Migrantisches Unternehmertum in Deutschland: Afro Hair Salons zwischen Ausgrenzung und Inkorporation [1. Aufl.] 9783839433003

Beyond »migrant niches« - this study shows the aspirations of migrant entrepreneurs for social incorporation in Germany.

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Polecaj historie

Migrantisches Unternehmertum in Deutschland: Afro Hair Salons zwischen Ausgrenzung und Inkorporation [1. Aufl.]
 9783839433003

Table of contents :
Inhalt
Einleitung
1 Begriffsklärung und Forschungss tand
1.1 Begriffsklärung
1.1.1 Soziale Ausgrenzung und gesellschaftliche Inkorporation
1.1.2 Rassismus
1.1.3 Sprechen über – Problematische Bezeichnungen
1.2 Migrantisches Unternehmertum und Afro Hair Salons im Blick der Forschung
1.2.1 Geschichte und Erforschung migrantischen Unternehmertums – Beispiele aus den USA, Europa und Deutschland
1.2.2 Theoretische Erklärungsmodelle
1.2.3 Zahlen und Trends zu migrantischem Unternehmertum in OECD-Ländern, Europa und Deutschland
1.2.4 Afro Hair Salons im Blick der Forschung
1.2.5 Ansatzpunkte und Ziele der Studie
2 Methodologie und Methode
2.1 Fokus der Analysekapitel
2.2 Agencykonzepte als methodologisches Fundament
2.3 Methodisches Vorgehen
2.3.1 Die ethnografische Erhebungsphase
2.3.2 Datenaufbereitung
2.3.3 Analyse
3 Das Afrohairbusiness zwischen sozialer Ausgrenzung und gesellschaf tlicher Inkorporation: Ein multiperspektivischer Blick
3.1 Historische Perspektive: An- und Aberkennung von Afrohaar und afrikanischen Frisuren vor, während und in Folge der Kolonialzeit
3.1.1 Bedeutung afrikanischer Haarstile und Frisierpraktiken in der vorkolonialen Vergangenheit
3.1.2 Aberkennung afrikanischer Haarstile und Frisierpraktiken zur Kolonialzeit
3.1.3 Postkoloniale Bewältigung von Aberkennung und Verberuflichung des Afrohairbusiness in den USA
3.1.4 Postkoloniale Bewältigung von Aberkennung und Verberuflichung des Afrohairbusiness in West- und Zentralafrika
3.2 Institutionell-rechtliche Perspektive: Afro Hair Salons in Deutschland zwischen Marginalisierung und Inkorporation
3.2.1 Regulierungen des Aufenthaltsgesetzes
3.2.2 Regulierungen der Handwerksordnung
3.2.3 Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen in Deutschland
3.2.4 Einfluss der rechtlichen Regulierungen
3.3 Mediale Perspektive: Exotisierung von Unternehmern/Unternehmerinnen mit afrikanischem Migrationshintergrund
3.3.1 Analyse von Reportagen
3.3.2 Analyse einer Werbeanzeige
3.3.3 Produktion von Fremdheit als Problem
3.4 Resümee: Afro Hair Salons im Dazwischen
4 Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland: Streben nach gesellschaftlicher Anerkennung, Selbs tverwirklichung und Zugehörigkeit
4.1 Der Salonbetreiber Aron Ayele: »Wir wollen auch gebraucht werden«
4.1.1 Kontaktaufnahme
4.1.2 Agent statt Flüchtling: Die Analyse des Interviewbeginns
4.1.3 Motivation zur Salongründung: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Identifizierung einer Marktlücke
4.1.4 Die Gründungsphase: Ein grenzüberschreitendes Projekt
4.1.5 Der Afro Hair Salon in ambivalenten Rahmenbedingungen: Zwischen partieller Inkorporation und Marginalität
4.1.6 Die Eigentheoretisierung des Geschäftskonzepts als Bewältigungsstrategie
4.1.7 Resümee: Aron Ayele, der Social Entrepreneur
4.2 Die Salonbetreiberin Sophie Assogba: »I always wanted to do hair«
4.2.1 Kontaktaufnahme
4.2.2 »I was a lawyer and now I want to be a Friseurin«: Die Analyse des Interviewbeginns
4.2.3 »Friseurin is less class you know?«: Eine berufliche Verwirklichung mit Hindernissen
4.2.4 Die Gründungsphase: Vom Wohnzimmersalon zum verberuflichten Betrieb
4.2.5 Qualität als Bewältigung von Aberkennung: »The best word about this salon will be quality«
4.2.6 Der Salon als identifikatorischer Trans-Raum
4.2.7 Resümee: Sophie Assogba, die Selbstverwirklicherin im transnationalen Raum
4.3 Die Salonbetreiberin Lilly Damale: »Alles was ich mache, hat was Rebellisches«
4.3.1 Kontaktaufnahme
4.3.2 »Ich fing schon glaub’ ich mit sechs oder mit fünf an«: Die Analyse des Interviewbeginns
4.3.3 Motivation, Friseurin zu werden und der Weg in die Selbstständigkeit
4.3.4 Die Salonphilosophie
4.3.5 Zwischen »Rebell« und »Clown«: Erleben und Bewältigen von Rassismus als Dilemma
4.3.6 Probleme mit den »eigenen Leuten« – Zwischen Diskriminierung und Preisverhandlung
4.3.7 Resümee: Lilly Damale, die Rebellin im Zwiespalt
5 Zwischen sozialer Ausgrenzung und Wunsch nach gesellschaftlicher Inkorporation: Theoretische Vertiefung der empirischen Ergebniss e
5.1 Aberkennung, Marginalisierung und Exotisierung als Funktionsweisen sozialer Ausgrenzung
5.2 Typologie zum Umgang mit sozialer Ausgrenzung
5.2.1 Empirisch rekonstruierte Typen
5.2.3 Schlüsse
5.3 Erlebens- und Bewältigungsstrukturen sozialer Ausgrenzung
5.3.1 Erlebensstrukturen sozialer Ausgrenzung: Verwehrung von Partizipation und Zugehörigkeit
5.3.2 Bewältigungsstrukturen sozialer Ausgrenzung: Streben nach Partizipation und Zugehörigkeit
5.3.3 Resümee und Forschungsausblick
6 Herausforderungen für die Soziale Arbeit im Umgang mit sozial ausgegrenzten migrantischen Unternehmen
6.1 Ausgrenzung multiperspektivisch analysieren
6.2 Ausgrenzende Gesellschaftsstrukturen verändern und Handlungsmächtigkeiten stärken: Interkulturelle Öffnung als Chance
6.3 Ausgrenzende Diskurse transformieren: Diversity Politics als Chance
Danksagung
Literatur
Websites
Filmmaterial
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis

Citation preview

Caroline Schmitt Migrantisches Unternehmertum in Deutschland

Kultur und soziale Praxis

Caroline Schmitt (Dr. phil.), geb. 1984, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaft im Arbeitsbereich Sozialpädagogik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Ihre Forschungsinteressen sind Migrationsforschung mit einem Schwerpunkt auf migrantischem Unternehmertum, transnationaler Migration und Flucht, Diversity-Ansätze sowie rassismuskritische Forschung.

Caroline Schmitt

Migrantisches Unternehmertum in Deutschland Afro Hair Salons zwischen Ausgrenzung und Inkorporation

Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich 02: Sozialwissenschaften, Medien und Sport der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Jahr 2014 als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) angenommen. Gefördert durch das Research Center of Social and Cultural Studies Mainz (SOCUM)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2015 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: »Produktpräsentation in einem Afro Hair Salon«, © Caroline Schmitt, 2011 Satz: Harry Adler Lektorat: Horst Haus Printed in Germany Print-ISBN 978-3-8376-3300-9 PDF-ISBN 978-3-8394-3300-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Zusammenfassung

Existenzgründungen von Migranten/Migrantinnen nehmen in Deutschland stark zu. Zugleich sind Herausforderungen, die sich migrantischen Unternehmern/Unternehmerinnen vor, während und nach der Gründung stellen, bislang nur wenig erforscht. Die vorliegende Studie widmet sich Afro Hair Salons – einem spezifischen Zweig migrantischen Unternehmertums. Diese Friseursalons sind auf Haarstile spezialisiert, welche in afrikanischen Ländern und afroamerikanischen Communities entstanden sind. Die Untersuchung fragt danach, wie Afro Hair Salons eines urbanen Raums in gesellschaftliche Strukturen in Deutschland eingebunden sind, wie sich Afro Hair Salonbetreibende mit ihren Salons erleben und welche Strategien sie zum Auf bau und Erhalt ihrer Unternehmen entwickeln. Sie zeigt die Perspektiven und Wirklichkeitskonstruktionen der Salonbetreibenden und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland auf, in denen Afro Hair Salons agieren. Die Erhebung folgte einem ethnografischen Design und umfasste qualitative Interviews, informelle Gespräche, Beobachtungen und die Sammlung alltagsgegenständlichen Materials. Das Material wurde mit Verfahren der Objektiven Hermeneutik und des wissenschaftlichen Quellentexts ausgewertet. Die Untersuchung rekonstruiert, dass sich Afro Hair Salons ebenso wie ihre Betreiber/-innen in einer ambivalenten Situation des Dazwischens – zwischen sozialer Ausgrenzung und einer partiellen gesellschaftlichen Inkorporation – befinden. In die institutionellen Berufsstrukturen sind Salons und Betreiber/­ -innen nur marginal eingebunden und erleben sich als nicht anerkannt; in medialen Repräsentationen in Deutschland werden sie exotisiert und eine historische Abwertung von Afrohaar und Afrohaarstilen zur Kolonialzeit wirkt bis heute nach. Die Salonbetreibenden streben danach, mit ihrem Beruf und ihrer Expertise als Teil der Gesellschaft in Deutschland wahrgenommen und wertgeschätzt sowie in die ökonomischen Strukturen wie die Handwerkskammern inkorporiert zu sein. Um diesem Streben Ausdruck zu verleihen, etablieren sie Strategien, die von der Formierung eines transnationalen Expertenwissens/Expertinnenwissens über die Öffentlichmachung des Berufprofils bis hin zu dem Versuch reichen, die binären Schemata von ›Black‹ und ›White‹ Salon zu über-

6

Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

winden und ein heterogenes Publikum zu adressieren. Die Ergebnisse münden in eine Typologie zum Umgang der migrantischen Unternehmer/-innen mit sozialer Ausgrenzung: Dem Typ des Social Entrepreneurs ist es ein Anliegen, ausgrenzende Gesellschaftsstrukturen in Deutschland zu verändern, sodass Afro Hair Salons gesellschaftliche Anerkennung und Partizipation zuteil wird. Der Typ der Selbstverwirklicher/-innen überschreitet ausgrenzende Normen, die Afro Hair Salons abwerten, und der Typ der Rebellen/Rebellinnen strebt nach einer Veränderung gesellschaftlicher Wahrnehmungsschemata, die Afro Hair Salons im Vergleich zu anderen Frisiersalons exotisieren. Herausforderungen und Anforderungen, die sich infolge der Erkenntnisse für die Soziale Arbeit stellen, sind die Überwindung ausgrenzender Gesellschaftsstrukturen im Sinne einer Interkulturellen Öffnung, die Stärkung der Akteure/Akteurinnen in ihren Handlungsmächtigkeiten sowie eine Transformation von Diskursen, die migrantische Unternehmer/-innen als ›Andere‹ und ›nicht Zugehörige‹ positionieren.

S chl agworte Migrantisches Unternehmertum; Existenzgründung; Selbstständigkeit; Afro Hair Salons; Soziale Ausgrenzung; Rassismus; Othering; Marginalisierung; Aberkennung; Exotisierung; Transnationales Wissen; Gesellschaftliche Inkorporation; Anerkennung; Social Entrepreneurship; Selbstverwirklichung; Dekonstruktion; Interkulturelle Öffnung; Diversity Politics.

Inhalt

Einleitung   | 11

1 B egriffsklärung

und

F orschungsstand   | 15

1.1 Begriffsklärung   | 15 1.1.1 Soziale Ausgrenzung und gesellschaftliche Inkorporation  | 16 1.1.2 Rassismus  | 17 1.1.3 Sprechen über – Problematische Bezeichnungen  | 20 1.2 Migrantisches Unternehmertum und Afro Hair Salons im Blick der Forschung   | 27 1.2.1 Geschichte und Erforschung migrantischen Unternehmertums – Beispiele aus den USA, Europa und Deutschland  | 27 1.2.2 Theoretische Erklärungsmodelle  | 33 1.2.3 Zahlen und Trends zu migrantischem Unternehmertum in OECD-Ländern, Europa und Deutschland  | 36 1.2.4 Afro Hair Salons im Blick der Forschung  | 42 1.2.5 Ansatzpunkte und Ziele der Studie  | 47

2 M ethodologie

und

M ethode   | 49

2.1 Fokus der Analysekapitel   | 49 2.2 Agencykonzepte als methodologisches Fundament   | 50 2.3 Methodisches Vorgehen   | 52 2.3.1 Die ethnografische Erhebungsphase  | 52 2.3.2 Datenaufbereitung  | 67 2.3.3 Analyse  | 68

3 D as A frohairbusiness z wischen sozialer A usgrenzung und gesellschaf tlicher I nkorpor ation : E in multiperspektivischer B lick   | 77 3.1 Historische Perspektive: An- und Aberkennung von Afrohaar und afrikanischen Frisuren vor, während und in Folge der Kolonialzeit   | 78 3.1.1 Bedeutung afrikanischer Haarstile und Frisierpraktiken in der vorkolonialen Vergangenheit  | 78 3.1.2 Aberkennung afrikanischer Haarstile und Frisierpraktiken zur Kolonialzeit  | 80 3.1.3 Postkoloniale Bewältigung von Aberkennung und Verberuflichung des Afrohairbusiness in den USA  | 83 3.1.4 Postkoloniale Bewältigung von Aberkennung und Verberuflichung des Afrohairbusiness in West- und Zentralafrika  | 89

3.2 Institutionell-rechtliche Perspektive: Afro Hair Salons in Deutschland zwischen Marginalisierung und Inkorporation   | 93 3.2.1 Regulierungen des Aufenthaltsgesetzes  | 94 3.2.2 Regulierungen der Handwerksordnung  | 95 3.2.3 Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen in Deutschland  | 98 3.2.4 Einfluss der rechtlichen Regulierungen  | 100

3.3 Mediale Perspektive: Exotisierung von Unternehmern/Unternehmerinnen mit afrikanischem Migrationshintergrund   | 102 3.3.1  Analyse von Reportagen  | 103 3.3.2  Analyse einer Werbeanzeige  | 117 3.3.3  Produktion von Fremdheit als Problem  | 119

3.4 Resümee: Afro Hair Salons im Dazwischen   | 124

4 B etreiber /- innen von A fro H air S alons in D eutschland : S treben nach gesellschaftlicher A nerkennung , S elbstverwirklichung und Z ugehörigkeit   | 127 4.1 Der Salonbetreiber Aron Ayele: »Wir wollen auch gebraucht werden«   | 128 4.1.1 Kontaktaufnahme  | 129 4.1.2 Agent statt Flüchtling: Die Analyse des Interviewbeginns  | 131

4.1.3 Motivation zur Salongründung: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Identifizierung einer Marktlücke  | 138 4.1.4 Die Gründungsphase: Ein grenzüberschreitendes Projekt  | 142 4.1.5 Der Afro Hair Salon in ambivalenten Rahmenbedingungen: Zwischen partieller Inkorporation und Marginalität  | 147 4.1.6 Die Eigentheoretisierung des Geschäftskonzepts als Bewältigungsstrategie  | 156 4.1.7 Resümee: Aron Ayele, der Social Entrepreneur  | 169

4.2 Die Salonbetreiberin Sophie Assogba: »I always wanted to do hair«   | 172 4.2.1 Kontaktaufnahme  | 173 4.2.2 »I was a lawyer and now I want to be a Friseurin«: Die Analyse des Interviewbeginns  | 174 4.2.3 »Friseurin is less class you know?«: Eine berufliche Verwirklichung mit Hindernissen  | 182 4.2.4 Die Gründungsphase: Vom Wohnzimmersalon zum verberuflichten Betrieb  | 188 4.2.5 Qualität als Bewältigung von Aberkennung: »The best word about this salon will be quality«  | 205 4.2.6 Der Salon als identifikatorischer Trans-Raum  | 217 4.2.7 Resümee: Sophie Assogba, die Selbstverwirklicherin im transnationalen Raum  | 220

4.3 Die Salonbetreiberin Lilly Damale: »Alles was ich mache, hat was Rebellisches«   | 222 4.3.1 Kontaktaufnahme  | 223 4.3.2 »Ich fing schon glaub’ ich mit sechs oder mit fünf an«: Die Analyse des Interviewbeginns  | 224 4.3.3 Motivation, Friseurin zu werden und der Weg   in die Selbstständigkeit  | 230 4.3.4 Die Salonphilosophie  | 243 4.3.5 Zwischen »Rebell« und »Clown«: Erleben und Bewältigen von Rassismus als Dilemma  | 257 4.3.6 Probleme mit den »eigenen Leuten« – Zwischen Diskriminierung und Preisverhandlung  | 268 4.3.7 Resümee: Lilly Damale, die Rebellin im Zwiespalt  | 272

5 Z wischen

sozialer A usgrenzung und W unsch nach gesellschaftlicher I nkorporation : T heoretische V ertiefung der empirischen E rgebnisse   | 275 5.1 Aberkennung, Marginalisierung und Exotisierung als Funktionsweisen sozialer Ausgrenzung   | 275 5.2 Typologie zum Umgang mit sozialer Ausgrenzung   | 276 5.2.1  Empirisch rekonstruierte Typen  | 276 5.2.3  Schlüsse  | 283

5.3 Erlebens- und Bewältigungsstrukturen sozialer Ausgrenzung   | 287 5.3.1 Erlebensstrukturen sozialer Ausgrenzung:   Verwehrung von Partizipation und Zugehörigkeit  | 288 5.3.2 Bewältigungsstrukturen sozialer Ausgrenzung: Streben nach Partizipation und Zugehörigkeit  | 290 5.3.3 Resümee und Forschungsausblick  | 294

6 H erausforderungen für die S oziale A rbeit im U mgang mit sozial ausgegrenzten migrantischen U nternehmen   | 297 6.1 Ausgrenzung multiperspektivisch analysieren   | 299 6.2 Ausgrenzende Gesellschaftsstrukturen verändern und Handlungsmächtigkeiten stärken : Interkulturelle Öffnung als Chance   | 299 6.3 Ausgrenzende Diskurse transformieren : Diversity Politics als Chance   | 304 Danksagung   | 309 Literatur   | 311 Websites   | 341 Filmmaterial   | 343 Abbildungsverzeichnis   | 345 Tabellenverzeichnis   | 347

Einleitung

In Großstädten, aber auch kleinen Ortschaften in Deutschland, zeigt sich eine zunehmende Präsenz migrantischer Unternehmen im Stadtbild: Griechische1 Restaurants, türkische oder asiatische Lebensmittelgeschäfte, vietnamesische und koreanische Nagelstudios und iranische Reisebüros – das Angebot ist vielfältig. In Deutschland gehen die ersten migrantischen Unternehmensgrün­ dun­gen auf sogenannte Gastarbeiter/-innen zurück, von welchen einige seit den 1970er Jahren den Weg in die Selbstständigkeit einschlugen (vgl. z.B. Blaschke/Ersöz 1987; Goldberg/Şen 1993, 1999; Pichler 1997; Şen/Goldberg 1994). Im 21. Jahrhundert zeichnen sich migrantische Unternehmensgründer/-innen durch eine größer werdende Diversität aus (vgl. Hillmann 2011a; Leicht et al. 2012). Statistische Studien belegen eine Zunahme migrantischer Unternehmen seit den 1980er Jahren sowie eine Ausdifferenzierung der Branchen, in denen die Gründungen erfolgen (vgl. Jung et al. 2011; KfW Bankengrupe 2012; OECD 2011). Im Jahr 2011 ist im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg von Gründern/Gründerinnen mit Migrationshintergrund um 15 Prozent zu konstatieren, wogegen die Gründungsquoten von Nicht-Migranten/Nicht-Migrantinnen rück­läufig sind. 22 Prozent aller Gründungen gehen auf Migranten/Migrantinnen zurück. 184.000 Personen mit Migrationshintergrund machten sich selbst­ständig. Hiervon stammen 31 Prozent aus dem Nicht-EU-Ausland (vgl. KfW Bankengruppe 2012). In Deutschland hat mittlerweile jede sechste Unternehmerperson einen Migrationshintergrund, was einer absoluten Zahl von 726.000 entspricht (vgl. Leicht/Werner 2013, S. 214). Der steigenden Anzahl migrantischer Unternehmensgründungen steht ein Forschungsdesiderat qualitativer Studien zum Erleben der Selbstständigkeit, den Gründungsmotiven und Unternehmensstrategien von Migranten/

1 | Aus Gründen der Lesbarkeit werden migrantische Betriebe an dieser Stelle mit nationalen Kategorien bezeichnet. Auf die Problematik eines solchen Labellings gehen Kapitel 1.1.3 und die Fallstudien in Kapitel 4 genauer ein.

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

Migrantinnen, insbesondere solchen aus Drittstaaten,2 gegenüber (zu nennen sind ein Sammelband von Hillmann 2011b und vereinzelte Studien von z.B. Carstensen-Egwuom 2011; Lidola 2014; Schmiz 2011; Sommer 2011; Taube/ Borja 2011). Die vorliegende Untersuchung möchte einen Beitrag leisten, diese Lücke zu schließen. Sie fokussiert auf Afro Hair Salons, die vorwiegend von afrikanischen Migranten/Migrantinnen gegründet werden. Afro Hair Salons sind Dienstleistungsbetriebe, die ein Frisurenangebot offerieren, das gespeist ist von Haarstilen, die in afrikanischen Ländern und den USA entstandenen sind. Häufig verkaufen Salonbetreibende zusätzlich Kosmetika, Pflegeprodukte sowie in manchen Fällen Lebensmittel aus afrikanischen Ländern und bieten Telefondienstleistungen an. Für in Deutschland neu ankommende Migranten/ Migrantinnen sind die Betriebe eine bedeutsame Anlaufstelle zur Knüpfung erster Kontakte (vgl. Schmitt 2011). Eine einheitliche Definition von Afro Hair Salons existiert nicht. Typisch für diesen Dienstleistungssektor ist vielmehr dessen heterogene und dynamische Verfasstheit, was der sich stets aufs Neue erfindenden Kosmetik-, Haarpflege- und Friseurindustrie geschuldet ist sowie dem Bestreben der Unternehmer/-innen, mit ihrer Salonphilosophie ihre Individualität zu unterstreichen, um von anderen Salons abgrenzbar zu sein. Afro Hair Salons haben in der Bundesrepublik eine recht junge Geschichte: Sie entstanden in den 1980er und 1990er Jahren. Auf der Online-Plattform afroport. de – einem deutschsprachigen Afrikaportal für Kunst, Kultur und Business im Internet – sind bundesweit 150 Afro Hair Salons registriert (vgl. Homepage Afroport, o. J.). Bedenkt man, dass viele Salons dort nicht gelistet sind, wird deutlich, dass ihre tatsächliche Zahl höher liegen mag. Auch das Dienstleistungsangebot an afrikanischen und afroamerikanischen Frisuren wird fortwährend populärer: Die Aufnahme der eng am Kopf geflochtenen Cornrows in das Repertoire der deutschlandweit agierenden Friseursalonkette UNISEX ist als Indikator für eine langsame Etablierung jener Frisuren im sogenannten Mainstream zu werten (vgl. Homepage Menschen im Salon, o. J.). Die vorliegende Studie geht der forschungsleitenden Frage nach, wie sich Afro Hair Salonbetreibende in Deutschland mit ihren Salons erleben, welche Strategien sie zum Aufbau und Erhalt ihrer Unternehmen entwickeln und wie Afro Hair Salons in gesellschaftliche Strukturen in Deutschland eingebunden sind. Ziel der Untersuchung ist, die Perspektiven und Wirklichkeitskonstruktionen der Salonbetreibenden und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland aufzuzeigen, in denen Afro Hair Salons agieren. Hiervon ausgehend formuliert die Studie Herausforderungen für die Soziale Arbeit. Auf 2 | Als Drittstaatsangehörige werden Personen bezeichnet, die nicht die Staats­ angehörigkeit eines Mitglieds­s taats der Europäischen Union besitzen und nicht über das Recht auf Freizügigkeit im Sinne des Schengener Grenzabkommens verfügen (vgl. Müller/Mayer/Bauer 2014, S. 11).

Einleitung

methodologischer Ebene leistet sie einen Beitrag zu einer differenzierten und vielschichtigen Perspektive auf migrantisches Unternehmertum, die über eine verengende ethnisierende Betrachtungweise hinausreicht (vgl. auch Hillmann 2011a; Kloosterman/Rath 2001, 2003; Pütz 2003, 2004). Die Studie ist in sieben Teile gegliedert: Kapitel 1 klärt und problematisiert zentrale Begriffe der Arbeit. Ohne die konkreten Ergebnisse der Analysekapitel vorwegzunehmen, wird das der Studie zugrunde liegende Verständnis von sozialer Ausgrenzung, gesellschaftlicher Inkorporation und Rassismus erläutert. Ebenso werden problematische Bezeichnungen aus einer konstruktivistischen Perspektive heraus reflektiert. Das Kapitel schließt mit dem Forschungsstand zu migrantischem Unternehmertum und Afro Hair Salons. Kapitel 2 gibt einen Überblick über den methodologischen und methodischen Rahmen. Methodologisch verortet sich die Studie im Feld von Agency­ konzepten. Die in eine umfassende Ethnografie eingebetteten Erhebungsverfahren der teilnehmenden Beobachtung, problemzentrierten Interviews, informellen Gespräche und Sammlung alltagsgegenständlichen Materials wer­ den vorgestellt, in ihrer Auswahl begründet sowie der Verlauf der Feldforschung skizziert. Im Anschluss werden die Analyseverfahren der Objektiven Herme­ neutik und des wissenschaftlichen Quellentextes erläutert. Der Ergebnisteil gliedert sich in die qualitativ-empirischen Analysen der Kapitel 3 bis 5. Kapitel 3 beleuchtet gesellschaftliche Bedingungen, die Afro Hair Salons rahmen. Neben einer historischen Untersuchung zur Entstehung und gesellschaftlichen Wahrnehmung des Betriebszweigs werden Deutungsmuster über Afro Hair Salons im institutionell-rechtlichen Kontext in Deutschland rekonstruiert. Darüber hinaus wird nach der Repräsentation von Afro Hair Salons und ihren Dienstleistungen in deutschen Medien gefragt, um ein multiperspektivisches Bild von Rahmenbedingungen zu zeichnen, die das Handeln und die Wirklichkeitskonstruktionen der vorgestellten Unternehmer/-innen beeinflussen können. Im Fokus von Kapitel 4 stehen die innerhalb jener Rahmungen agierenden und diese mitgestaltenden Salonbetreiber/-innen. Hierbei werden das individuelle Erleben sowie Bewältigungsstrategien der Betreiber/-innen herausgestellt, welche die Handlungsmacht der Akteure/Akteurinnen zum Ausdruck bringen. An verschiedenen Stellen der Analysen werden zur Untermauerung der Erkenntnisse Aspekte aus anderen Fällen hinzugezogen. Eine umfassende theoretische Umrahmung der rekonstruierten Rahmenbedingungen und Fallanalysen erfolgt in Kapitel 5. Eine Typologie legt die Umgangsweisen mit sozialer Ausgrenzung dar und untersucht sie auf ihre Strukturmerkmale hin. Die Studie schließt mit Herausforderungen für die Soziale Arbeit in Kapitel 6, die sowohl Fragen für die Disziplin als auch für die Profession umfassen. Aus den empirischen Erkenntnissen werden Forderungen nach machtkritischen Diversityansätzen hergeleitet.

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1  Begriffsklärung und Forschungsstand

Das Kapitel klärt zum einen zentrale theoretische Begriffe dieser Studie. Zum anderen werden Bezeichnungen für die vorgestellten Unternehmer/-innen, ihre Salons und deren gesellschaftliche Positioniertheit in Deutschland aus einer kritisch-konstruktivistischen Perspektive heraus reflektiert. Dem schließt sich der Forschungsstand zu migrantischem Unternehmertum und Afro Hair Salons an. Bestehende Forschungslücken im Themenfeld migrantischen Unternehmertums und Afro Hair Salons werden sichtbar und die Ansatzpunkte der Studie konkretisiert.

1.1   B egriffskl ärung Zentrale theoretische Begriffe dieser Studie sind ›soziale Ausgrenzung‹, ›gesellschaftliche Inkorporation‹ und ›Rassismus‹. Wenngleich sich das hinter den Termini liegende konzeptuelle Verständnis erst vor dem Hintergrund der empirischen Erkenntnisse entfaltet, stellt das Kapitel aufgrund der Komplexität der Begrifflichkeiten Arbeitsdefinitionen vor. Darüber hinaus sind die in der Studie verwendeten Bezeichnungen für Personen, Salons und deren Verortung in Deutschland (›migrantisches Unternehmertum‹, ›Afro Hair Salon‹ und ›Afrohairbusiness‹, ›Afrohaar‹ und ›Afrohaarstile‹, ›Weiß‹ und ›Schwarz‹, ›mit Migrationshintergrund‹ und ›Mehrheitsgesellschaft‹) begründungsbedürftig. Sie sind als ein ›Sprechen über‹ Zuschreibungen und Deutungen von Phänomenen und Personen. Ihre Klärung folgt der Notwendigkeit, Eigenbezeichnungen und Perspektiven der vorgestellten Salonbetreibenden zu berücksichtigen und ernst zu nehmen sowie ein unrechtmäßiges Labelling zu vermeiden.

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

1.1.1   Soziale Ausgrenzung und gesellschaftliche Inkorporation In der Definition sozialer Ausgrenzung lehnt sich die Studie an Böhnke (2006, S. 12) sowie Huster, Boeckh und Mogge-Grotjahn (2012, S. 14) an, die soziale Ausgrenzung als Verwehrung von Teilhabechancen in zentralen Lebensbereichen begreifen. Soziale Ausgrenzung geht »von dem Prozess der Ausgrenzung aus und weist auf die beteiligten Akteure hin: diejenigen, die ausgegrenzt werden, aber auch diejenigen, die soziale Ausgrenzung bewirken« (Huster/ Boeckh/Mogge-Grotjahn 2012, S. 14). Während Böhnke (2006) ›Integration‹ und Huster, Boeckh und Mogge-Grotjahn (2012) ›soziale Eingrenzung‹ als komplementär zu sozialer Ausgrenzung begreifen, stellt diese Studie sozialer Ausgrenzung den Terminus der gesellschaftlichen Inkorporation gegenüber. Diese, vor allem in der englischsprachigen sozial- und kulturwissenschaftlichen Literatur (vgl. z.B. Glick Schiller/Çağlar/Guldbrandsen 2006; Martiniello/Rath 2010) sowie der deutschsprachigen Soziologie und Geografie (vgl. z.B. Pries 2010; Carstensen-Egwuom 2011) verwendete Bezeichnung, dient als Mittel zur Abgrenzung von dem Begriff der Integration. Ihm haftet im deutschsprachigen Raum eine politisch-normative Vorstellung der Assimilation einer vermeintlichen Minderheit an die Normen und Werte einer vermeintlichen Mehrheitsgesellschaft an (vgl. u.  a. Böhnisch/Schröer 2013, S. 149; Carstensen-Egwuom 2011, S. 230; Geisen/Riegel 2009, S. 8ff.). Eine Grundannahme dieses Integrationsverständnisses ist, dass als Ausländer/-innen und Migranten/Migrantinnen bezeichnete Akteure/Akteurinnen »in einem anderen Land als Deutschland und einer anderen Kultur als der ›deutschen‹ verortet seien und sich deshalb von ›den Deutschen‹ unterscheiden würden. Ihnen wird unterstellt, dass sie Defizite an ›deutschem Wissen‹ und ›deutschen Werten‹ aufweisen, was ihre ›Integration‹ in die ›deutsche Gesellschaft‹ […] behindern würde« (Böcker/Goel/Heft 2010, S. 305).

Der konzeptuelle Entwurf des Inkorporationsbegriffes bedenkt im Kontrast hierzu, dass Gesellschaften im Ganzen dafür verantwortlich sind, eine ökonomische, politische, soziale und rechtliche Partizipation von Menschen zu ermöglichen, und (re-)produziert keine essenzialisierenden Unterscheidungspraxen. Er berücksichtigt meines Erachtens eher als der Terminus der Eingrenzung die vielfachen Dynamiken sozialer Prozesse und fokussiert einerseits auf Akteure/Akteurinnen und ihre Positionen innerhalb gesellschaftlicher Strukturen und Netzwerke sowie andererseits auf die gesellschaftlichen Strukturen mit ihren Wirkmächten selbst. Das Konzept hat soziale Prozesse und Beziehungen im Blick, die ermächtigen oder einschränken können. Diese werden in ihren lokalen, urbanen, globalen und/oder transnationalen Verwobenheiten erfasst und insbesondere im Forschungsfeld der Migration berücksichtigt (vgl.

Begriffsklärung und Forschungsstand

Pries 2010, S. 102). Auch damit bietet das Konzept ein Gegenmodell zum nationalstaatlich konnotierten Begriff der Integration (vgl. Glick Schiller/Çağlar/ Guldbrandsen 2006, S. 614). In ein Verhältnis gesetzt werden müssen die Begrifflichkeiten von gesellschaftlicher Inkorporation und sozialer Ausgrenzung zu den etablierten Konzepten der Exklusion und Inklusion: Hinter letztgenanntem Begriffspaar »steht der zunehmende theoretische und praktisch-politische Konsens darüber, dass soziale Zugehörigkeit ein dynamisches Geschehen und nicht ein einmal entstandener Zustand ist, und dass Zugehörigkeit in einer Vielfalt von Dimensionen ausgeprägt werden kann« (Huster/Boeckh/Mogge-Grotjahn 2012, S. 14). Dieser Aussage zustimmend wird in dieser Arbeit dennoch von sozialer Ausgrenzung gesprochen. Die empirischen Analysen weisen Exklusion als eine mögliche Dimension sozialer Ausgrenzung aus, die sich durch einen (situativen oder kontextuellen) totalen Ausschluss aus bestimmten gesellschaftlichen Systemen auszeichnet. Dem stehen Prozesse einer weniger umfassenden Ausgrenzung gegenüber, wenn Akteure/Akteurinnen in gesellschaftliche Systeme inkorporiert sind, aber an deren Rand gedrängt werden (vgl. Bude/Lantermann 2006, S. 234). Inklusion meint analog eine umfassende Einbindung in gesellschaftliche Systeme und ist ihrerseits die höchste Form gesellschaftlicher Inkorporation. Die verschiedenen Akzentuierungen einer Inklusion oder Exklusion werden in der Studie als spezifische Dimensionen unter den Oberkategorien sozialer Ausgrenzung und gesellschaftlicher Inkorporation sichtbar. Festzuhalten ist, dass ›soziale Ausgrenzung‹ und ›gesellschaftliche Inkorporation‹ als gegenläufige Begriffe definiert werden, wovon erstgenannter das Fehlen von Handlungsmächtigkeit und Teilhabe und die prozessuale Herstellung von Ausgrenzung in zentralen Lebensfeldern meint. Gesellschaftliche Inkorporation bezeichnet die Möglichkeit von Akteuren/Akteurinnen, handlungsfähig zu sein und innerhalb gesellschaftlicher Strukturen Anerkennung zu erfahren, diese mitgestalten und sich in ihnen verwirklichen zu können. Beide begrifflichen Konzeptionen umfassen nicht ausschließlich Partizipationsmöglichkeiten oder erlebte Ausgrenzungsdimensionen von einzelnen Individuen, sondern berühren die Frage nach der Beschaffenheit von Gesellschaften und ihren sozialen Strukturen im Ganzen (vgl. Böhnke 2006, S. 19).

1.1.2  Rassismus In den folgenden Kapiteln wird das Thema Rassismus an zahlreichen Stellen relevant, weshalb der Rassismusbegriff einer Erläuterung bedarf. Rassismus ist eine Praxis der Unterscheidung zwischen Menschen und Menschengruppen, die tatsächliche oder konstruierte Unterschiede auf vermeintlich differente biologische Abstammungen von Menschen und/oder vermeintlich kulturelle

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

Abbildung 1: Funktionslogiken von Rassismus Treffen von Unterscheidungen Benennung vermeintlicher oder realer Unterschiede in Bezug auf ausgewählte Merkmale Maximierung der Unterscheidungen von bestimmten Merkmalen und Minimierung oder Ausblendung des Verhältnisses anderer Merkmale

Produktion von »Anderen« und Abgrenzung von einem konstruierten »Eigenen«

Homogenisierung/Generalisierung der Unterscheidungen Konstruktion von Gruppen Essenzialisierung Festschreibung einer vermeintlichen Andersartigkeit Hierarchisierung

Setzung des »Eigenen« als Norm und Abwertung »des Anderen«

Produktion sozialer Unterschiede Unterscheidungen als Legitimation von sozialen Unterschieden  

Quelle: In Anlehnung an Gaitanides (2012), Mecheril/Melter (2010) und Terkessidis (1998).

Unterschiede zurückführt (vgl. Rommelspacher 2009). Ausgehend von dieser Unterscheidungspraxis werden Unterschiede maximiert und essenzialisiert, d.h. als natürlich und unveränderlich gesetzt (vgl. Schwarz 2010, S. 22). Gemeinsamkeiten werden ausgeblendet, wodurch ein ›Wir‹ und ein ›Nicht-Wir‹ entstehen (vgl. Broden/Mecheril 2010, S. 14). Die binäre Gruppenkonstruktion mündet in einer Hierarchisierung, die eine der Gruppen als höherwertig und die andere Gruppe als minderwertig positioniert (vgl. Abb. 1). Von Rassismus sprechen Mecheril und Melter (2010) dann, wenn eine Gruppe die Macht hat, »die angesprochenen Unterscheidungsweisen durchzusetzen […] [und] die Mittel zum sozialen Wirksamwerden der Unterscheidungskonstruktion verfügbar sind« (Mecheril/Melter 2010, S. 156). Ist dies nicht der Fall, handele es sich um eine »›Vorform‹ rassistischer Praxis« (ebd.). Rassismus und rassistische Praxen bezeichnen also nicht – wie im Alltagsverständnis oft angenommen – Feindlichkeit gegenüber ›Fremden‹, sondern erzeugen den Fremden/die Fremde überhaupt erst (vgl. Terkessidis 2010, S. 88). Rassismus ist folglich nicht ausschließlich eine Ideologie, sondern eine soziale

Begriffsklärung und Forschungsstand

Praxis. Dennoch wird er in der öffentlichen Wahrnehmung »meist am Rande der Gesellschaft oder in der Vergangenheit verortet, er wird als Haltung von Randgruppen verstanden, nicht aber als unsere Gesellschaft strukturierende Grundkonstante« (Amesberger/Halbmayr 2008, S. 3). Um ein Verständnis von Rassismus als gesellschaftliche Struktur zu untermauern, spricht Terkessidis (1998, S. 74-82) von Rassismus als »Apparat«. Ein rassistischer Apparat kann unterschiedliche Ausprägungen annehmen, weshalb nicht eine grundsätzliche Erscheinungsform von Rassismus, sondern viele, sich mit den Unterdrückungsverhältnissen wandelnde Rassismen existieren (vgl. Gaitanides 2012, S. 6). Zur Kolonialzeit stellte die Konstruktion von Rassen auf Basis körperlicher Merkmale die Grundlage zur Abwertung der Kolonisierten dar, welchen überdies konstruierte Wesensmerkmale wie Faulheit und Unzivilisiertheit zugeschrieben wurden, die als Legitimation von Ausgrenzungen dienten (vgl. Rommelspacher 2009, S. 25). Neben einem kolonialen, auf körperlichen Merkmalen beruhenden Rassismus existieren kulturelle Rassismen, die im biologischen Rassismus bereits angelegt sind. In der Vorstellung eines kulturellen Rassismus determiniert Kultur das Dasein, Denken und Verhalten von Individuen. Kultur wird statisch in Form differenter ›Kulturkreise‹ gedacht, die sich genealogisch über die ›Abstammung‹ herleiten (vgl. Shooman 2011, S. 61). Sie dient als Merkmal, auf dessen Basis Menschen und Menschengruppen hierarchisiert, abgewertet und ausgeschlossen werden. Aufgrund der Bezugnahme auf diese rassistischen Unterscheidungs- und Abwertungsprozesse, ohne explizit den Rassenbegriff zu nutzen, wird kultureller Rassismus als »Rassismus ohne Rassen« (Mecheril/Melter 2010, S. 182) bezeichnet. Die verschiedenen Formen von Rassismus schlagen sich lebensweltlich in differenter Weise nieder. Zum einen berühren rassistische Unterscheidungspraxen die Selbstverständnisse ihrer Konstrukteure/Konstrukteurinnen wie der Betroffenen (vgl. Broden/Mecheril 2010, S. 17), zum anderen schaffen sie Ausgrenzungsmechanismen ökonomischer, sozialer, politischer und kultureller Art und kontrollieren den Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen (vgl. Goetze 2008, S. 267; Rommelspacher 2009, S. 30). Ein rassistischer Niederschlag zeigt sich nicht ausschließlich in Face-to-Face-Interaktionen; vielmehr stellt er ein »gesellschaftliches Verhältnis« (Rommelspacher 2009, S. 30) dar, das strukturelle und institutionelle rassistische Strukturen sowie Alltagsrassismen in öffentlichen Diskursen umfasst (vgl. Melter 2007, S. 109111). Zu denken sei an Rechtsvorschriften, die aufgrund rassistischer Unterscheidungspraxen Ausgrenzungen bewirken, an diskriminierende Leitlinien von Organisationen oder rassistische Repräsentationen von Personen in den Medien. Ein Verständnis von Rassismus als gesellschaftliche Struktur schärft das Bewusstsein dafür, dass Rassismus sich nicht nur auf intentionale Akte beschränkt, sondern ebenso latent wirkt und auch nicht-intentionale Handlun-

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gen, Sprechäußerungen und Richtlinien rassistische Effekte zur Folge haben und verletzend wirken können (vgl. Çiçek/Heinemann/Mecheril 2014, S. 309). In der Rassismusforschung dominieren Perspektiven, die ausschließlich die rassistisch Diskriminierten als betroffene Subjekte analysieren. Dabei bleibt die normative Ordnung von Rassismus unhinterfragt: »Analysen des strukturellen Rassismus und alltäglichen Rassismus zeigen zwar die Ausschlussmechanis­m en und Formen der Diskriminierung auf, selten wird jedoch auf das diesen Strukturen zugrunde liegende System von Normen, Werten, sozialen Kons­ truktionen und Privilegien eingegangen« (Ames­b erger/Halbmayr 2008, S. 1).

Die vorliegende Studie macht rassistische Niederschläge auf einer Face-to-FaceEbene wie auch gesellschaftlich verankerte und latente Formen von Rassismus zum Thema. Besonders die zweite und dritte Fallanalyse in den Kapiteln 4.2 und 4.3 zeigen, dass Salonbetreiber/-innen von Rassismus betroffen sind und wie sie damit umgehen. Die Untersuchung versteht sich mit der Sichtbarmachung von Rassismus als Rassismuskritik und Entgegentreten gegenüber einem sekundären Rassismus, der »keine Verantwortung für strukturelle, institutionelle, durch Individuen oder Gruppen ausgeübte sowie diskursive Diskriminierung [übernimmt]« (Melter 2007, S. 120).

1.1.3  Sprechen über – Problematische Bezeichnungen Mit einem Sprechen über eine Person, eine Sache oder eine Situation geht notwendigerweise ein Akt der Benennung einher. Dieser Akt ist in sich machtvoll, da er für den Sprecher oder die Sprecherin die Möglichkeit impliziert, die Person, Sache oder Situation bewusst oder unbewusst in einer spezifischen Art und Weise darzustellen und zu klassifizieren (vgl. Broden/Mecheril 2007, S. 10). Hingewiesen sei auf die Schwierigkeit der Begriffswahl: »Worte sind niemals unschuldig« (Arndt 2006, S. 18). In dieser Studie muss ein Sprechen über und Bezeichnen in besonderer Weise problematisiert werden, da die Untersuchung in einem Machtkontext angesiedelt ist, der die Relationen von als migrantisch benannten Unternehmen zu einer Gesellschaftsstruktur im Ganzen im Blick hat. Zudem befindet sie sich in einem postkolonialen Spannungsfeld, in dem Menschen als Schwarz und Weiß positioniert werden. Diese relationale Struktur – was als ›migrantisch‹, was als ›nicht-migrantisch‹, was als ›migrantisches Unternehmen‹, was als ›nicht-migrantisches Unternehmen sowie wer oder was als ›Weiß‹ und wer oder was als ›Schwarz‹ gilt – ist eine Konstruktion (vgl. Reuter/Terhart 2014, S. 44f.). Hierauf wird in den folgenden Ausführungen zu in dieser Studie dominant verwendeten Begriffen aufmerksam gemacht. Dabei ist das größte Problem, die kritisierten sozialen Machtverhältnisse, die sich entlang der Achsen Migrant/Nicht-Migrant, Schwarz/Weiß

Begriffsklärung und Forschungsstand

sowie Mehrheit/Minderheit aufspannen, durch die Wahl der Begrifflichkeit zu reproduzieren (vgl. Hentges/Nottbohm/Jansen/Adamou 2014, S. 10). Diehm, Kuhn und Machold (2010) sprechen von einem »Dilemma der Reifizierung« gerade jener Macht- und Differenzlinien, die qualitative Forschung kritisch analysieren möchte. Diese Dilemmasituation könne nicht gänzlich aufgehoben, sondern nur reflexiv bearbeitet werden, indem ein verwendeter Begriff reflektiert eingesetzt und dem Untersuchungsgegenstand die Möglichkeit zugestanden wird, diesen zu beirren und neue Herangehensweisen zu evozieren. Die vorliegende Studie greift den Vorschlag der Autorinnen auf und erläutert potenziell problematisches Vokabular, wenngleich für die zahlreichen Probleme, die mit Benennungen einhergehen, keine vollends zufriedenstellende Lösung entwickelt werden kann.

1.1.3.1  Migrantisches Unternehmertum Unternehmerische Tätigkeiten von Personen mit Migrationshintergrund in einem anderen als ihrem oder dem elterlichen Herkunftsland werden gegenwärtig mit verschiedenen Begrifflichkeiten wie ›ethnische Ökonomie‹, ›immigrant business‹ oder ›migrantisches Unternehmertum‹ gefasst. Die Bezeichnungen werden oft synonym gebraucht, obwohl hinter den Termini verschiedene Vorstellungen davon stehen, was als unternehmerisches Handeln von Migranten/Migrantinnen gilt, wessen Handeln dezidiert im Fokus steht und wie die ökonomischen Tätigkeiten erklärt werden können. In dieser Arbeit wird der Begriff ›migrantisches Unternehmertum‹ in Abgrenzung zu ›ethnischer Ökonomie‹ und ›immigrant business‹ verwendet. Die Bezeichnung ›ethnische Ökonomie‹ taucht in zahlreichen wissenschaftlichen Studien auf und soll in der Regel den unternehmerischen Kontext von Selbstständigen aus einer als ethnisch deklarierten Gruppe benennen. Sie umfasst zum einen Unternehmer/-innen, die in einem anderen als ihrem Her­kunfts­land gründen, zum anderen aber auch Unternehmen sogenannter ethnischer Minderheiten in ihren jeweiligen Herkunftsländern (vgl. Haber­ fellner 2011). Das Lexem ›ethnisch‹ verweist auf die Vorstellung, dass die unternehmerisch aktiven Personen einen vermeintlich gleichen ethnischen Hin­ter­grund teilen, der durch eine gemeinsame ›Kultur‹, eine gemeinsame Staatsangehörigkeit oder eine Migrationsbewegung aus demselben Land charakterisiert sei. An dem Begriffspaar der ethnischen Ökonomie ist das vermittelte Bild von Ethnizität als Kerncharakteristikum der Selbstständigkeit von Migranten/Migrantinnen jedoch problematisch (vgl. Fischer-Krapohl 2007, S. 210). Diese Perspektive läuft Gefahr, unternehmerische Tätigkeiten von Migranten/Migrantinnen im Hinblick auf eine Zugehörigkeit der Betreibenden zu einer ethnisch definierten Gruppe und weniger im Kontext heterogener Netzwerke und arbeitsmarktbezogener Bedingungen zu analysieren (vgl. Schmidt 2000, S. 348f.). Auch über den konkreten Kontext des Untersuchungsfeldes

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selbstständigen migrantischen Handelns hinaus erweist es sich als schwierig, Ethnizität als Wesensmerkmal zu fassen und hiervon ausgehend statische kulturelle Gruppen, Gemeinschaft und hohe Solidarität zu unterstellen (vgl. Diehm/Kuhn/Machold 2010; Trauschein 2014, S. 31-36). Im Umgang mit diesem Problem gilt es, Ethnizität nicht als »ein unproblematisches Explanans – als offensichtliche Analyseeinheit und als selbsterklärende Variable« (Wimmer 2008, S. 58) vorauszusetzen, sondern als »Resultat spezifischer, analytisch aufzudeckender und empirisch genau zu bestimmender Prozesse« (ebd.). Neben dem Begriffspaar der ethnischen Ökonomie taucht die Bezeichnung ›immigrant business‹ in der Literatur auf. Im Gegensatz zu dem Begriff der ethnischen Ökonomie, der Personen einer ethnisch definierten Gruppe umfassen soll, die jenseits oder aber im jeweiligen Herkunftsland tätig sein kann, bezieht sich die Benennung ausschließlich auf Unternehmen von Personen, die immigriert, also von einem in ein anderes Land gezogen sind (vgl. Haberfellner 2011, S. 2). Mit der Begrifflichkeit ›immigrant business‹ arbeitende Forscher/-innen haben in der Regel Selbstständige im Blick, die über eigene Migrationserfahrungen verfügen. Die sogenannten zweiten oder weiteren Generationen fallen weniger ins Gewicht. In dieser Studie wird von ›migrantischem Unternehmertum‹ gesprochen, um eine Abgrenzung von den impliziten Vorannahmen o. g. Begriffe zu vollziehen. Der aktuellen Forschung Rechnung tragend, dass Migrationsbewegungen keine unidirektionalen Wanderungen von einem Land in ein nächstes darstellen müssen, sondern Akteure/Akteurinnen auch transnational mobil sind (vgl. u. a. Homfeldt/Schröer, Schweppe 2008; Vertovec 2009), wird nicht auf den Begriff des ›immigrant business‹, sondern auf das offene Begriffspaar des ›migrantischen Unternehmertums‹ zurückgegriffen. Studien weisen darauf hin, dass eine einseitige Analyse migrantischen Unternehmertums mittels einer ethnischen Brille deren strukturelle Einbettung in Arbeitsmärkte sowie Effekte der Aufnahmegesellschaften und heterogene Netzwerkbeziehungen zu Akteuren/Akteurinnen mit anderen nationalen Hintergründen häufig übersieht (vgl. Pütz 2003; siehe ausführlich Kapitel 1.2.2). Ethnizität ist kein Wesensmerkmal, wie der Begriff der ethnischen Ökonomie suggeriert, sondern eine soziale Konstruktion, die »im Dualismus eines ethnischen ›Wir‹ und eines ethnischen ›Ihr‹/›Anderen‹ in interaktiven Prozessen hergestellt wird« (Diehm/Kuhn/Machold 2010, S. 81). Diese Perspektive bringt es mich sich, dass der Begriff der ethnischen Ökonomie zugunsten konzeptionell offener Termini verworfen wird. Dies ist insofern bedeutsam, als dem empirischen Material so die Chance zugestanden wird, neue Sichtweisen aufzuzeigen und bestehende Konzeptionen zu irritieren. Ein Konzept, das die Selbstständigkeit von Migranten/Migrantinnen bereits im Vorfeld als ethnisch deklariert, läuft hingegen Gefahr, theoretische Annahmen auf das empirische Material aufzulegen, die empirischen Erkenntnissen zuwiderlaufen. Nichtsdestotrotz ist auch

Begriffsklärung und Forschungsstand

die Bezeichnung ›Migrantisches Unternehmertum‹ nicht unproblematisch. Husseini de Araújo und Weber (2011, S. 263) kritisieren, dass der Begriff eine Differenz zwischen einer vermeintlich normalen ›deutschen‹ Ökonomie und dem Unternehmertum von Migranten/Migrantinnen unterstelle. So bestehe die Gefahr, Unterschiede zwischen migrantischen und nicht-migrantischen Unternehmen unzulässigerweise als wesenhaft zu deuten, was migrantische Unternehmer/-innen als stigmatisierend und diskriminierend empfinden können. Diese Studie verwendet die Bezeichnung, um auf die unterschiedlichen Ausgangs- und Rahmenbedingungen für migrantische Gründer/-innen aufmerksam zu machen und distanziert sich von kulturalistischen Zuschreibungen (vgl. auch Hillmann/Sommer 2011, S. 30). Sie zeigt Erschwernisse für migrantische Existenzgründer/-innen auf einer gesell­schaftlichen Ebene auf und unterstellt keine wesenhafte Differenz zwischen migrantischen und nicht-migrantischen Gründern/Gründerinnen.

1.1.3.2  Afro Hair Salon und Afrohairbusiness Im Fokus der Untersuchung stehen Salons in Deutschland, die auf genuin in afrikanischen Ländern und afroamerikanischen Communities entstandene Frisuren spezialisiert sind und ihr Angebot teilweise mit europäisch gedeuteten Frisuren verbinden. Die untersuchten Salons werden als migrantische Unternehmen definiert: Zum einen verfügen die Betreiber/-innen der analysierten Salons alle über eigene Migrationserfahrungen und treffen in Deutschland auf spezifische Gründungsbedingungen, die sich von jenen für Nicht-Migranten/Nicht-Migrantinnen unterscheiden. Zum anderen entstanden die ersten Afro Hair Salons außerhalb von Deutschland. Um die Spezifik der Salons begrifflich zu benennen, wird auf den Terminus ›Afro Hair Salon‹ zurückgegriffen. Dieser macht deutlich, dass in allen vorgestellten Salons ein spezifisches Angebot vorzufinden ist, das von einigen der Betreiber/-innen als ›Afro‹ beschrieben wird. ›Afro‹ ist nicht ethnifizierend gemeint, sondern deskriptiv hinsichtlich der angebotenen Frisuren. Es soll nicht dazu dienen, die Salons auf dieses Angebot oder eine spezifische Kundschaft zu reduzieren, da eine solche Einschränkung – wie die Fallanalysen zeigen – nicht den Perspektiven und Intentionen der analysierten Salonbetreibenden entspricht. Die Bezeichnung ›Hair‹ soll verdeutlichen, dass alle Salons primär – im Gegensatz zu Afro Shops – auf das Frisieren von Haaren spezialisiert sind. Der Teilbegriff ›Salon‹ untermauert die allgemeine Verfasstheit der Orte als Frisiersalons. Die Bezeichnung ›Afro Hair Salon‹ stellt gegenüber den konkreten Eigenbezeichnungen einen Kompromiss dar, da diese aus Gründen der Anonymität nicht genannt werden können und die Betreiber/-innen mit ihren jeweils anders bezeichneten Salons unterschiedliche Salonphilosophien verbinden. Sie werden in den Fallanalysen in Kapitel 4 rekonstruiert. Neben dem Begriff ›Afro Hair Salon‹ finden Termini wie ›Black Hair Salon‹, ›African Salon‹ und ›White

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Salon‹ eine reflektierte Verwendung, wenn sie von den zu Wort kommenden Befragten im Interview oder Gespräch eingebracht werden. Wird über das Gesamtsystem von Afro Hair Salons mit seinen Produkten und Frisuren gesprochen, nutzt die Studie die Bezeichnung ›Afrohairbusiness‹. Die Begrifflichkeiten ›Afro Hair Salon‹ wie auch ›Afrohairbusiness‹ sind in afrikanischen Ländern und den USA nicht gebräuchlich. In afrikanischen Ländern ist die Rede von ›Hair Salons‹ und in den USA von ›African-American Salons‹. Der Begriff ›Afro Hair Salon‹ entfaltet seine Spezifität also im Kontext der Migrationsgesellschaften. Manche Salonbetreiber/-innen wählen ihn, um auf ihr Angebot aufmerksam zu machen. Die Studie nutzt ihn, damit deutlich wird, um welche Frisiersalons es genau geht. Ebenso verhält es sich mit der Bezeichnung ›Afro Shop‹ (vgl. Koepsell 2014, S. 5).

1.1.3.3  Afrohaar und Afrohaarstile Wenngleich in allen Salons eine heterogene Kundschaft verkehrt, werden sie primär von Kunden/Kundinnen mit einer stark texturierten und gelockten Haarstruktur aufgesucht. Es stellt sich die Frage nach der Bezeichnung der Haare. Die spezifische Haarstruktur wird in der Literatur unterschiedlich benannt. Während die einen von ›black hair‹ sprechen, greifen andere auf die Termini ›krauses Haar‹, ›afrikanisches Haar‹ oder ›Afrohaar‹ zurück. Die verschiedenen Begrifflichkeiten verweisen auf die Schwierigkeit der Bezeichnung. Problematisch ist, dass Haare – ebenso wie Hautfarben – in rassistischen Konstruktionen als Differenzmarker genutzt wurden und werden. Ein Beispiel stellt die rassistische Abwertung stärker texturierter Haare von afrikanischen Kolonisierten zur Kolonialzeit dar (vgl. Kilomba 2010, S. 73; ausführlich Kapitel 3.1.2). Demgegenüber wurde glattes und leicht gewelltes Haar als unsichtbare Norm konstruiert und galt als ›gut‹ und ›schön‹. Die rassistische Abwertung stärker gelockten Haars ging sprachlich mit abwertenden Begriffen wie ›wooly‹ und ›kinky‹ einher (vgl. Dogbe 2004, S. 77), weshalb in der hier gewählten Benennung ein besonderes Maß an Reflexivität wichtig ist. Diese Studie wählt den Ausdruck ›Afrohaar‹ zum Beschreiben der Haarstruktur, da er ein emischer Begriff ist, den viele der zu Wort kommenden Afro Hair Salonbetreibenden und Salonkunden/Salonkundinnen1 verwenden. Der Begriff ist nicht ethnifizierend, sondern deskriptiv gemeint und wendet sich gegen kontextuell negativ konnotierte Begriffe zur Bezeichnung der Haare wie beispielsweise ›kraus‹. Der Fall einer Lehrerin in den USA aus dem Jahr 1998, die aufgrund der Verwendung des Begriffs ›nappy hair‹ (dt. ›krauses Haar‹) und 1 | Es soll nicht darüber hinweggetäuscht werden, dass auch emische Begriffe nicht per se unproblematisch sind. Auch sie können einen abwertenden Gehalt implizieren und ethnifizierend sein. Vor diesem Hinter­g rund gilt es stets zu prüfen und abzuwägen, ob sich ein emischer Begriff zur Bezeichnung eignet.

Begriffsklärung und Forschungsstand

einer gleichnamigen Lektüre im Unterricht von Eltern abgestraft wurde, zeigt, dass die Verwendung bestimmter Begriffe von Akteuren/Akteurinnen als diskriminierend empfunden werden kann (vgl. Lake 2003, S. 98). Die Wahl des Begriffs ›Afrohaar‹ soll dem vorbeugen. ›Afrohaar‹ erscheint ebenfalls besser geeignet als die Bezeichnung ›afrikanisches Haar‹, da letzterer Personen mit stärker gelockter und texturierter Haarstruktur in afrikanischen Ländern verortet bzw. ihnen eine Herkunft vom afrikanischen Kontinent zuschreibt und eine biologische Abstammungslogik bedient. Personen mit starker Haarstruktur, die sich nicht als afrikanisch verstehen und/oder nicht in einem afrikanischen Land geboren wurden, kommen in dieser Sichtweise nicht vor. Als schwierig erweist sich auch die Bezeichnung ›black hair‹, welche die spezifische Haarstruktur als biologisches Merkmal von Schwarzen deklariert und Nicht-Schwarze mit stärker texturierten Haaren nicht aufgreift. Aus diesen genannten Gründen eignen sich weder ›black hair‹ noch die Bezeichnung ›afrikanisches Haar‹ als Untersuchungskategorie. Verwenden die zu Wort kommenden Akteure/Akteurinnen diese Termini jedoch, werden sie an den entsprechenden Stellen der Studie in ihrem jeweiligen Kontext aufgegriffen. Neben ›Afrohaar‹ wird der Begriff ›Afrohaarstile‹ verwendet, der die im afrikanischen und afroamerikanischen Kontext entstandenen Haarstile und deren Weiterentwicklungen und Neuschöpfungen bezeichnet.

1.1.3.4  Weiß und Schwarz Die Positionen ›Schwarz‹ und ›Weiß‹ werden nicht als naturgegeben, sondern als Konstrukte verstanden, die in sozialen und diskursiven Praxen hergestellt werden. Die Begrifflichkeiten reproduzieren solche Unterscheidungspraxen paradoxerweise. Dies muss geschehen, da die Konstruktion von Schwarz- und Weißsein noch immer relevant ist und zu ungleichen Handlungsmächtigkeiten führt, die wissenschaftliche Aufmerksamkeit verdienen (vgl. Wachendorfer 2006). Arndt und Hornscheidt (2009, S. 13ff.) schlagen vor, durch Großschreibung der Termini, auch in ihrem adjektivischen Gebrauch, auf deren soziale, politische und rassistische Konstruktion hinzuweisen, um sich von einer biologischen Klassifikation abzugrenzen (vgl. auch Bauer/Petrow 2009, S. 130; Zinflou 2004, S. 230). Schwarzsein ist in diesem Zusammenhang ein politischer Begriff, der von Rassismus betroffene Menschen bezeichnet und sich gegen rassistische Konstruktionen stellt (vgl. Teo 1994, S. 146). Weißsein beschreibt eine Position, die in vielen Studien nicht benannt wird und unmarkiert bleibt, aber ebenfalls bedacht werden muss, insofern Schwarz und Weiß jeweils nur vor dem Hintergrund eines sie voneinander abgrenzenden Schemas funktionieren. Dieses Verständnis schlägt sich in einer spezifischen Schreibweise nieder. Es reflektiert einerseits, wenn Hautfarben als Relevanzmarker gesetzt werden, misst andererseits aber auch rassistischen Gesellschaftspraxen im Ganzen Bedeutung bei. Dabei ist zu beachten, dass Hautfarben niemals

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Weiß oder Schwarz sind, sondern differente Spektren umfassen. Eine Ignoranz gegenüber ihrer Bedeutung würde biologische Rassismen ignorieren. Diese Studie bedenkt in der Verwendung der Termini ›Schwarz‹ und ›Weiß‹ stets die verschiedenen Hautfarben, aber auch weitere körperliche Marker der Abwertung (wie beispielsweise Haare) und rassistische Praxen, die latent funktionieren und gesellschaftliche Funktionsmechanismen berühren. Gleichwohl ist es möglich, dass die Bezeichnung ›Schwarz‹, obschon sie in Deutschland einen breiten Zuspruch erfährt, nicht von jedermann und jederfrau als emanzipatorisch verstanden wird. In einem solchen Fall gilt es, die Limitationen der Bezeichnung zu reflektieren und zu versuchen, Eigenbezeichnungen von Akteuren/Akteurinnen zu wählen (vgl. Nduka-Agwu/Sutherland 2010, S. 89f.).

1.1.3.5  Mit Migrationshintergrund Eine weitere erklärungsbedürftige Bezeichnung ist die Wendung ›mit Migrationshintergrund‹. Sie löste den Begriff ›Ausländer/-innen‹ ab, mit dem Personen nichtdeutscher Staats­angehörigkeit gemeint waren. Die Kategorisierung ›mit Migrationshintergrund‹ umfasst mehr als den Rechtsstatus von Personen. Sie verweist auf eine gesellschaftliche Pluralität (vgl. Hamburger/Stauf 2009, S. 30). Deswegen gilt sie zuweilen als weniger problematisch denn der Ausländerbegriff/Ausländerinnenbegriff (vgl. Treibel 2008, S. 146). Dabei wird jedoch übersehen, dass sie eine Fremdzuschreibung und Konstruktion ist, die Selbstdeutungen von Akteuren/Akteurinnen nicht berücksichtigt. Wann eine Person als Migrant/Migrantin charakterisiert wird, bestimmen Dritte und ist nicht eindeutig. Settelmeyer (2011) zeigt, dass das Vorliegen eines sogenannten Migrationshintergrundes in statistischen Erhebungen höchst unterschiedlich konstruiert wird: »[H]äufig wird dafür Staatsangehörigkeit und […] Sprache herangezogen. Hinzu kommen Merkmale, die auf eine eigene Migration bzw. die der Eltern verweisen« (ebd., S. 3). Gegebenenfalls können Akteure/Akteurinnen ohne eigene Migrationserfahrung unter diese Kategorie fallen (vgl. Kunz 2012, S. 260). Der Mikrozensus 2005 definiert Personen mit Migrationshintergrund als »alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil« (Statistisches Bundesamt 2009, S. 6). Die Unterscheidung zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund manifestiert Grenzen und macht fest, wer vermeintlich genuin zu einer Nation gehört und wer nicht. Die Grenzziehung ist nicht statisch, sondern kann sich verändern (vgl. Wimmer 2008, S. 69). Problematisch ist, dass die Begrifflichkeit ›mit Migrationshintergrund‹ Nichtzugehörigkeiten bestimmter Akteure/Akteurinnen zu einem Land anhand diffuser Merkmale markiert und ihnen einen »Sonderstatus« (Kunz 2012, S. 260) zugeschreibt. Häufig geht

Begriffsklärung und Forschungsstand

dieser Sonderstatus mit einer Defizitunterstellung und einem problematisierenden Blick auf Migranten/Migrantinnen einher (vgl. Giebler 2010, S. 547). Er kann zum Stigma werden (vgl. Hamburger/Stauf 2009). Die Wendung ›mit Migrationshintergrund‹ und die Begriffe ›Migrant‹ und ›Migrantin‹ werden in dieser Studie trotz dieser Problematik verwendet, aber als Resultate politischer und diskursiver Grenzziehungsprozesse verstanden und im Gefüge dieser Machtrelationen thematisiert (vgl. Wimmer 2008, S. 69). Vor dem Hintergrund des Gegenstandsbereichs migrantischer Unternehmen und Afro Hair Salons wird in der vorliegenden Studie danach gefragt, wie durch eine Betonung des ›Migrantischen‹ und einer konstruierten ›Andersartigkeit‹ Grenzen zwischen einem ›Wir‹ und einem ›Nicht-Wir‹ hergestellt und erlebt werden.

1.1.3.6    Mehrheitsgesellschaft

Insbesondere in der Fallanalyse in Kapitel 4.1 wird in dominanter Weise der Begriff ›Mehrheitsgesellschaft‹ gebraucht. Er ist nicht essenzialisierend oder in quantitativer Hinsicht gemeint, sondern umschreibt jene Gruppe, »die über die Mittel der politischen, kulturellen und auch wissenschaftlichen Re-Präsentation verfügt« (Broden/Mecheril 2007, S. 10) und damit erst Mehr- und Minderheiten erzeugt. Mehr- und Minderheiten werden in ihrer sozialen Herstellung und in ihren Konsequenzen thematisiert. Die Studie stellt das relationale Gefüge zwischen einer konstruierten nicht-migrantischen Mehrheit und migrantischen Minderheiten in den Fokus. Dabei distanziert sie sich von einer Vorstellung, die Mehr- und Minderheitenverhältnisse als statisch, naturgewachsen und legitim erachtet.

1.2  M igr antisches U nternehmertum        S alons im B lick der F orschung

und

A fro H air

Das Kapitel gibt einen Einblick in Entstehung und Entwicklung migrantischen Unternehmertums in den USA und Europa, das seit den 1950er Jahren Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen ist. Es diskutiert die gegenwärtigen theoretischen Erklärungsmodelle zur Funktionsweise migrantischer Betriebe und schließt mit einer Darstellung von Untersuchungen über Afro Hair Salons.

1.2.1    Geschichte und Erforschung migrantischen          Unternehmertums – Beispiele aus den USA,          Europa und Deutschland Migrantisches Unternehmertum erfährt zunehmend wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Zuerst rückte es in das Interesse von Forschern/Forscherinnen in den USA (vgl. Bittner/Lippert/Rolfsmeier 2011, S. 6; Volery 2007, S. 31).

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Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten die USA eine Welle an Zuwanderungen von Deutschen, Chinesen/Chinesinnen, Japanern/Japanerinnen sowie Juden/ Jüdinnen aus verschiedenen Ländern. In den folgenden Jahrzehnten stießen Koreaner/-innen, Kubaner/-innen und Angehörige anderer Nationalitäten hinzu (vgl. z.B. Min 2011; Schmidt 2000; Wong 1998). Einige der Migranten/ Migrantinnen gründeten Geschäfte und verkauften Produkte ihrer Herkunftsländer oder boten eine entsprechende Gastronomie an. In US-amerikanischen Metropolen entstanden migrantische Straßenzüge und Viertel, wie beispielsweise Little Italy oder Chinatown in New York. Heutzutage sind in diesen Stadtvierteln verstärkt Prozesse einer Gentrifizierung sowie Diversifizierung der dort lebenden und arbeitenden Bevölkerung zu beobachten (vgl. Asian American Legal Defense and Education Fond 2013; Becker 2014). Bonacich (1973) publizierte in den 1970er Jahren ihren Aufsatz »A Theory of Middleman Minorities«. Mit dem Konzept der Middleman Minorities suchte sie, das damalige migrantische Unternehmertum analytisch zu fassen. Bonacich beschreibt migrantische Unternehmen als tendenziell isolierte Betriebe am gesellschaftlichen Rand. Ihre Betreiber/-innen würden nur vorübergehend im Migrationsland verbleiben, um Geld zu akkumulieren, das im Herkunftsland investiert werde (vgl. ebd., S. 585). Die Autorin geht von einer hohen »›group‹ orientation« (ebd, S. 584), innerethnischer Solidarität (vgl. ebd., S. 585) und kultureller Differenz zwischen Migranten/Migrantinnen und Personen der Residenzgesellschaft aus. Bei den Betrieben handele es sich zumeist um Familienbetriebe, die im Sinne einer Middleman Minority als Puffer zwischen Gruppen der Aufnahmegesellschaft und marginalisierten Migrantengruppen/Migrantinnengruppen fungierten (vgl. Liebermann/Suter/Rutishauser 2014, S. 96). Kritisch muss Bonacichs Ansatz hinsichtlich zweier Punkte betrachtet werden: Erstens ist heute ersichtlich, dass sich nicht alle damaligen Migranten/Migrantinnen nur temporär im Migrationsland aufhielten. Viele von ihnen akkumulierten Kapital und sind noch immer in der unternehmerischen Landschaft in den USA tätig. Zweitens argumentiert der Ansatz primär kulturalistisch und schenkt den Interaktionen migrantischer Unternehmer/innen mit der allgemeinen Ökonomie wenig Aufmerksamkeit (vgl. Haberfellner 2000, S. 14f.). Light (1972), der ebenfalls in den 1970er Jahren sogenanntes ›ethnisches‹ Unternehmertum in den USA analysierte, stellt in seinem Werk »Ethnic Enterprise in America: Business and Welfare Among Chinese, Japanese, and Blacks« die unternehmerische Situation von chinesischen, japanischen und afroamerikanischen2 Selbstständigen dar. Light erklärt die Unternehmensgründungen jener Zeit mit den Konsumbedürfnissen der Migranten/ Migrantinnen bzw. ethnisch definierten Gruppen, welche sich von jenen der Nicht-Migranten/Nicht-Migrantinnen und der als nicht-ethnisch definierten 2  |  Afroamerikanische Selbstständige werden unter die Kategorie ›ethnisch‹ gruppiert.

Begriffsklärung und Forschungsstand

Bevölkerung unterscheiden würden. Zugleich beschäftigte ihn die Frage, warum manche Migrantengruppen/Migrantinnengruppen und ethnisch definierten Gruppen deutlich stärker als andere ökonomisch aktiv sind. Die Unterschiede erklärt Light mit sogenannten kulturellen und ethnischen Ressourcen wie beispielsweise Solidarität oder Respekt vor kulturellen Traditionen, die in bestimmten Gruppen im Besonderen zirkulieren würden. In seinem Zeitschriftenartikel »Immigrant and ethnic enterprise in North America« aus dem Jahr 1984 resümiert er: »immigrant and ethnic minority groups are overrepresented in small business in large because their access to ethnic resources permits them to outcompete native workers« (Light 1984, S. 210). Der Ansatz macht ethnisch und kulturell charakterisierte Netzwerke und Praktiken sichtbar, läuft hierbei aber Gefahr, stereotype Deutungsmuster zu reproduzieren. Darüber hinaus liefert er keine Erklärung für die Selbstständigkeit von Akteuren/Akteurinnen, die trotz »mangelnder kultureller Tradition in Richtung Unternehmerschaft als Immigranten/Immigrantinnen sehr häufig gründen« (Haberfellner 2000, S. 22). Roger Waldinger, Howard Aldrich und Robin Ward (1990) schlagen in ihrem Band »Ethnic Entrepreneurs. Immigrant Business in Industrial Societies« ein Modell zur Analyse migrantischer und ethnisch markierter Unternehmensgründungen vor, das über migrantische oder ethnisch verstandene Gruppencharakteristika hinaus den Zugang zu Ressourcen und die historische Eingebundenheit im Migrationsland berücksichtigt (ebd., S. 13). Aktuelle Studien aus den USA weisen auf die transnationale Eingebundenheit vieler migrantischer Unternehmer/-innen hin, welche multiple grenzüberschreitende berufliche und private Kontakte unterhalten und für ihre Unternehmen nutzen (vgl. z.B. Portes/Haller/Guarnizo 2002; Mustafa/Chen 2010; Wang/Liu 2014; Sui/Morgan/Baum 2015). Sie machen transnationale Prozesse und Netzwerke als Analysekategorie zum Verständnis migrantischen Unternehmertums stark. Zugleich werden migrantische Betriebe zunehmend als Unternehmen wahrgenommen, die über migrantische Gruppen hinaus bedeutsam sind. Es kann festgehalten werden, dass die ersten, aus den USA stammenden Arbeiten zu Unternehmensgründungen von Migranten/Migrantinnen durch tendenziell starke kulturalistische Annahmen geprägt sind, die davon ausgehen, dass bestimmte migrantische Gruppen über spezifische kulturelle Merkmale und eine hohe innerethnische Solidarität verfügen, mit welchen ihre unternehmerischen Aktivitäten erklärt werden (vgl. Hillmann/Sommer 2011, S. 34). Neuere Perspektiven ergänzen bzw. verändern diesen Bezugsrahmen und fragen nach weiteren und anderen relevanten Faktoren für das Unternehmertum, wie transnationale Verbindungen und Interaktionen über die eigene migrantische oder ethnisch definierte Gruppe hinaus. Im Vergleich zu den USA ist eine Beschäftigung mit migrantischem Unternehmertum in Europa erst seit den 1970er Jahren zu verzeichnen. Europa

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

war bis zum Zweiten Weltkrieg ein Emigrationskontinent und vergleichsweise homogen, bis viele europäische Länder nach 1945 ausländische Arbeitskräfte anwarben (vgl. Volery 2007, S. 31). Großbritannien setzte sich als erstes europäisches Land intensiv mit der Selbstständigkeit von Migranten/Migrantinnen auseinander, da ab Mitte des 20. Jahrhunderts zahlreiche indische und pakistanische Unternehmer/-innen Geschäfte in britischen Großstädten eröffneten. Staatliche Förderprogramme unterstützten diese Entwicklung maßgeblich. Impulse hierfür gaben ökonomische Interessen, weshalb der Zugang zur Selbstständigkeit weniger restriktiv gehandhabt wurde: »Eine durch Migranten/Migrantinnen […] getragene Unternehmenslandschaft wurde als Chance gesehen, die heruntergekommenen Stadtzentren der britischen Städte wieder zu beleben« (Haberfellner 2011, S. 1). Mittlerweile zeichnet sich in Europa insgesamt ein Anstieg migrantischer Unternehmen ab (vgl. OECD 2011; Europäische Kommission 2008). Auch Forschungen zu migrantischem Unternehmertum nehmen zu (vgl. z.B. Studien von Ward/Jenkins 1984 sowie Basu/ Altinay 2003 für den britischen Kontext; von Choenni 1997, Kloosterman/van der Leun/Rath 1999 und Rath/Kloosterman 2000 für die Niederlande; von Haberfellner 2000, 2007, 2011 für Österreich und von Hettlage 2005, 2009 für die Schweiz). Die Studien zeigen die unterschiedlichen Gründungsbedingungen in europäischen Ländern auf. Dinh und Mung (2008) halten beispielsweise für Frankreich fest, dass der Weg in die Selbstständigkeit für viele Migranten/Migrantinnen eine Option sei, sich in die Gesellschaft einzugliedern und Diskriminierungen in Angestelltenverhältnissen zu entgehen. Gleiches konstatiert García i Jorba (2003) für Spanien. Unternehmensgründungen seien eine Chance, die soziale und ökonomische Situation zu verbessern. Migrantische Unternehmen seien seit den frühen 1990er Jahren zu beobachten. Der Diversität migrantischer Gruppen in städtischen Wohnvierteln sei geschuldet, dass die Betriebe einen breiten Markt adressierten. Ähnlich weisen Kloosterman, van der Leun und Rath (1999) darauf hin, dass seit Mitte der 1990er Jahre immer mehr Migranten/Migrantinnen in den Niederlanden den Weg in die Selbstständigkeit gehen. 1997 erlebte die niederländische Wirtschaft einen Boom, dennoch lag die Arbeitslosenquote bei Migranten/Migrantinnen bei 18 Prozent. In dieser Situation gründeten viele der auf dem Arbeitsmarkt benachteiligten Migranten/Migrantinnen ihre eigenen Unternehmen, vorwiegend im Einzelhandel und der Gastronomie. Für Österreich konstatiert Haberfellner (2007), dass sich die Rahmenbedingungen für selbstständige Migranten/Migrantinnen seit Ende der 1990er Jahre schrittweise verbessert hätten. Es zeige sich ein erleichterter Zugang zum Gewerbe. Jedoch könne sich die aufenthaltsrechtliche Lage von Selbstständigen, die keinen durchgehend fünfjährigen Aufenthalt in Österreich belegen können, durchaus prekär entwickeln. In Großbritannien seien, so Ram und Jones (2008), aufgrund solcher Benachtei-

Begriffsklärung und Forschungsstand

ligungen migrantischer Unternehmer/-innen zahlreiche Förderinitiativen zu verzeichnen, die jedoch nicht immer effektiv seien. In Deutschland erfahren migrantische Unternehmer/-innen seit den 1980er Jahren wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Erste Studien konzentrierten sich auf die unternehmerischen Aktivitäten von ehemaligen Gastarbeitern/ Gastarbeiterinnen aus Griechenland, Italien und der Türkei. Die Gastarbeiter/innen waren bis in die 1970er Jahre als Arbeitnehmer/-innen beschäftigt. Mit der Krise im Schwerindustriesektor in den 1970er- und 1980er Jahren wurden zahlreiche Arbeitsplätze abgebaut und Betriebsgründungen von Migranten/ Migrantinnen nahmen zu. Ursprünglich für eine Rückkehr in das Herkunftsland angespartes Geld wurde in die Selbstständigkeit investiert (vgl. Idik 2010, S. 35). Empirische Studien hatten dieses neue migrantische Unternehmertum fortan im Blick. Pichler (1997) analysierte italienische Gewerbetreibende in Berlin, Goldberg und Şen (1993, 1999) sowie Blaschke und Ersöz (1987) beschäftigten sich mit türkischen Gewerbetreibenden in Deutschland, im Besonderen in Berlin. Diese ersten Studien setzten sich vorwiegend mit regionalen Gebieten in Deutschland sowie mit Migranten/Migrantinnen eines bestimmten Herkunftslandes auseinander und entfachten eine Debatte darüber, ob migrantisches Unternehmertum zu einer Integration der Betreibenden in eine nicht-migrantische Mehrheitsgesellschaft oder zu deren Segregation beitrage (vgl. Plahuta 2004; Schmidtke 2010). 1994 publizierten von Loeffelholz, Gieseck und Buch eine Untersuchung zur Situation migrantischer Unternehmer/-innen in Gesamt-Deutschland. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass sich die Selbstständigkeit von Migranten/ Migrantinnen in West- und Ostdeutschland unterschiedlich entwickele. Für die ostdeutschen Bundesländer halten sie Vorbehalte der nicht-migrantischen Bevölkerung und ungünstige Ausgangsbedingungen für migrantische Existenzgründer/-innen fest. Für Westdeutschland stellen die Autoren eine Annäherung der Struktur und des Anteils migrantischer Unternehmer/-innen an die nicht-migrantische Bevölkerung heraus und prognostizieren eine Fortführung dieser Entwicklung. Zehn Jahre später bestätigen Floeting, Reimann und Schuleri-Hartje (2004) den Trend zunehmender migrantischer Gründungen, beleuchten aber zugleich die schwierigen Gründungsbedingungen: »Hemmnisse für Migrantenunternehmer ergeben sich vor allem aufgrund rechtlicher Regelungen, eingeschränkter Möglichkeiten der Gründungsfinanzierung [sowie] bei der Nutzung von Förderprogrammen und im Kommunikationsbereich« (Floeting/Rei­ mann/Schuleri-Hartje 2004, S. 8).

Entsprechend diesen Erkenntnissen verweist das Institut für Mittelstandsforschung (ifm) in Mannheim darauf, dass in der Analyse migrantischer Unternehmer/-innen neben individuellen und gruppenspezifischen Ressour-

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

cen soziale, ökonomische und institutionelle Rahmenbedingungen der Selbstständigkeit fokussiert werden müssen, die einen Einfluss auf die Opportunitäten der Unternehmer/-innen haben (vgl. Leicht/Leiß 2006). Die Autoren halten wie Floeting, Reimann und Schuleri-Hartje (2004) eine wachsende Bedeutung migrantischen Unternehmertums fest und fordern, zukünftig vor allem die Gründungen von Migranten/Migrantinnen aus Drittstaaten zu erforschen. Zugleich sei eine Förderpolitik vonnöten, die Gründungspotenziale von Migranten/Migrantinnen in den Blick nehme und deren unternehmerische Aktivitäten durch den Abbau von Hürden gezielt optimiere (vgl. Leicht/ Leiß 2006, S. 105f.). Eine Perspektivenverschiebung und -erweiterung fordert Leicht auch in einer gemeinsamen Publikation mit Werner aus dem Jahr 2013 (vgl. Leicht/Werner 2013). Der Autor und die Autorin stellen auf Basis des amtlichen Mikrozensus und einer telefonischen Befragung von 2.300 zufällig ausgewählten migrantischen Unternehmern/Unternehmerinnen heraus, dass unternehmerische Aktivitäten von Migranten/Migrantinnen in Deutschland »von ihrer Konzentration auf das Gastgewerbe und den Handel abgerückt sind und mittlerweile ein in die Breite gewachsenes wirtschaftliches Profil aufweisen« (Leicht/Werner 2013, S. 226). Es seien Migranten/Migrantinnen aus den Anwerbeländern, die stark im Gastgewerbe und Handel vertreten seien; neuere Gründungen vollzögen sich dagegen stärker in bildungsintensiven Branchen. Vonnöten sei, individuelle Ressourcen von Unternehmern/Unternehmerinnen wie das Bildungsniveau in seinem Einfluss auf das Gründungsgeschehen in zukünftigen Forschungen stärker zu berücksichtigen. Jedoch dominiere in vielen Studien noch immer eine auf sogenannte ethnische Ressourcen fokussierte Perspektive (vgl. ebd. 2013, S. 231f.). Solche ethnisierenden Herangehensweisen werden in wissenschaftlichen Studien – in Deutschland und anderen Ländern – immer mehr aufgebrochen. Sie werden von Untersuchungen abgelöst, welche auf die Konstruktion kultureller Grenzen sowie transkulturelle Handlungspraxen aufmerksam machen. Beispielsweise setzt sich Pütz (2004) in seiner Arbeit »Transkulturalität als Praxis« mit türkischen Unternehmern/Unternehmerinnen auseinander und kritisiert essenzialistische Kulturkonzepte der Immigrant Business Forschung, die kulturelle Grenzen erst konstruieren würden. Yildiz (2011) pointiert am Beispiel der migrantisch geprägten Keuppstraße in Köln eine »orientalische Inszenierung« (ebd., S. 124) durch Unternehmer/-innen mit Migrationshintergrund als Geschäftsstrategie, die mehr »neue Traditionen« (ebd.) schaffe als tatsächliche reproduziere: »Die Mischung unterschiedlicher Elemente, die nur scheinbar der Herkunftskultur der Migranten entstammen, erweist sich als eine praktische Geschäftsstrategie, als ein strategisches Zugeständnis an die lokalen, hier die deutschen Vorstellungen vom ›Ori­ ent‹« (ebd.).

Begriffsklärung und Forschungsstand

Weniger kulturalistische, sondern konzeptionell auf die heterogene Einbettung migrantischer Unternehmer/-innen fokussierende Studien finden sich nach und nach auch zu den als ›neu‹ bezeichneten Migranten/Migrantinnen, die mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und den EU-Erweiterungen aus osteuropäischen und asiatischen, aber auch aus afrikanischen Ländern nach Deutschland einwandern. Ihre Situation unterscheidet sich maßgeblich von derjenigen der ehemals im Rahmen von Anwerbeprogrammen in die Bundesrepublik eingereisten Gastarbeiter/-innen: Der Arbeitsmarkt ist weniger stabil, eine Vielzahl an Beschäftigten befindet sich in prekären Beschäftigungsverhältnissen, und die Arbeitslosenzahlen bei länger in Deutschland lebenden Migranten/Migrantinnen sind relativ hoch (vgl. Hillmann/Sommer 2011, S. 38; Reimann 2014, S. 228). Gründungsmotive und Unternehmensstrategien sowie die allgemeine Situation und das Erleben des Unternehmertums dieser neuen Migranten/Migrantinnen stellen Forschungsdesiderate dar, die langsam ergründet werden. Hinzuweisen ist auf Fallanalysen von Sommer (2011) zu russischsprachigen Selbstständigen, Schmiz (2011) zu vietnamesischen Großhändlern/Großhändlerinnen in Berlin, Carstensen-Egwuom (2011) zu Migranten/Migrantinnen in Chemnitz, Taube und Borja (2011) zu Afro Shops in Berlin sowie von Lidola (2014) zu Haarentfernungsstudios (sogenannten Waxing Studios) brasilianischer Migranten/Migrantinnen, ebenfalls in Berlin. Die Arbeiten untermauern die differenten Opportunitätsstrukturen verschiedener Unternehmergruppen/Unternehmerinnengruppen, die je nach Nationalität, Aufenthaltsstatus und Ressourcenausstattung divergieren. Sie haben die heterogene Einbettung migrantischer Unternehmer/-innen in multi-lokale und ggfs. auch transnationale Netzwerke sowie die Interaktion mit dem allgemeinen Marktgeschehen und ökonomischen Beziehungen auch jenseits der eigenen nationalen Gruppe im Blick.

1.2.2  Theoretische Erklärungsmodelle Das Kapitel zu Geschichte und Erforschung migrantischen Unternehmertums macht deutlich, dass verschiedene wissenschaftliche Ansätze existieren, die Unternehmensgründungen von Migranten/Migrantinnen fassen und erklären wollen. Hierbei sind zwei dominante Richtungen zu unterscheiden: Einerseits Ansätze, die kulturelle Spezifika, andererseits solche, die gesellschaftliche Rahmungen in den Vordergrund der Analyse rücken (vgl. Fischer-Krapohl 2007, S. 200). Unter erstgenannter Perspektive lassen sich das sogenannte Kulturmodell und der Ressourcenansatz gruppieren, unter der zweitgenannten Perspektive der Reaktionsansatz. Das Modell der Nischenökonomie beinhaltet Erklärungsmuster beider Richtungen (vgl. Abb. 2).

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

Abbildung 2: Klassische Modelle zur Erklärung migrantischen Unternehmertums Fokus des Ansatzes Jeweiliges Erklärungs­modell für migrantisches Unterneh­ mertum

Kulturelle Spezifika

Gesellschaftliche Rahmungen

Kulturmodell Ressourcenansatz

Reaktionsansatz

Nischenökonomie

Quelle: Eigene Darstellung.

Die jeweiligen Ansätze lassen sich wie folgt skizzieren: 1. Dem Kulturmodell ist eine statisch-homogene Kulturvorstellung inhärent, die Migranten/Migrantinnen spezifischer ›Kulturen‹ eher eine Neigung zur Selbstständigkeit zuschreibt als anderen. Diese These hat sich bisher nicht empirisch bestätigen lassen und gilt als veraltet. 2. Vertreter/-innen des Ressourcenansatzes nehmen an, dass die Realisierung einer Selbstständigkeit durch Migranten/Migrantinnen von verschiedenen Ressourcen abhängt, über die manche Migrantengruppen/Migrantinnengruppen verfügen und andere nicht. Vorwiegend hat der Ansatz ethnisch definierte Ressourcen – wie Solidarität innerhalb einer ethnisch gedeuteten Gruppe oder vermeintliche traditionelle Orientierungen, beispielsweise in Bezug auf Arbeitshaltung und Familienstrukturen – im Blick. 3. Der Reaktionsansatz geht davon aus, dass gesellschaftliche Bedingungen im Migrationsland das Handeln von Migranten/Migrantinnen bestimmen. Der Weg in die Selbstständigkeit wird als Reaktion auf Rahmungen der Migrationsgesellschaft, z.B. auf Gegebenheiten des Arbeitsmarkts oder rechtliche Vorschriften, verstanden. Geläufig ist das Argument einer ›Gründung aus der Not heraus‹. Intrinsische Gründungsmotive wie der Wunsch nach Selbstverwirklichung oder die Umsetzung einer innovativen Geschäftsidee stehen weniger im Fokus. 4. Der Ansatz der Nischenökonomie erklärt die Entstehung migrantischer Ökonomien mit den Bedürfnissen migrantischer Gruppen, die sich von den Konsumbedürfnissen einer nicht-migrantischen Mehrheitsgesellschaft unterscheiden und im Migrationsland nicht befriedigt würden. Jene Konsumbedürfnisse seien bei Nichtbefriedigung in den Migrationsländern für Entstehen und Gelingen migrantischer Betriebe verantwortlich. ( v g l . Aliochin 2007, S. 19-24; Idik/Schnetger 2004, S. 167-169; Leicht/Werner 2013, S. 220; Liebermann/Suter/Rutishauser 2014, S. 96; Tolciu/Schaland 2008, S. 537f.)

Begriffsklärung und Forschungsstand

Alle aufgezeigten Ansätze erfahren auf Basis empirischer Erkenntnisse in zunehmender Weise Kritik dahingehend, dass sie in ihrer jeweiligen Perspektive zu einseitig seien. Aktuelle Studien operieren mit einer Kombination von Erklärungsmustern, die sich nicht ausschließen, sondern ergänzen, und sich jeweils auf unterschiedliche Aspekte migrantischen Unternehmertums konzentrieren (vgl. Haberfellner 2011, S. 2; Fischer-Krapohl 2007, S. 209). Mit einem derartigen Vorgehen werden wissenschaftliche Studien den tatsächlichen Strategien von Unternehmern/Unternehmerinnen gerecht: So weist das Zentrum für Türkeistudien auf die Dynamik des Handelns von Selbstständigen hin, sich etwa zunächst an einer Nische und dann an einer breiten Zielgruppe auszurichten (vgl. Idik/Schnetger 2004, S. 169). Als Beispiel sei das Produkt Döner Kebab zu nennen, das mittlerweile an ein breites Publikum (Kloosterman 2011, S. 40) verkauft wird und in Deutschland kein in ausschließlich ethnisch deklarierten Zirkeln konsumiertes Gut ist. Die Dynamiken und vielseitigen Erklärungen für die Entstehung und Aufrechterhaltung von migrantischen Unternehmen vereint der interaktionistische Mixed-Embeddedness Approach von Kloosterman und Rath (2001, 2003) unter einem konzeptionellen Dach. Er betont die Pluralität der Faktoren, die migrantisches Unternehmertum beeinflussen, und rückt neben Ressourcen und Perspektiven der Unternehmer/-innen deren strukturelle Eingebundenheit in nationalstaatliche und lokale Kontexte in den Vordergrund. Analog fordert Pütz (2003) dazu auf, migrantisches Unternehmertum nicht auf Ethnizität zu reduzieren, sondern grundsätzlich als soziales Handeln mit seinen zu reflektierenden Kontexten aufzufassen: »Wesentlich daran ist, dass ökonomisches Handeln als grundsätzlich immer auch so­ ziales Handeln aufgefasst wird und dass damit der Kontext sozialer Beziehungen als relevant für jegliche ökonomische Interaktion in den Mittelpunkt der Betrachtung rück­ te. Das Denkmodell ›ethnischer Ressourcen‹ dreht die Argumentationslogik jedoch um. Hier werden – da Ethnien als a priori existent und voneinander unterschiedlich wahrgenommen werden – soziale Ressourcen zu ›ethnischen‹, d.h. dem Unternehmer wird als ethnisch prädisponiertem Wesen eine spezifische Art an Embeddedness, so­ zialem Kapital etc. zugesprochen, die sich aus seiner Abstammung ergibt« (Pütz 2003, S. 78; Herv. i.O.).

Die in der vorliegenden Studie eingenommene Perspektive setzt an den Prämissen von Rath, Kloosterman und Pütz an. Neben den Ressourcen und Perspektiven von Afro Hair Salonbetreibenden werden strukturelle Bedingungen gesetzlicher, institutioneller und diskursiver Natur rekonstruiert, um die für den Kontext Deutschland konstitutive Rahmung von Afro Hair Salons aufzuzeigen. Dabei wird nicht vergessen, dass jene Rahmungen von migrantischen Betreibern/Betreiberinnen mitgestaltet, neu geschaffen und verändert werden können.

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

1.2.3    Zahlen und Trends zu migrantischem Unternehmertum in          OECD-Ländern, Europa und Deutschland Über konzeptionelle Diskussionen zu migrantischem Unternehmertum hinaus existieren Erhebungen, die einen quantitativen Einblick in die Gründungszahlen und -situationen migrantischer Unternehmer/-innen auf OECD- und EU-Ebene sowie in Deutschland geben. Das Kapitel trägt erste Erkenntnisse des International Migration Outlooks aus dem Jahr 2011, eines Arbeitsnetzwerkes der Europäischen Kommission sowie einer Sonderauswertung des Gründungsmonitors 2012 der Kreditanstalt für Wiederauf bau (KfW) zusammen. Die statistische Datenlage zu migrantischem Unternehmertum in Europa und den OECD-Staaten ist insgesamt sehr heterogen. Bisher fehlt eine einheitliche systematische Erhebung, die auf einen Ländervergleich abzielt. Der von der OECD im Jahr 2011 herausgegebene International Migration Outlook führt stattdessen Daten des European Union Labour Force Surveys, des US Current Population Surveys, des Australian Labour Force Surveys und des israelischen CBS Labour Force Surveys zusammen, um erste Zahlen zu migrantischem Unternehmertum in OECD-Ländern zu generieren.3 Im Durchschnitt sind nach diesen Daten im Zeitraum von 2007 bis 2008 12,6  Prozent der Migranten/Migrantinnen gegenüber 12  Prozent der NichtMigranten/Nicht-Migrantinnen selbstständig (vgl. Abb. 3). Der Anteil migrantischer Selbstständiger übersteigt den der Nicht-Migranten/ Nicht-Migrantinnen in den USA, Luxemburg, Australien, Schweden, Norwegen, Großbritannien, Frankreich, Belgien, Dänemark, Ungarn, der Tschechischen Republik, der Slowakischen Republik und in Polen (vgl. Abb. 3). Die deutlichen Abweichungen dieses Anteils von jenem der nicht-migrantischen Selbstständigen in Polen, der Slowakischen Republik, der Tschechischen Republik und Ungarn liegen laut den Verfassern/Verfasserinnen der Studie in den flexibleren Visabestimmungen dieser Länder begründet, die sich begünstigend auf die Gründungsaktivität auswirken (vgl. OECD 2011, S. 143). Die Zunahme migrantischer Unternehmen verdeutlichen auch die Zahlen zu Neugründungen von Unternehmungen im Zeitraum von 1998 bis 2008. Für die Länder Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien lässt sich ein deutlicher Anstieg migrantischer Gründungen festhalten (vgl. Tab. 1). Der Zunahme migrantischer Betriebe steht der Trend ihrer häufigeren Schließung im Vergleich mit nicht-migrantischen Betrieben gegenüber (vgl. OECD 2011, S. 146). Über die Gründe des Scheiterns kann lediglich gemutmaßt 3 | Die Zusammenführung verschiedener Studien geschieht nicht ohne methodische Probleme, da Definitionen, ab wann eine Person in einem bestimmten Land als Migrant/ Migrantin gilt, je nach Länderkontext variieren und somit Auswirkungen auf die statis­ tische Aussagekraft der Erkenntnisse ausüben können (vgl. hierzu Kapitel 1.1.3.5).

Begriffsklärung und Forschungsstand

Abbildung 3: Anteil der einheimischen und im Ausland geborenen Selbstständigen an den Erwerbstätigen 2007-2008 Native-born

Foreign-born

30

25

20

15

10

5

0

Quelle: OECD 2011a.

werden, da systematische Studien zu migrantischen Unternehmensschließungen fehlen. Es »wird dann gerne individuelles Versagen angenommen, nicht aber die strukturellen (komplexen) Einflussfaktoren in Zweifel gezogen« (Hillmann 2011a, S. 11). Dass individuelles Versagen kein alleiniges Erklärungsmuster für Betriebsschließungen darstellt, zeigt ein Blick auf die Gründer/ -innen selbst. Laut OECD-Auswertung haben migrantische Gründer/-innen im Durchschnitt bereits zehn Jahre im Migrationsland verbracht, sind also mit den Gegebenheiten vertraut. Sie verfügen wie nicht-migrantische Gründer/ -innen über ein hohes Bildungsniveau (vgl. OECD 2011, S. 147f.). Dies lässt vermuten, dass es auch und insbesondere strukturelle Erschwernisse sind, die zu Betriebsschließungen führen. Neben den Daten des International Migration Outlooks der OECD aus dem Jahr 2011 untermauern Aktivitäten und Forschungsprojekte auf EUEbene die zunehmende Bedeutung und Wahrnehmung von migrantischen Unternehmen. Im Jahr 2000 wurde ein Pilotprojekt durchgeführt, das sich mit bestehenden Unterstützungsinstanzen für migrantische Unternehmer/ -innen in EU-Mitgliedsstaaten auseinandersetzte. Im Juni 2003 initiierte die Europäische Kommission eine Konferenz zum Thema »Unternehmer aus ethnischen Minderheiten«, um eine Bestandsaufnahme in der EU zu vollziehen und »die Aufmerksamkeit auf den beträchtlichen Beitrag zu lenken,

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

Tabelle 1: Durchschnittliche jährliche Zahl neuer Unternehmer/-innen, im Ausland und im Inland geboren, 1998-2008 Foreign-born

Native-born

1998–

2001-

2004-

2007-

1998-

2001-

2004-

2007-

2000

2003

2006

2008

2000

2003

2006

2008

Austria

..

4 000

6 000

7 000

.. 36 000 34 000 32 000

4 000

3 000

5 000

6 000

23 000 20 000 25 000 25 000

..

1 000

2 000

1 000

France

29 000 35 000 38 000

35 000

178 000 164 000 183 000 194 000

Germany

49 000 55 000 88 000 103 000

445 000 442 000 525 000 571 000

Belgium Czech Republic

.. 63 000 56 000

51 000

Greece

3 000

..

..

46 000 44 000 33 000 26 000

Italy

6 000 12 000 36 000

46 000

531 000 588 000 530 000 505 000

Netherlands

7 000

..

8 000

11 000

4 000

4 000

5 000

7 000

74 000 47 000 46 000 42 000

13 000 27 000 42 000

77 000

195 000 189 000 192 000 210 000

Portugal Spain Sweden United Kingdom

2 000

3 000

3 000

5 000

45 000 55 000 62 000

3 000

88 000

70 000

.. 93 000 99 000

13 000 12 000

10 000 26 000

363 000 374 000 387 000 448 000

Quelle: OECD 2011b.

den ethnische Minderheiten bereits für Europas Volkswirtschaften leisten« (Europäische Kommission 2008, S. 4). Der Konferenz folgte die Gründung eines Netzwerks mit dem Namen »Ethnic Minority Business«, das sich aus Vertretern/Vertreterinnen nationaler Verwaltungen und der Europäischen Kommission zusammensetzt und Wissenschaftler/-innen wie auch Unternehmensorganisationen einbezieht. Langfristig ist ein Abbau von Barrieren für migrantische Unternehmer/-innen in Europa intendiert. Damit dieses Ziel angemessen umgesetzt werden kann, hat das Netzwerk sich um eine Analyse der Situation migrantischer Unternehmer/-innen in verschiedenen EU-Staaten bemüht. Innerhalb des Netzwerks herrscht ein Bewusstsein dafür vor, dass migrantische Betriebe über die eigene nationale Gruppe hinaus ökonomisch aktiv sind und ihre Unternehmen nicht ausschließlich Familienbetriebe ausmachen. Wenngleich die Beteiligten selbst von ›ethnischen Minderheiten und Betrieben‹ sprechen, betonen sie, Ethnizität oder Staatsbürgerschaft nicht alleinig als Variablen zur Erklärung der Selbstständigkeit heranzuziehen (vgl. Europäische Kommission 2008, S. 9). Sie verweisen auf die in verschiedenen europäischen Ländern differenten Rahmenbedingungen, die nur schwer zu vergleichen seien (vgl. ebd., S. 8). Aufgrund dieser heterogenen Situation könnten keine systematisch-komparativen Datensätze

Begriffsklärung und Forschungsstand

präsentiert, sondern lediglich erste Eindrücke zur Situation unternehmerischer Migranten/Migrantinnen in verschiedenen Ländern gegeben werden. Die Beteiligten halten – analog zu den Erkenntnissen des International Migration Outlooks – fest, dass die Selbstständigkeit von Migranten/Migrantinnen gegenüber der nicht-migrantischen Bevölkerung in Europa zunimmt (vgl. ebd.). Das Netzwerk stellt Charakteristika zusammen, die häufig auf migrantische Betriebe zutreffen sollen: • Migrantische Unternehmen seien häufig kleinere Betriebe; • Unternehmer/-innen gründeten oft in Märkten mit niedrigen Eintrittsbarrieren, in welchen die Konkurrenz hoch sei; • Beobachtet werden könne eine Neigung spezifischer Gruppen zu bestimmten Branchen (Griechen/Griechinnen gründen häufig Restaurants in Deutschland; Pakistaner/-innen betreiben häufig Supermärkte und Kioske in Dänemark); • Migrantische Betriebe seien vor allem in städtischen Gebieten präsent, häufig in unterprivilegierten Lagen; • Viele Unternehmer/-innen adressierten nicht ausschließlich eine migrantische Gruppe, sondern auch die nicht-migrantische Mehrheitsgesellschaft; • Im Hinblick auf das Management und die beschäftigten Mitarbeiter/-innen sei eine ›ethnische‹ Ausrichtung oft, aber nicht immer zu beobachten; • Die meisten Unternehmen seien hybrider Natur, d.h. Einflüsse aus verschiedenen Ländern mischten sich und würden strategisch genutzt; • Gründungsmotive seien ebenso schlechte Chancen auf den Arbeitsmärkten wie auch der Wunsch, eigene Ideen zu realisieren oder Markt- und Geschäftslücken zu bedienen; • Zunehmend mehr Betriebe würden Teil der Mainstream-Wirtschaft und stellten für nicht-migrantische Unternehmer/-innen Konkurrenten/Konkurrentinnen dar; • Die Mehrheit der Betriebe verließe sich seltener auf formale Unterstützungsdienste. Hier spiele Misstrauen gegenüber Behörden eine große Rolle, ebenso wie erfahrene Diskriminierung auf Banken. Unterstützung werde vor allem in der Familie und im Freundes- und Bekanntenkreis gesucht; • Es sei davon auszugehen, dass administrative Bürden schwer wiegen, beispielsweise Regulierungen des Aufenthaltsgesetzes; • Bei Selbstständigkeiten aus der Not heraus verfügten Unternehmer/-innen häufig nicht über ausreichende Geschäftskenntnisse (vgl. Europäische Kommission 2008, S. 9-12). Die aufgeführten Charakteristia zeichnen ein Bild von migrantischen Unternehmen, das einerseits durch Ethnizität, bildungsferne Gründungsbranchen, soziale Seggregation hinsichtlich ihrer Standorte und Gründungen aus der

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

Not heraus gekennzeichnet ist. Andererseits heben sie kulturelle Hybridität, die Realisierung innovativer Geschäftsideen als Gründungsmotiv und Einbindungen in die Mainstream-Wirtschaft hervor. Die Verfasser/-innen des Papiers betonen die Heterogenität migrantischer Betriebe und halten fest, dass sich eine einheitliche Politik der EU verbiete. Allerdings seien generelle Schlussfolgerungen möglich, die national bedacht werden müssten (vgl. ebd., S. 16-18). Migrantische Unternehmer/-innen seien in Planungen zu Unterstützungsangeboten aktiv einzubeziehen, damit Angebote sinnhaft strukturiert werden können. Angebote sollten nicht alleinig Migranten/Migrantinnen, sondern benachteiligte Akteure/Akteurinnen insgesamt adressieren. Hierbei dürften die Betriebe nicht von externer Unterstützung abhängig sein, sondern müssten wettbewerbsfähig gemacht und in die Mainstream-Economy einbezogen werden (vgl. ebd., S. 16). Neben der Analyse von migrantischem Unternehmertum in Europa existieren erste Studien für den deutschen Kontext. Die KfW Bankengruppe veröffentlichte in einer Sonderauswertung des im Jahr 2012 publizierten Gründungsmonitors4 Fakten und Zahlen, die Trends auf europäischer Ebene für Deutschland bestätigen. Für das Jahr 2011 wird im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang an Gründungen von Nicht-Migranten/Nicht-Migrantinnen konstatiert, dem ein Anstieg von Gründern/Gründerinnen mit Migrationshintergrund um 15 Prozent gegenübersteht. 2011 gründeten 184.000 Personen mit Migrationshintergrund ein Unternehmen, was 22 Prozent aller Gründungen ausmacht. 31  Prozent stammen aus dem Nicht-EU-Ausland. Gründer/-innen mit Migrationshintergrund machten sich vor allem im Bereich der persönlichen Dienstleistungen mit Friseur- und Kosmetiksalons sowie als Fotografen und DJs selbstständig. Als Hauptmotiv gaben sie signifikant häufig die Umsetzung einer innovativen Geschäftsidee an. Solche Entrepreneurs sind bei Gründern/Gründerinnen mit Migrationshintergrund zu 24  Prozent vertreten, bei Nicht-Migranten/Nicht-Migrantinnen mit 11 Prozent. Laut Margarita Tchouvakhina, Abteilungsdirektorin bei der KfW Bankengruppe, seien es die Impulse ebenjener Entrepreneurs, die für die Volkswirtschaft in Deutschland besonders bedeutsam seien (vgl. KfW Presseerklärung 2012). Die hohe Gründeranzahl von Nicht-EU-Ausländern/Nicht-EU-Ausländerinnen lesen die Verfasser als Hinweis darauf, »dass der erwartete Nettonutzen aus einer Selbstständigkeit – also der erwartete Nutzen aus der Existenzgründung abzüglich des erwarteten entgangenen Nutzens aus der abhängigen Beschäftigung – für diese Bevölkerungsgruppe deutlich höher ist« (KfW Bankengruppe 2012, S. 44). Als Erklärung hierfür führen sie einen schwierigeren Zugang zu abhängigen Beschäftigungsverhältnissen – beispielsweise durch erschwerte 4 | Die KfW Bankengruppe erhebt seit dem Jahr 2000 jährlich eine repräsentative Bevölkerungsumfrage zum Gründungsgeschehen in Deutschland.

Begriffsklärung und Forschungsstand

und fehlende Anerkennung von Bildungsabschlüssen sowie sprachliche Hürden bei der Stellensuche – an (vgl. ebd.). Dass dieses Argument nur bedingt zum Tragen kommen kann, zeigt die hohe Zahl migrantischer Gründer/ -innen unter den so genannten Entrepreneurs, die nicht aus der Not heraus gründen, sondern den Weg in die Selbstständigkeit bewusst mit dem Ziel der Umsetzung innovativer Geschäftsideen auswählen. Demgegenüber hätten vergleichsweise geringe 14 Prozent der Gründer/-innen das primäre Ziel, der Arbeitslosigkeit zu entgehen. Neben diesen statistischen Eindrücken der KfW gibt die Studie »Wirtschaftliche Selbstständigkeit als Integrationsstrategie – eine Bestandsaufnahme der Strukturen der Integrationsförderung in Deutschland«� des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration aus dem Jahr 2010 einen Einblick in Förderstrukturen für migrantische Unternehmer/-innen in Deutschland. Bundesweit existieren laut Verfasser/-innen über 40 Einzelorganisationen, die Unternehmer/-innen mit Migrationshintergrund unmittelbar fördern (vgl. Sachverständigenrat deutscher Stiftungen 2010, S. 11). 411 Fördermaßnahmen stellen Beratungs- und Informationsangebote, aber selten Angebote zur Kreditvergabe und -vermittlung für migrantische Unternehmer/-innen bereit (vgl. ebd., S. 16). Bundesweit sind die 80 lokalen Industrie- und Handelskammern (IHK) sowie 56 regionale Handwerkskammern als Förderinstanzen zu nennen, die in der Regel aber kein auf Migranten/Migrantinnen zugeschnittenes Angebot offerieren (vgl. ebd., S. 11). Die IHKs geben an, im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes keine Parallelstrukturen etablieren zu wollen. Allerdings betonen die Autoren/ Autorinnen der Studie, dass die bisherige Förderpraxis nicht ausreichend und zusätzliche Angebote sowie eine gute Vernetzung aller Akteure/Akteurinnen vonnöten seien, da migrantische Unternehmer/-innen nicht die gleichen Ausgangsbedingungen im Gründungsgeschehen vorfinden wie Unternehmer/ -innen ohne Migrationshintergrund (vgl. ebd., S. 4-8). Auffällig ist, dass der Bund bisher 2 Prozent der Fördermaßnahmen finanziell unterstützt oder initiiert, während Kommunen und EU jeweils 8 Prozent der Maßnahmen tragen. Gemeinsame Förderungen von EU und Ländern oder Kommunen machen 10 Prozent aus (vgl. ebd., S. 13). Die Zahlen und Fakten veranschaulichen, dass sich EU, Kommunen, Länder sowie migrantische Unternehmer/-innen selbst 5 um eine Förderung 5 | Exemplarisch sei an dieser Stelle auf den in Münster gegründeten migrantischen Unternehmensverband »Verband internationaler Unternehmen Münster und Umgebung e.V.« verwiesen, der von Unter­n ehmern/Unternehmerinnen aus verschiedenen Ländern gegründet wurde (vgl. Homepage des »Verbands internationaler Unternehmen Münster und Umgebung e.V.«, o. J.). In Hamburg ist der von Unternehmern/Unternehmerin­ nen unterschiedlicher Nationalitäten gegründete Verein »Unternehmer ohne Grenzen« seit dem Jahr 2000 aktiv. Die Vereinsmitglieder initiieren Projekte zur Förderung und

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

migrantischen Unternehmertums bemühen, während sich der Bund eher zurückhält. Es kann konstatiert werden, dass das Thema migrantischen Unternehmertums langsam seinen Weg in politische Debatten findet. Das Ministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), heute Ministerium für Wirtschaft und Energie, veröffentlichte im Jahr 2011 eine Studie zu Unternehmensgründungen von Migranten/Migrantinnen in Deutschland, deren zentrale Erkenntnisse mit der Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen (2010) übereinstimmen. Sie betont die stetige Zunahme migrantischen Unternehmertums trotz bestehender Barrieren im institutionell-rechtlichen Bereich. Vor allem für Migranten/Migrantinnen aus dem Nicht-EU-Ausland sei die häufig schwierige oder nicht mögliche Anerkennung von Bildungsabschlüssen ein Problem. Auch würden wichtige Bedarfe nicht durch Förderangebote gedeckt (vgl. Jung et al. 2011, S. 1-10). Bis hierhin ist festzuhalten, dass sich neben der Wissenschaft die EU sowie die OECD für migrantisches Unternehmertum interessieren. Sie wollen dessen Potenzial für die Volkswirtschaften nutzen und suchen, dieses statistisch zu erfassen und zu stärken. Im Gegensatz zu Ländern wie den Niederlanden oder Großbritannien ist migrantisches Unternehmertum in Deutschland bisher wenig in den Blick der Politik gerückt. Es existieren keine bundesweiten Förderprogramme wie in anderen Ländern. Stattdessen sind es vor allem Kommunen und wirtschaftliche Zusammenschlüsse, die migrantisches Unternehmertum unterstützen.

