, desto schwieriger ist dies zu gewährleisten. Der Ansatz einer flexiblen Fassade ist daher vor allem für große und zonierte Gebäude interessant. Handlungsmöglichkeiten für eine positive Veränderung des Angebotsquotienten hat der Bewohner vor allem in der Anpassung der Innenraumtemperatur an das Außenklima. Hierdurch ergibt sich eine angepasste Temperaturdifferenz, die sich in einem veränderten Angebotsquotienten fortsetzt. Tolerieren die Bewohner beispielsweise eine mittlere Innenraumtemperatur von 18° C im Winter und von 22° C im Sommer, reduziert sich die Temperaturdifferenz im Winter und erhöht sich im Sommer, was

einen geglätteten Angebotsquotienten ergibt (Grafik oben rechts). Ziel dieser Betrachtungen ist in diesem Fall nicht eine Anpassung an das Außenklima (in diesem Fall entfiele die Anpassung im Sommer), sondern eine Glättung des Verlaufs, um mit einem in seiner Flexibilität beschränkten baulichen Element möglichst viele Nullenergiestunden erzielen zu können. Im Grunde offerieren fast alle Baustoffe die Möglichkeit eines positiven solaren Ausnutzungsquotienten, die meisten allerdings in vernachlässigbarem Ausmaß. Das Hauptaugenmerk soll deshalb auf Baustoffe gelegt werden, die einen hohen Energiedurchlassgrad

(g-Wert > 0) in Bezug auf das solare Spektrum mit einem sinnvollen U-Wert verbinden (die Möglichkeit thermischer Gewinne durch Transmission und thermische Masse soll hier vernachlässigt werden):

Institut du Monde Arabe, Jean Nouvel, Paris, 1987

Torre Agbar, Höhenversprung, Jean Nouvel, Barcelona, 2005

Sozialwohnungen, Edouard François, Louviers, Frankreich 2005

 – Verglasung  – Transparente Wärmedämmung TWD  – Transparente Kunststoffe (z. B. in Form gas­gefüllter Kissen) Genau wie alle anderen statischen Bauteile ist der Einsatzbereich der beschriebenen Baustoffe in diesem Zusammenhang ohne Bewegung stark begrenzt. Für jedes statische Material ergibt sich ohne Anpas-

135

140

100 80 60 40

zukünftig mögliche Ausnutzungsquotienten

20 aktuell mögliche Ausnutzungsquotienten r

r ze

m

be

be ve

m

r No

be to Ok

pt

horizontal

Allgemeine Darstellung eines geglätteten Angebotsquotienten und eines erweiterten Ausnutzungsquotienten

sungen exakt ein Angebotsquotient, bei dem es die oben formulierte Anforderung erfüllt. Der Zeitraum, über den so eine ausgeglichene Bilanz erzeugt werden kann, wäre angesichts des heterogenen Angebotsquotienten stark limitiert (im Jahresverlauf in der Regel nur wenige Stunden). Flexible Zusatzkonstruktionen und schaltbare Materialeigenschaften können jedoch mit den resultierenden variablen Ausnutzungsquotienten, die in der oben links gezeigten Tabelle als Bereiche dargestellt sind, den Zeitraum einer ausgeglichenen Bilanz stark ausdehnen. Diverse technische Möglichkeiten hierzu sind ­marktfähig. Durch Verschattungsvorrichtungen ist es möglich den g-Wert bei zu großen Angebotsquo-

tienten deutlich zu senken. Die aktuellen Normen erlauben Faktoren bis zu 0,2 (80 % Reduktion) durch flexible außenliegende Verschattungssysteme. Durch Flexibilität wird hier insbesondere der Notwendigkeit von Tageslicht Rechnung getragen. Variochrome Gläser können ihren g-Wert durch eine angelegte (oder eben nicht mehr anliegende) Spannung verändern. Der hieraus über weite Strecken des Jahres resultierende Stromverbrauch ist jedoch kritisch zu betrachten. Andere Bauteile können ihren U-Wert anpassen, beispielsweise gasgefüllte Elemente, bei denen die Menge und die Art des eingebrachten Gases U-Wert und g-Wert definiert.

Alle diese Bauteile haben enormes Entwicklungspotenzial. Der Stromverbrauch variochromer Gläser wird weiter sinken, und gasgefüllte Elemente werden bezüglich ihrer Regelbarkeit laufend verbessert. Die Durchsichtigkeit dieser Elemente kann über bessere Kunststoffe weiter optimiert werden. Flexiblere Verschattungssysteme filtern immer gezielter und gerichteter das benötigte Tageslicht aus der solaren Einstrahlung ohne den Raum zu überhitzen. In Verbindung mit einer Glättung des Angebotsquotienten über ein angepasstes Nutzerverhalten können zukünftige Gebäude durch flexible Fassaden über weite Zeiträume des Jahres ohne Heizung und Kühlung auskommen.

Pneumatischer Sonnenschutz, Cyclebowl, Atelier Brückner, Expo 2000, Hannover

Fassade im geschlossenen Zustand

Fassade im geöffneten Zustand

Energie sparen und gewinnen

Süden

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Ma

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Angebotsquotient in Watt/Kelvin

120

B

2

Anwendungen und Funktionen

136

Heliostat Metha in Membranbauweise; Schlaich Bergermann und Partner, Almeria, Spanien, 1990

2.4 Solare Gewinne – Faktor 1,4 durch Bewegung York Ostermeyer

In der avancierten Architektur haben sich diverse Konzepte etabliert, welche Flexibilität einsetzen, um den Nutzen aus der ortsabhängig vorhandenen solaren Einstrahlung zu maximieren. Als Beispiel dafür soll die Nachführung von Solarzellen auf der Basis der Aussagen des vorherigen Kapitels betrachtet werden. Um eine präzise und belastbare Darstellung zu erhalten, ist, wie im Beitrag „Architektur, Bewegung und Energie“ beschrieben, die Bilanzie-

Photovoltaik-Zellentypen

rung mit möglichst vielfältigen Indi­katoren und Bilanzierungsgrößen sinnvoll. Aus Platzgründen muss die Bilanzierung im Folgenden jedoch auf die Energiebilanz reduziert werden. Da Photovoltaikelemente den höchstwertigen Energieträger Strom erzeugen, zur Herstellung der Zellen jedoch vor allem hohe Temperaturen notwendig sind, die auch über Verbrennungsprozesse erzeugt werden können, verschieben sich die unten aufgeführten Betrachtun-

gen durch abweichende Indikatoren tendenziell zugunsten höherer Initialaufwendungen. Zelleigenschaften In der Herstellung sind Photovoltaikzellen aufwändig. Übertragen auf die zuvor eingeleitete Terminologie erfordert eine Photovoltaikanlage einen hohen Initialaufwand. Zu unterscheiden ist bei der über den Lebenszyklus erfolgenden Stromerzeugung zwi-

Wirkungsgrad

Wirkungsgrad

Graue Energie

Leistungskoeffizient

Angenommene

praktisch

theoretisch

in

pro Grad Celsius

Wirkungsgrade

pro Zelle (Modul)

pro Zelle (Modul)

kWh/m 2

über 25° C

(direkt/diffus)

18 % (15 %)

24,7 %

1850 – 2550

-0,38 % bis -0,51 %

(20 % / 11 %)

Kristalline Zellen Monokristallines Silizium

(-0,41) Polykristallines Silizium

15 % (13 %)

19,8 %

1410 – 1530

-0,38 % bis -0,5 %

(16 % / 10 %)

(-0,41) Polykristalline Bandsiliziumzellen

14 % (13 %)

19,7 %

k.A.

k.A.

(16 % / 10 %)

10 % (7,5 %)

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480 – 500

-0,12 % bis -0,23 %

(5,5 % / 10 %)

Dünnschichtzellen Amorphes Silizium

(-0,18) Kupfer-Indium-Diselenid-

14 % (10 %)

18,8 %

950 – 1000

Ca. -0,36

(10 % / 11 %)

10 % (9 %)

16,4 %

500 – 600

-0,2 % bis -0,6 %

(9 % / 17 %)

Zellen (CIS) CAdmium-Tellurid-Zellen

(-0,3)

(CdTe) Farbstoffzellen

PV-Zellentypen

7 % (5 %)

12 %

k.A.

k.A.

(3 % / 11 %)

137

Relative Intensität / Empfindlichkeit

1,2

1

0,8

0,6

0,4

0,2

0 100

200

300

Amorphes Silizium

400

500

600

700

800

Kupfer-Indium-Diselenid

900

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Cadmium-Tellorid

1300

1400

1500

Wellenlänge in nm 1600 Kristallines Silizium

Sonnenspektrum und spektrale Empfindlichkeit von Zelltypen

schen direkter und diffuser solarer Strahlung, da stark unterschiedliche Wirkungsgrade erreicht werden. Unsere Sonne strahlt mit einem Spektrum, welches einem schwarzen Körper mit etwa 6.000° C entspricht. Bedingt durch die Erdatmosphäre werden auf dem Weg zu Erdoberfläche Teile des Spektrums stärker gefiltert als andere, was bei 1,5 Air Mass die in der oberen Abbildung dargestellte Graufläche ergibt. Die in Photovoltaikzellen verarbeiteten Materialien können die verschiedenen Wellenlängen unterschiedlich gut ausnutzen, was abweichende Wirkungsgrade bedingt. Insbesondere die in Mitteleuropa etablierten siliziumbasierten Zellen sind stark auf die Nutzung direkter Einstrahlung ausgerichtet. Hier erzielen sie hohe Wirkungsgrade, die gegenwärtig über denen aller anderen Zellen liegen. Aufgrund des hohen Initialaufwandes in der Herstellung ist eine möglichst optimale Ausnutzung der solaren Einstrahlung sinnvoll. Da die direkte Strah-

Standort

lung insbesondere bei den siliziumbasierten Zellen einen hohen Anteil am erzeugten Strom ausmacht, bietet das Nachführen der Solarzellen nach dem Sonnenverlauf die Möglichkeit die Stromerzeugung zu maximieren. Zelltypen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht oder wenig auf die Nutzung direkten Sonnenlichts ausgelegt sind, profitieren von einer Nachführung kaum. Überlegungen in dieser Richtung können deshalb auf siliziumbasierte Zelltypen reduziert werden. Klimaanalyse Da Konzepte zur solaren Stromerzeugung in der Regel nicht im Inselbetrieb für den Eigenbedarf entwickelt werden, ist die Zielsetzung ein maximaler Jahresgewinn, nicht eine dem Bedarf angepasste Ausbeute. Aus diesem Grund lässt sich für jeden Standort eine optimale statische Ausrichtung ermitteln. Diese ist auf der Nordhalbkugel nach Süden ausgerichtet (häufig mit minimaler Abweichung nach Westen durch Morgennebel). Die Neigung der

Fläche ist abhängig von der Lage des Standortes auf der Erdkugel. Am Äquator beträgt sie 0°, nördlichere Standorte erfordern eine steilere Ausrichtung. Die folgende Tabelle listet die solaren Einstrahlungen für fünf Beispielstandorte auf. Zum Vergleich werden neben der optimalen statischen Ausrichtung eine nachgeführte Variante, eine statische Ausrichtung auf der Süd- und Westwand sowie eine Nachführung von an der Westwand platzierten Modulen aufgeführt (Beispielergebnisse in der Tabelle unten). Der Spielraum durch Flexibilität ist klar zu erkennen. Optimal nachgeführte Elemente erzielen etwa um den Faktor 1,3 bis 1,5 größere solare Einstrahlungen als optimal statische Elemente. Bei an einer Westwand positionierten Elementen fällt der Gewinn durch Nachführung deutlich geringer aus, da die Elemente die Hälfte das Tages durch das Gebäude verschattet werden und nur diffuse Strahlung auftrifft. Da die aufgezeigten Werte nicht zwischen direkter und diffuser Strahlung differenzieren, sind sie nicht

horizontal

Optimal

Optimal

Statisch

Statisch

in kWh/m2a

statisch

nachgeführt

Südwand

Westwand

Westwand

in kWh/m 2a

in kWh/m2a

in kWh/m2a

in kWh/m 2a

in kWh/m2a

Nachgeführt

Helsinki

965

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1687

918

710

943

London

940

1075

1381

759

594

780

Berlin

1017

1183

1568

855

654

905

Rom

1559

1821

2432

1227

1227

1251

Kairo

2000

2201

2950

1258

1258

1486

Einstrahlung auf verschiedene Flächen pro Jahr

Energie sparen und gewinnen

0

B

2

Anwendungen und Funktionen

138

Unterkonstruktion eines nachgeführten Solarspiegels

für alle Solarzellen in gleicher Form aussagekräftig. Zelltypen, die diffuse Strahlung effektiver in Strom umwandeln können, erzielen auf Westwänden deutlich bessere Bilanzen als auf direkte Strahlung ausgelegte Zelltypen. In Abhängigkeit des verwendeten Zelltyps und einer prognostizierten Lebensdauer kann einfach ermittelt werden, welcher Aufwand für eine Nachführung an einem Standort sinnvoll ist. Für angenommene 20  Jahre ergeben sich für monokristalline (angenommener Wirkungsgrad 15 %) und polykristalline (angenommener Wirkungsgrad 13 %) Siliziumzellen die in der Tabelle oben rechts aufgeführten Ergebnisse.

Die Bilanz monokristalliner Zellen nach 20 Jahren ist nicht zwangsläufig positiv. Erweitert man die Bilanz auf die gesamte Lebensdauer, wird deutlich, wie wichtig die Wahl eines geeigneten Zelltyps und einer angepassten Ausrichtung ist. Die Nachführung von Solarzellen durch bewegliche Elemente eröffnet an allen Standorten Spielräume. Der hierfür sinnvolle Aufwand ist jedoch durch den Mehrnutzen begrenzt. Gegenzurechnen ist nicht nur der Verbrauch der notwendigen Motoren, sondern auch der Mehraufwand durch zusätzlich notwendige Rohstoffe. Diese rein auf der Basis der Energiebilanz erfolgte Argumentation ist vor dem Hintergrund des Hand-

lungsspielraums des Architekten zu erweitern. Berücksichtigung finden können zum Beispiel kommunikative Argumente durch bewussten Einsatz der Solarzellen bzw. Doppelnutzungen als Verschattungselemente oder Sichtschutz. Beide Aspekte zeigen einen Mehrwert auf und rechtfertigen ggf. ein Abweichen von energetisch optimalen Lösungen. Festzuhalten ist aber die Sinnfälligkeit eines geeigneten Zelltyps, da die genannten Aspekte von beiden siliziumbasierten Zelltypen gleichermaßen erfüllt werden können.

Solar-Efeu als Kombination von Solar- und Windenergienutzung, Grow, SMIT/Samuel Cabot Cochran, 2005

139

Zelltyp

Herstellung

Gewinn nach 20

20-Jahres-Bilanz

Gewinn nach 20

Mehrgewinn durch

in kWh/m 2

Jahren (statisch)

in kWh/m2

Jahren (nachgeführt)

Nachführung

in kWh/m 2

in kWh/m2

in kWh/m 2 Helsinki monokristallin

2200

3567

1367

5061

1494

polykristallin

1470

3091

1621

4386

1295

monokristallin

2200

3225

1025

4143

918

polykristallin

1470

2795

1325

3591

796

monokristallin

2200

3549

1349

4704

1155

polykristallin

1470

3075

1606

4077

1001

monokristallin

2200

5463

3263

7296

1833

polykristallin

1470

4735

3265

6323

1589

monokristallin

2200

6603

4403

8850

2247

polykristallin

1470

5723

4253

7670

1947

London

Berlin

Kairo

Aufwand für eine Nachführung an einem Standort

Verschattung Siliziumbasierte Zellen reagieren empfindlich auf Verschattung, da nicht nur die verschattete Zellfläche in ihrer Leistung einbricht, sondern die gesamte Zelle sowie alle mit ihr parallel geschalteten Module einbrechen. Bei der Nutzung von PV-Zellen als bewegliche Elemente spielt die gegenseitige Verschattung der einzelnen Elemente des Gesamtkonzeptes schnell eine dominierende Rolle. Zwei Lösungsansätze bieten sich an:  – Reduzierung der Anzahl der nachgeführten Elemente und ihre Anordnung mit einem nach dem Sonnenverlauf ermittelten Abstand.

Vorteil: Bei großer vorhandener Fläche lässt sich mit wenigen Elementen die Ausbeute optimieren. Nachteil: Die installierbare Leistung sinkt in Bereiche, die auch mit einer größeren statischen Fläche erreichbar wären.  – Die Verwendung nur eines großen Elementes, das sich in der Folge nicht selber verschatten kann. Vorteil: maximale Ausbeute. Nachteil: hoher konstruktiver Aufwand, da die große Fläche anfällig für Windlasten ist; PV-Element wird wahrscheinlich zum dominierenden gestalterischen Element.

Im Bereich der Fassadenanwendung stehen in der Regel nur kompakte, begrenzte Flächen für opake Solarzellen zur Verfügung. Weitere Einschränkungen entstehen durch die Überlagerung der nachgeführter Solarzellen mit den Primärfunktionen der Fassade (Ausblick, Öffnen usw.) und die Notwendigkeit zur Wartung im schwer zugänglichen Fassadenbereich. Daher finden nachgeführte Solarzellen hier nur selten Verwendung, auch wenn das Konzept der Nachführung reizvolle Gestaltungsoptionen bietet und in der Energiebilanz sinnvoll ist.

Kirschblüte, nicht nachführend

Sonnenblume, im Tagesverlauf nachführend

Energie sparen und gewinnen

Rom

B

2

Anwendungen und Funktionen

140

Projekt Sonnenflecke, schneider+schumacher architekten, 2004

2.5 Tageslichtführung durch bewegliche Bauteile Roman Jakobiak, Andreas Schulz

Die vitalisierende Wirkung des Tageslichts ist ganz wesentlich auf seine saisonal und lokal ganz unterschiedliche Dynamik zurückzuführen. Je weiter man sich vom Äquator entfernt, desto ausgeprägter sind die Jahreszeiten. Während im direkten Sonnenlicht Beleuchtungsstärken von über 100.000 lx und Bestrahlungsstärken von mehr als 1.000 W vorkommen, beträgt das Beleuchtungs- und Strahlungsniveau bei bedecktem Himmel und im Schatten nur einen Bruchteil davon. Der Stand der Sonne, die Wolkendichte und die Trübung der Atmosphäre sind im Zusammenspiel verantwortlich für die Tageslichtdosierung und die Helligkeitsverteilung am Tage. Die enorme Bandbreite der Dynamik des Lichts bei Tage steht den stark reglementierenden Gütekriterien der Beleuchtung für Innenräume entgegen – die

Bandbreite der Akzeptanz ist hier eher gering. Das Filtern des im Freien im Übermaß vorhandenen Tageslichts zur Schaffung eines freundlichen, vitalen und behaglichen Innenklimas ist die Aufgabe einer intelligenten, an biologischen, ökologischen und ökonomischen Kriterien orientierten Tageslichtplanung. Dabei stellt die Sonne mit ihrer intensiven quasi-parallelen Strahlung die höchsten Anforderungen an den Schutz vor Blendung und Überwärmung, bietet jedoch auch besondere Möglichkeiten, Innenräume mit vitalem Tageslicht zu versorgen. Aus der charakteristischen jährlichen und täglichen Sonnenbahn haben sich in der Architektur Strategien entwickelt, mit dem dynamischen Element „Sonne“ umzugehen.

Verwaltungszentrum, Herzog + Partner mit Bartenbach Lichtlabor, Wiesbaden, 2003

Feststehende solargeometrische System Beleuchten mit Sonnenlicht Dachüberstände sind ein klassisches Sonnenschutzelement der vernakulären Architektur. Das Prinzip ist einfach: Bei hohen Sonnenständen im Sommer werden Wände und Fenster beschattet und der Überwärmung des Gebäudes wird so vorgebeugt. Die tief stehende Wintersonne hingegen leistet einen solaren Beitrag zum Wärmebedarf des Gebäudes, indem sie Fenster und Wände bestrahlt. Eine strikte saisonale Trennung der Sonnenhöhenwinkel besteht nur bei Südorientierung (bzw. Nordorientierung auf der Südhalbkugel), bei der sich feststehende horizontale Sonnenschutzeinrichtungen entsprechend besonders eignen.

141

Energie sparen und gewinnen

Projekt Sonnenflecke, schneider+schumacher architekten, 2004

In allen Fällen vermag ein Dachüberstand zwar einen saisonal selektiven Sonnenschutz zu bieten, schränkt aber ganzjährig die Tageslichtversorgung bei bedecktem Himmel ein. Eine Weiterentwicklung des traditionellen Dachüberstandes für Nichtwohngebäude stellt die Kämpferlamelle bzw. das Light­ shelf dar. Sie beschattet lediglich den unteren Fensterteil, während der obere für die Tageslichtversorgung wirksam bleibt. Schutz- und Versorgungsfunktion des Fensters werden damit berücksichtigt. Von einem funktionierenden Lightshelf wird erwartet, dass es den unteren Fensterteil im Sommerhalbjahr vollständig beschattet und dabei einen Teil der direkten Sonnenstrahlung in die Raumtiefe lenkt. Durch die Beschattung wird das Beleuchtungsniveau in Fensternähe vermindert und damit der Beleuchtungsstärkekontrast zwischen dem Fensterbereich und der Raumtiefe gedämpft. Ein feststehendes Element kann dieses in den Gebieten zwischen 30° und 45° geographischer Breite wirksam leisten. Ab dem 45. Breitengrad muss ein waagerechtes feststehendes Element aber bereits tiefer sein, als das zu beschattende Fenster hoch ist. Aufgrund dieser mit steigendem Breitengrad ungünstiger werdenden Proportion werden Kämpferlamellen in höheren Breiten geneigt oder stellbar ausgeführt. Die Neigung hat jedoch den Nachteil, dass der Ausblick ins Freie und auch die winterliche Besonnung eingeschränkt wird. Mit der Stellbarkeit wird andererseits der Vorteil der Wartungsfreiheit aufgegeben und es wird eine Bedienung des Elementes erforderlich. Damit die Kämpferlamelle als Lichtlenksystem wirksam ist, muss ihre Oberseite hoch reflektierend sein.

Da Fassadenelemente im Außenraum verschmutzen, würde die lichtlenkende Funktion ohne Wartung in der Regel nach kurzer Zeit verloren gehen. Zur Vermeidung der Verschmutzung werden Kämpferlamellen teilweise auch innen angebracht. Ihre Sonnenschutzwirkung verlieren sie damit jedoch weitgehend und auch die Lichtlenkung ist weniger wirksam. Eine detaillierte Analyse von Tageslichtsystemen einschließlich einer messtechnischen Bewertung findet sich in dem Handbuch Daylight in Buildings von Nancy Ruck. Viele Tageslichtsysteme können miniaturisiert und in den Zwischenraum der Verglasung integriert werden. Das gilt auch für Spiegellamellen mit der Funktionalität eines Lightshelfs: Sie bieten Schutz vor steil einfallendem Sonnenlicht und Lenkung des flach einfallenden Sonnenlichtes in die Raumtiefe. Als in die Verglasung integriertes feststehendes Element beeinträchtigen sie jedoch den Ausblick ins Freie. Diese Systeme können also nur in solche Glasflächen eingesetzt werden, für die ein Ausblick ins Freie verzichtbar ist. Beleuchten mit Himmelslicht Die solare Selektivität von Dachüberstand und Kämpferlamelle zielt auf den sommerlichen Schutz vor Überwärmung und die winterliche Nutzung solarer Wärmequellen. Bei dem heutigen Standard der Wärmedämmfähigkeit der Gebäudehülle sowie nutzungsbedingt hohen internen Wärmelasten ist der sommerliche Schutz des Gebäudes vor Überwärmung für die Energieeffizienz wichtiger als die Nutzung solarer Wärmequellen im Winter. Die Orientierung

nach Norden stellt insofern ein ideales feststehendes Tageslichtsystem dar, als das diffuse Himmelslicht den Innenraum mit Tageslicht versorgen kann, während die Direktstrahlung der Sonne den Innenraum nicht bzw. nur in geringem Umfang erreicht. Neben dem nordorientierten Fenster nutzt auch die klassische Oberlichtform des Nordsheds diesen Umstand. Bewegliche solargeometrische Systeme Feststehende solargeometrische Systeme eignen sich insbesondere bei genauer Süd- oder Nordorientierung. Ansonsten können sie zwar unterstützend wirken, die Tageslichtversorgung bei gleichzeitigem Sonnen- und Blendschutz jedoch nicht allein bewerkstelligen. Beleuchten mit Himmelslicht Ein Funktionsprinzip beweglicher solargeometrischer Systeme besteht darin, die parallele direkte Sonnenstrahlung vom Gebäude abzuschirmen, das aus anderen Richtungen einfallende diffuse Himmelslicht jedoch zu transmittieren. Hierzu muss das Sonnenschutzsystem der Sonne nachgeführt werden. In den meisten Fällen werden drehbare horizontale Lamellen verwendet. Mit Spiegellamellen oder Prismen kann die direkte Sonnenstrahlung zurück in ihre Ursprungsrichtung reflektiert werden. Dieses Prinzip heißt Retroreflexion. Ein anderes Prinzip besteht darin, die Direktstrahlung der Sonne auf undurchsichtige Teilflächen zu projizieren, beispielsweise mittels Zylinderlinsen. Wenn diese Flächen mit Photovoltaikelementen oder thermischen

