Mission Museion: Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum 9783839433041

The history and present of museums run by the Catholic church in the German-speaking world are for the first time compre

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Mission Museion: Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum
 9783839433041

Table of contents :
Inhalt
Einleitung
Teil I. Die ersten Museen der katholischen Kirche und die Entfremdung von Kunst und Kirche (von 1733 bis 1962)
Einleitung
Die ersten offiziellen päpstlichen Aussagen zu Museen
Das Edikt des Camerlengo Annibale (1733)
Die Vorläufer der Vatikanischen Museen
Die ersten Museen auf dem Kapitol (1734 und 1749)
Das Edikt des Camerlengo della S.R.C. (1750)
Die Apostolische Konstitution „Ad optimarum artium“ (1757) und Gründungen von Vatikanischen Museen
Zusammenfassung
Die Französische Revolution und ihre Folgen
Der „Louvre“ (1793)
Der Chirograph Doria Pamphilj (1802)
Die Rückkehr der römischen Kunstgüter aus Paris (1816)
Die Situation „christlicher Kunst“ im 19. Jahrhundert
Zusammenfassung
Die ersten Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1853–1900)
Museumsgründungen im 19. Jahrhundert
Aufruf zur Gründung christlicher Kunstvereine (1850)
Paderborn
Köln
Freising
Vorläufer für deutschsprachige Museen der katholischen Kirche
Beweggründe zur Gründung der ersten deutschsprachigen Museen der katholischen Kirche
Folgegründungen deutschsprachiger Museen der katholischen Kirche (Würzburg, Mainz, Rottenburg und Augsburg)
Österreich
Zusammenfassung
Die erste päpstliche Aufforderung, Museen der katholischen Kirche zu gründen
Der Codex Iuris Canonici (1917)
Das Rundschreiben an die italienischen Bischöfe 1923
Die politische Situation in Italien in den 1920er-Jahren
Das Rundschreiben an die italienischen Bischöfe 1924
Die Lateranverträge (1929) und weitere Eröffnungen päpstlicher Museen
Zusammenfassung
Das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und bildender Kunst (1900–1962)
Der Papstbrief „Mediator Dei“ (1947) und der erste Kongress katholischer Künstler (1950)
Zeitschriften als Diskussionsmedium
Die Richtlinien zur Sakralkunst der französischen Bischöfe (1952)
Die Instruktion über die Richtlinien der kirchlichen Kunst des Vatikans (1952)
Die ersten Werke des 20. Jahrhunderts in den Vatikanischen Museen (1956)
Die Situation „christlicher Kunst“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Zusammenfassung
Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1900–1962)
Trier, Bamberg, Eichstätt, Augsburg, Freiburg, Regensburg und Fulda
Paderborn
Köln
Osnabrück
Mainz
Rottenburg
Würzburg
Österreich
Zusammenarbeit deutschsprachiger Museen der katholischen Kirche
Zusammenfassung
Teil II. Besinnung der katholischen Kirche auf den Nutzen von Kunst und ihr Konflikt mit der Anerkennung der künstlerischen Autonomie (von 1962 bis 2001)
Einleitung
Das „Zweite Vatikanische Konzil“ (1962–1965)
Der Nutzen von Kunst
Die Freiheit der Kunst
Praktische Anweisungen
Zusammenfassung
Die unmittelbar nachkonziliare Zeit
Die Künstlermesse (1964)
Das Rundschreiben „Opera Artis“ (1971)
Die Wandelung des Kirchenraumes
Die „Collezione d’arte Religiosa Moderna“ in den Vatikanischen Museen (1973)
Das Lehrschreiben „Evangelii nuntiandi“ (1975)
Zusammenfassung
Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1962–1980)
Erweiterungen und Neuaufstellungen (Mainz, Rottenburg, Osnabrück, Köln)
Neubau (Paderborn)
Neugründungen (Bamberg, Freising)
Domschatzkammern und Dommuseen (Hildesheim, Aachen, Fulda, Minden, Regensburg)
Österreich (Wien, Salzburg, Klagenfurt)
Zusammenfassung
Katholische Standpunkte zur Autonomie von Kunst. Eine exemplarische Gegenüberstellung (1980)
Das Schreiben der Deutschen Bischofskonferenz über das Verhältnis von Kirche und Gegenwartskunst
Die Ansprache an die Künstler von Papst Johannes Paul II. in München
Die Ausstellung „Zeichen des Glaubens – Geist der Avantgarde“ in Berlin
Zusammenfassung
Kräftigung der Bedeutung von Kultur durch Behörden der römischen Kurie
Der Codex Iuris Canonici (1983)
Die Einrichtung der „Päpstlichen Kommission für die Erhaltung des künstlerischen und geschichtlichen Erbes der Kirche“ (1988)
Zusammenfassung
Das Jahrzehnt vor dem Heiligen Jahr 2000. Kunst im Fokus der Pastoral
Katechismus der Katholischen Kirche (1992)
Das Schreiben der Deutschen Bischofskonferenz über Kunst und Kultur in der theologischen Aus- und Fortbildung (1993)
Das „Malta Dokument“ (1994)
Das Schreiben der Deutschen Bischofskonferenz über Liturgie und Bild (1996)
Ansprachen Papst Johannes Paul II. an Kulturbeauftragte (1997)
Das Dokument der römischen Kurie über die Kulturpastoral (1999)
Zusammenfassung
Zeitgenössische Kunst im Kirchenraum
Die katholische Kirche
Die evangelische Kirche
Zusammenfassung
Die Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern im deutschsprachigen Raum
Die Arbeitsgemeinschaft etabliert sich (1969–1990)
Die Arbeitsgemeinschaft formuliert inhaltliche Ziele (1990–2000)
Die Arbeitskreise „Museum und zeitgenössische Kunst“ und „Museum als Ort der Verkündigung“ (1996–2000)
Zusammenfassung
Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)
Regensburg
Eichstätt
Freising
Trier
Würzburg
Köln
Mainz
Bamberg
Paderborn
Rottenburg
Augsburg
Domschatzkammern und Dommuseum (Münster, Frankfurt am Main, Fulda, Aachen)
Österreich (Graz, Salzburg, Wien, Admont, Seitenstetten)
Zusammenfassung
Teil III. Museen der katholischen Kirche nach der Jahrtausendwende – vier Fallbeispiele (von 2001 bis 2010)
Einleitung
Für wen sollte das Museum der katholischen Kirche sein – Gläubige, Nichtgläubige und Abtrünnige
Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz
Würzburg „Museum am Dom“
Admont „Museum des Stifts Admont“
Freising „Dombergmuseum“
Köln „Kolumba“
Weitere Museen der katholischen Kirche
Zusammenfassung
Was sollten Museen der katholischen Kirche zeigen – Bewahren oder aktiv Sammeln
Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz
Würzburg „Museum am Dom“
Admont „Museum des Stifts Admont“
Freising „Dombergmuseum“
Köln „Kolumba“
Weitere Museen der katholischen Kirche
Zusammenfassung
Wie sollte das Museum der katholischen Kirche gestaltet sein – Musealer Anspruch versus pastorales Ziel
Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz
Würzburg „Museum am Dom“
Admont „Museum des Stifts Admont“
Freising „Dombergmuseum“
Köln „Kolumba“
Weitere Museen der katholischen Kirche
Zusammenfassung
Was sollte das Museum der katholischen Kirche vermitteln – Wissen weitergeben, Emotionen hervorrufen
Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz
Würzburg „Museum am Dom“
Admont „Museum des Stifts Admont“
Freising „Dombergmuseum“
Köln „Kolumba“
Weitere Museen der katholischen Kirche
Zusammenfassung
Wer sollte das Museum der katholischen Kirche betreiben – Theologischer Laie oder Kunst-Amateur
Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz
Würzburg „Museum am Dom“
Admont „Museum des Stifts Admont“
Freising „Dombergmuseum“
Köln „Kolumba“
Weitere Museen der katholischen Kirche
Zusammenfassung
Wie sollte das Museum der katholischen Kirche vernetzt sein – Alleingang, im Verbund oder in Kooperation
Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz
Würzburg „Museum am Dom“
Admont „Museum des Stifts Admont“
Freising „Dombergmuseum“
Köln „Kolumba“
Weitere Museen der katholischen Kirche
Zusammenfassung
Das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und bildender Kunst
Aussagen der Deutschen Bischofskonferenz
Verlautbarungen aus Rom
Standpunkte: Einzelne Positionen
Exkurs: Die evangelische Kirche
Ein praktisches Beispiel: Die documenta
Zusammenfassung
Resümee
Literaturverzeichnis
Anhang
Interviewleitfaden
Tabelle 1
Tabelle 2
Zeitstrahl

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Katharina Knacker Mission Museion

Edition Museum | Band 19

Für meinen Vater Thomas Knacker

Katharina Knacker, geb. 1982, studierte Kunstgeschichte, Archäologie und Spanisch in Frankfurt am Main, Marburg und Cáceres (Spanien). Zuletzt arbeitete sie als kuratorische Assistenz am Städel Museum und der Schirn Kunsthalle in Frankfurt am Main und war an zahlreichen zeitgenössischen sowie historischen Ausstellungen beteiligt.

Katharina Knacker

Mission Museion Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum

Als Dissertation vom Fachbereich 09 Germanistik und Kunstwissenschaft der Philipps-Universität Marburg angenommen. Tag der Disputation war der 11.11.2014.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2016 transcript Verlag, Bielefeld

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Inhalt

Einleitung | 13

TEIL I Die ersten Museen der katholischen Kirche und die Entfremdung von Kunst und Kirche (von 1733 bis 1962) Einleitung | 19 Die ersten offiziellen päpstlichen Aussagen zu Museen | 21

Das Edikt des Camerlengo Annibale (1733) | 21 Die Vorläufer der Vatikanischen Museen | 22 Die ersten Museen auf dem Kapitol (1734 und 1749) | 23 Das Edikt des Camerlengo della S.R.C. (1750) | 24 Die Apostolische Konstitution „Ad optimarum artium“ (1757) und Gründungen von Vatikanischen Museen | 24 Zusammenfassung | 26 Die Französische Revolution und ihre Folgen | 26

Der „Louvre“ (1793) | 26 Der Chirograph Doria Pamphilj (1802) | 27 Die Rückkehr der römischen Kunstgüter aus Paris (1816) | 28 Die Situation „christlicher Kunst“ im 19. Jahrhundert | 30 Zusammenfassung | 30 Die ersten Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1853–1900) | 31

Museumsgründungen im 19. Jahrhundert | 31 Aufruf zur Gründung christlicher Kunstvereine (1850) | 33 Paderborn | 36 Köln | 36 Freising | 40 Vorläufer für deutschsprachige Museen der katholischen Kirche | 40

Beweggründe zur Gründung der ersten deutschsprachigen Museen der katholischen Kirche | 44 Folgegründungen deutschsprachiger Museen der katholischen Kirche (Würzburg, Mainz, Rottenburg und Augsburg) | 46 Österreich | 48 Zusammenfassung | 50 Die erste päpstliche Aufforderung, Museen der katholischen Kirche zu gründen | 51

Der Codex Iuris Canonici (1917) | 52 Das Rundschreiben an die italienischen Bischöfe 1923 | 52 Die politische Situation in Italien in den 1920er-Jahren | 53 Das Rundschreiben an die italienischen Bischöfe 1924 | 54 Die Lateranverträge (1929) und weitere Eröffnungen päpstlicher Museen | 54 Zusammenfassung | 55 Das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und bildender Kunst (1900–1962) | 56

Der Papstbrief „Mediator Dei“ (1947) und der erste Kongress katholischer Künstler (1950) | 56 Zeitschriften als Diskussionsmedium | 57 Die Richtlinien zur Sakralkunst der französischen Bischöfe (1952) | 58 Die Instruktion über die Richtlinien der kirchlichen Kunst des Vatikans (1952) | 58 Die ersten Werke des 20. Jahrhunderts in den Vatikanischen Museen (1956) | 59 Die Situation „christlicher Kunst“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts | 60 Zusammenfassung | 63 Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1900–1962) | 63

Trier, Bamberg, Eichstätt, Augsburg, Freiburg, Regensburg und Fulda | 64 Paderborn | 66 Köln | 67 Osnabrück | 69 Mainz | 70 Rottenburg | 72 Würzburg | 72 Österreich | 73 Zusammenarbeit deutschsprachiger Museen der katholischen Kirche | 76 Zusammenfassung | 76

TEIL II Besinnung der katholischen Kirche auf den Nutzen von Kunst und ihr Konflikt mit der Anerkennung der künstlerischen Autonomie (von 1962 bis 2001) Einleitung | 79 Das „Zweite Vatikanische Konzil“ (1962–1965) | 80

Der Nutzen von Kunst | 80 Die Freiheit der Kunst | 83 Praktische Anweisungen | 85 Zusammenfassung | 86 Die unmittelbar nachkonziliare Zeit | 87 Die Künstlermesse (1964) | 87 Das Rundschreiben „Opera Artis“ (1971) | 88 Die Wandelung des Kirchenraumes | 88 Die „Collezione d’arte Religiosa Moderna“ in den Vatikanischen Museen (1973) | 89 Das Lehrschreiben „Evangelii nuntiandi“ (1975) | 92 Zusammenfassung | 92 Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1962–1980) | 93

Erweiterungen und Neuaufstellungen (Mainz, Rottenburg, Osnabrück, Köln) | 93 Neubau (Paderborn) | 96 Neugründungen (Bamberg, Freising) | 97 Domschatzkammern und Dommuseen (Hildesheim, Aachen, Fulda, Minden, Regensburg) | 102 Österreich (Wien, Salzburg, Klagenfurt) | 104 Zusammenfassung | 106 Katholische Standpunkte zur Autonomie von Kunst. Eine exemplarische Gegenüberstellung (1980) | 107

Das Schreiben der Deutschen Bischofskonferenz über das Verhältnis von Kirche und Gegenwartskunst | 108 Die Ansprache an die Künstler von Papst Johannes Paul II. in München | 110 Die Ausstellung „Zeichen des Glaubens – Geist der Avantgarde“ in Berlin | 112 Zusammenfassung | 115

Kräftigung der Bedeutung von Kultur durch Behörden der römischen Kurie | 116

Der Codex Iuris Canonici (1983) | 117 Die Einrichtung der „Päpstlichen Kommission für die Erhaltung des künstlerischen und geschichtlichen Erbes der Kirche“ (1988) | 118 Zusammenfassung | 120 Das Jahrzehnt vor dem Heiligen Jahr 2000. Kunst im Fokus der Pastoral | 120

Katechismus der Katholischen Kirche (1992) | 120 Das Schreiben der Deutschen Bischofskonferenz über Kunst und Kultur in der theologischen Aus- und Fortbildung (1993) | 122 Das „Malta Dokument“ (1994) | 123 Das Schreiben der Deutschen Bischofskonferenz über Liturgie und Bild (1996) | 124 Ansprachen Papst Johannes Paul II. an Kulturbeauftragte (1997) | 125 Das Dokument der römischen Kurie über die Kulturpastoral (1999) | 126 Zusammenfassung | 127 Zeitgenössische Kunst im Kirchenraum | 129

Die katholische Kirche | 130 Die evangelische Kirche | 131 Zusammenfassung | 135 Die Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern im deutschsprachigen Raum | 137

Die Arbeitsgemeinschaft etabliert sich (1969–1990) | 137 Die Arbeitsgemeinschaft formuliert inhaltliche Ziele (1990–2000) | 139 Die Arbeitskreise „Museum und zeitgenössische Kunst“ und „Museum als Ort der Verkündigung“ (1996–2000) | 144 Zusammenfassung | 145 Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001) | 146

Regensburg | 147 Eichstätt | 148 Freising | 149 Trier | 156 Würzburg | 158 Köln | 162 Mainz | 172

Bamberg | 173 Paderborn | 175 Rottenburg | 178 Augsburg | 178 Domschatzkammern und Dommuseum (Münster, Frankfurt am Main, Fulda, Aachen) | 180 Österreich (Graz, Salzburg, Wien, Admont, Seitenstetten) | 183 Zusammenfassung | 188

TEIL III Museen der katholischen Kirche nach der Jahrtausendwende – vier Fallbeispiele (von 2001 bis 2010) Einleitung | 199 Für wen sollte das Museum der katholischen Kirche sein – Gläubige, Nichtgläubige und Abtrünnige | 204

Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz | 204 Würzburg „Museum am Dom“ | 211 Admont „Museum des Stifts Admont“ | 215 Freising „Dombergmuseum“ | 222 Köln „Kolumba“ | 225 Weitere Museen der katholischen Kirche | 231 Zusammenfassung | 232 Was sollten Museen der katholischen Kirche zeigen – Bewahren oder aktiv Sammeln | 235

Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz | 235 Würzburg „Museum am Dom“ | 237 Admont „Museum des Stifts Admont“ | 242 Freising „Dombergmuseum“ | 246 Köln „Kolumba“ | 250 Weitere Museen der katholischen Kirche | 254 Zusammenfassung | 255 Wie sollte das Museum der katholischen Kirche gestaltet sein – Musealer Anspruch versus pastorales Ziel | 260

Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz | 260 Würzburg „Museum am Dom“ | 264 Admont „Museum des Stifts Admont“ | 270

Freising „Dombergmuseum“ | 275 Köln „Kolumba“ | 279 Weitere Museen der katholischen Kirche | 289 Zusammenfassung | 290 Was sollte das Museum der katholischen Kirche vermitteln – Wissen weitergeben, Emotionen hervorrufen | 298

Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz | 298 Würzburg „Museum am Dom“ | 302 Admont „Museum des Stifts Admont“ | 304 Freising „Dombergmuseum“ | 306 Köln „Kolumba“ | 309 Weitere Museen der katholischen Kirche | 311 Zusammenfassung | 312 Wer sollte das Museum der katholischen Kirche betreiben – Theologischer Laie oder Kunst-Amateur | 313

Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz | 313 Würzburg „Museum am Dom“ | 318 Admont „Museum des Stifts Admont“ | 321 Freising „Dombergmuseum“ | 326 Köln „Kolumba“ | 331 Weitere Museen der katholischen Kirche | 336 Zusammenfassung | 336 Wie sollte das Museum der katholischen Kirche vernetzt sein – Alleingang, im Verbund oder in Kooperation | 339

Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz | 339 Würzburg „Museum am Dom“ | 341 Admont „Museum des Stifts Admont“ | 343 Freising „Dombergmuseum“ | 344 Köln „Kolumba“ | 345 Weitere Museen der katholischen Kirche | 348 Zusammenfassung | 348 Das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und bildender Kunst | 349

Aussagen der Deutschen Bischofskonferenz | 349 Verlautbarungen aus Rom | 351 Standpunkte: Einzelne Positionen | 355 Exkurs: Die evangelische Kirche | 359

Ein praktisches Beispiel: Die documenta | 360 Zusammenfassung | 361 Resümee | 363 Literaturverzeichnis | 373 Anhang | 429

Interviewleitfaden | 429 Tabelle 1 | 430 Tabelle 2 | 431 Zeitstrahl | 433

Einleitung

Jährlich wählt die deutsche Sektion des Internationalen Kunstkritikerverbandes (AICA) ein Museum des Jahres. 2013 erhielt diese Auszeichnung das „Kolumba. Kunstmuseum des Erzbistums Köln“. In der Begründung des AICA lautet der Schlusssatz: „Alles ist auf Beschaulichkeit und Wahrnehmung ausgerichtet, auf die Erziehung zur Langsamkeit des Sehens – wahrlich ein Museum gegen die Hektik der Zeit, in diesem Sinne ein Museum gegen den Strich und genau das, was AICA zu würdigen schätzt.“ (Koblenz, Danièle Perrier 2013)1

Als Kunstmuseen rücken Museen der katholischen Kirche seit einigen Jahren in die allgemeine Aufmerksamkeit, wie die Auszeichnung des „Kolumba“ als Museum des Jahres zeigt. Trotzdem ist vielen Menschen in Deutschland nicht bewusst, dass dieser Typus des Museums existiert bzw. wer solche Museen betreibt. Es gibt allein im deutschsprachigen Raum über 50 solcher Einrichtungen, es handelt sich dabei um Diözesanmuseen oder Domschatzkammern, aber seit Neuestem tragen sie auch Namen wie „Museum am Dom“, „Dombergmuseum“ oder eben „Kolumba“ – hier ist der Träger nicht mehr sofort im Namen impliziert. Das Museum in katholischer Trägerschaft ist ebenfalls kein neues Phänomen. Die vorliegende Arbeit veranschaulicht, dass diese ebenso lang existieren wie die Institution des Museums im Allgemeinen – das erste Museum in katholischer Trägerschaft im deutschsprachigen Raum wurde 1853 in Paderborn gegründet und das erste öffentliche Museum in katholischer Trägerschaft überhaupt existiert bereits seit 1734 in Rom, die katholische Kirche betrieb somit eines der ersten öffentlichen Museen Europas. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, Kunstmuseen unter katholischer Trägerschaft aus diachroner und synchroner Perspektive zu erfassen. Die Dissertation beleuchtet in zwei historischen Teilen die Institution des katholischen Muse-

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Aica 2014.

14 | M ISSION M USEION

ums und berichtet im dritten Teil, auf Grundlage einer empirischen Studie, über die aktuelle Arbeit von vier katholischen Museen. Die Untersuchung der Geschichte der Museen in katholischer Trägerschaft zeigt, dass es einen aktuellen Wandel in der Arbeitsweise dieser Institutionen zu verzeichnen gibt. Museen der katholischen Kirche wurden und werden teilweise immer noch eher als Aufbewahrungsort für ausgediente sakrale Gegenstände wahrgenommen, denn als durchdachte Kunsträume. Nun werden in vielen Diözesen diese Einrichtungen neu gestaltet und in einigen Fällen sogar ungewöhnliche Methoden der Präsentation und Vermittlung genutzt. Besonders hervorzuheben ist, dass einige dieser Häuser zeitgenössische Kunst kaufen und sammeln. Dies ist eine vollkommen neue Auffassung des Museums in katholischer Trägerschaft. Die in diesen Museen gezeigte Kunst ist nicht den Umweg über den Kirchenraum gegangen, sondern wird direkt für das Museum erworben. Dabei tauschen Kirchenraum und Diözesanmuseum ihre herkömmlichen Funktionen: Der Kirchenraum bewahrt die traditionelle sakrale Kunst auf, während das Diözesanmuseum neu angekaufte Kunst ausstellt. Die Kunst, welche gesammelt wird, ist nicht für sakrale Zwecke bestimmt, sondern wird museal präsentiert. So entstehen Räumlichkeiten, die typologisch zwischen einem sakralen Kirchenraum und einem Kunstmuseum anzusiedeln sind. Dass es auch Kunstsammlungen im katholischen Kontext gab, ist natürlich nicht von der Hand zu weisen – nicht zuletzt die großen Antiken-Sammlungen der Päpste in Rom. Und auch im 20. Jahrhundert wurde von Papst Paul VI. eine Sammlung moderner Kunst an die Vatikanischen Museen angegliedert. Die Museen in den Diözesen entstanden jedoch nicht aus einem Sammlungszusammenhang, sondern zunächst vorwiegend als Aufbewahrungsort für sich ehemals im Sakralraum befindliche Gegenstände. Der Stellenwert eines solchen Hauses als Kunstankäufer mit Etat ist ein Paradigmenwechsel und gibt diesen Museen einen vollkommen neuen Stellenwert. Das Verhältnis zwischen Kirche und Kunst spielt eine wichtige Rolle in der Kunstgeschichte, oft wird jedoch der aktuelle Zustand ausgeklammert. Durch das Entstehen von zeitgenössischen Kunstsammlungen in katholischer Trägerschaft und von modernen Diözesanmuseen ergeben sich neue Räume für zeitgenössische Kunst, die auch in der Kunstgeschichte wahrgenommen, analysiert und definiert werden müssen. Die vorliegende Arbeit wird diesem Desiderat begegnen. Um die Museen der katholischen Kirche in der Gegenwart analysieren zu können, ist es unabdingbar, die Geschichte und die Entwicklungen dieser Institution zu kennen. Das aktuelle Phänomen gab den Anlass dafür, erstmalig die historische Entwicklung des Museums unter katholischer Trägerschaft im deutschsprachigen Raum wissenschaftlich zu erfassen. Bisher gibt es keinerlei Überblickswerk über die Institution des Museums in katholischer Trägerschaft. Deswegen wurden für den historischen Überblick hauptsächlich Primärquellen herangezogen, einerseits wegen des Mangels an Sekundärmaterial, andererseits wegen der oft konfessionellen Prägung der wenigen bestehenden Einzeluntersuchungen. Als Quellen dienten

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offizielle Verlautbarungen der römischen Kurie sowie der deutschen Bischofskonferenz zu katholischen Museen, als auch Daten einzelner katholischer Museen im deutschsprachigen Raum und ebenfalls von Museen der katholischen Kirche in Rom. Dieses Material wurde in Bezug gesetzt zu dem politischen Zeitgeschehen, der Entwicklung des allgemeinen Museumswesens und zum generellen Verhältnis zwischen Kunst und katholischer Kirche. Der erste und zweite Teil dieser Arbeit dienen der Klärung und Erarbeitung von historischen Hintergründen. Der historische Überblick beginnt mit dem Jahr 1733, in welchem der „Edikt des Camerlengo Annibale“ erscheint, das erstmals die Nennung eines Museums in einem vatikanischen Schreiben enthält. Dieser Teil stellt den Kontext der Entstehung der ersten Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum dar und zeigt ebenfalls die fortschreitende Entfremdung von Kunst und Kirche. Teil I umfasst den Zeitraum bis 1962, den Beginn des „Zweiten Vatikanischen Konzils“. Teil II beginnt mit den Ergebnisschriften des „Zweiten Vatikanischen Konzils“, welche eine Veränderung des Verhältnisses zwischen katholischer Kirche und bildender Kunst einläuten sollten; sie zeigen eine Besinnung der katholischen Kirche auf den Nutzen von Kunst und verdeutlichen den Konflikt der Kirche mit der Anerkennung der künstlerischen Autonomie. Die darauf folgenden Entwicklungen und die Auswirkungen auf das Museum der katholischen Kirche bis zum Jahre 2001 werden in Teil II betrachtet. Die Zäsur für Teil III bildet das „Rundschreiben über die pastorale Funktion kirchlicher Museen“ aus dem Jahre 2001. Die Kapitel sind chronologisch angeordnet und werden durch die zwei oben genannten Ereignisse, die das Museum der katholischen Kirche mitbestimmt haben, in drei Teile untergliedert. Wegen der spezifischen Literatur und den besonderen methodischen Vorgehensweisen in den einzelnen Teilen, wird jeder der drei Teile durch eine separate Einleitung eröffnet, welche die spezielle Literaturlage und Methodik erläutert. Die drei Teile der Arbeit sind wiederum in Kapitel zu bestimmten Themenkomplexen gegliedert, in welchen mehrere Quellen und oder Beispiele ausgewertet werden. Nach den Einzelanalysen enden diese Kapitel jeweils mit einer Zusammenfassung, welche die Einzelanalysen zu einem Ergebnisstrang bündelt und mit weiteren Quellen in Zusammenhang bringt. In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff „Museum der katholischen Kirche“ genutzt. In Kreisen der katholischen Kirche ist hingegen die Bezeichnung „kirchliches Museum“ üblich. Da sich die vorliegende Arbeit aber nicht mit kirchlichen Museen anderer Konfessionen, sondern ausschließlich mit katholischen auseinandersetzt – Museen der evangelischen Kirche werden nur in Ausblicken behandelt – wird der Ausdruck „Museum der katholischen Kirche“ gewählt. Museen der evangelischen Kirche eignen sich nicht für eine vergleichende Analyse, da die lutherisch-evangelische Kirche nur wenige Museen im deutschsprachigen Raum betreibt und dabei kein ausschließliches Kunstmuseum.

16 | M ISSION M USEION

Die Institution des Museums der katholischen Kirche steht in dieser Untersuchung im Vordergrund, die Kunst, die in diesem Zusammenhang gesammelt wird, wird nicht im Detail betrachtet. Jedoch zeigt die Untersuchung, dass das allgemeine Verhältnis von Kunst und Kirche eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Museums der katholischen Kirche spielt. Dem Thema „Kunst und Kirche“ galt im November 2009 ein Tagesschau-Beitrag. Auch die meisten Tages- und Wochenzeitungen berichteten in ihrer darauf folgenden Ausgabe von dem Ereignis: Papst Benedikt XVI. hatte 200 Künstler in den Vatikan eingeladen, um das Verhältnis zwischen Kirche und Kunst zu thematisieren. Zum ersten Mal wurden auch Künstler nichtchristlichen Glaubens eingeladen, doch nicht zum ersten Mal bemühte sich der Vatikan darum, einen Dialog mit Künstlern einzugehen. Papst Paul VI. hatte 1964 ebenfalls Kunstschaffende in den Vatikan geladen und im Jahre 1999 schrieb Papst Johannes Paul II. den ersten Brief eines Papstes an diese Berufsgruppe. Dass die Päpste in den letzten 50 Jahren Künstler direkt ansprachen, ist nicht unbedingt ein Zeichen eines fortbestehenden guten Verhältnisses zwischen Kunst und Kirche, sondern zeigt vielmehr einzelne Bemühungen um die Wiederherstellung einer guten Beziehung. Teil I und II der Arbeit veranschaulichen die Entwicklung des Verhältnisses zwischen der katholischen Kirche und der Kunst, die Bemühungen der katholischen Kirche, einer Entfremdung zwischen Kunst und Kirche entgegen zu wirken und ihr Problem mit der Anerkennung der Autonomie von Kunst. In Teil I und Teil II konnte gezeigt werden, dass die Entwicklung des Museums der katholischen Kirche parallel zur Geschichte des Kunstmuseums im Allgemeinen verläuft. Auch die politischen Umstände bleiben in der vorliegenden Arbeit nicht unbeachtet. Es wird u. a. aufgezeigt werden, dass Museen der katholischen Kirche in keiner Zeit einfache „Abstellkammern“ waren, auch wenn von katholischer Seite die Funktion zur Aufbewahrung kirchlicher Kunstgüter, welche z. B. durch die Säkularisierung heimatlos geworden waren, hervorgehoben wird. Als Beispiel seien hier einige Motive für die ersten Gründungen von Museen der katholischen Kirche in deutschsprachigen Gebieten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts genannt. Diese entstanden aus dem Zusammenwirken von spezifisch katholischen Beweggründen und Motivationen, die auch für die Gründung profaner Museen ihrer Zeit gelten. Es stellt sich jedoch auch heraus, dass Museen der katholischen Kirche im 19. Jahrhundert meist von politisch aktiven Katholiken initiiert wurden. Zwar wurden in den Museen keine konkreten politischen Statements gesetzt, aber es gelang, diese als Plattform für die Verbreitung eines eigenen Stils zu nutzen. So konnten bestimmte Bevölkerungsgruppen indirekt für katholische Interessen gewonnen werden. Der letzte Teil der Arbeit behandelt die unmittelbare Vergangenheit. Es stellt sich auch hier die Frage: Wieso betreibt die katholische Kirche in der Gegenwart mit einem nicht geringen finanziellen Aufwand – in Köln kostete allein der Museumsneubau 43 Millionen Euro – Museen, die aktiv sammeln? Wenn man Besucher-

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statistiken von Kunstmuseen betrachtet, so stellt sich heraus, dass meist über 50 % der Museumsbesucher einen Studienabschluss besitzen, während diese Personengruppe in der gesamtdeutschen Bevölkerung nur rund ein Zehntel ausmacht. Naheliegend wäre es, anhand steigender Museumsbesucherzahlen und fallender Teilnehmerzahlen an Gottesdiensten zu vermuten, die katholische Kirche suche den Weg zu einer sozialen Gruppe in unserer Gesellschaft, welcher der Museumsbesuch am Sonntag näher liegt als der Gang in die Kirche. Würde man hier nun einen Vergleich mit dem mittelalterlichen Bildverständnis Gregor des Großen ziehen, könnte man überspitzt sagen: Bilder sind nicht mehr die „Biblia pauperum“, sondern die „Biblia pecuniosorum“. Nicht die Bibel der Armen, sondern die Bibel der Wohlhabenden. Die Kunst der Gegenwart als Vermittlung der Heilsbotschaft nicht mehr für die des Lesens Unkundigen, sondern für die Belesenen. Der dritte Teil dieser Arbeit wird neben dieser Frage – für wen das Museum der katholischen Kirche betrieben wird – auch analysieren, wie es gestaltet ist, was es vermitteln soll, wer es betreibt und wie es vernetzt ist. In Teil III wird der Zeitraum von 2001 bis 2010 neben Literatur und Quellenarbeit zusätzlich anhand von vier Fallbeispielen betrachtet, dabei handelt es sich um „Kolumba“ in Köln, das „Museum am Dom“ in Würzburg, das „Dombergmuseum“ in Freising und das „Museum des Stifts Admont“ in Österreich. Diese vier Häuser haben gemeinsam, dass sie aktiv zeitgenössische Kunst sammeln. Die Dissertation zeigt und analysiert die Arbeitsweisen und Intentionen der Betreiber sowie die Resonanz auf ihre Arbeit. Dies konnte bis zu einem gewissen Punkt über klassische Methoden der Kunstgeschichte erfolgen. So wurden zunächst bereits vorhandene Materialien, wie Veröffentlichungen der Museen und Zeitungsartikel, ausgewertet. Anhand dieser Daten wird das offizielle Bild, welches die Museen nach außen hin vermitteln, rekonstruiert und die öffentliche Meinung über die Museen mit Hife der Pressereaktionen analysiert. Auch die Architektur, die Ausstellungs- und Vermittlungsmethoden ließen sich mit dem in der Kunstgeschichte üblichen Instrument der Beschreibung erfassen. Um Einsichten in weitere Dimensionen der Museen zu gewinnen, wurden mit den Kuratoren der Häuser problemzentrierte Experteninterviews durchgeführt. Das Instrument der qualitativen Empirie stammt aus der Soziologie und wird in der Kunstgeschichte bisher kaum verwandt. Bei Untersuchungen, die ein zeitgenössisches Themenfeld betreffen, bieten sie jedoch die einmalige Möglichkeit, neues Material zu generieren, welches durch Archivmaterial nicht zu ersetzen ist. Zum Führen der Interviews war eine intensive Recherche der Interviewtechnik und Analysemethoden nötig, um eine Methode festzulegen. Eine eingehende Darstellung der genutzten Methoden ist in der Einleitung von Teil III zu finden. Durch die Experteninterviews konnten neue Daten über die Arbeitsweisen der Häuser und ihre Kooperationen gewonnen werden. Die Auswertung zeigt, dass sich einige der Museen der katholischen Kirche dezidiert von einer kunsthistorischen Arbeitsweise absetzen möchten. Diese Häuser wählen Präsentationsweisen

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von Kunst, bei welchen Faktenwissen in den Hintergrund tritt und der Besucher stärker emotional angesprochen werden soll. Die vorliegende Arbeit lässt sich in den Gebieten der Institutionsgeschichte, der sozialen Kunstgeschichte und der New Museology verorten. New Museology bzw. die Neue Museologie stellt einen Perspektivenwechsel in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Museum dar. Er vollzog sich in den 1980er-Jahren, u. a. begann man damit, nicht mehr nur die Methoden des Museums zu betrachten, sondern das Museum als Institution theoretisch zu hinterfragen. Zwar gibt es einige wenige Publikationen, welche sich mit einzelnen Museen der katholischen Kirche auseinandersetzen – z. B. von den Museen selbst herausgegeben – jedoch gibt es keine wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, die diese Selbstreflexionen untersuchen und Vergleiche anstellen. Da diese Untersuchungen außerdem von den Museen selbst oder von Mitarbeitern der katholischen Kirche angefertigt wurden, liegt ihnen kein unabhängiger Blick zugrunde. In einigen Fällen bieten diese Quellen wichtige objektive Fakten zur Geschichte eines Hauses, aber keine tiefergehenden oder vergleichenden Analyseebenen. Die vorliegende Arbeit unterscheidet sich von existierenden Untersuchungen durch ihre Verortung im Fach Kunstgeschichte und dem Fehlen von konfessionell geprägten Motivationen. Vielmehr möchte sie die Institution des Museums der katholischen Kirche von einem neutralen Blickpunkt aus in Vergangenheit und Gegenwart betrachten. Entwicklungsstränge dieser Institution werden benannt und Schlüsse über die wechselnden Motivationen der Betreiber gezogen werden und eine allgemeine Entwicklungskurve von 1733 bis ins Jahr 2010 aufzuzeigen. In der Zusammenschau wird das bisher von kunsthistorischer Seite kaum berücksichtigte Forschungsfeld des konfessionell geprägten Museums erstmals systematisch bearbeitet. Ich möchte mich bei den Menschen und Institutionen bedanken, die am Gelingen dieser Arbeit maßgeblich beteiligt waren. Der empirische Teil dieser Arbeit hätte nicht ohne die Kooperation des „Museums am Dom“ in Würzburg, des „Museums des Stifts Admont“, des „Dombergmuseums“ in Freising sowie des „Kolumba“ in Köln entstehen können. Besonders bedanken möchte ich mich bei den Direktoren und Kuratoren dieser Häuser, die ich interviewen durfte und die somit einen Einblick in ihre Arbeit gewährt haben. Bedanken möchte ich mich auch bei der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“, deren Archiv ich sichten durfte, welches mir das „Mainzer Domund Diözesanmuseum“ dankenswerterweise zugänglich gemacht hat. Mein Dank gehört auch auch den Menschen, die durch Gespräche, Diskussionen und Ratschläge meine Arbeit bereichert haben, allen voran meiner Doktormutter Prof. Dr. Katharina Krause. Ebenso meinem Zweitprüfer Prof. Dr. Hubert Locher, dem Marburger Doktorandenforum Kunstgeschichte, Sigrun Galter und meinen Eltern Margitta Köhler-Knacker und Thomas Knacker.

Teil I Die ersten Museen der katholischen Kirche und die Entfremdung von Kunst und Kirche (von 1733 bis 1962)

E INLEITUNG Betrachtet man die Geschichte der Kunst, so spielen christliche Motive in der Entwicklung von Malerei und Skulptur über einen großen Zeitraum eine sehr wichtige Rolle. Genauso richtig ist es, zu sagen: Betrachtet man die katholische Kirchengeschichte, so spielt bildende Kunst1 in großen Teilen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Frage, wie man mit Bildern umgeht, war nicht nur einmal ein zentraler Punkt in innerkirchlichen Auseinandersetzungen und führte mitunter zu Kirchenspaltungen. Zu nennen sind die Trennung in Ost- und Westkirche oder die Reformation und selbst unter den Reformatoren führte die Frage nach dem Umgang mit den Bildern zu Kontroversen. Der Konflikt der katholischen Kirche im 20./21. Jahrhundert, was den Umgang mit Gegenwartskunst betrifft, ist also nicht neu. Scheinen Kunst und Kirche im Mittelalter auch eine Einheit gebildet zu haben, brachten die Fragen, wie die Werke auszusehen haben und wie man mit ihnen umgeht, schon in der Geschichte ein Konfliktpotenzial mit sich. Zahlreiche Publikationen beschäftigen sich mit der Geschichte der christlichen Kunst, doch meist wird ein begrenzter Zeitraum im Detail betrachtet. Überblickswerke, die zu diesem Thema erschienen, sind von Autoren verfasst, welche konfessionell geprägt sind. Wichtigste Publikationen von katholischer Seite wurden von

1

Der Einfachheit halber wird im Folgenden, wenn von gemalten Bildwerken, Architektur oder Skulpturen die Rede ist, der Begriff „bildende Kunst“ verwandt. Belting beschäftigte sich 1991 in seinem Werk „Bild und Kult“ mit der Unterscheidung zwischen Kunst- und Kultbild und kam zu der Definition, dass ein Bild, das eine Person darstellt und wie eine Person behandelt wird, ein Kultbild ist, Kunst hingegen von einem autonomen Künstler erschaffen wurde und den Kunstcharakter der Erfindung besitzt. (Vgl. Belting 1991).

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Ralf von Bühren (lehrt an der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom) 2, Christoph Dohmen (Inhaber des Lehrstuhls für Biblische Theologie an der Universität Regensburg, Mitglied der Päpstlichen Bibelkommission) und Thomas Sternberger (Direktor der Katholischen Akademie Franz-Hitze-Haus, kulturpolitischer Sprecher des Zentralkomitees der deutschen Katholiken) verfasst.3 Auf protestantischer Seite ist die Publikation von Hort Schwebel (Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart, Forschungseinrichtung der EKD an der Philipps-Universität Marburg) zu nennen.4 Diese Publikationen bieten eine wichtige Grundlage für die Bearbeitung des Themas, jedoch dürfen diese wegen der Prägung der Autoren nicht ohne eine kritische Distanz herangezogen werden. So weit wie möglich wurde deswegen auf Primärquellen, wie offizielle Papiere der römischen Kurie und Papstreden, zurückgegriffen. Bereits seit dem Mittelalter gibt es gesonderte kirchliche Räumlichkeiten, die hauptsächlich für die Aufbewahrung von Kunstgegenständen vorhanden sind. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts werden konkret Museen der katholischen Kirche eröffnet. Der folgende historische Überblick analysiert die Entwicklung des Museums der katholischen Kirche. Dies geschieht in Anbetracht des Werdegangs des Verhältnisses der katholischen Kirche zur bildenden Kunst. Bis auf eine Aufsatzpublikation5 findet sich zur Frage der Geschichte des Museums der katholischen Kirche keine Überblicksliteratur.6 Lediglich zu einzelnen Institutionen sind historische Überblicke erschienen.7 Sowohl der Aufsatz über die Gründung der rheinischen Museen der katholischen Kirche als auch die Geschichte der einzelnen Museen, wurden im Auftrag der Institutionen selbst verfasst.

2

Vgl. Bühren 2008.

3

Vgl. Dohmen 1987.

4

Vgl. Schwebel 2002.

5

Einen der wenigen wissenschaftlichen Ansätze, die Entstehung des kirchlichen Museums mit quellenkundlichen Untersuchungen zu ergründen, bietet Winfried Weber in seinem Aufsatz „Die Gründung der rheinischen Diözesanmuseen und ihre Zielsetzungen“ (Vgl. Weber 1999). Er beschränkt sich in seiner Untersuchung auf die rheinischen Museen, die jedoch auch die ersten im deutschsprachigen Raum waren. Seine Hauptquelle ist die Zeitschrift „Organ für christliche Kunst“, welche das Portal der damaligen Diskussionen darstellt.

6

„Festzustellen ist jedoch, daß der ebenfalls im 19. Jahrhundert im kirchlichen Raum verfolgten Museumsidee und den damals auch tatsächlich realisierten ‚Diözesanmuseen‘ keine Beachtung zuteil wurde. Auch sonst findet sich in der neueren museologischen Literatur offenbar bislang keine umfassende, das ‚Diözesanmuseum‘ betreffende Studie, obwohl dieses Thema durchaus einer Bearbeitung wert ist.“ (Weber 1999. S. 106).

7

U. a. Plotzek 2003; Ecker 2008; Stiegemann 1994; Hahn/Heisig 2010; Lenssen 2003.

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Der Überblick beginnt 1733. An gegebenen Stellen wird jedoch auf Ereignisse verwiesen, welche vor dem Zeitraum liegen. Es werden sowohl theoretische und politische Aussagen thematisiert als auch ästhetische Entwicklungen, es wird dabei jedoch kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Teil I umfasst den Zeitraum von 1733 bis zum Jahre 1962, das Jahr, in welchem das „Zweite Vatikanische Konzil“ begann.

D IE ERSTEN ZU M USEEN

OFFIZIELLEN PÄPSTLICHEN

AUSSAGEN

Die ersten päpstlichen Dokumente über Museen stammen aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Es ist bei diesen Dokumenten zu bedenken, dass es sich bei den genannten Museen um Museen innerhalb des Kirchenstaates handelt und sich die katholische Kirche in diesem Fall auch als weltlich-politischer Herrscher präsentierte. Das Edikt des Camerlengo Annibale (1733) Lorenz Wolf fand die erste Nennung eines Museums in einem vatikanischen Schreiben aus dem Jahre 1733. Am 10.9.1733 wurde von Camerlengo (Kardinalkämmerer) Annibale ein Edikt erlassen, welches sich vor allem mit dem Ausfuhrverbot von Kunstwerken aus dem Kirchenstaat befasste. Es handelte sich dabei nicht um das erste Edikt mit diesem Anliegen. Bis dato nannte man als Begründung für den Schutz der Kulturgüter die Mehrung des Ruhms und die Dokumentation der Profan- und Kirchengeschichte. Im Edikt von 1733 traten nun weitere Begründungen hinzu. So sollten Skulpturen und Malerei für Reisende einen Anreiz darstellen, die Stadt zu besuchen.8 Hierzu ist anzumerken, dass der „Grand Tourism“ in dieser Zeit nicht nur dazu führte, dass mehr Besucher nach Rom kamen, um die Antiken anzuschauen, sondern sie auch kauften und exportierten.9 Dem musste Einhalt geboten werden. Neu war im Edikt weiterhin, dass die Kunstwerke auch als Vorbilder für das Studium der Kunstschaffenden dienen sollten. Dies würde zum Fortschritt des öffentlichen und privaten Wohles beitragen. Die Institution des Museums wurde im Zusammenhang mit dem Schwarzmarkt genannt: Auf dem Schwarzmarkt würden Gemmen, Intaglien, Bronzen und Münzen aller Art, die für das Ansehen der römischen Museen von großer Bedeutung gewesen wären, gehandelt.10 Wolf sagt zur Entwicklung des Museums im Kirchenstaat:

8

Vgl. Wolf 2003. S. 107.

9

Vgl. Paul 2007. S. 68.

10 Vgl. Wolf 2003. S. 107.

22 | M ISSION M USEION „Die Entwicklung von Museen als Aufbewahrungsorte von Kulturgütern entsprang weniger einer gezielten Gesetzgebung als einem tatsächlichen Handeln, das mehr oder weniger der Notwendigkeit folgte, geeignete Räume für erhaltungswürdiges Kunst- und Kulturgut zu schaffen.“11

Die Vorläufer der Vatikanischen Museen An dieser Stelle ist ein kurzer Überblick über die Entwicklung der Vatikanischen Museen hilfreich für das Verständnis. Als Vorläufer der Museen in Rom, im direkten Sinne der Kapitolinischen Museen, aber indirekt auch der Vatikanischen Museen, wird die Aufstellung von antiken Bronzestatuen auf dem Kapitol durch Papst Sixtus IV. im Jahre 1471 genannt. Paul sieht in dieser Aufstellung ein klares politisches Statement: „The transfer of the Lateran collection to the Campidoglio and its donation to the Popolo Romano marked yet another transformation of meaning. The Campidoglio had been the political and religious center of ancient Rome, republican and imperial alike, and remained the seat of civic government. […] By the mid-fifteenth-century the power of the medieval commune was long since past: Rome was part of the Papal States, and the popes reserved the right to appoint the city’s senator. Sixtus IV.’s gesture, however, served to identify papal succession with civic pride.“12

Nach der Aufstellung von Statuen durch Sixtus IV. wuchs die Sammlung auf dem Kapitol weiter durch Stiftungen von Päpsten oder anderen Gebern. Die Stücke sollten die Größe des antiken Roms zeigen.13 Im Vatikan selbst wurden 1506 die von Papst Julius II. (1503–1513) geschenkten antiken Skulpturen im angrenzenden Garten des Belvederepalastes aufgestellt. Bis zum 18. Jahrhundert gab es nun keine weiteren öffentlichen Präsentationen von Kunst.14 Erst unter Papst Clemens XI. (1700–1721) kam es wieder zu einer Aufstellung von Kunstwerken, er eröffnete ein Museum christlicher Altertümer im Vatikan.15 Dies geschah auf Anregung des Präsidenten der römischen Altertümer Monsignor Francesco Bianchini, der Ausgra-

11 Wolf 2003. S. 213f. 12 Paul 2007. S. 66. 13 Vgl. Paul 2007. S. 66. 14 Unter Papst Pius V. (1566–1572) wurden einige der Antiken aus dem Vatikan entfernt, da man die Befürchtung hatte, die Beschäftigung mit der heidnischen Kultur würde zum Glaubensabfall führen. (Vgl. Wolf 2003. S. 151). 15 Wolf nennt es das „Museo Ecclesiastico“, welches von 1703–1716 bestanden hätte (Wolf 2003. S. 152), während Röttgen von den Jahren 1706–1710 berichtet, geschlossen wurde es wahrscheinlich aus Kostengründen (Röttgen 1982. S. 129).

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bungen betreute und die Ausfuhr von Altertümern kontrollierte. 16 Allerdings existierte das Museum nur einige Jahre im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts und wurde danach wieder geschlossen. Somit bestand während der Erscheinung des oben beschrieben Ediktes aus dem Jahre 1733 kein Museum der katholischen Kirche. Die ersten Museen auf dem Kapitol (1734 und 1749) Schon 1734 eröffnete, ein Jahr nach Erscheinung des Ediktes, auf dem Kapitol ein Museum antiker Skulpturen. Diese Eröffnung kann eng mit dem Edikt in Verbindung gebracht werden: „Mit dieser strengen Ausfuhrbeschränkung war praktisch ein Kaufzwang seitens des Staates gegeben, der auf die Dauer gesehen, die Gründung öffentlicher Museen zwangsläufig nach sich zog.“17 Die Idee, eine öffentliche Sammlung antiker Skulpturen auf dem Kapitol einzurichten, stammte von Marchese Alessandro Gregorio Capponi, einem Antiquar und Freund Papst Clemens XII. Er überredete den Papst, eine Sammlung von antiken römischen Skulpturen von Kardinal Alessandro Albani zu erwerben.18 Die Skulpturen im Kapitolinischen Museum wurden nach Thema und Typologie gruppiert. Die Größe der Kunstwerke spielte jedoch auch eine Rolle, da man harmonische Arrangements haben wollte. Berühmte Skulpturen waren oft das zentrale Kunstwerk eines Raumes. Diese Art der Aufstellung hatte bereits eine lange Tradition, wenn man Antiken in römischen Sammlungen ausstellte. Jedoch war es neu, dass man keine „modernen“ Skulpturen oder Gemälde zu den Antiken hinzufügte, wie es in privaten Sammlungen manchmal der Fall war. Die Büsten wurden chronologisch geordnet und die Inschriften nach Gegenstand und Datum sortiert. 19 Paul sieht in diesem Museum das erste öffentliche Museum Europas.20 Zuvor wurde diese Bezeichnung dem British Museum in London zuteil, welches 1759 eröffnete. Es gibt in den letzten Jahren neue Forschungen zu der Frage der Öffentlichkeit von Museen, so dass z. B. durch die Publikation „Tempel der Kunst. Die Entstehung des öffentlichen Museums in Deutschland 1701–1815“ auch fürstliche Sammlungen zu Beginn des 18. Jahrhunderts nach ihrem Öffentlichkeitscharakter befragt werden.21 Jedoch wurde durch Pauls Untersuchung klargestellt, dass es sich 16 Vgl. Röttgen 1982. S. 129. 17 Röttgen 1982. S. 133. 18 „He defined the anticipated museum-going publicas dilettantes, foreigners, and youth finishing their education, indicating the extent to which the project was a response to Grand Tourism. In fact, it was a response to the desire of tourists not just to see the antiquities of Rome, but also to buy and export them.“ (Vgl. Paul 2007. S. 68). 19 Vgl. Paul 2007. S. 69. 20 Vgl. Paul 2007. S. 66. 21 Vgl. Savoy 2006. S. 9f.

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bei dem Kapitolinischen Museum um eines der ersten Museen in Europa handelt, welches einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich war. 1749 kam zu der Skulpturensammlung auf dem Kapitol eine Galerie mit Gemälden hinzu, die „Pinacoteca Capitolina“, es handelt sich um die erste öffentliche Gemäldesammlung des Kirchenstaates.22 1748 hatte Papst Benedikt XIV. (1740– 1758) 187 Gemälde aus der Sammlung des Marchese Giovan Battista Sacchetti erworben. Dies geschah bereits mit dem Ziel, diese auf dem Kapitol auszustellen: für die Zierde und die Herrlichkeit Roms, aber auch als Vorbild für junge Künstler.23 1754 öffnete Benedikt einen Raum für die Schüler der Accademia di San Lucca. In dieser Schule wurden Maler aus ganz Europa unterrichtet und man behauptete seinen Ruf als internationale Hauptstadt der Kunst.24 Paul sieht in der Kombination von Museum und künstlerischer Ausbildung auf dem Kapitol das Vorbild für den „Louvre“: „This efficient conjunction of museum and academy offered a unique educational opportunity for artists in later eighteenth-century Europe and its impact can be clearly seen: one of the chief arguments for the creation of a national museum in France in the early 1790s was to give artists access to a wide variety of models from which to develop in the best academic tradition.“25

Das Edikt des Camerlengo della S.R.C. (1750) Am 5.1.1750 erschien ein weiteres Edikt über die Ausfuhr von Kunstgütern. Zu dieser Zeit bestand sowohl das Antikenmuseum als auch die Pinakothek auf dem Kapitol. In diesem Edikt wurde nun konkret angegeben, dass alle antiken Statuen, Marmorarbeiten, Bronzen, Gemälde und alle Art von Bildern zu beschlagnahmen seien, die illegal aus dem Kirchenstaat veräußert werden sollten, um diese den Galerien auf dem Kapitol zuzusprechen. Dies solle zum Wohle der Allgemeinheit und zur dauernden Ehre des Papstes geschehen, der sich um die Erhaltung der Antiken bemühe.26 Die Apostolische Konstitution „Ad optimarum artium“ (1757) und Gründungen von Vatikanischen Museen Wenige Jahre später gab Papst Benedikt XIV. (1740–1758) mit der Apostolischen Konstitution „Ad optimarum artium“ vom 30.09.1757 Normen für die Erhaltung 22 Das Museum unterstand der Camera Apostolica und nicht der Kommune. (Vgl. Dohna 2006. S. 99). 23 Vgl. Pietrangeli 1996. S. 12. 24 Vgl. Paul 2007. S. 70. 25 Paul 2007. S. 70. 26 Vgl. Wolf 2003. S. 113.

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und Erweiterung der Sammlung. Der Papst wollte durch die Sammlung von antiken Überresten des Christentums die alten kirchlichen Traditionen und geschichtlichen Entwicklungen sowie die Ursprünge von Riten und Feiern dokumentieren und anschaulich machen. Damit die Sammlung Gelehrten besser zugänglich würde, sollten die Objekte, welche er teils geschenkt erhalten, teils gekauft hatte, an einem einzigen Ort zusammengetragen und in angemessener Weise aufgestellt werden.27 Das „Museo Sacro“ wurde als Sammlung zur Kirchengeschichte der ersten Jahrhunderte im Vatikan gegründet. In diesem Museum wurden unterschiedliche Werke ausgestellt, u. a. Tafelbilder und griechische Ikonen.28 In dieser Apostolischen Konstitution wurde erstmals ein Museum der katholischen Kirche direkt als Museum behandelt, nicht wie in den zuvor erschienenen Edikten als Aufbewahrungsraum für beschlagnahmte Kulturgüter. Dementsprechend wendete sich die Idee vom Vatikanischen Museum als eine Folgeinstitution zu einer gezielt begründeten Einrichtung. Papst Clemens XIII. (1758–1769) wiederholte im Apostolischen Schreiben vom 4.8.1761 die Aussagen seines Vorgängers und fügte hinzu, dass es den Nachfolgern unter Androhung der Exkommunikation verboten war, die Sammlungen aufzulösen oder Teile zu veräußern. Das „Museo Sacro“ wurde an der Südseite der „Galleria Urbano VIII.“ eingerichtet.29 Im Schreiben von 1761 war auch schon die Gründung eines „Museo Profano“ beschlossen worden.30 1768 wurde dieses für heidnische Kunstwerke im nördlichen Bibliothektrakt eröffnet.31 In den Vatikanischen Museen hatte man von Anfang an zwischen „christlicher Kunst“ und „nichtchristlicher Kunst“ unterschieden, anders als in den Kapitolinischen Museen.32 Da der Platz für Antiken in den Kapitolinischen Museen nicht ausreichte, gründete Papst Clemens XIV. (1769–1774) ein Museum für griechische und römische Kunstwerke im Vatikan und ließ einen Neubau errichten. Dieser wurde 1775 durch Papst Pius VI. (1775–1799) erweitert und erhielt den Namen „Museo Pio-Clementino“.33 Im Jahre 1790 wurde das „Museo Pio-Clementino“ um eine Gemäldesammlung erweitert.34 Laut Wolf waren die Museen im Vatikan im heuti-

27 Vgl. Wolf 2003. S. 153. 28 Serlupi Crescenzi nennt als Jahr der Eröffnung 1756, Pietrangeli 1757 (Vgl. Serlupi 1996. S. 551 und Pietrangeli 1996. S. 12). 29 Vgl. Serlupi Crescenzi 1996. S. 551. 30 Vgl. Röttgen 1982. S. 148. 31 Vgl. Serlupi Crescenzi 1996. S. 551. 32 Vgl. Dohna 2006. S. 153. 33 Vgl. Wolf 2003. S. 157. 34 Vgl. Pietrangeli 1996. S. 16.

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gen Sinne nicht öffentlich, konnten aber von Studierenden und Interessierten besucht werden.35 Zusammenfassung Der Kirchenstaat des 18. Jahrhunderts bemühte sich, seine Kunstgüter zu erhalten. Die Gründe dafür sind Repräsentation, Dokumentation von Geschichte, Schaffung eines touristischen Anreizes und einer künstlerischen Vorbildfunktion. Das römische Museum der katholischen Kirche war bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts Folge des kirchlichen Erhaltungswunsches der Kunstgüter, danach wurde die Einrichtung von Museen in Rom direkt gefordert. Wurden zuerst antike Skulpturen ausgestellt, kamen später Museen für Gemälde und im Vatikan ein Museum explizit für christliche Kunstwerke hinzu. Das öffentliche Museum in katholischer Trägerschaft existiert bereits seit 1734, die katholische Kirche betrieb somit eines der ersten öffentlichen Museen Europas.

D IE F RANZÖSISCHE R EVOLUTION

UND IHRE

F OLGEN

Durch die Französische Revolution war es in großen Teilen Europas zu einer Trennung von Staat und Kirche gekommen. Die Kirche trat als Auftraggeber für Kunst stark zurück. Nach dem Sieg Napoleons hatte der Kirchenstaat besonders starke Verluste an Kunstgütern zu verzeichnen. Durch den Vertrag von Tolentino vom 19.2.1797 wurden viele Kunstwerke der Antike und Gemälde der römischen Museen nach Paris geholt.36 Der „Louvre“ (1793) Der „Louvre“, der ehemalige Palast des Königs, wurde 1793 ein Museum. Die Sammlung aus enteigneten Kunstgütern des Adels und der Kirche konnte kostenlos von allen Bürgern besucht werden und stand ebenfalls zu bestimmten Zeiten Künstlern offen, um dort Kopien anzufertigen.37 Erstmals gab es eine durchgängige Beschriftung38 der Exponate und es konnte ein preiswerter Museumsführer erworben werden.39 Das Museum sollte eine Schule des Geschmacks sein. Ein Machtwechsel 35 Vgl. Wolf 2003. S. 158. 36 Vgl. Wolf 2003. S. 168. 37 Vgl. Grasskamp 1981. S. 21–24. 38 Baur beschrieb, dass eine Wandlung des Publikums der Museen im 19. Jahrhundert, von einem elitären Publikum von Kennern zu einer Öffnung für einen weiteren Kreis, einherging mit dem Wandel von einer sparsamen bis gar nicht vorhandenen Beschilderung zu einer Wertlegung auf Vermittlung und Erklärung der Objekte. (Vgl. Baur 2010. S. 28). 39 Vgl. Joachimides 2001. S. 22.

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über die Kunst findet statt, die bürgerliche Gesellschaft beerbte die alten Feudalmächte, den Adel und die Kirche. Sie wollten Kunst öffentlich machen, jedoch beschränkte man sich diesmal auf Malerei und Skulptur.40 Kunstwerke wurden nach Malereischulen und innerhalb dieser chronologisch gehängt.41 Diese Entwicklung ist für Kemp eine Art Emanzipation des Bürgertums von Adel und Klerus. Er sieht in dieser neuen Position einen „strategischen Wert im Kampf um die Kulturhoheit.“42 Grasskamp bezeichnet das Museum der Revolutionszeit sogar als einen „Sammelplatz der Siegestrophäen aus dem erfolgreichen Kampf gegen Adel und Kirche.“43 Grasskamp beschreibt, dass die Kunstgüter der Kirche durch den neuen Kontext im Museum erhalten bleiben konnten, da ihre Funktion umgedeutet wurde, sie nicht mehr Kultgegenstände waren, sondern geschichtliches und ästhetisches Material.44 Dies gilt jedoch nur für Kunstwerke, welche direkt aus dem Kirchenraum stammten. Wie oben erläutert, hatten Kunstwerke aus den Museen des Kirchenstaates keine mythische Funktion, sondern wurden ebenfalls – wie in den Revolutionsmuseen – als historische Dokumente und für die ästhetische Bildung von Künstlern herangezogen. Der Chirograph Doria Pamphilj (1802) Nachdem 1801 der Kirchenstaat wieder hergestellt worden war, kehrte Papst Pius VII. (1800–1823) nach Rom zurück. Man stellte den starken Verlust der Kunstwerke fest und im darauf folgenden Jahr wurde der Chirograph Doria Pamphilj vom 1.10.1802 herausgegeben. 45 Das Edikt verbot, Kunstschätze jeglicher Art aus dem Kirchenstaat auszuführen. Falls Gegenstände wegen Zuwiderhandlungen eingezogen wurden, sollten sie – um die Verluste der öffentlichen Museen zu kompensieren – diesen zugeschrieben werden. Auch die Strafgelder wurden den

40 Vgl. Kemp 1997. S. 213. 41 Vgl. Gaehtgens 1997. S. 349f. Grasskamp beschrieb dies als eine rationale Hängung (Anordnung nach historischer Chronologie und im Kontext der jeweiligen Malerschulen). Diese wurde um 1756 in Düsseldorf erprobt und um 1780 von Mechel im Wiener Belvedere realisiert. Mechel sah hier eine vornehmlich pädagogische Funktion. Lafont de Saint Yennes unterstellte feudalen und geschmacksbetonten unhistorischen Hängeprinzipien, sie wollen „bewegen und erfreuen“, während er für das öffentliche Museum forderte, es müsse „erfreuen und unterrichten.“ (Vgl. Grasskamp 1981. S. 25). 42 Kemp 1997. S. 212ff. 43 Grasskamp 1981. S. 26. 44 Vgl. Grasskamp 1981. S. 28. 45 Vgl. Wolf 2003. S. 158.

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Museen vermacht, um neue Werke zu erwerben, und zusätzlich jährlich 1000 Piaster aus der Staatskasse für Neuankäufe zur Verfügung gestellt.46 1808 wurde im Vatikan das „Museo Chiaramonti“ eröffnet. Es war von Canova eingerichtet worden, welcher im Jahr 1802 zum Generaldirektor der Vatikanischen Museen ernannt worden war.47 Kurz darauf, 1809, wurde der Kirchenstaat wieder durch Napoleon aufgelöst, erst Napoleons Niederlage 1814 ließ den Papst wieder nach Rom zurückkehren. Die Rückkehr der römischen Kunstgüter aus Paris (1816) Canova fuhr 1815 nach Paris, um Verhandlungen über die Rückgabe der geraubten Kunstwerke zu führen. In einem Brief nach Rom beschrieb er die Bedingungen, die die alliierten Mächte der Pariser Konferenz für eine Rückgabe stellten: So sollten alle Bilder, auch die, die sich früher in Kirchen befanden, zusammengefasst an einem öffentlichen Ort ausgestellt werden. Dieses Museum sollte für jeden, aber vor allem für Künstler aus ganz Europa zugänglich sein. Die Kunstwerke sollten deshalb auf die Vatikanischen und Kapitolinischen Museen verteilt werden.48 Weber sieht als Motiv für diese Auflage, dass die Bilder in römischen Kirchen nicht vor Staub, Licht und Rauch geschützt waren.49 1816 kehrte ca. die Hälfte der entwendeten Kunstwerke wieder in den Vatikan zurück. 50 Canova hätte die aus Kirchen stammenden Kunstwerke lieber an ihrem ursprünglichen Aufstellungsort gesehen.51 Johns macht darauf aufmerksam, dass Canova hier derselben Meinung wie Quatremère de Quincy war, dieser hatte in seiner Publikation „Lettres à Miranda“ (1796), die Ansicht vertreten, dass Kunstgüter am besten in ihrem ursprünglichen Kontext bleiben sollten. Quatremère sah die Nützlichkeit von Museen, wenn der ursprüngliche Aufstellungsort nicht mehr gegeben war und lobte als bestes Museum das päpstliche „Museo Pio-Clementino“; seine Missgunst galt der enzyklopädischen Aufstellung des „Louvre“.52 Man beugte sich in Rom aber der Anweisung der Alliierten, die Kunstwerke gesammelt auszustellen. Canova sollte deshalb zwei große Museumsprojekte verwirklichen: den Bau eines antiken Museums in Gestalt des „Braccio Nuovo“ und die Einrichtung einer neuen Pinakothek im Appartamento Borgia.53 46 Vgl. Wolf 2003. S. 178. 47 Vgl. Dohna 2006. S. 43ff. 48 Vgl. Brief Canova an D‘Este vom 2.10.1815. abgedruckt bei Weber 1999a. S. 309–310. 49 Vgl. Weber 1999a. S. 301. 50 Vgl. Dohna 2006. S. 105. 51 Vgl. Dohna 2006. S. 107. 52 Vgl. Johns 1998. S. 192f. 53 Papst Pius VII. richtete eine Verwaltung für die Museen und Galerien ein, diese erhielt am 21.2.1816 durch ein Schreiben des Staatssekretariats Richtlinien für seine Vorge-

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Die Alliierten hatten dem Vatikan zwar auferlegt, wo die Kunstwerke gezeigt werden sollten, jedoch nicht in welcher Aufstellung. Dohna analysiert, dass die Hängung in der „Pinakothek“54 „den Kunstraub, dessen Folgen, die Umwandlung der päpstlichen Privatsammlung in ein öffentliches Museum und damit auch die neue Funktion der Kunstwerke außerhalb der für sie geschaffenen Umgebung“ 55 veranschaulichte und nicht an das chronologische Hängungssystem im „Louvre“ anknüpfte. Der „Braccio Nuovo“ wurde am 12.2.1822 von Pius VII. (1800–1824) eröffnet.56 Der Papst ließ im „Braccio Nuovo“ nebeneinander griechische und römische Werke sowie Skulpturen von Göttern und Imperatoren ausstellen und zeigte so, dass er größeren Wert auf die Überlieferung legte als auf archäologische und kunsthistorische Ordnungen.57 Dohna sieht im „Braccio Nuovo“ den Versuch des Papstes, seine Ohnmacht in politischer Sicht zu kompensieren: „So verkörperte der Braccio Nuovo die Quintessenz der Kunstpolitik Canovas und des Papstes, die in den entscheidenden Punkten stets einig waren. Sie stellten sich ganz bewußt den in Nordeuropa und auch in Norditalien aufkeimenden Ideen nationaler Staatlichkeit und historischer Objektivierung entgegen. Der Papst ließ sich als letzten Imperator feiern und die Antike als Ahnherrin, auch wenn er wissen mußte, daß dies mehr nostalgisches Wunschdenken war als politische Realität oder Zukunft.“58

Im Vatikan entstanden in den nächsten Jahren weitere Museen: 1837 das „Museo Etrusco“59, 1839 das „Ägyptische Museum“.60 Da der Platz auf dem Vatikanshügel knapp wurde, eröffnete man zwei weitere Museen an anderer Stelle in Rom, und zwar im Lateranpalast: 1844 das „Museo Gregoriano Profano“61 mit profanen

hensweise, u. a. wurden Eintrittspreise und Öffnungszeiten der Museen festgelegt. (Vgl. Dohna 2006. S. 92–95). 54 1819 wurde die neue Pinakothek mit den rückgekehrten Bildern im Appartamento Borgia eröffnet. 1821 wurde die Pinakothek in den Bereich von Raffaels Loggia verlegt. ( Vgl. Dohna 2006. S. 108). 55 Dohna 2006. S. 112. 56 Vgl. Dohna 2006. S. 119. 57 Vgl. Dohna 2006. S. 139. 58 Dohna 2006. S. 139. 59 Vgl. Colonna 1962. S. 6. 60 Vgl. Wolf 2003. S. 162. 61 Das „Museo Gregoriano Profano“ wurde 1970 auf Wunsch Papst Johannes XXIII. in den Vatikan verlegt (Vgl. Museo Gregoriano Profano 2011).

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Denkmälern und 1854 unter Papst Pius IX. (1846–1878) ebenfalls im Lateranpalast das „Museo Pio cristiano“,62 welches sich frühchristlichen Denkmälern widmete.63 Die Situation „christlicher Kunst“ im 19. Jahrhundert Im deutschsprachigen Raum entstand um 1800 der Begriff der „christlichen Kunst“.64 Es entwickelten sich zu dieser Zeit Kunststile, welche dezidiert als christlich empfunden wurden. Dies geschah durch Rückgriffe auf Traditionen und Stile wie die Neuromanik und Neugotik, allerdings ohne große Auswirkungen auf den gesamten Kunstmarkt.65 Jedoch nahm sich die Kirche dieser Stile an und es entstand zum ersten Mal eine kirchliche Sonderkultur, die vom übrigen Kunstgeschehen isoliert blieb. Dieser Kirchenstil bestand vom 19. Jahrhundert bis zum beginnenden 20. Jahrhundert und wurde über die neuesten Drucktechniken verbreitet. 66 Auch der Fakt, dass im 19. Jahrhundert Wissenschaftler erstmals begannen, die Geschichte der „christlichen Kunst“ niederzuschreiben, belegt, dass man erst hier zur Unterscheidung von Kunst im Allgemeinen und „christlicher Kunst“ im Besonderen kam.67 Smitmans zeigt, dass es auch noch um 1900 eine kontroverse Diskussion um die Frage gab, was „christliche Kunst“ sei und wie diese auszusehen habe.68 Zusammenfassung Der Chirograph von 1802 zeigt die enorme Wichtigkeit, die den Kunstgütern und in Folge den Museen im Kirchenstaat zugeschrieben wurde. Die Kunstgüter spielten, wie oben beschrieben, bereits vor der Französischen Revolution eine Rolle, die

62 Das „Museo Pio Cristiano“ befindet sich auch seit 1970 in den Vatikanischen Museen (Vgl. Museo Pio Cristiano 2011). 63 Vgl. Weber 2008. S. 254. 64 Vgl. Stephany 1987. S. 211. 65 So versuchten einige Künstlergruppen, wie die Nazarener oder die Beuroner Schule in Deutschland oder die Präraffaeliten in England, im 19. Jahrhundert eine Neubegründung „christlicher Kunst“ herbeizuführen. (Vgl. Durst 2004. S. 18). 66 Eine Strömung, der es im 19. Jahrhundert gelang, auch in der Kunstwelt Anerkennung zu bekommen, versuchte Religiosität nicht über die traditionelle christliche Ikonographie zu transportieren, sondern über das Medium der Landschaft. Der Künstler drückte sein subjektives religiöses Empfinden über das Erhabene in der Natur aus. Als bekannter Name unter diesen Künstlern wäre z. B. Caspar David Friedrich zu nennen. Diese Subjektivität im Ausdruck von Religiosität bleibt bis zum heutigen Tag die Grundtendenz in einer Malerei, der eine religiöse Grundidee zugeordnet wird. (Vgl. Schwebel 2002. S. 77). 67 Vgl. Kemp 1994. S. 9. 68 Intensiv mit der Rezeption von Kunst in deutschen christlichen Periodika von 1870–1914 beschäftigt sich: Smitmans 1980.

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Verluste durch die Französische Revolution und die neu entstandenen KonkurrenzMuseen, verstärken das Engagement auf diesem Gebiet jedoch.69 Man versuchte, es im Vatikan als eine Herausforderung zu verstehen, dass die zurückgekehrten Kunstwerke in Museen unterzubringen seien. Öffentliche Museen in Rom waren kein Novum. Neu hingegen war, dass es sich diesmal um Kunstwerke handelte, welche bereits einen Platz im Kirchenraum besaßen, zuvor stammten die Werke aus Ausgrabungen oder Privatsammlungen. Man passte sich in den römischen Museen nicht an die chronologisch-wissenschaftliche Hängung des „Louvre“ an, sondern ordnete die Werke nach einer eigenen Logik. Mit der Rückkehr der Kunstwerke verband man in Rom die Hoffnung, wieder ein Zentrum der Künste zu werden. Dass die neuen römischen Museen jedoch nicht eine neue Blüte katholisch-römischen Einflusses hervorriefen, zeigt sich u. a. in der Entstehung einer isolierten kirchlichen Sonderkultur im deutschsprachigen Raum.

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ERSTEN M USEEN DER KATHOLISCHEN K IRCHE IM DEUTSCHSPRACHIGEN R AUM (1853–1900) Auch in deutschsprachigen Gebieten kam es zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu großen Verlusten von Kirchengütern. Durch den Frieden von Lunéville am 18.2.1801 musste Kaiser Franz II. der Republik Frankreich alle linksrheinischen Gebiete abtreten und die davon betroffenen Fürsten unter anderem mit rechtsrheinischen Kirchengütern entschädigen.70 Museumsgründungen im 19. Jahrhundert Nach der napoleonischen Niederlage 181471 wurden in deutschen Fürstentümern Museen vor allem vom Adel gegründet und betrieben. Der Adel wollte sich als Träger von Kultur eine neue Legitimität verschaffen, welche durch ökonomische oder

69 Dies ist auch in anderen Ländern der Fall: „Säkularisierung und Kunstraub begleiten von nun an die Siegeszüge der französischen Armee. [...] Erst diese Vorgänge sensibilisieren die gesamte politische Führung Europas für die neue Qualität der öffentlichen Wirksamkeit von Kunst“. Die Inbesitznahme der Kunst durch Napoleon wurde von geringem Widerstand begleitet, während die Rückgaben ab 1815 als „Verkörperung nationalen Geistes“ gefeiert wurden. (Piper/Bredekamp 1978. S. E21f.). 70 Vgl. Winkler 2000. S. 49. 71 Vieregg weist darauf hin, dass politische Ereignisse oft zu einer Welle von Museumsgründungen führten: „Sie trugen zur nationalen Selbstbesinnung bei und unterstützten Neuansätze im Bereich der Darstellung der eigenen Kultur“, so z. B. im deutschsprachigen Raum nach 1815, 1848, 1871 oder 1918. (Vieregg 1991. S. 289).

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politische Argumente nicht mehr glaubwürdig vertreten werden konnte.72 Diese Museen waren theoretisch für die allgemeine Öffentlichkeit zugänglich, jedoch wurde allein schon durch Kleiderreglements der Unterschicht der Zugang erschwert. Auch entsprach die Präsentation der Kunst, die zur kontemplativen und passiven Rezeption hinlenkte eher den Gepflogenheiten des Bürgers als dem der Arbeiterschaft. Diese Museen sahen sich zwar mit einem Bildungsauftrag ausgestattet, allerdings mehr mit einem ästhetischen als einem historischen. Die wichtigste Funktion der fürstlichen Museen war das Ausstellen, dies stand noch vor dem Sammeln, Bewahren und Forschen.73 Die Kunst der Antike wurde dabei oft als ästhetisches und auch ideologisches Ideal angesehen.74 Als Gegenspieler zu den fürstlichen Museen entstanden im 19. Jahrhundert bürgerliche Geschichts-, Museums- und Kunstvereine, welche eine eigene Sammlung aufbauten und zeitgenössische Künstler förderten.75 Einige Geschichts- und Altertumsvereine gründeten im Vormärz Historische Museen.76 Diese Häuser wollten ein eher breit aufgestelltes Publikum aus allen Schichten ansprechen. In einigen Fällen standen sie der politischen Bewegung für einen bürgerlichen Verfassungsstaat nahe und suchten nach einer kulturellen Einheit. Im Gegensatz zum fürstlichen Museum stellten sie die Verdienste des Bürgertums dar. Das Volk sollte gebildet werden, um es zur Teilnahme an politischer Bewegung zum nationalen Einheitsstaat zu bewegen. Deshalb versuchte man eine gemeinsame vaterländische Geschichte zu zeigen, welche der Identitätsstiftung dienen sollte. Bei der Objektpräsentation stand deshalb auch nicht die Ästhetik im Vordergrund, sondern die historische Aussagekraft, nicht das einzelne Herausragende, sondern das Typische. Somit war auch das Ausstellen von Kopien zulässig. Die Objekte wurden relativ ungegliedert präsentiert und ohne zusätzliche Erklärungen, die Artefakte sollten für sich selbst sprechen, so z. B. in einer Aufstellung in Ensembles.77

72 Vgl. Grasskamp 1981. S. 37–39. 73 Vgl. Hochreiter 1994. S. 181–184. 74 „Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts die ersten öffentlichen Museen in Deutschland gegründet wurden, galt das Prinzip der historischen Veränderung längst noch nicht für alle Bereiche. Gerade die Kunstmuseen vertraten anfangs eine universell-ästhetische Auffassung, die den Werken der Antiken eine überzeitliche Gültigkeit zuschrieb. Von einer Auseinandersetzung mit der klassischen Kunst erhoffte man sich nicht nur die Wiederkehr der klassischen Ideale, sondern auch eine neue Synthese von Schönheit und Wahrheit.“ (Hartung 2010. S. 17). 75 Vgl. Grasskamp 1981. S. 37–39. 76 Vgl. Hartung 2010. S. 10. 77 Vgl. Hochreiter 1994. S. 184–187.

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Aufruf zur Gründung christlicher Kunstvereine (1850) Die Zerstreuung von katholischen Kunstgütern führte bereits im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts zu Bemühungen, die verbliebenen Kunstgüter zu inventarisieren. 78 Geistliche waren jedoch zu Beginn des 19. Jahrhunderts oft in allgemeinen Geschichts- und Altertumsvereinen organisiert und nicht in eigens kirchlichen Institutionen. Ab den späten 1830er-Jahren begann sich eine neue Bischofs- und Priestergeneration gegen staatliche Repressionen zu wehren. Köln spielte in der Bildung des politischen Katholizismus keine unwesentliche Rolle. Ausgangspunkt waren die „Kölner Wirren“, welche den Konflikt zwischen katholischer Kirche und dem preußischen Staat bezeichnen und in der Festnahme des Kölner Erzbischofs Clemens August Droste 1837 gipfelten. Dieses Ereignis löste in Westfalen eine Protestwelle aus, welche 1841 der preußische König durch Zugeständnisse gegenüber der Kirche eindämmen konnte.79 Nun begannen sich Vertreter katholischer Interessen auf eine neue Weise zu organisieren. Die Revolution von 1848 und die damit entstandene Möglichkeit der Vereinsgründung brachte der katholischen Bewegung ein breites Laienengagement.80 Vor allem im Erzbistum Köln entstanden kirchliche, kulturelle und sozial-karitative Vereine, welche den Katholiken eine Möglichkeit des öffentlichen Engagements boten.81 Ähnlich verhält es sich mit den christlichen Kunstvereinen, weshalb ihre Gründung nicht nur in Verbindung mit der Wiederentdeckung der Gotik, dem Weiterbau des Kölner Domes, dem Bedürfnis, kirchliche Kunstdenkmäler zu erhalten und zeitgenössische Kunstbestrebungen zu fördern,82 gesehen werden darf. Die Gründung von christlichen Kunstvereinen ab 1850, in einer politisch aufgeladenen Zeit, vorangetrieben von politisch aktiven Persönlichkeiten, war ebenso von politischen Interessen geprägt. 83 Dies wird im Folgenden an-

78 Vgl. Weber 1999. S. 107. 79 Vgl. Weber 1999. S. 107. 80 Vgl. Kaiser 1991. S. 274–275. 81 Vgl. Hegel 1987. S. 516. 82 Diese Motivationen nennt Hegel für den Kölner christlichen Kunstverein. Anderen katholischen Vereinen ordnet Hegel auch eine politische Bedeutung zu, den Kunstverein behandelt er jedoch nur unter den oben genannten Aspekten. (Vgl. Hegel 1987. S. 352). 83 „Die Etablierung neuer Museen und die in ihnen präsentierten Deutungen der Vergangenheit sind fast immer auch als Versuche der Gründer anzusehen, ihre jeweilige Weltsicht verbindlich zu vermitteln und das eigene soziale Ansehen wenn nicht zu heben, so doch zumindest zu sichern.“ (Hartung 2010. S. 9) Der geschichtliche Überblick der Internetpräsenz „Kolumbas“ selbst beschreibt, dass die Gründung des Kunstvereins als Versuch von der Kirche verstanden werden kann, nach der Säkularisierung im 19. Jahrhundert sich eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber dem Staat zu verschaffen. (Vgl. Ko-

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hand von Museumsgründungen durch zwei katholische Kunstvereine belegt werden (Paderborn und Köln). Die Anregung zur Gründung eines allgemeinen deutschen christlichen Kunstvereins wurde auf dem vierten deutschen Katholikentag 1850 von August Reichensperger gegeben, einem späteren Zentrumspolitiker und Propagandisten der Neugotik.84 In der seit 1851 erscheinenden Zeitschrift mit dem Titel „Organ für christliche Kunst“ wurde noch einmal von ihm dazu aufgerufen. Dieser Verein sollte vorhandene Werke schützen und erforschen, bei neuen Werken darauf achten, dass sie dem Geiste der Kirche entsprechen. Dies sei nötig für das Studium der Kunstgeschichte und der Verbreitung eines richtigen Geschmacks. Es sollten nur Werke gesammelt werden, die keinem praktischen Zweck mehr dienen können.85 Reichensperger sprach sich dafür aus, dass nur christliche Gegenstände, welche nicht mehr im Gebrauch sind, in ein Museum gehörten, andere sollten in der Kirche verbleiben. Es entspreche nicht „christlicher Kunstauffassung“, in Reih und Glied zu hängen und so profanisiert zu werden.86 Er betrachtete damit das Museum der katholischen Kirche also als Mittel zum Zweck des Kunstschutzes, aber nicht als primärer Aufenthaltsort von Kunst der katholischen Kirche. Ein Jahr später wurde ein allgemeiner deutscher christlicher Kunstverein offiziell gegründet und fand seinen Sitz in Köln. 87 1852 wurden die Statuten und ein Einladungstext in dem Verein veröffentlicht. Im Einladungstext wird klar, dass dem Verein viel an einer Wiederbelebung des mittelalterlichen Kunststils lag. 88 Auch auf diözesaner Basis, wurden Vereine, die sich um die Kunstwerke des Territoriums kümmern sollten, gegründet. Im Jahr 1852 wurde in Paderborn der ers-

lumba Geschichte 1952–1905; siehe auch eine Analyse zur Geschichte der Gründung des Kölner Diözesanmuseums Schumacher 1999. S. 76–80). 84 Vgl. Stiegemann 1994a. S. 51. 85 Vgl. Weber 1999. S. 106–114. 86 Vgl. Weber 1999. S. 115–116. 87 Vgl. Weber 1999. S. 106–114. 88 „Man sieht mehr und mehr ein, wie sehr man sich früheren dem Geiste und an den Werken der Väter versündigt hat, und erkennt täglich mehr, daß es eine heilige Pflicht der Zeitgenossen ist, die noch vorhandenen Werke der mittelalterlichen Kunst zu erforschen und zu erhalten, die verstümmelten und verunstalteten auf passende Weise wieder herzustellen und bei den neuen Schöpfungen die herrlichen Werke aus dem kunstreichen Mittelalter zum Muster zu nehmen, um so wenigstens einigermaßen die Schuld zu tilgen, welche die uns zunächst vorangegangenen Geschlechter auf sich geladen haben.“ (Westfälisches Kirchenblatt für Katholiken, Paderborn 27.3.1852) Vgl. Stiegemann 1994a. S. 51.

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te Kunstverein auf diözesaner Ebene ins Leben gerufen.89 Es folgten im selben Jahr Rottenburg,90 1853 Aachen,91 Köln92 und Trier,93 1854 Regensburg94 und weitere.95 Der Kunstverein der Diözese Regensburg wurde von Bischof Riedel mit Sitz in Metten initiiert. In der Diözese wurden Richtlinien verabschiedet, welche aussagten, dass man beim Bau von Kirchen die althergebrachte Formensprache zu verwenden habe, vorzugsweise den „germanischen (gothischen) Styl“, durch diesen sollte das „vaterländische“ Erbgut erhalten werden.96 1857 fand die zweite Generalversammlung des deutschen christlichen Kunstvereins in Regensburg statt, zu welcher in der Ulrichskirche eine große Kunstausstellung veranstaltet wurde. Franz Bock aus Köln und Georg Jakob aus Regenburg stellten eine Präsentation mittelalterlicher Kunst zusammen, gedacht als Vorbildsammlung.97 Es waren Leihgaben aus dem Bistum, aber auch Kunstwerke, welche schon für eine ständige Sammlung zusammen getragen worden waren. „Diese ersten Musterstücke sollten der Anregung und der Geschmacksbildung dienen, vor allem für Theologiestudenten und

89 Vgl. Stiegemann 1994a. S. 51. Näheres über die Geschichte des Vereins: Tack 1950; Wüstefeld 1998. 90 Am 23.6.1852 kam der Verein für christliche Kunst, Rottenburg hinzu (dieser wurde von vier Diözesanpriestern gegründet) (Vgl. Rottenburg 2011). 91 „Verein für christliche Kunst“, Aachen (Vgl. Bühren 2008. S. 46). 92 1853 wurde der „christlicher Kunstverein“, Köln gegründet, dieser sprach in seinen Statuten ausdrücklich von dem Aufbau einer Sammlung. (Vgl. Weber 1999. S. 106–114). 93 1853 „Christlich archäologisch-historischer Verein für die Diözese Trier“ von Bischof Arnoldi gegründet, in der Satzung steht auch die Absicht bekundet, ein Museum zu gründen, allerdings löste sich der Verein in den 1860er-Jahren wieder auf. 1843 begann Domkapitular Johann Nikolaus von Wilmowsky mit der archäologischen Erforschung des Trierer Domes, man hatte auch den Plan, im Dom-Bereich ein eigenes christliches Museum einzurichten, für die Fundstücke der Grabungen. Die Werke wurden zwar im Domkreuzgang aufgestellt, doch es kam zu keiner offiziellen Gründung. (Vgl. Weber 1988. S. 6–10). 94 1854 wurde der „Verein für kirchliche Kunst“, Regensburg, mit Unterstützung des Bischofs gegründet. (Vgl. Regensburg 2008). 95 1857 fand die Gründung des „Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg“ statt. (Vgl. Christliche Kunstblätter 2011); 1859 wurde in Mainz der „Verein für christliche Kunst“gegründet und 1860 in München der „Verein für christliche Kunst“ (Vgl. Bühren 2008. S. 46) Bis darauf, dass sich die Gründungen auf den Westen und Süden Deutschlands begrenzten, auf die Gegenden, in denen der Anteil an Katholiken in der Bevölkerung hoch war, lassen sich keine weiteren geographischen Schlüsse ziehen. 96 Hausberger 2004. S. 189. 97 Vgl. Hubel 1976. S. 45.

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Priester.“98 Die erste Aufstellung von Werken, die hauptsächlich Skulpturen und Gemälde des Mittelalters umfassten, gab es in halb öffentlichen Räumen innerhalb des Priesterseminares und später im Domkapitelhaus.99 Paderborn 1853 wurde im deutschsprachigen Raum das erste Museum der katholischen Kirche gegründet. Schon 1852 war in Paderborn ein christlicher Kunstverein entstanden. Erster Direktor des Paderborner Diözesan-Kunstvereins war Gymnasialprofessor Wilhelm Engelbert, welcher sich zuvor im Altertumsverein engagiert hatte. 100 Unterstützt wurde die Gründung des Vereins von Bischof Franz Depper, welcher in die preußische Nationalversammlung 1848 nach Berlin gesandt wurde und an der Spitze der katholischen Kleriker stand.101 Schon am Ende des ersten Vereinsjahres zählte der Verein 237 Mitglieder, er erreichte aber nie wesentlich mehr als 300 Mitglieder.102 Das Museum nannte sich Diözesanmuseum, da es für das Territorium der damaligen Paderborner Diözese zuständig war. Die Gemeinden der Diözese wurden dazu aufgerufen, Leihgaben an das Museum zu geben.103 Man wollte in Paderborn neben gotischen und romanischen Kunstwerken, welche nicht mehr im Gebrauch sind und solchen, die repariert werden mussten, auch Gipsabgüsse und Zeichnungen aufnehmen.104 Dies unterstreicht auf der einen Seite den Charakter einer Studiensammlung zur Schulung von Künstlern und Kunsthandwerkern, 105 war aber auch eine übliche Praktik der Zeit, um vermeintliche Lücken in der Sammlung zu schließen.106 Es wurden wenige Kunstwerke eingereicht und das Ende der Sammlung kam mit der Auflösung des diözesanen Kunstvereins 1867.107 Köln In Köln war 1853 ein christlicher Kunstverein gegründet worden, bereits mit der Absicht, eine Sammlung einzurichten. Köln war durch den Frieden von Lunéville 1801 stark getroffen worden, es gehörte danach zu Frankreich, die städtische Verfassung war außer Kraft gesetzt und viele Kirchen und Klöster wurden aufgehoben. 98

Hubel 2005. S. 6.

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Vgl. Hubel 2005. S. 6.

100 Vgl. Stiegemann 1994a. S. 51. 101 Vgl. Wolff 1854. 102 Vgl. Stiegemann 2009. 103 Vgl. Weber 1999. S. 106–114. 104 Vgl. Westfälisches Kirchenblatt für Katholiken 1853. S. 490. 105 Vgl. Stiegemann 1994a. S. 52–53. 106 Vgl. Joachimides 2001. S. 14–29. 107 Vgl. Stiegemann 1994a. S. 52–53.

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1815 fiel das Rheinland dem preußischen Staat zu, doch Bemühungen zerplatzten, seine Größe durch das Sammeln und Ausstellen des reichen Kulturgutes zu demonstrieren. So erhielt Bonn 1818 ein Kunstmuseum und nicht Köln. 1821 wurde Köln jedoch erlaubt, das Erzbistum wieder einzurichten.108 Diese Umstände beleuchten, warum gerade in Köln eines der ersten Diözesanmuseen eröffnet wurde. Hinzu kommt, dass die Gründer des Kölner Museums von dem Mann unterstützt wurden, der zur Gründung christlicher Kunstvereine aufgerufen hatte, dem Kölner Juristen Reichensperger.109 Der Verein wurde auf das Betreiben des Kölner Weihbischofs Johann Baudri und seines Bruders, dem Maler Friedrich Baudri gegründet. Bei den Brüdern Baudri handelte es sich um Vertreter der doktrinären Neugotik, die die Vollendung des Kölner Doms vorantrieben. Baudri war auch Herausgeber der Zeitschrift „Organ für christliche Kunst“, die für eine Erneuerung des christlichen Lebens und der christlichen Kunst nach einem gotischen Ideal strebte. Die Bindung an ein gotisches Ideal war in dem Statut des christlichen Kunstvereins verankert. Folgendes Statut hatte bis 1927 Gültigkeit: „Das Museum ist eine Kunstanstalt, die den Zweck hat: a) Kunstwerke, Modelle und Nachbildungen guter Kunstwerke, Entwürfe, so wie kunstliterarische Werke anzuschaffen und zum Studium für Künstler und Handwerker nutzbar zu machen; b) die ihm überwiesenen, dem Cultus (zeitweise oder für immer) nicht mehr dienenden Werke der Kunst und des Kunsthandwerks vor Verderben und Verschleppung zu bewahren; c) eine permanente Ausstellung alter und neuer Werke der Kunst und des Kunsthandwerks im mittelalterlichen Style einzurichten; d) den lebenden Künstlern und Handwerkern Gelegenheit zu geben ihre im mittelalterlichen Style ausgeführten Arbeiten auszustellen.“110

Den Sammlungsschwerpunkt stellte die Kölner bzw. niederrheinische Kunst des Spätmittelalters dar.111 Den Grundstock der Sammlung bildeten Leihgaben von Kirchengemeinden und aus Privatbesitz. Es waren keine finanziellen Mittel für Ankäufe vorhanden, man war auf Schenkungen, Nachlässe und ausrangiertes Kircheninventar angewiesen.112 Eine der Funktionen des Museums war es, als Vorlagensammlung für Künstler zu dienen. Auch konnten Künstler und Handwerker ihre Werke gegen eine Standmiete zum Verkauf anbieten.113 Die Stücke sollten echt und wahr in Material und Herstellung sein, dies war vor allem gegen eine marktbeherr108 Vgl. Schumacher 1999. S. 80–81. 109 Vgl. Plotzek 2003. S. 2. 110 Organ für christliche Kunst 1869. S. 86. 111 Vgl. Surmann 1995. S. 4–6. 112 Vgl. Surmann 1995. S. 6–8. 113 Vgl. Kolumba Geschichte 1952–1905.

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schende Maschinenproduktion gerichtet, 114 die Stücke sollten außerdem dem gewünschten Stil der Gotik entsprechen.115 1854 gab es die erste Präsentation von Werken, welche auch von illustren Gästen wie König Ludwig von Bayern und Prinz und Prinzessin von Preußen besucht wurden. Am 18.6.1855 konnte das Diözesanmuseum eröffnet werden. In kölnischen und regionalen Zeitungen wurden Anzeigen geschaltet. Plakate wurden in drei Sprachen verbreitet. Für eine Verkaufsausstellung wurde sogar in Frankfurter und Münchner Zeitungen geworben.116 Somit erhoffte man sich, mit dem Kölner Diözesanmuseum eine überregionale Präsenz für den Verkauf von Kunst zu schaffen, was durch den Besuch von hohen Persönlichkeiten auch gegeben war. Auch die fast 1000 Vereinsmitglieder in den 1860er-Jahren117 demonstrieren die Größe und den Wirkungskreis des Kölner Diözesanmuseums, an welche andere Gründungen kaum heranreichen. Das Museum zog 1860 in umgebaute Räumlichkeiten im Süden des Kölner Doms um.118 Neben der mittelalterlichen Sammlung gab es nun einen ganzen Raum für zeitgenössische Werke im mittelalterlichen Stil. Es wird berichtet, dass die Exponate im ganzen Museum dicht gedrängt aufgestellt waren.119 Hierbei handelt es um eine der wenigen Aussagen, die über die Art der Präsentation der Kunstwerke berichten. In den neuen Räumlichkeiten des Kölner Museums gab es ebenfalls eine Bibliothek, ein Billardzimmer und ein Lokal für Veranstaltungen. Man hoffte, dass das Museumsgebäude durch diese zusätzlichen Räumlichkeiten zum lebendigen Mittelpunkt gesellschaftlicher Beziehungen würde. Man trat auch mit anderen katholischen Gruppierungen in Verbindung, so wurde 1863 das Lokal dem Katholischen Bürgerverein zur Verfügung gestellt.120 Der Kulturkampf zwischen dem deutschen Kaiserreich und der katholischen Kirche prägte die 1870er-Jahre. Die Struktur eines christlichen Kunstvereins führte dazu, dass man sich eines staatlichen Eingriffs entziehen konnte. Die Begründung auf einer bürgerlichen Basis und die damit verbundene scheinbare Unabhängigkeit von der Diözese wurden hierzu hervorgehoben.121 Dabei war eine stärkere Kooperation zwischen Diözese und Verein zuvor vom Verein sogar angestrebt worden und wurde zuerst von der königlichen Regierung abgelehnt. 1860 wurde dem Antrag 114 Vgl. Surmann 1995. S. 7. 115 Vgl. Schumacher 1999. S. 9. 116 Vgl. Plotzek 2003. S. 2–3. 117 Vgl. Hegel 1987. S. 353. 118 Vgl. Plotzek 1995. S. 7. 119 Vgl. Plotzek 2003. S. 4. 120 Vgl. Schumacher 1999. S. 10. 121 Vgl. Kolumba Geschichte 1952–1905.

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doch statt gegeben, so dass der Erzbischof die personelle Struktur des Museums bestimmen konnte.122 Nichtsdestotrotz wurde das Museum bis 1989 vom Verein getragen. Die Zeitschrift „Organ für christliche Kunst“ überlebte den Kulturkampf nicht und wurde 1873 eingestellt.123 1891 wurde Domvikar und späterer Domherr Alexander Schnütgen Vereinspräsident und somit Leiter des Museums,124 dieser hatte neben Theologie auch Kunstgeschichte studiert.125 Schnütgen begann, die Ausstellung unter kunsthistorischen Gesichtspunkten neu zu ordnen.126 Er publizierte bereits seit 1888 die „Zeitschrift für christliche Kunst“ als Nachfolgeblatt für das „Organ für christliche Kunst“, jedoch mit einer stärkeren kunsthistorischen Ausrichtung.127 Die Gründung des Kölner christlichen Kunstvereins kann wegen seiner Ausrichtung auf den Stil der Gotik, seiner Sammlung regionaler mittelalterlicher Kunst und seiner Funktion als Mustersammlung als direkte Folge und Umsetzung des Aufrufs Reichensperger gelten.128 Reichensperger und der mit ihm befreundete 129 Friedrich Baudri, Hauptakteur des Kölner Vereins, gehörten später der Zentrumspartei an und waren somit im politischen Katholizismus organisiert. Durch die Gründung der Zentrumspartei 1870, welcher einige katholische Fraktionen vorausgegangen waren, wurde der politische Katholizismus eine parlamentarische Kraft Preußens und des neuen Reiches.130 August Reichensperger spielte sogar eine führende Rolle bei der Entstehung einer katholischen Fraktion im preußischen Abgeordnetenhaus 1852.131 Das Kölner Diözesanmuseum ist, neben dem WallrafRichartz-Museum, die älteste noch bestehende Kunstsammlung der Stadt Köln. 132 122 Vgl. Plotzek 2003. S. 2–3. 123 Vgl. Surmann 1995. S. 8–10. 124 Im Jahre 1889 hatte der Verein seine höchste Mitgliederzahl mit 1518 Mitgliedern. (Vgl. Hegel 1987. S. 353). 125 Vgl. Kolumba Geschichte Schnütgen 2011. 126 Vgl. Schumacher 1999. S. 12. 127 Schnütgen besaß privat eine eigene wichtige Sammlung kirchlicher Kunst. Da die eigene Sammlung von Schnütgen aus Angst vor zu hohen Folgekosten nicht vom Museum angenommen wurde, verließ Schnütgen 1906 das Museum. Es entstand daraufhin 1910 das Schnütgen Museum, welches von Fritz Witte geleitet wurde. (Vgl. Schumacher 1999. S. 12). 128 Winfried Weber sieht die Kölner Statute ebenfalls als Konkretisierung der Aussagen Reichenspergers und auch als Vorbild für die Gründung weiterer Vereine in Trier und Mainz. (Vgl. Weber 1999. S. 114). 129 Vgl. Hegel 1987. S. 322. 130 Vgl. Kaiser 1991. S. 274–275. 131 Vgl. Hegel 1987. S. 515. 132 Vgl. Schulten 1985. S. 12.

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Freising Durch die Schenkung der Sammlung Joachim Sighart mit romanischen und gotischen Kunstwerken an das Freisinger Priesterseminar „für den Anschauungsunterricht in Geschichte und Kunst“133, entstand 1857 in Freising erstmals die Idee, ein Diözesanmuseum zu gründen. Sighart war Priester, Doktor der Chemie und Professor für Philosophie an der Freisinger Hochschule und der Begründer der Kunstgeschichte in Bayern.134 1864 kam die Sammlung salzburgischer und tirolischer Tafelbilder der Gotik von Heinrich Gotthard hinzu.135 Die Werke wurden in der romanischen Pfarrkirche des Andreas-Stiftes ausgestellt und waren dem großen Publikum zur Besichtigung freigestellt. 1860 befindet Sighart diese Lage als sehr gelungen, da andere Diözesen weiterhin nach einem Aufstellungsort für ihre Kunstwerke suchen würden und Köln sich durch einen Neubau auf Jahre verschulde.136 (Der Kölner christliche Kunstverein baute zu dieser Zeit nicht neu, hatte aber ein Gebäude in der Nähe des Kölner Domes erworben, um dies umzubauen.)137 Sigharts Kommentar zeigt, dass er die anderen Diözesanmuseen kannte und ein Bewusstsein für die Mitstreiter vorhanden war. In Freising verlor sich nach dem Tod der Gründungspersönlichkeit Sigharts 1867138 das Interesse an dem Museum. Es stand in Freising kein Verein als treibende Kraft hinter einer Museumseröffnung, das Museum war vielmehr stark an eine Einzelperson gebunden. Sighart war ein kunstgeschichtlich gebildeter Pfarrer, sein Interesse für das Museum lag in der historischen und kunsthistorischen Bildung der Priester und war nicht politisch.139 Somit unterschied sich die Freisinger Gründung von denen in Paderborn und Köln durch die Motivation des Gründers und das Fehlen eines Vereins. Übereinstimmend war jedoch die Fokussierung auf die Stile der Romanik und Gotik. Vorläufer für deutschsprachige Museen der katholischen Kirche Winfried Weber, 1985–2010 Leiter des Diözesanmuseums Trier, hat als einziger Aufsätze über die Entwicklung des Diözesanmuseums im deutschsprachigen Raum publiziert. Diese Publikationen bieten wertvolle Daten und Analysen über den Beginn der Diözesanmuseen. Weber nennt u. a. drei Institutionen, die als Vorbild für die Gründung von Diözesanmuseen gedient haben könnten: christliche Sonderaus-

133 Streicher 1975. S. 93–94. 134 Vgl. Freising 2008. 135 Vgl. Streicher 1975. S. 93–94. 136 Vgl. Hahn/Baumann-Engels 1994. S. 5. 137 Vgl. Schulten 1985. S. 12. 138 Vgl. Holland 1892. 139 Sighart war nicht politisch engagiert. (Vgl. Holland 1892).

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stellungen,140 das christliche Museum des Protestanten Ferdinand Piper141 und die Gründungen von Vatikanischen Museen in Rom.142 Im Folgenden soll diesen drei Hinweisen nachgegangen werden. Weber beschreibt, dass im „Organ für christliche Kunst“ 1854 über die Eröffnung des christlichen Museums im Lateranpalast berichtet wurde. Die ausgestellten altchristlichen Denkmäler und Funde aus römischen Katakomben wurden im „Organ für christliche Kunst“ als Beweise für die Doktrinen der katholischen Kirche beschrieben. Das erste Diözesanmuseum im deutschsprachigen Raum wurde allerdings schon 1853 in Paderborn gegründet. Jedoch gab es vor dem christlichen Museum im Lateranpalast schon weitere Museen in Rom, wie im Kapitel „Die ersten offiziellen päpstlichen Aussagen zu Museen“ beschrieben wurde. Die meisten Gründungen von Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum finden jedoch nach 1854 statt. Dennoch stellt sich die Frage, warum gerade die Gründungen im Lateranpalast um 1850 als Anstoß für Gründungen im deutschsprachigen Raum gedient haben sollen, wenn bereits im 18. Jahrhundert Museen im Vatikan und auf dem Kapitol existierten. Wie im Kapitel „Die ersten offiziellen päpstlichen Aussagen zu Museen“ analysiert, waren die Beweggründe bei den Museumsgründungen in Rom im 18. Jahrhundert Repräsentation, Dokumentation von Geschichte, touristischer Anreiz und künstlerische Vorbildfunktion. Bis auf den touristischen Anreiz lassen sich für die ersten Gründungen von Diözesanmuseen im deutschsprachigen Raum die gleichen Argumente finden. Dessen ungeachtet kann man dieselben Beweggründe ebenfalls bei Museen anderer Trägerschaft der Zeit feststellen. Sicherlich boten die Museen in Rom eine hilfreiche Argumentation für Museumseröffnungen der katholischen Kirche auf deutschsprachigem Gebiet, sie zeigten, dass auch die katholische Kirche museale Räume betreiben und dies auch für die Stellung der katholischen Kirche von Vorteil sein konnte. Dennoch scheinen die Museen in Rom nicht der primäre Anstoß gewesen zu sein, da sie sich von den ersten Diözesanmuseen in wichtigen Punkten ihrer Ausrichtung unterscheiden. Den Kunststilen Romanik oder Gotik wurde in Rom kaum Beachtung geschenkt, sondern man fokussierte sich auf die Antike. Die Rolle des Vatikans als Kirchenstaat mit der Person des Papstes bildeten in Rom eine andere Voraussetzung im Vergleich zu einem katholischen Kunstverein als Träger. Weber sieht in den Aktivitäten des Ferdinand Piper, evangelischer Theologe in Berlin, einen Anstoß zur Gründung von Museen der katholischen Kirche.143 Auf Antrag von Piper wurde im Universitätsgebäude zu Berlin 1849 ein christlicharchäologisches Museum durch einen Erlass des Ministers für Geistliche- und Un140 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2008. 141 Vgl. Weber 2008. S. 254. 142 Vgl. Weber 1999. S. 114. 143 Vgl. Weber 2008. S. 254.

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terrichtsangelegenheiten eingerichtet. Das Museum wurde – neben der Nutzung durch universitäre Lehre und Forschung im Interesse des Theologischen Unterrichts – auch von Priesteramtskandidaten und Schulklassen im Religionsunterricht besucht.144 Piper erhielt für den Aufbau des Museums staatliche Zuwendungen und auch Gelder aus der privaten königlichen Kasse. 145 Die Kunstwerke sollten laut Piper nicht isoliert betrachtet werden, weshalb ein Raum geschaffen werden musste, in welchem die Denkmäler nach ihrer Entwicklung aufgestellt wurden. Es gab Kopien, da man ein systematisches Ganzes aus allen Perioden der Kirchen- und Kunstgeschichte präsentieren wollte. Die Sammlung reichte bis in die damalige Gegenwart.146 Vorbilder für seine Museumsgründung waren, laut Piper, die Sammlungen der klassischen Altertumswissenschaft. Piper betonte, dass die Sammlung aber anders sei als die eines historisch ausgerichteten Vereins oder eines Altertumsvereins, da man die einzelnen Werke auf den christlichen Gehalt prüfe und der Ertrag eines christlich archäologischen Museums deshalb nicht nur ein archäologischer sei. Für Piper stellten die christlichen Kunstdenkmäler ein wichtiges Zeugnis für den Glauben in christlichen Gemeinden dar. Er hob hervor, dass im Unterschied zu schriftlichen Quellen, welche meist von höher stehenden Theologen verfasst wurden, die christlichen Kunstdenkmäler auch die einfachen Gemeinden historisch erfassen.147 Piper betonte, dass die Kunst nicht nur für die „Großen und Reichen“ sein soll, sondern auch für die „Kleinen und Armen“.148 Bredekamp beschreibt, dass Piper sich nicht mit den Konflikten zwischen katholischer und protestantischer Forschung beschäftigte, sondern vielmehr gute Kontakte auch zu Katholiken unterhielt.149 Die Ideen Pipers wurden veröffentlicht, er hielt seit 1850 Vorträge über das christliche Museum, welche auch gedruckt erschienen. 150 Ab 1857 empfahl Piper auch die Einrichtung von christlichen Museen für Schulen und Gemeinden.151 Pipers Ideen können den ersten Gründern von Museen der katholischen Kirche also durchaus bekannt gewesen sein. Jedoch lässt sich Pipers Gedanke, Kunstwerke als Darstellung des Glaubens einfacher Menschen zu betrachten, in Museen der katholischen Kirche so nicht wiederfinden. Auch die universitäre Trägerschaft unterscheidet sich maßgeblich von der der Museen der katholischen Kirche. Bereits im

144 Vgl. Piper 1871. 145 Vgl. Piper/Bredekamp 1978. S. E6. 146 Vgl. Piper 1885. 147 Vgl. Piper 1885. 148 Vgl. Piper 1871. 149 Vgl. Piper/Bredekamp 1978. S. E8. 150 Vgl. Piper 1885. 151 Vgl. Piper 1871.

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letzten Drittel des 19. Jahrhunderts schwand der Einfluss Pipers auch und seine Ansätze konnten sich nicht durchsetzen.152 Weber sieht, dass rheinische Museen der katholischen Kirche aus Sonderausstellungen, wie z. B. der von Franz Bock in Krefeld, hervorgingen.153 Kaplan Bock organisierte 1852 in Krefeld die „Ausstellung mittelalterlicher Kunstgegenstände“. Hier waren Paramente, Goldschmiedearbeiten aus dem 9.–15. Jahrhundert zu sehen, aber auch neue Stoffe, die im mittelalterlichen Stil von Krefelder Firmen hergestellt worden waren. Die Ausstellung wurde auch international wahrgenommen und führte zu einem Boom Krefelder Seide für Paramentenfirmen.154 Bock gründete daraufhin eine Kunstweberei kirchlicher Stoffe nach mittelalterlichem Vorbild. Es existiert eine Verbindung zwischen Franz Bock und dem Kölner Diözesanmuseum. Ab der Gründung des Diözesanmuseums (1854) bis 1875 war Bock Vorstandsmitglied des christlichen Kunstvereins für das Erzbistum Köln und trug den Titel eines „Conservators“ des Diözesanmuseums, er bearbeitete und publizierte die ersten Ausstellungskataloge.155 Die temporäre Exposition, auch der gewerblichen Art, spielte in den ersten Diözesanmuseen keine unwichtige Rolle. Das Modell der erfolgreichen Sonderausstellung konnte in das Museum integriert werden, bzw. zu einer dauerhaften Einrichtung führen. Für all die Beispiele, die Weber aufzählt, lassen sich auch ähnliche nicht katholische Vorbilder finden. Somit sind die Gründungen von christlichen Kunstvereinen und Museen der katholischen Kirche sicherlich auch Kinder ihrer Zeit: Die Idee der Denkmalpflege keimte allgemein auf156 und auch der Historismus spiegelt sich in ihnen wider.157 Auch die Idee von Mustersammlungen in Museumsräumen war keine rein katholische, so wurden ab 1864 im deutschsprachigen Raum zahlreiche Gewerbemuseen gegründet.158 Die Träger kamen hier aus bürgerlichen Kreisen und 152 Vgl. Piper/Bredekamp 1978. S. E25. 153 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2008. 154 Vgl. Krefeld 2011. 155 Vgl. Kolumba Geschichte Bock 2011. 156 Vgl. Ronig 1987. S. 48. 157 Vgl. Steiner 2009. S. 17; Vgl. Stiegemann 1994a. S. 51; Vgl. Lechner 1999. 158 Die Beweggründe, Gewerbemuseen zu eröffnen, waren zweierlei: Einmal wollte man die technologischen Defizite in Kunstmuseen beheben und zweitens gegen die mangelhafte Konkurrenzfähigkeit gegenüber den englischen und französischen Produkten auf dem Weltmarkt ankommen. Gewerbemuseen informierten über neueste technische Entwicklungen und sollten ästhetische Qualität heimischer Produkte verbessern. Durch das Fortschreiten der Technik und des Geschmacks wurden die Mustersammlungen unzeitgemäß und verloren ihre Funktion als Vorbildsammlung. Um die Jahrhundertwende (1900) ordneten sich die Gewerbemuseen mehr und mehr kunsthistorisch. Einige wurden in „Kunstgewerbemuseen“ umbenannt, andere wurden zu Kunstmuseen umgebaut

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hatten keine politischen Ambitionen. Vielmehr war ihnen das künstlerische Design der Konsumartikel wichtig. Handwerker, Kleingewerbetreibende und Unternehmer sollten im Geschmack geschult werden. Gewerbemuseen dienten auch zur Selbstbestätigung des wilhelminischen Bürgertums. 159 Nicht unwesentlich ist auch der allgemeine Aufschwung, den das Museumswesen in den Jahren um 1850 erlebte.160 In deutschsprachigen Gebieten fand ein regelrechter Museumsboom statt, zahlreiche neue Häuser wurden eröffnet. 161 Die Beschreibungen zeitgenössischer Betrachter dieser Museen mündeten oft in Vergleichen mit Kirchen: das Museum als feierlicher Ort der Kontemplation im Gegensatz zum Alltag.162 Christliche Kunstvereine beteiligten sich somit an einem aktuellen populären Medium, welches die Singularität der Atmosphäre im Kirchenraum bedrohte. Beweggründe zur Gründung der ersten deutschsprachigen Museen der katholischen Kirche Es kann eine Vielzahl von Beweggründen für die Gründung von christlichen Kunstvereinen und im Folgenden von Museen der katholischen Kirche in den 1850er-Jahren benannt werden. Einmal sollten die eigenen christlichen Kunstgüter gesammelt und bewahrt werden. Sammeln und Bewahren hat aber nicht nur einen konservierenden Kontext, es bedeutet auch, dass katholische Güter in einer Zeit der aufblühenden Sammlungen nicht von anderen Sammlern angekauft wurden,163 sondern im Besitz der Kirche blieben. Das Ausstellen von Kunstgütern vergangener Epochen demonstrierte gleichzeitig die eigene lange Geschichte und bot somit eine Legitimation der kirchlichen Existenz. Weiterhin sollten Laien und Klerus im Geschmack geschult werden,164 wobei guter Geschmack sehr eingeschränkt mit dem Fokus auf romanische und gotische Kunst definiert wurde. Christliche Kunstvereine boten damit auch eine Plattform für Künstler, die sich dem Neo-gotischen und Neoromanischen verschrieben hatten, andere künstlerische Strömungen wurden ausgeoder historisiert und in bestehenden kulturhistorischen Museen eingegliedert. (Vgl. Hartung 2010. S. 38–42). 159 Vgl. Hochreiter 1994. S. 187–191. 160 Sheehan überschreibt sein III. Kapitel „Das Museumszeitalter 1830–1889“ (Vgl. Sheehan 2002. S. 129). 161 So wurden u. a. 1843 die Alte Pinakothek in München vollendet und im selben Jahr das Stuttgarter Museum fertiggestellt, 1846 wurden die Karlsruher Kunsthalle und 1853 die Neue Pinakothek in München eröffnet und 1855 das Neue Museum in Berlin fertig gestellt (Vgl. Sheehan 2002. S. 128). 162 Vgl. Grasskamp 1981. S. 39–40. 163 Vgl. Schumacher 1999. S. 83f. 164 Vgl. Lechner 1999.

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schlossen. Während Museen, die von Souveränen geführt wurden, die Kunst der Antike als Ideal ausstellten, hatten Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum ihre „Hoch“-Zeit im Mittelalter verortet und untermauerten dies durch eine Stilisierung des mittelalterlichen Kunststils.165 Christliche Kunstvereine und Diözesanmuseen waren folglich auch ein neues Medium zur Propagierung eines christlichen Kunstideals und dies in einer Zeit, in der sich die Kunstwelt immer mehr von christlichen Themen und katholischen Auftraggebern entfernte. Die Diözesanmuseen sollten als Studienquelle für Künstler dienen und boten eine Verkaufsfläche für christliche Kunst. Dies ist auch unter dem Aspekt zu bedenken, dass ab 1850 in Europa eine Visualisierung der Alltagskultur begann und auch der Kulturkampf mit Bildern geführt wurde. Antiklerikale Karikaturen erschienen in Zeitungen und Illustrierten und kirchenkritische Gemälde hingen in Privatwohnungen und öffentlichen Lokalitäten und wurden somit im Alltag rezipiert.166 Auf diese feindlichen Verunglimpfungen galt es im selben Medium zu reagieren. Museen der katholischen Kirche und christliche Kunstvereine boten Künstlern, die der Kirche nahestanden, dafür ein Podium und eine Möglichkeit der Distribution ihrer prokatholischen Werke. Ebenso ist auch die Mobilisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen durch christliche Kunstvereine für katholische Interessen nicht zu verkennen. Lönne schreibt über den deutschen Katholizismus in der Reaktionszeit (1848–1870): „Das religiöse und karitative Vereinswesen förderte den inneren Zusammenhalt der katholischen Bevölkerung und versuchte zugleich, wie etwa die „Kolping-vereine“ für die Gesellen zeigen, der gesellschaftlichen Isolierung und der Entchristlichung in bestimmten gesellschaftlichen Gruppen und Schichten entgegenzusteuern. Katholikentage und regionale Veranstaltungen boten Repräsentations- und Informationsschauplätze einer katholischen Öffentlichkeit, die sich immer mehr formierte und organisierte; sie wirkten in vielfacher Vermittlung durch Publizistik und Berichte der Teilnehmer als integrative Elemente auf alle Schichten der katholischen Bevölkerung.“167

Er beschreibt, wie man es in Bayern schaffte, durch charakteristische Frömmigkeits- und Integrationsformen vor allem die ländliche Bevölkerung eng an sich zu binden, wovon jedoch bestimmte bürgerliche Schichten kaum erfasst wurden. Auch in anderen Teilen Deutschlands war diese intensive kirchliche Durchdringung wirksam. Lönne sieht in dieser „intensiven religiösen Integrierung“ den Grund für die

165 Der Stil der Gotik wurde, da man glaubte, es sei ein deutscher Stil, auch als ein Ausdruck der Einheit von Nation und Religion verstanden. (Vgl. Beyer 2009. S. 148). 166 Vgl. Borutta 2010. S. 183. 167 Lönne 1986. S. 138–139.

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punktuelle politische Massenaktivierung des katholischen Volksteils bei Wahlen. 168 Museen wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem von der Oberschicht besucht.169 Konnte mit traditionellen Mitteln nur eine ländliche Bevölkerung erreicht werden, boten christliche Kunstvereine die Möglichkeit, eine städtische Elite anzusprechen. Die Gründung von christlichen Kunstvereinen fällt in eine Phase, in der es nach den „Kölner Wirren“ 1841 wieder zu einem relativ entspannten Verhältnis zwischen Kirche und Staat gekommen war. Erst in den 1870er-Jahren, im Kulturkampf, sollte es wieder zu einer Zuspitzung des Konflikts kommen. Somit war das Engagement für kirchliche Kunstgüter ein adäquates Mittel, katholische Interessen zu vertreten, ohne dabei in einer zu repräsentativen Weise aufzutreten. Aufschlussreicher Fakt ist die Tatsache, dass die Gründungen der ersten Diözesanmuseen im deutschsprachigen Raum in den 1850er-Jahren von christlichen Vereinen vorangetrieben wurden, das Engagement also scheinbar von den Bürgern ausging und nicht in erster Linie von offizieller kirchlicher Seite. Jedoch spielte sowohl in Paderborn als auch in Köln der Bischof eine wichtige Rolle und unterstützte jeweils die Vereinsgründung. Folgegründungen deutschsprachiger Museen der katholischen Kirche170 (Würzburg, Mainz, Rottenburg und Augsburg) Auf die drei ersten Gründungen in Paderborn, Köln und Freising in den 1850erJahren folgten in den 1860er-Jahren gescheiterte Versuche, Museen einzurichten, aber auch erfolgreiche Aufstellungen von Sammlungen, in diesen Fällen jedoch nicht mehr durch Vereine, sondern jeweils durch Initiative des Bischofs selbst. In Würzburg entstand 1860 die Idee, mit der Gründung eines Museums zu verhindern, dass wertvolle Kunstgegenstände veräußert würden. Es kam aber nicht zur Umsetzung.171 In Mainz gab es auch für kurze Zeit ab 1869 Bemühungen, ein Diözesanmuseum einzurichten.172 Das „Organ für christliche Kunst“ meldete 1860, dass der Verein auch Räumlichkeiten für ein Museum besäße. Jedoch gibt es in der 168 Vgl. Lönne 1986. S. 138–139. 169 Vgl. Joachimides 2001. S. 112. 170 Auch in an die deutsche Sprachzone angrenzenden Gebieten gab es in dieser Zeit Gründungen, so z. B. 1875 in Esztergom, Ungarn. Hier stiftete der damalige Fürstprimas und geistige Führer des Landes János Simor der Kathedrale von Esztergom seine Kunstsammlung und das „Christliche Museum“ entstand. Als Beweggrund wird die Wiederbelebung der religiösen bildenden Kunst genannt; zeitgenössische Künstler sollten sich in der Galerie bilden können. Aber auch die Präsentation der geistigen und künstlerischen Größe Esztergoms sollte gezeigt werden. (Vgl. Cséfalvay 1984). 171 Vgl. Lenssen 2003. S. 9ff. 172 Vgl. Weber 1999. S. 114.

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Folgezeit keine Meldungen, weder zum Verein noch zu einem Museum, so dass man davon ausgehen muss, dass das Vorhaben sich wieder aufgelöst hatte.173 Die Sammlungstätigkeit hatte Domdekan Franz Anton Werners (1845 verstorben) mit geborgenen Kunstwerken aus dem Bereich der Diözese begonnen. Domkustos Prälat Schneider (1907 verstorben), führte diese Arbeit fort, indem er die Aufstellung der Werke im Dom-Kreuzgang ausbaute und weitere Werke im Magazin aufnahm.174 In zwei Fällen wurden Sammlungen ohne die Mitwirkung eines Vereins, sondern direkt durch das Engagement des Bischofs aufgestellt.175 1862 wurde in Rottenburg, direkt durch Bischof Josef Lipp, eine Sammlung ins Leben gerufen, zu einer festen Aufstellung sollte es allerdings erst später kommen. 176 Der Bischof hatte 60 Bilder aus dem Besitz des Rottweiler Stadtpfarrers und Kirchenrates Johann Georg Martin Dursch erworben und vermachte diese 1864 dem Bistum. 177 Der christliche Kunstvereins, der seit 1852 in Rottenburg existiert, spielte in diesem Fall keine Rolle, auch wenn Bischof Lipp dem Verein, der beratend in Fragen der kirchlichen Architektonik und Ornamentik wirkte, zugetan war. 178 Bischof Josef Lipp scheint nicht politisch aktiv gewesen zu sein, so war er qua Amtes Mitglied in der zweiten Kammer des württembergischen Landtages, nutzte dieses jedoch nicht.179 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erstellte der amtierende Bischof Keppler in Rottenburg ein Museumsprogramm (1894). Es nannte drei Hauptaufgaben des Museums: Einführung junger Theologen und des Klerus in den Geist und die Geschichte der Kunst; Sammelstelle für verwahrloste und ungebrauchte Kunst, um sie zu schützen, zu pflegen und zu verwalten, und Erstellen eines Museumskataloges.180 Für Bischof Keppler gilt dasselbe wie für Bischof Lipp, auch er machte nie von seinem Amt als Abgeordneter Gebrauch.181 Auch in Augsburg war die treibende Kraft für die Errichtung eines Museums im Sitzungssaal des ehemaligen fürstbischöflichen Domkapitels der Bischof, in diesem Fall Pankratius von Dinkel. Das Museum war laut Protokoll vom 2.1.1878 Eigentum des Domkapitels. 1870 wurde ein erstes Verzeichnis der Kunstgegenstände im 173 Vgl. Ecker 2008. S. 15. 174 Vgl. Jung 1969. S. 410. 175 In der Diözese Regensburg fand 1872 eine Kunstsammlung eine dauerhafte Aufstellung im Priesterseminar. Weitere Informationen über diese Aufstellung konnten nicht gefunden werden (Vgl. Regensburg 2008). 176 Wobei es erst ab 1928 einen Leiter gab (Vgl. Mecklenburg 1978. S. 20–22). 177 Vgl. Mecklenburg 1983. S. 299. 178 Vgl. Rottenburg 2011. 179 Vgl. Raberg 2002. S. 514. 180 Vgl. Mecklenburg 1978. S. 20–22. 181 Vgl. Raberg 2002. S. 433.

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Diözesanmuseum erstellt. Das Museum war in den ersten Jahren jedoch eher mit einem Depot vergleichbar. Im Juni 1879 erschien ein Aufruf in der Diözese, das Diözesanmuseum mit Schenkungen oder Leihgaben zu unterstützen. Das Diözesanmuseum – so die Aussage – würde zunächst der diözesanen Geistlichkeit zur Freude und Ehre dienen, aber auch nützlich belehren.182 Auch Hildesheim berichtet von der Gründung eines Diözesanmuseums (das heutige Dommuseum) in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf Initiative von Bischof Eduard Jakob Wedekin (1796–1870). Die Schatzkammer wurde im 19. Jahrhundert mit gezielten Ankäufen und umfangreichen Schenkungen mittelalterlicher Schatzkunst aus säkularisierten Klöstern und Stiften des Hildesheimer Raumes ausgebaut und zu einer musealen Sammlung.183 1884 wurde der Schatz aus dem Domchor in neue Räumlichkeiten des alten Kapitels-Archivs überführt. Die Überführung wird von Brandt als Zäsur bezeichnet: „Aus dem ‚Ornat‘ der Bischofskirche wird eine museale Sammlung ausgegliedert.“ 184 Die Neuordnung wurde vom Wiener Zisterzienserpater W. A. Neumann übernommen, welcher auch Bearbeiter des Welfenschatzes war.185 Bei den durch Bischöfe initiierten Sammlungen wurde weder ein besonderer Stil hervorgehoben, noch waren die Initiatoren politisch nennenswert aktiv. Vielmehr standen der Schutz der Kunstgüter, die Belehrung durch die Kunstgüter und auch die Repräsentation im Vordergrund. Die Museen in Rottenburg und Augsburg, welche keine feste Aufstellung hatten, bzw. eher mit einem Depot verglichen wurden, spielten nicht dieselbe Rolle wie das Kölner Diözesanmuseum, welches eine breite Öffentlichkeitswirkung besaß. Österreich Im Folgenden soll ein kurzer Blick nach Österreich geworfen werden. Hier gibt es im 19. Jahrhundert nur eine einzige Gründung eines Diözesanmuseums, und zwar in St. Pölten. 1853 hatte Bischof Ignaz Feigerle Vorlesungen über kirchliche Kunst am bischöflichen Alumnat in St. Pölten eingeführt.186 Herbert Berndl-Forstner sieht diese Tatsache als Initialstart für die Gründung des Diözesanmuseums an.187 Zu ei182 Zu Beginn kümmerte sich Domkapitular Johann Paul Großhauser um das Museum. 1878 wurde Domkapitular Hörmann neuer Kustos, er war Ausschussmitglied des historischen Vereins. Aus den Angaben in einem Augsburger Fremdenführer ist zu entnehmen, dass das Diözesanmuseum täglich von 11–12 Uhr geöffnet ist und nach Anmeldung besichtigt werden konnte (Vgl. Rummel 2000. S. 12–13). 183 Vgl. Hildesheim 2012. 184 Brandt 2003. S. 91. 185 Vgl. Brandt 2003. S. 91. 186 Vgl. Telesko 2008. S. 214. 187 Vgl. Berndl-Forstner 1998.

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ner ersten Forderung kam es allerdings erst 1867 durch den Diözesanpriester Anton Kerschbaumer, der sich für ein Diözesanmuseum aussprach und an sein bischöfliches Ordinariat in St. Pölten schrieb: „daß, wenn die kirchlichen Personen um die kirchlichen Kunstobjecta sich nicht bekümmern, weltliche Hände unter irgend welchem plausiblen Vorwande darnach verlangen.“ 188 Des Weiteren wies er auch auf den pädagogischen Wert solcher Museen hin.189 Bis zur Gründung eines Vereins und eines Diözesanmuseums verging wieder über ein Jahrzehnt. 1886 konstituierte sich in St. Pölten der erste christliche Kunstverein Österreichs unter Beteiligung des späteren Diözesanbischofs Johannes Rößler und nannte sich „Christlich-religiöser Kunstverein in Niederösterreich“. §2 der Statuten des Vereins sagt aus, man wolle sich um: „[...] die Bildung und Förderung des guten und richtigen Geschmackes aus dem ganzen Gebiete der christlich religiösen Kunst als auch a) Die Einflussnahme auf möglichste Erforschung, Erhaltung und würdige Wiederherstellung der christlichen Kunstwerke; […]“190 kümmern. Zwei Jahre später, 1888, folgte in St. Pölten die Gründung des ersten Diözesanmuseums Österreichs. Der Verein löste sich in den 1890er-Jahren jedoch schon wieder auf, wodurch die Arbeit im Museum auf die Pflege der bereits bestehenden Bestände beschränkt blieb.191 Weitere Gründungen von Diözesanmuseen gab es in Österreich erst wieder zu Beginn des nächsten Jahrhunderts, wobei in Wien unter Kardinal Josef Othmar von Rauscher (1853– 1875) die Eröffnung eines Diözesanmuseums angeregt, aber nicht umgesetzt wurde.192 Telesko nennt als Hauptmotiv für die Einrichtung des Diözesanmuseums, dass man verhindern wollte, dass Kunstgüter veräußert wurden. Die unmittelbare Anschauung für Theologiestudenten sieht er als eine Ergänzung an.193 Auch Herbert Berndl-Forstner sieht die Priorität der Gründung im Bewahren, Retten, Sichern und erst danach den pädagogischen Aspekt.194 Weiterhin zeigt sich in den Vereinsstatuten, dass man mit dem Museum der katholischen Kirche auch einen „richtigen“ Geschmack verbreiten wollte. Dies entspricht den vereinsbasierten Gründungen in Deutschland, die Entwicklung in Österreich fand jedoch etwa dreißig Jahre nach den ersten Eröffnungen in Paderborn und Köln statt. In Österreich existiert auch eine Reihe von Kunstsammlungen in Stiftsmuseen. Ein Stiftsmuseum ist ein Museum, welches einer Klostergemeinschaft gehört und somit nicht von einem Verein gegründet wurde oder an eine Diözese gebunden ist. 188 Kronbichler/Kronbichler-Skacha 1984. S. 9. 189 Vgl. Kronbichler/Kronbichler-Skacha 1984. S. 9. 190 Kronbichler/Kronbichler-Skacha 1984. S. 10. 191 Vgl. Kronbichler/Kronbichler-Skacha 1984. S. 10. 192 Vgl. Feuchtmüller 1987. S. XI.–XII. 193 Vgl. Telesko 2008. S. 214. 194 Vgl. Berndl-Forstner 1998.

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Stifte besitzen in der Regel auch Wirtschaftsbetriebe, um ihre Existenz zu sichern.195 Floridus Röhrig beschreibt das Stiftsmuseum als ein besonderes Phänomen in Österreich, da hier die Säkularisierung nicht alle Klöster enteignete. 196 In den österreichischen Stiften wurden andere Werke gesammelt als in Kathedralen und Bischofssitzen. Der Prozentsatz an sakralen Kunstwerken ist in Stiftssammlungen nicht so hoch wie in anderen kirchlichen Sammlungen. Dies führt Wolfgang Huber auf die Tradition der Klöster zurück, sich nicht nur mit Theologie, sondern auch mit anderen Geistes- und Naturwissenschaften auseinander zu setzen, was sich auch in den Beständen der Stiftsbibliotheken zeigt. Hinzu kommt, dass an die Stifte häufig Schulen angegliedert sind, so dass die Sammlungen auch für didaktische Zwecke genutzt wurden.197 Huber sieht als einen Grund für die Gemälde-Ankäufe auch die Repräsentation der Äbte und Pröpste und die Verpflichtung der Klöster, Zimmer für durchreisende Kaiser zur Verfügung zu stellen.198 In österreichischen Stiften wurden ab der Mitte des 18. Jahrhunderts größere Sammlungen aufgebaut. So begann man im Stift Seitenstetten, welches von Benediktinern betrieben wird, in dieser Zeit mehr Gemälde zu erwerben als es für die Ausstattung erforderlich war.199 Eine „eigentliche“ Gemäldegalerie existiert in Seitenstetten seit 1819, damals wurden bereits vorhandene Gemälde aus dem Stift zusammen getragen. Der damalige Abt wollte damit dem Interesse von Besichtigungsreisenden entgegen kommen.200 Die Sammlungen in Stiften entstanden somit früher als in Diözesanmuseen. Das Interesse des Seitenstettener Stiftsmuseums lässt sich mit dem touristischen Interesse der römischen Museen der katholischen Kirche vergleichen. Zusammenfassung Die ersten Museen der katholischen Kirche wurden in den 1850er-Jahren aus einem Zusammenwirken von spezifisch katholischen Beweggründen gemeinsam mit Motivationen, die sich auch für die Gründung Museen anderer Trägerschaften ihrer Zeit finden lassen, ins Leben gerufen. Die zwei ersten Museen der katholischen Kirche wurden von christlichen Kunstvereinen initiiert, welche von politisch aktiven Katholiken geführt wurden. Obwohl man keine konkreten politischen State195 So sind die Benediktiner Männerklöster „allein dem Papst weisungsgebunden und daher nicht den jeweiligen Diözesanbischöfen unterstellt. Sie sind wirtschaftlich autonom und erhalten keinen Anteil an den Kirchenbeitragsgeldern.“ (Admont 2010). 196 In der Zeit des Nationalsozialismus waren fast alle Häuser aufgehoben worden, jedoch war diese Zeit zu kurz, als dass sie nachhaltig zu Verlusten geführt hätte. (Vgl. Röhrig 1998). 197 Vgl. Huber 2008. S. 261; denselben Hinweis gibt Pater Mayrhofer (Vgl. Ecker 2007). 198 Vgl. Huber 2008. S. 262. 199 Vgl. Huber 2008. S. 262. 200 Vgl. Wagner/Fasching 1988. S. 105.

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ments setzte, gelang es durch die Museen, eine Plattform für die Verbreitung eines eigenen Stils zu schaffen und bestimmte Bevölkerungsgruppen an sich zu binden und somit diskret an Einfluss zu gewinnen. In den 1860er-, 1870er-Jahren folgten Gründungen von Diözesanmuseen durch den jeweiligen Bischof. Diese fanden in einem weitaus kleineren Maßstab statt, ferner spielten auch andere Intentionen eine Rolle: die Bischofgründungen sollten bewahren, belehren und repräsentieren. In Österreich erfolgte die erste vereinsbasierte Museumsgründung erst in den 1880er-Jahren und entspricht in ihrer Ausrichtung den Gründungen in Paderborn und Köln. Die österreichischen Stiftsmuseen stammen bereits aus dem späten 18. Jahrhundert, ihre Trägerschaft (Kloster) und Intention (Lehre, Wirtschaftsbetrieb, weltliche Repräsentation) unterscheidet sich aber stark von Museen der katholischen Kirche, welche von Vereinen gegründet wurden.

D IE ERSTE PÄPSTLICHE AUFFORDERUNG , M USEEN DER KATHOLISCHEN K IRCHE ZU GRÜNDEN Museen der katholischen Kirche, die direkt der römischen Kurie unterstanden, gab es seit 1734. Im deutschsprachigen Raum wurde das erste vereinsbasierte Diözesanmuseum 1853 in Paderborn gegründet. Einige Jahre später folgten dann auch Diözesanmuseen, welche direkt durch den jeweiligen Bischof ins Leben gerufen wurden. Aus Rom gab es zu diesem Zeitpunkt allerdings noch keine offizielle Aufforderung, Diözesanmuseen zu betreiben, dies sollte sich 1923 ändern. Zu Beginn des Jahrhunderts setzte sich in der katholischen Kirche die offizielle Meinung durch, sich gegen den Modernismus zu stellen. Mit Modernismus verband die katholische Kirche u. a. rationale wissenschaftliche Hinterfragungen (z. B. 1907 Enzyklika „Pascendi Dominici gregis“ über die Lehren der Modernisten von Papst Pius X.,201 1910 Einführung des Anti-Modernisten-Eids202). In den antimodernistischen Aussagen der katholischen Kirche wurde Kunst jedoch nicht explizit thematisiert. Im Jahre 1919 schrieb Egid Beitz in der „Zeitschrift für christliche Kunst“ über die Gründungen von Diözesanmuseen im 19. Jahrhundert: „Gerade über der Entwicklung der alten Diözesanmuseen hat ein seltsamer Unstern gewaltet. Zu Zeiten ihrer Gründung wäre es noch eine Freude gewesen, ein Museum auszubauen. Indes die Kriege 1864, 66, 70/71 und besonders der danach einsetzende sogenannte Kulturkampf griffen lähmend in ihr Wachsen und Werden ein; und als schließlich Mitte der achtziger Jahre 201 Vgl. Pascendi Dominici gregis 2010. 202 Vgl. Reidel 1998. S. 44.

52 | M ISSION M USEION des vorigen Jahrhunderts wieder ruhigere Zeiten anbrachen, war das glückliche Zeitalter der Sammeltätigkeit vorbei.“203

Der Codex Iuris Canonici (1917) Eine der wichtigsten Schriften für den Beginn des 20. Jahrhunderts ist das Gesetzbuch der katholischen Kirche für den lateinischen Rechtskreis, der Codex Iuris Canonici (CIC), welcher 1917 in Kraft trat. Die Aussagen, die in diesem kirchlichen Gesetzbuch zur Kunst gemacht wurden, sind die Grundlage für spätere Anweisungen der Päpste.204 Buch III befasst sich mit „sakraler Kunst und Architektur“. In can. 1164 §1 wird ausgesagt, dass gewohnte Formen aus der christlichen Tradition beizubehalten seien.205 Lange gab es Streitigkeiten, ob damit die Intention verbunden sei, man solle historische Stile nachahmen oder ob lediglich charakteristische Elemente beibehalten werden sollten, wie z. B. beim Kirchenbau der Glockenturm.206 In can. 1279 §2–3 wurden die Bischöfe beauftragt, darauf zu achten, dass keine Bilder aufgestellt werden, die eine falsche Lehre verbreiten oder Ungebildete in die Irre führen könnten.207 Die Museen der katholischen Kirche wurden jedoch nicht eigens erwähnt, das CIC sprach sich lediglich für eine pflegliche Behandlung und sorgsame Erhaltung von kirchlichen Kunstgütern aus (can. 1523, 1530–32).208 Das Rundschreiben an die italienischen Bischöfe 1923 Gab es in der Geschichte der katholischen Kirche schon einige Verlautbarungen zum Erhalt von Kunstgütern, so kam es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vermehrt zu konkreten Aussagen.209 Die italienischen Bischöfe erhielten am 15.4.1923 ein Rundschreiben des vatikanischen Staatssekretariats, welches empfahl, in Diözesen, in welchen es noch kein Museum gab, ein solches einzurichten.210 Dieses Schreiben stellt die erste offizielle katholische Verlautbarung dar, welche sich konkret zu Museen der katholischen Kirche außerhalb Roms äußert.211 Es wurde kurz nach der Machtübernahme der Faschisten in Italien versendet.