1.2.4  Afro Hair Salons im Blick der Forschung In Deutschland stellen Arbeiten zu migrantischen Unternehmern/Unternehmerinnen, die nicht zu den Gastarbeitergenerationen/Gastarbeiterinnengenerationen zählen, nahezu einen blinden Fleck in der Forschungslandschaft dar – so auch Studien zu Afro Hair Salons. Afro Hair Salons haben in der Bundesrepublik eine recht junge Geschichte. Sie entstanden wie die ersten Afro Shops in den 1980er und 1990er Jahren. Der längeren Tradition von Afro Hair Salons in den USA ist es geschuldet, dass diese im Gegensatz zum deutschen Kontext dort seit längerem Gegenstand wissenschaftlicher Studien geworden sind. Zu Beginn dieses Unterkapitels wird daher vor allem auf wissenschaftliche Erkenntnisse aus den USA eingegangen, bevor abschließend einige wenige Studien zu Afro Hair Salons in Deutschland, Großbritannien und Griechenland Vernetzung migrantischer Unternehmen. Der Verein »nimmt dabei eine Brückenfunk­ tion zwischen Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen, Kam­m ern, Institutionen sowie Behörden ein«. Finanziert wird er durch die Stadt Hamburg, den Europäischen Sozialfonds und das Jobcenter team.arbeit.hamburg (vgl. Homepage des Vereins »Un­ ternehmer ohne Grenzen«, o. J.).

Begriffsklärung und Forschungsstand

vorgestellt werden. Hieran zeigt sich, dass Afro Hair Salons ein Phänomen sind, was aus verschiedenen Länderperspektiven untersucht werden kann. Dabei gilt es, die differenten nationalstaatlichen Rahmungen des Dienstleistungszweigs zu bedenken. Thema der Studien zu Afro Hair Salons in den USA, die dort als AfricanAmerican Hair Salons bezeichnet werden, sind: • Die sprachliche Herstellung eines beruflichen Expertinnenstatus durch die Hairstylistinnen sowie das Sprachverhalten im African American English von Salonbetreiberinnen, Kundinnen und Mitarbeiterinnen (Eayrs 1993; Jacobs-Huey 1996; 2003; 2006; Majors 2001; 2004); • Die Bedeutung von »race«, »gender« und »class«-Konstruktionen für afroamerikanische Salonbetreiberinnen in ihren Entscheidungen im Rahmen ihrer Selbstständigkeit sowie im Alltag afroamerikanischer Frauen (BattleWalters Denu 2004; 2008; Harvey Wingfield 2008); • Die Funktion von Salons als Community-Orte (Alexander 2003). • Darüber hinaus existieren historische Arbeiten, welche die Entstehung der afroamerikanischen Schönheitsindustrie rekonstruieren. Diese Arbeiten finden im historischen Abriss zur Entstehungsgeschichte von Afro Hair Salons in Kapitel 3.1 Berücksichtigung und werden an dieser Stelle nicht aufgeführt. Jacobs-Huey (2006) untersucht in ihrer ethnografischen Studie »From the Kitchen to the Parlor: Language and Becoming in African American Women’s Hair Care« die Bedeutung von Haar in den Identitätskonstruktionen afroamerikanischer Frauen und in ihrem Arbeitsalltag aus einer linguistisch-anthropologischen Perspektive. Sie zeigt zum einen auf, dass Haar und Frisuren afroamerikanischer Frauen rassistisch und sexistisch verortet werden, zum anderen dass afroamerikanische Hairstylistinnen ihre beruflichen Identitäten als Hairstylistinnen permanent aushandeln, damit sie sich gegen die Tradition der ›kitchen beautician‹ – des gemeinsamen Frisierens zu Hause – behaupten können. Sie müssen ihre Kundschaft von ihrer Expertise überzeugen. Hierbei spielt Sprache die zentrale Rolle, um sich als Haarexpertinnen zu präsentieren (vgl. auch Jacobs-Huey 1996; 2003). Diesen Aspekt behandelt auch Eayrs (1993) in ihrem Beitrag »Time, Trust and Hazard: Hairdressers’ Symbolic Rules«. Sie erläutert, wie Hairstylistinnen in fünf afroamerikanischen Frisiersalons in den USA ihre Expertinnenrolle konstruieren. Die Untermauerung eines Expertinnenstatus spiele bei der Verwendung chemischer Substanzen eine zentrale Rolle. Es sei zu beobachten, dass den Stylistinnen die Funktion einer Vertrauensperson zukomme. Jacobs-Huey zeigt in ihrer Studie (2006) eine weitere Aushandlungspraxis in den Frisiersalons auf. So seien afroamerikanische Frauen mit den Normalitätsentwürfen Weißer Frauen konfrontiert

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

und müssten sich kontinuierlich gegenüber Weißen Frauen positionieren. Die Autorin macht deutlich, dass das Verhältnis afroamerikanischer Frauen zu ihrem Haar komplex ist: Als traditioneller Fokus häuslicher Erziehung und in den ›kitchens‹ und ›parlors‹ erfährt es besondere ästhetische Aufmerksamkeit, während es in Relation zu Weißen Schönheits- und Normalitätsentwürfen zum Politikum wird. Sprachliche Praktiken und die Problematik Weißer Normalitätsstandards thematisiert auch Majors (2001, 2004) in ihren ethnografischen Untersuchungen in afroamerikanischen Frisiersalons. Zum einen weist Majors, ebenso wie Jacobs-Huey (2006), auf die Konstruktion von Expertinnenrollen durch die Hairstylistinnen hin. Zum anderen beschreibt sie die Salons als Community-Orte, in welchen Shop Talk im African American English (Majors 2001) und Frisieren von Afrohaar, das in anderen Salons abgewertet wird, ausgeübt werden (ebd., S. 120f.). Die sozialen Praktiken beinhalten für die in den Salons agierenden Personen eine identitätsstiftende Funktion, da die Frauen im kollektiven Salonkontext Selbstbestätigung erfahren (vgl. Majors 2004, S. 177). Diesen Aspekt betont auch Alexander (2003) in seinem Beitrag »Fading, Twisting, and Weaving: An Interpretive Ethnography of the Black Barbershop as Cultural Space«. Er erläutert, dass Barbershops afroamerikanischer Männer wie auch afroamerikanische Frauensalons soziokulturelle Communityorte seien, in denen das Frisieren häufig zweitrangig sei und es darum gehe, Gemeinschaft und Beheimatet sein zu erleben (vgl. ebd. 2003, S. 112f.). Während diese Studien primär die soziokulturellen Interaktionen in den Salons fokussieren, analysiert Harvey Wingfield (2008) in ihrer Untersuchung »Doing Business With Beauty« die Positionierung von Afro Hair Salons auf dem Markt. Die Autorin charakterisiert afroamerikanische Haarsalons in Anlehnung an den Middleman Minorities Ansatz von Bonacich (1973) als »ethnic enclave economies«. Sie seien in einem ethnischen Umfeld konglomeriert. Als Entstehungshintergrund führt die Autorin die Erfahrung eines »gendered racism« (Harvey Wingfield 2008, S. 39) an, der dazu führe, dass sich Schwarze Frauen, die schlecht bezahlten Tätigkeiten nachgingen, mit Haarsalons selbstständig machen. Battle-Walters Denu (2010) kritisiert Harvy Wingfields Studie, weil sie die Akteure/Akteurinnen eher in einer Opferperspektive als einer »surviver’s perspective« (Battle-Walters Denu 2010, S. 407) repräsentiere. Sie hat in ihrer Monografie »Sheila’s Shop. Working-Class African American Women Talk About Life, Love, Race, and Hair« (2004) auf Basis ethnografischer Forschung das Konzept von »gender and racial victorizaton« (Battle-Walters 2004, S. 106) entworfen. Battle-Walters erklärt, dass sich afroamerikanische Salonbetreiberinnen aus dem Arbeitermilieu als Siegerinnen, nicht als Opfer betrachten: »Racial and gender victorization can be defined as the ability to value one’s racial and gender makeup, while not allowing social stigmas, sanctions against, or stereotypes

Begriffsklärung und Forschungsstand associated with one’s makeup to inhibit, diminsh, or control one’s self-perception, out­ look, or the quality of one’s everyday lived experiences« (Battle-Walters 2004, 106).

Battle-Walters Denu fokussiert dezidierter als Harvey Wingfield auf die Ressourcen der Frauen, die im Frisiersalon sichtbar werden. Als besondere Komponenten, die zur Stärke der Akteure/Akteurinnen beitragen, nennt sie die Unterstützung der Frauen durch familiale und freundschaftliche Netzwerke, den Glauben an einen Gott und Humor (Battle-Walters 2004, S. 103). Insgesamt zeigt sich, dass Studien zu Afro Hair Salons in den USA soziale Praktiken innerhalb der Salons sowie deren gesellschaftliche Positionierung als rassifizierte und gender-Orte analysieren. Für den europäischen und deutschen Kontext stehen vergleichbare Analysen noch aus. Im deutschen Rahmen können bisher eine Studie von Taube und Borja (2011) sowie eine Diplomarbeit von Prothmann (2009) zur Funktion von Afro Shops6 sowie die Arbeiten der Autorin zu Afro Hair Salons (Schmitt 2011, 2012) angeführt werden. Die ethnografische Untersuchung der Autorin in einem Afro Hair Salon in Deutschland rekonstruiert die sozialen Funktionen von Afro Hair Salons für afrikanische Migranten/Migrantinnen, die ausgehend von einem Salon soziale Unterstützungsnetzwerke auf bauen, innerhalb welcher sie Rassismuserfah­r ungen in Deutschland sowie die Distanz zu Angehörigen in den Herkunftsländern bewältigen und Community herstellen. Auch in Afro Shops in Hamburg konstruieren Betreibende und Besucher/innen multiple Orte, an denen sie einerseits anknüpfen an Routinen und Netzwerke der Herkunftsländer sowie andererseits versuchen, sich in die ghanaische Community in Hamburg einzufügen (vgl. Prothmann 2009). Gleichzeitig stellen Afro Shops bedeutende Ressourcen für die lokale Nahversorgung bereit, die auch von Personen ohne afrikanischen Migrationshintergrund genutzt werden (vgl. Taube/Borja 2011). Die Studien von Taube und Borja, Prothmann und der Autorin heben über die lokale Bedeutung der Salons und Shops die grenzüberschreitenden Händlernetzwerke/Händlerinnennetzwerke von Betreibern/Betreiberinnen hervor, die nicht nur innerhalb Deutschlands agieren. Neben diesen Studien existieren einige wenige Untersuchungen im europäischen und afrikanischen Kontext, die sich dezidiert oder eher am Rande mit Afro Hair Salons befassen: Krause (2008, S. 240) erwähnt in ihrer Ethnografie zu ghanaischen Migranten/Migrantinnen in London, in der religiöse Zusammenschlüsse im Vordergrund stehen, dass Afro Hair Salons und Shops 6 | Neben wissenschaftlichen Studien existiert ein Band mit dem Titel »Afro Shop« von Philipp Khabo Koepsell (2014). Er versammelt lyrische und grafische Werke afro­ deutscher Künstler/-innen und Literaten/Literatinnen. Themenfelder sind nicht aus­ schließlich Afrofrisuren und Afro Shops, sondern vor allem die Erfahrung von und der Umgang mit Rassismus in Deutschland, Identifikationen und Heimatvorstellungen.

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

in der Lebenswelt afrikanischer Migranten/Migrantinnen eine zentrale Rolle als Treffpunkte, Supermärkte und Zugangsorte zu Naturheilkundigen spielen. Petronoti (2010) erläutert zu Afro Hair Salons in Athen, dass Salonbetreiberinnen afrikanische Frisuren als modern inszenieren. Die als schmuckes Beiwerk in westlichen7 Moden auftauchenden Frisuren eröffneten ihnen eine Option, sich auf dem Markt zu etablieren. So sei in Griechenland eine Nachfrage nach exotisch definierten Haarstilen wie Braids gestiegen. Gleichzeitig erläutert Petronoti, wie durch diese Strategie stereotype Bilder über afrikanische Länder reproduziert werden. Die Vermarktung kultureller Traditionen erfülle die Funktion, Anerkennung in einer exkludierenden Gesellschaft zu erfahren (vgl. Petronoti 2010, S. 145). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Weiss (2002) in seiner Studie über von Männern betriebene und aufgesuchte Barbershops in Arusha, Tansania, die jene Shops in Orientierung an westliche Modernitätsvorstellungen gestalten, um sich als Teil einer globalen Modernität zu imaginieren. Der Forschungsstand weist auf einige wenige Einzelstudien für den afrikanischen, europäischen sowie deutschen Kontext hin. So wird deutlich, dass Afro Hair Salons bisher nur selten in den Blick der Forschung gerückt sind. Erste Erkenntnisse verdeutlichen, dass Afro Hair Salons Treffpunkte, Unterstützungsräume sowie Orte der Imagination und Inszenierung sind. Nimmt man die Studien aus den USA, aus Europa und Afrika zusammen, zeigt sich, dass verschiedene Zoomeinstellungen auf den Forschungsgegenstand eingenommen wurden: Von der Analyse sozialer Praktiken der Salonbetreibenden und Kundschaft bis hin zu der Positionierung der Salons im gesamtgesellschaftlichen Gefüge. Für den Kontext der USA wird in den angeführten Studien sichtbar, dass gesellschaftliche Diskurse über ›Rasse‹ einen Einfluss auf die Gründungsmotive und sozialen Praktiken in den Salons ausüben. Für Deutschland fehlen derlei Erkenntnisse über Bedeutung und Wahrnehmung der Salons in der Gesellschaft ebenso wie die systematische Erhebung der Gründungsmotive und -verläufe sowie des Erlebens von Salonbetreibenden aus einer biografischen, auf Einzelfällen beruhenden pädagogischen Perspektive.

7 | Nach Stuart Hall bezeichnet ›westlich‹ ein historisches, kein geografisches Kons­ trukt. Das Konzept umfasst einen spezifischen »Gesellschaftstyp, der als entwickelt, industrialisiert, städtisch, kapitalistisch, säkularisiert und modern beschrieben wird« (Hall 1994, S. 138). Die Begriffe ›westlich‹ und ›der Westen‹ erzeugen die Kategorien ›Westen‹ und ›Nicht-Westen‹ sowie homogenisieren und hierarchisieren verschiedene Wirtschaftsräume.

Begriffsklärung und Forschungsstand

1.2.5  Ansatzpunkte und Ziele der Studie Die Ansatzpunkte der Studie ergeben sich aus den konzeptionellen Perspektiven auf migrantisches Unternehmertum sowie aus der Analyse des empirischen Forschungsstandes: • Die Studie möchte einen Beitrag zu einer differenzierten und vielschichtigen Perspektive auf migrantisches Unternehmertum leisten, die über eine ethnische Betrachtungsweise hinausreicht. • Die gewählte Untersuchungsgruppe von migrantischen Unternehmern/ Unternehmerinnen mit afrikanischem Migrationshintergrund in Deutschland erfährt zum jetzigen Zeitpunkt nur eine marginale wissenschaftliche Beachtung und ist im Gegensatz zu den ehemaligen Gastarbeitern/ Gastarbeiterinnen weniger in den Blick der Forschung zu migrantischem Unternehmertum gerückt. Diesem Desiderat steht eine Zunahme und bundesweite Verbreitung migrantischer Unternehmen von Personen aus Drittstaaten entgegen, was den Forschungsbedarf der Untersuchung weiter begründet. • Spezifischer noch sind Afro Hair Salons in Deutschland bisher nicht erforscht. • Die Studie hat zum Ziel, die Gründungsgeschichten und Erfahrungen von Afro Hair Salonbetreibenden in Deutschland zu rekonstruieren. Diese werden dahingehend analysiert, wie sich Betreiber/-innen in ihrer unternehmerischen Rolle in Deutschland erleben, welche Handlungsoptionen sich für sie (nicht) auftun und welche Rahmenbedingungen dabei relevant werden. Erste Untersuchungen, die Afro Hair Salons in ihren spezifischen gesellschaftlichen Kontexten aufzeigen und die Perspektiven der Betreibenden berücksichtigen, finden sich zwar für die USA, nicht aber für Deutschland.

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2  Methodologie und Methode

Das Kapitel klärt den analytischen Fokus und Auf bau der Analyse sowie das methodologische und methodische Gerüst. Methodologisch verortet sich die Untersuchung im Feld von Agencykonzepten (vgl. u.  a. Homfeldt/Schröer/ Schweppe 2006; Raithelhuber 2012; Scherr 2012). Die Datenerhebung folgte einem ethnografischen Design und umfasste die Durchführung von qualitativen Interviews, informellen Gesprächen, Beobachtungen sowie das Sammeln alltagsgegenständlichen Materials. Die Analyse vollzog sich unter Rückgriff auf das sequenzanalytische Auswertungsverfahren der Objektiven Hermeneutik (vgl. Oevermann 1973) und den wissenschaftlichen Quellentext (vgl. Friebertshäuser/Richter/Boller 2010; Apel/Engler/Friebertshäuser et al. 1995; Friebertshäuser 1992).

2.1  F okus

der

A nalysek apitel

Der empirische Teil der Studie umfasst drei Kapitel (3, 4 und 5). Das erste Analysekapitel (3) rekonstruiert gesellschaftliche Rahmenbedingungen, innerhalb welcher Afro Hair Salons gegründet werden und sich aufrechterhalten. Ziel dieses Analyseschritts ist es, Handlungsmöglichkeiten und Handlungsbegrenzungen zu untersuchen, die den Salonbetreibenden prinzipiell zur Verfügung stehen. Das Vorgehen intendiert, »der gegenseitigen Konstitution von Individuen und Gesellschaften gerecht zu werden« (Radenbach/Rosenthal 2012, S. 9; Herv. i.O.). Dadurch wird es möglich, das Handeln und die Lebensgeschichten der Salonbetreibenden »nicht als etwas rein Individuelles oder bloß Subjektives, sondern als ein Konstrukt […] [zu verstehen], das auf kollektive Regeln, Diskurse und gesellschaftliche Rahmenbedingungen verweist und […] immer beides zugleich ist: ein individuelles und ein kollektives Produkt« (ebd.). Das Kapitel enthält eine Untersuchung von Rahmungen, welche die Alltagspraxis der Salonbetreiber/-innen bestimmen. Die Analyse spitzt sich im Verlauf der Unterkapitel zu, von historischen Betrachtungen hin zur Gegenwart, und von

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

einer internationalen Betrachtung hin zur Situation von Afro Hair Salons in Deutschland. Kapitel 4 fokussiert auf das subjektive Erleben und Handeln von Salonbetreibenden innerhalb dieser Rahmenbedingungen: Was motiviert die Akteure/Akteurinnen, so zu handeln, wie sie handeln? Wie erleben sie ihre eigene Stellung? In welchen Kontexten sehen sie welche Handlungsmöglichkeiten für sich? Welche Bewältigungsstrategien entwickeln sie? Und wie gestalten sie gesellschaftliche Rahmenbedingungen mit, um und ggfs. auch neu? Die Chronologie der Analysekapitel entspricht nicht dem tatsächlichen Vorgehen in der Auswertung. Vielmehr wurden Fallanalysen sowie Rahmenbedingungen parallel erarbeitet, insofern eine Trennung beider Bereiche in der Auswertungsphase aufgrund ihrer gegenseitigen Bedingtheit nicht sinnvoll erscheint. Erst durch die Analyse der einzelnen Fälle wurde die Relevanz bestimmter Rahmenbedingungen deutlich. Daraufhin beschloss ich, die auf Basis der Fallanalysen ausgewählten Rahmenbedingungen separat darzustellen. Die Separierung von Fallanalysen und Rahmenbedingungen in der Ergebnisdarstellung erfüllt den Zweck einer Veranschaulichung, wenngleich sich die Rahmenbedingungen in den Fallanalysen in Kapitel 4 stetig niederschlagen und damit auch dort Erwähnung finden. Kapitel 5 verbindet die Erkenntnisse der Kapitel 3 und 4 unter einem analytischen Dach. In einer Typologie werden die Umgangsweisen der Salon­be­treiber/ -innen mit sozialer Ausgrenzung vertieft.

2.2  A gencykonzep te

als me thodologisches

F undament

Der methodologischen Konzipierung liegt das in Kapitel 1 dargelegte Forschungsinteresse bezüglich der Inkorporation von Afro Hair Salons in gesellschaftliche Strukturen in Deutschland zu Grunde. Es leitet die Frage danach, mit welchem methodologischen Gerüst und welchen Erhebungs- und Auswertungsmethoden die Anliegen der Studie am besten befriedigt werden können (vgl. Honer 1993, S. 89). Methodologisch wird die Forschungsfrage mit Agencykonzepten untermauert. Der Begriff ›Agency‹ bezieht sich auf die fundamentale Frage sozialwissenschaftlicher Forschung, wie menschliches Handeln denkbar ist und in welcher Relation es zu einer sozialen Umgebung steht (vgl. Raithelhuber 2012, S. 123). Agency­methodologien gehen diese Frage in unterschiedlicher Art und Weise an (vgl. Helfferich 2012, S. 9f.). Während Ungleichheitstheoretiker/-innen die konditionierende Kraft sozialer Zusammenhänge betonen, fokussieren Handlungstheoretiker/-innen auf den Autonomiespielraum von Akteuren/Akteurinnen. In dieser Studie wird eine interaktional-relationale Perspektive vertreten, die sich sowohl von einer rein individualistischen als auch von einer rein struk-

Methodologie und Methode

turalistischen Sichtweise abgrenzt. Agency wird als »Charakteristikum eines Gesamtmilieus« (Raithelhuber 2012, S. 142) und »Moment sozialer Strukturen und Prozesse« (Scherr 2012, S. 103) verstanden und analysiert. Für die Analyse von Rahmenbedingungen und des Erlebens der Salonbetreiber/-innen reicht ein Ansatz, der auf strukturelle Wirkmuster sozialisatorischer Prägungen und/oder universelle kognitive Strukturen gerichtet ist, nicht aus. Ferner genügt ein diskursanalytischer Zugang, der die Produktion von Subjekten im Kontext machtvoller Diskurse analysiert, alleine nicht. Auch ein dokumentenanalytischer Zugriff zur Rekonstruktion institutioneller Ordnungsstrukturen ist zu wenig. Stattdessen werden diese Ansätze kombiniert, um das Feld Afro Hair Salons hinsichtlich seiner Agency stiftenden oder verhindernden Prozessierungen zu dechiffrieren. Dabei ist unabdingbar, die multiplen Machtkonstellationen und Deutungsmuster wirtschaftlicher, politischer und kultureller Art zu berücksichtigen. Diese wirken auf das Afrohairbusiness ein und können einen Einfluss auf die Handlungsspielräume von Akteuren/Akteurinnen haben (vgl. Glick Schiller/Çağlar 2011, S. 191). Um diesen Einfluss zu erfassen, werden die Perspektiven der Salonbetreibenden rekonstruiert, d.h. ihr Umgang mit und ihre Deutung dieser nicht als fix betrachteten Handlungsspielräume. Hiermit geht zum einen eine Abkehr von Positionen einher, nach denen das Handeln von Individuen durch die erfahrene Sozialisation strukturell determiniert werde (vgl. Raithelhuber 2012, S. 126), zum anderen von Darstellungen rein subjektiver Sichtweisen (zu einer Kritik an einem solchen Vorgehen vgl. Oevermann 2002, S. 2). Vielmehr fokussiert die Studie auf dynamische Strukturgebilde, die von Individuen konstituiert werden, das subjektive Agieren beeinflussen und in Machtfeldern angesiedelt sind, welche Agency ermöglichen oder (gleichzeitig) einschränken können (vgl. Homfeldt/Schröer/ Schweppe 2006). In der Objektiven Hermeneutik ist das Anliegen der Auswertung in der Regel die Rekonstruktion von Strukturen, welche die Wirklichkeiten und Handlungen von Subjekten beeinflussen und nicht zwingend »an eine bewußtseinsmäßige Repräsentanz ontologisch gebunden [sind]« (Oevermann 2010, S. 28). Diese Strukturen werden unter dem Begriff der latenten Sinn- und objektiven Bedeutungsstrukturen gefasst und beziehen sich z.B. auf die Bereiche der sprachlichen, kognitiven, affektiven und moralischen Entwicklung des Menschen (vgl. Garz 1984). In der vorliegenden Studie stehen die von Menschen konstituierten veränderlichen und dynamischen Strukturen im Mittelpunkt, die sich in Normen und kollektiven Vorstellungen niederschlagen. Diese Strukturen sind in Oevermanns Unterscheidung zwischen unveränderlichen Strukturen und veränderlichen sozialen Deutungsmustern analog zu letzteren zu verstehen. Soziale Deutungsmuster werden als »Weltinterpretationen mit generativem Status gedacht […], die prinzipiell entwicklungsoffen sind. Im Unterschied zu den Regelsystemen der Linguistik und […] der kognitiven

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

Entwicklung handelt es sich […] nicht um erkenntnisanthropologisch universelle Strukturen, sondern um historisch wandelbare, je ›unfertige‹ Systeme« (Oevermann 1973, S. 9).

2.3  M e thodisches V orgehen Die methodologischen Überlegungen zu Agency münden in einem ethnografischen Methodendesign, das ein Eindringen in den zu untersuchenden Forschungsgegenstand erfordert. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass ein lebensweltnahes Vorgehen intensive Einblicke in die Lebensweisen, Deutungen und Praktiken der Salonbetreibenden und des Afrohairbusiness ermöglicht (vgl. Friebertshäuser/Panagiotopoulou 2010, S. 301). Ich suchte Afro Hair Salons auf, führte Beobachtungen und Interviews durch, sprach mit Salonbetreibenden und Gästen und sammelte alltagsgegenständliches Material. Darüber hinaus rechne ich die Klärung von historischen, medialen und rechtlichen Rahmenbedingungen des Feldes dem Verfahren der Ethnografie zu. Ziel der Ethnografie ist es, plurale Perspektiven auf das Afrohairbusiness zu generieren und eine Beschränkung und vorschnelle Engführung des eigenen Blicks zu vermeiden (vgl. Beer 2008, S. 11).

2.3.1  Die ethnografische Erhebungsphase Die Entscheidung für ein ethnografisches Erhebungsdesign begründet sich – neben dem Ziel, in die Lebenswelt einzutauchen – aus meinen Erfahrungen im Rahmen einer Studie zu sozialen Untersützungsstrukturen in einem Afro Hair Salon im Jahr 2009 (vgl. Schmitt 2011, 2012). Im Lauf der damaligen Feldforschung stellte ich fest, dass sich ethnografische Methoden wie die teilnehmende Beobachtung innerhalb des Afro Hair Salons bewährten. Sie passten zu der Gesprächskultur der Lokalität. Die Erhebung ermöglichte mir nach intensiven Aufenthalten im Feld tiefe Einblicke in die Lebenswelt und ich wurde in vertrauensvolle Gespräche eingebunden, was zu Beginn der Forschung nicht möglich war. Geleitet von dieser Erfahrung, entschied ich mich erneut für ein ethnografisches Vorgehen.

2.3.1.1  Erhebungsverfahren Das Erhebungsdesign zeichnet sich durch folgende Erhebungsmethoden aus, die im Einzelnen vorgestellt und in ihrer Auswahl begründet werden: • Teilnehmende Beobachtung, • Informelle Gespräche, • Qualitative Interviews,

Methodologie und Methode

• Sammlung alltagsgegenständlichen Materials sowie • Recherche von Zeitungsartikeln und Medienberichten. Teilnehmende Beobachtung Während der gesamten Feldphase wurden teilnehmende Beobachtungen durchgeführt und protokolliert. Die Einwilligung zur Durchführung erhielt ich in drei von fünf Afro Hair Salons während der ersten Kontaktaufnahme. In einem Salon wurde meine Bitte abgeschlagen, da die Salonbetreiberin individuelle Termine mit ihren Kundinnen vereinbart, die ungestört sein möchten. Dieser Wunsch liegt der Betreiberin zufolge darin begründet, dass es sich bei der Mehrzahl ihrer Kundschaft um Prostituierte handelt, die unerkannt bleiben wollen (vgl. Kap. 4.3). In einem anderen Salon wurde ich von den Mitarbeiterinnen vertröstet und dann von der Betreiberin ohne Begründung abgeblockt. Wie ich von einer Kontaktperson erfuhr, die den Salon sehr gut kennt, stand der Salon zum damaligen Zeitpunkt kurz vor der Schließung, weshalb die Betreiberin sehr belastet gewesen sein mag. Das Beobachten in den drei Salons, in welchen ich eine Einwilligung erhalten hatte, gestaltete sich unkompliziert. Alle drei Betreiber/-innen gaben mir zu verstehen, dass ich ihre Salons stets aufsuchen könne. Während zwei der Salons öffentlich im Stadtbild präsent sind, frisiert eine Betreiberin – Frau Assogba1 (vgl. Kap. 4.2) – in ihrer Wohnung und verfügt über keine angemieteten Gewerberäume. Mit Frau Assogba hielt ich intensiven Kontakt über Telefon und das Onlineportal Facebook. Sie informierte mich stets, wenn sie Kundschaft erwartete und diese mit meinem Beisein einverstanden war. Über diese drei Salons hinaus besuchte ich Afro Hair Salons, in denen ich kurzzeitige teilnehmende Beobachtungen durchführte. Die zu Beginn explorativ und breit angelegten Beobachtungen dienten dazu, eine Orientierung im Feld zu erhalten, d.h. die Betreiber/-innen und Mitarbeiter/-innen sowie Kundschaft kennenzulernen und einen Einblick in den Arbeitsalltag zu bekommen. Mit der Zeit spitzte sich mein Beobachtungsfokus durch den Kontakt mit dem Untersuchungsfeld zu (vgl. Friebertshäuser 1997, S. 522) und ich achtete besonders darauf, welche Kundschaft den Salon genau aufsuchte, wie sich die Betreiber/-innen gegenüber der Kundschaft verhielten, welche Gerätschaften verwendet und welche Frisuren angeboten wurden. Von November 2010 bis September 2012 führte ich 110 Beobachtungseinheiten durch, die kurze Telefonate sowie E-Mailkorrespondenzen ebenso umfassten wie bis zu zehnstündige Frisiersitzungen. Die Hauptphase fand im Winter 2010 sowie Frühjahr und Sommer 2011 statt. Ab Herbst 2011 hielt ich 1 | In der Studie werden zur Wahrung der Anonymität der befragten Personen Pseu­ donyme verwendet (vgl. auch Kapitel 2.3.2).

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zwar noch Kontakt zu allen Salonbetreibenden, verfolgte aber primär, wie die Salonbetreiberin Assogba ihren Salon mehr und mehr etablierte und sich stetig weiterbildete. Alle Beobachtungseinheiten schrieb ich in einem Feldtagebuch nieder. Gelegentlich war es mir während meiner Feldaufenthalte möglich, Notizen oder Aussagen von Akteuren/Akteurinnen auf einem kleinen Schreibblock festzuhalten. In der Regel notierte ich das Geschehen jedoch nach dem Feldkontakt, um die natürlichen Interaktionen in den Salons nicht zu stören oder sprach den Verlauf des Geschehens und meine Gedanken auf ein Aufnahmegerät ein (vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2010, S. 67). Die Aufnahme diente mir als Grundlage für die Niederschrift. In der Protokollierung achtete ich darauf, das Gesehene und Gehörte ohne Wertungen und Interpretationen aufzuschreiben, um nicht meine eigenen Deutungen und Sichtweisen zu verschriftlichen. An der Methode der Beobachtung wird häufig kritisiert, dass sie sich nicht als Erhebungsverfahren eigne, da die Verschriftlichungen durch die Subjektivität ›verfälscht‹ seien. Oevermann (2001, S. 63) spricht gar von einer »Kontamination«. Dieser Kritik begegnete ich durch eine Trennung von Schilderungen und ersten Interpretationen in der Niederschrift. Erste analytische Gedanken und sich ergebene Fragen hielt ich separat in Memos fest, die als andere Textart von den deskriptiven Protokollen abzugrenzen sind. Dem Vorwurf, ausschließlich eigene Deutungen und weniger die Perspektiven der interessierenden Akteure/Akteurinnen widerzugeben, kann entgegenet werden, dass die Beobachtungen primär dazu dienen, Handlungsabläufe zu rekonstruieren und einen Einblick in Alltagsroutinen zu erhalten – also Zugang zu Wissen, das von den Interviewpartnern nicht ausgeführt wird. Sie ergänzen die Interviews und Gespräche mit Salonbetreibenden und Gästen und werden mit den Ergebnissen der Fallrekonstruktionen auf Basis von Transkripten abgeglichen und verbunden. Das tiefe Eintauchen in das Feld und die eigenen subjektiven Felderfahrungen werden nicht als Defizit, sondern als Bereicherung der Forschung verstanden. Informelle Gespräche Während der teilnehmenden Beobachtungen ergaben sich informelle Gespräche mit Kunden/Kundinnen, Salonbetreibenden und Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen. Als informelle Gespräche werden alle sich aus dem Kontext natürlich ergebenden Fragesituationen bezeichnet. Ein formelles Interview grenzt sich davon durch seine terminliche Vereinbarung und Vorstrukturierung ab. Informelle Gespräche können sich »so ziemlich auf alles einer Kultur oder Gruppe beziehen […]. Dabei ist es nicht bloß der Forscher, der Fragen stellt, sondern auch der Gesprächspartner […]. Denn auch dieser will vielleicht wissen, was der Forscher so treibt« (Girtler 2001, S. 147).

Methodologie und Methode

Die Teilnahme an und Beobachtung von informellen Gesprächen machten einen Großteil meiner Erhebungsphase aus, was mit der Spezifik der untersuchten Salons zusammenhängt. Die angebotenen Frisuren wie Weaves oder Braids, die vorwiegend von Frauen gewünscht werden, dauern in ihrer Anfertigung häufig mehrere Stunden. Kundinnen, Mitarbeiter/-innen und Betreiber/innen halten sich entsprechend lange in den Salons auf. Während des Zusammenseins liefen zahlreiche Gespräche ab, in die auch ich involviert wurde oder mich selbst involvierte. Meine Anwesenheit als Forscherin wurde in der Regel nicht als störend empfunden. Die Gespräche dienten als besondere Erkenntnisquelle. Um mir den Feldzugang nicht wieder zu verschließen, partizipierte ich einige Zeit, ohne danach zu fragen, ob ich mein Aufnahmegerät einschalten dürfe. Aufgrund der wechselnden Kundschaft war es mir nicht möglich, zu allen Kunden/Kundinnen ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, wie ich es mit den Betreibenden versuchte. Dennoch fragte ich in Situationen, in denen ich die Kundschaft als aufgeschlossen einschätzte oder bereits mehrfach angetroffen hatte, ob ich mein Aufnahmegerät einschalten dürfe. Die Mehrheit der Kunden/Kundinnen gab mir zu verstehen, dass dies nicht erwünscht sei. Zugleich wurde mir aber gestattet, bei den Gesprächen dabei zu sein und Inhalte anonymisiert zu protokollieren (vgl. Beobachtungsprotokolle 20, 24, 53, 75). Ein Grund für die Verwehrung von Aufnahmen könnte in dem persönlichen Gehalt der Gespräche liegen und der Angst davor, trotz Zusicherung der Anonymisierung auf einem Tonband über die Stimme identifizierbar zu sein. Ich konnte beobachten, dass in Salons über Behördenbriefe, Urlaube in Herkunftsländern oder die Familie gesprochen wurde (vgl. z.B. Beobachtungsprotokolle 6, 10, 21, 23, 38). Während der gesamten Erhebungsphase gewährten mir zwei Kundinnen das Einschalten des Aufnahmegeräts. Aufnehmen konnte ich erstens eine Interaktion der Frisierenden Sophie Assogba mit einer US-amerikanischen Kundin (vgl. Beobachtungsprotokoll 82) sowie zweitens ein Gespräch mit einer Kundin aus Simbabwe in Herrn Ayeles Salon (vgl. Beobachtungsprotokoll 23). Alle anderen Kunden/Kundinnen, die ich um eine Zustimmung zu Tonaufnahmen bat, waren dem Aufnahmegerät gegenüber sehr skeptisch, wenngleich sie im informellen, nicht aufgenommenen Gespräch Informationen preisgaben. Auf die Notwendigkeit eines sensiblen Umgangs mit wissenschaftlichen Befragungs­ situationen machen auch Niedrig und Schröder (2003, S. 94) auf­merk­sam. In ihrer Studie zu afrikanischen Flüchtlingsjugendlichen in Ham­burg heben sie hervor, dass Personen, die bereits Erfahrungen mit Anhörungen vor dem Bundesamt für die Anerkennung von Flüchtlingen oder der Polizei haben, durch wissenschaftliche Gespräche und Interviews hieran erinnert werden könnten. Denkbar ist, dass ein Aufnahmegerät bei manchen Salongästen solche oder ähnliche Assoziationen evoziert. Niedrig und Schrö-

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der (2003) verzichteten in ihrer Studie darauf, Fluchtgründe und Fluchtwege gezielt zu erheben und vermieden ein sehr direktes Fragen und Nachfragen. Es gilt auch zu bedenken, dass meine Rolle als Forscherin eine Asymmetrie zwischen den beforschten Akteuren/Akteurinnen und meiner Person aufmachte, insofern ich in meiner Arbeit über die Macht verfüge, die beforschten Akteure/Akteurinnen in einer bestimmten Weise darzustellen. Darüber hinaus besuchte ich als Weiße Frau Orte, die zunehmend von einem heterogenen Publikum in Bezug auf Nationalität und Hautfarbe aufgesucht werden, aber primär Orte sind, an denen sich Migranten/Migrantinnen und mehrheitlich Schwarze aufhalten. Denkbar ist, dass ich als Weiße Frau jenen Menschen zugeordnet wurde, mit welchen viele der Akteure/Akteurinnen rassistische Er­ lebnisse verbinden. Diese Kombination von Merkmalen musste ich stets auf ein Neues reflektieren. Die Ethnologin Lentz und ihre Forschergruppe, die Netzwerke von afrikanischen Migranten/Migrantinnen in Frankfurt am Main analysierten, berichten über ein ihnen entgegengebrachtes Misstrauen: »Dieses […] reichte von konkreten Befürchtungen, daß die Studentin ein Spitzel der Gewerbeaufsicht oder der Ausländerpolizei war, bis hin zu einem Generalverdacht ge­ gen den Kulturimperialismus der Ethnologie« (Lentz 2003, S. 53).

Die Erfahrungen von Lentz und ihrer Gruppe halfen mir dabei, meine Erlebnisse in einen größeren Bedeutungszusammenhang einzubetten und nicht als situative Konstellation, sondern kollektive Erfahrung zu deuten, die in der machtspezifischen Relation meiner Person zu dem Untersuchungsfeld begründet liegt. So hält Lentz (2002, S. 13) an anderer Stelle fest: »Forschung zu afrikanischen Migranten [bewegt sich] in einem machtbesetzten, kon­ fliktträchtigen Feld […], in dem kaum jemandem erlaubt wird, ›einfach nur so‹, zweckund wertfrei, wissenschaftlicher Neugier zu frönen. Die Einbindung des Forschers in vertrauensbildende Netzwerke ist notwendiger, das Mißtrauen und die Kontrolle durch ›gatekeeper‹ sind stärker und die Forderungen nach Reziprozität ausgeprägter als in vielen anderen Forschungsfeldern«.

Die Reflexion über die Relation von Forschenden und Forschungsfeld macht verständlich, warum die Feldforschung und eine sensible Erhebungsmethodik wie informelle Gespräche besondere Aufmerksamkeit erfahren. Vor dem Hintergrund des machtstrukturierten Feldes schätze ich sehr, im Verlauf der Erhebung zunehmend mehr in informelle Gespräche eingebunden worden zu sein. Als Bedingung sehe ich retrospektiv eine Parteilichkeit gegenüber dem Feld an, die mir von den Akteuren/Akteurinnen abverlangt wurde (vgl. hierzu auch Sackstetter 1984, S. 175f.). Dies zeigte sich beispielsweise daran, dass mir eine Salonbetreiberin Fragen zu meiner Einstellung gegenüber

Methodologie und Methode

den Äußerungen Angela Merkels im Herbst 2010, dass der Multikulturalismus in Deutschland gescheitert sei, stellte und meine politische Verortung auslotete (vgl. Beobachtungsprotokoll 15). Die überwiegend nicht auf Tonband aufgenommenen informellen Gespräche protokollierte ich in meinem Feldtagebuch. Die Gespräche fanden auf Deutsch, Englisch oder Französisch, je nach Sprachwahl der Gesprächspartner/-innen statt. Unterhielten sich Salongäste in Wolof, Ashanti oder Tigrinya war ich aufgrund meiner Unkenntnis dieser Sprachen aus dem Gespräch ausgeschlossen (vgl. z.B. Beobachtungsprotokolle 4, 5, 32, 46, 52, 99). Meine Partizipation unterlag also einer gewissen Beschränkung meinerseits und der Bereitschaft der Gesprächspartner/-innen, mich einzubeziehen. Über die Salons hinaus nutzte ich die Gelegenheit zu Gesprächen mit Personen, die ich jenseits des Salonalltags begleiten konnte. Hier ist besonders die Friseurin Sophie Assogba zu nennen, die mich mitnahm, als sie Friseurzubehör in Afro Shops und Salons einkaufte (vgl. z.B. Beobachtungsprotokolle 29, 74, 97) und sich in London in einer Braidingschule weiterbildete (vgl. Beobachtungsprotokolle 54-58). Aufgrund des besonders intensiven Kontakts und dem sich herauskristallisierten Vertrauensverhältnis gestattete mir Frau Assogba – im Gegenzug zu der Mehrheit der Salonkundschaft –, einige der informellen Gespräche mit ihr aufzunehmen. Qualitative Interviews Während mir eine Aufnahme von Gesprächen in den Salons bis auf eine Ausnahme nicht möglich war, erlaubten mir die Salonbetreibenden, Interviews mit ihnen durchzuführen. Dies kann damit zusammenhängen, dass sie in ihrer beruflichen Rolle angesprochen wurden, während sich die Gäste über private Themen austauschten. Darüber hinaus hat der Salonbetreiber Ayele (vgl. Kap. 4.1) bereits Erfahrungen mit wissenschaftlichen Studien gesammelt, da ihn in der Vergangenheit ein Student für eine Abschlussarbeit im Fach Chemie zu den Inhaltsstoffen von Haarpflegeprodukten befragte (vgl. Beobachtungsprotokoll 1). Nähe zur Wissenschaft weist ebenso die Salonbesitzerin Assogba auf (vgl. Kap. 4.2), die einen Hochschulabschluss in Jura und Kenntnis darüber besitzt, wie wissenschaftliche Studien ablaufen. Eine weitere Salonbetreiberin, Frau Damale (vgl. Kap. 4.3), plant, zukünftig selbst ein Studium aufzunehmen und ist möglicherweise weniger skeptisch mir gegenüber gewesen, da sie mich im universitären Kontext zu verorten wusste. Neben den Salonbetreibenden interviewte ich Kunden/Kundinnen, die bereit waren, mir ein Interview zu geben, eine Salonmitarbeiterin, eine ehemalige Salonangestellte, Frauen, die in ihren Wohnungen zu Hause frisieren und eine Mitarbeiterin einer Gründungsberatung, die sich auf die Förderung migrantischer Betriebe in dem Untersuchungsraum spezialisiert hat. Die Interviews wurden an unterschiedlichen Orten – in den Salons, bei den Akteuren/Akteurinnen zu Hause oder in Cafés – durchgeführt. Die Wahl der Lokalität war den Inter-

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viewten überlassen, um sicherzustellen, dass sie sich an den Orten wohlfühlen und eine entspannte Atmosphäre entstehen konnte. Die Interviews sind dem qualitativen Erhebungstyp zurechnen. Im Gegensatz zu standardisierten Fragebögen mit festem Frageschema haben sie zum Ziel, den Interviewten Raum für eigene Narrationen und Deutungen einzuräumen und sie die kommunikativen Abläufe mitbestimmen zu lassen (vgl. Rosenthal 2013, S. 15). Der Vorteil liegt darin, dass durch ein möglichst offenes Vorgehen die subjektiven Sichtweisen der Interviewten zutage treten können und nicht durch ein hoch strukturiertes Fragemuster unterdrückt werden. Die Interviews unterscheiden sich je nach zu interviewender Personengruppe (Betreibende, Kundschaft, Expertin im Feld) und Interviewkontext in ihrer Konzipierung, weshalb sie einzeln vorgestellt werden. Interviews mit Salonbetreibenden Ich entwickelte für die Interviews mit Afro Hair Salonbetreibenden keinen starren Fragebogen, sondern fokussierte mein Interesse auf Narrationen zur Lebens- und Migrationsgeschichte sowie zur Gründung und Etablierung der Salons. Die offene Rahmung intendiert, Relevanzsetzungen der Betreibenden zu evozieren und die Perspektive der Akteure/Akteurinnen zu erfassen. Die kommunikative Interviewstruktur handelte ich gemeinsam mit den Interviewten aus. Dieses Vorgehen liegt in den Erkenntnissen meiner vorangegangenen und der vorliegenden Untersuchung begründet. Im Rahmen meiner Feldforschung im Jahr 2009 wollte ich eine Salonbetreiberin wie auch eine ihrer Mitarbeiterinnen und eine Kundin nach dem Verfahren des narrativen Interviews befragen und hierbei mit dem Erzählstimulus nach der eigenen Lebensgeschichte beginnen. Damals machte ich die Erfahrung, dass die Salonbetreiberin ein Interview ablehnte und die beiden Frauen nicht ihre Lebensgeschichte erzählten, sondern ein dialogisch ausgerichtetes Gespräch mit mir führten. Auch Prothmann (2009, S. 31), der Afro Shops in Hamburg analysierte, erklärt, dass Bitten um Interviews abgelehnt wurden und es schwierig war, biografische Informationen zu erhalten. Der Wunsch, nicht die eigene Lebensgeschichte preiszugeben, liegt möglicherweise darin begründet, dass viele der befragten Personen über Biografien verfügen, die von herausfordernden Ereignissen wie Krieg und Rassismuserfahrung geprägt sind (vgl. z.B. Beobachtungsprotokolle 10, 20, 46). So äußerte auch eine im Rahmen dieser Studie befragte Salonbetreiberin, ihre Lebensgeschichte nicht erzählen zu wollen, aber mit mir gerne über ihren Salon zu sprechen (vgl. Beobachtungsprotokoll 5). Trotz des hierauf fokussierten Interviews wies sie mich bei meinem nächsten Besuch in ihrem Salon darauf hin, Passagen des Interviews, in denen sie auf persönliche Momente ihrer

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Lebensgeschichte eingegangen war, nicht in der Studie zu verwenden2 (vgl. Beobachtungsprotokolle 8). Um mir den Feldzugang nicht durch ein mutmaßlich übergriffig wirkendes Vorgehen wieder zu verschließen, beschloss ich, die Interviewform in der weiteren Erhebungsphase im Vorfeld sowie in der Interviewsituation gemeinsam mit den zu Interviewenden auszuhandeln und auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Ich intendierte, die Bereitschaft zur Teilnahme an einem Interview zu steigern und ein gleichberechtigteres Verhältnis herzustellen (vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2010, S. 70). Ich arbeitete mit dem problemzentrierten Interview nach Witzel (1985, 2000). Hiermit sollen individuelle und kollektive Bedingungsfaktoren für eine von der Forscherperson wahrgenommene Problemstellung analysiert werden (vgl. Friebertshäuser 1997, S. 379). Im problemzentrierten Interview werden mittels eines offenen Erzählstimulus Narrationen zu einem bestimmten Themenbereich evoziert (vgl. Witzel 2000 [3]). Die Einstiegsfrage soll Raum für Narrationen bieten. Dem schließt sich ein Nachfrageteil, bestehend aus allgemeinen Sondierungen und Ad-hoc-Fragen an, die den im- und exmanenten Nachfragen im narrativen Interview ähnlich sind. Überdies kann von Verständnisfragen, Konfrontationsfragen und Zurückspiegelungen Gebrauch gemacht werden (vgl. ebd. [10]). Im Gegenzug zu der Schützschen Konzipierung des narrativen Interviews muss im problemzentrierten Interview keine idealtypische Reihenfolge der Nachfrageteile eingehalten werden. Vielmehr orientiert sich die Art der Nachfrage an der Interviewsituation: »Die Gesprächstechniken werden flexibel eingesetzt: Den Erfordernissen des Aufbaus einer befragten­z entrierten Kommunikationssituation folgend kann der Interviewer je nach der unterschiedlich aus­g eprägten Reflexivität und Eloquenz der Befragten stär­ ker auf Narrationen oder unterstützend auf Nachfragen im Dialogverfahren setzen« (Witzel 2000 [4]; vgl. auch Mey 2000, S. 143; Friebertshäuser 1997, S. 380).

Das problemzentrierte Interview ist für diese Studie besonders geeignet, da die Interaktion zwischen Interviewten und Interviewerin durch Machtunterschiede vorstrukturiert ist, die es situativ abzumildern und zu reflektieren gilt. Mehr als in anderen Interviewkontexten, in welchen Interviewer/-innen und Interviewte eine ähnliche biografische Rahmung aufweisen und das Feld weniger machthierarchisch aufgeladen ist, ist es im vorliegenden Fall notwendig, sensibel vorzugehen und eine angenehme Atmosphäre herzustellen. Honer 2 | Trotz der Skepsis in Bezug auf das Interview konnte ich im Salon der Betreiberin teilnehmende Beobachtungen durchführen. Ihre Aufforderung an mich, Informationen aus dem Interview nicht zu verwenden, führten dazu, dass die Betreiberin mit ihrem Salon nicht fallanalytisch dargestellt wird, sondern im Analyseteil selektiv Informatio­ nen aus Beobachtungen in ihrem Salon eingebunden werden.

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(2011, S. 98) spricht von einer Entdramatisierung der Fragenden-Antwortenden-Konstellation, »dadurch, dass der Gesprächsverlauf interaktiv, sozusagen ›Schritt für Schritt‹ entwickelt und das, was […] einem Gesprächspartner wichtig ist, vom Forscher auch […] als wichtig angesehen und behandelt wird«. Dieses offene Vorgehen impliziert, dass jedes Interview in seiner spezifischen Art der Kommunikation ein Unikat ist. Während ich Frau Assogba, die ich als sehr offene Person kennenlernte, fragte, ob sie ihre Lebensgeschichte erzählen könne, wurde das Interview mit Herrn Ayele mit der Bitte zur Erzählung der eigenen Migrationsgeschichte und Salongründung begonnen. Im Interview mit Frau Damale fragte ich zum Einstieg nach ihren ersten Erfahrungen mit dem Styling von Haaren und der Idee zur Salongründung. Da mir zum Zeitpunkt des Interviews unklar war, ob Frau Damale in Deutschland oder in einem anderen Land geboren wurde, äußerte ich die Frage nach dem Weg der Migration, wie ich sie Herrn Ayele gestellt habe, an dieser Stelle nicht, um die Akteurin nicht als Migrantin zu markieren und zu verletzen, sollte sie eine Schwarze Deutsche sein.3 Der Einfluss der Einstiegsfrage auf die Antwortmöglichkeiten wird in den Fallanalysen für jedes Interview ausführlich expliziert. Auch in Bezug auf die Interaktion zwischen Interviewtem und Interviewender unter­scheiden sich die Interviews teilweise. Das Interview mit Frau Assogba enthält ausgiebige Narrationen ihrerseits, während ich mich mit Frau Damale stellenweise in einem Dialog befand. Herrn Ayele stellte ich viel mehr Verständnisfragen. Trotz dieser Spezifika werden in allen Interviews die jeweilige Migrationsgeschichte, die Salongründung und die Etablierungsphase des Salons sichtbar. Unterschiede finden sich in den Relevanzsetzungen durch die Interviewten. Alle drei Interviews sind durch eine gewisse Lebendigkeit geprägt, die im Besonderen dazu dienlich ist, die Interviewatmosphäre aufzulockern und Deutungen der Befragten hervorzulocken (vgl. Oevermann 2001, S. 61). Die Lebendigkeit kam dadurch zustande, dass mir z.B. Frau Assogba ihre verwendeten Stylingprodukte in ihrem Badezimmer und eine PowerPoint-Präsentation zu ihrem Salonkonzept zeigte. Während des Interviews mit Herrn Ayele stießen gelegentlich Salongäste hinzu. Im Interview mit Frau Damale erhielt die Interaktion durch die starke Positionierung der Akteurin und konfrontative Fragen einen Charakter, der ihre eigene Position immer wieder hervorbrachte. Eine Verbindung konfrontativer und lebendiger Verfahren mit dem Anstoßen biografischer Narrationen war vor dem Hintergrund der Fragestellung besonders ertragreich, da hierdurch Handlungsabläufe, lebensgeschichtliche Informationen und Deutungsmuster der Akteure/Akteurinnen und ihr Erleben rekonstruiert werden konnten. Nach den Interviews verfasste 3 | Schwarze Deutsche werden aufgrund ihrer Hautfarbe gesellschaftlich häufig nicht als Deutsche anerkannt und leiden unter dieser Ausgrenzungserfahrung (vgl. z.B. Kampmann 1994).

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ich ein Postskriptum, in dem ich die Besonderheiten der Interviewsituation und den Interviewverlauf festhielt. Als Bestandteil des problemzentrierten Interviews schlägt Witzel zudem das anfängliche Ausfüllen eines Sozialdatenbogens vor. Hiervon nahm ich Abstand, da ich die Interviewten durch einen Ausfüllprozess nicht in eine passive Position bringen wollte, die einem behördlichen Vorgang gleicht. Stattdessen trug ich relevante Daten, die im Interview zur Sprache kamen oder die ich während der teilnehmenden Beobachtungen erfragte, selbst in die Sozialdatenbögen ein oder füllte den Bogen gemeinsam mit einem Salonbetreiber zu einem anderen Zeitpunkt aus. Interviews mit Salongästen Mit zunehmender Dauer meiner Feldforschung konnte ich mit sieben Salongästen problemzentrierte Interviews führen. Themen waren zum einen das Verhältnis zu Haaren sowie zum anderen die eigenen Salonerfahrungen. Die Wahl der Interviewörtlichkeit überließ ich den Salongästen. Die Interviews fanden in verschiedenen Cafés statt. Ein Gespräch wurde über Skype geführt. Da die Fragestellung der Studie primär auf die Salonbetreibenden fokussiert, wurden nicht alle Interviews mit Salongästen in die Analyse einbezogen, sondern Aspekte aus solchen Interviews integriert, die für den interessierenden Zusammenhang – wie das Afrohairbusiness in Deutschland wahrgenommen und wie Afro Hair Salonbetreibende ihre Position in Deutschland erleben – von Relevanz sind. Expertinneninterview mit einer Gründungsberaterin Im Verlauf meiner Feldforschung lernte ich eine Gründungsberaterin kennen, die Beratungsprogramme für migrantische Gründer/-innen anbietet und eine Schulung für Frauen und Männer mit afrikanischem Migrationshintergrund veranstaltete. Die Schulung wurde in Herrn Ayeles Afro Hair Salon, in dem ich teilnehmende Beobachtungen durchführte, an einem Schwarzen Brett beworben. Um aus Expertinnensicht zu erfahren, wie sich die Situation für Gründer/-innen im Afrohairbusiness in der untersuchten Region darstellt, führte ich mit der Beraterin ein Experteninterview nach Meuser und Nagel (1991) durch. Ziel des Interviews war, Kontextwissen über das Feld zu generieren (vgl. Meuser/Nagel 1991, S. 446; Przyborksi/Wohlrab-Sahr 2010, S. 133). Die Interviewte ist eine Expertin in Bezug auf das Erkenntnisinteresse der Studie, da sie »über ein Wissen verfügt, das sie zwar nicht alleine besitzt, das aber doch nicht jedermann bzw. jederfrau in dem interessierenden Handlungsfeld zugänglich ist« (Meuser/Nagel 1997, S. 484). Das Interview wurde mittels eines offenen Leitfadens geführt. Es umfasste Fragen nach der Gründungslandschaft für afrikanische Migranten/Migrantinnen im Untersuchungsraum, damit zusammenhängende Möglichkeiten und Barrieren für Gründer/-innen

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sowie persönliche Erfahrungen mit Gründern/Gründerinnen. In der Auswertung wurden thematische Einheiten herausgearbeitet und das »Überindividuell-Gemeinsame« (Meuser/Nagel 1991, S. 452) des Feldes rekonstruiert. Erkenntnisse dieses Interviews werden in Kapitel 6.3 mit Erkenntnissen der Fallanalysen zusammengeführt und vor dem Hintergrund sich stellender Herausforderungen für die Soziale Arbeit reflektiert. Sammlung alltagsgegenständlichen Materials Während der Erhebungsphase sammelte ich alltagsgegenständliches Material wie Werbeflyer von Salons, Zeitungsartikel und Visitenkarten. Ich fotografierte Anzeigen im Internet, Homepages der Salons und Diskussionen von Salonkunden/Salonkundinnen in Bewertungsforen ab und hielt die gegenständlichen Räume der Salons fotografisch fest. Teilweise sind jene Informationen ebenso wie das Interviewmaterial und die Beobachtungen in die Analysen integriert und dienen der Entwicklung und Untermauerung von Thesen. Recherche von Fernsehreportagen Um eine Analyse medialer Darstellungen von Afro Hair Salons und ihrer Betreibenden in die Studie aufnehmen zu können, recherchierte ich nach Reportagen im deutschen Fernsehen, in denen Afro Hair Salons und/oder Afro Shops eine Rolle spielen. Um an Material zu gelangen, schrieb ich zum einen Fernsehsender mit der Bitte an, in ihren Archiven nachzusehen, ob sie Sendungen zu Afro Hair Salons ausgestrahlt haben. Zum anderen recherchierte ich im Internet, um herauszufinden, in welchen Sendungen Afro Hair Salons bereits Gegenstand der Betrachtung waren. Da ich selbst keinen Zugang zu den Archiven aller Fernsehstationen hatte, wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Vielmehr soll die Analyse von Sequenzen aus den vorliegenden Sendungen einen ersten Eindruck in die Repräsentationen von Unternehmern/Unternehmerinnen mit afrikanischem Migrationshintergrund geben.

2.3.1.2  Verlauf der Feldforschung und Fallauswahl Zu Beginn meiner Forschung recherchierte ich im Internet und durch Stadtteilbegehungen nach Afro Hair Salons im Untersuchungsraum und befragte dort wohnhafte Personen, ob sie Afro Hair Salons kennen. Ich erstellte eine Liste von Afro Hair Salons sowie Afro Shops, in welchen teils ebenfalls frisiert wird. Im Vorfeld zu meiner ersten Kontaktaufnahme mit Salonbetreibenden fertigte ich Flyer für die Kundschaft an und hoffte, sie in den Salons auslegen zu können. Auf den Flyern erklärte ich, dass ich mich für Afro Hair Salons und die Erfahrungen von Kunden/Kundinnen interessiere und nannte meine beruflichen Kontaktdaten. Am 12. Oktober 2010 stellte ich die ersten Feldkontakte in einer Stadt des urbanen Untersuchungsraumes her, in der viele Salons verzeichnet sind. Ich besuchte vier Afro Hair Salons und drei Afro Shops. In

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zwei der Salons konnte ich kurz mit den Betreibenden sprechen. Mit beiden verblieb ich, dass ich sie telefonisch kontaktieren würde, um einen Termin für ein Treffen zu vereinbaren. In den beiden anderen Afro Hair Salons waren die Betreiber/-innen nicht anwesend, weshalb mir Mitarbeiter/-innen die Visitenkarten mitgaben. In einem der drei besuchten Afro Shops erlaubte mir die Betreiberin die Auslage meiner Flyer, die beiden anderen lehnten dies mit einem Verweis auf den fehlenden Platz hierfür bzw. mit dem Hinweis ab, ich solle doch direkt in die Salons gehen (vgl. Beobachtungsprotokoll 1). Während der ersten Kontaktherstellung fielen mir bereits Unterschiede in den besuchten Salons auf: Der Salon des Betreibers Aron Ayele verfügt über keinerlei Sitzfläche außer für die wartende Kundschaft. Einen Großteil des Salons macht neben den Frisierbereichen für Herren und Damen eine größere Verkaufsfläche für Produkte aus. Im Gegensatz dazu findet sich im Salon der Betreiberin Sylvie Jassey eine kleine Verkaufsvitrine. Der Hauptanteil des Raumes wird von Frisierstühlen, Spiegeln und notwendigem Equipment eingenommen. Neben dem Frisierraum gibt es eine Couchecke sowie eine Kochnische (vgl. Beobachtungsprotokolle 1, 5). Zusätzlich zu den differenten räumlichen Nutzungen und Anordnungen unterscheiden sich die Salonnamen: Frau Jassey spricht mit ihrem Salonnamen gezielt Kundschaft mit Afrohaar an, während Herrn Ayeles Salon über eine allgemeine Bezeichnung verfügt, in der sich keine Zusätze wie ›Afro‹ oder ›black‹ wiederfinden. Aufgrund dieser augenscheinlichen Unterschiede und der Bereitschaft beider Betreibenden, an meinem Forschungsvorhaben zu partizipieren, beschloss ich, meine teilnehmenden Beobachtungen in diesen beiden Salons zu beginnen. Sie standen in der Zeit von Oktober 2010 bis Januar 2011 im Zentrum meiner Beobachtungen. In dieser ersten Erhebungsphase schrieb ich Beobachtungsprotokolle nieder und führte Interviews mit beiden Salonbetreibenden, ein Kurzinterview mit einer Mitarbeiterin sowie erste Interviews mit Kunden/Kundinnen. Als Beobachterin brachte ich mich in viele Gespräche ein oder wurde involviert. Meine Vetrauenswürdigkeit suchte ich durch Hilfstätigkeiten zu untermauern, wenn Bedarf bestand: Ich unterstützte in Herrn Ayeles Salon beim Einsortieren des Wareneingangs in die Verkaufsregale und bekam zugleich einen guten Einblick in das angebotene Sortiment. Die Tätigkeit bot die Gelegenheit zur Kommunikation mit den Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen und wurde von dem Betreibenden begrüßt (vgl. Beobachtungsprotokolle 24, 39). Im Salon von Frau Jassey half ich bei der Bespaßung und Betreuung ihres Neffen und ihrer Nichte, die sich regelmäßig im Salon aufhielten, oder reichte den Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen Frisierutensilien an ihren Platz. Die längeren Feldphasen brachten es mit sich, dass ich tiefe Einsichten in den Salonalltag bekam und zum gemeinsamen Essen in der Couchecke von Frau Jasseys Salon eingeladen wurde (vgl. Beobachtungsprotokolle 46, 53), mit Herrn Ayele seinen selbst produzierten Honigwein oder Anisschnaps trank und mit ihm

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nach Geschäftsschluss plauderte (vgl. Beobachtungsprotokolle 7, 11, Transkript Interview Ayele). Der intensive Kontakt mit den Betreibenden ging einher mit einer stetigen Aushandlung der Interaktionen mit der Kundschaft. Mit Kunden/Kundinnen konnte ich während ihrer Termine sprechen, teils spürte ich, dass ein Dialog erwünscht (vgl. z.B. Beobachtungsprotokolle 11, 20, 23, 36, 87) oder eben nicht erwünscht war (vgl. Beobachtungsprotokolle 4, 24). Mal konnte ich lebhafte Frisierenden-Kunden/Kundinnen-Interaktionen verfolgen und wurde selbst in diese involviert, mal herrschte dagegen Stille. Der Kontakt zu den Salonmitarbeitern/Salonmitarbeiterinnen gestaltete sich ebenfalls unterschiedlich: Trotz lebhafter Gespräche mit ihnen gab mir ausschließlich Frau Jasseys Schwester ein kurzes Interview (vgl. Beobachtungsprotokoll 12). Andere Mitarbeiter/-innen vertrösteten mich sowohl in Herrn Ayeles als auch in Frau Jasseys Salon (vgl. Beobachtungsprotokolle 18, 21, 23, 24). Sie waren jedoch bereit, ohne die Anwesenheit eines Aufnahmegeräts mit mir über ihre Friseurausbildungen oder die Bewerbung auf ihre jetzige Stelle zu sprechen (vgl. Beobachtungsprotokolle 6, 23, 24, 39). Mir wurde deutlich, dass sie mich nicht prinzipiell als Person oder in meiner Forscherinnenrolle ablehnten, sondern dass vielmehr ein Interview nicht in allen Fällen eine angemessene Methode darstellte. Diese These kann dahingehend untermauert werden, dass mir stets sehr freundlich begegnet wurde, mich eine Mitarbeiterin in Herrn Ayeles Salon gar zu ihrer Hochzeitsfeier einlud (vgl. Beobachtungsprotokolle 79, 83, 86) und sich Mitarbeiter/-innen sowohl in Herrn Ayeles als auch in Frau Jasseys Salon die Zeit nahmen, mir basale Fertigkeiten im Zopfflechten zu vermitteln (vgl. Beobachtungsprotokoll 39, 46). Im Herbst 2010 und Winter 2010/2011 recherchierte ich im Internet nach weiteren Salons und stieß auf Online-Foren, in denen sich vorwiegend Frauen darüber austauschten, wo ihrer Meinung nach qualitativ hochwertige Afro Hair Salons in Deutschland zu finden seien (vgl. Postskriptum Interview Assogba). Neben einer Diskussion über formell im Stadtbild sichtbare Salons erfuhr ich, dass es ›Wohnzimmersalons‹ gibt, die von Frauen in ihren Wohnungen betrieben werden. Auf einer Onlineplattform stieß ich auf ein Inserat eines Mannes, der angab, eine gute Afrohairstylistin zu kennen, die in ihrem Zuhause Afrofriseurdienstleistungen anbietet. Ich vermutete, dass sich der Salon von Salons im Stadtbild unterscheidet. Vor dem Hintergrund meines Ziels, eine möglichst kontrastive Fallauswahl zu treffen, entschied ich mich dazu, die Frau zu kontaktieren (vgl. Beobachtungsprotokoll 14). Ich schrieb ihr eine Nachricht an die im Onlineforum bekannt gegebene E-Mailadresse und traf sie am 21. Januar 2011 zum ersten Mal in ihrer Wohnung, in der wir ein Interview führten. In Folge dieses ersten Treffens gestattete mir die Saloninhaberin namens Sophie Assogba, während ihrer Termine mit Kunden/Kundinnen dabei sein (vgl. z.B. Beobachtungsprotokolle 75, 87) und ihre Marketingstrategien,

Methodologie und Methode

wie das Verteilen von Flyern auf der Straße, aber auch ihr Onlinemarketing, zu beobachten (vgl. z.B. Beobachtungsprotokolle 16, 20; Transkript Flyerverteilen). Im Februar 2011 begleitete ich sie zu einem Existenzgründerworkshop und im April 2011 zu einer Weiterqualifizierung nach London (vgl. Beobachtungsprotokolle 54-58). Sie ermöglichte mir zu verfolgen, wie sie ihren anfänglich kleinen Salon weiterentwickelte und Kundschaft akquirierte. Die Phase der Beobachtung und Begleitung Frau Assogbas verlief zunächst parallel zu meinen Beobachtungen in Herrn Ayeles und Frau Jasseys Salon, die ich jedoch von April 2011 an reduzierte. Zum einen hatte ich ausreichend Material gesammelt und Interviews geführt, zum anderen stellte sich eine Beobachtung in drei Salons gleichzeitig als nicht weiter umsetzbar heraus. Während der Beobachtungsphase in Frau Assogbas beruflichem Umfeld lernte ich zwei Frauen kennen, die in ihren Wohnungen zu privaten Zwecken frisieren und welche ich interviewen konnte (vgl. Beobachtungsprotokolle 35, 48). Gemeinsam mit der Salonbetreibenden besuchte ich weitere im Stadtbild sichtbare Afro Shops und Afro Hair Salons, sodass ich in die im Fokus stehenden Fälle breitere Einblicke erhielt. In umgekehrter Weise suchte die Hairstylistin, meine Anwesenheit für sich nutzen und bat mich in alltäglichen Dingen um Hilfe – wie um das Verfassen einer Anzeige in deutscher Sprache, um Anrufe, die auf Deutsch geführt werden mussten (vgl. z.B. Beobachtungsprotokolle 74, 75) sowie um Unterstützung in der Recherche nach Statistiken zu afrikanischen Migranten/ Migrantinnen im Untersuchungsgebiet (vgl. Beobachtungsprotokoll 45). Auf ihre Bitte hin begleitete ich eine ihrer Freundinnen zur Arbeitsagentur und half dieser, die behördlichen Anforderungen zu verstehen. Als Herausforderung empfand ich das so aufscheinende Erfordernis, eine Balance zwischen Unterstützung und Forschungstätigkeit zu entwickeln. Auf der einen Seite nutzte ich die an mich herangetragenen Wünsche, um der Akteurin für ihre Mitwirkung an meiner Studie etwas zurückzugeben; zugleich sah ich mich in der Phase des Übergangs von der Feldforschung hin zu einer intensiven Arbeit am Schreibtisch gezwungen, sie an externe Stellen zu verweisen, die ihr behilflich sein können. Neben den Salonbetreibenden Ayele, Jassey und Assogba habe ich im Februar 2011 Kontakt mit Frau Damale aufgenommen – einer Salonbetreiberin, die ich während meines ersten Besuchs in ihrem Salon nicht persönlich angetroffen hatte. Ein Mitarbeiter hatte mir ihre Visitenkarte gegeben und erläutert, dass Frau Damale nur dann in ihrem Salon sei, wenn sie einen Termin mit einer Kundin habe (vgl. Beobachtungsprotokoll 1). Da sich dieses Konzept von dem der permanent geschäftigen und zugänglichen Salons von Herrn Ayele und Frau Jassey unterscheidet und – wie im Fall von Frau Assogba – auf eine ausschließliche Interaktion zwischen einer Kundin und der Hairstylistin zielt, kontaktierte ich Frau Damale telefonisch. Sie stimmte einem Interview zu. Teilnehmende Beobachtungen konnte ich nicht durchführen, da viele der

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Kundinnen als Prostituierte arbeiten und während ihrer Termine im Salon ungestört sein möchten. Die Feldforschung dauerte von Oktober 2010 bis Herbst 2012 an. Die intensivste Phase mit mehreren Beobachtungseinheiten pro Woche bestand im Zeitraum von November 2010 bis Juni 2011. Das generierte Materialkorpus setzt sich aus den in Tabelle 2 aufgelisteten Elementen zusammen. Tabelle 2: Erhobenes Material Salonbetrei­ber/ -innen

Mitarbeiter/ -innen

Kunden/ Kundinnen

Weitere Kontakt­ personen

Salon Ayele

1 Interview 1 Gespräch

-

3 Interviews

-

Salon Jassey

1 Interview

1 Kurzinterview

2 Interviews

-

Salon Assogba

2 Interviews und Gespräche

1 aufgenomme­ ne Interaktion zwischen Frau Assogba und einer Kundin

-

Salon Damale

1 Interview

-

-

Andere Salons

1 Gespräch mit Salonbetrei­ berin

2 Interviews mit Kundinnen über Erfahrungen in verschiedenen Salons

-

1 Interview mit Braiding­ schulbetreiberin in London

-

1 Interview mit einer Kundin der Braidingschule

2 Interviews mit informell Frisierenden Expertin außer­halb der Salons

1 Interview mit Gründungsbera­ terin

Protokolle

110 Protokolle teilnehmender Beobachtungen und informeller Gespräche

Quelle: Eigene Erhebung.

Methodologie und Methode

Bereits während der Materialerhebung war es das Ziel, eine kontrastive Fallauswahl zu treffen. Ich wählte zunächst die formellen, im Stadtbild sichtbaren Salons von Herrn Ayele und Frau Jassey aus. Dann bezog ich Frau Assogbas Wohnzimmersalon in die Arbeit ein sowie Frau Damales Salon, welcher zwar wie die Salons von Herrn Ayele und Frau Jassey im Stadtbild sichtbar ist, wo aber ausschließlich auf Terminbasis gearbeitet wird. Über diese Fälle hinaus führte ich weitere Interviews mit Friserenden und Kunden/Kundinnen. Die generierte Materialfülle machte die Frage danach, welche Fälle tatsächlich klein­ schrittig und detailliert analysiert werden sollen, erneut relevant. Ich wählte die Fälle der Salonbetreibenden Ayele, Assogba und Damale sowie das mit diesen Salons zusammenhängende Interview- und Beobachtungsmaterial aus. Die Gründe hierfür sind zum einen die kontrastiven Migrationsbiografien der Salonbetreibenden, zum anderen die unterschiedlichen Salonkonzeptionen, die sich nach dem Grad ihrer Formalisierung, der Mitarbeiter/-innenstruktur und in ihren Salonphilosophien unterscheiden. Auf eine Analyse von Frau Jasseys Salon verzichtete ich, da die Salonbetreiberin mich nach dem Interview bat, Teile des Interviews nicht zu verwenden und eine Rekonstruktion der Bedeutung des Salons im biografischen Gefüge damit nicht derart detailliert möglich war, wie ich dies für die anderen Fälle vornahm. In die Analyse fließen stellenweise Ausschnitte aus weiteren Interviews mit Friserenden, Kunden/ Kundinnen sowie dem Expertinneninterview mit der Gründungsberaterin ein.

2.3.2  Datenaufbereitung Vor der Erhebung holte ich Zusagen zur teilnehmenden Beobachtung und Interviewdurchführung ein. Die Salonbetreibenden sowie die weiteren Interviewten klärte ich über den Zweck der Forschung und die anonymisierte Verarbeitung und Nutzung der Daten auf. Während der Feldphase wurden Salonmitarbeiter/-innen sowie Kunden/Kundinnen von den Betreibern/Betreiberinnen und mir über die Studie informiert. In den Gesprächs- und Interviewtranskripten sowie Protokollen wurden Personennamen und Örtlichkeiten anonymisiert. Interviews und Gespräche wurden wortwörtlich nach Regeln aus dem Transkriptionssystem von Bohnsack (2003, S. 235) transkribiert (vgl. Tab. 3). Sie können daher von den üblichen Rechtschreibregeln abweichen. Die Protokollierung der Beobachtungssequenzen erfolgte nach den Vorschlägen von Girtler (2001, S. 133ff.) in einem Feldtagebuch, das über die Proto­kolle hinaus Zwischenreflexionen zum Verlauf der Forschung und Reflexionen des eigenen emotionalen Zustands enthält. Die Protokolle halten Gespräche, nonverbales Verhalten, Routinen, Situationen, Zusammenhänge zwischen Handlungen, Diskussionen, Verbindungen zwischen Personen und Stim­mun­gen fest (vgl. Berg 2009, S. 218). Beschreibungen sind von analytischen Notizen getrennt.

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Tabelle 3: Transkriptionsregeln (.)

Pause bis zu einer Sekunde

(2)

Anzahl der Sekunden, die eine Pause andauert

Nein

Betont

Nein

Laut gesprochen

°nein°

Sehr leise gesprochen

.

Stark sinkende Intonation

;

Schwach sinkende Intonation

?

Stark steigende Intonation

,

Schwach steigende Intonation

viellei-

Abbruch eines Wortes

oh=nee

Verschleifung

(doch)

Unsicherheit bei der Transkription, schwer verständliche Äußerung

( )

Unverständliche Äußerung, die Länge der Klammer entspricht in etwa der Dauer der schwer verständlichen Äußerung

((stöhnt))

Kommentare bzw. Anmerkungen zu parasprachlichen, nicht verbalen oder gesprächsexternen Ereignissen

@nein@

Lachend gesprochen

@

Kurzes Auflachen

@(3)@

Drei Sekunden Lachen

Quelle: Bohnsack 2003, S. 235.

2.3.3  Analyse Die Herausforderung in der Auswertung ethnografischen Materials besteht darin, die Materialmenge aus unterschiedlichen Erhebungsverfahren mit passenden Methoden zu analysieren und Erkenntnisse aus verschiedenen Materialanalysen miteinander zu verbinden. Ich greife auf das sequenzanalytische Vorgehen der Objektiven Hermeneutik (vgl. z.B. Oevermann 2002; Garz 2010) und das Verfahren des wissenschaftlichen Quellentexts (vgl. z.B. Apel/Engler/ Friebertshäuser/Fuhs/Zinnecker 1995; Friebertshäuser/Richter/Boller 2010) zurück. Beide Vorgehensweisen werden hinsichtlich des Zwecks der Studie miteinander kombiniert. Die Objektive Hermeneutik eignet sich dann, wenn das Ziel keine Deskription oder Kategorisierung von Sinnzusammenhängen ist, sondern latente Zusammenhänge rekonstruiert werden sollen (vgl. Kraimer 2011, S. 123). Da es in den empirischen Kapiteln um die Rekonstruktion von Deutungsmustern, Orientierungsweisen und Handlungsmotiven geht,

Methodologie und Methode

ist die Objektive Hermeneutik als Methode somit geeignet. Sie findet in der Analyse der Interviews, transkribierten Gespräche und Fernsehreportagen Verwendung, wogegen das Verfahren des wissenschaftlichen Quellentexts zur Bearbeitung der Beobachtungsprotokolle hinzugezogen wird. Mithilfe des wissenschaftlichen Quellentexts werden Handlungsverläufe aus Beobachtungsprotokollen sowie Interview- und Gesprächstranskripten zusammengetragen. Ergebnis des wissenschaftlichen Quellentexts sind Beschreibungen von Prozessen, welche wiederum auf einer Metaebene mit der Objektiven Hermeneutik interpretiert werden.

2.3.3.1  Objektive Hermeneutik Methodologisch unterscheidet die Objektive Hermeneutik den objektiven bzw. latenten Sinn von einem subjektiv-intentionalen Sinn: »Diese Unterscheidung wird generell als gültig angesehen, da wir immer schon in einen Kontext objektiver sozialer Regeln eingebunden sind und auf diesen Bezug nehmen, uns diese Regeln aber nie voll vergegenwärtigen können« (Kraimer 2011, S. 123). Neben diesen beiden Sinndimensionen differenziert sie zwischen der Fallstruktur eines analysierten Falls sowie der Fallgenese, d.h. der Geschichte eines Falls (vgl. ebd., S. 124). In der konkreten Analysepraxis erweist sich die Differenz von drei Wissensformen als relevant: • dem inneren Kontextwissen einer zu interpretierenden Textstelle; • dem äußeren, über die konkret zu interpretierende Sequenz hinausreichenden Kontext; • und einem allgemeinen Regel- und Weltwissen, das in der Bildung von Lesarten zum Vorschein kommen soll. Kraimer (2011, S. 126) führt als Beispiel für die dritte Wissensebene eine Interviewsequenz an, in der es darum geht, dass der Vater einer Interviewten in der DDR als Taxifahrer gearbeitet hat. Hier sei in der Interpretation nun ein Wissen über den Beruf zu diesem Zeitraum in der DDR von Nöten, um die Sequenz einschätzen zu können. Die Analyse fordert von den Interpreten/ Interpretinnen ein hohes Maß an spezifischem Regel- und Weltwissen ein. Dies ist weniger problematisch, wenn die beforschten Akteure/Akteurinnen und die Forschenden Teil einer gemeinsamen Interaktionsgemeinschaft sind, insofern dann ein hohes Maß an relevant werdendem Regel- und Weltwissen von der Forscherperson gewusst wird. Von der Gegebenheit ausgehend, dass ein solches Wissen verfügbar ist, werden in objektiv-hermeneutischen Auswertungssitzungen Normalitätsfolien durch die Forscher/-innen auf das zu analysierende Material aufgelegt. Auf Basis dieser Folien sollen Routinen, Krisen oder Wendepunkte in den Darstellungen der Interviewten identifiziert werden. Ein solches Vorgehen ist in der explorativen Analyse von Feldern, die

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der Forscherin/dem Forscher unbekannt sind und in welchen er oder sie nicht selbst sozialisiert wurde, nicht ohne weiteres möglich. Es besteht die Gefahr, aus Unwissenheit Lesarten zu einer Sequenz zu bilden, die interpretatorisch unpassend sind, vor allem dann, wenn Normalitätsfolien nicht empirisch rekonstruiert und hinterfragt werden (vgl. Reichertz 1994, S. 132f.). Als Beispiel sei die Interpretation eines Bildes aus meiner Forschung genannt, auf welchem Kundinnen ihre ›Verwandlung‹ nach einem Friseurbesuch in einem Afro Hair Salon bildhaft darstellen: Auf der linken Seite des Bildes ist das frühere ›Ich‹ dargestellt, eine Hose tragend, die Haare lockig und voluminös. Auf dem Bild rechts ist das neue ›Ich‹ aufgemalt, mit glattem Haar. Die Bedeutung der ›Verwandlung‹ kann hier erst dann verstanden werden, wenn ein Wissen über die Bedeutung glatten Haars für viele Akteure/Akteurinnen mit Afrohaar bekannt ist. Andernfalls kann die Interpretation in eine falsche Richtung laufen. Problematisch ist, wenn ein solches Kontextwissen, wie für explorative Felder charakteristisch, nicht in Büchern zugänglich ist, weil es etwa ein informelltradiertes Wissen darstellt, zu dem die Forscherperson keinen Zugang hat. Es muss dann aus der Ethnografie bezogen werden. Wurde eine solche nicht durchgeführt, besteht die Gefahr, dass die Interpretation nach euro- und ethnozentrischen Mustern verläuft, was zu einer Verfälschung der Forschungsergebnisse führen kann (vgl. Friebertshäuser/Panagiotopoulou 2010, S. 315). Diese Gefahr erhöht sich vor dem Hintergrund einer Pluralität von Lebensentwürfen, zunehmenden gesellschaftlichen Komplexitäten und Hybridi- und Individualisierung auch innerhalb einer Sprachen- und Interaktionsgemeinschaft (vgl. Witzel 2000, [1] und [2]). Eine Technologisierung der Alltagswelt und steigende räumliche Mobilitäten führen dazu, dass nicht mehr von »VorGegebenheiten« (Hitzler 2008, S. 131) ausgegangen werden kann, die alle Menschen gleichermaßen betreffen. Jene Entwicklungen sind für Methodologie und Methode der Objektiven Hermeneutik folgenreich und stellen sie vor neue Herausforderungen: Konstruierte Normalitätsfolien gelten nur für spezifische Kontexte und können nicht in jedem Fall vom Forscher oder der Forscherin als bekannt vorausgesetzt werden (vgl. Böhnisch/Schröer 2013, S. 11-18). Experten/Expertinnen der Methode schlagen vor, fehlendes Welt- und Regelwissen in einschlägigen Veröffentlichungen wie Lexika, Handbüchern und Statistiken zu recherchieren (vgl. Garz 2010, S. 257). Statistiken geben einen Einblick in Häufigkeiten, was je nach Fragestellung interessant sein kann. Kritisch sind sie dann, wenn sie als Definitionshoheit für das gesetzt werden, was vermeintlich normal sei. Schwierig hieran ist eine Bestimmung des vermeintlich Nicht-Normalen, was zu Stigmatisierungen von Akteuren/Akteurinnen und Lebensweisen führt. Vielmehr sollte Normalität qualitativ verstanden werden als das, was sich dominant in einer spezifischen Lebenswelt zeigt. Ansonsten würden übliche Muster in wenig verbreiteten Szenen stets als ›unnormal‹ gelten (vgl. kritisch hierzu Reichertz 1994, S. 133). Als ein weiteres

Methodologie und Methode

Problem muss angesehen werden, dass der Interpret/die Interpretin in der Arbeit mit Normalitätsfolien »von vornherein das gesellschaftlich nicht etablierte Handlungs- und Lösungspotential aus[grenzt] – und […] sich damit der Pflicht zu überprüfen [entledigt], ob daß Nicht-Etablierte nicht auf bisher unbekannte strukturelle Regeln oder Fallspezifika verweist« (Reichertz/Schröer 1994, S. 71). Für das eigene Forschungsvorhaben erwies sich die Durchführung einer Feldforschung als absolut notwendig, um Routinen und Alltagspraktiken in dem beforschten Feld kennenzulernen und in einem späteren Analyseschritt Kontextwissen hinzuzuziehen. Ich griff den Vorschlag von Wernet (o. J.) auf, ethnografische Felderkundungen und einen objektiv-hermeneutischen Zugang miteinander zu verbinden: »Ethnografische Felderkundungen können für objektiv hermeneutische Textanalysen wichtige Gegenstandseinsichten liefern und Sequenzanalysen von Textprotokollen können im Kontext eines ethnografischen Forschungszugriffs ein Instrument zur Überprüfung und Präzisierung der in der Feldarbeit gewonnenen Deutungen darstellen« (ebd., S. 6). Darüber hinaus ist das Datenmaterial zur Vermeidung einseitiger Interpretationen in verschiedenen Gruppen analysiert worden, die über differentes Welt- und Regelwissen verfügen, was eine Perspektivenvielfalt auf das Material ermöglichte. Ziel dieser Studie ist, Normalitäten in dem untersuchten Feld aus Sicht der Akteure/Akteurinnen zu rekonstruieren (vgl. Friebertshäuser/Panagiotopoulou 2010, S. 306). In der Analyse des Materials verband ich das sequenzanalytische Vorgehen der Objektiven Hermeneutik daher mit einer weiteren Vorgehensweise: Ich bildete zwar Normalitätsfolien und stellte Mutmaßungen über Phänomene an, versuchte aber gleichermaßen, diese Überlegungen empirisch zu untermauern (vgl. Brüsemeister 2008, S. 218). Dies ist insbesondere im Forschungsbereich zu Migrationsprozessen bedeutsam, da es hier nicht die ›Normalbiographie‹ oder den ›normalen‹ Migrationsverlauf gibt (vgl. kritisch Apitzsch 2001, S. 133f.). In den Mikroanalysen der Interview- und Gesprächstranskripte übernehme ich die objektiv-hermeneutischen Regeln der Textinterpretation (Kontextfreiheit, das Wörtlichkeitsprinzip sowie die Prinzipien der Sequenzialität, Extensität und Sparsamkeit) (vgl. hierzu Garz 2010; Wernet 2009, S. 21-38): Mit dem »Prinzip der Kontextfreiheit« ist gemeint, dass das Kontextwissen zu einem Fall zunächst ausgeklammert wird und gedankenexperimentell mögliche Kontexte zu der entsprechenden Sequenz entworfen werden. Das Vor- bzw. Kontextwissen soll die Interpretation nicht vorschnell in eine bestimmte Richtung lenken, weshalb es erst nachfolgend hinzugezogen wird (vgl. Kraimer 2011, S. 126). Der Text wird gemäß dem »Prinzip der Wörtlichkeit« interpretiert. Dabei werden neben einer möglichen Textintention ebenso die manifesten Bedeutungsdimensionen von Äußerungen, die von einem Sprecher/einer Spreche-

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rin ggfs. nicht intendiert waren, rekonstruiert. Die Interpretation erfolgt auf Grundlage des jeweiligen Textes und wird erst dann theoretisch untermauert (vgl. Kraimer 2011, S. 125; Wernet 2009, S. 25). Die Objektive Hermeneutik erfordert ein »sequenzanalytisches Vorgehen«, d.h. der Text wird Schritt für Schritt interpretiert und es wird (zunächst) nicht im Material gesprungen. Die Strukturlogik einer Äußerung wird auf Basis der Sequenz und der vorangegangenen Stellen ausgewertet, nicht jedoch mit Vorgriff auf den weiteren Text. Ein Springen im Text ist erst dann analytisch notwendig, wenn bereits eine Sequenzanalyse durchgeführt wurde und die nächste ausgewählte Textstelle nach den hier aufgezeigten Regeln interpretiert wird (vgl. Wernet 2009, S. 27-32). Dieses Vorgehen begründet sich »aus der Überzeugung, dass auch die Lebenspraxis selbst sequenziell organisiert ist und auf den basalen Prozeduren der Eröffnung und Beschliessung beruht« (Kraimer 2011, S. 124). Das »Prinzip der Extensivität« impliziert die Möglichkeit der Rekonstruktion von Strukturlogiken auf der Basis geringer Textmengen. In der Objektiven Hermeneutik wird davon ausgegangen, dass sich die Struktur einer Lebenspraxis an allen Stellen des Protokolls zeigt, wenn diese erschöpfend interpretiert werden (vgl. Wernet 2009, S. 32-35). Die Explikation vielfältiger Lesarten hat zum Ziel, »vor dem Hintergrund anderer Möglichkeiten gerade das Spezifische an einem Fall erkennen zu können, und sich dabei nicht vorschnell durch das eigene Vorverständnis leiten zu lassen« (Kraimer 2011, S. 125). Damit die Bildung von Lesarten nicht in ein Unendliches übergeht, schreibt das »Prinzip der Sparsamkeit« vor, nur sinnige Lesarten zu bilden, die aufgrund des textimmanenten Gehalts schlüssig erscheinen: »Dabei ist es das Gebot des Prinzips der Sparsamkeit, diejenigen Geschichten auszuschließen, die darauf angewiesen sind, fallspezifische Außergewöhnlichkeiten zu unterstellen« (Wernet 2009, S. 35). An dieser Stelle schimmert die Problematik von Normalitätsvorstellungen der Forschenden hindurch. In der Arbeit mit dem Material dieser Studie wird bezüglich des Prinzips der Sparsamkeit sensibel umgegangen und im Kontext von Migrationsbiografien darauf geachtet, auch Perspektiven auf das Material zuzulassen, die möglicherweise zunächst ungewöhnlich wirken. Da es in dieser Studie erkenntnistheoretisch primär um das Erleben und die Handlungsstrategien von Akteuren/Akteurinnen geht, stehen in der Analyse gezielt jene Stellen im Fokus, in denen sich Erlebens- und Handlungsmomente offenbaren, von welchen ausgehend die dem Erleben und Handeln zu Grunde liegenden sozialen Regeln rekonstruiert werden (vgl. Garz 2010, S. 249). In Bezug auf die Handlungsstrategien ist zentral, das Wechselspiel von Handlungsraum und Spielraum in seiner konkreten Ausgestaltung nachzuzeichnen: »Jede Lebenspraxis trifft auf ein Vorgefundenes, das in der Form von Routinen für deren fortlaufenden Charakter einsteht. Davon abzugrenzen

Methodologie und Methode

sind Krisen, die in einem dialektischen Verhältnis zu Routinen stehen« (ebd., S. 251). Die Studie fokussiert besonders auf sogenannte Krisen4 und Herausforderungen, die während des Versuchs der Etablierung und Aufrechterhaltung des Afrohairbusiness auftreten und auf deren Bewältigung und Gestaltung. Neben den Fallanalysen rekonstruiert Teil 3 der Arbeit die in Medien, Gesetzen und historischen Verläufen zum Ausdruck kommenden Deutungsmuster. Im historischen Kapitel (3.1) wird die Objektive Hermeneutik auf einer Meta-Ebene angewandt, insofern nicht mit Primärquellen wie zeitgenössischen Dokumenten, sondern auf Basis verschiedener wissenschaftlicher Publikationen gearbeitet wird. Dabei wird die Frage aufgeworfen, wie das Afrohairbusiness gesellschaftlich gedeutet wurde, wie es sich entwickelt hat und welche Faktoren dafür ausschlaggebend waren. Ebenso wird im institutionell-rechtlichen Kapitel (3.2) zu den notwendigen Voraussetzungen für eine Eröffnung eines Afro Hair Salons in Deutschland auf einer Meta-Ebene nach den sich in gesetzlichen Regulierungen zeigenden Deutungsmustern über das Afrohairbusiness gefragt. Dem schließt sich ein Kapitel (3.3) zu Deutungsmustern über das Afrohairbusiness in den Medien an, in welchem Transkriptauszüge aus Reportagen sequenzanalytisch untersucht werden.

2.3.3.2  Wissenschaftlicher Quellentext Zur Bearbeitung der Beobachtungsprotokolle, die das Geschehen im Untersuchungsraum über einen Zeitraum von zwei Jahren dokumentieren, wird auf das Verfahren des wissenschaftlichen Quellentextes zurückgegriffen. In den einzelnen Protokollen wird auf mehrere Fälle und Handlungsketten Bezug genommen und die sprachliche Protokollverfassung entspringt der Forscherin (vgl. Schneider 1994, S. 160). Die Längsschnittsequenzen werden aus diesem Grund mit dem wissenschaftlichen Quellentext bearbeitet. Dieser versteht sich als Element eines mehrschrittigen Analyseverfahrens, in dem Materialien und Daten aus verschiedenen methodischen Quellen für weiterführende Interpretationen zusammengetragen werden (vgl. Laging 2009, S. 2; Apel/Engler/Friebertshäuser/Fuhs/Zinnecker 1995, S. 368): Im ersten Schritt wurden zentrale Themen aus den Beobachtungsprotokollen herausgearbeitet. Zusätzliches Material lieferten Raumskizzen, Fotos sowie Marketingauftritte von Salons. 4 | ›Krise‹ bezeichnet nicht zwangsläufig eine – wie im Alltagsverständnis dominieren­ de Vorstellung – als schwierig erlebte Situation. Der Begriff umfasst erstens Krisen als ›traumatische Krisen‹ (unerwartete Ereignisse und Zustände, die sowohl schmerzhaft als auch glücksbringend sein können), zweitens ›Krisen durch Muße‹ (selbstgenügsa­ me Handlungen, mit denen die Entdeckung von Neuem einhergehen kann) und drittens ›Krisen als Entscheidungskrisen‹ (eine notwendige Wahl zwischen mehreren Möglich­ keiten, die sich erst im Nachhinein bewähren kann) (vgl. Oevermann 2008, S. 18f.).

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In einem zweiten Schritt wurden Protokollsequenzen, die sich mit denselben Themen beschäftigen, zusammengezogen. Aus den verschiedenen Materialien wurden beispielsweise alle Stellen zur beruflichen Wissensaneignung von Frau Assogba herausgeschrieben und in ihre chronologische Reihenfolge gebracht. Der wissenschaftliche Quellentext ist das Ergebnis der ersten Interpretations- und Selektionsarbeit und stellt die Basis für die weitere Analyse dar (vgl. Friebertshäuser/Richter/Boller 2010). Zur Analyse des Quellentexts wurde auf Verfahrensweisen der Objektiven Hermeneutik zurückgegriffen. Handlungs- und Situationsverläufe wurden dahingehend befragt, wie sie alternativ hätten verlaufen können und welche Bedingungen zu ihrer tatsächlichen Realisierung beigetragen haben. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden mit den Mikroanalysen der Interview- und Gesprächstranskripte verbunden. Die Stärke dieser triangulativen Kombination liegt darin, dass sowohl mikroanalytische als auch prozesshafte Analysen durchgeführt werden konnten. Die Methodik verfügt analog zu einer Kamera über unterschiedliche Zoomeinstellungen auf das untersuchte Feld.

2.3.3.3  Ablauf Die Gesamtanalyse lief nach einem mehrschrittigen Modell ab, wenn auch ständig zwischen den verschiedenen Schritten hin- und her gesprungen wurde (vgl. Abb. 4). Zunächst wurde fallorientiert am Material gearbeitet. »Fall« meint stets einen Salon, der unterschiedliche Materialquellen (Protokoll, Interview, Bilder, alltagsgegenständliches Material) sowie unterschiedliche Perspektiven (Betreiberperspektive, Kundenperspektive, Mitarbeiterperspektive, Outsiderperspektive) umfasst, wobei die Betreibendenperspektive im Vordergrund stand. Transkribiertes Material wurde nach dem sequenzanalytischen Verfahren der Objektiven Hermeneutik bearbeitet. Aus weiterem Material wie Protokollen und protokollierten Gesprächen wurden mittels des Verfahrens des wissenschaftlichen Quellentextes fallspezifische Themen und Handlungsverläufe rekonstruiert, die sich über einen längeren zeitlichen Rahmen erstreckten. In der Zusammenführung der objektiv-hermeneutischen Analysen und des wissenschaftlichen Quellentexts wurden in Anlehnung an Honer (1993, S. 119) fallspezifische Sinnfiguren erarbeitet. Mit Abschluss dieses Schrittes lagen drei Fallanalysen mit thematischen Verästelungen vor, welche zugleich Basis für die Auswahl der in Kapitel 3 analysierten Rahmenbedingungen waren. Dem schloss sich ein Fallvergleich an. Hier standen zunächst die fallübergreifenden, themenspezifischen Sinnfiguren im Vordergrund und wurden miteinander verglichen: Welche Themen sind fallübergreifend relevant? Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede weisen diese fallübergreifenden Thematiken auf? Welche Fallspezifka bleiben nach dem Vergleich bestehen (vgl. ebd.)?

Methodologie und Methode

Abbildung 4: Ablauf der Analyse in der vorliegenden Arbeit Ethnografische Erhebung Mikroanalysen von Interview- und Gesprächstranskripten nach der Objektiven Hermeneutik

Wissenschaftlicher Quellentext zur Struk­ turierung und ersten Interpretation von Beobachtungsprotokollen und alltags­­ gegenständlichem Material

(Mikroanalyse)

(Prozessanalyse)

Kombination der Erkenntnisse aus beiden Analysesträngen zu fallspezifischen Sinnfiguren und Basis zur Auswahl und Analyse von Rahmenbedingungen

Fallvergleich

Erstellung einer Typologie Quelle: Eigene Darstellung.

Abschließend wurden die fallübergreifenden und fallspezifischen Themen in ihren Regeln und Ordnungen rekonstruiert und zu Typen gruppiert: »Die Typenbildung setzt an den Fallstrukturen systematisch ähnlicher Fälle an und abstrahiert diese – unter Zuhilfenahme wesentlicher Dimensionen – zu Typen. Diese Typen werden dann systematisch zueinander ins Verhältnis gesetzt und in einem Ty­ penfeld bzw. Typentableau angeordnet, dessen Achsen wiederum von für die Frage­ stellung zentralen theoretischen Dimensionen gebildet werden« (Przyborski/ WohlrabSahr 2010, S. 332f.).

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3  Das Afrohairbusiness zwischen sozialer     Ausgrenzung und gesellschaftlicher     Inkorporation     Ein multiperspektivischer Blick

Das Kapitel betrachtet das Afrohairbusiness aus verschiedenen Perspektiven (historisch; institutionell-rechtlich; medial) und nähert sich den kontextuellen Rahmungen dieses Geschäftszweigs differenziert an. Dabei spitzt sich der Analysefokus von einer sozialräumlich breiten zu einer sozialräumlich engen Perspektive zu: Zunächst stehen Entwicklungen in west- und zentralafrikanischen Ländern sowie den USA im Vordergrund, bevor der Untersuchungsraum in Deutschland betrachtet wird. Neben einer sozialräumlichen Engziehung wandert der Blick von der vorkolonialen Vergangenheit und pfadgenerierenden historischen Einflüssen der Kolonialzeit hin zu neuen, auch subversiven Tendenzen des 21. Jahrhunderts. Die Analyse verdeutlicht, dass sich das Afrohairbusiness zwischen Prozessen sozialer Ausgrenzung und gesellschaftlicher Inkorporation bewegt. Als Dimensionen sozialer Ausgrenzung zeigen sich eine historische und bis in die heutige Zeit reproduzierte Aberkennung, eine Marginalisierung des Berufs in rechtlichen und institutionellen Strukturen sowie seine Exotisierung in medialen Darstellungen. Dem stehen Prozesse einer Verbreitung und Popularisierung von Afro Hair Salons und der entsprechenden Frisuren gegenüber.

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3.1  H istorische P erspek tive : A n - und A berkennung         von A froha ar und afrik anischen F risuren vor ,         während und in F olge der K olonial zeit Einem ersten Einblick in die Bedeutung afrikanischer Frisuren und die informell ausgeübten Frisierpraktiken in der vorkolonialen Vergangenheit folgt eine historische Einordnung der Entstehung des Geschäftszweigs und seiner postkolonialen Entwicklungen. Dabei wird deutlich, dass die Kolonialisierung5 afrikanischer Länder zu einer Aberkennung afrikanischer Haarstile und Frisierpraktiken geführt hat, die sich grenzüberschreitend ausbreitete und bis in die heutige Zeit fortwirkt. Postkoloniale kollektive Bewältigungsstrategien in den USA und in Zentral- und Westafrika zeigen, dass die zur Kolonialzeit erzeugten Aberkennungsprozesse die Entstehung und Ausbreitung des Afrohairbusiness einerseits rahmen, andererseits zunehmend subversiv unterlaufen werden.

3.1.1  Bedeutung afrikanischer Haarstile und Frisierpraktiken in          der vorkolonialen Vergangenheit Dem menschlichen Haar kommt aufgrund seiner Gestaltbarkeit eine besondere Funktion als Bedeutungsträger zu: »Hair can be manipulated. It can be kept short or worn long. It can be braided or modeled with one or several crests, lengthwise or crosswise. Finally, it can be oiled, dyed, or rubbed with different pigments. It is not surprising that hair works very well as a signifier« (Sieber/Herreman 2000, S. 57).

In seiner Gestaltung drücken sich zum einen Individualität, zum anderen ästhetische und soziale Normen aus, an denen sich der Träger oder die Trägerin orientiert (vgl. Dogbe 2004, S. 77). Im Umkehrschluss sind Haare und Frisuren ein Forschungsgegenstand, der Rückschlüsse auf soziokulturelle Orientierungsweisen sowie Praktiken zulässt, die allgemein Aufschluss über eine Gesellschaft geben (vgl. Essah 2008, S. 2). Auf dem afrikanischen Kontinent erfüllen Haare und Frisuren seit jeher vielfältige soziale Funktionen. Während ungepflegtes Haar als Charakteristikum von Krankheit oder unsozialem

5 | Die historische Strukturierung in vorkoloniale Zeit, Kolonialisierung und post­ koloniale Entwicklungen ergibt sich aus der einschneidenden Bedeutung der Kolo­ nialisierung für weitere Entwicklungen im Afrohairbusiness. Zudem liegen zu diesem Themenbereich nur wenige Erkenntnisse vor, was eine detailliertere Darstellung im Rahmen dieser Studie nicht zulässt.

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Verhalten galt (vgl. Sherrow 2006, S. 13), dienten Haartrachten im frühen 15. Jahrhundert vor allem in westafrikanischen Gesellschaften als Symbol für • • • • • •

regionale und ethnisch verstandene Zugehörigkeiten, das Entwicklungsstadium einer Person zwischen Kindheit und Alter, den Status einer Person innerhalb einer Community, die Fruchtbarkeit und sexuelle Attraktivität, den Gesundheitszustand einer Person sowie besondere Ereignisse wie Heirat oder Tod von Angehörigen oder Freunden/Freundinnen (vgl. Byrd/Tharps 2001, S. 2ff.; Ogunwale 1972, S. 45; Sherrow 2006, S. 13-15; Sieber/Herreman 2000, S. 56).

Beispielsweise rasierten sich verheiratete Swahili- und Massai-Frauen nach der Hochzeit die Haare ab (vgl. Dogbe 2004, S. 77). Bei den Yoruba galt die Rasur von Verstorbenen als Markierung des Übergangs von der weltlichen in eine spirituelle Sphäre. Bei den Akan in Ghana diente sie dazu, einem nahestehenden Verstorbenen Respekt zu zollen (vgl. Sherrow 2006, S. 15). Ein weiteres Beispiel für die soziokulturelle Bedeutung von Frisuren stellt der nigerianische Haarstil ›Kohinsorogun‹ (engl. ›turn your back to the rival-wife‹) dar. Es wird vermutet, dass die Frisur im Kontext polygamer Familienkonstellationen entstanden ist, in denen mehrere Frauen um die Gunst eines Mannes warben. Das intendierte Ausbuhlen der Rivalin materialisierte sich in diesem Haarstil, der in seiner begrifflichen Bezeichnung die entsprechende Bedeutung zum Ausdruck bringt (vgl. Ogunwale 1972, S. 44). Partiell sind mit komplexen Bedeutungen versehene Frisuren noch heute erhalten und werden vor allem von den Boro in Niger, den Ibo und Yoruba in Nigeria, den Mangboru in der Demokratischen Republik Kongo, den Samburu im Ostsudan und den Wolof im Senegal getragen (vgl. Sherrow 2006, S. 15). Die aufwendigen Frisuren bedurften und bedürfen in ihrer Gestaltung einer gewissen Zeit. Elementarer Bestandteil waren und sind kunstvolle Flechtelemente, die mittels des sogenannten Braidings angefertigt werden. Braiding gilt als eine in allen afrikanischen Gesellschaften praktizierte Frisiertechnik (vgl. Babou 2008, S. 4). In geflochtene Zöpfe ist oftmals Schmuck eingearbeitet. Das Frisieren und die Pflege der Haare spielten sich in der Vergangenheit in den meisten afrikanischen Ländern zu Hause ab. Junge Mädchen erlernten Frisiertechniken von ihren Müttern oder Freundinnen und praktizierten sie gemeinsam (vgl. Ogunwale 1972, S. 44; Babou 2008, S. 4). Die Weitergabe des Wissens über Haarpflege und -styling stellte einen integralen Bestandteil der mütterlichen Erziehungsaufgaben dar. Das spezifische Wissen galt vorwiegend als ein weibliches. Frauen verbrachten viele Stunden damit, Haarstile anzufertigen und sich zu unterhalten. Das Frisieren erfüllte eine gesellige

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Komponente (vgl. Babou 2008, S. 4). Die Arbeit mit dem Haar galt überwiegend nicht als Dienstleistung, sondern als gegenseitiger Freundschaftsdienst und Bestandteil der Mütter-Töchter-Beziehung (vgl. Ogunwale 1972, S. 45). Byrd und Tharps (2001, S. 6) verweisen allerdings darauf, dass bei den Yoruba besonders talentierte junge Frauen zu sogenannten Mastern ernannt wurden und für die Haarpflege einer ganzen Community zuständig waren. Sie frisierten wegen des Tabus intergeschlechtlicher körperlicher Nähe außerhalb der eigenen Paarbeziehung nur in der eigenen Geschlechtergruppe und genossen hohes gesellschaftliches Ansehen, waren sie doch mit dem Haupt der Menschen und dem mit spiritueller Bedeutung versehenen Kopfhaar befasst. Ablehnung erfuhren Friseurinnen hingegen in der wolofschen Gesellschaft, in der sich ebenfalls spezialisierte Friseurinnen etabliert hatten, die aber als Mitglieder einer niederen Kaste galten (vgl. Sherrow 2006, S. 13). Die wolofsche Gesellschaft ist hierarchisch aufgebaut, und besteht aus den géer, welche die Spitze der sozialen Hierarchie darstellen und den ñeeño, die in Handwerksberufen tätig sind. Der den ñeeños zugeschriebene minderwertige Status führte in der Vergangenheit zur sozialen Segregation von Handwerkerberufen wie Holzarbeiter/-innen, Lederarbeiter/-innen, Schmied/-innen und Friseur/-innen, der heute noch, beispielsweise bei der Wahl der Ehepartner/-innen zum Tragen kommen kann (vgl. Babou 2008, S. 4f.).

3.1.2  Aberkennung afrikanischer Haarstile und Frisierpraktiken           zur Kolonialzeit Im 16. Jahrhundert wurden Bewohner/-innen des zentralen, westlichen und südlichen Afrikas durch die europäischen Kolonialmächte versklavt und nach Nord- und Südamerika sowie in die Karibik verschleppt. Millionen Afrikaner/innen starben bereits während der Überfahrten. Genaue Zahlen zu den versklavten Menschen und Todesfällen gibt es nicht. Schätzungen gehen von 20 bis 30 Millionen Afrikanern/Afrikanerinnen aus, die bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Kolonialisten/Kolonialistinnen gezwungen wurden, ihre Herkunftsländer zu verlassen, um als Sklaven/Sklavinnen in Häusern und auf Plantagen zu arbeiten (vgl. Arndt 2014, S. 19; Byrd/Tharps 2001, S. 9f.; Kueppers-Adebisi 2010, S. 73). Hiervon sollen nur schätzungsweise 12 Millionen in Amerika angekommen sein (vgl. Arndt 2014, S. 19). Neben der erfahrenen Gewalt, Trennung von ihren Familien, Gemeinschaften und Herkunftsländern konnten die Kolonisierten soziokulturelle Alltagspraktiken wie Haarpflege und Frisieren wegen der harten Zwangsarbeit nur noch begrenzt ausüben: »Under the harsh conditions of slavery, time-consuming designs had to be stripped down to their bare essentials« (Dogbe 2004, S. 77). Dies führte dazu, dass viele aufwendige Frisuren im Verlauf der Zeit verlorengingen (vgl. Sieber/

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Herreman 2000, S. 57).1 Zudem mangelte es an Ölen, Seifen und Kämmen, sodass Frauen und Männer ihr Haar nicht angemessen pflegen konnten (vgl. Sherrow 2006, S. 16). Kolonialisten/Kolonialistinnen verspotteten es als Wolle und setzten die Akteure/Akteurinnen mit Tieren gleich (vgl. Lawson 1999, S. 239; Walker 2000, S. 549). Auch in anderen Begriffen rückten sie das Haar in die Nähe des Tierreichs und werteten es ab: »African hair was denigrated in such terms as ›kinky‹ ›nappy‹ […] or ›frizzled,‹ in contrast to more desirable ›silky,‹ ›straight,‹ Caucasian hair types« (Dogbe 2004, S. 77). Afrohaar wurde als minderwertig gegenüber glattem Haar deklariert, welches als unmarkiert und normal galt. Körperliche Merkmale waren die Oberfläche zur Verankerung von Abwertungsprozessen: »Throughout the centuries of their enslavement the bodies of African and African Americans slaves were surfaces on which were inscribed the signs of inferior status« (White/White 1995, S. 48). Die Markierung von etwas als anders und dessen Abwertung gegenüber einer konstruierten Norm stellt das elementare Moment rassistischer Konstruktionen dar (vgl. Gaitanides 2012; Kapitel 1.1.2). Konkret fungiert die rassistische Markierung in diesem Fall zum einen als Mittel zur Abwertung von kulturell und sozial bedeutenden Handlungsroutinen, zum anderen spricht sie Körpern ihre Dignität und Ästhetik ab und implementiert eine ideale Schönheitsvorstellung, die Weiß ist: »whiteness was the measure of true beauty« (Mercer 1987, S. 35). Die Etablierung einer Weißen Schönheitsvorstellung bei gleichzeitiger rassistischer Markierung der Kolonisierten führte zu einer Aberkennung ihres Status als achtenswerte Menschen insgesamt. Aberkennung impliziert als Kontrastbild zu Anerkennung, »dass ein (mit Macht ausgestattetes) X einem Y etwas, nämlich Z (z.B. Rechte, Ehre, Würde) nimmt. Dazu gehört in jedem Fall die Fähigkeit, […] dieses Verhalten durchzu­ setzen. Aberkennung führt […] zu einem Prozess der Desozialisation, d.h. als relevant verstandene Inhalte (z.B. Rechte, Ehre, Würde) werden einer Person entzogen« (Garz 2004, S. 16).

1 | Der Verlust afrikanischer Haarstile durch die Kolonialisierung fordert dazu auf, rekonstruierbare Frisuren sichtbar zu machen, damit diese kulturelle Geschichte nicht in Vergessenheit gerät. Wissenschaftlich aufgearbeitete Ausstellungen in Museen können hierzu einen Beitrag leisten. Sieber und Herreman organisierten im Jahr 2000 eine Wanderausstellung zum Thema »Hair in African Art and Culture«, in deren Rahmen Frisurenstile und -techniken gezeigt wurden (vgl. Sieber/Herreman 2000). Das Musée du Quai Branly in Paris zeigte in den Jahren 2012 und 2013 die Ausstellung »Cheveux chéris. Frivolités et trophées«, in deren Konzeption afrikanische Frisuren gewürdigt wurden.

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Der Aberkennungsprozess basiert auf einer Konstruktion durch Mächtige, die eine spezifische Gruppe entwerfen und dieser in diesem Fall auf Basis körperlicher Merkmale Anerkennung verweigern. Der rassistische Konstruktionsprozess sollte im Folgenden den Entzug von Rechten, Solidarität und emotionaler Zuwendung legitimieren. Um Konsequenzen der Aberkennung wie Spott und Abwertung seitens der Kolonialisten/Kolonialistinnen zu vermeiden, rasierten sich zahlreiche Sklaven/Sklavinnen die Haare ab. Die Rasur erhielt eine paradoxe Symbolik: Einerseits materialisierte sich in ihr der Verlust tradierter Frisuren, gleichzeitig stellte sie eine Bewältigungsstrategie dar, um Abwertung abzuwenden. Zum Schutz der offenliegenden Kopfhaut vor der Sonne trugen Männer während der täglichen Arbeit auf den Farmen Hüte, Frauen banden sich Tücher um den Kopf. Neben Farmarbeitern/Farmarbeiterinnen gab es Frauen und Männer, die in der Gunst der Kolonialisten/Kolonialistinnen standen und dem ›Weißen Stil‹ ähnelnde Perücken aufsetzten. Ihnen und Sklaven/ Sklavinnen, die über eine glatte oder nur leicht gewellte Haarstruktur verfügten, war es gestattet, im Haus zu arbeiten (vgl. Sherrow 2006, S. 17). Frauen mit glattem Haar liefen allerdings Gefahr, von Hausherrinnen aus Eifersucht die Haare abgeschnitten zu bekommen (vgl. Byrd/Tharps 2001, S. 19). Viele wurden sexuell ausgebeutet und an Bordelle oder auf Märkten verkauft (vgl. Peiss 2000, S. 489). Die ungleiche Behandlung von Frauen und Männern in Abhängigkeit von ihrer Haartextur macht deutlich, dass innerhalb der Aberkennung von Afrohaar eine Hierarchie aufgemacht wurde, die von stark abgewertet bis leicht abgewertet rangierte. Eine Einordnung der Haartextur hatte Folgen für die Handlungsmächtigkeit der Frauen und Männer. Sie entschied über Schwere und Ort der zu leistenden Arbeit. Wer den Marker Afrohaar kaschieren konnte bzw. wessen Haar nur wenig gelockt war, gewann an Handlungsspielraum; Akteure/Akteurinnen mit stärker gelocktem Haar büßten Spielräume ein. Als im frühen 19. Jahrhundert Gesetze wirksam wurden, die sich auf den Sonntag als Ruhetag für Sklaven/Sklavinnen verständigten, festigte sich dieser Tag als Zeitraum der gegenseitigen Haarpflege. Akteure/Akteurinnen entwickelten Utensilien zur Pflege und Bearbeitung ihrer Haare. Männer verwendeten Schmierfett zu deren Glättung, Frauen Butter und Küchenfette. Das Haar kämmten sie mit Wollkämmen und suchten, das sozial akzeptierte Schönheitsideal glatten Haars herzustellen.