B

2

Anwendungen und Funktionen

142

Solar Light Pipe, Carpenter Norris Consulting, Washington D.â•›C., 2001

Solarkollektoren belegt werden, so kann die konzentrierte Solarenergie zur Strom- oder Wärmeerzeugung genutzt werden. Solche „Energiefassaden“ können als Kraftwerke dienen. Eine vertikale Anordnung der Lamellen ist genauso möglich, wird jedoch seltener angewandt. Unabhängig von der Orientierung der Fassade erlauben die hier diskutierten Systeme eine stabile Tageslichtbeleuchtung auch bei wechselhaftem Himmel. Der Sonne zweisinnig nachgeführte Sonnenschutzelemente sind aufgrund des hohen Aufwandes vergleichsweise selten. Beleuchten mit umgelenkten Sonnenlicht Ein Screen oder ein einfacher Lamellenraffstore transmittieren nur einen geringen Teil des Tageslichts und lenken die Direktstrahlung der Sonne dabei um. Während die meisten Storen das Licht

einfach nur streuen, haben Lamellenraffstoren je nach Stellwinkel eine stark umlenkende Charakteristik: Sie schützen die Raumnutzer vor Blendung und verteilen dabei umgelenktes Sonnenlicht an die Decke, so dass der Raum weiter mit Tageslicht versorgt werden kann. Aufgrund der sehr großen Beleuchtungsstärke der Direktstrahlung der Sonne im Außenraum und der im Verhältnis dazu sehr geringen Beleuchtungsstärke im Innenraum können kleine Veränderungen an dem Tageslichtsystem erhebliche Änderungen der Innenraumbeleuchtung bewirken. Sonnenschutzsysteme, die einen Teil der Direktstrahlung in den Innenraum transmittieren, bewirken daher eine deutlich dynamischere Raumbeleuchtung als die oben diskutierten selektiven Systeme. Optimiert werden können die nicht-selektiven Systeme durch die Steuerung des Lichttransmissionsgrades und der Lichtverteilung. Ein einfaches Sys-

tem ist der Cut-Off-Betrieb von Lamellenraffstoren. Dabei werden die Lamellen der Sonne immer so nachgeführt, dass die Direktstrahlung der Sonne gerade nicht hindurchscheint. Während bei dem CutOff-Betrieb lediglich die Schutzfunktion optimiert wird, sind lichtlenkende Systeme zusätzlich in der Lage, die Versorgungsfunktion aktiv zu gestalten. Mit Spiegellamellen im oberen Fensterbereich über der Augenhöhe eines stehenden Menschen kann ein Teil der Direktstrahlung der Sonne an die Raumdecke und damit in die Raumtiefe umgelenkt werden, ohne dass die Raumnutzer geblendet werden. Mit Lamellenprofilierungen kann ein vom Stellwinkel abhängiger Lichttransmissionsgrad erreicht werden. Blendschutz, Tageslichtversorgung und, abhängig von der Einbaulage und der Glasqualität, auch die Sonnenschutzfunktion werden so durch ein einziges System erfüllt. Bei solchen Hochglanzsystemen ist eine präzise Einstellung des Lamellenstellwinkels erfor-

Energie sparen und gewinnen

143

B

2 T-Home Zentrale, Van den Valentyn Architektur mit Licht Kunst Licht, Bonn, 2008

derlich, sonst besteht die Gefahr der Blendung. Eine Alternative zu einer so komplexen Lösung bietet die Kombination von mehreren Tageslichtsystemen mit klarem Funktionsprofil. Dabei kann eine Steuerung der Sonnenschutzfunktion auch durch feststehende Systeme erreicht werden. Schaltbare Verglasungen bieten diese Funktion, z. B. kann bei elektrochromem Glas der g-Wert durch Ein- oder Entfärben der Glasscheibe gezielt eingestellt werden. Beleuchten mit geleitetem Sonnenlicht Mit Heliostaten kann die Direktstrahlung der Sonne auf ortsfeste weitere Spiegel oder direkt auf zu beleuchtende Objekte gelenkt werden. Aufgrund der hohen Intensität der Sonnenstrahlung können bereits mit vergleichsweise kleinen Spiegeln erhebliche Lichtströme transportiert werden. Heliostaten werden dort eingesetzt, wo der Eindruck direkten Sonnenlichts erzeugt werden soll. Einen Schritt wei-

ter gehen Systeme, bei denen das Licht nicht durch den Luftraum, sondern durch Rohre oder flexible Lichtleiter transportiert wird. Bei diesen Systemen wirkt die Beleuchtung im Innenraum statisch und ist von künstlich erzeugtem Licht nicht mehr zu unterscheiden. Ein Ausblick ins Freie ist mit solchen Lichtleitsystemen nicht verbunden. Wie eingangs dargelegt, besteht eine Aufgabe der Tageslichtplanung darin, die große Dynamik des Tageslichts unter freiem Himmel mit den Mitteln des Gebäudes und der Tageslichtsysteme so zu filtern, dass es im Rahmen der Gütekriterien der Beleuchtung im Innenraum eingesetzt werden kann. Bewegliche Tageslichtsysteme können bei wechselnden Lichtverhältnissen die für die Beleuchtung erforderliche Lichtmenge in den Innenraum verteilen und dabei gleichzeitig einer Überwärmung des Innenraumes durch Abschirmen der nicht benötigten Son-

nenstrahlung vorbeugen. Die Vitalität des Tageslichts im Innenraum soll dabei erhalten bleiben. Ein Ausnivellieren der Schwankungen des Tageslichts ist nicht das Ziel. Letztlich geht es darum, mit einfachen Mitteln einen lebendigen und attraktiv beleuchteten Innenraum zu schaffen.

B

Anwendungen und Funktionen

3

Interaktion: Bewegung auf­nehmen, lenken und abbilden

Anwendungen und Funktionen

146

3.1 Beförderungsanlagen

Vergnügungspark Tarantula, Madrid

Im Zuge der industriellen Entwicklung haben sich im Bereich der Fördertechnik zwei Anwendungslinien entwickelt, die prägenden Einfluss auf die Architektur haben: der Aufzug und die Rolltreppe. Beide sind heute als Produktlinien hoch entwickelt und bieten insbesondere in Bezug auf Sicherheit und Komfort ein hohes Maß an technischer Qualität. Beiden kommt bei der Personenbeförderung eine besondere Bedeutung zu. Dem steht ein weites Spektrum an technischen Vorrichtungen zum Heben, Bewegen und Verfahren von Lasten gegenüber. Die Bandbreite der kinetischen Apparate reicht von hydraulischen Hebebühnen über Krananlagen bis zu komplexen Förderstraßen im Anlagenbau. Im Folgenden werden Transportsysteme beschrieben, die insbesondere für den architektonischen Einsatz relevant sind. Aufzugstechnik Im letzten Jahrhundert wurden eine Reihe technischer Lösungen entwickelt, um eine Aufzugskabine auf- und abzubewegen. Die einfachste hiervon ist die Seilwinde, mit der das Tragseil aufgerollt und die Kabine bewegt wird. Schon im antiken Griechenland entwickelte Archimedes einen Seilaufzug, der mittels einer Umlenkrolle und einer Winde Lasten aufund abbewegen konnte. Diese Kombination aus Rolle und Seil kam in den folgenden Jahrhunderten immer wieder zum Einsatz, als einfache Seilaufzüge in der Vertikalen als auch als Seilbahnen in der Horizontalen. Im Zuge der Industrialisierung wurden im 18. Jahrhundert erste Aufzüge mit Maschinenkraft betrie-

ben, beispielsweise zur Personen- und Lastbeförderung in Bergwerken. 1853 führte Elisha Otis im New Yorker Chrystal Palace erfolgreich eine neuartige „Fangbremse“ für Aufzüge vor: Wenn die Zugseile reißen, wird automatisch eine mechanische Bremse aktiviert, die ein Abstürzen des Fahrkorbes verhindert. 1880 stellte Werner von Siemens den ersten elektrischen Aufzug in Mannheim vor. Ebenfalls in dieser Zeit kamen leistungsfähige Stahlseile auf den Markt. Sie gingen auf eine Erfindung von Oberberg­ rat Julius Albert 1834 in Clausthal zurück und eröffneten der Fördertechnik weitere Möglichkeiten. Der Kraftaufwand bei der Seilwinde ist hoch und entspricht der Gesamthängelast. Mit weniger Kraft kommen Seilaufzüge aus, die mit einem Gegengewicht arbeiten. Das Gegengewicht wird über eine Umlenkrolle mit der Kabine verbunden und so dimensioniert, dass sich das System bei halber Zuladung in der Kabine im Gleichgewicht befindet. Der Antrieb erfolgt über Treibscheiben, die das Tragseil mittels Reibung bewegen. Die maximale Last auf den Motor entspricht hier nur der halben Maximalzuladung der Kabine. Parallel zu den Seilaufzügen haben sich hydraulische Aufzüge etabliert. Der hydraulische Antrieb ist durch die maximale Baulänge eines Hydraulikstempels auf eine Förderhöhe von ca. 25 m begrenzt und wird daher vorwiegend für kleinere Personenlifte und Schwerlastaufzüge eingesetzt. Bei dem direkten hydraulischen Antrieb bewegt der hydraulische Stempel unmittelbar die Kabine, so dass der Kraftaufwand wie bei der Seilwinde der zu bewegenden Gesamtlast entspricht. Ausschlaggebend für den

Platzbedarf in der Höhe ist bei dieser Technik die Länge des Hydraulikstempels in eingefahrenem Zustand, welche der Länge des Fahrwegs entspricht. Durch das teleskopartige Ineinanderschieben mehrerer Stempel kann diese Länge weiter reduziert werden. Platzsparender sind indirekte hydraulische Aufzüge, bei denen die Kabine über ein Tragseil und eine Rolle mit dem Stempel verbunden ist. Durch diese Anordnung halbiert sich der Schubweg des Stempels, es verdoppelt sich damit jedoch der Kraftaufwand für den Antrieb. Ein weiteres Antriebskonzept sieht die unmittelbare Motorisierung der Aufzugskabine vor. Die Kabine wird dadurch zu einem Fahrzeug mit eigenem Antrieb, welches entlang einer Schiene auf- und abklettert. In der einfachsten Umsetzung wird dieses System für transportable Baulifte eingesetzt; für besondere Anwendungen im Industriebau werden auch Personenlifte mit Kletterantrieb eingesetzt, die allerdings nur eingeschränkten Fahrkomfort bieten. Maschinenraum Sowohl für den Seilantrieb als auch für den hydraulischen Antrieb ist in der Regel ein Maschinenraum erforderlich. Beim Seilantrieb wird dieser am besten am Schachtkopf positioniert. Durch Umlenkung der Zugseile kann der Maschinenraum auch an den Schachtboden gelegt werden. Dadurch verlängert sich jedoch die Seillänge und die Anzahl verschleißanfälliger Bauteile. Variabler ist die Positionierung des Maschinenraumes bei hydraulischen Aufzügen, da die Druckleitungen bis zu 10 m vom Stempel entfernt verzogen werden können.

147

Stehende Kabine mit externem Antrieb

Hängende Kabine mit externem Antrieb

Kontinuierliches Förderband

Interaktion: Bewegung aufnehmen, lenken und abbilden

Stehende Kabine mit internem Antrieb

Horizontal

Schräg

Vertikal

In den letzten zehn Jahren haben sich sogenannte maschinenraumlose Aufzüge immer stärker durchgesetzt. Hierbei handelt es sich meist um Seilaufzüge mit kompaktem Treibscheibenantrieb. Der Antrieb wird in der Bauhöhe minimiert und in den Aufzugsschacht mit eingebaut, indem der ohnehin notwendige Raum für die Überfahrt ausgenutzt wird. Einsatzgebiete Im Wesentlichen wird unterschieden, ob Personen, Personen mit Lasten oder ausschließlich Lasten transportiert werden. Für den Personentransport werden erhöhte Anforderungen an die Sicherheit gestellt. Diese beinhalten Nothalteinrichtungen und Gegensprechanlagen in der Fahrkabine und Quetsch-

sicherungen im für Menschen zugänglichen Bereich aller beweglichen Bauteile. Die Größe der Fahrkabine entsprechend der Anzahl der zu befördernden Personen wird anhand von Tabellenwerten je nach Gebäudetypus und Nutzeranzahl ermittelt. Für behindertengerechte Aufzüge sind darüber hinaus verbindliche Mindestmaße nach DIN EN 81-70 einzuhalten. Für den Lastentransport werden bezüglich Größe und Gewicht der zu bewegenden Lasten auch sekundäre Transportmittel zum Be- und Entladen der Aufzugskabine mit berücksichtigt. Entsprechend der häufigsten Einsatzgebiete sind die folgenden Aufzugsarten als Standardprodukte erhältlich: Kleingüteraufzüge, Personenaufzüge, Per-

sonen- und Lastenaufzüge, Serviceaufzüge, Bettenaufzüge, Autoaufzüge und Lastenaufzüge. Darüber hinaus sind Sonderlösungen für spezielle Einsatzgebiete möglich. Steuerung Im einfachsten Fall werden die Fahraufträge einzeln und nacheinander abgearbeitet. Diese Einzelfahrtsteuerung ist vor allem für Lastenaufzüge sinnvoll, da ein voll beladener Aufzug ohnehin unterwegs keine zusätzlichen Lasten aufnehmen kann. Wegen der unter Umständen langen Wartezeiten ist diese Steuerungsart für den Personentransport jedoch nicht mehr gebräuchlich. Hier kommen Sammelsteuerungen zum Einsatz, die auf dem Weg zum

Kabinen („Blasen“) der Seilbahn Grenoble-Bastille, Denis Creissels, Frankreich, 1976

B

3

Anwendungen und Funktionen

Exemplarische Darstellung verschiedener Antriebskonzepte. Stand der Technik sind Treibscheibenantriebe und hydraulische Antriebe mit seitlicher Anordnung des Stempels.

148

Seilwinde

Treibscheibe mit Gegengewicht

Fahrziel einer Einzelfahrt zusätzliche Zwischenstopps veranlassen, um weitere Passagiere aufzunehmen. Dies geschieht entweder richtungsunabhängig oder durch Vorauswahl der gewünschten Fahrtrichtung (auf oder ab) nur dann, wenn der Aufzug in die gleiche Richtung fährt. Durch zusätzliche Induktionsschleifen, Decken- oder Gewichtssensoren kann diese Haltefunktion bei voll belegter Aufzugskabine temporär deaktiviert werden. Soll die Förderleistung des Gesamtsystems darüber hinaus gesteigert werden, kommen an den Aufzugsportalen Bedienfelder mit Zielauswahl zum Einsatz. Die Steuerung ermittelt dann aufgrund der angemeldeten Reisewünsche die insgesamt kürzeste Reisezeit. Für den Einzelnen kann sich dadurch die Wartezeit und damit die gefühlte Reisezeit verlängern. Performance Die Performance von Personenaufzügen wird so optimiert, dass die gewünschte Personenzahl möglichst schnell ihr Ziel erreicht. Personenaufzüge werden nach den Kennwerten Förderkapazität, Wartezeit und Rundreisezeit dimensioniert. Erste Anhaltspunkte zur Mindestanzahl und Größe der benötigten Aufzüge finden sich in den deutschen Landesbauordnungen. Eine leistungsfähige Steuerung erhöht dabei signifikant die Förderkapazität. Dies ist insbesondere bei großen Gebäudehöhen und damit Personenaufzug Mercedes-Benz Museum, UN Studio, Stuttgart, 2006

Hydraulischer Stempel

Kletterantrieb

langen Förderwegen von Bedeutung. Hier werden Aufzugsanlagen als internes Verkehrssystem so organisiert, dass durch Kurz- und Langstreckenaufzüge die Gesamtreisezeiten optimiert werden. Darüber hinaus werden Aufzüge zunehmend nach energetischen Gesichtspunkten weiterentwickelt. So erlauben regenerative Antriebe in Zukunft die Rückwandlung von Lageenergie in Strom bei der Fahrt einer beladenen Kabine nach unten. Rolltreppen Auch bei der Entwicklung der Roll- oder Fahrtreppen standen anfangs Sicherheitsaspekte im Vordergrund, ehe die erste öffentliche Rolltreppe auf der Pariser Weltausstellung 1900 ihren Betrieb aufnehmen konnte. Heute haben sich eine Reihe von sicherheitstechnischen Einrichtungen als Industriestandard etabliert und in den Europanormen (DIN EN 115) niedergeschlagen: Insbesondere der Ein- und Ausstieg auf den Geschossebenen ist genau auf die ergonomischen Ansprüche des Menschen abgestimmt. Die Bewegung der Stufen beginnt in der Horizontalen und wird erst dann in die schräge Aufoder Abwärtsbewegung überführt. Ein ebenfalls beweglicher Handlauf sorgt für Halt und taktile Orientierung schon 40 cm bevor der Fuß die erste Stufe betritt. Die beweglichen Stufen selbst werden am

Personen

keine

4

8

Last

150 kg

320 kg

630 kg

Geschwindigkeit

0,3 m/s

0,6 – 2,0 m/s

0,6 – 2,0 m/s

KB (mm)

500

800

KT (mm)

1000

1000

Standardaufzüge im Vergleich

13

26

53

66

1000 kg

2000 kg

4000 kg

5000 kg

0,6 – 2,0 m/s

0,6 – 1,6 m/s

0,5 m/s

0,5 m/s

1100

1300

1500

2400

2500

1400

1700

2700

3600

5500

Interaktion: Bewegung aufnehmen, lenken und abbilden

149

B

3

Produktionsstraße des VW Touran, Wolfsburg

151

Linke Seite: Lift Inclino, Parkhaus St. Moritz

Interaktion: Bewegung aufnehmen, lenken und abbilden

Rechts: Funktionsprinzip einer Rolltreppe

Ein- und Austritt über einen Scherenkamm unter die metallene Bodenplatte geschoben, um ein Einzwängen von Kleidungsstücken auszuschließen. Notausknöpfe sorgen darüber hinaus für eine mögliche schnelle Deaktivierung der Anlage und sind in Europa für Rolltreppen im Höchstabstand von 30 m verpflichtend. Konstruktion Fahrtreppen werden entweder am Stück geliefert und mit einem Schwerlastkran von oben in das Gebäude eingesetzt oder in einzelnen Segmenten vor Ort montiert, wodurch sich der Montageaufwand deutlich erhöht. In beiden Fällen wird der Korpus der Fahrtreppe freitragend zwischen die Geschossdecken gespannt. Aus der Spannweite und den geringen zulässigen Biegetoleranzen von einem Tausendstel der Stützweite ergibt sich die oftmals sehr schwere Unterkonstruktion mit entsprechend hohen Auflagerlasten an den Deckenrändern. Eine Rolltreppe über eine Geschosshöhe von 4 m bei einer Neigung von 30° wiegt beispielweise knapp 7.000 kg. Einfacher ist die Konstruktion von Fahrsteigen, da diese in vielen Fällen nicht freitragend ausgeführt werden müssen. Energieverbrauch Fahrtreppen im gewerblichen Bereich sind in der Regel auf eine Betriebsdauer von zwölf Stunden pro Tag bei sechs Tagen pro Woche ausgelegt. Bei öffentlichen Anlagen erhöhen sich diese Werte auf bis zu 20 Stunden und sieben Tage pro Woche. Eine typische Rolltreppe (1 m breit, 30° Neigung, 5 m

Geschosshöhe, 0,5 m/s Geschwindigkeit) verbraucht damit im Leerlauf unter Dauerbetrieb je nach Betriebsmodus (gewerblich oder öffentlich) 50 kWh bzw. 105 kWh pro Woche. Bei einer angenommenen Durchschnittsbelastung von 25 kg pro Stufe verbraucht die gewerblich genutzte Kaufhausrolltreppe damit 300 kWh pro Woche. Bei einer öffentlichen Nutzung liegt der Verbrauch bei einer angesetzten Last von 35 kg pro Stufe bei 780 kWh pro Woche. Es liegt auf der Hand, dass sich der Energieverbrauch durch bedarfsweises An- und Abschalten der Anlage durch Tripplatten deutlich reduzieren lässt. Gestaltungsoptionen Aufgrund der Fülle dieser konstruktiv und nutzungsbedingt festgesetzten Parameter sind Rolltreppen nur in engen Grenzen gestalterisch variabel. Die Materialauswahl für sichtbare Bauteile wie Stufen, Bodenbleche und Handlauf ist auf einige wenige Ausführungsvarianten begrenzt. Die Brüstungen können wahlweise massiv oder in Glas ausgeführt werden. Der tragende Korpus der Rolltreppe ist immer umschlossen, kann jedoch mit transparenten Paneelen verkleidet werden. Performance Neben der technischen Ausführung ist auch die Dimension von Fahrtreppen weitgehend normiert. Rolltreppen mit Stufenbreiten von 600 mm, 800 mm und 1.000 mm sind zulässig bei Neigungswinkeln von maximal 35° bis 6 m Förderhöhe und 30° darüber hinaus. Fahrsteige kommen mit Neigungswinkeln zwischen 0° und 6° sowie 10° und 12° zum

Einsatz. Geschwindigkeiten zwischen 0,45 m/s und 0,50 m/s sind üblich, bei großen Förderhöhen im öffentlichen Bereich sind bis zu 0,75 m/s möglich. Hieraus ergibt sich eine Fördermenge von 4.500 bis 8.000 Personen pro Stunde. Zum Vergleich: Eine 1 m breite Treppe könnte bei reibungslosem Ablauf überschlägig von 200 bis 400 Personen pro Stunde in eine Richtung benutzt werden.

B

3

Anwendungen und Funktionen

152

3.2 Bewegung erfassen und abbilden

Interaktion Als Interaktion wird das aufeinander bezogene Zusammenspiel zweier oder mehrerer Akteure bezeichnet. Es handelt sich also um einen kommunikativen Akt, bei dem alle Parteien durch ihre Handlungen jeweils auf die Handlungen des Gegenübers reagieren. Dabei verfügen die Akteure über einen Handlungsspielraum, der mehrere Alternativen erlaubt, und agieren innerhalb ihrer Handlungsmöglichkeiten als selbstständige Individuen. Technische Systeme sind heute in der Lage, interaktive Prozesse zu imitieren. Ihre Reaktionen auf die menschliche Präsenz folgen zwar festgelegten Regeln, diese sind jedoch so umfangreich formuliert und erzeugen daher eine solche Komplexität, dass der Eindruck einer individuellen Antwort auf unser Handeln entsteht. Diese Wahrnehmung wird noch verstärkt, wenn die computerberechnete Reaktion nicht durch eine einzelne kinetische Komponente, sondern durch eine Vielzahl additiv verbundener Elemente zum Ausdruck gebracht wird. Die Summe der reaktiven Ein-

Mechanische Pixel: Split-Flap Board, nach Ralf Tornow und Frank Mössner

zelteile erzeugt dann eine übergeordnete Gestalt, die in der Tat oft einen sehr lebendigen Eindruck vermittelt. Das Konzept der interaktiven (oder präziser: der reaktionsfähigen) Technologie wird in zahlreichen medialen Installationen künstlerisch erforscht. Oft tritt dabei der Betrachter als aktiver Benutzer in Erscheinung, dessen körperliche Signale, beispielsweise in Form von Bewegungen oder Geräuschen, eine Reaktion des Objektes hervorrufen. Diese wird an den Betrachter zurückgespiegelt und fordert ihrerseits eine Reaktion heraus. So entsteht ein spielerischer Austausch zwischen Mensch und Objekt. Es liegt auf der Hand, dass auch die konkrete Anwendung dieser intuitiven Umgangsformen bei der Interfacegestaltung technischer Objekte enormes Potenzial bietet. Bewegungen als auslösendes Moment Im einfachsten Fall reagiert das Objekt oder der Raum lediglich auf die Präsenz von Menschen, die

Installation Flow 5.0, Studio Roosegaarde, Rotterdam, 2007 – 2009

durch einen Sensor erfasst wird. Der Einsatz dieser Regelkreise zur Steuerung des Raumklimas oder der Lichtsituation ist Stand der Technik. Weitet man dieses Konzept aus, entstehen Gebäude, die sich Raum für Raum der jeweiligen Nutzungssituation anpassen. Der Sound folgt dem Bewohner durch die Räume, Energie wird nur dort verbraucht, wo sie unmittelbar benötig wird. Menschliche Bewegungen erlauben aber weit komplexere Ausdrucksformen, denn Mimik und Körpersprache sind neben dem gesprochenen Wort wesentliche Kommunikationsmittel. Um diese Bewegungen abzubilden oder gar im interaktiven Prozess darauf Bezug zu nehmen, sind drei verschiedene Strategien möglich:  – Die zentrale Erfassung der Bewegung durch eine Kamera mit anschließender induktiver Computeranalyse der Bilder und daraus zentral berechneter Reaktion.  – Die dezentrale Erfassung der Bewegung durch eine Vielzahl sehr einfacher Sensoren mit

Interaktion: Bewegung aufnehmen, lenken und abbilden

153

HypoSurface

anschließender deduktiver Analyse und zentral berechneter Reaktion.  – Die vollständig dezentrale Erfassung und unmittelbare, lokale Reaktion auf die Bewegung durch eine Vielzahl kleiner Elemente. Zum letztgenannten Typ gehört die Installation Flow 5.0 von Studio Roosegaarde. Das interaktive Objekt besteht aus einer freistehenden Wand, die vollflächig auf eine Länge von 8 m mit 640 kleinen Ventilatoren besetzt wurde. Jeder einzelne Ventilator ist mit einem Infrarotsensor verknüpft, der das rotierende Element bei einer Annährung in Bewegung versetzt. Diese Einzelreaktionen sind über einen zentralen Controller miteinander verknüpft und auf diese Weise justierbar. In der Summe entsteht so eine Luftbewegung, die in Ihrer Kontur den Körper des Betrachters nachzeichnet. Der Wind folgt jeder Bewegung und stimuliert die Wahrnehmung nur und genau dort, wo dies durch das Gegenüber des menschlichen Körpers auch möglich ist. Da sich

durch die schnelle Drehung der Rotoren auch die Transparenz der Wand lokal verändert, ist dieser Interaktionsprozess auch visuell erfahrbar. Komplizierter ist die Erfassung von Bewegungsmustern einer größeren Anzahl von Menschen auf einem weitläufigen Terrain. Hier macht sich der Architekt Carlo Ratti, Direktor des SENSEable city lab am Massachusetts Institute of Technology (MIT), die fortschreitende Verbreitung von Mobiltelefonen zunutze. Für das Projekt Real Time Copenhagen wurde die Dichte von Mobilfunksignalen während der Kopenhagener Kulturnatten 2008 mit einer Karte der abendlichen Veranstaltungen in Echtzeit überlagert. Die interaktive Darstellung bildete die Besucherströme ab und beeinflusste sie zugleich, indem sie als Navigator für die jeweils interessantesten Routen durch das Veranstaltungsareal fungierte. Die darüber hinausgehende zielgerichtete Analyse menschlicher Fortbewegung im Raum erfordert ein ausgefeiltes methodisches Vorgehen unter Zuhilfenahme computergestützter Rechenmodelle. Hierauf

HypoSurface von Mark Goulthorpe, Massachusetts Institute of Technology

hat sich die englische Beratungsfirma Space Syntax spezialisiert. Durch selbst entwickelte Simulationsprogramme werden Bewegungsmuster von Personen im räumlichen Zusammenhang von der Büroetage bis zum städtischen Quartier erfasst und extrapoliert, um Erkenntnisse über die Funktionsweise der Räume zu gewinnen. Diese Betrachtungsweise ist nicht nur als Grundlage für einmalige planerische Entscheidungen wertvoll. Durch die Rückkopplung an Regelungssysteme, beispielsweise zur Allokation von leeren Büroräumen oder zur Lenkung von Verkehrsströmen, könnten sich hieraus auch tragfähige Mechanismen zur interaktiven Bespielung räumlicher Strukturen entwickeln. Bewegung als Abbild von Bewegung Interaktive Prozesse zwischen Mensch und Maschine nutzen meist die visuelle Wahrnehmung als zentralen Kommunikationskanal. Die Aktionen des Benutzers erzeugen sichtbare Reaktionen auf einem Display oder Bedientableau, bewegte Bilder also, die