203 Beitz 1919. S. 159. 204 Vgl. Küppers 1955. S. 8. 205 Vgl. Codex Iuris Canonici 1917. Can 1164 §1. 206 Vgl. Bühren 2008. S. 110. 207 Vgl. Codex Iuris Canonici 1917, Can 1279 §1. 208 Vgl. Codex Iuris Canonici 1917, Can 1279 §1. 209 Einen ausführlichen Überblick über die Geschichte der Inventarisierung und Katalogisierung innerhalb der katholischen Kirche gibt es in: Deutsche Bischofskonferenz 2008. 210 Vgl. Staatssekretariat 1993. 211 Vgl. Mirabelli 1983. S. 203.

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Die politische Situation in Italien in den 1920er-Jahren Kuss schreibt über die ersten Jahre nach dem Marsch auf Rom im Oktober 1922 durch Mussolini: „Der Vatikan hoffte, das vom liberalen Staat hinterlassene und nunmehr durch die aktuelle Krise forcierte „Autoritätsvakuum“ mit dem eigenen Machtanspruch ausfüllen zu können. Nach der Niederlage des liberalen Staates kam der katholische Wille zur autoritären „Rückeroberung“ der Gesellschaft vollständig zum Durchbruch.“ 212

Die Kontroverse zwischen der römischen Kurie und dem Liberalismus lag darin begründet, dass dieser gesellschaftliche und soziale Positionen besetzte, welche die katholische Kirche für sich beanspruchte. Mussolini hingegen hatte keinen genauen Plan, wie er kirchenpolitisch handeln würde, jedoch gab es in den ersten Jahren zahlreiche Maßnahmen, die der Kirche mehr Freiraum verschafften (z. B. Rückkehr des Kruzifixes in Schulen, Befreiung der Theologiestudenten vom Militärdienst).213 Über das Schreiben zur Einrichtung von Diözesanmuseen äußert sich Kuss nicht, jedoch kann dieser Vorstoß in den musealen Raum nicht ungeachtet der übrigen kirchlichen Entwicklung gesehen werden. Das vatikanische Engagement für Museen der katholischen Kirche passt in das allgemeine Engagement-Profil der römischen Kurie zur Zeit Mussolinis. Die römische Kurie konzentrierte sich in den 1920er-Jahren auf die sogenannten „Mischfragen“, auf die kulturelle und soziale Sphäre, die Gebiete, wo sich ihrer Ansicht nach Politik und Religion verflechten, während sie sich bei parteipolitischen und parlamentarischen Entwicklungen relativ enthielt. Die Kirchenhierarchie war sich ihrer neuen Einflussbereiche und ihrer subtilen politischen Machtstellung durchaus bewusst, wie man den Aussagen des „Osservatore Romano“ z. B. vom 21.2.1924 entnehmen kann: Man möchte „mit allen möglichen Mitteln die Bildung des politischen Bewusstseins der Katholiken anregen.“214 Kardinalssekretär Gasparri suchte nach einer engen Zusammenarbeit mit den Laien. Deswegen wurde 1923 die „Katholische Aktion“ in Italien gegründet, welche unpolitisch und staatstragend für die Antisäkularisierung kämpfen sollte. Dazu Kuss: „Angesichts der gesellschaftlichen Umwälzungen reichten die traditionellen Kulthandlungen nicht mehr aus, um die kirchliche Präsenz in einer sich modernisierenden Massengesellschaft zu sichern.“215 Für die Befürwortung der Museen der katholischen Kirche zu Beginn der 1920er-Jahre seitens der römischen Kurie spricht ferner, dass die sozialistischen Streikbewegungen in den „zwei roten Jahren“ Italiens 1919/20 auch antiklerikale Züge getragen hatte. Diese kirchenfeindli212 Kuss 1995. S. 147ff. 213 Vgl. Kuss 1995. S. 147ff. 214 Vgl. Kuss 1995. S. 184. 215 Kuss 1995. S. 166.

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chen Übergriffe von Sozialisten manifestierten sich u. a. in der Zerstörung von Heiligenbildern.216 Somit können die Beweggründe zur Gründung von Museen der katholischen Kirche in den 1920er-Jahren in Italien in einer Stärkung der christlichen Kunst im Hinblick auf ihre vorangegangene Missachtung gesehen werden. Ebenso sollten Museen der katholischen Kirche eine Stärkung der christlich-katholischen Kulturwerte im Hinblick sich ändernder Lebensweisen bewirken. Neben diesen Gründen muss die Forderung nach Einrichtung von Museen auch eng mit dem Erhalt von katholischen Kunstgütern gesehen werden. Das Rundschreiben an die italienischen Bischöfe 1924 Am 1.9.1924 schrieb Kardinal Pietro Gasparri ein zweites Schreiben an die italienischen Bischöfe, in welchem er ihnen mitteilte, dass eine „Päpstliche Zentralkommission für die sakrale Kunst“ in Italien eingerichtet wurde und verfügte, dass in jeder Diözese eine „Diözesan- bzw. Regionalkommissionen für die sakrale Kunst“ eingerichtet werde, deren Aufgabe unter anderem „die Errichtung und der geordnete Aufbau der Diözesanmuseen sein soll“.217 In den Erlässen der Konzilskongregation vom 24.5.1939 wurde als Zielsetzung solcher Einrichtungen die Aufbewahrung und damit Erhaltung der Werke angegeben, die andernfalls in Gefahr wären, verloren zu gehen.218 Die Lateranverträge (1929) und weitere Eröffnungen päpstlicher Museen Auch vom Vatikan selbst wurde am 12.11.1926 ein weiteres Museum im Lateranpalast gegründet: das „Museo Missionario Etnologico“. Dies geschah nach Abschluss der Missionarischen Weltausstellung, die auf Wunsch Papst Pius XI. im Jubeljahr 1925 stattgefunden hatte.219 In den Vatikanischen Museen wurde 1932 ein großer Neubau eröffnet. Damit ging die Wanderschaft der 1816 zurückerhaltenen Bilder zu Ende.220 1929 waren zwischen Mussolini und Pietro Gasparri die Lateranverträge geschlossen worden, diese klären u. a. den Status der Vatikanstadt, nachdem 1870 der Kirchenstaat aufgelöst worden war. In den Lateranverträgen wurden in Artikel 18 die Kunstwerke der Vatikanstadt behandelt:

216 Vgl. Kuss 1995. S. 102. 217 Staatssekretariat 1993a. 218 Vgl. Konzilskongregation 1939. 219 Wie die anderen beiden Museen aus dem Lateran ebenfalls 1970 in den Vatikan verlegt (Vgl. Museo Missionario Etnologico 2011). 220 Vgl. Colonna 1962. S. 12.

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„Die in der Vatikanstadt und im Lateranpalast befindlichen Schätze der Kunst und Wissenschaft bleiben den Wissenschaftlern und den Besuchern zugänglich, doch behält der Heilige Stuhl volle Freiheit in der Regelung des öffentlichen Besuches.“221

Pietrangeli beschreibt diesen Artikel als Grund für die Schaffung eines neuen direkten Einganges in die Vatikanischen Museen, um die Kunstwerke der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und sie nicht erst in das Innere des Kirchenstaates zu führen.222 Die Auflagen der Lateranverträge bezüglich der Kunstwerke ähneln denen im Dekret der Alliierten von 1815: Der Vatikan behält bzw. erhält die Kunstwerke, muss sie aber der Öffentlichkeit zugänglich machen. In den neuen Ausstellungsräumen der Vatikanischen Museen wurde die Sammlung erstmals nach modernen Ausstellungskriterien geordnet, die Gemälde nach Schulen klassifiziert und in chronologischer Abfolge präsentiert. 223 Man verließ folglich den Sonderweg der von Canova zu Beginn des 19. Jahrhunderts initiierten Hängung und folgte nun doch einer chronologisch-wissenschaftlichen Praxis. Zusammenfassung Hätte das italienische Museum der katholischen Kirche lediglich den reinen Aspekt der Aufbewahrung heimatloser kirchlicher Kunstwerke, wäre das Museum an sich kein Ziel, sondern nur ein Mittel zum Zweck. Bezieht man jedoch die, von katholischer Seite nicht thematisierten, politischen Umstände in Italien mit ein, kann die Intention des Gründungsaufrufs zu gerade diesem Zeitpunkt nicht nur die Aufbewahrung gewesen sein, sondern auch die Sicherung der Hoheit über die eigenen Kunstgüter gegenüber staatlichen Museen. Es zeigt sich, dass der Aufruf zur Gründung von Museen der katholischen Kirche im Jahre 1923 zu einer Zeit stattfand, in der der katholischen Kirche durch die Regierung Mussolinis neue Freiräume eingeräumt wurden, die von der vorigen Regierung stark beschnitten worden waren. Ähnlich wie in den 1850er-Jahren im deutschsprachigen Raum ist das Engagement für den Schutz katholischer Kunstgüter eine politisch ungefährliche Methode, Freiräume zu nutzen und christlich zu konnotieren. Die römische Kurie ging mit gutem Beispiel voran: 1926 eröffnete im Lateranpalast ein neues Museum und 1932 unter dem Einfluss der Lateranverträge ein Erweiterungsbau der Vatikanischen Museen. Die Arbeitsweise innerhalb des Museums wurde an kunsthistorische Normen angepasst, der katholische Sonderweg einer nicht chronologischen Hängung, wie bis dato in den Vatikanischen Museen praktiziert, hatte sich nicht durchsetzen können.

221 Lateranvertrag 1929. 222 Vgl. Pietrangeli 1996. S. 22. 223 Vgl. Pietrangeli 1996. S. 22.

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D AS V ERHÄLTNIS ZWISCHEN KATHOLISCHER K IRCHE UND BILDENDER K UNST (1900–1962) Die Kunstwelt scheint sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts fast vollkommen von der Kirche entfernt zu haben. Wie oben beschrieben, entstand bereits um 1800 der Begriff der „christlichen Kunst“, was zeigt, dass die bildende Kunst und die Kunst, die im katholischen Kirchenraum zu finden war, nicht mehr zwangsläufig eine Einheit bildeten. Dies führte zu einer neuen Problematik für die katholische Kirche, sie musste sich zu diesen neuen Stilströmungen positionieren. Die katholische Kirche reagierte mit unterschiedlichen Aussagen. Wenn sie sich zuerst von allem Modernen distanzieren mochte und ihren eigenen Kunststil proklamierte, gab es Stimmen einzelner, die sich um einen Dialog mit den Künsten bemühten. Oft schienen es Einzelversuche von engagierten Pfarrern zu sein,224 die großes Aufsehen erregten und nicht selten dem Skandalösen zugeschrieben wurden. Was in den Kirchen zu finden war, wurde kaum in der Kunstwelt wahrgenommen. Was in der Kunstwelt geschah, wurde kaum von der Kirche beachtet. Trotzdem lassen sich in Arbeiten renommierter Künstler christliche Themen finden, sie wurden aber unter anderen Gesichtspunkten behandelt als die Kunst, die für den Kirchenraum angekauft wurde. Die oben behandelten ersten Rundschreiben über Museen der katholischen Kirche wurden unter Papst Pius XI. (1922–1939) versendet und zeigen, dass er sich in seiner Amtszeit stark für die Kunst einsetzte. Seine Aussagen über Kunst stimmten überein mit denen, die im CIC gemacht wurden. Weiterhin legte Pius XI. die Passagen zur Traditionsverbundenheit des CIC so aus, dass sie gegen eine blinde Neuerungssucht sprechen. Dies zeigt sich in verschiedenen Reden des Papstes (z. B. „Abbiamo poco“, 27.10.1932 zur Eröffnung des Neubaus der Vatikanischen Pinakothek).225 Der Papstbrief „Mediator Dei“ (1947) und der erste Kongress katholischer Künstler (1950) Auch in der Amtszeit seines Nachfolgers, Papst Pius XII. (1939–1958), war das Verhältnis zwischen Kunst und Kirche des Öfteren Thema. Pius XII. öffnete sich 224 Als ein herausragendes Beispiel eines engagierten Geistlichen im deutschsprachigen Raum, der sich für zeitgenössische Kunst einsetzt, sei der österreichische Priester Otto Mauer genannt. 1954 gründete dieser die „Galerie nebst St. Stephan“ in Wien. Es gelang Otto Mauer nicht, die Kunst in den Kirchenraum zu bringen, doch seine Galerie wurde zum wichtigsten Ort der Wiener Nachkriegsavantgarde. (Vgl. Schwebel 2002. S. 123). 225 Vgl. Küppers 1955. S. 38f. (Abschnitt der Rede in deutscher Übersetzung). Originaltext auf Italienisch: Papst Pius XI. 1932.

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bis zu einem gewissen Grad zeitgenössischer Kunst. In „Mediator Dei“ vom 20.11.1947 sagte Pius XII. aus, dass zeitgenössische Kunst nicht per se aus den Gotteshäusern verbannt werden solle. Falls die Kunst weder nur die Natur nachahme noch einen überspitzten Symbolismus darstelle und mehr den Anliegen der christlichen Gemeinschaft entspreche als der persönlichen Einstellung des Künstlers, so solle zeitgenössische Kunst durchaus in der Kirche aufgenommen werden. Allerdings sollen Entartungen „gesunder“ Kunst, die den religiösen Sinn verletzen, von Gotteshäusern fern gehalten werden.226 Am 3.9.1950 hielt Papst Pius XII. in Rom eine Ansprache an den ersten Kongress katholischer Künstler. Er drückte aus, dass er Kunst als Vermittler zwischen Menschen sieht, da sie allgemeinverständlich sei, keine Verschiedenheit der Sprachen kennt, sondern unmittelbar zu den Sinnen spricht.227 Weiterhin postulierte Pius XII., dass Kunst, die der Worte bedarf, nur ein eitles Spiel des Geistes sei. Neben der Bedingung der Verständlichkeit durch die Sinne, solle Kunst erheben, zu dem was „ewig, wahr und schön ist“, Kunst solle zu Gott führen. Wenn Kunst diese beiden Bedingungen erfülle, so sei sie ein wichtiger Beitrag für den Frieden auf der Welt.228 Zeitschriften als Diskussionsmedium Die Diskussionen über Kunst und Kirche wurden oft in eigens für diese Thematik kreierten Zeitschriften ausgetragen. In deutscher Sprache erschien seit 1860 die katholische österreichische Zeitschrift „Christliche Kunstblätter“. 1924 wurde die Zeitschrift „Kunst und Kirche“ unter evangelischer Trägerschaft gegründet. (1971 fusionierten diese beiden Zeitschriften zur ökumenischen Zeitschrift „Kunst und Kirche“).229 Die Zeitschrift „Das Münster“ wurde 1947 als das katholische Pendant zu „Kunst und Kirche“ ins Leben gerufen. Für den deutschsprachigen Raum stellen die Zeitschriften seitdem das kirchliche Meinungsbild zum Thema Kunst und Kirche dar.230 In Frankreich war bereits 1935 die Zeitschrift „L’art sacré“ gegründet worden, welche ab 1937 von den Dominikanerpatern Alain Couturier und Pie Régamey herausgegeben wurde. Diese Zeitschrift enthielt den Appell an die Künstler, sich an 226 Vgl. italienisches Original: Papst Pius XII. 1957. Deutsche Übersetzung des Abschnittes zur Kunst: Kirche und modernes Leben 1950. S. 288–289. 227 Vgl. Chinigo/Wuestenberg 1956. S. 107. 228 Vgl. Chinigo/Wuestenberg 1956. S. 106–108. 229 Vgl. Kunst und Kirche 1996. 230 Vgl. Bühren 2008. S. 132. Dass es auch in kunsthistorischen Kreisen eine Auseinandersetzung mit der Frage nach zeitgenössischer „religiöser Kunst“ gab, zeigt die Ausstellung „Neue religiöse Kunst“, welche 1918 in der Kunsthalle Mannheim stattfand und von Gustav Friedrich Hartlaub kuratiert wurde. Eine Publikation des Kurators erschien ein Jahr nach der Ausstellung: Hartlaub 1919.

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den Ausstattungen von Kirchen zu beteiligen und versuchte, zwischen Kirche und zeitgenössischer Kunst zu vermitteln. Dieselben engagierten Dominikanerpater verursachten durch ihre Patronage gegenüber zeitgenössischen Künstlern und durch das Öffnen ihrer Kirchen für Kunst der Gegenwart ab 1951 die „Querelle de l’art sacré“.231 Auslöser war ein Altarkreuz von Germaine Richier in Assy, welches Christus ohne richtiges Gesicht und definierte Körperteile darstellte. Die Richtlinien zur Sakralkunst der französischen Bischöfe (1952) Eine Folge dieser Auseinandersetzungen war die am 28.4.1952 von der französischen bischöflichen Kommission für Seelsorge, Liturgie und Sakralkunst veröffentlichten „Richtlinien zur Sakralkunst“. Mit Hinweisen auf die Rede des Papstes „Mediator Dei“ (20.11.1947) wird in elf Punkten u. a. ausgesagt, dass Künstler den Körper von Heiligen nicht entstellen dürfen, dass „religiöse Kunst“ im Geiste und Material ihrer Zeit ausgeführt werden sollte und dass man sich freue, wenn dies berühmte und zeitgenössische Künstler tun, dabei müsse aber das Kunstwerk vom christlichen Geist durchdrungen und durch Glaube inspiriert worden sein. Die Gläubigen sollten die Kunst ohne Erklärungen verstehen, auch wenn man feststellte, dass neue Kunst meist erst nach einer gewissen Zeit der Überwindung verstanden würde.232 Die Instruktion über die Richtlinien der kirchlichen Kunst des Vatikans (1952) Möglicherweise durch die Streitigkeiten in Frankreich veranlasst, ging am 30.6.1952 von der römischen Kongregation des Heiligen Offiziums die Instruktion über Richtlinien der kirchlichen Kunst an die bischöflichen Ordinariate. Gegenüber den Aussagen der französischen Bischöfe 1952 waren diese jedoch weniger offen und wendeten sich stärker der etablierten Kunst zu.233 Als die wichtigsten Aufgaben der Kunst wurden die Zierde des Gotteshauses und das Fördern von Glauben und Frömmigkeit der Gottesdienstbesucher genannt. Es wurde auf die Rede Papst Pius XI. „Abbiamo poco“ vom 27.10.1932 hingewiesen und daraufhin ausgesagt: „Auch neulich hat der apostolische Stuhl abwegige und unwürdige Formen kirchlicher Kunst verurteilt. Dabei ist der Einwurf unwichtig, daß die kirchliche Kunst sich den Zeitbedürfnissen und -verhältnissen anpassen müsse. Denn die kirchliche Kunst ist ja mit der christlichen

231 Die Situation in Frankreich untersuchte Ochsenreither. Vgl. Ochsenreither 2004. 232 Vgl. Bischöfliche Kommission 1954. 233 Ochsenreither 2004. S. 40ff.

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Gemeinschaft groß geworden und hat ihre eigene Aufgabe, der sie sich nicht entziehen kann.“234

Es wurde hinzugefügt, dass als Sachverständige und Künstler nur fromme und gläubige Männer und nur erstklassige Künstler beauftragt werden sollten. Die Priesterkandidaten sollten in Kunst unterrichtet werden, dies jedoch nur von Lehrern, welche „die Kultur der Vorfahren mit Ehrfurcht schätzen und den Vorschriften des Hl. Stuhles nachleben.“235 Die ersten Werke des 20. Jahrhunderts in den Vatikanischen Museen (1956) Vier Jahre nach Erlass dieser Richtlinien empfing Papst Pius XII. am 24.11.1956 in Rom den nationalen Künstlerverband, durch diesen Anlass wurden erstmals Kunstwerke des 20. Jahrhunderts in die Sammlung des Vatikans aufgenommen. Die Werke wurden dem Vatikan geschenkt.236 Micol Forti beschrieb, dass der Papst bei dieser Begegnung unerwartet die Anregungen der Künstler aufnahm, die Vatikanische Sammlung auch für Kunst der Gegenwart zu öffnen. 237 Forti sah diese Aufnahme als unerwartet an, da sie z. B. in „Mediator Dei“ ein Unbehagen Papst Pius XII. gegenüber der Entwicklung zeitgenössischer Kunst sah.238 Allerdings ist zu beachten, dass bevorzugt Werke aufgenommen werden sollten, welche landschaftliche und nicht figurative Themen behandeln, um Themen zu vermeiden, die dem Ort nicht angemessen seien und um einer Neuauslegung sakraler Ikonographie zu entgehen.239 Somit wich Pius XII. gar nicht stark von seiner Skepsis gegenüber zeitgenössischer Kunst ab, sondern blieb bei seinem Kurs der partiellen Öffnung mit Einschränkungen. Außerdem sollten die zeitgenössischen Werke für die Vatikanischen Museen qualitätvoll und von international anerkannten Künstlern sein. 240 Es wurde eine Kommission gegründet, welche eine Liste mit den wichtigsten Künstlern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erstellte. Wenn man sich bei einem Künstler nicht sicher war, sollte vor allem auch das Ansehen auf dem Kunstmarkt beachtet werden. Künstler, Sammler, Galeristen, Erben, öffentliche und private 234 Zur weiteren Unterstreichung dieser Aussagen wird auch aus „Mediator Dei“ von Papst Pius XII. vom 20.11.1947 zitiert. Es folgen die Richtlinien zur Architektur und bildhaften Kunst, welche in großen Teilen nach den Rechtsnormen des CIC von 1917 zitiert werden. (Pizzardo 1954). 235 Pizzardo 1954. 236 Vgl. Forti 2003. S. 20. 237 Vgl. Forti 2009. S. 91. 238 Vgl. Forti 2003. S. 38. 239 Vgl. Forti 2009. S. 92. 240 Vgl. Forti 2003. S. 38.

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Körperschaften wurden angeschrieben und ihnen das Vorhaben erläutert. Wer ein Werk spenden würde, sollte auf dem Rahmen und in dem erscheinenden Katalog mit Namen erwähnt werden. Man gab die endgültige Liste der Künstlernamen an alle Spender, damit sich diese von der Qualität der ausgewählten Werke überzeugen konnten. 1957 sind die ersten Schenkungen von der gewünschten Liste eingegangen, einige Schenkungen kamen auch von Banken.241 Ab dem 16.5.1960 konnten die zwei neuen Säle in der Vatikanischen Pinakothek mit Kunstwerken aus der Moderne und zeitgenössischen Werken besichtigt werden. In der Öffentlichkeit wurde die Kritik geäußert, dass man sich im Vatikan überhaupt nicht mit der Frage der aktuellen sakralen Kunst auseinandergesetzt hatte. Forti sieht, dass dieses Projekt zwar limitiert war, jedoch den Weg für die zeitgenössische Kunst in die Sammlung ebnete.242 Wichtig hierbei ist aber der Aspekt, für welche zeitgenössische Kunst man sich entschied. So ging es dem Vatikan eindeutig um das Anknüpfen an anerkannte zeitgenössische Künstler und „große Namen“, die Werke selbst sollten aber inhaltlich möglichst „harmlos“ sein, bzw. nicht zu einer direkten Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben führen. Einen neuen Weg schlug der Nachfolger Pius XII. ein, Papst Johannes XXIII. (1958–1963). Er ließ sogar Arbeiten des kirchenfernen Künstlers Giacomo Manzús in die Sammlung aufnehmen. Papst Johannes XXIII. war mit ihm befreundet und ließ sich mehrmals von ihm portraitieren,243 womit der Papst selbst gegen die vom Vatikan erlassene Vorschrift verstieß, dass nur gläubige Künstler christliche Kunst schaffen können.244 Die Situation „christlicher Kunst“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Religiosität zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird mit Strömungen wie dem deutschen Expressionismus, dem abstrakten amerikanischen Expressionismus oder mit Künstler- Persönlichkeiten wie Ernst Barlach verbunden. Ein wichtiger Auslöser für viele Künstler, um sich überhaupt mit Religiosität auseinanderzusetzen, waren die Schrecken des Ersten Weltkrieges, so z. B. bei Barlach, Schmidt-Rotluff, Max Beckmann und Lovis Corinth.245 In den Kirchen fanden der Expressionismus und die Abstrakte Malerei erst Platz, nachdem sie in der Kunstwelt schon etabliert waren, meist erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Für die Fensterbilder wurde abstrakte

241 Vgl. Forti 2003. S. 20–23. 242 Vgl. Forti 2003. S. 24. 243 Vgl. Moderne Kunst aus dem Vatikan 1998. S. 84. 244 Siehe oben die Instruktion über Richtlinien der kirchlichen Kunst von der römischen Kongregation des Heiligen Offiziums vom 30.6.1952. 245 Vgl. Schwebel 2002. S. 109.

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Malerei sogar der bevorzugte Stil. 246 Die Kunstwerke waren jedoch oft reine Stilkopien ohne eine höhere künstlerische Qualität. Generell konzentrierte man sich in Deutschland bei der Integration zeitgenössischer künstlerischer Tendenzen mehr auf die Architektur der Kirchenneubauten als auf die Ausstattung.247 Die evangelischen Theologen Andreas Mertin und Evelyn Valtink gaben 2011 in ihren jeweiligen Artikeln einen Überblick über die einflussreichsten Schriften zum Verhältnis von Kunst und Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg. Katholische und protestantische Autoren kommen in ihrem Überblick gleichberechtigt vor. Ihre Ausführungen seien hier gekürzt dargestellt: Mertin beginnt seinen Überblick mit dem Katholiken Hans Sedlmayr, der 1948 in seiner Schrift „Verlust der Mitte. Die bildende Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts als Symptom und Symbol der Zeit“ den Verlust des Gottesglaubens in der Gesellschaft beklagte, auf welchen er den angeblichen Zerfall der zeitgenössischen Kunst zurückführt. Ganz entgegengesetzter Meinung war 1954 in Frankreich der Dominikaner Pie Régamey, der in seinem Werk „Kirche und Kunst im XX. Jahrhundert“ aussagte, dass glaubenslose Künstler bessere „christliche Kunst“ schaffen würden als dem Christentum verbundene Künstler. Régamey habe, laut Mertin, großen Einfluss auf deutsche Theologen gehabt.248 Mertin beschreibt den deutsch-amerikanischen Protestanten Paul Tillich als mit allen Theorien brechend, indem er 1955 in „Religion und Bildende Kunst“ die Unterscheidung zwischen „profaner“ und „sakraler Kunst“ seit der Ankunft Christi auf Erden als hinfällig erklärte.249 Zur Erläuterung: Das Christentum sieht durch die Menschwerdung Gottes in Jesus die ganze Welt als heil an, da Gottes Sohn ein Teil von ihr geworden ist. Daraus folgt eine Theorie, dass es keinen Unterschied mehr zwischen sakral/heilig und profan/weltlich gibt.250 Ähnlich drückte sich auch der schweizerische evangelische Theologe Kurt Marti 1958 in „Christus, die Befreiung der bildenden Künste zur Profanität“ aus: Durch Jesus sei die Kunst profan geworden. Seit Christus gäbe es keine heiligen Räume und Gegenstände mehr, deswegen sei die Unterscheidung zwischen „heiliger“ und „weltlicher Kunst“ vollkommen irrelevant.251 Valtink betrachtete die Publikation des Kunsthistorikers Wolfgang Schöne mit dem Titel „Die Bildgeschichte der christlichen Gottesgestalten in der abendländischen Kunst“ von 1957 als bahnbrechend für das Verhältnis zwischen Kunst und Kirche. Schöne beschrieb die Entwicklung der Darstellung Gottes in der 246 Vgl. Schwebel 2002. S. 115. 247 Vgl. Ochsenreither 2004. S. 100f. 248 Vgl. Mertin 2011. Zu Pie Régamey siehe auch das Unterkapitel „Zeitschriften als Diskussionsmedium“. 249 Vgl. Mertin 2011. 250 Vgl. Neuhardt 2000. 251 Vgl. Valtink 2011.

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Kunstgeschichte und das Ende der christlichen Bildgeschichte. Das 19. und 20. Jahrhundert hätten keine wirklich künstlerisch lebendigen christlichen Gottesgestalten mehr hervorgebracht.252 Beide – Kurt Marti und Wolfgang Schöne – stellen sich gegen Hans Sedlmayr. Denn nach Marti und Schöne wäre, wenn in der zeitgenössischen Kunst Heiligkeit eine Rolle spielen sollte, es falsche Heiligkeit. Marti ruft dazu auf, dass der Mensch die Kunst immer wieder neu entdecken solle.253 Hans-Eckehard Bahrs Schrift „Poiesis. Theologische Untersuchung der Kunst,“ 1961 erschienen, wird von Mertin als die erste moderne monographische Arbeit zur theologischen Deutung von Kunst bezeichnet.254 Horst Schwebel, evangelischer Theologe, analysierte 2011 Bahrs Werk. Bahr stelle sich in diesem Werk gegen die Theorie des katholischen Theologen Courturiers, der den Künstler als Schöpfer beschrieb. Bahr hingegen sehe Kunst als ein Medium, das gerade das Unperfekte des Diesseitigen illustriere. Schwebel glaubt die Haltung Bahrs in der Ästhetik der 1950er-Jahre verankert, welche mit dem Bild des „Heilen“ brach. Bahr kritisiert den Idealismus, der die Kunst als „Aufleuchten einer heilen Schöpfung“ und als „Vorwegnahme zukünftiger Eschatologie“ betrachte. Das schmerzliche Menschsein in dieser idealistischen Kunst werde nicht thematisiert, was eine Täuschung wäre. Laut Bahr sei die „moderne Kunst“ hingegen irdisch geworden und beschäftige sich mit dem Menschen und seinen Nöten.255 Ebenfalls 1961 erschienen ist die Schrift des katholischen Karl Ledergerber „Kunst und Religion in der Verwandlung“. Ledergerber schrieb eine Absage an die „sakrale Kunst“.256 Ledergerber behauptete, „sakrale Kunst“ gehöre der Vergangenheit an und eine neue „religiöse Kunst“ komme, die sich durch Menschlichkeit ausdrücke – anstatt objektive „Sakralkunst“ subjektive „religiöse Kunst“. Dabei gilt seelische Ergriffenheit bei Ledergerber als Ausweis „religiöser Kunst“.257 Dass es zwischen 1957–1963 zu einem theoretischen Aufbruch innerhalb von Kunst und Kirche kam, führt Mertin auf die restaurativen Tendenzen zurück, die nach den Jahren des Nationalsozialismus auch wieder drohten, auf dieses Verhältnis überzugehen. Mertin macht nachdrücklich darauf aufmerksam, dass die christlichen Kirchen sich unter Hitler gerne auch des Begriffes der „entarteten Kunst“ bedient und versucht haben, die Kunst „zu bereinigen“.258 Mertin erwähnt in seinem Überblick die offiziellen Aussagen der Kirchen nicht. Auf katholischer Seite begann in 252 Vgl. Valtink 2011. 253 Vgl. Valtink 2011. 254 Vgl. Mertin 2011. 255 Vgl. Schwebel 2011. 256 Vgl. Mertin 2011. 257 Mertin 2011a. 258 Vgl. Mertin 2011.

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diesem Zeitraum das „Zweite Vatikanische Konzil“, welches sich intensiv mit der Frage der Kunst auseinandersetzte. Zusammenfassung Innerhalb der ersten 50 Jahre des 20. Jahrhunderts kann man von einer starken Wandlung der Haltung der Päpste gegenüber zeitgenössischer Kunst sprechen: Wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch der Anti-Modernisten-Eid eingeführt, öffnete sich Pius XII. partiell gegenüber zeitgenössischer Kunst. Das Engagement einzelner Geistlicher für zeitgenössische Kunst im Kirchenraum scheiterte jedoch an der realen Umsetzung und Kunst im Kirchenraum wurde von der römischen Kurie als ein mit der Kirche verwachsenes Medium wahrgenommen, das den Vorstellungen des Heiligen Stuhls entsprechen musste. Einen neuen Weg zur Kontaktaufnahme mit der Kunstwelt betrat man in den Vatikanischen Museen, indem man möglichst weltliche Themen von bekannten Künstlern ausstellte. Man öffnete sich somit anerkannter zeitgenössischer Kunst, ohne dabei aber katholische Themen zu diskutieren. Das Museum der katholischen Kirche erschien als eine Art Kompromiss, da man mit zeitgenössischer Kunst im Kirchenraum oft auf gravierende Differenzen zwischen künstlerischer Interpretation und kirchlichen Vorschriften stieß. Erst unter Johannes XXIII. zeigte sich schließlich eine stärkere Liberalität in der Auswahl der Kunst für die Vatikanischen Museen. Allgemein wurde in den verschiedenen Verlautbarungen sichtbar, dass der Vatikan die Künste als ein wichtiges Verkündigungsmittel ansah. Schaut man sich jedoch die Kunstströmungen und den tatsächlichen Status quo des Verhältnisses von Kunst und katholischer Kirche an, lagen Anspruch und Realität weit auseinander.

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DER KATHOLISCHEN K IRCHE IM DEUTSCHSPRACHIGEN R AUM (1900–1962)

Die „Päpstliche Kommission für Kulturgüter der Kirche“ betonte, dass die Vorschriften des Heiligen Stuhls im 20. Jahrhundert, was die Museen betrifft, zwar an die Bischöfe Italiens gerichtet waren, diese aber analog auch als gültig für die Universalkirche angesehen werden können.259 Betrachtet man jedoch die vorhandenen Gründungsdaten von Diözesanmuseen im deutschsprachigen Raum,260 so kann kein 259 Vgl. Staatssekretariat 1993. S. 188–196. 260 1901 Diözesanmuseum Eichstätt; 1903 Diözesanmuseum Limburg; 1903 Diözesanmuseum Staurothe; 1907 Bamberg Pläne zur Einrichtung eines Diözesanmuseums; 1914 Diözesanmuseum Fulda; 1918 Diözesanmuseum Osnabrück; 1923 Augustinermuseum Freiburg im Breisgau, 1924 Dommuseum Fritzlar, 1925 Mainzer Dom- und Diözesanmuseum, 1930 Aachener Domschatzkammer; 1930 Domkammer der Kathedralkirche

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direkter Zusammenhang mit der Aufforderung zur Gründung und einer folgenden Gründungswelle gesehen werden. Nicht wenige Museen der katholischen Kirche wurden bereits in den Jahren vor 1923 gegründet. Im Folgenden werden Gründungen und Entwicklungen deutschsprachiger Museen der katholischen Kirche, zu welchen sich Informationen finden ließen, näher betrachtet. Trier, Bamberg, Eichstätt, Augsburg, Freiburg, Regensburg und Fulda Einige Museen der katholischen Kirche wurden zu besonderen Ereignissen eröffnet. So gibt das Diözesanmuseum Trier an, 1904 anlässlich der 11. Generalversammlung der Deutschen Gesellschaft für Christliche Kunst am 3.10. in Trier eröffnet worden zu sein.261 Jedoch scheint der Grund für die Eröffnung eher im Zuwachs der Sammlung zu liegen. Durch die Domrenovierung im Jahr 1900 waren neue Funde und Objekte in die Sammlung gekommen. Als Initiator wird nicht ein Verein genannt, sondern Bischof Michael Felix Korum und das Domkapitel der Hohen Domkirche. Der Bischof schrieb an seine Priester, das Museum solle „die Erinnerungen an die ruhmreiche Vergangenheit der Heimatdiözese lebendig erhalten, das Studium der kirchlichen Kunst und der gewerblichen Technik fördern und das Kunstgewerbe anregen.“262 Der Bischof rief 1904 in einem Brief an den Klerus der Diözese auch dazu auf, dem Museum geeignete kirchliche Altertümer zu geben. 1905 wurde ein „Diözesan-Museums-Verein“ gegründet, der Mittel für den Erhalt, die Erweiterung und den Ausbau des Diözesanmuseums beschaffen und das Interesse für kirchliche Kunst in der Diözese fördern sollte. Mit der Leitung des Museums wurde Domkapitular Johannes Wiegand beauftragt, welcher 1905 einen ersten Führer verfasste. Von 1924 bis 1952 folgte ihm Domkapitular Nikolaus Irsch. In der Doppelfunktion als Konservator sorgte er dafür, dass viele Gegenstände der Diözese, welche verwahrlosten, in das Museum kamen. Seit 1943 und dann nach dem Krieg wurden Domgrabungen durchgeführt, welche zu beträchtlichen Funden und 1948 zur Errichtung einer eigenen Abteilung für Archäologie und Bauforschung im GeneralviSt. Paulus, Münster; 1951 Dom- und Schatzkammer Xanten; 1954 Neueröffnung in Fulda; 1959 öffentlicher Zugang Domschatzkammer Essen (Vgl. Deutsche Bischofskonferenz 1992. S. 10–107); 1960 Dom-Museum Minden (Sammlung während des Wiederaufbaus zusammen getragen). (Vgl. Nachrichten 1960). 261 Vgl. Trier 2008. 262 Der erste Leiter war Dombaumeister Wilhelm Schmitz. Bereits zur Gründung wurde ein „Diözesan-Museums-Verein“ gegründet. Von 1924 bis 1952 war der Religionslehrer und spätere Domkapitular Nikolaus Irsch Leiter des Museums. Von 1952 bis 1984 war Theodor K. Kempf Bistumsarchäologe und Leiter des Museums. Er eröffnete nach dem Krieg 1952 das Museum in neuen Räumlichkeiten wieder. (Vgl. Weber 2010. S. 11– 14).

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kariat führten, welches von Theodor K. Kempf geleitet wurde. 1952 wurde diese Abteilung mit dem Diözesanmuseum zusammengelegt, welches den Namen „Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum“ erhielt. Bereits in den 1970er-Jahren gab es erfolglose Überlegungen, das Museum zu erweitern.263 In einem ähnlichen Zeitraum hatte auch das Bistum Bamberg die Eröffnung eines Museums zu einem besonderen Ereignis geplant: zur 900-Jahr-Feier des Bistums im Jahre 1907. Der Bamberger Domkapitular und spätere Weihbischof Adam Senger hatte die Einrichtung eines Museums angeregt. Es wurde aber nur die Domschatzkammer ausgebaut.264 Bis zur Verwirklichung eines Museums sollte es noch bis zum Jahre 1966 dauern.265 In Eichstätt wurde 1901 ein Museum durch Bischof Franz Leopold Freiherr von Leonrod ins Leben gerufen und in der ehemaligen fürstbischöflichen Sommerresidenz untergebracht. Vorausgegangen war eine Schenkung des Pfarrers Sebastian Mutzl. Felix Mader (1867–1941), der später Hauptkonservator und Abteilungsdirektor im bayerischen Landesamt für Denkmalpflege wurde, betreute das Museum. Danach folgten die Konservatoren Professor Oskar Freiherr Lochner von Hüttenbach und Ferdinand von Werden. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Haus geschlossen.266 Obwohl es der katholischen Kirche in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Allgemeinen finanziell gut ging, kam es in Augsburg wegen finanzieller Schwierigkeiten sogar dazu, dass das bereits bestehende Museum der katholischen Kirche am 15.1.1910 in das städtische Maximiliansmuseum eingegliedert wurde. Die Kunstwerke blieben jedoch weiterhin Eigentum des Domkapitels und der jeweilige bischöfliche Kustos sollte ständiges Mitglied der Museumskommission werden.267 In Freiburg wurde 1907 ein Diözesanmuseum im Untergeschoss des Ordinariatsgebäudes untergebracht, man wollte dieses an bestimmten Tagen dem Publikum zugänglich machen. Jedoch wurde 1928 noch ausgesagt, man wollte keine breite Öffentlichkeit auf das Museum aufmerksam machen, um die Kunstwerke nicht zu gefährden.268 Seit 1927 gab es erste konkrete Planungen für ein Diözesanmuseum in Regensburg. Das Dritte Reich beendete diese Überlegungen. Seit 1938 wurden einige Werke als Leihgaben an das Regensburger Stadtmuseum gegeben. Zuwachs erhielt die Sammlung der Diözese durch den Nachlass eines Pfarrers und durch 263 Vgl. Weber 1989. S. 202–210. 264 Vgl. Seifert 1995. S. 240. 265 Vgl. Bamberger Diözesanmuseum 2008. 266 Vgl. Seufert 1984. S. 185. 267 Vgl. Rummel 2000. S. 29. 268 Vgl. Zinke 1982. S. 289.

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Leihgaben von Pfarreien des Bistums, welche wertvolle Kunstwerke im Museum in Sicherheit bringen wollten.269 Das Dommuseum zu Fulda, 1914 erstmals eröffnet und 1954 wieder eröffnet, bestand zum Teil aus liturgischen Stücken, welche bei feierlichen Gottesdiensten im Dom genutzt wurden, und aus Grabungsfunden von Vonderau (karolingische und romanische Baukunst) und aus der Sammlung des 1875 verstorbenen Bistumsverwesers Konrad Hahne, welcher alte Kunst aus dem Fuldaer Land sammelte. Die Anregung zur Einrichtung eines Museums nach dem Zweiten Weltkrieg ging vom Domdechanten und Weihbischof Adolf Bolte aus. „Die seitherige Unterbringung in einem schwer zugänglichen Raum und das gedrängte und verwirrende Nebeneinander entzogen den Objekten ihre künstlerische Aussagekraft.“270 Paderborn An anderer Stelle wurde hingegen ein geschlossenes Museum wieder eröffnet. 1911 rief Bischof Karl Joseph Schulte zur Gründung eines Museums auf: „Nachdem durch die Vollendung des neuen Generalvikariats einige geeignete Räume zur Verfügung stehen, möchte ich nicht länger zögern, einen Wunsch, der seit Jahren und jüngst auch mir auf Firmungsreisen und Dekanatskonferenzen oft und dringend geäußert worden ist, der Verwirklichung näher zu bringen. Es ist der Wunsch nach einem Diözesanmuseum in Paderborn, das vor allem wertvolle ältere kirchliche Kunstgegenstände aufnimmt und deren Besichtigung dem Publikum ermöglicht [...]. Ich lade daher alle für die kirchliche Kunst und Denkmalpflege interessierten Kreise in unserem Bistum, vorab die Herren Geistlichen als die berufenen Hüter aller künstlerischen und geschichtlichen Werte in den Kirchen, aufs herzlichste ein, mir zum Zustandekommen eines Diözesanmuseums behilflich sein zu wollen.“271

Es dauerte noch zwei Jahre, bis 1913 das Diözesanmuseum wieder eröffnet wurde, welches bereits zwischen 1853 und 1867 bestanden hatte. Das Museum wurde in Räumen des Archivs des neu erbauten Generalvikariats und im alten Kapitelsaal des Domes untergebracht.272 Teile glichen eher einem Magazin als einer Schausammlung. Zuerst wurde das Museum nur auf besonderen Wunsch geöffnet, später gab es knappe Öffnungszeiten.273 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging es den Betreibern aber nicht mehr um das Propagieren eines mittelalterlichen Kunstideals, sondern um die Darstellung einer kunsthistorischen Entwicklung von christlichen Bildthemen. Erneut waren Hauptbestandteil der Sammlungen Leihgaben aus Pfarr269 Vgl. Hubel 2005. S. 6. 270 Pralle 1966. S. 3. 271 Kirchliches Amtsballt 1911. 272 Vgl. Westermann-Angerhausen 1975. S. 2. 273 Vgl. Schmitz 1983. S. 213.

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gemeinden, jedoch gab es nun ebenfalls Schenkungen und Ankäufe, die diesmal alle Epochen umfassten und nicht wie 1858 und 1867 nur mittelalterliche Kunst. Dem damaligen Direktor des Museums, Alois Fuchs, Theologe und Kunsthistoriker, war vor allem die Präsentation von Typenreihungen wichtig.274 Man dachte schon bald über einen Neubau nach, was sich jedoch durch den Nationalsozialismus und die Nachkriegsjahre verschob.275 Am 12.10.1949 wurde ein Diözesaner Kunstverein neu gegründet. Die erste Jahresgabe des Vereins „Alte und Neue Kunst im Erzbistum Paderborn“ erschien 1950, der Erzbischof wünschte sich, dass in dieser Jahresgabe nicht nur die alte Kunst behandelt würde, sondern auch Fragen der zeitgenössischen christlichen Kunst.276 Köln Auch in Köln fanden einige Veränderungen statt, die denen in Paderborn ähneln: Die Öffnung für andere Kunststile und eine Neuordnung der Exponate nach kunsthistorischen Richtlinien. Ab 1911 beschloß man, an Sonn- und Feiertagen zu bestimmten Uhrzeiten freien Eintritt zu gewähren, damit auch weniger Betuchte das Haus besichtigen könnten.277 Die Leitung des Museums wurde ab 1923 stringent von geistlichen Kunsthistorikern übernommen. Neuß war 1923 nach Schnütgen der zweite Leiter des Museums, der innerhalb seines Theologiestudiums auch Kunstgeschichte studiert hatte.278 1924 erschien daraufhin auch der erste wissenschaftlich bearbeitete und bebilderte Katalog.279 1926 wurde Jakob Eschweiler Direktor des Diözesanmuseums, jedoch nicht Vereinsvorsitzender. Seither sind die Ämter getrennt. Gleichzeitig leitete Eschweiler auch das „Institut für religiöse Kunst“,280 durch dieses Amt finanzierte er sich, da die Arbeit als Direktor des Diözesanmuseums ehrenamtlich war. 281 Durch die Gründung des „Instituts für religiöse Kunst“ im Jahre 1920 durch Fritz

274 Vgl. Stiegemann 1994a. S. 61–64. 275 Vgl. Schmitz 1983. S. 213. 276 Vgl. Stiegemann 2009. 277 Vgl. Plotzek 2003. S. 11. 278 Zuvor gab es zwei Leiter, welche beide Theologen ohne kunsthistorisches Studium waren. (Vgl. Kolumba Geschichte Neuß 2011). 279 Eschweiler, Jakob: Das Erzbischöfliche Diözesanmuseum zu Köln. Köln 1924. (Vgl. Plotzek 2003. S. 15). 280 Vgl. Surmann 1995. S. 8–10. 281 Eschweiler richtete nach seiner Tätigkeit am Diözesanmuseum eine Stiftung zugunsten von Künstlern „ohne Rücksicht auf deren Rasse, Religion oder politische Überzeugung“ ein, welche 1974 amtlich genehmigt wurde. (Vgl. Kolumba Geschichte Eschweiler 2011).

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Witte282 hatte Köln seine Stellung als wichtiger Ort für „christliche Kunst“ ausgebaut und wurde zu einem Zentrum „christlichen Kunstschaffens“.283 Eschweiler ließ die Räumlichkeiten des Museums umbauen und die Sammlung neu aufstellen. Die Gruppierung der Werke nach qualitativer Höhe, ikonographischer Besonderheit und Typen-Entwicklungen sowie der Verzicht auf Duplikate sollten einen allgemeinen Überblick über die Entwicklung der „christlichen Kunst“ in Köln und seiner näheren Umgebung geben. In wechselnden Ausstellungen sollte vor allem „moderne Kunst“ gezeigt werden.284 Neuß, der den Vereinsvorsitz beibehalten hatte, hob 1927 die alten Vereins- und Museumsstatuten auf und schaffte somit die Bindung an das Ideal der Gotik ab.285 In den neuen Statuten des Vereins wurde festgeschrieben, dass man sich dem Erhalt alter Kunst und der Förderung Schaffender widmete. Allerdings fand durch die neuen Statuten kein Wandel in der Sammlung statt. Es gab viele Schenkungen und einen Schwerpunkt mit Werken der rheinischen Spätnazarener. Zeitgenössische Kunst wurde in enger räumlicher Verbindung zu Dauerausstellung temporär präsentiert.286 Hatte sich das Kölner Diözesanmuseum während des Kulturkampfes offiziell von der Diözese distanziert, schaffte man es zur Zeit des Nationalsozialismus, durch einen Hinweis auf die Zugehörigkeit zum bischöflichen Ordinariat, einer Mitgliedschaft in der „Reichskammer der bildenden Künste“ zu entgehen und dies, obwohl das Kölner Diözesanmuseum immer noch vom Verein getragen wurde. 287 Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Museum geschlossen288 und alle transportablen Werke ausgelagert. Das Museumsgebäude und die sich noch darin befindlichen Werke wurden 1945 zerstört. Zwei Jahre später übernahm Joseph Hoster die Leitung des Museums.289 In der Nachkriegszeit fanden nun Ausstellungen an wechselnden Orten statt, meist zu Themen „zeitgenössischer christlicher Kunst“.290 So wurde 1951 im Aachener Kaisersaal die Ausstellung „Ars Sacra. 282 Vgl. Surmann 1995. S. 8–10. Das Kölner Institut wurde 1926 der Kölner Kunstgewerbeschule zusammen mit einem neuen Lehrstuhl „Lehrstuhl für religiöse Kunst“ eingegliedert. Somit wurde christliche Kunst zu einem Schwerpunkt der Werkschulerziehung. (Vgl. Bühren 2008. S. 114). 283 Vgl. Peters 1996. S. 46. 284 Vgl. Plotzek 2003. S. 16. 285 Vgl. Kolumba Geschichte 1923–1939. 286 Vgl. Surmann 1995. S. 12, 1929 ist die Zahl der Vereinsmitglieder wieder auf einem hohen Stand von 1459. (Vgl. Hegel 1987. S. 353). 287 Vgl. Plotzek 2003. S. 19. 288 Vgl. Kolumba Geschichte 1923–1939. 289 Studium der Kunstgeschichte, Philologie und Theologie (Vgl. Kolumba Geschichte Hoster 2011). 290 Vgl. Surmann 1995. S. 12.

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Junge christliche Kunst“ gezeigt.291 Bereits 1948 gab es im Rahmen der 700-JahrFeier der Grundsteinlegung des Kölner Domes eine internationale Ausstellung „Christliche Kunst der Gegenwart“, zu welcher die Stadt Köln ins Staatenhaus einlud. Es waren bei der Ausstellungsgestaltung sowohl Protestanten als auch Katholiken beteiligt. In ihrem Zusammenhang wurde diskutiert, ob es das Kult- und Andachtsbild in der Gegenwart noch gibt und es wurde auch abstrakte Kunst ausgestellt.292 In der Kölnischen Rundschau erläuterte Hoster den Unterschied des Diözesanmuseums gegenüber anderen Kunstmuseen. So biete das Diözesanmuseum Zuflucht für Dinge, die nicht mehr in der Kirche bleiben konnten, diese werden aber nicht unter ästhetischen Aspekten gezeigt, sondern als Kultgegenstände. Weiterhin würden diese in ihrem fragmentarischen Zustand gelassen, so dass sie als Vorlagen für gegenwärtige Gestaltung dienen können.293 Osnabrück In Osnabrück wurde am 28.8.1918 ein Diözesanmuseum eröffnet. Der Plan, ein Diözesanmuseum zu gründen, war schon mehr als zehn Jahre zuvor aufgekommen. Ein Grund, der gegen ein Museum der katholischen Kirche in Osnabrück vorgebracht wurde, war, dass es sinnvoller sei, ein großes Museum zu betreiben anstelle vieler kleiner Museen. Dagegen wurde argumentiert, dass die Kunstgüter schon immer mit ihrer lokalen Heimat verwurzelt gewesen seien. Das Museum wurde im Obergeschoss des Domportikuses und den anliegenden Gemächern untergebracht. Zuerst stellte Pfarrer Theodor Biedendieck in Osnabrück-Schinkel die Sammlung auf, ihm folgte der Kunsthistoriker Wilhelm Schulte aus Nienborg, welcher die Gegenstände übersichtlich ordnete und katalogisierte. Zur Eröffnung in der Michaelskapelle am Dom kamen weltliche und geistliche Persönlichkeiten. Der Bischof betonte in seiner Rede, dass es eine heilige Verpflichtung sei, „den deutschen Idealismus christlichen Charakters auch in unserer schweren und düsteren Zeit, ja jetzt erst recht, hochzuhalten und diesen Idealismus auch in der christlichen Kunst zu pflegen.“294 Außerdem würde es sich wegen der Eigenheit der kirchlichen Kunst empfehlen, diese nicht in allgemeinen Museen unterzubringen, sondern sie in Verbindung mit kirchlichen Gebäuden gesondert aufzustellen. Das Diözesanmuseum solle aber nicht in Konkurrenz mit anderen Museen der Stadt treten, sondern sie ergänzen. Es soll ausschließlich kirchlicher Kunst aus der Diözese dienen, die nicht mehr an ihrem angestammten Platz sein kann, dadurch würde das Diözesanmuseum zu einer Ruhmesstätte der Heimat. Des Weiteren solle es eine Lehrstätte für Geistliche sein, damit sie lernen würden, das Alte in Ehren zu halten und das Neue zu prüfen 291 Vgl. Plotzek 2003. S. 24. 292 Vgl. Schnell 1948. 293 Vgl. Plotzek 2003. S. 24. 294 Seling 1919. S. 154–156.

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und auszuwählen.295 Man zeigte Paramente, Osnabrugensia (Pläne, Darstellungen und Bilder von Osnabrück) und plastische Bildwerke in chronologischer Reihenfolge. Abweichungen gab es, um typologische Reihen zu bilden, dabei trennte man nicht nach Holz und Steinplastik. Der Träger des Museums war der Bischöfliche Stuhl. Ein Diözesan-Museums-Verein wurde gegründet, welcher die Sammlung betreute. Der Bischof ernannte die Vertrauensmänner des Vereins, diese unterhielten das Museum und beschafften die dazu erforderlichen Mittel und sollten das Interesse und Verständnis für christliche Kunst in der Diözese fördern. 296 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Diözesanmuseum in Osnabrück 1959 wieder eröffnet.297 Die Zeitschrift „Das Münster“ berichtete über die Aufstellung: „Mit Dr. Breuer beginnt eine neue Epoche des Museums. Das grundsätzlich Neue seiner Aufstellungsmethode zeigt sich schon in dem ersten Raum des Museums, der denkmalpflegerische und museale Belange zu vereinigen sucht. Hier werden alle Eingänge und Neuerwerbungen zunächst nach ihrer Reinigung bzw. Restaurierung magaziniert und für den Tausch an andere Kirchen der Diözese bereitgestellt, sofern sie nicht hervorragende Qualität besitzen. Die Qualität ist das Leitwort der nach modernen Gesichtspunkten aufgestellten Sammlungen, die jede Überhäufung meiden und nach Isolierung des einzelnen Kunstwerks trachten. Der Rundgang beginnt mit der Zeit der Barocks und der Renaissance und endet bei den frühmittelalterlichen Denkmälern des Bistums.“ 298

Mainz Noch vor dem Zweiten Weltkrieg wurde 1925299 ein Diözesanmuseum in Mainz gegründet. Auch hier geht die Gründung nicht auf einen Verein zurück, sondern auf die Initiative des Domkapitulars.300 Die 1000-Jahrfeier der Rheinlande 1925 gab den Anlass, die Bestände der Öffentlichkeit zu zeigen. 301 Kapitelsaal, Kapitelstube und Kapitelkammer wurden zu einem Museum umgebaut. 302 Die späte Gründung wird auf die politischen Umstände zurückgeführt, welche 1815 dazu führten, dass Köln seinen Status als Metropolitansitz wiedererlangte, während Mainz zum dauerhaften Suffraganbistum wurde und mit dem politischen auch der kulturelle Niedergang folgte.303 Lenhart, der Domkapitular, welcher das Museum gründete, war hes295 Vgl. Seling 1919. S. 154–156. 296 Vgl. Seling 1919. S. 158. 297 Vgl. Deutsche Bischofskonferenz 1992. S. 10–107. 298 Nachrichten 1960. S. 62. 299 Wilhelm Jung spricht von Ende 1924 (Vgl. Jung 1969. S. 410). 300 Vgl. Ecker 2008. S. 15. 301 Vgl. Jung 1986. S. 43. 302 Vgl. Jung 1969. S. 410. 303 Vgl. Ecker 2008. S. 15.

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sischer Landesabgeordneter bei der Zentrumspartei und interessierte sich für den Bischof Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler. Ketteler war bekannt für seine Schriften während des Kulturkampfes, in welchen er sich für die Freiheit der katholischen Kirche von der preußischen Oberhoheit einsetzte. Unter Hitler wurden die katholischen Arbeiterverbände verboten, weshalb sie die Wallfahrt als Möglichkeit nutzten, um öffentlich aufzutreten. 1934 hielten die katholischen Arbeiter zum ersten Mal zum Todestag Kettelers eine Wallfahrt zu dessen Begräbnisstätte nach Mainz ab. Lenhart hielt die Predigt im Dom, während die Nationalsozialisten versuchten, die Veranstaltung zu stören. Man wollte diese Wallfahrt nun jedes Jahr abhalten. Ein Jahr später war im Diözesanmuseum ein „Ketteler-Kabinett“ eingerichtet worden, in welchem Ketteler-Portraits, persönliche Gegenstände des Bischofs und die gesammelten Schriften von und über ihn ausgestellt wurden. Es gibt keine Hinweise, dass das „Ketteler-Kabinett“ irgendwelche Repressionen durch die Nationalsozialisten erfuhr.304 Auch in Mainz zeigte sich wieder, wie Museumsräume dazu genutzt werden konnten, eine politische Meinung kund zu tun, ohne dabei mit dem Regime in Konflikt zu geraten. Gleich in den ersten Jahren des Mainzer Diözesanmuseums wurde die Einrichtung des Museums einem kunsthistorisch ausgebildeten Leiter übergeben. Da es im zweiten Viertel des 20. Jahrhunderts eröffnet wurde, liegt es somit gleichauf mit den Entwicklungen in Paderborn oder Köln. Die Wissenschaftlichkeit und die kunsthistorische Expertise standen nun im Vordergrund, um die Existenz der Museen der katholischen Kirche zu legitimieren. So stellt der im zweiten Viertel des 20. Jahrhunderts amtierende Domkapitular des Mainzer Diözesanmuseums klar, dass es sich beim Mainzer Diözesanmuseum um eine ernste kunstwissenschaftliche Einrichtung handele, welche Kunstgüter der Diözese aufbewahrt, um sie vor ihrem Untergang zu bewahren, aber ihre wahre Heimat sei das Gotteshaus.305 Dass dem Kirchenraum das Vorrecht vor dem Museum eingeräumt wurde, zeigt sich auch im Verkauf von Museumsstücken zur Finanzierung der Domsanierung im Jahre 1936.306 Auch in Mainz gab es, ähnlich wie in Köln, nach dem Zweiten Weltkrieg vor der Wiedereröffnung des Museums, Ausstellungen „zeitgenössischer christlicher Kunst“, die erste 1946 mit dem Titel „Ausstellung moderner Christlicher Kunst am Mittelrhein“. Der Museumsdirektor und Diözesankonservator Prälat Schuchert wollte alle drei Jahre eine solche Leistungsschau in Mainz ausrichten. Es fanden zwei weitere Schauen 1949 und 1952 statt. Diese Schauen bewirkten eine Diskussion über die Frage angemessener Kunst in Bezug zur katholischen Kirche. Zwar verteidigte sich Schuchert, er habe bei der Auswahl der Werke für die letzte Ausstel304 Vgl. Ecker 2008. S. 55–58. 305 Vgl. Ecker 2008. S. 39–53. 306 Vgl. Ecker 2008. S. 39–53.

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lung 1952 die päpstliche Anweisung vom 30.6.1952 (Instruktionen über die Richtlinien kirchlicher Kunst) beachtet, jedoch befand sich unter den ausgestellten Werken auch wieder abstrakte Kunst.307 Nach dem Krieg gab es in Mainz wieder eine neue Ausrichtung des Museums. Der Museumsdirektor und Diözesankonservator Prälat Schuchert wollte der Sammlung einen stärkeren museumspädagogischen Charakter verleihen, der auch für kunstwissenschaftliche Laien einen Anreiz biete und nicht wie vor dem Krieg eine rein nach kunstgeschichtlichen Kriterien ausgerichtete Aufstellung.308 Rottenburg In Rottenburg wurden 1928 zur Zeit des 100-jährigen Jubiläums der Diözese die Bestände der Sammlung zusammengefasst und im Bibliothekssaal und in einem Gang des bischöflichen Palais aufgestellt. Die Werke wurden vom ersten Leiter des Diözesanmuseums, dem Pfarrer Albert Pfeffer, gemeinsam mit dem Generaldirektor der Staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe, aufgestellt.309 Albert Pfeffer war ein historisch interessierter Pfarrer und hatte die Leitung bis 1937 inne. 1940 übernahm Anton Pfeffer, ein Laie mit kunsthistorischem Studium, diese Aufgabe. Ab 1953 führte Gottlieb Merkle, ein Pfarrer mit kunsthistorischem Studium, das Museum weiter. Durch ihn wurde 1969 das Museum neu aufgestellt und dadurch erstmals tatsächlich als Museum nutzbar gemacht.310 Würzburg Auch in Würzburg gab es vor dem Zweiten Weltkrieg wieder einen Impuls, ein Diözesanmuseum zu eröffnen. Zur Synode im Jahre 1931 wurde der Beschluss gefasst, ein Diözesanmuseum zu gründen. Jedoch blieb es wieder nur bei einem Beschluss, welcher nicht verwirklicht wurde.311 In der Nachkriegszeit wich man in Würzburg nun ganz von der Idee ab, ein Museum zu gründen. Als Begründungen wurden die allgemeine soziale Not und eine zu vermeidende Konkurrenz zu kom307 Vgl. Ecker 2008. S. 71–74. 308 Vgl. Ecker 2008. S. 77. 309 Vgl. Mecklenburg 1978. S. 13–14. 310 Pfarrer Albert Pfeffer war Heimatforscher und von 1927 bis 1937 Vorstand des Diözesan-Kunstvereins. Weiterhin war er in der Denkmalpflege in der Diözese tätig. Von 1940 bis 1953 übernahm Anton Pfeffer die Leitung. Er hatte Volkswirtschaft, Staatswirtschaft, Kunstgeschichte und Germanistik studiert und als Redakteur bei unterschiedlichen Zeitschriften gearbeitet, u. a. für den Katholischen Pressedienst der Diözese Rottenburg; und außerdem hat er Aufsätze über christliche Kunst veröffentlicht. 1953 übernahm Gottlieb Merkle die Leitung; er war sowohl in Kunstgeschichte als auch in Theologie promoviert, Pfarrer und Professor. (Vgl. Mecklenburg 1978. S. 20–22). 311 Vgl. Lenssen 2003. S. 9ff.

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munalen Museen genannt. Es gab jedoch mit Josef Hofmann und Berthold Scheuering zwei Geistliche, welche sich um die Gründung eines Museums in Würzburg bemühten und 1941 die „Arbeitsgemeinschaft für religiöse Volkskunde in Mainfranken“ gründeten. Scheuering vermachte aus Enttäuschung über das Desinteresse der Würzburger Diözese seine Kunstsammlung dem Bonifatiuswerk Paderborn. Hofmanns Sammlung ging jedoch an das Priesterseminar in Würzburg,312 welche den Grundstock des später gegründeten Museums bilden sollte. Am Beispiel Würzburg wird deutlich, dass es in der Nachkriegszeit nicht in jeder Diözese Interesse an Kunstsammlungen gab. Österreich In Österreich kam es nach der ersten Gründung eines Diözesanmuseums 1888 erst wieder nach der Jahrhundertwende zu Eröffnungen, die erste fand 1901 in Brixen statt.313 Neuhardt begründet dies mit der Ausbildung des Klerus: „Widrige Umstände, vor allem aber große Lücken im Bildungsgang des Personals waren es, die die Amtskirche in Österreich auf diesen Prozeß [Museumsgründungen im 19. Jahrhundert] leider erst sehr spät aufmerksam werden ließen. Lange bevor nach dem Ersten Weltkrieg die kirchliche Denkmalpflege in den einzelnen Diözesen aktiviert wurde, begannen gottlob einzelne Priester in spontanen Initiativen, sich der Dinge anzunehmen.“314

So folgte 1906 die Gründung des Linzer Diözesanmuseums durch Bischof Franz Maria Doppelbauer, bereits 1914 gingen dessen Bestände jedoch an das Landesmuseum über.315 Das Linzer Diözesanmuseum ging auf die Initiative eines 1859 gegründeten katholischen Kunstvereins zurück. Auch in Österreich setzte man „nachdem sich die katholische Kirche Österreichs vom System des josephinischen Staatskirchentums emanzipiert hatte, auf zwei Institutionen, die die Fundamente für eine selbstbewusste Kirche bilden sollten: Einerseits verfolgte man den Aufbau des katholischen Vereinswesens, andererseits gründete man eine katholische Presse.“316

1849 wurde auf der Versammlung des katholischen Vereins Deutschlands in Regensburg angeregt, dass Linz einen katholischen Kunstverein gründen solle. Beauftragt wurde Theoderich Hagn, Abt des oberösterreichischen Benediktinerstifts. In den Statuten von 1859 wurde auch die Gründung eines Diözesanmuseums als 312 Vgl. Lenssen 2003. S. 9ff. 313 Vgl. Telesko 2008. S. 214. 314 Neuhardt 1974. S. 7. 315 Vgl. Neuhardt 1974. S. 7. 316 Rath 2009. S. 54.

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Projekt genannt. Weitere Aufgabe war die Veranstaltung von christlichen Kunstausstellungen. Christliche Kunstwerke sollten erforscht, erhalten und abgebildet werden, das hierfür genutzte Organ waren die „Christlichen Kunstblätter“. Die Obmannfunktion im Verein hatten über Jahre Geistliche inne. Der dominierende Stil war auch hier die Gotik.317 In Klagenfurt eröffnete 1917 ein Diözesanmuseum, den Grundstock der Sammlung bildeten kirchliche Kunstgegenstände, welche der Klagenfurter Domherr Matthäus Größer als Konservator, Pfarrer und Dechant im Hinblick auf ein mögliches Museum gesammelt hatte. Der Fürstbischof Adam Hefter hatte auf seiner Visitationsreise im Jahre 1915 die Wahrnehmung machen müssen, dass kirchliche Kunstgegenstände, die nicht mehr verwendet wurden, oft ganz unzugänglich aufbewahrt wurden, bis sie zugrunde gingen oder von einem gerissenen Altertumshändler dem Pfarrer, Messner oder Kirchenkämmerer „abgeschwatzt“ wurden. Er beauftragte mit der Betreuung des Museums seinen Sekretär Otto Rainer. Dieser wurde Religionsprofessor am Klagenfurter Gymnasium und füllte in vierzigjähriger Sammeltätigkeit fünf Säle mit Kunstwerken. Das Museum wurde im Obergeschoss des Osttraktes der Bischöflichen Residenz untergebracht.318 Weitere Museumseröffnungen folgten in Österreich in den 1930er-Jahren. Das Diözesanmuseum in Graz wurde 1932 in drei Kapellen neben dem Dom eröffnet. Die Initiative ging von Fürstbischof Ferdinand Pawlikowsky und dem ersten Kustos Johannes Mandl aus. Es gab nicht viel Platz, doch dem Kustos war wichtig, „sakrale Kunst“ in „sakralen Räumen“ auszustellen. Man begann gleichzeitig mit der Gründung des Museums, zu sammeln und wollte vor allem den mittelalterlichen Kunstbesitz bergen. Neben dem Bergen von Kunstwerken sollte der heranwachsende Klerus geschult werden. Stilkritische Übungen wurden abgehalten und die Theologen sollten den praktischen Umgang mit den Kunstwerken lernen, dem allgemeinen Publikum war das Diözesanmuseum nur sonntagsvormittags geöffnet. Nach dem Tod Mandels wurde Pater Othmar Wonisch OSB aus dem Stift St. Lambrecht zum Kustos bestellt (1937–1938). Dieser trat aus Gesundheitsgründen zurück. 1938 folgte für wenige Monate Rochus Kohlbach, späterer Dompfarrer und Autor von kunsthistorischen Werken, er legte sein Amt wegen einer nationalsozialistischen Hetzkampagne nieder. Es folgte Professor Johann Dinawitzer, er blieb bis 1964. Während des Krieges blieb das Museum jedoch geschlossen und öffnete 1948 wieder. Es war unregelmäßig für das Publikum geöffnet.319 Das Wiener Dom- und Diözesanmuseum wurde am 3.6.1933 eröffnet. Im Vergleich zur österreichischen Museumsgeschichte zu einem recht späten Zeitpunkt. Feuchtmüller erklärte dies dadurch, dass die Domkirche mitten im Leben gestanden 317 Vgl. Rath 2009. S. 57. 318 Vgl. Gurker Diözesanmuseum 1971. S. 7–8. 319 Vgl. Zingerle 1986. S. 292.

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hätte und man der Auffassung war, ein Kunstwerk sei Teil der Liturgie und habe im Kirchenraum zu dienen.320 1929 hatte bereits Kardinal Friedrich G. Piffl die Gründung eines Museums gefördert. Ebenfalls 1929 hatte in der Zeitschrift „Kirchenkunst“ Dagobert Frey die Einrichtung eines Diözesanmuseums gefordert. Theodor Innitzer, Erzbischof von Wien, hatte 1932 zur „sachgemäßen, nach streng wissenschaftlichen und museumstechnischen Grundsätzen orientierten Verwaltung“ ein Kuratorium und einen Arbeitsausschuss einberufen. Weiterhin führte er aus, dass, um Geldmittel einzutreiben, Werbemaßnahmen nötig sein würden. 321 Das Museum wurde innerhalb eines halben Jahres eingerichtet, dabei wurden nur Kunstgegenstände, welche nicht mehr im kirchlichen Kontext verwendet wurden, an ihrem gegenwärtigen Ausstellungsort gefährdet waren oder nicht zur Geltung gelangten, herangezogen. Es wurden nur Werke aufgenommen, welche das „Mittelmaß“ überstiegen. Außerdem sollte das Museum Sammelpunkt sein der sonst nirgends planmäßig zusammengetragenen gotischen Skulpturen und Plastiken der Frührenaissance, vornehmlich derer von St. Stephan, da diese Aufgabe von keinem anderen Museum der Stadt erfüllt würde. Skulpturen und Scheiben aus St. Stephan waren vor über 60 Jahren in städtischen Besitz übergegangen und wurden nun dem Diözesanmuseum übergeben. Daneben wurden österreichische Tafelund Barockmalerei, Goldschmiedekunst und Textilien gesammelt. Nun sollten die Kultur- und Kunstgeschichte sowie die Geschichte des Erzbistums erforscht werden. Das Museum bekam viele Spenden und Vergünstigungen von Firmen. 322 Die Gliederung der Exponate zur Zeit der Eröffnung war chronologisch ausgerichtet durch Stilperioden: Gegenwart, Barock, Mittelalter.323 Im Eröffnungsjahr fanden drei Festakte statt: zum 500-jähriges Bestehen des Stephansdomes, zur 250. Wiederkehr des Türkenjahres und der allgemeine deutsche Katholikentag wurde in Wien abgehalten. Feuchtmüller nannte als Grund für die Eröffnung in diesem Jahr die Repräsentation für die Festivitäten.324 Kardinal Innitzer beschrieb im Katalog für die erste Ausstellung des Museums als Aufgaben des Hauses neben der Denkmalpflege auch das Schaffen eines Instituts, welches dem kirchen- und kunstgeschichtlichen Unterricht Anschauungsmaterial aus der Vergangenheit und der Gegenwart böte.325 Feuchtmüller nannte die Gründungsmotivation eine Kombination aus historischen und gegenwärtigen Interessen. 326 Der erste Direktor war Domkurat Johann Popp, welcher mit Hilfe von Wissenschaftlern 320 Vgl. Feuchtmüller 1987. S. XI.–XII. 321 Vgl. Dworschak/Göhler/Schmidt 1939. S. 4. 322 Vgl. Dworschak/Göhler/Schmidt 1939. S. 7. 323 Vgl. Feuchtmüller 1987. S. XI.–XII. 324 Vgl. Feuchtmüller 1987. S. XI.–XII. 325 Vgl. Feuchtmüller 1983. S. 120. 326 Vgl. Feuchtmüller 1987. S. XI.–XII.

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aus den staatlichen Museen die Aufstellung übernahm. 327 1934 wurde der Verein der Freunde des Erzbischöflichen Dom- und Diözesanmuseums gegründet.328 1940 kam die Leitung in die Hände von Anselm Weissenhofer, welcher Herausgeber der Zeitschrift „Kirchenkunst“ war und in verschiedenen Funktionen dem Museum seit je verbunden war.329 Rudolf Bachleitner war zunächst Assistent Weissenhofers und wurde dann Direktor. Bachleitner tätigte keine großen inhaltlichen Veränderungen während seiner Amtszeit im Museum.330 In Salzburg sammelte Kanonikus Josef Lahnsteiner bereits zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Durch ein Dekret vom 1.6.1931 bemächtigte das erzbischöfliche Konsistorium den Archivar Franz X. Traber, mit den Vorbereitungen eines Diözesanmuseums zu beginnen. Der Krieg beendete diese Tätigkeit. Nach dem Krieg fand 1959 eine erste Ausstellung statt. Es folgten weitere Ausstellungen, die das Interesse an einem Diözesanmuseum wachhielten, was auch vom Erzbischof Andreas Rohracher begrüßt wurde.331 Im schweizerischen Chur wurde 1941/42 von Bischof Christianus Caminada in der unteren Sakristei ein Dommuseum mit Kunstwerken aus der Kathedrale eingerichtet.332 Zusammenarbeit deutschsprachiger Museen der katholischen Kirche Ende der 1950er-Jahre begannen sich Museen der katholischen Kirche erstmals auszutauschen. Am 28.5.1958 traf sich in Köln ein lockerer Zusammenschluss von Direktoren und Konservatoren von Museen der katholischen Kirche aus dem deutschsprachigen Raum. Die Einladung hatte Prälat Joseph Hoster ausgesprochen, er wurde in seinem Bestreben von Erich Stephany aus Aachen unterstützt.333 Zusammenfassung Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es im deutschsprachigen Raum 334 zu einer regelrechten Gründungswelle von Museen der katholischen Kirche und dies bereits

327 Vgl. Feuchtmüller 1983. S. 120. 328 Vgl. Dworschak/Göhler/Schmidt 1939. S. 13. 329 Vgl. Feuchtmüller 1983. S. 120. 330 Vgl. Feuchtmüller 1987. S. XI.–XII. 331 Vgl. Neuhardt 1982. S. 304. 332 Vgl. Dosch 1987. S. 117. 333 Vgl. Jung 1994; Arbeitsgemeinschaft Satzung 1986. 334 Auch in anderen Ländern gab es in dieser Zeit Gründungen von Diözesanmuseen, z. B. in Polen. Das Museum der Warschauer Erzdiözese wurde 1938 auf Anregung des Erzbischofs Stanislaw Gall gegründet. Es sollte Kunstwerke der polnischen sakralen Kultur

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vor einer offiziellen päpstlichen Forderung. Schaut man sich die Situation der katholischen Kirche zu Beginn des 20. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum an, kann festgestellt werden, dass das Wachstum der deutschen Bevölkerung, der wirtschaftliche Aufschwung und eine große Spendenbereitschaft der Gläubigen zu intensiven Bautätigkeiten der katholischen Kirche führten.335 Somit fallen die Gründungen von Museen der katholischen Kirche zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht in eine Zeit, in welcher der katholischen Kirche Raum für Kunst fehlte und Kunstwerke obdachlos wurden, sondern, in der man Kunstwerke für neue Kirchen brauchte. So ist ein Aspekt der Trierer Gründung, „gewerbliche Technik zu fördern und das Kunstgewerbe anzuregen“ und das Statut des Kölner Museums von 1927 rief dazu auf, „Schaffende zu fördern.“ Jedoch war nicht mehr die Rede von Verkaufsveranstaltungen oder konkreten Vorbildsammlungen. Die Beispiele Paderborn und Köln zeigen, dass man sich von der Doktrin verabschiedete, Romanik und Gotik als maßgebende Zeitstile zu sehen, welche man durch die Museen als Vorbildsammlungen verbreiten wollte. In diesem Aspekt folgte man der Bewegung im allgemeinen Museumswesen. Hier hatte bereits im Verlauf des 19. Jahrhunderts ein kunsthistorischer Kanon das klassizistische Ideal ersetzt.336 Dass die Sammlungen der Museen der katholischen Kirche Vorbildsammlungen für Kunstwerke im Kirchenraum sein sollten, wird in dem päpstlichen Erlass über die Funktion von Diözesanmuseen 1939 nicht gefordert, hier stand lediglich der Schutz von kirchlichen Kunstgütern im Vordergrund. Eine der wichtigsten Funktionen der päpstlichen Museen in Rom, Künstler zu fördern und zu bilden, war bereits in der Gründungsphase im 18. Jahrhundert propagiert worden. Die vorgestellten Beispiele von Museen der katholischen Kirche zeigen, dass man sich der Kunstwissenschaft zuwandte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Kunstwerke in Museen der katholischen Kirche verstärkt unter kunsthistorischen Gesichtspunkten ausgestellt. Dies manifestiert sich einmal in der Aufstellung der Kunstwerke, in welcher man Typenreihungen und historische Entwicklungen präsentierte, zweitens in der Übernahme der Museumsleitung durch kunsthistorisch ausgebildete Geistliche.337 Die Museen der katholischen Kirche folgten mit ihrer Ausrichtung auf die Kunstwissenschaften dem Beispiel der übrigen Museen im deutschsprachigen Raum. Diese hatten ihre Legitimation bereits im 19. Jahrhundert in der historischen und wissenschaftlichen Aufklärung gesehen. Die Leitung der zugänglich machen und zeitgenössische nachahmenswerte Beispiele vor Augen führen. Im Krieg fiel das Museum den Flammen zum Opfer. (Vgl. Burek 1987). 335 Vgl. Gatz 2009. S. 23f. 336 Vgl. Joachimides 2001. S. 29. 337 Egid Beitz kritisierte im Jahre 1919 in der „Zeitschrift für christliche Kunst“ die dilettantische Arbeit von Kunstvereinen und mahnte, dass der Leiter ein kunsthistorisch geschulter Geistlicher sein sollte. (Vgl. Beitz 1919. S. 160).

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allgemeinen Kunstmuseen ging in den 1880er- und 1890er-Jahren von den Händen der Künstler in die Hände der Kunsthistoriker über. Die Systematik der Fachwissenschaft bestimmte daraufhin die Ordnung in der Ausstellung. Von der überladenen Präsentation der Jahrhundertmitte kam man nun zum Blick auf das wissenschaftlich erschlossene, mit Schrifttafel versehene, Einzelobjekt.338 Auch in den Vatikanischen Museen war man 1932 zu einer chronologisch-wissenschaftlichen Hängung übergegangen. Die Kunstwerke kamen weiterhin hauptsächlich durch Leihgaben aus den Pfarrgemeinden und Schenkungen in die Bestände deutschsprachiger Museen der katholischen Kirche, im Falle von Paderborn wurden einzelne Stücke auch angekauft. In Köln wurde zeitgenössische Kunst in den 1920er-Jahren in temporären Ausstellungen präsentiert. Die beiden Weltkriege führten zu Brüchen in der Entwicklung des Museumswesens. In der Zeit der NS-Diktatur zeigte sich in Mainz, welches Potential im katholisch-musealen Raum für zumindest latent kritische Einmischung in die Politik enthalten war – und dass es hätte wirksamer eingesetzt werden können. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden temporäre Ausstellungen zeitgenössischer „christlicher Kunst“ u. a. in Köln und Mainz statt,339 auch im Sinne von Vorbildschauen. Durch die Zerstörung vieler Kirchen und ihres Inventars stellte man sich nach dem Krieg die Frage, wie diese neu und zeitgemäß auszustatten seien.340 Hinzu kam, dass es in den ersten Nachkriegsjahren oft keine Kapazitäten für permanente Präsentationen gab. Der Fall der Mainzer Ausstellungen zeigt, dass die Diskussion über zeitgenössische christliche Kunst in den 1940er- und 1950er-Jahren auch im deutschsprachigen Raum ausgetragen wurde und die päpstlichen Vorschriften bekannt waren. 338 Die Werke wurden isoliert präsentiert oder in Gattungsgruppen. Dadurch kam es zum Verlust des historischen Zusammenhangs und zur Ausrichtung auf eine vornehmlich ästhetische Rezeptionsweise. Durch Separierung der Objekte gewann nun die sprachlichliterarische Vermittlung an Bedeutung. Damit wollte man Zusammenhänge rekonstruieren und das Wissensdefizit der unterprivilegierten Schichten beheben. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es Bemühungen, die Arbeiterschaft und die Unterschichten zu erreichen, man sah Museen als Volksbildungsstätten und wollte die Arbeiterschaft durch bürgerliche Wertvorstellungen integrieren. (Vgl. Hochreiter 1994. S. 187–195). 339 Als Beispiel für die zahlreichen Ausstellungen zeitgenössischer „christlicher Kunst“ in der Nachkriegszeit sei der Ausstellungsbericht zu diesem Thema des Jahres 1950 in der Zeitschrift „Das Münster“ herausgegriffen, in welchem sich Berichte über eine Ausstellung „religiöser Kunst“ in Bonn, „christliche Kunst unserer Zeit“ in Freiburg, „kirchliche Kunst unserer Zeit“ in Hamburg, eine Ausstellung „christlicher Kunst“ in Nürnberg, „moderne christliche Kunst“ im Kunsthaus Oberammergau sowie über Wanderausstellungen „Kirchliche Kunst der Gegenwart“ befinden. 340 Vgl. Ecker 2008. S. 71–74.

Teil II Besinnung der katholischen Kirche auf den Nutzen von Kunst und ihr Konflikt mit der Anerkennung der künstlerischen Autonomie (von 1962 bis 2001)

E INLEITUNG Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wird näher betrachtet, da in dieser Zeit umfangreiche offizielle Texte zum Nutzen und zur Art der Betreibung von Museen der katholischen Kirche herausgegeben wurden und sich auch die offizielle Haltung der katholischen Kirche gegenüber zeitgenössischer Kunst änderte. Da bestehende Reflexionen zum Thema meist konfessionell gefärbt sind, werden vorwiegend Primärquellen herangezogen. Es werden vor allem Quellen untersucht, die die gesamte katholische Kirche betreffen („Zweites Vatikanisches Konzil“, CIC, Katechismus der katholischen Kirche), Reden der Päpste, Schriften der für Kunst und Kultur zuständigen Behörden des Vatikans sowie Verlautbarungen der deutschen Bischofskonferenz. Auch wenn im Folgenden einige Quellen näher analysiert werden, erhebt Teil II keinen Anspruch auf Vollständigkeit, es werden vielmehr exemplarische Quellen hervorgehoben. Ziel ist es, die Tendenzen von offiziellen katholischen Dokumenten1 sowie die Entwicklungen von katholischen Organisationen – die sich mit zeitgenössischer Kunst beschäftigen – und das tatsächliche Einbeziehen von zeitgenössischer Kunst in Räume der katholischen Kirche darzustellen. Dazu wird die Entwicklung der Museen der katholischen Kirche zu der allgemeinen Entwicklung der deutschsprachigen Museumslandschaft in Bezug gesetzt. Erstmalig konnten hierzu die Unterlagen der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher 1

Es ist selbstverständlich, dass wenn von offizieller Seite Aussagen gemacht wurden, dies nicht bedeutet, dass in jeder Diözese diese auf Zustimmung trafen oder umgesetzt wurden. Jedoch zeigen diese die offizielle Ausrichtung der katholischen Kirche. Eine große Recherchehilfe in Bezug auf offizielle Quellen war bis zu den Quellen des Jahres 2007 die Publikation Bühren 2008.

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Museen und Schatzkammern im deutschsprachigen Raum“ eingesehen und ausgewertet werden.

D AS „Z WEITE V ATIKANISCHE K ONZIL “ (1962–1965) Das „Zweite Vatikanische Konzil“ war für die Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts ein periodenbildendes Weltereignis, fast 2500 stimmberechtigte Bischöfe aus der ganzen Welt nahmen daran teil. Papst Johannes XXIII. (1958–1963) rief das Konzil mit dem Ziel zusammen, die überlieferte Glaubenslehre zeitgemäß zu verkünden: „Aggiornamento“ – Verheutigung, war das Leitwort.2 In den Tagungsperioden – zwischen 1962–1965 – setzte sich das Bischofskollegium intensiv mit Fragen zur Kunst auseinander. Die Konzilsdekrete, welche sich mit der Frage nach der Freiheit zeitgenössischer Kunst befassten, formulierten ihre Aussagen äußerst diplomatisch, so dass sowohl zum Ausdruck kam, dass man der Kunst Freiheit einräumen möchte, gleichzeitig aber auch auf eine gewisse „Angemessenheit“ zu achten sei. So wurden sowohl traditionelle als auch moderne Ansätze in den Konzilstexten vertreten. Eindeutig äußerte sich das Konzil jedoch über den Nutzen der Kunst im pastoralen Auftrag der Kirche und über die Aufgabe der katholischen Kirche, sich um die künstlerische Ausbildung der Priester, einen Kontakt zu den Künstlern und um die Pflege des kirchlichen Kunstschatzes zu kümmern. In der folgenden Zusammenfassung der Konzilsdekrete werden nur die Abschnitte einbezogen, welche sich mit dem Verhältnis zwischen Kirche und Kunst und der Frage der Anerkennung der künstlerischen Autonomie auseinandersetzten.3 Die Zusammenfassung wird nicht nach Dekreten gegliedert, sondern nach Themen, so dass unter einem Thema die Aussagen unterschiedlicher Dekrete vereint werden.4 Der Nutzen von Kunst Der Nutzen von Kunst wurde in verschiedenen Konzilsdekreten thematisiert. Ein wichtiger Abschnitt über die Funktion der Künste stellt Gaudium et spes (GS) 62 dar. Ausdrücklich wurde hier dargelegt, wie Künste es verstünden, sich auf das Le2

Vgl. Bühren 2008. S. 215.

3

Bei der Durchsicht der Konzilstexte wurden die Abschnitte, in denen laut Hünermann die

4

Ein thematisches Ordnen der unterschiedlichen Dekrete, trotz unterschiedlicher Zeitpunk-

Worte „Ars“ und „Imago“ vorkamen, gesichtet. Vgl. Hünermann 2004. te der Verabschiedung der Texte, lässt einen leichteren Überblick zu. Hinzu kommt, dass die verschiedenen Dekrete sich in vielen Punkten bestätigen und ergänzen. Von Bühren sagt, dass alle vier konziliaren Tagungsperioden als integrale Ganzheit zu lesen sind. Vgl. Bühren 2008. S. 243.

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ben der Menschen zu beziehen und deswegen eine wichtige Funktion für die Kirche als Kommunikationsmittel, zwischen dem Evangelium und den Menschen, darstellen würden. Deswegen sollten Künstler anerkannt werden, Freiheit genießen und der Austausch mit der christlichen Gemeinschaft sollte erleichtert werden.5 Von Bühren weist auf den Abschnitt hin, in dem zwischen dem Künstler und der christlichen Gemeinschaft unterschieden wurde. In diesem wird dargelegt, dass die Kunst als Kulturtat, als menschlicher Wert im säkularen Bereich, verstanden wurde.6 Auch Sacrosanctum Concilium (SC) äußerte sich zum Nutzen der Kunst. Die Kunst solle die Verehrung Gottes fördern: SC 122,1: „Zu den vornehmsten Betätigungen des menschlichen Geistes werden mit bestem Recht die edlen Künste gezählt, insbesondere aber die religiöse Kunst und ihre höchste Form, nämlich die sakrale Kunst. Diese sind ihrem Wesen nach ausgerichtet auf die unendliche Schönheit, die in menschlichen Werken irgendwie ausgedrückt werden soll, und widmet sich umso mehr Gott und der Förderung seines Lobs und seiner Ehre, als ihnen kein anders Ziel gesetzt ist, als durch ihre Werke im höchsten Maße dazu beizutragen, die Herzen der Menschen in frommer Weise auf Gott hinzuwenden.“7

Kunst wurde hier in unterschiedliche Klassen eingeteilt, Kunst im Allgemeinen wurde von „religiöser“ übertroffen und diese wiederum von „sakraler Kunst“. Die

5

GS 62,3–5: „Auf ihre jeweilige Weise sind auch die Literatur und die Künste für das Leben der Kirche von großer Bedeutung. Sie streben nämlich danach, den eigentümlichen Charakter des Menschen, seine Probleme und seine Erfahrung beim Versuch, sich selbst und die Welt zu erkennen und zu vervollkommnen, zu verstehen; sie bemühen sich, seine Situation in der Geschichte und in der gesamten Welt aufzudecken sowie die Leiden und Freuden, die Nöte und Kräfte der Menschen zu erhellen und ein besseres Los des Menschen zu umreißen. So vermögen sie das menschliche Leben, das sich je nach Zeiten und Gegenden in vielfältigen Formen ausdrückt, zu erheben. Daher soll man sich darum bemühen, dass die Vertreter dieser Künste sich von der Kirche in ihrer Tätigkeit anerkannt fühlen und, indem sie die gehörige Freiheit genießen, einen leichteren Austausch mit der christlichen Gemeinschaft beginnen. […] So wird die Kenntnis Gottes besser kundgemacht und die Predigt des Evangeliums wird im Verstand der Menschen durchsichtiger und zeigt sich als ihren Bedingungen gleichsam eingesät.“ (Hünermann 2004. S. 693–694).

6

Vgl. Bühren 2008. S. 240.

7

SC 122,1 in Hünermann 2004. S. 51–52.

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Unterscheidungskriterien zwischen „religiöser“ und „sakraler Kunst“ wurden hier jedoch nicht dargelegt.8 In einem weiteren Absatz, in SC 127,3, wurden Künstler direkt angesprochen und ihre Aufgabe als „eine Art der heiligen Nachahmung des Schöpfergottes“ gesehen. Die Werke seien „für den katholischen Kult, für die Auferbauung der Gläubigen sowie für ihre Frömmigkeit und religiöse Unterweisung bestimmt.“9 Diese künstlerischen Tätigkeiten der Laien wurden in Inter mirifica (IM) 1310 als ein Beitrag zur Pastoral beschrieben, demnach zur kirchlichen Seelsorge. Dies solle in apostolischer Gesinnung geschehen, folglich im kirchlichen Auftrag, das Evangelium allen zu verkünden.11 Was die Gesinnung der Künstler betrifft, so ist in den Schriften des „Zweiten Vatikanischen Konzils“ an keiner Stelle eine Aussage zu finden, die nichtkatholische Künstler vom Schaffen von Kunst für die katholische Kirche per se ausschließen würde: „Die Künstler werden auf das innere Leben, auf die Gesinnung und Hinordnung aufmerksam gemacht. Die Entscheidung liegt in diesem Bereich.“12 Wie im Kapitel „Die Situation ‚christlicher Kunst‘ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ gezeigt, spielte die Frage des Glaubens des Künstlers eine wichtige Rolle in der Auseinandersetzung um Kunst und Kirche. Das Konzil nahm in diesem Punkt eine sehr offene, gar moderne Haltung ein. Kultur wurde an anderer Stelle, genauer in Apostolicam actuositatem (AA) 7, als soziale Tätigkeit innerhalb des Apostolats verstanden: AA 7,5: „[…] Unter den Werken eines solchen Apostolats ragt die soziale Tätigkeit der Christen heraus, von der die Heilige Synode wünscht, dass sie sich heute auf den ganzen zeitlichen Bereich, auch auf die Kultur, erstreckt.“13

Zusammenfassend kann man sagen, dass das Konzil über den Nutzen der Kunst für die Kirche Folgendes aussagte: Kunst könne die Nöte der Menschen erkennen und sei dadurch Kommunikationsmittel zwischen Evangelium und Gläubigen, Kunst unterstütze die Verehrung Gottes und die Erbauung und religiöse Unterweisung der Gläubigen. Kunst erfülle eine pastorale Aufgabe und Kultur gehöre zu den sozialen Tätigkeiten. Der Begriff „Pastoral“ wird in katholischen Texten immer wieder fallen, wenn Kunst oder auch das Museum der katholischen Kirche behandelt wird, 8

Siehe zum Thema Unterscheidung zwischen „religiöser“ und „sakraler Kunst“ auch das Kapitel „Die „Collezione d‘arte Religiosa Moderna“ in den Vatikanischen Museen (1973)“.

9

SC 127,3 in Hünermann 2004. S. 54.

10 Vgl. IM 13 in Hünermann 2004. S. 65. 11 Vgl. Sander 2004. S. 253. 12 Schnell 1964. S. 61. 13 AA 7,5 in Hünermann 2004. S. 400.

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weshalb an dieser Stelle eine Klärung des Begriffes nötig ist. Im „Lexikon zu Theologie und Kirche“ wird „Pastoral“ wie folgt definiert: „In der Praxis sind die Begriffe Pastoral und Seelsorge austauschbar. Im katholischen Verständnis beziehen sich beide mit unterschiedlicher Gewichtung auf das ganze Feld kirchlichen Handelns. In Verbindung mit dem Grundauftrag der Kirche, Heilzeichen für die Welt zu sein, umgreift der Ausdruck Pastoral bzw. „pastorale Vollzüge“ den Auftrag, Gott präsent zu machen, dafür zu sorgen, daß die Menschen die „volle Einheit Christus erlangen“, und die menschliche Gesellschaft auf das kommende Reich Gottes hin „umzugestalten“. Daraus ergibt sich der Zusammenhang mit Aufbau und Leben der Gemeinde und der größeren Einheit der ganzen Kirche. Damit kommen die Träger (Subjekte) der Heilssendung, Aufgaben und Funktionen (v. a. „auferbauende“, organisatorische und leitende) und die einzelnen pastoralen Ebenen in den Blick.“14

Die Freiheit der Kunst Über den Nutzen der Kunst wurden die Dekrete klar formuliert, jedoch in welcher Form die Kunst erscheinen soll bzw. darf, wurde nicht präzisiert, man sah sich aber im Recht, über die Form der Kunst zu urteilen: SC 122,2: „[…] Ja, die Kirche hat sich sogar mit Recht immer für eine Art Schiedsrichter über sie (die Kunst) gehalten, indem sie über die Werke der Künstler urteilte, welche dem Glauben, der Frömmigkeit und den ehrfurchtsvoll überlieferten Gesetzen entsprächen und für den heiligen Gebrauch als geeignet angesehen werden sollten.“ 15

Eine der interessantesten Aussagen wurde in SC 123 gemacht. War im CIC 1917, can. 1164 §1 noch festgehalten geworden, dass die gewohnten Formen aus christlicher Tradition beibehalten werden sollten,16 wurde nun in SC 123 klargestellt, dass es sich dabei nicht um einen festen Stil handele: SC 123: „Die Kirche hatte keinen Kunststil als ihren eigenen, sondern ließ je nach Charakter und Lebensbedingungen der Völker und den Erfordernissen verschiedener Riten die Weisen einer jeden Zeit zu, wodurch sie im Laufe der Jahrhunderte einen Kunstschatz hervorbrachte, der mit aller Sorge zu bewahren ist. Auch die Kunst unserer Zeiten und Völker und Länder soll in der Kirche freie Ausübung haben, sofern sie nur den Gotteshäusern und den heiligen Riten mit der gebührenden Ehrerbietung dient […].“17

14 Müller 2009. 15 SC 122,2 in Hünermann 2004. S. 51–52. 16 Siehe Kapitel „Der Codex Iuris Canonici (1917)“. 17 SC 123 in Hünermann 2004. S. 52.

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Jedoch wurde diese Freiheit des Stils in SC 124,2 insoweit eingeschränkt, dass Formen, die den religiösen Empfindungen zuwiderlaufen würden, „sei es wegen Verunstaltung der Formen oder wegen der Unzulänglichkeit, Mittelmäßigkeit oder Nachäffung der Kunst“,18 von den Bischöfen nicht in heiligen Orten zugelassen werden sollten.19 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings SC 126: Hier wurde hinzugefügt, dass bei der Beurteilung von Kunst die zuständige Kommission und gegebenenfalls auch andere besonders sachverständige Männer hinzugezogen werden sollten.20 Die Entscheidungsmacht verblieb jedoch beim Bischof. Die Freiheit der Kunst betreffend wurde in IM 6 ausgedrückt, dass Kunst sich innerhalb der Grenzen der „sittlichen Ordnung“ bewegen müsse.21 Wurde in IM 6 schon über die Freiheit der Kunst innerhalb der sittlichen Ordnung gesprochen, wurde im Dekret Gaudium et spes nun explizit die oft diskutierte Frage nach der Autonomie der Künste zugunsten dieser beantwortet: GS 36,2: „Wenn wir unter Autonomie der irdischen Dinge verstehen, dass die geschaffenen Dinge und die Gesellschaften selbst sich eigener Gesetze und Werte erfreuen, die vom Menschen Schritt für Schritt zu erkennen, anzuwenden und zu ordnen sind, dann ist es durchaus richtig, ebendiese (Autonomie) einzufordern; diese wird nicht nur von den Menschen unserer Zeit gefordert, sondern stimmt auch mit dem Willen des Schöpfers überein. Aufgrund der Bedingung ihres Geschaffenseins selbst nämlich werden alle Dinge mit einer eigenen Beständigkeit, Wahrheit, Gutheit sowie mit eigenen Gesetzen und (einer eigenen) Ordnung ausgestattet, die der Mensch unter Anerkennung der den einzelnen Wissenschaften und Künsten eigenen Methoden achten muss. […]“22

Dies wurde auch noch einmal in GS 59 bekräftigt und ausgedrückt, dass diese Freiheit für Kultur und Wissenschaft solange gelte, wie die Rechte der Person und der 18 SC 124,2 in Hünermann 2004. S. 52–53. 19 Ähnlich auch in GS 62,4-5 (Hünermann 2004. S. 693–694). 20 Vgl. SC 126 in Hünermann 2004. S. 53. 21 IM 6,1: „Die zweite Frage betrifft die Beziehungen, die zwischen den sogenannten Rechten der Kunst und den Richtlinien des sittlichen Gesetzes bestehen. Da die sich häufenden Auseinandersetzungen darüber nicht selten ihren Ursprung von falschen Lehren über Ethik und Ästhetik herleiten, verkündet das Konzil, dass der Vorrang der objektiven sittlichen Ordnung unbedingt von allen festgehalten werden muss, da diese ja alle übrigen Ordnungen menschlicher Dinge, die der Kunst nicht ausgenommen, auch wenn sie sich durch Würde auszeichnet, einzig überragt und in angemessener Weise ordnet […].“ (Hünermann 2004. S. 60–61); Sander weist darauf hin, dass die Formulierung „Rechte der Kunst“ äußerst vage ist und diese Rechte in keiner Weise definiert. (Vgl. Sander 2004. S. 250). 22 GS 36,2 in Hünermann 2004. S. 642–543.

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Gemeinschaft gewahrt blieben. Auf das Erste Vatikanische Konzil wurde sich mit der Aussage berufen, dass es zwei Formen der Erkenntnis gäbe: die des Glaubens und die der Vernunft.23 Praktische Anweisungen Damit die Kunst wieder einen Zugang zur katholischen Kirche finde, wurden auch praktische Anweisungen formuliert. Kommissionen mit Fachleuten u. a. für „sakrale Kunst“ sollten berufen werden (SC 44,46),24 Bischöfe sollten sich um Künstler kümmern, um ihnen den Geist der „sakralen Kunst“ zu erschließen, und an geeigneten Orten Schulen und Akademien für „sakrale Kunst“ sollten eingerichtet werden (SC 127).25 Damit die Denkmäler der Kirche geschätzt und bewahrt würden, sollten Kleriker auch in der Geschichte der „sakralen Kunst“ und ihrer Entwicklung unterrichtet werden (SC 129).26 Das Bedürfnis, die Ausbildung des Klerus in Fragen der bildenden Kunst zu fördern, wird immer wieder eine wichtige Rolle in der Problematik des Verhältnisses zwischen Kunst und Kirche spielen. Offiziell sollte eine Ausbildung des Klerus stattfinden, wie das Konzil festschrieb, inwieweit dies in der Umsetzung gelang, wird in den kommenden Kapiteln geklärt werden. Weitaus konkretere Folgen hatte die Aussage des Konzils, dass Heiliges Gerät nicht zugrunde gerichtet oder veräußert werden solle (SC 126),27 jedoch alles in der Kirche möglichst bald der neuen Liturgie angepasst werden müsse (SC 128).28 In der Konsequenz gab es bald einige Kunstgüter der katholischen Kirche, welche nach der Umgestaltung des Kirchenraumes eine angemessene Bleibe brauchten. Die Verehrung der Heiligen und ihrer Bilder wurde in SC 111 gefordert. 29 Zur Hängung von Bildern hieß es in SC 125, diese sollten „in mäßiger Zahl und passender Ordnung“ aufgestellt werden, damit keine „weniger richtige Andacht“ praktiziert würde.30 Auch in SC 124,1 wurde darauf hingewiesen, dass die Ordinate dafür Sorge tragen würden, dass „bei der Förderung und Pflege sakraler Kunst mehr auf edle Schönheit zu achten sei als auf bloßen Aufwand“.31 Von Bühren sieht hier den 23 Vgl. GS 59 in Hünermann 2004. S. 686–688. 24 Vgl. SC 44: Eine liturgische Kommission mit Fachleuten u. a. für sakrale Kunst sollte eingerichtet werden. (Hünermann 2004. S. 24); SC 46: Desweiteren sollten auch eine Kommission für Kirchenmusik und eine für sakrale Kunst eingerichtet werden. Alle drei Kommissionen sollten zusammen arbeiten (Hünermann 2004. S. 25). 25 Vgl. Hühnermann 2004. S. 54. 26 Vgl. SC 129 in Hünermann 2004. S. 55. 27 Vgl. SC 127 in Hünermann 2004. S. 53. 28 Vgl. SC 128 in Hünermann 2004. S. 54. 29 Vgl. SC 111 in Hünermann 2004. S. 47. 30 Vgl. SC 125 in Hünermann 2004. S. 53. 31 SC 124,1 in Hünermann 2004. S. 52.

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Versuch, einen Kompromiss zu finden zwischen den Lagern, welche für die Schönheit und Prachtfülle plädierte, und denen, die schlichte Einfachheit und Anmut forderten.32 Zusammenfassung Viele der Konzilstexte wurden so formuliert, dass ein Nebeneinander gegensätzlicher Meinungen zugelassen wurde: Einerseits das Wahren der Tradition und andererseits die gleichzeitige Öffnung zur Moderne.33 Am 8.12.1964 – zur Schließung des Konzils – sprach Papst Paul VI. (1963–1978) zu den Künstlern.34 Es zeigt sich hier erneut exemplarisch der Dualismus der Einstellung: Öffnung und Bitten um Freundschaft mit den Künstlern und Anerkennung derer Qualitäten, aber auch die Ablehnung von Ausdrucksweisen, die als nicht echt und vorübergehend bezeichnet wurden: „It is beauty, like truth, which brings joy to the heart of man and is that precious fruit which resists the wear and tear of time, which unites generations and makes them share things in admiration. And all of this is through your hands. May these hands be pure and disinterested. Remember that you are the guardians of beauty in the world. May that suffice to free you from tastes which are passing and have no genuine value, to free you from the search after strange or unbecoming expressions.“35

Obwohl zwar Kunst, jedoch die musealen Einrichtungen in den Konzilstexten nicht direkt thematisiert wurden, spielte das „Zweite Vatikanische Konzil“ keine unwesentliche Rolle in der Entwicklung von Museen der katholischen Kirche. 36 Viele Aussagen, z. B. zur Liturgiereform, hatten zur Folge, dass Kunstgegenstände aus dem Kirchenraum entfernt wurden, aber nicht veräußert werden sollten, was zur Aufbewahrung in Museen führte. Außerdem wurden in IM 13 und AA 7 die kulturelle und künstlerische Tätigkeit der Laien als wichtige soziale und pastorale Arbeit geschätzt. Diese Wertschätzung, die auch die Arbeit katholischer Organisationen außerhalb des sakralen Raums einschloss und in den Konzilstexten erstmals klar

32 Vgl. Bühren 2008. S. 228. 33 Vgl. Bühren 2008. S. 243. 34 Vgl. Papst Paul VI. 1965. 35 Papst Paul VI. 1965. 36 Zur Verbindung zwischen „Zweitem Vatikanischen Konzil“ und Museum der katholischen Kirche können auch die personelle Verwobenheit zwischen „Zweitem Vatikanischen Konzil“ und der Gründung des Diözesanmuseums in Freising betrachtet werden. Siehe Kapitel „Neugründungen (Bamberg, Freising)“ in „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1962–1980)“.

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formuliert wurde, spielte im Verständnis des Museums der katholischen Kirche noch eine wichtige Rolle.

D IE UNMITTELBAR

NACHKONZILIARE

Z EIT

Das „Zweite Vatikanische Konzil“ hatte viele Aussagen zur Kunst getroffen, die nun auch einer Umsetzung bedurften. Noch zur Amtszeit Papst Paul VI. kam es zu ersten Folgen der Umsetzung von Konzilstexten. Die offenen Formulierungen in den Konzilstexten in Bezug auf die Form von zeitgenössischer Kunst zogen weitere Interpretationen nach sich. Die Künstlermesse (1964) Papst Paul VI. suchte, bereits als das Konzil noch tagte, Kontakt zu den Künstlern. Während der Künstlermesse am 7.5.1964 unterstrich er in seiner Rede „Ci premerebbe“, die Aussagen des „Zweiten Vatikanischen Konzils“ und sprach aus, dass die Kirche die Künstler brauche: „Dobbiamo dire la grande parola che del resto voi già conoscete? Noi abbiamo bisogno di voi. Il Nostro ministero ha bisogno della vostra collaborazione.“37 Der Papst entschuldigte sich bei den Künstlern wegen zu beengenden Vorgaben wie der Natur- und Stilnachahmung, der kirchenrechtlichen Tradition und den künstlerischen Vorbildern.38 Er teilte mit, dass er die jüngst verabschiedete Liturgiekonstitution des Konzils als Vertrag sehe, der von der Kirche bereits unterzeichnet wurde, als Angebot, um Frieden zu schließen und die „religiöse Kunst“ im Schoße der katholischen Kirche wieder zu erneuern. Die Künstler müssten diesen Vertrag nur noch gegenzeichnen. Paul VI. fügte hinzu, dass es wichtig sei, dass Künstler in Kenntnis der geoffenbarten Glaubenslehre seien, die sie sich durch Katechetische Unterweisung aneignen sollten, um eine Beliebigkeit zu vermeiden. Die Kunst müsse ein ehrlicher Ausdruck von Spiritualität aus der Seele des Künstlers sein.39 Papst Paul VI. wiederholte somit die Wichtigkeit der Kunst für die Kirche und plädierte für eine Offenheit der Kirche gegenüber den Kunstformen. Er betonte jedoch, dass die kirchlichen Lehren Ausgangspunkt für das künstlerische Schaffen sein sollten. So sollte die Kunst zwar ein ehrlicher Ausdruck aus der Seele des Künstlers sein, dieser jedoch auf der Glaubenslehre und dem Katechismus beruhen. 37 Papst Paul VI. 1964. 38 „Noi – vi si diceva – abbiamo questo stile, bisogna adeguarvisi; noi abbiamo questa tradizione, e bisogna esservi fedeli; noi abbiamo questi maestri, e bisogna seguirli; noi abbiamo questi canoni, e non v’è via di uscita. Vi abbiamo talvolta messo una cappa di piombo addosso, possiamo dirlo; perdonateci !“ (Papst Paul VI. 1964). 39 Vgl. Papst Paul VI. 1964.

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Bereits vor dieser Künstlermesse, seit 1963 – wie später erläutert werden wird – , begann Papst Paul VI., eine Sammlung moderner Kunst aufzubauen. Die Künstlermesse war somit eine Chance, Kontakte mit der internationalen Kunstwelt aufzunehmen, um Schenkungen für die eigene Sammlung zu erhalten.40 Das Rundschreiben „Opera Artis“ (1971) Als eine Folge der Aussagen zur Liturgierefom des „Zweiten Vatikanischen Konzils“ ging im April 1971 von der Kleruskongregation, die für den Schutz des gesamtkirchlichen Kunst- und Kulturgutes zuständig war, ein Rundschreiben mit dem Titel „Opera Artis“ an die Vorsitzenden der nationalen Bischofskonferenzen. Als Anlass wurde die unpassende Behandlung von Kunstgütern und ihre Entfernung aus der Kirche genannt. Die Liturgiereform würde von vielen als Vorwand für einen solchen Umgang mit Kunst genommen. Im Rundschreiben wurden die Bischofskonferenzen aufgefordert, Richtlinien und Regelungen zur Verwaltung des Kunstgutes zu erlassen. Es folgten Bestimmungen für den Umgang mit Kunstgütern: So sollten u. a. alte kirchliche Kunstwerke stets erhalten, Inventarlisten erstellt, Veränderungen im Kirchenraum behutsam durchgeführt (unter Konsultierung von Sachverständigen und dem Denkmalschutz), die Gebäude für Touristen offengehalten, (solange die Liturgie nicht gestört würde), Kunstwerke, die nicht für den Gottesdienst dienlich seien, in Diözesanmuseen gebracht und wertvolle kirchliche Gegenstände nur mit Erlaubnis des Heiligen Stuhls verkauft werden.41 Hervorzuheben ist hier die Passage, die die Museen der katholischen Kirche indirekt betraf. Es wurde noch einmal explizit darauf hingewiesen, dass Kunstwerke aus dem Kirchenraum nur entfernt werden sollten, falls es keine andere Möglichkeit gäbe. Erst dann „sollen sie nicht zu profanen Zwecken bestimmt, sondern an einen geeigneten Ort verbracht werden, d. h. in ein diözesanes oder interdiözesanes Museum.“42 Die Wandelung des Kirchenraumes Durch die Liturgie-Reform mittels des „Zweiten Vatikanischen Konzils“ gab es die Tendenz, die Bilder im Kirchenraum zu reduzieren. Durch den freistehenden Volksaltar seit den späten 1960er-Jahren fielen zusätzlich die Altarbilder weg. Auch Kirchenneubauten der unmittelbaren Nachkonzilszeit fungierten seltener als Bildträger, dies war auf den Einfluss der Funktions- und Materialgerechtigkeit des damaligen Architekturstils zurück zu führen. Die bildende Kunst ließ sich noch in den Glasfenstern und in den liturgischen Orten finden, aber weniger in Gemälden.43 40 Vgl. Forti 2003. S. 27. 41 Vgl. Kongregation für den Klerus 1971. S. 678. 42 Kongregation für den Klerus 1971. 43 Vgl. Stiegemann 2010. S. 111.

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Ein weiteres Phänomen der späten 1960er- und 1970er-Jahre waren Kirchenbauten, die nicht klar als Kirchengebäude zu erkennen waren und äußerlich den umliegenden Wohnbauten ähnelten. Zwar wurde auf katholischer Seite der Kirchenraum nicht als Mehrzweckraum erbaut, sondern man erhielt Raumeinheiten zur Andacht, jedoch fand auch hier eine äußerliche Angleichung an den Wohnraum statt.44 Kerstin Wittmann-Englert spricht von dem „Weg zur profanen Form“, 45 welcher aber nicht auf Akzeptanz bei den Menschen stieß und eine Sehnsucht nach einem „besonderen“ Raum zu Tage brachte.46 Die „Collezione d’arte Religiosa Moderna“ in den Vatikanischen Museen (1973) In dieser Zeit, in welcher der Kirchenraum verminderten Platz für Kunst bot, wurde in den Vatikanischen Museen die Abteilung der „Sammlung Moderner Religiöser Kunst“, die „Collezione d’arte Religiosa Moderna“ von Papst Paul VI. eröffnet. Die Sammlung war zwischen 1963 und 1973 zusammengetragen worden, und zwar als persönliche Sammlung von Papst Paul VI. Dadurch wurde die Sammlung in die Tradition der sammelnden Päpste eingereiht. Der für die Eröffnung von Museen der katholischen Kirche oft genannte Beweggrund des Schutzes von heimatlosen kirchlichen Kunstgütern ist bei einer solchen Sammlung obsolet. Erst nach dem Tod Papst Paul VI. 1978 wurde die Sammlung den Vatikanischen Museen vermacht. Die Kunstwerke waren dem Vatikan u. a. von Künstlern und Sammlern geschenkt worden.47 Die Sammlung bestand demzufolge aus Kunstwerken, welche nicht einen Umweg über den Kirchenraum genommen hatten, sondern direkt im Museum ausgestellt wurden. In seiner Eröffnungsrede „Voi Videte“ vom 23.6.1973 erklärte der Papst, dass die ausgestellten Werke weder für das Museum noch für liturgische Zwecke entstanden seien. Für ihre Aufnahme sei wichtig gewesen, dass sie vom Künstler frei gestaltet wurden, der Bezug zu einem religiösen Thema vorhanden sei oder ein Thema religiöser Art behandelt würde. Man habe aber bewusst keine „sakrale

44 Vgl. Wittmann-Englert 2006. S. 164. 45 Wittmann-Englert 2006. S. 126. 46 Interessanterweise fand eine ähnliche Entwicklung parallel im Museumsraum statt. Bevorzugte man in der Museumsarchitektur erst den multifunktionalen weißen Raum mit verstellbaren Wänden, kam man in den späten 1970er-Jahren wieder zu nicht standardisierten, unterschiedlich akzentuierten Einzelräumen zurück. (Vgl. Joachimides 2001. S. 258). 47 Vgl. Forti 2003. S. 24–31.

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Kunst“ aufgenommen.48 Der Papst gab in seiner Eröffnungsrede der Hoffnung Ausdruck, dass die Sammlung zu „neuer religiöser Kunst“ führen werde.49 Diese Sammlung mit Werken des 20. Jahrhunderts entstand somit unter anderen Kriterien als diejenige unter Pius XII.50 Beibehalten wurde der Versuch, internationale, möglichst bekannte Künstler zu sammeln.51 Diesmal stellte man jedoch die Frage nach religiösem Inhalt, wandte sich aber nicht der Frage der Kunst im Kirchenraum zu, sondern machte eine klare Unterscheidung zwischen „sakraler“ und „religiöser Kunst“. Somit knüpfte der Papst hier an die Auffassung von Kunst an, die bereits im Vatikanischen Konzil, genauer in SC 122,1 geäußert wurde.52 Weder das Konzil noch der Papst definierten jedoch den Unterschied zwischen „sakraler Kunst“ für den Kirchenraum und „religiöser Kunst“. Francesco Buranelli, Geschäftsführender Generaldirektor der Vatikanischen Museen (2002–2007), gab 2003 eine Erklärung für diese Unterscheidung: Religion war für Buranelli die Fähigkeit, den Sinn der Existenz zu fassen. Somit sei ein Werk, welchem dies gelinge, ein „religiöses Kunstwerk“.53 Der Unterschied zur „sakralen Kunst“ würde laut Buranelli darin liegen, dass der Künstler religiös aufrichtig sein müsse. Religiös aufrichtig beinhaltet für den Generaldirektor der Vatikanischen Museen, dass der Künstler die Worte, die Riten und die Symbole der Kirche kenne. 54 Der Unterschied

48 „Formulando questa domanda noi sceglievamo, fino da quel primo momento generatore, il criterio direttivo, che poi ha presieduto alla composizione della collezione, che ora stiamo per inaugurare; e cioè noi ora intendiamo occuparci delle espressioni artistiche, dalle quali tacitamente traspare, o palesemente si afferma un riferimento, un’intenzione, un soggetto religioso, liberamente concepito dall’Artista, e lasciamo da parte di proposito le opere, che pur dall’Arte prendono nome e ispirazione, ma che decisamente sacre si chiamano, perché destinate e qualificate per il culto sacro.“ (Papst Paul VI. 1973). 49 „La Chiesa avrebbe solo musei, gelosi custodi dei lavori degli antichi artisti, solo perciò superbi e magnifici cimiteri, da offrire alla nostra ammirazione e alla nostra imitazione?“ (Papst Paul VI. 1973). 50 Siehe Kapitel „Die ersten Werke des 20. Jahrhunderts in den Vatikanischen Museen (1956)“. 51 So werden u. a. aufgezählt: Van Gogh, Chagall, Redon, Denis, Kirchner, SchmidtRottluff, Nolde, Moderson-Becker, Münter, Ernst, Dix, Balla, Fontana, De Chirico, Dalí, Chillida, Moore, Bacon (Vgl. Forti 2003. S. 29-32). 52 Siehe Kapitel „Der Nutzen von Kunst“. 53 „Se religione, in un senso ampio, è la capacità dell uomo di raccordare in unità i frammenti e il senso della sua esistenza, sarà questo criterio a dichiarare religiosa un opera e il suo artista: la coerenza del suo discorso, i temo scelti, la sincerità delle sue evoluzioni.“ (Buranelli 2003. S. 15). 54 Vgl. Buranelli 2003. S. 15.

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läge somit im Künstler und seinem Glauben. Das „Zweite Vatikanische Konzil“ hatte die Frage nach dem Glauben des Künstlers offen gelassen.55 Forti, Kunsthistorikerin und seit 2000 Sammlungsverantwortliche der „Sammlung Moderner Religiöser Kunst“, sagte im Jahre 2009: „In der Eröffnungsansprache der Sammlung im Jahre 1973 hat Papst Paul VI. ein Konzept vorgestellt, an das er in der Folge viele weitergehende Reflexionen anschloss: es basiert auf der Unterscheidung zwischen einer liturgischen Kunst, die auf unseren Altären und in unseren Kirchen Platz findet, und einer spirituellen Kunst oder einer Spiritualität der Kunst als freier und nicht regulierbarer Ausdruck der Notwendigkeit, dass jeder Mensch sich mit den großen Themen und den Geheimnissen des Lebens auseinander setzen muss.“56

Der Begriff der „spirituellen Kunst“ fiel in der Rede Papst Paul VI. jedoch nicht, er nannte die Kunst für die Sammlung „religiöse Kunst“. Der Begriff der „Spiritualität“ in Verbindung mit Kunst und der katholischen Kirche wurde im deutschsprachigen Raum oft im Zusammenhang mit der Ausstellung Wieland Schmieds 1980 gemacht, wie im Kapitel „Katholische Standpunkte zur Autonomie von Kunst. Eine exemplarische Gegenüberstellung (1980)“ gezeigt werden wird. In Fortis Wortwahl spiegelten sich der fortlaufende Diskurs die Autonomie der Kunst betreffend und der Richtungswechsel, welcher in dieser Hinsicht unter Papst Johannes Paul II. stattfinden wird. Trotz der Verwendung anderer Begrifflichkeiten beschrieb Forti den Prozess der Auswahl der Kunstwerke für die Vatikanische Sammlung treffend. Die Eröffnung der neuen Vatikanischen Sammlung war die Konsequenz aus der Unterscheidung zwischen „sakraler“ und „religiöser Kunst“. Kunst in einem christlichen Zusammenhang wurde von Papst Paul VI. somit in zwei Klassen unterteilt. Forti beschrieb, dass nach dem Tode Paul VI. durch das Wirken Johannes Paul II. die Aufmerksamkeit der Künstler und Sammler für das Museum noch hoch gewesen sei, allerdings sei ab Ende der 1980er-Jahre eine Zeit der Stagnation gefolgt, die sie allgemein auf historische, wirtschaftliche, politische und kulturelle Probleme zurückführte. Ab 1995 sei es wieder mit der Sammlung aufwärts gegangen, dank der Förderung von Ausstellungen der Sammlung durch die Vatikanischen Museen.57 Im deutschsprachigen Raum wurden die Papstrede und die Sammlung wenig rezipiert. Eine deutschsprachige Publikation über die „Sammlung christlicher moder-

55 Siehe Kapitel „Der Nutzen von Kunst“. 56 Kölbl/Rauchenberger 2009. S. 48. 57 Vgl. Forti 2003. S. 38.

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ner Kunst“ gab es erst im Jahre 1998.58 In einer deutschsprachigen Publikation über die Geschichte der Vatikanischen Sammlung aus dem Jahre 1996 wurde beschrieben, dass das „Zweite Vatikanische Konzil“ als „markanter Wendepunkt in der Kulturpolitik des Heiligen Stuhls“ gesehen würde, in dem sich „die katholische Welt dem brodelnden Gedankengut und der neuen Ästhetik des 20. Jahrhunderts öffnet.“59 Der Artikel erschien in einem Katalog zu „Die Gemälde des Vatikan“,60 dessen Katalogteil jedoch mit dem 18. Jahrhundert endete und die neu eröffnete Sammlung nicht einbezog. Das Lehrschreiben „Evangelii nuntiandi“ (1975) 1975 unterstrich das postsynodale Lehrschreiben „Evangelii nuntiandi“ die nützliche Rolle von Kunst zur Verkündigung des Evangeliums. Papst Paul VI. bezeichnete den Bruch zwischen Evangelium und Kultur als Drama der Zeitepoche. Das Schreiben forderte auf, die Kulturen auf mutige Weise zu evangelisieren und diese von innen her zu erneuern.61 Die Kunst wurde in zwei Abschnitten explizit genannt: So soll Kunst zur Verkündigung an die Fernstehenden genutzt werden62 und Laien können u. a. durch Kunst Träger der Evangelisierung sein.63 Insofern wurden die Aussagen des „Zweiten Vatikanischen Konzils“ über den Nutzen der Kunst 64 noch einmal auf eine Empfänger- (Fernstehende) und eine Sendergruppe (Laien) konkretisiert. Zusammenfassung Es zeigt sich, dass in der unmittelbar nachkonziliaren Zeit Versuche unternommen wurden, Kontakt zu den Künstlern aufzubauen. Papst Paul VI. räumte zu enge Vorgaben der Kirche in vorangegangenen Zeiten ein, betonte aber, dass die Kenntnis der kirchlichen Lehre für die Ausführungen von Kunstwerken wichtig sei. Der Papst wiederholte und unterstrich die Aussage, dass Kunst eine Möglichkeit sei, mit Menschen, die der Kirche fernstehen, in einen Dialog zu kommen. Diese Aufgabe könne auch von Laien übernommen werden. Man wollte, dass Künstler neue Kunstwerke für die Kirche schaffen, gleichzeitig fielen jedoch durch die Umgestaltungen und architektonische Tendenzen im Kirchenraum viele Aufstellungsorte für 58 Erst 1998 fand die erste Präsentation von Werken der Vatikanischen „Sammlung Moderner Religiöser Kunst“ im deutschsprachigen Raum statt und wurde von einer Publikation begleitet. (Vgl. Moderne Kunst aus dem Vatikan 1998. S. 13.) 59 Pietrangeli 1996. S. 23. 60 Vgl. Pietrangeli 1996a. 61 Vgl. Papst Paul VI. 1975. S. 17. 62 Vgl. Papst Paul VI. 1975. S. 35. 63 Vgl. Papst Paul VI. 1975. S. 54. 64 Siehe Kapitel „Der Nutzen von Kunst“.

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Kunstwerke weg, so dass 1971 die Diözesen dazu aufgefordert wurden, Kunstwerke, die im Kirchenraum keinen Platz mehr fanden, in Diözesanmuseen unterzubringen. Die katholische Kirche stand – die zeitgenössische Kunst betreffend – vor zwei großen Problemen: Zum einen wollte sie diese nutzen, war aber nicht mit einer Umsetzung einverstanden, welche nicht die katholische Lehre berücksichtigte. Zum anderen hatte man im Kirchenraum kaum Aufstellungsmöglichkeiten. Für diese doppelte Problematik fand man 1973 eine Lösung durch die Definition der Begrifflichkeiten „religiöse Kunst“ und „sakrale Kunst“. „Religiöse Kunst“ war für das Museum der katholischen Kirche bestimmt und „sakrale Kunst“ sollte im Kirchenraum beheimatet sein. In den Vatikanischen Museen eröffnete die „Sammlung Moderner Religiöser Kunst“, woduch die zeitgenössische Kunst – im Rahmen der oben genannten Einschränkungen – Zugang finden konnte.

M USEEN

DER KATHOLISCHEN K IRCHE IM DEUTSCHSPRACHIGEN R AUM (1962–1980)

Im Folgenden wird ein Blick auf die Entwicklung von Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum während des Konzils und in den darauf folgenden Jahren geworfen. Um das Jahr 1980 zeichnete sich eine Wandlung im Selbstverständnis der Museen der katholischen Kirche ab, weshalb hier eine Zäsur getroffen wurde, welche in Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“ besprochen wird. Die Informationen zu den einzelnen Häusern stammen aus Publikationen der Museen selbst und aus Artikeln der Museumsmitarbeiter, erschienen in der Zeitschrift „Das Münster“. Zu einigen Museen konnten auch Kritiken Außenstehender gefunden werden. Im Falle Freisings wurde weiterhin Interviewmaterial verwandt, welches aus einem Experteninterview stammt.65 Erweiterungen und Neuaufstellungen (Mainz, Rottenburg, Osnabrück, Köln) Wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Paderborn, Köln und Mainz die Museen stringent von Geistlichen mit einer kunsthistorischen Ausbildung geleitet, übernahm 1962 in Mainz erstmals kein Geistlicher, sondern ein Laie die Betreuung des

65 Zur Methodik des Interviews siehe die Einleitung zu Teil III. In den Fußnoten wird die Angabe zum Interview durch die Zeitangabe im Interview in Klammern gekennzeichnet: z. B. (00:25:41).

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Diözesanmuseums.66 Dies war in den 1960er-Jahren noch eine Ausnahme: Der Teilnehmerliste der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“ von 1963 ist zu entnehmen, dass von 13 vertretenen Museen nur vier von Laien geleitet wurden.67 Es ist ein Wandel, der mit den Aussagen des „Zweiten Vatikanischen Konzils“ einherging68 und auch noch einmal durch das Lehrschreiben „Evangelii nuntiandi“ betont wurde69: Das Evangelium könne auch über das Medium der Kunst und Kultur durch Laien verkündet werden. Der Direktorenwechsel in Mainz 1962 geschah nach dem Tod Schucherts, in dessen Folge der Breslauer Kustos Christian Gündel die Direktion des Diözesanmuseums übernahm.70 1964 wurden der Dauerausstellung neue Räume im Obergeschoss des Ost- und Südflügels hinzu gefügt. 1969 kam Wilhelm Jung als Direktor, welcher zuvor Konservator in Mainz und Bonn war.71 Jung stellte die Ausstellung 1969 neu auf und beschrieb drei Leitgedanken bei seiner Arbeit: „1. unauffälliges Einfügen in den wertvollen Raum, 2. Reduzierung der Aufstellungsapparaturen, d. h. Beseitigung aufwendiger künstlicher Sockel und Podeste, 3. Ordnung nach künstlerischen Gesichtspunkten unter möglicher Einhaltung von Stil- und Werkstattgruppen.“72

Weiterhin plante er die Erstellung eines Kurzführers, eines wissenschaftlichen Kataloges, Führungen, Ausstellungen und Vorträge. 73 In Mainz ging man ab 1979 dazu über, größere Projekte und Maßnahmen in einem Museumskuratorium zu beraten und zu entscheiden,74 somit wurde die Entscheidungsmacht auf mehrere Personen verteilt. 1969 kam es zu einer Neuordnung in Rottenburg. Die Leitung des Diözesanmuseums ging hier 1974 ebenfalls an einen Laien über, an den Adeligen Carl Gregor Mecklenburg. Er war promovierter Kunsthistoriker und zuvor Assistent für Kunstgeschichte an der TU Stuttgart und im Landesdenkmalpflegeamt Tübingen tätig. Er 66 Zum Vergleich mit Museen, welche nicht von christlicher Seite betrieben wurden: Den ersten Generaldirektor der Königlichen Museen zu Berlin mit bürgerlicher Herkunft und wissenschaftlicher Ausbildung gab es mit Richard Schöne 1880. (Vgl. Bernau 1995. S. 22). 67 Vgl. Ecker 2008. S. 79–85. 68 Siehe Kapitel „Der Nutzen von Kunst“. 69 Siehe Kapitel „Das Lehrschreiben „Evangelii nuntiandi“ (1975)“. 70 Gündel hatte bis dahin die kirchlichen Kunstwerke Rheinhessens inventarisiert. (Vgl. Jung 1969. S. 409). 71 Vgl. Jung 1969. S. 409. 72 Jung 1969. S. 410. 73 Vgl. Jung 1969. S. 410. 74 Vgl. Ecker 2008. S. 79–85.

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leitete das Diözesanmuseum bis zu seiner Pensionierung 1992. 75 Mecklenburg beschrieb, dass die Sammlung des Diözesanmuseums nicht nach bestimmten Gesichtspunkten zusammenkam. In Rottenburg handele es sich um ein Museum religiöser Kunst, ein Museum der Kunst des Spätmittelalters und des Barock aus dem Bereich der Diözese. Weiterhin nannte er es ein „stehendes Museum“, ein Museum, welches nicht mehr erweitert werden könne.76 Mecklenburg sah die Aufgaben, welche 1894 für das Museum formuliert wurden, auch 1978 noch als aktuell an (Klerus in Kunstgeschichte ausbilden, heimatlose Kunstwerke schützen und wissenschaftlich bearbeiten).77 Als Bestätigung dieser Aufgaben nannte er die Erlässe des Heiligen Stuhls von 15.4.1923 und 1.9.192478 und wies somit – als einer der wenigen Museumsleiter – auf Aussagen aus Rom über das katholische Museum hin. Als neue bzw. weitere Aufgaben nannte er Führungen für Gruppen und Einzelpersonen.79 Das Kölner Diözesanmuseum zog 1972 in Räumlichkeiten im Neubau des Kuriengebäudes von Dombaumeister Willy Weyres südlich des Domes am Roncalliplatz ein.80 Die neuen Räume wurden unter Walter Schulten eröffnet, welcher von 1969 bis 1989 Direktor des Kölner Diözesanmuseums war. Schulten war Priester und besaß eine Promotion im Fach Kunstgeschichte. 81 Das damalige Museum versuchte, wichtige Informationen über den Kölner Dom zu geben.82 1978 wurde ein zweiter Sammlungskatalog des Museums veröffentlicht.83 Erweiterungen und Neubauten zogen automatisch eine Neuaufstellung nach sich, in einigen Häusern wurde dies auch ohne räumliche Änderungen vollzogen, so z. B. 1974 in Osnabrück.84

75 Vgl. Mecklenburg 2012. 76 Vgl. Mecklenburg 1978. S. 18–22. 77 Siehe Kapitel „Rottenburg“ in „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1900–1962)“. 78 Siehe Kapitel „Das Rundschreiben an die italienischen Bischöfe 1923“. 79 Vgl. Mecklenburg 1978. S. 16–17. 80 Vgl. Surmann 1995. S. 13. 81 Vgl. Kolumba Geschichte Schulten 2011. 82 Vgl. Schulten 1985. S. 12. 83 Vgl. Plotzek 2003. S. 28. 84 Das Diözesanmuseum Osnabrück, betreut von Andreas Jung, präsentierte 1974 eine Neuaufstellung und öffnete das Haus täglich. (Vgl. Deutsche Bischofskonferenz 1992. S. 10–107). 1975 erschien ein kleiner Führer durch das Museum, herausgegeben vom Verkehrsverein Stadt und Land Osnabrück mit einem kunsthistorischen Rundgang durch das Museum (Vgl. Schewe 1975).

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Neubau (Paderborn) 1975 wurde der Neubau des Paderborner Diözesanmuseums eröffnet. Der Beschluss war von der Diözesanleitung 1967 getroffen worden. Aus einem beschränkten Wettbewerb ging Gottfried Böhm als erster Preisträger hervor. Die Architektur des Hauses sollte Durchsichtigkeit und Offenheit veranschaulichen. Das MuseumsCafé ragte in die Sammlung hinein: „Das ist nicht die Verwirklichung eines koketten Einfalls eines Architekten, sondern eine ebenso heitere wie ernste Darstellung christlich-abendländischer Lebensauffassung, welche die Dinge dieser Welt zu schätzen, im Hinblick auf Höheres aber auch einzuschätzen weiß und im recht genossenen irdischen Glück den Vorgeschmack des verheißenen sieht, das die Werke der christlichen Kunst abzubilden versuchen; und solches steht einem kirchlichen Museum ja wohl nicht schlecht.“85

Das neue Museum bot 1.200 m2 Ausstellungsfläche, bestehend aus einem Großraum mit schwebenden Geschossebenen, welche durch Treppen verbunden wurden. Es wurde betont, dass „das Fehlen von Zwischenwänden dem Besucher immer neue Blickwinkel erlaubt.“86 „Die erwähnte Durchlässigkeit des Ausstellungsgebäudes hat den überraschenden Vorzug, daß die Exponate im Zusammenhang gesehen werden können und bei der Einrichtung dazu verpflichtete, Zusammenhänge zu verdeutlichen, soweit das von der Beschaffenheit der Kunstwerke (Formate usw.) möglich war und ohne Themenkreise bis zu Langeweile bringendem Exzeß zu isolieren. Die Zusammenstellung von thematischen oder gattungsmäßigen Gruppen verfolgt nicht nur didaktische Ziele, sondern ist auch von der Absicht getragen, Gegenstände, die einst dem Kult, der gläubigen Verehrung, dem volksfrommen Brauchtum und welchen Bereichen des kirchlichen Lebens auch immer dienten, so unterzubringen, daß man ihren ursprünglichen Sinn nicht ganz aus den Augen verliert, wenngleich sich das neue Gehäuse ganz anders ausnimmt als die ursprüngliche Umgebung.“ 87

Stiegemann sah diese Transparenz als beispielhaft für die Museumskonzepte der späten 1960er-Jahre, welche die didaktische Rolle des Museums in den Vordergrund stellten.88 Dass kirchliche Kunst in jener Zeit keine große Anziehungskraft besaß, zeigt folgendes Zitat aus dem Katalog: „Die Tatsache, daß der Besucher in diesem Haus „nur“ kirchliche Kunst vorfindet, sollte kein Grund zur Enttäuschung

85 Schmitz 1983. S. 214. 86 Westermann-Angerhausen 1975. S. 2. 87 Schmitz 1983. S. 215. 88 Vgl. Stiegemann 1994a. S. 69.

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sein.“89 Manche Exponate aus der Schatzkammer wurden an besonderen Tagen für die Liturgie im Dom genutzt.90 Paderborn war im 19. Jahrhundert das erste Diözesanmuseum im deutschsprachigen Raum überhaupt gewesen.91 Paderborn ging mit dem ersten Neubau, welcher allein für ein Diözesanmuseum geplant wurde, den Weg als Pionier des Museums der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum weiter. Die Planung und Realisierung eines Neubaus für ein Diözesanmuseum betonten die wachsende Wichtigkeit, die dieser Institution in den 1970er-Jahren zukam. Es handelte sich nicht mehr um Umfunktionierung ungenutzter Räume, sondern es wurde Raum explizit für ein Museum der katholischen Kirche geschaffen. Neugründungen (Bamberg, Freising) Die vorhandenen Museen der katholischen Kirche wurden nicht nur vergrößert und umgestaltet, sondern es kamen auch neue hinzu, so 1966 in Bamberg. Ein Geistlicher, namentlich Domkapitular Prälat Sigmund Frhr. von Pölnitz, gründete dieses Diözesanmuseum. Die vorhandene Sammlung wurde durch Ankäufe und Leihgaben ergänzt und im ehemaligen Domkapitelhaus von Balthasar Neumann ausgestellt, welches sich am Domplatz befand. Es war aus der Domschatzkammer hervorgegangen.92 Ein Schwerpunkt lag auf der religiösen Volkskunst.93 Von Pölnitz präsentierte hochmittelalterliche Textilien im Steinsaal, dem Festsaal des Domkapitelhauses, und vermehrte den Bestand durch Leihgaben aus den Pfarreien und Ankäufe.94 1978 bis 1991 leitete Bruno Neundorfer das Bamberger Diözesanmuseum, er war Historiker und Archivar95 und ein weltlicher Mitarbeiter. Somit vollzog sich der Wechsel vom geistlichen zum weltlichen Leiter in Bamberg 1978.96 Am 16.11.1974 wurde in Freising ein Diözesanmuseum durch Erzbischof Julius Kardinal Döpfner eröffnet. Der Plan, die Sammlung öffentlich zu präsentieren, war immer wieder erwogen worden, dass es schließlich zur Eröffnung kam, lag an Sigmund Benker, Oberkonservator des bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, ehemaliger Subregens und Diözesankonservator. Benker hatte sich als Betreuer der Kunstsammlung des ehemaligen Klerikalseminars in Freising seit langem um 89 Westermann-Angerhausen 1975. S. 2 (Im ersten Halbjahr des Bestehens kamen 30.000 Besucher). 90 Vgl. Schmitz 1983. S. 217. 91 Siehe Kapitel „Paderborn“ in „Die ersten Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1853–1900)“. 92 Vgl. Seifert 1995. S. 240–243. 93 Vgl. Bamberger Diözesanmuseum 1992. S. 9. 94 Vgl. Seifert 1995. S. 240. 95 Vgl. Neundorfer 2012. 96 Vgl. Neundorfer 2012a.

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die Gründung des Diözesanmuseums bemüht, er kannte die Sammlung seit seiner Studienzeit an der Philosophischen-theologischen Hochschule in Freising.97 Benker, der sowohl eine theologische als auch kunsthistorische Ausbildung besaß,98 wurde erster Direktor des Museums (1974–1979) und übernahm diese Aufgabe nebenamtlich. Im Haus wurden weiterhin Peter Steiner, der hauptamtliche Konservator, sowie ein Restaurator und Kräfte für Verwaltung und Aufsicht beschäftigt.99 Bei der Wahl Freisings als Örtlichkeit für das Museum war ausschlaggebend, dass in Freising der Sitz des Bistums lag und man eine Dezentralisierung kultureller Einrichtungen anstrebte und nicht im nahen München ein Haus eröffnen wollte. Außerdem gab es auf dem Domberg mit dem Gebäude des ehemaligen Knabenseminars, aus den Jahren 1868/69, ein leerstehendes Gebäude.100 Während einer zweijährigen Bauzeit hatte man dieses in ein Museum umgewandelt.101 Steiner verband die Entscheidung der Diözesanleitung, 1972 ein Museum einzurichten, als Reaktion auf verschiedene Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft und nannte als Stichworte das „Zweite Vatikanische Konzil“, die liturgische Erneuerung, die Denkmalpflege und Kunstsicherung. Weiterhin sah er für den Beschluss Kardinal Döpfner als Schlüsselfigur: „Diese Neugründung gegen die Kritik konservativer Theologen, die im Museum eine Profanisierung des Kultischen, und progressiver Theologen, die darin eine Überbewertung des Geschichtlichen sahen, durchzusetzen, war eine Leistung Kardinal Döpfners, dessen Geist kirchlicher Erneuerung sich das Museum heute noch verpflichtet weiß.“102

Erzbischof Julius Kardinal Döpfner war von 1961 bis 1976 in Freising, er muss die Entscheidung für das Museum schon kurz nach seinem Amtsantritt getroffen haben. Döpfner war an der Vorbereitung und am „Zweiten Vatikanischen Konzil“ beteiligt, als einer von vier Moderatoren wirkte er maßgeblich an dessen Beschlüssen mit. In der Berichterstattung zum Konzil galt er damals als einer der Wortführer des Reformflügels.103 Auch dies lässt erkennen, dass, obwohl im „Zweiten Vatikanischen Konzil“ nie explizit die Rede von Museen der katholischen Kirche war, die Beschlüsse der Idee der Institution zumindest nicht entgegen standen.

