Mit barer Münze: Handel im Mittelalter 3896783793, 9783896783790

Wer waren die Kaufleute des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, woher stammten sie und welche Waren transportierten Sch

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German Pages 144 [146] Year 2010

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Mit barer Münze: Handel im Mittelalter
 3896783793, 9783896783790

Table of contents :
Cover
Inhalt
Vorwort
Bescheidene Anfänge – Handel in Früh- und Hochmittelalter
Die kommerzielle Revolution – Spätmittelalterlicher Handel
Regensburg – Ein erstes oberdeutsches Fernhandelszentrum
Lübeck und die Hanse – Ein komplementärer Aufstieg
Köln – Das Weinhaus der Hanse
Hamburg – Das Brauhaus der Hanse
Nürnberg – Aufstieg im Schatten Regensburgs
Frankfurt – Das aufstrebende Messezentrum
Augsburg – Blüte in der Frühen Neuzeit
Neue Zentren, neue Routen
Anmerkungen
Literatur
Bildnachweis

Citation preview

Mit barer MÅnze

[G E S C H I C H T E E R Z  H LT] Herausgegeben von Kai Brodersen, Uwe A. Oster, Thomas Scharff und Ute Schneider Bd. 1, Die Welt Homers Bd. 2, Hexenjagd in Deutschland Bd. 3, Der kÇnigliche Kaufmann oder wie man ein KÇnigreich saniert Bd. 4, Zechen und Bechern. Eine Kulturgeschichte des Trinkens und Betrinkens Bd. 5, Hinter Klostermauern. Alltag im mittelalterlichen Kloster Bd. 6, Krieg in der Antike Bd. 7, CARE-Paket & Co. Von der Liebesgabe zum Westpaket Bd. 8, Unter dem Vesuv. Alltag in Pompeji Bd. 9, Baden, spielen, lachen. Wie die RÇmer ihre Freizeit verbrachten Bd. 10, Seide, Pfeffer und Kanonen. Globalisierung im Mittelalter Bd. 11,Veni, vidi, vici. Caesar und die Kunst der Selbstdarstellung Bd. 12, Napoleons Soldaten. Alltag in der Grande Arme Bd. 13, Pelze, Gold und Weihwasser. Handel und Mission in Afrika und Amerika Bd. 14, Als die RÇmer frech geworden. Varus, Hermann und die Katastrophe im Teutoburger Wald Bd. 15, Stadtluft macht frei. Leben in der mittelalterlichen Stadt Bd. 16, Karl der Große. Der Weg zur KaiserkrÇnung Bd. 17, Geld und Freunde. Wie die Medici die Macht in Florenz eroberten Bd. 18, Reise ohne Wiederkehr? Leben im Exil 1933 bis 1945 Bd. 19, Kaiser von morgens bis abends. Ein Tag an der Spitze des RÇmischen Reichs Bd. 20, Ritter und Raufbolde. Vom Krieg im Mittelalter Bd. 21, Die Spanische Grippe. Die Seuche und der Erste Weltkrieg Bd. 22, Alexander der Große. Geschichte und Legende Bd. 23, Ich bin Spartacus. Aufstand der Sklaven gegen Rom Bd. 24, Circus Maximus. Wagenrennen im antiken Rom Bd. 25, Mit barer MÅnze. Handel im Mittelalter

Bernd Fuhrmann

Mit barer MÅnze Handel im Mittelalter

[G ES C H IC H TE E R Z H LT]

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet Åber http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschÅtzt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulssig. Das gilt insbesondere fÅr Vervielfltigungen, bersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme.

c 2010 by Primus Verlag, Darmstadt Gedruckt auf surefreiem und alterungsbestndigem Papier Einbandgestaltung: Jutta Schneider, Frankfurt Einbandabbildung: Verkaufsladen eines franzÇsischen Goldschmieds im 15. Jahrhundert (Druck nach einer zeitgenÇssischen Miniatur). Foto: bpk Layout: Petra Bachmann,Weinheim Gestaltung und Satz: Hagedorn Kommunikation,Viernheim Printed in Germany

www.primusverlag.de ISBN:

978-3-89678-379-0

Inhalt 7 Vorwort

9 Bescheidene Anfnge – Handel in FrÅh- und Hochmittelalter

19 Die kommerzielle Revolution – Sptmittelalterlicher Handel

42 Regensburg – Ein erstes oberdeutsches Fernhandelszentrum

52 LÅbeck und die Hanse – Ein komplementrer Aufstieg

78 KÇln – Das Weinhaus der Hanse

94 Hamburg – Das Brauhaus der Hanse

102 NÅrnberg – Aufstieg im Schatten Regensburgs

116 Frankfurt – Das aufstrebende Messezentrum

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Inhalt

122 Augsburg – BlÅte in der FrÅhen Neuzeit

135 Neue Zentren, neue Routen

140 Anmerkungen

142 Literatur

144 Bildnachweis

Vorwort

W

er waren die Kaufleute des Mittelalters und der

FrÅhen Neuzeit, woher stammten sie und welche

Waren transportierten Schiffe, Khne, Karren oder Lasttiere oft Åber weite Entfernungen? Was vernderte sich in der FrÅhen Neuzeit mit dem Beginn des direkten Handels mit Asien sowie der Einbeziehung Amerikas in den Handelskreislauf, und wer verbirgt sich hinter den immer wieder zitierten Pfefferscken? Welche Stdte bildeten Handelszentren und welche Vernderungen fÅhrten zum Aufstieg neuer Zentren, wie vernderten sich die Handelswege, welche Messen besuchten die Zeitgenossen? Mit welchen Geldsorten wurde bezahlt und welche anderen Zahlungsformen waren bereits bekannt? Dies sind nur einige der Themen, um die es in diesem Band geht. Waren der europaweite wie der regionale Handel zuvor im Umfang Åberschaubar, so weitete sich nach ungefhr 1200 der europische Handel immens aus, und es lsst sich geradezu von einer Handelsrevolution im 13. und 14. Jahrhundert sprechen. Um diese Entwicklung geht es im Folgenden vor allem, die Jahrhunderte zuvor streift der Band nur knapp. Der geografische Schwerpunkt liegt dabei auf Deutschland bzw. dem Gebiet des Alten Reichs, das 1806 sein Ende fand. Definitiv nicht mehr zum Reich gehÇrten seit dem Westflischen Frieden von 1648 die Niederlande und die Eidgenossenschaft. Allerdings vernderten sich im Laufe der Jahrhunderte die Grenzen mehrfach, und so manche Stadt wie Straßburg, Colmar oder Basel ist heute Teil eines anderen Staates. Wichtige strukturelle Vernderungen wie die Ausweitung des Handels auf andere Kon-

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Vorwort

tinente werden ebenso thematisiert wie die Entwicklungen in wichtigen Handelsstdten. Da sich hinter all diesen Geschehnissen Menschen verbergen, rÅcken Kaufmannsfamilien in den Fokus der Betrachtung. Erzhlt werden aber nicht nur Erfolgsgeschichten, sondern auch solche ohne Happy End – von Kaufleuten, die scheiterten und ihr VermÇgen verloren. Fernhndler zu sein bedeutete bis weit in die Neuzeit immer auch, sich auf Abenteuer einzulassen. Wenn im Folgenden viel von Fernkaufleuten die Rede ist, so sollte man darÅber nicht vergessen, dass daneben eine Vielzahl kleinerer Hndler und Krmer den Alltag bestimmten, die freilich in der berlieferung kaum Platz fanden.

Bescheidene Anfnge – Handel in FrÅh- und Hochmittelalter

ach dem RÅckzug der RÇmer von Rhein und Donau ver-

N

loren die rÇmischen Stdte rasch an Bedeutung. In West-

europa etablierten sich Nachfolgereiche, von denen das Frankenreich zum wichtigsten aufstieg. Allerdings lag dessen Kernraum im heutigen Frankreich, und nur langsam dehnten die im 6. und 7. Jahrhundert herrschenden MerowingerkÇnige ihren Machtbereich nach Osten aus. Erst die auf sie folgenden Karolinger konnten unter Karl dem Großen (768–814) nach mehreren KriegszÅgen gegen die Sachsen die Elbe erreichen. Unverndert gab es Fernhandel, dessen Umfang sich aber reduziert hatte. Als Fernhndler zu nennen sind unter KÇnigsschutz stehende jÅdische Kaufleute, die orientalische Luxuswaren Åber SÅdgallien auch an den Hof lieferten. Aber auch die anderen Kaufleute genossen KÇnigsschutz, formuliert etwa in einem Urkundenformular Kaiser Ludwigs des Frommen aus dem Jahr 828: Sie [die Kaufleute] mÇgen – wie die Juden – unserem Hof eifrig

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dienen, und wenn sie mit Christi Gunst ihre Fuhrwerke innerhalb unserer Reiche zum Vorteil unserer und ihrer Handelsgeschfte vermehren wollen, sollen sie dazu die Erlaubnis haben; ihr [alle anderen Inhaber von Herrschaftsrechten] sollt sie nicht aufhalten oder denen, die es tun, zustimmen, weder an den Grenzen noch sonst wo; Zoll aber soll von ihnen nirgends gefordert werden, ausgenommen zu unserem Nutzen bei Quentowik, Dorestad und an den Alpenpssen, wo zu unserem Nutzen der Zehnte erhoben wird.

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Bescheidene Anfnge

Im Gegenzug erwartete der Herrscher jhrlich oder alle zwei Jahre die Zahlung einer im Text nicht bestimmten Abgabe.1 Schon die Nennung dieses unbestimmten Zeitraums zeigt eine andere Zeitwahrnehmung als in spteren Jahrhunderten. Deutlich wird gleichfalls, dass die privilegierten Kaufleute einerseits fÅr den KÇnig und andererseits im eigenen Interesse ttig waren. Als weitere frÅhe Organisationsform begegnet uns der Zusammenschluss von Kaufleuten zu Gilden, die z. T. Åber Sonderrechte verfÅgten.

Emporien und Mrkte

FÅr eine erste Ausweitung des Handels sorgten u. a. zwei unterschiedlich verlaufende Entwicklungen, einerseits im KÅstenbereich, andererseits im Binnenland. An den KÅsten von Nord- und Ostsee entstanden sogenannte Emporien. Das waren vorstdtische Siedlungen oder Handelspltze, die vornehmlich Kaufleute und Handwerker bewohnten. Die wichtigsten Emporien waren von Westen nach Osten Quentowik (sÅdl. von Boulogne), eines auf der Insel Walchern (MÅndung der Schelde in die Nordsee), Dorestad im RheinmÅndungsgebiet, Haithabu (SÅdufer der Schlei) und Birka (eine Vorgngersiedlung von Stockholm). In diesen Siedlungen, die noch keine Stdte waren, konzentrierte sich der Handel Åber See und Åber die FlÅsse ins Binnenland. Die Kaufleute waren entweder frei oder sie handelten im Auftrag und in persÇnlicher Abhngigkeit von den Grundherrschaften. Zur See transportierten Schiffe in Konvois die Waren, das Land durchzogen die Hndler in Karawanen, und in beiden Fllen sollte die große Gruppe mÇglichst Schutz vor immer wieder drohenden berfllen und anderen Unannehmlichkeiten bieten. Whrend des FrÅh- und Hochmittelalters hatte sich aus ungeklrter Wurzel ein Recht der KÅstenbewohner bzw. ihrer Herren gebildet, Seefahrer, gestrandete Waren und Schiffe einzubehalten (Strandrecht), sie quasi als herrenlos zu bewerten, was eine weitere Gefahr besonders fÅr reisende Kaufleute darstellte. Bis zum Beginn des 12. Jahrhun-

Emporien und Mrkte

derts konnte immerhin erreicht werden, dass gestrandete SchiffbrÅchige nicht mehr kurzerhand als HÇrige einkassiert werden konnten. Im 9. und 10. Jahrhundert begegnet uns eine weitere Hndlergruppe, welche die Quellen als Friesen bezeichnen. Ihr Handel erstreckte sich vornehmlich Åber Nord- und Ostsee, Nieder- und Mittelrhein sowie in geringerem Umfang auch auf den Oberrhein. So ist beispielsweise in Mainz ein Friesenviertel belegt, das um 900 in die Stadtbefestigung einbezogen wurde. Wahrscheinlich nutzten die geistlichen Schreiber die Bezeichnung „Friesen“ daneben allgemein synonym fÅr Hndler oder Kaufleute. Wenn wir uns den Handel des fÅr das sptere Deutschland wichtigsten Emporium, nmlich Haithabu, nher ansehen, so lassen sich Beziehungen zum Rheinland, nach Norwegen, England, Schweden und zur sÅdlichen NordseekÅste erkennen. Zentral war seine Bedeutung als Warenumschlagplatz zwischen dem Rheinland und Skandinavien. Fremde Hndler besuchten die Siedlung, und die Bestattungsbruche verweisen auf die Anwesenheit von Friesen, Schweden, Sachsen und Slawen in der Siedlung, was wiederum auf ein weit gespanntes Handelsnetz schon im 9. Jahrhundert deutet. Im 11. Jahrhundert lÇste das am anderen Ufer der Schlei gelegene Schleswig Haithabu ab, wie auch die anderen Emporien Nachfolger hatten, verbunden jeweils mit einer Siedlungsverlagerung. Die Normannen oder die Wikinger, die im spten 8. Jahrhundert mit dem berfall auf das Inselkloster Lindisfarne vor der englischen OstkÅste in das Blickfeld der Chronisten gerieten, plÅnderten u. a. auch Dorestad und weitere KÅstenorte mehrfach, belagerten sogar Paris. Im 9. Jahrhundert drangen die Normannen, zunchst begÅnstigt durch die Kmpfe der Nachfolger Karls des Großen, bis weit ins Binnenland vor. Regino, der sptere Abt des Eifelklosters PrÅm, berichtete Åber den berfall auf das Kloster 892: Und [die Normannen] richteten ihren Marsch mit der grÇßtmÇgli-

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chen Schnelligkeit nach dem Kloster PrÅm; kaum entwichen der Abt und die BrÅderschar durch die Flucht, als jene bereits

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Bescheidene Anfnge

Die Kaufmannssiedlung Haithabu bei Schleswig war im frÅhen Mittelalter der bedeutendste Handelsplatz im Ostseeraum.

hereinstrÇmten. Als aber die Normannen das Kloster betraten, verwÅsteten sie alles, tÇteten einige von den MÇnchen, erschlugen den grÇßten Teil der Dienstleute und fÅhrten die brigen als Gefangene fort. Nach Eroberung einer weiteren Burg kehrten sie mit ungeheurer Beute zur Flotte zurÅck und fuhren auf schwer

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beladenen Schiffen mit ihrer gesamten Mannschaft nach den Åberseeischen Landschaften.2

Beschreibungen geistlicher Chronisten von plÅndernden Wilden bestimmten lange das allgemeine Bild von den Normannen, das uns auch bis in die Gegenwart in Filmen begegnet. Aber daneben waren die Normannen mit ihren schnellen, wendigen Booten ausgezeichnete Seefahrer, die beispielsweise die Iberische Halbinsel umschifften oder, wenngleich folgenlos, von GrÇnland kommend 1000/1001 Nordamerika erreichten. Derart erÇffneten die Normannen auch dem Handel weite Wege, verfÅgten sie doch zudem Åber Geschftsbeziehungen mit der seinerzeit grÇßten Metropole Byzanz, die sie Åber das Gebiet des heutigen Russland erreichten.

Emporien und Mrkte

Schleswig im 12. Jahrhundert, Rekonstruktionszeichnung

Wie bereits angedeutet, nahm die Entwicklung im Binnenland einen anderen Weg. Vorauszuschicken ist, dass es Çstlich des Rheins und nÇrdlich der Donau whrend des gesamten FrÅhmittelalters keine Stdte gab. Erst im 11. und verstrkt im 12. Jahrhundert folgten Stadterhebungen und StadtgrÅndungen. Landwirtschaft prgte das ohnehin noch in weiten Teilen waldbedeckte Gebiet. Grundherrschaften bildeten die zentrale Organisationsform, und hier bewirtschafteten Herren mit freien und unfreien Hintersassen, vom Grundherrn abhngige Bauern, das Land. Seit dem 10. Jahrhundert privilegierten die Herrscher diese geistlichen und weltlichen Grundherren teilweise mit Markt, MÅnze und Zoll. Damit war es ihnen erlaubt, einen Markt abzuhalten, dort gÅltige MÅnzen zu prgen sowie fÅr die Bereitstellung der Infrastruktur eine GebÅhr, eben den Zoll zu erheben. Ob aus diesen Mrkten Stdte wurden, hing von vielen Faktoren ab. BegÅnstigend wirkte jedenfalls eine verkehrsgÅnstige Lage wie beispielsweise im Fall von WÅrzburg. Diese Mrkte erÇffneten nun die MÇglichkeit einer Zunahme des Åberregionalen Handels, denn besonders die Sitze von geistlichen (Abteien) oder weltlichen Großen bildeten Zentren der Nachfrage nach Luxusartikeln aus dem Aus- und Umland, aber auch Produkten der ortsansssigen Handwerker. Eine unabdingbare Voraussetzung fÅr einen funktionierenden Handel stellten

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Bescheidene Anfnge

die MÅnzsttten dar, denn der hufig genannte Tauschhandel blieb auch im FrÅhmittelalter im Fernhandel eine Ausnahme.

Waren und Wege

In grÇßeren Mengen handelten die Kaufleute zunchst mit Tuchen. Als die Franken anstelle ihrer traditionellen langen Mntel auf die innergallische Mode kurzer Mntel umstellten, akzeptierte dies Karl der Große aufgrund ihrer hÇheren Zweckmßigkeit im Krieg. Doch da zudem die friesischen Hndler die kurzen Mntel ebenso teuer verkauften wie zuvor die langen, soll der Herrscher diese Preispolitik mit folgender BegrÅndung verboten haben, so die anekdotenhafte berlieferung: Was nÅtzen diese kleinen Fetzen? Im Bett kann ich mich damit

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nicht zudecken, auf dem Pferd kann ich mich nicht gegen Wind und Regen schÅtzen, und wenn ich austreten muss zu einem

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natÅrlichen BedÅrfnis, dann erfrieren mir die Beine.3

Der Autor dieser Anekdote, Notker, MÇnch in St. Gallen, macht sich damit Åber die Modetrends der Zeit lustig, natÅrlich nur die der Oberschicht. Leider sind derartige Hinweise auf Handel und Moden bei den geistlichen Schreibern die Ausnahme, denn diese entgingen ihrer Aufmerksamkeit, und nur gelegentlich greifen sie Derartiges auf, um sich Åber weltliche Eitelkeiten negativ zu ußern. Hoher Beliebtheit erfreuten sich zudem frnkische Waffen, insbesondere Schwerter, deren Export die Herrscher mehrfach verbieten ließen. Doch trotz aller Verbote gelangten diese in die Heimat der Normannen, ein Teil sicherlich als Beute aus berfllen, sowie in den islamischen Mittelmeerraum. Keramik, Schmuck und Glas ergnzten das Angebot. Allerdings gelang die Herstellung von durchsichtigem, transparentem Glas erst im 15. Jahrhundert in Venedig, bis dahin behielt es seine grÅne Farbe. Wiederum der MÇnch Notker von St. Gallen nennt zudem Getreide und Wein als HandelsgÅter, und beide dÅrften von

Waren und Wege

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Zollfreie Waren

D as Raffelstetter Zollweistum (um 905) bestimmte u. a., dass jeder Bayer, der fÅr den Eigengebrauch Salz transportiert, vom Zoll befreit ist. Raffelstetten liegt zwischen der MÅndung von Traun und Enns in die Donau, sterreich war bis in die zweite Hlfte des 12. Jahrhunderts Teil des Herzogtums Bayern. Weiterhin zollfrei sollte der Handel von Bayern und Slawen mit Sklaven, Pferden, Ochsen und anderem sein, nur auf dem Markt selbst waren sie zollpflichtig. Auch die eigens erwhnten Salzschiffe hatten nur geringe Abgaben zu leisten.

den großen Grundherrschaften in den Verkehr gebracht worden sein. Nach England und in den slawischen Raum gelangten zudem MÅhlsteine fÅr HandmÅhlen, gebrochen in den Basaltvorkommen der Eifel bei Mayen. Aufgrund ihres geringen Abriebs besaßen sie eine hohe Wertschtzung, denn oft genug schdigten Steinchen im Brot die Zhne. Aus dem Osten stammten neben Pelzwerk und Wachs vor allem Sklaven, die auf die seit dem 8. Jahrhundert weitgehend muslimische Iberische Halbinsel gebracht wurden, wo sie den Rest ihres Daseins fristeten. Eine ganz andere Bedeutung als in der Gegenwart besaß Salz, denn fÅr Jahrhunderte blieb es ein unentbehrliches Konservierungsmittel. Daher kann fÅr dieses Gut gleichfalls ein weitrumiger Handel angenommen werden. Gewonnen wurde es beispielsweise in Reichenhall bei Berchtesgaden oder Hallein, spter auch in Schwbisch Hall; das Wort „Hall“ verweist auf Salzvorkommen. Ansonsten konnte eine lngere Haltbarkeit in Mitteleuropa nur durch Ruchern erzielt werden, denn anders als in Skandinavien trockneten Fleisch und Fisch hier schlecht bis gar nicht. Die wichtigsten Transportbehlter blieben bis weit in die Neuzeit (wasserdichte) Holzfsser, die sich sowohl fÅr Land- als auch den Wassertransport eigneten, zudem vergleichsweise leicht umgeladen werden konnten. Im Gegensatz zur Sptantike orientierte

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Bescheidene Anfnge

Waren aller Art wurden in Tonnen transportiert; aus dem Holzschnitt zur ,Allegorie des Handels‘ von Jost Amann, 1585

sich der Handel zunehmend auf die Wasserstraßen, whrend die RÇmerstraßen, die ohnehin ausschließlich im Westen und SÅden angelegt worden waren, wohl nur unzureichend unterhalten werden konnten. Allerdings mussten die Schiffe vor EinfÅhrung der Dampfkraft flussaufwrts getreidelt werden, und das bedeutet, dass Men-

Stdte und Messen

schen oder Pferde in zeit- und kraftraubender Ttigkeit auf Uferpfaden die Schiffe zogen. Im Binnenland mussten neue Verbindungen zu Lande geschaffen oder bestehende ausgeweitet werden. So lassen sich z. B. hÇlzerne Bohlenwege in Niederungen archologisch nachweisen, die jedoch immer wieder erneuert werden mussten. Auch die Alpenpsse nutzten Kaufleute weiterhin, und langsam intensivierte sich der Handel der rechtsrheinischen, oberdeutschen Gebiete mit dem Mittelmeerraum. Betrachtet man die verschiedenen Zielgebiete der Hndler gemeinsam, so zeigt sich, dass im frÅhen Mittelalter bereits weite Gebiete Europas, wenngleich noch in geringem Umfang, in den Warenverkehr integriert waren, bestehende Bindungen in den folgenden Jahrhunderten ausgebaut werden konnten.

Stdte und Messen

Einer Intensivierung des Handels voraus gingen das hochmittelalterliche demografische Wachstum, das noch vor der ersten Jahrtausendwende einsetzte, und bis etwa 1300 europaweit zu einer Verdoppelung der BevÇlkerung fÅhrte, sowie die Urbanisierung des 11. und 12. Jahrhunderts. Dennoch besiedelten nach gngigen Schtzungen um 1300 hÇchstens 80 Millionen Menschen den Kontinent, und damit weniger, als heute allein in Deutschland leben. Bis etwa 1125 kÇnnten sich in Deutschland etwa 30 Stdte mit Fernhandelsmrkten entwickelt haben, zu denen auch rÇmische GrÅndungen wie KÇln oder Trier zhlten, die jeweils zwischen 1000 und 5000 Einwohner beherbergten. Dazu traten mehrere Hundert Nahmarktorte mit 200 bis 1000 Bewohnern. Freilich handelt es sich bei diesen Zahlen wie so hufig in diesen Jahrhunderten um Schtzungen. Die Zahl der Stdte und ihrer Einwohner sollte danach nochmals krftig zunehmen. Messen oder Jahrmrkte sind keine Erfindung des Hochmittelalters, die lteste in St. Denis bei Paris ist fÅr 634/35 belegt, nunmehr etablierten sich aber Messesysteme. St. Denis besuchten Åbrigens schon Ende des 7. Jahrhunderts Kaufleute aus Quentowik;

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Bescheidene Anfnge

Angelsachsen und Friesen beteiligten sich im folgenden Skulum an den Messekarawanen. „Messesysteme“ meint darÅber hinausgehend eine zeitliche Abstimmung der Termine in verschiedenen Stdten, und das Netzwerk zwischen produktiven Gewerbezentren und Kaufleuten, Åber die die Produkte in den Handel gelangten. Im spten 12. und 13. Jahrhundert dominierten die Champagne-Messen, gefÇrdert von den dortigen Grafen. Sechs Messen in vier Orten wechselten miteinander, nur im Winter ruhte der Messeverkehr. Die Grafen gewhrleisteten, zumindest in ihrem Herrschaftsbereich, eine sichere An- und Abreise der Kaufleute, verbesserten die Infrastruktur, garantierten eine wertstabile MÅnze und gestatteten den Kaufleuten die Regelung interner Streitigkeiten mittels einer Messegerichtsbarkeit. All dies fÇrderte in Verbindung mit moderaten Abgaben die Messen, von denen die Grafen selbstverstndlich Åber die ZÇlle wiederum finanziell profitierten. FÅr das Reichsgebiet ist zunchst ein Messenetz am Niederrhein, genauer in KÇln, Utrecht, Aachen und Duisburg, zu erwhnen, bei dem sich seit dem letzten Viertel des 12. Jahrhunderts ein abgestimmtes System vom ersten Fastensonntag eines Jahres bis in den November erkennen lsst. Diese Stdte besuchten Kaufleute aus den Nachbarregionen, aus Oberdeutschland und den Niederlanden. Sein Ende fand es, als das dominierende KÇln seine Politik nderte, doch dazu spter. Im frÅhen 13. Jahrhundert zeigen sich analoge Verbindungen zwischen den herrscherlich gefÇrderten Gelnhausen und Frankfurt a. M., auch die berÅhmte Frankfurter Messe entwuchs einem Viehmarkt, und WÅrzburg, hier Åbernahm der Bischof die Initiative. Im spten 13. Jahrhundert schloss sich Friedberg an. Am Mittelrhein organisierten noch in der ersten Hlfte des 13. Jahrhunderts Worms, Speyer und Oppenheim ein weiteres Messenetz. Sptere Versuche, Messen einzurichten, sollten allerdings scheitern. So konnte NÅrnberg, das seinen weitrumigen Handel auf wechselseitige BegÅnstigungen mit anderen Stdten grÅndete, im 15. Jahrhundert keine Messe mehr etablieren.

Die kommerzielle Revolution – Sptmittelalterlicher Handel

W

enn wir von einer zu Beginn des 13. Jahrhunderts ein-

setzenden kommerziellen Revolution sprechen, sind

mehrere Faktoren zu nennen, die diese Entwicklung charakterisieren. Das ist zum einen die gestiegene Nachfrage einer deutlich gewachsenen BevÇlkerung, schon deren Bedarf an Nahrungsmitteln musste das Handelsvolumen ansteigen lassen. So stieg die Einwohnerzahl im spteren Deutschland in den drei Jahrhunderten zwischen 1000 und 1300 von ca. 3,5 Millionen auf ungefhr zwÇlf Millionen. Zum anderen galt es, die Nachfrage nach LuxusgÅtern an den HÇfen Europas, die sich im 13. Jahrhundert zu etablieren begannen, zu befriedigen. Der Handel mit Luxusware Åberwand in großem Ausmaß weite Distanzen, fÅr MassengÅter galt dies jedoch noch weniger. Besonders der ppstliche Hof in Avignon sollte sich zu einem Nachfragezentrum entwickeln, hier platzierten italienische Bankhuser ihre Filialen, um am lukrativen kurialen Finanzwesen zu partizipieren. Die Feste sowie die Aufwendungen Papst Clemens’ VI. (1342–1352) brauchten keinerlei Vergleich mit weltlichen Herrschern zu scheuen. Paris und London wuchsen in eine zentrale Rolle hinein, und wie in Avignon die Stadtpalste der hohen Geistlichkeit an der Kurie errichtet wurden, ließen Adlige in Paris und London ihre Stadtresidenzen erbauen. Die Kaufleute – zumindest die bedeutenderen – wurden sesshaft, zogen nicht mehr selbst umher, sondern korrespondierten nunmehr schriftlich mit ihren auswrtigen Bediensteten. Dazu ttig-

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Die kommerzielle Revolution

ten Handlungsdiener, die Bezeichnungen der Gehilfen variierten erheblich, auswrtige Geschfte, unternahmen Reisen, erwarben Waren und sorgten fÅr deren Transport. Geschftspraktiken und -geheimnisse durften sie nicht verraten. Nicht selten beteiligten die Kaufleute die Handlungsdiener mit Einlagen am Geschft, um so ihr Interesse an hohen Gewinnen zu steigern. Dies ermÇglichte zudem eine Prsenz an mehreren Orten, whrend sich ein schnelleres Reagieren auf Preisentwicklungen bzw. Preisschwankungen zum eigenen Vorteil nutzen ließ. Freilich mussten dafÅr die Bediensteten selbst Entscheidungen am jeweiligen Einkaufsort treffen kÇnnen, denn sonst konnten zeitraubende Kommunikationswege derartige Vorteile wieder zunichte machen, selbst wenn eigens engagierte Boten schneller unterwegs waren als der sonstige Verkehr. Solche Boten dÅrften zu Beginn des 15. Jahrhunderts, natÅrlich abhngig von den Straßenverhltnissen, im Regelfall 50 bis 60 Kilometer am Tag bewltigt haben, in Einzelfllen auch deutlich mehr. Selbstverstndlich ließen Ebenen hÇhere Geschwindigkeiten zu als Gebirge. Eine weitere Folge der Sesshaftwerdung waren die Anlage und die Aufbewahrung von Schriftgut, Neuerungen in der BuchfÅhrung sowie das Aufkommen eines bargeldlosen Zahlungsverkehrs. In der Regel waren es italienische Huser wie die Bardi oder die Peruzzi, spter die Datini oder die Medici, welche die Neuerungen einfÅhrten, und aus Oberitalien Åbernahmen zunchst oberdeutsche Kaufleute die jeweiligen Techniken. Eine weitere Neuerung bildeten Handelsgesellschaften. Selbst das Bild der Kirche vom Kaufmann hatte immer weniger negative ZÅge. Standen sie zunchst aus Sicht vieler geistlicher Zeitgenossen tendenziell Rubern oder Piraten nher als ehrlichen Menschen, gewann nunmehr die Vorstellung von der Notwendigkeit oder NÅtzlichkeit des Handels an Gewicht. Der Kaufmann galt nun eher als Vermittler, dessen Ttigkeit Belohnung verdiente, denn als potenzieller BetrÅger, kaufmnnisches Handeln fand zunehmende Legitimation. Einzig der Wuchervorwurf hing, ohnehin schnell zur Hand, wie ein Damoklesschwert vor allem bei Geldgeschften Åber

Die kommerzielle Revolution

ihnen. ber das, was Wucher sei, stritten freilich nicht nur die Gelehrten. Wucher blieb lange Åberwiegend von Kirchenstrafen bedroht und stellte nicht primr ein Problem der weltlichen Gerichtsbarkeit dar. Dennoch waren die Vorstellungen von Fegefeuer und HÇllenqualen eine bittere mÇgliche Realitt nach dem Tod. Zumindest die HÇllenqualen sollten vermieden werden, whrend Ablsse, Almosen und Stiftungen die Zeit im Fegefeuer verkÅrzen konnten. Nur langsam wurde die antike bzw. christliche Vorstellung Åberwunden, dass einerseits Geld kein Geld zeuge und andererseits die Zeit als Eigentum Gottes nicht verkauft werden kÇnne. Dies hinderte freilich die Kirche oder KlÇster des Sptmittelalters nicht, Geldleihen zu ttigen. Wiederum in Oberitalien findet sich zuerst die Praxis, ein Konto fÅr den Herrgott einzurichten, ihn quasi am Gewinn zu beteiligen. Die Mittel flossen dann in Stiftungen oder Almosen, zhlten als gute Taten. FÅr das NÅrnberger Neue Spital nennt Johannes MÅllner folgende gute Taten, die einen Ablass einbrachten: Wer den Kranken im Spital Gutes tut und sie trÇstet und sonst sein Almosen dem Spital gibt; wer dabei ist, wenn man einem das

[

Abendmahl reicht oder die letzte lung gibt; wer dabei ist, wenn einer stirbt und fÅr denselben bittet, wer mit zum Begrbnis geht; wer Åber den Kirchhof geht und fÅr alle Seelen ein Vaterunser

]

spricht, wer fÅr den Stifter bittet, wer eine Predigt in der Spitalskirche hÇrt, und auf allen Festen des Jahres fastet, wer etliche Ave Maria spricht.1

FÅr den Chronisten der zu Beginn des 17. Jahrhunderts lngst protestantischen Reichsstadt war dieses schon alter Aberglaube, aber dennoch aufzeichnenswert. Eine derartig enge Verquickung von geistlicher und weltlicher Sphre ist fÅr uns kaum noch vorstellbar, doch deren Trennung ist erst ein Produkt der Aufklrung.

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Die kommerzielle Revolution

Avignon – Residenz der Ppste

A vignon erlebte seine BlÅtezeit, als zwischen 1309 und 1378 die Ppste hier statt in Rom residierten. Zunchst nicht als dauerhafter Aufenthalt geplant, ließ sich Clemens V. (1305 –1314) in der Stadt an der Rhne nieder, und aufgrund mehrerer Verschiebungen der RÅckkehr nach Rom entwickelte sich Avignon vorÅbergehend zum Zentrum der rÇmisch-katholischen Kirche. 1348 erwarb Clemens VI. die Stadt, den Bau des mchtigen Papstpalastes, den Sie noch heute besichtigen kÇnnen, hatte schon sein Vorgnger Benedikt XII. (1334 –1342) beginnen lassen. Hier entfaltete sich seit Benedikt XII. ein prunkvolles Hofleben.