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3

155

Im Fassadenglas eingelassene Leuchtdioden als Informationsträger, Powerglas by Glas Platz

die schnelle und unmittelbare Rückkopplung ermöglichen. Die interaktive Medienwand ICE von Klein Dytham architecture mit dem Installationskünstler Toshio Iwai für den Informationsdienstleister Bloomberg registriert die Bewegungen der Betrachter durch zahlreiche Infrarotsensoren hinter der 5 x 3,50 m großen Milchglaswand. Je nach Spielmodus, von denen vier zur Auswahl stehen, werden unterschiedliche Bewegungsmuster auf die Bildwand projiziert, die das Gegenüber zu erneuten Reaktionen animieren. Es liegt auf der Hand, dass sich die visuelle Kraft eines Displays durch dreidimensionale Darstellungen signifikant steigern lässt. Bei großformatigen Projektionen wären jedoch spezielle Brillen als optische Hilfsmittel erforderlich, um dem Träger zu erlauben, aus zwei perspektivisch verschiedenen Teilbildern für das rechte und das linke Auge ein räumlich wirksames Gesamtbild zu erzeugen. Umso eindrucksvoller ist die von Mark Goulthorpe, Professor am MIT, entwickelte HypoSurface, ein Display aus tausenden von motorisch betriebenen Metallplättchen, die sich in wellenförmigen Bewegungen mit einer Höchstgeschwindigkeit von knapp unter 100 km/h bis zu 60 cm aus der ebenen Fläche heraus bewegen können. In Verbindung mit Kameras, Mikrofonen und einer ausgeklügelten Steuerungssoftware reagiert das System mit plastischen, abstrakten Darstellungen aus fluiden Bewegungen auf den Input der Betrachter. Vergleichsweise einfach wirken demgegenüber klassische Medienfassaden, die sich ausschließlich auf den flüchtigen Augenblick der ständig wechselnden

Bilder beziehen, um die Oberflächen von gebauten Objekten im dynamischen Fluss aufzulösen. Urbane Knotenpunkte wie der New Yorker Times Square oder die Straßenkreuzung am Bahnhof des Tokioter Viertels Shibuya liefern hierfür eindrucksvolle Beispiele. Das Repertoire reicht von durchlaufenden Informationszeilen der aktuellen Börsenkurse über wechselnde Standbilder bis zu bewegten Filmsequenzen und Werbespots. Bewegung wird hier eingesetzt, um aufzufallen. Je lauter die visuelle Erscheinung, desto besser kann sich die jeweilige Botschaft gegenüber den Nachbarn behaupten. Die räumliche Präsenz der einzelnen Gebäude tritt dabei in den Hintergrund. Die Installation Elbe Bitwall 1 von Christian Moeller zeigt, dass sich dieser Effekt in der künstlerischen Abstraktion auch subtiler einsetzen lässt. Nicht die maximale kommunikative Reichweite steht hier im Vordergrund, sondern die gestalterische Reaktion auf ein prägendes Landschaftsmerkmal. Der langsame Fluss der Elbe wird in die kontinuierliche Bewegung einer schwarzweißen Pixelwolke übersetzt und auf einem vertikal stehenden Display abgebildet. Durch diese Verfremdung bleibt das ursprüngliche Bild der Flusslandschaft zwar noch erkennbar, das zentrale Motiv ist jedoch die beständige Bewegung des Wassers. Bewegte Pixel Der Begriff des Displays wird gewöhnlich für Geräte zur Abbildung wechselnder Bilder in der Größenordnung eines Mobiltelefons oder Computers verwendet. Stand der Technik sind TFT-Displays bis zu einer

Größe von 100 x 60 cm bei typischen Bildpunktgrößen zwischen von 0,1 und 0,3 mm. Wird dieses Prinzip auf die Größe einer Wandfläche oder gar einer Fassade skaliert, ergeben sich grundlegend andere technische Anforderungen. Der Wahrnehmungsabstand beginnt hier im Bereich von wenigen Metern und reicht bis zu mehreren Kilometern im Falle einer animierten Hochhausfassade. Entsprechend größer und weiter gestreut dürfen die einzelnen Pixel sein, um die Lesbarkeit von zusammenhängen Bildern zu gewährleisten. Glasscheiben mit eingelassenen, einzeln steuerbaren Leuchtdioden ergeben bei einem Abstand der Lichtpunkte von 60 mm bereits auf eine Entfernung von ca. 10 m ein klar lesbares Bild. Auf große Distanz lassen sich selbst die einzeln schaltbaren und beleuchteten Fenster einer Bürofassade zur Darstellung einfacher Bilder verwenden. Durch diesen Maßstabssprung zur konventionellen Displaytechnik ist es möglich, die Wandelbarkeit einzelner Bildpunkte auch mechanisch umzusetzen. Der Pixel wird zum technischen Gerät, welches durch Schieben oder Drehen einzelner Bauteile eine jeweils andersfarbige Fläche nach vorne kehrt. Die Bewegungen im Kleinen können dann zu dynamischen Bildflächen addiert werden, welche ihrerseits die Fassade visuell in Bewegung versetzen.

Interaktion: Bewegung aufnehmen, lenken und abbilden

Linke Seite: Interaktive Medienwand ICE von Klein Dytham architecture, Tokio, 2002

B

3

C

Gebäude und Bauteile

Drehen Rotieren Klappen Schieben

Falten Interaktion: BeweVerketten gung auf­nehmen, Raffen und rollen lenken und abbilden Pneumatisch

Gebäude und Bauteile

158

Herz-Jesu-Kirche München, D, 2000 Allmann Sattler Wappner Architekten

Aus einem Wettbewerb von 1996 hervorgehend, wurde die Herz-Jesu-Kirche im Münchener Stadtviertel Neuhausen errichtet. Die äußere Form des Gebäudes lässt auf den ersten Blick nicht darauf schließen, dass es sich bei dem gläsernen Objekt um eine Kirche handelt. Der 48 m lange, 21 m breite und 16 m hohe Kubus offenbart seinen Kirchencharakter erst, wenn sich die beiden 14,20 m und 9,30 m breiten Torflügel an der Stirnseite zum Vorplatz hin in ihrer überdimensionalen Gestalt öffnen. Dann wird die Innenfassade des Gotteshauses sichtbar – eine mit Ahornlamellen verkleidete Front als Teil eines Kubus, welcher den eigentlichen Kirchengrundriss beherbergt. Die Außenhülle des Bauwerkes ist als Pfosten-Riegel-Konstruktion mit umlaufender Iso-

Gebäudehohe Tore öffnen den Sakralbau zum Vorplatz

lierverglasung aufgebaut, was eine hohe Transpa- einen elektrischen Impuls durch einen Handschalrenz schafft und es zugleich ermöglicht, den Altar- ter; in Kombination sorgen ein Windwächter und bereich in transluzenten bzw. opaken Glaselementen eine Totmannschaltung für einen sicherheitsge­ prüften Betrieb. Gegen die auftretenden Windkräfte zu bergen. Das hydraulisch betriebene Portal (Wörsching Inge- sorgen rechteckige Metallstege dafür, dass die Konnieure) verleiht diesem Sakralbau eine Vielzahl von struktion statisch ins Gleichgewicht gebracht wird. schönen Aspekten und verbindet sie mit einer gro- Im Vorraum erzeugen die 436 blaugefärbten transßen visuellen Geste. Der entstehende Vorraum er- luzenten bzw. transparenten Glasquadrate der Kirmöglicht es den Gemeindemitgliedern zu besonde- chentore ein intensives Farbenspiel. Gestaltet von ren Anlässen, den Gottesdienst ins geschützte Freie Alexander Beleschenko zeigen die Structural-Glazu verlagern. Je Flügel beträgt das Eigengewicht zing-Elemente durch speziell angeordnete Nagel­ 22 Tonnen und wird im Drittelspunkt des Tores axial motive Teile der Johannes-Passion. Wenn die beiden gelagert. In dem direkt darunter befindlichen Tech- „Gottestüren“ geschlossen sind, betreten die Besunikraum befindet sich der hydraulische Antrieb für cher die Kirche durch Pforten in der Mitte der grodie Flügelkonstruktion. Die Steuerung erfolgt über ßen Flügel.

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6:00

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min:sek

Abmessungen B x H = 9,30 x 14,20 m je Flügel  Anzahl 2  Gewicht 22 t je Flügel  Antrieb 2 Hydraulikzylinder

Drehen

5

1

C

2 3

6

1 2 3 4 5 6 7 8

4 x Stahl-Flach zu Hohlprofilen scharfkantig verschweißt, Hohlprofil 280/15 x 240/30 mm (je Flügel 7 horizontale Riegel, 5 vertikale Pfosten) Torverglasung 2 x ESG (5/20/5), zweiseitig bedruckt, Scheibenmaß 755 x 767 mm Glashalteprofile, Aluminium 70 x 40 x 8 mm Hydraulik Pendelrollenlager oben Stahlstütze d = 200 mm Druck-, Axiallager unten Antriebsarm

7

4 8

Längsschnitt M 1:115

Detail Drehlager des Torflügels M 1:15

Gebäude und Bauteile

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BMW Trainingsakademie Unterschleißheim bei München, D, 2004 Ackermann und Partner

Das Gebäude beherbergt Seminar-, Schulungs- und Trainingsräume, welche auf zwei Geschossen um eine zentrale Halle liegen. Auf der Eingangsseite sind der Fassade über die volle Breite und die volle Höhe drehbare Sonnenschutzelemente vorgelagert, welche die zurückgesetzte Fassade über den Tagesverlauf fast vollständig verschatten. Sie prägen das technische Erscheinungsbild der Trainingsakademie und stehen für die BMW Group als Sinnbild für dynamische Mobilität. Jeweils sechs bzw. sieben nebeneinander liegende Sonnensegel sind über eine Koppelwelle in einem

Bodenkanal miteinander verbunden und können über einen Elektromotor bewegt werden. Die Segel folgen in automatischer Steuerung dem Sonnenstand oder können alternativ durch manuelle­ Steuerung in bestimmte Sonderstellungen gebracht werden, beispielsweise um die Durchfahrt hinter den Elementen zu ermöglichen. Jedes der Segel dreht sich um eine durchlaufende, außermittig positionierte, vertikale Welle. Um die exzentrischen Kräfte auf ein Minimum zu reduzieren, wurden die Segel in einer dem Flugzeugbau vergleichbaren Leichtbauweise gefertigt. Die Unterkonstruktion besteht aus

Jeweils sechs bis sieben Sonnensegel können als Gruppe angesteuert werden

Aluminiumprofilen, die mit aufgenieteten Aluminiumblechen verkleidet wurden. Im normalen Automatikbetrieb drehen sich die Segel kontinuierlich und sehr langsam. Zur manuellen Drehung der Elemente wird eine Totmannsteuerung eingesetzt, um Verletzungen von Personen oder Beschädigungen der Anlage vorzubeugen. Durch kontinuierlichen Druck auf einen Sicherungsknopf lassen sich die Sonnensegel mit einer Winkelgeschwindigkeit von 90° pro Minute drehen. Wird der Knopf losgelassen, kommt die Bewegung sofort zum Stillstand.

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1:00

min:sek

Abmessungen B x H x T = 2,50 x 6,67 x 0,25 m pro Sonnensegel  Anzahl 43  Gewicht 1.000 kg  Antrieb Elektromotor mit Koppelwelle für 6–7 Elemente

2

1

3

Drehen

4

C 1 IPE 500 2 Aluminiumlamellen 3 Drehlager 4 Sonnensegel 5 Stahlrohr 6 Gitterrost 30 x 10 mm 7 Welle mit Zahnkränzen 8 Antriebswelle 9 Konsole 10 Streifenfundament 5 6

8

7

9

10

Detail M 1:20

Eingangsbereich der Trainingsakademie

Gebäude und Bauteile

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Vertriebscenter Ernsting‘s family Coesfeld-Lette, D, 1999 Schilling Architekten

Anlieferung und Abholung der Waren sind die hauptsächlichen Vorgänge des Betriebsablaufes für das Textilbekleidungsunternehmen und prägen das gestalterische Konzept der Werksgebäude. Das Anliefe­ rungsgebäude mit dem Eingangsportal des spanischen Architekten Santiago Calatrava und die Halle zur Weiterverarbeitung der Waren wurden um ein Warenlager und einen neu gestalteten Auslieferungs­ bereich ergänzt. Wie schon zuvor die Firmenbauten der Architekten Reichlin, Reinhard und Calatrava ging auch das Vertriebscenter von Schilling Architek­ ten aus einem Wettbewerbsgewinn (1996) hervor. Bei dem Ensemble aus zwei Baukörpern ist die Form dem funktionalen Inneren angeglichen. Mit einem

Drei schwenkbare Hubtore verschließen die Verladebucht

flach abfallenden Dach läuft das Warenlager in den umgebenden Landschaftsraum aus. Den Schlussteil der schiefen Ebene bilden drei nebeneinander liegende Segmente, die in geöffnetem Zustand den La­ debereich für zwölf Lastwagen freigeben. Diese einzeln beweglichen Segmente öffnen sich morgens und werden am Abend wieder geschlossen. In geschlossenem Zustand liegen die insgesamt 320 m² großen Hubtore in einer Ebene mit der Dachhaut und setzen diese visuell nahtlos bis zum Boden hin fort. Die Hubtore sind auf vier V-förmigen Stahlstützen in ihrem Massenschwerpunkt drehbar gelagert. Dadurch­ lassen sich die Tore mit geringem Kraftaufwand um ihre horizontale Schwerachse drehen. Die Bewegung

wird über eine Hubvorrichtung auf der Innenseite der Stützen ausgelöst. Durch das Einfahren von jeweils zwei Elektrospindelmotoren wird die Vorderkante des Tores nach oben bewegt. Besonderes­ Augenmerk wurde auf den Übergang zwischen Tor und Bodenniveau gelegt. Drei Roste, die in geschlosse­ nem Zustand sowohl zur Entwässerung als auch zur Belüftung dienen, werden beim Öffnen der Hubtore durch ein Seilsystem nach unten gelassen und ermöglichen so einen nahtlosen Übergang von Außenraum und Betriebsgebäude. Auf diese Weise wird eine zugängliche Quetschstelle vermieden und das Öffnen und Schließen der Tore besonders inszeniert.

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min:sek

Abmessungen L x B = 20 x 16â•›m Hubtorâ•… Anzahl 3 Hubtoreâ•… Antrieb 2 Elektrospindelmotoren pro Hubtor

1 2 3 4 5 6

Schwerlastrost Seilzugsystem Hubtor Gelenk Torstütze, verzinkt Elektrospindelmotor

3

4 5

Drehen

6

1

C

2

Schnitt M 1: 125

6

3

1 4

5

2 1 2 3 4 5 6

Detail Fußpunkt M 1:50

Pflaster, wasserdurchlässig Kiesschicht Schwerlastrost Umlenkrolle Motor mit Seilrolle Hubtor

V-förmiges Auflager für Drehpunkt

Gebäude und Bauteile

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Seebühne Lunz am See, A, 2004 Werkraum Wien mit Hans Kupelwieser

Um den seit 1997 im niederösterreichischen Lunz stattfindenden Sommerspielen einen attraktiveren Austragungsort zu geben, wurde 2003 ein Wettbewerb ausgelobt, welcher eine neue Spielstätte am bestehenden Lunzer Seebad vorsah. Mit seinem multifunktionalen Kunstwerk gewann der Künstler Hans Kupelwieser diesen und wandte sich für die Umsetzung an das Architekturbüro Werkraum Wien. Entstanden ist eine raffinierte Seebühnenanlage, bestehend aus einer Schwimmbühne, einer Vor­ bühne und einer offenen Tribüne, die sich zu einer überdachten Tribüne wandeln lässt. Somit bietet das Bauwerk mit seiner Doppelfunktion sowohl eine Badeinsel als auch einen geeigneten Veranstal-

tungsort. Gelagert ist die Bühnenkonstruktion auf zwei Lagerblöcken. Der Führungs- und Fixierungsmechanismus erfolgt über Hydraulikstempel. Ein Pumpensystem sorgt dafür, dass das Seewasser in einen hangseitigen Wasserbehälter der Seebühne befördert wird. Durch das Lösen des Hydraulikventils und das Wassergewicht wird das auf der Betontribüne liegende, 13 x 13 m große Stahlholzdach lautlos nach oben bewegt. Das Dach nimmt im geöffneten Modus den Charakter einer Akustikschale an und dient gleichzeitig als Regenschutz. Zum Schließen der Bühne wird das Wasser einfach durch ein Ventil entleert und fließt über einen Steg – der zusätzlich als Sprungturm fungiert – zurück in den See. Dabei

werden die Hydraulikleitungen wieder geöffnet und die Stempel gesenkt. Im geschlossenen Zustand parken die Untergurte der Dachkonstruktion kammartig in den dafür vorgesehenen Aussparungen in der Betontribüne. Auf dieser legt sich das gestufte Bühnendach nieder und bietet den Besuchern eine Sitz- und Liegefläche. Der vor der Tribüne schwimmende Ponton wurde von einer deutschen Schiffswerft entwickelt. Das 8 x 5 m große Aluminiumelement ist mit demontierbaren Stegen am Ufer befestigt. In den kalten Monaten wird der Ponton zum Einwintern per Wasserbefüllung­ 3 m tief in den See abgesenkt und im Sommer mittels Pressluft wieder an die Oberfläche befördert.

Sonnendeck und Tribüne

Öffnungsphase

Überdachte Tribühne

165

0:00

0:32

0:56

min:sek

2

Drehen

Abmessungen L x B = 12,50 x 12,60 m Dach  Antrieb 14 m 3 Wasser

C 3

5 1

6

4

1 2 3 4 5 6

Längsschnitt M 1:70

Wasserbehältnis Sicherheitsnetz Edelstahl Drehlager Stahlrohr d = 240 mm Hydraulikstempel wasserführende Ebene aus Polymethylmetacrylat, Kunststoffflüssigabdichtung Stufen 450 x 810 mm Birkensperrholzschalung

Gebäude und Bauteile

166

Haus F Kronberg Kronberg im Taunus, D, 2009 Meixner Schlüter Wendt Architekten

Die Form dieses Einfamilienhauses mit ca. 325 m² Wohnfläche entwickelte sich zunächst aus den Vorgaben des vorliegenden Bauplans, welcher ein konventionelles Satteldach vorschrieb. Daran anschließend erweiterten die Architekten den üblichen Neigungswinkel der Dachform, verlängerten die Länge um ein Vielfaches und schufen einen markanten Baukörper in Mischbauweise aus Stahlbeton, Stahl und Holz, der auf Stützen und Riegeln aufliegt und über der Obstwiese zu schweben scheint. Als Material der Fassadenhülle wurde eine Alucobondverkleidung in farblicher Anlehnung an den regionaltypi-

Aluminiumflügel regulieren den Sonnenlichteinfall

schen Schiefer gewählt. Angepasst an die Hanglage ist das Haus in die drei Ebenen Keller-, Garten- und Obergeschoss gegliedert. Im Norden wird das Gartengeschoss als Wohn- und Aufenthaltsbereich aus topographisch erhöhter Position erschlossen und ist offen in den Hang eingebettet. Das besondere Augenmerk des Entwurfes liegt auf der Ausbildung der südlichen Spitze des Dachkeils. Hier gibt es im Balkonbereich eine bewegliche Auskragung von bis zu 4 m. Zwei in die Fassade inte­ grierte Stahlblechflügel können per Knopfdruck in einem Drehwinkel von 60° hochgefahren werden, so

dass dann mehr Licht in den Wohnraum im Gartengeschoss fällt. Gesteuert werden die Schotten über einen Teleskopantrieb mit Elektromotor, welcher sie mittels einer im Schwerpunkt liegenden Welle hochklappen lässt. Rillen­kugellager nehmen die auftretenden Axialkräfte der kinetischen Konstruktion auf. Die in den statischen Keilausbildungen des Daches befindlichen Auflagersicherungen verhindern das Durchdrehen der Flügelklappen. Die Beweglichkeit sowie das gewählte Material des Daches lassen Assoziationen eines mili­tärischen Flugobjektes in der Idylle der Kronberger Obstwiesenhänge aufkommen.­

167

0:00

0:15

0:30

min:sek

Abmessungen B x H x T = 340/380 x 130 x 400 cm, Drehwinkel 60°  Anzahl 2  Antrieb Elektromotor mit Teleskopantrieb

7

Drehen

6

C

2

5 3 4 1

1 2 3 4 5

Tragrahmen aus Flachstahlprofilen Welle und FAG-Rillenkugellager Teleskopantriebsarm Auflagersicherung, Stahlblechwinkel Elektromotor 230 V, Schubkraft 8.000 N, Geschwindigkeit bei Maximallast 6 mm/s, Länge eingefahren 880 mm 6 Alucobondverkleidung der Stahlschotte 7 Keilspitze, Dachkonstruktion 8 Beleuchtung 8

M 1:40

Gebäude und Bauteile

168

Genzyme Hauptverwaltung Cambridge, Massachusetts, USA, 2004 Behnisch, Behnisch und Partner

Die Hauptverwaltung des Biotechnologieunternehmens Genzyme vereint nachhaltige Anlagentechnik und intelligente Tageslichtlenkung mit kommunikativer und behaglicher Arbeitsatmosphäre. Das Gebäude entwickelt sich von innen aus einem zentralen gebäudehohen Atrium nach außen zu den umliegenden zwölf unterschiedlich ausgebildeten Geschossebenen. An den 920 flexiblen Arbeitsplätzen lassen sich die vollautomatisierte Verschattung, Klimatisierung und Luftzufuhr auch manuell regulieren. Lichtleitende Jalousien und das von oben mit Licht durchflutete Atrium senken den Bedarf an künstlichem Licht. Auf dem Dach sind sieben zweiachsig der Sonne nachgeführte Heliostaten auf

Stahlmasten angebracht. Sie führen Sonnenlicht über eine Fixspiegelbrücke aus ebenfalls sieben Einheiten mit 63 individuell justierbaren Einzelspiegeln durch ein Oberlicht aus Wärmeschutzverglasung in das Gebäudeinnere. In dem 13-geschossigen Atrium reflektieren und streuen hunderte prismatische Acrylglasplatten das Sonnenlicht und generieren eine lebendige, dynamische Lichtverteilung. Sie sind durch Kugellager mit den Knotenpunkten an Edelstahlstangen frei beweglich gelagert. Diese Mobiles reagieren auf Windzüge und bilden eine zufällige Komponente in dem durchgetakteten Gebäude. Ein Brunnen und eine reflektierende „Lichtwand“ unterstützen die Lichtlenkung. Im Aufbau des Ober-

lichts regulieren an 21 Achsen 1.130 prismatische Lamellen die Intensität und Qualität des Lichteinfalls. Sie sind in zwei Felder unterteilt, welche durch jeweils einen Linearmotor separat gesteuert werden. Die Lamellen des kleineren Feldes stehen tagsüber vertikal, um die von der Spiegelbrücke kommenden Lichtstrahlen passieren zu lassen. Die übrigen stellen sich immer im rechten Winkel zur Sonne. Direktes Sonnenlicht wird auf diese Weise reflektiert und den Innenraum erreicht lediglich gebrochenes, diffuses Tageslicht. Moderne Umwelttechnik und ein nach amerikanischen Maßstäben minimaler Energieaufwand führten 2005 zu einer LEED-Bewertung Platinum.

Sonnenstandgesteuerte Heliostaten

Prismenlamellen in Stellung 90° und 70°

Kronleuchter aus prismatischen Acrylglasplatten

169

0:00

2:30

5:00

7:30

10:00

std:min

Abmessungen 340 x 68 cm je Prismenmodul  Anzahl 21 Achsen, 1.130 prismatische Lamellen  Antrieb Linearmotor elektrisch  Drehwinkel max. 140° bzw. 90°

8

9

1 2 3 4 5 6

prismatische Lamellen, Acrylglas, Energiedurchlass g = 0,15, Lichtdurchlass LT = 0,7 Verbindungssteg, zweiteilig Linearantrieb elektrisch, 110 V / 0,12 kW Hubzylinderkolben, Nutzhub = 400 mm Prismenantriebswelle d = 60 mm, Spannweite = 3.840 cm Schubstange, überträgt die Bewegung auf übrige Wellen 7 Hebelgetriebe, einfach je Feld 8 Tragstruktur, 2 x U-Profil 450 9 2 x U-Profil 100

2 4

7 5 6

Drehen

3 1

C

Detailschnitt, Antrieb 70° Stellung, M 1:15

3 4 1 7

2

5

8

6

Detailschnitt, Antrieb 70° Stellung, M 1:15

Gebäude und Bauteile

170

Wind Silos International Trade Center, Charlotte, North Carolina, USA, 2006 Ned Kahn Studios

Die Bank of America suchte lange Jahre nach einer künstlerischen Lösung für die unansehnliche Ostfassade des Parkhauses des International Trade Centers. Ned Kahn verhüllt die parkenden Autos hinter einem an Stützen angehängten Stahlvorbau, dessen Gestalt durch Getreidesilos inspiriert ist. Die geschwungenen Formen und das auf ihnen spielende Licht zogen seine langjährige Begeisterung für das Miteinander von Wissenschaft und Kunst auf sich. Beeinflusst durch Wissen aus der atmosphärischen Physik, Geologie, Astronomie und Kinetik greift der Entwurf Phänomene der Umwelt auf, ohne sich ihnen objekthaft entgegenzusetzen. Natürliche Prozesse werden transformiert sichtbar gemacht.

Vom Wind bewegte Metallplättchen

Die 150 m lange und 23 m hohe Fassade gliedert sich in 15 gewölbte Stahlrahmensegmente. Sie sind mit perforiertem Wellblech aus Edelstahl verkleidet. Die zu 40 % offene Oberflächenstruktur lässt einen gewissen Anteil an Licht und Wind hindurch. In den zurücktretenden Falten des Wellblechs liegen die Halteschienen für einen fast 5 m hohen reflektierenden Schleier, welcher sich über die gesamte Fassade zieht. 30.000 polierte Edelstahlscheiben mit einem Durchmesser von 120 mm sind an einem 115 mm langen Abstandhalter frei gelagert fixiert und bilden die steigende und fallende Form des Silos nach. Die Halteschienen sind mit der Substruktur verschraubt und mit je 30 frei beweglichen Scheiben bestückt.