97

Vgl. Ramisch 1975. S. 328.

98

Vgl. Steiner 1985. S. 89.

99

Vgl. Ramisch 1975. S. 328.

100 Vgl. Ramisch 1975. S. 328. 101 Vgl. Neuhardt 1975. S. 3. 102 Steiner 1995. S. 251. 103 Vgl. Döpfner 2012.

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Die Eröffnung des Freisinger Diözesanmuseums wurde von einer Diskussion über den Sinn und die Nützlichkeit eines Museums der katholischen Kirche begleitet. So sprach Kardinal Döpfner zur Eröffnung des Freisinger Diözesanmuseums: „Mit dem Diözesanmuseum bekennt sich unser Erzbistum zu seiner Geschichte. Wir erfahren in den sich wandelnden Formen der Kunst und der Frömmigkeit die Kontinuität des eigenen Glaubens. Es sei nicht ganz leicht gewesen, die Errichtung eines Museums zu verantworten, bekannte der Kardinal. Denn vielen erscheinen heute ‚Sozialbauten wichtiger‘.“104

Diese Aussage traf Döpfner, obwohl er sich selbst auch stark für die Beseitigung der Wohnungsnot nach dem Krieg eingesetzt hatte, dies vor allem in seiner Würzburger Zeit unmittelbar nach dem Krieg. 105 Johannes Neuhardt, Direktor des Salzburger Diözesanmuseums, schrieb 1975 über das Freisinger Diözesanmuseum und setzte sich mit derselben Frage auseinander: Darf die Kirche Geld für Kunst ausgeben? So bemerkte er, dass im bayerisch-österreichischen Raum innerhalb weniger Monate fünf Museen der katholischen Kirche eröffnet hatten. Neuhardt fragte sich, ob man es nach 100 Jahren in der Geschichtschreibung als Zeichen einer ewig gestrigen Kirche werten wird, die besser in Entwicklungshilfe, Altersheime und Kindergärten investiert hätte: „Oder wird man sich daran erinnern, daß der Mensch nicht vom Brot allein lebt, daß die Kunst in der Verkündigung der Heilsbotschaft durch nichts ersetzt werden kann. Soll der Mensch in dieser hochindustrialisierten Welt nicht zum Roboter werden, der durch die beständige Frustration seiner musischen Kräfte die Gesellschaft gefährdet, dann braucht er Oasen der Stille und der Einkehr, wo er, vor die letzten Sinnfragen des Lebens gestellt, diese anhand der Lösungsversuche früherer Epochen wieder positiv zu beantworten versucht. […] auch in einem Diözesanmuseum geschieht Dienst am Menschen, auch hier scheiden und entscheiden sich Wege für die Zukunft.“106

Das Diözesanmuseum wurde hier als ein sozialer Ort gesehen, der dem Menschen auf seinem Lebensweg helfe. Neuhardt hob in seinem Artikel besonders die Vermittlungsarbeit in Freising hervor, die sich auch auf spezielle Zielgruppen, wie z. B. Kinder bezog.107 Diese Funktionszuschreibung folgt den Aussagen des „Zweiten

104 Streicher 1975. S. 94. 105 Vgl. Bruno-Werk 2012. 106 Neuhardt 1975. S. 2. 107 „[…] auf besonders reges Interesse sind die Spezialführungen zu Themen christlicher Ikonographie gestoßen, mit denen in selektiver Betrachtung die vielseitigen Bezüge eines Kunstwerkes erschlossen werden sollen. Nicht zuletzt sei vermerkt, daß die dan-

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Vatikanischen Konzils“, dass Kunst eine pastorale Aufgabe erfülle und Kultur zu den sozialen Tätigkeiten gehöre.108 Ramisch, damaliger Mitarbeiter am bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und späterer Leiter des Kunstreferates im Erzbischöflichen Ordinariat München, sah in der Gründung eines Museums der katholischen Kirche einen anderen Sinn. Für ihn stand die Eröffnung eines Museums der katholischen Kirche für Bewahrung im Gegensatz zur Modernisierung: „Ort und Zeit der Museumsgründung erscheinen passend gewählt: Die offiziellen kirchlichen Gremien machen deutlich, daß in einer Phase betonter Modernisierungsbestrebungen ein Ausgleich gesucht, die Bedeutung bewahrender Kräfte in der Kirche anerkannt und durch ein Institut hervorgehoben werden.“ 109

Auch Peter Steiner sah ab den 1970er-Jahren als neuen Beweggrund für Museumsgründungen die Darstellung von Kunst-, Frömmigkeits- und Diözesangeschichte.110 So ging man auch bei der Hängung zur Eröffnung des Museums in der schriftlichen Vermittlung auf kunsthistorische und historische Aspekte ein, plante aber auch schon, das Museum für musikalische Darbietungen zu nutzen.111 Im Museum existierte 1974 ein Saal über die Geschichte des Bistums, einer mit kirchlichen Geräten des Mittelalters und romanischen und gotischen Skulpturen, eine Dombibliothek, eine Restaurierungswerkstatt, ein Raum für Wechselausstellungen und eine Kindermalschule.112 In einer Museumskritik hieß es, dass man bei der Hängung weniger auf eine gleichmäßige künstlerische Qualität der Exponate geachtet hätte, sondern mehr auf die Hervorhebung ikonographischer Vielfalt. Diesem Text ist somit weiterhin zu entnehmen, dass bereits unter Benker die Exponate innerhalb eines chronologischen Gerüsts in ikonographischen Gruppen präsentiert wurden.113 Diese Anordnung wurde später unter Steiner zum Prinzip. Neben Malerei und Skulptur stellte die religiöse Volkskunst einen Bestandteil der Sammlung dar. 1978 wurde die Abteilung „Religiöse Volkskunst“ (Krippen, Hinterglasbilder, Andachtsgraphik, bemalte Möbel, Kleinfiguren, Kreuze, Ankenswerte Initiative, für Kinder Mal- und Zeichenkurse in den Museumsräumen abzuhalten, andernorts auch versucht werden sollte.“ (Neuhardt 1975. S. 8). 108 Siehe Kapitel „Der Nutzen von Kunst“. 109 Ramisch 1975. S. 328. 110 Vgl. Steiner 2009. S. 17. 111 Vgl. Benker/Steiner 1974. S. 5. 112 Vgl. Streicher 1975. S. 93–94. 113 „Man hat sich darum bemüht, gleiche und verwandte Darstellungsthemen einander zuzuordnen und so neben dem chronologischen Gerüst einen weiteren Ordnungsfaktor einzuführen.“ (Ramisch 1975. S. 330).

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dachtsgeräte und Rosenkränze) eröffnet. 1983 kam eine Abteilung mit kirchlichen Orden, Münzen und religiösen Medaillen hinzu.114 Bis 1974 war die Kunstsammlung nur durch die Privatinitiative geistlicher Kunstsammler zusammengekommen. Das Museum besaß einen großen Bestand mittelalterlicher Kunst, vor allem der Gotik, was man auf die Gründungsgeschichte dieser Privatsammlungen im 19. Jahrhundert zurückführen kann.115 So war das Museum bei der Eröffnung 1974 fast ausschließlich mit mittelalterlicher Kunst bestückt.116 Im Eröffnungsjahr erhielt das Museum eine weitere Schenkung, die Sammlung des ehemaligen Hofkaplans Josef Aumüller, mit Werken des Mittelalters und Barocks.117 Erst 1975 wurde von der Diözesanleitung ein erster Erwerbungsetat in Höhe von 20.000 DM genehmigt, 118 1978 wurde dieser auf 100.000 DM erhöht.119 Mit diesem Etat konnte die Sammlung gezielt erweitert und 1979 die Barockgalerie eröffnet werden.120 In den Jahren von 1979 bis 1982 wurden die Haushaltsmittel weiterhin vor allem für den Erwerb barocker Kunst eingesetzt, diese Epoche empfand man für ein bayerisches Museum als essentiell.121 1979 wurde der ehemalige hauptamtliche Konservator, Peter Steiner, Direktor des Museums. Peter Steiner war seit der Gründung des Museums maßgeblich in dessen Entstehung involviert. Bereits 1973 war er Geschäftsführer des Diözesanmuseums für christliche Kunst in Freising. Peter Steiner, geboren 1942 in München, studierte in München und Wien BWL, Germanistik, Kunstgeschichte, Archäologie und Philosophie und promovierte in München. Sein Vater hatte im eigenen Verlag die Reihe der „Kirchenführer“ begründet. Hierbei handelte es sich um den Verlag „Schnell & Steiner“, welcher unter anderem die Zeitschrift „Das Münster“ herausgibt.122 In diesem Verlag arbeitete Steiner vor seiner Tätigkeit am Museum. Steiner sagte: „Dieses Publizieren und Erklären und Vermitteln von Kunst im Zusammenhang mit Geschichte und Religion war für mich quasi von klein auf Lebenselixier.“123 Außerdem hatte Steiner am bayerischen Landesamt für Denkmalpflege ge-

114 Vgl. Steiner 1985. S. 89. 115 Vgl. Interview Freising (00:25:41). Das Interview Freising wurde am 6.8.2010 geführt. 116 Vgl. Interview Freising (00:18:09). 117 Vgl. Streicher 1975. S. 93–94. 118 Steiner erwarb bei einer Auktion im März 1977 für 22.000 DM netto ein kleines Auferstehungsbild von Christian Wincks (spätes Rokoko). (Vgl. Müller-Mehlis 1980. S. 1980–1981). 119 Vgl. Steiner 1982. S. 6. 120 Vgl. Steiner 1985. S. 89. 121 Vgl. Interview Freising (00:18:09). 122 Vgl. Schnell und Steiner 2011. 123 Steiner 2008.

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arbeitet,124 in welchem Benker als Oberkonservator tätig war. Nach Benker, der Theologe und Kunsthistoriker war, kam mit Steiner 1979 ein reiner Kunsthistoriker auf die Position des Direktors des Freisinger Diözesanmuseums. Steiner bekleidete die Position des Direktors 28 Jahre lang, bis 2007. Das Profil der Sammlung wurde stark von ihm geprägt und in der Öffentlichkeit präsentiert. Domschatzkammern und Dommuseen (Hildesheim, Aachen, Fulda, Minden, Regensburg) Zu den Diözesanmuseen gesellten sich nun auch Domschätze. Zwar haben Domschätze eine ältere Tradition als Diözesanmuseen und werden sogar als Vorläufer von Diözesanmuseen aufgeführt, neu ist jedoch, dass manche Domschätze ab den 1970er-Jahren auch unter musealen Gesichtspunkten präsentiert und nicht selten auch mit einem Diözesanmuseum kombiniert wurden, wie im Falle von Hildesheim, wo Domschatz und Diözesanmuseum 1978 zum Dommuseum verschmolzen.125 Ein anderes Beispiel ist Aachen, wo ab 1979 auch Retabel, welche nicht zur klassischen Ausstattung eines Kirchenschatzes gehörten, sondern eher in Diözesanmuseen aufbewahrt wurden, innerhalb des Schatzes ausgestellt wurden. 126 Der Name des „Dommuseums“ taucht nun auch vermehrt auf, so bei der Erweiterung in Fulda 1965127 oder wie erwähnt in Hildesheim. Am 12.7.1974 kam es in Regensburg zur Eröffnung eines Domschatzes. Er wurde von einem Geistlichen ins Leben gerufen. Der Domschatz war aus der Initia124 Vgl. Steiner 2008. 125 In Hildesheim war das Diözesanmuseum während des Krieges beschädigt und geschlossen worden. In den 1960er-Jahren wurde die Schatzkammer als schlichter tresorartiger Raum in der Sakristei präsentiert und zeigte einen Teil des vorigen Bestandes. 1978 wurde das Dom-Museum Hildesheim wieder eröffnet. Die Schatzkammer bildete das Herzstück des wieder begründeten Museums. Diözesanmuseum und Schatzkammer verschmolzen zum Dom-Museum. (Vgl. Brandt 2003. S. 92 und Hildesheim 2012). 126 Am 4.8.1979 fand die Eröffnung der neuen Räume des Aachener Domschatzes statt. Die Aufstellung erfolgte in chronologischer Ordnung. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Domschatz lange durch einen Geistlichen, den Domvikar Erich Stephany, betreut worden. Es wurden erstmals auch Retabel des Domes im Museum ausgestellt. (Vgl. Lepie 1985. S. 266). 127 Am 24.4.1965 wurden in Fulda neu gestaltete und umgebaute Räume des DomMuseums eingeweiht. Die Bauarbeiten hatten 1956 begonnen. Es wurde vor allem betont, dass die neue großzügigere Raumaufstellung die künstlerische Aussagekraft der Werke ermögliche: „Die seitherige Unterbringung in einem schwer zugänglichen Raum und das gedrängte und verwirrende Nebeneinander entzogen den Objekten ihre künstlerische Aussagekraft.“ Bis zum Jahresende 1965 hatten über 60 000 Menschen das Museum besucht. (Pralle 1966. S. 3).

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tive des Domdekans Hermann Grötsch und Msgr. Paul Mai entstanden,128 letzterer leitete den Domschatz. Er wurde im Südosttrakt der ehemaligen fürstbischöflichen Residenz untergebracht, um die Gerätschaften und Textilien des Domes der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.129 Das bayerische Landesamt für Denkmalpflege förderte den Umbau der Räume zu einem Museum finanziell.130 Bereits auf der Diözesansynode von 1927/28 war dringend die Einrichtung eines Museums gefordert worden. Mai sah die Gründe, dass es zur Eröffnung bis 1974 gedauert hatte, in der Zeit des Nationalsozialismus und den Folgen des Zweiten Weltkrieges.131 Einzelne Stücke aus der Sammlung waren bereits durch große Ausstellungen in München in den Jahren 1930, 1955, 1960 und 1972 bekannt geworden und anlässlich des IX. Deutschen Kunsthistorikertages 1962 in Regensburg wurde eine größere Auswahl von Objekten im Museum der Stadt Regensburg ausgestellt. Die Textilien im ersten Obergeschoss wurden chronologisch geordnet präsentiert. Die Goldschmiedekunst war dagegen nicht chronologisch geordnet, sondern nach Funktionen. Die Zielrichtung war, dem Besucher den Sinnzusammenhang und die traditionelle Bedeutung der Gegenstände zu vergegenwärtigen, welche teilweise immer noch im Gottesdienst verwandt wurden.132 Texte erläuterten die liturgische Verwendung und die historische Entwicklung der Exponate. Man wollte sich weiterhin von einer „vordergründigen dekorativen“ Präsentation distanzieren, welche nicht die inneren Zusammenhänge veranschaulichen würde.133 Joachim Hubel schrieb im Katalog aus dem Jahre 1976: „Es bleibt zu hoffen, daß der hier vorgelegte Katalog der kunsthistorischen Forschung genügend Impulse vermitteln kann, die zur Weiterarbeit und zur wissenschaftlichen Ergänzung anzuregen vermögen.“134

In Minden wurde 1977 auf dem Domplatz das „Haus am Dom“ errichtet, in diesem wurde neben anderen Einrichtungen (Gastwirtschaft, Geschäfte, Altentagesstätte) auch der Domschatz untergebracht und so zum ersten Mal öffentlich präsentiert. 128 Vgl. Hubel 1976. S. 5. 129 Vgl. Reidel 2003. S. 108. 130 Vgl. Hubel 1975. S. 52. 131 Vgl. Mai 1983. S. 31. 132 „Dem Besucher soll deutlich gemacht werden, daß es sich hier nicht um ein Museum im gewohnten Sinn handelt, sondern um eine Sammlung liturgischer Gegenstände, deren Tradition ungebrochen ist und die beim Gottesdienst noch heute verwendet werden können.“ (Hubel 1975. S. 50). 133 Vgl. Hubel 1975. S. 50. 134 Neben dem Interesse an der Forschung wird auch betont, dass in den ersten zwei Jahren nach der Eröffnung über 100.000 Besucher kamen. (Hubel 1976. S. 49 und 5).

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Das Ziel der Raumgestaltung durch Heinz Michel aus Köln und Siegfried Kessemeier vom Westfälischen Landesmuseum in Münster war es, jedem der unterschiedlichen Stücke die sakrale Würde zu lassen, ohne den ästhetischen Reiz zu mindern.135 Österreich (Wien, Salzburg, Klagenfurt) Im Wiener Dom- und Diözesanmuseum war von 1961 bis 1972 der Kunsthistoriker Rudolf Bachleitner Direktor.136 Er kuratierte Ausstellungen zum Stephansdom und engagierte sich für nach dem Krieg notwendige Restaurierungsarbeit. 1965 integrierte er erstmals temporär „religiöse Kunst des 20. Jahrhunderts“ in Form eines zeitgenössischen Werkes, welches für eine Kirche bestimmt war, ins Museum.137 Auf dem Direktorenposten folgte ihm von 1973 bis 1982 Rupert Feuchtmüller, welcher Professor der Kunstgeschichte in Graz war und zuvor am Niederösterreichischen Landesmuseum gearbeitet hatte.138 Am 6.12.1973 zog das Wiener Diözesanmuseum in neue Räumlichkeiten – eine ehemalige Wohnung des Dompropstes – am Stephansplatz. Die Räume wurden modern ausgestattet und die Kunstwerke sollten wissenschaftlich erfasst werden.139 Die Anregung einer Neuordnung kam 1971 durch Kardinal Erzbischof Franz König. Es wurde ein neues Konzept ausgearbeitet und vom wissenschaftlichen Beirat abgesegnet. Priorität bei der Erweiterung hatte die Verbesserung der konservatorischen Bedingungen, außerdem sollte eine größere Anzahl an Objekten ausgestellt werden. Manche Dinge, die man sich bereits 1932/33 vorgenommen hatte,140 behielten ihre Gültigkeit. So sollten Objekte von Bedeutung, die aus konservatorischen oder Sicherheitsgründen an ihrem ursprünglichen Aufstellungsort gefährdet waren, aufgenommen werden, die Kunstwerke aber sonst vorrangig in situ bleiben. Manche Werke wurden für kultische Zwecke ausgeliehen oder aus der Sammlung abgetreten.141 Das Konzept sollte vor allem auf die Nachbarschaft des Domes Bezug nehmen. Ausgestellt wurden wertvolles kirchliches Gerät, Bücher und Erinnerungsgegenstände an Rudolf den Stifter, mittelalterliche Gemälde und Plastiken. Feuchtmüller betonte, dass die bewusst sachlich gehaltenen Räume die Historie im Heute darstellen sollten. Die Darbietung sollte jedoch nicht vordergründig blei-

135 Vgl. Meyer 1984. S. 275. 136 Vgl. Bachleitner 2011. 137 Vgl. Feuchtmüller 1987. S. XII. 138 Vgl. Feuchtmüller 2012. 139 Vgl. Feuchtmüller 1987. S. XII. 140 Siehe Kapitel „Österreich“ in „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1900–1962)“. 141 Vgl. Saliger 1987.

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ben, sondern ihr Fundament in einem wissenschaftlichen Katalog erhalten.142 Die Einrichtung sollte eine „dezent ästhetische Note haben, die dem Kunstwerk ein Maximum seiner Wirkung gibt.“143 Feuchtmüller verantwortete die Neukonzeption 1973, er sagte hierzu: „Zunächst ging es darum, den Kunstwerken einen eigenen Wirkungsraum zu geben und die ausgestellten Werke von dem Zwang einer chronologischen Anordnung zu befreien, was nicht bedeuten soll, daß diese nicht eine der wichtigsten Leitmotive im Rahmen von Gruppierungen sein sollte. Und diese Gruppierungen sind funktionell bestimmt, sie vermeiden eine museale Vermengung von Kunstgewerbe, Plastik und Malerei. […] Dadurch rückt, trotz lockerer, moderner Aufstellung, Vergleichbares näher zusammen, thematische Bezüge lassen sich erkennen und in ihren Wandlungen verfolgen. Zum Vergleich der Formen tritt der vergleichbare Inhalt, er wird als bewegendes Element vorangestellt: die Botschaft sakraler Kunst wird leichter erfaßbar. Hat man diese Gruppen in ihren Beziehungen erkannt, traten sie auch untereinander in Kontakt. Solche angestrebten Bezüge gehen sogar weiter: sie weisen über das Museum hinaus, auf den benachbarten Dom.“144

Weiterhin schuf er Räume für Sonderausstellungen und Veranstaltungen. Auch ein Studienraum für Besucher wurde eingerichtet.145 Am 6.4.1974 eröffnete ein Dommuseum in Salzburg. Das Museum gliederte sich in drei Abteilungen: Domschatz, Original-Schränke der einstigen „Kunst- und Wunderkammer“ und Ausstellungen von Kunstwerken, welche aus Sicherheitsgründen nicht mehr an ihrem Ursprungsort sein konnten. Wegen des 1200-jährigen Domjubiläums war es am 23.2.1972 zum einstimmigen Beschluss im Domkapitel gekommen, ein Diözesanmuseum einzurichten.146 Erzbischof Berg erläuterte 1974, warum man gerade zu dieser Zeit ein Museum eröffnete, obwohl die Kirche bestimmt Wichtigeres zu tun habe und das „Zweite Vatikanische Konzil“ unter dem Leitwort „Aggiornamento“ lief. Dies veranschaulicht, dass Erzbischof Berg davon ausging, dass man ein Museum per se als etwas Rückwärtsgewandtes verstehen würde und es nicht mit „Verheutigung“ einhergehen könne, jedoch begründete er das Vorgehen dadurch, dass Zeugnisse „christlicher Kunst und Kultur“ auch heute noch eine christliche Botschaft trügen. Oft gelinge es mit dem Museum, „[d]ie Fenster aufzustoßen in die Unendlichkeit, die Werke transparent zu machen auf jene Stätte, da SEINE EHRE wohnt.“147 142 Vgl. Feuchtmüller 1987. S. XII. 143 Feuchtmüller 1987. S. XII. 144 Feuchtmüller 1983. S. 120. 145 Vgl. Feuchtmüller 1983. S.120. 146 Vgl. Neuhardt 1974. S. 8–10. 147 Berg 1974.

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Im Mai 1974 wurde eine Neuaufstellung der Exponate im Diözesanmuseum Klagenfurt präsentiert.148 Zuvor hatte es im Jahre 1971 eine Ausstellung von Werken des Hauses in der österreichischen Galerie im oberen Belvedere in Wien und in der Kärtner Landesgalerie gegeben. Im Katalog zu dieser Ausstellung äußerte sich der Betreuer des Diözesanmuseums Ebbernigg über den Zweck des Diözesanmuseums, „ein Hort kirchlicher Kunstwerke unserer Heimat zu sein und als Fundgrube kunstgeschichtlicher Bildung für Geistliche und Laien, für Studenten, Gelehrte und Künstler zu dienen.“149 Es gab keine Wechselausstellungen wegen Raummangels.150 Zusammenfassung Zwischen 1962 und 1980 gab es eine ganze Reihe von Neuaufstellungen, Umbauten und sogar einen reinen Museumsneubau. Begünstigt wurde dies durch eine Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs, in welcher Sammlungen, welche während des Krieges geschlossen worden waren, wieder neu präsentiert werden konnten. Die Folgen der Liturgiereform, welche zur Umgestaltung im Kirchenraum führte und viele Kunstwerke aus diesem verbannte, wurden nur im Nachhinein in Freising als Grund für eine Erweiterung erwähnt. Die Entwicklung der Museen der katholischen Kirche in den 1960/70er-Jahren setzte sich nicht maßgeblich von der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ab. Bis auf das Museum in Wien wurde in keinem Haus explizit Kunst des 20. Jahrhunderts integriert oder von Kontaktpflege mit lebenden Künstlern gesprochen. In einzelnen Häusern gab es zwar erste Etats für Neuankäufe, diese wurden jedoch für Kunst ausgegeben, welche einmal im direkten Kontakt mit der katholischen Kirche gestanden hatte und nicht autonom geschaffen worden war. Bei den meisten Häusern standen weiterhin der historische Aspekt und die wissenschaftliche Bearbeitung im Vordergrund. Die neu- und umgestalteten Museen versuchten, die Kunstwerke adäquat zu präsentieren. Das Augenmerk lag auf praktischen Details und einer Erhöhung des professionellen Standards. Die neuen Aufstellungen sollten vor allem moderne konservatorische Aspekte berücksichtigen. Der Fokus auf die Besucher begann nun langsam auch, eine Rolle zu spielen: So wurden bei der Hängung die Wirkung auf den Besucher bedacht, hohe Besucherzahlen als Erfolgskriterium gewertet und die Vermittlungsarbeit betont. In Freising und Wien wich man in dieser Zeit erstmals von einem rein chronologischen Gerüst ab, um stattdessen Themengruppen zu bilden. Ähnliches hatte es schon in Paderborn gegeben, wo man Typenreihen aufgestellt hatte. Neu war hier jedoch die Intention. Es ging nicht mehr nur um ein Veranschaulichen kunsthistorischer Stilentwicklungen in christlichen Motiven, sondern um die unterschiedliche 148 Vgl. Neuhardt 1975. S. 2. 149 Ebernigg 1971. S. 9. 150 Vgl. Maier 1985. S. 181.

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Behandlung oder Interpretation eines christlichen Themas. Besonders hervorzuheben ist hier die Entwicklung in Wien. In Bezug auf die Leiter der Museen zeichnete sich ein weiterer Wandel ab. Es gab die ersten kunsthistorischen Leiter, welche keine geistliche Ausbildung durchlaufen hatten. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte es bereits einen Wechsel von geistlichen Leitern ohne erlernte kunsthistorische Kenntnisse zu geistlichen Leitern mit kunsthistorischem Studium gegeben. Nun begann eine Entwicklung, die Laien mit kunsthistorischer Ausbildung an die Spitze der Museen der katholischen Kirche stellte. Raffler beschrieb, dass im Europa der frühen Neuzeit Erneuerungen der Sammlungsinhalte vielfach parallel mit dem Wandel im Sozialgefüge verliefen, „das heißt, die Sammlung war nicht mehr ausschließlich Demonstration von Macht und Reichtum, sondern sollte den Willen zur Teilnahme am kulturellen Leben dokumentieren. Für den Fürsten würde dies die Notwendigkeit bedeuten, sich mit Menschen zu umgeben, die im Besitz dieser Zuordnungsfähigkeit waren.“151 Auch die Museen der katholischen Kirche begannen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen Wandel ihrer Sammlungsinhalte und stellten zunehmend Kunsthistoriker ein. Die katholische Kirche musste sich in den 1970er-Jahren für ihre Investitionen in den musealen Bereich rechtfertigen. In den Reden zur Freisinger Eröffnung und in Aussagen des Salzburger Erzbischofs wurde die Frage gestellt, ob die katholische Kirche ihrer Aufgabe nicht gerechter würde, wenn sie das Geld für soziale Aufgaben verwendet hätte. Innerhalb dieser Diskussion wurden erste Stimmten laut, die das Verbreiten der Heilsbotschaft mittels des Museums der katholischen Kirche als Notwendigkeit für das Wohl der Menschen sahen und somit nicht im Widerspruch zu Ausgaben im sozialen Bereich, sondern explizit auch als solche verstanden wurden. Dieses Verständnis von Kulturarbeit als pastorale Aufgabe wurde erstmals in den Verlautbarungen des „Zweiten Vatikanischen Konzils“ festgeschrieben und sollte in den kommenden Jahren auch noch direkt auf das Museum der katholischen Kirche bezogen werden und eine immer größer werdende Rolle in der gesamten Museumsgestaltung spielen.

K ATHOLISCHE S TANDPUNKTE ZUR AUTONOMIE VON K UNST . E INE EXEMPLARISCHE G EGENÜBERSTELLUNG (1980) Auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gingen die theologischen Meinungen zum Umgang mit Kunst weiterhin auseinander. 152 Einmal wollte man die aktuelle Kunst durch Richtlinien mitgestalten, auf der anderen Seite wurde die Aner151 Waidacher/Raffler 2005. S. 285f. 152 Andreas Mertin gibt hier einen guten Überblick: Vgl. Mertin 2011.

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kennung der Autonomie der Kunst als Chance für einen neuen Dialog zwischen Kunst und Kirche betrachtet. Ein gutes Beispiel der Gleichzeitigkeit gegensätzlicher Meinungen innerhalb der katholischen Kirche bietet sich im Jahr 1980. Während die deutsche Bischofskonferenz ein Schreiben herausgab, welches Aussagen machte, die sich eher von den Künsten der Gegenwart distanzierten, und eine Kunst mit Vorgaben der Kirche gestalten wollte, ging Johannes Paul II. (1978–2005) in seiner Rede im Herkulessaal in München stark auf die Künstler zu. Im selben Jahr fand anlässlich des Katholikentages in Berlin eine große Ausstellung zeitgenössischer Kunst statt, welche sich mit dem Verhältnis von Christentum und Kunst des 20. Jahrhunderts auseinandersetzte. Das Schreiben der Deutschen Bischofskonferenz über das Verhältnis von Kirche und Gegenwartskunst Zu Beginn des Jahres 1980 wurden in der Zeitschrift „Das Münster“ von der Kommission der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen der Wissenschaft und Kultur die „Anmerkungen und Empfehlungen zum Verhältnis von Kirche und Kunst in der Gegenwart“ veröffentlicht. In diesem Dokument konstatierte man, dass durch die Autonomie der Kunst und das Loslösen der Kunst von der Kirche Kunst beliebig würde.153 Es ist die Rede von einer tiefen Verachtung der Menschen und Werte in der „modernen Kunst“, diese würde von der Wissenschaft und Technik beherrscht. Das Dokument warf „moderner Kunst“ vor, kein eindeutiges Weltbild oder umfassendes Menschenbild zu vermitteln und die Menschen in ihren gegenwärtigen Problemen nicht mehr anzusprechen.154 Der „modernen Kunst“ wurden destruktive Tendenzen unterstellt und man bangte um die Folgen für das allgemeine geistige Leben.155 Gleichzeitig sah man aber auch eine Gefahr durch „irrationale Heilssuche“, die durch die Kunst versuche, eine heile Welt zu konstruieren.156 Die Deutsche Bischofskonferenz distanzierte sich in diesem Schreiben nicht von einem Stil, so wie es die katholische Kirche noch in den „Richtlinien zur kirchlichen Kunst“ 1952 gemacht hatte,157 sondern sprach die inhaltliche Komponente der Kunst an. Hier folgte sie den Aussagen des „Zweiten Vatikanischen Konzils“, welches in SC 123 aussag-

153 „Die Ablösung der Kunst von ihren religiösen Wurzeln und ihre Entlassung in eine von keinen inhaltlichen oder formalen Begrenzungen eingeschränkte Autonomie haben ihr nicht nur neue Möglichkeiten erschlossen, sondern zugleich wesentliche Quellen der Erneuerung verschüttet.“ (Deutsche Bischofskonferenz 1980. S. 71). 154 Vgl. Deutsche Bischofskonferenz 1980. S. 71. 155 Vgl. Deutsche Bischofskonferenz 1980. S. 71. 156 Vgl. Deutsche Bischofskonferenz 1980. S. 71. 157 Siehe Kapitel „Die Richtlinien zur Sakralkunst der französischen Bischöfe (1952)“.

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te, dass die Kirche keinen eigenen Stil besitze, aber in SC 122,2 der katholischen Kirche das Recht einräumte, über Kunst zu urteilen.158 So folgten im Schreiben auf die Distanzierung vom aktuellen Kunstgeschehen Anweisungen, die zu „moderner christlicher Kunst“ führen sollten. Dazu gehörte die Empfehlung, das Kunstverständnis in der Priesterbildung zu fördern, und andere Maßnahmen, wie die Organisation von Wanderausstellungen und die Nutzung moderner Medien sowie die Gründungen von Diözesanmuseen: „Empfehlung: Die Möglichkeiten und Chancen für die Gründung eines Museums für neuzeitliche christliche Kunst sollten geprüft werden. Ein solches Museum dürfte nicht als Konkurrenz oder Ergänzung zum allgemeinen öffentlichen Ausstellungs- und Kunstbetrieb fungieren, sondern müßte eine Einrichtung sein, die in lebendiger Verbindung mit dem kirchlichen Leben steht. Die Initiative für ein solches Projekt könnte bei einer Diözese liegen, die bereits über ein Museum mit einem Grundstock moderner Kunst verfügt. Zum weiteren Ausbau kämen eventuell eine überdiözesane Zusammenarbeit und eine Unterstützung durch den Verband der Diözesen Deutschlands in Betracht.“ 159

Der Begriff „neuzeitliche christliche Kunst“ tauchte an dieser Stelle des Schreibens zum ersten Mal auf. Diese unpräzise Begrifflichkeit lässt sich nur aus dem Zusammenhang erschließen, woraus hervorgeht, dass mit „neuzeitlich“ nicht die kunsthistorische Epoche der Neuzeit gemeint war, sondern die gegenwärtige Kunst. Es wurde nicht explizit dargelegt, wie „neuzeitliche christliche Kunst“ in das Museum gelangen sollte, es wird der Wunsch ausgedrückt, Diözesen, an denen bereits „moderne christliche Kunst“ vorhanden sei, zu bevorzugen. Ob für die Erweiterung der Sammlung dann jedoch ein Budget zur Verfügung gestellt werden solle, oder ob man – wie in den Vatikanischen Museen160 – versuchen solle, Schenkungen zu erhalten, kann den Aussagen nicht entnommen werden. Deutlich wird jedoch, dass es sich bei Gegenwartskunst nicht um Kunst handeln kann, welche aus dem Kirchenraum stammt. Das Schreiben empfiehlt weiterhin, eine theologische Bildung der Künstler zu fördern und im Dialog zu kooperieren. In gewissem Widerspruch zu diesen Äußerungen findet sich ebenfalls folgende Formulierung:

158 Siehe Kapitel „Die Freiheit der Kunst“. 159 Deutsche Bischofskonferenz 1980. S. 72. 160 Siehe Kapitel „Die ‚Collezione d‘arte Religiosa Moderna‘ in den Vatikanischen Museen (1973)“.

110 | M ISSION M USEION „Die kirchlichen Auftraggeber (Geistliche, Laienräte, Kunstsachverständige der Diözesen) sollten ihre Mitverantwortung besser wahrnehmen und, indem sie dem Künstler klare Vorgaben machen, stärker Einfluß auf sein Schaffen ausüben.“161

Das Dokument der Deutschen Bischofskonferenz beschrieb die Eigenständigkeit der Kunst als Gefahr und versuchte, durch kirchliche Maßnahmen Einfluss auf Kunst zu nehmen, um „christliche Kunst“ zu fördern. Das Schreiben unterschied deutlich zwischen einer „christlichen“ und einer „profanen“ Kunst. 162 Dominik Meiering spricht hier von einem „Inkulturationsmodell“, das die Deutsche Bischofskonferenz vertrat, man ging nicht unvoreingenommen auf die Künstler zu, sondern ein Dialog fände nur unter der Prämisse statt, die Künstler zu evangelisieren.163 Die Ansprache an die Künstler von Papst Johannes Paul II. in München Dementgegen steht die Rede Papst Johannes Paul II. im November desselben Jahres in München. Dominik Meiering beschreibt diesen Appell zur Partnerschaft und zur Dialogbereitschaft als „Interkulturalitätsmodell“.164 Zur Ansprache wurden Künstler und Publizisten aus Deutschland über jede Konfessionsgrenze hinaus eingeladen.165 Es ist nicht bekannt, inwieweit der Papst Kenntnis vom Schreiben der Deutschen Bischofskonferenz hatte und seine Rede als eine Art Antwort zu sehen ist, oder ob es sich um einen Zufall handelte, dass der Papst im selben Jahr Stellung zu diesem Thema in Deutschland bezog. Der Papst konstatierte, dass durch Anerkennung der Autonomie der Kunst die Chance zum Dialog zwischen Kunst und Kirche bestehen würde: „Diese Autonomie ist, recht verstanden, kein Protest gegen Gott oder gegen die Aussagen des christlichen Glaubens, sie ist vielmehr der Ausdruck dessen, daß die Welt Gottes eigene, in die Freiheit entlassene Schöpfung ist, dem Menschen zur Kultur und Verantwortung übergeben und anvertraut. Damit ist die Voraussetzung gegeben, daß die Kirche in ein neues Verhältnis zur Kultur und zur Kunst eintritt, in ein Verhältnis der Partnerschaft, der Freiheit und des Dialogs.“166

161 Deutsche Bischofskonferenz 1980. S. 72. 162 Vgl. Schwebel 2005. 163 Vgl. Meiering 1997. S. 42f. 164 Vgl. Meiering 1997. S. 46. 165 Vgl. Henrich 1980. S. 184. 166 Papst Johannes Paul II. 1980. S. 186–187.

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Der Papst betonte, wie eng das Verhältnis zwischen Kunst und Kirche vor 1800 war und dass das „Zweite Vatikanische Konzil“ ein neuer Schritt zur Annäherung zwischen Kirche und Kunst sei. Er unterstrich, dass künstlerische Arbeit ein schöpferischer Beruf sei und keine bloße oberflächliche Abbildung, sondern ein Interpretieren der Realität. Das gemeinsame Thema der Kirche und der Kunst sei der Mensch.167 Die Kirche brauche die Kunst, die Kunst leiste der Kirche den Dienst der Konkretion der Wahrheit. 168 Der Papst setzte sich auch mit der Frage auseinander, ob Kunst die Kirche brauche und sie nicht ohne die Kirche drohe, zu verarmen: „Verarmt nicht die Kunst, bringt sie sich nicht um entscheidende Gehalte und Motive, wenn sie auf die Wirklichkeit verzichtet, die durch die Kirche repräsentiert wird?“169 Hier finden sich Parallelen zum Papier der Bischofskonferenz, das hervorhob, die Kunst habe sich mit dem Abwenden von der Kirche eine wesentliche Quelle der Erneuerung verschüttet. Jedoch formulierte der Papst diese Annahme zurückhaltender, als Frage. Ebenfalls befasste sich der Papst mit der Darstellung des Bösen. Er sah in der Darstellung des Bösen kein Befördern des Negativen in der Welt, sondern vielmehr einen Spiegel der Realität, der einen erschauern lasse und dadurch vor dem Bösen warnen solle. Die Darstellung des Negativen dürfe aber nicht zum Selbstzweck werden, sondern müsse dazu dienen, das Böse zu überwinden.170 Gibt es bei dem Schreiben der Bischofskonferenz und der Papstrede auch Übereinstimmungen, so waren die Worte des Papstes weniger kategorisch gewählt, und im größeren Zusammenhang unterscheiden sich die Aussagen grundlegend. So sprach der Papst gegen Ende seiner Rede eine Einladung zur „neuen partnerschaftlichen, vertrauensvollen Zusammenarbeit“ aus.171 Dass es dem Papst um eine Zusammenarbeit ging und nicht um ein Trennen in zwei verschiedene Arten von Kunst, zeigt auch seine Wortwahl. Johannes Paul II. benutzte kein einziges Mal die Begriffe „christliche“ oder „religiöse Kunst“, sondern sprach immer von Kunst allgemein.172 Im Gegensatz zum Schreiben der Bischofskonferenz wollte Johannes 167 Vgl. Papst Johannes Paul II. 1980. S. 188. 168 Vgl. Papst Johannes Paul II. 1980. S. 188–189. 169 Papst Johannes Paul II. 1980. S. 191. 170 Der Vorwurf, zeitgenössische Kunst stelle das Böse dar, findet sich öfter in kirchlichen Debatten über zeitgenössische Kunst. Es ist verwunderlich, dass hier anscheinend die romanische Kirchenkunst aus der Wahrnehmung gestrichen wurde. Im 12. und 13. Jahrhundert stellten Dämonen einen wichtigen Teil des Kirchenschmucks dar. So ist die Argumentation Papst Johannes Paul II., das Böse dürfe dargestellt werden, um es zu überwinden, nachvollziehbar und auch mit der Tradition der kirchlichen Kunst vereinbar. 171 Vgl. Papst Johannes Paul II. 1980. S. 191. 172 Vgl. Schwebel 2005.

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Paul II. keine eigene „religiöse oder christliche Kunst“ fördern, sondern zeigte vielmehr die Gemeinsamkeiten von Religion und Kunst auf, um eine gleichberechtigte Kommunikation aufzubauen, die zu einer Kunst führen sollte, in der sich Künstler und Kirche als Partner wiedererkennen. Johannes Paul II. teilte Kunst nicht in Kategorien ein und entfernte sich somit von den Auffassungen seines Vorgängers Paul VI., der zwischen „religiöser“ und „sakraler“ Kunst unterschied. In der katholischen Literatur wurde die Rede des Papstes sehr häufig zitiert,173 während die Verlautbarung der Bischofskonferenz fast nie erwähnt wurde. Die Ausstellung „Zeichen des Glaubens – Geist der Avantgarde“ in Berlin Es gab ein weiteres besonderes Ereignis zum Thema „katholische Kirche und Kunst“ im Jahre 1980 im deutschsprachigen Raum. Anlässlich des 86. Deutschen Katholikentages in Berlin fand die Ausstellung „Zeichen des Glaubens – Geist der Avantgarde“ statt. Sie wurde von Wieland Schmied kuratiert, einem Kunsthistoriker.174 Auch die Mehrzahl der Autoren der Aufsätze des Ausstellungskataloges sind Kunsthistoriker, die sich zum Thema der religiösen Tendenzen in der Kunst des 20. Jahrhunderts äußerten.175 Zwar fand die Ausstellung im Rahmen eines katholischen Großereignisses statt, die inhaltlichen Aussagen wurden jedoch mehrheitlich nicht von Theologen getroffen. Getragen wurde die Ausstellung vom Katholikentag selbst, welcher vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gemeinsam mit dem Ortsbistum veranstaltet wurde.176 Der Katholikentag war im 19. Jahrhundert aus der Laienbewegung entstanden und soll diese auch heute noch repräsentieren. Schon die ersten Katholikentage hatten sich der Förderung der Kunst verschrieben. Wie im Kapitel „Die ersten offiziellen päpstlichen Aussagen zu Museen“ erläutert, rief August Reichensperger auf dem 4. Deutschen Katholikentag 1850 zur Gründung eines allgemeinen deutschen christlichen Kunstvereins auf. 1979 hatte in Bonn die Tagung „Kirche, Wirklichkeit und Kunst“, initiiert vom Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Hans Maier, stattgefunden. Es waren neben bildenden Künstlern auch Literaten und andere Kunstschaffende eingeladen worden. Es kamen über 100 Teilnehmer, darunter u. a. bekannte Künstler wie Georg Meistermann oder Joseph Beuys. Man suchte einen Erfahrungsaustausch über das Thema Kunst und Kirche. Maier beschrieb das Ergebnis in 173 Z. B „Papst Johannes Paul spricht es in seiner berühmt gewordenen Rede in München.“ (Gegenfurtner 1993. S. 9). 174 Wieland hatte unterschiedliche angesehene kunsthistorische Posten inne, so war er zuvor u. a. Hauptkustos bei der Nationalgalerie in Berlin. (Vgl. Schmied 2011). 175 Vgl. Zeichen des Glaubens 1980. S. 301f. 176 Vgl. Zentralkomitee der deutschen Katholiken 2011.

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dem Satz: „Wir sind wieder miteinander im Gespräch.“ Viele Künstler würden sagen: „Christus, ja. Kirche, nein“, weil man keinen Zugang zur Institution hätte, suche man sich Privatmythologien. Auf dieser Tagung gab es bereits die Überlegungen zu einer Ausstellung auf dem Katholikentag. 177 Das Zustandekommen der Ausstellung 1980 ging schließlich auf das Engagement von Erich Klausener und Jakob Kraetzer zurück. Sie wollten zum Katholikentag eine Ausstellung veranstalten, die nicht mit den üblichen Kunstwerken ausgestattet war, die man zu dieser Zeit mit der Kirche verband. Jedoch hatten sie das Problem, einen Kurator zu finden, der sich mit dem Thema Kunst im Zusammenhang mit dem Begriff „christlich“ auseinanderzusetzen bereit war. Schmied nahm die Aufgabe an.178 Die Ausstellung zeigte Kunst aus dem Zeitraum von 1890 bis 1980. Wieland Schmied wollte mit der Ausstellung zwei Missverständnissen vorbeugen. Zum einen, dass „christlich“ in der Ausstellung nicht „sakral“ oder „kirchlich“ bedeutet, sondern dass Künstler „in wesentlichen künstlerischen Entscheidungen ihres Lebens bestimmt und bestärkt wurden durch Impulse und Imaginationen aus christlichem Geist.“179 Zum anderen, dass es sich bei den Künstlern nicht um gläubige Personen handeln müsse oder dass diese gemeinsam mit einer kirchlichen Autorität gearbeitet haben. Des Weiteren seien die ausgestellten Werke nicht immer eine Bejahung der christlichen Lehre, sondern auch aus Widerspruch und Widerstand entstanden.180 Dieser Ansatz wird sich im Folgenden auch noch bei einigen Museen der katholischen Kirche zeigen und besprochen werden.181 Schmied wurde von bekannten Künstlern unterstützt,182 Kunstwerke wurden generell auch nur ausgestellt, wenn die Künstler ihr Einverständnis gegeben hatten, aber nur wenige Künstler wollten dies nicht. Schmieds Intention war es, die Kunst nach religiösen Tendenzen zu befragen und nicht in erster Linie nach qualitätvoller „christlicher Kunst“ zu suchen. Er glaubte, dass dieses Wagnis „zu einer radikalen Neu-Interpretation der Kunst des 20. Jahrhunderts führen musste.“ 183 Wieland Schmied beschrieb später sein Vorgehen bei der Auswahl von Kunstwerken zur Ausstellung, sein Schlüssel lag in der Subjektivität: Er wählte die Bilder aus, die

177 Vgl. Maier 1980. S. 100–101. 105. 178 Vgl. Schmied 1990. S. 11–15. 179 Zeichen des Glaubens 1980. S. 6–10. S. 8f. 180 Vgl. Zeichen des Glaubens 1980. S. 6–10. 181 Siehe u. a. 3.2. 182 So von den Künstlern Joseph Beuys und Annalee Newman, der Witwe des Künstlers Barnett Newman. (Vgl. Schmied 1990. S. 11–15). 183 Schmied 1990. S. 11–15.

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ihn in seinem Leben am meisten berührt hatten. Durch diese Art der Auswahl kamen nun expressive und abstrakte Kunstwerke zusammen.184 Die Ausstellung brachte eine Diskussion in Gang und scheint nachhaltig beeindruckt zu haben: Z. B. wurde diese Ausstellung von „Kolumba“ in Köln in seinem Geschichtsüberblick als ein besonderes Ereignis genannt. 185 Schwebel beschrieb diese Ausstellung als „einen Höhepunkt der Initiativen des Brückenschlages“ 186 zwischen Kirche und „moderner Kunst“, welche viel Anerkennung fand. Besonders wurde darauf hingewiesen, dass Schmied das verbindende Element der Spiritualität zwischen Kirche und Kunst ins Spiel brachte.187 Oft wurde die Ausstellung in Schriften über das Verhältnis zwischen Kunst und katholischer Kirche erwähnt.188 Schmied selbst sah, dass die Ausstellung eine Auseinandersetzung mit dem Thema Kunst und Kirche angestoßen habe, was er an zahlreichen Ausstellungen zu diesem Themenkomplex in den folgenden Jahren festmachte.189 184 „Als ich vor einigen Jahren eingeladen war, eine Ausstellung über die religiösen Tendenzen in der Kunst des 20. Jahrhunderts zu gestalten, da meinte ich am wahrhaftigsten und darum der Aufgabe am ehesten entsprechend vorzugehen, wenn ich all die Bilder zu versammeln bemühte, die mich in meinem Leben am tiefsten berührt hatten, die ich am meisten liebte oder vor denen ich am nachhaltigsten erschrocken war. Das klingt sehr subjektiv – und genauso war es gemeint. Jedes Kunsturteil ist im Letzten subjektiv und in der persönlichen Erfahrung begründet. Hier schien der Mut zur Subjektivität in besonderem Maße gefordert. […] Da geschah es, daß sich die Werke ganz von selbst auf den beiden Flügeln der modernen Kunst, dem expressiven und dem abstrakten, zu ordnen begannen und über alle Unterschiede und Widersprüche hinweg dieses eine Merkmal als ihr Wesen verrieten: Spiritualität. […] Damals verstand ich auch, daß es nicht unsere Sache sein konnte, examinierend vor die Bilder zu treten und sie nach christlichem Gehalt, nach ihrem Anteil am Religiösen oder Spirituellen abzufragen. Auf diese Weise konnten wir sie nur verfehlen.“ (Schmied 1984. S. 133–134). 185 Vgl. Plotzek 2003. S. 28. 186 Schwebel 2005. 187 „Schmied behauptete in Bildern des 20. Jahrhunderts „Spiritualität als das geheime Kennzeichen der Avantgarde“. Dies war eine radikale Gegenlesart bisheriger Auffassung, aber gleichzeitig auch eine radikale Diagnose für die christliche Religion. Ausdrücklich war damit nicht „christliche Kunst“ gemeint!“ (Rauchenberger 2005b) oder auch in Schwebel 2005, siehe auch Ochsenreither 2004. S. 27. 188 Vgl. Z. B. Gegenfurtner 1993. S. 10. 189 U. a. 1981 „Das Christusbild im 20. Jahrhundert“ (Linz), 1982 „Bilder sind nicht verboten“ (Düsseldorf), 1983 „Luther und seine Folgen für die Kunst“ (Hamburg), „Imago“ (Nürnberg), „Der biblische Weg“ (Graz), 1984 „Menschenbild – Christusbild“ (Frankfurt am Main), 1985 „Raum-Zeit-Stille“ (Köln), 1985/86 „The spiritual in Art“ (Los Angeles und den Haag), 1990 „Gegenwart Ewigkeit. Spuren des Transzendenten in der

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Das radikal Neue von Schmieds Idee muss jedoch in Frage gestellt werden. Wie in 1.2.2 erläutert, gab es in den Vatikanischen Museen bereits eine „Sammlung moderner christlicher Kunst“ und zur Eröffnung dieser hatte Papst Paul VI. bereits eine Unterscheidung von „sakraler Kunst“ im Kirchenraum und „religiöser Kunst“ im musealen Raum getroffen. Zwar war die Wortwahl des Papstes mit „religiöser Kunst“ eine andere als Schmieds, der die Kunst nach „religiösen Tendenzen“ befragte, jedoch entsprechen die Erläuterungen einander. Zusammenfassung Im Jahre 1980 hatte die Diskussion zum Verhältnis zwischen Kunst des 20. Jahrhunderts und der katholischen Kirche eine enorme Präsenz, dies zeigt sich an der Häufung der Verlautbarungen. Innerhalb der katholischen Kirche gab es unterschiedliche Einstellungen zu zeitgenössischer Kunst, jedoch schien eine Auseinandersetzung mit dieser unumgänglich, so dass auch die kritisch eingestellte Deutsche Bischofskonferenz forderte, zeitgenössische „christliche Kunst“ in Museen der katholischen Kirche unterzubringen. Es handelt sich hierbei um die erste offizielle Aufforderung im deutschsprachigen Raum, zeitgenössische Kunst im Museum der katholischen Kirche aufzunehmen. Diesen Lösungsweg hatte man in den Vatikanischen Museen bereits mit der Sammlung für „moderne religiöse Kunst“ begangen. Papst Johannes Paul II. hatte hingegen die Autonomie der Kunst anerkannt und kam ganz von einer Kategorisierung von Kunst ab. Die Ausstellung des Kunsthistorikers Schmied wurde als neuer Ansatz gefeiert, obwohl in den Vatikanischen Museen bereits 1973 eine ähnliche Theorie postuliert worden war. Es zeigt sich, dass das Geschehen in Rom, bezüglich zeitgenössischer Kunst, im deutschsprachigen Raum nur partiell reflektiert wurde beziehungsweise mit Schmied erst eine in der Kunstwelt akzeptierte Person gefunden werden musste, um die Türen zu kunsthistorischer Ausstellungswelt und Rezeption dieses Themas zu öffnen. Dass die Ausstellung Schmieds auch in der kirchlichen Welt mehr Rezeption fand als die Vatikanische Sammlung, kann einerseits an den wenigen Publikationen zu päpstlichen Sammlungen liegen, die bis 1998 nur in italienischer Sprache erschienen waren, aber auch auf eine stärkere Orientierung auf das allgemeine Kunstgeschehen hinweisen. Neben den theoretischen Aussagen, die sich bei Schmied und Papst Paul VI. ähneln, können ebenfalls die Frage der Umsetzung und Kunst unserer Zeit“ (Ausstellung von Wieland Schmied und Jürgen Schillig im Gropius Bau auf dem Katholikentag in Berlin. Es wird Kunst, die in den Jahren von 1980 bis 1990 entstanden ist, gezeigt. Die Trägerschaft sollte nicht erneut der Katholikentag übernehmen, dieser trug jedoch die organisatorische Verantwortung, sondern eine Mittlerorganisation, welcher sowohl der Katholikentag als auch der Berliner Senat vertraute, später

wurde

S. 11–15).

die

Guardini

Stiftung

gefunden.)

(Vgl.

Schmied

1990.

116 | M ISSION M USEION

die Qualität der ausgewählten Kunstwerke für die Rezeption eine Rolle gespielt haben. Der katholische Theologe Karl Rahner sagte, dass religiöse Erfahrung immer von einer sinnlichen Erfahrung ausgehe,190 somit auch immer eine subjektive Komponente beinhalte und ein Bild, welches nicht unmittelbar ein religiöses Thema habe, durch eine sinnliche Transzendenzerfahrung ein religiöses Bild sein könne.191 Insofern unterstützte Rahner Schmied in seiner Art der Bildauswahl, dass „sinnliche Transzendenzerfahrung“ ein sehr persönlicher Moment sei, der kaum zu objektivieren wäre. Der Kunsthistoriker Stefan Schmitt hatte den Diskurs zwischen Kirche und Kunst von 1945 bis 1997 zusammengefasst. Er beschrieb, dass sich die Bildtheologie in einem theologischen Randgebiet bewege, welches die Amtskirche nur peripher wahrnehme. Das Anliegen sei „die Rettung der Kunst für Theologie und Kirche“.192 Bildtheologen wollten das „moderne Kunstwerk“ in den kirchlichen Kontext integrieren, dafür benötigten sie aber Künstler, welche zum Dialog bereit seien. Das schier unüberwindbare Problem sei aber, den modernen künstlerischen Subjektivismus mit der Allgemeinverbindlichkeit der Amtskirche zu verbinden.193 Durch das Zulassen nicht nur des Subjektivismus des Künstlers, sondern auch des Kunstauswählenden, wie im Falle Schmieds, hatte man zumindest für Ausstellungen eine Lösung gefunden.

K RÄFTIGUNG DER B EDEUTUNG VON K ULTUR B EHÖRDEN DER RÖMISCHEN K URIE

DURCH

Johannes Paul II. bemühte sich in den 1980er-Jahren verstärkt um den Einsatz der Kirchen im Kulturbereich, dies zeigt sich in seinen weiteren Reden194 und Handlungen195. Der Papst stärkte in den folgenden Jahren auch die Stellung der Kunst durch Gründungen päpstlicher Behörden, die explizit für Fragestellungen zu Kunst und

190 „[…] alle religiöse Erfahrung geht von einer sinnlichen Erfahrung aus und kann nur vollzogen werden in einer immer auch mitgegebenen – wenn vielleicht auch noch so unreflektierten – Hinwendung zu einer sinnlichen Anschauung.“(Rahner 1984. S. 214). 191 Vgl. Rahner 1984. S. 220. 192 Schmitt 1997. S. 308. 193 Vgl. Schmitt 1997. S. 308. 194 Z.B 1983 Papst Johannes Paul II., Wiener Katholikentag zu den Repräsentanten der Wissenschaften und der Kunst; 1985 Rede „Homilie“ in Brüssel; 1986 findet in Rom der Kongress „Die Kirche braucht den Künstler; der Künstler braucht die Kirche“. 195 Z. B. Seligsprechung des Dominikanermalers Fra Angelico 1982.

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Kultur verantwortlich waren und deren Gründungen als Folge der ersten Entwicklungen der nachkonziliaren Zeit gesehen werden können.196 Der Codex Iuris Canonici (1983) 1983 wurde der Codex Iuris Canonici (CIC) verabschiedet. Durch das CIC von 1983 wurde das bis dahin geltende CIC von 1917197 unter Berücksichtigung der Beschlüsse des Konzils und der Richtlinien der nachkonziliaren Dokumente überarbeitet. Einige der wenigen Aussagen, die sich mit Kunst beschäftigten, wurden fast wortwörtlich aus den Schriften des „Zweiten Vatikanischen Konzils“ übernommen. So wurde z. B. in can. 1188,198 konstatiert, man solle weiterhin Bilder zur Verehrung in den Kirchen aufstellen, dies aber in mäßiger Zahl.199 Die Wiederholung dieses Gesetzes, welches ursprünglich Götzenverehrung verhindern sollte, muss nicht ein Hinweis darauf sein, dass diese weiterhin ein Problem war. Es kann als Hinweis gewertet werden, dass man sich zwar weiterhin von Götzenverehrung distanzierte, sich das Problem aber in eine andere Richtung verlagert hatte: von einer übermäßigen Verehrung zu einer Geringschätzung der Bilder. Auch der ästhetische Aspekt trat in den Vordergrund. Die zu große Anzahl der Bilder in Kirchen und ihre oft ästhetisch unglückliche Anordnung trugen nicht dazu bei, die Kunst als Bereicherung für den Gottesdienst zu etablieren. Allerdings zeigten weitere Absätze des CIC, dass das Hauptproblem nicht die zu große Anzahl von Kunstwerken darstellte, sondern das Entfernen und die falsche Behandlung derselben.200 So wurden den Schutz der Kunst betreffend Äußerungen in can. 1189 gemacht: Bilder, die besonders verehrt, alt oder kunstvoll seien, sollten nicht ohne Erlaubnis des Ordinariats restauriert werden,201 und in can. 1190 §3 wurde ergänzt, dass verehrte Bilder nur mit Erlaub-

196 Die Profil-Beschreibung der offiziellen Internetpräsenz des Vatikans nennt als Ursprung des „Päpstlichen Rates für die Kultur“ das „Zweite Vatikanische Konzil“ und hier vor allem die Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“. Weiterhin wird die Verkündigung „Evangelii nuntiandi“ von Papst Paul VI. zitiert. (Vgl. Päpstlicher Rat für die Kultur 2010). 197 Siehe Kapitel „Codex Iuris Canonici (1917)“. 198 Vgl. Paulus/Aymans 1994. S. 523. 199 Hier spiegelt sich SC 125 wider, welches wiederum in einer langen Tradition, zurück bis zum Zweiten Konzil von Nicäa, steht. (vgl. Hühnermann 2004. S. 53; Vgl. Beykirch 1987. S. 180). 200 Anderer Meinung ist Beykirch, sie sieht in der Wiederholung eine direkte Traditionskette und einen Beweis für falsche Bildverehrung. (Vgl. Beykirch 1987. S. 181–183). 201 Vgl. can. 1189 in Paulus/Aymans 1994. S. 523.

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nis des Heiligen Stuhls verkauft werden dürfen.202 Hier wurden Formulierungen des Rundschreibens „opera artis“ von 1971203 wiederholt und verstärkt. Das CIC 1983 hatte sich in Fragen nach Stil und Form von Kunst stark zurückgenommen.204 So wurde z. B. can. 1164 §1 aus CIC 1917 nicht übernommen und auch nicht umgeschrieben. In diesem wurde ausgesagt, dass gewohnte Formen aus der christlichen Tradition beizubehalten seien.205 Die Institution „Museum“ fand an keiner Stelle des Textes Erwähnung. In den allgemeinen Gesetzbüchern der katholischen Kirche wurde das Museum der katholischen Kirche somit bis dato nicht erwähnt.206 Eine der ersten Publikationen, welche sich konkret mit dem Museum der katholischen Kirche auseinandersetzten, ist der italienische Aufsatz „I Musei diocesani di arte sacra“ von C. Mirabelli aus dem Jahre 1983. Mirabelli beschrieb die Grundaufgabe des Diözesanmuseums als das Sammeln und die systematische Ausstellung von Werken, die Zeugen der Geschichte und des religiösen Lebens einer Gemeinde seien.207 Die Einrichtung der „Päpstlichen Kommission für die Erhaltung des künstlerischen und geschichtlichen Erbes der Kirche“ (1988) Durch die Apostolische Konstitution208 „Pastor Bonus“ aus dem Jahre 1988 wurde innerhalb der Kongregation für den Klerus die „Päpstliche Kommission für die Erhaltung des künstlerischen und geschichtlichen Erbes der Kirche“ eingerichtet und in Art. 102 mit Folgendem beauftragt: „Die Kommission bietet den Teilkirchen und den Zusammenschlüssen der Bischöfe ihre Hilfe an und, wenn es der Fall sein soll, arbeitet sie mit ihnen zusammen, damit Museen, Archive und Bibliotheken eingerichtet werden und damit die Sammlung und Aufbewahrung des ge-

202 Vgl. can. 1190 §3 in Paulus/Aymans 1994. S. 523. 203 Siehe Kapitel „Das Rundschreiben ‚Opera Artis‘ (1971)“. 204 Vgl. Beykirch 1987. S. 180; Bühren 2008. S. 298; auch in Bezug auf das Vorwort des Papstes: vgl. Papst Johannes Paul II. 1994. S. XIX. 205 Vgl. Codex Iuris Canonici 1917. 206 Antonio Chizzoniti stellte ebenfalls fest, dass weder im CIC von 1917 noch von 1983 das Museum erwähnt wurde, während der Schutz der Kunstgüter eine wichtige Rolle spielte und mit dem Dokument Pastor Bonus die erste große Anerkennung der Institution des kirchlichen Museums stattfand. (Vgl. Chizzoniti 2008. S. 83-84). 207 Vgl. Mirabelli 1983. S. 201–210. 208 Eine Apostolische Konstitution ist ein päpstlicher Erlass, welcher eine kirchenrechtliche Aussage trifft.

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samten künstlerischen und historischen Erbes im gesamten Gebiet in geeigneter Weise zur Wirkung gebracht wird und allen zur Verfügung stehe, die daran Interesse haben.“ 209

Als Erbe wurden „alle Werke jedweder Kunst vergangener Zeit“210 gesehen. Diejenigen Werke, welche nicht mehr genutzt wurden, sollten in Museen der katholischen Kirche oder an anderen Orten aufbewahrt werden.211 Dieses Schreiben kannte das Museum der katholischen Kirche als pastorale Einrichtung an.212 Schon zu früheren Zeitpunkten wurden künstlerische Tätigkeiten von der römischen Kurie als Tätigkeit innerhalb der Pastoral angesehen, zum ersten Mal innerhalb des „Zweiten Vatikanischen Konzils“ in IM 13. Jedoch wurde hier noch kein direkter Bezug zum Museum der katholischen Kirche hergestellt. Das Schreiben „Pastor Bonus“ gab dem Museum der katholischen Kirche zum ersten Mal eine institutionelle Verankerung. 1993 wurde die Kommission in „Päpstliche Kommission für die Kulturgüter der Kirche“ umbenannt, weiterhin sollte die Kommission periodisch mit dem „Päpstlichen Rat der Kultur“ zusammenarbeiten.213 Der „Päpstliche Rat für die Kultur“ war bereits 1982 als eigenständiges Organ der römischen Kurie gegründet worden. Er wurde 1993 von Papst Johannes Paul II. mit dem „Päpstlichen Rat für den Dialog mit den Nichtglaubenden“ zusammengelegt, der gemeinsame Rat hieß weiterhin „Päpstlicher Rat für die Kultur“.214

209 Papst Johannes Paul II. 1988. Art. 102. 210 Papst Johannes Paul II. 1988. Art. 100. 211 Vgl. Papst Johannes Paul II. 1988. Art. 100. 212 Fumagalli Carulli sagt, dass die langsame Entstehung des Konzepts des katholischen Museums als kulturelle Institution und pastoraler Ausdruck des Glaubens eines Gebiets seine Weihe in der Konstitution ‚Pastor Bonus‘ Papst Johannes Paul II. 1988. Art. 100. Papst Johannes Paul II. 1988. Art. 100. findet. (Vgl. Fumagalli Carulli 2008. S. 7-8); dieser Meinung schließt sich die ‚Päpstliche Kommission für die Kulturgüter der Kirche‘ an. (Vgl. Rundschreiben 2001). Zur Klärung der Begrifflichkeit „Pastoral“ siehe Kapitel „Der Nutzen von Kunst“. 213 Vgl. Papst Johannes Paul II. 1993. 214 Auch hier zeigte sich, wie eng für den Vatikan die Verbindung zwischen Kultur und Dialog mit Nichtglaubenden war. Dadurch, dass beide Räte zusammen weiterhin den Namen „Päpstlicher Rat für die Kultur“ tragen, impliziert das Fördern von Kultur bereits selbstverständlich einen Dialog mit Nichtglaubenden. Der Rat wurde in zwei Abteilungen unterteilt: „Glaube und Kultur“ und „Dialog mit den Kulturen“. Letztere führte die Arbeit des „Rates Dialog mit den Nichtglaubenden“ weiter. Anstatt der Reduzierung auf das „Nichtglauben“ erweiterte der Begriff„Kulturen“die Sichtweise erheblich. (Vgl. Papst Johannes Paul II. 1993).

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Zusammenfassung Durch die Gründungen des „Päpstlichen Rates für die Kultur“ und der „Päpstlichen Kommission der Kulturgüter der Kirche“ bekamen die Forderungen, die an Kunst und Kultur gestellt wurden, erstmals eine gesamtkirchliche institutionelle Basis. Vor allem der Umgang mit und die Bestandsaufnahme von kirchlichen Kunstgütern standen weiterhin im Mittelpunkt und wurden durch das CIC 1983 kirchenrechtlich verankert. Museen der katholischen Kirche wurden durch die Gründung der „Päpstlichen Kommission der Kulturgüter der Kirche“ erstmals einer päpstlichen Institution zugeordnet, ihre Funktion als Pastorale wurde festgelegt.

D AS J AHRZEHNT VOR DEM H EILIGEN J AHR 2000. K UNST IM F OKUS DER P ASTORAL In den 1990er-Jahren gab es sowohl vom Vatikan als auch von der Deutschen Bischofskonferenz Aussagen, die die Wichtigkeit von Kunst – zeitgenössische Kunst inkludiert – für die katholische Kirche betonten. Die in den 1980er-Jahren gegründeten vatikanischen Behörden, die sich um Kunst kümmerten, gaben ebenfalls Verlautbarungen heraus. Katechismus der Katholischen Kirche (1992) 1992 wurde erstmals in der Geschichte der katholischen Kirche ein Katechismus für die gesamte katholischen Kirche215 von Papst Johannes Paul II. approbiert. Von den Abschnitten, die sich mit Kunst beschäftigten, seien hier die für das Thema der Arbeit entscheidenden behandelt.216 Die Verbindung zwischen Kunst und Gott wurde beschrieben und negiert, dass l’art pour l’art existiere.217 In KKK 2502 wurde dar215 „Er ist eine Darlegung des Glaubens der katholischen Kirche und der katholischen Lehre, wie sie von der Heiligen Schrift, der apostolischen Überlieferung und vom Lehramt der Kirche bezeugt und erleuchtet wird.“ (Papst Johannes Paul II. 1993a. S. 33f.). 216 Eine Übersicht über alle Abschnitte, die sich mit Kunst beschäftigten, gibt: Bühren 2008. S. 428–444. 217 KKK 2501: „Weil der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen ist, bringt er die Wahrheit seiner Beziehung zu Gott, dem Schöpfer, auch durch die Schönheit seiner Kunstwerke zum Ausdruck. Die Kunst ist eine dem Menschen eigentümliche Ausdrucksform. Sie geht über das allen Lebewesen gemeinsame Streben nach dem Lebensnotwendigen hinaus; sie ist ein freies Überströmen des inneren Reichtums des Menschen. Einem vom Schöpfer geschenktem Talent und der Anstrengung des Menschen entstammend, ist die Kunst eine Form der praktischen Weisheit. In ihr vereinen sich Erkenntnis und Können, um der Wahrheit einer Wirklichkeit in einer dem Sehen oder dem Hören verständlichen Sprache Gestalt zu verleihen. Soweit sich die Kunst von der

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gestellt, welche Wirkung „wahre sakrale Kunst“ haben solle: „[…] Die wahre sakrale Kunst versetzt den Menschen in Anbetung, in Gebet und Liebe zu Gott dem Schöpfer und Retter, dem heiligen und Heiligmachenden.“218 Auf SC 122–127 bezog sich KKK 2503, wenn es die Bischöfe beauftragt, Kunst in allen Formen zu fördern, aber fernzuhalten, was der Glaubenswahrheit und Schönheit nicht entspräche: KKK 2503: „Deswegen sollen die Bischöfe entweder selbst oder durch Beauftragte dafür sorgen, daß die alte und die neue sakrale Kunst in allen ihren Formen gefördert werden. Mit der gleichen religiösen Sorgfalt sollen sie von der Liturgie und den Kultgebäuden alles fernzuhalten suchen, was der Glaubenswahrheit und der echten Schönheit der sakralen Kunst nicht entspricht.“219

Auch hier wurden keine Aussagen über einen bestimmten Stil oder Normen gemacht, sondern lediglich vom Effekt „wahrer sakraler Kunst“ gesprochen, somit konnte jeder selbst entscheiden, welches Kunstwerk ihn in Anbetung versetzt. Neu war hier jedoch die Gleichstellung von „alter“ und „neuer sakraler Kunst“. Die Bezeichnung von Kunst als „alter“ und „neuer“ Kunst fand sich in offiziellen Texten hier zum ersten Mal. Wo jedoch die Trennlinie zwischen „alt“ und „neu“ verläuft, wurde nicht benannt. In KKK 1160 wurde festgestellt, dass die christliche Ikonographie durch das Bild die gleiche Botschaft des Evangeliums wiedergäbe, die die Heilige Schrift durch das Wort übermittle und somit Bild und Wort einander erhellen würden.220 Allerdings muss hier die Betonung auf die christliche Ikonographie beachtet werden, so dass bestimmte Formen der Malerei, etwa abstrakte, exkludiert wurden. Die christliche Ikonographie wurde an dieser Stelle jedoch dem Wort gleichgestellt. Um die Wichtigkeit dieser Aussage nachzuvollziehen, muss das Bildverständnis des Mittelalters bekannt sein. Dieses war stark durch Gregor den Großen geprägt, der Ende des 6. Jahrhunderts Bilder als „littera laicorum“, als Bibel für die Analphabeten sah.221 Für Gregor den Großen stellten Bilder ein Mittel der Missio-

Wahrheit der Geschöpfe und der Liebe zu ihnen inspirieren läßt, weist sie eine gewisse Ähnlichkeit mit der Tätigkeit Gottes in der Schöpfung auf. Wie jede andere menschliche Tätigkeit hat die Kunst ihr absolutes Ziel nicht in sich selbst, sondern empfängt ihre Ordnung vom letzten Ziel des Menschen und wird durch diese veredelt.“ (Ecclesia Catholica 1993. S. 627f.). 218 Ecclesia Catholica 1993. S. 628. 219 Ecclesia Catholica 1993. S. 628. 220 Vgl. Ecclesia Catholica 1993. S. 328. 221 Vgl. Schwebel 2002. S. 34.

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nierung der nicht lesekundigen Bevölkerung dar. 222 Sternberg sieht in dieser Art des Gebrauchs der bildenden Kunst im Westen einen Grund für die heutige problematische Situation zwischen Kunst und Kirche: „Diese Einstellung zu den Bildern als Lehrmittel für die Ungebildeten hatte über ihre Vermittlung im Mittelalter fatale Konsequenzen für die Einschätzung der christlichen Kunst bis heute. Als Produkt für die rustici unterlagen sie nicht den gleichen Maßstäben und Regeln wie etwa die Exegese, wurden nicht in gleichem Maße geschätzt und geachtet wie im Osten, wo dem Bild eine eigene Verkündigungsqualität zuerkannt wurde, blieben immer etwas für die Einfältigeren, eine Propädeutik für die eigentliche Theologie.“223

Somit wurde durch KKK 1160 eine wichtige Aussage für die Bedeutsamkeit von Kunst gemacht, welche auch Folgen für die Ausbildung von Theologen haben sollte. Das Schreiben der Deutschen Bischofskonferenz über Kunst und Kultur in der theologischen Aus- und Fortbildung (1993) 1992 ging von der „Päpstlichen Kommission für Kulturgüter“ ein Schreiben an die Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen. Dieses Schreiben drückte die Notwendigkeit aus, Theologen für Fragen des Archiv- und Bibliothekswesens sowie für zeitgenössische Kunst und Kultur und für den Umgang mit kunstgeschichtlichen Gütern der Kirche zu sensibilisieren. Die „Bischöfliche Kommission für Fragen der Wissenschaft und Kultur“ verfasste daraufhin 1993 ein Exposé „Kunst und Kultur in der theologischen Aus- und Fortbildung“, welches dieses Schreiben auf die Verhältnisse der deutschen Bischofskonferenz übersetzte.224 In der Einleitung kritisierte man, dass die Realität der Ausbildung der Theologen zu Kunst und Kultur immer noch weit von den Forderungen des „Zweiten Vatikanischen Konzils“ entfernt läge. Gründe dafür sah man in einer fehlenden Auseinandersetzung – sogar in christlich geprägten Epochen – und dass Kunst eher als sekundäre Illustration betrachtet würde.225 Im Katechismus aus dem Jahre 1992 war die christliche Ikonographie aber nun offiziell der Schrift gleichgestellt worden. Die Wahrnehmung der Theologen, Katecheten und Religionslehrer sollte geschärft werden, damit sie in ihrem späteren Arbeitsalltag in die Lage versetzt würden, verantwortungsbewusst mit künstlerischen Fragestellungen und Entscheidun-

222 Vgl. Sternberg 1987. S. 50. 223 Sternberg 1987. S. 51. 224 Vgl. Deutsche Bischofskonferenz 1993. S. 5f. 225 Vgl. Deutsche Bischofskonferenz 1993. S. 15f.

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gen umzugehen.226 Dabei wurde eher das Lernen am Exempel geschätzt als der Erwerb eines umfassenden Überblicks. Die Künste (Musik, bildende Kunst, Literatur, Architektur) sollten in die Ausbildung der Theologen integriert werden und prüfungsrelevant sein. Allerdings gab es nur Vorschläge für eine Eingliederung, es war keine Pflicht, sondern eher eine Bitte an die Fakultäten.227 Das „Malta Dokument“ (1994) Am 1.2.1994 ging das Rundschreiben „Malta Dokument“ an alle Museen der katholischen Kirche innerhalb der ostkirchlichen Pastorale. Das „Malta Dokument“ entstand auf dem internationalen Symposium zum Thema „Cathedral and Diocesant Museums: Crossroads of faith and culture“, welches von der „Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche“ im Kathedralmuseum auf Malta veranstaltet wurde und an welchem auch Leiter von Museen der katholischen Kirche teilnahmen. In diesem Schreiben wurde die Wichtigkeit der pastoralen Aufgabe der Museen der katholischen Kirche betont.228 So solle jede Diözese ein Museum haben, welches ein Zentrum von kultureller und pastoraler Reflexion sei.229 Das Rundschreiben gab speziell praktische Anweisungen: Jede Diözese soll Individuen dazu ausbilden, Museen der katholischen Kirche zu führen;230 die Museen der katholischen Kirche sollen nach den Normen moderner Museologie organisiert werden, eine nationale Organisation bilden und später eine internationale, eine Zusammenarbeit mit regionalen und nationalen nichtkirchlichen Museen anstreben und den Besuchern den religiösen Hintergrund der Arbeiten sowie die historische Dimension der Kirche vermitteln.231 Das Einbinden von Kunst der Gegenwart wurde im „Malta Dokument“ nicht behandelt. Die Rede war auch nicht von Kunst im Allgemeinen, sondern explizit von christlicher Ikonographie: „In a particular way, it has stressed how christian iconography is the radiant light of the unity of faith of the christian message spread throughout the world.“232 Das Betonen der christlichen Ikonographie als Mittel der Glaubensverbreitung lehnt sich an den Artikel KKK 1160 des 1992 erschienenen Katechismus233 an.

226 Vgl. Deutsche Bischofskonferenz 1993. S. 19. 227 Vgl. Deutsche Bischofskonferenz 1993. S. 25. 228 Vgl. Malta Dokument 2002. S. 196. 229 Vgl. Malta Dokument 2002. S. 198–201. 230 Vgl. Malta Dokument 2002. S. 198–201. 231 Vgl. Malta Dokument 2002. S. 198–201. 232 Malta Dokument 2002. S. 198–201. 233 Siehe Kapitel „Katechismus der Katholischen Kirche (1992)“.

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Das Schreiben der Deutschen Bischofskonferenz über Liturgie und Bild (1996) 1996 gab die Deutsche Bischofskonferenz eine Orientierungshilfe zu „Liturgie und Bild“ heraus, in diesem Schreiben wurde eine „Renaissance des Bildes“ seit den 1980er-Jahren konstatiert234 und man warnte nun vor einer Bilderflut im Kirchenraum.235 Die Wahrnehmung von Bildern habe sich verändert und man dürfe deswegen Bilder nicht einfach ablehnen, da auch gerade „moderne Kunst“, die nicht konfliktfrei sei, neue Zugänge zum Menschen und zu Gott vermitteln könne.236 Es wurden Kriterien zur Hilfe der Entscheidungsfindung beim Erwerb moderner Kunst aufgestellt. So solle eine Bereitschaft des Künstlers bestehen, sich auf das Vorhaben einzulassen, die gestalterische Umsetzung des Themas solle beachtet werden, die Kunstwerke sollen eine große Offenheit der Aussage zulassen und möglichst innovativ sein.237 In einer weiteren Passage des Textes wurde reflektiert, ob Gebete und Litaneien in Kirchen weniger hingebungsvoll seien als Bilder in Museen und Galerien: „Bilder können aber auch Ausdruck der Verherrlichung Gottes und der Danksagung für Schöpfung und Erlösung sein. Vielleicht erklingt dieser Lobpreis in den Gebeten und Litaneien unserer Kirchen manchmal weniger hingebungsvoll als in Museen und Galerien. Genau dann wären aber Bilder wie Propheten, die gegen die Trägheit aufstehen und uns wachrütteln wollen.“238

Die Bischofskonferenz zog hier einen direkten Vergleich zwischen Kirchenraum und Museumsraum, in welchem dem Museumsraum die größere Fähigkeit zugeschrieben wurde, die Menschen berühren zu können. Bilder wurden als Vermittler zwischen diesen beiden Institutionen gesehen. 234 „Während in den ersten beiden Jahrzehnten nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine große Zurückhaltung bei der Ausstattung von Kirchen mit Bildern vorherrschte, ist seit einigen Jahren eine „Renaissance des Bildes“ zu beobachten. Nicht selten werden entweder Wände, die bei der letzten Renovierung übertüncht wurden, wieder freigelegt oder ehemals unbemalte Wände mit neuem Bildschmuck ausgestattet. Nicht wenige Bilder, Statuen und Reliefs, die vor zwanzig Jahren auf den Kirchenspeicher verbannt wurden, sind inzwischen in den Kirchenraum zurück geholt und aufwendig wiederhergerichtet worden. Kommt es nach der, von kritischen Stimmen behaupteten, „Zerstörung der Sinnlichkeit“ (Alfred Lorenzer) in unseren Tagen zu ihrer Neuerschließung?“ (Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz 1996. S. 7). 235 Vgl. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz 1996. S. 15. 236 Vgl. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz 1996. S. 21–22. 237 Vgl. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz 1996. S. 42. 238 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz 1996. S. 23.

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Ansprachen Papst Johannes Paul II. an Kulturbeauftragte (1997) In einer Ansprache Johannes Paul II. an die Vollversammlung des „Päpstlichen Rats für Kultur“ am 14.3.1997 sprach der Papst davon, dass in einer Welt, in der der Glaube in die Privatsphäre gedrängt würde, das Fehlen einer Kultur, die die „Armen und Kleinen“ unterstütze, dazu führe, dass diese keinen Zugang zum Glauben fänden.239 Mit dieser Aussage wurde die Kultur der katholischen Kirche vor allem auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe ausgerichtet, welche der Papst mit „die Armen und Kleinen“ umschrieb. Der Papst unterstrich weiterhin die Vorrangigkeit der Errichtung von katholischen Kulturzentren und, dass die Kommission bei allen Bemühungen vor allem den Jugendlichen und den Künstlern nahe sein solle.240 Am 25.9.1997 vermittelte Papst Johannes Paul II. auf der zweiten Vollversammlung der „Päpstlichen Kommission für Kulturgüter der Kirche“ die Botschaft, dass die Kulturgüter der Kirche im Dienst der Seelsorge stehen sollten. Er betonte darin zunächst, dass Kunst, gemeinsam mit Kultur, immer ein „bevorzugtes Mittel“ gewesen sei, um das Evangelium zu verbreiten. Diese müssten aber Ende des Jahrtausends überprüft und kritisiert werden, um weiterhin einen Beitrag zum Aufbau der „Zivilisation der Liebe“ leisten zu können.241 Der Papst erwähnte in seiner Rede auch explizit Museen:242 „Die Museen religiöser Kunst sind nicht Aufbewahrungsorte seelenloser Fundstücke, sondern lebendige Stätten, an denen der Genius und die Spiritualität der Gläubigen durch die Jahre weitergegeben werden.“ 243

239 „Das ist dramatisch für den Glauben, denn in einer Gesellschaft, wo das Christentum im sozialen Leben ausgeschaltet und der Glaube in die Privatsphäre zurückgedrängt zu werden scheint, wird der Zugang zu religiösen Werten schwieriger, vor allem für die Armen und Kleinen, das heißt für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, die sich unter dem Druck der von der vorherrschenden Kultur verbreiteten Gedanken und Verhaltensmodelle unmerklich säkularisiert. Das Fehlen einer Kultur, die diese Personen unterstützt, hindert diese Kleinen daran Zugang zum Glauben zu finden und ganz davon zu leben.“ (Papst Johannes Paul II. 1997. S. 540). 240 Vgl. Papst Johannes Paul II. 1997. S. 541. 241 Vgl. Papst Johannes Paul II. 1997a. S. 684. 242 Bereits zwei Jahre zuvor sprach der Papst in einer Ansprache an die Kommission davon, dass man sich nicht darauf beschränken darf, die Kulturgüter nur zu erhalten und zu schützen, sie müssten aktiv in die kulturellen und pastoralen Aufgaben der Kirche einbezogen werden. Die Institution des Museums der katholischen Kirche wurde aber nicht eigens erwähnt. (Vgl. Papst Johannes Paul II. 1995. Art.3). 243 Papst Johannes Paul II. 1997a. S. 685.

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Für das Heilige Jahr (2000) sollte durch Kunst und Kultur der grundlegende Aspekt der Verkündigung „Jesus Christus, gestern, heute und in Ewigkeit“ vermittelt werden.244 Der Papst betonte weiterhin, dass eine Zusammenarbeit zwischen Kirche und Kunst zu fördern sei und diese Zusammenarbeit eine soziale Funktion habe: „Es sollen also die örtlichen Kircheneinrichtungen und die vielen Verbände ermutigt werden, eine enge und beständige Zusammenarbeit zwischen Kirche, Kultur und Kunst zu unterstützen. Darüber hinaus handelt es sich darum, den pastoralen Sinn dieser Bemühungen stärker hervorzuheben, damit sie von der Welt von heute, von den Gläubigen wie von den Nichtgläubigen, wahrgenommen werden.“ 245

Erneut bekräftigte der Papst wieder seinen Wunsch, dass durch Zusammenarbeit von Kunst und Kirche im pastoralen Sinne Gläubige sowie Nichtgläubige angesprochen werden sollten. Neben anderen kirchlichen Institutionen wurde auch die Bedeutung von Museen der katholischen Kirche auf Diözesan-, Gemeinde- und regionaler Ebene hervorgehoben. Diese würden helfen, der historischen Erinnerung der Christenheit ein konkretes und verwendbares Gesicht zu geben.246 Das Dokument der römischen Kurie über die Kulturpastoral (1999) Am 23.5.1999 gab der „Päpstliche Rat für die Kultur“ ein Dokument mit dem Titel „Für eine Kulturpastoral“ heraus. Dieses hob den Nutzen von Kultur zur Evangelisierung hervor, besonders für Gesellschaften, die sich von der Kirche abgewandt haben, aber in welchen die christliche Kultur weiterhin lebendig sei. 247 Unter anderem wurde in diesem Schreiben auch die „galoppierende Verstädterung und kulturelle Entwurzelung“ beklagt und damit die Herausforderung verbunden, vor allem in städtischen und verarmten Vierteln, die Kultur der Menschen zu evangelisieren.248 Es wurden aber auch andere Bevölkerungsgruppen angesprochen, so haben sich die Mittelschicht und gebildete Menschen von der Religion abgewandt und dies, obwohl sie in einer zutiefst vom Evangelium geprägten Kultur leben würden. Konkrete Vorschläge zur Umsetzung nannten unter anderem „katholische Kulturzentren“ als Orte der Kulturpastoral. Die Definition von „katholischen Kulturzen244 Vgl. Papst Johannes Paul II. 1997a. S. 685. 245 Papst Johannes Paul II. 1997a. S. 686. 246 Vgl. Papst Johannes Paul II. 1997a. S. 686. 247 „Es geht folglich nicht nur darum, Kulturen mit dem Glauben zu veredeln, sondern auch darum, einer entchristlichten Welt, in der die einzigen christlichen Bezüge kultureller Natur sind, neues Leben zu schenken. Die neuen kulturellen Situationen in der Welt bieten der Kirche auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend viele neue Felder zur Evangelisierung.“ (Päpstlicher Rat für die Kultur 1999). 248 Päpstlicher Rat für die Kultur 1999.

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tren“ blieb sehr vage: Sie könnten unterschiedlichste Ausrichtungen haben, diverse Themenfelder (z. B. Kunst) besetzen und Programme (z. B. Ausstellungen) anbieten, als auch unterschiedliche Träger (z. B. Diözese oder Vereine) haben. Unter der Überschrift „Kulturerbe und religiöser Tourismus“ wurde neben anderem auch Folgendes gefordert: „Einrichtung und Gestaltung von Museen für sakrale Kunst und religiöse Anthropologie, die sich bevorzugt um die Qualität der Ausstellungsstücke sowie die pädagogisch lebendige Präsentation kümmern und dabei das Interesse für den Glauben und für die Geschichte verbinden und vermeiden, daß die Museen zu Lagern von toten Gegenständen werden.“249

Zusammenfassung Der Weltkatechismus schrieb die Bedeutung von Kunst im Sinne des „Zweiten Vatikanischen Konzils“ fort, „neue und alte Kunst“ sollte gefördert werden, wenn sie zur Anbetung erbaue. Auch wenn explizit keine Stilrichtung benannt wurde, so wurde jedoch die christliche Ikonographie hervorgehoben. In der Zeitschrift „Das Münster“ wurden die Begriffe „alte Kunst“ und „neue Kunst“ seit dem ersten Erscheinen 1947 als Rubrik-Bezeichnungen verwandt, auch in einigen Museen der katholischen Kirche tauchen diese Begriffe auf, ohne eine genaue Definitionsgrenze zwischen der „alten“ und der „neuen“ Kunst zu ziehen. Generell herrschte im Diskurs über „Kunst und Kirche“ eine gewisse Orientierungslosigkeit, wenn es um die Bezeichnung von Kunst ging. Der Kunsthistoriker Wolfgang Kemp sagte: „Das 19. Jahrhundert konnte als einziges genau sagen, was christliche Kunst ist. Der Periode davor stellte sich diese Frage nicht; in unserem Jahrhundert hat die Forschung das Problem in eine Ecke befördert, wo es nicht mehr im Weg stand und entstellt liegenblieb.“250 Ob das 19. Jahrhundert wirklich genau definieren konnte, was christliche Kunst ist, ist fraglich, wenn man sich die Diskussionen der damaligen Zeit betrachtet.251 Jedoch können wir aus heutiger Sicht die Anfänge der christlichen Kunst leichter als solche betiteln, da sie durch Ikonographie, Auftragsgeber und Verwendungsort einfacher zu identifizieren sind. So stellte Kemp fest, dass nur an den Anfängen der christlichen Kunst und an den für sie zuständigen Fachdisziplinen das Adjektiv „christlich“ hängen blieb: z. B. „altchristlich“, „früh christliche Kunst“ oder „christliche Archäologie“.252 Schmitt kristallisierte im Diskurs über „Kunst und Kirche“ zwischen 1945 und 1997 die verwendeten Begrifflichkeiten für Kunst und ihre Bedeutung heraus. Diese seien hier in Kürze dargestellt. Er fand neun Bildtypologien für Kunst im katho249 Päpstlicher Rat für die Kultur 1999. 250 Kemp 1994. S. 9. 251 Siehe Kapitel „Die Französische Revolution und ihre Folgen“. 252 Vgl. Kemp 1994. S. 11.

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lischen Kontext. Die Bezeichnung „christliches Bild“ würde weitgehend für Werke christlicher Ikonographie genutzt, welche sowohl von gläubigen als auch nichtgläubigen Künstlern stammen könnten. Der Begriff „kirchliches Bild“ oder „Kirchenkunst“ würde für Kunst, welche offiziell in den Kirchenraum Eingang fand, genutzt, dieser Begriff wäre in Kritikerkreisen aber weitgehend negativ konnotiert.253 Hier bemerkte Schmitt ähnliche Momente der Differenzierung, wie sie schon in Bezug auf die Vatikanischen Museen zwischen „sakraler“ und „religiöser Kunst“ gemacht worden waren: die Unterscheidung durch die Gläubigkeit des Künstlers und den Ort der Aufstellung.254 Weiterhin beschrieb Schmitt, dass unter das „religiöse Bild“ alle Werke fallen würden, die spirituellen Charakter aufweisen, aber nicht unbedingt direkt der christlichen Ikonographie folgen müssten. Das Wort „Sakralbild“, in welchem das Göttliche objektiv erscheine, würde seit den 1960er-Jahren kaum noch verwandt. Das eng mit dem „Sakralbild“ verwandte „Kultbild“ habe als einziges im Rahmen der Liturgie eine Funktion. Ihm würde Wundertätigkeit zugeschrieben und es würde deswegen verehrt. Auch dieser Begriff spielte keine Rolle mehr, es könnten keine Kultbilder mehr hergestellt werden, da sie im modernen Sinne keine Kunstwerke mehr sein. Das „Andachtsbild“ diene der privaten Frömmigkeit und der intimen Andacht, zur Reinigung und Vorbereitung der Liturgie, und wäre im kirchlichen Nebenraum zu finden. Da auch „moderne Künstler“ Andachtsbilder schaffen könnten, sei der Begriff im Diskurs weiterhin von Bedeutung. „Liturgische Kunst“ sei im Rahmen der Liturgie im Gebrauch, es handele sich um Kunsthandwerk: künstlerisch gestaltete Paramente und liturgische Geräte. „Devotionalienkunst“, wie z. B. Heiligenfiguren, seien in der Volksfrömmigkeit zu finden. Bildtheologen würden diesen zugestehen, dass sie Bekehrungserlebnisse evozieren könnten, bezeichneten sie aber auch als „Devotionalienkitsch“, sie hätten meist keinen ästhetischen Wert.255 Die Deutsche Bischofskonferenz wandelte im Hinblick auf ihre Aussagen aus dem Jahre 1980 ihre Position zu zeitgenössischer Kunst. Diese sollte nun – auch wenn sie ein Konfliktpotenzial mit sich bringen könnte – in den Kirchenraum integriert werden. Den Künstlern wurden keine Vorschriften mehr gemacht, sondern die Wahrnehmung für qualitätvolle Kunst des kirchlichen Personals sollte geschult werden. Im Hinblick auf das Schreiben über „Kunst und Kultur in der theologischen Aus- und Fortbildung“ zeigte sich, dass die Schreiben der vatikanischen Kommission Einfluss auf die Deutsche Bischofskonferenz hatten. Die „Päpstliche Kommission für die Kulturgüter der Kirche“ befasste sich 1994 auch konkret mit den Museen der katholischen Kirche und versandte erstmals ein 253 Vgl. Schmitt 1997. S. 306. 254 Siehe Kapitel „Die ‚ Collezione d‘arte Religiosa Moderna‘ in den Vatikanischen Museen (1973)“. 255 Vgl. Schmitt 1997. S. 306.

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Schreiben direkt an die Museen, welches die Ausrichtung der Museen der katholischen Kirche beschrieb. Die Anweisungen waren allgemeiner Natur und betonten den Wunsch nach Vernetzung der Museen der katholischen Kirche untereinander und mit nichtkatholischen Einrichtungen. Weiterhin wurde museale Professionalität gefordert, die durch eine Ausbildung in der Diözese selbst gesichert werden sollte. Die Funktion des Museums der katholischen Kirche sei es, kulturelles und pastorales Zentrum zu sein und Vermittler des religiösen Hintergrundes der Werke und der historischen Dimension der Kirche. Papst Johannes Paul II. sprach in den 1990er-Jahren zu den Behörden, die für die Kultur verantwortlich waren, und nannte als Zielgruppe für pastorale Kulturarbeit besonders „Arme“, „Kleine“, Jugendliche und Künstler. Er wollte, dass Museen lebendige Zentren seien, die die Geschichte der Kirche in der Gegenwart präsent machen und „Genius“ und „Spiritualität“ der Gläubigen vermitteln. Kunst sollte im pastoralen Sinne Gläubige und Nichtgläubige ansprechen. Für das Heilige Jahr 2000 stellte der Papst Kunst und Kultur in den Fokus. Der „Päpstliche Rat für Kultur“ setzte die Forderungen des Papstes in dem Schreiben „Für eine Kulturpastoral“ um. Das Engagement Johannes Paul II. hatte durch die vatikanischen Behörden für Kultur Organe erhalten, die es schafften, bis in den deutschsprachigen Raum auszustrahlen und auch die Haltung der Deutschen Bischofskonferenz zu beeinflussen. So näherte sich die Deutsche Bischofskonferenz in den 1990er-Jahren der liberalen Haltung des Papstes gegenüber zeitgenössischer Kunst an. Weiterhin wandte sich die Kommission aber auch direkt an die Museen der katholischen Kirche – ohne den Umweg über die Diözese.

Z EITGENÖSSISCHE K UNST

IM

K IRCHENRAUM

Nachdem die offiziellen Verlautbarungen analysiert wurden, soll ein Blick auf das tatsächliche Geschehen im Kirchenraum geworfen werden. Es gab unterschiedliche Arten, mit zeitgenössischer Kunst im Kirchenraum umzugehen. Es ist zu unterscheiden, ob es sich um eine temporäre Einrichtung handelte, um eine Art Ausstellung, oder um eine permanente Einrichtung.256 Ausgenommen sind in der folgenden

256 Zur Frage nach Kunst im Kirchenraum siehe z. B. „Kunst und Kirche“ Heft 4/1995; Heft 2/1998 „Galerien des Herren. Temporäre Ausstellungen im Kirchenraum“. In der Zeitschrift „Kunst und Kirche“ vertiefte sich ab 1978 die Auseinandersetzung mit der Gegenwartskunst. Mit Friedhelm Mennekes als Redakteur (seit 1986) verstärkte sich dies und Katharina Winnekes setzte als Redakteurin diese Linie ab 1989 fort. (Vgl. Kunst und Kirche 1996. S. 3).

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Betrachtung Kirchen, welche nicht mehr für die Liturgie genutzt wurden und als Ausstellungsräume fungierten. Die katholische Kirche Es gibt wenige Beispiele von katholischen Gemeinden, denen es gelang, zeitgenössische Kunst im Kirchenraum als dauerhafte Gegenstände zu verankern.257 Diese Gemeinden258 wurden oft von einem kunstinteressierten Pfarrer betreut und das Thema „zeitgenössische Kunst“ stellte meist einen zentralen Teil des Gemeindelebens dar, so z. B. in der „Pax Christi Gemeinde“ in Krefeld. Hier fanden seit 1981 zeitgenössische Kunstwerke den Weg in den Kirchenraum. 1981 schuf Ulrich Rückriem ein Auftragswerk, darauf folgten autonom entstandene Werke, z. B. als Dauerleihgabe eine Installation Günther Ückers aus der Ausstellung „Zeichen des Glaubens – Geist der Avantgarde“, Werke von Klaus Staeck, Joseph Beuys oder Marlene Dumas wurden angekauft. Pfarrer Karl Josef Maßen stellte die treibende Persönlichkeit dar. Ihm war wichtig, dass die Werke erst, wenn sie die Gemeinde akzeptiert hatte, fest installiert wurden – was oft erst nach einem langen Prozess des Dialogs der Fall war. Maßen war an Kunst durch einen Kunsthistoriker herangeführt worden. Dem Eingliedern von zeitgenössischen Kunstwerken in den Gemeinderaum waren Gesprächsveranstaltungen zu kulturellen Themen in den 1970er-Jahren vorausgegangen.259 In „St. Andrä“ in Graz fand ab 1999 zeitgenössische Kunst Eingang in den Kirchenraum.260 1999 übernahm Pfarrer Hermann Glettler die Gemeinde, der auch als Kunsthistoriker, Kurator und Künstler arbeitet. Unter dem Titel „AndrÄKunst“ gab es 2001 die erste permanente Installation, welche auf den Kirchenraum reagierte.261 Weit verbreitet war im deutschsprachigen Raum das Phänomen, zeitgenössische Kunst temporär in den Kirchenraum zu integrieren. Rauchenberger beschreibt im Folgenden, wie stark die jetzige Art des Umgang mit Kunst im Kirchenraum sich von der bis dato unterscheidet: „Dies ist ein völlig neues Kapitel in der Gebrauchsgeschichte des Bildes im Christentum. Intendiert ist nicht die herkömmliche Ausstattung von Kulträumen, sondern das zeitweilige Be257 „Die feste Installation zeitgenössischer Kunstwerke im Kirchenraum stellt noch immer die Ausnahme dar. Denn in der Mehrzahl der Fälle werden zeitlich begrenzte, thematisch gebundene Ausstellungen moderner Kunstwerke in den kirchlichen Räumen favorisiert.“ (Mädler 1997. S. 13). 258 Einen Überblick über evangelische und katholische Gemeinden, welche zeitgenössischen Werke in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in ihrem Kirchenraum installierten, bietet: Zink 1998. 259 Vgl. Schlimbach 2009. S. 50–54. 260 Vgl. Andrä Kunst 2011. 261 Vgl. Kulterer 2009. S. 55–58.

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fragen des Raumes von zeitgenössischen KünstlerInnen, ohne im engeren Sinne einen kultischen, aber auch nicht den althergebrachten bildpädagogischen Zweck damit zu verfolgen. Installationen sind temporär, singulär und meist nicht wiederholbar. Damit unterscheiden sie sich grundsätzlich von rituellen Merkmalen im christlichen Bildergebrauch.“262

Das bekannteste Beispiel für temporäre Interventionen ist die „Kunst-Station St. Peter“ in Köln, welche 1987 durch Pater Friedhelm Mennekes ins Leben gerufen wurde. Rauchenberger sieht in der Arbeit Mennekes Vorbildfunktion und „Signalcharakter“ für Arbeiten im Bereich zeitgenössische Kunst und Kirche. 263 Die „Kunst-Station St. Peter“ beschäftigt sich mit dem bestehenden Kunstwerk und erteilt keine Aufträge. Sie ist eine aktive Kirche, in welcher Gottesdienste stattfinden.264 „St. Peter“ wolle bedeutende Künstler in ihre Kirche holen und diese zu einem internationalen Kunstforum machen. Der Dialog zwischen dem Kunstwerk und der Gemeinde wurde durch Führungen und die Publikation eines Buches gefördert. Die „Kunst-Station St. Peter“ erfuhr viele kritische Stimmen und erhielt gleichzeitig große Besucherzahlen.265 Die Form der temporären Kunst Ausstellungen mit der Publikation eines Kataloges, ist eine Präsentationsweise, die aus dem Galerie- und Museumswesen abgeleitet wurde. Eine weitere Institution der katholischen Kirche, welche sich auch um Fragen von Kunst und Kultur kümmerte, Tagungen zur zeitgenössischen Kunst und Ausstellungen organisierte, waren die katholischen Akademien, von denen es ca. 20 in Deutschland gab, manche mit eigenen Fachreferenten für Kunst und Kultur. 266 Eine erste Gründungswelle dieser Akademien gab es kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, sie sind eng an die Bischöfe angebunden, haben einen Bildungsauftrag und sollen das Wirken der Kirche in die Welt hinein unterstützen. „Speziell im Blick haben sie von Anfang an das gebildete Bürgertum, bilden wollen sie eine neue katholische Elite.“267 Die evangelische Kirche An dieser Stelle seien auch protestantische Bemühungen erwähnt, welche sich auf zeitgenössische Kunst konzentrierten. Es gab im Bereich zeitgenössischer Kunst ein bemerkenswertes Engagement bei den Protestanten – obwohl die protestantische Tradition eher einen schlichten Kirchenraum bevorzugte und historisch gesehen eine weniger enge Verbindung zur Kunst hatte als die katholische Kirche. In der 262 Rauchenberger 2005. 263 Vgl. Rauchenberger 2005. 264 Vgl. Meiering 1997. S. 69f. 265 Vgl. Meiering 1997. S. 54ff. 266 Vgl. Zahner 2007. S. 16. 267 Zahner 2007. S. 15.

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DDR gab es von der Evangelischen Kirche sogenannte Kunstdienste. Diese waren über viele Jahre Treffpunkte für Dissidenten, bildende Künstler und Literaten. Im Westen gab es nur zwei solcher Kunstdienste, welche in den 1920er-Jahren entstanden. Ziel der Einrichtung waren die „Erneuerung christlicher Kunst“ und die Begegnung von Kunst und Kirche. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Kunstdienste feste Einrichtungen der Landeskirchen. Wichtigste Aufgabe war die Beratung beim Wiederaufbau von Kirchen. Am Ende des 20. Jahrhunderts hatten sie komplexe Aufgabengebiete, die sich auch je nach Leitung voneinander unterschieden (Medienstelle, Einrichtungen der Kunstdidaktik, Beratungsstelle, Kontakte zur Kunst der Gegenwart).268 Weiterhin gründete die „Evangelische Kirche in Deutschland“ (EKD) 1961 eine Forschungseinrichtung an der „Philipps-Universität Marburg“, das EKD-Institut für „Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart“.269 Auch im protestantischen Kirchenraum gab es temporäre 270 und permanente271 Verankerungen zeitgenössischer Kunst. Konrad Lienhardt spricht sogar davon, dass die Protestanten die Praxis der Ausstellungen im Kirchenraum bereits vor den Katholiken etabliert hatten.272 Wobei die Protestanten im Hinblick auf Qualität und Quantität zeitgenössischer Kunst im Kirchenraum mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten wie die katholische Kirche. Der niederländische Theologe Hans Blankesteijn beschrieb 1989, dass Ausstellungen in Kirchen „seuchenartig um sich greifen“ und spricht sich gegen temporäre Kunstausstellungen im Kirchenraum aus. „Je mehr die Kirche in Gesellschaft und Kultur an den Rand gedrängt wird, desto mehr möchte man beweisen: schau mal, in Sachen Kultur stehen wir unseren Mann.“273 Er sprach sich für qualitätvolle zeitgenössische Kunst in der Kirche aus, diese sollte aber dauerhaft installiert und nicht aus einem Auftrag entstanden sein, sondern aus einer Art Verliebt-Sein in ein Kunstwerk, das an diesen Ort gehöre.274 „In Kirchen hat es seit jeher Kunstwerke gegeben, die oft über Generationen da sind. Sie sind dort nicht der Kunstpädagogik wegen. Man lebt mit ihnen. Wenn wir nicht kurzatmig hinter dem Museumskarussell herrennen, sondern an diese lange und respektable Tradition anknüpfen, tun wir Wesentlicheres für die Kunsterziehung der Gemeinde und leisten sogar Kulturkri-

268 Vgl. Arnold 1991. 269 Vgl. Kirchenbauinstitut 2012. 270 Z. B. 1981 in der evangelisch-lutherischen Gnadenkirche in Hamburg (Vgl. WindeSchwarz/Winde 1988). 271 Vgl. Im Auftrag 1989. 272 Vgl. Lienhardt 1995. 273 Blankesteijn 1998. S. 86. 274 Vgl. Blankesteijn 1998. S. 88.

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tisches: so soll man mit Kunst umgehen, über längere Zeit, vielleicht ein ganzes Menschenleben lang, sich ein Kunstwerk aneignen.“275

Weiterhin gab es evangelische Kunstvereine, die auf eine 150-jährige Tradition zurückblicken konnten276 und es kamen auch Neugründungen hinzu.277 Die lutherischevangelische Kirche betrieb im deutschsprachigen Raum jedoch wenige Museen und kein ausschließliches Kunstmuseum. Die wenigen Museen mit protestantischem Bezug wurden teilweise von Vereinen getragen, setzten einen Schwerpunkt auf die Darstellung der Geschichte oder zeigten Schätze aus vorprotestantischen Zeiten.278 Die Mitarbeiter dieser Museen waren teilweise auch Mitglieder in der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern im deutschsprachigen Raum“.279 Hubert Locher wies auf eine Intensivierung der Beschäftigung mit dem Bildmedium in der protestantischen Kirche in den 1980er-Jahren hin. Er nannte als Wendepunkt den Kirchenbautag im Jahre 1983, der sich erstmals mit dem Bildmedium 275 Blankesteijn 1998. S. 87f. 276 Z. B. 1857 Gründung des „Vereins für christliche Kunst“ in Würtenberg, seit 1993 „Verein für Kirche und Kunst“ (Vgl. Verein Kirche und Kunst 2007). 277 Z. B. „Artheon. Gesellschaft für Gegenwartskunst und Kirche“, 1992 in Frankfurt am Main gegründet. (Vgl. Artheon 2009). 278 Z. B. werden im „Bremer Dom-Museum. Ökumenisches Museum für bremische Kirchengeschichte“ seit 1987 u. a. auch Kunstgegenstände ausgestellt, 1995 wurde es erweitert. Das Museum wird vom „Verein Stiftung Bremer Dom e.V.“ getragen und beschäftigt ca. 25 ehrenamtliche Mitarbeiter an der Kasse und als Wachpersonal. (Vgl. Weibezahn 1996. S. 257–261), Beim „Dom und Domschatz zu Quedlinburg“ stammt der Hauptteil des Schatzes aus der Zeit vor der Reformation. Nachdem im Zweiten Weltkrieg verschollene Stücke kehrten 1992 wieder zurück und der Schatz wurde neu präsentiert. (Vgl. Krause 1992. S. 21). Der Domschatz zu Halberstadt gehört seit dem Jahr 1998 dem Land Sachsen-Anhalt, ging aber im gleichen Jahr in den Vermögensbestand der Stiftung zum Erhalt und zur Nutzung der Dome, Kirchen und Klöster des Landes Sachsen-Anhalt über. Die Domgemeinde gehört seit dem Jahre 2000 der Evangelischen Kirchspielgemeinde Halberstadt. Die drei Institutionen teilen sich die Verantwortung für Bewahrung, Pflege und Präsentation. Der Domschatz wurde u. a. geschaffen und erhalten, da der Dom nach der Reformation bis zum Jahre 1810 von Katholiken und Protestanten gemeinsam genutzt wurde. 1810 war der Domstift aufgelöst worden. (Vgl. Pregla 2001. S. 5 u. S. 17); Das „Evangelisches Museum Rutzenmoos“ (Österreich) wird seit 2000 von einem Verein getragen. Das Museum soll die Geschichte der evangelischen Kirche in Oberösterreich veranschaulichen (Vgl. Evangelischen Museums Rutzenmoos 2011). 279 Vgl. Seyderhelm 2008.

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anstatt mit dem Kirchenbau im Allgemeinen beschäftigte. Auf dieser Veranstaltung sprachen Kunsthistoriker, so z. B. Eberhard Roters, Wieland Schmied280 und Werner Hofmann. Letzterer hatte die Ausstellung „Luther und seine Folgen“ 1983 in der Hamburger Kunsthalle ausgerichtet. Seit den 1990er-Jahren wurden auf den protestantischen Kirchentagen Ausstellungen präsentiert.281 Der evangelische Theologe Horst Schwebel hatte in seiner Arbeit „Autonome Kunst im Raum der Kirche“ bereits einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über Kunst und Kirche geleistet. 282 In einem erstmals 1989 veröffentlichten Aufsatz beschrieb Schwebel, dass die Indienstnahme der Kunst als „ancilla theologiae“ (Magd der Theologie) nach wie vor aktuell sei, trotz der dialogischen Bemühungen. Um von diesem Modell Abschied zu nehmen und auch die Autonomie der Kunst wirklich anzuerkennen, dürfe man Wort und Bild nicht als eine Einheit sehen, Kunst nicht als die Veranschaulichung des Evangeliums verstehen. Sie müsse des Illustrationszwanges entbunden werden. Der Gedanke der mittelalterlichen „biblia pauperum“ oder „littera laicorum“, der Bilder als Ersatzmedium für die des Lesens Unkundigen, sieht die Kunst als reines Ersatzmedium zum Evangelium. Schwebels Auffassung von Kunst ist, dass in ihr der „Logos spermatikos“, der ausgestreute Samen, zu finden sei und durch diesen eine Beziehung zum Logos in Christus hergestellt werden könne. Ideen von Künstlern müssten dann mit dem „biblischchristlichen Grundverständnis in Beziehung gebracht“ werden. Kunst und Theologie seien aber grundsätzlich offen und gäben keine fertigen Antworten. 283 „Kunstwerke auf der Grundlage der Autonomie der Kunst haben […] ihre eigene ‚Aussage‘, die weder das Evangelium illustriert, vereinfacht oder besser zugänglich macht, sondern Eigenes zu Tage fördert, Eigenes formuliert, eine eigene ‚Schrift‘ sein will. Will man eine schichtenspezifische Zuordnung wagen, so sind es gerade nicht die einfach strukturierten Menschen, denen solche Kunst ‚etwas sagt‘, sondern eher Menschen mit einem gewissen Bildungsstand.“

284

Somit würde im 21. Jahrhundert nicht der Vorwurf, die Kirche wolle mit den Bildern das Volk dumm halten, greifen, sondern eher die These aufgestellt, Bilder würden eine elitäre Schicht bedienen. Schwebel möchte diesen Vorwurf durch

280 Die Einladung Wieland Schmieds und die erstmalige Beschäftigung mit dem Bildmedium drei Jahre nach der Ausstellung „Zeichen des Glaubens – Geist der Avantgarde“, weist wieder auf die starke Wirkung hin, die diese Ausstellung besaß. 281 Vgl. Locher 2012. 282 Vgl. Mertin 2011. 283 Vgl. Schwebel 2007. 284 Schwebel 2007.

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„Bildungsprozesse innerhalb der Gemeinde kompensieren“ 285 und durch temporäre Präsentationen von Kunst im kirchlichen Kontext den dialogischen Prozess von Kirche und Kunst fördern. Diese Ausstellungen müssten jedoch die hohen Ansprüche an die Präsentation von Kunst berücksichtigen, während sich die Kirche dabei der „Hypothek“, die sie durch die Vernachlässigung der Kunst der Moderne in den letzten Jahrzehnten trägt, bewusst sein müsste. Vor Themenausstellungen mit christlichen Thematiken warnt Schwebel, da diese leicht den Künstler und die Kunst wieder in die „Rolle des bloßen Zulieferers und Anregers“ zurückdrängen würden. Der größte Schritt sei die dauerhafte Integration eines zeitgenössischen Kunstwerkes im Kirchenraum, die Herausforderung sei hier, ein autonomes Werk zu finden, welches gleichzeitig in die vorhandene Architektur und in den Gottesdienst und die Liturgie passe. Oft habe man in der Vergangenheit wegen dieser Herausforderung lieber den bequemen Weg des mittelmäßigen angepassten Kunstwerkes für den Kirchenraum gewählt. Dieses Verhalten der Kirche erkennt Schwebel durchaus als widersprüchlich. Das Engagement der evangelischen Kirche für zeitgenössische Kunst drückte sich demnach weniger durch die Gründung und das Betreiben von eigenen Museen aus als durch theoretische Auseinandersetzungen, Tagungen, Ausstellungen und Präsentationen im Kirchenraum. Zusammenfassung Werner Hofmann stellte fest, dass Bilder außerhalb der musealen Schutzzone oft zu Ängsten, Zweifeln, Befürchtungen und Hoffnungen führen würden.286 Dies kann auch im Kirchenraum beobachtet werden, dort stößt Kunst oft auf Abwehrhaltungen.287 Jürgen Lenssen beklagte, dass die Kirche mittelalterlicher und barocker Kunst nachzutrauern scheine und insgeheim glaube, Künstler der Gegenwart würden den 285 „Hat man die bisherigen Ausführungen vor Augen, muß man seitens der Kirche ein doppeltes, tragisch entgegengesetztes Verhalten zur Gegenwartskunst konstatieren. Während es zum einen tatsächlich ein Interesse an Ausstellungen von Gegenwartskunst und an der Einbeziehung von Bildern in Unterrichtsabläufe gibt, ist man bei der Hineinnahme von Gegenwartskunst im Kirchenraum weitgehend zurückhaltend und geht eher ausgetretene Pfade.“ (Schwebel 2007). 286 Vgl. Hofmann 1983. S. 27. 287 Als Beispiel sei hier die ablehnenden Reaktionen zahlreicher Gemeindemitglieder aus der Kirchengemeinde Luttrum wegen des Aufhängens eines Gemäldes von Georg Baselitz genannt (Vgl. Mertin 1994). „Wie bekannt, sind unter Protestanten und Katholiken Kunstinteressierte im Vergleich zum allgemeinen gesellschaftlichen Durchschnitt unterrepräsentiert, was wohl nicht zuletzt mit dem stetigen Auszug von Gebildeten und Intellektuellen zu tun hat.“ (Lienhardt 1995. S. 230).

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Gottesglauben in Frage stellen. Die Menschen in der Kirche könnten sich dadurch nicht mit zeitgenössischer Kunst identifizieren und trauerten den gewohnten Bildern aus ihrer Kindheit nach.288 Auch Eberhard Roters sprach in den 1980er-Jahren von einer Bequemlichkeit der Kirche im Umgang mit Kunst, welche deshalb lieber Gebrauchskunst anstatt Kunst im Kirchenraum brachte: „Es hat mit dem zu tun, was die Kirche selbst unter Kunst versteht. Sie versteht darunter Kunst als Service für die geistige Bequemlichkeit der Gemeinde. Es hat sich sozusagen in einem Nebenarm im allgemeinen Kunstgeschehen – und von jenem kaum wahrgenommen – eine kirchliche Gebrauchskunst entwickelt. Diese ist durchaus nicht immer kitschig, sondern oft sogar sehr geschmackvoll, aber gerade das Wort geschmackvoll besagt, worum es dabei eigentlich geht.“289

Andreas Mertin führte die Gründe auf, die während der Kirchengeschichte gegen Bilder sprachen: In Byzanz war man gegen eine Bildvergötzung, Savonarola wetterte gegen die Prunksucht, Karlstadt gegen die Erstickung des Wort Gottes unter der Bilderflut. In der heutigen Zeit bestände oft eine Angst um das ungetrübte Idyll in den christlichen Bildwerken.290 Obwohl es in der katholischen Kirche viel Engagement und Veranstaltungen zum Thema Kunst und Kirche gab, war Ende des 20. Jahrhunderts noch keine große Wende an der Basis eingetreten. Dafür kann man unterschiedliche Gründe anführen. Zum einen die immer wieder beklagte und offiziell beanstandete mangelnde Ausbildung der Priester in künstlerischen und ästhetischen Fragen,291 zum anderen die innerhalb der Kirche weitverbreitete Annahme, Kunst sei Luxus, Prunk und Verschwendung. Daraus resultiere eine explizite Hinwendung zu Problemen der Ethik, Moral und Politik.292 Ein weiterer Grund kann in der oben angesprochenen Bequemlichkeit oder der Angst liegen, dass bei bereits schrumpfenden Zahlen der Gottesdienstteilnehmer293 die vorhandenen, meist älteren294 und konservativen Kirchengänger295 mit zeitgenössischer Kunst verunsichert werden könnten.

288 Vgl. Moderne Kunst aus dem Vatikan 1998. S. 38. 289 Roters 1984. S. 18. 290 Vgl. Mertin 1988. 291 Laut von Bühren ist in der Ausbildung der katholischen Kleriker in Kunstfragen keine Änderung geschehen, obwohl zahlreiche Schriften, darauf hinwiesen. Meist blieb Kunst nur Wahlfach oder wurde in andere Fächer wie zum Beispiel in den Liturgieunterricht integriert (Vgl. Bühren 2008. S. 532). 292 Vgl. Kapellari 1995. S. 142. 293 Während die Gesamtzahl der deutschen Katholiken in der Gesamtbevölkerung stetig zurück geht, schrumpft auch die Teilnahme von Katholiken am Gottesdienst stetig, von

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D IE ARBEITSGEMEINSCHAFT KIRCHLICHER M USEEN UND S CHATZKAMMERN IM DEUTSCHSPRACHIGEN R AUM Wie bereits ausgeführt, bestand im deutschsprachigen Raum seit 1958 ein Zusammenschluss von Direktoren von Museen in christlicher Trägerschaft – sowohl in protestantischer als auch katholischer296 – die spätere „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“.297 Die deutschen Museen in kirchlicher Trägerschaft waren hier Vorreiter gegenüber anderen Ländern. Erst 1996 wurde das italienische Äquivalent der Arbeitsgemeinschaft gegründet, die A.M.E.I. (Associazione musei ecclesiastici italiani).298 Die Arbeitsgemeinschaft etabliert sich (1969–1990) Die Arbeitsgemeinschaft begann sich in den 1970er-Jahren zu institutionalisieren. Nachdem auf einer Tagung der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“ 1969 nur vier Teilnehmer erschienen waren und Hoster in diesem Jahr sein Amt als Leiter des Kölner Diözesanmuseums abgab, regte Erich Stephany an, die Gemeinschaft zu erweitern.299 Die Berichte der Teilnehmer auf der nächsten

über 50 % in den 1950er-Jahren auf 13 % im Jahre 2009. (Vgl. Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz 2011). 294 „Zu beobachten ist, vor allem in der jüngeren und mittleren Generation, eine wachsende Distanz zur Amtskirche und zu kirchlichen Organisationen. Entsprechend zeigt sich eine Überalterung der Gottesdienstbesucher […]." (Milieuhandbuch 2005. S. 3). 295 „Innerhalb der Milieus der Konservativen und Traditionsverwurzelten findet sich die Bastion eines erzkonservativen Katholizismus vorwiegend in der Alterskohorte der über 75-Jährigen (nur vereinzelt auch bei Jüngeren). Diese ‚Erzkonservativen‘ lehnen jede Veränderung ab, finden die heutige Kirche viel zu modern, halten Ökumene und Folgen des ‚Zweiten Vatikanischen Konzils‘ für ‚Unfug‘ oder ein ‚Werk des Teufels‘“ (Milieuhandbuch 2005. S. 12). 296 Auch wenn die katholischen Mitglieder in der Mehrzahl waren, wird im Folgenden in Bezug auf die Arbeitsgemeinschaft der Begriff „Museen in kirchlicher Trägerschaft“ verwandt. 297 Zur Vereinfachung wird der aktuell gültige Name der Arbeitsgemeinschaft benutzt, da die Bezeichnung oft wechselte. 298 Vgl. Giacomini Miari 2005. S. 8. 299 1969 übernahm Stephany den vorläufigen Vorsitz und Jung wurde Geschäftsführer. 1970 bis 1986 wurden Erich Stephany aus Aachen als Vorsitzender und Wilhelm Jung aus Mainz als Geschäftsführer endgültig gewählt. Es folgten 1986 Domkustos Diözesankonservator Franz Ronig aus Trier als Vorsitzender und Herta Lepie aus Aachen als Geschäftsführerin. (Vgl. Jung 1994. S. 374).

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Tagung verdeutlichten, dass diese sich isoliert fühlten.300 Mitglieder waren ausschließlich Diözesanmuseen und Domschatzkammern und man grenzte sich gegen den Arbeitskreis der Bauamtsleiter und Diözesankonservatoren ab.301 Das Problem der Abgrenzung bzw. der Zugehörigkeit beschäftigte die Arbeitsgemeinschaft seit Beginn ihrer Tätigkeit. Es galt, sich zwischen kirchlichen nichtmusealen Institutionen und staatlich-musealen Gruppierungen zu positionieren. So wurde auf dem Treffen der Arbeitsgemeinschaft 1978 in Speyer von den Mitgliedern gefordert, Kontakt zum Deutschen Museumsbund aufzunehmen und betont, dass jedes Mitglied diesem beitreten könne, ohne dass die Selbstständigkeit der Arbeitsgemeinschaft gefährdet würde.302 Der allgemeine Deutsche Museumsbund existierte bereits seit 1917.303 Die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft in den 1980er-Jahren wird von Ecker als Periode der „Konsolidierung“ bezeichnet.304 Dies spiegelt sich auch in der Suche nach der Namensgebung der Arbeitsgruppe wider.305 Man wollte sich einerseits auf eine geographische Abgrenzung einigen sowie andererseits auf die Frage, welche Mitarbeiter der Museen in kirchlicher Trägerschaft zugelassen werden sollten. Es wurde beschrieben, dass die Leitung der Museen nicht immer in professionellen Händen lag und dass in der ersten Zeit nach Gründung der Arbeitsgemeinschaft die Museen von Geistlichen geleitet wurden, die auf dem Gebiet der Kunstgeschichte oder Museologie wenig bewandert waren. Man beklagte, dass oft der Leiter, der keine fachlichen Kenntnisse hatte und die konkreten Probleme des Hauses nicht kannte, dieses auf Fachtagungen vertreten sollte, während der Konservator von der Teilnahme ausgeschlossen war. Auf der Jahrestagung in Lüttich 1986 wurde deswegen beschlossen, neben den offiziellen Museumsleitern auch die zuständigen

300 Vgl. Jung 1994. S. 373–375. 301 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2005. 302 Vgl. Lechner 2008. S. 288. 303 Vgl. Deutscher Museumsbund 2011. Der Österreichische Museumsbund existierte hingegen erst seit 1981. (Vgl. Museumsbund Österreich 2011). Im Gegensatz zum Deutschen Museumsbund, in welchem kirchliche Museen keine eigene Gruppierung bilden, gibt es bereits bei der Gründung des Österreichischen eine eigene Sektion für „Kirchliche Museen und Schatzkammern“. (Vgl. Lechner 2008. S. 290). 304 Vgl. Ecker 2007. 305 Zuerst hieß sie „Ständige Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Museen und Kunstpflege“ (Vgl. Jung 1994), ab 22.6.1970 „Ständige Arbeitsgemeinschaft der kirchlichen Museen und Schatzkammern in der Bundesrepublik Deutschland“, 1972 wurde die Einschränkung „in der Bundesrepublik Deutschland“ aufgegeben und Diözesanmuseen in Österreich, der Schweiz, der DDR, Luxemburgs und Frankreichs aufgenommen. (Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2005).

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wissenschaftlichen Sachbearbeiter zur Teilnahme an der Arbeitsgemeinschaft zuzulassen, jedoch ohne Stimmrecht.306 1986 wurde eine neue Fassung der Satzung verabschiedet. Als Aufgaben wurden die berufliche und fachliche Weiterbildung, der Austausch von Wissen und Erfahrungen, die Erörterungen von Problemen sowie die Repräsentanz gegenüber der Kirchenleitung und nach außen genannt.307 Die Arbeitsgemeinschaft formuliert inhaltliche Ziele (1990–2000) In den 1990er-Jahren kam es unter den Mitgliedern zu Unstimmigkeiten. Diese entbrannten weiterhin an der Frage, wer zur Teilnahme an den Jahrestagungen berechtigt sei. Diesmal ging es um die Zulassung von Vertretern nichtkirchlicher Museen, um die Abgrenzung von als nicht qualitätvoll erachteten Museen und um die Zulassung kirchlicher Obrigkeiten.308 In der Arbeitsgemeinschaft begann man 1994, über neue Statuten nachzudenken. Dies hatte unterschiedliche Gründe: der Zuwachs an Mitgliedern, die Ausweitung des Wirkungskreises und vor allem die steigende Forderung an Museen, sich in kirchlicher Trägerschaft sich professionalisieren zu müssen, so wie es auch im „Malta Dokument“ gefordert worden war.309 Auch von Kritik einzelner Ordinariate wegen mangelnder Effizienz der Arbeitsgemeinschaft war die Rede. Im selben Jahr wurde zum ersten Mal über die Bildung von Arbeitskreisen gesprochen und folgende wurden gebildet: „Textil“, „Goldschmiedekunst“, „Restaurierung“, „Kirche und moderne Kunst“ und „Museum als Ort der Verkündigung“.310 Bevor man zu einer neuen Satzung fand, wurden 1995 auf der 44. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft in Rom das Selbstverständnis der Arbeitsgemeinschaft bzw. ihre Ansicht über das Museum in kirchlicher Trägerschaft in einem Schreiben festgehalten und als „Rom-Dokument“ veröffentlicht. Die Arbeitsgemeinschaft postulierte, dass das kirchliche Museum die Historizität des Glaubens demonstrieren solle. Die Geschichte des Glaubens würde einerseits über das Sehen selbst, also durch die sinnliche Erfahrung, aber andererseits auch über die Erklärung durch das 306 Vgl. Ecker 2007. 307 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1986. 308 Auf der Jahrestagung 1992 in Oppeln führte die Forderung, dass ein Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz teilnehmen sollte, zur Frage der Repräsentation der österreichischen und protestantischen Mitglieder. Hierauf wurde die alte Satzung bemängelt, welche ein unkontrolliertes Wachstum der Mitglieder ermöglichte. „Die Grundidee der AG, die ein Zusammenschluss von Museumsfachleuten sein sollte, drohte durch die allzu leichten Zugangsmöglichkeiten für ‚Museums-Laien‘ zu verwässern.“ (Vgl. Ecker 2007). 309 Siehe Kapitel „Das „Malta Dokument“ (1994)“. 310 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1994.

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Museum in kirchlicher Trägerschaft vermittelt. Diese Vermittlung der Geschichtlichkeit der Kirche wurde als besonders wichtig betrachtet, da das Wissen über den christlichen Glauben nicht mehr selbstverständlich sei. Hierin stimmte die Arbeitsgemeinschaft mit dem „Malta Dokument“ der päpstlichen Kommission überein. Als ebenso wichtig erachtete die Arbeitsgemeinschaft den sinnlichen Aspekt der Kunst, der in den Vordergrund gestellt werden sollte, da die sinnlich erfahrene Schönheit ein Hinweis auf Gott sei. Es wurde gefordert, dass Museen in kirchlicher Trägerschaft zeitgenössische Kunst besitzen sollten, begründet wurde dies mit einem ästhetischen Lehrauftrag („Schule des Sehens“311). Diese Begründung betraf mehr die innerkirchliche Zielgruppe, bzw. hob den Vorbildcharakter des Museums in kirchlicher Trägerschaft für zeitgenössische Kunst innerhalb der Kirche hervor. Durch das Museum sollte der Klerus im Umgang mit zeitgenössischer Kunst ausgebildet werden, damit er die Auswahl für Kunstwerke im Kirchenraum geschult treffen könne. Die Mitarbeiter des Museums wurden als Vermittler des Glaubens verstanden. Trotzdem solle das Museum in kirchlicher Trägerschaft nicht von Theologen, sondern von ausgebildeten Kunsthistorikern oder Archäologen geleitet werden.312 In diesen Aussagen ging die Arbeits311 Dieser Begriff fällt in der Diskussion um das Museum der katholischen Kirche in den kommenden Jahren des Öfteren. Seine Herkunft und Bedeutung werden in der Zusammenfassung von Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“ geklärt werden. 312 „Neben den allgemeinen Aufgaben des Bewahrens, Erforschens und Erschließens der ihnen anvertrauten Sammlungen haben kirchliche Museen einen besonderen Auftrag: 1. Die kirchlichen Museen und Schatzkammern bewahren anschauliche Zeugnisse unseres Glaubens. 2. Nach katholischer Auffassung wird Geistiges im Sinnlichen erfahrbar, vor allem im Sakrament, dann aber auch in Bau und Bild. 3. Irdische Schönheit wird seit alters her als Abglanz himmlischer Herrlichkeit verstanden. 4. Bildwerke, liturgische Geräte und Gegenstände kirchlicher Kulturgeschichte geben Zeugnis von Glaubensinhalten, Gottesdienst und Frömmigkeit. 5. Durch Anschauung und Erläuterung soll ihre Botschaft vermittelt werden. 6. In einer immer säkularer werdenden Gesellschaft ist dieser Auftrag wichtiger denn je. 7. Seit mehr als zwei Jahrhunderten ist das Museum ein zentraler Ort der anschaulichen Auseinandersetzung mit Geschichte und Gegenwart. 8. Indem sie die Bildzeugnisse erhalten und erläutern, leisten kirchliche Museen einen besonderen Beitrag zur Weitergabe des Glaubens. Sie stiften religiöse und kulturelle Identität auch im Hinblick auf die Ökumene. 9. Kirchliche Museen bewahren nicht nur das Gedächtnis unseres Glaubens, sondern sind auch Schulen des Sehens. Darum sollen sie ebenso zur Kunst der Gegenwart führen. 10. Die kirchlichen Museen leisten einerseits einen Dienst der Kirche in der Welt; andererseits wenden sie sich an alle, denen die Weitergabe des Glaubens am Herzen liegt oder denen sie in besonderer Weise anvertraut ist (Seelsorger und Katecheten). 11. Die Mitarbeiter in kirch-

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gemeinschaft über das „Malta Dokument“ hinaus und wendet sich von einer Ausbildung der Leiter innerhalb der Diözese ab. Die „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“ verabschiedete am 12.5.1997 eine neue Satzung. Es hatte einige Jahre gedauert, bis man zur endgültigen Fassung gefunden hatte, dies lag an unterschiedlichen Meinungen313 zu den Fragen nach: einer Öffnung der Arbeitsgemeinschaft nach Europa (pro: „Malta Dokument“;314 kontra: Sprachprobleme),315 einer offiziellen Vereinsbildung (pro: offizieller;316 kontra: Vereinsmeierei),317 der Mitgliedschaft von Vertretern nichtkirchlicher Museen (pro: z. B. in Frankreich keine Museen in kirchlicher Trägerschaft, sondern ehemals kirchliche Kunst in staatlichen Museen und weg aus Ghetto kirchlicher Museumsarbeit;318 kontra: Wegbewegung von enger kirchlicher Bindung).319 In der neuen Satzung wurden schließlich Leiter von Museen mit anderer Trägerschaft nicht aufgenommen, die Bezeichnung „Verband“ nicht verwandt und es blieb bei vorwiegend deutschsprachigen Mitgliedsländern. 320 Unter Paragraph 1.3 wurden die Ziele von Museen in kirchlicher Trägerschaft benannt:

lichen Museen haben einen Verkündigungsauftrag. In diesem Zusammenhang sind die Aufseher und Führer die ersten Ansprechpartner unserer Besucher. Sie sollten sich dieser besonderen Verantwortung bewußt sein. 12. Kirchliche Museen und Schatzkammern sollten auf diözesaner Ebene von Fachleuten (Kunsthistorikern bzw. Archäologen) geleitet werden.“ (Arbeitsgemeinschaft 1995). 313 Diana Ecker: „Es standen sich zwei Fraktionen gegenüber: die Reformbefürworter und die Gegner der Vereinsidee.“ Es ist anzumerken, dass Ecker diesen historischen Abriss im Auftrag des Mainzer Diözesanmuseums schrieb, welches unter der Leitung Kotzurs stand, welcher wiederum maßgeblich an der Ausarbeitung der neuen Satzung beteiligt war und somit ein „Reformbefürworter“ war. Die Haltung der Verfasserin des Aufsatzes für eine Reform ist dem Text eindeutig entnehmbar. (Vgl. Ecker 2007). 314 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1994a. 315 Vgl. Ecker 2007. 316 „Wir brauchen nicht nur eine überzeugende Lobby, sondern müssen auch fachlich qualifizierte Arbeit leisten, um uns gegen die vielen hervorragend organisierten Landesverbände und staatlichen Museen zu behaupten.“ (Arbeitsgemeinschaft 1994a). 317 Vgl. Ecker 2007. 318 Lenssen befürwortete die Öffnung für kommunale und staatliche Museen, um aus dem Ghetto kirchlicher Museumsarbeit hinauszukommen. (Vgl. Ecker 2007). 319 Der Vorsitzende Ronig schrieb in einen Brief an Steiner: „Die Eigentümerfrage ist entscheidend für den geistigen Kurs einer Sammlung. Ein kirchliches Museum wird sich in seiner Zielsetzung immer von einem staatlichen oder kommunalen wesentlich unterscheiden.“ (Ecker 2007). 320 Vgl. Ecker 2007.

142 | M ISSION M USEION „Das kirchliche Museum sammelt, bewahrt, erforscht, erschließt, restauriert, präsentiert und publiziert vor allem Zeugnisse christlicher Kunst und Liturgie. Es steht im Dienst der Verkündigung, von Wissenschaft, Bildung und Information. Insbesondere bemüht es sich um Vermittlung zwischen Theologie und Kunstgeschichte, Katechetik und Museumsdidaktik, Kirche und anderen kulturellen Einrichtungen. Es betreibt Öffentlichkeitsarbeit in Form von Publikationen, Ausstellungen und anderen Veranstaltungen.“321

Diesen Zielen wollte man näher kommen und sich dabei gegenseitig unterstützen, sich austauschen und u. a. gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit betreiben.322 1998 wurde Domkapitular Lenssen neuer Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“. 323 Ecker beschreibt die Zeit nach der neuen Satzung als „produktiven Höhepunkt der AG“, da man sich in dieser Zeit erstmals mit den Aufgaben und Zielen der AG auseinandersetzte.324 Man ging dazu über, auf den Jahrestagungen auch externe Experten für Vorträge einzuladen. So hielt auf der 41. Tagung 1999 in Würzburg Alfred Nemeczek, ein Kunsthistoriker und Journalist, den Vortrag „Kirche als Museum – Museum als Kirche“. Dieses Thema, mit welchem sich schon verschiedene Museen auseinandergesetzt hatten, führte zu einer regen Diskussion auf der Tagung und einige ältere Mitglieder verließen sogar den Raum, da sie das Museum nicht als Konkurrenz zur Kirche sahen und dieses keinesfalls die Kirche ersetzen solle.325 Auf der 49. Jahrestagung der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“ 2000 in Magdeburg wurde ein Entwurf zur Erklärung von Johannes Kronbichler aus Salzburg vorgestellt, welcher kirchliche Museumsarbeit als pastoralen Dienst verstand. Es sollten einige Passagen überarbeitet werden. Das Dokument beschrieb das Museum in kirchlicher Trägerschaft als einen Ort, „der Auseinandersetzung mit der Welt des Glaubens, der Besinnung und des Angebots seelisch-geistiger Vertiefung“.326 Die Präsentation solle den Besucher mit Glaubensinhalten konfrontieren, da religiöses Wissen oft verloren gegangen sei.

321 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1997. 322 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1997. Die Treffen der Arbeitsgemeinschaft hatten auch schon zu gemeinsamen Ausstellungsprojekten geführt. Ein gemeinsames Projekt wurde z. B. anlässlich des Treffens der Arbeitsgemeinschaft in Rom 1995 angestoßen, so dass 1998 zum ersten Mal die Sammlung "Moderner Kunst aus dem Vatikan“ in verschiedenen Museen der katholischen Kirche in Deutschland zu sehen war. (Vgl. Moderne Kunst aus dem Vatikan 1998. S. 14). 323 Vgl. Lechner 2008. S. 300. 324 Vgl. Ecker 2007. 325 Vgl. Lechner 2008. S. 301. 326 Arbeitsgemeinschaft 2000.

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„Gegenüber den Bildwerken in gottesdienstlichen Räumen besteht im kirchlichen Museum die spezifische Möglichkeit, sich dank größerer Nähe und vertiefterer Hinführung in gesteigerter Weise auf die Bildschöpfungen und ihre Aussagen einzulassen, und sich mit ihnen auseinanderzusetzen.“327

Jedoch solle beim Besucher nicht das Gefühl einer „angezielten Vereinnahmung“ geweckt werden. „Das kirchliche Museum ist somit aufgrund feststellbarer Entkirchlichung eine notwendige Zwischeninstanz, schon außerhalb des profanen Bereichs und noch nicht im sakralen angesiedelt, und von daher ein Ort der rückblickenden Reflexion und einer möglichen Vorausschau.“328

Das Museum in kirchlicher Trägerschaft wurde weiterhin als ein „Vorhof“ beschrieben, in welchem die Besucher auf die Kirche treffen können, ohne Berührungsängste mit kultischen Begegnungen zu haben. „Die im Museum vorgestellten Bildwerke schlagen die Brücke zur kirchlichen Verkündigung und deuten sie in eigenständiger Weise. Dieser durch die Museumspräsentation ermöglichte autonome Zugang macht das Museum gerade für eine säkularisierte Gesellschaft unentbehrlich und verleiht ihm auch den Stellenwert einer prophetischen Instanz.“329

Da die Kunstwerke jedoch autonom seien, gehe der pastorale Weg des Museums in kirchlicher Trägerschaft über konfessionelle, religiöse und ideologische Grenzen hinaus. Weiterhin könne die Kirche im Museum in kirchlicher Trägerschaft die Kunst als „Seismographen der menschlichen Nöte“ besser wahrnehmen und sich auf die Seelsorge einlassen.330 Kronbichler konkretisierte hier die Aussagen Johannes Paul II., welche dieser 1997 in Reden an die „Päpstlichen Kommissionen für Kultur“ gemacht hatte.331 Die Frage, ob zeitgenössische Kunst in das Museum der katholischen Kirche gehöre oder nicht, wurde jedoch weder in den päpstlichen Reden, noch bei Kronbichler direkt behandelt. Allerdings implizierten die Aussagen Kronbichlers, die Kunst als Seismographen der menschlichen Nöte zu beschreiben und Kunstwerke als autonom zu bezeichnen, dass hier über Kunst der Gegenwart und nicht über kirchliche Auftragskunst vergangener Zeiten gesprochen wurde.