Massen- und Luxushandel

Die unterschiedlichsten Dinge transportierten Pferde, Ochsen, Esel, Karren, Wagen oder Schiffe durch und um den europischen Kontinent. Aus Asien gelangten die begehrten GewÅrze, aber auch chinesische Seidenstoffe auf den Markt. Dagegen blieb die asiatische Nachfrage nach europischen Produkten deutlich geringer, und deswegen flossen vornehmlich Edelmetalle in gemÅnzter oder ungemÅnzter Form in den Osten. Afrika spielte dagegen nur eine geringe Rolle, und es sollte wie Amerika erst im 16. Jahrhundert die Produktpalette verbreitern. Langfristig fÅhrte die Integration der beiden Kontinente in den Welthandel zu gravierenden Vernderungen auch der Handelswege. Langsam verlor das Mittelmeer seine Åberragende Bedeutung, wurde immer mehr zu einem Randmeer, whrend der Handel Åber den Atlantik an Gewicht gewann. Tuche Åber Tuche

Eines der wichtigsten MassengÅter stellten Tuche dar, die in unterschiedlichen Qualitten und großen Mengen quer durch Europa vertrieben wurden. Die zunchst vorherrschenden Leinengewebe lÇste

Tuche Åber Tuche

Tuchfrberei; flmische Miniatur aus dem 15. Jahrhundert

seit dem 14. Jahrhundert zunehmend Barchent als leichtes Mischgewebe von Leinen und Baumwolle ab. Reine Baumwollprodukte waren hingegen fÅr die meisten unerschwinglich. Zunchst wurde in Oberitalien die Barchentproduktion entwickelt und die Tuche hergestellt, welche oberdeutsche Kaufleute in großen Mengen Åber die Alpen transportierten. Freilich schauten sie sich die oberitalienischen Produktionstechniken ab, sodass zwischen 1363 und 1383 in Schwaben nordÇstlich des Bodensees ein Barchentrevier entstehen konnte, das zum Ende des Jahrhunderts Importe weitgehend ÅberflÅssig machte. Ohnehin wuchs im Bodenseeraum wahrscheinlich eine be-

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Die kommerzielle Revolution

Von der Wolle zum Tuch

H ochgradig arbeitsteilig erfolgte die Herstellung von Tuchen. Zunchst musste die Wolle geschlagen und gewaschen werden. Darauf folgte das Spinnen der Wolle zu Fden, deren Lnge dann mit dem Fertigprodukt abgestimmt werden musste. Erst jetzt traten die Weber mit ihren WebstÅhlen in Aktion, anschließend mussten die Tuche gewalkt werden. Im 12. Jahrhundert setzten sich hierfÅr WalkmÅhlen durch. Nun schloss sich das Trocknen im Spannrahmen an, bevor die Tuche in einem letzten Schritt gefrbt wurden. Das Frben der Wolle war dagegen weniger verbreitet.

sonders feine langfaserige Flachsart. Der Rohstoff Baumwolle hingegen musste unverndert aus Oberitalien bezogen werden. Um derartige neue Techniken allerdings nachzuahmen, mussten Kaufleute entweder Åber genÅgend technisches Wissen verfÅgen oder qualifizierte Personen zu den Produktionssttten mitnehmen. Diese schwbische Baumwollverarbeitung wurde als erste Industrie auf deutschem Boden bezeichnet. 2 Geografisch begrenzten Ravensburg und Kaufbeuren im SÅden, Landsberg am Lech und Augsburg im Osten, DinkelsbÅhl im Norden sowie erneut Ravensburg und Biberach im Westen dieses Barchentrevier. Der Tragekomfort des neuen Stoffs lag deutlich Åber dem von Leinen, außerdem ließ sich Barchent gut frben und nahm krftige Farben an, und dies spielte beim durchaus modebewussten sptmittelalterlichen Menschen eine Rolle. Im Gegensatz zur lteren Leinenweberei war das Barchentgewerbe von Beginn an auf den Export und damit auf genormte Qualitten angelegt. Schafwolle gelangte seit dem 14. Jahrhundert in großen Mengen in den Handel. brigens: War die husliche oder grundherrschaftliche Herstellung von Textilien noch Frauenarbeit gewesen, so wurde das stdtische Gewerbe von Mnnern beherrscht. Stoffe aus Seide bildeten hingegen ein ausgesprochenes

Wein als Massengetrnk

Luxusprodukt, und in Deutschland nahm KÇln eine fÅhrende Stellung bei deren Herstellung ein. Die Hndler bezogen das Vorprodukt aus Asien, aber auch von der Maulbeerbaum- und Seidenraupenzucht in Italien und auf der Iberischen Halbinsel. Die hÇchsten Qualitten aber stammten aus dem fernen China.

Wein als Massengetrnk

Intensiviert wurde auch der Weinhandel, und großer Beliebtheit erfreuten sich die sÅßen SÅdweine, LikÇren nicht unhnlich, mit vergleichsweise hohem Alkoholgehalt. Leisten konnte sie sich freilich lngst nicht jeder. Zu nennen ist an erster Stelle der teure und schwere Malvasia, ursprÅnglich aus Kreta und Griechenland stammend, dann wohl auch in SÅditalien angebaut. Ebenfalls aus Griechenland bezogen wurde der Romania, whrend Muskateller zunchst auf Kreta wuchs, dann in Oberitalien und im Etschtal gezogen wurde. Felix Fabri, ein weit gereister NÅrnberger Patrizier, hielt Muskateller sogar fÅr edler als Malvasia. berwiegend venezianische Galeeren transportierten diese Weine via BrÅgge in den Norden, im SÅden Åberwogen die Alpenrouten als Handelswege. Auch der Handel italienischer Weine nach Oberdeutschland erfolgte auf dem Landweg. Bereits der Onkel Friedrichs I. Barbarossa (1152–1190), Bischof Otto von Freising, beschrieb die Fruchtbarkeit Oberitaliens: Durch den Po oder Eridanus, den die Geographen unter die drei

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berÅhmtesten StrÇme Europas rechnen, und andere FlÅsse wird das Land bewssert, und wegen des fruchtbaren Bodens und des milden Klimas trgt es Getreide,Wein und l, und zwar in solchen

]

Mengen, dass es geradezu Wlder von fruchttragenden Bumen, vor allem Kastanien-, Feigen- und lbume hervorbringt.3

Derartige Beobachtungen stellen freilich in der Chronistik des Hochmittelalters Ausnahmen dar. Unter den einheimischen Weinen besaß der Elssser Wein den besten Ruf, und er gelangte wie Mosel- und Rheinweine Åber KÇln

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Die kommerzielle Revolution

Trauben und Weine

A ls arbeitsintensiv erwies sich der Weinbau: Zunchst musste nach derSchneeschmelze das Deckmaterial entfernt werden, ÅberflÅssige Triebe waren abzuschneiden, andere zurÅckzuschneiden. Es folgten das Einschlagen der StÇcke, das Anbinden der Reben, ein erstes Umgraben des Bodens, dann ein zweites, weniger tiefes Umgraben. Laub und Triebe mussten erneut beschnitten werden, bevor die Lese erfolgte. Kelteranlagen pressten abschließend die Trauben, whrend die Weinberge gedÅngt werden mussten. Bei den einzelnen Schritten wirkten hufig TagelÇhner in großer Zahl mit.

nach England und Skandinavien. Sicher nicht qualittssteigernd wirkte sich das weitere Verschieben der Anbaugrenzen nach Norden aus, so wurde im 14. und 15. Jahrhundert Wein beispielsweise in Kassel, Itzehoe, Bad Wildungen, Braunschweig oder am Marburger Schlossberg angebaut. ber die Qualitt solcher Weine sollte sich niemand Illusionen hingeben. Zahlreiche Abrechnungen kennzeichneten die jeweils unterste Stufe der Weine als Knechtsweine, und dies beschreibt den Kreis derer, welche die sauren Produkte trinken sollten. FÅr oberdeutsche Stdte konnte ein methodisch sicher fundierter Pro-Kopf-Konsum von 1,3 Litern Wein tglich fÅr das 15. Jahrhundert belegt werden, und dieser Wert kann vor der Verbreitung des Bierkonsums verallgemeinert werden. Die Bedeutung des Weins als Alltagsgetrnk begÅnstigte ein freilich ungesichertes Wissen Åber unterschiedliche Wasserqualitten und mÇgliche Gefhrdungen. Andererseits kann die Wasserqualitt zumindest der FlÅsse oder Fließgewsser so schlecht nicht gewesen sein, denn vor der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts bevÇlkerten z. B. Lachse den Rhein. In welchen Mengen Most konsumiert worden ist, bleibt unklar. Allerdings erwiesen sich die Ertrge der Weinberge als ausgesprochen schwankend, und der Straßburger Chronist Fritsche Closener berichtet:

Der Aufstieg des Biers

Als man zhlte das Jahr 1278, […] desselben Jahres verdarb der Wein. […] Als man das zhlte das Jahr 1297, in dem Herbst, da

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wuchs so viel Wein, dass man fÅr ein leeres Fass ein Pfund gab, und wer 100 leere Fsser hatte, dem fÅllte man 50 Fsser mit Wein um die anderen 50 leeren. Man gab auch den Wein vom letzten Jahr

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weg, damit die Fsser leer wurden und man neuen Wein einfÅllen konnte. […] Es verdarb auch viel Wein an den Reben, weil es zu wenig Fsser gab.

Branntwein, vornehmlich in Form von Aquavit, zunchst aus Italien importiert, diente im 15. Jahrhundert in erster Linie als Medizin, noch weniger als Getrnk. Sogar extra Glser fÅr Branntwein ließ 1430/31 beispielsweise der Adlige Konrad von Weinsberg erwerben. Diese Konsumgewohnheit nderte sich nach und nach im folgenden Jahrhundert, zumindest geriet das Getrnk als potenziell gefhrlich in den Blick der Obrigkeiten, die ohnehin in der FrÅhen Neuzeit weit strker in das Leben und die LebensfÅhrung des Einzelnen eingriffen als im Sptmittelalter. Zum Massengetrnk wurde Branntwein aber erst in Form von billigem Kartoffelschnaps whrend des 19. Jahrhunderts.

Der Aufstieg des Biers

Erst im 15. Jahrhundert begann Bier quasi als Grundnahrungsmittel nicht zuletzt wegen seines gÅnstigen Preises den Wein in weiten Teilen Deutschlands zu verdrngen, und Voraussetzung dafÅr war der Einsatz von Hopfen, welcher fÅr die nÇtige Haltbarkeit sorgte. Zuvor dominierte das Grutbier, das mit Kruterzustzen leichter verderblich war und sÅßlich schmeckte. Zunchst exportierten die hansischen Seestdte große Mengen Hopfenbiers in die Niederlande, nach England und an den Niederrhein. Schließlich sollten die Niederlande ihr eigenes Bier in Umlauf bringen. Die bayerischen Biersatzordnungen von 1493 und 1516 schrieben schließlich nur noch Hopfen als Bierzusatz vor. Zum wichtigsten Braugetreide entwi-

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Die kommerzielle Revolution

ckelte sich Gerste,Weizen blieb aber regional vertreten; auch wurden beide Getreide gemeinsam gebraut. Das MÅnchener Hofbruhaus wurde Åbrigens 1589 errichtet, und seit 1613 braute man das sogenannte „AinpÇckisch Bier“. Das allerdings teure „Einbecker Bier“ besaß einen guten Ruf, von dem spter das Bockbier seinen Namen bekam. Auch das Hamburger Bier wurde von den Konsumenten geschtzt. In der Regel diente die betreffende Stadt als Namensgeber und stand fÅr eine bestimmte Qualitt. Anders als beim Wein sind die konsumierten Mengen unklarer, fÅr West- und Mitteleuropa gehen vorsichtige Schtzungen von 300 bis 400 Litern pro Kopf und Jahr aus, fÅr NÅrnberg werden 220 Liter jhrlich genannt. Wichtig ist aber bei der Interpretation der Angaben, ob ausschließlich Bier getrunken oder daneben Wein konsumiert wurde. Schon fÅr das Sptmittelalter bestimmte der Alkoholgehalt die Nahrhaftigkeit des Bieres, und ein hoher Alkoholgehalt war ein wichtiges Qualittskriterium. Nachtrgliche Berechnungen lassen Alkoholgehalte von gut zwei bis knapp zehn Volumenprozent erkennen, und damit in etwa die heutige Bandbreite von Light-Produkten bis zum Starkbier. In England verdrngte im 16. Jahrhundert Hopfenbier das dort Åbliche Ale, mit dem nunmehr Kranke, Heranwachsende und Frauen vorliebnehmen mussten. Allerdings fand diese Entwicklung auch Kritiker, die vorgaben, dass Bier das Gesicht fett werden lasse und die Buche blhe. In der FrÅhen Neuzeit fÅhrte ein Autor hingegen aus, dass das Trinken von starkem Bier fast so gut sttige wie Essen. Auch in Weinbaugebieten setzte sich – hier aber vornehmlich in der Unterschicht – Bier durch, das zudem kalorienreicher als Wein war und ist.

Fische fÅr die Fastenzeiten

Eine deutliche Zunahme verzeichnete der Heringshandel, und LÅbecker Kaufleute verschifften LÅneburger Salz nach dem heute schwedischen Schonen, der im Sptmittelalter bei allerdings rÅcklufiger Tendenz wichtigsten Fischhandelsregion Skandinaviens, erwarben

Fische fÅr die Fastenzeiten

Stockfischgestelle auf den Lofoten. Wie seit Jahrhunderten wird der gefangene Kabeljau hier von den Fischern auf Holzgestellen getrocknet.

dort im Gegenzug die Fische, um sie Åber Zwischenhndler bis nach Oberdeutschland zu vertreiben. Ohnehin spielte Fisch durch die Vielzahl kirchlich vorgeschriebener Fastentage, in insgesamt gut einem Drittel des Jahres blieb der Fleischverzehr verboten, eine wichtige Rolle in der Ernhrung. Allerdings lag der Heringspreis in SÅddeutschland schon durch den langen Transportweg deutlich Åber dem in den KÅstengebieten. Dennoch blieb der Hering im 15. Jahrhundert eine noch fÅr breite Schichten der BevÇlkerung bezahlbare Fastenspeise, im folgenden Jahrhundert sollte sein Preis dann drastisch ansteigen. Bevor allerdings der lange in einer Salzlake konservierte Fisch wieder nach Hering schmeckte, musste er tagelang gewssert werden. Daneben gelangte Stockfisch, also luftgetrockneter Fisch, zumeist Kabeljau, von der norwegischen KÅste mit dem Zentrum Bergen auf die kontinentalen Mrkte. War der Hering sehr salzig, war der Stockfisch so hart, dass man jemandem damit den Kopf htte einschlagen kÇnnen. Man musste also entweder wssern oder

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Die kommerzielle Revolution

Åber eine ausgesprochen krftige Kaumuskulatur verfÅgen. Doch auch exotische Speisen erreichten die Mrkte, und ein Beobachter des Konstanzer Konzils, der großen Kirchenversammlung des zweiten Jahrzehnts des 14. Jahrhunderts, erwhnte FrÇsche und Schnecken, die allerdings nur die Welschen, also die Italiener konsumiert htten, keinesfalls seine Landsleute.

Getreide und Vieh

berregionaler Getreidehandel ist gleichfalls belegt und zwar einerseits im Mittelmeerraum und andererseits davon streng getrennt an Nord- und Ostsee. Die ostelbischen Gebiete konnten sich so zu Getreidekammern entwickeln, die maßgeblich zur Versorgung der Niederlande und Flanderns beitrugen. Zudem gab es beim Getreide aufgrund der benÇtigten Mengen Schwierigkeiten beim Transport in großen Mengen. Auch dies fÅhrte dazu, dass regionale Hungerkrisen bis weit in die Neuzeit zu verzeichnen sind, nicht selten ausgelÇst durch dem Wachstum abtrgliches Wetter. FÅr 1446 schildert ein Augsburger Chronist: Es begann zu regnen im Herbst und es regnete tglich bis nach St. Martinstag, und danach begann es zu schneien, und es fiel eine

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Schneeschicht Åber die andere. Und nach Weihnachten kam eine Wrme in den Schnee, und der gesamte Schnee schmolz auf den ckern. Und als der Schnee weg war, da lagen Åberall FrÇsche auf

]

den ckern, die FrÇsche waren mit dem Regen herab gekommen. Und zu derselben Zeit gab es wenige Muse in den ckern, sie waren alle in dem Regen ertrunken.4

Weit verbreitet war der Viehhandel, konzentriert zunchst auf die Mrkte des Umlands. So sandte der bereits erwhnte Konrad von Weinsberg 1431 einen Amtmann in Begleitung eines Metzgers aus, um Vieh zu erwerben. Ganz selbstverstndlich flossen die Kosten fÅr die Unterbringung und das Futter des Pferdes ein, tendenziell beliefen sich die Kosten fÅr Pferde bei Reisegruppen auf etwa ein

Getreide und Vieh

Drittel der Gesamtkosten. Die allerdings trockenen Rechnungsnotizen des Amtmanns Konrad KÅmpf berichten:

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Was ich an Vieh zu NÇrdlingen und zu Stuttgart gekauft habe: 92 Gulden um 31 Rinder zu NÇrdlingen gekauft. 3 1/2 Gulden 7 bÇhmische Groschen verzehrten ich und das Pferd hin und zurÅck an acht Tagen, vier Tage lagen wir still zu NÇrdlingen. 15 bÇhmische Groschen zu Zoll in NÇrdlingen, in Ehingen, zu Ellwangen, zu Hall. 1 Gulden 1 bÇhmischen Groschen dem Metzger zu Lohn und einem Knecht, die mir halfen, das Vieh zu kaufen und zu treiben. [Zu Stuttgart …] 77 1/2 Gulden 1 Ort um

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22 Stiere […] 11 Schilling 3 Pfennige ich, der Metzger, mein Pferd verzehrt hin und zurÅck.5

Eine ganz andere Dimension erschloss der europische Ochsenhandel seit dem 15. Jahrhundert. Schon seit dem 13. und 14. Jahrhundert, verstrkt im 15., gelangte Vieh, insbesondere Ochsen, zum einen von den KÅsten im Norden einschließlich der Dnemarks auf die niederdeutschen Mrkte, zum anderen seit der zweiten Hlfte des 14. Jahrhunderts von Ungarn nach Oberdeutschland. Spter stammte das Vieh zustzlich aus Polen und weiter Çstlich gelegenen Regionen bis in den Kiewer Raum. Große Herden durchquerten Teile Europas, und die Tiere bewegten sich selbst – ein großer Vorteil – zu ihren Schlachtpltzen. Dennoch blieb die Organisation solcher Unternehmen eine komplexe Angelegenheit. Vor den Mauern der Stdte mussten schließlich ausreichend WeidemÇglichkeiten bestehen, sogenannte Fettweiden, damit die Tiere sich binnen mÇglichst kurzer Zeit ihr Schlachtgewicht anfressen konnten. Schon die Zeitgenossen wussten, dass sich besonders die ungarischen Ochsen dafÅr eigneten, die whrend der langen Trecks nur wenig Gewicht verloren und dieses dann schnell wiedergewannen. Allerdings war das Vieh deutlich kleiner und leichter als heutiges, und damit blieben die Fleischertrge gleichfalls geringer. Der Fleischverzehr wird fÅr das 15. Jahrhundert auf etwa 50 Kilogramm pro Kopf und Jahr geschtzt, bei allerdings deutlichen sozialen Dif-

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Die kommerzielle Revolution

ferenzierungen vor dem Hintergrund unsicherer Schtzwerte. In geringerer Zahl erreichten Schweineherden die Mrkte, die allerdings hufig auf Schiffen ihren Bestimmungsort erreichten. Dennoch funktionierte die Fleischversorgung keineswegs immer, sodass sich beispielsweise 1502 die Leipziger Universitt bei dem schsischen Landesherren Åber die Metzger und die Schließung des freien Fleischmarkts, der fremden Metzgern Zugang erlaubte, beschwerte: […] Sie geben das schlechte Fleisch jetzt genauso teuer ab pro Pfund

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wie das allerbeste und daraus wird, dass sich die BevÇlkerung mit den Metzgern entzweit, auch untereinander, und sie ziehen und zerren um das Fleisch. Bekannte Leuten, Mchtigen und denen, die viel kaufen, geistlich oder weltlich, erhalten das Beste, den Armen und denjenigen, die wenig kaufen, hilft Gott. […] Die Metzger der Stadt schlachten ganz Åberwiegend schlechtes Fleisch, das sie billig und in großen Mengen in den schlesischen oder Lausitzer Landen und in anderen Gegenden kaufen, das schlecht, alt und mager ist, und nicht passendes Fleisch fÅr Studenten ist; die fremden Metzger

]

brachten gutes, junges und sÅßes Landfleisch, das sie oder ihre Nachbarn in den hiesigen Landen zÅchteten. […]6

Anders als heute galt fettes Fleisch gegenÅber magerem als deutlich hÇherwertiger, sodass auch Speck hufig hÇhere Pfundpreise erzielte als Rind- oder Schweinefleisch. Eine wohlgenhrte Figur zeigte eben, dass sich der Besitzer teure Nahrungsmittel mit hohem Kalorienwert leisten konnte.

RÅstungen fÅr die Kriege

Doch verlassen wir nun den Bereich der Lebensmittel und kommen zu militrischen Belangen. Als Hauptlieferant fÅr RÅstungen fungierte zunchst die Lombardei mit Mailand und Brescia als Produktionszentren. Den teuren Einzelanfertigungen sowie den Sondermodellen fÅr die europischen HÇfe standen im Sptmittelalter die massenweise produzierten einfachen und zunehmend normierten

GewÅrze und SÅdfrÅchte

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Die portugiesische Expansion – Der Weg um Afrika

N ach tastenden Anfngen im 14. Jahrhundert intensivierten die Portugiesen im 15. Jahrhundert ihre BemÅhungen, bis zur SÅdspitze Afrikas vorzudringen und sich so den Weg nach Asien zu erschließen. In der ersten Hlfte des 15. Jahrhunderts fielen Madeira und die Azoren in portugiesische Hnde. Das stndige stÅckweise Vorstoßen nach SÅden fÅhrte 1441 zur Gefangennahme der ersten Sklaven. 1487/88 erfolgte das weitere Vordringen zur SÅdostkÅste Afrikas, bevor 1497/99 der portugiesische Seefahrer und Entdecker Vasco da Gama mit seinen Begleitern Indien erreichte. Nach seiner RÅckkehr begann der regelmßige Verkehr bewaffneter Handelsflotten in den Indischen Ozean.

RÅstungen fÅr den gemeinen Kmpfer entgegen. Da in einer kompletten RÅstung das Gehen unmÇglich war, schÅtzten die Fußkmpfer einzig Brust- und RÅckenpanzer, ergnzt um Schutz fÅr die Arme. Ende des 14. Jahrhunderts traten nun oberdeutsche und speziell NÅrnberger Kaufleute in Konkurrenz zu Italien, und NÅrnberg konzentrierte sich auf eben diese tragfhigen RÅstungen fÅr Fußkmpfer. Hndler ließen die Teile zu Fertigprodukten montieren, welche zuvor auf Einzelteile spezialisierte Handwerker nach genauen Vorgaben angefertigt hatten. Daneben war KÇln fÅr seine Waffen und RÅstungen – in durchaus lngerer Tradition als NÅrnberg – bekannt, whrend Solinger Klingen noch heute einen guten Ruf genießen. Allerdings mussten bei den bisher vorgestellten (Massen-)Waren die Gewinne mittels eines hohen Umsatzes erzielt werden, whrend bei Luxusprodukten die Gewinnmargen deutlich hÇher liegen konnten.

GewÅrze und SÅdfrÅchte

Teuer blieben im Sptmittelalter alle nicht einheimischen GewÅrze, und im Handel mit diesen nahm Venedig seit etwa 900 eine zunehmend exponierte Stellung ein. Aus Asien gelangten die GewÅrze

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Die kommerzielle Revolution

auf dem Land- oder Seeweg an die LevantekÅste, also die Çstliche MittelmeerkÅste, wo italienische Schiffe die Waren Åbernahmen. Zwei- oder dreimal jhrlich liefen die Schiffe von der Levante in den Hafen Venedigs ein, und es galt, sich rechtzeitig mit den herbeigeschafften Produkten einzudecken. Wichtigster Konkurrent der Lagunenstadt blieb Genua. Allerdings mussten in Venedig smtliche Geschfte gegen GebÅhr unter kommunaler Aufsicht abgewickelt werden, whrend die Stadt als Gegenleistung Maße, Gewichte und teilweise die Qualitt der Produkte garantierte. Etwa drei Viertel aller der nach Europa gelangten GewÅrze dÅrften kurz nach 1400 ihren Weg Åber Venedig genommen haben, Åber die hier umgeschlagenen absoluten Mengen herrscht jedoch keine Einigkeit, und sie dÅrften entgegen verbreiteter Ansicht nicht sehr groß gewesen sein. Vielleicht handelte es sich um 500 Tonnen jhrlich, vielleicht auch um die doppelte Menge. Damit waren GewÅrze nicht das vorherrschende Handelsgut im sptmittelalterlichen Europa. Aber bei ihnen verbanden sich geringes Gewicht und hohe Preise, und damit waren sie eines der idealen HandelsgÅter. Der direkte Handel mit Asien stellte neben der Hoffnung auf unermessliche Mengen von Edelmetallen eine wichtige Antriebskraft nicht nur der portugiesischen Expansion dar, und zu Beginn des 16. Jahrhunderts sollten die Portugiesen direkt in diesen Markt einbrechen. Der Handel mit in Italien angelandeten Spezereien konnte sich als ausgesprochen lukrativ erweisen, besonders wenn ein Kaufmann als Erster die begehrten Produkte auf die aus seiner Sicht am besten leer gekauften heimischen Mrkte brachte. So erwarben oberdeutsche Kaufleute in Venedig beispielsweise Pfeffer, Ingwer, Muskat, Zimt oder GewÅrznelken, die sie in grÇßeren Mengen an einzelne Kufer oder an Detailhndler verußerten. Prchtig gestaltet, prsentierte der Fondaco dei Tedeschi die Bedeutung der Hndler. Ausgesprochen teuer musste der Safran, angebaut auf der Iberischen Halbinsel oder in Italien, erworben werden. „Safran frbt den Kuchen gel“, weiß ein tradiertes und wohl fast vergessenes Kinderlied

GewÅrze und SÅdfrÅchte

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Åber das in mÅhseliger Ernte gewonnene Produkt zu erzhlen. Die dem Krokus verwandten Pflanzen entwickeln im Herbst dreiteilige Narben von krftiger roter Farbe, die etwa drei Zentimeter lang sind, deren Durchmesser aber nur wenige Millimeter betrgt. Diese mussten in Handarbeit – ganz Åberwiegend von Frauen und Kindern – aus der nur wenige Tage geÇffneten BlÅte entfernt und anschließend getrocknet werden. Gemahlen gelangte Safran schließlich in den Handel. Den gleichfalls zu hohen Preisen gehandelten Zucker gewann man aus Zuckerrohr, der auf den Mittelmeerinseln Zypern und Kreta angepflanzt wurde. Doch Zucker und Pfeffer verloren im Zuge der portugiesischen Expansion an Wert: Der umfangreiche Anbau von Zuckerrohr auf den Atlantischen Inseln, insbesondere auf Madeira und den Kanarischen Inseln, durch Portugiesen und Kastilier ließ in der zweiten Hlfte des 15. Jahrhunderts den Preis so weit fallen, dass zumindest im Mittelmeerraum, dann zunehmend auch weiter nÇrdlich, Zucker auch von AngehÇrigen der Mittelschichten erworben werden konnte. Der von den Portugiesen nach Europa gebrachte afrikanische Pfeffer, zeitgenÇssisch auch als ParadieskÇrner bekannt, entwickelte sich im 16. Jahrhundert sogar zu einem Massengut. Gleichfalls nicht fÅr die große Masse der BevÇlkerung erschwinglich, fanden SÅdfrÅchte ihren Weg Åber die Alpen. Nur in ge-

Soziale Schichten in der sptmittelalterlichen Stadt

Z war weisen alle Schichtungsmodelle Schwchen auf, doch empfiehlt sich rÅckblickend eine einfache Untergliederung in Oberschicht, obere und untere Mittelschicht sowie Unterschicht. Zur Oberschicht zhlten fÅhrende und vermÇgende Kaufleute sowie Rentiers, zur oberen Mittelschicht, grob formuliert, die kommerziellen Berufe, zur unteren Mittelschicht die Handwerker. Die heterogene Unterschicht bildeten einkommensschwache Handwerker, Kleinhndler, Gesellen, Knechte, Mgde u. a.

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Die kommerzielle Revolution

ringen Mengen ließen Kaufleute Granatpfel, Pomeranzen, Zitronen bzw. Limonen sowie teure Damaszenerpflaumen auf die deutschen Mrkte transportieren. Dass die Kufer Pomeranzen und Zitronen/ Limonen dort stÅckweise statt nach Gewicht bezahlten – dieses legen HaushaltsbÅcher des frÅhen 16. Jahrhunderts dar –, verweist auf deren hohe Wertschtzung. Mandeln, Feigen und Rosinen bzw. Weinbeeren fanden hingegen einen grÇßeren Kuferkreis, und sie galten als umsatzstrkste SÅdfrÅchte; essbare Kastanien ergnzten das Angebot.

Warenflschungen

Teure Waren reizten zur Nachahmung – Warenflschungen oder Plagiate sind keine Erfindung der Neuzeit –, freilich noch mit einfachen Mitteln. So war es fÅr Flscher von Interesse, hochwertige GewÅrze wie Safran mit Zustzen zu verlngern oder gnzlich zu ersetzen; die Farbe musste allerdings stimmen. Selbst Sgespne kamen hier zum Einsatz. Um Derartigem vorzubeugen, ließ beispielsweise der NÅrnberger Rat 1441 eine stdtische Safranschau einrichten: In diesem 1441ten Jahr ist die Safranschau zu NÅrnberg erstmals eingerichtet worden, um St. Veitstag. Der erste Safranschauer ist

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gewesen Markward Oberhauser, darauf hat man am Freitag nach dem Weißen Sonntag einen Sack mit geflschtem Safran, der

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enthielt 13 Pfund, und einen BÅrger von Ulm, der Herrenberger genannt, dem er gehÇrte, bei dem SchÇnen Brunnen verbrannt; dazu hat der Rat zur Warnung eine Verrufung tun lassen.7

Gleichfalls nicht als Seltenheit zu verbuchen waren Weinflschungen, sie ließen sich aber hufig von den durchaus legitimen Weinverbesserungen kaum unterscheiden, und Letztere dienten dazu, die sauren Weine zu versÅßen oder deren Aroma zu verfeinern. Die Zugabe von Schwefel in geringen Mengen erhÇhte die Haltbarkeit und zerstÇrte Keime. Mit Wasser gepanschter Wein galt hingegen eindeutig als Straftat.

Warenflschungen

Um den Grprozess zu unterdrÅcken und derart mehr RestsÅße zu erzielen, reicherten die Panscher den Wein mit grÇßeren, allerdings gesundheitsschdlichen Mengen Schwefel an, oder sie feuerten bzw. erhitzten ihn. Wiederum in NÅrnberg schlugen Stadtknechte den mit geflschtem Wein gefÅllten Fssern im Regelfall den Boden aus und ließen den Wein in die Pegnitz fließen. Auch konnte eine Tonne mit Heringen in der Mitte mit verdorbener Ware gefÅllt werden, whrend oben und unten – die Fsser ließen sich von beiden Seiten Çffnen – Qualittsware lagerte. Der starke Geruch der Salzlake dÅrfte den Gestank der verdorbenen Fische Åberlagert haben. Auch um diesem entgegenzuwirken, ging nicht nur LÅbeck dazu Åber, die Fsser je nach Qualitt der Ware unterschiedlich zu stempeln und damit als Stadt die Qualitt zu garantieren. Damit konnten die Kufer anhand des Stempels die GÅtestufe erkennen. Weiterhin signalisierten Bleiplomben auf Tuchballen eine bestimmte Qualitt. Fast selbstverstndlich wurden auch diese Zeichen geflscht, doch konnte nun die betroffene Stadt in Verbindung mit weiteren die Flscher verfolgen. Wie oft allerdings Flschungen in Umlauf kamen, muss offen bleiben, da Statistiken aus jenen Jahren fehlen. Nachdem sich KÇlner Kaufleute bei ihrem Rat darÅber beschwert hatten, in Basel von den Zolleinnehmern unbillig behandelt worden zu sein, ließ der Basler Rat die Amtskollegen der Domstadt seine Sicht der Dinge wissen: Wenn sie Safran und Spezereien und anderen kÇstlichen Kaufmannsschatz mit sich fÅhren, so wollen sie diese als Schellen,

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Nadeln oder andere billige Dinge verzollen, und so handeln sie unbillig, und also wird das ihre durchsucht, was ihnen doch keinen Schaden bringt, wenn unserer ZÇllner dabei genauer ist. Deswegen begehren wir von Euch, dass ihr die euren wissen lasst, dass sie sich auch bei uns so verhalten, wie es billig ist.8

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Die kommerzielle Revolution

Der schwierige Umgang mit dem Geld

Grundstzlich von dem heutigen unterschied sich das Geldwesen des Mittelalters und der FrÅhen Neuzeit. Das aus der Sptantike Åberkommene GoldmÅnzensystem fand whrend des FrÅhmittelalters sein Ende, und ab dem 8. Jahrhundert lÇsten SilbermÅnzen die goldenen StÅcke ab. In Byzanz und der arabischen Welt wurde dagegen weiterhin Gold vermÅnzt. Das Nebeneinander verschiedener Prgung beendete Karl der Große, der in der Tradition seines Vaters in Frankfurt 794 das kÇnigliche MÅnzmonopol festschreiben ließ und zudem einen neuen Silberpfennig in Umlauf brachte. Solche PfennigmÅnzen blieben Åber Jahrhunderte die einzigen Prgungen, ergnzt in der Folge um kleinere Nominale. Allerdings regionalisierte sich das MÅnzwesen bereits im 10. Jahrhundert wieder, und die meisten MÅnzprgungen galten nur an dem Ort bzw. den Mrkten der MÅnzherren. Grundstzlich bestimmten bis weit in die Neuzeit das Gewicht und der Feingehalt, also der Edelmetallgehalt den Wert der MÅnze. Institutionen, die fÅr den aufgeprgten Wert garantieren, gab es nicht. Entsprechend wahrscheinlich den BedÅrfnissen des gewachsenen Handels finden sich zunchst im Italien des spten 12. Jahrhunderts hÇherwertige SilbermÅnzen. Venedig machte den Anfang, es folgte Genua, dann weitere oberitalienische Stdte und Tirol. Von deren Namen „Grosso“ leitete sich das deutsche Wort Groschen ab, die gngige Bezeichnung der ZehnpfennigmÅnze bis zur EinfÅhrung von Euro und Cent. Die franzÇsische Krone begann 1266 mit solchen Prgungen, und diese „Tournosen“ liefen ebenso wie die englischen SterlingmÅnzen massenhaft vor allem im Westen und Nordwesten des Reichs um. Im Reich selbst kursierten unzhlige verschiedene SilbermÅnzen whrend des Sptmittelalters, und deren jeweiliger Wert war wohl selbst fÅr versierte Kaufleute hufig nur schwer zu Åberblicken. Schließlich kam im 13. Jahrhundert die Goldprgung wieder auf. Kaiser Friedrich II. ließ in seinem KÇnigreich Sizilien ab 1231

Der schwierige Umgang mit dem Geld

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Die Goldene Bulle von 1356

D ie 1356 in zwei Etappen auf den Reichstagen in NÅrnberg und Metz verabschiedete Goldene Bulle regelte im Kern zwei Bereiche. Zum einen die KÇnigswahl sowie die notwendigen Vorbereitungen, die Sitzordnungen und den Ablauf der Wahl. Zum anderen die Beziehungen primr zwischen den KurfÅrsten und dem KÇnig. Ebenso schrieb sie das Mehrheitsprinzip bei der Wahl fest. Den Namen Goldene Bulle erhielt sie wegen der Besieglung mit einem goldenen Siegel. Solche goldenen Siegel finden sich hufiger an bedeutsamen Urkunden. Als KÇnigswhler bestimmt wurden 1356 schließlich die ErzbischÇfe von KÇln, Mainz und Trier, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg sowie der KÇnig von BÇhmen. Bis in das 17. Jahrhundert nderte sich der Kreis nicht, erfuhr dann aber Erweiterungen.

prgen. Die hohe Anzahl der gefundenen StÅcke verweist darauf, dass sie Handelszwecken dienten und nicht nur aus ReprsentationsgrÅnden gefertigt worden sind. Als eindeutig wichtiger erwiesen sich jedoch die jeweils 1252 aufgenommenen Goldprgungen von Genua (Genovino) und Florenz (Floren, abgeleitet Gulden). Venedig folgte mit dem Dukaten 1284, und anders als die vorgenannten Stdte, die sich in Nordafrika das Gold besorgten, deckte die Lagunenstadt ihren Bedarf mit ungarischem Gold. Im Reich setzten die GoldmÅnzen mit den Prgungen der rheinischen KurfÅrsten 1346 (Pfalzgraf bei Rhein, ErzbischÇfe von KÇln, Mainz und Trier) ein, und die Goldene Bulle privilegierte 1356 alle KurfÅrsten mit diesem Recht. Der ab 1386 von den genannten rheinischen KurfÅrsten gemeinsam geprgte rheinische Gulden entwickelte sich zu einer Art Leitwhrung im Reich, zumal die Prgungen vergleichsweise gewichtsstabil blieben. Lag der Goldgehalt 1380 bei 3,4 Gramm je MÅnze, reduzierte er sich bis 1550 nur auf 2,48 Gramm. Dagegen wurden SilbermÅnzen immer wieder in Gewicht und Feingehalt gemindert.