Innenansicht

In ihnen spiegeln sich das Licht, die Wolken, die Farben des Himmels und die gesamte Umgebung. Das Gesamterscheinungsbild ist durch wechselnde Lichtverhältnisse und das Spiel des Windes mit den leichten Plättchen ständig im Wandel. So verschwim­ men die Grenzen zwischen exponierter Skulptur und Umwelt. Die Fassade dematerialisiert sich und ermöglicht dem Beobachter, den Wind als Phänomen auf eine neue Art zu erleben. Die Bewegungen bleiben­in gewisser Weise auch bei Windstille sichtbar, denn die Scheiben haben keinen Normalstand in den sie zurückfallen. Allein der Wind reguliert die  Bewegung und das Erscheinungsbild der Wind Silos.

171

Abmessungen L x H = 140 x 4,90 m Fassadenband, d = 120 mm Edelstahlplättchen, Abstand 183 mm, Bewegungsradius 360°  Anzahl 30.000 Edelstahlscheiben

1 2 3 4 5 6

Wellblech, Edelstahl perforiert, 40 % offen Edelstahlscheiben d = 120 mm gebogenes Hohlprofil, Stahl, 160 x 120 mm Halteschiene Aluminium, U-Profil 50 x 13 mm Sechskanntschraube Edelstahl d = 6 mm Abstandhalter Edelstahl, l = 115 mm, d = 13 mm

1

1

Drehen

2

3

2 3

C

4 4

5

5

6

Vertikalschnitt M 1:3

Ansicht M 1:3

Gebäude und Bauteile

172

Drehbarer Wohnkubus Dipperz, D, 1996 Sturm und Wartzeck Architekten

Der drehbare Wohnwürfel stellt die erste Stufe eines Wohnprojekts dar, welches vorsieht, verschiedene Einheiten eines Raumprogrammes auf mehrere Kuben zu verteilen. Aus dieser Idee heraus soll eine gewisse Anzahl von Kuben auf einer Fläche positioniert werden, mit der Folge, dass der Benutzer jeweils eine Räumlichkeit verlassen muss, um eine andere zu betreten. Auf diese Weise wird die Natur als Erschließungsfläche definiert und als Teil der Wohnwelt aufgefasst. Eine weitere Raffinesse des Konzeptes besteht darin, die Kuben nach individuellem Wunsch manuell nach

dem Sonnenstand auszurichten. Gewährleistet wird dies, indem die 3 x 3 m messenden Kuben auf Drehkränzen – im Betonfundament eingearbeitet – ge­ lagert werden. Das Kugellager, ein Fertigteil für Sattel­schlepper, hat einen Außendurchmesser von 1 m und ist mit Doppel-T-Stahlträgern mit dem Drehkranz­aufsatz verschweißt. Auf diesem befinden sich wiederum die Bodenplatte des Wohnwürfels und der weitere Aufbau des in Holzbauweise errichteten Kubus. Die Drei-Scheiben-Wärmeschutzverglasung sorgt für einen guten winterlichen Energieertrag und das 6 m2

große, flächige Photovoltaiksystem auf dem Dach versorgt die Wohneinheiten mit dem nötigen Strom. Sofern dieses nicht für den Gebrauch ausreichen sollte, sind die Kuben zusätzlich mit dem Stromnetz gekoppelt. Der Anschluss erfolgt hierfür mittig durch den Betonsockel. Der Innenraum des Prototypen ist so konzipiert, dass sich Klappelemente je nach Wunsch in Position bringen lassen. Diesbezüglich lassen sich Wandbzw. Bodenplatten aufklappen, um entweder als Tisch zur Verfügung zu stehen oder aber eine Liegefläche freizulegen.

173

Abmessungen 2.980 mm Kantenlänge Würfel, d = 1.050 mm Drehkranz  Antrieb manuell

1 2 3 4 5 6 7 8

4

1

2

Stahlträgerkonstruktion IPE 120 Präzisionslenkkranz, kugelgelagert, Außendurchmesser 1.050 mm Photovoltaikanlage 6 m 2 Liegefläche unter Klappelementen Betonfundament, rund geschalt, Außendurchmesser 1.151 mm Stahl-Flanschringe 8 mm (Systemhöhe 42 mm) Schmiernippel an Kugellaufbahn Wälzlagerstahlkugel d = 13 mm

5

Schnitt M 1:40

1

2

8 7 6

Grundriss M 1:40

Schnitt Präzisionslenkkranz, kugelgelagert M 1:4

Rotieren

3

C

Gebäude und Bauteile

174

Council House 2 Melbourne, AUS, 2006 DesignInc

Turbinenschaufeln an. Gleichzeitig entsteht in den Leitungen der Belüftungsanlage ein Unterdruck und Frischluft wird durch die Lufteinlässe an der Südseite des Daches eingesogen. Die Savonius-Windturbinen sind an ihrer Drehachse mit einem Generator verbunden, der auf einem Fisher-Pykel-Waschmaschinenmotor basiert und Energie mit etwa 100 Umdrehungen pro Minute erzeugt. Unterstützend werden die großen Turbinenblätter durch Windkraft in Rotation versetzt. Nachts tragen sie zu der Erneuerung der Frischluft im Gebäude bei.

Die Stadt Melbourne versucht für Gemeinden und Kommunen bis 2020 die Nullemission von CO² zu realisieren. Dies soll unter anderem durch die Reduzierung des CO²-Ausstoßes von allen Gewerbebauten um mindestens 50 % geschehen. In diesem Zusammenhang wurde das Council House 2­ als Niedrigenergiehaus geplant. Es soll zu einem Musterbeispiel für den lokalen Entwicklungsmarkt werden. Neben der möglichst hohen Nutzung von Passivenergie, der Verwendung von Solar- und Photovoltaikanlagen und der energetisch besten Konstruktion wurde auch besonders auf ressourcenscho-

nende Bauweise geachtet. So wurden zum Beispiel nur Holz und Beton aus Recycling-Materialien verwendet. Die Frischluft wird nach dem Lufteinlass zur Kühlung durch einen Wasserfall geleitet. Das Wasser wird zur Bauteilaktivierung verwendet und die kalte Luft gelangt in das Belüftungssystem. Die Entlüftung erfolgt über große Kamine mit Turbinen. Sechs auf dem Dach der Nordfassade installierte Windturbinen erzeugen tagsüber Strom, indem sie den Kamineffekt ausnutzen. Durch die Kamine strömt warme Luft nach oben und treibt die großen

Nordansicht

Windturbinen zum nächtlichen Luftaustausch erzeugen tagsüber Elektrizität

175

Abmessungen H = 4 m, d = 3 m  Anzahl 6 Turbinen  Antrieb Wind, aufsteigende Luft aus Gebäude

2

Rotieren

1

1

C 3

4 2 3

5

6 7 8

9

1 kegelförmige Abdeckung 2 Turbinenblätter 3 Antriebsschaufel 4 Verbindungselement 5 Drehachse d = 140 mm 6 Aussteifungselemente 7 Hauptdrehlager 8 Hilfsdrehlager 9 zylindrische Verkleidung d = 950 mm 10 Fußbefestigung

4 5

6

7

10

8

Explosionsisometrie o.M.

Schnittperspektive o.M.

1 2 3 4 5 6 7 8

Verstärkungsplatte mit Abstandshalter Verbindungselement Aussteifungselemente Hilfsbefestigungsfinnen für Drehlager Drehachse d = 140 mm Verstärkungsringe Verbindungsstück zum Generator Fußbefestigung

Gebäude und Bauteile

176

Lakefront Supportive Housing Chicago, Illinois, USA, 2004 Murphy/Jahn Architects

Lakefront Housing entstand für die Institution Mercy Housing, die seit drei Jahrzehnten Projekte für Familien, Senioren, behinderte, kranke und obdachlose Menschen entwickelt, fördert und finanziert. Zu den besonderen Anforderungen, die hier gestellt und unterstützt werden, gehören auch eine umweltfreundliche Bauweise und neue energetische Konzepte, die gemeinsam mit Transsolar Energietechnik entwickelt wurden. Lakefront Housing umfasst in den vier Obergeschossen 96 Wohneinheiten mit 25 bis 28â•›m² Wohnfläche und jeweils eigener Küche und

Bad. Im Erdgeschoss befinden sich die Gemeinschaftsbereiche. Bezüglich der Nachhaltigkeit wurde ein Fokus auf recycelte und recycelbare Baumaterialien gelegt. Das Energiekonzept beinhaltet unter anderem 48 Warmwasserkollektoren, die Verwendung von Regenwasser und die Wiederverwendung von Grauwasser. Auf dem Dach wurden acht von Aerotecture International Inc. entwickelte, horizontale Windturbinen installiert, die den gesamten Stromverbrauch im Gebäude abdecken. Die Gebäudeausrichtung mit der Längsseite nach Südwest,

Die komplexe Gehäusestruktur der Windturbine mit zahlreichen räumlichen Verstrebungen

der Hauptrichtung des Windes, und der Querseite nach Nordost, der sekundären Windrichtung, bietet eine optimale Ausnutzung der Windenergie durch diese Elemente, die von gleicher Länge und axial angeordnet sind. Die 2â•›m hohen Turbinen haben ein Gehäuse mit einem Durchmesser von 1,50â•›m. Die im Durchmesser 1,40â•›m großen Rotoren erzeugen mit ihrer Fläche von 4â•›m² etwa 1.500 Watt bei einer Windgeschwindigkeit von 65â•›km/h. Jeweils ein 3-phasiger Drehstromgenerator wandelt den Wechselstrom von zwei Turbinen in Gleichstrom um.

177

Abmessungen d = 1,50 m Gehäuse  Anzahl 8 Zwillingsturbinen  Gewicht 39 kg je Rotor  Windangriffsfläche 4 m2 je Turbine

1 2

Rotieren

3

4

5

Die Rotoren sind mit Polycarbonatplatte bespannt

7

Querschnitt M 1:20

Längsschnitt M 1:50

6 1 2 3 4 5 6 7

Rotor mit Polycarbonatplatten bespannt räumliche Querverstrebungen d = 20 mm Befestigung der Rotationsachse an Rahmen Rotationsachse d = 75 mm horizontale Verbindungsstange der Stützen Stützen zur Befestigung Rahmen an Dach räumliche Aussteifung

C

Gebäude und Bauteile

178

Quadracci Pavilion Milwaukee, Wisconsin, USA, 2001 Santiago Calatrava

Als neuen Anziehungspunkt für die Besucher des Milwaukee Art Museum entwarf der spanische Architekt Santiago Calatrava eine Segel-Konstruktion, welche direkt am Lake Michigan installiert wurde. Aus einem von den Treuhändern des Kunstmuseums ausgeschriebenen Wettbewerb, zu dem 77 Beiträge eingereicht wurden, ging Calatrava mit seinem an einen fliegenden Vogel erinnernden Quadracci-Pavillon als Sieger hervor.­ Die 27 m hohe Stahl-Beton-Konstruktion beherbergt die neue Empfangshalle zum Museum. Je nach Nutzungsbedingungen der Ausstellungsfläche werden die insgesamt ca. 115 t schweren „Sonnensegel“ geöffnet und geschlossen. Sobald Windgeschwindigkeiten von über 37 km/h auftreten, wird die Steue-

rung von einem Computersystem übernommen und die Schwingen werden eingefahren. Die 36 Stahlelemente variieren in der Länge zwischen 8 und 32 m und benötigen zum Öffnen 3,5 min. Mit einer Spannweite von 66 m übersteigt diese imposante Segelkonstruktion jene einer Boeing 747. Auf einem oval geformten Betonringanker sind 17 Stahlrahmen – variierend von 8 bis 30 m Länge – parallel zueinander platziert und tragen zwischen sich 236 individuelle Glasscheibenelemente. Das Rahmentragwerk verbindet sich oben mit einer mittelachsig im Winkel von 48,36° stehenden Stahl­ säule. An dieser Hauptachse sind symmetrisch zu beiden Seiten rotierende Stahlröhren angebracht, an welchen die Flügel befestigt sind. Untereinander

sind die benachbarten Stahlschwingen durch einen Abstandshalter verbunden, so dass eine fließende Bewegung entstehen kann. Im Gesamteindruck scheinen sich die stabförmigen Elemente der Flügel jedoch unabhängig voneinander zu öffnen. Sie ­werden mit insgesamt 22 Hydraulikstempeln aus ihren unterschiedlichen Ausgangspositionen in einem Winkel von 90° hochgedrückt. Mit dieser spektakulären Konstruktion wird das Foyer tagsüber natürlich und nachts durch integrierte Lichtquellen unter dem Ringbalken belichtet. Bei Dunkelheit weckt der Pavillon­ Assoziationen an eine überdimensionale Laterne.

179

0:00

1:45

3:30

min:sek

Abmessungen 66 m Spannweite, 8 bis 32 m Länge Stahllamellen  Anzahl 2 Flügel, je 36 Stahllamellen  Gewicht 115 t Flügelkonstruktion  Antrieb 2 x 11 Hydraulikstempel

1 2

4

Klappen

6 7

C

Schnitt M 1:333

1 2 3 4

Stahlpylon d = 635 mm, 13 mm Wandung rotierendes Stahlrohr Hydraulikstempel 4 x Flachstahl, zu Hohlprofilen verschweißt, innen versteift, Querschnitt 330 mm

5 6 7 8

Verbindungsstab Stahl Stahlrahmen der Glasfassade Ringbalken Stahlbeton Stahlscheibe mit Rotierrohr verschweißt

2 8

5

4 3

In Serie geschaltete Hydraulikzylinder

Detail Flügelanschlusspunkte und Hydraulikstempel

1

Gebäude und Bauteile

180

Leaf Chapel Kobuchizawa, J, 2004 Klein Dytham architecture

Am südlichen Fuß der japanischen Alpen in Kobuchi­ zawa in der Präfektur Yamanashi liegt das Risonare Hotel Resort mit Blick auf den Berg Fuji und den Gipfel Yatsugatuke. Das Hotel ahmt ein italienisches Dorf nach. Das Büro Klein Dytham architecture wurde mit dem Bau einer Hochzeitskapelle beauftragt. Der Entwurfsgedanke basiert auf zwei Blättern, welche aufeinander zu Boden gefallen sind. Eines wurde­ als Stahl-Glas-Konstruktion ausgebildet. Sie stemmt sich gegen einen rückseitigen Hügel, welcher unterirdisch Nebenräume und einen Zugang zu der Kapelle­

Die Kapelle öffnet sich während der Hochzeitszeremonie

beherbergt. Das Tragwerk erweckt durch seine Gliederung Assoziationen an Blattadern. Die metaphorische Ausdrucksweise setzt sich in dem zweiten, beweglichen, 15 m breiten Blatt fort. Die doppelwandige Stahlkonstruktion mit innenliegenden, konvex geformten Stahlprofilen ist mit 4.700 Löchern perforiert. Ein jedes beinhaltet eine Acryllinse, so dass sich als Effekt ein Spitzendekor auf dem Boden und auf der Fassade abzeichnet. Die Zeremonie beginnt bei geschlossenem Zustand der Kapelle. In dem Moment, in dem der Bräutigam

den Schleier der Braut hebt, öffnet sich auch die Ka­pelle und gibt den Blick auf den Garten und die Na­tur frei. Nach Verlassen der Kapelle in Richtung Gar­ten schließt sich die Kapelle erneut. Der elf Tonnen schwere „Stahlschleier“ wird über einen Hebelmechanismus von zwei unter dem Scheitelpunkt liegenden Hebevorrichtungen innerhalb von 38 Sekunden geöffnet und binnen 45 Sekunden gesenkt. Zwei Infrarotsensoren und Sicherheitsschal­ ter, welche von vier Personen gedrückt werden müssen, sichern die 45 °-Neigungsänderung.

181

0:00

0:13

0:25

0:38

min:sek

Abmessung d = 15 m  Gewicht 11 t bewegliches Bauteil  Antrieb Hebelarm über 2 Hubzylinder  Bewegungsradius 45°

Klappen

Grundriss M 1:400

C 1

2 3

6

5

7

Kuppel und Antrieb M 1:75

4

1 2 3 4 5 6 7

Stahlblech gelocht, mit Stahlunterkonstruktion Gelenk, Stahl, d = 440 mm Hebelarm, Stahl elektrischer Zylinder Sicherungsriegel Motor 7,5 KW Hubzylinder, Hublänge 1.250 mm, Hubkraft 16 t

Gebäude und Bauteile

182

Pfalzkeller St. Gallen, CH, 1999 Santiago Calatrava

Für die Neugestaltung des Kellergewölbes unter dem ehemaligen Klostergebäude beauftragten die Stadt und der Kanton von Sankt Gallen den Architekten Santiago Calatrava. Zu früheren Zeiten wurde die Pfalz (Palast) als Kloster und später als Regierungssitz des Kantons genutzt. Unter dem ostseitigen Mittelbau befindet sich das mächtige Kellergewölbe des his­torischen Bauwerks. Nachdem der Keller neu geplant und umgebaut wurde, beherbergt dieser nun das Tagungszentrum der Stadt, in welchem bis zu 300 Personen Platz für Veranstaltungen und Events finden. Die Assoziation einer Muschel verleiht dem Souterrain

seinen außergewöhnlichen Charakter und unterstreicht gleichzeitig die Architektursprache Calatravas. Erschlossen wird der Keller von dem öffentlichen Platz vor dem Pfalzgebäude. Die Besonderheit des Eingangs liegt darin, dass dieser – sofern er geschlossen ist – kaum merkbar in der Platzebene integriert ist. Sobald sich der Torbogen des Eingangs öffnet, wird eine in den Boden führende Rampe sichtbar, welche von einem langgespannten Metallgewölbe überdeckt wird. Auf der Platzebene beträgt die Durchgangsbreite 3,10 m und verjüngt sich bis zum Kellereingang auf 2,00 m, wobei die lichte

Höhe im Rampenbereich maximal 3,15 m erreicht. Die metallische Konstruktion besteht aus 24 nebeneinander geschalteten Stahlhohlprofilen, welche jeweils an dem Torbogen gelenkig befestigt sind. Sobald der Torbogen entlang seiner Rotationsachse hochklappt, werden die einzelnen Lamellen ebenfalls mit hinaufgefächert. Fixiert sind die Stahllamellen im Endpunkt auf einer Achse. Jene im Grundgedanken simple Fächerkonstruktion verleiht dem Pfalzkeller seinen spektakulären Charme und führt den Besucher gezielt in die unterirdischen Gemäuer des ursprünglichen Klostergebäudes.

1

2 6

4

Längsschnit M 1:133

183

0:00

0:45

1:30

min:sek

Abmessungen 22 m Lamellenlänge, 3,15 m Torbogenhöhe  Anzahl 24 Lamellen  Antrieb hydraulisch

3

1

2 2

Klappen

Detailanschluss der Lamellen

C

1

Geöffneter Eingangsbereich

5

Querschnitt M 1:40

1 Rechteckhohlprofil, Flachstahl verschweißt 350 x 100 mm 2 Rundbogen, Stahl-Hohlprofil 3 Abstandshalter, Verbindungselement mit Lamellen 4 Eingang 5 Stahlbeton, Wandstärke 300 mm 6 Schiene zur Aufnahme geometrischer Längenänderung

Gewölbebogen aus Stahllamellen

Gebäude und Bauteile

184

BRAUN Hauptverwaltung Kronberg im Taunus, D, 1999 schneider+schumacher architekten

Der Entwurf spiegelt die qualitätvolle Produktgestaltung und den hohen Anspruch an Industriedesign des Bauherren wider. Der langgestreckte kubische Baukörper orientiert sich über drei Geschosse U-förmig um ein zentrales überdachtes Atrium. Dieses unterstützt die offene und transparente Anmutung des Gebäudes, kann für Ausstellungen und Veranstaltung genutzt werden und dient darüber hinaus als thermische Pufferzone zwischen Innen- und Außenraum, welche durch ein Membrandach mit motorisch aufstellbaren Luftpolsterkissen reguliert wird. Mit Ausnahme des Eingangsbereichs besteht die Außen­hülle des Gebäudes aus einer Doppelfassade,

welche auf unterschiedliche Witterungsbedingungen reagieren kann. Die geschosshohen Elemente ähneln in ihrer Funktion Kastenfenstern. Sie verhindern sommerlichen Hitzestau, bieten im Winter hohen Wärmeschutz und auch Schallschutz gegen die stark frequentierte Landstraße. Die äußeren Glasflügel werden zentral gesteuert und über jeweils zwei – an den Eckfensters aufgrund der höheren Windlast drei – Kettenmotoren, die sich im Rahmen befinden, bewegt. Die ESG-Scheibe wird an nur vier Stellen punktuell ­ge­halten, wodurch ein homogenes Fassadenbild entsteht, welches durch das stufenlose Auffiedern und die damit verbundenen wechselnden Blickwin-

kel auf vielfache Weise dynamisch variiert werden kann. Das innere Fenster besteht aus Isolierglas und ist zu Reinigungszwecken öffenbar. Eine opake, raumhohe Lüftungsklappe ermöglicht einen Luftaustausch durch das sonst luftdichte Kastenfenster. Wird die gedämmte Klappe im Winter individuell geöffnet, klappt die zugehörige äußere Glasscheibe auf und schließt sich nach einigen Minuten wieder. Thermostate im Zwischenraum des Kastenfensters veranlassen das Öffnen oder Schließen in diesen Sonder­ fällen. Die Bewegung verläuft, resultierend aus Gründen der Sicherheit und der Geräuschreduktion, mit 9 mm/s relativ langsam.

6

2

7

3 8

1 5

Horizontalschnitt Kastenfenster M 1:10

9

185

0:00

0:20

0:40

min:sek

Abmessungen B x H = 1.450 x 3.440 mm Kastenfensterelement, Öffnungswinkel 13,3°, Öffnungsweite 300 mm  Geschwindigkeit 9 mm/s  Antrieb 2 bis 3 Kettenmotoren pro Element, je 24 V

1 Außenraffstore, individuell und zentral gesteuert 2 Kettenmotor, Tandem, B x H x T = 518 x 29 x 42 mm, Betriebsspannung 24 V, Druckkraft 150 N, Zugkraft 225 N, Zughaltekraft 3.000 N 3 Steuerungsmechanik, im Rahmen geführt 4 Thermostat 5 Ganzglasflügel, ESG 12 mm, punktweise gehalten, B x H = 1.440 x 3.440 mm 6 Reinigungsflügel, VSG, Wärmeschutzverglasung 7 Lüftungsklappe, gedämmt, magnetische Schließung 8 Kettenkopf mit Edelstahlkette, Kettenlänge zwischen Motorgehäuse und Splintloch max. 339 mm 9 Splintloch, Schraubbolzen M10

Klappen

6

7

C

1

geschlossene homogene Glasfassade

4

8 9 3 2

5

Explosionsaxonometrie Kastenfensterelement

Fassade aufgefiedert

Gebäude und Bauteile

186

Kiosk m.poli Madrid, E, 2006 Brut Deluxe

Auf den ersten Blick erscheinen diese Miniaturhäuser eher unspektakulär, bei genauerer Betrachtung entdeckt man jedoch die Raffinesse, die in einem solchen „Monopoly-Häuschen“ steckt. Die Idee des Kiosk m.poli wurde in Anlehnung an das bekannte Gesellschaftsspiel entwickelt. Wie auch beim Spiel verspricht in der Umsetzung des Kiosks nicht ein einzelner von ihnen den erwünschten Erfolg, sondern erst die Ansammlung mehrerer Kioske an einem Ort. Denn durch die Gruppierung einzelner Mini-Häuser spiegeln diese das Bild einer Stadt wieder – einer Mikro-Stadt.

Kioske an verschiedenen Standorten

In Madrid wurden im Dezember 2006 hundert dieser Kioske aufgestellt, welche durch handwerkliche Betriebe genutzt werden. Das Besondere der Konzeption und Konstruktion besteht darin, dass eine hydraulisch betriebene Klappe, die sich um 180 ° öffnen kann, den Innenraum verschließt oder freigibt. Die Stahlklappe mit den Abmessungen 1.965 x 1.750 x 500 mm wird durch vier Hydraulikzylinder bewegt, die durch einen Druckschalter an der Innenwand des Kiosks angesteuert werden. Aus Sicher­ heitsgründen bewegt sich das Element nur, wenn der Schalter kontinuierlich gedrückt wird. Zusätzlich

signalisieren akustische Warnsignale den Öffnungsoder Schließvorgang. Da die Klappe in drei Winkelstufen einstellbar ist, variiert so auch das Erscheinungsbild des Kiosks. Im geschlossenen Zustand erscheint ein homogenes, klares Häuschen mit Giebeldach, im 90 °-Winkel das typische Kioskbudenbild und im 180 °-Winkel wirkt die Klappe wie ein übergroßer Kamin. Darüber hinaus wird die Klappe als Werbefläche genutzt und abends von innen beleuchtet.

187

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0:30

1:00

min:sek

Abmessungen B x H x T = 1,96 x 1,75 x 0,50 m bewegliches Element  Gewicht 380 kg je Klappelement  Antrieb 4 Hydraulikzylinder

Klappen

1 Außenverkleidung aus Corten-Stahl 3 mm 2 Hydraulikzylinder 3 transparente Polycarbonatplatte 6 mm, Vinylfolie weiß, opake Metacrylplatte 2 mm, rückseitig beleuchtet mit Neonröhren 4 Schwenkarm aus lackiertem Stahl 5 Gelenk aus Edelstahl 6 galvanisiertes und lackiertes Stahlblech 1 mm

C 1

3 1 2 5 3

2

6 6

Frontansicht M 1:33

Querschnitt M 1:33

4

2

Gebäude und Bauteile

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Ladeneingang Bamberg, D, 2007 Nickel und Wachter Architekten

Im Zusammenhang mit der Neugestaltung eines denkmalgeschützten und traditionsreichen Ladengeschäftes in Bamberg sollte auch eine Aufwertung der Eingangssituation vorgenommen werden, die sich harmonisch in den Bestand einfügt. Hierfür wurde zunächst ein unmittelbar am Haus anschließender Pfeiler abgebrochen, der den Zugang zum Eingang des Ladens stark beengte. Die neben dem Hauseingang liegende schmiedeeiser­ ne Gittertür zum Hof blieb erhalten, das Gitter des Zugangsbereiches, der unmittelbar an einen Gehweg anschließt, wurde entfernt, nach hinten versetzt und trennt jetzt den Ladeneingang vom Privathof ab. Der Eingang wurde mit einem neuen, für die

Vordach und Treppe werden eingeklappt

Umgebung typischen Sandsteinpodest herausgearbei­ tet und der kleine Platz vor der Eingangstür dadurch besser an den öffentlichen Raum angebunden. Für den eigentlichen Zugang ins Gebäude wurde eine Metallhülse entworfen. Eine bewegliche Konstruktion erlaubt es, sowohl das Vordach als auch die Treppe der Eingangshülse am Morgen auszuklappen bzw. nach Ladenschluss einzufahren. Das schützt zum einen die Ladentür vor Vandalismus und Einbruch, zum anderen entspannt sich in geschlossenem Zustand die beengte Zugangssituation zum Hinterhaus. Die Stufen des Treppenbereiches lassen sich im Sommer mit Holz belegen, im Winter können rutschfeste Gitterroststufen eingesetzt werden.