327 Arbeitsgemeinschaft 2000. 328 Arbeitsgemeinschaft 2000. 329 Arbeitsgemeinschaft 2000. 330 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2000. 331 Siehe Kapitel „Ansprachen Papst Johannes Paul II. an Kulturbeauftragte (1997)“.

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Die Arbeitskreise „Museum und zeitgenössische Kunst“ und „Museum als Ort der Verkündigung“ (1996–2000) Am 26.2.1996 tagte der Arbeitskreis „Museum und zeitgenössische Kunst“ in Freising zum ersten Mal.332 Der Name des Arbeitskreises variiert, manchmal wurde er „Museum und zeitgenössische Kunst“ genannt, oder „Museum und moderne Kunst“.333 Auch hier zeigt sich wieder eine generelle Unsicherheit mit dem Umgang der Begrifflichkeiten für Kunst. 334 Es sollten jährliche Treffen in Freising folgen, auf welchen man sich austauschte und gemeinsam Ausstellungen besuchte. Auf dem Treffen 1996 war man sich einig, dass jedes Museum seine Besonderheiten und Alleinstellungsmerkmale haben solle und es keine Gleichmacherei unter den Museen in kirchlicher Trägerschaft geben müsse. Auch sei es nicht der Sinn, alibimäßig zeitgenössische Werke dazuzustellen. Es wurde beklagt, dass auf dem Gebiet der Kunst das „Zweite Vatikanische Konzil“ noch nicht eingeholt sei und nur wenige Mitarbeiter von Museen in kirchlicher Trägerschaft Mitglieder der Kunstkommissionen seien und somit keine Mitsprache im Gestalten von Kirchenräumen hätten. Über die Frage hingegen, ob Diözesanmuseen als Vorlagensammlung mit zeitgenössischer Kunst für den Kirchenraum dienen sollten, gingen die Meinungen auseinander. Eine Problematik sah man in dem vorwiegend konservativ ausgerichteten Publikum der Diözesanmuseen, einschließlich der Geistlichen, dem man zunächst die zeitgenössische Kunst näher bringen müsse. Eine weitere Fragestellung war, ob ein fortschrittlich denkendes Publikum schon durch die Bezeichnung „Diözesanmuseum“ abgeschreckt würde.335 Die Arbeitsgruppe „Museum als Ort der Verkündigung“ beschäftigte sich im Jahre 2000 mit der Frage nach dem Umgang mit Ars Sacra. Es zeigte sich, dass unter den Museumsbetreibern eine generelle Unklarheit herrschte, wie man mit Kunstwerken, die orginär aus dem Kirchenraum stammten, offiziell umgehen sollte. Ein Geistlicher wurde befragt, welcher erklärte, dass es in der katholischen Kirche 332 Es nahmen sowohl Herr Steiner und Frau Hahn aus Freising, als auch Herr Plotzek aus Köln teil, daneben Vertreter aus Limburg, Halberstadt, Seitenstetten, Regensburg, Klosterneuburg und Trier. (Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1996). 333 Im Heft „50 Jahre Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“ stellte sich der Arbeitskreis vor. In der Überschrift nannte er sich „Arbeitskreis Museum und moderne Kunst“, in der Kleinüberschrift „AK Zeitgenössische Kunst“. Als die wichtigsten Diskussionspunkte wurden hier die Kriterien des Sammelns zeitgenössischer Kunst mit dem Beispiel Köln, das Gewinnen des Vertrauens für die eigene Tätigkeit von der Diözesanleitung und die Frage nach Qualitätsstandards genannt. (Vgl. Hahn 2008). 334 Siehe hierzu auch die Zusammenfassung von „Das Jahrzehnt vor dem Heiligen Jahr 2000. Kunst im Fokus der Pastoral“. 335 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1996.

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keine Vorschrift über den Umgang mit beschädigten Sakralgegenständen und Kultgeräten gäbe. Die zu klärende Fragestellung lautete: „Sind […] die Heiligen im Museum desakralisiert? Oder hat das Museum als Tempel der Kunst sie wieder neu sakralisiert?“336 Bereits im Jahre 2000 wurde der Arbeitskreis „Museum und moderne Kunst“ wegen geringer Teilnehmerzahl in Frage gestellt. Obwohl das Kölner Diözesanmuseum nicht mehr am Arbeitskreis teilnahm, wurde die Empfehlung Plotzeks aus Köln hervorgehoben, den Arbeitskreis fortzusetzen,337 was die prominente Stellung des Kölner Hauses in Bezug auf zeitgenössische Kunst unterstreicht. Die Besichtigung der Ausstellung „Himmelfahrt“ mit zeitgenössischen Werken in Freising führte zu divergierenden Meinungen. Pater Martin aus Seitenstetten bezweifelte den Kunstcharakter einiger Arbeiten, deren Wirkung es sei, nur Aufmerksamkeit zu erregen. Steiner verteidigte die Kunstwerke, welche „nach heutiger gesellschaftlicher Konvention (s. documenta, Biennale, art Basel) als Kunst gelten“ würden. 338 Hier wurden nicht die Arbeiten selbst zur Argumentation herangezogen, sondern als Referenzen staatliche Kunstausstellungen und der Kunstmarkt genannt. Zusammenfassung Durch die „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern im deutschsprachigen Raum“ konnten Museen in kirchlicher Trägerschaft erstmals als Interessensgruppe agieren und wahrgenommen werden. Die Direktoren von Museen der katholischen Kirche schafften sich selbst eine Möglichkeit, aus der Isolation herauszukommen, da der Zusammenschluss der Museen in kirchlicher Trägerschaft aus Eigeninitiative entstanden war. Von einigen Diözesen wurde die Art des Zusammenschlusses jedoch sogar kritisiert und erst 1994 wurde durch das „Malta Dokument“ von offizieller päpstlicher Stelle ein Zusammenschluss von Museen der katholischen Kirche gefordert. In den 1970er- und 1980er-Jahren setzte sich die Arbeitsgemeinschaft noch stark mit sich selbst auseiander, vor allem mit ihrer Mitgliederzusammensetzung. Man kam zu dem Schluss, Museen in anderer Trägerschaft auszuschließen und sich auf den deutschsprachigen Raum zu beschränken. Ab 1994 begann die Frage der Einbindung von zeitgenössischer Kunst eine prominente Rolle zu spielen und man forderte Museen in kirchlicher Trägerschaft dazu auf, diese in die Ausstellungen zu integrieren. Im Selbstverständnis der Arbeitsgemeinschaft wurde 1995 formuliert, dass Museen in kirchlicher Trägerschaft 336 Steiner: Telefonnotiz eines Gespräches mit Benker über Umgang mit Sacra. (Arbeitsgemeinschaft 2000a). 337 Im Jahre 2000 gab es zehn Teilnehmer aus Mönchengladbach, Berlin, Freising, Limburg, Seitenstetten, Regensburg, Klosterneuburg und Xanten. (Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2000b). 338 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2000b.

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als „Schule des Sehens“339 auch Kunst der Gegenwart führen sollten. Betrachtet man jedoch die konkreten Auseinandersetzungen mit zeitgenössischer Kunst in den beiden Arbeitskreisen „Museum und zeitgenössische Kunst“ und „Museum als Ort der Verkündigung“, zeigen die geringen Teilnehmerzahlen, dass um die Jahrtausendwende nur in wenigen Häusern Interesse für zeitgenössische Kunst vorhanden war und vor allem der konkrete qualitative Umgang mit dieser schwer fiel. Das im Jahre 2000 von Johannes Kronbichler formulierte Papier nahm bereits Gedanken auf, welche im August 2001 offiziell aus Rom im Schreiben „Pastorale Funktion kirchlicher Museen“ von der „Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche“ formuliert wurden.340 Die Nutzung des Museums in kirchlicher Trägerschaft als quasi neutralen Ort, um Menschen für die katholische Kirche zu interessieren, wurde hier erstmals institutionsübergreifend postuliert. Dem Museum der katholischen Kirche wurde damit eine neue Aufgabe zugeteilt.

M USEEN

DER KATHOLISCHEN K IRCHE IM DEUTSCHSPRACHIGEN R AUM (1980–2001)

Im Folgenden werden die Entwicklungen in deutschsprachigen Museen der katholischen Kirche betrachtet. Das Jahr 1980 wurde als Zäsur gewählt, da sich herausstellte, dass sich in dieser Zeit ein Wandel in der Ausrichtung des Museums der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum vollzog, dies wird im Resümee analysiert werden. Der Zeitraum wird bis in das Jahr 2001 erfasst, in diesem Jahr wurde erstmals ein ausführliches Schreiben über „die pastorale Funktion kirchlicher Museen“ der „Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche“ herausgegeben. Besondere Aufmerksamkeit erfahren in diesem Überblick vier Museen (Freising, Köln, Würzburg und Admont), da sie sich besonders um zeitgenössische Kunst bemühten und mit ihren Kuratoren für diese Dissertation im Jahre 2010 Experteninterviews durchgeführt wurden.341 Die Reihenfolge der Darstellung der Museen ergibt sich durch die Chronologie der frühsten Umbrüche in den Häusern (Umbau, Neueröffnung, Neugestaltung etc.). Die Domschatzkammern und Dommuseen, so wie die Museen der katholischen Kirche in Österreich, wurden separat an den Schluss von Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“ gestellt und innerhalb ihrer Ordnung chronologisch sortiert.

339 Herkunft und Bedeutung des Begriffs: siehe „Zusammenfassung“ von Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“. 340 Siehe Teil III. 341 Zur Methodik der Interviewmethode siehe „Einleitung“ in Teil III.

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Regensburg In Regensburg, wo bereits 1974 ein Domschatz eröffnet worden war, entschloss sich die Diözese 1978/79, den ehemaligen Ökonomietrakt des Stifts „Obermünster“ als Depot- und Ausstellungsgebäude zu sanieren. 1981 wurde eine provisorische Schausammlung (Plastiken, Skulpturen, Gemälde, Goldschmiedekunst, Kunstgewerbe und Paramente vom 12.–20. Jahrhundert, außerdem die Dokumentation Geschichte der Diözese) in chronologischer Ordnung aufgestellt.342 Ca. 100 Exponate, welche seit den 1930er-Jahren als Leihgabe dem Museum der Stadt Regensburg übergeben worden waren, wurden für diese Schausammlung zurückgeholt. 1986 kam ein neuer Museumsleiter: Hermann Reidel, ein Kunsthistoriker, welcher seit 1981 Bischöflicher Konservator in Regensburg war. 343 Noch im selben Jahr seines Amtsantritts fanden in Regensburg erneute Erweiterungen statt, der Ausstellungsraum in der Kirche „St. Ulrich“ kam hinzu. Die Kirche hatte dem Freistaat Bayern gehört, welcher die profanisierte Kirche der Diözese übergab, mit der Auflage, neben der musealen Nutzung auch die kirchliche Funktion wiederherzustellen.344 So wurden in „St. Ulrich“ zwischen den Schaustücken Gottesdienste gefeiert und die Kirche als „Statiokirche“ bezeichnet.345 Für „St. Ulrich“ erarbeitete der Diözesankonservator Achim Hubel im engen Kontakt mit der Abteilung nichtstaatlicher Museen am bayerischen Nationalmuseum neue Pläne.346 Im Erdgeschoss blieben zwei Drittel des Raumes ohne Vitrinen-Ausstattung, um einen sakralen Charakter zu bewahren: „Diese glückliche Symbiose zwischen Sakralraum und Museum dürfte bei kaum einem anderen kirchlichen Museum so eindrucksvoll erreicht worden sein. Museums- und Kirchenraum sind in St. Ulrich zu einer Einheit verschmolzen.“347

Dies schrieb Hermann Reidel im Jahre 1995. Während man sich z. B. in Paderborn und anderen Häusern darum bemühte, eine Definition für die Unterscheidung zwischen Museum der katholischen Kirche und Kirchenraum zu finden, wurden in Regensburg beide Institutionen im selben Gebäude vereint. Eine Abteilung für zeitgenössische christliche Kunst wurde ebenfalls 1986 eingeführt. Der Kurator beschrieb die Abteilung mit dem Hinweis, dass es „traditionell erscheinende Christusbilder neben ungewöhnlichen abstrakten Objektinstallatio-

342 Vgl. Mai 1983. S. 35. 343 Vgl. Regensburg 2012. 344 Vgl. Hubel 2005. S. 6. 345 Vgl. Hubel 2005. S. 4. 346 Vgl. Reidel 1995. S. 250. 347 Reidel 1995. S. 250.

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nen“ gab.348 Seit 1986 war man ebenfalls bestrebt, „mit Sonderausstellungen zeitgenössischer europäischer Künstler die gegenwärtigen religiösen Kunstrichtungen zu dokumentieren.“349 So gab es 1987 im „Obermünster“ die Ausstellung „Meditation – Kunst – Dialog : Robert E. Dechant, Sandro Peter Herbrand, Josef Holzer“ 350 mit zeitgenössischen Kunstwerken oder 1988 „Moderne Kunst für den Kirchenraum: Ausstellung der ausgewählten Arbeiten aus dem Wettbewerb“.351 1997 wurde von einer Zusammenarbeit des Regensburger Diözesanmuseums mit einem Galeristen berichtet, welche jedoch nicht wiederholt werden könne, weil es Vorwürfe gab, da der Galerist aus der Kirche ausgetreten war. 352 Hermann Reidel hatte seit 1995 die Funktion als Konsultor der „Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche“ inne.353 Es ist also davon auszugehen, dass sein Konzept für ein Museum der katholischen Kirche in Rom Beachtung fand und sich in Dokumenten der Kommission niederschlug. Eichstätt Im 1901 gegründeten Eichstätter Diözesanmuseum, welches sich in historischen Räumen in der Nähe des Domes befand, verfolgte man nach der Neueröffnung 1982 als „Diözesanmuseum Eichstätt“ ein Konzept, das sich stark an ikonographischen Fragen orientierte (die Umbauarbeiten hatten 1977 begonnen).354 Dies drückte sich in den Erwerbungen355 und den Informationsblättern für Besucher356 aus. Der Theologe Professor Andreas Bauch, bis 1982 Leiter des Hauses, 357 sagte über die Zielvorstellung des Umbaus: „Das Museum erstrebt durch Werke der christlichen Kunst eine Sichtbarmachung der Frömmigkeitsgeschichte der Diözese in ihrer gan-

348 Hubel 2005. S. 36. 349 Regensburg 2008. 350 Meditation – Kunst – Dialog 1987. 351 Moderne Kunst für den Kirchenraum 1988. 352 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1997a. 353 Vgl. Regensburg 2012. 354 Vgl. Schattner 1986. S. 114. 355 Bei Neuerwerbungen (1983–1993) durch Ankäufe, Schenkungen oder Leihgaben sei der Bezug zum Bistum wichtig und ikonographische Gesichtspunkte maßgeblich gewesen. (Vgl. Braun 1995. S. 244–247). 356 Seit 1983 erschien eine Reihe Informationsblätter zu einzelnen Exponaten (anstatt ein Katalog), wobei ein besonderer Augenmerk auf die Ikonographie gelegt wurde, weil in diesem Bereich viele Begriffe nicht mehr bekannt seien. (Vgl. Braun 1995. S. 244–247). 357 Vgl. Seufert 1984. S. 185.

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zen Vielfalt.“358 Die Leitung ging nach der Ausarbeitung der Pläne für die Neueinrichtung an den Kunsthistoriker Emanuel Braun über. Braun hatte Kunst-, Vor- und Früh- und bayerische Geschichte studiert und zuvor beim Landesdenkmalamt für Denkmalpflege Hessen gearbeitet, er bekam gleichzeitig die Funktion als Diözesankonservator.359 Somit fand das Museum in Eichstätt 1982 einen professionell ausgebildeten weltlichen Leiter. Das Museum veranstaltete gemeinsam mit dem Kreisbildungswerk und dem historischen Verein Eichstätt wissenschaftliche Vorträge und es fanden auch kleine Sonderausstellungen statt. 360 Im Jahr 2000 wurde die Ausstellung „Sein ist die Zeit“ mit Werken von 25 bayerischen Künstlern, konzipiert wobei „alte“ Kunst zeitgenössischer gegenübergestellt wurde. Hier zeigt sich, dass auch eher traditionell arbeitende Häuser das Konzept der Gegenüberstellung (welches hauptsächlich in Köln und teilweise schon in Würzburg praktiziert wurde) in Sonderausstellungen zur Jahrtausendwende erprobten. Rüdiger Klein schrieb in einer Kritik über die Ausstellung: „Das Eichstätter Ausstellungskonzept, das die neue Kunst ins Diözesanmuseum einließ, hatte die Kunst zwar nicht in den Kirchendienst genommen, aber gerade damit bei einem breiten Publikum helle Begeisterung und größten Zuspruch ausgelöst.“361

Freising 1979 war Peter Steiner Leiter des Freisinger Diözesanmuseums geworden, in den folgenden 20 Jahren nahm er einige Änderungen in der Hängung und im Sammlungsaufbau vor. Initiator des Museums war der Geistliche Sigmund Benker gewesen, der auf eine Sammlung mittelalterlicher Kunstgüter zurückgreifen konnte. Dieser prägte jedoch das Konzept nicht maßgeblich, sondern der seit Beginn involvierte und langjährige zweite Direktor des Museums, Peter Steiner, ein Kunsthistoriker.362 Die Sammlung wurde durch Geschenke, Vermächtnisse, Leihgaben und Käufe bei Sammlern und Händlern erweitert. Das Museum nahm weiterhin kirchliche Kunstwerke aus dem Raum der Erzdiözese auf, da das Museum das Kunstschaffen der ganzen Erzdiözese widerspiegeln sollte. Vielen Kirchenverwaltungen fiel es je358 Beratung bekam Bauch vom Direktor der Neuen Sammlung in München, Hans Wichmann. Zwölf Räume boten 650 m2 Ausstellungsfläche, auf welcher Plastik, Malerei, Kunsthandwerk und Volkskunst mit kurzen Texten und Schrifttafeln präsentiert wurden. (Vgl. Seufert 1984. S. 186). 359 Vgl. Eichstätt 2012. 360 Vgl. Braun 1995. S. 244-247. 361 Klein 2000. 362 Siehe Kapitel „Neugründungen (Bamberg, Freising)“ in „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1962–1980)“.

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doch schwer, dem Museum Kunstwerke zu leihen.363 Das Museum kannte die Kunstwerke in den Gemeinden, da seit 1979 der Museumsleiter gleichzeitig die Funktion des Diözesankonservators ausübte und für die Inventarisierung von Kunstschätzen im Erzbistum zuständig war.364 Der Fokus der Sammlung lag, wie seit der Gründung des Hauses, auf oberbayerischen religiösen Themen. Die Kriterien für die Aufnahme in die Sammlung waren die Thematik der Kunstwerke, kirchen- und kunstgeschichtliches Interesse und die künstlerische Qualität. Ziel war es, „durch den Hinweis auf Wandel der künstlerischen Erscheinung und der theologischen Vorstellung zum unveränderlichen Kern des Offenbarungsglaubens vorzustoßen.“365 Mit den Erwerbungen sollte außerdem die in der Säkularisation verloren gegangene fürstbischöfliche Galerie ersetzt werden.366 1984 kam durch den Nachlass Kardinal Döpfners zum ersten Mal ein bedeutendes Kunstwerk aus dem 20. Jahrhundert ins Haus.367 Es kamen weitere Schenkungen und Erwerbungen von Werken des 20. Jahrhunderts hinzu.368 Solche Neuzugänge wurden seit den 1990er-Jahren369 von der Diözese gewünscht.370 In der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“ setzte sich Steiner in den 1990er-Jahren auch für zeitgenössische Kunst ein. Auf einem Treffen 1995 nannte er Museen der katholischen Kirche „Schulen des Sehens“371 und schlug vor, dass man in diesem Zusammenhang ein Gespräch mit „Kolumba“ führen möchte, welches im großen 363 So bekam das Museum in den Jahren 1979–1982 28 Leihgaben. (Vgl. Steiner 1982. S. 5–6). 364 Vgl. Steiner 1985. S. 104. 365 Steiner 1982. S. 6. 366 Vgl. Steiner 1982. S. 6. 367 Ein Entwurf von Georg Meistermann für ein großes Altarbild in Würzburg, welches 1954 geschaffen wurde. (Vgl. Hahn/Baumann-Engels 1994. S. 6). 368 Z. B. erhält das Museum 1985 von Loreto Molzahn das gesamte Spätwerk Johannes Molzahns. Die Schenkung wird wie folgt gerechtfertigt: „Zwar gehört der Maler […], erst mit seinen letzten Münchner Lebensjahren 1959–66 zu der Region, deren künstlerisches Erbe das Dombergmuseum betreut, aber seine Malerei kennzeichnet so exemplarisch die Spannung zwischen christlicher Tradition, moderner Kunst und naturwissenschaftlichem Weltbild, daß sie für ein kirchliches Kunstmuseum zu einem Schwerpunkt werden muß.“ 1991 schenkt Kardinal Wetter dem Museum die Installation „Abendmahl“ von Friedrich Press aus dem Jahre 1980. 1993 wurden aus dem Kunsthandel ein Christusbild von Jawlensky (1936) und eines von Peter Burkhart (1992) erworben. (Vgl. Hahn/Baumann-Engels 1994. S. 6–10). 369 Vgl. Interview Freising (01:15:52). 370 Vgl. Interview Freising (02:29:37). 371 Herkunft und Bedeutung des Begriffs: siehe „Zusammenfassung“ von Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“.

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Maßstab „moderne christliche Kunst“ sammle.372 Ab 1996 fanden in Freising die jährlichen Treffen der Arbeitsgruppen „Museum als Ort der Verkündung“ und „Museum und zeitgenössische Kunst“ der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“ statt, welche von Steiner geleitet wurden.373 Die ersten Änderungen – die Hängung betreffend – fanden unter Steiner 1983 statt. Innerhalb der Epoche des Mittelalters wurden die Werke nach thematischen Gesichtspunkten angeordnet. Im Mittelaltersaal entstanden die drei Abteilungen „Geburt Jesu“, „Passion“ und „Heiligen-Verehrung“. Man betonte, dass durch diese Neuaufstellung die Sammlung übersichtlicher würde und die Aufmerksamkeit der Besucher weg von der Stilgeschichte, von Zuschreibungs- und Datierungsfragen, auf die Inhalte der Bilder gelenkt würde. Diese Aufstellung sollte dazu führen, dass sich die Kunstwerke gegenseitig ergänzen und vertiefen.374 Die Werke würden dadurch neu gesehen375 und religiöse Inhalte würden stärker hervor treten.376 Diese ikonographische Gruppierung der Kunstwerke geschah aber nur innerhalb einer chronologischen Ordnung der Abteilungen.377 Ferner wurden in der Mittelaltersammlung Skulpturen und Gemälde nicht getrennt. Dies sollte eine Reminiszenz an den spätmittelalterlichen Kirchenraum, für welchen die Werke geschaffen worden waren, darstellen.378 Ebenso wurde das Licht in Anlehnung an die Aufstellung im Kirchenraum gestaltet und die Objekte hauptsächlich von Tageslicht beleuchtet. Auch die Wände und Sockel wurden mit Materialien gestaltet, die einer mittelalterlichen Kirche (gekalkte Wand und farbig behandeltes Holz) entsprechen. Steiner betonte, dass dies im Gegensatz zu anderen Diözesanmuseen alles ohne Architekt geschah.379 Auch bei der Neuaufstellung des Lukasbildes 1984 versuchte man, die 372 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1995a. 373 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1997a. 374 Vgl. Steiner 1986. S. 30f. 375 Vgl. Steiner 1985. S. 90. 376 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1983. 377 Vgl. Steiner 1985. S. 89. 378 Vgl. Steiner 1986. S. 31. 379 „Zur Beleuchtung dienen die Rundbogenfenster, welche den meisten Kunstwerken eine ihrem ursprünglichen Standort in der Kirche entsprechende weiche Belichtung von rechts oben gewähren. Auf Kunstlicht ist konsequent verzichtet, weil es Plastizität und Farbigkeit verfälscht. Als Hintergrund und als Sockelelemente dienen wie im Mittelalter die gekalkte Wand und farbig behandeltes Holz. Eisen, Glas, Kunststoff, die mit der Perfektion und Glätte ihrer Oberfläche von den gealterten Oberflächen der Kunstwerke unangenehm abstechen, sind soweit möglich vermieden. Die Sockel sind in ihren Proportionen auf die Werke individuell abgestimmt. Da sich kein Architekt fand, der auf diese Forderungen einzugehen bereit war, wurde das Museum ohne Architekt eingerichtet. Es entbehrt ganz im Gegensatz zu den Diözesanmuseen in Salzburg (1973),

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barocke Inszenierung der Bildreliquie, soweit im Museum möglich, nachzubauen.380 Das Diözesanmuseum arbeitete somit auf der einen Seite mit klassischen kunsthistorischen Methoden, indem es seine Abteilungen nach Chronologie untergliederte und zwischen Hochkunst und Volkskunst trennte, auf der anderen Seite wurden Bezüge zum Kirchenraum gefördert. Um den Besucher jedoch „über einen handwerklich-technischen Standpunkt“ für das Kunstwerk zu interessieren, wich Steiner von der Aufstellung im Kirchenraum ab. So wurden Altartafeln, welche doppelseitig bemalt waren, und Skulpturen frei in den Raum gestellt, damit Besucher alle Seiten und die Handwerksspuren der Rückseiten sehen konnten. Objektbeschriftungen neben den Objekten mit historischen, ikonographischen und stilgeschichtlichen Angaben wichen ebenfalls von der üblichen Präsentation im Kirchenraum ab.381 1979 hatte man die Objektbeschriftungen um inhaltliche Erläuterungen verlängert und 1985 durch Saalblätter und Saalwandtafeln über Themen mit geschichtlichen und funktionalen Zusammenhängen ergänzt.382 Im Jahre 1990 fand im Museum eine große Veränderung statt, die ehemalige Küche des Knabenseminars wurde für Werke des 19. und 20. Jahrhunderts eingerichtet. 383 1994 präsentierte man diese ständig eingerichtete Sammlung zeitgenössischer Kunst nochmals neu.384 Leiter anderer Museen in kirchlicher Trägerschaft kritisierten 1997 diese Abteilung: Die Räume seien zu voll. Steiner erklärte die Fülle mit dem Argument, dass die Besucher selbst wählen könnten, was sie ansehen möchten und die Vorauswahl auf wenige Werke autoritären Charakter habe. Auch die Kölner Lösung, „moderne Kunst“ in Konfrontation in den historischen Rundgang zu integrieren, kam zur Sprache,385 was die allgemeine Bekanntheit dieser Hängung in konfessionellen Museumskreisen demonstriert. Neben den konservatorischen Aufgaben wurde im Freisinger Diözesanmuseum die Vermittlungsarbeit als zentrales Anliegen hervorgehoben. Man wollte die Kultur der Kirche verständlich machen und den Geist des Evangeliums in Bildern veranschaulichen, um den Besuchern den „religiösen Sinn der Schönheit“ näher zu

Parderborn (1975) und Eichstätt (1982) der architektonischen Handschrift.“ (Steiner 1985. S. 89). 380 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1984. 381 Vgl. Steiner 1986. S. 31–32. 382 Steiner betonte in einer Passage über Wege der Vermittlung im Diözesanmuseum Freising, dass die Frage, wie viel Text den Besuchern zugemutet oder zur Verfügung gestellt werden solle, immer wieder neu diskutiert würde. (Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2003). 383 Vgl. Hahn/Baumann-Engels 1994. S. 7. 384 Vgl. Steiner 1995. S. 251 und 254. 385 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1997a.

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bringen.386 1989 wurden im Haus Museumsführer ausgebildet387 und in der Erwachsenenbildung fanden Kooperationen (Tagungen, Kunstfahrten, Führungen, Vorträge und Referentenbildung) mit den katholischen Bildungswerken statt.388 Auch spezielle Angebote für Kinder wurden forciert: 1984 gab man gemeinsam mit dem Schulreferat einen Kinderführer durch den Dom und das Museum heraus. Dies war der Beginn der Zusammenarbeit mit Silvia Hahn, deren Stelle für Kunstdidaktik am Museum 1989 von der Erzdiözese genehmigt wurde. 389 Hans Ramisch, damaliger Kunstreferent der Erzdiözese München und Freising (bis Oktober 2001), hob 1994 auf internationaler Ebene auf dem „Internationalen Symposium in Cathedral and Diocesan Museums“ in Malta besonders die Vermittlungsarbeit der religiösen Kunstsammlungen hervor, da es für viele ohne Vermittlung nicht möglich sei, die Botschaft des Glaubens zu erfassen. Besonders betonte er die Vermittlung an Kinder.390 Die Mitarbeit von Besuchern in Form eines Fördervereins wurde 1998 von der Erzdiözese jedoch abgelehnt, weil man die Erfahrung gemacht habe, dass solche Vereine zu viel mitmischen würden.391 Neben den Laienbesuchern betonte 386 „Das Diözesan-Museum ist eine Konservierungsanstalt für geschichtliche Zeugnisse und soll zugleich die Botschaft der ihm anvertrauten Werke vermitteln. In ihrem Kern steckt die Botschaft des Evangeliums. Diese wurde mit der sinnlichen Erfahrung von vielen Generationen immer wieder neu gestaltet. […] Heute steht die kirchliche Verkündigung in Gefahr, auf immer weniger, immer subjektivere und immer ärmere anschauliche Vorstellungen sich beziehen zu können und damit letztlich bildlos und anschaulich, leer an menschlicher Erfahrung zu werden. Deshalb hat ein Haus, in dem die Bilder des Glaubens gehütet werden, nicht nur werterhaltende, kulturelle Bedeutung oder Freizeitwert, sondern Bedeutung für die kirchliche Verkündigung selbst. In einer Zeit, die den raschen Verschleiß ihrer Produkte organisiert und die Beziehung der Menschen durch Zahlen und Nummern reguliert und in einer Kirche, die sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, ist das Museum ein Ort der Erfahrung von Geschichte und ein Hort der Sinnlichkeit, des Schauens und der Freude am Sehen. Nach der Meinung der Kirchenlehrer, die auf den Apostel Paulus zurückgeht, und für die Auftragsgeber und Künstler in der Kirche seit der Spätantike verbindlich war, ist die Freude am Sehen nur eine Vorfreude auf die ewige Anschauung Gottes. Sicher wird es nicht gelingen, jeden Besucher des Diözesan-Museums von dieser Meinung zu überzeugen. Aber jeder sollte etwas spüren können vom religiösen Sinn der Schönheit.“ (Steiner 1986. S. 34f.). 387 1989 wird für die Ausstellung „Freising 1250 Jahre geistliche Stadt“ ein Stamm von Führern, welche überwiegend Studenten aus der Region waren, aufgebaut. (Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2003). 388 Vgl. Steiner 1985. S. 104. 389 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2003. 390 Vgl. Ramisch 1995. 391 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1998.

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Steiner auch die Vermittlungsarbeit für Theologen.392 Seit 1995 war die Teilnahme an den „Werkwochen christliche Kunst“ für angehende Priester verpflichtend und es fanden weitere Kurse und Führungen für Theologen statt. Auch außerhalb des Museums engagierte sich Steiner, seit 1995 hatte er Lehraufträge an den Theologischen Fakultäten der Universitäten München und Eichstätt und hielt Referate in der Ausbildung von katholischen und evangelischen Religionslehrern. 393 Man arbeitete in der Vermittlung also nicht nur in Richtung der Laienbesucher, denen man die christliche Botschaft verkünden wollte, sondern versuchte auch, den Klerus für Kunst zu gewinnen. Das Freisinger Museum wurde somit auch als ein Ort, der sich um die Vermittlung zwischen Kunst und kirchlichen Institutionen kümmert, verstanden. Es fand nicht nur eine Arbeit aus der Institution der Kirche heraus statt, sondern auch in die Strukturen der katholischen Kirche hinein. Seit Bestehen des Freisinger Diözesanmuseums fanden jedes Jahr mehrere Sonderausstellungen statt: Ausstellungen, die dem Werk eines Künstlers gewidmet waren, u. a. auch zeitgenössischen Künstlern;394 thematische Ausstellungen mit eindeutigen christlichen Bezügen, welche auch einen Bogen in die Gegenwart spannten,395 und thematische Ausstellungen, denen man nicht eindeutig eine christliche Ausrichtung zuordnen kann.396 Neben den Kooperationen im Bereich der Vermittlung gab es auch kooperative Ausstellungsprojekte mit Institutionen der Region, so 1984 mit dem Stadtmuseum München397 oder 1995 mit der Münchner Karmeliterkirche. Im Jahresbericht bewertete man die Ausstellung in der Karmeliterkirche mit der Bemerkung: „[D]iese bewies, […] wie viel leichter es in München ist, Besucher zu gewinnen als in Freising.“398 Weiterhin ist am Leihverkehr zu erkennen, dass sich das Museum mit kommunalen Museen im regionalen Raum vernetzte.399 In den 392 Vgl. Hahn/Heisig 2010. S. 15. 393 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2003. 394 Z. B. 1975: „Hubert Elsässer“ oder 1991: „Friedrich Press, Bildhauerei“ (Vgl. Hahn/Heisig 2010. S. 8–9). 395 Z. B. 1976: „500 Jahre Rosenkranz“; „Vera Icon“. „1200 Jahre Christusbild zwischen Alpen und Donau“ mit Künstlerwettbewerb: „Ein Christusbild für die Liturgie von heute“ (Vgl. Hahn/Heisig 2010. S. 8–9). 396 Z. B. 1978: „Rom in frühen Photographien 1856–1878“; 1982: „Geschenke, Leihgaben, Erwerbungen“ oder 2000: „Münchner Gotik im Freisinger Diözesanmuseum“ (Vgl. Hahn/Heisig 2010. S. 8–9). 397 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1984. 398 Arbeitsgemeinschaft 1995b. 399 Vgl. Leihgaben für die Schausammlung (Bayerisches Nationalmuseum, Bayerische Staatsgemälde Galerie, Bayerische Verwaltung der Staatlichen Gärten, Schlösser und Seen). (Vgl. Steiner 1982. S. 6), zur Zeit der Beschreibung des Museums (19.11.2009) waren zwei Werke nach Friedrichshafen ins Zeppelinmuseum verliehen.

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Jahren von 1995 bis 2006 war Steiner sogar Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft „Museen in Bayern“.400 Das Heilige Jahr 2000 und dessen Ausrichtung auf Verkündigung durch Kunst und Kultur401 wurden als ein Grund für die Belebung und Vermehrung von Museen der katholischen Kirche um die Jahrtausendwende gesehen.402 Ein Beispiel aus dem deutschsprachigen Raum ist die Ausstellungstrilogie in Freising zur Jahrtausendwende, bei welcher zeitgenössische Kunst zu den Themen „Geistes Gegenwart“,403 „Schöpfung“404 und „Himmelfahrt“405 in den Jahren 1998 bis 2000 gezeigt wurden. Die Ausstellungen wurden von einer auswärtigen Kuratorin, Petra Giloy-Hirtz, kuratiert.406 Diese arbeitete sonst für Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in Museen, Galerien und Unternehmen.407 Jüngere internationale Künstler waren 1999 zur Ausstellung „Schöpfung“ eingeladen worden, um zum Thema ortsbezogene Arbeiten zu schaffen. Außerdem gab es ein Projekt mit Studierenden der Akademie der Bildenden Künste München, die ebenfalls Kunstwerke zur Ausstellung schufen.408 Von Leitern anderer Museen in kirchlicher Trägerschaft wurde die Ausstellung kritisch diskutiert, so wurde bemerkt, dass die Kunst depressiv und voller Angst sei und bezweifelt, ob die Ausstellung in der religiösen Verkündung etwas bewirkt habe.409 Dieser Vorwurf scheint das Museum nachhaltig beeinflusst zu haben, denn beim Ankauf der ausgestellten Installation Kuballs wurde der Künstler vom Museum gebeten, die verwendeten Begriffe (Glaube, Liebe, Lust, Laster, Demut, Trieb, Gier)410 ins Positive umzuwandeln.411 Was auch geschah, denn nun lassen sich die vier Kardinaltugenden der Antike (Weisheit, Gerechtig400 Vgl. Steiner 2008. 401 Siehe Kapitel „Das Jahrzehnt vor dem Heiligen Jahr 2000. Kunst im Fokus der Pastoral“. 402 Vgl. Giacomini Miari 2005. S. 9. 403 Der Verein „Ausstellungshaus für christliche Kunst e.V.“ förderte die Triologie großzügig. Die Konzeption war im Gespräch mit Helmut Friedel, Direktor der Städtischen Galerie im Lembachhaus München und Mitglied des Beirates des Diözesanmuseums Freising entstanden. Werke wurden hauptsächlich von deutschen Galerien ausgeliehen. (Vgl. Geistes Gegenwart 1998. S. 7). 404 Die Ausstellung wurde von unterschiedlichsten Sponsoren ermöglicht, so z. B. der Flughafen München GmbH. International renommierte Galerien liehen dem Haus Werke. (Vgl. Schöpfung 1999. S. 7–8). 405 Vgl. Himmelfahrt 2000. 406 Vgl. Interview Freising (01:01:03). 407 Vgl. Giloy-Hirtz 2011. 408 Vgl. Schöpfung 1999. S. 7–8. 409 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1999. 410 Vgl. Schöpfung 1999. S. 45. 411 Information aus dem Vorgespräch zum Interview Freising.

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keit, Maß und Stärke) sowie die drei christlichen Tugenden (Glaube, Hoffnung und Liebe) wiederfinden.412 Glozer, Professor an der Kunstakademie in Hamburg, sprach bei der Eröffnung der dritten Ausstellung. Für ihn stellte die katholische Kirche als Auftraggeber und die Vorgabe einer Themenstellung an freischaffende Künstler kein Problem dar, da die Themen frei formuliert worden waren und er sah sogar einen „produktiven Anteil“ des Auftraggebers durch die „Diskretion der thematischen Vorgabe“ und durch die räumliche Öffnung auf dem Domberg als „mächtiger Resonanzboden, Sinn stiftend und Sinn einfordernd.“413 Bei der Ausstellung „Geistes Gegenwart“ wurde zum ersten Mal eine Agentur beauftragt, professionelle Werbung zu machen. Für die Öffentlichkeitsarbeit 414 gab man ca. 70.000 DM aus.415 Die Presseresonanz auf diese Ausstellung wurde von Steiner als großer Erfolg betrachtet, die Feuilletons schrieben über die großen zeitgenössischen Ausstellungen seit 1989 immer positiv, allerdings gingen die Besucherzahlen zurück. Es kamen jüngere Leute in die Ausstellung, das Stammpublikum blieb jedoch aus.416 Daraus wurde geschlossen, dass die traditionellen Besucher vorwiegend von „klassischen“ Ausstellungskonzepten angezogen wurden, während das Museum in den Medien Beachtung durch zeitgenössische Kunst erhielt.417 Trier Das Trierer Bischofs- und Domkapitel entschied sich 1982, neue Räume in einem leer stehenden alten Gefängnis zu einem Diözesanmuseum umzubauen.418 In Trier war bereits 1904 ein Diözesanmuseum eröffnet worden, ein Grund für die Eröffnung war der Zuwachs an Objekten durch die Domrenovierung im Jahre 1900 gewesen. Auch ein Wiederaufleben des Museums in den 1980er-Jahren kann mit einer Domrenovierung zwischen 1960 und 1975 in Verbindung gebracht werden.419 Das Domkapitel beauftragte den Diözesanarchitekten Alois Peitz mit dem Umbau. Peitz wollte eine Architektur erstellen, welche sich zurücknehme und dem Objekt die-

412 Vgl. Freising 2010. 413 Glozer 2000. S. 276-277. 414 Man führte 1997/98 auch eine Besucherumfrage durch, um zu sehen, wie die Besucher vom Haus erfahren haben. 15 % gaben an, durch Werbung vom Museum erfahren zu haben, 10 % durch Mundpropaganda, 7 % durch Schule oder Kurse, 10 % durch Anwesenheit am Domberg, 32 % das Museum sei allgemein bekannt und 14 % gaben Mehrfachnennungen. (Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1999a). 415 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1999a. 416 Vgl. Steiner 2008. 417 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2003. 418 Vgl. Weber 1988. S. 5–10. 419 Vgl. Weber 1988. S. 6–10.

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ne.420 Winfried Weber, welcher bereits vor der Eröffnung des neuen Museums 1985 als Leiter ernannt wurde (und dies bis 2010 blieb), betonte, dass Raum und Objekte eine Einheit bilden sollten.421 Weber wurde als Archäologe, Historiker und Kunsthistoriker ausgebildet,422 in Trier wurde die Stelle des Museumsleiters somit 1985 an einen kunsthistorisch ausgebildeten klerikalen Laien übergeben. Weber war es auch, der sich mit der allgemeinen Geschichte des kirchlichen Museums beschäftigt hatte.423 Man engagierte sich in Trier in der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“, so wurde der Trierer Domkustos Diözesankonservator Franz Ronig von 1986 bis 1998 Vorsitzender des Vereins und verantwortete folglich das Formulieren inhaltlicher Ziele der Arbeitsgemeinschaft (z. B. „RomDokument“) in diesen Jahren mit. Am 10.6.1988 wurde das neue Trierer Museum mit Räumen für Vortrags- und Konzertveranstaltungen sowie Sonderausstellungen eröffnet.424 Die Sonderausstellungen, die wegen des großen Zeit- und Kostenaufwandes manchmal in Kooperationen organisiert wurden, sollten einen Dialog zwischen Kirche und Kunst fördern.425 Das Trierer Diözesanmuseum wurde besonders für seine Archäologische Abteilung geschätzt.426 In den 1980er-Jahren wurde die Sammlung der Münzen, Medaillen und Wallfahrtsabzeichen erweitert, welche als Zeugnisse der Trierer Geschichte angesehen wurden.427 Die Neueröffnung führte zu einem Wandel im Sammlungskonzept. Ab 1988 begann man, Geld aufzuwenden, um zeitgenössische christliche Kunst zu erwerben. Diese wurde neben dem Museum auch in den Räumen des Bischöflichen Generalvikariates aufgestellt, „um eine möglichst große Breitenwirkung zu erzielen.“428 Das Konzept der Präsentation sah vor, nur wenige Exponate mit einer besonderen Bedeutung fest zu installieren, um andere Ausstellungsstücke austauschen zu können, um so immer wieder neue Akzente zu setzen.429 Auch bei den Sonderausstellungen lag der Schwerpunkt ab der

420 Vgl. Peitz 1989. S. 200. 421 Vgl. Weber 2010. S. 14. 422 Vgl. Trier 2010. 423 Vgl. Weber 1999. S. 114. 424 Vgl. Weber 2010. S. 14. 425 Kooperationen gab es z. B. mit der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars oder mit dem städtischen Museum Simeinstift in Trier. (Vgl. Weber 1995. S. 226). 426 Weber unterschied den Besucher in zwei Kategorien: Die einen kämen wegen der überregional bedeutsamen spätantiken Deckengemälde und die anderen wegen des kirchlichen Museums als solches. (Vgl. Weber 1995. S. 226). 427 Vgl. Weber 1989. S. 202–210. 428 Weber 1995. S. 228. 429 Vgl.Weber 1995. S. 228.

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Neueröffnung 1988 auf zeitgenössischer Kunst430 und man nahm am Arbeitskreis „Museum und zeitgenössische Kunst“ 1996 teil.431 Die Neueröffnung 1988 sollte auch zu einem Neubeginn der museumspädagogischen Arbeit führen, die man als wichtige Aufgabe vor allem für ein Museum der katholischen Kirche ansah.432 Man arbeitete nun verstärkt mit der Theologischen Fakultät, der Universität und mit Schulen zusammen und bemühte sich, einen Dialog mit zeitgenössischer Kunst zu führen.433 1987 war sogar eine Stelle für einen Museumspädagogen eingerichtet worden, die von Markus Groß-Morgen besetzt wurde. Groß-Morgen hatte Katholische Theologie und Kunstgeschichte studiert, 434 2010 wurde er kommissarischer Museumsleiter.435 In Trier setzte sich Ende der 1980er-Jahre die Arbeit mit zeitgenössischer Kunst durch. Besonders hervorzuheben ist, dass man in Trier bereits seit 1988 die Dauerausstellung nicht vollkommen statisch gestalten, sondern durch wechselnde Zusammensetzungen der Kunstwerke neue Zusammenhänge schaffen wollte. Dieses Moment der wechselnden Präsentation stellte auch einen wichtigen Aspekt in der Kölner Neukonzeption 1992 dar. Würzburg In der Diözese Würzburg begann in den 1990er-Jahren eine Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst und ein Diözesanmuseum wurde eröffnet. Wie bereits 430 Als erstes fanden Ausstellungen zum „Aschermittwoch der Künstler“ und Einzelausstellungen zeitgenössischer Künstler statt (durch Engagement von Alois Peitz, Diözesanarchitekt, und dem Weihbischof Gerhard Jakob) und in den letzten Jahren Ausstellungen in der Reihe „kunst trifft kirche“, kuratiert von der Kulturjournalistin Eva-Maria Reuther und ihm selbst. (Vgl. Groß-Morgen 2010. S. 9–10). 431 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1996. 432 In den ersten Jahren nach der Eröffnung wurde in Zusammenarbeit mit dem Bischöflichen Generalvikariat eine Reihe von jeweils ganztätigen Fortbildungen für Religionslehrer angeboten. Die Hoffnung, dass die ausgebildeten Lehrer ihre Schüler in das Museum führen würden, erfüllte sich jedoch nicht. Erfolg hatten in einem regelmäßigen Turnus wiederkehrende Veranstaltungen wie Familiennachmittage in Zusammenarbeit mit der katholischen Familienbildungsstätte, zielorientierte Führungen mit der katholischen Erwachsenenbildung oder Führungen für Kommunionskinder im Rahmen der Kommunionsvorbereitung mit einem themenbezogenen Nachmittag, mit einem Führungs- und einem Kreativteil. Führungen wurden besonders in der Fasten- und in der Weihnachtszeit gefragt. Man plante Angebote, die auf die Stoffpläne der Schule zugeschnitten sind, insbesondere ab der 5. Klasse. (Vgl. Weber 1989. S. 202–210 und 226). 433 Vgl. Weber 2010. S. 11–14. 434 Vgl. Groß-Morgen 2010a. 435 Vgl. Groß-Morgen 2010. S. 9–10.

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beschrieben, besaß das Würzburger Priesterseminar durch die Schenkung Hofmanns eine Sammlung.436 Diese wurde ab 1966 von Jürgen Lenssen, welcher in selbiges Priesterseminar eingetreten war, verwaltet und erweitert. Lenssen studierte aus Eigeninitiative neben dem Studium der Theologie auch Kunstgeschichte und Volkskunde,437 durfte aber von Seiten des damaligen Bischofs nicht in Volkskunde promovieren438 und somit keinen validen Abschluss im kunsthistorischen Studium erwerben.439 Hier zeigt sich das oft von höheren Stellen monierte mangelnde Interesse der lokalen Kirche, eine stärkere kunsthistorische Ausrichtung in der Ausbildung zu fördern, obwohl wenige Jahre zuvor das „Zweite Vatikanische Konzil“ explizit auf die Wichtigkeit der Ausbildung von Klerikern in sakraler Kunstgeschichte hingewiesen hatte. Nach Lenssens Wechsel 1970 nach Münster (wegen des Theologieprofessors Karl Rahner)440 verwaiste die Sammlung bis 1985, bis das Diözesanarchiv die Sammlung übernahm. 1989 kam Jürgen Lenssen auf Anfrage des Würzburger Bischofs,441 als Bau- und Kunstreferent zurück nach Würzburg. Einen Raum für Kunst zu eröffnen, war eines seiner ersten Anliegen als Domkapitular,442 durch die Eröffnung von Museen schaffte er sich die Position als Leiter selbst.443 1990 eröffnete Lenssen in den vormals leer stehenden Erdgeschossräumen des Marmelsteiner Hofes die Diözesane Galerie „Marmelsteiner Kabinett“. Lenssen erwähnte und zitierte in seiner Eröffnungsansprache offizielle Verlautbarungen des Vatikans und der Deutschen Bischofskonferenz, wie das „Zweite Vatikanische Konzil“, die „Anmerkungen und Empfehlungen zum Verhältnis von Kirche und Kunst der Gegenwart“ und die Rede des Papstes in München 1980: „Diese wenigen Zitate […] mögen ausreichen, um die Dringlichkeit, die pastorale Notwendigkeit der widerholt formulierten Aufgabe der Kirche an der Kunst und den Künstlern hervorzuheben. Zugleich wird uns allen aber auch bewußt, daß unsere Diözese darum wußte und weiß.“444

436 Siehe Kapitel „Würzburg“ in „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1900–1962)“. 437 Vgl. Interview Würzburg (00:03:12). Das Interview Würzburg wurde am 27.05.2010 geführt. 438 Vgl. Interview Würzburg (00:16:18). 439 Vgl. Interview Würzburg (00:16:18). 440 Vgl. Interview Würzburg (00:03:12). 441 Vgl. Interview Würzburg (00:03:12). 442 Vgl. Interview Würzburg (00:03:12). 443 Vgl. Interview Würzburg (00:17:33). 444 Lenssen 1991. s. p.

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Lenssen bedankte sich besonders für die Unterstützung des Vorhabens bei Diözesanbischof Paul-Werner Scheele und beschrieb, dass das „Marmelsteiner Kabinett“ in der „Tradition der pastoralen Erkenntnisse und Forderungen“ stehe. Lenssen sah diesen Ort als ersten seiner Art an: „Hier ist erstmals im Reigen der deutschen Diözesen in einer ständigen Einrichtung dem Dialog zwischen Kirche und Kunst eine Stätte geschenkt, an der jener seine sichtbaren Früchte der Öffentlichkeit zu Auseinandersetzung mit ihnen vor Augen stellt […].“445 Hierzu ist jedoch anzumerken, dass es in Regensburg bereits seit 1986 Ausstellungsräume gab, in welchen auch ein Dialog mit zeitgenössischer Kunst stattfand.446 In Freising wurde zeitgenössische Kunst ab 1990 in einer eigenen Abteilung präsentiert. 447 Das Kölner Diözesanmuseum eröffnete zwar erst 1992 mit seinem neuen Konzept, 448 jedoch handelte es sich im Falle von Würzburg um eine Galerie und die hauseigene Sammlung der Diözese wurde erst seit 1990 intensiv erweitert.449 In Freising und Köln gab es zuvor schon Ankäufe und bei den Eröffnungen wurden eigene Werke präsentiert, so dass die Entwicklungen fast zeitgleich stattgefunden haben müssen. Konkret kann aber festgehalten werden, dass auch in Würzburg wieder das Jahr 1990 eine wichtige Rolle spielte. Bei der Eröffnungsausstellung in Würzburg zum Thema „Auferstehung“ wurden die von einer Jury450 ausgewählten Werke aus einem Wettbewerb präsentiert. Die meisten Werke waren von fränkischen Künstlern für den Wettbewerb geschaffen worden. Jährlich fanden nun etwa fünf Ausstellungen statt, welche sich mit „alter und neuer Kunst“ sowie mit der Diözesangeschichte beschäftigten.451 Manche Ausstellungen zeigten, wie die Eröffnungsausstellung, die Preisträger eines fränkischen Wettbewerbes zu einem christlichen Thema, 452 andere stellten bereits ge-

445 Lenssen 1991. s. p. 446 Siehe Kapitel „Regensburg“ in Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“. 447 Siehe Kapitel „Freising“ in Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“. 448 Siehe Kapitel „Köln“ in Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“. 449 Vgl. Lenssen 2003a. 450 In der Jury waren Rainer Beck, Präsident der Kunstakademie Nürnberg, Horst Schwebel, Ordinarius für kirchliche Kunst und Kirchenbau an der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Marburg und dem Maler Robert Höfling Hammelburg. (Vgl. Auferstehung 1990. S. 6). 451 Vgl. Lenssen 2003. S. 9–14. 452 Z. B. fand zur Ausstellung „Mensch Maria. Arbeiten fränkischer Künstler der Gegenwart“ 1992 ein Künstlerwettbewerb zum Ausstellungstitel statt. Aus den 54 eingereich-

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schaffene Werke internationaler Künstler zu einem christlichen Thema aus. 453 1992 wurde eine Stiftung mit jährlich 100.000 Euro zugunsten des „Marmelsteiner Kabinetts“ eingerichtet.454 Dies brachte der Einrichtung eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit von der Diözese. Auch außerhalb des Museums fanden Aktionen in der Diözese statt in Form von Gesprächen, Wettbewerben oder temporären Ausstellungen in Gemeinde- oder Kirchenräumen.455 Am 2.7.1996 wurde in der Diözese Würzburg im Diözesanpastoralrat der Text „Die Liturgie im Leben der Kirche“ beschlossen und vom Bischof in Kraft gesetzt. Vorausgegangen waren Gespräche mit den Kirchengemeinden, diözesanen Gremien und Vereinen und Verbänden der Diözese. Erstmals wurde eine diözesanamtliche Stellungnahme zum Verhältnis zwischen Kirche und „moderner Kunst“ beschlossen. Neben anderen Vorschlägen wird ein Besuch im damaligen „Marmelsteiner Kabinett“ empfohlen, um das Verständnis für Kunst und „moderne Kunst“ zu erweitern.456 Auf das „Marmelsteiner Kabinett“ folgte eine ganze Reihe von Museumseröffnungen, verteilt über die Diözese mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten. Das erste Teilmuseen wurde 1997 mit dem „Kartäusermuseum Tückelhausen“ eröffnet, welches geschichtliche Zeugnisse des Kartäuserordens präsentierte, sowie monastische und religiöse Werke fränkischer Künstler, die seit 1946 Kirchenräume des Bistums gestaltet haben.457 Die ausgestellten Werke wurden thematisch unter den Oberbegriffen „Vara Ikon“, „Symbol und Metapher“ und „Entwürfe“ zusammengefasst; es wurden sowohl Auftragswerke als auch frei gestaltete Arbeiten ge-

ten Werken wurden 31 ausgewählt. Die Künstler stammten überwiegend aus dem Bereich der Diözese. (Vgl. Mensch Maria 1993. S. 6). 453 Z. B. wurde die Ausstellung „Ein Kreuz. Moderne Werke zu Kreuz und Passion“ 1993 während der österlichen Bußzeit gezeigt und sollte diese begleiten. Es wurden Werke aus der eigenen Sammlung und von Leihgebern gezeigt. Es handelte sich u. a. auch um international anerkannte Künstler (Nitsch, Beuys, Longo). (Vgl. Ein Kreuz 1993. S. 7). 454 Vgl. Steiner 2009. S. 18. 455 So z. B. die Veranstaltung „Künstlergespräche“ welche zwischen Kunstschaffenden aus dem Bereich des Bistums und Vertretern des Bischöflichen Ordinariats und der Theologischen Fakultät der Universität stattfanden. Oder die Aktion „Kunstpassion“ welche zur Karwoche veranstaltet wurde. Hier wurden in vornehmlich ländlichen Pfarrgemeinden Kunstwerke zur Auseinandersetzung mit Tod und Auferstehung vom Kunstreferat in Zusammenarbeit mit beteiligten Künstlern ausgeliehen. Ebenfalls fanden Wettbewerbe zur Neugestaltung von Kirchenräumen sowie Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in der katholischen Hochschulgemeinde, im Priesterseminar oder in der Pfarrgemeinde in Zusammenarbeit mit dem Kunstreferat statt. (Vgl. Lenssen 1991. s. p.). 456 Vgl. Lenssen/Kahle 2001. S. 21–23. 457 Vgl. Koller/Lenssen 1997. S. 7.

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zeigt.458 1999 kam das „Museum Kartause Astheim“, welches sich mit der Geschichte der christlichen Bildverehrung beschäftigt, hinzu.459 Am 8.3.2000 wurde in den ehemaligen Räumen des „Marmelsteiner Kabinetts“ ein Domschatz eröffnet. Schlichte angestrahlte Glasvitrinen wurden in einem dunklen Raum präsentiert. Lenssen erklärte, dies solle die mystische Atmosphäre unterstreichen. In den Ausstellungsräumen wurde Musik gespielt, welche für den Würzburger Dom geschrieben worden war.460 Köln Im selben Zeitraum wie in Freising kommen in Köln zu Beginn der 1980er-Jahre die ersten Kunstwerke des 20. Jahrhunderts in die Sammlung. 1981 schenkte Domherr Müller461 dem Haus 13 Arbeiten von Ewald Mataré.462 Der damalige Direktor Schulten berichtete 1984 jedoch noch: „Räumliche Enge hindert das Museum daran, sich auch moderner kirchlicher Kunst in ausreichendem Maße zu widmen.“463 Bereits seit 1972 konnte der „Verein für christliche Kunst“ die Kosten des Kölner Diözesanmuseums nicht mehr tragen und das Museum wurde durch das Erzbistum Köln finanziert. 1989 wurde die Erzdiözese Köln offiziell Trägerverein des Diözesanmuseums.464 Das Museum erfuhr nun auch einen Wechsel in seiner Ausrichtung. Es wurden auf Betreiben Kardinal Meisners, welcher 1989 Erzbischof von Köln wurde, eine Neukonzeption465 und ein Neubau angestrebt.466 1990 wurde Joachim Plotzek neuer Leiter des Hauses (bis 2008), er hatte Kunstgeschichte studiert und promoviert. Bevor er die Leitung des Diözesanmuseums übernahm, war er von 1969 bis 1990 Kustos am Kölner Museum Schnütgen.467 War Plotzek der erste Leiter, welcher keine Priesterweihe besaß, so folgte sein Team diesem Ausbildungschema. Alle Mitglieder des Leitungsteams konnten mit einer Promotion eine 458 Vgl. Koller/Lenssen 1997. S. 29. 459 Vgl. Domschatz Würzburg 2011. 460 Jeder Raum war einem Thema gewidmet: „Geschichte des Domschatzes“, „Ausstattung des Domes“, „Der Dom als Grablege“, „Der Dom als Feierraum der Liturgie“ und „Der Dom als Bischofskirche“. Die Einrichtung des Museums hat rund 1 Million DM gekostet. (Vgl. Schenkel 2000). 461 Vgl. Schulten 1985. S. 20. 462 Surmann 1995. S. 13. 463 Vgl. Schulten 1985. S. 20. 464 Vgl. Schumacher 1999. S. 20f. 465 Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete am 8.11.1989 über die Aussage Kardinal Meisners, dass dieser eine Abteilung mit „moderner Kunst“ im Diözesanmuseum als einen Traum bezeichnete, den er hartnäckig träume. (Vgl. Plotzek 2003. S. 30). 466 Vgl. Kolumba Geschichte 2008. 467 Vgl. Roters 2010. S. 6.

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wissenschaftliche Ausbildung vorweisen.468 Als erste wurde Katharina Winnekes (1.3.1991) als Kustodin eingestellt. Kurz darauf (1.9.1991) wurde das Team mit Stefan Kraus erweitert. Eine weitere Kustodin wurde mit Ulrike Surmann am 1.4.1993 eingestellt.469 Somit gab es in den 1990er-Jahren erhebliche personelle Erweiterungen in Köln und das Museum verfügte im Vergleich zu anderen Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum mit vier wissenschaftlich ausgebildeten Fachkräften über die größte personelle Kraft. Das Diözesanmuseum wurde 1989 vorerst geschlossen, umgestaltet und mit einem neuen Konzept 1992 wieder eröffnet.470 In den 1990er-Jahren sind zahlreiche Publikationen über das neue Ausstellungskonzept erschienen, welches Plotzek gemeinsam mit seinem Kuratorenteam entwickelte. Das Museum der Diözese Köln ist eines der ältesten Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum und das einzige, welches durchgehend bestand. Es gab in den 1990er-Jahren bereits eine große Sammlung, diese wurde unter Plotzek erweitert. Bei der Auswahl der Werke sollte es nicht nur um die dargestellten Themen, sondern auch um die Motivation der Künstler gehen.471 Man suchte nach künstlerischen Deutungsstrukturen religiöser Vorstellungen und Strömungen innerhalb der abendländischen Geschichte und innerhalb dieser nach künstlerischer Qualität. Das Diözesanmuseum kümmerte sich um kirchengeschichtliche, religionsgeschichtliche und frömmigkeitsgeschichtliche Fragen, ebenso um Fragen, die biblische, heilsgeschichtliche, dogmatische Themen oder die private Andacht betreffen. Ein wichtiger sammlungspolitischer Aspekt war, dass man sich auf das Sammeln weniger Künstler beschränken wollte, deren Werke man verstärkt erwarb. Plotzek erklärte dies mit dem Wunsch, Konzentration und Intensität entstehen zu lassen.472 Neben zeitgenössischer Kunst wurden auch ältere Werke erworben, welche weiterhin auch eine zentrale Rolle in Ausstellungen spielten und unter hohem

468 Steinmann 2003; Winnekes 1984; Surmann 1990; Stefan Kraus nicht zu recherchieren. 469 Vgl. Plotzek 2003. S. 30. 470 Schuhmacher sieht in der Sammlung vor 1989 und ihrer überwiegend kunstgewerblichen Zusammensetzung „sakraler Kunstwerke“ mit einigen herausragenden Objekten und der relativ kleinen Ausstellungsfläche die Beweggründe für attraktive Neuankäufe und eine neue Konzeption der Präsentation, wollte man das Museum nicht zu einem unbedeutenden Regionalmuseum verkommen lassen. Die Reduzierung auf die Umstände ist fragwürdig. Sicherlich befördern widrige Umstände die Kreativität, neue Wege zu finden, jedoch muss das Konzept auch mit einer Einstellung zur Kunstvermittlung gesehen werden. So liegen grundsätzliche theoretische Auseinandersetzungen mit der Vermittlung der Neukonzeption zugrunde. (Vgl. Schumacher 1999. S. 87). 471 Vgl. Plotzek 1995. S. 20. 472 Vgl. Plotzek 1995. S. 9–12.

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Aufwand angekauft wurden.473 Dem Museum wurden in den 1990er-Jahren auch Schenkungen, sowohl „alter Kunst“ als auch „moderner Kunst“, gemacht.474 In Köln entstanden in den 1990er-Jahren auch Kunstwerke, die einen konkreten Ortsbezug hatten.475 Des Weiteren wollte man neben der bildenden Kunst auch andere Kunstformen einbeziehen.476 Erste musikalische Experimente und Vortragsreihen gab es schon 1992.477 Die Erwerbungen mussten mit dem Diözesanverwaltungsrat besprochen werden. 1994 wird z. B. über den Erwerb des Kunstwerks „Tragedia Civil“ von Jannis Kounellis berichtet, dem eine lange kontroverse Diskussion mit Mitgliedern des Diözesanverwaltungsrates und weiteren Vertretern des Erzbistums vorausgegangen sei.478 Neben solchen Diskussionen mit der Diözese gab es auch Verhandlungen mit Künstlern, deren Werke man ankaufen wollte. 1995 erklärte Gerhard Richter dem Museum die Bereitschaft, den Zyklus „18. Oktober 1977“ zu verkaufen, wenige Monate später meldete jedoch die „FAZ“, dass dieser an das „MOMA“ in New York ging. In der Tageszeitung gab Richter an, dass ihm der religiöse Kontext inhaltlich zu sehr in eine Richtung gehe.479 Bei der Präsentation der Werke durch Plotzek und sein Team sind drei Aspekte hervorzuheben: keine Beschriftungen im Ausstellungsraum, thematische Gruppierung der Exponate ohne chronologische oder Gattungszuordnungen und regelmäßig wechselnde Präsentationen. 1992480 arbeitete man erstmals ohne Beschilderung und 473 Wie z. B. das 1999 mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder und zahlreicher weiterer Mäzene erworbene Elfenbeinkruzifix aus dem 12. Jahrhundert. (Vgl. Kolumba Sammlung 2011). 474 1999 wurde dem Museum die Sammlung Härle geschenkt mit zwei Dritteln einer der ehemals bedeutendsten deutschen Privatsammlungen mittelalterlicher Skulptur. Ebenfalls 1999 gab es einen Teilnachlass von Andor Weininger (Bauhaus Weimar/Dessau) mit Werken der „klassischen Moderne“. In den 1990er-Jahren kam die Sammlung Renate König mit mittelalterlicher Buchmalerei hinzu und als Teilschenkung die 1000 Werke umfassende Sammlung von Künstlerbüchern von Edith und Steffen Missmahl. (Vgl. Kolumba Sammlung 2011). 475 Wie z. B. eine umfassende Foto-Dokumentation des Kolumba-Geländes vor dem Bau durch Ulrich Tillmann (1994). Oder die Geräusch-Aufnahme der im nördlichen Seitenschiff wohnenden Tauben durch Bill Fontana (1994). (Vgl. Plotzek 2003. S. 31). 476 Vgl. Plotzek/Kraus 1997. S. 98–99; Kraus 1997. 477 Vgl. Plotzek 2003. S. 30. 478 Eine ähnliche Episode: 1995 wurde im Diözesanverwaltungsrat der Ankauf von Arbeiten Rebecca Horns diskutiert, in zweiter Beratung wurde diesem zugestimmt. (Vgl. Plotzek 2003. S. 31–32). 479 Vgl. Plotzek 2003. S. 32. 480 Der Kunsthistoriker Schuhmacher vergleicht diese Art der Vermittlung des Kölner Diözesanmuseums mit staatlichen Ausstellungen der 1990er-Jahre, welche ebenfalls mit

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mit einer Eintrittskarte, welche als Kurzführer diente.481 Man wollte sich auf das Primäre konzentrieren, auf das Erleben des Werkes. Der übliche Prozess der Betrachtung, der vor das Sehen des Bildes das Lesen des Schildes stellt,482 sollte umgekehrt werden. Der Besucher sollte erst das Werk wahrnehmen und dann, wenn er möchte, im Kurzführer nachlesen. Man wollte ohne Audioguides,483 Text oder Shop dem Besucher ermöglichen, Kunst direkt wahrzunehmen. Fragen sollten erst beantwortet werden, wenn sie sich der Besucher selbst gestellt habe. Mehrdeutigkeiten sollten zugelassen und dadurch der autonome Status von Kunst betont werden. Die Präsentation der Kunstwerke erfolgte nicht nach ihrer Bekanntheit, sondern nach ihrer Intensität.484 Seit 1993 wurden im Kölner Diözesanmuseum gezielt mittelalterliche Werke zeitgenössischer Kunst gegenübergestellt.485 Durch die Kombination von Werken unterschiedlicher Epochen und Gattungen, die aber das gleiche Thema behandeln, sollte eine Interpretation nicht über das erklärende Wort, sondern über die Kunst selbst geschehen.486 Plotzek wollte dadurch eine Wechselwirkung zwischen den Werken schaffen und das jeweilige Besondere bewusst machen.487 Die Korrespondenzen zwischen den Werken sollten einzig und allein durch verwandte oder gegensätzliche künstlerische Anliegen geschaffen werden.488 Die Präsentation sei der erste und wichtigste Aspekt der Vermittlung. Diese solle nicht in der Ordnung der Kunstgeschichte stattfinden, die in Büchern besser nachvollzogen werden könne,

Begleitbroschüren arbeiteten. Es ist richtig, dass in einigen Ausstellungen, wie z. B. 1998/99 in der Ausstellung „Innenleben“ des Städelschen Kunstinstituts in Frankfurt am Main, mit einem Kurzführer gearbeitet wurde, jedoch waren trotzdem Objektbeschriftungen vorhanden. Der wesentliche Aspekt des Konzepts des Kölner Diözesanmuseums liegt jedoch vielmehr im vollkommenen Weglassen der Objektbeschriftungen. (Vgl. Schumacher 1999. S. 91). 481 Vgl. Plotzek 2003. S. 30. 482 Plotzek beschreibt das Phänomen von Museen, in denen man nicht verweilt, sondern einfach nur hindurch läuft, um Bekanntes als solches abzuhaken, sich aber nicht mit den Werken auseinandersetzt, und sieht das Phänomen der Beschriftung eher als Blockade für eine Auseinandersetzung mit dem Werk, weil man durch sie eine vermeintliche Erklärung erhält, auch wenn es sich nur um eine Jahreszahl und die Angabe „ohne Titel“ handelt. (Vgl. Plotzek 1995. S. 23). 483 Vgl. Plotzek 1995a. S. 9–11. 484 Vgl. Kraus 2003. S. 34. 485 Vgl. Plotzek 2003. S. 31. 486 Vgl. Plotzek 1995a. S. 18. 487 Vgl. Plotzek 1995. S. 13. 488 Vgl. Plotzek/Kraus 1997. S. 98–99.

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sondern von der „lebendigen Präsenz der Werke“ ausgehen.489 Der Kunsthistoriker Schuhmacher nannte die Arbeit von Georg Swarzenski wegweisend für diese Art der Präsentation. Swarzenski war ab 1906 Direktor des Städelschen Kunstinstituts und der Städtischen Galerie in Frankfurt am Main gewesen und stellte ahistorisch Frankfurter Künstler französischen Expressionisten gegenüber. Swarzenski befand ebenfalls, dass die Aufgabe des Kunstmuseums in der unmittelbaren sinnlichen Erfahrung der Werke liege und kunsthistorisches Wissen auch durch Reproduktionstechniken vermittelt werden könne.490 Seit 1993 fand im Kölner Diözesanmuseum unter dem Titel „Wiederbegegnung mit dem Unbekannten“ etwa alle drei Monate ein Wechsel der Präsentation statt. Werke wurden gegenübergestellt und sollten in einen Dialog kommen.491 Die Intention war, Besucher öfter zu nicht geplanten, kürzeren Besuchen einzuladen. Plotzek hoffte, dass das Museum mit Selbstverständlichkeit in den Alltag der Menschen integriert würde492 und Kraus verglich dies mit dem Besuch eines Gartens. 493 Freier Eintritt sollte ein Leistungsdenken verhindern,494 eine wechselnde Intensivität der Raumbestückung – manche Räume dicht bestückt und andere nur mit einem Kunstwerk – zu einer stärkeren Erlebbarkeit führen und die Räumlichkeiten zu einem bequemen Verweilen einladen.495 Als Beispiel nannte Plotzek Vitrinen, auf die man sich aufstützen konnte.496 Allgemein sollte jedoch eine reduzierte Anzahl von Exponaten die Auseinandersetzung mit dem Werk befördern.497 Die Kuratoren betrachteten das Künstleratelier in seiner Funktion als Ort der Schaffung von Kunst als Ausgangspunkt für dieses Präsentationskonzept, da in einem Künstleratelier nicht nur Kunst zu sehen sei, sondern auch private, scheinbar wertlose Gegenstände. Weiterhin sei es ein Ort, an welchem gelebt und gearbeitet würde. Die Kunst sei nicht geordnet und etikettiert, sondern erscheine meist fremd und diese Fremdheit lasse sich nur mit Neugier und Zeit überwinden.498 Auch in der Vermittlungsarbeit wurden neue Akzente gesetzt. Seit 1993 fanden statt Führungen Werkgespräche „in Form einer gemeinsamen Betrachtung mit offe489 Vgl. Kraus 1999. S. 66. 490 Vgl. Schumacher 1999. S. 90–91; Sonnabend/Beck 1990. 491 Vgl. Kraus 1997. 492 Vgl. Plotzek 1995a. S. 19–20. 493 „Vielleicht kommt das Bild eines Gartens, in dem die eigenartigsten Pflanzen abhängig von den Jahreszeiten zur Blüte kommen, dieser Auffassung von Museum am nächsten.“ (Kraus 1997). 494 Vgl. Kraus 1997. 495 Vgl. Plotzek 1995a. S. 17. 496 Vgl. Plotzek 1995a. S. 12. 497 Vgl. Plotzek/Kraus 1997. S. 98–99. 498 Vgl. Kraus 1999. S. 65-67.

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nem Ergebnis“ statt.499 Plotzek hoffte, dass durch die geführten Gespräche der Besucher seine eigene Wahrnehmung schärfen und existentielle Sinngebung finden könne. Es sollte ein Sich-Einlassen auf Kunst sein, bei der es nicht um Quantität (möglichst viel sehen), sondern um Qualität gehe.500 Kraus beschrieb, dass zu den Mitteln der Gesprächsbegleitung Schweigen, Ironie, Provokation oder der Versuch, einen roten Faden zu finden, gehören. Es könne ein Werk im Mittelpunkt stehen oder aber können allgemeine Kunstfragen thematisiert werden. Der Mitarbeiter Kraus selbst sah diese Form der Vermittlung, welche mit der Unmittelbarkeit des Werkes und der Persönlichkeit des Besuchers arbeite, in einer langen Tradition.501 Ein Beispiel für Vermittlung in dieser Tradition ist Alfred Lichtwark. Dieser führte im Winter 1896/97 eine Übung an der Hamburger Kunsthalle mit Schülerinnen einer Höheren-Töchter-Schule durch, die er „Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken“ nannte. Der Museumsdirektor Lichtwark war begeistert von der spontanen und unvoreingenommenen Betrachtungsweise der Schülerinnen. Lichtwark sah neben dem sachlichen Inhalt in einem Kunstwerk auch etwas, das man fühlen müsse.502 Katharina Winnekes schrieb 1991 in einem Aufsatz über die Vermittlung durch die Sinne anstatt einer vorwiegend kognitiven Auseinandersetzung und thematisiert die damit verbundenen Probleme. Der Titel des Aufsatzes lautete „Schule der Sinne und der Phantasie?“503 1996 beschrieb Kraus ein Konzept für die Arbeit mit Kindern, welches die Kreativität fördern solle, jedoch fehlten zu diesem Zeitpunkt räumliche und personelle Mittel.504 Seit 1991 lag der Schwerpunkt der Vermittlung auf Erwachsenenbildung, sowie auf Lehrer- und Priesterfortbildungen.505 Zu den Grundlagen der Vermittlungsarbeit gehörten auch Publikationen zur Nachbereitung des Museumsbesuchs. Sie sollten neben Sachinformationen weitere Blickmöglichkeiten eröffnen. Allgemein räumte Kraus jedoch ein, dass das oben genannte Konzept der Kunstvermittlung nur eine Möglichkeit sei und kein allgemein gültiges, die Vermittlung solle immer auf die Sammlung reagieren.506 In Köln beschäftigte man sich auch mit der Frage des Verhältnisses zwischen Kunst des 20. Jahrhunderts und der katholischen Kirche. Der kirchliche Träger 499 Vgl. Plotzek 2003. S. 31. 500 Vgl. Plotzek 1995. S. 25. 501 Vgl. Kraus 1997. S. 24–26. 502 Vgl. Sello 1997. S. 9–16. Auch Schuhmacher sieht die dialogische Ausrichtung und gesprächsweise Heranführung innerhalb einer Gruppe Lichtwarks als einen Vorläufer der Methode Kolumbas. (Vgl. Schumacher 1999. S. 89). 503 Vgl. Winnekes 1991. 504 Vgl. Kraus 1997. 505 Vgl. Plotzek 2003. S. 30. 506 Vgl. Kraus 1997.

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wurde von Plotzek nicht als einengend, sondern als präzisierend wahrgenommen.507 Die Verbindung zwischen Kunst und Kirche bestehe im Dialog über gleiche Themen, die von der Kunst selbstständig angesprochen würden und nicht von der Kirche vorgegeben seien.508 Plotzek beschrieb hier also eine Haltung, die die Autonomie der Kunst anerkennt und sich ähnlich in Aussagen Papst Johannes Paul II. wiederfinden lassen. Auch Plotzeks Mitarbeiterin, die Kuratorin Winnekes, bezog sich 1995 auf Papst Johannes Paul II.509 Sie formulierte, dass die Frage nach religiös relevanter Kunst weder dezidiert christliche Ikonographie noch christliche Gesinnung und Lebensweise des Künstlers beinhalte, jedoch die Forderung nach Aktualität.510 1994 beschrieb Plotzek das Kölner Diözesanmuseum als einen Ort, der zum Verweilen einlädt, an dem man sich vertiefend in die Auseinandersetzung mit dem Unbekannten und den vielfältigen Möglichkeiten von Kunst einlassen könne „[…] mit dem Ziel, religiöse Dimensionen und Wege, im weitesten Sinne Spiritualität begreifbar und erlebbar werden zu lassen.“511 Im Vergleich zum Sakralraum sah er das Diözesanmuseum als neutrale Bühne.512 Kraus sprach dem Diözesanmuseum auch einen gesellschaftlichen Auftrag zu, welcher vor allem auch der Auftrag des Trägers sei: Das Kölner Diözesanmuseum solle ein Freiraum für die Phantasie und Erinnerung sein, welcher hinführen könne zu Fragen der Existenz, des Glaubens und des „Woher und Wohin“.513 Winnekes sah für den kirchlichen Träger in der Kunst die Möglichkeit, über die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Sichtweisen der Welterfahrung zum Menschen zu finden. Für den Besucher solle es durch ständig neu konstituierte Sinngeflechte eine Herausforderung und ein gesellschaftlich relevanter Ort werden.514 Von Seiten der Diözese sprach Domkapitular Feldhoff: „Dieses Museum hat eine eminente missionarische und pastorale Aufga507 Vgl. Plotzek 1995. S. 20. 508 „[…] welche Kunstströmung, welcher Künstler, welches Werk innerhalb eines Œuvres trifft – mit welchen gewohnten oder neuartigen Mitteln auch immer – Anliegen der Kirche, welche künstlerischen Diskurse und Positionen sind fähig, in einen Dialog christlichen Inhalts mit der Kirche zu treten, welche tun dies am eindrücklichsten und radikalsten. Wohl gemerkt, die Frage geht von der Kunst aus – denn das Diözesanmuseum ist ein Kunstmuseum – und nicht etwa von einer fiktiven Forderung der Kirche, bereits bekannte Inhalte künstlerisch zu bestätigen, nach zu erzählen oder vorgegebene Erwartungen zu erfüllen.“ (Plotzek 1995. S. 11). 509 Siehe Kapitel „Die Ansprache an die Künstler von Papst Johannes Paul II. in München“. 510 Vgl. Winnekes 1995. S. 6–10. 511 Plotzek 1995. S. 27. 512 Vgl. Plotzek 1995. S. 12. 513 Vgl. Kraus 1999. S. 68–69. 514 Vgl. Winnekes 1995. S. 10–11.

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be, ohne daß hier bitte irgendetwas religiös verbrämt oder verfälscht werden soll, sondern dadurch, daß es seine Aufgabe ernst nimmt.“ 515 Ganz praktisch gesehen hatte das Diözesanmuseum auch die Aufgabe, Gemeinden zu zeitgenössischer Kunst zu beraten,516 Winnekes wurde 1993 in die Kunstkommission des Erzbistums berufen.517 Kraus betonte, dass man sich als ein Kunstmuseum in kirchlicher Trägerschaft sehe.518 Plotzek verortete das Kölner Diözesanmuseum bewusst im regionalen Kontext, wollte sich aber von Provinz- und Regionalmuseen der Kirche, die die Kulturlandschaft des Bistums dokumentieren, genauso absetzen wie von großen Kunstmuseen, die kunsthistorisch-stilistisch angelegt sind.519 Die Mitarbeiter des Kölner Diözesanmuseums setzten sich auch mit dem wissenschaftlichen Ansatz der Kunstgeschichte und der Museologie auseinander, wobei man die eigene Arbeit nicht als Präsentation von Kunstgeschichte verstand, sondern als Beitrag zur Kunstgeschichte.520 In diesem Kontext stellten die Kuratoren ihre Arbeit bei internationalen Tagungen vor. 521 Kraus plädierte im Jahre 2000 auf einem Kolloquium auf Einladung des „Louvre“ dafür, Museen nach qualitativen Maßstäben zu beurteilen und nicht nach der Quantität der Austellungsflächen. Unter qualitativ subsumierte er: unabhängige Kuratoren, authentische Auseinandersetzung mit Kunstwerken, individuelle Konzepte und Sammlungsstrukturen, Raum für eigene individuelle Entdeckungen des Besuchers.522 Das Konzept des Kölner Diözesanmuseums fand durchaus auch bei anderen Museen Interesse. Ein internationales Kolloquium zur Vermittlungsarbeit an Kunstmuseen zitierte das Konzept des 515 Feldhoff 1997. S. 9. 516 Vgl. Plotzek 1995. S. 7. 517 1998 wurde sie z. B. als Beraterin zum Neubau der Kapelle der katholischen Bischofskonferenz hinzugezogen. (Vgl. Plotzek 2003. S. 30–34). 518 Vgl. Kraus 2003. S. 27. 519 Vgl. Plotzek 1995. S. 9. 520 „Die Präsentation versteht sich nicht als Folge, sondern als Beitrag zur Kunstwissenschaft. Sie entfaltet eine Ordnung, die von der Wahrnehmung der Werke ausgeht und sie wirkt als musealer Beitrag einer Erfahrung im Umgang mit Originalen befruchtend auf das, was die Kunstwissenschaft beschäftigt.“ (Kraus 1999. S. 67). 521 Z. B. Hält Katharina Winnekes 1999 einen Vortrag am Savannah College for Art and Design in Georgia (USA): „The infinite Space Expands: Ideas for a new museum of medieval and contemporary art“ (Vgl. Plotzek 2003. S. 35); oder Stefan Kraus: „Plädoyer für ein lebendes Museum. Das Erzbischöfliche Diözesanmuseum in Köln“. Vortrag gehalten im März 2000 in Paris auf dem Kolloquium „Die Zukunft der Museen“ auf Einladung des Musée du Louvre. (Vgl. Kraus 2003); 1999 sprach Kraus auf der Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes und stellte das Kölner Diözesanmuseum vor. (Vgl. Kraus 1999). 522 Vgl. Kraus 2003. S. 32.

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Kölner Diözesanmuseums mit einem Text von Joachim Plotzek in der Einführung als eine Prämisse der Veranstaltung.523 Der Kollege Steiner aus Freising berichtete 1997 über das Kölner Museum, dass es in der Kunstszene einen guten Ruf habe und das Ansehen der Institution „Diözesanmuseum“ verbessert habe. 524 1998 hatte es eine Kooperation mit der Kunsthalle Baden-Baden gegeben. Das Kölner Diözesanmuseum war als Gast eingeladen, die Räume der Kunsthalle mit dem in Köln erdachten Konzept zu bespielen, welches auf diese Weise erstmals in diesem Umfang erprobt wurde.525 Seit 1994 findet sich der Name „Kolumba“ in Publikationen.526 Bereits während des laufenden Architekturwettbewerbs sagte Domkapitular Norbert Feldhoff auf dem Rückfragekolloquium, dass man von der Begrifflichkeit „Museum“ wegkommen und hier nur noch von „Kolumba“ sprechen möchte.527 Der Umzug in den Neubau und die Umbenennung des Diözesanmuseums wurden von Schuhmacher als Bewusstmachung nach außen gesehen und bewirkten auch einen Wandel des Selbstverständnisses. Mit dem Namen „Kolumba“ bezeichnet sich das Museum nach dem Ort, an dem der Neubau entstehen sollte, einem Ort, der eng mit der Kölner Stadtgeschichte und dem religiösen Leben verbunden war.528 Es ist jedoch auch zu bedenken, dass man sich durch diese Umbenennung gleichzeitig von der Institution des Museums im Allgemeinen und von der des Diözesanmuseums im Besonderen distanzierte. Schon seit 1992 beschäftigte man sich in Köln mit der Idee eines Neubaus. Der Bau sollte mit dem oben beschriebenen neuen Konzept des Museums im Verhältnis stehen.529 Dem Neubau ging eine intensive Beschäftigung des Kuratorenteams mit Museumsarchitektur voraus. So betrachtete das Team die Entwicklung der Institution Museum und beanstandete, dass dieses oft zum Konsumtempel geworden wäre.530 Da man bei aktuellen Museumsbauten nicht die richtigen Antworten fand, wurden Künstler nach ihren Erwartungen für „Räume für die Kunst“ befragt, die über 30 Antworten dienten als Leitfaden für den Architekturwettbewerb. In diesem wurden die ausschlaggebenden Faktoren festgehalten: Berücksichtigung des Ortes, Umsetzung der gedachten Nutzung und materielle Beschaffenheit.531 Um den Ar523 Vgl. Kraus 1997. 524 Vgl. Arbeitsgemeisnchaft 1997a. 525 „Der unendliche Raum dehnt sich aus. Zu Gast in der Kunsthalle Baden-Baden 5.9. bis 1.11.1998“ (Vgl. Plotzek 2003. S. 34). 526 Vgl. Kraus 1995. 527 Vgl. Feldhoff 1997. S. 9. 528 Vgl. Schumacher 1999. S. 29. 529 Vgl. Kolumba Museumskonzept 2011. 530 Vgl. Kraus 1995. S. 12–16. 531 Vgl. Kraus 1997a. S. 21.

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chitekten des „Kolumba“ zu finden, wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben.532 Bereits 1995 gab es eine Publikation mit vorläufigen Ergebnissen dieser Beschäftigung.533 Am 6.11.1995 wurde auf einer Priesterratssitzung in Bensberg mit ca. 100 Teilnehmern über das Vorhaben eines Neubaus abgestimmt. Man entschied sich mit zwei Gegenstimmen und fünf Enthaltungen für einen Neubau.534

532 In der Präambel des Auslobungstextes heißt es: „Zur Sensibilisierung von Wahrnehmung: Wir wünschen uns ein lebendes Museum bezogen auf die Realität und die Würde des Vorhandenen, eine raumschaffende Architektur, zurückhaltende und langlebige Materialien, ein Minimum an Technik, Einfachheit und Funktionalität im Detail, eine sorgfältige und materialgerechte Ausführung, einen selbstverständlichen Ort für die Menschen und die Kunst.“ (Plotzek/Kraus 1997. S. 90) Das Kunstwerk der „Portable Ozean“ von Paul Thek (1933–1988) war das Leitmotiv des Architekturwettbewerbs für das Kolumba Museum. Es handelt sich um einen blaulackierten Wagen mit Bauklötzen, der von einem Schweifstern gezogen wird. Für Stefan Kraus stellt dieses Kunstwerk den Gegensatz oder doch die Einheit des festen Niederlassens und Ziehens, des in Bewegungbleibens dar. Gleichzeitig drückt es die Formfindung im Spiel, für welches die Bauklötze stehen, aus und spricht dafür, das Material und die Form wirklich wahrzunehmen. Krause sagt, „Kolumba“ solle als Ganzes erfahrbar werden, die Geschichte solle aufgefasst und es soll Raum für die Auseinandersetzung mit Kunst geschaffen werden. (Vgl. Kraus 1997a. S. 17) Es gab aber auch ganz praktische Anweisungen, so wurden ein großes Foyer für Veranstaltungen und ein Bistro gefordert. Der Charakter der Ausstellungsräume soll schlicht sein, verschiedene Ausblicke bieten und zum Verweilen einladen, des Weiteren sollen die Räume unterschiedliche Größen besitzen. Es sollen Haupt- und Nebenwege gestaltet werden, so dass keine feste Führung vorhanden ist. Die Decken, Wände und Böden sollen zurückhaltend sein und eine gleichmäßige Struktur besitzen und einen festen und tragenden Eindruck vermitteln. Helligkeit soll hauptsächlich durch das Nutzen des wechselnden Tageslichtes hergestellt werden und künstliches Ober- und Seitenlicht nur, wenn es unvermeidbar ist, angewendet werden. Unauffällige, möglicherweise fest integrierte Sitzgelegenheiten zum Verweilen sollen bestehen. Außerdem soll das Raumklima eher über Konstruktion und Baustoffe erreicht werden als über Technik und eine Bibliothek soll vorhanden sein. (Vgl. Plotzek/Kraus 1997. S. 104–106) Kraus ergänzt, dass die Akustik beachtet werden soll, man wolle sich nicht abschotten und das Leben ausschließen. Bilder sollen direkt an die Wand und nicht durch Fäden und Leisten die eine Vorläufigkeit und Zufälligkeit suggerieren, angebracht werden. (Vgl. Kraus 1995. S. 12–16). 533 Vgl. Kraus 1995. 534 Vgl. Plotzek 2003. S. 32.

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Mainz Im Mainzer Diözesanmuseum war von 1969 bis 1988 Wilhelm Jung Direktor. Er beschrieb 1986, dass dem Aufgabenbereich der Vermittlung neben den klassischen Museumsaufgaben besondere Aufmerksamkeit zukommt und viele Besuchergruppen durch geschulte freie Mitarbeiter und ihn persönlich durch das Museum geführt wurden. Dabei sollten neben kunsthistorischen Fakten besonders historische und religiöse vermittelt werden.535 Jung war auch in der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“ engagiert und hatte von 1969 bis 1986 die Geschäftsführung des Vereins inne. 1988 ging das Amt des Direktors und gleichzeitig Diözesankonservators536 an den Kunsthistoriker Jürgen Kotzur, welcher aus der Denkmalpflege stammte, aber auch schon beim Aufbau anderer Diözesanmuseen mitgeholfen hatte. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit fanden von 1989 bis 1994 Umbauarbeiten statt. In seinen Ausführungen betonte Kotzur den inhaltlichen Wechsel, den das Museum durch den Direktorenwechsel durchlaufe. Kotzur wollte den Besucherinnen und Besuchern ein attraktives Haus mit einer zeitgerechten Präsentation bieten. Er erweiterte die Ausstellungsfläche von 2.000 m2 auf 3.000 m2. Dadurch machte er das Mainzer Diözesanmuseum zum zweitgrößten in Deutschland (nach Freising mit 4.000 m2). Die Dauerausstellung sollte nach einem „klaren didaktischen und ästhetischen Konzept“537 neugeordnet werden. Durch die neuen historischen Räumlichkeiten konnten die Exponate des Früh- und Hochmittelalters in ihrer zeitgenössischen Architektur präsentiert werden. Wichtige Exponate wurden so aufgestellt, dass sie von der Rückseite und aus extremer Seitensicht betrachtet werden konnten, was ihrer originalen Anbringung entsprechen sollte. Als nicht mehr zeitgemäß angesehen wurden Präsentationen aller Gattungen und Epochen in einem Raum sowie dichtgedrängte Aufstellungen.538 Die Konstruktion und die Farbigkeit der Ausstellungsarchitektur sollten diskret sein und die Exponate harmonisch verbinden. Exponate wurden zu Ensembles zusammengefügt: „Solche Ensemblebildungen machen nicht nur vergangene historische Kontexte sinnfällig, sondern erzeugen auch Stimmungen, die alternativ zu einem reinen, distanzierten ‚Kunstgenuss‘ aufgenommen werden können.“539 In Mainz betrieb man um 1990 somit eine ähnliche Aufstellung wie im Falle des Freisinger Lukasbildes (1994).540 Auch hier wurde versucht, eine „ursprüngliche“ Atmosphäre der Kunstwerke durch einen rekonstruierten Raumaufbau wiederherzustellen. Weiterhin sollte ein aussagekräftiges 535 Jährlich kamen ca. 70 000 Besucher. (Vgl. Jung 1986. S. 44). 536 Vgl. Kotzur 1995. S. 235–239. 537 Kotzur 1995. S. 235-239. 538 Vgl. Kotzur 1995. S. 235-239. 539 Ecker 2008. S. 94. 540 Siehe Kapitel „Freising“ in Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“.

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Verhältnis zwischen Raum und Objekt geschaffen werden und man verzichtete bewusst auf umfangreiches Erläuterungsmaterial wie Wand- und Tafeltexte, um dem Besucher die Freiheit zu lassen, selbst Sinnzusammenhänge herzustellen und die Raumwirkung ungestört wahrzunehmen.541 Der Gedanke des Museums war, das Museum der katholischen Kirche als Ersatzheimat „religiöser Kunst“ zu sehen.542 Der Besucher sollte die religiösen und historischen Hintergründe wahrnehmen. Bischof Karl Lehman sprach von einer „Schule des Sehens“543 – Begriff, den die „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“ im selben Jahr in ihrem „Rom-Dokument“ geprägt hatte.544 Eine Reihe von Sonderausstellungen zu Themenschwerpunkten wie Religionsgeschichte, Bistumsgeschichte und (kirchliche) Stadtgeschichte wurden veranstaltet. Die Ausstellungen sollten auch mit einer zu publizierenden wissenschaftlichen Forschung verbunden sein. Neue Exponate wurden durch Kauf, Schenkung oder als Dauerleihgabe erstanden, um Lücken zu schließen.545 In Mainz wurde keine Sammlung zeitgenössischer Kunst aufgebaut, eine Erweiterung und Neuausrichtung der Ausstellungsflächen zu einem atmosphärischen Raum spielte sich jedoch auch hier wieder um das Jahr 1990 ab. Das Museum sollte nicht der primäre Ort für Kunst, sondern dem Kirchenraum nachgeordnet sein (Ersatzheimat). Das Museum sollte demzufolge gleichzeitig den Kirchenraum nach-, aber keine Konkurrenz zu ihm bilden. Angestrebt wurde ein Raumerlebnis, das eine Nähe zu den Objekten evozierte und keine distanzbildende textuelle Vermittlung. Es ging in Mainz also nicht mehr primär, wie in den 1970er-Jahren, um Vermittlung historischer Zusammenhänge – Kunst, Frömmigkeit oder die Diözese betreffend –, sondern um die Vermittlung durch das Erleben von Kunst. Bamberg In Bamberg war Bruno Neundorfer bis 1991 Museumsdirektor, danach übernahm Renate Baumgärtel-Fleischmann, Kunsthistorikerin, das Amt (bis 2002).546 Sie war 541 Vgl. Ecker 2008. S. 96. 542 „Von der architektonischen Erschließung der Räume bis hin zur Platzierung der einzelnen Exponate stehen alle Arbeiten im Dienste der Verdeutlichung des ursprünglichen Funktionszusammenhangs dieser Kunstwerke [...]. So ergab sich die Chance zur Umsetzung eines Ausstellungskonzeptes, das sich zum Ziel gesetzt hat, die liturgischen Gegenstände und sakralen Kunstwerke nicht ahistorisch, museal-abstrakt zu präsentieren, sondern sie in einen angemessenen Rahmen zu stellen, damit dem Besucher ursprüngliche Bedeutungszusammenhänge auf einfache Weise nahegebracht werden.“ (Vgl. Kotzur 1995. S. 239). 543 Vgl. Kotzur 1995. S. 235-239. 544 Siehe Kapitel „Die Arbeitsgemeinschaft formuliert inhaltliche Ziele (1990–2000)“. 545 Vgl. Kotzur 1995. S. 235–239. 546 Vgl. Seifert 1995. S. 240–243.

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über ihr Promotionsthema „Bamberger Plastik zwischen 1470 und 1520“ mit dem Museum in Kontakt gekommen.547 Am 11.6.1993 wurde die Neueinrichtung des Bamberger Diözesanmuseums eingeweiht. Das 1966 eröffnete Diözesanmuseum befand sich weiterhin im Domkapitelhaus. Die Generalsanierung hatte zwischen den Jahren 1985 und 1993 stattgefunden, das Museum konnte während der Umbauten geöffnet bleiben. Die Ausstellungsfläche wurde durch die Umbauten vergrößert und es wurde ein Raum für Wechselausstellungen geschaffen. Bei der Neugestaltung gab es zwei Zielvorgaben: Man wollte den damaligen konservatorischen und musealen Maßstäben entsprechen und die liturgische Herkunft wie die kirchliche Bedeutung der Exponate veranschaulichen, idealerweise durch passende Räumlichkeiten.548 Jedem Raum wurde ein Thema zugeordnet, wobei man versuchte, innerhalb des Raumes eine chronologische Ordnung herzustellen. Besonders wichtige Exponate wollte man durch eine hervorgehobene Präsentation betonen. Einige Stücke waren weiterhin im liturgischen Gebrauch. In einer Museumskritik von Siegfried Seifert heißt es: „Didaktische Hinweise für den Besucher sind in jedem Raum zu den Sachgebieten und bei den einzelnen Gegenständen angebracht. Die knappe Art und Weise der Hinweise ist wohltuend und zeigt, daß die Verantwortlichen auch auf die Wirkmächtigkeit der Stücke an sich vertrauen und diese erst einmal selbst auf den Beschauer wirken und zu dem Besucher sprechen lassen.“549

Zeitgenössische Kunst spielte in Bamberg bis zur Jahrtausendwende keine Rolle, doch auch hier fanden zu Beginn der 1990er-Jahre Umbauarbeiten statt, wie auch bei den anderen Häusern versuchte man, Raum hinzuzugewinnen und dies vor allem für Sonderausstellungen.

547 1978 wird Renate Baumgärtel auf Honorarbasis im Bamberger Diözesanmuseum angestellt, zwei Jahre später arbeitet sie auf einer Halbtagsstelle, die 1984 zu einer Dreiviertelstelle aufgestockt wird. Zum 1.9.1991 übernimmt sie schließlich in der Nachfolge von Bruno Neundorfer die kommissarische Leitung des Diözesanmuseums. (Vgl. Kuschbert 2012). 548 „In dem Gang vor den Räumen des Erdgeschosses sind Devotionalien ausgestellt. Das ist eine sehr geglückte Ortswahl. Räumlichkeit und Art der Ausstellung erinnern in geschickter Weise an die Aufbewahrung solcher Devotionalien in Votivkammern an Wallfahrtorten und vermitteln dadurch dem Besucher die einzelnen Stücke religiöser Volkskunst und Klosterarbeiten in ihrem Andachtscharakter.“ (Seifert 1995. S. 242). 549 Seifert 1995. S. 242–243.

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Paderborn In Paderborn wurde 1990550 Christoph Stiegemann Direktor des Diözesanmuseums. Auch in Paderborn wurde die Direktoren-Position somit mit einem Kunsthistoriker besetzt, durch Stiegemanns Familie 551 und seine Forschungsinteressen 552 wurden bereits vor seiner Anstellung Bezüge zur Diözese hergestellt. Bevor er Direktor des Diözesanmuseums wurde, arbeitete er dort als wissenschaftlicher Assistent. Weiterhin leitete er seit 1994 die Fachstelle „Kunst“ im Erzbischöflichen Generalvikariat und wurde Vorsitzender der Kunstkommission, 1998 Domkustos und 2001 Honorarprofessor für Geschichte der christlichen Kunst am Erzbischöflichen Priesterseminar in Paderborn.553 Kurz nach seinem Amtsantritt gestaltete Stiegemann das Museum neu. Der Bau von Böhm musste wegen gravierender baulicher und funktionaler Mängel von 1991 bis 1993 zur Sanierung geschlossen werden. Das Raumkonzept von Böhm wurde im Prinzip beibehalten, aber durch wandhohe Brüstungen wurden die einzelnen Raumkompartimente gegliedert, welche dadurch einen ruhigeren Hintergrund und eine stärkere Konzentration auf die einzelnen Exponate schaffen sollten. Ein Foyer und ein Seminarraum für museumspädagogische Veranstaltungen wurden geschaffen.554 Für die Betreiber war wichtig, dass – trotz einer schwierigen finanziellen Situation – ein ansprechendes museumspädagogisches Programm entwickelt wurde, um die Sammlung einem möglichst großen Interessentenkreis zu erschließen.555 Der Schwerpunkt der Sammlung des Paderborner Diözesanmuseums lag darin, einen Überblick über typologische und künstlerischstilistische Entwicklungen christlicher Themen zu geben, wie z. B. der Darstellung Mariens. Die Ausstellung wurde 1993 nach zeitlichen, thematischen und gattungsspezifischen Gesichtspunkten gegliedert. Man hielt an der Idee der Vermittlung des geschichtlichen Ablaufs fest. Jedoch wurde betont, dass das einzelne Kunstwerk selbst im Mittelpunkt stehe, dieses würde mit seinen Gebrauchspuren für sich sprechen. Die Vermittlung solle auch über Querbezüge zu anderen Kunstwerken statt550 Zuvor erscheint Domvikar und Diözesankunstbeauftragter Karl Josef Schmitz als Herausgeber von Schriften des Diözesanmuseums Paderborn. (Vgl. Gotische Vesperbilder 1980 und Bild und Botschaft 1990). 551 Sein Vater war Architekt und verantwortlich für zahlreiche Kirchenbauten im Bistum Paderborn. (Vgl. Paderborn 2009). 552 Stiegemann studierte sowohl Kunst als auch Kunstgeschichte, Philosophie und Pädagogik in Münster und promovierte über einen Paderborner Dombildhauer. (Vgl. Stiegemann 1989). 553 Vgl. Stiegemann 2002. Klappentext. 554 Vgl. Stiegemann 1993. S. 161–162. 555 Im Jahr nach der Eröffnung fanden eine Vortragsreihe und eine Reihe von Museumskonzerten statt. Ebenso wurde ein Förderkreis gegründet, der Sponsoren aus der privaten Wirtschaft zusammenführen sollte. (Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1993).

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finden und die textliche Vermittlung solle nicht im Vordergrund stehen. Man wolle dem Besucher Freiraum für seine eigene Betrachtung gegeben.556 Neben der Historie sollte aber auch die ursprüngliche Intention der Kunstwerke zum tragen kommen, die Vermittlung einer „geistigen Dimension“ der Werke stattfinden, „die auf je eigene Weise von einer anderen jenseitigen Wirklichkeit künden.“ 557 Die rein ästhetische Betrachtungsweise würde den Werken nicht gerecht, man müsse die religiösen Vorstellungen verstehen, die in die Werke eingegangen sind. 558 Im Jahresbericht 1993 wurde betont, dass das neue Ausstellungskonzept sowohl bei Besuchern als auch bei Fachleuten auf positive Resonanz stoße.559 Bei seiner Eröffnungsrede 1993 beschäftigte sich Erzbischof Degenhardt mit der Unterscheidung zwischen Kirchenraum und kirchlichem Museum: „Anders aber als in der Kirche, wo vor den Bildern Verkündigung geschieht, hat das Museum die Aufgabe, die Exponate selbst zum Sprechen zu bringen. Museen sind keine Kirchen und ersetzen diese auch nicht. Dem Museumsbesucher sollen die Exponate erschlossen werden. Sie, die Glaubenszeugnisse unserer Vorfahren soll der Betrachter als Verkündigung erfahren. […] „Schulen des Sehens“ hat mein Amtsbruder Bischof Karl Lehmann die kirchlichen Museen genannt.“560

556 „Die Schausammlung ist auf den einzelnen Ebenen in Gruppen nach zeitlichen, thematischen und gattungsspezifischen Gesichtspunkten gegliedert. Auf plakative Inszenierungen – heute gang und gäbe – und übermäßige Didaktisierung durch Schau- und Texttafeln – Kennzeichen der Museumsarchitektur der siebziger und achtziger Jahre – wurde verzichtet. Kurze einführende Texte leiten zum Sehen an, verdeutlichen Hintergründe und Zusammenhänge. Die Beschriftungen der Objekte fassen das Wissenswerte kurz zusammen, ohne sich in den Vordergrund zu drängen, so daß es möglich ist, sich mit der erforderlichen Muße selbst durch die Sammlung zu führen. Genügend Raum für eigene Entdeckungen bleibt.“ (Stiegemann 1995. S. 214). 557 „Insgesamt wird eine zurückhaltende Inszenierung angestrebt, die auf jede unnötige Irritation verzichtet, um Raum zu schaffen für die Betrachtung der Werke selbst. Ihres ursprünglichen Zusammenhanges im Kirchenraum verlustigt, werden sie zu neuen, untereinander korrespondierenden Figurenensembles zusammengefaßt, wobei die offene museale Präsentation die vielfältigen Abhängigkeiten und Wechselbezüge der Bildtypen deutlich hervortreten läßt. Über die historischen und kunsthistorischen Bezüge hinaus wird aber auch etwas von der ursprünglich intendierten geistigen Dimension der Werke auffaßbar, die auf je eigene Weise von einer anderen jenseitigen Wirklichkeit künden, […].“ (Stiegemann 1993. S. 163). 558 Vgl. Stiegemann 1995. S. 216. 559 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1993. 560 Degenhardt 1994. S. 38.

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Auch hier wurde wieder der Begriff „Schule des Sehens“ aufgegriffen.561 Der Erzbischof Paderborns versuchte das Dilemma der Unterscheidung zwischen Kirchenraum und Museum der katholischen Kirche dadurch zu lösen, dass er postulierte, in der Kirche werde vor den Bildern verkündet, also die Messe durch Geistliche gelesen, während im Museum nicht die Museumsmitarbeiter verkünden würden, sondern diese Aufgabe übernähmen die Kunstwerke und die Museumsmitarbeiter würden nur als Dolmetscher wirken. Es stellt sich hier aber die Frage, warum die Kunst nicht auch im Kirchenraum verkünden darf, beziehungsweise warum man im Kirchenraum nur räumlich vor den Bildern verkündet und nicht gemeinsam mit ihnen. Stiegemann, Direktor des Museums, sah als weiteren Unterschied zum Kirchenraum, dass es im Museum nicht um „Andacht und Verehrung“ gehe, sondern um „ein ungebundenes Spiel von ästhetischer Faszination und Reflexion“.562 „Hier wird nicht ergänzt und geschönt, vielmehr vertrauen wir auf die Authentizität des Objektes, das in seiner historischen Form und künstlerischen Eigenart jene Aura besitzt, die allein das Bedürfnis nach spontaner, ästhetischer Faszination zu befriedigen vermag, um dann vom Seherlebnis zu Reflexion und Befragung zu führen. Das Museum will nicht den Kirchenraum ersetzen, sondern ein lebendiger Ort der Auseinandersetzung sein, wo über die Anschauung ein Stück der eigenen kulturellen Identität erfahrbar wird.“ 563

Bereits 1994 beschrieb der Direktor das Vorhaben, in Zukunft auch zeitgenössische Kunst in das Museum holen zu wollen. Junge Künstler sollten sich mit der Kunst und Architektur des Hauses auseinandersetzen, man wollte einen offenen Dialog führen. Weiterhin sollten sich im Zwiegespräch „alte und neue Kunst“ gegenseitig erhellen und zu tieferem Verständnis führen.564 Auch setzte man auf Sonderausstellungen, für welche 1994 eine befristete Stelle für eine kunsthistorische Assistenz ausgeschrieben wurde. Die hohen Besucherzahlen der Sonderausstellungen wurden als Beweis gesehen, wie wichtig diese sind, um das Museum auf Dauer attraktiv zu halten.565 In Paderborn blieb man zwar bei einer nach kunsthistorischen Gesichtspunkten geordneten Aufstellung der Objekte, man betonte in der neuen Konzeption aber auch die Aura des Objektes, welche vom Betrachter sensuell aufgenommen werden sollte. Zwar findet zeitgenössische Kunst keinen Eingang in die Sammlung, 561 Herkunft und Bedeutung des Begriffs: siehe „Zusammenfassung“ von Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“. 562 Vgl. Stiegemann 1994a. S. 72–74. 563 Stiegemann 1994a. S. 72–74. 564 Vgl. Stiegemann 1994a. S. 80. 565 1994 wurde berichtet, dass z. B. eine Perfomance eines jungen Kölner Malers im Verbund mit einem Jazz-Gitarristen im Museum stattgefunden hatte. (Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1994b).

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die Vorhaben und Veranstaltungen zu zeitgenössischer Kunst zeigen jedoch, dass man sich der neuen Entwicklungen bewusst war und diesen in Zukunft auch Rechnung tragen wollte. Rottenburg In einem ehemaligen Karmeliterkloster in Rottenburg entstanden durch einen Umbau in den Jahren 1991 bis 1996 neue Räumlichkeiten für das Museum und die Bibliothek der Diözese. Das Museum ist in einem ehemaligen Sakralraum untergebracht. Die alten Museumsräumlichkeiten wurden als schwer zugänglich beschrieben. „Die Ausstellungskonzeption folgt ikonographischen Gesichtspunkten, wobei die Gemälde und Plastiken in ihrer christlichen-biblischen Bildbedeutung dem Betrachter näher gebracht werden.“566 Auch die Frömmigkeitsgeschichte sollte behandelt werden.567 Augsburg Am 3.7.2000 wurde das Augsburger Diözesanmuseum wiedereröffnet, nachdem es 1910 geschlossen und die Kunstwerke an das städtische Museum verliehen worden waren. 1965 hatte sich bereits ein Augsburger Diözesangeschichtsverein gegründet, welcher das Museum wiedereröffnen wollte. 1980 wurde die Idee des Museums wieder aktuell, da nach Kirchenrestaurationen und neuer Innengestaltungen zahlreiche Kunstwerke keine Verwendung mehr im Gottesraum hatten. 1984 wurde im Diözesanhaushalt sogar eine Summe von 20.000 DM für den Bau und die Unterhaltung eines Diözesanmuseums veranschlagt. Es sollte, vor allem aus finanziellen Gründen, noch einige Jahre dauern, bis der Neubau endgültig fertig gestellt werden konnte, bzw. zwischenzeitlich wurde die Projektidee sogar vollkommen stillgelegt. Die Leihgaben, die man 1910 dem städtischen Museum gemacht hatte, holte man jedoch bereits zurück. 1995 fand eine Wanderausstellung „moderner Maler“ aus der Sammlung Otto Maurer in der provisorisch hergerichteten Eingangshalle des zukünftigen Museums statt. Durch den Erfolg dieser Ausstellung bat der Bistumsgeschichtsverein erneut um die Fertigstellung des Museums und darum, einen Förderkreis zu gründen, was auch geschah.568 Der Bistumsgeschichtsverein stellte die Argumente für ein Augsburger Diözesanmuseum zusammen: So sei die Augsburger Diözese eine der letzten ohne Museum, das künftige Museum solle Verkündigungscharakter haben und die Heilsgeschichte sichtbar machen, die kirchlichen Kulturgüter schützen und die christliche Kunst sei ein wichtiges Instrument der ReEvangelisierung der heutigen Welt. 569 Hans Ramisch, Kunstreferent der Erzdiözese 566 Sautermeister/Eckehard 1997. S. 168. 567 Vgl. Sautermeister/Eckehard 1997. 568 Vgl. Rummel 2000. S. 9. 569 Vgl. Rummel 2000. S. 29.

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München und Freising, nannte den Hinweis auf den Verkündigungscharakter und die Heilsgeschichte für die Entscheidung der Diözesanleitung als ausschlaggebend.570 Die Gründe für Diözesanmuseumsgründungen hätten sich von denen im 19. und 20. Jahrhundert (Priesterausbildung, antiquarisches Interesse und Dokumentation der Entwicklung der regionalen christlichen Kunst) in jüngster Vergangenheit zum pastoralen Aspekt verschoben. Die „Päpstliche Kommission für das kulturelle Erbe der Kirche“ und die 1994 durchgeführte Konferenz in Malta571 wurden von ihm mit diesem Wandel in Verbindung gebracht. 572 Ramisch hatte selbst auf der Konferenz in Malta referiert und stand somit im persönlichen Kontakt mit der Päpstlichen Kommission.573 Auf das Gesuch des Bistumsgeschichtsvereins wurde 1997 die Kunsthistorikerin Melanie Thierbach574 eingestellt, sie hatte bereits das Antonitermuseum in Memmingen aufgebaut. Die Diözesanleitung strebte nun für Augsburg eine Lösung an, in der lediglich eine Ausstellungshalle mit wechselnden Sonderausstellungen verwirklicht werden sollte. Ausgrabungen in der alten Ulrichkapelle, welche Funde von der Spätantike bis in das frühe Mittelalter zu Tage brachten, gaben schließlich den Ausschlag, dass sowohl die Bayerische Landesstiftung, als auch die Landesstelle für nichtstaatliche Museen, das Landesamt für Denkmalpflege und der Bezirk Schwaben hohe Beträge für den Museumsbau zusagten. Die Eröffnung fand im „Heiligen Jahr 2000“ statt und das Museum sollte ein Ort der Verkündigung christlichen Glaubensgutes für die Zukunft sein.575 Verantwortlich für das Konzept waren der Diözesankonservator Norbert Leudemann und die Museumsleiterin Melanie Thierbach.576 Jürgen Lenssen überbrachte als Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“ dem Bistum bei der Eröffnung Glückwünsche zum neuen Museum, dabei betonte er vor allem die Funktion des Museums für die Besucher, denn im Museum gebe es keine „Fernstehenden“: „Das Museum wartet nicht Agitatoren auf, deren Überzeugungsbemühungen eher abschreckend empfunden wird. Das Museum wartet mit Kunst und der Autonomie ihrer Sprache auf. Doch wer glaubt, daß sich dadurch das Museum dem kirchlichen Auftrag entzieht, irrt. Denn 570 Vgl. Ramisch 2000. S. 367. 571 Siehe Kapitel „Die Einrichtung der ‚Päpstlichen Kommission für die Erhaltung des künstlerischen und geschichtlichen Erbes der Kirche‘ (1988)“ und Kapitel „Das ‚Malta Dokument‘ (1994)“. 572 Vgl. Ramisch 2000. S. 367–369. 573 Vgl. Ramisch 1995. 574 Sie begann ihre Promotion im Fach Kunstgeschichte im Jahre 2005. (Vgl. Augsburg 2012). 575 Vgl. Rummel 2000. S. 9. 576 Vgl. Ramisch 2000. S. 367–369.

180 | M ISSION M USEION die Sprache der Kunst ist mächtiger als die der vielzähligen Resolutionen kirchlicher Stellen und Gremien sowie wortreich erhobener Ansprüche.“ 577

Sowohl die Eröffnung im Jahr 2000 als auch die Worte von Jürgen Lenssen folgen den Aussagen des Papstes Johannes Paul II., welche dieser in den Ansprachen vor den Kulturbeauftragten traf.578 Eine Ausstellung von Kunst des 20. Jahrhunderts hatte somit in den 1990er-Jahren den Anstoß zu einer ernsteren Auseinandersetzung mit einem Diözesanmuseum gegeben. Ein engagierter Verein und die Aussagen aus Rom überzeugten auch die Bistumsleitung und kunsthistorisches Personal wurde für das Vorantreiben der Museumsidee eingestellt. Der entscheidende Geldfluss von nichtkirchlichen Quellen zur schnellen Umsetzung kam jedoch durch Funde aus Antike und Mittelalter. Domschatzkammern und Dommuseum (Münster, Frankfurt am Main, Fulda, Aachen) In Münster wurde 1980/81 die Domkammer von Géza Jászai (Kustos von 1981–2000)579 neu eingerichtet. Hier wurde abermals ein neuer Begriff geprägt: „Sie ist keine Kunstkammer, keine Domschatzkammer, auch keine Heiltumskammer, keine Sakristei, aber auch kein Dommuseum im herkömmlichen Sinne. Ihre Struktur und ihre Funktionsbestimmung hat jedoch etwas von den Charakteren dieser fünf Bautypen zu eigen.“ 580 Die Domkammer wurde in drei Kompartimente zu den Themen „Heiligenverehrung“, „Liturgie“ und „Kunstgeschichte“ unterteilt. Die Grundidee war, dass die Bilderwelt der Domkammer die Bilderwelt des Domes zu Münster im Kleinen widerspiegeln sollte.581 Géza Jászai war zuvor am Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte tätig und Mitglied der Bischöflichen Kunstkommission in Münster, dadurch half er seit 1980/81 bei der Planung und Einrichtung einiger kirchlicher Schatzkammern und Museen (u. a. Limburger Dom, Beratung in Xanten und Trier). Er sagte: „Maßgebend waren für mich bei diesen Einrichtungen stets die inhaltlichen Konzeptionen, die „Ordnung der Dinge“ im Zeichen einer Resakralisierung kirchlicher Schatzkammern und Museen, um dem Rein-Ästhetischen und Rein-Musealen entgegenzuwirken.“ 582 Er veröffentlichte auch einen Artikel mit

577 Lenssen 2000. S. 371. 578 Siehe Kapitel „Ansprachen Papst Johannes Paul II. an Kulturbeauftragte (1997)“. 579 Vgl. Münster 2012. 580 Jászai 1981. S. 22. 581 Vgl. Jászai 1995. S. 206. 582 Jászai 1995. S. 206.

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„Kriterien für die Einrichtung kirchlicher Schatzkammern und Museen: 1. Die christozentrische Ausrichtung, die der Resakralisierung dient, ist in jeder Hinsicht primär 2. Die Ordnung sollte (nach Möglichkeit) die drei großen heilsgeschichtlichen Zeiten berücksichtigen 3. Der liturgische Ort, der nur bei den liturgischen Festereignissen der Kirche in Erscheinung tritt, soll stets als Teileinheit betrachtet werden 4. Wünschenswert wäre, daß alle kirchlichen „Schatzkammern“ und Museen mehrfache Funktion bekommen würden, als Heilstumskammer, als Kunstkammer, als Sakristei (mit der Möglichkeit der Wiederbenutzung der ausgestellten Werke) und auch als Ort der musealen Bewahrung, zur Erinnerung und Meditation. Nachfolgend aufgeführte überholte Kategorien sollte man möglichst meiden: 1. Die inhumane labyrinthische Einrichtung, die der Desakralisierung dient 2. Die abstrakten (musealen) Gruppenbildungen nach Gattungen (Skulptur, Malerei, Kunsthandwerk etc.) 3. Das Unterschlagen des theologischen Ranges der einzelnen Werke 4. Die Vermaßung, in der die sakralen oder religiösen Werke eine Art Warencharakter bekommen.“583

Géza Jászai vertrat mit diesen Kriterien eine Haltung, die sich von einer klassischen musealen Präsentation abwendet und zu einer Präsentation rät, welche der Aufstellung von Kunst im Kirchenraum ähnelt. Er mochte dem Museum der katholischen Kirche sogar neben der musealen Funktion eine aktiv liturgische zuordnen. Dies war bei einigen Schatzkammern bereits der Fall, da Exponate auch für Gottesdienste genutzt wurden. In Regensburg wurde die Liturgie selbst im museal genutzten Kirchenraum zelebriert. Jászai plädierte für eine Symbiose von Museum der katholischen Kirche und Kirchenraum. 1987 eröffnete in Frankfurt am Main das Dommuseum. Gabriel Hefele war von 1987 bis 1999 Leiter des Dommuseums Frankfurt (sowie Oberkustos des Domschatzes und Diözesanmuseums in Limburg). Er hatte Kunstgeschichte, katholische Theologie (Kirchengeschichte) und Volkskunde studiert sowie eine museale Ausbildung an Münchner Museen absolviert.584 Er beschrieb, dass das Dommuseum Frankfurt in einer Zeit eröffnet wurde, als auch eine Reihe anderer Museumseröffnungen die Museumslandschaft in Frankfurt am Main bereicherten. Das Museum wurde an der Nordseite des Bartholomäusdomes, im Kreuzgang, untergebracht. Dem Besucher sollten die Geschichte des Domes, seine Architektur, die Ausstattung, der Kirchenschatz und die Bedeutung des Bartholomäus-Stifts näher gebracht werden. Der Innenhof wurde für Wechselausstellungen, bei denen man auch auf zeitgenössische Themen Bezug nahm, reserviert. Hefele schrieb: „In Ergänzung zum Dom als einem Ort der Besinnung und des Gebetes bietet sich dieses Museum an als ein Ort des Schauens sowie des Sich-Bewußtwerdens historischer Ereignisse und sakraler Zusammenhänge.“585 Damit wurde das Dommuseum unterschieden 583 Jászai 1995. S. 211. 584 Vgl. Limburg 2012. 585 Hefele 1995. S. 223–225.

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von den Räumlichkeiten des Domes als Ort für die Aufnahme von neuen Impulsen, während der Kirchenraum als ein Ort für die Einkehr in sich selbst beschrieben wurde. 1992 erwog man, im „Dommuseum Frankfurt“ zukünftig Wechselausstellungen alter und „moderner christlicher Kunst“ zu zeigen,586 und folgte demnach dem Trend, zeitgenössische Kunst in Form von Wechselausstellungen zu präsentieren. In Fulda wurden am 13.3.1994 zur 1250-jährigen Klostergründung die neuen Räume des Dommuseums eröffnet. Das Museum war thematisch in chronologischen Grundzügen gegliedert worden. Die Leitung für die Gestaltung der Räume hatte Burghard Preusler gemeinsam mit der Bauleitung und dem kunsthistorischen Betreuer Christoph Nicht. Das Museum verlegte man in den Süden der Kathedralkirche, in die ehemaligen Wohnräume der barocken Domdechanei. Die Verlegung wurde wegen höherer Besucherzahlen erstmals Mitte der 1980er-Jahre in Erwägung gezogen. Hinzu kamen konservatorische Mängel und der Wunsch nach Verbesserung der Präsentation und Information und der Erweiterung der Ausstellungsfläche auf 686 m2.587 Der kunsthistorische Betreuer sagte, durch die Neugestaltung „soll mit einer kulturhistorischen Präsentation die religiöse Kunst als Hilfsmittel der Seelsorge gezeigt werden.“588 Auch in Fulda sah man sich also Mitte der 1990er-Jahre mit einem pastoralen Auftrag ausgestattet. Bei dem 1979 auf 490 m2 Ausstellungsfläche eröffneten Domschatz in Aachen hatte man eine chronologische Präsentation gewählt. Die Klimaanlage und die Ganzglasvitrinen führten zu konservatorischen Problemen, so dass man ab 1986 über Nachbesserungen nachdachte. Hinzu kamen ästhetische und funktionale Mängel: Man empfand, dass die Vitrinen alle Objekte egalisieren würden und dass die Besucherzahlen wuchsen, aber die Vorkenntnisse geringer würden. 1993 entschied sich das Domkapitel für eine Neueinrichtung auf der Grundlage eines von Herta Lepie, Georg Minkenberg, August Peters und Hans Karl Siebigs erarbeiteten Konzeptes. 1995 fand der Umbau statt. Neben einer neuen Klimaanlage wurde das Raumangebot auf 600 m2 vergrößert, die Räume wurden behindertengerecht gestaltet, eine Fläche für Wechselausstellungen, ein Laden, Sitzmöbel und eine Garderobe hinzugefügt. Die Präsentation betreffend wollte man die Objekte in den historischen Kontext einbinden, indem man sie in historischen Räumen ausstellte. Weiterhin wurden die Objekte reduziert und als Einzelobjekte präsentiert. Der Bedeutung der Objekte sollte der ihnen zugestandene Raum entsprechen, damit ihre Bedeutung vom Besucher intuitiv erfasst werden und im Vergleich mit anderen Objekten gesehen werden könne. „Fehlende Vorkenntnisse sollen durch intuitives Begreifen einen gewissen Ersatz erfahren, wenn etwa das Apostelantepedium vor einer angedeute586 Vgl. Deutsche Bischofskonferenz 1992. S. 4ff. 587 Vgl. Preusler 1995. S. 220–221. 588 Nicht 1996. S. 8.

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ten Stipes angebracht ist und Altarbilder über einem angedeuteten Altarblock.“ 589 Die chronologische Reihung wurde ersetzt zugunsten einer inhaltlichen Bezogenheit der Kunstwerke zueinander, da man nicht den Verlauf der Kunstgeschichte lückenhaft mit einigen Exponaten präsentieren wollte. Ein Rundgang wurde intendiert, sollte aber nicht vorgeschrieben sein.590 Somit setzte man auch in Aachen bei der Neugestaltung 1995 auf die direkte Vermittlung durch das Objekt in seinem historischen Kontext und durch Bezüge zu anderen Exponaten. Österreich (Graz, Salzburg, Wien, Admont, Seitenstetten) In Graz wurde am 28.4.1981 die 600 m2 große neue Ausstellungsfläche für das Diözesanmuseum im Minoritenkloster eingeweiht. Zur Hälfte stand die Fläche für die Dauerausstellung, zur anderen für Sonderausstellungen zur Verfügung. Zingerle nannte als u. a. als Grund, dass nach der Liturgiereform neue Ausstellungs- und Depoträume nötig waren. Die drei Räume der Dauerausstellung sollten wie folgt genutzt werden: der erste Raum zur Erklärung von künstlerischen Techniken, der zweite für Kunstwerke der Gotik und des Barocks sowie für Musikinstrumente und der dritte für liturgische Geräte und Paramente.591 1964 bis 1990 war der kunsthistorisch ausgebildete Pfarrer Wilhelm Pannold Kustos des Hauses, er verfügte, dass ab 1978 das Museum auch eine hauptamtliche Geschäftsführung erhielt (1978– 1987 Barbara Zingerle. 1987–1990 Heidelinde Pickl-Herk, seit 1991 Haimo Kaindl).592 So blieb in den folgenden Jahren die Einteilung, dass ein Geistlicher die Funktion des Kustos innehatte, während ein weltlicher Kunsthistoriker das Tagesgeschäft übernahm. Die Vermittlungsarbeit wurde in Graz sukzessive mit neuen Angeboten erweitert, vor allem für die Zielgruppe der Kinder. 593 In Salzburg sah der Direktor des Dommuseums Johannes Neuhardt den Zweck seines Museums 1982 darin, „in wechselnder Folge Kunstwerke von Rang, die aus Sicherheitsgründen nicht mehr an ihrem ursprünglichen Standort belassen werden können, hier, konservatorisch betreut, auszustellen und damit in ihrem Wert als Bil-

589 Lepie/Minkenberg 1995. S. 217–219. 590 Vgl. Lepie/Minkenberg 1995. S. 217–219. 591 Vgl. Zingerle 1986. S. 292. 592 Vgl. Graz 2012. 593 In Graz gab es im Jahre 1981 Frontalführungen und Kataloge, 1983 wurde diese Arbeit mit einem Zeichenwettbewerb für Schulen ergänzt und 1989 eine Kinderecke hinzugefügt. Die Arbeit mit Kindern wurde 1991 ausgebaut und Kindernachmittage wurden durchgeführt, 1994 gab es dann eine Kinderausstellung, 1997 kam das Maskottchen Felix hinzu und es gab ein Museumsfest. 1999 widmete man sich dann neben einem Kinderprogramm auch einem Erwachsenenprogramm. (Arbeitsgemeinschaft 2003a).

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dungsträger wieder der Allgemeinheit zugänglich zu machen.“594 In Salzburg verfolgte man somit eine klassische museale Ausrichtung. In Wien integrierte man 1980 die Sammlung des 1973 verstorbenen Otto Mauers in das Dom- und Diözesanmuseum, es gingen jahrelange Verhandlungen mit dem Nachlassverwalter Prälat Karl Strobl voraus.595 Die Werke der Sammlung Otto Maurer wurden nicht in der Dauerausstellung präsentiert. Das wurde damit begründet, dass dies konservatorisch nicht möglich sei, da es sich um Graphiken handelt.596 Im Wiener Dom- und Diözesanmuseum gab es 1985/86 eine weitere Erweiterung der Räumlichkeiten. Die Räume sollten, wie bei der Erweiterung 1972/73, neutral sein und das Exponat so voll zur Geltung kommen lassen. Saliger, promovierter Kunsthistoriker und Direktor des Hauses von 1984 bis 1988,597 beschrieb, dass durch die Vorgabe der Räumlichkeiten, sowie unter Beachtung der ästhetischen Gesichtspunkte und der Betrachtbarkeit der Exponate, eine chronologische Aufstellung nicht konsequent durchgezogen werden könne. Er nannte als Aufgabe des Museums, neben dem Sammeln, Sicherstellen, Restaurieren und wissenschaftlichen Bearbeiten, das Verdeutlichen der immanenten inhaltlichen Aussagen der Exponate. Unter praktischer musealer Arbeit wurden drei Aufgaben genannt: die spezifische Sammlungsbetreuung (hier sollte das Objekt im Mittelpunkt stehen); Präsentation (die Aufstellung sollte immer dominant dem Objekt zu dienen haben); wissenschaftliche Bearbeitung.598 Saligers Vorgänger Feuchtmüller schrieb 1986 über den Sinn des Diözesanmuseums: „Das Museum sakraler Kunst – ansonsten ein Widerspruch in sich selbst – bahnt eine Auseinandersetzung auf einer höheren Ebene an. Es führt über die Ästhetik zur Botschaft der Kunstwerke, wobei es der musealen Aufstellung und ihrer Erläuterung gelingen muß, auch die Funktion bewußt werden zu lassen. Die Frage nach dem Wofür wird durch das Erkennen jener Kräfte, die zur Existenz des Werkes gehören und es bedingen, vertieft. Damit steht der aufgeschlossene Besucher im Museum vor den sakralen Kunstwerken zweifach berührt: Durch die Konfrontation mit dem Werk, wie es gegenwärtig vor ihm steht, und durch die Konfrontation mit seiner Geschichtlichkeit.“599 594 Neuhardt 1982. S. 305. 595 Vgl. Kuba-Hauk 1987. S. XXII. 596 Vgl. Saliger 1987. S. XXVII–XXIX. 597 Salinger hatte zuvor in der staatlichen Denkmalpflege und als Assistent in der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums in Wien gearbeitet. Von 1972–1974 war er Bearbeiter des Wiener Dom- und Diözesanmuseums und danach bis 1988 Konservator der Erzdiözese Wien. Zuletzt war er von 1989 bis 2007 Leiter der mittelalterlichen Sammlung der Belvedere Museen. (Vgl. Saliger 2005. Klappentext). 598 Vgl. Saliger 1987. S. XXVII–XXIX. 599 Feuchtmüller 1987. S. XII.

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Er beschrieb auch, dass sich der Sinn des Museums im Allgemeinen, aber auch des Diözesanmuseums im Besonderen gewandelt habe: „Eine Vereinigung von Werken, die in chronologischer Ordnung dem Besucher vorgeführt werden, genügt heute nicht mehr. Das Museum befaßt sich mit dem einzelnen Werk nun in viel differenzierterer Weise, das Kunstwerk ist auch mehr in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Dies zeigt sich schon in den modernen Aufstellungsmethoden […]. Durch dieses Herausheben einerseits und durch den optisch geistigen Bezug zu den anderen Werken des Raumes andererseits, werden an dem Kunstwerk neue Dimensionen sichtbar, es erhält neue Wirkungen und durch den Vergleich neue Bezüge, die sich aus einem Dialog der Werke ergeben. Die Präsentation kann sogar so weit gehen, daß sie Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung vermittelt. Der Verlust historischer Zusammenhänge kann damit teilweise aufgewogen werden.“600

Saliger beschrieb hier sehr eindrücklich einen wesentlichen Aspekt des Wandels im Museum der katholischen Kirche in den 1990er-Jahren. Im BenediktinerKloster im österreichischen Admont existierte bereits seit 1906 ein Naturhistorisches Museum. 1959 kam eine permanente Schausammlung kunsthistorischer Exponate hinzu, welche von Pater Adalbert Krause in drei Räumen eingerichtet worden war. Diese Schausammlung wurde 1980 erweitert und bildete eine museale Zone mit dem Naturhistorischen Museum.601 1995 wurde der Kunsthistoriker Michael Braunsteiner eingestellt, um Ausstellungen zu realisieren602 und eine Kulturabteilung aufzubauen.603 Man wollte allgemein die Klosteranlage umstrukturierungen, so sollten Autos vom Klostergelände entfernt und die Gebäude restauriert werden. Diese Umstrukturierungen waren vom Wirtschaftsdirektor des Klosters, gemeinsam mit dem Baumeister und einem Architekturbüro, initiiert worden. Für den Kurator war wichtig, dass die konservatorischen und sicherheitstechnischen Bedingungen eines Museums gewährleistet wurden.604 Dies war in den 1990er-Jahren nicht gegeben, worauf das kunsthistorische Museum geschlossen wurde.605 1998 wurde vom „Kapitel“ (beschlussfähiges Gremium aller Mönche mit ewigem Gelübde unter Vorsitz des Abtes) des Benediktinerstifts Admont der Entschluss für den Um- und Neubau des Museums gefasst. Der Süd- und der Westtrakt des Klosters wurden zur Unterbringung aller Museen völlig um- und neugebaut.606 600 Feuchtmüller 1987. S. XII. 601 Vgl. Admont Geschichte Kunsthistorisches 2010. 602 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:07:34). Das Interview wurde am 11.8.2010 geführt. 603 Vgl. Höller 2009. S. 21–22. 604 Vgl. Interview Admont (Teil 2 00:02:42, Teil 1 00:11:12). 605 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:11:12). 606 Vgl. Admont Geschichte Kunsthistorisches 2010.

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Zum Verständnis des „Museums des Stifts Admont“ sei noch vorangestellt, dass es sich hier nicht um ein Museum in der Trägerschaft einer Diözese handelt, sondern um ein Museum in der Trägerschaft eines Klosters: „Die Männerklöster sind allein dem Papst weisungsgebunden und daher nicht den jeweiligen Diözesanbischöfen unterstellt. Sie sind wirtschaftlich autonom und erhalten keinen Anteil an den Kirchenbeitragsgeldern.“607

Das Stift erwirtschaftet folglich sein Geld selbst, ursprünglich in Admont in den Bereichen der Land- und Forstwirtschaft. In den letzten Jahrzehnten wurden neue Geschäftsfelder entwickelt, um die Felder zu diversifizieren. Hinzu kamen die holzverarbeitende Industrie, die Energiewirtschaft und der Tourismus. Etwa 500 MitarbeiterInnen sind in Betrieben des Stifts beschäftigt.608 Das Stift gilt als eines der reichsten Klöster in Österreich.609 Der Werdegang des 1995 eingestellten Kurators Michael Braunsteiner ist ein weltlicher. Er hatte in den 1980er-Jahren in räumlicher Nähe zum Stift, in Graz, Kunstgeschichte (Hauptfach) und Germanistik (Nebenfach) studiert.610 Während seines Studiums hatte er bereits durch Mitarbeit bei musealen und anderen Institutionen Kontakt zu zeitgenössischen Künstlern. 611 Während des Studiums bewegten ihn die Fragen „Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin?“ Diese waren für ihn der Beweggrund, sich mit Kunstgeschichte zu beschäftigen, weil sie für ihn die wichtigen Lebensfragen darstellt.612 Diese Fragen sollten später für seine Arbeit in Admont, vor allem für die Auswahl der Künstler, eine wichtige Rolle spielen. Er hat sein Studium nicht mit einer Promotion abgeschlossen, arbeitete danach für unterschiedliche Bereiche des Kunstwesens (Ausstellungen, Kunstsammlung einer Bank und Denkmalpflege), hat aber kein museologisches Volontariat durchlaufen.613 Ein Kontakt nach Admont wurde bei einer Tagung über den Baumeister des Klosters hergestellt,614 worauf ein Zugehen von Admonter Seite folgte.615 Die entscheidenden Instanzen für eine Einstellung waren der Abt und der Wirtschaftsdirek-

607 Admont 2010. 608 Vgl. Admont Betriebe 2010. 609 Vgl. Admont 2003. S. 147. 610 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:01:14). 611 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:01:14). 612 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:05:06, Teil 5 00:05:47, Teil 5 00:06:42). 613 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:04:10). 614 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:04:10). 615 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:05:05).

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tor.616 Bis zu dem Kontakt mit Admont hatte Braunsteiner keine Berührungspunkte mit kirchlichen Institutionen. Die erste Veranstaltung des neuen Kurators war 1995 die Organisation eines Symposiums zum spätbarocken Bildhauer Josef Stammel, somit stand die zeitgenössische Kunst zunächst nicht im Mittelpunkt. Allerdings hatte der Wirtschaftsdirektor bereits vor dem Amtsantritt Braunsteiners eine Stiftung von 24 Ölbildern und 68 Grafiken des steirischen Malers Hannes Schwarz (1926 geboren) organisiert,617 somit hatte das Interesse der weltlichen Leitung bereits einen Impuls gesetzt. Als offizielles Datum für den Beginn des Erwerbs von Gegenwartskunst wird das Jahr 1997 genannt.618 Das Sammeln sollte mit österreichischer Malerei der 1980er-Jahre starten619 und zu einem späteren Zeitpunkt international werden.620 Die Schwerpunktlegung auf österreichische Künstler der 1980er-Jahre, oder wie man an anderer Stelle sagt, österreichische Künstlerinnen und Künstler der jüngeren und mittleren Generation,621 hatte u. a. finanzielle Gründe.622 Des Weiteren waren dem Befragten diese Künstler durch seine Arbeit während des Studiums bekannt. 623 Man strebte eine kontinuierliche Zusammenarbeit an mit den Künstlern, die man sammelte, und versuchte, von diesen z. B. frühere Arbeiten anzukaufen, um Entwicklung zu dokumentieren und Werkgruppen624 zu besitzen. Seit dem Jahre 2000 gab es die Reihe „Made for Admont“,625 für welche Künstler nach Admont eingeladen wurden, um Kunstwerke mit einem Bezug zu Admont zu schaffen.626 Neben Admont wurden in einem weiteren Kloster in Österreich Kunstwerke der Gegenwart ausgestellt. Im Kloster Seitenstetten wurde am 15.11.1997 die Sammlung mit Graphiken von der Jahrhundertwende bis in die Gegenwart eröffnet.627 In der Schweiz gab es keine Museen, welche direkt von der katholischen Kirche betrieben wurden.628 616 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:05:05). 617 Vgl. Höller 2009. S. 21–22. 618 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:04:59) und Braunsteiger 2003. 619 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:01:53). 620 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:06:48). 621 Vgl. Admont Gegenwartskunst 2010. 622 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:05:27). 623 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:06:48). 624 Vgl. Admont Gegenwartskunst 2010. 625 Vgl. Admont Museumszeitung 2011. 626 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:50:53). 627 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 1997a. 628 „Es gibt in der Schweiz eine Reihe von kulturellen Institutionen, die zwar keine kirchlichen Institutionen sind, die den Kirchen aber doch nahe stehen und die immer wieder Ausstellungen zu religiösen oder kirchlichen Themen organisieren. Dazu zählen Muse-

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Zusammenfassung Zu den oben ausführlich behandelten Häusern kommen weitere Museen der katholischen Kirche hinzu, welche in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts umgebaut oder wiedereröffnet worden waren, zu welchen aber kein ausführliches Datenmaterial vorhanden ist.629 1992 wurde von der Deutschen Bischofskonferenz ein Übersichtsheft mit einer Auflistung aller deutschen kirchlichen Sammlungen von Kunstgütern herausgegeben. Insgesamt werden 39 Institutionen genannt, 630 von denen 19 Diözesanmuseen sind, manche in Kombination mit Domschatzkammern. 631 Dieses Übersichtsheft der Deutschen Bischofskonferenz verdeutlicht den Zuwachs an Bedeutung, den die Institution des Museums der katholischen Kirche um das Jahr 1990 erfuhr.632 Einher ging bei vielen Häusern ein starker Wandel in der Ausrichtung und Präsentation der Sammlung. Im Folgenden soll nun geklärt werden, welen wie das Museum Bruder Klaus in Sachseln […], das Museum Panorama in Einsiedeln […], das Chateau du Gruyeres […], die Kartause Ittingen, das Talmuseum in Engelberg, das Museum Burg in Zug, das Museum Kleines Klingental in Basel und andere. Diese Museen übernehmen in der Schweiz vielfach Aufgaben, die in Deutschland den Diözesanmuseen übertragen sind.“ (Stückelberger 2007. S. 67). 629 1984 St. Pöltener Diözesanmuseum (seit Zweitem Weltkrieg nicht mehr zugänglich gewesen) (Vgl. Kronbichler/Kronbichler-Skacha 1984. S. 11), 1985 Domschatzkammer St. Petri Bautzen, 1985 Kirchenhistorisches Kabinett St. Anna zu Schwerin, 1985 Limburg Diözesanmuseum mit Domschatz vereint wiedereröffnet (1976 geschlossen), 1987 Schatzkammer der St.-Hedwigs-Kathedrale Berlin, 1990 Essen Kirchenschatz Umbau (Vgl. Deutsche Bischofskonferenz 1992. S. 10–107). 630 Hervorzuheben ist ein Museum, in welches die Exponate eines Museums der katholischen Kirche integriert wurden: 1993 wurde im Erweiterungsbau des Historischen Museums der Pfalz die „Domschatzkammer Speyer“ eröffnet, zuvor hieß die Abteilung „Dom- und Diözesanmuseum“. Man hatte bei der Neuaufstellung bewusst auf eine historisch ausgerichtete Präsentation zugunsten des Betonens des Einzelstückes verzichtet. Die neue Präsentation sollte eine Art Kunstkammer darstellen und sei eine „rein museale Präsentation“ von Kunstwerken aus dem Umfeld der Kathedrale. Erarbeitet wurde das Konzept vom Direktor des Museums Meinrad M. Grewenig, dem Kustos Franz-Xaver Portenlänger mit Unterstützung des Summus Custos der Kathedrale Domkapitular Hubert Sedlmair. (Vgl. Jöckle 1995. S. 229). 631 Die Menge der Informationen über die Sammlungen variieren, wurden jedoch sehr knapp gehalten. (Vgl. Deutsche Bischofskonferenz 1992). 632 In Italien erschien 2005 ebenfalls ein Verzeichnis mit allen Sammlungen in kirchlicher Trägerschaft. Es ist das erste Mal, dass ein solches Werk für die breite Öffentlichkeit publiziert wurde. 1997 gab es bereits eine Publikation mit der Sammlung der Daten von Museen der katholischen Kirche, allerdings für einen internen Kreis. (Vgl. Giacomini Miari 2005. S. 9).