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Die kommerzielle Revolution

Vor allem im SÅden und SÅdosten des Reichs beliebt war der ungarische Gulden, der einen hÇheren Goldgehalt als der rheinische aufwies. Im 16. Jahrhundert folgten dann SilbermÅnzen, deren Wert bei deutlich hÇherem Gewicht dem des rheinischen Guldens entsprach, der nun seine fÅhrende Stellung langsam verlor. Doch trotz aller Neuerungen herrschte bis weit in das 16. Jahrhundert hinein angesichts eines langsamen Warenumschlags und begrenzter Edelmetallvorkommen Bargeldmangel. Erst die Einfuhr des amerikanischen Silbers erhÇhte das Geldvolumen. Riskant blieb die Mitnahme grÇßerer Mengen an Bargeld oder Barrengold bzw. -silber, denn nicht selten kam es zu berfllen. Die Reise in grÇßeren Gruppen erhÇhte die Sicherheit der bewaffneten Kaufleute oder ihrer Gehilfen. Dennoch blieben unverndert Abenteuer und Risiko Teil des Handels, und Kaufleute mussten sich fÅr den Erfolg auf Wagnisse einlassen. Bargeldmangel und langsamer Warenumschlag fÅhrten zu Krediten zunchst untereinander. Als Zahlungsziel vereinbarten die Geschftspartner vielfach die nchste oder Åbernchste Messe oder einen der beiden kommenden Jahrmrkte, was Zeitspannen von etwa einem halben oder einem Jahr entsprach. Hohe Bedeutung bei diesen Abmachungen bzw. Zahlungsversprechen besaß neben der persÇnlichen Bekanntschaft das Vertrauen in den Schuldner und dessen Zahlungsfhigkeit. Dieser hatte bei unentschuldigtem Zahlungsverzug mit einem Ehrverlust zu rechnen sowie mit einem Verlust an KreditwÅrdigkeit. Letztlich gab es eine Entwicklung zu sogenannten Solawechsel, bei denen der Aussteller selbst die fristgerechte Bezahlung zusicherte. In Italien dienten sie seit dem 12. Jahrhundert als Finanzierungsinstrument, im Reich dÅrften sie sptestens zur Mitte des 14. Jahrhunderts in grÇßerem Umfang genutzt worden sein. Der Rentenkauf als neue Kreditform wurde in Frankreich seit der ersten Hlfte des 12. Jahrhunderts genutzt, und mittels einer durch Immobilien abgesicherten Kreditsumme stand dem Kreditgeber ein jhrlicher Zins zu. Zunchst war diese Zinszahlung oder Rente als sogenanntes Ewiggeld unablÇsbar, bevor sich die AblÇs-

Der schwierige Umgang mit dem Geld

barkeit der Schuld durchsetzte. ber die frÅhen Zinsstze weiß man nur wenig, da die Geldgeschfte nur kurze Laufzeiten hatten, und diese Zinsen nicht ohne Weiteres auf ein Jahr hochgerechnet werden dÅrfen. In der zweiten Hlfte des 15. Jahrhunderts galten im Reich fÅnf Prozent bei ablÇslichen Renten als Regelfall, und tendenziell fielen die Zinsstze in diesem Zeitraum. Reichsverordnungen des 16. Jahrhunderts schrieben dann fÅnf Prozent als Obergrenze fest.

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Regensburg – Ein erstes oberdeutsches Fernhandelszentrum

us der RÇmerzeit Åberdauerte vor allem das mchtige,

A

von Mauern umgebene Legionskastell (540 x 450 m),

nachdem die RÇmer ihre Militrprsenz um 400 aufgaben. Im 8. und 9. Jahrhundert gehÇrte Regensburg zu den Vororten des Reichs und Bayerns, hier errichteten die Karolinger Pfalzbauten, reprsentative Herrschersitze, bevor im 10. Jahrhundert sich KÇnige und bayerische HerzÇge die Stadtherrschaft teilten. Bereits in diese Zeit dÅrften die Anfnge des erfolgreichen Transithandels fallen, und das Diedenhofer Kapitular von 805, welches Handelspltze mit den slawischen Nachbarn auffÅhrt, nennt Regensburg als einen solchen Ort des Handels mit den benachbarten Slawen. Ein Markt ist erstmals fÅr das Jahr 934 belegt. Im bereits erwhnten Handel mit Sklaven nahm Regensburg eine fÅhrende Stellung ein. Nach der Jahrtausendwende entwickelte sich Regensburg zum Lieferanten der Åberwiegend aus Venedig bezogenen oberitalie-

Die Kapitularien

K apitularien waren ganz allgemein Erlasse oder Verordnungen der frnkischen KÇnige, besonders der Karolinger, die neben politischen oder gesetzgeberischen Inhalten auch Verwaltungs- oder religiÇse Fragen behandelten. Die Bekanntmachungen der Inhalte besorgten in frnkischer Zeit eigens dazu bestellte KÇnigsboten.

Ein erstes oberdeutsches Fernhandelszentrum

nischen und orientalischen Produkte. Regensburger Kaufleute erwarben diese Waren sÅdlich der Alpen und verkauften sie nach ihrer RÅckkehr. Die Haushalte von Herrschern, HerzÇgen und BischÇfen sorgten bereits frÅh fÅr eine entsprechende Nachfrage nach regionalen Waren und Dienstleistungen sowie nach LuxusgÅtern. Seit dem 11. Jahrhundert erhoben dann die BischÇfe anstelle der fernen KÇnige AnsprÅche auf die Stadtherrschaft in Regensburg. 1245 privilegierte Kaiser Friedrich II. die Stadt u. a. mit dem Recht, BÅrgermeister und Rat zu whlen sowie die stdtischen mter zu besetzen. Dieses war der entscheidende Rechtstitel gegen die Herrschaft der BischÇfe, und die BÅrger konnten ihre AnsprÅche durchsetzen, was Regensburg zu einer der sieben freien Stdte im Reich werden ließ. Den Aufschwung verdankte die Stadt nicht zuletzt ihrer gÅnstigen geografischen Lage. ber die Donau konnte von hier aus SÅdosteuropa vergleichsweise bequem erreicht werden, und auch in Richtung Rhein erwies sich der Fluss noch lange Strecken als schiffbar. Eine Verbindung zu den Alpen schuf wiederum der Inn, kleinere FlÅsse wie Raab und Regen, an dessen MÅndung in die Donau Regensburg liegt, fÅhrten ihrerseits weit in das Hinterland. Den Aufstieg der Stadt veranschaulichen auch Bauwerke wie das Rathaus oder die steinerne BrÅcke Åber die Donau. Im mittelalterlichen Europa finden sich neu erbaute SteinbrÅcken seit dem 12. Jahrhundert, und im Reichsgebiet sind die von Regensburg und WÅrzburg die ltesten. In ihrer Entstehungszeit handelte es sich um technische Wunderwerke, welche die Besucher der Stdte bestaunten. Bis heute ist die Regensburger BrÅcke – Åbrigens die lteste erhaltene in Deutschland – das Wahrzeichen der Stadt, und sie wies ursprÅnglich eine Lnge von 336 Metern auf. Bei ihrem Bau zwischen 1135 und 1146 wirkten vermutlich oberitalienische Baumeister mit, die wiederum Teile ihres KÇnnens einem Wissenstransfer aus dem arabisch-byzantinischen Raum verdankten. FÅr den Bau verantwortlich dÅrften die lokalen Herrschaftstrger gewesen sein, also kÇniglicher Burggraf, bayerischer Herzog und der Regensburger

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Regensburg

Bischof. Die Einwohner wurden zwar einbezogen, aber da es in Regensburg wie auch andernorts noch keine bÅrgerliche Gemeinde gab, konnten sie nicht als Bautrger fungieren. Die steinerne BrÅcke widerstand auch dem schweren Eisgang im Jahre 1432: Im selben Jahr an St. Andreas Abend [29.11.1431] begann eine

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kalte Zeit mit Unmengen Schnee, darin Leute und Vieh verdarben. Kein Mensch war zu der Zeit so alt, dass er sich an so viel Schnee mit stndiger Klte erinnern konnte. Die Donau war dick zugefroren lnger als elf Wochen bis zu St. Matthias Abend [23.02.1432]. Danach am nchsten Dienstag kam ein reißendes Wasser mit breiten, dicken Eisschollen auf der Donau und einem ungeheuerem Gedrnge, das die HolzbrÅcke wegriss und die WalkmÅhle, die FlachsmÅhle und die Runtinger MÅhle nahe bei der steinernen BrÅcke in Regensburg mitnahm. Und tat große, verderbliche Schden in Stdten, in DÇrfern, in Baumgrten und auf ckern bei der Donau, mehr als ich beschreiben kann. Eine MÅhle mit ihrem ganzen Oberbau, viele zerstÇrte Huser und Baumstmme trieben durch die obere BrÅcke. Auch war die See, darin Venedig liegt, so stark zugefroren, dass man die schweren Ballen darÅber zog und Vieh trieb; das hat kein Mensch unserer Zeit mehr gesehen. Im selben Jahr 1432 an St. Paulstag [25.01.] am Freitag frÅh kam ein sausender, ungestÅmer Wind mit einem

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solchen Schnee, dass sich niemand an einen St. Paulstag mit solchem, schdlichen Wetter erinnern konnte.1

Finanziert worden ist das Bauwerk vermutlich von Einwohnern und Klerikern mittels Sondersteuern, und fÅr beide Gruppen war die Nutzung der BrÅcke in der Folgezeit im Gegensatz zu sonstigen Besuchern der Stadt gebÅhrenfrei. Anders als hÇlzerne BrÅcken waren die erheblich stabileren steinernen in wesentlich geringerem Maß vom Eisgang gefhrdet. Vermutlich fÅhrte die Errichtung der Regensburger BrÅcke schließlich zu einer Verlagerung der Haupthandelswege vom Niederrhein und aus Flandern in die Donaugebiete oder trug zumindest

Ein erstes oberdeutsches Fernhandelszentrum

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Reichsstdte und freie Stdte

B ei Reichsstdten handelte es sich um Stdte, die dem KÇnig direkt unterstanden. Der Begriff lÇste in der zweiten Hlfte des 13. Jahrhunderts die ltere Bezeichnung KÇnigsstdte ab. Vielen Reichsstdten gelang es, die meisten der kÇniglichen Rechte in der Stadt pfandweise an sich zu bringen und derart relativ autonom agieren zu kÇnnen. Die Beziehung reduzierte sich weitgehend auf Steuerleistungen der Stdte fÅr den Herrscher. Freie Stdte hingegen konnten sich aus der bischÇflichen Stadtherrschaft lÇsen, und sie schuldeten dem Reich bzw. dem KÇnig keine Steuerleistungen, waren zudem nicht zur Huldigung verpflichtet.

dazu bei. Folgten die Hndler zuvor einer Route Åber Worms,Wimpfen und Passau, nutzten sie nunmehr die Verbindung Åber WÅrzburg, NÅrnberg und Regensburg. Ihren Reichtum und ihre soziale Stellung demonstrierten die Kaufleute in mchtigen WohntÅrmen, die nach dem 13. Jahrhundert als Neubau selten werden. In grÇßerer Anzahl sind sie in Deutschland nur in Regensburg erhalten. Das bekannte, zu Beginn des 13. Jahrhunderts zunchst als einzeln stehender Wehrturm mit einer Grund-

KÇnige und Kaiser

D ie „deutschen“ KÇnige fÅhrten seit Heinrich V. (1106 –1125) den Titel eines rex Romanorum, also rÇmischer KÇnig, um schon mit dem Titel den Anspruch auf das Kaisertum zu betonen. Zudem setzte sich die Anschauung durch, dass nur ein Kaiser die Reichsrechte in Italien wahrnehmen konnte. Voraussetzung fÅr das FÅhren des Kaisertitels war die KaiserkrÇnung, die in Rom stattfinden sollte. Maximilian I. (1486/93 –1519) nutzte seit 1507 den Titel „erwhlter rÇmischer Kaiser“, die letzte KaiserkrÇnung durch einen Papst fand 1530 statt.

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Regensburg

flche von knapp 80 Quadratmetern in Donaunhe errichtete Runtingerhaus erhielt um 1260 einen seitlichen Anbau, welcher die Grundflche verdoppelte. 21,5 Meter ragte dieser Bau, andere WohntÅrme in der Donaustadt sogar 37 Meter in die HÇhe. 1330 folgte eine weitere VergrÇßerung, dieses Mal in den Hofbereich hinein. Nunmehr betonten die Bauherren aber den reprsentativen Charakter. In den Besitz der namengebenden Familie Runtinger gelangte das Haus kaufweise 1367, die Ende des Jahrhunderts ein Nachbarhaus erwarben, dieses z. T. niederrissen und an seiner Stelle einen etwa 200 Quadratmeter großen Saal fÅr Festlichkeiten errichteten.

Der Regensburger Handel bis ins Sptmittelalter

FÅr das 12. Jahrhundert liegen sichere Quellen Åber den Handel mit Nordwesteuropa vor, also vornehmlich mit den Rheinlanden, den Niederlanden, Flandern sowie mit England und Åber Besuche der Champagne-Messen. berwiegend Regensburger Tuche verkauften die Hndler dort. Wahrscheinlich nochmals frÅher etabliert war der Handel Åber die Donau bis nach Ungarn, auch Prag und Breslau wurden regelmßig besucht. Diese Verbindungen ließen Regensburg zum wichtigsten Handelspartner mit Ostmitteleuropa aufsteigen, gestÅtzt auf Privilegien der jeweiligen Landesherren im Osten und SÅdosten. Doch den Aufschwung trug weniger die eigene Produktion in der Stadt, sondern der Transithandel. So erwarben die Kaufleute Weine vornehmlich in SÅdtirol und verußerten sie beispielsweise in BÇhmen. Bis zum Ende des 14. Jahrhunderts hatten sich Regensburger Fernhndler letztlich ein weitreichendes, verzweigtes und gut funktionierendes Handelsnetz aufgebaut. Noch stimmte die Charakterisierung eines Chronisten:

Der Regensburger Handel bis ins Sptmittelalter

Teutschland hat keine edlere Stadt als Regensburg […] mehr als in

[

je einer Stadt ist hier Gold, Silber und anders Metall aufgehuft und ein Vorrath von feinen Leinwanden, Scharlachzeugen und

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anderen Waaren vorhanden. Schiffe kommen tglich an, und gehen wieder ab.2

In Venedig besaßen Regensburger Kaufleute feste Rume im dortigen, am Rialto gelegenen Fondaco dei Tedeschi. In solchen KaufleutehÇfen konzentrierte Venedig die Hndler einer Nation, in diesem Fall also die Deutschen bzw. auch diejenigen, die sie dazurechneten. Auf diese Weise konnten nicht zuletzt deren Geschfte besser Åberwacht und die flligen Abgaben eingezogen werden. Im Fondaco standen fÅr die gemeinsamen Mahlzeiten zwei Tafeln zu VerfÅgung, und Sitzordnungen spiegelten immer auch Rangordnungen wider, was hufig zu erbittertem Streit fÅhrte. Die Regensburger Vorrangstellung im Venedighandel noch im ausgehenden 14. Jahrhundert dokumentierte somit fÅr jeden Besucher sichtbar der oberste Platz an einer der beiden Tafeln, wo zudem das Stadtwappen angebracht war. Allerdings sollte in der Folge diese Mittlerfunktion zwischen Norden und SÅden sowie Osten und Westen verloren gehen, und erklren lsst sich die schleichende Entwicklung aus mehreren GrÅnden. Zunchst wuchs allgemein die Konkurrenz durch Kaufleute aus weiteren Stdten, allen voran derjenigen aus dem aufstrebenden NÅrnberg. Nachteilig bemerkbar machte sich die nur geringe Warenfertigung in der Stadt, denn andere Kaufleute konnten Gewerbeprodukte ihrer Stdte in den Handelskreislauf schleusen, waren weniger vom Transithandel abhngig. Auch konzentrierte sich Regensburgs Italienhandel ganz deutlich auf Venedig, was vor allem im 15. Jahrhundert wiederum Abhngigkeiten und damit Nachteile schuf. Dazu verließen zahlreiche vermÇgende Kaufleute die Stadt nach den inneren Unruhen der 1330er-Jahre, und wie so hufig ging es bei dem Konflikt um die innerstdtische Machtverteilung. Weiterhin flackerten immer wieder Konflikte mit den bayerischen HerzÇgen auf, und das bayerische Territorium umschloss die Stadt

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Regensburg

zur Gnze. Aufgrund dieser Situation konnten die Wittelsbacher den Regensburger Handel mehrfach blockieren. Auch die Sicherheit der Kaufleute konnte nicht immer von Regensburg garantiert werden. So konstatiert der Chronist Gemeiner fÅr 1374: [Im folgenden Jahr wurde Regensburg] fort und fort von den ÅbermÅthigen feindseligen Nachbarn, den herzoglichen Pflegern

[

und Beamten und andern Edelleuten beunruhigt, und die Handlung stark beeintrchtiget. Zu Wasser und zu Land kamen die Kaufleute zu unbeschreiblichem Schaden. […] Die Angriffe,

]

Beschdigungen und widerrechtlichen Arreste sind nicht zu zhlen. [Bereits 1365 hatten Regensburger Kaufleute geklagt,] daß ihre Reisen in Geschften lebensgefhrlich und das Geleit kostpar sey.3

Es waren die „Zeitlufe bÇse“ und fÅr Handel und Wandel sehr ungÅnstig, bilanziert Gemeiner. Den ausgeprgten Handel mit BÇhmen und besonders Prag unterbrachen die Hussitenunruhen des frÅhen 15. Jahrhunderts nicht nur, sondern die Beziehungen dorthin fanden im Gegensatz zu NÅrnberg bis auf unbedeutende Reste sogar ihr Ende. Die Regensburger hielten sich vermutlich an die von KÇnig

Die Hussitenunruhen

I n der hussitischen Bewegung bÅndelten sich religiÇse, soziale und nationale Forderungen. Besonders nach der Verbrennung des Reformers Jan Hus als Ketzer (1415) eskalierte die Situation. KÇnig Sigismund erbte 1419 die bÇhmische Krone nach dem Tod seines Bruders Wenzel. Ein vom Papst genehmigter Hussitenkreuzzug, angefÅhrt von Sigismund, endete 1421 in einer Niederlage und der AuflÇsung des Heeres. Trotz der bereits 1420 erfolgten KrÇnung zum bÇhmischen KÇnig konnte Sigismund diese AnsprÅche erst 1436/37 definitiv durchsetzen. Die erlassene Blockade BÇhmens sollte die Hussiten zum Einlenken bewegen.

Die Runtinger

Sigismund und dem Papst verhngten Sanktionen gegen BÇhmen, andere weniger. Die letztlich gescheiterten Plne Sigismunds, durch Verlegung der Handelswege den Vorrang Venedigs im Levantehandel zu brechen, stÇrten nicht nur den Regensburger Handel vorÅbergehend massiv. Insgesamt schrumpfte der Handelsraum der Regensburger Kaufleute bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts drastisch, und weitere Familien zogen sich aus dem Geschftsleben zurÅck.

Die Runtinger

GlÅcklichen Zufllen verdanken wir die berlieferung des sogenannten Runtingerbuchs, denn geschftliche Aufzeichnungen aus dem Sptmittelalter sind eine Raritt. Dabei handelt es sich um die zentralen Aufzeichnungen der Handels- und Wechselgeschfte der Regensburger Kaufmannsfamilie Runtinger von 1383 bis 1407. ber die Herkunft der Familie ist wie so oft nur wenig zu erfahren, doch 1347 bzw. 1349 dÅrften die BrÅder Albrecht und Wilhelm Runtinger die ersten in Regensburg ansssigen Familienmitglieder und BÅrger gewesen sein. Albrecht machte wohl primr als Weinhndler sein Geld, sein Testament aus dem Jahr 1357 weist ihn als begÅtert aus. Vieles spricht dafÅr, dass die BrÅder nicht gerade als „arme Schlucker“ kamen, sondern bereits Åber VermÇgen verfÅgten, als sie in die Stadt Åbersiedelten. DafÅr spricht auch, dass Wilhelm mit Percht (Berta) LÇbel in eine alteingesessene Patrizierfamilie einheiratete, was den Aufstieg in die stdtische Oberschicht erleichterte. Ihr Sohn Matthus verfÅgte dann 1390 mit 18 000 Gulden Åber das grÇßte VermÇgen Regensburgs. Er hatte wie zahlreiche Standesgenossen eine kaufmnnische Ausbildung genossen, was seine Geschftspraktiken ahnen lassen. Die trockenen Eintragungen des Hauptbuchs nennen zumeist nur Warenart, Einkaufs- und Verkaufspreise sowie entstandene Kosten, die er penibel berechnete. Neben hohen Gewinnmargen lassen

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Regensburg

sich aber auch Verlustgeschfte erkennen, vÇllig ausschalten ließen sich Risiken nicht. Zumindest gelegentlich zeigte sich Matthus Runtinger als ein impulsiver Mann: Trotz seiner Stellung als Ratsmitglied musste er 1391 gemeinsam mit seinem ltesten Schwiegersohn vierzehn Tage auf dem Wasserturm verbringen, weil beide im Haus des BÅrgermeisters den Bruder des Schwiegersohns grÅndlich verprÅgelt hatten. Die TÅrme der Stadtbefestigung dienten auch andernorts der befristeten Unterbringung von belttern, eigentliche Gefngnisse gab es noch nicht. Wohl seit der zweiten Hlfte der 1360er-Jahre bis zum Tod Wilhelms 1389 fÅhrten Vater und Sohn in nicht unÅblicher Weise gemeinsam die Geschfte, wobei der Sohn die Geschftsreisen unternahm, whrend Wilhelm in Regensburg blieb. Nach dem Tod seines Vaters Åbernahm Matthus alleine die Geschfte. Auf begrenzte Zeit geschlossene Gesellschaften mit anderen Kaufleuten sind fÅr ihn nicht Åberliefert, vereinzelt schloss er solche mit seinen Handlungsdienern. Nicht zuletzt dienten diese Gesellschaftsbildungen dazu, das Risiko besser zu verteilen, und sie waren in Oberdeutschland eine gngige Praxis. Matthus heiratete wie zu erwarten standesgemß: Seine erste Frau Agnes PÅtreich stammte aus reicher MÅnchener Familie, die zweite, Margarete Grafenreuther, kam aus einem auch politisch einflussreichen Regensburger Geschlecht. Margarete vertrat ihren Mann bei dessen Abwesenheit, sie fÅhrte dann die GeschftsbÅcher oder beteiligte sich selbst am Handel. Das war fÅr das Sptmittelalter keinesfalls außergewÇhnlich, denn die Mitarbeit der Frauen im Geschft des Mannes war weit verbreitet; deutliche Einschrnkungen des weiblichen Wirkungskreises sollte erst die FrÅhe Neuzeit bringen. Nochmals verdichten die Heiraten der drei TÇchter das soziale Netz der Familie, whrend Matthus zudem – gleichfalls standesgemß – in hohen kommunalen mtern wirkte. Ohne mnnlichen Erben starb Matthus Runtinger etwa 60-jhrig am 19. Juni 1407, und mit ihm erlosch das Handelshaus bereits nach der zweiten Generation. Der Großteil des Besitzes fiel nach dem Testament von

Die Runtinger

Margarethe Runtinger an ihre beiden noch lebenden TÇchter Margarete und Barbara. Das Zentrum des Runtingerhandels bildete das Kontor im Haus, hier lag das Hauptbuch, hier wurden Rechnungen, Wechselbriefe und anderes Schriftgut gesammelt und wie das Bargeld in Truhen gelagert. In das Hauptbuch eingetragen wurden freilich nur die Summierungen der Transaktionen, die auf Grundlage von Zetteln errechneten Zahlen, die ausstehenden Forderungen oder die jeweiligen Ergebnisse der Filialen in Wien und Prag. Die Details der GeschftsfÅhrung fanden derart keinen Eingang in die Åberlieferten Aufzeichnungen. Aus dem Kontor sandten die Runtinger ihre Beauftragten, Handlungsgehilfen und Boten an ihre Bestimmungsorte, um angeordnete Ein- oder Verkufe vorzunehmen. Die beiden Filialen sicherten eine dauerhafte Prsenz am jeweiligen Ort, und sie zeigen die hohe Bedeutung beider Stdte fÅr ihren Handel; die Prager Niederlassung lÇsten sie allerdings 1387 auf. Hatte ein Beauftragter Waren eingekauft, Åberwachte er deren Verpackung, organisierte den Transport und ritt dann mit der Packliste zum Haupthaus oder zu einer Niederlassung, um dort den Verkauf in die Wege zu leiten. Aus Venedig bezogen die Runtinger vornehmlich GewÅrze, Seidenstoffe, Seidengarne und Baumwolle, die sie in Regensburg zu Barchent verarbeiten ließen. In die Lagunenstadt sandten die Runtinger – eher ungewÇhnlich – keine Waren, sondern ausschließlich Geld oder Edelmetall, ein weiterer Hinweis auf den Transitcharakter des Handels. Im Gegenzug stammte aus BÇhmen nur Silber und weiteres Edelmetall. Neben den in Venedig erworbenen Waren dominierte der Tuchhandel ihre Geschfte. Geldhandel, die Ttigkeit als Geldwechsler sowie Einnahmen aus Weinbergen und LandgÅtern ergnzten die EinkÅnfte. Letztlich zeigt sich bei den Runtingern eine Konzentration auf vergleichsweise wenige Warengruppen und ein beschrnkter Handelsradius, die dennoch eine betrchtliche VermÇgensakkumulation ermÇglichten.

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LÅbeck und die Hanse – Ein komplementrer Aufstieg

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ine ganz andere Entwicklung als Regensburg nahm LÅbeck. Als Stadtherr setzte sich in der zweiten Hlfte

der 1150er-Jahre der mchtige Heinrich der LÇwe, Herzog von Sachsen und von Bayern durch, und es folgte ein rascher Aufstieg der Siedlung. Da sich reisende Kaufleute bereits im FrÅhmittelalter zu genossenschaftlichen Gilden zusammengeschlossen hatten, kann ein solcher Bund auch fÅr die sptere Hansestadt angenommen werden. Helmold von Bosau, ein geistlicher Chronist und Inhaber der Pfarrstelle Bosau am PlÇner See, weiß zu berichten: Der Herzog aber sandte Boten in die Hauptorte und Reiche des Nordens, Dnemark, Schweden, Norwegen und Rußland, und bot

[

ihnen Frieden, daß sie Zugang zu freiem Handel in seine Stadt LÅbeck htten. Er verbriefte dort auch eine MÅnze, einen Zoll

]

und hÇchst ansehnliche Stadtfreiheiten. Von der Zeit an gedieh das Leben in der Stadt, und die Zahl ihrer Bewohner vervielfachte sich.1

Garantiert wurde den Einwohnern u. a. die persÇnliche Freiheit nach einjhrigem, ungestÇrtem Aufenthalt; zudem dÅrfte der Handel, auch der der Fremden, unter einen besonderen Rechtsschutz gestellt worden sein. Heinrich der LÇwe seinerseits partizipierte durch ZÇlle und mÇgliche MarktgebÅhren am Çkonomischen Aufschwung. Vertrge mit Schweden und Novgorod, nichts anderes meint die Bezeichnung Russland im Text, lassen sich erschließen, mit Gotland

FrÅhe Handelsverbindungen

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kam es 1161 zu einem Friedensschluss mit wechselseitiger Privilegierung. Zuvor hatten gotlndische Kaufleute den Transithandel auf der Ostsee dominiert, und ein Konkurrenzverhltnis sollte bestehen bleiben. Dass die Stadt rasch an Einwohnern gewann, belegt die Errichtung eines zweiten, erstmals 1170 erwhnten Kirchspiels; um 1220 waren es fÅnf.

FrÅhe Handelsverbindungen

Im Salzhandel konnte LÅbeck die Rolle von Bardowick (nÇrdlich von LÅneburg) Åbernehmen, um fÅr den Transport des Salzes, zunchst nach RÅgen, zu sorgen. Als deutlich wichtiger erwies sich aber der Aufschwung der erwhnten schonischen FanggrÅnde mitsamt den Heringsmrkten, welche große Mengen des auch als weißes Gold bezeichneten Salzes benÇtigten. Zustzlich besuchten Kaufleute aus den Niederlanden und England den schonischen Markt SkanÇr, was auf eine mÇgliche Ausweitung von Kontakten und Handelsbeziehungen deutet. Parallel zum Aufschwung LÅbecks schwand hingegen die Bedeutung von Schleswig, zumal LÅbeck fÅr niederdeutsche und westflische Kaufleute besser und schneller zu erreichen war. Der Weg in Richtung Nordsee war freilich wesentlich

HerzÇge und HerzogtÅmer

I m Hochmittelalter gliederte sich das Reich zum großen Teil in HerzogtÅmer, die prinzipiell Amtscharakter besaßen, und das heißt, die Herrschaft war vom KÇnig delegiert und die HerzÇge konnten abgesetzt werden. Tatschlich aber versuchten die HerzÇge immer wieder, in ihrem Gebiet eine kÇnigsgleiche Stellung zu erreichen. Dem Staufer Friedrich I. Barbarossa gelang es, die mchtigen HerzogtÅmer Bayern, aus dem sterreich gelÇst worden war, und Sachsen zu teilen. ber das Herzogtum Schwaben, das weite Teile des heutigen BadenWÅrttemberg und der Schweiz umfasste, verfÅgten die Staufer selbst.

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LÅbeck und die Hanse

Die 1143 gegrÅndete Kaufmannssiedlung LÅbeck entwickelte sich zum Wirtschaftszentrum des Ostseeraums und war im Mittelalter die grÇßte Stadt des nÇrdlichen Europas.

lnger. Ende des 12. Jahrhunderts erreichten deutsche Kaufleute dann livisches Gebiet an der unteren DÅna und Estland sowie Novgorod. Erste „deutsche“ Stdte in Mecklenburg und Pommern entstanden in den ersten beiden Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts. Im Jahr 1188 sicherte Friedrich I. Barbarossa, nach dem Sturz Heinrichs des LÇwen war der Staufer Stadtherr, ohne allerdings seine Rechte konkret durchzusetzen, der Stadt LÅbeck Wege-, Gewsser-, Wald- und Weiderechte im Umland zu, der Beginn der Gewinnung

FrÅhe Handelsverbindungen

eines Landgebiets. Schon der Schiffbau benÇtigte ausreichenden Holzbezug. Wenige Jahre bildete LÅbeck einen Teil des dnischen KÇnigreiches, das unter KÇnig Waldemar II. (1202–1241) vorÅbergehend Gebiete der sÅdlichen OstseekÅste beherrschte, sich nach verlorener Schlacht aber 1227 zurÅckziehen musste. Dennoch profitierte die Stadt von dieser Phase, sicherte das dnische Imperium doch den fÅr den ungestÇrten Handel so notwendigen Frieden und gewhrte weitere Privilegien. Nationalstaatliche berlegungen spielten ohnehin noch keinerlei Rolle, der Prozess der Verstaatung, der Staatswerdung setzte erst im spten 13. Jahrhundert ansatzweise ein.

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LÅbeck und die Hanse

Stadtrechte in ihren frÅhen Formen

S tadtrechte regelten in ihren frÅhen Formen die Rechte und Aufgaben von Stadtherr und BÅrgern, dann auch der Stadtrte, sowie vielfach die persÇnliche Freiheit der Bewohner. Ihr Umfang wuchs betrchtlich, und in erster Linie gaben sie Richtlinien fÅr innerstdtisches Leben vor. Dazu gehÇrten u. a. die Bereiche Lebensmittelversorgung, Wachwesen, Feuerschutz und stdtische Gerichtsbarkeit. Die BÅrger band der BÅrgereid an die Befolgung der Anordnungen, was nicht anders als heute ohne Eide VerstÇße nicht ausschloss. Im Sptmittelalter entstanden umfangreiche StatutenbÅcher zur Fixierung der Ratserlasse und -beschlÅsse.

Den Anspruch, nunmehr weitgehend selbststndig agieren zu kÇnnen, demonstrierten die LÅbecker mit dem symboltrchtigen Niederreißen der stadtherrlichen Burg. Dennoch konnten sie auf einen Stadtherren nicht verzichten, doch dieser sollte der ferne KÇnig sein. Eine Gesandtschaft reiste zu dem sich in der Umgebung von Parma aufhaltenden Friedrich II., damit dieser der Stadt ihre Rechte zusicherte. Allerdings erweiterten die Herren des Rats den Urkundeninhalt von 1188 um weitere Rechte, ließen eine neue Urkunde anfertigen. Aufgenommen wurden nach diesem Jahr verliehene Rechte, aber auch solche, die die Stadt zur Besttigung ihres Status fixiert sehen wollte. Derartige nderungen oder Flschungen stellten keine Ausnahme dar, und im Unrecht whnte sich wohl keiner der Beteiligten. Die Privilegienbesttigung verlief im Juni 1226 dann auch problemlos, und eine weitere Urkunde mit zustzlichen BegÅnstigungen konnten die Gesandten etwa zwei Wochen spter in ihren Hnden halten. So durfte die Stadt LÅbeck zukÅnftig weder verpfndet noch verkauft werden, die Kaufleute erhielten Steuererleichterungen in England und Handelsfreiheiten wurden zugestanden, das Territorium der Stadt erfuhr eine VergrÇßerung. Freilich – und dies

Die Anfnge der Hanse

muss betont werden – handelte es sich um Rechte auf dem Pergament der Urkunde, fÅr deren Umsetzung LÅbeck und seine Kaufleute selbst zu sorgen hatten. So konnte die Befreiung vom Strandrecht beispielsweise mit Holstein 1241 vertraglich geregelt werden. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts konnte LÅbeck plÅndernd in innerdnische Auseinandersetzungen eingreifen: In demselben Jahre [1249] war der KÇnig Erik von Dnemark Feind derer von LÅbeck. Ihn bewegte der alte Hass seines Vaters; er

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htte die Stadt gerne verderbt. Die BÅrger rÅsteten ihre Koggen und fuhren nach Dnemark; da taten sie großen Schaden. Sie eroberten Kopenhagen, die Burg und die Stadt; da machten sie

]

reiche Gefangene und nahmen viel Gut sowie teure Kleinode. Nachdem sie da ihren Willen durchgesetzt hatten, brannten sie die Burg und die Stadt nieder.2

Daneben begannen sich die Beziehungen zu Hamburg zu intensivieren, quasi ein Aufbau noch vorhansischer Beziehungen, und um 1230 erhielten LÅbecker Kaufleute in Hamburg gleiche Rechte wie die Einheimischen. 1241 folgte ein Vertrag, der der Sicherung des Landwegs zwischen beiden Stdten diente. Den ungestÇrten Verkehr aber tatschlich zu ermÇglichen, erwies sich als schwierig. Weitere Vertrge folgten, welche u. a. die KostenÅbernahme regelten.