Die beweglichen Teile der Eingangshülse werden durch eine Handkurbel bedient, die eine kugelgelagerte Stahlwelle antreibt. Die für das Ausklappen benötigte Kraft wird über einen Kettenantrieb übertragen. Bei Drehung der Handkurbel klappen die Vordachkonstruktion sowie der Treppenlauf gleichzeitig aus und werden dabei durch einen GasdruckStoßdämpfer stabilisiert. Der Antriebsmechanismus ist vollständig in den seitlichen Laibungskästen aus Stahlblech integriert. Um die Konstruktion im geöffneten Zustand zu sichern, wird das Dach mittels eines Sicherungsbolzens arretiert.

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Abmessungen B x H x T = 1,25 x 2,50 x 0,30 m  Gewicht 350 kg  Antrieb Kettenantrieb mit Handkurbel

Klappen

4

C

2 3

1

2 6

5

Detail Antrieb M 1:20

1 2 3 4 5 6

Kettenrad auf kugelgelagerter Stahlwelle Spannrolle Antriebskette Dachkonstruktion schwenkbar; Rahmen und Oberseite Stahlblech; Unterseite Holzleisten Treppenlauf schwenkbar, Trittstufen Massivholz Laibungskasten Stahlblech

Gebäude und Bauteile

190

Haus No 19 Utrecht, NL, 2003 Korteknie Stuhlmacher Architecten mit Bik Van der Pol

Die Kunstorganisation „Beyond“ der Stadt Utrecht bietet mit dem mobilen Haus No 19 internationalen Künstlern die Möglichkeit kurzzeitig in Utrecht zu wohnen und zu arbeiten. Unter dem Motto „Artists in residence“ werden der Wandel und das rapide Wachstum im Großraum Utrecht durch das Entwicklungsprojekt Leidsche Rijn mit 30.000 Wohnungen thematisiert. Das Künstleratelier „Haus No 19“ ist eines von vielen Projekten, welche sich seit Beginn der Stadterweiterung mit deren Auswirkungen beschäftigen. Es dient als temporäre Herberge und Arbeitsort für Künstler und wird zeitweise auch als Basis für kulturelle Interventionen und Veranstal-

tungen eingesetzt. Das mit den Künstlern Bik Van der Pol entwickelte 18 x 4 x 3,20 m große Gebäude positioniert sich zwischen der niederländischen Naturlandschaft mit Weiden und Kanälen und der heranwachsenden Stadt. Der langgestreckte Innenraum macht diesen Kontrast mit seinen gerichteten Ausblicken erlebbar. Dieser praktische und preisgünstige Arbeits- und Lebensraum kann in mehrere innere und äußere Bereiche unterteilt werden. Eine Dachterrasse wird über eine Trittleiter erschlossen. Die Box kann auf öffentlichen Straßen durch ihre Konstruktion aus Dickholzplatten und verstärkenden

Stahlrahmen als Ganzes zu anderen Orten transportiert werden. Öffnet man die sechs Fensterläden und drei Klapptore, verändert sich der introvertierte Charakter des Hauses zu einem Präsentationsraum gegenüber der Stadt und ihren Bewohnern. Die aus Holztafeln konstruierten Klappelemente sind jeweils über ein Stahlseil am Kopfpunkt mit einer Handkurbel verbunden. Nach dem rund zwei­ minütigen Herablassen kann das Stahlseil gelöst und vollkommen mit der Handkurbel aufgewickelt werden. Der Mechanismus und die Konstruktion des beweglichen Bauteils aus handelsüblichen Stahl­ elementen sind vollkommen sichtbar.

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1:20

2:00

min:sek

Abmessungen B x H = 4 x 2,90 m Tor  Anzahl 4 Klapptore  Antrieb manuell über jeweils eine Handkurbel  Rotationswinkel 90° (max. 110°)

1

3

4

5

1 2 3 4 5 6 7

feste Umlenkrolle, Stahl, d = 160 mm, zwei bzw. drei je Klapptor lose Umlenkrolle mit Kranhaken, am Kopfpunkt des Tores lösbar verbunden Standfuß am Kopfpunkt unterseitig angebracht, zweifach je Klappe Klapptor, Dreischichtplatten 26 mm mit verstärkendem Stahlrahmen 60 x 120 mm Kurbel mit mechanischer Bremse, handbetrieben Drehgelenk, zwei je Klapptor, Stahl, am Fußpunkt mit den Stahlrahmen verschweißt Stahlrahmen L-Profile, als Verstärkung für den Transport

6 7

Vertikalschnitt M 1:33

5

2

3

Horizontalschnitt M 1:33

7

4

Sichtbare Seilführung im Innenraum

Klappen

2

C

Gebäude und Bauteile

192

BDA Wechselraum Stuttgart, D, 2005 Bottega + Ehrhardt Architekten

Um den Mitgliedern einen neuen zentralen Anlaufpunkt zu bieten, baute die Landesvertretung BadenWürttemberg des Bundes Deutscher Architekten (BDA) einen Teil eines Geschäfts- und Hotelkomplexes im Zeppelin-Carré nahe des Stuttgarter Hauptbahnhofs um. Die Architekten fanden hier das heterogene Bild einer Gaststättennutzung vor; im Erdgeschoss des Gebäudes hatte sich ursprünglich eine Weinstube befunden, welche zuletzt von einer Bank als Archiv genutzt worden war. Der ehemalige GastÂ�raum wurde durch zwei massive Wandscheiben, die zum Lastabtrag der darüberliegenden Geschosse

dienten, stark beengt. Die hohen Auflagen für das unter Denkmalschutz stehende Gebäudes sowie das knappe Budget führten zu einer Lösung mit der Idee eines umlaufenden Bandes: einer Art Tapete, hinter der sich alles verbergen lässt, was die Nutzung für Ausstellungen oder dergleichen stören würde. Durch eine deutlich ausgebildete Kante im Sockel- sowie im Deckenbereich wird die Wirkung des Bandes noch verstärkt. Auch wird es nicht durch Öffnungen oder Einschnitte unterbrochen, denn diese liegen hinter flächenbündig eingesetzten Faltläden und Schiebeelementen verborgen, welche im geöffneten Zustand

Wandscheiben unterteilen den „Wechselraum“, Schiebe- und Drehelemente verändern ihn temporär

den Blick ins Freie sowie den Zutritt zu Nebenräumen erlauben. An den beiden mitten im Raum stehenden Wandscheiben wurden jeweils zwei gleich große dreh- und verschiebbare Holzwände angeordnet, durch die der Raum in verschieden große Abschnitte geteilt werden kann. Neben diesem Ausstellungsraum, dem Wechselraum, liegen hinter einem Schiebeelement die Räumlichkeiten der Geschäftsführung sowie eine Teeküche und Sanitärräume. Diese Räumlichkeiten können im abgetrennten Zustand auch fremdvermieten werden.

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Abmessungen B x H x T = 2,61 x 2,33 x 0,10 m Dreh-/Schiebetür  Anzahl 2 Dreh- und 2 Schiebetüren  Antrieb manuell

abgehängte Decke Laufschiene 60 x 60 mm Rollapparat Stahlwinkel 150 x 88 x 8 mm, L = 45 mm 5 Kugellager 6 Drehtür MDF 261 x 233 x 10 cm 7 Schiebetür MDF 261 x 233 x 10 cm 8 Stahlplatte mit Dorn 30 x 100 x 8 mm, L = 150 mm 9 Türkantriegel 45 x 125 x 3 mm 10 Unterlegscheibe d = 40 mm 11 Bodenführung

Klappen

Öffnungen und Nischen im Band entlang der Raumwände

1 2 3 4

C

2

4

3 5 1 6

7

8

9

9

10 11

Drehtür M 1:5

Schiebetür M 1:5

Gebäude und Bauteile

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EWE Arena Oldenburg, D, 2005 asp Architekten Stuttgart, Arat – Siegel – Schust

Die EWE Arena gehört zum Messe- und Veranstaltungszentrum Weser-Ems-Halle in Oldenburg. Sie stellt als Sonderbaustein in der städtebaulichen Struktur einen schon vom Bahnhof aus weithin sichtbaren Orientierungspunkt da. Nutzungsschwerpunkt ist der Bundesliga-Spielbetrieb der Oldenburger Basketball- und Handballprofimannschaften. Sie wird daneben als Konzerthalle und Messeergänzungsfläche genutzt. Die Erschließung für Besucher führt durch eine runde Halle direkt zum Foyer des

Der Solarscreen fährt entlang auskragender Betonfertigteile

Haupteingangsbereiches. Von dort aus gelangt man über zwei großzügige Treppenaufgänge hinauf in den Zuschauerumlauf, welcher vollflächig verglast ist. Vor der Glasfassade des Zuschauerumlaufes befindet sich ein großes bewegliches Verschattungselement. Ein 36 x 7,60 m messender Screen fährt mit dem Sonnenverlauf um das Gebäude. Er wird am oberen Fassadenring auf einer Edelstahlschiene geführt. Die Segmente werden mit einer Freilaufrolle und einer angetriebenen Laufrolle aufgesetzt. Seit-

lich angeordnete Andruckrollen gewährleisten die Führung. Der obere Fassadenring nimmt die vollständige Last der Anlage auf, während vom unteren Fassadenring die Windlasten abgetragen werden, wobei in diesem Bereich die Anlage durch eine weitere Führungsschiene seitlich gehalten wird. An dem Verschattungselement, welches sich um 200° entlang des Gebäudes verfahren lässt, befinden sich 200 m² Photovoltaikzellen, welche jährlich ca. 27.200 kWh Energie erzeugen.

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2:30

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7:30

10:00

std:min

Abmessungen B x H = 36 x 7,60 m  Anzahl 18 Segmente, 72 Photovoltaikmodule  Gewicht 28 t  Antrieb Elektromotor

1

1 2 3 4 5

Führungsschiene 180 x 100 x 5 mm Pfosten-Riegel-Fassade Führungsschiene 120 x 60 x 5 mm Riemenantrieb Rahmensegment Alu-Hohlprofil 200 x 50 x 4 mm 6 Betonfertigteil 5,50 x 1,10 x 0,14 m 7 Photovoltairmodule

Schieben

2

C

5

Vier Photovoltaikmodule pro Segment

3 7 6

Vertikalschnitt M 1:25

6

3

1

5 4

Horizontalschnitt Antriebsmechanik M 1:25

7

Gebäude und Bauteile

196

Meridian-Häuser des Astrophysikalischen Instituts Potsdam, D, 2004 Joachim Kleine Allekotte Architekten

Der EU-Fond für regionale Entwicklung ermöglichte die Sanierung der Meridian-Häuser des Astrophy­si­ ka­lischen Instituts Potsdam, welche zum Welt­kul­ turerbe­„Preußisch Arkadien“ gehören und ursprünglich von Ober­baurat G. Thür unter Regierungs­baurat W. Eggert entworfen und realsisiert wurden. Die Restaura­tion und Umnutzung der drei Einzeldenkmäler schlie­­ßen die Sanierung des AIP-Campus nahezu ab. Diese Sonderbauten mit ihren charakteristischen, 4,50 m hohen Halbtonnen aus dem Jahre 1913 wurden als Gebäude für die drei Meridiankreise errichtet. Ihre Form folgt dabei vollständig ihrer Funktion. Die beiden mit einem neu errichteten Eingangsgebäude

Historische Antriebsmechanik, saniert

verbundenen Meridian-Häuser dienen heute als Medien- und Kommunikationszentrum des Instituts. Das dritte, nordöstlich gelegene Gebäude steht frei und dient musealen Zwecken. Angesichts des Erscheinungsbildes der Häuser vor der Sanierung überrascht die Tatsache, dass nur ein Sechstel der Stahl- und 30 % der Holzkonstruk­tion ersetzt werden mussten. Im Zuge ihrer Umnutzung wurden die ursprünglich als Kalträume konzipierten Gebäude wärmegedämmt und die ehemals offenen Beobachtungsschlitze der zwei verbundenen Häuser voll verglast. Bei den Konstruk­tions­ele­menten der insgesamt sechs beweglichen, halbrunden Dachschieber mussten nur die Ober­flächen restauriert

werden. Jeweils zwei verschließen einen Beobachtungsschlitz. Sie dienen heute als Sonnenschutz. Das Öffnen der Dachschieber erfolgt ausschließlich per Hand. Mittels eines Hanfseils wird ein innen an der Längsseite des Raumes durchgängig angebrachtes Stangengetriebe in Bewegung gesetzt, welches außenseitig eine Zahnstange antreibt, die mit der beweglichen Hälfte des Dachschiebers fest verbunden ist. Die Dachschieber können auf diese Weise unabhängig voneinander mit geringem Kraftaufwand über die Schienen bewegt werden. Ein Pedal neben dem Antriebsseil dient dem Lösen der Bremse. Die Öffnungs- bzw. Schließdauer beläuft sich je nach Krafteinsatz auf zwei bis drei Minuten.

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2:30

3:45

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min:sek

Abmessungen B = 2,25 m, Radius Halbtonne 4,50 m  Anzahl jeweils 2 Spaltschieber pro Gebäude, insgesamt 6  Antrieb manuell

1

9

8

10

11

7 5

3 6 4

13

Detailschnitt Antrieb M 1:50

Schieben

12

1 Lärchenholzverschalung 2 Verglasung Beobachtungsschlitze 3 Eisenbahnrad d = 640 mm 4 Antriebsritzel d = 160 mm 5 Zahnstange 6 Vignolschiene gewalzt 7 Kettengetriebe formschlüssig 8 Bandbremse mit Gegengewicht 9 Umlenkrolle d = 675 mm 10 Antriebswelle 11 Hanfseil 12 Umlenkrolle d = 280 mm 13 Pedal der Bandbremse

C

2

1

3

4 5 6

Ansicht Antrieb M 1:50

Handmechanischer Antrieb über ein Hanfseil

Gebäude und Bauteile

198

Sliding House Suffolk, East Anglia, GB, 2009 dRMM Architects

Das Sliding House in einem Dorf östlich von Cam­ bridge liegt auf einer kleinen Anhöhe inmitten offenerÂ� Landschaft. Der Baukörper mit einer Ge­ samtlänge von 28â•›m setzt sich aus drei Gebäude­ teilen zusammen – dem Haupthaus (16â•›m), einer Garage (5â•›m) und einem Gästehaus (7â•›m). Das Gebäude ist im südwestlichen Bereich als Alu­ minium-Glas-Konstruktion ausgeführt, im übrigen Teil in Holzrahmenbauweise erstellt und mit einer Lärchenholzschalung versehen. Die Besonderheit des Hauses besteht in einer zweiten, verschiebba­ ren Hülle, die das gesamte Ensemble umhüllt. Je nach Position dieser beweglichen Wand-DachKonstruktion schützt oder öffnet sich das Haus ge­ genüber dem Außenraum. Mit einer Gesamtlänge

von ebenfalls 16â•›m kann die bewegliche Hülle das gesamte Satteldachhaus bis auf die Giebelseiten überdecken. In einer Vielzahl von weiteren Parkposi­ tionen entstehen immer wieder neue Raumsituatio­ nen. So kann der Innenhof vor den Garagen zu ei­ nemÂ�zusätzlichen überdeckten Stellplatz werden. Im Sommer wirkt das gleitende Dach als Verschattung. Im Winter kehrt sich seine Funktion um, inÂ�demÂ� es tagsüber den solaren Eintrag der Glasfläche ermög­ licht und über Nacht das Abkühlen vermindert. Die 20â•›t schwere fahrbare Konstruktion der zweiten Hülle besteht aus Stahlrahmen mit einer gedämm­ ten und feuchtegeschützten Holzausfachung. Wie die Hauptbaukörper ist sie ebenso mit einer Lär­ chenholzschalung bekleidet. Dem Haupthaus wie

auch der zweiten Hülle liegt ein gemeinsames Kon­ struktionsraster von 1â•›xâ•›1â•›m zugrunde, so dass alle Fassadenelemente wie Türen, Fenster und Dachfens­ ter mit den Öffnungen der beweglichen Hülle trotz unterschiedlicher Parkpositionen übereinanderlie­ gen können. Die zweite Dachhülle gleitet auf 33â•›m langen Schie­ nen und 14 Stahlrollen, angetrieben von vier 24â•›VMotoren. Die Energie wird über Netzstrom sowie jeweils zwei 12 V-Batterien zur Verfügung gestellt, welche zukünftig über eine Photovoltaikanlage wie­ der aufgeladen werden. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 0,322â•›km/h (0,2â•›mph). Für die ganze Strecke benötigt das Dach 6 Minuten Fahrzeit.

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3:00

6:00

min:sek

Schieben

Abmessungen L x B x H = 16,0 x 5,80 x 7,20 mm  Gewicht 20 t  Antrieb 4 Elektromotoren 24 V

1

C

2

1 2 3 4

Fahrbares Dachelement Pfosten-Riegel-Fassade 50 x 100 mm Aluminumprofile zwei 12 V Batterien Stahlrad d = 380 mm mit Kettenantrieb 5 Schiene 6 Lärchenholzverschalung 140 x 18 mm

3 4 6 5

Schnitt durch Glasfassade und bewegliche Hülle M 1:25

Gebäude und Bauteile

200

Wochenendhaus Keremma, Tréflez, F, 2005 Lacaton & Vassal Architectes

Das küstennahe Wochenendhaus in der Bretagne besteht aus drei Baukörpern mit gleicher Kubatur und jeweils rund 100 m² Größe. Wird das Haus bewohnt, werden bis zu 7,10 m lange Fassadentore so verschoben, dass sich ein dreiseitiger Hof schließt. Dieser ist zur nördlich gelegenen Küste hin windgeschützt und öffnet sich Richtung Süden zu einem großflächigen Sandplatz hin, welcher sich bis in den verglasten Gebäudeteil erstreckt. Durch die Dreiteilung und die beweglichen Fassadenelemente kann das Haus auf verschiedene Bewohnerstrukturen reagieren. So muss im Winter nur die tatsächlich genutzte Fläche beheizt werden, es gibt aber auch Raum für bis zu 20 Personen. Die offene Struktur bietet jedem einzelnen Gebäudeteil einen starken

Ansicht mittlerer Gebäudeteil M 1:133

Bezug zur umgebenden Landschaft. Die Stellung der Schiebetore beeinflusst das jeweilige Verhältnis von innen nach außen. Diese werden separat per Hand aufgeschoben und verbinden entweder zwei Gebäudeteile oder positionieren sich vor geschlossenen Teilen der Fassade. An der Oberkante der verschiebbaren Elemente sind mehrere Rollapparate befestigt, welche sich über die gesamte Fahrstrecke in einer Torlaufschiene bewegen. Die Unterkante wird durch ein U-Profil ausgebildet, welches punktuell über Tonnenlager geführt wird. Diese sind mit Winkelprofilen aus Stahl an den Fundamenten befestigt. Zwischen den Gebäudeteilen ist die Torlaufschiene an einer Rahmenkonstruktion aus einem Stahlhohlprofil und Stützen

aus HEA 160-Profilen befestigt. Bei geschlossener Fassade erscheint diese Konstruktion als stählerne Pergola. Aus Gewichtsgründen bestehen die Fassadentore aus Aluminium. Dieser Umstand erleichtert die Bedienung und erhöht ihre Sicherheit, da keine gesonderten Sicherheitssysteme integriert sind. Diese Eigenschaften sind nicht unerheblich, da der Komplex der älteren Bauherren auch von deren Kindern und Enkeln genutzt wird. Das Gebäude ist in Stahlskelettbauweise ausgeführt und die tragenden HEB-Profile sind im Innenraum sichtbar. Die außerhalb des Tragwerks liegenden Fassaden sind ebenso wie die opaken Dächer mit gewelltem Eternit verkleidet.

201

Abmessungen L x H = 3 – 7,10 m x 2,12 m je Element  Anzahl 14 verschiebliche Fassadenelemente  Antrieb manuell

Schieben

1

C

2 3

Stahlkonstruktionen als tragende Struktur

4

5

1 Eterniteindeckung gewellt 2 Stahlhohlprofil 100 x 100 mm 3 Torlaufschiene mit Rollapparat d = 35 mm 4 Stützen Haupttragwerk 5 Schiebetor Aluminium 6,55 x 2,12 m 6 Führung unten U-Profil 50 x 50 x 3 mm 7 Tonnenlager punktuell d = 40 mm

6

7

Fassadenschnitt Wohnhaus M 1:25

Verschiebbare Fassadentore regulieren die Privatsphäre

Gebäude und Bauteile

202

Metrostation Saint-Lazare Paris, F, 2003 Arte Charpentier Architectes

Vor einem der großen Pariser Kopfbahnhöfe setzte die RATP, das Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs, ihre Investitionen für die Stadt in Szene. Eine neue vollautomatische und drei weitere U-Bahn­ linien kreuzen sich hier. Sie bekamen 2003 einen Haupteingang auf Straßenniveau. Die linsenartige Form des Eingangsbaukörpers ­entwickelt sich aus der Kombination eines Torus und einer Kugel. Unter der Glas-Edelstahl-Konstruktion führen ein Fahrstuhl, zwei Rolltreppen und Treppen in die 20 m tiefer gelegene, hochmoderne Station. 108 verschiedene, doppelt gebogene Glasscheiben liegen auf neun Quer- und elf Längsbögen, welche

auf einen umführenden ellipsenförmigen Bogen geschweißt sind. Die schlanken dreieckigen Profile sind in einer Ebene gefügt und erhöhen den Lichteinfall in das Innere. Nachts schließen zwei verschiebbare, ebenfalls gewölbte Edelstahltore die Form und den 7,10 m weiten Eingang ab. Durch unterschiedliche Radien der oberen und unteren Führungsschienen können die 3,50 m hohen und 5,50 m breiten Elemente vertikal leicht geklappt und so an die Geometrie der doppelt gebogenen Fassade angepasst werden. Die Tragstruktur der Tore bilden planar gebogene Rohre mit einem Durchmesser von 140 mm. Sie ist mit 5 mm breiten und 40 mm tiefen Rippen gefüllt, auf denen

horizontale Edelstahllamellen befestigt sind. Die rund 12° Neigungsänderung werden über ein Tonnenlager am Kopfpunkt jedes Elementes geleitet. Ein weiterer Laufwagen und ein motorisierter Antriebswagen sind am Fußpunkt fest mit dem Rahmen verbunden. Sie sind auf kunststoffummantelten Stahlrädern kugelgelagert und dienen dem vertikalen Lastabtrag sowie der Bewegung auf der Laufschiene. Tonnenlager ermöglichen auch hier die Rotation. Die Tore bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von 4 m/min. Eine Totmannsteuerung und Sicherheitskon­takt­ leisten an den Enden der Tore stoppen die Fahrt bei Hindernissen innerhalb von 10 mm.

12

10 4 9

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Horizontalschnitt M 1:125

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min:sek

Abmessung B x H = 5,50 x 3,50 m Torflügel  Gewicht 1.600 kg pro Schiebetor  Antrieb Getriebemotor je 0,25 kW  Rotationsradius horizontal 29°

2

Schieben

1 Torbogen mit Entwässerungsschlitzen, lichte Breite 7,10 m 2 VS-Glas zweifach gewölbt 3 Kontaktrolle tonnengelagert 4 Führungsschiene oben 5 Edelstahllamellen matt 40 x 5 mm 6 Sicherheitskontaktleiste Flexkontakt 7 Laufwagen mit Getriebemotor 0,25 kW 8 Vertikalrippen Edelstahl matt 9 Rahmen, planar gebogene Rundprofile, d = 140 mm 10 Laufwagen Raddurchmesser 200 mm 11 ellipsenförmiger Edelstahlkasten, umlaufend 12 Radlaufschiene unten 13 Kabelzufuhr der Sicherheitskontaktleisten

1

C

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5

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Vertikalschnitt M 1:33

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Gebäude und Bauteile

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Spielbudenplatz Hamburg, St. Pauli, D, 2006 ARGE Spielbude Fahrbetrieb Hamburg, Lützow 7 Garten- und Landschaftsarchitekten und Spengler Wiescholek Architekten und Stadtplaner

Der Spielbudenplatz ist ein alter historischer Markt spannungsvollen Beziehungen. Zusammengefahren im Herzen St. Paulis. Schon seit den 1960er Jahren ergibt sich ein geschlossener Bühnenraum. Auseinwurde über die Umgestaltung des zwischenzeitlich andergefahren öffnet sich je nach Distanz der Bühals Parkplatz genutzten Platzes nachgedacht. Das nen ein Platz unterschiedlicher Dimensionen. Ziel des im Jahre 2004 ausgelobten Wettbewerbs Jede Bühne hat eine Abmessung 16 x 16 m und ist war es den Platz zu einer multifunktionalen Veran- 10 m hoch. Das Tragwerk besteht aus geschlossen­ en  feuerverzinkten Stahlrechteckhohlprofilen. Das staltungsfläche umzugestalten. Durch den Entwurf wird der Platz durch zwei einander­ Dach der Bühne kragt 12 m aus und wirkt durch den gegenüberliegende, bewegliche Bühnen eingefasst. nur 1 m hohen Aufbau des Dachtragwerks sehr Die U-förmig zueinander ausgerichteten Bühnenbau­ ­filigran. Die Fassaden der Bühnen sind dreifach körper lassen sich auf Schienen entlang des 300 m ­verkleidet. Hinter einem Metallgewebe, welches unlangen Platzes aufeinander zubewegen. Dadurch ter anderem als Vandalismusschutz dient, befindet ent­stehen immer wieder neue Raumsitua­tionen mit sich Milchglas, das durch LED-Module illuminiert

1 2 3 4 5 6 7 8 9

1 2

4 3

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Längsschnitt M 1:150

wird. Die Licht-Module lassen sich mit Animationen bespielen; abends leuchten die Bühnen golden von innen und geben ihr Tragwerk zu erkennen. Um die Bühnen entlang des Platzes verfahren zu können, werden sie mittels vier Gleisfahrwerken auf zwei 210 m langen Schienen gelagert. Die Fahrwerke werden von vier Elektromotoren angetrieben. Bevor sich die Bühnen in Bewegung setzen, werden sie hydraulisch um ca. 15 – 20 cm angehoben. Dadurch wird das Fahrwerk im ruhenden Zustand entlastet und zugleich werden die Bühnen vor Beschädigungen während des Fahrens geschützt.