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3.1.3  Postkoloniale Bewältigung von Aberkennung und            Verberuflichung des Afrohairbusiness in den USA Nach Abschaffung der Sklaverei2 glätteten viele ehemalige Kolonisierte in den USA weiterhin ihr Haar.3 Dieses Verhalten ist nicht hinreichend mit der Internalisierung von Normen zu erklären, sondern mit dem Versuch, Diskriminierung abzuwenden (vgl. Byrd/Tharps 2001, S. 23; Lawson 1999, S. 239; Sherrow 2006, S. 17). Bhabha (2011, S. 126ff.) charakterisiert eine derartige Strategie mit dem Konzept der kulturellen Mimikry als ein Tarnen, eine Camouflage. Nach Bhabha zeigt sich in dieser Praktik nicht einseitig Ungehörtheit und fehlende Agency, sondern dass »gerade Bedingungen kultureller Entortung den Boden bilden, auf dem die Fähigkeit zu Macht aneignendem Handeln (›agency of empowerment‹) gründet« (Göhlich 2010, S. 325). Die Haarglättung stellt in diesem Sinne eine Strategie vordergründiger Anpassung an das konstruierte Schönheitsbild dar, wenn Akteure/Akteurinnen versuchen, die negative Markiertheit ihres Haars durch dessen Umgestaltung zu verdecken und sich zu de-markieren. Goffman (2012, S. 94ff.) spricht von Täuschen als einem in die Richtung der Diskreditierenden gerichteten Versuch, als ›normal‹ betrachtet zu werden. Die Bemühung, sich zu de-markieren, musste aufgrund der Interdependenz verschiedener Marker, die die Kolonisierten aberkannt haben, scheitern. So verunmöglichte die gleichermaßen wie die Haartextur negativ markierte Hautfarbe der Akteure/Akteurinnen eine vollständige Umgestaltung.4 Hier zeigt sich die Ambivalenz für die Kolonisierten: Zwar konnten sie sich partiell einiger Mittel zur Camouflage bedienen, diese kamen jedoch an 2 | Nicht alle Schwarzen Akteure/Akteurinnen waren vor dem Amerikanischen Bürger­ krieg in den USA Sklaven/Sklavinnen. Manche Schwarzen Männer betrieben Barber Shops, die eine Weiße Kundschaft bedienten. Frauen gelang es aufgrund von Sex­ ismus und Rassismus kaum, eigene Salons zu eröffnen. Als um 1820 das Ansehen Schwarzer Männer weiter sank, etablierten sich Frauen im Frisiergewerbe für Weiße Kundschaft. Sie wurden gezielt von Kolonialisten/Kolonialistinnen trainiert und in Häuser wohlhabender Weißer zum Frisieren geschickt (vgl. Byrd/Tharps 2001, S. 73ff.). Erst nach den Civil Rights Movements konnten sie eigene Salons eröffnen, die eine afroamerikanische Kundschaft bedienten. 3 | Zwar glätteten auch Männer ihre Haare, allerdings war die Haarglättung für Frauen weitaus bedeutsamer: »although both men and women were evaluated by this stan­ dard it was traditionally women who internalized it [Anmerkung CS: die unterstellte Höherwertigkeit glatten Haars], as women are most commonly evaluated on looks first and all other criteria second« (Byrds/Tharps 2001, S. 41). 4 | Bis zu einem gewissen Grad ist die Aufhellung der Haut durch sogenannte Bleachingcremes möglich, die im 20. Jahrhundert auf den Markt kamen. Diese Cremes sollen durch chemische Zusätze eine Erhellung des Hauttons erreichen und stehen im

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ihre Grenzen. Eine vollständige Tarnung war nicht möglich. Dies macht deutlich, dass der Prozess der Aberkennung letztlich keinen Ausweg zulässt. Dennoch wurden die verfügbaren Mittel der Haarglättung nach ihrer Einführung im späten 19. Jahrhundert auch nach der offiziellen Abschaffung der Sklaverei aufgegriffen. Die Schönheitsindustrie verschrieb sich dem Wunsch nach glattem Haar und produzierte sowie verkaufte seit 1900 Glättungsmittel. Im Jahr 1947 kam der erste chemische Relaxer in den USA auf den Markt, der auch in afrikanische und andere Länder exportiert wurde (vgl. Byrd/Tharps 2001, S. 46; Langevang/Gough 2012, S. 4; Oda 2005, S. 87). In der internationalen wie nationalen Produktvermarktung bedienten sich Hersteller/-innen einer rassistischen Rhetorik, welche die Aberkennung von Schwarzen reproduzierte. Dies zeigt sich neben der Vermarktung von Haarglättungsmitteln ebenso im Marketing anderer Pflegeprodukte, die als Gegenmittel für Akteure/Akteurinnen zugeschriebenen Attribute von Schmutzigkeit und Unzivilisiertheit propagiert wurden. Jones (2010, S. 85) führt als Beispiel Werbekampagnen von Pear’s Soap an, die zwischen 1890 und 1920 immer wieder auf das Bild von Weißsein und Reinheit und die Abwertung dunkler Haut als schmutzig rekurrierten. Diese rassistische Rhetorik führte dazu, dass zwischen 1900 und 1950 mehr und mehr afroamerikanische Akteurinnen in der von Weißen dominierten Schönheits- und Haarindustrie Fuß fassten (vgl. ebd. 2010, S. 76ff.). Während die dominante Schönheitsindustrie ein konstruiertes Negativbild von Afroamerikanern/Afroamerikanerinnen in ihrem Marketing reproduzierte, wählten diese eine andere Strategie: »In contrast to the marketing strategies of white companies, these women did not use rhetoric of racial inferiority to sell their products. They cited biblical passages […] [and] used themselves as models to illustrate the success of their products« (Harvey Wingfield 2008, S. 33).

Die Entwicklung einer afroamerikanischen Schönheitsindustrie stellt ein Sicht­barmachen und Thematisieren der Schönheit von Schwarzen dar. Prominente Gründerinnen waren Sarah Spencer Washington und Sarah Breedlove, die als Madame C. J. Walker bekannt wurde. Walker wird nachgesagt, die ersten Glätteisen als gesündere Alternative zu chemischen Haarglättungsmitteln eingeführt zu haben. Sie selbst erklärte, dass es ihr um Haarpflege und die Betonung Schwarzer Schönheit gehe und nicht darum, durch Haarglättungen Weißen Idealen nachzueifern (vgl. Gill 2001, S. 177). Walkers Position sowie die Haltungen anderer Gründerinnen jener Zeit sind nicht unumstritten. Zwar eröffneten sie ihre eigenen Unternehmen und konzipierten ein Marketing, in Verdacht, kanzerogen zu wirken. Sie werden von großen Dachunternehmen wie Unile­ ver und Procter & Gamble global vertrieben (vgl. Jones 2010, S. 313f.).

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dem Schwarze Frauen partizipierten, änderten das gängige Schönheitsideal jedoch nicht (vgl. Byrd/Tharps 2001, S. 35). Lake (2003, S. 64) konstatiert: »Even though Walker, in my view, should be applauded for her tenacity and business acumen, it is regretful that she […] and others, gained their success with products that demeaned the natural texture of African hair«.

Trotz kritischer Perspektiven in Bezug auf die Perpetuierung Weißer Ideale schafften es Afroamerikanerinnen Ende des 19. Jahrhunderts, sich mit Maniküreshops und Beauty Colleges in der Schönheitsbranche zu verankern (vgl. Peiss 2000, S. 491f.). Mit dem Anwachsen der Branche ging die Eröffnung zahlreicher Afro Hair Salons einher, wodurch sich afroamerikanische Frauen ökonomische Opportunitäten erschlossen und Zugang zu einem Markt fanden, von dem sie bis dahin exkludiert waren (vgl. Jones 2010, S. 52). Ihre Salons dienten nicht ausschließlich dem Styling von Kundschaft, sondern wurden zu Orten gesellschaftspolitischen Austauschs (vgl. Peiss 2000, S. 492). Salonbetreiberinnen organisierten sich innerhalb afroamerikanischer Communities und genossen im Gegensatz zu ihren Weißen Kolleginnen hohes Prestige (vgl. Gill 2001, S. 189). Trotz dieser Entwicklungen blieb das gängige Schönheitsideal glatten Haars stabil. Auch nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg glätteten geschätzte 90  Prozent der Afroamerikanerinnen ihr Haar (vgl. Byrd/Tharps 2001, S. 23; Walker 2000, S. 538). Ein Jahrhundert später, im Lauf der 1960er Jahre, entwickelte sich eine Debatte über die politische Konnotation von Haarglättungen im Gegenzug zum Tragen eines ›natural looks‹. Kritikerinnen argumentierten, Haarglättungen seien eine repressive Unterordnung unter von Weißen konstruierte Ideale. Sie favorisierten Haarstile, die im Gegensatz zu Glätteprozeduren die Schönheit von Afrohaar in seiner natürlichen Form und Länge verkörperten. Einen Höhepunkt erreichte die Diskussion Ende des Jahrzehnts mit einer Hair Revolution, die eng mit der Civil Rights Movement verflochten war. Afroamerikanische Communities feierten den Afro als afroamerikanischen Haarstil und Symbol der Entkoppelung Schwarzer von Weißen Schönheitsidealen: »Wearing an ›afro‹ was […] a powerful signifier of refusal to buckle under the dead weight of white society’s beauty myths« (Morrison 2006, S. 102f.). Sie hinterfragten rassistische Markierungen und prangerten diese öffentlich an. Der Afro war damit kein Haarstil neben vielen. Analog zu seinem Erscheinungsbild verhalf er afroamerikanischen Akteuren/Akteurinnen dazu, in der US-amerikanischen Gesellschaft mit einem eigenen, nicht auf Weißen Idealen beruhenden Stil sichtbar zu werden. Er stellt eine symbolische Umkehrung des konstruierten Stigmas dar, welches Afrohaar zu dieser Zeit oblag:

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland »By emphasizing the length of hair when allowed to grow ›natural and free‹ the style counter-valorized attributes of curliness and kinkiness to convert stigmata of shame into emblematics of pride. Its name suggested a link between ›Africa‹ and ›nature‹ and this implied an oppositional stance against artificial techniques of any kind, as if any element of artificiality was imitative of Eurocentric, white-identified, aesthetic ideals« (Mercer 1987, S. 39).

Die Konnotation dieses typisch-diasporischen Haarstils unterschied sich je nach Länderkontext: Symbolisierte er in den USA die Abkehr von Weißer Dominanz, war er in afrikanischen Ländern zu diesem Zeitpunkt wenig verbreitet (vgl. ebd., S. 42). In Tansania wurde er als Sinnbild des Neokolonialismus und einer pro-westlichen Identifi­zierung abgelehnt. Auch Anhänger der Rastafari-Bewegung in der Karibik beschlossen, den Stil nicht zu adaptieren (vgl. Sherrow 2006, S. 23; Morrison 2006, S. 105). Dennoch verkörperte er in einer Weißen Mehrheitsgesellschaft den Versuch, eine neue (afro-)afri­ kanistische Kultur aufzustellen (vgl. Mercer 1987, S. 45). Grayson (1995, S. 16f.) und Mercer (1987, S. 44f.) betonen im Zusammenhang der Schaffung neuer Haarstile wie dem des Afros, dass ebenso die Haarglättung nicht ausschließlich als Versuch einer Anpassung an Weiße Normmuster interpretiert werden dürfe, sondern Ausdruck einer Neudefinition diasporischer Kultur sei. Zwischen den Positionen, die Haarglättungen als legitimen Haarstil ansahen, und jenen, die sie als Verrat an eigenen kritischen Positionen deuteten, spannten sich zur Zeit der 1960er und 1970er Jahre kontroverse Diskurse auf, die in bekannten afroamerikanischen Magazinen wie ›Ebony‹ und ›Jet‹ ausgetragen wurden (vgl. Babou 2008, S. 6). Zeitgleich zu seiner Popularisierung erhielt der Afro Einzug in den Mainstream der Modewelt und verlor im Laufe der 1970er Jahre an politischer Symbolik (vgl. Sherrow 2006, S. 23; Mercer 1987, S. 37). Afroamerikanische Frauen und Männer, welche die Entpolitisierung des Afros kritisch betrachteten, änderten ihren Stil und trugen afrikanische Haarstile wie Braids und Cornrows (vgl. Walker 2000, S. 562; Abb. 5). Auch hier gliederten sich die Haarstile in die Mainstreamkultur ein. Beispielsweise trug die Schauspielerin Bo Derek im Jahr 1979 im Spielfilm ›10‹ Cornrows. Damit löste sie einen Boom aus, der sich in der Nachfrage Weißer Frauen nach Cornrows in allen großen US-amerikanischen Städten widerspiegelte. Cornrows erreichten unter dem Namen Bo Braids große Popularität. Die Mehrheit der Bevölkerung verstand die Frisur nicht als afrikanischen Stil, sondern assoziierte ihn mit der genannten Schauspielerin. Afroamerikaner/-innen mussten betonen, dass es sich genuin um eine im afrikanischen Kontext entstandene Frisur handelt (vgl. Sherrow 2006, S. 98). Die Kommerzialisierung afrikanischer und afroamerikanischer Haarstile in den USA wird jedoch keinesfalls nur kritisch, sondern als Ausdruck einer postmodernen Gesellschaftsstruktur verstanden. Mercer hält fest, dass sie zu

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Abbildung 5: Single Braids, Cornrows, Afro

Fotos: Caroline Schmitt.

neuen kulturellen Ausdrucksweisen geführt habe, die dem Muster der Bricolage folgen. Akteure/Akteurinnen arbeiten gleichermaßen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln; ob genuin Weiß oder Schwarz spiele in Bezug auf Frisuren keine Rolle mehr: »Many use gels to effect sculptural forms and in some inner-city areas white kids use the relaxer creme technology marketed to black kids to stimulate the ›wet-look‹. So who, in this postmodern melee of semiotic appropriation and counter-creolization, is imitating whom?« (Mercer 1987, S. 52).

Eine – wie Mercer betonte – Aneignung verschiedener Haarstile wurde im Verlauf der 1990er Jahre verstärkt. Neu kreierte und klassische afrikanische Frisuren verbreiteten sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts, wenn auch ihre politische Konnotation nachließ. Hairstylistinnen wurden als Künstler/-innen und ihre Werke als Kreationen gefeiert (vgl. Babou 2008, S. 7). Diese Entwicklung führte zu einem Boom im Afrohairbusiness, der sich in einer erhöhten Nachfrage nach Hairstylisten/Hairstylistinnen in den USA niederschlug, die die Flechtkunst des Braidings beherrschen: Afroamerikanische Salonbetreibende baten afrikanische Migranten/Migrantinnen in den USA um Unterstützung bei der Rekrutierung von Hairstylisten/Hairstylistinnen und hielten in afrikanischen Ländern nach potenziellen Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen Ausschau. Eigens zum Zweck der Frisiertätigkeit angeworbene Frauen, vor allem aus dem Senegal, migrierten in die USA. Sie verknüpften afrikanische Haarstile mit afroamerikanischen Neuschöpfungen sowie spezifischen Kundenwünschen/ Kundinnenwünschen, die zwar häufig als traditionell afrikanisch vermarktet wurden, aber eigentlich in den USA entstandene Stilfusionen waren (vgl. Babou 2008, S. 8).

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Harvey Wingfield (2008, S. 36) schätzt die Anzahl von Afrohairstylisten/ Afrohairstylistinnen in den USA im Jahr 2008 auf 100.000 von etwa 300.000 Hairstylisten/Hairstylistinnen insgesamt. 50.000 hiervon betreiben ihren Schätzungen zufolge eigene Salons. Doch auch wenn sich Afro Hair Salons weiter ausbreiten und zahlreiche Personen in dieser Branche beschäftigt sind, finden sich nach wie vor Tendenzen, die an die historische Aberkennung von Afrohaar und Afrofrisuren erinnern. Beispielsweise sind die formalen Voraussetzungen zur Eröffnung von Afro Hair Salons in US-Bundesstaaten unterschiedlich geregelt und stellen einen Streitpunkt zwischen Salonbetreibenden und Behörden dar: Während in einigen Staaten keine Voraussetzungen zur Afro Hair Saloneröffnung existieren, muss in anderen eine sogenannte Cosmetology License erworben werden. Wiederum andere Staaten haben spezielle Konzessionen für den Bereich des Hairbraidings eingeführt. Verschiedenen Staaten wird vorgeworfen, Minderheiten zu diskriminieren und den Ausbau des Afrohaarbusiness durch restriktive Gesetzgebungen aktiv zu verhindern (vgl. Bayham 2006). Untersuchungen weisen zudem darauf hin, dass Akteure/Akteurinnen mit afrikanischen und afroamerikanischen Haarstilen trotz Hair Revolution und Civil Rights Movement an ihren Arbeitsplätzen diskriminiert werden. Der Philadelphia Commission on Human Rights liegen zahlreiche Beschwerden von Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen vor, die abgestraft oder entlassen wurden, weil sie einen Afro trugen (vgl. Walker 2000, S. 562). Grayson (1995, S. 23) konstatiert, dass die Mehrheit in Unternehmen beschäftigter afroamerikanischer Frauen ihre Haare glätte. Sherrow (2006, S. 189) spricht zu Beginn des 21. Jahrhunderts von 66  Prozent der afroamerikanischen Frauen, die Relaxer verwenden würden. Exemplarisch sei auf eine im Frühjahr 2012 in den USA gegründete Online-Protestplattform verwiesen, auf der Akteure/Akteurinnen um Unterstützer/-innen für eine Petition werben, um gegen das Verbot des Tragens von Dreadlocks in der US Air Force vorzugehen. Sie erläutern, dass die Air Force in ihren Dress and Appearance Codes darauf verweise, dass Personen mit Afrohaar ihre Haare entweder glätten oder abschneiden sollen (vgl. Treasured Locks 2012). Der geschichtliche Abriss verdeutlicht, dass Prozesse einer (re-)produzierten Aberkennung von Afrohaar und Afrorisuren parallel zu ihrer Verbreitung und Akzeptanz verlaufen. Die aktuelle Entwicklungslinie ist ambivalent, insofern die in der Kolonialzeit konstruierten Aberkennungsmuster nach wie vor wirksam sind, jedoch gleichzeitig unterwandert werden.

Das Afrohairbusiness zwischen Ausgrenzung und Inkorporation

3.1.4  Postkoloniale Bewältigung von Aberkennung und            Verberuflichung des Afrohairbusiness in West- und            Zentralafrika Im Vergleich zu den USA hat sich auf dem afrikanischen Kontinent keine dem Afro analoge Protestkultur formiert, die maßbeglich zu Eröffnung und Verbreitung von Afro Hair Salons beigetragen hätte. Jedoch lassen sich länderspezifische Entwicklungen konstatieren, die in unterschiedlicher Weise auf das Afrohairbusiness einwirkten und -wirken. In ihrer wissenschaftlichen Aufarbeitung ist ein Forschungsdesiderat zu verzeichnen, weshalb sich die Analyse der gegenwärtigen Situation des Afrohairbusiness auf die Darstellung der Länderbeispiele der Demokratischen Republik Kongo und auf einige allgemeine Entwicklungen in Zentral- und Westafrika sowie auf Ghana und den Senegal beschränkt.

3.1.4.1  Fallbeispiel Demokratische Republik Kongo und              Tendenzen in zentral- und westafrikanischen Ländern Der von 1965-1997 in der Demokratischen Republik Kongo (1971-1997: Zaire) regierende Präsident Mobutu strebte mit seiner Politik der Authenticité einen nationalen Neuauf bau des Landes an, der sich weitreichend auf das Afrohairbusiness auswirkte: »Authenticité meinte die Verbindung von Tradition und Modernisierung, die Suche nach einem eigenen, afrikanischen Weg zur Formierung und Festigung der Nation« (Speitkamp 2005, S. 225; Herv. i.O.). 1971 benannte Mobutu das Land in Zaire um. 1972 wurden christliche Vornamen durch afrikanische ausgetauscht. Mobutu erließ ein Verbot für Perücken und Hautaufhellungscremes, die von den USA ausgehend grenzüberschreitend vertrieben wurden. Die gewaltsam durchgesetzte Politik bewirkte eine Wiederbelebung traditioneller Haarkultur und machte – während das Land selbst in Misswirtschaft, Gewalt und später in Bürgerkriegen versank (vgl. ebd., S. 226) – die Haarflechtkunst des Braidings wieder populär (vgl. Biaya 1999a, S. 85). Mobutus Ehefrau Marie-Antoinette trug zu dieser Zeit demonstrativ zu Braids geflochtene Haare in der Öffentlichkeit (vgl. Biaya 1999b, S. 34). Die Nachfrage großer Bevölkerungsteile nach afrikanischen Haarutensilien und Kleidern löste einen innerafrikanischen Handel mit Westafrika aus. Händler/-innen brachten Haarutensilien und Kleidung aus westafrikanischen Ländern in die Demokratische Republik Kongo; beispielsweise boomte der Handel mit dem für Frauen bestimmten Gewand ›pagne‹ (vgl. Biaya 1999a, S. 92). Nachfrage und Handel brachen trotz der Wirtschaftskrise in den 1980er Jahren nicht ein. Stattdessen stieg der Bedarf an verberuflichten Hairstylisten/Hairstylistinnen, was zu zahlreichen Neueröffnungen von Afro Hair Salons führte (vgl. Biaya 1999b, S. 35). Neben der Politik der Authenticité trugen in den 1980er Jahren afrikanische Frauen, die die Frisierkunst in Europa erlernt hatten, zu

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Saloneröffnungen in Zentral- und Westafrika bei (vgl. Essah 2008). Zurück in Afrika betrieben sie Frisierschulen und Haarsalons, die sich an europäischen Curricula orientierten, aber zugleich lokale Wissensinhalte integrierten. Als Beispiel für einen Haarstil, der verschiedene solcher Elemente verknüpft, führt Biaya (1999a, S. 82) das Wire-Braiding an. Diese Frisur zeichnet sich durch die Kombination afrikanischer Haarflechtkunst mit aus Frankreich stammenden Techniken aus: Haarzöpfe werden geradlinig wie Antennen geflochten und am Kopf drapiert. Frisuren und Frisiertechniken wie diese verbreiteten sich durch die grenzüberschreitende Mobilität der Friseure/Friseurinnen sowie die Mobilität ihrer Kunden/Kundinnen und Mitarbeiter/-innen in andere afrikanische Länder und andere Kontinente. Der Frisierbereich in West- und Zentralafrika befand und befindet sich im Prozess der Internationalisierung und gleichzeitigen Lokalisierung (vgl. Biaya 1999b, S. 78).

3.1.4.2  Fallbeispiel Ghana Auch für das Land Ghana weisen Studien (vgl. Oda 2005; Langevang/Gough 2012) auf eine Verberuflichung des Afrohairbusiness hin, wobei die Popularisierung und Ausbreitung des Dienstleistungsbereichs ursächlich auf mehrere Faktoren zurückgeführt wird: • Oda (2005, S. 92ff.) hält eine gestiegene Nachfrage nach Frisierdienstleistungen fest, die sie auf eine veränderte Wahrnehmung des Berufszweigs zurückführt, der im Zuge seiner Verberuflichung verstärkt gesellschaftliche Anerkennung erfährt. Der Wandel des ehemals mit Schulabbrechern/ Schulabbrecherinnen assoziierten Berufsbildes vollziehe sich vor allem durch seine Profilierung als Expertentum, in deren Rahmen aus Afrika stammende Techniken mit solchen aus Amerika und Europa verbunden werden. • Neben der zunehmenden Nachfrage auf Seite der Kundschaft führt das gesteigerte Ansehen des Afrohairbereichs zu einem wachsenden Interesse von Frauen an diesem Berufsfeld. Begünstigende Faktoren sind die gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie eine Bildungsreform der späten 1980er Jahre, die den Zugang zu Bildung für einen Großteil der Kinder in Ghana verbesserte. 95 Prozent der Kinder durchlaufen nun die Primar­ schule, während der Besuch der Sekundarschule und eine tertiäre Ausbildung weiterhin nur einer begrenzten Schülerschaft möglich ist. Nach der Primarschule finden junge Menschen Weiterqualifizierungsmöglichkeiten in der Friseurbranche (vgl. Langevang/Gough 2012). • Die Verberuflichung des Afrohairbusiness wird zudem durch das Engagement des 1972 gegründeten Verbands ›Ghana Hairdressers and Beauticians Association‹ (GHABA) sowie die in den späten 1990er Jahren gegründete ›National Association of Beauticians and Hairdressers‹ (NABH) vorange-

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trieben. Beide Verbände setzen sich für eine standardisierte Ausbildung ein und ein zusagendes Berufsimage. Sie verhan­deln mit der Regierung über notwendige Steuerzahlungen von Salonbetreibenden und versuchen, Kosten für Selbstständige zu verringern (vgl. Essah 2008; Langevang/ Gough 2012). Das Beispiel Ghana verdeutlicht, dass sich der ehemals abgewertete Frisierbereich parallel zu seinem zunehmenden Ansehen verberuflicht und organisatio­ nale Strukturen und politische Reformen einen fördernden Einfluss ausüben.

3.1.4.3  Fallbeispiel Senegal Im Senegal lässt sich ein Gründungsboom von Haarsalons seit den späten 1970er- und frühen 1980er Jahren beobachten. Die traditionell von Frauen niederer Kasten ausgeübte und zur Zeit der Kolonialisierung abgewertete Frisiertätigkeit entwickelte sich zu einem breiten Tätigkeitsbereich, in dem auch andere Frauen Fuß fassten. Die in den späten 1980er Jahren konzipierten »Strukturanpassungsprogramme« (SAP) der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds, in deren Rahmen die Zahlungsfähigkeit von Ländern durch die massive Kürzung von Investitionen im sozialen Sektor und eine Fokussierung der Wirtschaft auf den Export verbessert werden sollte, führte zu einer Verschlechterung der Lebenssituation der Menschen in vielen afrikanischen Ländern (vgl. Hamm 1996, S. 217). Dies bewirkte im Senegal eine Arbeitsmigration von Männern, die im Ausland ein besseres Einkommen zu erzielen hofften. Frauen verließen die häusliche Sphäre, um ein zusätzliches Gehalt für die Familie zu erarbeiten. Viele von ihnen fanden im Frisier- und Modesektor eine Arbeit. Zwar war dieser noch immer von den sogenannten ñeeño-Frauen dominiert (vgl. Kap. 3.1.1), jedoch entstand schnell ein System, in dessen Rahmen Kundinnen für ihre Bezahlung einen fortgeschrittenen Service verlangten (vgl. Babou 2008, S. 5). Im Verlauf der 1980er Jahre handelten grenzüberschreitend agierende Geschäftsmänner mit künstlichen Haarverlängerungsteilen aus den USA; erste Fabriken zur Herstellung von Kunsthaar wurden auch im Senegal gegründet und die Verberuflichung des Sektors schritt weiter voran (vgl. ebd., S. 5f.). Die Qualität der im Senegal angebotenen Frisierdienstleistungen führte Anfang des 21. Jahrhunderts dazu, dass Salonbetreibende in den USA, wie in Kapitel 3.1.3 aufgezeigt, senegalesische Hairstylistinnen für ihre Salons anwarben. Der Country Commercial Guide für das Jahr 2012, der US-Amerikaner/innen, die im Senegal investieren wollen, die dortige Marktsituation näher bringt, beschreibt die senegalesische Schönheitsindustrie als eine der am schnellsten wachsenden nationalen Branchen. In diesem Sektor sei eine hohe Nachfrage nach Frisiersalons, vor allem in Dakar, zu verzeichnen (vgl. U.S. & Foreign Commercial Service and U.S. Department of State 2012, S. 23).

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3.1.4.4  Ambivalente Entwicklungen Der Afrofrisierbereich verberuflichte sich infolge seiner kolonialen Aberkennung zunächst nur verzögert in afrikanischen Ländern, hat mittlerweile aber an Dynamik gewonnen und wird global wahrgenommen (vgl. Dogbe 2004, S. 79). Kritisch weisen Nyamnjoh, Durham und Fokwang (2002) darauf hin, dass eine Verbreitung von afrikanischen Frisuren, Frisiertechniken und Afro Hair Salons nicht unweigerlich zu einer gleichberechtigten Partizipation des Afrohairbusiness am globalen Schönheitsmarkt führe. Problematisch sei, dass nicht jeder Akteur/jede Akteurin gleichermaßen an dieser Ökonomie teilhabe: In den meisten afrikanischen Ländern seien zwar westliche Produkte und Haarstile kontinuierlich nachgefragt, Frisuren wie Afro, Braids oder Cornrows kämen aber in westlich definierten Gesellschaften nur phasenweise in Mode und machten keinen festen Bestandteil des Angebots aus. Zudem seien afrikanische Produkte in der globalen Sphäre präsent, ohne ganze Welt-, Selbstund Orientierungsweisen von Menschen infrage zu stellen. Sie würden an eine westlich gedeutete Konsumkultur angepasst (vgl. ebd., S. 99-108). Weiss (2002, S. 102-105) verweist auf die Gefahr eines Bedeutungsverlusts. In seiner empirischen Studie zu Barbershops von Männern in Arusha, Tansania, zeigt er, dass die Besitzer ihre Shops nach Städten und Stadtteilen in den USA, Großbritannien oder Frankreich benennen (z.B. Brooklyn Barberhouse, Liverpool Barbers, Paris Cuts, Queens Cutting Shop), um sich als Teil einer globalen Moderne zu imaginieren. In diesem Versuch werde eine Form von Exklusion sichtbar: »in creating this geographic synthesis via juxtaposition, the places and personages of Arusha, and indeed Tanzania, are nowhere to be found« (Weiss 2002, S. 104). Zusammenfassend verweisen die aufgeführten Erkenntnisse zur Situation des Afrohairbusiness in afrikanischen Ländern auf zwei Entwicklungsstränge: • Zum einen sind Tendenzen einer Befürwortung von afrikanisch gedeuteten Frisuren zu verzeichnen. Afrikanische, (afro-)amerikanische und europäische Frisuren scheinen sich zunehmend zu durchdringen und werden von Hairstylisten/Hairstylistinnen in vielen afrikanischen Ländern miteinander kombiniert. Diese Entwicklungen können als Bewältigung der historischen Aberkennung afrikanischer Frisuren und Frisurenelemente gelesen werden. Sie sind als Versuch zu deuten, Afrofrisuren entgegen dem kolonialistischen Stigma auf dem globalen Schönheitsmarkt als modern und innovativ zu präsentieren. Das Afrohairbusiness entwickelt sich in vielen afrikanischen Ländern stetig weiter und der Beruf erfährt zunehmend mehr Akzeptanz. • Zum anderen geben Weiss (2002) sowie Nyamnjoh, Durham und Fokwang (2002) Tendenzen einer einseitigen Adaption des Business an dominante,

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westliche Modernitätsvorstellungen zu bedenken, die zu einer Abwendung von afrikanischen und afroamerikanischen Frisurenstilen oder zu deren Einpassung in den globalen Markt unter Inkaufnahme eines Bedeutungsverlustes führen können.

3.2  I nstitutionell- rechtliche P erspek tive :        A fro H air S alons in D eutschl and z wischen        M arginalisierung und I nkorpor ation Während sich in den USA und in afrikanischen Ländern gefestigte berufliche Strukturen entwickelt haben, ist die Inkorporation des Afrohairbusiness in europäischen Ländern unterschiedlich vorangeschritten. Der Verbreitungsgrad von Afro Hair Salons ist in den USA und in Afrika deutlich höher als in Europa. In Europa werden die Betriebe in der Regel als migrantische Unternehmen von Migranten/Migrantinnen geführt. In dieser Position sind sie möglicherweise nicht vollständig in Gesellschaften eingebunden. Die Art und Weise einer (fehlenden) Inkorporation lässt sich zum Beispiel daran ablesen, wie Afro Hair Salons in ökonomischen und beruflichen institutionellen Strukturen eines Landes verankert sind. In Deutschland gibt es zum aktuellen Zeitpunkt keine Möglichkeiten der formellen Aneignung von Wissensbeständen aus dem Afrohairbusiness. Der Bereich ist nicht in der beruflichen Friseurausbildung etabliert, und es existieren keine Schulen zum Erlernen der notwendigen Kenntnisse. Aufgrund dessen ist der Umgang mit den Betrieben von institutionell-rechtlicher Seite von besonderem Interesse, der in diesem Kapitel anhand der geltenden Rechtsprechung und eines Gerichturteils rekonstruiert wird. Um sich in Deutschland als Migrant/-in im Frisierhandwerk selbstständig machen zu können, müssen Unternehmer/-innen unterschiedlichen Bestimmungen gerecht werden. Zunächst müssen die Vorgaben nach §  21 Aufenthaltsgesetz erfüllt sein; im Anschluss greifen Regulierungen der Hand­ werksord­ nung (HwO). Durch die spezifischen Vorgaben zur Realisierung einer selbst­ständigen Existenz für sogenannte Ausländer/-innen wird eine Differenz gezogen zwischen Akteuren/Akteurinnen, die nicht im Besitz der deutschen Staats­angehörigkeit sind, und solchen, die über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügen – mit nachhaltigen Auswirkungen auf akteursspezifische Handlungsmächtigkeiten. Deutsche Staatsangehörige benötigen zur Gründung ihres Unternehmens je nach Geschäftsbereich unterschiedliche Qualifikationsnachweise. Um einen Frisiersalon zu eröffnen, muss in der Regel ein Meistertitel im Frisierhandwerk nachgewiesen werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, sich ohne diesen Nachweis mit einem Salon selbstständig zu machen, wenn die Voraussetzungen für eine Ausübungsberechtigung

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gemäß § 7b HwO oder für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO erfüllt sind. Um eine Ausübungsberechtigung zu erhalten, müssen • erstens die Ablegung einer Gesellenprüfung im entsprechenden Handwerk, • zweitens eine sechs Jahre dauernde Tätigkeit im Handwerk sowie • drittens der Nachweis über eine hiervon vier Jahre andauernde Tätigkeit in leitender Stellung nachgewiesen werden. • Zudem muss die Person über die erforderlichen Kenntnisse in betriebswirtschaftlicher, kaufmännischer und rechtlicher Hinsicht verfügen. Eine Ausnahmebewilligung kann beantragen, wer • die zur selbstständigen Arbeit in dem spezifischen Handwerk notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten nachweisen kann (dabei sind bisherige berufliche Erfahrungen und Tätigkeiten zu berücksichtigen); • nachweisen kann, dass die Ablegung einer Meisterprüfung zum Zeitpunkt der Antragsstellung eine unzumutbare Belastung darstellen würde; • bestandene Prüfungen beispielsweise im Ausland vorzuweisen hat, die als gleichwertig anerkannt werden, oder wer eine Prüfung auf Grundlage von § 42 der HwO oder nach § 53 des Berufsbildungsgesetzes bestanden hat. Nach § 42 der HwO und § 53 des Berufsbildungsgesetzes kann das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologien nach Anhörung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung Fortbildungs­ abschlüsse anerkennen und für sie spezielle Prüfungsvereinbarungen erlassen.

3.2.1    Regulierungen des Aufenthaltsgesetzes Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft werden im Aufenthaltsgesetz in die Gruppen der EU-Bürger/-innen und sogenannten Ausländer/-innen aus Drittstaaten eingeteilt. Für EU-Bürger/-innen gilt im Rahmen des Schengener Abkommens in allen Ländern der Europäischen Union Freizügigkeit und Gewerbefreiheit. Sie können in jedem dieser Länder, somit auch in Deutschland, einen Friseursalon eröffnen, wenn sie den Nachweis über die hierfür notwendige Qualifikation erbringen. Für sie gelten dieselben Voraussetzungen wie für deutsche Staatsbürger/-innen. Migranten/Migrantinnen aus Drittstaaten unterliegen restriktiven Gesetzen. Hier wird unterschieden zwischen jenen, die zum Zweck der Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit in die Bundesrepublik einreisen, und solchen, die die selbstständige Tätigkeit erst nach der Migration realisieren möchten.

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• Im Falle der Einreise zum Zweck der selbstständigen Tätigkeit kann einem Ausländer/einer Ausländerin laut § 21 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit erteilt werden, wenn erstens ein übergeordnetes wirtschaftliches Interesse oder ein besonderes regionales Bedürfnis besteht und die Tätigkeit zweitens positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten lässt. Dies ist in der Regel gegeben, wenn 250.000 Euro investiert und mindestens fünf Arbeitsplätze geschaffen werden. Zudem werden die Tragfähigkeit des Geschäftskonzepts und die Qualifikation der Person in dem angestrebten Tätigkeitsfeld berücksichtigt. Drittens muss die Finanzierung des Unternehmens durch Eigenkapital oder eine Kreditzusage gesichert sein. Bei Personen über 45 Jahren ist der Nachweis einer angemessenen Altersabsicherung notwendig. Über diese drei Punkte hinaus wird im Gesetz die Option erwähnt, eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit im Falle des Bestehens völkerrechtlicher Vergünstigungen auf der Grundlage der Gegenseitigkeit zu erteilen. Die Aufenthaltserlaubnis ist längstens auf drei Jahre befristet. Nach drei Jahren kann eine Niederlassungserlaubnis ausgestellt werden, wenn die Unternehmerperson die Tätigkeit erfolgreich verwirklicht hat und ihren Lebensunterhalt und den ihrer Angehörigen, denen sie Unterhalt zu leisten hat, durch ausreichende Einkünfte absichern kann. • Verfügen Akteure/Akteurinnen bereits über eine Aufenthaltserlaubnis und streben im Anschluss an die Migration eine selbstständige Tätigkeit an, müssen sie sich an die zuständige Ausländerbehörde wenden, welche die Aufnahme der Tätigkeit erlauben kann. Die rechtlichen Anforderungen zeichnen für die Gruppe der Drittstaatenangehörigen ein unübersichtliches Bild. Die Erteilung einer Erlaubnis zur Selbstständigkeit vor der eigentlichen Einreise wird von monetären Mitteln abhängig gemacht. Diese Rechtslage entspricht dem in politischen Debatten häufig vermittelten Bild von ›erwünschten‹ und ›unerwünschten‹, von ›guten‹ und ›schlechten‹ Migranten/Migrantinnen, wobei die Erwünschtheit mit zunehmendem Bildungsgrad und zunehmenden finanziellen Ressourcen steigt (vgl. Broden/Mecheril 2014, S. 9; Mecheril 2010, S. 10).

3.2.2    Regulierungen der Handwerksordnung Erfüllen gründungswillige Migranten/Migrantinnen die aufenthaltsrechtlichen Anforderungen, müssen die Voraussetzungen zur Saloneröffnung nach der Handwerksordnung berücksichtigt werden. Ihnen steht prinzipiell die Möglichkeit offen, die Meisterprüfung im Frisierhandwerk in Deutschland abzulegen, in der allerdings keine Kenntnisse im Afrohairstyling vermittelt

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werden. Alternativ haben sie unter Nachweis ihrer Kenntnisse – ebenso wie deutsche Staatsangehörige – die Möglichkeit, eine Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO oder eine Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO zu beantragen. Die Ausnahmebewilligung kann auf einen wesentlichen Teilbereich des Handwerks wie das Afrohairstyling beschränkt erteilt werden. In einem solchen Fall genügt der Nachweis der Kenntnisse für diese wesentlichen Teiltätigkeiten. Die Ausstellung einer Ausnahmebewilligung obliegt den regionalen Handwerkskammern, sodass keine allgemeine Aussage über entsprechende Verfahren im Kontext des Afrohairbusiness getätigt werden kann. In Rücksprache mit Vertretern/Vertreterinnen verschiedener Handwerkskammern bestätigte sich, dass bisher keine kammernübergreifende Praxis existiert, sondern individuell nach Einzelfall entschieden wird. Es stellt sich die Frage, ob diese Optionen tatsächlich dazu führen, dass sich Akteure/Akteurinnen einfacher, d.h. ohne die Ablegung des Meistertitels, selbstständig machen können. Studien liegen hierzu bisher nicht vor, ebenso wenig wie bundesweite Statistiken zur Anzahl bewilligter und abgelehnter Ausnahmeanträge im Afrohairbusiness. Allerdings wurde in der Bekanntmachung der Beschlüsse des »Bund-Länder-Ausschusses Handwerksrecht« zum Vollzug der Handwerksordnung vom 21. November 2000 darauf hingewiesen, den Zugang zur Ausübung von Handwerksberufen als Selbstständiger/Selbstständige zu erleichtern (vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie 2000, S. 2). Absatz 2.1 des »Bund-Länder-Ausschusses Handwerksrecht« fordert die Handwerkskammern auf, nach § 8 der HwO eine Bewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle zu erteilen, »wenn die zur selbständigen Ausübung des von dem Antragsteller zu betreibenden Handwerks notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen sind« (ebd., S. 5). Alle Umstände eines Einzelfalls seien sorgfältig zu prüfen, um »empfindliche Eingriffe in die Freiheit selbständiger Berufsausübung« (ebd., S. 1) zu vermeiden. Das Bundesverfassungsgericht habe, so wird in der Bekanntmachung formuliert, bereits in seinem Beschluss vom 17. Juli 1961 klargestellt, »dass von der Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmebewilligung nicht engherzig Gebrauch gemacht werden soll und eine großzügige Praxis dem Ziel der Handwerksordnung entgegenkommt, die Schicht leistungsfähiger, selbständiger Handwerkerexistenzen zu vergrößern« (ebd., S. 5). Die Debatte um den Meisterzwang in Deutschland dreht sich vornehmlich nicht um Migranten/Migrantinnen, sondern um Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft, die Handwerksbetriebe ohne den Erwerb des Meistertitels eröffnen möchten. Ob die Leitlinie bei Migranten/Migrantinnen genauso großzügig wie bei deutschen Staatsangehörigen umgesetzt wird bzw. umgesetzt werden soll, bleibt mit Blick auf den Umgang einer Handwerkskammer mit einer Afro­hairstylistin, der in einem Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichts in Hamburg aus dem Jahr 2000 (Aktenzeichen 3 VG 4718/99) dokumentiert ist, offen (vgl. Verwaltungsgericht Hamburg 2000). Das Schriftstück verdeutlicht,

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mit welchen Herausforderungen Afro Hair Salonbetreibende wie auch Handwerkskammern konfrontiert sind. Demnach können die rechtlichen Anforderungen eine legale und formalisierte Afro Hair Saloneröffnung erschweren und gar verhindern. Zum Fall: Eine ghanaische Staatsangehörige führte gemeinsam mit ihrem Ehemann einen Afro Shop in Hamburg, in dem neben dem Verkauf von Produkten frisiert wurde, ohne dass einer der beiden in die Handwerkerrolle eingetragen war. Per Bescheid wurde dem Ehemann der Klägerin die Ausübung des Frisierhandwerks untersagt (vgl. Verwaltungsgericht Hamburg 2000, Abs. 1). Die Betreiberin beantragte daraufhin bei der zuständigen Handwerkskammer die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO mit der Beschränkung auf die Teiltätigkeit »afrikanische Frisuren«. Die Ablegung der Meisterprüfung in Deutschland sei für sie eine unzumutbare Belastung und sie wolle ausschließlich Afrikaner/-innen frisieren, die zu deutschen Friseuren/Friseurinnen kein Vertrauen hätten (vgl. ebd., Abs. 2). Der Antrag wurde von der Handwerkskammer abgelehnt, da das von der Betreiberin eingereichte Zertifikat, das ihre dreijährige Ausbildung im Frisierbereich in Ghana nachwies, nicht als der Meisterprüfung gleichwertig anerkannt wurde. Zudem kam die Handwerkskammer zu dem Schluss, dass die Anfertigung afrikanischer Frisuren eine ›wesentliche Tätigkeit‹ des Vollhandwerks des Frisierbildes sei und somit eine entsprechende Befähigung von der Klägerin verlangt werden könne (vgl. ebd., Abs. 5). Die Klägerin reichte gegen den Bescheid Widerspruch ein und gab an, ihre Kenntnisse in der Anfertigung afrikanischer Frisuren vor der Handwerkskammer demonstrieren zu können. Sie bestand darauf, dass die Ablegung der Meisterprüfung für sie unzumutbar sei und erklärte, dass im Meisterlehrgang keine Fertigkeiten in der Anfertigung afrikanischer Frisuren, die spezielle Kenntnisse erforderten, vermittelt würden (vgl. ebd., Absätze 6 und 7). Die Handwerkskammer wies den Widerspruch der Klägerin zurück und erkannte ihr Argument einer unzumutbaren Belastung nicht an (vgl. ebd., Abs. 8). Unter Berufung auf eine Stellungnahme des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks äußerte die Kammer, dass das Anfertigen afrikanischer Frisuren zum Angebotsumfang besonders modisch exponierter Friseure/Friseurinnen gehöre und die von der Klägerin angestrebte Tätigkeit damit ›wesentliche Teiltätigkeiten‹ des Vollhandwerks umfasse. Die von der Klägerin aufgewiesene Ausbildung sei nicht gleichwertig mit der Meisterprüfung im Frisierhandwerk in Deutschland; schließlich lägen die notwendigen Kenntnisse zur Ausübung der Tätigkeit nicht vor (vgl. ebd., Abs. 9). Die Klägerin verfolgte ihr Begehren mit einer Klage am Verwaltungsgericht Hamburg weiter. Sie argumentierte, dass sie eine Dienstleistung anbiete, die durchschnittliche Friseure/Friseurinnen in Mitteleuropa nicht besäßen, und beantragte eine Ausnahmebewilligung für den Teilbereich »afrikanische Frisuren«. In der Zwischenzeit brachte die Klägerin ihr drittes Kind

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zur Welt (vgl. ebd., Absätze 11 und 13). Das Gericht kam zu dem Schluss, dass aufgrund der Lebensumstände der Frau ein Ausnahmezustand vorliege und die Ablegung der Meisterprüfung im Frisierhandwerk unzumutbar sei. Auch sei eine Beschränkung der Tätigkeit auf den Teilbereich »afrikanische Frisuren« denkbar. Eine solche Beschränkung bei gleichzeitiger Eintragung in die Handwerkerrolle sei nur dann möglich, wenn der Teilbereich einen ›wesentlichen Teilbereich des Frisierhandwerks‹ umfasse. Dies sei in diesem Fall gegeben (vgl. ebd., Absätze 25 und 26). Jedoch habe die Klägerin die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten bislang nicht nachgewiesen. Zwar habe sie angegeben, in Ghana selbstständig gearbeitet und eine Prüfung abgelegt zu haben, die hierfür notwendigen Nachweise seien aber noch vorzulegen. Zudem sei ein Nachweis über spezielle betriebswirtschaftliche und rechtliche Grundkenntnisse zu erbringen (vgl. ebd., Abs. 29). Das zuständige Gericht gestand der Klägerin einen Anspruch auf fehlerfreie Neubewertung ihres Falles durch die Handwerkskammer zu, die für die Prüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten der Klägerin unter deren Mitwirkung zuständig ist (vgl. ebd., Abs. 30). Über den letztlichen Ausgang des Falls liegen keine Erkenntnisse vor. Der Fall verdeutlicht jedoch, welche Herausforderungen auftreten können, wenn Akteure/ Akteurinnen eine nicht unmittelbar mit Ausbildungsprofilen im Zielland ihrer Migration übereinstimmende Ausbildung anerkennen lassen wollen. Im aufgeführten Fall betonte die Klägerin, dass die Anfertigung afrikanischer Frisuren eine spezielle Tätigkeit sei, die in Deutschland nicht vermittelt werde, wogegen die Handwerkskammer vor allem damit beschäftigt war zu beurteilen, ob eine Gleichwertigkeit der Ausbildung der Frau mit den Anforderungen im Frisierhandwerk in Deutschland vorliege. Der Fall zeigt letztlich, dass die intendierte Zugangserleichterung in das Handwerk des »Bund-Länder-Ausschusses Handwerksrecht« in diesem Fall nicht (unmittelbar) gegriffen hat.

3.2.3    Anerkennung von im Ausland er worbenen Abschlüssen          in Deutschland Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Migranten/Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland benachteiligt sind. Wenn die Ergebnisse auch nicht dezidiert auf die Situation von Selbstständigen Bezug nehmen, so lässt sich doch konstatieren, dass Migranten/Migrantinnen häufig von Ausschlusspraktiken betroffen sind. Der Zweite Integrationsindikatorenbericht aus dem Jahr 2011 hält zum einen fest, dass die Beteiligung am Erwerbsleben eine zentrale Voraussetzung für soziale Teilhabe darstelle (vgl. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2011, S. 57). Zum anderen verweist er darauf, dass Personen mit Migrationshintergrund signifikant schlechter in den deutschen Arbeitsmarkt inkorporiert seien als Nicht-Migranten/Nicht-Migrantinnen. Die Autoren/Autorinnen führen dies

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darauf zurück, »dass im Ausland erworbene Qualifikationen – auch wegen bisher fehlender rechtlicher Anerkennungsmöglichkeiten – auf dem deutschen Arbeitsmarkt weniger Anerkennung finden als in Deutschland erworbene Berufsabschlüsse oder -qualifikationen« (vgl. ebd., S. 182). Besonders Personen aus Drittstaaten würden benachteiligt: »Einwanderer aus Drittstaaten ohne deutsche Staatsbürgerschaft haben in dieser Hin­ sicht zum Teil mit erheblich größeren Einschränkungen zu kämpfen und damit weniger Spielraum bei der Suche nach qualifikationsgerechter und angemessen bezahlter Be­ schäftigung« (ebd. 2011, S. 182).

Durch eine fehlende Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen wird auch der Weg in die Selbstständigkeit erschwert, wenn hierfür notwendige Qualifikationsnachweise – wie im Fall der Klägerin vor dem Hamburger Verwaltungsgericht – als Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nicht anerkannt werden. Dies kann dazu führen, dass Akteure/ Akteurinnen von einer geforderten großzügigen Erteilung von Ausnahmebewilligungen nicht profitieren. Um die ökonomische Teilhabe von Drittstaatlern/Drittstaatlerinnen und die Möglichkeiten einer selbstständigen Tätigkeit in Deutschland zu stärken, wären gesetzliche Änderungen zum Abbau von Zugangsbarrieren notwendig. Die Bundesregierung hat hierauf im Dezember 2011 mit dem »Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen« reagiert, das zum 1. April 2012 in Kraft getreten ist. Das Gesetz intendiert, den Zugang von Migranten/Migrantinnen zu ihrem erlernten Beruf in der Bundesrepublik zu erleichtern. Ziel des Gesetzes ist nicht die Überführung der im Ausland erworbenen Qualifikationen in deutsche Berufsschulzeugnisse, sondern die Feststellung der Gleichwertigkeit von Abschlüssen. Die Handwerkskammer Köln äußert sich zurückhaltend zum neuen Gesetz und vermutet, dass im handwerklichen Bereich zusätzlich zu den im Ausland erworbenen Abschlüssen Qualifikationen in Deutschland erworben werden müssen: »Über die Handwerkskammern besteht nun die Möglichkeit, die Gleichwertigkeit der im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen im Handwerk anhand der deutschen Referenzberufe prüfen zu lassen. Da sich im Handwerk ausländische Bildungsgän­ ge häufig sehr stark vom deutschen Berufsbildungssystem unterscheiden, wird es häufig nicht zur Gleichwertigkeitsfeststellung kommen. Die Antragstellenden werden Ausgleichs- oder Qualifizierungsmaßnahmen ablegen müssen. Auch deshalb sollte vor einem Antrag eine Beratungsstelle aufgesucht werden, um individuell die Ziele, die mit einer Feststellung angestrebt werden, zu klären« (Handwerkskammer zu Köln 2012).

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Für das Afrohairbusiness stellt sich hier die Schwierigkeit, dass der Referenzberuf des Friseurs in Deutschland kaum Elemente der Afrofriseurtätigkeit impliziert. Im curricularen Ausbildungsrahmenlehrplan der Kultusministerkonferenz aus dem Jahr 2008 werden vor allem Fertigkeiten wie Haare schneiden, pflegen sowie färben und tönen betont. Techniken wie die Anfertigung von Weaves oder Cornrows werden nicht genannt. Allenfalls können Methoden zu Haarersatz und Haarverlängerung in einer sogenannten Wahlqualifikationseinheit erworben werden (vgl. FriseurAusbV 2008, Abschnitt B), worüber folglich nicht jede Friseurin oder jeder Friseur verfügt. Im Meisterlehrgang werden zwar Techniken der Haarverlängerung und Methoden des Haarersatzes sowie Teilersatzes laut Friseur-MStrV § 2 vermittelt, Afrohairstylisten/Afrohairstylistinnen bieten aber ein sehr viel breiteres Repertoire an.

3.2.4  Einfluss der rechtlichen Regulierungen Welchen Einfluss die komplexen rechtlichen Regulierungen auf die Handlungsmächtigkeit von Afro Hair Salonbetreibenden in Deutschland haben, zeigen die unterschiedlichen Wege der befragten Salonbetreibenden in die Selbstständigkeit: Die Salonbetreiberin Lilly Damale (vgl. Kap. 4.3) hat die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie schlug den in Deutschland klassischen Weg ein, legte eine Friseurausbildung und erwarb den Meisterbrief im Frisierhandwerk. Sie erlernte in diesem Kontext nicht das Frisieren afrikanischer Frisuren, jedoch andere Methoden der Haarverlängerung, die sie mit ihren sozialisatorisch erworbenen Kenntnissen im Afrohairstyling kombiniert. Der Salonbetreiber Aron Ayele (vgl. Kap. 4.1) kam als Flüchtling nach Deutschland und verfügt ebenfalls über die deutsche Staatsangehörigkeit. Auch er absolvierte die Meisterprüfung in Deutschland, während seine Frau die afroamerikanische und afrikanische Frisierkunst zusätzlich in einer spezialisierten Schule in einer US-amerikanischen Stadt erlernte. Sophie Assogba (vgl. Kap. 4.2), Salonbetreiberin französisch-beninischer Staatsbürgerschaft, erfüllte im Zuge der Gewerbefreiheit in der EU die aufenthaltsrechtlichen Bedingungen zur Gründung eines Salons und besuchte mehrere Ausbildungsworkshops im Afrohairbusiness in ihrem Herkunftsland Benin, in Paris und London. Sie erwarb durch den Nachweis ihrer Kenntnisse eine Ausnahmebewilligung zur Ausübung der Teiltätigkeit »Afrikanische Frisuren«. Hierbei ist zu beachten, dass sie nicht zum Schneiden und zur chemischen Behandlung von Haaren berechtigt ist. Frau Sylvie Jassey engagierte einen deutschen Meister, der ihren Salon offiziell leitete. Sie arbeitete über einen längeren Zeitraum mit diesem deutschen Meister zusammen und erhielt nach sechs Jahren, von welchen sie über vier Jahre in leitender Position tätig war, eine Ausübungserlaubnis im Frisiergewer-

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be. Im Anschluss legte sie die Meisterprüfung im Frisierhandwerk erfolgreich ab und kann ihren Salon seitdem alleine leiten. Die Kenntnisse im Afrohairstyling hat sie in ihrem Herkunftsland und durch Qualifizierungsaufenthalte in London erworben. Darüber hinaus konnte ich mit einer Frau sprechen, die in ihrem Afro Shop ›afrikanische Frisuren‹ frisiert, was ihr von offizieller Seite als die Durchführung einer »kulturellen Kunst« gestattet wurde (vgl. G. Adou). Es kann vermutet werden, dass die zuständige Behörde die Anfertigung afrikanischer Frisuren nicht als wesentliche Teiltätigkeit des Friseurberufs in Deutschland gewertet hat und ihr die Ausübung ohne Meisterbrief erlaubte, sie aber auch nicht in die Handwerkerrolle eingetragen hat. Nach §  1, Abs. 2, Punkt 3 der HwO sind keine wesentlichen Tätigkeiten solche, die in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können, für das Gesamtbild des betreffenden Handwerks nebensächlich sind, nicht dessen Wissensgrundlage erfordern sowie nicht aus einem zulassungspflichtigen Handwerk entstanden sind. In dem Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichts Hamburg wurden die verwendeten Techniken in der Anfertigung »afrikanischer Frisuren« allerdings als wesentliche Tätigkeiten der Frisiertätigkeit bewertet. Dies hatte zur Folge, dass die Klägerin eine Ausnahmebewilligung beantragen musste, welche voraussetzungsreicher ist als die Bewilligung einer Tätigkeit, die als nicht wesentlich für ein bestimmtes Handwerk deklariert wird. Darüber, ob die zur Anfertigung afrikanischer Frisurenstile notwendigen Techniken wesentliche Teiltätigkeiten des Friseurberufs darstellen oder nicht, herrscht scheinbar Uneinigkeit. Für Gründungswillige stellt sich in hohem Maße das Problem des Kenntnisnachweises. In der Regel verfügen Betreibende oder solche, die eine Betriebseröffnung intendieren, über informelle Kenntnisse im Afrohairstyling, die ihnen sozialisatorisch vermittelt wurden und/oder haben Ausbildungen in afrikanischen Ländern oder in solchen abgelegt, in denen sich das Afrofrisierhandwerk etabliert hat. Ihre erworbenen Zertifikate lassen sich nicht unmittelbar mit den vermittelten Kenntnissen im Frisierhandwerk in Deutschland vergleichen. Sie sehen sich mit einer uneinheitlichen Umgangspraxis mit erworbenen Qualifikationen im Ausland sowie einer schweren Vergleichbarkeit der Abschlüsse konfrontiert. Folglich ist es für Gründungswillige herausfordernd, den Weg in die Selbstständigkeit präzise zu planen. Es kann vermutet werden, dass rechtliche Unsicherheiten Gründungsinteressierte von einer Realisierung ihres Projekts abhalten können. Kann ein Unternehmer/eine Unternehmerin dennoch erreichen, dass zum Beispiel eine Ausnahmegenehmigung erteilt wird, ist zwar eine partielle Inkorporation des Afrohairbusiness in das nationalstaatliche Berufssystem gelungen, gleichzeitig bleibt dieses aber strukturell marginal, da es als Sonderfall und Ausnahme von der Regel behandelt wird.

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Die institutionell-rechtlichen Regulierungen lassen insgesamt keine rassistische Aberkennung des Afrohairbusiness erkennen, wie im historischen Kapitel rekonstruiert. Es zeigt sich allerdings, dass das Afrohairbusiness in Deutschland institutionell in einer randständigen Position verharrt. Gründungs­w illige sind mit höheren rechtlichen Hürden als ihre Kollegen/Kolleginnen konfrontiert, die sich im verankerten Frisierhandwerk in Deutschland selbstständig machen.

3.3  M ediale P erspek tive : E xotisierung von         U nternehmern /U nternehmerinnen mit          a frik anischem M igr ationshintergrund Das Kapitel zum rechtlich-institutionellen Umgang mit Afro Hair Salons in Deutschland macht die Ambivalenz einer Gewährung des Marktzutritts bei gleichzeitiger Randständigkeit der Betriebe sichtbar. Nun stellt sich die Frage, ob und wie Afro Hair Salons und ihre Dienstleistungen in andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in Deutschland eingebunden sind. Sind sie in Deutsch­land insgesamt gesellschaftlich marginalisiert oder zeigen sich auch gegen­läufige Tendenzen? Eine Option, dieser Frage nachzugehen, besteht in der Analyse medialer Konstruktionen und Deutungsmuster über Afro Hair Salonbetreibende und ihre Dienstleistungen in Deutschland. Hierbei wird von der Annahme ausgegangen, dass medial vermittelte Bilder als eigenständige Akteure Wirklichkeit von und Einstellungen gegenüber migrantischen Unternehmen erzeugen. Diese Bilder können eine gesellschaftliche Anerkennung und Inkorporation zuteil werden lassen oder verweigern. Es geht folglich nicht darum, ausgehend von den medialen Konstruktionen tatsächlich etwas über die Realität der dargestellten Akteure/Akteurinnen zu erfahren. Die Konstruktionen geben stattdessen Aufschluss über medial konstruierte und transportierte Deutungsmuster und zu »Konventionen und Ritualen der Gesellschaft« (Castro Varela 2014, S. 60). Den in Massenmedien repräsentierten Deutungsmustern müsse, so fordern Plaß und Schetsche (2001), mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden: Über massenmediale Kanäle können dominante Deutungsmuster distribuiert werden, die ein breites Publikum erreichen und alternativen Deutungen wenig Raum lassen (vgl. ebd., S. 524), weshalb sie in der Frage nach der gesellschaftlichen Inkorporation von Afro Hair Salonbetreibenden in Deutschland Berücksichtigung finden. Im Folgenden werden fünf Fernsehreportagen und eine Werbeannonce aus deutschen Medien exemplarisch analysiert. Das Material stammt aus den Jahren 1996-2012. Die Analyse umfasst die Repräsentation von Afro Hair Salons und Afrohaarstilen, Afro Shops, Afro Hair und Shop Betreibenden sowie

Das Afrohairbusiness zwischen Ausgrenzung und Inkorporation

von weiteren Unternehmen, die von Personen mit afrikanischem Migrationshintergrund geführt werden.

3.3.1    Analyse von Reportagen Die Auswahl des Materials erfolgte anhand des Kriteriums der Verfügbarkeit. Ich bat einerseits Fernsehsender, in ihren Archiven nachzusehen, ob sie Sendungen zu Afro Hair Salons ausgestrahlt haben. Andererseits recherchierte ich selbst im Internet, um herauszufinden, in welchen Sendungen Afro Hair Salons bereits Gegenstand der Betrachtung waren. Da ich selbst keinen Zugang zu Archiven aller Fernsehstationen hatte, wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Die Analyse der vorliegenden Sendungen soll vielmehr einen ersten Eindruck in Repräsentationen von Afro Hair Salons, ihrer Dienstleistungen und Betreiber/-innen geben. Im Folgenden werden Ausschnitte aus fünf TV-Reportagen analysiert, die der Hessische Rundfunk (hr) und der Westdeutsche Rundfunk (WDR), beides öffentlich-rechtliche Sendeanstalten, sowie der Privatsender Kabel  1 ausstrahlten und in welchen Afro Hair Salon und Afro Shop Betreibende sowie andere Unternehmer/-innen mit afrikanischem Migrationshintergrund dargestellt werden.

3.3.1.1    Reportage »Die Kaiserstraße« (2000)

Als erste Analyseeinheit dienen Ausschnitte aus der Reportage »Die Kaiserstraße«, die am 25.06.2000 vom Hessischen Rundfunk erstausgestrahlt wurde und sich mit Historie und Gegenwart der besagten Straße in Frankfurt am Main beschäftigt. Die Reportage geht von Beginn an ausführlich auf die historische Bedeutung und Entwicklungen der Straße ein. Dann werden mit einem Schwenk auf ihr heutiges Erscheinungsbild migrantische Unternehmen angesprochen: »Szenenwechsel. (.) Eintritt in eine ganz andere Welt« (45:22-45:26 5 ).

Während der Äußerung des Reporters werden zeitgleich Geschäfte aus der oberen Kaiserpassage, u.  a. ein Afro Shop, Reisebüro sowie Lebensmittelgeschäft eingeblendet, die scheinbar von Migranten/Migrantinnen betrieben werden. In der Sprechäußerung sind nicht die ökonomische Bedeutung und Funktion der Geschäfte Thema, sondern deren Andersartigkeit im Vergleich zu einer vermeintlichen, nicht explizierten Normalität. Der Begriff des »Szenenwechsels« deutet an, dass nun etwas vom vorher Gezeigten radikal Verschiedenes folgt. Es lässt sich an dieser Stelle bereits vermuten, dass im Verlauf 5 | Die Angaben in Klammern sind Zeitmarker, die aufzeigen, an welcher Stelle der Fernsehreportagen die jeweiligen Äußerungen getätigt wurden.

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der Narration eine Differenzkonstruktion in Form einer Exotisierung folgen wird. Die Phrase »Eintritt in eine ganz andere Welt« betont den Wechsel von der vermeintlichen Normalität, die implizit durch die Abwesenheit migrantischer Unternehmen charakterisiert wird, in eine vermeintlich nicht normale »Welt«. Der Sprechakt konstruiert neben einer Exotik ein Eigenes, eine eigene Welt. Die eigene Welt wird in ihren Ordnungen und Charakteristika nicht ausgeführt, sondern durch eine grundsätzliche Verschiedenheit vom konstruierten Anderen als existent vorausgesetzt. Ausblendungsprozesse reihen sich in verfestigte Herrschaftsverhältnisse ein, die durch ein fehlendes Infragestellen vermeintlicher Normalitäten aufrechterhalten werden (vgl. z.B. Wachendorfer 2006). Durch die Gleichzeitigkeit des Sprechakts und der Einblendung migrantischer Unternehmen wird das Bild einer genuin nicht zu Deutschland zugehörigen Geschäftslandschaft, einer Parallelwelt, gezeichnet. Dem konstuierten Bild von Exotik werden im weiteren Verlauf der Reportage bestimmte Eigenschaften zugeschrieben: »Die obere Kaiserpassage, Durchgang zur Taunusstraße. (.) Vor dem Kriege und in den 60er Jahren war sie das Herzstück des eleganten Frankfurt auf der Kaiserstraße. (.) Heute ein flirrendes Nebeneinander unterschiedlichster Kulturen und Nationalitäten« (45:27-45:46).

Die Kontrastierung mit dem früher ›eleganten Frankfurt‹ suggeriert, dass die gezeigte Passage mit ihren Geschäften nun nicht mehr elegant sei, sondern sich stattdessen durch ein »flirrendes Nebeneinander unterschiedlichster Kulturen und Nationalitäten« auszeichne. Der betonte Begriff »flirrend« erzeugt ein Bild von Ungeordnetheit. Hiermit ist eine unstetige Bewegung verbunden, wie wir sie beispielsweise vorfinden, wenn Lichteinflüsse von allen Seiten einwirken. Das Flirren macht auf etwas Außenliegendes aufmerksam, was wiederum auf ein eigenes Inneres verweist und die in der vorherigen Sequenz aufgemachte Grenzziehung untermalt. Das Außen wird als chaotisch präsentiert, das Eigene dient ungenannt als geordnete und beruhigende Normalitätsfolie. Die Äußerung eines »Nebeneinander unterschiedlichster Kulturen und Nationalitäten« stellt verschiedene Kulturen und Nationalitäten in der Passage in ihrer vermeintlichen Partikularität, Homogenität und Andersartigkeit vor. Im Weiteren wird die Passage als »Eine Exotik (.)« (45:47)

bezeichnet. Die Sequenz stellt eine Bewertung der gezeigten Szenerie als unbestimmt (»eine«) exotisch dar. Diese unbestimmte Exotik vermittelt das Bild eines radikal Fremden, das nicht mehr in Worte gefasst werden kann und dadurch von einem Eigenen in größtmögliche Distanz rückt. Im Anschluss an

Das Afrohairbusiness zwischen Ausgrenzung und Inkorporation

die Differenzkonstruktion wird der Vorschlag einer gefahrlosen Annäherung an das Fremde eingebracht, was die Differenzaufmachung noch unterfüttert: »der man sich ohne Vorbehalte oder Ängste annähern kann« (45:48-45:51).

Mit dem aufgemachten Bild der Angst vor dem Fremden, was den Zuschauern/Zuschauerinnen kollektiv unterstellt wird, steigert sich die Exotisierung weiter, während die Sprecherperson in der Funktion eines vermeintlichen Mittlers zwischen Eigenem und Fremdem fungiert. Dabei wird die konstruierte Distanz zwischen eigen und fremd aber nicht abgeschwächt, sondern eine gefahrlose Annäherung an das Fremde, z.B. im Sinne eines physischen Betretens der Passage, zugestanden. Die Positionierung des Sprechers erinnert an eine Szene in einem Zoo, in dem einem Kind gestattet wird, vorsichtig auf ein Tier zuzugehen, nachdem die Eltern die Situation als ungefährlich eingestuft haben. Der Sprecher begibt sich in die Stellung eines Bewertenden, der die durch Migrantenbeteriebe/Migrantinnenbetriebe gekennzeichnete Passage als harmlos bestimmt. Die Äußerung impliziert, dass eine natürliche Skepsis gegenüber einer entsprechenden Lokalität prinzipiell angemessen und deren vorherige Prüfung auf Gefahrenpotenziale hin notwendig sei. Die Revidierung des den Zuschauern/Zuschauerinnen kollektiv unterstellten Angstbildes lässt das zuvor aufgemachte exotische Bild der Anderen und die erzeugte Distanz zu einem konstruierten Eigenen nicht verschwinden, sondern verstärkt und legitimiert das vermeintliche Andere in seiner Andersartigkeit. Die Annäherung an das Andere, auf welches spezifische Vorstellungen projiziert werden, wird zur »alternativen Spielwiese« (hooks6 1994, S. 35) und dient der Festigung einer eigenen Normalität. Konsequent wird die Exotisierung im Verlauf der Reportage fortgeführt: »Was man hier zu sehen bekommt, erinnert in dieser Vielfalt an ferne Metropolen. Auf kleinstem Raum (.) trifft sich die Welt« (45:52-45:59).

Die Wendung »Was man hier zu sehen bekommt« schafft eine Atmosphäre, die an eine Attraktion, zum Beispiel an einen Zirkus erinnert, in dem seltene Tiere oder ungewöhnliche Akrobatik präsentiert werden – in jedem Fall etwas Besonderes, etwas Außergewöhnliches, das sich von der eigenen Alltagser6 | Die Wissenschaftlerin und Schriftstellerin bell hooks hat den Namen ihrer Großmutter als ihre Autorinnenidentität gewählt (vgl. zu hooks Biographie und Werk Kazeem/Schaffer 2010). Mit der Kleinschreibung des Namens konstruiert sie eine Schriftstellerinnen-Identität, die »a separate voice from the person Gloria Watson« darstellt (vgl. Homepage Education Miami, o. J.) und »all jene Impulse, die mich weg vom Sprechen zum Schweigen führten, anfechten« (hooks 1989, S. 9).

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fahrung unterscheidet. Dass sich die Welt auf kleinstem Raum treffe, bezieht sich offensichtlich ausschließlich auf das vermeintlich Fremde, das durch die vom Reporter konstruierten Exoten/Exotinnen charakterisiert ist, die als das diffuse Andere von überall her (»Auf kleinstem Raum (.) trifft sich die Welt«) gleichzeitig homogenisiert werden. Zusammenfassend konstruieren Sprechakt und die gleichzeitigen Bilder eine Spaltung in zwei Welten. Die Welt des Eigenen, die sich durch eine nichtmigrantische Unternehmenslandschaft auszeichnet, wird dem Zuschauenden kollektiv als ›eigen‹ zugeschrieben und abgegrenzt von einer konstruierten exotischen Welt ›ferner‹ migrantischer Unternehmer/-innen, die sich im Raum der eigenen Welt niedergelassen haben. Die Binarität von Eigenem und Fremdem kann bei Zuschauern/Zuschauerinnen die Assoziation hervorrufen, dass migrantische Unternehmen nicht Teil der Gesellschaft Deutschlands seien, sondern ihre Existenz nur für bestimmte Migrantengruppen/Migrantinnengruppen von Relevanz ist.

3.3.1.2    Die Folge »Wissen macht schön!« der Kindersendung             »Wissen macht Ah!« (2010)

Eine Exotisierung zeigt sich auch in der Folge »Wissen macht schön!« der im Westdeutschen Rundfunk (WDR) am 07.08.2010 erstausgestrahlten Kindersendung »Wissen macht Ah!« über einen Afro Hair Salon in Köln. Eine Reporterin sucht einen Afro Hair Salon auf. Die Kommentatorin äußert sich wie folgt: »(Ja) (.) es ist Friseurzeit. Daniella hätte gerne eine neue Frisur. Sie soll so richtig schön exotisch sein (.) und da ist sie hier in diesem Laden genau richtig« (05:44-05:55).

Die Sequenz beginnt mit einer Schilderung, warum »Daniella« zu einem Friseur geht. Sie möchte eine neue Frisur haben. Die Frisur »soll so richtig schön exotisch sein«. Der Begriff des Exotischen eröffnet sofort zu Beginn die Dichotomie von Eigenem und Fremdem; die Haarstile werden nicht als zu Deutschland gehörig betrachtet, sondern von einem konstruierten Eigenen weggerückt. Deutlich wird die Gleichsetzung des Salons mit dem Bild von Exotik, da in diesem »exotische« Frisuren angefertigt würden. Zwar wird im weiteren Verlauf der Reportage auf die Historie von Dreadlocks eingegangen, dennoch wird die eingangs aufgemachte Differenzierung von Eigenem und Fremdem beibehalten, wie sich in der Kommentierung zu der Dreadlocks-Frisur eines Kunden zeigt: »Für Duji [Anm. CS: Name eines Kunden] (.) wie für viele andere (.) steht die Frisur [….] für Freiheit. Freiheit von den üblichen Schönheitsvorstellungen und Stolz auf die

Das Afrohairbusiness zwischen Ausgrenzung und Inkorporation andersartigen wilden Haare, die auf manche vielleicht sogar ein bisschen furchteinflö­ ßend wirken« (08:17-08:32).

Die Äußerung deklariert nicht mehr ausschließlich die Frisur, sondern das zu Dreadlocks verarbeitete Haar an sich als »andersartig«. Der Begriff des »wilden Haars« aktiviert koloniale Bilder von Naturwüchsigkeit, Unordnung und potenzieller Ungepflegtheit, die den Kolonisierten zur Kolonialzeit zugeschrieben wurden (vgl. Kap. 3.1.2). Der zur Kolonialzeit konstruierte ›edle Wilde‹ wie auch der ›kannibalische Wilde‹ wurden als primitv im Vergleich zu einem zivilisierten Europa beschrieben und erschaffen. Zur Zeit der Aufklärung wurde dieser Mythos weitergeführt, da die kolonialen Ausbeutungen und Menschenrechtsverletzungen gerechtfertigt werden mussten.7 Den ›Wilden‹ wurde ein Fehlen an Kultur und Vernuft zugeschrieben, welche Europäern/ Europäerinnen als naturgegeben attestiert wurde. Die Sprechäußerung aktiviert jene Bilder durch die Bezeichnung des Haars. Gleichzeitig macht die Sequenz – wie auch die Reportage »Die Kaiserstraße« – Bilder der Angst vor dem konstruierten Anderen auf (»furchteinflößend«). Schönheitsideale werden in ihrer Macht zwar genannt, ebenso wie das Auf begehren von Dreadlocksträgern/Dreadlocksträgerinnen gegen diese. Die Historie der Abwertung afroamerikanischer und afrikanischer Haarstile in der Kolonialzeit bleibt jedoch unerwähnt und wird (re-)produziert, obwohl sich an dieser Stelle ein Rekurs auf die entsprechende Geschichte angeboten hätte.

3.3.1.3    Die Folge »Pfullendorf vs. Windhoek« der              R eportagenreihe »Stellungswechsel. Job bekannt,              f remdes Land« (2011)

Eine (Re-)Produktion kolonialer Bilder zeigt sich auch in der Reportagenreihe »Stellungswechsel. Job bekannt, fremdes Land«. In der auf dem privaten Fernsehsender Kabel  1 ausgestrahlten Sendereihe tauschen Frauen und Männer temporär ihren Arbeitsplatz in Deutschland gegen einen Arbeitsplatz in der 7 | Die rassistische Abwertung und Ausbeutung Schwarzer trotz der Postulierung einer Gleichheit aller Menschen wurde dadurch möglich, dass ihnen die Fähigkeit zur Vernunft abgesprochen wurde (vgl. Amesberger/Halbmayr 2008, S. 21; Hinrichsen/ Hund 2014, S. 89f.). Es kam zu Hierarchisierungen, die von Wissenschaftlern/Wis­ senschaftlerinnen aufgegriffen und vermeintlich begründet wurden: »Unter dem Pri­ mat der Erfahrung stellt sich für die westlichen Aufklärer/-innen die Frage nach den Ursachen der Vielfalt der menschlichen Existenz- und Erscheinungsweisen. Um Erk­ lärungen hierfür zu finden, wird versucht, den allgemeinen Begriff ›Mensch‹ hinsich­ tlich der geografischen Herkunft, phänotypischer Merkmale und gruppenspezifischer Charakteristika zu spezifizieren und zu differenzieren. Die Einteilung der Menschheit in hierarchisierte ›Rassen‹ ist damit vollzogen« (Amesberger/Halbmayr 2008, S. 21).

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gleichen Branche in einem anderen Land ein. Zeitgleich arbeiten die Frauen und Männer aus dem jeweils anderen Land im Betrieb in Deutschland. In der Folge »Pfullendorf vs. Windhoek«, die am 23.08.2011 erstausgestrahlt wurde, erhalten zwei deutsche Friseursalonbetreibende Einblicke in einen Afro Hair Salon im namibischen Windhoek, während die Salonbetreiber/-innen aus Windhoek im Salon in Pfullendorf tätig werden. Nachdem die Reportage den Pfullendorfer Salon zu Beginn durch die Einblendung des Meisterbriefes der Betreiber (01:11) als verberuflichten Raum vorstellt, führt der Kommentator den Salon in Namibia wie folgt ein: »8.000 Kilometer südlich vom Schwabenländle liegt Namibia. Am Rande des Dschun­ gels findet man Friseursalons wie Sand am Meer und (lebt) nach dem Motto Hakuna Matata, einfach mal Fünfe gerade sein lassen« (02:50-03:02).

Im Gegensatz zum Salon in Deutschland wird der Salon in Namibia durch den Begriff »Am Rande des Dschungels« als zwischen Naturwüchsigkeit und Zivilisation liegend präsentiert. Das aus dem Swahilischen stammende »Hakuna Matata«, was übersetzt bedeutet, dass es keine Probleme gibt, erzeugt gemeinsam mit der Wendung »einfach mal Fünfe gerade sein lassen« das Bild arbeitsscheuer und untätiger Salonbetreiber/-innen, die in den Tag hinein leben. Es repräsentiert einen starken Kontrast zu dem im Vorfeld durch die Einblendung des Meisterbriefs als verberuflicht dargestellten Frisiersalon in Deutschland. Die Art der Kontrastierung wird im Verlauf der Reportage fortgeführt: »Manche Salons haben sogar Türsteher«. ((Ein Mann mit Sonnenbrille und verschränk­ ten Armen wird vor einer Tür stehend eingeblendet; dann übersetzt ein Übersetzer das von ihm Gesagte)) »Mein Name ist Albert Kandji. Ich bin der Chef vom Friseursalon. Ich bin sehr stolz auf mein Geschäft«. ((Der Kommentator kommentiert wieder)) »Alberts ganzer Stolz hat aber seine Grenzen und die enden nach elf Quadratme­ tern. Zwei Angestellte (.) die beiden Friseure Assah und seine Kollegin Fina, ein paar klapprige((Kamera schwenkt auf drei nebeneinander sitzende Herren)) Kunden ä:äh (.) Stühle; und eine Anliegerwohnung mitten im Salon«. ((Kamera schwenkt auf ein Nebenzimmer, in dem eine Frau auf einem Stuhl sitzt; man sieht einen Kühlschrank und andere Utensilien im Zimmer stehen)) »Hier ist eben alles anders; auch das Frisieren erinnert eher an Schafe scheren«. ((Kamera zeigt Friseur, der Haare abrasiert)) (03:03-03:31)

Der Auszug der Reportage verdeutlicht eine Abwertung des Salons, seines Betreibers und der Salongäste. Das Einblenden des Unternehmers vor seinem Salon und die Charakterisierung als Türsteher suggeriert, dass der Salon eine Lokalität sei, die der Unterhaltung diene. Der Salon wird latent mit einer Dis-

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kothek verglichen, vor der üblicherweise Türsteher positioniert sind und die sich durch laute Musik und tanzende Menschenscharen auszeichnet. Der Ausführung des Betreibers, sehr stolz auf sein Geschäft zu sein, fügt der Kommentator latent hinzu, dass es für diesen Stolz aufgrund der Größe von elf Quadratmetern keinerlei Anlass gebe. Fortan werden die im Salon wartenden Kunden aufgrund ihres Alters als »klapprig« degradiert. Die Einblendung des Nebenzimmers suggeriert, dass der Salon kein beruflicher Ort sei, da häusliche Sphäre und Arbeitsbereich nah beieinander liegen. Den Höhepunkt der Abwertung drückt der Kommentator im Vergleich der Frisiertätigkeit mit »Schafe scheren« aus. Der Kommentar setzt die Salongäste mit Tieren gleich und führt rassistische Konstruktionen ein. Zudem enthält Schafe scheren keine ästhetische Komponente, die jedoch in Friseursalons eine zentrale Rolle spielt. Der Vergleich spricht den Friseuren somit die Kompetenz ab, künstlerich-kreativ tätig zu sein. Konstruktionen dieser Art tauchen im Verlauf der Sendung immer wieder auf und repräsentieren den Salon in Windhoek als rückständig und unzivilisiert. Die Abwertung bedient sich rassistischer Bilder der Kolonialzeit. Mittels der Abwertung des Salons in Namibia wird der Salon in Deutschland als verberuflichter und ›zivilisierter‹ Ort inszeniert. Unter einem Videoausschnitt aus der Sendung, der auf der Homepage von Kabel 1 veröffentlicht wurde, schreibt eine Frau am 31.08.2011 den folgenden Kommentar, den der Sender mittlerweile von der Homepage gelöscht hat: »wir haben in katutura 8 auch sehr schöne Salon. Ich weiss es nicht warom die fern­ sehe iemmer die dunklere seide von uns zeige. wir haben echrt schöne ecken. Hier in Deutschland denke jetzt freunde von mir das wir keine schöne salon habe. ich gehe hier auch nichrt ins deutschland salon. weil keine kan meine haare soo schön machen wie zuhause. es gibst nicht nur rastsa bei uns« (vgl. Homepage des Fernsehsenders Kabel 1, o. J.).

Die Kommentatorin verweist mit ihrer Äußerung auf die verallgemeinernde Negativdarstellung afrikanischer Friseursalons durch die Sendung und auf das ihres Erachtens nicht mit der Realität übereinstimmende Bild, dass »schöne Salon« in der Reportage bewusst nicht dargestellt worden seien. Sie kritisiert die Konsequenzen der Sendung, die zur Entstehung von Vorurteilen und falschen Vorstellungen beitragen könne. Die Sendung, die einseitige Vorstellungen von afrikanischen Friseursalons als unhygienische Lokalitäten schürt, wurde im Jahr 2011 in der Kategorie »Beste Unterhaltung/Doku« mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet, da sie sich, so heißt es auf der offiziellen Homepage des Deutschen Fernsehpreises, »mit überraschenden interkulturellen Einsichten gegen das Auswanderer-Format ›Goodbye Deutsch8 | Katutura ist ein sogenanntes Township im namibischen Windhoek.

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land‹ (VOX), sowie die ZDF-Produktion ›Der Wettlauf zum Südpol‹ (ZDF)« (vgl. Homepage des Deutschen Fernsehpreis 2011) durchsetzte.

3.3.1.4    Die Reportage »Die Afrikaner oder Warum die              D schungelprinzessin einen Imbisswagen hat« (2000)

Die Produktion von Exotik unter Rückgriff auf rassistische Konstruktionen zeigt sich auch im Beitrag »Die Afrikaner oder Warum die Dschungelprinzessin einen Imbisswagen hat«, erstausgestrahlt im Hessischen Rundfunk am 16.07.2000. Eingebettet in Szenen zu verschiedenen von afrikanischen Migranten/Migrantinnen betriebenen Unternehmen in Deutschland zeigt die Reportage auch einen Afro Shop und Salon sowie die Anfertigung von Afrohaarstilen. Im Titel der Reportage wird mit der Begrifflichkeit »Die Afrikaner« ein homogenes Bild von Menschen eines ganzen Kontinents gezeichnet. Die Gleichsetzung des Titelsegments »Die Afrikaner« mit »Warum die Dschungelprinzessin einen Imbisswagen hat« schreibt der homogen konstruierten Gruppe eine kollektive Herkunft aus dem »Dschungel« zu, in dem royale Hierarchien (»Prinzessin«) herrschen. Die Referenz auf den Arbeitsplatz »Imbisswagen« bringt die Akteure/Akteurinnen mit Branchen im Niedriglohnsektor in Verbindung. Die Eröffnungsszenerie der Reportage spielt in einem Safaripark in Deutschland (00:22-01:18). Eine von Kamerun nach Deutschland migrierte Frau wird mit ihrem Sohn beim Zoobesuch gezeigt. Die konstruierte exotische Kulisse, die im gesamten Beitrag beibehalten wird, ist eröffnet. Im Verlauf der Reportage werden mehrere Akteure/Akteurinnen vorgestellt, unter anderem eine Frau aus Nigeria, die mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Offenbach lebt. Jene Frau ist es, der im Titel die Tätigkeit in einem Imbisswagen zugeschrieben wird, obwohl sie tatsächlich ein Cateringunternehmen führt und sowohl Speisen in die gewählten Lokalitäten ihrer Auftraggeber/-innen liefert als auch auf Veranstaltungen verkauft. Obgleich ihre berufliche Tätigkeit damit breiter ist, wird die Unternehmerin nicht differenziert in ihrem Tätigkeitsfeld präsentiert, was bei einem Rekurs auf ihren Beruf logisch gewesen wäre. Stattdessen wird sie in ihrem »Afrikanischsein« und ihrer vermeintliche »Exotik« dargestellt. Die Reportage zeigt sie auf einem Festival, wo sie einen Essensstand betreibt. Dabei wird nicht ihre Verkaufsaktivität, sondern ihre Kleidung hervorgehoben: »In ihrem Jeden-Tag-Arbeitskleid sieht Brigitte wie eine Prinzessin aus. Naja, (.) viel­ leicht liegt's ja daran, dass Brigitte wirklich eine ist. Eine nigerianische Dschungelprin­ zessin, die in Offenbach wohnt« (03:18-03:28).

Die Unternehmerin trägt ein Kleid, das von der Reporterin durch den Begriff der »Prinzessin« infantilisiert wird. Die Spezifizierung der Begrifflichkeit hin zu »nigerianische Dschungel­prinzessin« suggeriert, dass die Frau aus einer

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infrastrukturlosen Gegend in Nigeria stamme, in der ein rückständiges Hierarchiesystem existiere, das abseits der Zivilisation im »Dschungel« praktiziert werde. Der Begriff des Dschungels wird im Allgemeinen zur Be­zeichnung von Orten und Vegetationszonen verwendet, in denen ein tropisches Klima vor­ herrscht. Dabei stellt die Begrifflichkeit keine genaue botanische Bezeichnung dar, vielmehr »beinhaltet sie eine unzulässige Homogenisierung von ganz verschiedenen (Regen-)Wäldern« (Göttel 2009, S. 112f.). Die Problematik des Begriffs liegt in seiner kolonialen Konnotation. Die Kolonialmächte bezeichneten die kolonialisierten Gebiete als Dschungel, um eine Differenz zu Europa zu markieren, wo der Begriff des Waldes gebräuchlich ist. Der Dschungelbegriff wurde mit Angst, Undurchdringlichkeit, Bedrohung, Chaos und Primitivität verknüpft. Diese Zuschreibungen übertrugen die Kolonialisten/Kolonialistinnen auf die in den spezifischen Vegetationszonen lebenden Menschen. Sie wurden im Gegensatz zu einem kultivierten Europa als »Wilde«, »Primitive« und »Animalische« mit Nähe zum Tierreich konstruiert (vgl. ebd., S. 114). »Dabei wird ignoriert, dass Dörfer und Städte immer in Naturräume hineingebaut werden und demnach weder die Bewohner einer nigerianischen oder einer deutschen Metropole, noch eines deutschen oder nigerianischen Dorfes ›im Busch‹ leben« (Arndt 2004, o. S.). Die Reportage erläutert, dass Brigittes nigerianischer Vater ein »Clanchief« sei und sie in Nigeria nicht habe arbeiten müssen. Der Begriff »Clanchief« aktiviert das Bild des ›afrikanischen Häuptlings‹, der über seinen ›Stamm‹ regiert. Transportiert werden Vorstellungen einer ›Urgesellschaft‹. Er weist – ebenso wie die Bezeichnung ›Dschungel‹ – darauf hin, dass Kolonialisten/Kolonialistinnen für politische Systeme in afrikanischen Ländern keine analogen Bezeichnungen wie im europäischen Kontext verwenden wollten, um eine Differenz zu markieren und eine konstruierte Minderwertigkeit der Kolonisierten zu untermauern: »Er basiert […] auf der Annahme, für Afrika würden andere Begriffe als für den Wes­ ten benötigt, wodurch das Konstrukt der Dichotomie (re-)produziert wird. […] Wieso sollten vielfältige Herrschaftsformen auf einen Begriff reduziert werden, noch zumal er […] in vielen Regionen Afrikas nicht verstanden wird?« (Arndt 2009. S. 145).

Das aus dem Englischen stammende »Chief« homogenisiert verschiedene politische Formationen, anstatt beispielsweise Eigenbezeichnungen zur Benennung der Gesellschaftsstrukturen zu wählen (vgl. ebd.). Im Gegensatz zu dem von Brigitte und Nigeria gezeichneten Bild des Anderen konstruiert die Reportage bei der Anreise des Fernsehteams zu Brigittes Wohnung ein Bild von Deutschland als geordnetem und idyllischem Land. Die Wohngegend der Frau wird aus einem Auto heraus gefilmt (03:28-03:34). Es werden ein älterer Mann bei der Gartenarbeit (03:42) sowie ein bellender Hund (03:45) eingeblendet. Die Szenerie ist gerahmt von folgendem Kommentar:

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland »Eine Siedlung mit Tradition. Schlesierstraße, (.) Pommernweg, (.) und mittendrin Bri­ gitte. Keine Aus­n ahme. Die meisten Afrikaner leben völlig unauffällig in der deutschen Mietlandschaft« (03:34-03:45).

Die Reportage gibt an, eine vermeintliche Normalität der »deutschen Mietlandschaft« zu präsentieren. Typisch für die »deutsche Mietlandschaft« seien bellende Hunde, gärtnernde Männer und Straßennamen, die auf die Annektion polnischer Gebiete im Zweiten Weltkrieg verweisen. Der Verweis, dass mitten in dieser vermeintlichen Normalität eine afrikanische Frau lebe, stellt eine Exotisierung dar. ›Diese Frau gehört hier nicht hin‹, ›sie ist nicht von hier‹, sind Assoziationen, die latent transportiert werden. Die Akteurin wird, wie die »meisten Afrikaner«, als Differenzmarker innerhalb der Szenerie präsentiert. Der Verweis darauf, dass diese »völlig unauffällig in der deutschen Mietlandschaft« leben, vermittelt den Eindruck, dass die Reporterin hierüber erstaunt ist und eine andere Erwartungshaltung hatte. Ihre Äußerung konstruiert ein Bild genuiner Nicht-Zugehörigkeit von Akteuren/Akteurinnen mit afrikanischem Migrationshintergrund zu Deutschland. Sie unterstellt, Personen mit afrikanischem Migrationshintergrund müssten auffallen, da sie sich von einer vermeintlich deutschen Normalität unterscheiden. Die vorgefundene Unauffälligkeit der dargestellten Frau führt in der Konsequenz nicht dazu, das exotisierende Bild kritisch zu hinterfragen; stattdessen wird es in den weiteren Darstellungen aufrechterhalten. Es wird der Lebensmitteleinkauf einer Frau in einem Afro Shop gefilmt. Männer sitzen in einer Ecke und werden zum Fokus der Reportage: »Während die Frauen Geschäfte machen, sind die Männer über ihre Kinder ins Ge­ spräch gekommen. Afrikanisch, (.) das haben wir schon begriffen, afrikanisch heißt, (.) dass man Zeit füreinander hat ((Bild schwenkt wieder auf die Frauen)). Zeit zum Reden, Lachen« (04:14-04:26).

Einmal mehr wird in einem ökonomischen Setting nicht die unternehmerische Aktivität in den Vordergrund gestellt, erneut dominiert eine vermeintliche, den afrikanischen Akteuren/Akteurinnen zugeschriebene Exotik in Form bestimmter Eigenschaften (»Zeit haben«, »Lachen«, »Reden«). Diese Begrifflichkeiten suggerieren, ›Afrikanischsein‹ bedeute, dass man weniger ökonomisch handele und Afro Shops sich eher durch Sozialität als durch Wirtschaften auszeichnen. Den afrikanischen Migranten/Migrantinnen werden Eigenschaften zugeschrieben, die als Kontrast zu einer ungenannten Normalität in Deutschland fungieren sollen (wie hartes Arbeiten, Hektik etc.). Es wird das Bild transportiert, dass sie und ihre Geschäfte anders als Deutsche ohne Migrationshintergrund und nicht-migrantische Betriebe seien. Die Positionierung afrikanischer Migranten/Migrantinnen und ihrer Tätigkeiten als Andere

Das Afrohairbusiness zwischen Ausgrenzung und Inkorporation

und anders zieht sich durch die gesamte Reportage hindurch. So auch in einer Szene, in der die Reporterin sich in der Wohnung der anfangs im Safaripark präsentierten Frau befindet. Bereits auf dem Weg dorthin läuten Kommentierung und Bild eine exotische Szenerie ein: »Jetzt sind wir auf dem Weg nach Dortmund. Wir wollen Veye wieder sehen, die wir schon im Safaripark getroffen haben. ((Häuserfassaden werden gezeigt)) Einmal mehr fragen wir uns, hinter welchem Fenster wohl eine afrikanische Familie wohnen könnte ((ein Fenster wird eingeblendet)) und einmal mehr (.) können wir nichts entdecken« (22:40-22:54).

Der Kommentar schreibt der Frau und »afrikanischen Familien« zu, anders und auffällig zu sein und sich aufgrund dieser Andersartigkeit stark von einer konstruierten deutschen Normalität zu unterscheiden. Diese vermeintliche Andersartigkeit wird im weiteren Szenenverlauf auf ein Neues konstruiert bzw. fortgeführt: Bei Einblendung der Frau in ihrem Wohnzimmer scheint diese auf eine nicht gesendete Aufforderung der Reporterin Bezug zu nehmen, die vermutlich lautete, in ihrer Wohnung etwas typisch Afrikanisches zu zeigen. Die Frau reagiert überfordert und versucht, die an sie gerichtete Aufforderung als wenig aussagekräftig abzudämpfen. Sie fasst sich mit ihrer linken Hand an ihr linkes Ohr und schaut ratlos in ihrem Wohnzimmer umher: »Etwas Afrikanisches? (.) Ehm:m wa-was versteht man denn überhaupt darunter?« (22:55-23:00)

Sie vermittelt, dass ihre Wohnung genauso aussehe wie andere Wohnungen in Deutschland und die Wohnung ihrer in Kamerun lebenden Eltern: »Das ist genauso normal wie eine eh wie bei andere eh deutsche Wohnungen. Und so sieht auch die Wohnung von meine Eltern in Kamerun aus« (23:01-23:09).

Durch die Begrifflichkeit »normal« versucht die Akteurin, das ihr über das Objekt der Wohnung zugeschriebene Bild von Andersartigkeit und die von der Reporterin konstruierte Differenz zwischen Afrika und Deutschland zu dekonstruieren. »Normal« drückt aus, »genauso« (im Sinne von Gleichheit) wie alle anderen Menschen in Deutschland zu leben und so auch wahrgenommen werden zu wollen. Entgegen diesem Einwand hält die Reporterin die konstruierte und der Akteurin zugeschriebene Andersartigkeit aufrecht und stellt die Dekonstruktionsbemühungen ihres Gegenübers als verwunderlich dar: »Veye wundert sich über unsere Spurensuche. Außer ein paar Exemplaren ihrer Zeit­ schrift (.) gibt's hier nicht viel Typisches zu entdecken meint sie. Als Großstadtkind sei

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland sie schließlich mit Hektik (.) und nicht mit Elefanten aufgewachsen ((ein Buch über tropische Medizin aus dem Wohnzimmerregal wird eingeblendet))« (23:12-23:25).

An dieser Stelle werden zwar die Argumente der Interviewten eingeführt, jedoch wird durch das Einblenden eines Buchs über tropische Medizin (23:2423:25) bekundet, dass doch etwas vermeintlich typisch Afrikanisches gefunden werden konnte und die Interviewte sich dem Bild der Exotik nicht entziehen könne. Der Begriff »Spurensuche« drückt die Relevanz des Herkunftskontexts der Frau für die Reportage aus. Er untermauert, eine »Spur« der Frau zu ihren vermeintlichen ›Ursprüngen‹ zurückverfolgen zu können, die nicht ›deutsch‹, sondern ›typisch afrikanisch‹ seien. Die Selbstdeutungen der Akteurin werden in der medialen Repräsentation konsequent übergangen und missinterpretiert bzw. krampfhaft in das Bild von Exotik eingepasst, was in der nächsten Szene weitergeführt wird: Die Akteurin wird in ihrer Tätigkeit als Redakteurin einer Zeitschrift am PC sitzend gezeigt. Auch wird ihre kritische Haltung gegenüber einem homogenisierenden Afrikabild erwähnt; eine Auseinandersetzung mit dem in der Reportage konstruierten Bild von Exotik findet dadurch aber nicht statt: »Veye managt ihr Informatikstudium, Teilzeitarbeit, Kindererziehung und eben die Zei­ tung, (.) ihr zweites Kind. Ihr Versuch, dass wir von Afrika nicht nur schwarz-weiß Bilder im Kopf haben. Wir sind keine Naturkatastrophe und vor allem sind wir unterschied­ licher als ihr glaubt sagt sie. So viele Länder, Sprachen, Religionen. Erst hier sind sie alle (.) Afrikaner« (23:26-23:47).

Der kritische Punkt, dass Akteure/Akteurinnen erst in Deutschland generalisierend zu Afrikanern/Afrikanerinnen gemacht werden, verpufft im Verlauf der Reportage in dem Sinne, dass die Aussage nicht zur Korrektur der eigenen Berichterstattung führt. Stattdessen wird im Folgenden gezeigt, wie Veye und eine Freundin ihre Haare frisieren: »Eine Freundin ist gekommen. Veye hat keine Zeit mehr für uns. Es geht um eine neue Frisur (.) und das ist (.) (…) eine zi:iemlich wichtige Sache. Denn diese (.) trägt sie ja schon eine E:ewigkeit. Eine Woche. (.) Davor hatte sie kurze (.) glatt gezogene Haare« (24:04-24:22).

Die Sequenz erzeugt durch die betonten und gedehnt gesprochenen Begriffe »zi:iemlich« und »E:ewigkeit« eine Absurdität der Szenerie. Der Sprechakt drückt aus, dass die Frauen dem Frisieren übertrieben viel Zeit widmen, obwohl die Haarstile der Meinung der Sprecherperson nach nur eine kurze Zeit getragen werden. Damit wird eine Differenz zwischen einem vermeintlich üb-

Das Afrohairbusiness zwischen Ausgrenzung und Inkorporation

lichen, nicht genannten Umgang mit Frisuren zu der dargestellten Szenerie entworfen. Es lässt sich insgesamt eine in der Reportage konstruierte Exotisierung von aus afrikanischen Ländern migrierten Personen und ihren Unternehmen konstatieren. Die Reportage entwirft ein Bild eines ›Wir‹ und ›die Anderen‹, das in allen Sequenzen (re-)produziert wird. Die dargestellten Akteure/Akteurinnen werden als nicht zu Deutschland zugehörig markiert. Ihnen werden Attribute zugeschrieben, die nicht mit ihren Selbstdeutungen übereinstimmen. Afrohaarstile werden als absurd und ein Afro Shop als Ort des Redens und Austauschs, nicht aber wirtschaftlicher Betrieb repräsentiert.

3.3.1.5  Die Reportage »Afrikanische Kultur in Frankfurt« (1996) Eine Konstruktion von Nicht-Zughörigkeit findet sich desgleichen in dem Beitrag »Afrikanische Kultur in Frankfurt« der Hessenschau vom 15.05.1996. Ein Unternehmer aus Ghana macht auf die Problematik einer konstruierten NichtZugehörigkeit zu Deutschland durch eine nicht-migrantische Mehrheitsgesellschaft aufmerksam. Er wird aber mit seiner Aussage von der Reporterin nicht verstanden. Im Interview in seinem Afro Shop und Salon erklärt er: »Wenn man als Ghanese hier in Deutschland is ja? Oder wenn man ein Afrikaner is (.) und der hat eine deutsche Pass oder er ist eine deutsche Bürger, der wird immer wie ein Afrikaner (.) genannt hier in Deutschland. Man kann überhaupt nicht als Deutscher sein (.), weil man Schwarz ist« (03:38-03:52).

Der Unternehmer macht auf die undifferenzierte öffentliche Wahrnehmung von aus afrikanischen Ländern nach Deutschland migrierten Menschen aufmerksam. Er merkt an, dass diese aufgrund ihrer Hautfarbe generell nicht als Deutsche angesehen würden, sogar nicht, wenn sie einen deutschen Pass besäßen. Eine Selbstdefinition als deutscher Bürger werde nicht anerkannt. Der Akteur betont die Wirksamkeit von Ausschließungsmustern, die Schwarzen einen deutschen Bürgerstatus und eine Identifizierung mit Deutschland aufgrund äußerlicher Merkmale verweigern. Diesem geschilderten Problem schließt die Reportage im direkten Anschluss an die Aussage des Mannes die folgende Äußerung an: »Allen gemeinsam, so haben wir erfahren, (.) ist ein wichtiges Anliegen; sie wollen in der deutschen Gesellschaft (.) als Afrikaner respektiert werden« (03:57-04:05).

Das Missverstehen der Aussagen des jungen Mannes wird hier besonders deutlich, da das von der Reporterin geäußerte Fazit vermeintlich für »alle« gelte, mit denen im Rahmen der Reportage gesprochen wurde. Während der Unternehmer auf die Notwendigkeit des Abbaus zugeschriebener Differenz,

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die zu Ausschließungsmustern führt, aufmerksam macht, wird im Schlussplädoyer gerade auf jene Differenzkonstruktionen fokussiert. Zudem werden diese als genuine Perspektive des Interviewten ausgegeben. Die Selbstdeutung des Shopbetreibers wird nicht aufgegriffen; stattdessen wird die von ihm kritisierte binäre Konstruktion »deutsche Gesellschaft« und »Afrikaner« verstärkt, was ein Bild von Nicht-Zugehörigkeit aus afrikanischen Ländern migrierter Akteure/Akteurinnen zur »deutschen Gesellschaft« zeichnet.

3.3.1.6    Repräsentiert werden vs. sich selbst repräsentieren

Die TV-Analysen machen darauf aufmerksam, dass sich in der Darstellung der Akteure/Akteurinnen durch Dritte eine Machtasymmetrie, ein Herrschaftsverhältnis, aufmacht: »Die Gruppe, die über die Mittel der […] Re-Präsentation verfügt, ist nicht nur dadurch privilegiert, dass sie sich selbst darstellen kann. Vielmehr kommen ihr auch qua Privi­ legierung faktischer (z.B. Bevorzugung bei der Besetzung wichtiger Sprecherpersonen) und symbolischer (z.B. die habituelle Selbstverständlichkeit, mit der die majoritäre Gruppe über die minorisierte Gruppe spricht) Art besondere Mittel zu, die Anderen darzustellen. Diese Beschreibungen und Bilder Anderer, diese Weisen des ›SprechensÜber‹ sind potenziell in zweierlei Hinsicht machtvoll. Sie sind ihrem Potenzial nach Instrumente der Bändigung, Unterwerfung und der Domestizierung der Anderen und sie sind, grundlegender noch, Beschreibungspraxen, durch die Andere erst zu Anderen wer­ den, also als ›andere Subjekte‹ in die Welt kommen« (Broden/Mecheril 2007, S. 10).

Das Analyseergebnis ist, dass die Akteure/Akteurinnen und ihre Unternehmen in den TV-Reportagen als ›Andere‹ und ›exotisch‹ repräsentiert werden. Selbstdeutungen werden nicht aufgegriffen oder umgedeutet, sodass ein Bild von Exotik aufrechterhalten wird. Die Medienbeispiele sind dem Genre der Reportage oder einem reportagenähnlichen Format zuzuordnen. Sie geben vor, nah am dargestellten Geschehen zu sein und die Zuschauer/-innen daran teilhaben zu lassen. Als Genretyp ist die »Reportage […] der Objektivität nicht in gleichem Maße verpflichtet wie die Dokumentation« (Wolf 2003, S. 91), wenngleich beide Typen nicht immer trennscharf zu unterscheiden sind. Das Hauptargument der Zuordnung der Beiträge in den Reportagenzusammenhang liegt in ihrem nicht erklärenden und aufklärerischen Fokus begründet. Sie sind damit befasst, Geschichten zu erzählen und verzichten auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem dargestellten Gehalt (vgl. ebd., S. 91, 94). Im Vordergrund steht ein Unterhaltungscharakter (vgl. ebd., S. 92). In dieser Logik bedienen sich die Formate der medialen Mittel der Skurrilität und des Tabubruchs und stellen Sensation her, um Aufmerksamkeit für ihr Format und ihren Sender zu erzeugen. Unternehmer/-innen mit afrikanischem Migrationshintergrund sowie Afro Shops und Salons werden kommentatorisch

Das Afrohairbusiness zwischen Ausgrenzung und Inkorporation

und bildtechnisch als außergewöhnlich, fremd und exotisch, als skurril repräsentiert: »Skurriles […] erregt durch das Charakteristikum der Fremdartigkeit, des Neuartigen im Erscheinungsbild Neugierde und Faszination. Dies, gepaart mit der Verletzung eines Tabus ist eine sichere Voraussetzung zur Sensation« (Ganguin/Sander 2006, S. 10).

Tabubrüche finden sich vor allem in den Zuschreibungen an die Repräsentierten, sie seien naturorientiert, unökonomisch und wild. Diese rassistischen Konstruktionen der Kolonialzeit werden in den Reportagen zur Charakterisierung der Dargestellten genutzt. Jeggle beschreibt einen solchen Prozess als Vorgang der Projektion, »in dem das Subjekt Gefühle, Wünsche, sogar ›Objekte‹, die es verkennt oder in sich ablehnt, aus sich ausschließt und in dem Anderen, [einer] Person oder Sache, lokalisiert« (Jeggle 1995, S. 213). Die Projektionen erzeugen zum einen Differenz zu einem konstruierten Anderen, zum anderen ermöglichen sie ein Erleben als eigen (vgl. ebd., S. 214) und machen das Tabuisierte, indem es Anderen zugeschrieben wird, dennoch erfahrbar (vgl. auch Amesberger/Halbmayr 2008, S. 71). Im Gegensatz zu exotisierenden Fremdrepräsentationen sei als Beispiel für mediale Eigenpräsentation auf den Dokumentarfilm »Roots Germania« (vgl. Dokumentarfilm »Roots Germania«, o.  J.) der afrodeutschen Schauspielerin und Moderatorin Mo Asumang verwiesen, der am 05.11.2007 im ZDF erstausgestrahlt wurde. Asumang hat sich infolge einer Morddrohung durch die rechtsradikale Band White Aryan Rebels der Thematik von Rassismus und ihrer eigenen Suche nach Zughörigkeit als Schwarze Deutsche aus verschiedenen Perspektiven angenähert. Auch Afro TV (vgl. Homepage Afro TV, o. J.), ein Fernsehsender in Berlin, stellt ein Beispiel für Selbstrepräsentation von Akteuren/Akteurinnen mit afrikanischem Migrationshintergrund und Afrodeutschen dar. Die Entwicklung und Nutzung solcher Medienplattformen sind als subversive Strategie mit dem Ziel der Dekonstruktion konstruierter Bilder über die Akteure/Akteurinnen anzusehen.

3.3.2    Analyse einer Werbeanzeige Das folgende Beispiel verdeutlicht, dass Printmedien ähnlich gelagerte Bilder wie TV-Reportagen transportieren können. Eine deutsche Drogeriemarktkette druckte im Januar 2012 zur Karnevalszeit ein Werbeprospekt mit einer Annonce für eine Afro-Perücke ab. Die Perücke ist mit einem Knochen versehen. Der Frisierpuppenkopf ist Schwarz. Die Beschreibung des Werbebildes lautet: »Riesige Höhlenmensch-Perücke incl. Knochen € 19.99« (vgl. Abb. 6). »Höhlenmensch« suggeriert, dass Schwarze Personen und Afroträger/innen nicht zivilisiert leben würden, sondern jenseits bebauter Landzüge in

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»Höhlen« hausen. Das Adjektiv »Riesige« deklariert die Frisur des Afros als auffällig und übertrieben. Die Zugabe des Knochens untermauert das aufgemachte Bild von Unzivilisiertheit und Rückständigkeit. Der Knochen ruft Assoziationen an die Tierwelt, beispielsweise an einen Hundeknochen, sowie an Kannibalismus hervor. Er repräsentiert Schwarze Afroträger/-innen als Wilde und abschreckende Personen. Damit reproduziert die Annonce die zur Kolonialzeit konstruierten Zuschreibungen an Schwarze. Sie macht zweierlei: Zum Abbildung 6: Werbeanzeige einer Drogerie­marktkette, Januar 2012

Quelle: Kopie aus einem Werbeprospekt.

Das Afrohairbusiness zwischen Ausgrenzung und Inkorporation

einen wertet sie Schwarze Personen generell ab, zum anderen repräsentiert sie die Frisur des Afros als unkultiviert. Sie deformiert die im afroamerikanischen Kontext entstandene Frisur, die in den 1970er Jahren als politisches Symbol für die Loslösung Schwarzer Akteure/Akteurinnen aus Weißen Unterdrückungsstrukturen fungierte (vgl. Kap. 3.1.3) und reißt sie aus ihrem ursprünglichen Bedeutungszusammenhang heraus. Statt als Widerstand gegenüber rassistischen Konstruktionen wird der Afro im Kontext der Annonce in einen konträren Zusammenhang gestellt und zur (Re-)Produktion von Rassismen genutzt. Sie wird nicht als universelle Stiloption dargestellt, sondern durch die Zugabe eines Knochens als rückständige Frisur von sogenannten »Höhlenmenschen«. Ein Afro könne nur im Karneval zur Belustigung als »Perücke« getragen werden. Die Verspottung Schwarzer Akteure/Akteurinnen im Karneval ist kein neues Phänomen, sondern weist eine lange Tradition auf. Brog und von der Bank (2008) beschreiben die spöttische Abwertung afrikanischer Länder im Kölner Karneval in den Jahren 1884 und 1885. Auch in anderen Ländern entfachen Debatten über die rassistische Konnotation, sich als Schwarze zu verkleiden. In den USA gilt das sogenannte Blackfacing als problematisch (vgl. z.B. Nowatzki 2007), in den Niederlanden spannt sich eine kritische Diskussion über die (Nicht-)Legitimität des Schwarzen Dieners des Nikolaus auf, den Zwarte Piet (vgl. Helsloot 2006). Sich als Schwarze Person mit einem Afro und einem Knochen zu verkleiden, weist neben kolonial-stereotypischen Bildern auf eine spezifische Vorstellung von Normalität hin: Verkleidungen werden jenseits des Alltagslebens zu besonderen Anlässen wie Karneval getragen. Die Annonce transportiert eine Normalitätsvorstellung von Weißsein und davon, keinen Afro zu tragen. Sie rückt Schwarze Menschen und Afroträger/-innen in die Sphäre des Exotischen und verortet sie jenseits des Normalen.

3.3.3    Produktion von Fremdheit als Problem Die aufgezeigten Medienbeispiele repräsentieren afrikanische Migranten/ Migrantinnen und das Afrohairbusiness unter Rückgriff auf rassistische Stereotypisierungen der Kolonialzeit und exotisierende Mechanismen. Obwohl in den Fernsehreportagen vermeintlich das ökonomische Engagement der Akteure/Akteurinnen in den Vordergrund der Betrachtung rückt, überwiegt ein Rekurs auf eine zugeschriebene Andersartigkeit: Exotik, Unzivilisiertheit, Ungeordnetheit, fehlende Geschäftstüchtigkeit und Rückständigkeit sind die über afrikanische Migranten/Migrantinnen vermittelten Bilder. Sie stellen wiederum ein spezifisches Konstrukt eines nicht genannten Eigenen her, das sich durch Ordnung, Zivilisiertheit, Kultur, Geschäftssinn und Ernsthaftigkeit

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auszeichnet (vgl. Tab. 4).9 Die Werbeannonce einer Drogerie bedient sich analoger Repräsentationen. Tabelle 4: Begriffswahl und Konstruktionen der Medienbeispiele (exemplarische Auswahl) Begrifflichkeit

Konstruiertes Bild des Anderen Konstruiertes Bild des Eigenen

»flirrend«

Unordnung

Ordnung

»bunt«

Unordnung

Ordnung Eintönigkeit, aber Produktivität

»Dschungel«

Unzivilisiertheit Rückständigkeit Animalität Bedrohung

Zivilisiertheit Kultiviertheit

»Clanchief«

Unzivilisiertheit Rückständigkeit ›Stammesgesellschaft‹

Zivilisiertheit Kultiviertheit Politisches System

»Höhlenmensch«

Unzivilisiertheit Rückständigkeit

Zivilisiertheit Kultur

»Lachen, Reden, Zeit haben«

Faulheit Fehlende Geschäftstüchtigkeit Kindliche Heiterkeit Spieltrieb

Geschäftssinn, Fleiß Zeitökonomie, Produktivität Ernsthaftigkeit Stringenz

Quelle: Eigene Darstellung.