Die Anfnge der Hanse

Hanse meint zunchst eine Schar, eine Gruppe oder einen genossenschaftlichen Zusammenschluss reisender Kaufleute. Die schlossen sich, wie erwhnt, einerseits zusammen, um besser geschÅtzt zu sein, andererseits konnten sie so auf fremden Mrkten ihre Interessen gemeinsam vertreten. Die in London Handel treibenden KÇlner Kaufleute hatten sich frÅh vereinigt, und sie privilegierte der englische KÇnig Heinrich II. 1157 und 1175. Belegt sind deutsche Gotlandfahrer seit 1161, und neben LÅbeckern dÅrften weitere norddeutsche Kaufleute unter ihnen zu finden gewesen sein. Auch diese

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LÅbeck und die Hanse

inhomogene Gruppe wuchs whrend des 13. Jahrhunderts, ergnzt um Hndler aus sÅdlicheren Regionen einschließlich Westfalens sowie aus den neuen Stdten an der OstseekÅste. In diesen Kommunen wiederum dominierte das lÅbische Recht. Und diese Genossenschaft der Gotlandfahrer bildete eine wichtige Wurzel der spteren Hanse. In Visby, dem Vorort Gotlands, organisierten sich die Kaufleute fester, Åbten die interne Gerichtsbarkeit aus. Noch vor dem Ende des 12. Jahrhunderts entstand hier eine deutsche Gemeinde, die sich 1288 mit der gotlndischen in gemeinsamem Rat und einheitlichem Stadtrecht vereinte. Die MÇglichkeit, die Ostsee in Richtung Russland oder Livland direkt zu queren, leitete den Abstieg Visbys ein, da die Stadt ihre Rolle als Zwischenstation verlor. Um 1200 dÅrfte der Handel mit Norwegen zugenommen haben, Stockfisch und Klippfisch ergnzten das dortige bisherige Hauptangebot von Walrosszhnen und Pelzen. Von LÅbeck aus gelangten Fertigwaren, Getreide, Mehl oder Malz in den Norden, wo Bergen zum wichtigsten Hafen und Umschlagplatz heranwuchs. Den Seeweg nach Westen, vornehmlich nach England und Flandern, nutzten die Ostseeanrainer seit dem ersten Viertel des 13. Jahrhunderts, und bereits im zweiten Viertel konnte eine fÅhrende Stellung im West-Ost-Transit erzielt werden. Nach und nach verbÅndeten sich die Kaufleute aus LÅbeck, Hamburg oder Bremen trotz weiter bestehender Konkurrenz mit ihren im Westen schon lnger prsenten KÇlner und westflischen Kollegen. In London allerdings dominierten KÇlner und Westfalen, die „Neuen“ wichen auf weiter nordwrts an der OstkÅste gelegene Hfen aus. Letztlich entstand aus dem Zusammenwachsen beider Gruppen das frÅhhansische Handelssystem, beruhend auf Kontakten und BÅndnissen der Kaufleute, nicht der Stdte. Im Lauf des 13. Jahrhunderts gelang dessen weiterer Ausbau, sodass sich etwa zwischen 1280 und 1350 ein lockerer Gesamtbund ausbildete. Unverndert bestimmten also Genossenschaften, verwandtschaftliche Bindungen und Landsmannschaften die informellen Strukturen der Hanse. Auf fester gefÅgte ZusammenschlÅsse im weit-

Die Formierung der Hanse

verzweigten Handelsnetz deuten die Kontore, versehen mit eigenem Siegel, eigener Gerichtsbarkeit und eigener Kasse. Zu finden waren sie in vier Stdten, nmlich Novgorod, London, BrÅgge und Bergen. Allerdings privilegierte nur Novgorod die Gesamtheit der niederdeutschen Kaufleute pauschal, sonst waren Privilegien fÅr einzelne Stdte vorherrschend. Lngst nicht immer friedlich verlief das Nebeneinander der Bewohner oder Nutzer der Kontore mit der jeweiligen stdtischen Einwohnerschaft, und auch von gewaltsamen ZusammenstÇßen wissen die Quellen zu berichten. Neben persÇnlichen Animositten richtete sich der Widerstand der Einheimischen z. B. gegen die Privilegien der Hansekaufleute, welche ihnen Vorteile verschafften, die zunehmend als nicht mehr zeitgemß galten. Im spten 15. und im 16. Jahrhundert endeten schließlich die Privilegien. Die Formierung der Hanse

Diese Entwicklungen fÅhrten bei steigendem Handelsvolumen zu einem Bedeutungsgewinn der Heimatstdte der Kaufleute, die ihren Handel schÅtzen mussten. Ohnehin waren in etlichen Stdten kommunale Obrigkeiten und Fernhndler weitgehend identisch, sodass beispielsweise der LÅbecker Rat Åber Handelsinteressen hinausgreifend Machtpolitik betreiben konnte. Ziel war u. a. die Durchsetzung des lÅbischen Rechts als allgemeines Kaufleuterecht, was aber nur im Ostseeraum gelang. Weiter mussten unter Einbeziehung der Territorialherren die Handelswege gesichert werden, wozu vor allem Geleitvertrge dienten. Gegen die Zahlung von GeleitgebÅhren hatten die Geleitherren die Kaufleute und ihre Waren gegen berflle zu schÅtzen, mussten fÅr durch bergriffe entstandene Schden haften. Zudem begannen oberdeutsche Kaufleute im 14. Jahrhundert in den hansischen Handelsbereich vorzudringen, im Folgenden entwickelten sich diese zu einer ernsthaften Konkurrenz im Norden des Reichs und darÅber hinaus. Dazu nutzten sie auch die Landwege Åber Breslau und Krakau. Ende des 13. Jahrhunderts erreichten hansische Schiffe Portugal, zu den Åbrigen

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LÅbeck und die Hanse

Die wichtigsten hansischen Seeund Landverbindungen um 1400 Zufuhrrouten zum hansischen Wirtschaftsraum und weitere hansische Handelsstraßen

Bergen Stockholm

Wolle Importwaren hansischer Kaufleute für die Tuchproduktion in Flandern

K e r m e s Importgüter von Kaufleuten anderer Nationen für die Tuchproduktion in Flandern

Boston

Wolle London

Atlantischer Ozean

Paris e oir

Nordsee Ostsee

Danzig Lübeck Stralsund Elbing Hamburg Elb Thorn e Berlin Bremen Magdeburg Soest Brügge Köln Waid Breslau Erfurt Prag Waid Nürnberg Frankfurt

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Ulm

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Bordeaux

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Wolle Safran

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Mittelmeer

0 100 200 300 km

Fernhandel: Die Karte zeigt die Herkunft der Rohstoffe fÅr die Tuchproduktion in Flandern.

Die Formierung der Hanse

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Novgorod

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Antiochia Eup

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Beirut Sidon Akkon

Tripolis Damaskus Tyrus

Brasilholz Alexandria

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Bagdad

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LÅbeck und die Hanse

KÇnigreichen der Iberischen Halbinsel bestanden Handelsbeziehungen wohl erst im 15. Jahrhundert. Wechselseitige BÅndnisse, so zwischen den an der sÅdlichen Ostsee gelegenen wendischen Stdten LÅbeck, Rostock, Stralsund, Wismar und Greifswald unter Einschluss von Hamburg und LÅneburg, fÅhrten auch dazu, gemeinsam die Privilegien der BÅrger zu schÅtzen. In dem Kreis der wendischen Stdte Åbernahm LÅbeck eine FÅhrungsposition und dehnte diesen Anspruch spter auf den gesamten hansischen Bereich aus. Gelegentlich forderte daneben KÇln diese Position ein, aber die rheinische Metropole konnte die Rechte und Interessen ihrer Kaufleute auch ohne weitere UnterstÅtzung der Stdte sichern, ging ohnehin oft eigene Wege. Aufgrund der politischen Situation in Flandern mit BrÅgge whrend des Hundertjhrigen Kriegs zwischen Frankreich und England forderte LÅbeck weitere Stdte zu Beratungen Åber den Flandernhandel auf, um nicht in unkalkulierbare Konflikte verwickelt zu werden. 1356 fand dieses Treffen statt, und es wird in Teilen der Literatur als „erster Hansetag“ bewertet. Andere sehen dieses erst fÅr die Zusammenkunft zwei Jahre spter als zutreffend an, und nun bezeichneten sich die Kommunen erstmals als die „steden van der dudeschen hense“. Gleichzeitig beschlossen die prinzipiell am Handel mit Flandern interessierten Stdte ein Handelsembargo der Grafschaft, das bis 1360 whrte. Die Handelssperre erwies sich als erfolgreich, weil Flandern auf Getreideeinfuhren aus dem Ostseeraum angewiesen war. Die Stdte erhielten ihre BrÅgger Privilegien besttigt und teilweise erweitert. Basis des hansischen Handels blieben derart Vorteile gegenÅber der Konkurrenz mittels Sonderrechten. 1388 standen erneut die Privilegien auf dem PrÅfstand: In dem Jahr unsers Herrn 1388 da kamen zusammen die gemeinen

[

Stdte von der Hanse und verabredeten eintrchtig, dass sie verboten, dass kein Kaufmann aus den Stdten, die in der Hanse waren, Handel oder Kaufmannschaft mit den Flamen treiben sollte bei Strafe an Leib und Gut am Recht der Kaufleute. Dies geschah darum,

Die Formierung der Hanse

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dass die Flamen den Kaufleuten Unrecht taten, sie brachen ihre Privilegien. Das taten die von BrÅgge mehr als die anderen Flamen, und es war fÅr das Land zu Flandern ein großes Verderben. In demselben Jahr wurde die Reise nach Novgorod verboten, und dies geschah aus dem gleichen Grund, dass sie dem Kaufmann Unrecht

]

taten an seinen Privilegien. Da nahmen sie auch großen Schaden, die Russen und die Nichtdeutschen, die in dem Lande leben.3

Auch gegen England folgte eine gleichzeitige Sperre, und das Embargo erwies sich nochmals als erfolgreich, doch beteiligten sich nicht alle Stdte daran. Auf unbefristete Privilegienverlngerungen konnte nur noch gehofft werden. Der eigentlich verbÅndete Deutschordenstaat ermÇglichte sogar vorÅbergehend englischen Direkthandel in seinen Hfen. Organisatorisch findet sich im hansischen Bereich neben dem Eigenhandel zunchst die Widerlegung, bei der zwei Kaufleute normalerweise im Verhltnis von eins zu eins oder eins zu zwei Kapital einlegten. Im letzteren Fall unternahm zumeist der Partner mit der geringeren Geldeinlage die Handelsfahrt, ohne aber weisungsgebunden zu sein. Geteilt wurde der Gewinn dann hlftig, wohl eine Art Entlohnung des reisenden Geschftspartners. Zunchst vermutlich im 15. Jahrhundert finden sich Außengesellschaften, und

Der Hundertjhrige Krieg

D er sogenannte Hundertjhrige Krieg zwischen Frankreich und England bezeichnet die Auseinandersetzungen ungefhr zwischen 1337 und 1453. AuslÇser waren die AnsprÅche des englischen KÇnigs Edward III. auf den franzÇsischen Thron, welche nicht anerkannt wurden. In dem von langen Ruhephasen unterbrochenen Krieg konnten die Englnder vorÅbergehend weite Teile Frankreichs erobern, verloren aber den Festlandbesitz mit Ausnahme von Calais bis 1453. Die Bezeichnung „Hundertjhriger Krieg“ stammt aus dem 19. Jahrhundert.

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LÅbeck und die Hanse

damit Einlagen mehrerer Partner. Hufig unterstÅtzten verwandtschaftliche Beziehungen solche Geschftspartnerschaften. Eine Verteilung der Waren auf mehrere Schiffe diente der Risikominderung. Die aus Oberdeutschland bekannten und dort verbreiteten Handelsgesellschaften sind im Hanseraum nur in geringer Zahl Åberliefert. Dies kÇnnte daran liegen, dass die Handelsvolumina der einzelnen Hndler tendenziell unter denen ihrer oberdeutschen Konkurrenten lagen.

LÅbeck im Sptmittelalter

Um 1300 dÅrften etwa 15 000 Menschen in der Stadt gewohnt haben, und bis ins 15. Jahrhundert stieg die Zahl auf etwa 25 000 Einwohner. Damit zhlte die Travestadt hinter KÇln (etwa 45 000) gemeinsam mit NÅrnberg, Augsburg, Wien und Prag zu den bevÇlkerungsreichsten Stdten im Reich. Um das gleichfalls wachsende Handelsvolumen bewltigen zu kÇnnen, mussten die Hafenanlagen einerseits instand gehalten und andererseits erweitert werden. Und bei der wind- und strÇmungsabhngigen Segelschifffahrt konnten Reisezeiten eben nicht przise geplant werden, Flauten konnten den Schiffverkehr fÅr Wochen stilllegen. berhaupt bestimmten das Ablegen und das Ankommen von Schiffen den Ablauf des tglichen Lebens der Kaufleute. Welche Waren wurden angelandet, wo und zu welchem Preis lassen sie sich wieder verußern? So standen Phasen hoher Belastung solcher mit deutlich mehr Ruhe gegenÅber. Stets eine Gefahr waren Piraten oder Seeruber. Die LÅbecker Ratschronik verzeichnet fÅr 1454 wieder einmal ein Vorgehen gegen diese gefhrlichen Feinde der Kaufleute: In diesem Jahre machte die Stadt LÅbeck Unternehmungen gegen

[

die Seeruber und Piraten. Also erwischten sie ein Schiff mit Seerubern; von diesen schlugen sie etliche tot, und die anderen brachten sie nach LÅbeck, und die wurden dort gerichtet und gekÇpft, wenn sie bekannten, dass sie geraubt hatten. […] Auch

LÅbeck im Sptmittelalter

segelte ein Schiffer von LÅbeck, Henneke von dem Berge, mit einem großen, wohlbeladenen Holk; bei das Schiff kam der Vogt

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]

von Gotland, Herr Olef Axel, und nahm das Schiff mit dem Gut gegen Gott und Recht.

In letzterem Fall zeigt sich, wie eng Piraterie und Fehdehandlungen zusammenliegen kÇnnen, denn Olef Axel rechtfertigte sich damit, dass die LÅbecker zuvor seine Knechte gefangen und gekÇpft htten. LÅbeck bestritt, dass die Gefangenen in seinen Diensten gestanden htten. Erst im folgenden FrÅhjahr konnte der LÅbecker Schiffer mit seinem allerdings entladenen Holk Gotland wieder verlassen. FÅr einen weiteren Seeruber verlief das Jahr 1454 erfolglos: In demselben Jahre zur Sommerzeit machte sich der Niederadlige Gerd von Oldenburg von Kopenhagen aus mit Seerubern und

[

Mnnern auf die See, und er wollte solche Beute gewinnen wie er es im Jahr zuvor getan hatte, da nahm er den Hollndern 22

]

Schiffe. Doch glÅckte ihm das nicht, denn er lag den halben Sommer und auch den Herbst in Norwegen fest, und zuletzt zog er ohne Beute wieder nach Hause.4

Neben den, den Rat dominierenden, Kaufleuten partizipierten aber auch andere gesellschaftliche und gewerbliche Gruppen an einem florierenden Handel. Zu denken ist an mittlere Kaufleute, Schiffs-

Gesellschaften und Trinkstuben

H ufig schlossen sich in sptmittelalterlichen Stdten Personen von ungefhr gleichem sozialen Status zu Gesellschaften, Bruderschaften oder Trinkstuben zusammen. Gemeinsam war allen eine religiÇse Komponente einschließlich des Totengedchtnisses, aber auch der gesellige Teil kam im Regelfall nicht zu kurz. Daneben sind wirtschaftliche Aspekte einzubeziehen, politische hingegen eher selten. An bestimmten Tagen war die Anwesenheit Pflicht.

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LÅbeck und die Hanse

reeder, Brauer mit hohem Ausstoß und Gewandschneider, also diejenigen, welche die Tuche auf Lnge geschnitten und nicht mehr als Ballen an Endverbraucher verkauften. Weiterhin profitierten die KÅfer, welche die fÅr den Transport unentbehrlichen Fsser herstellten, von guten Konjunkturphasen. Ende des 15. Jahrhunderts dÅrfte die Stadt etwa 1000 Kaufleute beherbergt haben, die allerdings keine homogene Gruppe bildeten. Das Ratswahlverfahren wiederum begÅnstigte die Fernkaufleute: Wohl schon in den 1220er- oder 1230erJahren setzten sie die Kooptation der neuen Ratsmitglieder durch, und dies bedeutet, dass die im Rat verbliebenen Mitglieder selbst die neuen auswhlten bzw. bestimmten. Eine lebenslngliche Ratsmitgliedschaft findet sich dann seit dem 14. Jahrhundert. Innere Unruhen seit 1380 und mit Unterbrechungen ins zweite Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts reichend, fÅhrten zu einer gewissen ffnung des Rats vor allem fÅr vermÇgende, aufgestiegene Fernhndler, ohne die Strukturen grundlegend zu verndern. Einige reiche Kaufmannsfamilien mit politischem Gewicht nherten sich wohl sptestens seit der Mitte des 14. Jahrhunderts einer adligen LebensfÅhrung an und schlossen sich 1379 zur Zirkelgesellschaft zusammen, begrÅndet von gerade einmal neun Mnnern. Auch wenn sie sich nicht aus ihrem Kreis lÇsten, vertraten sie einen nicht zu Åbersehenden Anspruch auf Exklusivitt, wurden in der Stadt bald als Junker bezeichnet. Die Mitglieder der Zirkelgesellschaft erwarben Liegenschaftsbesitz außerhalb der Stadt, demonstrierten damit ihre Nhe zum Adel. Den Rang der Zirkelgesellschaft erreichte die Mitte des 15. Jahrhunderts etablierte sogenannte Kaufleute-Kompanie nicht ganz. Beiden Gruppierungen ging es nicht um eine Aufsplitterung der Oberschicht, sondern eher um die Demonstration von Lebensweise und Status. Der bergang von der Kaufleute-Kompanie in die Zirkelgesellschaft blieb mÇglich. Als dritte Gesellschaft ist die der Greveraden-BrÅder zu nennen, in der sich zunchst Åberwiegend von auswrts zugezogene Fernkaufleute versammelten. Nur Mitglieder dieser drei Gesellschaften besetzten, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die LÅbecker RatsstÅhle und

LÅbeck im Sptmittelalter

bestimmten als vergleichsweise kleiner Kreis die Geschicke der Stadt. Erst 1530 und 1531 mussten sie eine Beteiligung breiterer Kreise am Ratsregiment hinnehmen und schließlich auf das Kooptationsrecht verzichten. Alle drei Gesellschaften erwarben eigene Gebude als Trinkhuser, in denen Festmhler aufgetischt wurden, bei UmzÅgen oder Fastnachtsspielen demonstrierten sie ihre innerstdtische Stellung. Regelmßige Treffen fanden Åberwiegend in Herbst und Winter statt, da vom 1. November bis zum 22. Februar der Schiffsverkehr ruhte. Prinzipiell jeden Abend Åber diesen Zeitraum hinaus bis Palmsonntag, dem Sonntag vor Ostern, hatten sich die GreveradenBrÅder auf der Trinkstube zu versammeln, ihre Frauen konnten ebenso wie Gste teilnehmen. Sie tranken starkes und teures Hamburger Bier, whrend sich das Personal mit dem billigeren LÅbecker Bier zufriedengeben musste. Insgesamt lsst sich eine erstaunliche Trinkfestigkeit der Herren feststellen, denn gut vier Liter des Hamburger Biers konsumierte jeder Teilnehmer an einem Abend, und dies Åber einen Zeitraum von 18 bis 23 Wochen in den Jahren 1495/96, 1497/98 und 1500/01. Allerdings konnte der Winter den Schiffsverkehr auch lnger unterbrechen, und ausgesprochen kalt war es 1399 gewesen: In dem Jahre Christi 1399 da war so großer Frost in dem Winter,wie

[

noch keiner zu den Tagen unseres Lebens vernommen hat. Man konnte in dieser Zeit auf dem Eis wandern von Rostock bis nach

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Dnemark, dasselbe konnte man von LÅbeck aus bis zu dem Sund.5

Am umsatzstrksten erwies sich im Sptmittelalter der LÅbecker Handel mit Skandinavien, gefolgt vom weiteren Ostseeraum, Flandern, Frankfurt a. M. und NÅrnberg. Direkte Kontakte bestanden daneben zu Venedig als fÅhrendem Handelszentrum und zu Portugal. Konflikte mit Dnemark flackerten im 14. und 15. Jahrhundert immer wieder auf, insbesondere wenn die Stdte ihren Handel mit zustzlichen Abgaben oder Belastungen beschwert sahen. Und Dnemark kontrollierte mit dem Sund die zentrale Verbindung zwischen Nord- und Ost-

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LÅbeck und die Hanse

see. Als 1460 der dnische KÇnig Christian I., der auch Norwegen beherrschte, zum Herrn von Schleswig und Holstein wurde, strkte dieses die dnische Position langfristig. Zunchst stand aber im Mittelpunkt der dnischen Interessen ein Sieg Åber Schweden. Allgemein sah das 15. Jahrhundert eine Zunahme des niederlndischen und englischen Direkthandels mit den Ostseeanrainern und damit eine ZurÅckdrngung des hansischen Transithandels. Im letzten Drittel des Saekulums brachen die Niederlande schließlich massiv in den Getreidehandel ein. Zudem gerieten, wie erwhnt, die Privilegien der Hanse unter Druck, suchten doch die sich weiter formierenden Reiche ihre eigenen Kaufleute zu fÇrdern, was zunehmend besser gelang. Zwei weitere Entwicklungen schwchten LÅbecks Stellung im Ost-West-Handel: Zunchst schloss Zar Ivan III. 1494 das Kontor in Novgorod, whrend im Westen Antwerpen die fÅhrende Stellung von BrÅgge Åbernahm, die dortige Niederlassung somit an Bedeutung verlor. Nach der WiedererÇffnung des Novgoroder Kontors 1514 gewann dieses seine Bedeutung nicht mehr zurÅck. Sptestens 1535 endete die langjhrige Vorrangstellung LÅbecks in der Ostsee, wo sich trotz StÇrungen beispielsweise durch LÅbecker Kaperfahrten die Niederlnder immer strker etablierten. Ohnehin geriet die Ostsee whrend des 16. Jahrhunderts durch die zunehmende Konzentration des Welthandels auf den Atlantik als Parallele zum Mittelmeer in eine Randlage. Allerdings bedeutete dies keinen Niedergang des LÅbecker Handels, der sich nochmals neue Mrkte erschließen konnte. Im Gegensatz aber zu etwa Hamburg oder Bremen konnte LÅbeck trotz einer Zunahme des Handelsvolumens am Aufschwung nicht mehr teilhaben. Die Grundstrukturen des LÅbecker Handels blieben Åber Jahrhunderte unverndert: Aus dem Norden und Osten transportierten lÅbeckische Schiffe Naturprodukte einschließlich des Getreides nach Westeuropa, von dort in umgekehrter Richtung Fertigprodukte. Eigene Waren fehlten hingegen weitgehend, allenfalls Bier, Bernsteinprodukte und vermutlich gegerbte Tierhute sind zu

Hansische Schiffe

erwhnen. Auf die Vermittlungs- bzw. Transportleistungen nicht nur LÅbecks konnten aber die frÅhmodernen Staaten im 16. und 17. Jahrhundert immer strker verzichten.

Hansische Schiffe

Den wichtigsten hansischen Schiffstyp bildete die seit dem spten 12. Jahrhundert bekannte Kogge mit einer durchschnittlichen Lnge von gut 20 Metern und einer Breite von sieben Metern, welche die skandinavischen Schiffstypen zunehmend ablÇste. Diese Maße ermÇglichten es den dickbauchigen, einmastigen Schiffen mit einem Tiefgang von bis zu drei Metern, immerhin eine Last von 120 bis 240 Tonnen zu tragen. Im frÅhen 13. Jahrhundert lÇste dann das Heckruder das zuvor gebrauchte Seitenruder ab, was auch die Wendigkeit

Rekonstruktion einer Kogge aus dem spten 14. Jahrhundert

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LÅbeck und die Hanse

der Schiffe erhÇhte. Von Beginn an konstruierten die Schiffbauer die Kogge fÅr den Handel, statteten sie mit einem großen Laderaum auf Kosten der Schnelligkeit aus. Whrend des 13. und 14. Jahrhunderts dominierten diese Koggen die Schifffahrt auf Nord- und Ostsee. Erst der aus dem Westen stammende vergrÇßerte Holk mit flachem Boden schaffte ab etwa 1400 Transportleistungen von etwa 300 bis 350 Tonnen; nach und nach ersetzte er die Koggen. Gleichfalls noch im 15. Jahrhundert tauchte zudem die dreimastige Kraweel im Norden auf. Sie entstammte dem Mittelmeerraum und transportierte mit hÇherer Geschwindigkeit als Holk oder Kogge Lasten Åber 400 Tonnen. NatÅrlich ergnzte eine Unzahl kleinerer Schiffe mit geringem Tiefgang den Handelsverkehr, zumal die hochseetauglichen Schiffe flussaufwrts nicht weit gelangen konnten.

Der Ausgang der Hanse

Sukzessive verloren die hansischen Kaufleute bzw. die Stdte ihre auswrtigen Privilegien und damit ihre bevorrechtigte Stellung. Spt erkannt wurden der Aufstieg Antwerpens sowie die damit verbundenen Handelsverlagerungen. Auch wuchs die ohnehin stets vorhandene Konkurrenz der Stdte untereinander, ließen sich die divergierenden Interessen immer weniger bÅndeln. Tendenziell begÅnstigte der atlantische Handel die westlich gelegenen Stdte. KÇln verfÅgte ohnehin Åber ganz andere Produktionskapazitten als LÅbeck. Bremen und Hamburg sollten von der Westverlagerung profitieren, wenngleich der rasante Aufstieg Hamburgs erst im 17. Jahrhundert erfolgte. Der Integrationsdruck der frÅhmodernen Staaten band Kaufleute und Stdte strker in die Interessen der Territorien ein, die Organisationsform Transithandel Åberlebte sich zusehends. Schließlich waren es 1629 nur noch Hamburg, Bremen und LÅbeck, die mit der Interessenwahrnehmung der Hanse betraut wurden, bevor 40 Jahre spter Vertreter von neun Stdten den letzten Hansetag besuchten.

Die BrÅder Veckinchusen

Die BrÅder Veckinchusen

Als durchaus erfolgreiche Kaufleute begegnen uns die BrÅder Hildebrand und Sivert Veckinchusen, kurz vor und um 1370 in Riga, Reval oder vielleicht auch Dortmund geboren, die in den 1390erJahren in BrÅgge handelten. Hildebrand ließ sich wohl 1394 in BrÅgge nieder, wirkte in Zusammenhang mit seiner Heirat von 1398 bis 1403 in Riga, um anschließend nach BrÅgge zurÅckzukehren. Dass beide in diesen Jahren als Aldermnner agierten, verweist auf ein hohes Ansehen der BrÅder. Wie so viele andere, und dies gilt auch fÅr Herrscher, trugen sie bereits in jungen Jahren große Verantwortung. Beide heirateten standesgemß, und Sivert siedelte noch vor 1400 nach LÅbeck um, wo er vor seinem Bruder das BÅrgerrecht erwarb. Zunchst dÅrfte ihr Handel den schon klassischen hansischen Wegen gefolgt sein, also der Route von Riga Åber Reval, LÅbeck, Hamburg bis zu den Endpunkten BrÅgge sowie London, wobei die Gewinne sich in der Regel als bescheiden, aber weitgehend sicher erwiesen. Handelskontakte reichten freilich auch nach Frankfurt, NÅrnberg, Straßburg, Konstanz, Toul, Rouen, Lucca sowie Venedig. Anders als andere Großkaufleute, die sich auf bestimmte Waren konzentrierten, handelten beide mit einer bunten Produktpalette. Die Jahre 1407 und 1408 aber brachten tiefgreifende Vernderungen: Die Beteiligung an der GrÅndung einer Gesellschaft fÅr den Venedighandel mit hÇheren Gewinnerwartungen, aber auch bisher unbekannten Risiken, fÅhrte zu einer teilweisen Neuausrichtung des Handels, und zunchst musste das Gesellschaftskapital aufgebracht werden. Sivert Veckinchusen musste Åbrigens als Anhnger der alten FÅhrungsschicht nach inneren Unruhen 1409 die Travestadt verlassen, er konnte in der Folge nicht mehr auf seine dort angelegten Kapitalien, seine Immobilie sowie die dort lagernden Waren zurÅckgreifen. Und somit fehlten ihm die fÅr Geschfte fast unabdingbaren Kreditsicherheiten.

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LÅbeck und die Hanse

Die wichtigsten hansischen See- und Landverbindungen um 1400

Bergen

Zufuhrrouten zum hansischen Wirtschaftsraum und weitere hansische Handelsstraßen Städte, in denen Familienangehörige Hildebrand Veckinchusens lebten Städte, in denen Handelspartner ohne familiäre Verbindungen mit Hildebrand Veckinchusen saßen

Nordsee

Stralsund Wismar Lübeck Hamburg El

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Amsterdam Bremen Lüneburg Delft Utrecht Magdeburg Herenhalst Dortmund Brügge Soest Köln Erfurt St. Omer Gent Aachen Amiens Rouen Frankfurt

London

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Mittelmeer Handelsnetzwerk: Standorte der Handelspartner von Hildebrand Veckinchusen

Die BrÅder Veckinchusen

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LÅbeck und die Hanse

An der Venedischen Gesellschaft beteiligten sich fÅnf „Firmen“ gleichberechtigt, doch erwirtschafteten die in Venedig ansssigen Teilhaber, vereinfacht gesagt, nach ersten Gewinnen hohe Verluste. Sie kauften – wie sich herausstellte – zu schlechte Qualitt fÅr zu hohe Preise, bezahlt mit Wechseln, ausgestellt auf die anderen Teilhaber. Aber die Marktlage hatten wohl alle Teilhaber falsch eingeschtzt. So sandten sie 1409 viel zu viele Pelze nach Venedig, schufen sich selbst ein wenig eintrgliches berangebot. Das Vordringen in neue Marktsegmente blieb risikobehaftet, kannten doch darin erfahrene Kaufleute den Markt besser, verfÅgten Åber genauere Informationen und z. T. bereits feste Abnehmerkreise. Wie fÅr andere Kaufleute gestalteten sich auch fÅr diese Gesellschaft die KommunikationsmÇglichkeiten aufgrund der großen Entfernungen schwierig. Schnell stritten die Gesellschafter, bevor sie 1415/16 die Gesellschaft auflÇsten. Doch zuvor waren nochmals bare Mittel der Veckinchusen in eine Kapitalaufstockung der Gesellschaft geflossen und damit verloren. Sivert Veckinchusen landete in KÇln, doch entgegen den eigenen Erwartungen und Hoffnungen blieb er dort zunchst ein Fremder, der nur schwer dringend notwendiges Kapital fÅr seine Geschfte aufbringen konnte. In LÅbeck sei es einfacher gewesen, die

Die Aldermnner

D ie Aldermnner (Eldermnner, ltermnner) der jeweiligen Kontore saßen einerseits dem Gericht der Kaufleute vor, vertraten andererseits die Interessen der Kaufleute gegenÅber dem entsprechenden Machthaber. Nach der um die Mitte des 14. Jahrhunderts erfolgten Gliederung der Hanse in drei Drittel – das wendisch-schsische, das westflisch-preußische und das gotlndisch-livlndischschwedische – besetzten je zwei Aldermnner sowie sechs Mitglieder jedes Drittels den Kaufmannsrat als neben den Hansetagen wichtigstem Gremium der Hanse.