Edelstahlgewebe LED-Elemente Hohlprofile 150 x 150 x 5 mm Zwischenboden Technikzentrale Schienen Antrieb Elektromotor Fahrwerk Übersetzung

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Abmessungen L x B x H = 16 x 16 x 10 m  Gewicht 55 t pro Bühne  Antrieb je 4 Elektromotoren  Fahrstrecke 210 m

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Schieben

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Detail Fahrwerk M 1:33

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Detail Antrieb M 1:33

Gebäude und Bauteile

206

Living Room Gelnhausen, D, 2005 Seifert.Stoeckmann@formalhaut

Das Bestandsgebäude aus dem 17. Jahrhundert bildete den unansehnlichen Teil der Altstadt, welche mit dem ältesten Fachwerkhaus Hessens unter Ensembleschutz steht. Entsprechend der Auflagen des Denkmalschutzes wurde es durch ein Gebäude in gleicher Größe und Geometrie ersetzt. Bei der Planung waren Künstler verschiedenster Gattungen beteiligt. Die Architektur als System vereint die unterschiedlichen Positionen der Künstler in Lyrik, Malerei, Skulptur, Fotografie und auditiver Kunst alleine in ihrer Verbindung zum Haus und zum Ort. Das gut einsehbare Erdgeschoss läuft mit seiner Steinlandschaft samt 4 x 6 x 1,30 m großem Sand-

steinmonlith den Erwartungen zu Außen- und Innenraum entgegen. Der Innenraum erstreckt sich vom Boden bis zum Giebel und schafft die nötige Großzügigkeit in dem kleinen Gebäude. Das erste Obergeschoss schiebt sich als Box in diesen Raum zwischen die Giebel. Oberhalb dieser Ebene befindet sich der Dachraum mit Feuerstelle. Eine doppelte Giebelwand beherbergt die klein dimensionierten dienenden Räume. Bei zusätzlichem Platzbedarf lässt sich das Schlafzimmer aus der Box rund zwei Meter herausfahren. Ein Schlüsselschalter bedient zwei 360 V Elektromotoren, welcher die 24 m² große „Schublade“ über

eine Achse auf zwei Zahnstangen in Bewegung setzt. Endabschaltungsprofile sichern die dreiminütige Fahrt der „Schublade“. Sie ist auf sechs Rollenböcken gelagert, welche in C-Profilen geführt und seitlich im hinteren Bereich des Elements angeordnet sind. Eine leichte Konstruktion aus Stahlrahmen und einer Beplankung aus OSB-Platten verringert die erforderliche Hebelkraft.

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min:sek

Abmessungen L x B x H = 8 x 3 x 2,20 m, max. Ausfahrlänge der Schublade 2,64 m  Gewicht 1 t  Antrieb Getriebemotor 0,12 kW  Geschwindigkeit 0,9 m/min

Übertriebswelle 20 x 2.850 mm Getriebemotor 0,12 kW 7,5 U/min Aufdopplung 48 mm Stirnrad M 2,5 25 Zähne Winkel-Kombirolle d = 77 mm Laufschiene Standard 2-Nb Formrohr 180 x 100 x 10 mm Zahnstange M 2,5 je 3 m Länge Hauptträger HEB 180

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Vertikalschnitt Schublade und Box M 1:10

Vertikalschnitt M 1:125

Innenraum wird zum Außenraum

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Gebäude und Bauteile

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Servicezentrum Theresienwiese München, D, 2004 Staab Architekten

Das Servicezentrum auf der Theresienwiese beinhaltet Polizei, Feuerwehr, Bayrisches Rotes Kreuz, Festleitung und andere Serviceeinrichtungen für das Münchener Oktoberfest. Bis 2003 waren diese jahrzehntelang in einem Containerdorf am Rand des Wiesn-Geländes untergebracht, weil das Feld der Wiesn über Jahrhunderte von jeglicher Bebauung freigehalten worden war. Deshalb sollte der Baukörper, vor allem in den Monaten dazwischen, in seiner Erscheinung möglichst vollständig zurücktreten. Die Fassaden spielen dabei eine wesentliche Rolle. Sie

sind mit Kupfer verkleidet und werden im Lauf der „Festleitung“, „Erste Hilfe“ und „Polizei“. Die drei Zeit die kupfertypische grüne Patina ausbilden, so Hubtore werden über jeweils zwei synchron gesteudass der Bau sich immer weniger von seiner Umge- erte Elektromotoren mit Seilwinde angetrieben. Die bung abhebt. Motoren sind in eine Bodenaussparung im FußboZu Beginn des Oktoberfestes, bei Inbetriebnahme denbereich der Hubtore integriert. Die Tore werden des Gebäudes, ändert sich das äußere Erscheinungs- über seitliche Rollen entlang eines Stahlwinkels gebild des ansonsten geschlossen und monolithisch führt. Mittels einer Totmannschaltung werden die wirkenden Baukörpers. Drei große Tore öffnen sich Tore über einen Schlüsselschalter mit direktem Blick vertikal nach oben und markieren so weithin sicht- auf das Tor angesteuert. Dadurch kann auf eine bar die öffentlichen Eingänge. In die Hubtore inte- Schaltleiste oder Lichtschranke verzichtet werden. griert sind Schriftzüge der verschiedenen Eingänge

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Abmessungen B x H = 4,96 x 3,97 m, Hubhöhe 2,92 m  Anzahl 3  Gewicht 1.063 kg pro Element  Antrieb je 2 Elektromotoren mit Seilzügen

1 Seilumlenkrolle d = 155 mm 2 Position Einhängelasche in Offenstellung 3 Paneel mit hinterleuchtetem Schriftzug 4 UK Torrahmen in Offenstellung 5 Position Führungsrolle in Offenstellung 6 Stahl-Kastenprofil 140 x 80 x 6,3 mm 7 Rahmentüranlage, zwei Doppelflügel 8 Einhängelasche für Zugseil 9 Paneel Kupferblech 10 Führungsrolle 11 Entwässerung 12 Elektromotor mit Seilwinde 13 Stahl-Kastenprofil 200 x 100 x 8 mm zur Aufnahme der seitlichen Führung

Schieben

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C

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Grundriss Antrieb M 1:20

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Fassadenschnitt M 1:20

Gebäude und Bauteile

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Haus am Milsertor Hall, A, 2008 Arch.Orgler

Das Dienstleistungszentrum am Milsertor im Tiroler Hall befindet sich auf einem Eckgrundstück in der Nähe der denkmalgeschützten Altstadt. In dem Gebäude befinden sich die Raiffeisen Regionalbank Hall sowie Arztpraxen. Die Gebäudeecken sind mit Faltläden zur Verschattung versehen. Die Faltläden nehmen die bandartige Fassadengestaltung aus Betonfertigteilen des mittleren Baukörpers auf. Die Faltelemente bestehen aus 6 mm starkem weißen Plexiglas, das im geschlossenen Zustand der Faltläden für ein diffuses Licht sorgt. Es

wurden insgesamt 1.504 Elemente verbaut. Jedes Element besteht aus zwei Platten, welche mit einem Scharnier über gummigelagerte Punkthalter miteinander verbunden sind. Insgesamt lassen sich 18 Flächen am Gebäude mit je ca. 25 Elementen geschossweise individuell steuern. Angetrieben wird die Konstruktion über ein speziell entwickeltes Schubsystem. Innerhalb der Führungsschienen befindet sich eine von einem Zahnriemen angetriebene Schubstange in Form eines Laufwagens. An diesem Laufwagen sind die beweglichen

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6 2

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Horizontalschnitt M 1:20

3

1

Profilpfosten befestigt. Die starren Profilpfosten sind auf der Führungsschiene befestigt. Der Motor befindet sich am Ende der unteren Führungsschiene vor der abschließenden Wandscheibe des mittleren Baukörpers. Über ein Kegelradgetriebe wird eine Synchronwelle angetrieben, die die obere sowie die untere Führungsschiene miteinander verbindet. Dies ist erforderlich um eine gleichförmige Bewegung zu ermöglichen, so dass sich die beweglichen Profilpfosten nicht querstellen und verdrehen können.

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Abmessungen B x H = 53,50 x 53,50 m je Acrylglasplatte  Anzahl 1.504 Elemente  Antrieb 18 Elektromotoren geschossweise gekoppelt

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Falten

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C

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Fassadenschnitt M 1:20

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Verschattungselement Acrylglas Laufwagen Laufschiene Antriebsmotor Zahnstangenantrieb Stahlschwert Synchronwelle

Gebäude und Bauteile

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Horizon House Atami, J, 2005 Shinichi Ogawa & Associates

Auf einem knapp 700 m² großen Grundstück entstand ein 2-geschossiges Wohnhaus mit einer Wohnfläche von 314 m². Der Entwurf nutzt die außergewöhnliche Lage an einem Hang direkt am Meer mit unverbaubarem Blick, indem die Wände der 3 m hohen Räume ebenso wie die Geländer des Balkons vollständig verglast wurden. Die Geländer sind in der auskragenden Decke mit Winkeln befestigt und in den sichtbaren Bereichen miteinander verklebt. Jeweils zwei der sechs raumhohen, 3 m breiten Glasfenster im Wohnbereich lassen sich vor die Festver-

glasung an den Seiten schieben. So wird der Außenraum unmittelbar mit dem Innenraum verknüpft. Als Sonnenschutz werden 3,40 m hohe Faltläden verwendet, die außen vor der Glasebene sitzen und in geöffnetem Zustand die abgehängte Decke sichtbar werden lassen. Jeweils vier der 73 cm breiten und 8 cm dicken Sonnenschutzelemente verschatten eine Glasscheibe. Durch die Anordnung der gelenkigen Verbindung bilden die Elemente in ausgefahrenem Zustand eine plane Ebene und sind zusammengefaltet auf ein Minimum an Fläche reduziert. Die

insgesamt 48 Faltläden können vollständig auf die beiden Seiten geschoben werden und falten sich dann jeweils paarweise nach außen, um den freien Ausblick nochmals zu vergrößern. Die Elemente fahren auf der Unterseite mit Rollen auf einer Dreiecksschiene in einem versenkten Bodenkanal und sind oben in einer Laufschiene zur seitlichen Stabi­li­ sierung geführt. Sie sind mit geschlossenen, lich­t­ undurchlässigen Metallplatten verkleidet.

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Horizontalschnitt M 1:20

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Abmessungen B x H x T = 0,73 x 3,40 x 0,08 m je Laden  Anzahl 48 Läden, jeweils 4 pro Fassadenachse  Antrieb manuell

Falten

Schwellenloser Übergang zwischen Wohnraum und Terrasse

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1 Geländer, vollflächig verglast, Ränder verklebt 2 Befestigung des Geländers an StB-Decke mit L-Profil 3 Kragträger H = 80 mm 4 Vordach, vollflächig verglast, Ränder verklebt 5 obere Führung der Sonnenschutzelemente 6 Fensterladen 730 x 3.400 mm, d = 80 mm 7 Laufrollen der Sonnenschutzelemente 8 obere Führung der Glasschiebeelemente 9 Glasschiebeelemente Isolierverglasung (18/16/18) 10 Festverglasung (18/16/18) 11 Laufschiene der Glasschiebeelemente 11 gelenkige Verbindung der Sonnenschutzelemente

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Vertikalschnitt M 1:20

Gebäude und Bauteile

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Rathaus St. Ingbert St. Ingbert, D, 2009 schneider+schumacher architekten

Aus dem Ideenwettbewerb zur Erneuerung der Rathausfassade sind schneider+schumacher durch ein ganzheitliches Gebäudekonzept in Verbindung mit einer intelligenten Fassadengestaltung erfolgreich hervorgegangen. Der offene Innenhof wurde überdacht und zu den Seiten durch großformatige Fenster zu einem Atrium geschlossen, so dass er als Pufferzone und für die Nachtauskühlung dienen und das Erdgeschoss komplett wettergeschützt genutzt werden kann. Die ge­ samte Außenwandverkleidung des Bestandsgebäudes war marode und musste demontiert werden. Der Einbau von zeitgemäßen Fenstern und 120 mm Wärme­dämmung sichern den winterlichen Wärmeschutz. Das Augenmerk liegt auf dem sommerlichen Fall der Überhitzung, der eine moderne Interpretation von

Klappläden entgegenwirkt. Dieser außenliegende Sonnenschutz ist einbruchsicher, luftdurchlässig und wirkt als massiver Witterungsschutz, selbst bei Sturm. Die Klappläden bestehen aus elektropoliertem, bombierten Edelstahlstreckmetall. Sie wurden auf Rohrrahmen aus Alustrangpressprofilen montiert und ergeben in der Gesamtheit eine Großgrafik über die gesamte Fassade. Eichenlaub als Ornament symbolisiert die Entstehungsgeschichte der Stadt und verleiht dem Rathaus eine angemessene Bedeutungsebene. Aufgrund der geographischen Lage innerhalb der sonnigsten Regionen Deutschlands und der Orientierung des Gebäudes ist ein Sonnenschutz auf allen vier Seiten sinnvoll. Eine übergeordnete Steuerung gleicht ihn kontinuierlich optimal den Bedingungen an und schützt so vor erhöhtem Wärmeeintrag. Eine

Verschattungselemente aus elektropoliertem, bombierten Edelstahlstreckmetall

Übersteuerung durch den Nutzer ist individuell möglich. Das Klappladenelement besteht aus zwei miteinander­ gelenkig verbundenen Läden und besitzt ein festes und zwei bewegliche Lager. Ein Schubstangenmotor treibt die Dreh-Falt-Mechanik über einen Hebel am Kopfpunkt des Ladens an, welcher an der vertikalen Drehachse fest gelagert ist. Aufgrund des geringen Hebels bleibt die Antriebsmechanik weitgehend verborgen. Der andere Laden ist mit dem ersten mit zwei Rollapparaten verbunden, die in einer unteren und einer oberen Führungsschiene laufen. Stahlschwerter sind mit einem Achsmaß von 2,64 m an der Betonkonstruktion befestigt und tragen die Klappladenkonstruktion und den Wartungssteg.

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1 Trägerkonsole Flachstahl 120 x 8 mm 2 Edelstahlband, 4 bis 5-fach je Element 3 Rohrrahmen, Alustrangpressprofil 4 Edelstahlstreckmetall, elektropoliert, bombiert 5 Abhängung Flachstahl 60 x 15 mm 6 Endanschlag Klappläden 7 Gleitschiene und Zapfen mit Gleitstein 8 Antriebshebel, Stellung geöffnet 9 Rollapparat, Stellung geöffnet 10 U-Profil Stahl 100 x 58 x 6 mm mit unterer Führung des darüberliegenden Elementes 11 untere Führungsschiene HELM 300 12 unverschiebliche Drehachse Antriebshebel 13 vertikale Drehachse, Edelstahlwinkel mit Lagerzapfen und -buchse 14 Schubstangenmotor elektrisch 15 unverschiebliche Drehachse Schubstangenmotor 16 Stopper Rollapparat oben

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Detail Grundriss Faltladen M 1:7

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Falten

Abmessungen B x H = 132 x 350/422 cm je Faltladen   Anzahl 444 Elemente mit je 2 Faltläden  Antrieb elektrischer Schubstangenmotor

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Gebäude und Bauteile

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Showroom Kiefer Technik Bad Gleichenberg, A, 2007 Ernst Giselbrecht + Partner

Der Showroom der Firma Kiefer Technik prägt das Gesicht des Firmenkomplexes. Das Gebäude am Ortseingang von Bad Gleichenberg passt sich in den Bestand ein, indem es das Fassadenmaterial der Aluminiumkassetten des angrenzenden Bürogebäudes aufnimmt. Aus diesen Elementen wurde eine wandel­ bare Fassade entwickelt. An der 28,75 m langen Süd­ westfassade des Gebäudes wurden 112 Aluminiumkassetten als horizontale Faltläden an einem 7,75 m hohen weißen Stützenskelett aus Aluminium vor der Glasfassade montiert. Das Stützenskelett, an dem

sich die Führungsschienen der 56 Faltläden befinden,­ wird durch Edelstahlschwerter mit dem Baukörper verbunden. Innerhalb der Führungsschienen sind Rollapparate und Elektrogetriebemotoren angebracht, durch die die Elemente auf- und abgefahren und zusammengeklappt werden können. Zum Öffnen werden die Faltläden im Sturzbereich nach oben und im Brüstungsbereich nach unten gefaltet und wandeln sich zu auskragenden Sonnenschutzdächern. Im geschlossenen Zustand dringt das Licht durch die perforierten Aluminiumkassetten wie durch einen

zarten Stoff in den Schauraum. Um einen harmonischen Bewegungsablauf zu erzielen, läuft der Motor langsam an und bremst sanft ab. Jedes der Elemente lässt sich individuell per BUS/SPS-System ansteuern und kann beliebig ein- oder ausgefahren werden. Neben der Sonnenschutzfunktion besteht die Möglichkeit einer choreographisch inszenierten Stellung, die ein immer anderes Erscheinungsbild der Fassade erzeugt.

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Führungsschiene 64 x 40 mm Aluminiumkassetten gefalzt 2 x 1 m Laufwagen Gitterrost Umlenkrolle unten d = 42,80 mm Umlenkrolle oben d = 42,80 mm Stahlschwert l = 53 cm

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Detail M 1:7

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Falten

Abmessungen B x H = 2 x 2 m Faltelement  Anzahl 56 Faltläden, je 2 pro Fassadenelement  Gewicht 50 kg/m 2  Antrieb Elektromotor

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Fassadenschnitt Obergeschoss M 1:33

Gebäude und Bauteile

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Restaurant Fabio’s Wien, A, 2002 BEHF Architekten

Holz, Leder und Glas bestimmen das Ambiente dieses 140 Sitzplätze bietenden Restaurants. Als durchgehende Flächen bilden Boden und Decke den horizontalen Rahmen für die unterschiedlichen Raumzonen. Den markanten architektonischen Akzent setzt ein Glasvorbau, der die im Inneren vorhandene Fläche erweitert und einen Rücksprung in der bestehenden Fassade ergänzt. Bei hochgezogenen Glasfronten des sogenannten Glaskobels neh-

Die geöffneten Elemente dienen als Vordach.

men die Passanten als Publikum an der Inszenierung der Gäste, Speisen und Getränke teil. Die Glasfassade des Restaurants ist über die gesamte Länge vertikal faltbar. Jedes der acht Elemente wird über einen eigenen Elektromotor angetrieben, der in die abgehängte Decke integriert ist. Dies ermöglicht die individuelle Ansteuerung jedes einzelnen Elementes. Die Fassadenelemente fungieren in geöffnetem Zustand als Vordach, in geschlossenem

Zustand bilden sie den wärmegedämmten Abschluss der Gebäudehülle. Zum Öffnen wird die Unterkante des Fassadenelements über einen in den Fassadenpfosten versteckt geführten Seilzug nach oben gezogen. Beim Schließen zieht das Eigengewicht das Element wieder nach unten, der Motor dient hierbei als Bremse.

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Abmessungen 2 x 190 x 190 cm Kantenlänge  Anzahl 8  Antrieb Elektromotor mit Seilzug

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Elektromotor abgehängte Decke Umlenkrolle Fassadenelement Gelenk Laufschiene

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Falten

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Einzelne Ansteuerung der Fassadenelemente

Fassadenschnitt M 1:25

Gebäude und Bauteile

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Erika-Mann-Grundschule Berlin, D, 2007 Susanne Hofmann Architekten und die Baupiloten

Die Sanierung der Erika-Mann-Grundschule stellt das Erstprojekt der Baupiloten dar – einer Studentengruppe der TU Berlin unter der Leitung der Architektin Susanne Hofmann. Konzipiert wurde eine phantastische „Silberdrachenwelt“, in Zusammenarbeit mit den Schulkindern und Eltern. Die einzelnen Architekturelemente in den jeweiligen Geschossen symbolisieren das Wesen eines fiktiven Drachens. Eine besondere Umsetzung dieser Konzeptidee findet sich in den Fluren des zweiten Obergeschosses, in welchem Gruppen mit bis zu vier Kindern an ausklappbaren Tischen bzw. Bänken zusammenfinden können. Im geschlossenen Zustand sind diese Elemente platzsparend an der Wand hochgeklappt.

Arbeitsplatz und Garderobenverdecke

Durch speziell angefertigte Stoffbahnen – zwischen Sitzfläche und Kastenprofil genietet – mit verschiedenen Längen und Spannungszuständen wird eine fließende Bewegung beim Öffnen der Tisch- und Sitzklappen ermöglicht – zusätzlich dienen sie als Fallschutz für die Kinder. Einzig die unteren beiden Klappen können zum Sitzen genutzt werden, die oberen fungieren diesbezüglich als Lehne. In Ergänzung zu den Klapptafeln finden sich ebenso auffaltbare Verdeckelemente an der Wand wieder, hinter welchen die Schulkinder ihre Jacken sowie ihre Schuhe verstauen können. Die Türflügel werden zum Öffnen einfach hochgeschoben – ermöglicht durch eine Laufrolle, welche in einem U-Profil-Seiten­

rahmen montiert ist – und parken in gefalteteter Anordnung auf erhöhter Position. Für einen kontrollierten Bewegungsablauf sorgen Gleitbügel mit in­ te­grierten Torsionsfedern, sodass ein Zu- und Aufknallen der Tafeln verhindert wird. Um die geöffneten Faltklappen wieder zu schließen, ziehen die Kinder lediglich an einer Griffschlaufe, welche an die Tür genietet ist. Dadurch, dass jedes der Klappund Faltelemente für den Gebrauch individuell in die gewünschte Position gebracht werden kann, entstehen veränderbare Modulsysteme im Flurbereich und dienen den Kindern als funktional spannende Aufenthaltsbereiche.

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Abmessungen T x H = 349 x 1.470 mm Garderobe, Länge Faltelemente 579 und 923 mm  Anzahl 39 Garderobenverdecke, 27 Klappelemente  Antrieb manuell

7

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Falten

1 Alublech 2 mm 2 Kastenprofil Stahl 80 x 40 x 2 mm, mit Steinwolle 80 mm 3 Torsionsfeder 4 Drehbolzen d = 20 mm 5 Querkraftsicherung Flachstahl 6 mm 6 edelstahlarmiertes Glasfasergewebe mit Zinkbeschichtung 7 Torsionsfeder auf Rundstab 8 mm, Stab mit Profilrahmen verschweißt 8 Gleitbügel Rundstab 8 mm, auf Enden der Torsionsfedern aufgesteckt, Querstück mit PVC Schlauch geschützt 9 Feinblech 1,50 mm, gekantet 10 Winkel 20 x 20 x 10 mm mit Magnet 11 Laufrolle 25 x 10 mm

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Schnitt Klappelement M 1:10

Schnitt Garderobenverdeck M 1:10

Gebäude und Bauteile

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Hoberman Arch Salt Lake City, Utah, USA, 2002 Hoberman Associates

Für die Olympischen Winterspiele in Salt Lake City 2002 entstanden, gibt die von Chuck Hoberman entworfene Bühne eine beeindruckende Darstellung kinetischer Möglichkeiten. Zur Eröffnung und zum Abschluss der Wettkampfsaison wurde die Bühne, deren Gestalt und Bewegungen an die menschliche Iris erinnern, mit diversen Attraktionen sowie zur Medaillenvergabe bespielt. Zur Zeit befindet sich die Vorhangkonstruktion auf dem Areal der Universität von Utah. Der Hoberman Arch ist aus konstruktiver Sicht in zwei Teile gegliedert: eine Matrix bestehend aus beweglichen Feldern und ein statischer Bogen, welcher die beweglichen Elemente unterstützt. Die

Öffnungssequenz des mechanischen Bühnenvorhangs

Konstruktion hat einen Durchmesser von 22 m und erreicht eine Höhe von 11 m. Die einzelnen Elemente bestehen aus sandgestrahlten Aluminiumprofilen sowie 96 transluzenten faserverstärkten Paneelen. Für die Bühne wurden vier unterschiedliche Formen benutzt, welche polysymmetrisch übereinanderlappend angeordnet sind und die Bühne in ausgefahrenem Zustand vollständig verschließen. Die äußersten Paneele werden an 13 Haltepunkten am statischen Rahmen fixiert; die untersten Gelenkpunkte sind mit einer Laufschiene in der Bodenkonstruktion verbunden und fahren auf dieser beim Öffnen bis zu den Endpunkten des Rahmens. Auf diese Weise erhält das Gitterwerk seine benötigte Standsicher-

heit. Betrieben wird der mechanische Vorhang über zwei 30 PS starke Elektromotoren, welche die Elemente nach oben ziehen und in geöffnetem Status fixieren. Im komplett hochgefahrenen Modus beträgt die Höhe der zusammengefahrenen Module 1,80 m. Für die Konstruktion der Bühne wurden mehr als 4.000 maschinell hergestellte Teile sowie ca. 13.000 Stahlnieten verwendet. Zur Steigerung des visuellen Eindrucks beleuchten mehr als 500 computergesteuerte Lichter den sich einscherenden Bewegungsablauf der Bühnenkonstruktion. Der geschlossene Vorhang kann Windgeschwindigkeiten von bis zu 80 km/h standhalten.

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Abmessungen B x H = 21,50 x 11 m  Gewicht 6,8 t  Antrieb Seilzüge in Bodenlaufschiene mit 2 Elektromotoren

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Verketten

Isometrie eines Paneels (2. Element von innen)

Aluminium-Eckblech Aluminiumrohr 100 x 100 mm, sandgestrahlt gelenkige Bolzenverbindung faserverstärkter Kunststoff Stahl-Fertigteil, befestigt auf Führungsschiene in Bodenkonstruktion Maschinenraum, jeweils ein Motor à 30 PS Stahlrahmen aus Hohlprofilen scharfkantig verschweißt

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Bühnenvorhang Schnittansicht M 1:120

Gebäude und Bauteile

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Rolling Bridge London, Paddington-Becken, GB, 2004 Heatherwick Studio

Mit 12,75 m Gesamtlänge spannt die aus Stahl- und Holz­elementen gefertigte Brücke über einen Seitenarm des Paddington-Beckens in London und erscheint dann wie eine typische Fußgängerbrücke. Wenn sie sich jedoch jeden Freitagmittag öffnet, kann von typisch nicht mehr die Rede sein. Spek­ takulär erscheint der Vorgang der Öffnung – aus der Sicht der Konstruktion vielmehr des Sich-Schlie­ ßens  –,­ wenn sich die Brücke auf einer Seite zu­ sammenrollt, um durchfahrende Boote passieren zu lassen.