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che Wandlungen im Museum der katholischen Kirche zwischen 1980 und 2001 stattfanden, für wen und von wem es konzipiert wurde und auf welche Gründe diese Wandlungen zurückzuführen sind. Zwei große Wandlungen fanden statt: Erstmalig wurde in Sammlungen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum zeitgenössische Kunst aufgenommen und der Ausstellungsraum wurde weniger wissenschaftlich als atmosphärisch gestaltet. Hatte Kunst des 20. Jahrhunderts in Rom erstmals 1973 den direkten Weg ins Museum der katholischen Kirche gefunden, setzt sich dieses Beispiel in einigen Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum fort. In Freising und Köln kamen in den frühen 1980er-Jahren erstmals Werke des 20. Jahrhunderts in die Sammlungen. In Regensburg wurde seit 1986 eine Sammlung mit zeitgenössischer Kunst aufgebaut und es wurden auch Ausstellungen gezeigt, in Trier seit 1988. Der Aufbau einer zeitgenössischen Sammlung, als fester Bestandteil in der Dauerausstellung, fand in Würzburg, Freising und Köln fast gleichzeitig, ab dem Jahre 1990, statt. Zwar stellen diese Häuser nicht die Mehrheit der 39 musealen Institutionen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum dar, aber es handelt sich bei ihnen um viel beachtete Beispiele. Dass es sich um eine Entwicklung handelte, die auch in weiteren Häusern zum Tragen kam, zeigt sich u. a. durch spätere Sonderausstellungen mit zeitgenössischer Kunst in eher konservativ geführten Häusern, wie z. B. in Eichstätt.633 Pater Georg M. Lechner, OSB Stift Gottweig Niederösterreich und 1997–2004 Chefredakteur von „Das Münster“, sah den Weg der Gegenwartskunst in Museen der katholischen Kirche ab den 1960er-Jahren beginnen, und zwar über die klassische Moderne und nicht direkt als Ankäufe, sondern zuerst in temporärer Form, wie in Biennalen und Wechselausstellungen.634 Dieses Phänomen der Musterausstellungen in der Nachkriegszeit wurde in Teil I thematisiert.635 Es stellt sich jedoch die Frage: Hatten diese Ausstellungen die gleiche Intention wie die permanenten Abteilungen für Kunst des 20. Jahrhunderts ab den 1990er-Jahren? Die Nachkriegsausstellungen mit zeitgenössischer Kunst sollten Anregungen für die Gestaltung von Kunst im Kirchenraum bieten. Diese Absichten standen bei den Präsentationen zeitgenössischer Kunst am Ende des 20. Jahrhunderts nicht mehr im Vordergrund (dass Künstler immer noch durch das Museum der katholischen Kirche angesprochen werden sollten, wird im Folgenden thematisiert werden). Die Beweggründe, zeitgenössische Kunst 1973 direkt im Museum der katholischen Kirche aufzuneh633 Auch von Bühren stellte dies fest. Er schrieb, dass bereits seit den 1990er-Jahren zunehmend „moderne Kunst“ für den pastoralen Auftrag der Museen der katholischen Kirche genutzt würde. (Vgl. Bühren 2008. S. 532). 634 Vgl. Lechner 1999. 635 Siehe „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1900–1962)“.

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men, konnten in Bezug auf die Vatikanische Sammlung, auf das Problem der katholischen Kirche mit zeitgenössischer Kunst im Kirchenraum zurückgeführt werden. Eine weitere Rolle spielten die umstrittenen Ausdrucksformen zeitgenössischer Kunst.636 Als neuer und beachtenswerter Aspekt kommt bei der Aufnahme zeitgenössischer Kunst in Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum in den 1990er-Jahren die neue Ausrichtung des Museums der katholischen Kirche hinzu: die Betonung der sensuellen Vermittlung und die pastorale Funktion des Museums der katholischen Kirche.637 Um den zeitgenössischen Besucher sensuell anzusprechen, war es nach Auffassung der Kuratoren notwendig, eine Kunst zu präsentieren, die in der Gegenwart verortet war und gegenwärtige Problemstellungen spiegeln konnte. Auch in Museen der katholischen Kirche, in welchen zeitgenössische Kunst keine Rolle spielte, wurden Räumlichkeiten um das Jahr 1990 neu gestaltet: z. B. bei der Umgestaltung in Mainz 1994, bei der man Ensemblebildungen vornahm, bei den Neupräsentationen 1993 in Bamberg und Paderborn sollte das Objekt im Vordergrund stehen und keine Textvermittlung, wie auch schon bei der Erweiterung des Wiener Diözesanmuseums 1985/86. Das Ziel war dabei, den Besucher nicht durch Texttafeln zu leiten, sondern das Objekt selbst oder durch Kombination mit anderen Exponaten sprechen zu lassen. Am konsequentesten ging dabei das Kölner Diözesanmuseum vor, ab 1992 wurden überhaupt keine Objektbeschriftungen mehr angebracht. Auch eine chronologische Präsentation wurde in einigen Häusern zumindest partiell, innerhalb von Epochen, zugunsten einer thematischen Aufstellung aufgegeben. Wieder ging Köln diesen Weg am weitesten, da man ganz auf eine Chronologie verzichtete. Alle diese Neuerungen führten zu einer Betonung des Atmosphärischen, der sensuellen Wahrnehmung der Objekte. Als ein Vorbild für einen solchen Umgang mit Exponaten könnte das städtische „Museum Abteiberg“ in Mönchengladbach gedient haben. Der Neubau des Museums war 1982 eröffnet worden. In der Zeitschrift „Kunst und Kirche“, welche ein wichtiges Informationsblatt für museale Institutionen der katholischen Kirche ist, wurde es in den 1980er-Jahren mehrmals positiv behandelt und muss somit im Bewusstsein vieler Mitarbeiter von Museen der katholischen Kirche gewesen sein. 1983 beschäftigte sich ein ganzes Heft von „Kunst und Kirche“ mit dem „Sehen“; darin wurde das „Museum Abteiberg“ zweimal vorgestellt. U. a. berichtete der Museumspädagoge des Hauses, Klaus Flemming, in einem Artikel mit dem Titel „Das Museum als ‚Schule des Sehens‘. Zu den Möglichkeiten und Grenzen der Museums Pädagogik“.638 Flemming sagte, dass in den Kunstmuseen das Sehen im Vorder636 Siehe Zusammenfassung zu „Die unmittelbar nachkonziliare Zeit“. 637 Siehe Zusammenfassung von „Das Jahrzehnt vor dem Heiligen Jahr 2000. Kunst im Fokus der Pastoral“. 638 Vgl. Flemming 1983.

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grund stehen solle. Das Kunstwerk solle selbst vermitteln oder mit anderen Kunstwerken im Kontext stehen. Ausschlaggebend seien die Architektur, die Hängung und wie Kunst präsentiert würde639 – Aussagen, die mit dem oben beschriebenen Wandel in Museen der katholischen Kirche übereinstimmen. Flemming nutzte den Begriff „Schule des Sehens“ und führte ihn auf Paul Valéry zurück, wobei der Begriff im genannten Aufsatz640 nicht fällt.641 Auffällig ist, dass der Begriff „Schule des Sehens“ ab 1995 verstärkt von Katholiken im Zusammenhang mit Museen der katholischen Kirche verwandt wurde. Dies kann ein weiteres Indiz sein, dass das „Museum Abteiberg“ als ein Vorbild angesehen wurde. Bereits 1950 nutzte Ludwig Justi, Generaldirektor der Staatlichen Museen Ost-Berlin, den Ausdruck „Schule des Sehens“ für den Titel einer Ausstellung in den Räumen der nach dem Zweiten Weltkrieg wiederhergestellten Nationalgalerie. Justi wollte mit den ihm zur Verfügung stehenden Beständen der Berliner Museumsinsel einen Überblick über die Kunstgeschichte zeigen. Er betonte, dass die Bestände nicht ein vollständiges Bild der Kunstgeschichte geben könnten, dass die Werke, welche in der Ausstellung gezeigt wurden, jedoch Originale sein. In seinem Vorwort schrieb Justi: „Viele Kunstwerke flüchtig sehen ist Zeitverschwendung; wenige eindringlich betrachten ist Gewinn. Folgst Du meinen Mahnungen zu hingebendem Schauen, dann werden Dir die hier ausgestellten Werke eine Fülle geistiger und seelischer Werte erschließen, welche in der Form sichtbar gestaltet sind. […] Die meisten der hier gezeigten Kunstwerke sind in vergangenen Zeiten geschaffen, deren Gehalt und Form dem heutigen unvorbereiteten Betrachter fern liegen. Umso mehr eignen sie sich zur Schulung des Sehens. Bei hingebendem Betrachten kommt ein Augenblick, da sich die gestaltete Geistigkeit kund gibt: der Künstler ist Dir dann nahe und schenkt Dir sein Werk zu Deinem geistigen Eigentum.“642

Justi betont stärker den edukativen Anteil des intensiven Sehens von OriginalKunstwerken, dieser führe aber nicht nur zu Kenntnissen über die Kunstgeschichte, sondern auch zum Erschließen „von geistigen und seelischen Werten“. – beides Aspekte, die auch im Museum der katholischen Kirche um die Jahrtausendwende einen wichtigen Stellenwert einnehmen sollten. Ein anderes Beispiel ist die „Museumsinsel Hombroich“ bei Neuss, welche sich ebenfalls in Nordrhein-Westfalen befindet und auch in den 1980er-Jahren geplant 639 Vgl. Flemming 1983. 1987 berichtet Johannes Cladder über dasselbe Museum. Er betont die Festigkeit der Architektur, die schmalen Auf- und Abgänge, dass es keine Wegführung gebe und das unterschiedliche Einlassen von Licht. Diese Beschreibung ähnelt in vielen Punkten Beschreibungen von Kolumba. (Vgl. Cladder 1987). 640 Vgl. Valery 1959. 641 Vgl. Flemming 1983. 642 Justi 1957. S. 6.

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und 1987 eröffnet wurde. Das auf die Privatinitiative von Karl-Heinrich Müller zurückgehende Projekt wollte einen Ort schaffen, an welchem Kunst, Natur und Religion eine Einheit bilden. In den Pavillons wurde mit natürlichem Licht gearbeitet, es wurde nicht nach einer chronologischen Ordnung gehängt und es befand sich ebenfalls keine Beschilderung in den Ausstellungsräumen.643 Auch andere Künste sollten miteinbezogen werden.644 Dieses Konzept wurde auch in der Zeitschrift „Kunst und Kirche“ vorgestellt und die Kuratoren von „Kolumba“ erwähnten im Interview, dass ihnen das Museum bekannt war.645 Lechner stellte 1990 fest, dass in Diözesanmuseen Stil, Chronologie, Technik und ähnliche Themen den Fragen nach dem Inhalt und dem Kontext weichen würden. Im Vordergrund stehe der Dialog zwischen Werk und Betrachter. Er sah das Museum als wichtige Stätte der Diakonie.646 Wurde bisher in öffentlichen Verlautbarungen der katholischen Kirche die Funktion des kirchlichen Museums als pastorale beschrieben, führte Lechner die Bezeichnung „Diakonie“ ein. Ludwig Mödl folgte ihm 1999, indem er das Museum der katholischen Kirche als ein Ort der Kulturdiakonie beschrieb.647 Ludwig Mödl wollte, dass die Kunstwerke nicht auf kunsthistorische Phänomene reduziert werden, sondern mit den Besuchern in einen Dialog treten und Lebenswissen und Religiöses vermitteln. Der Bildungswillen eines Museums der katholischen Kirche bildete für Mödl den Unterschied zu einem herkömmlichen Kunstmuseum: nicht Geschichtswissen zu vermitteln, sondern den Besucher zu einer transzendentalen Erfahrung zu führen.648 In dieser Zeit gewann das Thema der Abgrenzung des katholischen Museums zum Kirchenraum an Brisanz. Gerade durch eine Betonung des Atmosphärischen kam man an einen Punkt, an dem zur Ausstellungsart im Kirchenraum eigentlich keine Differenz mehr bestand. Innerhalb der Museumslandschaft der katholischen Kirche gab es unterschiedliche Meinungen. Sollten das Museum der katholischen Kirche und der Kirchenraum divergieren oder konvergieren? Dabei gelangte man aber nicht zu einer schlüssigen Antwort, was auch die Reaktionen auf den Vortrag zu diesem Thema auf der Tagung der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und

643 „Hier hängt Verschiedenes Miteinander zusammen und ist so stimmig wie der Krug auf einem Findling oder der Dolch, der in einen Baum geworfen wurde. Es sind geistig empfundene Zusammenhänge, die Heerich miteinander kombiniert und konstruiert.“ (Mennekes 1987. S. 21). 644 Vgl. Mennekes 1987. 645 Vgl. Interview Köln (B2: 00:22:49). Das Interview Köln wurde am 28.6.2010 geführt. 646 Vgl. Lechner 1999. 647 Für Mödl ist Diakonie nicht nur Hilfe in einer Notsituation, sondern auch das Schaffen von Kulturraum, er nennt diese Aufgabe Kulturdiakonie (Vgl. Mödl 2003. S. 68). 648 Vgl. Mödl 2003. S. 64–65.

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Schatzkammern“ 1999 zeigte.649 Versuchten manche Häuser Unterschiede zwischen Kirchenraum und Museum der katholischen Kirche aufzuzeigen (Paderborn, Frankfurt am Main), war man an anderer Stelle bemüht, die beiden Räume miteinander zu verschmelzen (Regensburg, Münster). 650 Das Museum der katholischen Kirche sollte durch seine Arbeit drei Personengruppen erreichen: Künstler, Kleriker und der allgemeine Laien-Besucher. Diese sollen im Folgenden näher betrachtet werden. Museen der katholischen Kirche sollten weiterhin Künstler anregen und auf eine gewisse Weise beeinflussen, geeignete Kunst für die katholische Kirche zu schaffen. Dies zeigte sich vor allem in Ausstellungen, welche als Wettbewerbe konzipiert wurden oder für die Künstlern eine christliche Themenstellung gegeben wurde. Dabei gab man sich Mühe, dem Vorwurf der Vereinnahmung zu entgehen, und demonstrierte Offenheit gegenüber den künstlerischen Antworten der Künstler, welche in Kirchenkreisen aber nicht immer auf Verständnis stießen (siehe Installation Kuballs in Freising). Trotzdem war man in keinem Museum der katholischen Kirche darauf bedacht, den Künstlern eine Stilvorgabe zu machen, sondern versuchte vielmehr, mit ihnen durch Wettbewerbe und Ausstellungen in Kontakt und einen Dialog zu kommen. Die „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“ betonte 1995, dass die Kunst der Gegenwart hauptsächlich eine „Schule des Sehens“ zur ästhetischen Bildung sein solle und richtete sich hiermit vor allem an innerkirchliche Kreise. Man wollte Kleriker ausbilden, qualitätvolle Kunst zu erkennen,651 so wie es das „Schreiben zur theologischen Aus- und Fortbildung“ der Deutschen Bischofskonferenz 1993 betont hatte.652 In der Diözese Würzburg wird den Kirchenangehö649 Siehe Kapitel „Die Arbeitsgemeinschaft formuliert inhaltliche Ziele (1990–2000)“. 650 Auch von Seiten öffentlicher Museen gab es Verschmelzungen vom Raum des Museums und dem Ritus des Gottesdienstes. Im Sprengel Museum in Hannover, ein Museum für Kunst des 20. Jahrhunderts, wurden seit 1983 Gottesdienste vor Bildern abgehalten. Die Idee reifte durch eine Ausstellung zum Evangelischen Kirchentag 1983. Ein Kunstwerk stand im Mittelpunkt der Predigt und des liturgischen Geschehens. Die Veranstaltungen wurden vom Museum getragen. „Die Gottesdienste im Sprengel Museum Hannover, die wir als einen ökumenischen Auftrag begreifen, beinhalten Predigt, Gesang, Gebet und musikalische Begleitung, gelegentlich auch mit Tanz oder einem Dialog zwischen Prediger und Gemeinde, wesentliche Elemente eines modernen Gottesdienstes. Sie überschreiten damit die engeren Grenzen einer Bildmeditation. Eingeladen zur Leitung der Gottesdienste sind Theologen, die sich als gute Kenner der zeitgenössischen Kunst ausgewiesen haben.“ (Liebelt 1991). 651 Siehe Kapitel „Die Arbeitsgemeinschaft formuliert inhaltliche Ziele (1990–2000)“. 652 Siehe Kapitel „Das Schreiben der Deutschen Bischofskonferenz über Kunst und Kultur in der theologischen Aus- und Fortbildung (1993)“.

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rigen 1996 ein Besuch im Museum empfohlen, um das Verhältnis zwischen Kunst und Kirche zu verbessern. Besondere Angebote für Theologen wurden aber lediglich in Freising benannt. Weitaus mehr Beachtung wurde der dritten Zielgruppe geschenkt, dem LaienBesucher. In Aussagen des Papstes Johannes Paul II. 1997 wurden als Zielgruppe „Arme“, „Kleine“ und Jugendliche genannt, das Museum der katholischen Kirche sollte laut dem Papst ein „lebendiges Zentrum“ werden. 653 Im Prinzip folgte der Papst hier einer Entwicklung der allgemeinen Museen. Diese wollten bereits ab den 1970/80er-Jahren ebenfalls nicht mehr nur ein elitäres Publikum ansprechen. Diesen Wandel zur Hinwendung zum Besucher beobachtet Kirchenberg in deutschen Museen im Allgemeinen seit der Mitte der 1990er-Jahre.654 Dem Auftrag, die Museen zu einem lebendigen Zentrum zu machen, waren einige Museen der katholischen Kirche schon zuvorgekommen. Bei Umbauarbeiten wurden Räume für Sonderausstellungen, Seminare, Konzerte oder ein Café geschaffen und es wurden sogar Kräfte für die museumspädagogische Arbeit eingestellt. Bei der Freisinger Gründung 1974 hatte man noch das Problem der Legitimation, ein Museum der katholischen Kirche zu betreiben, anstatt sich den sozialen Aufgaben der Kirche zu widmen. Jedoch wurde nun das Museum selbst als eine soziale Aufgabe gesehen, so dass sich diese Diskussion in späteren Jahren gar nicht mehr entfachte. Für Lechner ist das Diözesanmuseum der richtige Ort, um Lebenswissen zu vermitteln, welches Transzendenz aufweist. Lechner sagte 1990, dass das Museum pastorale Aufgaben erfülle und nicht nur Sachwissen vermittle, sondern auch religiöse Wertmaßstäbe. Deswegen sah er, dass die traditionellen Kunstgüter doch als Bildungsinstrument dienen, wenn auch nicht in der früheren Art der musealen Präsentation.655 Die leitenden und gestaltenden Positionen in Museen der katholischen Kirche wurden weiterhin verstärkt mit wissenschaftlich ausgebildeten Laien besetzt: Wie aufgeführt, gab es die ersten nichtgeistlichen Kunsthistoriker an der Spitze der Museen 1962 in Mainz, 1979 in Freising, 1982 in Eichstätt, 1985 in Trier, 1990 in Köln, ebenfalls 1990 in Paderborn und 1997 in Augsburg. Von den aufgeführten Beispielen findet sich lediglich in Würzburg ein Geistlicher als Verantwortlicher. Bei Neubesetzung der Leitungsposition wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nun in der Regel ein Kunsthistoriker ohne eine geistliche Ausbildung eingestellt. Allerdings waren diese oft durch ihre vorigen Tätigkeiten schon mit dem kirchlichen Milieu vertraut, in zwei Fällen auch schon durch die Tätigkeiten ihrer Väter. Waren die Kuratoren also nun in der Mehrzahl Kunsthistoriker, so wie es 1994 auch die „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“ ge653 Siehe Kapitel „Ansprachen Papst Johannes Paul II. an Kulturbeauftragte (1997)“. 654 Museen wollten ihren Besucherkreis nicht mehr nur auf die gebildete Ober- und obere Mittelschicht beschränken. (Vgl. Kirchberg 2005. S. 29). 655 Vgl. Lechner 1999.

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fordert hatte,656 bewegte man sich aber in der Art der Ausstellung von der kunsthistorischen, wissenschaftlichen Präsentation weg, hin zu einer Betonung der Sensualität der Kunst. Die Leitung durch fachlich ausgebildete Laien ist eine Weise, sich als Museen zu legimitieren. Würden Geistliche Museen der katholischen Kirche zu atmosphärischen Räumen umgestalten und sie leiten, wäre eine Unterscheidung zum Kirchenraum kaum mehr möglich. Es stellt sich die Frage, warum gerade um das Jahr 1990 so viele Museen der katholischen Kirche neue Ausstellungsräume eröffneten. Die Entscheidung für den Umbau von Bestandgebäuden muss jedoch wesentlich früher gefallen sein, die Suche nach Beweggründen sollte also in den späten 1970er- und den 1980er-Jahren ansetzen. Man stößt in den 1970/80er-Jahren auf einen „Museumsboom“ in der allgemeinen Museumslandschaft im deutschsprachigen Raum,657 welcher in den 1980/90erJahren weiterhin von den Medien verkündet wurde, obwohl die Besucherzahlen sogar zurückgingen.658 Kirchberg erklärte den postulierten Museumsboom in den 1980/90er-Jahren durch einen Museumswandel: Große Ausstellungen und Neugründungen bekamen erhöhte Aufmerksamkeit in den Medien, dies geschah auch dank einer Professionalisierung der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit im Museum. Weiterhin sieht er einen qualitativen Museumswandel durch die zunehmende Besucherorientierung, die Professionalisierung in Fragen des Ausstellens und Vermittelns und der Verwendung von neuen Designs und interaktiven Technologien im Ausstellungswesen.659 Ein ähnlicher Prozess konnte auch bei Museen der katholischen Kirche festgestellt werden, die Ausstellungstrilogie zur Jahrtausendwende in Freising erhielt – dank der erstmaligen Zusammenarbeit mit einer externen Agentur – ein großes Medienecho, während die Besucherzahlen zurückgingen. Grasskamp sah einen Wechsel von politischer zu ökonomischer Funktion des Kunstmuseums. Kommunen gaben Geld für Museumsprojekte aus, um die Attraktivität des Arbeitsplatzimages (für Angestellte und die technische Intelligenz) der Städte zu erhöhen 656 Siehe Kapitel „Die Arbeitsgemeinschaft formuliert inhaltliche Ziele (1990–2000)“. 657 Vgl. Grasskamp 1981. S. 94–95. 658 Kirchberg überprüfte diese Verkündung anhand von Museumseröffnungen und Steigerungen der Besucherzahlen. Er stellte dabei fest, dass es relativ gesehen nicht viele Eröffnungen von großen Kunstmuseen gab und die Besucherzahlen bis 1988 noch leicht anstiegen, aber ab 1989 begannen, zu fallen. Insbesondere im Kunstmuseum, das als Verkörperung des Museumsbooms dargestellt wird, nehmen die Besucherzahlen seit 1990 ab. (Vgl. Kirchberg 2005. S. 25–28). 659 „[…] der „Museumsboom“ ist ein bilateraler, angebots- wie nachfragegesteuerter Prozess der sich gegenseitig verstärkenden Wahrnehmung von Museum und Öffentlichkeit. Zunächst wuchs das Interesse der Museen an ihrem Publikum, dann wuchs als Folge davon das Interesse der Bevölkerung an den Museen.“ (Kirchberg 2005. S. 28).

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und sich für den Tourismus interessanter zu machen.660 Übereinstimmend kann man an den Aussagen Grasskamps als auch Kirchbergs ablesen, dass sich das Museumswesen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dahingehend wandelte, dass das Ausstrahlen der Museen in das öffentliche Bewusstsein in den Vordergrund trat und das Museum sich bemühte, als attraktiver Raum wahrgenommen zu werden. Dies schien in der medialen, ökonomischen und politischen Wahrnehmung zu gelingen, auch wenn es nicht direkt mit einem erhöhten Besuchsaufkommen einherging. Kunst wurde somit in der öffentlichen Wahrnehmung immer stärker mit dem Museum verbunden661 und die Institution des Museums bekam Ende des 20. Jahrhunderts große Aufmerksamkeit in der deutschsprachigen Gesellschaft. Von Bühren nannte die Eröffnung der „Sammlung moderner Kunst“ 1973 in den Vatikanischen Museen als Vorbild für die Eröffnung der Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum der späten 1990er-Jahre.662 Dies kann sicherlich als Anstoß für einige Museen gewertet werden, auch zeitgenössische Kunst in ihre Sammlung aufzunehmen, wie in den 1980er-Jahren in Freising oder Köln. Forti hatte die späten 1980er-Jahre aber auch als Zeit der Stagnation in den Vatikanischen Museen beschrieben, so dass diese keine Ausstrahlkraft gehabt haben dürften. Auch scheint das Bewusstsein für die Vatikanische Sammlung im deutschsprachigen Raum recht gering gewesen zu sein. Deutschsprachige Publikationen zu der Sammlung sind nicht zu finden und erst im Jahre 2002 gab es Sonderausstellungen mit Werken der Vatikanischen Sammlung im deutschsprachigen Raum. 663 Auch der Fakt, dass die Ausstellung Schmieds 1980 als Neuheit für die Unterscheidung zwischen spiritueller und Kunst aus dem Kirchenraum gefeiert wurde, 664 belegt die oben genannte These für die nicht wahrgenommene Entwicklung der Vatikanischen Sammlung, die diese Unterscheidung bereits 1973 gemacht hatte. Das Jahr 1980 scheint ausschlaggebender für die Museumseröffnungen um die 1990er-Jahre zu sein.665 Wie oben beschrieben, besuchte Papst Johannes Paul II. 1980 Deutschland 660 Vgl. Grasskamp 1981. S. 94–95. 661 „So wie die Künstler des Mittelalters für die Kathedrale, so arbeiten die Künstler der Moderne für das Museum [...]. Sie wissen, was mit ihren Kunstwerken geschieht, sie können sich darauf verlassen, sie können diese Vorgabe zum Thema machen. Starke Kausalbeziehungen dürfen zwischen den Werken des 20. Jahrhunderts und den Räumen der Museen und Galerien des 20. Jahrhunderts wirksam sein.“ (Kemp 1997. S. 226). 662 Vgl. Bühren 2008. S. 322. 663 Siehe Kapitel „Die ‚Collezione d‘arte Religiosa Moderna‘ in den Vatikanischen Museen (1973)“. 664 Siehe Kapitel „Die Ausstellung „Zeichen des Glaubens – Geist der Avantgarde“ in Berlin“. 665 Schmitt machte auch eine Zäsur um 1980 aus: „Die Kirchliche Kunst und der Konflikt um die Moderne: Positionen von 1945 bis 1980“. (Vgl. Schmitt 1997. S. 308).

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und äußerte sich zur Kunst, zuvor hatte bereits die Deutsche Bischofskonferenz ein Schreiben veröffentlicht, in welchem sie ausdrücklich empfahl, dass in den Diözesen die Möglichkeiten und Chancen für die Gründung von Museen für neuzeitliche christliche Kunst geprüft werden sollten. Hinzu kam die im Sommer desselben Jahres in Berlin stattfindende Ausstellung „Zeichen des Glaubens – Geist der Avantgarde“. Mittels dieser Ausstellung wurde auf Initiative von Laien durch einen Kunsthistoriker ein neuer Blickwinkel auf die Verbindung von Kirche und Kunst in der Zeitspanne 1880–1980 möglich und fand einen regen Widerhall, sowohl in der Kunstwelt als auch in Diskussionen kirchlicher Kreise. 666 Ab den 1980er-Jahren startete nun parallel eine Entwicklung in einzelnen Museen selbst, wie auch auf der höchsten institutionellen Ebene in Rom. Die Zeitschrift „Kunst und Kirche“ widmete 1987 ein ganzes Heft dem Thema „Neue Kultstätte Museum“, in welchem sie Museumsneubauten vorstellte und die Frage, ob Museen neue Kultstätten seien, problematisierte, aber als drittes auch die Möglichkeiten und Chancen der Institution des Museums für die Kirche prüfte.667 Zeitgleich nahmen die ersten Museen der katholischen Kirche zeitgenössische Kunst auf und gestalteten ihre Hängungen um, während in Rom 1988 die „Päpstliche Kommission der Kulturgüter der Kirche“ gegründet wurde.668 Somit gab es erstmals eine direkt für das Museum der katholischen Kirche zuständige päpstliche Institution. Hierdurch hatten Museen der katholischen Kirche nun eine konkrete Adresse zur Unterstützung im Vatikan. Im Falle von Augsburg führte dies 1995 dazu, dass das Anliegen einer mittleren Ebene (Ebene zwischen Gemeinden und Diözesanleitung, in diesem Fall ein Verein), ein Museum der katholischen Kirche zu gründen, u. a. durch die Aussagen der Päpstlichen Kommission bei der Diözesanleitung erhört wurde. Man kann jedoch auch von einem Einfluss der deutschen mittleren Ebene auf Rom ausgehen. Die Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum hatten sich bereits vor dem vatikanischen Engagement zu einer Interessengemeinschaft, dem „Arbeitskreis katholischer Museen und Schatzkammern im deutschsprachigen Raum“ zusammengeschlossen.669 Über die Arbeitsgemeinschaft und Mittelspersonen (Konsultoren, Vorträge in Malta) fanden die Entwicklungen in den deutschsprachigen Museen auch in Rom Beachtung. Zusammenfassend kann gesagt werden: In den Diözesen, wo Offenheit und Interesse der Diözesanleitung sowie engagierte Einzelpersonen und vorhandene 666 Siehe Zusammenfassung von Kapitel „Katholische Standpunkte zur Autonomie von Kunst. Eine exemplarische Gegenüberstellung (1980)“. 667 Vgl. Rombold 1987. 668 Siehe Kapitel „Kräftigung der Bedeutung von Kultur durch Behörden der römischen Kurie“. 669 Siehe Kapitel „Die Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern im deutschsprachigen Raum“.

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Geldmittel aufeinander trafen, fand um das Jahr 1990 eine Entwicklung statt, die dem Museum der katholischen Kirche die Aufgabe zudachte, pastorales Zentrum zu werden. Dies geschah weitestgehend durch das Einbinden zeitgenössischer Kunst in einen atmosphärischen, musealen Raum. Möglich war diese Entwicklung durch eine vorausgegangene Öffnung der katholischen Kirche u. a. durch das „Zweite Vatikanische Konzil“, konkret durch die Haltung von Papst Johannes Paul II., aber auch durch die allgemeine Anerkennung der Institution des Museums als wichtiger sozialer Raum. Vollzogen wurde diese Entwicklung wegen der weiterhin bestehenden Differenz zwischen der Kunstwelt und der katholischen Kirche. Es bestand nach wir vor ein Mangel an qualitätvoller zeitgenössischer Kunst im katholischen Kirchenraum und somit fehlten weitestgehend auch gegenwärtige, atmosphärische Kirchenräume.670

670 Siehe Kapitel „Zeitgenössische Kunst im Kirchenraum“.

Teil III Museen der katholischen Kirche nach der Jahrtausendwende – vier Fallbeispiele (von 2001 bis 2010)

E INLEITUNG Aus Rom wurde am 15.8.2001 das Rundschreiben „Die pastorale Funktion der kirchlichen Museen“ an alle Diözesanbischöfe versandt (im Folgenden wird der Einfachheit halber lediglich der Begriff „Rundschreiben 2001“ verwandt). Es handelte sich hierbei um das erste offizielle Dokument der katholischen Kirche, welches sich auf fast 50 Seiten ausschließlich mit der Konzeption des Museums der katholischen Kirche aus der Perspektive höchster katholischer Stelle auseinandersetzte. Ferner fanden sich seit 2001 vermehrt Äußerungen von offiziell kirchlicher Seite, aber auch von Wissenschaftlern und Museumsmachern über Museen der katholischen Kirche.1 Die wesentlichen Punkte des „Rundschreibens 2001“ und Reaktionen auf dieses werden in Teil III vorgestellt und analysiert. Die theoretischen Aussagen wurden anhand konkreter Fallbeispiele in Bezug zur Realität gesetzt. Es handelt sich dabei um die Museen der katholischen Kirche in Würzburg, Admont, Freising und Köln. Hier wurden mit den jeweiligen Kuratoren Interviews durchgeführt. Auf Grund der vorhandenen Fragestellungen wurde sich für die Methode des Problemzentrierten Interviews (PZI) nach Witzel entschieden.2 Diese Methode besitzt Charakteristika, die der Forschungsfrage und dem Forschungsgegenstand im hohen Masse entge-

1

Eines der ersten Länder, welches sich auch in Publikationen mit der Frage des Museums der katholischen Kirche auseinandersetzte, war Italien. Im italienischen Sprachraum erschien 2007 ein Werk über die Museen der katholischen Kirche in Bezug auf die Region Bologna und 2008 in Bezug auf die Lombardei (Vgl. Biagi Maino 2007; vgl. Fumagalli Carulli 2008a).

2

Die im weiteren Textverlauf sich auf Witzels Methode beziehenden Begriffe stammen aus den folgenden zwei Publikationen: Witzel 1982 und Witzel 2000.

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genkommen. So nutzt das PZI die Möglichkeit, bereits vorhandenes Material zum Thema mit in das Verfahren einzubeziehen und durch dessen Auswertung zu einer spezifizierten Fragestellung zu gelangen. Weiterhin legt das PZI keine Interviewform fest, sondern es wird der Fragestellerin überlassen, die dem Sachverhalt angemessenste Interviewform zu wählen. Das Verfahren bietet außerdem den Vorteil, dass dem noch nicht generierten Text nicht im Vorhinein ein Analyseraster übergestülpt wird. Die Untersuchung kann vielmehr ihren explorativen Charakter und ihre Offenheit beibehalten. Die Vorüberlegungen leiten das Interview und strukturieren die Analyse, zwängen diese jedoch nicht in bestimmte Kategorien. Die Transkription und die Satz-für-Satz-Analyse dienen dieser Arbeit als Primärquelle und können in den einzelnen Kapiteln in einen größeren Zusammenhang eingebunden werden. Nach Witzel sind die Grundpositionen des PZI: Problemorientierung, Gegenstandsorientierung und Prozessorientierung. Das Feld des Museums der katholischen Kirche wurde vor der Durchführung der Interviews durch die Analyse von Materialien und die Beschreibung von Architektur und Ausstellungs- und Vermittlungsmethoden erfasst und das Problemfeld somit genau umschrieben. Diese Vorarbeit führte zu spezifischen Fragen (Problemorientierung). Hervorragend eignet sich in dieser Untersuchung die Interviewform des Experteninterviews.3 In diesem Interview wird der Interviewte als Spezialist für einen Sachverhalt gesehen. Es geht primär nicht um seine Meinung oder Deutungen, sondern um Gegebenheiten, welche von der Forscherin zusammengefügt werden und zur Rekonstruktion des Sachverhaltes führen. In diesem Fall handelt es sich bei dem Experten / der Expertin um die Kuratoren der Museen der katholischen Kirche. Es gibt verschiedene Gründe, die für diese Personengruppe sprechen: Es handelt sich dabei um die wichtigste Person in der Institution, sie kennt alle wichtigen Arbeitsschritte, alle Mitarbeiter, alle Diskussionen und sie ist es, welche schlussendlich die Ausstellungen gestaltet. Sie wird von der Kirche bezahlt, ihre Vita zeigt also auch, wen die Diözese gerne auf diesem Stuhl haben wollte, sie kennt die Intention der Diözese. Alle Fäden laufen bei dieser Person zusammen, nicht nur innerhalb des Museums, sondern auch nach außen, zu Institutionen und Personen, welche mit ihnen zusammen arbeiten (Gegenstandsorientierung). Für jedes Interview wurden die Fragen des allgemeinen Leitfadens spezifiziert und den Interviewpartnern genau angepasst. Dadurch kann in den Interviews auf die von dem Museum veröffentlichten Materialien sowie die beschriebenen Ausstellungstechniken etc. eingegangen werden. Ebenfalls werden neue Aspekte, welche in den ersten Interviews auftraten, bereits in die darauf folgenden Interviews einbezogen (Prozessorientierung). Für den Interviewleitfaden wurden drei Themenblöcke erarbeitet (Lebenslauf, Arbeitsweise, Kooperationen) und zu jedem eine sehr offene, zur Erzählung anregende Frage, formuliert. 4 Die Antworten der Kuratoren 3

Vgl. Gläser/Laudel 2006.

4

Siehe Anlage Interviewleitfaden.

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sollen nicht durch zu fest formulierte Fragen in eine Richtung gelenkt werden. Nachdem der Text transkribiert5 wurde, fanden mehrere Analyseschritte statt. In einem ersten Arbeitsschritt wurde der transkribierte Text in eine Tabelle überführt, diese entspricht dem chronologischen Ablauf des Interviews und diente dazu, den Ablauf und die Zusammenhänge des jeweiligen Interviews betrachten zu können. Diese Satz-für-Satz-Analyse für den ganzen Text unterbindet, dass die Wissenschaftlerin sich bei der Interpretation die passenden Stellen aus dem Text aussucht und den Ablauf und die Zusammenhänge dabei übersieht.6 Die Transkription des Textes wird in Abschnitte gegliedert, welche sich durch Sinneinheiten ergeben. Nach Benennung des behandelten Inhalts in Form einer kurzen Zusammenfassung der prägnanten Punkte wird der Abschnitt ebenfalls kommentiert (Wie kam der Interviewte auf das Thema? Welche Art von Frage wurde gestellt? Wie hat die Interviewerin sich verhalten? etc.). Auch Auffälligkeiten beim Zustandekommen des Interviews, das Postskriptum und eine Explikation zu nicht bekannten Begriffen werden hier notiert.7 Mit Hilfe dieser ersten Tabelle wurden die jeweiligen Textstellen den entsprechenden Indikatoren zugeordnet, welche dann in einer zweiten Tabelle nach den Indikatoren sortiert wurden. Das heißt, in der zweiten Tabelle ist die Transkription thematisch gegliedert, so werden zum Beispiel alle Textstellen der Transkription, die sich auf den Werdegang des Kurators beziehen, zusammengefasst. Das PZI geht bei der Auswertung des Interviews nicht auf die Reduktion des Materials durch weitere Abstraktionsebenen ein. Dies ist aber aufgrund des Umfangs des Materials für die Übersichtlichkeit unabdinglich. Deswegen wurden für die Auswertung zwei Abstraktionsebenen hinzugezogen, welche der Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring entlehnt sind.8 Die Zusammenfassung einer Sinneinheit wird durch den Schritt der Generalisierung auf eine erste Abstraktionsebene gehoben, das heißt Detailinformationen durch Überbegriffe ersetzt. Der Schritt der Reduktion fasst die Generalisierungen der einzelnen Abschnitte eines Indikators in Stichworten zusammen.9 Die Reduktion ermöglicht, zusammen mit dem Kommentar, die Interpretation der einzelnen Indikatoren. Die Interpretation wurde durch erläuternde Zitate untermalt.10

5

Die Transkription erfolgt nach Kuckartz/Dresing/Rädiger/Stefer 2008. S. 27f. und wurde

6

Gemäß dem PZI. Vgl. Witzel 1982. S. 110.

mit Hilfe des Computerprogramms f4 durchgeführt. 7

Siehe Anlage Tabelle 1.

8

Vgl. Mayring 2008.

9

Siehe Anlage Tabelle 2.

10 Das durch die Interviews generierte Material ist nicht repräsentativ und nicht für alle Museen der katholischen Kirche verallgemeinerbar. Vielmehr soll es einen Eindruck einzelner Ausprägungen geben und dient zur Analyse des jeweiligen Fallbeispiels.

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In der vorliegenden Arbeit wurde eine thematische Gliederung in sechs Kapitel vorgenommen: Zielgruppen („Für wen sollte das Museum der katholischen Kirche sein – Gläubige, Nichtgläubige und Abtrünnige“), Exponate („Was sollten Museen der katholischen Kirche zeigen – Bewahren oder aktiv Sammeln“), Präsentation („Wie sollte das Museum der katholischen Kirche gestaltet sein – Musealer Anspruch versus pastorales Ziel“), Vermittlung („Was sollte das Museum der katholischen Kirche vermitteln – Wissen weitergeben, Emotionen hervorrufen“), Macher („Wer sollte das Museum der katholischen Kirche betreiben – Theologischer Laie oder Kunst-Amateur“) und Vernetzung („Wie sollte das Museum der katholischen Kirche vernetzt sein – Alleingang, im Verbund oder in Kooperation“). Diese Kapitel wurden jeweils in sechs Unterkapitel eingeteilt: Nach den theoretischen Aussagen folgen die Fallbeispiele, chronologisch nach wichtigen Ereignisse geordnet (Würzburg Eröffnung März 2003, Admont Eröffnung Mai 2003, Freising neue Direktion April 2007, Köln Neubaueröffnung September 2007). Daraufhin werden weitere Häuser aus dem deutschsprachigen Raum aufgeführt, zu denen Informationen aus der Literatur gewonnen werden konnten. In die einzelnen Fallbeispiele wird nun kurz eingeführt: In der Diözese Würzburg existierte, wie in Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“ beschrieben, mehrere Museen der katholischen Kirche.11 Zu den bereits bestehenden kamen nach der Jahrtausendwende folgende hinzu: 2001 eröffnete das „Museum Schloss Oberschwappach – vom Geist des Barock“.12 Das Museum „Gerolzhofen“ präsentierte seit 2006 goti13 sche Kunst. Das „Museum Dettelbach“, das sich mit der Pilgerschaft beschäftigt, 14 kam 2008 hinzu. Im Sommer 2011 wurde das „Museum. Burg. Miltenberg – Ikonen und moderne Kunst“ eröffnet.15 Bei den genannten Museen war die jeweilige Stadt der Träger des Museums, diese zeichnete sich verantwortlich für den Bau, die Nebenkosten und die Betreuung der Besucher, während die Diözese das Konzept erstellte und das Museum bewarb. Am 6.3.2003 wurde das „Museum am Dom“, welches hier im Mittelpunkt steht, eröffnet. Dieses Museum wurde allein von der Diözese betrieben.16 Das „Museum am Dom“ vertritt sich selbst durch eine ganze Reihe von Publikationen, in denen Geschichte und Intentionen des Hauses be11 Das Interview in Würzburg wurde am 27.5.2010 geführt. 12 Vgl. Würzburg Oberschwappach 2011. 13 Vgl. Gerolzhofen 2011. 14 Vgl. Würzburg Dettelbach 2011. 15 Lenssen stiftete seine private Sammlung „moderner Kunst“ ausschließlich für die Beheimatung in der Miltenburg, der Kunstsammlung der Diözese. Das Konzept zur Gestaltung der Ausstellung und der Aufstellung der Kunstwerke wurde von Lenssen persönlich entwickelt. (Vgl. Sarchioni 2011. S. 26). 16 Vgl. Emmert/Turek 2002. S. 3.

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schrieben werden. Der Autor vieler Publikationen ist Jürgen Lenssen, der Direktor des Museums. Viele Artikel betreffen nicht allein das „Museum am Dom“, sondern sind allgemeine Äußerungen Lenssens über die Ausrichtung von Diözesanmuseen. Daneben gibt es noch zwei weitere Autoren: Rüdiger Klein und Jürgen Emmert, an der Planung des Museums beteiligte Mitarbeiter des Kunstreferates der Diözese. Außer einzelnen Artikeln in der Presse existieren keine Äußerungen von Außenstehenden über das „Museum am Dom“. Am 29.5.2003 fand die Eröffnung des „Museums des Stifts Admont“17 statt.18 Zum Museumskomplex gehörten, neben dem „Museum für Gegenwartskunst“, ein „Kunsthistorisches Museum“ und ein „Naturhistorisches Museum“. Das Museum publizierte selbst in Büchern, Heften und auf seiner Homepage Informationen über sein Konzept. Auf der Homepage konnten auch kurze Filme und Podcasts zu einzelnen Themen abgerufen werden. Es existieren einzelne Artikel über das Museum, aber keine weitergehende Auseinandersetzung durch Außenstehende. In Freising hatte Sylvia Hahn das Amt der Direktorin des „Dombergmuseums“ seit 26.4.2007 inne. Bis dahin war der in Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“ beschriebene Peter Steiner Direktor des Hauses. Es bestand eine langjährige Zusammenarbeit zwischen Steiner und der Befragten. Die Befragte trug in weiten Teilen Steiners Konzept mit, nahm aber auch Änderungen nach seinem Ausscheiden vor.19 Deswegen war es sinnvoll, Aussagen aus der Literatur und die aktuellen Aussagen zu vergleichen und gegebenenfalls die Änderungen in einen chronologischen Ablauf zu bringen. Es existieren einige kurze Zeitschriftenartikel und auch Publikationen der Direktorin Hahn. Die meisten Veröffentlichungen stammen von Peter Steiner. Es gibt keine ausführliche wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem „Dombergmuseum“ von Außenstehenden. „Kolumba“20 wurde am 14.9.2007 in einem Neubau eröffnet. Das Museum selbst publizierte zum Bau, zu dem Museumskonzept, zu den einzelnen Ausstellungen und zu einzelnen Künstlern. Auf der hauseigenen Internetpräsentation wurden weiterhin viele Texte zur Verfügung gestellt. Auch in der Presse wurden der Bau, das Konzept und die Ausstellungen umfangreich reflektiert. Als einzige wissenschaftliche Auseinandersetzung existiert eine Magisterarbeit über das Museum. In Teil III dieser Arbeit tritt durch die breitere Quellenlage die Betrachtung des Museums der katholischen Kirche – im Vergleich zur allgemeinen Frage des Verhältnisses der katholischen Kirche zur bildenden Kunst – in den Vordergrund. In Kapitel „Das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und bildender Kunst“ wird jedoch auf die wichtigsten Aussagen und Ereignisse, die im ersten Jahrzehnt nach 17 Das Interview mit Admont fand am 10.8.2010 statt. 18 Vgl. Admont Geschichte Kunsthistorisches 2010. 19 Vgl. Interview Freising (01:01:03). 20 Das Interview mit dem „Kolumba“wurde am 28.6.2010 geführt.

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dem Jahrtausendwechsel in Bezug auf Kunst und Kirche im Allgemeinen stattfanden, ein Blick geworfen werden.

F ÜR WEN SOLLTE DAS M USEUM DER KATHOLISCHEN K IRCHE SEIN – G LÄUBIGE , N ICHTGLÄUBIGE UND ABTRÜNNIGE Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz „Auch die in den Museen zusammengetragenen Werke sind zweckbestimmt – nach drinnen zur Katechese und nach draußen zur Verkündigung des Evangeliums, so daß sie zur Nutznießung sowohl der Glaubenden wie der Fernstehenden angeboten werden, damit beide, jeder auf seine Weise, in deren Genuß kommen können.“21

Das „Rundschreiben 2001“ sah das Museum der katholischen Kirche in erster Linie für die christliche Gemeinde bestimmt, aber es sollte auch für „ein Publikum anderer kultureller, sozialer und religiöser Herkunft zugänglich“22 sein. Ebenfalls böte das Museum die Möglichkeit, dass Menschen, die christlich getauft seien, aber nicht viel über ihren Glauben wüssten, Neues erfahren. Das Museum der katholischen Kirche wurde auch als Möglichkeit gesehen, junge Menschen „innerlich zu engagieren“.23 Große Bedeutung wurde hier der Beziehung zwischen Schule, Region und Teilkirche zugeschrieben. Es wurden viele Beispiele für mögliche Angebote für unterschiedliche Zielgruppen gegeben. Man unterschied zwischen Einzelpersonen im Schulalter, Erwachsenen, Touristen und Pilgern, für alle solle es freien Zugang geben. Das „Rundschreiben 2001“ bezog sich mit diesen Äußerungen auf vorangegangene Aussagen über Kunst und Kultur im Allgemeinen und konkretisierte sie in Bezug auf das Museum der katholischen Kirche. So wurde – wie bereits thematisiert – 1975 in „Evangelii nuntiandi“ über Kunst ausgesagt, dass sie zur Verkündigung für Menschen, die der Kirche fernstehen, genutzt werden solle24 und der „Päpstliche Rat für die Kultur“ schrieb 1999, dass Kultur besonders in Gesellschaften, die sich sonst von der Kirche abgewandt hätten, in welchen aber die christliche Kultur weiterhin lebendig sei, von Nutzen für die Evangelisierung sei. 25 Die Funktion des Museums der katholischen Kirche als Dialogangebot für kirchenkritische

21 Rundschreiben 2001. s. p. 22 Rundschreiben 2001. s. p. 23 Rundschreiben 2001. s. p. 24 Siehe Kapitel „Das Lehrschreiben ‚Evangelii nuntiandi‘ (1975)“. 25 Siehe Kapitel „Das Dokument der römischen Kurie über die Kulturpastoral (1999)“ .

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Menschen wurde 2006 nochmals vom Nachfolger Papstes Johannes Paul II., Papst Benedikts XVI., in seiner Rede zu den Mitarbeitern der Vatikanischen Museen unterstrichen: „Jeden Tag besuchen Tausende von Menschen die Vatikanischen Museen. [...] Das alles läßt uns über die außerordentliche Verantwortung nachdenken, mit der diese Einrichtung unter dem Gesichtspunkt der christlichen Botschaft betraut ist. […] Die durch die künstlerische und historisch-kulturelle Aussagekraft vermittelte Annäherung an die christliche Wahrheit besitzt eine zusätzliche Chance, die Intelligenz und die Sensibilität von Menschen anzusprechen, die nicht zur katholischen Kirche gehören und mitunter möglicherweise Vorurteile und Mißtrauen gegen sie hegen.“26

Die Deutsche Bischofskonferenz schloss sich in ihrem Schreiben „Kirche und Kultur“ aus dem Jahre 2007 dieser Ansicht an: „Die theologische Verbal- und Schriftsprache wird aufgrund schwindender religiöser Vorprägung immer schwerer kommunizierbar. Mithin erweist sich die ästhetische Kommunikation in Bild, Ton und Gestaltung als bedeutsame Komplementärgröße zur Wortverkündigung. Mitunter sind die Künste das einzige Scharnier zu Menschen, die religiös nicht (mehr) sozialisiert sind.“27

Lechner sprach jedoch auch 2003 die Warnungen aus, dass die genannte Intention zu einem Handeln führen könnte, welches diese Menschen verschrecke: „Kirchliche Museen dürfen keine Missionierungsanstalten ‚durch die Hintertüren‘ sein, über den unverfänglich scheinenden Weg der Kunst agierend. Im Gegenteil, gerade erhabene Kunst von kostbarem Materialwert vermag nämlich abweisend oder kontrovers zu wirken, wenn sie nicht zur größeren Ehre Gottes gesehen werden kann, und führt nicht selten zur Anprangerung kirchlichen Reichtums, der durch Ausbeutung des gemeinen Volkes allein der Hierarchie und Machtpolitik der Amtskirche diente […].“28

Die Frage, ob das kirchliche Museum für ein intellektuelles Publikum mit künstlerischen Vorkenntnissen oder eher für die Kunstlaien konzipiert werden sollte, wurde im „Rundschreiben 2001“ nicht behandelt. In der allgemeinen museologischen Diskussion stellte man fest, dass es Kunstmuseen schwer falle, Bevölkerungsgruppen

26 Papst Benedikt XVI. 2006. s. p. 27 Deutsche Bischofskonferenz 2007. S. 57. 28 Lechner 2003. S. 81–82.

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mit einem niedrigen Bildungsstand zu erreichen.29 Auch wenn es keine physischen Barrieren mehr gebe, ein Museum zu betreten, so doch psychische: Die meisten Museumsbesucher seien Akademiker.30 Annette Noschka-Roos stellte fest, dass das Interesse an einem Museumsbesuch größer werde, je höher die Vorbildung, je selbstständiger und komplexer die berufliche Tätigkeit, je jünger der Betroffene und je größer der Wohnort sei. Allgemein würden Kunstmuseen von Menschen mit einem höheren sozialen Status bevorzugt. 31 Zu diesem Ergebnis kam auch eine Studie über „Religiöse und kirchliche Orientierungen in den Sinus-Milieus“ aus dem Jahre 2005.32 Diese Studie untersuchte nicht das Thema der Kunst im Speziellen, trotzdem wurde Kunst in vielen Milieus mit der Kirche verbunden. So bei den „Etablierten“ (35–64 Jahre, überdurchschnittlich hohes Bildungsniveau, hohe–höchste Einkommensklasse),33 den „Postmateriellen“ (30–50 Jahre, hohe–höchste formale Bildung, gehobenes Einkommensniveau),34 den „Modernen Performern“ (unter 30 Jahre, hohes Bildungsniveau, gehobenes Einkommen) 35 und den „Konservativen“ (ab 60 Jahren, akademische Abschlüsse überrepräsentiert, mittleres–gehobenes Einkommen, teilweise größere Vermögen).36 Es handelte sich hierbei um die Milieus mit dem höchsten Bildungsgrad und den höchsten Einkommen. Die „Bürgerliche Mitte“ (30–50 Jahre, mittlerer Bildungsabschluss, mittlere Einkommensklasse)37 stellte ein Milieu dar, welches zu wichtigen Anlässen in den Gottesdienst ging und 29 „Die Bildung als wichtigstes sozioökonomisches Merkmal kann direkt und positiv mit dem Besuch von Kunstmuseen korreliert werden.“ Beruhend auf Befragung von 1.080 Personen in der BRD, repräsentativ für die Gesamtbevölkerung (keine Umfrage im Museum). (Vgl. Kirchberg 2005. S. 241f. und 299). 30 Vgl. Kamel 2004. S. 62. 31 Vgl. Noschka-Roos 1994. S. 167. 32 Das Milieuhandbuch wurde von Sinus Sociovision, Heidelberg, im Auftrag von der Medien-Dienstleistung GmbH, München, erstellt. Das Ziel war, „die Einstellung von Menschen zu Religion und Kirche sowie konkret Wünsche und Erwartungen an die katholische Kirche zu erheben.“ Ein Partner war die Katholische Sozialethische Arbeitsstelle e.V. Hamm. Es handelte sich um eine qualitative Grundlagenstudie zu religiösen und kirchlichen Einstellungen in Deutschland. Die Grundgesamtheit ist die deutschsprachige Wohnbevölkerung in Privathaushalten ab 20 Jahren. Ausgeschlossen wurden die, die für die katholische Kirche „grundsätzlich unerreichbar“ sind (Angehörige des Islam, hartnäckige Atheisten etc.). Katholisch getaufte sind überrepräsentiert, es wurden auch Nichtgetaufte und Kirchenaustreter miteinbezogen. (Vgl. Milieuhandbuch 2005. S. I). 33 Vgl. Milieuhandbuch 2005. S. 38. 34 Vgl. Milieuhandbuch 2005. S. 53. 35 Vgl. Milieuhandbuch 2005. S. 89. 36 Vgl. Milieuhandbuch 2005. S. 129. 37 Vgl. Milieuhandbuch 2005. S. 205.

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sich für Kunst interessierte, es bevorzugte hier aber „leichte Kost“ ohne besondere Voraussetzungen.38 Nicht für Kunst hingegen interessierte sich das Milieu, in dem die Kirchenbindung am stärksten war (regelmäßige Kirchenbesuche), 39 nämlich die „Traditionsverwurzelten“ (ab 60 Jahre, meist Berufsausbildung, kleinere–mittlere Einkommen).40 Ein Fazit der Studie war, dass die katholische Kirche keine Bewunderung oder Ehrfurcht von den Menschen erfahre, jedoch: „Bewundert werden allerdings die lange Geschichte, die großartigen Kathedralen und der ganze hochkulturelle Fundus der Kirche.“41 Im Folgenden werden die Milieus, deren Interesse für die Kirche durch Kunst geweckt wird, näher betrachtet: Die „Etablierten“ besuchten in ihrer Freizeit auch Museen und Galerien und schätzten hier das Besondere. Eine Sehnsucht oder ein Tagtraum der Etablierten war u. a.: „Mit einem bedeutenden Künstler gemeinsam etwas Einzigartiges schaffen.“42 In diesem Milieu dominierte ein bildungs- und kunstgetriebener Zugang zu Religion, man schätzte die christlichen Kirchen als kulturhistorische Pfeiler, als reichen Fundus, als soziale und künstlerische Kraft. Attraktiv war die Kirche, wo sie intellektuelle Nachdenklichkeit zeige und sich Zugänge des Menschen zu überlegenen Sphären manifestiere: v. a. Kunst, Philosophie, Musik, Architektur (sowohl klassisch, als auch modern). 43 Die Expertise von Sinus Sociovision konkludiert, dass der Schlüssel zu den Etablierten das hochkulturelle, intellektuell und sinnlich ansprechende Erlebnis sei, das die eigene Individualität und Besonderheit aufwertet. Die katholische Kirche sollte u. a. ihre Kunst weiter und öffentlichkeitswirksamer inszenieren, u. a. auch mit Kunstausstellungen in der Gemeinde.44 Das Milieu der „Postmateriellen“ besaß ein Interesse für alle Formen von Kunst und Kreativität (Museen, Galerien, Ausstellungen), innerhalb der Kirche 38 Vgl. Milieuhandbuch 2005. S. 221. 39 Vgl. Milieuhandbuch 2005. S. 173. 40 Vgl. Milieuhandbuch 2005. S. 159. 41 Milieuhandbuch 2005. S. 11. 42 Milieuhandbuch 2005. S. 38. 43 Typische Aussagen aus dem Milieu waren: „Es gibt viele Orte, die zu Meditation und Ruhe einladen können. Ich suche auch gerne die Ruhe einer Kirche auf. Nicht nur die Ruhe, auch das bewusste Wahrnehmen eines Domes oder die Kirchenfenster einer schönen gotischen Kirche berühren mich, versetzen mich in eine bestimmte Stimmung, wahrscheinlich wegen der Farben, wenn Licht durch die Fenster fällt, diese Farbigkeit, diese farbigen Kompositionen, das ist Wahnsinn.“ (Frau 58); „Religion ist sehr wichtig für mich. Ich gehe in die Kirche, wenn ich das Bedürfnis habe. Ich brauche aber die Messe in der Kirche nicht. Ich setze mich meistens allein in die Kirche, wenn ich danke sagen will oder bitten will.“ (Mann 50); „Die Kirche bietet mit ihrer Kunst und Kultur schon faszinierende Glaubenserfahrungen.“ (Mann 51) (Milieuhandbuch 2005. S. 43). 44 Vgl. Milieuhandbuch 2005. S. 41.

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schätzte man vor allem offene Diskussionen und Gestaltungmöglichkeiten, also „Kirche von unten“. Die Expertise von Sinus Sociovision empfahl, die Gemeinde als Forum für aktuelle Themen von Religion und Kirche heute zu nutzen, z. B. zum Thema „Kirche und moderne Kunst“.45 Das Milieu der „Modernen Performer“ besaß ein Interesse an Hochkultur und besuchte z. B. aktuelle Ausstellungen.46 Man ging manchmal bewusst in den Gottesdienst oder aber auch außerhalb der Gottesdienstzeiten in die Kirche.47 Dieses Milieu möchte „die Kirchenhäuser von ‚überflüssigem Reichtum‘ befreien: Weniger ist mehr, Schlichtheit ist ansprechender als der ‚Barock vergangener Jahrhunderte‘ und alternativ sollten mehr Werke von zeitgenössischen Künstlern in der Kirche zeigen.“48 Die „Modernen Performer“ empfahlen der Kirche, zuerst eine Wahrnehmung ihrer selbst zu schaffen und dabei überraschend und glaubwürdig zu bleiben, z. B. über Ausstellungen junger Künstler „Präsenz an unerwarteten Orten zeigen – und zwar unbedingt zunächst ohne ‚religiöse Message.‘“49 Im Milieu der „Konservativen“ wurde in der Alltagsästhetik klassische Schönheit geschätzt und nicht „moderne Kunst“.50 Sie engagierten sich z. B. aktiv in lokalen oder regionalen Kultur-Kreisen und beschäftigten sich nach der Pensionierung auch intensiver mit Museen, Ausstellungen und Galerien. 51 Unter ‚Sehnsüchte und Tagträume‘ wurden als erhellende Augenblicke solche genannt, in denen man das große Ganze erahne und sich aufgehoben fühle, auch durch Kunst und Architektur.52 Jakob Johannes Koch, seit 2000 Kulturreferent im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, zitierte 2006 aus der Sinus Sociovision–Studie, dass die Kirche stark über die kulturell-ästhetische Komponente wahrgenommen werde. Um dies zu nutzen, schlug Koch vor:

45 Vgl. Milieuhandbuch 2005. S. 53–85. 46 Vgl. Milieuhandbuch 2005. S. 92. 47 Milieuhandbuch 2005. S. 111. 48 Vgl. Milieuhandbuch 2005. S. 119. 49 Milieuhandbuch 2005. S. 121. 50 Vgl. Milieuhandbuch 2005. S. 131. 51 Vgl. Milieuhandbuch 2005. S. 132. 52 „In Kunst und Architektur die Leistungsfähigkeit des Menschen und seine Fähigkeit zur Transzendenz bewundern (im Kölner Dom sitzen, die Architektur auf sich wirken lassen und die Stille genießen): Vergewisserung, dass Gott in der Schöpfung wirkt und der Mensch Göttliches in sich trägt.“ (Milieuhandbuch 2005. S. 139).

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„‚Seh-schulen‘,53 die sich dieses Anliegen auf die Fahne geschrieben haben, sind par excellence die Diözesanmuseen. Denn sie haben die letzten Jahrzehnte dazu genutzt, neben den traditionellen Tätigkeiten des Sammelns, Bewahrens und Präsentierens eine „Resakralisierung“ des christlichen Kulturgutes museumspädagogisch zu verwirklichen. Und zwar nicht in Form pseudosakraler Weihestätten, sondern als lebendige Orte der Auseinandersetzung, an denen dem Besucher der Sinngrund seiner eigenen kulturellen Identität vermittelt wird.“54

Bernhard Kathan sah im Zugehen der katholischen Kirche auf das Bürgertum mittels des Museums der katholischen Kirche eine gewisse Ironie: „Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die Kirche in ihren Museen ein wichtiges Projekt des Bildungsbürgertums aufgreifen sollte. Das Bürgertum hat sich nicht zuletzt mit Hilfe der kunsthistorischen Betrachtung sakraler Objekte von Kirche und Religion emanzipiert.“55

Zurück zum „Rundschreiben 2001“: Auch die Zielgruppe der Künstler wurde hier genannt, sie wurde als der Kirche fernstehend beschrieben. Das Museum der katholischen Kirche solle helfen, den Künstler „innerlich zu engagieren und auf religiöse Themen vorzubereiten.“56 Bezüglich des Klerus betonte das „Rundschreiben 2001“ zwar, dass in der Ausbildung des Klerus die Kunst nicht zu kurz kommen dürfe, es gab aber keine konkreten Anweisungen an die katholischen Museen, sich in der Priesteramtsausbildung zu engagieren.57 Das „Rundschreiben 2001“ empfahl dem Museum der katholischen Kirche, ein regionales Verständnis zu entwickeln und die Aktivitäten mit den übrigen kulturellen Angeboten der Region abzustimmen und diesen gegenüberzustellen. Es solle ein lebendiger Ort sein. Es wurde geraten, einen „Kommunikations- und Bildungskreis“ ins Leben zu rufen, welcher Veranstaltungen organisieren solle und so den Besucher nachhaltig an das Museum binden könne und das Museum der katholischen Kirche zu einem „kulturellen Animationszentrum der Gemeinde“58 machen würde.59 Italienische und portugiesische Kritiker sehen allerdings genau in dieser lokalen Struktur von Museen der katholischen Kirche in Bezug auf die Qualität der Museen eine Problematik. Chizzoniti sprach in Bezug auf die Region der 53 Auch hier wird wieder der Begriff „Schule des Sehens“ verwendet. Siehe hierzu „Zusammenfassung“ von Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“. 54 Koch 2006. S. 7. 55 Kathan 2003. S. 117. 56 Rundschreiben 2001. 57 Vgl. Rundschreiben 2001. 58 Rundschreiben 2001. 59 Vgl. Rundschreiben 2001.

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Lombardei, in der es zu viele kleine Museen der katholischen Kirche gebe, die dem Qualitätsanspruch, welcher im „Rundschreiben 2001“ formuliert wurde, nicht entsprächen.60 Garlandini ergänzte zu lombardischen Museen der katholischen Kirche, dass diese oft eingeschränkte Öffnungszeiten und auch weniger Besucher als andere Museen der Region hätten.61 Falcão, Präsident der portugiesischen Assoziation der Museen der katholischen Kirche, plädierte für kleine, über das Land verteilte Museen, die die Schätze in situ präsentieren und so näher an die Gemeinden kommen könnten. Sie sollten aber auch offen sein für Vernetzungen und Austausch mit anderen europäischen Museen.62 Das „Rundschreiben 2001“ vertrat auch die Meinung, dass das Museum sich um die Verbreitung seines Images kümmern müsse, dies könne über die kirchlichen Kommunikationskanäle, die Schulen und Kultureinrichtungen, sowie die lokalen Massenmedien, geschehen.63 Pietro Petraroia stellte fest, dass der Unterschied zwischen Museen der katholischen Kirche und anderen musealen Einrichtungen nicht die Organisation sei, sondern ihre Zielsetzung. Für die Funktion, wenn diese die pastorale und intellektuelle Bildung sei, müsste die Besucheranzahl der Museen eminent wichtig sein.64 So empfahlen Propersi und Grumo den italienischen Museen der katholischen Kirche u. a. auch eine Analyse des Profils der Besucher und der Nichtbesucher. Der Fokus solle auf den Besucher und seine unterschiedlichen Erwartungen gelegt werden. Man solle die Konditionen des Besucherservices, z. B. durch Begrüßung und Begleitung des Besuchers im Museum durch ehrenamtliche Helfer, verbessern.65 Das Vorhaben, mit Hilfe der Medien das Image der Museen der katholischen Kirche zu verbessern, stieß in der Bevölkerung auf Zuspruch. Das Milieuhandbuch stellte fest, dass nicht nur traditionelle Milieus, sondern auch moderne und in noch stärkerem Maße die postmodernen Milieus, forderten, dass die Kirche in der Öffentlichkeit mit „richtiger PR-Arbeit“ präsenter sein solle. Als Hilfestellung wurde angegeben, dass die Kirche die Erwartungen der Menschen positiv enttäuschen müsse, um die Menschen zu überraschen. Ein wichtiges Mittel dazu könnte „eine stilistische Öffnung, beispielsweise über Musik und Ästhetik, sowie mehr Partizipation sein.“66

60 Vgl. Chizzoniti 2008. S. 95. 61 Vgl. Garlandini 2008. S. 145–146. 62 Vgl. Falcão 2011. 63 Vgl. Rundschreiben 2001. 64 Vgl. Petraroia 2008. S. 37f. 65 Vgl. Propersi/Grumo 2008. S. 187. 66 Milieuhandbuch 2005. S. 12.

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Würzburg „Museum am Dom“ „Alle Museen haben nicht den Namen Diözesanmuseen, der taucht ganz bewusst überhaupt nicht auf, um eine Schwellenangst zu verhindern. Die Schwellenangst derer, die bevölkerungsmäßig in der Mehrheit sind, die von einem Kirchenmuseum erwarten: Kreuze, Madonnen, Heiligenfiguren, Vasa Sacra und Paramente, und nachdem sie diese innere Kirchenbeziehung verloren haben, da erwarten sie auch von diesen Werken nichts für sich.“ 67

Der Name des Museums sollte in erster Linie gegen ein schlechtes Image von Diözesanmuseen ankämpfen und Menschen, die sonst nicht in ein Diözesanmuseum gehen würden, vor allem kirchenferne Menschen, für das Museum gewinnen. Es zeigt sich, dass man im „Museum am Dom“ viel stärker daran interessiert war, Menschen durch das Museum an die katholische Kirche heranzuführen, als Menschen aus der katholischen Kirche Kunst näher zu bringen. Es wurde betont, dass der religiöse Hintergrund des Besuchers egal sei, jeder würde respektiert. 68 Der Prozess der Annäherung sei im Museum frei von dem Verdacht der kirchlichen Vereinnahmung; Schwellenängste der Besucher könnten dadurch zurücktreten. 69 „Die Kunst fragt nicht nach der religiösen Ausgangssituation ihrer Betrachterinnen und Betrachter, sondern öffnet sich im Prozess ihrer Wahrnehmung den Menschen soweit, wie es für die Wahrnehmung der momentanen Lebenssituation und -sicht erforderlich ist.“70

Auch religiöse Gruppen kämen in das Museum (Kommunion- oder auch Konfirmandengruppen).71 Geistliche erhielten jedoch keine Sonderkonditionen im Museum.72 Der gläubige Besucher, der sich im Glauben bestärken wolle und sich durch den Hausnamen Diözesanmuseum anziehen lasse, stelle eine Minderheit dar. Die Majorität hingegen sei der kirchenferne Besucher.73 Durch die Wörter „Museum“ und „Dom“ käme oft der „übliche Museumsgänger“ ins Haus und sei häufig überrascht von dem Konzept und auch berührt.74 Besonders gerne wurden Geschichten von Besuchern geschildert, die nicht „die üblichen“ Museumsbesucher darstellen. So wurde es als erfreulich empfunden, wenn soziale Randgruppen (z. B. Jugendli-

67 Interview Würzburg (00:09:38). 68 Vgl. Interview Würzburg (01:15:21). 69 Vgl. Lenssen 2003. S. 21. 70 Lenssen 2003. S. 22. 71 Vgl. Interview Würzburg (01:12:24). 72 Vgl. Interview Würzburg (01:40:06). 73 Vgl. Lenssen 2003. S. 75. 74 Vgl. Interview Würzburg (01:16:27).

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che mit einem problematischen Hintergrund)75 sich mit der Kunst im Museum befassten und sich im Museum wohl fühlten76 oder wenn Kinder auf Kunst reagierten und gerne ins Museum kämen. 77 Konkret gab es im „Museum am Dom“ Lehrerfortbildungen78 und für verschiedene Zielgruppen (Kinder, Jugendliche, ältere Menschen) wurden Angebote formuliert, zusätzlich wurde eine Vermittlung zwischen unterschiedlichen Besuchergruppen unterstützt (z. B. Enkel erklären ihren Großeltern).79 Auch Künstler kamen selbst zu Wort in „Künstlerbegegnungen“. Hier sollte der Besucher mit den Künstlern, deren Werke im Museum ausgestellt wurden, ins Gespräch kommen.80 Neben dem Feedback des Besuchers wurden die Rückmeldungen der Künstler als wichtig erachtet, man freute sich, wenn der Künstler sich im Museum ernst genommen fühlte: „Ich denke, das größte Lob, das ich, nicht als Person, aber für unser Museum erfahren habe oder für unsere Arbeit, das ist die Arbeit meiner Mitarbeiter und meiner Wenigkeit, ist, dass der Wolfgang Mattheuer den schwerkranken Werner Tüpke, der kaum noch laufen konnte, an die Hand genommen hat oder untergehakt hat, als unser Museum eröffnet wurde. […] Und auf einmal – Mattheuer schrie – : Werner, endlich ein Museum, das uns ernst nimmt. Das fand ich großartig. Und das ist der Respekt, den man den Künstlern gegenüber hat. Und darum auch keine Gretchen-Frage, wie man es mit der Religion hält, und so weiter, das ist alles zweitrangig.“81

Diese Begebenheit wurde auf die Fragestellung hin erzählt, warum man kein chronologisches-kunsthistorisches Konzept in der Präsentation durchführe. Man empfand, dass man durch die eigene Präsentationsweise den Künstler in seiner Arbeit ernster nähme, als es andere Museen tun würden. Dadurch, dass das Kunstwerk aus dem sakralen Zusammenhang genommen wurde, welcher die Nutzung und die Bedeutung des Kunstwerkes einengen würde, gebe es nun befreite Deutungs- und Weisungsmöglichkeiten.82 Der persönlichen Begegnung und den Besuchen des Künstlers an seinem Arbeitsplatz wurde hohe Wichtigkeit zugeschrieben,83 eine

75 Vgl. Interview Würzburg (01:42:35). 76 Vgl. Interview Würzburg (01:10:56, 01:15:21). 77 Vgl. Interview Würzburg (01:42:35). 78 Vgl. Interview Würzburg (01:13:14). 79 Vgl. Interview Würzburg (01:15:21). 80 Vgl. Lenssen 2003b. S. 100f. 81 Interview Würzburg (01:04:39). 82 Vgl. Lenssen 2003. S. 79. 83 Vgl. Interview Würzburg (00:11:42).

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theoretische Auseinandersetzung stand erst an zweiter Stelle.84 Viele Künstler seien über das Interesse einer kirchlichen Institution an ihrem Werk zuerst erstaunt. 85 Durch gegenseitige Wertschätzung und Gefallen am Konzept des Museums kämen Nachlassstiftungen von Künstlern86 oder auch gezielte Verkäufe 87 zustande. Kunstwerke würden je nach Lage entweder direkt über den Künstler oder über seine Galerie erworben.88 Es könne auch zu einer Zusammenarbeit für eine Auftragsarbeit im Kirchenraum führen.89 Allerdings war man nicht an allen Künstlern so interessiert. Durch Anfragen von Künstlern, denen man eine geringere Qualität zuschreibt (vermeintliche Hobby-Künstler,90 lokale Künstler91) fühlte man sich belästigt, manche wurden telefonisch abgewiesen.92 Hier zeigt sich ein Unterschied zwischen Selbstanspruch und Außenwahrnehmung. Weiterhin drückt sich aber auch ein Qualitätsanspruch an Kunst aus. Der Kurator plädierte generell dafür, dass Künstler mehr in die Arbeit der katholischen Kirche einbezogen werden müssten, unabhängig von ihrer Kirchenbezogenheit. Die Kirche dürfe vor Provokationen nicht zurückschrecken, diese gehöre zur Kunst dazu. Der Befragte sah den Künstler als Seismographen der Gegenwart und Zukunft.93 Kunst könne als Korrektiv kirchlicher Strukturen gesehen werden, als Beispiel wurden Gerichtsdarstellungen in Portalen gotischer Kirchen genannt, in welchen auch Geistliche in die Hölle gezogen werden.94 Generell wurde im Interview lieber über positive Ereignisse berichtet als über negative. Als negativ empfunden wurde, wenn Besucher sich nicht auf Kunst einließen, sondern von vornherein eine absolute Meinung hätten. Als einziges negatives Beispiel wurde eine Ablehnung von Kunst durch Geistliche gebracht.95 Hier zeigte sich das oft thematisierte Problem des Desinteresses gegenüber Kunst in der breiten Basis des Klerus. Allerdings war unter den vermittelnden Tätigkeiten des „Museums am Doms“ auch kein gesondertes Engagement für die künstlerische Bil84 Vgl. Interview Würzburg (01:00:20). 85 „Wobei viele von ihnen natürlich höchst erstaunt waren, dass gerade ein kirchliches Museum sie, also bzw. ihre Werke angekauft hat, damit haben sie am wenigsten gerechnet.“ (Interview Würzburg (00:11:42)). 86 Vgl. Interview Würzburg (00:49:00). 87 Vgl. Interview Würzburg (00:44:56). 88 Vgl. Interview Würzburg (00:51:21). 89 Vgl. Interview Würzburg (00:11:42). 90 Vgl. Interview Würzburg (00:30:49). 91 Vgl. Interview Würzburg (00:40:58). 92 Vgl. Interview Würzburg (00:31:04). 93 Vgl. Lenssen 2003. S. 111. 94 Vgl. Lenssen 2003. S. 108. 95 Vgl. Interview Würzburg (01:40:06).

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dung des Klerus zu erkennen. So gab es zwar eine Zusammenarbeit mit der Domschule und dem kirchlichen Schulamt, aber es wurde keine Zusammenarbeit mit dem Würzburger Priesterseminar genannt. Das „Museum am Dom“ schien von seinen Besuchern akzeptiert zu werden, denn das Museum kann einen Besucherzuwachs verzeichnen. 96 Mundpropaganda wurde als ein Werbemittel wahrgenommen. 97 Manche Besucher engagierten sich sogar ehrenamtlich als Aufsichtskraft im Museum98 oder wurden Mitglied eines Freundeskreises des Museums. Der Freundeskreis des Museums spendete jährlich 30.000 Euro für Ankäufe, über dieses Geld könne das Museum frei verfügen, ohne Rücksprache mit dem Verein treffen zu müssen.99 Es wurde betont, dass es auch Stiftungen von Nichtkatholiken gab und von Menschen, die aus der katholischen Kirche ausgetreten waren, sich also bewusst von der Kirche abgewandt hatten. 100 Insoweit kann in Bezug auf das „Museum am Dom“ die Bemühung der Kirche, fernstehende Menschen zu erreichen, als gelungen bezeichnet werden. Das „Museum am Dom“ arbeitete mit Medien zusammen, vor allem mit lokalen Medien. Je nach Größe der Ausstellung oder Thematik kam es aber auch zur Präsenz in überregionalen Medien oder in lokalen Medien anderer Regionen. Durch Artikel zu speziellen Werken oder Themen, mit denen sich das Museum beschäftigte, erschienen auch Beiträge über das Museum allgemein.101 Das Museum besaß einen eigenen Etat für Werbung. Ein wichtiges Werbemittel war das Herausgeben einer Museumszeitschrift,102 welche an touristischen, musealen, städtischen und kirchlichen Orten ausgelegt wurde.103 Das Publik machen des Bestands an zeitgenössischer Kunst im Internet wurde als Werbeplattform für Kooperationen zwischen den Museen gesehen.104 Man bewarb das Museum auch durch Kanäle der Diözese: So fanden eine Zusammenarbeit mit dem kirchlichen Schulamt105 und der

96

Vgl. Interview Würzburg (01:22:55). Eine Ausstellung mit 188.000 Besuchern wurde als große und erfolgreiche Ausstellung betrachtet. (Vgl. Interview Würzburg (01:36:38)).

97

Vgl. Interview Würzburg (01:13:14).

98

Vgl. Interview Würzburg (00:28:56).

99

Vgl. Interview Würzburg (01:31:00).

100 „[…] die dann stiften oder als Dauerleihgabe geben, aus steuerlichen Gründen. Leute, die gar nicht katholisch sind, oder aus der Kirche ausgetreten, aber uns stiften sie Werke auch im sechsstelligen Bereich, das kann dann 400.000 kosten, das ist dann kein Problem, das kaufen sie uns.“ (Interview Würzburg (00:43:25)). 101 Vgl. Interview Würzburg (01:36:38). 102 Vgl. Interview Würzburg (01:36:53). 103 Vgl. Interview Würzburg (01:37:25). 104 Vgl. Interview Würzburg (00:36:29). 105 Vgl. Interview Würzburg (01:13:14).

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Domschule106 statt. Auch mit Einrichtungen der Region, z. B. dem staatlichen Schulamt, wurde kooperiert.107 Die Stadt finanzierte die Werbung für eine Zusammenarbeit zwischen „Museum am Dom“, Domschule und Universität108 und auch die Stadtführer unterstützten das Museum finanziell.109 Der Oberbürgermeister soll den Verantwortlichen der städtischen Museen das „Museum am Dom“ sogar als vorbildlich vorgeführt haben.110 Bei der Konzeption der Sammlung wollte man die bereits in der Stadt vorhandenen Sammlungen ergänzen.111 Das „Museum am Dom“ nahm an allgemeinen Museumsveranstaltungen teil und die Teilnahme wurde auch als selbstverständlich angesehen, man sah sich hier in einer Reihe, wie „jedes Museum“.112 Admont „Museum des Stifts Admont“ „Die meisten Besucher, weit mehr als die Hälfte, die kommen wegen der Historie, wegen der Anlage und wegen der Bibliothek. Und wenn die weg gehen und sagen: Gegenwartskunst ist doch nicht so deppert, wie ich es mir vorher gedacht hab und die Kirche auch nicht. Dann habe ich zwei Fliegen mit einem Schlag.“113

In Admont sollten Leute, die Vorurteile gegenüber der Kirche haben, erreicht werden, man wollte mit ihnen in einen Dialog treten.114 Auf der anderen Seite sollten auch Besucher, die gegenüber der Gegenwartskunst skeptisch waren, mit dieser in Berührung gebracht und ihr Interesse dafür gewonnen werden. Ein weiteres Ziel bestand darin, Menschen mit Behinderungen für das Museum zu gewinnen.115 Einen Fokus hatte man auf Menschen mit Sehschädigung gelegt und wollte einen Austausch zwischen den Welten der Sehenden und Sehbehinderten schaffen, 116 um nationale wie internationale Kooperationen zwischen Vertretern der Kunst und Kultur, 106 Vgl. Interview Würzburg (01:26:07). 107 Vgl. Interview Würzburg (01:13:14). 108 Vgl. Interview Würzburg (01:26:07). 109 Vgl. Interview Würzburg (01:34:08). 110 Vgl. Interview Würzburg (01:22:55). 111 Vgl. Interview Würzburg (00:40:58). 112 Interview Würzburg (01:19:51). 113 Interview Admont (Teil 4 00:22:57). 114 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:15:58, Teil 4 00:22:57). 115 Vgl. Interview Admont (Teil 3 00:03:45) 116 „Hauptsinn und Aufgabe des Museums im Stift Admont soll vor allem sein, sehgeschädigten Menschen einen Zugang zur aktuellen Kunst zu ermöglichen. In Sehenden wiederum soll das Bewusstsein über die so ganz andere Welt der Nichtsehenden sensibilisiert werden.“ (Vgl. Admont berühren 2010).

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Bildung, Wissenschaft, Medizin sowie von Blinden und Sehgestörten aufzubauen.117 Eine weitere Zielgruppe stellten Kinder dar, denen eine positive Erfahrung vermittelt werden sollte, so dass sie später wiederkämen. 118 Dies hielt man für die einzige Möglichkeit, um Berührungsängste gegenüber der Kirche zu lösen.119 Seit 2003 arbeiteten Museumspädagoginnen am Stift, welche Workshops für junge Museumsbesucher durchführten.120 Dieses Angebot legte jedoch einen Schwerpunkt auf das „Naturhistorische Museum“. Die Besucherstruktur zeigte, dass Kinder nur einen kleinen Teil der Besucher darstellten (46,1 % Senioren, 38,5 % Erwachsene, 15,4 % Schüler).121 Keine Zielgruppe stellte nach der Jahrtausendwende ein wissenschaftliches Publikum in Admont dar. Kunsthistorische Tagungen und Veranstaltungen besuchte der Kurator aus Zeitgründen nicht,122 er empfand Theorie als Luxus.123 In den Jahren 1996 bis 1998 gab das Benediktinerstift noch die „Schriften zur Kunst- und Kulturgeschichte des Benediktinerstifts Admont“ heraus.124 Und die erste Veranstaltung des Kurators war ein Symposium zum spätbarocken Bildhauer Josef Stammel.125 In einer Interviewpause erzählte der Befragte, dass der Wirtschaftsdirektor keine kunsthistorischen Publikationen oder Symposien mehr wolle, da diese ein Publikum anziehen würden, welches er als „altklug“ bezeichnete. Ein „kulturinteressiertes“ Publikum wurde hingegen gerne in Admont gesehen. Das Stift legte Wert auf einen professionellen Internetauftritt und hatte seit 2006 in Zusammenarbeit mit einer Werbeagentur einen Internetauftritt generiert, da sich nach einer Studie 33 % der „Kulturinteressierten“ im Internet informierten, bevor sie sich für einen Besuch einer Veranstaltung oder Ausstellung entschieden. Des Weiteren hatte man auch eine Kundendatenbank angelegt, wo man Interessierte persönlich informieren könne.126 Ein weiteres Ziel war es, dass Künstler, auch internationale, Admont besuchten und sich mit dem Ort und seinen Fragen auseinandersetzten. Es ginge dabei nicht darum, dass sie praktizierende Christen würden,127 sondern, dass man sie im Ideal117 Vgl. Admont berühren 2010. 118 Vgl. Interview Admont (Teil 2 00:02:42, Teil 4 00:18:58). 119 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:28:09). 120 Vgl. Unterberger 2010. S. 159. 121 Vgl. Admont Sponsoren 2011. Die Broschüre nennt kein Erscheinungsjahr, die Erhebung muss zwischen den Jahren 2006 und 2011 stattgefunden haben, da noch Geschehnisse aus dem Jahr 2006 in der Broschüre behandelt werden. 122 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:44:15, Teil 4 00:46:08). 123 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:53:37). 124 Vgl. Benediktinerstift Admont 1996–1998. 125 Vgl. Höller 2009. S. 21–22. 126 Vgl. Gombotz 2006. S. 29. 127 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:15:58).

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fall zum Nachdenken bringen könnte,128 sie sich mit dem Stift verbunden fühlten und Vorurteile gegenüber der Kirche revidierten und wieder kämen. Zu Beginn des Aufbaus der Sammlung waren einige Künstler gegenüber einer kirchlichen Institution skeptisch: „Es gab Künstler, […] die haben ein Vorurteil gehabt, mit der Kirche wollen sie nicht anstreifen, sie wollen einmal abwarten bevor sie irgendetwas ausstellen oder zeigen. Und einige haben eben den Schneepflug gemacht und dann haben die Skeptischen gemerkt, wie arrivierte Leute wir da bei uns haben, da sind sie dann auch gekommen.“129

Inzwischen wurde der Kontakt zu Künstlern als positiv beschrieben. Künstler wurden nach Admont eingeladen, damit sie sich mit dem Stift auseinandersetzten. Die Zusammenarbeit mit Künstlern war auf Langfristigkeit angelegt, so dass man immer wieder zusammenarbeitete.130 Julian Richter, Produzent der Forsythe Company, fand es in Admont besonders schön, dass die Besucher keine zeitgenössische Kunst erwarteten, sondern eine Bibliothek besichtigen wollten.131 Für den Künstler sei es also angenehm, das nicht übliche Publikum, welches sich sonst in Ausstellungen zeitgenössischer Kunst wiederfindet, anzutreffen. Der Kontakt zu Künstlern, durch deren Besuche in Admont und Atelierfahrten,132 wurde einerseits als zeitraubend133 und andererseits als essentiell empfunden, da durch diese Gespräche Ausstellungen entstehen würden und man Informationen erhielt. 134 Diese Gespräche und das Weitertragen dieser Gespräche durch die Künstler wurden sogar als wichtiger als das Werk selbst erachtet.135 Der Künstler und sein Kontakt zu Admont wurden als Multiplikator für das Image des Stifts und der Kirche gesehen. 136 Es fand eine Zusammenarbeit mit Künstlern auch in der Form statt, dass diese dem Museum

128 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:49:53). 129 Interview Admont (Teil 4 00:47:23). 130 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:02:41). 131 Vgl. Admont Play 2010. 132 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:53:37). 133 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:53:37). 134 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:46:08). 135 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:15:58). 136 In einer Ausgabe der Klosterzeitung „Pax“ wurde im Februar 2011 von einer SMS des Künstlerpaares Eva und Adele berichtet, die diese nach einem Besuch in Admont versendeten: „Hallo aus Venedig. Sind gerade hier angekommen nach einer ToskanaRundfahrt. Haben viel nachgedacht. Auch über MADE FOR ADMONT... Beste Grüße EVA & ADELE“. Dies wurde als Indiz geschildert, dass Künstler weltweit von dem erzählen, was sie in Admont gesehen hatten. (Braunsteiner 2011. S. 35).

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Werke liehen.137 Admont erwarb Werke meist auch direkt beim Künstler,138 obwohl man das Verkaufsinteresse der Künstler als lästig empfand.139 Dies tat man, um die Kunstwerke günstig zu erwerben140 und durch die Ankäufe lebende Künstler zu unterstützen.141 Auf der Homepage wurde deutlich, dass man der Kirche hier eine zentrale Funktion zuschreiben wollte, die durch Mäzenatentum die Kunstwelt am Leben hielt: „Das Stift engagiert sich für die junge Kunstszene. Es ist gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein wesentlicher Förderer der Kunst neben der öffentlichen Hand.“142 Die Motivation, lebende Künstler zu fördern, war auch ein starkes Anliegen des Kurators selbst.143 Früher jedoch arbeiteten Künstler oft fest am Stift, wie z. B. der Stiftsbildhauer Josef Stammel, 144 beziehungsweise die Mönche selbst waren als Künstler tätig, dies war nun nicht mehr der Fall. Eine eigene Auseinandersetzung der Mönche mit Kunst, z. B. in Form von Diskussionen mit Künstlern oder eigenem Engagement für das Museum fand kaum statt.145 Es gab eher lange Gespräche mit dem weltlichem Museumsleiter und seiner Frau,146 die sich mit Künstlern verbunden fühlten, da sie sich dieselben Fragen ans Leben stellen würden wie die Künstler.147 Es gab einzelne Mönche, die als wichtige Dialogpartner für das Museum fungierten und Diskussionspartner für die weltlichen Verantwortlichen waren,148 das Interesse dieser Mönche werde aber nicht vom Konvent unterstützt.149 Der Kurator sah bei den meisten Mönchen kein künstlerisches Qualitätsbewusstsein,150 was er auf eine fehlende nichtkirchliche ästhetische Ausbildung zurückführte.151 Vom Museum selbst wurden aber auch keine gesonder137 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:50:20). 138 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:55:28). 139 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:53:08). 140 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:55:01). 141 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:59:28). 142 Admont Geschichte Gegenwart 2010. Im Jahre 2009 hatte das „Museum des Stifts Admont“ auf Anfrage auch seine Intention formuliert: „Mit Gegenwärtigem auseinandersetzen: Fragen unserer Zeit behandeln, Spannungsfeld zwischen gegenwärtiger Kunst und Kirche beleuchten, auch Förderung talentierter Künstler: modernes Mäzenatentum.“ (Steiner 2009. S. 18). 143 Vgl. Interview Admont (Teil 2 00:05:39). 144 Vgl. Unterberger 2010. S. 95. 145 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:17:54, Teil 5 00:23:15). 146 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:23:15). 147 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:07:33). 148 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:12:00, Teil 3 00:03:45). 149 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:16:26, Teil 5 00:23:15). 150 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:16:26, Teil 5 00:17:54). 151 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:19:18).

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ten Programme zur ästhetischen Bildung der Mönche angeboten, außer dass Künstler im Rahmen von „Made for Admont“ ins Kloster eingeladen wurden und Mönchen dadurch eine Plattform für eine Auseinandersetzung geboten wurde. Obwohl die Mehrheit der Besucher nicht wegen der zeitgenössischen Kunst käme, wurde das Museum im Allgemeinen akzeptiert, wie sich an den Gästebucheinträgen ablesen ließe.152 Die Mehrzahl der Besucher waren Tagestouristen (61,5 % der Besucher waren Bustouristen und 38,5 % Individualtouristen),153 vor allem bei den Bustouristen ist es eindeutig, dass sie nicht aus der näheren Region stammten, und somit ein nachhaltiges Engagement schwer umsetzbar wäre. Wegen der Abgelegenheit des Klosters kümmerte man sich im Marketing vor allem darum, Touristen von außerhalb für das Stift zu interessieren. „Ohne permanente Öffentlichkeitsarbeit, ohne „Verkauf“ unseres Angebotes, käme das Museum über die Besucherzahl eines durchschnittlich besuchten Heimatmuseums nicht hinaus.“154

Deswegen arbeitete man mit Reisebüros, Busunternehmen und einzelnen Tourismusregionen zusammen. Weiterhin war im Jahr 2006 davon die Rede, dass man neben regionalen und nationalen Besuchern den internationalen Markt weiter ausbauen wollte. Dabei dachte man vor allem an Länder wie Deutschland, Ungarn und Slowenien.155 Im Jahre 2008 sprach man davon, sich in Zukunft neben den Haupteinzugsgebieten Graz und Linz auf den Großraum Wien zu konzentrieren.156 Es gab keine Besucher, die sich institutionell, etwa in Form eines Museumsvereins, engagierten.157 Es existierten jedoch Kunststiftungen von Privatpersonen. Oft würden die Angebote aber nicht zum Sammlungskonzept passen, in einigen Fällen wurden sie aber trotzdem angenommen.158 Das geringe Besucherengagement lässt sich auch durch die Lage Admonts erklären. Das Stift hatte Probleme, in der Region und der Gemeinde anerkannt zu werden, obwohl man sich seitens des Stifts bemühte, auf Menschen aus der Region zuzugehen.159 Begründet wurde das Desinteresse 152 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:22:57). 153 Vgl. Admont Sponsoren 2011. 154 Gombotz 2006. S. 28. 155 Vgl. Gombotz 2006. S. 30. 156 Vgl. Museumssaison 2008. S. 46. 157 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:04:40). 158 Im Falle einer großen Stiftung im Jahre 2003 handelte es sich um den ehemaligen Steuerberater einer Firma des Stifts (Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:39:54)). 159 „Ja, das ist ein heikles Thema, die Region selbst akzeptiert das Stift und unser Museum am aller wenigsten, obwohl die am meisten davon leben können. Die Region selbst ist, auch was die „Regionale“ gezeigt hat, immer skeptisch, immer so, dass sie sagen: Ja, da

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durch einen historischen Zwist.160 In einer Ausgabe von „Pax“ im Jahre 2011 wurde weiterhin um die Anerkennung der musealen Arbeit des Stifts geworben. Leihgaben in große Museen wurden aufgezählt, positive Gästebucheinträge, die Berichterstattung von den Medien und positive Rückmeldungen von Künstlern galten als Indizien für Anerkennung: „Hier werden Traditionen gewahrt und es wird innovativ in die Zukunft geblickt, auch wenn das in der Region nicht immer so wahrgenommen wird: Die Besucher aus der großen weiten Welt draußen zeigen sich positiv überrascht.“161 Die Veranstaltung der „Regionale“ im Jahre 2010 bewirkte Kooperationen mit Kulturprojekten und Kulturinitiativen der Region. 162 Durch temporäre Ausstellungen wurde zwar auch der wiederkehrende Besucher angesprochen und man wünschte sich, dass ein Besuch in Admont dazu anregen würde, wieder zu kommen, trotzdem war eine Grundüberlegung, bei der Umstrukturierung in Tourismus zu investieren und nicht in eine Verankerung in der Region. Es wurden Werkstattprogramme für Kinder angeboten und einzelne Tage für Familien und gesonderte Veranstaltungen, die eine nähere Bindung an das Stift erlaubten. 163 Die sonstigen Angebote für Erwachsene bezogen sich aber auf Tages- und Mehrtagesausflügler, die von weiter her anreisten. Dass es dabei nicht nur um das Museum, sondern vor allem auch um die Außenanlage und die Region ging, zeigen die Öffnungszeiten: Das Museum war von März bis November täglich geöffnet, im Winter konnte das Museum nur auf Anfrage besichtigt werden.164 Das Kloster musste sich, wie in Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“ berichtet, selbst finanzieren. Ein Ziel der Umstrukturierung der Museen war es, die Besucherzahlen zu steigern. Admont besaß eine eigene Marketing- und Presseabteilung. Pro Jahr gab das Stift ca. 200.000 Euro für Marketing aus, hierbei ging es um die Vermarktung des ganzen Kulturangebotes des Stifts und beinhaltete Kosten für Personal, Marketing, Vertrieb, Auftritte bei Märkten und Messen, Pressearbeit und Werbeausgaben.165 Christian Gombotz, damaliger Leiter der Betriebes „Kultur und Tourismus“ des Stifts sagte: wollen sie nicht anstreifen. Das ist so. Wir haben uns damals über „Pax“, über diese Zeitschrift, die damals neu herausgegeben wurde, die an jeden Haushalt in der Region verschickt wurde, bemüht, da irgendwie meinungsumbildend, vorurteilsabbauend zu wirken, das ist alles sehr bedingt gelungen.“ (Interview Admont (Teil 4 00:24:55)). 160 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:02:10, Teil 5 00:14:16). 161 Braunsteiner 2011. S. 34. 162 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:01:46). 163 Vgl. Admont Sponsoren 2011. 164 Vgl. Admont Besucherinfo 2011. 165 Über die Werbeaktivitäten wurde in der Saison 2008 im Heft „Pax“ Auskunft gegeben, so gab es u. a. eine Plakatkampagne von Graz bis Linz im Mai und Juli, eine Kooperation mit dem Magazin „Weekend“ von April bis September, eine TV-Dokumentation

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„Kunst als Selbstzweck, ohne wirtschaftliche Zielsetzung ist langfristig nicht leistbar. Die Publikation dieses Kulturverständnisses der Benediktiner wird also durch Zielgruppen orientierte Marketingaktivitäten vollzogen. Bestehende Zielgruppen müssen erhalten, neue angesprochen werden.“166

Weiterhin berichtete er, dass der Kulturbetrieb finanziell nichts abwerfe, dass es vielmehr darum gehe, das Stift in der öffentlichen Meinung zu positionieren, und er seiner regionalen Verantwortung nachkommen wolle.167 Gemeint war hier, dass durch die Kulturarbeit ein zahlungskräftiges Publikum in die Region käme. Die Steigerung der Besucherzahlen sei gelungen, die genauen Angaben divergierten jedoch.168 Interessant ist, dass es allgemein eine Steigerung der Besucherzahlen nach der Umstrukturierung der Museen und der Eröffnung des Museums für Gegenwartskunst gab. Es gab zwar Besucher, die wegen Gegenwartskunst oder wegen Ausstellungen kamen, sie stellten jedoch eine Minderheit dar. 169 Der Durchschnittsbesucher käme wegen der Bibliothek, der Historie und der Anlage. 170 Diese Dinge waren schon vor der Umstrukturierung vorhanden, neu hingegen war die umfangreiche Berichterstattung der Medien über das Kloster in Bezug auf die zeitgenössische Kunst. Das Stift wurde über die Museen stark von der Presse wahrgenommen, verstärkt im regionalen Raum, bei der Eröffnung auch im überregionalen deutschsprachigen Raum.171 Somit stand das Interesse der Medien im Gegensatz 172 zu den „Admont – Universum im Kloster“ auf ORF 2 und 3-SAT und eine Ausstellung in der Karlskirche für PR-Zwecke. (Vgl. Gombotz 2006. S. 29 und 34). 166 Gombotz 2008. 167 Vgl. Gombotz 2007. S. 34. 168 2003 war die Rede von 60.000 Besuchern pro Jahr, die vor allem wegen der berühmten Bibliothek kommen und man erhoffe sich eine Steigerung auf 100.000 Besucher. (Vgl. Admont 2003. S. 147). Die nächste Meldung berichtet von 54.850 Besuchern in den ersten vier Monaten nach der Eröffnung und somit einer Steigerung von 30 % gegenüber dem Vorjahr. (Vgl. Admont 2003a). In einem Artikel aus dem Jahre 2009 wurde von zuletzt 80.000 Besuchern pro Saison und einer jährlichen Steigerungsrate von 20 % berichtet. (Vgl. Höller 2009. S. 21). Die Homepage berichtete 2010 und 2011 von rund 70.000 Besuchern pro Saison. (Vgl. Admont Geschichte Kunsthistorisches 2010). Im Interview 2010 wurde die Aussage gemacht, dass der Museumsbau die Besucherzahl mehr als verdoppelt hat, von 35.000 auf 80.000 Besucher, es jedoch aktuell wetter- oder krisenbedingt einen Einbruch der Besucherzahlen gebe. (Vgl. Interview Admont Teil 1 00:11:12). 169 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:22:57). 170 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:04:24). 171 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:04:09). 172 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:04:24).

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Gründen eines Besuchs. Man war sich bewusst, dass die Gegenwartskunst als Türöffner zur positiven Berichterstattung über kirchliche Institutionen diente. 173 Ein außenstehender Kritiker sagte hierzu: „Vor diesem Hintergrund erscheint es auch logisch, auf Gegenwärtiges zu setzen, das natürlich mit den aktuellen Möglichkeiten vermarktet wird und etwa touristisch verwertet wird. Und dass man diesen zeitgenössischen Anspruch gerade mit zeitgenössischer Kunst wieder herstellt macht Sinn: Hatten einzelne Mönche etwa im 19. Jahrhundert seinerzeit wissenschaftlich Relevantes etwa zur Zoologie oder Botanik produzieren können, wäre das Hochfahren einer ernsthaften und bedeutsamen Wissenschaftsinstitution im beginnenden 21. Jahrhundert um Größenordnungen teurer. Bildende Kunst ist diesbezüglich eine relativ preisgünstige Variante, diese Wahl daher keineswegs zufällig.“ 174

Die positive Berichterstattung über das Stift auf Grund von zeitgenössischer Kunst wurde als wichtigstes Richtmaß für den Erfolg des Museums genannt. Die Wichtigkeit der Berichterstattung war auch daran ersichtlich, dass eine eigene PR-Kraft für die permanente Betreuung der Presse eingestellt wurde. 175 Eine positive Berichterstattung ist ein wesentlicher Faktor, um ein Image zu verbessern, dies war das Hauptziel, das zum Konzept des Museums führte.176 Diese Image-Verbesserung scheint gelungen: Im Februar 2010 wurde von dem Marktforschungsinstitut IMAS eine Umfrage über Klöster in Österreich durchgeführt. Heraus kam, dass das Kloster Admont das drittbekannteste Kloster Österreichs ist, 50 % der Befragten kannten das Kloster.177 Freising „Dombergmuseum“ „Ich finde es einfach wichtig, wenn die in einem frühen Alter schon einmal einen Museumsbesuch hinter sich gebracht haben, wo sie ein positives Erlebnis hatten. Natürlich will ich denen auch Inhalte vermitteln, aber mein Hauptziel ist eigentlich, dass die raus gehen und sa-

173 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:04:09). 174 Höller 2009. S. 23–24. 175 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:02:50, Teil 5 00:03:01). 176 „Zu sagen: Was könntet ihr tun mit euren Mitteln, damit das Image besser wird, damit auch vieles anderes besser wird. Das war ganz eindeutig und das war die Basis meiner Überlegungen.“ (Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:07:34)). 177 Die Befragten, die als letztes Kloster, das sie besucht hatten, Admont angaben, sagten zu 54 %, dass es besonders schön gelegen sei, 49 % dass es eine bedeutende Bibliothek habe und 48 %, dass es bedeutende Kunstschätze besitze. (Vgl. IMAS 2010).

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gen: Das war jetzt schön. Dann haben sie mit Kirche und Museum keine schlechte Erinnerung.“178

In Freising wollte man Schwellenangst von vornherein verhindern und vor allem schon Kinder als Besucher gewinnen. Kindern sollte ein positives Erlebnis mit Museum und mit Kirche vermittelt werden, denn umso älter sie werden, umso schwerer würde es, sie zu erreichen.179 In diesem Zusammenhang gebe es besondere Bemühungen, die Interessen und Wünsche der Besucher – insbesondere die der Kinder – zu berücksichtigen.180 Ein besonderer Erfolg sei es, wenn man es schaffe, Menschen, die der Kirche fernstehen, angesprochen zu haben.181 In Freising hatte der Direktor Peter Steiner den Namen „Diözesanmuseum“ als sperrig empfunden, weshalb der Name „Dommuseum“ für das Freisinger Diözesanmuseum gewählt wurde – eine deutliche Parallele zu Würzburg. Auch in Freising hoffte man, der Name würde die Vorbehalte der Besucher abbauen.182 Der genaue Zeitpunkt der Umbenennung lässt sich nicht feststellen, jedoch tragen die Kataloge bis zum Jahr 2000 noch den Namen „Diözesanmuseum“. Im Vorgespräch zum Interview wurde betont, dass es wichtig sei, dass auch der „Typ des Diözesanmuseumsgängers“ die zeitgenössische Kunst akzeptiere. Diese Bemerkung impliziert die Annahme, der traditionelle Besucher des Museums der katholischen Kirche habe Vorbehalte gegenüber der zeitgenössischen Kunst. Des Weiteren wollte man neben dem Stammpublikum auch den Publikumskreis erweitern und die Besucherzahlen steigern. Eine große Anzahl an Menschen erreiche man aber nur durch Sonderausstellungen.183 Für einige Sonderausstellungen suchte man die Zusammenarbeit mit Künstlern, man versprach sich hiervon einen Abbau auf Vorurteilen von beiden Seiten. Das Image der kirchlichen Institution im Künstlermilieu habe sich durch diese Zusammenarbeit verbessert.184 Künstler, die im „Dombergmuseum“ ausgestellt hatten, brächten andere Künstler mit185 und trügen positive Erlebnisse mit dem Museum weiter, so dass man neue Künstler auch durch diesen Schneeballeffekt kennenlernen würde.186 Die Zusammenarbeit fand mit einzelnen oder Gruppen von jungen 178 Interview Freising (01:27:13). 179 Vgl. Interview Freising (01:27:13). 180 Vgl. Interview Freising (01:47:17, 01:27:13). Ein wichtiger Plan für die Zukunft war es, die Abteilung Volksfrömmigkeit so neu zu gestalten, dass das Haus für Kinder zugänglicher gemacht würde. (Vgl. Interview Freising (01:43:31)). 181 Vgl. Interview Freising (02:24:39). 182 Vgl. Steiner 2008. 183 Vgl. Interview Freising (01:27:13, 02:23:17). 184 Vgl. Interview Freising (02:17:25). 185 Vgl. Interview Freising (01:01:03). 186 Vgl. Interview Freising (01:11:05).

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Künstlern statt, denen man ein christliches Thema (z. B. Paradies) stellte,187 oder man hoffte, dass sie sich durch Führungen vom Genius Loci (dem Domberg, dem Museum oder von anderen Kunstwerken) inspirieren lassen würden. Die Gespräche mit Künstlern wurden als Bereicherung empfunden.188 Man empfand sich als offen gegenüber den Künstlern und erwartete auch eine Offenheit seitens der Künstler,189 jedoch behielt man sich vor, Werke, die religiöse Gefühle verletzten oder lediglich provozierten, nicht auszustellen.190 Das „Dombergmuseum“ erhalte viele Anfragen von Künstlern, die ihre Werke ausstellen und verkaufen wollen, häufig aber seien es Kunstwerke niedriger Qualität. Man hatte nur Künstler ausgestellt oder angekauft, die vom Museum direkt oder über Mittelmänner/-frauen angesprochen wurden.191 Die Befragte beschäftigte für die Platzierung von zeitgenössischen Kunstausstellungen eine externe Pressemanagerin mit anderen Kontakten als denen des hauseigenen Presseverteilers. Journalisten wurden ebenfalls gezielt angesprochen. 192 Auch hier zeigt sich, dass man die Kompetenzen für den Bereich zeitgenössische Kunst breiter aufstellen wollte, diese aber nicht im eigenen Hause vorhanden waren, was auch das Beschäftigen von externen Kuratoren für diesen Bereich veranschaulicht. Von der „Paradies“-Ausstellung mit zeitgenössischen Kunstwerken aus dem Jahre 2009 wurde Ähnliches berichtet wie schon über Ausstellungen des Vorgängers Steiner: kein großer Besucheranklang im Vergleich zu historischen Ausstellungen, dafür ein großer Widerhall in der Presse und an der Kunstakademie in München.193 Der niedrige Stellenwert von Kunst in der Ausbildung Geistlicher wurde allgemein kritisiert.194 Das Museum engagierte sich aktiv für die kunsttheoretische Ausbildung von Menschen, die für die Diözese arbeiteten: Es wurden Fortbildungen für Theologen und Seminare innerhalb der Priesterausbildung angeboten.195 Die Geistlichen wurden nicht als Besucher gesehen, sondern Begegnungen fanden institutionalisiert statt. Man sah diese Besuchergruppe als Multiplikatoren der eigenen Arbeit an und wollte ihnen die Wichtigkeit von originalen Kunstwerken für die Verkündigung vermitteln. Ebenfalls bildete das Museum christliche Vermittler wie Kirchenführer und Religionslehrer fort.196 Man sah das Museum als eine Möglichkeit, Kunst stärker in kirchlichen Kontexten zu verankern. 187 Vgl. Interview Freising (01:01:03). 188 Vgl. Interview Freising (01:09:12). 189 Vgl. Interview Freising (01:06:42). 190 Vgl. Interview Freising (01:09:12). 191 Vgl. Interview Freising (02:15:44). 192 Vgl. Interview Freising (02:19:39). 193 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2010. 194 Vgl. Interview Freising (01:27:58). 195 Vgl. Interview Freising (01:27:58, 01:30:05). 196 Vgl. Interview Freising (01:30:05, 01:19:37).

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Seit 2001 wurde ein Freundeskreis des Museums als Verein aufgebaut, für welchen bei jeder Ausstellung Themenabende gestaltet wurden.197 Der Verein wurde mit dem Oberbürgermeister als Vorsitzendem, von einer prominenten Person begleitet, allerdings brachte der Verein sich nicht aktiv in die Museumsarbeit ein, sondern das Museum musste die „Freunde des Museums“ eher noch motivieren.198 Das Museum fand im lokalen Raum in den Medien gute Resonanz. Große Ausstellungen konnten in bayerischen Medien gut platziert werden, auch im Fernsehen und im Radio.199 In der überregionalen Fachpresse allerdings wurde das Haus trotz großer Bemühungen nicht wahrgenommen. 200 Peter Steiner nahm das Erscheinungsbild der katholischen Kirche nach außen in Fragen der Ästhetik sehr ernst und legte auch Wert auf die typographische Qualität von Drucksachen.201 Das Werbebudget nutzte man für Plakatwerbung in den Münchner U-Bahnen und Anzeigen in Museumsmagazinen.202 Daneben wurden auch kirchliche Medien genutzt. 203 In der Fachpresse versuchte man, den kunstinteressierten Besucher, mittels kirchlicher Medien die christlich orientierten Besucher und durch Plakatwerbung im öffentlichen Raum die breite Masse anzusprechen. Die regionale Presseresonanz und die größere Resonanz bei Ausstellungen zeigen, dass der Großteil der Besucher aus der Region kam. Köln „Kolumba“ „Da sind wir ganz offen und machen da eigentlich durchweg positive Erfahrungen, was Altersschichten, Bildungsschichten angeht, wir haben nicht unseren Wunschbesucher. Doch, einen Wunschbesucher haben wir eigentlich schon, er soll sich Zeit nehmen, soll sich darauf einlassen, das ist unser Wunschbesucher.“204

Die Kuratoren gaben an, dass man alle Personengruppen erreichen wolle. Man wünsche sich vor allem offene Besucher, so wie man sich auch als offenen Raum 197 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2003. 198 Vgl. Interview Freising (02:23:17). 199 Vgl. Interview Freising (02:19:39). 200 Vgl. Interview Freising (02:21:22). 201 „Die Kirche muß ästhetische Fragen, von der typographischen Qualität kirchlicher Drucksachen, kirchlicher Internet-Auftritte, der Ästhetik unserer liturgischen Kleidung, unserer liturgischen Gefäße, unserer kirchlichen Gebäude bis zur Möblierung und Wandschmuck ernster nehmen, mindestens so ernst wie Banken, Versicherungen und Industriefirmen ihr öffentlichkeitswirksames Design.“ (Steiner 2003). 202 Vgl. Interview Freising (02:21:22). 203 Vgl. Interview Freising (02:19:39). 204 Interview Köln (B1: 00:28:59).

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verstand. Auf Seiten der Geistlichen wurden Personengruppen jedoch konkreter benannt. Kardinal Meisner erläuterte in seiner Predigt zur Eröffnung „Kolumbas“: „Wir erwarten von unserem Museum, also von KOLUMBA, dass es gleichsam ein Areopag wird, auf dem sich Künstlerinnen und Künstler, Interessierte, Jugendliche und Ältere begegnen, um aus der Gegenüberstellung von moderner und alter Kunst, von profaner und sakraler Kunst, sich selbst besser zu erkennen und damit ihren Auftrag für den Weltdienst. Vergessen wir nicht, dass es einen unaufhebbaren Zusammenhang zwischen Kultur und Kult gibt. Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kultus im Ritualismus und die Kultur entartet.205 Sie verliert ihre Mitte.“206

Und auch Generalvikar Schwaderlapp wollte Menschen, die die Kirche sonst nicht erreiche, in den Kontakt mit dem Glauben bringen: „Die Rolle von „Kolumba“ für die Kirche ist auch klar. Man werde Menschen erreichen, die nicht regelmäßig zur Kirche gingen und man könne sie so in Kontakt mit der Botschaft des Glaubens bringen, ist sich Generalvikar Schwaderlapp sicher.“207

Durch die „begleiteten Rundgänge“ hätten die Kuratoren einen engen Kontakt mit Besuchern.208 Man wünsche auch keine Besucherumfragen, da man an keinem statistischen Besucherbild interessiert sei. Es gebe auch kein Konzept für bestimmte Zielgruppen mit bestimmten Hilfsmitteln.209 Jedoch konnten die Befragten Aussagen über die Altersstruktur der Besucher treffen: Die größte Besuchergruppe seien ältere Menschen.210 Junge Menschen versuchte man, über direktes Ansprechen von Schulen und Lehrern, durch freien Eintritt bis 18 Jahre und kostenlose Führungen für Kindergärten und Schulklassen zu erreichen.211 Dadurch habe man bewirkt, dass 205 Die Wahl des Wortes „entartet“ wurde in der Presse und Öffentlichkeit stark kritisiert und führte zu einer breiten Diskussion. 206 Meisner 2007. 207 Pathe 2007. 208 Vgl. Interview Köln (B1: 00:57:20). 209 „Wir wissen natürlich, wer kommt, das wird vorher natürlich gefragt und überlegt sich natürlich auch, was könnte die besonders interessieren, wo sind da die Bedürfnisse. Ja, da kommen Menschen und ich muss versuchen, mit den Menschen zu reden. Und irgendwo funktioniert das. Das heißt, wir haben jetzt hier kein Konzept für den Kindergarten, da wird die Kindergartentasche ausgepackt, um die dann da pädagogisch abzuholen, sondern es geht uns tatsächlich darum, ins Gespräch zu kommen mit den Menschen.“ (Interview Köln (00:59:32)). 210 Vgl. Interview Köln (B1: 01:05:43). 211 Vgl. Interview Köln (B1: 01:05:43).

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viele Schulklassen kämen.212 Man hoffe auf einen Schneeballeffekt durch Lehrkräfte, die es ins Kollegium trügen und es an unterschiedlichste Fachrichtungen weitergeben würden.213 Es sei jedoch schwierig für Lehrkräfte, den Besuch von „Kolumba“ im Curriculum unterzubringen.214 Es wurde demnach besondere Mühe darauf verwendet, auch junge Menschen zu erreichen und ein gewisses Bewusstsein für eine Besucherstruktur war ebenfalls vorhanden. Erfahrungen bei „begleiteten Rundgängen“ mit Besuchern mit niedrigem Bildungsniveau wurden von den Kuratoren als sehr positiv geschildert. Besucher mit niedrigerem Bildungsniveau seien offener und ohne Vorurteile: „Immer wieder erstaunlich positiv. Und da muss man mal seine eigenen Vorurteile hinten anstellen. Gerade von Gruppen, von denen man denkt: Oh, das kann jetzt gar nichts geben. Da läuft es sehr gut.“215

Es wurden auch Besucher mit einer christlichen Orientierung angesprochen, so habe man durch die gemeinsame katholische Verwaltung Kontakt zu erzbischöflichen Schulen,216 auch Firm- und Kommuniongruppen besuchten das Museum.217 An jedem ersten Mittwoch im Monat gab es in Kooperation mit dem Katholischen Bildungswerk und dem Referat „Dialog und Verkündigung“ im Generalvikariat eine Veranstaltung.218 Und „Kolumba“ nahm jährlich an der „Langen Nacht der Kölner City-Kirchen“ teil,219 während man sich von der „Langen Nacht der Kölner Museen“ distanzierte.220

212 Vgl. Interview Köln (B2: 01:02:32). 213 Vgl. Interview Köln (B2: 01:04:10, B1: 01:04:52). 214 „Das ist immer ein bisschen schwierig, ein solches Museum ins Curriculum rein zu bekommen. Da sind einfach bestimmte Dinge vorgeschrieben und wenn wir jetzt gerade zu dem Thema nichts zeigen, dann ist das schwierig. Da sind andere Häuser natürlich besser dran, die ständige Ausstellungen haben, die Punkte haben, die im Curriculum drin stehen, da ist es für die Lehrer natürlich attraktiver, einfacher das abzugreifen. Aber wir denken, dass wir hier eine Chance bieten für Schüler, da was zu öffnen. Das wird auch von vielen Lehrern wahrgenommen.“ (Interview Köln (01:03:32)). 215 Interview Köln (B1: 01:06:21). 216 Vgl. Interview Köln (B1: 01:03:53). 217 Vgl. Interview Köln (B1: 01:03:53). 218 Vgl. Kraus 2010. S. 432–433. 219 Vgl. Kolumba. Nacht Raum Stille 2013. 220 Am 3.11.2007 hatte man sich jedoch noch an der „Langen Nacht der Kölner Museen“ beteiligt. (Vgl. Kraus 2010. S. 432–433).

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Es wurde betont, dass immer Kontakt zu lebenden Künstlern bestand, die im Haus vertreten waren,221 auch wenn man Werke über eine Galerie erwerbe. Man besuche die Künstler im Atelier, um zu schauen, und sei im Dialog mit dem Künstler, um längerfristige Qualität zu erkennen. Dafür habe sich das Kuratoren-Team viel Zeit genommen.222 Es wurde berichtet, dass Künstler nicht ablehnend auf die Trägerschaft reagiert hätten, die ihnen offen genannt worden wäre. 223 Die Künstler seien eher überrascht, dass sich die Kuratoren viel Zeit nehmen würden.224 Es würden viele Selbstbewerbungen von Künstlern existieren 225 und Künstler wollten dem Museum Werke schenken, in diesen Fällen müsse erst diskutiert werden, ob die Werke passen.226 Gerhard Richter gestaltete 2007, nachdem er zwölf Jahre vorher den Verkauf einer Arbeit an „Kolumba“ ablehnte, für die Diözese ein Fenster für den Kölner Dom. Hier lässt sich eine Entwicklung vom Beginn der Kölner Diözese, zeitgenössische Kunst zu erwerben, zu einer gewissen Etabliertheit in späteren Jahren ablesen. Seit 2009 beteiligte sich „Kolumba“ an der katholischen Veranstaltung „Aschermittwoch der Künstler“ mit einer Abendöffnung.227 Seit 2010 begann man mit weiteren Kooperationen im kirchlichen Milieu, beispielsweise mit dem Collegium Albertinum in Bonn und dem Erzbischöflichen Priesterseminar der Stadt Köln zur Heranführung der Studenten an ästhetische Fragestellungen.228 Dabei wurde betont, dass die Kooperation keine isolierte Lerneinheit sein, sondern ähnlich wie die „begleiteten Rundgänge“ „auf eine schöpferische, entspannende und auf eine dialogische Weise geschehen“229 sollten. Es sollte kein Event werden, sondern kontinuierlich die Ausbildung begleiten.230 Kraus betonte, dass ihm die Anzahl der Besucher nicht so wichtig sei wie die seelische Resonanz, wie „Heiterkeit, Gelassenheit, Nachdenklichkeit“, die er aus vielen Besuchergesichtern lese.231 Seit der Eröffnung im September 2007 haben bis zum Ende des Jahres 2008 150.000 Menschen „Kolumba“ besucht, es gab über 600 221 Vgl. Interview Köln (B2: 00:47:40). 222 Vgl. Interview Köln (B2: 00:48:14, B2: 00:49:07). 223 Vgl. Interview Köln (B1: 00:48:41). 224 Vgl. Interview Köln (B2: 00:48:56). Dass sich Künstler beeindruckt zeigten, wie viel Zeit sich Joachim Plotzek für Gespräche, persönliche Begegnungen mit Künstlern oder Atelierbesuche nahm, betonte auch noch einmal Generalvikar Schwaderlapp in seiner Rede zur Verabschiedung Plotzeks. (Vgl. Schwaderlapp 2008). 225 Vgl. Interview Köln (B1: 00:12:01). 226 Vgl. Interview Köln (B1: 00:47:27). 227 Vgl. Kraus 2010. S. 432–433. 228 Vgl. Kraus 2010. S. 432–433. 229 Kraus 2010a. 230 Vgl. Kraus 2010a. 231 Vgl. Schröder 2008.

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geführte Gruppenbesuche. Im Jahr 2009 kamen 90.000 Besucher und es wurden 664 Gruppen geführt.232 Auf der Homepage wurde angegeben, dass wegen der großen Nachfrage Führungen lange im Voraus gebucht werden sollten.233 Hans-Peter Schwanke beobachtete „eine überwiegend lange Verweildauer“ der Besucher vor den Exponaten, welche er als einen Beweis für das Funktionieren des dialogischen Konzepts deutete.234 Auch wenn Generalvikar Schwaderlapp beschrieb, dass Plotzek nach außen Kontakt zu vielen Menschen aufbaute und das „Kolumba“Team für viele wie eine zweite Familie geworden wäre,235 gab es keine Möglichkeit für die Besucher, sich offiziell mehr im Museum einzubringen. Es gab keinen Museumsverein, dies wurde begründet mit einem Mangel an Fachkräften für die Betreuung und damit, dass man den Sinn hinter so einem Verein für „Kolumba“ nicht sehen würde.236 Man verstand einen Museumsverein als elitäre Einrichtung und betonte, dass man alle Besucher gleich behandeln wolle.237 Der Museumsverein wurde weniger als eine Möglichkeit der Integration der Besucher und ihres Engagements gesehen als vielmehr als ein Moment der Ausgrenzung. Ähnlich wie in anderen Bereichen war „Kolumba“ auch innerhalb der Stadt in keiner institutionalisierten Vereinigung, kooperierte aber mit einzelnen städtischen Institutionen wie Museen, der Universität238 und seit 1996 mit den Bühnen der Stadt Köln.239 Mit dem staatlichen Schulamt wurde nicht zusammengearbeitet, allerdings mit einer Schule und bestimmten Lehrkräften.240 „Kolumba“ war nicht auf der Homepage des städtischen Verkehrsamtes vertreten, dieses verteilte jedoch den Flyer „Kolumbas“.241 Die Stadt förderte den Bau von „Kolumba“ stark. Nachdem 232 Vgl. Kraus 2010. S. 432–433. 233 Vgl. Kolumba Stichworte 2011. 234 Vgl. Schwanke 2008. 235 Vgl. Schwaderlapp 2008. 236 Vgl. Interview Köln (B2: 00:55:58). 237 „Wir sind uns auch nicht ganz klar, wie wir das stemmen sollen, wir sind ja ein sehr kleines Team, das ist sehr arbeitsintensiv, und die Frage ist: Was krieg ich, oder was kommt darüber hinaus mehr raus als das Angebot, was ich ja eh schon habe? Wir gehen ja in den direkten Kontakt mit den Besuchern. Also die Museumsvereine sind ja vielfach eine elitäre Möglichkeit, um auch mit dem Kurator ins Gespräch zu kommen, dem Direktor. Das ist ja bei uns von vornherein. Also, wenn ich mich hier zu einer Führung anmelde oder zu einem bekleideten Rundgang, dann steht da plötzlich der Direktor vor einem, für einen Kindergarten und dann macht der den Rundgang.“ (Interview Köln (B1: 00:56:45)). 238 Vgl. Interview Köln (B1: 00:36:35). 239 Vgl. Plotzek 2003. S. 32. 240 Vgl. Interview Köln (B1: 01:03:32). 241 Vgl. Interview Köln (B1: 00:52:53).

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klar wurde, dass der gesteckte Kostenrahmen des Baus (36,7 Mio. Euro) überschritten würde, konnte durch die Unterstützung der Stadt Köln eine Bezuschussung des Landes von „Kolumba“ in Höhe von 5 Mio. Euro erreicht werden.242 Auch die ideelle Unterstützung zeigte sich durch die Anwesenheit des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen und des Bürgermeisters der Stadt Köln bei der Eröffnung „Kolumbas“.243 Plotzek wurde für sein vielfältiges Engagement für Kunst und Kultur, welches zum Wohl der Stadt und des Landes beitrage, mit der Verleihung des Verdienstkreuzes am Bande, dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland, geehrt.244 Kraus brachte ein, der Kölner Bevölkerung sei trotz vieler Vorträge kaum zu vermitteln gewesen, dass man baute, um zu erhalten und veränderte, um zu bewahren.245 Jedoch erhielt der Bauherr des „Kolumba“, Kardinal Meisner, 2007 den „Hanns-Schaefer-Preis“ des „Kölner Haus- und Grundbesitzervereins von 1888“, für seine Verdienste um die Stadtbaukultur.246 Es gab eine sehr breite Berichterstattung über „Kolumba“ und dies nicht nur im lokalen Raum, sondern auch in großen deutschsprachigen Medien und sogar ausländische Zeitungen wie der „Guardian“247 berichteten. Wellen der Berichterstattung gab es zur Eröffnung, wo oft auch der Bau im Mittelpunkt stand, und später zu neuen Ausstellungseröffnungen. Der allgemeine Tenor in der Presse war, bis auf einige Ausnahmen, sehr positiv.248 Die Werbemedien, die man in „Kolumba“ nutzte, waren die eigene Homepage, Flyer, Pressemitteilungen, 249 Anzeigen in Kunstkalendern.250 Anzeigen in großen Printmedien wären jedoch zu teuer.251 Große Presse-

242 Vgl. Kolumba Stichworte 2011. 243 Vgl. Plotzek 2007. 244 Vgl. Roters 2010. S. 5. 245 Vgl. Kraus 2008. 246 Vgl. Kölner Haus- und Grundbesitzer Verein 2007. 247 Vgl. Rose 2007. 248 Als Beispiel sei hier ein Zitat aus dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ angeführt: „Nie ist die Kirche für die Kunst wichtiger gewesen als heute. Das mag ein überraschendes Fazit zu Beginn des 21. Jahrhunderts sein. Schaut jedoch der Kölner auf seine Stadt, dann stellt er fest, dass vom Gerhard-Richter-Fenster im Dom bis zur Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, die Kirche die Kunst in Köln hochhält.“ (Frangenberg 2008). Dass die Berichterstattung seit Beginn der Idee sehr positiv war, zeigt auch der Dank an die Presse Kardinal Meisners auf dem Richtfest Kolumbas: „Mein Dank gilt auch […] der Presse, die das Anliegen von Kolumba immer positiv und fair begleitet hat.“ (Meisner 2006). 249 Vgl. Interview Köln (B1: 00:33:16). 250 Vgl. Interview Köln (B2: 00:53:25). 251 Vgl. Interview Köln (B1: 00:53:47).

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einladungen gab es einmal jährlich zur Ausstellungseröffnung252 und zu besonderen Anlässen, wie z. B. bei großen Neuerwerbungen.253 Hier wurden alle Kölner und auch überregionale Medien eingeladen, die Reaktionen wurden als unterschiedlich beschrieben.254 Die künstlerischen Interventionen im Museum würden nur manchmal beworben.255 Generell mochte man keinen Event-Charakter schaffen.256 Ideal sei, wenn Besucher, die einmal da waren, beim nächsten Besuch weitere Besucher mitbringen würden.257 „Kolumba“ wurde sowohl lokal als auch überregional wahrgenommen und diskutiert, neben einigen kritischen Stimmen überwog die positive Anerkennung. Weitere Museen der katholischen Kirche Auch in anderen Museen der katholischen Kirche gab es zielgruppenorientierte Vermittlung, in Graz begann man 2003 mit Angeboten konkret für Kinder oder Erwachsene.258 Das Regensburger Domschatzmuseum stellte 2003 vor allem die Stifter der Kunstwerke und ihr Andenken in den Vordergrund: „Sie [die Kunstwerke] künden auch vom Opfergeist und Willen ihrer Stifter, die zur größeren Ehre Gottes ihre kostbaren Geschenke getätigt haben. Vor allem ihnen sind wir heute verpflichtet, den Bestand und Erhalt ihrer Stiftungen zu garantieren.“259

Ein Gedanke, welcher an frühere Stifterportraits erinnern vermag. Bei Stiftungen an Museen, die durch die Unveräußerlichkeit der Objekte einen Ewigkeitsanspruch für sich in Anspruch nehmen, sicherlich zumindest unbewusst ein Beweggrund für manche Stifter Kunstwerke zu stiften. Dieser Aspekt wurde jedoch lediglich von Regensburg thematisiert. In Osnabrück gab es 2008 zum Katholikentag eine Neueröffnung des Diözesanmuseums. Das neue Konzept sollte das Museum stärker in das Kulturleben der Stadt und in die Kulturvermittlung integrieren. Ab 2006 fand der 252 Vgl. Interview Köln (B1: 00:53:52, B2: 00:54:00). 253 Vgl. Interview Köln (B1: 00:54:16). 254 Vgl. Interview Köln (B1: 00:54:38). 255 Vgl. Interview Köln (B2: 00:32:08). 256 „Also, wir haben keinen Werbeetat, wo wir flächendeckend in der ganzen Republik plakatieren könnten, wie man das bei anderen Häusern häufig sieht. Also da sind wir sicherlich auch anders, denn manchmal werden ja auch so Mega-Ereignisse gemacht, in dem da so ein bombastischer Titel gewählt wird, das entsprechend mit Werbung hochgepuscht wird, da wird halt ein Ereignis geschaffen. Das haben wir bisher noch nicht gemacht. Wir sind da eher Understatement.“ (Interview Köln (B1: 00:33:16)). 257 Vgl. Interview Köln (B2: 01:04:10, B1: 01:04:52). 258 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2003. 259 Reidel 2003. S. 111.

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Umbau zum „pastoral ausgerichteten Informations- und Begegnungszentrum ‚Forum am Dom‘“ statt.260 Am 1.6.2010 wurde in Trier das kirchliche Museum in „Museum am Dom Trier“ umbenannt.261 Stephan Ackermann, Bischof von Trier, betonte 2010, dass das Museum für „moderne Kunst“ und für den Dialog mit zeitgenössischen Künstlern geöffnet wurde und dieser auch intensiviert werden sollte, da der Künstler der Situation der Menschen und der Schöpfung nachspüre. 262 Zusammenfassung Die Frage des Kapitels lautete: Welche Besucherzielgruppen standen im Fokus der katholischen Museen? Das Hauptaugenmerk wurde auf den Aspekt der Gläubigkeit des Besuchers gelegt. Im „Rundschreiben 2001“ war dies ein wichtiger Punkt. Die Unterteilung im „Rundschreiben 2001“ in Fernstehende, unter welche meist auch Künstler fallen, und Gläubige, zu denen auch Geistliche gehören, ließ sich auch bei den Fallbeispielen finden. Alle Fallbeispiele beschrieben, wie es sich das „Rundschreiben 2001“ wünschte, dass man generell offen sei für alle Menschen, man sowohl Gläubige als auch Nichtgläubige ansprechen wolle. Auffällig ist die Betonung des Mehrwerts, den ein kirchliches Museum für Menschen, die der Kirche fernstehen, habe. Oft wurden Zielgruppen nochmals unterteilt, viel Aufmerksamkeit bekamen Kinder. Sowohl in Admont wie auch in Freising gab es deutliche Bemühungen, Kindern ein positives Erlebnis zu vermitteln. Ziel war auch hier, schon bei den Jüngsten eine Beziehung zur Kirche herzustellen und deren Image zu verbessern. Admont hatte sich zusätzlich noch auf Menschen mit Behinderung spezialisiert. Würzburg beschrieb besonders gerne Erlebnisse mit problematischen Jugendlichen und Köln hatte überraschende Erlebnisse mit Besuchern mit niedrigerem Bildungsniveau. Drei der vier Fallbeispiele hatten ihre Namen so gewählt, dass der Träger, die katholische Kirche, nicht sofort erkennbar ist. In Köln war man diesen Weg bereits seit 1994 gegangen. Ganz offen wurde in einigen Häusern davon gesprochen, dass man hierdurch eine Schwellenangst bei den Besuchern abbauen wollte. Diese bewusste Namensgebung, um am Image des Hauses zu arbeiten, war auch im „Rundschreiben 2001“ gefordert worden. Durch die neutrale Namensgebung wird allerdings eher der klassische Museumsgänger angesprochen, welcher einer gebildeten Schicht angehört, und nicht konkret Menschen sozialer Randgruppen. Die Bildung eines „Kommunikations- und Bildungskreises“, welcher sich besonders für das Museum engagieren solle, wurde ausdrücklich vom „Rundschreiben 2001“ gefordert und auch das Engagement von ehrenamtlichen Mitarbeitern gewünscht. Die Besucherklientel und die Identifizierung der Besucher mit den Muse260 Vgl. Osnabrück 2008. 261 Vgl. Trier 2011a. 262 Vgl. Groß-Morgen 2010. S. 7–8.

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en unterschieden sich bei den Fallbeispielen. In Freising und Würzburg existierte ein Freundeskreis des Museums. In Freising trat dieser nicht aktiv in Aktion und es existierten keine ehrenamtlichen Mitarbeiter, während in Würzburg der Verein und Besucher aktiv im Museum mitarbeiteten. In Köln wollte man keine institutionelle Anbindung der Besucher an das Haus, während sich in Admont sich die Frage nach einem Verein durch die touristische Ausrichtung des Museums fast erübrigt. Die lokale Anbindung als „kulturelles Animationszentrum der Gemeinde“ wurde im „Rundschreiben 2001“ gefordert, die lokale Ausrichtung fiel in den Häusern jedoch unterschiedlich aus: Während Admont aus der Region keine positive Resonanz erhielt, dafür aber aus der „Ferne“, lag der Fall in Freising genau umgekehrt. Die pastorale Funktion wurde im „Rundschreiben 2001“ als Hauptaspekt des Museums der katholischen Kirche hervorgehoben und somit der Beitrag zur Seelsorge.263 Durch die von den Museen anvisierten Zielgruppen hatten die Institutionen auch einen sozialen Aspekt, da es sich um Gruppen von Menschen handelte, welche einer besonderen Förderung bedürfen. Nicht thematisiert wurde, welches Publikum Kunstmuseen im Allgemeinen erreichten. Auch die Studie der Sinus Sociovision hatte konkret in Bezug auf die katholische Kirche manifestiert: Es sind Menschen der gehobenen Bildungs- und Einkommensschicht, die sich für Kunst interessieren. Die Museen der katholischen Kirche wollten, abgesehen von den Besuchern während den Öffnungszeiten, noch zwei weitere Personengruppen erreichen: Künstler und Geistliche. Der Kontakt zwischen katholischer Kirche und Künstlern war in vielen Verlautbarungen der römischen Kurie gefordert worden, um das Verhältnis zwischen Kunst und Kirche zu verbessern. 264 Auch das „Rundschreiben 2001“ wollte, dass das museale Fachpersonal fähig sei, mit Künstlern in den Dialog treten zu können. In drei Fallbeispielen, Würzburg, Köln und Admont, spielte der unmittelbare Kontakt zu den Künstlern eine wichtige Rolle für das Verständnis des Museums. Dieser Aspekt fiel in Freising anders aus: Zwar fanden Gespräche mit Künstlern statt und wurden als intensiv und lange beschrieben, jedoch suchte man den Kontakt zu Künstlern nicht selbst und übernahm auch nicht die Pressearbeit für diese. (Lediglich im Falle von Admont wurde ebenfalls eine Mittelsperson eingesetzt, um mit internationalen Künstlern zu arbeiten.) Die Orte, an denen die Gespräche stattfanden, sind kennzeichnend für die Intention: Vertreter aus Würzburg, Admont und Köln suchten die Ateliers der Künstler auf. In Freising fanden Gespräche am Domberg statt, das Atelier oder das Umfeld des Künstlers wurden nicht thematisiert, ein Fokus wurde vielmehr auf das Bereitstellen des christlichen Kontextes gelegt. In Freising trug man christliche Themen und ein katholisches Umfeld an die Künstler heran, während die anderen drei Institutionen im Gespräch nach Gemeinsamkeiten suchten. Auch in Freising wurde ein Dialog mit Künstlern ge263 Zur Erläuterung des Begriffs „pastoral“ siehe Kapitel „Der Nutzen von Kunst“. 264 Siehe z. B. das Kapitel „Das „Zweite Vatikanische Konzil“ (1962–1965)“.