Die BrÅder Veckinchusen

zehnfache Summe Geld aufzutreiben als in KÇln die einfache, notiert er in einem Schreiben. Dennoch Åbernahm er den Handel auf den Frankfurter Messen. Nach der Aufgabe des LÅbecker BÅrgerrechts wurden seine VermÇgenswerte offiziell beschlagnahmt, und an eine RÅckkehr war angesichts der mÇglichen Gefahren fÅr Leib und Leben noch nicht zu denken. Seine Frau begab sich gleichfalls noch 1409 nach KÇln, doch fehlte es ihr sogar an standesgemßer Kleidung in der fremden Umgebung; das gewohnte bisherige Leben ließ sich vorerst nicht fÅhren. Dennoch blieb Sivert mit Hilfe seines Bruders Hildebrand kreditwÅrdig, selbst wenn dieser aus Venedig erhaltene Waren mit Verlusten verkaufen musste, um zumindest ausstehende Verpflichtungen erfÅllen zu kÇnnen. Aber nur deren Begleichung sicherte die kaufmnnische Ehre und damit finanzielle Spielrume. Trotz aller Schwierigkeiten gewann er langsam den Boden unter den FÅßen zurÅck, unternahm lange Geschftsreisen. Freilich sollte sich das Verhltnis der BrÅder bald abkÅhlen, denn Sivert wollte aus dem Venedighandel aussteigen, erwartete ausstehende Rechnungslegungen. Zwar gelangte in LÅbeck 1416 der alte Rat wieder an die Macht, doch Geschfte und schließlich die schwere Krankheit seiner Frau verzÇgerten die Abreise um drei Jahre. Nach dem Tod seiner Frau Åberlegte Sivert, dem weltlichen Leben zu entsagen. Schicksalsschlge und lang whrende Probleme hatten ihn zermÅrbt, doch kehrte er 1419 nach LÅbeck zurÅck. Hier gelang die endgÅltige wirtschaftliche Renaissance, die es ihm ermÇglichte, sptestens 1431 – zwei Jahre vor seinem Tod – in die Zirkelgesellschaft aufgenommen zu werden. Sivert Veckinchusens Leben zeigt das enge Nebeneinander von Erfolg und Misserfolg, die großen Risiken des Fernhandels, der neben allen Aufstiegs- oder Wiederaufstiegschancen eben auch in den Bankrott fÅhren konnte. Hildebrand investierte weiter in den Venedighandel, streckte mit anderen Kaufleuten KÇnig Sigismund Gelder vor, der jedoch 1417 den Venedighandel verbot, verspekulierte sich mit Barchentgeschften und solchen mit franzÇsischem Seesalz. Schließlich

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LÅbeck und die Hanse

musste er seinen Bruder um Hilfe bitten, die dieser aber nur zÇgerlich und in bescheidenem Rahmen gewhrte. Er hatte ihn freilich hufig vor den riskanten Geschften gewarnt. NatÅrlich belasteten die Fehlspekulationen auch das Verhltnis zu weiteren Geschftspartnern, die auf Zahlungen Hildebrands warteten. 1418 schrieb Sivert vor der Herbstmesse an seinen Bruder: „Wisse lieber Bruder, dass ich fÅrchte, dass ich nicht zur Messe nach Frankfurt kommen kann um vielerlei Ursachen willen.“ Vielleicht fÅrchtete er die Glubiger. Dennoch konnte er sich zunchst noch frei bewegen und zeigte sich nach vorÅbergehender Flucht nach Antwerpen bereit, sein verbliebenes VermÇgen in BrÅgge den Glubigern zu Åbergeben. Dort verhandelte er wegen einer Umschuldung, allerdings liefen seine Geschfte nicht wie geplant, zu wenig Bargeld kam herein, bevor er auf Betreiben eines Glubigers wegen einer vergleichsweise geringen Summe im Februar 1422 in den dortigen Schuldturm gebracht wurde. Sivert fÅrchtete vermutlich, seinerseits bei Zahlungen an die Glubiger seines Bruders in den Fall verwickelt zu werden, und weigerte sich, diesem zu helfen. Zu leiden hatte zudem die Familie, denn Hildebrands Frau Margarethe und die Kinder mussten um UnterstÅtzung bitten, erhielten u. a. von Sivert Essen und Bekleidung, um zumindest GrundbedÅrfnisse decken zu kÇnnen, um nicht, fÅr die gesamte Familie ehrmindernd, betteln zu mÅssen. Ansonsten musste Schmuck versetzt oder verkauft werden, um Åberhaupt Notwendiges kaufen zu kÇnnen. Nach BrÅgge wurden KleidungsstÅcke sowie weitere Waren gesandt. Mit deren ErlÇs zahlte Hildebrand bescheidene Betrge zurÅck, um zumindest den guten Willen zur Begleichung der Schulden zu demonstrieren. Auch ermahnte Hildebrand seine Frau, mÇglichst wenig Åber ihre prekre Lage zu erzhlen. Schließlich war der verlusttrchtige Verkauf des Hauses fllig, und nicht nur die Gebude von Kaufleuten verwiesen auf ihren Status: Eine Minderung der Wohnqualitt konnte auf eine Statusminderung deuten. Erst 1424 wuchsen die BemÅhungen von

Die BrÅder Veckinchusen

Verwandten und Freunden an, Hildebrand auszulÇsen, wobei die LÅbecker sich wiederum zurÅckhielten, auf eine bessere Absicherung der BÅrgen drngten. Hier nun versagten aus unbekannten GrÅnden die sozialen Netze, welche ansonsten erheblich zur Absicherung von persÇnlichen Risiken beitragen konnten. Nach seiner Entlassung aus der Schuldhaft im April 1425 blieb Hildebrand Veckinchusen dennoch in BrÅgge, begann seine kaufmnnische Ttigkeit wieder aufzunehmen, um zunchst die dortigen Partner zu bezahlen, die fÅr seine Haftentlassung gesorgt hatten. Erst im Mai 1426 kehrte er als gebrochener Mann in die Travestadt zurÅck, wo er bereits im Juli desselben Jahres verstarb.

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KÇln – Das Weinhaus der Hanse

K

Çln wurde bereits 50 n. Chr. zur Stadt erhoben und danach ummauert. Allerdings sank die Bedeutung whrend

des FrÅhmittelalters, doch sorgte der Bedarf des bischÇflichen bzw. erzbischÇflichen Hofs fÅr einen stetigen Handel. Die seit 1180 begonnene Stadtmauer umschloss nunmehr eine Flche von 400 Hektar, was ein schnelles Wachstum verdeutlicht. 1288 konnte schließlich die Stadtherrschaft der ErzbischÇfe beendet werden, KÇln wurde zur freien Stadt. Gleichfalls noch whrend des Hochmittelalters nahm der KÇlner Handel Fahrt auf, nachdem der Markt bereits im 10. Jahrhundert zu einem der wichtigsten im Reich geworden war. Schon frÅh produzierten die ortsansssigen Handwerker fÅr den Export, ein wichtiger Unterschied zu LÅbeck. Sie stellten u. a. Schwerter, Metallwaren, Pelze, Goldschmiedearbeiten und fast selbstverstndlich Tuche her. FÅr den Bezug und den Transport der Rohstoffe sorgten Kaufleute. Dazu setzten diese Produkte des nheren und weiteren Einflussgebiets ab, und die Ausdehnung des auf KÇln bezogenen Gebiets wuchs. Von der Einbindung KÇlns in das niederrheinische Messesystem war bereits die Rede, doch setzte KÇln auf das Stapelrecht. Mit dem Rhein floss die wichtigste Nord-SÅd-Verbindung an der Stadt vorbei, und smtliche Schiffe mussten vor der Weiterfahrt zunchst ihre Waren fÅr einige Tage in KÇln anbieten, bevor sie weiterfuhren oder die GÅter auf andere Schiffe umgeladen wurden. Dieses galt auch fÅr Landtransporte. Aufgrund des hohen Handelsvolu-

Das Weinhaus der Hanse

Stadtansicht von KÇln, 1531: im Vordergrund der Hafen mit Kran

mens und der damit verbundenen Einnahmen an indirekten Steuern (Verbrauchssteuern) konnte die Stadt auf eine direkte Besteuerung der Einwohner zumeist verzichten. Zahlen lassen sich erst fÅr das Sptmittelalter nennen. Mit etwa 45 000 Einwohnern im 15. Jahr-

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KÇln

hundert war KÇln die mit Abstand einwohnerstrkste Stadt im Reich, erst nach 1800 wuchs die Stadt wieder.

Gerhard Unmaze

In KÇln lsst sich – einzigartig im Reich nÇrdlich der Alpen – in der zweiten Hlfte des 12. Jahrhunderts mit Gerhard Unmaze ein Fernhndler fassen. Bereits sein Vater dÅrfte großen Reichtum erworben haben, doch mit welchen Waren die Familie genau handelte, bleibt im Dunkel der NichtÅberlieferung. Bei grÇßeren Geschftsvorhaben grÅndeten sie mit weiteren Kaufleuten Konsortien fÅr jeweils nur ein Vorhaben. Unmaze zhlt als einer der beiden obersten ZÇllner zur bischÇflichen Ministerialitt, der zudem 1174 den bischÇflichen Stadtzoll auf unbestimmte Zeit pfandweise erwarb. Seine Gewinne legte Gerhard Unmaze in Immobilien an, und zwar am Dombezirk und in der Nhe des erzbischÇflichen Hofes. Da der Name Unmaze neben unermesslichem Reichtum negativ verstanden Maßlosigkeit bedeuten kann, nannte sich die Familie ab etwa 1170 de Curia. Hohe Bedeutung besaß fÅr Gerhard Unmaze die Geldleihe, und als Sicherheit ließ er sich hufig Immobilien Åberschreiben, die bei nicht fristgerechter RÅckzahlung in sein Eigentum Åbergingen. Die Pfandobjekte, Huser und HÇfe, lagen vor allem in den Kaufleutevierteln in Rheinnhe, dazu kam der Ankauf von HÇfen beim erzbischÇflichen Palast. Doch auch Verkaufshallen und andere gewerbliche Immobilien gelangten in seine Hnde. Ohne eigene Kinder, adoptierte Gerhard Unmaze Richmud, die Tochter seiner Frau Adelheid aus erster Ehe, die mit Gerhard, dem Sohn seines Bruders Dietrich, verheiratet wurde. Diese beiden erbten nach dem Tod Gerhards 1197/98 den Reichtum, doch schon kurz darauf muss Gerhard gestorben sein. Richmud grÅndete nun das Augustinerinnenkloster St. Maria zum Weiher außerhalb des Mauerrings und trat mit ihren vier TÇchtern in das Kloster ein. Ihr gesamter Besitz diente der Fundierung der Stiftung, ging damit in

Gerhard Unmaze

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Die Ministerialen

B ei den Ministerialen handelte es sich um ursprÅnglich unfreie Dienstmnner, die im Auftrag ihrer weltlichen oder geistlichen Herren wichtige Dienste ttigten und zentrale mter in Verwaltung und Gericht besetzten. Vor allem im Lauf des 12. Jahrhunderts streiften sie die Unfreiheit ab. In den Stdten bildeten sie, hufig selbst im Handel ttig, mit Kaufleuten die erste Oberschicht, whrend zahlreiche landsssige Ministeriale seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts zum Niederadel zhlten.

geistliche Hnde Åber. Den Schleier nahm Richmud allerdings nicht, sie kÅmmerte sich – entsprechend ihrer Herkunft – um die Çkonomischen Belange des Klosters. Mit dem Aufstieg von Antwerpen und Bergen-op-Zoom auf Kosten der flandrischen Stdte seit dem 14. Jahrhundert einerseits und von Frankfurt andererseits lag KÇln nunmehr zentral zwischen diesen wichtigen Umschlagpltzen. Noch bevor LÅbeck zu einer Handelsmetropole aufstieg, erhielten KÇlner Kaufleute von dem englischen KÇnig Heinrich II. (1154–1189) Privilegien verliehen, der sie und ihre GÅter in seinen Schutz nahm. In London verfÅgten sie mit dem Stalhof Åber ein festes Handelshaus, welches spter als hansisches Kontor diente. Eine starke Englandorientierung der KÇlner Kaufleute sollte fortbestehen, und ein wichtiges, nach England vertriebenes Gut war Wein. Teilweise schlossen sich die Kaufleute aufgrund gleicher Haupthandelsrichtungen zusammen, so findet sich 1247 die „fraternitas Danica“ und dann die der Englandfahrer. Nach den Unruhen des 14. Jahrhunderts und der EinfÅhrung einer Gaffelverfassung 1396 schlossen sich die Kaufleute in drei Gaffeln (ZÅnften) zusammen, um ihre Interessen zu vertreten. Mit der EinfÅhrung der Gaffelverfassung 1396, Gaffel wurde in KÇln als Synonym zu Zunft verwandt, mussten alle BÅrger in eine Gaffel eintreten, um Åberhaupt politisch ttig werden zu kÇnnen. Jede Gaffel

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KÇln

stellte eine bestimmte Anzahl Ratsmitglieder. Doch trotz dieser an sich breiten Machtstreuung dominierten auch in der Folge vergleichsweise wenige Familien. Da Ratsherren einerseits unbesoldet agierten und andererseits Åber viel Zeit verfÅgen mussten, hatte ein einfacher, von seiner Arbeit lebender Handwerker schon deswegen keine MÇglichkeit, in den Rat einzuziehen. Neben England stellten die Niederlande, das Oberrhein- und Moselgebiet, der Ostseeraum, das Donaugebiet mit Wien und Buda sowie Pest, Italien und Frankreich wichtige Handelsgebiete dar, ergnzt schließlich um die Reiche auf der Iberischen Halbinsel (Aragn, Kastilien, Portugal, Navarra). NatÅrlich fanden auch Waren aus anderen Teilen des Reichs ihren Weg nach KÇln und KÇlner Waren nach dort. Doch der Handel brachte auch Belastungen, so mussten Schulden eingetrieben werden, was z. T. Bevollmchtigte Åbernahmen, die in die jeweilige Region ritten: Vor uns, BÅrgermeister, Rat und andere BÅrger der Stadt von KÇln sind gekommen Johann van der Bach und Johan van Sechtem,

[

unsere lieben MitbÅrger, und haben hier Coengin auf dem Flachsmarkt bevollmchtigt und mchtig gemacht, alle unsere

]

Schulden, als man sie in sterreich, in Ungarn und in deren Umland schuldig ist, also das er der rechte Forderer sein soll, einzufordern und Quittungen darÅber zu geben, gleich wie wir selber.1

Seit etwa 1330 besuchten KÇlner Kaufleute regelmßig und manchmal jahrzehntelang die beiden Frankfurter Messen. Und in Frankfurt verkauften die KÇlner nicht nur, sondern hier erwarben sie Rohstoffe fÅr die Produktion. In Richtung Westen orientierten sich die KÇlner Kaufleute stark auf Antwerpen, und dorthin stand der Handel auf dem Landweg an erster Stelle. Allerdings geriet KÇln dadurch in eine Konfliktsituation zur Hanse, die sich auf das BrÅgger Kontor ausrichtete. In BrÅgge wiederum setzten die KÇlner vornehmlich Elssser und Rheinwein ab.

Wieder einmal Tuche

In den Genuss der hansischen Vorrechte sollten aber nur BÅrger einer Stadt kommen: 1447 haben die gemeinen Stdte von der Hanse beraten und

[

verordnet, dass niemand mit den Kaufmannsrechten begabt ist, wenn er nicht BÅrger in einer Hansestadt ist, und dass er da BÅrger ist und das BÅrgerrecht besitzt. Und wenn einem dieses die Kaufmann nicht glauben wollen, so soll er Beweise bringen an den Kaufmann von der Stadt, wo er BÅrger ist, dass es so ist. Und es soll niemand in zwei Stdten BÅrger sein bei Verlust der Hanse. Und so soll niemand Aldermann sein zu BrÅgge in Flandern, zu London in

]

England, zu Bergen in Norwegen und zu Novgorod in Russland, er sei denn ein gesessener BÅrger in einer Hansestadt.2

Wieder einmal Tuche

Im 14. Jahrhundert und noch bis in die 1430er-Jahre bildeten Tuche, in KÇln und am Niederrhein hergestellt, die wichtigsten Ausfuhrprodukte. Dominierten aber im 14. und zu Beginn des 15. Jahrhunderts noch Wolltuche und Tirtey, ein Mischgewebe aus Wolle und Leinwand, so setzten die Hndler in der Folge zunehmend mehr Barchent um, welches auch KÇlner Handwerker fertigten. Oberdeutsche Kaufleute, die sich in KÇln ansiedelten, dÅrften die Techniken an den Rhein gebracht haben. An qualifizierten Handwerkern mangelte es nicht, whrend sich Baumwolle unkompliziert aus BrÅgge beziehen ließ. Nach dem Bleichen mussten die Tuche eine Lnge von 52 Ellen aufweisen, die Breite betrug eine Elle. Ab 1449 wurden 56 Ellen als Norm festgeschrieben, die Toleranz lang bei einer Elle. Das KÇlner Ellenmaß betrug, dies als Orientierung, knapp 59,4 Zentimeter. Drei Qualittsklassen sowie eine Sonderklasse als hÇchste Qualittsstufe dienten der Unterscheidung der Barchentstoffe, und entsprechend der Einstufung wurden die Tuchballen unter kommunaler Aufsicht mit einem Bleizeichen gestempelt.

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KÇln

Aber auch oberdeutschen Barchent vertrieben KÇlner Kaufleute in großen Quantitten, so handelte es sich zwischen 1452 und 1459 um 158 484 Tuche sowie zwischen 1470 und 1478 schon um mehr als die doppelte Menge, nmlich 347 985 StÅck. ber 22 Prozent betrug der Anteil Johanns von Lenderinckhusen in der letztgenannten Zeitperiode, der als Wirt bzw. stndiger Kommissionr oberdeutscher und Brabanter Handelsgesellschaften agierte. Er selbst war KÇlner BÅrger und entstammte der einheimischen Familie Stralen. AbgelÇst hatte Lenderinckhusen Johann van Beeck, der gleichfalls als Wirt und als Faktor (Handelsvertreter in einer fremden Stadt) der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft amtierte. Zudem handelte es sich bei ihm um den umsatzstrksten Hndler mit Drugwaren, also vornehmlich GewÅrzen und anderen Produkten des Levantehandels. In diesem Sektor des Handels verfÅgte Lenderickhusen Åber eine SchlÅsselstellung im Transithandel zwischen Oberdeutschland und Antwerpen. Sicherlich konnte er kein Monopol errichten, aber Einfluss auf die Preisgestaltung konnte er schon nehmen. Auch NÅrnberger Handelshuser verfÅgten in der Domstadt Åber Agenten, die als KÇlner BÅrger ihre Interessen vertraten. Da der Handel Fremder untereinander in KÇln verboten war, erwarben die Zugezogenen das KÇlner BÅrgerrecht, und falls sie dieses nicht zÅgig beanspruchten, drngte sie der Rat dazu. Ab 1508 zwang der Rat dann smtliche Faktoren auswrtiger Handelshuser zu diesem Schritt. Schon 1434 „war von den gemeinen Stdten verordnet und aufgesetzt worden, dass niemand, der zur Hanse gehÇrt, weder eine Gesellschaft noch Kompanie halten soll mit irgendeinem Mann von außerhalb der Hanse“.3 Bestehende Gesellschaften waren binnen ungefhr eines Dreivierteljahres aufzulÇsen. Wie beim Barchent wuchs die KÇlner Seidenverarbeitung im 15. Jahrhundert deutlich an, bereits Ende des 14. Jahrhunderts war KÇln das wichtigste Zentrum fÅr Seidenerzeugnisse nÇrdlich der Alpen. Wenn in den 1370er-Jahren jhrlich etwa 10 000 Wolltuche gefertigt wurden, so benÇtigten die Handwerker jedes Jahr immerhin

Woher kamen die Farben?

445 Tonnen Schafwolle dafÅr. Und die Wolle stammte zu einem nicht kleinen Teil aus der Umgebung der Stadt, sodass die KÇlner Weber weniger von den Vernderungen in England betroffen waren. Denn seit der zweiten Hlfte des 14. Jahrhunderts begann der bisher wichtigste Wollexporteur das Rohprodukt verstrkt selbst zu Fertigprodukten zu verarbeiten. Die rumliche Nhe zum Rohstoff ermÇglichte es zahlreichen Tuchwebern, sich selbst mit Wolle zu versorgen, nicht von den Lieferungen von Kaufleuten abhngig zu sein. Weiterhin boten die durchaus erreichbaren Antwerpener und Frankfurter Messen die MÇglichkeit zum Wolleinkauf. Das Verlagswesen bildete sich deutlich strker bei der Barchent- und Seidenwarenherstellung heraus. Hier stellte ein Verleger, zumeist ein Kaufmann, die teuren Rohstoffe zur VerfÅgung, bestimmte Art und Qualitt der produzierten Waren und sorgte anschließend fÅr den Absatz der Fertigprodukte. Whrend Wolltuche Åberwiegend fÅr den Fernabsatz hergestellt wurden,Verkaufsspitzen lassen sich jeweils fÅr Messetermine feststellen, gingen die preiswerteren Tirteytuche Åberwiegend in die benachbarten Mittelgebirgsregionen mit ihren weniger kaufkrftigen Bewohnern. ber den Absatz der Barchent- und Seidenproduktion schweigen die Quellen weitgehend, doch dÅrften zumindest die Seidenwaren Åber weite Strecken gehandelt worden sein; auch der Barchent war fÅr den Export bestimmt. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts gelangten englische Tuche Åber KÇlner Hndler auf die Frankfurter Messen, whrend sie dort im Gegenzug Åberwiegend oberdeutschen Barchent erwarben.

Woher kamen die Farben?

Eng verbunden mit dem Tuchhandel war der Handel mit Frbepflanzen bzw. mit den aus ihnen gewonnenen Produkten, zumal sptmittelalterliche Menschen krftige Farben schtzten. Synthetische Farben kamen erst im 19. Jahrhundert auf. So wurde der zum Blaufrben der Tuche benÇtigte Waid im KÇlner Umland angebaut, und

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KÇln

zwar zumeist auf kleinen Parzellen. Der arbeitsintensive Anbau lohnte sich daher auch fÅr Besitzer kleiner HÇfe. Einen Teil der Produktion nahm der KÇlner Markt auf, weitere Teile gelangten in die Niederlande, nach England und Westfalen. Den zum Rotfrben benutzten Krapp erwarben die Hndler am Oberrhein, seelndischen Krapp hingegen verußerten sie in England. Als Rotfrbestoff diente weiterhin Saflor, gleichfalls Åberwiegend am klimatisch begÅnstigten Oberrhein erworben. GelbtÇne erzeugte die Beimischung von Frberwau, auch bekannt als Frbeginster oder Gilbkraut. berfrbte der Handwerker Blau mit Frberwau, erhielt er grÅne Tuche. Safran wurde aufgrund der hohen Preise nur bei besonders feinen Seidenstoffen verwendet. Seit dem 15. Jahrhundert konkurrierten dann afrikanische und asiatische Frbemittel mit den einheimischen. Brasilholz erzeugte rote und schwarze TÇne, das Blaufrbemittel Indigo galt KÇlner Webern hingegen noch ausgangs des Mittelalters als verschriene Teufelsfarbe,Traditionalisten bewerteten ihn als minderwertig. Seine seltene Verwendung erklrt zumindest teilweise auch der hÇhere Preis. Den aus Gallpfeln gewonnenen teuren schwarzen Farbstoff setzten vornehmlich die Seidenfrberinnen ein. Sandelholz erreichte als rotes, gelbes oder weißes die Mrkte. Dazu traten weitere mineralische Frbemittel. Weinstein und Alaun benÇtigten die Frber zum Beizen, und Letzteres stammte aus Kleinasien und der Insel Chios, der heute tÅrkischen KÅste vorgelagert. Das weitere Vordringen der TÅrken im Çstlichen Mittelmeerraum fÅhrte zu Engpssen, die mit dem Alaunfund von Tolfa im Kirchenstaat Åberwunden werden konnten. Der KÇlner Handel mit Tuchen zeigt das Nebeneinander und das Ineinandergreifen von Fern- und Nahhandel, um die fÅr die einzelnen Produktionsschritte benÇtigten Rohwaren zunchst zu beschaffen und die Fertigprodukte wieder abzusetzen. In Teilen dÅrften auch kleine Hndler und Handwerker daran partizipiert haben. Auch das Umland war in den Produktionsprozess eingebunden, wenn z. B. Waid angebaut wurde. Den Anbau von Waid anstelle von Getreide kritisierten aber bereits geistliche Zeitgenossen, sahen

Eisen und Stahl

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sie doch die Versorgung mit Lebensmitteln gefhrdet, falls sich zu viele Bauern auf den lukrativeren Anbau von Frbepflanzen verlegten. Waren freilich beim Rohstoffbezug weite Distanzen zu ÅberbrÅcken, traten ausschließlich Hndler in Erscheinung, und sie finanzierten die teuren Rohstoffe vor, was zu Abhngigkeiten von Handwerkern fÅhren konnte.

Eisen und Stahl

Im Handel mit Bergbauerzeugnissen spielte KÇln in Nordwesteuropa eine zentrale Rolle und zwar als Verteilermarkt. Blei aus der vergleichsweise nahe gelegenen Eifel ermÇglichte den Aufstieg KÇlns zum grÇßten nordwesteuropischen Bleimarkt nach 1400, und um 1470 bildeten die KÇlner Bleihndler ein Verkaufskartell. Derart ließen sich interne Konkurrenz vermeiden und die Preise hochhalten oder steigern. Blei gewann seit dem spten 15. Jahrhundert nochmals an Bedeutung, diente es doch dazu, in den SaigerhÅtten Silber aus Rohkupfer zu lÇsen. Die SaigerhÅtten ihrerseits erforderten immense Investitionen, versprachen aber auf der anderen Seite nach Aufnahme der Produktion hohe Gewinne. Roheisen, Stahl und Halbfabrikate erwarben die KÇlner vornehmlich im Siegerland und dem

Das Saigerverfahren

M ittels des Saigerverfahrens gelang es seit der zweiten Hlfte des 15. Jahrhunderts unter Einsatz betrchtlicher Bleimengen Kupfer und Silber aus den Erzen zu trennen. Erzielt wurden derart hochwertiges Garkupfer sowie eine erhÇhte Silberausbeute auch aus denjenigen Kupfervorkommen, bei denen sich das Ausscheiden des Silbers zuvor als nicht lohnend erwiesen hatte. Der Silberanteil am Rohkupfer lag in ThÅringen zumeist zwischen 0,6 und 1,8 Prozent, gelegentlich nochmals darunter.

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KÇln

mrkischen Sauerland, dazu aus der Eifel und dem HunsrÅck. Allerdings wurden lngst nicht alle nach KÇln transportierten Mengen dort verarbeitet, sondern sie bildeten auch einen Teil des Transithandels. Zahlen lassen sich z. B. fÅr 1485 bis 1487 nennen, und in den drei Jahren erreichten jhrlich 1260 Tonnen Eisen KÇln. KÇlner Schwerter und Klingen gelangten schon im 12. Jahrhundert in großen Mengen in den Export, doch auf lngere Sicht spielten die Produkte der Harnischmacher, in KÇln als „SarwÇrter“ bezeichnet, eine wichtigere Rolle. Massenhaft gelangten zudem Dolche und andere leichte Stichwaffen in den Handelskreislauf. Die gesamte Palette der Eisen- und Buntmetallwaren erwies sich als ausgesprochen breit, ohne dies im Detail zu thematisieren.

Bier statt Wein?

Wenn vom Weinhaus der Hanse die Rede ist, darf der Wein natÅrlich nicht fehlen, und er stellte das umsatzstrkste KÇlner Handelsgut dar. Aufgrund der Abhngigkeit der Weinqualitt und -quantitt von der Witterung konnte mit dem Produkt spekuliert werden, erÇffnete sich die MÇglichkeit hoher Gewinne. Grundstzlich aber sollte das Volumen des Weinhandels in der zweiten Hlfte des 15. Jahrhunderts gegenÅber den Jahrzehnten zuvor deutlich zurÅckgehen, da in Teilen des Reichs zunehmend Bier Wein als Alltagsgetrnk ablÇste und zum wichtigsten „FlÅssigkeitslieferanten“ avancierte. Lag Ende des 14. Jahrhunderts der Einfuhrspitzenwert noch bei knapp 270 000 Hektolitern Wein, betrug der HÇchstwert in der zweiten Hlfte des 15. Jahrhunderts 152 000 Hektoliter. Zwischen 1500 und 1515 lag dann der jhrliche Durchschnitt nur noch bei 61 250 Hektolitern. Selbstverstndlich konsumierten die Bewohner KÇlns nicht die gesamte eingefÅhrte Menge, einen Teil des Rebensafts exportierten die Kaufleute weiter. Allerdings war nur bei der Einfuhr des Weins die darauf lastende Steuer fllig, sodass ausschließlich aufgrund dieser Angaben Mengen berechnet werden kÇnnen.

Bier statt Wein?

BrÅgge und sein Vorhafen Damme im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts

Die Hndler kombinierten hufig Tuch- sowie Fischhandel mit dem Weinhandel, aber auch zahlreiche Handwerker beteiligten sich an den Geschften, von denen nicht wenige Åber 87 Hektoliter jhrlich einfÅhrten. Freilich handelt es sich um diejenigen, welche bereits strker kaufmnnisch als handwerklich ttig waren. „Fingerlang Handel ist besser als armlang Handwerk“, umschrieb ein sptmittelalterliches Sprichwort die unterschiedlichen VerdienstmÇglichkeiten treffend. Die hÇchsten Umsatzzahlen blieben aber erwartungsgemß den Mitgliedern der Kaufleutegaffeln vorbehalten. Im Mittelpunkt standen sicherlich Elssser- und Rheinweine, doch auch Moselweine erreichten flussabwrts KÇln. Die Hndler verußerten sie im gesamten hansischen Handelsbereich, in BrÅgge beherrschten sie den Aus-

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KÇln

schank mit deutschen Weinen, whrend sich in England tendenziell franzÇsische Weine grÇßerer Beliebtheit erfreuten. Da zahlreiche Weinhndler entweder selbst im Rat saßen oder Åber enge Beziehungen zu Ratsmitgliedern verfÅgten, konnten sie den Bierkonsum mittels Verboten oder Mengenbeschrnkungen in der ersten Hlfte des 15. Jahrhunderts noch einschrnken, doch auf Dauer mussten sie sich dem allgemeinen Trend beugen. Außerdem verfÅgte der Rat Åber das vom Erzbischof erworbene sogenannte Grutmonopol, und diese Krutermischung war Grundbestandteil der lteren Biersorten ohne Hopfenzusatz. Erst nach der Weiterverpachtung des Monopols, nun traf die Umstellung die Stadtkassen nicht mehr, durften auch in KÇln die Brauer Hopfen verwenden. Hopfenbier lieferten die Hansestdte des Nordens, aus den Niederlanden stammte das aus Weizen und Hopfen gebraute Keutebier. Daneben unterliefen der Stadt benachbarte Brauereien sowie der Absatz von Keutebier durch innerstdtische KlÇster die Verbote des Rats, sodass der Rat auch den zÅnftigen Braumeistern die Herstellung freigeben musste. Im frÅhen 16. Jahrhundert spÅlten die indirekten Steuern auf Bier bereits mehr Geld in die Stadtkassen als die auf Wein. Der massiv ausgeweitete Hopfenanbau konzentrierte sich vornehmlich auf die linksrheinische Umgebung KÇlns. Den KÇlner GewÅrzmarkt dÅrften hingegen lange Zeit Auswrtige bestimmt haben, und schon in der ersten Hlfte des 14. Jahrhunderts sind Niederlassungen von venezianischen, lombardischen und NÅrnberger Kaufleuten belegt. Noch zu Beginn des 15. Jahrhunderts lassen sich, letztlich erfolglose, Abwehrmaßnahmen KÇlns gegen NÅrnberger und Augsburger GewÅrz- und Barchenthndler fassen. In den 1450er-Jahren sorgte wiederum Johann von Beeck, welcher uns bereits als Barchentimporteur sowie Wirt und Kommissionr der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft begegnet ist, fÅr den hÇchsten GewÅrzumsatz. Knapp zehn Tonnen Pfeffer ließ Beeck zwischen 1452 und 1459 nach KÇln transportieren und steuerte damit gut ein Drittel zur Gesamteinfuhr bei. Die von ihm im gleichen Zeitraum in die

Handelswege

Domstadt geschafften 260 Kilogramm Safran nehmen sich daneben bescheiden aus, stellten aber aufgrund des hohen Preises einen immensen Wert dar. Noch in der zweiten Hlfte des 15. Jahrhunderts verfÅgten oberdeutsche Handelsgesellschaften unverndert Åber eine fÅhrende Stellung. Von den KÇlner Hndlern ist Alf van der Burg zu nennen, der vornehmlich Pfeffer, Ingwer, Safran, Zucker, Muskat, Nelken und KÅmmel umsetzte. Allerdings arbeitete er eng mit NÅrnberger Firmen zusammen, war zuvor Teilhaber eines dortigen Unternehmens gewesen. Erste Zitronen fanden Ende des 15. Jahrhunderts ihren Weg auf die KÇlner Mrkte, Orangen im ersten Jahrzehnt des folgenden Jahrhunderts.

Handelswege

Die zunehmende Bedeutung der Achse Frankfurt – KÇln – Antwerpen ist bereits erwhnt worden. Im 14. Jahrhundert dÅrfte der KÇlner Handel mit SÅdeuropa noch Åberwiegend auf dem Landweg bzw. auf den FlÅssen erfolgt sein, doch seit etwa 1400 bevorzugten die Hndler den Seeweg via BrÅgge, an dessen Stelle seit der Mitte des 15. Jahrhunderts Antwerpen trat, wo sich KÇlner schnell etablierten. Anders als zahlreiche Hansestdte reagierte KÇln damit frÅhzeitig auf die Vernderungen. Allerdings wurde fÅr teure Waren tendenziell eher der Landweg genutzt, der wohl als sicherer galt. Nach 1564 ließen sich zahlreiche Hndler aus Antwerpen in KÇln nieder, da die Kriege um die Unabhngigkeit von Spanien in den Niederlanden den Handel massiv beeintrchtigten. Und die Auseinandersetzungen um die LÇsung von der spanischen Herrschaft sollten sich in den folgenden Jahren nochmals deutlich verschrfen. Wenn wir einen Blick auf die regionale Verteilung der Geschftspartner auf den Frankfurter Messen werfen, zeigt sich, dass die Kontakte zu den oberdeutschen Berufskollegen eindeutig im Vordergrund standen, ergnzt um solche zur Eidgenossenschaft. Nach Mittel- und Ostdeutschland waren die Bindungen schon deutlich schwcher, und sie reduzierten sich

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KÇln

in Richtung Norden des Reichs nochmals. FÅr den Norden war der Seeweg maßgeblich. Hohe Bedeutung fÅr die Kaufleute der Stadt besaß der Englandhandel, fÅr dessen Aufrechterhaltung KÇln im spten 15. Jahrhundert sogar eine weitgehend folgenlose „Verhansung“ auf sich nahm. Verhansung bezeichnet den (vorÅbergehenden) Ausschluss aus der Hanse. GrÅnde waren u. a. das Nichteinhalten von Abmachungen oder innere Unruhen, die mit der Vertreibung fÅhrender Geschlechter endeten. Die anderen Stdte versuchten den Handel der verhansten Stadt mÇglichst zu unterbinden, um sie so zur ErfÅllung der Forderungen zu zwingen. Neben einheimischen Waren und Fertigprodukten der Werksttten lieferten sie Weine aus Bordeaux oder La Rochelle, Weizen aus Rouen nach England, ergnzt um Salz aus der Bayonne und aus Setubal. Ansonsten diente die Iberische Halbinsel vornehmlich als Safranlieferant, dazu von l und Baumwolle sowie seit dem Anbau von Zuckerrohr auch von Zucker. Der KÇlner Direkthandel mit Ost- und SÅdosteuropa ging im 15. Jahrhundert zurÅck, ein Teil verlagerte sich allerdings auf die Frankfurter Messen. Zudem drangen die NÅrnberger in den Handel mit diesen Regionen ein. Ohnehin hatte der Handel mit sterreich erst ab etwa 1370 einen deutlichen Aufschwung erlebt, abgesetzt wurden vor allem Tuche. Sptestens seit den 1390er-Jahren verfÅgten KÇlner Kaufleute mit dem „ChÇlner hof“ Åber ein eigenes Gebude in Wien. Mit Pressburg handelten die KÇlner direkt oder Åber Wien, Buda (Ofen) sowie Pest waren gleichfalls Ziele. Selbst in den Stdten SiebenbÅrgens, in der Walachei und in der Ukraine lassen sich fÅr das 15. Jahrhundert KÇlner Tuche belegen. Der in der zweiten Hlfte des 15. Jahrhunderts aufkommende Buchdruck erschloss KÇlner Hndlern ein neues Bettigungsfeld, das intensiv genutzt wurde. Doch neben dem europaweiten Handel mit exklusiven Waren und weiteren Handwerksprodukten musste auch der alltgliche Bedarf gedeckt werden. DafÅr waren zunchst große Mengen an Getreide in die Stadt zu schaffen, denn wir kÇnnen von einem Durchschnittsverbrauch von 200 Kilogramm pro Kopf und Jahr aus-

Handelswege

gehen. Bei einer Einwohnerzahl von 45 000 bedeutete dieses eine jhrliche Menge von etwa 9000 Tonnen. Nicht nur in KÇln verbreitet war der kirchlicherseits verbotene Kauf des Getreides auf dem Halm, also dessen Erwerb noch weit vor der Ernte. Dieses konnte einerseits der Versorgungssicherheit dienen, andererseits geschah dies aber oftmals spekulativ in Hoffnung auf steigende Preise bei geringeren Ernteertrgen. Erfuhr der Rat von spekulativen Kufen, schritt er mÇglichst ein. Denn der Åberwiegend von Kaufleuten dominierte Rat bildete zwar die Gehorsam einfordernde Obrigkeit, aber er hatte auch die Versorgung zu garantieren, und sich ausweitende Hungerunruhen konnten sich zur Gefahr fÅr den Rat entwickeln. brigens betrieb die Kurie den Kauf auf dem Halm selbst. Daneben versuchten die KÇlner BÅrgermeister und der Rat umliegende Territorialherren, darunter die ErzbischÇfe als ehemalige Stadtherren, dazu zu bewegen, das dort geerntete Getreide in KÇln verkaufen zu lassen, es nicht beispielsweise in die Niederlande bringen zu lassen, wo vielleicht hÇhere Preise erzielt werden konnten. Auch Weintrauben bzw. Wein erwarben die Hndler im Voraus auf den WeinstÇcken. Vieh gelangte, wie schon erwhnt, von der NordseekÅste in großen Herden in die Domstadt. Auch KohlkÇpfe benÇtigten die KÇlner, denn eingesalzener Kohl bzw. Sauerkraut stellte den wichtigsten Vitaminlieferanten in Winter und FrÅhjahr dar. Von großbÅrgerlichen oder adligen Haushalten wissen wir, dass die Bediensteten im Herbst die KohlkÇpfe teilweise zu Tausenden erwarben. Vom Mittelrhein stammten Zwiebeln sowie das preiswerte GewÅrz Senf. Ebenso versorgten rheinaufwrts gelegene Obstgrten die Stadt mit frischen pfeln, Birnen und weiterem Obst. Hufig trocknete man das Obst vor dem Verzehr, denn diese Zubereitung galt als gesÅnder als frisches Obst; auch Backpfel erfreuten sich großer Beliebtheit. Letztlich dÅrfte sich die Produktion des nheren und weiteren Umlands stark auf die BedÅrfnisse der Großstadt ausgerichtet haben.