Die rassistische Aufteilung in ein geordnetes, kultiviertes Europa und ein unzivilisiertes, bedrohliches Afrika reproduziert eine koloniale Hierarchie: »Die Bilder eines bedrohlichen ›Anderen‹ werden ergänzt durch die Betonung eines ›weißen‹ europäischen Führungsanspruchs, der globale Hierarchien auch in nachkolonialen Zeiten festigt und legitimiert« (Lösing 2014, S. 125).

Die mediale Dichotomisierung darf in ihren Konsequenzen nicht unterschätzt werden. Das Fernsehen ist »einer der wichtigsten Verbreiter bestimmter Vor9 | Analog konstatieren Nacro (2008) wie auch Lösing (2014) eine fortwährende ko­ loniale Dichotomisierung in ›Wir‹ und ›die Anderen‹ in der Berichterstattung über Afrika und afrikanische Migranten/Migrantinnen im wöchentlich erscheinenden Nachrich­ tenmagazin ›Der Spiegel‹ sowie in der Wochenzeitung ›Die Zeit‹, die unter ständigem Rekurs auf die Hautfarbe und stereotype Bilder hergestellt wird.

Das Afrohairbusiness zwischen Ausgrenzung und Inkorporation

stellungen von Afrika und den afrikanischen Menschen und hat damit einen ungeheuren Einfluss« (Bechhaus-Gerst 2007, S. 55). Ebenso verhält es sich mit den Printmedien: »Durch permanente Wiederholungen schleichen sich Stereotype subtil in individuelle Wahrnehmungen ein und werden dann als gegeben, eindeutig und natürlich angenommen« (Arndt/Hornscheidt 2009, S. 47). Medien verfügen über die Macht, ihre konstruierten Bilder einer breiten Menschenmenge zugänglich zu machen. Aus diesem Grund tragen sie eine gesellschaftliche Verantwortung und haben prinzipiell die Möglichkeit, rassistische Bilder zu dekonstruieren. Eine Möglichkeit bestünde darin, statt der Reproduktion kolonialer Begrifflichkeiten und rassistischer Stereotype die Selbstbezeichnungen der Akteure/Akteurinnen aufzugreifen. Drei der vorgestellten Fernsehbeiträge wurden auf öffentlich-rechtlichen Sendern ausgestrahlt, die laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 31, 314-2. Rundfunkentscheidung) aus dem Jahr 1971 eine öffentliche Aufgabe übernehmen. Sie sollen »Information, Kritik und Kommentar über aktuelle politische Vorgänge, über gesellschaftliche Prozesse und über kulturelle Erscheinungen im weitesten Sinn, Darbietungen kultureller und bildender Art« offerieren. Eine Exotisierung und Konstruktion von Migranten/Migrantinnen als Nicht-Zugehörige zu Deutschland sowie die Reproduktion von rassistischen Abwertungskategorien läuft diesem Auftrag zuwider. Auch die häufig als vermeintlich anerkennend deklarierte Darstellung von Akteuren/Akteurinnen, dass sie beispielsweise viel »lachen und reden« würden oder gut »tanzen und trommeln« könnten, muss kritisch betrachtet werden. Denn »diese vorgeblich ›positiven‹ Annahmen befördern den Glauben an genetisch und/oder kulturell bedingte Eigenschaften und legen einen mentalen Nährboden für Ausgrenzung und Diskriminierung« (Arndt/Hornscheidt 2009, S. 28). Es stellt sich die Frage nach den Ursachen solcher Darstellungsweisen. Arndt sieht als Grund eine Nichtaufarbeitung afrikanisch-deutscher Geschichte an, die problematisiert werden müsse: »Die fehlende Sensibilisierung für das Nicht-Wissen sowie die Unwissenheit selbst lassen sich am ehesten mit einem stark ausgeprägten gesellschaftlichen und indi­ viduellen Desinteresse am afrikanischen Kontinent erklären, der den Deutschen so fremd zu sein scheint wie kein zweiter. Desinteresse ist jedoch […] die beste Garantie dafür, dass Unwissenheit auch bestehen bleibt. Das ist vor allem deswegen fatal, weil sie eine Vorbedingung für das Entstehen und die diskursive Macht von Vorurteilen und Stereotypen ist« (Arndt 2006, S. 25).

Schwarzen wird auf Basis dieses Nicht-Wissens oder der systematischen Verdrängung von Wissen »ihre Eigenschaft als legitimer und dauerhafter Bestandteil der deutschen Gesellschaft« (Zinflou 2004, S. 227) abgesprochen. Zinflou (ebd.) spricht von einer »Lebenslüge«. Oguntoye (1997) weist darauf hin, dass

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Schwarze eine lange Geschichte in Deutschland haben. Viele Angehörige der Mittelschicht hatten im Mittelalter Schwarze Angestellte, die im Rahmen von Handelsbeziehungen zu afrikanischen Ländern rekrutiert wurden. Zur Kolonialzeit kamen viele Schwarze aus »Deutsch-Südwest Afrika (heute Namibia), Deutsch-Ost Afrika (heute Tansania), Togo und Kamerun nach Deutschland: Viele wurden in Deutschland für Tätigkeiten in der kolonialen Verwaltung ausge­b ildet, unterrichteten Sprachen an der Universität in Ber­ lin, wurden in Völkerschauen ausgestellt, arbeite­ten auf Schiffen oder dienten als Soldaten im Ersten Weltkrieg« (Nduka-Agwu/Sutherland 2010, S. 87).

Im Ersten und Zweiten Weltkrieg kamen französische Soldaten aus französischen Kolonien sowie Schwarze Soldaten aus den USA nach Deutschland. Seit den 1960er Jahren leben immer mehr internationale Studierende, Migranten/ Migrantinnen und Flüchtlinge in Deutschland, viele von ihnen Schwarze (vgl. Kampmann 1994, S. 129-130). Gegen eine Ignoranz in der Geschichtsschreibung wehrt sich die Mitte der 1980er Jahre gegründete »Initiative Schwarze Menschen in Deutschland« (ISD). Ihr Ziel ist es, »Schwarzes Bewusstsein, Wissen um Schwarze Geschichte, Sichtbarmachung und An­ erkennung von Beiträgen in allen gesellschaftlichen Bereichen wie Kunst/Kultur, Wis­ senschaft, Geschichte, Medizin; Kontakte und Kommunikation Schwarzer Menschen untereinander sowie zu Schwarzen und anti-rassistischen Gruppen in Deutschland und weltweit; Skandalisierung von Rassismen, anti-rassistische Haltung in der Ge­ samtbevölkerung« (Homepage Soziale Einrichtungen 2013)

zu befördern. Die Exotisierung afrikanischer Migranten/Migrantinnen, von Un­ternehmern/Unternehmerinnen mit afrikanischem Migrationshintergrund und von Afro Hair Salons und Afro Shops steht symptomatisch für eine fehlende Aufarbeitung sowie eine Ausblendung von Geschichte und Wissen und fördert die gesellschaftlich-strukturelle Verankerung eines abwertenden Afrikabildes. So tauchen beispielsweise Schwarze und/oder aus afrikanischen Ländern stammende Akteure/Akteurinnen in der Regel nicht oder allenfalls stereotypisch in Schulbüchern auf (vgl. Arndt 2006, S. 10f.). Auch in der deutschen Sprache hält sich ein verfestigter Rassismus in Form rassistischen Vokabulars nachhaltig. Das N-Wort wird in Komposita wie dem Begriff des »N-Kusses« noch immer verwendet (vgl. Arndt 2004). Auch der rassistische Begriff des »Mohrs« ist weiterhin in Gebrauch (siehe Abb. 7; vgl. auch Hinrichsen/Hund 2014). Noch immer findet sich der im Verkauf und teils mit hohen Summen gehandelte »Nick-N.«, der ab den 1950er Jahren in christlichen Kirchen aufgestellt wurde. Es handelt sich hierbei um eine Sammelbüchse, die Schwarze in infantilisierender Weise als Bittsteller präsentiert (vgl. Göltenboth 1991). Diese

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Abbildung 7: Werbetafel auf einem Fest, Juni 2012

Foto: Caroline Schmitt.

diskursive (Re-)Produktion von Rassismus ist bisher wenig aufgearbeitet. Dies führt dazu, dass rassistische koloniale Konstruktionen in der Gegenwart unhinterfragt aufrechthalten werden. Die in den genannten Beispielen erzeugten exotisie­renden Bilder dienen Dritten als Hintergrundfolie zur Bewertung von Akteuren/Akteurinnen. Sie tragen zur Ausprägung von Vorurteilen bei und haben die Macht, Schwarze und afrikanische Migranten/Migrantinnen als nicht der deutschen Gesellschaft zugehörig zu entwerfen. Darstellungen, die Differenz konstruieren und betonen, verhindern eine Identifikation von Personen ohne Migrationshintergrund mit Migranten/Migrantinnen, Afro-Deutschen und Deutschen mit Migrationshintergrund, wodurch ausschließende Zugehörigkeitsdiskurse initiiert und verstärkt werden. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit einer kritischen Analyse diskursiv (re-)pro­duzierter Rassismen und einer Dekonstruktion abwertender Bilder als gesellschaftliche Bildungsaufgabe. Damit diskursiv (re-)produzierte Rassismen analysiert werden können, ist es notwendig, den Konstruktionsprozess von Rassismus in seine einzelnen Elemente zu zerlegen. Wie in den Medienbeispielen deutlich wurde, bedienen sich die Konstrukteure alle der Exotisierung als zentralem Element der Differenzkonstruktion. Dieser Prozess kann mit dem Konzept von Othering gefasst werden: Dieses »beschreibt den Gebrauch von und die Distanzierung oder Differenzierung zu anderen Gruppen, um seine eigene ›Normalität‹ zu bestätigen« (Schönhuth 2012, o. S.). Als gefährlich muss die Markierung von etwas als anders hervorgehoben werden, wenn sie eine Hierarchie konstruiert, d.h. wenn die Seite des konstruierten Anderen abgewertet und als unnormal deklariert wird, während ein konstruiertes Eigenes als ›normal‹ den Ausgangs-

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

punkt des Vergleichs bildet (vgl. Schwarz 2010, S. 22). Ein Othering bringt das vermeintlich Eigene wie vermeintlich Andere erst hervor. Es öffnet die Tür zu biologischen und kulturalistischen rassistischen Abwertungsprozessen. In seinen Konsequenzen ist es erfahrbar, wenn es sich in Form von ausschließenden Strukturen materialisiert oder in der direkten Kommunikation sichtbar wird. Die Lösung kann nicht sein, mögliche Unterschiede zwischen Akteuren/ Akteurinnen und Gruppen zu negieren. Die Erfahrung von Differenz zählt zu den grundlegenden menschlichen Erfahrungen. Ihr kommt in Zeiten der Globalisierung und Transnationalisierung der sozialen Welt gesteigerte Aufmerksamkeit zu. Stattdessen ist eine Sensibilisierung für die Konstruktion von Exotik und Ausblendung von Gemeinsamkeiten notwendig. Die Bewertung von etwas als fremd oder exotisch wird immer von einem bestimmten Standpunkt aus getroffen, der von einer spezifischen Ordnungsvorstellung10 ausgeht. Fremdheit und Exotik sind eine Bestimmung, eine Zuschreibung von etwas aus einer spezifischen Perspektive heraus (vgl. hierzu auch Bohnsack/ Nohl 2001). Nieswand beschreibt Fremdheit im Sinne von etwas Außerordentlichem als Bewegung von außen, welche die Ordnung irritiert, »weil sie nicht in ihr oder noch nicht in ihr enthalten ist« (Nieswand 2006, S. 4). Der Umgang mit dem als fremd Deklarierten kann verschiedene Ausprägungen annehmen. Es kann abgelehnt und abgewertet, ignoriert, oder aber normalisiert, d.h. in die eigene Ordnung aufgenommen werden. Problematisch und als hinderliche Bedingung für eine angemessene Auseinandersetzung mit der Welt ist eine Exotisierung, wie wir sie im aufgezeigten Medienmaterial vorfinden. Fremdheit und Exotik werden konstruiert und das vermeintlich Fremde »vom Eigenen weggerückt […], in die Ferne des Exotischen« (Nieswand 2006, S. 6).

3.4  R esümee : A fro H air S alons

im

D a z wischen

Die Analysen zeigen, dass sich Afro Hair Salons und Afrohairbusiness im Kontext spezifischer Rahmenbedingungen etablieren und mit ambivalenten Deutungsmustern von historischer, institutionell-rechtlicher sowie medialer Seite konfrontiert sind: • Die Historie von Afro Hair Salons macht deutlich, dass zur Kolonialzeit ein Pfad der rassistischen Aberkennung generiert wurde, der neben der Abwertung von Haarstilen auch das Gründungsgeschehen von Afro Hair Sa10 | Ordnung bezeichnet »ein System aufeinander bezogener Zeichen […], das sich mit mehr oder weniger festen Grenzen von seiner Umwelt abgrenzt. […] Allgemeiner gesprochen Sprache, Religion, Wissenschaft, Wirtschaft, der Staat […] können als soziale Ordnungen beschrieben werden« (Nieswand 2006, S. 3f.).

Das Afrohairbusiness zwischen Ausgrenzung und Inkorporation

lons beeinflusste: »Africa’s sustained contact with Europe during the transatlantic slave trade, and later in the colonial era […] affected the trajectory of African hair art« (Dogbe 2004, S. 77). Pfadabhängigkeit wird charakterisiert als Folge historischer Sequenzen, in deren Rahmen kontingente Ereignisse in Gang gesetzt wurden, die eine besonders prägende Wirkung für die Zukunft entfalteten (vgl. Beyer 2005; Djelic/Quack 2007; Garz 2008; Mahoney 2000; Werle 2007). Der Pfad der Aberkennung wurde in den USA in den 1960er und 1970er Jahren durch Proteste und eine Schwarze Schönheitsindustrie aufgebrochen. Auch in west- und zentralafrikani­ schen Ländern wird im Zuge der Verberuflichung der Tätigkeit seit den 1980er Jahren auf die vorherrschenden Kompetenzen im Afrohairstyling aufmerksam gemacht. • Die Analyse institutionell-rechtlicher Gründungsbedingungen für Afro Hair Salons in Deutschland zeigt, dass formelle Anforderungen die gesellschaftliche Partizipation von Afro Hair Salongründern/Afro Hair Salongründerinnen in Deutschland erschweren können. Sie müssen entweder den Meistertitel im Frisierhandwerk erlangen, ohne dass im Meisterlehrgang Inhalte des Afrohairbusiness relevant wären, oder für sie gelten Ausnahme- und Sonderregelungen. Der Umgang der Handwerkskammern mit Anträgen auf Ausnahme- und Sonder­regelungen zukünftiger Afro Hair Salonbetreiber/-innen ist nicht einheitlich geregelt. Afro Hair Salons werden partiell an eine nationalstaatlich gerahmte Normalität angepasst, jedoch wurden in Deutschland bisher keine neuen Ausbildungs- und Gründungsstrukturen geschaffen. • Die medialen Darstellungen von Unternehmern/Unternehmerinnen mit afrikanischem Migrations­hintergrund machen zwar peripher deren ökonomisches Engagement sichtbar, allerdings repräsentieren sie die Unter­ nehmer/-innen sowie die angebotenen Frisuren primär als exotisch und konstruieren Bilder ihrer genuinen Nicht-Zugehörigkeit zu Deutschland. Die Exotik wird in den analysierten Beispielen zum einen durch die Reproduktion ras­sisti­scher Kategorien der Kolonialzeit und zum anderen durch die Konstruktion kultureller Verschiedenheit hergestellt. Damit werden »die etablierten Unterscheidungen zwischen ›Deutschen‹ und ›Fremden‹« (Römhild 2003, S. 16) aufrechterhalten und nicht hinter­fragt. Andererseits finden sich auch Beispiele für mediale Eigenrepräsentationen von Akteuren/Akteurinnen, die rassistische und stereotype Fremdrepräsentationen subversiv unterlaufen. Die Analysen legen dar, dass Afro Hair Salons in ambivalenten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen agieren. Auf der einen Seite werden die Salons und Afrohaarstile wertgeschätzt und verbreiten sich. Auf der anderen Seite werden die Unternehmer/-innen mit ihren Salons und ihrem Dienstleistungsangebot

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aberkannt, exotisiert und marginalisiert. Was sagen diese ambivalenten Rahmungen für den Untersuchungskontext in Deutschland aus? Worauf sind sie zurückzuführen? Welche Deutungsmuster liegen ihnen zugrunde? In Bezug auf den deutschen Kontext lässt sich festhalten, dass in politischen Diskursen in dominanter Weise eine Vorstellung von Deutschland als kulturell homogenem Raum propagiert wird, der ›nach außen‹ hin verteidigt und an dessen Erhalt gearbeitet werden müsse. Diese Sichtweise führt die traditionelle Homogenitätsgleichung von Nation, Kultur und Staat mit einem spezifischen Territorium fort. Sie manifestiert sich in öffentlichen Debatten um eine vermeintlich ›deutsche Leitkultur‹, eine proklamierte Gefahr vermeintlicher ›Überfremdung‹ oder in hitzigen Kontroversen über das Tragen von Kopftüchern in der Öffentlichkeit (vgl. Butterwegge 2014). Römhild (2003) konstatierte im Jahr 2003 öffentliche Diskurse, die mithilfe multikulturalistischer Paradigmen ihre ›Anderen‹ erst erzeugen und dann benachteiligen. Trotz der Äußerung der rot-grünen Regierung im Jahr 1998, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei (vgl. Terkessidis 2010, S. 7), dominieren Vorstellungen einer homogenen Containerkultur, die von der Wirklichkeit überholt wurden. Das Bild eines nationalstaatlichen Kulturcontainers stellt eine Antwort auf gesellschaftliche Vielfalt und Migrationsprozesse dar. Es sucht zu regeln, inwieweit Diversität anerkannt werden soll und zieht an dieser Stelle deutliche Grenzen. Teil dieses Prozesses ist neben der Konstruktion und Ausschließung von ›Anderen‹ die Konstruktion eines ›kollektiven Eigenen‹, einer »imagined community« (Anderson 1983). Diese bezieht »ihre Legitimität und ihre Selbst- und Fremdanerkennung vorrangig […] aus der (Re-)Konstruktion einer gemeinsamen Geschichte und eines darauf auf bauenden kollektiven Bewusstseins der schicksalhaften Zugehörigkeit« (Goetze 2008, S. 260). Ein solches Deutungsmuster kann sich in politischen Entscheidungen, Gesetzen und Institutionen materialisieren. Die zentrale Erkenntnis dieses Kapitels ist, dass Afro Hair Salons in einem mehrdimensionalen Spannungsfeld von Aberkennung, Marginalisierung und Exotisierung einerseits sowie Prozessen gesellschaftlicher Inkorporation andererseits zu verorten sind, das historisch gewachsen und durch mediale und politische Diskurse sowie rechtlich-institutionelle Rahmungen strukturiert ist.

4    Betreiber/-innen von Afro Hair Salons      in Deutschland      Streben nach gesellschaftlicher Anerkennung,      Selbstverwirklichung und Zugehörigkeit

Nachdem es in Kapitel 3 um Rahmenbedingungen ging, innerhalb welcher Afro Hair Salonbetreibende agieren, analysiert dieses Kapitel die Handlungspraxis und das individuelle Erleben der Betreiber/-innen: • Wie realisieren sie ihre Selbstständigkeit innerhalb der rekonstruierten Rahmenbedingungen? Welche weiteren Rahmenbedingungen werden relevant? • Welche Handlungsoptionen bestehen für sie? Welchen Instanzen schreiben sie Handlungsmacht zu? • Welche Strategien entwickeln sie zur Realisierung ihrer Ziele? • Wie gestalten sie gesellschaftliche Strukturen ggfs. mit, schaffen neue Struk­t uren und verändern damit auch Rahmenbedingungen? • Wie erleben sie ihre Position als migrantische Unternehmer/-innen in Deutschland? Im Folgenden werden ein Betreiber und zwei Betreiberinnen von Afro Hair Salons vorgestellt. An spezifischen Stellen der Analyse werden zur Untermauerung von Erkenntnissen weitere Fälle hinzugezogen. Die Fallbeispiele zeigen den Weg in die Selbstständigkeit, die zur Eröffnung und Aufrechterhaltung der Unternehmen angewandten Strategien sowie die jeweiligen Geschäftskonzepte auf. Die mehrschrittige Analyse rekonstruiert aus der Perspektive der Salonbetreibenden Handlungsmächtigkeit fördernde und einschränkende Bedingungen und fragt nach deren Relevanz für das individuelle Handeln und Selbstverhältnis. Zu Beginn jeder Fallanalyse wird zunächst die Eingangssequenz der mit den Betreibern/Betreiberinnen geführten Interviews sequenzanalytisch interpretiert. Im Anschluss werden die weiteren Erkenntnisse aus

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

den Interviewanalysen verdichtend hinzugezogen, »weil die erschlossene Fallstruktur sich sehr bald in einem laufenden Protokoll erkennbar reproduziert und dann nur noch auf die Veränderungen und Modifikationen sowie auf den konkreten thematischen Verlauf geachtet werden muss« (Oevermann 2010, S. 24). An solchen Stellen des Materials, die besonders aufschlussreich sind und wichtige »Weichenstellungen im sequentiellen Verlauf« (ebd.) enthalten, werden weitere Feinanalysen vorgenommen. In die verdichteten Analysen finden Darstellungen von Handlungsverläufen aus den wissenschaftlichen Quellentexten Eingang.

4.1  D er S alonbe treiber A ron A yele :         »W ir wollen auch gebr aucht werden « Aron Ayele ist zu Beginn der Feldforschung im Herbst 2010 57 Jahre alt, stammt aus Eritrea und betreibt in einer Stadt im urbanen Untersuchungsraum einen Afro Hair Salon. Er bietet Frisierdienstleistungen für Damen und Herren an und verkauft gleichzeitig Frisier- und Körperpflegeprodukte. Der Unternehmer migrierte im Jahr 1978, zum Zeitpunkt einer der Höhepunkte des eritreisch-äthiopischen Konflikts, nach Deutschland. Zum damaligen Zeitpunkt war er 25 Jahre alt. In Deutschland absolvierte er eine Ausbildung zum Informationselektroniker, spezialisierte sich im Bereich der Netzwerktechnik und war in einem Wirtschaftsunternehmen tätig. Gemeinsam mit seiner Ehefrau eröffnete er Mitte der 1990er Jahre einen Afro Hair Salon. Seinen Weg in die Selbstständigkeit begründet Herr Ayele zum einen mit der Identifizierung einer Marktlücke. Zum anderen wollte er nicht mehr in seinem alten Beruf arbeiten, in dessen Rahmen er viel reisen musste, sondern strebte danach, private und berufliche Interessen besser miteinander zu verbinden. Um seinen Betrieb eröffnen zu können, legte er zunächst die Meisterprüfung im Frisierhandwerk in Deutschland ab. Seine gemeinsam mit ihm im Betrieb arbeitende Ehefrau eignete sich die notwendigen Frisierkenntnisse im Afrohairstyling in einer Schule in den USA an. Wie sich im Folgenden zeigen wird, dient der von den Eheleuten geleitete Afro Hair Salon Herrn Ayele neben der Sicherung eines Einkommens als Mittel, um sich seinem Ziel – der Herstellung von gesellschaftlicher Anerkennung des Afrohairbusiness in Deutschland – anzunähern. Hierfür entwickelt er auf die Zukunft ausgerichtete Handlungsstrategien wie die Idee, sich mit städtischen Vertretern/Vertreterinnen sowie innerhalb der Gruppe von Afro Hair Salonbetreibenden zu vernetzen, um deren als marginal erlebte gesellschaftliche Wahrnehmung zu überwinden. Er fungiert als Sprachrohr von Afro Hair Salonbetreibenden – als Social Entrepreneur –, der auf die im Afrohairbusiness vorhandene Expertise aufmerksam machen will und um gesellschaftliche Anerkennung des Dienst-

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland

leistungsbereichs in Deutschland wirbt. Indem er die eigenen Tätigkeiten in seinem Salon mit sinnstiftenden Eigentheorien unterlegt, sucht er, sein Selbstbild als ›Agent‹ entgegen seinem Erleben von Marginalität aufrechtzuerhalten. Kapitel 4.1.1 beschreibt die Kontaktaufnahme mit dem Salonbetreiber. Dem folgt in Kapitel 4.1.2 die Analyse der Eingangssequenz des mit Herrn Ayele geführten Interviews. Im Verlauf der Analyse werden erste Schlüsse hinsichtlich der fallspezifischen Sinnkonstruktionen gezogen. In den weiteren Kapiteln werden zusätzliche Sequenzen des Interviews, Sequenzen aus einem Gespräch sowie Beobachtungsprotokolle angeführt, um die herausgearbeiteten Thesen zu untermauern.

4.1.1    Kontaktaufnahme Den Kontakt zu Herrn Ayele stellte ich durch einen initiativen Besuch in seinem Salon her. Der Salon ist an einer viel frequentierten Straße nahe dem Zentrum einer Stadt in dem urbanen Untersuchungsraum gelegen. Er umfasst einen Frauen- und einen Herrenfrisierbereich, einige Verkaufsregale, einen Büro- und Aufenthaltsraum und die sanitären Anlagen. Zum Zeitpunkt meines ersten Besuches stand Herr Ayele hinter der Verkaufstheke. Ich sprach ihn an, stellte mich namentlich vor und erklärte, dass ich an einer Studie über Afro Hair Salons arbeite und auf der Suche nach Betreibern/Betreiberinnen sei, die gerne hieran mitwirken möchten. Daraufhin schrieb Herr Ayele den Begriff »Mikrowelt« auf einen Schreibblock und sagte: »Es geht Ihnen also sozusagen um Mikrowelten«. Er notierte weiter »Afro Salons und Afro Shops« und fragte: »Was interessiert Sie genau?« Ich erzählte ihm von meiner Diplomarbeit über soziale Unterstützungsräume, die sich in einem Afrosalon formiert haben, und erläuterte, dass diese Studie nun an die erste Untersuchung anschließe. Er nickte und kommentierte: »Das ist es genau«. Herr Ayele erklärte, seinen Salon nicht als ein Geschäft zu betrachten, welches man kurz aufsuche und dann wieder verlasse, sondern als ein »kulturelles Zentrum«. Der Ort habe eine besondere Bedeutung. Auf einem Schreibblock hielt er »w/o« und »o/w« fest und erläuterte, dass »w« für »water« und »o« für »oil« stehe. Das erste Wortpaar symbolisiere Wasser in Öl, wobei Öl stärker vertreten sei. Das zweite Beispiel stehe für eine kleinere Menge an Wasser in einer größeren Menge Öl. Interessant sei nun zu fragen, welche Wirkung Wasser oder Öl jeweils auf Öl und Wasser habe. So sei es mit dem kulturellen Zentrum im Salon auch. Er stelle sich die Frage, welche Wirkung das Zentrum auf die Gesellschaft habe. Ein Kulturzentrum könne als »positiver Virus« wirken, der die Gesellschaft infiziere und sich ausbreite. Ihn interessiere dieser Zusammenhang. Er erwähnte, dass ihm »viele Dinge« in dieser Gesellschaft nicht gefallen, die »positiv« gewendet werden müssten. Er habe aber in diesem Moment nicht ausreichend Zeit, um mit mir ausführlich zu sprechen. Wir vereinbarten, te-

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lefonisch einen Termin für ein Treffen abzusprechen. Herr Ayele überreichte mir seine Visitenkarte (vgl. Beobachtungsprotokoll 1). Während eines Telefonats an einem anderen Tag machten wir ein Treffen für ein Gespräch ab. Herr Ayele bestätigte mir, dieses auf ein Audiogerät aufnehmen zu dürfen. Als ich den Salon zu dem Termin aufsuchte, kam nach wenigen Minuten eine Mitarbeiterin des örtlichen Gesundheitsamtes hinzu, um die Einhaltung der Hygienevorschriften für Frisiersalons zu überprüfen. Ich beobachtete die Situation. Die Frau instruierte den Unternehmer über die Desinfektion von Scheren und lobte die hygienischen Vorkehrungen im Salon. Herr Ayele schlug ihr vor, eine Kooperation einzugehen und gemeinsame Hygienekurse für Afro Hair Salons anzubieten. Die Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes gab an, dass ihr diese Idee gut gefalle und sie mit ihrer Chefin darüber sprechen werde. Nachdem sie den Salon verlassen hatte, kam ein Mann herein und versuchte, Herrn Ayele davon zu überzeugen, sich im Ausländerbeirat der Stadt zu engagieren, was er mit einem Verweis auf seine eingeschränkten zeitlichen Freiräume ablehnte. Nachdem der Bekannte den Salon verlassen hatte, erzählte mir Herr Ayele, dass er sich vor vielen Jahren für die Gründung von Gemeinschaftszentren und die Bereitstellung von Räumen engagiert hatte, was aber nicht erfolgreich gewesen sei. Er wolle sich nun für andere Salonbetreiber/-innen einsetzen, mit der Frau vom Gesundheitsamt eine Kooperation auf bauen und Hygienekurse organisieren. Seine Intention sei, durch solche Kurse zu vermeiden, dass andere Salonbetreibende sich aufgrund der Unkenntnis der Bestimmungen nicht an die Vorschriften halten und einen schlechten Ruf als schmutzig und unhygienisch erfahren. Herr Ayele bat mich, im Frauenfrisierbereich Platz zu nehmen, nachdem er in den Verkaufsraum gerufen wurde. In der Zwischenzeit trafen viele Pakete im Salon ein, die vermutlich Produkte zum Verkauf enthielten. Nach einer Weile kam Herr Ayele zu mir, und wir begannen ein Gespräch. Das Gespräch fand auf seinen Wunsch hin im Frauenfrisierbereich statt, der an diesem Tag geschlossen war. Der Raum ist baulich von der Verkaufsfläche abgetrennt, jedoch durch einen offenen Durchgang mit dieser verbunden. Nachdem ich erneut sein Einverständnis zur Aufnahme erfragt, das Interviewverfahren kurz erläutert und die Technik vorbereitet hatte, begannen wir mit dem Interview (vgl. Beobachtungsprotokoll 3). Während des Interviews kamen mehrfach Mitarbeiter/-innen sowie Kunden/Kundinnen und Bekannte in den Raum, sodass wir die Konversation jeweils kurz unterbrachen. Im Hintergrund lief Musik. Die Interviewatmosphäre war von den alltäglichen Saloninteraktionen mitgeprägt, die das formalisierte Interview in ein alltägliches Setting einfügten. Dabei wurde besonders Herrn Ayeles enger und freundschaftlicher Kontakt zu seinen Kunden/Kundinnen deutlich. Der Unternehmer und ich saßen jeweils auf einem Frisierstuhl. Seitlich von uns war das Aufnahmegerät auf einem Frisiertisch positioniert (vgl. Postskriptum Interview Ayele).

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4.1.2    Agent statt Flüchtling : Die Analyse des Inter viewbeginns Das Interview beginnt mit der einleitenden Frage nach der Idee, nach Deutschland zu kommen sowie der Idee zur Geschäftsgründung: »Ja (.) also (.) vielleicht äh können Sie einfach mal erzählen wie so die Idee aufkam, hier nach ((Name einer deutschen Stadt)) zu kommen und dann die Idee aufkam, überhaupt so nen Salon aufzumachen (.) wie sich das so entwickelt hat«. (I. 3-5) 1

Das laut gesprochene »Ja« markiert, dass ich nun mit dem Interview beginnen möchte. Das darauf folgende »also« kündigt eine konkrete Formulierung an, was ich durch die Äußerung »vielleicht äh können Sie« relativiere. Die Bitte an den Interviewten wird hierdurch abgeschwächt. Herr Ayele wird durch die vorsichtige Formulierung latent darauf hingewiesen, dass er die Option hat, das Interview abzubrechen. Die Aufforderung »einfach mal« zu erzählen tut zweierlei: Zum einen drückt sie meine Erwartung aus, ein Narrativ zu hören. Zum anderen suggeriert sie eine Informalität der Situation, die einer potenziellen Hierarchie – nämlich der zwischen Fragendem und Befragtem in einem Interview – zuwiderläuft. Die sich zeigende Unsicherheit meiner Person in der Interviewsituation mag in einem Bemühen um Offenheit und Gleichberechtigung beider Parteien und der Herstellung einer lockeren Erzählatmosphäre begründet liegen. Mit dieser ersten, zögerlich geäußerten Frage werden die zwei großen Erzählbereiche des Interviews eingeführt: Herrn Ayeles Migration und sein Weg in die Selbstständigkeit. Die Frage unterstellt dem Interviewten mit dem Begriff »Idee« ein planvolles Handeln sowohl im Migrations- als auch im Gründungsprozess, wozu er sich implizit oder explizit positionieren muss. Auf den Stimulus meiner Frage erläutert er: »Gut ähm, (4) ja, ich bin Aron Ayele, (.) ich bin aus Eritrea (.) ich ä:h bin ä:h seit ä::hm (.) Ende achtundsiebzig in Deutschland«. (I. 7-8)

Mit der Begrifflichkeit »Gut ähm« signalisiert Herr Ayele, sich auf den eingeführten Erzählimpuls einzulassen. Gleichzeitig leitet »ähm« eine vier Sekunden andauernde Pause ein. Herr Ayele nimmt sich die Zeit zu überlegen, wie er seine Erzählung eröffnen möchte. Das betonte »ja« markiert den Beginn der anschließenden Narration, in deren Folge sich Herr Ayele namentlich vorstellt. Da ich seinen vollen Namen bereits im Vorfeld kannte, wäre eine namentliche Vorstellung nicht notwendig gewesen, weshalb sich an dieser Stelle die Frage 1 | Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich stets alle Verweise innerhalb einer Fallanalyse auf Transkripte zu der jeweiligen Salonbetreiberperson. ›I.‹ verweist auf ein Interview, ›G.‹ auf ein Gespräch.

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nach der Bedeutung dieser Äußerung aufdrängt. Welche Funktion erfüllt eine Vorstellung der eigenen Person mit Vor- und Nachnamen? In welchen Situationen wird diese für gewöhnlich vorgenommen? Denkbar ist die Nennung von Vor- und Nachnamen im Rahmen von Vorstellungsgesprächen, vor dem Halten eines Vortrags oder bei einem Kennenlernen von Geschäftspartnern/ Geschäftspartnerinnen auf Kongressen oder Meetings. Sie ist in formellen Situationen üblich, während beim Kennenlernen neuer Personen auf einer Geburtstagsparty die bloße Nennung des Vornamens die Regel ist. Zu einer formellen Situation zählt auch das Interview. Besonders in Fernseh- oder Radiointerviews wird die interviewte Person namentlich vorgestellt. In jenen formellen Situationen vertreten die Interviewten oftmals ein Anliegen und/oder werden als Experten/Expertinnen präsentiert, die einen bestimmten Inhalt in dieser Funktion vermitteln. Herr Ayele wird durch das Einschalten des Aufnahmegeräts zu einem solchen Experten gemacht. Mit der Nennung seines Vor- und Nachnamens könnte er zum einen auf ein gemeinsam geteiltes Wissen darüber reagieren, was in einer Interviewsituation gewöhnlich passiert; zum anderen erhält das Interview hierdurch einen Präsentationscharakter. Es kann die These aufgestellt werden, dass Herr Ayele mit dem Interview ein Anliegen transportieren möchte. Durch Nennung des mir bereits bekannten Namens entsteht der Eindruck, dass er seine Ausführungen nicht ausschließlich an mich als Interviewerin, sondern an eine größere imaginierte Zuhörerschaft (Publikum) adressiert. Seiner namentlichen Vorstellung schließt er den impliziten Hinweis auf seine Migrationserfahrung an (»ich bin aus Eritrea (.)«). Er führt aus, seit 1978 in Deutschland zu leben (»ich ä:h bin ä:h seit ä::hm (.) Ende achtundsiebzig in Deutschland«). Das Jahr der Migration nach Deutschland verdeutlicht zum einen, dass Herr Ayele zum Zeitpunkt des Interviews bereits seit 32 Jahren in der Bundesrepublik lebt, zum anderen verweist die Jahreszahl auf den sich 1978 auf einem Höhepunkt befindlichen Konflikt zwischen Eritrea und dem benachbarten Äthiopien. Eritrea wurde 1890 von Italien kolonialisiert. Ab dem Jahr 1941 wurde es infolge des Kontrollverlusts Italiens über das Land von Großbritannien verwaltet. Für die Entscheidung über Eritreas Zukunft standen die Optionen einer Föderation mit Äthiopien, die Unabhängigkeit sowie eine Teilung des Landes zwischen Äthiopien und dem Sudan zur Debatte. Gegen den Willen der eritreischen Bevölkerungsmehrheit wurde Eritrea nach UN-Beschluss zugunsten äthiopischer Interessen und militärstrategischer Erwägungen der USA an Äthiopien angebunden. Die Föderation trat 1952 in Kraft und endete im Jahr 1963, als Äthiopien Eritrea annektierte. Von 1962 an begann die Eritrean Liberation Front (ELF) einen Unabhängigkeitskampf. Innerhalb der Widerstandsbewegung kam es zu Unstimmigkeiten: Im Jahr 1975 wurde aufgrund von Konflikten in der ELF die Eritrean People’s Liberation Front (EPLF) gegründet, die dann den Unabhängigkeitskampf dominierte (vgl. Hirt 2005, S. 90). An-

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fang der 1980er Jahre vertrieben Mitglieder der EPLF zahlreiche Anhänger/innen der ELF aus dem Land (vgl. Hirt 2010, S. 5). Nach anfänglichen Erfolgen der Unabhängigkeitsbewegung startete Äthiopien von 1978 bis 1979 mit Unterstützung der Sowjetunion eine Offensive und eroberte große Städte und weite Landesteile Eritreas zurück. Nach langjährigen Kämpfen kam es im Jahr 1991 zur Kapitulation der äthiopischen Armee. Die Unabhängigkeit Eritreas wurde 1993 mit einem Referendum bekräftigt. Dennoch sind die eritreischen und äthiopischen Beziehungen durch einen noch immer andauernden Grenzkonflikt bestimmt: Nach einem Krieg um den Grenzverlauf im Jahr 1998 wurde von der UN eine temporäre Sicherheitszone eingerichtet. Ein im Dezember 2000 abgeschlossenes Friedensabkommen wurde bisher nicht in allen Punkten umgesetzt. Auch wenn der Internationale Gerichtshof in Den Haag im Jahr 2002 eine bindende Entscheidung für beide Seiten getroffen hat, kommt es immer wieder zu Konflikten (vgl. Hirt 2005, S. 90f.). Die historischen Fakten zeigen, dass Herr Ayele in einem Land aufwuchs, das maßgeblich von dem Konflikt mit Äthiopien geprägt war. Die Migration nach Deutschland zu einer der konfliktreichen Hochphasen, die sich durch die Einmischung der Sowjetunion auszeichnet, lässt vermuten, dass die militärischen Auseinandersetzungen den Anlass zum Verlassen des Herkunftslandes gegeben haben könnten. Nach dieser impliziten Thematisierung seiner Migration kommt Herr Ayele auf seine Selbstständigkeit zu sprechen, die erst im Anschluss an die Migration für ihn relevant und von ihm realisiert wurde (»ä:h und ähm (.) die Idee, Salon zu machen kam später eigentlich« I. 8-9). Die Idee zur Salongründung in Deutschland war weder der Grund der Migration noch kam sie im direkten Anschluss an diese auf. Vielmehr führt der Interviewte seine Narration mit der Erläuterung des eigentlichen Migrationsgrundes fort: »ich bin zuerst äh nochmal einfach von der Situation in Eritrea nach Deutschland äh eingereist (.)«. (I. 9-10)

Er reagiert mit der Äußerung »ich bin zuerst äh« auf die Struktur der Eingangsfrage und markiert, was vor der Salongründung geschah. Zugleich positioniert er sich durch die Konjugation »ich bin« als aktive Steuerungsinstanz im Migrationsprozess. Alternativ hätte er formulieren können, das Herkunftsland verlassen gemusst zu haben. Die Migration von Eritrea nach Deutschland hat er scheinbar alleine vollzogen. Alternativ ist vorstellbar, dass er den Migrationsprozess gemeinsam mit anderen geplant und durchlaufen hat, ihnen aber aus seiner heutigen Perspektive keine entscheidende Rolle zuschreibt oder zuschreiben will oder die weiteren Personen nicht nennen möchte. »nochmal« lässt vermuten, dass der Akteur das Land Eritrea in der Vergangenheit schon einmal verlassen haben könnte. Der allgemeine Verweis auf die Situation im Herkunftsland als Grund der Migration (»einfach von der Situation in Eritrea«)

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macht deutlich, dass persönliche Motive wie der Wunsch nach einem Studium oder einer Arbeitsstelle im Ausland nicht ausschlaggebend waren, sondern Umstände im gesamten Land. Dies spricht für ein politisch oder aufgrund von kriegerischen oder ökonomischen Krisen und Konflikten motiviertes Verlassen Eritreas. Herr Ayele schreibt der »Situation in Eritrea« im Ganzen eine Macht zu und präsentiert sie als Akteur mit einer Wirkung, der einen Unterschied in seinem Handeln machte (vgl. Latour 2007, S. 130). Auffällig ist, dass der Interviewte davon spricht, nach Deutschland »eingereist« zu sein. Der Begriff ›Einreise‹ bezieht sich auf die rechtliche Gültig- oder Ungültigkeit einer Migration und wird verwendet um zu erläutern, ob Migranten/Migrantinnen die rechtlichen Bedingungen für einen Grenzübertritt erfüllen oder nicht. So wird rechtlich zwischen einer legalen und einer sogenannten illegalen Einreise differenziert. Der Begriff könnte an dieser Stelle suggerieren, dass sich Herr Ayele mit seiner Migration nach Deutschland eine rechtlich langfristige Bleibeperspektive erhoffte. Infolge der eritreisch-äthiopischen Kämpfe flohen mehr als eine Millionen Eritreer/-innen ins Ausland; davon reisten etwa 16.000 nach Deutschland ein. Als AsylbewerberIn anerkannt wurde in Deutschland allerdings nur, wer nachweislich politisch verfolgt wurde. Eine Flucht vor Krieg und Folter führte lediglich zu einer Aussetzung der Abschiebung bis nach Kriegsende (vgl. Finkelstein 2006, S. 26). Es kann daher angenommen werden, dass Herr Ayele in der eritreischen Widerstandsbewegung aktiv war, von den deutschen Behörden als politischer Aktivist betrachtet und als ›politischer Flüchtling‹ eingruppiert wurde. Andernfalls wäre es ihm nicht möglich gewesen, sich langfristig und mit gesichertem Aufenthaltsstatus in Deutschland niederzulassen. Trotz seiner (an dieser Stelle vermuteten) Flucht aus Eritrea verwendet Herr Ayele diesen Begriff nicht. Dies kann darauf verweisen, dass er sich in der Interviewsituation als handlungsmächtigen Agenten präsentieren möchte und sich retrospektiv als machtvoll statt ohnmächtig deutet. Diese These lässt sich anhand der weiteren Sequenz untermauern: »und und ähm, dann war alles offen, alles offen und so weiter, dass ich dann (.) nicht wusste, was ich direkt machen- weil ich keine Plan gehabt hab etwas zu unternehmen hier«. (I. 10-12)

Herr Ayele betont mit dem Hinweis, dass alles »offen« gewesen sei, eine Pluralität an Möglichkeiten, seinen Lebensweg in Deutschland auszurichten. Im Interview wird nicht explizit das Aufkommen einer Krise formuliert. Wenngleich sich der Akteur in der tatsächlichen Situation überfordert und belastet gefühlt haben mag, was anhand des Hinweises, nicht gewusst zu haben, wie es weitergehen soll, vermutet werden kann, wird dieser Umstand nicht weiter erläutert. Dies stärkt die These, dass sich der Interviewte in der Interviewsitu-

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ation als handlungsmächtig positionieren will. Das Ankommen in Deutschland, ohne Vorüberlegungen über die nächsten Schritte angestellt zu haben, verdichtet zudem die Lesart, dass Herr Ayele sein Herkunftsland als Flüchtling verlassen hat. Diese wird in der weiteren Sequenz verstärkt, in der Herr Ayele erneut die »Situation in Eritrea« aufgreift: »sondern ich bin einfach weg von der Situation in Eritrea (.) ä:::h (.) gelaufen sag ich mal (.) weggeflogen oder weggegangen«. (I. 12-13)

Primäres Ziel der Migration war das Verlassen Eritreas. Im Vorfeld der Migration stand weniger der konkrete Entwurf von Handlungsstrategien in Deutschland im Vordergrund, als vielmehr, das Herkunftsland zunächst hinter sich zu lassen. Die Sequenz bestätigt, dass seine Entscheidung zur Migration durch vergangenheitsbasierte Gründe motiviert wurde (Weil-Motiv) und nicht durch starke Um-zu-Motive, wie beispielsweise eine Migration zum Zweck einer beruflichen Verwirklichung und/oder Qualifizierung (vgl. Schütz 1977, S. 49ff.). Mit den Äußerungen, »weggeflogen oder weggegangen« zu sein, drückt Herr Ayele trotz dieser einschneidenden Situation seine aktive Entscheidungsmacht aus – unabhängig davon, ob diese retrospektiv konstruiert oder zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich gegeben war. Es wird deutlich, dass es ihm im Interview nicht darum geht, die Geschichte eines ›hilflosen Flüchtlings‹ zu erzählen, obwohl seine Ausführungen auf eine Flucht aus Eritrea hindeuten. Stattdessen schreibt er sich durch die iterativen Formulierungen mithilfe des Partizips II (»gelaufen; weggeflogen; weggegangen«) im Gegensatz zu sprachlichen Passivkonstruktionen eine aktive Rolle beim Verlassen des Landes zu. Diese aktive Rolle zeigt sich in der Formulierung einer von ihm aktiv herbeigeführten Zustandsveränderung, d.h. dem Einschlagen einer neuen Richtung im physischen Sinne, die sich im Wegbewegen aus seinem Herkunftsland nach Deutschland wiederfindet. Zugleich kann vermutet werden, dass der Akteur zur Zeit der Migration stark in seiner Handlungsmächtigkeit eingeschränkt war, ihm eventuell keine andere Wahl als das Verlassen des Herkunftslandes blieb und er möglicherweise auf die soziale Unterstützung von Fluchthelfer/­ -innen angewiesen war. Bilanzierend führt die Analyse der Eingangssequenz auf inhaltlicher Ebene zur Formulierung der These, dass Herr Ayele als politischer Flüchtling nach Deutschland eingereist ist und vor dem militärischen Konflikt zwischen Äthiopien und Eritrea fliehen musste. In einem anderen mit ihm geführten Gespräch belegt er diese These konkret, indem er angibt, im politischen Widerstand gegen die äthiopische Besatzung aktiv gewesen zu sein (G. 775-776). Im Sinne des methodischen Vorgehens nach der Objektiven Hermeneutik wurde diese Information in der Analyse der Eingangssequenz jedoch ausgeklammert. Ohne seine Involviertheit in das politische Geschehen in Eritrea

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explizit zu nennen, zeigt sich die Relevanz dieses politischen Kontexts bereits in den ersten Sätzen des Interviews. Auf der Ebene der Selbstdarstellung verdeutlicht die Eingangssequenz, dass sich der Akteur in der Interviewsituation als Agent präsentiert. Eine solche Selbstdarstellung untermauert er sprachlich durch aktive Satzkonstruktionen sowie die Ausklammerung von Ausdrücken wie »Fliehen« oder »flüchten müssen«. Ob Herr Ayele sich zum Zeitpunkt der Migration tatsächlich als Agent erlebt hat, bleibt an dieser Stelle allerdings offen. Vielmehr verweist die Sequenz auf eine Agentivierung zum Zeitpunkt des Interviews. »Als Agentivierung wird das bezeichnet, was der Erzähler sprachlich macht, indem er dem Geschehen in den Darstellungen von Ereignissen in den Erzählsätzen eine Urhe­ berschaft oder Wirkkomponente sprachlich zuschreibt. Dieser Begriff beschreibt die konstruktive Leistung der erzählenden Person« (Lucius-Hoene 2012, S. 42).

Durch die Analyse von Agentivierungen wird die Perspektive der sprechenden Person offengelegt. Sie lässt erkennen, welche Instanzen oder Menschen aus Sicht der Person die handelnden Agenten/Agentinnen sind. Herrn Ayeles Selbstpräsentation als agentiviertes Subjekt geht einher mit Erkenntnissen von Lucius-Hoene (2012, S. 45), die herausstellt, dass selbst »in Geschichten mit einem Zeithintergrund von starken Umbrüchen, Chaos oder Krieg […] die Erzählungen aus der Teilnehmer- und Erlebnisperspektive den Erzähler dennoch in einer Rolle des aktiv Handelnden vorführen« können. Es muss nun die Frage gestellt werden, warum der Akteur das Interview für eine eigene Agentivierung nutzt. Zur Erklärung stelle ich drei mögliche Thesen auf: 1. Die Agentivierung könnte ein Versuch sein, starke biografische Brüche zu bewältigen und ein agentatives Selbstbild kontinuierlich aufrechtzuerhalten. Die Herstellung von Kontinuität bezieht sich auf das Vergangene, das mit der Gegenwart derart in Einklang zu bringen gesucht wird, dass das eigene Selbstverhältnis aufrechterhalten werden kann. Dabei bedeutet Kontinuität nicht, »etwas konservieren (wollen)« (Straub 1995, S. 22), sondern vielmehr, »daß ein (›modernes‹) Subjekt im klaren Bewußtsein, daß Zeit vor allem eine Chiffre für Veränderungen, Diskontinuität und Brüche ist, gleichwohl die Persistenz ›von etwas‹ einsichtig machen kann« (ebd.). Strauss (1974, S. 153) formuliert die Herstellung von Kontinuität als Fähigkeit des Menschen, selbst »in einem von schnellem sozialem Wandel gekennzeichneten Milieu […] Inseln der Stabilität zu errichten«. 2. Besonders augenscheinlich ist die Tatsache, dass eine – wie von Herrn Ayele vollzogene Agentivierung der eigenen Person – im Kontrast zu geläufigen diskursiven Repräsentationen von Flüchtlingen steht, die vielfach nicht in ihrer Agency, sondern in einer Opferrolle dargestellt werden. So weisen

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beispielsweise Tošić, Kroner und Binder (2009, S. 118f.) auf Darstellungen von Flüchtlingen als entwurzelt, passiv und arm durch Instanzen wie die Medien in den Zielländern von Migranten/Migrantinnen hin. Zu Herrn Ayeles Flüchtlingsstatus kommt seine Herkunft aus einem afrikanischen Land hinzu, die, wie in Kapitel 3.3 gezeigt wurde, in den Medien häufig zusätzlich mit negativen Attributen besetzt repräsentiert wird. Es kann vermutet werden, dass Herr Ayele sich von negativen Repräsentationen und Fremdpositionierungen – ob medial vermittelt oder in anderen gesellschaftlichen Diskursen eingeschrieben – abgrenzt und nicht als passives Opfer, sondern in seiner Agency wahrgenommen werden möchte. Für Letzteres stellt das Interview eine geeignete Plattform dar. In ihm kann der Akteur zum Ausdruck bringen, wie er von der Interviewerin – als einer der nicht-migrantischen Mehrheitsgesellschaft Zugehörigen – verstanden und wahrgenommen werden will. Dies zeigt, dass »das Erzählen in einem weiteren Sinne selbst eine eigene Ebene und Möglichkeit der Ermächtigung« (Lucius-Hoene 2012, S. 62) darstellen kann. Konkret entwirft er, un­abhängig von seiner Intention, ein alternatives Bild zu o. g. Fremdpositionierungen, die Flüchtlinge als wenig handlungsmächtig zeigen. Die Produktion und Vermittlung eines solchen Bildes könnte möglicherweise ein Motiv gewesen sein, weshalb Herr Ayele dem Interview sowie der Durchführung von teilnehmender Beobachtung in seinem Salon zugestimmt hat. Es kann vermutet werden, dass ihm möglicherweise ein Anliegen ist, sich gegen machtvolle Negativdiskurse zu wehren und ein alternatives Wissen zu erzeugen, von dem er hoffen könnte, dass es zum Beispiel durch Wissenschaftler/-innen in die Praxis weitergetragen wird. Insbesondere in seiner anfänglichen Zeit in Deutschland wurde in der Regierung unter Helmut Kohl von 1982 bis 1998 ein politischer Diskurs über die Ausrichtung der Flüchtlingspolitik in Deutschland geführt sowie eine verschärfte Asylpraxis implementiert. In der Bevölkerung war die Haltung stark verbreitet, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei und Ausländer/-innen wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehren würden (vgl. Finkelstein 2006, S. 24-26). Ein Versuch der Bewältigung entsprechender Diskurse könnte hier latent sichtbar werden. 3. Es ist auch denkbar, dass der Akteur sowohl biografische Brüche als auch negative Diskurse in Deutschland mehr oder weniger bewusst durch die Strategie der Agentivierung bewältigen möchte. In diesem Sinne wäre in der Interviewanalyse zu unterscheiden zwischen einem erzählten Ich »als Akteur in der Geschichte« (Lucius-Hoene/Deppermann 2004, S. 172) und einem gegenwärtig erzählenden Ich »als aktueller Sprecher und Interaktionspartner« (ebd.). Auf der Ebene des erzählten Ichs ließen sich dann Herrn Ayeles agentivierte Darstellungen des eigenen Ichs in der Vergangenheit rekonstruieren, während auf der Ebene des erzählenden Ichs –

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zum Beispiel in der Positionierung gegenüber der Interviewerin – zugleich eine Bewältigung von Fremdzuschreibungen in der Ankunftsgesellschaft durch die Subversion abwertender Diskurse sichtbar würde. Diese Thesen werden am weiteren Material geprüft. Die folgenden Kapitel zeigen, wie sich Herr Ayele durch seine Positionierung als Geschäftsmann agentiviert und biografische Brüche wie auch negative Erfahrungen in Deutschland – analog zu den Annahmen der dritten These – bewältigen möchte. Er kommt nach der in der Anfangssequenz geschilderten Migrationserfahrung zum einen auf seine Motivation zur Salongründung und seine Geschäftsphilosophie zu sprechen, zum anderen reflektiert er die Stellung seines Salons im gesellschaftlichen Gesamtgefüge. Die sich anschließenden Analysekapitel orientieren sich in ihrer Darstellung zugunsten einer guten Lesbarkeit und Präsentation der Erkenntnisse nicht mehr streng am sequenzanalytischen Vorgehen der Auswertungsphase, wie in der Analyse der Eingangssequenz geschehen. Stattdessen werden die Analyseergebnisse und der Gang des Geschehens summarisch und verdichtend nach von Herrn Ayele angesprochenen Themen (vgl. Kirsch 2007) unter Hinzunahme von Beobachtungsprotokollen und Transkriptionen aus einem Gespräch gerafft (vgl. Oevermann 2010, S. 24; Friebertshäuser/Richter/Boller 2010). Dieses darstellerische Vorgehen birgt den Vorteil, die Gesamtheit des Prozesses der Gründung bis zur Etablierung des Salons sowie Herrn Ayeles heutige Situation im Blick zu behalten. Dichte Interviewsequenzen zu thematisch besonders relevanten Stellen werden innerhalb der gerafften Darstellung immer wieder eingeführt und sequenzanalytisch ausgewertet, um die herausgearbeiteten Sinnstrukturen zu untermauern.

4.1.3    Motivation zur Salongründung : Die Vereinbarkeit von          Familie und Beruf und die Identifizierung einer Marktlücke In der weiteren Narration wird deutlich, dass Herr Ayele der prinzipiell in zweierlei Richtungen zielenden Erzählaufforderung (nach der Migration nach Deutschland und seinem Salon) in differenter Weise folgt. Er legt die Priorität seiner Ausführungen auf die Frage nach seiner Gründungsgeschichte und wendet sich nach der knappen Schilderung seiner Migrationserfahrung seinem unternehmerischen Engagement zu: »Daher, diese Salongeschichte ist später (.) gekommen als äh ich äh mit meinem be­ neficial Vorgang gemerkt habe, dass ich viel unterwegs sein müsste, und somit habe ich äh gedacht äh dass ich mich auch selbstständig machen kann«. (I. 13-15)

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Der Akteur verweist hier zum einen auf eine der Salongründung vorausgegangene berufliche Tätigkeit in Deutschland (»Salongeschichte ist später (.) gekommen«), in deren Kontext er in hoher Weise mobil sein musste; zum anderen charakterisiert er diese Mobilität durch die Nennung einer alternativen beruflichen Option (»selbstständig machen«) als nicht wünschens­wert. Der englische Begriff »beneficial« bedeutet im Deutschen nutzbringend, vorteilhaft oder geschäftlich, was die Vermutung aufkommen lässt, dass Herr Ayele seine vorherige Arbeitsstelle vor allem als Mittel zur Generierung monetärer Ressourcen, nicht aber als sinnstiftend ansah. Die Äußerung, »und somit habe ich äh gedacht äh dass ich mich auch selbstständig machen kann«, verweist darauf, dass ihm die Entscheidung, sein damaliges Arbeitsverhältnis zu beenden, nicht schwer fiel. Der Interviewte arbeitete vor der Saloneröffnung in der Informationselektronik. In diesem Bereich durchlief er nach seiner Migration nach Deutschland eine Ausbildung zum Informationselektroniker mit der Spezialisierung auf Netzwerktechnik (»was ich gelernt habe ist Informationselektronik und dann speziell Netzwerk« I. 232). Als belastend und Hindernis für die Gründung einer Familie empfand er seine umfangreiche berufliche Reisetätigkeit, die er mit seinen vielfältigen Sprachkenntnissen im Deutschen, Englischen, Arabischen, Italienischen, Französischen, Amharischen und in seiner Muttersprache Tigrinya erklärt: »war unheimlich viel anstrengend und Hindernis mit Familie gründen […] durch meine Sprachkenntnisse musste ich viel äh Außendienst machen und daher hat äh mir nicht gepasst am Ende, nur auf Reise zu sein«. (I. 233-236)

Herr Ayele wollte anstelle einer mobilen Lebensweise sesshaft werden, um sich auf private Ziele zu fokussieren. Seine zum damaligen Zeitpunkt rege und überwiegend auf die Arbeitstätigkeit hin ausgerichtete Lebensweise stellte eine seiner Motivationen zur Betriebsgründung dar: »It’s time to change« (I. 236). Die Salongründung bedeutete für ihn einen Wendepunkt (vgl. Strauss 1974) sowohl im beruflichen als auch im privaten Leben, der aktiv und bewusst herbeigeführt wurde. So zwangen ihn die Umstände seiner Arbeitstätigkeit in ihren Auswirkungen auf das Privatleben zu einer »Bestandsaufnahme, Revision, Neubewertung, [einem] Neuverstehen und [einer] Neubeurteilung« (ebd., S. 107) seiner damaligen Lebenssituation. Schütze definiert geplante einschlägige Veränderungen in einer Biografie als biografische Handlungsschemata: »Sie können vom Biographieträger geplant sein, und der Erfahrungsablauf besteht dann in dem erfolgreichen oder erfolglosen Versuch, sie zu verwirklichen« (Schütze 1984, S. 92). Jene Handlungsschemata werden, dies zeigt der Fall von Herrn Ayele deutlich, von dem Biografieträger als »Realisierungsschritte der eigenen Ich-Identität im Verlauf der Lebensgeschichte« (ebd., S. 94; Herv. i.O.) begriffen. Die Gründungsidee eines Afro Hair Salons entsprang

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nicht unbedacht oder zufällig, wie z.B. aus einem Mangel an alternativen Arbeitsmöglichkeiten heraus, sondern ging mit dem Wunsch nach weniger beruflicher Reisetätigkeit und mehr Zeit für das Privatleben einher. Dieses mit seiner vorherigen Tätigkeit zusammenhängende biografische Handlungsschema gab aber nicht alleine den Ausschlag für die berufliche Veränderung. Vielmehr identifizierte Herr Ayele während seiner Zeit in Deutschland einen Bedarf an Pflegeprodukten und Haardienstleistungen für Afroamerikaner/­­­ -innen, der nicht von der Industrie und dem Dienstleistungssektor in Deutschland bedient wurde: »dafür war nicht vorbereitet der Invest- oder Dienstleister oder schulische Vorbereitung für Dienstleister oder berufliche Ausbildung« (I. 35-36). Er weist auf die ihn umgebenen Rahmenbedingungen in den 1990er Jahren hin. Zu dieser Zeit gab es keinerlei Dienstleistungen im Sektor des Afrohairbusiness in Deutschland. Es fehlten Schulen und Ausbildungsgänge zum Erlernen der Tätigkeit sowohl in Deutschland (was auch heute noch der Fall ist) als auch in Europa.2 Die identifizierte Lücke betrachtete Herr Ayele als eine ökonomische Chance, auf der er sein Geschäftskonzept gründete: »mit dem also Friseur ist dann (.) ist ein Teil des Geschäftskonzepts was ich habe; Es war nicht nur alleine Friseur zu haben, sondern es ist allgemein für die äh Afro- Afro­ amerikaner äh Gesellschaft in Deutschland damals durch die amerikanische Soldaten stationiert ähm ähm (.) Dasein entstanden ist, so dass ich gesehen habe, dass der Bedarf da war und und für diesen Bedarf aber an deutsche Schulen und deutsche Institutionen und so weiter (.) und in Europa keine Lehranstalt im Sinne von Afrohaare oder ähnliches ga::b«. (I. 16-21)

Herr Ayele erklärt, dass sich sein Geschäftsmodell nicht ausschließlich durch das Angebot von Frisierdienstleistungen auszeichne, sondern diese Teil eines größeren Geschäftskonzepts seien (»Friseur […] ist ein Teil des Geschäftskonzepts was ich habe«). So verkauft er u. a. Pflegeprodukte, Perücken, Haarteile, Gewürze, Tee- und Kaffeeutensilien sowie Parfums. Der Begriff des Konzepts untermauert seine Rolle als Geschäftsmann und verweist darauf, dass Herr Ayele den Betrieb nicht unbedacht eröffnet, sondern im Vorfeld eine klar durchdachte Vorgehensweise entwickelt hat. Die Erläuterung »des Geschäftskonzepts was ich habe« hebt zugleich dessen Einmaligkeit und Pioniercharakter hervor. Als Kundenkreis/Kundinnenkreis fokussierte Herr Ayele in den 1990er Jahren auf afroamerikanische Militärs und deren Angehörige. Diese waren nach dem 2 | Heute finden sich alleine in einem Onlineverzeichnis für Trainingskurse in Groß­ britannien neun Kurse, in denen das Afrohaarstyling erlernt werden kann (vgl. Online­ verzeichnis für Frisiertrainingskurse in Groß­b ritannien, o. J.). Die tatsächliche Anzahl solcher Kurse liegt derweil deutlich höher, da nicht alle tatsächlich angebotenen Kur­ se auf dieser Homepage verzeichnet sind.

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Zweiten Weltkrieg – und sind bis heute – in verschiedenen Gebieten in Deutschland stationiert. Afrikanische Migranten/Migrantinnen rückten als Zielgruppe zu diesem Zeitpunkt noch nicht in seinen Blick, obwohl sich mit den in den 1980er Jahren einsetzenden Flüchtlingsströmen aus seinem Herkunftsland zahlreiche Eritreer/-innen in Deutschland niederließen (vgl. von Nolting 2002, S. 3). Dies kann darin begründet liegen, dass sich die nach Deutschland eingereisten Flüchtlinge zunächst im für sie neuen Land orientieren und ihren Weg in das Erwerbsleben finden mussten. Viele von ihnen waren zunächst in Notunterkünften untergebracht und in ihrem Aktionsradius eingeschränkt. Die seit längerem in Deutschland stationierten Afroamerikaner/-innen stellten hingegen eine zahlungskräftige Gruppe mit sicherem Aufenthaltsstatus dar und waren zahlenmäßig stark vertreten. Größere Migrationsbewegungen aus afrikanischen Ländern wie Algerien, Ghana, Marokko und Tunesien setzten erst langsam in den 1990er Jahren ein (vgl. Baraulina/Borchers/Schmid 2008, S. 16) und waren scheinbar nicht präsent genug, um als primäre Zielgruppe von Herrn Ayele wahrgenommen zu werden. Mittlerweile stellen neben Afroamerikaner/-innen auch Migranten/Migrantinnen aus afrikanischen und asiatischen Ländern, deutsche Kunden/Kundinnen ohne Migrationshintergrund und Personen aus anderen europäischen Ländern einen für Herrn Ayele bedeutsamen Kundenstamm/Kundinnenstamm dar. Zu diesem gehören Frauen und Männer, die Frisuren wie Cornrows oder Haarverlängerungen, sogenannte Weaves, wünschen. Viele von ihnen haben eine kräftige und stark gelockte Haarstruktur. In Interviews mit aus afrikanischen Ländern oder den USA stammenden Kunden/Kundinnen konnte ich rekonstruieren, dass diese häufig schlechte Erfahrungen mit nicht auf das Afrohaarstyling spezialisierten Friseursalons in Deutschland gemacht haben, da sich dortige Friseure/ Friseurinnen mit dem Frisieren ihrer Haare überfordert zeigten. Die Kunden/ Kundinnen äußerten eine große Skepsis hinsichtlich der Expertise von Friseursalons, die nicht auf das Afrohairstyling spezialisiert sind.3 Diese Skepsis ist berechtigt, da in der Friseurausbildung in Deutschland keine Wissenselemente des Afrohairstylings vermittelt werden (vgl. Kap. 3.2). Im curricularen Ausbildungsrahmenlehrplan der Kultusministerkonferenz aus dem Jahr 2008 werden vor allem Fertigkeiten wie Haare schneiden, pflegen sowie färben und 3 | Beispielsweise erläuterte eine Kundin, dass ihr Besuch in einem nicht auf Afro­ hairstyling spezialisierten Salon in Deutschland eine »absolute Katastrophe« (I. Lorenz 95) gewesen sei. Die Friseurin sei keine Afrikanerin oder Afroamerikanerin gewesen, habe sich nicht mit der Struktur ihrer Haare ausgekannt und ihr einen Stufenschnitt verpasst. Die Haare hätten im Nachhinein ausgesehen wie »ein riesen Busch« (I. Lo­ renz 100). Die Friseurin sei »halt so ne Kleinstadt-Friseuse, die sich offensichtlich überschätzt hat. Also, die halt offensichtlich mit meiner Haarstruktur nix anfangen konnte« (I. Lorenz 523-524).

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tönen aufgeführt. Techniken zur Anfertigung von Weaves oder Cornrows werden nicht genannt. Methoden zu Haarersatz und Haarverlängerung können zwar als Wahlqualifikationseinheit erworben werden (vgl. FriseurAusbV 2008, Abschnitt B), das bedeutet aber, dass nicht jede Friseurin oder jeder Friseur nach Absolvierung der Ausbildung über diese – im Afrohairstyling sehr bedeutsame – Kompetenz verfügt. Eine Ausnahme bilden Friseure/Friseurinnen mit Meistertitel. Bei ihnen kann davon ausgegangen werden, dass sie Techniken der Haarverlängerung beherrschen, da Methoden des Haarersatzes sowie Teilersatzes laut § 2 der Friseurmeisterverordnung (vgl. Friseur-MStrV 2001) Bestandteil der Meisterprüfung sind. In der Regel arbeiten derart qualifizierte Friseure/Friseurinnen jedoch mit anderen als den im Afrohairstyling üblichen Techniken. Zudem dürfte vielen Kunden/Kundinnen mit Afrohaar diese Spezialisierung von manchen Friseuren/Friseurinnen nicht bekannt sein, weshalb sie einen auf das Afrohairstyling spezialisierten Afro Hair Salon als geeignete Anlaufstelle erachten. Herr Ayele charakterisiert sein Geschäftskonzept aufgrund dieser Dienstleistungslücke »als sicher«, wenngleich heutzutage die Anzahl von Afro Hair Salons in Deutschland gestiegen ist. Neben dem Frisieren ist, wie bereits erwähnt, der Verkauf von auf Afrohaar spezialisierten Pflegeprodukten sowie von ostafrikanischen Tee- und Kaffeeutensilien, Perücken und Haarteilen Teil seines Konzepts. Diese Produkte finden sich ebenfalls nicht im regulären Sortiment von Frisiergeschäften oder Drogeriemärkten in der Bundesrepublik. Die Marktlücke verschaffte Herrn Ayele auf der einen Seite eine ökonomische Chance, auf der anderen Seite erschwerte sie das Gründungsvorhaben, da das Frisierwissen im Afrohaarbereich in Deutschland nicht formell erlernt werden konnte. Der Akteur entwickelte gemeinsam mit seiner Ehefrau herausfordernde Strategien zur Umsetzung seiner Geschäftsidee, was seine hohe persönliche Relevanzsetzung des Vorhabens verdeutlicht.

4.1.4    Die Gründungsphase : Ein grenzüberschreitendes Projekt Herr Ayele bemühte sich um die Bewilligung eines Kredits bei einer Bank. Er musste den zuständigen Bankier von der Sinnhaftigkeit und Effizienz des Gründungsvorhabens überzeugen. Dies stellte angesichts der Unbekanntheit von Afro Hair Salons und der Tätigkeiten von Afrohairstylisten/Afrohairstylistinnen zu dieser Zeit in Deutschland eine anspruchsvolle Aufgabe dar: »zum Glück war derjenige, der entscheiden sollte über diese Kredit und so weiter also der diese also- Existenzgründungsmaßnahme wurde beantragt und der zustimmende ähm Teil oder Direktor in dem in dieser Bank in ((Name einer Stadt)) - aufgeschlos­ sener Mensch. Also […] die haben am Anfang nicht verstanden um was es geht, weil was Perücke? was Haare? was das was das was ist das? Niemand hat davon Ahnung gehabt; Ahnung ja klar (.) im Kino oder Fernsehen oder Zeitschriften hat das gesehen

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland oder in Urlaub hat man welche auch beobachten können, aber man hat keine prak­ tische direkte […] äh Kontakt mit solchen Sachen also (.), denen zu überzeugen hat viel Energie und viele ehm Einfall also ich musste mir viel einfallen lassen dass ich das klar mache, was ist äh solche Geschäfte, wie die existieren können […] alles eine komplette (.) Projektbeschreibung gemacht Bilder und ähm alles was die so wissen, Vorstellungen (die) denen helfen kann«. (G. 40-55)

Die Sequenz verdeutlicht zum einen die von Herrn Ayele geleistete Überzeugungsarbeit im Umgang mit der kreditgebenden Bank. Zum anderen wird ersichtlich, dass die Bank seinen Handlungsspielraum in letzter Instanz stark hätte begrenzen können. Da seine Geschäftsidee zum damaligen Zeitpunkt ein Novum war, habe es ihn viel »Energie« und Einfallsreichtum gekostet, um die zuständigen Bankmitarbeiter/-innen und den Bankdirektor von der Tragfähigkeit des Konzepts zu überzeugen. In dieser Situation zeigt sich, dass Herr Ayele die Kreditbeantragung nicht als routinisiert, sondern als anstrengende Etappe in der Realisierung seiner Gründungsidee erlebt hat. Die Vorstellung einer innovativen Geschäftsidee gilt per se als schwierig. Herr Ayele wollte einen Betrieb eröffnen, der primär auf Dienstleistungen und Produkten fußt, die in Deutschland zum damaligen Zeitpunkt in der Regel nicht bekannt waren. In der Erläuterung seines Konzepts griff er auf kreative Wege der Vermittlung wie plastische Darstellungen seines intendierten Angebots zurück. Sichtbar wird seine Kompetenz, die Notwendigkeit und Tragfähigkeit eines migrantischen Unternehmens jenen zu vermitteln, die über keinerlei oder nur geringe Vorstellungen darüber verfügen, welche Dienstleistungen in einem Afro Hair Salon angeboten werden. Die Bewilligung des Kredits begründet er mit der Bereitschaft des entscheidungsbefugten Bankiers, sich auf die Darstellung des für ihn unbekannten Geschäftskonzepts eingelassen zu haben. Hierbei an einen »aufgeschlossenen« Menschen geraten zu sein, empfindet er als »Glück«. Ebenso wie sich Herr Ayele zu Beginn des Interviews als handlungsmächtige Person agentiviert, macht diese Stelle erneut seine Handlungsmächtigkeit deutlich. Darüber hinaus wird aber eine potenzielle Hürde im Gründungsprozess sichtbar, die er dank seines durchdachten und kreativen Vorgehens sowie der Aufgeschlossenheit des Bankiers meistern konnte. Die Bank steckte seinen Handlungsspielrum maßgeblich, in diesem Falle in günstiger Hinsicht, ab.4 Neben dem anstrengenden Weg bis zur Kreditzusage stellten sich für Herrn 4 | Vielfach wird in Studien zu migrantischen Unternehmen betont, dass migran­ tische Unternehmer/-innen von großen Banken nicht mit einem Kredit oder lediglich mit unzureichenden Mikrokrediten bedient würden und aufgrund dessen stark auf verwandtschaftliche Unterstützung angewiesen seien (vgl. Hillmann/Sommer 2011, S. 41). Herrn Ayele hat dagegen erfolgreich einen Kredit eingeworben, wenngleich

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Ayele weitere Herausforderungen, die im Zusammenspiel der institutionellen Rahmenbedingungen in Deutschland mit der fehlenden beruflichen Ausrichtung des Ehepaars im Afrohairstyling begründet liegen. Frau Ayele war ebenso wie ihr Ehemann vor der Gründung im Bereich der Informations- und Elektrotechnik tätig. Die fehlende Expertise im Afrohairbusiness und die fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten in Deutschland evozierten im Vorfeld der Gründung ein hohes Maß an finanziellen Investitionen: »dann mussten wir äh meine Frau nach Amerika schicken erst mal, dass sie lernt wie man das in einem richtigen amerikanischen Institut das Haar zu behandeln //I.: Mhmm// und danach ich musste auch mit Kosmetik das erste Mal Lehrgang machen (.) aber (.) ähm ich- in Deutschland ist es so, wenn man Friseur aufmachen will muss man eine Meisterprüfung machen; daher müssen wir Prüfung machen und […] dann konnten wir erst aufmachen, sonst- man kann nicht einfach irgendeinen Friseur in Deutschland aufmachen //I.: Mhmmm// weil das nach den gesetzlichen äh Regelun­ gen nicht geht«. (I. 37-46)

Durch die mehrfache Nennung des Verbes »müssen« betont Herr Ayele den hohen Druck durch die rechtlichen Regulierungen zur Eröffnung eines Friseursalons in Deutschland. Während er sich zu Beginn des Interviews in der Erläuterung seiner Migrationsphase als aktiv handelnde und handlungsmächtige Person agentiviert, wird nun deutlich, dass das Handeln in der Gründungsphase zwangsweise auf die Erfüllung notwendiger Regulierungen hin ausgerichtet werden musste, was die Handlungsmächtigkeit des Akteurs und seiner Ehefrau zunächst beschnitt. Zum einen musste das Ehepaar Ayele den in Deutschland geltenden institutionellen und rechtlichen Regelungen gerecht werden, zum anderen mussten sie sich die notwendigen Kenntnisse im Afrohairstyling aneignen, um die identifizierte Bedarfslücke in Deutschland zu schließen. Wegen fehlender Schulen in Deutschland reiste Frau Ayele in die USA. Dort können viele Städte als verdichtete Wissensräume im Afrohairstyling beschrieben werden, in welchen aufgrund der von Deutschland differenten Geschichte und des hohen Anteils der afroamerikanischen Bevölkerung bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts institutionelle Strukturen im Afrohairbereich entstanden sind (vgl. Kap. 3.1.3). Neben Salons wurden Schulen gegründet, in denen das Frisierhandwerk formell erlernt werden kann. Zum heutigen Zeitpunkt existiert ein breites Angebot an Schulen, die auf afroamerikanische und afrikanische Frisurenstile spezialisiert sind. In einem schulischen Lehrgang erlernte Frau Ayele die Anfertigung von Afrohaarstilen, während sich Herr Ayele auf die Meisterprüfung in Deutschland vorbereitete. Hier lässt sich dies einen hohen Einsatz von seiner Seite erforderte. Sein Fall zeigt die Profitabilität eines migrantischen Unternehmens, das nunmehr seit über fünfzehn Jahren existiert.

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eine Arbeitsteilung des Ehepaars erkennen: Während Herr Ayele für die Erfüllung der Handwerksregulierungen von deutscher Seite zuständig war, eignete sich Frau Ayele das fachliche Wissen zur Schließung der identifizierten Marktlücke in Übersee an. Herr Ayele begründet diese Teilung damit, in den für den Meisterkurs bedeutenden Fächern Chemie und Mathematik über Kenntnisse zu verfügen, die ihm die Absolvierung des Kurses erleichterten (»ich okay in Chemie und Mathematik und so weiter nicht schlecht war, war leicht für mich also die Prüfung auch durchzukommen« I. 41-42). Demgegenüber übernahm Frau Ayele die praxisbezogenen Herausforderungen im Afrohairstyling.5 Die Vorbereitung zur Saloneröffnung wurde durch die Aneignung der notwendigen Kenntnisse und deren Kombination zu einem beruflichen Expertenwissen6 sowohl in Deutschland als auch in den USA zu einem grenzüberschreitenden Projekt, das der Umsetzung des Salonkonzepts an einem lokalen Ort in Deutschland diente. Der Salon wurde durch Herrn Ayeles Meisterprüfung im Frisierhandwerk in Deutschland als Meisterbetrieb zertifiziert. Die Zertifizierung stellt den Betrieb nach den in Deutschland geltenden Regulierungen auf ein berufliches Fundament. Zusätzlich ist er im Afrohairstyling durch das Zertifikat eines »richtigen amerikanischen Instituts« ausgezeichnet, das im Friseursalon aushängt und die vorhandene Expertise im Afrohairstyling gegenüber der Kundschaft markiert. Durch die Bezeichnung »richtig« sucht Herr Ayele präventiv, Entwertungen des angeeigneten Wissens und Könnens entgegenzutreten. Er betont den Erwerb des Wissens in einer formellen Institution. Die Lokalisierung des Instituts in »Amerika« soll die Wertigkeit der Ausbildung noch steigern, da es in den USA eine Vielzahl solcher Schulen gibt, die von vielen Afrohairstylisten/Afrohairstylistinnen wie auch Kunden/ Kundinnen als besonders hochwertig eingestuft werden. Die in Kapitel 4.2 porträtierte Afro Hair Salongründerin Sophie Assogba betonte beispielsweise, dass Schulen zum Erlernen der Frisurenstile in den USA im Gegensatz zu Schulen in Europa und Afrika »at the top« (I. Assogba 50-51) anzusiedeln seien. Durch die Wertschätzung eines formellen, in den USA angeeigneten Wissens

5 | Diese Rollenverteilung wird auch im Salonalltag sichtbar: Während Frau Ayele direkt im Frisierbereich arbeitet, fungiert Herr Ayele als Kassierer und Verkäufer oder widmet sich verwalterischen Arbeiten in seinem an die Frisier- und Verkaufsräume angrenzenden Büro, entwickelt sein Marketing weiter und reflektiert über die Hinzu­ nahme neuer Produkte in den Verkauf. 6 | Für den Begriff des Wissens ist die Herstellung eines Ordnungszusammenhangs aus den vielseitigen erworbenen Kenntnissen konstitutiv (vgl. z.B. Herbart 1984, S. 27). Er beschreibt die vom Individuum hergestellte Ebene der Verknüpfung von ver­ schiedenen Kenntnissen zu einem Gesamtbild.

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vollzieht Herr Ayele eine Abgrenzung von einem informellen Wissenserwerb7 im Afrohairstyling, der in vielen afrikanischen Ländern in die Sozialisation von Mädchen eingeschrieben ist (vgl. Kap. 3.1.1). Häufig frisieren Frauen, die das Frisierwissen in ihrer Sozialisation erworben haben, nach ihrer Migration nach Deutschland von zu Hause aus und bieten Dienstleistungen zu einem günstigen Preis an (vgl. z.B. Beobachtungsprotokolle 63, 90). Herr Ayele zweifelt die Qualität dieser Arbeit an und grenzt sich von Frisierenden ab, die über kein formell erworbenes Wissen verfügen: »Wenn jemand im Markt gelernt hat wie man Zöpfe macht und kommt macht aber eine Zöpfe weiter, das heißt nicht äh, weil er in Deutschland ist, dass es ehm besser als die Zöpfemacherin irgendwo in einem afrikanischen Markt. Das ist nicht der Fall«. (G. 394-397)

Den entsprechenden Afrohairstylisten/Afrohairstylistinnen in Deutschland schreibt er zu, das Handwerk nicht vollständig erlernt, sondern unsystematisch auf afrikanischen Märkten erworben zu haben und keine hochwertigen Dienstleistungen anzubieten. Nicht im Blick hat er potenzielle Fälle von Frauen, die in ihren afrikanischen Herkunftsländern eine formalisierte Ausbildung im Frisierbereich abgelegt haben und dieser Tätigkeit nach ihrer Migration in Deutschland von zu Hause aus nachgehen. Die Ausblendung solcher Fälle deutet darauf hin, dass es Herrn Ayele um die Absicherung seines eigenen Geschäfts geht, für das von zu Hause aus Frisierende – unabhängig davon, ob sie ihre Kenntnisse informell oder formell erworben haben – eine Bedrohung darstellen. Er spricht einen Konflikt an, der viele Salonbetreiber/-innen betrifft: Während die Betreiber/-innen in Gewerberäumen höhere Kosten für Miete, Strom und Steuern auf bringen müssen, können Frisierende, die von zu Hause aus arbeiten, ihre Dienstleistungen wegen geringerer Fixkosten zu einem niedrigeren Preis anbieten. Durch eine Abwertung von solchen ›Wohnzimmersalons‹ strebt Herr Ayele den langfristigen Erhalt seines Betriebs an. Dieser könnte nicht mehr profitabel geführt werden, würden sich alle Kunden/ Kundinnen an den Preisen von Frisierenden orientieren, die die Dienstleistung in ihren Wohnungen anbieten.

7 | So äußerte eine Afrohairstylistin, die keine Schule zum Erwerb eines formalisier­ ten Wissens besucht hat, dass ihr das Frisieren als Kompetenz quasi angeboren sei: »we Africans we we are born with this particularly tot o know how to do hair. […] Do(ing) it coming from yourself. If you want you can perfect yourself inside or leave it like (.) but me I try to perfect myself inside. […] I can work inside« (G. Adou 71-72). Ihr Orientierungsrahmen unterscheidet sich damit vollständig von jenem Herrn Ayeles.

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4.1.5  Der Afro Hair Salon in ambivalenten Rahmenbedingungen :            Zwischen partieller Inkorporation und Marginalität Aron Ayeles Gründungsgeschichte illustriert die Ambivalenz von Handlungsopportunitäten und -einschränkungen in Deutschland: Einerseits ermöglichte das fehlende Dienstleistungsangebot im Afrohairstyling eine Gründung in einem Bereich, für den zum damaligen Zeitpunkt kein Angebot in Deutschland existierte, in dem der Bedarf aber gegeben war. Andererseits evozierten die rechtlichen Rahmenbedingungen und die fehlende Frisierexpertise des Ehepaars hohe Investitionen für Ausbildungen in den USA und in Deutschland. Trotz seiner Verberuflichung im Afrohairstyling erlebt sich Herr Ayele, wie die weitere Analyse zeigen wird, mit seinem unternehmerischen Engagement in Deutschland gesellschaftlich kaum wahrgenommen, anerkannt und unterstützt.

4.1.5.1   Zwischen partieller Inkorporation und Erleben                von Marginalität Herr Ayele erlebt die Notwendigkeit, die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland zu erfüllen, einerseits als Last (»muss man eine Meisterprüfung machen«). Dies zeigt sich an der häufigen Verwendung von Konjugationen des Verbes »müssen« (»mussten wir«; »danach musste ich«). Andererseits erkennt er hierin eine Möglichkeit, als Teil der Handwerkerschaft Deutschlands formell anerkannt zu werden. Dies sei Afro Hair Salonbetreibenden in anderen nationalstaatlichen Kontexten nicht immer möglich: »zum Beispiel Paris, Brüssel und wenn man London sieht, da ist genug Markt ja, […] weil da sind hunderte tausend von äh Salons, die da- aber die Struktur ist […] nicht so konkret wie in Deutschland. Weil hier, wir sind ein Teil der Gesellschaft; also ein Teil der äh Gesamthandwerker Deutschlands. //I.: Mhmm// Dort äh die wirken als Stylist aber als Afro und so weiter, es wird nicht so ernst genommen in viele Sachen; also die Freiheit ist mehr da, obwohl die Freiheit nichts bedeutet, weil das ist auch gleichzeitig den Wert vielleicht nicht gibt, für den Arbeit, was sie tun. […] Ist eine eine tmm Toleranz okay, wir lassen die machen, was die wollen, und so weiter. Diese policy […] Regierungsleitlinie, die sagt äh, lass äh die machen, nicht reden und so weiter, lasst die alleine und so weiter«. (I. 642-659)

Herr Ayele verdeutlicht, dass die strikten Regulierungen im deutschen Handwerk für ihn eine Option bieten, Teil eines größeren Ganzen, der »Gesamthandwerker Deutschlands« zu sein. Die Regulierungen führen zu einer Inkorporation derjenigen Betreiber/-innen in diese berufliche Gruppe, welche die gewünschten Anforderungen umsetzen. Herr Ayele passte seinen Betrieb in das Frisierhandwerk in Deutschland ein, womit er die Bedingung erfüllt,

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um überhaupt mit einem Meistersalon im Frisierhandwerk praktizieren zu können. Er betont die Vorteile der Erfüllung gesellschaftlicher Zwänge, die in der Konsequenz eine Form gesellschaftlicher Zugehörigkeit schaffen würden. Seine Situation in Deutschland kontrastiert er mit der Position von Afro Hair Salons in Paris, Brüssel und London. Zwar sei der Weg in die Selbstständigkeit dort leichter zu vollziehen als in der Bundesrepublik, gleichzeitig liege aber eine gesellschaftliche Gleichgültigkeit gegenüber diesen Betrieben vor. Mit der Wendung »die wirken als Stylist aber als Afro« verweist Herr Ayele auf deren Segregation von dem allgemeinen Frisierhandwerk und eine Marginalisierung der Tätigkeit. Mit dem Begriff des »Afro« ist hier nicht der spezifische Haarstil gemeint; er verweist vielmehr auf die marginale Position von Afro Hair Salons in der Gesamtgesellschaft, die deren Beiträge nicht anerkenne, sondern als lediglich für afrikanische Migranten/Migrantinnen relevant ansehe. Die Ergänzung, »es wird nicht so ernst genommen in viele Sachen«, spezifiziert Herrn Ayeles Sichtweise. Hierbei bezieht sich der Akteur auf die nichtmigrantische Mehrheitsgesellschaft, da jene Salons von der Kundschaft mit mehrheitlich afrikanischem oder afroamerikanischem Migrationshintergrund in der Tat gebraucht, wahrgenommen und aufgesucht, aber seiner Meinung nach innerhalb der Gesellschaft insgesamt nicht als bedeutsam erachtet würden. Die Sequenz legt Herrn Ayeles Wunsch nach einer Wertschätzung von Afrohairbetrieben und ihrer Expertise offen. Es geht ihm nicht ausschließlich darum, dass Salonbetreiber/-innen sich selbstständig machen können, also um Partizipationsmöglichkeiten am wirtschaftlichen Leben, sondern um eine gesamtgesellschaftliche Wertschätzung der Frisiertätigkeiten und des Expertenwissens.8 Eine »Toleranz« im Sinne von »wir lassen die machen, was die 8 | Als potenziell hinderliche Bedingung einer Wertschätzung des Afrohairbusiness in Deutschland muss neben den spezifischen Entwicklungen dieses Geschäftszweigs auch das geringe Ansehen des Friseurberufs in Deutschland angeführt werden (vgl. Bolte/Hepp 1967). Die Ausbildungsvergütung liegt im Vergleich zu anderen Berufen im unteren Drittel der Tarife (vgl. Paul-Kohlhoff 2004, S. 49). Der Beruf erfährt trotz der hohen Ansprüche, die Kunden/Kundinnen an Friseure/Friseurinnen haben, wenig Ansehen: »Viele Ausbildungsplatz­s uchende und Berufsberater sehen den Friseurberuf als Chance für alle diejenigen, die in andere Berufsausbildungen nicht vermittelbar sind. Friseurinnen und Friseure werden oft nicht ernstgenommen« (Schweig 2000, S. 325). Paul-Kohlhoff (2004, S. 52-55) führt die gesellschaftliche Geringschätzung auf die Arbeit am Körper und Vorläufer des Friseurberufs, die Bader/-innen und Barbiere/ Barbierinnen zurück. Die Bader/-innen standen in einem schlechten Ruf. In Bades­ tuben sei es sittenlos zugegangen, und dort tätigen Frauen wurde unterstellt, Prostitu­ ierte zu sein. Die Tätigkeit war zudem mit Krankheit assoziiert, da Bader/-innen bis in das 19. Jahrhundert auch medizinische Aufgaben übernahmen. Männer konnten sich von dem schlechten Berufsimage befreien; Frauen, die den Tätigkeitsbereich zunehm­

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland

wollen« sei nicht ausreichend. Diese »policy« führe dazu, dass Migranten/Migrantinnen »alleine«, am Rand der Gesellschaft praktizieren. Für Herrn Ayele ist im Gegensatz zu einer solchen Leitlinie bedeutsam, für geleistete Arbeit Wertschätzung in der Gesellschaft zu erfahren. Die Erfahrung von Anerkennung stellt ein grundlegendes Moment menschlichen Daseins dar. Nach Mead (1973) entwickelt sich Identität im Rahmen intersubjektiver Anerkennungsprozesse. Nur in symbolischen Interaktionen mit Anderen erfährt sich das Individuum zum einen als Subjekt und zum anderen als Teil eines größeren Ganzen. Der Entzug oder die Verwehrung von Anerkennung deformiert das Selbstverhältnis (vgl. Honneth 2003, S. 169). Aus einer gesellschaftstheoretischen Sicht verhindert fehlende Anerkennung von Wissen, Leistung oder anderen Ressourcen die autonome Teilhabe und Partizipation von Individuen an und in einer Gesellschaft (vgl. Fraser 2003), wodurch wiederum die zentrale Erfahrung von Selbst­w irksamkeit9 verunmöglicht wird. Herr Ayele strebt danach, Anerkennung und Selbstwirksamkeit zu erfahren und seinen Selbstwert aufrechtzuerhalten. Indem er seine eigene Situation in Deutschland mit derjenigen von Salonbetreibenden in Paris, London und Brüssel vergleicht, hebt er positiv hervor, als Meisterbetrieb in Deutschland in das allgemeine Frisierhandwerk eingegliedert zu sein. Der abwärtsgerichtete Vergleich dient als Bewälti­gungsressource seiner Situation in Deutschland, die nicht vollends zufriedenstellend ist. »von Stadt her wissen wir nicht, welche Initiative gibt, ob wir als mittelständig oder kleine Firmen förderungs- ähm förderungs- […] Mittel alles, also auch von der Idee und so weiter ähm ähm fähig sind, also dass die uns ansprechen können ob wir ge­ braucht werden oder nicht gebraucht werden; wir wissen noch nicht, also wir sind in einem Alleingang, ja?«. (I. 521-525)

»wir« betont eine kollektive Betroffenheit, die sich auf Afro Hair Salonbetreiber/innen im urbanen Raum insgesamt oder Herrn Ayele, seine Ehefrau und Mitarbeiter/-innen bezieht. Konkret führt Herr Ayele an, dass die Stadt bisher kein Interesse an einer Förderung der Betriebe gezeigt habe. Er stelle sich die Frage, ob prinzipiell Fördermittel existieren, von denen er profitieren könne. Der Begriff »Alleingang« verweist auf sein Erleben als nicht unterstützt. Das end dominierten, jedoch nicht (vgl. ebd., S. 59f.). Heutzutage finden sich immer mehr Friseure/Friseurinnen, die sich als Hairstylisten/Hairstylistinnen begreifen und für ein bejahendes Berufsimage eintreten. 9 | Unter Selbstwirksamkeit »wird […] eine Befindlichkeit verstanden, in der das Subjekt das stimmige Gefühl hat, mit seiner sozialen Umwelt so im Einklang zu sein, dass das eigene Leben darauf abgestimmt und so auch täglich Lebenssinn erzeugt werden kann« (Böhnisch 2010, S. 22).

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Lexem »gang« macht deutlich, dass es sich um eine Situation des Fortschritts und der Bewegung handelt, die aber ausschließlich von den Betreibenden alleine evoziert werde. Zugleich betont Herr Ayele, in seinem Betrieb etwas anzubieten, was gesellschaftlich »gebraucht« werden könnte. Aus dieser Äußerung lässt sich schließen, dass er sich mit seinem Betrieb in Deutschland als kaum wahrgenommen, nicht unterstützt und gefördert erlebt. Zwar stellt er in einem Vergleich mit der Situation von Afro Hair Salons in Brüssel, London und Paris fest, dass sich deren gesellschaftliche Position schlechter gestalte, dennoch zeigt sich, dass er in Deutschland trotz seiner Einbindung in das handwerkliche System eine fehlende Beachtung und Förderung von Afro Hair Salons bemängelt. Herr Ayele erlebt sich in diesem Sinne nicht als exkludiert und »aus dem Ganzen entbettet« (Bude/Lantermann 2006, S. 234), sondern als nur partiell einbezogen und benachteiligt; sprich: als marginalisiert – im Sinne eines ›an den Rand gedrängt‹ sein und werden.

4.1.5.2  Strategie der vertikalen Vernetzung mit              gesellschaftlichen Institutionen Die erlebte Marginalität führt nicht zu einer Erstarrung von Herrn Ayeles Handlungsmächtigkeit, sondern wird zu einer Antriebsfeder, die in konkreten Zukunftsplänen zum Ausdruck kommt. Diese Feststellung geht einher mit Theoretisierungen von hooks, die Marginalität als »Ort radikaler Möglichkeiten« und »Raum des Widerstands« (hooks 1996, S. 152) fasst. Marginalität als sozialer Ort biete eine »Perspektive, aus der heraus Alternativen und neue Welten sichtbar, schaff bar und vorstellbar werden« (ebd.). Bereits Park (1928) hatte konstatiert, dass der ›marginal man‹, der zwischen mehreren Kulturen und Gesellschaften wandere, zwar ›zerrissen‹ und ohne konkreten Bezugsrahmen sei. Bewältige er aber diese Krise, so schärfe dies seinen Intellekt, was zu neuen Einsichten führen und ihn zum Motor sozialen Wandels machen könne. Herrn Ayeles Fall verdeutlicht, wie er aus seiner Marginalität heraus zukünftige Perspektiven für sich als Unternehmer und das Afrohairbusiness im Ganzen entwirft. Er entwickelt die Idee einer Kooperation von Afro Hair Salons mit der Finanzwelt, den Industrie- und Handels- sowie den Handwerkskammern, was symbolisch für eine Überwindung der marginalisierten Position, d.h. einen imaginierten Agencyentwurf, steht:10 »ich [würde] gerne die Handwerkskammer, die Industrie- und Handelskammer, und andere Institutionen ansprechen, wie man sowas ähm richtig eh organisiert groß raus­ bringen kann; also Richtung Ausbildung von junge Leute einzubringen, wirtschaftlich 10 | Entsprechende Motivationen zeigten sich auch vor der Durchführung des Inter­ views, als Herr Ayele erläuterte, mit dem Gesundheitsamt kooperieren zu wollen (vgl. Kap. 4.1.1).

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland Produkte mehr in Deutschland zu produzieren und auch äh hier leichter zu machen und affordable. Also das bedeutet leicht zur Verfügung stellen kann«. (I. 527-531)

Der auf die Zukunft hin ausgerichtete Handlungsentwurf soll eine Veränderung gesellschaft­licher Institutionen zur Folge haben. Herr Ayele spricht zentrale Probleme an, die einer gesellschaftlichen Anerkennung des Afrohairbusiness aktuell zuwiderlaufen, wie beispielsweise die fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten in Deutschland. Als Ziel hält er eine Inkorporation des Dienstleistungszweiges in die Kammern, die für die Zukunft intendierte Produktion von Afro-Pflegeprodukten in der Bundesrepublik sowie Entwicklung eines Ausbildungsgangs in Afrohairstyling fest. Solange eine formelle Qualifizierung in Deutschland nicht möglich sei, bedürfe es einer Anwerbung von Fachkräften im Afrohairstyling aus dem Ausland, damit sich der Dienstleistungszweig langfristig erhalten könne. Herr Ayele zeigt auf, dass eine schnelle Personalbeschaffung im Ausland in der Elektrotechnik-Branche (ET) möglich gemacht wird. Entsprechende Möglichkeiten müssten auch für das Afrohairbusiness bereitgestellt werden: »ehm es gibt keine, es gibt jugendliche Kerle aber äh es ist nicht Deutschland was sucht zum Beispiel wenn ich eine ehm ET Mensch aus irgendeinem Schwell- Schwel­ lenländer hier holen […] es gibt Möglichkeiten das zu machen; wenn ich- es muss auch gehen bei Arbeitsamt, //I.: Mhmm// es ist auch ein Thema zu schreiben, ja, Arbeitsamt zu fragen (.) wie weit die ähm offen sind für ähm (2) bei Genehmigung von Arbeitserlaubnisse für solche ähm (.) Betriebe oder für diese Sektionen in der Gesellschaft ja? […] weil es gibt ja keine Institutionen hier […] also muss man die Leute holen«. (G. 502-509)

Als Voraussetzung zur Entstehung neuer institutioneller Strukturen hebt der Akteur eine offene Haltung vonseiten der Gesamtgesellschaft, vor allem der Politik und Wirtschaft, hervor: »die Brücke muss da sein, die Chance muss gegeben werden« (G. 533-534). Das Bild der Brücke untermauert die zum jetzigen Zeitpunkt erlebte Segregation und Verwehrung einer tatsächlichen gesellschaftlichen Mitgestaltung und Berücksichtigung von Afro Hair Salons und ihrer Betreibenden; gleichzeitig imaginiert Herr Ayele die prinzipielle Möglichkeit des Brückenbaus als Mittel, um diese randständige Positionierung zu überwinden. Ein Brückenbau, d.h. ein gegenseitiger Dialog und ein gegenseitiges Interesse von migrantischen und nicht-migrantischen Akteuren/Akteurinnen, impliziert die beidseitige Bereitschaft, sich gegenseitig wahrzunehmen und anzuerkennen. Mit dem Hinweis »die Chance muss gegeben werden« markiert Herrn Ayele Grenzen seiner Einflussnahme und seine Abhängigkeit von gesellschaftlichen Institutionen, denen er die Macht zuschreibt, Anerkennung auszusprechen. Butler (2003, S. 32-37) spricht un-

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ter Bezugnahme auf Foucault von Wahrheitsregimen, verstanden als die dominanten Normen, die darüber entscheiden, was überhaupt anerkannt werden kann. Sie betont, Normen und ihre Transformationen infrage stellen zu müssen. Eine Notwendigkeit ergebe sich dann, wenn geltende Normen, »die die Anerkennbarkeit regeln, durch die Nichtanerkennbarkeit des Anderen in die Krise« (ebd., S. 35) gerieten. Normensysteme fungierten als Machtinstanzen, die den Rahmen für Anerkennungsprozesse regulieren und den Anderen erst erzeugen (vgl. Butler 2009, S. 85). Es wird deutlich, dass das Streben nach Anerkennung in letzter Instanz – unabhängig von individuellen Investitionen und Anstrengungen – von einer dominanten und mit Macht ausgestatteten Mehrheit abhängt, die darüber entscheidet, wer oder was anerkannt wird. Als normativen Sockel identifiziert Herr Ayele das Prinzip der Nützlichkeit. Er erklärt, dass es einen gesellschaftlichen Nutzen der Afro Hair Salons geben müsse (»die Gesellschaft muss auch etwas davon haben« G. 534) und einen »exchange of knowledge« (I. 551) mit der restlichen Gesellschaft, sodass »beide Seiten gewinnen« (I. 553) und die Salons gesellschaftlich legitimiert seien. Logisch konsistent richtet er sein Handeln darauf aus, die Expertise und Bedeutsamkeit von Afro Hair Salons als relevant und nützlich innerhalb des Arbeitsmarktes aufzuzeigen. Im Gegenzug sei es, so seine Forderung, Aufgabe der Gesellschaft, Kompetenzen und Wissen von Migranten/Migrantinnen nicht abzuschreiben, sondern es stattdessen anzuerkennen und sie gesellschaftlich partizipieren zu lassen. Herrn Ayele geht es in Bezug auf diesen Aspekt nicht mehr nur um Afro Hair Salonbetreibende, sondern um Migranten/Migrantinnen im Allgemeinen. Er verweist darauf, dass deren Wissen, Ressourcen und Kompetenzen in Deutschland nur in unzureichendem Maße zur Kenntnis genommen würden. Entgegen einem in öffentlichen Diskursen häufig konstruierten Negativbild von Migranten/Migrantinnen (vgl. Kap. 3.3) betont er deren geistige und körperliche Leistungsfähigkeit: »man kann ausfallen wenn man keine richtige Ausbildung oder hier nicht groß gewor­ den oder keine Voraus- Voraussetzungen dafür hat […] muss man aufpassen äh, dass sie nicht ausgesondert bleiben obwohl die geistig und körperlich was leisten können«. (G. 75-83)

In seinem Fokus stehen erste Migrantengenerationen/Migrantinnengenerationen, die wie er in einem anderen Land als dem Migrationsland aufwuchsen. Er führt als Idee für eine Inkorporation von Migranten/Migrantinnen in Deutschland an, einen Raum zu schaffen, in dem sie mitgebrachte Talente und Erfahrungen wirtschaftlich nutzen können: »ich würde an diese Thema (.) mehr Selbstständigkeit von (2) mit ähm (2) traditional ((atmet aus)) Talenten […] die Integration von diese traditional also (.) traditionelle

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland äh äh know-hows oder kulturelle know-hows in eine moderne Gesellschaft […] da kann man Vieles anfangen denke ich mir«. (G. 478-481)

Er entwickelt die Idee einer genossenschaftlichen »Kooperative«, durch die Talente und das Wissen der Akteure/Akteurinnen in der Gesellschaft in Deutschland ihren Platz finden sollen: »ich hab einen Vorschlag für die Damen und die Älteren, ältere Damen sag ich mal oder- wenn auch eine Frau nicht die Sprache spricht von der Umgebung von wo die ist, aber ihre Leistung so im Sinne des Haushaltes ähm bringen kann, man muss […] de­ nen eine Selbstständigkeit ermöglichen, eine Art Kooperative. Und diese Kooperative sollte diese Frauen unabhängig machen. Und somit brauchen die dann keine weitere Ausbildung; die (kommen) den Bedarf nach wie in eine Haushalt- in die moderne Ge­ sellschaft sowieso in ((Name der Stadt)), wo viele Singles sind […] oder alles Hektik ist, äh wo die keine Zeit haben, denn diese Zeit verkaufen, das die @älteren Damen @ haben. Das bedeutet in Form einer Dienstleistung […] somit äh erreichen wir dann eine Kommunikation indirekte zwischen diese Singles und diese Damen, aber die sind unabhängig, die sind auch unabhängig, aber die tauschen dann eine eine eine eine Wert. Ja? Der eine bezahlt, der andere gibt eine Dienstleistung und somit können alle überleben und ähm ihre Selbstständigkeit ist gesichert, Selbstwert und allem«. (G. 90-103)

Herr Ayele entwirft ein Genossenschaftssystem, in dem Migrantinnen mit Kenntnissen der Hauswirtschaft ihre Erfahrungen und Kompetenzen einbringen und einer anderen gesellschaftlichen Gruppe zur Verfügung stellen. Er denkt an Singles, die von der Arbeit sehr beansprucht sind. Durch seinen Vorschlag werde neben der Absicherung des Lebensunterhalts gleichzeitig eine Quelle von Wertschätzung für die in der Kooperative tätigen Frauen geschaffen (»Wert«; »Selbstwert«). Sie könnten einen gesellschaftlichen Gewinn erbringen, indem sie berufstätige Singles im Bereich der Hausarbeit entlasteten. Dadurch entstehe eine »Kommunikation« zwischen gesellschaftlichen Gruppen.11 Zur Finanzierung dieser Idee denkt Herr Ayele an die Vergabe von Mikrokrediten, sodass Frauen selbstbestimmt Projekte realisieren können:

11 | In Herrn Ayeles Idee einer beruflichen Kommunikation zwischen Arbeitgebern/ Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen, also zwischen den Singles und den für sie tätigen Frauen, dient ein hierarchisch strukturiertes Arbeitsverhältnis als Basis zur Erfahrung von Anerkennung. Trotz einer solchen Hierarchie geht Herr Ayele davon aus, dass AkteurInnen durch die Partizipation am Markt und Kommunika­ tion mit anderen Gruppen Anerkennung erfahren können.

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland »ich möchte dass die Frauen eine kleine Mikrodarlehen bekommen, und daraus eh dass die ihre Selbstständigkeit äh erzwingen (sa-) heißt, die Idee ist da, die können das machen, man muss denen nur helfen, zu organisieren und äh eine Start-up zu machen«. (G. 108-111)

Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die starke Präsenz von Migranten/ Migrantinnen in marginalisierten Berufsfeldern wie dem der Reinigung, für die sie keine gesellschaftliche Anerkennung erfahren. Es geht ihm darum, Frauen mit ihren mitgebrachten Ressourcen und Kompetenzen sichtbar zu machen und diese voll und ganz in die Gesellschaft zu inkorporieren: »ich merke immer viele Frauen die hier kamen, die spät kamen, achtziger Jahre oder neunziger Jahre (.) und ähm ph (.) für mich die sind nicht richtig integriert okay (.); (diese) immer Reinigungsfirmen, die die holen und ähm da arbeiten; aber was ich meine, müssen wir die Frauen eigentlich unabhängig machen; weil mit dieser Reini­ gungskraft ehm (2) stellung, das ist sehr passiv […] die machen es nicht, weil die andere, was sie gelernt haben nicht gefunden haben, sondern die machen es weil die keine Alternative haben«. (G. 131-137)

Entgegen Herrn Ayeles Bestrebungen, Agent zu sein, vermerkt er die aktuelle Alternativlosigkeit von im Reinigungsgewerbe angestellten Frauen auf dem Arbeitsmarkt, wodurch sie in eine passive Rolle gedrängt würden. Eine auf den Kompetenzen der Frauen basierende Selbstständigkeit imaginiert er als Mittel, um diese Position zu überwinden: »[in] Deutschland kann man das auch ermöglichen, dass von den die die Migrantin­ nen, nicht nur Afrikaner, sondern allgemeine, dass man die voll in die Gesellschaft wieder integriert […] somit dass die wertvoll finden und dann die Gesellschaft auch ehm den Wert denen gibt […]. Das heißt ehm (.) wir verlangen eine Integration […] Das heißt die Gesellschaft wird mehr (.) balanciert […] offener mehr, friedlich«. (G. 167-174)

Er macht deutlich, dass Integrationsbestrebungen, wie sie im politischen Diskurs von Migranten/Migrantinnen verlangt werden, keine einseitige Angelegenheit von Migranten/Migrantinnen, sondern dass hierfür gesellschaftliche Strukturen von Nöten seien, die eine tatsächliche »Integration« der Akteure/ Akteurinnen förderten. Um die Situation jener Frauen zu ändern, erläutert er, mit einer Mitarbeiterin einer im Untersuchungsraum ansässigen Migrantenorganisation/Migrantinnenorganisation in Kontakt zu stehen, der er seine Idee der Kooperative bereits vorgestellt habe. Der Ausgang seines Engagements kann an dieser Stelle nicht benannt werden, da sich das Vorhaben zur Zeit der Erhebung im Prozess befand. Ersichtlich wird aber erneut Herrn Ayeles

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intensives Bemühen um strukturelle Änderungen in Deutschland, die dazu führen sollen, dass Migranten/Migrantinnen ihre Kenntnisse, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten in die Gesellschaft einbringen können und im Gegenzug Anerkennung für ihre Leistung erfahren. Stellvertretend für Migranten/Migrantinnen in marginalisierenden Lebensumständen nimmt er die Rolle eines Sprachrohrs ein und versucht, aktiv an der Schaffung neuer, förderlicher Gesellschaftsstrukturen mitzuwirken.

4.1.5.3  Die Strategie der horizontalen Vernetzung mit anderen              Afro Hair Salonbetreibenden Neben einer vertikalen Vernetzung mit Handwerkskammer, Industrie und Stadt stellt Herr Ayele eine horizontale Vernetzung auf Ebene von Afro Hair Salonbetreibenden als essenzielle, zur Verbesserung der gesellschaftlichen Stellung beitragende Notwendigkeit heraus: »Wichtig ist […] Kooperation erzeugen, das würde diese gemeinsame Interessen, ge­ meinsame Gruppe, und wenn man selbst gut darstellt, könnte man besser auch äh ph wahrgenommen werden«. (G. 385-388)

Die öffentliche Artikulation gemeinsamer Interessen sei bedeutsam, um von Dritten als »gemeinsame Gruppe« betrachtet zu werden. Eine gemeinsame Außendarstellung solle sich vor allem an Institutionen in Deutschland richten, wie beispielsweise die »Stadtherren« (G. 390), die sich »bis jetzt nicht aktiv darum gekümmert haben uns irgendetwas zusammen zu bringen oder darüber etwas zu schreiben oder zu sagen« (G. 390-391). Das erlebte Desinteresse der Stadt führt Herr Ayele wiederum auf die fehlende überzeugende Außendarstellung der Salons zurück: »Weil die- die Form äh dieser dieser Friseure oder dieser Salons sind auch nicht s:::o ph überzeugend waren, also nicht so überzeugen im Sinne des organisiertes Darstellen oder Know-How vermitteln oder besser sich äh darstellen und so weiter«. (G. 391-394)

Er bewertet die Außendarstellung vieler Salons als wenig organisiert, weshalb sie seiner Einschätzung nach nicht als Expertenbetriebe/Expertinnenbetriebe wertgeschätzt würden. Durch die Äußerung »dieser Friseure« drückt er eine Distanz zu anderen Afro Hair Salons aus. Trotzdem betrachtet er eine Vernetzung von Salonbetreibenden als Bedingung für eine erfolgreich verlaufende Zusammenarbeit mit Behörden und der Industrie. Als Leitorientierung sei wichtig, auf das vorhandene »Know-How« aufmerksam zu machen. Es bedürfe zur Ausübung des Handwerks mehr als informeller Kenntnisse, die auf einem »afrikanischen Markt« erworben wurden. Ein formalisiertes Wissen sieht Herr Ayele als Basis, von welcher ausgehend sich die Gruppe der Afrohairstylisten/

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Afrohairstylistinnen als beruflicher Zusammenschluss vernetzen könne: »die Auf bau dieser Organisation muss richtig mit verschiedenen Pillaren aufgebaut sein, dass die ehm ph sich präsentieren kann« (G. 398-399). Mit »Pillare« betont er die Notwendigkeit eines Fundaments, das eine Entwicklung in Gang setzen solle und könne. Hinderlich für den Auf bau einer Kooperationsstruktur sei eine seiner Meinung nach starke Fokussierung von Salonbetreibenden auf Geldverdienen: »jeder denkt nur an Geld verdienen und an sonst nichts« (G. 400). Stattdessen seien eine Orientierung hin zur Gesellschaft in Deutschland und Interessenartikulation erforderlich.

4.1.6  Die Eigentheoretisierung des Geschäftskonzepts           als Bewältigungsstrategie In diesem Kapitel steht Herrn Ayeles Geschäftskonzept im Fokus, das er mithilfe eigen­theoretisierender Erläuterungen einführt. Diese drücken erneut sein marginales Erleben aus und fungieren zugleich als Bewältigungsstrategie seiner Situation.