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sucht, aber christliche Botschaften in ihrer traditionellen Form spielten hier eine größere Rolle. Alle vier Institutionen fühlten sich von Künstlern angenommen und schilderten eine Verbesserung des Images des Museums der katholischen Kirche, das anfangs durch Skepsis von Seiten der Künstler geprägt war. Diese Skepsis räumte man vor allem durch lange Gespräche, Offenheit und ein Qualitätsbewusstsein aus. Der Fokus auf das Qualitätsbewusstsein – vor allem in Würzburg geschildert – führte im Nebeneffekt zum Abstandnehmen von einer Konzentration auf Künstler der Region. Der Bezug zur Region und der Kunst der Region stellte einen der Hauptaspekte in der Geschichte des Museums der katholischen Kirche dar und wurde auch im „Rundschreiben 2001“ gefordert. Um sich aber dem Vorwurf eines provinziellen Museums mit Kunst von niedriger Qualität zu entziehen, verzichteten die Häuser auf eine lokale Begrenzung der ausgestellten zeitgenössischen Künstler. Auf der anderen Seite kam die Diözese Würzburg durch die einzelnen, in der Diözese verteilten, Teilmuseen der Forderung des „Rundschreibens 2001“ nach einem dezentralen Netz von Museen mit lokalem Bezug in besonders großem Maße nach. Eine weitere Personengruppe im Blickfeld der Museumsarbeit war der Klerus selbst. Dieser sollte in Fragen der Kunst gebildet werden. Dies geschah meist institutionell in der Ausbildung verankert, stand aber in keinem der Häuser maßgeblich im Vordergrund. Öffentlichkeitsarbeit war bei allen Fallbeispielen wichtig, alle vier Häuser warben über unterschiedliche Medien, so wie es das „Rundschreiben 2001“ gefordert hatte. In Admont wurde für Marketing und Pressearbeit am meisten Aufwand betrieben. Beim Werben um Publikum spezialisierte man sich nicht auf einen bestimmten Kanal, sondern versuchte, sowohl christliche, kunsthistorische, regionale als auch überregionale Medien zu nutzen. In Admont und Freising machte man, auch nach der Jahrtausendwende, die Beobachtung, dass Medien zwar positiv über das Arbeiten mit zeitgenössischer Kunst in Museen der katholischen Kirche berichteten, die Besucher wurden jedoch eher von der traditionellen Kunst angezogen. Generell ist festzuhalten, dass das Bewahren und Betreuen von heimatlosen Kunstgütern nicht mehr der Hauptaspekt des Museums der katholischen Kirche zu Beginn des 21. Jahrhundert war. Vielmehr ging es darum, mit Menschen, sei es mit Gläubigen, mit Nichtgläubigen oder mit kirchen- und religonsfernen Menschen, durch Kunst in einen Dialog zu treten.

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W AS SOLLTEN M USEEN DER KATHOLISCHEN K IRCHE ZEIGEN – B EWAHREN ODER AKTIV S AMMELN Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz „Die kirchlichen Museen bewahren alles auf, was sich auf die Geschichte und das Leben der Kirche und der Gemeinde bezieht, auch das, was eher für unbedeutend gehalten wird. Sie verhindern, daß Gegenstände, die zur Zeit nicht mehr für den liturgisch-pastoralen Dienst in Gebrauch sind, eliminiert, beiseitegelegt, veräußert oder zerstreut werden.“ 265

Des Weiteren betonte das „Rundschreiben 2001“, dass es sich bei den Beständen im Museum der katholischen Kirche um Gegenstände handele, die nicht für das Museum hergestellt worden seien, sondern dort hingelangten, weil ihr primärer Zweck aus bestimmten Gründen nicht mehr bestand. Es wird nichts über mögliche direkte Ankäufe ausgesagt. Jedoch wurde unter dem Kapitel „Nutznießung in der gesamten Region“ als letzter Punkt einer Aufzählung von Aufgaben hinzugefügt, dass das kirchliche Museum sich „für die Aufnahme zeitgenössischer Schöpfungen öffnet“.266 Zeitgenössische Kunst kann angesichts ihrer jüngsten Entstehung keine ausrangierte Sakralkunst sein und wäre somit eigentlich nicht im Museum der katholischen Kirche vorhanden. In der Thematisierung der Ausbildung des Museumspersonals wurde jedoch ein Schwerpunkt auf die Sensibilisierung für zeitgenössische Kunst gelegt. Das „Rundschreiben 2001“ ließ somit bezüglich des Umgangs mit zeitgenössischer Kunst einige Unklarheiten zurück. Der Konflikt der katholischen Kirche mit zeitgenössischer Kunst im Museum der katholischen Kirche zeigte sich anschaulich in einem Schriftstück Mauro Piacenzas, Präsident der „Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche“ (2003–2007), aus dem Jahre 2005. Piacenza führte die Existenz von Museen der katholischen Kirche zuerst auf die einfache Notwendigkeit der Unterbringung heimatloser Kunstgegenstände zurück, schrieb ihnen aber an anderer Stelle in der Gegenwart eine wichtige pastorale Funktion zu. Waren kirchliche Kunstsammlungen erst an sich bereits Kulturgüter, die nicht expandiert werden müssten,267 wurde „religiöser“268 Kunst an anderer Stelle das Museum als primärer Seins-Ort zugeordnet.269

265 Rundschreiben 2001. 266 Rundschreiben 2001. 267 Vgl. Piacenza 2007. S. 15. 268 Eine Unterscheidung zwischen „religiöser“ und „sakraler“ Kunst gab es auch schon im Vatikanischen Konzil in SC 122,1. Hier wurde „sakrale Kunst“ als höchste Form „religiöser Kunst“ genannt.

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Außer in Bezug auf die Vatikanischen Museen war in italienischsprachigen Publikationen sonst selten die Rede von zeitgenössischer Kunst. In deutschen Äußerungen über das Museum der katholischen Kirche spielte diese Thematik jedoch häufig eine Rolle. Zurück zum „Rundschreiben 2001“, dies machte auch Aussagen über die zu sammelnden Objekte: Es sollten alle Kulturgüter gesammelt werden, auch wenn sie nicht von materiellem oder künstlerischem Wert schienen. Ein Kriterium war die Herkunft, so sollten Kunstwerke aus der Region des Museums gesammelt werden. Außerdem wurde ausgesagt, dass der Besucher zwar dazu eingeladen würde, durch das „Schöne“ das Heilige wahrzunehmen, jedoch würde der Besucher nicht nur „schöne“ Dinge sehen.270 Der Vorwurf, zeitgenössische Kunst sei nicht „schön“, war über lange Zeit die Auffassung der katholischen Kirche. Papst Johannes Paul II. hatte sich u. a. in seiner Rede 1980 dazu geäußert.271 Das „Rundschreiben 2001“ räumte den Museen der katholischen Kirche mit dieser Aussage ein, auch schwierige Darstellungen zu zeigen. Idealerweise blieben Kunstgüter in ihrem ursprünglichen Funktionskontext, wenn sie ins Museum gelangten, sollten, soweit es ginge, die Verbindungen zu den sich noch in Gebrauch befindlichen Werken ersichtlich bleiben. Außerdem müsse das Museum die Möglichkeit gewähren, dass die zeitweise Wiederverwendung der im Museum ausgestellten Kunstgüter rechtlich und praktisch garantiert werde.272 Dies ist ein großer Unterschied zu staatlichen Museen. Normalerweise können Museumsobjekte nicht mehr aus dem Museum entfernt werden (außer temporär im Leihverkehr mit anderen Museen) und es müssen strenge konservatorische Richtlinien befolgt werden, die in der Regel eine Gebrauchsverwendung ausschließen. Krzysztof Pomian sah als ein gemeinsames Charakteristikum von Gegenständen, die allgemein in Museen aufbewahrt werden, dass diese ihren Verwendungszweck verlören und jeder nützlichen Zweckbestimmung beraubt würden.273 Die Exponate im Museum der katholischen Kirche würden laut dem „Rundschreiben 2001“ aus dieser Definition herausfallen und eher wie in einem Schaudepot aufbewahrt werden. Das „Rundschreiben 2001“ ging sogar so weit, zu 269 „Opere e manufatti di arte liturgica troveranno il loro posto a servizio diretto del culto nelle chiese, mentre opere di arte „religiosa“ potranno trovare la loro piena valorizzazione nelle collezioni e nei musei ecclesiastici.“ (Piacenza 2007. S. 18) Piacenza wiederholte hier eine Aussage, die Papst Paul VI. 1973 in seiner Rede zur Eröffnung der „Collezione d‘arte Religiosa Moderna“ machte. Eine Aussage, die aber keinen Niederschlag im „Rundschreiben 2001“ gefunden hatte. 270 Vgl. Rundschreiben 2001. 271 Siehe das Kapitel „Die Ansprache an die Künstler von Papst Johannes Paul II. in München“. 272 Vgl. Rundschreiben 2001. 273 Vgl. Pomian 1998. S. 14.

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sagen, dass es eine „Gefahr“ sei, wenn die Kunstgüter in staatlichen Museen aufbewahrt würden, da man sie sonst nicht mehr im kirchlichen Kontext nutzen könne.274 Was „Nutzung im kirchlichen Kontext“ bedeutet, wurde nicht näher erläutert.275 Würzburg „Museum am Dom“ „Das ist eine ganz persönliche Entscheidung, ich muss ein gutes Gefühl haben, also erst wenn ich mich da wohl fühl, dann sage ich, das kauf ich, das kann ganz spontan sein, ich komm auf die Messe und ich weiß noch nicht, was ich will, ich gehe nicht mit einer bestimmten Zielvorgabe, die ich mir gestellt habe, durch die ganzen Kojen und dann sehe ich etwas und das spricht mich an, behalt mir aber vor, das Werk eventuell auch wieder zurückgeben zu können, und dann stehen diese Werke in meinem Büro, und dann spür ich da sehr wohl, ob sie noch nach drei Wochen die gleiche Kraft haben wie vorher.“276

Bei der Fragestellung nach der Auswahl der gesammelten Künstler (genauso nach dem gesammelten Werk und einem Sammlungsschwerpunkt) wurde bereits vorausgesetzt, dass das Museum aktiv sammelt. Die Funktion des Museums der katholischen Kirche, Kunstgüter der Kirche aufzunehmen, welche im Kirchenraum keinen Platz mehr finden, ist hier schon zurückgestellt. Das „Museum am Dom“ nahm auch Leihgaben aus Kirchengemeinden auf, aber diese Werke bildeten nicht den Hauptstock der Sammlung. Die hauptsächliche Gründungsmotivation kirchlicher Museen um 1900, Kulturgüter der Kirche zu schützen und aufzubewahren, stand nicht im Vordergrund. Primär wurden im „Museum am Dom“ zeitgenössische Werke angekauft und nur wenige ältere Werke. 277 Die Werke wurden von dem Museumsdirektor nach ei274 „Daher muß sich die Kirche der Gefahr, die Gegenstände auszusondern, der Zerstreuung preiszugeben oder sie anderen (staatlichen, städtischen und privaten) Museen zu überlassen, dadurch entziehen, daß sie, wenn nötig, eigene „Museumsdepots“ einrichtet, die die Aufbewahrung der Objekte und ihre Nutzung im kirchlichen Bereich sicherstellen können.“ (Rundschreiben 2001). 275 Erwähnt werden kann jedoch, dass das Praktizieren von religiösen Riten in staatlichen Museen ein Problem darstellen kann, wie eine vom Kunsthistoriker Kemp notierte Geschichte zeigt: Eine Bauersfrau ging immer, wenn sie in die Stadt kam, in ein Museum, um vor einem Marienbild eine kurze Andacht zu halten. Sie betete schon immer vor diesem Marienbild, auch als es noch in der Kirche stand. Die Museumsleute beschlossen, dass dies im Museum nicht möglich sei und verboten das Beten im Museum. (Vgl. Kemp 1997a. S. 185–186). 276 Interview Würzburg (00:57:48). 277 Vgl. Interview Würzburg (00:58:22).

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genem Interesse,278 Gefallen279 und persönlichem Empfinden für Qualität 280 ausgewählt. In einem Nebensatz zur architektonischen Gestaltung des Museums wurde erwähnt, dass man sich auf „klassische künstlerische Techniken“ 281 beschränken möchte. Im Bestand des „Museums am Dom“ waren vorzugsweise Malerei und Skulptur zu finden. Neben dem Werk selbst wurden beim Ankaufprozess noch die thematische Einbindung in die Sammlung und die möglichen inhaltlichen Korrespondenzen mit anderen Werken betrachtet.282 Wichtig sei auch die Intention, aus der heraus ein Werk geschaffen worden sei und inwieweit die Kombination mit anderen Werken die Besucher zu einer inneren Auseinandersetzung führen könne. Es müsse sich nicht um eine Bestätigung kirchlicher Verkündigungsinhalte handeln, sondern eine Begleitung in der Suche des Menschen sein. 283 Die Werke sollten gemeinsam die Präsenz des Geistigen in der Kunst jedweder Zeit aus verschiedenen Blickwinkeln vor Augen führen und erfahrbar werden lassen.284 Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung erfolgte erst nach einer subjektiven Entscheidung und floß nicht in den Entscheidungsprozess mit ein.285 Der Befragte folgte mit seiner individuellen Art der Auswahl von Kunstwerken einem Vorgehen, das Wieland Schmied in einer Ausstellung zu religiösen Tendenzen in der Kunst des 20. Jahrhunderts im Jahre 1980 angewandt hatte. Ebenso könnte eine Prägung durch Professor Karl Rahner, bei welchem der Befragte studiert hatte, 286 diagnostiziert werden. Für Rahner konnte auch ein Bild ohne unmittelbar religiöses Thema ein religiöses Bild sein, wenn es eine sinnliche Transzendenzerfahrung hervorgerufen hatte. Bei der Thematik der Künstlerauswahl legte der Befragte großen Wert auf die Feststellung, dass weder die geographische287 noch die religiöse Herkunft288 des Künstlers eine Rolle spiele. Auch der Name des Künstlers 289 stehe nicht im Vordergrund, sondern das Kunstwerk selbst sei entscheidend für die Wahl: „Ich frage nie 278 Vgl. Interview Würzburg (00:31:55). 279 Vgl. Interview Würzburg (00:35:13). 280 Vgl. Interview Würzburg (00:40:58). 281 Interview Würzburg (00:23:28). 282 „[…] entscheidend ist das Werk selbst und inwieweit sich das Werk in den gesamten Sammlungsbestand auch irgendwo, auch ein Stück einreiht, inhaltlich, wie ich sie einbinden kann, womit ich es verbinden kann, mit den anderen Werken […]“ (Interview Würzburg (00:43:03)). 283 Vgl. Lenssen 2003. S. 67. 284 Vgl. Lenssen 2003. S. 76. 285 Vgl. Interview Würzburg (00:57:48). 286 Vgl. Interview Würzburg (00:03:12). 287 Vgl. Interview Würzburg (00:49:00). 288 Vgl. Interview Würzburg (00:49:00). 289 Vgl. Interview Würzburg (00:43:03).

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nach Namen, ich stell keine Frage nach der Religion, ich frage, ob die Kunst etwas taugt.“290 Große Namen wurden nicht als Indiz für Qualität gesehen, jedoch wurden sie auch nicht abgelehnt und der Interviewte sah es als einen positiven Nebeneffekt, wenn ein erworbenes gutes Werk von einem bekannten Künstler erschaffen wurde.291 Von Lenssen wurde aber auch betont, dass Besucher heute nur noch durch große Namen oder Werke gelockt werden könnten.292 Besonders stark unterstrichen wurde, dass von der Kirche beeinflusste Künstler,293 lokale Künstler294 oder HobbyKünstler295 nicht gesammelt würden. Diese äußeren Kriterien wurden mit minderer Qualität gleichgesetzt, von der sich der Befragte distanzieren wollte. Diese Künstler versuchten jedoch verstärkt, auf das Museum zuzugreifen.296 Das „Museum am Dom“ wollte nicht als Museum mit Kunst minderer Qualität wahrgenommen werden, die vorwiegend aus der Region stamme. Die Anfragen lokaler Künstler deuten aber darauf hin, dass eine solche Wahrnehmung vorhanden war bzw. mit Museen der katholischen Kirche verbunden wurde. Das Besondere des „Museums am Dom“ sei die Präsentation von Kunst als „Ahnungsspur einer unbegrenzten Wirklichkeit“297 für den Menschen298 und nicht regionale Bezogenheit, religiöse Thematik oder kunsthandwerkliche Schöpfung für den liturgischen Gebrauch. Im „Museum am Dom“ wurde besonders figurative Malerei aus Ostdeutschland gesammelt. Der Interviewte versuchte, der möglichen Annahme vorzubeugen, er kaufe Kunst, welche von der Kirche beeinflusst sei, indem er Werke von Künstlern sammelte, die in der DDR sozialisiert wurden. Der Befragte sah hier eine Gewähr, einen von der Kirche nicht beeinflussten Künstler zu haben. 299 Für das Sammeln

290 Interview Würzburg (00:49:00). 291 „Mir geht es um das Werk. Ich sammele nicht den Namen. Wenn dann ein Name sich ergibt, von dem man weiß, dass er, sagen wir der Barlach oder die Kollwitz, dann ist das ganz schön, aber das ist zweitrangig […].“ (Interview Würzburg (00:43:03)). 292 Vgl. Lenssen 2008. S. 241. 293 Vgl. Interview Würzburg (00:10:59). 294 Vgl. Interview Würzburg (00:40:58). 295 Vgl. Interview Würzburg (00:30:49). 296 Vgl. Interview Würzburg (00:30:49, 00:40:58). 297 Lenssen 2003. S. 42. 298 Vgl. Lenssen 2003. S. 42. 299 „Ich habe mein Augenmerk vor allem auf Künstler gelegt, die in keiner Weise im Verdacht stehen, kirchlich irgendwo eingebunden zu sein, also kirchliche Auftragskünstler schieden sowieso von vornherein aus, sondern gerade die, die frei davon waren und darum hat auch die Kunst von Künstlern, die in der DDR tätig waren, bei uns einen größeren Umfang mit ihren Werken im Sammlungsbestand.“ (Interview Würzburg (00:10:59)); Jürgen Emmert ging noch weiter und konkludierte. Dass es Kunstwerke

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von figurativer Malerei war eine Kombination von lokalen und kunsthistorischen Faktoren ausschlaggebend. So fehlte die figurative Kunst in den Sammlungen der Stadt und der Interviewte wollte dieses Desiderat schließen, um den Besuchern Würzburgs die Möglichkeit zu bieten, einen „Querschnitt über die gesamte Kunstgeschichte“ zu erlangen.300 In einer Veröffentlichung wurde explizit betont, dass es sich bei dieser Schwerpunktlegung um ein Vorgehen gegen den Trend des Kunstmarktes handele.301 Nach dem Ende der DDR 1989 stellte der Umgang mit Kunst, welche in der DDR-Zeit geschaffen wurde, in den Museen ein großes Politikum dar und wurde kontrovers diskutiert. Gerade in dieser Zeit, ab 1990, begann man in Würzburg, zu sammeln. Rehberg schrieb, dass sich bis ins Jahr 2004 hinein die Ankäufe von Künstlern, welche in der DDR anerkannt gewese waren, in westdeutschen Museen in Grenzen hielten.302 Man kaufte in Würzburg also nicht nur gegen den Trend figurative Kunst ein, sondern wagte sich mit den Ankäufen von figurativer Kunst aus Ostdeutschland auch auf ein problematisches und auf dem Kunstmarkt zu dieser Zeit nicht gefragtes Terrain. 303 Einer der glühendsten Verteidiger von Kunst aus der DDR, Eduard Beaucamp,304 verglich 2011 „Kolumba“ mit dem „Museum am Dom“. Während er die Auswahl und Präsentation „Kolumbas“ vernichtend beurteilte, schrieb er voller Wohlwollen über das „Museum am Dom“.305

von DDR-Künstlern mit christlicher Ikonographie gab, zeige, dass Kunst und Religion einander bedürften. (Vgl. Emmert/Turek 2002. S. 63). 300 Vgl. Interview Würzburg (00:40:58). 301 „Gegen den Trend auf dem Kunstmarkt wurden im modernen Anteil eine Sammlung figurativer Kunst angelegt und hierbei besonders die Werke von ostdeutschen Künstlern gesammelt. Der Grund hierfür ist nicht allein in deren künstlerischer Sprache zu suchen. Entscheidend war vor allem deren Auseinandersetzung mit den auch die Transzendenz nicht ausschließenden Grundfragen des Menschen in einem säkularisierten Umfeld.“ (Lenssen 2003c. S. 12). 302 Vgl. Rehberg 2005. S. 87. Wobei zu erwähnen ist, dass die Schüler von DDRKünstlern, so z. B. die sogenannte „Neue Leipziger Schule“, zu Beginn der 2000er Jahre einen großen Boom erfahren. (Vgl. Fischer/Giesecke 2005. S. 116). 303 Vgl. Fischer/Giesecke 2005. S. 100. 304 Vgl. Rehberg 2005. S. 76. 305 „Ihre Vitalität bezieht diese Darbietung vor allem aus der mutigen Exploration eines kaum bekannten zeitgenössischen Terrains, der christlich geprägten Kunst aus der späteren DDR. Hier bedarf es keiner exegetischen Verrenkungen: Der existentielle Kern der biblischen Botschaften hämmert sich in bildnerischer Wucht ein.“ (Beaucamp 2011).

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Innerhalb der „alten Kunst“306 setzte im „Museum am Dom“ die fränkische Kunst um 1600 einen Akzent.307 Man sah eine Gemeinsamkeit mit zeitgenössischer ostdeutscher Kunst, da beide in einer Umbruchzeit entstanden seien und im Kunstbetrieb nicht gebührend beachtet würden.308 Diese Einschränkungen in der Auswahl der Kunstwerke passen nicht mit den anderen Angaben zusammen. Es besteht ein Widerspruch zwischen spontaner Auswahl ohne Vorsätze oder Vorgaben und Schwerpunktlegung auf den geographischen Raum Ostdeutschland bzw. den künstlerischen Stil der Figuration. Im Endeffekt schränkte man sich auch nicht auf diese beiden Vorgaben ein, sondern sammelte auch abstrakte Werke. 309 Einen Sammlungsschwerpunkt zu haben, ist ein typisches kunsthistorisches Vorgehen, um einem Kunstmuseum ein Profil zu geben. Die Haltung in diesem Punkt war zwiegespalten. Messen und Galerien dienten als wichtige Kaufanregungen für das „Museum am Dom“.310 Auch mit bestimmten Galerien arbeitete man zusammen und war mit manchen Galeristen auch persönlich bekannt.311 Durch Treffen mit Künstlern und Vermittlung durch Bekannte oder Galeristen resultiere eine ständige Auseinandersetzung mit der Kunstwelt. „Die Namen hört man mal, man kriegt einen Tipp oder man sieht was und sagt: ‚Wer ist denn das?‘“312 Man kann also davon ausgehen, dass sich der Befragte in einem Umfeld bewegte, in dem man sich über Kunst unterhielt. Obwohl der Künstler keine Rolle spielen sollte,313 wurde ein persönlicher Kontakt zum Künstler gesucht und der Besuch des Entstehungsortes des Werkes – das Atelier – für wichtig erachtet.314 Kaufanregungen wurden, neben Angeboten von Bezugspersonen, hauptsächlich durch den Kunstmarkt gegeben. Messen und Galerien wurden hier genannt. Für den Kunstmarkt ist ein Museum mit einem gewissen Etat, egal welcher Trägerschaft, interessant. Die Erwähnung des Kunstmarktes als Kaufanregung deutet darauf hin, dass hiermit ein gewisses Gütekriterium 306 Zum Begriff „alte Kunst“ siehe Kapitel „Zusammenfassung“ in „Das Jahrzehnt vor dem Heiligen Jahr 2000. Kunst im Fokus der Pastoral“. 307 Vgl. Lenssen 2003. S. 19f. 308 Vgl. Lenssen 2002. S. 16. 309 „Auch natürlich, [...] wir haben auch sehr viele abstrakte Werke, also es ist nicht so, dass ich jetzt ganz stringent sage, nur figurative, das nicht.“ (Interview Würzburg (00:49:57)). 310 Vgl. Interview Würzburg (00:41:59). 311 Die Galeristen stellten manchmal einen Künstler vor (vgl. Interview Würzburg (00:34:37), oder organisierten einen Atelierbesuch. (Vgl. Interview Würzburg (00:41:32)). 312 Interview Würzburg (00:41:32). 313 Vgl. Interview Würzburg (00:43:03). 314 Vgl. Interview Würzburg (00:11:42).

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impliziert wurde. Was schon einmal von Händlern als qualitativ betrachtet wurde, kann keine lokale Kirchenkunst sein. Das „Museum am Dom“ sammelte Kunstwerke, welche frei entstanden waren. Von Auftragsarbeiten für das Museum sah der Kurator weitestgehend ab, da er eine geringere Qualität bei bestellten Kunstwerken verzeichne.315 Für den Kirchenraum wurden jedoch Auftragsarbeiten vergeben.316 Admont „Museum des Stifts Admont“ „Das Wichtigste ist, dass er [der Künstler] die Qualität hat, dass er doch irgendwo einen spirituellen Ansatz hat und dass er nicht irgendwie völlig fehl am Platz in einer Sammlung ist, die doch die Sammlung eines Klosters ist.“317

Begonnen wurde die Sammlung zeitgenössischer Kunst in Admont mit einer Stiftung von Werken des Malers Hannes Schwarz. Die Sammlung von Werken Hannes Schwarz‘ aus den frühen 1950er-Jahren bis in die Gegenwart präsentierte man in einem eigenen Raum als Dauerausstellung318 und bildete somit einen Schwerpunkt in der Sammlung. Die Sammlung wurde daraufhin mit österreichischer Malerei der 1980er-Jahre erweitert.319 Ein Beweggrund für diese Schwerpunktlegung waren finanzielle Überlegungen, da das Budget für österreichische Verhältnisse sehr gut gewesen sei, aber nicht für internationale Kunst gereicht habe.320 Bereits bei der Eröffnung 1997 gab es aber den Plan, später internationale Kunst in das „Museum des Stifts Admont“ zu holen, was schließlich 2010 geschah321 und im Jahre 2011 durch Kooperationen mit Privatsammlungen verstärkt werden sollte. Die internationale Kunst aus Privatsammlungen wurde in den Dialog mit Admonter Kunst gestellt.322 Kein Kriterium, aber eine Erklärung für die Auswahl von Künstlern sei der Kontakt zu Künstlern, die dem Befragten aus seiner Vergangenheit, durch seine Tätigkeit in Graz, bekannt waren, diese bildeten die Basis im „Museum des Stifts Admont“.323 Der Kurator engagierte und interessierte sich stark für die gesammelten Künstler, er bemühte sich selbst um die Auswahl und hatte nur im Falle von in-

315 Vgl. Interview Würzburg (00:50:48). 316 Vgl. Interview Würzburg (00:11:42). 317 Interview Admont (Teil 1 00:14:01). 318 Vgl. Unterberger 2010a. 319 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:01:53). 320 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:06:48). 321 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:06:48). 322 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:31:58). 323 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:01:14).

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ternationaler Kunst eine auswärtige Kuratorin zu Hilfe geholt.324 Ein Kontakt zu Künstlern war meistens über ein eigenes Interesse an ihnen325 oder durch Empfehlungen anderer Künstler326 und nicht über Galerien entstanden. Man hatte im „Museum des Stifts Admont“ schlechte Erfahrungen mit Galerien gemacht, welche vom Stift überhöhte Preise verlangten, da sie vom Reichtum des Stifts ausgingen.327 Man bevorzugte Ankäufe direkt vom Künstler, kooperierte aber mit seriösen Galerien. 328 Trotzdem hatte das „Wiener Landesgremium des Kunsthandels“ dem Museum 2009 den „OscArt“ in der Kategorie „Besondere Leistungen im Museumswesen und die Sammlung“ verliehen.329 Der Befragte bedauerte, dass Besuche von Kunstmessen durch das Kloster Admont nicht gefördert würden330 und er durch das Alltagsgeschäft und die Isoliertheit in Admont331 den Anschluss an das aktuelle Kunstgeschehen verloren habe und nur ein kleines Netzwerk pflegen könne.332 Neue Impulse bekam er durch die auswärtige Kuratorin. 333 Als Nebentätigkeit versuchte der Befragte nun selbst, als Vermittler zwischen Künstlern und Kunstkäufern Fuß zu fassen.334 Im „Museum des Stifts Admont“ bemühte man sich um eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit den Künstlern der gesammelten Werke, damit eine Kerngruppe von Künstlern entstand, mit welcher man in Kontakt blieb. Im Anfangsjahr 1995 war die Anzahl der Künstler, deren Werke man sammelte, noch überschaubar. Die Kerngruppe war 2010 schon so groß geworden (ca. 150 Künstler), dass man nicht permanent mit ihnen arbeiten konnte.335 Von zeitgenössischen Künstlern, die etwas für Kloster Admont geschaffen hatten, wurden auch ältere Werke erworben. 336 Es gab im „Museum des Stifts Admont“ sowohl Atelier- und Galerieankäufe als auch Auftragsarbeiten.337 Somit entschied man sich im letzteren Fall nicht für ein bestimmtes Werk, sondern für einen Künstler und sein Gesamtwerk. Man suchte Werke, die thematisch auf Vorhandenes reagieren und es provokant in die Gegen324 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:48:00). 325 Vgl. Interview Admont (Teil 3 00:02:23). 326 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:04:10, Teil 3 00:01:58, Teil 3 00:02:23). 327 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:39:54, Teil 4 00:54:13). 328 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:55:01). 329 Vgl. Oscart 2012. 330 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:53:08). 331 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:49:06). 332 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:57:28). 333 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:49:06). 334 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:57:28). 335 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:02:41). 336 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:01:53). 337 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:24:07).

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wart holen würden.338 Die Auftragswerke könnten frei vom Künstler gestaltet werden und man betrachtete das Endergebnis.339 So wurden Kunstschaffende340 im Rahmen der seit dem Jahr 2000 bestehenden Reihe „Made for Admont“ in das Stift eingeladen, man führte Gespräche mit ihnen und das Klosterleben sollte sie zu ortsspezifischen Kunstwerken anregen, welche im Folgenden oft angekauft und ausgestellt wurden.341 Seit 2002/03 gab es eine weitere Linie mit Auftragsarbeiten für museale Kunstwerke ohne Ortsbindung für Sehbehinderte.342 Das Stift wollte eine Schwerpunktlegung auf die Gattungen der Skulptur und Malerei.343 Diese wurde jedoch bei Auftragsarbeiten, wie bei „Made for Admont“ und im Speziellen bei den Werken, die für Sehbehinderte geschaffen wurden, aufgebrochen und auch andere Medien fanden Eingang,344 wie Installation, Fotokunst und multimediale Kunst.345 Bei der Auswahl von Künstlern für Kunstwerke für Sehbehinderte spielte das Wissen im Bereich der Technik und multimedialer Kunst eine Rolle. Weiterhin wurde betont, dass diese Künstler aus Österreich stammten und etabliert waren.346 Etabliert bedeute im Kunstmilieu anerkannt. Hier ging es also nicht darum, neue unbekannte Künstler zu entdecken. Neben etablierten Künstlern würden aber auch junge, wenig bekannte Künstler angekauft.347 Eines der ausschlaggebenden Kriterien war, dass Künstler ausgewählt wurden, welche „Qualität schufen“348 und dies 338 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:24:07). 339 Vgl. Interview Admont (Teil 3 00:01:58). 340 Künstlernamen: Lois Renner, Erwin Wurm, Rudi Molacek waren „Artists in residence“. (Vgl. Braunsteiner 2003). 341 Vgl. Admont Gegenwartskunst 2010. 342 Vgl. Interview Admont (Teil 3 00:01:58). Im Jahre 2009 wurde in Admont eine Sonderausstellung der Sammlung Prinzhorn mit Kunstwerken von behinderten Künstlern gezeigt und ein interdisziplinäres Symposium dazu veranstaltet. (Vgl. Unterberger 2010. S. 133). In diesem Fall handelte es sich nicht um Kunst für Menschen mit Behinderungen, sondern von Menschen mit Behinderung. 343 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:01:10). 344 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:01:10). 345 Vgl. Admont Geschichte Gegenwart 2010. 346 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:01:58). Thomas Baumann, Werner Reiterer und Constanze Ruhm, Arbeiten für außenvisuelle Wahrnehmung, für Blinde und neue Kunstrezeption für Sehende. (Vgl. Braunsteiner 2003). 347 „Wo immer möglich, ist das Stift um die Unterstützung der weiteren Entwicklungsmöglichkeit junger, hoffnungsvoller und noch nicht arrivierter Künstler bemüht.“ Als Beispiel wurde ein Absolvent des Stiftsgymnasiums benannt, welcher mittlerweile zu einem international erfolgreichen Künstler geworden sei. (Unterberger 2010. S. 132f.). 348 Interview Admont (Teil 5 00:19:18).

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möglichst durchgehend, das schwächste Werk sollte noch gut sein. 349 Qualität könne nicht genau definiert werden, eigene Kunsterfahrung und Meinung der Kollegen spielten eine Rolle bei der Bewertung.350 Die Künstler sollten weiterhin einen spirituellen Ansatz haben und über den Sinn des Lebens nachdenken. Hier wurden die Fragen gestellt: „Woher kommen wir? Wohin gehen wir?“351 Das Kriterium der Spiritualität sei jedoch nicht an eine Religionszugehörigkeit gebunden.352 Auf der eigenen Homepage wurde hervorgehoben, dass viele der angekauften Kunstwerke von jungen Künstlern geschaffen wurden, die Träger des „Monsignore Otto MauerPreises“ waren.353 Der Interviewte betonte jedoch, dass dieser kirchliche Kunstpreis, also die Beachtung im kirchlichen Kunstmilieu, keine Rolle für die Auswahl spielte, es sei aber positiv, wenn ein Künstler diesen Preis trage und zeige eine Analogie der Auswahlkriterien.354 Die Künstler sollten jedoch in die Klostersammlung passen355 und man vermied zum Beispiel, Künstler mit Skandalpotenzial durch sexuelle Elemente aufzunehmen. Dies sei ein Kriterium, das der Befragte nicht teilte, sondern gern ändern würde, es fehle aber an der Bereitschaft der Mönche.356 Weiterhin wurden sowohl zeitgenössische als auch historische Werke erworben. Das Stift Admont gab ca. 90 % seiner Mittel für den Erwerb zeitgenössischer Kunst aus.357 Historische Werke wurden angekauft, wenn eine Beziehung zu Admont bestehe oder aus wirtschaftlichen Gründen, wenn dies als eine gute Investition betrachtet werde. Hier flossen Interessen und das Engagement des Wirtschaftsdirektors ein, was vom Kurator nicht geteilt wurde.358

349 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:19:18). 350 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:07:28). 351 Interview Admont (Teil 1 00:24:07; Teil 5 00:07:33). 352 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:18:16). 353 Vgl. Admont Geschichte Gegenwart 2010. Der „Monsignore Otto Mauer-Preis“ ist der älteste kirchliche Kunstpreis Österreichs. 1981 wurde er vom Wiener Kardinal Franz König und Prälat Karl Strobl, den Erben von Monsignore Mauer, ins Leben gerufen. Der Preis würdigt das gesamte bisherige Werk von österreichischen Künstlern unter 40 Jahren. (Vgl. Kölbl 2008). 354 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:19:57). 355 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:14:01). 356 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:14:01). 357 Vgl. Steiner 2009. S. 18. 358 Vgl. Interview Admont (Teil 2 00:05:39).

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Freising „Dombergmuseum“ „Um es gleich zu sagen, das ist nicht so, dass die [Künstler] katholisch oder etwas sein müssen, wir haben keine Ahnung, ob die überhaupt etwas sind, aber wir wollen jemanden, der bereit ist, sich darauf einzulassen. Wir sind offen und das erwarten wir von denen auch.“359

Diese Aussage wurde gemacht, ohne dass der Interviewte explizit danach gefragt wurde. Die Formulierung zeigt, dass die Konfessionszugehörigkeit des Künstlers eine oft gestellte Frage war bzw. ein Vorurteil gegenüber dem kirchlichen Museum darstellte: Eine Voraussetzung hingegen sei, dass der Künstler offen gegenüber der Kirche sei und er diese nicht verunglimpfen und skandalisieren wolle.360 Die Sammlung des Museums expandierte, wie die Bestandszahlen zeigen. 1985 war die Rede von über 9.000 Kunstwerken, die das Museum besaß.361 2004 wurden bereits 17.000 Objekte genannt.362 Dieses Wachstum kam durch Werke, die das „Dombergmuseum“ aus Kirchenräumen ihrer Diözese aufnahm und durch aktiven Erwerb. Es wurden mehrere Sammlungsschwerpunkte genannt, die nicht kategorisch als einzige Kriterien galten, sondern von welchen es auch Abweichungen gab.363 Als Schwerpunkte wurden geographische (Bayern), epochale (Gotik, Barock, Gegenwart) und thematische (christliche Ikonographie) Ordnungen angeführt, die u. a. historisch und regional begründet wurden. Ein Sammlungsschwerpunkt waren Kunstwerke aus der Region der Diözese, 364 für welche man sogar ein Verantwortungsgefühl besitze.365 Diese regionale Auslegung war auch vom Vorgänger vertreten worden, welcher unter Region die Gebiete Altbayern mit München, Salzburg, Brixen und Tirol nannte und dieses räumliche Kriterium auch auf die Kunst des 20. Jahrhunderts bezog. 366 Vereint wurden alle Epochen-Schwerpunkte durch die christliche Ikonographie, die sich in allen Werken wiederfinde. Hier sah man die eigentliche Stärke des Museums. Dies wurde auch an den Ausstellungen,

359 Interview Freising (01:01:03). 360 Vgl. Interview Freising (01:02:09). 361 Vgl. Steiner 1985a. S. 23. 362 Vgl. Hahn/Heisig 2010. S. 4. 363 Vgl. Interview Freising (01:43:31, 00:26:43). 364 Vgl. Interview Freising (00:26:43). 365 Vgl. Interview Freising (00:13:30). 366 „Wir haben uns bei unseren Erwerbungen auch darum bemüht, in diesem Raum zu bleiben. Wir wollten nicht einfach nur schöne Dinge oder einfach nur fromme Dinge ankaufen, sondern wir sammeln Zeugnisse der Geschichte dieser Region. Da gehört dann z. B. eben auch ein Maler wie Jawlensky mit dazu, weil er in München gelebt hat.“ (Steiner 2008).

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denen oft ein ikonographisches Thema zugrunde lag, sichtbar.367 Für die Zukunft wollte man sich auch auf diese Stärke des Hauses konzentrieren und nicht mit der „modernen Kunst“ in Köln in Konkurrenz treten. Durch diese Fokussierung sollte das Museum als kompetent für Fragen der Ikonographie wahrgenommen werden.368 Im „Dombergmuseum“ stand das dargestellte Thema somit im Mittelpunkt bei der Auswahl der Kunstwerke. Bei den Themen handelte es sich um biblische, alttestamentarische, christliche Legenden369 und gerade bei der Moderne eher um grundlegende Topoi des Menschseins.370 Werke mit bestimmten Themen wurden auch gezielt gesucht. Nach welchen Themen gesucht wurde, hängte mit dem Sammlungskontext zusammen. Fragestellungen wäre: Welche Themen fehlen,371 welche sind wichtig für die Vermittlungsarbeit,372 wie kann das Werk gehangen werden. Es müsste in den bestehenden Räumlichkeiten praktikabel sein. 373 Auch wurden Werke erworben, die in einem Kirchenraum aufgestellt werden könnten. 374 Ebenfalls wurde das Verhältnis zu anderen Werken bedacht. Schlussendlich sei die Qualität des Werkes ausschlaggebend,375 wobei durchaus auch Kitsch in der Sammlung existiere.376 Mit den genannten Kriterien führte das Museum trotz Personalwechsel Punkte auf, die ähnlich schon 1982 in einer Publikation des Museums genannt worden waren.377 Mit Beginn der Amtszeit Steiners befand sich die Sammlung zeitgenössischer Kunst im Aufbau.378 In der Vergangenheit waren auch fertige Werke von bereits etablierten Künstlern ausgestellt worden.379 Seit dem Jahre 2002 wurden jedes Jahr Werke junger Künstler in der Reihe „Junge Kunst im Diözesanmuseum“ gezeigt,380 367 Vgl. Interview Freising (01:43:31). 368 Vgl. Interview Freising (01:43:31). 369 Vgl. Interview Freising (00:22:38). 370 Vgl. Interview Freising (00:23:34). „Die [zeitgenössische Skulptur] ist nicht biblisch, überhaupt nicht, aber sie beinhaltet die christliche Botschaft, so sehe ich das jedenfalls, dass nach dem Tod nicht alles aus ist, sondern es weitergeht. Und insofern finde ich, dass es ein ganz wichtiges Thema hat.“ (Interview Freising (01:14:08)). 371 Vgl. Interview Freising (00:11:45). 372 Vgl. Interview Freising (00:22:38). 373 Vgl. Interview Freising (01:14:08). 374 Vgl. Interview Freising (01:14:08). 375 Vgl. Interview Freising (00:18:09). 376 Vgl. Interview Freising (01:43:31). 377 Siehe Kapitel „Freising“ in Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“. 378 Vgl. Interview Freising (00:13:30). 379 Vgl. Interview Freising (01:01:03). 380 Vgl. Hahn/Heisig 2010. S. 8f.

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hier entstanden oft neue Werke381 und manchmal wurden diese auch erworben. 382 Oft handelte es sich um Künstler der Münchner Kunstakademie. 383 Der Kontakt zu jungen Künstlern wurde über einen Kollegen vom erzbischöflichen Kunstreferat hergestellt, welcher für die Gestaltung neuer liturgischer Orte zuständig war. Es ist anzumerken, dass es sich hierbei um den Fachreferenten für „zeitgenössische christliche Kunst“ handelte,384 die Befragte benutzte diese Bezeichnung für die zeitgenössische Kunst im Museum aber nicht. Dass die zeitgenössische Kunst von der Diözese gewünscht wurde und auch nach Steiner weiterhin eine Rolle spielen sollte, drückte die Diözesanleitung auch im Bewerbungsgespräch für die Neubesetzung der Direktorenstelle aus. 385 Es gab 2009 bei der Ausstellung „Paradies – Neue Blicke auf einen alten Traum“ in Freising die Möglichkeit der Zensur, wenn beleidigende oder blasphemische Arbeiten dabei gewesen wären, man habe aber keinen Gebrauch davon machen müssen.386 Die Befragte erwürbe keine Werke, die Grenzen überschritten und einen Skandal produzieren könnten.387 Sie wollte nicht provozieren, sondern sich langsam an zeitgenössische Kunst annähern und mit positiven Beispielen vorangehen und nicht anprangern wie in der Zeit Steiners.388 Man führte vor den Ausstellungen mit jedem Künstler einzeln Gespräche und zeigte ihm den Ort und die Werke im Museum.389 Bei Ausstellungen mit einem vorgegebenen Thema stellte man die christlichen Themen und dazugehörigen Schriften vor. 390 Generell war in Freising die Prä-

381 Vgl. Interview Freising (01:01:03). 382 Vgl. Interview Freising (01:14:08). 383 Vgl. Interview Freising (01:11:05). 384 Vgl. Kunstreferat 2012. 385 „Da [im Bewerbungsgespräch] war das auch ein wichtiges Thema, ob ich die Moderne weiterführe, da war das wirklich gewünscht von der Diözese, dass das nicht einschlafen soll. Also insofern habe ich schon das Gefühl, dass das mitgetragen wird.“ (Interview Freising 02:29:37). 386 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2009. 387 Vgl. Interview Freising (02:29:37). 388 Vgl. Interview Freising (01:01:03). 389 Vgl. Interview Freising (01:06:42). 390 „Das Haus gezeigt, die Orte gezeigt, all die Paradiesbilder gezeigt, Bibelstellen geliefert, wobei die fast niemand benutzt hat hinterher, aber wir haben sozusagen das mal alles an die rangetragen.“ (Interview Freising (01:09:12)). Der Arbeitskreis „Museum und moderne Kunst“ stellte 2009 zur Ausstellung „Paradies“ die Frage, ob man in Freising weiterhin Ausstellungen so gestalten wolle, dass man Kunst schaffe, indem man Künstlern einen Begriff aus dem christlichen Kontext zur Vorgabe mache, was zum wiederholten Male so geschehen sei. Die Antwort lautete, dass man sich in Freising dazu noch

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senz von zeitgenössischer Kunst in temporären Ausstellungen höher als in der Dauerausstellung. In Bezug auf die Auswahl von Künstlern spielten hauptsächlich pragmatische finanzielle Gründe eine Rolle. Die Finanzknappheit führte dazu, dass man junge Kunst hauptsächlich von unbekannten jungen Künstlern erwarb, man war sich jedoch über deren späteren Werdegang nicht sicher und empfand den Erwerb von etablierten „modernen Künstlern“ als wertvoller.391 Das Ideal bei entsprechenden finanziellen Mitteln wären also nicht junge Künstler am Anfang ihrer Karriere, sondern etablierte Namen. Obwohl man bei einer guten Bildqualität auf einen prominenten Künstlernamen verzichten würde, wusste man um die Wirkung großer Namen.392 Hier setzte man am liebsten auf Künstler der eigenen Region, die sich einen Namen gemacht hatten.393 Jedoch wurden keine Künstler schwerpunktmäßig gesammelt,394 es existierten keine Werkgruppen bestimmter Künstler. Der Kunstmarkt oder Personen aus dem Kunstmarkt spielten im „Dombergmuseum“ zumindest im Hinblick auf zeitgenössische Kunst keine tragende Rolle beim Erwerb von Kunstwerken. Zwar erhielt das Museum Einladungen von Galerien395 und besuchte diese und Kunstmessen gelegentlich 396 und Werke wurden im Kunsthandel erworben,397 jedoch wurde der Kontakt zu zeitgenössischen Künstlern über einen Mitarbeiter des Kunstreferates der Erzdiözese hergestellt. 398

keine Gedanken gemacht habe, man aber auch nicht wisse, wer außer dem christlichen Museum so eine Frage aufwerfen sollte. (Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2009). 391 „Wenn man die Preise der heutigen Künstler sieht, ist auch klar, dass wir da mit Köln oder so etwas nicht mithalten können, aber wir versuchen trotzdem, das ein oder andere zu kriegen, versuchen auch, von jeder Ausstellung mit junger Kunst irgendwas zu behalten, da wissen wir aber noch nicht, ob aus denen etwas wird oder nicht. Aber es ist auch der Versuch, mit weniger Geld eine Sammlung aufzubauen. Ab und zu gelingt es, wir haben jetzt auch einen Arnulf Rainers wenigstens, also auch etwas von jemand Bekannterem, aber normalerweise liegt das außerhalb unserer Möglichkeiten.“ (Interview Freising (00:14:22)). 392 „Und ja ein Künstler spielt eine gewisse Rolle, irgendwo können wir uns da auch nicht so rausziehen aus diesem ja, beindrucken mit Namen, irgendwie ist es ja auch ein Renommee für ein Haus zu sagen: Wir haben den und den und den. Das schreibt man ja auch in den Folder rein: Sie finden Bilder von….“ (Interview Freising (00:19:50)). 393 Vgl. Interview Freising (00:19:50). 394 Vgl. Interview Freising (00:20:52). 395 Vgl. Interview Freising (02:08:52). 396 Vgl. Interview Freising (02:08:52). 397 Vgl. Interview Freising (02:12:26). 398 Vgl. Interview Freising (01:01:03).

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Der ehemalige Direktor des Museums, Steiner, wurde 2008 in einem Interview gefragt, ob der Schwerpunkt des Museums im Bereich der religiösen Volkskunst oder in der Hochkunst liege. Dies ist eine Frage, die selten im Zusammenhang mit Museen der katholischen Kirche gestellt wurde, aber durchaus nahe liegt. In Museen der katholischen Kirche befinden sich durch ihre Entstehungsgeschichte nicht nur Gemälde, Graphiken, Skulpturen, sondern auch Kulturgüter, die als Gebrauchsgegenstände fungierten (Bänke, Textilien etc.) und volkstümliche Gegenstände. Steiner wollte zwischen Volkskunst und Hochkunst auch nicht strikt unterscheiden, sah den Schwerpunkt des Museums aber in der Hochkunst.399 Köln „Kolumba“ „Wir bilden gerne auch Konvolute, kleine Werkschwerpunkte, dann natürlich von Künstlern, aber ausgelöst wird das in der Regel durch ein Werk, was man gesehen hat, was dann interessant ist, und dann guckt man nach, ist das eben die berühmte Eintagsfliege oder steht das in einem Zusammenhang und dann kann man sich meistens sowieso nicht für eins entscheiden, sondern man hat dann schon gleich drei, vier, die einfach spannend sind.“400

Im Interwiew wurde deutlich, dass bei der Auswahl eines Kunstwerkes nicht der Künstler im Vordergrund stehe, sondern das Werk. 401 Trotzdem verfolge man, ob der Künstler auf lange Sicht Qualität schaffe402 und manche Künstler würden verstärkt gesammelt.403 Eigene Publikationen betonten, dass man von Paul Thek den weltweit größten Bestand an Kunstwerken besitze.404 Das entspricht der gewohnten Werbesprache von Kunstmuseen, in der bekannte Künstlernamen und Superlative herausgestellt werden. Auch hier wurde die Frage nach der Religionszugehörigkeit der Künstler beantwortet, ohne dass konkret danach gefragt wurde. Der Hintergrund des Künstlers, seine Religionszugehörigkeit und Alter, seien den Befragten unwichtig.405 Es wurde ersichtlich, dass die Kuratoren sich schon häufiger mit diesbezüglichen Vorwürfen auseinandersetzen mussten. Die Kuratoren sagten, dass es keine festen Regeln für die Auswahl, keinen „10Punkte-Katalog“, gegeben habe.406 Trotzdem wurde nach Kriterien gesucht, nach denen man Qualität bewerten konnte. Als solche wurden die Entstehungsgeschich399 Vgl. Steiner 2008. 400 Interview Köln (B1: 00:10:24). 401 Vgl. Interview Köln (B2: 00:09:00, B2: 00:08:49). 402 Vgl. Interview Köln (B1: 00:09:46). 403 Vgl. Interview Köln (B1: 00:10:24). 404 Vgl. Plotzek 2007a. 405 Vgl. Interview Köln (B2: 00:09:29). 406 Vgl. Interview Köln (B2: 00:08:44).

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te, die Werkgeschichte, die Technik und die Betrachtung des Werkes im Zusammenhang angeführt.407 Außerdem sollte das Werk für die Sammlung von Bedeutung sein.408 Keinen 10-Punkte-, aber einen 8-Punkte-Katalog nannte der ehemalige Leiter des „Kolumbas“, Plotzek. 2002 lautete Plotzeks Sammlungskonzept: 1. künstlerische Qualität, 2. Abgrenzung von benachbarten Sammlungen, 3. weniger Einzelwerke als vielmehr Schwerpunkte um das Werk bestimmter Künstler, 4. Werke, die einen Ortsbezug haben und 5. die Sammlung ergänzen sowie 6. zur Präsentation im Kontext des Vorhandenen geeignet. Weiterhin nannte er 7. beschenkt werden und 8. das Vertrauen des Museumsträgers, für den die Sammlung identitätsstiftend wirken müsse.409 Die aufgeführten Punkte Plotzeks widersprechen den Aussagen der Interviewten nicht, ergänzen sie in manchen Hinsichten. Die Internetpräsentation führte als Qualitätskriterium an: „Die Suche nach einer übergreifenden Ordnung, nach Maß, Proportion und Schönheit ist als verbindendes Element aller künstlerischen Gestaltung der Leitfaden der Sammlung.“ 410 Die Kuratoren gaben an, dass sie auf Künstler durch Messen, in Ateliers, durch Angebote oder Empfehlungen von Künstlern aufmerksam würden.411 Beim Kennenlernen eines neuen Künstlers lasse man die Literatur zuerst bewusst weg, um einen unverstellten Blick zu haben.412 In vielen Fällen waren die Künstler auch noch unbekannt und „Kolumba“ verfasste die ersten Texte. 413 Somit wurde betont, dass keine etablierten Künstler gesammelt, sondern Künstler gewissermaßen entdeckt würden, welche man dann erstmals wissenschaftlich bearbeitete. Den eigenen Zugang zu einem neuen Künstler gestalteten die Kuratoren somit für sich genauso, wie sie ihn für den Besucher „Kolumbas“ gestalteten. In „Kolumba“ war ein Bewusstsein für den Unterschied vorhanden, ob ein Werk für den Sakralraum geschaffen wurde oder nicht, so wurde zwischen „profaner“ und „sakraler Kunst“ differenziert. „Profane Kunst“ sei die Kunst, welche nicht aus einem kirchlichen Kontext stamme, während „sakrale Kunst“ im Kirchenraum gewesen sei, bevor sie ins Museum kam. 414 Stefan Kraus sah zwischen „profaner“ und „sakraler“ Kunst in „Kolumba“ eine „Nichtbeziehung“. 407 Vgl. Interview Köln (B2: 00:11:03). 408 Vgl. Interview Köln (B1: 00:44:27). 409 Vgl. Steiner 2009. S. 18–19. 410 Kolumba Sammlung 2011. 411 Vgl. Interview Köln (B2: 00:11:40). 412 „Wenn es die Literatur gibt, also oft lasse die ich ganz bewusst beiseite, nach dem Motto, ich will mich jetzt nicht mit irgendetwas belasten und Vorurteile bilden, sondern ich will mir die Dinge anschauen, mich damit beschäftigen und mir dann mein eigenes Urteil bilden. Möglichst unvoreingenommen.“ (Interview Köln (B2: 00:51:51)). 413 Vgl. Interview Köln (B1: 00:51:24). 414 Vgl. Winnekes 2006. S. 9.

252 | M ISSION M USEION „Für mich [Stefan Kraus] ist Kunst grundsätzlich frei. Darauf baut das Museum Kolumba und die ungebrochene Nachfrage gibt dem Konzept Recht. Es gehe nicht um die Frage nach Kunst und Kirche, sondern um die Frage nach Kunst. Diese ist nicht l’art pour l’art, sondern Teil der Caritas.“415

Das „Kolumba“-Team äußerte sich auch allgemein zur Zukunft von Museen der katholischen Kirche. Hier wurde neben der Betonung von zeitgenössischer Kunst auch die Möglichkeit betont, „besonders gut gestaltete Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs unserer Zeit mit den eher zufällig entstandenen Kollektionen alter Kunst planvoll zu vernetzen“.416 Gerade in „Kolumba“ ist es auffällig, wie unbeschwert unterschiedlichste Ausstellungsstücke miteinander gesammelt wurden, neben Malerei und Skulptur finden sich auch Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs (z. B. Geschirr), Modeskizzen und Alltagsfotografien. Außerdem hoffte man, dass in Zukunft noch weitere Kunstrichtungen miteinbezogen werden können, wie z. B. Literatur, Musik oder Theater. 417 Dabei wolle man Künste experimentell miteinander kombinieren418 und Begegnungen der Kunst an unerwarteten Orten schaffen.419 Die bei der Übernahme durch Plotzek und sein Team vorhandene Sammlung, die die unterschiedlichsten Werkgruppen umfasste, wurde als eine Wurzel für das Konzept „Kolumbas“ gesehen. Diese Sammlung hätte nicht kunstgeschichtlich geführt werden können und eine Schwerpunktbildung wäre nicht möglich gewesen. 420 Das Kuratorenteam um Plotzek hätte es eher als Chance begriffen, kein Spezialmuseum zu sein und nicht zwischen „high und low“, zwischen Kitsch und Kunst zu trennen, um so ein eigenes Verständnis für Kultur zu vermitteln.421 Generell wurde in „Kolumba“ nicht nur zeitgenössische Kunst gesammelt, sondern es wurden auch historische Werke angekauft.422 Die Kuratoren bezeichneten die Sammlung als heterogen, ohne festen Schwerpunkt, jedoch mit einzelnen In415 Gerhards 2009. S. 308. 416 Winnekes 2006. S. 9. 417 Vgl. Interview Köln (B2: 00:30:37). 418 Vgl. Interview Köln (B2: 00:31:24). 419 Dies vielleicht auch zu anderen Öffnungszeiten. (Vgl. Interview Köln (B1: 00:31:06, B2: 00:31:54)). Heute lade man Musiker oder Schauspieler am besten an gut besuchten Tagen, wie z. B. samstags ein. (Vgl. Interview Köln (B1: 00:31:35)). Dies lässt darauf schließen, dass die Besucher, nicht gezielt zu diesen Veranstaltungen kamen, sondern eher von diesen überrascht wurden. 420 Vgl. Kraus 2008. 421 Vgl. Gärtner 2008. S. 110. 422 So wurden 2001 z. B. ein romanisches Elfenbeinkreuz aus dem Rheinland erworben oder die Wettiner Kreuze. (Vgl. Schwaderlapp 2008). Vgl. Interview Köln (B1: 00:44:27).

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seln, welche Überschneidungspunkte aufweisen würden. Es habe keine systematische Vorgehensweise bei der Zusammenstellung von Schwerpunkten gegeben, jedoch wurden Farbmalerei 423 und Werkverbünde einzelner Künstler424 als Schwerpunkte genannt.425 Im Interview wurde dies als Gegensatz zu einem geographischen oder einem Epochen- und Gattungsschwerpunkt formuliert.426 Eine etwas andere Formulierung fand sich auf der Internetpräsenz von „Kolumba“. Hier gab es eine recht konkrete Benennung von Schwerpunkten: das frühe Christentum, Zeugnisse der Volksfrömmigkeit und eine der vollständigsten Sammlungen von Rosenkränzen. Weiterhin benannte man chronologisch Bestände des 19. Jahrhunderts und der klassischen Moderne – welche als Brückenkopf zwischen 19. Jahrhundert und zeitgenössischer Kunst bezeichnet wurde. Das Buch als künstlerisches Medium sei in der Sammlung und in jeder Ausstellung vertreten.427 Von Mennekes, einem formal außenstehenden Betrachter, wurden sogar als Schwerpunkte geographische Bezüge genannt. Er sah amerikanische Malerei 428 mit Tendenzen zum Minimalen und Konzeptionellen und die ungegenständliche Malerei in Köln429 als Schwerpunkte der Sammlung.430 Mennekes befand, dass „Kolumba“ seit 1989 in einer bestimmten Systematik sammle und dass das Museum andere Schwerpunkte setze im Vergleich zum Mainstream in Europa, Nordamerika und Ostasien.431 Zwar sei es eine heterogene Sammlung, aber das verbindende Element liege in der Spiritualität.432

423 Vgl. Interview Köln (B1: 00:13:14). 424 Vgl. Interview Köln (B2: 00:13:16). 425 Vgl. Interview Köln (B1: 00:13:36). 426 Vgl. Interview Köln (B1: 00:13:36, B1: 00:13:14). 427 So sammelte „Kolumba“ alle Ausgaben der Leipziger Buchkinder (von Kindern selbst geschriebene und gestaltete Bücher). (Vgl. Kolumba Sammlung 2011). 428 Donald Judd, Joseph Marioni, Agnes Martin, Phil Sims, Frederic Matys Thurs, Richard Tuttle, Rudolf de Crignis (Vgl. Mennekes 2009. S. 8–10). 429 Günther Umberg, Ingo Meller, Michael Toenges, Stephan Baumkötter, Birgit Antoni, Peter Tollens (Vgl. Mennekes 2009. S. 8–10). 430 Vgl. Mennekes 2009. S. 8–10. 431 Vgl. Mennekes 2008. S. 60. 432 „In Gattung, Stil und Herkommen durchaus unterschiedlich, verbindet sie eine – wenn auch verschieden ausgeprägte – Spiritualität. Diese lässt sich keineswegs nur vage vermuten, sondern ist als künstlerische Gestaltung ausdrücklich beabsichtigt und steht offen für die entsprechende Rezeption.“ (Mennekes 2009. S. 6–7). Umgekehrt spiegeln Kuratoren von „Kolumba“ auch die „Kunst-Station St. Peter“ in Köln, welche von Mennekes ins Leben gerufen wurde. Als wichtigen Impuls, die Haltung zu „moderner Kunst“ zu überdenken, werden die Ausstellungen in der Kunst-Stadion gesehen. (Vgl. Winnekes 2006. S. 9).

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Galerien traten an „Kolumba“ heran und empfahlen Werke. 433 Es kam auch vor, dass „Kolumba“ bei Galerien Werke erwarb, aber sie würden nicht direkt mit Galerien zusammen arbeiten.434 Kraus kritisierte das Kooperieren von Museen und Galeristen in einem Vortrag, dies führe zu immer gleichen Künstlern in Museen.435 Die Kuratoren von „Kolumba“ nutzen jedoch Galerierundgänge und Besuche von Kunstmessen, um sich zu informieren,436 und man empfang VIPs der Art Cologne in „Kolumba“.437 Weitere Museen der katholischen Kirche In einer Umfrage von Peter Steiner aus dem Jahre 2009 wurden Museen der katholischen Kirche gefragt, was sie vom Sammeln zeitgenössischer Kunst hielten. Von 15 Einrichtungen, die antworteten, hielten vier das Sammeln von zeitgenössischer Kunst für nicht so wichtig, drei für wichtig und acht (Admont, Trier, Regensburg, Utrecht, Köln, Würzburg, Freising und ein ungenanntes) für unbedingt erforderlich.438 Seitenstetten betonte 2008, dass es die größte Gemäldesammlung aller österreichischen Stifte besitze und seine Bestände auch mit Werken von Künstlern des 20. Jahrhunderts erweitere.439 Winfried Weber vom Trierer Diözesanmuseum, beschrieb 2008 als eine Aufgabe des Museums der katholischen Kirche, den Dissens zwischen zeitgenössischer Kunst und Kirche aufzulösen, und verwies auf die Papstrede von Johannes Paul II. 1980 in München. 440 Von den Ausstellungen „kunst trifft kirche“ im Trierer Diözesanmuseum wurden Werke angekauft. Bei dieser Ausstellungsreihe ging es meist um Grundfragen des menschlichen Lebens in zeitgenössischer Kunst im Dialog mit den traditionellen Werken der christlichen Kunst. 441 Das Augsburger „Diözesanmuseum St. Afra“ gab 2008 an, Exponate vom 6. bis 20. Jahrhundert zu besitzen, bereits die Wechselausstellungen im Jahre 2001 und 2002 hatten sich mit „moderner Kunst“ beschäftigt.442 2008 berichtete das Diöze433 Vgl. Interview Köln (B1: 00:12:01). 434 Vgl. Interview Köln (B2: 00:11:54). 435 „In der zeitgenössischen Kunst führt die zunehmende Abhängigkeit der Museen von einflussreichen Sammlern und kooperierenden Galeristen zu einer vergleichbaren Konformität der ausgestellten Künstler, die den Tendenzen des internationalen Marktes entsprechend positioniert werden.“ (Kraus 2003. S. 30). 436 Vgl. Interview Köln (B1: 00:12:15, B2: 00:49:24). 437 Am 21.4.2009 gab es einen Vormittagsempfang und im folgenden Jahr 2010 wieder. (Vgl. Kraus 2010. S. 432–433). 438 Vgl. Steiner 2009. S. 18. 439 Vgl. Huber 2008. S. 262. 440 Vgl. Weber 2008. S. 255f. 441 Vgl. Groß-Morgen 2010. S. 144. 442 Vgl. Augsburg 2008.

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sanmuseum in Rottenburg, dass es Kunstwerke aus dem 20. und 21. Jahrhundert besitzt. In Sonderausstellungen würden u. a. auch „Werke des Kunstschaffens der Gegenwart“ gezeigt.443 Auch Utrecht stellte 2009 die Gegenwart in den Vordergrund: „Museum für christliche Kunst und Kultur bis heute!“ 444 Das Regensburger Domschatzmuseum betonte 2003, dass viele Gegenstände des Bestandes noch in Gottesdiensten genutzt werden.445 Dasselbe sagte das Bamberger Diözesanmuseum 2008 über seine Exponate, man sah sich hier in der Tradition der alten Domschatzkammer. 446 Die beiden Häuser befolgten somit den Wunsch des „Rundschreibens 2001“. Zusammenfassung Die vier Fallbeispiele wurden ausgewählt, da sie aktiv ihre Sammlungen mit zeitgenössischer Kunst erweitert hatten. Damit waren sie in der Frage des aktiven Sammelns oder Bewahrens nicht repräsentativ für die Mehrheit der Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum. Es handelte sich bei den Fallbeispielen aber auch um besonders große und stark wahrgenommene Museen der katholischen Kirche, somit kann vermutet werden, dass ihre Ausrichtung eine Tendenz für den deutschsprachigen Raum bildete. Dies wurde im kurzen Überblick der Entwicklungen in weiteren Museen der katholischen Kirche bestätigt. Das „Rundschreiben 2001“ hatte sich zur Frage zeitgenössischer Kunst widersprüchlich geäußert, somit widersprachen die Konzepte an den Häusern, die zeitgenössische Kunst sammelten, dem „Rundschreiben 2001“ auch nicht. Sie verfolgten vielmehr den in einem Nebensatz des „Rundschreibens 2001“ geäußerten Wunsch, man möge sich im Museum zeitgenössischen Schöpfungen öffnen. Da in den Fallbeispielen aktiv gesammelt und angekauft wurde, stand nicht die Fragestellung, zeitgenössische Kunst zu sammeln oder dies zu unterlassen, im Vordergrund, sondern wie man Kunstwerke oder Künstler auswählte, ob man frei geschaffene Werke oder Auftragskunst erwarb, wie man mit dem Kunstmarkt zusammenarbeitete und ob und welche Sammlungsschwerpunkte gebildet wurden. Bei den Erklärungen zur Auswahl der Kunstwerke kam es zu Widersprüchlichkeiten, was durch das schwierige Verhältnis von katholischer Kirche und Kunst in den letzten Jahrhunderten erklärt werden kann. Man kämpfte gegen verschiedene negative Images, die mit diesem Verhältnis im Allgemeinen und der Institution des Museums der katholischen Kirche im Speziellen verbunden wurden. Hier arbeiteten die Museen vor allem gegen zwei Vorwürfe an: Die katholische Kirche vereinnahme die Kunst und sie habe kein Verständnis für künstlerische Qualität. 443 Vgl. Rottenburg 2008. 444 Vgl. Steiner 2009. S. 18. 445 Vgl. Reidel 2003. S. 108. 446 Vgl. Bamberger Diözesanmuseum 2008.

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Dem Vorwurf der kirchlichen Vereinnahmung von Kunst und Künstlern versuchte man schon im Voraus zu begegnen, indem man mit besonderer Offenheit gegenüber den Künstlern arbeitete. Alle Häuser wiesen entschlossen von sich, dass die Konfession der Künstler eine Rolle spiele. Wie in Kapitel „Für wen sollte das Museum der katholischen Kirche sein – Gläubige, Nichtgläubige und Abtrünnige“ beschrieben, legte man besonders viel Wert darauf, sich Zeit für den Dialog mit den Künstlern zu nehmen. Würzburg und Köln nahmen weitestgehend Abstand von Auftragsarbeiten und Freising und Admont betonten, dass trotz Auftragskunst die Art der Umsetzung dem Künstler freistehe. In Freising behielt man sich jedoch ein Einschreiten vor, falls das Werk die Kirche verunglimpfe, und auch in Admont müsse die Kunst in den Kontext eines Klosters passen. Würzburg ging mit dem Schwerpunkt auf Kunst aus Ostdeutschland noch einen besonders ausgefallenen Weg, auch um sich dem Vorwurf der Vereinnahmung zu entziehen. Bis auf Freising orientierten sich die Museen auch nicht an biblischen oder ikonographischen Fragestellungen, sondern bezogen sich auf Grundfragen des menschlichen Daseins als gemeinsamen Nenner zwischen Kunst und Kirche. Der Bezug auf diese Fragestellungen war von Papst Johannes Paul II. in seiner 1980 gehaltenen Rede mit der Anerkennung der Autonomie der Kunst formuliert worden. 447 Admont nutzte als einziges Fallbeispiel das Wort „spirituell“, in der abgeschwächten Form des „spirituellen Ansatzes“, den man beim Künstler suche, um einen Aspekt zu beschreiben, den die angeworbene Kunst aufweisen sollte. Weiterhin war von der Suche nach dem „Sinn des Lebens“ die Rede, die sich in der Kunst ausdrücken sollte. Würzburg legte Wert darauf, dass Werke zu einer „inneren Auseinandersetzung“ führen sollten, die gezeigten Werke „eine Begleitung in der Suche des Menschen“ sein und die „Präsenz des Geistigen in der Kunst jedweder Zeit“ darstellen sollten. In Freising bezog man sich bei der Moderne auf „eher grundmenschliche Themen“ und in Köln suchte man nach „einer übergreifenden Ordnung, nach Maß, Proportion und Schönheit als verbindendem Element aller künstlerischen Gestaltung“. In allen Fällen umging man eine klare Wortschöpfung zur Bezeichnung der für das Museum der katholischen Kirche ausgewählten Kunst. Worte wie „christliche“, „religiöse“ oder „kirchliche Kunst“ fielen nicht. Johannes Stückelberger, Leiter des Kulturzentrums der Minoriten in Graz seit 2000,448 schrieb 2009 in einer Rezension: „Künstler wie Friedrich, Liebermann, Newman, Rothko, Beuys und andere haben zwar religiöse Kunst geschaffen oder Kunst, die sich mit religiösen Themen auseinandersetzt, doch nie

447 Siehe Kapitel „Die Ansprache an die Künstler von Papst Johannes Paul II. in München“. 448 Vgl. Rauchenberger 2012a.

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und nimmer kirchliche Kunst. Dieser Begriff darf nur angewendet werden für Kunst, die von der Kirche in Auftrag gegeben beziehungsweise für Kirchen geschaffen wurde.“449

Die allgemeine Diskussion über die Frage von zeitgenössischer Kunst und katholischer Kirche nach der Jahrtausendwende wurde in Kapitel „Das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und bildender Kunst“ bearbeitet. Die Wichtigkeit der Qualität der ausgestellten Kunst wurde in allen Häusern ausdrücklich betont, obwohl im „Rundschreiben 2001“ gewünscht wurde, dass alle Kulturgüter gesammelt werden sollten, auch wenn sie nicht von materiellem oder künstlerischem Wert seien. Hahn sagte, man habe auch Kitsch in der Sammlung, während der Vorgänger den Schwerpunkt bei der Hochkunst sah. In Köln hatte man den Aspekt der Mischung zwischen Dingen des alltäglichen Lebens und der sogenannten Hochkunst ausgebaut und sah hier sogar eine Stärke. In Admont und in Würzburg spielte diese Mischung keine dezidierte Rolle. Bei der Auswahl von Künstler und Kunstwerk wurde in Würzburg das subjektive Moment und in Admont sowie in Köln das eigene Interesse genannt. Trotz dieses perönlichen Impulses für Erwerb und Sammlung konnten die Museen Schwerpunkte benennen. Freising unterschied sich in seiner Auswahl der Ankaufsobjekte am stärksten von den anderen drei Häusern, da zeitgenössische Werke hauptsächlich über Auftragsarbeiten für Ausstellungen erworben wurden und man sich auch hier oft auf christliche Thematiken bezog. Weitere Unterschiede waren der Zugang zu den Künstlern, welcher über einen Mitarbeiter der Diözese stattfand, und die Prämisse, dass man die Werke auch in Kirchen installieren könnte. Hier ging Freising als einziges der vier Fallbeispiele auf den Wunsch des „Rundschreibens 2001“ ein, dass Objekte aus dem Museum auch in der Kirche Verwendung finden sollten. Alle vier Fallbeispiele hatten sich innerhalb der Museumslandschaft eine Nische für ihre Erwerbungspolitik ausgesucht. In Würzburg konzentrierte man sich u. a. auf Kunst aus Ostdeutschland, in Admont gab man Kunst zum Anfassen in Auftrag, in Freising suchte man Kunst mit ikonographischen Themen und Köln legte einen Schwerpunkt auf noch nicht etablierte Künstler und weitete den Kunstbegriff weiterhin aus. Einige Häuser versuchten, sich von der Annahme zu distanzieren, Museen der katholischen Kirche würden versuchen, durch bekannte Künstlernamen zu glänzen. Sowohl Würzburg als auch Köln betonten, dass Namen keine Rolle spielten. Freising und Admont hingegen würden gerne Werke namhafter Künstler erwerben, fokussierten sich aber aus finanziellen Gründen auf junge lokale Künstler. Die Museen der katholischen Kirche wollten sich auf der einen Seite auf einer Ebene mit anderen Kunstmuseen sehen, Würzburg wollte z. B. die Kunstlandschaft der Region ergänzen, was ebenfalls vom „Rundschreiben 2001“ gefordert worden war, auf der 449 Stückelberger 2009. S. 59.

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anderen Seite versuchte man, sich von anderen Museen in der Auswahl der Kunstwerke abzugrenzen. Dies geschah durch die Abkehr von „großen Künstlernamen“ und durch Betondung der Subjektivität in der Auswahl – im Gegensatz zu wissenschaftlichen Begründungen anderer Kunstmuseen. Gerne würde man junge unbekannte Künstler fördern – hier betonte vor allem Admont das Selbstverständnis der katholischen Kirche als Mäzen –, auf der anderen Seite stand man vor dem Imageproblem, dass die katholische Kirche keine qualitätvolle Kunst fördern würde und man so eher auf etablierte Namen zurückgreifen musste. Der Kunstmarkt wurde unterschiedlich wahrgenommen. Während Würzburg Künstler über den Kunstmarkt kennen lernte, distanzierte Admont sich vom Kunstmarkt und griff auf eigene Kontakte bzw. die einer kooperierenden Kuratorin zurück. In Köln wurden Galerierundgänge als Impulsgeber angegeben. Freising nahm Kontakt zu Künstlern über eine Mittelsperson in der lokalen Kunsthochschule auf und förderte somit aus eher pragmatischen Gründen Künstler am Beginn ihrer Kariere. Ohne dass konkrete Namen und Werke in den Überblicken über die Sammlungen der Fallbeispiele genannt wurden, zeigt sich, dass sich alle vier Sammlungen in ihren Schwerpunktsetzungen unterschieden. „Kolumba“ und das „Museum am Dom“ bildeten sogar gewissermaßen gegensätzliche Pole, indem sich das eine Haus mehr auf abstrakte Kunst konzentrierte und das andere auf figürliche Malerei. Auch wenn man das „Dombergmuseum“ und das „Museum des Stifts Admont“ hinzunimmt, lassen sich keine großen Überschneidungen in den Sammlungen finden. Fazit ist, dass einige Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum zwar ähnliche Herangehensweisen bei der Auswahl der Kunstwerke hatten, aber keine typischen Merkmale für die Kunstsammlungen in den Museen der katholischen Kirche konstatiert werden können.450 Die Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit zeitgenössischer Kunst, die sich, wie in Teil II gezeigt wurde, um das Jahr 1980 verstärkte, lief parallel mit einem Zugehen von großen Firmen auf zeitgenössische Kunst in Deutschland. So wurde eine der größten Corporate Collections, die Sammlungen der „Deutschen Bank“, 1979 ins Leben gerufen.451 Der „Deutschen Bank“ folgten viele weitere Sammlungsgründungen in den 1980er- und 1990er-Jahren.452 Wolfgang Ullrich beschäftigte sich mit dem Phänomen, dass sich Manager und teilweise auch Politiker 450 Ähnliches stellte Steiner 2009 bei seiner Umfrage an Museen der katholischen Kirche, welche zeitgenössische Kunst sammeln, fest, u. a. wurde nach den gesammelten Künstlernamen gefragt. Es stellte sich heraus, dass es wenige Namen gab, die in mehr als einem Museum gesammelt wurden. Namen, die in mehr als einem Museum vorkammen, waren z. B. Rupprecht Geiger oder Winfried Muthesius. (Vgl. Steiner 2009. S. 19). 451 Vgl. Deutsche Bank 2012. 452 Siehe zum Beispiel in Hessen: Vgl. Kunst privat 2012.

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mit zeitgenössischer Kunst zeigten. Er sah in der Allianz von zeitgenössischer Kunst mit Politikern oder Managern eine neue Art der Repräsentation von zeitgenössischen Herrschaftsformen. „Moderne Kunst“ sei ein Statussymbol. So hatten Kunst und Macht schon immer ein enges Verhältnis, doch hätte man sich meist mit älteren Werken gezeigt, um nicht in den Verdacht zu geraten, neureich zu sein.453 Politiker und Manager suchten nun vornehmlich die Nähe zu Kunst, welche als fortschrittlich, dynamisch, intelligent, originell, risikofreudig, offen und entschieden beschrieben wurde. Diese Attribute würden sich vor allem in einer Zeit eignen, in der man nicht mehr mit kriegerischem Vokabular Macht ausdrücken könne.454 Ullrich sah einen Grund für die Identifikation der Machtelite mit zeitgenössischer Kunst in einem Wertewandel im unternehmerischen Selbstbewusstsein, der weg von einer „aristokratischen Traditionslinie“, die „konservative Werte“ und „gediegenes Ambiente“ betonte, hin zu einem Bild von „alte Strukturen überwinden, neue Denkmuster sowie kreative Arbeitsformen entwickeln“ verlief. 455 Neben der Funktion als Statussymbol diene „moderne Kunst“ auch noch als Zeichen für „bildungsbürgerliche Ideale wie Humanität, Wahrheit oder Ganzheit“.456 Weiterhin würden viele Menschen, die „moderne Kunst“ nicht verstehen, eingeschüchtert: „Auf diese Weise erlangt moderne Kunst im Umfeld von Machtzentren eine wichtige Funktion: Sie bestätigt bestehende Hierarchien. Insbesondere wirkt sie als Barriere gegenüber denjenigen, die sich an den Mächtigen orientieren, also gegenüber Vertretern einer bürgerlichen Mittelschicht, die sich ebenfalls bevorzugt über Bildung, Einsatz oder Mobilität definieren.“457

Bei „moderner Kunst“ geschehe dies, ohne dass es negativ konnotiert würde. Bei zeitgenössischer Kunst könne man davon sprechen, das Bild überwältige den Betrachter oder es überfalle ihn.458 Ullrich sah in der Nutzung von Kunst als Möglichkeit der Inszenierung in Deutschland auch noch eine Besonderheit, da durch die Zeit des Nationalsozialismus Insignien wie Säulen, Flaggen oder Orden belastet seien.459 Kunst würde als Therapiemittel für die Angestellten gepriesen, welches eine gute Atmosphäre schaffe, Fragen aufwerfe und zu Ideen stimuliere. Kunst erfasse Strömungen vorab, um sich von diesen stimulieren zu lassen, müsse man aber

453 Vgl. Ullrich 2000. S. 10–16. 454 Vgl. Ullrich 2000. S. 18–19. 455 Ullrich 2000. S. 23–25. 456 Ullrich 2000. S. 29. 457 Ullrich 2000. S. 39. 458 Vgl. Ullrich 2000. S. 43ff. 459 Vgl. Ullrich 2010. S. 21.

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immer die neuesten, noch unbequemen Kunstwerke in Anspruch nehmen.460 Es sei dabei wichtig, dass die Kunst autonom sei, denn nur so könne sie das „Neue“ Erfassen und gleichzeitig im Gegensatz zum Arbeitsalltag stehen.461 „Wurden Kunstwerke in der höfischen Welt über Jahrhunderte hinweg standardmäßig als Machtinsignien eingesetzt, so hat bildende Kunst in den letzten Jahrzehnten erneut einen Boom als Mittel für Autoritätsinszenierungen erlebt.“462

Diese Entwicklung in Unternehmungssammlungen sollte, auch wenn die Leiter der Museen der katholischen Kirche betonen, dass es in ihren Häusern nicht um Machtdemonstration gehe, Beachtung finden. Denn sollte es auch nicht bewusst geschehen sein, so gehen die Entwicklungen in Unternehmen und in der katholischen Kirche parallel.

W IE

SOLLTE DAS M USEUM DER KATHOLISCHEN K IRCHE GESTALTET SEIN – M USEALER ANSPRUCH VERSUS PASTORALES Z IEL Die Unterkapitel zu den Fallbeispielen beginnen jeweils mit einer Beschreibung der Architektur und dem Hängungskonzept der jeweiligen Museen, die von der Autorin durch Betrachtung vor Ort angefertigt wurde. Diese Beschreibungen werden durch Kommentare aus der Literatur und den Interviews ergänzt. Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz „Die Planung des kirchlichen Museums muß unter Berücksichtigung des Sitzes, der Typologie der Bestände und des ‚kirchlichen‘ Charakters des Museums erfolgen. Denn der Sitz des kirchlichen Museums darf nicht als ein undifferenzierter Raum verstanden werden; die Werke dürfen sowohl in Bezug auf ihren ursprünglichen Verwendungszweck wie auf den architektonischen Sitz, der sie beherbergt, nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden.“463

Die Exponate sollten laut „Rundschreiben 2001“ mit den Räumlichkeiten abgestimmt sein. Zu bemerken ist die Aussage, dass sich das Museum nicht in einem undifferenzierten Raum befinden dürfe. Die Art des Raumes wurde nicht näher er-

460 Vgl. Ullrich 2000. S. 60ff. 461 Vgl. Ullrich 2000. S. 74. 462 Ullrich 2010. S. 20. 463 Rundschreiben 2001.

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läutert. Weiterhin wurde auch auf die Eingangs- und Ausgangssituation im Besonderen eingegangen. Der Eingang sei als erster Begegnunsgpunkt sehr wichtig, er solle leicht zugänglich sein und das Museum als solches identifizierbar machen. Weiterhin hieß es: „Die Eingangshalle soll Ausdruck eines eigenen Konzeptes und mit besonderen architektonischen Bedeutungsmerkmalen ausgestattet sein. Dadurch soll nämlich der Besucher die Kriterien einordnen können, die zur Gesamtdeutung des Museums führen. Er muß sich daher an jenem Sakralraum inspirieren, an den es indirekt erinnert.“464

Der Eingang wurde dementsprechend als Aushängeschild gesehen, als pars pro toto für das Museum. Besondere Aufmerksamkeit ist dem letzten Satz zu schenken. An welchen Sakralraum soll das Museum indirekt erinnern? Als katholischer Sakralraum kommt im Grunde nur der Kirchenraum in Frage. Dass das Museum der katholischen Kirche an den Kirchenraum indirekt erinnern soll, dass überhaupt ein Vergleich zwischen Museum und Kirche gezogen wurde, kam an dieser Stelle zum ersten Mal im „Rundschreiben 2001“ zum Ausdruck. Weiterhin könnte diese Aussage für den Museumseingang bedeuten, dass dieser an ein Kirchenportal erinnern solle. Weiterhin hieß es, dass die Eingangshalle den Besucher darauf vorbereiten soll aus der, „Flüchtigkeitsatmosphäre der Außenwelt überzugehen zur persönlichen Konzentration und, wenn es sich um Gläubige handelt, zur geistlichen Sammlung, die von dem, was man zu bewundern vorhat, verlangt werden. Es bedarf also eines suggestiven, fast sakralen, äußerst diskreten „Klimas“, um den Einklang zwischen Besucher und Museumswirklichkeit zu erleichtern.“465

Interessant ist außerdem, dass unterschieden wurde zwischen Besuchern im Allgemeinen und dem gläubigen Besucher. Auch die Gestaltung des Ausgangs wurde betont. Dieser solle am besten getrennt vom Eingang sein, „um die vollständige Nutznießung der vorgeschlagenen Route zu gewährleisten.“466 Diese Formulierungen erinnern stark an die Führung von Besuchern zu kommerziellen Zwecken. Man wollte den Ablauf des Besuchs eines Museums der katholischen Kirche also nicht dem Zufall oder der Selbstbestimmung des Besuchers überlassen, sondern ihm die Reihenfolge der zu besichtigenden Räume vorgeben und alle Räumlichkeiten durchlaufen lassen. Weiterhin – so das „Rundschreiben 2001“ – sollte der Ausgang genutzt werden, um dem Besucher Informationsmaterial anzubieten, zum Beispiel wurde 464 Rundschreiben 2001. 465 Rundschreiben 2001. 466 Rundschreiben 2001.

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vorgeschlagen, „durch gratis verteilte einfache Prospekte eine klare Botschaft anzubieten“.467 Auch hier können wieder Parallelen zu kommerziellem Marketing gezogen werden. Dieser Abschnitt des „Rundschreibens 2001“ und der Hinweis auf eine „klare Botschaft“ widersprichen der Idee, den Besucher am besten zu erreichen, indem man ihn zum Nachdenken animiert, wie es ebenfalls im „Rundschreiben 2001“ formuliert worden war. Neben Eingang und Ausgang wurde ferner die Aufmachung der Räume thematisiert: Es wurde nahegelegt, die Räumlichkeiten gemeinsam mit den Exponaten im Rahmen eines Gesamtplans zu gestalten. Dabei sollte bedacht werden, in den Räumen „Ruhepunkte“ einzurichten, von denen aus man die Werke in Ruhe betrachten könne. Es wurde empfohlen, die Werke nach museologischen Kriterien zu beschriften und weitergehende Informationen zur territorialen, kunsthistorischen und religiösen Geschichte des Werkes zur Verfügung zu stellen. Allgemein betonte das „Rundschreiben 2001“, dass das Museum der katholischen Kirche, besonders in Zeiten der verbreiteten Säkularisierung, eine christliche Daseinsform vorzustellen vermöge, die Sammlung aber kein Zeichen des Stolzes sei.468 Die direkten Reaktionen auf das „Rundschreiben 2001“ sowie Auswirkungen und Stellungnahmen in den nachfolgenden Jahren sind in vielen Punkten zustimmend, jedoch kritisierten einige Autoren die als normativ empfundenen Aussagen des „Rundschreibens 2001“.469 Piacenza, Präsident der „Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche“ (2003–2007), reagierte 2005 auf einige Vorwürfe. Er betonte, dass das „Rundschreiben 2001“ keine normativen Absichten besitze, sondern vielmehr zeigen solle, dass man sich der Thematik aus einer pastoralen Perspektive nähern und diejenigen, die in diesem Bereich arbeiten, ermutigen und anregen wolle.470 Lechner betonte, dass das Konzept für ein Museum der katholischen Kirche ein anderes sei als das eines kunsthistorisch orientierten Museums, weshalb eine ganz andere Anordnung möglich bzw. nötig sei. Durch eine Variabilität der Kombinationen der Ausstellungsobjekte könne sogar provoziert werden und über Objekte vergangener Epochen Fragen zur heutigen Spiritualität gestellt werden. Er sah es als kontraproduktiv an, Regeln für die Ausstellungspraxis aufzustellen, da die einzelnen Sammlungen sehr unterschiedlich seien und oft nur eine ge-

467 Rundschreiben 2001. 468 Vgl. Rundschreiben 2001. 469 Z. B. Garzillo und Torri: Sie empfanden es 2007 als kontraproduktiv, dass die Organisation eines Museums der katholischen Kirche im „Rundschreiben 2001“ genauso beschrieben und gewünscht würde wie die Struktur in einem öffentlichen Museum. Ein solches Vorgehen würde die Museen der katholischen Kirche nicht differenzieren, sondern mit den üblichen Museen homogenisieren. (Vgl. Garzillo/Torri 2007. S. 36f.). 470 Vgl. Piacenza 2007. S. 16.

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ringe Variationsbreite an Objekten zu ihrer Verfügung hätten.471 Die Deutsche Bischofskonferenz machte 2006 eine Aussage zur Präsentation: „Die Kirche bewahrt das sakrale Kulturerbe vor musealer Erstarrtheit, bringt es in Cross-Overs mit der modernen Kunst und verlebendigt es als das, was es ist: Sichtbarwerden des Unsichtbaren.“472 Mit dieser Verlautbarung wurde das Konzept beschrieben, das das „Museum am Dom“ oder „Kolumba“ verfolgten, und als Marschrichtung für die gesamte Kirche in Deutschland ausgegeben. Interessant ist zu sehen, bei welchen Bevölkerungsgruppen dieses „Cross-Over“, wie es die Bischofskonferenz nannte, noch beliebt war: Die bereits beschriebene, 2005 erstellte Studie über „Religiöse und kirchliche Orientierungen in den Sinus-Milieus“473 ergab, dass es bei den „Etablierten“, hauptsächlich Menschen zwischen 35 und 64 Jahren, mit überdurchschnittlich hohem Bildungsniveau und hoher bis höchster Einkommensklasse, in der Alltagsästhetik besonders geschätzt wurde, gekonnt Tradition und Moderne zu verbinden. Man umgab sich gerne mit Familienerbstücken oder neu Erworbenem sowie klassischer Moderne und Designklassikern.474 Gazillo und Torri bemerkten, dass es schwierig sei, einen gangbaren Weg zu finden, im Museum den Menschen evangelisieren zu wollen und eine intelligente Organisation für die Präsentation der Objekte zu finden. Oft würden gerade die Sicherheitsvorkehrungen oder die vermeintlichen technischen Geräte zur Vermittlung einen Abstand zwischen Besucher und Exponat bringen und eine mögliche Atmosphäre der persönlichen Konzentration zerstören.475 Gazillo und Torri thematisierten hier das Entrücken der Exponate aus dem sinnlichen Erfahrungskreis durch museale Maßnahmen. Dies stellte eine Problematik bei der neuen Ausrichtung des Museums der katholischen Kirche dar: der Widerspruch zwischen Bewahrung als immanentem Moment im Museum und Gebrauch oder Nähe zum Objekt, um religiöse Empfindungen zu fördern. In diesem Zusammenhang sei auf eine Verlautbarung des apostolischen Stuhls verwiesen, welche am 17.12.2001, also einige Monate nach dem „Rundschreiben 2001“, vom „Direktorium über die Volksfrömmigkeit und die Liturgie“ herausgegeben wurde.476 Die Funktion von heiligen Bildern beschrieb man mit Gebetshilfe, Antrieb zur Nachahmung und einer Form der Kate471 Vgl. Lechner 2003. S. 81f. 472 Studientag der Herbst-Vollversammlung 2006 der Deutschen Bischofskonferenz, Thema „Kirche und Kultur“, Arbeitsgruppe IV „Kulturschätze der Kirche in lebendiger Zeitgenossenschaft“ unter der Leitung von Weihbischof Paul Wehrle und dem Experten Wolfgang Urban. (Vgl. Deutsche Bischofskonferenz 2007. S. 56). 473 Siehe das Kapitel „Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz“ in „Für wen sollte das Museum der katholischen Kirche sein – Gläubige, Nichtgläubige und Abtrünnige“. 474 Vgl. Milieuhandbuch 2005. S. 38. 475 Vgl. Garzillo/Torri 2007. S. 36f. 476 Vergleiche auch Kapitel „Verlautbarungen aus Rom“.

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chese. Es wurden bereits bekannte Aussagen zur Aufstellung von Bildern wiederholt und betont, dass Bilder ein wichtiger Teil der Volksfrömmigkeit seien. Gläubige würden vor ihnen beten, sie schmücken, sie grüßen, sie in Prozessionen mittragen und mit Weihegaben versehen.477 Interessant ist bei der Schilderung der Art der Verehrung, dass die Gläubigen den Bildern immer körperlich sehr nahe waren und sie nicht statisch geschützt an einem Ort beließen, wie es in einem Museum der Fall ist. Würzburg „Museum am Dom“ „Ich wollte nicht diese kunsthistorische, äußerst langweilige Anordnung, je nach Epochen, Stilentwicklungen, was hat das mit meinem Leben zu tun?“ 478

Das „Museum am Dom“ befindet sich zentral gelegen in der Innenstadt Würzburgs, zwischen Dom und Neumünster. Der Eingang befindet sich auf der Seite des Kiliansplatzes, welcher rege von Passanten genutzt wird. Auf diesem Platz sind vom Museum Skulpturen aufgestellt worden. Um vom Domplatz zum Kiliansplatz zu gelangen, gibt es einen Durchgang zwischen Dom und Museum, auf der Museumsseite befindet sich eine große Glasscheibe, so dass der Passant bereits einen Blick in die Ausstellungsräume werfen kann.479 Bei dem Architekten des „Museums am Dom“ handelt es sich um den Diözesanbaumeister Jürgen Schädel, welcher mit diesem Werk sein erstes Museum baute.480 In Würzburg hatte man den Wunsch, dass der Bau aus derselben Zeit sein solle wie die ausgestellten Werke. 481 Die Skulpturen auf dem Vorplatz sollten auf das Museum verweisen und durch die Einblicke in den Innenraum sollten Transparenz über die museale Funktion des Gebäudes und eine Verbindung zwischen Außen und Innen geschaffen werden. 482 Das Museum befindet sich im entkernten und umgebauten Kilianshaus.483 Durch eine automatische Glasschiebetür gelangt man in den Vorraum. Hier befindet sich die Kasse, an welcher Publikationen des Museums zum Kauf angeboten werden. Bereits im Vorraum begegnet der Besucher dem ersten Kunstwerk, einem Deckenge-

477 Vgl. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz 2001. S. 175f. 478 Interview Würzburg (01:05:34). 479 Die folgende Beschreibung des „Museums am Dom“ beruht, soweit nicht anders gekennzeichnet, auf den Beobachtungen bei einem Besuch der Autorin am 26.5.2009. 480 Vgl. Klein 2004. S. 36. 481 Vgl. Interview Würzburg (00:19:35). 482 Vgl. Klein 2004. S. 36. 483 Vgl. Lenssen 2003. S. 9ff.

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mälde.484 Die durchsichtige Schiebetür, die sich automatisch öffnete kann als ein Symbol für Offenheit stehen. Allerdings erinnert der Eingang keinesfalls an einen Sakralraum. Rüdiger Klein sah dies anders, von weitem fühlte er sich an den architektonischen Formenschatz des Sakralbaus erinnert. 485 In Publikationen betonte das Museum, dass versucht wurde, einen einheitlichen Raum zwischen Architektur und Präsentation zu schaffen. Der Eingangsraum mit dem Deckengemälde wurde als Fundament des Museums gesehen.486 Das Werk sollte gleich beim Eintreten eine Konfrontation mit existentiellen Fragen schaffen.487 Zum Eingang der Ausstellungsräume gelangt der Besucher über aufsteigende Stufen und eine weitere Schiebetür. In der Treppenanlage zum Ausstellungsraum wird von Klein ein kirchenräumliches Moment gesehen, eine Hommage an Aufgänge zu gotischen Kapitelsälen, da diese ähnlich steil geschichtet seien.488 Die Kunstwerke befinden sich in einem großen, weiß gestrichenen Raum. Dieser wird durch Stellwände, welche nicht an die Decke stoßen, gegliedert. Der nicht geschlossene Raum sei gewollt gewesen, um überall Durchblicke zu erlauben, damit nicht der Eindruck entstehe, es gäbe abgeschlossene Kunst und Kulturepochen.489 Die Decke ist abgehängt und mit Lichtanlagen bestückt. Dieses Beleuchtungssystem aus einer Metallwabenkonstruktion sollte ein technisches, gleichmäßiges Licht verteilen.490 Der graue Steinfußboden stößt weder an die Stellwände noch an die Seitenwände, sondern lässt einen Zwischenraum.491 Die Kunstwerke hängen sehr dicht. Skulpturen werden auf weißen Sockeln oder direkt auf dem Boden präsentiert. Die Beschilderung weist den Namen des Künstlers oder der Künstlerin, Titel und Entstehungsdatum auf. Höher an den Wänden stehen, in großen Lettern, vereinzelt Schlagworte. Die Kunstwerke hängen nicht 484 Laut Rüdiger Klein sollte das Kunstwerk, ‚Cielo’ von Thomas Lange, eine Verknüpfung mit der Umgebung schaffen, genauer mit dem benachbarten Dom. (Vgl. Klein 2004. S. 39ff.). 485 „Mit dem Museum am Dom wurden nun Ausstellungsräume geschaffen, die von weitem durchaus an den architektonischen Formenschatz des Sakralbaus erinnern wollen. Es gibt in diesem ‚Sammlungsgehäuse‘ Architekturmotive zu entdecken, die dem Kirchenbesucher würdevoll und sinnfällig, vor allem aber bekannt erscheinen mögen.“ (Klein 2004. S. 36). 486 Vgl. Lenssen 2003b. S. 100f. 487 Vgl. Klein 2004. S. 39ff. 488 Vgl. Klein 2004. S. 39ff. 489 Vgl. Klein 2004. S. 58. 490 Vgl. Klein 2004. S. 58. 491 Klein meint die Schlitze zwischen Wand und Boden, die als Entgrenzung der Räume durch das Ablösen der Lasten von der Wand empfunden werden. (Vgl. Klein 2004. S. 39ff.).

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chronologisch und sind nicht geographisch gegliedert. Ein festgelegter Weg durch das Museum wird nicht vorgegeben, Kuben bieten an einigen Stellen Sitzmöglichkeiten. Es liegen Publikationen des Museums aus. In zwei abgedunkelten separaten Bereichen werden Hinterglasmalereien und Messgewänder mit anderen Objekten präsentiert. Ein weiterer Ausstellungsraum im Tiefgeschoss mit betonbelassenen Wänden und hohen Decken ist Sonderausstellungen vorbehalten. Der Direktor betonte, dass es bei der Präsentation der Kunstwerke in nichtchronologischer Ordnung wichtig sei, dass die Kunstwerke inhaltlich einander zugeordnet würden und nicht über ästhetische Faktoren. 492 Die thematische Gliederung sollte eine gegenseitige Deutung der Werke erleichtern und auch bei älteren Werken den Gegenwartsbezug ersichtlich machen.493 Es sollte gezeigt werden, dass sich alle Künstler mit ähnlichen Fragen beschäftigen: „Wer bin ich? Woraus lebe ich? Worauf zu?“494 In den thematischen Untergliederungen nehme man Bezug auf die Lebenswirklichkeit der Besucher. Die Titel wurden mit Verben benannt, diese sollten nicht als erstes ins Blickfeld fallen, sondern eine Hilfestellung bieten, wenn der Besucher sich fragend umschaue.495 Thematisch orientiere man sich an Lebensumständen der Menschen 492 „Da reicht halt nicht, wenn alte und neue Maler so eine gleiche Grundtonigkeit haben, das kann es nicht sein. Und dann wird es albern, es kommt auf die Inhalte an.“ (Interview Würzburg (01:08:36)). 493 „Ich denke, dass gerade dieses Konzept, […] dass das natürlich die alte Kunst aktualisiert und den Brückenschlag schafft zwischen der alten Kunst und unserer, der Gegenwart, und deutlich macht, dass auch die alte Kunst Aussagen in sich birgt, die auch für uns heute notwendig sind.“ (Interview Würzburg (00:08:01)). 494 „Dass die Besucherinnen und Besucher verspüren, dass diesen Werken, die manchmal fast tausend Jahre überspringen, oder zumindest mal hundert Jahre, dass diesen Werken ein gemeinschaftlicher Grundansatz der Künstler zugrunde liegt und mit eigen ist, denn die Grundfragen, so wie sie Adorno auch formuliert hat, die gehen durch die Jahrhunderte, wahrscheinlich auch durch die Jahrtausende durch. Elementare Fragen: Wer bin ich? Woraus lebe ich? Worauf zu?“ (Interview Würzburg (00:53:06)). 495 „Ich habe auch nur Verben genommen, vorher hatte ich Adjektive, damit noch stärker zum Ausdruck kommt, dass es unsere eigenen Erfahrungen sind, die da hingeschrieben sind. Sie sind so angebracht, dass man sie nicht unbedingt sehen muss, sie drängen sich nicht auf, aber wenn ich mich dann umschau, vielleicht in meiner Hilflosigkeit, was das eine mit dem anderen zu tun hat, sehe ich dann vielleicht das Wort und vielleicht komm ich dann drauf.“ (Interview Würzburg (00:56:06) 2003 gab es im „Museum am Dom“ noch den Plan, zu jeder Eintrittskarte ein Besucherheft zur Erläuterung des Konzepts und der an die Wände geschriebenen Stichwörter zu verteilen. Weiterhin sollte das Museum unter dem Titel „Ortswechsel“ durch den Austausch von Werken stetig verändert werden. Dies wurde im Jahre 2010 nicht durchgeführt. Beide Methoden hätten stark Vorgehensweisen in „Kolumba“ geähnelt. (Vgl. Lenssen 2003. S. 2ff. und 16).

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und nehme Rücksicht auf die Entkirchlichung vieler Menschen, jeder Eindruck einer katechetischen Lenkung sollte vermieden werden.496 Weiterhin wurde berichtet, dass das Museum in Einzelaspekte untergliedert sei, welche sich aber zu einer „Gesamtheit“ fügen sollten.497 Die Werke sollten aufeinander aufbauen und insgesamt eine Einheit bilden, ausgehend von der Suche des Menschen nach einem paradiesischen Zustand.498 Das Kunstwerk erhalte durch die Präsentation ohne die üblichen Grenzziehungen Freiheit und sei vor ideologischer Vereinnahmung bewahrt.499 Durch die Art der Präsentation erhalte auch der Besucher eine maximale Freiheit. Diese Freiheit wurde auch als auschlaggebend gesehen bzw. als Vorteil gegenüber dem sakralen Raum.500 Im „Museum am Dom“ wollte man mit einer nicht üblichen Präsentation herausfordern.501 Der Interviewte wollte für ein Museum der katholischen Kirche auf keinen Fall eine dokumentarische oder repräsentative Präsentation, die den Anschein haben könne, man wolle den Kunstreichtum der Kirche abbilden.502 Ebenfalls lehnte der Befragte das Museumskonzept aus dem 19. Jahrhundert ab.503 In einer Publikation wurden vom Befragten die Gründe für die Schaffung eines Diözesanmuseums im 496 Vgl. Lenssen 2003. S. 103. 497 Vgl. Interview Würzburg (00:56:06). 498 Vgl. Lenssen 2003. S. 19f. 499 „Die dem Kunstwerk eigene Freiheit jenseits aller dogmatisierenden Illustration und deren Akzeptanz, bewahrt das kirchliche Museum vor einer Indienstnahme und ideologischen Vereinnahmung der Kunst. Gerade die Erfahrung von nicht vollzogenen Grenzziehungen gewohnter Weise, sei es kunstgeschichtlich, sei es thematisch als künstlerische Bestätigung eines erhobenen Anspruchs, lässt das Museum am Dom als Freiraum erfahren, in dem sich Kunstbetrachtung und eigene Reflexion des jeweiligen geistigen sowie geistlichen Standorts der Besucher vollziehen.“ (Lenssen 2003. S. 23). 500 „Es kam mal eine ZDF Redakteurin aus dem Museum, ich wusste nicht, wer sie war, sie hat sich vorgestellt – ZDF – und sagte, dass sie von der Kulturredaktion ist und viele Museen gesehen hat, aber das sei das erste Museum, das sie zutiefst berührt und sie auch nicht los lässt. Das ist ein Echo, das ich äußerst oft höre. Dann wird der Museumsbesuch zu einer Erfahrung seiner selbst und mehr vielleicht als der liturgische Raum nebenan. Weil dort Freiheit gelassen wird.“ (Interview Würzburg (01:16:27)). 501 „Ich wollte das, was Kunst als Auftrag hat, Herausforderung zu sein und herauszufordern, das wollte ich auch durch die Präsentation erreichen, darum dieses Konzept.“ (Interview Würzburg (01:05:34)). 502 „Ein kirchliches Museum, das nur dokumentieren will, welche Schätze die Kirche hat und damit möglicherweise noch einen Anspruch untermauern möchte, den die Kirche gar nicht mehr erheben kann, geht an der Wirklichkeit vorbei, und zwar ganz wahrhaftig.“ (Interview Würzburg (01:18:41)). 503 Vgl. Interview Würzburg (01:18:41).

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19. Jahrhundert genannt: Bewahrung, Verdeutlichung des geschichtlichen Anspruchs und Größe der katholischen Kirche. Er sah das kirchliche Museum im 19. Jahrhundert und bis zum Zweiten Weltkrieg als ein politisches Mittel im Ringen der Kirche um ihren Platz in der Welt. Heute stehe das Museum der katholischen Kirche durch gesellschaftlichen Wandel und die geistige Säkularisierung vor anderen Aufgaben.504 Das Diözesanmuseum als pastoraler Ort, eine andere Intention käme für eine Neugründung eines Diözesanmuseums in der Gegenwart für den Befragten nicht in Frage.505 Neben dem „Museum am Dom“ wurden die Teilmuseen, welche in der gesamten Diözese verteilt waren und eine Museumslandschaft bilden sollten, als wichtiger Bestandteil des Konzepts gesehen. In ihnen sollten die Geschichte der Diözese und der Geist einer jeweiligen Epoche präsentiert werden.506 Dass Teilmuseen einzelnen Epochen gewidmet wurden, ist ein Widerspruch zur Ablehnung einer chronologische Gliederung. Ein Museum, das sich ausschließlich einer Epoche widmet, ist in der Regel chronologisch konzipiert. Dieses Konzept wurde aber nicht kunsthistorisch verstanden, sondern man wollte die damalige Intention der Werke und ihre Schaffenszeit vorstellen.507 Hier zeigt sich ein enges Verständnis von Kunstgeschichte, Kunstgeschichte wurde mit Stilkritik und Datierungsarbeit gleichgesetzt.508 Eine schriftliche Fixierung zu einzelnen Werken oder Ausstellungen wurde wiederum selbstverständlich unter kunsthistorischen Gesichtspunkten verfasst.509 Kontakte zu Kunsthistorikern wurden nicht forciert.510 Es war aber nicht so, dass

504 Vgl. Lenssen 2003. S. 48. 505 „Wenn eine Diözese sich noch im 20. bzw. 21. Jahrhundert entschließt, ein Diözesanmuseum erstmals einzurichten, dann können nur pastorale Erwägungen die Konzeption bestimmen.“ (Lenssen 2004). 506 Vgl. Interview Würzburg (00:06:11). 507 „Entsprechend heißen die Museen […] „Kunst und Geist der Gotik“ bzw. „Kunst und Geist des Barock“, es kam mir also sehr darauf an, nicht jetzt unter kunsthistorischen Aspekten die Werke zu präsentieren, sondern vor allem auch vor Augen zu stellen, aus welcher Intention heraus, aus welchem Milieu heraus sie entstanden sind und in welches Milieu hinein sie gearbeitet worden sind.“ (Interview Würzburg (00:06:11)). 508 „Da hab ich auch manchmal große Vorbehalte Kunsthistorikern gegenüber, weil es zuweilen für die Botschaft, auch die Intention, die zum Werk geführt hat, manchmal nicht so entscheidend ist, ob jetzt die Falte nach links oder nach rechts geht und wann jetzt der Faltenwechsel eingetreten ist.“ (Interview Würzburg (01:04:39)). 509 „Über einzelne Arbeiten usw. oder für Kataloge muss man kunsthistorisch arbeiten, das ist ganz klar.“ (Interview Würzburg (01:33:04)). 510 Der Befragte nahm nicht an kunsthistorischen Tagungen teil, höchstens der Stellvertreter. (Vgl. Interview Würzburg (01:34:23)).

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die Hilfe bestimmter Wissenschaften generell für das Museum abgelehnt wurde.511 Für den Neubau des „Museums am Dom“ schaute der Befragte sich Museen als Vorbilder an.512 Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass dies ausschließlich staatliche Museen waren.513 Literaturrecherche wurde ebenfalls nur auf Nachfrage erwähnt,514 der direkte Zugang zu Architektur sei wichtiger gewesen. Als besonders wichtig wurden auch negative Beispiele empfunden.515 Wichtig war, dass der Neubau funktionell sei und die Kunst im Vordergrund stehe. 516 Die Sammlung der zeitgenössischen Kunst wurde im Internet gezeigt, der Befragte sah hier das „Museum am Dom“ gegenüber anderen deutschen Museen als Vorreiter: Museen in England und der Schweiz besäßen ähnliche virtuelle Präsentationen.517 Der Interviewte berichtete, dass das Ausstellungskonzept des „Museums am Dom“ in Sonderausstellungen im „Marmelsteiner Kabinett“518 erprobt wurde und auch aus anderen Museen bekannt war, die Umsetzung in einer Dauerausstellung aber erstmalig sei.519 Dadurch, dass der Befragte die Position als Leiter der Museen und des Kunstund Baureferenten der Diözese innehatte, war er ebenfalls für Kunst im Kirchenraum verantwortlich. Das Konzept des Museums trug er weiter in den Kirchenraum und sah die Räumlichkeiten der Kirche und des Museums als sich ergänzend an.520 511 So wurde für die Planung der Einbeziehung zeitgenössischer Kunst im Diözesanmuseum empfohlen, zu analysieren, inwieweit die Säkularisierung des Einzugsgebietes des Diözesanmuseums fortgeschritten sei, und die Mentalität der Menschen und ihre Fragen müssten erkundet werden. Dafür könne man die Beratung von Religionssoziologen in Anspruch nehmen und das Selbstverständnis des Museums müsse sich wandeln. Für das Konzept solle man mit Museumsträgern, Museumsfachleuten, Soziologen, Theologen, Werbefachleuten und Designern zusammenarbeiten. (Vgl. Lenssen 2003. S. 70). Es gebe auch Kunsthistoriker, die sich für die Sammlung interessierten, eine Promotion zu einem bestimmten Sammlungsbestand verfassten oder sich auch für Praktika am Haus bewarben. (Vgl. Interview Würzburg (01:33:04)). 512 Vgl. Interview Würzburg (00:19:35). 513 Vgl. Interview Würzburg (00:20:39). 514 Vgl. Interview Würzburg (00:23:28). 515 Vgl. Interview Würzburg (00:24:11). 516 Vgl. Interview Würzburg (00:23:28). 517 Vgl. Interview Würzburg (00:36:29). 518 Vgl. Lenssen 2003. S. 18. 519 Vgl. Interview Würzburg (00:07:33). 520 „Versuche dann über das Museum hinaus auch, dieses Prinzip und dieses Konzept in unsere Sakralräume zu übertragen. [...] Was die Leute dann im Kirchenraum sehen, was sie eher besuchen, Museum oder Kirchenraum, finden sie dann im Museum oder umgekehrt wieder, das heißt, die Dinge bedingen sich einander und werden auch als höchst

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Das Museum der katholischen Kirche wurde nicht als alleiniger Nachfolger der kulturellen Diakonie in Sakralräumen erachtet, sondern man könne das Konzept des Museums auch zurück in den Kirchenraum bringen. Durch diese Wechselbeziehung könnte der Kirchenbesucher, der sich vielleicht nicht für Kunst interessiere, für einen Besuch im Museum gewonnen werden521 und umgekehrt würden Menschen über das Museum der katholischen Kirche in die Kirche geführt. Das Museum der katholischen Kirche wurde als „Vorhof“ bezeichnet, als „Schwelle vom Profanum ins Fanum“.522 Somit würde das Museum der katholischen Kirche zwischen „Profanem“ und „Sakralem“ verortet werden. An anderer Stelle wurde dieses Dazwischen als „ein Ort der spirituellen Konzeption“ bezeichnet.523 Für die Namensgebung des Museums war es wichtig, dass der kirchliche Träger nicht in den Vordergrund rückte. Gleichzeitig stand man der Kunstgeschichte, die in den meisten Kunstmuseen dominant war, sehr kritisch gegenüber. Man wollte nicht die Arbeitsweisen traditioneller Museen übernehmen, sondern eigene Ansätze finden und dabei trotzdem als Museum wahrgenommen werden, emblematisch hatte sich dieser Konflikt schon bei der Auswahl der Sammlungsschwerpunkte gezeigt. Admont „Museum des Stifts Admont“ „Mit den Mitteln unserer Zeit wollen wir arbeiten, einerseits und andererseits dort, wo wir etwas Historisches haben, das ‚Naturhistorische Museum‘ zum Beispiel, möglichst diese historische Substanz erhalten, wo es geht. Das ist ganz wichtig. So ist das ganze Konzept des Museums.“524

Der Architekt und das Bundesdenkmalamt legten Wert darauf, die historischen Strukturen und Bausubstanzen freizulegen und mit neuen Formen und Materialien spannend empfunden und es ist nicht nur ein neues Erlebnis der zeitgenössischen, auch ein neues Erlebnis der alten Kunst. Das ist ganz wichtig.“ (Interview Würzburg (00:13:52)). 521 Vgl. Lenssen 2003. S. 108. 522 „Den Menschen diesen Fragestellungen [Transzendenz], der dadurch provozierten Reflexion der eigenen Existenz auszusetzen, war einstmals und ist heute noch Aufgabe der Sakralbauten und -räume. Nachdem deren Aufsuchen – nicht als Sehenswürdigkeit aus touristischem Interesse – um erhoffte Antworten willen in rapider Weise abgenommen hat, können diözesane bzw. kirchliche Museen hier in einer kulturellen Diakonie die Sakralräume beerben: sicherlich nicht in Gänze, fehlt ihnen doch der Charakter des Fanums, dafür aber als dessen Vorhof, gar als Schwelle, die vom Profanum ins Fanum führt.“ (Lenssen 2004. S. 77). 523 Lenssen 2003. S. 104. 524 Interview Admont (Teil 4 00:13:58).

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zu ergänzen.525 Der Süd- und der Westtrakt des Klosters wurden zur Unterbringung aller Museen völlig um- und neugebaut. Diese Umbauarbeiten konnten so ablaufen, dass die Besucher weiterhin ungestört die Bibliothek besuchen konnten.526 Seit Mai 2002 war bereits der Raum mit der „Sammlung Hannes Schwarz“ zu besichtigen und die Besucher konnten durch Fenster die Baustelle begutachten.527 Das „Museum des Stift Admont“ liegt innerhalb des Stiftskomplexes, welcher in der kleinen Ortschaft Admont beheimatet ist. Dieser befindet sich am Zugang zum Nationalpark Gesäuse inmitten einer alpinen Berglandschaft. Das Stiftsareal grenzt direkt an die Hauptstraße der Ortschaft Admont. Die Anlage ist über die Hauptstraße oder über den Parkplatz zu erreichen.528 Das Museum, mit 3.600 m2 Ausstellungsfläche und 7.600 m2 Gesamtnutzungsfläche,529 befindet sich im Südund Westtrakt der nahezu geschlossenen vierflügeligen barocken Anlage. Der Eingang in das Museum ist durch einen vorspringenden Glaskubus markiert, der zu dem historischen Gebäude ergänzt worden war. Dieser wurde im Stiftsführer als „transparent gestalteter Eingangsbereich“ bezeichnet. 530 Die Abgelegenheit Admonts führt dazu, dass Besucher nicht als Passanten das Museum entdecken können, sondern gezielt diesen Ort aufsuchen müssen. Durch eine gläserne Schwingtür gelangt man in ein Foyer mit Kasse und Museumsshop.531 Auf drei Stockwerken sind die musealen Räumlichkeiten und die Bibliothek verteilt. Wobei das „Kunsthistorische Museum“ im ersten Stock liegt und im zweiten Stock das „Museum für Gegenwartskunst“. Die restlichen musealen Räumlichkeiten sollen hier Erwähnung finden, aber nicht genauer beschrieben werden, es handelt sich dabei um die Stiftsbibliothek, die Stiftsspräsentation und das „Naturhistorische Museum“. Alle Bereiche können mit einer Eintrittskarte besichtigt werden. Im Treppenhaus wird zeitgenössische Kunst ausgestellt. Auf Hinweisschildern sind Fotografien 525 Vgl. Höller 2009. S. 21. 526 Vgl. Admont Geschichte Kunsthistorisches 2010. 527 Vgl. Braunsteiner 2003. 528 Die folgende Beschreibung des „Museums des Stifts Admont“ beruht, soweit nicht anders gekennzeichnet, auf den Beobachtungen bei einem Besuch der Autorin am 10.8.2010. 529 Vgl. Braunsteiner 2003. 530 Vgl. Unterberger 2010. S. 95. 531 Im Erdgeschoss des Südtraktes, der ursprünglich ein barocker Pferdestall war, befinden sich die Büroräume der Zentralverwaltung, der Pfeilersaal sei in seine ursprüngliche Form zurückgeführt worden und beherbergte das Museumsfoyer, den Museumsshop und Fläche für Wechselausstellungen mit 50 m2. Im erdgeschossigen Osttrakt, der ehemaligen barocken Winterreitschule, befindet sich ein Archivraum, dieser wird als Ausstellungsfläche mit rund 330 m2 für die „Sammlung Hannes Schwarz“ genutzt. (Vgl. Unterberger 2010a. S. 5.)

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mit Mönchen vor Kunstwerken abgebildet. Die Bibliothek kann mit einer Führung besucht werden, diese gibt rein kunsthistorische Informationen. Ausschließlich in den Räumlichkeiten der Bibliothek gibt es Aufseher. Im „Kunsthistorischen Museum“ finden sich Exponate aus der Romanik bis zum Barock – Glasgemälde, Tafelbilder, Skulpturen, Gemälde und Zimelien, die aus kirchlichen Schatzkammern stammen532 – in chronologischer Anordnung. Sie sind mit einer Beschilderung mit Informationen über das Werk versehen – Gegenstand, Künstler, Jahr, Material und manchmal mit einem kurzen Text. Weiterhin gibt es Tafeln zu einzelnen Epochen, die Informationen zur Zeitgeschichte und Kunstgeschichte geben. In der Abteilung für Barock gibt es neben religiösen Motiven auch profane zu sehen. Im Ausstellungskatalog werden lediglich kunsthistorische bzw. allgemein historische Erklärungen für profane und christliche Themen im Barock gegeben,533 aber es wird nicht erklärt, warum das Stift beide Bereiche sammelt. Dem barocken Stifts-Bildhauer Josef Stammel wird ein eigener Raum gewidmet. Außerdem werden in Großvitrinen Paramente gezeigt, die jährlich wechseln.534 Die Räume sind verdunkelt und die Exponate mit Spotlights beleuchtet, der Boden ist aus Holz mit einem Schild „gestiftet von Admonter“. Es gibt einen durch Pfeile markierten geführten Rundgang. Besucher haben den Eindruck, dass durch die dunkleren Böden und Wände, sowie durch die dunkleren Lichtverhältnisse im „Kunsthistorischen Museum“ eine bestimmte Atmosphäre evoziert werden sollte. Dies wurde vom Kurator jedoch auf den konservatorischen Aspekt für die Paramente zurückgeführt und ein langsames Hellerwerden sollte den Rundgang für die Besucher angenehm gestalten.535 Die einzige Verbindung zur zeitgenössischen Kunst befindet sich im letzten Raum des „Kunsthistorische Museums“: der „Raum für künstlerische Intervention.“ Künstler wurden damit beauftragt, diesen Raum selbst zu gestalten. Sie sollten dabei die Rolle von Kuratoren übernehmen und konnten Objekte aus den Depots und den Sammlungen des Stifts, welche nicht unbedingt wertvoll oder intakt sein mussten, benutzen und sie mit anderen Dingen kombinie-

532 Vgl. Admont Kunsthistorisches Museum 2010. 533 „Die geschichtlichen Wurzeln des Barock liegen in der Gegenreformation und im Absolutismus. Dementsprechend ist die Kunst des Barock sowohl von tiefem Glaubensernst getragen, als auch Weltlichem zugewandt: Darstellungen von Monarchen, Jagdszenen, aber auch Themen aus der griechischen Mythologie sind gerne verarbeitet worden.“ (Unterberger 2010. S. 121). 534 Vgl. Admont Aufbau 2010. 535 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:15:46).

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ren.536 Das Ziel war jedoch nicht, eine Gegenüberstellung „Gegenwartskunst – ältere Kunst“ zu schaffen, sondern das Aufzeigen einer Traditionslinie des Klosters.537 Im Vergleich zum „Kunsthistorischen Museum“ ist die Atmosphäre im „Museum für Gegenwartskunst“ heller. Zwischenwände unterteilen einen großen Raum, die Wände sind weiß und grau gestrichen. Durch die Verdunkelung der Fenster hat man einen Blick auf die umliegenden Berge. In beiden Museen gibt es vereinzelt schwarze Bänke als Sitzmöglichkeiten. Im „Museum für Gegenwartskunst“ finden Wechselausstellungen statt. Es gibt keine Dauerausstellung zeitgenössischer Kunst – außer der monographischen Ausstellung mit Werken von Hannes Schwarz. 538 Alle Beschriftungen in den Museen sind auch ins Englische übersetzt. Es wird betont, dass auch bei den Text-Anbringungen immer „ [h]öchste Qualität und ästhetisches Feingefühl“ von Wichtigkeit waren.539 In allen Bereichen – auch im „Naturhistorischen Museum“ oder der Bibliothek – sind „Play Admont“-Werke zu sehen. Diese Kunstwerke sollten den Besucher über die Sinne ansprechen, man wurde zum „Mitmachen“ aktiviert, diese Werke hatten viel Platz, oft gibt es pro Raum nur ein Werk. Um das Museum zu verlassen, muss man durch den Museumsshop gehen. Hier gibt es neben Kunst- und Kinderbüchern religiöse Andenken, Geschenkideen und „Made for Admont“-Produkte – eine Produktlinie eigens für das Kloster gemacht.540 Um das Gebäude liegen Gärten und ein kleiner See, dieser Bereich ist auch mit Auftragskunstwerken der Kunst-Reihe „Made for Admont“ bestückt worden. Der Kurator betonte, dass der Besucher nicht einem vorgeschriebenen Parcours folgen müste, sondern frei auswählen könne. Hier sprach er aber von der Anlage des Klosters im Allgemeinen, die für einen Einheitseintritt aufgesucht werden konnte, und bezog sich nicht auf die Wegführung innerhalb der einzelnen Museen. Betont wurde auch, dass niemand die Kirche besuchen müsse. 541 Trotzdem sollte

536 Vgl. Admont Intervention 2010. 537 „Nur ein Portal trennt Barockkunst von der Kunst unserer Zeit. Beim Durchgang durchmisst man über 200 Jahre. Es wird bewusst, wie sehr sich das Stift Admont seit dem Barock nun wieder mit der Kunst der Gegenwart identifiziert und die Kultur unserer Zeit im neuen Museum fördert.“ (Admont Kunsthistorisches Museum 2010). 538 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:25:22). 539 Vgl. Unterberger 2010a. S. 7–8. 540 Der Name stammte ursprünglich aus dem künstlerischen Bereich. (Vgl. Unterberger 2010. S. 160). 541 „Jeder kann bei uns in jeden Bereich gehen, niemand muss wohin gehen, niemand wird zwangsweise in die Kirche geführt oder in irgendeinen anderen Bereich, sondern jeder hat freie Wahl, zu einem Einheitseintrittspreis dorthin zu gehen, wo er will, das halt ich

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der Besucher, der wegen der Bibliothek käme, überrascht werden, man wollte den Besuchern Unerwartetes präsentieren, wie z. B. zeitgenössische Kunst im Kloster. „Lass dich überraschen“ lautete hier das Konzept. 542 In der Begründung des österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur für den Museumspreis an das „Museum des Stifts Admont“ im Jahre 2005 wurde die Verbindung von „moderner Kunst“ und altem Kulturgut als beispielgebend aufgeführt.543 Dabei wurde zeitgenössische Kunst nie räumlich direkt mit älterem Kulturgut in Verbindung gebracht. Es befanden sich lediglich in einem Fall zeitgenössische und ältere Kunst auf demselben Stockwerk, aber nicht im selben Raum. Und in der temporären Ausstellungen wird zeitgenössische Kunst in der historischen Bibliothek und auf dem Gelände präsentiert. Es ging bei der Begründung der Museumspreisverleihung also nicht um ein direktes räumliches Gegenüberstellen, sondern um den gesamten Komplex des Klosters, in welchem Kulturgut aus unterschiedlichen Epochen zu finden war. Es war ein Ziel des Stifts, zu zeigen, dass Vergangenheit und Gegenwart gleichwertig seien. So erhielt man auch die historische Substanz, Gebäude und Umbauten wurden reversibel angelegt. Man versuchte, das Kloster besonders kontrastreich zu gestalten, durch Gegenüberstellungen von Natur und Kultur oder von Alt und Neu. Der Chefkurator nannte es das „kontrastreichste Privatmuseum Österreichs“.544 Der Befragte berichtete, dass von außen kaum Kunsthistoriker an das Stift herantreten,545 obwohl das Stift einen Preis für historische Arbeiten über das Stift verlieh, den „Abt-Engelbert-Preis“ für Dissertationen und Habilitationen unter anderem auch im Bereich der Kunstgeschichte. 546 Die Meinungen von Museumskollegen seien ein wichtiges Qualitätskriterium für Kunst.547 Kooperationen mit Kurato-

für wesentlich. Ich spreche immer für die Mehrheit, es sind nicht alle der Meinung. […]“ (Interview Admont (Teil 2 00:02:42)). 542 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:08:34). 543 „Die Sammlung spannt einen Bogen über die Disziplinen und Epochen. […] Großartig ist vor allem auch die Verbindung moderner Kunst mit altem Kulturgut, die unerwartete Akzente in der spannenden Ausstellungsgestaltung setzt. Dies ist ein neuer Ansatz zur Auseinandersetzung mit und in der Vermittlung von zeitgenössischer Kunst. Damit ist das Stiftsmuseum Admont beispielgebend für andere österreichische Museen.“ (Admont Museumspreis 2010). 544 Braunsteiner 2003. 545 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:44:05). 546 Vgl. Admont Abt Engelbert Preis 2011. 547 Vgl. Interview Admont (Teil 2 00:07:28).

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ren-Kollegen aus der Region und Deutschland548 würden zu Kontakten mit anderen Kuratoren und mit internationalen Künstlern führen.549 Dem Wunsch der Mönche, das Leben und die Regeln des Hl. Benedikts museal zu präsentieren, wurde in drei „gesonderten“ Räumen des neuen Museums nachgegangen. Hier arbeitete man nicht mit Kunst, sondern mit einem multimedialen Ensemble.550 Weiterhin zeigt sich der christliche Träger in den Themen der Ausstellungen, so fanden diese zu christlichen Themen 551 oder indirekten christlichen Themen552 statt. Freising „Dombergmuseum“ „Der Hauptteil unserer Sammlung ist chronologisch gehängt. Und mir scheint das nach wie vor sinnvoll. Es hat verschiedene Gründe. Ich finde, dass es einen harmonischeren Raum gibt, wenn ich Sachen, die ursprünglich mal in einer Kirche waren, auch jetzt wieder in einem Raum habe. […] Und ich denke, um das Kunstwerk zu verstehen, muss ich es auch aus seiner Entstehungszeit heraus verstehen. Das ist zwar eine Pietà, aber warum ist diese Pietà anders als die andere, das hat ja mit der Zeit zu tun, in der das entstanden ist.“553

Unter der Direktion von Frau Hahn wurde die Hängung, wie sie bereits unter Steiner praktiziert wurde, weitestgehend beibehalten: Eine chronologische Hängung mit ikonographischen Gruppen innerhalb der zeitlichen Ordnung. Andere Gliederungsgruppen bilden Exponate, die in Gruppen nach Materialbeschaffenheit – Volksfrömmigkeit, Hinterglasbilder, etc. – ohne chronologische Gliederung präsentiert werden.554 Das „Dombergmuseum“ befindet sich in der Nähe der Freisinger Innenstadt entsprechend der Namensgebung auf dem Domberg. Hier stehen in Nähe zum Dom die Fürstbischöfliche Residenz (Kardinal-Töpfner-Haus), das Dom-Gymnasium, verschiedene Wohnhäuser und Ämter. Das Museum liegt in einem weitestgehend geschlossenen Areal, welches nur durch zwei Tore betreten werden kann und als ein katholisch geprägter Ort zu erkennen ist. Als Behausung des Museums dient das ehemalige Knabenseminar. Der Eingang des massiven dreistöckigen Baus kann über eine kleine Freitreppe erreicht werden. Dahinter befindet sich ein Vorraum mit Kasse, es gibt die Möglichkeit, Bücher zu erwerben, Sitzgelegenheiten sowie eine 548 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:34:01, Teil 4 00:48:00, Teil 4 00:49:55). 549 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:49:06, Teil 4 00:49:53). 550 Vgl. Admont Aufbau 2010. 551 Z. B. 2009: „Natur – die Schöpfung ist nicht vollendet!". 552 Z. B. 2007: „Ich fühle etwas, was du nicht siehst“. 553 Interview Freising (00:30:24). 554 Vgl. Interview Freising (00:30:24).

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kleine Cafeteria im Nebenraum. Den ersten musealen Raum bildet ein großer Lichthof, von welchem man in alle Geschosse sowie in die Ausstellungsräume im Erdgeschoss gelangen kann.555 Im Erdgeschoss sind die Ausstellungsräume für Kunst des 20. Jahrhunderts untergebracht: ein großer und zwei kleine Räume, die mit „Gottesbilder im 20. Jahrhundert“ überschrieben sind. Dies ist die einzige Abteilung, der explizit ein Thema zugeordnet wurde. Die übrigen Abteilungen sind mit der zugehörigen Epoche oder mit der Art der ausgestellten Exponate – z. B. Hinterglasmalerei, Paramente – bezeichnet. In den Räumen mit Kunst des 20. Jahrhunderts befindet sich keine Beschilderung neben den Kunstwerken wie im übrigen Museum, sondern man kann sich am Eingang eine Tafel mit Informationen mitnehmen. Im Interview stellte sich heraus, dass die nicht vorhandene Beschilderung keine didaktischen Gründe hatte, sondern dass praktische Überlegungen zugrunde liegen, da der Raum für Sonderausstellungen genutzt wurde und das Auf- und Abhängen der Schilder zu aufwendig sei. In Zukunft solle diese Abteilung in den chronologischen Rundgang integriert werden und der freie Raum für „Junge Kunst“ genutzt werden. Steiner hatte die Gegenwartskunst im Erdgeschoss platziert, um ihre Wichtigkeit zu betonen.556 Auf der anderen Seite des Lichthofs gelangt man in einen abgedunkelten Raum. Im Gegensatz zu den Fliesen im übrigen Erdgeschoss wurde dieser Raum mit Teppich ausgelegt. In einer Nische befindet sich ein Lukasbild mit einer Kniebank, auf deren Armstütze die Beschilderung des Lukasbildes angebracht worden ist. Im hinteren Teil des Raumes befindet sich eine weitere Sitzgelegenheit. Genauere Erläuterungen zum Kunstwerk sind im Vorraum erhältlich. Das Lukasbild sei das ideelle und materielle Hauptstück des Hauses. Im Interview wurde erklärt, dass man durch die Dunkelheit und eine Kniebank eine Atmosphäre schaffen wolle, wie sie am Original-Aufstellungsort im Dom vorhanden gewesen sei. Die Kniebank könne von den Besuchern genutzt werden, sie habe aber auch einen praktischen Grund als Abstandshalter.557 Aus dem Raum mit dem Lukasbild gelangt man in Räume für Ikonen und die Schatzkammer. Im Museum wurden auch von den Mitarbeitern religiöse Zeremonien vollzogen. In einem Raum mit Rokoko-Altar im zweiten Stock wurde einmal im Jahr zum Geburtstag des Museums, am 16. November, ein Fest für die Mitarbeiter abgehalten. Es begann mit dem Lesen einer Messe durch einen Prälaten, wobei Kelche, Leuchter und alte Messgewänder aus den Beständen, meist aus dem Depot, genutzt wurden. Nach der Messe ging man zum Lukasbild und sang das Salve Regina.558 555 Die folgende Beschreibung des „Dombergmuseums“ beruht, soweit nicht anders gekennzeichnet, auf den Beobachtungen der Autorin bei einem Besuch am 19.11.2009. 556 Vgl. Interview Freising (00:53:53). 557 Vgl. Interview Freising (00:45:21). 558 Vgl. Interview Freising (00:47:28).

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In der Präsentation der Exponate wurde es generell als ideal empfunden, wenn Werke sich gegenseitig erklärten. Dies versuchte man durch Inszenierung und Nachbildung des ursprünglichen Verwendungszweckes anstatt durch schriftliche Erklärungen.559 Man wollte nicht, dass die Präsentation im Vordergrund stehe, sondern das Werk, wobei darunter hauptsächlich beigefügtes erklärendes Material verstanden wurde. Allerdings könne man sich bei weniger ästhetischen oder nicht so bekannten Objekten mehr Erklärungen vorstellen.560 Hier unterschied man zwischen „high und low“, indem man die Volkskunst stärker didaktisch aufarbeiten wollte im Gegensatz zu Malerei und Skulptur, wo das Werk und seine ästhetische Wirkung im Vordergrund stehen sollten. Im ersten Stock des Museums können Räumlichkeiten mit den Bezeichnungen „Von der Romanik bis zur Gotik“ chronologisch bis zur Abteilung „Vom Barock bis zum Rokoko“ besichtigt werden. In der Galerie um den Lichthof befinden sich Ansichten des Hochstifts. Mehrere Treppenaufgänge und Ausgänge führen dazu, dass der Weg keineswegs vorgegeben ist, sondern es teils schwer fällt, sich zu orientieren. In den mittelalterlichen Abteilungen sind die Gemälde noch einmal in Gruppen zu den Themen „Passion Christi“, „Heiligenbilder“ oder die „Geburt Jesu“ eingeteilt. Die Wände sind in Pastelltönen und in Wischtechnik gestrichen, die übrigen Räumlichkeiten sind meist weiß gehalten und die Fußböden bestehen aus Holzdielen. Die Beleuchtung erfolgt durch Lichtplatten mit integrierten Fensterkreuzen und darüber befindlichen Neonröhren. Es gibt zudem große Fenster, die allerdings meist verhangen sind. Im Interview stellte sich heraus, dass diese Lichtplatten aus der Zeit Steiners stammten, welcher die Kunstwerke gerne mit Tageslicht und Lampen beleuchten wollte, die Kirchenfenstern nachempfunden worden waren, um so eine kirchenraumähnliche Atmosphäre herzustellen. Hier wollte die Direktorin einen Wechsel vornehmen zu praktikableren Formen, die auch für Licht bei widrigeren Bedingungen sorgen würden.561 In manchen Abteilungen wurden Handzettel zur Verfügung gestellt, z. B. mit dem Titel „Vom Barock zum Rokoko“, die Erläuterungen waren kunsthistorisch gehalten, nur ab und an schwang ein religiöser Unterton mit, wie im letzten Satz im Handzettel „Stillleben“: „Einem meditativen Andachtsbild gleich, bewegt dieses 559 „Dann haben wir in diesen Raum eine Kniebank reingestellt mit einem Gebetsbuch und in das Gebetsbuch haben wir solche Bildchen reingelegt und auch noch ein Kreuz an die Wand gehängt. Das hat die ganze Ausstellung verändert, jeder, der da rein ging, hat sofort gewusst, für was diese Bildchen gut sind. Es ist nicht so, dass jeder Besucher sich da hinknien soll, sondern klar zu machen, dass das ein Gnadenbild ist, vor dem die Leute ganz viel gebetet haben, also ein bisschen auch eine Inszenierung.“ (Interview Freising (00:45:21)). 560 Vgl. Interview Freising (00:34:59). 561 Vgl. Interview Freising (00:39:30).

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Sinnbild für Vergänglichkeit und Tod unser Gemüt.“ Auch Informationen zur Ausstellung „Christopher Paudiß – der bayerische Rembrandt“ aus dem Jahre 2007 wurden gegeben. Christopher Paudiß, ein Schüler Rembrandts, war in Freising Hofmaler des wittelsbachischen Fürstbischofs Albrecht Sigismund. Es wird angeführt, dass durch Leihgaben aus St. Petersburg, Dresden, Wien und Budapest erstmals zwei Drittel des bekannten Werkes gemeinsam präsentiert worden seien und damit der wissenschaftlichen Forschung zum ersten Mal die Möglichkeit geboten werde, diese vereint zu betrachten. Somit wurde betont, dass man im wissenschaftlichen Diskurs eine Rolle gespielt habe. Religiöse Bildnisse spielten im Œuvre Paudiß‘ nur eine kleine Rolle neben Bildnissen, Bauernhistorien und Stillleben. Paudiß selbst war evangelisch. 562 In der Barock-Abteilung gibt es Gemälde mit Wölfen, die Tiere reißen, diese sind im Jahre 1666 während eines Künstlerwettbewerbs zwischen Paudiß und Rosenhoff für den Freisinger Fürstbischof entstanden. Das Thema der reißenden Wölfe war ebenfalls keinem christlichen Kontext entsprungen, hier schien mehr der Fürst als der Bischof eine Rolle gespielt zu haben. Im Keller befindet sich eine Installation von Kuball, die von einer Ausstellung übernommen worden ist, außerdem mehrere Räume mit Weihnachtskrippen in Schaukästen. Vor diese Schaukästen wurden kleine Stufen gestellt, damit Kinder besser sehen können. In manchen Räumen gibt es keine Sitzgelegenheiten, in anderen Bänke am Rand, die aber das Betrachten der Kunstwerke im Sitzen nicht ermöglichen. Ergänzend sind schwarze Sitzwürfel neueren Datums und portable Hocker vorhanden. Die Art der Präsentation unterscheidet sich in Freising nicht maßgeblich von der in kunsthistorischen Museen im Allgemeinen. Die Befragte betonte auch ihr Selbstverständnis als Kunsthistorikerin und war bestrebt, ihr Fachwissen einzubringen.563 So bedauerte sie den geringen fachlichen Austausch durch seltene Teilnahme an kunsthistorischen Veranstaltungen564 und suchte Kontakt zum kunsthistorischen Nachwuchs durch universitäre Seminare. 565 Im Jahre 2003 hatte man bisher vier wissenschaftliche Kolloquien mit Kollegen der Münchner Museen, Bibliotheken und dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte durchgeführt,566 auch Doktoranden und Studenten würden Kontakt zum Museum suchen.567 Theorie und Fachwissen hatten

562 Vgl. Prange 2001. 563 Vgl. Interview Freising (00:08:41). 564 Vgl. Interview Freising (01:53:32). 565 Vgl. Interview Freising (01:51:42). 566 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2003. 567 Vgl. Interview Freising (01:52:51).