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Hamburg – Das Brauhaus der Hanse

er eigentliche Aufstieg Hamburgs zu Weltgeltung be-

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gann erst nach dem Dreißigjhrigen Krieg (1618–1648),

den die Stadt unbeschadet Åberstanden hatte, whrend weite Teile SÅddeutschlands umfangreiche ZerstÇrungen beklagten. Bereits um 830 findet sich neben der Burg eine Kaufleute- und Handwerkersiedlung, und Åber Hamburg wurde auch der Sklavenhandel abgewickelt. Die Bedeutung von Haithabu oder Dorestad erreichte die Siedlung freilich noch nicht. Doch schon 831/32 erfolgte die Erhebung zum Bistum mit dem Ziel der Missionierung des skandinavischen Nordens. Nur wenige Jahre spter freilich, 845, erstÅrmten Wikinger die Siedlung. Die von Bischof Rimbert verfasste Lebensbeschreibung seines Vorgngers Ansgar schildert den berfall: […] tauchten ganz unerwartet wikingische Seeruber mit ihren

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Schiffen vor Hamburg auf und schlossen es ein. Die Åberraschende PlÇtzlichkeit dieses Ereignisses ließ keine Zeit, Mnner aus dem Gau zusammenzuziehen, zumal auch der damalige Graf und Befehlshaber des Ortes, der erlauchte Herr Bernhar, nicht zugegen war; als der Herr Bischof dort von ihrem Erscheinen hÇrte, wollte er zunchst mit den Bewohnern der Burg und der unbefestigten Siedlung den Platz halten, bis strkere Hilfe kme. Aber die Heiden griffen an; schon war die Burg umringt; da erkannte er sich zur Verteidigung außerstande, und nun sann er nur noch Rettung der ihm anvertrauten Reliquien; seine Geistlichen zerstreuten sich

Hamburg

auf der Flucht nach allen Seiten, er selbst entrann ohne Kutte nur mit grÇßter MÅhe. Auch die Einwohner, die aus der Burg entrinnen konnten, irrten flÅchtend umher; die meisten entkamen, einige wurden gefangen, sehr viele erschlagen. Nach der Einnahme plÅnderten die Feinde die Burg und die benachbarte Siedlung grÅndlich aus; am Abend waren sie erschienen; die Nacht, den folgenden Tag und noch eine Nacht blieben sie da. Nach

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grÅndlicher PlÅnderung und Brandschatzung verschwanden sie wieder.1

Unterschiedlich erwiesen sich die Wirkungen: Einerseits konnte die Siedlung, die wohl zum grÇßten Teil nicht verbrannt war, wie auch sonst nach derartigen berfllen zÅgig wieder aufgebaut werden. Holzhuser ließen sich eben schnell errichten, und schon kurze Zeit spter setzte eine intensive weitere Besiedlung ein. Andererseits wurde das Bistum drei Jahre spter mit dem Bistum Bremen vereinigt, und an der Weser lag hinfort der Bischofssitz. Dennoch blieb Hamburg die bedeutendste Stadt. Im Lauf des 12. Jahrhunderts wuchs Hamburg wie andere Siedlungen zur Stadt, und 1188 folgte die GrÅndung der Hamburger Neustadt als freie Kaufleutesiedlung mit erblichem Besitz an GrundstÅcken und großteils mit lÅbischem Recht ausgestattet. Hier sollte Åber den Hafen Fernhandel in grÇßerem Umfang betrieben werden. Ein Jahr spter privilegierte Kaiser Friedrich I. Barbarossa die Stadt. Von der Einbindung Hamburgs in die Hanse war ja bereits die Rede. Den Anteil aber der Hndler und Brauer lsst erst eine Liste von 1375 erkennen: Verzeichnet sind 35 Englandfahrer, 84 Flandernfahrer, 40 LÅbeckfahrer sowie 19 im Großhandel ttige Gewandschneider. 126 Brauer produzierten fÅr den Export nach Amsterdam, nochmals 55 fÅr den nach Friesland. Von den weiter aufgefÅhrten 457 selbststndigen Brauern dÅrften nochmals etwa 50 fÅr den Export Bier hergestellt haben, der große Rest fÅr den Bedarf der Stadt und des Umlands.

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Hamburg

Bier blieb lange Zeit das einzige in großem Umfang in heimischer Produktion hergestellte Exportgut. Die fÅr den Export gebrauten Biermengen beeinflusste der Rat sptestens seit 1358, um mÇglichst ein berangebot zu verhindern, und bis ins 19. Jahrhundert hinein wahrte der Rat sein Zugriffsrecht. Wohin aber gelangte das Brauereierzeugnis? 1369 transportierten Schiffe Åber 45 Prozent des Exportbiers nach Amsterdam, mehr als 20 Prozent nach Westfriesland Åber Stavoren an der Zuiderzee und das verbleibende Drittel ins Åbrige Friesland. Im nchsten Jahrzehnt erscheint dann Flandern als weiterer Absatzmarkt. Die Bedeutung von Handel und Brauwesen verdeutlicht zudem, dass sich unter den 509 erwhnten Handwerkern immerhin 104 BÇttcher finden, welche primr Fsser fÅr den Transport herstellten. Dennoch zeigten sich schon im Laufe des 15. Jahrhunderts Krisenerscheinungen im Brauwesen, die sich im Folgenden fortsetzen. Da fast nur Kaufleute die Ratssitze besetzten, bestimmten diese eben auch das politische und wirtschaftliche Geschehen der Stadt. Weiterhin organisierten sich die Kaufleute bei freiwilliger Mitgliedschaft in Fahrgesellschaften, bekannt sind Englandfahrer, Flandern- und Schonenfahrer, wobei zumindest fÅr das 15. Jahrhundert die Bezeichnungen nur noch wenig Åber die Handelsausrichtung aussagen. 1517 schlossen sich die Mitglieder der Fahrgesellschaften zum „Gemeinen Kaufmann“ als Interessensvertretung zusammen.

Der Kampf gegen die VitalienbrÅder

Seit der zweiten Hlfte des 14. Jahrhunderts gelang es der Stadt zunehmend, ihre Lebensader, die Unterelbe, zu kontrollieren. Stdtische Kaufleute und Schiffer schdigende Land- und Seeruber konnten verfolgt und in Hamburg abgeurteilt werden. Ende des 14. Jahrhunderts begann die Situation nochmals zu eskalieren. Den Ausgangspunkt bildete die Gefangennahme des schwedischen KÇnigs Albrecht III. von Mecklenburg durch die dnische KÇnigin Margarethe 1389 und damit das Verdrngen der Mecklenburger aus Skandi-

Der Kampf gegen die VitalienbrÅder

navien. Als Gegenmaßnahme Çffneten sie die Hfen von Rostock und Wismar denjenigen, die als Seeruber Dnemark schdigen wollten. Unter FÅhrung verarmter mecklenburgischer Landadliger griffen die VitalienbrÅder in den Konflikt ein. 1394 erschienen Klaus StÇrtebeker und Godeke Michels erstmals als ihre Hauptleute. Zwar folgte 1395 ein Friedensschluss, doch setzten sich die VitalienbrÅder zunehmend auf Gotland fest, von wo aus sie die Ostsee unsicher machten und bevorzugt Kaufleuteschiffe kaperten. Eine Flotte des Hochmeisters des Deutschen Ordens, Konrad von Jungingen, vertrieb die Piraten 1398 von der Insel, und einige Hundert gelangten auf die ostfriesischen Inseln, wo ihnen die untereinander zerstrittenen Huptlinge Unterschlupf gewhrten. Nunmehr bildete die Nordsee ihren Aktionsraum, und 1398 berichtete das Hansekontor in BrÅgge Åber Unternehmungen der Piraten, zitierte u. a. den bekannten Slogan der VitalienbrÅder, dass sie Gottes Freunde und aller Welt Feind seien. Betroffen waren vor allem Hamburg und dann Bremen, und im Februar 1400 trafen sich Gesandte etlicher Hansestdte wegen der Piratengefahr in LÅbeck. Noch im Mai 1400 versprachen die ostfriesischen Huptlinge, keine VitalienbrÅder mehr zu beherbergen, verzichteten zudem endgÅltig auf das Strandrecht. Teile der Seeruber flohen nach Norwegen (etwa 200, darunter Godeke Michels) und zu Herzog Albrecht von Holland (ungefhr 300), einem Gegner Hamburgs, andere fanden neue VerbÅndete auf den Inseln. Allerdings schweigt ausgerechnet fÅr die folgenden, entscheidenden Jahre die Hamburger Chronistik. Die nach Holland Geflohenen, unter ihnen Klaus StÇrtebeker, segelten nach Helgoland, um von hier aus den Hamburger Englandhandel zu stÇren. Freilich besiegte sie eine Hamburger Flotte im Herbst vermutlich des Jahres 1400, 40 VitalienbrÅder sollen getÇtet, 70 gefangen genommen worden sein. Von Letzteren richteten die Hamburger 30 noch im gleichen Jahr hin, unter ihnen vermutlich Klaus StÇrtebeker, der aber nicht namentlich erwhnt worden ist, denn Hauptgegner Hamburgs war Godeke Michels. Dieser wandte

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Hamburg

sich 1401 wieder nach SÅden, wo er schließlich mit seinen Kumpanen noch im gleichen Jahr auf der Weser von hamburgischen Schiffen Åberwltigt und gleichfalls hingerichtet wurde. Ganz zu Ende war der Spuk jedoch noch nicht, denn bis 1435 verzeichnen die Quellen immer wieder berflle von VitalienbrÅdern. Erst die Eroberung von Emden und einer Burg beendete diese Phase. Der Versuch Hamburgs allerdings, sich in Ostfriesland ein Territorium zu schaffen, endete im finanziellen Fiasko. Vor allem Godeke Michels und nochmals verstrkt Klaus StÇrtebeker fanden in den folgenden Jahrhunderten, beginnend um die Mitte des 16. Jahrhunderts, Eingang in die Legendenwelt, deren berlieferungen geradezu gegenstzliche Inhalte aufweisen: Irgendwo an den KÅsten von Nord- und Ostsee sollen sie geboren sein, ihre soziale Verortung schwankt zwischen Knecht und Adligem. Auch ein vergrabener Schatz darf nicht fehlen. Gefangennahme und Hinrichtung malte die berlieferung bunt aus, so soll das Steuerruder von StÇrtebekers Schiff mit geschmolzenem Blei unbrauchbar gemacht worden sein, und manÇvrierunfhig fiel er in die Hnde seiner Gegner. Von der Hinrichtung weiß eine Geschichte, dass StÇrtebeker bat, diejenigen seiner Gefhrten zu verschonen, an denen er ohne Kopf vorbeilaufe. Nachdem er derart – buchstblich kopflos – fÅnf oder auch elf VitalienbrÅder gerettet htte, habe ihm der Henker oder sein Gehilfe einen Klotz vor die FÅße geworfen, der ihn ins Straucheln brachte. Der Scharfrichter soll auf die Frage eines Ratsherren, ob er mÅde sei, geantwortet haben, er kÇnne noch den ganzen Rat kÇpfen, was ihn selbst das Leben kostete. Das 20. Jahrhundert sah StÇrtebeker zunehmend als einen Sozialrebellen, einen Vorkmpfer fÅr die Freiheit, der die Hamburger Pfefferscke ihres Reichtums beraubte, Robin Hood durchaus nicht unhnlich. Bei der Auseinandersetzung mit den VitalienbrÅdern zeigt sich ein Zug hamburgischer Hansepolitik: Waren eigene Interessen direkt betroffen, konnte die Stadt druckvoll die FÅhrung Åbernehmen, war dies jedoch nicht der Fall, dann hielten sich die Hamburger zurÅck.

Der Kampf gegen die VitalienbrÅder

Im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts nahm Hamburg direkte Islandfahrten auf, zuvor ein Monopol wendischer Kaufleute sowie der aus dem norwegischen Bergen. Bis weit in die Neuzeit hinein sollte Åbrigens die Bedeutung von Bergen Åber der Oslos liegen. Trotz Unterbrechungen der neuen Handelsverbindungen konstituierte sich 1500 eine Islandfahrergesellschaft. Hier zeigen sich nicht zuletzt BemÅhungen, die vorherrschende Stellung LÅbecks – was sich auch in den Bezeichnungen Hamburgs als Vorhafen oder Nordseehafen LÅbecks widerspiegelte – zu eigenen Gunsten zu schmlern. Das erwhnte Vordringen der Hollnder in den Direkthandel schwchte freilich die Kaufleute beider Hansestdte. Zwar verzichtete Hamburg 1527 auf den Fischfang in islndischen Gewssern, sollte aber im Handel mit islndischen Produkten – darunter selbstverstndlich Fisch – eine fÅhrende Stellung erreichen. Trotz unverndertem Widerstand des weiteren Hinterlandes konnten Hamburger Kaufleute ihre Stellung im Handel in das oberelbische Gebiet steigern, hierhin brachten sie die Waren aus Westeuropa. Im Gegenzug lieferten diese in erster Linie Getreide und Holz, welche an der Kanal- und AtlantikkÅste benÇtigt wurde, sodass Hamburg zunehmend die Handelsverbindungen mit West bzw. Nordwesteuropa intensivierte und schließlich von der Verlagerung des Welthandels profitierte. Besonders im wichtigen Hafen Antwerpen erlangten Hamburger Schiffe eine eindeutige Vorrangstellung gegenÅber anderen aus dem Reichsgebiet. Den sinkenden Bierexport kompensierten in wachsendem Maße die Weiterverarbeitung bzw. die Veredlung englischer Tuche. Die schließlich 1558 gegrÅndete BÇrse war die erste auf Reichsboden, die vierte in Europa. Die Kaufleute trafen sich zunchst auf einem freien Platz neben dem Rathaus, der von einem Zaun umgeben wurde, bevor von 1577 bis 1583 dort das reprsentative BÇrsengebude entstand, das erst dem verheerenden Stadtbrand von 1842 zum Opfer fallen sollte. Wichtige Vernderungen – wiederum im Gegensatz zur Hanse – setzten im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts ein. Auch gegen den Widerstand Einheimischer erlaubte der Rat Englndern, Niederln-

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Hamburg

Die Seefahrerkrankheit – Skorbut

Z u einer Geisel der Seeschifffahrt wurde bei Zunahme der Reisedauer der Skorbut. AusgelÇst durch das Fehlen von Vitamin C, der Ascorbinsure, traten als Mangelerscheinung zunchst MÅdigkeit und Apathie auf, ergnzt um Schleimhaut-, BauchhÇhlen- und Muskelblutungen. Weiterhin lockerten sich die Zhne, um anschließend auszufallen. Auch das Herz konnte betroffen sein, die Wundheilung verschlechterte sich. Im 18. Jahrhundert wurde die Ursache entdeckt, und nunmehr fÅhrten die Schiffe den an Vitamin C reichen Zitronen- oder Limonensaft mit.

dern und portugiesischen Juden in Hamburg Handel zu treiben, nicht zuletzt, um Åber ZÇlle die Stadtkasse zu fÅllen. Die englische Handelskompanie „Merchant Adventurers“ siedelte sich nach ihrer vom Kaiser 1597 befohlenen Ausweisung ab 1611 wieder dauerhaft bis 1806 in Hamburg an. Damit war ein weiterer Schritt auf dem Weg zur festen Vernetzung mit dem europischen Handel zurÅckgelegt. Im deutlich intensivierten Handel mit der Iberischen Halbinsel gaben freilich die Åberwiegend aus Antwerpen emigrierten Niederlnder unter Ausnutzung ihrer alten Verbindungen den Ton an, whrend Hamburger Kaufleuten vornehmlich der Getreidehandel verblieb. Selbst Brasilien steuerten Hamburger Schiffe seit dem 16. Jahrhundert an, um lukrative Geschfte machen zu kÇnnen. Allerdings kosteten die nunmehr wochen- und monatelangen Reisen ihren Preis, denn auch auf Hamburger Schiffen grassierte der Skorbut. In den Pfeffergeschften erlangten die portugiesischen Juden eine dominante Stellung, was Hamburg eine wichtige Stellung im europischen GewÅrzhandel sicherte. Der Hamburger Stadtarzt BÇkel bezeichnete seine Stadt 1597 als den am meisten glnzenden Handelsplatz in ganz Deutschland. Von hoher Bedeutung erwies sich gleichsam der Transfer von weit fortgeschrittenen Handelsformen aus Antwerpen. Nachdem

Der Kampf gegen die VitalienbrÅder

in den spanisch-niederlndischen Auseinandersetzungen Antwerpen 1585 an Spanien fiel, emigrierten zahlreiche Protestanten und damit große Teile der fÅhrenden Schichten aus der Stadt. Die Kaufleute siedelten sich u. a. in Hamburg an, whrend die berÅhmten Juwelenschleifer sich vornehmlich in Frankfurt niederließen. Von dem Exodus sollte sich Antwerpen nicht mehr erholen, verlor seine bedeutende Rolle im europischen Handel in erster Linie an Amsterdam. Wechselgeschfte, Kommissions- und Speditionsgeschfte nahmen nun rascher zu als der Eigenhandel. Ebenso folgten der Ausbau des fÅr den Seehandel so wichtigen Seeversicherungswesens und die Fixierung des Wechselrechts 1603. Gewinne investierten die Kaufleute zudem in Produktionsanlagen im Umland der Stadt, in Draht-,Walkund PapiermÅhlen, in Salzraffinerien oder auch in die Zuckerbckerei. Auch das Textilgewerbe erlebte einen Aufschwung, was zusammen genommen die Abhngigkeit der Hamburger Kaufleute vom reinen Transithandel minderte. Probleme bereiteten hingegen immer wieder die dnischen Herrscher, welche den Hamburger Handel stÇrten, wie sie schon seit Jahrhunderten die Stadt fÅr ihr KÇnigreich beanspruchten. Unverndert eine Gefahr blieben Seeruber, und selbst bewaffnete Kaufmannsschiffe konnten sich nicht immer ausreichend wehren. Zu nennen sind die zahlreichen Kaperschiffe, die im Namen einer Kriegspartei deren reale oder vermeintliche Gegner schdigten. Im Mittelmeer trieben noch immer die nordafrikanischen Barbaresken ihr Unwesen. Immerhin mussten eigens Kassen unterhalten werden, um LÇsegelder fÅr nach Nordafrika verschleppte Seeleute und Hndler aufzubringen. 1668/69 erwarb Hamburg schließlich zwei Kriegsschiffe, um die Handelskonvois zu sichern. Scheinbar unaufhaltsam entwickelte sich Hamburg zum Tor zur Welt.

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NÅrnberg – Aufstieg im Schatten Regensburgs

m 13. Jahrhundert lassen sich die Anfnge Åberregionalen

I

Handels des auf Reichsgut gelegenen NÅrnberg sicher aus-

machen. Doch schon 1112 wurden Wormser Kaufleute und Juden in NÅrnberg vom Zoll befreit, wenngleich in NÅrnberg ansssige Hndler erstmals 1163 Erwhnung fanden. 1219 privilegierte KÇnig Friedrich II. die NÅrnberger Kaufleute mit geringen Abgaben in Worms und wechselseitiger Befreiung von Abgaben mit Speyer, außer denen, die auch heimische Hndler zahlen mussten. NatÅrlich hatten die NÅrnberger selbst fÅr die Umsetzung der Bestimmungen zu sorgen, aber in den folgenden Jahrzehnten weiteten sie wechselseitige BegÅnstigungen auf viele andere Stdte aus. Schließlich dÅrfte es sich um 90 Handelspltze gehandelt haben, in welchen NÅrnberger bevorzugt Geschfte machen konnten. Zahlreiche Geleitprivilegien in SÅddeutschland und im Rheinland unterstÅtzten den Aufstieg, denn Kaufleute anderer Stdte suchten fÅr ihre Reisen den Schutz dieses Geleits. Im Laufe des 14. Jahrhunderts ÅberflÅgelte NÅrnberg die bisher fÅhrende oberdeutsche Handelsmetropole Regensburg und konnte im 15. Jahrhundert seine Stellung behaupten. Innerstdtisch setzte die Gruppe der Fernhndler ihre Interessen zielbewusst, teilweise auch rÅcksichtslos durch. Als ein Vorteil der Kaufleute erwies sich ihre KÇnigsnhe. So war Karl IV. (1346–1378) auf NÅrnberger Gelder fÅr seine Expansionsplne angewiesen, und Kaufleute kreditierten hohe Summen.

NÅrnberg

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Druckerzeugnisse

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Leinen, Papier, Eisenwaren, Messing, Rüstungen, Druckerzeugnisse

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Landshut Rüstungen

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Augsburg Rüstungen, Leinen, Barchent

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Papier, Druckerzeugnisse

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Ravensburg Leinen, Barchent, Papier Bodensee

Basel Leinen, Papier, Druckerzeugnisse

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Leinen, Barchent

Leinen, Barchent

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50

100km

Standorte von gewerblichen Produktionssttten, die ab dem 14. Jahrhundert entstanden, im sÅddeutschen Raum.

Da lngst nicht alle Mittel zurÅckgezahlt werden konnten, sicherten sich die Kaufleute neben Reichspfandschaften Privilegien, zudem unterstÅtzte Karl NÅrnbergs handelspolitische Vorhaben aktiv. Mittelsmnner am kÇniglichen Hof besorgten wichtige Informationen. Da Karl IV. zugleich KÇnig von BÇhmen war, intensivierte sich der Handel dorthin. Ebenso verstrkten sich die Aktivitten in Ungarn mit seinen Buntmetallvorkommen und Polen. In Polen

104

NÅrnberg

konnte der Einfluss der hansischen Stdte massiv zurÅckgedrngt werden. Die schon erwhnte Flucht von Regensburger Kaufleuten nach NÅrnberg erÇffnete die Nutzung von deren Handelsbeziehungen. LÅbeck schließlich musste 1373 die wechselseitige Zollfreiheit mit NÅrnberg akzeptieren, und NÅrnberger Kaufleute drangen im 14. Jahrhundert noch zÇgerlich, dann aber verstrkt in den Ostseeraum ein. Auch in Geld- und Wechselgeschfte stiegen die NÅrnberger in großem Umfang ein. Im 15. Jahrhundert jedenfalls handelten NÅrnberger Kaufleute quer durch Europa. Doch ist auch die berlieferung des 15. Jahrhunderts nicht unproblematisch: FamilienbÅcher verzeichnen namentlich Vorfahren und Verwandtschaft, GeschftsbÅcher trocken und kurz Waren- und Geldverkehr. Der sich hinter beiden verbergende Kaufmann wird hÇchstens in Anstzen, wenn Åberhaupt, sichtbar. Allerdings beeintrchtigten Fehden und – angelockt von den GÅtern der KaufmannszÅge – berflle auch den NÅrnberger Handel, wobei die Stadt sich durchaus zu wehren wusste. FÅr 1493 berichtet die offizielle NÅrnberger Chronik des Johannes MÅller: Der NÅrnberger Rat hat zu dieser Zeit der berflle wegen vielfltig streifen lassen, und die streifenden SÇldner haben am

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Sonntag Laetare [17. Mrz 1493] Bernhard Wustenfelder, Pfleger zu Freystatt, außerhalb des Dorfes Forchheim im Sulzgau auf dem

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Feld gefangen genommen und nach NÅrnberg gebracht. Der hatte sich mit vielen Missetaten gegenÅber der Stadt NÅrnberg erlaubt und ist am Freitag danach mit dem Schwert gerichtet worden.1

Sichtbar werden die – nicht nur im Fall NÅrnbergs – sprichwÇrtlich gewordenen kurzen Prozesse gegen Feinde der Stadt, denn zwischen der Gefangennahme des pflzischen Amtmanns und seiner Hinrichtung lagen gerade einmal fÅnf Tage. Immerhin konnte der Hingerichtete seine Ehre bewahren, denn im Gegensatz beispielsweise zum Hngen wirkte sich das Abschlagen des Kopfs zumindest nicht ehrmindernd aus. Die stdtischen Chroniken berichten hufig Åber der-

NÅrnberg

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Das Fehdewesen

N icht nur Adlige, sondern auch Stdter und Bauern fÅhrten Fehden, also bewaffnete Auseinandersetzungen, um tatschliche oder vermeintliche Rechte. Das Fehlen einer Reichsexekutive hatte einen Raum fÅr diese Eigeninitiativen offen gelassen. Versuche zur Eindmmung und Regulierung des Fehdewesens sind seit dem 11. Jahrhundert bekannt, doch ein Fehdeverbot konnte erst im 16. Jahrhundert durchgesetzt werden.

artige Aktionen, bevor im 16. Jahrhundert das Fehdewesen zurÅckgedrngt werden konnte. Die erwhnten Streifen unternahmen erprobte SÇldner, zumeist gefÅhrt von Adligen, welche das Umland im Auge behielten oder KaufmannszÅge begleiteten. Als sich 1348 Handwerker und auch nicht an der Macht beteiligte Kaufleute gegen den Rat erhoben hatten, rÅckte vermutlich Karl IV. persÇnlich mit einem Heer vor die Mauern der Stadt, die sich rasch ergab. Der alte Rat erlangte die Herrschaft wieder, Handwerkern und ZÅnften hingegen verbot dieser zukÅnftig jegliche politische Bettigung. ZusammenkÅnfte der Handwerker, die nur noch der Organisation der Betriebe dienten, ließ der Rat Åberwachen. Anders als in LÅbeck entwickelte sich in NÅrnberg dennoch ein breites Exportgewerbe. Die jÅdische Gemeinde fiel 1350 einem Pogrom zum Opfer, doch hatte sich der Rat ein halbes Jahr zuvor mit Karl IV. als Schutzherr der Juden darÅber verglichen. 562 namentlich genannte Personen wurden getÇtet, das Judenviertel abgebrochen und an seiner Stelle der Hauptmarkt neu angelegt. Die bersendung der schriftlichen Anweisungen an die Beschftigten Åbernahm eigenes Personal, oder die Kaufleute engagierten berufsmßige Boten. Dabei konnten recht hohe Geschwindigkeiten erreicht werden: Eilboten brauchten gegen Ende des 15. Jahrhunderts gerade einmal vier bis fÅnf Tage fÅr den Weg von NÅrnberg nach Venedig, nach Mailand benÇtigten Briefe knapp vierzehn Tage.

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NÅrnberg

Korrespondenz zwischen Ravensburg und Barcelona bzw. Valencia war 29 oder 31 Tage unterwegs. Zwischen NÅrnberg und Augsburg war in beide Richtungen dreimal in der Woche ein Botendienst eingerichtet worden. Freilich mussten je nach Witterungsverhltnissen, nach Ausstattung der Boten, PferdewechselmÇglichkeiten und besonders bei Fehden oder Kriegen große VerzÇgerungen in Kauf genommen werden, sodass die Reisezeiten erheblich variierten.

Ein Geldhndler

Unter den NÅrnberger Kaufleuten der ersten Hlfte des 15. Jahrhunderts nahm Peter Steinberger d. . eine Ausnahmestellung ein, denn sein Bettigungsfeld waren Geldgeschfte, ohne gleichzeitig in der Stadt mter zu Åbernehmen oder Fernhandel zu betreiben. Im Jahr 1403 erhielt der aus dem frnkischen Weißenburg – eine kleine Reichsstadt – stammende Steinberger das NÅrnberger BÅrgerrecht, wo er zunchst im Dienst des wichtigen Buntmetallhndlers Flextorfer nachweisbar ist. Zur Heirat zog es ihn drei Jahre spter zurÅck in seine Heimatstadt, wo Steinberger lnger als beabsichtigt blieb, was 1407 zum Verlust des NÅrnberger BÅrgerrechts fÅhrte. Doch 1413 folgte die erneute BÅrgerschaft vermutlich nach Konflikten in Weißenburg. Steinberger erschien im Umfeld fÅhrender Handelsgesellschaften der oberdeutschen Großstadt, ohne dass freilich der Ablauf der Geschfte und seine aus zahlreichen Stdten stammenden Geldgeber immer klar erkennbar sind. 1416 brachten er und Thomas Vischer, Letzterer ein mit umfangreichen Vollmachten ausgestatteter Vertreter einer weiteren Handelsgesellschaft, je zur Hlfte den immensen Betrag von 28 000 Gulden fÅr den Markgrafen Friedrich von Brandenburg auf, nicht unbedingt ein Freund der Stadt. In der Folge unterstÅtzten sie die Grafen von Savoyen bei ihrem Erwerb der Grafschaft Genf mittels Krediten. Die Stadt Genf war einerseits ein wichtiger Messeort und andererseits verlief hier der Haupthandelsweg in den SÅden Frank-

Ein Geldhndler

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reichs. Als Vertreter des erwhnten Brandenburger Markgrafen Friedrich agierte Steinberger beim Verkauf der NÅrnberger Burg an die Stadt, lieh bei innerbayerischen Konflikten Gelder. Wechselgeschfte und anderes lassen enge Kontakte nicht nur zu den fÅhrenden NÅrnberger Kaufleutefamilien erkennen, und mittels solcher Kontakte dÅrften Steinberger und sein hufiger Partner Thomas Vischer umfangreiche Transaktionen Åberhaupt erst haben abwickeln kÇnnen, ohne, wie auch heute noch Åblich, Åber Details zu plaudern. Zu einem begehrten Exportartikel entwickelten sich in NÅrnberg produzierte und standardisierte Harnische fÅr Fußkmpfer. Ohnehin nahm das NÅrnberger metallverarbeitende Gewerbe eine Spitzenstellung ein. Allerdings fertigten die Handwerker zumeist nur ein Teil der RÅstung, und dies in hoher StÅckzahl, whrend Kaufleute die Teile zu Fertigprodukten montieren ließen, bevor sie die Harnische absetzten. Abnehmer waren beispielsweise die vielen seit dem spten 15. Jahrhundert in Italien kmpfenden Heere. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts grenzten sich die fÅhrenden, eingesessenen Familien mit dem sogenannten Tanzstatut von 1521 nach unten ab. Allerdings sollte bei allen Erfolgsgeschichten nicht vergessen werden, dass so mancher Kaufmann dem Bankrott nicht entging und dass in erster Linie ihre Mitarbeiter auf gefahrvollen Reisen ihre Gesundheit ruinierten oder gar ihr Leben ließen.

Die Tanzstatute

Tanzstatute regelten nicht nur in NÅrnberg die Nutzung des reprsentativen Rathaussaals fÅr Çffentliche und private Zwecke. Als Besonderheit regelte aber das NÅrnberger Statut, dass nur diejenigen Familien ratsfhig waren, welche das Rathaus zum Tanz nutzen konnten. Damit sonderten sich 43 Familien vom Rest der Einwohnerschaft ab, und nur Mitglieder dieser Familien konnten in den Rat gewhlt werden und Çffentliche mter besetzen.

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NÅrnberg

Nicht umsonst grÅndeten die Hndler teilweise reich fundierte Stiftungen, deren Nutznießer fÅr ihr Seelenheil beten mussten. BegÅnstigt wurden Arme, Kranke, Waisenkinder, WÇchnerinnen, SchÅler oder Pilger, zunehmend reduziert freilich auf den Kreis derjenigen, die nicht arbeiten konnten. Dabei finden sich durchaus skurril anmutende oder ungewÇhnliche Dotationen: Die Nachfahren von Siegmund rtel d. . stifteten fÅr das Vertreiben der Hunde aus der Kirche, ungenannte Stifter ließen dafÅr Sorge tragen, zum Tode Verurteilte zwei oder drei Tage vor und am Tag der Hinrichtung mit Speise und Trank zu versorgen. Auch gefhrdete Hochwasser u. a. in Kellerrumen eingelagerte Waren, whrend sich die Lagerrume ansonsten zumeist in den Obergeschossen befanden. 1445 traf es beispielsweise NÅrnberg: Mittwochs vor St. Gregortag, den 10. Mrz, in der Fasten hat der Pegnitzfluss sich in außergewÇhnlicher, unerhÇrter Gestalt ergos-

[

sen, hat angefangen zu wachsen und zu steigen von der CompletZeit [vor Sonnenuntergang] die ganze Nacht bis donnerstags vier Stunden in den Tag hinein, ist danach etwa eine Stunde still

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gestanden, und danach wieder angefangen zu fallen und abzunehmen; und es war kein Mensch in NÅrnberg, der den Pegnitzfluss jemals hÇher gesehen htte.

Der Chronist beschreibt anschließend die ZerstÇrungen in der Stadt: In vielen Husern haben die Leute wegen des Wassers nicht

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herauskommen gekonnt, denen es auch in Kellern, GewÇlben, Kramen und den unteren Gemachen an Getrnken, Waren und

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anderen Dingen großen Schaden getan. Und in vielen Stuben im Erdgeschoss sind die KachelÇfen geschwommen.