4.1.6.1  Kunden/Kundinnen die Anknüpfung an den              Herkunftskontext ermöglichen Herr Ayeles Betrieb hat u. a. die Funktion, Bedarfe seiner migrantischen Kundschaft zu erfüllen, die in anderen Salons und Geschäften in Deutschland nicht befriedigt werden. In der Erläuterung dieser Aufgabe seines Betriebes führt er die Begrifflichkeiten »Mikrowelt« und »Mikroweltformen« ein. Er beschreibt seinen Betrieb als »Mikrowelt« und erklärt, was damit gemeint ist: »diese ä::h sogenannten Mikroweltformen- Ausländer, die aus äh Afrika oder aus Amerika kommen« (I. 34-35). Der Begriff »Mikroweltformen« zeichnet sich durch die Elemente »Mikro«, »welt« und »formen« aus, wobei »Mikro« auf etwas Kleines im Gegensatz zu etwas Größerem und »Welt« auf etwas Höheres hinweist. »Formen« verdeutlicht die Entfaltung verschiedener Figurationen. Herr Ayele expliziert den Begriff in der Narration über afrikanische Migranten/Migrantinnen sowie Migranten/Migrantinnen aus »Amerika«, die von einem Land in ein anderes migrieren (»Ausländer«). Er konkretisiert den Terminus der »Mikrowelt« als Bezeichnung für Migrantenräume/Migrantinnenräume, die durch den Zuzug von Migranten/Migrantinnen in die Zielländer entstünden. Migranten/Migrantinnen würden ihre sozialisatorisch bedingten Bedürfnisse im Ankunftsland zu befriedigen suchen und »ihre eigene Mikrowelt entwickeln« (I. 65): »diese Mikrowelt ist erst später entstanden oder was ich dann gesehen habe, weil äh die Mikrowelten sind äh nicht äh (.) Teil der Gesellschaft, die in sich ähm- innerhalb der große, so entstehen, aber gleichzeitig äh ein Teil des gesamten großen Bilds

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland sind. Das bedeutet ähm äh, wenn man sieht in einem Hochhaus, es gibt Menschen, es gibt alle Arten von Menschen; aber jede in seine kleine vier Wände hat eine klei­ ne Mikrowelt, weil der gestaltet sein Leben in diesem Raum in dem er lebt und das wäre dann zu vergleichen jetzt, dass diese kleine Migranten- Migrantengruppen ihre eigene Mikrowelt entwickeln oder erhalten wollen, weil der Grund dafür ist äh, wie ich festgestellt habe äh nicht als kleine Kinder hier her gekommen sind, sondern schon als Erwachsene kamen, also die Erziehung war schon da //I: Mhmm// im Sinne des Kultur, Lebenstyle, Art und ä:::hm Gepflogenheit«. (I. 59-68)

Herrn Ayeles Ausführungen beziehen sich auf erste Migrantengenerationen/ Migrantinnengenerationen, die bereits als Erwachsene migriert sind. Als besonders hebt er die Sozialisation in den Herkunftsländern mit dem anschließenden Zusammentreffen mit einem differenten nationalstaatlichen Kontext hervor, in dem diese Art der Sozialisation nicht wurzele, sondern die sich durch als anders erlebte Kulturen und Lebensstile auszeichne. Im Sinne von Herrn Ayeles Eigentheorie komme es im Zusammentreffen von in den Herkunftsländern verbreiteten Orientierungsrahmen mit jenen in Deutschland zu einer Differenzerfahrung. Diese drückt er im Bild des Hochhauses aus, das sich durch ein unverbundenes Nebeneinander von Wohnungen und darin lebenden Menschen auszeichnet. Metaphorisch steht das Hochhaus für einen Nationalstaat, in dem verschiedene Gruppen, zum Beispiel Alteingesessene und Migranten/ Migrantinnen, ohne Interaktion nebeneinander leben. Herr Ayele erklärt ein Nebeneinander damit, dass Menschen ihre »eigene Mikrowelt entwickeln oder erhalten wollen«. Migranten/Migrantinnen knüpften zum Erhalt ihrer »Kultur, Lebenstyle, Art und ä:::hm Gepflogenheit« an ihre Herkunftskontexte an, was in seinem eigentheoretischen Entwurf eine Bewältigungsstrategie der Migration darstellt. Ein wie von Herr Ayele beschriebener Zustand eines Nebeneinanders wird in politischen und öffentlichen Debatten unter dem Schlagwort der ›Parallelgesellschaft‹ als ›schädlich‹ deklariert: »Mit ›Parallelgesellschaften‹ wird in der öffentlichen Debatte die Vorstellung von ethnisch homogenen Bevölkerungsgruppen verbunden, die sich räumlich, sozial und kulturell von der Mehrheitsgesellschaft abschotten« (Belwe 2006, S. 2). Von Migranten/Migrantinnen wird eine Assimilation in vermeintlich homogene Strukturen und Lebensweisen der nicht-migrantischen Mehrheitsgesellschaft gefordert. Zugleich sollen sie Orientierungsrahmen aus dem Herkunftskontext ablegen oder eindämmen (vgl. Amelina 2010, S. 258). Die Sequenz greift diesen Diskurs latent auf und entwirft als Kontrast das Bild einer notwendigen Anknüpfung an den Herkunftskontext, um eine stabile Identität aufrechtzuerhalten. Herrn Ayeles eigentheoretische Logik entlarvt Forderungen nach einer einseitigen Assimilation unter Aufgabe der in der eigenen Sozia­li­sation erworbenen Denk- und Handlungsorientierungen als Belastung und weist auf die bedeutsame psychosoziale Komponente der Anknüpfung an die Herkunftsländer hin:

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland »und ähm das alles ä:h (.) ist Teil des Psycho ä::hm Gestaltung dieser Mensch; und daher wenn ihm was fehlt, er will das äh fühlen, nicht? was er kennt und so weiter, er importiert die Sachen oder er kauft bestimmte- oder gestaltet eine Sache, das ihm gefehlt, also damit sein Leben auch komplett für ihn ist, und so entstehen dann diese Mikrowelten die sowas- diese Bedürfnisse eh ergänzen, ja also das ist eine Ergän­ zung«. (I. 69-73)

Indem Herr Ayele konkret von Menschen und nicht von Migranten/Migrantinnen spricht, verdeutlicht er die Verbundenheit mit dem eigenen Herkunftskontext als universelles menschliches Bedürfnis, das alle Menschen grundlegend teilten, welches aber erst im Migrationskontext relevant werde. Eine Verbundenheit mit der eigenen Herkunft werde durch den Import von »Sachen« möglich, sodass das Leben der Akteure/Akteurinnen »auch komplett« sei. »Sachen« sind in Herrn Ayeles Verständnis alltägliche Routinen wie Essen, Aktivitäten und Konsum. Das Verspeisen einer herkunftstypischen Mahlzeit sei mehr als eine biologische Bedürfnis­befriedigung, nämlich ein »Erleben« der Herkunftskultur: »Leben bedeutet auch gleichzeitig erleben, erleben, also was ich ähm nach dem Auf­ stehen alles tue @ essen, trinken, äh tanzen vielleicht, und alles meine Konsum und so weiter«. (I. 89-91)

Der Verlust der physischen Nähe zum Herkunftskontext solle am aktuellen Standort durch Anknüpfungspunkte an das Zurückgelassene kompensiert werden. Diese Anbindung vollziehe sich neben der körperlichen und sinnlichen ebenso auf einer kognitiven Ebene, wenn im Herkunftsland erlernte Kenntnisse im Alltag des Migrationslandes (re-)aktiviert würden: »die Kultur ist da aber Kultur ist nicht im Sinne des kulturelle Teil in der Gesellschaft wo er-, wo ich lebe entwickelt, sondern es ist ähm eine Anbindung von meine frühere Kenntnisse ähm ähm zu erfüllen und zu meiner Befriedigung also in meinem alltägli­ ches Leben nutze«. (I. 91-94)

Diese Kenntnisse dienten in der Migration als Bewältigungsressource, um die eigene Existenz aufrechtzuerhalten. Hier wird eine Verbindung von Herrn Ayeles eigentheoretischen Ausführungen zu seinen Handlungszielen sichtbar, wie beispielsweise eine Genossenschaft zu etablieren, in der Frauen ihre Kenntnisse aus den Herkunftsländern in Wert setzen. Deutlich wird der implizite Verweis auf die Bedeutsamkeit von Kontinuität, deren Relevanz für den Akteur bereits in der Eingangssequenz des Interviews rekonstruiert werden konnte. Seine sozialisationsbezogene Eigentheorie kreist um dieses menschli-

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland

che Bedürfnis, sich in Zeiten des Umbruchs einen stabilen Orientierungsrahmen zu erhalten.

4.1.6.2  Gesellschaftliche Weiterentwicklungen anstoßen Zu einem Zeitpunkt, zu dem Herr Ayele vonseiten der Gesamtgesellschaft keine Wert­schätzung und Unterstützung als Unternehmer erfährt, dienen seine Eigentheorien dazu, seinem unternehmerischen Handeln Sinn zu verleihen. Über den ökonomischen Aspekt der Bedarfslückenfüllung hinaus wird der Tätigkeit eine bedeutsame Funktion für die Kundschaft zugeschrieben. Herr Ayele betont, durch den Verkauf von Produkten zur »Komplettheit« ihrer Existenz beizutragen. Er beruft sich auf Momente der Anknüpfung an sozialisatorisch in den Herkunftsländern entwickelte Bedürfnisse. Diese Idee denkt er in einer dynamischen Art und Weise weiter: »gleichzeitig auch etwas zu geben von seiner eigenen Kultur- wenn man- wenn ich äh meine Freunde und Nachbarn nicht zeigen kann wie ich in meiner Heimat oder in meinem Land oder wo ich geboren bin koche, äh der wird nicht äh probieren können was äh vielleicht äh ihr, er oder sie gut finden kann und somit in dem Moment ist äh eine kulturelle Infektion gegeben in diese große Gesellschaft reingegeben äh die aus diesem Mikro zu diesem Großen reingeht«. (I. 101-106)

Herr Ayele verfolgt mit seinem Betrieb das Ziel einer »kulturelle[n] Infektion […] in diese große Gesellschaft«. Diesen Aspekt erwähnte er bereits bei unserem ersten gegenseitigen Kennenlernen. Damit schreibt er seinem Betrieb zusätzlich eine Bedeutung in Richtung der Gesamtgesellschaft zu, indem er auf die universell bedeutungsvollen Ressourcen seines Salons verweist. Das Bild des Kochens einer Spezialität aus dem Herkunftsland für seine aus einem anderen Land stammenden Nachbarn zeigt auf, wie eine in seiner Eigentheorie genannte »kulturelle Infektion« aussehen könne: Es geht ihm darum, die Herkunftskultur zu vermitteln und anderen zugänglich zu machen. Dies setze bei der Person des kulturellen Vermittlers die Kenntnis der eigenen Kultur und die Möglichkeit zu deren Weitergabe an entsprechende Personen voraus. Neben der genauen Kenntnis und dem Willen zur Weitergabe seitens der migrierten Person verweist der Begriff des Probierens auf die notwendige Bereitschaft von Dritten, sich auf etwas Anderes – beispielsweise auf ein neues Gericht – einzulassen. Als Ausgangspunkt einer »Infektion« begreift Herr Ayele also Unterschiede entlang verschiedener Kulturen, die er im Vorfeld mit der Metapher des Hochhauses darlegte. Die anfängliche Statik erhält durch eine »Infektion« eine Dynamik. Das Nebeneinander von Kulturen soll aufgelöst werden. Zur Verdeutlichung seines Gedankens zieht Herr Ayele eine weitere Metapher hinzu, die er bereits bei unserem ersten Kennenlernen erwähnte:

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland »das ist äh- eine Ein- eine Einheit zu bilden, (.) manchmal ähm braucht man äh (4) es gibt ähm (3) unter ähm (2) also chemische Vorgänge, die man auch in einem kultu­ rellen ähm Bindung so parallel finden kann also erklären also erzeugen. Water in oil, oil in water; das ist normal wie eine Creme entstehen kann, ja, entweder habe ich viel Öl und weniger Wasser oder habe ich viel Wasser und weniger Öl, ja?« (I. 113-117)

Herr Ayele benennt als Ziel von »kulturellen Infektionen« das Bilden einer »Einheit«, symbolisiert im Begriff der »Creme«. Um den Gedanken von Einheit zu erklären, greift er auf einen chemisch-physikalischen Prozess zurück: »wenn ich (2) Öl bin in einem Wasser reinkomme […] ich also in eine große Gesell­ schaft reinkomme- dann bin ich ja nicht nur einfach da ist, sondern ich erzeuge auch was Drittes«. (I. 120-122)

Die Entstehung von etwas »Drittem« ist in Herrn Ayeles Eigentheoretisierungen durch einen kulturellen Austausch evoziert. Er beschreibt den Austauschprozess als gesellschaftliche Weiterentwicklung, die neue Generationen hervorbringe: Akteure/Akteurinnen, die in einem gesellschaftlichen Kontext aufwachsen, in dem sich Elemente verschiedener Kulturen verbinden, die auch jenseits der Territorialität ihres ursprünglichen Entstehungskontexts verfügbar sind und an den Orten des Aufwachsens wieder territorialisiert werden. »durch diese Mischung entstehen ja solche solche solche ähm äh solche ähm ja, solche Kulturen dann in einer Gesellschaft auch, weil es ist ein Geben und Nehmen, das Öl hat von der Wasser genommen und das Wasser hat von dem Öl was genommen und somit haben wir beides gemischt und das Dritte als Emulsion rauskomme […] und das Dritte ist eine neue, eine neue Gesellschaft, neue neue neue sogar Generation«. (I. 127-133)

Herr Ayele deutet die Vermischung verschiedener kultureller Elemente als Prozess einer Höher- und Weiterentwicklung und multiple Befruchtung von Gesellschaft: »das bedeutet etwas daraus zu machen //I.: Mhmm// also etwas eine Stufe höher oder etwas anderes äh gebrauchen kann von den beiden gemischte besseren ähm eigenes zu bekommen; […] nützlich und wirtschaftlich oder gesellschaftlich gesehen höher wirkt als die beiden getrennt, ja«. (I. 138-142)

Herr Ayele entwirft in der Sequenz ein Gegenmodell zu in migrationskritischen Politiken diskutierten Gefahren, die von kulturell fremd deklarierten Kulturen vermeintlich ausgingen. Die Eigentheorien verleihen seinem Afro Hair Salon einen Sinn und schreiben ihm eine bedeutsame Rolle im gesamt-

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gesellschaftlichen Gefüge zu.12 Die Metaphern des Hochhauses und des Öls in Wasser stehen zum einen für eine erlebte Marginalisierung, zum anderen sind sie Ausdruck seines Integrationsverständnisses, das durch gegenseitige Austausch- und Lernprozesse gekennzeichnet ist. Herr Ayele tritt in diesen Erzähleinheiten mit ihren Eigentheoretisierungen als »Biographieträger« (Schütze 1984, S. 85) und Erzähler biografischer Erfahrungen zurück. Seine Ausführungen können als Ausdruck seines Erlebens als marginal und als kognitive Bewältigungsressource von Marginalität gedeutet werden. Bezogen auf die Interviewsituation könnten sie zudem auf ein Hemmnis hinweisen, sich über traumatische und belastende Erfahrungen zu äußern. Möglicherweise sind sie zugleich eine Reaktion auf ein Interview mit einer Forscherin, der gegenüber Herr Ayele seine wissenschaftliche Kompetenz zum Ausdruck bringen möchte. Herr Ayele hat in Eritrea Soziologie studiert (vgl. Sozialdatenbogen Ayele).

4.1.6.3  Materialisierung des Geschäftskonzepts im Salon Aron Ayeles eigentheoretisches Geschäftskonzept materialisiert sich am konkreten Geschäftsort. Es spiegelt sich zum einen in der Interaktion mit Kunden/ Kundinnen wider, die mittels bereitgestellter Produkte und Dienstleistungen ihre Bedürfnisse befriedigen können. Zum anderen macht die Beschilderung des Salons Herrn Ayeles Streben nach gesellschaftlicher Anerkennung in Deutschland deutlich. Die von ihm als »Sachen« bezeichneten Produkte können für Salongäste eine materialisierte Verbindung zu ihrem Herkunftsland darstellen: Haben sie ein bestimmtes Produkt im Herkunftskontext stets konsumiert oder verwendet, materialisiert das Produkt in Herrn Ayeles Verständnis Assoziationen und Erinnerungen an das Herkunftsland. Symbolisch werden Konsumenten/ Konsumentinnen und ihr Herkunftskontext miteinander verbunden. Die Bedeutung von Produkten aus dem Herkunftskontext für Migranten/ Migrantinnen im Ankunftsland analysieren auch Mankekar (2002) und Bonus (2000), die sich mit indischen und philippinischen Geschäften in den USA beschäftigen. Mankekar richtet seinen Blick auf die Bedeutung der Waren indischer Lebensmittelgeschäfte in San Francisco für ihre Käufer/-innen. Er stellt heraus, dass indische Lebensmittelgeschäfte für ihre Betreiber/-innen und Besucher/-innen als nostalgische Erinnerungsräume an die Heimat fungieren (Mankekar 2002, S. 85). Das Kochen, der Duft sowie der alleinige Anblick von Produkten rufe Erinnerungen an Situationen in der Kindheit der Kunden/ Kundinnen hervor (vgl. ebd., S. 65). Zu ähnlichen Erkenntnissen kommt Bonus in seiner Studie zu philippinischen Geschäften in den USA:

12 | Ob diese Eigentheorie analog mit der Identifizierung eines Bedarfs in Deutsch­ land oder aber erst im Nachhinein entwickelt wurde, bleibt unklar.

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland »goods seem to trigger images and memories of a time and place associated with the original homeland. It is as if products mimic the objective existence of immigra­ tion while charting a different geography: the Philippines is simultaneously ›here‹ and ›there‹« (Bonus 2000, S. 64).

Entsprechend betont auch Herr Ayele, dass der Konsum von Produkten die Verbindung zum Herkunftsland lebendig werden lasse. Dies zeigt sich bereits am Beispiel einer Salonmitarbeiterin, die jeden Sonntag eine eritreische Teezeremonie mit ihren Freunden/Freundinnen veranstaltet und dabei Tee und Teeutensilien aus Herrn Ayeles Salon verwendet (vgl. Beobachtungsprotokoll 23). Durch die angebotenen Produkte ist es ihr möglich, Routinen des Herkunftslandes vor Ort in Deutschland durchzuführen. Für andere Salonbesucher/-innen sind Teeutensilien und Tee möglicherweise bloß Produkte ohne besondere Wichtigkeit. Erst durch ihre Besetzung mit einem spezifischen Wert erzeugen sie eine sinnstiftende Bedeutung für den Konsumenten/die Konsumentin. Zudem könnten jene Produkte, so Herr Ayele, als kommunikationsstiftende Akteure eine Interaktion zwischen Salonpersonal und Kundschaft auslösen, die über ein übliches Verkaufsgespräch hinausreiche: »Die Leute kommen […] nicht nur dass sie etwas kaufen, sondern die treffen in Ge­ spräch […] kommunizieren, entstehen dann ähm (.) durch die Sprache oder kulturelle Werte, oder äh ähm äh gemeinsame (Er- äh) Erlebnisse, äh zeitlich gemäß auf unter­ schiedlichen Kontinenten oder woanders erlebt, nicht in Deutschland zum Beispiel, das bringt ja zusammen die Leute, wenn die bestimmte Musik hören wollen oder be­ stimmte Essen wollen oder was Trinken wollen und so weiter, die nicht in die deut­ schen Staat gefunden haben, aber im Ausland und man spricht darüber oder sucht das […] es ist nicht nur eine Kaufgeschichte hier, in diesem Moment, sondern es ist auch eine ähm zum Beispiel ein Erfahrungsumtausch«. (I. 173-183)

Herr Ayele erläutert in der Sequenz die Suche von Kunden/Kundinnen nach bestimmten Produkten. Sein Betrieb sei eine Anlaufstelle, da viele Produkte in anderen Geschäften in Deutschland nicht angeboten würden. Die Suche nach einem bestimmten Produkt stelle eine kommunikative Erfahrung dar, weil nicht nur der Suchende als Einzelperson, sondern weitere Akteure/Akteurinnen in die Tätigkeit involviert seien: »ein Raum, wo die Leute unaufgefordert reinkommen können, aber ihre Bedürfnisse äh darstellen können und unterschiedliche Bedürfnisse erklären«. (I. 184-186)

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Die Produkte evozieren einen Austausch und werden zu einem Akteur, der Handlungen hervorruft (vgl. Latour 2005).13 Als Geschäftsführer sei Herr Ayele in jenen kommunikativen Akt involviert. Seine Funktion liege in der Identifizierung von Kundenbedürfnissen/Kundinnenbedürfnissen und der Darreichung der gesuchten Produkte, womit ein tiefes Kennenlernen der Person einhergehe: »in Gespräch reinzukommen mit Leute, das bringt vieles […] zur Unterscheidung also von verschiedenen Kunden, aber auch gleichzeitig Kennenlernen kommt durch viele Gespräche, den Kundenkreis zu erkennen, was und wie, wann so die agieren oder was die brauchen oder was am meisten verlangen«. (I. 213-216)

Ihm komme eine bedeutende Funktion zu, indem er den Kunden/Kundinnen die Anbindung an den Herkunftskontext ermögliche. Dies wird auch daran sichtbar, dass er sich aufkommenden Problemen in der Interaktion offen und vorbehaltslos zuwende, etwa wenn Kunden/Kundinnen das gesuchte Produkt nicht namentlich in einer Herrn Ayele verständlichen Sprache benennen können: »Manchmal es gibt […] vokabularische Problem, etwas zu erklären, wenn es in einer Kultur nicht da war, aber als Produkt da bekannt ist. Wie kann ich das ausdrücken? Muss ich dann indirekt auf eine Anwendung kommen; Dass wir auf eine gemeinsame Nenner kommen //I: Mhmm// und somit wir sprechen dann über die Kultur und so was. Das meine ich, das man auch Kunden kennen lernen //I: Mhmm// und somit erkennen, was die wollen und ähm äh auf ihre Bedürfnisse zu agieren äh und das ich äh beiderseits zufrieden sind- die mit Produkten, und ich mein Leben davon verdienen kann«. (I. 216-223)

Der Unternehmer bezieht sich auf Produkte, die im Herkunftsland unter ei­nem bestimmten Namen bekannt sind, von ihm im Betrieb aber unter einer anderen Bezeichnung verkauft werden. Die Identifizierung des gesuchten Produkts stelle eine herausfordernde Aufgabe dar, die Herr Ayele löst, indem er nach den Anwendungsmöglichkeiten des Produkts fragt und auf das Produkt schließt. Seine Arbeit ist zeitintensiv, und er sucht den Dialog mit der Kundschaft.14 Die Identifizierung von Kundenwünschen/Kundinnenwünschen er­mög­licht 13 | Latour (2005, S. 130) versteht Dinge als Akteure, wenn sie einen Unterschied im Handeln Anderer machen, also beispielsweise Handlungen evozieren und Situationen verändern. 14 | Genauso beschreibt eine seiner Mitarbeiterinnen ihren Umgang mit der Kund­ schaft: Sie zeige den Kunden/Kundinnen Produkte direkt im Regal, wenn diese nicht lesen und das Produkt nicht selbst finden können (vgl. Beobachtungsprotokoll 24).

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Herrn Ayele letztendlich, sein Angebot immer genauer auf seine Kundschaft zuzuschneiden: Dieses Vorgehen charakterisiert er dabei nicht nur als ökonomische Identifizierung von Bedarfen, sondern als tatsächliches Kennenlernen seiner Kunden/Kundinnen. Die Notwendigkeit, unterschiedliche Kundenbedürfnisse/Kundinnenbedürfnisse zu identifizieren, ergebe sich daraus, dass sein Geschäft mittlerweile von internationaler Klientel aufgesucht werde und nicht auf Kundschaft aus bestimmten Herkunftsregionen beschränkt sei: »Die kommen nicht nur von Afrika, Europa, Amerika, Asien«. (I. 195)

Die pluralen Herkunftskontexte haben sich während meiner Feldforschung bestätigt. Ich konnte Salonbesuche sowohl von aus afrikanischen Ländern stammenden, europäischen, US-amerikanischen sowie aus asiatischen Ländern stammenden Kunden/Kundinnen beobachten. Die plurale Kundenstruktur/ Kundinnenstruktur imaginiert Herr Ayele als Bedingung für gesellschaftliche Weiterentwicklung. Die Austauschprozesse zwischen den im Salon Anwe­ senden würden zur Entstehung neuer Bedürfnisse aller Beteiligten führen (»unterschiedliche Bedürfnisse […] wenn man hat oder nicht hat, die entstehen dann« I. 186). Zieht man Herrn Ayeles eigentheoretische Konstruktion in der Analyse seines Handelns hinzu, erscheinen protokollierte Verkaufssequenzen wie die folgende unter einem anderen Licht: »Ein Pärchen kommt in den Shop und fragt eine Salonmitarbeiterin etwas. Diese reicht den beiden ein Produkt. Das Pärchen kommt an die Kasse und bezahlt das Produkt bei Herrn Ayele. Auf der Theke steht ein kleines Gefäß, in welchem sich längere Stängel befinden. Deren Oberflächentextur erinnert an Holz. Die Stängel könnten eine Art Wurzel sein. Der Mann nimmt einen dieser Stängel in die Hand und fragt Herrn Ayele mit lauter, bebender Stimme: ›Was soll das denn sein?‹ Herr Ayele erklärt, dass dies gut für die Zahnpflege sei. Er erläutert, dass man den Stängel in Wasser einlege und dann im Mund kaue und an die Zähne reibe. Der Mann runzelt die Stirn und fragt, ob man den ganzen Stängel in Wasser legen müsse, was Herr Ayele bejaht. Herr Ayele sagt zu dem Mann, er könne sich ruhig eins mitnehmen. Der Mann nimmt einen dieser Stängel und schaut zu der Frau und instruiert sie, sie solle sich gefälligst auch einen mitnehmen. Die Frau nimmt ebenfalls einen solchen Stängel mit. Keiner der beiden bietet an, die Stängel zu bezahlen oder bedankt sich. Sie verlassen daraufhin den Shop. Die beiden waren keine Afrikaner. Es ist schwer einzuschätzen, aus welchem Land sie kommen«. (vgl. Postskriptum Interview Ayele) Der Auszug veranschaulicht auf den ersten Blick den taktlosen Umgang eines Pärchens an der Kasse des Betriebs. Dort sind in einem Glas Zweige, sogenannte Miswaks, des Zahnbürstenbaums aufgestellt. Der Zahnbürstenbaum wächst in Ostafrika, in den Wüsten Arabiens und in Vorderasien. Seine Zweige

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werden zur Zahnpflege benutzt. Auf die Frage des Kunden nach dem Zweck des Produkts erläuterte Herr Ayele die zahnpflegende Wirkung des Zweiges und instruierte seine Anwendung, bevor er ihm einen Zweig zur kostenlosen Mitnahme anbot. Die Interaktion verdeutlicht zum einen eine Verkäufer-Kunden-Interaktion, innerhalb welcher der Verkäufer seine Kundschaft durch die Darreichung eines kleinen Präsents zum Wiederkommen motivieren möchte. Zum anderen manifestiert sich in der Szene Herrn Ayeles Geschäftskonzept: Die auf Deutsch verlaufende Interaktion weist darauf hin, dass der Kunde nicht die Muttersprache des Betreibers spricht, da die Interaktion sonst – so konnte in anderen Interaktionen beobachtet werden – mit hoher Wahrscheinlichkeit in beider Parteien Muttersprache stattgefunden hätte. Das Produkt ist ihm nicht bekannt. Das Geschenk an den Kunden kann im Sinne von Herrn Ayeles Eigentheorie als Versuch einer »kulturellen Infizierung« gedeutet werden. Sie soll bei dem Kunden die Auseinandersetzung mit ihm unbekannten Produkten und kulturellen Elementen befördern. Ob sich durch die Darreichung des für den Kunden kulturell Neuen tatsächlich ein Interesse von dessen Seite einstellen wird, bleibt offen. Festgehalten werden kann aber, dass der eigentheoretische Entwurf Herrn Ayeles ökonomischem Verkaufshandeln einen zusätzlichen, Kommunikation und kulturellen Austausch ermöglichenden Charakter verleiht. Neben diesen vom Betreiber herbeigeführten kulturellen Austauschprozessen wird in seinem Geschäft ersichtlich, dass viele Waren und Angebote ihren Weg in die Verkaufsregale und das Dienstleistungsangebot offenkundig erst durch eine »kulturelle Infizierung« des Betreibers gefunden haben. So verkauft Herr Ayele abgepackte Bananenchips, die von der Kochbanane stammen und in kleine frittierte Stücke eingeteilt sind. Er bezeichnet sie als nicht zu ›seiner Kultur‹ zugehörig (vgl. Beobachtungsprotokoll 103). Die Kochbanane kommt als Lebensmittel vor allem in lateinamerikanischen Ländern und in Ghana vor. Darüber hinaus stammt eine Vielzahl der angebotenen Frisuren aus den USA. Hier zeigt sich, wie Herr Ayele Elemente aus verschiedenen Kontexten in seinem Betrieb zusammenführt und eine Transkulturalität in seinem Salon herstellt. Herr Ayele sieht als Bedingung für Austauschprozesse mit der Gesamtgesellschaft in Deutschland – wie in Kapitel 4.1.5 beschrieben – eine gute Außendarstellung von Afro Hair Salons an. Sie zeichnet sich seiner Meinung nach durch eine Formalisierung des Dienstleistungsbereichs aus. Diese Vorstellung materialisiert sich – ebenso wie seine sozialisationstheoretischen Überlegungen – im Salonalltag und räumlichen Arrangement seines Salons: So ist in diesem eine Preistafel angebracht, welche die Vergütung der angebotenen Frisierdienstleistungen festschreibt. Eine Preistafel findet sich nicht in allen im Rahmen dieser Studie aufgesuchten Afro Hair Salons. Es konnte auch beobachtet werden, dass Preise verhandelt wurden (vgl. Beobachtungsprotokoll 53), was Herrn Ayeles Betriebsverständnis zufolge einem Marktgeschehen gleich

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käme, von dem er sich abgrenzt. Über die Preisfixierung hinaus hat er im Kassenbereich ein Schild befestigt, das darauf hinweist, dass kein Geld geliehen und gekaufte Produkte direkt bezahlt werden müssen (vgl. Beobachtungsprotokoll 7). Das Schild materialisiert, dass die Praktik des Anschreibenlassens nicht geduldet wird, die in einem anderen, im Rahmen der Studie aufgesuchten Salon, ein übliches Verfahren darstellt (vgl. Beobachtungsprotokoll 59). Eine weitere Materialisierung zeigt sich in dem an Herrn Ayeles Bürotür angebrachten Schild mit der Aufschrift ›Privat‹. Deutlich zu erkennen ist, dass das spezifische Raumarrangement nicht den Raumarrangements in manchen anderen besuchten Afro Hair Salons entspricht. So ist festzuhalten, dass sich Wirtschaften und soziales Miteinander eng vermischen können. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass in Salonräumlichkeiten Sitzgelegenheiten positioniert sind, die nicht ausschließlich wartenden Gästen dienen, sondern Orte des Verweilens und längeren Austauschens sind. Sowohl in einem Salon im hiesigen Untersuchungsraum (vgl. Beobachtungsprotokolle 1, 4, 5, 8, 46, 53) als auch in einem im Rahmen meiner Erststudie aufgesuchten Afro Hair Salon konnte ich beobachten, dass in Afro Hair Salons gespeist, sich getroffen wird oder Kinder betreut werden (vgl. Schmitt 2011, 2012). Eine solche Konzipierung wird von Herrn Ayele abgelehnt. Während es Gestaltern/Gestalterinnen eines Raumarrangements, in dem soziale und wirtschaftliche Tätigkeiten sehr eng verschmelzen, vor allem um ein soziales Miteinander bei gleichzeitigem Wirtschaften geht, ist Herrn Ayeles Orientierungsrahmen auch an einem formalisierten Arbeitsmarkt ausgerichtet. Diese Orientierung liegt in seinem Ziel begründet, von der Gesamtgesellschaft in Deutschland Anerkennung ausgesprochen zu bekommen. Er glaubt, diese nur erfahren zu können, wenn er die gesellschaftliche Nützlichkeit seines Salons in einer kapitalistischen Systemordnung nachweist (vgl. Kap. 4.1.5). Die Betonung des Ökonomischen in der Raumatmosphäre ist Mittel zur Herstellung von Anerkennung. Diesem Orientierungsrahmen entsprechend finden sich in Herrn Ayeles Salon weder Couch noch Kochnische.

4.1.6.4  Politische Mitgestaltung weiterführen Vor dem Hintergrund von Herrn Ayeles biografischen Erfahrungen in seinem Herkunftsland wird eine über den Wunsch nach Anerkennung in Deutschland hinausreichende Konnotation des Salons sichtbar. In einem Gespräch erzählte er, dass er vor seiner Migration – wie in der Analyse der Eingangssequenz bereits erläutert wurde – im politischen Widerstand Eritreas gegen die äthiopische Besatzungsmacht aktiv war. Dieses Engagement musste er abbrechen. Er floh über den Sudan nach Deutschland, da eine direkte Ausreise von der eritreischen Hauptstadt Asmara nach Deutschland nicht möglich war. Bis heute ist für ihn eine Rückkehr in sein Herkunftsland unmöglich:

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland »I.: Aber also könnten Sie nach Eritrea reisen? HERR A.: Momentan nicht«. (G. 851-853)

Kontakt zu seiner Mutter und weiteren Familienmitgliedern hält er telefonisch (»meine Mutter meine Bruder meine Familie habe ich also telefonisch« G. 764; vgl. auch Beobachtungsprotokoll 39). Herrn Ayeles Verbindung zu seinem Herkunftsland gestaltet sich neben Telefongesprächen über eine »dünne Verbindung« wie das Praktizieren von mit dem Herkunftsland assoziierten Routinen (Nahrungsaufnahme oder Religionsausübung): »es ist eine emotionelle (.); aber sehr (.) äh dünne Verbindung; also sehr passive auch von den Leuten wie ich. Wir haben ja keine Verbindung mit der Regierung. […] Wir nehmen teil bestimmt in diese Gesellschaft wo die Eritreer sind weil wir Eritreer (.) ursprünglich sind, aber (.) nicht im Sinne des Politik oder so was. […] Das heißt Essen Trinken Kirche beten oder laufen (.); Musik machen @alles anderes machen hehe @ //I.: Mhmm// wo die Interesse gemeinsame läuft oder leicht zu verständigen ist, aber mehr nicht. Und politisch nicht«. (G. 835-843)

Eine politische Partizipation ist ihm in Eritrea nicht mehr möglich. Er scheint sein politisches Engagement auch zum Schutz dort lebender Bezugspersonen eingestellt zu haben (»Ich würde auch nicht äh machen. Ich würd eh ich würd da (.) ich würde Diskussionen beginnen, wo die Leute richtig Ärger haben können« G. 853-854). Die nicht mögliche und nicht gewollte politische Partizipation und Rückkehr nach Eritrea kann mit der dortigen politischen Situation erklärt werden. Nach der faktischen Unabhängigkeit Eritreas von Äthiopien im Jahr 1993 wurde eine provisorische Regierung unter Issayas Afewerki gebildet, der seither Präsident ist (Stand Mai 2015). Auch wenn die Verfassung Eritreas ein präsidentiell-parlamentarisches Einkammernsystem vorsieht, in dem das Volk die Nationalversammlung und die Nationalversammlung den Präsidenten wählt, besteht de facto ein autoritäres Präsidialsystem. Die einzig zugelassene Partei ist die Regierungspartei People’s Front for Democracy and Justice (PFDJ) (vgl. Hirt 2005, S. 90f.). Eritrea erfüllt laut Hirt (2010) die Kriterien für ein totalitäres System. Eine unabhängige Justiz existiere nicht; nach einem kritischen Brief von ranghohen Politikern/Politikerinnen an den Präsidenten im Jahr 2001, in dem diese die Implementierung der 1997 verabschiedeten Verfassung sowie Wahlen und freie Meinungsäußerung forderten, wurden elf der 15 Verfasser verhaftet. Durch die Verweigerung der Ausstellung von Ausreisevisa für Kinder ab 16 Jahren und Personen im wehrpflichtigen Alter werde eine legale Ausreise verunmöglicht, sodass viele Eritreer/-innen auf der Flucht seien. Herr Ayele führt seine Skepsis gegenüber der aktuellen Politik in Eritrea aus, die er als unzureichend verurteilt. Von den eritreischen Politikern/Politikerinnen fühlt er sich »betrogen«:

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland »momentan fühle ich mich äh betrogen von den Politik was momentan da läuft. Weil das is- es gibt keine politischen Parteien […] es gibt sogenannte technologische (.) development in Infrastruktur; aber für mich (.) eine Infrastruktur ohne gesunde Men­ schenverstand ist (.) eine technische (.) Darstellung und eine technische Darstellung ohne Geist ist kein Staat keine keine kein Land (.) kein Nation (.) nichts. (.) Es muss da was (.) passieren […] und viel Militär, viel äh Hickhack, viel blabla und also immer nur bestimmt eine Person die alles entscheidet und so weiter. //I.: Mhmm// Das ist nicht gut ja. (2) Deswegen bin ich auch bis heute bisschen politische Mensch«. (G. 814-826)

Er beschreibt die hohen Investitionen in die Infrastruktur des Landes, an deren Vorteilen aber nur wenige Menschen partizipieren würden. Der Staat wird als undemokratisch (»ohne parlamentarische Strukturen«), willkürlich (»es gibt keine politischen Parteien«) autokratisch (»immer nur bestimmt eine Person die alles entscheidet«) sowie wenig ergebnisbringend (»viel blabla«) bewertet. Das gescheiterte politische Engagement hat bei Herrn Ayele aber nicht zu Resignation und Politikverdrossenheit geführt. Stattdessen gibt er an, »bis heute bisschen politische Mensch« zu sein. Dennoch führt er aus, sich aus der eritreischen Politik zurückgezogen zu haben. Er begründet dies mit dem Verhalten von Politikern/Politikerinnen, die Ziele, für die er und zwei seiner im Krieg verstorbenen Brüder gekämpft hätten, nicht umsetzen: »Weil für mich, ich hab Freunde und (.) Kameraden verloren die (.) mhmm (.) ach für diese Land richtig gestorben sind. Und denen ihre Wert will ich sehen, warum die gestorben sind. Ich hab zwei Brüder auch verloren in diese Krieg. Also es is es is nich leicht es is nich leicht (nich leicht nich leicht). Deswegen will ich mindestens irgend ein Licht sehen; und wenn diese Licht immer ausgeschaltet wird von irgendeine eh blö­ de Politiker oder Diktator oder irgendeine, dann (2) will ich nicht äh von seine negative Punkt infiziert werden«. (G. 855-860)

Die Metapher des Lichtausschaltens symbolisiert die ausgebliebene Wirkung des politischen Engagements des eritreischen Widerstands und das als enttäuschend wahrgenommene Verhalten eritreischer Politiker/-innen. Herr Ayele scheint wenig Hoffnung für eine Verbesserung der Situation in Eritrea zu sehen. Er beschreibt den politischen Machtmissbrauch eritreischer Politiker/-innen, die sich nicht für die Bedürfnisse und Anerkennung von benachteiligten Bevölkerungsgruppen einsetzen würden: »ich bin äh eine Mensch die äh geglaubt hat oder glaubt, wenn man eine politische Bewegung (.) beitritt oder aktiv ist muss für eine Änderung sein. Eine Änderung für mich bedeutet immer positive, von einer Stelle zu der höhere Stelle, die mehr offen ist, die mehr Gleichheit die mehr Berechtigung die mehr ähm alle diese Sachen äh

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland beibringen kann, nicht irgendeine politische Macht. Nicht, ich verstehe das nicht als Macht, sondern diese Ma- okay das ist der Mittel zu Zweck […] für mich ist es so, dass die äh Politik bis heute (.) Freiheit oder Freiheit in fast alle Ebene wie Gesellschaft und äh Berechtigung von Frauen von Behinderte oder Junge oder ethnische Gruppe und so weiter und so weiter alle (.) sollen (.) teilnehmen, aber für mich ist teilnehmen bedeutet nicht dass die etwas bekommen sondern die müssen teilnehmen. Das ist Politik für mich«. (G. 788-799)

Herr Ayele schreibt Personen in gesellschaftlichen Machtpositionen eine Verantwortung zur Herbeiführung von Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit zu. Macht ist in seinem Verständnis Mittel zur Gestaltung und Weiterentwicklung von Gesellschaft und nicht Ziel politischen Handelns. Die Ausführungen zeigen ebenso wie die vorherige Analyse des Geschäftskonzepts Herrn Ayeles Wunsch nach Selbstwirksamkeitserfahrungen und gesellschaftlicher Mitgestaltung. Um die fehlende Möglichkeit politischer Mitgestaltung in Eritrea zu bewältigen, fokussiert er sein Handeln statt auf den eritreischen Widerstand auf ein Engagement in Deutschland. Dies erlaubt ihm, sein Selbstbild des politisch aktiven Menschens trotz seines Rückzugs aus der eritreischen Politik aufrechtzuerhalten. Durch den Salon wird ein Verlust von Sinnhaftigkeit in der eigenen Lebenssituation abgewendet: »Is mir lieber sogar die Leut hier zu reden, die ihre Identität bisschen zu bewahren, dass sie ihre Psyche in eine gute Zustand (.) da is; das man (.) ja (.) das man ja sein Teil, wo man lebt, mhmm beteiligen kann an den Entwicklungen-Gesamtentwicklungen ja«. (G. 861-863)

Die lokale Partizipation »wo man lebt« stellt im Sinne Herrn Ayeles eine Teilhabe an den »Gesamtentwicklungen« dar, wodurch er die Sinnhaftigkeit seines Tuns zu bewahren und innerhalb seiner Biografie Kontinuität herzustellen sucht. Er vermag, Vergangenes als konsistentes Element des Hier und Jetzt zu reflektieren und seine Biografie unter ein konsistentes Selbstbild – das des politisch aktiven Menschen – zu stellen.

4.1.7  Resümee : Aron Ayele, der Social Entrepreneur Die Fallanalyse legt Aron Ayeles Gründungsmotivation offen: Zum einen strebte der Akteur danach, Familienleben und Berufsverpflichtungen miteinander zu verbinden. Zum anderen identifizierte er eine Marktlücke. Er betreibt sein Unternehmen zum Zeitpunkt des Feldkontaktes seit 15 Jahren und hat sich durch den Erwerb des Meistertitels in das institutionelle Gefüge des Frisierhandwerks in Deutschland eingepasst. Seine Ehefrau erwarb Expertenwissen im Afrohaarstyling, das den Salon auf ein qualifiziertes Fundament

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stellt, die identifizierte Marktlücke schließt und den Salon in Deutschland legitimiert. Trotz dieser Investitionen fühlt sich der Unternehmer in Deutschland nur marginal wahrgenommen. Er konkretisiert in seinem Geschäftskonzept den Wunsch nach Anerkennung des in seinem Betrieb zum Tragen kommenden Wissens und der beruflichen Tätigkeit und adressiert ökonomische und politische Instanzen in Deutschland, in deren Strukturen er das Afrohairbusiness wahrgenommen und wertgeschätzt wissen möchte. Zur Bewältigung und Überwindung seiner marginalen Position entwickelt Herr Ayele verschiedene Strategien (vgl. Abb. 8): • Sein Betrieb fußt auf formalisiertem Expertenwissen und wird durch eine ökonomisch ausgeprägte Raumatmosphäre einer formalisierten und standardisierten Betriebslogik angepasst. Mit anderen Afro Hair Salons strebt er Kooperationen an, die um das Ziel einer positiven Selbstdarstellung des Afrohairbusiness, verstanden als verberuflichte Expertenbetriebe, kreisen. • Er intendiert, Kooperationen mit der Industrie- und Handels- sowie Handwerkskammer aufzubauen. Er wünscht sich einen Austausch mit potenziellen Investoren/Investorinnen und Vertretern/Vertreterinnen der städtischen Politik. • Zur Aufrechterhaltung seines Selbstbildes als Agent konstruiert er eine sinnstiftende Eigentheorie um seinen Salon und schreibt diesem zum einen eine besondere Funktion als Ort sozialer Unterstützung für seine Kundschaft zu. Zum anderen imaginiert er dessen gesamtgesellschaftliche Bedeutung als Ort gesellschaftlicher Weiterentwicklung. • Seine im Salon angebotenen Produkte und Dienstleistungen erachtet er als Mittel, um eine neue Gesellschaftsordnung zu erreichen. Personen, die mit dem Angebot nicht vertraut sind, sollen es erleben, kennenlernen und dadurch wertschätzen. Da ein bejahendes Selbstbild nur in einer wertschätzenden Relation mit Anderen entwickelt und erhalten werden kann (vgl. Mead 1973; Honneth 2012), finden wir eine Dilemmasituation wieder. Sie resultiert aus Herrn Ayeles Ab­hängigkeit von einem Anerkennung aussprechenden Sockel (vgl. Butler 2003, S. 32). Honneth (2012, S. 151ff.) differenziert zwischen drei Formen der Anerkennung: Der emotionalen Zuwendung, wie wir sie in der Familie oder Paarbeziehung finden (was hier nicht weiter erläutert werden soll), der rechtlichen Anerkennung und der solidarischen Zustimmung als Wertschätzung. Während Herr Ayele sich in rechtlicher Hinsicht selbstständig machen konnte, bleibt ihm eine gesellschaftliche Wertschätzung seiner Tätigkeit verwehrt. In dieser dritten Anerkennungssphäre geht es um eine Anerkennung individueller Leistungen, »deren Wert sich an dem Grad bemißt, in dem sie von einer Gesellschaft als bedeutungsvoll erfahren werden« (Honneth 2012, S. 181). Diese

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Abbildung 8: Aron Ayeles Strategien zur Bewältigung von Marginalität Erleben von Marginalität in Deutschland

Selbstdarstellung

Eigentheoretisierung

Vertikale und horizontale Vernetzung

Produkte und Dienstleistungen im Salon

Ziel Gesellschaftliche Anerkennung

Social Entrepreneur agentativen Selbstbilds

Quelle: Eigene Darstellung.

Sphäre setzt ein »evaluatives Bezugssystem voraus« (ebd., S. 183), das über den Wert von Fähigkeiten entscheidet. In Kapitel 3 wurde rekonstruiert, dass das Afrohairbusiness in vielen Bereichen wenig oder keinerlei Wertschätzung erfährt. Herrn Ayeles Fall zeigt, dass eine solche Situation den Unternehmern/ Unternehmerinnen Bewältigungs- und Gestaltungsstrategien abverlangt, um zum einen ihre Betriebe und zum anderen ihr Selbstverhältnis aufrechtzuerhalten. Insofern in gesellschaftlichen Diskursen das Bild von Deutschland als einem homogenen kulturellen Container reproduziert wird, haben es Akteure/ Akteurinnen mit ihrem Streben nach gesellschaftlicher Wertschätzung schwer: Ihre Tätigkeiten werden innerhalb dieses Bezugssystems nicht als bedeutsam angesehen. Vor diesem Hintergrund wird Herrn Ayeles Strategie verständlich, die gesellschaftliche Relevanz seines Salons hervorzuheben. Eine ihm zuteil werdende Anerkennung hängt davon ab, inwieweit es ihm gelingt, »die eigenen Leistungen und Lebensformen öffentlich als besonders wertvoll auszulegen« (ebd., S. 205). Seine Bemühungen um Vernetzung zu Stadt, Behörden

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und Instanzen wie dem Gesundheitsamt sind als Öffentlichmachung des Berufsprofils zu deuten, das er als Expertentum ausweist. Festgehalten werden muss jedoch, dass sein alleiniges Streben nicht ausreichend ist; so ist als Bedingung für ein Anerkennungsverhältnis ein gesellschaftliches Selbstverständnis vonnöten, innerhalb dessen Wissenselementen sowie Denk- und Handlungsweisen wertschätzend begegnet wird. Herrn Ayeles eigentheoretische Ausführungen zeigen seine Bemühung, Bewertungsmuster, gesellschaftliche Selbstverständnisse und (abwertende) Bilder über Migranten/Migrantinnen und ihre Ressourcen infrage zu stellen. Seine Bestrebungen sind zusammenfassend eine Reaktion auf die von ihm erlebte Verletzung des Anerkennungsprinzips. Mittels verschiedener Strategien sucht er, das Afrohairbusiness in Deutschland für eine größere Gruppe von Salonbetreibenden zu etablieren. Ebenso engagiert er sich für eine Inkorporation von Migranten/Migrantinnen in Deutschland im Allgemeinen, weshalb er als ›Social Entrepreneur‹ zu charakterisieren ist.

4.2  D ie S alonbe treiberin S ophie A ssogba :        »I always wanted to do hair « Sophie Assogba ist zum Zeitpunkt unseres ersten Zusammentreffens im Januar 2011 35 Jahre alt, verheiratet und kinderlos. Im westafrikanischen Benin als eines von sechs Geschwistern geboren und aufgewachsen, hat sie ihre Kindheit dort bis zu ihrem neunten Lebensjahr verbracht. Mitte der 1980er Jahre migrierte ihre Familie nach Frankreich. Dort ist Sophie Assogba zur Schule gegangen, hat im Jahr 2005 einen Studienabschluss in Jura erworben und einige Jahre als Juristin in einem Unternehmen gearbeitet. Im Jahr 2009 heiratete sie ihren jetzigen Ehemann, den sie in Paris kennenlernte. Als dieser ein lukratives Stellenangebot aus Deutschland erhielt, gab sie ihre Beschäftigung auf und migrierte mit ihm im Juli 2010 in die Bundesrepublik. In Deutschland machte sie sich während der Erhebungsphase als Afrohairstylistin selbstständig und verwirklichte sich so einen in ihrer Jugend durch ihre Eltern verwehrten Kindheitstraum. Die folgende Analyse zeigt, dass sich die koloniale Aberkennung des Afrohairbusiness auf den Lebensweg und die berufliche Orientierung der jungen Frau auswirkte und auswirkt (vgl. Kap. 3.1). Sie erklärt, wie Frau Assogba die Negativbewertung des Berufszweiges zu dekonstruieren sucht und sich als Afrohairstylistin in Deutschland selbstständig macht. Die einzelnen Etappen der Realisierung ihres beruflichen Ziels konnte ich im Zuge teilnehmender Beobachtungen von Januar 2011 bis einschließlich Herbst 2012 verfolgen. Kapitel 4.2.1 beschreibt die Kontaktaufnahme mit Sophie Assogba, in Kapitel 4.2.2 wird die Eingangssequenz des mit ihr geführten Interviews ana-

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lysiert. In der anschließenden Analyse werden zusätzlich zu Sequenzen aus dem Interview Informationen aus Beobachtungsprotokollen und informellen Gesprächen hinzugezogen.

4.2.1    Kontaktaufnahme Der Kontakt zu Frau Assogba wurde nicht, wie im Fall von Herrn Ayele, durch den direkten Besuch ihres Salons initiiert. Vielmehr habe ich während der Feldforschung erfahren, dass es Afrohairstylistinnen gibt, die von zu Hause aus frisieren. Im Rahmen meiner Recherchen entdeckte ich im Internet eine Onlineplattform, auf der sich im Untersuchungsraum lebende Migranten/Migrantinnen vernetzen. Die Nutzer/-innen sind registriert und verfügen über ein Profil, in dem sie Beruf und persönliche Interessen angeben. Sie können an Diskussionen in Foren partizipieren. Innerhalb eines solchen Forums stieß ich auf einen Thread mit dem Titel »Black hair care«, in dem sich vorwiegend aus den USA und afrikanischen Ländern migrierte Frauen über verfügbare Afrohairstylistinnen in der Region austauschen. Ich las ein Inserat eines Mannes in englischer Sprache, der angab, eine kompetente Afrohairstylistin zu kennen, die fließend Englisch und Französisch spreche (vgl. Postskriptum Interview Assogba). Die E-Mail-Adresse der Frau war angegeben, woraufhin ich die Afrohairstylistin anschrieb, mein Forschungsanliegen knapp schilderte und um eine Verabredung sowie die Durchführung eines Interviews bat. Ich erhielt eine E-Mail zurück, die Ort, Datum und Uhrzeit für ein Treffen beinhaltete. Mit etwas Unbehagen aufgrund der Ungewissheit, wen ich antreffen würde, machte ich mich im Januar 2011 auf den Weg zu der in der E-Mail genannten Adresse und fand mich vor einem Wohnhaus wieder. Ich klingelte und wurde von Sophie Assogba in ihre Wohnung gebeten. Wir begrüßten uns auf Englisch. Frau Assogba führte mich in ihr Wohnzimmer und bot mir ein Getränk an. Wir traten sofort in ein Gespräch ein, in dem sie mir mitteilte, sich den ganzen Nachmittag für unser Treffen freigehalten zu haben. Es stellte sich heraus, dass die junge Frau die zwei afrikanischen Sprachen Fon und Mina sowie das Französische zu ihren üblichen Verkehrssprachen zählt und die englische E-Mail an mich von ihrem englischsprachigen Ehemann schreiben ließ.15 Sie erzählte davon, dass dieser ein Stellenangebot aus der Bundesrepublik erhalten habe und sie vor etwas mehr als einem halben Jahr mit ihm gemeinsam in die deutsche Stadt migriert sei. Zudem fragte sie mich, wie ich auf mein Forschungsthema gekommen sei und warum ich mich für Afrohair15 | Um uns einander verständlich zu machen, griffen wir in unserem Gespräch sowie dem Interview nach Bedarf auf die englische sowie französische Sprache zurück. Ge­ legentlich verwendete Frau Assogba Begriffe aus der deutschen Sprache, die sie zum damaligen Zeitpunkt erlernte.

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stylisten/Afrohairstylistinnen interessiere. Nach einer kurzen Erläuterung der Genese meines Interesses bat ich sie um ihr Einverständnis zur Aufnahme unserer Konversation.

4.2.2    »I was a law yer and now I want to be a Friseurin«:          Die Analyse des Inter viewbeginns Frau Assogba stimmte einer Aufnahme des Interviews zu, woraufhin ich ihr das Interviewverfahren erläuterte und meinen Erzählimpuls mit Bitte zur Erzählung der eigenen Lebensgeschichte einführte: »it's just ja (.) as I said maybe- just about your your life story how you see it @«. (I. 7-8)

Die Äußerung »it’s just ja (.) as I said maybe« weist auf eine dem Stimulus vorangegangene Explikation hin, in der – ziehen wir den Kontext hinzu – die Typik qualitativer Interviews erläutert wurde. Ich äußerte den Erzählimpuls zögerlich. Das Wort »maybe« macht auf die der Akteurin eingeräumte Möglichkeit aufmerksam, das Interview nach ihren Wünschen zu gestalten und zu lenken. Zugleich bringt die Äußerung meine Unsicherheit in der Interviewsituation zum Ausdruck, die in einer fehlenden Routine in der Interviewführung sowie der Mehrsprachigkeit der vorausgegangenen Konversation begründet liegen mag. Den offenen Erzählimpuls nach der Lebensgeschichte (»just about your your life story«) habe ich, im Vergleich zum ersten, mit Herrn Ayele geführten Interview, weiter geöffnet, um noch stärkere biografische Verläufe und deren Einfluss auf das Gründungsgeschehen zu erhalten. Frau Assogba machte auf mich einen offenen und erzählfreudigen Eindruck, weshalb ich vermutete, sie durch die Frage nach der eigenen Lebensgeschichte nicht zu verschrecken. Die Äußerung »how you see it @« legt offen, dass die Perspektiven und Deutungen der Interviewten im Fokus stehen. An Frau Assogbas Reaktion auf die Eingangsformulierung fällt auf, dass sie sich zunächst für ihr vermeintlich undeutliches Englisch auf Französisch entschuldigt, dann aber darauf verweist, dass eine Kommunikation im Englischen dennoch machbar sei: »Okay so ehm ehm pardonnes-moi pour mon fran- mon anglais qui n’est pas très clair. Mais bon, (.) ça va aller je pense«16 . (I. 10-11)

Frau Assogba geht nicht unmittelbar auf die Eingangsfrage ein, sondern klärt zunächst die sprachliche Rahmung des Interviews. Sie wendet sich mir als 16 | Sinngemäße Übersetzung aus dem Französischen in die deutsche Sprache: »Okay so ehm ehm entschuldige bitte mein mein Fran- mein Englisch, das nicht sehr gut ist. Aber gut, (.) das wird schon gehen denke ich«.

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Interviewerin sensibel zu und bringt zum Ausdruck, dass sich das Interviewvorhaben trotz sprachlicher Herausforderungen durchführen lasse, wodurch sie gleichzeitig als selbstbewusste Akteurin auftritt. An der Adressierung meiner Person fällt auf, dass Frau Assogba mich duzt. Hierdurch stellt sie eine Symmetrie zwischen sich als Interviewpartnerin und mir als Interviewerin her. Zum einen kann so ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden, welches sich förderlich auf die Forschung auswirken kann. Gleichzeitig besteht die Gefahr des Verlustes einer personalen Distanz. Das Duzen zwischen Personen ist kontextabhängig: Während es im Studentenmilieu und in der Kreativwirtschaft üblich ist oder im Konzern IKEA gar zur Firmenphilosophie gehört, ist in anderen Bereichen eines ersten Kennenlernens sowie der beruflichen Kommunikation das gegenseitige Siezen ein üblicher Verhaltenskodex. Infolge des entschuldigenden Hinweises und der Herstellung einer symmetrischen Beziehung macht Frau Assogba ihre Berufsbiografie relevant: »Ehm (.) I so I am a lawyer«. (I. 11)

Die Eröffnung der Erzählung auf die offene Frage nach der eigenen Lebensgeschichte markiert, dass die Frage der Berufswahl ein zentrales Thema in Frau Assogbas Biografie ist, auf das sie unmittelbar zu sprechen kommt. Zudem war ihr durch den vorangegangenen E-Mail-Verkehr und das dem Interview unmittelbar vorausgegangene Gespräch bewusst, dass die Studie auf Afrohairstylisten/Afrohairstylistinnen in Deutschland fokussiert. Dies mag zusätzlich dazu beigetragen haben, dass sie den Erzählfokus zentral auf das Thema des Berufs setzt und beispielsweise Ausführungen zu ihrer Kindheit zunächst ausspart. Sie betont, Anwältin zu sein. Insofern das Interview in Deutschland geführt wurde und die sprachliche Kommunikation im Englischen und Französischen abläuft, zeigt sich an dieser Stelle, dass Frau Assogba des Deutschen nicht oder nur teilweise mächtig ist. Hieraus kann geschlossen werden, dass sie ihren Beruf der Anwältin zum Zeitpunkt des Interviews nicht in Deutschland ausüben kann oder aber in einem internationalen Firmenumfeld im Bereich des International Laws beschäftigt ist. Denkbar wäre alternativ, dass sie unterhalb ihrer Qualifikation tätig ist, keine Beschäftigung hat oder dabei ist, sich eine neue berufliche Perspektive aufzubauen. Der Positionierung als Anwältin folgt eine Spezifizierung, dass dies ihr »job« sei: »Eh that is my (.) my job«. (I. 11)

An der Äußerung fällt auf, dass Frau Assogba ihre Tätigkeit nicht als »profession«, ihren Berufsstand, sondern als »job« charakterisiert. Der Begriff des »jobs« betont im Vergleich zum Begriff »profession« weniger eine persönliche Identifizierung mit einem Beruf, sondern vielmehr dessen Ausübung. Dem

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Verweis auf den erlernten Anwaltsberuf schließt sich dessen Kontrastierung mit ihrer tatsächlichen Passion des Haarefrisierens an: »ehm I am I always ehm eh wanted to do hair«. (I. 12)

An dieser Stelle zeigt sich eine Differenz zwischen Frau Assogbas beruflichen Wünschen und ihrem tatsächlich erlernten Beruf. Das betonte »always« lässt vermuten, dass die Beschäftigung mit Haaren Frau Assogbas Kindheitstraum ist. Die Gegenüberstellung von Wunsch und Realität weist auf eine konfliktbehaftete Situation hin, die erklärungsbedürftig ist. Da die Akteurin angibt, Anwältin zu sein, muss der Gegenüberstellung von ihrem erlernten Beruf mit ihren eigentlichen Interessen eine Begründung folgen, warum sie sich im juristischen Bereich und nicht im Frisierhandwerk etabliert hat. Eine solche wird mit einem Verweis auf die Mutter eingeleitet: »but my mama is an African mummy«. (I. 12) Die Konjunktion »but« weist auf den Grund hin, warum Frau Assogba den Beruf der Anwältin ergriffen hat. Sie macht ihre Mutter hierfür verantwortlich, die sie als »African mummy« deutet. Sie konstruiert ein generalisierendes Bild einer Mutterfigur für einen ganzen Kontinent, das sich dadurch auszeichne, dass den Müttern an einer guten Ausbildung für ihre Kinder gelegen sei: »e:eh and eh she said to me no no no no you have to eh eh to go to school«. (I. 13)

Deutlich wird, dass die Mutter sich aufgrund ihrer Bildungsaspiration gegen den Berufswunsch der Tochter positionierte. Es kann vermutet werden, dass die Eltern eine weiterführende Bildung genossen haben und die Mutter ehrgeizige Ziele für ihre Tochter entwickelte. Ihre dominante Stellung im Leben Frau Assogbas wird in der Wiedergabe der mütterlichen Äußerungen in der direkten Rede lebendig (»she said to me no no no no«). Dies zeigt an, welche Bedeutung die mütterliche Verwehrung des Berufsweges für Frau Assogbas weiteren Lebensweg hatte und noch heute hat. Der Konflikt der Berufswahl in der Mutter-Tochter-Beziehung geht einher mit einem prinzipiell liebevollen Verhältnis, das sich in Frau Assogbas Beschreibung der Mutter mit dem Kosenamen »mummy« ausdrückt. Hierdurch wird die Spannung in der Beziehung tendenziell verstärkt, wenn die geliebte Mutter der Tochter den erträumten Berufswunsch verwehrt. Der weitreichende Einfluss der Mutter auf den beruflichen Werdegang Frau Assogbas wird im weiteren Verlauf der Eingangssequenz markiert:

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland »you have ehm to ehm (.) to eh to have a a a very good job and all my life I I I I studied all my life«. (I. 13-14)

Frau Assogba hat sich der mütterlichen Bestimmungsmacht (»you have to«) gebeugt und zu deren großer Freude ein Studium absolviert. Der Hinweis, das ›ganze Leben‹ studiert zu haben (»I studied all my life«), drückt das Erleben der Akteurin aus, ein Übermaß an Lebenszeit mit der Qualifizierung für eine und Ausübung einer Tätigkeit verbracht zu haben, die den Vorstellungen der Mutter entsprach, jedoch nicht ihren eigenen. Die Äußerung, dass die Mutter, nicht jedoch sie, über diesen Weg erfreut war, macht ihre eigene Unzufriedenheit mit ihrer Berufswahl erneut deutlich: »and when I had all my degrees she eh was so happy for me @ (.)«. (I. 14-15)

In der folgenden Sequenz »so ehm ehm up to to come here ja I I was a lawyer«. (I. 15)

deutet Frau Assogba durch den benannten Ortswechsel nach Deutschland sowie die Verwendung des Präteritums (»I was a lawyer«) an, dass sich ihre berufliche Situation mittlerweile verändert hat. Ihre Orientierung im juristischen Bereich wird zum einen der Vergangenheit zugeschrieben sowie zum anderen territorial außerhalb ihres jetzigen Lebensalltags (»here«) verortet. Während Frau Assogba zu Beginn ihrer Narration zunächst das ›Drama ihres Lebens‹ benannte, kommt sie weiter auf ihre aktuelle Situation zu sprechen und erwähnt ihre Migration nach Deutschland: »And when I came here«. (I. 15-16)

Die Akteurin markiert einen Ortswechsel nach »here«, womit sie die deutsche Stadt bezeichnet, in der sie lebt. Sie rekurriert auf eine gemeinsame räumliche Erfahrung mit mir, da wir uns während des Interviews beide in ihrer Wohnung in jener Stadt befanden, weshalb diese nicht expliziert werden musste. Die Benennung des Ortwechsels, ohne anzugeben, von welchem Standpunkt aus sich dieser vollzogen hat oder den Grund der Migration zu benennen, kann an dieser Stelle darauf zurückgeführt werden, dass die Interviewte mir bereits vor dem Einschalten des Aufnahmegeräts erläuterte, von Paris in eine Stadt des Untersuchungsraums migriert zu sein. Sie verzichtet darauf, diesen Aspekt erneut auszuführen. Frau Assogba erwähnt, vor Ort in Deutschland die Überlegung angestellt zu haben, sich die deutsche Sprache innerhalb von sechs Monaten anzueignen und im Anschluss eine Anstellung in ihrem beruflichen Bereich zu suchen:

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland »eh I mhmm ehm I dec- decided to eh to eh learn German ehm ehm tss pendant for six months and maybe ehm try to to find a job in my area«. (I. 16-17)

Das Adverb »maybe« verdeutlicht zum einen die Vagheit und fehlende Entschlusskraft dieses Vorhabens. Zum anderen geht hieraus hervor, dass sich Frau Assogba vor ihrer Migration nach Deutschland scheinbar nicht intensiv mit den Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland auseinandergesetzt hat. Es kann die Vermutung aufgestellt werden, dass sie sich nicht mehr sicher ist, ob sie weiter in ihrem erlernten Beruf der Anwältin tätig sein möchte. Insofern könnten ihre Ausführungen vielmehr dazu dienen, sich in der Interviewsituation als aktive Person zu positionieren, die um eine Klärung ihrer derzeitigen Situation bemüht ist. In der weiteren Narration argumentiert sie, wegen unzureichender Sprachkenntnisse im Deutschen keine Anstellung als Anwältin gefunden zu haben: »Eh but ehm in ehm December I tried to ehm look at a job around ehm ehm lawyer area and it's very very difficult because I have not a very good level in eh in eh Ger­ man«. (I. 17-19)

Die Suche nach einer Arbeitsstelle wird als »very very difficult« hervorgehoben, wodurch deutlich wird, dass sie die Ausübung einer juristischen Tätigkeit derzeit als kaum möglich erachtet. Als Grund gibt Frau Assogba ihre nicht ausreichenden Sprachkenntnisse an. Strukturelle Gründe – wie die Notwendigkeit der Anerkennung ihres Abschlusses – bleiben unbenannt. Ungeachtet des Stands ihrer Sprachkenntnisse stünde ihr im Rahmen der Freizügigkeit in der EU prinzipiell die Möglichkeit offen, ein berufliches Anerkennungsverfahren in Deutschland zu beantragen, da sie ihr Studium in dem EU-Mitgliedsstaat Frankreich abgeschlossen hat und neben der beninischen auch die französische Staatsbürgerschaft besitzt.17 Hier hat sie zwei Optionen: • Zum einen könnte sie den Zugang zum juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) beantragen und nach erfolgreich bestandenem zweitem juristischem Staatsexamen die Zulassung zur Rechtsanwältin in Deutschland erhalten. Der Abschluss des Zweiten Staatsexamens ist in Deutschland die Voraussetzung zur Befähigung zum Richteramt/Richterinnenamt und Ausübung der Berufe Rechtsanwalt/Rechtsanwältin, Staatsanwalt/ Staatsanwältin oder für eine Tätigkeit im höheren Verwaltungsdienst. • Zum anderen steht ihr zu, eine Genehmigung zur Zulassung als Europäi17 | Derzeit ist für Juristen/Juristinnen aus Drittstaaten ein Rechtsanspruch zur Prü­ fung der Gleichwertigkeit ausgeschlossen (vgl. Homepage berufliche-anerkennung.de, o. J.).

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sche Rechtsanwältin einzufordern. Im Falle einer Bewilligung wäre es Frau Assogba möglich, die Tätigkeit der Juristin unter ihrer originären Berufsbezeichnung auszuüben. Nach dreijähriger Tätigkeit in Deutschland könnte sie unter Nachweis von Kenntnissen im deutschen Recht und erfolgreich bearbeiteten Fällen die deutsche Berufsbezeichnung beantragen (vgl. Englmann/Müller 2007; Homepage berufliche-anerkennung.de, o. J.). Die beiden Optionen zeigen, dass es Frau Assogba durchaus möglich wäre, sich in Deutschland als Anwältin zu etablieren. Zudem könnte sie im nichtreglementierten Bereich in einem Wirtschaftsunternehmen als Juristin arbeiten. Auf diese Möglichkeiten geht sie im Interview nicht ein, was die These, dass sie sich von ihrem erlernten Beruf abwendet, weiter untermauert. Dies wird auch daran deutlich, dass sie generell keinen Plan benennt, zukünftig als Anwältin in Deutschland arbeiten zu wollen. Hierfür wären zunächst Anstrengungen von ihrer Seite aus notwendig, die sie dem ersten Anschein nach nicht auf sich nimmt. Dies lässt auf ihre Unzufriedenheit mit dem erlernten Beruf schließen, die durch die Migration und die Erfahrung eines Neuanfangs in Deutschland erneut zum Tragen kommt. Dieser Schluss bestätigt sich fortan: »And ehm I can't here (.) I can't work in my area, and I don't want ehm to ehm ehm. Comment- I don't want to ehm«.18 (I. 19-20)

Während Frau Assogba sich erneut auf ihre nicht ausreichenden Sprachkenntnisse bezieht, die sie als zentralen Grund dafür deutet, nicht mehr als Juristin arbeiten zu können (»I can’t«), führt sie weiter aus, es auch nicht zu wollen (»I don’t want«). Ohne diesen Aspekt weiter zu erläutern, weist sie darauf hin, als Notlösung auch in einem Geschäft in einer Einkaufsstraße arbeiten zu können: »if if I have no choice (.) äh I I can go to to ((Name einer Einkaufsstraße)) and work anywhere you know in the shop«. (I. 20-21)

Möglicherweise drückt die Sequenz aus, dass Frau Assogba überall eine Tätigkeit finden könnte, sollte sie dringend auf ein Einkommen angewiesen sein – zum Beispiel als Verkäuferin. Unmittelbar nach der Äußerung dieses Gedankens verwirft sie diesen jedoch wieder, da eine derartige Anstellung nicht ihr Ziel sei und sie damit ihre Kenntnisse verschwenden würde: 18 | Das im Zitat stehende »Comment« hat die Akteurin französisch ausgesprochen. Der Begriff leitet üblicherweise eine Frage nach einem »Wie« ein und zeigt hier ihre sprachliche Unsicherheit an und den Versuch, ihre Gedanken in der englischen Spra­ che auf den Punkt zu bringen.

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland »in the- but for me I think I lose my time and I lose eh my (.) Ausbildung donc my ja ( ) mes compétences«. (I. 21-23)

Es kann vermutet werden, dass Frau Assogba bereits Kompetenzen und Fertigkeiten im Frisieren erworben hat, da sie im Fall einer Tätigkeit in einem Geschäft deren möglichen Verlust beklagt, sollte sie diese nicht weiterhin anwenden. Frau Assogba befindet sich in einer Phase beruflicher Neuorientierung und Unsicherheit, in der sie sich von ihrem erlernten Beruf abwendet, sich aber noch in keinem anderen Berufsfeld etabliert hat. Dies bestätigt sich in der weiteren Narration, in der die Akteurin ausführt, zwischenzeitlich den Plan gehabt zu haben, wieder nach Paris zu gehen, um dort für einen gewissen Zeitraum in einem anderen »job« zu arbeiten: »And I- so I decided in December to ehm come back to France eh in Paris; eh to ehm to ehm leave my husband temporarly, and to find another job in Paris«. (I. 23-25)

Die Äußerung, den Plan gehabt zu haben, nach Frankreich zurück zu gehen, macht Frau Assogbas Migrationsprozess von Frankreich nach Deutschland sichtbar. Zudem erwähnt sie ihren Ehemann, den sie im Falle eines Zurückkehrens nach Frankreich in Deutschland alleine lassen würde. Welche Tätigkeit Frau Assogba in Frankreich ausüben wollte, sagt sie nicht; da sie jedoch von »another job« spricht, lässt sich die Vermutung anstellen, dass sie nicht in ihrem erlernten Beruf arbeiten und möglicherweise vor allem wegen der Sprachkenntnisse im Französischen erneut nach Paris gehen wollte. Diese Möglichkeit habe sie jedoch zugunsten eines gemeinsamen Zusammenlebens mit ihrem Ehemann in Deutschland wieder verworfen. »E:::h m::::m but I definitely I read- I I I don’t think that is a real solution«. (I. 25)

Frau Assogbas gewohnte Routinen im Erwerbsleben sind, wenngleich sie mit ihnen nicht zufrieden war, durch die Migration nach Deutschland zusammengebrochen. Sie befindet sich in einer Krisensituation, in der sie nicht weiß, wie es beruflich weitergehen soll, und die sie für sich zu bewältigen sucht. Hierbei spielt ihr Ehemann eine zentrale unterstützende Rolle, der sie durch Denkanstöße zur Reflexion über ihre beruflichen Kindheitswünsche anregte: »So my man said to me, eh what do you want do when you are eh when you were klein? What do you want to do and?« (I. 25-27)

Infolge dieses Denkanstoßes besann sich Frau Assogba zurück auf ihren früheren Traumberuf und emanzipierte sich im Kontext der Migration und der Phase beruflicher Nicht-Etabliertheit von der Bestimmungsgewalt der Mutter.

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Sie beschloss, sich ihrem Kindheitstraum, der Ausübung des Berufs der Friseurin, zuzuwenden. Als Rollenvorbild diente ihre Schwester,19 die den Friseurberuf erlernte, Frau Assogba einige Frisierkenntnisse vermittelt und in ihrem beruflichen Wunsch scheinbar berstärkt hat: »Because my sister is a very very good ehm Friseurin. And eh she learned me many things about hair«. (I. 27-28)

Ihren Entschluss teilte sie zunächst ihrem Ehemann mit: »and I said to my man I want to be a @ Friseurin @«. (I. 28)

Resümierend kann aus der chronologischen Gestaltung der Eingangssequenz die These aufgestellt werden, dass es seit Kindheitstagen Frau Assogbas Wunsch ist, als Friseurin zu arbeiten. Hierfür spricht, dass sie ihre Erzählung nicht chronologisch gestaltet, sondern mit dem ›Drama ihres Lebens‹ beginnt, um welches herum sie ihren Erzählplot entfaltet. Ihr Berufswunsch wurde maßgeblich von der Mutter untergraben und kommt als konfliktuöse Diskrepanz zwischen ihrem aktuellen beruflichen Profil und ihrer Passion im Kontext der Migration nach Deutschland erneut zum Tragen. Frau Assogbas Biografie scheint von der Gegensätzlichkeit von ›Wollen‹ und ›Sollen‹ maßgeblich bestimmt. In der Vergangenheit dominierte eine Pflichterfüllung, die nun von einem starken Wunsch nach Selbstverwirklichung abgelöst wird. Während sich Frau Assogba in der Vergangenheit den beruflichen Vorstellungen ihrer Mutter gebeugt und nicht ihren Traumberuf, sondern einen von der Mutter anerkannten Beruf erlernt hat, zog sie die Ausübung des Friseurberufs nicht mehr für sich in Betracht. Erst als sie nach der Migration nach Deutschland aufgrund unzureichender Deutschkenntnisse nicht unmittelbar eine Anstellung als Juristin findet, fällt sie den Entschluss, ihre Passion des Haarefrisierens in Deutschland zu ihrem Beruf zu machen. In diesem Zusammenhang spielt ihr Ehemann eine zentrale Rolle, der zum einen ihr Streben nach Selbstverwirklichung mit angestoßen hat und zum anderen zu unterstützen scheint. Im weiteren Verlauf des Interviews expliziert die Akteurin Vermutungen über den Grund, warum ihre Mutter ihr den Berufswunsch verwehrte. Sie schreibt ihrer Mutter – wie bereits in der Eingangssequenz angedeutet – einen normativen Orientierungsrahmen zu, von welchem ausgehend sich eine 19 | Frau Assogba hatte während der Erhebungsphase bereits seit längerem keinen Kontakt mehr zu ihrer Schwester, die sich mit der Familie zerstritten hat. Der genaue Zeitpunkt des Zerwürfnisses sowie seine Gründe können an dieser Stelle nicht be­ nannt werden; möglicherweise spielte hier die Tätigkeit der Schwester als Friseurin eine Rolle.

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allgemein verbreitete Abwertung des Afrohaarbusiness im Herkunftsland vermuten lässt.

4.2.3    »Friseurin is less class you know?«:          Eine berufliche Ver wirklichung mit Hindernissen Mit der Zuwendung zu ihrem eigentlichen Berufswunsch entzieht sich Frau Assogba nicht nur der mütterlichen Instanz, sondern wendet sich gegen eine für den afrikanischen Kontext konstatierte Abwertung des Friseurberufs: »Friseurin for African people (.) like my mother because ehm my my father and my mother did ehm eh went to school so they they have an an education and for for my mom, eh it is not possible to become a Friseurin. For her that is very ehm (.) less class you know, so (.) it's no- never never in our eh in her family«. (I. 28-32)

Sie beschreibt eine vorherrschende Ablehnung des Berufs durch »African people« im Allgemeinen, die sich im Speziellen in der Haltung ihrer Eltern widerspiegele, die beide über eine angesehene Ausbildung verfügen20 und den Beruf der Friseurin als »less class« mit einer unteren gesellschaftlichen Klasse assoziieren. Konkret gibt sie an, dass ihre Eltern die familiäre gesellschaftliche Stellung aufrechterhalten und an sie weitergeben wollen. Die Äußerung, dass eine Assoziation der Familie mit unteren gesellschaftlichen Schichten undenkbar und bisher nicht vorgekommen sei, ignoriert den Fakt, dass bereits Frau Assogbas Schwester den Beruf der Friseurin ergriffen hat. Es kann vermutet werden, dass die Schwester außerhalb der familiären Sphäre agiert und kein enges Verhältnis zu dieser pflegt (vgl. Fußnote 19). Die Sequenz macht deutlich, dass die Abwertung des Berufs der Friseurin auf einer Normvorstellung beruht, die intergenerational weitergereicht wird und den Beruf als nicht angesehen abtut. Als Norm kann rekonstruiert werden, nicht als Afrohairstylistin tätig zu sein, da das Berufsprofil vermeintlich nicht dem Maßstab einer geordneten Lebenspraxis genüge, die sich durch Bildung und Leistungsstreben auszeichne. Eine Tätigkeit Frau Assogbas in diesem abgewerteten Berufsfeld würde das gesellschaftliche Prestige der Familie gefährden, da diese dann mit den ›unteren Gesellschaftsschichten‹ und fehlender Bildung assoziiert würde. So sei die Vorstellung stark verbreitet, dass Friseurinnen wenig Erfolg in der Schule gehabt hätten (»People think that […] hairdressers […] had not success at school« I. 898-899). Frau Assogba macht auf die Konsequenzen abwertender Zuschreibungen für das Selbstbild von Friseurinnen in afrikanischen Ländern aufmerksam, die sich als minderwertig begreifen würden: 20 | Während Frau Assogbas Mutter den Beruf der Sekretärin ausübt, ist der Vater im höheren Staatsdienst tätig.

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland »So ja we we people have this mentality who are hairdressers, you are second cate­ gory, you know you are. And I think my mother thinks the same thing«. (I. 900-902)

Sie schildert, wie Zuschreibungen Menschen ihren Platz in einer gesellschaftlichen Klassenhierarchie zuweisen. So sei es Friseurinnen bewusst, dass sie gesellschaftlich verachtet seien (»you know you are«). Diese Geringschätzung charakterisiert Frau Assogba als ein besonderes Problem in Afrika, das sie als Folge der Erfahrung von Sklaverei erklärt. Sie deutet die Orientierungen von »African people« und ihrer Eltern mit einer »slavery mentality«: »For me it’s a slavery mentality. It’s just too complex. I don’t know about what, but about something. Because you you you are black you are a doctor, ah so, you can do like whites. You can do like a white person. Ah you are director. You are intelligent like a white person. […] Over all that that is a slavery mentality. […] So I don’t know. So for me it’s a it’s a it’s a rare choice to do that«. (I. 959-968)

Frau Assogba differenziert zwischen Weißen und Schwarzen und bezieht sich mit dem Begriff »slavery mentality« auf eine Orientierung von letztgenannten (»you are black«) an den Normen von erstgenannten (»you can do like whites«). Problematisch sei, wenn Schwarze Bewertungsmaßstäbe von Weißen übernehmen und Personen, Tätigkeiten und Berufe entsprechend einer solchen Bewertungsskala einordnen würden. Als angesehene Tätigkeiten seien, so Frau Assogba, die des »doctors« und des »directors« eingestuft. Auffällig ist, dass es sich hierbei nicht um Berufe, sondern um hohe hierarchische Ränge handelt. In diesem Sinne gehe es einer Schwarzen Person darum, wie Weiße eine angesehene Position zu besetzen, um zu zeigen, dass man ebenso intelligent sei (»intelligent like a white person«). Eine von ihr als »slavery mentality« charakterisierte Orientierung führe dazu, dass Berufe und Positionen, die den Weißen Normen nicht entsprechen, abgewertet würden. Einen solchen Beruf auszuüben, werde für Personen wie sie erschwert oder gar verunmöglicht (»So for me it’s a it’s a rare choice to do that«). Wer oder was anerkannt und erstrebenswert sei, liege in der Definitionsmacht von Weißen, die Errungenschaften von Schwarzen aberkannten (vgl. Kap. 3.1). Durch den Begriff des Sklaven stellt die Akteurin eine Beziehung zwischen der kolonialen Vergangenheit und den heutigen Orientierungsmustern von Menschen her. Sie führt es als problematisch an, wenn Schwarze eine Weiße Definitionsmacht unhinterfragt adaptieren und in einer fremdbestimmten Sklavenposition verbleiben. In ihrer Kritik wendet sie sich gegen die von der Mutter21 vermittelte Norm, was ihre reflexiven und kognitiven Fähigkeiten besonders hervorhebt. Insbesondere die in der 21 | Zwar weist die Akteurin auch auf ihren Vater hin, dennoch ist auffällig, dass die Mutter häufiger erwähnt wird. Es kann vermutet werden, dass die Mutter-Tochter-

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primären Sozialisation erworbenen Muster gelten als schwer zu durchbrechen, da diese von dem Kind »nicht als eine unter vielen möglichen Welten, sondern als die Welt schlechthin« (Berger/Luckmann 2012, S. 145) angenommen werden. Deren Hinterfragung gelingt der Akteurin, indem sie den historischen Kontext der Kolonialisierung afrikanischer Länder in ihre Kritik aufnimmt. Der Analyse des komplexen Zusammenhangs von Weißen Normen und deren Adaption durch Schwarze widmete sich der Psychiater Franz Fanon (1985), der in seinem Buch »Schwarze Haut, weiße Masken« die Folgen des Kolonialismus für das Selbstbild Schwarzer Individuen durchleuchtet. Unter Bezugnahme auf Sartre erläutert er, dass sich das Ich »nur über den bestätigenden, anerkennenden Blick des Anderen als Ich erkennen und erfahren« (Kastner 2012, S. 85) könne. In diesem Zusammenhang sei die Beziehung eines Ichs zu einem Anderen als eine Beziehung von prinzipiell Gleichen konzipiert, wogegen Fanon argu­mentiert, dass das Angeblicktwerden für Schwarze keine Anerkennung zur Folge habe: »Stattdessen seien sie aufgrund der rassistisch strukturierten Gesellschaft einer neu­ rotischen Situation ausgesetzt: Als Schwarze würden sie nicht als Gleiche anerkannt, daher seien sie, um den für die Konstitution des Ich notwendigen Blick auf sich zu ziehen, gezwungen, ›weiße Masken‹ aufzusetzen und sich selbst damit zu verleugnen« (ebd., S. 86).

Fanon erläutert, dass Schwarze über einen Minderwertigkeitskomplex verfügen können, da die Welt an einem Weißen Standard ausgerichtet sei. Als Strategie würden sich Akteure/Akteurinnen an diese Umwelt anpassen und deren Standards kopieren, wodurch die Negativkonnotation von Schwarzsein erhalten bleibe. Mit Fanons Theorie ließe sich die Abwertung von Berufen erklären, die auf einer in afrikanischen Ländern zirkulierenden Expertise beruhen. Demnach hätten Akteure/Akteurinnen wie Frau Assogbas Mutter die Abwertung des Berufsprofils verinnerlicht und passten sich an die dominanten, von der Akteurin als »white« bezeichneten Konstruktionen eines ›guten Berufs‹ an, um in einer von Weißen Standards dominierten Gesellschaft erfolgreich zu sein und wertgeschätzt zu werden. Die Ablehnung spezifischer Berufsbilder könnte eine Antwort auf die Zeit der Kolonialisierung darstellen, wenngleich noch weitere und andere Ursachen ausschlaggebend sein und hinzukommen können. Ein solches Orientierungsmuster wird von Frau Assogba stark kritisiert. Eine vergleichbare Kritik findet sich in einem Interview mit einer aus Nigeria stammenden Salonbesitzerin und Braidingschulbetreiberin, die ebenfalls beschreibt, den Beruf zunächst wegen der elterlichen BerufsvorBeziehung enger ist als jene zwischen Tochter und Vater. Hierfür spricht auch, dass die Tochter der Mutter einen besonders großen Einfluss beimisst.

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stellungen nicht ausgeübt zu haben (vgl. I. Egolum 41-44). Während Frau Assogbas Mutter durch die Weitergabe dieser Normenbilder zu deren Persistenz und Objektivierung beiträgt, bricht die Tochter aus diesem normativen Gefüge aus. Als erster Schritt des Ausbruchs kann die Identifikation der normativen Orientierungen im Rahmen einer beruflichen Krise nach der Migration nach Deutschland angeführt werden. Getrieben durch den Denkanstoß des Ehemannes führt die Rückbesinnung auf den einst verwehrten Traumberuf zu einer kritischen Reflexion über die eigenen sowie die elterlichen Handlungsorientierungen.22 Der Fall zeigt, dass die Erfahrung einer Krise – wie in diesem Falle die Situation beruflicher Ortslosigkeit und Umorientierung – nicht einseitig als Problemverstrickung definiert werden darf, sondern als Potenzial für Veränderung. Indem Routinen durchbrochen werden – wie in diesem Fall die Orientierung an erworbenen Normen der primären Sozialisation –, kommt es zur Entstehung von etwas Neuem und Weiterentwicklung des eigenen Lebensentwurfs. Insofern solche Muster für den menschlichen Lebenslauf konstitutiv sind, sind Krisen als Normalfall zu betrachten (vgl. Oevermann 2008, S. 21f.). Im Fall von Frau Assogba ist die der Krise vorausgehende »Krisenkonstellation« (ebd., S. 10) die das Afrohairbusiness abwertende Norm. Diese Krisenkonstellation verhindert zunächst, dass Frau Assogba den Beruf der Afrohairstylistin erlernt. Erst im Moment des Hinterfragens und des (erneuten) Bewusstmachens des Lebenstraums, d.h. im Moment der Identifizierung der Krisenkonstellation, expliziert und entlädt sich diese als Krise und äußert sich darin, dass ihre gewöhnlichen Routinen und Orientierungsrahmen zusammenbrechen. Damit geht ihr zunächst der »innere Gesprächspartner« verloren, den sie im Vorfeld in den durch Eltern und Gesellschaft an sie herangetragenen Normen gefunden hatte (vgl. Honneth 2012, S. 133). Die Akteurin befindet sich fortan in einer Situation, in der sie sich einen neuen Referenzrahmen suchen oder schaffen muss, innerhalb dessen sie die Abwertung des Berufes durch ihre Eltern und weitere Personen bewältigen und eine Tätigkeit in dem Berufsfeld als anerkannt erleben und legitimieren kann. Diese Herausforderung löst sie dadurch, dass sie die Frisiertätigkeit als anspruchsvolles Geschehen deutet und die Kompetenzen von Afrohairstylistinnen beschreibt, die ihr sodann eine Realisierung ihres Wunsches zugestehen sollen. An die Stelle der abwertenden generalisierten Anderen (Eltern; Norm im Herkunftsland) tritt die Betonung der Besonderheit der Frisiertätigkeit: Frau Assogba setzt den Normvorstellungen eine alternative Sichtweise auf Afrohairstylisten/ Afrohairstylistinnen entgegen, wonach die Tätigkeit der »African Friseurin« 22 | Es kann vermutet werden, dass sich die Akteurin bereits im Vorfeld des Denk­ anstoßes des Ehemannes mit den normativen Orientierungen ihrer Eltern befasst hat; die Konfliktbehaftetheit dieser Orientierung wird in ihrer aktuellen Situation allerdings erst durch den Ehemann (wieder) relevant gemacht.

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(I. 33) eine künstlerische sei (»ce sont des artistes« I. 33-34). Mit dem Begriff »artiste«, des Künstlers, positioniert Frau Assogba die Tätigkeit des Haarefrisierens nicht ausschließlich als Beruf und Handwerk, sondern als Kunst, die sich dadurch auszeichnet, dass sie Neues schafft und Normen überschreitet. Dieses umfassende Verständnis knüpft an philosophische Auffassungen der Neuzeit an, nach welchen Künstler/-innen der Inbegriff eines intellektuellen Menschen sind (vgl. Krieger 2007, S. 13). Künster/-innen setzen sich demnach in Muße mit der Welt auseinander und gehen kreativ mit dieser um. Im Kontrast dazu galten die bildenden Künste im antiken Griechenland als »Handarbeit« und Künstler/-innen als ungebildete Handwerker/-innen (vgl. ebd.). Eine Perspektive, die Handarbeit als intellektuelle Tätigkeit begreift, geht bis auf die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts in Florenz zurück, als der Goldschmied, Architekt und Bildhauer Brunelleschi und der Universalist Alberti Kunst, Geometrie sowie Arithmetik zusammendachten und Künstler/-innen als sittlich tüchtige und umfassend gebildete Menschen anpriesen (vgl. ebd., S. 17). Ein Selbstverständnis als Künstlerin, wie von Frau Assogba hier aufgezeigt, hat somit eine lange kunstgeschichtliche Tradition. In ihrer Positionierung ist Frau Assogba in der heutigen Zeit kein Einzelfall. Ein entsprechender Habitus findet sich auch im Fall anderer Friseursalonbetreiber/-innen, die nicht auf Afrohairstyling spezialisiert sind (vgl. z.B. Hungerbühler 2003, S. 24). Er erfährt durch den kolonial geprägten Kontext des Berufs der Afrohairstylistin aber eine zusätzliche Bedeutung. Frau Assogbas Selbstverständnis als Künstlerin (vgl. auch Beobachtungsprotokoll 100) muss als Bewältigung einer multiplen Abwertung verstanden werden: »it’s so complicated to do that. It’s so lange, it’s so- you have to be patient, you have to eh eh you you you have to eh:m to be creative you you have- so it’s not easy«. (I. 34-36)

In der anerkennenden Darstellung des Berufsbildes löst sich die Akteurin von der abwertenden Repräsentation des Berufs durch Dritte und fokussiert auf die Praktik des Frisierens als ›nacktes‹ Geschehen. Durch die Betonung des Anspruchs und Wertes der Tätigkeit macht sie dem Afrohairbusiness zugeschriebene negative Attribute als sozial konstruiert und prinzipiell veränderbar sichtbar. Dies zeigt, dass die Positionierung in einem marginalisierten Kontext, wie hier im Afrohairbusiness, selbst Möglichkeiten bietet, von welchen aus alternative Möglichkeitsräume formiert werden können (vgl. hooks 1996, S. 152; Kazeem/Schaffer 2012, S. 182). Die alternative Deutung des Berufsbildes stellt einen Prozess der Ermächtigung dar, indem Frau Assogba tradierte koloniale Orientierungen und Normen zu dekolonialisieren sucht. Sie strebt an, die eigene Verortung in diesem Berufsbereich vor Dritten zu legitimieren. Honneth

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fasst eine Überschreitung der Normen des generalisierten Anderen in Orientierung an Mead als kreativen Part des ›Ichs‹: »Wird dieses kreative Reaktionspotential des ›Ich‹ nun als der psychische Widerpart des ›Mich‹ aufgefaßt, dann stellt sich schnell heraus, daß es mit der bloßen Verinner­ lichung der Perspektive des ›generalisierten Anderen‹ in der moralischen Identitätsbil­ dung nicht sein Bewenden haben kann; vielmehr wird das Subjekt in sich stets wieder den Andrang von Forderungen verspüren, die mit den intersubjektiv anerkannten Nor­ men seiner gesellschaftlichen Umwelt unvereinbar sind, so daß es sein eigenes ›Mich‹ in Zweifel ziehen muß« (Honneth 2012, S. 132).

Frau Assogba verspürt als Andrang zur Normüberschreitung ihren starken Wunsch nach Selbstverwirklichung. Dieser Wunsch fungiert als ›Motor‹, wenn »ein Subjekt in sich Handlungsimpulse verspürt, an deren Realisierung es sich durch rigide Normen seiner sozialen Umwelt gehindert sieht« (ebd., S. 133). Im Fall von Frau Assogba geht der Prozess der Selbstverwirklichung einher mit der Bewältigung von tradierten Normen, und der Herstellung eines neuen Bezugsrahmens. Im Sinne von hooks kann daher von einem ›talking back‹ gesprochen werden, in dessen Rahmen die Akteurin Assogba eine widerständige und befreite Stimme erhält: »Für Unterdrückte, Kolonisierte und Ausgebeutete […] ist die Bewegung vom Schwei­ gen hinein in die Rede eine Geste mutiger Aufsässigkeit. Sie ist eine Geste, die heilt, die neues Leben schafft und neues Wachstum ermöglicht. Dieser Akt des Sprechens, des talking back [des Widerrede Leistens, C.S.], ist nicht nur eine Geste der leeren Worte. Er ist Ausdruck unserer Bewegung von Objekt zu Subjekt – die befreite Stimme« (hooks 1989, S. 9; Herv. i.O.).

Die Sequenzen verdeutlichen, welche nachhaltigen Auswirkungen die historische Aberken­nung der Afro-Frisiertätigkeit auf einer individuellen Ebene haben kann. Frau Assogba entwickelt eine Strategie des Umgangs mit der – das Afrohairbusiness nicht-anerkennenden – Norm nach ihrer Migration nach Deutschland und mithilfe der Ermächtigung durch ihren Ehemann. Sie beschließt, ihren beruflichen Kindheitstraum zu verwirklichen. Es lassen sich zwei Stränge der Bewältigung rekonstruieren: Zum einen führt Frau Assogba die Abwertung des Afrohairbusiness auf eine »slavery mentality« zurück, die sie stark kritisiert. Zum anderen wertet sie den Beruf durch Fokussierung auf die tatsächliche Frisiertätigkeit auf. Mithilfe dieser kognitiven Strategien schafft sie sich die innere Legitimation, um den Beruf ergreifen zu können. In der Bilanzierung ihrer Situation am Ende der Eingangssequenz des Interviews wird deutlich, dass sich Frau Assogba noch im Prozess der beruflichen Verwirklichung als Afrohairstylistin befindet. Dieser wurde im Rahmen der

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Feldforschung verfolgt und wird in den nächsten Kapiteln dargestellt (»I am a lawyer and now eh- I want to be a Friseurin« I. 63-64).

4.2.4   Die Gründungsphase :               Vom Wohnzimmersalon zum verberuflichten Betrieb Das Kapitel rekonstruiert die Gründungsphase von Frau Assogbas Salon und ihre Strategien zu dessen Etablierung und Aufrechterhaltung chronologisch. Die Gründungs- und Etablierungsphase zeichnet sich durch spezifische Etappen und Strategien der Wissensaneignung aus, welche die in der Kindheit angeeigneten Grundkenntnisse im Frisierbereich erweitern: • Dezember 2010: Absolvierung eines Praktikums in einem Afro Hair Salon in Benin; Entwicklung und Distribution des ersten Werbeflyers; • April 2011: Besuch eines Trainings in einer Braidingschule in London; Online- und Offline-Marketing; Distribution des zweiten Werbeflyers; • Juni 2011: Teilnahme an einem Training in einer auf die Anfertigung von Weaves und Haarverlängerungen spezialisierten Schule in Paris; • September 2012: Absolvierung eines zweiten Trainings in Paris in einer auf Haarverlängerungen an sogenanntem ›caucasion hair‹ spezialisierten Schule; • Oktober 2012: Besuch eines Workshops zur Anfertigung von sogenannten Sisterlocks in London. Die jeweiligen Etappen werden im Folgenden ausführlich erläutert.23 Es wird aufgezeigt, wie Frau Assogba ihre Wissensaneignung organisiert, welche Inhalte sie aneignet und wie sie das an verschiedenen Standorten erworbene Wissen in Deutschland als Ressource nutzt. Der Aneignungsprozess wie das Wissen selbst können als transnationalisiert charakterisiert werden. Abschließend wird argumentiert, dass Frau Assogba die erlebte Abwertung des Afrohairbusiness durch den transnationalisierten Wissenserwerb überwinden möchte.

4.2.4.1   Weiterentwicklung vorhandener Kenntnisse                  durch ein Praktikum in Benin und der erste Werbeflyer Frau Assogba verfügte, nachdem sie nach Deutschland migriert ist und den Entschluss gefasst hat, Afrohairstylistin zu werden, über basale Kenntnisse im Afrohairstyling, die ihr ihre Schwester, eine ausgebildete Afrohairstylistin, ver-

23 | Eine weniger detaillierte Darstellung und Analyse von Frau Assogbas transnatio­ naler Wissensaneignung und der Charakteristika des angeeigneten Wissens wurde in Hollstein/Schmitt (2013) publiziert.

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mittelte.24 Um die informell erworbenen Kenntnisse zu erweitern, entschloss sich Frau Assogba im Dezember 2010, fünf Monate nach ihrer Migration nach Deutschland, zu einem Praktikum in einem Salon in ihrem Herkunftsland. Sie flog zunächst nach Benin und absolvierte ein zweiwöchiges Praktikum in einem Salon: »I decided to go in Africa in December. […] I went there in my in my ehm (.) country and […] did a training […] for two weeks«. (I. 36-39)

Aufgrund ihrer Grundkenntnisse im Afrohairstyling gibt sie an, schnell dazu gelernt zu haben. Die bereits im Kindesalter erlernten Bewegungsabläufe beim Frisieren stellt sie als bedeutsames Moment dar, um zukünftig als Friseurin erfolgreiche zu sein: »I learned with my sister, you know? It’s- if- I think to be a good Friseurer you have to ehm to learn quickly. When you are young. //I.: Mhmm// Because ehm I I ehm in December I started to eh to eh to ehm to do hair and everything eh came quickly, you know? I have at the beginning it’s difficult but you […] have some automatic eh you know, eh movements […] it’s somewhere in your in your head«. (I. 748-753)

Zur Organisation des Praktikums griff Frau Assogba auf die Unterstützung ihrer in Paris lebenden Mutter zurück, die den Praktikumsplatz organisierte, einen Frisierkopf zum Üben kaufte und sie nach Benin begleitete: »this head, my mother buyed it eh to to me in Paris […]. So I I went in Benin with my mother […] in December«. (I. 782-784)

Die mütterliche Unterstützung begründet Frau Assogba auf meine Rückfrage hin damit, sich in der Vergangenheit den mütterlichen Wünschen gebeugt zu haben und nun eine Ausbildung vorweisen zu können. Zudem sei sie verheiratet, was aufseiten der Mutter als Erfüllung anderer bedeutsamer Normen betrachtet wird (»she know that I am educated and married« I. 894) und der Tochter nun die Aufnahme der gewünschten Beschäftigung erlaubt (»I have my degree, for her it’s okay. […] I can do mhmm any any anything now« I. 897898). Dass die berufliche Etablierung in diesem Bereich für die Mutter »okay« 24 | Über die Reaktion der Eltern auf die Tätigkeit von Frau Assogbas älterer Schwest­ er im Afrohairbusiness liegen mir keine Erkenntnisse vor. Es kann die Vermutung auf­ gestellt werden, dass sich die Schwester über die elterlichen Bildungsaspirationen hinweggesetzt hat und aus diesem Grund mit der Familie gebrochen haben könnte (vgl. Fußnote 19). Dies würde wiederum Frau Assogbas lange Orientierung an den müt­ terlichen Erwartungen – möglicherweise zugunsten des ›Familienfriedens‹ – erklären.

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sei, deutet allerdings darauf hin, dass diese nach wie vor nicht erfreut hierüber ist, sich aber mit der Entscheidung der Tochter arrangieren kann. Nach der Rückkehr aus Benin begann Frau Assogba damit, Flyer in der deutschen Stadt zu verteilen und ihre Tätigkeit als Afrohairstylistin aktiv zu bewerben. Auf ihrem ersten Flyer titelte sie »AFRIK HAIR. Miss ((ihr afrikanischer Vorname)) can do Everything!« (vgl. Abb. 9). Unter dieser Überschrift führt sie eine Vielzahl an Flechtfrisuren an, die sie im Rahmen ihrer Dienstleistung zum damaligen Zeitpunkt anbot. Zur Erbringung der Dienstleistung könne sie zu den Kunden/Kundinnen nach Hause kommen: »Can travel to your home. Déplacement à domicile«. Deutlich wird zum einen, dass Frau Assogba durch die Ausführungen im Französischen und Englischen eine internationale Klientel adressiert und sich keinesfalls auf Migranten/Migrantinnen aus ihrem Herkunftsland beschränkt. Die Bezeichnung »AFRIK HAIR« impliziert zum anderen eine Fokussierung auf Kunden/Kundinnen mit Afrohaar. Frau Assogba rückt ihre Herkunft aus Afrika strategisch in den Vordergrund, um die Expertise im Umgang mit dieser Haarstruktur und der Anfertigung afrikanischer Frisurenstile zu untermauern. Sie nennt auf ihrem Flyer ihren ersten afrikanischen Vornamen, nicht aber ihren weiteren Vornamen, der nicht mit einer spezifischen Herkunft assoziiert ist. Damit greift sie die unter manchen Kunden/Kundinnen verbreiteten Assoziationen und Erfahrungen auf, dass nur afrikanische und/oder afroamerikanische Frauen eine gute Arbeit im Afrohairstyling leisten könnten (vgl. Kap. 4.1.3). Die Gestaltung des Flyers offenbart ihre Kompetenz, ihren Migrationshintergrund als Ressource einzusetzen und je nach Kontext unterschiedliche Momente ihrer Erfahrungen und Biografie in den Vordergrund zu rücken, um ihren Handlungsspielraum – hier konkret die Aussagekraft ihrer Werbung – auszuweiten. In politischen Diskursen, aber auch in wissenschaftlichen Theorien, wird der sogenannte Migrationshintergrund sowie eine Mehrfachorientierung von Akteuren/Akteurinnen gelegentlich noch immer als Defizit oder Ausnahmeerscheinung deklariert. Von Migranten/Migrantinnen wird verlangt, sich an eine vermeintlich homogene Aufnahmegesellschaft anzugleichen. Der Fall von Frau Assogba zeigt hingehen, dass gerade multiple Erfahrungen und Migrationsprozesse als Ressource genutzt werden können. Ihren Flyer verteilte Frau Assogba an urbanen Orten, an denen sich viele afrikanische Migranten/Migrantinnen aufhalten. Hierzu hat sie von Afrikanern/ Afrikanerinnen geführte Betriebe in Stadt und Region recherchiert: »I make a a a list (.) of eh African restaurants […] I want to go there to eh to give my my flyer. […] African shop, and et cetera et cetera I I have to see every people in ((Name der deutschen Stadt))«. (I. 122-125)

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Abbildung 9: Werbeflyer »AFRIK HAIR« der Afrohairstylistin Sophie Assogba

Quelle: Eigene Erhebung.

Zusätzlich zum Verteilen ihrer Flyer stand sie zu diesem Zeitpunkt in Kontakt mit einer Mitarbeiterin aus einem Geschäft, in dem Perücken, Haarteile und Pflegeprodukte für Afrohaar verkauft werden. Die Mitarbeiterin informierte interessierte Kundschaft über Frau Assogbas Dienstleistungen und vermittelte ihr diese weiter (vgl. Beobachtungsprotokoll 22). Diese Kundenaquise/Kundinnenaquise ist eine Strategie innerhalb von Frau Assogbas Plan zur Realisierung ihres Berufswunsches. Sie illustriert ihr systematisches Vorgehen in der Umsetzung ihres Vorhabens. Dass sie dabei nicht intendierte, dauerhaft informell von zu Hause aus zu frisieren, sondern bereits vor dem Zeitpunkt des Interviews im Januar 2011 Überlegungen entwickelt hatte, wie sie sich einen Überblick über den Markt in Deutschland verschaffen kann, erläuterte sie bei unserem ersten Zusammentreffen. Während viele Frauen der Tätigkeit des Haarefrisierens ohne formelle Qualifizierung von zu Hause aus nachgehen, strebte sie die Entwicklung eines tragfähigen beruflichen Profils und eine An-

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meldung ihres Gewerbes aufgrund ihrer Marktanalyse an. Dieses Vorhaben konnte sie im Verlauf der Erhebungsphase realisieren: »I want to open here my salon. […] And for that I want to analyze the market //I.: Mhmm// and to analyze the market […] I want to give my flyer and I want to see how many people will contact me […] for what. […] For braids, for cornrows for so I can analyze […] the wish of of these people and I can eh eh put more accent ehm of eh ehm ehm of the training of this area«. (I. 421-428)

Frau Assogba intendierte zunächst, eine Marktanalyse durchzuführen und erste Kunden/Kundinnen zu gewinnen. Ausgerichtet an den Wünschen der Kundschaft sollten die qualifizierenden Trainings erfolgen (vgl. auch Beobachtungsprotokolle 44, 45). Zudem äußerte Frau Assogba, dass ein formeller Wissenserwerb und eine Erweiterung ihrer Kenntnisse in den vielfältigen Stilen zunächst insgesamt notwendig seien. Hier wird deutlich, wie die Akteurin die Phase informellen Arbeitens von zu Hause aus strategisch nutzt, um sich und ihren Betrieb stetig zu verberuflichen.

4.2.4.2   Trainingskurs in einer Braidingschule in London Zwischen Januar und März 2011 überlegte Frau Assogba zunächst, ein Praktikum in einem Afro Hair Salon in London zu organisieren, meldete sich aber nach Recherchen im Internet für ein zweiwöchiges Training in einer Braidingschule in London an (vgl. Beobachtungsprotokolle 22, 41, 43, 45). Ich hatte nach Einholung des Einverständnisses der Schulleiterin Michelle Egolum die Möglichkeit, Frau Assogba nach London zu begleiten und das im April 2011 stattfindende Training zu verfolgen (vgl. Beobachtungsprotokolle 41, 45, 51). Die Schule ist von der Organisation HABIA zertifiziert, die in Kooperation mit der britischen Regierung Standards und Richtlinien im Frisier- und Schönheitsgewerbe setzt. Der Bereich des Afrohairstylings ist in diese Richtlinien aufgenommen. Für Frau Assogba stellte die Zertifizierung ein ausschlaggebendes Kriterium dar, sich für eben diese Schule zu entscheiden (vgl. Beobachtungsprotokolle 43, 45). Die Ausbildung kostete sie ca. 2.000 Pfund, was im April 2011 etwa 2.300 Euro entsprach (vgl. Beobachtungsprotokoll 41). Hinzu kamen Kosten für Reise und Aufenthalt, was auf die Exklusivität der Wissensaneignung aufmerksam macht (vgl. Beobachtungsprotokoll 41). Da Frau Assogbas Ehemann über ein hohes Einkommen verfügt, konnte er seine Frau finanziell unterstützen. Um weitere Kosten zu vermeiden, wohnte sie während ihres Londonaufenthalts bei einer dort lebenden Freundin (vgl. Beobachtungsprotokoll 45, 47). Im Trainingskurs lernte Sophie Assogba die Anfertigung von verschiedenen Afrohaarstilen wie zum Beispiel Pixie, Zig Zag Cornrows, Twists und Weave. Die Schulleiterin Frau Egolum erläuterte während der Trainingseinheiten den anzufertigenden Haarstil und demonstrierte die genaue Ausführung

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der Technik an einem Frisierkopf. Daraufhin begann Frau Assogba damit, den vorgeführten Stil an ihrem Frisierkopf einzuüben. Die Praktiken des Zeigens, Vorführens und Einübens sind für Frau Egolums Tätigkeit als Lehrperson und das Erlernen von Frisuren zentral. Sie erfüllten im Training von Frau Assogba eine besondere Funktion. Frau Assogba war zum Zeitpunkt ihres Londonaufenthalts zwar in der Lage, sich in Englisch zu verständigen, dennoch waren das Zeigen und Vorführen in Momenten sprachlicher Unsicherheiten als nonverbale Kommunikationsverfahren von Bedeutung. Die Schulleiterin wirkte im Umgang mit einer anderssprachigen Kundschaft routiniert und konnte Kenntnisse durch praktisches Tun vermitteln. Neben der Aneignung der Frisuren lernte Frau Assogba das Konzept der Schulleiterin kennen, die auf sogenannte ›natural hairstyles‹ spezialisiert ist. Andere Schulen bieten zusätzlich Kurse in der chemischen Haarglättung an, die von der Schulbetreiberin Frau Egolum konsequent abgelehnt wird. Ihre Fokussierung bündelt sie unter dem Begriff des Braidings, der chemische Haarglättungen ausschließt. Frau Egolums Schulkonzept 25 soll an dieser Stelle knapp erläutert werden, da Frau Assogba Teile hiervon in ihr eigenes Salonkonzept integriert und an einem anderen Standort weiterführt. In diesem Sinne kann davon gesprochen werden, dass sich Ideen von Frau Egolum und Teile ihres Konzepts transnationalisieren. In der Analyse des Salonkonzepts werden neben Sequenzen aus einem mit der Schulleiterin geführten Interview Auszüge aus Beobachtungsprotokollen hinzugezogen. Die aus Nigeria stammende Schulleiterin gab im Interview an, von ihren Eltern entgegen ihrem Wunsch zur Aufnahme eines Studiums gedrängt worden zu sein, obwohl sie bereits als Kind den Wunsch hatte, Friseurin zu werden (I. Egolum 41-44). Ebenso wie Frau Assogba konnte sie diesen Wunsch erst im Erwachsenenalter und nach ihrer Migration, in diesem Fall nach Großbritannien, in die Tat umsetzen. Nach einer anfänglichen Tätigkeit als Assistentin in einem Abendkurs für Afrohairstyling und zahlreichen Fortbildungen erfüllte sich Frau Egolum ihren Traum einer eigenen Braidingschule in London. Angesprochen auf die Philosophie ihrer Schule führt sie aus, die globale Verbreitung und Anerkennung des Braidings als Kunst anzustreben: »my dream is to make (.) hair braiding a worldwide thing and (.) I know I want people to appreciate the art of braiding«. (I. Egolum 312-313)

Ihr Traum (»my dream«) macht auf eine Differenz zwischen erlebter Realität und ihren Zielvorstellungen aufmerksam. Im Sinne eines besonders starken Wunsches impliziert eine Traumvorstellung die Differenz zwischen einem ›Ist‹ 25 | Für eine ausführliche Analyse von Michelle Egolums Schulkonzept und ihrer Stra­ tegien zur Entwicklung ihrer Braidingschule in Großbritannien siehe Schmitt (2013).

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und ›Soll‹ und konkretisiert, wie das ›Soll‹ in Zukunft aussehen soll. Frau Egolum äußert den Traum nach Anerkennung (»appreciate«) der »art of braiding«, der kunstvollen Haarstile und der Frisierpraktiken durch Dritte (»people«). Sie drückt eine erhoffte Entwicklungsrichtung aus und geht die Umsetzung mit der Implementierung ihrer Braidingschule aktiv an. Gleichzeitig konstatiert sie Hürden in der Realisierung: Der Hinweis, Braiding zu einem »worldwide thing« machen zu wollen, impliziert bereits die Diagnose einer zum aktuellen Zeitpunkt nur marginalen und keinesfalls globalen Wahrnehmung der Haarstile und Frisiertechniken.26 Da Frau Egolum die Umsetzung ihres Ziels anstrebt und hierauf hinarbeitet, entwirft sie nicht bloß eine Phantasie jenseits der Grenzen des Möglichen, sondern eine Vorstellung, die sie innerhalb der Grenzen des Möglichen verortet (vgl. Schütz/Luckmann 2003, S. 480). Zahlreiche Studien zu migrantischem Unternehmertum verweisen darauf, dass Angebote von einer nicht-migrantischen Mehrheitsgesellschaft eher als Nischenmarkt mit ausschließlicher Relevanz für eine bestimmte migrantische Gruppe betrachtet werden (vgl. Hillmann 2011a). Mit ihrer Idee einer weltweiten Verbreitung von Braidingtechniken und deren angestrebter gesellschaftlicher Anerkennung über ethnisch konstruierte Schranken hinweg versucht die Akteurin stattdessen, eine binäre Differenzkonstruktion von ›Wir‹ und ›die Anderen‹ zu dekonstruieren. Dieser Prozess lässt sich analytisch in zwei von ihr vollzogene Schritte gliedern: • Sie betont im Interview wie auch auf ihrer Homepage und ihrer Seite im sozialen Netzwerk Facebook die Schönheit der im afrikanischen und afroamerikanischen Kontext entstandenen Frisuren. Sie kehrt die erfahrene Abwertung durch das Aufzeigen kultureller Errungenschaften von afrikanischen und afroamerikanischen Akteuren/Akteurinnen – ähnlich wie Herr Ayele – im Sinne eines »symbolic reversals« (Neckel/Sutterlüty 2010, S. 230) in eine anerkennende Wertschätzung um. • Zusätzlich strebt sie eine globale Verbreitung der Frisurenstile an. Konstruierte ›Rassegrenzen‹ sollen aufgebrochen und das Afrohairbusiness in seiner universellen Ästhetik, die nicht nur für Schwarze Akteure/Akteurinnen interessant ist, anerkannt werden. Frau Egolums Vorgehen ist als Übergang von einer affirmativen zu einer transformativen Strategie zu charakterisieren (vgl. Fraser 2003, S. 111f.). Die Akteurin sucht zum einen, die historisch abgewerteten Frisurenstile aufzuwerten. Der transformatorische Schritt ist darauf gerichtet, symbolische Gegensätze 26 | Frau Egolums Erleben, in einem nur marginal wahrgenommenen Berufsfeld tä­ tig zu sein, deckt sich mit Herrn Ayeles Perspektive, die in Kapitel 4.1 rekonstruiert wurde.