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einen hohen Stellenwert. Dies zeigte sich auch in den Katalogen für die Ausstellungen, durch diese bekäme man Anerkennung.568 Köln „Kolumba“ „Dieses Haus soll ja, soweit das eben bei einer öffentlich zugänglichen Sammlung möglich ist, einen privaten Charakter entwickeln, es soll atmosphärisch eher so sein, dass man das Gefühl hat: Ja hier bin ich nicht in einer Lehranstalt, in Anführungsstrichen, sondern ich bin in einem Haus, das hat Räume, die mich vielleicht gefangen nehmen, vielleicht auch an manchen Stellen abstoßen, aber es hat was Individuelles und Persönliches.“569

Im Herbst 2007 wurde die erste Ausstellung im Neubau noch unter der Direktion Plotzeks eröffnet. Dieser ging 2008 in Rente und übergab die Leitung an einen seiner Mitarbeiter, Stefan Kraus. Das Team blieb bestehen und auch die Ausstellungskriterien wie in Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“ beschrieben, es gab inhaltlich keinen ersichtlichen Wechsel. „Kolumba“ befindet sich mitten in der Kölner Innenstadt, in einer Seitenstraße etwas abseits der Haupteinkaufsstraßen. Der Bau fällt nicht sofort ins Auge, es gibt keine Ansichtsseite und auch der Eingang ist nicht sofort aus der Distanz erkenntlich. Man kann nicht hineinschauen, im Erdgeschoss gibt es keine offenen Fenster. Die Fassade „Kolumbas“ wirkt gestückelt. Die Fenster sind in verschiedenen Höhen angebracht und unterschiedlich groß. Man kann von außen nicht erkennen, wo die Stockwerke liegen, es ist lediglich der Schriftzug „Kolumba“ zu lesen. An einer Ecke des Gebäudes kann man durch eine Eingangstür in die Kolumbakirche gelangen. Das Museum und die Kirche bilden eine bauliche Einheit. Die Eingänge liegen jedoch separat, an unterschiedlichen Seiten des Gebäudes.570 Der Neubau erhielt in der Presse viel Resonanz.571 Dabei wurde die Außenwirkung des Gebäudes mit ei568 „Wenn man dann jetzt Leuten, die einen noch nicht so kennen, dann diese Kataloge schickt, sind sie meistens doch beeindruckt. […] Wenn […] die sehen, wer uns schon überall Leihgaben geschickt hat und dass das auch ein wissenschaftlicher Anspruch ist und nicht eine Weihnachtsausstellung mit irgendwelchen niedlichen Engeln.“ (Interview Freising (01:57:36)). 569 Interview Köln (B2: 00:24:22). Der Prozess der Platzsuche für ein Werk und die Verbindung mit Privatheit werden ähnlich auch in Plotzek 2007a geschildert. 570 Die folgende Beschreibung „Kolumbas“ beruht, soweit nicht anders gekennzeichnet, auf einem Besuch der Autorin am 19.10.2009. 571 „Der Architekt Peter Zumthor will nicht, dass der Bau fotografiert wird. Das Haus habe schon zu viel Presse gehabt. Zu viel Presse? Die Mundwinkel von Kolumba-Direktor Stefan Kraus zucken, wenn man ihm das erzählt. Es sieht aus wie Stolz, der unterdrückt wird.“ (Gärtner 2008. S. 107).

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ner wehrhaften Burg oder Felswand verglichen. 572 Nur vereinzelt gab es negative Kritiken, z. B. wurde das Auftreten des Museums als verschlossen betrachtet.573 Die größte Auszeichnung für die Architektur kam 2009 durch die Verleihung des Pritzker-Preises an Peter Zumthor. Neben anderen Gebäuden wurde in der Begründung ausdrücklich „Kolumba“ beschrieben – ein zeitgenössisches Gebäude, welchem es gelungen sei, ungezwungen neben den unterschiedlichen historischen Schichten zu existieren.574 Die gläserne Eingangstür des Museums ist geschlossen, sie springt nicht hervor oder zurück. Man kann von außen nur in einen Gang blicken. Die schwere Tür wird von innen, von einer Aufsichtskraft geöffnet, sobald man Interesse zeigt. Nach einem kleinen Gang trifft man auf den Eingangsbereich mit Theke zum Bezahlen der Eintrittskarten und einem Buch- und Postkartenverkauf. Der erste Raum ist hell, mit Blick und Zugang in den Hof und der Möglichkeit, in den Ausgrabungsbereich zu gelangen. Die Treppe nach oben ist schmal mit einer sehr hohen Decke. Zwar gibt es immer wieder Möglichkeiten, in einen Raum abzuzweigen, generell ist die Wegführung jedoch klar. Von unten windet man sich über zwei Stockwerke nach oben. Die Treppen sind in den Rundgang integriert und nicht durch Türen von den Ausstellungräumen abgetrennt. Der Architekt Zumthor beschrieb 2010 die Treppen als Erlebnisräume. Weiterhin sagte er, dass das Ziel war, eine eindeutige Wegführung zu schaffen.575 2007 hatte Plotzek hingegen betont, dass es in „Kolumba“ keine festen vorgeschriebenen Wege gebe, sondern das Gebäude werde vielmehr als Organismus verstanden, der den Besucher unbemerkt lenke und unaufdringlich führe. Man wünschte sich den Besuch „Kolumbas“ wie ein Schlendern oder Spazierengehen durch einen Park, wo der Wunsch, in einer Stunde alles gesehen zu haben und informiert worden zu sein, überflüssig werde.576 Es finden sich Sitzgelegenheiten in regelmäßigen Abständen. Der Raum der Schatzkammer setzt sich allein durch seine dunkle Aufmachung von den übrigen Räumen ab. Nach einer weiteren schmalen Treppe gelangt man ins Obergeschoss, hier befindet sich u. a. ein Lesezimmer, welches vollkommen mit Holz vertäfelt 572 „Wie eine schroffe Felswand steht das Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln, in einer belanglosen Nebenstraße der Innenstadt. Nicht abweisend. Eher wie eine einschüchternd große Kirche: Man muss sich beim Tür öffnen dagegenstemmen, aber wenn man drinnen ist, wird man überwältigt von der Opulenz. Die Opulenz des Kolumba ist seine Schlichtheit. Es gibt Licht, Dunkelheit, Stille – von allem so viel, dass es stumm macht.“ (Gärtner 2008. S. 107). 573 „Viele Museen wollen Orte der Offenheit sein; dieses ist ein Ort der Verschlossenheit, eine Welt in der Welt.“ (Rautenberg 2007). 574 Vgl. Hyatt Foundation 2009. 575 Vgl. Zumthor 2010. S. 60. 576 Vgl. Plotzek 2007a.

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wurde. Wie in den anderen Räumen auch, wurde im Material nicht zwischen Boden, Decke oder Wänden unterschieden, die Räume wirken wie aus einem Guss. Von einem großen Zenralraum gelangt man über je einen Zwischenraum in weitere sehr hohe Räume, sie wirken wie ein Höhe- oder Schlusspunkt des Rundgangs. Um das Museum zu verlassen, muss man denselben Weg wieder zurückgehen. In der Gebäudeplanung hatte das „Kolumba“-Team ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man keine Forderungen für die Präsentation bestimmter Werke habe. Man wollte vielmehr unterschiedlich große und helle Räume, auf die man in der Ausstellungskonzeption reagieren könne.577 Die Architektur sei ein fester Bestandteil, man verstand dies als einen Aspekt der Nachhaltigkeit, man brauche keine temporär eingebauten Trennwände, sondern man investiere in im Einklang mit der Architektur erstelltes Mobiliar. Als Vorbild für die Architektur wurden u. a. die Erfahrungen aus Künstlerateliers und Privatsammlungen als „Orte[n] des selbstverständlichen Miteinanders und der Intimität“ genannt.578 Die befragten Kuratoren betonten, es sei wichtig, dass das Werk Raum zur Entfaltung habe und viele Facetten des Exponates gezeigt würden.579 Hierfür müsse der richtige Ort für das Werk gefunden werden, mit den passenden Lichtverhältnissen und der passenden Stelle im Raum.580 Welches das passende Licht und die passende Stelle seien, sei bei jedem Werk anders.581 Ob die Präsentation gelungen ist, zeige sich erst, wenn man es vor Ort ausprobiere.582 Ausstellungen wurden nicht an Modellen erprobt, sondern entstanden direkt vor Ort in den ersten zwei SeptemberWochen, in denen das Museum geschlossen wurde.583 Der passende Ort für ein Kunstwerk könne auch je nach Ausstellungsthematik unterschiedlich sein, da durch

577 „Im Landschaftsbild gesprochen – abwechslungsreiches Gelände mit vielfältigen Möglichkeiten der Integration von Gegenständen der menschlichen Phantasie – vielleicht vergleichbar der Anlegung und Bepflanzung eines Parks oder großen Gartens.“ (Plotzek 2007a). 578 Vgl. Kraus 2010b. S. 13. 579 Vgl. Interview Köln (B2: 00:14:25). 580 Vgl. Interview Köln (B1: 00:14:39). 581 Vgl. Interview Köln (B2: 00:14:51). 582 „Das ist ja das eigentlich spannende, man kann viel vordenken, sich auch ein Bild machen, könnte an der Ecke, an der Wand gut sein und wenn man es dann wirklich ausprobiert, dann stellt man fest, das ist nicht glücklich, aus irgendwelchen Gründen, das kann das Licht mal sein, irgendetwas anderes und dann muss man umdenken.“ (Interview Köln (B1: 00:15:44)). 583 Vgl. Zumthor 2010. S. 19.

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die Hängung bereits eine interpretatorische Arbeit geleistet werde.584 Auch durch die Kombination mit anderen Kunstwerken verändere sich die Betrachtungsweise eines Kunstwerks. Durch die Kontextualisierung mit anderen Werken sollte die Betrachtungsweise aber nicht vorgegeben werden, sondern der Facettenreichtum des Kunstwerkes offengelegt.585 Bezüge sollten nicht nur innerhalb eines Raumes geschaffen werden, sondern auch im ganzen Haus, ein Thema sollte sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung ziehen und auch vertikale Bezüge bilden. Allerdings dürften diese Bezüge nicht nur ästhetisch wirken, sondern sollten auch inhaltlich tragen.586 Generell gebe es auch in der Präsentation keine festen Regeln, sondern alles könne sich ändern, wenn man es für sinnvoll erachte. 587 Man sah die Ausstellung als eine Art Experiment oder Versuchsanordnung, um die Wechselwirkung der Werke zu ergründen.588 „Kolumba“ lieh kaum Werke von anderen Häusern aus, sondern zeigte hauptsächlich seine eigene Sammlung. Kraus sagte, dass es für Besucher wichtig sei, zu wissen, welches Werk sie im Haus vorfinden würden, die Menschen sollten zur Kunst reisen und nicht umgekehrt. 589 Hier gab es einen Widerspruch zur Präsentationsmethode, die die meisten Werke jedes Jahr austauschte und sich der Besucher, bis auf wenige Hauptwerke nicht sicher sein konnte, ein bestimmtes Werk zu sehen. Der Verzicht auf Leihgaben wurde damit begründet, dass man bei der Ankunft der Werke oft feststelle, dass diese eine andere „ästhetische Präsenz“ haben, als man sie erwartet hatte. Außerdem sei das Zustandekommen von

584 „Aber im Grunde ist es ja auch so, selbst bei einer Farbmalerei, häng ich das in ein Südlicht oder hänge ich es in ein Nordlicht. Das ist eine Interpretation. Und je nach Ausstellung mag es Sinn machen.“ (Interview Köln (B2: 00:16:12)). 585 „Dass man Dinge, die in einem Kontext gezeigt werden, zu einer anderen Zeit in einem anderen Kontext erscheinen und dadurch ganz unterschiedlich betrachtet werden. Das heißt, sie sollen nicht eng geführt werden, sondern eher geöffnet werden, in dem Sinne, es sind ganz viele Facetten da, die stärker in den Vordergrund treten können.“ (Interview Köln (B2: 00:17:59)). 586 Vgl. Interview Köln (B1: 00:19:22)). 587 „Also, das ist ja das Schöne, dass wir nicht sagen, wir haben hier jetzt einen festgefahrenen Weg und den machen wir da auf Biegen und Brechen, sondern wir sind da durchaus offen, wenn wir denken, das ist jetzt mal sinnvoll, dann kann ich mir vorstellen, dass es auch mal, ja eine klassische Sonderausstellung gibt.“ (Interview Köln (B1: 00:40:04)). 588 „Dass man Nachbarschaften irgendwo intuitiv für tragfähig hält, ohne benennen zu können, was diese Tragfähigkeit eigentlich ausmacht. Und wo die inhaltlichen Berührungspunkte sind, das sind auch Dinge, die man dann im Laufe der Ausstellung versucht, zu ergründen. Kann gelingen.“ (Interview Köln (B2: 00:20:02). 589 Vgl. Gärtner 2008. S. 108–109.

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Leihverträgen, oder nicht Zustandekommen, auch von einer „vorgedachten Inhaltlichkeit“ bestimmt.590 Wie in Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“ beschrieben, gibt es in „Kolumba“ keinerlei Beschriftung und die Kunstwerke sind weder chronologisch noch nach Gattungen gruppiert ausgestellt. Meist haben die Werke viel Platz, alte und neue Kunst wird nebeneinander präsentiert. Neben der nicht vorhandenen Werkbeschreibung fällt auch auf, dass das Aufsichtspersonal keine Uniform trug, man konnte sie nur durch ein Namensschild von Besuchern unterscheiden. Die Kuratoren betonten, dass durch die beschilderungslose Präsentation die Raumatmosphäre eine vollkommen andere sei.591 Man wertete dies als Zeichen für die Akzeptanz der Mündigkeit der Besucher. Diese würden als kompetente Betrachter ernst genommen. Man setzte die Fähigkeit voraus, in eine selbstbestimmte Rezeption der Werke eintreten zu können.592 Dabei wurde nicht eine kunsthistorische Auseinandersetzung erwartet, sondern eine emotionale.593 Für das Arbeiten ohne Beschilderung wurden keine Vorbilder benannt. Man hätte zwar gewusst, dass es auf der „Museumsinsel Hombroich“ ein ähnliches Konzept ohne Beschilderung gab, welches in etwa zeitgleich entstanden war,594 aber man sei selbstständig auf die Idee gekommen, indem man nach dem Naheliegendsten und Sinnvollsten gefragt habe: Zu Hause brauche man auch keine Beschilderung, warum brauche man sie im Museum? 595 Wie im Eingangszitat ausgeführt, war ein Ziel 590 Vgl. Kraus 2010b. S. 13. 591 „Man kriegt das, glaube ich, ganz einfach raus, wenn man sich Räume in unserem Haus vorstellt: Da wäre eine Beschilderung dran und neben dem Bild hinge zum Beispiel noch eine Künstlerbiographie, eine schöne Tafel mit einem Foto vom Künstler. Wenn man sich den Raum dann einfach vorstellt, kann man im Geiste ja mal hinsetzen die Dinge, dann ist das ein völlig anderer Raum, eine völlig andere Wirkung.“ (Interview Köln (B1: 00:21:51)). 592 „Wir nehmen auch unsere Besucher als kompetente Betrachter ernst, als Menschen, die selbst Fähigkeit haben, sich mit der Kunst auseinander zu setzen.“ (Interview Köln (B2: 00:22:27)). 593 „Denn die Erfahrung zeigt ja, wenn es die Beschilderung gibt, dass die Besucher gerne, und da wollen wir uns ja gar nicht ausschließen, die Beschriftung lesen und dann auch noch abhakend nicken, dass sie das Kunstwerk gesehen haben und wir wollten den Prozess umkehren und auf das Eigentliche hin. Denn wie wesentlich ist es zu wissen, dass ein Werk von X gemalt wurde, sondern erst mal kommt es ja darauf an, mit den Dingen, mit diesem gegenüber, sich auseinander zu setzen und dann kann man natürlich irgendwann auch tiefer einsteigen, aber das Erlebnis des Kunstwerks, das wäre mal das Erste.“ (Interview Köln (B2: 00:21:22)). 594 Vgl. Interview Köln (B2: 00:22:49). 595 Vgl. Interview Köln (B1: 00:23:40).

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der Kuratoren, eine Atmosphäre der Privatheit zu erschaffen. Dies sah Mennekes als gelungen an.596 „Kolumba“ nannte als einziges Haus „Privatheit“ als einen Aspekt der Gestaltung. Die Bewegung des Glaubens in den privaten Raum wurde von Papst Johannes Paul II. 1997 in seiner Ansprache an den „Päpstlichen Rat für Kultur“ jedoch beklagt. Dadurch fehle eine Kultur, welche die „Armen und Kleinen“ unterstützen würde, und diese fänden dadurch keinen Zugang zum Glauben. 597 Auch in Italien wurde die Frage nach Privatheit und Öffentlichkeit im Zusammenhang mit dem Museum der katholischen Kirche thematisiert. Petraroia, als Kunsthistoriker an unterschiedlichen staatlichen kulturellen Institutionen beschäftigt, bekundete, dass im Prozess der Entfremdung zwischen Kunst und innovativem Ausdruck des Glaubens in der Kunst die Auffassung von „Öffentlichkeit“ und „Privatheit“ eine Rolle spiele. So beobachtete er, dass bei den Intellektuellen die Ansicht weit verbreitet sei, dass der christliche Glaube und seine sichtbaren Ausdrucksformen in den privaten Raum zurücktreten sollen, während Öffentlichkeit mehr mit staatlichen Institutionen in Verbindung gebracht werde. Petraroia glaubte, dass das Drängen der Museen der katholischen Kirche in den Raum der Religion „als Privatsache“ ihre Rolle als Impulsgeber für eine soziale Veränderung durch eine spezifische Erfahrung des Glaubens schmälere. Er betonte, dass die Kirche die Museen der katholischen Kirche nicht in die Richtung eines privaten Raumes drängen sollten.598 Wobei diese Analyse auf Italien bezogen war und die besondere antiklerikale Entwicklung nach der staatlichen Einheit Italiens betonte.599 Auch im deutschsprachigen Raum stellte Roters, Kunsthistoriker und Kurator, eine Individualisierung der Glaubenshaltung fest: „In der Kunst unserer Epoche erscheint die christliche Glaubenshaltung individualisiert. […] Die Individualisierung geht einher mit dem Bedürfnis nach dem unmittelbaren Erleben von Gottes Gegenwart.“600 Die Institution des Museums im Allgemeinen wurde von Wissenschaftlern bereits als pseudo-öffentlicher Raum definiert: „Einhellig meinen sowohl Sozialwissenschaftler wie Museologen und Kul596 „Das hat die Kunst mit Religion und mit der subjektiven Freiheit gemeinsam: Sie alle leben von der Erfahrung, vom Schweigen und vom Fragen. Dazu brauchen sie Konzentration, den Mut zur Selbstbegegnung und die anregenden Atmosphären, die helfen, eine Kultur des Privaten aufkommen zu lassen. […] Es ist seine begrüßenswerte Absicht, dem einzelnen Werk ebenso seine Privatheit zukommen zu lassen wie dem Betrachter selbst. Darum gibt es weder schnelle Kurzinformationen (nicht einmal Namen und Titel), noch werden die in der üblichen, gesellschaftlich akzeptierten Sprache aufgeblasenen, objektiven Informationsflüsse für den Besucher erlaubt.“ (Mennekes 2008. S. 59). 597 Siehe Kapitel „Ansprachen Papst Johannes Paul II. an Kulturbeauftragte (1997)“. 598 Vgl. Petraroia 2008. S. 41. 599 Vgl. Petraroia 2008. S. 27–29. 600 Roters 1984. S. 16–17.

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turpolitiker, dass Museen heute keine Orte der Öffentlichkeit sind.“601 Dies würde damit begründet, dass man in Museen andere Besucher nicht mehr als Fremde wahrnehme, weil die Museen sich an eine Teilöffentlichkeit richteten. Museen hätten die latente Funktion, in einer privaten Atmosphäre Kontakte zu anderen Stadtbewohnern zu ermöglichen.602 „Kolumba“ betonte diesen privaten Aspekt des Museums und ging dabei auf die Suche nach individualisierten Begegnungen ein, aber nicht auf den Wunsch des Papstes, den Glauben weg vom privaten Raum zu führen. Auf der Internetpräsenz des Museums wurde die Seite „Präsentation“ mit einem Zitat von Fabri angeführt: „Können Sie sich ein Museum vorstellen, dessen Inventar in dauernder Bewegung ist?“ (Albrecht Fabri 1953). Das Haus wurde als „lebendes Museum“ beschrieben, in welchem in jährlichem Wechsel Werke der eigenen Sammlung in neuen Kontexten präsentiert wurden. Nur einige Hauptwerke verblieben immer. Die Idee, die Ausstellung einmal im Jahr zu wechseln, entstand im ersten Ausstellungsjahr. Man wählte als Datum der Ausstellungseröffnungen dasselbe Datum wie für die Eröffnung des Neubaus. Während des Aufbaus des jährlichen Ausstellungswechsels vom 1. bis zum 13.9. blieb das Museum geschlossen, eröffnet wurde am 14.9., dem Tag der Kreuzerhöhung.603 Zusätzlich wurden vierteljährlich Sammlungsschwerpunkte in einzelnen Räumen präsentiert und es gab Einzelausstellungen zeitgenössischer Künstler.604 Man wollte damit an die Reihe „Im Fenster“ vom Gebäude am Roncalliplatz anknüpfen. Den Künstlern stand parallel zu dieser Ausstellung ein Heft zur Verfügung, welches sie frei gestalten durften.605 Kontakte zur Wissenschaft pflegte „Kolumba“ schwerpunktmäßig zur Kunstgeschichte, so hatte eine Kuratorin einen kunsthistorischen Lehrauftrag, es gab aber auch Kontakte mit anderen Fachdisziplinen, z. B. der Philosophie.606 Ebenso wurden in hauseigenen Publikationen alle Vorträge und Lehraufträge der Kuratoren aufgeführt, auch ein Seminar zur Frage der musealen Präsentation fand statt.607 Schilderungen, dass Kunsthistoriker von außen an das „Kolumba“-Team herantraten und das Team auf Tagungen einluden und man sich am wissenschaftlichen Pro-

601 Kirchberg 2005. S. 137f. 602 Vgl. Kirchberg 2005. S. 137f. 603 Vgl. Kolumba Stichworte 2011. 604 Vgl. Kolumba Präsentation 2011. 605 Vgl. Kraus 2010. S. 176. 606 Vgl. Interview Köln (B1: 00:36:59). 607 Beispielsweise gab Ulrike Surmann an der Kölner Uni die Übung „Der Museumsbetrieb: Ausstellen, Bewahren Vermitteln und Verwalten“ (Kraus 2010. S. 432–433).

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zess beteilige,608 sollten verdeutlichen, dass man wissenschaftlich anerkannt sei. Während bei hauseigenen Publikationen der Stil dem Konzept des Hauses entsprach609 – Abbildungen zeigten die Kunstwerke im Kontext des Ausstellungsraumes und anderer Kunstwerke, in Bildtexten wurden kaum Fakten genannt, sondern die Ideen zu der Anordnung beschrieben bzw. Fragen, Gedankengänge und Assoziationen benannt610 –, passe man sich auf einer wissenschaftlichen Tagung den Anforderungen an.611 Die Präsentation, wie sie in „Kolumba“ praktiziert wurde, wollte man auch verbreiten: Kraus plädierte in Vorträgen im christlichen Kontext, aber auch auf internationalen Museumstagungen dafür, dass sich das Museum und die Kunstwissenschaft dem Intuitiven, Subjektiven öffnen sollen und das ästhetische Moment fördern müssen und ihn nicht durch wissenschaftliche Hintergrundvermittlung verstellen sollten.612 Man war sich bewusst darüber, dass das subjektive Arbeiten angreifbar sei, betonte aber, dass die Kunst nicht der Kunstwissenschaft gehöre.613 Gleichzeitig wurde versucht, die eigene Arbeitsweise historisch in einen musealen Kontext zu setzen. So beschrieb man sich als ein „ästhetisches Labor“, dies sei in der Tradition der Institution „Museum“ verankert. Man ging zurück bis zum Studiolo des 14. Jahrhunderts, den man als Ort der Forschung und des vergleichenden Sehens beschrieb. Im 15. Jahrhundert folge die „Wunderkammer“, welche kein Arbeitsraum, sondern nur noch Ausstellungsraum von unterschiedlichsten Dingen gewesen sei. Diese wiederum wurde als Vorbild des offenen Museumskonzeptes der 1920er-Jahre genannt, in welches unterschiedliche Kulturen, Volkskunst und 608 „Wir werden sogar teilweise eingeladen, müssen da [auf kunsthistorischen Tagungen] Vorträge halten. Wir treiben sogar manchmal die Wissenschaft ein Stück nach vorn. Das passiert auch.“ (Interview Köln (B1: 00:49:46)). 609 Vgl. Interview Köln (B1: 00:50:29). 610 Vgl. Kraus 2010. 611 Vgl. Interview Köln (B1: 00:50:29). 612 „Bis heute leiden die Kunstgeschichte und die Instrumente ihrer Vermittlung unter einem Wissenschaftsbegriff, der nicht ihr eigener ist und der ihrem Gegenstand nicht gerecht werden kann, solange nicht Intuition und Subjektivität als Teil der wissenschaftlichen Methode verinnerlicht sind.“ So sagte er über das Verhältnis zwischen Kunstwissenschaft und „Kolumba“: „Das Museum folgt nicht der Kunstwissenschaft, sondern es möchte sie befruchten. Der ästhetische Augenblick ist zugleich Ziel der Präsentation wie Werkzeug der Kuratoren.“ (Kraus 2009), ähnliche Aussagen auch hier: Kraus 2003. S. 34. 613 „Mit diesem auf Sehen, Subjektivität und Intuition gegründeten Verfahren bewegt man sich – darüber sind wir uns bewusst – auf schwankendem Grund, doch gibt es in der Vorbereitung einer Ausstellung kein distanziertes Verhältnis zum Kunstwerk, das wissenschaftlich gerechtfertigt wäre, denn die Kunst gehört nicht der Kunstwissenschaft, sie gehört sich selbst.“ (Zumthor 2010. S. 17).

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alltägliche Dinge miteinbezogen worden seien. Diesen erweiterten Kunstbegriff setzte man weiter in eine Linie mit Kunstwerken der 1960er-Jahre. Schlussendlich sah man „Kolumba“ in der Tradition der „Wunderkammer“ und als Vorbild für das „Lebende Museum“.614 Auch wenn in „Kolumba“ ein Schwerpunkt auf dem emotionalen Zugang zu den Kunstwerken liegt, spielten Wissenschaft und Geschichte eine wichtige Rolle. Plotzek betonte, dass die Kombination von Werken zwar intuitiv getroffen werde und manchmal auch nicht erklärt werden könne. Der Prozess der intuitiven Suche nach den richtigen Orten werde jedoch durch das kunsthistorische Wissen der Verantwortlichen begleitet.615 Obwohl die Präsentation der Kunstwerke auf das ästhetische Moment hin ausgerichtet und ohne direkte wissenschaftliche Begleitinformationen blieb, stand im Hintergrund eine betont theoretische Auseinandersetzung. Gottfried Korff, Kulturwissenschaftler, hielt eine Laudatio auf das Kuratorenteam, zur Verleihung des Museumspreises der hbs-Stiftung 2009.616 Korff sagte, dass das Kuratorenteam sowohl mit einem empfindsamen Blick auf die Gegenwart als auch mit einem gelehrten Blick und viel Wissen über die Vergangenheit arbeite.617 Für Korff hatte die Wahl „Kolumbas“ drei persönliche Gründe, die ihn beim ersten Rundgang fasziniert hätten: das Museum als Labor, der Witz in der Kommunikation und das Museums als Ort der Herausforderung.618 Korff sah 614 Vgl. Kraus 2010b. S. 19–20. 615 Vgl. Plotzek 2007a. 616 Der Museumspreis der hbs wurde seit 2004 an Kuratoren von Einrichtungen verliehen, welche durch neue, fundierte, kreative Präsentationen auf sich aufmerksam gemacht hatten. 1998 gründete das Ehepaar Brigitte und Heinz Schirnig die hbs Kulturstiftung. (Vgl. hbs-Kulturstiftung 2013). Im Auswahlverfahren 2008/09 wurde erstmals der Vorschlag von einer Einzelperson, in diesem Fall Korff, von der Jury bestätigt. (Vgl. Korff 2009. S. 14–15). 617 „Das zeigt sich auch in museumshistorischen Erinnerungen, die kenntnisreich und deshalb beziehungsreich eingespielt werden. Ein Beispiel dafür ist etwa die Kunst- und Reliquienkammer, bei deren Betrachtung wir ein Bild davon erhalten, was wir nicht mehr sind, aber von dem unsere Blickweisen, Wahrnehmungen und Perspektiven immer noch geformt werden. Vor allem vermittelt die Kunst- und Reliquienkammer die tragende Idee des europäischen Museums […].“ (Korff 2009. S. 13–14). 618 Das Museum als Labor sei eine Idee von Claude Lévi-Strauss in „Strukturale Anthropologie“ aus den 1960er-Jahren und bedeute wechselnde Installationen, experimentelle Anordnungen, Verflechtung von Material- und Mentalprüfungen, Kontakt zur Wissenschaft, die Behandlung der Museumsdinge als erkenntnisfördernde Dinge. Der Begriff „gewitzt“ stamme von Walter Benjamin aus den 1920er-Jahren. Gemeint sei nachdenklich, im Bewusstsein voller Gegenwertigkeit, sensibel und urteilssicher. Eine Verstandsschärfe, die über sinnliche Erkenntnis erworben würde. Der Begriff der „Heraus-

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„Kolumba“ als Gegenbewegung zum Museumsboom, sowohl architektonisch als auch kuratorisch. „Kolumba“ stelle sich gegen den Fumagalli-Trend, gegen das Schaffen von Event-Räumen und Zirkulationsflächen im Museumsbau, für Räume zum Verweilen wie Depots, Studiensäle oder Lesezimmer. Auch das Prinzip, welches Hans Belting in seiner Schrift „Museum als einen Ort nicht der Sensation, sondern der Reflexion“ sich wünschte, werde in „Kolumba“ umgesetzt. 619 Diese Beschreibung wurde von den Kuratoren als treffend empfunden.620 Die Art der Präsentation wurde in vielen Kritiken „Kolumbas“ besonders hervorgehoben. Zum allgemeinen, sehr positiven Pressetenor gesellten sich auch Kritiken, die die Präsentation betrafen, so wurde die Gegenüberstellung zwischen Gegenwartskunst und Kultgegenständen kritisiert621 oder aber die Räume wurden als karg und dunkel beschrieben.622 Das Gebäude wurde in der Presse wegen seiner Lichtführung u. a. auch mit einer Kirche verglichen.623 Auch von den Trägern selbst wurden Vergleiche zum Kirchenraum angestellt und sogar Handlungen durchgeführt, die sonst in Kirchenräumen verortet sind. Am Tag der Einweihung „Kolumbas“ gab es ein Pontifikalamt in der Hohen Domkirche, eine Messfeier, welche eigentlich nur Sakralbauten zusteht, es folgte eine Prozession zum Neubau und die Einweihung des Gebäudes durch forderung“ stamme von Hans Magnus Enzensberger aus dem Essay „Museum der modernen Poesie“ aus dem Jahre 1960. (Vgl. Korff 2009. S. 14–15). 619 Vgl. Korff 2009. S. 12f. 620 Vgl. Interview Köln (B2: 01:07:19). 621 „Es meisnert also durchaus im Diözesanmuseum, auch wenn die Versuche, das aktuelle Kunstgeschehen für die christliche Glaubenswelt fruchtbar zu machen, nur selten überzeugen. […] Doch wer die Grenzen zwischen Kunstglauben und Gottglauben aufhebt, landet meist nur im Beliebigkeitsmystizismus. Da wird der Gegenwartskunst eine Spiritualität angedichtet, die sie nicht hat. Und umgekehrt werden alte Kultgegenstände in eine Kunstsphäre gerückt, in der primär die ästhetischen Werte zählen.“ (Rautenberg 2007). 622 „Die Kölner Museumsleute setzen auf frostige Leere, auf Dunkel oder Halbdunkel, auf allersparsamste, bilderfeindliche Bespielungen und eine aufdringliche Unterdrückung des Pathos. […] In Köln herrscht eine unangenehme Verkrampfung, eine metaphysische Präsentation, die ästhetische Lust verbietet und den historischen Reichtum durch zeitgenössische Kargheiten verdirbt.“ (Beaucamp 2011). 623 „So diskret der katholische Hintergrund gehandhabt wird, verheimlichen will das Museum seine Herkunft nicht. In der Architektur finden sich Motive, die man aus dem Kirchenbau gewohnt ist: der manipulative Einsatz von Licht etwa, der allein durch Sonne und Schatten eine sakrale Aura schafft. Oder die Treppen, die lang und schmal sind wie ein Kreuzgang. Enge Kabinette, die sich mit großzügigen Räumen abwechseln.“ (Gärtner 2008. S. 108–110).

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S.E. Joachim Kardinal Meisner.624 Der Kardinal suchte in seiner Rede nach Begriffen für das Gebäude und sprach vom „erweiterten Sakralraum“ oder einem „Sakralbau in den Dimensionen eines Museums.“625 Bei der Einweihung des Neubaus klopfte Kardinal Meisner, der Bauherr, mit seinem Hirtenstab dreimal an die Tür, worauf ihm der Architekt, Zumthor, von innen öffnete.626 Dies ist ein Ritual zur Einweihung einer Kirche. Die Frage nach der Definition der Räumlichkeit vermochte auch Direktor Kraus nicht eindeutig zu beantworten. Zwar sah er in den Räumlichkeiten „Kolumbas“ ein Vorbild für die Einrichtung eines Kirchenraumes, mochte „Kolumba“ aber ganz klar nicht als Kirche verstanden wissen, obwohl, wie er sagte, „Kolumba“, da es auf dem Grundriss einer Kirche gebaut wurde, Stimmungen wie in einer Kirche hervorrufen könne.627 Weitere Museen der katholischen Kirche Auch in anderen Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum vollzogen sich nach dem Jahrtausendwechsel Änderungen. Das Regensburger „Dom624 Weitere Redner waren der Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, Bürgermeister Müller, Zumthor und Plotzek. (Vgl. Kraus 2010. S. 432–433). 625 „Normalerweise rangieren Museen unter Profanbauten. Dort ist eine schlichte Haussegnung angebracht, aber keine Messfeier. […] Und doch tun wir das in Köln ganz bewusst, weil das Kunstmuseum unseres Erzbistums Köln, schlicht genannt KOLUMBA, gleichsam ein erweiterter sakraler Raum ist. […] Und ich bin zutiefst überzeugt, dass KOLUMBA ein Sakralbau in den Dimensionen eines Museums ist.“ (Meisner 2007). 626 Vgl. Kraus 2010. S. 434. 627 „Ich würde mir wünschen, dass Kolumba, indem es zeigt, was ein Raum den Menschen geben kann, noch einmal Rückschlüsse zulässt auf das, wie wir mit Kirchenräumen umgehen sollten: In vielen Kirchenräumen findet sich genau das, was wir hier auf den Prüfstand gestellt haben. Wenn ich heute Kirchen betrete, werde ich in vielen Fällen überfallen von Infoständen, die dort einfach nicht hingehören. […] Obwohl Kolumba ganz klar keine Kirche ist. Andererseits, wenn man auf dem Grundriss einer Kirche baut, dann macht es schon Sinn, dass dieses Haus zeigt, dass es Stimmungen bringen kann, die man vielleicht auch von einem Kirchenraum erwarten würde.“ (Kraus 2008). Oder: „Dabei ist es von großer Bedeutung, dass Kolumba keine Kirche ist, also weder in der Gefahr steht, die Kunst zu funktionalisieren, noch den Kirchenraum als Galerie zu missbrauchen. Andererseits bleibt sich ein Haus, das auf den Mauern einer ehemaligen Kirche errichtet wurde, seiner Wurzeln bewusst. […] Unsere Erfahrungen sind auf den Kirchenraum und auf die Liturgie unmittelbar übertragbar. Dabei spielen Details eine Rolle, die man intuitiv erleben kann. Ich greife zwei Beispiele heraus: Ein gut gesprochener Satz, ein gut gesprochenes Wort – etwa in der Lesung – kann im Raum stehen wie eine Skulptur, kann ein Volumen erhalten, das uns seine Bedeutung besser vermittelt, als es jede Auslegung könnte – es kann uns berühren!“ (Kraus 2010a).

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schatzmuseum“ berichtete, dass es 2002 nach neuesten museologischen Erkenntnissen restauriert wurde.628 2005 wurden die Schauräume in Bamberg erweitert. Durch die museale Präsentation von „alter und neuer Kunst soll der Zugang zur christlichen Botschaft ermöglicht werden.“629 2007 berichtete das „Dommuseum“ Frankfurt, dass durch den Bau des Hauses am Dom die Ausstellungsfläche um 100 % vergrößert wurde.630 2008 verlautbarte das Museum in Augsburg, dass seine Aufstellung nicht einem chronologischen Ordnungsprinzip folge, sondern sich durch liturgische, kunsthistorische oder funktionale Zusammenhänge ordne. 631 Im Trierer Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum „Museum am Dom“ stellte man Werke alter und zeitgenössischer Kunst gegenüber, man wollte den Betrachter zum Dialog einladen und zum Nachdenken anregen. „Es ist der Ort der Begegnung und Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst und deren religiöser Dimension.“ 632 In Osnabrück wurden die Exponate nach der Neueröffnung 2008 nicht mehr nach kunsthistorischen Kriterien ausgestellt, sondern „durch zeitliche und inhaltliche Schwerpunkte, kultur- und kirchengeschichtliche Zusammenhänge präsentiert.“633 Im Museum „Domschatz Essen“, welcher 2009 mit vergrößerter Ausstellungsfläche wiedereröffnet wurde, ging die Leiterin, die Kunsthistorikerin Birgitta Falk, stärker stilistisch und chronologisch vor als bisher. Die Beschriftungen sollten den Besuchern die historische Einordnung der Exponate erleichtern. Auch bei der Beschreibung des Katalogs wurde Wert auf eine wissenschaftliche Herangehensweise gelegt. Der Essener Domschatz wurde bei der Eröffnung durch Diözesanadministrator Weihbischof Franz Vorrath gesegnet.634 2010 wurde in Hildesheim ein neues Diözesanmuseum geplant. Es sollte kein chronologischer Rundgang, sondern eine thematische Gliederung geschaffen werden. Man strebte Besucherführung über Wegachsen an, nicht über Didaktik, die Objekte sollten selbsterklärend sein, das Konzept sollte sich über das erschließen, was man sehe, nicht das, was man lese. 635 Zusammenfassung Das „Rundschreiben 2001“ hatte einige konkrete Angaben gemacht, wie es sich die Gestaltung eines Museums der katholischen Kirche vorstellte. Diese Angaben waren die Hauptkritikpunkte am „Rundschreiben 2001“, da sie als normativ empfunden wurden und das Museum der katholischen Kirche dem staatlichen Museum 628 Vgl. Reidel 2003. S. 108. 629 Bamberger Diözesanmuseum 2008. 630 Vgl. Heuser 2007. 631 Vgl. Augsburg 2008. 632 Trier 2008. 633 Osnabrück 2008. 634 Vgl. Germes-Dohmen 2009. S. 154f. 635 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2010.

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gleichgestellt werde, was nicht dem Sinn des Museums der katholischen Kirche entspreche. Man stand vor dem Problem: musealer Anspruch versus pastorales Ziel. Die vier Fallbeispiele haben gezeigt, dass der konkrete Umgang mit diesem Dualismus sich in den einzelnen Häusern unterschied. Der Gestaltung des Eingangsbereiches der Museen – und damit der Situation der ersten Kontaktaufnahme des Besuchers mit dem Museum – wurde im „Rundschreiben 2001“ viel Platz gegeben. Das „Museum am Dom“ in Würzburg war der Forderung des „Rundschreibens 2001“ nach Zugänglichkeit und einer leichten Identifizierbarkeit als Museum nachgekommen. Der Eingang sollte laut dem „Rundschreiben 2001“ das Konzept des Museums bereits deutlich machen. In diesem Fall kann die Modernität des Baus bereits als Hinweis auf zeitgenössische Kunst im Innenraum gelesen werden. Eine Anlehnung an einen Kircheneingang war hier jedoch nicht gegeben, genauso wenig bei den anderen Beispielen. Bezüglich der Eingangsgestaltung war lediglich „Kolumba“ auffallend, da der Eingang genau das Gegenteil der Forderungen des „Rundschreibens 2001“ darstellte: unauffällig und kaum als Museum identifizierbar. Das „Rundschreiben 2001“ wünschte sich eine Wegführung für die Besucher. In ihren Aussagen möchten Würzburg, Admont und Köln diesem Konzept explizit nicht entsprechen, sondern der Besucher solle sich frei bewegen können. Bei genauer Betrachtung kann in Admont und Köln jedoch eine gewisse Besucherführung festgestellt werden. Freising möchte als einziges Beispiel die Wegführung durch eine striktere chronologische Hängung sogar ausbauen. Die Exponate sollten laut „Rundschreiben 2001“ mit den Räumlichkeiten abgestimmt sein und es wurde empfohlen, die Werke nach museologischen Kriterien zu beschriften und weitergehende Informationen zur territorialen, kunsthistorischen und religiösen Geschichte des Werkes zur Verfügung zu stellen. Die Beschilderung mit Künstlername und Titel etc. entsprach in Würzburg, Admont und Freising der Forderung des „Rundschreibens 2001“. Allerdings wich man mit der thematischen Anordnung der Werke in Würzburg von einer kunsthistorischen Präsentation ab. Köln tat dies in noch größerem Maße, indem es thematisch gliederte und keine Beschilderung anbrachte. Würzburg und Köln wiesen in ihrer Präsentation eine Möglichkeit auf, dem Entrücken der Kunstwerke durch eine museale Präsentation entgegenzuwirken, indem die Werke in besonderer Form zueinander arrangiert wurden. Diese Idee der Verlebendigung von Kunst durch Gegenüberstellungen von Kunstwerken unterschiedlicher Epochen wurde von einigen Autoren als Lösung für das Problem „musealer Anspruch versus pastorales Ziel“ gesehen und auch die Deutsche Bischofskonferenz sah, dass die Kirche durch ein „Cross-Over“ der Kunst diese vor einer musealen Erstarrtheit bewahre. Weiterhin befand das „Rundschreiben 2001“, dass der beste Weg, den Wert eines Kunstwerkes zu vermitteln, darin bestehe, dass der Besucher die Werke miteinander verbinde und zum Nachdenken gelange. Gerade diese Punkte, die Verbindung zwischen Kunstwerken und der

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Denkanstoß durch Kunst waren die Hauptanliegen der Präsentation des „Museums am Dom“ und „Kolumbas“. Wenn man den kurzen Überblick über andere Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum betrachtet, hatte diese Art der Präsentation Vorbildcharakter. Auch in Freising sah man es als ideal an, wenn Werke sich gegenseitig deuten, allerdings war das Verständnis in Freising weniger auf philosophische Lebensfragen als auf die christliche Funktion der Werke bezogen, was indessen auch im „Rundschreiben 2001“ gefordert worden war. Die Praxis des nichtchronologischen Ausstellens und das Gegenüberstellen von älterer und zeitgenössischer Kunst fand auch in staatlichen Museen Niederschlag. Im Folgenden seien nur einige ausgewählte Beispiele aufgeführt, die dies unterstreichen. Das „Museum Kunstpalast“ in Düsseldorf ließ 2001 zwei Düsseldorfer Künstler die Sammlung neu präsentieren. Die Künstler ordneten die Sammlung nach Themen, neue und alte Kunst wurde miteinander ins Verhältnis gesetzt, dabei sollten sinnliche und intellektuelle Erfahrungen ermöglicht werden. Weiterhin versuchten die Künstler durch verdichtete Hängungen in manchen Räumen und andererseits durch Konzentration auf nur ein Werk in anderen Räumen, von der üblichen Präsentationspraxis abzuweichen und damit auch den Dialog mit den Werken zu ermöglichen. Auf die Ausstellung folgten scharfe Auseinandersetzungen mit dem Museumsbund und einigen Kunsthistorikern. Eine Frage lautete: Was bedeutet es für ein Kunstmuseum, wenn eine objektive historische Ordnung durch persönliche Kriterien ersetzt wird?636 Die heftige Diskussion in Museumskreisen über diese Ausstellungspraxis zeigt, dass diese 2001 noch nicht Usus war. Interessanterweise nannten die beiden Künstler das Konzept ihrer Ausstellung „Schule des Sehens“.637 Ein Begriff, den man im Zusammenhang mit Museen der katholischen Kirche seit 1995 auch gerne verwendete.638 2003 beschrieb Chris Dercon sein Programm für das „Haus der Kunst“ in München wie folgt: „Ich brauche die alten Meister, um das Neue anerkennen zu können. Ich brauche aber auch das Neue, um die Aktualität der Alten zu sehen. In Rotterdam habe ich zum Beispiel die Werke von Hieronymus Bosch mit Gegenwartskunst konfrontiert. Die Aktualität klassischer Kunst zu zeigen, wird ein wichtiger Schwerpunkt sein.“639

Weitere Beispiele sind die „Staatliche Kunsthalle Karlsruhe“, welche mittelalterliche Kunst mit zeitgenössischer Kunst kombiniert. Die FAZ nannte hier im Reigen der Kunstmuseen auch „Kolumba“: „Die thematischen Schauen laden zum Miterle636 Vgl. Wall 2006. S. 290ff. 637 Vgl. Wall 2006. S. 292. 638 Siehe „Zusammenfassung“ von Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“. 639 Gfaller 2003.

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ben ein und zeigen exemplarisch, wie sich ein Museum mit Profil im 21. Jahrhundert positionieren kann.“640 Ein anderes Beispiel ist das „Museum für Moderne Kunst Frankfurt“, welches seine Depotbestände und keine feste Dauerausstellung zeigte.641 2009 stellte das „Museum Kunstpalast“ in Düsseldorf in der Ausstellung „Seitenwechsel. Unsere Sammlung neu gesehen“ mittelalterliche Skulpturen aktuellen Fotoarbeiten von Candida Höfer gegenüber.642 Das „K21“ in Köln präsentierte seine Sammlung 2010 neu in „K21 Silent Revolution – Eine neue Sammlungspräsentation“. Hier wurden Gemälde, Installationen, Skulpturen, Fotografie und Videoarbeiten, welche vorher getrennt präsentiert worden waren, gemeinsam ausgestellt: „Das programmatische Fundament der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen wird in der ersten Etage von Silent Revolution in markanten dialogischen Gegenüberstellungen vor Augen geführt.“643 2011 ging das „Kunsthistorische Museum Wien“ einen ähnlichen Weg: In der Ausstellung „Fabre. Die Jahre der Blauen Stunde“ wurden zeitgenössische Werke in die Sammlung gehängt: „Auf diese Weise entsteht ein spannender Dialog zwischen dem Zeitgenössischen und dem Historischen, dem Vergänglichen und dem Ewigen.“644 Das „LWL-Landesmuseum für Kunst und Kultur“ in Münster präsentierte während seiner Umbauphase seine Sammlung unter dem Titel „Aufgemischt – Meisterwerke der Sammlung im Dialog“. Die Kunstwerke wurden nicht chronologisch gegliedert, sondern epochenübergreifend präsentiert: „Thematische, formale sowie Stimmung und Gefühl erzeugende Gemeinsamkeiten sind Kriterien für ihre Auswahl und Gruppierung.“ Die Wortwahl des Münsteraner Museums zeigt deutliche Analogien zur der in den Museen der katholischen Kirche verwendeten Bezeichnungen.645 Die aufgeführten Beispiele der staatlichen Museen fanden zeitlich nach den Präsentationen in den Museen der katholischen Kirche statt und sind meist auch nur temporär in Sonderausstellungen oder während Umbauzeiten präsentiert. Es gibt jedoch auch Vorläufer, im Kapitel „Zusammenfassung“ in Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“ wurden bereits zwei Beispiele von Museen 640 Karich 2011. 641 Vgl. Karich 2011. 642 Vgl. Museum Kunstpalast 2010. 643 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen 2010. 644 Kunsthistorisches Museum Wien 2013. 645 „Auch starke Gefühle, Trauer, innere und äußere Verletzung, Leid und Qual sind in Kunstwerken vom Mittelalter bis zur Gegenwart spürbar: Einer plastischen Marienklage aus dem späten 14. Jahrhundert, der Unnaer Pietà, antworten das schutzlos und nackt nah an den Bildbetrachter gerückte Weinende Mädchen (1909) Edvard Munchs und Lucio Fontanas „Bildwunde“ aus dem Jahr 1959. Trost und Hoffnung ausstrahlende Kunstwerke sind dialogisch dem Thema Leid im gleichen Raum zugeordnet.“ (LWLMuseum für Kunst und Kultur 2010).

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aufgeführt, die als Vorbilder für Museen der katholischen Kirche gedient haben könnten. Die Diskussion, die im Falle der Präsentation im „Museum Kunstpalast“ in Düsseldorf in Museumskreisen stattfand, signifiziert jedoch die Problematik der Kunsthistoriker mit dieser experimentellen Art des Kuratierens. Kunsthistorisch geführte Häuser müssen sich in stärkerem Maße einer wissenschaftlichen Nachvollziehbarkeit des Ausstellungskonzeptes stellen als von der katholischen Kirche geführte Museen. Es kann hierdurch die Vermutung formuliert werden, dass Museen der katholischen Kirche bei experimentellen Hängungen einen größeren Spielraum haben als andere Kunstmuseen. Es stellt sich die Frage, wie der Raum eines Museums in katholischer Trägerschaft definiert wurde. Hier gab es zwei Orte, die im „Rundschreiben 2001“ und bei den Fallbeispielen eine Rolle spielt: das Kunstmuseum, das in der Regel nach kunsthistorischen Richtlinien betrieben wird, und der Kirchenraum. Das „Rundschreiben 2001“ betonte, dass das Museum der katholischen Kirche nach musealen Standards betrieben werden sollte. Bei den einzelnen Fallbeispielen wurden unterschiedliche Handhabungen des kunsthistorischen Aspektes gefunden. Freising legte einen Schwerpunkt auf kunsthistorische Fragen. Die Anerkennung durch staatliche Kunstmuseen spielte für das Selbstverständnis von Freising eine wichtige Rolle – im Gegensatz zu Würzburg, wo man kunsthistorische Fragen als langweilig empfand, und Admont, wo sie als Luxus angesehen wurden. Für Köln spielte die Kunstgeschichte keine maßgebliche Rolle, jedoch sah man es gerne, wenn man Wissenschaft mitgestaltete und die Präsentation wurde in Publikationen in eine kunsthistorische Entwicklung eingegliedert. In „Kolumba“ versuchte man nicht, die Anerkennung der Kunsthistoriker zu erlangen, und sah dies nicht als ein Qualitätskriterium, vielmehr bemühte man sich, seine Andersheit zu betonen, dies aber nicht außerhalb, sondern als neuer Impuls innerhalb des wissenschaftlichen Kontextes. Während museale Standards laut „Rundschreiben 2001“ im Museum der katholischen Kirche Beachtung finden sollten, sollte der Eingangsbereich von dem des Sakralbaus inspiriert worden sein, auch dürfte es sich im Inneren nicht um undifferenzierte Räume handeln. Eine Definition, was unter „differenzierten“ Räumen zu verstehen sei, ist dem „Rundschreiben 2001“ jedoch nicht zu entnehmen. Eine einfache Definition des „Heiligen“ gibt es unter Religionswissenschaftlern nicht. Die Begriffe „sakral“ und „Sakralität“ sind relativ neu und wurden erst im 19. Jahrhundert aus lateinisch „sacer“ abgeleitet.646 Das Christentum hat eine andere Position angenommen, als es der Tempel in der Antike darstellte. Im Tempel wohnte das Göttliche, es war kein Versammlungsort.647 Im Christentum wurde „durch die Menschwerdung des LOGOS der Unterschied zwischen sakral und profan hinfällig.

646 Vgl. Sternberg 2002. S. 139. 647 Vgl. Blankesteijn 2002.

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Die ganze Welt ist heil, weil Gottes Sohn ein Teil von ihr geworden ist.“648 Deshalb haben die ersten Christen adaptierte Markt- und Gerichtshallen – Basiliken – als Kirchen genutzt. Bereits im 4. Jahrhundert hat sich jedoch auch bei den Christen ein Bewusstsein für heilige Orte herausgebildet. Ein Hinweis dafür ist, dass christliche Kirchen, auch wenn sie ganz neu gebaut werden mussten, immer wieder an denselben Ort gebaut wurden.649 Udo Tworuschka hat analysiert, dass nach allgemeiner Auffassung Tempel, Kirchen, Moscheen heilige Stätten seien, im Gegensatz zu Theatern, Museen, Konzertsälen. Der Religionswissenschaftler Georg Schmid verglich jedoch „typisch religiöse“ (heilige) mit „typisch säkularen“ (interessanten) Phänomenen und stellte fest, dass beiden ähnliche Eigenschaften zugeordnet wurden. Sie haben beide besondere Zeiten und besondere Räume, die sich von allem Draußen unterscheiden, durch besondere Qualitäten und stark betonte Grenzen. 650 Unter Religionsphänomenologen unterschiedlicher Schulen schält Tworuschka folgende groben Differenzierungen heraus: Heilige Orte werden als ein „Macht-Raum“ gedeutet, in dem sich Macht kundtut oder durch welchen Macht kundgetan wird, als „Erlebnis-Raum“, an dem besondere Gefühle haften, als „Kult-Raum“, der dem Kultvollzug einer Gemeinschaft dient, als „Begegnungs-Raum“, an dem sich eine Symbolstiftung vollzieht, oder als „Übergangs-Raum“, der zur Nahtstelle zwischen Himmel und Erde, Transzendenz und Immanenz wird.651 Wall sah Parallelen im Verhalten von Museumsgängern und Kirchenbesuchern. Er sieht die Ursache in der strikten Trennung von Kunst und Lebenswelt. 652 Die obigen Aussagen treffen sowohl auf den Raum des Museums als auch auf den Kirchenraum zu. Auch in der Literatur um 1800 – wie zum Beispiel in Wilhelm Heinrich Wackenroders „Herzergießungen eines Kunstliebenden Klosterbruders“ oder in Goethes 8. Buch von „Dichtung und Wahrheit“ in der Passage über den ersten Besuch der Dresdner Schlossgalerie – wurden Museum und Tempel miteinander verknüpft.653 Susan Kamel ging davon aus, dass die Begriffe, welche religiöse Erfahrungen, und solche, die ästhetische Erfahrungen beschreiben, miteinander verwandt seien. Sie führte als Beispiel Wörter wie „Unmittelbarkeit“ oder „Sinn und Geschmack fürs Unendliche oder Unsagbare“ an, welche für sie den Versuch darstellen, die Erfahrung der empirischen Wissenschaft zu entheben. „Der religiöse Mensch scheint ebenso begabt wie der Kunstgenießer, der eine zur religiösen, der andere zur ästhe648 Neuhardt 2000. 649 Vgl. Neuhardt 2000. 650 Vgl. Schmid 2000. S. 60. 651 Vgl. Tworuschka 2000. S. 60. 652 Vgl. Wall 2006. S. 55. 653 Vgl. Englert 2002. S. 165.

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tischen Erfahrung.“654 Kamel führte sogar die rein „formal-ästhetische Präsentationsart“, wie wir sie in den Museen der katholischen Kirche gefunden haben, auf eine Verbindung zwischen ästhetischem und religiösem Erleben zurück: „Eine rein formal-ästhetische Präsentationsart versucht, so eine erste These, eine Identifizierung ästhetischer mit religiöser Erfahrung in der vermeintlichen Unmittelbarkeit zu erzwingen. Der Kunstgenießer scheint in dieser Logik ebenso begabt wie der religiöse Mensch, der eine zur ästhetischen, der andere zur religiösen Erfahrung. Hinzu kommen Tendenzen einer Sakralisierung der Kunst durch Kunsthistoriker. Diese kunsthistorischen Positionen setzen – ganz im Sinne der Religionsphänomenologie – eine religiöse Inspiration aller Kunst voraus.“655

Interessant ist auch die Betrachtung der Abstammung der Wörter „Kirche“ und „Museum“. Während „Ecclesia“ von der römischen Bürgerversammlung abstammt und somit die Gemeinschaft der Christgläubigen meint und nur metonymisch für den Bau gebraucht wird,656 leitet sich das lateinische Wort „Museum“ vom griechischen „mouseíon“ ab, welches einen den Musen geweihten Tempel benennt. Als „templum“ wird ursprünglich ein durch göttliche Erscheinungen oder geheimnisvolle Naturgegebenheiten geheiligter Bezirk bezeichnet.657 Somit bezieht sich etymologisch betrachtet das Wort „Museum“ stärker auf einen örtlich bezogenen heiligen Begriff als das Wort „Kirche“. Das Kirchenrecht bezeichnet in can. 1205–1243 als heilige Orte: Kirchen, Kapellen und Privatkapellen, Heiligtümer, Altäre und Friedhöfe, die sich dadurch auszeichnen, dass sie für den Gottesdienst oder das Begräbnis der Gläubigen bestimmt sind und durch Weihung oder Segnung nach den liturgischen Büchern hervorgehoben werden.658 Demnach würde es sich bei einem Museum der katholischen Kirche um keinen heiligen Ort handeln. Die genaue Benennung oder Definition blieb sowohl im „Rundschreiben 2001“ als auch bei den einzelnen Fallbeispielen schwammig. In Würzburg handelte es sich um einen Neubau in unmittelbarer Nachbarschaft zum Dom, dem Bau wurden von der Diözese architektonische Anleihen vom Sakralraum zugeschrieben. In Admont befand sich das Museum in einem Kloster in umgebauten Räumlichkeiten, auch in Freising handelte es sich um umgebaute Räume innerhalb des Dombergkomplexes und in Köln um einen Neubau mit einem Sakralbau innerhalb der Gebäudehülle. Somit wiesen alle Museen einen unmittelbaren Bezug zu katholischen Orten auf und im Fall von Köln wurde der Bezug zur 654 Kamel 2004. S. 103. 655 Kamel 2004. S. 14. 656 Vgl. Sternberg 2002. S. 139. 657 Vgl. Englert 2002. S. 165. 658 Vgl. Paulus/Aymans 1994. S. 529–531.

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sakralen Architektur auch von Außenstehenden erkannt. In Freising wollte die Direktorin weg von der Gestaltung der Lichtverhältnisse wie in einem Kirchenraum, hin zu einer musealeren Lösung. Jedoch wurden besonders religiös verehrte und kostbare Werke durch Lichtverhältnisse und eine Kniebank religiös inszeniert und sogar Messen im Museum zelebriert. In Köln hieß es von Seiten der Kuratoren, dass es sich ganz klar um ein Kunstmuseum handele und nicht um eine Kirche, der Bischof weihte das Museum jedoch wie eine Kirche. Man wollte das Haus am liebsten einfach „Kolumba“ nennen, um sich einer Definition zu entziehen. In Würzburg hatte man versucht, Begriffe zu finden, die Sprache war vom kirchlichen Museum als „Vorhof“, als „Schwelle vom Profanum ins Fanum“ oder als „ein Ort der spirituellen Konzeption“. Im Museum der katholischen Kirche stand man vor der Problematik: musealer Raum versus christlicher Raum. Das Museum der katholischen Kirche wurde in Architektur und Präsentation einem Spagat unterzogen: zwischen dem Streben nach Anerkennung als Museum und der damit verbundenen Forderung nach Professionalität in der Praxis, deren Maßstäbe von staatlichen Museen geprägt wurden, und der Einsicht, dass sich das Museum der katholischen Kirche durch seinen Auftrag auch in der Ausstellungspraxis stark von anderen Museen unterscheiden müsse. Das Museum der katholischen Kirche wurde zwischen Kirchenraum und musealem Raum angesiedelt, diese Schwebe wurde nicht diskutiert, sondern etwa durch neutrale Namensgebung unterstrichen. Keines der betrachteten Häuser wollte als Zeichen des Stolzes der Kirche gesehen werden. Vielmehr stand in allen Fällen primär der Besucher im Mittelpunkt. Der Besucher der Jetztzeit sollte angesprochen werden, dies wird in Kapitel „Was sollte das Museum der katholischen Kirche vermitteln – Wissen weitergeben, Emotionen hervorrufen“ auch nochmal bestätigt werden. Der Gegenwartsbezug war eine der wesentlichen Forderungen des „Aggiornamento“ des „Zweiten Vatikanischen Konzils“,659 welcher sich auch im „Rundschreiben 2001“ fortsetzte und für die pastorale Funktion des Museums der katholischen Kirche immanent wichtig war. Wie in Kapitel „Was sollten Museen der katholischen Kirche zeigen – Bewahren oder aktiv Sammeln“ jedoch ausgeführt worden ist, stellte gerade das Sammeln von zeitgenössischer Kunst um die Jahrtausendwende eine wichtige Rolle in der Selbstinszenierung von Firmen und politischen Persönlichkeiten dar. Somit muss auch die Präsentation von zeitgenössischer Kunst in Museen der katholischen Kirche, auch wenn sie sich primär an den Besucher wendet, als eine Aussage über die Positionierung der katholischen Kirche innerhalb der Gesellschaft gewertet werden. Der Direktor „Kolumbas“ Kraus, hatte 2010 geäußert, dass er den Rückzug der Politik aus Kulturfragen als eine Chance für die Kirche in Bezug auf die ästhetische Bildung

659 Vgl. das Kapitel „Das „Zweite Vatikanische Konzil“ (1962–1965)“.

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sehe.660 Hier zeigt sich ganz klar die Hoffnung auf den Rückgewinn einer Partizipation in künstlerischen Fragen, wobei die katholische Kirche lange Zeit Deutungshoheit in diesem Bereich innehatte – wie in Teil I dieser Arbeit gezeigt wurde.

W AS SOLLTE DAS M USEUM DER KATHOLISCHEN K IRCHE VERMITTELN – W ISSEN WEITERGEBEN , E MOTIONEN HERVORRUFEN Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz „Durch Führungen, Vorträge, Publikationen (Museumskataloge, Kataloge von Ausstellungen für Schulen, anschauliche Prospekte von den Kulturangeboten in der Region) haben die Besucher die Möglichkeit, die Grundelemente des Christentums aufzunehmen, dem die meisten von ihnen durch die Sakramente der christlichen Initiation persönlich beigetreten sind. Sie können mit Hilfe dieses ungewöhnlichen Instrumentes wieder Mittel und Wege finden, um auf dem Glaubensweg zu wachsen und zu reifen und schließlich ihre Zugehörigkeit zu Christus besser zum Ausdruck bringen zu können. Die Nichtglaubenden können dann beim Besuch der kirchlichen Museen eine Ahnung davon erhalten, welche Bedeutung von der christlichen Gemeinde der Verkündigung des Glaubens, dem Gottesdienst, den Werken der Nächstenliebe und einer christlich inspirierten Kultur beigemessen wurde.“661

Das „Rundschreiben 2001“ machte neben allgemeinen Aussagen, wie Hinweise auf Führungen oder audiovisuelle Medien, keine konkreten Aussagen zur Art der Vermittlung, sondern mehr über das Ziel der Vermittlung. Wichtig und in der Konsequenz seiner offiziellen Formulierung neu war, dass die Museen nicht nur die Vergangenheit dokumentieren, sondern immer auch eine Sendung in die Gegenwart besitzen sollten. Wie der Titel des „Rundschreibens 2001“ besagt, wurde die Funktion des Museums der katholischen Kirche als pastorale verstanden. Dabei wurde akzentuiert, dass ein Museum der katholischen Kirche auch Zentrum kultureller Belebung sein könne.662 An dieser Stelle spiegelte sich der

660 „Während die Politik sich schrittweise von der Kultur verabschiedet, wächst der Kirche – hier in der gesamten Wortbedeutung – mit Blick auf die ästhetische Bildung eine große Chance zu. Aber wie in der Politik wird es davon abhängen, ob das Bekenntnis zur Kultur nur ein Lippenbekenntnis ist oder von den Verantwortlichen – von den Priestern wie von jedem Einzelnen von uns – verinnerlicht ist und aus persönlicher Überzeugung gelebt wird.“ (Kraus 2010a). 661 Rundschreiben 2001. 662 Vgl. Rundschreiben 2001.

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Leitgedanke des „Zweiten Vatikanischen Konzils“ wider: „Aggiornamento“ – „Verheutigung“, die zeitgemäße Verkündigung der überlieferten Glaubenslehre in der Gegenwart.663 Während Papst Johannes Paul II. in seiner ersten Rede an die „Päpstliche Kommission für Kulturgüter der Kirche“ 1995 noch allgemein von einer aktiven Rolle der Kultur sprach und die Kommission nicht als rein konservatorisches Organ auffasste, bezog er sich zwei Jahre später, in seiner Rede 1997 an die Kommission, konkret auf Museen der katholischen Kirche und bezeichnete diese als „lebendige Stätten“ und betonte somit ihre Funktion in der Gegenwart. 664 Dass Kunst und Kultur von der römischen Kurie als Tätigkeit innerhalb der Pastoral angesehen wurden, war schon in früheren Dokumenten dargelegt worden, zum ersten Mal innerhalb des „Zweiten Vatikanischen Konzils“: In IM 13 wurden künstlerische Tätigkeiten der Laien als ein Beitrag zur Pastoral verstanden. Nun wurde dem Museum der katholischen Kirche selbst diese Funktion zugeordnet. So sollte das Museum der katholischen Kirche nicht rein historische, anthropologische Werte oder ästhetisches Wissen vermitteln, sondern auch die geistige und religiöse Dimension dieser Werte erfassen. Im „Rundschreiben 2001“ wurden der Gottesdienst, die Katechese, die Kultur und vor allem die Nächstenliebe als im Museum zu vermittelnde Themenkomplexe genannt, welche insgesamt als die „civitas christiana“ bezeichnet wurden. Kirchliche Kulturgüter sollten nicht als rein ästhetische Objekte dargestellt werden, sondern mit ihrer pastoralen Funktion und der historische, soziale, raum- und andachtsbezogene Zusammenhang der Exponate sollte weiterhin ablesbar sein. Der beste Weg, den Wert der Kunstwerke zu veranschaulichen, sei jedoch, wenn man es schaffe, die Besucher dazu zu bringen, sich umzuschauen und nachzudenken, so dass sie die Kunstwerke miteinander verbinden.665 Im deutschsprachigen Raum wurde 2003 eine Sonderausgabe der Zeitschrift „Das Münster“ zu dem Schwerpunkt „Kirchliche Museen und Schatzkammern“ herausgegeben. Darin äußerte sich der katholische Geistliche Ludwig Mödl über die pastorale Bedeutung kirchlicher Museen. Seine Ansichten stimmten mit denen aus Rom überein. Mödl möchte dem Besucher die Identifizierung mit der Größe der eigenen Geschichte ermöglichen, an den Originalen die Bedeutung der christlichen Glaubensgeschichte zu spüren geben, den Besucher mit alten Bräuchen bekannt machen und naturnahe Lebenshilfe anbieten. Auch die Biographien von Heiligen könnten, nach Mödl, als Vorbilder auf dem Glaubensweg dienen.666 Der Künstler Kathan, welcher sich in derselben Ausgabe über Diözesanmuseen äußerte, brachte einen kritischen Ansatz ein und wies auf die Gefahr hin, dass diese neue Ausrichtung des Museums der katholischen Kirche es zu einem Erlebnismuseum der Tou663 Siehe Kapitel „Das „Zweite Vatikanische Konzil“ (1962–1965)“. 664 Siehe Kapitel „Ansprachen Papst Johannes Paul II. an Kulturbeauftragte (1997)“. 665 Vgl. Rundschreiben 2001. 666 Vgl. Mödl 2003a. S. 80–81.

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rismusindustrie auf der Suche nach dem schnellen Effekt machen könnte. Kathan sah die Zukunft von Diözesanmuseen als einen Ort, an welchem unterschiedlichste Veranstaltungen angeboten würden, ohne Dauerausstellung. Er nannte es einen sperrigen Ort mit „oft unangenehmem Hinterfragen jener Antworten, welche die Kirche anbietet.“667 Er wollte jedoch auch, dass nicht die Konservierung im Vordergrund stehe, sondern die Beschäftigung mit Problemen der Gegenwart mit Hilfe von Kunstwerken.668 Das „Rundschreiben 2001“ hatte bereits betont, dass Museen der katholischen Kirche nicht lediglich ein touristisch-kulturelles Angebot sein sollen. Ebenfalls solle sich ihe Funktion nicht auf die einer Sammlung von Kuriositäten und Antiquitäten wie in der Renaissance oder eines Musentempels nach der etymologischen Bedeutung des Begriffs „Museum“ beschränken.669 Von Bühren schrieb 2008, dass 30 Jahre nach dem „Zweiten Vatikanischen Konzil“ neue Aspekte der Museen der katholischen Kirche hinzugetreten seien. Er nannte u. a. die Auseinandersetzung mit Fragen der menschlichen Existenz, aber auch Glaubensvermittlung über kunsthistorisches Sachwissen, er stellte hier nicht die Emotion, sondern Wissensvermittlung in den Fokus. Von Bühren verstand das Museum als Ort, an dem parallel zur Kirche existentielle Sinnfragen verhandelt würden.670 Lechner sah 2008 die Aufgaben von Kunst im Kirchenraum und im Museum als unterschiedlich an: Während Museen freier seien und Fragestellungen des Menschen zugespitzter in den Raum stellen könnten, als man es im Kirchenraum könnte und sollte, sei es die Aufgabe von Kunst im Kirchenraum, die Gedanken allein auf Gott hin auszurichten unter Zurücknahme seiner selbst. „Orte der Einübung hierfür sollten und könnten in gesteigertem Maße gerade kirchliche Museen und deren Präsentationen sein.“671 Einige italienische Autoren folgten dem „Rundschreiben 2001“ in ihren Definitionen des Museums der katholischen Kirche.672 Sie betonten, dass ein Museum der katholischen Kirche sich von anderen musealen Einrichtungen durch eine emotionale Note und eine kontemplative Atmosphäre unterscheiden müsse, 673 ein Ort der 667 Kathan 2003. S. 119. 668 Vgl. Kathan 2003. S. 117–119. 669 Vgl. Rundschreiben 2001. 670 Vgl. Bühren 2008. S. 532. 671 Lechner 2008a. S. 245. 672 Petraroia sah 2008 drei Funktionen eines kirchlichen Museums: „Kulturelle Dienstleistungen für die Bildung und den Genuss“, „Schutz und Erhaltung der Kulturgüter in Zusammenhang mit der Region“ und die Vermittlung einer kirchlichen Botschaft. „Katechese und Zeugnis für die Auslegung der Kirche und der Welt von heute“. (Vgl. Petraroia 2008. S. 39). 673 Auch Garzillo und Torri sahen das Museum der katholischen Kirche, wenn es eine neue Organisation erhalten würde und sich von anderen musealen Institutionen differenzierte, als eine Chance, der gegenwärtigen Welt eine religiöse Dimension zu geben und dies

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Erfahrungen sein solle.674 Andere unterstrichen die Vermittlung und sahen ein Museum der katholischen Kirche als einen dynamischen Ort an.675 Einzig Carlo Tatta, der dem Sekretariat der italienischen Vereinigung kirchlicher Museen (AMEI) angehörte, wollte zwar auch mit dem Museum der katholischen Kirche den Gemeinden spirituellen und kulturellen Auftrieb verleihen, gab jedoch als Beweggrund an, dass Kunst mehr und mehr pervers und schrecklich sei und man dieser Tendenz Einhalt gebieten müsse, um dadurch Museen der katholischen Kirche mehr Wertschätzung zu verleihen.676 Diese Aussage Tattas im Jahre 2007 veranschaulicht, dass die Anerkennung zeitgenössischer Kunst durch Papst Johannes Paul II. in den 1980er-Jahren nicht von allen Geistlichen geteilt wurde. In Rom wurden die Aussagen des „Rundschreibens 2001“ auch umgesetzt, so berichtete eine Publikation über die Vatikanischen Museen aus dem Jahre 2007 über die „Sammlung Moderner Religiöser Kunst“, dass diese viele Wege eröffnen und durch eine ästhetische Erfahrung zu Spiritualität und Religion führen würde.677 Die vatikanische „Sammlung Moderner Religiöser Kunst“ wurde hier somit nicht

mit einer emotionalen Note. Ein Ort nicht für die Andacht, sondern zum Nachdenken sollte entstehen. Das Museum der katholischen Kirche sollte kein anonymer und kalter Ort sein, um sich mit wissenschaftlichen Fragen zu konfrontieren, sondern ergreifend. Die Autoren wünschten sich ein Museum der katholischen Kirche als einen Ort, an dem der Mensch Ruhe von der Sintflut der Informationen der heutigen Zeit finden könnte. (Vgl. Garzillo/Torri 2007. S. 35–39). 674 Propersi schrieb 2008, dass die italienischen Museen der katholischen Kirche ein Ort der Erfahrungen sein sollten. (Vgl. Propersi/Grumo 2008. S. 185). 675 Marenghi und Timpano schrieben 2008 über die Diözesanmuseen in der Lombardei, dass diese ein dynamischer Ort sein sollten, wo man sich um die Promotion und die Vermittlung seiner Sammlung kümmere. (Vgl. Marenghi/Timpano 2008. S. 198ff.) Auch Petraroia empfahl 2008 Museen der katholischen Kirche, geeignete Kommunikationsformen zu finden, welche helfen sollen, eine zwischenmenschliche Beziehung aufzubauen und nicht nur das passive Lernen fördern, sondern für ein echtes Erlebnis sorgen, nicht nur ästhetisch, sondern auch emotional. Der Wert des Kulturerbes solle durch persönliche Erfahrung gesteigert werden, welche zu einer Bereicherung der eigenen Identität führe. (Vgl. Petraroia 2008. S. 39). 676 Vgl. Tatta 2007. S. 24. 677 „In der Sammlung der Modernen Religiösen Kunst gibt es keinen unter geschichtlichen, erklärenden oder inhaltlichen Themen festgelegten Rundgang, der nicht die logischen Aspekte allein betrachtet. Es gibt viele mögliche Rundgänge, viele Systeme. Der Betrachter erlebt eine ästhetische Erfahrung, bei der die Stilvielfalt des 20. Jahrhunderts zur Eingangstür in eine Welt des Rhythmus und der Farben wird, die in die Spiritualität der Religion umgesetzt worden sind.“ (Pomella 2007. S. 219).

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als Wissensvermittlerin dargestellt, sondern als Raum für ästhetisch-religiöse Erfahrungen. Die Zusammenfassung hat gezeigt, dass auch in der Literatur über das Museum der katholischen Kirche im Jahrzehnt nach dem „Rundschreiben 2001“ betont wurde, dass die Funktion des Konservierens, des Passiven im Museum der katholischen Kirche zurücktreten sollte für das Vermittelnde und Aktive. Der Besucher und die Vermittlung zwischen Betrachter und Kunstwerk sollten im Vordergrund stehen. Das „Rundschreiben 2001“ beschrieb auch den Zweck der kirchlichen Kulturgüter als „Sendung der Kirche in der doppelten und sich wirksam ergänzenden Dynamik menschlicher Förderung und christlicher Glaubensverkündigung (Evangelisierung).“678 Würzburg „Museum am Dom“ „Und dass sie [die Besucher] spüren, dass Kunst geschaffen wird für mich, dass es keine Selbstbefriedigung ist, sondern er tut es nicht nur für sich, auch für mich. Weil er mir zur Seite stehen will auf meiner Suche nach einem Lebenskonzept oder nach einer Deutung dieser Welt. Meinen Lebensum- und zuständen. Und das ist die Aufgabe der Museumspädagogik.“679

Als eine der wichtigsten Aufgaben des Museums wurde die Öffentlichkeitsarbeit gesehen.680 Man betonte vor allem das „Was“, das man vermitteln wollte, und weniger das „Wie“. Der Betrachter solle Kunst in Bezug auf sein eigenes Leben sehen und dem Besucher eine maximale Freiheit und Offenheit vermittelt werden. Eine Zielsetzung des Museums der katholischen Kirche sei es, durch die Kunst zu verkünden und dies gebe dem Museum der katholischen Kirche seine Qualität und zeige seinen Anteil des kirchlichen Auftrages.681 Für die Identitätssuche im Diözesanmuseum sei es wichtig, dass die Kunstwerke und das ganze Museum authentisch seien. Kunst sei auf Transparenz und Transzendenz angelegt, jedoch schließe sie Zweifel und Verzweiflung nicht aus, aber gerade dadurch erlange sie Identität und Authentizität und dies sei auch gerade wichtig, um sich gegen den Vorwurf des aufdringlichen missionarischen Eifers zu stellen.682 Ein Freiraum für den Besucher sei wichtig. Im „Museum am Dom“ sollen Dialog und Hinterfragung befördert werden, ohne dabei auf Antworten abzuzielen.683 Man möchte durch kleine zwi678 Rundschreiben 2001. 679 Interview Würzburg (01:12:24). 680 Vgl. Lenssen 2003. S. 21. 681 Vgl. Lenssen 2003. S. 96. 682 Vgl. Lenssen 2003. S. 44. 683 Vgl. Lenssen 2003. S. 16.

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schenmenschliche Gesten den Besuchern zeigen, dass das Museum ein besonderer Ort sei.684 Der Besucher solle sich nicht von der Kirche vereinnahmt fühlen, sondern vielmehr in einen eigenen Diskurs mit den Kunstwerken eintreten. Als besonders positiv wurde empfunden, wenn Besucher bei einem Besuch des Museums oder bei einer Führung durch ein bestimmtes Werk zu einem eigenen kreativen Prozess angeregt würden, wie zum Beispiel zum Schreiben eines Gedichtes.685 Eine Vermittlung von kunsthistorischen Themen wurde nicht vollkommen negiert, sondern auch Besucher mit diesen Interessen wurden bedient,686 es erschienen kunsthistorische Texte zu Bildwerken, welche sich einer Epoche, einer Region oder einem Medium widmeten.687 Auch eine Versorgung des leiblichen Wohles habe im „Museum am Dom“ mit zur Vermittlung dazu gehört,688 z. B. „Augenschmaus“, eine sonntagnachmittägliche Führung, an welche ein Kaffeetrinken anschloss, um noch einmal über das Gesehene ins Gespräch zu kommen. Ein „Sonntagsdialog“ fand monatlich an einem Sonntagmorgen statt und ermögliche eine Besinnung vor einem einzelnen Kunstwerk in Bezug auf das Kirchenjahr. „Diese halbstündige Veranstaltung mit Bilderläuterungen und auf die Werkaussage bezogenen biblischen und lyrischen Texten will nicht zu den gleichzeitigen Gottesdienstangeboten in Konkurrenz treten, bietet aber – und das lehrt die bisherige Erfahrung mit jeweils über 70 Teilnehmern – Menschen, die der Liturgie und der Kirche entfremdet sind und dennoch diesen von ihr in einem bis dahin unerwarteten Freiraum erwiesenen Dienst annehmen, eine spirituell angelegte Möglichkeit der Einstimmung auf den Sonntag.“689

Es sei wichtig, dass die Mitarbeiter das Konzept des Museums und der Teilmuseen verinnerlicht hätten, um es vermitteln zu können.690 Die Vermittlung solle im „Museum am Dom“ mit „Herzblut“ stattfinden.691 In dem Ausdruck „Herzblut“ zeigt sich, dass es nicht primär um eine Wissensvermittlung ging, sondern um das An684 Vgl. Interview Würzburg (01:25:22). 685 Vgl. Interview Würzburg (01:38:29). 686 „Natürlich haben wir auch Angebote zur Gotik oder dem Barock oder in der Moderne, Portraitentwicklung, mehr kunsthistorische Themen gehören auch dazu, da gilt das alte katholische Prinzip: sowohl als auch.“ (Interview Würzburg (01:12:45)). 687 In dem Vernissage-Heft zum „Museum am Dom“, welches vom Kunstreferat der Diözese koordiniert wurde, gab es Aufsätze zu „Kunst um 1600“, zu „Rumänischer Hinterglasmalerei“ oder über „Gotische Kunst und Frömmigkeit“. (Vgl. Emmert/Turek 2002). 688 Vgl. Interview Würzburg (01:15:21). 689 Lenssen 2003b. S. 100f. 690 Vgl. Interview Würzburg (00:27:59, 00:28:56). 691 Vgl. Lenssen 2003b. S. 100f.

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sprechen auf einer emotionalen Ebene. Man betonte eine Subjektivität in Auswahl, Präsentation und Vermittlung, die auch dem Besucher eine subjektive persönliche Wahrnehmung ermöglichen und dadurch eine Erfahrung schaffen möchte. Das „Museum am Dom“ wurde als ein Ort der Lebenshilfe verstanden. Kunst sollte bei der Auseinandersetzung mit eigenen Lebensfragen helfen. Dies wurde, wie in Kapitel „Für wen sollte das Museum der katholischen Kirche sein – Gläubige, Nichtgläubige und Abtrünnige“ gezeigt, besonders geschätzt, wenn es bei Menschen mit problematischen Lebensumständen gelang. Kunst sollte emotional berühren, eine theoretische Auseinandersetzung wurde nicht primär angestrebt. Dies zeigte sich schon im Prozess der Auswahl der Werke, welche, wie in Kapitel „Was sollten Museen der katholischen Kirche zeigen – Bewahren oder aktiv Sammeln“ gezeigt, spontan und subjektiv nach Gefallen gekauft wurden. Dass Emotionalität im Vordergrund stand, zeigte sich auch bis in die Präsentation der Kunstwerke – siehe Kapitel „Wie sollte das Museum der katholischen Kirche gestaltet sein – Musealer Anspruch versus pastorales Ziel“. Zusammenfassend kann gesagt werden: Der Anspruch des „Museums am Dom“ ist, um im Vokabular der Kirche zu bleiben, ein diakonischer. Die Idee des Museums als Diakonie passt zu dem Begriff der „Neuen Museologie“, damit sind Museen gemeint, die der Gesellschaft dienen – z. B. in problematischen Stadtvierteln – und dadurch einflussnehmend sind, sozialen Bedürfnissen entsprechen und Einfluss auf eine von der Kunst-und Kulturwelt bisher oft vernachlässigte Teilöffentlichkeit nehmen können.692 Admont „Museum des Stifts Admont“ „Wir möchten, dass der Mensch dem Menschen Ansprechpartner ist. Das heißt, das Wichtigste, das Idealste und das Schönste ist für uns eine Führung. Ganz ideal wäre es natürlich, würde ein Mönch führen, in dem einen oder anderen Fall ist das auch möglich. […] Aber auf jeden Fall es soll menschlich sein. Wir wollen keine Audioguides haben, wo man mit irgendeinem Gerät durchrennt und überhaupt keinen Dialog führen kann und wo alles so einseitig ist. Über die museale Schiene zu vermitteln, was eigentlich die Hintergründe sind. Auch Fragen zu evozieren: Wie viele Mönche gibt es bei euch? Wie leben die bei euch? Was macht der Stift Admont sonst? Einfach in Diskussionen über das Haus zu kommen, das ist uns sicher wichtig. Nicht, dass die Kunst 100 % im Vordergrund steht. Leute zum Gespräch zu bringen und das funktioniert meines Erachtens sehr gut bei uns.“693

Man wünschte sich einen Dialog mit dem Besucher über Fragen des Klosters und der Religion. Die Besucher sollten in Admont zum Nachdenken angeregt werden und sich nachhaltig mit den Themen beschäftigen. Man wollte Besucher nicht scho692 Vgl. Kirchberg 2005. S. 176. 693 Interview Admont (Teil 4 00:18:58).

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ckieren, aber sie sollten auch nicht alles nur als schön empfinden.694 Man wollte, dass sie sich wohl fühlen und sie ins Gespräch kommen695 und dazu animiert werden, wiederzukommen.696 Den Besuchern sollte gezeigt werden, dass man Tradition in der Architektur, in der Kunst und in überlieferten geistigen Ideen bewahre, man aber gleichzeitig in der Gegenwart lebe und sich auch mit den gegenwärtigen Menschen und ihrer Kultur auseinandersetze.697 Ein wichtiges Anliegen der Mönche war es, dass die Stiftsgeschichte, das Leben des Heiligen Benedikts und die christliche Glaubensbotschaft der Benediktiner den Besuchern vermittelt werden.698 Abt Bruno Hubl sprach darüber, dass zeitgenössische Kunst damit zusammenhänge, Spirituelles erfahren zu wollen, aber nicht im eng kirchlichen Sinn.699 Auf der Homepage des Stifts konnte man aber auch lesen, dass über allen Aufgabengebieten der Mönche immer der Grundsatz stehe: „Damit in allem Gott verherrlicht werde!“700 Ein weiteres Anliegen war aber auch, künstlerische Entwicklung von Künstlern darzustellen.701 Eine Dualität von Vermittlungsinteressen – christliche und künstlerische Themen – zeigte sich auch in den Vermittlungsangeboten für Kinder.702 Man hatte festgestellt, dass man Menschen, welche Gegenwartskunst skeptisch gegenüberstanden, gut durch spielerische, haptische und interaktive Zugänge zur Kunst erreichen konnte.703 Einen besonderen Besuchererfolg hatte eine Ausstellung mit Kunst, die man anfassen durfte – „Play Admont“.704 Ein weiterer Schwerpunkt war, die unterschiedlichen Sinne der Besucher mit den Kunstwerken anzusprechen und sich nicht nur auf den Sehsinn zu beschränken. 705 Durch das Nutzen anderer

694 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:24:07). 695 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:18:58). 696 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:25:06, Teil 4 00:18:58). 697 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:08:57). 698 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:11:12). 699 Vgl. Admont Play 2010. 700 „Das stete Engagement des Stifts für Wissenschaft und Kunst spiegelt sich im neuen Museum wider. Über den vielfältigen Aufgabengebieten steht immer der Grundsatz des hl. Benedikt: ‚Ut in omnibus glorificetur Deus! – Damit in allem Gott verherrlicht werde!‘“ (Admont Aufgaben 2010). 701 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:02:41). 702 Für Kinder wurden Vermittlungsprogramme zu Themen angeboten, die sich mit künstlerischen Fragen beschäftigten, und ebenso zu Themen, die sich mit der Bibel und dem Glauben auseinandersetzten. (Vgl. Admont Abenteuer 2010). 703 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:22:57). 704 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:28:09). 705 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:08:34).

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Sinne könnten sich neue Begegnungen mit der Kunst entwickeln. 706 Durch das Kunstwerk „Unsichtbarer Garten“ wurden samstags bei Voranmeldung Führungen von Sehbehinderten für Sehende angeboten, so dass Sehende und Sehbehinderte in einen Erfahrungsaustausch treten konnten.707 Auch über einen spielerischen Zugang sollte sich der Besucher die Komplexität der Gegenwartskünste erschließen,708 er sollte Kunst ertasten, erhören, erspielen. Allerdings wurde nicht davon gesprochen, den Besucher dabei auf einer emotionalen Ebene erreichen zu wollen. Ein sinnlicher Zugang wurde vielmehr als guter Weg empfunden, Menschen, die sich nicht für zeitgenössische Kunst interessieren, für diese zu gewinnen. Freising „Dombergmuseum“ „Irgendwo denken wir schon auch immer an unsere Führungen. Das klingt jetzt vielleicht übertrieben, aber es ist so, aber wir sehen uns auch als Ort der Verkündigung, also wir sind zwar ein Kunstmuseum, aber diese Werke verkünden etwas. Nicht wir verkünden etwas, aber die Werke, wir sind die Dolmetscher sozusagen, die das vermitteln, so sehe ich unsere Aufgabe.“709

Ähnlich drückte sich auch Steiner 2008 aus.710 Die Vermittlungsarbeit stand unter der Prämisse, dass die Kunstwerke im Vordergrund stehen sollten. 711 Steiner sagte 2003: „Der Akzent unserer Vermittlungsarbeit hat sich seit 1974 verschoben, von der Vermittlung historischer Zusammenhänge zu den Fundamenten unseres Glaubens.“712 Der Kunsthistoriker Hans Ramisch – bis Oktober 2001 der Kunstreferent der Erzdiözese München und Freising – appellierte im Jahre 2003 706 „Diese meist multimedialen Skulpturen vereinen Kunst und Information. Ein Sehender sieht eine solche Station – zugleich auch immer ein sichtbares Kunstwerk – ganz anders, als ein Blinder sie wahrnimmt. Für den einen kann der optische Charakter des Objektes dominieren, während für den anderen die haptischen oder akustischen Qualitäten im Vordergrund stehen. Aus diesen ‚Kunst-Begegnungen‘ kann sich ein neuer Zugang zur Kunst entwickeln.“ (Admont Barrierefreiheit 2010). 707 Vgl. Pax 2009. S. 45. 708 Vgl. Admont Play 2010. 709 Interview Freising (00:22:38). 710 „Da habe ich also zur Kunst sehr, sehr viel Vertrauen, weil ich selbst das auch immer so erlebt habe. Die verbale und rationale Vermittlung sind eben nicht das Einzige, um Glauben zu transportieren, sondern im Werk der Kunst ist sehr viel mehr aufgehoben, als selbst derjenige weiß, der ein Kunstwerk gerade auf den Sockel stellt, ausstellt.“ (Steiner 2008). 711 Vgl. Interview Freising (00:08:41). 712 Arbeitsgemeinschaft 2003.

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an „religiöse Kunstsammlungen“: Diese müssten die Kunst vermitteln, da es für viele Betrachter ohne Vermittlung nicht möglich sei, die Botschaft des Glaubens im Kunstwerk zu erfassen. Besonders betonte er die Vermittlung an Kinder, die jedoch nicht in ihrem Auffassungsvermögen unterschätzt werden sollten.713 Seit dem Jahre 2004 arbeitete neben dem Direktor Peter Steiner seine Stellvertreterin Sylvia Hahn mit dem Schwerpunkt Museumsdidaktik. 714 Silvia Hahn bemühte sich besonders um die Vermittlung an Kinder.715 Für Kinder gab es gezielte Angebote: Kinderführungen wurden mit Utensilien ergänzt und nach Führungen konnten Kinder basteln.716 Das Ziel sei es, Kindern, neben der Vermittlung von Inhalten, ein positives Erlebnis in der Institution „Museum“ und mit Kirche zu verschaffen.717 Generell wurden die Führungen als wichtiger Teil der Arbeit betrachtet, 718 vor Weihnachten waren Führungen die Hauptarbeit der kunsthistorischen Mitarbeiter des Museums.719 Die Führungen sollten Glaubensinhalte verkünden, das Wort Gottes sinnlich und emotional wahrnehmbar machen, helfen, Vorurteile abzubauen, Denkanstöße vermitteln und zu Diskussion und Auseinandersetzung anregen.720 Die Führungen wurden durch die christlichen Themen der Kunstwerke strukturiert, 721 besonders die ikonographischen Inhalte sollten weitergegeben werden. 722 Der Geist des Hauses 713 Vgl. Ramisch 1995. 714 Vgl. Hahn/Heisig 2010. S. 13. 715 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2003. 716 Vgl. Interview Freising (01:23:17). Die Kapazitäten für Kinderführungen sollten auch ausgebaut werden (Räumlichkeiten zum Werken, zusätzliche Stelle). (Vgl. Interview Freising (01:19:37)). 717 „Natürlich will ich denen [Kindern] auch Inhalte vermitteln, aber ich bin ja nicht die Schule, mein Hauptziel ist eigentlich, dass die rausgehen und sagen: Das war jetzt schön. Dann haben sie mit Kirche und Museum keine schlechte Erinnerung.“ (Interview Freising (01:27:13)). 718 Bei der Ausstellung „Paradies – Neue Blicke auf einen alten Traum“ 2009 gab es einen kleinen Text zu jedem Kunstwerk, welcher den Besuchern auch in Heftform mitgegeben wurde, um Denkanstöße zu liefern. Weiterhin gab es ein Führungsprogramm und Podiumsdiskussionen sowie eine dreiwöchige Aktion der Staatlichen Fachschule für Blumenkunst Weihenstephan. (Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2009). In Freising fanden auch regelmäßig musikalische Veranstaltungen in den Räumen des Museums statt, allerdings wurden diese nicht vom Museum selbst organisiert. (Vgl. Interview Freising (01:32:33)). 719 Vgl. Interview Freising (01:23:17). 720 Vgl. Hahn/Heisig 2010. S. 15. 721 Vgl. Interview Freising (00:11:45). 722 Vgl. Interview Freising (00:22:38). Es existierte auch eine monatliche „Biblische Bildbetrachtung“, bei welcher ein Theologe und ein Kunsthistoriker Bilder erläuterten. Im

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sollte die Besucher ansprechen und der religiöse Hintergrund des Museums wahrgenommen werden. Man wollte den Besuchern durch die Kunst nicht nur äußere Teilhabe vermitteln, sondern diese auch im Inneren bewegen. 723 So konnte auch bei Ausstellungsthemen ein religiöser Gedanke mitschweben. Man wollte die Besucher nicht missionieren, sondern ihnen Anstöße zum Weiterdenken geben,724 Besucher könnten jedoch vor besonderen Werken religiöse Riten vollziehen. 725 Trotzdem verstand man sich als Kunstmuseum und nicht als religionsdidaktiktische Institution. 726 Eine der besten Resonanzen für die Befragte war, wenn sie Besucher bei einer Führung persönlich erreichte.727 Als Anstoß nahm man es, wenn Besucher sich ohne Argumente gegen zeitgenössische Kunst stellen würden. 728 So wollte man z. B. in einer Kunsttechnikabteilung die Wertschätzung der Werke durch Vermittlung der Technik steigern und durch zeitgemäßes Vermitteln, z. B. durch Nutzen des Tastund Riechsinns, auf die Besucher zugehen.729 Ein Schwerpunkt war in Freising die Vermittlung innerhalb der katholischen Kirche, hier achtete man auf die Vermittlung des Nutzens und der Tragweite von Kunst. Geistlichen sollte gezeigt werden, wie man mit Kunstwerken Menschen auf einer anderen Ebene als auf der verbalen erreichen und so oft mehr bewirken könne.730 Man wollte zeigen, dass das Original und der haptische Eindruck wichtig sei-

Jahre 2003 fand eine öffentliche Führung zu Hauptwerken jeweils sonntags um 15 Uhr statt und thematische Führungen freitags um 15 Uhr. (Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2003). Die Themen der Führungen konnten sich u. a. auch am Kirchenjahr orientieren. (Vgl. Interview Freising (01:27:13)). 723 Vgl. Interview Freising (01:36:33). 724 Vgl. Interview Freising (01:43:31). 725 Z. B. könnten sie christliche Lieder singen (Vgl. Interview Freising (00:45:21)). 726 Vgl. Interview Freising (01:47:17). 727 „Das waren ziemlich kirchenferne Leute aus der Industrie, und da kam dann hinterher ein älterer Herr zu mir und hat humorvoll, augenzwinkernd, aber doch mit einem Hauch von Ernst, zu mir gesagt: Jetzt haben Sie das mit dem Himmel so schön geschildert und so schön erzählt, jetzt muss ich mir das doch noch einmal überlegen. Ich krieg das jetzt nicht so richtig hin, aber ich hatte den Eindruck, dass das einer war, der so gar nichts von Kirche wissen wollte und den ich da tatsächlich irgendwie angesprochen hatte und erreicht.“ (Interview Freising 02:24:39). 728 Vgl. Interview Freising (02:25:41). 729 Vgl. Interview Freising (01:47:17). 730 „Das ist eigentlich unser Hauptansatzpunkt, ihnen zu zeigen, dass sie Kunst nicht unterschätzen dürfen in der Wirkung auf die Leute, dass Bilder oft mehr wirken als ihre Worte und Menschen oft auf einer ganz anderen Ebene ansprechen und dass es deshalb kein bisschen unwichtig ist, wie diese Bilder sind.“ (Interview Freising (01:30:05)).

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en.731 In der Vermittlung gab es somit zwei unterschiedliche Adressatengruppen. Einmal sollte Kunst den Theologen näher gebracht und auf der anderen Seite Laien christliche Inhalte zugänglich gemacht werden. Diese Vermittlungsziele zeigten sich auch im Aufbau der Abteilungen, wo auf der einen Seite christliche Ikonographie im Vordergrund stand, dann aber auch eine Abteilung für künstlerische Techniken eingerichtet wurde, um die Wertschätzung von Kunst zu erhöhen. Das „Dombergmuseum“ wurde als ein Ort der Verkündigung der christlichen Botschaft verstanden, wobei diese hauptsächlich über christliche Ikonographie und somit über biblische Geschichten und Heiligenlegenden vermittelt wurde. Diese Intention drückte sich sowohl in der Auswahl der Neuankäufe aus – fehlende ikonographische Themen wurden gesucht (siehe Kapitel „Was sollten Museen der katholischen Kirche zeigen – Bewahren oder aktiv Sammeln“) –, als auch in der Präsentation – Werke werden u. a. nach ikonographischen Themengruppen gehängt (siehe Kapitel „Wie sollte das Museum der katholischen Kirche gestaltet sein – Musealer Anspruch versus pastorales Ziel“) – und, wie oben beschrieben, in der Vermittlung. Köln „Kolumba“ „Ja, wir möchten ins Gespräch kommen mit den Leuten. Da erfahren wir ja auch viele Dinge, wenn da jemand mit einem ganz anderen Ansatz kommt, solange das immer aus dem Kunstwerk sich entwickelt, ist das in Ordnung. In dieses Gespräch zu kommen, die Leute ermuntern, selber zu gucken, Mut zu fassen, nicht Kunstgeschichte, Theologie und Philosophie studiert haben zu müssen, um vor einem Kunstwerk zu stehen und sich damit auseinandersetzen zu können, das den Leuten zu vermitteln, das ist wichtig.“732

Es sollte kein Faktenwissen über Kunst vermittelt werden, sondern ein emotionales Erlebnis. Ziel der Vermittlung sei, dass sich der Besucher persönlich mit Kunstwerken auseinandersetze, dass er sich Zeit nehme, dass er hinsehe, sich auf die Kunst einlasse und auch Schmerz zulasse.733 Plotzek verstand die Vermittlungsarbeit als wichtigste Aufgabe von Museumsmitarbeitern.734 Es wurde der Begriff des „begleiteten Rundgangs“ oder des Gesprächs verwandt. Der „begleitete Rundgang“ zeichne sich dadurch aus, dass man im Gespräch mit der Gruppe auf die Bedürfnisse der

731 Vgl. Interview Freising (01:47:17). 732 Interview Köln (B1: 00:27:11). 733 Vgl. Interview Köln (B1: 00:27:56). 734 „Daraus ergibt sich die eigentliche Aufgabe von uns Museumsleuten – das vergisst man bisweilen in der täglich andrängenden Arbeit: die Vermittlung der Kunst. Alle anderen bewahrenden, erforschenden, vermehrenden Tätigkeiten münden in dieser Aufgabe. Sie ist ein zutiefst humaner Auftrag.“ (Plotzek 2008).

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Gruppe eingehe.735 Dies würde auch dadurch ermöglicht, dass es keine feste Struktur gebe.736 Didaktische Hilfsmittel wurden nicht besonders hoch angesehen, sondern man wollte individuell auf die Personen in der Gruppe eingehen. Der Begleiter setze durch seinen eigenen persönlichen Hintergrund einen individuellen Schwerpunkt.737 In der Vermittlung sei man auch an der Resonanz von Seiten der Besucher interessiert, da diese ihr eigenes Wissen, ihre eigenen Erfahrungen und Gefühle mitbrächten.738 Das Konzept des persönlichen Gesprächs setzte sich auch in der Schulung und Ausbildung des Personals fort, so sollten diese durch Gespräche geschult werden, ohne einen festgelegten Weg vorzugeben. 739 Neben „begleiteten Rundgängen“ gab es Konzerte und Lesungen.740 Das „Kolumba“-Team schrieb selbst über die eigenen Ausstellungen, obwohl dem geschriebenen Wort in der Vermittlung im Museum keine Priorität eingeräumt wurde. Über diese Diskrepanz reflektierte man im ersten Ausstellungskatalog und betonte, dass das Kunstwerk immer vor dem Wort stehe und im Buch die Abbildungen im Vordergrund stehen.741 Auch in der Vermittlung wurde viel Wert auf Offenheit gelegt, um nicht in festen Strukturen zu verharren, sondern Fragen aufzuwerfen und neue Formen zu suchen. Diese Methode wurde bereits bei der Auswahl der Werke (siehe Kapitel „Was sollten Museen der katholischen Kirche zeigen – Bewahren oder aktiv Sammeln“) und der Präsentation (siehe Kapitel „Wie sollte das Museum der katholischen Kirche gestaltet sein – Musealer Anspruch versus pastorales Ziel“) verwandt. So ist man in „Kolumba“ zu dem Schluss gekommen, Gruppen und Einzelbesucher zeit735 Vgl. Interview Köln (B2: 00:57:42, B2: 01:02:26). 736 Vgl. Interview Köln (B1: 01:01:40). 737 Vgl. Interview Köln (B1: 01:02:14). 738 Vgl. Interview Köln (B1: 00:27:11, B1: 00:27:56). 739 „Wir treffen uns, also wir machen keine Schulungen im klassischen Sinne, treffen uns, reden über Dinge. Ich gehe vielfach mit bei den Kollegen, dann redet man einfach darüber, wie das war. Es gibt nicht den vorgeschriebenen Parcours, den man abläuft, wo bestimmte Dinge, pädagogischer Weise jetzt stattfinden müssen, das machen wir nicht.“ (Interview Köln (B1: 01:01:40)). 740 Vgl. Kraus 2010. S. 432–433. 741 „Es ist vor allem ein Bilderbuch geworden als Versuch eines Anliegens, das Goethe in seinen ‚Maximen und Reflexionen. Aus Kunst und Altertum. Brocardicon‘ bedachte: ‚Die Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen; darum scheint es eine Torheit, sie wieder durch Worte vermitteln zu wollen. Doch indem wir uns darin bemühen, findet sich für den Verstand so mancher Gewinn, der dem ausübenden Vermögen auch wieder zu Gute kommt.‘ Es bleibt das Wissen: Immer folgen die Worte den Kunstwerken, den Bildern nach, manchmal weit hinter ihnen her, ohne sie jemals einzuholen.“ (Plotzek 2007a. S. 7–27).

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lich zu trennen, so dass Einzelbesucher nicht gestört würden und man mit Gruppen besser ins Gespräche käme. Die „begleiteten Rundgänge“ am Vormittag wurden nicht als ein öffentlicher Raum verstanden – „es ist ja nicht in der Öffentlichkeit.“ Hier könnten sich die Besucher äußern und es würde direkt auf diese eingegangen.742 Man befand sich im Schutzraum der eigenen Gruppe. „Kolumba“ suchte auch in der Vermittlung wieder den privaten Raum, sowie bereits in der Art der Präsentation (siehe Kapitel „Wie sollte das Museum der katholischen Kirche gestaltet sein – Musealer Anspruch versus pastorales Ziel“). In diesem privaten Raum sollte dem Besucher eine Auseinandersetzung mit Kunst ermöglicht werden. Weitere Museen der katholischen Kirche Das „Diözesanmuseum Graz“ gab 2003 an, dass es den Inhalt und die Bedeutungen von Werken weitergeben wolle, da hierdurch der Wille zur Erhaltung gefördert werde, es sollten aber auch Erfahrungen gemacht werden, man wolle die Besucher unterhalten, das Image der Kirche durch das Diözesanmuseum positiv unterstreichen, durch Kunst einen Zugang zum Glauben bieten und generell Erwartungen durchbrechen.743 Auf der Homepage des „Museums am Dom Trier“ hieß es: „In der Gegenüberstellung von Werken alter und zeitgenössischer Kunst möchte das Museum den Betrachter zum Dialog einladen und zum Nachdenken anregen. Es ist ein Ort der Begegnung und Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst und ihrer Sicht der Wirklichkeit der Welt und des Menschen.“744

2008 drückte der Trierer Museumsdirektor aus, dass es wegen der finanziell angespannten Lage wichtig sei, auf die pastorale Funktion und auf den Verkündigungsauftrag von Museen der katholischen Kirche zu verweisen.745 Der „Domschatz 742 „Das ist einfach immer der Prozess, zu fragen: Warum funktioniert etwas nicht, was stört mich, kann man etwas anders machen? Dann kommt man irgendwann auf die Idee, wenn ich das trenne, dann haben beide Seiten gewonnen, der einzelne Besucher ist nicht gestört. Es ist natürlich auch ein ganz anderes Verhältnis, wenn ein Museum zu hat und ich in ein geschlossenes Museum mit einer Gruppe rein gehe, da hört nicht jemand zu, jemand Fremdes, sondern die Gruppe ist mit dem Menschen, der sie begleitet, zusammen. Man kann über ganz andere Dinge reden. Kann auch persönliche Meinungen äußern. Es ist ja nicht in der Öffentlichkeit, wie das sonst so der Fall ist. Dass man sich mit anderen Gruppen und einzelnen Besuchern um einen Standplatz vor dem Bild prügeln muss.“ (Interview Köln (B1: 00:26:23)). 743 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2003. 744 Trier 2011. 745 Vgl. Weber 2008. S. 255f.

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Essen“ ließ 2009 verlauten: „In den vergangenen Jahren hat sich die Essener Domschatzkammer durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, gezielte Angebote für Schulklassen und eine stärkere Einbindung in die Aktivitäten der Stadt zu einer wichtigen kulturellen Institution in Essen entwickelt.“746 Zusammenfassung Alle Häuser betonten, dass die Vermittlung von besonderer Wichtigkeit sei. Das „Rundschreiben 2001“ machte keine konkreten Aussagen über das „Wie“ in der Vermittlungsarbeit, so blieb den Museen ein kreativer Freiraum. Besonders Köln ging auf das „Wie“ der Vermittlung ein und praktizierte mit den „begleiteten Rundgängen“ zu gesonderten Öffnungszeiten eine neue Art der Vermittlung. Weiterhin wurde in den konkreten Fallbeispielen die Vermittlung durch Menschen hervorgehoben, denn nur hier sei ein Dialog möglich. Hinzu kommen die Aspekte der Betonung von Offenheit, keine Vorgabe von festgelegten Antworten, ins Gespräch kommen, Menschen erreichen, auf die Besucher eingehen. Zum „Was“, zum Inhalt der Vermittlungsarbeit, äußerte sich das „Rundschreiben 2001“ konkreter. Sowohl das „Rundschreiben 2001“ als auch alle erwähnten Häuser waren sich darin einig, dass es bei der Vermittlung im Museum der katholischen Kirche nicht um einen reinen Faktenwissenstransfer ging und sich die Inhalte von anderen Museen unterschieden. Das „Rundschreiben 2001“ betonte besonders stark die Vermittlung des religiösen Hintergrundes der Exponate neben dem ästhetischen und dem historischen. Freising ging durch die Schwerpunktlegung in der Vermittlung auf christliche Geschichte durch Ikonographie am stärksten auf diese Forderung ein. In Würzburg und Admont gab es auch Führungen zu biblischen Themen. Auch die Vermittlung von Kunsttechniken sollte in Freising zur einer erhöhten Wertschätzung von Kunst in ästhetischen Fragen führen. Bei der Vermittlung innerhalb des katholischen Klientels spielte vor allem die Erhöhung der Wertschätzung von Kunst eine wichtige Rolle. Neben der christlichen Glaubensverkündigung gab das „Rundschreiben 2001“ die menschliche Förderung als weiteres Vermittlungsziel an, dies erreiche man am besten, wenn man es schaffe, die Besucher zum Schauen, Nachdenken und Verbinden der Kunstwerke zu bringen. Das Fördern einer subjektiven persönlichen Wahrnehmung von Kunst, ohne theoretischen oder faktenbezogenen Hintergrund, wie es vor allem in Würzburg und Köln praktiziert wurde, war nicht explizit im „Rundschreiben 2001“ gefordert worden, aber an verschiedenen Stellen impliziert. Von manchen Kritikern wurde genau diese Art der Vermittlung als Besonderheit und somit als Chance des Museums der katholischen Kirche gesehen. Auch in Admont suchte man eine Rezeption der Kunst über andere Sinne als den Sehsinn, betrachte-

746 Germes-Dohmen 2009. S. 151f.

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te dies aber nicht vorrangig als emotionales Erlebnis, sondern sah darin einen alternativen Zugang zu zeitgenössischer Kunst. Im „Museum am Dom“ zeigen die Integration von kommunikationsfördernden Elementen, wie Essen und Trinken, dass man das Museum als einen lebendigen Ort sah, so wie es im „Rundschreiben 2001“ gefordert wurde: das Museum der katholischen Kirche zu einem „kulturellen Animationszentrum der Gemeinde“ machen. Sowohl in Freising als auch in Köln gab es neben der Arbeit mit bildender Kunst auch Veranstaltungen mit Musik oder Literatur, auch dies entsprach der Forderung nach einem lebendigen Zentrum. Museen der katholischen Kirche sollten sowohl Wissen vermitteln, hier vor allem über die katholische Religion, und – dies ist die Besonderheit in der Vermittlungsarbeit der Fallbeispiele – der Besucher sollte emotional angesprochen werden und dadurch zum Nachdenken u. a. über persönliche Lebensfragen kommen. Dies sollte vor allem durch direkte Gespräche geschehen.

W ER SOLLTE DAS M USEUM DER KATHOLISCHEN K IRCHE BETREIBEN – T HEOLOGISCHER L AIE ODER K UNST -AMATEUR Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz „Im Ausbildungsplan muß man sich der Fachkräfte und der Führer annehmen. Es geht nicht darum, die Experten der verschiedenen in die Organisation eines Museums implizierten Fachbereiche nur professionell vorzubereiten (bzw. die Vorbereitung zu überprüfen), sondern es gilt vielmehr, sie in das spezifisch Kirchliche einzuführen. Sie müssen in der Lage sein, das Kunst- und Kulturerbe der Kirche einzufügen in den katechetischen, kultischen, kulturellen und karitativen Kontext, damit sich die Nutznießung dieser Güter nicht auf das rein ästhetische Faktum beschränkt, sondern durch die universale Sprache der christlichen Kunst zu einem pastoralen Instrument wird.“ 747

Neben den oben zitierten Fragestellungen zur Vorbereitung und Ausbildung der Museumsexperten nahm das „Rundschreiben 2001“ auch Stellung zur Herkunft der Museumsleitung: Die Museen könnten von weltlichen Mitarbeitern oder Priestern geleitet werden, sie müssten aber Experten auf ihrem Fachgebiet sein. Gerne sollte das Personal auch von kirchlichen Institutionen ausgebildet werden oder aber in Kooperation mit kommunalen Ausbildungsorten. Die Ausbildung des Fachpersonals betreffend, wurde im „Rundschreiben 2001“ auch betont, dass hier nicht nur

747 Rundschreiben 2001.

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die Tradition gelehrt werden solle, sondern auch eine Sensibilisierung für aktuelle Strömungen geschaffen werden müsse. Das kirchliche Desinteresse an Kulturgütern wurde im Allgemeinen beklagt und es wurde ein langer Abschnitt der Art der Ausbildung des Klerus und des Fachpersonals gewidmet.748 Die Thematisierung der Ausbildung im „Rundschreiben 2001“ wurde von Petraroia 2008 als besonders positiv empfunden, v. a. die Betonung, dass ein gewisses kirchliches Desinteresse gegenüber den Kulturgütern überwunden werden müsse. Nicht nur die Kuratoren von Museen der katholischen Kirche müssen gut ausgebildet sein, sondern es müsse auch einen Klerus geben, der sich um die pastoralen Belange eines Museums der katholischen Kirche kümmere.749 Das „Rundschreiben 2001“ wünschte weiter, dass das Fachpersonal mit Künstlern in einen Dialog treten können sollte. Man sah das Museum der katholischen Kirche mit seinen Kunstschätzen als Chance, Künstler zu inspirieren, „dass Museen die Katalysatorenfunktion der Animation erfüllen, d. h. die Künstler innerlich zu engagieren und auf religiöse Themen vorzubereiten.“750 Zeitgenössische Künstler mit der Kirche in Verbindung zu bringen, wurde zuvor von Papst Johannes Paul II. in seiner Rede im Jahr 1995 an die Kommission gefordert, allerdings gab es auch hier keinen Bezug auf das kirchliche Museum.751 Es ist bemerkenswert, dass zeitgenössische Kunst bei der Thematisierung der Zweckbestimmung des Museums der katholischen Kirche in diesem „Rundschreiben 2001“ eine kleine Rolle spielte, während man im Bereich der Ausbildung der Sensibilisierung für zeitgenössische Kunst großen Raum zuwies. Die Führer sollten nicht nur in das Kunst- und Kulturerbe der Kirche einführen, sondern auch in den katechetischen, kultischen, kulturellen und karitativen Kontext. Sie sollten weiterhin die Besucher einschätzen und so ihre Führung auf die Bedürfnisse des Besuchers ausrichten können.752 Das „Rundschreiben 2001“ äußerte sich deutlich dazu, dass es dem Diözesanbischof obliege, Museen einzurichten, kein Diözesanmuseum dürfe ohne die Einwilligung des zuständigen Bischofs gegründet werden. Der Bischof könne auf sachkundige Mitarbeit der Diözesankommission und des Amtes für die Sakralkunst und die Kulturgüter zurückgreifen und müsse zur Planung eines Museums ein Komitee mit Fachleuten einberufen, welches unter der Leitung eines vom Bischof bestellten Vorsitzenden stehen solle. Das Diözesanmuseum solle in den Pastoralplan der Diözese miteinbezogen werden.753 Georg M. Lechner ging in einem Artikel aus dem Jahre 2003 hart ins Gericht mit diesen institutionellen Begleitumständen, er bemän748 Vgl. Rundschreiben 2001. 749 Vgl. Petraroia 2008. S. 43. 750 Rundschreiben 2001. 751 Vgl. Papst Johannes Paul II. 1995. Art. 4. 752 Vgl. Rundschreiben 2001. 753 Vgl. Rundschreiben 2001.

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gelte, dass durch die hierarchischen Strukturen Museen der katholischen Kirche nicht autark seien. Lechner betonte, dass Museen der katholischen Kirche stark vom Interesse des jeweiligen Bischofs abhängig seien und dieser über die finanziellen Mittel, die Personalzusammensetzung, über Räumlichkeiten und publizistische Präsenz des Hauses entscheide.754 Der italienische Autor Chizzoniti kritisierte 2008, dass dadurch das „Rundschreiben 2001“ die Verantwortung für das Museum der katholischen Kirche in die Hände der Diözese und des Diözesanbischofs lege und das Museum der katholischen Kirche ein lokales, regionales Verständnis bekomme.755 Diese Ausrichtung war aber durch das „Rundschreiben 2001“ gewünscht worden. Obwohl die Entscheidungsmacht über die Gründung eines Museums der katholischen Kirche im „Rundschreiben 2001“ dem Bischof zugeordnet wurde, hielt das „Rundschreiben 2001“ die Museen der katholischen Kirche dazu an, sich eine autonome Ertragsquelle zu suchen. Damit die Museen langfristig planen könnten, sollten sie, zum Beispiel durch die Gründung einer Stiftung, finanziell von der Diözese unabhängig werden. Auch Sponsoring wurde aufgeführt: Einzuplanende Räume für Wechselausstellungen und Veranstaltungen sollten, neben der Förderung der Verbindungen zur Region und dem Ausstellen von Werken aus dem Depot, es erleichtern, Sponsoren für Restaurierungen zu finden.756 Dass sich das Museum der katho754 Das Museum der katholischen Kirche wurde in den zwei italienischen Publikationen stark unter der Perspektive der regionalen Entwicklung und Darstellung der regionalen Gläubigkeit betrachtet. Dies hing, neben der Forderung des „Rundschreibens 2001“, mit dem italienischen Gesetz vom 10.5.2001 zusammen, welches die staatlichen Museen unter regionale Verantwortung stellte und allgemeine Museumsstandards festlegte. (Vgl. Garzillo/Torri 2007. S. 41; vgl. Marenghi/Timpano 2008. S. 198ff.; vgl. Garlandini 2008. S. 98). 755 Vgl. Chizzoniti 2008. S. 85–90. 756 Vgl. Rundschreiben 2001. Auch zwei italienische Autoren, welche beide an der katholischen Universität in Mailand Ökonomie lehrten, sahen es 2008 als sehr wichtig an, dass Museen der katholischen Kirche autark sein. Deswegen solle das Museum der katholischen Kirche alle modernen Techniken der Finanzierung in Betracht ziehen, einschließlich Fundraising, ohne jedoch das pastorale und kulturelle Ziel des Museums aus den Augen zu verlieren. Auch durch eine finanzielle Abhängigkeit von der Diözese könne ein Museum der katholischen Kirche nicht sicher sein, immer mit Geldern versorgt zu werden, weshalb sie sich auf eine Autofinanzierung konzentrieren sollten, z. B. durch das Organisieren von kulturellen Events. Die betriebswirtschaftliche Analyse der Museen der katholischen Kirche in Italien konkludiert mit folgenden Hinweisen für die Entwicklung: Beobachtung der allgemeinen Entwicklung der Museen und Strategien jenseits der Alltagsprobleme, Ausbau der Kapazitäten für kulturelle Dienstleistungen, Kommunikation der Angebote an Diözesen, Kirchengemeinden, Schulsystem und all-

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lischen Kirche im deutschsprachigen Raum nach der Jahrtausendwende schon in großen Teilen andere Finanzierungsquellen als die katholische Kirche selbst suchte, zeigen folgende Zahlen: Die katholische Kirche betrieb 2006 43 Museen in Deutschland und beteiligte sich konzeptionell bzw. finanziell bei 100 Museen. 757 Der gesamte Kulturhaushalt der katholischen Kirche in Deutschland betrug 2006 928 Millionen Euro (gleich 12 % der Gesamt-Kirchensteuer-Einnahmen in Deutschland). Davon wurden 17 %, also 157,76 Millionen für bildende Kunst ausgegeben.758 Dies ist eine beachtliche Summe, jedoch ist zu bedenken, dass unter bildende Kunst nicht nur die Museen der katholischen Kirche fallen, sondern auch die Ausstattung des Kirchenraumes mit bildender Kunst. Für Kirchenmusik wurden 2 % mehr ausgegeben. Peter Steiner verschickte im Jahr 2009 an 50 museale Einrichtungen innerhalb der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“ einen Fragebogen über ihre Sammeltätigkeit. Dabei kam heraus, dass sich die Museen der katholischen Kirche, um neue Werke zu erwerben, kaum auf finanzielle Quellen der katholischen Kirche selbst stützten, sondern auf eigens zu genehmigende Sondermittel, Beiträge von Sponsoren und Freundeskreisen oder Nachlässe zurückgriffen.759 Der Einsatz von ehrenamtlichen Mitarbeitern wurde im „Rundschreiben 2001“ begrüßt, solange er den fachlichen Anforderungen genüge und rechtliche Rahmenbedingungen beachte.760 Garlandini verglich Museen der katholischen Kirche in der Lombardei mit anderen Museen und stellte fest, dass Museen der katholischen Kirche mehr freiwillige Mitarbeiter beschäftigen.761 In Portugal war es ein Hindernis für die staatliche Anerkennung, dass in vielen Fällen nicht ausgebildetes Personal Museen der katholischen Kirche betrieb762 (in Deutschland existiert keine gesetzliche Regelung für Museumstandards).763 Georg M. Lechner forderte in einem Artikel aus dem Jahre 2003 von der Leitung der Museen absolute Professionalität. Die Anforderungen an eine Tätigkeit in einem Museum der katholischen Kirche könnten nicht von einem reinen Kunsthistoriker erfüllt werden, sondern bedürften einer

gemeine Öffentlichkeit, Verstärkung der Interaktion mit dem örtlichen privaten Sektor (Profit und Non-Profit), Stärkung des Images, Senkung der Fixkosten, so dass ein finanzieller Spielraum bleibe. (Vgl. Propersi/Grumo 2008. S. 148 u. S. 184–189). 757 Vgl. Koch 2007. S. 45. 758 45 % Denkmalpflege, 19 % Kirchenmusik, 11,5 % AV-Medien und Film, 7,4 % Bücher, 0,1 % darstellendes Spiel (Vgl. Koch 2007. S. 37f.). 759 Vgl. Steiner 2009. S. 18. 760 Vgl. Rundschreiben 2001. 761 Vgl. Garlandini 2008. S. 145f. 762 Vgl. Falcão 2011. 763 Vgl. Deutscher Museumsbund 2006. S. 6.

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besonderen Ausbildung, welche Lechner aber nicht näher definierte. 764 Petraroia führte aus, dass es für die Arbeit in einem Museum der katholischen Kirche notwendig sei, eine spezielle theologische und kulturelle Ausbildung zu haben, welche nur aus einer Beziehung zwischen den Schulen der Theologie, der Kunst und der Restauration entstehen könne. Denn die Mitarbeiter müssen sich der Verantwortung bewusst sein, das spezifisch Christliche verstehen und vermitteln zu können. 765 Petraroia sah die soziale Kompetenz der Mitarbeiter als zentralen Punkt für den Erfolg eines Museums der katholischen Kirche. Deswegen müsse das Personal nicht nur qualifiziert sein, sondern auch anerkannt werden. Dies müsse auch bei der Einstellung und in den Arbeitsverträgen berücksichtigt werden.766 Ecker führte 2007 an, dass die Museen der Arbeitsgemeinschaft alle professionell arbeiten und staatlichen und kommunalen Häusern in nichts nachstehen. Seit den späten 1970er-Jahren seien Führungspositionen immer mehr mit Fachkräften besetzt worden und auch erstmals mit Frauen.767 Der Präsident der „Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche“ von 2003 bis 2007, Piacenza, erläuterte 2007, dass ein wichtiger Aspekt des „Rundschreibens 2001“ gewesen sei, die Mitarbeiter der Museen der katholischen Kirche zu ermutigen, ihre Arbeit fortzuführen.768 Dieser Aspekt der Motivation ist deshalb besonders hervorzuheben, weil die historische Entstehung von Museen der katholischen Kirche in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen oft der Anregung einzelner kirchlicher Persönlichkeiten zu verdanken war.769 Die Kommission ging also nicht von einer offiziellen Steuerung bei der Gründung von Museen der katholischen Kirche aus, sondern schrieb die Entwicklung von Museen der katholischen Kirche engagierten Individuen zu, welche nun durch das „Rundschreiben 2001“ bestätigt wurden und sich auf ein erstes offizielles Papier aus Rom stützen konnten. Buranelli schrieb 2003, dass das Problem der katholischen Kirche mit der zeitgenössischen Kunst nicht nur von einem Pontifikat und nicht nur von einem Museum 764 „Diözesane Sammlungen sind heute keine Spielwiesen mehr für resignierte Kleriker oder für Versager auf seelsorgerischem Feld, sie dienen auch nicht mehr als hierarchische Pfründeposten oder Pensionvorsorge für workaholics. Die Leitung einer kirchlichen Sammlung stellt extrem hohe Ansprüche und bedarf besonders qualifizierter Fachleute. Die Anforderungen sind den Ausschreibungen nach kaum von einem durchschnittlich ausgebildeten Kunsthistoriker mehr zu erfüllen, dem naturgemäß die religiöse Dimension mit ihrer umfassenden Kenntnis in Theologie, Kirchengeschichte, Liturgie, Volkskunde und Frömmigkeitsgeschichte fehlt.“ (Lechner 2003. S. 81ff.). 765 Vgl. Petraroia 2008. S. 41 u. S. 44. 766 Vgl. Petraroia 2008. S. 40–44. 767 Vgl. Ecker 2007. 768 Vgl. Piacenza 2007. S. 16. 769 Vgl. Rundschreiben 2001.

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getragen werden solle. Das Engagement der Vatikanischen Museen sei ein Anstoß von „oben“ gewesen, aber es müsse auch von „unten“ kommen, von jeder einzelnen lokalen Kirche.770 Im deutschsprachigen Raum waren, wie in dieser Arbeit gezeigt wurde, bis dato Museen der katholischen Kirche meist von engagierten Individuen eröffnet worden, somit – von der hierarchischen Ebene aus gesehen – von „unten“. Durch die Veröffentlichung des „Rundschreibens 2001“ sollte dieses partielle Engagement einen breiteren Wirkungskreis bekommen. Würzburg „Museum am Dom“ „Bei dem Aufbau der Sammlung war ich ja völlig selbstständig, ich hatte kein Gremium und keinen Menschen, dem ich irgendwo gegenüber verantwortlich war oder mich rechtfertigen müsste für diesen oder jenen Ankauf.“771

Der Aufbau des „Museums am Dom“, das Konzept, die Sammlung 772 und auch die gegenwärtige Bespielung und Vermittlung wurden sehr stark von der befragten Person bestimmt, die die meisten Entscheidungen allein traf.773 Der erste Impuls zur Gründung des Museums kam von ihr als Einzelperson.774 Der Einsatz des Leiters wurde auch von der Stadt gewürdigt. 2009 bekam der Leiter des Museums den Kulturpreis der Stadt Würzburg verliehen. Er wurde dafür geehrt, dass er „innovative Maßstäbe nicht nur für die Diözese, sondern für alle an christlicher Kunst und Kultur interessierten Bürger“ gesetzt habe. Er habe durch seine liberale Haltung gegenüber zeitgenössischer Kunst das öffentliche Bild der katholischen Kirche gewandelt und sich darum bemüht, dass der öffentliche Raum nicht zum ökonomischen Raum verkomme. Er sei für seinen Einsatz auch extrem angefeindet worden.775 Die Ausbildung des Leiters wurde bereits in Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“ thematisiert, er war in seiner Position als Domkapitular bereits selbst in einem wichtigen kirchlichen Amt, in welches ihn der Bischof berufen hatte, und wurde auch Leiter der Museen.776 Der Befragte ist sich der stark an eine Person gebundenen Entscheidungen durchaus bewusst und befand 770 Vgl. Buranelli 2003. S. 16. 771 Interview Würzburg (00:09:53). 772 Vgl. Interview Würzburg (00:17:33). 773 Vgl. Interview Würzburg (01:08:46). 774 Vgl. Interview Würzburg (00:04:00). 775 Vgl. Hauck 2010. 776 „Ja, damit war ich automatisch Leiter der Museen und habe alle Freiheiten gehabt von Seiten des Bischofs, das Konzept zu erstellen. Es gab also keine Kunstkommission oder irgendwelche Beiräte oder was. Diese üblichen Profilierungs-Bühnen [lacht].“ (Interview Würzburg (00:17:33)).

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sie in Bezug auf den Erwerb von Kunst auch für angebracht und die beste Lösung. Die Diözesanleitung ließ bei der Planung und Entwicklung des Museums dem Interviewten maximale Freiheiten und forderte sogar subjektive Entscheidungen.777 Die Person des Bischofs wurde immer wieder positiv und dankbar erwähnt, der Bischof schätze ebenfalls Kunst,778 zwischen dem Museumsleiter und dem Bischof herrsche ein gutes Verhältnis.779 An anderen Stellen traten jedoch einige Einschränkungen zu Tage. So wurde der Wunscharchitekt des Befragten nicht bewilligt und stattdessen der Diözesanbaumeister herangezogen.780 Der Bischof hatte sich im Falle des Museumsbaus eingemischt, dies wurde aber als durchaus positiv geschildert.781 Die Person des Bischofs spielte also in Würzburg eine wichtige Rolle, ohne seine Offenheit wäre das beschriebene Konzept schwer durchsetzbar gewesen. Zum Zeitpunkt der Eröffnung war Paul-Werner Scheele Bischof der Diözese (1979– 2003).782 Scheele hatte Philosophie und Theologie studiert und wirkte seit 1971 zuerst als Dompropst, später als Weihbischof in der Diözese Paderborn. 783 In dieser Zeit wurde in Paderborn der erste Neubau für ein Museum der katholischen Kirche in Deutschland gebaut. 2004 wurde Friedhelm Hofmann Bischof der Diözese Würzburg, er stammte aus Köln, wo er von 1992 bis 2004 Weihbischof war. Er hatte in Kunstgeschichte über „Zeitgenössische Darstellungen der Apokalypse – Motive im Kirchenbau seit 1945“ promoviert.784 Der Prozess der Planung des „Museums am Dom“ lag in den Händen der Mitarbeiter des Kunstreferates (Jürgen Emmert, Michael Koller, Wolfgang Schneider und Martin Turek). Der Diözesanbaumeister i. R. Jürgen Schädel kümmerte sich um die Architektur.785 Die Mitarbeiter, mit denen der Befragte zusammenarbeitete, 777 „Der Bischof sagte: In Sachen Kunst muss man alleine dastehen, man hat seine Position und die muss man auch verteidigen, bzw. auch rechtfertigen, aber man kann sie nicht hinter irgendwelchen Gremien verstecken, es gibt bei der Kunst auch keinen demokratischen Entscheid.“ (Interview Würzburg (00:17:33)). 778 Vgl. Interview Würzburg (01:08:36). 779 Vgl. Interview Würzburg (01:08:36). 780 Vgl. Interview Würzburg (00:20:39). 781 Vgl. Interview Würzburg (00:21:43). 782 Vgl. Würzburg Bischöfe 2012. 783 Vgl. Würzburg Scheele 2012. 784 Vgl. Würzburg Hofmann 2012. Beaucamp fragte sich „ob sich das vitale Würzburger Modell künftig behaupten kann“, da ein Kölner Würzburger Bischof wurde und Gerhard Richter ins „Museum am Dom“ eingeladen hatte und um sein Urteil bat. Gerhard Richter soll gesagt haben, dass alle Malerei aus Ostdeutschland entfernt werden solle. Beaucamp empfand das Kölner „Kolumba“ als nicht zumutbar. (Vgl. Beaucamp 2011). 785 Vgl. Lenssen 2003. S. 18.

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wurden von diesem selbst ausgewählt und eingestellt, 786 sie stammen aus verschiedenen Fachrichtungen (Kunstgeschichte, Theologie, Volkskunde und Volkswirtschaft).787 Für besondere Aufgaben wurden externe Kräfte temporär eingestellt; auch hier wurde betont, dass man sich bereits vor dem Arbeitsverhältnis kannte. 788 Eine angenehme lockere Arbeitsatmosphäre – bei einem Espresso789 – und ein kollegiales, fast familiäres Verhältnis,790 unabhängig von der Stellung des Mitarbeiters,791 seien wichtig. Die Mitarbeiter müssen das Konzept verinnerlicht haben, um es auszuführen und vermitteln zu können.792 In Würzburg wurde eine Etatsumme von 314.000 Euro für alle Museen benannt.793 Es wurde an anderer Stelle ausgesagt, dass es keinen Etat für das Museum gebe, was aber nicht als Einschränkung empfunden werde, da es dadurch auch kein Limit gebe und man sich immer irgendwoher Geld besorgen könne.794 Später wurde jedoch erwähnt, dass der Diözesanhaushalt durchaus auch restriktiv eingriff und mahnte, dass die Diözese keine Museumsinstitution sei, sondern viele soziale Aufgaben besitze.795 Diese Aussage ist besonders hervorzuheben, da das Museum der katholischen Kirche von offizieller Seite den pastoralen Tätigkeiten zugeschrieben wurde, unter welche auch soziale Aufgaben fallen. Von Seiten des Diözesanhaushaltes wurde zwischen Museum und sozialer Aufgabe keine Entsprechung gesehen. Falls einmal keine Gelder aus dem Diözesanhaushalt kommen sollten, hatte die Diözesanleitung vorgesorgt und eine Stiftung gegründet, die die laufenden Kosten der Museen decken würde.796 Ankäufe wurden außerdem durch die „Stiftung Kunstsammlung der Diözese Würzburg“ und die „Freunde des Museums am Dom“ ermöglicht.797 Neben Ankäufen bildeten Stiftungen von Kunstwerken einen wichti-

786 Vgl. Interview Würzburg (00:17:55). 787 Vgl. Interview Würzburg (00:18:02). 788 Vgl. Interview Würzburg (00:37:40, 00:49:00). 789 Vgl. Interview Würzburg (00:27:09, 00:32:39). 790 Vgl. Interview Würzburg (01:25:22). 791 Vgl. Interview Würzburg (00:27:59). 792 Vgl. Interview Würzburg (00:27:09). 793 Vgl. Interview Würzburg (01:22:55). 794 „Ich hatte auch keinen Etat und damit hatte ich aber auch keine Etatbegrenzung, das war sehr gut und ich habe gekauft, wenn ich meinte, dass es wichtig wäre, dieses Stück zu kaufen.“ (Interview Würzburg (00:18:23)). 795 Vgl. Interview Würzburg (00:26:28). 796 Vgl. Interview Würzburg (01:31:00). 797 Vgl. Lenssen 2003. S. 9ff.

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gen Grundstock der Sammlung.798 Es wurde nur von Stiftungen berichtet, welche von außen an das Museum herangetragen wurden.799 Das „Museum am Dom“ wollte das negative Image ausräumen, das mit Kirche und Kunst verbunden wurde, was in mancher Hinsicht mit einer Distanzierung vom Träger einhergeht. Die Zusammenarbeit mit der Diözese wurde jedoch als sehr positiv geschildert. Hier trat vor allem die Person des Bischofs in den Vordergrund, welcher den Befragten eingestellt hatte und der sich auch für Kunst interessierte. Die Aussagen zum Etat waren teilweise widersprüchlich. Besonders bemerkenswert ist, dass der Diözesanhaushalt die Museen nicht zu den sozialen Aufgaben zählte und somit die Aufgabe des Museums nicht als eine diakonische verstand. Admont „Museum des Stifts Admont“ „Der Kulturausschuss besteht aus Abt, Prior, einigen Mitgliedern des Konventes, die sich dafür interessieren, dem Wirtschaftsdirektor und von der Kulturabteilung, der wirtschaftliche Leiter dabei, die museale Assistenz und PR-Dame, der museale Leiter und ich bin dabei.“800

In Admont war das wichtigste Entscheidungsorgan 801 für Fragen der Kunst und des Museums der Kulturausschuss,802 dieser diente als Diskussionsforum und für die Abstimmung von Grundsatzfragen.803 Die Zusammenarbeit wurde hier bis auf einzelne Zwistigkeiten804 als familiär beschrieben.805 Der Kurator, dessen weltlicher Werdegang mit Studium der Kunstgeschichte bereits in Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“ beschrieben wurde, 798 Wie z. B. der Nachlass des Würzburger Bildhauers Otto Sonnleitner, des Dresdner Künstlers Friedrich Press, die Stiftung des Ehepaares Joachim und Marianne Nentwig oder des Malers Herbert Falken (Vgl. Lenssen 2003. S. 9ff.). 799 Werke würden gezielt von Stiftern für die Sammlung erworben und dann dem Museum gestiftet (Vgl. Interview Würzburg (00:43:03)). Menschen, die einen Bezug zum Haus hatten, vererbten Stücke dem Museum oder vermittelten Stiftungen, auch Künstler stifteten ihre eigenen Werke. (Interview Würzburg (01:32:01)). „Die dann stiften oder als Dauerleihgabe geben, aus steuerlichen Gründen. Leute, die gar nicht katholisch sind, oder aus der Kirche ausgetreten, aber uns stiften sie Werke auch im sechsstelligen Bereich, das kann dann 400.000 kosten, das ist dann kein Problem, das kaufen sie uns.“ (Interview Würzburg (00:43:25)). 800 Interview Admont (Teil 4 00:03:16). 801 Vgl. Interview Admont (Teil 3 00:03:45). 802 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:03:169). 803 Vgl. Interview Admont (Teil 3 00:03:45, Teil 4 00:03:16, Teil 4 00:04:59). 804 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:11:59). 805 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:04:59).

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konnte über das Budget, welches ein jährliches Ankaufsbudget von 200.000 Euro plus Sonderbudgets sei,806 frei verfügen, suchte aber bei Sonderankäufen Gespräche mit dem Kulturausschuss.807 Als Chefkurator trug er die Verantwortung für die Inhalte des Museums. Obwohl der Befragte beschrieb, dass ihm die inhaltliche Arbeit im Museum vertrauensvoll überlassen werde808 und das Kloster ein offener Ort für Diskussionen und Meinungsäußerungen sei,809 gab es bei der Auswahl der Künstler und Kunstwerke auch Restriktionen durch den Ort des Klosters, 810 so wurden die bevorzugten Kunstgattungen vorgegeben811 und Themen wie Sexualität und Pornographie ausgeschlossen.812 Ein weiteres Interessenanliegen, welches auch im Kulturausschuss vertreten wurde, sei das des Wirtschaftsdirektors. Dieser wollte z. B. möglichst wenig Geld für den Leihverkehr ausgeben, sondern lieber in dauerhafte materielle Gegenwerte wie Kunstankäufe investieren. Wie bereits beschrieben, wurden der Ankauf von zeitgenössischer Kunst und der Ausstellungsbetrieb auch als eine wirtschaftliche Investition gesehen. Der Wirtschaftsdirektor war bereits in den Entstehungsprozess der Museen involviert und stieß die Arbeit mit zeitgenössischer Kunst maßgeblich an. Sein Engagement setzte sich auch im Betrieb fort, so dass er Werke zum Ankauf vorschlug, welche aus Sicht des Kurators nicht immer in die Struktur der Sammlung passten, aber als eine Investition gesehen wurden.813 Aus Spargründen wurde auch gekürzt, u. a. die Vermittlungsarbeit.814 Beim Aufbau der Kulturabteilung spielten laut Kurator unterschiedliche Interessengruppen eine Rolle: Die Mönche wollten die Botschaft der Benediktiner vermitteln,815 während der Wirtschaftsdirektor die Besucherzahlen durch Neuerungen steigern wollte.816 Später kam dann noch das Interesse des Kurators, des Befragten hinzu. Somit wirkten drei Kräfte im Stift: Als Beispiel wurde die Bestückung des Museumsshops genannt. Während die Mönche gerne religiöse Literatur verkaufen

806 Vgl. Höller 2009. S. 22. 807 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:04:59). 808 Vgl. Interview Admont (Teil 4 01:00:45). 809 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:04:10). 810 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:14:01). 811 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:01:10). 812 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:15:58). Der Kurator beschrieb auch, dass er von Mönchen und Gästen angegriffen werde, er habe einen Hermann Nietsch gekauft, obwohl das gar nicht stimme. (Vgl. Höller 2009. S. 22). 813 Vgl. Interview Admont (Teil 2 00:05:39). 814 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:19:35). 815 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:11:12). 816 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:11:12).