Fußgängerbrücke

Scheinbar ohne Einwirken äußerer Kräfte wird die Brücke für den Fahrverkehr geöffnet, indem sich das eine Ende anhebt und einen Kreisbogen beschreibend mit dem anderen verbindet. Um diese fast geräuschlose Bewegung gewährleisten zu können, befindet sich in einem anliegenden Kellergeschoss ein Technikraum, in welchem eine Hydraulikpumpe und mehrere Haupt- und Nebenzylinder installiert sind. Dieser Antrieb bewirkt, dass sich die acht Brückenglieder mittels Hydraulikelementen – in dem eingehängten Geländer integriert – hoch- bzw. ein-

klappen und folglich die Konstruktion zum Einrollen bewegen. Für diese Bewegung wurde der Erfinder und Architekt Thomas Heatherwick 2005 mit dem „British Structural Steel Award“ ausgezeichnet.

Schiffspassage

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Abmessungen L = 12,75 m (8 Segmente je 1,60 m)  Gewicht 4,04 t  Antrieb 14 Hydraulikstempel

Hydraulikstempel Stahl-Vierkantrohr 100 x 53 x 6,30 mm Stahl-Vierkantrohr 150 x 53 x 6,30 mm Drahtseil gelenkige Verbindung 250 N/mm² M20 Bolzen Granitplattenbelag

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Schnittansicht Tragstruktur M 1:40

Gebäude und Bauteile

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Wohnsiedlung Rebgässli Allschwil, CH, 2004 Amrein Giger Architekten

Die Wohnsiedlung Rebgässli, in der Peripherie des Dorfes Allschwil gelegen, ist aus einem geladenen Wettbewerb der gemeinnützigen Bau- und Verwaltungsgenossenschaft Wohnstadt Basel hervorge­ gangen. Zwei gegeneinander versetzte Staffelriegel reagieren architektonisch auf die ansteigende Topographie und den Baumbestand. Die ver­schiedenfar­ bige Holzbrettfassade bildet eine stimmige Einheit mit dem parkartigen Terrain. Der Außenraumbezug spielt eine wichtige Rolle im Entwurf und sollte für die Nutzer sinnvoll betont werden. Mit diesem Ziel wurde ein Reihenhaustyp mit integriertem Patio

entworfen. Für den Patio wurde ein hydraulisch betriebenes Glasdach entwickelt, welches sich bis zu 80 cm vertikal ausstellen lässt und so neben der natürlichen Belichtung auch zur intelligenten Klimatisierung der Innenräume beiträgt. Individuell kann die Sonneneinstrahlung mittels horizontal und vertikal verschieblicher Textilbahnen reguliert werden. Das Dachfenster besteht aus einem Stahlrahmen mit Anbauteilen aus Aluminium, es hat ein Gewicht von 3.500 kg und verteilt seine Last auf zwei aus Chromstahl hergestellten Scherenpaaren, welche für die vertikale Bewegung zuständig sind. Je nach Einbau-

Ansicht Ost M 1:275

situation sind die Hubscherenpaare unterschiedlich positioniert, auf den Längsseiten des Hubfensters parallel zueinander versetzt, auf den beiden kurzen Seiten parallel in einer Flucht angeordnet. Die Scheren sind am Kopf- und Fußpunkt einseitig fixiert und drehbar gelagert, wodurch die zugehörigen Loslager in der Bewegung auf Führungsschienen seitlich verschoben werden. Die Scherenkreuze werden per Hydraulik angetrieben und haben eine Hubkraft von 5 t. Die Steuerung der Bewegung erfolgt über einen Handtaster. Gegen Klemmwirkungen sowie Sturmschäden wirken Sensorleisten und ein Windwächter.

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Abmessungen B x L x H = 388,7 x 529,3 x 66,2 cm  Anzahl 4+5 Hubdächer  Gewicht 3.500 kg pro Element  Antrieb 2 Hydraulikzylinder, Hubkraft je 5 t

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Metallverkleidung Aluminium eloxiert Hydraulikstempel, Hubkraft mind. 5 t textiler Sonnenschutz Hubscherenpaar Chromstahl V4A Grundrahmen aus Stahl und Aluminium

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Schnitt M 1:25

Hubdächer über Lichthöfen

Gebäude und Bauteile

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Außenbereiche der Riva Split, CR, 2007 3LHD

Die Wasserkante, genannt die „Riva“ und eine der interessantesten und auffälligsten Wasserseiten des Mittelmeeres, verkörpert die Geschichte und den Charakter der kroatischen Stadt Split. Die Riva ist städtischer öffentlicher Raum und in einem Wett­ bewerb, den das Architektenteam 3LHD gewann, restauriert und neu strukturiert worden. Das Wett­ bewerbsgebiet liegt direkt am Mittelmeer, unmittel­ bar vor historischen Gebäuden wie dem 1700 Jahre alten Weltkulturerbe, dem Palast des Diocletian. Die Promenade ist Fokus von vielseitigen gesell­ schaftlichen Aktivitäten und einer der wichtigsten

Uferpromenade mit Sonnensegeln

öffentlichen Plätze der Stadt. Die 250â•›m lange und 55â•›m breite Wasserkante ist Ort der unterschied­ lichsten Events von sportlichen Veranstaltungen bis hin zu religiösen oder politischen Kundgebungen. Die Außenbereiche der zahlreichen Cafés, Restau­ rants und Geschäfte erhalten nun tagsüber durch mehrere Sonnensegel den nötigen Schutz vor Wind und Sonne. Die Konstruktion besteht aus 7,20â•›m hohen Masten, 6,10â•›m langen, drehbaren Auslegern, die in einer Höhe von 2,80â•›m an den Stützen befes­ tigt sind, und den zwischen den Scherenarmen ge­ spannten Markisenstoffen. Die beidseitig an den

Masten befestigten Scheren werden durch ein Hy­ draulikaggregat, welches sich in den Stützen befin­ det, ausgeklappt. Wenn am Abend die Scherenelemente in eine verti­ kale Stellung gebracht werden, fungiert das dazwi­ schengespannte gewebte, synthetische Material als Projektionsleinwand. Die 38,40â•›m² große Leinwand ist an den Ecken zweifach verstärkt und hat ein seitlich eingenähtes Profil. Sie kann entlang der Scheren eingerollt werden. Jedes Element hat, um Beschädigungen durch starken Wind zu vermeiden, einen in die Stützen integrierten Windsensor.

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Abmessungen 38,40 m2 Gewebefläche, 7,82 m Masthöhe  Anzahl 29 Elemente  Gewicht 2.300 kg je Mast mit 2 Auslegern  Antrieb Hydraulikzylinder mit Aggregat

1 Windsensor 2 Halogenlampe Größe der Aussparung 440 x 145 mm 3 Mast Rechteckprofil 150 – 550 x 320 mm 4 Laufräder und Laufschiene, um Gewebe einzuziehen 5 drehbare Ausleger, Rechteckprofil 100 – 300 x 150 mm 6 Drehlager d = 250 mm 7 Elektromotor, um Gewebe einzurollen 8 synthetisches Gewebe 9 Hydraulikzylinder 10 Beleuchtung des Sonnenschutzes 260 x 135 mm 11 Steuerung der Antriebe und der Lichter 12 Elektrokasten für Beleuchtung 13 Hydraulikaggregat 14 Elektrokasten für Hydraulikaggregat

Raffen und rollen

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Die Sonnensegel bieten Schutz vor Wind und Sonne. 4 7

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Vertikalschnitt M 1:50

Befestigung der drehbaren Ausleger am Mast

Gebäude und Bauteile

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Wohnbauten Hohenbühlstrasse Zürich, CH, 2004 agps.architecture

Die bauliche Weiterentwicklung des luxuriösen Areals „Am Hohenbühl“ in Zürich führte 2004 zu zwei Wohnungsneubauten des Schweizer Architektur­ büros agps.architecture. Der Entwurf für den privaten Bauherren bestand aus zwei volumetrisch einfachen Baukörpern, die versetzt zueinander positioniert wurden. Auf jeder Etage ist jeweils eine Wohnung mit Ausblicken in alle vier Himmelsrichtungen organisiert. Durch den mehrteiligen Fassadenaufbau, bestehend aus einer umlaufenden raumhohen Verglasung, verschiebbaren Wandelementen auf der inneren und

einem Metallvorhang als Sonnenschutz auf der äußeren Seite, die alle miteinander und gegeneinander verschiebbar sind, können die Bewohner individuell den Grad der Privatheit bestimmen. Die gelenkartigen Runddraht-Gliedergewebe aus rostfreiem Edelstahl, ursprünglich entwickelt für den Einsatz als Meterware für Förderbänder in Großbäcke­reien, sind an der Stirnseite der Geschossdecken aus Beton über Schienen an massiven tragenden Zargen aufgehängt. In das Metallgewebe wurde alle 400 mm ein Flachstahl eingearbeitet, um oben und unten je eine Führungsrolle zu befestigen.

Mittels eines getriebe­behafteten Elektromotors mit Kettenzug und einer Transmission von der unteren zur oberen Schiene wird in beiden Schienen jeweils nur die erste Rolle jedes Vorhangs mit einer Geschwindigkeit von 135 mm/s bewegt. Dadurch wird das Gewebe vor- und zurückgeschoben, so dass sich der Sonnenschutz auf- und zufaltet. Für jeden Vorhang ist ein eigener Motor vorhanden. Als ein besonderer Akzent beim Vorgang des Schließens bleibt das Vorhangpaket des faltbaren Metallgewebes bestehen, bis der Vorhang ganz ausgezogen ist.

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0:20

0:30

0:40

min:sek

1 2 3 4 5 6 7

Vorhang Metallgewebe Schiebefenster Wandelemente innen, verschiebbar Laufschiene mit Rollen unten Kettenzugantrieb Vorhang Aufhängung des Vorhanges oben U-Profile zur Befestigung Fassade an Stahlbetondecke 8 Aufhängung Wandelemente 9 Stahlbetondecke

1 2 3

Raffen und rollen

Abmessungen B x H = 5,40 x 2,80â•›mâ•… Anzahl 60 Vorhängeâ•… Gewicht 18â•›kg pro m2 Metallgewebe

C

4

5 7 6

9

8

Detail Anschluss Sonnenschutz M 1:10

Gebäude und Bauteile

232

Haus 47°40'48"N/13°8'12"E Adnet, Salzburg, A, 2007 Maria Flöckner und Hermann Schnöll

Das Wohnhaus 47°40'48"N/13°8'12"E befindet sich in Adneter Riedl im Salzburger Tennengau. Die Längen- und Breitengrade bestimmten die genaue geographische Lage des Gebäudes. Es ist fernab vom dörflichen Leben gelegen, so dass man auf ein Auto angewiesen ist, um seine täglichen Besorgungen erledigen zu können. Das abgelegene Wohnhaus öffnet sich sowohl im Norden als auch zur Straße im Süden und bildet so den Verbindungspunkt zwischen dem Landschafts- und dem Straßenraum. In dem Gebäude befinden sich als einzige statische Raumkörper neun geometrisch identische Hohlkörper mit

Verschiebbarer Vorhang als äußere Hülle

2,40 x 2,40 m Größe. In den teils von oben belichteten Raumkörpern befinden sich private Bereiche wie Bäder, Ankleide- und Stauräume. In den Wänden der hölzernen Raummodule integrierte Stahlstützen bilden das statische Gerüst des Gebäudes. Diese tragen die Last aus der bis zu 1 m dicken Stahlbetondecke ab. Der offene Wohnraum ist weitestgehend stützenfrei gehalten. Nur in der Glasfassade befinden sich vereinzelt weitere Stahlstützen. Die Sichtbetondecke kragt bis zu 8 m aus und nimmt dadurch der Glasfassade ihren Charakter als raumbildendes Element, sie verleiht ihr eher die Anmutung eines

Vorhangs. Der Blick gleitet immer wieder in Richtung des Gebirgspanoramas und des Himmels. Die Aussicht auf das Panorama wird durch einen mobilen schwarzen Außenvorhang definiert. Er ist an einer Schiene in der Stahlbetondecke aufgehängt. Der Vorhang lässt sich individuell entlang des Gebäudes verschieben. Dadurch entstehen unterschied­ liche Licht- und Raumsituationen. Im Verlauf des Tages sowie eines Jahres kann durch den Außenvorhang der Blick in eine bestimmte Richtung gezielt gerahmt werden.

233

Abmessungen L x H = 10,00 x 2,70 m je Vorhang, Laufschiene 75 m   Anzahl 10 Vorhänge  Gewicht 240 g/m2   Antrieb manuell

1 2 3 4 5

Stahlbetondecke Laufschiene 38 x 38 mm 3-fach-Verglasung Gussasphalt mit Diabas-Zuschlag Vorhang aus PE-Gewebe 5 cm umgeschlagen

1

3

Raffen und rollen

2

C

Essbereich mit den 2,40 x 2,40 m großen Hohlkörpern im Hintergrund

5

4

Zwischenraum Glasfassade und Vorhang

Vorhangaufhängung M 1:5

Gebäude und Bauteile

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South Campus des Art Center College of Design Pasadena, Kalifornien, USA, 2004 Daly Genik Architects

Der South Campus des Art Center College of Design liegt ca.â•›12â•›km südöstlich von Downtown Los Angeles. Das Gebäude wurde vor der Umnutzung als Windkanal des California Institute of Technology (der akademischen Heimstätte des Strahlenantriebslabors der NASA) genutzt und war Mitte der 1950er Jahre zu einem der weltweit ersten ÜberschallWindkanäle ausgebaut worden. Bei der Umnutzung durch das Art Center wurde das Erscheinungsbild des Gebäudes nur unwesentlich verändert. Die semitransparenten Dachaufbauten

Oberlichter aus schaltbaren ETFE-Folienkissen

sind das auffälligste hinzugefügte Element. Ihre amorphe Form und der überdimensionale Maßstab ziehen die Blicke auf den Komplex. Sie dienen als Oberlichter, die tagsüber gedämpftes Licht in die Ateliers fallen lassen. Dieser Effekt kehrt sich in der Nacht um: Das Gebäude beginnt von innen heraus zu leuchten. Die Oberlichter bestehen aus einer Stahlkonstruktion mit Füllungen aus ETFE-Folienkissen, welche sich aus drei Folien zusammensetzen. Sie beinhalten ein aufgedrucktes Beschattungsmuster auf der äußeren

sowie der mittleren Folie. Die Lage der mittleren Folie lässt sich durch das Einbringen von Luft in die Kammern beweglich verändern. Daraus resultieren unterschiedliche Überlagerungen der Bedruckungen der Folien, so dass auf diese Weise der Lichtein-Â� fall in die darunterliegenden Räume reguliert werden kann, von 16â•›% bis hin zu 60â•›% Lichtdurchlässigkeit. Durch den Einsatz dieser Technik wurde das Gebäude mit der begehrten LEED-Zertifizierung (Leadership in Energy and Environmental Design) ausgezeichnet.

235

0:00

10:00

15:00

20:00

30:00

min:sek

Abmessungen variabel  Anzahl 28  Antrieb pneumatisch

22 %

60 %

Pneumatisch

16 %

1

2 5 3 4

6 4

1 2 3 4 5 6

Detail Membrananschluss M 1:10

ETFE-Folie bedruckt ETFE-Folie bedruckt, beweglich ETFE-Folie Zu- und Abluft Ventil Klemmleiste als Randabschluss

Überlagerung der Bedruckungen

C

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Über die Autoren und Beiträger Prof. Michael Schumacher, geb. 1957, studierte 1978â•›–â•›1985 an der TU Kaiserslautern und absolvierte anschließend ein Postgraduiertenstudium an der Städelschule Frankfurt/M. bei Peter Cook. 1987 arbeitete er als freier Mitarbeiter bei Sir Norman Foster in London und im Büro Braun und Schlockermann in Frankfurt/M. 1988 gründete er zusammen mit Till Schneider das Büro schneider+schumacher, 1999â•›–â•›2000 war er als Gastprofessor an der Städelschule in Frankfurt/M. tätig. Im Designlabor Bremerhaven übernahm er 2002 die Betreuung der Stipendiaten. 2004 wurde er Landesvorsitzender des BDA Hessen. Seit 2007 ist er Professor für Entwerfen und Baukonstruktion am Institut für Entwerfen und Konstruieren, Leibniz Universität Hannover. 2008 gründete er die Forschungsgruppe MOVE mit Oliver Schaeffer und Michael-Marcus Vogt. Er ist Mitglied des Städtebaubeirates Frankfurt/M. und Mitglied des AIV. Oliver Schaeffer, geb. 1975 in München, studierte 1995â•›–â•›2001 Architektur an der TU München u.a. bei Prof. Thomas Herzog und am Massachusetts Institute of Technology 1999â•›–â•›2000 und wurde 1998 in die Studienstiftung des Deutschen Volkes aufgenommen. Sein Diplom bei Prof. Richard Horden wurde u.a. mit dem Contractworld Newcomer Award 2002 ausgezeichnet. Danach war er 2001â•›–â•›2004 Mitarbeiter bei Sir Michael Hopkins and Partners in London und 2004â•›–â•›2007 bei Wöhr Heugenhauser Architekten in München. Seit 2007 ist er selbstständiger Architekt und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Michael Schumacher am Institut für Entwerfen und Konstruieren, Leibniz Universität Hannover. Seit 2008 ist er Gründungsmitglied der Forschungsgruppe MOVE an diesem Institut und leitet die Abteilung Kinetik bei schneider+schumacher architekten in Frankfurt. Michael-Marcus Vogt, geb. 1972, studierte 1991â•›–â•›1997 an der Leibniz Universität Hannover u.a. bei Prof. Peter Schweger und machte sein Diplom bei Prof. Peter Kaup mit Auszeichnung durch den Laves-Preis. Danach arbeitete er als freier Mitarbeiter im Architekturbüro Venneberg & Zech Architekten BDA und im FassadenÂ�ingenieurbüro Prof. Michael Lange in der Entwurfs- und Ausführungsplanung. Seit 2000 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter, zunächst bei Prof. Kaup, später bei Prof. Michael Schumacher am Institut für Entwerfen und Konstruieren, Leibniz Universität Hannover. Seit 2008 ist er Gründungsmitglied der Forschungsgruppe MOVE an diesem Institut und erforscht u.a. dynamische Materialien und Anwendungstechnologien für adaptive Fassadensysteme. In Kooperationspartnerschaft mit dem Büro Dettmer Architekten BDA arbeitet er an eigenen Wohn-, Gewerbe- und Industriebauprojekten. Das vorliegende Buch wurde an der Leibniz Universität Hannover am Institut für Entwerfen und Konstruieren, Abteilung Baukonstruktion, erarbeitet. Die Autoren danken besonders den studentischen Mitarbeitern: Lilja Bartuli, Nicolas Bittner, Gesa Brink, Johannes Brixel, Berthold Cloer, Erik Dobewall, Jochen Elies, Anne Hillebrand, Sandra Kock, Frank Lindner, Steffen Neeß, Verena Reinecke, Björn Runow, Raimonda Stasyte

Prof. Dr.-Ing. Martin Becker, geb. 1962, studierte Elektrotechnik mit Vertiefung Systemtechnik an der TU KaisersÂ�lautern. Nach der Promotion 1995 zum Thema Modellbildung, Simulation und Automation von kältetechnischen Systemen war er 1995â•›–â•›1999 Geschäftsführer einer Technologietransferstelle im Bereich Automatisierungsund Informationssysteme. Seit 1999 ist er Professor an der Hochschule Biberach im Studienfeld Gebäudeklimatik und Energiesysteme, mit Lehr- und Forschungstätigkeit auf den Gebieten Raum- und Gebäudeautomation, Fassadenautomation, Kommunikationssysteme, Energie- und Gebäudemanagement. Hinzu kommt die freiberufliche Beratungstätigkeit im eigenen Ingenieurbüro. Kurt-Patrik Beckmann, geb. 1964, studierte 1987â•›–â•›1994 Architektur an der Leibniz Universität Hannover. Seit 1994 arbeitet er als Projektleiter im Architekturbüro Venneberg & Zech. Von 1999 bis 2004 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Kaup am Institut für Entwerfen und Konstruieren, Leibniz Universität Hannover, tätig. 2003 bis 2008 dozierte er an der Fachhochschule Holzminden und seit 2008 ist er Dozent am Institut für Entwerfen und Konstruieren, Leibniz Universität Hannover. Stefan Bernard, geb. 1969 in Meran (Italien), studierte Architektur in Venedig, bevor er sich in Wien und Berlin zum Landschaftsarchitekten ausbilden ließ. Seit 2001 ist er freier Landschaftsarchitekt in Berlin und lehrt an der RWTH Aachen und der Hochschule Wismar. Zu seinen Projekten gehören der Garten an der Hessischen Landesvertretung in Berlin und die Freianlagen des Klosters Eberbach im Rheingau. Er verfasste (zusammen mit Hans Loidl) und gestaltete das Buch Freiräume(n) – Entwerfen als Landschaftsarchitektur (2003), außerdem Nicht Ökologie, nicht Kunst – Gedanken zum Wesen der Landschaftsarchitektur (2005). Prof. Brian Cody ist Universitätsprofessor an der TU Graz und leitet dort das Institut für Gebäude und Energie. Sein Schwerpunkt in Forschung, Lehre und Praxis liegt auf der Maximierung der Energieeffizienz von Gebäuden und Städten. Vor dem Ruf nach Graz war er Associate Director des weltweit operierenden Ingenieurbüros Arup sowie Design Leader und Business Development Leader der deutschen Tochtergesellschaft, Arup GmbH. Er ist weiterhin als wissenschaftlicher Berater für Arup tätig, außerdem Mitglied in zahlreichen Beiräten und Preisgerichten sowie Gastprofessor an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Roman Jakobiak, geb. 1963 in Hamburg, ist Architekt mit Studium in Berlin und Marseille. Das klimagerechte Bauen ist Ausgangspunkt und Ziel seiner Beschäftigung mit Architektur. Nach einigen Jahren Planungspraxis in einem Berliner Architekturbüro wechselte er 1992 in ein Labor für Tageslichtplanung an der TU Berlin. 1996â•›–â•›2008 bearbeitete er Forschungs- und Entwicklungsvorhaben am dortigen Institut für Bau-, Umwelt- und Solarforschung. Zu seinen Tätigkeiten gehören die Mitarbeit in Normungsgremien, Lehraufträge, Fortbildungen und Veröffentlichungen. Seit 2008 ist er im Bereich Tageslichtplanung für die Licht Kunst Licht AG in Bonn und Berlin tätig. Andreas Kretzer, geb. 1974 in Bodenmais, studierte 1995â•›–â•›2001 Architektur an der TU München. Parallel zu seiner Mitarbeit bei Hild und K Architekten 2001â•›–â•›2004 und einem Szenographiestudium an der HFF München 2004â•›–â•›2006 ist er seit 1996 selbständig tätig, seit 2004 mit einem eigenen Büro in München. Zu seinen Aktivitäten gehören die Teilnahme an zahlreichen Wettbewerben (darunter zehn Brücken), Vorträge und Workshops an der TU München, der TU Kaiserslautern und der TU Graz. Seit 2008 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter an der Architekturfakultät der TU Darmstadt.

Prof. Michael Lange, studierte Bauingenieurwesen an der TU Hannover bis 1976 und gründete 1983 das eigene Ingenieurbüro Michael Lange. 1987 wurde er ö.b.u.v. Sachverständiger für Fassaden und Fassadenbekleidungen, Fenster und Türen der IHK Hannover-Hildesheim. 1992 war er Mitgründer des UBF (Unabhängige Berater für Fassadenplanung e.V.). Seit 2000 ist er als Professor an der Fakultät für Architektur und Landschaft der Leibniz Universität Hannover tätig. Seit 2007 übt er an der FH Augsburg eine Lehrtätigkeit im Fachstudienbereich „Zertifizierter Fachingenieur Fassade“ aus. Er ist Mitglied in den Verbänden UBF, VBI, VDI, IFT, BVS, VBD, IKNS sowie Mitglied im Fachgremium und Prüfungsausschuss für Fenster, Türen, Tore und vorgehängte Fassaden der IHK München und Leiter des VBI Arbeitskreises „Integrale Planung von Gebäudehüllen“. Frank Möller, geb. 1974 in Kiel, studierte Architektur an der TU Braunschweig und der University of North London mit Abschluss Master of Arts an der University of North London 2001 und Diplom an der TU Braunschweig 2002. Nach Mitarbeit in namhaften Architekturbüros in Graz, Wien und Hamburg ist er seit 2007 als freiberuflicher Architekt in Hamburg und Lüneburg tätig sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Schumacher am Institut für Entwerfen und Konstruieren, Leibniz Universität Hannover. 2009 war er Visiting Teacher an der Architectural Association in London. Zoran Novackí, geb. 1973 in Regensburg, ist beratender Ingenieur mit Studium Bauingenieurwesen an der Universität Stuttgart. 1996 gründete er das Büro CES civil engineering solutions, zu dessen Projekten u.a. das Brückenmahnmal in Rijeka, Kroatien, mit 3LHD Architekten zählt. Von 1999 an war Projektleiter im Ingenieurbüro Seeberger Friedl und Partner in München mit zahlreichen Projekten, u.a. Stahlbau für den Flughafen München, Terminal 2. Seit 2004 ist er wissenschaftlicher Assistent an der Architekturfakultät der TU München am Lehrstuhl für Tragwerksplanung. York Ostermeyer, geb. 1976, studierte Architektur an der Leibniz Universität Hannover. Nach freier Mitarbeit bei Prof. Ingo Gabriel mit Projektschwerpunkt energieeffiziente Einfamilienhäuser von 2003â•›–â•›2005, einem anschließenden Promotionsstipendium und einem Aufenthalt in Kioto, Japan, promovierte er 2008 mit dem Thema Klimaanpassung auf Basis von Energiebilanzierungen. 2008 nahm er eine Postdoc-Stelle am Lehrstuhl für Nachhaltiges Bauen an der ETH Zürich an. Seit 2009 ist er Projektleiter am gleichen Lehrstuhl. Zu seinen Aktivitäten gehören Vorträge, Lehrveranstaltungen und Projekte zum Thema Energieeffizienz und Nachhaltigkeit mit dem Schwerpunkt des Potenzials einer flexiblen Anpassung an regionale Besonderheiten. Prof. Andreas Schulz, geb. 1959, hat sich nach dem Studium der Elektrotechnik und praktischer lichtplanerischer Tätigkeit 1991 mit dem Büro Licht Kunst Licht als geschäftsführender Gesellschafter selbständig gemacht. Neben renommierten Museumsprojekten, wie dem Louvre in Paris mit Adeline Rispal, der Nationalgalerie in Berlin mit HG Merz und dem Lenbachhaus in München mit Foster and Partners, hat Licht Kunst Licht große Regierungsbauten wie das neue Bundeskanzleramt und die Parlamentsgebäude neben dem Reichstag beleuchtet. Zu den neueren Projekten gehören die Zeche Zollverein mit O.M.A. Architekten und der Uniqa-Tower in Wien. Seit 2001 ist Andreas Schulz als Professor tätig; 2003 hat er die Gründungsprofessur an der HAWK Hildesheim für Lighting Design übernommen.