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zu dekonstruieren, »die gegenwärtig kulturellen Wertmustern zu Grunde liegen« (ebd., S. 104), und »ungerechte Wirkungen gerade durch Restrukturierung des zugrundeliegenden Rahmens zu beseitigen« (ebd., S. 102) – wie dies hier die Trennung in eine tendenziell abgewertete Schwarze und tendenziell anerkannte Weiße Schönheitsindustrie ist. Neben der Marginalisierung des Afrohairbusiness nennt Frau Egolum die Ablehnung von Afrohaar und fehlende Anerkennung von Afrohaarstilen durch »black people« selbst als hinderliche Bedingung für die Realisierung ihres Ziels. Die Ursache dieses Problems identifiziert sie – ähnlich wie Frau Assogba in Bezug auf die Abwertung des Berufs der Afrohairstylistin – im Kolonialismus, der dazu geführt habe, dass viele »black people« ihre Haare ablehnen (»black people don’t like their hair« I. Egolum 375-376) und verändern wollen (»They wanna change it« I. Egolum 370). Der Wunsch danach, das eigene Haar zu ändern, spiegelt sich für Frau Egolum im Produkt des Relaxers wider (vgl. Kap. 3.1.3). Sie nimmt das chemische Haarglättungsmittel als materialisierte Kolonialgeschichte wahr, welches noch heute Abwertungspraxen reproduziere, was sie zu ändern beabsichtigt: »So (.) I want to change it. (.) I want to change everyone from chemicals back to natu­ ral hair. (3) So that’s (.) a dream. Big dream«. (I. Egolum 450-451)

Dabei weist sie in ihren Trainingskursen wie auf ihrer Homepage und im Interview auf die Risiken von Relaxern und dessen Schädlichkeit für die Kopfhaut hin: »So what’s inside chemical relaxer? (2) Sodium hydroxide, very very strong chemical, very very dangerous chemical«. (I. Egolum 406-407)

Frau Egolum identifiziert die Verwendung von Relaxern und fehlende Wahrnehmung und gesellschaftliche Anerkennung von Braiding sowohl in Großbritannien als auch in anderen nationalstaatlichen Kontexten als hinderliche Faktoren für die Umsetzung ihres Traums, Braiding zu weltweiter Wahrnehmung und Anerkennung zu verhelfen. Beide Problematiken führt sie auf koloniale Aberkennungspraxen von Afrohaar und Afrohaarstilen zurück, die zu einer favorisierten Praxis des Haareglättens und einer Unsichtbarkeit von natürlich aussehendem Afrohaar, Afrohaarstilen und des Afrohairbusiness geführt haben (vgl. Kap. 3.1). Mit ihrer auf ›natural‹ Afrohaarstile spezialisierten Schule stellt Frau Egolum der kolonialen Abwertungspraxis einen Raum des Widerstandes entgegen. Diesen Gedanken griff Frau Assogba während ihres Trainings in Frau Egolums Schule auf und machte ihn nach ihrer Rückkehr nach Deutschland zur Grundlage ihres Geschäftskonzepts (vgl. Beobachtungsprotokolle 56, 69). Sie richtete sich ein berufliches Profil auf der Onlineplattform Facebook ein,

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wo sie Fotos ihrer Frisierköpfe aus London und von zahlreichen Afrohaarstilen veröffentlichte. Sie postete Texte, die sich kritisch mit der Verwendung von Relaxern beschäftigen. Die Erfahrungen aus London führten bei Frau Assogba selbst dazu, ihre Haare nicht mehr mit Relaxern zu behandeln, was sie auch in ihrem Facebookprofil verkündete (vgl. Beobachtungsprotokoll 69, 71). Es wird deutlich, dass Frau Egolums Wunsch, chemische Haarglättungen zu überwinden und die Praxis des Braidings zu verbreiten, nun an einem anderen nationalstaatlichen Standort von Frau Assogba angegangen wird und sich grenzüberschreitend ausbreitet. Während das Afrohairbusiness sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland nur marginal wahrgenommen wird, bilden sich in einem transnationalen Raum und in transnationalen Netzwerken Strukturen der Anerkennung und des Wissenstransfers heraus, welche die Beteiligten aktiv herstellen. In diesen Räumen formiert sich Widerstand gegenüber Marginalisierungsprozessen in globalen wie nationalen Kontexten. Nach ihrem Londonaufenthalt wollte Frau Assogba auf Empfehlung von Michelle Egolum ihre Haare in einem Salon einer ihr bekannten Salonbetreiberin in Deutschland frisieren lassen, um mit einer ansprechenden eigenen Frisur für ihren Salon werben zu können (vgl. Beobachtungsprotokolle 59, 60). Schockiert von der Qualität der angebotenen Dienstleistung berichtete sie, dass die Salonbetreiberin nicht sauber arbeite und ihr Handwerk nicht beher-rsche. Dies sei ihr durch den Vergleich der in London erlernten Fertigkeiten mit der Vorgehensweise der Betreiberin deutlich geworden. Sie kritisiert, dass diese keine qualifizierende Ausbildung abgelegt habe und ihrer Kundschaft einen zu hohen Preis abverlange (vgl. Beobachtungsprotokoll 60). Während eines gemeinsamen Besuchs mit Frau Assogba in dem entsprechenden Salon hatte ich Gelegenheit, kurz mit der Betreiberin zu sprechen. Die Salonbetreiberin legitimiert ihre Frisiertätigkeit mit dem Verweis auf ihr ›Afrikanerinsein‹ als quasi angeborenes Können: »we Africans we we are born with this particularty to to know how to do hair […] it coming from yourself. If you want you can perfect yourself inside«. (G. Adou 70-72)

Eine formalisierte Ausbildung hat sie nicht absolviert (vgl. auch Beobachtungsprotokoll 64). Ihr Betrieb ist ihren Aussagen zu Folge nicht als Friseur, sondern als afrikanisches Geschäft registriert. Die Anfertigung von Flechtfrisuren sei ihr gestattet worden, da es sich um eine ›kulturelle Tätigkeit‹ handele (vgl. Kap. 3.2.4): »You know you open something from Africa. Not a- it’s not a salon. […] it’s like a shop you can get a::all from Africa inside (.) and doing hair is part of our culture«. (G. Adou 98-101)

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Frau Assogbas Wunsch, im Gegensatz zu jener Frau ein qualitativ hochwertiges und umfangreiches Angebot zu entwickeln, motivierten sie dazu, sich weitere Haarstile und Techniken in einem formellen Rahmen anzueignen (»I want to do a good hair, a good job. So I I I I had to ehm to do the the good thing« I. 794-795). Sie äußerte, auf der Videoplattform YouTube andere als in der Londoner Schule vermittelte Techniken zur Anfertigung von Weaves und Haarverlängerungen gesehen zu haben, welche sie erlernen wolle.

4.2.4.3   Trainingskurs in Paris und Online- sowie Offlinemarketing Zur Erweiterung ihrer Kenntnisse nahm Frau Assogba im Juni 2011 ein einwöchiges Training in Paris in Anspruch (vgl. Beobachtungsprotokolle 69, 71). Zurück in Deutschland gab sie an, die Anfertigung von Weaves und synthetischen Dreadlocks zu beherrschen und eine innovative, in der Londoner Trainingschule unbekannte Haarverlängerungstechnik erlernt zu haben: »elle m’a appris une autre eh façon de faire« (Visitenkartenverteilen 195). Auf ihrer Facebookseite informierte sie – wie nach ihrem Londonaufenthalt – über ihre neu erworbene Qualifikation (vgl. Beobachtungsprotokoll 71). Zwischenzeitlich konnte sie ihren Betrieb im Zuge einer Ausnahmegenehmigung offiziell anmelden (vgl. Beobachtungsprotokoll 78; Kapitel 3.2). Hierfür nahm sie die Hilfe eines Buchhalters in Anspruch. Die monetären Mittel in der Ehe erleichterten die aufwendige Beantragung der Genehmigung durch die Unterstützung eines Experten: »mon (comptable) a tout fait. […] on a payé […]. Il s’occupe de l’enregistrement«27 (Visitenkartenverteilen 155-160). Frau Assogba erläuterte, im Rahmen ihrer Genehmigung nur bestimmte Haarstile frisieren zu dürfen. Eine Anwendung chemischer Mittel oder das Schneiden von Haaren sei ihr in Deutschland nicht gestattet, da sie hierfür keine Ausbildungsnachweise habe. Somit sei die Ausnahmegenehmigung beschränkt auf Frisurenstile wie Cornrows und Haarverlängerungen, wofür das Schneiden von Haaren und eine chemische Behandlung nicht notwendig seien: »j’ai pas le droit de faire hot fusion, parce que tu sais c’est eh c’est la ceratine. //I.: Mhmm ja// J’ai pas le droit pour faire de la ceratine. Ici, mais en France j’ai le droit. [...] c’est pas profesionelle tu dois aller à l’ecole pour vraiment pour apprendre ça. //I.: Jaja// Il y a une école pour ca. Alors que le braiding il n’y a pas d’école et les extensions. Mais là t’es oubligé donc je n’ai pas le droit ici de faire hot, mais j’ai droit de faire cold. Parce que cold c’est juste, il’n’y a pas de chimie. […] Je suis très

27 | Sinngemäße Übersetzung aus dem Französischen in die deutsche Sprache: »Mein Buchhalter hat alles gemacht. […] wir haben ihn bezahlt […]. Er kümmert sich um die Anmeldung«.

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland contente, j’ai commencé à proposer à mes clients pour celles qui veulent« 28 (Visiten­ kartenverteilen 200-210).

Frau Assogba erklärt, die sogenannte Cold Fusion-Haarverlängerung in Deutsch­land aus rechtlicher Sicht anbieten zu dürfen, da sie ohne Hinzunahme chemischer Substanzen auskomme, wogegen bei der Hot Fusion-Haarverlängerung Keratin verwendet werde. Die Hot Fusion-Haarverlängerung sei ihr deshalb in Deutschland nicht erlaubt, da sie dafür eine Friseurschule besuchen müsste. In Frankreich sei die rechtliche Situation hiervon verschieden, und dort dürfe sie diese Option prinzipiell anbieten. Diese besondere rechtliche Situation führte dazu, dass Frau Assogba während ihres Trainings in Paris gezielt die Cold Fusion-Methode erlernte, die die Haarverlängerung ohne die Anwendung chemischer Substanzen ermöglicht und von Frau Assogba in Deutschland angeboten werden darf: »là elle m’a montré pour la fusion- cold fusion«29 (Visitenkartenverteilen 199). Frau Assogbas Wissen ist in seiner Nutzung auf den nationalstaatlichen Kontext in Deutschland zugeschnitten und wird durch die dort geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen mit strukturiert. Die rechtliche Strukturierung ihres Frisurenangebots empfindet die Akteurin nicht als Einschränkung, sondern im Gegenteil als Notwendigkeit zur Erhaltung eines verberuflichten Berufsprofils. Sie zeigt Verständnis dafür, die Hot Fusion-Methode in Deutschland nicht anbieten zu dürfen, ohne nicht auf einer Friseurschule gewesen zu sein oder eine chemische Anwendungen berücksichtigende Ausbildung absolviert zu haben: »c’est pas profesionelle tu dois aller à l’école pour vraiment pour apprendre ça«� (Visitenkartenverteilen 205-206). Die Sequenz untermauert – ähnlich wie bei Herrn Ayele – ihr berufliches Selbstverständnis und Ziel, eine fachgerechte und auf beruflichem Wissen basierende Dienstleistung zu offerieren. Ihren Status als angemeldete Selbstständige gab Frau Assogba nebst dem in Paris absolvierten Training auf 28 | Sinngemäße Übersetzung aus dem Französischen in die deutsche Sprache: »Ich habe nicht das Recht, die Hot Fusion Methode anzuwenden, weil, weißt Du, da wird Keratin verwendet. //I: Mhmm ja// Ich habe nicht das Recht mit Keratin zu arbeiten. Hier darf ich das nicht, aber in Frankreich darf ich es rechtlich gesehen machen. [… ] Das ist- das ist nicht professionell, du musst in die Schule gehen, um das wirklich zu lernen. //I.: Jaja// Es gibt eine Schule dafür, während es für Braiding und Extensions keine Schule gibt. Also bin ich im Fall der Hot Fusion Methode verpflichtet, eine Schule zu besuchen, somit habe ich hier nicht das Recht, die Hot Fusion Methode anzuwenden, aber ich habe das Recht, Cold Fusion anzubieten, weil bei Cold Fusion keine chemischen Substanzen verwendet werden. […] Ich bin sehr glücklich, ich habe damit angefangen, dies jenen Kunden anzubieten, die dies gerne möchten«. 29 | Sinngemäße Übersetzung aus dem Französischen in die deutsche Sprache: »sie hat mir da [Anm. CS: in Paris] die Cold Fusion Methode beigebracht«.

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Abbildung 10: Zweiter Werbeflyer der Afrohairstylistin Sophie Assogba

Quelle: Eigene Erhebung.

Facebook bekannt. Ihre Netzwerkkontakte auf der Onlineplattform, die sowohl ihre tatsächlichen Kunden/Kundinnen30 umfassen als auch potenziell Interessierte, stiegen im Anschluss an die Bekanntgabe innerhalb von zehn Wochen von einigen wenigen auf über 160. Daraufhin ließ sie einen neuen Flyer anfertigen, der sowohl afrikanische, als auch US-amerikanische sowie deutsche und weitere Kundschaft adressiert (vgl. Abb. 10).

30 | Frau Assogbas Kundschaft bestand bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich aus weiblichen Personen, da Frisurenstile wie das Weave oder Braids eher von Frauen ge­ tragen werden. Jedoch richtet sich ihr Angebot (wie z.B. Cornrows) grundsätzlich auch an Männer. Im Verlauf der Feldforschung berichtete sie einmal von einem männlichen Kunden, der sich Dreadlocks anfertigen ließ (vgl. Beobachtungsprotokoll 107).

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Auf ihrem Flyer markiert sie ihre Expertenrolle als »fully accredited Afro Stylist trained in London, Paris and Africa«. Ihre Expertise ist nicht mehr – wie noch auf dem ersten Flyer suggeriert – auf Kundschaft mit Afrohaar beschränkt, da sie »also an expert in extensions and weaving for non AfroClients« ist. Dennoch betont sie wie zuvor die bedeutsame Funktion ihres Dienstleistungsangebots speziell für die erstgenannte Kundschaft. Diese erfahre in nicht auf Afrohairstyling spezialisierten Friseursalons aufgrund der Unkenntnis vieler Frisierender mit Afrohaar häufig keine angemessene Haarbehandlung. Diesen Umstand benennt Frau Assogba auf ihrem Flyer (»The solution to your haircare in Germany is finally here!«) und stellt sich als Anlaufstelle und Expertin für diese Kundschaft heraus. Zugleich erweitert sie ihren Kundenstamm/Kundinnenstamm in Richtung »non Afro-Clients«, was sie zum einen ökonomisch und zum anderen damit begründet, nicht als ›ethnischer‹ Salon wahrgenommen werden zu wollen: • Aus ökonomischer Sicht gibt sie in einem Gespräch an, sich bewusst nicht auf afrikanische Kundschaft zu beschränken, da eine ihr bekannte Salonbesitzerin in Deutschland mit ihrer fast ausschließlich afrikanischen Kundschaft große Probleme habe: »Elle est en train de mourir«31 (Beobachtungsprotokoll 101). Problematisch sei, dass aus afrikanischen Ländern stammende Kundschaft stets versuche, Preise für Dienstleistungen nach unten zu handeln (vgl. z.B. Beobachtungsprotokolle 68, 97, 99, 102, 106, 107). Frau Assogba erklärt, mittlerweile die Unterschiede innerhalb ihrer Klientel verstanden zu haben: Amerikanerinnen verglichen die Preise, man müsse ihnen also ein gutes Angebot machen. Deutsche verglichen die Preise weniger und kämen wieder, wenn man sie wirklich überzeugt hätte. Afrikanerinnen seien diejenigen, die den Salon unregelmäßig aufsuchten und Preise in Deutschland mit Preisen in Afrika vergleichen würden, weshalb sie einen höheren Preis als in afrikanischen Ländern üblich nicht zahlen wollten: »Les Noirs, ils ne veulent pas payer. Ils comparent toujours avec l’Afrique. Elles préfèrent de se raser la tête«� (Beobachtungsprotokoll 101). Daher seien Afrikanerinnen als Zielgruppe nicht ausreichend: »Je veux juste développer la côté blanche«� (Beobachtungsprotokoll 101). • Darüber hinaus führt Frau Assogba aus, die Konzeption ihres Salons auf keine ethnischen Konstruktionen zu stützen, sondern ihr Frisurenangebot über die Gruppe afrikanischer und Schwarzer Akteure/Akteurin-

31 | Sinngemäße Übersetzung aus dem Französischen in die deutsche Sprache: »Sie ist dabei zu sterben« (im Sinne von: sie ist dabei, sich finanziell zu ruinieren).

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nen hinaus sichtbar machen zu wollen: »we32 don’t we don’t only African people, or american eh black american people. We- we want every people- white ehm asiatique or (.) every (.) people who want to who want to do braiding (.) or extention and so:o no no no ethnique« (I. 88-90; vgl. auch Beobachtungsprotokoll 49). Ihr gehe es darum, Unterscheidungen in »white salon« und »African salon« zu überwinden und eine Begegnung verschiedener Schönheitskulturen zu schaffen: »at the moment you- we have African salon and (2) eh white salon. And I said to you no ethnic. We want to create a salon no ethnic. Anybody can come […] c’est une recontre de culture beauté« (I. 561-564). Dieses Bestreben kann nicht ausschließlich mit einer monetären Intention Frau Assogbas erklärt werden, sondern liegt in ihrer Erfahrung der Abwertung und Segregation des Afrohairbusiness in den Migrationsländern begründet. Der Wunsch, Afrohaarstile in einen über ethnische Gruppen hinausreichenden Schönheitsmarkt einzubinden und eine breite Kundschaft zu adressieren, drückt sich auf dem Flyer in der Benennung von Frau Assogbas Trainingserfahrungen in ihrem Herkunftsland und den urbanen Modezentren London und Paris aus. Sie utilisiert die Trainingserfahrung, um einer breiten Kundschaft zu vermitteln, dass sie über ein Expertinnenwissen verfügt, das sich sowohl durch Kenntnisse der afrikanischen Flechtkunst als auch Weiterentwicklungen und Trends in urbanen Modezentren auszeichnet. Im Gegensatz zu ihrem ersten Flyer rekurriert sie nicht ausschließlich auf ein ›Afrikanischsein‹, sondern rückt die in unterschiedlichen Ländern und Metropolen angeeignete Kompetenz und Lernerfahrung in den Vordergrund. Dies zeigt sich auch an der Auswahl des Werbefotos: Das Modell trägt zwar langes Haar, so wie es der dominanten Schönheitsvorstellung von Feminität in vielen Ländern entspricht, gleichzeitig sind an einer Stelle der Kopf haut aber schmale Zöpfe zu erkennen, die auf das klassische Braiding verweisen (vgl. Abb. 11). Die Vermischung von Frisurstilen adressiert vielmehr ein breites Publikum, das junge, modeinteressierte und experimentierfreudige Kundschaft genauso wie Liebhaber/-innen klassischer Flechtkunst unabhängig ihrer Herkunft umfasst. Hier wird Frau Assogbas Orientierung an ihrer Londoner Lehrerin Frau Egolum erkenntlich, der es ebenfalls darum geht, die Haarstile populär zu machen, statt das Business als ethnisches, ausschließlich auf afrikanische Kundschaft zugeschnittenes zu vermarkten. Frau Assogba positioniert sich mit ihrem Flyer als leidenschaftliche und innovative Künstlerin, die aktuelle Trends verfolgt und eine Vielzahl an Haarstilen anfertigen und 32 | Frau Assogba überlegte zum Zeitpunkt des Interviews im Januar 2011, ihren Afro Hair Salon gemeinsam mit Freundinnen zu eröffnen. Tatsächlich realisierte sie ihren Salon im Verlauf der Forschung alleine.

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Abbildung 11: Bildausschnitt aus Sophie Assogbas zweitem Werbeflyer

Quelle: Eigene Erhebung.

entwickeln kann (»I am passionate about hair and you should be too!«). Das hochgesteckte Haar am Vorderkopf des Modells erinnert an eine Variation der Frisur der im Juli 2011 verstorbenen Künstlerin Amy Winehouse, die den Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre in den USA entstandenen BeehiveLook wieder populär gemacht hat. Dieser Look wird auf dem Werbebild mit der Cornrowtechnik verbunden. Dadurch suggeriert Frau Assogba, den Look auch bei Frauen frisieren zu können, die kein langes Haar haben. Analog der Weavetechnik würde in einem solchen Fall Kunst- oder Echthaar auf aus kurzem Echthaar geflochtene Cornrows aufgenäht.

4.2.4.4   Zweites Training in Paris sowie Teilnahme an einem                  Workshop in London Aufgrund ihres Selbstverständnisses als innovative und Trends verfolgende Hairstylistin sowie ihres Wunsches, ein breites Publikum anzusprechen, qualifizierte sich Frau Assogba während der Erhebungsphase mehrfach weiter. Sie absolvierte im September 2012 ein zusätzliches Training in Paris im Umgang mit »caucasian hair«, um ihren »non Afro-Clients«, die über weniger stark texturiertes Haar verfügen, in der Anfertigung von Weaves und Haarverlängerungen gerecht zu werden (vgl. Beobachtungsprotokolle 109, 110). Während sie zunächst ein Praktikum in ihrem ehemaligen Stammsalon machen wollte, entschied sie sich letztlich für ein formalisiertes Training. Die Notwendigkeit

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eines Trainings ergab sich aus der Nachfrage von Frauen mit dünnem sowie glattem Haar (der »côté blanc«) nach den von ihr angebotenen Dienstleistungen. In der Anfertigung der Frisurenstile seien bei dünnem Haar andere Techniken notwendig. Im Oktober 2012 reiste Frau Assogba erneut nach London, um an einem Training teilzunehmen, in dem Kenntnisse und Fertigkeiten in der Anfertigung sogenannter ›Sisterlocks‹ vermittelt wurden (vgl. Beobachtungsprotokoll 109). ›Sisterlocks‹ sind Locken, die im Ergebnis kleiner und weniger schwer als herkömmliche Locken sind (vgl. Homepage Essence.com 2012).

4.2.4.5   Transnationalisierte Wege der Verberuflichung                  als Dekonstruktion von Aberkennung Insgesamt fallen an Frau Assogbas Wissensaneignung einige Spezifika auf, die bilanzierend erläutert werden. Imaginationen über qualifizierende Wissensräume Frau Assogba hat im Rahmen ihrer formalisierten transnationalisierten Wissensaneignung die Städte Paris und London sowie einen Ort in ihrem Herkunftsland Benin aufgesucht. Die Wahl der Standorte ist nicht zufällig. In ihren Äußerungen wird deutlich, dass sie über genaue Vorstellungen darüber verfügt, wo qualifizierende Kenntnisse angeeignet werden können. Dies zeigt sich anhand ihrer Einordnung und Hierarchisierung der Standorte ›London‹, ›Frankreich‹, ›Afrika‹ und ›Amerika‹: »I want to go in London, because eh eh eh there, Friseurin (2) ehm have eh eh new technology you know; because in Africa you have the basis. Eh but in eh eh in French, (.) ehm that is the middle. I think French eh eh Friseurin ehm ehm don’t know eh eh everything; you know ja (.) it is not very good eh but in London and in America eh there is eh there are very at the top. Eh new technology, eh phh amazing«. (I. 47-51)

Die Vorstellungen davon, an welchen Lokalitäten welche Expertenkenntnisse verfügbar sind, bestimmen Frau Assogbas Mobilität, die zum Ziel hat, ein hoch­wertiges und einzigartiges Expertenwissen zu generieren. Formelle, informelle und mediale Wissensaneignung Es kann zwischen einer formellen und informellen Wissensaneignung in urbanen und nationalen Räumen unterschieden werden: Die formelle Wissensaneignung im Herkunftsland, in London und Paris ergänzt die informell erlernten Kenntnisse, die alleine für eine Verberuflichung nicht ausreichend sind. Sophie Assogba erwirbt ein formalisiertes Wissen, wobei sie das Wissen aus dem Herkunftsland als künstlerische Basis und das in London und Paris erworbene Wissen als innovative Weiterentwicklungen ansieht. Das in urba-

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nen und nationalstaatlichen Räumen erworbene Wissen erweitert sie mittels der Onlineplattform YouTube, auf die viele Privatpersonen wie beruflich Tätige Afrohairstylisten/Afrohaistylistinnen Videotutorials hochladen, in denen sie die Anfertigung verschiedener Haarstile erläutern (vgl. z.B. Beobachtungsprotokoll 69, 96). Auch die Betreiberin der Londoner Schule hat Tutorials auf YouTube veröffentlicht. Darüber hinaus nutzt Frau Assogba eine Gruppe, die die Londoner Schulleiterin für sich und ihre Schüler/-innen auf der sozialen Onlineplattform Facebook eingerichtet hat, damit sich die Ehemaligen über ihre Erfahrungen in ihrem Betrieb und über Stylingtechniken austauschen können (vgl. Beobachtungsprotokoll 100). Transnationalität der Wissensaneignung und Transnationalität des angeeigneten Wissens Der Prozess des Wissenserwerbs ist ebenso transnational wie das Wissen selbst: Ersichtlich ist, dass es sich nicht um ein globales Wissen ohne konkrete lokale und urbane Bezugsrahmen handelt, sondern um ein Wissen, das die Akteurin mit Lokalitäten und Ländern verbunden deutet. Sie verinnerlicht die Wissenselemente und löst sie durch ihre Mobilität vom Raum der Aneignung ab. Aus differenten Elementen formt sie ein innovatives berufliches Wissen, das sie in Deutschland anwendet und sich z.B. in der Schaffung innovativer Frisurenstile in anderen lokalen Räumen als denen der Wissensaneignung und Stilentstehung materialisiert. Die grenzüberschreitend erworbenen Kennt­nisse vermischen sich und werden auf einer neuen Ebene formiert, die aus verschiedenen Elementen besteht, die je nach Bedarf kombiniert werden können: »c’est bien parce que maintenant je peux mélanger les […] techniques. Donc c’est bon [… ] je prends ce qui est bon pour moi«33 (Visitenkartenverteilen 192-194). Dekonstruktion von Aberkennung Frau Assogbas Wissenserwerb und ihre Formierung eines transnationalen Wissens zeigen ihr Streben nach Einzigartigkeit und Innovation auf. Dieses Streben muss vor dem Hintergrund der erfahrenen Abwertung des Afrohairbusiness verstanden werden. Frau Assogba möchte als Afrohairstylistin tätig sein, ohne gesellschaftlich verachtet zu werden. Sie kann ihre Verwirklichung in dem Berufszweig durch die Aneignung und Nutzung eines transnationalen Fachwissens und die Kreation eines Expertentums legitimieren. Damit werden das im Zuge der Kolonialisierung aberkannte Afrohairbusiness wie auch dessen Wissensbestände in der Schönheitsindustrie sichtbar gemacht, und eine historische Aberkennung wird dekonstruiert. 33 | Sinngemäße Übersetzung aus dem Französischen in die deutsche Sprache: »Das ist gut für mich, weil ich jetzt die Techniken vermischen kann […]. Also das ist gut, ich verwende, was gut für mich ist«.

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4.2.5   Qualität als Bewältigung von Aberkennung :              »The best word about this salon will be quality« Die Erschließung eines innovativen Expertenwissens stellt auf der Ebene des Selbst eine Bewältigungsstrategie dar, um die eigene Tätigkeit als wertvoll zu erfahren, obwohl der Beruf abgewertet ist. Diese Strategie spiegelt sich in Frau Assogbas Salonkonzept wider, das Ausdruck von etwas gänzlich Neuem sein soll: »a salon de coiffure […] which never exists«. (I. 111)

Frau Assogba intendiert nicht, als üblich gedeutete Konzeptionen von Afro Hair Salons ihres Herkunftslandes oder der Migrationsländer fortzuführen, sondern auf Basis ihres Expertinnenwissens eine Innovation zu schaffen.

4.2.5.1   Abgrenzung von Afro Hair Salons in afrikanischen                Ländern, Frankreich und Deutschland Frau Assogba vollzieht eine Abgrenzung von Afro Hair Salons sowohl in Afrika als auch in Zielländern von Migranten/Migrantinnen. Sie bewertet bestehende Salons als unzureichend und nicht nachahmenswert. Hierdurch reproduziert sie paradoxerweise eine abwertende Betrachtung von Afro Hair Salons, obwohl sie gerade deren Aufwertung und Popularisierung anstrebt. Hierzu erscheinen ihr, ähnlich wie Herrn Ayele, zunächst Änderungen und Verbesserungen, ausgehend von Afro Hair Salonbetreibenden erforderlich: »I think in eh African salon […] there are not ehm all the (prestration) and in a France salon are very dirty […] I don’t know that African people are dirty. I am African. But ehm eh (.) salon is are so archaique […] not developed […] so basis you know? […] there are not many service«. (I. 69-75)

Frau Assogba beanstandet das ihrer Meinung nach geringe Leistungsangebot von Afro Hair Salons in afrikanischen Ländern und eine mangelnde Hygiene in Afro Hair Salons in Frankreich. Dortige Salons seien in ihrem Verständnis rückständig. Problematisch sei das vermittelte Bild von ›schmutzigen Afrikanern/Afrikanerinnen‹. In ihrem Selbstverständnis als »African« fühlt sie sich direkt betroffen und betont, dass aus der Betrachtung der Salons nicht der Schluss gezogen werden dürfe, Afrikaner/-innen seien schmutzig, da dies nicht zutreffe. Hinter der negativen Salonbewertung wird ein Rekurs auf und Versuch einer Bewältigung von rassistischen und kolonialen Diskursen sichtbar, die in der Vergangenheit jene Bilder von afrikanischen Akteuren/Akteurinnen konstruierten (vgl. Kap. 3.1).

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Es ist Frau Assogba ein Anliegen, einen Salon zu schaffen, der ein Bild von Afro Hair Salons und Afrikanern/Afrikanerinnen als ›modern‹ und ›entwickelt‹ vermittelt und Bilder von Rückständigkeit und Schmutzigkeit dekonstruiert. Sie möchte Einfluss nehmen auf Bewertungsmuster über Afro Hair Salons. Es ist ihr wichtig, dass die Salons in den Augen ihrer Mutter sowie anderer Gesellschaftsmitglieder geachtet werden. Aktuell interessiere sich eine Vielzahl an Menschen in Frankreich nicht für Afro Hair Salons: »I have an impression that people say in France, oh that is African hair we don’t care«. (I. 75-76)

Während zum einen erneut deutlich wird, wie wichtig Frau Assogba eine bejahende Bewertung der Salons durch Dritte ist, konstatiert sie gleichzeitig deren Existenz am gesellschaftlichen Rand. Vonseiten französischer Mitbürger/-innen, die kein »African hair« haben, vermutet sie ein generelles Desinteresse, da die in Afro Hair Salons angebotenen Dienstleistungen von ihnen als ausschließlich für Akteure/Akteurinnen mit »African hair« relevant wahrgenommen würden. Ihrem Erleben nach ist die Marginalisierung der Betriebe mit deren Ethnisierung verknüpft, was ihre Motivation, einen »no ethnic«-Salons zu konzipieren, aus einem anderen Blickwinkel verständlich macht. Sie führt zudem an, dass der ihrer Meinung nach schlechte Service von Afro Hair Salons in Frankreich abschreckend auf potenzielle Kundschaft wirke. Zu kritisieren sei das laute Salonambiente: »Friseurin always talk; eh you have it’s so loud; and no respect of ehm (.) customer. (.) And eh because we, we need eh that Friseurin. We need. We have no choice«. (I. 77-79)

Sie bewertet das Verhalten von Friseuren/Friseurinnen, die sich während der Arbeit stets mit der Kundschaft unterhalten, als respektlos. Dies könne vor dem Hintergrund des langen Aufenthalts34 in den Salons eine Belastung darstellen (»for ehm (.) six ou seven hours, (.) you have everybody talk talk talk talk talk you know. It’s so- (.) it’s so difficult sometime« I. 81-82). Frau Assogba nannte mir mehrere Plätze in Paris, wo sich von ihr als unzureichend charakterisierte Salons befinden. Während eines Aufenthalts in der Stadt im April 2012 suchte ich die benannten Straßenzüge auf, die sich um die Métrostationen Château Rouge, Château d’Eau und Strasbourg Saint-Denis konzentrieren. Beispielsweise finden sich in der Rue Poulet mehrere Afro Hair Salons unmittelbar nebeneinander. Die Kosten für Frisurenstile wie Weaves und Cornrows 34 | Es ist üblich, dass sich insbesondere Frauen über längere Zeiträume in Afro Hair Salons aufhalten. Die Anfertigung von Frisurenstilen wie Weave oder Rastazöpfen dauert mehrere Stunden. Hinzu kommen eventuelle Wartezeiten.

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sind niedriger als in Deutschland. Der Konkurrenz- und Preiskampf zwischen den Salons zeigt sich bereits an der nahegelegenen U-Bahnstation, an der sich junge Männer aufhalten, welche die Damenwelt in die jeweiligen Salons locken wollen. Salons wie diejenigen in der Rue Poulet sind es, von welchen sich Frau Assogba abgrenzen möchte. Sophie Assogba sieht ihre negativen Erfahrungen in Frankreich in Afro Hair Salons in Deutschland bestätigt. Sie schildert einen Friseurbesuch kurz nach ihrer Ankunft in der Bundesrepublik als »Albtraum«: »je suis allée (.) dans un salon de coiffure (.) eh pour noirs […] j’ai eu envie de sortir à tout de suite, […] das das wars (.) mein Albtraum. […] donc- j’avais rendez-vous à 14 heures avec une fille, eh (2) on on m’a installé (.) mhm on m’a installé dans une eh dans une chaise qui n’ était pas propre, […] Je me suis dit mais c’est quoi ça? Mais bon, je ne disais rien parce que jamais- c’est ce que je t’ai disait à Paris; on a tellement besoin qu’on nous fasse les cheveux on n’a pas le choix quand on accepte tout. […] On accepte les bruits, les cris, les gens qui mangent même en te coiffent. On accepte tout. Et donc je suis arrivée et je voulais partir mais j’avais vraiment besoin- […] et donc elle arrive avec un- elle arrive; et ehm (.) ehm c’est je pense que c’était une sénegalaise, […] she was very fashion you know? […] Elle avait eh (.) des marques de la tête aux pieds […] eh like eh Louis Vuitton, choses de Louis Vuitton. I don’t know if it’s- it was a veritable Louis Vuitton but ( ) Louis Vuitton, e:eh (.) eve­ rything, everything, is ehm marque. […] And eh I look at her, and (.) ehm – je regarde les cheveux. […] C’est qui est bien aussi si que la personne qui te coiffe, (.) doit être bien coiffé. […] C’est normal. Elle doit être propre, sinon tu te poses des questions; donc eh elle avait eu une sorte de perruque sur la tête; bon, j’ai rien dit; and so, I I ask wie eh eh wieviel eh kostet? And she said me, she said to me, (.) 250; (2) 250 Euro […] pour faire des ehm (.) des tresses. […] I said (.) what? How many? (.) And (.) I said no I can’t; (.) because; (2) because; mhmm I- I have this eh this money. […] But for me it’s- it’s- it’s a shame; it’s a shame. You are African. I am African. I need you. And (.) you say to me 250. Maybe me I can pay that; but I know (.) that m:many African people here, can’t pay that. (.) You know; can’t. Many people African here are poor. And eh eh the the they try to survive; you know. The- so I said to her it’s a shame. It’s a shame. Do do can can can you ehm understand what you what you do? […] I was so upset really, and I and I say it is very dirty. […] And so je suis partie«. 35 (I. 258-300) 35 | Sinngemäße Übersetzung aus dem Französischen in die deutsche Sprache: »ich bin (.) in einen Friseursalon (.) eh für Schwarze am Hauptbahnhof gegangen […] ich hatte Lust, sofort wieder zu gehen […] das das wos- das das wars (.) mein Albtraum. […] also- ich hatte einen Termin um 14 Uhr bei einem Mädchen, eh (2) man man hat mich (.) mhm man hat mich auf einen Stuhl gesetzt der nicht sauber war, […] Ich habe mir gedacht was ist das hier? Aber gut, ich habe nichts gesagt weil nie- das ist was ich

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Frau Assogba hebt in ihrer Narration drei negative Aspekte dieses Afro Hair Salons hervor: • Der Salon sei schmutzig gewesen, • die Friseurin habe keinen kompetenten Eindruck gemacht und • der Preis für die gewünschte Zopffrisur sei überhöht gewesen, sodass sie den Salon verlassen und den Termin abgebrochen habe. Frau Assogba habe das schmutzig eingestufte Umfeld anfangs hingenommen, da sie auf die ansässigen Afro Hair Salons angewiesen gewesen sei. Hier macht sie auf einen Umstand aufmerksam, der in mehreren Interviews und Gesprächen von Frauen angesprochen wurde: Da Friseurinnen in anderen Friseursalons in Deutschland oftmals mit dem Frisieren von Afrohaar überfordert sind, ergibt sich eine Abhängigkeit von vor Ort existierenden Afro Hair Salons. Um diese Abhängigkeit wissend, versuchte Frau Assogba, über die als mangelhaft empfundene Hygiene hinwegzusehen. Ebenso schob sie beiseite, dass die Friseurin eine Perücke trug, was für Frau Assogba ein Indiz für ihre mangelnde Kompetenz als Friseurin darstellt. Bei Nennung des Preises von dir über Paris gesagt habe; man ist derart darauf angewiesen, dass man uns die Haa­ re macht man hat keine Wahl, sodass man alles akzeptiert. […] Man akzeptiert den Lärm, das Geschrei, sogar die Leute die essen während sie dich frisieren. Man akzep­ tiert alles. Und also ich bin hingegangen und wollte wieder gehen aber ich war wirklich darauf angewiesen- […] und sie kommt mit einem- sie kommt; und ehm (.) ehm das ist ich glaube dass das eine Senegalesin war, […] sie war sehr modisch gekleidet weißt du? […] Sie trug (.) Markenprodukte von oben bis unten. […] Weißt du, eh wie eh Louis Vuitton, Sachen von Louis Vuitton. Ich weiß nicht ob es- ob es echt Louis Vuitton war aber (.) Louis Vuitton, e:eh (.) alles, alles, ist ehm Marke. […] Und eh ich schaue sie an, und (.) ehm – ich betrachte ihre Haare. […] Es ist gut, wenn die Person die dich fri­ siert, (.) muss gut frisiert sein. […] Das ist normal. Sie muss sauber sein, sonst stellst du dir Fragen; also eh sie hatte eine Art Perücke auf dem Kopf; gut, ich habe nichts gesagt; und so, ich ich frage wie eh eh wieviel eh kostet? Und sie sagte mir, sie sagte zu mir, (.) 250 (2) 250 Euro. […] für Zöpfe machen. […] Ich sagte (.) was? Wie viel? (.) Und (.) ich sagte nein ich kann nicht; (.) weil; (2) weil, mhmm ich- ich habe dieses eh dieses Geld. […] Aber für mich ist das- ist das- ist das eine Schande; das ist eine Schande. Du bist afrikanisch. Ich bin afrikanisch. Ich brauche dich. Und (.) du sagst zu mir 250. Ich kann das vielleicht bezahlen; aber ich weiß (.) dass viele afrikanische Leute hier das nicht bezahlen können. (.) weißt du; nicht können. Viele afrikanische Leute hier sind arm. Und eh eh sie sie sie versuchen zu überleben; weißt du. Sie- also sagte ich zu ihr es ist eine Schande. Es ist eine Schande. Kannst kannst kannst du ehm verstehen was du was du tust? […] ich war wirklich so verärgert, und ich und ich sage dir es ist sehr schmutzig dort. [….] Und also bin ich gegangen«.

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250 Euro für die erwünschte Zopffrisur entlud sie jedoch ihren Zorn. Den zu hoch empfundenen Preis bezeichnet sie als »shame«. Der Begriff der Schande drückt eine starke Geringschätzung eines Verhaltens aus, das gegen moralische Kriterien einer Gesellschaft verstößt und eine antizipierte Reaktion maßgeblich unterwandert. Frau Assogba macht auf die Armut vieler afrikanischer Migranten/Migrantinnen bei gleichzeitiger Abhängigkeit von der Preispolitik der Afro Hair Salons aufmerksam. Obwohl sie finanziell gut situiert ist und den Betrag prinzipiell hätte zahlen können, verlässt sie den Salon. Es zeigt sich, dass Frau Assogba ein anderes Verhalten im Salon erhofft hatte. Als Neuankömmling in Deutschland erwartete sie von der ebenfalls aus einem afrikanischen Land stammenden Friseurin ein solidarischeres Verhalten (»You are African. I am African. I need you«), während die Friseurin den ökonomischen Regeln von Angebot und Nachfrage zu folgen scheint.36 Von dieser Erfahrung frustriert, fragte Frau Assogba in einem Geschäft, in dem Produkte zur Pflege von Afrohaar sowie Frisurenteile verkauft werden, nach alternativen Optionen zum obigen Salon. Eine Mitarbeiterin vermittelte ihr einen Kontakt zu einer ghanaischen Frau: »je suis allée dans un magasin […] Eh c’est ((Name des Geschäfts)) […] et j’ai de­ mandé à une fille qui avait une adresse pour moi. Et eh elle m’a dit oui et c’était dans la banlieue de ((Name einer Stadt)) (.) et là c’était chez la dame, et quand je suis entrée chez la dame (pareille) c’était une ghanienne. […] I look at at the the appart and I know that these people work so hardly you know. I you can feel it and ehm with many eh many children. […] Not many maybe four, five I don’t know but there were so kind with me you know but you can’t can’t when you you you eh mhmm I saw the big TV the big and you can feel the poverty, the poverty […] you have no money (.) and what is TV? Buy books and buy cultural things and (they have a meaning) and all the time all the time I said five Euros less five Euro and all the time the TV […] they looked 36 | Der Betrag von 250 Euro für eine Zopffrisur ist prinzipiell nicht unüblich. In die­ sem Fall ist nicht bekannt, welche Frisur Frau Assogba genau nachfragte. Für die Anfertigung von Braids mit Kunst- oder Echthaar verzeichnete ich in Salons des Unter­ suchungsgebiets Preise zwischen 120 und 400 Euro. Der genaue Preis hängt von der Dicke der Zöpfe ab, da das Frisieren sehr schmaler Zöpfe deutlich mehr Zeit (oftmals mehrere Stunden) benötigt als die Anfertigung dicker Zöpfe. In ihrer Anfangszeit in Deutschland verglich Frau Assogba die Preise für Frisuren im Untersuchungsraum mit jenen in Paris. Eine Zopffrisur kostet in der Rue Poulet rund 80-100 Euro. Im Verlauf der Feldforschung glich Frau Assogba ihre Preise sukzessive dem Preisniveau in dem urbanen Raum an und verlangte je nach Art der Zöpfe zwischen 120 und 250 Euro. Damit liegt ihre preisliche Obergrenze niedriger als in anderen Salons, was sie damit begründet, durch die Arbeit von zu Hause aus Kosten für die Anmietung eines Salons einzusparen.

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland topic African topic you know? […] and all the time that is the topic father eh father ehm cheat (.) cheat mother […] strange story and all the children is eh eh in front of the TV (.) and I saw oh my God, for me it’s terrible because because (.) I don’t know I am black and I want that all the black can speak to me eh eh of culture, of theater, of eh of eh musique classique, I like ehm Maria Callas and ehm @ Beethoven and Mozart and @ but I think ehm I’m maybe I’m just ehm I am lucky. […] Because I can I can be like this person and I I think this person work so hardly and when eh they are at home they just want to be relaxed and look at black people in at the Télé (with the topic an so) so I I said to myself I have I have I have a and I I I’m very I’m very lucky ((Telefon beginnt zu klingeln)) and so (2) ehm- and my my my hair was a shit«. 37 (I. 300-326)

Frau Assogba schildert den Besuch in einem Privathaushalt, in dem ihr eine ghanaische Frau die Haare frisierte. Das Resultat bezeichnet sie als »shit« und äußert so ihren Missmut über den Mangel an Qualität. Es kann angenommen werden, dass die Frau ohne Frisierausbildung auf Basis sozialisatorisch erworbener Kenntnisse in ihrer Wohnung frisiert. Dem Eindruck Frau Assogbas folgend, dass die Familie arm sei (»you can feel the poverty«), kann vermutet werden, dass das Einkommen eine bedeutsame finanzielle Ressource zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellt. Frau Assogba betrachtet die Erfahrung mit der Friseurin in mehrfacher Hinsicht als schockierend: Sie bewertet zum einen die Qualität der erbrachten Dienstleistung als äußerst unzureichend, zum anderen zeigt sie sich bestürzt von dem Lebensumfeld der Familie, das sie als wenig »cultural« und ärmlich interpretiert. Analog der Revision des Bildes, Afrikaner/-innen seien schmutzig, wie dies von vielen Afro Hair Salons ihrer Meinung nach in Frankreich vermittelt werde, betont sie abermals, dass nicht alle Schwarzen in einem solchen Umfeld aufwüchsen und lebten, wie sie dies in dem Privathaushalt dieser Friseurin erlebt habe. Als Gegenbeispiel nennt sie sich selbst (»I don’t know I am black«). Es wird deutlich, dass sie ein anderes Bild von Schwarzen vermitteln möchte. Umso schockierter zeigt sie sich von den Lebensumständen der besuchten Familie, die sie auf der einen Seite abwertet, sich auf der anderen Seite aber bemüht, Verständnis aufzubringen und die eigene Situation als glückliche Fügung zu deuten. Die aufgezeigten Beispiele bringen eine besondere Struktur in Frau Assogbas Narration zum Ausdruck: Die Akteurin dekonstruiert Negativbilder von Schwarzsein und Afrikanischsein, die sie durch schmutzige Afro Hair Salons transportiert sieht. Sie verdeutlicht, dass Negativbilder nicht generalisierend 37 | Sinngemäße Übersetzung aus dem Französischen in die deutsche Sprache: »Ich ging in einen Laden […] Eh, das heißt ((Name des Geschäfts)) [...] und ich fragte ein Mädchen nach einer Adresse für mich. Und eh sie sagte ja und es war in einem Vorort von ((Name einer Stadt)) (.) Und das war bei einer Dame, und ich bin reingegangen, die Dame war eine Ghanaerin […]«.

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auf alle Schwarze oder Afrikaner/-innen übertragen werden dürften. Frau Assogba strebt danach, als gebildet, kulturell interessiert und finanziell gut situiert wahrgenommen zu werden. Möglicherweise mit Afro Hair Salons in Zusammenhang gebracht zu werden, die zu diesem Bild nicht passen, widerstrebt ihr. Es hat den Anschein, als sei Frau Assogba mit negativen und rassistischen Zuschreibungen konfrontiert, denen sie mit Verweis auf ihre eigenen kulturellen Interessen und beruflichen Kompetenzen begegnet.

4.2.5.2  Der Wunsch nach einem zusagenden Image               von Afro Hair Salons Die Unzufriedenheit mit bestehenden Afro Hair Salons motivieren Frau Assogba dazu, einen qualitativ hochwertigen Salon aufzubauen: »that’s why I want to do hair for people because I am not satisfied […] the majority of the person who did hair, African hair, have not ehm ehm (.) training […] if you don’t know what it the hair, what woooo, ehm you have to style the hair, you have to do train­ ing, you have to eh ehm to perfection yourself and ehm many of them don’t do that. So anybody can ehm can ehm eh can come and say to you ah I will do your hair. Okay no problem I I I am okay to give a chance for people you know because you can feel you can feel the the the thing but ehm at the majority in the majority that’s (a real) bad situation«. (I. 343-351)

Sie grenzt sich – wie auch Herr Ayele – von Afrohairstylisten/Afrohairstylistinnen ab, die der Frisiertätigkeit ohne qualifizierende Ausbildung nachgehen. Zwar räumt sie ihnen prinzipiell eine Chance ein, sich zu beweisen (»I am okay to give a chance«), dennoch erwartet sie langfristig eine Qualifizierung durch Ausbildungstrainings, sodass hochwertige Dienstleistungen erbracht werden können (»you have to do training, you have to eh ehm perfection yourself«). Eine Inanspruchnahme der Dienstleistung einer nicht qualifizierten Afrohairstylistin könne zu gesundheitlichen Problemen führen, wie sie es selbst erlebt habe: »Quand tu te fais coiffer, tu as tu peux avoir beaucoup de problèmes de cuir chevelu […] because eh ils sont ils sont il y en a beaucoup qui savent- elles savent pas tre-, elles serrent trop fort et donc du coup eh tu peux- la deuxième fois quand j’ai fait des cheveux j’ai fait des cheveux à ((Name einer deutschen Stadt)). […] all my head my God, all my head (que des plaits que des plaits) j’ai gardé ça pendant (.) un mois (que des plaits) so I am very afraid to do my hair here now«. 38 (I. 333-341) 38 | Sinngemäße Übersetzung aus dem Französischen in die deutsche Sprache: »Wenn Du Dir die Haare frisieren lässt, kannst Du viele Probleme mit der Kopfhaut be­ kommen. [...] Weil es so viele gibt, die nicht nicht wissen- sie zerren zu hart und dann plötzlich du kannst- das zweite Mal als ich mir die Haare in ((Name einer deutschen

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Neben den ästhetischen Enttäuschungen nennt Frau Assogba potenziell aus einer schlecht erbrachten Dienstleistung resultierende gesundheitliche Probleme mit der Kopfhaut, wenn die Zöpfe zu fest an das kurze Naturhaar angeflochten werden. Sie löste die nach einem Besuch in einem Afro Hair Salon in Deutschland an ihr kurzes Naturhaar angeflochtenen Zöpfe nach nur einem Monat,39 da sie Schmerzen verursachten. Die erneute Negativerfahrung führte dazu, dass Frau Assogba ein generelles Misstrauen gegenüber Afrohairstylisten/Afrohairstylistinnen entwickelte, wodurch sie sich gezwungen sah, ihre Haare »natural« zu tragen, d.h. ihr natürliches Kopfhaar wachsen zu lassen, ohne es in einem Salon frisieren zu lassen (»I have no choice I think I will keep my natural hair« I. 342).

4.2.5.3  Die Entwicklung von Frau Assogbas Salonkonzept In ihrem Salonkonzept grenzt sich Frau Assogba von anderen Afro Hair Salons ab und orientiert sich an ›westlich‹ und ›Weiß‹ gedeuteten Salons (»a salon, but ehm eh occidentale. (.) Salon like eh like eh whites; you know« I. 83-84). Unter einem solchen Salon versteht sie: »a salon where a Friseurin äh @ ä:äh (.) will not talk, where you can give a coffee, where you can respect your customers, where you can do a good job with new technol­ ogy ehm ehm eh coming of eh (.) America or London, and of course the base. African base braiding«. (I. 84-87)

Die Sequenz zeigt, dass Frau Assogba mit als »white« und »occidentale« bezeichneten Friseursalons Servicequalitäten wie Respekt vor der Kundschaft, Darreichung eines Kaffees sowie ein hochwertiges, auf dem neusten Stand der Technik beruhendes Dienstleistungsangebot verbindet. Alternativ hätte sie Salons mit diesen Merkmalen als ›modern‹, ›teuer‹ oder ›besonders innovativ‹ charakterisieren können, ohne eine ethnische Differenzierung vorzunehmen. Dies wirft die Frage auf, ob sich Frau Assogba ebenso wie ihre Eltern an einem ›Weißen Standard‹ orientiert und afrikanische Errungenschaften abwertet, wenngleich sie ein solches Verhalten kritisiert. Zu erwidern ist, dass Frau Assogba das »African base braiding« als Ausgangspunkt des Dienstleistungsbereichs anerkennt und weiterentwickeln möchte. Es geht ihr im Frisurenbereich nicht darum, sich an Weiß gedeuteten Standards zu orientieren, sondern im afrikanischen Kontext entstandene Frisuren aus einer abgewerteten Position zu befreien. Dies führt zu der These, dass Frau Assogbas Differenzierung zwiStadt)) habe machen lassen [...] Mein Gott, mein ganzer Kopf (nur Zöpfe nur Zöpfe) ich habe sie für (.) einen Monat behalten (nur Zöpfe). Somit bin ich nun sehr ängstlich, mir meine Haare hier machen zu lassen«. 39 | Üblicherweise wird ein solches Styling etwa zwei bis drei Monate getragen.

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schen ›black‹ und ›white salon‹ nicht auf eine Adaption und Orientierung am Dienstleistungsangebot von »white salons« hinweist. Vielmehr gebraucht sie die Begriffe, um zu beschreiben, in welchem Salon welche Kundschaft und Betreiberschaft mit welcher Hautfarbe dominanterweise anzutreffen ist. Dabei bewertet sie das in letztgenannten Salons vorzufindende Serviceangebot als höherwertig.40 Die These kann weiter untermauert werden, da Frau Assogba in der Erläuterung ihrer Salonkonzeption anführte, eine ethnische Differenzierung gerade überwinden zu wollen, wenngleich sie Salons selbst mittels ethnischer Konstruktionen voneinander abgrenzt: »at the moment you- we have African salon and (2) eh white salon. And I said to you no ethnic. We want to create a salon no ethnic. Anybody can come […] c’est une recontre de culture beauté«. (I. 561-564)

Frau Assogba ist an einer Überschreitung ethnischer Grenzen und einem »recontre de culture beauté« gelegen. Der Wunsch nach einem Zusammentreffen unterschiedlicher Schönheitskulturen drückt nicht aus, dass Unterschiede verschwinden und eine einheitliche Schönheitskultur entstehen solle, sondern dass verschiedene Schönheitskulturen aufeinandertreffen und sich gegenseitig bereichern. In ihrem Salon sei jedermann und jedefrau willkommen, der oder die ein Extension- oder Braidingstyling wünsche. Ihre Hinwendung zu »white salons« stellt keine Adaption an Weiß gedeutete Schönheitsvorstellungen dar, sondern muss als ein Lernen begriffen werden, in dessen Verlauf die Akteurin ihre Salonerfahrungen in verschiedenen Salons in Deutschland, Frankreich und ihrem Herkunftsland vergleicht und überzeugende Aspekte kombiniert. Der Vergleich beruht auf Erfahrungen in »white« und »African« Salons. Sie erläutert, ihren Ehemann zu seinen Friseurterminen begleitet und festgestellt zu haben, dass der Kundschaft während ihres Aufenthaltes ein Getränk angeboten werde, was ihr gefallen habe: »I like because when ((Name des Ehemanns)) ehm ehm go to his ehm (.) Friseur eh many people come with thé café do you want café? Do you want water? Do you wantand I- in African eh Friseur not«. (I. 607-609)

Die Entwicklung des Salonkonzepts beruht – genau wie der Erwerb des beruflichen Wissens – auf einem Zusammenfügen von Elementen verschiedener Salonkonzeptionen, die Frau Assogba an unterschiedlichen urbanen und 40 | Gleichzeitig generalisiert die Akteurin an dieser Stelle. So lassen sich auch in der Gruppe von nicht auf Afrohairstyling spezialisierter Friseursalons solche finden, in denen viel geplaudert wird oder die Mitarbeiter/-innen nicht mit den neusten techni­ schen Geräten arbeiten.

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natio­nalstaatlichen Standorten kennenlernte. Sie deutet die verschiedenen Salonkonzepte unter Bezugnahme auf ethnische (»white salon«), nationale (»salon in France«) sowie kontinentale (»African salon«) Kategorien. Verschiedene Elemente verbindet sie zu etwas Neuem, weshalb neben ihrer beruflichen Wissensaneignung und dem Wissen auch ihre Salonkonzeption als transnational und transkulturell charakterisiert werden kann.

4.2.5.4  Qualität als Orientierungsrahmen Während sich Frau Assogba eine heterogene Kundschaft wünscht, ergibt sich eine Einschränkung aus den Preisen ihrer Dienstleistungen, die nur von finanziell gut situierten Kunden/Kundinnen und solchen, die bereit sind, hierfür zu sparen, getragen werden können. Sie erklärt, für ihre Dienstleistung einen entsprechenden Preis einfordern zu müssen, wenn sie die neusten Frisiertechniken anbieten wolle: »So you know une qualité de service we want eh quality. […] we don’t want cheap hair.. (2) We want a quality. […] that won’t be a salon for eh – I don’t want the term poor, but eh mhmm (2) we want to do quality. And to do quality we want to have best material, best technology, best products and these products naturel it’s are very very exclusive, you know?« (I. 526-532)

Mit Verweis auf die Qualität und Exklusivität der Frisierstile und Produkte (»exclusive«) legitimiert die Akteurin den Preis ihres Angebots und eine Exklusion armer Personen aus ihrem Kundenstamm/Kundinnenstamm.41 Sie grenzt sich erneut von anderen Salons ab, die eine qualitativ schlechtere Arbeit leisten würden, darunter insbesondere die ihrer Wahrnehmung nach günstigen Salons. »cheap hair« könnte auf zur Anfertigung von Frisuren wie dem Weave oder der Haarverlängerung verwendete minderwertige Haarteile verweisen. Als hochwertig charakterisierte Frau Assogba in Gesprächen mehrfach aus Brasilien und Indien stammendes Echthaar, das je nach Länge und Dicke mehrere Hundert Euro kosten kann. Während der Studie hat Frau Assogba Kontakt zu einem Lieferanten für indisches Haar hergestellt, das sie seither an ihre Kundschaft weiterverkauft (vgl. Beobachtungsprotokolle 105,

41 | Diese Äußerung klingt zunächst insofern paradox, als Frau Assogba einer ande­ ren Salonbetreiberin die hohen Kosten für ihre Dienstleistungen als moralisch verwerf­ lich vorhält, da sich viele Kunden/Kundinnen den Friseurbesuch nicht leisten können. In Bezug auf ihren Salon rechtfertigt sie ihre Preispolitik mit ihrem hochwertigen An­ gebot. In dem Salon einer anderen Betreiberin sei der Preis hoch gewesen, wenngleich der Salon in Frau Assogbas Augen schmutzig gewesen sei und die Friseurin wenig kompetent wirkte.

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110). Alternativ könnte der Begriff »cheap hair« eine qualitativ minderwertige Friseurdienstleistung im Gesamten bezeichnen. Frau Assogba möchte sich durch ein hochwertiges Angebot einen Platz in der Salonlandschaft schaffen: »the best word about this salon will be quality. (2) And not ehm cheap hair, you know?« (I. 534-535)

Mit der Betonung von Qualität weist sie zum einen darauf hin, dass sie die im Afrohairstyling vorhandene Expertise ›salonfähig‹ machen und einem breiteren Publikum anbieten möchte. Zum anderen möchte sie einer anspruchsvollen Klientel negative Erfahrungen in Afro Hair Salons ersparen und stattdessen eine angemessene Haarpflege und ein hochwertiges Haarstyling ermöglichen. Sie fokussiert besonders auf »black people«, die über die entsprechenden monetären Mittel verfügen: »I was in France so I have a salary I worked very good my life and I prefer to go (.) somewhere where I can (2) do a very good hair […] I think many black people eh think eh eh like me now. Because they work now and there is less discrimination about work so they have a good job and they prefer good things and eh new produits and new technology«. (I. 585-589)

Sie adressiert eine Kundschaft, die einen Lebensstil pflegt wie sie selbst. Mit einem solchen Lebensstil gehe Unzufriedenheit mit den üblichen Afro Hair Salons einher, die den eigenen Bedürfnissen nicht gerecht werden: »if you want to do hair eh eh cheap hair. You can, but you will have very big problem in your head because the products are not good, eh the the the use eh shit shit very shit, and the the ehm ils font n’importe quoi«. (I. 582-585)

Neben der mangelnden Qualität der Arbeit seien die Umstände des Friseurbesuchs ungenügend. So müsse man aufgrund der unzureichenden terminlichen Vereinbarungen zu lange warten. Für ihren Salon sei eine strukturierte terminliche Planung maßgeblich. Zudem ist es Frau Assogba wichtig, sich ausreichend Zeit für ihre Kunden/Kundinnen zu nehmen, um eine gute Arbeit zu leisten. Als Gegenbild verweist sie auf Salons, die ohne terminliche Vereinbarungen unter Zeitdruck eine Kundin nach der nächsten bedienen, um möglichst viel Umsatz zu generieren: »if everybody come (.) you want to do the job quickly […] You do eh shit because […] you can have next customer, and but you don’t do a good job. (.) You look at the

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Abbildung 12: Präsentation von Haarteilen im Salon, Januar 2011

Foto: Caroline Schmitt. money, and you don’t look at the quality […] I want an appointment with people and do the job correctly and (.) even when I have one customer pro pro Tag«. (I. 596-606)

Als weiteres Kriterium ihres Salons verweist sie darauf, im Fall der Beschäftigung eigener Mitarbeiterinnen eine einheitliche Personalkleidung zu implementieren. Das Erscheinungsbild wird als Zeichen beruflicher Identität und Qualität betrachtet. Erneut grenzt sie sich von anderen Salons ab, in denen Mitarbeiter/-innen nicht angemessen zur Arbeit erscheinen würden: »You know personal embruise […] I have to to wear ehm a blouse you know. Ja, I think it’s important, too. Because in ehm African salon you have a- you have in France many girl arrive with (2) I don’t know it is not professional sometimes«. (I. 612-615)

Zusätzlich gehöre die Auslage von Modezeitschriften zum Konzept, durch deren Lektüre sich Kunden/Kundinnen für ihre eigene Frisur inspirieren lassen könnten: »And magazine haute gamme de beauté like that. […] It is very important to have a magazine. People- I can do that I can do that«. (I. 619-620)

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Zusammenfassend bilanziert Frau Assogba die Orientierung an diesen Grundsätzen und Qualitätsmaßstäben als Kernpunkt ihres Konzepts, um ein qualitativ erstklassiges Dienstleistungsangebot offerieren zu können: »So it very- to be class« (I. 615). Als Mittel dient ihr die Betonung und Umsetzung ihrer Qualitätsmerkmale. Sie sollen dem Beruf der Afrohairstylistin – ebenso wie Frau Assogbas transnationale Wissensaneignung – gesellschaftliche Anerkennung (»class«) zu Teil werden lassen und ihre Ausübung des Berufs legitimieren.

4.2.6  Der Salon als identifikatorischer Trans-Raum Während Frau Assogbas Migrationen – wie die Analysen dieses Kapitels zeigen werden – sowohl in ihrem Herkunftsland als auch in den Migrationsländern von Dritten als Problem gesehen werden, stellen sie in ihrem Salonkonzept gerade den Dreh- und Angelpunkt dar. Frau Assogba migrierte im Alter von neun Jahren mit ihrer Familie von Benin nach Frankreich. Fortan wurden einige wenige Kontakte in das Herkunftsland aufrechterhalten. Dem folgte im Erwachsenenalter die Migration nach Deutschland. Im Interview beschreibt sie ihre Migrationserfahrungen als schwierig: »c’est pas facile d’avoir immigré« (I. 174-175).42 Als Belastung hebt sie dabei nicht die im Zuge ihrer Migration stattfindenden Konfrontationen mit neuen Lebensumfeldern hervor, sondern Zuschreibungsprozesse von Dritten, die ihr kontinentale und nationale Zugehörigkeiten absprechen: »when you are in Europa, people say say to us, you are not European, you are African. And when we are in Africa, African people say to us, you are not African, you are Eu­ ropean«. (I. 175-177)

Die Problematik des Migrierens besteht für Frau Assogba in der Verweigerung von Identifikationen durch Dritte. Europäer/-innen betrachten sie nicht als Europäerin, sondern Afrikanerin, während Afrikaner/-innen sie nicht als Afrikanerin, sondern Europäerin wahrnehmen. In beiden Kontexten bleibt Frau Assogba der Status als gleiche und ebenbürtige Akteurin verwehrt. Sie glaubt, für eine große Gruppe von Migranten/Migrantinnen zu sprechen (»us«) und versteht sich nicht als Einzelfall. Als Grund für die Verwehrung von Zugehörigkeit nennt sie ihre Hautfarbe: »people eh show you ah (you are not really French), you are African- I am black so if it eh- ja, in fact I am African«. (I. 193-194)

42 | Sinngemäße Übersetzung aus dem Französischen in die deutsche Sprache: »Es ist nicht leicht, eingewandert zu sein«.

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Während ihr in Frankreich ein Status als »not really French« und ›Andere‹ zugeschrieben wird, führt ihre sporadische Präsenz im Herkunftsland auch dort zu einer Verwehrung des Dazugehörens. In der Konsequenz erlebt sich Frau Assogba als zu keinem Land zugehörig und bilanziert: »we have no country«. (I. 178)

Als markantes Beispiel dafür, wie sich eine Verwehrung von Zugehörigkeit in ihrem Herkunftsland äußert, berichtet sie von einem Besuch in einem beninischen Dorf. Sie kritisierte eine Frau, die ein Kind schlug und wurde mit dem Argument zurückgewiesen, eine Fremde zu sein und nicht das Recht zu haben, sich einzumischen: »I heard a a a ehm un bruit […] I was afraid, because this sound it’s so heavy and I I returned myself and I saw this little child with his hand on his I don’t know ja. And he looked at me he was afraid and he looked at me and I saw this big woman big woman and I I I couldn’t breathe and so I look at her I look at her and I say how can you do that? (2) How can you do that? That is a child. How can you do that. I I I saw I was so angry, so upset and she looked at me and she said you don’t understand you are you you are just foreign people you know? […] And she looked at me and she said to me you you you don’t live here you don’t live here you are rich. You don’t know our situation, and you ehm and what you will say? And I say no you have no right to to beat a children. I don’t I don’t need to live here […] and the the woman which was with me said to me let down. Let down. Nobody move. Nobody move. Because that is the the that is their reality. All the time a Kind are beat and I am so upset«. (I. 858-973)

Die beninische Frau schreibt Frau Assogba einen Fremdheitsstatus (»foreign«) zu, der eine Distanz zwischen beiden Frauen konstruiert. Frau Assogba sei reich (»rich«) und habe einen Lebensmittelpunkt an einem anderen Ort (»you don’t live here«). Aufgrund dessen verstehe sie das Alltagsleben in Benin nicht (»You don’t know our situation«) und habe kein Recht zur Mitbestimmung in Benin. Während sich die beninische Frau auf ihre nationale Herkunft und ihr Alltagsleben in Benin beruft, argumentiert Frau Assogba universell, dass generell niemand das Recht habe, ein Kind zu schlagen. Wie geht die Akteurin mit diesen Zuschreibungsprozessen von Fremdheit und Nicht-Zugehörigkeit sowohl in Europa als auch Afrika um? Frau Assogbas Narrationen weisen auf, dass die Akteurin eine hybride Identitätskonstruktion entwickelt hat, in der sie sich sowohl zu Benin als auch Frankreich zugehörig begreift. Der Identitätsentwurf stellt für sie kein Problem dar, sondern wird erst von Dritten zu einem solchen gemacht. Ihre Strategie des Umgangs mit verwehrter Zugehörigkeit besteht im Beharren auf ihrer identifikatorischen Verortung:

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland »For me I am total French. […] Ehm but ehm I am African too, that is my origin«. (I. 189-190)

Frau Assogba führt aus, ihre beninische Herkunft zu verteidigen: »my life is so different now, and we have not- we have not the same history, and when I go there, people say to me, ah (.) you are not béninnoise, you are not African, you are française. You know and you say no no, I am Benin. No no no you (.) you can’t. You don’t know our history, we- you don’t know our life«. (I. 181-184)

Sie greift die Argumentation auf, dass ihr Leben sich von dem in Benin dauerhaft sesshafter Akteure/Akteurinnen unterscheide und sie mit diesen nicht dieselbe Geschichte teile. Daher werde sie nicht als Beninerin anerkannt, sondern als Französin erachtet. Gegen diese Zuschreibungen, was sie sei oder nicht sei, wehrt sie sich (»no, no, I am Benin«). Dennoch wird in Frau Assogbas Ausführung durch die Übernahme einer aktiven Erzählweise, die den Zuhörenden direkt in die Kommunikationssituation versetzt, der Widerstand Dritter deutlich, die in dieser Sequenz das letzte Wort haben (»No no no you (.) can’t«). Frau Assogba beruft sich jedoch auf ihre Herkunft und kann hierdurch ihr Selbstverständnis, sowohl Französin als auch Beninerin zu sein, aufrechterhalten: »that is my origin«. Ihre Identifizierung als Französin untermauernd gibt sie an, Wein zu mögen und die französische Fußballmannschaft zu unterstützen (»I like wine, I support eh french team @football@« I. 190-191). In gewisser Hinsicht sei sie sogar französischer als die ›echten‹ Franzosen: »I sometimes I I I am more French ehm than French, really French« (I. 192). Anhand dieser Aussage zeigt sich zum einen, dass sich Frau Assogba trotz der Identifikation mit Frankreich aufgrund ihrer beninischen Herkunft als von anderen Franzosen und Französinnen different erlebt, was mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zuschreibungsprozessen begründet liegen mag. Zum anderen stellt die Aussage, französischer als manche Franzosen zu sein, eine Strategie dar, mit Zuschreibungsprozessen umzugehen. Frau Assogba will ihr Französischsein unter Beweis stellen und betont durch den Bezug zu Fußball und Wein ihr Beheimatetsein in Frankreich, wogegen Afrika ihr »origin« sei. Wenngleich Frau Assogba die Anerkennung ihrer Identifikationen mit mehreren Orten, Ländern und Kontinenten durch Dritte verwehrt bleibt, hat sie ihre Mehrfachverortung im Lauf der Zeit als Bereicherung begriffen, die ihr prinzipiell die Aneignung jeden Ortes auf der Welt ermögliche:

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland »with time […] C’est une richesse 43 […] because I can go anywhere. I can go in Africa, I can go in Asia, I can I can go anywhere and if you lo::ok, if you want, if you love really ehm a place, for me that is your your country. A country is not (.) eh people or country or ( ) (.) that is that is- ja I love Paris because (.) because I have a ehm (2) a special story with this city«. (I. 195-199)

Sie verortet sich über territorial-nationale oder territorial-kontinentale Zugehörigkeitsvorstellungen hinaus und sieht Plätze und Orte, die sie liebt, als ihr »country« an. »country« ist hierbei als Metapher anzusehen. Für Frau Assogba ist ihr »country« zum Beispiel die Stadt Paris, wo sie ihren Ehemann kennengelernt und geheiratet hat (»I met my husband in Paris« I. 205). Frau Assogba konstruiert eine Identität auf Basis eigener Zugehörigkeitskategorien. Während dieser Prozess für sie auf der einen Seite mit schmerzhaften Erlebnissen durch Dritte verbunden ist, die sie als Nicht-Zugehörige markieren, begreift sie ihre Situation auf der anderen Seite als Freisetzung und sieht die Möglichkeit zu einer breiteren Aneignung von Orten als es anderen je möglich erscheinen könnte. Frau Assogba hat sich infolge der Nicht-Anerkennung ihrer Identifizierung als Afrikanerin, Beninerin, Europäerin und Französin einen neuen identifikatorischen Raum erschlossen, in dem ihr die Entfaltung einer Mehrfachverortung möglich ist. Sie hat die Kompetenz erworben, sich verschiedene Orte, an welchen sie sich wohlfühlt, anzueignen. Diese Kompetenz materialisiert sich ebenso in Frau Assogbas beruflichem Projekt, in dessen Rahmen sie Wissenselemente aus Benin, Paris, London und Deutschland zu einem neuen Konzept kombiniert. Insofern ist die berufliche Realisierung nicht nur ökonomisch zweckdienlich, sondern gleichzeitig Ausdruck einer Nutzung ihrer Mehrfachidentifikationen und transnationalen Erfahrungen. Frau Assogba bringt in ihrem Salon Wissen, Ideen und Orientierungen von verschiedenen Orten zusammen, die für sie von Bedeutung sind. Vor dem Hintergrund der Erfahrung, dass die eigenen Zugehörigkeitskonstruktionen zu Benin und Frankreich nicht anerkannt werden, kann die Etablierung ihres Salons als Erschließung eines neuen Raumes gedeutet werden, indem sich ihre Mehrfachzugehörigkeiten materialisieren.

4.2.7  Resümee : Sophie Assogba, die Selbstver wirklicherin            im transnationalen Raum Am Fall von Sophie Assogba ließen sich normative Orientierungen rekonstruieren, in welche die koloniale Aberkennung des Afrohairbusiness eingeschrieben 43 | Sinngemäße Übersetzung aus dem Französischen in die deutsche Sprache: »C’est une richesse« – »Das ist eine Bereicherung«.

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ist und die im Herkunftsland der Akteurin intergenerativ weitergegeben werden. Die normativen Orientierungen der Familie Assogba haben verhindert, dass sich die Tochter frühzeitig in ihrem Traumberuf der Afrohairstylistin verwirklichen konnte. Frau Assogba ist es im Alter von 35 Jahren und nach der Migration in die Bundesrepublik möglich, sich von den normativen Orientierungen zu lösen. Als begünstigende Bedingung ist zum einen der Denkanstoß ihres Ehemannes zu nennen, woraufhin Sophie Assogba ihren Kindheitswunsch reflektierte. Zum anderen führte der Umstand, dass sie zur Ausübung des Anwaltsberufs in Deutschland erneut Anstrengungen hätte auf sich nehmen müssen dazu, sich ihrem erlernten Beruf ab- und dem Traumberuf zuzuwenden. Nach ihrer Entscheidung, sich als Afrohairstylistin in Deutschland selbstständig zu machen, eignet sich Frau Assogba ein transnationales Expertinnenwissen an und kreiert ein auf ihren transnationalen Erfahrungen beruhendes Salonkonzept. Sie macht ihre beruflichen Kompetenzen und ihr hochwertiges Angebot sichtbar, was vor dem Hintergrund einer erlebten Abwertung des Afrohairbusiness sowie dessen nur marginaler Wahrnehmung in den Migrationsländern eine Bewältigungsstrategie darstellt. Frau Assogba strebt danach, mit ihrer Existenzgründung in einem abgewerteten Berufszweig Wertschätzung für die eigene Tätigkeit zu erfahren. Während der Gründungs- und Etablierungsphase ihres Salons dienen ihre transnationalen Erfahrungen als Ressource, um das abgewertete Bild über Afro Hair Salons zu dekonstruieren. Diese Ressourcen werden in ihrem transnationalen Wissenserwerb und ihrem auf transnationalen Erfahrungen beruhenden Salonkonzept sichtbar (vgl. Abb. 13). Während Sophie Assogba sowohl in ihrem Herkunftsland als auch in den Migrationsländern nationale und kontinentale Zugehörigkeiten verweigert und ihre transnationalen Erfahrungen nicht als Ressourcen betrachtet werden, findet sie in ihrem Salon einen neuen Raum (vgl. Bhabha 2011, S. 2). Ihre Mehrfachverortung dient dort gerade als Zugewinn. Der Fall zeigt, wie transnationale Lebensweisen und Erfahrungen und die Schaffung von neuen identifikatorischen Räumen auf der einen Seite Quelle von Kreativität und bedeutsame sozioökonomische Ressourcen sein können; auf der anderen Seite wird sichtbar, wie sie ebenso zu Verletzungen von Individuen führen, wenn Dritte diese Mehrfachverortungen nicht anerkennen. Frau Assogbas Prozess – von der Gründungsidee bis zur Salongründung – stellt zusammenfassend eine berufliche Selbstverwirklichung dar: Sie erfüllt sich trotz der Abwertung des Afrohairbusiness in ihrem Herkunftsland und Marginalisierung der Tätigkeit in Deutschland und Frankreich ihren beruflichen Kindheitstraum und greift dabei auf ihre transnationalen Erfahrungen zurück, die sie zum Drehpunkt ihres Engagements macht.

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Abbildung 13: Sophie Assogbas Prozess der beruflichen Selbstverwirklichung

Abwertung des Afrohairbusiness im Herkunftsland

Verwehrung einer Ausbildung im Traumberuf der Afrohairstylistin durch Eltern

Abwendung von elterlicher Normorientierung im Kontext der Migration nach Deutschland

Strategien zur Etablierung als Afrohairstylistin in Deutschland trotz der Abwertung des Berufes

Formalisierte transnationale Wissensaneignung

›Qualität‹ als Ankerpunkt des Salonkonzepts

Bewältigung der Abwertung des Afrohairbusiness durch Dekonstruktion von Negativbildern in der eigenen Salonkonzeption

Quelle: Eigene Darstellung.

4.3  D ie S alonbe treiberin L illy D amale :           »A lles was ich mache , hat was R ebellisches « Lilly Damale ist zum Zeitpunkt des Interviews im Februar 2011 27 Jahre alt; sie wohnt und arbeitet in einer Stadt in Deutschland. Bis zu ihrem sechsten Lebensjahr ist sie in Ghana aufgewachsen. Im Jahr 1990 migrierte ihre Familie nach Deutschland. Lilly Damales Talent im Frisieren fiel ihren Eltern bereits früh auf, weshalb sie sie dazu ermutigten, eine Ausbildung zur Friseurin zu beginnen. Dem Rat ihrer Eltern folgend, erlernte die junge Frau den Beruf in einem nicht auf Afrohairstyling spezialisierten Salon in Deutschland und war fortan in verschiedenen Salons tätig. Ihre Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen und der geringen Entlohnung motivierten sie dazu, die Meisterprüfung im Frisierhandwerk abzulegen. Da sich ihre Arbeitsbedingungen trotz dieser Position nicht verbesserten, machte sich Frau Damale mit einem

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eigenen Salon selbstständig. Zum Zeitpunkt des Interviews ist sie seit zehn Jahren als Friseurin tätig und trägt seit fünf Jahren den Meistertitel. Ihren Salon führt sie seit zweieinhalb Jahren. Sie möchte ihrer Kundschaft – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe und Haartextur – ein Dienstleistungsangebot zur Verfügung stellen, das nicht als exotisch wahrgenommen werden soll. Mit ihrem Konzept möchte sie eine vorfindbare Trennung von ›black hair salons‹ und nicht auf Afrohairstyling spezialisierter ›deutscher‹ Salons durchbrechen. Trotz seiner universellen Kundinnenorientierung erfüllt ihr Salon eine besondere Funktion für Schwarze, die in anderen Salons in Deutschland oftmals mit dem Hinweis, man könne ihre Haare nicht schneiden, weggeschickt werden. Frau Damales Salonphilosophie und ihre Positionierung als Geschäftsfrau stehen in einem konfliktreichen Verhältnis zueinander, da die Akteurin ihr Konzept nur rudimentär erfüllt sieht. Aus ökonomischen Gründen sei sie gezwungen, den Vorstellungen ihrer mehrheitlich aus Prostituierten bestehenden Kundschaft,44 wie eine Friseurin aussehen und auftreten solle, gerecht zu werden, damit diese ihren Salon wieder besuchen. Als problematisch beschreibt sie, sich dabei zu verstellen und ihr Äußeres an Weiße Schönheitsvorstellungen anzupassen, wodurch sie ihre »rebellische Art« und eigentliche Intention unterdrücke, eine binäre Logik von Schwarz und Weiß zu überwinden. Kapitel 4.3.1 schildert zunächst die Kontaktaufnahme mit Lilly Damale. Dem folgt die Analyse des Interviewbeginns in Kapitel 4.3.2 sowie die Rekonstruktion der Motivation, Friseurin zu werden und des Weges in die Selbstständigkeit in Kapitel 4.3.3. Kapitel 4.3.4 stellt Frau Damales Salonphilosophie dar. Die Fallanalyse schließt mit einer Reflexion von Frau Damales Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen in den Kapiteln 4.3.5 und 4.3.6 und setzt diese in Bezug zum Salonkonzept (4.3.7).

4.3.1    Kontaktaufnahme Ich stellte den Kontakt zu Lilly Damale telefonisch her. Ihr Salon ist mir während einer Stadtteilbegehung im Untersuchungsraum aufgefallen. Zu diesem Zeitpunkt war Frau Damale allerdings nicht anwesend, sondern ihr Mitarbeiter, der die männliche Kundschaft bedient. Er reichte mit Frau Damales Visitenkarte und erläuterte, dass sie nur im Salon anzutreffen sei, wenn sie mit einer Kundin einen Termin vereinbart habe. Daraufhin rief ich die junge Frau an, erzählte von meiner Studie und bat um ein Treffen. Sie stimmte einem Interview und dessen Aufnahme zu. Das Telefongespräch fand auf Deutsch 44 | Der Großteil von Frau Damales Kundschaft besteht aus Prostituierten, welche auf die Wahrung von Anonymität bedacht sind. Aus diesem Grund war mir die Durch­ führung von teilnehmenden Beobachtungen in ihrem Salon nicht möglich (vgl. Kap. 2.3.1).

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statt, weshalb ich mich auf ein Interview in der deutschen Sprache einstellte und vermutete, dass Frau Damale in Deutschland aufgewachsen ist (vgl. Beobachtungsprotokoll 28, Postskriptum Damale). Als ich zum vereinbarten Termin in ihrem Friseursalon erschien, war Frau Damale gerade dabei, einen Frisierstuhl zu reparieren. Sie bot mir sofort das Du an. Es war sowohl für sie als auch für mich offensichtlich, dass wir in einem ähnlichen Alter sind, weshalb ihr ein gegenseitiges Siezen möglicherweise unangemessen erschien. Durch das Duzen stellte Frau Damale eine lockere Atmosphäre und Nähe her, die durch leise im Hintergrund laufende Musik untermauert wurde. Sie bat mich, in einer Ecke des Frisiersalons Platz zu nehmen, in der Sitzmöglichkeiten bereitstanden. Zunächst befragte sie mich dazu, wie ich zu meinem Forschungsthema gekommen bin. Ich machte sie mit den üblichen Spezifika eines auf Narrationen hin ausgerichteten Interviews vertraut. Die Akteurin äußerte, das Interview als ein Gespräch gestalten zu wollen, in das ich mich als Interviewperson einbringen solle, um nicht die ganze Zeit alleine zu sprechen. Auf diesen Vorschlag ließ ich mich ein, versuchte aber gleichzeitig, meine Gesprächspartnerin zu einem freien Erzählen zu motivieren.

4.3.2    »Ich fing schon glaub’ ich mit sechs oder mit fünf an«:          Die Analyse des Inter viewbeginns Ich beginne den Einstieg in das Interview mit dem Hinweis, dass alles von Frau Damale Gesagte für mich von Interesse ist (»also mich interessiert (.) natürlich alles« I. 9). Dieser offene Impuls bekundet, dass im Interview Raum ist für alle Gedanken und Äußerungen. Er wird im Anschluss spezifiziert auf die Berufsbiografie und die Frage danach, wie es dazu kam, dass Frau Damale einen Salon eröffnet hat (»also wie (.) kam’s zu dem Salon« I. 9-10). Da mir zum Zeitpunkt des Interviews unklar war, ob Frau Damale in Deutschland oder einem anderen Land geboren wurde, äußerte ich die Frage nach dem Weg der Migration, wie ich sie Herrn Ayele gestellt habe, an dieser Stelle nicht, um die Akteurin nicht als Migrantin zu markieren und möglicherweise zu verletzen, sollte sie eine Schwarze Deutsche sein. Den eingeführten Impuls öffnete ich auf die Frage, wie Frau Damale zum ersten Mal mit Haaren und Styling in Berührung kam und wie ihre weitere Entwicklung in diesem Bereich verlaufen ist, um biografische Einblicke zu erhalten (»und auch ehm (.) vielleicht als Einstiegsfrage, kannst du dich noch daran erinnern wann du zum ersten Mal so mit Haare- Haaren und Styling in Kontakt kamst und wie dann quasi deine weitere Entwicklung in der Richtung war« I. 10-12). Die an Frau Damale adressierte Frage lenkt das Thema des Interviews auf ihre ersten Erfahrungen mit Haaren und die Tätigkeit des Frisierens. Sie unterstellt eine Entwicklung, die von diesen ersten Erfahrungen angestoßen wurde. Ziehen wir das Wissen darum hinzu, dass eine Friseurin interviewt wird, zeigt sich deutlich, dass

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die Eingangsfrage von einem spezifischen Verständnis ausgeht, warum Frau Damale den Friseurberuf ergriffen haben mag. Die Einstiegsfrage blendet den Fall aus, dass sie den Beruf gewählt haben könnte, ohne zuvor jegliche Frisiererfahrungen gemacht zu haben, die über das übliche Frisierprozedere zu Hause hinausgehen. Frau Damale hat nun die Optionen, die impliziten Vorannahmen der Eingangsfrage zu bestätigen oder sich hiervon zu distanzieren und eine andere Geschichte zu erzählen. Sie lässt sich unmittelbar auf den Erzählimpuls ein: »Ja gut«. (I. 14)

Die Interviewte scheint keine Bedenken zu haben, sich zu äußern. Dies wird daran deutlich, dass sie ihrer Narration keine Pausen oder begrifflichen Lückenfüller wie »mhm« voranstellt. Weiter erklärt sie: »also«. (I. 14)

»also« markiert den Beginn einer Spezifizierung. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Interviewte sich im Folgenden auf die an sie adressierte Frage beziehen und ihre Position hinsichtlich der von mir als Interviewerin geäußerten Vorannahme klären wird. Frau Damale führt aus: »es fing bei mir schon immer relativ früh an«. (I. 14)

Diese Äußerung könnte, blendet man den Kontext der Eingangsfrage aus, beispielsweise nach der Aufforderung zur Erläuterung einer Krankheitsgeschichte oder im Anschluss an eine Frage nach dem Aufkommen einer Beschäftigung mit einer bestimmten Sache wie einem Hobby gefolgt sein. In den Vordergrund drängt sich die zeitliche Dimension einer Auseinandersetzung oder Konfrontation mit einer Sache oder Situation (»es«), die die Interviewte als schon »immer« da gewesen deutet. Dass etwas anfing, verweist jedoch auf einen Zeitpunkt, zu dem die Beschäftigung konkret begann, und steht im Kontrast zu der Aussage, etwas sei bereits »immer« da gewesen. Die Äußerung der Interviewten muss vor dem Hintergrund der an sie adressierten Frage interpretiert werden, in der ich als Interviewende von einem bestimmten Zeitpunkt ausgehe, zu welchem die Beschäftigung mit – ziehen wir den inneren Kontext des Interviews hinzu – Haaren anfing. Frau Damale greift meine Deutung auf, macht aber darauf aufmerksam, dass es ihrem Erleben nach keinen konkret identifizierbaren Beginn der Frisiertätigkeit gab, sondern diese »schon immer« Bestandteil ihres Lebens gewesen sei. »immer« zeigt, dass die Interviewte die Beschäftigung mit Haaren als ein angeborenes Talent betrachtet, welches sich im Lauf ihrer Kindheit und Jugend bis hin zum Er-

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wachsenenalter zunehmend entfaltete. Ihre Deutung impliziert die Idee, dass die Beschäftigung mit einer Sache unausweichlich gewesen sei. Die Interviewte erscheint zunächst als passive Person, die den Anfang des »es« nicht aktiv initiiert hat. Die Worte »relativ früh« rekurrieren auf die Kindheit, in der Frau Damale bereits frisiert zu haben scheint. »relativ« markiert, dass die Interviewte sich an den genauen Zeitpunkt, an dem das Thema dominant wurde, nicht mehr erinnert. Weitergehen könnte die Sequenz mit einer ausführlichen Schilderung des »es«: »also ich fang-«. (I. 14)

Frau Damale konkretisiert mit der Konjunktion »also« das zuvor Gesagte. »ich fang« als im Präsenz formulierte Konjugation, bei welcher das grammatikalisch korrekte »e« am Ende fehlt, verweist auf einen dialektalen Einschlag in Frau Damales gesprochenem Deutsch. Zugleich schwenkt die Akteurin von der zuvor im Präteritum formulierten Äußerung in das Präsens. Der Tempuswechsel könnte anzeigen, dass die nun folgenden Erläuterungen sich zwar auf die Vergangenheit beziehen, aber in Frau Damales heutiger Situation nach wie vor von Relevanz sind. Im Weiteren korrigiert sie sich und verwendet das Präteritum. Der Hinweis »ich fing schon glaub’ ich mit (.) sechs oder mit fünf an«. (I. 14-15)

verdeutlicht, dass Frau Damale bereits so lange frisiert, dass sie sich nur schwer an den exakten Zeitpunkt ihrer ersten Erfahrungen erinnern kann. Hieraus lässt sich schließen, dass es kein Schlüsselereignis gab, das den Wunsch nach einer Beschäftigung mit Haaren bei ihr hervorgerufen hat, sondern das Interesse am Frisieren bereits in einem sehr jungen Alter gegeben war. Sie habe zunächst die Haare ihrer Puppen geschnitten: »halt schon meine Püppies halt allen die Haare zu schneiden«. (I. 15-16)

Der Modalpartikel »halt« drückt Frau Damales damalige Gewohnheit aus, ihre Puppen zu frisieren. Er untermauert die Lesart, dass die Interviewte ihre Frisiertätigkeit als angeborenes Talent deutet, welches sie überkam und unausweichlich war. »schon« zeigt erneut Frau Damales frühe Beschäftigung mit dem Schneiden und Frisieren von Haaren in ihrer Kindheit an. Der Begriff »Püppies« stellt eine Verniedlichung des Wortes Puppe dar und ist im Plural formuliert, was darauf hinweist, dass Frau Damale als Kind über mehrere Puppen verfügte, die sie frisierte. Der verniedlichende Begriff macht ihre enge emotionale Bindung zu diesen sichtbar. Über das Frisieren ihrer »Püppies« hi-

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naus nähte sie deren Kleidung um, was ihr bereits früh ausgeprägtes kreatives Potenzial illustriert: »und immer die Klamotten umzunähen von denen den ganzen Barbies«. (I. 16)

Das Verb »umnähen« drückt aus, dass Frau Damale sich nicht mit einem gefertigten Produkt zufrieden gab, sondern Kleidungsstücke der Puppen nach eigenen Wünschen umgestaltete. Insofern Puppen nicht wachsen und daher nicht der Bedarf besteht, Puppenkleidung zu verändern, um sie einer bestimmten Größe anzupassen, zeigt sich Frau Damales Fähigkeit, aus Gegebenem Neues zu gestalten. Im Verlauf ihrer Kindheit und frühen Jugend ging die Beschäftigung mit Puppen zu dem Haar von Menschen in ihrem Umfeld über, welches sie ab dem Alter von 12 Jahren regelmäßig frisierte und damit ihr Taschengeld auf besserte: »und so und richtigen Kontakt hat ich eigentlich (.) mit zwölf; wo ich dann auch regel­ mäßig um mein Taschengeld en bisschen ehm (.) aufzupeppeln halt eh auch Leuten halt in meinem Alter dann schon Haare ehm gemacht habe«. (I. 16-19)

Während Frau Damale sich nicht mehr an den exakten Zeitpunkt ihrer ersten Beschäftigung mit dem Frisieren von Puppen erinnert, legt diese Sequenz offen, dass sie den Umgang mit menschlichem Haar als bedeutsame Etappe erlebt hat: Sie benennt ihr damaliges Alter konkret und stuft das Frisieren von »Leuten« als etwas besonderes und den ersten »richtigen Kontakt« mit dem Frisieren ein. Bereits mit 12 Jahren scheint sie derart talentiert gewesen zu sein, dass sie für das Frisieren eine monetäre Gegenleistung verlangen konnte. Offen bleibt, ob Frau Damale mit »Leuten halt in meinem Alter« Gleichaltrige meint, die sie frisierte, oder betonen möchte, dass sie Personen unterschiedlichen Alters bereits in ihren jungen Jahren die Haare machte. Beide Lesarten sind vorstellbar: Zum einen ist die Beschäftigung mit Haaren oftmals in das kindliche Spiel integriert (vgl. z.B. Köhler 2008, S. 72) und es wäre denkbar, dass Frau Damale in einem Alter, in dem Kinder bzw. Heranwachsende sich zunehmend mit ihrem Äußeren befassen, ihre Freunde/Freundinnen frisierte. Zum anderen wäre vorstellbar, dass Frau Damale im engeren Freundes-, Bekannten- und Verwandtenkreis frisierte und sich auch an den Köpfen von Erwachsenen ausprobieren durfte. Für die zweite Lesart spricht, dass Frau Damale die Bezeichnung »Leute« verwendet, die im alltäglichen Gebrauch eher mit Erwachsenen als mit Kindern assoziiert ist, und nicht beispielsweise von »Gleichaltrigen« spricht. Unabhängig davon impliziert die Äußerung, dass ihre erbrachte Arbeit von Dritten als qualitativ gut eingestuft wurde, da sich Personen sonst nicht von einer Heranwachsenden hätten frisieren lassen. Frau Damale hat »regelmäßig« »Haare gemacht«, was vermuten lässt, dass es ihr

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Spaß bereitete. Zwar erklärt sie, ihr »Taschengeld« aufgebessert zu haben. Jedoch zeigen ihre vorangegangenen Erläuterungen, dass nicht monetäre Aspekte den Anreiz gegeben haben, sondern ihr Talent, das bereits im Kindesalter sichtbar wurde. Im Verlauf der Jugend zeigte ihre Familie die Frisiertätigkeit als mögliche Berufsoption auf, die Lilly Damale ergriff, wenngleich sie selbst sagt, dass eine berufliche Verwirklichung in diesem Bereich kein Wunsch gewesen sei: »und eh meine Familie hatte ja schon das Potenzial halt immer bei mir gesehen und eh (.) hieß immer du musst unbedingt ne Ausbildung machen mit so Friseurin, war nicht unbedingt mein Wunsch @«. (I. 19-21)

Die Involviertheit der ganzen Familie in die Berufswahl begründet Frau Damale damit, dass diese ihr Talent erkannte. Die dringliche Empfehlung der Familie (»unbedingt ne Ausbildung machen«) macht deren starken Einfluss auf die Berufswahl sichtbar. Im Gegensatz zu den Fällen von Sophie Assogba und ihrer Londoner Lehrerin Michelle Egolum wird deutlich, dass der Friseurberuf für ihre Familie nicht negativ konnotiert ist. Frau Damales Verweis, Friseurin sei nicht ihr Wunschberuf gewesen (»war nicht unbedingt mein Wunsch«), lässt vermuten, dass sie den Beruf unter dem Einfluss ihrer Familie aus pragmatischen Gründen ergriffen hat, weil sie zum damaligen Zeitpunkt keinen anderen Berufswunsch verspürte. Prinzipiell denkbar wäre auch, dass die Familie sie in den Friseurberuf gedrängt hat, sodass es ihr nicht möglich war, ihren eigentlichen Wunschberuf zu erlernen. Ihren Ausführungen zum familiären Einfluss auf die Wahl des Ausbildungsberufs schließt die Interviewte die Konjunktion »aber« (I. 21)

an. »aber« hat eine adversative Funktion und verweist auf etwas, das im Gegensatz zum vorher Gesagten steht. Denkt man zum Beispiel an den Satz »Dein Aufsatz ist gut, aber er könnte etwas ausführlicher geschrieben sein« wird deutlich, dass »aber« die zuvor lobend wirkende Äußerung abschwächt oder gar negiert. In der untersuchten Sequenz folgt »aber« auf die Aussage, dass der Beruf der Friseurin nicht der Wunschberuf gewesen sei. Dem könnte sich in gegensätzlicher Weise anschließen, dass die Akteurin diesen jedoch mittlerweile als ihren Traumberuf erachtet oder aber, dass sie sich mit ihm arrangiert habe. Denkbar wäre auch, dass die Interviewte ausführt, einen anderen Beruf ergriffen zu haben, den sie wirklich ausüben möchte. Sie formuliert: »ja und somit hat sich das Ganze halt (.) entwickelt«. (I. 21-22)

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Die sich anreihende Äußerung betont, dass die Interviewte der elterlichen Entscheidung, den Friseurberuf zu erlernen, eine Wirkmacht zuschreibt, die bis heute zum Tragen kommt und einen Prozess auslöste, in dem sich »das Ganze halt entwickelt« habe. Die Floskel »das Ganze« deutet auf eine komplexe Situation und einen komplexen Verlauf hin, der nicht in Kürze zusammengefasst werden kann. Die Konjugation »entwickelt« macht klar, dass zwischen der elterlichen Entscheidung für Frau Damale, den Friseurberuf zu ergreifen und dem Zeitpunkt des Interviews, eine gewisse Zeitspanne liegt, in der über die Friseurausbildung hinaus weitere Ereignisse, die berufliche Rolle betreffend, zu verorten sind. Das Füllwort »halt« hebt erneut eine passive Haltung der Akteurin gegenüber dieser Entwicklung hervor, was für die Lesart spricht, dass sich Frau Damale mit der Berufswahl arrangiert hat, die Frisiertätigkeit jedoch nicht ihr Traumberuf ist. Frau Damale formuliert nicht, dass sie selbst die Person gewesen sei, welche die Entwicklung angestoßen habe, sondern suggeriert, dass es sich um einen einmal angestoßenen und im Folgenden selbstläufigen, pfadgenerierenden Prozess handelte, der sich verstärkt hat. Sie erweckt den Eindruck, das sie Frisieren als ihr Schicksal – im Sinne einer unausweichlichen Vorbestimmung – betrachtet, das einerseits in ihrem Talent gründet, andererseits von ihrem familären Umfeld immer wieder bestätigt und bekräftigt wurde. Sie schließt ihre Erzähleinheit mit der Koda: »sach ich jetz ma (.) genau. (3)«. (I. 22)

Die Sequenz legt dar, dass sich Lilly Damale während des Erzählens rückbesinnt und zusätzlich zu einem Dialog mit mir als Interviewerin in einen reflexiven inneren Dialog mit sich selbst eingetreten ist, in dem sie sich die Anfänge ihrer heutigen beruflichen Positionierung vergegenwärtigt. Frau Damale spricht sich selbst direkt an und bestätigt sich ihre eigenen Äußerungen und Gedanken (»genau«). Hierdurch vermittelt sie neben den zuvor genannten Handlungsverläufen und -deutungen zugleich, dass sie ihre Frisiertätigkeit reflektiert und in ihren Anfängen und Bedingtheiten bewusst macht. Es entsteht der Eindruck, dass dieser Prozess nicht erst in der Situation des Interviews angestoßen wird, sondern dass sich Frau Damale bereits im Vorfeld reflexiv mit ihrem Frisiertalent und den hierdurch evozierten biografischen Verläufen auseinandergesetzt hat. Der innere Dialog könnte – im Zusammenhang mit Frau Damales Erläuterung, ihre Frisierfähigkeit als angeborenes Talent zu verstehen, welches ihre Eltern dazu bewegt hat, ihr den Friseurberuf nahezulegen – ein Zeichen dafür sein, dass sie sich derzeit mit ihrer beruflichen Position beschäftigt, mit dieser beispielsweise unzufrieden ist und/oder eine berufliche Veränderung innerhalb der Friseurbranche oder in andere Bereiche hinein anstrebt. Da sie betont, ihre Puppen als Kind liebevoll frisiert zu haben, lässt sich vermuten, dass sich ein möglicher Konflikt auf die Umstände ihrer Berufs-

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ausübung bezieht und nicht auf die Frisiertätigkeit an sich, zu der sie einen passionierten Bezug hat. Eine These könnte sein, dass sie aktuell Probleme hat und sich in ihrer Situation überlegt, welche anderen beruflichen Optionen sie als Jugendliche prinzipiell in Betracht gezogen hatte. Der innere Dialog wäre dann ein Indiz für ein Sinnieren der Akteurin über den Einfluss vergangener Entscheidungen auf ihren Lebensweg. Er könnte auch ein Zeichen dafür sein, dass Frau Damale eine Veränderung in ihrem beruflichen Weg einschlagen und statt in einer passiven Rolle nun als aktiver Part ihrer Biografie auftreten möchte. Sollte sich diese Lesart erhärten, müsste Frau Damale im weiteren Interview klären, wodurch ein solcher Richtungswechsel initiiert wurde und welche neuen Ideen sie konkret umzusetzen plant. Im Verlauf der Interviewanalyse wird Frau Damales Weg in die Selbstständigkeit beschrieben. Dabei werden Herausforderungen und Probleme mit ihrer selbstständigen Berufsausübung sichtbar. Sie machen auf rassistische Gesellschaftsstrukturen ebenso aufmerksam wie auf ein der Akteurin hierdurch abverlangtes Bewältigungshandeln.

4.3.3    Motivation, Friseurin zu werden und der Weg          in die Selbstständigkeit Erste Kenntnisse im Frisieren erwarb Frau Damale in ihrer Kindheit durch modellhaftes Lernen an ihren älteren Geschwistern (»Von meinen Geschwistern damals« I. 140). Diese seien zwar weniger talentiert gewesen als sie selbst, jedoch hätten ihre Kenntnisse für das Frisieren in der Familie ausgereicht: »die […] waren auch relativ kreativ halt natürlich nicht so kreativ wie ich @ […] aber ehm das hat halt natürlich für die Frisuren daheim halt schon gereicht«. (I. 144-146)

Die Sequenz legt offen, dass das Frisieren als Alltagsroutine in das familiäre Leben integriert war. Sie illustriert Frau Damales Position als kreativer Kopf des Haushalts, was sie lachend hervorhebt. Hieraus kann geschlossen werden, dass ihr diese Rolle von Dritten vergegenwärtigt wurde, was dazu beigetragen haben mag, dass sie sich als kreative Person versteht. Kreatvität bedeutet im Alltag, dass eine Person Probleme und Herausforderungen auf besonders originelle, im Unterschied zu anderen außergewöhnliche Weise lösen kann und dabei Strategien miteinander verknüpft, die bis dahin nicht in einem Zusammenhang gedacht wurden (vgl. Adriani/Schwalb/Wetz 2000, S. 19ff.). Die Begrifflichkeit ist mit Attributen wie Spontaneität, Neugier und Unabhängigkeit assoziiert. Aus heutiger Sicht reflektiert Frau Damale, dass es für sie bereits in ihrer Kindheit einfach gewesen sei, Frisiertechniken akkurat nachzuahmen, nachdem sie deren Ausübung beobachtete:

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland »ich glaub das is einfach mein Talent, dass ich mir Sachen abgucke, und dann halt das […] einfach eins zu eins umsetzen kann […] Ohne großartig darüber nachzudenken @«. (I. 146-148)

Deutlich wird erneut, dass die Akteurin ihre Fähig- und Fertigkeiten als »Talent« deutet, das in der lernenden Interaktion mit den Geschwistern zum Vorschein kam und wozu sie zunächst nichts beigetragen hat. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich das Selbstverständnis als Kreative erst im Lauf von Frau Damales Biografie herausbildete, insofern Kreativität im Vergleich zu einer Talentiertheit auf etwas Aktives verweist, das sich entwickelt und aus einem Talent hervorgehen kann. Frau Damale scheint also einen Prozess in ihrem Selbstverständnis durchlaufen zu haben: Von einer anfänglich passiven Person mit einem »Talent« hin zu einer aktiven Person, die »kreativ« ist und Neues schafft. Dieser Prozess wird nun entlang ihrer Ausbildungsstationen bis hin zu ihrer Existenzgründung und Position als Selbstständige nachverfolgt.

4.3.3.1    Die Ausbildung zur Friseurin

Wie die Analyse der Eingangssequenz veranschaulicht, deutete Frau Damales Familie das spielerische Frisieren in der Kindheit als Talent und riet ihr zu einer Friseurausbildung. In der Narration schreibt sie ihrer Familie zu, die Berufsempfehlung aus ihrem kindlichen Spiel mit Haaren gefolgert zu haben: »ich glaub so ne so Eltern oder so Geschwister, die sehen dann halt schon (.) in was für eine Richtung halt das jüngste Kind ge:eht […] bei mir war das halt echt immer Spiegel, Styling, Haare«. (I. 29-32)

Sie hält fest, dass es üblicher Bestandteil familiärer Beziehungen sei, die jeweiligen Interessen des Gegenübers zu identifizieren. Das elterliche Aufzeigen des Berufsweges empfindet sie als logische Konsequenz ihres damaligen Verhaltens. Ihre Familie habe ihre Interessen »erkannt« und hieran angesetzt: »Ich denk von daher und die haben halt (aus) dem was ich gemacht hab erkannt, dass es ja auch so was is also (.) ja. (3)«. (I. 32-33)

Gleichwohl gibt sie erneut zu verstehen, dass sie selbst nie den Wunsch entwickelt hatte, den Friseurberuf zu ergreifen: »also ich wollte nie wirklich Friseur werden«. (I. 37-38)

Als Grund für dessen Ausübung benennt sie wiederholt die sich auf ihr Talent stützende Empfehlung ihrer Familie und möglicherweise auch von andern Personen:

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland »ehm aber es hieß halt immer ja du hast die kreative Seite, mach das doch mal«. (I. 38)

Frau Damale gilt als die Kreative in der Familie, weshalb vermutet werden kann, dass die anderen Familienmitglieder weder im Friseurberuf noch in anderen künstlerischen Berufen beschäftigt sind.45 Die Äußerung »mach das doch mal« hebt den familiären Anstoß hervor, sich im Beruf der Friseurin zu versuchen und bei Nichtgefallen über weitere Berufsoptionen nachzudenken. Sie impliziert auf der einen Seite einen gewissen Druck, tätig werden zu müssen, zum anderen aber auch eine Ermutigung. Dass Frau Damale den Anstoß vermutlich ambivalent erlebt hat, zeigt sich im Folgenden: »(wusst) halt schon immer klar, dass ich irgendwas Kreatives machen will […] nu:ur dass es dann letztendlich Friseur geworden ist […] @ hätt ich auch nicht gedacht@ ich dachte vielleicht auch (.) irgendwas in Sachen Gestaltung oder halt irgendwas so mit Malen […] Aber das hast du ja dann im Endeffekt bei nem Friseur auch«. (I. 41-45)

Die Sequenz offenbart – wie sich bereits in der Analyse der Eingangssequenz andeutete –, dass die Akteurin in ihrer Jugend keinen Traumberuf für sich entwickelte, sondern grobe praktische Bereiche andachte (»irgendwas in Sachen Gestaltung«), in die sie sich beruflich orientierte. Wichtig war ihr, »irgendwas Kreatives« zu machen. Jene Orientierungen wurden von ihrer Familie in die Richtung einer Friseurausbildung gelenkt, was veranschaulicht, dass sie das Frisieren bis dahin als passioniertes Hobby verstand. Dem familiären Ratschlag folgend bewarb sie sich nach ihrer Schulzeit für einen Ausbildungsplatz zur Friseurin: »hab mich einfach […] beworben (.) nach der Schule und ehm hab eigentlich auch relativ schnell nen Ausbildungsplatz gefunden zur Friseurin«. (I. 39-40)

Sich »einfach« beworben zu haben, weist erneut darauf hin, dass durch die Eltern eine Entwicklung in Frau Damales Berufsbiografie angestoßen wurde, die Lilly Damale, wenngleich sie im Zentrum stand, passiv erlebt hat. Die Ausbildung »halt« gemacht zu haben, untermauert die Lesart, die elterliche Empfehlung angenommen zu haben, was von der Interviewten als üblich und folgerichtig markiert wird. Die dreijährige Ausbildung absolvierte Lilly Damale in einem nicht auf das Afrohairstyling spezialisierten Friseursalon, den sie als »deutschen Salon« charakterisiert: 45 | Diese Vermutung bestätigt Frau Damale an anderer Stelle, wo sie in Bezug auf ihre Geschwister ausführt: »Das sind alles Krankenschwestern, Studierte, immer noch am Studieren und ja; also ich bin die Einzige da die jetz in dem Bereich is« (I. 150-151).

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland »Ehm ich hab dann ne Ausbildung ne dreijährige Friseurausbildung beim deutschen Salon in einem deutschen Salon gemacht«. (I. 50-51)

Sie erwähnt auf meine Rückfrage hin, dass ihre Mutter sich im Vorfeld für sie informiert habe, ob sie eine Ausbildung in einem Afro Hair Salon ablegen könne. Diese Möglichkeit sei jedoch nicht gegeben gewesen, da die meisten Afro Hair Salons über keine Berechtigung zur Ausbildung von Nachwuchsfriseuren/Nachwuchsfriseurinnen verfügten: »ich glaub vor der Ausbildung hat sich meine Mama für mich son bisschen informiert, aber die können ja alle gar nich meistens ausbilden«. (I. 796-798)

Die Konjugation »ich glaub« zeigt abermals, dass es die Familie, in diesem Fall konkret die Mutter war, die Bewegung in die Suche nach einem Ausbildungsplatz für die Tochter gebracht hat. Frau Damale selbst kann sich nur grob zurückerinnern. Es kann spekuliert werden, dass Afro Hair Salons auch eine Anlaufstelle der Mutter in der Suche nach einem Ausbildungsplatz waren. Die Sequenz klärt ebenso, dass es nicht zwangsweise Frau Damales Wunsch war, unbedingt eine Ausbildung in einem Afro Hair Salon vorzunehmen; andernfalls hätte sie ihr Bedauern über die fehlende Ausbildungsmöglichkeit in einem Afro Hair Salon zum Ausdruck gebracht. Der Familie, insbesondere Lilly Damale selbst, wurde diese Entscheidung durch externe Rahmenbedingungen abgenommen (»die können ja alle gar nich meistens ausbilden«).46 In der Suche nach der Ausbildungsstelle fungierte die Mutter als zentrale Figur, die sich für die Tochter informierte und die Bewerbung in dem »deutschen Salon« initiierte. In Frau Damales Ausführungen zu ihrer Ausbildung tritt sie schließlich selbst als aktive Person hervor. Sie testete aus, ob ihr der Friseurberuf zusagt: »dort lernste ja dann ziemlich viel, sehr sehr viel und kannste ja dann auch gucken ob der Beruf was für dich ist«. (I. 51-53)

Wenngleich ihr die Arbeit Spaß machte, kritisiert sie die unzureichende Vergütung der Tätigkeit bei einer hohen Anzahl an Arbeitsstunden: »ja also dass man als Friseur reich werden kann war ja nie so wirklich so das Ding, weil irgendwo machts ja auch Spaß und ehm (2) aber ehm das Finanzielle ist ja nie so toll und die Arbeitsstunden«. (I. 53-55) 46 | Wenn Betreiber/-innen von Afro Hair Salons keine Meisterprüfung abgelegt ha­ ben, die zur Ausbildung von Friseuren/Friseurinnen berechtigt, sowie keinen Friseur­ meister/keine Friseurmeisterin in ihrem Salon anstellen, ist ihnen nicht erlaubt, Aus­ zubildene anzunehmen.

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

Frau Damale war bereits vor der Ergreifung des Friseurberufs bewusst, in diesem Arbeitsfeld kein Vermögen verdienen zu können. »man« zeigt an, dass sie die schlechte Bezahlung in der Branche als allgemein bekanntes Thema voraussetzt. Aus Spaß an der Tätigkeit – möglicherweise aber auch aus Mangel an Alternativen – hat die Interviewte zunächst auf ein höheres Einkommen verzichtet. Dies lässt den Schluss zu, dass sie mit der durch die Eltern angestoßenen Berufswahl prinzipiell zufrieden war. Während der Berufsausübung verschärfte sich die Problematik der hohen Arbeitszeit bei schlechter Bezahlung jedoch derart, dass sie sich beruflich veränderte: »und da überlegt man sich halt des schon ob man nicht nebenbei noch irgendwas machen möchte um halt das Ganze (.) irgendwie aufzubauen […] in Sachen Visagistik oder Maskenbildnerin oder oder oder. Letztendlich hab ich mich dann halt für mein Meisterbrief entschieden«. (I. 55-58)

Die Entscheidung zur Weiterqualifikation in ihrem Beruf hat Frau Damale nach dem elterlichen Richtungsanstoß für sich selbst getroffen. Hierzu hat sie die allgemeinen Bedingungen in der Friseurbranche als Begründungsrahmen herangezogen. Sie stellt ihre Überlegungen, sich weiterzuqualifizieren, um das eigene Einkommen zu steigern, anhand des erneut verwendeten »man« als typisch für die Friseurbranche im Ganzen heraus.

4.3.3.2    Der Meisterlehrgang

Lilly Damale hat zwischen einer Weiterbildung als Visagistin, Maskenbildnerin sowie dem Meisterbrief und anderen ungenannten Möglichkeiten (»oder oder oder«) abgewogen und sich für den Meisterlehrgang entschieden. Ihre Motivation hierzu war eine pragmatische Entscheidung, die in den schlechten Arbeitsbedingungen als Angestellte begründet lag. Zudem musste Frau Damale mit Abschluss ihrer Ausbildung entscheiden, wie es weitergehen sollte, da ihr Vorgesetzter sie wegen Betriebsaufgabe nicht übernehmen konnte: »mein Ex-Chef […] hat den Laden dicht gemacht […] der is ja auch schon fast dreißig Jahre in dem Beruf und hat dann keine Lust mehr (.) wollt sich dann halt anderen Dingen widmen«. (I. 776-779)

Infolge der Salonschließung und Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen als Angestellte durchlief Frau Damale einen dreieinhalbmonatigen Meisterlehrgang: »hab dann halt ne (.) dreieinhalbmonatige Ausbildung zur Meisterin dann halt ge­ macht«. (I. 58-59)

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland

Sie hatte die Möglichkeit, den Kurs entweder im Zeitraum eines Jahres zu belegen und gleichzeitig weiter arbeiten zu gehen oder einen Intensivkurs im Zeitraum von drei Monaten zu besuchen: »Den kannste halt entweder ein Jahr machen um halt nebenbei natürlich Zeit zu sparen um halt auch en bisschen ehm das Ganze finanzieren zu können […] ich hab mich halt aber für den schnelleren Kurs entschieden«. (I. 73-76)

Lilly Damale entschied sich für den Intensivkurs, was hervorhebt, wie bedeutsam ihr eine schnelle berufliche Weiterentwicklung zu diesem Zeitpunkt war. Auf meine Rückfrage hin, wer sie in der Übernahme der Kosten, bestehend aus den Kosten des Meisterkurses sowie für den Lebensunterhalt unterstützt habe, erklärt sie, diese privat getragen, aber ein Meister-Bafög von der KfW Bank47 erhalten zu haben: »Ich musste selber dann alles zahlen aber du kriegst ja dann auch ehm den Meister­ bafög, den die KfW Bank halt ehm (.) sozusagen verleiht […] das geht dann halt«. (I. 81-83)

Als Belastung hebt Frau Damale die Aneignung der vielfältigen Lerninhalte in der kurzen Zeit von drei Monaten hervor. Sie gibt an, würde sie erneut vor der Entscheidung stehen, den Kurs über einen längeren Zeitraum zu besuchen: »ich glaub würde ich es mir aussuchen, würde ich da nicht unbedingt nochmal die dreieinhalb Monate nehmen, weil da kommt sehr sehr viel Stoff auf einmal«. (I. 84-85)

4.3.3.4    Gründungsmotivation

Nach dem Erwerb des Meistertitels war Frau Damale in verschiedenen Salons, u. a. in leitender Stellung tätig. Trotz ihrer Qualifikation wurde sie ihres Erachtens nach wie vor unzureichend bezahlt:

47 | Die KfW Bankengruppe unterstützt seit ihrer Gründung als Kreditanstalt für Wie­ deraufbau im Jahr 1948 zukunftsweisende Ideen durch Vergabe von Darlehen und will zu Wandel und Entwicklung beitragen. Das Meister-Bafög können Interessierte unabhängig von ihrem Alter erhalten. Es beinhaltet finanzielle Zuschüsse, optional kann ein Kredit beantragt werden. Es soll ermöglichen, den Lebensunterhalt während des Meisterlehrgangs zu bestreiten. Zudem können 50 Prozent der Kosten des Meis­ terstücks sowie die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren finanziert werden. Der Kredit muss innerhalb von zehn Jahren zurückgezahlt werden (vgl. Homepage der KfW zum Meister-Bafög 2013).