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würden, möchte die wirtschaftliche Verwaltung Produkte anbieten, die sich gut verkaufen, und der Kurator möchte kunsthistorische Literatur im Sortiment.817 Der befragte Kurator baute das kunsthistorische Museum und einen Großteil der Sammlung auf und gehörte somit der ersten Generation von Kuratoren des Museums an. Obwohl der Befragte maßgeblich an der Entstehung und Entwicklung der Neuausstattung des Kunsthistorischen Museums, der Entwicklung des Museums für Gegenwartskunst und dem Aufbau der zeitgenössischen Sammlung beteiligt war818 und die meisten seiner Ideen umgesetzt wurden,819 hatte er sich von einer hauptamtlichen Verpflichtung gelöst und war seit 2007 selbstständig und durch Consultingvertrag mit dem Stift verbunden.820 Er hatte somit freie Arbeitszeiten und konnte Nebenbeschäftigungen nachgehen.821 Der Kurator identifizierte sich nach anfänglicher Skepsis mit dem Kloster, da im Stift die Meinung frei geäußert werden könne, Diskussionen stattfinden und sich in kurzer Zeit viel bewegt habe. Er identifizierte sich aber nicht mit der katholischen Kirche im Allgemeinen.822 Auch vertrat der Befragte in einigen Punkten eine von den Überzeugungen der Entscheidungsträgern abweichende Meinung – Mönche und Wirtschaftsdirektor.823 Innerhalb des Stifts Admont frustrierte es den Befragten, wenn eigene Ideen erst verkannt und nach einiger Zeit diese dann doch von allen für gut befunden würden.824 Als besonders positiv empfand er Anerkennungen von offiziellen Stellen, wie durch die Verleihung des staatlichen Museumspreises oder den Preis des Kunsthandels, des Weiteren eine Anerkennung der persönlichen Arbeit durch das Stift.825 Die Betonung der Anerkennung innerhalb der eigenen Institution deutet darauf hin, dass der Kurator sich als eigenständige Kraft betrachtete und nicht als unabdingbarer Teil des Stifts. 817 Bericht in einer Interviewpause. 818 Vgl. Interview Admont (Teil 4 01:00:45). 819 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:07:34). 820 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:07:34; Teil 4 00:57:28). 821 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:57:28, Teil 4 01:00:45). In seinen Tätigkeiten abseits des Stifts war eine Idee, zwischen zeitgenössischen Künstlern und potentiellen Sammlern zu vermitteln. (Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:59:28)). 822 „Ich spreche jetzt nicht immer von sämtlichen kirchlichen Institutionen, mit denen ich mich nicht immer identifizieren kann. Aber mit dem Stift Admont kann ich mich zu 100 % identifizieren, es ist ein ganz wunderbarer Arbeitgeber, das ist ein Ort, wo man auch seine Meinung sagen kann, wo man Personen hat, mit den Mönchen, mit denen man diskutieren kann über alles.“ (Interview Admont (Teil 1 00:04:10)). 823 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:14:01, Teil 2 00:05:39). 824 So wie es der Fall bei der Museumswerkstatt für Kinder (vgl. Interview Admont (Teil 5 00:10:58)) oder bei einer Cafeteria für das Museum gewesen sei (vgl. Interview Admont (Teil 5 00:11:59)). 825 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:13:36).

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Im Team der Abteilung „Kultur und Tourismus“ des Stifts wurden 14 Personen aufgeführt.826 Es gab eigene Kräfte für Sponsorensuche827 und für PR-Arbeit. Zu Beginn machte die PR noch der museale Leiter.828 Die Arbeit mit Sponsoren wurde stark gefördert.829 Es wurde sogar überlegt, für Sponsoren auf Ausstellungsfläche zu verzichten, um mehr Platz für Veranstaltungen zu bekommen.830 Die Wirtschaftskrise im Jahre 2010 hatte auch Auswirkungen auf den Museumsbetrieb, krisenbedingt war weniger Geld für Ausstellungen vorhanden.831 So nahm das Stift Kontakt zu Sammlern von Gegenwartskunst auf,832 mit deren Werken man kostengünstig eine Ausstellung erstellen konnte.833 Von staatlicher Seite erfuhr das Museum starke Anerkennung. Bereits vor der Eröffnung des neuen Museums wurde das Stift durch Subventionen vom Land für die Umstrukturierung des Areals unterstützt.834 Das Kloster Admont unterlag nicht der Diözese, sondern wurde von den Admonter Benediktinermönchen getragen. In Admont lebten im Jahre 2010 32 Mönche, welche als ihre Verpflichtung das Gebet und den Dienst am Mitmenschen sahen.835 Es wurde unterstrichen, dass sich die benediktinische Gemeinschaft von Admont in der Zeit ihres 900-jährigen Bestehens immer für Kultur und Kunst geöffnet habe.836 Auf der Homepage des Museums wurde betont, „Gegenwartskunst ist hier etwas ganz Natürliches und Lebendiges.“ 837 Dies gilt es zu hinterfragen. Wie in Kapitel „Für wen sollte das Museum der katholischen Kirche sein – Gläubige, Nichtgläubige und Abtrünnige“ gezeigt wurde, gab es nur vereinzelt Kontakte zwischen den Mönchen und den Künstlern, die Admont besuchten. Die Arbeit in 826 Ein Leiter der Abteilung für Kultur und Tourismus, ein musealer Leiter und Chefredakteur für Periodika, ein Kurator der Kunstsammlung, ein Archivar und Bibliothekar, eine Sales- und Eventmanagerin, eine Kraft für Kommunikation, Sponsoring und Förderungen, eine Office Managerin und eine Assistenz der Betriebsleitung, sowie sechs Personen im Museumsteam (Vgl. Admont Team 2010). 827 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:40:43). 828 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:02:50). 829 Dies zeigte auch eine eigens abrufbare Broschüre, welche die Vorteile des Sponsorings von Admont aufzeigte, in welcher u. a. mit einem „Sponsorfilm am Monitor im Kassenbereich“ oder „Prospekteinlage in Taschen im Museumsshop oder Mitgabe bei der Eintrittskarte“ geworben wurde. (Vgl. Admont Sponsoren 2011). 830 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:40:43). 831 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:38:08). 832 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:31:58). 833 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:38:08). 834 Vgl. Admont 2003. S. 147. 835 Vgl. Admont Aufgaben 2010. 836 Vgl. Admont Geschichte Gegenwart 2010. 837 Admont Geschichte Kunsthistorisches 2010.

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den Museen wurde inhaltlich nur von weltlichen Mitarbeitern geleistet.838 Zwischen den Museen und anderen klösterlichen Aktivitäten bestanden kaum inhaltliche Verknüpfungen.839 Gegenwartskunst wurde auch nicht in das geistliche Leben integriert, so fand sich z. B. keine Gegenwartskunst im Kirchenraum, sondern war auf ausgewiesene Räume im Museum und auf das Außenareal begrenzt. Ebenso wenig wurde Gegenwartskunst in die Kirchen der mit dem Kloster kooperierenden Gemeinden gebracht.840 In der PAX-Ausgabe 2/2011 wurde von der Kirche berichtet, in welcher der Pfarrer über die Ostertage ein Gemälde aus dem Museum platzierte.841 Die Tatsache, dass im Jahre 2011 ein zeitgenössisches Kunstwerk über ein paar Tage in einer Kirche hing, ist hier eine Nachricht wert und demonstriert, dass es sich bei zeitgenössischer Kunst im Kirchenraum um keine Selbstverständlichkeit handelte. Zu Beginn des Aufbaus der Sammlung schien es noch ein gewisses Engagement im Kloster gegeben zu haben, da Personen auf den Kurator zukamen und Künstler vorschlugen, die von dem Kurator aber nicht als qualitätvoll angesehen wurden.842 Unter dem Gesichtspunkt der Ablehnung des Geschmacks der Mönche und dem Ablehnen ihrer Vorschläge ließe sich auch deren fehlende Motivation erklären, sich weiterhin für das Museum zu engagieren. Es stellt sich die Frage der Authentizität einer Klostersammlung, die nicht vom Kunstverständnis der eigentlichen Bewohner getragen wurde oder dieses widerspiegelte. Innerhalb des Museums wurde dem Besucher das Interesse der Mönche für die Kunst mit Fotografien an den Eingängen suggeriert, indem die Mönche betrachtend vor Kunstwerken abgebildet wurden. Diese Fotografien zeigten, dass man im Museum den Besuchern bewusst machen wollte, dass man sich in einem klösterlichen Museum aufhielt. Im Gegensatz zu anderen Häusern, in denen man die kirchliche Trägerschaft durch Änderungen des Museumsnamens aus dem Fokus nahm, wurde 838 „Das ist ja eine Frage der Glaubwürdigkeit, denke ich, das merkt man dann auch von außen, das macht alles der Kulturdirektor, das macht alles der Wirtschaftsdirektor, das sind alles Weltliche. Das sind gar keine Mönche. Wir sind von außen dazu.“ (Interview Admont (Teil 4 00:16:26)) und Interview Admont (Teil 5 00:30:11)). 839 Obwohl Kooperationen z. B. mit der Schule des Klosters seitens des Museums angestrebt wurden. (Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:41:43)). 840 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:10:56). 841 Vgl. Pax 2011 S. 12. 842 „Die Zeit des Aufbaus betreffend, jetzt ist das nicht mehr so in dem Maße, habe ich 50 % meiner Energie in konstruktives Verhindern gesteckt, weil immer jemand kommt und sagt: Mei, da kennt er jemanden. Im schlimmsten Fall das nutzt alles nicht, ich mein da bin ich halt zum Herrn Abt gegangen. Da sind meine Schlüssel, ich kann das so nicht mehr machen […]. Das muss ich ihnen ja lassen, es ist nie soweit gekommen, sie haben diskutieren lassen mit sich und haben gesagt: Ja, wenn das so ist, dann ist vielleicht auch was dran.“ (Interview Admont (Teil 5 00:17:54)).

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diese hier betont und unterstrichen. Man wünschte sich eine stärkere Verknüpfung des Klosters und der Mönche mit dem Museum.843 Die Museen und auch die zeitgenössische Kunst wurden von den Mönchen und den klösterlichen Einrichtungen zwar nicht maßgeblich mitgestaltet, jedoch akzeptiert. Dies zeigte sich in verschiedenen Punkten, z. B. liehen Mitarbeiter und Mönche Werke des Museums für ihre eigenen Räumlichkeiten aus.844 Die Akzeptanz der Mönche für das Museum zeigte sich auch darin, dass sie ihren Gästen das Museum präsentierten.845 Man war sich im Kloster bewusst, dass die Museen dem Stift in den Medien eine positive Berichterstattung brachten,846 dies kann als ein wesentlicher Grund für die Akzeptanz gesehen werden. Freising „Dombergmuseum“ „Wir verstehen uns natürlich in erster Linie als Kunsthistoriker, oder überhaupt als Kunsthistoriker, wir sind keine Theologen.“847

Zu dieser Aussage muss ergänzt werden, dass dennoch im Team ein emotionaler Zusammenhalt auch durch Beten hergestellt wurde 848 und Feste im Team mit christlichen Ritualen gemeinsam begangen wurden.849 Im Team waren 15 Mitarbeiter: drei Kunsthistorikerinnen (Direktorin, Stellvertreterin, Volontärin), hinzu kamen Aufseher, Reinigungskräfte, Hausmeister und zwei Restauratorinnen.850 Obwohl es sich bei der Befragten um die dritte Besetzung auf der Direktorenstelle handelte, kann man von einer Person in der zweiten Generation sprechen, da die Persönlichkeit Peter Steiners das Konzept des Hauses nachhaltig geprägt hatte. Die Befragte hatte an der zum Domberg nächstgelegenen Universität (München) Kunstgeschich843 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:30:11). 844 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:43:04, Teil 4 00:43:31). 845 „Und ich kann auch ruhigen Gewissens eins sagen, auch wenn sie mit Kunst überhaupt nichts anfangen können, ist es trotzdem so, dass sie mit ihren Pfarrgruppen immer aufrechten Hauptes durch das Museum der Gegenwartskunst gehen. Also da würde ich fast sagen ausnahmslos.“ (Interview Admont (Teil 5 00:21:28)) und Interview Admont (Teil 4 00:43:53)). 846 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:04:09). 847 Interview Freising (01:47:17). 848 Vgl. Interview Freising (00:48:51). 849 Vgl. Interview Freising (01:23:17, 01:32:33). So wurde die Geburtstagsfeier des Museums von einem Geistlichen des Domberges mit den Angestellten in Form einer Messe im Museum an einem ausgestellten Altar mit anderen Exponaten und später vor dem Lukasbild vollzogen. (Vgl. Interview Freising (00:47:28)). 850 Vgl. Interview Freising (00:08:41).

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te, Archäologie und geschichtliche Hilfswissenschaften studiert und somit einen klassischen kunsthistorischen Ausbildungsweg absolviert – mit Promotion.851 Eine Kontaktaufnahme zum Domberg wurde von der Befragten wegen räumlicher Nähe zum eigenen Wohnort forciert. Zu einer ersten Beschäftigung kam es 1983 in Form einer Honorarstelle zur Kircheninventarisierung,852 nach der Übernahme weiterer Aufgaben bekam die Befragte das Angebot einer Festanstellung als Assistenz des damaligen Direktors im Jahre 1989.853 Nach dessen Pensionierung 2007 durchlief sie das offizielle Bewerbungsverfahren für die Direktorenstelle.854 Neben kleinen Jobs vor 1983855 verlief die Berufslaufbahn der Befragten somit am Domberg selbst.856 Das „Dombergmuseum“ ist eine nachgeordnete Institution des Kunstreferates der Erzdiözese München-Freising857 und der Kunstreferent der Erzdiözese somit der Chef des Museums.858 Die Befragte musste ihre Planung einem Kontrollgremium vorlegen, in welchem fünf Personen saßen: der Kunstreferent des Kunstreferates der Erzdiözese München-Freising Ordinariatsrat, der Finanzdirektor, Weihbischof Haselberger, welcher am Domberg wohnte, ein emeritierter Kunstprofessor und die Direktorin des Museums. Hier wurden Entscheidungen über große Neuankäufe und Ausstellungen getroffen, wobei oft finanzielle Aspekte ausschlaggebend gewesen seien.859 Steiner erklärte 2008 auf die Frage nach der Einmischung des Trägers, dass jedes Haus einen Träger habe, vor dem man sich natürlich verantworten müsse.860 Steiner glaubte, dass sich politische Träger fast häufiger einmischen, als es der

851 Vgl. Hahn 1977. 852 Vgl. Interview Freising (00:01:28). 853 Vgl. Interview Freising (00:03:28). 854 Vgl. Interview Freising (02:29:37). 855 Vgl. Interview Freising (00:01:28). 856 Als besonders negativ empfand die Befragte ein Misstrauen der medialen Öffentlichkeit in die eigene Kompetenz bereits vor Amtsantritt als Direktorin. Durch die Position an zweiter Stelle und die Präsenz des Vorgängers wurde in den Medien die Kompetenz der Stellvertreterin angezweifelt (Vgl. Interview Freising (02:29:37)). 857 Vgl. Interview Freising (01:01:03). 858 Vgl. Interview Freising (02:07:46). 859 Vgl. Interview Freising (02:06:24, 02:07:46). 860 „Deswegen gibt es vermittelnde Instanzen, in unserem Fall heißen sie Beirat und Kuratorium. In denen wird so etwas ausgetragen. Man schlägt ihnen etwas vor, dann kommt Widerrede, dann macht man es vielleicht trotzdem und lässt sich das dann quasi erst hinterher genehmigen. Es ist auf jeden Fall notwendig, als Museumsleiter mit diesen Dingen umgehen zu können, denn selbstverständlich hat der Träger die Verantwortung.“ (Steiner 2008).

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kirchliche Träger tue.861 Mit dem Kunstreferat arbeitete das Museum z. B. beim Erwerb von Kunstwerken zusammen.862 Auch Kontakte zu zeitgenössischen Künstlern stellte man über das Kunstreferat her, welches Künstler für Kirchenausstattungen suchten. Steiner arbeitete hier noch mit einer freiberuflichen Kuratorin zusammen, die Befragte wollte aber einen anderen Akzent setzen.863 Auch die räumliche Nähe auf dem Domberg führe zu einer Verbundenheit und Zusammenarbeit mit Geistlichen.864 Die Befragte sah kunsthistorische Belange als wichtig an und wollte nicht nur im Management verharren. Bei der Arbeit mit „Junger Kunst“ holte man sich auch für die Pressearbeit Hilfe von außen,865 da man die entsprechenden Verbindungen und Kontakte selbst nicht besaß. Im Vorgespräch wurde bereits darauf hingewiesen, dass bei Fragen zu zeitgenössischer Kunst der Fachreferent für zeitgenössische christliche Kunst oder Herr Steiner besser helfen können. Bei der Frage nach der Rolle der zeitgenössischen Kunst im Museum der katholischen wurde die Diözesanleitung als wichtiger Einflussfaktor benannt. Aber man sah die Hauptverantwortung hier bei den Kunstverantwortlichen, welche das Anliegen an den Bischof herantragen müsten.866 In Freising fühlte man sich ideell von der Diözese getragen. 867 So erklärte sich der Erzbischof bereit, Ausstellungen zu eröffnen. 868 Der Erzbischof wurde aber nicht als direkter Ansprechpartner geschildert, jedoch kam zum Ausdruck, dass das Museum innerhalb der Erzdiözese nicht umstritten sei und von der Erzdiözese gewünscht werde, dass die „Moderne“ weiter betrieben werde.869 861 Vgl. Steiner 2008. 862 Vgl. Interview Freising (01:14:08). Steiner wies darauf hin, dass die Situation in der Erzdiözese München-Freising im Vergleich mit anderen Orten erfreulich sei, da es einen eigenen Referenten für zeitgenössische christliche Kunst gab. (Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2009a). 863 Vgl. Interview Freising (01:01:03). 864 Vgl. Interview Freising (01:49:19, 01:32:33). Ebenfalls gab es Kooperationen mit schulischen, universitären und erwachsenbildnerischen christlichen Einrichtungen der Region und Angebote für Weiterbildungsprogramme (Vgl. Interview Freising (01:51:42, 01:19:37, 01:49:19)). 865 Vgl. Interview Freising (02:19:39). 866 „Das hängt ganz stark an der Person, natürlich irgendwo auch immer an der Diözese, aber es ist doch eher so, dass man als Verantwortliche für Kunst so etwas an die Bischöfe herantragen muss und nicht die Bischöfe sagen jetzt: Mach gefällig moderne Kunst! Irgendwo finde ich, stehen wir doch zunächst einmal in der Verantwortung.“ (Interview Freising (01:58:33)). 867 Vgl. Interview Freising (02:29:37). 868 Vgl. Interview Freising (02:03:45). 869 Vgl. Interview Freising (02:29:37).

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Von 1982 bis 2007 war Friedrich Kardinal Wetter Erzbischof, dem ein Engagement zur Seelsorge junger Künstler zugeschrieben wurde, er war Vorsitzender der „Kommission für Fragen der Wissenschaft und Kultur“ der Deutschen Bischofskonferenz von 1970 bis 1981.870 Dies bedeutet: Er war maßgeblich an dem Schreiben „Anmerkungen und Empfehlungen zum Verhältnis von Kirche und Kunst in der Gegenwart“ aus dem Jahre 1980 beteiligt. In diesem Schreiben hatte sich die Kommission vom aktuellen Kunstgeschehen distanziert, beschrieb die Eigenständigkeit der Kunst als Gefahr und wollte „moderne christliche Kunst“ fördern, so zum Beispiel durch Unterbringung in Diözesanmuseen. 871 Diese Position von Erzbischof Wetter könnte einen Einfluss auf die in Freising betriebenen Art der Förderung von zeitgenössischer Kunst – Aufforderung zum Schaffen von Werken mit christlichen Fragestellungen – gehabt haben. 2008 folgte Reinhard Kardinal Marx als Erzbischof.872 Dieser habe der Befragten gesagt, dass er es wichtig finde, auch zeitgenössische Sachen zu zeigen, mutig zu sein und auch möglicherweise Konflikte in Kauf zu nehmen.873 Von der Erzdiözese erhielt das „Dombergmuseum“ einen geringen Ankaufsetat, aber punktuell Sondermittel.874 Durch Sondermittel konnten manche größere Werke erworben und diese dadurch vor Zerstreuung oder Verkauf ins Ausland gerettet werden. Sponsoren und Sondermittel waren für das Museum von großer Wichtigkeit, da sie die einzige Möglichkeit seien, größere Ankäufe und Ausstellungen zu finanzieren.875 Das Museum hatte bereits mehrmals sowohl öffentliche Gelder als auch Stiftungen aus der Privatwirtschaft für Ausstellungen und Ankäufe erhalten. 876 Eine Institution, die das Museum im Bereich zeitgenössischer Kunstarbeit kontinu870 Vgl. München Wetter 2012. 871 Siehe Kapitel „Das Schreiben der Deutschen Bischofskonferenz über das Verhältnis von Kirche und Gegenwartskunst“. 872 Vgl. München Marx 2012. 873 Vgl. Interview Freising (02:03:45). 874 Vgl. Interview Freising (00:10:11, 00:18:09). 875 Vgl. Interview Freising (00:10:11). 876 Vgl. Interview Freising (02:03:45). Um Geld von großen Stiftungen zu bekommen, müsse man über Jahre Vertrauen aufbauen, zum Beispiel für Gelder von der Bundesregierung. Der bayerische Staat unterstützte das Museum, sowohl finanziell als auch ideell, so eröffnete der bayerische Kultusminister bereits Ausstellungen des „Dombergmuseums“. (Vgl. Interview Freising (02:03:45)). Die Siemens-Stiftung sei ebenfalls ein wichtiger Spender. Steiner berichtete, dass es nötig sei, viele Telefonate zu führen, um kleinere Beträge für Erwerbungen zu bekommen, dabei sei es günstig, die Menschen in der Region gut zu kennen. (Vgl. Steiner 2008). Kleinere Beträge kamen auch aus der Region. (Vgl. Interview Freising (02:10:04)). Repräsentanten der Gemeinde unterstützten auch das Museum. (Vgl. Interview Freising (01:51:42, 02:23:17)).

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ierlich unterstützte, war der Christliche Kunstverein „Ausstellungshaus für christliche Kunst“ aus München, dieser sponserte seit Anbeginn die Ausstellungsreihe „Junge Kunst“.877 Trat die Diözese in Freising auch nicht als treibende Kraft in den Vordergrund, so zeigte sie, indem sie die von Peter Steiner eingearbeitete Mitarbeiterin als Direktorin auswählte, die Unterstützung und gewollte Weiterführung des Konzepts. Die Direktorenstelle wurde seit Peter Steiner von weltlichen Mitarbeitern mit kunsthistorischer Ausbildung besetzt. Diese stammten aus dem Raum der Diözese und hatten keine museale Ausbildung an anderen Museen absolviert. Die Grundtendenzen des Konzepts waren seit der Eröffnung gleichgeblieben, wobei unter den Direktoren unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt worden waren. Die Befragte sah die existenzielle Bedeutung von Kunst und den Nutzen für ein positives Image der katholischen Kirche.878 Sie versuchte, sich nicht von der Trägerschaft abzugrenzen, sondern identifizierte sich mit ihr und lehnte deswegen auch religiös verletzende Kunstwerke ab. Als Ausblick sei zu bemerken, dass bei der Stellenausschreibung für die Neubesetzung der Direktorenstelle Ende 2011 zeitgenössische Kunst allerdings keine Rolle mehr spielte, dafür aber Kenntnisse sakraler Kunst und katholischen Frömmigkeitsgeschichte sowie Erfahrung im Museumswesen. Zwar wurde ein Studium mit Promotion vorausgesetzt, dies aber nicht explizit in Kunstgeschichte, sondern auch in Theologie oder Volkskunde.879 Dies stellt eine Verlegung des 877 Vgl. Interview Freising (02:03:45, 02:10:04). 878 „In heutigen Zeiten gehört das Museum und die Kunst allgemein, doch eben noch zu den Sachen, die im Allgemeinen positive Schlagzeilen machen und keine NegativSchlagzeilen. Es gehört tatsächlich zu den Pfunden, mit denen die Kirche wuchern kann, bei all dem Negativen.“ (Interview Freising (02:03:45)). 879 „[…] Das Aufgabengebiet umfasst im Wesentlichen: personelle und fachliche Leitung des Museums sowie Management des Kulturbetriebs (z. B. Personalplanung und Mitarbeiter/innen-Führung, Haushaltsplanung und -überwachung, Fundraising und Gremienarbeit). Pflege und Verwaltung des anvertrauten Kunstgutes/Inventars (verbale, metrische und fotografische Erfassung) und wissenschaftliche Bearbeitung des Kunstbesitzes des Museums sowie verwandter Phänomene. Konzeption, Planung und Durchführung von (Sonder-) Ausstellungen unter Berücksichtigung des pastoralen Auftrages eines Museums für Christliche Kunst als Ort der Verkündigung. Förderung und Durchführung museumspädagogischer Impulse. Unterstützung und Beratung von Kirchenstiftungen in Bezug auf die Lagerung und Verwahrung von Kunstgütern. Vertretung des Museums und seiner Interessen nach außen. Wir erwarten von Ihnen ein erfolgreich abgeschlossenes Studium der Kunstgeschichte, Volkskunde oder der katholischen Theologie mit Promotion. Sie verfügen über exzellente Kenntnisse sakraler Kunst insbesondere in Süddeutschland und nachweisbare Kenntnisse der katholischen Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte, sowie fundierte Erfahrungen im musealen Bereich und im Ma-

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Schwerpunktes im Profil der Museumsleitung dar und eine Reduzierung des Stellenwertes zeitgenössischer Kunst. Köln „Kolumba“ „Der Generalvikar ist Dienstvorgesetzter, also der Leiter dieser Institution hat natürlich schon regelmäßig Kontakt. Und da der Generalvikar die rechte Hand des Erzbischofs ist, insofern, steht man schon im Gedankenaustausch, aber das möchte ich immer nur unterstreichen, wir haben hier eine relativ große Autonomie. Das ist eine Frage, die wird man ständig gefragt, wie ist es hier mit der Zensur und da muss ich sagen, ich empfinde hier überhaupt keine Zensur, im Gegensatz zu dem, was teilweise in städtischen Institutionen abläuft.“880

Die Verantwortlichen im Museum bezeichneten den Träger als wichtiges Moment, das es ermögliche, solch eine lange Planungszeit zu haben. Kraus beschrieb, dass die katholische Kirche eine große Tradition im Bauen habe und lange Prozesse gewöhnt sei und man die Kirche bat, sich diese Souveränität für den Bau „Kolumbas“ wieder zu eigen zu machen.881 Dies zeigt sich auch in der Finanzierung. Der Bauherr des Neubaus von „Kolumba“, Kardinal Meisner, hatte ursprünglich eine Summe von 36,7 Mio. Euro festgesetzt, nachdem diese überschritten wurde, wurden noch 1,7 Mio. Euro bewilligt.882 Plotzek betonte des Öfteren die wichtige Rolle Bischof Meisners in der Entstehung „Kolumbas“, der durch sein Interesse und sein Vertrauen die Arbeit der Kuratoren ermöglicht habe.883 Auch sein Nachfolger Kraus nagement einer kulturellen Einrichtung. Kommunikationsstärke, Führungskompetenz und Erfahrungen in der Museumspädagogik runden Ihr Profil ab. Erwünscht sind Kenntnisse der lateinischen, italienischen und englischen Sprache. Sie gehören der Katholischen Kirche an und identifizieren sich mit dem Auftrag eines Museums für Christliche Kunst.“(München Stellenausschreibung 2012). 880 Interview Köln (B1: 00:42:51). 881 Vgl. Kraus 2008. 882 Vgl. Kolumba Stichworte 2011. 883 „Die Entfaltung solcher Fähigkeiten war wiederum nur möglich im Wissen um ein verlässliches Getragensein durch unseren Kardinal. Das Interesse von Joachim Kardinal Meisner an der Kunst und speziell an ‚seinem‘ Kunstmuseum als einem ganz eigenwertigen Ort der Verkündigung gerade auch in Zeiten, in denen dem Haus der Wind aus welcher Richtung auch immer ins Gesicht blies, war und bleibt das Unterpfand für eine wirkungsvoll in die Öffentlichkeit hinein ausgerichtete Museumsarbeit. Sein Vertrauen in die Kompetenz der Berufenen ehrt uns gerade in schwierigen Situationen, macht uns glücklich und beflügelt unser schöpferisches Tun.“ (Plotzek 2008)). Ähnliche Worte fielen auch bei der Einweihung: „[M]it großem Verständnis haben Sie, verehrter Herr Kardinal – und ich begrüße Sie in „Ihrem“ Haus ganz herzlich – die lange Planung und

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hob dies hervor.884 Kardinal Meisner sprach in seiner Rede zum Richtfest „Kolumbas“ auch davon, dass das Haus ihm immer ein Anliegen gewesen sei, dass er darin aber auch von der ganzen Diözese unterstützt worden sei.885 Im Interview hingegen stieß die Frage nach einer Zusammenarbeit mit dem Bischof auf eine abwehrende Gegenfrage und wurde schließlich als Frage nach Zensur durch die Diözese verstanden. Die Autonomiefrage wurde als ein großes Vorurteil gegen „Kolumba“ geschildert,886 welches nicht zutreffe. Im Interview wurde nicht von einem Gremium oder Ausschuss, der zu Fragen des Museums tagt, berichtet. Wie bereits in Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“ gezeigt, bestand auch eine unterschwellige Diskrepanz zwischen geistlichen Vertretern der Diözese und den Kuratoren bezüglich der Frage des Auftrages. Während die Geistlichen mit religiösen Begriffen umgingen, scheute man sich auf Seiten der Kuratoren, diese einzubringen. Die Befragten arbeiteten bereits mit dem ersten Leiter unter diözesaner Trägerschaft –Plotzek – zusammen und gehörten somit unter der Leitung von Kraus quasi der zweiten Generation von Mitarbeitern unter der diözesanen Trägerschaft an. Beide Befragten hatten einen weltlichen Werdegang. Sie hatten Kunstgeschichte und ergänzend andere historische Fächer (Archäologie, Völkerkunde, Geschichte, rheinische Landesgeschichte) studiert. Sie waren entweder durch ein offizielles Bewerbungsverfahren887 oder durch bereits bestehende Kontakte ans Haus gekommen.888 Publikationen war zu entnehmen, dass eine der befragten Personen bereits seit den späten 1980er-Jahren mit einzelnen Artikeln in der Zeitschrift „Kunst und Kirche“ vertreten war und 1989 erstmals in der Redaktion dieser Zeitschrift mitarbeitete. Sie arbeitete weiterhin seit 1990 an der Station St. Peter in Köln und 1991 wurde sie Nachfolgerin Friedhelm Mennekes in der Redaktion der Zeitschrift „Kunst und Kirche“.889 Mennekes schrieb selbst positiv über „Kolumba“.890 AußerRealisierung des Neubaus „Ihres“ Kunstmuseums des Erzbistums Köln begleitet und seiner Fertigstellung mit wachsender Ungeduld entgegengesehen.“ (Plotzek 2007). 884 „Die kulturelle Blüte unseres Erzbistums steht ja nicht zufällig sondern sehr konkret mit Ihnen – verehrter Herr Kardinal – und ihrem persönlichen Interesse an Kunst und Kultur in einer Beziehung.“ (Kraus 2010a). 885 „Ich bin nun schon über 17 Jahre Erzbischof in Köln, und von Anfang an begleitete mich das Anliegen eines Diözesanmuseums. Als dann eine Realisierung immer näher rückte, wurde ich in diesem Bestreben sehr unterstützt vom Priesterrat der Erzdiözese Köln, vom Diözesanpastoralrat und auch vom Kirchensteuerrat. Wir haben für Kolumba Jahrzehnte gespart.“ (Meisner 2006). 886 Vgl. Interview Köln (B1: 00:42:51, B2: 00:41:43). 887 Vgl. Interview Köln (B2: 00:02:33). 888 Vgl. Interview Köln (B2: 00:02:28; B1: 00:03:09). 889 Vgl. Leisch-Kiesl 2002.

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dem wurde durch ihn die Kunstsammlung der Kölner Jesuiten „Kolumba“ gestiftet.891 Dementsprechend muss, auch wenn ein offizielles Bewerbungsverfahren stattgefunden hat, bereits vorher ein Kontakt bestanden haben. Der andere Befragte war seit dem 1.10.2002 am Haus tätig, er trat als fünfter kunsthistorischer Mitarbeiter in das Team ein und hatte einen Zeitvertrag zur Inventarisierung der Sammlung.892 Er war mit den Kollegen schon länger bekannt, da er in der Nachbarschaft im Kölner Dom gearbeitet hatte und abgeworben wurde. Nach dem Inventarisierungs-Projekt war er hauptamtlich für die Vermittlung zuständig. 893 Beide Befragten waren somit, bevor sie ans „Kolumba“ kamen, im Umfeld der Thematik „Kirche und Kunst“ beschäftigt. Vorkenntnisse aus diesem Bereich überwiegen. Eine Volontariats-Ausbildung im Museumswesen, der übliche Ausbildungsweg im Museumswesen, wurde nicht geschildert und war somit kein ausschlaggebendes Kriterium. Ulrike Surmann war die einzige Mitarbeiterin im Team, von welcher ein museales Volontariat bekannt war, sie war zuvor Volontärin am Liebighaus in Frankfurt am Main gewesen.894 Der wissenschaftliche Grad der Promotion war bei allen leitenden Mitarbeitern vorhanden. Diese Kriterien zeigte auch eine Ende des Jahres 2011 offiziell ausgeschriebene Stelle als Kurator für „Kolumba“. 895 Man wollte den eigenen Ausbildungsweg nicht in den Vordergrund stellen.896 Kardinal Meisner sagte in seiner Eröffnungspredigt, dass keine Priester das Museum leiten, sondern Fachleute, mit einem „Gespür für diese Art von Spuren Gottes in Welt und Schöpfung und die die Fähigkeit besitzen, dem Herrn selbst im Menschen zu begegnen.“897 2008 übernahm Stefan Kraus, welcher zuvor in Plotzeks Team gearbeitet hatte, die Leitung des „Kolumba“. Es wurde in den Medien betont, dass eine Hausnachfolge im Kontrast zu kommunalen Institutionen fast selbstverständlich erscheine. 890 Vgl. Mennekes 2009. S. 5–6. 891 Vgl. Plotzek 2003. S. 32. 892 Vgl. Plotzek 2003. S. 38. 893 Vgl. Interview Köln (B2: 00:03:09). 894 Vgl. Plotzek 2003. S. 30. 895 Zum Profil: „mit Promotion abgeschlossenes Studium der Kunstgeschichte, Interesse an zeitgenössischer Kunst, Interesse an Literatur und Musik, gute Fremdsprachenkenntnisse in Englisch; weitere Fremdsprachenkenntnisse sind wünschenswert, Teamfähigkeit, Offenheit, Kommunikationsfähigkeit, Verbindlichkeit, Identifikation mit der katholischen Kirche, Erfahrungen und Fähigkeiten aus Familienarbeit, sozialem Engagement oder ehrenamtlicher Tätigkeit sind von Vorteil.“ (Museumsbund 2011). 896 Die Antworten und Informationen über den eigenen Werdegang fielen sehr knapp aus und es wurde auch schon im Vorgespräch hinterfragt, inwieweit der persönliche Werdegang für das Museum relevant sei. 897 Meisner 2007.

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Der Generalvikar hob hervor, dass hierdurch Kontinuität, Qualität und Identität des Hauses bewahrt bleiben.898 Generalvikar Schwaderlapp sagte, dass, der Erzbischof, indem er als Nachfolger keinen neuen Namen benannte zeige, wie viel ihm an Plotzeks Konzept für „Kolumba“ liege.899 Stefan Kraus hatte neben Kunstgeschichte Germanistik und Pädagogik in Köln und Bonn studiert. 900 Bevor er ans „Kolumba“ kam, war er im Kölnischen Kunstverein tätig gewesen. Neben den vier Kuratoren gab es externe Kräfte für Rundgänge. 901 Die Kuratoren sahen die Rundgänge jedoch auch als eine wichtige Aufgabe in ihrem Arbeitsfeld.902 Bewerbungen der externen Kräfte kommen von außen, wichtig für ihre Einstellung sei, dass sie hinter dem Konzept stehen und nicht die Fachrichtung903 (aktuell vertretene Fachrichtungen waren Theologie, Kunstgeschichte, Geschichte, Geographie).904 Die „begleiteten Rundgänge“ wurden als etwas sehr Persönliches beschrieben.905 Eine längere Zusammenarbeit existierte mit einem Gastkurator für Musik. Dieser sei selbst Künstler, Professor und Komponist.906 Er kenne das Konzept „Kolumbas“ und habe Musikwissen und Vernetzungen in diesem Bereich,907 die das „Kolumba“-Team nicht besaß und könne somit passende Vorschläge machen.908 Die Befragten hielten sich mit Äußerungen bedeckt, wer an der Arbeit im Museum beteiligt war, meist sprachen sie in der ersten Person Plural und erläuterten dieses „wir“ aber nicht. In einem Vortrag verwendete Kraus auch „wir“, wenn er von der Museumsarbeit sprach, er erklärte, dass er damit die vier Kunsthistoriker, die in „Kolumba“ arbeiten, meine.909 Dieses „wir“ strahle auch nach außen aus. In einer Ansprache des Generalvikars betonte dieser die enge Zusammenarbeit des 898 Vgl. Schröder 2008; Melis 2008. 899 Vgl. Schwaderlapp 2008. 900 Vgl. Kölner Stadtanzeiger 2010. 901 Vgl. Interview Köln (B2: 00:11:22). 902 Vgl. Interview Köln (B1: 00:57:20). 903 Vgl. Interview Köln (B1: 01:00:20, B1: 01:01:40). 904 Vgl. Interview Köln (B1: 01:00:43). 905 „Haben sich hier beworben und dann haben wir uns unterhalten, über das Konzept, über die Art der Vermittlung und das ist ja nicht einfach, das ist ja nicht so wie in der klassischen Ausstellung, wo ich eine Auswahl des Kataloges frei vortrage, sondern das ist hier schon mehr und das ist teilweise auch sehr persönlich. Das heißt, ich gebe teilweise auch sehr viel von mir preis, in der Art und Weise solcher Rundgänge. Und da muss man auch erst einmal zu bereit sein.“ (Interview Köln (B1: 01:00:20)). 906 Vgl. Interview Köln (B2: 00:34:09). 907 Vgl. Interview Köln (B1: 00:34:57). 908 Vgl. Interview Köln (B2: 00:35:37). 909 Vgl. Kraus 1997.

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„Kolumba“-Teams. Er erlebe den Leiter nie allein, sondern immer im Team, das immer einer Meinung sei. Innerhalb des Teams werde sicherlich heftig diskutiert, doch nie dränge es nach außen. Der Generalvikar beschrieb, dass Plotzek sein Team sorgfältig ausgesucht habe.910 Anregungen zu einer neuen Ausstellung können von jedem im Team ausgehen und werden spontan und in lockerer Atmosphäre besprochen. 911 Jeder Mitarbeiter habe bestimmte Hauptfunktionen, neben diesen übe man aber auch andere Tätigkeiten aus.912 Die Vorbereitungen für eine Ausstellung beginnen zufällig913 und unterschiedlich, z. B. können sie von einem wichtigen, neuen, neu entdeckten oder aktuellen914 Kunstwerk im Zentrum ausgehen oder von einer Grundtendenz, wie z. B. „schön“,915 im Gegensatz zu den letzten Ausstellungen, die von ihrer Grundtendenz problembeladen und jenseitsorientiert waren.916 „Kolumba“ war in der Diözese vernetzt, man arbeitete mit der Kunstkommission der Diözese zusammen und war auch in Kirchenraumgestaltungen involviert.917 Am 30.9.2009 besuchten die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz „Kolumba“. Und im ersten Sammlungskatalog wurden alle Besuche von deutschen und ausländischen Bischöfen aufgeführt.918 Im Jahr 2010 wurde „Kolumba“ durch die Diözese finanziert,919 allerdings gebe es kein festes Budget mehr.920 Neuankäufe müssen mit dem Träger verhandelt werden, der sie bei diesen aber weiterhin unterstütze. 921 „Kolumba“ betrieb Fundraising, hatte Sponsoren und Stifter.922 Allerdings wurde der kirchliche Träger beim Fundraising als hinderlich empfunden, da der Eindruck entstehen könne, durch das Erzbistum habe „Kolumba“ genug Geld.923 Zudem spenden kirchennahe Menschen lieber für karitative Zwecke spenden und sehen Kunst nicht in der Verantwortung der Kirche.924 Trotzdem bekam „Kolumba“ von Privatpersonen einzelne Werke und 910 Vgl. Schwaderlapp 2008. 911 Vgl. Interview Köln (B1: 00:07:47). 912 Vgl. Interview Köln (B1: 00:03:09). 913 Vgl. Interview Köln (B2: 00:04:47, B2: 00:07:59). 914 Vgl. Interview Köln (B1: 00:05:15). 915 Vgl. Interview Köln (B2: 00:06:17). 916 Vgl. Interview Köln (B1: 00:06:35, B1: 00:07:01). 917 Vgl. Interview Köln (B2: 00:37:20). 918 Vgl. Kraus 2010. S. 432–433. 919 Vgl. Interview Köln (B1: 00:41:37). 920 Vgl. Interview Köln (B2: 00:43:16). 921 Vgl. Interview Köln (B1: 00:43:43). 922 Vgl. Interview Köln (B1: 00:44:27, B2: 00:44:52). 923 Vgl. Interview Köln (B1: 00:44:27). 924 Vgl. Interview Köln (B2: 00:44:42).

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ganze Sammlungen geschenkt.925 Sogar eine Kuratorenstelle wurde durch eine Stiftung ermöglicht.926 Große Projekte erforderten mehrere Stifterparteien. Neben dem Bistum927 gab es Firmenstiftungen und staatliche Stiftungen.928 Die „Kulturstiftung der Länder“ engagierte sich für „Kolumba“, sie hatte die Anregung zur Verleihung des Verdienstkreuzes am Bande, des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, für Joachim Plotzek gegeben.929 Friedhelm Mennekes betonte, dass in „Kolumba“ eine sehr gute Arbeit in Bezug auf Förderer des „Kolumbas“ geleistet wurde.930 Weitere Museen der katholischen Kirche Der „Domschatz Essen“ wurde 2009 neu eröffnet auf einer größeren Ausstellungsfläche und mit neuem Konzept und Design. Den Umbau finanzierte nicht das Bistum, sondern der „Münsterbauverein Essen e.V.“ mit über einer Million Euro.931 Zusammenfassung Betrachtet man die Werdegänge der Museumsmitarbeiter in den Fallbeispielen, handelt sich bis auf Würzburg um studierte Kunsthistoriker, deren universitäre Ausbildung nicht in kirchlichen Institutionen stattgefunden hat. Das „Rundschrei925 Vgl. Interview Köln (B2: 00:45:13, B1: 00:45:52). 2004 wurde die Sammlung durch eine Schenkung der Werk- und Formensammlung Schriefers und 2004 durch einen großen Teil der Keramiksammlung Egner im Bereich der angewandten Kunst des 20. Jahrhunderts erweitert. (Vgl. Kolumba Sammlung 2011). 926 Marc Steinmann wurde von der Renate-König-Stiftung finanziert, er war Kurator mit dem Schwerpunkt „Vermittlung“. Renate König aus Duisburg engagierte sich in der Kirche und besonders in „Kolumba“. Die Vermittlung zwischen christlicher Botschaft und Kunst war ihr Anliegen. Auch ihre private Sammlung von Stundenbüchern und anderen mittelalterlichen Schriften von Weltrang wurden dem Museum zur Verfügung gestellt. Um ihre Förderung für das Museum zu sichern, gründete sie die Renate-KönigStiftung. (Vgl. Köln 2011). 927 Vgl. Interview Köln (B2: 00:46:24). 928 Vgl. Interview Köln (B1: 00:46:42). 929 Vgl. Roters 2010. S. 7. 930 „Den Kunsthistorikern des Museums ist es früh gelungen, ein dichtes Netz von Informationen und Freunden aufzubauen. So kamen sie in den Besitz von Stiftungen aus Künstler- und Sammlernachlässen und fanden zudem Wege, einen engagierten Kreis aus Sponsoren aufzubauen.“ (Mennekes 2008. S. 60), oder an anderer Stelle „Dass Kolumba in die gesamte rheinische und deutsche Kunstszene integriert ist, beweist die wachsende Zahl von Sponsoren, Spendengebern, Stiftungen und Nachlassverwaltungen.“ (Mennekes 2009. S. 10). 931 Vgl. Germes-Dohmen 2009.

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ben 2001“ befand, dass das Museum der katholischen Kirche sowohl von Laien als auch von Geistlichen geleitet werden könne, die aber sowohl in kunsthistorischen, theologischen und sozialen Fragen ausgebildet sein sollten. Wichtig sei auch, dass sich das Personal über die Besonderheit eines Museums der katholischen Kirche bewusst sei und diese transportieren könne, ebenso wurde die Fähigkeit zur Teamarbeit gefordert. In Würzburg, Freising und Köln identifizierten sich alle Arbeitnehmer stark mit ihrem Arbeitgeber und wollten das Anliegen des Museums der katholischen Kirche mit vorantreiben, lediglich in Admont gab es eine gewisse Distanz. Die vom „Rundschreiben 2001“ geforderte Dialogbereitschaft der Mitarbeiter mit zeitgenössischen Künstlern war bei den Fallbeispielen unterschiedlich. Die Arbeit im Team stellte vor allem in „Kolumba“ einen wichtigen Aspekt dar, der auch deutlich nach außen dargestellt wurde. In den anderen Fallbeispielen wurde ein gutes Miteinander der an der Museumsarbeit Beteiligten auch stark betont, aber vor allem in Würzburg ein hierarchisches Verständnis der Arbeitsprozesse unterstrichen. Das „Rundschreiben 2001“ hob hervor, dass die Museen ihre Finanzen möglichst unabhängig von der Diözese gestalten sollten. Die Diözese Würzburg kam dieser Forderung als einzige nach, indem sie eine Stiftung für das Museum einrichtete. In den anderen Fällen griff man auch auf Gelder und Mittel außerhalb der Diözese zurück, aber es wurden keine längerfristigen Finanzierungskonzepte geschaffen. In Admont führten die Finanzkrise und die finanzielle Abhängigkeit auch zu Einschränkungen der Ausgaben. Das „Rundschreiben 2001“ betonte die Zuständigkeit des Bischofs für das Museum der katholischen Kirche. Dies spiegelte sich auch in den Fallbeispielen wider. Alle drei diözesanen Museen unterstrichen das Getragensein von ihrem Bischof, wäre dies nicht vorhanden, wäre ihre Arbeit nicht möglich. In Admont war, da es sich um ein Stiftsmuseum handelt, die Hierarchie eine andere und auch die Motivation, weshalb hier kein direkter Vergleich gezogen werden kann. In Admont war der Wirtschaftsdirektor des Stifts die treibende Kraft für das Einbringen zeitgenössischer Kunst in das Kloster und für die Investitionen in den Tourismus. Der eingestellte Kunsthistoriker brachte weitere Ansätze mit ein. Bereits in der Anfangsphase der Admonter Museen spielten die weltlichen Mitarbeiter die wichtigsten Rollen. Die Kulturarbeit in Admont wurde allgemein hauptsächlich von weltlichen Kräften übernommen. In der Gründung des „Museums am Dom“ zeigte sich, was schon im „Rundschreiben 2001“ ausgedrückt worden war, dass die Gründung von Museen der katholischen Kirche oft dem Wirken einzelner engagierter Personen zu verdanken sei, in diesem Fall ging die Initiative von einem Geistlichen aus. In Köln und Freising prägten die ersten Direktoren das Profil der Häuser maßgeblich, allerdings waren sie als Laien stärker vom Willen der Diözese abhängig als dies in Würzburg der Fall war. Dass die Diözesen die Arbeit der ersten Direktoren in Köln und Freising

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unterstützten, zeigte sich unter anderem auch darin, dass sie in der Nachfolge Personen, die bereits im Museum arbeiteten, wählten. Die Stellenneuausschreibungen in Freising und Köln zeigten allerdings, dass man in Köln seiner Linie treu blieb, während in Freising die Schwerpunktlegung von der Förderung der Kunst der Gegenwart zurücktrat. In Freising arbeitete man auch in künstlerischen Fragen mit Mitarbeitern des diözesanen Kunstreferates zusammen. Wurde die Ausstellungsreihe „Junge Kunst“ unter dem Vorgänger noch von einer Kuratorin, die nicht im christlichen Milieu arbeitete, betreut, suchte nun ein Mitarbeiter des diözesanen Kunstreferates die Künstler aus. Die Verknüpfung mit Kunst im Kirchenraum der Diözese war hier sehr eng und die Zielrichtung wurde von außen vorgegeben. Während man in Freising den Kunstreferenten, welcher für liturgische Orte Künstler suchte, Künstler vorschlagen ließ, und somit eher Künstler, die bereits für Kirchenräume gearbeitet hatten, ins Museum holte, wurden in Würzburg an Künstler, die sich im Museum bewährt hatten, Aufträge für den Kirchenraum vergeben. Die Ausrichtung in Freising, Künstler in das christliche Milieu zu bringen, kann durch die Einstellung des Erzbischofs geprägt worden sein. Das Freisinger „Dombergmuseum“ sah als eine seiner Aufgaben an, die Wichtigkeit von Kunst für die katholische Kirche innerhalb der Diözese zu vermitteln. Ähnlich wie in Admont gab es in Freising ein Kontrollgremium, welches sich mit den Belangen des Museums auseinandersetzte. Dies wurde im Kölner Interview nicht genannt, aus Publikationen sind Diskussionen über Ankäufe im Diözesanverwaltungsrat bis 1995 aber nachweisbar.932 Die Museen präsentierten sich alle so, dass sie innerhalb der Diözese nicht umstritten seien. In Würzburg betonte der geistliche Leiter stark, dass er Entscheidungen völlig unabhängig von der Diözese treffe. Köln und Freising glaubten, dass kommunale Museen oft viel stärker kontrolliert werden. Obwohl die Häuser das Getragen-sein durch ihren Bischof hervorhoben, war es ihnen gleichzeitig wichtig, zu betonen, dass sie in ihrer Arbeit autonom seien. Lediglich Freising sagte, dass man Kunstwerke auch hätte ablehnen können, wenn sie nicht in den Rahmen des Domberges gepasst hätten. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass die Einstellung der lokalen katholischen Leitungen einen Einfluss auf die Häuser hatte, auch wenn sie nicht aktiv am Gestaltungsprozess beteiligt waren. Bei den vorangestellten Betrachtungen wird ein Konflikt deutlich, der den Museen der katholischen Kirche inhärent ist. Keines der betrachteten Häuser möchte den Anschein erwecken, dass die katholische Kirche die Freiheit der Kunst einschränke. Da sich jedoch in einigen Fällen die Träger der Häuser wenig oder gar nicht mit der Kunst auseinandersetzen und vor allem weltliche Mitarbeiter mit der inhaltlichen Arbeit betraut sind, stellt sich die Frage, inwieweit sich die katholische Kirche mit den Museen verbunden fühlt, die sie betreibt. 932 Vgl. Plotzek 2003. S. 31–32.

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SOLLTE DAS M USEUM DER KATHOLISCHEN K IRCHE VERNETZT SEIN – ALLEINGANG , IM V ERBUND ODER IN K OOPERATION Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz „Bei der Geschäftsführung des kirchlichen Museums sollten auch Beziehungen mit anderen kulturellen Einrichtungen, insbesondere mit öffentlichen und privaten Museen, ins Auge gefaßt und angeregt werden. Diese Zusammenarbeit muß so erfolgen, daß die Autonomie der einzelnen Einrichtungen gewährleistet ist und die Planung und Durchführung gemeinsamer Projekte zur kulturellen Belebung der Region angeregt wird.“933

Kunstwerke von Museen der katholischen Kirche sollten laut „Rundschreiben 2001“ durch Verleih „in Umlauf“ gebracht werden, ebenso waren Kooperationen der katholischen Einrichtungen für Kulturgüter mit analogen öffentlichen Einrichtungen erwünscht. Man versprach sich dadurch einen Synergieeffekt. Im Berufsbild für das Fachpersonal des Museums der katholischen Kirche betonte das „Rundschreiben 2001“ die Teamfähigkeit.934 Eine Vernetzung unter Museen der katholischen Kirche befürwortete Garlandini – Analyst der italienischen Museen der katholischen Kirche –, er wies darauf hin, dass Museen der katholischen Kirche so viel mehr erreichen könnten. Zwar sollten die Museen lokal ausgerichtet sein, aber trotzdem könnten sie gemeinsame Fragen, wie zum Beispiel der Didaktik, bearbeiten, wozu sie – da es meistens kleine Museen seien – allein nicht in der Lage wären.935 Eine nationale und internationale Dachorganisation zwischen Museen der katholischen Kirche war schon 1994 durch die „Päpstliche Kommission für Kulturgüter der Kirche“ im „Malta Dokument“ gefordert worden.936 Im deutschsprachigen Raum existierte bereits seit 1958 die „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“, 2008 waren 93 Institutionen beigetreten.937 Als eine der wichtigsten Aufgaben der Arbeitsgemeinschaft wurde 2007 auch Networking unter den kirchlichen Museen genannt und dadurch Erleichterung beim Leihverkehr und Ermöglichung gemeinsamer Ausstellungen. Der Austausch habe unter anderem dazu geführt, dass „viele Diözesanmuseen erstmals auch zeitgenössische Kunst sammeln und sich überhaupt ernsthaft mit dem

933 Rundschreiben 2001. 934 Vgl. Rundschreiben 2001. 935 Vgl. Garlandini 2008. S. 140–141. 936 Siehe Kapitel „Das ‚Malta Dokument‘ (1994)“. 937 Vgl. Lenssen 2008. S. 269.

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künstlerischen Schaffen der Gegenwart auseinandersetzen.“938 Im Jahre 2005 kam nun ein europäischer gemeinnütziger Verein belgischen Rechts „Europae Thesauri“ hinzu, ein Zusammenschluss von Fachleuten aus dem Bereich des kirchlichen Museumswesens und der einschlägigen historischen und kunsthistorischen Forschung auf europäischer Ebene. Der Internetpräsenz des Vereins war zu entnehmen, dass der „Zweck der Vereinigung der fachliche Austausch unter den Mitgliedern, sowie die Darstellung und Vertretung der besonderen Aufgabe und kirchlicher Schatzkammern und Museen in der Öffentlichkeit ist.“939 Dabei sollten die unterschiedlichen länderspezifischen Eigenheiten beachtet werden. Die Satzung des Vereins wurde vom damaligen Präsidenten der „Päpstlichen Kommission für Kulturgüter der Kirche“, Mauro Piacenza, ratifiziert. Die Mitgliederzahl lag 2011 im unteren zweistelligen Bereich.940 Bei der ersten Konferenz von „Europae Thesauri“ im portugiesischen Beja im Jahre 2006 waren über 300 Teilnehmer aus 17 verschiedenen europäischen Ländern gekommen. Guy Massin-Le Goff, Präsident von „Europae Thesauri“, betonte in seiner Rede zur Eröffnung der „Europae Thesauri“-Konferenz 2007 in Utrecht, dass die Vereinigung eine Plattform für die Begegnung und ein Forum für den Austausch von Informationen für Führungskräfte von allen christlichen Ausrichtungen sei: lutherische, reformierte, orthodoxe, katholische und anglikanische.941 Lechner warnte 2003 vor einer falschen Konkurrenz innerhalb der Museen der katholischen Kirche und im Museum selbst, da eine der wichtigsten Komponenten eines Diözesanmuseums die Fachkompetenz des Personals sei und dies idealerweise im funktionierenden Team. Auch Kooperationen mit anderen lokalen Museen sah er bis jetzt oft getrübt, in manchen Fällen auch ausgehend vom Museum der katholischen Kirche selbst.942 Italienische Autoren forderten 2008 ebenfalls lokale Kooperationen mit nichtkirchlichen Einrichtungen.943 Bei einer italienischen Tagung über kirchliche Museen 2008 nahmen auch nichtkirchliche Akteure der Museumslandschaft teil, sie sahen das Museum der katholischen Kirche als Teil der Museumslandschaft ihrer Region und auch als Instrument für eine wirtschaftliche Entwicklung durch eine bessere Angliederung an die Tourismusbranche. 944 Falcão, Präsident der portugiesischen Assoziation der Museen der katholischen Kirche – zu 938 Ecker 2007. In Portugal wurde 2001 eine portugiesische Assoziation der Museen der katholischen Kirche von der portugiesischen Bischofskonferenz gegründet. (Vgl. Falcão 2011). 939 Europaethesauri 2011. 940 Vgl. Europaethesauri Mitglieder 2011. 941 Vgl. Massin-Le Goff 2007. 942 Vgl. Lechner 2003. S. 83. 943 So z. B. Propersi/Grumo 2008. S. 184–185. 944 Vgl. Chizzoniti 2008. S. 51–52 u. S. 95.

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der 2007 ca. 20 Museen gehörten – schilderte, dass in Portugal Museen der katholischen Kirche Probleme haben, durch das staatliche Verfahren für Museen anerkannt zu werden, da sie oft informelle Strukturen besitzen.945 Ecker beschrieb 2007, dass vor allem durch professionell ausgebildete Leiter und Mitarbeiter der Museen der katholischen Kirche eine Imageverbesserung gegenüber anderen musealen Einrichtungen eingetreten sei, welche wiederum einen nationalen und internationalen Leihverkehr ermöglicht habe: „Selbst die großen und renommierten Häuser verhielten sich bei Ausleihwünschen nicht mehr abweisend, sondern nunmehr sehr entgegenkommend […]. Man begegnete sich im Dialog zusehends auf gleicher Augenhöhe.“946 Warum der Verleih der Kunstwerke von Bedeutung sei, wie es das „Rundschreiben 2001“ betont hatte, wurde nicht näher erläutert, es liegt indes nahe, dass dies eine verbreiterte Wahrnehmung der kirchlichen Kunstgüter mit sich bringen und einen Austausch mit anderen musealen Einrichtungen fördern würde. Würzburg „Museum am Dom“ „Es ist wichtig für mich, dass wir nicht im kirchlichen Milieu allein verharren, und das ist auch der Fall. Ich habe also die meisten Kontakte mit nichtkirchlichen Institutionen.“947

Dies war die erste Antwort auf die allgemeine Frage nach Kooperationen. Auf gezielte Nachfrage nach der Zusammenarbeit mit anderen Diözesanmuseen wurde das Miteinander als ein unkompliziertes, gegenseitiges Helfen beschrieben.948 Durch die „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“ komme man jährlich für eine Woche zusammen.949 Der Leiter des „Museums am Dom“ war nicht nur Teilnehmer, sondern seit 1998 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft. 950 Die Haltung anderer Museen der katholischen Kirche gegenüber dem Sammeln zeitgenössischer Kunst wurde als positiv empfunden.951 Bei manchen Kollegen bestehe sogar ein gesteigertes Interesse am Konzept des „Museums am Dom“, um es möglicherweise im eigenen Haus ähnlich umzusetzen. Das „Museum am Dom“ werde hier sogar als Vorzeigeobjekt betrachtet, um das eigene Domkapitel zu überzeugen.952 An anderer Stelle wurde jedoch geäußert, dass man sich bei manchen Kolle945 Vgl. Falcão 2011. 946 Ecker 2007. 947 Interview Würzburg (01:19:39). 948 Vgl. Interview Würzburg (01:28:20). 949 Vgl. Interview Würzburg (01:27:56). 950 Siehe Kapitel „Die Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern im deutschsprachigen Raum“. 951 Vgl. Interview Würzburg (01:29:37). 952 Vgl. Interview Würzburg (00:34:37).

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gen über deren geringen Gegenwartsbezug wundere. Es wurde kritisiert, dass einige nur dokumentieren und dabei möglicherweise noch den Anspruch erheben würden, zu repräsentieren. Gerade bei den weltlichen Kollegen – nur zwei der Diözesanmuseumsleiter seien Geistliche – hätte der Befragte einen größeren Gegenwartsbezug erwartet.953 Auch wurde beklagt, dass Wechselausstellungen in Diözesanmuseen oft als Alibi für die Beschäftigung mit „moderner Kunst“ genutzt würden und man wünsche sich vielmehr, dass sich etwas an den Dauerausstellungen ändern möge.954 Als negativer Faktor wurde Neid bei unterschiedlicher Ausstattung angegeben. 955 Sehr viel Geld hatte „Kolumba“ zu Beginn für den Neubau und den Grundstock der Sammlung zur Verfügung. Im Vorgespräch mit dem Befragten wurden Diskrepanzen zwischen den zwei Institutionen beschrieben, die beide in einem ähnlichen Zeitraum eine Sammlung mit zeitgenössischer Kunst aufgebaut hatten. 956 Lechner stellte die beiden Häuser gegenüber und befand das „Museum am Dom“ als ein gelungenes Beispiel, welches er auch als Vorbild über die Würzburger Diözese hinaus sah. Im Gegensatz zu „Kolumba“, an welchem er eher Kritik übte.957 Das „Museum am Dom“ sah sich selbst mit seinem Konzept, nicht nach kunsthistorischen Kriterien gegliedert und auch keine Schatzkammer zu sein, nicht als Konkurrenz gegenüber kunstgeschichtlichen oder kulturgeschichtlichen Museen.958 Das „Museum am Dom“ appellierte aber an andere Museen, sowohl an kirchliche und nichtkirchliche, dass diese nicht an den Menschen der Gegenwart vorbei kuratieren und nicht nur eine „museale Rückschau“ bieten sollten, 959 somit sehe man das Konzept des „Museums am Dom“ gerne verbreitet. Der Kontakt zu staatlichen Museen wurde allgemein als gut beschrieben. Staatliche Museen entliehen dem Museum Werke und liehen vor allem auch Werke aus. 960 Die Internetpräsenz der zeitgenössischen Sammlung des „Museums am Dom“ wurde als Katalysator für Leihanfragen geschildert.961 Anders sah es allerdings bei den lokalen Museen aus. Hier 953 Vgl. Interview Würzburg (01:18:41). 954 Vgl. Lenssen 2003. S. 70. 955 Vgl. Interview Würzburg (01:29:37). 956 Diese Diskrepanz zeigt sich auch in einem FAZ-Artikel aus 2011 des Frankfurter Kunsthistorikers und Kunstkritikers, Eduard Beaucamp welcher „Kolumba“ als Negativ-Beispiel und das „Museum am Dom“ als ein positives Beispiel für ein Museum der katholischen Kirche mit zeitgenössischer Kunst darstellte. Hinzuzufügen ist, dass Beaucamp sich stark für die figürliche Malerei der DDR einsetzte. (Vgl. Beaucamp 2011). 957 Vgl. Lechner 2008a. S. 248. 958 Vgl. Lenssen 2004. S. 7. 959 Vgl. Lenssen 2003. S. 96. 960 Vgl. Interview Würzburg (00:35:57). 961 Vgl. Interview Würzburg (00:36:29).

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fanden keine Kooperationen statt und die staatlichen Museen vor Ort nähmen das „Museum am Dom“ nicht als professionelles Museum wahr. 962 Im Gegenzug wurde deren Arbeit auch kritisch betrachtet.963 Admont „Museum des Stifts Admont“ „Ja, warum machen die anderen das eigentlich nicht? Der ist zu gewissen Institutionen gegangen, zu anderen Stiften. Wir sind immer höflich vor die Tür gesetzt worden. Wir haben gesagt: Wir können euch das bieten, wir haben eine Sammlung, ihr könnt das ausstellen, es kostet euch nur den Transport und die Versicherung. Wir bieten euch das an, macht das doch, schaut! Wir waren begeistert, weil es bei uns funktioniert, weil wir gemerkt haben, die Presse springt an. Wir sind immer, ausnahmslos mit der Gegenwartskunst höflich vor die Tür gesetzt worden, man war nicht böse zu uns, aber man hat uns deutlich zu verstehen gegeben: Mit dem wollen wir nichts zu tun haben. Wir wissen selber, was wir machen.“964

In Admont gab es keine Kooperationen mit anderen Museen der katholischen Kirche. Von Admont ausgehend hatte man versucht, andere Klöster für Kooperationen zu gewinnen, stieß hier aber auf Desinteresse der anderen Stifte, sich mit Gegenwartskunst auseinanderzusetzen und zu kooperieren.965 Eine Kooperation mit einer Kirche scheiterte wegen unterschiedlicher Qualitätsverständnisse. 966 Der Befragte hatte Unverständnis für das Desinteresse katholischer Institutionen an qualitativer Gegenwartskunst, obwohl diese eine sehr positive Resonanz bringe. 967 Es wurden auch keine kirchlichen Vorbilder für die Arbeit mit zeitgenössischer Kunst genannt.968 In Graz existierten mehrere kirchliche Institutionen, die mit Gegenwartskunst arbeiteten, die Menschen, die diese betrieben, wurden als Diskussionspartner beschrieben.969 Eine Zusammenarbeit mit der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern im deutschsprachigen Raum“ gebe es nicht direkt.970 Jedoch wurde bei einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft im Jahre 2003 in Graz auch das Stift Admont besucht, Thema war dabei die Vermittlungsarbeit im Stift Admont. 971 962 Vgl. Interview Würzburg (01:22:55). 963 Vgl. Interview Würzburg (01:22:55, 01:34:08). 964 Interview Admont (Teil 5 00:10:58). 965 Vgl. Interview Admont (Teil 5 00:10:58). 966 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:36:39). 967 Vgl. Interview Admont (Teil 1 00:07:34). 968 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:10:56, Teil 4 00:11:58, Teil 4 00:36:39). 969 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:10:56). 970 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:36:49). 971 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2003.

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Es gab keine größeren Kooperationen mit kommunalen Museen. Ein Leihverkehr fand im kleinen Maßstab im deutschsprachigen Raum statt. 972 In Admont suchte man weiterhin nach Kontakten mit kommunalen österreichischen Museen und deutschen Privatsammlungen.973 Man wünschte sich, dass Kunst aus dem „Museum des Stifts Admont“, z. B. die Werke, die für Menschen mit Sehbehinderungen geschaffen wurden, in anderen Häusern zu sehen wären. 974 Eine große Anerkennung stellte die Auszeichnung mit dem österreichischen Museumspreis aus dem Jahre 2005 dar.975 Die Jury schrieb, dass „das Museum des Stifts Admont, weit über das in Stiftsmuseen übliche Maß, neue Wege beschritten hat.“ 976 Am 2.12.2011 wurde Admont das österreichische Museumssiegel verliehen.977 Freising „Dombergmuseum“ „Da habe ich aber gemerkt, dass das schon so ein bisschen abschätzig war, so: Naja das kirchliche Museum mit seinen Engeln, dazu brauchen die unseren Lochner.“978

Im Gegensatz zur guten Resonanz von Museen aus der Region, 979 gab es Vorbehalte bei Museen, die nicht aus der Region waren. In Bayern war das „Dombergmuseum“ nicht nur in der Gemeinschaft nichtstaatlicher Museen Bayerns vertreten,980 sondern Steiner hatte bis 2006 den Vorsitz,981 was für die Anerkennung der Arbeit des Hauses innerhalb nichtstaatlicher Museen Bayerns spricht. Das „Dombergmuseum“ war Mitglied in der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“, durch diese Plattform konnte man nützliche persönliche Kontakte knüpfen,982 es bestand somit eine Zusammenarbeit mit Kollegen aus Museen der katholischen Kirche. Es war weiterhin bekannt, wie Kollegen, die ebenfalls zeitgenössische Kunst sammelten, arbeiteten. Das „Museum am Dom“ in 972 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:33:06, Teil 4 00:49:59, Teil 4 00:50:20). So gab es z. B. 2005 zwei Leihgaben aus der Alten Galerie am Landesmuseum, Joanneum in Graz für zwei Jahre. (Vgl. Admont Kunsthistorisches Museum 2010). 973 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:31:58). 974 Vgl. Interview Admont (Teil 4 00:32:32). 975 Vgl. Höller 2009. S. 21. 976 Admont Museumspreis 2010. 977 Vgl. Admont Gütesiegel 2011. 978 Interview Freising (01:57:36). 979 Z. B. verfassten Kuratoren von kommunalen Museen Katalogbeiträge für das „Dombergmuseum“. (Vgl. Interview Freising (01:57:36, 00:11:45)). 980 Vgl. Interview Freising (01:49:19). 981 Vgl. Steiner 2008. 982 Vgl. Interview Freising (01:49:19).

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Würzburg und vor allem „Kolumba“ in Köln wurden an vielen Stellen vergleichend als Instanzen genannt, von denen man sich differenzierte.983 Man stellte anders aus als diese, verfügte nicht über die gleichen Mittel wie Köln und wollte auch nicht in Konkurrenz treten. Die Arbeitskreise „Kunst und Verkündigung“ und „Museum und Moderne Kunst“ fanden auch unter der neuen Direktorin weiterhin in Freising statt.984 Die Zusammenarbeit mit Museen der katholischen Kirche wurde positiv bewertet und es gab einige Kooperationen, aber man sah sich nicht als eine Gemeinschaft an, die gemeinsam an einem Strang zog. Vielmehr wollte man sich auch gegenüber den anderen Museen positionieren. Köln „Kolumba“ „Also wir scheuen uns, glaube ich doch so ein bisschen, in diese Organisationen reinzugehen, soweit diese Kontakte und Kooperationen nicht eine Organisationsform bekommen, da wird es für uns immer schwierig, gerne immer eine Auseinandersetzung, gerne immer auch Projekte machen, gerne auch sich treffen, aber wenn es dann so eine Vereinsform bekommt, mit Abläufen, dann wird es dann immer schwierig, da investiert man dann immer sehr viel Zeit in das Dekorum.“985

Von der Seite „Kolumbas“ wollte man sich nicht institutionell mit anderen Museen der katholischen Kirche vernetzen. Allgemein schien die Frage nach Kontakten zu anderen Museen der katholischen Kirche sehr problematisch zu sein, diplomatisch wurde ausgesagt, dass diese vorhanden seien,986 man sich aber bewusst in keiner Gruppe kirchlicher Museen organisiere. 987 Auch die Frage nach Reaktionen von Museen der katholischen Kirche, welche keine zeitgenössische Kunst sammelten, wurde als schwierig empfunden, nach langem Schweigen wurde ausgesagt, dass einem keine Reaktionen bekannt seien.988 Aus anderen Interviews ließ sich entnehmen, dass besonders die großzügigen finanziellen Mittel, die „Kolumba“ besaß, Erwähnung fanden. Auf Sitzungen der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“ wurde „Kolumba“ häufig erwähnt,989 obwohl es nicht aktiv teilnahm. Besonders das „Museum am Dom“ in Würzburg und „Kolumba“ wurden oft verglichen, so z. B. in einem Zeitungsartikel von Beaucamp990 oder einem Arti983 Vgl. Interview Freising (00:10:11, 00:14:22, 00:30:24, 01:33:56). 984 Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2010. 985 Interview Köln (B1: 00:38:08). 986 Vgl. Interview Köln (B2: 00:37:31). 987 Vgl. Interview Köln (B1: 00:38:08). 988 Vgl. Interview Köln (B2: 00:38:21). 989 Vgl. z. B. Arbeitsgemeinschaft 2002. 990 Vgl. Beaucamp 2011.

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kel von Lechner.991 Mennekes sah „Kolumba“ sogar als Anstoß für die Entwicklungen in Wien, Freising und Würzburg (den Beginn der Entwicklung verortete er in den Vatikanischen Museen).992 Es ist festzuhalten, dass „Kolumba“, ob positiv oder negativ, auf jeden Fall wahrgenommen wurde. Vom Kollegen Steiner aus dem Freisinger „Dombergmuseum“ wurde es sogar als Vorbild zitiert.993 Obwohl man sich in Köln nicht vernetzen wollte, man sich doch wünsche, dass die allgemeine Entwicklung von Museen der katholischen Kirche in eine bestimmte Richtung gehen würde. So äußerte sich die Kuratorin Katharina Winnekes allgemein zur Zukunft von Museen und Schatzkammern in katholischer Trägerschaft. In ihrer Äußerung spiegelte sich ganz klar die Arbeitsweise „Kolumbas“ wider. Sie sah die Aufgaben von Museen der katholischen Kirche im Zeitalter der Globalisierung darin, den Blick auf die kulturellen Wurzeln Europas und sein christliches Erbe zu ermöglichen und gleichzeitig eine Zuwendung zum Heute zu gewährleisten.994 Plotzek sah in der Art der Präsentation von „Kolumba“ auch die Chance für die Zukunft des Museums allgemein.995 Auf der anderen Seite wollte man sich nicht 991 Vgl. Lechner 2008a. S. 245. 992 „Nach der Eröffnung des Museums hat Kolumba in großer Breite viel Lob erhalten. Darin spricht sich nicht nur objektive Anerkennung für ein buchstäblich der Wunder volles Kunstinstitut aus, sondern auch die Hoffnung, daß es in der Museumslandschaft noch beachtliche Entwicklungsmöglichkeiten gibt. In einigen kirchlichen Museen haben die Kölner Entwicklungen längst Früchte getragen, in Wien zum Beispiel, aber auch in Freising oder in Würzburg. Was einst mit den Vatikanischen Museen begann […].“ (Mennekes 2008. S. 63.) 993 „Ein vergleichbarer Sammlungsaufbau war keinem anderen Museum im deutschen Sprachraum möglich und ist auch von keinem anderen kirchlichen Museum der Welt bekannt. Kolumba nimmt in der professionellen Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst, mit seiner Sammlung und ihrer Erschließung einen weltkirchlichen Auftrag war.“ (Steiner 2009. S. 18–19). 994 „Im Miteinander von Alt und Neu, von Bekanntem und Unbekanntem, im Verzicht auf erdachte Ordnungen kunsthistorischer, ikonographischer oder didaktischer Kategorien zugunsten teils kognitiver, teils intuitiver Bezugssysteme können sich immer wieder neue Räume des Anschauens und Nachdenkens eröffnen. So erweitern sich die positivistischen Kategorien historischer Wissenschaften und schaffen Freiraum für philosophische und anthropologische – damit auch für religiöse – Fragestellungen.“ (Winnekes 2006). 995 „Das Museum ist – darin liegt seine große Chance für die Zukunft – jenseits aller längst durchdeklinierten Formen einer die Gattungen separierenden und die Epochen dividierenden oder die Themen sammelnden Präsentation von Kunstwerken infolge zu kurz greifender aufklärerischer Ordnungsprinzipien weit eher eine Wunderkammer der Bilder erfindenden Phantasie. Der in solchem Verständnis atmende Freiraum der Kunst

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als ein Vorbild darstellen, sondern plädierte für eine Vielfalt in der Museumslandschaft.996 Friedhelm Mennekes glaubte nicht, dass es zu anderen Institutionen in Konkurrenz treten wollte: „Kolumba will als Kunstmuseum nicht repräsentieren und nicht belehren. Es sucht auch nicht die Konkurrenz mit anderen Institutionen der Stadt.“997 Zu kommunalen Museen existierten vereinzelte Kooperationen. 998 Diese Kooperationen fanden aber nicht institutionalisiert statt.999 Zu allgemeinen Museumsveranstaltungen würde man angefragt, 1000 nehme aber nicht daran teil, weil der Eventcharakter nicht dem eigenen Konzept entspreche und man sich keinen Mehrwert verspreche. 1001 Am 3.11.2007 hatte man sich jedoch noch an der „Langen Nacht der Kölner Museen“ beteiligt.1002 „Kolumba“ engagierte sich nicht aktiv im Museumsbund und man war sich über eine generelle Mitgliedschaft auch nicht sicher.1003 Man hatte aber schon einen Vortrag beim Museumsbund gehalten und 2009 besuchte der Arbeitskreis Ausstellungen des deutschen Museumsbundes „Kolumba“.1004 „Kolumba“ verlieh Kunstwerke, 1005 so wurden zeitgenössische Kunstwerke als Leihgaben an renommierte internationale Häuser vergeben,1006 lieh aber selbst fast nie aus,1007 da es nur seine eigenen Werke präsentierte. „Kolumba“ emanzipierte sich in der Frage des freien Tages von der Tradition des Museumswesens. Nicht der Montag, wie in den meisten Museen üblich, war geschlossen, sondern der Dienstag. Ansonsten passte sich „Kolumba“ mit seinen freien Tagen den

ermöglicht ihr erst mit ihrer Verortung in einem Museum die Erlebbarkeit der ihr innewohnenden Qualität einer eigenwertigen, nur für sie gültigen medialen Bildsprache.“ (Plotzek 2007a). 996 „Kolumba versteht sich weder im Detail noch im Ganzen als Rezept oder gar als Vorbild für andere Museen. Vielmehr möchten wir dazu beitragen, die Welt der Museen vielfältiger und lebendiger zu gestalten, denn Museumsarbeit ist nicht exemplarisch, sondern spezifisch.“ (Kraus 2010b. S. 12). 997 Mennekes 2009. S. 5. 998 Vgl. Interview Köln (B1: 00:36:35). 999 Vgl. Interview Köln (B1: 00:36:35). 1000 Vgl. Interview Köln (B2: 00:40:32). 1001 Vgl. Interview Köln (B1: 00:41:00, B2: 00:41:21). 1002 Vgl. Kraus 2010. S. 432–433. 1003 Vgl. Interview Köln (B2: 00:40:12). 1004 Vgl. Kraus 2010. S. 432–433. 1005 Vgl. Interview Köln (B2: 00:38:51). 1006 U. a. Kunsthalle Basel, Guggenheim-Museum New York, Witte-de-With Rotterdam, Nationalgalerie Berlin, Centro de Arte Reina Sophia. (Vgl. Plotzek 2003. S. 31ff.). 1007 Vgl. Interview Köln (B1: 00:39:29).

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Kölner Traditionen an, es schloss über Karneval, aber auch an hohen christlichen Feiertagen.1008 Weitere Museen der katholischen Kirche In Niedersachsen gab es 2008 ein Pilotprojekt zur Registrierung von Museen, eine unabhängige Stelle bescheinigte die Leistung des Hauses und listete Defizite auf. 2008 wurden die Domschatzkammer und das „Diözesanmuseum Osnabrück“ aufgenommen.1009 2007 ließ sich hier das „Dommuseum Hildesheim“ registrieren.1010 Zusammenfassung Die einzelnen Häuser unterschieden sich sehr stark in der Form ihrer Zusammenarbeit mit anderen Institutionen. In der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen“ waren Freising und Würzburg vertreten und in beiden Fällen auch maßgeblich gestaltend, während Köln und Admont nicht an Veranstaltungen der Arbeitsgemeinschaft teilnahmen, aber von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft besucht wurden oder man die Arbeit der beiden Museen in den Treffen der Arbeitsgemeinschaft diskutierte. Eine gesonderte Rolle spielte „Kolumba“, es war in den Medien am meisten präsent, erhielt Preise, wurde von anderen Museen der katholischen Kirche und staatlichen Museen diskutiert. „Kolumba“ wollte jedoch nicht institutionalisiert zusammenarbeiten, weder mit staatlichen noch mit Museen der katholischen Kirche. Auch an gemeinsamen Großveranstaltungen wollte „Kolumba“ nicht teilnehmen. Insgesamt lässt sich konstatieren, dass trotz wohlwollender Zusammenarbeit und gegenseitiger Wertschätzung innerhalb der Museen der katholischen Kirche auch eine gewisse Konkurrenz festzustellen war. Die Arbeit mit zeitgenössischer Kunst wurde auch nicht von allen Museen der katholischen Kirche im gleichen Maße anerkannt. Das „Museum am Dom“ bemühte sich, durch seine Internetpräsenz die zeitgenössische Sammlung bekannt zu machen und für Leihanfragen zu sorgen. Hier kam das Museum der Forderung des „Rundschreibens 2001“ nach, welches ein „In-Umlauf-Bringen“ der Werke forderte. Die Häuser suchten auch nach Kooperationen außerhalb des kirchlichen Milieus; im Falle des geistlichen Leiters besonders stark. Die Anerkennung von Seiten der staatlichen Museen war verschieden ausgeprägt, es fand Leihaustausch statt, aber es gab auch Vorurteile gegenüber den Museen der katholischen Kirche: Ihre Professionalität wurde in Frage gestellt. Alle Fallbeispiele bekamen staatliche Fördergelder, staatliche Repräsentanten waren bei Eröffnungen zugegen oder die Häuser erhielten staatliche Preise, von offizieller staatlicher Seite wurde die Arbeit somit honoriert. In ihren Regionen wurden die Fallbeispiele unterschiedlich wahrgenommen, wie in Kapitel „Für wen sollte das 1008 Vgl. Kolumba Stichworte 2011. 1009 Vgl. Museumsverband Niedersachsen und Bremen 2011. 1010 Vgl. Museumsverband Niedersachsen und Bremen 2011a.

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Museum der katholischen Kirche sein – Gläubige, Nichtgläubige und Abtrünnige“ gezeigt wurde. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Museen der katholischen Kirche keine Einheit darstellten und sich auch nicht als solche verstanden. Kooperationen wurden teilweise angestrebt, aber die Häuser traten kaum gemeinsam in der Öffentlichkeit in Erscheinung. Die Kooperationen mit staatlichen Museen und die Anerkennung durch diese waren durchwachsen, dem Museum der katholischen Kirche heftete per se kein positives Image an.

D AS V ERHÄLTNIS ZWISCHEN UND BILDENDER K UNST

KATHOLISCHER

K IRCHE

Aussagen der Deutschen Bischofskonferenz Die Handreichung über die Räume der Stille der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahre 2003 beschäftigte sich mit Kunst und wie diese durch sinnliche Erfahrung Menschen zum Schweigen bringen könne, damit sie aus der Stille heraus Gott erfahren können. Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit dem Thema waren Erfahrungen in Kirchen, „denen ein ausgeprägtes touristisches Interesse gilt; und die nicht immer als ‚Räume der Stille und Anbetung‘ wahrnehmbar sind.“1011 Es wurde u. a. die östliche Bildtheologie mit der westlichen verglichen und festgestellt, dass die westliche Kultur ein großes Defizit durch ihr Bildverständnis der Bilder als „Bibel der Armen“ mit sich trage. Für die östliche Bildtheologie hingegen würden heilige Bilder helfen, „die Vergegenwärtigung eines unsichtbar Anwesenden für die Sinne“ zu ermöglichen. 1012 Nur im Bereich der Wallfahrt wurde dem Westen ein ähnlicher Umgang mit Bildern wie im Osten anerkannt. Es wurde weiterhin das Problem des kirchlichen Gemeinderaums, in dem Gottesdienste stattfinden, thematisiert: In diesen Räumen würden sich die Menschen wie im alltäglichen Leben verhalten, was dazu führe, den Dialog zwischen dem Gläubigen und Gott im stillen Gebet zu erschweren.1013 Unter den katholischen Theoretikern gab es unterschiedliche Meinungen zur Frage der Kunst im Kirchenraum. Exemplarisch seien hier die gegensätzlichen Meinungen von Scheuchenpflug und Mödl gegenübergestellt. Scheuchenpflug führte 2009 die Musealisierung des Kirchenraumes auf die katholische Kirche selbst zurück, z. B. durch das Auslegen von Kirchenführern und historischen Informationen über den Kirchenraum und das Fehlen qualitativer Gegenwartskunst im Kirchen-

1011 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz 2003. S. 5. 1012 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz 2003. S. 19. 1013 Vgl. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz 2003. S. 21 u. S. 32.

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raum.1014 Für seinen Kollegen Mödl, ebenfalls katholischer Theologe, gehörte 1999 qualitätvolle zeitgenössische Kunst dazu, um Besuchern zu vermitteln, dass es sich bei dem Kirchenbau um einen aktiv genutzten Raum handele. In Bezug auf die Musealisierung des Kirchenraums wollte er jedoch sogar noch weiter gehen und manche Kunstwerke wie im Museum beschriften.1015 Während Mödl den Kirchenraum an eine museale Atmosphäre anpassen wollte, hatte Scheuchenpflug genau dies als Problem beschrieben und dazu aufgefordert, sich auf die eigenen Qualitäten des Kirchenraums zu besinnen. Beide sprachen sich jedoch für die Integration von zeitgenössischer Kunst in den Kirchenraum aus. Jakob Johannes Koch, seit 2000 Kulturreferent im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, gab 2006 statistische Daten über das kulturelle Engagement der katholischen Kirche in Deutschland heraus. Demzufolge betrieb die katholische Kirche in Deutschland 18 diözesane Kunstkommissionen, es existierten sechs diözesane und drei überdiözesane katholische Kunstvereine, 10 diözesane KünstlerSeelsorger, 43 Museen der katholischen Kirche mit mehr als einer Millionen Besuchern pro Jahr, weitere 100 Museen bestanden mit konzeptioneller und/oder finanzieller Beteiligung der katholischen Kirche. Insgesamt gab es mehr als 800 Sonderund Wechselausstellungen pro Jahr in katholischer Trägerschaft, drei diözesane Kunstpreise, zwei überdiözesane Kunstpreise und 12 Künstler-Stipendiaten.1016 Wie Berichte einer Tagung zeigen, gab es innerhalb der deutschen Bistümer jedoch bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts keine einheitlichen Richtlinien oder Verlautbarungen im und für den Umgang mit Kunst.1017 1014 Vgl. Scheuchenpflug 2009. S. 622ff. 1015 „Warum respektieren wir nicht, dass diese unsere historischen Kirchen für Touristen Museen geworden sind? Museum ist ja, wie wir gesehen haben, ein hochkarätiger Kulturraum geworden. Warum beschriften wir in unseren Kirchen nicht manche Figur oder manches Bild?“ (Mödl 2003. S. 71–72). 1016 Vgl. Koch 2006a. 1017 Im Januar 2002 richteten der Verein „Ausstellungshaus für christliche Kunst“, die Katholische Akademie in Berlin und das Referat für Kunst und Kultur der Deutschen Bischofskonferenz ein Symposium in Berlin zum Thema „Die katholische Kirche in Deutschland und die zeitgenössische Kunst“ aus. Es referierten Menschen über die Arbeit in Kunstkommissionen (u. a. Winnekes), Kunstreferenten (Lenssen), es wurde über Ausstellungen in Kirchen, Museen (Steiner) und Galerien berichtet und auch über das Sammeln von zeitgenössischer Kunst (Plotzek). Auch über die Aus- und Fortbildung von Theologen und die Museumsdidaktik wurde diskutiert. (Vgl. Katholische Akademie in Berlin 2002). Auf der Tagung der Arbeitsgruppe „Museum und moderne Kunst“ 2002 in Freising berichtete Steiner von dem Symposium. Steiner sagte aus, dass ein wesentliches Ergebnis des Symposiums war, dass jedes Bistum im Umgang mit zeitgenössischer Kunst anders verfahre. So gebe es z. B. Kunstreferenten und Kunstkommissio-

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Kulturreferent Koch beschrieb 2006 auch das Verhältnis der katholischen Kirche zur Kunst als nichtdiskursiver Weg der Glaubenserschließung. Er betrachtete die „sakrale Kunst“ als nonverbale, sichtbare Bezeugung des göttlichen Heilsgeschehens und bleibende Widerspiegelung des Glaubens ihrer Urheber. Die katholische Kirche sei Auftraggeber und Stifter und man suche den Dialog auch mit der außerkirchlichen autonomen zeitgenössischen Kunst, da diese nach Papst Johannes Paul II. die Stimme der universalen Erlösungserwartung sein könne. Künstlerischästhetische Bildung könne zur Erlernung sozialer und emotionaler Kompetenz sowie zur Förderung von Kreativität führen. Weiterhin wolle man die Fortschreibung künstlerischer Traditionen (z. B. christliche Ikonographie) als Bestandteil abendländischer Kultur fördern. Man habe als katholische Kirche die Verpflichtung, die überkommenen sakralen Kunstschätze zu wahren. Seit ca. 1985 gebe es DialogForen zwischen Kirche und zeitgenössischer Kunst. Die nichtkommerzielle Ausrichtung der kirchlichen Kunstarbeit werde auch in der säkularen Öffentlichkeit als wohltuender Gegensatz zum überwiegend kommerziellen weltlichen Kunstbetrieb wertgeschätzt. Das theologische Interesse an der bildenden Kunst dehne sich schrittweise über den Bereich der klassischen Ikonographie aus und nehme auch die zeitgenössischen visuellen Künste als „loci theologici“ in den Blick. „Bildtheologie“ etabliere sich zunehmend als wissenschaftliche Disziplin.1018 Verlautbarungen aus Rom Die katholische Kirche hatte sich bereits im „Zweiten Vatikanischen Konzil“, genauer in SC 123 vom Aufoktroyieren eines bestimmten Kunststils distanziert.1019 Am 17.12.2001 wurde jedoch eine Verlautbarung des Apostolischen Stuhls von der „Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung. Direktorium nen, welche omnipotent über künstlerische Projekte entscheiden wie in der Diözese Würzburg oder bereits aufgestellte Objekte, die im Nachhinein genehmigt werden wie in Köln. Die Kölner Kunstkommission besitzt eigene Statuten, andere Kommissionen sehen dies nicht als nötig an. Der Vorschlag, eine allgemeine Umfrage in den Kunstreferaten und Kommissionen durchzuführen, wurde auf der Tagung mit der Antwort zurückgewiesen, man wolle seine eigenen Defizite nicht auch noch publizieren. (Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2002). Der „Verein Ausstellungshaus für christliche Kunst e.V.“ führte mit wechselnden Partnern jährlich bis zum Jahre 2006 ein weiteres Symposium zu diesem Oberthema durch. (Vgl. Ausstellungshaus für christliche Kunst 2011). In der Arbeitsgruppe „Museum und moderne Kunst“ und „Museum als Ort der Verkündigung“ wurde die Tagung kritisiert, da mit 120 Teilnehmern keine intensiven Diskussionen möglich gewesen seien und es kaum um bildende Kunst gegangen sei. (Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2006). 1018 Vgl. Koch 2006a. 1019 Siehe Kapitel „Die Freiheit der Kunst“.

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über die Volksfrömmigkeit und die Liturgie“ mit Grundsätzen und Orientierungen herausgegeben.1020 In dieser Verlautbarung wurden zu bestimmten Themen (z. B. zur Darstellung des vergossenen Blutes des Herrn) detaillierte ikonographische Beschreibungen der Darstellungen gegeben. Es wurde weiterhin davor gewarnt, dass eine bildliche Darstellung, welche nicht mehr dem Stilgefühl der Gläubigen entspräche, dazu führen könne, den Gegenstand der Verehrung weniger hoch einzuschätzen, da die Volksfrömmigkeit dazu neige, eine Verehrung mit ihrer bildhaften Darstellung zu identifizieren. Als Beispiel wurden die zu süßlichen Darstellungen des Herz-Jesu genannt. Unter Punkt 240 wurde sogar eine Definition von Bildern festgehalten, nach welcher heilige Bilder eine bildhafte Übertragung der Botschaft des Evangeliums seien und Bild und geoffenbartes Wort sich gegenseitig befruchten. Das Bild solle aber mit dem Buchstaben der Botschaft des Evangeliums übereinstimmen.1021 Nach Papst Johannes Paul II. wurde 2005 Benedikt XVI. zum Papst gewählt. Benedikt XVI. war von 1977–1982 Erzbischof von München-Freising gewesen, somit zu der Zeit, als 1980 Papst Johannes Paul II. in München seine Rede zur Kunst hielt,1022 und auch zu einer Zeit, als in Freising das Museum eröffnet wurde.1023 Außerdem hatte er sich im März 2005, noch in seiner Funktion als Kardinal Joseph Ratzinger und Präsident der Spezialkommission für das Kompendium der Katechese der katholischen Kirche, mit Kunst beschäftigt und auf die Qualität von Bildern hingewiesen, die auch das Evangelium verkünden könnten und dies sogar mit größerer Lebendigkeit. 1024 Mit dieser Aussage sah Benedikt XVI. Kunst nicht als eigenständiges Medium, sondern als Vermittlerin in Bezug auf die Schrift. Am 21.11.2009 hatte Papst Benedikt XVI. 200 Künstler in die Sixtinische Kapelle eingeladen, um das Verhältnis zwischen Kirche und Kunst zu thematisieren. Dieses

1020 Siehe auch das Kapitel „Das Rundschreiben (2001) und seine Resonanz“ in Kapitel „Wie sollte das Museum der katholischen Kirche gestaltet sein – Musealer Anspruch versus pastorales Ziel“. 1021 Vgl. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz 2001. S. 130. 1022 Siehe Kapitel „Die Ansprache an die Künstler von Papst Johannes Paul II. in München“. 1023 Siehe Kapitel „Neugründungen (Bamberg, Freising)“ in „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1962–1980)“. 1024 Ein besonderes Merkmal des Kompendiums war, dass die Gliederung des Werkes durch Abbildungen von Bildern aus der christlichen Ikonographie unterstützt wurde. Er schrieb: „Dies ist ein Zeichen dafür, dass das sakrale Bild in der visuellen Kultur von heute viel mehr als das Wort auszudrücken vermag, weil es in seiner Lebendigkeit die Botschaft des Evangeliums äußerst wirksam zur Sprache bringt und weitergibt.“ (Ratzinger 2005).

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Ereignis fand in Deutschland in vielen Medien Niederschlag.1025 Zum ersten Mal wurden auch Künstler nichtchristlichen Glaubens eingeladen. Es war dem Papst wichtig, zu betonen, dass bereits vor ihm Päpste Künstler in den Vatikan eingeladen hatten und er sich somit in eine Traditionskette stellte. Papst Benedikt XVI. beschrieb, dass er mit dieser Begegnung die Freundschaft der Kirche mit der Kunst ausdrücken und erneuern wolle. Er betonte, dass es keinen Kirchenstil gebe, sondern die Kunst in der Kirche dem Zeit- und Lokalstil entspreche,1026 wie bereits in SC 123 dargelegt. Widersprüchlich mutet an, dass der Papst konstatierte, die Freundschaft zwischen Kunst und Kirche sei durch die Zeiten hindurch immer enger geworden, und im selben Satz aber von einer Erneuerung dieser Freundschaft sprach. Auch die Aussage, das Christentum habe von Anfang an den Wert der Kunst anerkannt und von ihr Gebrauch gemacht, irritiert, wenn man bedenkt, dass die ersten 200 Jahre des Christentums fast bildlos waren. Die Rede Papst Benedikt XVI. wurde allgemein bestimmt von der Frage nach Schönheit, welche die Menschen in ihrem Leben motiviere und keineswegs etwas Zweitrangiges sei, solange sie authentisch und weder vergänglich noch künstlich sei.1027 Er verwies dabei auf die Reden Papst Paul VI. 1964 zu den Künstlern1028 und auf Papst Johannes Paul II. Brief an die Künstler 1999.1029 Benedikt XVI. bedauerte, dass 1025 U. a. Tagesthemen 2009. 1026 „Durch diese Begegnung möchte ich die Freundschaft der Kirche mit der Welt der Kunst ausdrücken und erneuern, eine Freundschaft, die durch die Zeiten hindurch immer enger geworden ist. Seit seinen Anfängen hat das Christentum den Wert der Kunst erkannt und klugen Gebrauch gemacht von den verschiedenen Ausdrucksformen der Kunst, um die unveränderliche Botschaft der Erlösung zu übermitteln. Diese Freundschaft muß fortwährend gefördert und genährt werden, so daß sie authentisch und fruchtbringend ist, angepaßt an die verschiedenen historischen Epochen und aufmerksam gegenüber sozialen und kulturellen Verschiedenheiten.“ (Papst Benedikt XVI. 2009). 1027 „Was kann uns wieder mit Begeisterung und Zuversicht erfüllen, was kann den menschlichen Geist ermutigen, seinen Weg zu finden, seine Augen zum Horizont zu erheben, von einem Leben, das seiner Berufung würdig ist, zu träumen – wenn nicht die Schönheit? Liebe Freunde, als Künstler wißt ihr nur allzu gut, daß die Erfahrung der Schönheit, einer Schönheit, die authentisch ist, nicht nur vergänglich und künstlich ist, nicht nur etwas Zusätzliches oder Zweitrangiges für unsere Suche nach Sinn und Glück.“ (Papst Benedikt XVI. 2009). 1028 Siehe Kapitel „Die Künstlermesse (1964)“. 1029 Ebenso ist seine Rede gespickt mit Zitaten über die Schönheit, von Platon, Dostojewski, Georges Braque, dem polnischen Dichter Cyprian Norwid, dem Theologen Hans Urs von Balthasar, Simone Weil, Herman Hesse und dem Heiligen Antonius. (Vgl. Papst Benedikt XVI. 2009).

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heute das Schreckliche in der Welt überhand zu gewinnen scheine und eine gewisse Trostlosigkeit herrsche. Er warnte gleichzeitig vor einer falsch verstandenen Schönheit, welche Begehren, Willen zur Macht und Besitz wecke. Nicht ein bestimmter Stil oder biblische Themen zeugen von religiöser Qualität von Kunst, sondern die Beschäftigung mit Themen des Lebens: „Die Kunst kann in jeder Form eine religiöse Qualität annehmen, wo sie den großen Fragen unserer Existenz begegnet, den fundamentalen Themen, die dem Leben Sinn geben. Dadurch wird sie zu einem Weg tiefer innerer Reflexion und Spiritualität.“1030

Hier schien Benedikt XVI. jede Kunstrichtung und Ausdrucksweise einzuschließen. Anlass zur kritischen Analyse des Kunstverständnisses gibt jedoch der direkt darauf folgende Absatz: „Diese große Nähe, diese Harmonie zwischen dem Weg des Glaubens und dem Weg des Künstlers wird durch unzählige Kunstwerke bezeugt, die sich auf die Personen, Geschichten und Symbole des immensen Schatzes von „Bildern“ – im weitesten Sinn des Wortes – nämlich die Bibel, die Heilige Schrift, stützen. Die großen biblischen Erzählungen, Themen, Bilder und Gleichnisse haben unzählige Meisterwerke in jedem Bereich der Kunst inspiriert, genauso wie sie zu den Herzen der Gläubigen jeder Generation durch handwerkliche Arbeiten und die Volkskunst gesprochen haben, die nicht weniger beredsam und bewegend sind.“1031

Benedikt XVI. bezog sich an dieser Stelle wiederum nur auf figürliche BibelDarstellungen und auf Kunstwerke, deren religiöse Qualität nicht vorranig aus einem Bezug auf die Menschen und deren Lebenswelt bestimmt wird, sondern aus der Heiligen Schrift. Eine Aussage, die Zweifel aufkommen lässt, inwieweit Papst Benedikt XVI. von einer religiösen Qualität zeitgenössischer Kunst überzeugt war, welche häufig weder figürlich ist noch einen direkten Bezug zur Bibel aufweist. Zum Schluss teilte Benedikt den Künstlern mit, dass der Glaube sie bereichern könne.1032 Der Papst ging in seiner Rede nicht auf die Autonomie oder die Freiheit der Kunst ein, er sprach zwar von einem Dialog zwischen Kunst und Kirche, seine Bitten betrafen aber ausschließlich eine Veränderung der Haltung der Künstler und bezogen sich nicht auf die Haltung der katholischen Kirche. 1030 Papst Benedikt XVI. 2009. 1031 Papst Benedikt XVI. 2009. 1032 „Der Glaube nimmt nichts von eurem Genie oder eurer Kunst weg: im Gegenteil, er erhöht sie und nährt sie, er ermutigt sie, die Schwelle zu überschreiten und mit fasziniertem und innerlich bewegtem Blick das letzte und endgültige Ziel zu betrachten, die Sonne, die niemals untergeht, die Sonne, die die Gegenwart erleuchtet und sie schön macht.“ (Papst Benedikt XVI. 2009).

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Standpunkte: Einzelne Positionen Die Diskussion über das Verhältnis von Kunst und Kirche wurde kontinuierlich fortgesetzt. Es beteiligten sich an dieser Diskussion Geistliche und Weltliche, jedoch nur wenige Kunsthistoriker. Die Plattformen für die Auseinandersetzung waren Tagungen, Zeitschriften, und Buchpublikationen, meist initiiert von christlichen, sowohl protestantischen als auch katholischen oder ökumenischen Organisationen. Neutrale beobachtende Plattformen existierten so gut wie nicht, so dass die Diskussion immer mit einer persönlichen Engagiertheit für die Sache geführt wurde. Für den römisch-katholischen Theologen Ludwig Mödl war die Frage des Verhältnisses von Kunst und Kirche keine marginale, sondern zielte ins Zentrum der christlichen Religion. Das gespannte Verhältnis zwischen Kunst und Kirche in der Gegenwart zeigte für ihn eine religiöse Krise schon an. 1033 Iris Gniosdorsch, katholische Theologin, thematisierte 2003 eine Differenz zwischen Religion und autonomer Kunst: Religion besitze ein Weltbild, das vom Göttlichen her initiiert und strukturiert sei, während Kunst offen sei für verschiedene Weltbilder. So wolle Religion das ihr zugrunde liegende Weltbild ausdrücken, die Kunst hingegen die Welt in ihren vielfältigen Deutungen darstellen. Damit sah sie Religion als eine offenbarte Entscheidungshilfe für den Menschen, während Kunst verschiedene Perspektiven vorstelle.1034 Dieser Argumentation folgte auch das Kölner Manifest des Vereins Arthenon, sah in diesen beiden Weltsichten dann aber eine Ergänzung, wenn sie zueinander fänden.1035 Der Kunsthistoriker Hans Belting befand, dass keine religiösen Bilder mehr entstehen: „Die Historizität des religiösen Bildes liegt darin, dass es als Kunstwerk im

1033 Vgl. Mödl 2003b. S. 36. 1034 Vgl. Gniosdorsch 2003. 1035 „Religion und Kunst sind eigenständige Weisen des Umgangs mit menschlichen Erfahrungen. Der christliche Glaube findet seinen Ausgangspunkt in einem größeren, überindividuellen Bezugsrahmen (Gott, Schöpfung, Welt, Himmel, Erde und Geschichte). Die Kunst nähert sich den Wirklichkeiten über Einzelerfahrungen. Beide legen ein Wirklichkeitsverständnis zugrunde, das nicht allein in der Unmittelbarkeit von Erfahrungen aufgeht. Die christliche Religion ist in ihrem Ursprung eine gleichermaßen gemeinschaftlich wie persönlich gestaltete Lebensart. […] Sie kann der Kunst einen überindividuellen Raum anbieten, in dem ihre individuellen „Mythologien“ in einem veränderten Bezugsrahmen gegenwärtig werden. Die Kunst wiederum, die sich auf individuelle Gestaltungsmöglichkeiten konzentriert, schafft neue Ausdrucksformen. Sie kann vermitteln, dass sich lebendige Religiosität nicht in fest- oder vorgeschriebenen Begrifflichkeiten erschöpft. Ohne gegenseitige Erschließung würde Glaube sinnenlos und die Kunst würde sinnlos.“ (Artheon 2009a).

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Museum überlebt, aber gerade in der modernen Kunst nicht mehr entsteht [...].“1036 Hier folgte Belting dem Kunsthistoriker Schöne, der diese Trennung 1957 postuliert hatte. Johannes Rauchenberger, katholischer Theologe, ging davon aus, dass die christliche Ikonographie in der zeitgenössischen Kunst auch deshalb keine Rolle mehr spielen könne, weil sie erschöpft sei. Gemeint war hier nicht nur die geistige Erschöpfung, sondern auch das Ausgeschöpft- sein künstlerischer Möglichkeiten zu dem Thema.1037 2009 stellte der Arbeitskreis „Museum und moderne Kunst“ der „Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern“ fest, dass es en vogue sei, „Religion auszustellen“, dies aber keinen Einfluss auf die Kircheneintritte habe und nur ein vages religiöses Gefühl bedient werde, das aus einer Unzufriedenheit entstehe.1038 Im Kunstgeschehen traf man immer wieder auf christliche Ikonographie oder Rituale der Kirche.1039 Man darf darin aber keine Kunst sehen, welche sich mit der Kirche verbunden fühlt, vielmehr ging es oft um eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Stellenwert der Kunst, der Frage der „Kunstreligion“ und ein Hinterfragen von und Spielen mit ikonographischen Bildern und der Institution der christlichen Kirchen. So sagte Dominik Meiering, katholischer Theologe, richtig, dass Kunst, die religiöse Formen und Symbole benutze, nicht per se „religiös“ sein müsse. Symbole würden oft aus ihrem Zusammenhang gelöst und begännen ein Eigenleben.1040 Dies ist auch kein Phänomen der Gegenwart – man denke z. B. an Dürers berühmtes Selbstportrait und sein Spiel mit dem Christus-Bild in der Kunst. Kunst, welche sich mit Religion auseinandersetzt, ist kein Beweis für eine Kunst, die der katholischen Kirche nahe steht. Für Rauchenberger biete die Nutzung des ikonographischen Bildvokabulars als Spielball für künstlerisch-autonome Konzepte eine Möglichkeit der Annäherung zwischen zeitgenössischer Kunst und Kirche. Er zeigte 2005 weitere potenzielle Annäherungswege auf: Innovationen aus ikonographischen Kollisionen, Neuschöpfungen durch Kombination von Stilmitteln, den Kirchenraum als Ort für Installationen. Die religiösen Dimensionen in zeitgenössischer Kunst müssten nicht notgedrungen durch christliche Bildanleihen geschehen, sondern durch Neuschöpfungen und die Beschäftigung mit essentiellen Themen, wie Tod, Geburt, Schuld. 1041 All 1036 Belting 2006. S. 36. 1037 Vgl. Rauchenberger 2005. S. 17. 1038 Als Beispiel wurde die Ausstellung im Haus der Kunst in München „Spuren des Geistigen“ herangezogen. (Vgl. Arbeitsgemeinschaft 2009). 1039 Z. B. die von Francis Alys 2002 durchgeführte Prozession durch New York mit Repliken von Kunstwerken des MOMA und Kiki Smith als lebende Madonna (Vgl. MoMA 2002). 1040 Vgl. Meiering 1997. S. 82. 1041 Vgl. Rauchenberger 2005a.

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diese Vorschläge dokumentieren die Hinwendung zu aktueller Auseinandersetzung mit neu geschaffener Kunst und zeigen, dass Rauchenberger von den Bedürfnissen der Künstler und der Kunst aus gedacht hat, um daraufhin die Qualitäten von Religion und Kirche als Institution einzubringen. Er erkennt den autonomen Prozess des Kunstschaffens als solchen an. Rauchenberger schrieb, dass die Beobachtungen, ob und wie sich religiöse Vorstellungen auf dem Feld der Kunst manifestierten, seit den 1980er-Jahren zu Ausstellungen führten. Ausstellungen geben laut Rauchenberger einen wichtigen Anstoß in der Fortentwicklung von Theoriebildung zum Thema Kunst und Kirche. 1042 U. a. verwies er auf die Ausstellungen Wieland Schmieds, die zu einer Änderung in der Rezeption von Kunst und Kirche geführt haben.1043 Interessanterweise machte Wieland Schmied jedoch einen großen Unterschied zwischen Kunst der Moderne und Kunst, welche zeitlich nach der Moderne entstand. Auf einer Podiumsdiskussion im Jahre 2009 sagte Schmied, dass am Ende der Moderne auch das Ende der Beziehung zwischen Kunst und Kirche erreicht gewesen sei. Während die Moderne noch das Geistige betont habe, sei die gegenwärtige Kunst kirchlich nicht anschlussfähig, woran auch die Kirche selbst mitgewirkt habe.1044 Rauchenberger zeigte, auf welche Weise sich die katholische Kirche der Kunst widmete: durch Ausstellungen und Kunstpreise, durch das Engagement anerkannter Künstler zur Werkschaffung für Kirchenräume und durch anregende Diözesanmuseen. Rauchenberger fragte sich, ob die Sache Gottes im zeitgenössischen Kunstschaffen wirklich im Museum verhandelt werde und ob das Museum als Institution nicht zu langsam dafür sei, wenn es darum gehe, einen Blick auf die Gegenwart zu werfen.1045 Er kam zu dem Schluss, dass die museale Arbeit nötig sei und die Frage nach Gott im zeitgenössischen Kunstschaffen vorantreibe, aber Gott kein Museum sei. 1046 Neben so offenen Positionen wie der Rauchenbergers gab es aber auch unter katholischen Theologen die Meinung, dass Kunst einen bestimmten Stil haben müsse, um mit der Kirche in Kontakt zu kommen. Der katholische Theologe von Bühren, der eines der wichtigsten Bücher zur Quellenlage zum Thema Kunst und Kirche im 20. Jahrhundert verfasst hatte, sah 2008 in abstrakter Kunst keinen Verweis auf

1042 Vgl. Rauchenberger 2005a. S. 255. 1043 Vgl. Rauchenberger 2012. S. 10f. Siehe Kapitel „Die Ausstellung ‚Zeichen des Glaubens – Geist der Avantgarde‘ in Berlin“. 1044 Vgl. Gerhards 2009. S. 306f. 1045 Vgl. Rauchenberger 2012. S. 13. 1046 Vgl. Rauchenberger 2012. S. 14.

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Christus und somit keine Möglichkeit, Glaubensinhalte vermitteln zu können, weshalb christliche Kunst immer erzählerisch und deswegen figürlich sein müsse.1047 Albert Gerhards berichtete 2009 in der Zeitschrift „Das Münster“ über eine Tagung zum Verhältnis zwischen Kunst und Kirche. 1048 Gerhards sprach von aktuellen einschneidenden Veränderungen im Rheinland in Bezug auf das Thema Kunst und Kirche und nannte drei Punkte. Abgesehen von der Eröffnung „Kolumbas“ handelte es sich dabei um personelle Wechsel: Friedhelm Mennekes verließ die „KunstStation St. Peter“ und Pfarrer Karl Josef Maßen die Pfarrei Pax Christi in Krefeld.1049 Dies deutet darauf hin, dass dort, wo ein Aufeinandertreffen von Kunst und Kirche stattfindet, dies stark an Personen gebunden ist. In der Zusammenfassung der Tagung durch Gerhards wurde festgestellt, dass sich in den letzten Jahrzehnten trotz vieler negativer Erfahrungen viel verändert habe: „Dabei sei die erste Phase der ‚Wiederbegegnung‘ vorbei. Eine gewisse Parallele liege etwa im Dialog der Religionen oder im ökumenischen Dialog vor, die sich ebenfalls in einer Stagnationsphase befinde.“1050 Ein wichtiger Aspekt, der sich ändern müsse, sei weiterhin die ästhetische Ausbildung der katholischen Theologen im Allgemeinen, es müsse eine bessere Ausbildung des Sehens geben.1051

1047 „Die absolute Abstraktion verweist auf sich selbst, auf ihr ästhetisches Gestaltungsmaterial, Farben und Formen, und reduziert die erzählerischen-figürlichen Elemente auf ein Minimum. Dies erschwert die Vermittlung, oder zumindest die Andeutung biblischtheologischer Glaubensinhalte, denn in der reinen Abstraktion existiert keine Erzählung mehr. Dagegen lebt die christliche Religion von einer Botschaft, von der erzählbaren Botschaft des Heils in Christus. Überdies schwindet in der Abstraktion das sichtbare menschliche Antlitz. Christliche Religion lebt hingegen von der Präsenz einer Person: Jesus Christus, Mensch gewordener Gott mit menschlichem Antlitz. Aus diesen bibel-, schöpfungs- und inkarnationstheologischen Gründen bleibt die kirchliche Bildkunst – es sei denn, man spricht ihr diese Aufgabe ab – auf ein Mindestmaß erzählerischer Elemente, auf Figürlichkeit und Personalität angewiesen.“ (Bühren 2008. S. 212). Ähnlicher Meinung war Bischof Kapellari: „Christentum hat Heilsgeschichte zu verkünden und Kunst, die immer mehr abstrakt geworden ist, kann Heilsgeschichte nur zu einem geringen Teil verkünden.“ (Kapellari 1995. S. 161). 1048 Die Tagung wurde veranstaltet vom Seminar für Liturgiewissenschaft an der Universität Bonn unter Federführung von Albert Gerhards sowie dem katholischen Bildungswerk Bonn unter Leitung von Josef Herberg. (Vgl. Gerhards 2009. S. 306). 1049 Vgl. Gerhards 2009. S. 306. 1050 Gerhards 2009. S. 308. 1051 Vgl. Gerhards 2009. S. 306–308.

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Exkurs: Die evangelische Kirche Die evangelische Kirche schrieb 2006, dass die meisten der 23 Gliedkirchen der EKD zur Koordination der Kunst- und Kulturarbeit in der jeweiligen Landeskirche zumeist neben- oder ehrenamtliche Kunstbeauftragte ernannt haben, welche wiederum in der ständigen Konsultation der landeskirchlichen Kunst- und Kulturbeauftragten organisiert sind. Seit 2006 gab es ein Kulturbüro der EKD mit einer hauptamtlichen Kulturbeauftragten des Rates der EKD. Ihr stand ein Kulturbeirat mit Künstlern und Kulturvertretern aus verschiedenen Sparten zur Seite. Orte für bildende Kunst und des Dialoges zwischen Kirche und Kunst seien „Kulturkirchen“1052, „City-Kirchen“, die ökumenische Zeitschrift „Kunst und Kirche“, die „Gesellschaft für Gegenwartskunst und Kirche e.V. Artheon“ mit Sitz in Frankfurt am Main, welche auch eine Mitgliedszeitschrift herausgab und den Kunstpreis „Freundeszeichen Artheon“ verlieh, das „Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart“ an der Philipps-Universität Marburg und der Evangelische Kirchbautag.1053 Wie in Kapitel „Zeitgenössische Kunst im Kirchenraum“ beschrieben, gab es auch von der evangelischen Kirche Engagement in Bezug auf zeitgenössische Kunst. Nach der Jahrtausendwende kamen auch weitere neue Organisationen, welche sich allgemein mit Kunst und Geschichte befassten, hinzu. Die Stadt Bad Gandersheim gründete 2002 gemeinsam mit Bürgern und der ev.-luth. Stiftskirchengemeinde den Verein „Portal zur Geschichte“,1054 eine Ausstellung wurde 2006 eröffnet. Die Ausstellung fand in einer aktiven Kirche statt und es wurde Wert auf einen „emotionalen Zugang“ zu den Exponaten gelegt. 1055 Ein weiteres Beispiel ist das „Bibelhaus Erlebnismuseum“ in Frankfurt am Main, welches seit 2003 existiert. Der Träger ist ein Verein, gefördert wird es aber auch, neben Geldern der Stadt, durch die Evangelische Kirche Hessen und Nassau. Das Bibelhaus möchte die „Kultur, Geschichte und Lebenswelt der Bibel“ vermitteln.1056 Auch über die deutschen Landesgrenzen hinaus, gab es Gründungen und Aktivitäten der evangelischen Kirche, so z. B. in Österreich und in Rumänien. 2011 eröffnete anlässlich einer Landesausstellung ein evangelisches Diözesanmuseum in Kärnten, das als Zielsetzung hat, die Geschichte des Protestantismus in Kärnten darzustellen.1057 In Rumänien gab es seit 2004 ein landeskirchliches Museum der evangelischen Kirche im „Friedrich-Teutsch“-Haus, ein Hauptaugenmerk lag auf der Vermittlung der Ge-

1052 Z. B. seit 2008 in Frankfurt „KunstundKulturKirche“ (Vgl. KunstundKulturKirche 2012). 1053 Vgl. Bülow 2006. 1054 Vgl. Portal zur Geschichte 2011. 1055 Vgl. Hoernes 2006. S. 58f. 1056 Vgl. Bibelhaus Erlebnis Museum 2012. 1057 Vgl. Gerzabek 2012.

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schichte der evangelischen Kirche in Rumänien1058 und 2006 wurde in Rumänien eine Arbeitsgemeinschaft evangelischer Museen in Rumänien gegründet, die „ARGE MUSE“.1059 Ein praktisches Beispiel: Die documenta Alle fünf Jahre verzeichnet Kassel einen Besucheransturm durch die documenta, eine Ausstellung für zeitgenössische Kunst. Seit 1982 veranstaltet die evangelische Kirche Begleitausstellungen zur documenta in Kassel, diese finden im selben Zeitraum statt wie die documenta selbst. Die katholische Kirche veranstaltet seit der documenta XI im Jahre 2002 ebenfalls eine Begleitausstellung. Unter dem Titel „Mensch-Himmelwärts“ gab es eine Gegenüberstellung von zeitgenössischer Kunst zu Kunst aus dem 18. Jahrhundert.1060 2007 wurde eine Licht- und Klanginstallation „Com/Passion“ gezeigt. Hier wurde betont, dass Kunstwerke und Kirchenraum einen „Corpus“ bildeten.1061 In den Begleitausstellungen zur documenta der beiden christlichen Kirchen zeichnete sich eine Entwicklung innerhalb der Ausstellungskonzepte ab. Kopierte die evangelische Kirche zuerst fast eins zu eins die Aufmachung einer Museumsausstellung,1062 entdeckte man nach und nach seine eigenen Qualitäten. So wurde nun sowohl bei den Protestanten als auch bei den Katholiken der Kirchenraum als ein Alleinstellungsmerkmal erkannt und genutzt. Die Ausstellungen wurden in aktiven Kirchen gezeigt und die Gemeinde wurde miteinbezogen, so dass nicht nur das kunstinteressierte Publikum angesprochen wurde. Auch den Künstlern gab man immer mehr thematischen Freiraum. Bei den Kunstwerken handelte es sich um Auftragsarbeiten mit konkretem Raumbezug, welche temporär im Kirchenraum ausgestellt wurden. Es stellt sich jedoch die Frage, wieso beide Kirchen die räumliche und zeitliche Nähe zur documenta suchen. Offensichtlich ist, dass man den „Publikumsmagneten“ auch für sich nutzen will. Zeitgenössische Kunst lockt Menschen nach Kassel, diese Menschen versucht man nun ebenfalls durch zeitgenössische Kunst in den Kirchenraum zu holen. Warum bemüht man sich aber gerade um das documentaPublikum? Möchte man den „Kunst-Jet-Set“ evangelisieren? Hofft man auf Anerkennung der künstlerischen Tätigkeit von Seiten der Kunstkenner oder möchte man 1058 Vgl. Friedrich-Teutsch-Haus 2006. 1059 Vgl. ARGE MUSE 2011. 1060 Vgl. Mensch Himmelwärts 2011. 1061 Vgl. Fulda 2011. 1062 1982 wurden in einer nicht gottesdienstlich genutzten Kirche zum Thema „Abendmahl“ zeitgenössische Abendmahldarstellungen an den Wänden der Kirche und an Stellwänden ausgestellt. Fünf Jahre später, 1987, wurde der Kirchenraum schon etwas mehr mit einbezogen, wenn auch immer noch Stellwände verwandt wurden, diesmal jedoch entlang der Außenmauern. (Vgl. Schwebel 2004).

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eine andere Deutung von zeitgenössischer Kunst einem großen Publikum kundtun und eine Gegenposition zur documenta sein? 2012 gerieten die Ausstellungen der beiden christlichen Kirchen mit der Leitung der documenta in einen Konflikt. Die evangelische Kirche entschloss sich, auf die geplante Ausstellung des Künstlers Gregor Schneider während der documenta zu verzichten, um einen Streit mit der documenta-Leitung zu vermeiden. Die Vorbereitungsgruppe der evangelischen Kirche gab an, den Fehler gemacht zu haben, die documenta-Leitung zu ihrer Ausstellung befragt zu haben. Die katholische Kirche blieb bei ihrer Idee einer Ausstellung des Künstlers Stefan Balkenhols in der Elisabethkirche. Diese Kirche liegt direkt am zentralsten Platz der documenta, dem Friedrichsplatz. Auf dem Turm der Kirche wurde stehend auf einer goldenen Kugel eine männliche Skulptur mit ausgestreckten Armen präsentiert, die sich langsam drehte und weithin zu sehen war. Die Leiterin der documenta, Carolyn Christov-Bakargiev, fühlte sich von dieser bedroht und forderte die katholische Kirche auf, die Skulptur zu entfernen. Dem Gesamtkonzept der documenta, das den Mensch nicht als Mittelpunkt der Welt sehen möchte, widerspreche diese Figur, welche in besonderem Maße ein anthropozentrisches Menschenbild evoziere. In der Presse, aber auch von den Kirchen, wurde der documenta-Leitung totalitäres Handeln vorgeworfen, indem sie allen anderen Institutionen nahelege, in der Zeit der documenta auf Kunstpräsentationen zu verzichten. Gregor Schneider sprach von einem Zensurversuch und der Monopolisierung des öffentlichen Raums.1063 Es gab auch viele Stimmen mit Verständnis für die Haltung der documenta-Leitung, eine davon verglich die Situation mit einer Konzertaufführung eines berühmten Komponisten, in dessen Adagio ein Straßenmusiker aufspielt, um sich zum Ausdruck zu bringen.1064 Auch die Kunstbiennale in Venedig, ebenso wie die documenta medienwirksam und weltweit in der Kunstwelt beachtet, möchte die katholische Kirche für eigene Ausstellungen nutzen. 2009 verkündete der neue Präsident des Päpstlichen Kulturrates Gianfranco Kardinal Ravasi, dass auch der Vatikan einen Pavillon auf der Biennale in Venedig bespielen werde. 2011 hatte dies jedoch noch nicht stattgefunden.1065 Zusammenfassung Es zeigt sich, dass das Verhältnis von katholischer Kirche und bildender Kunst auch nach der Jahrtausendwende noch kein geklärtes ist. In beiden christlichen Kirchen haben sich eine Reihe von Institutionen etabliert, die sich mit diesem Spannungsfeld auseinandersetzen und eine Annäherung suchen, so dass eine Diskussion wach gehalten wird, diese Institutionen aber auch weiterhin benötigt werden, da noch 1063 Vgl. Müller 2012. 1064 Vgl. Mylo 2012. 1065 Vgl. Rauchenberger 2012. S. 9.

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kein selbstverständlicher Umgang mit zeitgenössischer Kunst existiert. Vor allem an zeitgenössischer Kunst, die auch in Kunstkreisen Anerkennung finden könnte, mangelt es im Kirchenraum weiterhin. Der Nachfolger Papst Johannes Paul II., Papst Benedikt XVI., behandelte die Frage des Verhältnisses zwischen Kunst und Kirche weiter, aber nicht mehr mit derselben Offenheit wie sein Vorgänger. Sprach sein Vorgänger sich für die Autonomie der Kunst aus, relativierte Benedikt XVI. diese Forderung mit der Aufforderung, den Bezug zu den konkreten christlichen Botschaften aufzuzeigen. Trotz dieser Zurücknahme an Offenheit versuchte die katholische Kirche, sich mehr in das Kunstgeschehen einzubringen, wie z. B. durch die geplante Teilnahme an der Biennale in Venedig. Diese Vorhaben könnten Nachwirkungen der Politik von Johannes Paul II. sein. Sie widerspricht aber auch der Haltung Benedikt XVI. nicht, da eine Teilnahme noch nichts über die Ausrichtung der Kunst aussagt und sich auch nicht mit dem Problem der zeitgenössischen Kunst im Kirchenraum auseinandersetzt, sondern eher als eine Erweiterung der Praxis der Kunstausstellung mit katholischer Trägerschaft im temporalen Bezug zu Kunstgroßereignissen steht. Das große Problem, dass zeitgenössische Kunst ein subjektives, individuelles Weltbild zeigt und die katholische Kirche ein feststehendes besitzt, bleibt bestehen, bzw. wird durch Benedikt XVI. sogar gefestigt. Die Wahl von zeitgenössischen Kunstwerken für Museen und Kirchenräume muss subjektiv ohne festgelegte Gütekriterien getroffen werden. Hier tritt ein weiteres Problem auf, das u. a. darin besteht, dass große Teile des Klerus weiterhin in Kunstfragen nicht ausgebildet sind. Die Beispiele, in denen zeitgenössische Kunst im Kirchenraum aufgestellt wurde, hängen häufig von einer Persönlichkeit ab und bilden die Ausnahme. Da bei einigen Katholiken weiterhin die Meinung existiert, Kunst müsse die Geschichten der katholischen Kirche unmittelbar darstellen, und abstrakte Kunst könne nicht im Kirchenraum der Liturgie beiwohnen, kann bzw. muss zeitgenössische Kunst in anderen Räumlichkeiten der katholischen Kirche untergebracht werden. Eine Lösung ist das Museum der katholischen Kirche. Hier kann sich die Kunst selbstständiger entfalten, da sie nicht mehr unmittelbar der Liturgie beiwohnt. Weiterhin kann ein speziell geschultes Personal die Kunst auswählen. Bei einigen Beteiligten besteht die Hoffnung, dass der Weg über Ausstellungen und Museen der katholischen Kirche zu einem Prozess der Annäherung zwischen zeitgenössischer Kunst und Kirche führt, der bei der Annahme von zeitgenössischer Kunst im Kirchenraum endet.

Resümee

In der Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit bildender Kunst haben sich die Fragestellungen über die Jahrhunderte verschoben. Beschäftigte man sich in den Anfängen der katholischen Kirchengeschichte mit der Frage, ob man überhaupt bildende Kunst für den Gottesdienst nützen dürfe, stellte diese Frage in der Neuzeit kaum noch ein Thema dar. So werden zwar in den wichtigsten Schriften die Postulate „in mäßiger Zahl und passender Ordnung“1 wiederholt, bieten aber kaum noch Grund zu Kontroversen. 2 Vielmehr hat sich der Fokus auf die Frage, wie diese Kunst auszusehen habe, verschoben. Die offiziellen Verlautbarungen der Päpste haben sich seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts – und eindeutig im „Zweiten Vatikanischen Konzil“ – für eine liberale Haltung gegenüber der Ausdrucksform bildender Kunst ausgesprochen, allerdings mit manchen unkonkreten Einschränkungen.3 Theoretische Differenzen gab es aber in vielen Fällen weiterhin.4 Schaut man sich konkrete Beispiele des Zusammentreffens von katholischer Kirche und zeitgenössischer Kunst an, besteht kein Zweifel, dass im Umgang der katholischen Kirche mit zeitgenössischer Kunst immer noch große Unsicherheiten existieren,5 die sich auch in der Verwendung von schwammigen Begriffen wie „alte“ und „neue Kunst“ manifestieren.6

1

SC 125 In Hünermann 2004. S. 53.

2

Siehe Kapitel „Kräftigung der Bedeutung von Kultur durch Behörden der römischen Kurie“.

3

Siehe Kapitel „Das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und bildender Kunst (1900– 1962)“, „Das „Zweite Vatikanische Konzil“ (1962–1965)“ und „Die unmittelbar nachkonziliare Zeit“.

4

Siehe Kapitel „Katholische Standpunkte zur Autonomie von Kunst. Eine exemplarische Gegenüberstellung (1980)“.

5

Siehe Kapitel „Zeitgenössische Kunst im Kirchenraum“ und „Das Verhältnis zwischen

6

Siehe Kapitel „Das Jahrzehnt vor dem Heiligen Jahr 2000. Kunst im Fokus der Pastoral“.

katholischer Kirche und bildender Kunst“.

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Der erste und zweite Teil dieser Arbeit bieten einen Überblick über die Entwicklung des Museums der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum. Es konnte festgestellt werden, dass die Entwicklung des Museums in katholischer Trägerschaft parallel mit der der Institution des Kunstmuseums im Allgemeinen stattgefunden hat. Bemerkenswert ist, dass eines der ersten öffentlichen Museen überhaupt von der katholischen Kirche betrieben wurde. 7 Auch der Wandel in Ausstellungspraxis und Ausrichtung verläuft weitestgehend parallel zum staatlichen Kunstmuseum, selbstverständlich immer mit Eigenheiten einer konfessionellen Trägerschaft, die es vom staatlichen Museum unterscheidet.8 Die Ergebnisse der historischen Analysen wurden bereits in den einzelnen Zusammenfassungen festgehalten und sollen hier nicht wiederholt werden. Der dritte Teil dieser Arbeit überblickt einen im Vergleich recht kleinen Zeitraum von 2001 bis 2010, dafür konnten vier Museen der katholischen Kirche mit besonderer Intensivität betrachtet werden. Man kann am Ende der Betrachtung des Museums der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum nach der Jahrtausendwende keine allgemeine Ausrichtung erkennen. Wie in den einzelnen Abschnitten thematisiert, gibt es einzelne Gemeinsamkeiten, aber auch große Unterschiede. Allen ist gemeinsam, dass sie als übergeordnetes Ziel haben, Menschen – besonders Künstler, Kinder und Menschen mit Problemen – zu erreichen und ihnen ein nachhaltiges Erlebnis zu vermitteln.9 Die Wege dies zu tun, unterscheiden sich jedoch.10 Gemeinsam ist ihnen aber, dass sie ihre Offenheit betonen und einen starken Fokus auf Emotionalität bei der Vermittlung von Kunst setzen. Alle Fallbeispiele sammeln zwar zeitgenössische Kunst, was jedoch gesammelt wird, ist sehr unterschiedlich, so dass kein bestimmter Kunststil im Museum der katholischen Kirche existiert. Gemeinsam ist allen vier Museen die vehemente Betonung, dass die Konfession der Künstler keine Rolle spiele.11 7

Siehe Kapitel „Die ersten offiziellen päpstlichen Aussagen zu Museen“.

8

Siehe Kapitel „Die ersten Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1853–1900)“, „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1900– 1962)“, „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1962–1980)“, „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1980–2001)“. und Teil III.

9

Siehe Kapitel „Für wen sollte das Museum der katholischen Kirche sein – Gläubige, Nichtgläubige und Abtrünnige“.

10 Siehe Kapitel „Wie sollte das Museum der katholischen Kirche gestaltet sein – Musealer Anspruch versus pastorales Ziel“ und „Was sollte das Museum der katholischen Kirche vermitteln – Wissen weitergeben, Emotionen hervorrufen“. 11 Siehe Kapitel „Was sollten Museen der katholischen Kirche zeigen – Bewahren oder aktiv Sammeln“. In diesem Zusammenhang kann auf die Definition von Buranelli, Geschäftsführender Generaldirektor der Vatikanischen Museen (2002–2007), hingewiesen

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In vielen Punkten gibt es fast unlösbare Gegensätze zwischen einerseits dem Gedanken der Autonomie der Kunst und andererseits einer hierarchisch aufgebauten Institution mit feststehenden Bekenntnissen. Das Verhältnis von Distanz und Nähe zwischen der Kunst und der Institution katholische Kirche und den Menschen, die diese repräsentieren, birgt bei großer Nähe den Vorwurf der Vereinnahmung, bei zu großer Distanz die Frage der Glaubwürdigkeit in sich. 12 Die Lösungsansätze in den Museen der katholischen Kirche sind Offenheit und Dialog. Museen der katholischen Kirche wurden an der Schwelle zum 21. Jahrhundert noch nicht voll anerkannt, weder in der Museumslandschaft noch von Künstlern oder den Besuchern. Hier zeichnete sich durch Offenheit und Dialogbereitschaft und durch das Sammeln zeitgenössischer Kunst teilweise ein Wandel ab. 13 So wurden Museen der katholischen Kirche in jüngster Vergangenheit auch außerhalb kirchlicher Kreise wahrgenommen: Das „Museum des Stifts Admont“ bekam 2005 vom österreichischen Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur den Museumspreis und „Kolumba“ 2009 den Museumspreis der Kulturstiftung-hbs.14 Auch in einem Überblickswerk zur Geschichte des Museums lässt sich 2008 unter kunstgeschichtlichen Museen ein Unterkapitel zu „Museen religiöser Kunst“ finden. 15 Es konnte weiterhin gezeigt werden, dass nicht in erster Linie die offiziellen Verlautbarungen die Arbeit in den Museen der katholischen Kirche bestimmen, sondern starke Persönlichkeiten, die diese betreiben. So gibt es zwar den Zusamwerden (in Kapitel „Die unmittelbar nachkonziliare Zeit“ dargestellt). Buranelli unterschied „religiöse“ von „sakraler Kunst“ über die religiöse Aufrichtigkeit des Künstlers. „Sakrale Kunst“ für die Kirche würde von Künstlern geschaffen, welche die Traditionen der Kirche kennen würden. „Religiöse Kunst“ versuche, den Sinn der Existenz zu erfassen und kann auch von einem Künstler geschaffen werden, der nicht mit den Riten der katholischen Kirche vertraut ist. (Buranelli 2003. S. 15). 12 Siehe Kapitel „Wer sollte das Museum der katholischen Kirche betreiben – Theologischer Laie oder Kunst-Amateur“. 13 Siehe Kapitel „Wie sollte das Museum der katholischen Kirche vernetzt sein – Alleingang, im Verbund oder in Kooperation“. 14 2013 wurde „Kolumba“ von der deutschen Sektion des Internationalen Kunstkritikerverbandes (AICA) zum Museum des Jahres gewählt (vgl. Monopol 2013). 15 Hier werden neben Museen der katholischen Kirche auch Museen der evangelischen Kirche (wobei es sich bei näherer Betrachtung um Ausstellungshäuser handelt) und jüdische religiöse Sammlungen behandelt. Leider wird nicht unterschieden zwischen Museen über Religion, Museen von Religionsgemeinschaften, welche Kunst ausstellen und sammeln, und zwischen Sammlungen bzw. temporären Ausstellungsorten in religiösen Räumen. Auch die Aufzählung von internationalen Beispielen ist sehr willkürlich und unvollständig bis zu falsch gegliedert (ein Museum in Argentinien unter der Sparte Spanien). (Vgl. Vieregg 2008. S. 209-219).

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menschluss der „Kirchlichen Museen im deutschsprachigen Raum“, in welchem man sich austauscht,16 die maßgeblichen Entscheidungen werden jedoch in den einzelnen Häusern getroffen und es besteht keine Innen- oder Außenwahrnehmung als Gemeinschaft der Museen der katholischen Kirche. 17 Dass es in den 2000er-Jahren vermehrt zu einer Auseinandersetzung mit Museen der katholischen Kirche kam, hing eng mit dem „Rundschreiben 2001“ zusammen. Das „Rundschreiben 2001“ nahm in vielen Punkten bereits getroffene Aussagen des Papstes oder der päpstlichen Kommissionen und Räte auf. Neu waren konkrete Angaben über die Vorstellungen der Umsetzungen dieser Ausrichtungen. Das „Rundschreiben 2001“ lässt aber auch gewisse Unklarheiten oder, positiver formuliert, offene Spielräume zurück.18 Trotzdem, oder gerade wegen der Bündelung und Vertiefung offizieller Aussagen, handelt es sich um das bislang wichtigste offizielle katholische Dokument mit einer Reflexion über die Funktion der Museen der katholischen Kirche. In Italien, dem Land mit dem höchsten Anteil an kirchlichen Kulturgütern19 und mit einer großen Anzahl von Museen der katholischen Kirche, konnte jedoch bereits vor dem „Rundschreiben 2001“ ein erheblicher Anstieg der Anzahl an Museen in katholischer Trägerschaft festgestellt werden.20 Auch schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es, vor dem ersten offiziellen Aufruf, im Jahre 1923,21 des vatikanischen Staatssekretariats, Museen zu gründen, eine Gründungswelle im deutschsprachigen Raum.22 Belting beschrieb in Bezug auf die Geschichte der katholischen Kirche und ihr Verhältnis zur Kunst, dass die katholische Kirche 16 Siehe Kapitel „Die Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern im deutschsprachigen Raum“. 17 Siehe Kapitel „Wie sollte das Museum der katholischen Kirche vernetzt sein – Alleingang, im Verbund oder in Kooperation“. 18 Siehe Teil III, jeweils das erste Kapitel. 19 Vgl. Fumagalli Carulli 2008. S. 6. 20 1997 wurden 781 Museen und Sammlungen der katholischen Kirche gezählt, 2001 schon 936. Giacomini Miari sieht für diese steigende Zahl folgende Gründe: ein neues Bewusstsein für die Bedeutung des künstlerischen-religiösen Erbes und dessen Funktion für die Region, die Arbeit der Sensibilisierung durch die italienische kirchliche Behörde für die Kulturgüter (Ufficio Beni Culturali) und in Teilen auch durch die italienische Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Museen (A.M.E.I.) und die Kraft des Jubiläumsjahres 2000 (vgl. Giacomini Miari 2005. S. 9). Piacenza hingegen gibt eine andere Zahl an. 2001 habe es 820 kirchliche Museen oder Sammlungen in Italien gegeben. (Vgl. Piacenza 2007. S. 15). 21 Siehe Kapitel „Die erste päpstliche Aufforderung, Museen der katholischen Kirche zu gründen“. 22 Siehe Kapitel „Museen der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum (1900– 1962)“.

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nie Bilder förderte, sondern nur reagierte, wenn es nicht mehr anders ging. 23 Es ist davon auszugehen, dass Schreiben des Vatikans keine Hochkonjunkturen der Museen der katholischen Kirche auslösten, sondern eher auf diese mit offiziellen, rahmengebenden Handreichungen reagierten. Wenn man die theoretische Diskussion über die Ausrichtung der allgemeinen Kunstmuseen am Anfang des 21. Jahrhunderts betrachtet, erscheint die Ausstellungspraxis der Fallbeispiele als ein zeittypisches Phänomen. Marlies Raffler teilte 2005 die Geschichte des Museums in verschiedene Epochen ein und bezeichnete den aktuellen Stand als „neomuseale Epoche“, die sie wie folgt beschreibt: „Sie ist geprägt von der Verlagerung der Objektorientiertheit hin zur Beziehung MenschObjekt […].“24 Tobias Wall prägte 2006 die Begriffe „Archivmuseum“, „Erlebnismuseum“ und „Ereignismuseum“. In einem „Archivmuseum“ werde der Besucher durch Informationstafeln und eine chronologisch-geographische Hängung auf einen analytischen, kunsthistorischen Weg geführt. Die Museumspraktiken der Romantik, bei der die ästhetische Erfahrung der Werke im Vordergrund steht und der Betrachter Kunst mystisch kontemplativ wahrnimmt, verstand Wall als „Erlebnismuseum“. Er sah ein Pr