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Agnes Weilandt, geb. 1974 in Stuttgart, studierte 1993â•›–â•›1999 Bauingenieurwesen an der RWTH Aachen mit Aufenthalt an der École des Ponts et Chaussées in Paris. Anschließend arbeitete sie bis 2004 bei Werner Sobek Ingenieure, Stuttgart, mit. 2001â•›–â•›2005 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am ILEK der Universität Stuttgart und promovierte 2008. Seit 2006 ist sie Projektleiterin bei Bollinger und Grohmann, Frankfurt, 1996 Aufnahme in die Studienstiftung des deutschen Volkes, 1996 Schüßler-Preis, 2000 1. Preis der Hünnebeck-Stiftung. Dr. phil. Isa Wortelkamp, geb. 1973, ist Juniorprofessorin für Tanzwissenschaft am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin. Nach dem Studium der Angewandten Theaterwissenschaft in Gießen promovierte sie an der Universität Basel mit der Arbeit „Sehen mit dem Stift in der Hand – die Aufführung im Schriftzug der Aufzeichnung“ (2006). In ihrer Forschungsarbeit untersucht sie die Verhältnisse von Aufführung und Aufzeichnung, Choreographie und Architektur sowie von Bild und Bewegung. Jan Zappe, geb. 1969 in Siegen, studierte 1988â•›–â•›1993 Chemie und Mathematik an der Universität Düsseldorf, promovierte 1997 in Physikalischer Chemie an der UniÂ�versität Heidelberg, studierte 1997â•›–â•›2000 Philosophie, Kunstgeschichte und Geschichte an den Universitäten Karlsruhe und Köln und 2000â•›–â•›2005 Medienkunst an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe mit den Schwerpunkten Architektur, Fotografie und digitale Medien. Seitdem ist er frei künstlerisch tätig. Seit 1998 ist er Gastkünstler am ZKM – Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe. 2000â•›–â•›2007 war er Dozent für MedienÂ� philosophie an der Universität Karlsruhe, Institut für Philosophie. 2000 war er Mitbegründer der Künstlergruppe robotlab am ZKM, die Installationsprojekte mit Industrierobotern entwirft. Seither hat er an zahlreichen internaÂ� tionalen Ausstellungen teilgenommen [www.robotlab.de].

Hight, Christopher; Perry, Chris: Collective Intelligence in Design, AD/Wiley, Chichester 2006 Huber, Anna: „Raum nehmen | Raum geben – ein Gespräch zwischen Anna Huber und Isa Wortelkamp über das Projekt umwege“, Transversale, 2009, München Isermann, Rolf: Mechatronische Systeme, 2. vollständig neu bearbeitete Auflage, Springer, Berlin/Heidelberg 2008 Redtenbacher, F.: Die Bewegungs-Mechanismen, Heidelberg 1857 Reiser, Jesse; Umemoto, Nakano: Atlas of Novel Tectonics, Princeton Architectural Press, New York 2006 Stattmann, Nicola: Ultra Light – Super Strong, Neue Werkstoffe für Gestalter, Prestel, München 2003 Dies.: Handbuch Material-Technologie, Av Edition, Ludwigsburg 2003 Stephano, Effie: „Moving Structures”, Art and Artists, 8 (Januar 1974), London Vyzoviti, Sophia: Supersurfaces, Gingko Press, Berkeley 2006 Zukünftige Bewegungsstrategien Addington, Michelle; Schodek, Daniel: Smart Materials and Technologies for the Architecture and Design Professions, Architectural Press/Elsevier, Amsterdam 2007 Hensel, Michael; Menges, Achim: Morpho-Ecologies, AA Publications, London 2006 Dies.; Weinstock, Michael: Morphogenetic Design Techniques and Technologies, AD/Wiley, Chichester 2006╇ Dies.: Emergence – Morphogenetic Design Strategies, AD/ Wiley, Chichester 2006 Menges, Achim: Responsive Surface Structures, Future Wood: Innovation in Building Design and Construction, Riverside Architectural Press, Cambridge (Ontario) 2007

Weiterführende Literatur

Ritter, Axel: Smart Materials in Architektur, Innenarchitektur und Design, Birkhäuser, Basel/Boston/Berlin 2007

Grundlagen der Bewegung

Yao, J.T.P.: „Concept of Structural Control“, in ASCE Journal of Structural Division 98 (7), 1972, 1567-1574

Blokland, Tessa; Keegan, Brian: Material World 2: Innovative Materials for Architecture and Design, Birkhäuser, Basel/Boston/Berlin 2006 Brown, Henry T.: Five Hundred and Seven Mechanical Movements, Brown, Coombs & Co, New York 1871 Brownell, Blain Erickson: Transmaterial: A Catalog of Materials That Redefine Our Physical Environment, Princeton Architectural Press, New York 2006 Ders.: Transmaterial 2: A Catalog of Materials That Redefine Our Physical Environment, Princeton Architetural Press, New York 2008 Calatrava, Santiago: Secret Sketchbook, The Monacelli Press, New York 1995 De Certeau, Michel: Kunst des Handelns, Merve, Berlin 1988. Fernandez, John: Material Architecture: Emergent Materials for Innovative Buildings and Ecological Construction, Architectural Press/Elsevier, Oxford 2005

Nutzungen erweitern und verändern VDI-Bericht, Innovative Fassaden II: Wechselwirkung Mensch-Fassade, Verein Deutscher Ingenieure, Düsseldorf 2004 Gatermann, Dörte; Schossig, Elmar: Prozeßsystematik, Prototypenfassaden, Anwendungsbeispiele, Gatermann + Schossig und Partner, 2003 Hindrichs, Dirk U.; Heusler Winfried: Fassaden – Gebäudehüllen für das 21. Jahrhundert, Birkhäuser, Basel/Boston/ Berlin 2004 Issel, Hans: Das Entwerfen von Fassaden, 1923, ReprintVerlag, Leipzig 1999 Kronenburg, Robert: Flexible – Architecture that Responds to Change, Laurence King Publishing, London 2007 Ders.: Mobile Architektur – Entwurf und Technologie, Birkhäuser, Basel/Boston/Berlin 2008 Randl, Chad: Revolving Architecture, Princeton ArchitecÂ� tural Press, New York 2008

Haberhauer, Horst; Bodenstein, Ferdinand: Maschinenelemente – Gestaltung, Berechnung, Anwendung, 15., bearbeitete Auflage, Springer, Berlin/Heidelberg 2008

Skin: das Fachmagazin für die intelligente Gebäudehülle, Osterreichischer Wirtschaftsverlag, Wien 2003

Hahn, Achim: Architekturtheorie, UVK-Verlagsgesellschaft, Konstanz 2008.

Westenberger, Daniel: Untersuchungen zu Vertikalschiebefenstern als Komponenten im Bereich von Fassadenöffnungen, Dissertation, TU München 2005

Hauer, Erwin; Hill, John T.: Architectural Screens and Walls, Princeton Architectural Press, New York 2004/2007

Energie Bonfig, Peter: Wirkungsmöglichkeiten von beweglichen Fassadenteilen aus nachwachsenden Rohstoffen, DissertaÂ� tion, TU München 2007 Cody, Brian: „Die Stadt neu denken“, in Zeno, Zeitschrift für nachhaltiges Bauen, 2/2009, Callwey, München Ders., „Form follows Energy“, GAM 02, Graz Architecture Magazine, „Design Science in Architecture“, Fakultät für Architektur TU Graz (Hg.), Springer, Wien 2005 Ders.: „Urban Design and Energy“, GAM 05, Graz Architecture magazine, „Urbanity not Energy“, Fakultät für Architektur TU Graz (Hg.), Springer, Wien 2009 Ders., „Building Energy and Environmental Performance tool BEEP, Entwicklung einer Methode zum Vergleich der tatsächlichen Energieeffizienz von Gebäuden“, HLH Fachzeitschrift, Verein Deutscher Ingenieure (Hg.), VDI-Verlag, Düsseldorf, Januar 2008 Ders., „Energieeffiziente Lüftung von Bürogebäuden“, ebd., Nov./Dez. 2005 Ders., „Exploring the potential for natural ventilation of tall buildings“, 29th AIVC Conference, Kioto, Japan, 14. – 16. Oktober 2008 Danner, Dietmar (Hg.); Kähler, Gert: Die klima-aktive Fassade, Verlags-Anstalt Alexander Koch, LeinfeldenEchterdingen 1999/2002╇ Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme: MIKROFUN. Entwicklung von Verglasungen mit regelbarem Transmissionsgrad für direktes und difuses Licht auf Basis von MIKROstrukturierten und optisch FUNktionalen Oberflächen und Materialien, Freiburg 2007 Hausladen, Gerhard; de Saldanha, Michael; Liedl, Petra: ClimaDesign, Callwey, München 2005 Dies.: ClimaSkin, Callwey, München 2006 Herzog, Thomas; Flagge, Ingeborg; Herzog-Loibl, Verena; Meseure, Anna: Thomas Herzog – Architektur + Technologie, Prestel, München/London/New York 2001╇ Lang, Werner: Typologische Klassifikation von Doppelfassaden und experimentelle Untersuchung von dort eingebauten Lamellensystemen aus Holz zur Steuerung des Energiehaushaltes hoher Häuser unter besonderer Berücksichtigung der Nutzung von Solarenergie, Dissertation, TU München 2000 Schüco International KG, Aktive Fassaden zur Reduzierung der Schallemission in Gebäuden, Gemeinsamer Abschlussbericht der Schüco KG und der TU Darmstadt, 2006╇ Interaktion – Bewegung aufnehmen und lenken Bernard, Andreas: Die Geschichte des Fahrstuhls: Über einen beweglichen Ort der Moderne, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2006 Bullivant, Lucy: 4Dspace, Interactive Architecture, AD/ Wiley, Chichester 2005 Bachmann, Oliver: Aufzüge und Fahrtreppen: Technik, Planung, Design, Verlag Moderne Industrie, Landsberg/Lech 1992 Fox, Michael; Kemp, Miles: Interactive Architecture, Princeton Architectural Press, New York 2009 Frick, Otto; Knöll, Karl: Baukonstruktionslehre 2, 33. aktualisierte und überarbeitete Auflage, Vieweg+Teubner, Wiesbaden 2008 Simmen, Jeannot; Drepper, Uwe: Der Fahrstuhl: Die Geschichte der vertikalen Eroberung, Prestel, München 1984

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Bildnachweis A 9╇ John Jay/MPTV; 10╇ oben, Daimler AG; 10╇ unten, Helen Schiffer; 11╇ Jesper Jørgen; 13╇ iStockphoto; 15╇ Ute Schendel; 16╇ links, Caroline Minjolle; 16╇ rechts, Ute Schendel; 17╇ links, © alle Photos Bettina Stöß/Stage Picture; 17╇ rechts, Matthias Zölle Photography; 18╇ links, Annegret Motzek; 18╇ mitte, iStockphoto; 18╇ rechts, Hedwig Storch; 19╇ Sandra Hauer; 20╇ links, Norbert Henschel; 20╇ rechts, Johannes D.; 21╇ iStockphoto; 23╇ THE MATRIX © WV Films LLC. Licensed by: Warner Bros. Entertainment Inc.; 24, 25╇ Tokihiro Sato/Haines Gallery; 26╇ oben, © Kuka; 26╇ unten, © Nasa; 27╇ ©â•›â•›Jan Zappe; 28, 29╇ © robotlab; 31╇ iStockphoto; 32╇ Hoberman Associates Inc.; 33╇ Oliver Schuh/Barbara Burg – www.palladium.de; 34╇ Maurer Söhne Group/Maurer Rides GmbH; 35╇ links, Jocelyn Vollmar als Myrthe Giselle, nla.pic-vn3421403, National Library of Australia; 35╇ rechts, Santiago Calatrava; 36╇ links, Claude Knaus; 36╇ mitte╇ Bugatti Automobiles S.A.S.; 36╇ rechts, Photo: Bundesheer/ MACHER; 37╇ Seminar MOVE, Tania Lembke, René Schirrmeister; 38╇ links, Rondal BV; 38╇ rechts, iStockphoto; 39╇ Markus Lütkemeyer; 40╇ Loek van der Klis; 41╇ links, Georges Fessy; 41╇ rechts, Solimar marine equipment, Italy; 42╇ Hoberman Associates Inc.; 44╇ Paul Warchol; 46╇ molo; 48╇ oben, JuCad; 48╇ unten, iStockphoto; 49╇ oben, Photo€– Joe Hutt; 49╇ unten, iStockphoto; 50╇ links, mitte, ©Roswitha Natter; 50╇ rechts, Création Baumann; 51╇ oben, Freitag lab.ag/www.freitag.ch; 51╇ unten, BMW; 52╇ Photo © Stylepark; 53╇ links, © Bengtsson design Ltd/Alistair robinson; 53╇ rechts, Photo - Joe Hutt; 55╇ oben/mitte, oben/links, Photo © Stylepark; 55╇ oben/rechts, Forms and Surfaces; 55╇ unten/mitte, unten/links, woodnotes; 55╇ unten/rechts, nya nordiska; 56╇ oben, Zoran Novacki; 56╇ unten/links, Anke Barke; 56╇ unten/rechts, Günter Trost; 57╇ links, Atelier Frei Otto + Partner; 57╇ rechts, Zoran Novacki; 58╇ oben, iStockÂ�photo; 58╇ unten, SL Rasch GmbH; 59╇ oben, Wojtek Gurak; 59╇ unten/links, © 2009 Birdair, Inc. N.Y.; 59╇ unten/rechts, Gollings Pidgeon; 60╇ links, mitte, Hettich GmbH; 60╇ rechts, dreamstime; 62╇ Torben Eskerod; 64╇ links, mitte, Winkel GmbH; 64╇ rechts, Maurer Söhne Group/Maurer Rides GmbH; 65╇ Photos: Barbara Burg + Oliver Schuh, www.palladium. de; 66╇ Photo: Bosch Rexroth AG; 67, 68╇ Elero GmbH; 70╇ links, dreamstime; 70╇ rechts, iStockphotos; 71╇ J.A. Becker & Söhne GmbH; 72╇ Matthew Denton; 73╇ links, iStockphoto; 73╇ rechts, Darren Stevenson, Imaging Group, Beckman Institute, University of Illinois at Urbana-Champaign; 74╇ oben/links, unten/links, unten/rechts, warema; 74╇ oben/rechts, oben/mitte, unten/mitte, thiesclima; 75╇ Gira; 76╇ Zeichnung: Patrick Beckmann; 77╇ links, Sick; 77╇ rechts, Photo: ABB; 78╇ links, MBB Systeme GmbH; 78╇ mitte, rechts, Hörmann; 80╇ © Christiane Biergans; 83╇ iStockphoto; 85╇ Magnus Sandström; 86╇ Noebu über Flickr; 87╇ Outlast; 88╇ Achim Menges, Steffen Reichert;

89╇ Continuum Dynamics, Inc.; 90╇ oben, Thom Faulders; 90╇ unten, Afshin Mehin, Tomas Rosen, Christopher Glaister; 91╇ nendo; 92╇ oben, Agnes Weiland; 92╇ unten, Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Universität Stuttgart; 93╇ oben, Philippe Block, Axel Kilian, Peter Schmitt, John Snavely; 94, 95╇ Tristan d'Estrée Sterk - The Office for Robotic Architectural Media & Bureau for Responsive Architecture (www.orambra.com); 96╇ R&Sie(n); 97╇ oben, SOA Architectes; 97╇ unten/links, unten/mitte, Vorticom Inc.; 97╇ unten/rechts, Helen Schiffer; 98╇ oben, Entwicklungsgesellschaft für Baubotanik, Ferdinand Ludwig; 98╇ unten, Anastasios John Hart; 99╇ oben, Entwicklungsgesellschaft für Baubotanik, Oliver Storz; 99╇ unten, Zentrum für Regenerationsbiologie und Regenerative Medizin (ZRM) B 101╇ Quelle: Biegert & Funk; 103╇ gruppeomp; 104╛╛©â•›â•›Steven Holl Architects; 105╇ Shigeru Ban Architects; 106╇ oben, Ignazia Favata/Studio Joe Colombo, Mailand; 106╇ unten, © paul ott photografiert; 107╇ oben, Ignazia Favata/Studio Joe Colombo, Mailand; 107╇ unten, alle Photos: ©â•›â•›David Grandorge; 108╇ oben, Laif Agentur für Photos und Reportagen GmbH; 108╇ unten, Office for Metropolitan Architecture; 109╇ oben, Stéphane Orsolini; 109╇ unten, Sören Grünert; 110╇ oben, © Fabien Thouvenin; 110╇ unten, Shigeru Ban Architects; 111╇ AllesWirdGut Architektur ZT GmbH; 112╇ © paul ott photografiert; 113╇ © Geoffrey╛╛Cottenceau; 114╇ Marcio Kogan; 115╇ Shigeru Ban Architects; 116╇ Florian Bolk; 117╇ © George Fessy/DPA/Adagp; 118╇ oben, Peter Haimerl; 118╇ unten, wilfried dechau; 119╇ Büro zweieinsdrei; 120╇ oben, © Matthias Rick, Raumlabor Berlin; 120╇ unten, Courtesy of Hyperbody, Delft University of Technology; 121╇ oben, Matthew Farag; 121╇ unten, Dynamic Architecture; 123╇ Produkt von Karlsson, Bezug über Present Time; 124╇ images supplied by quietrevolution; 125, 127, 129╇ © Zeichnungen: Brian Cody; 126, 127╇ Jörg Hempel; 128╇ links, Andrew Holt; 128╇ rechts, BDSP; 130, 131, 132, 133 oben, 134 oben, 135 oben, 136 unten, 137, 139 oben, York Ostermeyer; 133╇ unten/links, René Schirmeister, Tania Lembke; 133╇ unten/mitte, Shahin Anisi, Erol Slowy, Andreas Walter; 133╇ unten/rechts, schneider+schumacher; 134╇ unten/mitte, Photo © www.e-architect.co.uk; 134╇ unten/links, Darrell Godliman; 134╇ unten/rechts, ©â•›â•›PAUL RAFTERY; 135╇ unten, © ATELIER BRÜCKNER; 136╇ oben, sbp gmbh; 138╇ SMIT; 139╇ unten/rechts, Thorsten Oechsler; 139╇ unten/links, iStockphoto; 140╇ oben, schneider+schumacher; 140╇ unten/rechts, Peter Bonfig; 141╇ schneider+schumacher; 142╇ Paul Warchol; 142╇ Carpenter Norris Consulting Inc.; 143╇ Rainer Mader; 145╇ iStockphoto; 146╇ Maurer Söhne Group/Maurer Rides GmbH; 147╇ iStockphoto; 148╇ Anthony Joh; 149╇ volkswagen; 150╇ Lift: Inclino, Parkhaus St. Moritz, AS

Aufzüge AG; 151╇ Schindler; 152╇ Daan Roosegaarde; 153╇ Hyposurface Corp.; 154╇ Katsuhisa Kida; 155╇ glas platz gmbh & co. kg, www.glas-platz.de C 157╇ iStockphoto; 158╇ Florian Holzherr; 160╇ Christian Gahl; 161╇ Richie Müller; 162, 163╇ Jens Willebrand; 164╇ Christian Wachter; 166╇ Christoph Kraneburg; 168╇ Roland Halbe; 170╇ Ned Kahn; 172╇ Sturm und Wartzeck; 174╇ Dianna Snape; 175╇ DesignInc; 176, 177╇ DOUG SNOWER PHOTOGRAPHY; 178, 179╇ Robert W. Baron; 180╇ Katsuhisa Kida; 182, 183 oben, Ernst Schär; 183╇ unten, Paolo Rosselli/Santiago Calatrava; 184, 185╇ Jörg Hempel; 186╇ Miguel de Guzmán; 188, 189╇ Gerhard Hagen Fotografie; 190, 191╇ Korteknie Stuhlmacher Architecten; 192, 193╇ David Franck Photographie; 194, 195╇ Dietmar Strauss; 196╇ oben, unten/links Stefan Müller; 196 unten/rechts, 197╇ Joachim Kleine Allekotte; 198, 199╇ © Alex de Rijke; 200, 201╇ Philippe Ruault; 202╇ Didier Boy de la Tour; 204╇ Spengler und Wiescholek; 205╇ Ralf Buscher; 206╇ seifert.stoeckmann@formalhaut; 207╇ Jürgen Holzleuchter; 208╇ Werner Huthmacher; 210╇ Colt International; 211╇ Christof Lackner; „private banking hall in tirol“; 212, 213╇ Shinichi Ogawa & Associates; 214╇ Jörg Hempel; 216╇ Ernst Gieselbrecht + Partner; 217╛╛╛© paul ott photografiert; 218, 219╇ BEHF Architekten; 220╇ Die Baupiloten, Jan Bitter; 222╇ Hoberman Associates; 224╇ Steve Speller; 226, 227╇ Amrein Giger Architekten; 228╇ Domagoj Blazevic; 229╇ Damir Fabijanic; 230, 231╇ Gaston Wicky; 232, 233╇ Stefan Zenzmaier; 234╇ Nic Lehoux; 235╇ Daly Genik Architects Trotz intensiven Bemühens konnten wir einige Urheber der Abbildungen nicht ermitteln, die Urheberrechte sind jedoch gewahrt. Wir bitten in diesen Fällen um entsprechende Nachricht. Sofern nicht anders gekennzeichnet, wurden alle Zeichnungen eigens für dieses Buch angefertigt. Die Rechte hierfür liegen bei den Autoren.

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Sponsoren Hawa AG Schiebelösungen international www.hawa.ch

Maurer Söhne Zusammenspiel von Kräften und Bewegung www.maurer-soehne.de

Schüco Die Adresse für Fenster und Solar www.schueco.com

Schiebelösungen aus dem Hause Hawa sind seit über 40 Jahren auf der ganzen Welt zu Hause. Das Unternehmen aus Mettmenstetten bei Zürich ist ein international anerkannter Spezialist für Schiebetechnik und ein führender Hersteller von innovativen Beschlagsystemen. Von der Fassade über den Raum bis zur Einrichtung bietet das Schweizer Unternehmen für nahezu jede Anforderung, jedes Material und Türgewicht eine qualitativ hochwertige und ästhetische Schiebelösung. Eine Vielzahl technisch erstklassiger Systeme lassen sich falten, schieben oder Platz sparend stapeln. Markenzeichen der Hawa Beschlagsysteme sind die einfache Planbarkeit, komfortable Montage und hohe Funktionalität. Architekten, Planer und Verarbeiter unterstützt Hawa mit produktspezifischen, detaillierten Dokumentationen. Die umfassende technische Bibliothek über das gesamte Sortiment und eine Planungshilfe für die dreidimensional visualisierte Konfiguration sind auf der Website verfügbar.

Maurer Söhne beherrscht weltweit führend das Zusammenspiel von Kräften und Bewegung in Bauwerken durch Produkte eigener Entwicklung und Herstellung. Der Bereich „Bauwerkschutzsysteme“ sorgt für die Vermeidung von Bauwerksschäden aus Kräften in Bewegung. Maurer Söhne stellt Last über­ tragende Bauteile her, die Bauwerke durch Bewegung vor Überbeanspruchung schützen. Zusätzliche Sicherheit gewährleisten Kräfte- und BewegungsMonitoring. Produktgruppen sind Fahrbahnüber­ gänge, Bauwerkslager, Erdbebenvorrichtungen und Schwingungsdämpfer. Der Bereich „Transport & Rides“­nutzt Kräfte in Bewegung, um Erlebnisse zu kreieren. Hergestellt werden unterschiedlichste schlüsselfertige Bauwerke mit komplexen dynamischen Einwirkungen sowie Bewegung aufnehmende Strukturen insbesondere für Freizeitanlagen. Produktgruppen sind Achterbahnen, Amusement Rides und Personentransportsysteme. Heute werden rund 700 Mitarbeiter an den Stand­orten München, Lünen bei Dortmund, Bernsdorf bei Dresden sowie in der Türkei und China beschäftigt.

Die Schüco International KG ist weltweit Marktführer bei Aluminium-, Stahl-, Kunststoff- und SolarSystemen für innovative Gebäudehüllen. Mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und 12.000 Partnerunternehmen in über 75 Ländern liefert Schüco modernste Fenster- und Fassadentechnologie, effiziente Solartechnologie und individuelle Beratung für Architekten, Planer, Investoren und Bauherren. Schüco steht für das Unternehmensleitbild „Energy² – Energie sparen und Energie gewinnen“: Durch Wärmedämmung und Gebäudeautomation wird der Energieverbrauch deutlich reduziert. Durch Photovoltaik, Solarthermie und Technik zur Wärmerückgewinnung avanciert das Gebäude zum eigenständigen Kraftwerk, das Strom, Wärme und bei Bedarf auch Kälte erzeugt. Mit dem neuen Schüco Technology Center am Unternehmensstammsitz Bielefeld verfügt Schüco über eines der modernsten Trainings- und Schulungszentren, das mit seinem innovativen Energiekonzept neue Maßstäbe setzt.

Layout und Umschlaggestaltung Miriam Bussmann, Berlin Lektorat Andreas Müller, Berlin Lithographie Licht & Tiefe, Berlin Druck Grafisches Centrum Cuno, Calbe Cover – Lentikulardruck Pinguin Druck, Berlin

Dieses Buch ist auch in englischer Sprache erschienen (ISBN 978-3-7643-9986-3).

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

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