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland »da wird man meistens immer nur tariflich oder halt untertariflich unter anderem halt auch bezahlt und das is halt einfach bei den uns Friseuren so«. (I. 756-757)

Als einen Grund für die geringe Entlohnung bei gleichzeitig hoher Anzahl an Arbeitsstunden identifiziert Lilly Damale die sogenannten Zehn-EuroFriseure/Zehn-Euro-Friseurinnen, die ihre Dienstleistungen zu einem sehr niedrigen Preis anbieten und nach ihrer Einschätzung dazu beitragen, dass die gesamte Branche immer mehr »versinkt«: »weils ja mittlerweile auch so viele Zehn-Euro-Friseure gibt […] also das Geschäft […] versinkt immer mehr«. (I. 760-761)

Sie führt auf meine Rückfrage, ob sie auch einmal in einem solchen Salon gearbeitet habe aus, dass dies der Fall gewesen sei (»Ja hab ich« I. 768). Jene Salons seien die einzigen, die Bewerber/-innen einstellen, da kleine Salons unter privater Leitung meist ausschließlich ihre Auszubildenden übernehmen würden: »Das sind ja die einzigen die dich ja auch mittlerweile aufnehmen […] wenn du ehm ne dreijährige Ausbildung hast und danach d-du im Salon nicht übernommen wirst«. (I. 772-774)

Frau Damale schildert, dass viele Friseure/Friseurinnen in Zehn-Euro-Salons arbeiteten, da ihnen keine andere Wahl bleibe: »und es is halt wirklich so dass man (.) halt dann nur noch in so Zehn-Euro-Geschäfte dann halt landet ja«. (I. 779-780)

Das Pronomen »man« untermauert, dass Frau Damale eine kollektive Betroffenheit von Friseuren/Friseurinnen konstatiert und für ihre Äußerung allgemeine Geltung beansprucht (vgl. Sander/Vollbrecht 1985, S. 22-29). Die Prekarität des Friseurberufs stellt ein zentrales, als kollektiv beschriebenes Deutungsmuster dar, das zu einem überindividuellen Verhalten von Angestellten führe, welche die Arbeit in sogenannten Zehn-Euro-Salons nur für einen begrenzten Zeitraum aushalten und ausüben würden: »das kann man nicht lang machen« (I. 780). Durch die kollektivistische Erzählweise verortet Frau Damale ihre eigene Situation in Rahmenbedingungen, die dem Berufsfeld eigen sind. Sie bezieht sich auf einen seit mehreren Jahrzehnten geführten Diskurs über die niedrige Entlohnung im Friseurhandwerk (vgl. z.B. Paul-Kohlhoff 2004, S. 49). Seit einer verstärkten Expansion der sogenannten Zehn-Euro-Salons wurde die Frage nach der unzureichenden Bezahlung ver-

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schärft, weil viele dieser Salons die Entlohnung ihrer Mitarbeiter/-innen unter Tarifniveau drücken.48 Nach Absolvierung ihrer Meisterprüfung arbeitete Frau Damale aber nicht ausschließlich in Zehn-Euro-Friseursalons, sondern zuletzt in einem Salon, in dem die Arbeitsbedingungen besser waren. Für die in ihrer Leitungsposition ausgeübte Mehrarbeit erhielt sie jedoch im Vergleich zu Angestellten ohne Meistertitel nur unwesentlich mehr Lohn: »das letzte Geschäft war halt nich schlecht […] da war ich halt auch Salonleitung […] aber des (.) des lohnt sich […] einfach nich; vielleicht hundert Euro mehr als die anderen Kollegen zu verdienen ja als Meister«. (I. 781-783)

Die auch nach Ablegung des Meistertitels bestehende Unzufriedenheit mit den Rahmenbedingungen auf ihren Arbeitsstellen benennt Frau Damale als Ursache ihrer Salongründung: »deswegen hab ich mich auch überhaupt selbstständig gemacht ja? […] Weil ich es einfach nich eingesehen hab zehn zwölf Stunden zu stehen, zu knechten ja? […] Oder geknechtet zu werden«. (I. 758-760)

Als Angestellte sah sie sich in der Position einer ›Knechtin‹. Hieran wird deutlich, dass sie nicht für sich selbst arbeitete, sondern für eine ihr übergeordnete Person Schwerstarbeit verrichtete. Der Begriff des Knechts wurde in der Vergangenheit vor allem in der Landwirtschaft gebraucht, um Arbeiter/-innen zu bezeichnen. Knechte befanden sich häufig in rechtlosen Dienstverhältnissen und wurden unterdrückt (vgl. Duden Online 2013a). Das Verb »knechten« rückt das relationale Gefüge zwischen Herr und Knecht in den Vordergrund, was Lilly Damales kritische Haltung gegenüber als ausbeuterisch eingestuften Arbeitsverhältnissen anzeigt. Ihre Salongründung erfolgte demnach nicht primär aus dem Wunsch nach der Verwirklichung eines lange gehegten Lebenstraums, wie in den Fällen von Frau Assogba und der Londoner Braidingschulbesitzerin Frau Egolum, sondern ähnlich wie im Fall Herrn Ayeles aus der Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen der ehemaligen Arbeitsstellen. Neben diesen Ursachen stieß eine sich der Interviewten dargebotene Gelegenheit letztlich die Existenzgründung an. Frau Damale lernte den ghanaischen Sohn des Betreibers eines Afro Shops kennen, der ihr vorschlug, die an den Afro Shop grenzenden Räumlichkeiten anzumieten, die seiner Familie gehören:

48 | Diese Problematik wird vor allem in der Presse aufgegriffen (vgl. z.B. Wiesel 2009).

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland »ich mein man kennt sich ja untereinander […] es gibt ja nicht so:o viele ghana- ghanai­ sche Menschen in ((Stadt A)) […] also ich hatte den Sohn kennen gelernt […] der hatte mich drauf angesprochen […]. So ist das Ganze zustande gekommen«. (I. 191-195)

Lilly Damale nutzte Netzwerke unter Ghanaern/Ghanainnen, um sich innerhalb der unzureichenden Rahmenbedingungen des Friseurhandwerks eine Perspektive als Selbstständige aufzubauen. Da der letztliche Anstoß zur Salongründung aufgrund der glücklichen Begegnung mit dem Sohn des Afro Shop Betreibers erfolgte, beschreibt Frau Damale die Umsetzung der Selbstständigkeit als »relativ spontan«: »das war relativ spontan […] ich hab das Angebot bekommen, sach ich jetz einfach mal und ehm ja hab halt das Ganze genutzt und einfach mal draus gemacht«. (I. 177-179)

Ähnlich wie bei ihrer Berufswahl gaben Dritte den finalen Antrieb zur Realisierung des Vorhabens.

4.3.3.5    Die Gründungsphase

Unterstützung erhielt Lilly Damale in der Gründungsphase nach anfänglichen Schwierig­keiten vom zuständigen Arbeitsamt, das ihr den Besuch eines Existenzgründerkurses ermöglichte. Hierdurch konnte sie eine Mikrofinanzierung für ihre Salongründung einwerben: »Unterstützung hat ich ehm:::::::::m durch eh das Arbeitsamt. Da gibt es diverse Angebote die man dann halt ehm (2) kriegt, wenn man irgendwie was ausarbeiten will oder in der Richtung, also bei mir war das meistens so ich muss- man muss immer kämpfen wenn man halt irgendwie in Deutschland als farbiger auffälliger Mensch halt was erreichen will. Das is wirklich so. Also ich kanns halt nur bestätigen. Und ich musste halt auch lang kämpfen. Lange Rede kurzer Sinn ich hab dann halt ehm ein Existenzgründerkurz äh kurs vom Arbeitsamt bekommen […] und ehm ja damit hab ich halt ne Mikrofinanzierung bekommen […] dann besucht man mehrere Seminare in Kooperation mit dem Arbeitsamt; kriegt dann halt auch en gewisses Coaching und ehm::s geht halt über mehrere Wochen; im Endeffekt entscheidet dann halt en Aus­ schuss darüber (.) ob man […] den Businessplan umsetzen kann […] ja ich hatte halt Glück und das Ganze wurde halt genehmigt«. (I. 297-315)

Frau Damale schildert, zunächst nicht angemessen durch das Arbeitsamt unterstützt worden zu sein, was sie mit ihrem Äußeren und vor allem ihrer Hautfarbe erklärt (»farbiger auffälliger Mensch«). Generalisierend äußert sie, dass Schwarze Menschen in Deutschland auffällig seien und für ihre Ziele hart kämpfen müssen (»man muss immer kämpfen«). Sie macht auf das gesell-

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schaftliche Problem aufmerksam, dass Schwarze Akteure/Akteurinnen in vielen Kontexten als nicht zu Deutschland zugehörig begriffen werden (vgl. auch Kap. 3.3). In Mecherils und Teos (1994, S. 9-11) Worten werden sie zu »Anderen Deutschen« gemacht, d.h. zu Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, aber von anderen Personen und in der gesellschaftlichen Wahrnehmung als fremd und nicht-zugehörig betrachtet werden. Frau Damale stellt als Basis dieser Fremdheitskonstruktion die Hautfarbe heraus. Ein derart verstandenes ›Deutschsein‹ folgt einem auf der Idee von Rasse beruhenden Blutsverwandtschafts- und Abstammungsprinzip, das Pokos (2009, S. 9) als Mythos einer »Monovolkgesellschaft mit einheitlicher Abstammung« benennt: »Unzweifelhaft ist die Entstehung Deutschlands als moderne Nation und moderner Staat tief mit der Frage der somatischen Beschreibungsmerkmale eines so genannten ›Deutschsein‹-Typus verbunden: Blaue Augen, blondes Haar, weiße Haut. Mit unter­ schiedlichen Akzenten und in verschiedenen Formen taucht die Frage eines physio­ gnomischen ›Deutschsein‹-Typus seit der Entstehung des deutschen Reiches (18711917) bis in die heutige Zeit in der deutschen Geschichte immer wieder auf« (Pokos 2009, S. 9; Herv. i.O.).

In dieser Vorstellung von Deutschsein gelten Dunkelhäutige oder Personen mit dunkelhäutigen Vorfahren als nicht-deutsch (vgl. Amesberger/Halbmayr 2008, S. 31). Frau Damales Verweis auf die gesellschaftliche Konstruktion eines solchen Deutschseins macht neben der Ausgrenzung von Schwarzen gleichermaßen die privilegierte Position von Personen sichtbar, die jene Attribute aufweisen, allen voran eine helle Hautfarbe. Die Sequenz entlarvt Weißsein als Ort »struktureller Vorteile und Privilegien« (ebd., S. 131) sowie Dominanzkultur, die vorgibt, wer vermeintlich zu Deutschland dazu gehört und wer nicht. Eine Absprechung und Verwehrung von Zugehörigkeit aufgrund einer dunklen Hautfarbe, wie es Frau Damale erfährt, ist ein rassistischer Akt der Entfremdung, durch den Personen als ›anders‹ markiert und aus einem ›Wir‹ abgestoßen werden bzw. nie als zu diesem ›Wir‹ zugehörig betrachtet wurden (vgl. Terkessidis 2004, S. 179). In diesem Akt wird ein als auffällig deklariertes Element aus zahlreichen Merkmalen einer Person herausselektiert. Es soll Personen als Andere positionieren (vgl. Arndt 2014, S. 21). Frau Damales kollektivistische Erzählweise (»als farbiger auffälliger Mensch«; »man muss«) drückt aus, dass sie Akte der Entfremdung bereits mehrfach erlebt hat und rassistische Erfahrungen übliche Momente ihres Alltags ausmachen. Sie deutet sie über ihre eigene Person hinaus als typische Erfahrungen dunkelhäutiger Personen. Als Bewältigungsstrategie bleibe nur, für die eigenen Ziele und Rechte einzustehen und zu kämpfen, während andere ihre Rechte und Ziele selbstverständlich für sich einfordern und realisieren könnten. »kämp-

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fen« setzt bereits ›verhärtete Fronten‹, einen widerständigen Part und eine Auseinandersetzung, in diesem Falle eine rassistische Gesellschaftsstruktur voraus, die nur schwer zu durchbrechen ist. Das Verb suggeriert, dass andere Mittel – wie beispielsweise ein ruhiges Gespräch – nicht zielführend sind und zu anderen Maßnahmen gegriffen werden müsse. Es impliziert zugleich, dass Frau Damale sich trotz ihrer schwerwiegenden Erfahrungen nicht hat entmutigen lassen, sondern umso vehementer gegen ihre Markierung als auffällig und nicht-zugehörig eintritt. Etwas in Deutschland »erreichen« zu können, sei für dunkelhäutige Menschen trotz eines solchen Eintretens schwer. Hiermit drückt Frau Damale aus, aufgrund ihrer Hautfarbe nicht nur eine Zugehörigkeit zu Deutschland abgesprochen zu bekommen, sondern auch als weniger kompetent eingeschätzt zu werden. Ihr wird weniger zugetraut als einer hellhäutigen Person. Während sie auf der Behörde auf Basis ihrer Hautfarbe als unqualifiziert degradiert wird, bleibt die Normalitätskonstruktion von Weißsein praktisch ungenannt und kommt nur latent durch das Labelling von Frau Damale als anders zum Ausdruck. Die Sequenz legt zwei miteinander verwobene Prozesse der Entfremdung offen: Das Absprechen von Zugehörigkeit wie auch von geistiger Leistungsfähigkeit. Sie veranschaulicht einen institutionellen Rassismus in Deutschland, der sich »in Gesetzen, Erlassen und der Praxis der Mitarbeiter/-innen von Behörden sowie staatlichen und privaten Institutionen und Organisationen« (Mecheril/Melter 2010, S. 154) – wie in diesem Falle dem Arbeitsamt – zeigt. Einen solchen Rassismus benennend, äußert Lilly Damale, dass ihre Erfahrungen der Realität entsprechen (»Das is wirklich so. Also ich kanns halt nur bestätigen«). Damit kommt sie potenziellen Zurückweisungen und Verharmlosungen zuvor und untermauert ihre Narration. Hieraus kann geschlossen werden, dass sie in der Vergangenheit die Erfahrung machte, sich für die Benennung rassistischen Verhaltens rechtfertigen zu müssen. Diese Erfahrung verweist auf eine beobachtbare Tendenz, Rassismus zu verharmlosen oder igonieren. Diese als sekundär charakterisierte Form von Rassismus zeichnet sich dadurch aus, dass Opfer von Rassismus erneut Rassismus erfahren, indem ihre Rassismuserfahrungen von Dritten abgestritten oder verkannt werden: »Es erfolgt somit eine Täter/-innen-Opfer-Umkehrung: Nicht die Personen, die Ziel­ scheibe von Rassismus sind, werden als Opfer gesehen, sondern die Mehrheitsange­ hörigen, denen angeblich übertriebene Rassismusvorwürfe gemacht werden« (Melter 2007, S. 120).

Frau Damales Erfahrung von sekundärem Rassismus kommt in der Interaktion mit mir als Interviewender in dem an mich adressierten Hinweis zum Ausdruck, ihre Schilderungen entsprächen der Realität. Der erlebte institutionelle Rassismus offenbart sich darin, dass Frau Damale erst nach einem

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längeren Einstehen für ihre Ziele (»ich musste halt auch lang kämpfen«) die ihr zustehende Unterstützung durch das Arbeitsamt erhielt und einen Existenzgründerkurs besuchen konnte. In diesem Kurs erarbeitete sie einen Businessplan, der als aussichtsreich eingestuft wurde, sodass sie einen Mikrokredit zur Umsetzung ihrer Salonidee erhielt. Ebenso wie Herr Ayele in Bezug auf die Bewilligung seines Kredits von Glück spricht, an einen aufgeschlossenen Bankier geraten zu sein, hebt auch Frau Damale hervor, »halt Glück« gehabt zu haben, von dem über die Businesspläne entscheidenden Ausschuss ausgewählt worden zu sein. Es kann vermutet werden, dass die Interviewte angesichts ihrer Rassismuserfahrungen eine Skepsis entwickelt hat, inwieweit ihr als Schwarzer in Deutschland die gleichen Chancen wie Weißen eingeräumt werden. Die Lesart lässt sich anhand der Aussage, zum Erreichen ihrer Ziele mehr als Hellhäutige kämpfen zu müssen, untermauern. Angesprochen auf die Inhalte ihres Businessplans legt Frau Damale dar, neben der finanziellen Kalkulation auch ihre Salonphilosophie niedergeschrieben zu haben: »von Kalkulation bis über Durchschnitte an Kundenanzahl was die- die ganze Salon­ philosophie, also alles […] man fängt ganz ganz klein an (und) muss (.) sich wirklich überlegen was man vorhat und wie gesacht, ich hab halt immer den Vorteil, da ich halt im deutschen:n Salon gelernt hab und halt auch dazu Afrikanerin bin; //I.: Mhmm// und das Ganze halt irgendwie kombinieren kann und das Ganze halt auch (.) gut rüber­ bringen kann //I.: Mhmm// glaub ich, das war halt (.) so mein Glück @«. (I. 319-325)

Frau Damale erklärt, ihr Konzept von Beginn an sukzessive entwickelt zu haben (»man fängt ganz ganz klein an«). In diesem Zusammenhang erwähnt sie: »ich hab halt immer den Vorteil da ich halt im deutschen:n Salon gelernt hab und halt auch dazu Afrikanerin bin«. Beziehen könnte sich diese Aussage zum einen auf eine als vorteilhaft erlebte Position gegenüber nicht-migrantischen Mitbewerbern/Mitbewerberinnen um den Mikrokredit, weil sie »auch dazu Afrikanerin« ist und zu den in ihrer Ausbildung angeeigneten Kenntnissen Dienstleistungen im Afrohairbusiness anbieten kann. Zudem kann die Aussage beinhalten, dass Frau Damale sich im Vergleich zu anderen Migranten/ Migrantinnen mit afrikanischem Migrationshintergrund in Deutschland, die sich für einen solchen Mikrokredit bewerben, in einer vorteilhaften Position sieht. Da die Akteurin im Vorfeld ausführte, für ihre Ziele schwer kämpfen gemusst zu haben und mit Rassismus konfrontiert gewesen zu sein, kann die erste Lesart verworfen und die zweite Lesart bekräftigt werden. Im Vergleich zu anderen Personen mit afrikanischem Migrationshintergrund in Deutschland gibt Frau Damale an, zusätzlich zu Kenntnissen im Afrohairbusiness eine Ausbildung in Deutschland abgelegt zu haben. Dabei betont sie nicht nur ihre kreative Fähigkeit, die erlernten Techniken zu verbinden (»das Ganze halt irgendwie kombinieren kann«), sondern auch, dass sie Sinn und Zweck dieser

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Kombinationen vor den Ausschussmitgliedern »gut rüberbringen« konnte. Neben Frau Damales fachlicher Qualifikation und ihrem Businessplan scheinen ihr Auftreten und Präsentationsvermögen, möglicherweise auch ihre Sprachkenntnisse im Deutschen, eine entscheidende Rolle in der Überzeugung der Begutachter/-innen gespielt zu haben. Im Vergleich zu anderen Personen mit Migrationshintergrund sieht sie sich dank dieser Ressourcen im Vorteil, was sie erneut als »Glück« deutet. Frau Damale könnte latent auf ihr Aufwachsen in Deutschland seit ihrem sechsten Lebensjahr sowie ihren Schulbesuch in der Bundesrepublik rekurrieren. Es bleibt festzuhalten, dass sie den Rassismus auf dem Arbeitsamt durch ihr aktives Einstehen für ihre Ziele und Aufzeigen ihrer Kompetenzen bewältigen konnte. Sie erhielt einen Mikrokredit und eröffnete ihren Salon. Im Vergleich zu ihrer Situation als Angestellte sei sie sehr glücklich, wenngleich die Selbstständigkeit mit hohen Investitionen verbunden war: »wenn man selbstständig is [...] kostet das Arbeit und man verliert erst Mal sehr sehr viel ja? Um das Ganze dann erst mal dann später wieder reinzuholen; aber (.) is besser so haste deine Ruhe; so kannste halt das machen was du halt einfach machen willst und du hast keinen über dir der da mit den Zeigefinger irgendwie auf dich zeigt und //I.: Mhmm// du musst deine zwanzig Kunden am Tach machen ansonsten fliegste raus oder so jaja. Also ich war ja schon fast @ überall @, von daher ich bin hier sehr sehr glücklich @2@ Mittlerweile«. (I. 785-790)

Als Verbesserung gegenüber ihren vorherigen Beschäftigungsverhältnissen benennt Frau Damale, keiner Kontrolle durch einen Vorgesetzten mehr zu unterliegen (»Zeigefinger«) und keinen Druck zu haben, ein bestimmtes Pensum an Kunden/Kundinnen pro Tag bedienen zu müssen. Deutlich wird ihr Streben nach Autonomie, die sie partiell erfüllt sieht. Auffällig ist, dass sie die Vorzüge der Selbstständigkeit über die Abwesenheit vorheriger negativer Aspekte in ihren Angestelltenverhältnissen definiert. Sie hebt hervor, dass die Rahmenbedingungen in diesem Beruf letztlich für ihre Existenzgründung ausschlaggebend waren und sie unter anderen Umständen womöglich als Angestellte eines Salons weitergearbeitet hätte. »mittlerweile« in ihrem Salon glücklich zu sein, weist auf erlebte Negativaspekte im Rahmen ihrer Selbstständigkeit hin, die sie bewältigen musste. Im folgenden Kapitel wird Frau Damales Salonphilosophie rekonstruiert: Sie möchte Dienstleistungen von Afro Hair Salons und nicht auf Afrohairstyling spezialisierter Friseursalons in ihrem Konzept verbinden und eine binäre Unterscheidung zwischen ›Black‹ und ›White‹ Salon überwinden. Ihre Philosophie verdeutlicht, dass sie sich im Rahmen ihres Salons an Erfahrungen von Rassismus und Diskriminierung abarbeitet.

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4.3.4    Die Salonphilosophie Frau Damale hat in der Erläuterung ihres Businessplans den Begriff der Salonphilosophie eingeführt. Auf meine Rückfrage hin, was genau ihre Salonphilosophie ausmache (»Salonphilosophie is irgendwie en schönes Stichwort […] wie würdest du deine Salonphilosophie […] beschreiben?« I. 327-329), spezifiziert sie: »Also ich würd sagen, (.) ehm::::m keine Ahnung weiß ich jetz grad gar nich. (.) Also es- ich finde der Salon repräsentiert einfach mich«. (I. 336-338)

4.3.4.1  »der Salon repräsentiert einfach mich« – der Salon als                Spiegel von Frau Damales Zugehörigkeitskonstruktionen Frau Damale bezieht sich nach einem Moment des Nachdenkens nicht auf ein abstraktes, von ihrer Person losgelöstes Geschäftskonzept, sondern tritt mit ihrer Biografie in den Vordergrund. Der Salon repräsentiere sie als Person. Der Begriff der Repräsentation impliziert einen Dualismus von Innen und Außen, wobei das Innere durch etwas Äußeres – wie in diesem Fall das Selbst (»mich«) durch den Salon – vertreten wird. Denkbar wäre, dass Frau Damale ihren Salon als Repräsentation ihres Talents, ihrer Lebensgeschichte oder spezifischer Einstellungen versteht. Sie konkretisiert, was sie mit ihrer Aussage meint: »weil ich bin hier aufgewachsen«. (I. 338)

»Weil« leitet eine Erklärung ein, warum die Akteurin den Salon als Spiegel ihrer Person erachtet. Sie führt an, »hier« aufgewachsen zu sein. Frau Damale und ich teilten zur Zeit des Interviews einen gemeinsamen territorialen Raum, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass sie »hier« auf Deutschland oder gar spezifischer, die konkrete Stadt bezieht. Insofern sie bis zu ihrem sechsten Lebensjahr in Ghana gelebt hat, fällt auf, dass sie Ghana nicht als Land des Aufwachsens benennt. Hieran könnten ein im Vergleich zu Deutschland distanzierter Bezug zu ihrem Herkunftsland und eine intensivere Identifikation mit der Bundesrepublik oder einem spezifischen Gebiet in Deutschland deutlich werden. Diese These bestätigt sich durch die Kontrastierung des »hier« als Territorium des Aufwachsens mit »Afrika«, das sie als Gebiet des Nichtaufwachsens deutet: »und bin halt einfach nunmal keine Afrikanerin, weil ich einfach nicht in Afrika aufge­ wachsen bin«. (I. 338-339)

Während sich Frau Damale im Vorfeld auf Deutschland, ein Gebiet oder eine Stadt in Deutschland bezieht, sticht die Benennung eines ganzen Kontinents

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als Gegenpol heraus. »halt« keine Afrikanerin zu sein, drückt die Intention der Interviewten aus, ihre Positionierung klarzustellen. Hierdurch entsteht der Eindruck, dass sie ihre Zugehörigkeitskonstruktion nicht zum ersten Mal deutlich macht, sondern sich öfter gegen Zuschreibungen von Dritten wehrt. Die Vehemenz ihrer Aussage zeigt ein Spannungsverhältnis zwischen Eigenund Fremdpositionierung an und macht ihre Ratlosigkeit und Ohnmacht gegenüber verkennenden Zuschreibungen sichtbar. Sie versteht sich nicht als Afrikanerin, sondern als Deutsche, da sie nicht in »Afrika« aufgewachsen ist. Dieses Selbstverständnis wurde ihr bereits auf dem Arbeitsamt abgesprochen, wo sie als ›nicht-deutsch‹ positioniert wurde. Sie erklärt – analog zu ihren Ausführungen zum Arbeitsamt – wegen ihres äußeren Erscheinungsbilds nicht als Deutsche, sondern als Afrikanerin betrachtet zu werden: »und aber halt natürlich rein optisch das Ganze so:o repräsentiere, dass man nich unbedingt sofort sieht deswegen-«. (I. 339-340)

Frau Damales Hautfarbe ist für andere mit der Konnotation ›auffällig‹ und ›nicht deutsch‹ versehen. Die Vorstellungen einer Mehrheitsgesellschaft darüber, wie Deutsche vermeintlich nicht aussehen, mit ihrem Äußeren zu repräsentieren, macht die Interviewte als unabänderlichen Fakt deutlich, gegen welchen sie nicht unmittelbar etwas unternehmen kann. Ihre Identifikation und Verortung als Deutsche seien für Dritte wegen der dominanten Vorstellung, dass eine dunkle Hautfarbe und Deutsche sein sich vermeintlich auschließen, nicht direkt ersichtlich (»dass man nicht unbedingt sofort sieht deswegen«). Die Sequenz offenbart erneut eine Diskrepanz zwischen Frau Damales Selbstverständnis und ihrer Fremdwahrnehmung durch Andere. Im Gegenzug zu hellhäutigen Personen, die »das Privileg der Unsichtbarkeit« (Amesberger/ Halbmayr 2008) und Zugehörigkeit zu Deutschland genießen, arbeitet sich Frau Damale an ihrer Markiertheit und der damit einhergehenden Ausschließung ab. Sie macht – wie mit ihren Ausführungen zu ihrer rassistischen Diskriminierung auf dem Arbeitsamt – eine Weiße Dominanzkultur sichtbar. Diese Dominanzkultur offenbart sich in Annahmen Dritter, die Deutschland als Land von Weißen und Afrika als Kontinent von Schwarzen definieren und festschreiben, wer vermeintlich zu Deutschland gehört und wer nicht. Damit wird ein Zugehörigkeitsverhältnis konstruiert, das Frau Damale – konträr zu ihrem Selbstverständnis – einem Territorium außerhalb ihres Lebensmittelpunktes zuweist. Der Akt der Verweisung geht mit einer rassistischen Idee der ›deutschen‹ Nation einher: »the colonial fantasy that ›German‹ means white and Black means stranger (Fremd/er) or foreigner (Ausländer). It is a construction in which ›race‹ is imagined within specific national boundaries, and nationality in terms of ›race‹. Both Blackness and German-

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland ness (or Europeanness) are reproduced here as two contradictory categories that mu­ tually exclude each other. One is either Black or German, but not Black and German; the ›and‹ is replaced by the ›or‹, making Blackness incompatible with German-ness« (Kilomba 2010, S. 64; Herv. i.O.; vgl. auch Kapitel 3.3.3).

Mit der Verweisung ist zugleich ein Akt der Entfremdung verflochten, da Frau Damales Zugehörigkeitsvorstellungen ignoriert und ihr abgesprochen werden. Sie wird auf Basis ihrer Hautfarbe zu einer Fremden gemacht, nicht als Deutsche verstanden, aus Deutschland symbolisch verwiesen und dem afrikanischen Kontinent zugewiesen. Bezieht man diesen Konflikt49 auf Frau Damales Salon, der ihren Angaben zufolge eine Repräsentation ihrer Person sei, kann geschlussfolgert werden, dass auch der Salon als nicht zu Deutschland zugehörig betrachtet und als ›afrikanisch‹ wahrgenommen wird. Neben der Diskrepanz von Frau Damales Selbstwahrnehmung als ›deutsch‹ und der Fremdzuschreibung als ›afrikanisch‹ offenbart sich ein ähnlich gelagerter Konflikt. In ihrem Salon verbindet sie Kenntnisse des ›deutschen‹ Frisierhandwerks mit aus dem afrikanischen Kontext stammenden Frisiertechniken. Der Salon ist Sinnbild ihrer Erfahrungen und ihres Wissens und repräsentiert mehr als ein auf Afrohairstyling fokussierendes Geschäft. Vielmehr ist er von afrikanischen wie auch von »deutsch« gedeuteten Elementen gespeist. Es kann die These festgehalten werden, dass Frau Damale bewältigen muss, dass ihr Salon sowie ihre Person nicht als Deutschland zugehörig anerkannt, sondern auf eine ›afrikanische‹ Komponente hin reduziert werden. Einer solchen Reduzierung passt sie sich nicht an: »also ich würd sagen hier is jeder eingeladen«. (I. 340-341)

»Also« leitet eine Bilanzierung der zuvor erläuterten Diskrepanz zwischen Selbstidentifikation und Fremdwahrnehmung ein. Lilly Damale hält fest, dass in ihrem Salon »jeder eingeladen« sei. Sie vollzieht keine Differenzierung ihrer adressierten Kundschaft nach Haarstruktur, Herkunftsland oder Hautfarbe.50 Damit bricht sie Grenzen auf, da in Deutschland auf das Afrohairstyling spezialisierte Salons und »deutsche Salons« in der Regel getrennt voneinander agieren. Frau Damale ist es hingegen ein Anliegen, diese binäre Struktur aufzubrechen. Ihr Wunsch spiegelt sich im Begriff »jeder« wider, der Offenheit 49 | Einen ähnlichen Konflikt beschreibt Frau Assogba, die aufgrund ihrer Hautfarbe nicht als Französin anerkannt wird, obwohl sie sich neben ihrer Herkunft aus Benin zusätzlich und stärker als Französin versteht (vgl. Kap. 4.2.6). 50 | Erwähnt sei eine Differenzierung, die Frau Damale dennoch vornimmt. Sie er­ klärte mir, mittlerweile ausschließlich Frauen und keine Männer mehr zu frisieren, da das Haar von Männern zu sehr piekse und das Frisieren von Frauen mehr Spaß mache. Zur Bedienung der männlichen Kundschaft hat Frau Damale einen Friseur beschäftigt.

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suggeriert, sowie in der Bezeichnung »eingeladen«, die Herzlichkeit und Frau Damales über die Generierung ökonomischer Ressourcen hinausreichende Interessen markiert.

4.3.4.2  »Mach das was dich glücklich macht« –              Selbstbestimmte Schönheit und innere Zufriedenheit Der herzliche Empfang rückt in der vorherigen Sequenz besonders in den Fokus, wobei das Frisieren zunächst unbenannt bleibt. Eher ist es der unbeschwerte Kontakt zwischen Personen, der von Bedeutung erscheint. Dabei soll deren Äußeres im Salon keiner Bewertung unterzogen werden, wie der weitere Verlauf der Sequenz herausstellt: »im Endeffekt also (.) egal ob andere Leute sagen oh Gott wie sieht die denn aus oder wie sieht die denn aus weil die Leute reden immer viel und äh man soll einfach das machen, wo-womit man glücklich ist«. (I. 341-344)

Mit der Wendung »im Endeffekt« bündelt Frau Damale das zuvor Gesagte. Die mehrfachen Spezifizierungen veranschaulichen die Schwierigkeit, die Salonphilosophie zu formulieren, was auf deren Komplexität verweist. Die Interviewte pointiert, dass man unabhängig davon, wie Andere das eigene Aussehen bewerten (»wie sieht die denn aus«), sein Äußeres selbstbestimmt gestalten solle (»machen, wo-womit man glücklich ist«). Diese Salonphilosophie basiert auf ihren eigenen Erfahrungen – aufgrund ihres Aussehens mit negativen Bewertungen ihrer Person konfrontiert zu sein und ihre Selbstidentifikation abgesprochen zu bekommen. Ihre Bewältigungsstrategie, mit dem eigenen Äußeren selbstbestimmt umzugehen, ist Teil ihres Salonkonzepts. Damit abstrahiert sie von sich als Person und Betroffene (»man«) und strebt danach, ihre individuelle Bewältigungsressource auf die Kundschaft zu übertragen. Dieser möchte sie – so kann an dieser Stelle vermutet werden – neben den angebotenen Dienstleistungen innere Stärke vermitteln. Der Salon stellt einen Schutzraum dar, in dem das Äußere der Kundinnen keiner Wertung unterzogen wird und nicht mit einem Absprechen eigener Selbstdeutungen einhergeht. Die Kunden/Kundinnen sollen den Salon »glücklich« verlassen. Frau Damale führt an, ihre Kundinnen hübsch machen zu können: »also (.) let’s doll (Arbeit) ja? Jeder is Püppi und jeder kann gut aussehen« (I. 344345). Den Begriff »Püppi« hat die Interviewte bereits verwendet, als sie darüber sprach, im kindlichen Spiel Puppen frisiert zu haben. Er kann ebenso eine gutaussehende Person umschreiben, die der Perfektion einer gefertigten Puppe gleicht. Frau Damale verkauft das Ideal einer potenziellen Angleichung eines Jeden an ein selbstgewähltes schönes Äußeres. Sie zeigt den Nutzen ihres Berufs auf, Schönheit herzustellen, die nicht automatisch gegeben sei. Im Unterschied zu dominanten Idealen der Schönheitsindustrie ist es für Frau Damale

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jedoch bedeutsam, dass jeder selbst entscheidet, wie er aussehen möchte. Zieht man ihren Konflikt hinzu, aufgrund ihres Aussehens nicht als Deutsche wahrgenommen zu werden, zeigt sich in ihrer Anpreisung von Schönheitspraktiken ein widerständiges Moment, sich so zu stylen, frisieren und verändern, wie man es sich selbst wünscht. Sie beansprucht die Gestaltung des eigenen Körpers als Ausdruck von Individualität und entzieht sich rassistischen Deutungen, die Körper als Spiegel konstruierter rassischer, nationaler oder kontinentaler Zugehörigkeiten verstehen und ihn in diesen Kategorien verorten. Im Sinne ihres kreativen Geists sieht sie Körper vielmehr als Flächen an, die gestaltbar und Ausdruck von Persönlichkeit sind: »man kann mit Haarverlängerung, mit Schminken, mit Styling so viel am Menschen verändern, also ich mag es einfach glückliche Gesichter zu sehen«. (I. 345-346)

Die Körperpraktiken »Schminken« und »Styling« sind für sie mehr als eine vordergründige Verschönerung des Körpers, sondern sollen ein bejahendes Selbstverhältnis und Lebensgefühl vermitteln: »Das ist so in erster Linie so mein Ding. […] Einfach meine Kunden glücklich zu ma­ chen«. (I. 347-348)

Die Kundinnen »glücklich zu machen« umfasst in Frau Damales Verständnis, zu deren innerer Zufriedenheit beizutragen; diese soll durch die Gestaltung des Äußeren nach den Wünschen der Kundschaft erreicht werden. Ziel ist, »dass sie halt auch immer wieder kommen« (I. 348). Hier zeigt sich zudem Frau Damales ökonomische Strategie, den Wünschen der Kundschaft nachzukommen, damit ihre Dienstleistung positiv bewertet wird und die Kundinnen den Salon erneut aufsuchen.

4.3.4.4  »Bewältigung von E xotisierung durch eine              transformatorische Salonkonzipierung Wie bereits deutlich wurde, ist es Frau Damale ein Anliegen, dass ihr Salon nicht auf Dienstleistungen im Afrohairstyling reduziert wird. Diese Fallstruktur wird im Verlauf des Interviews immer wieder sichtbar, so auch in Ausführungen zu ihrer Kundschaft. Frau Damale bedient einen internationalen Kundinnenstamm (»bei mir ist es ganz international« I. 227). Auf meine Rückfrage hin, ob ich auch als Kundin zu ihr kommen könnte, äußert sie: »Könntest du rein theoretisch auch. Hab ja ne deutsche Ausbildung. //I.: Ja ja// Hab halt den Vorteil, dass ich halt beides kann ne, also //I.: Ja// von Europäern sowie halt auch von dunkelhäutigen Menschen; von daher- und es können halt die meisten Salons halt eben nicht«. (I. 240-242)

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Frau Damale gibt mir zu verstehen, dass ich »theoretisch« zu ihr kommen könnte, da sie »ja ne deutsche Ausbildung« habe. Sie nimmt mich als ›deutsche‹ Interviewerin sowie potenzielle Kundin wahr, auf die sie in ihrer ›deutschen‹ Ausbildung vorbereitet wurde. Zugleich hebt sie ihr vielfältiges Dienstleistungsangebot hervor (»Vorteil, dass ich halt beides kann«), das sowohl »Europäer« als auch »dunkelhäutige Menschen« bedient. Wenngleich in der Analyse der vorherigen Sequenzen deutlich wurde, dass Frau Damale binäre Zuordnungen – wie beispielsweise Schwarz- und Weißsein, Deutsch- und Afrikanischsein – kritisch betrachtet, attribuiert und kategorisiert sie ihre Kundinnen, Ausbildung und die angebotenen Haarstile selbst als ›deutsch‹, ›dunkelhäutig‹, ›europäisch‹ usw. Diese Kategorisierungen zeigen an, wie tief die binären Wahrnehmungsschemata in der alltäglichen Bezeichnungspraxis verwurzelt sind und wie schwierig es ist, alternative Vorstellungen zu verbalisieren. Frau Damale möchte es jedoch nicht bei einer solchen Binarität belassen. Durch ihr Angebot ›deutscher‹ und im afrikanischen Kontext enstandener Frisiertechniken soll eine binäre Wahrnehmung langfristig aufgehoben werden. Eine Separierung in »Black Salons« und nicht-Black Salons bewertet sie als »doof«:51 »Die eben Black Salons- sie sind dann halt nur spezialisiert auf Schwarz Schwarz Schwarz; //I.: Mhmm// aber ich finde das is halt immer son bisschen doof, weil damit grenzt man sich halt immer son bisschen selbst ab«. (I. 243-245)

Frau Damale macht »Black Salons« implizit den Vorwurf, sich zu stark von Salons zu separieren, die nicht auf das Afrohairbusiness spezialisiert sind. Sie kritisiert eine als zu stark empfundene Fokussierung auf die Zielgruppe Schwarzer Menschen. Die Strategie, Schwarze Menschen in das Zentrum der Betrachtung zu stellen, erinnert an die black movement in den 1960er und 1970er Jahren in den USA, die unter dem Slogan ›Black is beautiful‹ eine historisch aberkannte ›Schwarze Schönheit‹ aufwertete (vgl. Kap. 3.1). Eine Aufwertung des ehemals Abgewerteten stellt eine affirmative Strategie (vgl. Fraser 2003, S. 102ff.) und Reaktion auf Diskriminierung dar. Einer ähnlichen Logik folgte die globale Befreiungsbewegung der Négritude, die – vor allem von Intellektuellen initiiert – ein ›afrikanisches Bewusstsein‹ schaffte und sich gegen einen Weißen Kulturrassismus einsetzte. In den 1920er und 1930er Jahren mündete das Projekt, »dem kulturellen Erbe afrikanischer Kulturen die kulturelle Wertigkeit wiederzugeben, […] in einer Art Auf bruchstimmung« (Kueppers-Adebisi 2010, S. 76). Entgegen einer solchen affirmativen Strategie kommt in der Se51 | Eine Unterscheidung zwischen Afro Hair Salons und als ›deutsch‹ charakterisier­ ten Salons kritisieren ebenso Herr Ayele und Frau Assogba.

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quenz Frau Damales Wunsch nach Gemeinsamkeit und Teilhabe zum Ausdruck. Die Akteurin deutet ihren Salon nicht als ›Schwarzen‹ Ort. Sie möchte eine Trennung in Salons, die Schwarze und Salons, die Weiße Kundschaft adressieren, in ihrem Konzept auflösen. Es steht nicht eine Betonung und Bejahung von Differenz, sondern die Durchbrechung von Unterscheidungspraxen in einem transformatorischen und dekonstruktivistischen Sinne im Vordergrund. Eine solche Durchbrechung würde letztlich eine Zugehörigkeit von Afro Hair Salons zu Deutschland schaffen. Frau Damale kritisiert, dass eine Betonung von »Schwarz Schwarz Schwarz« die Unterscheidungspraxen von Schwarz und Weiß gerade aufrechterhält und verhindert, dass »Europäer« die Salons aufsuchen: »und dann traut sich halt vielleicht der Europäer dann auch nicht unbedingt rein«. (I. 245-246)

Die Sequenz manifestiert erneut, dass es nicht ihr Ziel ist, einen ›Schwarzen‹ Salon als Widerstandsraum in einer Weißen Dominanzgesellschaft zu schaffen, sondern eine Separierung in Weiße und Schwarze Salons zu überwinden. Als Grund für ihr Anliegen erklärt sie, mit ihrem Salon nicht als exotisch wahrgenommen werden zu wollen: »nur wenn er das- die ganze Frisur mit was Speziellem und Exotischem halt verbindet; //I.: Mhmm// dann heißt es okay, ich geh mal Rastazöpfe machen, ich geh mal in:n Afro Shop. Aber so:o- ich finde so soll das Ganze gar nicht rüberbringen bei meinem Konzept jetz«. (I. 246-249)

Frau Damale fühlt sich durch einen exotisierenden Blick auf ihren Salon und ihre Person verletzt. Wird eine Person oder eine Sache als exotisch charakterisiert, impliziert diese Zuschreibung eine Vorstellung von Normalität. Das als exotisch Deklarierte wird außerhalb der eigenen Normalität verortet. Hayn und Hornscheidt (2010) beschreiben, dass mit der Bezeichnung ›exotisch‹ im konventionellen Sprachgebrauch tendenziell positive Assoziationen geweckt werden. Wichtig sei jedoch zu beachten, dass »in die Verwendung des Begriffs eine rassistische Verortung eingeschrieben ist, die westliche bzw. westeuropäische Perspektiven normalisiert und somit neutralisiert« (ebd., S. 123). Bezieht man diesen Gedanken auf Frau Damales Salon, zeigt sich, dass es jene Verortung als nicht-westeuropäisch, spezifischer: als nicht-deutsch ist, welche die Akteurin belastet. Während im Vorfeld deutlich wurde, dass Frau Damale nicht als Schwarze Deutsche anerkannt wird, erlebt sie auch auf der beruflichen Ebene eine Zuordnung als ›anders‹ und ›nicht-deutsch‹. Sie findet sich mit dieser Erfahrung jedoch nicht ab, sondern hält einer Exotisierung ihres Salons ein gegenläufiges »Konzept« entgegen. Eine entge-

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gengesetzte Bewältigungsstrategie zeigt Carstensen-Egwuom (2011) auf. Sie schildert, wie ein selbstständiger, aus Kamerun stammender und in Chemnitz wohnhafter Musiker einer Nachfrage nach Exotik nachgibt und sich als ›afrikanischer Trommler‹ inszeniert. Eine solche exotische Selbststilisierung sucht Frau Damale gerade zu vermeiden. In ihrem Salonkonzept fusioniert sie Konzeptionen und Dienstleistungsangebote von »Schwarzen« und »Weißen« oder »afrikanischen« und »europäischen« Salons und präsentiert sie als einheitlichen Rahmen. Der Gedanke einer Fusion, die keine Differenz betont, sondern Einheit stiftet, zeigt sich ebenfalls in ihrer Reaktion auf eine Rückfrage, in der ich als Interviewerin eine binäre Gegenüberstellung von Afro Hair Salons und ›deutsch‹ gedeuteten Salons reproduziere: »du hast ja dann die Erfahrung quasi gemacht […] in […] Anführungszeichen […] so nem deutschen Salon; du kennst aber auch scheinbar ja auch viele […] Black Hair Saloons […] wie würdest du die vergleichen? Also welche Unterschiede findest du stechen da so besonders (.) hervor? Oder auch Gemeinsamkeiten?« (I. 253-258)

Frau Damale reagiert auf die aufgemachte binäre Logik mit einer Minimierung von Unterschieden und Betonung von Gemeinsamkeiten: »Ji::iph::h (.) also Unterschiede is dass man glaub ich einfach in einem (.) Black Sa­ loon wie du das so schön sagst ehm (.) einfach schon automatisch weil man weiß okay das is en Black Saloon, man rechnet (.) man man man man eh stellt sich sofort einfach so was Ausgefallenes vor; und es is auch wirklich ausgefallen, aber im Endeffekt (.) wird hier nicht viel weniger getan als das was im deutschen Salon gemacht wird. Die Arbeit an sich, die ganze Technik is halt aufwendiger; aber im Endeffekt is es eigentlich dasselbe; in deutschen Salons werden auch Haarverlängerungen angeboten, bei uns sinds auch Haarverlängerungen, aber halt (.) andere Techniken, bei uns werden auch die Haare gefärbt, bei uns werden auch die Haare geschnitten, das is (.) im Endeffekt genau dasselbe; //I.: Mhmm// also (.) gibts gar nicht so viele Unterschiede, nur von der Technik halt her einfach; //I.: Mhmm// dass man sagt okay Haarverlängerung is nich nur mit n Heißkolben oder mit m Ultraschallgerät, sondern dass man halt auch das Ganze weben kann, indem man halt flechtet und das Ganze halt drannäht oder so, also- wie gesagt //I.: Mhmm// nur die Techniken und das- unterscheiden sich aber im Endeffekt (.) is alles dasselbe //I.: Mhmm// Ich mein’ in solchen Salons werdinwerden auch mittlerweile auch eh die Haare geglättet, das is ja auch (.) ganz normal geworden«. (I. 260-274)

Zu Beginn ihrer Äußerung geht Frau Damale zwar auf Unterschiede zwischen den von mir differenzierten Salons ein, stellt dann aber Gemeinsamkeiten heraus. So seien die angebotenen Frisurenstile einheitlich, lediglich würden sich einzelne Techniken unterscheiden. Auffallend ist an der Sequenz trotz der

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Betonung von Gemeinsamkeiten zwischen Afro Hair Salons und ›deutschen Salons‹, dass Frau Damale ihren eigenen Salon, wenngleich sie eine Ausbildung in einem von ihr als ›deutsch‹ bezeichneten Salon und den Meisterkurs absolviert hat, als Afro Hair Salon deutet (»in deutschen Salons«, »bei uns«). Die Positionierung mag darin begründet liegen, dass die Interviewte im Vorfeld wie auch im Interview als Betreiberin eines Afro Hair Salons angesprochen wurde und in Deutschland primär als solche wahrgenommen zu werden scheint. Obwohl sie sich gegen die reduzierende Zuschreibung wehrt und eine binäre Gegenüberstellung von deutschem und Afro Hair Salon zu dekonstruieren sucht, schimmert jene Selbstdeutung durch mehrere Sequenzen hindurch. Gleichzeitig schwächt Frau Damale die Differenzierung ab und betont Gemeinsamkeiten von Afro Hair Salons und deutschen Salons: »aber im Endeffekt (.) is alles dasselbe«. Die Sequenzen verdeutlichen erneut, wie schwierig es ist, alternative Vorstellungen zu dieser binären Logik zu verbalisieren, da sie in der Bezeichnunspraxis dominant anzutreffen ist. Auf meine Rückfrage nach den von Frau Damale verwendeten Frisiertechniken hebt sie ihre vielfältigen Kenntnisse in der Haarverlängerung hervor: »Also ich benutz dann logischerweise ich arbeite nur aus reinem Interesse und hab mir Vieles angesammelt und […] benutz dann halt das Ganze auch […] die Schweißtech­ nik; […] Dranmodellieren mit dem Ultraschallgerät oder halt ohne Ultraschallgerät. Dann hab ich natürlich auch Weave- […] mit Faden kann man ne Haarverlängerung machen«. (I. 282-288)

Die in Ausbildung und Sozialisation erworbenen Techniken ermöglichen Frau Damale, unterschiedliche Kundinnenwünsche zu erfüllen. Sie kann eine breite Kundschaft ansprechen, was ihr ökonomisch zugute kommt. Die Äußerung »ich arbeite nur aus reinem Interesse« kann gedeutet werden als Haltung, sich an dem Kundinnenwunsch zu orientieren und die Kundschaft die anzuwendende Technik bestimmen zu lassen. Dies stellt einen Unterscheid zu Frau Assogba und ihrer Londoner Lehrerin Frau Egolum dar, die ausschließlich ›natural hairstyles‹ anbieten und nicht allen Kundenwünschen/Kundinnenwünschen gerecht werden möchten. Frau Damale wertet die Frisurenwünsche ihrer Kundschaft hingegen nicht und versteht Schönheit und Körpergestaltung als Ausdruck von Selbstbestimmung.

4.3.4.5  »ich guck halt wo meine Leute halt bleiben« –              Bewältigung rassistischer Diskriminierung durch              eine partikularistische Salonkonzipierung Der vorangegangene Abschnitt hat aufgezeigt, dass Frau Damale in ihrem Salon jeden willkommen heißen und eine Unterscheidung in »Black Salons« und

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»deutsche Salons« durchbrechen möchte. Über diese universelle Charakteristik hinaus führt sie zugleich einen partikularistischen Zweck ihres Salons an. Sie erklärt zur Einbettung ihres Anliegens zunächst, dass sich in der »deutschen Gesellschaft« im Gegensatz zu »Amerika, Belgien, Paris, England« keine »Schwarze Kultur« entwickelt habe: »In der deutschen Gesellschaft ich mein- Amerika, Belgien, Paris, England das is ja da wo die- wo man halt einfach eine Schwarze Kultur hat. //I.: Mhmm// Schon allein durch Kolonien und was weiß ich was wo der Schwarze Mensch einfach dazugehört zu dem Land ja? //I.: Mhmm// In Deutschland is es halt nicht so«. (I. 833-836)

Das Fehlen einer »Schwarzen Kultur« begründet Frau Damale historisch. Die Kolonialisierung habe bei den Kolonialmächten Belgien, Frankreich und Großbritannien paradoxerweise dazu geführt, dass Schwarze Menschen gegenwärtig als Teil dieser Länder betrachtet würden. Für Deutschland – das seine afrikanischen Kolonien mit Ende des Ersten Weltkrieges und dem Versailler Vertrag von 1919 abgeben musste – konstatiert Frau Damale, dass Schwarze Menschen nicht als Deutschland zugehörig betrachtet würden (vgl. auch Kapitel 3.3.3). Neben dem von ihr bereits im Vorfeld geschilderten Erleben einer verweigerten Zugehörigkeit zu Deutschland aufgrund der Hautfarbe nennt sie dienstleistungsbezogene Diskriminierungspraxen, wie ein fehlendes Warenangebot für »dunkelhäutige Menschen« in Drogerie- und Kosmetikgeschäften: »Also ich mein du findest ja noch nich mal Make-up-Artikel für dunkelhäutige Men­ schen, wenn du nich grad zu Douglas zu Bobbi Brown 52 gehst also- für uns Dunkelhäu­ tige gibts halt ga:ar nix«. (I. 836-838)

Ein Problem sei, dass es in Deutschland kaum auf einen dunklen Teint abge­ stimmte Kosmetika zu kaufen gäbe. Die Bedürfnisse von Dunkelhäutigen blieben weitgehend unerfüllt. Diese spezifische Form der Verwehrung ist möglicherweise durch den Marktmecha­nismus von Angebot und Nachfrage induziert, zeigt aber auch, wie eine Marktlogik zu Ausschluss aus einer Konsumwelt führen kann: So sind die mehrheitlichen Bedürfnisse von Hellhäutigen entscheidend dafür, was im Regal zum Verkauf angeboten wird, es sei denn, eine besondere Nische wird als exklusiv und lukrativ erachtet. Dunkelhäutige Konsumenten/Konsumentinnen verbleiben in einer Randposition und werden nur von Nischenfirmen und -dienstleistern wahrgenommen. Frau Damale strebt mit ihrem Salon eine Verbesserung an:

52 | Bobbi Brown ist eine US-amerikanische Kosmetikfirma mit Vertrieb in vielen Län­ dern der Welt.

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Sie betrachtet ihren Meistertitel im Frisierhandwerk als Ressource, um ›ihren Leuten‹ ein Dienstleistungsangebot unterbreiten zu können. Auf meine Rückfrage hin, wer die eigenen Leute seien, macht Frau Damale deutlich: »Ja:a die Dunkelhäutigen natürlich« (I. 845). Für diese wolle sie ein »Programm« bereitstellen: »Dass man auch en Programm einfach für die halt auch hat« (I. 845846). Der Begriff des Programms weist darauf hin, dass es für Schwarze ein festes Dienstleistungsangebot im Repertoire von Friseursalons geben müsse und hebt die besondere Funktion von Afro Shops hervor: »Denen man halt irgendwelche Afro Shops 53 halt entwickelt und aufmacht«. (I. 846-847)

Die Bedeutsamkeit von Afro Shops mit Frisierangebot sieht Frau Damale in der von Produkten für Hellhäutige dominierten Kosmetikbranche sowie in der Diskriminierung von Personen mit Afrohaar in anderen Salons in Deutschland begründet. Dort würden sie wegen ihrer Haarstruktur aus Friseursalons weggeschickt, da Friseure/Friseurinnen angeben, die Haare nicht schneiden zu können: »weil zu einem deutschen Salon- […] der Deutsche is halt nich mit unseren Haaren vertraut […] in Amerika (.) ehm war meine Schwester mal in Urlaub und die hat […] ne Weiße Amerikanerin halt sozusagen gehabt, die ihr dann als Schwarze die Haare geschnitten hat. […] Des war dann halt ganz normal des hat sie auch tip top gemacht. […] wenn du als Schwarzer Mensch mit deinen krausigen Haaren zum deutschen Fri­ seur gehst, der sacht erst mal Hh::::h o:::::::o bitte nich um Gottes Willen das können wir nich schneiden. (.) Weil es einfach die- der Umgang einfach fehlt. […] Aber im Endeffekt is es genau dieselbe Technik. […] Man muss halt natürlich aufpassen dass die Locken halt nich zu hoch springen, dass man nich zu viel abschneidet, […] aber ehm (.) das is halt dann immer gleich so o:oh Stopp, du siehst anders aus, du hast andere Haare oh Stopp, das können wir nich«. (I. 847-859)

Mit Blick auf die USA berichtet Frau Damale kontrastiv zur Situation in Deutschland von ihrer Schwester, die sich von einer Weißen Amerikanerin ihr Afrohaar frisieren ließ. Eine solche Situation charakterisiert sie für die 53 | Frau Damale spricht hier nicht von Afro Hair Salons, sondern von Afro Shops. Afro Shops umfassen in der Regel ein Angebot an Lebensmitteln und Produkten wie Telefonkarten. Oftmals bieten sie auch Frisierdienstleistungen an (vgl. Beobachtungs­ protokoll 29).

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USA als üblich, während in Deutschland aktuell nicht vorstellbar sei, dass Weiße Friseure/Friseurinnen Afrohaar in »deutschen« Friseursalons frisieren. Um in dieser diskriminierenden Situation Abhilfe zu schaffen, bediente Frau Damale während ihrer Zeit als Angestellte in »deutschen Salons« Kundschaft mit Afrohaar, während Kollegen/Kolleginnen die Kunden/Kundinnen wegschickten: »Ich hab die dann halt nich weggeschickt. […] ich bin selber Schwarz, ich weiß ganz genau, wenn dann […] irgendwas Gemischtes halt kam (.); mit en bisschen Locken, also eh da braucht man ja keine Angst zu haben. […] man kriegt es ja dann von ehm (.) diversen Mischlingskunden halt mit, dass der deutsche Salon dann halt oder der deutsche Friseur dann meistens immer o::::::oh das is zu krausig«. (I. 865-891)

Ein Trend, der zu einer Verringerung von Exotisierung und Verschmelzung Schwarzer und Weißer Salons beitragen könne, bestehe in der Internationalisierung des Handwerks: »das ganze Friseurbusiness wird ja immer internationaler, ich seh halt auch in ehm (.) in so Gegenden wie ((Name einer Gegend in der Stadt)) […] da gibts ja auch mittler­ weile so internationale Salons […] das wird sich (.) bestimmt in den nächsten zehn Jahren ganz ganz anders entwickeln«. (I. 893-899)

Frau Damales Äußerungen zeigen zusammenfassend zweierlei: Zum einen wird ihr Wunsch nach einem angemessenen Dienstleistungsangebot für Schwarze in Deutschland deutlich. Zum anderen ist es ihr ein Anliegen, dass ein solches Dienstleistungsangebot nicht separiert vom bestehenden Friseurbereich, sondern als Teil dessen verankert wird und konstruierte »Rassegrenzen«, die sich im Dienstleistungs- und Kosmetikbereich niederschlagen, aufgebrochen werden.

4.3.4.6  »ich weiß dass ich halt auch nen Meisterbrief hab« –              Abgrenzung von anderen Afro Hair Salons Neben dem Durchbrechen einer binären Logik von Schwarzen und Weißen Salons sowie der Bereitstellung eines Dienstleistungsangebots für Schwarze ist Frau Damales Salonphilosophie – ebenso wie jene von Frau Assogba und Herrn Ayele – durch eine Abgrenzung von anderen Afro Hair Salons geprägt. Anderen Friseuren/Friseurinnen schreibt sie ein Interesse am Geld der Kundschaft zu, ohne im Gegenzug eine adäquate Arbeit zu leisten: »also gibt’s ja halt auch en paar, die […] nicht wirklich gut beraten können […] halt einfach das Geld einstecken wollen und tschüß«. (I. 358-360)

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Die benannten Friseure/Friseurinnen würden die Kundschaft »verscheuchen«: »bei mir [ist es] so dass es ehm dass ich viel mehr Wert daran lege, dass eh die Kun­ den halt wieder kommen als die zu verscheuchen oder so«. (I. 357-358)

Frau Damale konkretisiert ihre Kritik zögerlich und beanstandet Salons ihrer »eigenen Leute«, mit denen sie selbst negative Erfahrungen gemacht habe: »ich will jetz nix Negatives großartig über meine eigenen Leute sagen […]. Aber ich hab halt einfach gemerkt dass das Ganze immer so relativ unkompetent halt is […]. Da gehste halt einmal in den Laden rein, lässt dir die Haare halt relaxen, das heißt halt glätten. Dann zahlste das erste Mal halt dreißig Euro; dann gehste das zweite Mal wieder halt hin (.) ehm nach Lust und Laune wird dir das Ganze dann berechnet dann zahlste halt fuffzig Euro […] wenn ich halt in nen Salon geh dann erwart ich halt gewisse Sachen (.) und die wurden mir meistens nie geboten«. (I. 366-375)

Als Mangel hält Frau Damale willkürlich berechnete Preise für dieselbe Dienstleistung fest, die von Besuch zu Besuch variieren könnten. Ihre Erwartungen würden in der Regel nicht erfüllt. Obgleich sie mittels der Wendung der »eigenen Leute« eine Identifizierung mit anderen Salonbesitzern/Salonbesitzerinnen aufmacht, vollzieht sie zugleich eine Abgrenzung und betont den höheren Anspruch an die Dienstleistungen ihres eigenen Salons. Die schlechten Erfahrungen mit Afro Hair Salons stellen eine Folie dar, vor der sie ihre eigene Salonphilosophie entwickelte: »deswegen versuch ich halt das Beste hier […] aus dem zu machen was ich halt natür­ lich anbiete ne?« (I. 376-377)

Probleme, wie sie selbst erlebt hat, möchte sie in ihrem Salon vermeiden, wenngleich sie herausstellt, dass sie nicht generalisierend alle Afro Shops als unzureichend bewertet: »ich will ja jetz nich alle auf einen Kamm scheren aber- ich versuch das halt auf jeden Fall hier in meinem Salon zu vermeiden«. (I. 386-387)

Ihre Kompetenz untermauert sie mit ihrem Meisterbrief im Frisierhandwerk, den sie – wie Herr Ayele auch – als Mittel zur Abgrenzung von anderen Afro Hair Salons verwendet. »ich weiß ja wer ich bin @ ((beide lachen)) Und zumindest weiß ich dass ich halt auch en Meisterbrief hab; @ das haben nicht so viele Afrosalons von daher@«. (I. 421-423)

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Sie erzählt, dass viele Afro Hair Salonbetreiber/-innen – wie auch Frau Assogba – Zertifikate über kürzere, im Ausland besuchte Seminare erwerben, die in Deutschland zur Saloneröffnung berechtigen: »Die meisten haben ja son Diplom halt (in) drei Monate, n Dreimonatsseminar keine Ahnung in Amerika in England besucht, und dann darfst du ja hier schon in Deutsch­ land n Salon aufmachen. […] Aber wenn du halt hier in Deutschland eh drei Jahre lang lernst, brauchst du deinen Meister. Das is von den Gesetzen her ganz ganz doof […] was uns dann, die halt hier gelernt haben halt wahnsinnig ärgert«. (I. 798-806)

Frau Damale beanstandet Ausnahmebewilligungen, die zur Eröffnung von Afro Hair Salons unter Nachweis der benötigten Unterlagen ausgestellt werden können (vgl. Kap. 3.2). Personen, die ihre Ausbildung im Ausland ablegen, würden gegenüber jenen in Deutschland bevorteilt. Kritisch merkt sie an, dass man bei einem Besuch im Afro Hair Salon darauf achten solle, ob in den Betrieben »nur« Diplome von kurzen Seminaren aushingen oder sie als Meisterbetriebe eingetragen seien: »du […] muss halt immer gucken ob da en Meisterbrief hängt oder ob einfach nur son Diplom halt hängt«. (I. 817-818)

An kurzen Qualifizierungsseminaren bemängelt Frau Damale die Vermittlung ausgewählter Techniken, wogegen in einer Ausbildung in Deutschland ein umfangreiches Wissens gelehrt würde: »in Amerika is es zum Beispiel so du besuchst halt die Kurse […] drei Monate, und da kannste halt entweder nur Haarverlänger- eh Haarverlängerung lernen oder nur Schneiden […] in einer deutschen Ausbildung haste halt alles inklusive […] en kom­ plettes Ding an Beratung und da kannste das Ganze auch (.) viel besser umsetzen, ne?« (I. 820-825)

Aufgrund ihrer umfassenden Kompetenzen ist sich Frau Damale ihrer Positionierung auf dem Markt sicher und erklärt, dass es für sie keine Konkurrenz gebe (»also für mich gibts keine Konkurrenz« I. 398). In Abgrenzung zu anderen Salons hebt sie ihre Einmaligkeit hervor: »ich bin einmalig […] Also von mir aus können zehntausende Salons aufmachen«. (I. 398-399)

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4.3.4.5  Die Salonphilosophie zwischen transformatorischen,              partikularistischen und ökonomischen Interessen Frau Damale vereint in ihrer Salonphilosophie transformatorische, partikularistische und ökonomische Facetten. In einem transformatorischen Sinn strebt sie danach, dass ihr Salon – auch von »Europäern« – als ›normal‹ und ›üblich‹ wahrgenommen wird. Sie möchte in ihrem Konzept eine binäre Logik von Schwarzen und Weißen Salons dekonstruieren. Dieser Wunsch drückt ihr Erleben als exotisiert aus und hebt hervor, dass sie sich nach einer Zugehörigkeit zur Gesellschaft in sehnt. Ihre Salonphilosophie ist eine Bewältigungsstrategie eigener Ausschlusserfahrungen und der Verwehrung von Zugehörigkeit. Überdies verfolgt Frau Damale das partikularistische Ziel, der Gruppe »dunkelhäutiger Menschen« mit Afrohaar ein Dienstleistungsangebot zur Verfügung zu stellen, das ihnen in anderen Salons verwehrt bleibt. Gleichzeitig ist es ihr – im Sinne ihres transformatorischen Konzepts – ein Anliegen, das Frisieren von Afrohaar nicht in einem separierten Raum stattfinden zu lassen, sondern als »Programm« in Friseursalons aufzunehmen. Ihren Salon versteht sie als Anlaufstelle für Personen jeglicher Herkunft – mit und ohne Afrohaar. Neben einer transformatorischen und partikularistischen Facette zeichnet sich Frau Damales Salonphilosophie durch eine ökonomische Strategie aus. Sie betont die Einzigartigkeit ihres Salons und ihres Könnens und grenzt sich von anderen ab, indem sie ihren Salon als Meisterbetrieb markiert.

4.3.5  Zwischen »Rebell« und »Clown«:           Erleben und Bewältigen von Rassismus als Dilemma Frau Damale spricht mehrfach an, als Schwarze Person benachteiligt zu sein. Auf meine Rückfrage hin, mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen habe, schwächt sie ihre Äußerungen zunächst ab: »Ja gu:ut also ich mein ehm (2) was heißt Schwierigkeiten? Vielleicht hab ich jetz en bisschen übertrieben«. (I. 548-549)

In der Relativierung ihrer vorigen Aussagen, als Schwarze Person hart kämpfen zu müssen, zeigt sich eine Vorsicht der Akteurin, die nicht als Person, die übertreibt, wahrgenommen werden möchte. Dies kann in Frau Damales Erfahrung begründet liegen, mit dem Thematisieren von Rassismus nicht ernst genommen worden zu sein. In der weiteren Sequenz führt sie aus: »also ich hatte jetz nie so Probleme […] dass mich irgendwelche Leute verfolgt haben und mich zusammenschlagen wollten […] aber natürlich is man halt man man fällt halt einfach auf mit seiner Hautfarbe […] und es gibt immer ein zwei Leute egal in welchem

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland Bereich die:e (.) halt einfach gegen- was gegen dich haben weil du halt einfach diese Hautfarbe […] hast«. (I. 549-554)

Frau Damale habe keine körperliche Gewalt erlitten, sondern sei von latenten rassistischen Mechanismen betroffen. Wie in den Ausführungen zu ihrer Behandlung auf dem Arbeitsamt erklärt sie erneut, aufzufallen und wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert zu werden. Die Wendung »es gibt immer ein zwei Leute« weist auf die Regelmäßigkeit und Kontextunabhängigkeit ihrer Rassismuserfahrungen hin. Zugleich mildert Frau Damale ihre Darstellung ab, da rassistisches Verhalten nur von einer geringen Anzahl an Personen ausgehe (»ein zwei Leute«). Auffallend ist der häufige Gebrauch von »halt« und »einfach«. Zwar ist Frau Damales Erzählstil insgesamt durch Füllwörter geprägt, jedoch treten sie an dieser Stelle in hoher Dichte auf. Sie machen Frau Damales Ohnmacht und fehlende Einflussnahme gegenüber rassistischen Alltagserfahrungen sichtbar. In der weiteren Narration führt sie konkrete Rassismuserfahrungen an: »das macht sich dann halt […] in der Schule bemerkbar; an irgendwelche Lehrer (.) oder halt bei irgendwelchen Behörden, dass die Leute dann nicht gleich so offen und so nett sind weil die (.) gleich mit irgendwelchen Vorurteile dann halt irgendwie dir gegenüberstehen und gar nicht erwarten dass du überhaupt Deutsch kannst ja, das erlebt man ja auch sehr sehr oft«. (I. 554-558)

Exemplarisch nennt die Interviewte das Verhalten von Lehrern/Lehrerinnen in der Schule sowie von Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen von Behörden, die sie mit »Vorurteilen« konfrontieren, »nicht gleich so offen und so nett« seien wie zu anderen sowie keine Kenntnisse der deutschen Sprache erwarten. Letztgenannter Punkt pointiert Frau Damales Erfahrung, als Ausländerin, nicht-deutsch und anders betrachtet zu werden und zeigt, wie tief verwurzelt die Vorstellung davon gesellschaftlich verankert ist, dass eine deutsche und deutschsprechende Person Weiß sei. Frau Damales Rassismuserfahrungen erstrecken sich über ihre gesamte Biografie und verschiedene Altersstufen. Mittlerweile könne sie über solche Erfahrungen lachen: »aber mittlerweile ich lach darüber und finds ganz witzig«. (I. 558-559)

Das abschwächende »aber« läutet Frau Damales Bewältigungsstrategie ein, die in der Tat während des Interviews an zahlreichen Stellen lacht, wenngleich sie dort auf schwerwiegende Rassismuserfahrungen aufmerksam macht. Die Akteurin benennt hier eine komplexe Form der Rassismusbewältigung durch Humor, die bisweilen wenig erforscht ist. Als Lesart lässt sich entwerfen, dass Frau Damale, die sich als kreative Person versteht und so auch wahrgenom-

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men werden möchte, nicht in einer Opferhaltung verharren will. Ein humoristischer Umgang mit Rassismus bedeutet eine zumindest situative Umkehr von Machtkonstellationen: »Unangenehme oder beängstigende Erfahrungen, Unsicherheiten, Herabsetzungen oder kränkende Zuschreibungen werden relativiert und spielerisch umgekehrt. Fremd­ zuschreibungen, Rassismus oder andere Formen der Herabsetzung lassen sich scherz­ haft artikulieren, wobei Distanz hergestellt und Verletzungspotential neutralisiert wird« (Klingenberg 2013, S. 223).

So verstanden stellt Frau Damales humoristische Haltung eine wichtige Ressource dar, um sich in rassistischen Situationen dennoch als handlungsmächtig zu erfahren. Sie entfaltet mit Humor ein momentartiges Potenzial, um sich gegen wirkmächtige und schwer zu durchbrechende rassistische Diskurse zur Wehr zu setzen. Sie verändert die auf den ersten Blick eindimensionale Machtstruktur, die sich durch ein rassistisches Gegenüber und ein Opfer von Rassismus auszeichnet, situativ und kontextuell. Neben dieser Art und Weise der Rassismusbewältigung zeigt sich in der weiteren Sequenz eine mit dieser humorvollen Haltung einhergehende Strategie Frau Damales, Rassismus nicht als dauerhafte Wirkmacht in ihrem Leben zu akzeptieren: »also ich würd sagen dass es dann vielleicht in meinen ganzen Leben vielleicht waren das (.) zwanzig Prozent oder so, deswegen is es für mich auch gar kein Thema wirklich […] also Ausländerfeindlichkeit macht man glaube ich als (farb-) farbiger Mensch rund um die Uhr, ob es in der Bahn is, ob es draußen auf der Straße irgendwo beim Bäcker is, aber das is für mich- das geht mir hier rein und da raus ganz ehrlich«. (I. 559-563)

Frau Damale beschreibt die ›Normalität‹ und Alltäglichkeit von Rassismus, was in Kontrast zu ihrer vorherigen Angabe zu stehen scheint, wonach ihr Lebensalltag mehrheitlich nicht von rassistischen Erfahrungen geprägt sei. Die zunächst widersprüchlich erscheinende Struktur drückt in Verbindung mit der vorherigen Sequenz eine Strategie Frau Damales aus, sich nicht als Opfer von Rassismus, sondern handlungsfähige Akteurin zu begreifen: Indem sie Rassismus als Alltäglichkeit und gesellschaftliche Normalität entlarvt, weist sie auf ein gesellschaftliches Problem hin. Hierdurch lenkt sie den Blick von sich als Betroffene auf rassistische Gesellschaftsstrukturen, die sie zu einer Art ›Prototyp‹ der »Ausländerin« machen. Diese Perspektivenverschiebung ermöglicht eine Distanz zu ihren Rassismuserfahrungen: Sie ist als »Ausländerin« ein Konstrukt der Rassisten/Rassistinnen. Da sie sich in ihrem Selbstverständnis aber als Inländerin und Deutsche fühlt, unterscheidet sie sich von der an sie herangetragenen Konstruktion, was ihr eine Distanzierung ermöglicht. Während eine rassistische Perspektive die Akteurin nicht in

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ihrer Individualität betrachtet, sondern alles, was sie tut, als typischen »Ausfluss einer Substanz« (Terkessidis 2004, S. 186) der »Ausländerin« versteht, wehrt sich Frau Damale gegen eine solche Sichtweise und lässt sie nicht Teil ihres Selbstverständnisses werden. Ihre Strategie ist in einem Spannungsfeld von subjektiver Verortung und einer Zuschreibung durch Dritte, die sie als »Ausländerin« sehen, zu verorten. Indem letztere sie als Repräsentation ihrer kollektiven Vorstellung einer Ausländerin betrachten, ermöglichen sie Frau Damale, die sich in ihrem Selbstbild hiervon unterscheidet, sich von der rassistischen Erfahrung zu lösen. Ebenso wie ihre Strategie, Rassismus mit Humor zu bewältigen, dreht Frau Damale die Hierarchien um und entreißt rassistisch agierenden Personen ihre Macht. Während ihr humorvolles Bewältigungshandeln situativ sichtbar wird, kann letztgenannte Strategie als Entziehung charakterisiert werden. Sie ist ein kognitiver Akt, der situations- und kontextunabhängig als Bewältigungsressource fungiert. Der Fortgang der Sequenz veranschaulicht eine Verstrickung von Frau Damales humoristischer Rassismusbewältigung mit der Strategie der Entziehung: Frau Damale versucht, sich ihren Rassismuserfahrungen durch Humor zu entziehen. Sie erläutert, »ganz gut punkten« zu können, wenn sie sich von ihrer humoristischen Seite zeige und von Dritten als »süß« und nicht »so ne Typische« wahrgenommen werde: »Also ich glaub ich ich ich kann ganz gut punkten, weil mich die Leute- also ich glaub ich bin so was wie so ne kleine Unterhalterin. Die Leute sehen mich, die sehen wie ich aussehe, weil meistens gehen die Leute ja nach dem Äußeren, Menschen sind halt einfach oberflächlich, und dann sehen die des is ja nich unbedingt so ne Typische, ach wie süß die doch is«. (I. 568-573)

Frau Damale spricht eine weitere Facette ihres Bewältigungshandelns an, die sich durch das Spielen der Rolle der »Unterhalterin« auszeichnet. In den Augen Dritter gelte sie als »nicht unbedingt so ne Typische«. Der Ausdruck der Typischen rekurriert auf unterstellte Zusammenhänge zwischen Hautfarbe, Verhalten und charakterlichen Eigenschaften. Personen werden nicht in ihrer Individualität, sondern als exemplarische Verkörperung von Kategorien wie »Ausländerin« oder »Schwarze« wahrgenommen. Frau Damale greift diese Problematik auf und erklärt, dass sie als »nicht-Typische« adressiert werde. Eine Adressierung als »nich unbedingt so ne Typische« bestätigt eine homogenisierende Konstruktion von ›Ausländern‹ und ›Schwarzen‹: Indem Frau Damale als Ausnahme von dieser vermeintlichen Regel hervorgehoben wird, werden die Vorstellungen darüber, wie ›Ausländer‹ oder ›Schwarze‹ vermeintlich ›von Natur aus‹ seien, (re-)produziert. Frau Damales Attribuierung als »süß« wirkt in diesem Zusammenhang infantilisierend: Während andere Personen

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in einem Prozess der Homogenisierung als Prototypen von ›Ausländern‹ und ›Schwarzen‹ abgewertet werden, wird Frau Damale aus der konstruierten Masse herausgehoben, aber nicht als erwachsene Person, sondern als kindlich betrachtet. Die rassistische Markierung geht mit einem Absprechen von Vernunft, Intellekt und Seriosität einher, was an koloniale Abwertungsbilder gegenüber Schwarzen erinnert. Frau Damale erzählt, »so ne kleine Unterhalterin« zu sein. Vermutet werden kann, dass sie rassistischen Äußerungen und Verhaltensweisen lächelnd begegenet – diese dabei aber vielmehr belächelt als tatsächlich darüber lacht. Dieses Verhalten scheinen ihre Gegenüber falsch zu interpretieren: »letztens musste ich mir halt auch anhören, also für ne Farbige bist du ja richtig hübsch. Du bist ne Überdurchschnittliche; das das hör ich sehr sehr oft. @2@ und bei solchen Aussagen, da lach ich mich wirklich kaputt, weil ich gar nich dann weiß wie ich das ehm (.) aufzunehmen hab, (.) aber ich werd dann halt immer son bisschen sarkastisch und son bisschen zynisch halt und ja (.) und dann lach ich halt einfach drüber und dann find ich das halt auch ganz witzig und ehm lach in dem Augenblick dann halt vielleicht mein Gegenüber aus ohne dass er es wirklich merkt, //I.: Mhmm// aber ehm mittlerweile ich kann mich mit solchen Aussagen- also die gehen mir echt hier rein und da raus. Also- //I.: Mhmm// des find ich ganz ganz schlimm, wenn Leute sagen ja als Farbige bist du schon relativ überdurchschnittlich. (.) @3@ Also da denk ich auch ehm hallo? @. Ja was soll man dazu sagen?« (I. 573-583)

Die Aussage »also für ne Farbige bist du ja richtig hübsch« impliziert eine rassistische Klassifizierung von hell- und dunkelhäutigen Personen, wobei letztere als nicht schön gelten. Die auf koloniale Abwertungskonstruktionen rekurrierende Aussage hebt die Hierarchisierung in Bezug auf den Einzelfall auf, bestätigt aber gerade hierdurch ihre vermeintlich generelle Gültigkeit. Ebenso verhält es sich mit der Bezeichnung, für eine Schwarze überdurchschnittlich zu sein. Jene Aussage geht ebenso von einer prinzipiellen Höherwertigkeit von Weißen aus. Die vermeintliche Bevorzugung und Hervorhebung Frau Damales aus einer prinzipiellen Abwertung belässt Schwarzsein in seiner negativen Konnotation. Jener Deutung begegnet Frau Damale erneut mit Lachen und Humor, wobei sie vermerkt, dass es sich um ein Auslachen des Gegenübers handeln mag. Situativ kehrt sie die Konstellation des rassistischen Machthabers und des Opfers von Rassismus um. Sie entlarvt die an sie adressierten Bilder als lächerlich. Frau Damale versucht, indem sie die Unterhalterin spielt, die stereotype Adressierung ihrer Person als »Farbige« zu bewältigen. Dabei agiert sie als Satirikerin, nimmt eine spöttische Haltung ein und führt die rassistischen Äußerungen ad absurdum. Frau Damale vermeidet mit einer satirischen Kritik,

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als Opfer von Rassismus positioniert zu werden; vielmehr tritt sie als handlungsmächtige Person auf. Auf meine Rückfrage hin, wer die Menschen seien, die sich rassistisch äußern, erläutert sie: »Viele Leute, ganz ganz viele Leute machen das. Also ganz ganz viele Leute machen das« (I. 588). Der Fall pointiert, dass Rassismus nicht von einer bestimmten Gruppe von Personen ausgeht, sondern gesellschaftlich verankert ist. Abstrahierend von ihrer eigenen Biografie richtet Frau Damale den Blick auf die Musikbranche, in der Frauen mit langem Haar am erfolgreichsten seien: »jetz schweifen wir vielleicht ein bisschen ab, aber ich mein wenn du dir die ganze (.) Musikrichtung anguckst ja, also ich mein die erfolgreichsten sind ja die mit den Haar­ verlängerungen. Ich mein ob du singen kannst oder halt ob du nich singen kannst«. (I. 589-592)

Sie spricht eine Präsenz, Sichtbarkeit und Akzeptanz von Schwarzen Künstlerinnen im Musikgeschäft an, die daran gekoppelt sei, dass sie sich in spezifische Normbilder einpassten. Wie in Kapitel 3.1 erläutert, ist das Tragen glatter langer Haare ein stabiles Schönheitsideal, dem viele Frauen durch Hinzufügung von glatten Haarextensions in ihr Echthaar nacheifern. Um die Frisur der Haarverlängerung ist ein Diskurs entstanden, der konträr geführt wird (vgl. Kap. 3.1.3; I. Lorenz 312-325). So definieren manche Schwarze das Tragen einer Haarverlängerung als Anpassung an Weiße Normen. Andere weisen darauf hin, dass sie eine Frisur neben vielen sei, die eine Vervielfältigung von Stiloptionen ausdrücke. Frau Damale definiert Haarverlängerungen als Bedingung für den Erfolg einer Schwarzen Person und schreibt der Frisur Macht zu, den Karriereweg maßgeblich zu beeinflussen. Eine Haarverlängerung könne als Mittel zum Erreichen beruflichen Erfolgs in einer rassistischen Gesellschaft gezielt eingesetzt werden. Frau Damales eigene Performanz der »Unterhalterin« geht in eine ebenso strategische Richtung, die von ihr mit der Intention gewählt wird, ihre Ziele zu erreichen: »Da kommen wir halt auch zu dem ganzen rein Optischen:n und dann halt auch viel­ leicht in der Kosmetik, dass die dann halt- dass die Hellsten halt immer mehr Erfolg haben. […] Man will dich halt als Schwarzer Mensch, aber du darfst bloß nicht zu Schwarz sein. […] das passt den meisten @ja dann auch nicht und so und eh @ (.) ja also ich bin halt einfach- joah ich glaub ich (.) ich seh mich selber so en bisschen als Clown; und […] spiel das halt auch ganz gerne, aber ich mache mich dann (.) joa (.) ganz witzig […] so über das Ganze. […] (Weil) man muss ja halt auch en bisschen mitmachen, um sein Business; oder das das Image halt einfach gut verkaufen zu können«. (I. 592-600)

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Frau Damale betont, dass »die Hellsten halt immer mehr Erfolg haben«. Sie spielt auf eine Hierarchiesierung von Hautfarben an. In einer Weißen Dominanzgesellschaft bedeute »zu Schwarz sein«, nicht akzeptiert zu werden. Hier wird deutlich, dass die Differenzierungen nicht ausschließlich entlang der Achsen ›helle Hautfarbe‹ und ›dunkle Hautfarbe‹ verlaufen, sondern vielmehr Nuancierungen zwischen beiden Polen einen Unterschied machen. Ein mäßig dunkler Teint scheint gesellschaftlich eher akzeptiert als ein stark dunkler. Frau Damales Bewältigungsstrategie zeichnet sich dadurch aus, »das Ganze« mitzuspielen, um ihr Geschäft zu vermarkten. Sie definiert sich als »Clown«, der verkleidet unter einer Maskerade handelt. Mit Bhabhas (2011) Theorie lässt sich dieses Verhalten – ebenso wie eine Haarglättung (vgl. Kap. 3.1.3) – als kulturelle Mimikry deuten, die Unterdrückten ein getarntes Agieren ermöglicht. Hier zeigt sich neben der Vermeidung einer Opferrolle ein weiterer Grund, warum Frau Damale einen satirischen Humor als Mittel des Umgangs mit Rassismus wählt und auf eine direkte Konfrontation des Gegenübers verzichtet: Dies sei notwendig, um ihr »Business« nicht zu gefährden. Der satirische Umgang mit Rassismus erscheint als Kompromiss, auf der einen Seite Rassismus nicht hinzunehmen und indirekt auf ihn aufmerksam zu machen, auf der anderen Seite hierbei aber latent vorzugehen, um das Geschäft nicht zu schädigen. Neben der satirischen Strategie impliziert die Einnahme der Clownrolle aber noch mehr, was sich an Frau Damales Umgang mit ihrem eigenen Äußeren zeigt. So erklärt sie einerseits, keine Bleachingcremes zur Aufhellung ihrer Haut zu verwenden (»also ich würd nich unbedingt so rumlaufen. Ich bin ganz zufrieden […] mit dem was ich halt habe« I. 1424-1425), gleichwohl aber nachvollziehen zu können, dass solche Cremes Verwendung finden (»en anderer Afrikaner, der zum Beispiel Schwarz is, und Komplexe hat (2), der tut sich dann halt sowas halt an« I. 1407-1408). Die Anmerkung, dass ein »anderer Afrikaner, der zum Beispiel Schwarz is«, eine Hautaufhellungscreme verwende, macht deutlich, dass Frau Damale selbst eine hellere Hautfarbe hat und Aufhellungscremes vor allem dann genutzt werden, wenn die eigene Hautfarbe als zu dunkel eingestuft wird. Während sie darauf hinweist, selbst keine Bleachingcremes zu nutzen, erklärt sie, dass die Haarverlängerung eine ihrer üblichen Stiloptionen sei: »Haarverlängerung muss halt schon sein« (I. 1425). Die Äußerung, dass Haarverlängerungen sein müssten, zeigt, dass die Frisur nicht frei von äußeren Zwängen ausgewählt wird. Vermutet werden kann, dass Frau Damale auf die geschilderte Notwendigkeit rekurriert, zur Vermarktung ihres »Business« Weiße Schönheitsvorstellungen repräsentieren zu müssen, um erfolgreich zu sein. Konträr zu ihrer Einfügung in diesen Zwang gibt sie an, ihrem Selbstverständnis nach ein »Rebell« zu sein:

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland »ich glätte meine Haare nich, 54 ich bin selber en Rebell; alles was ich mache (.) hat was Rebellisches, aber halt natürlich auch was Vorteiliges halt auch für mich natürlich ne«. (I. 1448-1450)

Frau Damale verweist auf die zwei Seiten ihrer Geschäftsphilosophie: Auf der einen Seite sei sie »Rebell«, was ein widerständiges Moment und eine Haltung der Auflehnung suggeriert. Sie will gesellschaftliche Zustände ändern. Auf der anderen Seite müsse sie zugleich einen Vorteil für sich schöpfen. Mit Bezug auf die Vergangenheit erläutert sie, immer das Verständnis gehabt zu haben, etwas verändern zu können »in der Welt«, jedoch gelernt zu haben, egoistisch zu sein: »Ich dachte halt immer man kann halt n bisschen mit was Rebellischem son bisschen was verändern generell in der Welt, aber (.) im Endeffekt man muss schon egoistisch sein«. (I. 1469-1471)

Auf der einen Seite rebellisch zu sein und gesellschaftliche Veränderungen anstoßen zu wollen, auf der anderen Seite aber egoistisch sein zu müssen, stellt ein Dilemma dar. Frau Damale spezifiziert diesen Konflikt unter Rekurs darauf, wer ihre primäre Kundschaft ausmacht. So habe sie nicht nur »normale Kunden«, sondern solche, die sie als oberflächlich charakterisiert: »Menschen sind ja oberflächlich und Menschen gerade hier ((nennt eine bestimmte Gegend der Stadt)) also wir haben ja nicht nur normale Kunden die halt studieren gehen, also man hat ja auch viel die halt keine Ahnung auf der ((Name einer Straße, in welcher der Prostitution nachgegangen wird)) halt arbeiten, die wo halt das Aussehen halt relativ wichtig is ja? //I.: Mhmm// Wo das halt das (.) des A und O halt einfach is ja?« (I. 606-610)

Frau Damales Salon wird u.a. von Prostituierten aufgesucht, die ihren Schätzungen zufolge 70 Prozent ihrer Kundschaft ausmachen (I. 1279). Den hohen Anteil dieser Frauen an ihrem Kundenstamm/Kundinnenstamm begründet sie mit der Lage ihres Salons in der Nähe eines einschlägigen Gebiets der Stadt sowie mit der unter Prostituierten favorisierten Haarverlängerung mit Echthaar: »da kommen halt auch dementsprechend sehr sehr viele Leute aus em Milieu. […] Weil die Haare sin ja nich grad billig, also (.) und die meisten wollen ja nich mit Syn­ thetikhaaren rumlaufen, sondern schon mit echtem Naturhaar […] und das können 54 | An anderer Stelle im Interview erläutert Frau Damale, sich in der Vergangenheit ihr Haar in Afro Hair Salons glätten gelassen zu haben (vgl. I. 370-371). Möglicherwei­ se hat sie inzwischen ihre Einstellung gegenüber Haarglättungen verändert.

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland dann die meisten die halt normal null acht fuffzehn und noch ne Familie in Ghana oder sonstwo zu ernähren haben wo die regelmäßig Geld hinschicken, die können des sich nich unbedingt leisten. […] Die lassen sich dann halt von irgendwelchen Friseuren zu Hause frisieren«. (I. 1267-1273)

Obwohl Frau Damale mit ihrem Konzept Frauen mit Afrohaar adressiert, die in anderen Salons in Deutschland häufig nicht frisiert werden, gibt sie zu verstehen, dass vor allem Frauen mit afrikanischem Migrationshintergrund, die ihren Familien in den Herkunftsländern Geld schicken, den Besuch bei ihr nicht bezahlen können. Insgesamt dominieren Prostituierte die Kundschaft, da diese besonders auf ihr Äußeres achten müssen: »weil das sin die die halt regelmäßig halt auf ihr Aussehen achten müssen […]. Ohne das funktioniert die Arbeit bei denen nich«. (I. 1285-1286)

Jene Kundinnen seien es zugleich, die sie mit rassistischen Aussagen konfrontierten: »Und dann kriegste halt halt solche Sprüche« (I. 610-611). Sie erklärt, für jene Kundinnen »was repräsentieren« und dadurch etwas von ihrem Selbst unterdrücken zu müssen, damit sie wiederkommen: »ich mein du musst ja auch was repräsentieren ja? […] wenn du reinkommst und ehm du siehst jemanden keine Ahnung irgend ne Muddi mit irgend nem die dann halt nich passend angezogen is, die Kunden kommen dann nich wieder. […] es wirklich so dass ich ja (auch) irgendwas (.) wie gesagt repräsentiere und deswegen kommen ja die Leute […] weil die Leute halt einfach oberflächlich sind. Das is (.) einfach in unserem Business generell so. […] Das hat dann glaub ich nix mit Schwarz oder Weiß oder Gelb oder Rot zu tun, das is halt einfach so«. (I. 611-621)

Frau Damale betont die erlebte Oberflächlichkeit der Kundinnen, die als Prostituierte arbeiten. Sie erklärt, die Kundschaft nur durch eine antizipierte Optik gewinnen und halten zu können. Das äußere Erscheinungsbild einer »Muddi« sei nicht erwünscht. Der Begriff »Muddi« weckt Assoziationen an einen Stil, der sich durch wenig figurbetonte, alltagstaugliche und zweckdienliche Kleidung auszeichnet. Frau Damale suggeriert, in ihrem Salon ein modernes, möglicherweise figurbetontes, offenherzigeres und extravagantes Aussehen zu pflegen. Dieses Aussehen sei neben den angebotenen Dienstleistungen ein Grund, weshalb ihre Kundschaft sie aufsuche. Die Anpassung ihrer Optik an die Vorstellungen der Kundinnen deutet sie über die Frage nach der Hautfarbe hinaus als allgemeine Notwendigkeit ihres »Business«. Insbesondere in Bezug auf ihre mehrheitlich aus Prostituierten bestehende Kundschaft kann gemutmaßt werden, dass zusätzlich zu einer Anpassung an Weiße Schönheitsvorstellungen eine Einfügung in Bilder einer erotischen Frau eine Rolle spielt.

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Während Frau Damales ideelle Salonphilosophie auf eine Durchbrechung der Kategorisierung von Weiß und Schwarz zielt und darauf, dass ihr Salon einer breiteren Kundschaft zugänglich sein soll, zeigt sich eine Diskrepanz ihrer Philosophie zum tatsächlichen Geschehen im Salon. Ein Konflikt – wie er sich in der Eingangssequenz des Interviews bereits andeutete – spannt sich auf, weil die Mehrheit von Frau Damales Kundinnen als Prostituierte arbeitet, die sich an dominanten Weißen und erotischen Schönheitsvorstellungen orientiert. Um ihre Kundschaft zu halten, passt sich Frau Damale mit ihrem Äußeren partiell in diese Vorstellungen ein.55 Damit hält sie eine Differenzierung in Schwarz und Weiß – die sie eigentlich durchbrechen möchte – aufrecht.

4.3.5.1  »damit ich halt einfach mal auf andere Gedanken              komme« – Bewältigung der Diskrepanz zwischen              Salonphilosophie  und Salongeschehen durch ein              sozialkritisches Studium Frau Damales Unzufriedenheit, etwas repräsentieren zu müssen, was sie nicht ist, hat sie dazu motiviert, zukünftig Soziale Arbeit an einer Fachhochschule zu studieren (»deswegen fang ich ja auch bald an zu studieren […] an der FH Soziale Arbeit« I. 621-625). Sie erklärt, bereits seit zehn Jahren als Friseurin zu arbeiten und ein Studium aufnehmen zu wollen: »also ich bin schon seit zehn Jahren Friseur und eh das reicht dann irgendwann mal auch« (I. 629-630). Sie wolle ihren Salon nicht schließen, sondern weiterführen und sich darüber hinaus »gedanklich weiterbilden«: »ich muss ja nebenbei halt mich irgendwie ernähren; das is mein Beruf; das is meine kreative Seite; das werd ich halt immer machen; aber damit ich halt einfach mal auf andere Gedanken komme; mich halt gedanklich einfach weiterbilde«. (I. 634-637)

Als Grund führt sie den als oberflächlich erlebten Salonalltag an, von dem sie bezweifle, ob sie dies ihr Leben lang »repräsentieren« möchte: »Muss man halt en bisschen studieren oder zumindest sich mal hinsetzen und gucken ob man halt jahrelang weiterhin ehm (.) dieses (.) Oberflächliche immerhin noch in zehn Jahren, in zwanzig Jahren repräsentieren will«. (I. 637-640)

55 | Möglich wäre, dass eine starke Orientierung an der Kundschaft der Prostituierten langfristig dazu führt, dass Frau Damale ihr Ziel, mit ihrem Salon als ›üblich‹ und ›nor­ mal‹ wahrgenommen zu werden, nicht erreichen kann. Eine Kundin eines anderen Afro Hair Salons, den ebenfalls vorwiegend Prostituierte aufsuchen, äußerte, nicht mehr in den Salon zu gehen. Sie befürchtet, als Kundin des Salons von Anderen ebenfalls für eine Prostituierte gehalten zu werden (vgl. Beobachtungsprotokoll 98).

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Frau Damale weist auf den Widerspruch ihrer eigentlichen Intention – das Äußere als Plattform eigener Wünsche selbstbestimmt zu gestalten und Weiße und Schwarze Schemata zu überwinden – zu ihrer aktuellen Situation hin. Auf meine Rückfrage, ob die Idee des Studiums somit in den erlebten Oberflächlichkeiten begründet liegt, erwiderte sie, bereits immer das Ziel gehabt zu haben, zu studieren: »Das war eigentlich schon immer da, dass ich eigentlich immer studieren wollte« (I. 654-655). Vielmehr kann also geschlossen werden, dass die Konfrontation mit der geschilderten Oberflächlichkeit Anlass zur Wahl des Studiums der Sozialen Arbeit war, Frau Damale den Wunsch zu studieren aber schon früher entwickelte. Wenngleich sie auf Anraten der Familie eine Ausbildung zur Friseurin durchlaufen hat, zeigt sich eine weiterführende Bildungsaspiration. Sie habe vor allem die Ambition, sich »seelisch« weiterzubilden: »ich finde, man muss sich halt einfach seelisch halt immer son bisschen weiterbilden« (I. 659-660). Der Begriff »seelisch« zeigt, dass es Frau Damale nicht primär um eine Aneignung neuen Fachwissens geht, sondern um eine Weiterentwicklung ihrer ganzen Person, die neben der kognitiven Ebene eine emotionale Beschäftigung umfasst. Die »seelische« Ebene stellt eine Erweiterung zu ihrer bisherigen Tätigkeit dar, die von ihr zwar als »rebellisch« konzipiert wurde, sich jedoch primär durch eine Oberflächlichkeit auszeichnet: »so sehr wie ich meine Kunden halt auch liebe ja, (.) ich kann mir jetz halt nich jedes Mal (.) mir wirklich immer nur Haare und Make-up und Nägel und- des geht halt nich«. (I. 661-662)

Als weiteren Grund führt sie an, bereits in jungen Jahren viel erreicht zu haben, aber nach wie vor wenig Geld zu verdienen: »Und ich hab halt relativ früh halt sehr viel schon erreicht muss man ja sagen […] des kann halt nich nur der Spaß sein, was (ich) halt an dem Beruf halt hält ja? Irgendwann ma muss halt auch das Finanzielle halt stimmen«. (I. 665-674)

Frau Damale betrachtet das intendierte Studium nicht als Bruch mit ihrem erlernten Beruf, sondern als Erweiterung ihrer Fähigkeiten. Neue Kenntnisse könnten in ihrem Salon nützlich sein: »und eh (.) mein(en) Kunden dann auch weiterhin ehm @ psychologisch halt behilflich zu sein auch ne @? Man sagt ja immer man is ja der Hobby-Psychologe […] wenn ich das Ganze halt mitm Studium dann noch ehm (.) aus eh breite […] umso besser für meine Kunden […] umso besser für mich«. (I. 665-680)

Fasst man Frau Damales Salonphilosophie und erlebten Salonalltag zusammen, lässt sich festhalten, dass die Akteurin in ihrem Beruf mit rassistischem

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Verhalten von Teilen ihrer Kundschaft konfrontiert ist. Sie bewältigt rassistische Situationen, indem sie zum einen den »Clown« spielt, rassistisches Verhalten belächelt und satirisch bearbeitet; zum anderen passt sie sich mit ihrem Äußeren in Weiße Schönheitsvorstellungen ein. Dieses Einpassen steht im Kontrast zu ihrer Salonphilosophie, in der sie rassistische Konstruktionen und Logiken abbauen möchte. Statt ihre ideellen Werte auszuleben, zeichnet sich ihre Tätigkeit durch eine oberflächliche Beschäftigung mit Schönheit aus. Diesen präsenten Dauerkonflikt will Frau Damale durch Aufnahme eines Studiums bearbeiten. Das Studium soll als Raum dienen, in dem sie ihre rebellische und sozialkritische Art ausleben kann. Längerfristig denkt sie darüber nach, den Friseurberuf und die im Studium erlernten Inhalte zu kombinieren.

4.3.6  Probleme mit den »eigenen Leuten«            – Zwischen Diskriminierung und Preisverhandlung Neben einer Exotisierung und der ökonomischen Notwendigkeit, ein bestimmtes Äußeres repräsentieren zu müssen, um die Hauptkundschaft nicht zu verlieren, führt Frau Damale Probleme mit »den eigenen Leuten« an. Diese Probleme haben ihre Entscheidung für ein Studium möglicherweise zusätzlich verstärkt.

4.3.6.1  »wie sieht die denn aus?« – Diskriminierung durch              andere ghanaische Migranten/Migrantinnen Frau Damale schildert, aufgrund ihres Aussehens »am Anfang«56 Anfeindungen anderer ghanaischer Migranten/Migrantinnen ausgesetzt gewesen zu sein. Diese hätten nicht erkannt, dass sie aus Ghana stamme und die Sprache ver­ stehe, in der andere ghanaische Migranten/Migrantinnen über sie lästerten: »am Anfang haben mich die Leute ja hier total unterschätzt […] man siehts nich unbe­ dingt mir an, dass ich sofort aus Ghana komme […]. Also ich könnte von überall aus Afrika her kommen […] es war voll oft so dass die meisten hier auch erst mal gelästert haben […] in der Straße und ehm (.) das hört man halt auch dann wie die Leute dann halt irgendwie keine Ahnung so- e:eh was is das denn? Oder wie sieht die denn aus? […] dabei checken die gar nich dass du die ja verstehst«. (I. 978-985)

Frau Damale wurde wegen ihres Äußeren – möglicherweise aufgrund ihrer helleren Hautfarbe und/oder ihres Kleidungsstils und Auftretens – zum Objekt von Lästereien. Ihre Umgangsweise damit beschreibt sie auch an dieser Stelle als humoristisch: 56 | Es wird vermutet, dass Frau Damale sich auf den Anfang ihrer Zeit als Selbst­ ständige bezieht.

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland »das find ich immer besonders funny @2@. Ach die sin ganz schlimm, die lästern (im­ mer) mal ganz gerne. (.) Wenn die nix zu tun haben @«. (I. 995-997)

Hier lässt sich eine Doppelbelastung für Frau Damale vermuten: So erfährt sie zum einen Rassismus von ihrer überwiegend aus Prostituierten bestehenden Kundschaft, die sich an Weißen Idealen orientiert, zum anderen wurde sie in ihrer Anfangszeit als Selbstständige von ghanaischen Migranten/Migrantinnen verspottet. Den Anlass der Lästereien führt Frau Damale auf ihr selbstbewusstes Auftreten sowie ihre modische Kleidung und Frisuren zurück: »wenn meine Haare gemacht sind und ich schön da (.) total gemütlich und entspannt schon geschminkt da rumlaufe […] des passt halt nich jedem«. (I. 1005-1007)

Andere »Afrikaner« seien neidisch auf ihr Leben und lästerten daher: »n anderen Afrikaner sieht- eh siehst der halt vielleicht (.) n anderes schweres Leben hat und führt und dem es vielleicht nich so gut gehen kann wie dir, ja? Der lästert dann halt auch mal«. (I. 1008-1010)

Frau Damale schreibt »Afrikanern« Lästern als Wesensmerkmal zu, schwächt ihre Zuschreibung jedoch unmittelbar wieder ab, indem sie sagt, sie könne dies ausschließlich für ›ihre Leute‹, – gemeint ist die Gruppe ghanaischer Migranten/Migrantinnen in Deutschland – generalisieren: »aber das machen Afrikaner generell […] Ich kenns halt von meinen Leuten, deswegen kann ich es gar nich so verallgemeinern, aber (.) von meinen Leuten is es sehr oft so«. (I. 1011-1013)

Auch in ihrem Salon wurde Frau Damale von ghanaischer Kundschaft damit konfrontiert, dass sie nicht danach aussehe, aus Ghana zu kommen. In Bezug auf ihre Kompetenzen im Frisieren wurde ihr zunächst mit Skepsis begegnet: »Oder am Anfang dass sie hier immer dann gefragt haben, kann die des überhaupt und so? Und dann hieß es ja du, die versteht dich schon gell? […] die kommt schon aus unserem Land @«. (I. 1013-1015)

Ihre Kundschaft mit afrikanischem Migrationshintergrund hat scheinbar nur in Friseurinnen Vertrauen, welche die Frisierkunst in einem afrikanischen Land erworben haben. Kundinnen unterhielten sich in dem Glauben, Frau Damale könne sie nicht verstehen, bis sich herumgesprochen hatte, dass sie in Ghana geboren wurde und die Sprache der Kundinnen spricht: »Mittlerweile kennen se mich alle, es lästert keiner mehr @« (I. 1016). Die Schilderungen,

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aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes in der Gruppe der Ghanaer/-innen zunächst nicht anerkannt worden zu sein und gleichsam als Schwarze in Deutschland nicht anerkannt zu werden, machen deutlich, welchen Konflikt Frau Damale auszuhalten hatte. Die doppelte Verwehrung von Zugehörigkeit sowohl zu Ghana als auch Deutschland beruht auf Differenzmarkierungen, die an Frau Damales Aussehen festgemacht werden. Vor diesem Hintergrund stellt ihre Salonphilosophie, dass jede Person so aussehen solle, wie er oder sie es mag und in ihrem Salon willkommen und zugehörig sei, einen Gegenraum und – ähnlich wie im Fall Frau Assogbas – eine identifikatorische Heimat zu nicht anerkennenden Zugehörigkeitsdiskursen dar, die sie in ihrem Alltag erfährt (vgl. Kap. 4.2.6).

4.3.6.2  Widerstand der »eigenen Leute« –              Preise und Frisieren von zu Hause aus als Problem Frau Damale führt neben Lästereien an, dass der Umgang mit ihren »Landsleuten« auch in Bezug auf andere Punkte schwierig gewesen sei. Sie habe sogar darüber nachgedacht, ihren Salon zu schließen: »am Anfang war das halt schon schwer. […] Ich wollte auch (.) wirklich des Ganze hier aufgeben […] also hier kommen ja alle Leute hin, ob gebildet oder nicht gebildet, (.) und wenn du dann halt hier in so nem Sammelbecken halt sozusagen bis […] da musst du dir echt die Augen zukneifen«. (I. 1030-1034)

Kunden/Kundinnen würden ihre Preise nicht akzeptieren und nach unten verhandeln:57 » @ganz tolles Beispiel @, kam ne Frau […] und hat mich ge- ge-gefragt, warum ich doch ehm (.) keine zwanzig Euro für ne Haarverlängerung nehmen (.) würde; […] da bin ich komplett ausgeflippt […] ja:a, aber mit Pa- in Paris ist das so. In Belgien is es auch so. Hab ich gemeint ja also ehm Stadt A fängt halt mich ((erster Buchstabe der Stadt)) an und wir leben hier in Deutschland […] das sind dann wirklich die Leute, die vielleicht nich ganz so gebildet sind […] @ da denkste dir echt also du wirst eh:::h aufgefressen oder wie von den Leuten […] aber ja ich hab mich mittlerweile damit abgefunden«. (I. 1037-1050)

Die Ursache für die fehlende Akzeptanz ihrer Preispolitik führt Frau Damale darauf zurück, dass Kunden/Kundinnen die Preise ihres Salons mit denen in

57 | Das Problem, dass Preise als zu hoch empfunden werden, wurde bereits in der Fallanalyse Frau Assogbas und auch im Zuge teilnehmender Beobachtungen in weit­ eren Salons sichtbar (vgl. Beobach­t ungsprotokolle 68, 97, 99, 106, 107).

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland

anderen Ländern vergleichen, obwohl dieser Vergleichsmaßstab viele Faktoren nicht berücksichtige: »es halt schon was mit diesen ganzen Kolonien und mit den ganzen Herrschaften damals zu tun […] ich mein en Kongolese, der kommt nach Stadt A, und ehm:m (.) die meisten Kongolesen leben halt einfach nunmal in Belgien (und) Paris […] war ja halt auch ne belgische Kolonie […]. Und mehr Angebot mehr Nachfrage umso größer is halt der Markt […] umso günstiger ist es ja. //I.: Mhmm// Aber wir leben halt nicht in Paris oder in eh Belgien, wir leben hier in Stadt A, in Deutschland«. (I. 1058-1067)

Frau Damale vergleicht das Verhandeln mancher Kundinnen mit dem Feilschen auf einem Basar: »Da gehts halt nur noch um die Preise, und nich wirklich um das Machen […] Also das=is dann wirklich wie (.) auf so nem Basar«. (I. 1076-1078)

Als weiteren kritischen Punkt, der das Feilschen begünstige, führt sie Friseure/Friseurinnen an, die zu günstigeren Preisen von zu Hause aus frisieren und das Geschäft kaputt machen würden: »die zerstörn unser Ge- unser Geschäft ja auch ne? Die Leute die von zu Hause aus arbeiten. […] Weil gerade wegen solchen Leuten muss ich mir dann anhören wieso bist du so teuer, da muss ich manchmal sagen ja eh (.) sorry, ich zahl hier Strom und Miete«. (I. 1252-1256)

Frau Damale macht sich, um mit dieser Situation umgehen zu können, bewusst, dass Kundinnen, die Dienstleistungen von Friseurinnen in Anspruch nehmen, die von zu Hause aus arbeiten, ohnehin nicht in ihren Salon kommen würden. Ihnen wäre das Angebot zu teuer: »die klauen mir ja keine Kunden im Endeffekt«. (I. 1322)

Dennoch kritisiert sie, dass Friseurinnen, die von zu Hause aus frisieren, dem Friseurgeschäft insgesamt schaden würden, da bei der Kundschaft auf lange Sicht die Bereitschaft sinke, einen angemessenen Betrag für eine Dienstleistung zu zahlen: »wenn die Leute von zu Hause aus frisieren weil um so weniger Leute sind dann moti­ viert zum Friseur zu gehen, //I.: Mhmm// Ja, weil die sich dann denken, ah okay, ich verdien eh nich so viel und ich geb nur zwanzig Euro aus und hab dann meine Ruhe erstmal, ja?« (I. 1324-1327)

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Als Unterschied ihres Angebots zu dem von Friseurinnen, die in ihren Wohnungen arbeiten, stellt Frau Damale die von ihr erbrachte Qualität heraus, die ihren Preis habe: »wenn man halt ne Haarverlängerung für zwanzig Euro hat ehm, da braucht man sich halt auch nich zu wundern, wenn man ne Haarverlängerung sieht, die halt dann hun­ dert Euro gekostet hat ja? //I.: Mhmm// Warum deins für zwanzig Euro halt nich so aussieht«. (I. 1329-1332)

Bilanzierend hält sie fest, dass ihr Salon ein »Sammelbecken« für viele Personen sei: »Deswegen sag ich ich wollte jetz nich irgendwie niemanden angreifen oder so, dass hier dieser Laden is en Sammelbecken […]. Und ich kann das halt einfach nich mehr tolerieren halt hier und sach halt jeden dann (eh) meine Meinung«. (I. 1339-1350)

Frau Damale leidet unter der fehlenden Akzeptanz ihrer Preise, hat sich aber damit abgefunden. Sie behält ihre Preispolitik bei, auch wenn sie damit riskiert, potenzielle Kundinnen zu verlieren.

4.3.7  Resümee : Lilly Damale, die Rebellin im Zwiespalt Lilly Damale will mit ihrem Salon Schwarzen Menschen in Deutschland eine Dienstleistung zur Verfügung stellen, die in anderen Friseursalons mit dem Hinweis abgewiesen werden, dass man ihre Haare nicht frisieren könne. Ihr Salon ist ein Ort, an dem sie eine institutionelle Diskriminierung durch die Bereitstellung ihres Angebots aufzufangen sucht, und erfüllt eine partikularistische Funktion, die Schwarzen Menschen in Deutschland zugute kommen soll. Überdies versucht Frau Damale, eine Exotisierung ihrer Person und ihres Salons durch ein transformatorisches Salonkonzept abzuwenden. Für sie ist es wichtig, dass ihr Salon nicht ausschließlich als ›Afro‹ oder ›Black Hair‹ Salon wahrgenommen wird, sondern als Option für alle Frauen und Männer – unabhängig von Herkunft, Haartextur oder Hautfarbe. In ihrem Alltag ist Frau Damale wegen ihrer Hautfarbe rassistischen Bewertungen durch Dritte ausgesetzt, die sie als nicht zu Deutschland zugehörig definieren und ihr die Erbringung einer Leistung absprechen. In ihrem Salon möchte sie im Gegensatz dazu einen Raum schaffen, der frei ist von einer Weißen Dominanzkultur und in dem sich ihre Kundinnen – wie sie selbst auch – ihren gestalterischen Wünschen für ihr Äußeres ohne eine rassistische Bewertung durch Andere hingeben können. Als Fallstruktur sticht der Widerspruch ihrer sozialkritischen Salonphilosophie und ihres Sebstbildes der »Rebellin« zu ihrer tatsächlichen Position als

Betreiber/-innen von Afro Hair Salons in Deutschland

Abbildung 14: Lilly Damales Salonphilosophie als Rassismusbewältigung

Repräsentation und Bewältigung rassistischer Erfahrungen in der Salonphilosophie

Transformatorische Facette

Partikularistische Facette

Durchbrechen der binären Wahrnehmung ›Schwarzer‹ und ›Weißer‹ Salons

Dienstleistungsangebot für Kundschaft mit Afrohaar schaffen, die in anderen Salons in Deutschland oftmals weggeschickt wird

Durchbrechen rassistischer Zuschreibungen an das Äußere

Ökonomische Facette

Betonung von Einzigartigkeit und einem qualitativ hochwertigen Angebot

Konflikt: Anpassung an Weiße Schönheitsvorstellungen der dominanten Kundschaft kollidiert mit Selbstverständnis als »Rebellin«

Bewältigungsstrategie Unmittelbar: Performanz eines »Clowns« und satirischer Humor Langfrisitig: Verknüpfung des Friseurberufs mit Studium der Sozialen Arbeit

Quelle: Eigene Darstellung.