Auch seien die Wasser Åber Fuhrwerken zusammengeschlagen, sodass die Wagen auf dem Wasser schwammen. 2 Weiterhin versprachen Pilgerreisen Vorteile im Jenseits, und besonders Fernkaufleute konnten sie mit Geschften oder diplomatischen Missionen kombinieren. Ihre Anwesenheit dokumentierten

Ein tiefer Sturz

die Reisenden mit (Wappen-)Gemlden in Gasthusern, an Handelspltzen oder in Kirchen. Derart reiste Sebald Rieter 1462 nach Santiago de Compostela, dem neben Jerusalem und Rom wichtigsten Wallfahrtsort des Sptmittelalters; sein Vater hatte die Reise 1428 unternommen. Auch hat mein Vater Peter Rieter selig in die Kirche am Chor

[

machen lassen, das habe ich erneuern lassen, ein großes Kruzifix, darunter den lieben Herrn St. Jakobus, den oben genannten

]

meinen Vater, meine Mutter, mich und meine Hausfrau dazu malen lassen.3

So schildert ein im 17. Jahrhundert von einem Nachkommen redigiertes Reisebuch das typisch großbÅrgerliche und adlige Verhalten. Ein weiteres Familienmitglied, Andreas Rieter, ließ das auf Pergament gemalte Wappen darÅber befestigen. Allerdings reiste Rieter wie andere Standesgenossen mit Geleitbriefen und teilweise mit bewaffnetem Schutz wesentlich sicherer und auch angenehmer als arme Pilger.

Ein tiefer Sturz

Aus angesehener, alteingesessener und vermÇgender Familie stammte Niklas III. Muffel (*um 1410), der sich lngst aus dem aktiven Handelsgeschft zurÅckgezogen hatte, aber als einer der drei Losunger (ursprÅnglich Steuereinnehmer, dann Aufgabenzuwachs) fÅr die stdtischen Finanzen zustndig war und zur allerengsten FÅhrungsspitze zhlte. ber die fÅr das Amt benÇtigte Zeit verfÅgte der Privatier, der ansonsten eifrig Reliquien sammelte. Als er 1452 als ein Abgesandter seiner Vaterstadt KÇnig Friedrich III. zur KaiserkrÇnung nach Rom begleitete, notierte er mit hohem Interesse die in den jeweiligen Kirchen zu erwerbenden Ablsse. Aber am Nachmittag des 14. oder 15. Februar 1469 wurde Niklas III. Muffel unter dem Vorwurf des Diebstahls aus der sogenannten Losungsstube in das Lochgefngnis gebracht. Vom 16. bis zum 23. Februar

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dauerten die VerhÇre, zu Beginn unter Einsatz der Folter. Am 28. Februar 1469 tagte das Gericht, Muffel widerrief sein Gestndnis, wurde aber dennoch am gleichen Tag dem Nachrichter, dem Henker, Åbergeben, der ihn am Galgen aufknÅpfte. Selbst das entehrende Hngen blieb ihm nicht erspart. Drei Tage hing sein Leichnam am Galgen, bevor AngehÇrige den Leichnam stahlen und in der Kirche eines unweit gelegenen Dorfes beerdigten. Seine letzte Ruhe fand er spter auf dem Kirchhof von St. Sebald in NÅrnberg. Die GerÅchtekÅche brodelte whrend dieser Tage nicht nur in NÅrnberg, zumal der kleine Rat den großen Rat und damit weite Teile der Einwohner erst am 9. Mrz Åber die offizielle Version informierte. HintergrÅnde der Hinrichtung sind wohl einerseits Differenzen im kleinen Rat, heftige Worte und die Ablehnung einer Gesandtschaftsreise gewesen, zumal Muffel den gesamten kleinen Rat angriff. Andererseits standen wahrscheinlich seine Verbindungen zum umliegenden Adel in der Kritik. So ließ es sich Anna von Sachsen, Gemahlin von Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg – ein erklrter Feind der Stadt – nicht nehmen,vor dem kleinen Rat persÇnlich zu erscheinen, um fÅr Muffel zu bitten. Weiterhin bat u. a. Herzog Ludwig der Reiche von Bayern-Landshut fÅr ihn, der 1465 der Hochzeit Niklas IV. Muffel beigewohnt hatte, und auch ein Eingreifen des Kaiserhofes hielt man fÅr mÇglich, was wiederum die Eile des Verfahrens erklrt. Derart wuchs Muffel, verheiratet mit einer Niederadligen, aus dem Kreis der NÅrnberger FÅhrungsschicht heraus, hinzu kamen die Zweifel an seiner Loyalitt gegenÅber Stadt und Rat. Sein VermÇgen ging Åbrigens ohne weitere Einwnde an die Erben Åber,was nochmals zeigt, dass es um die Person von Niklas III. Muffel ging. Sein jÅngster Sohn Gabriel Muffel gelangte 1478 in den Rat.

Die Hirschvogel

Als weit gespannt zeigt sich gleichfalls das Handelsnetz der NÅrnberger Hirschvogel im 15. und frÅhen 16. Jahrhundert, die wohl um die Mitte des 14. nach NÅrnberg gezogen waren. Heiratsverbindungen

Die Hirschvogel

mit den fÅhrenden Familien der Stadt folgten bald, und als wichtige Handelsorte lassen sich KÇln, Frankfurt a. M. sowie selbstverstndlich Venedig nennen, dazu trat Mitteleuropa und spter Antwerpen. Bevorzugt handelten die Hirschvogel mit GewÅrzen, Edelmetallen, Tuchen und Baumwolle, doch wollen wir uns nun ihrem Åberseeischen Handel zuwenden. Sowohl Bernhardin Hirschvogel (*1452,

† 1516) als auch sein Bruder Lienhard II. Hirschvogel (*1440, † 1525) waren mit Frauen des international ttigen Hauses Imhoff verheiratet, aber auch zu den Behaim waren enge Kontakte geknÅpft. Nachdem die Portugiesen auf dem Seeweg Indien erreicht hatten, stÅrzten sich die Fernhndler auf Lissabon, das Venedig als wichtigsten GewÅrzimporteur vorlufig ablÇsen konnte. 1501 und 1502 verließen erstmals Handelsflotten mit dem Ziel Indien Portugal, und 1505 beteiligten sich NÅrnberger und Augsburger Firmen bzw. Familien an der Reise nach Indien. So nahm Ulrich Imhoff als Hirschvogel-Faktor in Lissabon an dem Unternehmen teil, das freilich das einzige unter direkter Beteiligung fremder Kaufleute bleiben sollte. In der Folge monopolisierte nmlich die Krone diese Unternehmungen fÅr einheimische Hndler. Nach Imhoff wirkten weitere Vertreter der Hirschvogel in Lissabon, und durch deren Hnde ging der gesamte Warenverkehr, und sie mussten hier Entscheidungen treffen, die Produkte Asiens auf die Mrkte verteilen. Freilich starben die beiden ersten Faktoren binnen kurzer Zeit, was die wohl ohnehin nicht Åbermßig genaue BuchfÅhrung weiter beeintrchtigte. Auch dÅrfte das Handelshaus seinen HÇhepunkt bereits Åberschritten haben. Mit Georg oder JÇrg Pock ist ein weiterer Faktor zu nennen, der seine Kenntnisse Åber GewÅrze seiner Ausbildung in einer NÅrnberger Apotheke verdankte. Nicht nur fÅr Heilmittel und Getrnke benÇtigten Apotheken GewÅrze, sie verkauften sie auch direkt an Kunden im Einzelhandel. Nach einem Aufenthalt in Antwerpen machte er sich wohl 1517 von NÅrnberg aus auf dem RÅcken eines Pferdes auf den weiten Weg nach Portugal. Zahlreiche Briefe wechselten zwischen ihm und seinen Herren. Der gleichfalls in Lissa-

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NÅrnberg

bon anwesende Martin Behaim erwarb Papageien als Geschenk fÅr Verwandte und Freunde, die in NÅrnberg ihre neuen Besitzer erfreuten und sicherlich Bewunderung erregten, falls sie den Transport Åberstanden. Der Erwerb von Edelsteinen als Schmuck wiederum erwies sich vielfach als teuer. Im April 1520 brach Pock dann persÇnlich nach Indien auf, wo er fÅr die Hirschvogel drei Jahre lang direkt Ein- und Verkufe ttigen wollte – allerdings musste erst gÅnstiger Wind abgewartet werden. Eine robuste Gesundheit war ohnehin Grundvoraussetzung solcher Vorhaben. Der Åbliche Briefwechsel zwischen Faktor und Haupthaus verzÇgerte sich nunmehr erheblich. Allerdings gestalteten sich die Geschfte schwierig, der lokale Herrscher wollte zunchst keinen Pfeffer verkaufen, bei der RÅckkehr unterband die portugiesische Krone den Verkauf. Dagegen gefielen Pock die einheimischen Frauen, die, wie er schrieb, allerdings beim Anblick der Christen flohen. Auch diese Erfahrung dÅrfte sein Heimweh genhrt haben, und er sehnte sich nach deutschen Landen. Dorthin zurÅckgekehrt ist Georg Pock freilich nicht mehr vor seinem Tod 1529. Ganz schlecht kÇnnen die Geschfte aufs Ganze gesehen aber nicht gegangen sein. Jedenfalls zahlte Endres I. Hirschvogel, der seinerseits 1537 hoch verschuldet starb, den Erben seines Faktors 600 Gulden rÅckstndigen Lohn aus – dafÅr musste ein NÅrnberger Stadtzimmermann oder Steinmetz gut zehn Jahre arbeiten –, doch Åber weitere Forderungen dauerte die gerichtliche Auseinandersetzung Jahrzehnte und damit Åber den Bankrott des HirschvogelUnternehmens hinaus, bevor die Enkelin von Georg Pock mit einem Haus entschdigt wurde. Neben teurer LebensfÅhrung Åbernahmen sich die letzten Hirschvogel wohl mit Immobiliengeschften, zudem verwickelte sich Lienhard III. († 1549) wahrscheinlich in betrÅgerische Transaktionen. 1538 hatte er NÅrnberg verlassen, freiwillig oder unfreiwillig. Der letzte Hirschvogel, Endres II, starb 1550 als Knecht eines Gastwirts ohne jegliches VermÇgen.

Wege Åber die Alpen

Auch im 16. Jahrhundert beruhte der NÅrnberger Reichtum auf dem Handel und der vielfltigen Gewerbeproduktion. Zudem wurde die Stadt zu einem Zentrum des Buchdrucks und der Kartografie. Der erste bekannte Globus (1493) stammte von dem NÅrnberger Martin Behaim, der freilich seine Erfahrungen in Portugal gewonnen hatte, die Weltkugel aber in seiner Heimatstadt herstellen ließ. Amerika fehlte allerdings noch auf seinem Globus. Wie ihre Augsburger Verwandten engagierten sich auch die NÅrnberger Welser in bersee. Am Anfang stand die Zuckerproduktion auf den Kanarischen Inseln, dann folgte SÅdamerika. Freilich bleiben die Nachrichten wieder einmal dÅnn, gemeldet wird der Verlust eines Schiffes vor Brasilien, die Suche nach Gold und Silber gestaltete sich jedoch erfolglos. Dieser Misserfolg kÇnnte zum geringen Engagement NÅrnberger Handelshuser auf dem neuen Kontinent gefÅhrt haben. Auch der Betrieb einer KupferhÅtte in der Mitte des 16. Jahrhunderts auf Kuba durch Hans Tetzel, der einer der fÅhrenden NÅrnberger Familien angehÇrte, erwies sich auf Dauer als nicht erfolgreich. Verarbeitet wurde das Kupfer auf Kuba und dem spteren Haiti, das Åbrige Kupfer nach Sevilla verschifft. Als Geldmarkt wiederum lief Augsburg in der FrÅhen Neuzeit NÅrnberg seinen Rang ab. Dass sich die alten Geschlechter, das Patriziat, aus dem Handel weitgehend zurÅckzogen, ist kein Zeichen des Niedergangs, sondern bÅrgerliche Kaufleute traten an ihre Stelle, reagierten auf die vernderten Marktbedingungen.

Wege Åber die Alpen

Dem Verkehr vornehmlich zwischen Oberdeutschland und Oberitalien dienten die zahlreichen Alpenpsse, deren wichtigste bereits in rÇmischer Zeit erschlossen worden waren. Zu nennen sind fÅr das Sptmittelalter z. B. Mont Genve, Mont Cenis, Großer St. Bernhard, St. Gotthard, Septimer oder Brenner. Dass sie in FrÅh- und Hochmittelalter noch passierbar waren, zeigen nicht zuletzt die ItalienzÅge der KÇnige und Kaiser. Auch Handelszwecken dienten sie

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NÅrnberg

unverndert. Als entscheidend erwiesen sich dann aber der Ausbau der Passwege und die Konkurrenz der Territorialherren, welche am Transitverkehr mittels ZÇllen und Wegegeldern partizipieren wollten. Freilich waren fÅr den Ausbau die Kosten zu tragen oder Hintersassen zu Arbeitsdiensten zu verpflichten. Den Gotthardpass Çffnete derart um 1200 der Bau eines hÇlzernen Steges in der SchÇllenenschlucht unterhalb von Andermatt, aber dennoch blieb der Weg gefhrlich. Benutzen konnten ihn ausschließlich Menschen und Saumtiere. Ein Bozener BÅrger ermÇglichte 1314 am Brenner die Nutzung der Eisackschlucht, indem er dort einen wiederum nur fÅr Menschen und Saumtiere nutzbaren Weg anlegen ließ. Erst 1480 sollte die Straße auch fÅr Wagen befahrbar sein. Ohnehin blieb der Brenner mit einer HÇhe von nur 1370 Metern eine beliebte Trasse. Als bequem lsst sich ein Unterwegssein in den Hochalpen in jenen Jahrhunderten sicher noch nicht bezeichnen. Die Wegesituation bedeutete selbstverstndlich auch, dass die Waren bei der Nutzung von Seen, Pssen, Wegen und Stegen mehrfach umgeladen werden mussten, was die Waren an ihrem Bestimmungsziel z. T. deutlich verteuerte, ungeachtet des Risikos, sie aufgrund der schwierigen Bedingungen gnzlich unterwegs zu verlieren. Nicht selten ersetzten auf den schmalen Saumpfaden trittsichere Maultiere die sonst Åblichen Pferde. Zu schmal durften die Pfade aber auch nicht sein, hing die Ladung doch beiderseits der TierrÅcken herunter. Die gefÅrchteten, plÇtzlichen WetterumschwÅnge sowie die Lawinengefahr blieben stndige Begleiter der Reisenden. PlÇtzliche WintereinbrÅche stoppten den Verkehr und sie konnten zur tÇdlichen Falle werden. Eine weitere, nicht zu unterschtzende Gefahr stellte der Steinschlag dar. In Hospitlern konnten die Reisenden rasten, essen und schlafen. Das bekannteste Hospital der Zentralalpen dÅrfte das auf dem Großen St. Bernhard gewesen sein, (wieder)errichtet gegen Ende des 11. Jahrhunderts. Ergnzt wurden die Hospitler zunehmend durch kommerzielle Herbergen. Noch 1625 berichtet ein unbekannter SÇldner Åber die berquerung des Gotthard:

Wege Åber die Alpen

Und heben sich die Berge wieder an, und der Berg, Åber den man

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muss, wird der Gotthard genannt. Und es dauert einen ganzen Tag, darÅber zu gehen. Mitten auf dem Berg stehen eine Kapelle und ein Wirtshaus, denn wenn oben einer stirbt oder erfriert, denn es herrscht im Winter und im Sommer eine grausame Klte, so wirft man ihn in die Kapelle. Im Wirtshaus gibt man bedÅrftigen Leuten ein StÅck Brot und eine halbe Maß Wein, und lsst ihn gehen oder behlt ihn Åber Nacht, wenn er nicht fort kann. Denn sobald sich einer auf diesen Berg setzt, ist er bald des Todes. Gegen Mittag sind wir zum Wirtshaus gekommen, es war gutes Wetter, wir haben unser Brot gegessen und was man uns gegeben hat; alsbald sind wir wieder fort. Da ist ein solches Unwetter aufgekommen, dass keiner den anderen gesehen hat. Also bin ich vorangegangen, immer bergab bis zu einer BrÅcke, die nennt man die TeufelsbrÅcke, die geht von einem Berg zum andern. Und unter der BrÅcke fllt das Wasser von einem Felsen zum andern, und ist kirchturmshoch hinunter. Wenn einer einmal fllt, so ist er hin, und wenn er tausend Menschen wert wre. Also habe ich einen Kameraden verloren, weiß auch noch nicht, wo er hinkommen ist. 4

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Frankfurt – Das aufstrebende Messezentrum

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chon mehrfach sind die in einem zeitlich langen Prozess entstandenen beiden Frankfurter Messen genannt wor-

den, deren Anfnge unklar bleiben. 1219 findet in einer Urkunde Friedrich II. der dortige Kornmarkt Erwhnung, 1227 ist in einem weiteren SchriftstÅck von einer KÇnigsmesse in Frankfurt die Rede; beide beziehen sich auf die Herbstmesse. Neben Getreide ist ein umfangreicher Viehhandel anzunehmen. Nochmals 13 Jahre spter lassen sich Messeaktivitten der Frankfurter BÅrger erkennen, und allen Besuchern gewhrte wiederum Friedrich II. reichsweiten Geleitschutz. Im weiteren Verlauf des 13. Jahrhunderts besuchten nachweislich u. a. NÅrnberger, Bamberger, Metzer oder Straßburger Kaufleute die Messe. In steigendem Umfang gelangten landwirtschaftliche und gewerbliche GÅter des Umlandes Åber die Messen in den Åberregionalen Handelskreislauf. Und wie in zahlreichen anderen Fllen auch stellten Tuche das wichtigste Gewerbeprodukt dar. Selbst aus der Pfalz oder dem Westerwald lieferten Weber ihre Waren. Im frÅhen 14. Jahrhundert wird die Funktion der Messen als reichsweite Verteilerstation deutlicher. Als zweite Messe privilegierte Kaiser Ludwig der Bayer 1330 die FrÅhjahrs- oder Pfingstmesse. Und sollen haben zu dem Markt, den sie von alter Gewohnheit

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gehabt haben, mit allen Rechten und Freiheiten, als sie derselbe ihr alter Markt hat; also dass alle diejenigen, welche dieselben zwei Mrkte besuchen, acht Tage davor und acht Tage danach, in

Frankfurt

Halle und Hof eines Großkaufmanns, Holzschnitt aus: Francesco Petrarca, von der Artzney bayder Glueck, Augsburg 1532

unserer und des Reichs Friede und Sicherheit sein sollen. Und wer es auch sei, der Friede und Sicherheit bricht oder dagegen verstÇßt, oder dieselben BÅrger von Frankfurt ohne Recht angreift, oder sie wegen weltlicher Streitigkeiten vor ein geistliches Gericht laden

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will: den kÇnnen dieselben BÅrger vor unseren Schultheiß und ihr Gericht zu Frankfurt laden.

Der weitere Text bestimmte zudem, dass die Frankfurter Friedensbrecher an Leib und Gut strafen konnten.1 Zwar garantierte der Herrscher das Messegeleit, doch durchsetzen musste dies Frankfurt angesichts einer fehlenden Reichsexekutive selbst. Vor allem bei umfangreicheren militrischen Auseinandersetzungen im Reich konnte dieses freilich nicht immer

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Frankfurt

gelingen, blieb der Messeverkehr gestÇrt. Wie in NÅrnberg entmachtete der Rat mit Hilfe Karls IV. nach einem zunchst erfolgreichen, dann gescheiterten Aufstand die ZÅnfte politisch. Auch aufgrund der starken Konkurrenz der Messeangebote ging das Frankfurter Tuchgewebe seit den 1420er-Jahren deutlich zurÅck. Hingegen standen im Mittelpunkt der Ratsinteressen eindeutig funktionierende Messen, und diese fÅllten nicht zuletzt die stdtischen Kassen. Streitigkeiten blieben allerdings nicht aus, und 1410 beschwerte sich der KÇlner Rat bei seinen Frankfurter Amtskollegen, dass ihre BÅrger und Einwohner auf der letzten Herbstmesse entgegen bisherigem Brauch mit zu hohen Abgaben belastet worden seien, „sie von einer Messe zur anderen je mehr und mehr beschwert“ wÅrden. Anfang Mai entschieden die KÇlner Ratsherren: […] und geboten allen und jeglichen ihren BÅrgern, (Halb-)

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BÅrgern und Eingesessenen, dass niemand, er sei auch wer er sei, wegen keiner Sache, die er zu schaffen habe oder nicht, nach Frankfurt oder in das Umland von fÅnf Meilen herum zu der

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nchst kommenden Herbstmesse noch zu keiner der danach kommenden Messe reisen dÅrfe.

Auch Handelsgesellschaften mit KÇlner Beteiligung sollte der Messebesuch verboten werden, gleiches galt fÅr Bevollmchtigte KÇlner Kaufleute. Am Ende stand wie so oft ein Kompromiss, der die von KÇlnern zu erbringenden Abgaben regelte. 2 Rumlich weit ausgedehnt erstreckte sich das Einzugsgebiet Åber das gesamte Reich einschließlich der Eidgenossenschaft (der spteren Schweiz) und sterreich sowie der Niederlande und Belgien. Doch auch Besucher aus London und Paris im Westen, Barcelona im SÅdwesten, Genua, Florenz, Siena,Venedig im SÅden, Ofen, SiebenbÅrgen und Krakau im Osten sowie Danzig im Nordosten besuchten die internationale Einrichtung. Die Termine der Antwerpener Messen waren eng mit denen der Frankfurter abgestimmt, und nach dem Niedergang der Antwerpener Messen in den 1560er-Jahren trat Frankfurt das Erbe an.

Frankfurt

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Konrad von Weinsberg

D er Weinsberger (*um 1370, † 18. Januar 1448) amtierte seit 1411 als Unterkammermeister (Reichserbkmmerer) und zeichnete als Vertreter des Markgrafen von Brandenburg fÅr die Finanzen des Reichs verantwortlich. Angesichts der nur wenigen finanziell nutzbaren Reichsrechte musste Konrad von Weinsberg eigene Mittel in Reichsdienste stecken, whrend seine Entlohnung in zunehmendem Maß ausblieb. In erheblichem Umfang trugen die Belastungen des Amts zum finanziellen Ruin der Familie bei. Stellen Sie sich einmal vor, ein heutiger Finanzminister mÅsste eigene Mittel fÅr eingegangene Verpflichtungen bei der Bankenkrise vorstrecken!

Welche Waren nun setzten die Hndler am hufigsten um? Das Angebot war hingegen wesentlich breiter. Aus dem SÅden, vornehmlich aus Venedig, stammten GewÅrze. Wer es sich leisten konnte, vermÇgende BÅrger und Adlige, deckte auf den Messen und nicht im teureren Einzelhandel seinen Bedarf fÅr ein halbes oder ganzes Jahr. So ließ der Reichserbkmmerer Konrad von Weinsberg fÅr sich und seine Verwandtschaft auf den Messen regelmßig GewÅrze und zudem Tuche, aber auch Pelze erwerben, falls er nicht persÇnlich erschien. Tuche lieferten Brabant, Flandern und die Rheinlande, aber zudem das Umland sowie Oberitalien und England. So besuchten beispielsweise Marburger Wollweber regelmßig diesen Absatzmarkt, und Åber Jahre hinaus mieteten sie, neben Lagerrumen, 52 Betten whrend der Messezeit. Da hufig zwei Mann ein Bett belegten, kann von einer hÇheren Zahl anwesender Handwerker ausgegangen werden. Ein Handbuch eines Kaufmanns unterschied im spten 15. Jahrhundert alleine zwischen 74 Tuchsorten. Metallerzeugnisse in großer Vielfalt gelangten aus NÅrnberg, der Oberpfalz, zudem aus dem Lahn-Dill-Gebiet, dem Siegerland sowie dem bergischen und dem mrkischen Land in die Messemetropole, deren Einwohnerzahl im Sptmittelalter allerdings stets unter

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Frankfurt

10 000 blieb. Fisch, Salz, Pelze (Rauchwaren) und Wachs erreichten in erster Linie Åber LÅbeck und LÅneburg den Main, der hier gehandelte Wein wuchs vornehmlich in Franken und im Elsass; Rhein und Mosel dagegen versorgten primr den KÇlner Markt. BÇhmen wiederum lieferte das unentbehrliche Silber. In spteren Jahrzehnten traten BÅcher oder GÅter aus der Neuen Welt hinzu. Seit der zweiten Hlfte des 16. Jahrhunderts siedelten sich zudem Vertriebene und FlÅchtlinge zunchst aus den spanischen Niederlanden, welche neben den sÅdlichen Niederlanden das heutige Belgien umfassten, in Frankfurt an. Besonders die Herstellung von Seidenstoffen sowie Juwelenund Edelmetallverarbeitung wurden neu eingefÅhrt oder deutlich ausgeweitet. Und hufig handelte es sich nicht um arme ZuzÅgler, so gehÇrte der aus Flandern stammende Seidenfrber und Hndler Adrian Lernou (Lernoul), 1554 erstmals am Main erwhnt, bei seinem Tod zu den am hÇchsten besteuerten Einwohnern der Stadt. Die jÅdische Gemeinde in der Stadt wuchs auf etwa 2700 KÇpfe zu Beginn des 17. Jahrhunderts an, und viele ihrer Mitglieder waren gleichfalls im Handel aktiv. Im 15. Jahrhundert trat in ausgeprgter Weise die Funktion als Geldmarkt neben die als Warenmarkt. Nicht nur kreditierten sich die Kaufleute untereinander Mittel auf eine befristete Zeit, sondern auch Stdte nutzten die MÇglichkeit zur Aufnahme von Krediten bei finanzkrftigen Hndlern und Rentiers. Zinszahlungen fÅr Kredite bei BÅrgern weiter entfernter Stdte wie z. B. zwischen NÅrnberg und KÇln wurden gleichfalls whrend der Messen beglichen. Dieses erleichterte die Zahlungen schon deswegen, weil Kaufleute beider Stdte die Messen besuchten, dort im Auftrag der Kommune Geld bezahlten oder annahmen. Die Messetermine waren fix, und so konnten die Fristen besonders bei Hndlern von Messe zu Messe oder von Pfingst- zu Pfingstmesse bzw. von Herbst- zu Herbstmesse lauten. Die Funktion der Messen lsst sich zunehmend als ClearingStelle besonders zwischen Ober- und Niederdeutschland beschreiben. KÇlner Handels-, Geld- und Kreditgeschfte auf den Messen

Frankfurt

reichten von LÅbeck bis zum eidgenÇssischen Freiburg im chtland und Venedig, von Antwerpen, Mecheln und BrÅgge bis Zittau und Wien. Selbstverstndlich entwickelte sich der Wechsel zu einem gngigen Finanzinstrument. Der erneute Aufschwung der Messen in der zweiten Hlfte des 16. und dem beginnenden 17. Jahrhundert klang bereits an. Um 1600 erreichte die Gstezahl einen HÇhepunkt, etwa 4000 bis 5000 Messebesucher mussten die nunmehr rund 20 000 Einwohner unterbringen und versorgen, eine logistische Meisterleistung. Modeund Luxuswaren aus den Niederlanden und Oberitalien bereicherten das Angebot, der Seiden- und Juwelenhandel blÅhte auf. An die Anfnge erinnerte unverndert der Pferdemarkt, und gefragt waren noch immer schwere KaltblÅter, die ihre gepanzerten Reiter stundenlang in unwegsamem Gelnde tragen konnten. Allerdings unterbrach der Dreißigjhrige Krieg die Geschfte zu Beginn der 1630erJahre, und knapp dreißig Jahre vergingen, bevor wieder eintrgliche Geschfte blÅhten. Um 1700 lief jedoch Leipzig Frankfurt den Rang als fÅhrende Messestadt ab, whrend sich in Frankfurt durch Handelsfirmen und Bankhuser die Geschfte auf das ganze Jahr verteilten.

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Augsburg – BlÅte in der FrÅhen Neuzeit

ugsburg erlebte im 16. und zu Beginn des 17. Jahr-

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hunderts – der Dreißigjhrige Krieg sollte dann die Ge-

schfte in hohem Maß schdigen – eine BlÅtezeit. Zahlreiche reprsentative Gebude, Çffentliche wie private, entstanden, zu denken ist an den Neubau des Rathauses unter dem Stadtbaumeister Elias Holl. Auch die Befestigung der Stadt konnte den modernsten AnsprÅchen angepasst werden. Untrennbar ist dieser Zeitraum mit zwei Familien verbunden, einerseits den Welsern und andererseits den noch bekannteren Fuggern. Eng verbunden blieben die Fugger dem Haus Habsburg, das smtliche KÇnige bzw. Kaiser des Heiligen RÇmischen Reichs deutscher Nation im 16. Jahrhundert stellte; die Bezeichnung kam erst Ende des 15. Jahrhunderts in Gebrauch.

Die Fugger

Beide Handelshuser traten seit den 1480er-Jahren strker in den Fokus zunchst des stdtischen Geschehens, wobei die Fugger als reine Familiengesellschaft agierten, whrend die Welser mit Teilhabern als Welser-VÇhlin-Gesellschaft Bekanntheit erlangten. Als 1367 der Weber Hans Fugger nach Augsburg Åbersiedelte, spterer berlieferung nach entstammte die Familie einem sÅdlich von Augsburg gelegenen Dorf, war der Aufstieg zu Weltgeltung keineswegs sichtbar. Dennoch erwies sich Hans Fugger als erfolgreich, 1396 rangierte er in der Liste der Steuerzahler mit einem besteuerten

Die Fugger

VermÇgen von 1806 Gulden bereits an vierzigster Stelle, weit entfernt freilich von den SpitzenvermÇgen. Dass er das Geld am Webstuhl verdiente, ist auszuschließen, auch wenn sich keine Belege fÅr eine Handelsttigkeit finden; wahrscheinlich ist der Barchentverlag anzunehmen. Nach seinem Tod, seit 1408, entrichtete seine Witwe Elisabeth die Steuern, fÅhrte sie die Geschfte weiter, unterstÅtzt von den SÇhnen Endres (Andreas) und Jakob, und sie verfÅgten 1434 bereits Åber 4980 Gulden. 1448 versteuerten die BrÅder gemeinsam betrchtliche 10 800 Gulden, das nunmehr fÅnftgrÇßte VermÇgen in der Stadt, was auf florierende Geschfte schließen lsst. Zudem deuten Indizien auf fernhndlerische Aktivitten. Den Erben von Endres Fugger, Stammvater der Linie Fugger vom Reh, blieb der Erfolg zunchst treu, sie beteiligten sich zudem an Geldgeschften. Zum Verhngnis wurde ein Kredit an KÇnig Maximilian, fÅr den die Stadt LÇwen bÅrgen sollte, aber die RÅckzahlung verweigerte. Als eine weitere Firma zahlungsunfhig wurde, geriet Endres’ Sohn Lukas in zustzliche Schwierigkeiten, und ein Teil seiner Glubiger ließ das VermÇgen beschlagnahmen. Der Verlust der KreditwÅrdigkeit ließ sich nicht mehr kompensieren, als selbststndige Kaufleute konnte die Linie nicht mehr Fuß fassen. HÇhere Risiken als die erfolgreicheren Fugger von der Lilie gingen sie wohl kaum ein, der geringe Eigenkapitalanteil dÅrfte die Schwachstelle gewesen sein. Jakob Fugger d. . und spter seine Witwe Barbara Bsinger mehrten das VermÇgen, sodass Barbara bei ihrem Tod 1497 Åber 23 000 Gulden hinterlassen konnte. Sie kontrollierte einen Teil des FamilienvermÇgens auch dann noch, als die SÇhne erwachsen waren. Ulrich, Georg und Jakob versteuerten 1492 jeweils knapp 17 000, 14 000 und 11 000 Gulden, und unverndert dÅrfte der Barchentverlag wichtigstes Standbein gewesen sein. Der VermÇgenszuwachs lsst sich aus den SteuerbÅchern rekonstruieren, doch selbst die familieneigenen Aufzeichnungen schweigen weitgehend Åber die Ttigkeit. Die innerfamilire Arbeitsteilung gestaltete sich wie folgt:

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Augsburg

Ulrich wirkte in Augsburg, whrend Georg von NÅrnberg aus den mittel- und ostdeutschen Raum bediente, Jakob hingegen war zwischen Augsburg und Venedig ttig. Sukzessive erfolgte der Einstieg in den Geldhandel. Den wirtschaftlichen Aufschwung begleiteten Heiraten in die fÅhrenden Familien der Stadt, das Netz an Beziehungen konnte verdichtet werden. Die wichtigsten mter aber in dem Stadtregiment blieben verschlossen oder wurden nicht angestrebt. 1500 schlossen die drei BrÅder einen neuen Vertrag Åber sechs Jahre, drangen nochmals verstrkt in den slowakischen (seinerzeit ungarischen) Bergbau und den dortigen Handel ein. Nach dem Tod von Georg (1506) und Ulrich (1510) blieb Jakob der letzte Teilhaber, 1459 als zehntes von elf Kindern geboren, und mit dem Beinamen „der Reiche“ versehen. Jakob versteuerte 1510 die stolze Summe von 258 400 Gulden, wobei auswrtige Besitzungen wohl nur in geringem Maß erfasst waren. Anschließend schloss er mit der Stadt einen Vertrag, der ihn bei Zahlung einer jhrlichen Steuerpauschale zukÅnftig von einer VermÇgensdeklaration entband, sodass weitere Angaben fehlen. Die TÇchter seiner BrÅder und einen in den geistlichen Stand eingetretenen Sohn zahlte er aus, seine vier Neffen nahm er in das Unternehmen auf, verpflichtete sie aber zu Gehorsam. Deutlich tritt das Bestreben hervor, den Teilhaberkreis auf die mnnlichen Erben zu beschrnken. Eine im Nachhinein wichtige Entscheidung war bereits 1485 gefallen: Die Fugger liehen Erzherzog Sigismund von Tirol Geld, wobei die Summen wuchsen und sie mit Silber aus den Bergwerken beglichen wurden. Als der vÇllig verschuldete Erzherzog 1490 zugunsten KÇnig Maximilians verzichtete, zahlten sich die bereits bestehenden Beziehungen aus. Er erkannte die Verpflichtungen an, und nahm seinerseits hohe Kredite bei den Fuggern auf, die sich ihrerseits nunmehr auch am Kupfergeschft beteiligten. Der in immer grÇßere Tiefen vordringende Bergbau und neue Schmelztechniken verschlangen Unsummen, die nicht wie bisher von den Gewerken aufgebracht werden konnten. Jetzt traten oberdeutsche Handelshuser als Financiers auf und stiegen in den gewinntrchtigen Handel

Der Seeweg nach Indien

mit Metallen ein. Doch nur mit Eigenkapital konnten selbst die Fugger die Summen nicht stemmen, fÅr Teile mussten sie festverzinsliches Fremdkapital aufnehmen. Dazu traten Geldgeschfte mit der Kurie und der Einstieg in den Ablasshandel, aber wohl mit deutlich geringeren Gewinnspannen als im Montangeschft. Allein fÅr den Handel mit ungarischem Kupfer werden fÅr die Zeit von 1495 bis 1525 Reingewinne von eineinhalb bis zwei Millionen Gulden genannt, allerdings fehlen Abschreibungen.