Unternehmerin hervor. Frau Damale möchte eine binäre Wahrnehmung von Schwarz und Weiß dekonstruieren, passt sich aber äußerlich in Weiße und sexualisierte Schönheitsvorstellungen ihrer mehrheitlich aus Prostituierten bestehenden Kundschaft ein (vgl. Abb. 14). Frau Damale begründet ihre Anpassung an diese Schönheitsvorstellungen damit, dass Prostituierte die Mehrzahl ihrer Kundschaft ausmachen und sie auf die Einnahmen angewiesen sei. Teile einer potenziellen afrikanischen Kundschaft können Frau Damales Preise entweder nicht zahlen oder lehnen sie als zu teuer ab, was ihren Konflikt noch verschärft. Lilly Damale entfernt sich von ihrem Selbstbild der »Rebellin« und sozialkritischen Salonkonzept. Ihr Verhalten erklärt sie mit Verweis auf ihre finanzielle Abhängigkeit von der Kundschaft. Situativ erhält sie ihr Selbstbild durch einen satirischen Humor gegenüber Personen aufrecht, die sie rassistisch beleidigen. Die Satire ermöglicht ihr, nicht in eine Opferrolle zu verfallen, sondern das Gegenüber indirekt auf das eigene, als lächerlich deklarierte Verhal-

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ten aufmerksam zu machen. Als langfristige Bewältigungsstrategie plant sie, das Studium der Sozialen Arbeit aufzunehmen, um sich in ihrer sozialkritischen Art zu verwirklichen. Ihren Salon möchte sie weiterführen. Die Fallanalyse macht rassistische Gesellschaftsstrukturen sichtbar, primär eine Weiße Dominanzkultur, die Schwarzen Personen verwehrt, sich als Deutsche zu verstehen (Absprechen von Zugehörigkeit) und ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft verunmöglicht (Absprechen von Partizipation).

5  Zwischen sozialer Ausgrenzung und Wunsch     nach gesellschaftlicher Inkorporation     Theoretische Vertiefung der empirischen Ergebnisse

Das Kapitel reflektiert die Erkenntnisse der Analyseteile 3 und 4 unter einem gemeinsamen Dach – der Frage nach dem Erleben sozialer Ausgrenzung und dem Wunsch nach gesellschaftlicher Inkorporation von Afro Hair Salonbetreibenden. Die rekonstruierten Logiken aus Kapitel 3 werden als Funktionsweisen sozialer Ausgrenzung und die in den Fallanalysen rekonstruierten Bewältigungs- und Gestaltungsstrategien als Reaktion auf Ausgrenzungsprozesse sowie als Ringen um gesellschaftliche Inkorporation gedeutet. Das Kapitel beinhaltet eine Typologie und Vertiefungen zum Umgang mit sozialer Ausgrenzung.

5.1  A berkennung , M arginalisierung und E xotisierung         als F unk tionsweisen sozialer A usgrenzung Kapitel 3 zeigte auf, dass sich Afro Hair Salons und das Afrohairbusiness in einem mehrdimensionalen Spannungsfeld von sozialer Ausgrenzung und gesellschaftlicher Inkorporation befinden, das historisch gewachsen und durch mediale und politische Diskurse sowie rechtlich-institutionelle Rahmungen geprägt ist. Innerhalb dieses Spannungsfeldes dominieren Pfade der Aberkennung, Exotisierung und Marginalisierung, die zugleich von subversiven Entwicklungen unterlaufen werden: • Die historische Analyse verweist auf die Aberkennung von Afrohaarstilen zur Kolonialzeit. Jener Pfad der Aberkennung ist bis heute stabil und schwer zu durchbrechen und hat Einfluss auf das Afrohairbusiness. • Die Analyse der institutionell-rechtlichen Rahmenbedingungen im Frisierhandwerk in Deutschland verdeutlicht, dass das Afrohairbusiness partiell

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und als ›Ausnahme‹ in bestehende ökonomisch-institutionelle Strukturen eingebunden ist. • Das Ergebnis der Medienanalyse ist, dass Afro Hair Salons und Afrohaarstile in den medialen Darstellungen als exotisch und in Deutschland genuin fremd repräsentiert werden. Die historische Aberkennung, die institutionelle und rechtliche Marginalisierung sowie die mediale Exotisierung des Berufsprofils in gesellschaftlichen Strukturen in Deutschland stellen Funktionsmechanismen sozialer Ausgrenzung dar (vgl. Tab. 5). Tabelle 5: Rekonstruierte Funktionsmechanismen sozialer Ausgrenzung Rekonstruierte Funktionsmechanismen sozialer Ausgrenzung Historische und rassistische Institutionelle und rechtliche Aberkennung von afrikani­ Marginalisierung von Afro Hair Mediale Exotisierung schen Frisuren Salonbetreibenden Quelle: Eigene Darstellung.

Soziale Ausgrenzung wird verstanden als komplexer und dynamischer Prozess, der sich nachteilig auf die Partizipationsmöglichkeiten von Akteuren/ Akteurinnen an gesellschaftlichen Ressourcen und deren gesellschaftliche In­ korporation auswirkt sowie den Betreibern/Betreiberinnen mit ihren Salons ihre Zugehörigkeit zu Deutschland abspricht (vgl. Kap. 1.2.2).

5.2  T ypologie

zum

U mgang

mit sozialer

A usgrenzung

Die Fallanalysen haben aufgezeigt, wie Akteure/Akteurinnen soziale Ausgrenzung erleben und bewältigen. Die folgende Typologie abstrahiert von den in Kapitel 4 analysierten Einzelfällen und vertieft die Umgangsweisen mit sozialer Ausgrenzung (5.2.1). Dem schließt sich eine Skizzierung weiterer potenziell vorstellbarer Fälle an, die mit Beobachtungsprotokollen unterfüttert werden (5.2.2) und zukünftige Forschungsperspektiven eröffnen.

5.2.1    Empirisch rekonstruierte Typen Die Fälle von Herrn Ayele, Frau Assogba und Frau Damale lassen sich mit ihren jeweils dominanten Handlungszielen und -strategien zu den drei Typen der Social Entrepreneurs, der Selbstverwirklicher/-innen und der Rebellen/Re-

Zwischen sozialer Ausgrenzung und Wunsch nach Inkorporation

bellinnen verdichten. Innerhalb der Typen steht jeweils eine Kerndimension sozialer Ausgrenzung im Vordergrund, an der sich der entsprechende Typ besonders abarbeitet, sowie eine Form des Umgangs mit sozialer Ausgrenzung (vgl. Tab. 6). Während der Typ der Social Entrepreneurs ausgrenzende Gesellschaftsstrukturen verändern möchte, damit Afro Hair Salonbetreibenden eine gesellschaftliche Partizipation und Anerkennung zuteil wird, strebt der Typ der Selbstverwirklicher/-innen primär danach, ausgrenzende Normen individuell zu überwinden und durch solche zu ersetzen, die ihm Anerkennung für die eigene Tätigkeit ermöglichen. Der Typ der Rebellen/Rebellinnen formuliert von allen Typen den größten Veränderungswunsch, er möchte ausgrenzende gesellschaftliche Wahrnehmungsschemata transformieren. Die Typen zeigen in ihrer Gesamtheit die Komplexität gesellschaftlicher Ausgrenzungsprozesse und die verschiedene Ebenen, auf welchen Ausgrenzung passiert. Tabelle 6: Rekonstruierte Typen des Umgangs mit sozialer Ausgrenzung Typ

Typ I: Social Entrepreneur

Typ II: Selbstverwirklicher/ -innen

Umgang mit sozialer Aus­ grenzung

Gesellschafts­ Normen strukturen verändern überwinden

Typ III: Rebellen/Rebellinnen Wahrnehmungssche­ mata transformieren

Quelle: Eigene Darstellung.

5.2.1.1  Typ I : Die Social Entrepreneurs –              Ausgrenzende Gesellschaftsstrukturen verändern Ausgehend vom Fall des Salonbetreibers Herr Ayele lässt sich der Typ der Social Entrepreneurs rekonstruieren. Jede Definition von Social Entrepreneur muss zunächst mit einer Definition der Begrifflichkeit ›Entrepreneur‹ beginnen, die das Wort ›Social‹ dann spezifiziert. Alle verschiedenen definitorischen Akzentuierungen halten fest, dass Entrepreneurship mit einer Geschäftsgelegenheit assoziiert ist und damit, etwas ›zu unternehmen‹ (vgl. auch Roberts/Woods 2005). Im Fall von Herrn Ayele geht es um die Eröffnung eines Afro Hair Salons. Zudem wird Entrepreneurs zugeschrieben, eine außergewöhnliche Fähig­keit zu haben, neue Möglichkeiten zu erkennen und ökonomisch zu nutzen. Dabei verfügen sie über die Bereitschaft, ein finanzielles Risiko einzugehen (vgl. Roger/Osberg 2007, S. 31). Dieses Charakteristikum zeigt sich im Fall von Herrn Ayele darin, dass er eine Marktlücke identifiziert, von der er seine späteren Kreditgeber/-innen auf kreative Art überzeugen kann. Die Merkmale des konventionellen Entrepreneurs erweitert der Typ des Social Entrepreneurs nunmehr: Er zeichnet sich dadurch aus, dass er nach gesellschaftlicher Wei-

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terentwicklung im Hinblick auf die nachhaltige Verbesserung und Veränderung der Situation einer marginalisierten Gruppe oder einer Gesellschaft im Ganzen strebt (vgl. ebd., S. 39). Im Gegensatz zum konventionellen Entrepreneur sind seine Motive nicht rein wirtschaftlicher Natur, sondern durch sozia­ le Visionen, allen voran soziale Gerechtigkeit, gekennzeichnet (vgl. Roberts/ Woods 2005, S. 47f.; Light 2006, S. 47). Herr Ayele hat eine soziale Vision von einer Gesellschaft, in der Migranten/Migrantinnen selbstverständlich in gesellschaftliche Strukturen inkorporiert sind und Anerkennung erfahren. Sein Betrieb ist vielmehr Mittel zum Erreichen dieses Ziels als ökonomischer Selbstzweck. Strategisch sticht seine intendierte Vernetzung sowohl mit anderen Afro Hair Salons (horizontal) als auch mit Behörden, Industrie, Stadtpolitik und Handwerk (vertikal) heraus. Der Akteur hat zum Ziel, Kooperationen aufzubauen und das Afrohairbusiness und Berufsprofil der Afrohairstylisten/ Afrohairstylistinnen öffentlich sichtbar zu machen. Auf lange Sicht soll es nachhaltig in den institutionellen Strukturen in Deutschland etabliert sein. Neben einer Partizipation des Afrohairbusiness an gesellschaftlichen Strukturen ist es ihm ein Anliegen, dass Betreibende von und Mitarbeiter/-innen in Afro Hair Salons sowie Migranten/Migrantinnen insgesamt gesellschaftliche Wertschätzung für ihre Tätigkeit erfahren. Das Bemühen um eine öffentliche Sichtbarkeit des Berufsprofils ist ein Versuch, eine »subalterne Gegenöffentlichkeit« (Fraser 1996, S. 163) herzustellen, die den öffentlichen Diskursen darüber, was als anerkennenswerter Beruf gilt, eine erweiterte Interpretation anbietet. Der soziale Ausschluss aus der urbanen Politik sowie den Entscheidungsgremien des Handwerks und der Industrie – sprich: aus den vertikalen Funktions- und Entscheidungsorganen – trägt bei Herrn Ayele dazu bei, dass er auf seine fachliche Expertise im Afrohairbusiness hinweist. So ist es eben nicht sein Ziel, ausschließlich innerhalb der Gruppe von Afro Hair Salonbetreibenden Vernetzungsaktivitäten zu initiieren, sondern auch nach außen, hin zu einer dominanten Öffentlichkeit mit formalisierten Adressaten/Adressatinnen wie gesellschaftlichen Institutionen. Er wünscht sich Zugang zum öffentlichen Leben in seiner Position als Unternehmer, vor allem zu städtischen und ökonomischen Entscheidungsträgern/Entscheidungsträgerinnen. Zur Zeit der Materialerhebung erlebt er sich jedoch als ausgeschlossen und nicht wertgeschätzt. Dieser Verletzung des universellen Bedürfnisses nach Anerkennung begegnet er mit der Konstruktion einer Eigentheorie, die seinem ökonomischen Handeln einen tiefergehenden Sinn verleiht: Der migrantischen Kundschaft möchte er durch sein Waren- und Dienstleistungsangebot eine Anbindung an ihre Herkunftskontexte ermöglichen, bei seiner nicht-migrantischen Kundschaft soll Interesse für das Angebot seines Betriebs geweckt werden, wodurch er gesellschaftliche Weiterentwicklung im Sinne einer Diver­ sifizierung und Pluralisierung angestoßen sieht. Die in seinem Salon angebotenen Dinge fungieren damit als zentrale sinnstiftende und ermöglichende

Zwischen sozialer Ausgrenzung und Wunsch nach Inkorporation

Akteure (vgl. Latour 2005). Sie verbinden Migrations- und Herkunftskontexte von Migranten/Migrantinnen miteinander. In der Gesellschaft in Deutschland sollen sie eine Auseinandersetzung von weiteren Personen mit dem Angebot in Afro Hair Salons anstoßen, welche die Produkte und Dienstleistungen erleben und kennenlernen können. Hierdurch soll eine Inkorporation der Betriebe in Deutschland erreicht werden. Herr Ayele stellt zusammenfassend einen Typ im Umgang mit sozialer Ausgrenzung dar, der ökonomisches Handeln mit sozialen Visionen verbindet und die Ausgrenzung von Afro Hair Salonbetreibenden überwinden möchte. Ihm ist daran gelegen, nicht ausschließlich ökonomisch tätig zu sein, sondern soziale Veränderungen und Entwicklungen anzustoßen, die sich auf Gesellschaften im Ganzen auswirken. Damit ist er zum einen Entrepreneur, zum anderen ›agent of change‹.

5.2.1.2  Typ II : Die Selbstver wirklicher/-innen –              Ausgrenzende Normen über winden Im Unterschied zum Social Entrepreneur setzt der Typ der Selbstverwirklicher/ -innen sich weniger für die Belange einer ganzen Gruppe als primär für sich selbst ein. Frau Assogba, die diesen Typ repräsentiert, geht es darum, sich in ihrem Traumberuf der Afrohairstylistin zu verwirklichen. Dennoch treffen die Merkmale des Entrepreneurs, der eine außergewöhnliche Fähigkeit hat, neue Möglichkeiten zu erkennen und diese ökonomisch zu nutzen, auch auf diesen Typ zu. Selbst wenn das Engagement zunächst auf die eigene Biografie ausgerichtet ist, können von diesem Typ geschaffene Innovationen einen Effekt auf größere Teile der Gesellschaft ausüben. Frau Assogba kreiert im Zuge ihrer grenzüberschreitenden Wissensaneignung in den Metropolen London und Paris sowie in ihrem Herkunftsland Benin ein innovatives Expertinnenwissen, das sie lokal anwendet. Dieses soll in dem urbanen Raum dazu beitragen, dass vielfältige Kunden/Kundinnen zu ihr kommen, auch über ethnisch definierte Grenzen hinaus. Selbstverwirklicher/-innen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich kritisch mit den sie ausgrenzenden Normen auseinandersetzen, diese reflektieren und in einem neuen Orientierungsentwurf überwinden, der mit den eigenen Überzeugungen und Ansichten übereinstimmt: »Selbstverwirklichung bedeutet dann die Übereinstimmung mit den ›guten‹ eigenen Normen, Entfremdung […] Konsens mit den falschen Zielen der anderen« (Meyer 1984, S. IX). Frau Assogba lässt die das Afrohairbusiness nicht anerkennenden Normen ihres Herkunftslandes und der Migrationsländer hinter sich. In ihrem Herkunftsland wird der Beruf der Afrohairstylistin oftmals mit Schulabbrechern/Schulabbrecherinnen assoziiert und als nicht auf einem fachlichen Wissen beruhend wahrgenommen. In Frankreich und Deutschland erlebt Frau Assogba, dass er vonseiten der nicht-migrantischen Mehrheitsgesellschaft mit einer vermeintlich ethnischen Nische und Unsauberkeit konnotiert wird. Hie-

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raus wird in Frau Assogbas Herkunftsland und den Migrationsländern eine normierende Handlungsvorschrift abgeleitet, nicht im Afrohairbusiness tätig zu sein. In Abgrenzung zu diesen abwertenden Normen definiert sie den Beruf als herausfordernd, künstlerisch und Expertentum. Nach Hilpert (1987, S. 9) ist diese Umdeutung des gesellschaftlich Nicht-Anerkannten ein Charakteristikum von Selbstverwirklichern/Selbstverwirklicherinnen. Äußere Zwänge und Verfügungen werden nicht unhinterfragt internalisiert, sondern ggfs. negiert, damit die eigenen Ziele verwirklicht werden können und man die Person sein kann, die man sein will. Der Typ der Selbstverwirklicher/-innen arbeitet sich also an einem erlebten Defizit in der eigenen Lebensgestaltung ab, das in (gesellschaftlichen) Hindernissen begründet liegt. Frau Assogbas Eltern hatten ihr in ihrer Jugend verwehrt, den Beruf der Afrohairstylistin zu erlernen und auszuüben. Die Akteurin reflektierte die Normorientierungen ihrer Eltern als Folge des Kolonialismus. Eine solche Reflexionsfähigkeit der Dialektik von Entfremdung und eigenen Wünschen ist paradigmatisch für Selbstverwirklicher/-innen. Sie sind im Besonderen in der Lage, sich von Gewohntem zu distanzieren, es kritisch zu hinterfragen und an dessen Stelle eine neue Idee zu setzen (vgl. Meyer 1984, S. VII). Dies hängt mit dem in diesem Typ ausgeprägten Kreativitätspotenzial zusammen, das stark nach Räumen des Zweckfreien sucht (vgl. Hilpert 1987, S. 9f.). Das Überdenken und Ändern der eigenen Lebensweise kann dabei so weit gehen, dass Akteure/Akteurinnen eine frühere Lebensweise vollkommen ablehnen und sich von dieser maximal distanzieren (vgl. Meyer 1984, S. 6). So definiert sich Frau Assogba nicht als Handwerkerin, sondern als kreative und intellektuelle Künstlerin. Sie beruft sich in ihrer Berufsausübung nicht auf ein routinisiertes Wissen, sondern schafft ein neues Salonkonzept, experimentiert mit Haarstilen und überschreitet Normen. Dieser Typ des unermüdlichen Strebens nach dem Erreichen einer als ›gut‹ erachteten Lebensweise ist ebenso wie der Typ des Social Entrepreneurs durch eine starke Beharrlichkeit und Handlungsmächtigkeit gekennzeichnet, sich trotz ausgrenzender Umstände für die eigenen Ziele stark zu machen und Widerstände zu überwinden. Der Fall von Frau Assogba hat deutlich gemacht, dass dieses Streben in historisch gewachsenen Ausgrenzungsprozessen begründet liegen kann, die nur durch eine besondere Profilierung der eigenen Person und Tätigkeit überwindbar erscheinen. Mittels der Aneignung von Expertinnenwissen verfolgt sie das Ziel, ihren Betrieb erfolgreich in Deutschland ›in der Mitte der Gesellschaft‹ zu positionieren und aufrechtzuerhalten. Die vielfältigen Investitionen der Akteurin in ihre Wissensaneignung und die Betonung erworbener Zertifikate, besuchter Workshops und Schulen stellen vor dem Hintergrund der biografisch erfahrenen Abwertung des Berufszweigs eine Strategie dar, als berufliche Expertin wertgeschätzt zu werden. Sie möchte die kolonialen Stereotype über den Beruf überwinden und ihnen ein alternatives Bild gegenüberstellen. Ein weiteres Beispiel für Typ II ist

Zwischen sozialer Ausgrenzung und Wunsch nach Inkorporation

Frau Egolum, die Betreiberin einer Braidingschule in Großbritannien, in der Frau Assogba einen Ausbildungsgang besuchte. Auch Frau Egolum setzt sich gegen Normen in ihrem Herkunftsland sowie in den Migrationsgesellschaften ein, die das Afrohairbusiness abwerten, und verwirklicht sich mit ihrer Schule trotz dieser widerständigen Umstände einen Kindheitstraum. Eine ähnliche Strategie des Umgangs mit Aberkennung und Stereotypisierung rekonstruieren Lamont und Mizrachi (2012, S. 372) in ihrer Studie zu Stigmatisierungserfahrungen afroamerikanischer Frauen und Männer in den USA. Die Befragten streben danach, ihnen zugeschriebene negative Eigenschaften zu ändern, um ihre Würde und Anerkennung aufrechtzuerhalten.

5.2.1.3  Typ III : Die Rebellen/Rebellinnen –              Ausgrenzende Schemata transformieren Der Typ des Rebells/der Rebellin zeichnet sich dadurch aus, dass er gesellschaftliche Schemata und Deutungsmuster anprangert und durch eine Rebellion deren Transformation erreichen will. Die Bezeichnung ›Rebell/Rebellin‹ stammt vom dem lateinischen Term ›rebellis‹, der übersetzt ›den Krieg erneuernd‹ bedeutet. Der Begriff wird bildungssprachlich für eine Person verwendet, die aufständisch ist und Widerstand gegen eine als ungerecht empfundene Autorität verübt (vgl. Duden Online 2013b). Das empirische Material zeigt Frau Damale in ihrer widerständigen Position, die sich gegen eine Weiße Dominanzkultur zur Wehr setzt und anstrebt, binäre Schemata wie Weiß und Schwarz oder Black und White Salon zu durchbrechen, um den eigenen hybriden Selbstdeutungen einen gesellschaftlichen Platz einzuräumen. Im Gegensatz zu den Typen der Social Entrepreneurs und Selbstverwirk­licher/-innen, die innerhalb einer Gesellschaft soziale Visionen verwirklichen möchten und/ oder Normen kritisieren, hat sich der Typ der Rebellen/Rebellinnen von einer gesellschaftlichen Struktur im Ganzen distanziert und fordert deren vollständige Veränderung. So hat Frau Damale als einzige der vorgestellten Akteure/ Akteurinnen den Fokus, Afro Hair Salons nicht ausschließlich in das Handwerkssystem und den industriellen Sektor in Deutschland einzugliedern und für den Beruf Anerkennung herzustellen, sondern will ihre Tätigkeit nicht mehr als ›Afro‹ vermarkten. Stattdessen strebt sie danach, eine Differenzierung im Frisierbereich in ›Afro‹, ›Weiß‹ und ›Schwarz‹ abzubauen und ein einheitliches Salonkonzept zu präsentieren, das sich durch das Angebot verschiedener Frisuren auszeichnet und eine soziale Ausgrenzung von Salons verhindern soll, in denen Afrohairstylings angeboten werden. Im Gegensatz dazu bieten Herr Ayele und Frau Assogba primär Dienstleistungen des Afrohairbusiness an, die sie in der Gesamtgesellschaft eingebunden und wertgeschätzt sehen wollen. Ebenso wie Frau Damale adressieren sie eine heterogene, nicht ethnisch beschränkte Kundschaft und distanzieren sich von einer Wahrnehmung ihrer Betriebe als ›ethnisch‹; eine Salonkonzi-

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pierung als ›Afro‹ nehmen sie aber dennoch vor. Hier unterscheidet sich Frau Damale von beiden Fällen. Sie möchte in ihrem Konzept eine Verschmelzung von Afro- und anderen Friseursalons vollziehen. Gleichzeitig kann sie diese Einheit zum jetzigen Zeitpunkt für sich nur schwer denken und reproduziert im Interview eine Zweiteilung in Afro bzw. Black und White Salons, was verdeutlicht, dass die Überwindung des Schemas ›Black‹ und ›White‹ sowie ›Afro‹ und ›Nicht-Afro‹ eine große Herausforderung darstellt, die sie in ihrem Salon bisher nicht vollständig realisieren kann. Voraussetzung für den Typ des Rebellen bzw. der Rebellin ist dessen schwerwiegende »Entfremdung von den herrschenden Zielen und Normen […]. Diese werden als etwas rein Willkürliches angesehen; und etwas Willkürliches kann natürlich weder volle Unterordnung noch Legitimität beanspruchen« (Merton 1968, S. 310). Ähnlich wie die Typen der Social Entrepreneurs und der Selbstverwirklicher/-innen haben Rebellen/Rebellinnen eine Frustration innerhalb bestehender gesellschaftlicher Strukturen erfahren. So erlebt sich die Akteurin Lilly Damale in ihrem beruflichen wie auch privaten Umfeld als Exotin und wird in einer Weißen Dominanzkultur nicht als zu Deutschland zugehörig betrachtet. Im Gegensatz zu Sophie Assogba, die dem Typ der Selbstverwirklicher/-innen zuzuordnen ist, trägt sie die eigene Unzufriedenheit mit sozialen Ausgrenzungsprozessen jedoch stärker nach außen – zum Bei­spiel durch Sarkasmus gegenüber rassistischen Kunden/Kundinnen – und strebt weniger eine Überwindung der eigenen internalisierten Normen als vielmehr eine kollektive Veränderung gesellschaftlicher Normen und Schemata im Ganzen an. Sie wendet sich stärker als der Typ der Selbstverwirklicher/-in­nen von bestehenden gesellschaftlichen Strukturen ab und will sie durch eine gänz­lich neue Ordnung ersetzen, die »voraussichtlich keine Frustration in diesem Bereich auslösen wird« (ebd., S. 311). Eine erlebte Frustration zeigt sich in Frau Damales dringlichem Wunsch, als ›gleicher‹ und selbstverständlicher Teil Deutschlands und des Frisierhandwerks in Deutschland wahrgenommen zu werden, was ihr aufgrund ihrer Hautfarbe in ihrem beruflichen wie privaten Alltag regelmäßig verwehrt wird. Während vor allem in den 1960er und 1970er Jahren in den USA und auch in afrikanischen Ländern Perspektiven dominierten, die Schwarzsein und Schwarze Mode- und Frisurenstile zu einer »organisierenden Kategorie für eine neue Politik des Widerstands« (Hall 1994, S. 15) machten, geht Frau Damale über eine solche affirmative und Differenz betonende Perspektive hinaus. Sie sucht stattdessen, das binäre Schema von Schwarz und Weiß zu dekonstruieren, da dieses mit einer Reproduktion sozialer Ausgrenzung benachteiligter Gruppen einhergehen kann. Sie verfolgt eine transformative Strategie und zielt »auf die Dekonstruktion der Schemata, die die von Machtverhältnissen vermittelten und Macht mittelnden Unterscheidungen auf der Ebene von Gruppendifferenzierung erst hervorbringen« (Castro Varela/Mecheril 2010, S. 110).

Zwischen sozialer Ausgrenzung und Wunsch nach Inkorporation

5.2.3  Schlüsse Die Typen I, II und III haben das gemeinsame Ziel, soziale Ausgrenzung zu überwinden, wenngleich sich die Motivationen und primär erlebten Dimensionen sozialer Ausgrenzung – das Erleben als marginal, das Erleben als abgewertet und das Erleben als exotisiert – unterscheiden. Alle drei Typen wählen zur Erreichung ihres Ziels neue Wege und distanzieren sich von gegebenen Routinen. Sie kritisieren die Handwerkskammern, die migrantische Betriebe nur am Rande wahrnehmen, ausgrenzende Normen der Migrations- und Her­ kunfts­ gesellschaften sowie dominante Wahrnehmungsschemata, die zwi­ schen Schwarzen und Weißen oder afrikanischen und europäischen Frisier­ salons differenzieren. Aufgrund dieser Besonderheit lassen sich die drei Typen unter der Obertypik die ›Pioniere/Pionierinnen‹ bündeln. Als weitere potenzielle Typen werden im Folgenden die ›Inkorporierten‹, ›Ohnmächtigen‹ sowie ›Aussteiger/-innen‹ vorgestellt (vgl. Tab. 7). Sie lassen sich ausgehend von den empirisch erarbeiteten Typen gedankenexperimentell konstruieren und mittels einzelner Beobachtungsprotokolle unterfüttern. Zukünftige Studien könnten an dieser Typologie ansetzen und sie empirisch überprüfen. Sie ist potenziell auch über das Forschungsfeld migrantischen Unternehmertums hinaus reflektier- und erweiterbar. Tabelle 7: Empirisch rekonstruierte und potentielle Typen zum Umgang mit sozialer Ausgrenzung Streben nach gesellschaftlicher Inkorporation

Erleben sozialer Ausgrenzung

Ja

Ja

Nein

Die Pioniere/Pionierinnen

Die Ohnmächtigen

Die Social Entre­ preneurs

Nein

Quelle: Eigene Darstellung.

Die Selbstver­ wirklicher/ -innen

Die Rebellen/ Rebellinnen

Die Inkorporierten

Die Aussteiger/-innen

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

5.2.2.1  Obertyp I : Die Pioniere/Pionierinnen Der Typ der Pioniere/Pionierinnen umfasst die bereits vorgestellten Typen I, II und III. Der Begriff ›Pionier/-in‹ bezeichnet hier Akteure/Akteurinnen, die soziale Ausgrenzung erfahren, sich aber dennoch als handlungsmächtig erleben und für eine gesellschaftliche Inkorporation ihrer Person, des Berufs der Afrohairstylistin und des Afrohairstylisten und ihrer Afro Hair Salons eintreten. Sie verfügen über finanzielle und soziale Ressourcen und sind nicht vollkommen exkludiert, sondern partiell in gesellschaftliche Strukturen einbezogen, sodass sie Möglichkeiten des Handelns ergreifen können. Ihr Ziel ist die gesellschaftliche Inkorporation ihrer Betriebe und Anerkennung ihrer Zugehörigkeitskonstruktionen; zu dessen Erreichung greifen sie zu innovativen Strategien. In den Wirtschaftswissenschaften wird unter Pionieren/Pionierinnen, im Gegensatz zu einem Routinier, ein dynamischer Unternehmer oder eine dynamische Unternehmerin verstanden, der oder die eine »neue Kombinationen von Produktionsfaktoren einführt und am Markt durchsetzt. Ein herausragendes Merkmal von Pionieren/Pionierinnen ist Kreativität, aber auch Durchsetzungsfähigkeit und Eigeninitiative« (vgl. Achleitner 2009, S. 322). Pioniere/Pionierinnen sind in der Lage, Neues zu gestalten und innovative Wege zu beschreiten (vgl. Pechlaner/Reuter 2014, S. 5). Die drei rekonstruierten Typen sind dabei nicht nur in ihrem ökonomischen Schöpfertum als Pioniere/Pionierinnen zu begreifen, sondern ebenso in ihrer Kritik an sozialer Ausgrenzung, welcher sie Alternativen gegenüberstellen. Insgesamt zeichnet sich dieser Obertyp durch ein hohes Engagement, eine hohe persönliche Investitionsbereitschaft in die eigenen Ziele sowie Interesse an gesellschaftlichen Prozessen aus. Für ihn ist bedeutsam, sich in einer Gesellschaft verwirklichen zu können. Das Engagement von Pionieren/Pionierinnen kann eine Bedeutung annehmen, die über die eigene Biografie hinausreicht. Es kann gesellschaftlichen Wandel und Innovation evozieren sowie für eine größere Öffentlichkeit von Relevanz sein, wenngleich das Engagement – wie bei dem Typ der Selbstverwirklicher/-innen – zunächst ausschließlich in Bezug auf die eigene Lebenssituation bezogen sein mag. Insofern die hier vorgestellten Pioniere/ Pionierinnen Wegebereiter/-innen und Vorkämpfer/-innen gesellschaftlicher Inkorporation sind, werden sie als bedeutsame Agenten/Agentinnen im Abbau sozialer Ausgrenzung sichtbar und tragen zu gesellschaftlichen Weiter- und Neuentwicklungen bei. Im konkreten Fall mögen sie die gesellschaftliche Positioniertheit des Afrohairbusiness verändern und es gesellschaftlich hervortreten lassen.

5.2.2.2  Obertyp II : Die Inkorporierten Der Typ der Inkorporierten stellt einen potenziell vorstellbaren Fall dar, der im Bereich des Afrohairbusiness nicht in Reinform empirisch vorgefunden wurde. Im Unterschied zum Typ der Pioniere/Pionierinnen zeichnen sich die

Zwischen sozialer Ausgrenzung und Wunsch nach Inkorporation

Inkorporierten nicht durch ein Kämpfen und einen Einsatz für den Abbau von sozialer Ausgrenzung aus, da sie sich in allen für sie relevanten Bereichen gesellschaftlichen Lebens als inkorporiert erfahren. Somit sieht dieser Typ keinen Anlass für ein Engagement gegen soziale Ausgrenzung, da er sich selbst nicht als betroffen erlebt.1 Der Typus stellt ein Ideal dar. Inkorporiert zu sein bezieht sich auf alle Ebenen des gesellschaftlichen Lebens (ökonomisch, sozial, politisch, kulturell usw.) und geht einher mit dem akteursspezifischen Erleben, an und in den verschiedenen Lebenskontexten nicht nur Teil zu haben, sondern auch anerkannt zu werden. Je nach Fall kann eine Inkorporiertheit auch ein Gefühl von Selbstwirksamkeit vermitteln, nach welchem Personen ihr Handeln als wirkungsvoll erleben und generell das Gefühl haben, gesellschaftliche Strukturen mitgestalten zu können. Ansätze eines Erlebens als inkorporiert fanden sich in einem Fall einer Salonbetreiberin wieder, in deren Salon teilnehmende Beobachtungen durchgeführt wurden. Es handelt sich hierbei um die Salonbetreiberin Sylvie Jassey, die betonte, in das urbane Stadtquartier eingebettet zu sein, in dem ihr Salon ansässig ist. Sie hat ausgeprägte ökonomische und freundschaftliche Beziehungen zu Betreibern/Betreiberinnen anderer Geschäfte im Viertel und bezieht von diesen Produkte wie Haarteile, die sie dann in ihrem Salon verkauft (vgl. Beobachtungsprotokoll 8). Im Rahmen eines Tags der offenen Tür im Stadtteil führte sie aus, sehr gerne an der Aktion zu partizipieren, da sie es schön finde, dass die Unternehmer/-innen des Viertels gemeinsam eine Veranstaltung organisieren. Ihre Salonmitarbeiterin betonte, dass es ihr gefalle, sowohl ihr unbekannte als auch bekannte Personen zu diesem Anlass im Salon begrüßen zu können (vgl. Beobachtungsprotokoll 89). Für den urbanen Raum kann gemutmaßt werden, dass sich die Betreiberin als inkorporiert erlebt und versteht. Unklar bleibt, wie es sich in anderen Bereichen – beispielsweise einer Inkorporation in institutionellen Kontexten wie den Handwerkskammern – verhält. Andere Dimensionen von Inkorporation müssten, um eine eindeutige Zuordnung zu diesem Idealtyp vornehmen zu können, berücksichtigt werden. Das Beispiel macht auch deutlich, dass es prinzipiell möglich ist, sich in einem spezifischen Kontext als inkorporiert zu erleben, während man in anderen Kontexten möglicherweise Ausgrenzung erfährt. Inkorporation wie auch soziale Ausgrenzung sind in ihrer Kontextualität zu verstehen.

5.2.2.3  Obertyp III : Die Aussteiger/-innen Der Typ der Aussteiger/-innen zeichnet sich dadurch aus, dass sich Akteure/ Akteurinnen aktiv in die Position des Ausgegrenztseins begeben. Im Unter1 | Potenziell vorstellbar sind vollkommen inkorporierte migrantische Unternehmer/ -innen, die sich aus altruistischen Motiven für andere migrantische Unternehmer/ -innen einsetzen, die gesellschaftlich nicht inkorporiert sind.

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schied zum Typ der Pioniere/Pionierinnen ist ihnen nicht daran gelegen, gesellschaftlich inkorporiert zu sein, da sie die mit diesem Zustand einhergehenden Handlungsnotwendigkeiten als Zwänge erleben. Handlungszwänge können beispielsweise sein, zur Arbeit gehen oder Zertifikate und Abschlüsse vorweisen zu müssen, um einen Afro Hair Salon zu eröffnen. Der Brockhaus definiert Aussteiger/-innen als »Personen oder Gruppen, die sich zu einer von den allgemeinen Normen und Verhaltenserwartungen grundsätzlich abweichenden Lebensweise entschlossen haben« (Brockhaus Wissensservice 2012, o. S.). Wenngleich die Lebensweisen von Aussteigern/Aussteigerinnen in sich sehr different sind, ist ihnen eine starke Individualisierung sowie »Widerstand gegen die von der Gesellschaft aufoktroyierten Lebensmodelle« (Fischer 2012, S. 14) gemeinsam. Aussteiger/-innen steigen bewusst aus der von ihnen abgelehnten Gesellschaft aus. Grund des Ausstiegs sind nicht fehlende monetäre, kulturelle oder soziale Ressourcen, sondern die Lebensvorstellungen der Akteure/Akteurinnen. Ebenso wie die Typen der Social Entrepreneurs, Selbstverwirklicher/-innen und Rebellen/Rebellinnen können sie ihre Lebensvorstellungen in bestehenden gesellschaftlichen Strukturen nicht umsetzen. Im Gegensatz zu diesen drei Typen, die die entsprechenden Ausgrenzungsmechanismen bearbeiten, schaffen sich Aussteiger/-innen eine kleine individualisierte Welt im gesellschaftlichen Abseits und ziehen sich hierhin zurück. Ihre gewählte Position am gesellschaftlichen Rand definieren sie nicht als Last, sondern Freiheit, nicht an erlebten Handlungszwängen partizipieren zu müssen. Sich potenziell hieraus ergebene Nachteile werden zum Zweck des höher erachteten Ziels der Nicht-Teilnahme an Handlungszwängen in Kauf genommen. Während diese Definition von Aussteigern/Aussteigerinnen den Eindruck erweckt, dass sich die bezeichneten Personen stets umfassend aus der Gesellschaft im Ganzen distanzieren, können Personen auch aus bestimmten gesellschaftlichen Teilbereichen aussteigen und an anderen wiederum partizipieren. In Bezug auf diese Studie ist beispielsweise an Afrohairstylisten/Afrohairstylistinnen zu denken, die dauerhaft informell zu Hause frisieren und keinen Salon eröffnen, wenngleich ihnen die Ressourcen dazu prinzipiell zur Verfügung stehen. Ein Grund für das Verweilen in der nur partiellen Sichtbarkeit für ausgewählte Kunden/Kundinnen könnte beispielsweise darin liegen, durch ein Umgehen der Steuerpflicht Mehreinnahmen zu generieren. Von entsprechenden Fällen wurde mir während meiner Feldforschung berichtet (vgl. Beobachtungsprotokolle 41, 53). Diese Fälle als Betroffene sozialer Ausgrenzung zu bezeichnen wäre ein Trugschluss. Sie sind zwar nicht in formelle Berufsstrukturen eingebunden und mit ihrer Frisiertätigkeit nur für eine kleine Personengruppe sichtbar, dies aber bewusst gewählt. Während sich jene Akteure/Akteurinnen aus dem formalisierten und offiziellen Berufsleben zurückziehen, können sie wiederum in anderen Teilbereichen des Lebens gesellschaftlich sichtbar und nach dominanten Normen agieren.

Zwischen sozialer Ausgrenzung und Wunsch nach Inkorporation

5.2.2.4  Obertyp IV: Die Ohnmächtigen Der Typ der Ohnmächtigen zeichnet sich im Gegensatz zu Aussteigern/Aussteigerinnen dadurch aus, dass die Position des Ausgegrenztseins nicht aktiv gewählt wurde, sondern als Belastung und nicht veränderlich betrachtet wird. Die Akteure/Akteurinnen wollen ihre Positionierung prinzipiell verändern, jedoch fehlen ihnen die notwendigen Ressourcen wie Geld oder soziale Netzwerke, worüber der Typ der Pioniere/Pionierinnen verfügt. Die Konsequenz ist ein unfreiwilliges Verbleiben in der Position sozialer Ausgrenzung, sollte den Akteuren/Akteurinnen keine externe Unterstützung zuteil werden. Der Typ der Ohnmächtigen erlebt sich als machtlos gegenüber sozialen Strukturen und kann keine Möglichkeit der Einflussnahme erschließen. Dies geht einher mit einer fehlenden Option, eigene Wünsche und Ziele zu verwirklichen, weshalb der Typ einer extremen Belastung unterliegt und von allen Typen am intensivsten auf Unterstützung durch Dritte angewiesen sein dürfte. Sich vollkommen ohnmächtig erlebende Salonbetreibende wurden im Rahmen dieser Studie nicht angetroffen. Es ist jedoch vorstellbar, dass ebenjener Typ im Feld schwer zu erreichen ist und am gesellschaftlichen Rand unfreiwillig in Privatwohnungen frisiert, weil die Möglichkeit zu einer eigenen Saloneröffnung – die im Gegensatz zum Typ der Aussteiger/-innen gewünscht ist – fehlt. Grund hierfür könnte zum Beispiel sein, dass Ausbildungszertifikate aus dem Herkunftsland – wie im Fall der Ghanaerin in Hamburg, die vor Gericht für die Rechtmäßigkeit ihres Salons kämpfte (vgl. Kap. 3.2) – in Deutschland nicht anerkannt werden oder fehlende finanzielle Ressourcen sowie eine rassistische Handlungspraxis von Behörden den Weg in die Selbstständigkeit versperren. Zu denken ist beispielsweise an den von Frau Assogba geschilderten Besuch in einer Privatwohnung. Dort ließ sie sich von einer ghanaischen Frau die Haare frisieren. Frau Assogba schildert die Wohnung als ärmlich. Es kann vermutet werden, dass diese Frau frisiert, um ihren Lebensunterhalt aufzubessern und dies für sie eine bedeutsame Einnahmequelle ist, ihr aber die Ressourcen fehlen, einen eigenen Salon zu eröffnen (vgl. Kap. 4.2.5; I. Assogba 303-326).

5.3  E rlebens - und B e wältigungsstruk turen          s ozialer A usgrenzung Das Erleben sozialer Ausgrenzung verlangt von den Typen der Social Entrepreneurs, Selbstverwirklicher/-innen und Rebellen/Rebellinnen vielfältige Bewältigungsleistungen, um innerhalb gesellschaftlicher Strukturen handlungsfähig zu bleiben. Die verschiedenen Bewältigungsstrategien stellen Bemühungen dar, um Handlungsmächtigkeit innerhalb Handlungsmächtigkeit einschränkender Strukturen herzustellen. Im Folgenden werden diese Strate-

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gien ausgehend von der typologischen Einordnung und den rekonstruierten Rahmenbedingungen im Umgang mit sozialer Ausgrenzung vertieft.

5.3.1  Erlebensstrukturen sozialer Ausgrenzung :           Ver wehrung von Partizipation und Zugehörigkeit In den dargestellten Fällen zeigt sich eine fallübergreifende Betroffenheit von sozialer Ausgrenzung, die Afro Hair Salonbetreibende in der Realisierung und Aufrechterhaltung ihrer Selbstständigkeit behindert. Dabei erleben die Salonbetreiber/-innen differente Dimensionen sozialer Ausgrenzung als dominant. Typ I arbeitet sich an einer fehlenden Beachtung des Berufszweigs des Afrohairstylings in Deutschland ab. Er erlebt sich mit seinem Afro Hair Salon als in Deutschland nicht wahrgenommen und anerkannt, wenngleich er partiell in die Strukturen des Frisierhandwerks inkorporiert ist. Seine Position ist marginal, da er sich noch als Teil der Gesellschaft versteht, aber sich innerhalb dieser an den Rand gedrängt und stark benachteiligt fühlt. Bude und Lautermann halten als Kriterium für Marginalität das subjektive Empfinden der betroffenen Akteure/Akteurinnen fest: »Wer trotz offenbarer Benachteiligung das Gefühl hat, sein Leben meistern zu können und einen Ort in der Welt zu haben, ist marginalisiert […]. Das Konzept der Margina­ lität bezieht sich auf massive Benachteiligung bei der Verteilung allgemein begehrter Güter […]. Der Marginalisierte trifft auf Barrieren, aber ist einbezogen« (Bude/Lauter­ mann 2006, S. 234).

Im Unterschied zum Marginalisierten begreift sich der Exkludierte nicht mehr als randständig, sondern aus der Gesellschaft ausgegliedert (vgl. ebd.). Das Erleben als marginalisiert zeigt neben dem Gefühl der Randständigkeit die Ressourcen von Typ I an, sich trotz der Benachteiligungen als gesellschaftlicher Akteur zu definieren. Er kann sich innerhalb seiner marginalen Position einen Raum schaffen (vgl. Hall 1994, S. 59), um seine Handlungsmächtigkeit aufrechtzuerhalten, jedoch ist diese – aufgrund ausgrenzender gesellschaftlicher Strukturen – eingeschränkt. Robert E. Park (1928) fasste Marginalität zu Beginn des 20. Jahrhunderts als psychischen Konflikt des ›marginal man‹, der als Mitglied einer Gesellschaft in eine neue Gesellschaft migriert. Dem so definierten ›marginal man‹ schrieb er ein »Bezugsgruppenproblem« (Reuter 2010, S. 165) zu: »Er weiß nicht, wo er hingehört, hat keine echte Heimat, ihm fehlt es an moralischer Orientierung« (ebd.). So sei er weder in der neuen Gesellschaft akzeptiert noch habe er vollkommen mit der Vergangenheit gebrochen (vgl. Park 1928, S. 892). Zusätzlich zu seinem psychischen Konflikt sei der ›marginal man‹ jedoch auch Motor sozialen Wandels, wenn er Aspekte unterschiedlicher Kulturen mische und hieraus neue Normen entstünden (vgl.

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ebd., S. 888). Während Park vor allem die psychischen Prozesse eines ›marginal man‹ beleuchtet, die er als Ausdruck einer relativ permanenten Krise deutet (vgl. ebd., S. 893) und dessen gesellschaftliches Potenzial er nur am Rande erwähnt, zeigt Typ I auf, wie Akteure/Akteurinnen aus einer erlebten Marginalität heraus gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen suchen, Potenzial für Innovation inne haben und gesellschaftliche Fortentwicklung denken. Dabei bedeutet Marginalität nicht, dass sie mit einem Bezugsgruppenproblem hinsichtlich der eigenen Verortung ringen, sondern einschränkende und ausschließende Gesellschaftsstrukturen sie zu einem ›marginal man‹ machen. Während Typ I sich primär an einer solchen Marginalität abarbeitet, zeigt Typ II eine Struktur, die zusätzlich zur fehlenden Inkorporation des Afrohairbusiness in den Migrationsländern auf afrikanische Länder gerichtet ist, in denen Afro Hair Salons und Afrohairstylisten/Afrohairstylistinnen von Teilen der Gesellschaft nicht wertgeschätzt, sondern verachtet und ausgeschlossen werden. In der Rekonstruktion des Falls von Frau Assogba wird deutlich, dass der sozialen Ausgrenzung eine Persistenz kolonial-rassistischer Normen und Weltanschauungen inhärent ist, die das Afrohairbusiness historisch aberkannt haben. Diese historische Aberkennung wirkt sich dahingehend aus, dass Akteure/Akteurinnen im Herkunftsland Frau Assogbas keine Wertschätzung für die Ausübung des Berufs der Afrohairstylistin und des Afrohairstylisten erfahren. Im Unterschied zu einem Erleben von Randständigkeit ist die reproduzierte Aberkennung dadurch gekennzeichnet, dass die in vielen afrikanischen Ländern ehemals positiv konnotierte Frisiertätigkeit mit negativen Attributen versehen wurde (vgl. Kap. 3.1). Afrohairstylisten/Afrohairstylistinnen erleben gesellschaftliche Verachtung, werden stigmatisiert und sind nicht mehr am gesellschaftlichen Rand befindlich, sondern werden gar nicht mehr als anerkennenswerter Teil der Gesellschaft betrachtet (vgl. Garz 2006; Goffman 2012). Eine reproduzierte, historisch gewachsene Aberkennung zieht für nachkommende Generationen eine Nicht-Anerkennung der Tätigkeit im Afrohairbusiness mit sich, die – wenden sich die Akteure/Akteurinnen dennoch diesem Beruf zu – mit sozialer Ausgrenzung einhergeht und Betroffenen neben einer gesellschaftlichen Partizipation auch gesellschaftliche Zugehörigkeit verwehrt. Es geht Typ II folglich nicht um ein Ausbrechen aus einer (institutionellen) Marginalität und Unsichtbarkeit, wie im Falle von Typ I, sondern um ein Abwenden von Stigmatisierung. Typ III ringt mit einer weiteren Form sozialer Ausgrenzung, die oftmals nicht direkt als solche identifiziert wird, sondern den Anschein eines Inkorporiertseins erwecken kann. Als dominante Struktur ist ein Erleben als anders, – wie im Fall von Frau Damale – als exotisiert festzuhalten. Dabei wird besonders deutlich, dass es nicht Lilly Damale ist, die sich in Deutschland fremd fühlt, sondern vielmehr ihr und ihrem Salon von Dritten eine exotische Position zugeschrieben wird. Die Akteurin versteht und definiert sich als Deutsche, wird

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aber aufgrund ihrer Hautfarbe als nicht-deutsch positioniert. Ihr Salon wird primär als ›afrikanischer‹ Ort betrachtet, wenngleich Frau Damale betont, eine ›deutsche‹ Ausbildung abgelegt zu haben. Insgesamt wird der Akteurin als Person wie auch als Geschäftsfrau eine vermeintlich nicht überwindbare Andersartigkeit unterstellt, die an ihrer Hautfarbe festgemacht wird: »Der exotisierte Andere entzieht sich dann unserem Verständnis […] und damit der Übersetzung in unsere Ordnung und wird für uns uneinholbar fremd« (Nieswand 2006, S. 7). Der Mechanismus der Exotisierung ist eine besondere Variante der Nicht-Anerkennung eines Anderen als ›gleich‹, der sich auf die Unterstellung nicht miteinander vereinbarer Merkmale gründet und in diesem Fall auf einer Weißen Dominanzkultur beruht. Das Gegenüber wird zwar wahrgenommen und erlebt sich nicht als unsichtbar, jedoch zeichnet sich diese Wahrnehmung durch eine Zuschreibung als different von einem konstruierten Eigenen aus. Damit wird Akteuren/Akteurinnen wie Frau Damale eine identifikatorische Zugehörigkeit zu Deutschland abgesprochen – sie verbleibt in der Position der Anderen. Ebenso wie im Fall von Typ I sind es keine innerpsychischen Prozesse des Erlebens als fremd in einer Gesellschaft, die belastend sind, sondern Zuschreibungen von anderen Personen, die einen Fremdheitsstatus attestieren und Akteure/Akteurinnen erst zu Fremden machen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass den Erlebensstrukturen von Marginalisierung, Abwertung und Exotisierung gemein ist, dass sie den Betreibenden von Afro Hair Salons eine gleichberechtigte Partizipation an und Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft absprechen oder diese beschränken. Diese Situation der Verwehrung erfahren alle Typen als Krise. Sie verdeutlichen, dass es keine Konflikte hinsichtlich der eigenen Verortung im Zuge von Migrationserfahrungen sind, die problematisch werden, sondern die fehlende Anerkennung ihrer Selbstdeutungen und Identifikationen durch Dritte. Damit werden die Salonbetreibenden mittels des nur partiell gewährten Zugangs in institutionelle Strukturen und einer Exotisierung aufgrund der Hautfarbe zu Ausgeschlossenen gemacht. Insofern sie zur Erfahrung von Selbstwirksamkeit und Anerkennung jedoch auf eine bejahende Zuwendung durch Dritte angewiesen sind, ergibt sich für Herrn Ayele, Frau Assogba und Frau Damale die Notwendigkeit eines Bewältigungshandelns.

5.3.2  Bewältigungsstrukturen sozialer Ausgrenzung :            S treben nach Partizipation und Zugehörigkeit Zur Überwindung der Krise des Ausgeschlossenseins bedienen sich die Typen I, II und III primär unterschiedlicher Strategien. Während Typ I die Herstellung von gesellschaftlicher Wertschätzung und Sichtbarkeit des Afrohairbusiness sowie dessen gesellschaftliche Inkorporation in institutionelle Strukturen durch eine intensive Vernetzungsaktivität in Deutschland im Blick

Zwischen sozialer Ausgrenzung und Wunsch nach Inkorporation

hat (Um-zu-Motiv), geht es Typ II um eine Selbstverwirklichung in einem als abgewertet erlebten Beruf (Weil-Motiv). Er macht vor allem auf die eigenen Fähigkeiten aufmerksam. Typ III stellt demgegenüber heraus, eine Exotisierung des Berufsfeldes abwenden und ausgrenzende Muster wie eine Konstruktion von Schwarzen und Weißen Salons überwinden sowie stattdessen einen Gemeinschaft stiftenden Salon jenseits konstruierter ›Rassegrenzen‹ etablieren zu wollen (Dekonstruktivistisches Motiv). Auch wenn die Salonbetreibenden unterschiedliche Dimensionen sozialer Ausgrenzung als dominant erleben und spezifische Bewältigungsstrategien und Handlungsziele entwickeln, lassen sich typenübergreifende Strategien – die der Konstruktion sinnstiftender Salonphilosophien, einer formalisierten Wissensaneignung und Adressierung eines heterogenen Publikums – rekonstruieren. Sie sind als Streben nach gesellschaftlicher Inkorporation des Afrohairbusiness zu deuten, das sich durch Zugehörigkeit zu und Teilhabe an einer Gesellschaft auszeichnet.

5.3.2.1  Sinnstiftende Salonphilosophien Alle drei Typen zeigen komplexe und über ökonomische Belange hinausreichende Salonphilosophien. Diese machen zum einen die Problemlagen der Akteure/Akteurinnen, zum anderen deren Ziele deutlich. Sie geben Auskunft über Deutungswissen wie auch über Bewältigungsstrategien der Akteure/Akteurinnen. Herr Ayele schreibt seinem Salon in seiner Eigentheorie eine vielfältige Bedeutung für seine Kundschaft sowie für eine intendierte gesellschaftliche Weiterentwicklung zu und kann sein Selbstbild des gesellschaftlich und politisch aktiven Menschen trotz seiner marginalen Position in der Unternehmenslandschaft und Gesellschaft in Deutschland erhalten. Frau Assogba definiert ihren Salon auf Basis ihrer grenzüberschreitend angeeigneten Wissensinhalte als einzigartig und qualitativ hochwertig, um die erlebte Abwertung des Geschäftszweigs im Herkunftsland sowie seine fehlende Anerkennung in den Migrationsländern zu durchbrechen. Sie sucht insbesondere, die zur Zeit der Kolonialisierung aberkannten ›natural hairstyles‹ zu popularisieren. Frau Damale definiert ihren Salon als innovativ und einzigartig und stellt die Besonderheit ihrer Kenntnisse sowohl im Afrohairstyling als auch ihre in einem ›deutschen‹ Salon erlernten Fertigkeiten heraus, die sie in einem transformatorischen Konzept mit dem Ziel des Abbaus machtvoller Unterscheidungspraxen zu vereinen sucht. Sie reagiert damit auf die alltäglich erfahrene Exotisierung ihrer Person und ihres Salons. Alle drei Typen versuchen, mit ihren Salonphilosophien die erfahrene Marginalisierung, Abwertung und Exotisierung – die spezifischen Formen sozialer Ausgrenzung – zu bewältigen. Die Salonphilosophien stellen einen kognitiv entworfenen Raum dar, in dem die Identitätsentwürfe der Akteure/Akteurinnen Anerkennung finden und ihre Ressourcen sowie ihr Wissen von Bedeutung sind. Als »bearbeitende Handlungsschemata« (Schütze 1981, S. 80) sind

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sie eine Ressource, welche die erlebte Ausgrenzung bewältigbar macht. Durch die Salonphilosophien wird eine »Zusammenbruchskrise« (ebd., S. 100) der eigenen Identitätsmuster und Weltdeutungen abgewendet. Stattdessen finden die eigenen Indentitätsentwürfe und Weltdeutungen ihren Platz in den spezifischen Konzipierungen.

5.3.2.2  Formalisierte Wissensaneignung Ein besonderer Teil aller Salonphilosophien ist die starke Fokussierung auf einen formalisierten und als hochwertig erachteten Wissenserwerb. Herr Ayele und Frau Damale haben in Deutschland ihren Meistertitel im Frisierhandwerk erworben. Herrn Ayeles Ehefrau hat sich Kenntnisse im Afrohairstyling in einem Kurs in den USA angeeignet. Frau Assogba hat mehrere solcher Kurse an verschiedenen Standorten absolviert. Gemeinsam ist allen drei Akteuren/Akteurinnen die Legitimierung ihrer Salons mittels der Betonung ihres formalisierten Wissens, das sie im Rahmen ihrer Aus- und Weiterbildungen erworben haben. Die Ausbildungs- und Wissensaneignungsprozesse werden von den Betreibenden zur Abgrenzung von als weniger qualifiziert erachteten oder ohne formelle Qualifizierung arbeitenden Friseuren/Friseurinnen herangezogen. Die Fokussierung auf den formalen Wissenserwerb muss vor dem Hintergrund einer erlebten Marginalisierung, Abwertung und Exotisierung als Bewältigungsstrategie verstanden werden, mit der die eigene Leistung und Tätigkeit, die in der Migrationsgesellschaft und im Herkunftsland nicht wertgeschätzt wird, als wertvoll gedeutet und sichtbar gemacht wird. Die Akteure/ Akteurinnen streben danach, den Prinzipien einer Leistungsgesellschaft gerecht zu werden, in welcher das Ergebnis einer Arbeit und nicht Merkmale wie soziale und kulturelle Herkunft oder das Äußere (Hautfarbe) als Maßstab gesetzt werden. Den Wert ihrer Arbeit sehen sie durch objektivierte Zertifikate und Bildungsabschlüsse festgeschrieben, die nach außen getragen werden, beispielsweise eingerahmt in den Salons aushängen. Die Akteure/Akteurinnen wollen nach der von ihnen erbrachten Arbeit – ihrer Leistung – bewertet werden und berufen sich auf einen ökonomischen Maßstab, den sie universell an die im Frisierbereich Tätigen anlegen und auch für sich beanspruchen. Gleichzeitig klammern sie aus, dass der Zugang zu einem Wissenserwerb für andere Salonbetreiber/-innen oder Migranten/Migrantinnen, beispielsweise aufgrund fehlender monetärer Ressourcen, versperrt sein kann. Eine grenzüberschreitende Ausbildung in Metropolen und anderen Ländern, wie sie Frau Assogba absolviert hat, ist sehr kostenintensiv und daher keinesfalls jedermann und jederfrau zugänglich. Eine wie von den Befragten vertretene meritokratische Gerechtigkeitsvorstellung, die Ungleichheiten in Abhängigkeit von individuell erbrachten Leistungen und Anstrengungen aus legitimiert und Leistung als Weg zu Erfolg und Partizipation postuliert (vgl. Hadjar 2008), ist gesellschaftlich nicht um-

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gesetzt. Das Leistungsprinzip als vermeintlicher Garant für Erfolg greift für Frau Damale, Frau Assogba und Herrn Ayele nicht unmittelbar, da die Akteure/Akteurinnen von Ausgrenzungsmechanismen zurückgeworfen werden, beispielsweise einer Diskriminierung aufgrund von Herkunft und Hautfarbe. Die Erkenntnis schließt an Studienergebnisse von Fleming, Lamont und Welburn (2012, S. 410) an, die 150 zufällig ausgewählte afroamerikanische Frauen und Männer zu ihrem Umgang mit Stigmatisierung befragten. Eine dominante Umgangsweise der Befragten bestand darin, berufliche Identitäten und Leistungen stark in den Vordergrund zu rücken, um rassistische Zuschreibungen an ihre Person abzuwenden.

5.3.2.3  Adressierung eines heterogenen Publikums In allen drei Salonphilosophien wird über die Orientierung an Leistung hinaus deutlich, dass die Betreibenden keine ethnisch definierte enge Gruppe an Kunden/Kundinnen adressieren. Von den drei Akteuren/Akteurinnen betrachtet niemand die Salons ausschließlich als Orte des Zusammentreffens von Personen mit afrikanischem Migrationshintergrund. Vielmehr ist es ihnen ein Anliegen, ein breites Publikum – mit und ohne Migrationshintergrund aus verschiedenen Herkunftskontexten – anzusprechen. Als problematisch stellen sie eine verengte Wahrnehmung ihrer Salons als ›afrikanische‹ Orte durch Dritte heraus. Im Gegensatz zu einer Exotisierung ist es sowohl Herrn Ayele als auch Frau Assogba und Frau Damale ein Anliegen, als universelle Dienstleistungsoption sowie als Teil der Gesellschaft in Deutschland angesehen zu werden. Dieser Wunsch korreliert mit dem Streben nach gesellschaftlicher Wertschätzung und Inkorporation, die nur dann erreicht werden kann, wenn die Betriebe öffentlich wahrgenommen und als bedeutsam eingestuft werden. Weiter hängt der Erfolg einer heterogenen Kundenadressierung/Kundinnenadressierung letztlich von Dritten ab, die sich auf das Angebot einlassen, es aber auch ausschlagen können. Dabei geht es nicht darum, sich in nicht auf Afrohairstyling spezialisierten Salons zu assimilieren, sondern ein spezifisches Dienstleistungsangebot zu offerieren, das sich teilweise von jenem anderer Salons unterscheidet und auch afrikanische und afroamerikanische Friseuren umfasst. Dieses Angebot soll in der Perspektive der Akteure/Akteurinnen aber nicht als ›fremd‹ und ›anders‹ deklariert werden. Insgesamt zeigen die typenübergreifenden Bewältigungsstrategien sozialer Ausgrenzung den Versuch an, eine vonseiten Dritter konstruierte Andersartigkeit und Abwertung von Afro Hair Salons zu dekonstruieren. Diese fallübergreifend sichtbar werdende Struktur liegt in den Rahmenbedingungen einer Exotisierung, reproduzierten Aberkennung und Nicht-Anerkennung des Afrohairbusiness in Deutschland sowie den Herkunftsländern der Betreibenden begründet. Die Salonbetreibenden verfolgen das Ziel, aus diesen Rahmenbedingungen auszubrechen, indem sie eine Änderung gesellschaftlicher Wahr-

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

nehmungsmuster und eine Normalisierung des Afrohairbusiness sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern und Kontexten anstoßen, in denen der Geschäftszweig keine Wertschätzung erfährt.

5.3.3  Resümee und Forschungsausblick Die Erlebens- und Bewältigungsstrukturen sozialer Ausgrenzung der Fallanalysen stellen heraus, dass Betroffene sozialer Ausgrenzung nicht einseitig als Opfer wahrgenommen, sondern in ihren Bewältigungsstrategien gesehen und unterstützt werden sollten. Gegen eine Opfersicht sprechen sich alle Salonbetreibenden aktiv aus. Ihnen ist es ein Anliegen, in ihren Ressourcen, mit ihrem Wissen und mit ihren Kompetenzen gesehen zu werden und gemeinsam mit Instanzen wie der Handwerkskammer, städtischen Vertretern/Vertreterinnen und anderen Salons an einer gesellschaftlichen Inkorporation ihrer Betriebe auf unterschiedlichen Ebenen – der einer institutionellen Einbindung, der einer Wertschätzung für ihren Beruf sowie der von gesellschaftlichen Deutungsmustern – mitzuwirken. Dieses Ziel und die Strategien zum Erreichen dieses Ziels zeigen, welche Verletzungen die Unternehmer/-innen erfahren: Um ihren Selbstwert zu schützen und zu erhalten, spielen für alle sinnstiftende Salonphilosophien eine Rolle, mittels derer das berufliche Agieren bejaht und mit einer über die wirtschaftliche Dimension hinausragenden Bedeutung versehen wird. Ebenso ist die Betonung der eigenen Kompetenzen und des beruflichen Wissens eine Strategie, die von allen Betreibern/Betreiberinnen verfolgt wird, um ein positives Selbstbild zu bewahren und sich zugleich innerhalb der Gesamtgesellschaft als wertvoll zu verstehen. Gegen eine Exotisierung ihrer Salons und eine Marginalisierung durch die Gesamtgesellschaft wehren sich die Salonbetreibenden und weisen auf ihre Geschäftskonzeptionen hin, die migrantische wie nicht-migrantische Kunden/Kundinnen gleichermaßen als Zielgruppe in Betracht ziehen (vgl. Tab. 8). Für den Diskurs um migrantisches Unternehmertum zeigen die Studienergebnisse auf, dass migrantische Unternehmen nicht als Phänomen zu verstehen sind, das sich ausschließlich an Migranten/Migrantinnen richtet und in eigens geschaffenen, migrantisch definierten Netzwerken agiert. Vielmehr weist die Studie darauf hin, dass migrantisches Unternehmertum in seinen vielfältigen Bedeutungen für die Gesamtgesellschaft bedacht werden muss und es notwendig ist, migrantische Unternehmer/-innen in Deutschland mit ihren Betrieben und Zugehörigkeitskonstruktionen gesellschaftlich zu inkorporieren. Rahmenbedingungen wie institutionell-rechtliche Voraussetzungen von Betriebsgründungen sind dabei ebenso wie mediale Repräsentationen migrantischer Unternehmer/-innen und weitere Rahmenbedingungen als soziale und gesellschaftliche Strukturen zu verstehen, die verändert oder erweitert

Zwischen sozialer Ausgrenzung und Wunsch nach Inkorporation

werden müssen, bis den Akteuren/Akteurinnen eine Partizipation und Zugehörigkeit sowie Annerkenung in der Gesellschaft möglich und zuteil wird. Tabelle 8: Erlebens- und Bewältigungsstrukturen sozialer Ausgrenzung Typenspezifische Erlebensstrukturen sozialer Ausgrenzung Erleben von Marginalisierung

Erleben von Abwertung

Erleben von Exotisierung

als gesellschaftliches ›Anden-Rand-Drängen‹

als unmittelbare Gering­ schätzung von für das Individuum bedeutsamen Sinngehalten

als spezifische Form von Nicht-Anerkennung der Gleichheit von Individuen

Typenspezifische Bewältigungsstrukturen sozialer Ausgrenzung Gesellschaftsstrukturen verändern, um Anerkennung und Partizipation zu erfahren (Um-zu-Motiv)

Normen überwinden, um sich im Traumberuf verwirklichen zu können (Weil-Motiv)

Wahrnehmungsschemata transformieren, um Teil Deutschlands sein zu können (Dekonstruktivistisches Motiv)

Typenübergreifende Bewältigungsstrukturen sozialer Ausgrenzung Konstruktion sinnstiftender Salonphilosophien Formalisierte Wissensaneignung Adressierung eines heterogenen Publikums Wunsch nach gesellschaftlicher Inkorporation (Zugehörigkeit, Anerkennung und Teilhabe) Quelle: Eigene Darstellung.

Die im Kontext von Afro Hair Salons rekonstruierten Ausgrenzungsprozesse sind möglicherweise auch in anderen Tätigkeitsfeldern migrantischen Unternehmertums vorfindbar. Es ergibt sich ein zukünftiger Forschungsbedarf, Handlungsmächtigkeit hinderliche und förderliche Rahmenbedingungen aus Perspektive migrantischer Unternehmer/-innen weiter zu erforschen, sodass ausgrenzende Strukturen abgebaut werden können. In diesem Zusammenhang ist es insbesondere interessant, in zukünftigen Forschungen auch Akteure/Akteurinnen zu befragen, die ihre unternehmerischen Pläne aufgrund schwieriger Rahmenbedingungen nicht umsetzen konnten. Einen möglichen Ansatzpunkt bietet die in Kap. 5.2.2 entwickelte Typologie zu empirischen und potenziellen Fällen zum Umgang mit sozialer Ausgrenzung.

295

6  Herausforderungen für die Soziale     Arbeit im Umgang mit sozial ausgegrenzten     migrantischen Unternehmen

Die vorgestellten Afro Hair Salonbetreiber/-innen sind von sozialen Ausgrenzungsmechanismen betroffen. Die Typen der Social Entrepreneurs, Selbst­ verwirklicher/-innen und Rebellen/Rebellinnen streben alle das als gesellschaftliche Teilhabe, Zugehörigkeit und Anerkennung verstandene Ziel einer gesellschaftlichen Inkorporation ihrer Salons, Dienstleistungen, ihres Wissens und ihrer Zugehörigkeitsvorstellungen an. Während die Analyse zutage treten lässt, dass die Unternehmer/-innen in ihren Bewältigungsstrategien auf soziale, kulturelle und monetäre Ressourcen zurückgreifen, um dieses Ziel zu erreichen, werden strukturelle Barrieren deutlich, die sich in Form von Gesetzen, rassistischen Handlungspraxen von Behörden sowie ausgrenzenden Deutungsmustern in all diesen Bereichen niederschlagen. Die direkte Unterstützung der Akteure/Akteurinnen in ihren Handlungsmächtigkeiten sowie eine Veränderung struktureller Rahmenbedingungen lassen sich beiderseits als Aufgaben einer an sozialer Gerechtigkeit und dem Abbau sozialer Ausgrenzungsstrukturen orientierten Sozialen Arbeit identifizieren. Das Kapitel reflektiert Herausforderungen für Forschung und Praxis.

6.1  A usgrenzung

multiperspek tivisch analysieren

Die Studie rekonstruierte soziale Ausgrenzungsprozesse im Kontext migrantischen Unternehmertums auf Basis von Fallanalysen. Relevante ausgrenzende Rahmenbedingungen wurden durch die Einnahme einer Agencyperspektive aus Perspektive der Salonbetreiber/-innen erfasst und einer vertiefenden Analyse unterzogen. Die Ergebnisse machen darauf aufmerksam, dass die migrantischen Unternehmer/-innen gesetzlich und institutionell, aber auch in alltäglichen Interaktionen als Andere positioniert und von einem konstruierten Eigenen weggerückt werden. Sie erleben sich als marginalisiert, nicht-

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

anerkannt, nicht-zugehörig und exotisiert. Dabei zeigt sich, dass es nicht ein – wie den Akteuren/Akteurinnen oftmals unterstelltes – individuelles Defizit ist, das soziale Ausgrenzung bedingt, sondern komplexe gesellschaftliche Prozesse. Hieraus ergibt sich das Erfordernis, soziale Ausgrenzung als mehrdimensionalen Prozess zu verstehen, der die subjektiven Erfahrungen und das subjektive Erleben von Betroffenen berücksichtigt (vgl. Böhnke 2005, S. 32). Die Rekonstruktion individuellen Erlebens zeigt, wie und wo Ausgrenzungsstrukturen wirken, wann sich Akteure/Akteurinnen an einer Partizipation in verschiedenen Kontexten gehindert sehen und welche Bewältigungsstrategien sie entwickeln. Eine differenzierte Perspektive auf soziale Ausgrenzung unterscheidet sich von einer solchen, die ein Bild von Gesellschaft zeichnet, »deren zentrales Strukturmerkmal in den horizontalen Spaltungen zwischen einer integrierten Mehrheit (gesellschaftliches Zentrum) und einer ausgeschlossenen Minderheit (gesellschaftliche Randzonen, Periphere), zwischen einem gesellschaftlichen ›Innen‹ und ›Außen‹ besteht« (Anhorn 2008, S. 26; Herv. i.O.). An einer solchen Vorstellung ist problematisch, dass das ›Innere‹ von Gesellschaft als homogen und ›integriert‹ konstruiert wird, während Akteure/ Akteurinnen, die vermeintlich nicht in jene Ordnung passen, ein Platz im ›Außen‹ zugewiesen wird. Sie blendet eine Pluralisierung von Lebenswelten und Lebensstilen ebenso aus wie einen unterschiedlichen Zugang zu Ressourcen und Diskurse, die Akteure/Akteurinnen erst zu Ausgeschlossenen machen. Analytisch ist ein allgemeines Modell sozialer Ausgrenzung notwendig, das subjektive Erlebens- und Bewältigungsprozesse sowie strukturelle Gestaltungsaktivitäten von Akteuren/Akteurinnen untersucht und hiervon ausgehend Logiken sozialer Ausgrenzung rekonstruiert. Wenngleich beide Ebenen miteinander verknüpft sind, lassen sie sich analytisch mit dem Ziel trennen, ihre Funktionsweisen zu verstehen. Auf beiden Analyseebenen sind zeitliche Verschiebungen und Entwicklungen zu berücksichtigen. Ausgrenzungsprozesse sind nicht statisch, sondern dynamisch. Sie können nebeneinander und verwoben mit kontextuellen Inkorporationsmöglichkeiten existieren (vgl. Abb. 15). In diesem analytischen Vorgehen gilt es, »Strukturen der Domianz sichtbar zu machen, ihre Resistenz- und Anpassungsmechanismen zu verstehen und […] Wege aus der Dominanz zu finden« (Amesberger/Halbmayr 2008, S. 165). Der Analysevorschlag orientiert sich an Agencymethodologien, die Handlungsmächtigkeit nicht als individuelle Disposition, sondern soziale Struktur fassen (vgl. Kap. 2.2). Insbesondere in der Analyse migrantischen Unternehmertums ist ein solcher Blickwinkel vonnöten, da sich ein dominanter Zugang mit einer ›ethnischen Brille‹ gefestigt hat. Dieser läuft Gefahr, Ausgrenzungsprozesse nicht in ihrer gesellschaftlichen Bedingtheit zu verstehen, sondern auf vermeintlich kulturspezifisches Verhalten zurückführen (vgl. Kap. 1.2). Bilanzierend lässt sich festhalten, dass Aufgabe Sozialer Arbeit erstens die Beschreibung und Analyse historischer, politischer, kultureller, medialer, urba-

können ebenso denSoziale Zuschreibungen Herausforderungen für die Arbeit von 299

Abbildung 15: Multiperspektivisches Analysemodell sozialer Ausgrenzung

…..

METAEBENE: KRITISCHE REFLEXION DES ANALYSEPROZESSES

Quelle: Eigene Darstellung.

ner und weiterer Dimensionen sozialer Ausgrenzung ist. Zweitens muss sie individuelle Handlungsspielräume und Bewältigungsnotwendigkeiten und -strategien erfassen. Auf einer Metaebene ist sie drittens angehalten, sich in ihren Analysen selbst zu reflektieren und das eigene wissenschaftliche Umfeld in die Praxis des Hinterfragens und Kritisierens einzubeziehen. Essenzialisierende und rassistische Konstruktionen können ebenso den Zuschreibungen von Wissenschaftlern/Wissenschaftlerinnen in der Analyse von erhobenem Material entspringen (vgl. MacQuarrie 2010; Reuter/Terhart 2014).

6.2  A usgrenzende G esellschaf tsstruk turen         und H andlungsmächtigkeiten stärken :        I nterkulturelle Ö ffnung als C hance

ver ändern

Während die Analyse sozialer Ausgrenzung eine Forschungsaufgabe darstellt, ist eine Bearbeitung identifizierter Handlungsanforderungen ein praktischer Auftrag. Die vorgestellten Salonbetreiber/-innen erleben sich in gesellschaftlichen Institutionen wie der Handwerkskammer und der Stadtverwaltung sowie im (Arbeits-)Alltag als marginalisiert und exotisiert. Ihr Erleben liegt in Gesetzen, institutionellen, medialen und alltäglichen Praxen begründet, die als (nicht) unmittelbar sichtbare gesellschaftliche Strukturen soziale Ausgrenzung erzeugen. Migrantische Unternehmer/-innen entwickeln Strategien, um

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

ihre Ziele zu erreichen, jedoch bedarf es einer Veränderung gesellschaftlicher Strukturen im Ganzen, damit sich ihre Position nachhaltig verbessert. Eine Aufgabe Sozialer Arbeit muss sein, ausgrenzende Gesellschaftsstrukturen zu identifizieren und an deren Abbau mitzuwirken, um die Handlungs­ mächtigkeiten der Akteure/Akteurinnen zu stärken. Soziale Arbeit steht auf der einen Seite im Dienst des Individuums, dem aus moralischen Gründen und der Orientierung an sozialer Gerechtigkeit eine Partizipation an und Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft ermöglicht werden soll (vgl. z.B. Honneth 2012). Auf der anderen Seite ist der Abbau sozialer Ausgrenzung notwendig, um demokratische Gesellschaften aufrechtzuerhalten und ihren Akteuren/ Akteurinnen die materiellen und sozialen Grundlagen bereitzustellen, derer sie bedürfen, um sich an der Demokratie zu beteiligen: »Es ist wohl denkbar […], daß eine gesellschaftliche Segmentation entsteht, in der eine Mehrheit die für sie ›überflüssige‹ Minderheit vom gesellschaftlichen Leben weit­ gehend ausschließt, ohne dadurch in der eigenen Lebensweise bedroht zu sein. […] Eine derart gespaltene Gesellschaft kann durchaus überleben, mit repressiven oder anderweitig pazifierenden [sic] Mitteln. Eine Demokratie wäre es [aber] nicht« (Kro­ nauer 1996, S. 60).

Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Pluralisierung und Transnationalisierung von Lebenswelten und Lebensentwürfen erfährt die Aufgabe, sozialer Aus­grenzung entgegenzuwirken, immer größere Bedeutung (vgl. z.B. Ottersbach 2012). (Politische) Umgangsweisen mit Diversität sind jedoch stark von Logiken eines sogenannten aktivierenden Sozialstaats geprägt, der Individuen selbst für ihre gesellschaftliche Position verantwortlich macht und von ihnen for­dert, sich in gesellschaftliche Normalitätskonstruktionen einzufügen (vgl. Dah­me/Trube/Wohlfahrt 2008; Eichinger 2009, S. 63ff.; Hollstein/Huber/ Schwep­pe 2010, S. 152ff.; Ziegler 2008, S. 90ff.). Von Migranten/Migrantinnen wird verlangt, sich in eine konstruierte – in dem hier aufgezeigten Untersu­ chungs­zusammenhang – Weiße Dominanzgesellschaft zu assimilieren (vgl. Leiprecht/Vogel 2008, S. 31; Römhild 2003, S. 13). Dabei wird die Zuständigkeit und Aufgabe, mit pluralen Lebenswelten umzugehen, einseitig den Individuen zugeschrieben, ohne Vielfalt (auch) als gesellschaftliche Herausforderung zu verstehen. Die Studie illustriert die zahlreichen Strategien von Afro Hair Salonbetreibenden, die darauf zielen, in Deutschland mit ihren Salons wahrgenommen und gesellschaftlich eingebunden zu werden. Dabei weisen die Un­ternehmer/-innen auch auf die gesellschaftliche Verantwortlichkeit hin, ihnen Partizipation und Zugehörigkeit zu ermöglichen. In der Sozialen Arbeit existieren Praxisansätze, die an dieser Stelle interessant sind, insofern sie den Staat oder gesellschaftliche Organisationen involvieren. In den 1990er Jahren entstand im pädagogischen Kontext der auf Oragnisationsentwicklung zielen-

Herausforderungen für die Soziale Arbeit

de Ansatz der Interkulturellen Öffnung (vgl. Barwig/Hinz-Rommel 1995). Er diskutiert, wie pädagogische und gesellschaftliche Institutionen strukturiert werden müssen, um individuellen und lebensweltlichen Verschiedenheiten gerecht zu werden und soziale Ausgrenzung zu verhindern (vgl. u.  a. Griese/ Marburger 2012; Schröer 2006; 2007; Foitzik 2010). Der Begriff des Interkulturellen wird – gleichwohl aufgrund der Aufrechterhaltung einer binären Logik zu Recht kritisierbar – in einem weiten Sinn gefasst und bezieht sich nicht ausschließlich auf migrationsspezifische Phänomene, sondern soziokulturelle Belange in einem breiten Verständnis. Der Ansatz zielt darauf, Unterschiedlichkeit und verschiedenen Interessen anzuerkennen und in organisationale Leitbildern einzubinden (vgl. Schröer 2009, S. 206). Interkulturelle Öffnung »soll Zugangsbarrieren in Organisationen für Minderheiten abbauen, die Angebote und Maßnahmen der infrastrukturellen und individuellen Versorgung an die […] Bevölkerungsgruppen anpassen sowie differenzierte und auf die sozio-kulturellen Gruppen angepasste Angebote und Maßnahmen erstellen« (Mayer/Vanderheiden 2014, S. 35). Dabei ist es notwendig, dass mit der Idee interkultureller Öffnung neben sozialen Einrichtungen auch Kommunen, Behörden und andere Dienste in den Fokus rücken (vgl. Terkessidis 2010). Interkulturelle Öffnung fordert Gesell­schafts­strukturen im Ganzen heraus, sich mit der Pluralität von Lebensentwürfen und Interessen mitzuverändern, sodass Akteure/Akteurinnen Lebensziele und -interessen verwirklichen können und in ihren Hand­lungs­mächtigkeiten gestärkt werden. In Bezug auf die Studienergebnisse stellt sich die Frage, wie eine an Interkultureller Öffnung orientierte Soziale Arbeit zu einer Verbesserung der Situation von Herrn Ayele, Frau Assogba und Frau Damale und zum Abbau sozialer Ausgrenzung im Kontext von migrantischen Unternehmen beitragen kann. Hafen und Gretler Heusser (2008, S. 236) schlagen eine Unterstützung von Institutionen – zu denken sei an die Handwerkskammern oder die Arbeitsagenturen – in der Imple­mentierung partizipativer Ansätze durch die Soziale Arbeit vor. Im konkreten Fall könnte dies bedeuten, den Dialog mit Handwerkskammern, städtischen Behörden, Medienvertretern/Medienvertreterinnen sowie ge­setz­ge­ben­ den Instanzen zu suchen und gemeinsam mit den Betreibenden von Afro Hair Salons Strategien zu entwickeln, die dazu führen, dass institutionelle Strukturen verändert, erweitert und soziale Ausgrenzungspraxen abgebaut werden. Die Ergebnisse der Fallanalysen veranschaulichen, dass migrantische Unter­ nehmer/-innen unter schwierigeren Gründungsbedingungen leiden als nichtmigrantische Gründer/-innen (vgl. Kap. 3.2). Sie sind von sozialen Ausgrenzungs- und Diskriminierungspraktiken auf Behörden betroffen (wie im Fall von Lilly Damale) und aus unternehmerischen und urbanen Netzwerken ausgeschlossen (wie im Fall von Aron Ayele). Hier bedarf es einer Förderpraxis, die Akteuren/Akteurinnen in ihrem Zugang zu finanziellen, aber auch netzwerkbezogenen Ressourcen unterstützt und für einen gleichberechtigten Um-

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

gang eintritt. Nuissl und Schmiz (2013) verlangen in ihrer Untersuchung1 zu Förderstrukturen in Deutschland deren Ausbau, da migrantische Unter­neh­ mer/-innen nur vereinzelt als förderungswürdige Akteure/Akteurinnen betrachtet würden. Es sei notwendig, neben bildungs- und sozialpolitischen Unterstützungsangeboten auch Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung zu betreiben und die Potenziale von migrantischen Unternehmern/Unternehmerinnen zu sehen. Idik (2010) plädiert dafür, »die strikte Trennung von wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Aufgaben« (ebd., S. 35) abzubauen, um migrantische Unternehmen adäquat zu unterstützen. Als GoodPrac­tice-Beispiel führt er das Büro für Wirtschaftsentwicklung in Duisburg an, das mit einem interkulturellen Personalstab Existenzgründer/-innen berät, bei der Raumbeschaffung unterstützt und mit anderen Stellen vernetzt ist (vgl. ebd., S. 36f.). In die Entwicklung von Angebotsstrukturen gilt es zum einen, migrantische Unternehmer/­-in­nen aktiv einzubeziehen und als Teil des Prozesses zu begreifen. Zum anderen muss vermieden werden, »dass gut gemeinte Hilfestellung in Diskriminierung umkippt« (Bittner/Lippert/Rolfsmeier 2011, S. 273). Husseini de Araújo und Weber (2011) betonen in ihrer Studie zu migrantischem Unternehmertum in Nürnberg, in deren Rahmen sie Interviews mit migrantischen Unternehmern/Unternehmerinnen und Vertretern/ Ver­tre­terinnen von Behörden, Vereinen und der Stadt geführt haben, dass Unternehmer/-innen mit Migrationshintergrund nur teilweise die Idee gezielter Förder- und Partizipationsstrukturen befürworten. Manche der Befragten sprechen sich dagegen aus, weil sie die Kategorisierung als ›migrantisches Unternehmertum‹ als stigmatisierend empfinden. Husseini de Araújo und Weber zeigen, dass Maßnahmen sensibel konzipiert und betitelt werden sollten und wie bedeutsam ein Einbezug der Unternehmer/-innen ist, um nicht an deren Interessen vorbei zu agieren. Förderpraxen, die migrantische Unternehmer/innen gezielt adressieren, können problematisch sein, wenn sie in einer marginalisierenden Weise etikettieren und darüber hinwegtäuschen, dass sich Strukturen auch im Ganzen ändern müssen. Entsprechend verdeutlicht der Fall von Aron Ayele, dass das Ausbildungsprofil des Afrohairstylisten/der Afrohairstylistin in das berufliche Ausbildungssystem aufgenommen werden könn­te. Ein solcher Schritt würde den Friseurberuf in Deutschland insgesamt erweitern und verändern und mehr als ein bloßes Hinzufügen eines Angebots bedeuten. Ein Beispiel für eine partizipative Kooperation von Behörden und Afro Hair Salonbetreibenden findet sich in den Niederlanden. Dort führte das Zentrum für Innovationen in der allgemeinen und beruflichen Bildung 1 | Nuissl und Schmiz (2013, S. 184) haben eine internetgestützte Dokumentenana­ lyse durchgeführt, um die Förderstrukturen für migrantische Unternehmer/-innen auf kommunaler Ebene zu erfassen. Sie untersuchten die Angebote in 107 Gemeinden und zehn Landkreisen, die im Zuge einer Quotenstichprobe ausgewählt wurden.

Herausforderungen für die Soziale Arbeit

(CINOP) in den 1990er Jahren eine Studie zum genauen Tätigkeitsbereich von Afrohairstylisten/Afrohairstylistinnen durch. Hierfür wurden 68 Afro Hair Salons in den Niederlanden aufgesucht. Die befragten Akteure/Akteurinnen beteiligten sich zu 80 Prozent an der Studie, in deren Folge ein Berufsprofil zu den üblichen Tätigkeiten von Afrohairstylisten/Afrohairstylistinnen erstellt wurde. Auf Basis des Berufsprofils wurde ein Ausbildungs- und Qualifikationsprofil konzipiert. Seitdem ist der ›Afro-Kapper‹ in den Niederlanden ein Ausbildungsberuf, der jedermann und jederfrau zugänglich ist (vgl. European Centre for the Development of Vocational Training CEDEFOP 1999; KOC Nederland 2012). Hierdurch ist ein Vergleich von Kenntnissen einer Person, die das Handwerk z.B. in einem afrikanischen Land, den USA oder Großbritannien erworben hat mit dem erarbeiteten Berufs- und Qualifizierungsprofil in den Niederlanden möglich. Zudem wurde einheitlich geklärt, welche Voraussetzungen zur Saloneröffnung erfüllt werden müssen, was den Weg in die Selbstständigkeit transparent macht und vereinfacht. Der Tätigkeitsbereich verharrt nicht in einer randständigen Position, sondern wurde in die nationalstaatlich gerahmte Normalität aufgenommen. Die Inkorporation des Berufs in das Berufsausbildungssystem spiegelt einen formellen Akt der Anerkennung der mit dem Beruf einhergehenden Wissensbestände wider, die zertifiziert und messbar gemacht wurden. Wie aufgezeigt, kann in Deutschland derzeit keine Ausbildung im Afrohairbusiness absolviert und keine Prüfung abgelegt werden, wodurch für Interessierte die Notwendigkeit entsteht, sich die beruflichen Kenntnisse im Ausland anzueignen. Wer einen Afro Hair Salon eröffnen möchte, muss seinen Betrieb entweder dadurch legitimieren, dass er oder sie den Meistertitel im Frisierhandwerk in Deutschland ablegt, der jedoch keine Lehrelemente des Afrohairbusiness enthält, oder er oder sie erlangt eine Ausnahmegenehmigung, deren Kriterien undurchsichtig sind. Der Begriff der Ausnahme verweist bereits auf die ›Andersartigkeit‹ der Situation gegenüber einer als üblich erachteten Normalität. Das Wortpaar ›Ausnahmeregelung‹ drückt die Intention aus, das vermeintlich ›Andersartige‹ in den Griff zu bekommen und Sonderregelungen zu schaffen, ohne strukturelle Änderungen vorzunehmen. Stattdessen obliegt es den zukünftigen Salonbetreibenden, ihre Kenntnisse nachzuweisen und deren Relevanz im nationalstaatlichen System aufzuzeigen, sodass ihnen eine Integration ihrer Anliegen bei gleichzeitiger Marginalisierung zugestanden werden kann. Dass ein solches Vorgehen keine nachhaltige Lösung darstellen kann, betont auch Terkessidis (2010. S. 8f.). Für ihn stellt der institutionelle Umbau – wie beispielsweise einer Handwerkskammer – eine der zentralen Herausforderungen im Umgang mit gesellschaftlicher Vielfalt dar. Ausgangspunkt muss sein, Hürden in der Realisierung von Zielen aus der Perspektive von Akteuren/Akteurinnen zu identifizieren und von diesen Hindernissen aus neue Anforderungen an institutionelle Settings zu formulieren. Eine Praxis von Ausnahmeregulierungen geht eine tatsächli-

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

che Umgestaltung von Institutionen nicht an. Ziel ist zunächst die Erhaltung eines Status quo unter Zugeständnis von Ausnahmen, die partiell in das System einbezogen werden. De facto werden keine Neuerungen geschaffen und die Situation gestaltet sich im Fall der Eröffnung von Afro Hair Salons als unübersichtlich. Ein fehlendes einheitliches Vorgehen und die verschiedenen regulativen Instrumente können Gründungsvorhaben blockieren statt – wie im »Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen« intendiert – befördern. Damit allen Akteuren/Akteurinnen, auch Drittstaatenangehörigen, die Aufnahme einer Selbstständigkeit möglich werden kann, müssen Barrieren, wie in den Niederlanden geschehen, abgebaut werden.

6.3  A usgrenzende D iskurse tr ansformieren :         D iversit y P olitics als C hance Neben einer Einbeziehung von migrantischen Unternehmen und ihrer Wissensbestände in nationalstaatliche Berufsausbildungssysteme und der Entwicklung bedarfsorientierter Unterstützungsformen formuliert eine Gründungsberaterin 2 als Aufgabe, migrantische Gründer/-innen in ihren Ideen zu »bestärken« und zu unterstützen, gesellschaftlich »sichtbar« zu werden: »und auch […] mit Recht auch eh stolz auf […] [ihr] Produkt (.) zu sein. (.) Und sich zu trauen das eben auch nach außen hin zu tragen und […] durchaus auch aus der eigenen Community heraus um auch […] im Rahmen von diesem ganzen Integrati­ onsthema […] sichtbar zu werden auch zu positionieren mit den Kompetenzen (.) mit allem was man hat«. (I. Gründungsberaterin 518-523)

Die Beraterin benennt ein individuelles Zusprechen ebenso wie die gesellschaftliche Funktion ihrer Tätigkeit. Damit gehe einher, die eigene »Herkunft […] als Stärke zu sehen […]. Und nicht als Defizit. Oder als was (.) was man verstecken muss […] oder wo man so unaufällig wie möglich sein muss (und) dann eben als Stärke zu sehen als Bereicherung hier für für eh die Gesellschaft hier« (I. Gründungsberaterin 543-546). Die Fallanalysen haben gezeigt, dass Afro Hair Salonbetreiber/-innen bemüht sind, ihr Wissen und ihre Kompetenzen aufzuzeigen, und sich ihrer Ressourcen durchaus bewusst sind. Gleichwohl 2 | Die interviewte Beraterin arbeitet in einer Gründungsberatung in dem Untersu­ chungsraum und bietet Existenzgründungsberatungen für MigrantInnen an. Sie hat im Zuge der Anfrage von Frauen mit afrikani­s chem Migrationshintergrund eine Informa­ tionsveranstaltung für diese Gruppe angeboten und einige Afro Hair Salonbetreibende auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit begleitet.

Herausforderungen für die Soziale Arbeit

ist über diese individuellen Bemühungen hinaus eine gesellschaftliche Weiterentwicklung vonnöten. Die Beraterin formuliert als Wunsch für die Zukunft, dass ein von einer Migrantin oder einem Migranten betriebenes Unternehmen mit seinen Dienstleistungen und Produkten »anders wahrgenommen wird. […] Dass das gar nich mehr als fremd wahrgenommen wird, sondern eben der Mensch mit seinen Fähigkeiten gesehen wird« (I. Gründungsberaterin 679680). Sie verweist – wie die Salonbetreibenden auch – auf die Notwendigkeit, binäre Wahrnehmungsmuster wie ›fremd‹ und ›einheimisch‹, ›Wir‹ und ›die Anderen‹ zu durchbrechen. Dieser Auftrag gilt als Maßstab für eine an sozialer Gerechtigkeit orientierte Soziale Arbeit. Soziale Arbeit muss zum einen Mittler sein und Kooperationen ermöglichen, indem sie Unternehmer/-innen mit Migrationshintergrund mit Stellen wie einer Exis­tenzgründungsberatung zusammenführt sowie dabei unterstützt, ihr Wissen und ihre Kompetenzen sichtbar zu machen und Hürden abzubauen. Zum anderen ist sie gefordert, stigmatisierende und ausgrenzende Wahrnehmungsmuster zu dekonstruieren. Es ist wichtig, dass praktische Ansätze eine Verfestigung und Naturalisierung von Minderheitenstatus und Normalitätsvorstellungen, die migrantische Unternehmer/-innen ausgrenzen, verhindern und abbauen. Durch eine Fokussierung auf vermeintliche und tatsächliche Unterschiede von Akteuren/ Akteurinnen besteht jedoch potenziell die Gefahr, sie auf bestimmte Merkmale festzuschreiben, was Intentionen wie von Frau Damale, binäre Schemata wie Schwarze und Weiße, Afro und White Salons zu durchbrechen, zuwiderlaufen kann (vgl. Hormel 2008). Besonders problematisch wäre, würden partizipative Ansätze Personen in essenzialistischer Art und Weise als different gegenüber Anderen positionieren und dazu beitragen, eine binäre Unterscheidung in ein ›Wir‹ und ›die Anderen‹ aus der Perspektive einer Dominanzkultur aufrechtzuerhalten (vgl. Kubisch 2003, S. 5). Als Ausweg aus diesem Problem eignet sich ein konzeptioneller Rahmen, der »sich mit der Vielzahl differierender Subjektpositionen und den unterschiedlichen Machtlinien und -achsen […], die diese Positionen hervorbringen« (Mecheril 2008, o.  S.) beschäftigt. Munsch (2010) spricht von »Diversity Politics«, für welche »die Veränderung von Machtstrukturen und Hierarchien im Vordergrund« steht. Ziel ist »die Veränderung der öffentlichen Sphäre und ihrer Diskurse« (ebd., S. 153). Die Studienergebnisse zeigen, dass sich migrantische Unternehmer/-innen von Diskursen verletzt fühlen, die sie und ihre Betriebe als different und ›nicht-zugehörig‹ in Deutschland markieren. Insbesondere wurde die Problematik deutlich, dass Schwarzsein und Deutschsein von Dritten als sich ausschließend verstanden wird und Weißsein als unmarkierte Dominanzkultur fungiert. Aufgabe Sozialer Arbeit ist, Rassismuskritik zu betreiben und Rassismus als soziale Struktur zu thematisieren, die gesellschaftsstrukturierend wirkt:

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland »Dies ermöglicht die Dekonstruktion der unserem Gesellschaftssystem zugrunde liegenden Normen und Werte in [sic] Hinblick auf rassistische Hierarchisierung und Überlegenheitsanspruch, deren Selbstverständ­ l ichkeit und scheinbare universelle Gültigkeit« (Amesberger/Halbmayr 2008, S. 4).

Auf einer praktischen Ebene muss Soziale Arbeit dort agieren, wo Diskurse über (Nicht-)Zugehörigkeit geführt werden und eine rassismuskritische, diversitätsreflexive Bildungsarbeit auf allen gesellschaftlichen Ebenen leisten (vgl. Scharathow/Leiprecht 2009). Auf einer Mikroebene gilt es, im schulischen Unterricht, in der Jugendarbeit und Erwachsenenbildung die Nicht-Anerkennung und Markierung Schwarzer Menschen zu thematisieren, auf die Geschichte Schwarzer Menschen in Deutschland aufmerksam zu machen und Funktions­ mechanismen einer Weißen Dominanzkultur zu erörtern. Andere Ansätze können die einer antirassistischen Bildungsarbeit in Unternehmen, der Polizei und anderen Behörden sein. Auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene ist Soziale Arbeit gefordert, in öffentlichen und politischen Prozessen ihre Stimme zu erheben, an öffentlichen Diskussionen teilzunehmen und auf sich in Gesetzen niederschlagende Verständnisse von ›Integration‹ Einfluss zu üben (vgl. Seithe 2014, S. 124). Ihr kommt eine über die Arbeit mit dem Einzelfall hinausreichende Funktion zu, die darin besteht, sozialen Wandel »als Veränderung der sozialen Regeln von Interaktions- und Machtstrukturen, die mehr soziale Gerechtigkeit oder weniger Ungerechtigkeit bewirken« (Staub-Bernasconi 2009, S. 138), zu initiieren. Neben der Thematisierung von Herausforderungen in fachlichen Sphären ist sie angehalten, in öffentlichen Arenen zu agieren und sich darauf zu konzentrieren, »politische Entscheidungslogik[en] zu dechiffrieren, zu verstehen und sodann zu beeinflussen« (Bütow/Chassé/ Lindner 2014, S. 15). In ihrem Wirkfeld muss sie ihre eigene Positioniertheit, ihre eigenen Deutungsmuster sowie Handlungspraxen reflektieren (vgl. Rommelspacher 2012). Da Soziale Arbeit seit jeher eine differenzbearbeitende Disziplin ist, die Einfluss darauf hat, welches Verhalten und welche gesellschaftlichen Zustände als ›normal‹ und welche als ›abweichend‹ betrachtet werden, verpflichtet sie sich, besonders empfindsam vorzugehen und ihre Normalitätsvorstellungen permanent kritischen Reflexionen unterziehen: »Eine kritisch-reflexive Soziale Arbeit würde sich dann nicht allein als Bearbeitung von bestehenden Ungleichheiten, Benachteiligungen, sondern auch als Teil dieser normie­ renden Differenzordnungen begreifen, einer Ordnung, die Normierungen, Ausschlüsse und Diskriminierungen von Subjekten immer auch erst bedingt« (Plößer 2010, S. 224).

Ausgrenzung fördernde und fixierende gesellschaftliche und von Sozialer Arbeit selbst (re-)produzierte Deutungsmuster, Normen und Diskurse, die sich in der Kooperation mit Institutionen, migrantischen Unternehmern/Unterneh-

Herausforderungen für die Soziale Arbeit

merinnen, Behörden und im sozialarbeiterischen Tun zeigen, müssen in ihren machtvollen Wirkweisen analysiert werden: Werden ausschließende und binäre Kategorisierungen hervorgebracht, ermöglicht und festgeschrieben? Welche latenten und expliziten Barrieren werden hierdurch geschaffen? Wie und wo schaffen sie Differenz? Werden entsprechende Prozesse in Institutionen und Organisationen thematisiert, bearbeitet und werden Veränderungen angestoßen und umgesetzt? Werden Exotisierungen oder andere Formen sozialer Ausgrenzung identifiziert, stellt sich die Einnahme einer dekonstruktiven Perspektive als unabdingbar heraus. Eine dekonstruktive Soziale Arbeit befragt Vorstellungen von Normalität und Differenz und stellt Praxen und Leitlinien um. Dabei ist eine zentrale Aufgabe, den Eigendeutungen der betreffenden Sub­jekte Raum zur Artikulation zu verschaffen. Ihnen muss die Möglichkeit eingeräumt werden, Normalitätsvorstellungen – beispielsweise darüber, wer zu Deutschland gehört und wer eine Ausländerin oder Inländerin ist – zu irritieren und verändern (vgl. ebd., S. 229f.). Neben den Perspektiven der betroffenen Akteure/Akteurinnen ist es bedeutsam, Prozesse der Markierung – wie eine Exotisierung von migrantischen Unternehmern/Unternehmerinnen in medialen Darstellungen als ›anders‹ durch eine Weiße Dominanzgesellschaft – in ihren Auswirkungen zu reflektieren und die Perspektive nicht ausschließlich auf die Markierten, sondern auf Prozesse der Markierung zu richten. Für die Soziale Arbeit zeigen sich plurale Ansatzpunkte, um Ausgrenzungsprozesse von migrantischen Unternehmern/Unternehmerinnen abzubauen. Wichtig ist, dass sie sich nicht damit begnügt, gemeinsam mit diesen an der Schaffung von Partizipationsräumen mitzuwirken. Sie muss auch Sorge dafür tragen, dass Akteure/Akteurinnen in partizipativen Strukturen Wertschätzung zuteil wird und ihre Identitätsentwürfe, Handlungspraxen und Unternehmen als ›normal‹ betrachtet werden. Ein machtkritischer Diversity Politics-Ansatz bietet hierfür einen konzeptionellen und reflexiven Rahmen.

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Danksagung

Sehr herzlich danke ich meinem Betreuer Prof. Dr. Matthias D. Witte für die intensiven Gespräche über die Dissertation. Seine Rückmeldungen sind mir eine große Hilfe gewesen. Ich möchte weiter meinem Korreferenten Prof. Dr. Detlef Garz sehr herzlich danken für den anregenden wissenschaftlichen Austausch und sein hilfreiches Feedback. Mein herzlicher Dank gebührt ebenfalls den Sprechern des Forschungszentrums Sozial- und Kulturwissenschaften Mainz (SOCUM), Prof. Dr. Herbert Kalthoff und Prof. Dr. Walter Bisang, dem Koordinationsausschuss und der Arbeitsgruppe 2, für den bereichernden interdisziplinären Arbeitszusammenhang und die Förderung meiner Promotion und des Buches. Weiter danke ich Prof. em. Dr. Hans Günther Homfeldt, der seit Beginn meines Studiums eine große Unterstützung in allen Fragen meines Werdegangs in der Wissenschaft ist. Herzlich danken möchte ich meinem Partner Peter Faber, der mich in der Promotionsphase stets unterstützt hat. Selbst an seiner Dissertation arbeitend, habe ich die thematischen Diskussionen über Fächergrenzen hinweg als besonders spannend erlebt. Für die kollegiale Zusammenarbeit danke ich meinen Kollegen/Kolleginnen am Institut für Erziehungswissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie der Doktorandengruppe/Doktorandinnengruppe am SOCUM, insbesondere Tina Hollstein, Johannes Beetz und Gavaza Maluleke. Bei meiner Familie und meinem Freundeskreis bedanke ich mich für unterstützende Worte und ihr Verständnis dafür, in bestimmten Phasen in die eigene Arbeit ›abgetaucht‹ gewesen zu sein. Last, not least gebührt der größte Dank den in dieser Studie zu Wort kommenden Salonbetreibern/Salonbetreiberinnen, Salongästen und Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen. Ich danke ihnen für das entgegengebrachte Vertrauen und die Möglichkeit, teilnehmende Beobachtungen, Gespräche sowie Interviews durchzuführen sowie für die viele Zeit, die sie in den Austausch investiert haben. Ihnen ist die vorliegende Arbeit gewidmet.

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(Hrsg.): Migration und Integration. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Sonderheft Nr. 48. Wiesbaden: VS, S. 57-80. Witzel, Andreas (1985): Das problemzentrierte Interview. In: Jüttemann, Gerd (Hrsg.): Qualitative Forschung in der Psychologie. Grundfragen, Verfahrensweisen, Anwendungsfelder. Weinheim: Asanger Roland, S. 227-255. Witzel, Andreas (2000): Das problemzentrierte Interview [25 Absätze]. In: Forum Qualitative Sozialforschung/Forum Qualitative Social Research 1 (1). Art. 22. Abruf bar unter: http://www.qualitative-research.net/index.php/ fqs/article/view/%201132/2519 (Stand: 20.05.2015). Wolf, Fritz (2003): Alles Doku – oder was? Über die Ausdifferenzierung des Dokumentarischen im Fernsehen. Expertise des Adolf Grimme Instituts im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW, der Dokumentarfilminitiative im Filmbüro NW, des Südwestrundfunks und des ZDF. Abruf bar unter: http://www.lfm-nrw.de/fileadmin/lfm-nrw/Veranstaltungskalender/ allesdoku-kompl.pdf (Stand: 20.05.2015). Wong, Bernard (1998): Ethnicity and Entrepreneurship: The New Chinese Immigrants in the San Francisco Bay Area. Needham Heights: Allyn &Bacon. Yildiz, Erol (2011): Stadt und migrantische Ökonomie: Kultur der Selbständigkeit. In: Hillmann, Felicitas (Hrsg.): Marginale Urbanität. Migrantisches Unternehmertum und Stadtentwicklung. Bielefeld: transcript, S. 119-129. Ziegler, Holger (2008): Soziales Kapitel und agency. In: Homfeldt, Hans Günther/Schröer, Wolfgang/Schweppe, Cornelia (Hrsg.): Vom Adressaten zum Akteur. Soziale Arbeit und Agency. Opladen/Farmington Hills: Barbara Budrich, S. 83-106. Zinflou, Sascha (2004): Schwarze Organisierung in Deutschland. Geschichte und Politik der Initiative Schwarze Deutsche. In: Bechhaus-Gerst, Marianne/Klein-Arendt, Reinhard (Hrsg.): AfrikanerInnen in Deutschland und schwarze Deutsche – Geschichte und Gegenwart. Münster: Lit, S. 227-233.

Websites

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Migrantisches Unternehmer tum in Deutschland

Homepage Soziale Einrichtungen (2013): Initiative Schwarze Menschen in Deutschland – ISD Bund e.V.: Abruf bar unter: http://www.sozialeeinrichtungen.de/921_ Allgemeine_Sozialdienste_und_offene_Sozial arbeit/31829_Initiative_Schwarze_Menschen_in_Deutschland_ISD_ Bund_e_V_Franfurt_am_Main_Hessen.html (Stand: 29.01.2014). Onlineverzeichnis für Frisiertrainingskurse in Großbritannien (o.  J.): Ethnic Hairdressing training courses. Abrufbar unter: http://www.trainingandcour ses.com/all/ethnic-hairdressing-courses/default.html (Stand: 11.04.2013).

Filmmaterial

Dokumentarfilm »Roots Germania« (o.  J.): http://www.roots-germania.com (Stand: 29.01.2014). Kindersendung »Wissen macht Ah!« (2010): Folge »Wissen macht schön!«. Erst­ausstrahlung: 07.08.2010, Fernsehsender WDR. Reportage »Afrikanische Kultur in Frankfurt« (1996): Erstausstrahlung: 15.05. 1996, Fernsehsender HR. Reportage »Die Afrikaner oder Warum die Dschungelprinzessin einen Imbisswagen hat« (2000): Erstausstrahlung: 16.07.2000, Fernsehsender HR. Reportage »Die Kaiserstraße« (2000): Erstausstrahlung: 25.06.2000, Fernsehsender HR. Reportagenreihe »Stellungswechsel. Job bekannt-fremdes Land« (2011): Folge »Pfullendorf vs. Windhoek«. Erstausstrahlung: 23.08.2011, Fernsehsender Kabel 1.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Funktionslogiken von Rassismus  | 18 Abbildung 2: Klassische Modelle zur Erklärung migrantischen Unternehmertums  | 34 Abbildung 3: Anteil der einheimischen und im Ausland geborenen Selbstständigen an den Erwerbstätigen 2007-2008  | 37 Abbildung 4: Ablauf der Analyse in der vorliegenden Arbeit  | 75 Abbildung 5: Single Braids, Cornrows, Afro  | 87 Abbildung 6: Werbeanzeige einer Drogeriemarktkette, Januar 2012  | 118 Abbildung 7: Werbetafel auf einem Fest, Juni 2012  | 123 Abbildung 8: Aron Ayeles Strategien zur Bewältigung von Marginalität  | 171 Abbildung 9: Werbeflyer »AFRIK HAIR« der Afrohairstylistin Sophie Assogba  | 191 Abbildung 10: Zweiter Werbeflyer der Afrohairstylistin Sophie Assogba  | 199 Abbildung 11: Bildausschnitt aus Sophie Assogbas zweitem Werbeflyer  | 202 Abbildung 12: Präsentation von Haarteilen im Salon, Januar 2011  | 216 Abbildung 13: Sophie Assogbas Prozess der beruflichen Selbstverwirklichung  | 222 Abbildung 14: Lilly Damales Salonphilosophie als Rassismusbewältigung  | 273 Abbildung 15: Multiperspektivisches Analysemodell sozialer Ausgrenzung  | 299

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Durchschnittliche jährliche Zahl neuer Unternehmer/-innen, im Ausland und im Inland geboren, 1998-2008  | 37 Tabelle 2: Erhobenes Material  | 66 Tabelle 3: Transkriptionsregeln  | 68 Tabelle 4: Begriffswahl und Konstruktionen der Medienbeispiele (exemplarische Auswahl)  | 120 Tabelle 5: Rekonstruierte Funktionsmechanismen sozialer Ausgrenzung  | 276 Tabelle 6: Rekonstruierte Typen des Umgangs mit sozialer Ausgrenzung  | 277 Tabelle 7: Empirisch rekonstruierte und potentielle Typen zum Umgang mit sozialer Ausgrenzung  | 283 Tabelle 8: Erlebens- und Bewältigungsstrukturen sozialer Ausgrenzung  | 295

Kultur und soziale Praxis Marion Schulze Hardcore & Gender Soziologische Einblicke in eine globale Subkultur August 2015, 412 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2732-9

Marcus Andreas Vom neuen guten Leben Ethnographie eines Ökodorfes Juni 2015, 306 Seiten, kart., zahlr. Abb., 27,99 €, ISBN 978-3-8376-2828-9

Gesine Drews-Sylla, Renata Makarska (Hg.) Neue alte Rassismen? Differenz und Exklusion in Europa nach 1989 Mai 2015, 332 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2364-2

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Kultur und soziale Praxis Nadja Thoma, Magdalena Knappik (Hg.) Sprache und Bildung in Migrationsgesellschaften Machtkritische Perspektiven auf ein prekarisiertes Verhältnis April 2015, 352 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2707-7

Désirée Bender, Tina Hollstein, Lena Huber, Cornelia Schweppe Auf den Spuren transnationaler Lebenswelten Ein wissenschaftliches Lesebuch. Erzählungen – Analysen – Dialoge Januar 2015, 206 Seiten, kart., 26,99 €, ISBN 978-3-8376-2901-9

Martina Kleinert Weltumsegler Ethnographie eines mobilen Lebensstils zwischen Abenteuer, Ausstieg und Auswanderung Januar 2015, 364 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2882-1

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Kultur und soziale Praxis Barbara Schellhammer »Dichte Beschreibung« in der Arktis Clifford Geertz und die Kulturrevolution der Inuit in Nordkanada

Anamaria Depner Dinge in Bewegung – zum Rollenwandel materieller Objekte Eine ethnographische Studie über den Umzug ins Altenheim

November 2015, ca. 450 Seiten, kart., ca. 49,99 €, ISBN 978-3-8376-3234-7

März 2015, 274 Seiten, kart., 32,99 €, ISBN 978-3-8376-2765-7

Wolfgang Stark, David Vossebrecher, Christopher Dell, Holger Schmidhuber (Hg.) Improvisation und Organisation Muster zur Innovation sozialer Systeme November 2015, ca. 370 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 35,99 €, ISBN 978-3-8376-2611-7

Judith Pies Wandel im Journalismus autoritärer Regime Das Beispiel Jordanien September 2015, 418 Seiten, kart., zahlr. Abb., 49,99 €, ISBN 978-3-8376-3139-5

Dorothee Schwendowius Bildung und Zugehörigkeit in der Migrationsgesellschaft Biographien von Studierenden des Lehramts und der Pädagogik August 2015, 560 Seiten, kart., 49,99 €, ISBN 978-3-8376-3194-4

Christian Wille (Hg.) Lebenswirklichkeiten und politische Konstruktionen in Grenzregionen Das Beispiel der Großregion SaarLorLux: Wirtschaft – Politik – Alltag – Kultur Juli 2015, 348 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2927-9

Verda Kaya HipHop zwischen Istanbul und Berlin Eine (deutsch-)türkische Jugendkultur im lokalen und transnationalen Beziehungsgeflecht März 2015, 380 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2910-1

Kristin Pfeifer »Wir sind keine Araber!« Amazighische Identitätskonstruktion in Marokko Februar 2015, 364 Seiten, kart., zahlr. Abb., 39,99 €, ISBN 978-3-8376-2781-7

Jacqueline Grigo Religiöse Kleidung Vestimentäre Praxis zwischen Identität und Differenz Februar 2015, 288 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2839-5

Tobias Marx Zigeunerkulturen im Wandel Über Roma-/Zigeunereliten in Bulgarien und Mazedonien Januar 2015, 388 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 44,99 €, ISBN 978-3-8376-2937-8

Anne Menzel Was vom Krieg übrig bleibt Unfriedliche Beziehungen in Sierra Leone Januar 2015, 404 Seiten, kart., 39,99 €, ISBN 978-3-8376-2779-4

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