Der Seeweg nach Indien

Auch in Augsburg erregten die Nachrichten Åber das Unternehmen Vasco da Gamas großes Aufsehen, hatte dieser doch als erster Europer Indien auf dem Seeweg erreicht. Nun bot sich die MÇglichkeit, die begehrten Waren des Orients direkt zu kaufen oder zu erbeuten, die frÅhen Fahrten kombinierten beide MÇglichkeiten. Venedig sollte im Handel mit diesen GÅtern an Bedeutung verlieren. Als erste Augsburger begegnen uns Faktoren der Welser und VÇhlin in Lissabon, welche im Februar 1503 einen Vertrag mit der portugiesischen Krone abschlossen. 1504 folgte ein Vertrag Åber eine Beteiligung an einer Expedition nach Indien, der auch die Fugger und weitere oberdeutsche Kaufleute einschloss. Der WelserFaktor Balthasar Springer verfasste einen verlgeichsweise knappen Reisebericht, der die begehrten GÅter erkennen lsst: Und an dem 22. Oktober kamen wir in eine Gegend, da fanden wir

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großen Schatz und Handel mit Perlen, Edelsteinen, Ingwer und Zimt. […] Am zweiten Tag des November begannen wir vier

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Schiffe mit Pfeffer zu beladen.1

ZurÅck in Lissabon 1506 verbot freilich der KÇnig den Kaufleuten den Handel mit ihrem Pfeffer, da er aufgrund des hohen Angebots mit fallenden Preisen rechnete. Die Streitigkeiten sollten sich noch Åber Jahre hinziehen. Im gleichen Jahr erklrte der Herrscher zudem den Indienhandel zum Monopol der Krone. Zunehmend

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Augsburg

lÇste Antwerpen Lissabon als GewÅrzmarkt ab, und von hier belieferte Portugal Westeuropa. Da Portugal im Gegenzug vornehmlich Silber und Kupfer fÅr den Indienhandel benÇtigte, blieben die oberdeutschen Kaufleute und besonders die Fugger im Geschft. Die Welser-VÇhlin-Gesellschaft spielte im Montanhandel keine vergleichbare Rolle, konzentrierte sich auf traditionelle HandelsgÅter. Wichtigste Partner im slowakischen Bergbau waren die dort schon lnger ttigen Thurzo mit ihren Kontakten zum ungarischen Hof, die aber fÅr den Bergbau und die VerhÅttung weiteres Kapital benÇtigten. Wiederum verstrkten Heiratsverbindungen die geschftlichen Kontakte, und 1521 dominierten die Fugger ihre ehemaligen Partner. Eng verbunden blieb die Familie den Habsburgern, Maximilian I. schuldete ihnen 1518 knapp 175 000 Gulden. Die folgende KÇnigswahl, gegen Karl V. konkurrierten der franzÇsische und englische KÇnig, verschlang immense „Handsalben“ an die KurfÅrsten. ber 540 000 Gulden investierte allein Jakob der Reiche in die Wahl. 1521 folgte ein Vertrag Åber die Schuldentilgung, und gut zwei Drittel der insgesamt etwa 600 000 Gulden sollten mit Tiroler Silber und Kupfer beglichen werden. Allerdings zielte Jakob Fugger auf einen direkten Einstieg in das Tiroler Bergwerks- und HÅttenwesen ab, und als der langjhrige Konkurrent in Tirol, die Gesellschaft Baumgartner aus Kufstein, zahlungsunfhig wurde, nutzte er die MÇglich-

Die Geburt Spaniens

E rst die Eheschließung von Isabella von Kastilien mit Ferdinand von Aragn 1469 leitete die Vereinigung der beiden Großreiche zu Spanien ein. Definitiv durchsetzen konnte sich Isabella in Kastilien aber erst 1474. Institutionell blieben beide Reiche allerdings vorerst getrennt, erste gemeinsame Institution war die Inquisition (1478). 1492 gelang die Eroberung des muslimischen KÇnigreichs Granada im SÅden, 1496 folgte der vom Papst verliehene Ehrentitel „Katholische KÇnige“.

Die Erben

keit, erwarb entsprechende Rechte aus der Konkursmasse. Den Rest der Schuldsumme sollten allerdings die spanischen EinkÅnfte Karls V. erbringen, was das Interesse der Fugger an der Iberischen Halbinsel steigerte. Und whrend der Verhandlungen erinnerte Jakob der Reiche Karl selbstbewusst daran, wem er seine Wahl zu verdanken habe. Zu massiver Kritik fÅhrten zunehmend die Geschftspraktiken der großen Handelsgesellschaften, denen Monopole und ÅberhÇhte Preise vorgeworfen wurden. Selbst auf dem Reichstag 1522/23 berieten die Reichsstnde Åber ein mÇgliches Vorgehen, eine Klage wegen Monopolvergehens wurde gleichfalls auf den Weg gebracht. 1525 entschied Karl V. zugunsten seiner Geldgeber in der Monopolfrage, ließ smtliche Klagen niederschlagen.

Die Erben

Zunehmend stellte sich die Frage nach dem Nachfolger Jakob Fuggers, und schließlich fiel die Wahl auf den Neffen Anton, der die Geschfte fÅhren sollte. Ein weiterer Neffe, Hieronymus, „hatte sich bisher im Handel nicht sonderlich brauchbar erwiesen, noch sich viel des Handels angenommen“. Einem anderen waren Reisen sowie große MÅhe und viel Arbeit nicht zuzutrauen. An Weihnachten 1525 kÅndete ein Vorzeichen den nahen Tod Jakob Fuggers an: „Vor seinem Tod ist um die Versperzeit am Christtag ein vorweisendes Zeichen Åber unser lieben Frauen Kirche erschienen, ein schwarzer Regenbogen, den viele gesehen haben“, so der BenediktinermÇnch Clemens Sender in seiner Augsburger Chronik. 2 Anton Fugger trat das Erbe seines Onkels an, und zuvor ist er in Venedig, NÅrnberg, Breslau, Ofen (erstmals als Leiter einer Faktorei, der Handelsniederlassung der Fugger) sowie in Rom und damit an zentralen Handelspltzen der Fugger nachweisbar. Allerdings brach 1525 in der Slowakei ein Bergarbeiteraufstand los, MÅnzverschlechterungen hatten zu steigenden Preisen gefÅhrt. In

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Augsburg

Die Habsburger und Spanien

Z unchst als Strkung eines antifranzÇsischen BÅndnisses geplant, heirateten die Kinder der katholischen KÇnige, Johann und Johanna, 1496/97 Philipp und Margarethe von sterreich. Der Ehe zwischen Philipp und Johanna (der Wahnsinnigen) entsprossen Karl (1500) und Ferdinand (1503). Als Philipp, 1504 nach unerwarteten Toden weiterer Thronkandidaten KÇnig geworden, bereits 1506 verstarb, Åbernahm Ferdinand von Aragn die Regentschaft und sicherte seinem Enkel Karl die Krone, die dieser 1516 Åbernahm, 1519 folgte die rÇmisch-deutsche Krone. Nach dem Tod Karls erfolgte die Trennung in eine spanische und eine Çsterreichische Linie.

Ofen wurde der dortige Fugger-Faktor verhaftet, die Unterlagen und Waren beschlagnahmt. Bargeld und Wertgegenstnde hatte freilich der Kassierer Hans Dernschwarm wegschaffen lassen, ebenso warnte er die Neusohler Vertretung, und auch deren Bargeld gelangte nach Krakau. Mittels seiner engen Kontakte zur Politik bereitete noch Jakob Fugger selbst Gegenmaßnahmen vor, und als Anton nach Wien reiste, konnte in der Folge eine Aufhebung der Maßnahmen erreicht werden. Die Ungarn brauchten dringend Geld fÅr die Auseinandersetzung mit den Osmanen, whrend der Bergbau durch die Unruhen drastisch zurÅckging. Selbst eine Entschdigung von Åber 200 000 Gulden sicherte die ungarische Krone zu. Auch in Tirol wurden Preissenkungen gefordert, dazu ein Verbot der Handelsgesellschaften. Nachdem sich die GewÅrzgeschfte Venedigs vorlufig wieder stabilisiert hatten, brach zwischen dem venezianischen und dem portugiesischen Markt ein Preiskrieg bei GewÅrzen aus. Ein berangebot kennzeichnete zudem die Kupfermrkte, was zu einem Preisverfall fÅhrte. Als die gleichfalls Augsburger HÇchstetter in Probleme gerieten, halfen die Fugger mit gezielten GerÅchten nach und sicherten sich schließlich Teile der Konkursmasse.

Bauwerke

Bauwerke

Zunehmend reprsentativer gestalteten Jakob und Anton Fugger den Familiensitz am Augsburger Weinmarkt, der heutigen Maximilianstraße. Durch Zukufe erreichte die bemalte Schaufassade schließlich eine Lnge von 68 Metern. Marmor, Tapisserien und hÇlzerne Kassettendecken schmÅckten das Innere, fÅr die Dachdeckung ließ Jakob Fugger Kupfer aus Ungarn herbeischaffen. Zahlreiche Gemlde und Grafiken kamen in der Folgezeit hinzu, ergnzt um umfangreiche Bibliotheken der Familienmitglieder. Ein weiteres prchtiges Gstehaus diente als Unterkunft fÅr z. B. Karl V. whrend seiner Augsburger Aufenthalte 1547/48 und 1551. Als der weit gereiste Michel de Montaigne 1580 Augsburg besuchte, bewunderte er auch den Fugger’schen Prachtbau. Die Kupferdeckung hatte er schon zuvor hervorgehoben, einige Tage spter sah er zumindest Teile des Inneren, und der Schlusssatz ist zwar kurz, aber treffend: Die verschiedenen Fugger, die alle sehr reich sind, nehmen die erste

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Stelle in der Stadt ein. Wir sahen auch zwei Sle in ihrem Haus; der eine war groß, hoch und mit Marmor ausgelegt; der andere ist niedrig, reich an alten und modernen Medaillons und besitzt am

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Ende ein kleines Zimmer. Es sind die reichsten Zimmer, die ich je gesehen habe.3

Noch heute steht die erstmals 1531 so bezeichnete Fuggerei, realisiert von Jakob Fugger und eng dem sptmittelalterlichen Stiftungswesen verbunden. Bis 1522 entstanden 52 Huser fÅr arme TagelÇhner und Handwerker, die aber BÅrger der Stadt Augsburg und arbeitsam sein mussten. In diesem Jahr lebten in der Siedlung 102 steuerpflichtige Einwohner, und sie wie ihre Nachbewohner mussten tglich fÅr die Familie Fugger beten. Zumeist betrug die Wohnflche 45 Quadratmeter, der Mietpreis lag bei einem Gulden jhrlich, und ein ungelernter TagelÇhner konnte etwa 15 bis 20 Gulden in diesem Zeitraum verdienen. Erreichbar waren die Woh-

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Augsburg

nungen durch drei Tore, welche die Ummauerung durchbrachen. Nachts blieben diese allerdings verschlossen. Selbst in die konfessionellen Spannungen Augsburgs mischte sich Anton Fugger ein, demonstrierte altglubige FrÇmmigkeit, drohte und beschimpfte einen protestantischen Gegenspieler im Streit um eine Christusfigur, der sich hnlich verhielt. Wegen Missachtung des Rates und dem Anlass fÅr Aufruhr verurteilte der stdtische Rat den mchtigen Kaufmann zu acht Tagen Turmhaft, eine vergleichsweise milde, eher symbolische Strafe. Ohnehin konnte er davon sechs Tage mit Geld ablÇsen. Am 30. Mai 1533 nun begab sich Anton Fugger mit zwei Knechten auf den Turm, und nach Herrichtung des Bettes verließen ihn die Knechte wieder. Und in der zehnten Stunde der Nacht, als sich Herr Anton Fugger niederlegen wollte, ist ihm das Bett nicht richtig bereitet worden,

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und er hat es selber machen mÅssen, und er ist im Bett gelegen bis zum Morgen in der achten Stunde, und sah durch die Zinnen in die

]

Grten und auf die Felder, und um die Zeit, zu der man gewÇhnlich am Mittag isst, hat ihn der Rat aus dem Gefngnis gelassen und ihn nach Hause geschickt.4

Dass einer der reichsten Mnner seiner Zeit das Bett selbst machen musste, bewertet der Chronist wohl als HÇhepunkt der Strafe. Allerdings hat Anton Fugger diese Aktion als zutiefst ehrverletzend empfunden und der Stadt nicht mehr verziehen. Zu einem vollstndigen Bruch kam es jedoch nicht.

Bilanzen

Etwa drei Millionen Gulden Aktiva, Summe der VermÇgenswerte, wies die Bilanz der Gesellschaft zum 31. Dezember 1527 auf. Allerdings zhlten hierzu Außenstnde, so schuldete Ferdinand, der 1531 zum KÇnig gekrÇnt wurde und im Reich seinen Bruder Karl vertrat, 651 000 Gulden. Die AnsprÅche an die ungarische Krone stufte die Bilanz als zweifelhaft ein. Die Passiva, also die Schulden, blieben

Hohe Außenstnde

mit 870 000 Gulden aber noch vergleichsweise gering. Den steilen Aufstieg verdeutlicht die GegenÅberstellung mit den 197 000 Gulden Gesellschaftskapital im Jahr 1511. Bis 1536 wuchsen jedoch die Schulden auf 1 770 000 Gulden, whrend von den Aktiva (3,8 Millionen) mehr als die Hlfte, nmlich 2,35 Millionen Gulden, auf Außenstnde entfielen, also erst noch eingetrieben werden mussten. Zwischen 1521 und 1555 stellten die Fugger der spanischen Krone in Person von Karl V. 5 499 516 Gulden als Kredit zu VerfÅgung und deckten damit knapp 20 Prozent der gesamten Kreditaufnahme. Die Welser waren mit 15 Prozent vertreten, genuesische Huser mit einem guten Drittel. Garantieren sollte die RÅckzahlung das KÇnigreich Kastilien. Seit den 1530er-Jahren nahm zudem die Bedeutung des Silbers aus der Neuen Welt zu. Mit 7,1 Millionen Gulden erreichten die Aktiva 1546 ihren hÇchsten Stand, die Passiva beliefen sich auf ungefhr zwei Millionen. Es folgten Umstrukturierungen, der ungarische Handel wurde aufgegeben, die Bergwerksertrge waren eingebrochen, Montanunternehmen in Tirol und Krnten gliederte Anton Fugger aus. In den folgenden sieben Jahren flossen zwei Millionen Gulden an Teilhaber, um diese auszuzahlen. 1553 betrug das GesellschaftsvermÇgen 3,25 Millionen.

Hohe Außenstnde

Allerdings machten Verbindlichkeiten des Hauses Habsburg einen großen Teil der Außenstnde aus, ergnzt durch die Schulden weiterer FÅrstenhuser. Bisher rentierten sich die Kreditvergaben, erbrachten sie doch Zinsen von 12–14 Prozent jhrlich, whrend die Fugger ihrerseits fÅr acht bis zehn Prozent Gelder aufnahmen, um diese zu verleihen. Doch wuchs die Abhngigkeit von Fremdkapital, zumal das Familienunternehmen Åber einen hervorragenden Ruf nicht nur als Schuldner verfÅgte. 1557 verfÅgte KÇnig Philipp II. von Spanien die Umwandlung aller Schuldbriefe in kÇnigliche Ren-

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Augsburg

tenbriefe, die nur noch mit fÅnf Prozent zu verzinsen waren. Zudem ließ er eine zur Begleichung von Fugger’schen Forderungen bestimmte amerikanische Silberladung in Antwerpen beschlagnahmen. Dennoch liehen die Fugger den Çsterreichischen Habsburgern weiter Geld, die Sympathie der Herrscher war zu kostbar, um rigoros Position zu beziehen. Deren Bitten bei den spanischen Verwandten um RÅckzahlungen an die Fugger bewirkten freilich nichts. Wenig Hoffnung setzte Anton Fugger in potenzielle Nachfolger, da etliche Familienmitglieder wenig Interesse an Geschftsttigkeiten zeigten und ein ruhiges Leben in Reichtum bevorzugten. Nach Anton Fuggers Vorstellung sollten nach seinem Tod (14. September 1560) sein Sohn Marx und sein Neffe Hans Jakob die ausstehenden Forderungen einbringen und die Firma mehr oder weniger abwickeln. Marx Fugger gelang nochmals eine Umorientierung des Unternehmens, whrend bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts ein mehr oder minder geordneter RÅckzug aus dem Handel stattfand, begleitet von innerfamiliren Streitigkeiten und einer Aufspaltung der Gesellschaft. Mit der deutlichen Konzentration auf den Geldhandel entwuchsen die Fugger dem Kreis der Augsburger Handelsunternehmen, die sich tendenziell strker am traditionellen Warenhandel orientierten. Nach dem RÅckzug aus Ungarn ließ Marx Fugger auch die italienischen Faktoreien schließen, und dort Åbernahmen hinfort Kommissionre den Waren- und Geldhandel. Eindeutig in das Zentrum trat dagegen Spanien, wo u. a. ein stillgelegtes Quecksilberbergwerk unter Regie der Fugger seinen Betrieb wieder aufnahm. In SÅd- und Mittelamerika benÇtigten die Spanier Quecksilber in großen Mengen zur Silbergewinnung. Die katastrophalen Folgen fÅr die Umwelt bei den Silbergruben kann sich jeder selbst ausmalen. Und schon der Abbau dÅrfte sicherlich kaum gesundheitsfÇrdernd gewirkt haben. Da die Abbaukosten des Quecksilbers nur knapp die Hlfte der vereinnahmten Betrge ausmachte, handelte es sich um ein glnzendes Geschft. Derart blieb die Leistungskraft der Firma bis an die Wende zum 17. Jahrhundert noch ungebrochen.

Hohe Außenstnde

Das bekannte Bild zeigt Jakob Fugger und den spteren Hauptbuchhalter in Augsburg, Matthus Schwarz.

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Augsburg

Doch trotz des bis in die 1620er-Jahre florierenden Quecksilbergeschfts zeigten sich erneut Krisensymptome: Die spanische Wirtschaft steckte in einer Krise, worauf die spanische Krone 1607 erneut die Zahlungen einstellte. Neben niedrigeren Zinsen mussten nicht nur die Fugger mit unsicheren Absicherungen vorliebnehmen. Zustzlich funktionierte die Aufsicht Åber die Faktoren auf der Iberischen Halbinsel schlechter, die eigenmchtig Verpflichtungen eingingen. Nicht zuletzt aufgrund hoher Entnahmen schwand das Eigenkapital der Gesellschaften drastisch. Zu Beginn der 1640erJahre begann der vollstndige RÅckzug aus Spanien, das sich zunehmend als Verlustbringer erwies. Die Ehre der Familie schien sich nur noch durch den RÅckzug aus den Geschften retten zu lassen.

Leben in Stadt und Land

Wie andere vermÇgende Kaufmannsfamilien legten auch die Fugger, beginnend mit Jakob (dem Reichen), einen Teil ihrer Mittel in Grundbesitz an. Dessen Schwerpunkt lag im Çstlichen Schwaben, dem Raum zwischen Donau und Bodensee, Iller und Lech, konzentriert sÅdlich der Donau zwischen Ulm und DonauwÇrth, wo die Familie am Vorabend des Dreißigjhrigen Krieges rund einhundert DÇrfer besaß. Nach vorherigen StandeserhÇhungen erfolgte 1530 die Erhebung in den erblichen Reichsgrafenstand und damit in den Kreis des Hochadels in unmittelbarer rechtlicher Beziehung zu den KÇnigen. Freilich verwendete die Familie den Titel offiziell erst ab 1620. Von der Augsburger Gerichtsherrschaft wurden sie zumindest teilweise befreit. Die Heiratsverbindungen folgten der StandeserhÇhung, sie verbanden sich fast ausschließlich mit Familien des Landadels. Doch trotz prchtiger Landsitze blieb Augsburg im 16. Jahrhundert Mittelpunkt des Lebens zahlreicher Familienmitglieder, kombinierten sie stadtbÅrgerliches und landadliges Leben. Aus Handels- und Bankgeschften sollten die Fugger sich dann um die Mitte des 17. Jahrhunderts zurÅckziehen.

Neue Zentren, neue Routen as erwhnte Vordringen portugiesischer Schiffsverbnde

D

in den Indischen Ozean und die Entdeckung Amerikas

im ausgehenden 15. Jahrhundert markierten den Beginn einer tiefgreifenden Vernderung des Welthandels. Die schnellsten Neuerungen brachte die portugiesische Expansion, die neben GewÅrzen auf weitere LuxusgÅter des Orients zielte. Die Erfolge des spanischen Vordringens sollten etwas lnger auf sich warten lassen, die Spanier schafften dann aber Silber und Gold in großen Mengen nach Europa. Nach und nach rutschte das bisherige Zentrum Mittelmeer in eine Randlage, nunmehr dominierten die Stdte an den AtlantikkÅsten. Amerikanisches Edelmetall landeten die spanischen Flotten in Sevilla sowie Cadiz an, und von dort aus gelangten Teile nach Antwerpen und Genua, um die Schulden der spanischen Krone zu bezahlen. Westafrikanisches Gold wiederum schÇpften Åberwiegend die Portugiesen ab. Dem Schiffsverkehr auf dem Atlantik, die Kanarischen Inseln dienten den Spaniern als Zwischenstation, machten zudem StÅrme immer wieder schwer zu schaffen. Immer grÇßere und schwerere Schiffe fertigten die Schiffbauer, um mÇglichst große Lasten transportieren zu kÇnnen, was aber die ManÇvrierfhigkeit beeintrchtigte. Zunehmend bildete sich eine Dreieckroute heraus: Vom Heimathafen fÅhrte die Route nach Afrika, um dort Sklaven zu erwerben, die in der Neuen Welt Absatz fanden, und mit den GÅtern Amerikas traten die Schiffe den RÅckweg an. Allerdings lag die BlÅtezeit dieser Handelsroute im 17. und 18. Jahrhundert. Auf Dauer konnten die Spanier die wachsende Konkurrenz trotz zunchst energischer militrischer Gegenmaßnahmen nicht ausschließen.

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Neue Zentren, neue Routen

Francis Drake

Ohnehin lockte der auf den Schiffen transportierte Reichtum als potenzielle Beute Piraten oder Freibeuter an, die auf Edelmetalle und Edelsteine hofften. Auch englische Kapitne versuchten seit den 1560er-Jahren in den lukrativen Handel einzusteigen, die Hollnder folgten etwa 20 Jahre spter. Nicht fehlen wollten die Franzosen. Bei dem bekanntesten Freibeuter dÅrfte es sich um Francis Drake (* um 1540; † 1596) handeln, der sich seit Dezember 1577 offiziell auf der Suche nach dem legendren Australkontinent befand, einer weit im SÅden von Indien vermuteten Landmasse. Noch wollte die englische Krone keine Konfrontation mit den Spaniern wagen, zunchst musste die eigene Flotte entsprechend gerÅstet werden. Eigentliches Ziel war die Gewinnung von Kenntnissen Åber die spanische Herrschaft in SÅdamerika, und zwar auch auf der Seite des Pazifischen Ozeans. Hierzu musste jedoch die SÅdspitze SÅdamerikas umrundet werden, ein bislang den Englndern vÇllig unbekanntes Gebiet. Nur eines von drei Schiffen sollte die gefhrliche Passage um Kap Hoorn meistern, eines zerschellte an den Klippen, ein weiteres kehrte nach England zurÅck. In Chile plÅnderten die berlebenden, Krankheiten hatten die Seeleute dezimiert, zunchst die Stadt Valparaiso und ein dort ankerndes spanisches Schiff; irrtÅmlicherweise hatten die Bewohner sie fÅr Spanier gehalten. Ein Lotse trat in ihre Dienste, der sich in diesen Breiten auskannte und wichtige Dienste leistete. Nach einer GeneralÅberholung des Schiffs ging es weiter nach Peru, wo die heutige Hauptstadt Lima mitsamt dem Hafen neue Beute bot. Ein mit Schtzen beladenes Schiff kaperte Drake mit seinen Leuten auf dessen Weg nach Panama, das Umladen der Kostbarkeiten soll vier Tage gedauert haben. Unscheinbarer zwar, aber gleichfalls hohen Wert besaßen erbeutete Karten der Lnder und KÅsten einschließlich Skizzen des Pazifik. Spt erst begannen die Spanier die erfolglose Verfolgung, whrend Drake beschloss, Åber den Pazifik und um SÅdafrika die Heimreise anzutreten. In Java erwarben sie GewÅrze, und knapp

Neue Konkurrenten

drei Jahre nach dem Auslaufen erreichte das Schiff den Heimathafen Plymouth. Auf spanischen Druck hin, und die Spanier htten ihn am liebsten hngen sehen, musste Drake ein wenig aus der Schusslinie genommen werden, den Adelsrang erhielt er dennoch. Damit endete freilich diese BlÅtezeit quasi-amtlicher Piraten keineswegs, andere traten an die Stelle von Francis Drake, der spter wieder an derartigen Unternehmen beteiligt war. So segelte er 1585 erneut nach Westindien, plÅnderte dort Siedlungen und kehrte im folgenden Jahr mit großer Beute zurÅck. Die der spanischen Krone entwendeten GÅter und Edelmetalle gelangten so statt auf der Iberischen Halbinsel in England in den Handel. Drake starb am 28. Januar 1596 vor der amerikanischen KÅste.

Neue Konkurrenten

Zwar verfÅgten Portugal und Spanien Åber einen großen zeitlichen Vorsprung bei ihrer Expansion nach Asien bzw. Amerika, doch sollte vornehmlich das 17. Jahrhundert zu Vernderungen fÅhren. In SÅdasien machten sich Hollnder mit ihrem wichtigsten StÅtzpunkt in Batavia auf Java breit, handelten auch mit japanischen und chinesischen KÅstenstdten. 1603 grÅndeten hollndische Handelskompanien nicht zuletzt auf politischen Druck die „Verenigden Oostindischen Compagnie“ (VOC), und die nunmehr gebÅndelten Krfte sollten bis etwa 1690 eine BlÅtezeit mit hohen Gewinnen erleben. Auf Dauer erfolgreicher wirkte aber die englische „East India Company“ (EIC) mit ihrem rumlichen Schwerpunkt in Indien. Weder dnische, franzÇsische oder schwedische Kompanien oder die von Ostende konnten an die Erfolge der beiden genannten Organisationen anknÅpfen. Auch in Amerika zeigten sich Englnder zunehmend aktiv, und wiederum in Konkurrenz vornehmlich zu franzÇsischen BemÅhungen. Nunmehr, im 17. Jahrhundert, entwickelte sich Zucker endgÅltig zum Massenprodukt, ebenso die neuweltliche Tabakpflanze. Holz aus Brasilien sowie Baumwolle gelangten ebenso auf die euro-

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Neue Zentren, neue Routen

nach Grönland Bergen Stockholm

Nordsee Ostsee

London

Paris

Atlantischer Ozean

Danzig Lübeck Stettin Hamburg E lbe Thorn Bremen Magdeburg Berlin Amsterdam Breslau Leipzig Köln Soest Erfurt Prag Frankfurt Nürnberg Do

na

Ulm

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Wien

Augsburg

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Barcelona

Madrid

Lissabon

Sevilla

Hauptrouten des europäischen Fernhandels Wichtige See- und Landhandelswege (mitteleuropäische Perspektive)

Mittelmeer

Hauptrouten des europischen Fernhandels im 17. Jahrhundert.

pischen Mrkte wie Felle und Hute aus Nordamerika oder Fisch aus dem Nordatlantik. Im folgenden Jahrhundert sollte sich Tee großer Beliebtheit erfreuen, den in erster Linie Hollnder und Englnder aus Asien importierten. Aufgrund dieser Verlagerungen gingen zahlreiche Vernderungen an deutschen Kaufleuten zwar nicht vorbei, aber sie mussten sich

Neue Konkurrenten

Narva Reval

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Moskau Wo lga

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Smolensk Königsberg Wika Sarkei

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Kaspisches Meer

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Asowsches Meer

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Kilia Schwarzes Meer

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Donau

Konstantinopel

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Antiochia Eup

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Beirut Sidon Akkon

Alexandria

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Bagdad

Tripolis Damaskus Tyrus

0 100 200 300 km

bei zahlreichen Produkten auf neue Einkaufsmrkte einstellen. Auf die Iberische Halbinsel folgten England und die Niederlande mit dem mchtig aufstrebenden Amsterdam, auch Frankreich gewann an Bedeutung. Dennoch bestanden tradierte innereuropische Handelsbeziehungen gerade bei MassengÅtern wie z. B. Getreide oder Salz weiter. Im Reich wurde mehr und mehr Hamburg zum eigentlichen Tor zur Welt.

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Anmerkungen Bescheidene Anfnge –Handel in FrÅh- und Hochmittelalter 1 Quellen zur Alltagsgeschichte im FrÅh- und Hochmittelalter, Zweiter Teil, hg. v. Ulrich Nonn, Darmstadt 2007, S. 106–109. 2 Regino Chronik, in: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, Dritter Teil, hg. v. Reinhold Rau, Darmstadt 1960, S. 179, 319, hier S. 296 f. 3 Notker Taten Karls, in: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, Dritter Teil, hg. v. Reinhold Rau, Darmstadt 1960, S. 321–427, hier S. 374 f. Die kommerzielle Revolution – Sptmittelalterlicher Handel 1 Hirschmann, Gerhard (Hg.), Die Annalen der Reichsstadt NÅrnberg von 1623 von Johannes MÅllner, Tl. I: Von den Anfngen bis 1350, NÅrnberg 1972, S. 411. 2 Stromer,Wolfgang v., Die GrÅndung der Baumwollindustrie in Mitteleuropa. Wirtschaftspolitik im Sptmittelalter (= Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 17), Stuttgart 1978. 3 Bischof Otto von Freising und Rahewin, Die Taten Friedrichs oder richtiger Cronica, Åbersetzt v. Adolf Schmidt, hg. v. FranzJosef Schmale, 4., gegenÅber d. 3. um einen Nachtrag von Fabian Schwarzbauer erw. Aufl. Darmstadt 2000, S. 307. Bei den anderen FlÅssen handelte es sich um Rhein und Donau.

4 Glaser, RÅdiger, Klimageschichte Mitteleuropas. 1200 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen, 2., aktualisierte u. erw. Aufl. Darmstadt 2008, S. 91. 5 Hohenlohe-ZentralarchivNeuenstein, Abt. Weinsberg, Schublade P, 9b, fol. 7r. 6 Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte mittel- und oberdeutscher Stdte im Sptmittelalter, hg. v. Gisela MÇncke, Darmstadt 1982, S. 349–351. 7 Hirschmann, Gerhard (Hg.), Die Annalen der Reichsstadt NÅrnberg von 1623 von Johannes MÅllner, Tl. II,Von 1351–1469, NÅrnberg 1984, S. 353 f. 8 Quellen zur Geschichte des KÇlner Handels und Verkehrs im Mittelalter, Bd. 1, hg. v. Bruno Kuske, Bonn 1923, S. 138.

Regensburg – Ein erstes oberdeutsches Fernhandelszentrum 1 Glaser, RÅdiger, Klimageschichte Mitteleuropas. 1200 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen, 2., aktualisierte u. erw. Aufl. Darmstadt 2008, S. 79. 2 Gemeiner, Carl Theodor, Regensburgische Chronik, Bd. 1, Regensburg 1800, ND MÅnchen 1971, S. 84 f. 3 Gemeiner, Carl Theodor, Regensburgische Chronik, Bd. 2, Regensburg 1803, ND MÅnchen 1971, S. 172; 137.

Anmerkungen

LÅbeck und die Hanse – Ein komplementrer Aufstieg 1 Helmold von Bosau, Slawenchronik, neu Åbertragen und erlutert von Heinz Stoob, 5. Aufl. Darmstadt 1990. S. 305. 2 Detmar-Chronik von 1101–1395 mit Fortsetzung von 1395–1400, in: Die Chroniken der deutschen Stdte, 19, Leipzig 1884, ND GÇttingen 1967, S. 189–597, hier S. 331. 3 Schluss der Detmar-Chronik von 1101–1395, in: Die Chroniken der deutschen Stdte, 26, Leipzig 1899, ND. GÇttingen 1967, S. 15–70, hier S. 21. 4 Die Ratschronik von 1438–1482, in: Die Chroniken der deutschen Stdte, Bd. 30, Leipzig 1910, ND. GÇttingen 1968, S. 167 f., 169 f. 5 Erste Fortsetzung der DetmarChronik von 1395–1399, in: Die Chroniken der deutschen Stdte, 26, Leipzig 1899, ND. GÇttingen 1967, S. 71–116, hier S. 108. KÇln – Das Weinhaus der Hanse 1 Quellen zur Geschichte des KÇlner Handels und Verkehrs im Mittelalter, Bd. 1, hg. v. Bruno Kuske, Bonn 1923, S. 100. 2 Quellen zur Hanse-Geschichte, zus.gestellt u. hg. v. Rolf Sprandel, Darmstadt 1982, S. 357. 3 Quellen zur Hanse-Geschichte, zusammengestellt u. hg. v. Rolf Sprandel, Darmstadt 1982, S. 362. Hamburg – Das Brauhaus der Hanse 1 Rimbert Leben Ansgars, in: Quellen des 9. und 11. Jahrhunderts zur Geschichte der Hamburger Kirche und des Reiches, neu Åbertragen von Werner Trillmich, Bd. 7., gegenÅber d. 6. um einen Nachtrag von Volker Scior erw. Aufl. Darmstadt 2000, S. 16–133, hier S. 50–53.

NÅrnberg – Aufstieg im Schatten Regensburgs 1 Diefenbacher, Michael (Bearb.), Die Annalen der Reichsstadt NÅrnberg von 1623 von Johannes MÅllner, Tl. 3: 1470–1544, NÅrnberg 2003, S. 131. 2 Hirschmann, Gerhard (Hg.), Die Annalen der Reichsstadt NÅrnberg von 1623 von Johannes MÅllner, Tl. 2,Von 1351–1469, NÅrnberg 1984, S. 374 f. 3 Nach Santiago zogen sie. Berichte von Pilgerfahrten ans „Ende der Welt“, hg. v. Klaus Herbers, Robert PlÇtz, MÅnchen 1996, S. 75. 4 Ein SÇldnerleben im Dreißigjhrigen Krieg. Eine Quelle zur Sozialgeschichte, hg. v. Jan Peters, Berlin 1993, S. 41, 134. Frankfurt – Das aufstrebende Messezentrum 1 Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte (wie Fn. 9), S. 164 f. 2 Quellen zur Geschichte des KÇlner Handels und Verkehrs im Mittelalter, Bd. 1, hg. v. Bruno Kuske, Bonn 1923, S. 160 f. Augsburg – BlÅte in der FrÅhen Neuzeit 1 Die Meerfahrt. Balthasar Springers Reise zur PfefferkÅste, hg. v. Andreas Erhard, Eva Ramminger, Innsbruck 1998, S. 28 f. 2 Die Chroniken der deutschen Stdte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, Bd. 23, Leipzig 1894, ND Stuttgart 1966, S. 167. 3 Montaigne, Michel de, Tagebuch einer Reise durch Italien, die Schweiz und Deutschland in den Jahren 1580 und 1581, hg. u. aus d. FranzÇsischen Åbertragen v. Otto Flake, Frankfurt a. M. 1988, S. 63. 4 Die Chroniken der deutschen Stdte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, Bd. 23, Leipzig 1894, ND Stuttgart 1966, S. 344.

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Bernd Fuhrmann, Jg. 1960, ist außerplanmßiger Professor fÅr Mittlere und Neuere Geschichte an der Universitt Siegen.